Die Konigserhebung Friedrichs Des Schonen Im Jahr 1314: Kronung, Krieg Und Kompromiss [Aufl. ed.] 9783412505462, 3412505463

Die Kronung des Habsburgers Friedrich des Schonen im Bonner Munster am 25. November 1314 pragte das romisch-deutsche Kon

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Die Konigserhebung Friedrichs Des Schonen Im Jahr 1314: Kronung, Krieg Und Kompromiss [Aufl. ed.]
 9783412505462, 3412505463

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Matthias Becher, Harald Wolter-von dem Knesebeck (Hg.)

DIE KÖNIGSERHEBUNG FRIEDRICHS DES SCHÖNEN IM JAHR 1314 Krönung, Krieg und Kompromiss Unter Mitarbeit von Kim Alings und Christine Beyer

2017 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Erzbistums Köln und der Gielen-Leyendecker-Stiftung, Bonn.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Initiale aus der Chronik der 95 Herrschaften, Innsbruck, Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, Cod. 255, fol. 95v, König Friedrich der Schöne © Universitäts- und Landesbibliothek Tirol

© 2017 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Patricia Simon, Langerwehe Umschlaggestaltung und Repro: Satz + Layout Werkstatt Kluth, Erftstadt Satz: büro mn, Bielefeld Druck und Bindung: General Druckerei, Szeged Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-50546-2

Inhalt Abkürzungen bibliographischer Angaben  .. .......................................................  Vorwort  ...................................................................................................................... 

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Matthias Becher Die Krönung Friedrichs des Schönen in Bonn 1314. Einordnung und Bedeutung  ......................................................................................................... 

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Andreas Büttner Rituale der Königserhebung im Konflikt. Die Doppelwahl von 1314 – Verlauf, Deutung und Folgen  . . .............................................................................. 

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Mathias Schmoeckel Canonice electus. Die Wahl des rex Romanorum aus der Perspektive des kanonischen Rechts um 1300  . . ...................................................................... 

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Albert Gerhards De benedic­tione et corona­tione regis. Liturgie im Kontext politischer Repräsenta­tion  . . ........................................................................................................  105 Gerald Schwedler Familienmodell im Wandel. Zu korporativen und dynastischen Vorstellungen der Habsburger zur Zeit Friedrichs des Schönen  ...............................................  119 Christian Lackner Der erste ‚österreichische‘ Habsburger? Friedrich der Schöne und Österreich  ..........................................................................................................  149 Stefanie Dick Isabella von Aragón und Friedrich der Schöne: Heiratspolitik im ­­Zeichen des Königtums  ..........................................................................................................  165 Manfred Groten Die Rolle der nörd­lichen Rheinlande und des Kölner Erzbischofs bei der Wahl Friedrichs des Schönen  ..................................................................  181 Tafelteil  .......................................................................................................................  192

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Inhalt

Peter Kurmann Heinrich II. von Virneburg, der Koronator Friedrichs des Schönen als Donator des Dreikönigsfensters im Hochchor des Kölner Domes  ......  209 Claudia Garnier Im ­­Zeichen von Krieg und Kompromiss. Formen der symbo­lischen Kommunika­tion im frühen 14. Jahrhundert  ....................................................  229 Martin Clauss Ludwig IV. und Friedrich der Schöne. Wien – Mühldorf – München  .....  255 Florian Hartmann Briefgewohnheiten in ungewöhn­lichen Zeiten. Briefe und Brieflehren in Zeiten des Doppelkönigtums  ..........................................................................  271 Christian Freigang Zur Frage der Hofkunst im Reich und in Frankreich im 14. Jahrhundert  . 289 Harald Wolter-­von dem Knesebeck Kunstwerke aus dem Umfeld Friedrichs des Schönen  ....................................  303 Abbildungsnachweis  ...............................................................................................  345 Autorenverzeichnis  . . ................................................................................................  347 Personenregister  .......................................................................................................  351

Abkürzungen bibliographischer Angaben AfD

Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde AKKR Archiv für katholisches Kirchenrecht ALMA Archivum latinitatis medii aevi. Bulletin Du Cange AÖG Archiv für Österreichische Geschichte BDLG Blätter für deutsche Landesgeschichte Carinthia I Carinthia. Geschichtliche (ab 1950 volkskundliche) Beiträge zur Heimatkunde Kärntens CIG Christ in der Gegenwart DA Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters EDG Enzyklopädie deutscher Geschichte FmSt Frühmittelalterliche Studien FSGA Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe GLAK Generallandesarchiv Karlsruhe GdV Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit HRG Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte HZ Historische Zeitschrift LCI Lexikon der christlichen Ikonographie LexMA Lexikon des Mittelalters LJ Liturgisches Jahrbuch LThK Lexikon für Theologie und Kirche MGH Monumenta Germaniae Historica inde ab a.C. 500 usque ad 1500 MGH Briefe d. spät. MA MGH Epistolae. Briefe des späteren Mittelalters MGH Const. MGH Leges. Constitutiones et acta publica imperatorum et regnum MGH Dt. Chron. MGH. Deutsche Chroniken und andere Geschichtsbücher des Mittelalters MGH Fontes iuris N. S. MGH Fontes iuris Germanici antiqui. Nova series MGH LL MGH Leges (in Folio) MGH SS MGH Scriptores MGH SS rer Germ MGH Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi MGH SS rer Germ N. S. MGH Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi. Nova Series

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MIÖG MIÖG Erg.-Bd. NA NDB ÖZKD ÖStA RIHA Journal

RhVjbll RI TRE TRG VSWG, Beih. VL

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Abkürzungen bibliographischer Angaben

Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Ergänzungsbände Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde Neue deutsche Biographie Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege Österreichisches Staatsarchiv Journal of the International Association of Research Institutes in the History of Art Rheinische Vierteljahrsblätter. Mitteilungen des Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande an der Universität Bonn Regesta Imperii Theologische Realenzyklopädie Tijdschrift voor Rechtsgeschiedensis Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beiheft Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon Vorträge und Forschungen Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte Zeitschrift für historische Forschung Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft Zeitschrift für Kunstgeschichte Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Kanonistische Abteilung Zeitschrift für schweizerische Geschichte

Vorwort Am 25. November 1314 krönte im Bonner Münster Erzbischof Heinrich von Virneburg (1293 – 1353) den Habsburger Friedrich den Schönen (1289 – 1330) zum römisch-deutschen König. Die Bedeutung und Relevanz dieser Krönung ging weit über die Mauern der Stadt Bonn hinaus, weil einige Wochen zuvor in Frankfurt nicht nur er, sondern auch sein Vetter Ludwig der Bayer (1282 – 1347) zum König gewählt worden war. Ludwig wurde ebenfalls am 25. November gekrönt und zwar in Aachen, dem traditionellen Krönungsort. In der Folgezeit bekriegten sich beide Könige, gelangten nach über zehn Jahren jedoch zu einem bemerkenswerten Kompromiss. Sie einigten sich auf eine gemeinsame Herrschaft, ein sogenanntes Doppelkönigtum. In den kommenden Jahren sollte Friedrich jedoch nur noch eine Nebenrolle spielen, während Ludwig die Kaiserkrone gewann und auf Grund seiner Auseinandersetzung mit dem Papst wegen des sogenannten Armutsstreits innerhalb des Franziskanerordens bis heute eine über die Fachkreise hinaus bekannte Herrscherpersönlichkeit geblieben ist, die etwa auch in Umberto Ecos „Der Name der Rose“ Erwähnung fand. Aus Anlass der 700. Wiederkehr der Krönung Friedrichs des Schönen zum römisch-deutschen König fand im Bonner Münster- Carré vom 27. bis 29. November 2014 eine interdisziplinäre Tagung statt, um auf seine Bedeutung hinzuweisen und damit die einseitige Konzentration der Forschung auf seinen Vetter Ludwig den Bayern wenigstens ein Stück weit zu relativieren. Die Organisation einer Tagung und ihre Drucklegung in einem Sammelband erfordern immer eine Vielzahl an Helfern, denen die Herausgeber gerne ausdrücklich danken möchten. An erster Stelle sind die Gielen-Leyendecker-Stiftung und das Bonner Mittelalterzentrum zu nennen, die die Tagung großzügig gefördert haben. Die Gielen-Leyendecker-Stiftung leistete auch einen namhaften Druckkostenzuschuss, ebenso das Generalvikariat des Erzbistums Köln. Dem Bonner Stadtdechanten, Msgr. Wilfried Schumacher, war die Tagung trotz seiner vielfältigen anderen Aktivitäten rund um das Krönungsjubiläum eine Herzensangelegenheit, und das Team des Münster- Carrés betreute die Veranstaltung verlässlich und routiniert. Natürlich sind auch die Referentinnen und Referenten zu nennen, die zum Teil weite Anreisen auf sich genommen haben und mit ihren fundierten Vorträgen spannende und weiterführende Diskussionen angeregt haben. Unser größter Dank aber gilt Frau Kim Alings, M. A., und Frau Christine Beyer, M. A., bei denen die Durchführung sowohl der Tagung als auch der Drucklegung in den besten Händen lagen. Sie wurden unterstützt vom Hilfskraftteam des Lehrstuhls für Mittelalterliche Geschichte. Die

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Vorwort

Zusammenarbeit mit Frau Dorothee Rheker-­Wunsch, Frau Julia Beenken und und Frau Susanne Kummer vom Böhlau Verlag in Köln war stets angenehm und zielorientiert. Auch ihnen sei an dieser Stelle gedankt. Bonn, im Sommer 2016

Matthias Becher und Harald Wolter-­von dem Knesebeck

Die Krönung Friedrichs des Schönen in Bonn 1314 Einordnung und Bedeutung Matthias Becher Die zweite Hälfte des 13. und das beginnende 14. Jahrhundert gelten als eine Epoche des Übergangs, vor allem für die Verfassung des römisch-­deutschen Reiches.1 Michael Menzel bezeichnete sie daher als „eine Zeit der Entwürfe“.2 Mit dem Tod ­Kaiser Friedrichs II. im Jahr 1250 ging die Herrschaft der ­Staufer ihrem Ende entgegen. Seine Nachfahren konnten sich im Reich nicht mehr durchsetzen und starben zudem mit seinem Enkel Konradin 1268 im sogenannten Mannesstamm aus. Politisch dominierten künftig die Territorialfürsten, während das Königtum nur noch eine untergeordnete Rolle spielte. Es bildete sich keine kontinuier­liche Dynastie mehr heraus, sondern nach dem Tod eines Königs wurde ein Angehöriger einer anderen Adelsfamilie zum König gewählt. Die mächtigsten Fürsten reklamierten in dieser Zeit das Recht der Königswahl für sich – die sieben Kurfürsten.3 Im Einzelnen waren dies die Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier, der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen, der Markgraf von Brandenburg und der König von Böhmen, also drei geist­liche und vier welt­liche Fürsten. Am 24. August 1313 starb Heinrich VII. aus der Familie der Luxemburger während seines Italienzuges, auf dem er in Rom auch zum ­Kaiser gekrönt worden

1 Vgl. etwa Peter Moraw, Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung. Das Reich im späten Mittelalter 1250 bis 1490, Berlin 1985; Malte Prietzel, Das Heilige Römische Reich im Spätmittelalter, Darmstadt 2004; Martin Kaufhold, Deutsches Interregnum und euro­päische Politik. Konfliktlösungen und Entscheidungsstrukturen 1230 – 1280, Hannover 2000. 2 Michael Menzel, Die Zeit der Entwürfe. 1273 – 1347 (Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte 7a), Stuttgart 102012. 3 Zusammenfassend Franz-­Reiner Erkens, Kurfürsten und Königswahl. Zu neuen Theorien über den Königswahlparagraphen im Sachsenspiegel und die Entstehung des Kurfürstenkollegiums (MGH Studien und Texte 30), Hannover 2002.

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war.4 Mehr als ein Jahr lang dauerte die Suche nach einem Nachfolger.5 Zunächst schien es, als ob sein Sohn Johann (1296 – 1346), seit 1310 König von Böhmen, die meisten Unterstützer haben würde. Aber auch Friedrich (1289 – 1330), ­später benannt als ‚der Schöne‘ und das Oberhaupt der Habsburger, strebte nach der Krone. Er war der Enkel König Rudolfs von Habsburg (1218 – 1291) und Sohn König Albrechts I. (ca. 1255 – 1308) und wollte diese Familientradi­tion fortsetzen.6 Im Frühjahr 1314 erreichte Friedrich dank reicher Geldzahlungen und sonstiger Gunsterweise, dass ihm drei Kurfürsten ihre Stimme zusagten: Pfalzgraf Rudolf bei Rhein (1306 – 1353), Markgraf Woldemar von Brandenburg († 1356) und vor allem Erzbischof Heinrich von Köln (1244 – 1332) aus der Familie der Grafen von Virneburg.7 Der Erzbischof und der Habsburger sicherten ihre ­Zusammenarbeit 4 Zu ihm vgl. etwa Malte Heidemann, Heinrich VII. (1308 – 1313). Kaiseridee im Spannungsfeld von staufischer Universalherrschaft und frühneuzeit­licher Partikularautonomie (Studien zu den Luxemburgern und ihrer Zeit 11), Warendorf 2008; Euro­päische Governance im Spätmittelalter. Heinrich VII. von Luxemburg und die großen Dynastien Europas, hg. von Michel Pauly in Zusammenarbeit mit Martin Uhrmacher – Hérold Pettiau (Publica­tions de la Sec­tion Historique de l’Institut G.-D. de Luxembourg 124 = Publica­ tions du CLUDEM 27), Luxemburg 2010; Vom luxembur­gischen Grafen zum euro­päischen Herrscher. Neue Forschungen zu Heinrich VII., hg. von Ellen Widder (Publica­tions du CLUDEM 23), Luxemburg 2008. 5 Hierzu und zum Folgenden vgl. v. a. Hans-­Dieter Homann, Kurkolleg und Königtum im Thronstreit von 1314 – 1330 (Miscellanea Bavarica Monacensia 56), München 1974, S.  7 – 125; Heinz Thomas, Ludwig der Bayer (1282 – 1347): K ­ aiser und Ketzer, Regensburg 1993, S. 43 – 56; Michael Richard Brabänder, Die Einflußnahme auswärtiger Mächte auf die deutsche Königswahlpolitik vom Interregnum bis zur Erhebung Karls IV. (Euro­päische Hochschulschriften III/590), Frankfurt a. M. u. a. 1994, S. 155 – 177; Andreas Büttner, Der Weg zur Krone. Rituale der Herrschererhebung im spätmittelalter­lichen Reich, 2 Bde. (Mittelalter Forschungen 35), Ostfildern 2012, S. 294 – 313. 6 Zu seiner Politik und Person noch immer maßgebend Alphons Lhotsky, Geschichte Österreichs seit der Mitte des 13. Jahrhunderts (1281 – 1358). Neubearbeitung der Geschichte Österreichs von Alfons Huber, Bd. 2,1 (Veröffent­lichungen der Kommission für die Geschichte Österreichs 1), Wien 1967, S. 169 – 309, dessen Urteil über Friedrich sehr harsch ausfällt; ausgewogener urteilen Karl-­Friedrich Krieger, Die Habsburger im Mittelalter. Von Rudolf I. bis Friedrich III., Stuttgart 22004, S.  110 – 127; Alois Niederstätter, Die Herrschaft Österreich. Fürst und Land im Spätmittelalter (Österreichische Geschichte 1278 – 1411), Wien 2001, S.  113 – 131. 7 Zu ihm vgl. Ulrich Seng, Heinrich II. von Virneburg als Erzbischof von Köln. Studien zur Kölner Kirchengeschichte, Siegburg 1977; Michael Maiworm, Kurfürst Heinrich II. Graf von Virneburg und seine Zeit: Kirchenmann, Königsmacher, Krisenmanager – Annäherung an den Olper Stadtgründer, in: Olpe in Geschichte und Gegenwart 18/19 (2010/11), S.  13 – 4 0.

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zudem mit einem Ehebündnis ab: Friedrichs jüngerer Bruder Heinrich (1299 – 1327) vermählte sich mit einer Nichte des Erzbischofs – eine große Ehre für das Grafengeschlecht der Virneburger.8 Auf Seiten des Luxemburgers standen hingegen sein Onkel, Erzbischof Balduin von Trier (ca. 1285 – 1354), sowie der Mainzer Erz­ bischof Peter von Aspelt (1245 – 1320).9 Die Fronten verhärteten sich immer mehr, sodass keiner der beiden Kandidaten eine Mehrheit erreichen konnte. Schließ­lich schwenkten Johanns Anhänger auf den Wittelsbacher Ludwig von Oberbayern (1282 – 1347) um und hofften, so die Wahl Friedrichs verhindern zu können. Dessen Vater Albrecht war vielen Fürsten nicht gerade in bester Erinnerung, da er versucht hatte, ihre Macht zu beschränken. Als Alternative zu Friedrich bot sich Ludwig der Bayer jedoch an, weil er selbst zwar kein Habsburger war, wohl aber der Sohn einer Habsburgerin und damit für Anhänger beider Lager akzeptabel.10 Ludwig dem Bayern gelang es zwar, eine Mehrheit der Kurfürsten zu gewinnen, indem er Woldemar von Brandenburg auf seine Seite ziehen konnte. Die Habsburger gaben sich jedoch nicht geschlagen, und so wurden schließ­lich sowohl Ludwig als auch Friedrich zu Königen gewählt.11 Am 19. Oktober fanden sich beide Kandidaten vor Frankfurt, dem tradi­tionellen Wahlort, ein. In die Stadt kamen sie allerdings nicht hinein: Die Bürger der Stadt wollten weder eine Vorentscheidung über die Nachfolge der Königsherrschaft treffen, indem sie nur einem der beiden den Zutritt gewährten, noch beide Kandidaten nebst bewaffnetem 8 Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 6), S. 225 mit Anm. 255. 9 Zu ihnen vgl. Balduin von Luxemburg, Erzbischof von Trier – Kurfürst des Reiches 1285 – 1354. Katalog zur Landesausstellung in Trier 1. Juni bis 1. September 1985, hg. von Franz-­Josef Heyen – Johannes Mötsch (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 53), Koblenz 1985; Verena Kessel, Balduin von Trier (1285 – 1354). Kunst, Herrschaft und Spiritualität im Mittelalter (Geschichte und Kultur des Trierer Landes 12), Trier 2012; Alois Ger­lich, Die Machtposi­tion des Mainzer Erzstiftes unter Kurfürst Peter von Aspelt (1306 – 1320), in: ders., Territorium, Reich und ­Kirche: Ausgewählte Beiträge zur mittelrheinischen Landesgeschichte. Festgabe zum 80. Geburtstag, hg. von Christiane Heinemann – Regina Schäfer – Sigrid Schmitt (Veröffent­lichungen der Historischen Kommission für Nassau 74), Wiesbaden 2005, S. 441 – 475; David Kirt, Peter von Aspelt (1240/45 – 1320) – Ein spätmittelalter­licher Kirchenfürst ­zwischen Luxemburg, Böhmen und dem Reich, Luxembourg 2013. 10 Zu ihm vgl. neben der grundlegenden Biographie von Thomas, Ludwig der Bayer (wie Anm. 5), nun auch Martin Clauss, Ludwig IV. – der Bayer. Herzog, König, ­Kaiser, Regensburg 2014; Ludwig der Bayer (1314 – 1347). Reich und Herrschaft im Wandel, hg. von Hubertus Seibert, Regensburg 2014. 11 Vgl. neben der in Anm. 5 genannten Literatur auch Ernst Schubert, Kurfürsten und Wahlkönigtum. Die Wahlen von 1308, 1314 und 1346 und der Kurverein von Rhens, in: Balduin von Luxemburg (wie Anm. 9), S. 103 – 118, hier S. 107 – 111.

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Anhang angesichts der sich abzeichnenden Auseinandersetzungen innerhalb ihrer Mauern sehen.12 Das Lager der Anhänger Friedrichs des Schönen befand sich in Sachsenhausen auf der linken Mainseite. Ludwig hatte dagegen seine Zelte auf der rechten Mainseite vor den Toren der Stadt aufgeschlagen. Sein Anhang war zahlenmäßig überlegen.13 Allerdings waren die Kurfürsten von Köln und der Pfalz, die beide zu Friedrich tendierten, noch nicht in Frankfurt eingetroffen. Ludwigs Anhänger versuchten, die Wahl um einen Tag zu verschieben, und wollten damit ihre Bereitschaft zu einer einmütigen Entscheidung betonen. Die Unterstützer Friedrichs kamen jedoch am ursprüng­lich anberaumten Wahltag zusammen und erhoben den Habsburger zum römisch-­deutschen König. In seiner Wahlanzeige an den Papst heißt es, man habe lange auf die fehlenden Kurfürsten gewartet, die sich aber nicht um die Wahl gekümmert hätten. Daher ­seien sie von dieser ausgeschlossen und ihre Stimmen für ungültig erklärt worden.14 Friedrich wurde von folgenden Kurfürsten gewählt: von Pfalzgraf Rudolf bei Rhein, der außerdem die Stimme des abwesenden Kölner Erzbischofs führte, von Herzog Heinrich von Kärnten († 1335) in seiner Eigenschaft als König von Böhmen sowie von Herzog Rudolf von Sachsen-­Wittenberg († 1356). Am 20. Oktober, also einen Tag s­ päter als Friedrich, wurde auch Ludwig von ‚seinen‘ Kurfürsten zum römisch-­deutschen König gewählt: den Erzbischöfen Peter von Mainz und Balduin von Trier, König Johann von Böhmen, Herzog Johann von Sachsen-­Lauenburg (ca. 1275 – 1322) und Markgraf Woldemar von Brandenburg. In ihrem Wahlbericht beteuerten sie, sie hätten am festgesetzten Wahltag auf den Erzbischof von Köln und den Pfalzgrafen gewartet. Da diese auch nicht am Folgetag erschienen ­seien, hätten sie sich berechtigt gesehen, die Wahl allein durchzuführen.15 An den konkurrierenden Wahlen wirkten also insgesamt neun Kurfürsten mit, obwohl ihre Zahl eigent­lich auf sieben begrenzt war. Allerdings war 1314 noch nicht abschließend geklärt, wer die Kurstimme tatsäch­lich führen durfte: Erbteilungen oder umstrittene Erbfolgen bewirkten nun, dass insgesamt mehr Kurstimmen abgegeben wurden als eigent­lich vorgesehen. Die beiden Herzöge von Sachsen waren Vettern, die Kurwürde aber ­zwischen ihnen umstritten.16 Daher

12 Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 6), S. 226. 13 Büttner, Der Weg zur Krone (wie Anm. 5), S. 305. 14 MGH Const. 5: 1313 – 1324, ed. Jakob Schwalm, Hannover – Leipzig 1909 – 1913 [künftig: MGH Const. 5], Nr. 94, Nr. 95, S. 89 – 93. 15 MGH Const. 5, Nr. 96 – 104, S. 93 – 104. 16 Vgl. Wolf-­Dieter Mohrmann, Lauenburg oder Wittenberg? Zum Problem des säch­sischen Kurstreites bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts (Veröffent­lichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen 8), Hildesheim 1975; Lorenz Friedrich

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reklamierten beide das Wahlrecht für sich. Heinrich von Kärnten war einst König von Böhmen gewesen, dann aber von Johann von Luxemburg vertrieben worden.17 Für die Wahl von 1314 beharrte Heinrich auf seiner Kurwürde.18 Angesichts dieser ungeklärten Fragen kann nicht entschieden werden, welcher der beiden Gewählten der rechtmäßige König des römisch-­deutschen Reiches war. Zwar hatte Ludwig mehr Wähler auf seine Seite gebracht, aber falls zwei von ihnen zu Unrecht ihre Stimme abgeben hatten, dann hatte Friedrich eine Mehrheit erlangt. Frei­lich galt das Mehrheitsprinzip bei Königswahlen (noch) nicht, und so war eine Situa­tion entstanden, die einen bewaffneten Konflikt unausweich­lich machte. Zunächst aber mussten beide Gewählten gekrönt werden – wäre einer der beiden an dieser Aufgabe gescheitert, so hätte dies seine Posi­tion von Anfang an erheb­lich geschwächt.

Die Krönung Nach der Wahl versuchte Friedrich der Schöne, nach Aachen, dem tradi­tionellen Krönungsort, zu ziehen, aber die Bürger der Stadt waren nicht bereit, ihm ihre Tore zu öffnen.19 Sie hielten es mit Ludwig dem Bayern, der am 25. November 1314 in Aachen von Erzbischof Peter von Mainz unter Assistenz Balduins von Trier gekrönt wurde – also am rechten Ort, aber vom falschen Koronator und mit den ‚falschen‘ Insignien.20 Friedrich hingegen wusste den tradi­tionellen Koronator auf seiner Seite – den Erzbischof von Köln. Doch auch die Kölner Bürger stellten sich

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Beck, Herrschaft und Territorium der Herzöge von Sachsen-­Wittenberg (1212 – 1422) (Bibliothek der Brandenbur­gischen und Preußischen Geschichte 6), Potsdam 2000, S. 223 ff.; Karlheinz Blaschke, Die säch­sische Kur: Askanier und Wettiner, in: König­liche Tochterstämme, Königswähler und Kurfürsten, hg. von Armin Wolf (Studien zur euro­päischen Rechtsgeschichte 152), Frankfurt a. M. 2002, S. 187 – 201. Zu ihm vgl. Johann der Blinde. Graf von Luxemburg, König von Böhmen. 1296 – 1346. Tagungsband der 9es Journées lotharingiennes. 22.–26. Oktober 1996, hg. von Michel Pauly (Publica­tions de la Sec­tion Historique de l’Institut G.-D. de Luxembourg 115 = Publica­ tions du CLUDEM 14), Luxemburg 1997; Die Erbtochter, der fremde Fürst und das Land. Die Ehe Johanns des Blinden und Elisabeths von Böhmen in vergleichender euro­päischer Perspektive, hg. von Michel Pauly (Publica­tions du CLUDEM 38), Luxemburg 2013. Zu ihm vgl. Hermann Wiesflecker, Art. Heinrich VI., Herzog von Kärnten, Graf von Tirol, König von Böhmen und Polen (1307 – 10), in: NDB (1969), S. 361 – 363. Vgl. hierzu und zum Folgenden den Beitrag von Andreas Büttner in ­diesem Band. Zur Behandlung des Insignienproblems durch die Forschung vgl. Jürgen Petersohn, „Echte“ und „falsche“ Insignien im deutschen Krönungsbrauch des Mittelalters? Kritik eines Forschungsstereotyps (Sitzungsberichte der Wissenschaft­lichen Gesellschaft an der Johann Wolfgang Goethe-­Universität Frankfurt a. M. 30/3), Stuttgart 1993.

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auf Ludwigs Seite. Daher wich der Habsburger nach Bonn, in die wichtigste Residenz des Kölner Erzbischofs Heinrich von Virneburg, aus, der sich auf ein altes päpst­liches Privileg berief, die Krönung gegebenenfalls nicht in Aachen, sondern in einem anderen Ort seiner Diözese durchführen zu dürfen.21 Leider sind wir über die Bonner Krönung nur spär­lich informiert. Die meisten Chroniken erwähnen ledig­lich das Faktum mit der Ortsangabe „Bonn“. Nur der Zisterzienserabt Johannes von Viktring (um 1270 – 1345/1347) nennt als Schauplatz ausdrück­lich St. Cassius.22 Im offiziellen Krönungsbericht des Erzbischofs von Köln ist zudem von einer Salbung die Rede.23 Sehr wahrschein­lich wurde die Krönung nach dem Krönungsordo vollzogen.24 Dabei gab es eine entscheidende Schwierigkeit: Bonn ist nicht Aachen – schon die Topographie der beiden ­Kirchen ist grundverschieden. Wie soll man sich den 25. November des Jahres 1314 in Bonn vorstellen? Man kann diese Frage nur durch Analogieschlüsse beantworten. Angesichts der gespannten politischen Lage wird Friedrichs Einzug in Bonn eher bescheiden ausgefallen sein. Aber die Bürger dürften dennoch die Straßen gesäumt und ihrem neuen Herrscher zugejubelt haben.25 Er wurde dann vom Kölner Erzbischof und den übrigen Geist­lichen vor der Krönungskirche, dem Münster, empfangen und in die ­Kirche geleitet. Vor Beginn der Weihehandlungen legte Friedrich seinen Mantel ab und warf sich in Kreuzesform vor dem Altar zu Boden, während eine Litanei angestimmt wurde. Danach erhob er sich und beantwortete die Fragen, die ihm der Koronator stellte. Auf diese Weise erklärte er, dass er das Reich nach dem Vorbild seiner Vorgänger gerecht und fromm regieren werde. Darauf fragte der Koronator die Anwesenden, ob sie sich einem solchen Fürsten unterstellen wollten, was diese nachdrück­lich bejahten. Dann folgte der eigent­liche Akt, der wiederum untergliedert war. Zunächst erfolgte die Salbung: Nach einleitenden Gebeten wurde der König an Haupt, Brust, Schulterblättern 21 MGH Const. 5, Nr. 118 f., S. 115 f.; vgl. dazu Heinz Wolter, Das Privileg Leos IX. für die Kölner ­Kirche vom 7. Mai 1052 (JL. 4271), in: Rechtsgeschicht­lich-­diplomatische Studien zu frühmittelalter­lichen Papsturkunden, hg. von Egon Boshof – Heinz Wolter (­Studien zur Germania Pontificia 6), Köln – Wien 1976, S. 101 – 151. 22 Iohannis abbatis Victoriensis Liber certarum historiarum V, 1, ed. Fedor Schneider (MGH SS rer Germ [36]), 2 Bde., Hannover – Leipzig 1909 – 1910, hier Bd. 2, Rec. A, S. 66; Rec. B. D. A2, S. 105. 23 MGH Const. 5, Nr. 118, c. 3, S. 116; Nr. 120, c. 3, S. 120. 24 Vgl. auch den Beitrag von Albert Gerhards in ­diesem Band. 25 Zur folgenden Rekonstruk­tion vgl. Walter Goldinger, Das Zeremoniell der deutschen Königskrönung seit dem späten Mittelalter, in: Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs 5 (1957), S. 91 – 111, hier S. 104 ff.; Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 5), S.  142 – 154.

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und Armgelenken mit geweihtem Öl bestrichen. Dann überreichte man ­Friedrich die Herrschaftszeichen: Schwert, Ring, Zepter und Stab (später durch den Reichsapfel ersetzt). Und schließ­lich erfolgte die eigent­liche Krönung. Dazu wurde der König zu seinem Thron geführt, wo ihn der Koronator ermahnte, sich als gerechter Mittler z­ wischen Klerus und Laien zu erweisen. Zuletzt wurde die für die Krönung nur erweiterte Messfeier fortgesetzt. Nach der Krönung dürfte sich ein feier­licher Zug über den Münsterplatz, die heutige Remigiusstraße und den Marktplatz zum Bonner Minoritenkloster bewegt haben.26 Dort fertigte der Erzbischof noch am selben Tag seinen Wahlbericht aus, und zwar in Anwesenheit von ledig­lich zwei weiteren Reichs­fürsten, Herzog Rudolf von Sachsen(-Wittenberg) und dem Landgrafen Otto von ­Hessen († 1328) sowie einigen Grafen und Adeligen, unter ihnen Graf Engelbert von Mark (1304 – 1368) und Ruprecht III. von Virneburg († 1352), dem Neffen des Erzbischofs.27 Besonders hochrangig war die Festgesellschaft also nicht, die sich aus Anlass von Friedrichs Krönung in Bonn versammelt hatte und an dem mög­ licherweise im Minoritenkloster abgehaltenen Krönungsmahl teilnahm. Ihre Wohnung nahmen der Erzbischof und wohl auch König Friedrich im Haus des Kanonikers Johann von Bonn, des späteren Stiftsdekans.28 Sofort nach dem 25. November 1314 setzte ein Streit über die Frage ein, ­welche der beiden Krönungen zu Recht erfolgt sei. Den Tenor fasst der Chronist Matthias von Neuenburg (ca. 1295–ca. 1364) folgendermaßen zusammen: Ludwig sei in loco quo debuit, sed non a quo debuit, „am vorgeschriebenen Ort, aber nicht vom vorgeschriebenen Koronator“, Friedrich aber a quo debuit, sed non in loco quo debuit, „vom vorgeschriebenen Koronator, aber nicht am vorgeschriebenen Ort“ gekrönt worden.29 Vor ­diesem Hintergrund war bereits die Krönung selbst ein Politikum. Beide Seiten versuchten, die Rechtmäßigkeit ihres eigenen Vorgehens zu betonen und der Gegenseite vorzuwerfen, sie hätte unrecht gehandelt oder gar lächer­lich. Der Kölner Erzbischof betonte, Friedrichs Krönung im Bonner Münster habe „unter Beachtung der bei der Krönung gebührenden und üb­lichen

26 Hierzu und zum Folgenden vgl. Rudolf Schieffer, Die Besuche mittelalter­licher Herrscher in Bonn, in: Bonner Geschichtsblätter 37 (1985, ersch. 1988), S. 7 – 4 0, hier S. 22 f. 27 MGH Const. 5, Nr. 118, S. 116. 28 MGH Const. 5, Nr. 123 – 125, S. 123, S. 125; zu Johann von Bonn vgl. Dietrich Höroldt, Das Stift St. Cassius zu Bonn. Von den Anfängen der K ­ irche bis zum Jahre 1580 (Bonner Geschichtsblätter 11), Bonn 1957, S. 214 f. 29 Die Chronik des Mathias von Neuenburg, ed. Adolf Hofmeister (MGH SS rer Germ N. S. 4), Berlin 1924 – 1940, S. 98 f., S. 357.

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Feier­lichkeiten und im Beisein zahlreicher Bischöfe und Adeliger“ stattgefunden.30 Im Umfeld Ludwigs des Bayern sah man dies völlig anders. In einer bayerischen Chronik heißt es, kaum 30 Leute ­seien Zeugen von Friedrichs Krönung geworden. Diese sei in einem Ort namens „Pung“ auf freiem Feld vorgenommen worden, und zwar auf einem Fass, in das Friedrich dann auch prompt hineingestürzt sei, was der Autor hämisch kommentierte: Cecidit in dolio, quod non multum doleo, „er fiel in das Fass, was ich nicht sehr bedauere.“ 31 Diese Bemerkung ist wie die gesamte Darstellung von dem Wissen geprägt, am Ende der Erfolgreichere sein sollte, entsprach aber durchaus zeitgenös­sischen Strategien, die Legitimität eines ‚rivalisierenden‘ Königs in Zweifel zu ziehen.32 In dem nun ausbrechenden Thronstreit der beiden Könige beharrten diese auf der Legitimität ihrer Erhebung. Friedrich konnte insbesondere auf den Besitz der ‚richtigen‘ Insignien verweisen: Dabei war nicht so sehr ihre Verwendung bei der Krönung das entscheidende Argument als vielmehr die Verfügungsgewalt über sie, die ihren Eigentümer als legitimen König auswiesen.33 Bei der Krönung der Ehefrau Friedrichs Isabella von Aragón (1300/02 – 1330) in Basel auf einem Hoftag am 11. Mai 1315 wurde der Reichsschatz mit der Krone daher dem Volk präsentiert.34 Die Posi­tion der Habsburger kommt wohl in einem Brief der aragone­ sischen Hofdame Alamanda Capera an ihre M ­ utter vom 8. Juni 1315 zum Ausdruck: Derjenige, der die Insignien nicht besitze, dürfe sich auch nicht König nennen.35 30 MGH Const. 5, Nr. 118, S. 116: […] eundem Fredericum ipsa die beate Katerine virginis in opido nostro Bunnensi, quod est infra nostram dyocesim, in Romanorum regem unximus et coronavimus in futurum imperatorem dante Domino promovendum, adhibitis circa corona­ cionem eandem sollempnitatibus debitis et consuetis, episcopis et nobilibus ac proceribus multis presentibus in dicto loco. 31 Chronica Ludovici imperatoris quarti, ed. Georg Leidinger, in: Bayerische Chroniken des 14. Jahrhunderts (MGH SS rer Germ [19]), Hannover – Leipzig 1918, S. 105 – 138, hier S. 126. 32 Zur Sache vgl. den Beitrag von Andreas Büttner in ­diesem Band; zur Verarbeitung des Geschehens in der zeitgenös­sischen Historiographie besonders Österreichs und Bayerns vgl. Martin Lenz, Konsens und Dissens. Deutsche Königswahl (1273 – 1349) und zeitgenös­ sische Geschichtsschreibung (Formen der Erinnerung 5), Göttingen 2002, S. 185 – 189, S.  207 – 210. 33 Vgl. Petersohn, „Echte“ und „falsche“ Insignien (wie Anm. 20), S. 83 – 86. 34 Die Chronik des Mathias von Neuenburg (wie Anm. 29), S. 100 f., S. 357; zu Isabella vgl. den Beitrag von Stefanie Dick in ­diesem Band. 35 Acta Aragonensia. Quellen zur deutschen, italienischen, franzö­sischen, spanischen, zur K ­ irchen- und Kulturgeschichte aus der diplomatischen Korrespondenz Jaymes II. (1291 – 1327), ed. Heinrich Finke, 3 Bde., Berlin – Leipzig 1908 – 1922, hier Bd. 3, Nr. 126, S. 285: E ha preycat lo archabisbe de Colunya devant tuyt, que aquell, qui te les reliquies de

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Außerdem sei Ludwig der Bayer ledig­lich von einem Abt gekrönt worden, was sein Königtum gänz­lich ungültig mache.36 Beide Seiten standen sich also in nichts nach, um dem Gegner die Legitimität abzusprechen und die Rechtmäßigkeit der eigenen Posi­tion zu unterstreichen.

Der Thronstreit Die Aussichten auf eine fried­liche Einigung der Auseinandersetzung ­zwischen Friedrich dem Schönen und Ludwig dem Bayern waren von Anfang an gering. Vielleicht hätte ein amtierender Papst etwas bewirken können. Seit dem 13. Jahrhundert beanspruchte der Papst das Recht für sich, die deutsche Königswahl im Hinblick auf die durch ihn vorzunehmende Kaiserkrönung gutzuheißen.37 Daher war der Papst der wichtigste Adressat der von beiden Seiten verfassten Wahlberichte. Doch Papst Clemens V. (1305 – 1314) war gerade gestorben, und die Hoffnung auf eine schnelle Wahl seines Nachfolgers erfüllte sich nicht. Der 1316 gewählte Papst Johannes XXII. († 1334) hielt sich mit einer Stellungnahme für einen der beiden Könige zunächst bedeckt. Er betrachtete den Thron des Reiches vielmehr als vakant und erhob daher Ende März 1317 in der Bulle ‚Si fratrum‘ den Anspruch auf die oberste Herrschaftsgewalt, die er zumindest in Italien durchzusetzen suchte.38 Von dieser Seite aus war also keine Hilfe für eine der beiden Parteiungen zu erwarten. Vielmehr war abzusehen, dass der Sieger im Thronstreit auch mit dem Papst eine Einigung erreichen musste. Dabei war die Ausgangssitua­tion für Friedrich insgesamt erheb­lich besser als die Ludwigs: In Maßen gelang es ihm, in Italien Fuß zu fassen und, dank der guten Kontakte nostre senyor, quis pertanyen al regne, aquell deu esser e es rey, e qui no les te, negun hom nol deu apellar rey, e si u fa, es vedat; ein ähn­licher Brief mit fast gleichem Wortlaut wurde bereits am 6. Juni 1315 von Alamanda Capera mög­licherweise an ihren Bruder versandt, ebd., Bd. 1, Nr. 242, S. 361. 36 Ebd., Nr. 126, S. 285. 37 Vgl. Dagmar Unverhau, Approbatio – Reprobatio. Studien zum päpst­lichen Mitspracherecht bei Kaiserkrönung und Königswahl vom Investiturstreit bis zum ersten Prozeß Johanns XXII. gegen Ludwig IV. (Historische Studien 424), Lübeck 1973; Jürgen ­Miethke, Approba­tion der deutschen Königswahl, in: LThK 1 (1993), Sp. 888 – 891; vgl. weiter den Beitrag von Mathias Schmoeckel in ­diesem Band. 38 MGH Const. 5, Nr. 401, S. 340 f.; vgl. Martin Kaufhold, Gladius spiritualis. Das päpst­ liche Interdikt über Deutschland in der Regierungszeit Ludwigs des Bayern (1324 – 1347) (Heidelberger Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte 6), Heidelberg 1994, S.  50 – 53.

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seines Schwiegervaters Jakob II. von Aragón (1264 – 1327) zur Kurie, vergleichsweise gute Beziehungen zu Johannes XXII. aufzubauen.39 Aber ohne einen entscheidenden Erfolg im Reich war all dies ohne bleibenden Nutzen. Die Gegenkönige begegneten sich jahrelang in einer Reihe von Scharmützeln, bei denen zwar keine eindeutige Entscheidung für einen der beiden Könige fiel; insgesamt waren die Habsburger, auch dank des militärischen Geschicks von Friedrichs jüngerem Bruder Leopold (1290 – 1326), etwas im Vorteil, weshalb sie es auch wagen konnten, immer offensiver gegen den Bayern vorzugehen.40 1322 wollte Friedrich schließ­lich eine Entscheidung zu seinen Gunsten herbeiführen und griff Ludwig von zwei Seiten in Oberbayern an. Die Entscheidungsschlacht fand in Mühldorf am Inn am 28. September statt. Ludwig wusste neben anderen auch König Johann von Böhmen auf seiner Seite. Zahlenmäßig waren sie F ­ riedrich überlegen, weil dessen Bruder Leopold noch nicht in Mühldorf eingetroffen war. Dennoch entschied sich Friedrich für die Schlacht, weil er meinte, der Krieg dauere nun schon zu lange und habe auch zu viele Opfer gefordert. Klug hielt Ludwig einen Teil seiner Truppen als Reserve zurück, ­welcher schließ­lich auch den Kampf entschied.41 Friedrich fiel sogar in die Hände seines Gegners und wurde in der Burg Trausnitz in der Oberpfalz gefangen gesetzt. 39 Vgl. Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 6), S. 232 ff., S. 243 – 251, S. 256 – 259, S. 262 f., S. 265 ff.; Brabänder, Einflußnahme (wie Anm. 5), S. 177 – 203; Roland P ­ auler, Die deutschen Könige und Italien im 14. Jahrhundert. Von Heinrich VII. bis Karl IV., Darmstadt 1997, S. 134 – 136. 40 Zum Verlauf der Kämpfe und zur Posi­tion der Kurfürsten vgl. Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 6), S. 228 – 270; Homann, Kurkolleg und Königtum (wie Anm. 5), S.  126 – 178; Thomas, Ludwig der Bayer (wie Anm. 5), S. 69 – 98; die Niederlage Leopolds von Österreich in der Schlacht am Morgarten war wohl ausschlaggebend für die anfäng­ liche militärische Zurückhaltung der Habsburger, vgl. Menzel, Zeit der Entwürfe (wie Anm. 2), S. 159; grundsätz­lich zur Problematik des sogenannten Gegenkönigtums vgl. Michaela Muylkens, Reges geminati. Die »Gegenkönige« in der Zeit Heinrichs IV. (Historische Studien 501), Husum 2012. 41 Vgl. Wilhelm Erben, Die Berichte der erzählenden Quellen über die Schlacht von Mühldorf, in: AÖG 105 (1917), S. 229 – 514; ders., Die Schlacht bei Mühldorf. 28. September 1322. Historisch-­geographisch und rechtsgeschicht­lich untersucht (Veröffent­lichungen des Historischen Seminars der Universität Graz 1), Graz u. a. 1923; Ernst Rönsch, Beiträge zur Geschichte der Schlacht von Mühldorf, Leipzig 1933; Stefan Schieren, Die Schlacht von Mühldorf am 28. September 1322, in: Die Schlacht von Mühldorf, hg. vom Heimatverein Mühldorf, Mühldorf 1993, S. 33 – 68; Josef Steinbichler, Die Schlacht bei Mühldorf: 28. September 1322. Ursachen – Ablauf – Folgen, Mühldorf 1993; Martin Clauss, Kriegsniederlagen im Mittelalter. Darstellung – Deutung – Bewältigung (Krieg in der Geschichte 54), Paderborn 2010, S. 241 – 244.

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Die Suche nach einem politischen Kompromiss Wie so oft in der Geschichte brachte der militärische Sieg keine endgültige Entscheidung. Eine politische Lösung war notwendig, auch weil die Brüder F ­ riedrichs mit Leopold an der Spitze den Kampf nicht aufgaben.42 Außerdem war Ludwig zu sehr auf seinen eigenen Vorteil bedacht, als dass er sofort allgemeine Anerkennung gefunden hätte. Das zeigt das Beispiel der Markgrafschaft Brandenburg: Im Jahr 1320 war die markgräf­liche Familie ausgestorben. Als König beanspruchte Ludwig das Recht, ­dieses heimgefallene Reichslehen an eine Person seiner Wahl ausgeben zu dürfen. Er entschied sich 1323 für seinen gleichnamigen Sohn, um die Hausmacht der Wittelsbacher zu stärken. Doch auch Johann von Böhmen hatte sich Hoffnungen auf Brandenburg gemacht.43 Enttäuscht wandte er sich daher von Ludwig ab.44 Noch problematischer für Ludwig aber war, dass vor allem der Papst eine weitere Steigerung seiner Macht verhindern wollte. Mittler­weile versuchte der ­Wittelsbacher näm­lich, seine Ansprüche auch in Italien durchzusetzen. Johannes XXII. eröffnete am 8. Oktober 1323 daher den Prozess gegen Ludwig, kritisierte seine Wahl als ungültig und verlangte von ihm, den Thron innerhalb von drei Monaten aufzugeben.45 Als dies nicht geschah, bannte der Papst den Wittelsbacher im März 1324.46 Etwas verkürzt gesagt hatte Ludwig den militärischen Sieg von 1322 politisch verspielt und musste nun einen Ausgleich mit seinem Kontrahenten ­Friedrich suchen, obwohl dieser sich nach wie vor in seiner Gewalt befand. Solch ein Ausgleich war jedoch nicht einfach herbeizuführen, weshalb in rascher Folge verschiedene Abkommen geschlossen wurden, in denen sich die komplizierte politische Lage und die Ziele der beiden Kontrahenten spiegelten: Am 13. März 1325 schlossen die beiden die nach Friedrichs oberpfälzischem Gefängnis benannte ‚Trausnitzer Sühne‘.47 Friedrich verzichtete auf die Krone, und beide Kontrahenten versöhnten sich; außerdem wurde die ältere Tochter Friedrichs des ­Schönen mit einem jüngeren Sohn ­Ludwigs verlobt und ­Friedrichs jüngerer Bruder Otto IV . von Österreich (1301 – 1339) heiratete Elisabeth von 42 Vgl. den Beitrag von Gerald Schwedler in ­diesem Band. 43 Vgl. Menzel, Zeit der Entwürfe (wie Anm. 2), S. 162 ff. 4 4 Vgl. Homann, Kurkolleg und Königtum (wie Anm. 5), S. 190 – 195; Thomas, Ludwig der Bayer (wie Anm. 5), S. 111 f. 45 MGH Const. 5, Nr. 792, S. 616 – 619. 4 6 MGH Const. 5, Nr. 881, S. 692 – 699. 47 MGH Const. 6,1: 1325 – 1330, ed. Jakob Schwalm, Hannover 1914 – 1927 [künftig: MGH Const. 6,1], Nr. 29, S. 18 ff.; vgl. Menzel, Zeit der Entwürfe (wie Anm. 2), S. 167.

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Niederbayern (1306 – 1330).48 Vor allem aber sollte Friedrich seine Brüder zur Herausgabe aller von ihnen besetzten Reichsgüter bewegen. Im Falle seines Misserfolgs sagte er zu, sich bis zur Sonnenwende 1325 wieder in die Gefangenschaft zu begeben. Friedrich konnte seine Brüder nicht überzeugen und kehrte daher tatsäch­lich zu Ludwig zurück. Dieser war über die Ritter­lichkeit derart gerührt, dass er Friedrich fortan äußerst ehrenvoll behandelte. Er speiste mit ihm, schlief mit ihm in einem Bett und übertrug ihm sogar vorübergehend die Statthalterschaft Bayerns.49 Am 5. September 1325 folgte der sogenannte Münchener Vertrag. Von einer Abdankung Friedrichs war keine Rede mehr, vielmehr wollten Ludwig und er die Herrschaft in Form eines Doppelkönigtums gemeinsam ausüben. Allerdings sollte derjenige von ihnen, der nach Italien ziehen würde, die gesamte Amts­gewalt erhalten.50 Ansonsten aber wollten sie den Titel eines römischen Königs und Augustus gemeinsam führen, den anderen als Bruder anreden und bei der heiligen Kommunion sogar gemeinsam eine Hostie empfangen. Im sogenannten Ulmer Vertrag vom 7. Januar 1326 wurde außerdem noch vereinbart, dass ­Ludwig auf das Königtum verzichten solle, sofern der Papst bis zum 26. Juli 1236 die Approba­tion für Friedrich erteile.51 Da dies nicht geschah, trat der Vertrag auch nicht in Kraft. In gewissem Sinne sollte also die Pattsitua­tion der Zeit ­zwischen 1314 und 1322 fortgeschrieben werden, die nun „der verfassungsmäßige, fried­liche Zustand“ werden sollte.52 Die ‚Trausnitzer Sühne‘ und den Vertrag von München wertet Michael Menzel als „ein erstaun­liches Zeugnis konstruktiven Bewußtseins“ 53. Ludwig nahm seine persön­lichen Interessen zurück und verzichtete auf einen Teil seiner Macht, um

48 Regesta Habsburgica, Nr. 1520 f., S. 188. 49 Zur Ritualisierung ­dieses Ausgleichs vgl. Claudia Garnier, Der doppelte König. Zur Visualisierung einer neuen Herrschaftskonzep­tion im 14. Jahrhundert, in: FmSt 44 (2010), S.  265 – 290; dies., Inszenierte Politik. Symbo­lische Kommunika­tion während der Herrschaft Ludwigs des Bayern am Beispiel von Bündnis- und Friedensschlüssen, in: Ludwig der Bayer (wie Anm. 10), S. 169 – 190, sowie ihren Beitrag in ­diesem Band. 50 MGH Const. 6,1, Nr. 105, S. 72 – 74; vgl. Marie-­Luise Heckmann, Das Doppelkönigtum Friedrichs des Schönen und Ludwigs des Bayern (1325 – 1327). Vertrag, Vollzug und Deutung im 14. Jahrhundert, in: MIÖG 109 (2001), S. 53 – 81; Roland Pauler, Friedrich der Schöne als Garant der Herrschaft Ludwigs des Bayern in Deutschland, in: ZBLG 61 (1998), S. 645 – 6 62; Gerald ­S chwedler, Bayern und Österreich auf dem Thron vereint. Das Prinzip der gesamten Hand als Verfassungsinnova­tion für das Doppel­königtum von 1325, in: Ludwig der Bayer (wie Anm. 10), S. 147 – 168. 51 MGH Const. 6,1, Nr. 140, S. 96 f. 52 Menzel, Zeit der Entwürfe (wie Anm. 2), S. 167. 53 Ebd.

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sich mit den Habsburgern einigen zu können und anschließend Vorstellungen zu entwickeln, „deren Tragweite bezüg­lich Machtbalance und verfassungsmäßiger Stabilität weit über die bestehende Ordnung hinausging.“ 54 Ludwig schloss damit eine Art Allianz mit den Fürsten – auch und vor allem gegen den Papst. Verfassungsgeschicht­lich war ­dieses Konstrukt neuartig und betonte den „Konsenscharakter der Herrschaft ­zwischen Königtum und Fürsten“.55 Der Erfolg gab Ludwig recht: 1327 zog er nach Italien und wurde am 17. Januar 1328 ohne Mitwirkung des Papstes zum ­Kaiser gekrönt.56 Zuvor hatte es einen Volksaufstand in Rom gegeben, und der päpst­liche Vikar war entmachtet worden. Am 18. April 1328 setzte Ludwig nun seinerseits Papst Johannes XXII . ab, was allerdings ohne Wirkung blieb. Friedrich der Schöne spielte dagegen fortan keine Rolle mehr in der großen Politik. 1326 starb sein Bruder Leopold, und damit verlor Friedrich seine wichtigste Stütze. Seine beiden anderen Brüder drängten ihn bei der Regierung der habsbur­gischen Lande an den Rand.57 Zudem war er in dieser Zeit sehr kränk­lich. Er starb am 13. Januar 1330 auf Burg Gutenstein nahe Wiener Neustadt in Niederösterreich und wurde in dem von ihm gestifteten ­Kloster Mauerbach bestattet.58 Damit war die Frage, wer das römisch-­deutsche Reich regieren sollte, endgültig geklärt. Die Forschung hat die beiden Kontrahenten sehr ungleich behandelt, was wohl auch von der Bewertung ihres Wirkens als Erfolg oder Misserfolg abhängt: Während Ludwig der Bayer vielfach das Interesse der Forschung und zuletzt auch im Rahmen der Regensburger Ausstellung von 2014 einer breiteren Öffent­lichkeit gefunden hat, nicht zuletzt auch wegen seines längeren Wirkens, seiner Auseinandersetzung mit dem Papst und seiner Posi­tionierung im franziskanischen 54 Ebd. 55 Michael Menzel, Ludwig der Bayer (1314 – 1347) und Friedrich der Schöne (1314 – 1330), in: Die deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis ­Maximilian I. (919 – 1519), hg. von Bernd Schneidmüller – Stefan Weinfurter, München 2003, S. 393 – 4 07, hier S. 398. 56 Zum Italienzug vgl. den Überblick bei Thomas, Ludwig der Bayer (wie Anm. 5), S. 193 – 225; zur Kaiserkrönung zuletzt Jörg Schwarz, Abkehr vom päpst­lichen Krönungsanspruch. Das Kaisertum Ludwigs des Bayern und der römische Adel, in: Ludwig der Bayer (wie Anm. 10), S. 119 – 146. 57 Vgl. die Beiträge von Christian Lackner und Gerald Schwedler in ­diesem Band. 58 Vgl. Rudolf J. Meyer, Königs- und Kaiserbegräbnisse im Spätmittelalter. Von Rudolf von Habsburg bis zu Friedrich III. (Forschungen zur ­Kaiser- und Papstgeschichte des Mittel­ alters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 19), Köln – Weimar – Wien 2000, S. 67 – 75. 1789, sieben Jahre nach Aufhebung des Klosters, wurden Friedrichs irdische Überreste in den Wiener Stephansdom überführt.

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Armutsstreit,59 erhielt Friedrich der Schöne nur wenig Beachtung. Immerhin fand man in der Romantik seine freiwillige Rückkehr in die Gefangenschaft 1325 bemerkenswert, die von Friedrich Schiller in seinem Gedicht ‚Deutsche Treue‘ besungen und von Ludwig Uhland in einem Schauspiel gefeiert wurde, um nur die bekanntesten Dichter zu nennen.60 Ansonsten wurde er vor allem von der österreichischen Forschung in den Blick genommen, insbesondere in der Geschichte Österreichs in ihrer maßgeb­lichen Neubearbeitung durch Alphons Lhotsky, der Friedrich als Herzog sah und ihm demgemäß auch als den ­Ersten seines Namens gezählt hat, nicht etwa als ‚den Dritten‘. Mit dem auch hier verwendeten Bei­ namen ‚der Schöne‘, der in dieser Form nicht zeitgenös­sisch ist, sondern aus dem 16. Jahrhundert stammt,61 wird unbewusst die Frage nach seiner Legitimität negativ beantwortet, was durch die Verwendung des Beinamens ‚der Bayer‘ für Ludwig keineswegs ausgeg­lichen wird, erhält dieser doch mitunter durchaus die ihm zustehende Ordnungszahl ‚der Vierte‘. Bei Friedrich kommt hinzu, dass es eben noch einen weiteren römisch-­deutschen Herrscher ­dieses Namens gegeben hat, der als ‚der Dritte‘ firmiert. Mit dieser Benennung geht eine Urteilsbildung einher, der der vorliegende Band entgegenwirken will, denn Friedrich war eben keineswegs ein politischer Versager, auch wenn er sich letzt­lich nicht durchsetzen konnte.

Ausblick Von der Bonner Krönung des Jahres 1314 gehen wichtige Impulse für die weitere Entwicklung des Heiligen Römischen Reiches aus. So war die Doppelwahl nur mög­lich gewesen, weil noch nicht abschließend geklärt war, wer die Kurstimme 59 Vgl. die in Anm. 10 genannte Literatur; dazu kommen et­liche ältere Biographien sowie der Ausstellungskatalog von 2014 Ludwig der Bayer. Wir sind K ­ aiser! Katalog zur Bayerischen Landesausstellung 2014, hg. von Peter Wolf u. a. (Veröffent­lichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 63), Augsburg 2014. 60 Schillers Sämmt­liche Werke, Erster Band, Stuttgart 1879, S. 224; Ludwig Uhland, ­Ludwig der Baier. Schauspiel in fünf Aufzügen, Berlin 1819. 61 Vgl. Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 6), S. 169; Erstbelege bei Wolfgang Lazius, Commentariorum in Genealogiam Austriacam libri duo, Basel 1564, S. 207: pro­ bus vel pulcher; Johannes Cuspinianus, De Caesaribus, Frankfurt 1601, S. 361: pulcher; der Beiname geht vermut­lich zurück auf die zeitnahe Chronik von Königsfelden, ed. Martin Gerbert, Crypta San-­Blasiana nova Principum Austriacorum, translatis eorum cadaveribus ex Cathedrali Ecclesia Basileensi et Monasterio Koenigsfeldensi in Helvetia anno 1770 ad conditorium novum Monasterii S. Blasii in Nigra Silva, St. Blasien 1785, S. 93: ein stoltz schöner man.

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tatsäch­lich führen durfte: Erbteilungen oder umstrittene Erbfolgen hatten im Jahr 1314 bewirkt, dass insgesamt neun und nicht sieben Kurstimmen abgegeben wurden. Als späte Reak­tion verfügte Ludwigs Nachfolger, Karl IV. (1316 – 1387), in der Goldenen Bulle von 1356, dass die Kurwürde unteilbar sein und nur nach klaren Regeln weitervererbt werden sollte.62 Die säch­sische Kurwürde war schon zuvor an die Herzöge von Sachsen-­Wittenberg gefallen.63 Außerdem hatte die Königswahl von nun an nach dem Mehrheitsprinzip zu erfolgen. Schließ­lich bestimmte Karl IV., dass während des Interregnums – nach dem Tod des alten und der Wahl des neuen Königs – der Pfalzgraf bei Rhein und der Herzog von Sachsen als Reichsvikare (bzw. als Reichsverweser) fungieren sollten. Damit wurden auch die Ansprüche des Papsttums auf eine besondere Rolle bei der deutschen Königswahl zurückgewiesen. Des Weiteren führte die Doppelwahl von 1314 zur Stärkung des sogenannten Hausmachtkönigtums: Angesichts der unsicheren politischen Lage gaben beide Könige, anders als ihre Vorgänger, ihre angestammten Territorien nicht an Verwandte ab, sondern behielten sie direkt unter ihrer Kontrolle.64 In der Bonner Krönung von 1314, ihren Folgen des Krieges und des Kompromisses 1325 ­zwischen Friedrich dem Schönen und Ludwig dem Bayern bündeln sich in vielfältiger Weise Entwicklungslinien der deutschen wie euro­päischen Politik- und Verfassungsgeschichte. Zugleich, und das ist besonders für uns aus lokaler Perspektive interessant, war Bonn damals zum ersten Mal in der Geschichte der politische Mittelpunkt der deutschen Lande – allerdings nur für den Tag der Krönung Friedrichs des Schönen, eines von der Forschung doch recht vernachlässigten römisch-­deutschen Königs.

62 Die Goldene Bulle vom 10. Januar und 25. Dezember 1356 (lateinisch und frühneuhochdeutsch), in: MGH Const. 11: 1354 – 1356, ed. Wolfgang D. Fritz, Weimar 1978 – 1992 [künftig: MGH Const. 11], S. 560 – 563; vgl. zu ­diesem Dokument die Beiträge in Die Kaisermacher. Frankfurt am Main und die Goldene Bulle, 1356 – 1806. Aufsätze, hg. von Evelyn Brockhoff – Michael Matthäus, Frankfurt a. M. 2006, S. 76 – 92. 63 MGH Const. 11, Nr. 516, S. 293 – 295; Nr. 537, S. 308 – 310. 6 4 Vgl. Thomas, Ludwig der Bayer (wie Anm. 5), S. 73 f.; Niederstätter, Herrschaft (wie Anm. 6), S. 130 f.

Rituale der Königserhebung im Konflikt Die Doppelwahl von 1314 – Verlauf, Deutung und Folgen Andreas Büttner Im Jahr 1314 konnte man in Bonn Zeuge eines außergewöhn­lichen Ereignisses werden: Auf einem offenen Feld wurde Herzog Friedrich von Österreich auf ein Fass gesetzt, gekrönt und anschließend zum König ausgerufen.1 Doch nicht nur das: Das Ritual ging schief, und Friedrich fiel in das Fass hinein – was bei einem Chronisten allerdings kein besonderes Bedauern hervorrief: Cecidit in dolio, quod non multum doleo.2 Nicht im sakralen Raum der ­Kirche, sondern unter freiem Himmel wurde also die Krönung vollzogen, statt Glanz und Gloria nur Elend und Scheitern. Dieser Eindruck verstärkt sich noch, liest man in der gleichen Chronik die vorangehende Schilderung der Krönung Ludwigs IV. in Aachen: Die Feier der Messe, die Einkleidung des neuen Königs mit heiligen Kleidern, seine Erhebung auf den Altar, seine Salbung und Krönung gemeinsam mit seiner Frau, der Empfang der Eucharistie und die Akklama­tion Vivat rex 3 – all dies bildete den Hintergrund, vor dem Friedrichs gescheiterte Herrschererhebung umso armseliger erscheinen musste. Zwei Rituale, die unterschied­licher nicht sein könnten, zwei Könige, deren Legitima­tion unterschied­licher nicht sein könnte. Die dezidiert probayerische und gegenüber den Habsburgern ablehnend-­polemische Haltung des Chronisten erweist die Darstellung frei­lich als Delegitimierung des politischen Gegners.4 Die hierfür gewählte Form hatte durchaus ihre Vorläufer, sowohl bei Heinrich Raspe

1 Chronica Ludovici imperatoris quarti, ed. Georg Leidinger, in: Bayerische Chroniken des 14. Jahrhunderts (MGH SS rer Germ [19]), Hannover – Leipzig 1918, S. 105 – 138, hier S. 125 f.: Mira dicturus sum. Secunda pars electorum, quod non est auditum a finibus seculorum, vocant ducem Fridericum ad unam civitatem, que dicitur Pung, et coronatur ibi in campo super uno dolio, et proclamatur in regem. 2 Ebd., S. 126. 3 Ebd., S. 125. 4 Vgl. ebd., S. 105 ff., S. 109. Siehe in ­diesem Sinne auch die Schilderung der Wahl Karls IV. im Jahr 1346; ebd., S. 137, vgl. Andreas Büttner, Der Weg zur Krone. Rituale der Herrschererhebung im spätmittelalter­lichen Reich (Mittelalter-­Forschungen 35), Ostfildern 2012, S. 344.

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als auch bei Friedrichs Vater Albrecht finden sich entsprechende pejorative Schilderungen einer Fasserhebung.5 Anders als in diesen Fällen schien bei Friedrich die Sonderbarkeit des Vorgangs selbst nicht auszureichen,6 sodass das ohnehin schon defizitäre Ritual zusätz­lich noch scheitern musste. Hiermit stand er allerdings nicht allein, lief doch das Gerücht um, sein Gegner Ludwig sei von einem Abt gekrönt worden und seine Weihe damit unwirksam.7 An solchen und ähn­lichen Nachrichten wird die zentrale Bedeutung erkennbar, die gerade bei strittigen Königserhebungen den Ritualen des Herrschaftsantritts zukam. Dies betraf den feier­lichen und rechtmäßigen Ablauf selbst,8 in mindestens ebenso großem Maße jedoch auch den argumentativen und propagandistischen Einsatz.9 Im Folgenden soll daher mit dem Fokus auf Friedrich von Habsburg die unmittelbare Inanspruchnahme und Deutung von Wahl und Krönung ins Zentrum gestellt werden, um anschließend nach der Darstellung der Chronisten sowie den längerfristigen Folgen der Rituale des Jahres 1314 zu fragen.

Versuche der Einigung und Vorbereitung auf den Konflikt Dass es 1314 zu einer Doppelwahl kommen würde, war zunächst keineswegs absehbar. Eigent­lich hätte alles so einfach sein können, hatte sich das Kollegium der Kurfürs­ten seit der einmütigen Wahl Heinrichs VII. sechs Jahre zuvor doch

5 Friedrich II. über die Erhebung Heinrich Raspes: supra vegetem quemdam impositum erexit in regem; Historia diplomatica Friderici Secundi sive constitu­tiones, privilegia, mandata, instrumenta quae supersunt istius imperatoris et filiorum eius, ed. Jean Louis Alphonse Huillard-­B réholles, 6 Bde., Paris 1852 – 1861, hier Bd. 6, S. 516. Zu 1298 siehe die Cronica ecclesiae Wimpinensis. Continuatio Dytheri de Helmestat, ed. Heinrich Boehmer, in: MGH SS 30,1, Hannover 1896, S. 670 – 676, hier S. 672: Ibi a predicto archiepiscopo et aliis adiutoribus suis beningne susceptus, ipsum super dolium levantes in regem sublimarunt. 6 Der Zusatz findet sich nur in einer der drei Handschriften, die allerdings dem Autograph recht nahe steht; vgl. die Edi­tion (wie Anm. 1), S. 113 – 116. 7 Vgl. das Schreiben einer könig­lichen Dienerin an ihre ­Mutter in Spanien: e laltre es se coronat per I abat, per la qual cosa no val la sua coronacio; Acta Aragonensia. Quellen zur deutschen, italienischen, franzö­sischen, spanischen, zur ­Kirchen- und Kulturgeschichte aus der diplomatischen Korrespondenz Jaymes II. (1291 – 1327), ed. Heinrich Finke, 3 Bde., Berlin – Leipzig 1908 – 1922, hier Bd. 3, Nr. 126, S. 285. 8 Siehe hierzu insgesamt Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 4), S. 306 – 313, S. 317 – 328, sowie die Beiträge von Mathias Schmoeckel und Albert Gerhards in ­diesem Band. 9 Vgl. hierzu allgemein Philippe Buc, The Dangers of Ritual. Between Early Medieval Texts and Social Scientific Theory, Princeton – Oxford 2001, S. 248 – 261.

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in keiner Weise verändert.10 Schon damals war Friedrich von Habsburg als Nachfolger seines Vaters im Gespräch gewesen.11 Der Kölner Erzbischof Heinrich II. von Virneburg favorisierte allerdings den luxembur­gischen Grafen Heinrich, der auch auf die Unterstützung seines jüngeren Bruders Erzbischof Balduin von Trier zählen konnte. Da die welt­lichen Königswähler (außer dem unbeteiligt bleibenden Böhmen) beschlossen hatten, in ihrer Wahl den geist­lichen Kur­fürsten zu folgen, war mit den Wahlversprechen des Luxemburgers für den Mainzer Erzbischof Peter von Aspelt die Sache entschieden: Die so hergestellte Eintracht führte dazu, dass man sich bereits bei einem kurfürst­lichen Vortreffen in Rhens auf Heinrich VII. verständigen konnte. Nach dem Tod des Kaisers im August 1313 wurden die früheren Verbindungen wieder aktiviert.12 Allerdings trat mit Johann von Böhmen nun der Sohn des verstorbenen Herrschers entschiedener auf, als es Friedrich von Habsburg sechs Jahre zuvor getan hatte.13 Während Erzbischof Peter von Mainz unmittelbar für Johann Partei ergriff, gelang es dem Kölner Erzbischof wie schon 130814, sich 10 Zur Wahl von 1308 vgl. insgesamt Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 4), S. 269 – 275, zur Bedeutung der (Dis-)Kontinuität der Königswähler im Spätmittelalter insgesamt das entsprechende Kapitel bei Andreas Büttner, Dynastische Kontinuität im Wahlreich der Kurfürsten? Kandidatur und Thronfolge im Spätmittelalter, in: Die mittelalter­liche Thronfolge im euro­päischen Vergleich, hg. von Mattias Becher (VuF 84) [im Druck]. 11 Am 25. Oktober 1308 wurden als mög­liche Kandidaten der welt­lichen Kurfürsten genannt: illustres principes Ott., Woldemarus marchiones Brandemburgenses, nobilis vir Alb. comes de Anhalt necnon illustres principes Rud. et Lud. comites palatini Reni et Frid. dux Austrie; MGH Const. 4: 1298 – 1313, ed. Jakob Schwalm, Hannover – Leipzig 1906 – 1911 [künftig: MGH Const. 4], Nr. 260, S. 225 f. Vgl. auch Ferreto de’ Ferreti, Historia rerum in Italia gestarum, ed. Carlo Cipolla, Le Opere di Ferreto de’ Ferreti Vicentino (Fonti per la storia d’Italia 42 – 43), 3 Bde., Rom 1908 – 1920, hier Bd. 1, 1.3, S. 271, der als Konkurrenten Heinrichs sowohl den Pfalzgrafen Rudolf als auch Herzog Friedrich nennt. 12 Vgl. für das Folgende Heinrich Schrohe, Der Kampf der Gegenkönige Ludwig und Friedrich um das Reich bis zur Entscheidungsschlacht bei Mühldorf. Nebst Exkursen zur Reichsgeschichte der Jahre 1292 – 1322 (Historische Studien 29), Berlin 1902, S. 30 – 49; Hans-­Dieter Homann, Kurkolleg und Königtum im Thronstreit von 1314 – 1330 (Miscella­ nea Bavarica Monacensia 56; Neue Schriftenreihe des Stadtarchivs München 75), München 1974, S.  66 – 122; Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 4), S. 294 – 304. 13 Dies war schon deshalb mög­lich, weil das luxembur­gische Lager mit Trier und Böhmen bereits selbst über zwei Kurstimmen verfügte, während Friedrich im Jahre 1308 alle Stimmen hätte gewinnen müssen. Statt des kostspieligen Werbens um die Krone entschieden sich Friedrich und seine Brüder damals für die Anerkennung und Sicherung der eigenen Herrschaft durch den neuen König; vgl. RI VI, 4,1, Nr. 6, Nr. 17, Nr. 260. 14 Zu den Absprachen siehe MGH Const. 4, Nr. 251 – 255, zur Durchführung der Wahl ebd., Nr. 262.

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Herzog Waldemars von Brandenburg und über diesen auch der Herzöge von Sachsen-­Lauenburg zu versichern.15 Zum Jahresbeginn 1314 hatten sich so zwei Dreiergruppen gebildet, denen sich auf einem Treffen ins Rhens fünf Kandidaten präsentierten – darunter Herzog Ludwig von Bayern, König Johann von Böhmen und Herzog Friedrich von Österreich.16 In der Folgezeit standen zunächst die beiden Letztgenannten im Zentrum des Werbens um mög­lichst viele Stimmen: Im Mai 1314 hatte Friedrich sich die Unterstützung von Pfalzgraf Rudolf, Markgraf Heinrich von Brandenburg, Herzog Rudolf von Sachsen-­Wittenberg und Erzbischof Heinrich von Köln gesichert,17 und auch von Markgraf Waldemar von Brandenburg sollte eine Wahlzusage erlangt werden.18 Dieser hatte sich allerdings sowohl mit dem Erzbischof von Köln als auch mit dem Erzbischof von Mainz auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt, was explizit mit der Vermeidung einer zwieträchtigen Wahl begründet wurde.19 Als eine Einigung auf Johann von Böhmen immer unwahrschein­licher wurde, vollzog man in dessen Lager einen Kandidatenwechsel.20 Auch Waldemar von 15 Am 31. Oktober 1313 banden die Herzöge von Sachsen-­Lauenburg ihre Stimme an die Wahl Waldemars von Brandenburg, der am 18. November mit dem Erzbischof von Köln ein gemeinsames Vorgehen bei der anstehenden Wahl vereinbarte; MGH Const. 5: 1313 – 1324, ed. Jakob Schwalm, Hannover – Leipzig 1909 – 1913 [künftig: MGH Const. 5], Nr. 9 – 11. 16 Ebd., Nr. 16, S. 14: Verumtamen diversi magnates utpote Wilhelmus Hollandie et Hanonie comes, qui personaliter ibidem presens fuit, necnon .. rex Bohemie filius domini imperato­ ris defuncti, dux Bawarie, .. dux Austrie et .. comes Nivernensis, qui nuncios sollempnes ad eandem diem transmiserant, laborant toto nisu, ut eligantur in elec­tione presenti ad regnum Romanorum. Zur Identifizierung des dux Bawarie als Herzog Ludwig vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 4), S. 296, Anm. 646; so auch Martin Clauss, Ludwig IV. – der Bayer. Herzog, König, ­Kaiser (kleine bayerische biografien), Regensburg 2014, S. 38. 17 MGH Const. 5, Nr. 23 – 27, Nr. 29, Nr. 30. 18 Ebd., Nr. 28. Friedrich selbst rechnete fest mit der Unterstützung Waldemars, wie aus mehreren Schreiben vom Juni und Juli 1314 hervorgeht; ebd., Nr. 43, S. 41 (Woldemarus marchio Brandenburgensis); Nr. 44, S. 42 (quatuor voces, ohne Spezifizierung); Acta Aragonensia 3 (wie Anm. 7), Nr. 122, S. 275 (quatuor electores, videlicet […] marchio Brandenburgensis). 19 MGH Const. 5, Nr. 38, S. 39: dat han wir dar umme gedain, daz wir bewaren mit Godes hulpe eynen zvicure an deme Romeschen conige zo kesene. Zur Datierung vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 4), S. 298, Anm. 652. Vgl. in ­diesem Sinn bereits das frühere Abkommen mit dem Erzbischof von Mainz über die Wahl Johanns von Böhmen oder Graf Bertholds von Henneberg: ob de anderen korevorsten volgen, also daz eyn eydrechtich konig gekoren werde von den swen personen; ebd., Nr. 20, S. 17. Die Bestimmungen sollten auch dann in Kraft treten, falls der Pfalzgraf sich nicht der Wahl anschloss oder der Kölner Erzbischof von seinem früheren Vertrag mit Waldemar zurücktrat. 20 Zu den mög­lichen Motiven vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 4), S. 299. Zuletzt sah Clauss, Ludwig IV. (wie Anm. 16), S. 40 f., Ludwig als einen weiteren ‚kleinen König‘,

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Brandenburg wandte sich nun endgültig von Friedrich ab,21 sodass der neue Thronanwärter Herzog Ludwig von Bayern auf insgesamt fünf Stimmen zählen konnte (Mainz, Trier, Böhmen, Brandenburg, Sachsen-­Lauenburg). Friedrich wiederum war mit Herzog Heinrich von Kärnten ein Bündnis eingegangen,22 sodass er neben Köln, Pfalz und Sachsen-­Wittenberg auch die böhmische Kurstimme für sich beanspruchen konnte. Das Ringen um mög­lichst viele Stimmen bei der anstehenden Königswahl hatte damit ein Ende gefunden, während das Anwerben von Truppen weiter auf Hochtouren lief. Eine besondere Rolle bei diesen Dienstverträgen spielten stets Wahl und Krönung als zentrale rituelle Akte der Königs­ erhebung, die es militärisch abzusichern galt. Bereits Johann von Böhmen hatte sich der Unterstützung des Grafen von Berg für die Erlangung des Königtums (in assecucione regni Romanorum) durch das Versprechen von 5000 Mark versichert, deren größerer Teil erst nach der Krönung in Aachen ausgezahlt werden sollte.23 Erzbischof Heinrich von Köln bemühte sich schon frühzeitig um bewaffnetes Geleit für die Reise zur Wahl in Frankfurt und zur Krönung in Aachen,24 und auch Peter von Mainz forderte die Getreuen seiner ­Kirche auf, mit bewaffnetem Anhang (cum decenti armatorum comitiva) nach Frankfurt zu kommen.25 In den zahlreichen Truppenwerbungen Ludwigs und Friedrichs findet sich der Dienst

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der den Kurfürsten aufgrund seiner begrenzten Machtbasis gelegen sein musste, wobei auch der Sieg über Friedrich bei Gammelsdorf eine Rolle gespielt haben könnte. Da jedoch Pfalzgraf Rudolf zunächst sowohl seinen Bruder Ludwig als auch Johann von Böhmen als Kandidaten in Betracht gezogen hatte (MGH Const. 5, Nr. 13; Nr. 63, S. 58 f., § 6; Nr. 67, S. 66, § 7) und, wie die weitere Entwicklung der brüder­lichen Beziehungen zeigen sollte, die Differenzen z­ wischen ihm und Ludwig nicht unüberwindbar schienen, mag man statt einer dezidierten Frontstellung gegen Friedrich in Ludwig vielleicht doch eher einen mög­lichen Kompromisskandidaten gesehen haben. Hinzu kam mög­licherweise Ludwigs Abstammung, standen sich 1314 doch nicht ein Habsburger und ein Wittelsbacher, sondern zwei Enkel König Rudolfs gegenüber; vgl. Büttner, Dynastische Kontinuität (wie Anm. 10), Anm. 76 – 78. MGH Const. 5, Nr. 59. Ebd., Nr. 46. Ebd., Nr. 18, S. 15. Ebd., Nr. 21, S. 18, § 4. Siehe dazu auch die Begründung der vom neuen König zu belohnenden Adeligen, Nr. 26, S. 27, § 1: quia infrascripti nobiles se obligaverunt dicto archiepis­ copo ad eundum secum cum armis prout decencius possunt ad eleccionem regis Romanorum futuri et coronacionem eiusdem. Die Absprache mit dem Grafen Wilhelm von Holland und Hennegau wurde jedoch ­später von der Gegenseite unterlaufen (ebd., Nr. 64, S. 62 f., § 6; Nr. 130 – 138), sodass der Kölner schließ­lich nicht persön­lich zur Wahl nach Frankfurt reisen konnte (siehe unten, Anm. 39). MGH Const. 5, Nr. 47, Nr. 48.

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vor allem zeit­lich wie ört­lich bestimmt,26 gelegent­lich auch explizit auf Frankfurt und Aachen bezogen.27 Ähn­lich wie beim Grafen von Berg wurde die Ausbezahlung im Fall Ludwigs teilweise an den Zeitpunkt der Krönung gebunden, jetzt allerdings ergänzt um alternative Termine.28 Auch in den umfassenden Wahlversprechen, die beide Kandidaten zumindest einem Teil ihrer Wähler machen mussten,29 spielten Wahl und Krönung gerade im Hinblick auf die zu leistenden Geldzahlungen eine besondere Rolle. So sollten von den 42.000 Mark, die Friedrich dem Kölner Erzbischof versprach, 32.000 Mark in zwei Raten bis eineinhalb Monate vor dem Wahltag bezahlt werden, andernfalls wäre der Erzbischof nicht mehr zur Wahl Friedrichs verpflichtet.30 Die Krönung erscheint hier eher als bloße Folge der Wahl ohne besondere Auswirkungen,31 für die binnen etwa eines halben Jahres zu bezahlenden übrigen 10.000 Mark wurden verschiedene konkrete Sicherheiten in Form von Bürgen und Pfandversprechen gestellt.32 Da Friedrich bereits die ersten beiden Termine nicht einhielt, wurde am 24. September, etwa ein Monat vor der Wahl, ein neuer Zahlungsplan aufgestellt: 26 MGH Const. 5, Nr. 77, S. 74; Nr. 80, S. 69; Nr. 85, S. 81; Nr. 86/87, S. 82, § 1; Nr. 89, S. 84; Nr. 109, S. 107; Joseph Chmel, Zur Geschichte ­Kaiser Friedrichs des Schönen, in: Archiv für Kunde österreichischer Geschichts-­Quellen 2 (1849), S. 511 – 557, hier S. 541 – 553, wo stets vom Dienst versus Renum die Rede ist. Vgl. hierzu Christian Lackner, Die landesfürst­lichen Pfandschaften in Österreich unter der Enns im 13. und 14. Jahrhundert, in: Österreich im Mittelalter. Bausteine zu einer revidierten Gesamtdarstellung, hg. von Willibald Rosner (Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde 26), St. Pölten 1999, S. 187 – 204, hier S. 188 f., S. 193, S. 195, S. 198 ff. Siehe außerdem das Bündnis mit Heinrich von Kärnten: an den Rein z ue dem tag, da man ainen Romischen chunk erwelen sol; MGH Const. 5, Nr. 46, S. 44. 27 MGH Const. 5, Nr. 78, S. 74 f., § 1, 5 (nur Frankfurt und nicht darüber hinaus); Nr. 79, S. 76; Nr. 84, S. 81; Nr. 86/87, S. 82, § 1; Nr. 88, S. 83; Nr. 109, S. 107. Für die Zeit nach der Wahl siehe beispielsweise ebd., Nr. 108, S. 106, § 1; Nr. 110, S. 108, § 3; Nr. 117, S. 114, § 14. 28 MGH Const. 5, Nr. 85, S. 81; Nr. 86/87, S. 82 f., § 2, 3: Die Auszahlung sollte innerhalb von zwei Monaten nach der Krönung erfolgen, im Fall eines Verzugs am Weihnachtstag 1314 und an Ostern beziehungsweise am Johannestag 1315. Dieselben oder ähn­liche Daten ohne Erwähnung der Krönung finden sich bei Nr. 80, S. 69; Nr. 88, S. 83; Nr. 89, S. 84; Nr. 109, S. 107. 29 Vgl. hierzu ausführ­lich Schrohe, Kampf der Gegenkönige (wie Anm. 12), S. 213 – 270; außerdem Homann, Kurkolleg und Königtum im Thronstreit (wie Anm. 12), S. 88 – 92, S.  106 – 114; Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 4), S. 302 – 304. 30 MGH Const. 5, Nr. 27, S. 29, § 1 – 5. 40.000 Mark sollte der Erzbischof, 2000 Mark dessen Räte erhalten. 31 Vgl. MGH Const. 5, Nr. 25, S. 26, § 13, 14, 16; Nr. 26, S. 27 f., § 1, 9; Nr. 27, S. 30, § 12; Nr. 28, S. 32; Nr. 30, S. 34. 32 MGH Const. 5, Nr. 27, S. 29 f., § 2, 7 – 15.

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Vorab waren nun ledig­lich 11.000 Mark zu bezahlen, weitere 6000 Mark mussten in Frankfurt vor der Wahl entrichtet werden.33 Auf Seiten Ludwigs war hingegen die Krönung der Anlass für die Erfüllung der gemachten Versprechungen beziehungsweise zumindest für die Zahlung eines gewissen Anteils. Die genannten Alternativtermine machen allerdings deut­lich, dass man das baldige Eintreten ­dieses Ereignisses mit einer gewissen Unsicherheit behaftet sah: Mit der Verzögerung der Krönung sollte ein Aufschub, jedoch kein Erlass verbunden sein.34

Die Wahl und ihre (Be-)Deutung Das massive Anwerben von Truppen hatte zur Folge, dass zum angesetzten Wahltag nicht nur die Kandidaten und ihre kurfürst­lichen Wähler nach Frankfurt zogen, sondern auch zwei statt­liche Heere. Einen Monat vor der Wahl hatte Friedrich gegenüber seinem Schwiegervater Jakob II. von Aragón noch die Hoffnung geäußert, dass diejenigen Kurfürsten, die seinem Königtum ablehnend gegenüberstanden, bei der gemeinsamen Zusammenkunft umgestimmt werden könnten.35

33 Die verbliebenen 25.000 Mark sollten binnen etwa sechs Monaten bezahlt werden, wobei dieser Zeitraum noch einmal in zwei Raten unterteilt wurde; ebd., Nr. 74, S. 71 f., § 1, 2. Auch hier spielte die Krönung keine Rolle, bei fehlender Bezahlung der 17.000 Mark bis zum Wahltag wurde der Erzbischof wie zuvor von seiner Verpflichtung zur Wahl entbunden, ebd., S. 72, § 6. 34 MGH Const. 5, Nr. 58, S. 54 f., § 6, für den Erzbischof von Mainz: Ludwig versprach die Bezahlung binnen drei Monaten nach der Krönung oder nach der Aussöhnung mit seinem Bruder Rudolf. Sollte es bei beiden Akten zu Verzögerungen kommen, so waren bis zum 9. Februar (Invocavit) 1315 zumindest 4000 Mark auszuzahlen. Viel mehr Zeit wurde ­Ludwig hierdurch allerdings nicht eingeräumt, denn z­ wischen Wahltag und Alternativtermin lagen etwas weniger als vier Monate. Ebd., Nr. 65, S. 63, § 1, für den Erzbischof von Trier: 6000 Mark waren unabhängig von der Krönung an Weihnachten fällig (sive coronati simus sive non), die verbleibenden 4000 Mark sollten an Ostern gezahlt werden. Falls ­Ludwig zu ­diesem Zeitpunkt noch nicht gekrönt war, sollte die Restzahlung in jedem Fall an Pfingsten erfolgen. Ebd., Nr. 67, S. 67, § 10, 11, für den König von Böhmen: Ludwig musste innerhalb eines Monats nach der Krönung bis zur Erfüllung aller Verpflichtungen in Köln oder alternativ in Mainz Einlager halten. Nach der Wahl selbst setzten dann weitere konkrete Geldforderungen der Wähler ein, deren Begleichung Ludwig auf die fernere Zukunft verwies oder durch Verpfändungen bewerkstelligte; ebd., Nr. 106 – 108, Nr. 110, Nr. 111. Auch direkt nach der Krönung wurden weitere Zahlungen fällig, wie zum Beispiel an den Grafen von Holland und Hennegau; ebd., Nr. 133, S. 130. 35 Ebd., Nr. 81, S. 77: Et speramus, quod ceteri principes ad favendum nobis induci possint fauto­ rum nostrorum consiliis, dum insimul fuerunt congregati.

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Nun wurde schnell klar, dass es zu einer solchen Vereinigung der Wähler gar nicht kommen würde, waren die beiden Lager doch durch den Main getrennt. Unter diesen Vorzeichen unternahm man im Lager Ludwigs einen letzten Versuch zur Verhinderung einer Doppelwahl, der durch ein hierüber eigens angefertigtes Notariatsinstrument dokumentiert ist. Als am Abend des angesetzten Wahltermins, dem 19. Oktober, die Kurfürsten von Köln und der Pfalz noch nicht erschienen waren, beschloss man, den Wahltag bis zum folgenden Tag zu verlängern. Hierdurch sollte den beiden fehlenden Königswählern die Mög­lichkeit gegeben werden, „für das Wohl des Friedens und in der Hoffnung auf Einigkeit“ doch noch an der Wahl teilzunehmen.36 Dass man tatsäch­lich an deren Erscheinen glaubte, darf bezweifelt werden. Es bleibt jedoch bemerkenswert, dass man statt einer mög­lichst schnellen Wahl zumindest am Anschein interessiert war, eine einmütige Wahl zustande bringen zu wollen. Auf Seiten Friedrichs entschied man sich hingegen für die erste Op­tion und schritt noch am festgesetzten Tag zur Wahl, worauf in der erweiterten Fassung des Wahldekrets ausdrück­lich hingewiesen wurde: prout ipse terminus requirebat. Ebenfalls hinzugefügt wurde, dass man lange auf die Mitwähler gewartet habe, diese sich durch ihr Fernbleiben aber de iure von der Wahl abgewandt hätten.37 Für den Ablauf der Wahl selbst war man bemüht, sich an der vorangegangenen Erhebung Heinrichs VII. zu orientieren, doch machte die besondere Situa­tion zahlreiche Änderungen des Rituals notwendig. So musste die einleitende protestatio, die alle gebannten und unberechtigten Wähler von der Wahl ausschloss, durch den Bischof von Gurk verlesen werden, da sich keiner der geist­lichen Kurfürsten im Lager Friedrichs eingefunden hatte.38 Das Fehlen des Erzbischofs von Köln 39 hatte außerdem zur Folge, dass die Abfrage der Stimmen anders als sechs Jahre 36 Ebd., Nr. 96, das Zitat S. 94: pro bono pacis et sub spe concordie. 37 Ebd., Nr. 95, S. 92, § 1: nobis placuit ipsa die in ipso loco procedere ad elec­tionem regis Romanorum in imperatorem promovendi, prout ipse terminus requirebat. Tandem cum alii conprincipes et coelectores nostri dicta die et loco predicto per nos diucius expectati in eiusdem elec­tionis negocio ad huiusmodi elec­tionem celebrandam venire seu procedere nobiscum minime curaverint et sic quoad dicte elec­tionis negocium de iure alienos se fecerunt […]; vgl. hierzu die kürzere Fassung, ebd., Nr. 94, S. 89 f., § 1. 38 Ebd., Nr. 95, S. 92, § 2, in der kürzeren Fassung in abweichender Form (ebd., Nr. 94, S. 90, § 2), und zwar auch gegenüber 1308, vgl. MGH Const. 4, Nr. 262, S. 229, § 2. Bei der Wahl Heinrichs VII. hatte Erzbischof Balduin von Trier die Verlesung vorgenommen. Die Aufnahme dieser Schutzklausel erklärt sich aus der damaligen Unsicherheit über die Berechtigung der säch­sischen Kurstimme; vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 4), S. 277 ff. 39 MGH Const. 5, Nr. 95, S. 91 f., § 1, unter Verweis auf die Stimmübertragung an den Pfalzgrafen Rudolf, ebd., Nr. 91.

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zuvor nicht mehr eigens erwähnt wurde. Nachdem so zuerst König Heinrich von Böhmen, dann Pfalzgraf Rudolf – auch im Namen Heinrichs von Köln – und schließ­lich Herzog Rudolf von Sachsen ihre Stimme abgegeben hatten, nahm der Pfalzgraf den Kürspruch vor.40 Dieser enthielt in seiner gegenüber dem Jahr 1308 leicht gewandelten Fassung noch einmal die Deutung der Wahlvorgänge durch Friedrichs Wähler, die so allen Anwesenden öffent­lich bekannt gemacht wurde: Am festgesetzten Wahltag habe man lange auf die übrigen Wähler gewartet, die jedoch keinen Wert darauf gelegt hätten, rechtmäßig mitzuwählen. Das alleinige Wahlrecht (potestas seu ius eligendi) sei damit auf die Anwesenden übergegangen, die einträchtig ihre Stimmen auf Friedrich vereint und diesen durch den Kürspruch des Pfalzgrafen erwählt hätten.41 Die anschließende Einstufung der Wahl als rechtmäßig (canonice)42 stützte sich also vor allem auf den korrekten Wahltag, während die diesbezüg­lichen Rituale auf ein Minimum reduziert und das üb­liche Absingen des Te Deum sowie die feier­liche Bekanntgabe der Wahl unterlassen wurden.43 Auf Seiten Ludwigs wurden hingegen die herkömm­lichen Formen stärker beachtet, ja statt der üb­lichen Anrufung des Heiligen Geistes ist nun explizit die Feier einer Heiliggeistmesse überliefert – zunächst am ursprüng­lichen Wahltag und dann erneut vor der eigent­lichen Wahl.44 Nachdem drei Tage ­später die Stadt Frankfurt dem neuen 4 0 Ebd., Nr. 95, S. 92, § 3, 4. 41 Ebd., S. 93, § 5. 42 Vgl. zu dieser Bezeichnung Reinhard Schneider, Wechselwirkungen von kanonischer und welt­licher Wahl, in: Wahlen und Wählen im Mittelalter, hg. von Reinhard Schneider – Harald Zimmermann (VuF 37), Sigmaringen 1990, S. 135 – 171, hier S. 165 – 170; Roland Pauler, Wahlheiligkeit, in: Festschrift für Eduard Hlawitschka zum 65. Geburtstag, hg. von Karl Rudolf Schnith – Roland Pauler (Münchener Historische Studien, Abteilung Mittelalter­liche Geschichte 5), Kallmünz Opf. 1993, S. 461 – 477; außerdem Mathias Schmoeckel in ­diesem Band. 43 MGH Const. 5, Nr. 95, S. 93, § 5: Qui electus huiusmodi elec­tioni canonice de se facte, divine nolens resistere voluntati, interpellatus super hoc nobis cum diligentia magna consensit. Vgl. dagegen die deut­lich längere Wahlanzeige Heinrichs VII., MGH Const. 4, Nr. 262, S. 230, § 5. Sollte das lange Warten der Wahrheit entsprochen haben, könnte dies darauf hindeuten, dass man erst als Reak­tion auf die von Ludwigs Wählern gesandten Boten zur Wahl schritt. Dies könnte auch den Verzicht auf eine besondere rituelle Ausgestaltung der Wahl erklären, bestand doch kein Grund, diese bei tatsäch­licher Durchführung im Wahldekret zu verschweigen. 44 MGH Const. 5, Nr. 102/103, S. 99 f., § 2, 3; Nova Alamanniae. Urkunden, Briefe und andere Quellen besonders zur deutschen Geschichte des 14. Jahrhunderts vornehm­lich aus den Sammlungen des Trierer Notars und Offizials, Domdekans von Mainz Rudolf Losse aus Eisenach in der Ständischen Landesbibliothek zu Kassel und im Staatsarchiv zu Darmstadt, ed. Edmund E. Stengel, 2 Bde., Hannover 1921 – 1930, hier Bd. 1, Nr. 104, S. 62, § 2, 3. Vgl. zur Einordnung Winfried Dotzauer, Anrufung und Messe zum Heiligen

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König die Tore geöffnet hatte, wurde Ludwig außerdem in der dortigen Bartho­ lomäuskirche auf den Altar gesetzt, das Te Deum gesungen und die Wahl vor der ­Kirche erneut allgemein bekannt gemacht. Der zeit­liche Abstand ­zwischen Wahl und Altarsetzung wurde im Wahldekret selbst geschickt verschleiert, indem das dreitägige Warten vor Frankfurt auf ein bloßes „bald darauf “ (postmodum) reduziert wurde.45 Die richtige und besonders feier­liche Durchführung der Wahl war das eine, die Bekanntmachung und der damit einhergehende konkrete machtpolitische Gewinn das andere. Während Friedrich seine Wahl nicht umgehend nutzbar zu machen versuchte,46 wandten sich die Wähler Ludwigs sogleich an Frankfurt sowie an die nahe gelegenen Reichsstädte Friedberg, Wetzlar und Gelnhausen. Ähn­lich wie im Wahldekret Friedrichs bildete auch für sie der korrekte Wahltag den Ausgangspunkt der Argumenta­tion, die Verschiebung um einen Tag wurde hingegen nicht erwähnt.47 Aufgrund des unentschuldigten Fernbleibens ihrer Mitwähler sei das alleinige Wahlrecht auf sie übergegangen, sodass der von ihnen rechtmäßig und einträchtig gewählte Ludwig (rite et concorditer electus) als König anzuerkennen sei.48 Die Strategie war erfolgreich: Ludwig wurde in Frankfurt eingelassen und empfing nach der Altarsetzung die Huldigung „als wahrer Herr“.49 Die Wirkreichweite ­dieses Rituals wurde durch die Mitteilung an die Stadt Aachen unmittelbar erweitert und die Krönungsstadt durch die prowittelsbachische Darstellung der Vorgänge zur Parteinahme aufgefordert.50 Geist bei Königswahl und Reichstagen in Mittelalter und Früher Neuzeit, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 33 (1981), S. 11 – 4 4, hier besonders S. 16 – 34; Pauler, Wahlheiligkeit (wie Anm. 42), S. 462, S. 476. 45 MGH Const. 5, Nr. 102/103, S. 102 f., § 6; Nova Alamanniae (wie Anm. 44), Bd. 1, Nr. 104, S. 64, § 6, mit – anders als bei Friedrich – deut­lichen Anklängen an die Wahlanzeige ­Heinrichs VII. (wie Anm. 43). 4 6 Entsprechende Schreiben sind erst aus der Zeit nach der Krönung überliefert (siehe unten, Anm. 69, 73, 75). 47 MGH Const. 5, Nr. 97, S. 95, Schreiben des Erzbischofs von Mainz: Cum dies certa ­precise et peremptorie fuisset assignata apud Frankenvord ad eligendum Romanorum regem […]. Ebenso in den Schreiben der übrigen Kurfürsten, ebd., Nr. 98 – 101. Bezeichnenderweise wird der genaue Tag der Wahl nicht näher spezifiziert. 48 Ebd. 49 Ebd., Nr. 112, S. 109, Schreiben der Stadt Wetzlar an Aachen, 25. Oktober 1314: Nos […] serenissimo domino nostro domino Lud(wico) Romanorum regi civitatem Frankenfurden(sem) reseravimus sibique, postquam super altare sancti Bartholomei exaltatus fuerat, quemadmodum vero domino nostro homagium et obedienciam debitam duximus generaliter faciendam. 50 So findet sich nach der weitgehend wortwört­lichen Übernahme der kurfürst­lichen Schreiben vom 22. Oktober (wie Anm. 47) auch der Hinweis auf die Verschiebung der Wahl: iidem principes ex superhabundanti expectantes duos principes predictos usque in diem Dominicum proxime subsequentem. Der Vollzug der Wahl wurde leicht abweichend als

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Die Krönung und ihre (Be-)Deutung Mit der Wahl bei Frankfurt war der erste Schritt der Königserhebung abgeschlossen, allerdings ohne einen einmütig gewählten König hervorzubringen. Der Krönung musste daher besondere Bedeutung zukommen, und so verwundert es nicht, dass die Auseinandersetzung über die Rechtmäßigkeit ­dieses Rituals bereits kurz nach der Wahl begann.51 Den Anfang machte Erzbischof Heinrich von Köln, indem er Ludwig und dessen Anhänger aufforderte, am 23. November vor ihm in Köln zu erscheinen. Dort sollten sie darlegen, wieso Friedrich nicht geweiht werden könne, da dieser ihn um die Annahme seiner rechtmäßigen Wahl und um die Salbung und Krönung ersucht habe.52 Im Gegenzug forderte ­Ludwig den ­Kölner Erzbischof seinerseits auf, am 24. November zu seiner Krönung in Aachen zu erscheinen, wenn er glaube, dass er und seine K ­ irche irgendeinen Anspruch bezüg­lich der Krönung hätten. Andernfalls werde er sich „durch einen anderen oder andere“ krönen lassen.53

pure ac concorditer, Ludwig aber auch als rite electus bezeichnet; MGH Const. 5, Nr. 112, S. 109. Nur allgemein erwähnt wird die „Beachtung der gebührenden und üb­lichen Feier­ lichkeiten“ hingegen in einem Schreiben Ludwigs an die Stadt Konstanz, verbunden mit dem Verweis auf die Wahl in Frankfurt und die Stimmenmehrheit: simus a maiori parte principum ius in elec­tione habencium in Frankenfůrt, vocatis qui evocandi fuerant, adhibitis sollempnitatibus debitis et consuetis ad culmen maiestatis regie sublimati; ebd., Nr. 113, S. 110. 51 Vgl. hierzu Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 4), S. 314 – 317. 52 MGH Const. 5, Nr. 114, S. 111: Comparvit coram nobis illustris princeps Fridericus dux A ­ ustrie in Romanorum regem […] electus, supplicans ut elec­tionem de ipso canonice celebratam, ut asse­ rit, dignaremur, prout officii nostri debitum ex antiqua et approbata ac laudabili consuetu­dine a tempore, cuius memoria non existit, pacifice observata requirit, acceptare, ipsum in Romanum regem ungendo et coronando. 53 Ebd., Nr. 121, S. 121: quatinus si sua et ecclesie sue crediderit aliqualiter interesse ac aliquid ministerii vel officii circa dictam suam coronacionem competere, predictis loco et die una cum aliis predictis suis electoribus, qui ibidem presentes extiterint, compareat eadem si voluerit exe­ cuturus. Cum intimacione quod si non venerit, ipse dominus rex electus ab alio vel ab aliis, a quo vel quibus poterit vel debebit, munus sue recipiet coronacionis. Einleitend wurde auch hier auf die Rechtmäßigkeit der Wahl verwiesen: Cum nuper ipse dominus Lud(owicus) apud Frankenfurd die ad hoc prefixa rite fuerit electus in regem Romanorum […]. In einem Notariatsinstrument Balduins von Trier vom selben Tag wurden außerdem die Altarsetzung und die Verkündigung der Wahl angeführt: intronizatoque post eius elec­tionem in civitatem Frankenfurdensem ac clero et populo postmodum publicato locis debitis et consuetis. Für den Fall des Fernbleibens des Kölners beanspruchte Balduin das Krönungsrecht für sich; ebd., Nr. 122, S. 122.

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Beiden Aufforderungen wurde nicht Folge geleistet,54 sodass es nach der doppelten Wahl am 19. und 20. Oktober am 25. November zur doppelten Krönung in Bonn und Aachen kam. Gerade für die Krönung Friedrichs entstand im Ringen um Legitima­tion eine Reihe von Schriftstücken, die außergewöhn­liche Einblicke in den Ablauf und die Deutung des Rituals erlauben. So ist in zweifacher Ausführung ein heute in Wien aufbewahrtes Schreiben an den zukünftigen Papst überliefert, das die genauen Umstände von Friedrichs Königserhebung schildert. In ­diesem wird außerdem auf das angehängte Wahldekret, die Wahlvollmacht des Kölners für den Pfalzgrafen sowie auf ein Notariatsinstrument über die Krönung, das an alle Reichsangehörigen adressiert war, verwiesen.55 Der Vollzug der Weihe durch den Kölner Erzbischof wird im Hauptdokument sehr kurz abgehandelt,56 und auch in dem eigenständigen Schriftstück findet sich das Ritual auf seine wesent­lichen Schritte reduziert: „Am Katharinentag haben wir Friedrich in unserer Stadt Bonn, die in unserer Diözese liegt, zum römischen König und mit Gottes Hilfe zukünftigen K ­ aiser gesalbt und gekrönt, unter Beachtung der hierbei gebührenden und üb­lichen Feier­lichkeiten, in Anwesenheit vieler Bischöfe, Adeliger und Vornehmer.“ 57 Bei der Betonung der zahlreichen Anwesenden handelt es sich zweifelsohne um eine deut­liche Übertreibung,58 die aber 54 Zur Reak­tion des Kölner Erzbischofs auf die Aufforderungen Ludwigs und Balduins von Trier siehe ebd., Nr. 123, Nr. 124. 55 Ebd., Nr. 120, S. 120, § 4: Que omnia et singula ex decreto elec­tionis […], cui eciam cum meo sigillo presens mea supplicacio est annexa, et per instrumenta de mandato predicto comiti Palatino a me dato et de inunc­tione et corona­tione predictis conscripta et in formam publicam redacta lucide demonstrantur. Die Vollmacht ebd., Nr. 91, das Wahldekret Nr. 95, das Notariatsinstrument Nr. 118. 56 Ebd., Nr. 120, S. 120, § 3: Et deinde per me, cui hoc secundum habitam hactenus a tempore, cuius non est memoria, observanciam et ex indulto sedis apostolice nomine Coloniensis ecclesie competit die certa que fuit festum beate Katberine nuper preteritum ad hoc statuta et proclama­ tione sicut iuris est premissa in regem Romanorum extitit inunctus et cum sollempnitate debita regali dyademite coronatus. 57 Ebd., Nr. 118, S. 116, § 2: eundem Fredericum ipsa die beate Katerine virginis in opido nostro Bunnensi, quod est infra nostram dyocesim, in Romanorum regem unximus et coronavimus in futurum imperatorem dante Domino promovendum, adhibitis circa coronacionem eandem sollempnitatibus debitis et consuetis, episcopis et nobilibus ac proceribus multis presentibus in dicto loco. 58 Gerade die erwähnten Bischöfe fehlen in der Zeugenliste des Notariatsinstruments gänz­ lich; ebd., S. 116. Vgl. auch Heinz Thomas, Ludwig der Bayer (1282 – 1347). ­Kaiser und Ketzer, Graz – Wien – Köln 1993, S. 68 f.: „Von den vier Wählern des Habsburgers erschien in Bonn nur der Kölner Erzbischof, der als Koronator naturgemäß unentbehr­lich war und sich diesmal auch nicht mit der Gefährdung seiner Person entschuldigen konnte. Außerdem

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gleichzeitig auf das Ideal einer Krönung verweist: Zumindest die Fik­tion einer großen Beteiligung musste aufrechterhalten werden, um das Ritual als gelungen präsentieren zu können.59 Ferner galt es, die Berechtigung des Gekrönten sowie das Abweichen vom tradi­tionellen Krönungsort Aachen zu rechtfertigen. Hierzu wurden ausführ­lich der Vorgang der Königswahl, die Bitte Friedrichs um die Weihe, die Vorladung Ludwigs zur Begründung seines Anspruchs und die an Aachen gerichtete Forderung nach Einlass zur Krönung referiert.60 Für die Krönung in Bonn berief sich der Kölner Erzbischof auf sein durch päpst­liche Privilegien verbrieftes Recht, an jedem Ort innerhalb seiner Kirchenprovinz die Krönung vollziehen zu können. Jene Urkunden schlummerten jedoch nicht im erzbischöf­lichen Archiv, sondern kamen im Ritual selbst zum Einsatz: Vor und während der Krönung wurden sie sub veris stilo, filo et bulla präsentiert und verlesen, damit, so der Erzbischof, niemand glauben könne, eine Krönung außerhalb Aachens sei weniger wirksam.61 Wie bereits bei der Wahl wurde so für die Weihe Friedrichs weniger der konkrete Ablauf, sondern vor allem die Rechtmäßigkeit des Rituals insgesamt hervor­ gehoben, in ­diesem Falle die Durchführung durch den richtigen Koronator. Der Kölner Erzbischof beanspruchte damit eine Sonderstellung im Prozess der Königs­ erhebung: Im Falle einer nicht einträchtigen Wahl oblag es ihm, die Ansprüche der beiden Kandidaten und ihrer Wähler gegeneinander abzuwägen und über deren Rechtmäßigkeit zu entscheiden.62 Die Krönung selbst erscheint eher als Folge der Annahme der Wahl, nach deren Begutachtung der Kölner zur Durchführung seines

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war offenbar nur ein Reichsfürst anwesend, der Landgraf Otto von Hessen. Für den Kölner müssen die Feier­lichkeiten in Bonn eine einigermaßen pein­liche Angelegenheit gewesen sein.“ Pfalzgraf Rudolf war in der Tat der Krönung ferngeblieben, hatte jedoch Graf ­Gerlach von Nassau zu seinem Stellvertreter für alle notwendigen Handlungen ernannt; MGH Const. 5, Nr. 116, S. 111 f. Herzog Rudolf von Sachsen hingegen war in Bonn anwesend, im Notariatsinstrument steht er unter den Zeugen an erster Stelle. Siehe so auch das Schreiben des Kölner Erzbischofs an die Städte Nürnberg und Konstanz: coepiscopis, nobilibus et proceribus imperii et nostris presentibus; ebd., Nr. 119, S. 117. Ebd., Nr. 118, S. 115, § 1. Ebd., S. 116, § 2. Siehe auch den Verweis im Schreiben des Pfalzgrafen und des Herzogs von Sachsen an Konstanz zum Krönungsrecht des Kölner Erzbischofs, ebd., Nr. 171, S. 163, § 1. Zu den päpst­lichen Privilegien vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 4), S. 64 ff. und S. 322 f. mit weiterer Literatur. MGH Const. 5, Nr. 118, S. 115, § 1: Deinde idem Fredericus sic electus comparens coram nobis, eleccionem suam per nos acceptam haberi seque in regem Romanorum ungi et coronari peciit cum instancia debita et consueta. So auch oben, Anm. 52. Noch deut­licher ebd., Nr. 124, S. 124 f., § 3: quod si ipsum dominum Ludowicum invenerit potius ius in elec­tione predicta habere, ipsum benigne recipiet et tractabit sibique paratus erit facere, quod ex officio suo tenetur.

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Amtes verpflichtet war (debemus officii debitum inpertiri).63 Dieses Krönungsrecht (ius corona­tionis) kam nur ihm zu, weswegen er gegen diesbezüg­liche Übergriffe Klage ankündigte und betonte, dass der so Gekrönte aus dieser Handlung keinerlei Rechte erwerben könne.64 Ähn­lich wie es das Papsttum aufgrund der Kaiser­ krönung forderte, leitete der Erzbischof von Köln aus seinem Krönungsrecht den Anspruch auf Prüfung der Wahl ab,65 weshalb die Wahlen beider Könige mit entsprechenden Wertungen versehen wurden.66 Die enge Verbindung von Wahl und Krönung wird auch in den S­ chriftstücken deut­lich, mit denen sich die beiden Parteien nach dem 25. November an die ­Fürsten und Städte des Reichs wandten, um ihre Anerkennung zu erreichen. Wie schon

63 MGH Const. 5, Nr. 118, S. 115, § 2. Siehe auch oben, Anm. 52, 62, außerdem die Darstellung des Pfalzgrafen und des Herzogs von Sachsen, ebd., Nr. 171, S. 163, § 1: Dictus igitur dominus Frid(ericus) noster electus iuri sibi per nostram eleccionem quesito insistens pro coro­ nacione sibi debita sicut moris est, versus civitatem Aquensem porrexit. Vgl. in d­ iesem Sinne bereits die Wahlversprechen Friedrichs für den Erzbischof von Köln (wie Anm. 31, 33). 6 4 Ebd., Nr. 124, S. 125, § 3: nec taliter coronato tamquam ab eo, qui auctoritatem non habet, ex hoc quicquid iuris acquiri debet in hoc casu. 65 Vgl. Franz-­Reiner Erkens, Der Erzbischof von Köln und die deutsche Königswahl. Studien zur Kölner Kirchengeschichte, zum Krönungsrecht und zur Verfassung des Reiches (Mitte 12. Jahrhundert bis 1806) (Studien zur Kölner Kirchengeschichte 21), Siegburg 1987, S. 64 – 72, besonders S. 67 f. Die Funk­tion als dem Papst vergleichbarer Richter schon bei Mario Krammer, Das Kurfürstenkolleg von seinen Anfängen bis zum Zusammenschluß im Renser Kurverein des Jahres 1338 (Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches in Mittelalter und Neuzeit 5,1), Weimar 1913, S. 252, Anm. 1 und S. 254. Krammer leitet hieraus eine Vorrangstellung der Krönung im Prozess der Herrschererhebung ab und übersieht dabei, dass sich auch beim Kölner Erzbischof das Pendel mehr und mehr zur Wahl neigte. 66 MGH Const. 5, Nr. 118, S. 115 f., § 1, 2: Nennung des vereinbarten Wahltermins und Wahlorts (die videlicet crastino beati Luce ewangeliste proxime preterito apud Frankenvort assignato), Zusammenkunft der Wähler Friedrichs an besagtem Tag und Ort (ibidem eadem die sic assi­ gnata et in loco eodem debito videlicet Frankenvort), Bevollmächtigung des Pfalzgrafen zum Führen der Kölner Stimme (habens illa vice per litteras nostras patentes potestatem pro nobis eligendi), Stimmberechtigung des Herzogs von Sachsen-­Wittenberg (qui in possessione iuris vel quasi eligendi fuit et est et progenitores sui fuerant a tempore, cuius memoria in contrarium non existit) und des Königs von Böhmen (verus heres et rex Bohemie). Die Wahl Friedrichs sei folg­lich von den wahren Fürsten am festgesetzten Tag und Ort vollzogen worden (rite electus utpote a veris principibus predictis et die ac loco prefixis), während die Wahl Ludwigs ohne einstimmigen Beschluss der Fürsten verschoben und ohne vorherige Aufhebung der Wahl Friedrichs erfolgt sei (Ludewici eleccione, si qua fuit, ex postfacto die sequenti et non de communi consensu principum prorogata et eciam eleccione dicti Frederici tamquam priori non cassata de facto attemptata).

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bei der Altarsetzung in Frankfurt konnte Ludwig nun neben der Krönung auf die Thronsetzung in Aachen verweisen, die Salbung blieb hingegen unerwähnt. Drei Tage nach der Weihe stand gegenüber der Stadt Konstanz noch allein die Krönung im Zentrum des Schreibens, eineinhalb Monate s­ päter wurde gegenüber Treviso auch die rechtmäßige Wahl (electio canonica) durch die hierzu befugten Wähler angeführt.67 Auf Seiten Friedrichs wurde ebenfalls auch der Wahl stets besonderer Raum eingeräumt,68 wobei unmittelbar nach der Weihe zunächst diese selbst hervorgehoben wurde. So betonte der Kölner Erzbischof gegenüber Nürnberg und ­Konstanz eingangs die von ihm als rechtmäßig befundene Wahl Friedrichs (elec­ cionem suam invenimus rite factam), um dann auf die Krönung und Salbung mit den gebührenden Feier­lichkeiten und vor allem auf sein Recht, außerhalb Aachens mit gleicher Wirksamkeit weihen zu können, einzugehen.69 Aus der Krönung wurde nun außerdem die Forderung nach der Anerkennung Friedrichs abgeleitet, da bekannt­lich nur der Kölner Erzbischof hierzu befugt sei. Auf die rite und canonice vollzogene Wahl Friedrichs 70 folgte die ebenso durchgeführte Krönung, ­welche allein Friedrich zum „wahren römischen König“ (verus rex Romanorum) machte.71 Diese Sonderstellung des Erzbischofs von Köln spielte 67 MGH Const. 5, Nr. 126, S. 126 (Konstanz, 28. November 1314): Insuper scire vos volumus, quod in die beate Katherine virginis in civitate nostra Aquensi cum ea reverencia, qua regalem decuit excellenciam, suscepti et intronizati iuxta morem in loco solito videlicet ecclesia gloriose Virginis ibidem dyadema regium suscepimus cum sollempnitate debita et consueta. So auch ebd., Nr. 197, S. 180 (Treviso, vom 9. Januar 1315) sowie zur Wahl: in regem Romanorum sumus per elec­tionem canonicam principum, ad quos ius eligendi pertinet, in crastino a beati Luce evangeliste in Franchenfurt loco consueto et solito sublimati. 68 Dies gilt es gegen Mario Krammer, Wahl und Einsetzung des Deutschen Königs im Verhältnis zu einander (Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches in Mittelalter und Neuzeit 1,2), Weimar 1905, S. 20 f., zu betonen, der für den Kölner Erzbischof die Wahl als „eine wohl notwendige, doch nur vorbereitende Handlung“ und die Krönung als „ein von der Wahl völlig losgetrennter, selbstständiger und allein dem Willen des Erzbischofs abhängender Akt“ deutet. 69 MGH Const. 5, Nr. 119, S. 117 (vom 26. November 1314). 70 Siehe Anm. 42, 52, 66, 69. 71 MGH Const. 5, Nr. 119, S. 117 f., besonders S. 117: coronacione sic rite per nos facta; sic per nos rite et canonice coronatus. Siehe auch Nr. 118, S. 116, § 3, mit der Bezeichnung Friedrichs als verus rex Romanorum. Vgl. außerdem die Zusammenfassung des Schreibens, das der Kölner Erzbischof an die Stadt Barcelona gerichtet hatte: rechtmäßige Wahl (electus canonice) durch die sanior pars, zum richtigen Termin (in termino ad hoc prefixo peremptorie et precise), feier­liche (cum sollemnitate debita) und rechtmäßige (exigente iustitia) Krönung durch den einzig berechtigten Koronator (cui soli ex inveterata et inconcussa approbate consuetudinis

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auch im Schreiben Friedrichs an Konstanz etwa zwei Monate nach der Krönung eine wichtige Rolle mit dem ortsunabhängigen alleinigen Krönungsrecht als zentralem Argumenta­tionsbaustein.72 Daneben wurde der festgelegte ­Wahltermin besonders hervorgehoben und die Wähler Friedrichs explizit als die sanior pars bezeichnet.73 Noch kürzer fiel die ähn­lich gelagerte Darstellung der Krönung in einem Schreiben der Kurfürsten von der Pfalz und Sachsen-­Wittenberg aus,74 die dafür ausführ­licher auf Wahltermin und -ort eingingen, ­welche bei der Wahl Friedrichs eingehalten und bei der Wahl Ludwigs missachtet worden s­ eien.75 Bei der Aufforderung zum Gehorsam standen Wahl und Krönung durch die dazu jeweils berechtigten Personen dann gleichberechtigt und in chronolo­g ischer Folge nebeneinander.76 observantia Romanos reges competit coronare) am von ­diesem auszuwählenden Ort (in loco quo idem archiepiscopus coronare potuit, ut apparet ex privilegiis sedis apostolice sibi et ecclesie sue concessis); ebd., Nr. 229, S. 201. 72 Ebd., Nr. 172, S. 164: a reverendo in Christo patre domino Heinrico sancte Coloniensis eccle­ sie archiepiscopo, cui de iure et ex antiqua et approbata consuetudine Romanos coronare reges competit, existamus in loco, quo idem coronare potuit, ut docebat plene per litteras apostolicas, quas sub bulla vera vidimus, coronam regiam cum unccione divina, observatis hiis que obser­ vari debent in talibus, assecuti. 73 Ebd.: Cum nos divino largiente munere a saniori parte principum electorum omni excep­ tione maiorum in termino ad eligendum peremptorie et precise prefixo in regem Romanorum electi […]; quod quidam principes […], illustrem Lud(owicum) ducem Bawarie in termino, quo eligere non poterant, eligendum duxerint. Ähn­lich lautend gegenüber seinem Schwiegervater Jakob II. von Aragón, jedoch ohne Erwähnung der Wahl Ludwigs und mit stärkerer Hervorhebung der Krönung, ebd., Nr. 210, S. 187 f. Im Vorfeld der Wahl hatte Friedrich ­diesem noch geschrieben, er habe die pociores et plures ex principibus electoribus auf seiner Seite; ebd., Nr. 81, S. 77. Vgl. dagegen die Betonung der maior pars bei Ludwig kurz nach der Wahl, wie Anm. 50. 74 Ebd., Nr. 171, S. 163, § 1. 75 Ebd., zu Friedrich (et eum die ut predictum est peremptorie statuta in loco predicto elegimus in regem et principem Romanorum) und Ludwig (non in die ut predictum est statuta, sed pro­ xima subsequenti nec in loco, de quo condictum fuerat, sed extra eligentes ex adverso). Durch die nament­liche Nennung der Wähler und die Klassifizierung Johanns als comes Lutzelbur­ gensis, qui regnum Bohemie detinet, wird außerdem der Eindruck erweckt, dass die Mehrheit der Stimmen (Köln, Böhmen, Pfalz, Sachsen) auf Friedrich entfallen sei. 76 Ebd., S. 164, § 2: predictus dominus rex per nos, apud quos illa vice ut predictum est resedit eleccio, canonice electus et ab eo, cui hoc de iure ac approbata consuetudine competit, exigente iusticia coronatus. Siehe so auch das Schreiben des Erzbischofs von Köln an König Jakob II. von Aragón: quod serenissimus dominus noster dominus Fridericus Romanorum rex gener vester per nos et alios conprincipes nostros in Romanorum regis elec­tione ius habentes et nobis in eadem consencientes die ad hoc prefixa rite et canonice electus et per nos, qui de iure et hactenus

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Eine erneute Mög­lichkeit, die besonderen Befugnisse des Erzbischofs von Köln zu n ­ utzen, ergab sich einige Monate ­später durch die Krönung von Friedrichs Ehefrau Elisabeth.77 Diesbezüg­liche Schreiben sind allerdings nur an Elisabeths Vater, König Jakob II. von Aragón, überliefert,78 sodass die Krönung ihre Wirkung vor allem durch die Verbindung mit dem feier­lichen Hoftag und dem Zeigen der Reichsinsignien entfaltete. Begleitet wurde diese Heiltumsweisung von einer Predigt des Kölner Erzbischofs, der deren Bedeutung für die Rechtmäßigkeit des Königtums hervorhob: Nur ihrem Besitzer, so ließ er öffent­lich verkünden, stehe die Königsherrschaft zu, niemand anderes dürfe sich König nennen.79 Friedrich konnte so seinen Sieg bei Speyer durch den kampflosen Abzug Ludwigs 80 auch rituell in Szene setzen, obgleich die Reichweite des Baseler Hoftags eher auf den Südwesten des Reichs beschränkt blieb. Nach dem Wettstreit um die rechtmäßige Wahl und Krönung war für die Reichsstädte in der Folgezeit ohnehin vor allem das machtvolle Auftreten vor Ort zum entscheidenden Kriterium für die Anerkennung einer der beiden Könige geworden. So schlossen noch mehr als zwei Monate nach der Krönung mehrere

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pacifice observata consuetudine Romanorum regem coronare habemus, unctus et coronatus in omnibus suis factis et agendis divina disponente clemencia prosperatur; ebd., Nr. 254, S. 217 f., § 1. Vgl. hierzu insgesamt Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 4), S. 328 – 332. In gewisser Weise folgte Friedrich mit ­diesem Vorgehen dem Beispiel seines Vaters Albrecht, der nach seiner gewaltsamen Übernahme der Herrschaft im Jahr 1298 ebenfalls zunächst alleine gekrönt worden war, um auf seinem ersten Hoftag die Weihe seiner Frau nachzuholen; vgl. ebd., S. 252 – 260. Die Demonstra­tion der wiederhergestellten Eintracht durch das gemeinsame Mahl aller sieben Kurfürsten war 1314 natür­lich nicht mög­lich. MGH Const. 5, Nr. 281, S. 241, § 1 (Schreiben Friedrichs): Et prefatam conthoralem nostram ibidem in die sancto Pentecoste per manus venerabilis Henrici sancte Coloniensis ecclesie archiepis­ copi principis nostri dilecti, cui soli hoc de iure competit, procuravimus cum sollempnitatibus consuetis et debitis coronari. So auch im Brief der Königin; Acta Aragonensia 3 (wie Anm. 7), Nr. 127, S. 287. Acta Aragonensia 3 (wie Anm. 7), Nr. 126, S. 285: E ha preycat lo archabisbe de Colunya devant tuyt, que aquell, qui te les reliquies de nostre senyor, quis pertanyen al regne, aquell deu esser e es rey, e qui no les te, negun hom nol deu apellar rey, e si u fa, es vedat. Die Chronik des Mathias von Neuenburg, ed. Adolf Hofmeister (MGH SS rer Germ N. S. 4), Berlin 1924 – 1940, c. 38, S. 100 f., erwähnt hingegen die Heiltumsweisung ohne Predigt. Vgl. hierzu Schrohe, Kampf der Gegenkönige (wie Anm. 12), S. 55 – 58, S. 271 – 275; Bruno Schilling, K ­ aiser Ludwig der Baier in seinen Beziehungen zum Elsaß von der Doppelwahl bis zum Jahre 1330. Mit einem Anhang zur Kriegsgeschichte des Jahres 1315 und mit 3 Karten (Veröffent­lichungen des Historischen Seminars der Universität Graz 11), Graz – Wien – Leipzig 1932, S. 31 – 34, S. 98 – 138; Thomas, Ludwig der Bayer (wie Anm. 58), S. 69 – 72. Zur argumentativen Verwendung siehe unten, Anm. 83.

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Städte um den Bodensee ein Schutzbündnis, das dauern sollte, bis ein König gewaltig wurde in Costentzer bistům.81 Noch deut­licher formulierten es die Bürger Hagenaus, die im Vorfeld des Speyerer Aufeinandertreffens der beiden Könige vom März 1315 bekanntgaben, daz wir den wolten haben ze unserem herren der dort daz velt behůbe.82 Ebenso wie Hagenau richtete Friedrich anschließend ein Schreiben an Konstanz, in dem die Geschehnisse ausführ­lich referiert und die Stadt zur Anerkennung seines Königtums aufgefordert wurde.83 So waren es nicht die zahlreichen Briefe beider Könige mit ihren Berichten über Wahl und Krönung,84 die letzt­lich die Entscheidung brachten,85 sondern erst das Bestehen auf dem Schlachtfeld – gewissermaßen ein Vorzeichen für den weiteren Verlauf des Thronstreits.

Bewertung in der Historiographie Um ein vollständiges Bild der Bedeutung der Rituale der Königserhebung zu erhalten, ist neben dem konkreten Vollzug und der propagandistischen Nutzung nach deren Bewertung in der historiographischen Erinnerung zu fragen.86 Im Hinblick auf die Wahl herrschte hier die Ansicht vor, dass Ludwig durch 81 Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich, ed. Kommission der antiquarischen Gesellschaft in Zürich, 13 Bde., Zürich 1888 – 1957, hier Bd. 9, Nr. 3335, S. 194. Zu diesen Städten gehörte auch das von beiden Königen zuvor stark umworbene Konstanz. 82 MGH Const. 5, Nr. 243, S. 211. 83 Ebd., Nr. 242, S. 210. Neben den Vorgängen in Speyer wurde Friedrichs feier­licher Einzug in Hagenau geschildert. Die Bedeutung des Speyerer Aufeinandertreffens verbunden mit einer allgemeineren Darstellung der Anerkennung Friedrichs im Elsass und in Schwaben heben auch mehrere Schreiben an König Jakob II. von Aragón hervor; ebd., Nr. 254, S. 218, § 2; Nr. 291, S. 254; Acta Aragonensia 3 (wie Anm. 7), Nr. 126, S. 285 f. An die päpst­liche Kurie gelangten ebenfalls diesbezüg­liche Nachrichten, vgl. MGH Const. 5, Nr. 260, S. 223, § 10. Von Ludwig ist zu den Ereignissen bei Speyer ein Rechtfertigungsschreiben an die Waldstätte Uri, Schwyz und Unterwalden überliefert; ebd., Nr. 232, S. 204. 84 Siehe Anm. 67, 69 und 72. 85 Vgl. zur Anerkennung Friedrichs durch Konstanz die Regesta Habsburgica. Regesten der Grafen von Habsburg und der Herzoge von Österreich aus dem Hause Habsburg. III. Abteilung: Die Regesten der Herzoge von Österreich sowie Friedrichs des Schönen als deutschen Königs von 1314 – 1330, ed. Lothar Gross (Publika­tionen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung), Innsbruck 1922 – 1924, Nr. 157, Nr. 159, Nr. 168 – 171. 86 Vgl. hierzu allgemein Martin Lenz, Konsens und Dissens. Deutsche Königswahl (1273 – 1349) und zeitgenös­sische Geschichtsschreibung (Formen der Erinnerung 5), Göttingen 2002, zu 1314 passim.

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die Mehrheit der Kurfürsten gewählt worden sei.87 Vereinzelt wurde statt der numerischen Majorität die Gewichtung der Stimmen stärker betont, wobei im Gegensatz zur Praxis der beiden Gewählten 88 nicht für Friedrich, sondern für ­ elche die Ludwig die sanior pars beansprucht wurde.89 Wahlort und Wahltag, w Wahldekrete und die diesbezüg­lichen Schreiben besonders hervorhoben, wurden in der Historiographie hingegen nur selten ausgedeutet oder überhaupt erwähnt. Die zeit­liche Differenz z­ wischen den beiden Wahlen spielte dabei so gut wie nie eine Rolle, in der Regel erscheinen beide Wahlen als am gleichen Tag geschehen.90 Etwas öfter wurde der Ort der Wahl thematisiert, eine diesbezüg­liche explizite Wertung ist jedoch nicht zu erkennen.91 Im Hinblick auf den Ablauf der Wahl

87 Die Zählungen konnten durchaus variieren (5:4, 5:3, 5:2, 4:3), die Stimmenmehrheit ­Ludwigs wurde jedoch nie in Frage gestellt; vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 4), S. 312 mit den Nachweisen im Einzelnen Anm. 736 – 739. 88 Vgl. Anm. 71, 73. 89 So in zwei dezidiert prowittelsbachischen Quellen: Chronica de gestis principum, ed. Georg Leidinger, in: Bayerische Chroniken des 14. Jahrhunderts (MGH SS rer Germ [19]) Hannover – Leipzig 1918, S. 1 – 104, hier S. 79: Sed pars sanior vel melior […] elegerunt ducem Bawarie. Chronica Ludovici imperatoris quarti (wie Anm. 1), S. 124: Nam electores diviserunt se in duo: una pars, videlicet sanior, eligit inclytum ducem Ludwicum Bawarum et pars altera ducem Austrie Fridricum. Siehe außerdem ebd., S. 125: [Per] electores vero electis hiis duobus factus est in mundo clamor magnus: ‚Ego elegi meliorem, tu et pars tua deteriorem!‘. 90 Die beiden Wahltage erwähnen mit Datum ledig­lich die Gesta Baldewini, ed. Johann H. Wyttenbach – Michael F. J. Müller, in: Gesta Trevirorum. Integra lec­tionis varietate et animadversionibus illustrata ac indice duplici instructa 2: Ab anno 1259 usque ad mortem archiepiscopi Richardi a Greifenclau anno 1531, Trier 1838, S. 179 – 271, hier 1. 3, c. 1, S. 233 f.; ohne genaue Datierung Henrici de Hervordia, Liber de rebus memorabilioribus sive Chronicon, ed. August Potthast, Göttingen 1859, c. 99, S. 230. Den ursprüng­ lichen Wahltag für beide Gewählten nennen Die Chronik des Mathias von Neuenburg (wie Anm. 79), c. 38, S. 98; Heinrich Taube von Selbach, Chronik, ed. Harry Bresslau, in: Die Chronik Heinrichs Taube von Selbach mit den von ihm verfassten Biographien Eichstätter Bischöfe (MGH SS rer Germ N. S. 1), Berlin 1922, S. 1 – 120, hier S. 30; Peter von Zittau, Chronicon Aulae regiae, ed. Josef Emler, in: Fontes rerum Bohemicarum 4, Prag 1884, S. 1 – 337, hier c. 125, S. 226. Die übrigen Quellen bleiben ohne Datumsangabe. 91 Gesta Baldewini (wie Anm. 90), l. 3, c. 1, S. 233 f. (Ludwig ante Frankenfort, Friedrich in Sassenhausen); Säch­sische Weltchronik. Erste Bairische Fortsetzung, ed. Ludwig Weiland, in: MGH Dt. Chron. 2, Hannover 1877, S. 319 – 336, hier c. 27, S. 335 (Ludwig pei der stat, Friedrich jenhalb des Maeuns); Peter von Zittau, Chronicon Aulae regiae (wie Anm. 90), c. 125, S. 226 (Ludwig nörd­lich, Friedrich süd­lich des Mains). Die Tatsache, dass Ludwig ­später in die Stadt eingelassen wurde, dürfte erklären, dass manche Chronisten dessen Wahl in die Stadt selbst verlegten: Chronica de gestis principum (wie Anm. 89), S. 79; Iohannis abbatis Victoriensis, Liber certarum historiarum, ed. Fedor Schneider (MGH SS rer

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selbst finden sich vereinzelte Hinweise, die dem Standpunkt des Autors Rechnung tragen: Während Matthias von Neuenburg für beide Gewählten vermerkt, dass die Wahl jeweils nur im Heer bekannt gemacht worden sei,92 klassifiziert Peter von Zittau die Wahl Ludwigs als canonice und schildert dessen anschließenden Einzug als novus rex in Frankfurt.93 Bei Johann von Viktring wird hingegen der vom Kölner Erzbischof vertretenen Deutung gefolgt, wenn Friedrich anläss­lich seiner Krönung zum rex rite electus ausgerufen wird.94 Da eine allgemein anerkannte Grundlage für die Bewertung der Rechtmäßigkeit der Wahl fehlte,95 sprachen jedoch selbst C ­ hronisten, die eindeutig für Ludwig Stellung bezogen, dessen Konkurrenten Friedrich eine gültige Wahl (electio valens) zu.96 Das Augenmerk der Geschichtsschreiber richtete sich daher in hohem Maße auf die Krönung der beiden Gewählten.97 Die wohl konziseste Zusammenfassung der Vorgänge lieferte Matthias von Neuenburg, indem er auf den Ort des Geschehens und den Koronator abhob: Fueruntque Ludowicus […] in loco quo debuit, set non a quo debuit, Fridericus […] a quo debuit, set non in loco quo debuit, coronati.98 In den Kriterien weniger differenziert, dafür in der Bewertung

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Germ [36, 2]), Hannover – Leipzig 1910, l. 5, c. 1, Rec. A, S. 65; Rec. B. D. A2, S. 104. Eine eindeutige Wertung findet sich bei Henrici de Hervordia, Liber de rebus memorabilioribus sive Chronicon (wie Anm. 90), c. 99, S. 230, der allerdings fälschlich die Wahl Friedrichs zum späteren Zeitpunkt stattfinden lässt: Post hoc nec tempore nec loco debitis […] Frideri­ cum eligunt. Die Chronik des Mathias von Neuenburg (wie Anm. 79), c. 38, S. 98: Nec hii principes ­convenerant, set quilibet in suo exercitu per se vel procuratorem elegit, et in suis exerciti­ bus publicarunt. Peter von Zittau, Chronicon Aulae regiae (wie Anm. 90), c. 125, S. 226. Iohannis abbatis Victoriensis, Liber certarum historiarum (wie Anm. 91), l. 5, c. 1, Rec. A, S. 66; Rec. B. D. A2, S. 105. Einzig Henrici de Hervordia, Liber de rebus memorabilioribus sive Chronicon (wie Anm. 90), c. 99, S. 230 f., unternahm eine ausführ­liche Behandlung der Wahl, die jedoch durch die falsche Zuordnung mancher Wähler, fragwürdige Einzelheiten und anachronistische Bewertungen gekennzeichnet ist. Vgl. auch dessen ausführ­liche Darlegung der Wahl Karls IV. von 1346; Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 4), S. 341, Anm. 904 f. Chronica de gestis principum (wie Anm. 89), S. 80: Profecto dux Austrie habens etiam valen­ tem elec­tionem quorundam principum et favorem ad regni promocionem. Vgl. auch Chronica Ludovici imperatoris quarti (wie Anm. 1), S. 125: Sed unicuique ipsorum erat spes, ut posset sibi bene obtinere regnum, ut regnaret hic et imperpetuum. Im Vorfeld der Krönung hatte auch der Erzbischof von Köln Ludwig noch als qui in hoc casu eiusdem domini Friderici dicitur coelectus bezeichnet; MGH Const. 5, Nr. 114, S. 111. Vgl. auch die eingangs zitierten Quellen zur Krönung Friedrichs und Ludwigs (Anm. 1 – 3, 7). Die Chronik des Mathias von Neuenburg (wie Anm. 79), c. 38, S. 98 f.

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e­ indeutiger urteilte die Chronik von Ellwangen.99 Der hier für die Krönung Friedrichs genannte Ort, die Burg Bingen, entsprach zwar nicht der Wirk­ lichkeit, verweist aber auf deren entscheidenden Mangel, nämlich den Vollzug an einem anderen Ort als Aachen. Das Krönungsrecht des Kölners wurde hingegen grundsätz­lich auch von der Gegenseite anerkannt, die lange Tradi­tion und die diesbezüg­lichen Verlautbarungen ließen sich offenbar nicht gänz­lich verleugnen.100 Auf der anderen Seite sah sich beispielsweise Johann von Viktring genötigt, mit zahlreichen historischen Beispielen zu belegen, dass es sich bei der „nicht am gebührenden Ort“ geschehenen Krönung Friedrichs um „keinen großen Verstoß“ gehandelt habe.101 So ist es nicht verwunder­lich, dass sich nicht nur in den offiziellen Schriftstücken, sondern auch in den historiographischen Quellen keine Nachrichten über eine Thronsetzung Friedrichs finden.102 Diese wird allein für Ludwigs

99 Chronicon Elwacense, ed. Otto D. Abel, in: MGH SS 10, Hannover 1852, S. 34 – 51, hier S. 39, ad a. 1315: Quorum Ludwicus magis rite electus coronatur, Fridericus vero ab episcopo Coloniensi in Pingen castello minus debite coronatur. 100 Chronica de gestis principum (wie Anm. 89), S. 80: zu den Erzbischöfen von Mainz und Trier: utentes super eo speciali privilegio, ita ut, quandocunque episcopus Coloniensis in elec­ tum regem non concordat, ipsi possint electum suum in plenaria potestate in regem pariter coronare; zum Erzbischof von Köln: qui asserit se solum ab antiquo iure regem debere et non alius coronare et a se coronatus debere Romanum imperium iustissime gubernare; Peter von Zittau, Chronicon Aulae regiae (wie Anm. 90), c. 125, S. 226: zum Erzbischof von Köln: ipse suo consuetudinario fungi volens officio, sowie zum angeb­lichen Krönungsrecht des Mainzer Erzbischofs: Ostendit namque idem Maguntinus archiepiscopus papalia quam imperialia privilegia, quod per ipsum de iure sit regum Alemanie coronacio celebranda. Ein Widerhall der vom Kölner Erzbischof angeführten päpst­lichen Privilegien findet sich mög­licherweise in der expliziten Lokalisierung des Krönungsortes innerhalb der Kölner Kirchenprovinz, so zum Beispiel bei Heinrich Taube von Selbach, Chronik (wie Anm. 90), S. 31: in opido Bunnensi Colo­niensis dyocesis. 101 Iohannis abbatis Victoriensis Liber certarum historiarum (wie Anm. 91), l. 5, c. 1, Rec. A, S. 67; Rec. B. D. A2, S. 106 f., die Zitate S. 106: Sed nec multum abusivum fuit, licet vide­ retur de eo, quod in loco debito Fridericus non extitit coronatus. Die nicht in Aachen stattgefundene Krönung wurde hier wie in anderen Chroniken mit dem Hinweis auf die größere militärische Macht Ludwigs begründet; ebd., S. 66, S. 105; Cronica presulum et Archiepis­ coporum Coloniensis ecclesie, ed. Gottfried Eckertz, in: Fontes adhuc inediti rerum Rhenanarum. Niederrheinische Chroniken, Köln 1864, S. 1 – 6 4, hier S. 37; Chronique des ducs de Brabant par Edmond de Dynter (en six livres), ed. Pierre François Xavier De Ram (Collec­tion de chroniques Belges inédites), 3 Bde., Brüssel 1854 – 1860, hier Bd. 2, l. 5, c. 70, S. 494. 102 Vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 4), S. 323 f.

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Weihe erwähnt, ebenso wie die besondere Feier­lichkeit des Rituals insgesamt.103 Demgegenüber steht die geringe Beteiligung bei der Krönung Friedrichs, die trotz anderslautender Verkündigungen 104 von mehreren Chronisten festgehalten wurde, stellenweise wohl mit einer Übertreibung ins Gegenteil.105 Insgesamt beschränkte man sich jedoch in der Regel darauf, die Vorzüge des eigenen Favoriten hervorzuheben und die Mängel seiner Erhebung zu rechtfertigen, eine gezielte Abwertung der gegnerischen Rituale der Königserhebung im Sinne der gescheiterten Fasserhebung Friedrichs 106 bildete die Ausnahme. Bei aller Parteinahme überwog meist die Bestürzung über die Spaltung (cisma, discordia) des Reichs und die damit einhergehenden Kämpfe und Zerstörungen.107 Das Treffen bei Speyer hatte die Richtung für die langwierige Auseinandersetzung der beiden gewählten und gekrönten Könige gewiesen, nach dem Weg zur Krone stand nun der Kampf um die konkrete Herrschaft, die administracio regni, im Vordergrund.108 Zu einer Entscheidung kam es erst mit der Schlacht von Mühldorf 1322, doch spielten auch in der Folgezeit die Bewertung und Deutung der Rituale der Königserhebung eine wichtige Rolle.

103 Peter von Zittau, Chronicon Aulae regiae (wie Anm. 90), c. 125, S. 226: ibidem in sede regum collocatur, nec non regio diademate […] sollempniter insignitur; Die Kölner W ­ eltchronik 1273/88 – 1376, ed. Rolf Sprandel (MGH SS rer Germ N. S. 15), München 1991, S. 72: in sede regia Aquisgrani fuit solempniter coronatus; Chronica de gestis principum (wie Anm. 89), S. 80: cum pompa Aquisgrani veniens; sollempniter coronatur. 104 Siehe Anm.  57 – 59. 105 Chronica de gestis principum (wie Anm. 89), S. 81: Cum igitur post elec­tionem Australis cum paucis, hoc est vix cum XXX viris, in civitate … in regem esset coronatus; Iohannis abbatis Victo­riensis Liber certarum historiarum (wie Anm. 91), l. 5, c. 1, Rec. A, S. 66; Rec. B. D. A2, S. 105 (Zitat): Fridericus Mogum fluvium transvadans, habens secum paucos pre ceteris sibi familiares, in civitatem que Bunna dicitur venit; Säch­sische Weltchronik. Dritte Bairische Fortsetzung, ed. Ludwig Weiland, in: MGH Dt. Chron. 2, Hannover 1877, S. 340 – 348, hier c. 1, S. 342: Der konig Friderich vur heim­lich den Rin ab […] und sante sin volk heim pis an 20, di pi im plieben. 106 Siehe Anm. 1 und 2. 107 Siehe zum Beispiel Chronica Ludovici imperatoris quarti (wie Anm. 1), S. 126; Peter von Zittau, Chronicon Aulae regiae (wie Anm. 90), c. 125, S. 226 f.; Heinrich Taube von S­ elbach, Chronik (wie Anm. 90), S. 31. 108 Vgl. Heinrich Taube von Selbach, Chronik (wie Anm. 90), S. 31: Hii duo […] in discordia electi, ut predicitur, de administracione regni in Alamania se intromiserunt et quilibet eorum principes, dominos, civitates, opida, villas res et bona alia ad regnum pertinencia per munera, potenciam et alios modos, quibus potuit, sibi attraxit.

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Der lange Schatten der Doppelwahl Fragt man nach den Folgen und langfristigen Wirkungen der doppelten Wahl und Krönung des Jahres 1314, so ist zunächst zu konstatieren, dass nach Ausweis der urkund­lichen Selbstzeugnisse beide Könige den Krönungstag als konstitutives Ereignis ihrer Herrschererhebung ansahen.109 Diese Auffassung stand im Einklang mit der päpst­lichen Sichtweise, die Bonifaz VIII. im Jahr 1303 gegenüber ­Friedrichs Vater Albrecht vertreten hatte: Wahl und Krönung erscheinen hier als zwei aufeinanderfolgende Akte, mit der könig­lichen Regierung (administratio regia) als Folge der Krönung in Aachen.110 1314 konnten zwar beide Könige beanspruchen, rechtmäßig (legitime) gewählt zu sein, mit dem zweiten Kriterium, der Eintracht (concorditer),111 gestaltete es sich jedoch schwieriger. Die Vorwürfe, die von Papst Johannes XXII. gegen Ludwig nach der Gefangennahme Friedrichs 1322 erhoben wurden, nahmen ihren Ausgangspunkt dann auch bei der Wahl Ludwigs und Friedrichs in discordia.112 Beiden Gewählten war von Anfang an 109 Vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 4), S. 707 f. (Zählung der Regierungsjahre) und S. 713 (Titulatur, vor der Krönung nur electus). 110 So die Approba­tionsbulle, MGH Const. 4, Nr. 174, S. 146, § 3: fere per quinquennium exer­ cuisti administra­tionem regiam, sicut predecessores tui legitime ac concorditer in Romanorum reges electi exercere solent hactenus, postquam apud dictum locum Aquisgrani, ubi hoc fieri consuevit, coronati fuerunt. Die nach der Krönung gegen Albrecht an der Kurie geführten Prozesse wurden beigelegt, da Albrecht sich willens zeigte, auf die Forderungen der Kurie einzugehen. Bonifaz VIII. erkannte daher seinen Anspruch auf die Kaiserwürde an und hob jeden Mangel bezüg­lich der Königserhebung auf: Supplentes omnem defectum, si quis aut ra­tione forme aut ra­tione tue vel tuorum electorum personarum seu ex quavis alia ra­tione vel causa sive quocunque modo in huiusmodi tua elec­tione, corona­tione ac administra­tione fuisse noscatur; ebd., S. 147, § 6. In seiner Konsistorialansprache konzentrierte sich der Papst hingegen gänz­lich auf die Wahl; ebd., Nr. 173, S. 140, c. 1, § 6, ebenso Albrechts Kanzler in seiner Antwort, ebd., S. 143, c. 2, § 6. Vgl. zur Approba­tionstheorie Bonifaz’ VIII. ­Dagmar Unverhau, Approbatio – Reprobatio. Studien zum päpst­lichen Mitspracherecht bei ­Kaiserkrönung und Königswahl vom Investiturstreit bis zum ersten Prozeß Johanns XXII. gegen Ludwig IV. (Historische Studien 424), Lübeck 1973, S. 310 – 326; Jürgen Miethke, De potestate papae. Die päpst­liche Amtskompetenz im Widerstreit der politischen T ­ heorie von Thomas von Aquin bis Wilhelm von Ockham (Spätmittelalter und Reforma­tion N. R. 16), Tübingen 2000, S. 89 f., der zu Recht einen Wandel im Laufe des Pontifikats hervorhebt, die Bedeutung der Aachener Krönung aber zu gering veranschlagt. 111 Vgl. neben der allgemeinen Praxis (siehe Anm. 110) speziell zur Erhebung Albrechts 1298: principes ecclesiastici et seculares, […] te in Romanorum regem unanimiter et concorditer ele­ gerunt; MGH Const. 4, Nr. 174, S. 146, § 3. 112 Vgl. unter anderen zur Rolle Johannes XXII. im Thronstreit und den päpst­lichen Prozessen: Carl Müller, Der Kampf Ludwigs des Baiern mit der römischen Curie. Ein Beitrag

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nur der Titel in regem Romanorum electus zugestanden worden.113 In der ersten Anklageschrift gegen Ludwig vom 8. Oktober 1323 wurde dies um die Erläuterung ergänzt, ohne päpst­liche Prüfung und Anerkennung hätte sich keiner der beiden König nennen oder die Regierungsgewalt ausüben dürfen.114 Der Aufforderung, bis zur Prüfung seiner Wahl und Person jeg­liche könig­liche Handlungen zu unterlassen,115 leistete Ludwig nicht Folge. Vielmehr unternahm er in mehreren Appella­tionen eine Rechtfertigung seiner Herrschaft: Es bestehe zur kirch­lichen Geschichte des 14. Jahrhunderts, 2 Bde., Tübingen 1879 – 1880, hier Bd. 1; Richard Moeller, Ludwig der Bayer und die Kurie im Kampf um das Reich (Historische Studien 116), Berlin 1914; Martin Kaufhold, Gladius spiritualis. Das päpst­liche Interdikt über Deutschland in der Regierungszeit Ludwigs des Bayern (1324 – 1347) (Heidelberger Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte N. F. 6), Heidelberg 1994, besonders S.  55 – 90; Jürgen Miethke, Der Kampf Ludwigs des Bayern mit Papst und avignone­ sischer Kurie in seiner Bedeutung für die deutsche Geschichte, in: K ­ aiser Ludwig der Bayer. Konflikte, Weichenstellungen und Wahrnehmung seiner Herrschaft, hg. von Hermann ­Nehlsen  – Hans- ­Georg Hermann (Quellen und Forschungen aus dem Gebiet der Geschichte N. F. 22), Paderborn u. a. 2002, S. 39 – 74; Diethelm Böttcher, Johannes XXII., Ludwig der Bayer und die monitio canonica, in: ZRG KA 96 (2010), S. 314 – 349; Sebastian Zanke, ­Johannes XXII., Avignon und Europa. Das politische Papsttum im Spiegel der kurialen Register (1316 – 1334) (Studies in medieval and reforma­tion tradi­ tions 175), Leiden – Boston 2013, S. 85 – 97. Zum Folgenden außerdem besonders Wilhelm Kölmel, Regimen christianum. Weg und Ergebnisse des Gewaltenverhältnisses und des Gewaltenverständnisses (8. bis 14. Jahrhundert), Berlin 1970, S. 553 – 557; Unverhau, Approbatio – Reprobatio (wie Anm. 110), S. 31 – 35, S. 366 – 377; Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 4), S. 759 – 762. 113 MGH Const. 5, Nr. 373, S. 312; Nr. 579, S. 464. So auch noch nach der Schlacht von Mühldorf: Ludwig als in regem Romanorum electus, Friedrich als coelectus; ebd., Nr. 711, S. 557. Vgl. auch zur Reak­tion der Kardinäle auf die Nachricht von der Doppelwahl ebd., Nr. 256 – 259. 1 14 Ebd., Nr. 792, S. 617, § 2. Die einleitenden Ausführungen zur Wahl stimmen zunächst wortwört­lich mit dem Schreiben von Papst Bonifaz VIII. an König Albrecht überein (siehe Anm. 110), statt der einträchtigen Wahl folgte dann aber eine ­solche in discordia beziehungsweise discorditer; S. 616 f., § 1. Auch in der zweiten Anklageschrift vom 7. Januar 1324 wird die Wahl in discordia mehrfach betont; ebd., Nr. 839, S. 661 f., § 1, 2, ebenso in der darauffolgenden vom 23. März 1324; ebd., Nr. 881, S. 693, § 2. Böttcher, Johannes XXII. (wie Anm. 112), S. 377, weist unter Bezugnahme auf die ältere Forschung (wobei es „Richard Moeller“ statt „Müller“ heißen müsste) darauf hin, dass der Papst in der zweiten Anklage seinen Widerspruch gegen das Königtum Ludwigs „nicht mehr so sehr mit der fehlenden Approba­tion als vielmehr mit dem zwiespältigen Wahlergebnis“ begründete. 115 MGH Const. 5, Nr. 792, S. 617 f., § 3, besonders S. 618: administra­tionem ipsam per se vel alium seu alios non resumpturus ulterius nisi tunc demum, cum et si elec­tionem suam huius­ modi, que de ipso dicitur celebrata, ac personam eiusdem per sedem apostolicam approbari contigerit et admitti. Siehe ähn­lich auch ebd., Nr. 881, S. 696, § 4.

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seit alters her das Recht und die Gewohnheit, dass derjenige, der von allen oder der Mehrheit der Kurfürsten am richtigen Ort gewählt und mit der könig­lichen Krone gekrönt sei, König genannt werde und also solcher handle.116 Genau dies treffe auf ihn selbst zu, der an den gebührenden und üb­lichen Orten (in locis debitis et consuetis) gewählt und gekrönt worden sei. Ergänzend wurde für die Krönung die Verwendung der könig­lichen Krone (dyadema regia) hervorgehoben und die Wahl als rechtmäßig (rite) und durch die große Mehrheit der Wähler vollzogen (a longe maiori numero electorum) charakterisiert.117 Die stärkere Betonung der Wahl 118 wurde nach der Exkommunika­tion Ludwigs in der Sachsenhäuser Appella­tion noch einmal präzisiert und gesteigert: Wer am rechten Wahlort Frankfurt (in opido de Franchenfurt), am festgesetzten Wahltag (in die ad eligendum prefixa per eum, ad quem spectat prefigere) und durch alle, die Mehrheit oder unter bestimmten Umständen auch durch die Minderheit gewählt werde, sei als einstimmig gewählt anzusehen. Ihm müsse als König gehorcht und auf sein Ansuchen die Krönung in Aachen gewährt werden (et corona preberi sibi in Aquisgrani).119 Die Kriterien einer rechtmäßigen Wahl s­ eien für Ludwig gänz­ lich erfüllt, weshalb von einer Wahl in discordia keine Rede sein könne.120 Daher habe Ludwig auch am tradi­tionellen Krönungsort Aachen die Krone empfangen, wodurch im Verbund mit der Wahl nach allgemein erkannter, gleichsam gesetz­licher Gewohnheit aus dem electus ein verus rex Romanorum geworden sei.121 Die Krönung nahm also – ganz im Sinne Bonifaz’ VIII. – weiterhin eine 116 Ebd., Nr. 824, S. 644 f., § 13: quod Romanorum rex eo solum quod electus est a principibus electoribus, ad quos pertinet ipsius eleccio, omnibus vel maiori numero eorundem et coronatus corona regia in solitis locis et consuetis, rex est et pro rege habetur et rex nominatur et eidem ab omnibus paretur et intenditur sicut regi ac iura regni libere amministrat, fidelitates et obedienciam recipit, feuda confert et de bonis, honoribus et dignitatibus et officiis regni iuxta beneplacitum ordinat et disponit. So auch wortwört­lich die zweite Appella­tion, mit kleineren Ergänzungen zur sprach­lichen Präzisierung; ebd., Nr. 836, S. 657, § 13. 117 Ebd., Nr. 824, S. 645, § 14. 118 Vgl. auch ebd., S. 645, § 16: Denominacio quippe persone vel elec­tionis admissio habite subse­ quenter nobis non ius, nomen vel titulum tribuissent, que iam ex ipsa elec­tione sortiti sumus, set ea pocius detexissent, approbassent et lacius commendassent. 119 Ebd., Nr. 909, S. 726, § 12 (ebenso Nr. 910, S. 747, § 12). 120 Ebd.: elec­tionem de nobis factam non solum a maiori parte, immo a duabus partibus electorum. Ebenso ebd., § 11; S. 731, § 22. Zu den mög­lichen Hintergründen dieser Bestimmung vgl. Miethke, Der Kampf Ludwigs des Bayern (wie Anm. 112), S. 50, Anm. 32. 121 Ebd., S. 726, § 13: Item cum sic electus coronati fuerimus et inuncti in loco ad coronandum et inungendum reges Romanorum electos in imperatores promovendos antiquitus deputato, vide­ licet in opido Aquisgrani, ex quo et elec­tione predicta a precedenti statim secundum predictas consuetudines approbatas, que pro lege servantur, est electus verus rex Romanorum et sibi ut

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wichtige Rolle ein, aus ihr und der Wahl (ex quo et elec­tione predicta) leitete sich das Königtum ab. Bezeichnenderweise kam es in zwei der fünf Handschriften der Sachsenhäuser Appella­tion zu einer weiteren Bedeutungsverschiebung, indem die Wahl der Krönung vorangestellt wurde (ex quo ex elec­tione precedente huiusmodi corona­tione ac inunc­tione subsequente).122 Erscheint die Krönung also letzt­lich als Folge der Wahl, so war es nur folgerichtig, dass sich bei der argumentativen Einbeziehung der Königserhebung Friedrichs ebenfalls auf dessen Wahl konzentriert wurde: Friedrich sei weder am richtigen Ort noch am festgesetzten Tag gewählt worden, und zwar von einer deut­lichen Minderheit, näm­lich nur von zwei Wählern. Und dennoch habe er aufgrund dieser Wahl – vom Papst unwidersprochen – für mehrere Jahre die Regierung ausgeübt, was beweise, dass Johannes XXII. bei der Bewertung von Ludwigs Wahl nicht an der Wahrheit, sondern nur an der Stiftung von Unfrieden interessiert sei.123 Vorausgeschickt wurde dieser Deutung eine vollständigere Schilderung der Königserhebung des Habsburgers, die in allen Punkten als negatives Gegenbild zu derjenigen Ludwigs erscheint: Friedrich sei angeb­lich erst nach Ludwig gewählt worden (ex intervallo post primam elec­tionem nostram), außerdem nicht am gebührenden Ort (de Franchenfurt) und nicht am rechtmäßig festgesetzten Wahltag. Neben dieser nichtigen und wirkungslosen Wahl (electio nulla fuerit et sibi nullum ius tribuere pouterit) wurde außerdem die Königsweihe am falschen Ort angeführt und bezüg­lich der Wahl auf zahlreiche weitere allgemein bekannte Gründe verwiesen.124 War die Krönung hier immer noch der Abschluss der Königserhebung (corona­ tus et inunctus in regem), so konzentrierte man sich auf päpst­licher Seite – trotz anderslautender Meinung im Kardinalskollegium 125 – weiterhin gänz­lich auf die vero regi debet a subditis et vasallis imperii obediri et eidem homagia et fidelitatis iuramenta prestari et iura imperii assignari. 122 Ebd., Anm. c und d, dazu auch die vorangehende Änderung von Item cum sic electus coro­ nati fuerimus et inuncti zu electi, Anm. z. Eine wiederum leicht abgewandelte Fassung aus späterer Zeit bei Hans Foerster, Ein unbekannter Traktat aus dem Streite Ludwigs des Bayern mit Johann XXII., in: Miscellanea francescana. Rivista di scienze teologiche e di studi francescani 37 (1937), S. 590 – 614, hier S. 598: ex qua elec­tione precedente et huiusmodi coronacione et inunc­tione subsequente. 123 MGH Const. 5, Nr. 909, S. 731, § 22. 124 Ebd., S. 730, § 18: Item quia coronatus fuit et inunctus in regem non in loco ad hoc antiquitus deputato, videlicet Aquisgrani. Et ex pluribus aliis ra­tionibus evidentibus atque causis, quas numerare et exprimere non expedit velud notorias et omnibus manifestas. 125 Vgl. die Berichte an den aragone­sischen König, ebd., Nr. 788, S. 613, § 3: Et dixit [Papst Johannes XXII., A. B.] pro fixo, quod nullus rex Alamannie potest administrare, donec eleccio

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Wahl und die fehlende Approba­tion.126 Die Weihe durch einen anderen Geist­ lichen als den Erzbischof von Köln, die mit der Dekretale ‚Venerabilem‘ als Mangel von Ludwigs Königserhebung hätte herangezogen werden können,127 blieb stets unerwähnt. Stattdessen wurden Ludwig schließ­lich alle Rechte entzogen, die ihm aufgrund seiner Wahl (ex elec­tione sua) zukommen konnten.128 Dieser Standpunkt wurde in den kommenden Jahren aufrechterhalten 129 und auch gegenüber F ­ riedrich vertreten, als sich dieser nach der Aussöhnung mit Ludwig und der Ulmer Erklärung von Anfang 1326130 um die Anerkennung seiner Wahl bemühte.131 Anläss­lich seiner Kaiserkrönung ließ schließ­lich auch Ludwig selbst verlauten, er habe keine Bestätigung nötig, sondern seine Herrschaft von Gott durch die

sua sit per papam examinata et confirmata, et de hoc se asserit velle facere decretalem. Tamen plures cardinales non consentient libenter tam periculosam incipi novitatem; Nr. 789, S. 614, besonders § 3: Dominus etiam Petrus de Columpna dixit, quod dubium erat, utrum posset facere que dicebat, quia consuetudines inconcusse et hactenus observate in regno Alamannie contrarium habebant hiis que dicebant, quia electus et coronatus in regem Alamannie in loco debito et cum circumstanciis, cum quibus iste coronatus fuit et electus, dicunt, quod aminis­trare potest iura imperii et quod non petitur ab ecclesia confirmacio, set quod electus et coronatus habeat favores ecclesie solitos et auxilia consueta. 126 Ebd., Nr. 944, S. 780, § 2. Siehe zuvor schon Nr. 881, S. 693, § 2. 127 Vgl. hierzu Bernward Castorph, Die Ausbildung des römischen Königswahlrechtes. Studien zur Wirkungsgeschichte des Dekretale ‚Venerabilem‘, Frankfurt – Zürich 1978, S.  19 – 33; Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 4), S. 752 f. Eine mög­liche Erklärung könnte sein, dass der entsprechende Passus nicht in die Dekretalensammlung Gregors IX. aufgenommen worden war. 128 MGH Const. 5, Nr. 944, S. 785, § 11: ipsum Ludovicum ducem Bavarie omni iure, si quod sibi ex elec­tione sua predicta competere seu competiisse poterat, a Domino privatum denuntiamus et ostendimus. So auch ebd., Nr. 945, S. 788 f., mit Betonung der Wahl in discordia. Siehe außerdem die diesbezüg­liche Androhung ebd., Nr. 881, S. 696, § 4. 129 Vgl. den Registereintrag MGH Const. 6,1: 1325 – 1330, ed. Jakob Schwalm, Hannover 1914 – 1927 [künftig: MGH Const. 6,1], S. 795: ius ex elec­tione competens, acquisitum, zum Beispiel ebd., Nr. 55, S. 38; Nr. 273, S. 178 – 182, § 2, 3, 5, 8; Nr. 274, S. 186, § 3; Nr. 275, S. 187, § 1; Nr. 439, S. 363; Nr. 685, S. 582, § 1. Auch die Wirksamkeit der Krönungen ­Ludwigs in Mailand und Rom wurden unter anderem mit ­diesem Argument verworfen; ebd., Nr. 427, S. 331, § 5; Nr. 872, S. 726. 130 Ludwig versprach am 7. Januar 1326, vom Königtum zurückzutreten, falls Friedrich binnen eines halben Jahres die Anerkennung als alleiniger König erlangen sollte; ebd., Nr. 140, Nr. 141, S. 96 f. 131 Noch vage beispielsweise ebd., Nr. 196, S. 133; Nr. 206, S. 139, § 2; deut­lich dann Nr. 213, S. 143 f., § 2, 3; Nr. 409, S. 312, § 1. Vgl. zu den Bemühungen um Anerkennung auch ­Unverhau, Approbatio – Reprobatio (wie Anm. 110), S. 25 f.; Homann, Kurkolleg und Königtum im Thronstreit (wie Anm. 12), S. 230 – 238.

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Wahl empfangen.132 Diese Posi­tion wurde zehn Jahre ­später von den Kurfürsten im Rhenser Weistum über die Königswahl bestätigt: Nach Recht und alter anerkannter Gewohnheit des Reichs bedürfe der von der Mehrheit der Kurfürsten Gewählte nicht der päpst­lichen Bestätigung, um den Königstitel zu führen und die Regierungsgewalt auszuüben.133 Während die Krönung im Umfeld des Kurvereins zumindest noch als ergänzendes Element angesehen worden war,134 wurde sie nun endgültig als konstitutives Moment aus dem Prozess der Königserhebung ausgeschieden. Dies führte auch zu einer anderen Deutung von Friedrichs Königs­ erhebung, die unter den gegenüber der Sachsenhäuser Appella­tion veränderten Rahmenbedingungen jetzt allein auf dessen ungültige Wahl beschränkt wurde.135 Das Rhenser Weistum der Kurfürsten hatte – noch ganz im Bann der Auseinandersetzung ­zwischen Ludwig und den Päpsten – explizit hervorgehoben, dass selbst dem von der Mehrheit der Kurfürsten in Zwietracht gewählten König sofort die volle Regierungsgewalt zukomme.136 Zwei Jahrzehnte ­später übernahm 132 MGH Const. 6,1, Nr. 436, S. 347, § 4: Cui etiam decretiste assentiunt dicentes papam non habere utramque iurisdic­tionem, quoniam a Deo ex ipsa elec­tione iurisdic­tionem et potestatem in temporalibus nos solus recipimus, unde eo ipso quod sumus electi, sumus etiam confirmati, nulla prorsus confirma­tione fienda per hominem indigentes. 133 Karl Zeumer, Ludwigs des Bayern Königswahlgesetz ‚Licet iuris‘ vom 6. August 1338. Mit einer Beilage: Das Renser Weisthum vom 16. Juli 1338, in: NA 30 (1905), S. 85 – 112, hier S. 111 f. Siehe so auch den Entwurf der kurfürst­lichen Schreiben an Papst Benedikt XII.; Nova Alamanniae 1 (wie Anm. 44), Nr. 547, S. 364: zur Wahl Ludwigs, geschehen a maiori parte principum electo­rum […] rite et racionabiliter (§ 3) sowie allgemein: qui eligitur concor­ diter vel a maiori parte numero principum electorum (§ 4). 134 Vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 4), S. 766 f., außerdem der Bericht über den Frankfurter Reichstag im Mai 1338, in dem die Krönung als Anordnung der Kurfürsten erscheint: sedit Ludowicus predictus in Frankenford in domo Theuthonicorum et inchoavit enarrare, qualiter processit quod videlicet eo electo ivit, ut iussus fuit per principes electores, ad recipiendum coronam Aquisgrani et cetera; Nova Alamanniae 1 (wie Anm. 44), Nr. 519, S. 339. 135 Die in weiten Teilen aus wortwört­lichen Übernahmen bestehende Schilderung (vgl. Anm. 123, 124), der „Offiziöse[n] Zusammenstellung der Rechte des Reiches und der gegen sie gerichteten Einwände der kurialen Partei“ (nach Juli 1338) lässt die Krönung außerhalb Aachens unerwähnt und schließt aus der ungültigen Wahl Friedrichs direkt auf die hierdurch unbeeinflusste Erhebung Ludwigs; Nova Alamanniae 1 (wie Anm. 44), Nr. 583, S. 393, c. 1, § 10. 136 Zeumer, Königswahlgesetz (wie Anm. 133), S. 111: quod postquam aliquis a principibus electoribus imperii vel a maiori parte numero eorundem principum etiam in discordia pro rege Romanorum est electus, non indiget nomina­tione, approba­tione, confirma­tione, assensu vel auctoritate sedis apostolice super administra­tione bonorum et iurium imperii sive titulo regio assumendis.

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die Goldene Bulle Karls IV . diese Bestimmung, ohne eine ­solche Mög­lichkeit überhaupt in Betracht zu ziehen, ebenso wie das von den Päpsten beanspruchte Approba­tionsrecht wortlos übergangen wurde: Die Wahl durch die Mehrheit der Kurfürsten war als concorditer anzusehen, der so Gewählte konnte sofort könig­ liche Handlungen durchführen.137 Erklärtes Ziel der Goldenen Bulle war es, die Einigkeit unter den Kurfürsten zu fördern, künftige Zwietracht zu vermeiden und eine einmütige Wahl (electio unanima) herbeizuführen.138 Die eingangs formulierte Sorge um das durch Spaltung verödete Reich 139 ließ an den Herrschaftsantritt Karls IV. denken,140 konnte aber auch auf die vorangehende Doppelwahl von 1314 bezogen werden.141 An beide Königserhebungen konnte sich im Jahre 1356 noch einer der Kurfürsten persön­lich erinnern, hatte Herzog Rudolf I. von Sachsen-­Wittenberg doch 1314 Friedrich von Habsburg und 1346 Karl IV. gewählt. Dabei war es ihm nicht zuletzt um die Verteidigung seines Wahlrechts gegen die konkurrierenden Ansprüche der Lauenburger Linie gegangen, was in beiden Fällen zu einer Doppelung der säch­sischen Stimme geführt hatte.142 Dem wurde nun 137 Die Goldene Bulle vom 10. Januar und 25. Dezember 1356 (lateinisch und frühneuhochdeutsch), in: MGH Const. 11: 1354 – 1356, ed. Wolfgang D. Fritz, Weimar 1978 – 1992, S. 560 – 633, hier c. 2, S. 576/578, § 4. 138 Ebd., Proömium, S. 564. 139 Ebd., S. 562, das die Goldene Bulle einleitende Zitat aus dem Lukasevangelium (Lk 11,17): Omne regnum in se ipsum divisum desolabitur. 140 Vgl. hierzu Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 4), S. 339 – 377. 141 Das Lukaszitat bringt zu 1314 die Chronica de gestis principum (wie Anm. 89), S. 81. Vgl. bereits zur Doppelwahl von 1198 Ottonis de Sancto Blasio Chronica, ed. Adolf ­Hofmeister (MGH SS rer Germ [47]) Hannover – Leipzig 1912, c. 46, S. 73 f.: Sic ergo divisis contra se regni principibus regnum Cisalpinum contigit plurimum desolari. Vgl. allgemein zu den rituellen Bestimmungen der Goldenen Bulle Bernd Schneidmüller, Die Aufführung des Reichs: Zeremoniell, Ritual und Performanz in der Goldenen Bulle von 1356, in: Die Kaisermacher. Frankfurt am Main und die Goldene Bulle, 1356 – 1806. Aufsätze, hg. von Evelyn Brockhoff – Michael Matthäus, Frankfurt a. M. 2006, S. 76 – 92; zur Rolle von Zeit und Erinnerung Jenny Rahel Oesterle, Kodifizierte Zeiten und Erinnerungen in der Goldenen Bulle K ­ aiser Karls IV ., in: ZHF 35 (2008), S. 1 – 29, besonders S. 15 – 24. Die von Michail A. Bojcov, Der Kern der Goldenen Bulle von 1356, in: DA 69 (2013), S. 581 – 614, hier S. 605 f., im Zusammenhang mit dem Geleit geäußerte Vermutung über die besondere Rolle der Doppelwahl des Jahres 1314 für die Goldene Bulle wird durch die zahlreichen im Folgenden darzulegenden Bestimmungen bestätigt. 142 Vgl. zu dieser Auseinandersetzung Wolf-­Dieter Mohrmann, Lauenburg oder Witten­ berg? Zum Problem des säch­sischen Kurstreites bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts (Veröffent­lichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen 8), Hildesheim 1975; Lorenz Friedrich Beck, Herrschaft und Territorium

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ein Ende gesetzt, indem das Wahlrecht den Herzögen von Sachen-­Wittenberg zugesprochen 143 und in der Goldenen Bulle grundsätz­lich für die welt­lichen Kurstimmen versucht wurde, Eindeutigkeit zu gewährleisten.144 Ein anderes Problem des Jahres 1314 war die Bedrohung des Erzbischofs von Köln durch die gegnerische Partei gewesen, weshalb dieser nicht persön­lich zur Wahl erschienen war. In der Goldenen Bulle wurde daher das Geleit zur Wahl genau geregelt und für den Fall des Verstoßes dem schuldigen Kurfürsten sein Stimmrecht bei dieser Wahl aberkannt.145 Als Wahlort bestimmte man die Bartho­lomäuskirche in Frankfurt und beschränkte das kurfürst­liche Gefolge,146 was einer Situa­tion wie 1314, als zwei große Heere vor der Stadt lagerten und beide Parteien ihren Kandidaten außerhalb der Stadt erwählten, vorbeugen sollte. Einer Lagerbildung sollte der Herzöge von Sachsen-­Wittenberg (1212 – 1422) (Bibliothek der Brandenbur­g ischen und Preußischen Geschichte 6), Potsdam 2000, S. 223 ff.; Karlheinz Blaschke, Die säch­sische Kur: Askanier und Wettiner, in: König­liche Tochterstämme, Königswähler und Kurfürsten, hg. von Armin Wolf (Studien zur euro­päischen Rechtsgeschichte 152), Frankfurt a. M. 2002, S. 187 – 201. Nach der Wahl Karls IV . durch Herzog Rudolf wählten die Vertreter der Lauenburger Linie sowohl Edward III . (1348) als auch ­Günther von Schwarzburg (1349). 143 Vgl. Bernd-­Ulrich Hergemöller, Fürsten, Herren und Städte zu Nürnberg 1355/56. Die Entstehung der ‚Goldenen Bulle‘ Karls IV. (Städteforschung Reihe A, Darstellungen 13), Köln – Wien 1983, S. 48. Aufgrund seines hohen Alters wurde Rudolf I. bei den Verhandlungen in Nürnberg von seinem Sohn Rudolf II. vertreten; ebd., S. 47. 144 Mittels der Festlegung der Erbfolge in den welt­lichen Kurfürstentümern (c. 7) und deren Unteilbarkeit (c. 20), beides s­ päter noch einmal gesondert bekräftigt (c. 25), wurden genau die Probleme beseitigt, die durch die mehrfach aufgetretene doppelte Beanspruchung einer Kurstimme entstanden waren; Die Goldene Bulle (wie Anm. 137), c. 7, S. 584 – 588; c. 20, S. 610; c. 25, S. 620. 145 Ebd., c. 1, S. 566/568, § 4. Vgl. zum Geleit ausführ­lich Winfried Dotzauer, Das Königswahlgeleit für die Kurfürsten in der Goldenen Bulle Karls IV. (1356). Ein Beitrag zur Interpreta­tion der Goldenen Bulle, in: Beiträge zur mittelrheinischen Landesgeschichte (Geschicht­liche Landeskunde 21), Wiesbaden 1980, S. 82 – 139; jetzt auch Bojcov, Der Kern der Goldenen Bulle (wie Anm. 141), S. 601 – 606. 146 Die Goldene Bulle (wie Anm. 137), c. 1, S. 572, § 15 – 17, sowie zu den Pflichten Frankfurts S. 574, § 18, 19. Streng genommen war die Bartholomäuskirche ledig­lich der Ort für die Eröffnung der Wahl durch die Heiliggeistmesse und die Eidesleistung der Kurfürsten; c. 2, S. 574/576, § 1; vgl. dazu c. 2, S. 576, § 4, wo sich das in eodem loco […] eligerint allgemein auf die im vorangehenden Kapitel genannte civitas Frankenford bezieht. In c. 29, S. 628, § 1, wurde dementsprechend nur allgemein bestimmt, dass die Wahl „in Frankfurt“ stattfinden solle (in civitate Frankenfordie celebraretur electio) – eine Verlegung an einen anderen Ort war mög­lich, jedoch nur bei Vorliegen eines rechtmäßigen Hinderungsgrundes (impedi­ mentum legitimum).

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auch der von den Kurfürsten vor der Wahl zu leistende Eid entgegenwirken,147 da in früheren Fällen nicht zuletzt die vorab getätigten Absprachen und Wahlversprechen eine einmütige Wahl verhindert hatten. Die Wahl insgesamt wurde durch eine Heiliggeistmesse eröffnet,148 wie sie erstmals für Ludwig IV. belegt ist. Der genaue Wahltag war nun nicht mehr mit dem in der Wahleinladung festgesetzten Tag identisch,149 wodurch die Beanspruchung des einzig rechtmäßigen Termins unterbunden werden sollte.150 Mit der Legitima­tion der Selbstwahl 151 wurde ferner eine Frage eindeutig geregelt, die 1314 anläss­lich der Kandidatur Johanns von Böhmen zumindest implizit im Raum gestanden hatte.152 Schließ­lich wurde die Mehrheitswahl endgültig festgeschrieben 153 und die aufgrund des gespaltenen Kurfürstenkollegs etablierte Praxis, den ferngebliebenen Mitwählern das Wahlrecht abzusprechen, zum allgemeingültigen Grundsatz erhoben.154 Es war nicht das Ziel der Goldenen Bulle, den Wahlablauf in seinen rituellen Einzelheiten festzuhalten. Stattdessen sollten all jene recht­lichen und verfahrenstechnischen Fragen geklärt werden, die bei früheren Wahlen zu Streitigkeiten

147 Ebd., c. 2, S. 576, § 1, 2. 148 Ebd., c. 2, S. 574/576, § 1. 149 Ebd., c. 2, S. 576, § 3. Zu den Einladungsschreiben durch den Mainzer Erzbischof siehe ebd., c. 1, S. 572, § 15. 150 Die Festlegung des definitiven Wahltermins wurde hingegen nicht näher geregelt, was letzt­lich zur Doppelwahl von 1410 führte; vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 4), S.  479 – 485. 151 Die Goldene Bulle (wie Anm. 137), c. 2, S. 578, § 5. 152 Eine Selbstwahl Ludwigs IV. als Pfalzgraf war durch den Vertrag mit seinem Bruder Rudolf vom 21. Juni 1313 ausgeschlossen; Regesten der Pfalzgrafen am Rhein 1214 – 1508, edd. Adolf Koch u. a., 2 Bde., Innsbruck 1894 – 1939, hier Bd. 1, Nr. 1711. Erstmals ausgeübt wurde die Selbstwahl im Jahr 1400 durch Pfalzgraf Ruprecht, erneut dann 1410 durch Sigismund als Markgraf von Brandenburg; Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 4), S. 452, S. 481. 153 Siehe Anm. 137. Vgl. hierzu Michael Menzel, Feind­liche Übernahme. Die ludovicianischen Züge der Goldenen Bulle, in: Die Goldene Bulle. Politik – Wahrnehmung – Rezep­tion 1, hg. von Ulrike Hohensee u. a. (Berichte und Abhandlungen. Sonderband 12), Berlin 2009, S. 39 – 63, hier S. 55 – 61. 154 Die Goldene Bulle (wie Anm. 137), c. 18, S. 606 („Littera intima­tionis“): Alias, non obstante vestra seu vestrorum absentia, in premissis una cum aliis comprincipibus et coelectoribus vestris, prout legum ipsarum sanccivit auctoritas, finaliter procedemus. Bezeichnenderweise drohen erst die Wahleinladung von 1346 und 1348 explizit mit dem Ausschluss von der Wahl, 1291 und 1314 war dies noch nicht der Fall (Quellennachweise ebd., Anm. 76). Vgl. außerdem ebd., c. 2, S. 576, § 4, zur Mög­lichkeit der Teilnahme an der Wahl auch bei einem Eintreffen nach dem ursprüng­lich angesetzten Termin der Zusammenkunft, nicht jedoch nach der Wahl selbst.

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geführt hatten und damit dem erklärten Ziel der Eintracht der Kurfürsten entgegenstanden. So wurde auf Schwierigkeiten der Vergangenheit reagiert und Wege zur Konfliktlösung vorgezeichnet. Man schuf einen Rahmen, auf den sich die Auseinandersetzung um die Rechtmäßigkeit der Wahl beziehen konnte 155 – die pauschale Behauptung, eine ­solche sei rechtmäßig (rite, legitime) durchgeführt worden, wurde damit praktisch unmög­lich. Doch nicht nur für die Wahl, sondern auch für die Gestaltung der Krönung waren die Ereignisse des Jahres 1314 von weitreichender Bedeutung. Auf Seiten Ludwigs war die Eintracht näm­lich durch eine Auseinandersetzung z­ wischen den Erzbischöfen von Mainz und Trier um das Krönungsrecht zeitweise gestört worden. Faktisch hatte der Erzbischof von Mainz die Weihe vollzogen. Da er ­später diesbezüg­liche Privilegien nicht wie angekündigt vorlegen konnte, wurde nachträg­lich das ‚Hilfskrönungsrecht‘ des Trierer Erzbischofs anerkannt.156 Etwa ein Jahrzehnt nach diesen Ereignissen überarbeitete der Trierer Weihbischof Daniel von Wichterich den jahrhundertealten Krönungsordo im Sinne der veränderten politischen Ordnung.157 Die Weihe insgesamt wurde maßgeb­lich vom Erzbischof von Köln vollzogen, dessen Rolle als rechtmäßiger Koronator (ex iure regni debitus consecrator) anerkannt und festgeschrieben wurde.158 Den zentralen Akt, das Aufsetzen der Krone, führte dieser allerdings nicht alleine, sondern zusammen mit seinen Amtsbrüdern von Mainz und Trier durch: Gemeinsam nahmen sie die Krönung vor, gemeinsam sprachen sie die dazugehörige Formel.159 So sollte im entscheidenden Moment des Rituals die Eintracht der Kurfürsten für alle sichtbar gemacht werden. Die Erhebung war gerade kein alleiniger Akt des Erzbischofs von Köln, aus der dieser ein Prüfungsrecht des Gewählten hätte ableiten können. Sie war die Fortsetzung der einträchtigen Wahl, ein gemeinsames Handeln der Kurfürsten. Die beiden Krönungen des Jahres 1314 wurden zusammengeführt, indem Aachen als der „gebührende und gewissermaßen richtige Ort“ (debitus et quodam­ modo proprius locus) und der Erzbischof von Köln als der „wahre und rechtmäßige

155 Vgl. zu 1376 Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 4), S. 404 und S. 409, Anm. 1280; zu 1400 ebd., S. 385, Anm. 1165, S. 453, Anm. 1474; zu 1410 ebd., S. 480 f., Anm. 1637, 1643, 1645 sowie S. 484 und S. 487, Anm. 1678. 156 Vgl. ebd., S. 318 f. 157 Vgl. zum spätmittelalter­lichen Ordo umfassend ebd., S. 118 – 163, hier besonders S. 128 ff. und S. 138 ff. 158 MGH Leges 2, ed. Georg Heinrich Pertz, Hannover 1837 [künftig: MGH LL 2], S. 384. 159 Ebd., S. 389: Hic dominus Coloniensis, domini Maguntinensis et Treverensis archiepiscopi, simul superponant coronam regiam et pariter dicant.

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Krönende“ (verus et legitimus coronator) bestimmt wurden.160 Für den Koronator verwies man im Zusatz des Ordo auf dessen päpst­liche und kaiser­liche Privilegien,161 während sich das Gerücht, Ludwig sei von einem Abt gekrönt worden,162 in der Ablehnung des angeb­lichen Krönungsrechts des Abts von Kornelimünster wieder­ findet.163 Auch in der abschließenden Bestimmung, kein anderer Erzbischof oder Bischof dürfe ohne Aufforderung und Erlaubnis des Kölner Erzbischofs die Krönung vollziehen, zeigen sich deut­liche Anklänge an die Auseinandersetzungen des Jahres 1314.164 Vergleichbar mit der Goldenen Bulle wurde so auch für die Krönung versucht, der konfliktreichen jüngeren Vergangenheit für die Zukunft ein Modell der kurfürst­lichen Eintracht entgegenzusetzen. Dass auch diesen Regelungen nicht sofort Erfolg beschieden sein sollte, war vor allem eine Folge der bestehenden Spaltungen des Kurkollegs und den daraus hervorgehenden Gegenkönigserhebungen,165 auf die die Krönung selbst als nachgelagertes und zunehmend untergeordnetes Ritual keinen Einfluss nehmen konnte. Die doppelte Königserhebung des Jahres 1314 könnte schließ­lich auch zur Entstehung eines weiteren Elements des Herrschaftsantritts beigetragen haben, näm­lich dem sogenannten Königslager. Dieser Beweis des rechtmäßigen Herrschaftsanspruchs durch das Ausharren vor dem Wahlort Frankfurt für sechs 1 60 Ebd., S. 392 f., Anm. 2. 161 Ebd.: prout antiqua summorum pontificum et imperatorum statuit auctoritas. Vgl. hierzu Anm. 61, 63, 64. Im Jahr 1407 führte Ruprecht von der Pfalz ebenfalls nicht nur päpst­liche, sondern auch kaiser­liche Privilegien für das ortsunabhängige Krönungsrecht des Erzbischofs an; Deutsche Reichstagsakten 4: König Ruprecht, 1400 – 1401, ed. Julius Weizsäcker, Gotha 1882, Nr. 238, S. 276. 162 Siehe Anm. 7. 163 MGH LL 2, S. 393, Anm. 2. Vgl. hierzu insgesamt Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 4), S. 696 f. 164 MGH LL 2, S. 393, Anm. 2: Nec conveniens reputo, quod aliquis archiepiscopus vel episcopus absque consensu domini Coloniensis requisito et obtento, de huiusmodi coronacione se audeat ingerere, quia valde temerarium foret dominoque Coloniensi et ecclesie sue iniuriosum, et ­absque calumpnia huiusmodi coronacio merito non transiret. Vgl. hierzu die Ausführungen des Erzbischofs von Köln vom 20. November 1314, MGH Const. 5, Nr. 124, S. 125, § 3: Immo requirit, ne falcem suam in messem alienam mittendo se ingerant huiusmodi corona­ tioni ad eos non spectanti, addens quod, si secus facerent, intendit loco et tempore pro iure suo et ecclesie sue in hoc casu salvando talem iniuriam contra eos persequi coram iudice conpetenti. Et nedum talis presumptio si fieret pro infecto teneri debet, immo tamquam execrabilis temeritas debet merito condempnari nec taliter coronato tamquam ab eo, qui auctoritatem non habet, ex hoc quicquid iuris acquiri debet in hoc casu. 165 Vgl. zur Krönung Karls IV . in Bonn 1346 Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 4), S. 350 – 356, zu Ruprechts Krönung in Köln 1401 ebd., S. 463 – 4 68.

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Wochen und drei Tage wurde erstmals 1349 gefordert und 1400 umgesetzt.166 Eine mög­liche Grundlage für ­dieses angeb­liche alte Herkommen könnte Ludwigs Einzug in Frankfurt drei Tage nach seiner Wahl gewesen sein, während Friedrich mit seinem Heer hatte abziehen müssen.167 Für Aachen berichtet Johann von Viktring, die Krönungsstadt habe ihre Anerkennung des Gewählten von dessen militärischer Machtdemonstra­tion vor Ort abhängig gemacht.168 Diese Nachricht steht allerdings gänz­lich alleine,169 sodass für die Entstehung des Königslagers 166 Vgl. zusammenfassend und unter Einbeziehung der älteren Forschung Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 4), S. 663 – 668. Die Ereignisse des Jahres 1314 wurden bisher in der Diskussion nicht ausreichend berücksichtigt. Sie könnten jedoch erklären helfen, warum die frühen Nachrichten über ein Königslager gerade von außerhalb des Reichs stammen; vgl. hierzu besonders Ludwig Klaiber, Neues zum „Königslager“, in: Aus Politik und Geschichte. Gedächtnisschrift für Georg von Below, hg. von Joseph Ahlhaus, Berlin 1928, S. 91 – 94, hier S. 92 f.; Hans Weirich, Über das Königslager. Ein Beitrag zur Verfassungsgeschichte des spätmittelalter­lichen Deutschen Reiches, in: DA 3 (1939), S. 211 – 235, hier S. 219 – 225. Die Behandlung des Jahres 1314 bei Karl Schellhass, Das Königslager vor Aachen und Frankfurt in seiner rechtsgeschicht­lichen Bedeutung (Historische Untersuchungen 4), Berlin 1887, S. 15 ff., konzentriert sich gänz­lich auf den Krönungsort, während Weirich, Über das Königslager (wie in dieser Anm.), S. 224, ledig­lich Frankfurt im Blick hat und Klaiber, Neues zum „Königslager“ (wie in dieser Anm.), S. 92, das „hypothetische[n] Lager Ludwigs“ vor Aachen nur streift. Klaiber selbst weist bezüg­lich der zweitfrühesten Erwähnung des Königslagers im spanischen ‚Libro de los estados‘ (um 1330) auf die verwandtschaft­liche Verbindung des Autors „zu dem casti­lischen und aragone­sischen Königshause“ hin, woher ihm „die Existenz eines Königslagers zugeflossen“ sein könnte (S. 94). Diese Überlegungen gewinnen vor dem Hintergrund, dass brief­liche Nachrichten von Friedrichs erfolgreichem Auftreten vor Speyer gerade auch an dessen Schwiegervater Jakob II. von Aragón gelangten (siehe Anm. 83), weiter an Gewicht. 167 Siehe besonders Säch­sische Weltchronik. Dritte Bairische Fortsetzung (wie Anm. 105), c. 1, S. 342: Der konig Ludewig behielt die wal achte tage mit gewalt und mit großen eren. Vgl. auch Säch­sische Weltchronik. Erste Bairische Fortsetzung (wie Anm. 91), c. 27, S. 335: Dieseu wal geschach ze Franchenfurte, do worn dis herren alle mit grozzem gewalt; Peter von Zittau, Chronicon Aulae regiae (wie Anm. 90), c. 125, S. 226: Urbs Frankenfurd per triduum clausa fuit, die vero tercia eleccione iam dissona celebrata, cum civitas esset aperienda, Fridericus, dux Austrie, valde mane ante diluculum recedendo movere incipit sua castra. 168 Iohannis abbatis Victoriensis Liber certarum historiarum (wie Anm. 91), l. 5, c. 1, Rec. A, S. 65 f.: utriusque iuxta suas sanc­tiones vellent prius potenciam experiri et, cui sic dignius debe­ rent parere, benivolos existere et paratos; Rec. B. D. A2, S. 105: iuxta suas sanc­tiones vellent prius utriusque potenciam experiri et sic ad hunc vel ad illum esse benivolos et paratos. 169 Vgl. ledig­lich die spätere Chronique de Jean des Preis dit d’Outremeuse, ed. Stanislas ­B ormans, 7 Bde., Brüssel 1864 – 1887, hier Bd. 6, l. 3, S. 203, die sogar so weit ging, eine Übereinkunft ­zwischen Ludwig und Leopold [sic., statt Friedrich] anzunehmen, dass derjenige, der vor Aachen im Kampf siege, dort gekrönt werden solle: Mains ilh fut fais par les

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auch an das Aufeinandertreffen der beiden Könige vor Speyer zu denken ist, als Friedrich für einen gewissen Zeitraum kampflos das Feld behauptet und die Stadt Hagenau ihn daraufhin als König anerkannt hatte.170 Mög­licherweise ließen sich hierdurch die wise gelerte große phaffen in dem rechten inspirieren, als sie auf dem Mainzer Städtetag im September 1400 die Anerkennung des neu gewählten Königs ­Ruprecht unter anderem an das Königslager vor Frankfurt banden.171 Das Königslager erwies sich zwar für die Königserhebung als weniger prägend und dauerhaft als Wahl und Krönung, doch lassen sich auch hier die Folgen der Doppelwahl des Jahres 1314 erkennen. Jene Verarbeitungs- und Lösungsstrategie war gerade auf eine Spaltung der Kurfürsten zugeschnitten und daher sowohl 1349 als auch 1400 und 1410/11 in Übung oder zumindest im Gespräch. Als sich die von der Goldenen Bulle propagierte Einigkeit der Kurfürsten mehr und mehr durchzusetzen begann, verlor das Königslager seine praktische Bedeutung und verschwand wieder aus dem Prozess der Königserhebung.

Fazit: W ­ elche Macht der Rituale? Die doppelte Wahl und Krönung des Jahres 1314 zeigt zwei unterschied­liche Modelle der rituellen Gestaltung der Königserhebung: Während Ludwig auf eine mög­lichst feier­liche Inszenierung setzte, musste sich Friedrich zumeist auf ein Mindestmaß beschränken. Unmittelbar mit dem Vollzug der herrschaftsbegründenden Ritua­le begann das Ringen um deren angemessene Deutung und propagandistische Nutzung. Dabei waren die Akteure ebenso wie die Partei prinches I acort entre eaux, qu’ilh yroient à Ays ambdois à teile puissance qu’ilh poroient avoir et assembleir, e qui poroit le regne par forche de batalhe obtenir, chis seroit coroneis. 170 Siehe Anm. 82. Während Friedrich selbst nur von zwei Tagen und einer Nacht sprach, wurde der Zeitraum von anderen noch verlängert: MGH Const. 5, Nr. 242, S. 210: ibidem aciebus nostris ordinatis per duos dies continuos et unam noctem potenter sine omni resisten­ cia dominantes; Nr. 254, S. 218, § 2: per aliquot dies obsedit eundem; Nr. 291, S. 254: estech davant la ciutat et el ceminteri III dies et III nits esperant, que ixis laltre a batalla et ell de nit amagadament ixisen; ebenso Acta Aragonensia 3 (wie Anm. 7), Nr. 126, S. 285 f. 171 Deutsche Reichstagsakten 4 (wie Anm. 161), Nr. 120, das Zitat c. 2, S. 132, dort auch zu den Grundlagen des Gutachtens: als sie meinent daz sie daz cler­lichen wisen wullen in bebest­ lichem und keiser­lichem rechte; die Empfehlung zum Königslager c. 2, S. 133, § 2, mit Verweis auf das herkommen. Vgl. so auch der Frankfurter Rat gegenüber Ruprecht: sie haben horen sagen, daz von aldir gewest si, wann daz riche ledig stee, daz dann der legir vor Franckenfurd sin sulle sehs wochen und dri tage; Nr. 138, S. 153. Auch auf Bitten der Städte Köln, Mainz, Worms und Speyer öffnete Frankfurt nicht seine Tore; Nr. 141.

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ergreifenden Chronisten vornehm­lich darauf bedacht, die Rechtmäßigkeit der eigenen Erhebung zu betonen. Hierin spiegelt sich aber auch die Furcht vor einer entsprechenden Delegitimierung durch den politischen Gegner, die in den Berichten entweder implizit mitschwang oder sogar explizit formuliert wurde. Die zwiespältige Königserhebung führte so zu einem hohen Ausstoß an Schrift­ lichkeit, wobei nicht nur der Verlauf der rituellen Handlungen, sondern auch die weiteren recht­lichen Umstände thematisiert wurden.172 Die zentralen Prüfsteine waren in der Regel nicht der konkrete Ablauf der Rituale, obgleich der Verweis auf die üb­lichen und gewöhn­lichen Feier­lichkeiten durchaus eine Rolle spielte.173 Wichtiger waren der richtige Ort und Zeitpunkt sowie die handelnden Personen, mit unterschied­licher Gewichtung und Interpreta­tion durch die beiden Parteien. So musste aus der Sicht Friedrichs die Krönung samt Thronsetzen am tradi­tionellen Ort Aachen gegenüber dem alleinigen Krönungsrecht des Erzbischofs von Köln als zweitrangig, wenn nicht sogar bedeutungslos erscheinen: Das üb­liche Herkommen (mos) verblasste vor dem Recht (ius) des Koronators.174

172 Friedrichs Wahldekret selbst dürfte nie an die Kurie gelangt sein, während ein Schreiben des Erzbischofs von Mainz an die Kardinäle sich auf die Wahlanzeige Ludwigs beziehen könnte; MGH Const. 5, Nr. 260, S. 222, § 3: scripsit omnibus cardinalibus narrando totum processum negocii et informando eos in favorem Ludovici predicti. Vgl. hierzu insgesamt Unverhau, Approbatio – Reprobatio (wie Anm. 110), S. 22 – 28. Unabhängig von dieser Frage ist klar erkennbar, dass die Wahldekrete auf beiden Seiten die Grundlage für die anschließende Kommunika­tion und Argumenta­tion bildeten. Ob Ludwig jedoch sein Wahldekret der Stadt Aachen vorzuzeigen hatte, muss mehr als frag­lich bleiben; vgl. Gerrit Jasper Schenk, Zeremoniell und Politik: Herrschereinzüge im spätmittelalter­lichen Reich (Forschungen zur ­Kaiser- und Papstgeschichte. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 21), Köln – Weimar – Wien 2003, S. 362. In der Trausnitzer Sühne 1325 versprach Friedrich, sein Wahldekret und alle weiteren diesbezüg­lichen Schreiben zurückzugeben (MGH Const. 6,1, Nr. 29, S. 18, § 2), eine Bestimmung, die offenbar nicht umgesetzt wurde. Auch die Auseinandersetzung um das Krönungsrecht und die in Ritual und Schriftverkehr vorgenommene Bezugnahme des Kölner Erzbischofs auf seine päpst­lichen Privilegien fanden ihren Niederschlag in den Chroniken (siehe Anm. 100). Vgl. hierzu außerdem das Schreiben des Pfalzgrafen und des Herzogs von Sachsen an Konstanz: Que omnia testes vivi, privilegia sedis apostolice et instrumenta publica super hiis confecta, cum oportunum fuerit, demonstrabunt; ebd., Nr. 171, S. 163, § 1. 173 Vgl. so auch die unterschied­lichen Bewertungen der Bonner Krönung Karls IV. im Jahr 1346; Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 4), S. 353 f. 174 MGH Const. 5, Nr. 118, S. 115, § 1: pro coronacione huiusmodi Aquis facienda, ut est moris; S. 116, § 3: qui habemus de iure et de consuetudine, ut est dictum, coronacionem et non alius facere antedictam, ebenso Nr. 124, S. 125, § 3, anschließend mit dem erneuten Verweis auf das ius corona­tionis. Siehe auch Nr. 171, S. 163, § 1: Fridericus […] pro coronacione sibi debita sicut moris est, versus civitatem Aquensem porrexit. […] per reverendum in Christo patrem

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Während die Akteure selbst die verschiedenen Aspekte der Königserhebung mög­ lichst vollständig in ihrem Sinne hervorhoben, konzentrierten sich die Chronisten bei der Darstellung der Wahl zumeist auf die Anzahl der Stimmen. Besser greifbar war für sie die Krönung, der Gegensatz von tradi­tionellem Krönungsort und Krönendem bot eindeutigere und anerkanntere Bewertungskriterien.175 Nicht zuletzt wegen der besonderen Stellung, die der Erzbischof von Köln für die Königserhebung beanspruchte, wurden Wahl und Krönung auf Seiten Friedrichs stärker als Einheit begriffen,176 die Bekanntmachungen stammen erst aus der Zeit nach der Krönung. Ludwig konnte hingegen direkt nach der Wahl die Anerkennung der Reichsstädte der Wetterau erlangen und sich durch seine Altarsetzung in Frankfurt auch der Krönungsstadt Aachen empfehlen. Für seine schnelle Anerkennung zu Beginn des Thronstreits dürften jedoch vor allem sein fürst­liches Netzwerk und sein machtvolles Auftreten vor Ort entscheidend gewesen sein. Ebenso entschloss sich das von beiden Seiten stark umworbene Konstanz zusammen mit weiten Teilen Schwabens und des Elsass erst nach ­Friedrichs militärischem Erfolg bei Speyer zu einer Parteinahme. Die unmittelbare legitimatorische Wirkung der Rituale der Königserhebung nahm mit zeit­lichem Abstand immer mehr ab und wurde bald durch andere symbo­lische Formen der Inszenierung 177 ersetzt, von den sonstigen Mechanismen der Machtausweitung ganz zu schweigen.178 dominum H(einricum) Coloniensem archiepiscopum, cui hoc de iure competit, coronacionem suam obtinuit iusticia exigente. 175 Auch die Altarsetzung in Frankfurt taucht in der historiographischen Überlieferung nicht auf, selbst Peter von Zittau, Chronicon Aulae regiae (wie Anm. 90), c. 125, S. 226, der über Ludwigs Einzug in Frankfurt berichtet, erwähnt sie nicht. Im Hinblick auf die Wahl wurden weitere Vorwürfe zur Diffamierung des Gegners erhoben: Nach der Chronica de gestis principum (wie Anm. 89), S. 79, habe Pfalzgraf Rudolf wegen Geldzahlungen für Friedrich gestimmt, während die Chronik Johanns von Winterthur, ed. Friedrich Baethgen (MGH SS rer Germ N. S. 3), Berlin 1924, S. 76 f., berichtet, viele hätten behauptet (plures famant), Ludwig und Rudolf hätten vor der Wahl gegen viel Geld versprochen, die Wahl Friedrichs nicht zu verhindern, woran sich Ludwig aber nicht gehalten habe. 176 Eine spanische Dienerin von Friedrichs Frau Elisabeth verlieh ­diesem Zusammenhang in treffender Form Ausdruck, wenn sie stark verkürzend zusammenfasste, Friedrich habe die bessere Wahl, weil er vom Erzbischof von Köln gekrönt worden sei: que aquest nostre ha melor elecio hauda, per ço com ell es coronat per lo archabisbe de Colunya; Acta Aragonensia 3 (wie Anm. 7), Nr. 126, S. 285. 177 Vgl. beispielsweise zu den feier­lichen Einzügen der beiden Könige Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 4), S. 331 f. 178 Vgl. Heinrich Taube von Selbach, Chronik (wie Anm. 90), S. 31: et quilibet eorum principes, dominos, civitates, opida, villas res et bona alia ad regnum pertinencia per munera, potenciam

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Die Entscheidung im Thronstreit wurde letztend­lich weder durch eine stetig zunehmende Anerkennung eines der beiden Kandidaten noch durch ein Urteil über die Rechtmäßigkeit der Königserhebung herbeigeführt, sondern durch einen Schlachtensieg. Eine ­solche Auseinandersetzung noch vor der Wahl oder unmittelbar danach bei Frankfurt zu suchen, kam für keinen der Akteure in Frage. Zunächst galt es den Weg zur Krone zu Ende zu beschreiten, der mit der Gewinnung mög­lichst vieler Kurstimmen seinen Anfang genommen hatte. Dass das Werben um Stimmen und das Ringen um die Rechtmäßigkeit von Wahl und Krönung stets mit dem Bemühen um eine mög­lichst große militärische Schlagkraft einhergingen, zeigt allerdings, dass ein allzu großes Vertrauen in den Eintracht stiftenden Charakter des Rituals nicht vorhanden war – ja es konnte ein solches Vertrauen gar nicht geben, wenn sich durch Wahlbündnisse gefestigte Blöcke gegenüberstanden. Die Doppelwahl Friedrichs und Ludwigs rief somit allen Zeitgenossen eindrucksvoll ins Gedächtnis, was sich bereits 1257 gezeigt hatte: Die faktische Begrenzung des Wählerkreises auf die sieben Kurfürsten war kein Garant für einmütige Wahlen. Der eine Genera­tion ­später unternommene Versuch Karls IV. und der Kurfürsten, durch eine detaillierte Regelung der Königswahl eine erneute Zwietracht auszuschließen, war daher neben Karls eigenem Herrschaftsantritt wesent­lich von den Ereignissen des Jahres 1314 motiviert. Dass vergleichbare Veränderungen für den Ablauf und die recht­lichen Bestimmungen der Krönung deut­lich geringer ausfielen, verweist auf die langfristige Wirkung der doppelten Wahl und Krönung, vermittelt durch den Konflikt Ludwigs IV. mit dem Papsttum: Indem Johannes XXII. die Approba­tion des Gewählten beanspruchte, rückte die Königswahl ins Zentrum des Interesses, während die Königskrönung zu einer bloßen Folgeerscheinung der Wahl herabgestuft wurde. Eine s­ olche Tendenz ist schon im Umfeld der Königserhebung selbst zu erkennen, als der Erzbischof von Köln aus seinem Krönungsrecht den Anspruch auf die Prüfung der Wahl abzuleiten versuchte. Im Zuge der Auseinandersetzung um den päpst­lichen Approba­tionsanspruch wurde die besondere Betonung der Wahl zunehmend auch auf Seiten Ludwigs aufgegriffen und im eigenen Sinne umgestaltet und ausgedeutet.179 Dabei schreckte man selbst vor bewussten Ungenauigkeiten und offenen Verfälschungen nicht zurück, wurde et alios modos, quibus potuit, sibi attraxit. 179 Es dürfte vor allem der Vollzug der Krönung durch einen anderen Geist­lichen als den Erzbischof von Köln gewesen sein, der Ludwig davon abhielt, die Krönung gegen die Wahl in Stellung zu bringen. Einer besonderen Betonung der Weihe stand außerdem entgegen, dass der päpst­liche Approba­tionsanspruch gerade auch auf die Kaiserkrönung zurückgeführt wurde.

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doch das Vorgehen Ludwigs in Italien mit dem Verweis auf einen Krönungseid gerechtfertigt, der beim eigent­lichen Vollzug der Weihe aller Wahrschein­lichkeit nach in dieser Form nicht geleistet worden war.180 Der richtige Wahltag wurde außerdem nicht nur als der vom hierzu befugten Kurfürsten festgesetzte Termin bezeichnet,181 sondern darüber hinaus behauptet, Friedrich sei erst nach Ludwig gewählt worden.182 Die zweifache Wahl und Krönung des Jahres 1314 wurde so mehr und mehr zu einer Doppelwahl, ganz anders als ein Jahrhundert zuvor, als für die päpst­liche Anerkennung Ottos IV . gerade dessen Krönung in Aachen durch den Erzbischof von Köln den entscheidenden Argumenta­tionsbaustein gebildet hatte. Diese Schwerpunktverschiebung zeigt sich auch im Aufkommen des Königslagers, das den Gewählten zu einer notfalls gewaltsamen Verteidigung seines Herrschafts­ anspruchs verpflichtete. Gelang es infolge der Spaltung des Kurfürstenkolle­giums nicht, durch die Wahl einen allgemein anerkannten König hervorzubringen, so sollte auf ­diesem Wege eine verbind­liche Entscheidung gefunden werden. Das war das erfolgreiche Lösungsmodell der militärischen Entscheidung bei Speyer im März 1315, nicht das gescheiterte der Krönung in Aachen und Bonn im November 1314. So lässt sich zusammenfassend festhalten, dass die Rituale der Königserhebung des Jahres 1314 im politischen Kräftespiel der Zeit selbst nicht sehr stark oder dauerhaft wirkten. Langfristig waren sie jedoch von großer Wirkung, indem sie maßgeb­lich zur Neuschaffung zweier ritueller Texte beitrugen, die für Jahrhunderte die Grundlage des könig­lichen Erhebungsverfahrens im römisch-­deutschen

180 MGH Const. 5, Nr. 909, S. 728, § 14; S. 731 f., § 23. Vgl. hierzu Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 4), S. 133 ff. Siehe auch die Weiterentwicklung ­dieses Passus einige Jahre ­später, wo nun vor allem allgemein auf die zu schützenden Reichsrechte abgehoben wurde; ­Foerster, Traktat (wie Anm. 122), S. 597, S. 604. Mög­licherweise erklärt sich auch der Verweis auf die mit der corona/dyadema regia erfolgte Krönung, der sich in Ludwigs erster Appella­tion vom Dezember 1323 findet (wie Anm. 116, 117), durch die kurz zuvor erfolgte Auslieferung der Reichsinsignien; vgl. hierzu Regesta Habsburgica III (wie Anm. 85), Nr. 1325. 181 Mit der Formulierung per eum, ad quem spectat prefigere (wie Anm. 119) dürfte der Erzbischof von Mainz gemeint gewesen sein. Auch zur Doppelwahl von 1257 war die Berechtigung zur Festlegung des Wahltags kontrovers diskutiert worden; Entwurf der Bulle ‚Qui celum‘, MGH Const. 2: 1198 – 1272, ed. Ludwig Weiland, Hannover 1906, Nr. 405, S. 526 – 529, § 7, 10, 11. 182 Siehe Anm. 124. Ausführ­licher ausgedeutet dann bei Foerster, Traktat (wie Anm. 122), S. 602 f., mit dem Fazit S. 603: patet igitur ex predictis, quod tam ex conswetudine antiqua et approbata imperii, que vim habet legis, quam etiam de iure communi secunda electio nullius fuit momenti nec prime potuit impedimentum aliquod afferre.

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Reich bilden sollten. Mochte die Macht der Rituale im Konflikt selbst begrenzt sein, so lag auf lange Sicht dieser Zwietracht eine besondere Kraft inne, die zur normativen Setzung von konfliktmindernden Regelungen in verschrift­lichter Form führte. Über die konkreten Rituale des Jahres 1314 breitete sich hingegen langsam der Schleier der Erinnerung, und auch die so kontroversen Deutungen verloren mit zeit­lichem Abstand ihre Brisanz. Nach der wiederhergestellten Eintracht ­zwischen Friedrich und Ludwig im Jahr 1325 konnten beide daher als Schlussstrich unter ihre frühere Auseinandersetzung ziehen, sie wollten das Reich gemeinsam regieren, darczo wir bede erwelt und geweihet sein.183 Viel Lärm um nichts, mag man versucht sein zu denken, doch hatte dieser Lärm für die politische Ordnung des spätmittelalter­lichen Reichs weitreichende Folgen.

183 MGH Const. 6,1, Nr. 105, S. 72, § 1.

Canonice electus Die Wahl des rex Romanorum aus der Perspektive des kanonischen Rechts um 1300 Mathias Schmoeckel

Einleitung Aufgabe des Rechtshistorikers ist es nicht, frühere Rechtslagen zu klären. Allenfalls kann man versuchen, durch das Verständnis juristischer Strukturen Motive und Strategien der historischen Akteure besser zu verstehen. Zwar wollen Juristen üblicherweise Rechtsverhältnisse klären. Doch profitieren sie durchaus davon, wenn Rechtslagen unklar sind. Mitunter ziehen Parteien dies auch vor, etwa wenn es ihnen die Möglichkeit bewahrt, sich weiterhin einzumischen. Institutionen erhalten sich durch Unklarheiten eine besondere Wandlungsfähigkeit. Nicht die eindeutige Klärung, sondern die Ungewissheit kennzeichnet damit allzu oft die Lage. Ein Rechtshistoriker sollte sich daher hüten, eine Rechtslage ‚klären‘ zu wollen. Spiegelt das Recht die Ansichten der Gesellschaft, dann kann gerade auch das Fehlen einer klaren Lösung zu konstatieren sein. Dies ist dann im Licht der Parteien zu interpretieren, deren Interessen damit verfolgt werden. Mitunter erklärt dies, warum sich eine Position durchsetzen konnte. Die Beschreibung der Rechtsfrage ist damit unter Umständen viel interessanter als eine eindeutige Antwort. Vor diesem Hintergrund soll hier nach den Regeln der deutschen Königswahl geforscht werden. Gerade bei politischen Vorgängen, so lässt sich vermuten, könnten Unklarheiten vielleicht noch eher die Situation beschreiben. Umso wichtiger ist es, die Frage zu bestimmen. Allzu viele Unklarheiten wären zu thematisieren: • Wer wurde gewählt, der rex Romanorum, der König des regnum Alamaniae oder der Kaiser? Die Quellen des 13. Jahrhunderts sprechen überwiegend vom rex Romanorum1 und lassen das Verhältnis des Herrschers zu Rom und die Frage eines regnum Alamaniae offen, implizieren aber das Anrecht auf die Kaiserwürde.2

1 Heinz Thomas, Wahl A. I, in: LexMA 8 (1997), Sp. 1909 – 1911, hier Sp. 1910, rex Romanorum durchgängig ab 1237. 2 Heinz Thomas, König. Königtum, B. II, in: LexMA 5 (1991), Sp. 1306 – 1309, führt die Titulatur und das genannte Motiv auf Heinrich V. zurück.

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• Wer hat das Wahlrecht? Die Entwicklung des Kurfürstenkollegs ist alt und

umstritten und es ist kaum möglich im Rahmen eines Aufsatzes, dieses Thema zu bewältigen. Gleiches gilt auch für die Bestimmung des rex Romanorum. • Hier sollen eher das Wahlverfahren und seine Modalitäten in den Blick genommen werden. Die Fragen der Doppelwahl führten gerade dazu, danach zu fragen, wann eine Wahl rechtmäßig war und welche Bedeutung demgegenüber noch die Krönung haben kann. Damit stellt sich hier zunächst die Frage nach den Kriterien für eine rechtmäßige Wahl. Dabei handelt es sich um eine komplizierte Rechtsmaterie ähnlich dem Prozessrecht. Das wurde auch im 13. und 14. Jahrhundert so gesehen. Dies wirft die Frage auf, welche Rechtsmaterie überhaupt Vorstellung über Anforderungen an eine gültige Wahl vermitteln konnte. Welches Rechtsgebiet präzisierte damit – gegebenenfalls auch nur teilweise – die Wahl eines rex Romanorum? Aus dem Recht des Wahlvorgangs können dann nur einige weitere Aspekte angesprochen werden: • Wie wurde die Wahl vorgenommen, welche Verfahrensarten gab es dafür bzw. wurden genutzt? Daraus ergibt sich, wer in den Quellen als elector und wer als Beteiligter gewertet wurde. Insbesondere stellt sich die Frage, ob es ein Vertretungsrecht bei der Wahl gab und wie das Quorum bestimmt wurde? Diese sehr technische Frage ergibt, wer als Wähler überhaupt mitgezählt wurde, und ist daher von einiger Bedeutung. • Zu den verschiedenen Quisquilien des Wahlrechts gehört insbesondere auch die Frage von Wahlort und Wahlzeitpunkt. Hier decken sich die Vorgaben des kanonischen Rechts nur wenig mit den in der Literatur behandelten Gesichtspunkten. • Welche Stellung nahm der Gewählte bereits nach der Wahl ein; welche Bedeutung kam der confirmatio allgemein bzw. im Fall des Königs seiner Krönung zu? Handelte es sich nur um eine Bekanntgabe der Wahl und ihres Ergebnisses oder kam diesem Akt noch eine juristische, konstitutive Bedeutung zu? • Ferner werden noch im Hinblick auf die Bedeutung der deutschen Reichskrone einige Hinweise zum Unterschied zwischen Kunst- und Rechtsgeschichte angefügt. • Schließlich ist nach der päpstlichen Approbation bzw. Bestätigung und ihrer Bedeutung für den Gewählten zu fragen. Welche Bedeutung kam dem Kaisertitel zu, der in dieser Epoche tatsächlich erst nach der Krönung in Rom angenommen wurde? Viele weitere und altbekannte Fragen stellen sich in diesem Kontext. Vielleicht können die nachfolgenden Überlegungen helfen, auch diese Aspekte irgendwann näher bestimmen zu können.

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Rechtsgrundlagen der Wahl eines rex Romanorum Forschungslage Welche Rechtsmaterie regelte die Wahl eines deutschen Königs? Wahl ist keine natür­liche, instinktgetriebene Tätigkeit, sondern wird durch Recht etwa vom Losverfahren getrennt. Sie erweist sich bei näherer Betrachtung schon seit dem 12. Jahrhundert als ähn­lich juristisch ausdifferenziert wie ein Gerichtsverfahren. Es musste also eine Rechtsmaterie geben, die den Zeitgenossen das Verständnis des Wahlverfahrens nahelegte. Die Antwort von Albericus de Rosate (um 1290 – 1360)3 in der Kommentierung zur Lex ‚Bene a Zenone‘ (1340 – 1345)4 ist eindeutig und folgerichtig. Wenn es um die Wahl des Kaisers, also des rex Romanorum geht, handele es sich um eine Frage des römischen Rechts. Folg­lich wäre es die Aufgabe der Wissenschaftler des römischen Rechts gewesen, hierzu Aussagen zu treffen.5 Wer diese Romanität früher leugnete, wollte kritisieren: Robert von Neapel berichtete daher 1313, dass der ­Kaiser gewöhn­lich von Fürsten deutscher Zunge gewählt werde. Er werde daher aus einem wilden Stamm gewonnen, der eher barbarisch als christ­lich sei und bei dem Raub bekannt­lich keine Sünde sei, wie dies schon Thomas von Aquin in seiner Abhandlung vom Gesetz berichte.6 Doch schon allein die Begründung der Wahl fiel dem zeitgenös­sischen Kommentator nicht leicht, handelte es sich doch dabei offensicht­lich nicht um antikes römisches Recht, sondern um eine gravierende Veränderung der vergangenen Jahrhunderte. Die Kommentierung musste daher auf bedeutende Veränderungen der jüngeren Vergangenheit hinweisen, etwa die Entstehung der Kurfürsten. Das römische Recht kannte die Wahlmög­lichkeit etwa nur bei Vermächtnissen (D. 33.5), also im Erbrecht. Eine Klärung, wie Wahlen für Ämter durchzuführen ­seien, erreichte es dagegen nicht. Eine Anleitung zur Kaiserwahl findet sich daher im römischen Recht nicht. Insoweit es um Rechtsregeln der mittelalter­lichen ­Kaiser ging, sollte man in der Gesetzessammlung der deutschen Könige fündig werden. Selbstverständ­lich 3 Zu ihm Hermann Lange – Maximiliane Kriechbaum, Römisches Recht im Mittelalter 2: Die Kommentatoren, München 2007, S. 665 – 682. 4 Vgl. Lange – Kriechbaum, Römisches Recht (wie Anm. 3), S. 667 – 679. 5 Albericus de Rosate, Commentaria in Secundam Codicis Partem, Venedig 1585; ND ­Bologna 1979, zu C. 7.37.3 (‚Bene a Zenone‘), Nr. 5, fol. 106v. 6 Petitio Regis Roberti Altera, c. 10 [nach 24. 8. 1313], ed. Jacob Schwalm, in: MGH Const. 4,2, Hannover – Leipzig 1909 – 1911, Nr. 1253, S. 1372.

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wurde hier viel von Wahlen oder deren Rechtmäßigkeit gehandelt, doch eher im Wege kurzer Feststellungen. Die Schriften zur ‚electio regia‘ enthielten dagegen Berichte, die über konkrete Wahlvorgänge berichteten und von der Ordnungs­ mäßigkeit des Wahlvorgangs überzeugen wollten.7 Man spricht hier von ‚Wahldekreten‘, doch es handelt sich um Beschreibungen und Berichte, deren normative Bedeutung spär­lich ist.8 Letzt­lich sollen sie die Legitimität der folgenden könig­ lichen Akte begründen und wurden daher in die Ausgaben der ‚Constitu­tiones et acta‘ der MGH aufgenommen. Ein wesent­licher Unterschied zu sonstigen Beschreibungen des Wahlvorgangs aus den Werken der hochmittelalter­lichen Schriftsteller lässt sich dagegen nicht erkennen.9 In den Quellen der deutschen Rechtsgeschichte findet sich insgesamt keine normative Anleitung zur Durchführung einer Wahl. Eine Ausnahme bildet die Gruppe der ‚ordines‘, die die Krönung eines Königs oder Kaisers beschreiben.10 Sicher­lich handelt es sich um juristische Schriften, doch beziehen sie sich auf die Krönung und nicht die Wahl. Insbesondere die Vorstellungen von den Ritualen der Kaiserkrönung zu Rom geben für die vorliegenden Fragen der Wahl keine Hinweise. Man kann natür­lich die historischen Wahlvorgänge sammeln mit dem Ziel, Gewohnheiten und Gebräuche der deutschen Könige 11 zusammenzustellen. Deren normative Bedeutung heute jedoch festzustellen, geht wohl über die Aufgabe eines Rechtshistorikers hinaus. Stellt man etwas klar als Gewohnheit (consuetudo) oder Brauch (mos)12 fest, ist der Schritt zur Annahme eines Gewohnheitsrechts bereits erfolgt.13 Es geht also nicht um das wissenschaft­liche, genaue Nachzählen von

7 Z. B. Electio Regia [27. 11. 1308], ed. Jacob Schwalm, in: MGH Const. 4,1, Hannover – Leipzig 1906, Nr. 262, S. 228. 8 Zur Abgrenzung von den Wahlkapitula­tionen vor Karl V. Ernst Schubert, Königswahl und Königtum im spätmittelalter­lichen Reich, in: ZHF 4 (1977), S. 257 – 338, hier S. 316. 9 Z. B. Narratio de elec­tione Lotharii ducis Saxoniae in regem Romanorum a. 1125/1133 – 1135 oder 1160, ed. Wilhelm Wattenbach (MGH SS 12), Hannover 1856, S. 510 – 512. 10 Jacques Le Goff, A Corona­tion Program for the Age of Saint Louis: The Ordo of 1250, in: Corona­tions. Medieval and Early Modern Monarchic Ritual, hg. von János M. Bak, ­Berkeley (Cal.) u. a. 1990, S. 46 – 57; darin auch der folgende Beitrag von Jean-­Claude Bonne, The Manuscript of the Ordo of 1250 and Its Illumina­tions, S. 58 – 71; sowie die weiteren einschlägigen Beiträge in ­diesem Band. 11 Erich Kaufmann, König, in: HRG 2 (1978), Sp. 999 – 1023. 12 Vgl. Decretum Gratiani D.1, c.4, ed. Emil Friedberg (Corpus Iuris Canonici 1), Leipzig 1879; ND Graz 1959, S. 1: Mos autem est longa consuetudo […]. 13 Siehe ebd. D.1, c. 5 (wie Anm. 12), S. 2: Consuetudo autem est ius quoddam moribus insti­ tutum, quod pro lege auscipitur, cum deficit lex.

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Praktiken, sondern um die normative Wertung. Wer heute ein Gewohnheitsrecht feststellt, das sich in den Quellen so nicht findet, unterwirft damit die Vergangenheit den normativen Vorgaben seiner Vorstellung. Umgekehrt wird aus der fehlenden Feststellung einer verbind­lichen Gewohnheit in den Quellen deut­lich, dass die Zeitgenossen eine ­solche Normativierung nicht behaupteten oder vorschlugen. Man kann daher natür­lich die Male zählen, in denen die Königswahl vor Frankfurt durchgeführt wurde. Ohne einen Quellenbeweis, dass sich daraus ein entsprechendes Gewohnheitsrecht ergeben habe, wird man sich heute vor einer solchen Feststellung hüten müssen. Damit bleibt die Frage, ob man in der verbleibenden großen Rechtsordnung der Zeit, dem kanonischen Recht, fündig wird. Schon der Rechtshistoriker H ­ einrich Mitteis (1889 – 1952)14 hatte 1944 die Idee, dass die Königswahl durch die Kanonis­ tik das Wahlverfahren technischer gestaltet habe, also die juristische Grundlegung ­dieses Vorgangs liefern könnte.15 Mitteis war nicht der Erste, der diese Idee äußerte. 1899 hatte Alfred von Wretschko den Einfluss des „fremden“ kirch­lichen Rechts über das Vorbild der Bischofswahlen postuliert.16 Doch die Literatur entwickelte diesen Ansatz weiter. Noch vor Kurzem ließ es der Regensburger Kanonist Hans Jürgen Becker offen, ob der Einfluss auf Deutschland aus dem kanonischen Recht oder der Praxis der oberitalienischen Städte stamme.17 Dabei ist längst bekannt, dass die Päpste sich nicht scheuten, die deutsche Königswahl normativ zu gestalten, jedenfalls seit Innozenz III. nach dem Muster der Bischofswahlen seine berühmte Dekretale ‚Venerabilem‘ erließ und eine Fülle von Präzisierungen vornahm.18 In der Tat wird man mindestens seit der D ­ oppelwahl

14 Zu ihm: Heinrich Mitteis nach hundert Jahren (1889 – 1989). Symposion anläß­lich des ­hundertsten Geburtstages in München am 2. und 3. November 1989, hg. von Peter ­L andau, München 1991; Georg Brun, Leben und Werk des Rechtshistorikers Heinrich Mitteis unter besonderer Berücksichtigung seines Verhältnisses zum Na­tionalsozia­lismus, Frankfurt a. M. 1991. 15 Heinrich Mitteis, Die deutsche Königswahl. Ihre Rechtsgrundlagen bis zur Goldenen Bulle, Darmstadt 31975, S. 16. 16 Alfred von Wretschko, Der Einfluss der fremden Rechte auf die deutschen Königswahlen bis zur goldenen Bulle, in: ZRG GA 20 (1899), S. 164 – 207, hier S. 169. 17 Hans-­Jürgen Becker, Wahl, Wahlrecht, in: HRG 5 (1998), Sp. 1083 – 1085; Reinhard Schneider, Wechselwirkungen von kanonischer und welt­licher Wahl, in: Wahlen und Wählen im Mittelalter, hg. von ders. – Harald Zimmermann (VuF 37), Sigmaringen 1990, S. 135 – 172, hier S. 165, akzeptiert aber wieder die ‚kanonische Wahl‘. 18 Von Wretschko, Der Einfluss der fremden Rechte (wie Anm. 16), S. 193. Zur Dekretale ‚Venerabilem‘ (März 1202, X 1.6.34 = 3 Comp 1.5.19, Po 1653), nicht enthalten in: Die Register Innocenz‘ III., Band 5, 5. Pontifikatsjahr 1202/1203, ed. Othmar Hageneder,

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von 1198 und mit der effektiven Normierung der Wahl des rex Romanorum durch päpst­liches Recht ein „Eindringen“ des kanonischen Rechts in das Recht der Königswahl konstatieren müssen.19 Die meisten Forscher verfolgten den von Mitteis aufgezeigten Weg zunächst nicht weiter.20 Nur vereinzelt wurden Wechselwirkungen z­ wischen kanonischem und welt­lichem Wahlrecht untersucht.21 Auch wenn den Inhalten des kanonischen Wahlrechts nicht weiter nachgespürt wurde, gab es jedoch schon Vermutungen, dass es vor 1198 keine Rechtsregeln für die Königswahl gegeben habe 22 bzw. erst durch den Einfluss des kanonischen Rechts im 13. Jahrhundert überhaupt Rechtsgrundsätze des Königswahlrechts entstanden ­seien.23 Damit müsste man die deutsche Königswahl vor allem anhand der Kriterien des kanonischen Rechts überprüfen.

Argumente für die Bedeutung des kanonischen Rechts (1.) Für eine s­ olche Bedeutung des kanonischen Wahlrechts 24 gibt es verschiedene gute Gründe. Zunächst ist auf die tradi­tionelle Bedeutung der Wahlen in der ­Kirche hinzuweisen: Bischöfe, Äbte und Päpste wurden gewählt. Andreas Thier wies ­darauf hin, dass nach der klöster­lichen ‚Regula Benedicti‘ auch das Bischofswahlrecht bereits im 8. und 9. Jahrhundert maßgeb­lich ausgestaltet wurde.25 Das Wien 1993; übers. von Jürgen Miethke – Arnold Bühler, ­Kaiser und Papst im Konflikt. Zum Verhältnis von Staat und ­Kirche im späten Mittelalter (Historisches Seminar 8), Düsseldorf 1988, S. 93 ff.; allgemein Bernward Castorph, Die Ausbildung des römischen Königswahlrechtes. Studien zur Wirkungsgeschichte des Dekretale ‚Venerabilem‘, Göttingen 1978. 19 Ulrich Reuling, Zur Entwicklung der Wahlformen bei den hochmittelalter­lichen Königs­ erhebungen im Reich, in: Wahlen und Wählen im Mittelalter (wie Anm. 17), S. 227 – 270, hier S. 227. 20 So auch ebd. (wie Anm. 19), S. 230. 21 Schneider, Wechselwirkungen von kanonischer und welt­licher Wahl (wie Anm. 17). 22 Reuling, Zur Entwicklung der Wahlformen (wie Anm. 19), S. 227. 23 Von Wretschko, Der Einfluss der fremden Rechte (wie Anm. 16), S. 180 f.; genauer ab 1246. 24 Zur Einführung Ulrich Schmidt, Wahl A. III. Kanonische Wahl/Bischofswahl, in: LexMA 8 (1997), Sp. 1912 – 1913; Richard Helmholz, Kanonisches Recht und euro­päische Rechtskultur, übers. von Jörg Müller, Tübingen 2014, S. 61. 25 Andreas Thier, Hierarchie und Autonomie. Regelungstradi­tionen der Bischofsbestellung in der Geschichte des Kirchenwahlrechts bis 1140 (Recht im 1. Jahrtausend 1), Frankfurt a. M. 2011, S. 334. Einen Überblick über das hochmittelalter­liche Bischofswahlrecht gibt auch Klaus Ganzer, Papsttum und Bistumsbesetzungen in der Zeit von Gregor IX. bis

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­ ahlrecht war damit eine wichtige Materie, die angesichts der täg­lich neu entW stehenden Rechtsfragen einer genauen Klärung bedurfte. Schon Gratian inte­ ressierte sich an vielen Stellen für das Wahlrecht, das er im Zusammenhang mit der Einführung aller Dignitäre der ­Kirche in ihr Amt (D. 23) oder spezieller der Patriarchen bis zu den Pfarrern (D. 64) darstellte. Erst recht behandelten die Dekretalensammlungen die Rechtsfrage im ersten Buch (z. B. X 1.6: De elec­tione et electi potestate). Es kann daher nicht überraschen, dass sich gerade im kanonischen Recht selbst die kleinen Fragen des Wahlvorgangs geklärt finden, deren Regelung man in den anderen Stoffmassen vermisst. Das wird den Zeitgenossen geläufiger gewesen sein als den Forschern des 20. Jahrhunderts, die sich noch vom Bild des ‚Eindringens‘ ‚fremder‘ Rechte lösen mussten. Wer immer im 14. Jahrhundert sich wahlrecht­lich informieren wollte, kam ohne den Liber Extra nicht aus. Noch einschlägiger waren die Traktate, die sich speziell mit dem Wahlrecht befassten. Es war Bernardus von Pavia († 1213), der als Erster vor 1180 ­diesem Thema eine monographische Behandlung widmete.26 Entsprechend war schon seine ‚Compilatio prima‘ mit einem solchen Titel (I.4) ausgestattet, was bei sämt­lichen weiteren Gesetzgebungswerken Schule machte. Folg­lich mussten auch alle Glossatoren und Kommentatoren dieser Passagen kleine Abhandlungen über das Wahlrecht schreiben. Die Kanonistik verfügte also nicht nur über genauere Normierungen, sondern auch über eine eigene wissenschaft­liche Literatur zu ­diesem Thema. (2.) Man kann die Behauptung, das kanonische Wahlrecht regle die Königswahl, sehr wohl als kurialen Versuch ansehen, mehr Einfluss auf den Vorgang und die Reichspolitik zu gewinnen. Doch man darf ­dieses Argument nicht verabsolutieren. Das kanonische Recht griff in weiten Teilen weit über das engere Wirken der ­Kirche hinaus, mit dem Ziel, durch Recht allgemeingültige, aus der christ­lichen Sicht richtige Maßstäbe des täg­lichen Lebens zu definieren und durchzusetzen. Nicht immer mussten die Geschäfte auch vor kirch­lichen Gerichten verhandelt werden; ex defectu iustitiae wurden jedoch Beschwerden gegen Urteile dann zugelassen, wenn die K ­ irche die angewandten Maßstäbe überprüfen wollte. Es gab also keinen klar definierten Bereich der ­Kirche, für den das kanonische Recht ausschließ­lich Anwendung fand. Gerade als Vehikel zur Defini­tion ethischer Standards wirkte das kanonische Recht weit bis in die technischsten Materien der Rechtsordnung – wie etwa dem Bonifaz VIII. Ein Beitrag zur Geschichte der päpst­lichen Reserva­tionen, Köln – Graz 1968, S. 9 ff. 26 Bernardus Papiensis, Summa de elec­tione [ca. 1177 – 79], ed. Ernst Adolph Theodor ­L aspeyres, Regensburg 1860; ND Graz 1956, S. 307 – 323.

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Verfahrensrecht – hinein. Im Wahlrecht, in dem die ­Kirche ganz allein die Maßstäbe eines überzeugenden Verfahrens entwickelte, konnte man im 14. Jahrhundert diese kaum ignorieren, nicht zuletzt als Defini­tionen eines Standards, den es einzuhalten galt. So gestand das kanonische Recht zu, dass andere Wahlen durchaus durch spezielle Gewohnheitsregeln bestimmt sein könnten; allerdings dürften diese nicht dem Standard der guten ­Sitten widersprechen.27 Das bringt zum Ausdruck, dass sich die ­Kirche eine Überprüfung der Wahlakte nach ihren allgemeinen Standards vorbehielt. Dies darf nicht mit einer vollständigen, umfassenden Übertragung etwa des Bischofswahlrechts auf die Königswahl verwechselt werden. Dass mit den unterschied­lichen Ämtern unterschied­liche Regeln anzuwenden waren, war etwa mit dem Papstwahldekret von 1056 schon allgemein anerkannt.28 Es gab damit abstrakt verschiedene Mög­lichkeiten, das kanonische Recht für die deutsche Königswahl heranzuziehen. (3.) Im Hinblick auf die gespaltene Wahl von 1314 dokumentieren die Akten der Zeit teilweise explizit die Forderung, dass der Wahlakt dem kanonischen Recht unterstehe. Zwar stellte die Dekretale ‚Venerabilem‘ gerade diese Behauptung noch nicht allgemein auf, sondern bezeichnete die einzelnen Rechte des Papstes detailliert. Den Kurfürsten wurde zwar das Wahlrecht zugestanden, doch wurde dafür von ihnen verlangt, dass sie das päpst­liche Recht zur Überprüfung, Bestätigung, Salbung und Weihe als K ­ aiser anerkannten. Erst wenn die Kurfürsten die Wahl verweigerten, dürfte der Papst ihr Recht auf sich überführen. Im Fall von Stimmengleichheit habe der Papst das Recht, den Gewählten auszusuchen. Damit gab es letzt­lich doch die Mög­lichkeit einer unmittelbaren Entscheidung des Papstes zur Nachfolge im Reich. Dagegen sammelte die Bulle ‚Qui Coelum‘ von 1263 wesent­lich umfangreicher Verfahrensregeln der deutschen Königswahl. Zwar erkannte es die Gewohnheiten des Reichs an,29 ­welche teilweise auch von den Vorgaben des kanonischen Rechts Abweichungen begründen konnten. Doch trug der Papst die Argumente der Parteien zu den gebotenen Fristen und Verfahrensregeln wieder vor und lud sie ein, sich über diese Frage zu verständigen. Da die richter­liche Kompetenz des 27 Hostiensis (Henricus de Segusio), In Primum Decretalium librum Commentaria zu X. 1.6.27, Venedig 1581; ND Turin 1965, n. 1, fol. 54r. 28 Gottofredus da Trani, Summa super titulis decretalium zu X 1.6, 2, Lyon 1519; ND Aalen 1992, n. 7, fol. 13rb, zum Sonderwahlrecht für den Papst. 29 Urban IV. vom 27. 8. 1263, Entwurf der Bulle ‚Qui Coelum‘, in: Quellen zur Verfassungsgeschichte des römisch-­deutschen Reiches im Spätmittelalter [1250 – 1500], ed. Lorenz Weinrich (FSGA 33), Darmstadt 1983, Nr. 15, S. 52 – 77, hier n. 5, S. 58.

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Papstes in Zweifel gezogen wurde, wollte dieser nur vermitteln.30 Am Ende wurde die nach den etablierten Kriterien gültige Wahl dann als ‚kanonisch‘ bezeichnet: qui electus est a parte maiori, persone impedimentis cessantibus, denuntiat electum canonice ac regem nominat.31

Der Wahlvorgang wurde also ordnungsgemäß durchgeführt, der Gewählte erhielt seine Rechte in legitimer Weise. Canonice besiegelte umfassend diese Rechtmäßigkeit des Wahlakts. Aus römischer Sicht war diese Behauptung schlüssig, stellte aber auch einen weiteren Versuch dar, den Wahlvorgang unter päpst­liche Kontrolle zu bringen. Doch nicht alle weiteren Kandidaten lehnten diese Betrachtungsweise ab, vielmehr wurde sie von jenen Kandidaten übernommen, die bei der Auseinandersetzung im Reich auf die päpst­liche Zustimmung hofften. Das Wahldekret vom 28. 7. 1298 proklamierte Albrecht I. zum neuen König und wandte sich damit gegen die Autorität des 1292 gewählten Adolf von Nassau. Das Schreiben betonte die Gültigkeit der Wahl, die nicht nur einstimmig, sondern auch concorditer, rite et legittime durchgeführt worden sei. Quasi durch eine gött­liche Fügung (divini­ tus) sei diese kanonische Wahl zelebriert worden: Qua quidem concordi eleccione canonice quasi divinitus celebrata […].32 Die begleitenden Schriftstücke betonten diesen kanonischen Charakter der Wahl. Auch Friedrich der Schöne versuchte nach der Doppelwahl von 1314 seine Posi­tion auf diese Weise zu stützen: Qui electus huiusmodi elec­tioni canonice de se facte […].33 Die Gegenseite von Ludwig von Bayern verzichtete hingegen auf eine ­solche Formulierung. Friedrich unterwarf das Wahlrecht damit umfassend entsprechend der Bulle ‚Qui coelum‘ dem kanonischen Recht, während die Seite des Bayern die damit verbundenen Machtansprüche offenbar ablehnte. Ob das kanonische Wahlrecht umfassend die Königswahl regelte, war damit nicht allgemein anerkannt. Es handelte sich um eine päpst­liche Behauptung, die seit dem 13. Jahrhundert durch verschiedene Fürsten, die sich davon Vorteile versprachen, anerkannt wurde. Das bedeutet jedoch nicht, dass dem kanonischen Recht überhaupt keine Bedeutung für die Königswahl zukam. Wenn man technische Fragen wie Fristen, Ladungen, Stellvertretung im Wahlvorgang etc. eruieren 30 Ebd. (wie Anm. 29), n. 3, S. 54, S. 56. 31 Ebd. (wie Anm. 29), n. 14, S. 72. 32 Litterae coniunctim scriptae [1298], ed. Jacob Schwalm, in: MGH Const. 4,1, Nr. 9, 10 (3), S. 9. 33 Wahldekrete von Friedrich dem Schönen 19. 10. 1314 (wie Anm. 29), Nr. 80a, S. 254 – 259, hier n. 5, S. 258.

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wollte, gab es keine andere Vorlage als das kirch­liche Recht. Man musste also nicht z. B. das Bischofswahlrecht unmittelbar anwenden, hatte aber eine Vorlage, mit der man sich auseinandersetzen musste. Im Übrigen gab es mit der Dekretale ‚Venerabilem‘ und der Bulle ‚Qui coelum‘ präzise Vorgaben zur Königswahl aus der Feder des Papstes. Deren Geltung war im beginnenden 14. Jahrhundert besonders in Bezug auf das Wahlverfahrensrecht unumstritten. Als erstes Ergebnis ist daher festzuhalten, dass das kanonische Recht weite Bereiche der Königswahl direkt regelte. In Ermangelung unmittelbarer Vorgaben bot das kirch­liche Wahlrecht einen reichen Fundus an Vorgaben, die vor allem die technische Seite des Wahlvorgangs regeln konnte. Die Fürsten hätten sich auf eine abweichende Gewohnheit berufen können,34 waren insoweit nicht daran gebunden. Doch als Maßstab der rechtmäßigen Wahl konnten sie das kanonische Recht nicht übersehen. Teilweise erkannten die Fürsten diesen mit der Formulierung canonice electus explizit an. Um nicht noch ein päpst­liches Interven­tionsrecht zu schaffen, durften sie ihn nicht ignorieren, sondern mussten sich damit auseinandersetzen; erst dann konnte ihr Beschluss allgemein Zustimmung finden. Weiterhin ergibt sich daraus, dass die Literatur zur deutschen Königswahl, die zwar den Einfluss des kanonischen Rechts als Mög­lichkeit diskutierte, nirgends allerdings bisher dem konkreten Wahlrecht nachspürte, ein gravierendes Problem aufweist. Sicher­lich sind die Tatsachenfeststellungen präzise und belastbar. Den juristischen Untersuchungen, die nicht das kanonische Recht materiell berücksichtigen, ist aber vorzuwerfen, dass sie nicht von der richtigen Rechtsmaterie ausgegangen sind. Was also die Literatur zur juristischen Würdigung der deutschen Königswahl betrifft, gibt es bisher keine belastbaren Aussagen zum Recht der deutschen Königswahl. Angesichts des Umfangs der Probleme sowohl einer Königswahl als auch der Wahlrechtstraktate verbietet es sich hier, eine umfassende Neuevaluierung vorzunehmen. Es können nur ganz beschränkte, erste Einblicke auf das Recht der Königswahl geworfen werden. Gemäß den Prämissen lässt sich mit dieser neuen Grundlegung nicht erklären, ­welche Posi­tion ‚Recht‘ hatte. Vielmehr erschließt der Zugang über das kanonische Recht neue Hintergründe und Argumenta­ tionsmög­lichkeiten.

34 Vgl. Urban IV., Entwurf der Bulle ‚Qui Coelum‘ (wie Anm. 29), n. 5, S. 58.

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Rechtliche Aspekte des Wahlverfahrens eines rex Romanorum Verfahrensweisen und Stimmrecht (1.) Die Technizität des Wahlrechts führt man am deutlichsten beim Wahlmodus vor. Das kanonische Wahlrecht verlangte die Einhaltung bestimmter Formen bzw. Verfahrensweisen als substantialia der Wahl.35 Ohne die Einhaltung der gebotenen Form sollte der Wahlakt ipso iure nichtig sein.36 In einem gewissen Maß wurde dabei das Wahlverfahren dem Gerichtsverfahren angenähert. Insbesondere unterschied das kanonische Wahlrecht drei Verfahrensweisen: • Theoretisch abgelehnt und in der Praxis selten war die Wahl per inspirationem, also durch die einhellige Akklamation eines Kandidaten. Heute sei eher der Rabe an die Stelle der ermordeten Taube getreten, meinte Johannes Monachus (1250 – 1313) dazu.37 Die Wahl quasi per inspirationem lag vor, wenn einhellig und ohne Abweichung gewählt wurde, etwa wenn ein Wahlvorschlag vorgetragen wurde, dem die anderen dann einhellig folgten.38 Das Misstrauen gegen die Normierung dieses Verfahrens wurde auch damit begründet, dass man dem Walten des Heiligen Geistes kaum durch Verfahrensvorschriften Einhalt gebieten könne.39 Letztlich war es das Fehlen von Formen,40 weswegen dieses Wahlverfahren als problematisch galt. • Die reguläre 41 Form erfolgte per scrutinium. Hier wirkten alle durch ein Stimmrecht mit.42 Die Wahl konnte schriftlich oder mündlich ergehen, doch die

35 Gl. Sanior, Glossa ordinaria zu X 1,6,42, Venedig 1595, S. 130a, col. 1: Ista quidem sunt de substantia electionis, siue forma, ut secreto & sigillatim inquisitio fiat, & publicatio in communi, collatio & communis electio incontinenti nullo actu contrario intermisso unum post aliud faciendo. Nicht dazu gehörten die Person des Gewählten oder die Zahl der das Verfahren überwachenden Personen (Inquisitoren). 36 Innocentius IV., Commentaria divina in V. libros Decretalium zu X 1.6.42, Venedig 1570; ND Frankfurt a. M. 2008, n. 7, fol. 72va. 37 Johannes Monachus, Glossa aurea zu VI 1.6.1.6, Paris 1535; ND Aalen 1968, n. 7, fol. 71va. 38 Vgl. Petrus de Biaxio, Preclarum ac insigne opus conficiundarum electionum directorium accitum, Paris 1511, fol. 50v. 39 S. Gottofredus da Trani, Summa zu X 1.6 (wie Anm. 28), n. 5, fol. 11vb, zum Ausnahmecharakter der inspirierten Wahl. 40 So Innocentius IV., Commentaria zu X 1.6.42 (wie Anm. 36), n. 6, fol. 72va. 41 Gottofredus da Trani, Summa zu X 1.6 (wie Anm. 28), n. 5, fol. 12rb: via scrutinij est via ordinaria. 42 Ebd. (wie Anm. 28), n. 5, fol. 12r: potius debet dici per viam compromissi vel commissionis.

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Bestimmung der entscheidenden maior et sanior pars 43 war ebenso schwierig wie die Einhaltung zahlreicher weiterer Verfahrensvorschriften. Der Kommentator des Wahlrechts am Beginn des 16. Jahrhunderts, der die Tradition noch einmal zusammenfasst, Petrus de Biaxio, bemerkte daher nüchtern, dass es sehr schwierig sei, dieses Verfahren korrekt einzuhalten.44 • Deswegen gab es noch die Form per compromissum, womit kein inhaltlicher Kompromiss, sondern eine Kommission gemeint war, welche die Wahl übernahm. Diese konnte personell so reduziert werden, dass die Verfahrensfragen leicht eingehalten werden konnten; das Ergebnis war damit schon in der Wahl der Verfahrensart bzw. in der Auswahl des Kommissionsmitgliedes oder des Komitees impliziert. Schon Gothofredus de Trani empfahl daher diese Vorgehensweise, um Formfehler der Wahl zu vermeiden.45 Wurde gegen die vorgeschriebenen Formen des Wahlrechts verstoßen, konnte dies die Nichtigkeit der Wahl begründen.46 Genaue Vorgaben gab es an die Wähler und Kandidaten hinsichtlich Alter, ehelicher Herkunft und des Verhältnisses zur Kirche.47 Ich gehe daher davon aus, dass – wo die Quellen davon sprechen – dem Erzbischof von Mainz die Stimmrechte übertragen wurden und dieser daher als eigentlicher elector bezeichnet wurde, wenn das Verfahren per viam compromissi vel commissionis gewählt war. Dieses Verfahren scheint etwa 1308 gewählt worden zu sein.48 Die Wähler von Ludwig dem Bayern verließen sich offenbar auf dieses Verfahren, als sie ihr Wahlrecht auf Peter Aspelt von Mainz übertrugen und ihn dann allein die Wahl vornehmen ließen.49 Peter Aspelt berichtete jedenfalls, die Wahl selbst durchgeführt zu haben.50 43 44 45 46 47 48

Innocentius IV., Commentaria zu X 1.6.29 (wie Anm. 36), n. 2, fol. 74. Petrus de Biaxio, Directorium (wie Anm. 38), fol. 71r/fol. 80v und fol. 64r. Gottofredus da Trani, Summa zu X 1.6 (wie Anm. 28), n. 5. fol. 12r. Ebd. (wie Anm. 28), n. 5, fol. 12r. Ebd. (wie Anm. 28), n. 1, fol. 11r/n. 3, fol. 11v. Schon Mitteis, Die deutsche Königswahl (wie Anm. 15), S. 212, verwies auf diesen speziellen Sachverhalt. 49 Decretum electionis [23. 10. 1314], ed. Jacob Schwalm, in: MGH Const. 5, Nr. 102, c. 4, S. 101: nos electores predicti in loco predicto presentes, ius totale ea vice in electione dicti regis habentes consensimus concorditer in eundem Ludowicum et ipsum nominavimus quilibet nostorum pro se, nullo penitus discrepante, in Romanorum regem eligendum in imperatorem postmodum promovendum […]. 50 Ebd. (wie Anm. 49), Nr. 102, c. 5, S. 101: Quibus sic peractis ego Petrus Magnuntinus archiepiscopus de mandato speciali et voluntate mea et meorum coelectorum predictorem eundem Lud(ovicum) comitem palatinem Reni ducem Bawarie elegi sollempniter in hunc modum […].

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(2.) Noch kaum wurde bisher im Zusammenhang mit der Königswahl die Frage thematisiert, wer eigent­lich effektiv an der Königswahl teilnahm und wie sich die Mehrheit überhaupt bestimmen ließ. Unabhängig von der alten Streitfrage, wovon das Wahlrecht der Kurfürsten abgeleitet wurde, was hier nicht behandelt werden kann, zeigt ein Blick in die Quellen des ‚ius utrumque‘, dass die Benennung der Kurfürsten schon im 13. Jahrhundert geläufig war. Henricus von Segusia, genannt Hostiensis, (um 1200 – 1271) listete die sieben Kurfürsten schon in seiner Lectura mit der Beschreibung der Sonderstellung des böhmischen Königs.51 Die ‚Glossa ordinaria‘ der Clementinen 52 listet dazu als additio einen Merkvers auf: Magna Moguntia, crassa Colonia, Treueris alma Atque Palatinus dapifer, dux portior ensis: Marchio praepositus camerae, pincerna Bohemus, Romanum regem statuendi dant sibi legem.53

Strittig war schon die Frage, ob es eine Vertretung im Stimmrecht geben könne.54 Schon die Entscheidung darüber, wer nun anwesend oder abwesend war, erschien äußerst schwierig.55 Grundsätz­lich war die Anwesenheit erforder­lich, die Stellvertretung daher unzulässig; Ausnahmen wurden nur bei schwerwiegenden Gründen gestattet.56 Die Wähler konnten ihre Verspätung oder Abwesenheit nur mit einem guten Grund rechtfertigen; wie es 1278 und ­später von den Clementinen bestimmt wurde.57 Letzt­lich entschied die Goldene Bulle diese Frage, indem sie die Stellvertretung zuließ.58

51 Hostiensis, Commentaria zu X 1.6.34 (wie Anm. 27), n. 1, fol. 59v. 52 Um 1326, vgl. Harry Dondorp, in: Utrumque Ius. Eine Einführung in das Studium der Quellen des mittelalter­lichen gelehrten Rechts, hg. von ders. – Eltjo Schrage (Schriften zur Euro­päischen Rechts- und Verfassungsgeschichte 8), Berlin 1992, S. 107. 53 Gl. Illi autem, Glossa ordinaria zu VI 2.14.2, Venedig 1591, S. 258a, Hostiensis folgend. 54 Gottofredus da Trani, Summa zu X 1.6 (wie Anm. 28), n. 5, fol. 12r. Dazu allerdings schon – wenn auch knapp und nicht ganz zutreffend – Ernst Schubert, Die deutsche Königswahl zur Zeit Johanns von Böhmen, in: Johann der Blinde. Graf von Luxemburg – König von Böhmen (1296 – 1346), hg. von Michel Pauly, Luxembourg 1997, S. 135 – 166, hier S. 143. 55 Petrus de Biaxio, Directorium (wie Anm. 38), fol. 54r. 56 Ebd. (wie Anm. 38), fol. 84v. 57 VI. 1.6.16 (Nicolaus III., a. 1278), ed. Emil Friedberg, in: Decretalium Collec­tiones (Corpus Iuris Canonici 2), Leipzig 1881; ND Graz 1959, S. 954 f., erfordert eine iusta causa für die Verspätung. 58 Schubert, Die deutsche Königswahl (wie Anm. 54), S. 162; vgl. Goldene Bulle (Nürnberger Gesetzbuch), c. 19 „Bevollmächtigungsformular“ (wie Anm. 29), S. 368.

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Man kann daher darauf schließen, dass die Stellvertretung des Kölner Erzbischofs im Lager Friedrichs des Schönen nicht problemlos war. So nennt das Wahldekret von Friedrich dem Schönen Heinrich, König von Böhmen, Rudolf Pfalzgraf bei Rhein und Herzog von Bayern, Rudolf Herzog von Sachsen sowie den Erzbischof von Köln als Wähler, wobei Letzterer sein Stimmrecht per Vollmacht an den Pfalzgrafen übertragen hatte. Besorgnis um seine Sicherheit auf der Reise war sein allgemein als triftig angesehener Grund für seine Abwesenheit.59 Daher wurde der Kölner Bischof meist mitgezählt. (3.) Wann immer Wähler juristische Fehler begingen, drohte der Verlust des Stimmrechts. Natür­lich konnten Nichterschienene nicht im Quorum mitgerechnet werden. Dies hatte 1263 Urban IV. für die deutsche Königswahl präzisiert, sodass die nicht erschienenen Kurfürsten nicht mitgezählt werden dürften. Es wurde ihnen im Wege einer Fik­tion unterstellt, dass sie nicht kommen wollten bzw. könnten.60 In beiden Wahlvorgängen wurde damit unterstellt, dass die nicht erschienenen Kurfürsten nicht mitgerechnet werden durften und so eine einstimmige Entscheidung erreicht wurde. Dadurch stellte sich auf beiden Seiten des Mains nicht die schwierige Frage, ob die eigene Entscheidung rechtsgültig war. Agierte die andere Seite rechts­widrig, war deren Rechtsakt ungültig und nur die übrigen Kurfürsten behielten ihr Wahlrecht. Sogar die ungeladene Mehrheit der Kurfürsten konnte dann wirksam die Wahl vornehmen.61 Zwar verlor niemand sein Stimmrecht dadurch, dass es eine andere Gruppe gab, die das Stimmrecht der anderen letzt­lich missachtete.62 Wenn ein Teil der Wähler einen Fehler beging und dadurch sein Stimmrecht verwirkte, konnte auch der kleinere Teil des Gremiums den einzig legitimierten Wählerkreis bilden.63 Wählte ein Teil der Kurfürsten einen Unwürdigen, so kam das Wahlrecht den Übrigen zu.64 Egal war dabei, dass Kurfürsten das Stimmrecht der anderen Gruppe miss­achteten. Die Wahl war nur dann ausgeschlossen, wenn zwei Drittel des Wahlkolle­g iums abwesend waren bzw. den Entscheid nicht abschließend

59 Wahldekrete von Friedrich dem Schönen 19. 10. 1314 (wie Anm. 29), Nr. 80a, S. 254 – 259. 60 Urban IV., Entwurf der Bulle ‚Qui Coelum‘ (wie Anm. 29), hier n. 14, S. 72. 61 Bernardus de Montemiro (Abbas Antiquus), Lectura Autrea zu X 1.6.34, Straßburg 1510; ND (Ius Commune 3), Frankfurt a. M. 2008, fol. 28rb. 62 Johannes Andreae, In primum Decretalium librum Nouella Commentaria zu X 1.6.35, Venedig 1582; ND Goldbach 1997, n. 15, fol. 110ra. 63 Ebd. (wie Anm. 62), n. 6, fol. 126rb. 6 4 Baldus de Ubaldis, Ad tres priores libros decretalium commentaria zu X 1.6.34, Lyon 1585; ND Aalen 1970, n. 7, fol. 71ra.

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mitunterschreiben konnten.65 Im Umkehrschluss war bei einer einfachen Mehrheit die Durchführung der Wahl mög­lich. Grundsätz­lich war die Mehrheitswahl mög­lich,66 doch ging es dabei wie allgemein um die Bestimmung der maior et sanior pars. Da die beiden Kurfürstenversammlungen auf den beiden Seiten des Mains für sich mindestens vier Kurfürsten zählten, hätten sie sich jeweils in der einfachen Mehrheit wähnen können. Doch kam es darauf letzt­lich nicht entscheidend an, wenn die Wahl zum Schluss einstimmig ausfiel. Sahen beide Seiten die Wahl der anderen im Ergebnis als unrechtmäßig an, dann kam es nur noch auf das eigene Quorum an. In beiden Kurfürstenversammlungen sah man daher die eigene Wahl als einstimmig an. Natür­lich standen auf der Gegenseite die Erzbischöfe von Mainz und Trier, Johann König von Böhmen und Polen, Waldemar Markgraf von Brandenburg und Johann Herzog von Sachsen.67 Doch kann man in ­diesem Fall nicht ohne Weiteres von einer solchen Situa­tion ausgehen. Die Parteien argumentierten mit der Gültigkeit der eigenen Wahl bzw. der Ungültigkeit der Wahl der anderen Seite. War die erste Wahl nichtig, musste eine zweite folgen. War die erste dagegen wirksam, war ohne Weiteres die nachfolgende Wahl unwirksam.68 Man erkennt daran, wie wichtig es war, die Rechtsgültigkeit einer Wahl zu bestimmen. 69 Daher spielte die Frage nach dem rechten Ort und der rechten Zeit der Wahl durchaus eine wichtige Rolle.70

Ort und Zeit der Wahl (1.) Diese Fragen nach dem rechten Ort und der rechten Zeit wurden im Kontext der Königswahl, besonders der Doppelwahlen, seit alters her besonders behandelt. Schon in der Bulle ‚Qui Coelum‘ verlangten beide Seiten die Beachtung des

65 Johannes Andreae, Nouella zu X 1.6.19 (wie Anm. 62), n. 27, fol. 85va. 66 Vgl. Urban IV., Entwurf der Bulle ‚Qui Coelum‘ (wie Anm. 29), n. 11, S. 68: qui a maiori et saniori parte predictorum principum est electus. 67 Wahldekret von Ludwig dem Bayern vom 23. 10. 1314 (wie Anm. 29), Nr. 80b, S. 258 – 265, hier S. 258. 68 Gottofredus da Trani, Summa zu X 1.6 (wie Anm. 28), n. 8, fol. 13v. 69 Petrus de Biaxio, Directorium (wie Anm. 38), fol. 50r. 70 Genau so wurde 1263 argumentiert auf der Seite des Königs von Kastilien, vgl. Urban IV., Entwurf der Bulle ‚Qui Coelum‘ (wie Anm. 29), n. 12, S. 71.

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rechten Orts und der rechten Zeit der Wahl.71 Ort und Krönungskompetenz hob von den deutschen Juristen Mathias von Neuenburg hervor: Fueruntque Ludowicus Aquisgrani a Moguntino et Treverensi in loco quo debuit, set non a quo debuit. Fridericus vero in Bunna a Coloniensi, a quo debuit, set non in loco quo debuit, coronati.72

Man wird hier die besonderen Regeln und Gewohnheiten des Reiches sammeln müssen und sie mit den Vorstellungen des kanonischen Wahlrechts vergleichen müssen. Allgemein galt, dass die Wahl des Ortes frei stand. Er musste nur ehrbar und erreichbar sein, um die Wahl gewährleisten zu können.73 Das Wahlkapitel hatte also allein die Aufgabe, einen geeigneten Platz zu bestimmen. Doch eine Wahl ohne einen vorab definierten Wahlort oder ein Wahlakt an einem anderen als dem festgelegten Ort begründete die Nichtigkeit der Wahl.74 So erklärt sich, dass man bei einem ersten Blick auf die Tradi­tion der deutschen Königswahl keinen festen Wahlort entdecken kann. Gerhard Theuerkauf stellte im ‚Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte‘ noch 2013 fest, dass sich bis zum 14. Jahrhundert kein fester Wahlort ausmachen lasse. Blickt man weit in die Geschichte zurück, entdeckt man in der Tat Königswahlen in Soissons, Aachen, Forchheim (900 und 1077), Fritzlar (919), Koblenz (1138) und wiederholt Frankfurt.75 Damit habe es zwar nicht den einen festen Wahlort gegeben, doch habe dieser generell im Fränkischen Reich und verkehrsgünstig in der Nähe zu den Königswählern gelegen. Daher sei die Wahl oft im weiteren Rheinland durchgeführt worden. Eine Festlegung sei erst durch die Goldene Bulle erfolgt,76 in der die Stadt Frankfurt als Wahlort benannt wird. Im dortigen Dom sei am Sonnenaufgang des ersten Tages eine Messe ‚Vom Heiligen Geist‘ zu lesen. Schaut man dagegen in die Quellen des kanonischen Rechts, zeigt sich ein leicht modifiziertes Bild. So räumte die Bulle ‚Qui Coelum‘ von 1263 zwar den Gewohnheiten des Reichs einen entscheidenden Platz ein. Doch wurde darin entdeckt, dass die Wahl bei Frankfurt auf der sogenannten ‚Frankenerde‘ seit 71 Ebd., (wie Anm. 29), n. 7, S. 60. 72 Mathias von Neuenburg, Chronik, ed. Adolf Hofmeister (MGH SS rer Germ N. S. 4), Berlin 1955, S. 98 f. 73 Petrus de Biaxio, Directorium (wie Anm. 38), fol. 55v. 74 Gl. Fieri in urbe, Glossa ordinaria zu D. 23 c. 1, Venedig 1572, S. 69, col. 1. 75 Gerhard Theuerkauf, Königswahl, in: HRG 3 (²2013), Sp. 80 – 86, hier Sp. 83 f. 76 Goldene Bulle (Nürnberger Gesetzbuch), c. 2 (wie Anm. 29), S. 332.

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alters her für die Wahl besonders bestimmt sei,77 während die Gegenseite Frankfurt selbst als Wahlort identifizierte.78 Obgleich hier also Vorstellungen referiert wurden, dass es den rechten Platz gab, folgt daraus eher, dass der genaue Platz nicht gewohnheitsrecht­lich festgestellt war, sondern eher in Frankfurt oder auf der Frankenerde vor der Stadt lag. Die Ladung hatte wohl die Frankenerde vor Frankfurt angegeben, bei Streit über den rechten Wahlplatz entschied jedoch die Mehrheit der Wähler.79 Damit stellte sich jetzt wieder auf dieser Ebene das Problem, die Mehrheit festzustellen, ob sie also von allen oder nur den Erschienenen zu bestimmen und wie sie zu qualifizieren sei, denn auch hier kam es nicht auf einer numerische, sondern eine qualitative Mehrheit der maior et sanior pars an. Die Parteien der Doppelwahl von 1314 beachteten diese Vorgaben des Orts durchaus. So hielten sich die Parteigänger Ludwigs unmittelbar daran, den rechten Ort vor der Stadt aufgesucht zu haben, näm­lich die rechte Uferseite des Mains.80 Sie hatten diesen Platz offenbar zuerst besetzt. Die Wähler Friedrichs beriefen sich dagegen darauf, dass ihre Wahl am anderen Ufer in Sachsenhausen 81 und damit nicht in der Stadt selbst, sondern immerhin auch „bei Frankfurt“ stattgefunden habe.82 Nur Ludwig wurde unmittelbar nach seiner Wahl in den Frankfurter Dom, recte Sankt Bartholomäus, geführt, um dort ein Te Deum 83 anzustimmen und um Volk und Geist­lichkeit vorgestellt zu werden.84 Friedrich dagegen kam nicht nach Frankfurt. Man hätte also die ‚Frankenerde‘ als den genauen Platz sogar noch stärker als Argument der legitimen Wahl ausschlachten können; auch die Proklama­tion in Frankfurt half Ludwig kaum. Weil mit dem rechten Ort kaum weiter argumentiert 77 Urban IV., Entwurf der Bulle ‚Qui Coelum‘ (wie Anm. 29), n. 5, S. 58. 78 Ebd. (wie Anm. 29), n. 12, S. 71. 79 Johannes Andreae, Nouella zu X 1.6.19 (wie Anm. 62), n. 14, fol. 85ra. 80 Decretum elec­tionis [23. 10. 1314], c. 2 (wie Anm. 49), Nr. 102, S. 99: Qua die veniente in suburbia oppidi regalis Frankenvordensis, loco siquidem ad hoc solito et consueto […]. 81 So Johann Friedrich Böhmer, Regesta imperii inde ab anno 1314 usque ad annum 1347. Urkunden ­Kaiser Ludwigs des Bayern, König Friedrichs des Schönen und König Johanns von Böhmen nebst einer Auswahl der Briefe und Bullen der Päbste und anderer Urkunden ­welche für die Geschichte Deutschlands von 1314 bis 1347 vorzüg­lich wichtig sind, bearb. von Johann Friedrich Böhmer, Frankfurt a. M. 1839, S. 164. 82 Decretum elec­tionis amplificatum [19. 10. 1314], ed. Jacob Schwalm (MGH Const. 5), Nr. 95, S. 91: apud Frankenfurd locum solitum et consuetum. 83 Zu dieser Notwendigkeit Johannes Andreae, Nouella zu X 1.6.18 (wie Anm. 62), n. 18, fol. 98rb. 84 Decretum elec­tionis [23. 10. 1314], c. 6 (wie Anm. 49), Nr. 102, S. 102.

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wurde, war der rechte Ort jedoch offenbar kein unverzichtbares Element einer rechtmäßigen Königswahl und letzt­lich nicht weiter juristisch relevant. (2.) Viel stärker wurde dagegen um die richtige Wahlzeit diskutiert. Beide Wahlgremien waren am vereinbarten Zeitpunkt zusammengetreten, d. h. am 19. Oktober. Während die Gruppe um Friedrich den Schönen noch an d­ iesem Tag zur Wahl schritt, entschied sich die andere Gruppe dafür, noch einmal die anderen säumigen und unentschuldigt fehlenden Kurfürsten durch Sonderboten zu laden und die Wahl auf den nächsten Tag zu verschieben. Notfalls sollten sich die anderen Kurfürsten vertreten lassen. Die Wähler Friedrichs hätten leicht in dieser Zeit übersetzen können. Wegen dieser geringen Verzögerung erschien es richtig, doch noch einen Versuch der gemeinsamen Verständigung zu wagen.85 Die Wahl musste grundsätz­lich innerhalb von drei Monaten stattfinden, sonst fiel das Wahlrecht an den Vorgesetzten 86 bzw. den Papst.87 Für das Reich konsentierte der Papst 1263 in der Bulle ‚Qui Coelum‘ die wesent­lich längere Jahresfrist.88 Die Wahl solle binnen Jahr und Tag nach dem Tod des letzten Königs erfolgen, um ein längeres Warten zu vermeiden. Der bestimmte Termin solle als endgültig angesehen werden.89 Wer sich weigerte, zu dem vereinbarten Termin zu erscheinen, solle ausgeschlossen werden. Danach durften auch der Erzbischof von Mainz sowie der Pfalzgraf den Termin bestimmen. Entscheidend sei letzt­lich, dass gewählt wurde, wo und wann dies anberaumt worden sei.90 Waren die Wähler nicht vollständig erschienen, musste man warten und entscheiden, ob eine weitere Ladung erforder­lich war. In der Regel sollte die Wahl ohne weitere Ladung erfolgen;91 die weitere Ladung erschien nicht essenziell.92

85 Ebd., c. 2 (wie Anm. 49), Nr. 102, S. 99 f. 86 Gottofredus da Trani, Summa zu X 1.6 (wie Anm. 28), n. 4, fol. 11r. 87 Panormitanus (Nicolo de Tudeschis), Comm. zu X 1.6.57 (Opera Omnia 1), Frankfurt a. M. 1688; ND Frankfurt a. M. 2008, n. 13, S. 491, Johannes Andreae folgend. Der Papst solle seine Entscheidung nicht an die Stelle der Wahl setzen, solange die Kurfürsten noch die Absicht hatten, eine Wahl durchzuführen, Gl. Illi autem, Glossa ordinaria zu VI . 2.14.2 (wie Anm. 53), S. 259, nach Bernardus [wohl Paviensis]. 88 Urban IV., Entwurf der Bulle ‚Qui Coelum’ (wie Anm. 29), Nr. 15, hier n. 5, S. 58. Vgl. aber Gl. Reges, Glossa ordinaria zu Clem. 2.9.1, Venedig 1591, S. 88, wonach den Kurfürsten keine Wahlfrist vorgegeben war. 89 Ebd. (wie Anm. 29), n. 7, S. 60. 90 Ebd. (wie Anm. 29), n. 9, S. 62. 91 Gottofredus da Trani, Summa zu X 1.6 (wie Anm. 28), n. 10, fol. 14r. 92 Johannes Andreae, Nouella zu X 1.6.35 (wie Anm. 62), n. 16, fol. 110ra.

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Dagegen sollte eine Verschiebung der Wahl mög­lichst ausgeschlossen werden.93 Waren die ursprüng­liche Ladung ordnungsgemäß und das Kollegium rechtmäßig zusammengetreten, hatte d­ ieses aber auch die Kompetenz, über die Wahlzeit zu entscheiden. Die Nachladung der Abwesenden erschien eher als Gebot der politischen Klugheit 94 und dann als rechtmäßig, sofern dies zu keiner wesent­lichen Verzögerung führte.95 Nur dann sollte die Verzögerung der Wahl den Wahlvorgang selbst nicht unwirksam werden lassen.96 Doch wurde dagegen argumentiert, dass der bestimmte Termin der Vorbesprechung, nicht der eigent­lichen Wahl galt, eine Verlängerung daher zulässig und aufgrund des Diskussionsbedarfs nötig und billigerweise zu gewähren sei. Doch sollte dies mög­lichst nicht den Wahlakt stark verschieben, daher sei nur eine Verlängerung von Tag für Tag gewährt worden.97 Im Ergebnis hatte die Seite Friedrichs zwar die Wahl am richtigen Tag durchgeführt. Die Verzögerung um einen weiteren Tag der Wahl Ludwigs führte jedoch nicht dazu, diese unbedingt als unrechtmäßig qualifizieren zu müssen. Vor allem bei strittigen Wahlen sollten der falsche Ort und die falsche Zeit des Wahlakts die Unrechtmäßigkeit des Gewählten erweisen.98 Ort und Zeit waren juristisch heikle, aber letzt­ lich kaum entscheidende Gesichtspunkte. Sie waren eher rhetorisch verwendbare Indizien, die ein aus anderen Gründen feststehendes Ergebnis bestätigen konnten.

Die Krönung als notwendige Bestätigung? Sicher­lich kam Aachen als Krönungsort Karls des Großen seit Otto III.99 ein besonderes Prestige zu. Inwieweit daraus recht­liche Vorgaben für die Krönung folgten, ist nun zu ermitteln. Zu den Gepflogenheiten des Reichs gehörte es sicher­lich, nach der Wahl einen Aufenthalt in Aachen zu nehmen, um dort von dem Erzbischof von Köln gesalbt, geweiht und gekrönt zu werden. Schon die

93 Petrus de Biaxio, Directorium (wie Anm. 38), fol. 81r. 94 Johannes Andreae, Nouella zu X 1.6.18 (wie Anm. 62), n. 15, fol. 84rb. 95 Abwägend auch Baldus, Comm zu X 1.6.13 (wie Anm. 64), n. 2 f., fol. 63r. 96 Petrus de Biaxio, Directorium (wie Anm. 38), fol. 52r. 97 Urban IV., Entwurf der Bulle ‚Qui Coelum‘ (wie Anm. 29), n. 11, S. 66 und S. 68. 98 Ebd. (wie Anm. 29), n. 8, S. 60. 99 Katharina Corsepius, Der Aachener ‚Karlsthron‘ z­ wischen Zeremoniell und Herrschermemoria, in: Investitur- und Krönungsrituale. Herrschaftseinsetzungen im kulturellen Vergleich, hg. von Marion Steinicke – Stefan Weinfurter, Köln – Weimar – Wien 2005, S. 359 – 375, hier S. 361.

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Dekretale ‚Venerabilem‘ maß dem Erzbischof von Köln klar das Recht zu, allein die Krönung des neuen Königs vorzunehmen. Bei der recht­lichen Beurteilung muss man zunächst das Recht des Kölner Kurfürsten zur Krönung von der Frage trennen, welche recht­liche Bedeutung der Krönung zukam. Die Krönung könnte heute als Formalakt begriffen werden, der zur Erlangung der Königswürde deklaratorisch oder gar konstitutiv erforder­lich sei. Zwar kann die Wahl eines neuen Herrschers ohne jede Publika­tion nicht wirksam werden. Doch Ludwig IV. war schon in Frankfurt durch ein Te Deum als König vorgestellt worden. Waren Salbung, Weihe und Krönung nur mediales Ereignis zur Verkündung der neuen Herrschaft oder bildeten diese Akte doch notwendige Riten zur Erlangung der Königswürde? Das Wahlrecht des Kölner Erzbischofs hatte sich erst seit 1028 entwickelt 100 und hielt sich fast unverletzt bis 1531, während sich dann Frankfurt auch als Krönungsort durchsetzte.101 Bei gespalteten Wahlen kam Aachen bis dahin ein besonderer rhetorischer Wert zur Legitima­tion des hier Gekrönten zu. Die Bulle ‚Qui Coelum‘ betonte nicht nur das Recht des Erzbischofs zur Vornahme dieser Handlungen, sondern auch, dass es sich dabei um eine Voraussetzung der Rechtmäßigkeit eines rex Romanorum handele.102 Die Literatur bewertet die recht­liche Qualität der Krönung ganz unterschied­ lich. Ernst Schubert sah die Rechte am Reich schon mit der vollzogenen Wahl als gegeben an.103 Der erste Gottesdienst, etwa die Vorstellung von Ludwig IV. in Frankfurt, hätte die notwendige Publika­tion dargestellt. Danach konnte niemand mehr die Wahl und ihr Ergebnis ignorieren. Jürgen Petersohn sah in der Krönung zwar die Besitzeinweisung, doch sei es ein Irrglaube des 19. Jahrhunderts gewesen, eine recht­liche Bedeutung der Krönung anzunehmen. Diese habe stets auch ­später noch nachgeholt werden können, falls sie nicht gleich nach der Wahl erfolgt sei.104 Vorstellungen zum Ablauf der Krönung s­ eien im Vorfeld verbind­licher Rechtsgrundsätze verblieben. Weder die Goldene Bulle noch Krönungsordines hatten hierzu eine Aussage getroffen. Man kann aber auch das Krönungsrecht des Kölner 100 Klaus Militzer, Der Erzbischof von Köln und die Krönungen der deutschen Könige­ (936 – 1531), in: Krönungen. Könige in Aachen – Geschichte und Mythos 1, hg. von Mario Kramp, Mainz 2000, S. 105 – 111. 101 Ernst-­Dieter Hehl, Die Erzbischöfe von Mainz bei Erhebung, Salbung und Krönung des Königs (10. bis 14. Jahrhundert), in: Krönungen. Könige in Aachen (wie Anm. 100), S. 97 – 104, hier S. 101; Theuerkauf, Königswahl (wie Anm. 75), S. 83. 102 Urban IV., Entwurf der Bulle ‚Qui Coelum‘ (wie Anm. 29), n. 9, S. 62. 103 Schubert, Die deutsche Königswahl (wie Anm. 54), S. 149. 104 Jürgen Petersohn, Die Reichsinsignien im Krönungsbrauch und Herrscherzeremo­ niell des Mittelalters, in: Krönungen. Könige in Aachen (wie Anm. 100), S. 151 – 160, hier S. 155 f., S. 158.

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Erzbischofs als Ausdruck einer recht­lich notwendigen rituellen Handlung ansehen; hierzu scheinen Autoren teilweise zu tendieren.105 Die Dekretale ‚Venerabilem‘ enthielt einige Verweise auf diese Rechtsfrage: Et quoniam dux praedictus nec ubi debuit, nec a quo debuit coronam et unc­tionem accepit, memoratus vero rex et ubi debuit, videlicet Aquisgrani, et a quo debuit, scilicet a venerabili fratre nostro Coloniensi archiepiscopo recepit utrumque; […].106

Zunächst durfte Philipp von Schwaben offenbar nicht König werden, weil er nicht am rechten Ort, näm­lich Aachen, und nicht vom Richtigen, näm­lich dem Erzbischof von Köln, gekrönt worden war. Dies scheint Ort und Koronator eine zentrale Rolle bei der Erlangung der Königswürde zuzumessen. Doch schon die Dekretale selbst ließ an einer solchen Rechtsposi­tion zweifeln. Zum einen wurde die erwähnte Passage nicht in die Tradi­tion der Dekretalen aufgenommen. Zum anderen wurde Philipp als Kandidat der Königswürde letzt­lich propter manifesta impedimenta personae, nicht wegen formaler Mängel seiner Krönung abgelehnt. Auch wenn Innozenz Philipp nur kurz als indignus bezeichnete und vor allem mit der Familie des Kandidaten, Friedrich Barbarossa und Heinrich VI., argumentierte, waren es ­solche inhalt­lichen Gründe, die dazu führten, dass Philipp von Schwaben nur als dux, nicht als rex behandelt wurde. Die Krönung spielte argumentativ weiter keine Rolle. Auch Bernardus Parmensis stellte auf die Idoneität des Schwaben als zentrales Argument des Papstes ab.107 Innozenz IV . maß der Krönung immerhin eine gewisse Bedeutung zu. Sein Kommentar zur Dekretale ‚Venerabilem‘ behandelt die Frage aus verschiedenen Perspektiven. Die Bestätigung erhielt bei ihm ein besonderes Gewicht: in corona­tione tribuitur confirmatio, ut hic, & ea sine examina­tione fieri non debet.108 Die Krönung enthielt danach nicht nur eine formale Bestätigung, sondern bildete auch den Abschluss einer materiellen Prüfung über die Rechtmäßigkeit des Wahlakts 109 und stellte die Würdigkeit des Kandidaten fest. Kommt diese Prüfung zum Ergebnis der Unwürdigkeit, ist nach allgemeiner Meinung die Wahl ohnehin ipso iure nichtig.110 105 Militzer, Der Erzbischof von Köln und die Krönungen der deutschen Königen (wie Anm. 100), S. 105 – 111, hier S. 110. 106 Liber Extra X 1.6.34 (wie Anm. 57), n. 1, S. 80. 107 Glossa Ordinaria, Casus zu X 1.6.34 (wie Anm. 35), S. 119b. 108 Innocentius IV., Commentaria zu X 1.6.34 (wie Anm. 36), n. 1, fol. 80a, Gl. Coronamus. 109 Ebd. (wie Anm. 36), n. 2, fol. 80a, Gl. Examinatio: […] et etiam an sit canonice electus. 110 Gl. Electus, Glossa ordinaria zu X 1.6.34 (wie Anm. 35), S. 121b.

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Die Aussagen von Innozenz IV. sind nicht eindeutig: Credimus tamen, quod, si imperator coronam in loco debito recipere non posset, nihil­ ominus tamen auctoritatem ministrandi ab archiepiscopo Coloniensi posset recipere, uel suam authoritatem habet ex elec­tione.111

Der richtige Ort der Krönung war also jedenfalls unerheb­lich, solange der richtige Koronator die Zeremonie vornahm. Doch schien der Monarch seine Autorität bereits aus der Wahl zu besitzen. Die Krönung wäre dann einerseits nur noch eine recht­lich unerheb­liche Bestätigung. Andererseits könnte der Besitz der Krone doch notwendig gewesen sein, um sich rechtmäßig König nennen zu dürfen.112 Doch ihm gebühre nur dann Gehorsam, soweit der Kandidat nicht abgelehnt werde, also nur, soweit es der Papst erlaube.113 Damit wurden die Grenzen ­zwischen der erzbischöf­lichen Überprüfung und der päpst­lichen Examinierung verwischt, vielleicht weil man sich vom Erzbischof, der die Wahl mitbetrieben und unterstützt hatte, keine kritische Überprüfung erwarten konnte. Damit stellt sich die Frage, ob hier noch von der Krönung in Aachen oder schon der Krönung in Rom zum ­Kaiser gesprochen wurde. Es überrascht nicht, dass die Dekretalistik klarere Aussagen suchte. Schon die ‚Glossa ordinaria‘ zum Dekret vertrat die Posi­tion, dass die Wahl ausreiche, um die Rechte des Reichs zu erlangen.114 Hostiensis hielt sich hier noch eng an seinen Freund und Vorgesetzten, Innozenz IV., und sah beides parallel. Könne der Papst die Krönung nicht vornehmen, reiche schon die durch den Erzbischof bzw. die Wahl vermittelte Macht.115 Diese Aussage stellt nur vordergründig eine ­Harmonisierung her. Guido de Baysio (ca. 1246/1256 – 1313) sah den Ort der 1 11 Innocentius IV., Commentaria zu X 1.6.34 (wie Anm. 36), n. 2, fol. 80a. 112 Ebd. (wie Anm. 36), n. 3, fol. 80ab, Gl. Regem: Regem, Quia sicut aquisgrani per Coloniensem Archiepiscopum fuit coronatus, ut continetur in integra, et ideo, cum sit in possessione coronam regni habendo, non est contra ius si eum regem nominat. 113 Ebd. (wie Anm. 36), n. 3, fol. 80b, Gl. Adherre: Cum electus esset a maiori parte et coronatus ubi debuit et a quo debuit, quod optinet iura confirmacionis et, quousque reprobatur, ei debet obedire. […] et hoc est, quod papa licere consuluit. 114 Gl. Imperatorem, Glossa ordinaria zu D. 93, c. 23 (wie Anm. 74), S. 302b: Ex sola enim elec­ tione principum dico eum uerum Imperatorem antequam à Papa confirmetur. Argumentum hic, licet non ita appelletur, ut dixi sexagesima distin. Quanto. Contrarium est uerum extra de elect. C. uenerabilem. 115 Hostiensis, Commentaria zu X 1.6.34 (wie Anm. 27), n. 10, fol. 60r ab: Si imperator non possit recipere coronam in loco debito, nihilominus authoritatem administrandi recipere potest

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Krönung als unmaßgeb­lich an, solange die Krönung durch den Erzbischof von Köln vorgenommen werde.116 Immerhin wies er dem einmütig gewählten rex Romanorum dieselben Rechte wie einem ­Kaiser zu.117 Johannes Andreae interpretierte die Dekretale mit einem neuen Ansatz. Der Papst habe vermieden, ­zwischen beiden Kandidaten abschließend zu entscheiden; er habe Otto nur die Königswürde belassen, weil er vom Kölner Erzbischof gekrönt worden war. Der König habe dadurch vorläufig die Herrschaft und ihm gebühre die Krone, solange er überprüft würde.118 Das Ergebnis der Examinierung könne aber auch zum Entzug der Amtsgewalt und Titel führen. Auch die maßgeb­lich von Johannes Andreae gefasste ‚Glossa ordinaria‘ zu den Clementinen von 1326 erklärte, dass allein die Wahl den wahren ­Kaiser ausmache.119 Johannes Andreae drückte sich noch differenzierter aus. Vor der Krönung könne der König schon Privilegien vergeben,120 die volle Macht sollte er folg­lich noch nicht haben. Gewohnheitsrecht­lich nehme der gewählte König gleich die Rechte des Reichs wahr, die Salbung ergänze nichts.121 Ähn­lich sollte er vor der päpst­lichen Approba­tion noch keine Bullen ausstellen, sondern nur seine Briefe mit Siegeln bestätigen.122 Die Krönung in Rom bringe nur den Titel und die Machtstellung des Kaisers.123 Das war nicht unerheb­lich, wurde der ­Kaiser doch als princeps mundi, & dominus angesehen,124 was offenbar nicht für den imperator futurus 125 gelten sollte.

a Coloniensi archiepiscopo, ad quem spectat, ut not. Infra eo. § super verbo & infra. Vel ex ipsa elec­tione hanc habet, secundum dominum nostrum. 116 Archidiaconus = Guido de Baysio, Rosarium sive Enarra­tiones super Decreto zu D. 93, c. 24, Lyon 1559; ND Frankfurt a. M. 2008, n. 9, fol. 104a. 117 Guido de Baysio, Rosarium zu D. 93, c. 24 (wie Anm. 116), n. 10, fol. 104a: Rex romanorum ex quo electus est in Concordia eandem potestatem habet quam imperatore. 118 Johannes Andreae, Novellae zu X 1.6.34 53 (wie Anm. 62), n. 28, fol. 108va: Interim tamen debent illum habere pro rege propter coronam, quam receperat à Coloniensi apud Aquisgranum. 119 So Gl. Futurus, Glossa ordinaria zu Clem. 2.9,1 (wie Anm. 88), S. 87: sola principium electio facit verum Imperatorem. 120 Gl. Reges, Glossa ordinaria zu Clem. 2.9.1 (wie Anm. 88), S. 88. 121 Ebd. (wie Anm. 88), S. 88: unctio nihil addit. 122 Gl. Aurea bulla, Glossa ordinaria zu Clem. 2.9.1 (wie Anm. 88), S. 89. 123 Gl. Pontificatus, Glossa ordinaria zu VI 5.12.88 (de regulis iuris) (wie Anm. 53), S. 587. 124 Gl. In Germanos, Glossa ordinaria zu X 1.6.34 (wie Anm. 35), S. 120b. 125 Clem. 2.9.1, Clemens V./Konzil von Vienne [1314] mit Gl. Futurus, Glossa ordinaria zu Clem. 2.9.1 (wie Anm. 88), S. 87, gegen Johannes [Teutonicus], demzufolge bereits die Wahl den wahren ­Kaiser machte.

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In seiner Novella zu den Dekretalen formulierte er diesen abwägenden Sachverhalt kurz und präzise: per elec­tione est ius quaesitum.126 Der Gewählte habe also allein schon durch die Wahl sein Recht erhalten. Nur aus schwerwiegenden Gründen könne man jedoch das einmal erworbene Recht wieder verlieren, etwa bei fehlender Konfirma­tion bzw. Approba­tion. Doch schon mit dem Argument, dass ja nicht der K ­ aiser, sondern nur der rex Romanorum gewählt wurde, konnten andere Autoren diese Argumenta­tion mit der Frankfurter Wahl erschüttern.127 Die Legistik übernahm in weitem Maße die Vorgaben der Kanonistik. I­ nnozenz IV. wört­lich übernehmend lehrte Albericus de Rosate, dass der König die Krönung zwar nachholen könne, die aber vom Kölner Erzbischof durchzuführen sei, und stellte zuletzt darauf ab, dass die Wahl die Macht verleihe.128 Die Struktur seiner breit angelegten Ausführung zur Kommentierung der berühmten Konstitu­tion ‚Bene a Zenone‘ ist nicht leicht zu durchschauen. Seine Auffassung blitzt immer wieder im Text durch, wird jedoch durch entgegengesetzte Argumente gleich wieder in Frage gestellt. Albericus betonte allerdings allgemein, dass es ­Kaiser schon vor den Päpsten gegeben habe. Er hob hervor, dass er insbesondere die Diskussion um Ludwig IV. als Auditor der Kurie aus der Nähe verfolgt und viele große Prälaten unmittelbar gehört habe. Doch gegen deren Posi­tion nahm er klar Stellung: Declaramus, quod Imperialis dignitas, & potestas est immediate a solo Deo, & quod de iure, & Imperii consuetudine antiquitatus approbta est, & postquam aliquis eligitur in Imperatorem, siue Regem ab electoribus Imperij concorditer, uel maiori parte eorundem, statim ex sola elec­tione est uerus Rex. & Imperator Romanorum censendus, & nominandus, & eidem debet ab omnibus Imperio subiectis obediri: & administrandi

126 Johannes Andreae, Nouella zu X 1.6.3 (wie Anm. 62), n. 5, fol. 74ra. 127 Johannes Monachus, Glossa aurea zu VI 1.6.1 (wie Anm. 37), n. 4, fol. 58va [!, eigent­lich 57] (summarium Philippi Probi): Electus dicitur imperator ante corona­tionem […]. Im Text n. 4, fol. 58ra: Zwar würde der König erst nach der Krönung in Rom K ­ aiser genannt, jedoch habe er mit der Wahl umfassend das Recht, die Rechte des Reichs zu verwalten und Privilegien zu erteilen; anders jedoch für Bischöfe ders., Glossa aurea zu VI 1.6.5, n. 1, fol. 68vb; missverständ­lich auch Baldus, Comm. zu X prooemium (wie Anm. 64), n. 2, fol. 4ra: Habemus etiam regem romanorum ante corona­tionem post corona­tionem vero est idem rex & imperator. Betonte das die schon dem rex verliehene Macht oder grenzte Baldus hier die Stellung beider auch juristisch ab? 128 Albericus de Rosate, Commentarii zu C.7.37.3 (‚Bene a Zenone‘) (wie Anm. 5), n. 16, fol. 107vb: Credimus tamen quod si Imperator coronam in loco debito recipere non possit, nihilominus authoritatem ministrandi ab archiepiscopo Coloniensis posset recipere, uel sua autoritate, quam habet ex elec­tione […].

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iura, Imperij, & caetera faciendi quod ad Imperatorem uerum pertinent, habet plenariam potestatem, nec Papae siue sedis apostolicae, aut alicuius alterius approba­tione, confirma­tione, authoritate, indigent, vel consensus, & hac in perpetuum ualitura lege decernimus, ut electus in Imperatorem concorditer, vel a maiori parte electorum, ex sola elec­tione censeatur, & habeatur ab omnibus per uero, & legitimo Imperatore, & eidem ab omnibus subiectis Imperio debeat obediri, & administra­tionem & iurisdic­ tionem Imperialem, & Imperialis potestas plenitudinem habeat.129

Die kaiser­liche Würde stammt danach direkt von Gott. Wer von den Kurfürsten, jedenfalls einer Mehrheit, gewählt wurde, sei sofort allein aufgrund der Wahl wahrer König und ­Kaiser. Alle müssten ihm daher gehorchen. Er habe die Rechte, das Reich zu regieren und alles zu tun, was ihm als ­Kaiser obliegt. Er hat danach die volle Macht, ohne auf die Approba­tion durch den Papst oder den Heiligen Stuhl angewiesen zu sein. Zur Bestätigung seiner Posi­tion verwies Albericus noch auf das Reichsgesetz von Ludwig IV. ‚Licet iuris utriusque‘. ‚Licet iuris utriusque‘ selbst nutzte also diese Vorgaben aus Kanonistik und Romanistik. Die überwiegende Meinung schrieb dem Gewählten die Reichsrechte allein durch die Wahl zu.130 Die Königswürde vor der Kaiserkrönung war weitgehend unbestritten: imperator ante corona­tionem dicitur rex.131 Ein Eingriffsrecht des Papstes eröffnete sich daraus nicht. Das genaue Initium des Reichsgesetzes ‚Licet iuris utriusque‘ weist bereits viel besser als die gebräuch­ liche Fassung darauf hin, wie sehr sich ­dieses Gesetz in die gemeinrecht­liche Tradi­ tion einschreiben wollte und konnte.

Bedeutung der deutschen Reichskrone Die Wahl war nur die erste von einer ganzen Reihe an Zeremonien, Ritualen und Gepflogenheiten, die sich bis zur Krönung in Aachen oder noch in Rom fortsetzten:132 Huldigung, Akklama­tion, Thronerhebung, Königslager, ­Besitzergreifung durch

129 Ebd. (wie Anm. 5), n. 18, fol. 108ra. 130 So im Ergebnis auch Schubert, Die deutsche Königswahl (wie Anm. 54), S. 149. 131 Franciscus de Zabarellis, Commentaria in Clementinarum volumen zu Clem. 2.9.1, Lyon 1513, fol. 62vb; ebenso Felinus Sandeus, Commentariorum in Decretalium Libros V zu X 1.3.7, Bd. 1, Venedig 1574, n. 3, col. 427. 132 Vgl. Theuerkauf, Königswahl (wie Anm. 75), Sp. 82 f.; Schubert, Königswahl und Königtum im spätmittelalter­lichen Reich (wie Anm. 8), S. 328, hier S. 330, zur Besitznahme und Huldigung.

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Entgegennahme der Reichsinsignien und Umritt waren ohne Zweifel wichtige Akte. Man hat hier von ma­gisch-­rituellen Akten gesprochen,133 den Insignien eine Sakralisierung im Mittelalter zugestanden 134 oder sie als ­­Zeichen der Besitzeinweisung gedeutet.135 Doch könnten diese Gegenstände bis zur Krone nicht viel mehr Bedeutung denn als Schmuck gehabt haben.136 Man könnte auch vermuten, dass den Ritualen jeweils eine besondere Aussage zukam und die Krönung etwa den sakralen Charakter des Amts betonte.137 Die einzelnen Insignien könnten dann als Formalakte unterschied­liche Aussagekraft haben.138 Für die ungarische Stephanskrone wird vertreten, dass sie seit dem späten 12. Jahrhundert als Subjekt von Rechten gedacht wurde und mit dem Königreich identifiziert wurde.139 Eine s­ olche besondere Tradi­tion der Stephanskrone hält sich jedenfalls hartnäckig in der Gegenwart. Die Bedeutung der Kaiserkrone ist demgegenüber deut­lich geringer. Ihre Tradi­tion lässt sich jedenfalls auf ca. 1200 zurückführen; seit dem 14. Jahrhundert galt sie auch als Krone Karls des Großen.140 Doch selten weiß man, w ­ elche Krone tatsäch­lich genutzt wurde.141 Manchmal wurde wohl auch die Krone des Karlsreliquars genutzt.142 Ikonograpisch lässt sich die Krone jedenfalls mit dem 133 Schneider, Wechselwirkungen von kanonischer und welt­licher Wahl (wie Anm. 17), S. 163. 134 Petersohn, Die Reichsinsignien im Krönungsbrauch und Herrscherzeremoniell (wie Anm. 104), S. 157 f. 135 Ebd. (wie Anm. 104), S. 155 f. 136 So als Mög­lichkeit bei Carlrichard Brühl, Krönung, in: HRG 2 (1978), Sp. 1235. 137 Jörg Rogge, Krönung, in: HRG 3 (²2013), Sp. 293 f. 138 Ebd. (wie Anm. 137), Sp. 294 f. 139 Karl Schnith, Krönung, in: LexMA 5 (1991), Sp. 1547 – 1549, hier Sp. 1549; Gerhard Seewann, Die Sankt-­Stephans-­Krone, die Heilige Krone Ungarns, in: Südost-­Forschungen 37 (1978), S. 145 – 178; Josef Deér, Die Heilige Krone Ungarns, Wien 1966, S. 238, zeigt einen Streit von 1440 und der folgenden Zeit über die Bedeutung der Stephanskrone auf, der Zweifel nährt, ob die Krone zu dieser Zeit mehr als eine symbo­lische Bedeutung hatte. 140 Mario Kramp, Krönungen und Könige in der Nachfolge Karls des Großen. Eine Geschichte und ihre Bilder, in: Krönungen. Könige in Aachen (wie Anm. 100), S. 2 – 18, hier S. 4; Gerhard Seewann, Die Sankt-­Stephans-­Krone (wie Anm. 139), S. 150; für eine moderne Beschreibung der Krone Endre Tóth – Károly Szelényi, Die Heilige Krone von Ungarn. Könige und Krönungen, Budapest ²2000. 141 Nicolaus Gussone, Ritus, Recht und Geschichtsbewußtsein. Thron und Krone in der Tradi­tion Karls des Großen, in: Krönungen. Könige in Aachen (wie Anm. 100), S. 35 – 47, hier S. 36; Reinhart Staats, Die Reichskrone: Geschichte und Bedeutung eines euro­ päischen Symbols, Kiel ²2008, S. 23. 142 Gussone, Ritus, Recht und Geschichtsbewußtsein (wie Anm. 141), S. 40.

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einen Bügel Konrads II. einfach wiedererkennen. Dennoch scheint erst Albrecht Dürer, der als Nürnberger die Krone kannte, sich um ein Abbild der wahren Krone bemüht zu haben. Die früheren Darstellungen zeigen Bügelkronen ganz anderer Art, meist mit zwei Bügeln. Man kann daraus schließen, dass die Krone selbst weitgehend unbekannt war.143 Sie wird in Heinrichs Krönungsordo als signum glorie bezeichnet.144 Sie war also nur ein Zeichen. ­­ Es ist umstritten, ob die Krone selbst als heilig angesehen wurde.145 Die historische Literatur geht verbreitet davon aus, dass diese Rituale im Vorfeld verbind­licher Rechtsgrundsätze blieben,146 denn die Rechtsbücher, die Goldene Bulle und die Krönungsordines nahmen hierzu kaum Stellung.147 Die juristischen Werke der Zeit gehen auf die Krone selbst kaum ein. Sie wird gelegent­lich kurz als ‚Diadem‘ erklärt.148 Dieses ist ein ­­Zeichen der Ehre und von Gott dem Kopf des Königs beigesellt.149 In der ‚Glossa ordinaria‘ der Clementinen findet man den abenteuer­lichen Erklärungsansatz von drei Kronen, die dem ­Kaiser überreicht würden: die eiserne zu Köln, die silberne zu Mailand und erst die goldene in Rom. Doch die letzte Krone sei nicht Voraussetzung, um rechtmäßig das Reich zu regieren.150 Schon die erste Krone, wohl

143 So schon Mathias Schmoeckel, Karl von Amira und die Anfänge der Rechtsarchäologie. Die rechtsarchäolo­gische Sammlung Karls von Amira am Leopold-­Wenger-­Institut, in: Zeitschrift für Rechtsarchäologie und Recht­liche Volkskunde 17 (1997), S. 67 – 81; G ­ ussone, Ritus, Recht und Geschichtsbewußtsein (wie Anm. 141), S. 40. 144 Heinrichs VII. Ordo für die Kaiserkrönung (29. 6. 1312) (wie Anm. 29), Nr. 77, S. 244 – 251, hier n. 23, S. 248. 145 So Gussone, Ritus, Recht und Geschichtsbewußtsein (wie Anm. 141), S. 40; dagegen Petersohn, Die Reichsinsignien im Krönungsbrauch und Herrscherzeremoniell (wie Anm. 141), S. 157 f. 146 Etwa Jürgen Petersohn, „Echte“ und „falsche“ Insignien im deutschen Krönungsbrauch des Mittelalters? Kritik eines Forschungsstereotyps (Sitzungsberichte der Wissenschaft­lichen Gesellschaft an der Johann Wolfgang Goethe-­Universität Frankfurt a. M. 30/3), Stuttgart 1993, S. 95 f., zur unsicheren Nutzung, S. 79 und S. 97 zur fehlenden recht­lichen Relevanz. 147 Petersohn, Die Reichsinsignien im Krönungsbrauch und Herrscherzeremoniell (wie Anm. 141), S. 158, im Gegensatz zu Josef Deér und der ungarischen Tradi­tion im Hinblick auf die Stephanskrone. 148 Gl. Diadema, Glossa ordinaria zu Clem. 2.9.1 (wie Anm. 88), S. 86. 149 Liber Augustalis (Konstitu­tionen von Melfi), ed. Wolfgang Stürner (MGH Const. 2 suppl.), Hannover 1996, S. 146. 150 Baldus, Comm. zu X 1.6.34 (wie Anm. 64), n. 6, fol. 71ra: ne romani tamen corona aurea non est necessaria quantum ad administra­tionem ei proferendam quam habet statim quid est electus legitime in concordia, vel a maiori parte. = Gl. Vestigijs, Glossa ordinaria zu Clem. 2.9.1 (wie Anm. 88), fol. 88a, kurz zusammengefasst in der additio: Ferrea Romani gestant

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das Symbol für die Herrschaft in den deutschen Territorien, und die Stellung als rex Romanorum verleihe eine gültige Herrschaft, während die letzte goldene nur als Bestätigung durch den Kaisertitel aufzufassen sei. Der offenbare Fabelcharakter dieser Geschichte macht deut­lich, dass hier keine belastbare Tatsache geschildert wurde. Angesichts solch unerheb­licher Aussagen kommt man kaum umhin, die fehlende recht­liche Relevanz der Krone anzuerkennen. Sie stellte sicher­lich symbo­lisch eine Verbindung zu Karl dem Großen her. Sie war ein ­­Zeichen des neuen Königtums und ein Abschluss des Wahlakts.151 Sie machte die neue Herrschaft bekannt und sorgte für Akzeptanz. Doch aus recht­ licher Perspektive bedeutete die Krone nur eine Formalität, die letzt­lich nicht notwendig war: Tamen istae corona­tiones magis sunt honoris, & solennitatis causa, non necessaria administra­tionis Imperialis.152 Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dem K ­ aiser-­Elekt gerade deswegen so leicht weiterer Pomp zugestanden wurde, weil darin keine weitere juristische Bedeutung lag.

confirmatio und approbatio (1.) Nach Wahl und Krönung könnte jedoch die päpst­liche Bestätigung Voraussetzung für die Ausübung könig­licher und kaiser­licher Rechte gewesen sein. Das Recht der päpst­lichen confirmatio bzw. der gleichbedeutenden approbatio forderte schon die Dekretale ‚Venerabilem‘ ein. Der Papst gestand den deutschen Reichsfürsten zwar das Recht der Wahl zum rex Romanorum in imperatorem postmodum promovendum zu, behielt sich nur das ius et auctoritas examinandi personam elec­ tam in regem vor. Hatten die Kurfürsten jedoch einen ungeeigneten Kandidaten gewählt, verloren diese Wähler durch die Feststellung des Papstes ihr Wahlrecht.153 Dem Gewählten wurde damit wegen der Ablehnung durch den Papst nicht nur die Kaiserkrone verwehrt, vielmehr wurde seine Wahl insgesamt als unwirksam

diademata reges. Est argentea post haec his oblata corona. Hinc aurum capiti fuluum datur imperiali; darauf verweist auch Albericus de Rosate, Dic­tionarium Iuris tam Ciuilis quàm Canonici, Venedig 1573, S. 150. Zur Posi­tion von Innozenz IV. vgl. schon Miethke – Bühler, ­Kaiser und Papst im Konflikt (wie Anm. 18), S. 93. 151 Albericus de Rosate, Dic­tionarium (wie Anm. 150), S. 149: Corona quae etiam clerica dici­ tur, est signum regni & perfec­tionis. 1 52 Albericus de Rosate, Commentarii zu C. 7.3.37 (wie Anm. 5), n. 19, fol. 108rb. 153 Baldus, Comm. zu X 1.6.34 (wie Anm. 64), n. 7, fol. 71ra.

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angesehen. 1263 nahm ‚Qui Coelum‘ diesen Ansatz wieder auf und verwies dabei ausdrück­lich auf ‚Venerabilem‘.154 Für das kanonische Recht der Bischofswahl war diese Bestätigung inzwischen selbstverständ­lich geworden. Es war eines der Mittel, mit welchem der Heilige Stuhl den Einfluss über die Bischofsnachfolge trotz der partikularen Wahlrechte sicherstellte. Gothofredus von Trani prägte ein gängiges Bild, um die Verbindung des Gewählten mit seiner Diözese zu beschreiben. Vor der Konfirma­tion sei es wie in der eingegangenen, aber noch nicht vollzogenen Ehe.155 Der Gewählte habe insbesondere noch kein Recht zur Rechtsprechung in seiner Diözese bzw. deren Verwaltung.156 Stelle sich seine Unfähigkeit zum Amt heraus, sei die Wahl von Anfang an wie bei einem Ehehindernis nichtig.157 Dabei war durchaus strittig, ob der Erwählte vor der Bestätigung überhaupt kein Recht der neuen Posi­tion ausüben durfte 158 oder doch jedenfalls die welt­lichen, nicht jedoch die geist­lichen.159 Oft sollte jedoch der Gewählte erst durch die Bestätigung die Rechte zu Verwaltung und Gerichtsbarkeit erhalten. Allerdings erhielt der Gewählte nach der Wahl einen Anspruch auf Durchführung ­dieses Überprüfungsverfahrens bzw., wenn nichts gegen den Gewählten sprach, auf die Konfirma­tion.160 Spätestens nach drei Monaten durfte der Gewählte vorstellig werden und seine Bestätigung erbitten.161 Die Bestätigung war damit verpflichtend zu erteilen, wenn kein Hinderungsgrund bestand. Die moderne Literatur betonte die Bindung des Bestätigenden zur Erteilung der Konfirma­ tion. Peter Landau etwa sprach vom Versuch der Kanonistik, dem Gewählten ein Recht auf Bestätigung zu verleihen.162 Dabei entstanden in der Kanonistik sogar unterschied­liche Begriffe und Verständnismög­lichkeiten. So entwickelte

1 54 Urban IV., Entwurf der Bulle ‚Qui Coelum‘ (wie Anm. 29), n. 9, S. 62. 155 Gottofredus da Trani, Summa zu X 1.6 (wie Anm. 28), n. 10, fol. 14ra. 156 Gl. Et disponendi, Glossa ordinaria zu D. 23, c. 1 (wie Anm. 74), S. 69, col. 2: Electus ante confirma­tionem non administrat. 157 Gottofredus da Trani, Summa zu X 1.6 (wie Anm. 28), n. 13, fol. 14rv. 158 So Johannes Monachus, Glossa aurea zu VI 1.6.1.5 (wie Anm. 37), n. 1, fol. 68vb. 159 Baldus, Comm. zu X 1.6.34 (wie Anm. 64), n. 1, fol. 70vb: nur Immobilien durfte er nicht verkaufen. 160 Gottofredus da Trani, Summa zu X 1.6 (wie Anm. 28), n. 13, fol. 14rv. 161 Petrus de Biaxio, Directorium (wie Anm. 38), fol. 88r. 162 Peter Landau, Zum Ursprung des „ius ad rem“ in der Kanonistik, in: Proceedings of the Third Interna­tional Congress of Medieval Canon law, hg. von Stephan Kuttner, Vatican 1971, S.  81 – 102; ND mit Addi­tiones in: ders., Euro­päische Rechtsgeschichte und kanonisches Recht im Mittelalter, Badenweiler 2013, S. 829 – 851, hier S. 829.

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sich der Begriff des ius ad rem im Kontext des Wahlrechts 163 zur Umschreibung dieser ‚Expektanz‘ des Gewählten. Mit moderner Terminologie spricht man von seinem ‚Anwartschaftsrecht‘ auf die Bischofsstelle. Dieses Recht unmittelbar auf die Sache selbst sollte mehr sein als nur das Recht, etwas verlangen zu dürfen (ius ad rem petendam).164 Dabei darf man die Rechtsstellung nicht nach modernen Kategorien zu umschreiben versuchen,165 etwa als sachen- oder schuldrecht­lich. Der Gewählte sei schon durch die Annahme der Wahl Prälat der K ­ irche. Doch dürfe er die Befugnisse erst nach der Bestätigung ausüben, ebenso wie der Ehemann erst nach Vollzug der Ehe über die Rechte der Frau verfügen könne.166 Er habe eine Gerichtsgewalt (iurisdictio), aber keine umfassende Gewalt (ordo) zu den kirch­lichen Handlungen.167 Mit der Einsetzungsklage (ius ad rem) konnte er daher, soweit kein Hindernis bestand, seine Einsetzung erreichen. Diese konnte er ohne Weiteres einklagen, man durfte ihm deswegen keinen Ehrgeiz vorwerfen.168 Wer als Erzbischof die Einsetzung des gewählten Bischofs verweigerte, wurde durch den Metropolitan oder den Papst dazu gezwungen.169 Nur durch Untätigkeit oder Verfahrensfehler verlor der Gewählte sein Ernennungsrecht.170 Zwischen Wählern und Gewählten entstand mit der Wahl ein eheähn­liches Band.171 Der Gewählte hatte mit der Annahme der Wahl ein ius quaesitum erworben,172 aus dem sich der Rechtsanspruch auf Ernennung bzw. Einführung ins Amt ergab. Die zentrale Frage dieser Ausführung ist, inwieweit das kanonische Recht Anwendung auf das Königswahlrecht finden konnte. Wie gesehen schufen die Dekretale ‚Venerabilem‘ und die Bulle ‚Qui Coelum‘ der päpst­lichen Entscheidungsmacht verschiedene Ansatzpunkte dafür. Trotz dieser sehr weitgehenden

163 So Robert L. Benson, The Bishop-­Elect. A study in medieval ecclesiastical office, Princeton 1968, S. 143. 164 Franz Gillmann, Zum Problem vom Urspung des ius ad rem, in: AKKR 113 (1933), S.  463 – 485. 165 Landau, Zum Ursprung des „ius ad rem“ in der Kanonistik (wie Anm. 162), S. 831. 166 Harry Dondorp, Ius ad rem als Recht. Einsetzung in ein Amt zu verlangen, in: TRG 59 (1991), Sp. 285 – 318, hier Sp. 295. 167 Johannes Monachus, Glossa aurea zu VI 1.6 (wie Anm. 37), n. 1, fol. 58rb. 168 Gl. Immediata subiectio, Glossa ordinaria VI 1.6.16 (Nicolaus III., 1278) (wie Anm. 53), S. 78a; Gl. Post obtentam, ebd., S. 78b. 169 Gl. Immediata subiecto, Glossa ordinaria VI 1.6.16 (Nicolaus III., 1278) (wie Anm. 53), S. 78a. 170 Gl. Quod si per viginti, Glossa ordinaria zu VI 1.6.16 (wie Anm. 53), S. 79b. 171 Additio zu Glossa ordinaria zu VI 1.5.1 (wie Anm. 53), S. 45: quasi matrimoniale vincu­ lum contrahendi. 172 Gl. Quanto, Glossa ordinaria zu D. 63, c. 10 (wie Anm. 74), S. 213, col. 2.

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Machtpostula­tionen war die zeitgenös­sische Literatur jedoch bemerkenswert zurückhaltend gegenüber dem päpst­lichen Anspruch. Schon die Übertragung auf eine andere Wahl war problematisch. Die Grundsätze des Bischofswahlrechts wurden beispielsweise nicht auf das Papstwahlrecht übertragen. Nach der ‚Glossa ordinaria‘ zu den Clementinen hatte der Bischof von Rom bereits mit seiner Wahl das Recht, Privilegien zu verteilen. 173 Seit Innozenz IV . galt, dass der neu gewählte Papst aus eigener Gewalt das Amt antrete.174 Offensicht­ lich stand hier im Vordergrund, dass die Geschäfte der K ­ irche mög­lichst umgehend betrieben werden konnten. Aus den gleichen Gründen musste auch der gewählte rex Romanorum über die Rechte des Herrschers umfassend verfügen können. Die römische Krönung konnte demnach nur noch den Titel eines Kaisers verleihen.175 Die Kanonisten hatten damit gute Gründe, für das Verwaltungsrecht des gewählten rex Romanorum einzutreten.176 Das ‚Speculum iudiciale‘ des ­Guillaume Durand formulierte etwa in großer Bestimmtheit: Imperator enim ex sola Prin­ cipum elec­tione etiam ante cornfirma­tionem aliquam, uerus est Imperator & con­ sequitur ius administrandi.177 Auch die Legistik, für die hier auf Bartolus verwiesen sein soll, erkannte die könig­lichen Rechte schon dem gewählten Monarchen zu.178 Besonders ausführ­lich und papstfreund­lich beschäftigte sich Bartholomaeus de Saliceto († 1411)179 mit der Frage. Zunächst schien er sich auf die päpst­liche Seite zu schlagen, indem er die Notwendigkeit von Krönung und Konfirma­tion bekannte.180 Doch folgten dann sämt­liche Argumente, die dagegen sprachen. Auch die Ehe sei schon durch das münd­liche Versprechen wirksam. Es käme auf das Wahlrecht der deutschen Fürsten oder des römischen Volks an, also nicht 173 Gl. Reges, Glossa ordinaria zu Clem. 2.9.1 (wie Anm. 88), S. 88. 174 Innocentius IV., Commentaria zu X 1.6.6 (wie Anm. 36), n. 2, S. 51. 175 Gl. Pontificatus, Glossa ordinaria zu VI 5.12.88 (de regulis iuris) (wie Anm. 53), S. 587: Imperator non dicitur nisi corona suscepta. 176 Vorsichtig ablehnend allerdings Felinus Sandaeus, Commentaria in Decretalibus zu X 1.3.7, Lyon 1574, n. 2, fol. 84vb. Er stützt sich dabei nicht ganz zutreffend auf Bartholomaeus de Saliceto, dazu sogleich. 177 Guillelmus Durantis, Speculum iudiciale, Basel 1574; ND Aalen 1975, II.I, de rescripti praesenta­tione § 9. Ra­tione, I, n. 18, S. 422b. 178 Bartolus, Tractatus Ad repimentum, Opera Omnia 9, Venedig 1506, ND Rom 1996, v. Reges, fol. 93ra. 179 Gianfranco Orlandelli, Bartolomeo da Saliceto, in: Dizionario biografico degli italiani 6 (1964), S. 766 – 768. 180 Bartholomaeus de Saliceto, Lectura super Codicem, Lyon 1483, hier zu C. 7.37.3 (‚Bene a Zenone‘), unfol. [57b].

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auf die späteren Publika­tionsformen. Vor der Kaiserkrönung sei der Gewählte immerhin schon ein rex Romanorum, also offenbar mit allen Rechten eines solchen Monarchen bekleidet. Auch der Papst habe unmittelbar mit der Wahl alle Rechte seines Amtes. Auch der Bischof-­Elekt habe mit der Wahl jedenfalls schon die Gerichtsgewalt. Dann zitierte er umfassend das kanonistische Schrifttum, das die Rechte des gewählten Monarchen anerkannte. Zuletzt verwies er auch auf die reichsrecht­liche Klärung der Frage. Zwar differenzierte Bartholomaeus dann ­zwischen der Stellung des rex und des imperator, um dem Papst klar das Recht der Konfirma­tion und Absetzung zuzuweisen. Doch als König habe der Gewählte auch das Rechtsprechungsrecht, auch wenn d­ ieses Rechtsprechungsrecht noch nicht so universal weit reiche wie das Rechtsprechungsrecht des Kaisers.181 Selbst diese dem Papst besonders zugeneigte Stimme leugnete also nicht ein Verwaltungsrecht des gewählten Monarchen. Man würde aber den Ansatz dieser Untersuchung verkennen, wenn man glaubte, dass es hier um die ‚Rechtsgeltung‘ des kanonischen Rechts im Recht der deutschen Königswahl ginge. Vielmehr sollen gerade auch die Wirkung des kanonischen Rechts jenseits allgemein akzeptierter ‚Geltung‘ als Vorbild und als sich aufdrängende geistige Strukturierung der Materie eruiert werden. Der Ausdruck etwa, den man im 13. Jahrhundert für die Beziehung des Gewählten zur Kaiserwürde als rex Romanorum als in imperatorem promovendus nutzte, ist nicht einfach nur ein üb­licher Ausdruck,182 sondern verdeut­licht einen Rechtsanspruch auf die Einsetzung als Kaiser.183 Dieser Anspruch ist dabei ganz dem kanonistischen Grundsatz des ius ad rem 184 nachgebildet und verdeut­licht das Recht des Gewählten, die Kaiserwürde zu empfangen. Ohne das Vorbild des kanonischen Bischofswahlrechts wird man d­ ieses ius ad rem des rex Romanorum kaum verstehen können. Nur vor ­diesem Hintergrund muss der in der Formulierung begründete Anspruch den Zeitgenossen so plausibel erschienen sein, dass er allgemein übernommen wurde. Sogar in d ­ iesem Punkt lässt sich also die Vorbildwirkung des kanonischen Rechts auf die deutsche Königswahl und ihr Verfahren feststellen.

181 Ebd. (wie Anm. 180), fol. [59b] und fol. [60a]. 182 Bernhard Schimmelpfennig, Könige und Fürsten, K ­ aiser und Papst im 12. Jahrhundert (EDG 37), München 2010, S. 2. 183 Als Anspruch bzw. päpst­liche Verpflichtung schon aufgefasst von Ernst Schubert, Einführung in die deutsche Geschichte im Spätmittelalter, Darmstadt 1992, S. 218; diese Annahme wird hiermit juristisch bestätigt. 184 So bereits Wilhelm Bertrams SJ, Der neuzeit­liche Staatsgedanke und die Konkordate des ausgehenden Mittelalters (Analaecta Gregoriana, sectio B 30), Rom ²1950, S. 86.

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(2.) Vor allem aber lag 1314 wie schon 1189 ein Fall der Doppelwahl vor. Bisher wurde nach den juristischen Voraussetzungen einer rechtmäßigen Wahl gefragt. Kommt man jedoch zum Ergebnis, dass zwei grundsätz­lich für sich wirksame Wahlakte vorgenommen wurden, also zwei Teile desselben Wahlgremiums unterschied­ liche Entscheidungen getroffen hatten, musste d­ ieses widersprüch­liche Ergebnis als neues Problem gewürdigt werden. Gerade im Fall einer gespaltenen Wahl in discordia konnte es zur Nichtigkeit der Wahl kommen.185 Nur in dieser Situa­tion konnte es auf die Entscheidung des Papstes ankommen. Gerade weil die ganzen Überlegungen des kanonischen Rechts im vorliegenden Fall letzt­lich dazu führten, beide Wahlen mög­licherweise als rechtmäßig anzuerkennen, war es für Johannes XXII. wichtig, vom Fall einer gespaltenen Wahl auszugehen.186 Eine gespaltene Wahl lag vor, wenn zwei unterschied­liche Kandidaten für ein Amt gewählt wurden bzw. sich die Ziele der beiden Wahlakte widersprachen.187 Ein Problem bestand damit nur, wenn beide gleichzeitig behaupteten, allein für das Reich zu sprechen und dem anderen die Legitimität absprachen.188 Kein Problem war dagegen die Anerkennung von zwei Kaisern gleichzeitig. Schon im Hinblick auf Byzanz wurde vertreten, dass es zwei K ­ aiser bzw. Herrscher über das impe­ rium geben könne. Sogar im Fall der gespaltenen Wahl könnten beide Gewählte die Herrschaft ausüben und dürften als Könige regieren. Dies gelte jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Papst sich für die Rechtmäßigkeit nur eines der beiden Kandidaten entschieden habe.189 Wie nun mit der gespaltenen Wahl umzugehen war, war durchaus strittig.190 Bei der Bischofswahl gab es die Mög­lichkeit, den ersten Wahlakt als rechtmäßig anzusehen. Hatte der erste Kandidat seine Wahl angenommen, konnte er selbst dann seine Bestätigung verlangen, wenn eine zweite Wahl durchgeführt wurde und der Erzbischof diese bestätigte.191 Andere wollten gemäß dem ‚Decretum Gratiani‘192 die Mehrheit der Wähler entscheiden lassen.193 Als Quorum sollten 185 Petrus de Biaxio, Directorium (wie Anm. 38), fol. 26r. 186 Diesen Ausgangspunkt seiner Argumenta­tion betonte schon Dagmar Unverhau, Approbatio – reprobatio (Historische Studien 424), Lübeck 1973, S. 28. 187 So Johannes Monachus, Glossa aurea zu VI 1.6.1.24 (wie Anm. 37), n. 1, fol. 104va. 188 Albericus de Rosate, Comm. zu C. 7.3.37 (wie Anm. 5), n. 6, fol. 106vb. 189 Ebd. (wie Anm. 5), n. 6, fol. 106vb, der dafür auch die Autorität des Johannes Andreae anführte. 190 Zum Problem bereits Schubert, Königswahl und Königtum im spätmittelalter­lichen Reich (wie Anm. 8), S. 298. 191 Harry Dondorp, Ius ad rem als Recht (wie Anm. 166), S. 285 – 318, hier S. 295. 192 Decretum Gratiani D. 63, c. 36 (wie Anm. 12), S. 247. 193 Bernardus de Montemiro, Lectura Aurea zu X 1.6.34 (wie Anm. 61), fol. 28rb; Gl. Irritan­ dam, Glossa ordinaria zu X 1.6.29, Venedig 1595, S. 112, col. 2.

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dabei alle beteiligten Wähler gelten.194 Doch die Bestimmung der Mehrheit sollte hier wohl auch nach den allgemeinen Regeln der maior et sanior pars erfolgen.195 Verbreiteter war jedoch die Entscheidung, beide Wahlen als nichtig anzusehen.196 Vor allem war dies die Gelegenheit, die päpst­liche Bestätigung als konstitutiv einzufordern.197 Die Bulle ‚Qui Coelum‘ hatte die Doppelwahl von 1263 als Gelegenheit gesehen, die päpst­liche Würdigung der Wahlverfahren und ihrer Kandidaten durchzuführen, so wie es schon ‚Venerabilem‘ als Recht des Papstes verlangt hatte. Weiter ging die Dekretale ‚Cupientes‘ (VI . 1.6.16) von 1278. Sei die Wahl in discordia erfolgt, müssten sich beide Kandidaten der Entscheidung des Papstes unterwerfen.198 Die Auswahl der richtigen Wahl solle nach dem Eifer (zelus), der Zahl der Wähler (nummerus) und der Autorität des Gewählten erfolgen.199 Erst wenn danach keine Entscheidung gefällt werden könne, ­seien beide Wahlen aufzuheben. (3.) Wie ging man dann mit den beiden 1314 gewählten Königen um? ­Johannes Andreae und Albericus de Rosate gingen sogar so weit, dem unrechtmäßig gewählten König das Recht der Regentschaft zuzusprechen, jedenfalls solange der Papst nicht die Wahl annulliert bzw. einen der beiden Gewählten für rechtmäßig erklärt habe.200 Ihnen folgten Bartolus 201 und Baldus 202. Johannes XXII. setzte also einen besonders strittigen Ansatz des kanonischen Rechts fort, als er Ludwig die Ausübung von Rechten im Reich mit dem Argument verbot, dass er noch nicht approbiert sei.203 Gerade der Ansatzpunkt der 194 Gl. Studijs, Glossa ordinaria zu D. 63, c. 34 (!) (wie Anm. 74), S. 224a. 195 Vgl. Gl. Ad zelum, Glossa ordinaria zu X 1.6.55 (wie Anm. 35), S. 146, col. 2: in elec­tionibus hodie consideratur zelus, & merita electorum considerantur, & dignitas eligentium, vt ex omni­ bus istis maior & sanior pars censeatur. […] Illa enim maior pars & sanior censetur, quae est iustior, & mairoi ra­tione nititur & aequitate. 196 Petrus de Biaxio, Directorium (wie Anm. 38), fol. 26r. 197 So Johannes Monachus, Glossa aurea zu VI 1.6.1.25 (wie Anm. 37), n. 2, fol. 105rb. 198 Gl. Cupientes (1), Glossa ordinaria zu VI 1.6.16 (wie Anm. 53), col. 111. 199 Gl. Nunc ergo queritus, Glossa ordinaria zu D. 63, c. 32 (wie Anm. 74), S. 223, col. 2. 200 Albericus de Rosate, Comm. zu C. 7.37.3 (wie Anm. 5), n. 7 f., fol. 107rb, hier Johannes Andreae zitierend; ebenso Gl. Futurus, Glossa ordinaria zu Clem. 1.9.1 (wie Anm. 53), col. 120, während die Dekretale vom ‚künftigen‘ K ­ aiser spricht, sei Johannes Andreae der Auffassung gewesen, die Macht sei schon mit der Wahl übertragen worden. Die Glosse stellt insoweit die Aussage der Dekretale in Frage. 201 Bartolus, Tractatus Ad repimentum (wie Anm. 178), v. Reges, fol. 93ra. 202 Baldus de Ubaldis, Margarita repertorij Innocentii super Decretalibus, s. v. Imperator ante corona­tionem, Venedig 1570; ND Frankfurt a. M. 2008, fol. c. 3b. 203 Weitergehend hierzu Jürgen Miethke, Der Kampf Ludwigs des Bayern mit Papst und avignone­sischer Kurie in seiner Bedeutung für die deutsche Geschichte, in: K ­ aiser Ludwig

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gespaltenen Wahl verlieh ihm zwar die Mög­lichkeit, die Entscheidungsmacht des approbierenden Papstes einzubringen. Doch lag eigent­lich nach dem Ausgleich z­ wischen Ludwig IV. und Friedrich dem Schönen im Münchener Vertrag vom 5. September 1325 und der Vereinbarung eines Doppelkönigtums keine Wahl in discordia mehr vor. Johannes XXII . musste daher die zwischenzeit­liche Einigung übergehen und allein auf die ursprüng­liche discordia eingehen. Neun Jahre nach der Wahl war er damit gezwungen, die Rechtmäßigkeit der ursprüng­lichen Wahl anzugreifen sowie die Unwirksamkeit der Amtsgeschäfte von Anfang an zu bezweifeln.204 Doch inhalt­lich setzte sich Johannes XXII . damit in Widerspruch zu den herkömm­lichen Anschauungen vom Recht des gewählten Monarchen in Legistik und Kanonistik. Sogar der große Kanonist Johannes Monachus (1240/50 – 1313) stimmte ihm in d­ iesem Ansatz nicht zu. Wichtiger als die Bestätigung, so lehrte dieser Kardinal noch vor 1313, sei die erfolgreiche Herrschaft, denn der Besitz habe mehr Aussagekraft als ein Rechtstitel: Sed in iure quaesito non est necessarium decretum id est confirmatio sed executio[ne] ideo merito quis potest consequi varios titulos super eodem beneficio et oratio[ne] illorum se defendere.205

Aber nach dem Prinzip der wohlerworbenen Rechte sei es nicht erforder­lich, dass ein Beschluss, also eine Bestätigung, erteilt werde. Schon durch die berechtigte Ausführung könne jemand verschiedene Berechtigungen über dasselbe Benefizium erreichen und sich gegen die Rede der anderen verteidigen. Die erfolgreiche

der Bayer. Konflikte, Weichenstellungen und Wahrnehmung seiner Herrschaft, hg. von ­Hermann Nehlsen  – Hans-­Georg Hermann (Quellen und Forschungen aus dem Gebiet der Geschichte n. F. 22), Paderborn u. a. 2002, S. 39 – 74, hier S. 44, S. 56; S­ ebastian Zanke, Johannes XXII., Avignon und Europa. Das politische Papsttum im Spiegel der kurialen Register (1316 – 1334) (Studies in Medieval and Reforma­tion Tradi­tions 175), Leiden – Boston 2013, S. 88 ff., zu Johannes‘ weitergehender Approba­tionstheorie; zur Geschichte der Approba­tion und Konfirma­tion Emil Engelmann, Der Anspruch der Paepste auf Konfirma­tion bei den deutschen Koenigswahlen, Breslau 1886, S. 29 ff., zur Kontroverse; ebenso Hermann Schwöbel, Der diplomatische Kampf ­zwischen Ludwig dem Bayern und der römischen Kurie (Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte 10), Weimar 1978, S. 161 ff. 204 Vgl. Johannis XXII. Papae primus processus contra Ludewicum Regem (8. 10. 1323), ed. Jacob Schwalm (MGH Const. 5), n. 2, S. 617: in discordia. 205 Johannes Monachus, Glossa aurea zu VI 1.6.16 (wie Anm. 37), n. 2, fol. 105ra.

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Verteidigung der Posi­tion wurde also in der frühmittelalter­lichen Tradi­tion 206 wie ein Ordal als ­­Zeichen der gött­lichen Zustimmung gewertet.207 Diese Tradi­tion wurde auch in der Frühen Neuzeit weitergeführt.208

Schluss Die Formulierung des in imperatorem promovendus verdeut­licht noch einmal den Ansatz dieser Untersuchung. Es ging hier nicht darum, umfassend die unmittelbare Geltung des kanonischen Rechts zu postulieren oder das Kaisertum von ­Ludwig IV. zu erklären.209 Das war vielmehr die Absicht der Päpste von Innozenz III. bis J­ ohannes XXII., der um 1314 teilweise zugestimmt wurde, die letzt­ lich jedoch durch ‚Licet iuris utriusque‘ unmissverständ­lich und endgültig abgelehnt wurde. Die vollständige Geltung des kanonischen Rechts bei der deutschen Königswahl war also ein politisches Anliegen der Kurie, dem manche welt­lichen Fürsten zustimmten, das sich jedoch nicht durchsetzen konnte. Dennoch gibt es verschiedene Mög­lichkeiten einer Einwirkung des kanonischen auf das deutsche Wahlrecht. Schon die Zeitgenossen sahen hier drei verschiedene Mög­lichkeiten. Nach Guido de Baysio sollte man eine großzügige von einer strikten oder gar sehr strikten Handhabung unterscheiden: Electio dicitur canonica tribus modis. Scilicet large, stricte et strictius. Strictius dicitur canonica vbi omnia interueniunt etiam que sunt de solennitatibus qui a iure precipiun­tur, et sic loquitur istud c. nullus. Stricte dicitur canonica vbi omni inte­r­ ueniunt que sunt de substantia et non alia que sunt de solennitate: puta sine quibus nulla est electio: puta si omittatur forma. […] Large autem dicitur canonica que scilicet est secundum ius naturale: quia nulla est seruata forma sed tantum consensus eligentium et electi interuenit.210

206 Dazu Mathias Schmoeckel, Die Jugend der Justitia, Tübingen 2013, S. 147 f. 207 Schubert, Königswahl und Königtum im spätmittelalter­lichen Reich (wie Anm. 8), S. 302, S. 304, zu Zweikampf und Krieg als Gottesurteil bzw. zu Ludwigs Berechtigung nach der Schlacht bei Mühldorf. 208 Vgl. etwa bei Ehrenreich Pirhing SJ (1606 – 1690), Juris canonici methodus nova, D ­ illingen 1674, I.IV sect. X § 1, S. 323. 209 Zu Letzterem etwa Hans-­Jürgen Becker, Das Kaisertum Ludwigs des Bayern, in: ­Kaiser Ludwig der Bayer. Konflikte, Weichenstellungen und Wahrnehmung seiner Herrschaft (wie Anm. 203), S. 119 – 138. 210 Guido de Baysio, Rosarium zu D. 63, c. 1 (wie Anm. 116), n. 2 – 4, fol. 80, col. 1.

Canonice electus

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Die ganz strenge Anwendung erfolge durch alle und die vollkommene Einhaltung aller Formvorschriften. Strikt werde das Wahlrecht eingehalten, wenn die substanziellen Elemente berücksichtigt, gewisse Feier­lichkeiten hingegen übergangen würden. Eine großzügige Anwendung (large) berücksichtige nur noch das Naturrecht in Bezug auf die Wahl, wobei es letzt­lich nicht mehr um Formfragen ging. Hierbei solle nur noch darauf geachtet werden, dass sich der Konsens der Wähler durchsetze. Diese Abstufung passt für den vorliegenden Fall nicht ganz. Der Text verdeut­ licht jedoch, dass die Zeitgenossen eine Heranziehung des kanonischen Rechts auch dort als mög­lich ansahen, wo das kanonische Recht selbst nicht unmittelbar galt. Damit sollte letzt­lich sichergestellt werden, dass in einem sonst weitgehend rechtsfreien Raum Grundprinzipien und Wertungsmög­lichkeiten bestanden. Hier sollte konkret das Prinzip einer Wahl durch die Einhaltung bestimmter Formen erhalten bleiben. Das kanonische Recht gewann also teilweise gerade dadurch seine Kraft, dass es die Konzep­tion einer Rechtsform bestimmte, also hier die Wahl von einem Losverfahren trennte. Nicht zuletzt sicherte die Anlehnung ans kanonische Recht auch die Akzeptanz durch die ­Kirche bzw. die Approba­tion durch den Papst. Ohne Konkurrenz im römischen Recht oder dem Recht der regnum teutonicum waren es diese konzep­tionellen Vorstellungen, die letzt­lich auch ohne offizielle Geltung des kanonischen Rechts Einfluss auf das Wahlverfahren nahmen. Der rex in imperatorem promovendus bemühte ein Anwartschaftsrecht, das in dieser Form für den gewählten Bischof gebildet worden war und nun auf die Verhältnisse des Reichs übertragen wurde. Allen war bewusst, dass das Recht der Bischofswahl nicht ohne Weiteres für den deutschen König übernommen werden konnte. Selbst für die Wahl eines Papstes war das ausgeschlossen, da hier seit dem Papstwahldekret Nicolaus II . Sondervorschriften galten.211 Und gerade hier hatte die Dekretale ‚Licet de vitanda‘ die Zweidrittelmehrheit auf Kosten von Formalien durchgesetzt; gerade hier trat der Gewählte sein Amt ohne weitere Bestätigung unmittelbar an.212 Die Wahl eines welt­lichen Würdenträgers durch überwiegend welt­liche Fürsten war auch für die Zeitgenossen deut­lich eine Angelegenheit außerhalb des geist­lichen Bereichs.

211 Marginalglosse zur Glossa ordinaria bei D. 89, c. 79, Venedig 1572, S. 253, col. 1: Electio papae habet aliqua specialia. 212 X 1.6.6 (Conc. Lat. III a. 1179); so auch Nicolaus Gussone, Thron und Inthronisa­tion des Papstes von den Anfängen bis zum 12. Jahrhundert. Zur Beziehung z­ wischen Herrschaftszeichen und bildhaften Begriffen, Recht und Liturgie im christ­lichen Verständnis von Wort und Wirk­lichkeit (Bonner Historische Forschungen 41), Bonn 1978, S. 294, hier S. 219.

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Mathias Schmoeckel

Wenn man sich aber dem Vorverständnis der Zeitgenossen nähern will, also verstehen will, wie sie das Quorum bestimmten, wo ­welche Probleme auftauchten und was als Wahl in discordia galt und bedeutete, wird man die Vorgaben des kanonischen Rechts berücksichtigen müssen. Hierzu konnten nur einige erste Hinweise gegeben werden. Eine eigent­liche Untersuchung des Rechts der deutschen Königswahl, die dem zeitgenös­sischen Verständnis des Wahlrechts gerecht wird und es in Bezug zu den Wahlverfahren seiner Zeit stellt, steht einstweilen aus. Dieses Desideratum müsste dann auch eine Fülle weiterer Fragen klären, ­welche hier nicht angesprochen werden konnten. Das schließt etwa die Bestimmung der Wahlberechtigten aus kanonistischer Perspektive ein.

De benedic­tione et corona­tione regis Liturgie im Kontext politischer Repräsenta­tion Albert Gerhards

Vom Gebet für die Obrigkeit zum Krönungsritual Das Gebet für den ­Kaiser und die römische Obrigkeit ist in der paganen Religiosität wie auch im Judentum bezeugt. Die Christen schlossen sich dem an. Im ersten Timotheusbrief heißt es: Vor allem fordere ich zu Bitten und Gebeten, zu Fürbitte und Danksagung auf, und zwar für alle Menschen, für die Herrscher und für alle, die Macht ausüben, damit wir in aller Frömmigkeit und Rechtschaffenheit ungestört und ruhig leben können (1Tim 2,1 – 2).

Steht hier der Gedanke der fried­lichen Weltordnung für ein gedeih­liches Leben im Vordergrund, so tritt in anderen Texten der Gedanke der Gottgegebenheit der welt­lichen Macht in den Blick. Eines der ältesten nachbib­lischen Zeugnisse christ­ licher Literatur, der erste Clemensbrief, endet mit einem Gebet. Darin heißt es: Gib, dass wir deinem allmächtigen und vortreff­lichen Namen, sowie unseren Herrschern und Vorgesetzten auf Erden gehorsam s­ eien! Du, Herr, hast ihnen die Königsgewalt gegeben durch deine erhabene und unbeschreib­liche Macht, damit wir die von dir ihnen gegebene Herr­lichkeit und Ehre anerkennen und uns ihnen unterordnen, keineswegs deinem Willen zuwider; gib Ihnen, Herr, Gesundheit, Frieden, Eintracht, Beständigkeit, damit sie die von dir ihnen gegebene Herrschaft untadelig ausüben! Denn du, himm­lischer Herr, König der Äonen, gibst den Menschenkindern Herr­ lichkeit und Ehre und Gewalt über das, was auf Erden ist; du, Herr, lenke ihren Willen nach dem, was gut und wohlgefällig ist vor dir, damit sie in Frieden und Milde frommen Sinnes die von dir ihnen gegebene Gewalt ausüben und so deiner Huld teilhaftig werden!1

1 Schriften des Urchristentums I. Die Aposto­lischen Väter, hg. und übers. von Joseph A. Fischer, Darmstadt 81981, S. 103.

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Das Gebet für den ­Kaiser bzw. König und seinen Hof fand Einzug in das Fürbittgebet der eucharistischen Hochgebete in Ost und West. So heißt die betreffende Stelle in der byzantinischen Chrysostomusliturgie: Für unsere überaus gläubigen und christusliebenden Könige, den ganzen Hof und ihr Heer. Gib ihnen, Herr, eine fried­liche Herrschaft, damit auch wir unter ihrem Schutz, ein ruhiges und stilles Leben führen in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit.2

Im Römischen Kanon wurde nach der Erwähnung von Papst und Bischof nur in Ausnahmefällen für den K ­ aiser bzw. König gebetet, jedoch stets für alle, die den orthodoxen, katho­lischen und aposto­lischen Glauben förderten.3 Im Grunde geht es in diesen Gebeten primär um die Ermög­lichung optimaler Lebensumstände für die ­Kirche und ihre Mitglieder. Wie kommt es aber vom bloßen Gebet für den König bzw. K ­ aiser zum Krönungsritual? Wie Kai Trampedach in dem Band ‚Investitur- und Krönungs­ rituale. Herrschaftseinsetzungen im kulturellen Vergleich‘ (2005) in Bezug auf Krönungsrituale im Konstantinopel des 5. bis 6. Jahrhunderts bemerkt, war für die römischen K ­ aiser ein eigenes Inaugura­tionsritual keineswegs vorgesehen. Das republikanische Rom machte jede religiöse Überhöhung des Kaisertums obsolet. Allerdings änderte sich dies seit Konstantin, als er das Diadem im Jahr 325 zum Attribut seiner monarchischen Selbstdarstellung machte. Kaiserkrönungen sind seit 360 überliefert, als Julian in Paris von den germanischen Legionen auf den Schild gehoben wurde. Der Ursprung des Rituals ist also nicht religiös, sondern militärisch. Längere Zeit blieb es bei einer Zweiteilung des Rituals ­zwischen militärisch-­säkularem und religiös-­kirch­lichem Bereich, bis seit K ­ aiser Phokas im Jahr 602 die Krönung stets in der ­Kirche stattfand, seit 641 in der Hagia Sophia. Nun diente das Ritual zur Legitima­tion, ja zur quasi-­sakramentalen Verleihung der Herrschaft. Dies blieb so bis zum Fall von Konstantinopel.4

2 Die Gött­liche Liturgie des hl. Johannes Chrysostomus mit den besonderen Gebeten der Basilius-­Liturgie im Anhang, Heft A Griechisch-­Deutsch, hg. von Fairy v. Lilienfeld (Oikonomia 2 A), Erlangen 1979, S. 139. 3 Vgl. Josef Andreas Jungmann, Missarum Sollemnia. Eine genetische Erklärung der römischen Messe 2, Freiburg 51962, S. 197 ff. 4 Vgl. Kai Trampedach, Kaiserwechsel und Krönungsritual im Konstantinopel des 5. bis 6. Jahrhunderts, in: Investitur und Krönungsrituale. Herrschaftseinsetzungen im kulturellen Vergleich, hg. von Marion Steinicke – Stefan Weinfurter, Köln 2005, S. 275 – 290, bes. S.  275 – 283.

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Weihe- und Krönungsrituale für Könige sind seit dem frühen Mittelalter für zahlreiche Dynastien in Europa bezeugt. Die Rituale haben dabei durchaus unterschied­lichen Charakter. Teilweise sind sie den sakramentalen Ordines nachempfunden, teilweise haben sie stärker einen laikalen Charakter, basierend auf den Ritualen der Initia­tion.5 Gegenüber einigen stabilen Elementen ändert sich die Interpreta­tion des Rituals je nach geschicht­lichem Kontext. Als bischöf­l icher Ritus fand das Krönungsritual Aufnahme in das sogenannte Pontifikale, dessen erster Vertreter das Pontifikale Romano-­Germanicum ist, um 950 in Mainz entstanden. Der dort bezeugte Ordo bzw. dessen Derivat ist maßgeb­lich für die hier interessierende Krönungszeremonie der deutschen Könige und ­Kaiser, während das im Auftrag des Trienter Konzils herausgegebene Pontifikale Romanum von 1596 auf einem Ende des 13. Jahrhunderts von Durandus von Mende zusammengestellten Pontifikale beruht, das außerrömische Tradi­tionen einfügt. Der Ordo für die Königsweihe und -krönung ist der der franzö­sischen Könige.6

Der Aachener Krönungsordo Der Aachener Krönungsordo liegt in der Edi­tion einer Pariser Handschrift des 15. Jahrhunderts (Na­tionalbibliothek Paris Nr. 985) in den Monumenta Germaniae Historica (1887) vor.7 Die von Georg Heinrich Pertz besorgte Ausgabe wurde 1914 von Eduard Eichmann in einer kirchenrecht­lichen Quellensammlung nachgedruckt.8 Die schon in den Fünfzigerjahren des vorigen Jahrhunderts zu Recht monierte neue kritische Edi­tion lässt nach wie vor auf sich warten. Dennoch sind die von Walter Goldinger (1957) gegebenen Hinweise insbesondere hinsicht­lich der Datierungsfrage von großer Bedeutung.9 Inzwischen hat Andreas Büttner in seiner Disserta­tion „Der Weg zur Krone. Rituale der Herrschererhebung im 5 Vgl. Arnold Angenendt, Rex et Sacerdos. Zur Genese der Königssalbung, in: Tradi­tion als historische Kraft. Interdisziplinäre Forschungen zur Geschichte des früheren Mittel­alters, hg. von Norbert Kamp – Joachim Wollasch, Berlin – New York 1982, S. 101 – 118. 6 Vgl. zum Ganzen den (frei­lich in Teilen überholten) Überblick bei Pierre de Puniet, Das römische Pontifikale. Geschichte und Kommentar 2, Klosterneuburg 1935, S. 176 – 210. 7 Coronatio Aquisgranensis, ed. Georg Heinrich Pertz, in: MGH LL 2, Hannover 1837, S.  384 – 392. 8 Kirche und Staat 2: Von 1122 bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts (Quellensammlung zur kirch­lichen Rechtsgeschichte und zum Kirchenrecht 2), hg. von Eduard Eichmann, Paderborn 1914, Nr. 25, S. 56 – 69. 9 Walter Goldinger, Das Zeremoniell der deutschen Königskrönung seit dem späten Mittel­alter, in: Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs 5 (1957), S. 91 – 111.

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spätmittelalter­lichen Reich“ (2012) unter Einbeziehung weiterer Handschriften die Argumente Goldingers noch einmal kritisch überprüft.10 Goldinger bezog sich auf insgesamt 18 Handschriften, die allerdings im Wesent­ lichen übereinstimmen. Die Quellen lassen sich nach ihm in zwei Gruppen einteilen: Pontifikalien und Zeremonienbücher. Erstere sind für den eigent­lichen litur­gischen Vollzug gedacht, andere wohl für die Hand der an der Königskrönung teilnehmenden Würdenträger. Die in den Monumenta veröffent­lichte Pariser Handschrift gehört zu dem seit der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts bezeugten letzteren Typ; die in unserem Zusammenhang bedeutendere Pontifikale-­Tradi­tion lässt sich in der handschrift­ lichen Überlieferung nach Goldinger nur bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen. Allerdings fußt die Textüberlieferung auf älteren Quellen, so wird in einer Handschrift der 1342 gestorbene Koadjutor von Lüttich, Daniel Wichterich, genannt.11 Büttner bringt überzeugende Argumente für die Vordatierung der Handschrift der Österreichischen Na­tionalbibliothek Wien Nr. 459 (MS Ambras. 298) in das 14. Jahrhundert.12 Aufgrund der Einbindung der Krönungszeremonie in die Liturgie des 6. Januar wurde in der Forschung allgemein die erstmalige Verwendung bei der Königskrönung Heinrichs VII. am 6. Januar 1309 angenommen. Büttner behandelt die Datierungsfrage ausführ­lich und kommt aufgrund innerer und äußerer Kriterien jedoch zu einer Datierung um 1325.13 Die Liturgie vom 6. Januar – vom Fest Epiphanie – erscheint auch unabhängig von einer kalendarischen Koinzidenz für eine Krönungszeremonie als besonders geeignet.14 Dieser Ordo beruht frei­lich auf den alten Formularen für die deutsche Königskrönung, ist also bei allen politisch und recht­lich bedingten Veränderungen ein Zeugnis von ritueller Kontinuität.15

Zum Inhalt der Königskrönungsordnung Wie bereits erwähnt, fußt der Ordo des 14. Jahrhunderts auf der Mainzer Ordnung aus der Mitte des 10. Jahrhunderts bzw. einer um 980 entstandenen Überarbeitung. Neu sind demgegenüber die erwähnte Verflechtung mit der Liturgie vom 6. Januar 10 Andreas Büttner, Der Weg zur Krone. Rituale der Herrschererhebung im spätmittelalter­ lichen Reich (Mittelalter-­Forschungen 35), Ostfildern 2012, S. 118 – 163. Dem Verfasser sei für wichtige Hinweise gedankt! 11 Vgl. Goldinger, Zeremoniell der deutschen Königskrönung (wie Anm. 9), S. 100. 12 Vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 10), S. 120 f. 13 Vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 10), S. 125 – 142. 14 Vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 10), S. 131. 15 Vgl. Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 10), S. 154 – 169.

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sowie weitere Einzelheiten. So werden die Formulare für die Krönung des Königs und der Königin nun in einem einheit­lich zusammengefassten Text verbunden, während sie in den älteren Überlieferungen wie auch im späteren Pontifikale Romanum getrennt hintereinandergestellt wurden. Ein deut­licher Unterschied besteht in der Thronsetzungsformel, bei der im neueren Text nicht mehr von der väter­lichen Nachfolge die Rede ist, sondern von der Wahl. Hier spiegelt sich die Änderung der recht­lichen Voraussetzung für die Erlangung der Königswürde wider. Im Folgenden wird eine kurze Beschreibung des Ritus gegeben 16: Die Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier begeben sich mit dem hohen Klerus in feier­licher Prozession zur Kirchentür des Aachener Münsters, wo sie den König empfangen und in das Innere geleiten. Im Chor wirft sich der König auf einem Teppich nieder, der Erzbischof von Köln spricht über ihn einige Gebete. Sodann erhebt sich der König und nimmt seinen Sitz ein. Ist die Königin anwesend, wird sie nunmehr herangeführt und neben den König gesetzt. Es beginnt die Messe, die bis zum Graduale fortgesetzt wird. Nun wird der König wieder vor den Altar geführt, er wirft sich abermals nieder (mit ausgebreiteten Armen), und es wird die Allerheiligenlitanei gesungen. Danach erhebt sich der König wieder, der Erzbischof von Köln als Konsekrator richtet an ihn einige Fragen. Darauf wendet sich der Kölner Erzbischof an die Kurfürsten, Klerus und Volk. Diese Befragung endet mit der Akklama­tion, einem dreimaligen Fiat. Da der König in der Regel der lateinischen Sprache nicht mächtig war, erfolgte eine deutsche Wiederholung, die ein höherer Kleriker vorzunehmen hatte. Die feier­liche Handlung setzt sich fort mit der Salbung und der Übergabe der Insignien, die mit der durch alle drei Erzbischöfe und Kurfürsten gemeinsam zu vollziehenden Krönung abgeschlossen wird. Darauf folgt eine Eidesleistung am Altar. Nach der Ablegung des Eides wird der König in die Oberkirche des Aachener Münsters geführt, wo auf dem Stuhl Karls des Großen die Thronsetzung mit der schon erwähnten Formel erfolgt. Im Ordo des 14. Jahrhunderts folgen nun die Zeremonien für die Königin: Segnung, Salbung und Krönung; von einer Insignienübergabe ist nicht die Rede. Die Zeremonie schließt mit dem feier­lichen Te Deum. Das Hochamt wird darauf mit dem Evangelium fortgesetzt. Vor der Kommunion folgt in der Fassung des 14. Jahrhunderts die Benedik­tion des Königs. Dieser Ordo blieb auch nach dem Wechsel des Ortes der Krönung von Aachen nach Frankfurt gültig. In den späteren Quellen sind zahlreiche Sonderbräuche bezeugt. Vor allem nach der Reforma­tion mussten Modifika­tionen vorgenommen

16 Vgl. Goldinger, Zeremoniell der deutschen Königskrönung (wie Anm. 9), S. 104 ff.; Büttner, Weg zur Krone (wie Anm. 10), S. 142 – 154.

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werden. Insgesamt erfuhr der Ritus bis zu seiner letzten Verwendung im Jahr 1792 jedoch keine wesentliche Veränderung.17

Bemerkungen zur Struktur und zu einigen zentralen Elementen des Ritus Der folgende Abschnitt präsentiert die zentralen Elemente des Ritus hinsichtlich der Rubriken (Ritenbeschreibungen) und Texte ausführlicher. Dabei kann es sich allerdings nur um eine kursorische Betrachtung handeln, eine eingehende liturgiewissenschaftliche Untersuchung bleibt – bei aller Wertschätzung der historischen Vorarbeiten – ein Desiderat. Das Krönungsritual findet innerhalb einer Messfeier vor dem Evangelium statt. Allerdings werden auch an anderer Stelle besondere Riten vollzogen, so die Benediktion (Segnung) des Königs vor der Kommunion. Die Feier hat folgenden Aufbau: I. Einzugsritual • Empfang am Kirchenportal • Geleit (Prozession) in die Kirche • Prostration und Gebete II. Messfeier (‚Vormesse‘) • Confiteor, Introitusgesang • Collecta – Lectio • Graduale, Alleluja (Tractus), Sequenz III. Segenshandlung • Litanei • Scrutinien (Befragung) • Salbung • Überreichung der Insignien • Krönung • Eid • Inthronisation • Zeremonien der Königin

17 Vgl. Goldinger, Zeremoniell der deutschen Königskrönung (wie Anm. 9), S. 110.

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IV. Fortsetzung der Messe • Evangelium • Credo • Offertorium • Canon Missae • Pater noster • Pax: Benediktion des Königs • Communio • Abschluss der Messe Kommentierender Durchgang durch den Aachener Krönungsordo: I. Einzugsritual 1. Die Erzbischöfe von Köln (EB), Mainz und Trier begeben sich mit dem hohen Klerus in feierlicher Prozession zur Kirchentür des Aachener Münsters, wo sie den König (K) empfangen und in das Innere geleiten. EB: Adiutorium… K: Sit nomen Domini benedictum… Oration: Omnipotens sempiterne Deus, qui famulum tuum N. regni fastigio dignatus es sublimare, tribue ei quesumus, ut ita in presentis seculi cursu, cunctorum in communem salutem disponat, quatenus a tue veritatis tramite non recedat. Per… Die Bischöfe von Mainz und Trier führen den König an der Hand in den Chor, voraus der EB von Köln mit Klerus, Kreuz, Weihrauch, Evangeliar und Reliquien. Währenddessen singt der Chor: Ecce mitto angelum meum, qui precedat te et custodiat semper… (vgl. Ex 23,20 – 23). Im Chor wirft sich der König auf einem Teppich nieder, der Erzbischof von Köln spricht über ihn einige Orationen. Sodann erhebt sich der König und nimmt seinen Sitz ein. Ist die Königin anwesend, wird sie nunmehr herangeführt und links neben den König gesetzt, rechts und links von ihnen die Bischöfe von Mainz und Trier. 2. Es beginnt die Messe mit dem Confiteor, darauf der Introitus vom 6. Januar: Ecce advenit dominator Dominus, et regnum in manu eius et potestas et imperium. (vgl. Mal 3,1; 1 Chron 29,12 ; Ps 71) Collecta: Deus, qui unigenitum tuum gentibus stella duce revelasti… (vom 6. Januar) Collecta: Deus, qui miro ordine angelorum universa disponis et ineffabiliter gubernas, presta quesumus, ut famulus tuus iste quem in regem assumere voluisti, huius seculi iusticiam iuste decernat implendam, unde tibi in perpetuum placere valeat in regione vivorum. Per dominum.

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II. Messfeier (‚Vormesse‘) Lesung: Jes 60,1 – 6 (‚Auf, werde Licht, Jerusalem‘) Graduale: Omnes de Saba venient … ( Jes 60,1) Alleluja: Vidimus stellam … (vgl. Mt 2,2) Sequenz: Festa Christi omnis christianitas celebret (Notker von St. Gallen)18 In der Quadragesima statt des Alleluja: Tractus: Desiderium anime eius tribuisti ei… (Ps 20,3) III. Segenshandlung 3. Nun wird der König nach Ablegen des könig­lichen Palliums wieder vor den Altar geführt, er wirft sich abermals nieder (in Kreuzform mit ausgebreiteten Armen), und es wird von zwei Klerikern die Allerheiligenlitanei gesungen. Der EB erhebt sich und singt mit Stab: Ut hunc famulum tuum N. in regem eligere digneris. Klerus: Te rogamus audi nos. EB: Ut eum bene+dicere subli+mare et conse+crare digneris. Klerus: Te rogamus. EB : Ut eum ad regnis et imperii fastigium feliciter perducere digneris. Klerus: Te rogamus. 4. Nach der Litanei erheben sich alle, und der EB befragt den König: Vis sanctam fidem catholicis viris traditam tenere et operibus iustis servare? – Volo. Vis sanctis ecclesiis ecclesiarumque ministris fidelis esse tutor et defensor? – Volo. Vis regnum a Deo tibi concessum secundum iusticiam predecessorum tuorum regere et efficaciter defendere? – Volo. Vis iura regni et imperii, bona eiusdem iniuste dispersa, conservare et recuperare, et fideliter in usus regni et imperii dispensare? – Volo. Vis pauperum et divitum, viduarum et orphanorum, equus esse iudex et pius defen­ sor? – Volo. Vis sanctissimo in Christo patri et domino Romano pontifici et sancte Romane ecclesie subiec­tionem debitam et fidem reverenter exhibere?

18 Notkeri Liber Hymnorum/Notkers Hymnenbuch, ed. Wolfram von den Steinen, in: Notker der Dichter und seine geistige Welt, Bern 21978, S. 22.

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Der König sagt, zwei Finger der rechten Hand auf dem Altar liegend: Volo, et in quantum divino fultus fuero adiutorio, et precibus fidelium christianorum adiutus valuero, omnia premissa fideliter adimplebo; sic me Deus adiuvet et sancti eius. Dann wird der König wieder vor den Altar geführt. Der EB befragt die Fürsten, den Klerus und die Umstehenden: Vultis tali principi ac rectori vos subiicere, ipsius que regnum firmare, fide stabilire, atque iussionibus illius obtemperare; iuxta aposto­ lum: Omnis anima potestatibus sublimioribus subdita sit, sive regi quasi precellenti? Alle antworten: Fiat. Fiat. Fiat. Falls der König der lateinischen Sprache nicht mächtig ist, erfolgt eine deutsche Wiederholung, die ein höherer Kleriker vorzulesen hat. Danach streckt sich der König wiederum nieder, und es folgt eine Benedik­tion: Bene+dic Domine hunc regem nostrum… Deus ineffabilis auctor mundi… (mit zahlreichen atl. Typologien) 5. Darauf erhebt sich der König, und der EB salbt sein Haupt mit Katechumenenöl und sagt: Pax tibi. Klerus: Et cum spiritu tuo. EB: Ungo te in regem de oleo sanctificato in nomine Pa+tris et Fi+lii et Spi+ritus sancti amen. Währenddessen singt der Klerus: Unxerunt Salomonem Sadoch sacerdos et Nathan propheta regem in Syon, et procedentes leti dixerunt vivat rex in eternum. Danach salbt der EB die Hände (palmas manuum) des Königs und sagt: Ungantur manus iste de oleo sanctificato, unde uncti fuerunt reges et prophete, et sicut unxit Samuel David in regem; ut sis benedictus et constitutus rex in regno isto super populum istum, quem dominus Deus tuus dederit tibi ad regendum et gubernandum. Quod ipse prestare dignetur, qui vivit et regnat Deus in secula seculorum. Amen. Wiederholung der Antiphon: Unxit te Deus… Dann wird das Öl von den Kaplänen mit reiner Wolle abgewischt. Der König wird zum Armarium geführt und dort mit Sandalen, Albe und Stola in Kreuzform über der Brust, ohne Cappa bekleidet. Dann geht er zu seinem Sitz beim Altar zurück, und der EB spricht die Ora­tion: Prospice omnipotens Deus… Spiritus Sancti gracia humilitatis nostre officio in te copiosa descendat… Deus qui es iustorum gloria et misericordia peccatorum… Dominus vobiscum. – Et cum spiritu tuo. Sursum corda. – Habemus ad dominum. Gratias agamus domino Deo nostro. – Dignum et iustum est. Vere dignum… Deus, creator omnium, imperator angelorum, regnancium rex, domi­ nusque dominancium, qui Abraham famulum tuum de hostibus triumphare fecisti…

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Deus Dei filius Ihesus Christus dominus noster, qui a Patre oleo exulta­tionis unctus est… 6. Dann übergeben die drei Erzbischöfe gemeinsam dem König das Schwert, und der EB sagt: Accipe gladium per manus episcoporum… Dann überreicht der EB Armreifen, Pallium und Ring und sagt: Accipe regie dignitatis annulum, et per hunc catholice fidei cognosce signaculum… Dann übergibt der EB Zepter und Reichsapfel und sagt: Accipe virgam virtutis atque equitatis… 7. Alle drei Erzbischöfe setzen dem König gemeinsam die Krone aufs Haupt und sprechen gemeinsam: Accipe coronam regni… 8. Darauf führen die Erzbischöfe von Mainz und Trier den König zum Altar. Hier leistet der König mit beiden Händen auf dem Altar den Eid (professio) in seiner Muttersprache, dann auf Latein: Profiteor et promitto coram Deo et angelis eius… 9. Nach der Ablegung des Eides wird der König zu seinem Thron geführt (in die Oberkirche des Aachener Münsters, zum Altar der hl. Simon und Iudas), währenddessen wird die Antiphon gesungen: Desiderium anime eius tribuisti ei Domine… (Ps 20,3) Dann sagt der EB (die neue Formel): Ita retine amodo locum regium, quem non iure hereditario nec paterna successione, sed principum seu electorum in regno Alemanie tibi noscas delegatum, maxime per auctoritatem Dei omnipotentis, et tradicionem nostram presentem, et omnium episcoporum ceterorumque servorum Dei; et quanto clerum sacris altaribus propin­ quiorem prospicis, tanto ei pociorem in locis congruis honorem impendere memineris, quatinus mediator Dei et hominum te mediatorem cleri ac plebis in hoc regni solio confirmet, et in regno eterno secum regnare faciat Ihesus Christus dominus noster rex regum et dominus dominancium, qui cum Deo Patre et Spiritu sancto vivit et regnat Deus in secula seculorum. Amen. 10. Im Ordo des 14. Jahrhunderts folgen nun die Zeremonien mit der Krönung der Königin: Segnung, Salbung (der Brust) und Krönung; nach der Reinigung vom Öl wird sie wieder zur Linken des Königs geleitet. Der Klerus singt das Te Deum.

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IV. Fortsetzung der Messe 11. Das Hochamt wird darauf mit dem Evangelium fortgesetzt: Mt 2,1 – 12. Credo Offertorium: Reges Tharsis et Insule… (Ps 71,10.11) Der König opfert mit dem Zepter in der Hand, danach die Königin, dann die Fürsten nach Rangfolge. Secreta: Ecclesie tue… Alia: Concede quesumus omnipotens Deus hiis salutaribus sacrificiis placatus, ut famulus tuus N. ad peragendum regalis officium dignitatis, inveniatur semper ydo­ neus, et celesti patrie reddatur acceptus. Per dominum. 12. An der Stelle Et pax eius folgt die Benedik­tion des Königs. Der Diakon sagt: Humiliate vos ad benedic­tionem. Klerus: Deo gratias. EB: Benedicat tibi dominus custodiatque te, et sicut te voluit super populum suum esse regem, ita in presenti seculo felicem et eterne felicitatis tribuat esse consortem. – Amen. Clerum ac populum quem sua voluit opitulacione in tua sanc­tione congregari, sua dispensacione et tua amministracione per diuturna tempora faciat feliciter gubernari. – Amen. – Quatinus divinis monitis parentes, adversitatibus carentes, bonis omnibus exuberantes, et in presenti seculo tranquillitate fruantur, et tecum eternorum civium consorcio potiri mereantur. – Amen. – Quod ipse prestare dignetur, cuius regnum et imperium sine fine permanet per secula seculorum. – Amen. – Benedictio Dei Pa+tris omnipotentis et Fi+lii et Spiritus+sancti et pax Dei sit semper vo+biscum. 13. Communio: Vidimus stellam… (vgl. Mt 2,2) Completorium: Presta quesumus… Alia: Hec Domine salutaris sacrificii perceptio, famuli tui maculas diluat, et ad regen­ dum secundum tuam voluntatem populum ydoneum illum reddat; in hoc salutari ministerio contra visibiles et invisibiles hostes scuto tue protec­tionis reddatur invictus, per quod mundus est divina dispensacione redemptus. Per dominum. Die eigent­liche Segenshandlung entspricht dem allgemeinen Schema sakrament­licher Feiern: Allerheiligenlitanei, Bereitschaftserklärung, (quasi-)sakramentale Kernhandlung, ausdeutende Riten (Bekleidungs- und Überreichungsriten), abschließende Riten. Der Kernritus des Krönungsordo ist zweifellos die Salbung mit Katechumenenöl, die hier durch eine feier­liche (Weihe-)Präfa­tion abgeschlossen wird (Nr. 5). In den Begleittexten spielen die alttestament­lichen Königs- und Prophetensalbungen eine Rolle. Auch wird die Salbung mit Christus, dem Gesalbten, in Verbindung

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gebracht. Die Krönung bildet dagegen keinen eigenen Schwerpunkt, sondern stellt nur den Abschluss der Überreichungsriten dar, vor der Ablegung des Eides und der Inthronisa­tion. Inhalt­lich steht der Gedanke der gerechten Regierung im Vordergrund, wie etwa aus der Collecta (Nr. 2) und den Skrutinien (Nr. 4) hervorgeht. Die Lesungen, Gebete und Gesänge vom Epiphaniefest verweisen dabei stets auf den eigent­lichen König, den dominator dominum. Dabei spielt frei­lich auch der Gedanke des Schutzes, insbesondere des christ­lichen Glaubens und der K ­ irche, eine Rolle, was durchaus kriegerische Ak­tionen einschließt (vgl. die Alia, Nr. 13).

Theolo­gische Reflexion: ein Ritual im Zwischenraum von K ­ irche und Gesellschaft Zur Deutung der Salbung: klerikal (Bischofsweihe) oder laikal (Firmung)? In der Literatur wird das Krönungsritual durchweg mit der Bischofsweihe in Verbindung gebracht. Zwar wurde der König auch in den anderen Krönungs­ritualen nicht zum Kleriker, doch inszeniert das Ritual die könig­liche Würde mit weiheaffinen Elementen. In erster Linie gehört dazu die Salbung. Pierre de Puniet grenzt in seinem Kommentar des Pontifikale Romanum die Salbungszeremonie des Königs von den rein kirch­lichen Weihen ab: „Entgegen der Bischofs- und Abtsweihe (in ihrem ursprüng­lichen Sinn) ist die Zeremonie der Salbung nie als authentische Verleihung und Übertragung der Gewalt, noch folg­lich als wesent­liche Bedingung für den rechtmäßigen Besitz dieser selben Gewalt aufgefasst worden. Sie ist und war immer nur eine feier­liche Anerkennung und im Namen Gottes erteilte Genehmigung des zuvor durch Geburt oder Wahl verliehenen Thronrechtes.“ 19 Die Herleitung der Salbung im Aachener Krönungsordo von der Bischofsweihe stieß aber stets auf ein unüberwind­liches Hindernis. Die römische Weiheliturgie kannte im 10. Jahrhundert noch keine Salbung; sie kam erst s­ päter aufgrund der fränkisch-­germanischen Austauschbeziehungen in den Ritus hinein. Arnold Angenendt hat sich 1982 in dem Beitrag ‚Rex et Sacerdos. Zur Genese der Königssalbung‘ mit dieser Frage auseinandergesetzt und kommt zu dem Schluss: „Die römische Liturgie […] kannte im postbaptismalen Teil der Taufliturgie zwei Salbungen, wobei die erste von einem Priester auf dem Haupt und die zweite von einem Bischof an der Stirn vollzogen wurde. Die in diesen Salbungen von dem

19 De Puniet, Das römische Pontifikale (wie Anm. 6), S. 170.

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rex et sacerdos Christus verliehene Königs- und Priesterwürde wurde durch die Übergabe von Priestergewändern und einer ‚Krone‘ noch zusätz­lich angedeutet. Auf diese Weise stellte der postbaptismale Teil der Taufliturgie einen Ritus dar, den man seiner Struktur nach auch zur Salbung und Krönung von Königen verwenden konnte. […] Wegen der viel näherliegenden Parallele zur Taufsalbung bleibt darum eine Herleitung von den damals sich gerade erst bildenden Salbungsriten der Priester- und Bischofsweihe ganz unwahrschein­lich.“ 20 Diese Erkenntnis scheint insofern bedeutsam, als die Herleitung der priester­ lichen und könig­lichen Würde des neuen Königs vom sacerdotium commune eine sakramentale Überhöhung des Rituals konterkariert. Das mag damit zusammenhängen, dass man auch auf diese Weise die Unterordnung des Königs unter die kirch­liche Autorität zum Ausdruck bringen wollte, die im letzten feier­lichen Scrutinium explizit zur Sprache kommt: Vis sanctissimo in Christo patri et domino Romano pontifici et sancte Romane ecclesie subiec­tionem debitam et fidem reveren­ ter exibere? Eine deut­liche Absetzung von den eigent­lich sakramentalen Handlungen ist schließ­lich darin zu erkennen, dass der König anstelle des auch bei der Firmsalbung verwendeten Chrisam mit dem minderwertigen Katechumenenöl gesalbt wird, das ledig­lich zu den vorbereitenden Riten im Zusammenhang mit den Exorzismen vor der Taufe gehört.

Liturgie und Politik Am 6. Dezember 1989 hielt ich meine Bonner Antrittsvorlesung zum Thema „Te Deum laudamus. Die Marseillaise der K ­ irche? Ein christ­licher Hymnus im Spannungsfeld von Liturgie und Politik.“ Es ging auch hier um die Frage der Verschränkung von Liturgie und Politik. Gerade im Ordo der Königskrönung spielte das Te Deum eine bedeutende Rolle und kam erst von dort in die römischen Ordines. Es blieb auch den vom Recht vorgeschriebenen Ritualen (z. B. der Inthronisa­tion) stärker zugeordnet als den eigent­lichen Weiheriten. So konnte es auch völlig losgelöst von der Liturgie zur Staatsmusik werden.21 Bei meiner Berufung nach Bonn gab es noch die Bonner Republik, und ich fand es reizvoll, an dem Ort der politischen Macht über Liturgie und Gesellschaft nachzudenken. Zwar kennt die parlamentarische Demokratie mit Präsidialverfassung keine 20 Angenendt, Rex et Sacerdos (wie Anm. 5), S. 114 f. 21 Vgl. Albert Gerhards, Te Deum Laudamus – Die Marseillaise der ­Kirche? Ein christ­licher Hymnus im Spannungsfeld von Liturgie und Politik, in: LJ 40 (1990), S. 65 – 79, hier S. 71.

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Königskrönung mehr, aber immer noch gibt es Berührungspunkte von politischer Repräsenta­tion und kirch­lichem Ritual. Das mag in der Berliner Republik zwar weniger geworden sein, aber ganz verschwunden ist es auch dort nicht. In Bonn kam (und gelegent­lich kommt) der Münsterkirche ein besonderer Stellenwert als Ort solcher Feiern zu. Insofern gibt es eine Brücke z­ wischen dem Ereignis des frühen 14. und der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Erstaun­lich ist die lange Haltbarkeitsdauer des Rituals der Segnung und Krönung des Königs im Lauf der Zeit, immerhin gut 800 Jahre. Dies entspricht zwar einerseits dem allgemeinen Beharrungsprinzip von Ritualen, erklärt sich andererseits aber auch aus dem Doppelcharakter der Krönungszeremonie. Wie die Katalogbände der Krönungsausstellung vor einigen Jahren in Frankfurt eindrück­ lich belegen, vollzieht sich der Bedeutungswandel vor allem auf der Ebene der welt­lichen Inszenierung, sodass die Archaik des kirch­lichen Rituals sich dazu gleichsam kontrapunktisch verhält.22 Die liturgiewissenschaft­liche Erforschung der mittelalter­lichen Krönungsordines ist noch weitgehend ein Desiderat. Im September 2014 wurde dies auf einem Aachener Symposium anläss­lich des 600-jährigen Weihejubiläums der gotischen Chorhalle der Marienkirche ebenfalls konstatiert.23 Der Blick in den Aachener Krönungsordo hat gezeigt, welcher Reichtum sich in diesen Texten und Riten verbirgt. Ein intensives Studium der bib­lischen Bezüge, eine Analyse der Gebetstexte und Riten lohnt sich gewiss aus historischem Interesse. Mög­licherweise lassen sich daraus aber auch einige Erkenntnisse für heutige Fragestellungen gewinnen, denn die Notwendigkeit einer guten Regierung besteht jederzeit. Wie schrieb doch Paulus: Vor allem fordere ich zu Bitten und Gebeten, zu Fürbitte und Danksagung auf, und zwar für alle Menschen, für die Herrscher und für alle, die Macht ausüben, damit wir in aller Frömmigkeit und Rechtschaffenheit ungestört und ruhig leben können (1Tim 2,1 – 2).

22 Vgl. Die Kaisermacher. Frankfurt am Main und die Goldene Bulle 1356 – 1806 (Katalog­ band – Aufsatzband), hg. von Evelyn Brockhoff – Michael Matthäus, Frankfurt a. M. 2006. 23 Vgl. Albert Gerhards, Haus aus Licht – Raum des Gebets, in: CIG 39 (2014), S. 431.

Familienmodell im Wandel Zu korporativen und dynastischen Vorstellungen der Habsburger zur Zeit Friedrichs des Schönen Gerald Schwedler Bewertungen der Regentschaft Friedrichs des Schönen von Habsburg betonen zumeist den Antagonismus zu Ludwig dem Bayern. Um das Stigma eines Verlierers von Schlachten und Königs in Ketten einerseits und andererseits eine autorisierende Ordnungszahl, hier die III., zu vermeiden, entwickelten Geschichtsschreiber der Renaissance aus einer beiläufigen Angabe in der Königsfelder Chronik zu Friedrich von Habsburg als ein stoltz und schön man den Beinamen ‚der Schöne‘, gerade so, als ob es nichts anderes über seine Regentschaft zu einem Epitheton zu verdichten gäbe.1 Bis heute fehlt eine monographische Untersuchung seiner Persön­lichkeit und Lebensleitung.2 Doch würde ein auf die individuelle Herrscherpersön­lichkeit ­Friedrichs zugespitzter Fokus mög­licherweise den Blick auf die wesent­lichen Merkmale seiner Regentschaft verfälschen, näm­lich auf den maßgeb­lichen Einfluss und Rückhalt, den er durch seine herzog­lichen Brüder hatte. 1 Königsfeldener Chronik, in: Crypta San-­Blasiana nova Principum Austriacorum, ed. M ­ artin Gerbert, St. Blasien 1785, S. 86 – 113, hier S. 93: Küng Fridrich war gar ein stoltz schön man senftmütig und ersam, sam [sic!] eins fürsten natur sol sin. Dazu Alphons Lhotsky, Geschichte Österreichs seit der Mitte des 13. Jahrhunderts (1281 – 1358), Wien 1967, S. 169; sein Vorschlag, auf den Beinamen zu verzichten, („den man nicht mehr gebrauchen soll“,) setzte sich in der Forschung nicht durch. 2 Vgl. Michael Menzel, Die Zeit der Entwürfe 1273 – 1347 (Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte 7a), Stuttgart 2001; ders., Ludwig der Bayer (1314 – 1347) und Friedrich der Schöne (1314 – 1330), in: Die deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian I. (919 – 1519), hg. von Bernd ­Schneidmüller – Stefan Weinfurter, München 2003, S. 393 – 4 07; lexika­lische Behandlung etwa durch ­Werner Maleczek, Friedrich der Schöne, deutscher (Gegen-)König († 1330), in: LexMA 4 (1989), Sp. 939 – 940; Alphons Lhotsky, Friedrich der Schöne, in: NDB 5 (1961), S. 487; einzelne Probleme behandelt Marie-­Luise Heckmann, Das Doppelkönigtum Friedrichs des ­Schönen und Ludwigs des Bayern (1325 – 1327). Vertrag, Vollzug und Deutung im 14. Jahrhundert, in: MIÖG 109 (2001), S. 53 – 81; Roland Pauler, Friedrich der Schöne als Garant der Herrschaft Ludwigs des Bayern in Deutschland, in: ZBLG 61 (1998), S. 645 – 662; Bewertung aus der Perspektive Ludwigs Heinz Thomas, Ludwig der Bayer (1282 – 1347). ­Kaiser und Ketzer, Regensburg – Graz 1993.

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Während der bisweilen tumultuarischen Ereignisse und langwierigen Auseinandersetzungen zur Zeit des römisch-­deutschen Thronstreits ­zwischen dem Tod Heinrichs VII . und der Schlacht bei Mühldorf zeigt sich innerhalb der sehr unterschied­lichen Allianzen und volatilen Vereinbarungen ein besonders eng kooperierender Verbund der Brüder. Die habsbur­g ischen Herzöge, w ­ elche nach dem Anschlag auf König Albrecht I. im Jahre 1308 die Geschicke Habsburgs leiteten, agierten in bemerkenswerter Einmütigkeit. Nicht nur Friedrich der Schöne scheint im Posi­tionskampf rasch wechselnder Allianzen und vielseitiger Handlungsalternativen trotz des allgegenwärtigen Misstrauens weniger seine Eigeninteressen verfolgt zu haben. Auch Leopold und bisweilen die jüngeren Brüder Heinrich und Otto kamen offensicht­lich einem allgemeinen habsbur­g ischen Gesamtinteresse entgegen. Über weite Strecken erwies sich die einvernehm­lich agierende Doppelspitze aus Friedrich und Leopold als strate­ gischer Vorteil gegenüber der Seite Ludwigs. Selbst die Schlacht bei Mühldorf (1322) vermochte keine Niederlage Habsburgs herbeizuführen: Der Familienverband blieb auch weiterhin handlungsfähig und der Verlust einer vermeint­ lichen dynastischen Spitze konnte vollumfäng­lich substituiert werden.3 Schon zu Beginn des Thronstreits bezeichnen sich Friedrich und Leopold gemeinsam als Herzöge von Österreich, etwa in einem Bündnisvertrag mit der Stadt Memmingen vom 29. September 1313: e Wir Friderich und Lûtpolt gebruder von Gotes gnaden hertzogen in Osterrich und in Styr, herren ze Chrein, uf der Marich und ze Portenowe verjehin fûr uns und ander unser e und tun e chunt allen luten die disen brief ansehent alder horent e gebruder lesen […].4

Doch blieben Erklärungsansätze für diese brüder­liche Zusammenarbeit, ja ein anscheinend habsbur­gisches Gesamtinteresse, das offensicht­lich die habsbur­gischen 3 Vgl. Mathias von Neuenburg, Chronik, Rec. B, c. 44, ed. Adolf Hofmeister (MGH SS rer Germ N. S. 4), Hannover 1924 – 1940, S. 112. Im Jahre 1320 vermied Ludwig es, Leopold anzugreifen, da damit keine Entscheidung herbeizuführen sei (cum eo victo finem negocii non haberent). Zur Bewertung der Schlacht bei Mühldorf vgl. Alois Schmid, Mühldorf, Schlacht bei (1322), in: LexMA 6 (1993), Sp. 885; zuletzt Gerald Schwedler, Herrschertreffen des Spätmittelalters. Formen, Rituale, Wirkungen, Stuttgart 2008, S. 229 – 239; zur Bedeutung Leopolds als ‚dem‘ Vertreter der habsbur­gischen Partei Günther Hödl, Herzog Leopold I. von Österreich (1290 bis 1325), Wien 1964, S. 145. 4 Ulm, 1313 Sept. 29, in: MGH Const. 5: 1313 – 1324, ed. Jakob Schwalm, Hannover – Leipzig 1909 – 1913 [künftig MGH Const. 5], Nr. 2, S. 2. In zahlreichen weiteren Verträgen treten Friedrich und Leopold sowie die jüngeren Brüder gemeinsam auf, etwa den Nrn. 3, 22, 29, 31, 32, 34, 36, 46, 49, 54 u. ö.

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Herzöge zu einer vorübergehenden, bisweilen sogar vollständigen Subordina­tion eigener Interessen bringen konnte, wenig aussagekräftig. Zumeist wurde es als Familientradi­tion gedeutet,5 sogar als dynastische Vernunft bezeichnet, um damit auszudrücken, dass bereits zu Beginn des 14. Jahrhunderts so etwas exis­tierte, was ein Jahrhundert ­später als das ‚Haus Österreich‘ bezeichnet werden würde.6 Populärere und psychologisierende Ansätze suchten das Phänomen wenig befriedigend in einer Charakterschwäche und damit Hilfsbedürftigkeit Friedrichs.7 Dadurch gehen sowohl die Tiefenschärfe für die heterogene Zusammensetzung als auch der Blick für Spezifika der brüder­lichen Kohä­sionskräfte im Kontext sich kontinuier­lich wandelnder familiärer Beziehungen und Konstella­tionen verloren. Der folgende Beitrag widmet sich der Besonderheit der Koopera­tionsformen der Habsburger Herzöge, wie sie in der Genera­tion Friedrichs und seiner Brüder ersicht­lich wurden. Diese gilt es im Hinblick auf habituelle Familienpraktiken zur Lösung innerfamiliärer Verteilungskämpfe zu untersuchen und der Frage 5 Vgl. Michael Mitterauer, Die Terminologie der Verwandtschaft. Zu mittelalter­lichen Grundlagen von Wandel und Beharrung im euro­päischen Vergleich, in: Historische Verwandtschaftsforschung, hg. von dems., Wien – Köln – Weimar 2013, S. 51 – 84. Zur Blutsverwandtschaft Walter Burkert, Blutsverwandtschaft. Mythos, Natur und Jurisprudenz, in: Mythen des Blutes, hg. von Christina von Braun – Christoph Wulf, Frankfurt a. M. – New York 2007, S. 245 – 256; Simon Teuscher, Flesh and Blood in the Treatises on the Arbor Consanguinitatis (Thirteenth to Sixteenth Centuries), in: Blood and Kinship. Matter for Metaphor from Ancient Rome to the Present, hg. von Christopher H. ­Johnson u. a., New York u. a. 2013, S. 83 – 104. 6 Alphons Lhotsky, Was heißt „Haus Österreich“?, in: Aufsätze und Vorträge 1, hg. von Hans Wagner – Heinrich Koller, Wien 1970, S. 344 – 364; Christian Lackner, Das Haus Österreich und seine Länder im Spätmittelalter. Dynastische Integra­tion und regionale Identitäten, in: Fragen der politischen Integra­tion im mittelalter­lichen Europa, hg. von Werner Maleczek (VuF 63), Ostfildern 2005, S. 273 – 301; Jean-­Marie Moeglin, Les dynasties princières allemandes et la no­tion de Maison à la fin du Moyen Âge, in: Les Princes et le Pouvoir au Moyen Âge, Paris 1993, S. 137 – 154 mit einem einzigen frühen Beleg für das 14. Jahrhundert, S. 154. Zum Begriff der dynastischen Vernunft Karl-­Heinz Spiess, Erbteilung, dynastische Räson und transpersonale Herrschaftsvorstellung. Die Pfalzgrafen bei Rhein und die Pfalz im späten Mittelalter, in: Die Pfalz. Probleme einer Begriffsgeschichte. Vom Kaiserpalast auf dem Palatin bis zum heutigen Regierungsbezirk, hg. von Franz Staab, Speyer 1990, S. 159 – 181, hier S. 160. 7 Gerade bei Friedrich gaben schon zeitgenös­sische Erzählungen wie die über die Totenbeschwörer, die ihn aus der Gefangenschaft befreien sollten, oder die über das schänd­liche Leben und die Vergewaltigung einer Nonne Anlass zu späteren Mutmaßungen. Dazu Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 170 f., sowie polemisch zuspitzend S. 202: „Es bedarf keiner besonderen Beobachtungsgabe, um eine gewisse Unselbstständigkeit Friedrichs I. schon in den ersten Jahren zu erkennen […]“.

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nachzugehen, wie die Beteiligten innerhalb der Familie der Habsburger ganz gezielt unterschied­liche Konfliktlösungs- und Erbschaftsmodelle kombinierten und adaptierten. Dabei stellt sich auf methodischer Ebene die Frage, wo jene ratio einer Familie festzumachen ist, wie sich transpersonale, dynastische Vorstellungen äußern können. Betrachtet man die Hintergründe und Nachwirkungen, in welcher Weise Friedrich von Familienmitgliedern militärisch, finanziell und organisatorisch unterstützt wurde, spielen für die Analyse zunächst Vorstellungen von Verwandtschaft, sogar Blutsverwandtschaft eine Rolle, wie sie jüngst unter anthropolo­g ischer Perspektive in den Blick gerieten.8 Auf diese Weise wurde das Augenmerk auf Phänomene gerichtet, die nicht mit den Vorstellungen von ra­tional gesteuerten Dynastien in Einklang zu bringen sind, wie sie im 19. Jahrhundert vor allem von Seiten der Verfassungs- und Herrschaftsgeschichte als formgebende Prinzipien des Fürstenstaats angenommen wurden. Gerade im individuellen Bereich zeigte sich die Unberechenbarkeit menschlicher Existenz, wie sie sich etwa bei den essenziellen Faktoren wie Fertilität, Sterilität und Mortalität äußert.9 Immer wieder wurden in der Forschung die unterschied­lichen Muster individueller Entscheidungen in größerem Rahmen anthropolo­g ischer Verankerung der Entscheidungsträger zugeschrieben, normativen und idealen Ordnungen unterstellt, die in der Praxis so nicht stattfanden und bisweilen im Nachhinein konstruiert wurden. Bis hin zur Sozia­lisierung in unterschied­lichen legal cultures wurden Gründe für wechselvolle Entscheidungen im Haus Habsburg angeführt.10 Für die Interpreta­tion spielen nach wie vor 8 David Sabean – Simon Teuscher, Rethinking European Kinship: Transregional and Transna­tional Families, in: Transregional and Transna­tional Families in Europe and Beyond. Experiences Since the Middle Ages, hg. von Christopher Johnson u. a., New York 2011, S. 1 – 22; Karl-­Heinz Spiess, Lordship, Kinship, and Inheritance among the German High Nobility in the Middle Ages and Early Modern Period, in: Kinship in Europe: Approaches to Long-­Term Development (1300 – 1900), hg. von Jon Mathieu u. a., New York 2007, S. 57 – 75; Joseph Morsel, L’aristocratie médiévale: la domina­ tion sociale en Occident (Ve–XV e siècle), Paris 2004; zur Rezep­tion anthropolo­g ischer Ansätze der historischen Familienforschung in der deutschen Mediävistik bis 2009: Bernhard Jussen, Perspektiven der Verwandtschaftsforschung fünfundzwanzig Jahre nach Jack Goodys „Entwicklung von Ehe und Familie in Europa“, in: Die Familie in der Gesellschaft des Mittelalters, hg. von Karl-­Heinz Spiess, Ostfildern 2009 (VuF 71), S.  275 – 324. 9 Alfred Kohler: „Tu felix Austria nube…“. Vom K­lischee zur Neubewertung dynastischer Politik in der neueren Geschichte Europas, in: ZhF 21 (1994), S. 461 – 482. 10 So bereits Ulrich Stutz, Schwäbisches und burgundisches Recht im Kampf um die Vormundschaft über Anna von Kiburg, in: Festschrift Friedrich Emil Welti, hg. von Hektor Ammann, Aarau 1937, S. 1 – 27.

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konkrete ­juristische Modelle eine Rolle, in denen Entscheidungs- und Festlegungsverfahren als bestimmend hervorgehoben werden, um die unterschied­ lichen Formen von Herrschaftsverteilung zu systematisieren.11 Gerade die jüngere rechtshistorische Forschung sieht die scheinbar klaren Mechanismen des genera­tionalen Rechts- und Gütertransfers nicht mehr so linear und eindeutig, wie es in Lehrbüchern festgehalten wird.12 Steuerungsversuche und Reak­tionen auf zahlreiche kulturelle wie politische Einflussfaktoren lassen sich indes in einzelnen Hausordnungen oder familiären Vereinbarungen festmachen. Die bezüg­lich Modellbildung und Funk­tionsbestimmung zurückhaltende historische Analyse vergleichbarer hochadeliger Dynastien am Anfang des 14. Jahrhunderts zeigt, wie ­flächendeckend immer wieder Maßnahmen zur innerdynastischen Konfliktregelung und Erbfolge getroffen und verschiedene Verwandtschaftsmodelle herangezogen werden mussten. Hierzu wurden etwa auch zu Wittels­ bachern, Wettinern oder Luxemburgern Studien erstellt.13 Damit zeigt sich, dass die im Folgenden zu analysierende brüder­liche Zusammenarbeit und Arbeitsteilung der Genera­tion von Friedrich und seinen Brüdern keinen exklusiven Einzelfall darstellt. Denn auch in anderen Adelshäusern griffen Vorstellungen

11 Susanne Lepsius, Gesamthand, gesamte Hand, in: HRG 2 (22009), Sp.  264 – 269; vgl. dazu Ulrike Seif, Die Gesamthand als Konstruk­tion der Germanistik, in: ZRG GA 118 (2001), S.  302 – 320; Thomas Raiser, Der Begriff der juristischen Person. Eine Neubesinnung, in: Archiv für die civilistische Praxis 199, Heft 1/2 (1999), S. 104 – 144; Peter Ulmer, Die Gesamthandsgesellschaft – ein noch immer unbekanntes Wesen?, in: Archiv für die civilistische Praxis 198, Heft 2/3 (1998), S. 113 – 151; Heinrich Weber-­Grellet, Die Gesamthand – ein Mysterienspiel?, in: Archiv für die civilistische Praxis 182 (1982), S.  316 – 334. 12 Staffan Müller-­Wille  – Hans-­Jörg Rheinberger, De la généra­tion à l’hérédité. Continuités médiévales et conjonctures historiques modernes, in: L’hérédité entre Moyen Âge et èpoque moderne. Perspectives historiques, hg. von Charles de Miramon – Maaike van der Lugt (Micrologus’ library 27), Florenz 2008, S. 355 – 389. 13 Jörg Rogge, Herrschaftsweitergabe, Konfliktregelung und Familienorganisa­tion im fürst­ lichen Hochadel. Das Beispiel der Wettiner von der Mitte des 13. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 49), Stuttgart 2002; Heinz-­Dieter Heimann, Hausordnung und Staatsbildung. Innerdynastische Konflikte als Wirkungsfaktoren der Herrschaftsverfestigung bei den wittelsbachischen Rheinpfalz­ grafen und den Herzögen von Bayern. Ein Beitrag zum Normenwandel in der Krise des Spätmittelalters, Paderborn 1993; Karl-­Heinz Spiess, Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters. 13. bis Anfang des 16. Jahrhunderts, Stuttgart 2 2015; Gerhard ­Pfannkuche, Patrimonium – Feudum – Territorium. Zur Fürstensukzession im Spannungsfeld von Familie, Reich und Ständen am Beispiel welfischer Herrschaft im säch­sischen Raum bis zum Jahre 1688, Berlin 2011.

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von Partizipa­tion und Seniorat, von Familienverband und Kernfamilie ineinander, und wurden auf den unterschied­lichen Ebenen neu ausgehandelt und den gegebenen Umständen angepasst. Doch gilt es, im Folgenden für die spezifische Konstella­tion für die Genera­tion der Brüder Friedrichs sowohl mit anthropolo­g ischen als auch mit juristischen Modellen spezifische historische Konstella­tionen und transpersonale familiäre Handlungsmuster zu erklären. Über die Frage der angemessenen Erklärungsmodelle hinaus lässt sich auf ­breiter Ebene ein über Jahrzehnte dauernder Wandel der Muster der Erb- und Herrschaftsteilung feststellen.14 Für das hoch- und spätmittelalter­liche Europa wurde seit Längerem ein allgemeiner Wandel von einem genealo­gisch horizontalen zum genealo­gisch vertikalen Familienverständnis diagnostiziert.15 Der Wandel betraf nicht nur konkrete Rechtsmodelle, sondern auch kulturelle Vorstellungen von Kräfteverteilung unter den Familienmitgliedern bezüg­lich Einfluss, Rechte, Besitz und Anwartschaften.16 Insofern gilt es, in der folgenden Untersuchung einerseits die Formen und Abläufe des familiären Teilens und Kooperierens zu analysieren sowie andererseits die historische Entwicklung dieser Praxis in den Blick zu nehmen, also Verläufe und mög­liche Ausnahmen zu registrieren. Dabei geht es um die Versuche, sich sowohl von im Hochadel üb­lichen Usancen im Erbrecht abzusetzen, wie auch den formalen Anforderungen des Lehnrechts – im 14. Jahrhundert bestand der weitaus größte Teil der habsbur­gischen Besitzungen aus Lehen – zur eigenen Vorteilswahrung geschickter als andere Familien entgegenzukommen. Hierbei kann allerdings weder auf die intensiven Forschungen zum Erbrecht noch auf die Lehnrechtsgewohnheiten eingegangen werden. Vielmehr sollen methodisch konkrete Entscheidungen in ihren Entstehungskontexten untersucht werden. Um dem hohen Grad an reflektiertem Umgang mit Besitz und Herrschaftsrechten innerhalb der Familie gerecht zu werden, ist eine Konzentra­tion auf die Habsburger Herrschaften zur Zeit Friedrichs des Schönen notwendig. In insgesamt fünf Querschnitten sind Segmente der habsbur­gischen Familienpraxis vorzustellen, die jeweils unterschied­lich die Vorstellungen von Verwandtschaft, Recht und korporativem Denken zutage treten lassen.

14 Spiess, Erbteilung (wie Anm. 6), insb. S. 159 – 161. 15 Werner Paravicini, Die ritter­lich-­höfische Kultur des Mittelalters (EDG 32), München 1999, S. 20. 16 Michael Mitterauer, Die Terminologie der Verwandtschaft (wie Anm. 5), S. 51 – 84.

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Das Modell der habsbur­gischen Gesamthand Am 27. Dezember 1282 belehnte König Rudolf I. seine Söhne Albrecht und Rudolf mit den Herzogtümern Österreich, Steiermark und Kärnten, dem Land Krain und der Windischen Mark.17 Als heimgefallenes Lehen konnte der König dies an seine Familienmitglieder ausgeben. Das Besondere an dieser Belehnung war, dass es sich um eine sogenannte Belehnung ‚zur gesamten Hand‘ handelte. In der ­darüber ausgestellten Urkunde wird der Fachbegriff ‚Gesamthand‘ nicht verwendet. Dieser entstand, wie im Folgenden noch ausführ­lich zu behandeln sein wird, erst in den Rechtslehren des 19. Jahrhunderts. Allerdings wurde in der Urkunde explizit beschrieben, wie beide Söhne zugleich symbo­lisch das Lehen durch Übergabe der Fahnlanzen (vexillis) erhielten.18 Dabei divergieren sowohl zeitgenös­sische wie auch wissenschaft­liche Interpreta­ tionen, was eine Gesamthandbelehnung ausmacht, vor allem auch, wie ­dieses Prinzip in der Genera­tion von Friedrichs Brüdern zum Tragen kam. Gerade in der jüngsten Forschungsauffassung wird nicht mehr von der sehr konkreten juris­ tischen Fassung durch die Rechtsschulen des 20. Jahrhunderts ausgegangen. Viel mehr geht die Forschung von Überlegungen von gemeinschaft­lichen Praktiken gesamthänderischer Verfügung aus denn von einem Rechtsprinzip.19 Ausgangspunkt ist die Vorstellung, dass bestimmte Organisa­tionseinheiten wie Burgen, Höfe, Gerichtsbarkeiten und Ähn­liches bei der Vererbung nicht geteilt werden können oder dürfen. Dies betrifft Fälle der ritter­lichen Ganerbenschaft wie auch bäuer­liche ‚Gemeinderschaften‘ und Formen der ehe­lichen Gütergemeinschaft. Nicht zuletzt können bestimmte Kaufmannszusammenschlüsse hinzugezählt werden.20 Im geschriebenen Recht wird die Gesamtberechtigung mehrerer bereits im Sachsenspiegel Eikes von Repgow fassbar, wo im Landrecht I,12 der Übergang 17 MGH Const. 3: 1273 – 1298, ed. Jacob Schwalm, Hannover – Leipzig 1904 – 1906, Nr. 339, S. 325 f. = Ausgewählte Urkunden zur Verfassungsgeschichte der deutsch-­österreichischen Erblande im Mittelalter, ed. Ernst Schwind – Alfons Dopsch, Innsbruck 1895, Nr. 67, S. 132; Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 53 f. 18 MGH Const. 3 (wie Anm. 17), Nr. 339, S. 325: […] illustribus Alberto et Rudolfo filiis nostris karissimis apud Augustam sollempniter cum vexillis et sollempnitate debita concessimus in feodum […]. 19 Lepsius, Gesamthand (wie Anm. 11), Sp. 264. 20 Vgl. bereits Otto von Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht 2: Geschichte des deutschen Körperschaftsbegriffs, Berlin 1873, S. 923 f.; dazu Albert Janssen, Die bleibende Bedeutung des Genossenschaftsrechts Otto von Gierkes für die Rechtswissenschaft, in: ZRG GA 122 (2005), S. 352 – 366; Gerhard Buchda, Geschichte und Kritik der deutschen Gesamthandlehre, Marburg 1936; ND 1970, S. 15 sowie S. 168 – 170; Karl Kroeschell,

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von Gut an eine Erbengemeinschaft mehrerer lude geregelt wurde,21 und in Lehnrecht 32, wo der Lehnsempfang gesameter hand bestimmt wurde. Die Belehnung solle dadurch erfolgen, dass die Lehnsmänner „ihre vereinigten Hände in die des Herren legen“.22 Aus dieser Symbolik leitete sich die neuzeit­liche Bezeichnung ‚Gesamthand‘ ab. Gesamthänder sind dadurch in einer Lebens- und Rechtsgemeinschaft verbunden, sie sind gleichermaßen verantwort­lich und keiner kann ohne die Übrigen wirksam über das Gut verfügen. Wenn einer ohne Nachkommen stirbt, so verbleibt das Lehen bei den Überlebenden ohne erneute Verleihung. Wie aktuell die Festlegungen des Sachsenspiegels im 14. Jahrhundert waren, lässt sich durch ihre ständigen Neuabschriften und auch Glossierungen, insbesondere an derjenigen des Johann von Buch, erkennen.23 Durch das Prinzip der Gesamthandbelehnung wird ein bedeutendes ­Interesse des Reichs gewahrt. Denn aufgrund des ‚öffent­lich-­recht­lichen‘ Charakters von Lehen, insbesondere bei Fahnlehen, also den von welt­lichen Reichsfürsten innegehabten Reichslehen, sind mit Territorien Rechte und Pflichten verbunden, die nicht geteilt werden können. So wurde unter Friedrich Barbarossa (1152 – 1190) im Jahre 1158 gesetz­lich festgelegt, dass Herzogtümer, Grafschaften und Markgrafschaften nicht geteilt werden durften. Auch im Sachsenspiegel zeigt sich diese Auffassung, denn es wird in Landrecht XX ,5 explizit festgehalten, dass Fahnlehen weder geteilt noch mehrfach verliehen werden dürfen. Deut­licher wird im um 1275 entstandenen Schwabenspiegel festgehalten: „Man kann kein Fürstenamt mit Recht zwei Männern verleihen“.24 Die historische Praxis war

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Deutsche Rechtsgeschichte 2 (1250 – 1650), Köln 82008, S. 75; Thomas Wächter, Die Aufnahme der Gesamthandsgemeinschaften in das Bürger­liche Gesetzbuch, Ebelsbach 2002. Sachsenspiegel, Landrecht I,12, ed. Karl August Eckhardt, in: MGH Fontes iuris N. S. 1,1, Göttingen 1955; ND 1973, S. 81: Swar brudere oder andere lude er gut to samene hebbet, ver­ hoget se dat mit erer kost oder mit erme denste, de vrome is er aller gemene; dat selve is de scade. Sachsenspiegel, Lehnrecht 32, ed. Karl August Eckhardt, in: MGH Fontes iuris N. S. 1,2, Göttingen 1956, S. 55: Men mach vele bruderen en gut lien, of se it mit gesameder hant unt­ van unde gelike were dar an hebben. Willen aver se sek sceden mit deme gude, se delet it under sek ane des herren orlof, swo se willet. Swen aver se sek delet (hebben), er nen hevet recht an des anderen gude, of de andere stirft, eme ne si anderweide dat gedinge dar an gelegen. Glossen zum Sachsenspiegel-­Landrecht. Buch’sche Glosse, ed. Frank-­Michael Kaufmann (MGH Fontes iuris N. S. 7,1), Hannover 2002, S. 198 – 200; dazu Bernd Kannowski, Die Umgestaltung des Sachsenspiegelrechts durch die Buch’sche Glosse (MGH Schriften 56), Hannover 2007, S. 446 f.; Johann von Buchs Deutung von I,12 erfolgte unter Zuhilfenahme des römischen Rechts nach 1325, jedoch vor 1355, dazu Kannowski, Umgestaltung des Sachsenspiegelrechts, S. 61 f. Schwabenspiegel, hg. von Karl August Eckhardt, Kurzform (MGH Fontes iuris N. S. 4, 1.2), Hannover 1974, Nr. 121b, S. 183: man mag mit recht dehain fürsten ampt zwain mannen

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indes eine andere und so musste in der Goldenen Bulle von 1356 explizit normativ festgeschrieben werden, dass die Kurfürstentümer keinesfalls geteilt und nur noch an den Erstgeborenen weitergegeben werden dürften, doch auch diese Festschreibung entsprach eher einem Idealmodell als der tatsäch­lichen fürst­lichen Praxis.25 Diese Form der Gesamthandbelehnung von 1282 war für die Habsburger eine vermeint­lich bekannte Form aus dem alemannischen Rechtsbereich.26 Die Belehnung erfolgte, als ob es sich um einen Erbgang handle, bei dem Rechte und Pflichten auf eine Hausgemeinschaft übertragen wurden. Bereits Oswald Red­lich und Alphons Lhotsky stellten fest, dass jene Konstruk­tion einer Gesamthandbelehnung von 1282 eine Teilung nicht mehr zulassen sollte, die als Minderung bzw. Schaden empfunden wurde. Damit handelt es sich bei den Ländereien der Habsburger in der Dik­tion der Rechtsschulen des 19. Jahrhunderts um eine ungeteilte dynastische Union. Die Grundlage war die Gesamtbelehnung einer ganzen Genera­tion innerhalb einer Dynastie. Die Vereinigung erfolgte somit als Personalunion einer Personenmehrheit. Die jüngere Forschung wie etwa diejenige von Alois ­Niederstätter und Christian Lackner bestätigte, dass eine Modifizierung der reichsrecht­lichen Gesamtbelehnung durch Privatfürstenrecht notwendig war, um west­lichen wie öst­lichen Ansprüchen gerecht zu werden.27 Für die Bevölkerung der auf diese Art übertragenen Gebiete schien dies nicht hinnehmbar, sodass schon ein halbes Jahr ­später eine Veränderung der Form der Belehnung notwendig war. Denn die österreichischen und steirischen Stände brachten mit einem Verweis auf Matthäus 6,24 vor, dass man nicht zwei Herren dienen könne. Sie forderten, die Ausübung von Herrschaftsrechten ausschließ­ lich in die Hände des älteren Albrecht zu legen. So entstand ein neues Modell, das bisher als Gesamthandschaft beschrieben wurde, in der allerdings mit einem Vorrecht des Ältesten zu rechnen war. Festgeschrieben wurde die Rechtslage in

geleihen. Zusammenfassend Spiess, Erbteilung (wie Anm. 6), S. 159 f. 25 Goldene Bulle, Art. 7, ed. Wolfgang D. Fritz, in: MGH Const. 11, Weimar 1978 – 1992, S.  584 – 589. 26 Oswald Red­lich, Rudolf von Habsburg. Das Deutsche Reich nach dem Untergange des alten Kaisertums, Innsbruck 1903, S. 381 – 383; Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 55; Bruno Meyer, Studien zum habsbur­g ischen Hausrecht, in: ZschG 25 (1945), S. 153 – 176; und 27 (1947), S. 30 – 6 0, S. 273 – 323, hier 27 (1947), S. 36 – 38. 27 Alois Niederstätter, Die Herrschaft Österreich. Fürst und Land im Spätmittelalter 1278 – 1411, Wien 2001, S. 85; Christian Lackner, Das Haus Österreich und seine Länder im Spätmittelalter (wie Anm. 6).

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der sogenannten Rheinfeldener Hausordnung vom 1. Juni 1283.28 Darin ging man auf die ständischen Forderungen ein und Albrecht sollte allein in jenen Ländern Herr sein, die ihm und seinem Mannesstamm als erb­liche Lehen zustünden. Hingegen sollte Rudolf II . spätestens nach vier Jahren mit einem Königreich oder Fürstentum oder durch eine noch zu bemessende Summe Geld abgegolten werden. Für Alfons Lhotsky war mit dieser Festlegung auf die Einherrschaft bei Wahrung der Primogenitur der Konstruk­tionsfehler der Gesamthandbelehnung von 1282 behoben.29 Doch lag hierin auch der Anlass für neue Konflikte. Die Präzision der Rheinfeldener Hausordnung realisierte einen konkreten Ausschluss von der Erbfolge. Dies dürfte für den Sohn des verzichtenden Rudolf II ., Johannes, genannt Parricida, Anlass gewesen sein, eine nunmehr unumkehrbare Benachteiligung auf anderem Wege zu vergelten. Dabei schreckte er allerdings auch vor Mord nicht zurück und führte bei der Überquerung der Reuss bei Windisch im Aargau einen erfolgreichen Anschlag gegen den einseitig begünstigten Albrecht aus 30 – der inzwischen durch den Sieg über Adolf von Nassau zum unbestrittenen König geworden war.31 Schon Bruno Meyer konnte belegen, dass der Grund für diese Tat die nicht eingelösten Ansprüche aus der Einführung der Primogenitur waren.32 Dieser Verwandtenmord im Hause Habsburg wies also im Jahre 1308 darauf hin, dass übergangene Ansprüche fatale Folgen haben konnten. Doch schon zuvor war es zu einer Verschiebung der Rechtsansprüche gekommen. Bei der Belehnung der Söhne Albrechts besann man sich auf das Modell von 28 Rheinfelden 1283 Juni 1, ed. Schwind – Dopsch, Ausgewählte Urkunden (wie Anm. 17), Nr. 68; MGH Const. 3 (wie Anm. 17), Nr. 344, S. 328 – 330; vgl. auch Niederstätter, Die Herrschaft Österreich (wie Anm. 27), S. 85 f.; Niederstätter folgt dabei nicht der engen Interpreta­tion Lhotskys, die Stände hätten die Gesamthand „rechtsfremd“ abgelehnt. 29 Zu ­diesem Zeitpunkt ist Rudolf nur 12 Jahre alt, stellt also keine wirk­liche Gefahr dar. Die Konstruk­tion nannte Ausscheiden aus dem Condominium bei bleibender Eventualsukzession. Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 82. 30 Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 158; Georg Boner, Die Gründung des Klosters Königsfelden, in: Zeitschrift für Schweizer Kirchengeschichte 47 (1953), S. 1 – 24, S.  81 – 112, S.  181 – 209; Claudia Moddelmog, König­liche Stiftungen des Mittelalters im historischen Wandel: Quedlinburg und Speyer, Königsfelden, Wiener Neustadt und Andernach, Berlin 2012, S. 19. 31 Karl-­Friedrich Krieger, Rudolf von Habsburg, Darmstadt 2003, S. 75 – 109; ­Christine Reinle, Albrecht I. (1298 – 1308), in: Herrscher, hg. von Schneidmüller – ­Weinfurter (wie Anm. 2), S. 372 – 380. 32 Heinz Thomas, Das Jahr 1308 in der euro­päischen Geschichte – Ereignisse und Tendenzen, in: Euro­päische Governance im Spätmittelalter, Heinrich VII. von Luxemburg und die großen Dynastien Europas, hg. von Michel Pauly, Luxembourg 2010, S. 17 – 4 4.

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König Rudolf, ohne indes die Söhne der älteren Linie zu berücksichtigen. Nahezu im gleichen Wortlaut wurden auf dem Nürnberger Hoftag am 21. November 1298 die Söhne Albrechts gemeinsam belehnt, gerade so, also ob es die Rheinfeldener Hausordnung auszulöschen gälte. So steht Herzog ­Friedrich, der ­später als Gegenkönig gegen Ludwig den Bayern aufgestellt wurde, als Zweitgeborener nach Herzog Rudolf und an dritter Stelle folgen Herzog Leopold sowie danach die weiteren Nachkommen.33 Ein Hinweis auf Primogeniturvorstellungen zeigt sich in Otachars Reimchronik, in der einem österreichischen Publikum plausibel gemacht wurde, dass Rudolf nach münd­licher Abmachung unter seinen Brüdern der Herr sein solle.34 In den dispositiven Dokumenten findet sich indes kein Hinweis auf das Erstgeburtsrecht, was nicht weiter erstaunt, zumal weder Friedrich noch Leopold 1298 volljährig waren, also keine Konkurrenz darstellten. Friedrichs erste eigenständige Regierungshandlung übte er 1303 mit 14 Jahren aus, als er das schwäbische Kloster Zwiefalten privilegierte.35 Im Jahre 1298 zeigt sich also die habsbur­g ische Rückkehr zum Gesamthandmodell auch in den österreichischen Ländern, wobei der Widerstand der Stände gegen das Modell durch eine münd­liche Zusage, wie sie in der Reimchronik zu finden ist, offenbar ausgeräumt wurde.

Habsburger Strategien zur Absicherung des Königtums: Böhmen und das Reich Nicht nur bei der Sicherung der Erbfolge war das vorgestellte Modell der Mehrfachsicherung attraktiv, sondern auch, wenn es darum ging, Rechte und Eigentum erst zu gewinnen. Im Folgenden geht es um die sorgsamen Sicherungsmethoden, als 33 MGH Const. 4,1, ed. Jakob Schwalm, Hannover – Leipzig 1906 [künftig: MGH Const. 4,1], Nr. 41, S. 35 f.; Alfred Hessel, Jahrbücher des Deutschen Reiches unter König Albrecht I. von Habsburg, München 1931, S. 70; Niederstätter, Die Herrschaft Österreich (wie Anm. 27), S. 104 – 106. 34 Ottokars Österreichische Reimchronik, ed. Joseph Seemüller (MGH Dt. Chron. 5/1, 2), Hannover 1890/93, Z. 73965 f.: doch sol iwer herre sin Ruodolf, der erste son min. Dazu Gustav Turba, Geschichte des Thronfolgerechts in allen Habsbur­gischen Ländern bis zur pragmatischen Sank­tion ­Kaiser Karls VI. (1156 – 1732), Wien 1903, hier insb. S. 102 – 104; Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 101 f. 35 Friedrich handelte erstmals selbstständig am 17. Januar 1303, als er das schwäbische Kloster Zwiefalten privilegierte, Regesta episcoporum Constantiensium = Regesten zur Geschichte der Bischöfe von Konstanz 2: 1293 – 1383, hg. von Alexander Cartellieri, Innsbruck 1905, Nr. 3304; Niederstätter, Die Herrschaft Österreich (wie Anm. 27), S. 114.

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von Seiten Habsburgs enorme Anstrengungen unternommen wurden, die einem Mitglied der Familie ermög­lichen sollten, das Amt des Königs zu erlangen, wie in Böhmen 1306 oder 1314 im Reich. Als sich für König Albrecht die Mög­lichkeit ergab, nach dem Tod König ­Wenzels III . von Böhmen im Jahre 1306 seinen erstgeborenen Sohn Rudolf III . einzusetzen, zögerte er nicht, in den auszustellenden Urkunden stets dessen jüngeren Bruder Friedrich den Schönen sowie dessen jüngere Brüder gleichermaßen zu benennen.36 In der Urkunde über die Belehnung Rudolfs mit Böhmen, die am 18. Januar 1307 in Znaim ausgestellt wurde, wird insgesamt viermal die Liste der Söhne aufgeführt, um durch Repeti­tion die besondere Rechtslage zu unterstreichen. Für den Fall, dass Rudolf ohne männ­liche Nachkommen blieb, sollten ihm die jüngeren Söhne Friedrich, Leopold, Albrecht, Heinrich oder Otto nachfolgen. Dies wird überaus umständ­lich begründet. Zunächst sei es Rudolfs eigene Bitte gewesen, aus „süßer und geneigter“ brüder­licher Nächstenliebe, die Brüder mitzubelehnen. Sodann ­seien es die ratio aequitudinis gewesen sowie die natür­liche Zuneigung (naturalis affectum) und die väter­liche Frömmigkeit. Zudem sei die Belehnung auf Bitten und mit Konsens der böhmischen Magnaten erfolgt.37 Emphatisch wird das Modell einer konsekutiven Herrscherreihe wiederholt, bei der alle einzeln mit Namen genannt werden, aber vorerst nur der erste Sohn die Regentschaft ausüben sollte. Sowohl durch den Lehnsbrief wie auch die dort erwähnte zeremonielle Belehnung durch Fahnlanzen scheint hier das Vorgehen differenziert festgelegt worden zu sein. Mit der Fahnlanze wurde die Investitur aller genannten Söhne prout moris est vorgenommen, Rudolf, ­Friedrich, ­Leopold, Albrecht, Heinrich und Otto, wobei vermerkt wurde, dass Leopold nicht anwesend war (absentis nomine). Doch war es indes keineswegs Sitte, mehrere Personen mit demselben Territorium, hier den böhmischen Ländern, zu belehnen. Wie bereits im Sachsenspiegel formuliert, bestand im Lehnrecht die klare Auffassung, dass das Fahnlehen nur an einen Mann vergeben werden sollte. Die Formulierung cum hastarum vexillatarum porreccione et tradi­tione verweist

36 Heinz Dopsch, Rudolf III., Herzog von Österreich und Steiermark, König von Böhmen und Polen, in: NDB 22 (2005), S. 178 – 179. 37 Znaim 1307 Jan. 18, in: MGH Const. 4,1, Nr. 213, S. 183 f.: […] prefato Rudolfe et Friderico, suo et Leupoldi fratris sui absentis nomine, Alberto, Henrico et Ottoni fratribus, filiis nostris karissimis, si ipsum R(udolfum) quod absit sine liberis masculis heredibus legitimis decedere contigerit, ad eiusdem regni Bohemie principum, magnatum, baronum et nobilium preces humiles et consensum concessimus, contulimus, donavimus, tradidimus et ipsos Rudolfum, Fridericum, suo [et] fratris sui Leupoldi absentis nomine, Albertum, Henricum et Otto[nem] ceptro nostro regali cum hastarum vexillatarum porreccione et tradi­tione, prout moris est, […].

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darauf, dass man bei der zeremoniellen Ausgestaltung also durchaus bereit war, ein altbekanntes und vor allem symbo­lisch aufgeladenes Belehnungsritual für die eigenen Zwecke umzuformen.38 Eine weitere Feststellung lässt sich aus dem vorgestellten Nachfolgemodell ableiten. Wenn die böhmischen Länder nur an Rudolfs erstgeborenen Nachkommen weitergegeben werden sollten, so entfiel hier die Beteiligung der Brüder im Falle der erfolgreichen Herrschaftsübernahme.39 Der Status der Rechte der nicht regierenden Brüder blieb nur dann unberührt, wenn tatsäch­lich kein männ­licher Nachfolger geboren werden würde. Die damit eingeführte faktische Primogenitur im engen, auf männ­liche Nachfolger beschränkten Sinne, ließ sich also dort unter den habsbur­gischen Brüdern leichter durchsetzen, wo es galt, Herrschaftsrechte, die noch erworben werden mussten, theoretisch aufzuteilen. Es zeigte sich jedoch bald die Anfälligkeit dieser sorgsam austarierten habsbur­ gischen Konstruk­tion. Rudolf starb überraschend fünf Monate s­ päter.40 Laut Belehnungsurkunde wäre dem kinderlosen König nun der nächstälteste Bruder Friedrich nachgefolgt. Doch übertrugen die böhmischen Stände das Königtum an den Meinhardiner, den Herzog Heinrich von Kärnten.41 Friedrich selbst musste nun mit Waffengewalt sein Recht einfordern. Als man sich auf Seiten Habsburgs im Frühjahr 1308 darauf vorbereitete, durch einen neuen Feldzug Böhmen für Friedrich (zurück-)zugewinnen, geschah der Mord innerhalb der Familie, als Johannes, der Neffe Albrechts, seinen Onkel tötete. Dieses drastische Vorgehen, bei dem der römisch-­deutsche Herrscher ermordet wurde, kann dahin gehend gedeutet werden, dass die durch die Rheinfeldener Hausordnung eingeführte Primogeniturregelung als Ungerechtigkeit wahrgenommen wurde, die gewalttätige Folgen hatte. Nach Albrechts Tod war Friedrich als ältester Sohn für die Nachfolge im Reich vorgesehen. An eine Herrschaftsübernahme war indes nicht zu denken. Zu sehr hatte Albrecht in den letzten Jahren seiner Regierung Feindschaften provoziert, 38 Karl-­Friedrich Krieger, Fahnlehen, in: LexMA 4 (1989), Sp. 230; zu besonders ausgestalteten Belehnungsakten etwa wie bei Böhmen vgl. auch Alexander Begert, Böhmen, die böhmische Kur und das Reich vom Hochmittelalter bis zum Ende des Alten Reiches. Studien zur Kurwürde und zur staatsrecht­lichen Stellung Böhmens, Husum 2003, S. 121 f.; Schwedler, Herrschertreffen (wie Anm. 3), S. 192 – 195. 39 Znaim 1307 Jan. 18, in: MGH Const. 4,1, Nr. 213, S. 183 f. 40 Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 147 – 153; Niederstätter, Die Herrschaft Österreich (wie Anm. 27), S. 108 – 109. 41 Heinz Dopsch, Heinrich VI., Herzog von Kärnten und Graf von Tirol († 1335), in: LexMA 4 (1989), Sp. 2070 f.; Josef Riedmann, Heinrich VI., in: Geschichte des Landes Tirol 1, hg. von Josef Fontana – Peter Haider, Bozen u. a. 1985, S. 410 – 419.

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sodass kaum ein Entgegenkommen zu erwarten war. Ohne dessen erfolgte Krönung zum K ­ aiser war eine Nachfolge durch den Sohn ohnehin ungewohnt. Es blieb der habsbur­gischen Seite nichts anderes übrig, als sich nach dem Verlust der Krone von Böhmen nun auch mit dem Wechsel der Reichskrone zum Luxemburger Heinrich VII. abzufinden.42 Das Funk­tionieren des Habsburger Familienmodells zeigte sich indes rasch nach dem Tod Heinrichs VII . im August 1313. Friedrich galt als aussichtsreicher Kandidat für den römischen Thron, für ihn wurden in aller Eile Bündnisse geschlossen, um seine Anhängerschaft im Reich und damit die Chancen auf die Wahl durch die Kurfürsten zu vergrößern.43 In praktisch allen Bündnisverträgen mit welt­lichen und geist­lichen Reichsfürsten waren immer auch Leopold bzw. weitere Brüder als Thronkandidaten vorgesehen. Dieses Insistieren auf dem Habsburger Modell entspricht der dynastischen Logik, die teuer erkauften Bündnisse und Unterstützungszusagen nicht durch den biolo­gischen Zufall verfallen zu lassen. Allerdings ließ man die Absicherung durch zwei oder mehr habsbur­gische Kandidaten fallen, sobald Friedrich zum König gewählt war.44 Leopold blieb in seiner herzog­lichen Funk­tion, während am 25. November 1314 die Krönung des Habsburgers Friedrich des Schönen im Bonner Münster erfolgte. Ein Novum war, dass er nicht auf die herzog­lichen Herrschaftsrechte in Österreich verzichtete oder eine klare Trennung der Verwaltungsbereiche forcierte.45 Sein Bruder Rudolf hatte einst nach der Annahme der Krone von Böhmen auf die Rechte in Österreich verzichtet und war aus dem Verbund der herzog­lichen Brüder 42 Niederstätter, Die Herrschaft Österreich (wie Anm. 27), S. 115. 43 Edi­tionen der wichtigen habsbur­gischen Bündnisverträge vor der Wahl MGH Const. 4,1, Nr. 1 – 4, S. 1 – 3 u. ö.; vgl. Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 202 – 206. 44 Andreas Büttner, Der Weg zur Krone: Rituale der Herrschererhebung im römisch-­ deutschen Reich des Spätmittelalters 1, Ostfildern 2012, S. 294 – 308; Quellenzusammenstellung bereits bei Regesta Habsburgica, Abt. 3: Die Regesten der Herzöge von Österreich sowie Friedrichs des Schönen als Deutschem König von 1314 – 1330 [im Folgenden: Regesta Habsburgica III], hg. von Lothar Gross, Innsbruck 1922 – 1924, Nr.  1 – 21. 45 Für die Vorlande Andreas Bihrer, Zwischen Wien und Königsfelden. Die Kirchenpolitik der Habsburger in den vorderen Landen im 14. Jahrhundert, in: Habsburger Herrschaft vor Ort – Weltweit (1300 – 1600), hg. von Simon Teuscher – Thomas Zotz, Ostfildern 2013, S. 109 – 136, hier S. 114; allg. Christian Lackner, Hof und Herrschaft. Rat, Kanzlei und Regierung der österreichischen Herzoge (1365 – 1406) (MIÖG Erg.-Bd. 41), Wien – München 2002; sowie ders., Zwischen herrschaft­licher Gestaltung und regionaler Anpassung. Pfandschaften, Ämterkauf und Formen der Kapitalisierung in der Verwaltung der spätmittelalter­lichen habsbur­gischen Länder Österreich und Steiermark, in: Habsburger Herrschaft vor Ort – Weltweit (1300 – 1600), hg. von Simon Teuscher – Thomas Zotz, Ostfildern 2013, S. 35 – 48.

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ausgeschieden. Damit begründete bereits Friedrich und nicht erst Ludwig der Bayer oder Karl IV. von Luxemburg die Reihe der römisch-­deutschen Herrscher, die neben der Reichsgewalt auch die eigene Landesherrschaft ausübten. Trotz seines Engagements im Reich nutzte Friedrich weiterhin seine Machtbefugnisse als Herzog und griff sicher­lich auch aufgrund der besonderen Umstände ständig auf herzog­liche Ressourcen zurück. Unter dieser Konstella­tion konnte es zu einem Verdichten des Personengeflechts ­zwischen öst­lichen und west­lichen Territorien kommen. So spielte im militärischen Bereich der Marschall Dietrich von Pil­lichdorf eine Schlüsselposi­tion bei der Zusammenstellung der Aufgebote 46 und bezog, wie die Kanzlei im Verwaltungsbereich 47, stärker auch österreichisches und steirisches Personal mit ein. Wien wurde nun erstmals zum Schwerpunkt der habsbur­gischen Residenzen.48 Wie eng verflochten indes die Herrschaftsführungen Friedrichs und Leopolds waren, inwieweit auf lokaler Ebene konkrete Abgrenzungen stattfanden, wie etwa Friedrichs Wirken in Wien und den öst­lichen Gebieten gestaltet war, bedarf weiterer Untersuchungen.49

Erzwungene Alleinherrschaften Die Vorstellungen der genera­tionellen Absicherung der Herrschaft für die Dynas­ tie der Linie Habsburg durch das Prinzip der Gesamthandbelehnung stießen indes auch in den interna­tionalen Beziehungen auf Ablehnung. Dies zeigt sich 4 6 Dazu immer noch Gottfried Edmund Friess, Dietrich, der Marschall von Pil­lichdorf, Linz 1881; Regesten zu seinen umfangreichen Tätigkeiten ebd., S. 29 – 4 4; einzelne Ergänzungen etwa bei Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 219 u. ö. 47 Zur Kanzlei Christian Lackner, Hof und Herrschaft (wie Anm. 45); Peter Moraw, Das Reich und Österreich im Spätmittelalter, in: Sacrum Imperium. Das Reich und Österreich 996 – 1806, hg. von Wilhelm Brauneder – Lothar Höbelt, Wien 1996, S. 92 – 130, hier S. 101. 48 Günther Hödl, Friedrich der Schöne und die Residenz Wien. Ein Beitrag zum Hauptstadtproblem, in: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 26 (1970), S. 7 – 35. 49 Annelies Redik, Friedrich der Schöne und die Steiermark, in: Nulla historia sine fontibus: Festschrift für Reinhard Härtel zum 65. Geburtstag, hg. von Anja Thaller – Johannes Giessauf – Günther Bernhard, Graz 2010, S. 387 – 4 00; zu den Vereinbarungen der herzög­lichen Brüder untereinander vgl. Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 292; belegt sind immer wieder Treffen und brief­liche Vereinbarungen etwa nach F ­ riedrichs Haft im Dezember 1325 (Regesta Habsburgica III, Nr. 1630). Hinweise auf Buchführung unter den Brüdern, etwa die Verpfändung der Vogtei St. Gallen im Jahre 1320 Regesta Habsburgica III, Nr. 1010, vgl. Chartularium Sangallense 5 (1300 – 1326), ed. Otto ­Clavadetscher, St. Gallen 1988, Nr. 3110, S. 398.

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vor allem am Aufwand, der für vertrauensbildende Maßnahmen und königreichübergreifende Heiratsprojekte notwendig war. So mussten für die Verheiratung des ältesten Bruders von Friedrich, Rudolf III., mit Blanche, der Tochter des franzö­sischen Königs Philipp IV., im Jahre 1300 die jüngeren Brüder auf die Erbansprüche durch die Belehnung verzichten.50 Bei der feier­lichen Begegnung der Könige Albrecht I. und Philipp im Dezember 1299 in Quatre-­Vaux war die Hochzeit vereinbart worden, während in Ulm im April 1300 die Verzichtseide stellvertretend für die jüngeren Brüder geleistet wurden, die diese bei ihrer Volljährigkeit wiederholen sollten.51 Albrecht selbst versprach, die jüngeren Brüder zu entschädigen, ohne dabei das Herzogtum Österreich nennenswert oder in größerem Umfang zu teilen.52 Der Druck auf die jüngeren Brüder, in dieser Angelegenheit auf ihre Erbansprüche zu verzichten und eine patrilineare Erbfolge einzuführen, erfolgte von Seiten des franzö­sischen Königtums, das dadurch seine Teilhabe an einer entstehenden Königsdynastie gewahrt wissen wollte.53 Die Ausstattung einer Prinzessin mit Dotalgut an einen Fürsten, der nur einer von mehreren Herzögen war, erschien keinesfalls attraktiv. Das von außen eingeforderte Prinzip der Primogenitur, also von linearer Deszendenz in männ­licher Linie, steht im Gegensatz zu den habsbur­gischen gesamthänderischen bzw. korporativen Konstruk­tionen. Das Erstgeburtsrecht wahrte die territoriale Einheit, wenn Herrschaften und Rechte gebündelt an den ältesten Sohn übergingen. Die Ansätze lassen sich im Reich bei Erbgängen als franzö­sischer Einfluss bereits im 13. Jahrhundert in Flandern und Brabant feststellen. Die Attraktivität ­dieses patrilinearen Modells muss in der Vereinfachung von Ansprüchen, der erleichterten Güterakkumula­tion und der Wahrung der Handlungsfähigkeit des Regenten gesehen werden. Dem steht die Übergehung der Rechte der jüngeren Söhne und der

50 Ulm, 1300 Feb. 5, in: MGH Const. 4,1, Nr. 90, S. 68 f.; dazu: Hessel, Jahrbücher (wie Anm. 33), S. 82 f. 51 MGH Const. 4,1, Nr. 90, S. 68 f.: […] cum omnes predicti et quilibet singulariter ad etatem pubertatis pervenerint, predictis ducatui Austrie et dominiis renunciabunt per sua sacramenta et renunciacioni prefate suum impercientur et adhibebunt consensum. 52 Ebd.: […] quod ducatu Austrie cum principatu eiusdem illustri Rudolfo duci Austrie primo­ genito nostro suisque liberis ex eo et inclita Bianca coniuge sua descendentibus perpetuo et hereditarie remanente, Friderico, Lupoldo predictis ceterisque liberis nostris minoribus per nos sufficiens decens et competens paterna fiat provisio de terris et dominiis supradictis, sicut melius fieri poterit absque ducatus Austrie dimenbracione notabili vel enormi. 53 Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 106: „Der Kernpunkt war der, dass man auf franzö­sischer Seite nichts Geringeres begehrte als einen Verstoß gegen die Gesamt­ ablehnung aller Söhne des deutschen Königs zugunsten seines Ältesten und dessen Gattin“.

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Töchter entgegen.54 Ein weiterer großer Nachteil dieser rigiden Form der Herrschaftsweitergabe zeigt sich darin, dass die persön­liche Befähigung zur Herrschaft keine Rolle spielte. Es konnte sein, dass der Primogenitus regierungsunfähig war, dennoch aber an ihm festgehalten wurde. Im Falle von Karl VI. von Frankreich führte eine s­ olche Regel dazu, dass man sich des sicht­lich psychisch instabilen Königs nicht entledigen konnte.55 Zudem – und dies dürfte aus Sicht der Familien das größte Problem gewesen sein – waren Situa­tionen der Herrschaftsweitergaben durch Interregna gefähr­lich, und gerade durch die übergangenen Söhne entstand wie gesehen bedeutsames Konfliktpotential.56 Auch im Falle Friedrichs kam es zu Konflikten auf dem interna­tionalen Heirats­markt. Bei der Anbahnung der Ehe Friedrichs mit Isabel/Elisabeth (um 1300 – 1330), der Tochter von König Jakob II . von Aragon (1267 – 1327), drängte der prospektive Schwiegervater ebenso auf die Deut­lichmachung der habsbur­ gischen Hausrechtspraxis.57 Dabei war im aragone­sischen Königshaus selbst die Primogenitur noch nicht eindeutig durchgesetzt.58 In den Jahren 1311 und 1312 kam es zu einem regen Gesandtenaustausch z­ wischen den beiden Höfen. Auf aragone­sischer Seite erkannte man, dass Friedrich nicht allein, sondern nur in Verbindung mit seinen Brüdern herrschen durfte, die, auch wenn sie wie etwa Heinrich und Otto noch minderjährig waren, dennoch ein potentielles Erbe hätten beanspruchen können. Jakob forderte allerdings, dass die Tochter, für die er Heiratsgut bereitstelle, auch ­Mutter der künftigen Regenten sein müsse.59 Selbst 54 Die Literatur zur Primogenitur reicht weit zurück, vgl. Hermann Schulze, Das Recht der Erstgeburt in den deutschen Fürstenhäusern, Leipzig 1851; neuere Perspektiven ­Reinhard Härtel, Über Landesteilungen in deutschen Territorien des Spätmittelalters, in: Festschrift Friedrich Hausmann, hg. von Herwig Ebner, Graz 1977, S. 179 – 205; Der dynastische Fürstenstaat, hg. von Johannes Kunisch, Berlin 1982. 55 Zur Problematik der schubweisen Ausbrüche von Aggressionen bei König Karl VI. von Frankreich vgl. Jean Lemaire, Le roi empoisonné. La vérité sur la folie de Charles VI, Paris 1977; Schwedler, Herrschertreffen (wie Anm. 3), S. 111 f. 56 Spiess, Lordship, Kinship, and Inheritance (wie Anm. 8), S. 64 f. 57 Roger Sablonier, Die aragone­sische Königsfamilie um 1300, in: Emo­tionen und materielle Interessen. Sozia­lanthropolo­gische und historische Beiträge zur Familienforschung, hg. von Hans Medick und David Sabean, Göttingen 1984, S. 282 – 317, hier S. 305. 58 Carsten Woll, Nachfolgeregelungen euro­päischer Großdynastien, in: Euro­päische Governance (wie Anm. 32), S. 249 – 268, hier insb. S. 251 f. 59 Heinrich von Zeissberg, Elisabeth von Aragonien, Gemahlin Friedrich‘s des Schönen von Oesterreich (1314 – 1330). Mit einem Anhange von Urkunden des Generalarchivs der Krone von Aragon aus dem Nachlass Don Manuel de Bofarull y Sartorio‘s (Sitzungsberichte der Kaiser­lichen Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-­Historische Klasse 137,7), Wien 1898; Otto Stowasser, Der Ehevertrag Herzog Friedrichs des Schönen von

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schrift­liche Versprechen Friedrichs ließ Jakob II . nicht gelten. Im Sommer 1313 kam es zur Übereinkunft, dass die jüngeren Brüder zugunsten Friedrichs auf ihr Anrecht eid­lich verzichten sollten. Die Magnaten, Ritter und Städte sollten ebenso eid­lich anerkennen, dass Friedrich der unumstrittene Herzog sei.60 Nicht zuletzt wurde auch die Königswitwe Elisabeth verpflichtet, darauf zu achten, dass die Verzichtserklärungen erneuert würden, sobald die jüngeren Brüder Volljährigkeit erreicht hätten. Auch bestand Jakob II . darauf, dass die Stände ­Friedrich I. die Nachkommen aus der österreichisch-­aragone­sischen Ehe als künftige Regenten anerkennen würden.61 Erst nachdem nach einigen Monaten Herzog Leopold und Herzog Heinrich auf ihre gesamthänderischen Ansprüche verzichtet hatten, konnte ihr älterer Bruder die aragone­sische Königstochter heiraten. Im Herbst 1313 wurde die Königstochter feier­lich eingeholt und die Hochzeit fand nach einer sich lang hinziehenden Reise am 31. Januar 1314 statt. Zu einem Zeitpunkt, als Friedrich all seine Energien und Finanzen dafür aufwandte, die Reichskrone zu erlangen.62 Die Frage nach der Wirkmächtigkeit der Verzichtserklärungen der jüngeren Brüder Friedrichs stellte sich nicht, denn der einzige legitime männ­liche Erbe Friedrichs, der ebenso Friedrich getauft wurde, verstarb noch im Kindesalter.63 Die Gültigkeit der Eide, ­welche die jüngeren Brüder geleistet und die auch die Vertreter der Stände abgelegt hatten, wurde also nicht auf die Probe gestellt.64 Dennoch zeigt sich sowohl 1300 als auch 1311, dass man bei der Heirat mit einer könig­lichen Braut bereit war, transdynastische Usancen der mediterranen Welt zu berücksichtigen.65

Österreich mit Isabella von Aragon. Eine Folge spanischer Rechtsanschauung, in: Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 2 (1921), S. 11 – 24; Johanna Schrader, Isabella von Aragonien. Gemahlin Friedrichs des Schönen von Österreich, Freiburg i. Br. 1915. 60 Barcelona, 1313. Okt. 17, in: Zeissberg, Elisabeth von Aragonien (wie Anm. 59), Nr. 62, S.  185 – 187. 61 Ebd., S. 186, vgl. Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 214 f. 62 Winfried Küchler, Zur Hochzeit der Infantin Isabella von Aragón mit Herzog Friedrich dem Schönen von Österreich. Kosten, Aussteuer, Mitgift, in: Spanische Forschungen 22 (1964), S.  176 – 187. 63 Franz Maschek, Herzog Friedrich der Schöne und seine illegitimen Nachkommen, in: Adler. Zeitschrift für Genealogie und Heraldik 16/NF 2 (1950/52), S. 189 – 192. 6 4 Stutz, Schwäbisches und burgundisches Recht (wie Anm. 10), S. 15; Zeissberg, ­Elisabeth von Aragonien (wie Anm. 59), S. 141. 65 Michaela Hohkamp, Transdynasticism at the Dawn of the Modern Era. Kinship Dynamics among Ruling Families, in: Transregional Families in Europe and Beyond. Experiences Since the Middle Ages, hg. von Johnson – Sabean – Teuscher u. a. (wie Anm. 8), S. 93 – 106.

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Das römisch-­deutsche Reich zu gesamter Hand Es sei noch ein Blick auf die singuläre Konstruk­tion geworfen, nach der die beiden gewählten und gekrönten Thronkandidaten Ludwig der Bayer und Friedrich der Schöne sich im Münchener Vertrag von 1325 einigten, die Reichsherrschaft gemeinsam auszuüben. Nach der Schlacht bei Mühldorf wurde Friedrich in der Burg Trausnitz im Tale gefangen gehalten. Der politische Druck durch das Papsttum zwang auch Ludwig zu neuen Lösungsversuchen. Immerhin war er erneut von Papst Johannes XXII. exkommuniziert worden. Die enge Koopera­tion Friedrichs mit Ludwig gegen Ende der Gefangenschaft führte zum Münchener Vertrag, in dem das Doppelkönigtum festgelegt wurde. Diese Einigung über das Doppelkönigtum darf für die Verfassungsgeschichte Europas im Mittelalter singulär gelten. Entsprechend gab es in verfassungs- und politikgeschicht­licher Forschung überaus kontroverse Deutungen. Es konnte bereits andernorts ausführ­lich dargelegt werden, dass es sich weit weniger um eine euro­päische Verfassungsinnova­tion handelte.66 Vorbilder der römischen oder germanischen Antike konnten als unplausibel erwiesen werden.67 Das Reich sollte auch nicht nach „Ritterart“ verwaltet werden, wie Peter Moraw mutmaßte,68

66 Vgl. dazu Gerald Schwedler, Bayern und Österreich auf dem Thron vereint. Das Prinzip der gesamten Hand als Verfassungsinnova­tion für das Doppelkönigtum von 1325, in: ­Ludwig der Bayer (1314 – 1347). Reich und Herrschaft im Wandel, hg. von Hubertus ­Seibert, Regensburg 2014, S. 147 – 168; die erste methodische Auseinandersetzung mit dem Vertragstext erfolgte aus juristischer Perspektive durch Johannes Friedrich von Baumann, Voluntarium imperii consortium inter Fridericum Austriacum et Ludovicum Bavarum augg. quod ex pacto de anno 1325, Frankfurti 1735; Reak­tion darauf Ernst Caspar Pohlmann, Dissertatio inavgvralis historica sistens examen consortii imperialis inter Lvdovicvm IV. Bavarvm et Fridericvm Avstriacvm Avgg., Halae Magdebvrgicae 1752. Beide Verfasser lehnen die Rechtsgültigkeit des Münchener wie auch des Ulmer Vertrags von 1326 ab, vgl. insb. Pohlmann, S. 36 f.; vgl. auch die Bewertung in der Disserta­tion Walter Friedensburg, Ludwig IV. der Baier und Friedrich von Österreich von dem Vertrage zu Trausnitz bis zur Zusammenkunft in Innsbruck, Hamburg 1877. 67 Die Konstruk­tion bezog sich weder auf ein Doppelkönigtum wie im antiken Sparta noch auf eine vermeint­liche Anführerzweiheit, wie sie in der römischen Antike bei Romulus und Remus oder in der germanischen Vergangenheit bei einzelnen Stämmen der Vandalen oder Alemannen anzutreffen war. Auch das Vorbild mit zwei Konsuln ähn­lich der antiken und zeitgenös­sischen Verfassungen italienischer Städte dürfte nicht maßgeb­lich gewesen sein. Vgl. die Auslotung diverser Vorlagen bei Heckmann, Das Doppelkönigtum Friedrichs des Schönen (wie Anm. 2), S. 54 – 6 4. 68 Peter Moraw, Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung. Das Reich im späten Mittelalter (1250 bis 1490), Frankfurt a. M. 1989, S. 231.

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sondern in der Form der Gesamthand, wie sie in der spezifisch habsbur­gischen Abwandlung der Dynastie jahrzehntelang Vorteile gebracht hatte. Erst durch die Deutung im Sinne eines Gesamthandprinzips Habsburger Prägung ergeben die Bestimmungen im Münchener Vertrag ein schlüssigeres Bild. Zunächst war durch das Gesamthandprinzip mög­lich, alles, was unter dem Begriff des Reichs zu verstehen war, konsequent als gesamthänderisch zu verwaltendes Gut zusammenzufassen. Damit wurde das unüberschaubare Bündel an Rechten, Besitzungen und Einkünften, die dem Reich zukamen, in das Modell der gemeinschaft­lichen Verwaltung von ererbten, unteilbaren Territorien und Rechten aus dem fürst­lichen Rechtsleben übertragen. Im Vertrag vom 5. September 1325 wird entsprechend stets betont, dass keiner alleine über das Ganze, aber auch nicht ohne Widerspruch des anderen über den eigenen Teil verfügen könne. Daraus resultierte die Situa­tion, dass ohne Mitwirkung des anderen keine Verfügungen und Entscheidungen getroffen werden konnten. Dies sollte sowohl für das Verfügen über Reichsgut (Art. 4) wie auch für die Ausübung hoheit­licher Aufgaben wie etwa die Leitung des Hofgerichts (Art. 8) gelten.69 Die in Artikel 3 geregelten Belehnungen, die bede mit einander zumindest bei den bedeutenden Fällen wie den Fahnlehen praktizieren sollten, ist gewissermaßen eine Umkehrung des Bildes der gesamten Hand. Es wird nicht mit zwei Händen empfangen, sondern mit zwei Händen vergeben. Wie im Jahre 1282 impliziert dies eine Abwandlung der formellen Belehnungszeremonie, die also offenbar als durchaus flexibel behandelt wurde. In Artikel 7 wird die klarste Aussage über eine vorgestellte gesamthänderische Verwaltung des Reichsguts getroffen. Es wird verlangt, dass jeder dem anderen das Reichsgut udertenich machen solle, genauso, wie auch innerhalb der habsbur­gischen Brudergenera­tion alles gemeinsam verwaltet und etwa Eide für Lehen und Burghuten auf alle Herzöge geleistet wurden. Dadurch würde eine Entflechtung von häufig verquickten dynastischen und könig­lichen Interessenssphären erfolgen. Der letzte dispositive Artikel (Art. 9) ist nicht ein Anhängsel, sondern Schlusspunkt und Zusammenfassung eines durchdacht dargestellten

69 Münchener Einung, München 1325 September 5, in: MGH Const. 6,1: 1325 – 1330, ed. Jakob Schwalm, Hannover 1914 – 1927 [künftig: MGH Const. 6,1], Nr. 105, S. 72 – 75; vgl. dazu ausführ­lich Gerald Schwedler, Bayern und Österreich (wie Anm. 66). Es findet sich allerdings kein Hinweis hierzu in betreffenden Regestenwerken. Vgl. Urkundenregesten zur Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts: Die Zeit Ludwigs des Bayern und Friedrichs des Schönen 1314 – 1347, hg. von Friedrich Battenberg, Köln – Wien 1987; zu den Verhandlungen und verschiedenen Begegnungen Bruno Wilhelm, Die Verhandlungen Ludwigs des Bayern mit Friedrich von Österreich in den Jahren 1325 – 1326 und die deutsche Erzählung über den „Streit zu Mühldorf “, in: MIÖG 42 (1927), S. 23 – 63.

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gesamthänderischen Modells: Beide Könige sollten g­liches gewaltes und herschaft sein. Dadurch wurde die gleichwertige Teilhaberschaft am Reich gerade auch gegen die ungleichwertigen politischen Voraussetzungen der beiden festgeschrieben. Gemeinsames Eigentum, Rechte und Ansprüche mussten also nur folgerichtig auch gegen jedermann mit gleichem Einsatz verteidigt werden. Abgeschlossen wird der dispositive Teil des Münchener Vertrags mit der Formulierung, dass dabei bede […] als ein man vorgehen sollten. Die darin anvisierte Korpora­tionsvorstellung des einen Körpers geht über eine gesamthänderische Leitung des Reichs hinaus. Die als eins gedachte Spitze dürfte an im Reich geläufige Überlegungen und politische Theorien zu Monarchie und dem Körper des Königs als Spitze des Staatswesens Anschluss gefunden haben.70 Es scheint, dass das Doppelkönigtum am Modell und vor allem mit den praktischen Erfahrungen des modifizierenden Gesamthandprinzips gebildet wurde. Maßgeb­lich waren hierzu auch Ratgeber aus dem Umfeld des habsbur­gischen Niederadels beteiligt.71 Denn konkret erkennt man dies auch an der Vorstellung, wie etwa die Siegel zu handhaben waren. Der Münchener Vertrag fordert, dass sowohl die Siegel als ­solche gleich groß sein sollten wie auch die Buchstaben der Umschrift. Dies war auch bei den gleichzeitig regierenden österreichischen Herzögen bekannt.72 70 Jürgen Miethke, Politisches Denken und monarchische ­Theorie. Das Kaisertum als suprana­tionale Institu­tion im späteren Mittelalter, in: Ansätze und Diskontinuität deutscher Na­tionsbildung im Mittelalter, hg. von Joachim Ehlers, Sigmaringen 1989, S. 121 – 144; ders., Politische Theorien im Mittelalter, in: Politische Theorien von der Antike bis zur Gegenwart, hg. von Hans-­Joachim Lieber, Bonn 1991, S. 47 – 156; eher zurückhaltend bezüg­lich des Einflusses von Theoretikern auf die konkrete Politikgestaltung etwa am Hof Ludwigs des Bayern ders., Wirkungen politischer ­Theorie auf die Praxis der Politik im Römischen Reich des 14. Jahrhunderts. Gelehrte Politikberatung am Hofe Ludwigs des Bayern, in: Political thought and the realities of power in the middle ages, hg. von Joseph Canning  – Otto-­Gerhard Oexle, Göttingen 1998, S. 173 – 210, zum Vertrag von München S. 179; zu den älteren gängigen oft naturimitierenden Gemeinschaftsvorstellungen mit monarchischer Spitze vgl. bereits Tilman Struve, Die Entwicklung der organolo­gischen Staatsauffassung im Mittelalter, Stuttgart 1978. 71 MGH Const. 6,1, Nr. 105, S. 74, Art. 12 mit Nennung der Zeugen: Graf Berthold von ­Henneberg, Burggraf Friedrich von Nürnberg, Bruder Konrad von Gundelfingen, Meis­ ter des Deutschen Ordens in deutschen Landen, Hermann von Lichtenberg, Kanzler, Meister Ulrich Wild, Protonotar Ludwigs, Dietrich von Pil­lichsdorf, Hans Truchsess von ­Diessenhofen, Weigand von Trausnitz, Bruder Konrad, Prior von München und Bruder Gottfried, Prior zu Mauerbach in Allerheiligental, die beiden Beichtväter der Könige. 72 Zusammenstellung der Herzogssiegel der österreichischen Regenten: Karl von Sava, Die Siegel der österreichischen Regenten, Wien 1869 – 1871, fasst die verstreut erschienenen

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Das Scheitern des Münchener Vertrages rührte letzt­lich daher, dass die Formierung des Reichsgutes unter zwei Königen als Gesamthänder jedes Anrecht auf Mitsprache der Kurfürsten in Reichsangelegenheiten ausklammerte. Gerade diese übergangenen Rechte der Kurfürsten sollten der Ansatzpunkt dafür werden, die im Münchener Vertrag entwickelte Korpora­tionstheorie zur Reichsherrschaft aus den Angeln zu heben. Wie auch schon in Böhmen dachten die adeligen Königsmacher nicht daran, sich darauf einzulassen, hätte es doch ihr Mitentscheidungsrecht massiv beeinträchtigt. Sowohl Ludwig als auch Friedrich versuchten zwar, die Kurfürsten für sich zu gewinnen, aber die Bestrebungen, jenen Vertrag in die Tat umzusetzen, blieben im Ansatz stecken.73

Unum dominium. Krise und Neuformulierung des Habsburger Modells Wie anfällig die Konstruk­tion der gesamthändischen Regierung der habsbur­ gischen Güter war, zeigt sich an der Krise, die durch das Aufbegehren Ottos, des jüngeren Bruders Friedrichs, ausgelöst wurde. Der 1301 geborene Herzog von Österreich und Steiermark war auch bei Volljährigkeit zunächst nicht an den Regierungshandlungen beteiligt.74 Er wurde 1325 mit Elisabeth, einer Tochter Stephans von Niederbayern, vermählt,75 und seine Residenz in Wien entwickelte sich zum Zentrum literarischer Geselligkeit, die ihm s­ päter den Beinamen ‚der Fröh­liche‘ eintrug.76 1327 stiftete er zusammen mit seinen älteren Brüdern Friedrich

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Artikel aus den Mittheilungen der K. K. Central-­Commission zusammen. (Herzog/König) Friedrich mit könig­lichen und herzog­lichen Siegeln, S. 104 – 108; Albert, S. 109, Nr. 17; ­Leopold, S. 110, Nr. 20; Heinrich, S. 111, Nr. 22; Otto, S. 113, Nr. 25; vgl. dazu Ernst ­R ieger, Das Urkundenwesen der Grafen von Kiburg und Habsburg, hg. aus dem Nachlass durch Reinhard Härtel, Köln 1986. Regesta Habsburgica III, Nr. 1629, vgl. dazu ausführ­lich Hans-­Dieter Homann, Kurkolleg und Königtum im Thronstreit von 1314 – 1330, München 1974, S. 222 – 225. Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 310 – 337; Günther Hödl, Habsburg und Österreich (1273 – 1493), Wien 1988, S. 75 – 92. Regesta Habsburgica III, Nr. 1620; dazu: Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 290. Ottos Residenz in Wien galt als Mittelpunkt höfischer Geselligkeit. In der damit in Bezug stehenden Schwankliteratur erscheint der Herzog als leutselig, freigebig und heiter, woher auch sein Beiname ‚der Fröh­liche‘ (iocundus) stammt, der allerdings erstmals 1460 erwähnt wird. Hans Rupprich, Das Wiener Schrifttum des ausgehenden Mittelalters, Wien 1954,

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und Albrecht II. das Stift Neuberg an der Mürz aus Dankbarkeit, dass aus der Ehe mit Elisabeth ein Sohn hervorgegangen war, den er Friedrich nannte. Dieser Sohn war nach dem Tod von Friedrichs des Schönen Sohn der einzige männ­liche Nachkomme der fünf Herzöge. In der Forschung deutet man diesen Umstand als einen der wichtigsten Gründe, weswegen Otto in den folgenden Monaten den Konsens der Brüder über die gemeinsame Verwaltung der habsbur­gischen Besitzungen aufkündigte.77 Nach Angaben des ‚Liber certarum Historiarum‘, das der eng mit Albrecht II. verbundene Zisterzienserabt Johannes von Viktring (gest. um 1347) im Jahre 1341 zusammenstellte,78 habe Otto zunächst einen höheren Unterhalt für sich und seine Frau gefordert und wenig ­später sogar die tatsäch­liche Aufteilung der brüder­lichen Gemeinschaft. Wört­lich habe er verlangt, suarum rerum esse dominum et principum, dass also er seiner Sachen eigener Herr und Fürst sei. Die Angelegenheit schlug schon im Frühjahr 1328 so hohe Wellen, dass man eine Versammlung der Stände einberief. Wichtigste Quelle ist hierzu ein Brief des Erzbischofs von Salzburg, Friedrich III. von Leibnitz, den dieser wenige Tage nach den bewegenden Ereignissen abfasste. Aus d­ iesem geht hervor, dass sich in Wien die österreichischen Herren versammelten und die Auseinandersetzung ­zwischen den Brüdern unter einer erzbischöf­lichen Modera­tion über mehrere Tage hinweg zu schlichten versuchten. Wört­lich heißt es darin, dass Otto nun terciam partem beanspruche, also das ihm zustehende Drittel.79 Daraus wird ersicht­lich, dass Otto hier nicht nur das Modell der Gesamthand ablehnte, bei dem er eine Mitherrschaft nach dem Wohlwollen der älteren Brüder hätte haben können. Auch dem Prinzip der Primogenitur stand er ablehnend gegenüber, da er als Nachgeborener gar keine Herrschaftsbeteiligung erhalten hätte. Insbesondere hieß er auch nicht gut, dass 1313 in seinem Namen auf seine Erbrechte verzichtet wurde, um die Ehe seines Bruders mit der Königstochter Isabella aus Aragon zu ermög­lichen. Am auffälligsten ist indes die Formulierung, mit der das habsbur­g ische Besitzkonglomerat beschrieben wurde. Erz­ bischof Friedrich bezeichnet es als das, was ihm aus den Herzogtümern und dem hinterlassenen Besitz zustehe (se ex predictis ducatibus et reliquo patrimonio S. 80 f.; sowie ders., Die Deutsche Literatur vom späten Mittelalter bis zum Barock, München 1970 – 1973, hier Bd. 1, S. 113 – 124. 77 Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 301 – 304. 78 Alphons Lhotsky, Quellenkunde zur mittelalter­lichen Geschichte Österreichs, Graz u. a. 1963, S. 292 – 301. 79 Brief des Erzbischof Friedrich III. von Leibnitz, 1328. post Febr. 7, in: MGH Const. 6,1, Nr. 402, S. 302: […] eodem domino provocante ad divisionem et petente sibi assignari terciam partem se ex predictis ducatibus et reliquo patrimonio contingentem […].

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contingentem).80 Gerade die Formulierung patrimonium lässt aufhorchen. Für die habsbur­gischen Güter war sie bis dahin, soweit ich sehe, weder in der habsbur­ gischen Kanzlei noch im übrigen habsbur­g ischen Schriftverkehr verwendet worden. Hingegen findet sie sich in einem Schreiben von Papst Johannes XXII . an Leopold im Jahre 1324, in dem er ihm zustimmt, dass Leopold zur Befreiung seines Bruders eigene Burgen und ­solche aus dem Patrimonialgut seiner Brüder als Pfand für Friedrich verwenden solle.81 Während im Bereich der ­Kirche und des Kirchenrechts der Begriff patrimonium stets für den päpst­lichen Kirchenstaat verwendet wurde, kam er im welt­lichen Bereich häufig für den ‚Fideikommiss‘, also den durch den Willen eines oder mehrerer Verstorbener zusammengekommenen Besitz, in Gebrauch.82 Die Verwendung des Patrimonialbegriffs zeigt, wie eng die Fügung der habsbur­gischen Güter von außen gesehen wurde und dass er von einer Vorform von Familienstiftung nicht getrennt werden kann.83 Herzog Otto suchte seine Ansprüche mit militärischer Hilfe von außerhalb durchzusetzen. Er bat dabei offenbar sowohl den König von Böhmen, Johann von Luxemburg, sowie den König von Ungarn um militärische Unterstützung. Beide benachbarten Könige kamen dieser Anfrage mit plündernden Kontingenten nach.84 In den grenznahen Landschaften fand ein letzt­lich wieder auf unbefriedigte Erbansprüche gegründetes Blutvergießen statt. Bezüg­lich der Beilegung sind wir von Johannes von Viktring über eine Zusammenkunft unter den Brüdern unterrichtet. Diese hätten ihm unmissverständ­lich zu verstehen gegeben, wie wichtig die Einheit der Ländereien sei:

80 Ebd., S. 302: […] dicto vero domino F(riderico) allegante in contrarium, quod ex conswetudine prefatorum ducatuum divisio fieri non debeat et sibi tamquam seniori libera administracio conpetat eorundem quodque cum ipse eligeretur in regem Romanorum, convenit inter ipsum et fratres suos, quod administracionem huiusmodi absque impedimento quolibet gerere et exercere deberet, ut onera litis ex elec­tione sibi incumbencia facilius supportare valeret. 81 1324. Sept. 15, MGH Const. 5, Nr. 984, S. 822: […] datis eidem duci Bavarie quibusdam castris tuis tuorumque fratrum patrimonialibus loco pignoris, procurares, set adhuc viam istam nolebas prosequi absque nostra licentia speciali. 82 Gerhard Köbler, Deutsche Rechtsgeschichte. Ein systematischer Grundriss der geschicht­ lichen Grundlagen des deutschen Rechts von den Indogermanen bis zur Gegenwart, München 62005, S. 36; zur Wortverwendung Art. Patrimonium, in: Glossarium ad scriptores mediae et infimae Latinitatis, ed. Carolo DuFresne domino DuCange, Bd. 5 (1845), S. 144. 83 Gertrud Forster, Mitwirkungsrechte der Nachkommen, Brüder und weiterer Verwandter, sowie der Ehefrau bei Verfügungen des zukünftigen „Erblassers“ auf Grund der Rechtsquellen und Urkunden der Ostschweiz, Affoltern am Albis 1952. 84 Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 301.

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[…] wie man näm­lich erwäge, dass das Gebiet nicht zerschnitten werden darf, wenn nicht mit größtem Schaden für Besitz und Leben der Bewohner, die bislang ein Volk, ein Stamm und einer Herrschaft waren, und sich immer unter einem oder mehreren Fürsten gleichsam vereint und nütz­lich erwiesen. 85

Johannes von Viktring unterstellt den Herzögen die Aussage, dass das Land nicht auseinandergerissen werden könne, ohne der Bevölkerung großen Schaden zuzufügen. Denn das habsbur­gische Konglomerat sei „ein Volk, ein Stamm und eine Herrschaft“, das unter „einem oder mehreren Fürsten“ gedeihe.86 Die pathosgeladene Formulierung unus populus, una gens, unum dominium wurde in der Forschung als zukunftsweisende Kompromissformel gedeutet.87 Sie basierte in geschickter Verquickung auf der Kombina­tion legistischer Formen der Korpora­tionslehre 88 und auch auf Modellen, wie sie im Kirchenrecht verwendet wurden, und zeugt von einer Idee der ungeteilten unitas, wenn nicht sogar unanimitas.89 Damit schwingt ein dezidiert egalitärer und für monarchische Herrschaft unerwarteter Aspekt mit, der verfassungsrecht­lich schwer fassbar ist und, wie sich zeigt, in den komplexen Situa­tionen der Herrschaftsformierung schwer zu verteidigen war. Im weiteren Verlauf knüpfte man an diese Formulierung an. Anklänge daran finden sich etwa in der sogenannten Hausordnung Herzog Albrechts II . vom 25. November 1355. Nach einer wechselvollen Zeit und zahlreichen territorialen 85 Johannes von Viktring/Iohannis abbatis Victoriensis, Liber certarum historiarum, hg. von Fedor Schneider (MGH SS rer Germ [36]), Hannover – Leipzig 1909/1910, Teil 2, S. 98 f.: simul eciam ponderantes terram non posse scindi nisi cum maximo rerum et hominum inhabitancium dispendio, qui actenus unus populus, una gens, unum dominium extitere et uni semper principi vel pluribus, unitis tamen, pariliter et utiliter paruere. 86 Othmar Hageneder, Die Herrschaft zu Österreich und ihre Länder im Mittelalter, in: Carinthia 186 (1996), S. 219 – 235, hier S. 226. Lackner, Das Haus Österreich und seine Länder im Spätmittelalter (wie Anm. 6), S. 278. 87 Otto Brunner, Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter, Wien – Wiesbaden 51965; ND Darmstadt 1990, S. 189; zu Otto Brunners Vorstellungen des Hauses vgl. Valentin Groebner, Ausser Haus. Otto Brunner und die „alteuro­päische Ökonomik“, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 46 (1995), S.  69 – 80. 88 Zu den legistischen Theorien Helmut G. Walther, Die Gegner Ockhams: Zur Korpora­ tionslehre der mittelalter­lichen Legisten, in: Politische Institu­tionen im gesellschaft­lichen Umbruch. Ideengeschicht­liche Beiträge, hg. von Gerhard Göhler u. a., Opladen 1990, S.  113 – 139. 89 Jürgen Miethke, Einheit als Aufgabe: Momente der Integra­tion in der politischen ­Theorie der Scholastik, in: Fragen der politischen Integra­tion im mittelalter­lichen Europa, hg. von Werner Maleczek (VuF 63), Ostfildern 2005, S. 241 – 272.

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Veränderungen – im Positiven wie im Negativen 90 – drang Albrecht II. auf eine gemeinsame Regierung aller seiner Söhne.91 Gemäß dieser Regelung sollten die vier Söhne Rudolf, Friedrich, Albrecht und Leopold gemeinsam die Länder verwalten.92 Das dezidiert ausgesprochene Ziel war erneut die ungeteilte Erhaltung der habsbur­gischen Länder in den Händen mehrerer. Dieser einmütig beschworene Konsens hielt allerdings kaum eine Genera­tion. Der Vertrag von Neuberg im Jahre 1379 z­ wischen Albrecht III. und Leopold III. leitete eine Reihe von Realteilungen mit Linientrennungen ein, die einen Bruch mit der Politik erkennen lassen, wie er unter Friedrich und seinen Brüdern praktiziert wurde.93 Damit zeigt sich in der Familienorganisa­tion klarer das sich im Spätmittelalter ausbreitende Modell der römischrecht­lich fundierten Vorstellung vom Miteigentum. Bei Miteigentum wird nicht gemeinsam verwaltet, sondern kann in Bruchteilen, also Einzelherrschaften autonomer organisiert werden.94 Die innerhabsbur­gischen Zerwürfnisse, die dadurch nicht beigelegt werden konnten, führten bisweilen zu bürgerkriegs­ artigen Auseinandersetzungen,95 dem „dunkelsten Kapitel der spätmittelalter­lichen Geschichte Österreichs“, wie Christian Lackner es bezeichnete.96 ***

In fünf Querschnitten wurde je ein bestimmter Blickwinkel auf sich langsam wandelnde Korpora­tionsvorstellungen in der Dynastie der Habsburger freigelegt. Der Erste galt dem frühesten problematischen Fall einer konfliktreichen Durchsetzung eines korporativen Modells durch die Habsburger, die sogenannte Gesamthand­ belehnung mit den österreichischen Ländern durch Rudolf an seine Söhne Albrecht und Rudolf im Jahre 1282. Hier waren es die Stände, die Widerstand gegen das Kollektivmodell ausübten. Darauf wurde gezeigt, wie d­ ieses Modell auch für die Anwartschaften und Ausübung der Herrschaft in Königreichen praktiziert wurde, 90 Vgl. zum geschickten Zuerwerb Tirols Jürgen Miethke, Die Eheaffäre der Margarete „Maultasch“, Gräfin von Tirol (1341/1342): Ein Beispiel hochadliger Familienpolitik im Spätmittelalter, in: Päpste, Pilger, Pönitentiarie. Festschrift für Ludwig Schmugge zum 65. Geburtstag, hg. von Andreas Meyer u. a., Tübingen 2004, S. 353 – 391. 91 Vertrag vom 25. November 1355, ed. Schwind – Dopsch, Ausgewählte Urkunden (wie Anm. 17), Nr. 189, S. 132 f. 92 Heinz Dopsch, Rudolf IV. (der Stifter), in: NDB 22 (2005), S. 179 – 180. 93 Lackner, Hof und Herrschaft (wie Anm. 45), S. 300. 94 Zum Miteigentum vgl. Köbler, Deutsche Rechtsgeschichte (wie Anm. 82), S. 40, S. 61. 95 Vertrag vom 25. Sept. 1379, ed. Schwind – Dopsch, Ausgewählte Urkunden (wie Anm. 17), Nr. 138, S. 270 – 273. 96 Lackner, Hof und Herrschaft (wie Anm. 45), S. 306 f.

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so in Böhmen und im römisch-­deutschen Reich. Die böhmischen Magnaten hatten sich über die präzise schrift­liche Regelung sowie über das Zeremoniell aus Prag und Znaim hinweggesetzt und das Königtum an Heinrich von Kärnten vergeben. In einem dritten Abschnitt wurde die Einflussnahme auswärtiger Herrscher auf das habsbur­gische Modell dargestellt: König Jakob II. von Aragon forderte die Abwendung des Habsburger Familienmodells. Der Hintergrund hierfür war, dass er dem römischrecht­lichen Denken und damit der hervorgehobenen Rolle des pater familias verbunden war, womit patrilineare Logiken im Vordergrund standen. Zugleich wahrte er auch das Ansehen der eigenen Familie, wenn er im interna­tionalen Austausch zumindest die Angleichung der Stellung seiner Tochter auf das im mediterranen Raum Üb­liche forderte. Indem er in diesen scheinbar unklaren Verhältnissen der habsbur­gischen Brüder auf einer klaren Primogeniturregelung bestand, führte er familieninterne Rekonfigura­tionen der Machtverhältnisse bei. Ein weiterer Abschnitt behandelte das in der euro­ päischen Verfassungsgeschichte einzigartige und bislang unzureichend erklärte Doppelkönigtum durch Friedrich und Ludwig den Bayern. Sieht man dies jedoch im Licht der habsbur­gischen korporativen Vorstellungen, so erklärt sich dieser Vertrag als Lösungsansatz, dessen Innova­tion darin bestand, das Familienmodell auf Reichsebene zu transferieren. Auch dieser Implementierungsversuch eines korporativen Modells scheiterte. Zuletzt zeigten sich die zentrifugalen Kräfte innerhalb der Genera­tion von ­Albrechts Söhnen am Beispiel Ottos, der, nun auf seine eigenen Rechte pochend, dezidiert ein Drittel von seinen Brüdern verlangte. Mit auswärtiger militärischer Hilfe kam es zur empfind­lichen Störung des Modells, was zur Folge hatte, dass die Einheit und der Korpora­tionsgedanke neu und emphatischer formuliert werden mussten. Unter dem Druck entstand demnach ein neues Modell der korporativen Einheit, das gängiges Rechtsdenken wie etwa die Konzep­tion einer unitas aufnahm. So kam es zu jener späterhin als maßgeb­lich erachteten Klausel, dass der vielschichtige, vielgesichtige und unter unterschied­lichsten Rechtsformen und -titeln zusammengeflickte Besitz Habsburgs als unus populus, una gens, unum dominium gelten solle, was sich die kommenden Jahrhunderte als zukunftsweisende Konsensformel erwies. Insgesamt wird in den einzelnen Querschnitten das ständig wiederkehrende Bemühen erkennbar, einen effizienten und stabilen Familienverband zu konstruieren. Dabei ging es vor allem darum, Probleme und Unzuläng­lichkeiten gängiger Modelle ­zwischen Sippen- und Hausvaterorganisa­tion, ­zwischen individueller und egalitär-­korporativer Herrschaftsorganisa­tion zu vermeiden. Einerseits konnte damit die starke und mög­licherweise als ungerechtfertigt empfundene Hervorhebung der Stellung des primogenitus gemindert werden. Gleichzeitig wurden mehrere Herzöge an der Herrschaft beteiligt. Hätte man die jüngeren Brüder

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für die geist­liche Laufbahn eingesetzt – wie es etwa bei anderen hochadeligen Familien häufiger vorkam – und somit verunmög­licht, legitime Nachfolger zu erzeugen, hätte die Gefahr eines Erlöschens der Familie in der männ­lichen Linie bestanden.97 Das Experimentieren mit der Form der Herrschaftsausübung und Besitzwahrung geht indes über die reine Form einer Gesamthand weit hinaus. Dennoch können darin in gewisser Weise Vorformen einer juristischen Person erkennbar sein, die sich s­ päter als ‚Haus Habsburg‘ zu einer funk­tionsfähigen Institu­tion im organisa­tionssoziolo­gischen Sinne entwickeln sollte. Denn an der habsbur­gischen Form der modifizierten Gesamthand sind Aspekte zu entdecken, die einerseits klare Konturen von Teilhaberschaft und Miteigentum erkennen lassen, andererseits auch ein sich ausbildendes Organ, das nach außen hin und nach innen hin wirkt, näm­lich den Familienältesten. In dieser Weise wurde intern das Modell der Primogenitur integriert, doch wurde es mit unterschied­lichen Erweiterungen abgefedert. Die Artikula­tion dieser Änderungen von den tradierten Usancen wurde schrift­lich fixiert, wobei, wie sich aus den erwähnten Urkunden zeigt, durchaus Personal beteiligt war, das in Kanzleistil und gericht­licher Rechtspraxis, aber auch römischem Recht bewandert war.98 Das familiär-­dynastische Blutsband, das durch münd­liche wie schrift­liche Konven­tionen präzisiert wurde, bildete die Grundlage des habsbur­ gischen Korpora­tionsmodells. Ergänzt wurde auch wegen oder gerade trotz ­dieses familiären Rahmens an neural­gischen Punkten der Herrschaftsteilung bzw. der Herrschaftsvereindeutigung mit öffent­lich geleisteten Eiden. Diese sollten fixieren, was über Blutsverbindungen und Schrift­lichkeit selbst bestimmter Normen hinausging.99 Während der Lebensjahrzehnte von Friedrich von Habsburg finden sich immer wieder unterschied­liche Ansätze, die einzelnen Herrschaftstitel gebündelt zusammenzuhalten, ohne das Risiko von Teilungen oder des Aussterbens der männ­lichen Linie einzugehen. Wie schon zuvor nutzte man das Instrument der Gemeinderschaft, der Gesamthand, um sich gegen die Primogeniturtendenzen und gegen Reichsrecht bei Fahnlehen Vorteile zu verschaffen. Selbst die Forderungen der österreichischen und steirischen Stände, nur mit einem Herrscher zu verhandeln, wurden damit durchkreuzt. Außerdem konnte damit Unsicherheiten beim Fehlen 97 Spiess, Erbteilung (wie Anm. 6). 98 Peter Moraw, Gelehrte Juristen im Dienst der deutschen Könige des späten Mittelalters (1273 – 1493), in: Die Rolle der Juristen bei der Entstehung des modernen Staates, hg. von Roman Schnur, Berlin 1986, S. 77 – 148. 99 Paolo Prodi, Das Sakrament der Herrschaft. Der politische Eid in der Verfassungs­geschichte des Okzidents, Berlin 1997, S. 56.

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eines männ­lichen Nachfolgers vorgebeugt werden. Es muss allerdings d ­ arauf hingewiesen werden, dass in der Genera­tion der Söhne Albrechts alle bis auf Otto ohne Erben blieben, sich also viele Konflikte gar nicht zeigten. Dennoch kann man über die Genera­tion von Albrechts I. Söhnen hinaus ein besonderes Korpora­tionsdenken erkennen, in dem die Genera­tion der Brüder des Regenten innerhalb der Dynastie einen besonderen Stellenwert einnahm. Was als Gütergemeinschaft und Verschleierung von Besitzstrukturen von Untertanen, aber auch an anderen Königshöfen auf Verwunderung oder sogar Ablehnung stieß, ist vielmehr als Besonderheit eines habsbur­gischen Korpora­tionsdenkens zu bewerten, in das zielstrebig Modelle anderer Bereiche übernommen wurden. Diese wurden in besonderer Art und Weise angepasst, sodass sie in der Entwicklung zum Vorteil werden konnten. Durch den präzisen Blick auf die Korpora­tionsvorstellungen wird ein herausstellendes Element der Struktur und Eigenart des habsbur­gisch-­ österreichischen Hofes dargestellt. Es zeigt sich, dass der Verbund der habsbur­ gischen Brüder, die genera­tionale Korpora­tion und deren Erfolg, aus zahlreichen Einzelentscheidungen bestand, die ein Muster erkennen lassen. Im Nachhinein sollte sich diese Vorgehensweise als besondere Familienstrategie herausstellen und zu einem Modell verdichten.

Der erste ‚österreichische‘ Habsburger Friedrich der Schöne und Österreich Christian Lackner „Mit Friedrichs Tod ist eine große Wende eingetreten. Die Habsburger waren bisher ihren öst­lichen Ländern inner­lich fremd geblieben, wenigstens bis 1325. Sie hatten sie im Grunde bisher nur als materielle Verstärkung ihrer west­lichen Posi­tion betrachtet. Das Scheitern der hochfliegenden Pläne Friedrichs hatte die bedeutsame Folge, daß sich die Dynastie ihrer nächstliegenden Aufgaben besann, mit einem Worte: daß ihre Mitglieder anfingen, Österreicher zu werden.“ 1 Mit diesen Formulierungen schloss Alphons Lhotsky 1967 in seiner ‚Geschichte Österreichs 1281 – 1358‘ die äußerst kritische Würdigung Friedrichs des Schönen und leitete zum nächsten Abschnitt, der Friedrichs jüngeren Brüdern Albrecht II. und Otto gilt, über. Dem Doyen der österreichischen Geschichtsforschung der Nachkriegszeit sind seither viele gefolgt. Auch Karl-­Friedrich Krieger, der Lhotskys negatives Urteil über Friedrich den Schönen sonst nicht übernehmen wollte, verortet die Wende zur ‚Austrifizierung‘ der habsbur­gischen Dynastie um 1330. „Seit dem Tode Friedrichs des Schönen“, so Krieger, habe sich „der Herrschaftsschwerpunkt immer deut­licher von den vorländischen Stammlanden in die österreichischen Herzogtümer [verlagert], was dazu führte, daß sich die Habsburger von der landfremden Dynastie der ‚Schwaben‘ allmäh­lich zu ‚Österreichern‘ wandelten“.2 Erst jüngst ist Alois Niederstätter allerdings von Lhotskys Einschätzung merk­lich abgerückt. In seinem Band der großen österreichischen Geschichte, der die Zeit von 1278 bis 1411 behandelt, relativiert Niederstätter die Bedeutung jener Zäsur in der österreichischen Geschichte, ­welche Lhotsky mit dem Tod Friedrichs des Schönen 1330 festmachen wollte. Schon während Friedrichs Regierung hätten sich „die Verhältnisse in Österreich gewandelt“, so Niederstätter. Und weiter: „Das Beziehungsgeflecht z­ wischen der Dynastie und den ehemals babenber­gischen Ländern wurde allmäh­lich dichter – nicht zuletzt in personeller Hinsicht.“ „Spekula­tionen 1 Alphons Lhotsky, Geschichte Österreichs seit der Mitte des 13. Jahrhunderts (1281 – 1358). Neubearbeitung der Geschichte Österreichs von Alfons Huber, 2. Band 1. Teil (Veröffent­ lichungen der Kommission für Geschichte Österreichs 1), Wien 1967, S. 309. 2 Karl-­Friedrich Krieger, Die Habsburger im Mittelalter. Von Rudolf I. bis Friedrich III., Stuttgart – Berlin – Köln 1994, S. 139.

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über den Zeitpunkt, von dem an die Habsburger ‚Österreicher‘ wurden“, wollte ­ iederstätter frei­lich insgesamt angesichts des Charakters hochadeliger HerrN schaftsausübung im Spätmittelalter wenig Bedeutung zumessen.3 Günther Hödl wiederum betonte, F ­ riedrich habe zu jenen Entwicklungen beigetragen, „die das Hzm. [Österreich] unter Friedrichs Nachfolger Hzg. Albrecht II. (1330 – 58) zum Kernland der habsburg. Herrschaft machten“.4 Einigermaßen schwer tat sich schon die spätmittelalter­liche österreichische Landeschronistik mit Friedrich dem Schönen und dessen angemessener Einordnung in die Geschichte des Landes. Das lässt sich anhand der in den habsbur­gisch-­ österreichischen Ländern zu Ausgang des Mittelalters weitverbreiteten und hochgeschätzten sogenannten ‚Chronik der 95 Herrschaften‘ deut­lich ablesen. Indem der anonyme Autor der gegen Ende des 14. Jahrhunderts verfassten Chronik als strukturelles Gliederungsprinzip einen dreifachen chronolo­gischen Durchlauf nacheinander durch Papst-, ­Kaiser- und österreichische Landesgeschichte wählte, schien eine doppelte Berücksichtigung Friedrichs des Schönen, einerseits als römischem König, andererseits als Fürsten in der Reihe der österreichischen Herzöge, unumgäng­lich. So recht wollte das Splitting des Narrativs indes nicht gelingen. Und überhaupt fand der Chronist in seiner Geschichtserzählung keinen rechten Platz für den Herzog-­König. Zuerst führt er Friedrich den Schönen bei der Vorstellung der zahlreichen Kinder König Albrechts I. mit der biographischen Abbreviatur der waz ain ersamer man und ward auch ze leste nach seines vater tod zu dem römischen reich gefüdert ein,5 um dann im Zusammenhang mit der Ermordung Albrechts I. neuer­lich kurz seiner zu gedenken. Von der Einsetzung von Pflegern in den habsbur­gischen Stammlanden ist da die Rede, weil herczog 3 Alois Niederstätter, Die Herrschaft Österreich. Fürst und Land im Spätmittelalter (Österreichische Geschichte 1278 – 1411), Wien 2001, S. 130. 4 Günther Hödl, Friedrich der Schöne (1314 – 30), in: Höfe und Residenzen im spätmittel­ alter­lichen Reich. Ein dynastisch-­topographisches Handbuch 1: Dynastien und Höfe, hg. von Werner Paravicini, bearb. von Jan Hirschbiegel – Jörg Wettlaufer (Residenzenforschung 15/I), Ostfildern 2003, S. 293. 5 Österreichische Chronik von den 95 Herrschaften, ed. Joseph Seemüller (MGH Dt. Chron. 6), Hannover 1906/09 [künftig: Österr. Chronik von den 95 Herrschaften], S. 179. Zur Chronik vgl. Paul Uiblein, Die Quellen des Spätmittelalters, in: Die Quellen der Geschichte Österreichs, hg. von Erich Zöllner (Schriften des Institutes für Österreichkunde 40), Wien 1982, S. 50 – 113, hier S. 100 – 103; ders., Leopold von Wien, in: VL 5 (21985), Sp. 716 – 723; und zuletzt Peter Knapp, Geschichte der Literatur in Österreich von den Anfängen bis zur Gegenwart, in: Die Literatur des Spätmittelalters in den Ländern Österreich, Steiermark, Kärnten, Salzburg und Tirol von 1273 bis 1439, hg. von Herbert Zeman, Bd. 2, Graz 1999 – 2004, S. 285 – 299.

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Fridreich mit seinen andern brüdern in dem herczogtumb ze Österreich wonte. Es folgt eine Schilderung des unbarmherzigen Rachefeldzugs, den Friedrichs jüngerer Bruder Leopold gegen die Königsmörder führte, bis, so der anonyme Chronist, Friedrich nach Schwaben kam. Der waz senfters mutes und sinnes.6 Als eigene ‚Herrschaft‘ in Österreich zählt der Chronist Friedrich den Schönen nicht – auf die 92. Herrschaft, jene Albrechts I., folgt als 93. die ‚Herrschaft‘ von Friedrichs Bruder Albrecht II. Die Integra­tion Friedrichs in die österreichische Fürstenreihe vollzieht erst im 15. Jahrhundert Thomas Ebendorfer in seiner ‚Cronica Austrie‘, wo es heißt: Fridericus I. huius generosi ac magnifici germinis de Hablspurg, tercius Alberti regis filius, succedit patri in Austria et Styria.7 Für den Autor der ‚Chronik der 95 Herrschaften‘ hat Friedrich, wenn überhaupt, allein in der Königsreihe Platz. Nur hier am Beginn des 5. Buches widmet er Friedrich einige spär­liche Zeilen über Doppelwahl, Thronstreit und die Schlacht von Mühldorf.8 1289 als zweiter Sohn Albrechts I. geboren, war Friedrich der Schöne beim Tod des könig­lichen Großvaters Rudolf zwei, bei der Königswahl des Vaters neun Jahre alt. Er trug als erster Habsburger den Babenberger Namen Friedrich, ein sichtbares Z ­­ eichen der beginnenden Integra­tion der neuen Dynastie in den öst­lichen Herzogtümern. Dahinter stand natür­lich der Wille des Vaters Albrecht, der in der Folge auch dem drittgeborenen Sohn Leopold einen Babenberger Leitnamen gab, an die alte Dynastie der Herzogtümer Österreich und Steier anzuschließen, um die Einwurzelung seines Hauses in den öst­lichen Herrschaften, mit ­welchen er 1282 belehnt worden war, zu befördern.9 Am 21. November 1298 empfingen Friedrich, sein älterer Bruder Rudolf und der jüngere Bruder Leopold in Nürnberg vom könig­lichen Vater zu gesamter Hand die Belehnung mit Österreich, Steiermark, Krain, der Windischen Mark und Portenau. Historiographischen Berichten zufolge hätte König Albrecht schon damals den ältesten Sohn Rudolf zum alleinigen Herrn bestimmt.10 Wie dem auch sei. Die Heirat Rudolfs mit der franzö­sischen Königstochter Blanche machte schon sehr bald die Gesamthandbelehnung der 6 Österr. Chronik von den 95 Herrschaften, S. 186 f. 7 Thomas Ebendorfer, Cronica Austrie, ed. Alphons Lhotsky (MGH SS rer Germ N. S. 13), Berlin – Zürich 1967, S. 235. 8 Österr. Chronik von den 95 Herrschaften, S. 196. 9 Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 169: „Der Name ist babenber­gisch: die erste Konzession dieser Art an die neuen Territorien“. Ganz ähn­lich sehen dies noch Josef Riedmann, „Vorderösterreich“, in: MIÖG 106 (1998), S. 348 – 364, hier S. 353, und Niederstätter, Die Herrschaft Österreich (wie Anm. 3), S. 113. 10 Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 101 f.; Niederstätter, Die Herrschaft Österreich (wie Anm. 3), S. 113; und jetzt auch Annelies Redik, Friedrich der Schöne und die Steiermark, in: Nulla historia sine fontibus. Festschrift für Reinhard Härtel zum

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drei habsbur­gischen Brüder dynastiepolitisch und recht­lich unhaltbar, weshalb der zehnjährige Friedrich der Schöne und der sechsjährige Leopold im Februar 1300 zugunsten Rudolfs (17 Jahre) und seiner Kinder Verzicht leisteten.11 Die verbleibenden Kindheits- und Jugendjahre scheint Friedrich an der Seite seines Vaters König Albrecht verbracht zu haben, wobei er am 17. Januar 1303 erstmals selbstständig handelnd auftrat, als er das schwäbische Kloster Zwiefalten privilegierte.12 Den Titel eines Herzogs von Österreich und Steier und Herren von Krain, der Windischen Mark und Portenau führten Friedrich und sein jüngerer Bruder Leopold ungeachtet der Verzichtsleistung zugunsten des Ältesten Rudolf in diesen Jahren unverändert weiter.13 Gleichsam in die erste Reihe rückte der junge Friedrich in den Wintermonaten 1306/07, nachdem Herzog Rudolf III. im Oktober 1306 zum König von Böhmen erhoben worden war. Mög­licherweise hatte es mehr als nur sanften Druckes von Seiten des Vaters, König Albrecht, bedurft, um Rudolf zum Verzicht auf die Herzogtümer Österreich und Steier zugunsten seines jüngeren Bruders Friedrich zu bewegen. Nach dem Bericht des steirischen Reimchronisten Ottokar ouz der Geul sei dies tatsäch­lich erst nach längerem Sträuben Rudolfs geschehen.14 Am 7. Oktober 1306 wird jedenfalls noch Rudolf vom steirischen Hauptmann Ulrich von Wallsee als Herzog von Österreich und Steier tituliert, bald darauf scheint er jedoch die beiden Herzogstitel abgelegt und den böhmischen Königstitel – die Belehnung durch den Vater König Albrecht erfolgte am 16. Oktober – angenommen zu haben.15 Rudolf starb schon am 3. Juli 1307. Für Friedrich b­ edeutete aber

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65. Geburtstag, hg. von Anja Thaller – Johannes Giessauf – Günther Bernhard, Graz 2010, S. 387 – 4 00, hier S. 388. Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 108 f.; Niederstätter, Die Herrschaft Österreich (wie Anm. 3), S. 114; Redik, Friedrich der Schöne (wie Anm. 10) S. 388. Regesta episcoporum Constantiensium. Regesten zur Geschichte der Bischöfe von ­Constanz 2, bearb. von Alexander Cartellieri, Innsbruck 1905, Nr. 3304, S. 47; vgl. auch Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 173; und Niederstätter, Die Herrschaft Österreich (wie Anm. 3), S. 114. Urkundenbuch des Landes ob der Enns 4, Wien 1867, Nr. 492 (1304 II 2), Nr. 508 (1304). Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 150: „Damit war Rudolf genötigt, auf seine Donau-­Alpenherzogtümer zu verzichten, und dies scheint ihm nicht leicht gefallen zu sein“. Vgl. dazu Redik, Friedrich der Schöne (wie Anm. 10), S. 389. Urkunde Ulrichs von Wallsee vom 7. Oktober 1306, Wien, Deutschordenszentralarchiv http://monasterium.net/mom/AT-DOZA/Urkunden/1258/charter (zuletzt aufgerufen am 11. 2. 2015); vgl. Die Urkunden des Deutschordenszentralarchivs in Wien. Regesten I, hg. von Udo Arnold (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 60/I), Marburg 2006, Nr. 1258, S. 398. Siehe auch Walter Diesenreiter, Rudolf III.

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erst die Ermordung des könig­lichen Vaters am 1. Mai 1308 die große Wende in seinem Leben. Als dem ältesten der überlebenden Söhne fiel ihm die Rolle zu, die Geschicke der Dynastie zu lenken. Nach dem Tod des Vaters König Albrecht bedeutete dies für Friedrich konkret „vor allem die Durchsetzung der habsbur­ gischen Ansprüche auf die böhmische Königskrone sowie eine mög­liche Kandidatur bei der anstehenden Wahl des römisch-­deutschen Königs, aber auch die Verfolgung der Mörder seines Vaters“.16 Die Herrscherbiographie Friedrichs im Detail zu verfolgen, ist hier nicht meine Absicht. Vielmehr soll es im Folgenden um Friedrich als Landesfürsten der ehemals babenber­gischen Herzogtümer und Länder Österreich, Steiermark, Krain und der Windischen Mark gehen. Der Name ‚Österreich‘ meinte damals an der Wende zum 14. Jahrhundert und wohl noch lange das Herzogtum an der Donau, das spätere Österreich ob und unter der Enns. Und es begann zum Namen der Dynastie zu werden. Die Aneignung des Österreich-­Namens durch die Habsburger, ja die eigent­liche Verschmelzung derselben mit d­ iesem, schritt in der Zeit Friedrichs des Schönen nach ersten Ansätzen unter seinem Vater König Albrecht mächtig voran. Überall in den sichtbaren ­­Zeichen politisch-­ dynastischer Identität verdrängte Österreich das alte gräf­liche Habsburg, trat der österreichische Bindenschild an die Stelle des habsbur­gischen Löwen.17 Als Australis figuriert Friedrich der Schöne in der frei­lich erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts verfassten ‚Chronica de ducibus Bavariae‘.18 Aber auch den Zeitgenossen galten die Habsburger bereits als Australes, als die Österreicher. Und nicht zufällig begegnet der Name ‚Haus Österreich‘ in seiner lateinischen Form domus Austriae erstmals in den 1320er-­Jahren im Zusammenhang mit Friedrich dem Schönen. Jener Begriff, dem eine so große Zukunft beschieden war, bezeichnete, vorerst in der Regel von außerhalb gesehen, als Fremdbenennung, die Familie.19 Der Name des wichtigsten Territoriums ging auf die Dynastie über. (I.) Herzog von Österreich – König von Böhmen, Phil. Diss., Wien 1935, S. 131 Anm. 2; Redik, Friedrich der Schöne (wie Anm. 10), S. 389 und Anm. 9. 16 Krieger, Die Habsburger (wie Anm. 2), S. 110. 17 Riedmann, „Vorderösterreich“ (wie Anm. 9), S. 355. 18 Claudia Garnier, Inszenierte Politik. Symbo­lische Kommunika­tion während der Herrschaft Ludwigs des Bayern am Beispiel von Bündnis- und Friedensschlüssen, in: Ludwig der Bayer (1314 – 1347). Reich und Herrschaft im Wandel, hg. von Hubertus Seibert, Regensburg 2014, S. 169 – 190, hier S. 180 Anm. 31. 19 Zusammenfassend zuletzt Christian Lackner, Das Haus Österreich und seine Länder im Spätmittelalter. Dynastische Integra­tion und regionale Identitäten, in: Fragen der politischen Integra­tion im mittelalter­lichen Europa, hg. von Werner Maleczek (VuF 63), Ostfildern 2005, S. 273 – 301, bes. S. 285 ff.

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Die Forschung hat in den vergangenen Jahrzehnten akribisch frühe Belege für die Verwendung von domus Austriae aufgespürt, beginnend mit einem Schreiben des Kardinals Napoleon Orsini an den König von Aragon aus dem Jahre 1326.20 Auf diesen bisher ältesten bekannten Nachweis des ‚Haus Österreich‘-Begriffs, der übrigens fast zeitgleich mit dem ersten Auftreten des Namens domus Bava­ riae liegt, wie jüngst aufgezeigt wurde,21 folgen bis ins letzte Drittel des 14. Jahrhunderts indes nur wenige weitere lateinische Belege. Beim Urkundentitel der habsbur­gischen Herzöge hatte schon Friedrichs Vater Albrecht entscheidend tradi­tionsbildend gewirkt, indem in dieser Reihenfolge die Herzogstitel von Österreich und Steier sowie der Titel eines Herrn von Krain, der Windischen Mark und Portenau regelmäßig angeführt wurden. Rudolf, Friedrich und Leopold folgten dieser T ­ itelpraxis des Vaters, wobei zuletzt von Alexander Sauter darauf aufmerksam gemacht wurde, dass nur für Empfänger aus den habsbur­gischen Stammlanden im Westen bestimmte Urkunden ab und an auch die Grafschaften Habsburg und Kyburg bzw. die Landgrafschaft im Elsass in der Intitulatio nennen. Überwiegend blieben diese Titel aber weg. Seit ca. 1309 setzt dann die von Friedrich I. oder ­Leopold I. ausgehende Entwicklung eines kleinen Titels ein. Hierbei wurden ledig­lich die beiden Herzogtümer Österreich und Steier genannt.22 Nach der Königswahl 1314 legte Friedrich, dem Beispiel des Vaters folgend, die österreichischen Titel zugunsten des römischen Königstitels ab.23 Dies steht in deut­lichem Widerspruch zur tatsäch­lichen Beibehaltung der Herrschaft in den öst­lichen Herzogtümern durch Friedrich den Schönen. Denn anders als der Vater Albrecht, der nach der Königswahl unverzüg­lich seine Söhne mit den Herzogtümern Österreich und Steier belehnte, unterließ Friedrich eine Belehnung seiner jüngeren Brüder. Offenkundig konnte und wollte der Herzog-­König im Thronstreit nicht auf den Rückhalt der Hausmachtterritorien verzichten.24 20 Brief des Kardinals Napoleon Orsini an den König von Aragon, 16. 9. 1326, ed. Jacob Schwalm (MGH Const. 6), Hannover 1914 – 1927, Nr. 212, S. 143: […] quia idem rex et alii de domo Austrie sunt nobis quadam speciali dilec­tione coniuncti […]. Auf diese Stelle wies zuerst Alfred A. Strnad, Das Bistum Passau in der Kirchenpolitik Friedrichs des ­Schönen, in: Mitteilungen des oberösterreichischen Landesarchivs 8 (1964), S. 188 – 232, hier S. 207 f. Anm. 81, hin. 21 Jean-­Marie Moeglin, Les dynasties princières allemandes et la no­tion de Maison à la fin du Moyen Âge, in: Les Princes et le Pouvoir au Moyen Âge (Publica­tions de la Sorbonne. Série Histoire ancienne et médiévale 28), Paris 1993, S. 137 – 154, hier S. 154. 22 Alexander Sauter, Fürst­liche Herrschaftsrepräsenta­tion. Die Habsburger im 14. Jahrhundert (Mittelalter-­Forschungen 12), Ostfildern 2003, S. 73 f. 23 Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 103 und S. 169. 24 Niederstätter, Die Herrschaft Österreich (wie Anm. 3), S. 130 f.

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Eine Beschreibung der Herrschaft Friedrichs des Schönen in den öst­lichen, ehemals babenber­g ischen Ländern muss vom Itinerar des Fürsten bzw. von den Urkunden als der verschrift­lichten Form der Herrschaftspraxis ihren Ausgang nehmen. Beides lässt sich auf der Grundlage der in den 1920er-­Jahren erarbeiteten Bände der Regesta Habsburgica 25 relativ gut darstellen, indes nur für die Königszeit von 1314 bis 1330, denn für die Zeit davor fehlen einschlägige Regestenpublika­tionen.26 Ich möchte die Analyse mit vier Jahresstichproben versuchen, die sich über die Königszeit verteilen. Es sind dies die Jahre 1316 und 1318, 1326 und 1328. Den Spätwinter 1316 verbrachte König Friedrich nach längerer Abwesenheit aus den öst­lichen Herzogtümern in der Steiermark, wo er im Februar in Graz und Marburg/Maribor urkundete.27 Anfang März befand er sich in Wien, wo in einem Privileg für Melk von des Königs Absicht, sich erneut in den Westen zu begeben, die Rede ist. 28 Zwei Monate hielt sich der König frei­lich zunächst in Wien auf – vom 18. April 1316 datiert die Gründungsurkunde Friedrichs und seiner Brüder für die Kartause Mauerbach 29 –, ehe er über Wiener Neustadt, Graz, Voitsberg und Judenburg schließ­lich in den ersten Junitagen Schaffhausen erreichte.30 Die Belagerung der Reichsstadt Esslingen, die sich für Ludwig den Bayern erklärt hatte, beschäftigte Friedrich bis in den Herbst des Jahres 1316 – zuletzt gab es am 19. September ein folgenloses Geplänkel ­zwischen dem Habsburger und dem Entsatzheer Ludwigs.31 Das Jahr ging für Friedrich mit Aufenthalten im habsbur­g ischen Ensisheim im Elsass und zuletzt wieder in Schaffhausen zu Ende.32 Deut­lich abweichend vom 25 Regesta Habsburgica. Regesten der Grafen von Habsburg und der Herzoge von Österreich aus dem Hause Habsburg. III. Abteilung: Die Regesten der Herzoge von Österreich sowie Friedrichs des Schönen als deutschen Königs von 1314 – 1330 [künftig: Regesta Habsburgica III], bearb. von Lothar Gross (Publika­tionen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung [I]/3), Innsbruck 1922 – 1924. 26 Einen teilweisen Ersatz stellen dar Regesten des Herzogtums Steiermark 1 (1308 – 1319), bearb. von Annelies Redik (Quellen zur Geschicht­lichen Landeskunde der Steiermark 6), Graz 1976. 27 Regesta Habsburgica III, Nr. 390/391 und Nr. 393; vgl. Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 241. 28 Regesta Habsburgica III, Nr. 398. 29 Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 241 f. 30 Regesta Habsburgica III, Nr. 433 – 438, Nr. 443 – 4 45, Nr. 447, Nr. 450 – 452. 31 Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1) S. 242 f.; vgl. Heinz Thomas, Ludwig der Bayer (1282 – 1347). ­Kaiser und Ketzer, Regensburg u. a. 1993, S. 79 f.; und zuletzt Michael Menzel, Die Zeit der Entwürfe 1273 – 1347 (Gebhardt Handbuch der deutschen Geschichte 7a), Stuttgart 102012, S. 160. 32 Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 251.

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geschilderten Jahr 1316 sieht die Charakteristik des könig­lichen Itinerars 1318 aus. Die Mobilität des Habsburgers hatte sich gänz­lich auf die öst­lichen Herrschaften zurückgezogen. Von Graz, wo Friedrich den Jahresbeginn zubrachte, zog er im Februar nach Villach und Feldkirchen in Kärnten, ehe er am 7. März in Wien urkundete.33 Mehr als die Hälfte des Jahres 1318 residierte Friedrich in der größten Stadt seiner Hausmachtterritorien 34 – nur kurz unterbrochen von einem Abstecher ins nahe Klos­­terneuburg im Juni.35 Das Jahr klang in der Steiermark aus – am 5. Dezember hielt sich Friedrich in Judenburg auf, um den Jahreswechsel wieder – wie schon im Vorjahr – in Graz zu verbringen.36 Der Zeit nach Mühldorf, der Trausnitzer Gefangenschaft und dem Münchener Vertrag gehören die letzten beiden Stichjahre an. Mit der Implementierung des Doppelkönigtums 37 und dem Tod Herzog Leopolds am 28. Februar begann das Jahr 1326. Friedrich kam von Augsburg und Ulm Anfang Februar nach Selz. Es wurde zusehends ruhiger um den Habsburger, der sich im Südwesten des Reichs relativ kleinräumig ­zwischen Weissenburg, Durlach und Offenburg bewegte, schließ­lich in der zweiten Junihälfte das habsbur­g ische Kiburg und die Reichspfandschaft Schaffhausen aufsuchte. Weitere Sta­tionen und Quartiere sind Colmar, dann erneut Offenburg.38 Von Innsbruck, wo Friedrich und seine Brüder mit Ludwig dem Bayern im Dezember zusammentrafen,39 zog Friedrich um den Jahreswechsel in die Steiermark. 1328 zeigt Friedrichs Itinerar dann schließ­lich eine fast völlige Beschränkung auf das Herzogtum Österreich:

33 Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 253. 34 Günther Hödl, Friedrich der Schöne und die Residenz Wien. Ein Beitrag zum Hauptstadtproblem, in: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 26 (1970), S. 7 – 35, hier S. 14 f. 35 Regesta Habsburgica III, Nr.  709 – 712. 36 Siehe zu Aufenthalten Friedrichs des Schönen in der Steiermark Redik, Friedrich der Schöne (wie Anm. 10), S. 399 f. 37 Marie-­Luise Heckmann, Das Doppelkönigtum Friedrichs des Schönen und Ludwigs des Bayern (1325 – 1327). Vertrag, Vollzug und Deutung im 14. Jahrhundert, in: MIÖG 109 (2001), S. 53 – 81; vgl. zuletzt Menzel, Die Zeit der Entwürfe (wie Anm. 31), S. 167 ff.; Bernd Schneidmüller, ­Kaiser Ludwig IV. Imperiale Herrschaft und reichsfürst­licher Konsens, in: ZHF 40 (2013), S. 369 – 392, hier S. 382 f.; Gerald Schwedler, Bayern und Österreich auf dem Thron vereint. Das Prinzip der gesamten Hand als Verfassungsinnova­ tion für das Doppelkönigtum von 1325, in: Ludwig der Bayer (wie Anm. 18), S. 147 – 166; und Garnier, Inszenierte Politik (wie Anm. 18), S. 183 – 188. 38 Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 295. 39 Thomas, Ludwig der Bayer (wie Anm. 31), S. 175; und Heckmann, Doppelkönigtum (wie Anm. 37), S. 69 f.

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Wels (15. Januar), Wien, Krems (20. Mai), Bruck an der Leitha (21. September), Laab (25. November).40 Vergleicht man die Urkundenproduk­tion der vier Jahre 1316, 1318, 1326 und 1328, so zeigt sich eine konstant fallende Kurve. Der Höchststand des Jahres 1316 (69) wird zwei Jahre ­später nicht einmal mehr annähernd erreicht. Nach Mühldorf befinden wir uns dann auf sehr niedrigem Niveau (21). Das letzte gewählte Stichjahr 1328 fällt, was die Zahl der Beurkundungen (7) betrifft, nochmals gegenüber dem Jahr 1326 dramatisch ab. Differenziert man nach Empfänger bzw. Betreff, so zeigt sich deut­lich, dass Reichssachen 1316 bzw. 1318 ca. ein Drittel der friderizianischen Beurkundungen ausmachten. Prozentual, wiewohl nicht in absoluten Zahlen, erreichten das Reich betreffende Urkunden 1326 einen Höchstwert, um dann 1328 praktisch gänz­lich zu verschwinden. Unter den habsbur­gisch-­erbländischen Betreffen haben die Stammlande bei friderizianischen Beurkundungen 1316 noch einen, wenn auch bescheidenen Anteil (8). Für die drei übrigen Stichjahre lässt sich der Zahlenbefund so lesen, dass König Friedrich bis zuletzt der wohl tatsäch­ lich regierende Landesfürst der öst­lichen Herzogtümer und Herrschaften war. Es ist Günther Hödl gewesen, der schon vor einigen Jahrzehnten erstmals nachdrück­lich auf die Bedeutung Friedrichs des Schönen für die Entwicklung Wiens zur habsbur­gischen Fürstenresidenz hinwies. Hödl wollte bei Friedrich vor allem die Vorbildwirkung des Gegners Ludwig des Bayern erkennen. Dessen Tätigkeit für München hätte den Habsburger tief beeindruckt und dazu motiviert, es d­ iesem bezüg­lich Wien gleichzutun.41 Weil diese Pläne aber erst nach der wittelsbachischen Gefangenschaft Friedrichs ab 1326 Gestalt annahmen, sei ihm nur noch wenig Zeit zur Verwirk­lichung seiner Residenzpläne für Wien geblieben. Nicht die oft berufene „Planlosigkeit und Inaktivität“ des Habsburgers, sondern eher „mangelnde Gelegenheit, sich der Stadt voll und ganz zu widmen“, ­seien Grund dafür, so Hödl, dass der planmäßige Ausbau Wiens zur Habsburgerresidenz erst dem Wirken von Friedrichs jüngerem Bruder Albrecht II. in den 1330erund 1340er-­Jahren vorbehalten blieb.42 Ich fasse nochmals die zuvor am Itinerar ­Friedrichs des Schönen gemachten Beobachtungen mit dem Fokus auf Wien zusammen: Unbestritten ist, dass der Habsburger eine ambulante Regierungspraxis pflegte, ebenso klar tritt aber die einzigartige Stellung Wiens im Itinerar hervor, wo Friedrich sich beispielsweise 1318 von März bis Oktober nahezu unausgesetzt 4 0 Regesta Habsburgica III, Nr. 1895, Nr. 1922, Nr. 1929 und Nr. 1935. 41 Hödl, Friedrich der Schöne (wie Anm. 34), S. 13 f. Zu Ludwig dem Bayern und München vgl. jetzt Michael Stephan, Metropolis Bavariae? Die Bedeutung Münchens für Ludwig den Bayern, in: Ludwig der Bayer (wie Anm. 18), S. 285 – 300. 42 Hödl, Friedrich der Schöne (wie Anm. 34), S. 23.

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aufhielt, man könnte auch sagen „residierte“.43 Wien – haubet und behaelterinne unseres fůrstentumes nannte Friedrichs Vater Albrecht die Stadt 129644 – mochte Friedrich tatsäch­lich aus den Zeiten der Jugend vertraut sein. Am Wiener Hof der Habsburger soll ja auch sein Cousin und späterer Rivale Herzog Ludwig erzogen worden sein.45 Friedrichs Verhältnis zur Wiener Bürgerschaft scheint über weite Strecken ungetrübt, wiewohl seine Regierung 1309 mit einer Erhebung kleinerer städtischer Führungsgruppen begann, denen allerdings breiterer Rückhalt in der Wiener Bevölkerung fehlte. Von Anfang an hielt der povel zum Herzog. Der herzog­liche Hubmeister Konrad Haarmarkter machte den Versuch Bertholds des Schützenmeisters zunichte, Bewaffnete in die Stadt zu bringen, und dieser ergriff daraufhin die Flucht. So schnell er gekommen war, so schnell brach der Aufstand auch wieder in sich zusammen.46 Das Verhältnis Friedrichs zu Wien nahm von diesen Ereignissen keinen erkennbaren Schaden, ganz im Gegenteil. Am 8. September 1312 gewährte der Herzog den Wienern ein Privileg, in dem er die dem Niederlagsrecht von 1221 zuwiderlaufende Verfügung seines Vaters, der die Wiener Handelsrechte 1281 zugunsten der fremden Kaufleute abgeändert hatte, aufhob. Ein zeitgenös­sischer Rückvermerk auf dem Fridericianum – er lautet: des brieffs sol man hüttn als des golcz – zeigt deut­lich, dass die Wiener den Wert dieser Urkunde wohl zu schätzen wussten.47 Indirekt profitierte Wien sogar von den Ereignissen des Jahres 1309. Mit Entscheid vom 12. Mai 1316 übereignete Friedrich der Schöne näm­lich der Stadt das in der Wipplingerstraße gelegene Haus einer an dem Aufstand von 1309 beteiligten Familie. In der Folge wurde daraus das neue Rathaus, das einen älteren, seit den 1280er-­Jahren in der Wollzeile bezeugten Standort ablöste.48 Als Z ­­ eichen der Förderung Wiens durch den Habsburger darf schließ­lich auch gewertet werden, dass Friedrich der Schöne 1320 den Bürgern die Anlage eines eigenen Stadtbuches, 43 Hödl, Friedrich der Schöne (wie Anm. 34), S. 14. 44 Privileg Herzog Albrechts I. für die Wiener Bürger, 1296 Februar 12, Wien, ed. Peter ­Csendes, in: Die Rechtsquellen der Stadt Wien (Fontes rerum Austriacarum 3, 9), Wien – Köln – Graz 1986, Nr. 17, S. 95. 45 Thomas, Ludwig der Bayer (wie Anm. 31), S. 17 f.; Tobias Appl, Verwandtschaft – Nachbarschaft – Wirtschaft. Die Handlungsspielräume Ludwigs IV. auf seinem Weg zur Königswahl, in: Ludwig der Bayer. Wir sind ­Kaiser! Katalog zur Bayerischen Landesausstellung 2014, Regensburg 2014, S. 51 – 57, bes. S. 52 f. 4 6 Wien. Geschichte einer Stadt 1: Von den Anfängen bis zur E ­ rsten Wiener Türkenbelagerung (1529), hg. von Ferdinand Opll – Peter Csendes, Köln – Weimar – Wien 2001, S. 117. 47 Wien. Geschichte einer Stadt 1 (wie Anm. 46), S. 117. 48 Wien. Geschichte einer Stadt 1 (wie Anm. 46), S. 117.

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in das die maßgeb­lichen kommunalen Rechtstitel eingetragen werden sollten, gestattete. Die wohl bald darauf angelegte und bis ins 19. Jahrhundert geführte Handschrift ist das berühmte, sogenannte ‚Eisenbuch‘.49 Als bedeutsamstes ­­Zeichen dafür, dass Friedrich der Schöne Wien als seine bevorzugte Residenz begriff und noch stärker in ­diesem Sinne zu entwickeln gewillt war, erscheint die Gründung des Augustiner-­Eremitenklosters in unmittelbarer Hofnähe am 15. März 1327. Im Zuge der Verhandlungen in München 1325 war Friedrich mit dem Prior des Münchener Augustinerkonvents Konrad von Tattendorf in Kontakt gekommen und dieser könnte ihn auch für den urban ausgerichteten Bettelorden eingenommen haben. Genau genommen handelte es sich 1327 wohl nicht um eine Neugründung, denn die Augustinereremiten besaßen bereits seit dem Ende des 13. Jahrhunderts eine Niederlassung vor den Stadttoren Wiens, die innerhalb des Ordens durchaus eine gewisse Bedeutung erlangt hatte. So ist für das Jahr 1306 die Einrichtung eines Generalstudiums des Ordens belegt und 1326 wurde dort das Provinzialkapitel des Ordens abgehalten. Dennoch sollte man die Gründungsleistung Friedrichs, die in der Verlegung des Klosters in die Stadt, und zwar in unmittelbare Nähe zur Burg sowie in der Bereitstellung der erforder­lichen Gebäude bestand, nicht kleinreden. Der Bau der großartigen gotischen ­Kirche gehört dann frei­lich erst den Jahren nach dem Tod Friedrichs des Schönen an, die Weihe erfolgte 1349.50 Ob man mit Günther Hödl in Bezug auf die Stiftung bzw. Verlegung des Augustinerklosters am 15. März 1327 davon sprechen kann, dass König Friedrich „einem weiteren Pfalzheiligtum den Weg“ gebahnt habe, mag dahingestellt bleiben.51 Ein bitterer Vorwurf, der in Österreich und Steier immer wieder gegen Herzog Albrecht I. erhoben worden war, lautete, Landfremde, insbesondere Schwaben, ­seien durch den neuen Herzog in kurzer Zeit zu bedeutenden Funk­tionen gelangt, die es ihnen ermög­lichten, die Politik in ihrem Sinne maßgeb­lich zu beeinflussen. Im Unterschied zu seinem älteren Bruder Rudolf dürfte Friedrich der Schöne hier

49 Ferdinand Opll, Das große Wiener Stadtbuch, genannt „Eisenbuch“. Inhalt­liche Erschließung (Veröffent­lichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs Reihe A: Archivinventar Serie 3, 4), Wien 1999; und zuletzt … Daz si ein recht puech sollten haben … Kodikolo­gische, kunsthistorische, paläographische und restauratorische Analysen zum Wiener Eisenbuch (14.–19. Jahrhundert), hg. von Ferdinand Opll (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte 53), Innsbruck 2010. 50 Friedrich Rennhofer, Die Augustiner-­Eremiten in Wien. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte Wiens, Würzburg 1956, S. 41 – 54; Hödl, Friedrich der Schöne und die Residenz Wien (wie Anm. 34), S. 18 f., Sauter, Fürst­liche Herrschaftsrepräsenta­tion (wie Anm. 22), S. 57 f. 51 Hödl, Friedrich der Schöne (wie Anm. 4), S. 293.

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einen anderen Weg eingeschlagen und sich nicht mehr so ausschließ­lich mit Alemannen umgeben haben. Die neuere Forschung konnte diesbezüg­lich schon vieles ans Licht bringen, wiewohl eine umfassende prosopographische Untersuchung von Friedrichs Hof nach wie vor aussteht.52 Gerade in jüngster Zeit hat Annelies Redik für die Steiermark Alois Niederstätters eingangs zitierte Feststellung, wonach unter Friedrich dem Schönen das Beziehungsgeflecht z­ wischen der habsbur­gischen Dynastie und den ehemals babenber­gischen Herzogtümern – speziell in personeller Hinsicht – dichter geworden sei, durch eingehende Quellenstudien bestätigen können.53 Zu erwähnen sind hier vor allem Personen, die Friedrich der Schöne mit heiklen diplomatischen Missionen betraute. Konrad von Verbehang, zunächst Deutschordenskomtur in Wiener Neustadt, dann in Graz, spielte eine wichtige Rolle bei den dank der reichen Überlieferung im Kronarchiv in Barcelona gut dokumentierbaren Heiratsverhandlungen des Herzogs mit der aragone­sischen Königstochter Isabel.54 War Konrad bei der Einleitung der Verhandlungen mit wichtigen Aufträgen ausgestattet, so übernahm in der Folge Otto, Abt des steirischen Benediktinerstifts St. Lambrecht, die Führung. In dessen Hände leistete Friedrich der Schöne seine Eide hinsicht­lich des Heiratsgutes seiner Braut, und Abt Otto stand auch im Juni 1313 an der Spitze der für den Abschluss der Ehe bevollmächtigten Gesandtschaft nach Aragon.55 Im könig­lichen Palast in Barcelona fiel dann dem prominenten steirischen Adeligen Rudolf von Liechtenstein die honorige Aufgabe zu, im Namen des Herzogs Friedrich per verba de presenti die Ehe mit der Infantin Isabel/Elisabeth zu schließen.56 Nur am Rande sei angemerkt, dass der niederadelige Autor der Steirischen Reimchronik Ottokar ouz der Geul damals wohl sehr wahrschein­lich auch mit dabei in Barcelona unter den zahlreichen Gästen war.57 Als symptomatisch für die neue personalpolitische Öffnung Friedrichs des Schönen gegenüber den öst­lichen Herzogtümern erscheint Dietrich von Wolfsau, secretarius und familiaris des Habsburgers. Dem aus steirischem Ministerialenadel stammenden Dr. iuris utriusque, Propst des Kärntner 52 Zum aktuellen Forschungsstand über den Hof Friedrichs des Schönen vgl. Hödl, Friedrich der Schöne (wie Anm. 4), S. 294 f. 53 Redik, Friedrich der Schöne (wie Anm. 10), S. 396 – 399. 54 Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 212; Redik, Friedrich der Schöne (wie Anm. 10), S. 397 f. 55 Annelies Redik, Abt Otto von St. Lambrecht 1311 – 1329, in: Festschrift Hermann ­Wiesflecker zum 60. Geburtstag, hg. von Alexander Novotny – Othmar Pickl, Graz 1973, S.  65 – 72. 56 Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 215. 57 Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 215; Knapp, Geschichte der Literatur (wie Anm. 5), S. 372; Redik, Friedrich der Schöne (wie Anm. 10), S. 398.

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Kollegiatsstifts Gurnitz und nachmals Bischof von Lavant, vertraute Friedrich heikle Gesandtschaften zu seinem aragone­sischen Schwiegervater 1317 bis 1319 an.58 Die Liste von aus der Steiermark stammenden engen Beratern und Mitarbeitern Friedrichs ließe sich noch fortsetzen. Aber auch Österreicher begegnen von Beginn an in wichtigen höfischen Posi­tionen des Habsburgers. Vorzüg­lich muss hier der langjährige Marschall Dietrich von Pil­lichsdorf genannt werden. Einem namhaften österreichischen Ministerialengeschlecht entstammend, bekleidete er über fast zwei Jahrzehnte bis zu seinem Tod 1326 das Marschallamt – das damals noch nicht wie s­ päter in ein Hof- bzw. Landmarschallamt aufgespalten war –, die eigent­liche Schlüsselposi­tion am Hof.59 Die neben dem Marschallamt langsam an politischem Profil gewinnende Charge des Hof­meisters lag gleichfalls in den Händen eines österreichischen Adeligen. ­Herbord von Simaning heißt der Hofmeister Friedrichs in der Herzogszeit.60 Und selbst in der Kanzlei, die in frühhabsbur­g ischer Zeit so recht eine Bas­tion der Schwaben und Vorländer war, begegnen unter Friedrich vermehrt Österreicher und Steirer in einflussreichen Posi­tionen.61 Ich nenne hier nur Magis­ ter Piterolf von Gortschach, seit 1315 in der Kanzlei Friedrichs nachweisbar, wo er es in kürzester Zeit zum Protonotar, also zum eigent­lichen Kanzleileiter brachte und – zu seinem Passauer Kanonikat – noch die reiche steirische Pfarre Grauscharn-­Pürgg im Ennstal erlangte.62 58 Alfred A. Strnad, Dietrich von Wolfsau. Ein Kärntner Kirchenfürst und Diplomat im Dienste König Friedrichs des Schönen, in: Carinthia I 155 (1965), S. 367 – 4 05; ND ders., Dynast und K ­ irche. Studien zum Verhältnis von K ­ irche und Staat im späteren Mittelalter und in der Neuzeit, hg. von Josef Gelmi – Helmut Gritsch (Innsbrucker Historische Studien 18/19), Innsbruck 1997, S. 91 – 126. 59 Gottfried Friess, Dietrich der Marschall von Pi­lichdorf. Programm des k. k. Stiftsgymnasiums Seitenstetten 1881; Alfred v. Wretschko, Das österreichische Marschallamt im Mittelalter, Wien 1897, S. 73 f. 60 Hödl, Friedrich der Schöne (wie Anm. 4), S. 294. 61 Peter Wiesinger, Zur deutschen Urkundensprache des österreichischen Herzogs Friedrich des Schönen (1308 – 1330), in: Festschrift Friedrich Hausmann, hg. von Herwig Ebner, Graz 1977, S. 559 – 602, hier bes. S. 566 ff.; Winfried Stelzer, Zur Kanzlei der Herzoge von Österreich aus dem Hause Habsburg (1282 – 1365), in: Landesherr­liche Kanzleien im Spätmittelalter. Referate zum VI. Interna­tionalen Kongreß für Diplomatik, hg. von Gabriel Silagi (Münchener Beiträge zur Mediävistik und Renaissance-­Forschung 35), München 1984, S. 297 – 314, hier S. 305 ff. 62 Zu Piterolf von Gortschach siehe Othmar Pickl, Zur Geschichte der Herren von Görtschach und ihrer verschollenen Feste, in: Unsere Heimat 30 (1959), S. 157 – 163; Alfred A. Strnad, Das Bistum Passau in der Kirchenpolitik König Friedrichs des Schönen (1313 – 1320), in: Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs 8 (1964), S. 188 – 232; ND ders.,

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Ohne Zweifel am deut­lichsten bezeigte Friedrich der Schöne die Hinwendung seiner Familie zu den neuen Herrschaften im Osten durch die Gründung der Kartause Mauerbach im Wienerwald.63 Auch hier waren die Kritiker der neuen Herren allenthalben in Österreich und Steier nicht müde geworden, darüber zu klagen, dass das habsbur­gische Geschlecht in seinen öst­lichen Herzogtümern keine Klostergründungen vornehme. Da hatte es wenig genützt, dass Albrecht I. in der Zisterze Heiligenkreuz bewusst und sichtbar an die babenber­gische Stiftertradi­ tion anknüpfte.64 Erst Friedrich der Schöne brachte die überzeugende Wende mit der Gründung von Mauerbach, seine jüngeren Brüder Albrecht und Otto folgten seinem Beispiel mit den Stiftungen Gaming und Neuberg an der Mürz. Obgleich die große Stiftungsurkunde für die Kartause im Wienerwald, die Friedrich mit seinen jüngeren Brüdern Leopold, Albrecht, Heinrich und Otto ausstellte, erst vom 18. April 1316 datiert, reichen die konkreten Pläne zur Realisierung der Klos­ tergründung in die Zeit vor der Thronkandidatur zurück. Der große Geschichtsschreiber Johann von Viktring gibt das Jahr 1313 an und dies bestätigt indirekt auch ein frei­lich nur aus barocker Überlieferung bekannter Brief des Priors der Grande Chartreuse, Haymo, an Friedrich den Schönen vom 17. August 1314, worin der Entschluss des österreichischen Herzogs zur Gründung einer Kartause in Mauerbach begrüßt wird und der Prior der Kartause Seiz, Gottfried, von seinem bisherigen Amt entbunden und ihm das Priorat von Mauerbach übertragen wird.65 Über Gottfried, der von 1306 bis 1314 Prior in der untersteirischen Kartause Seiz gewesen war und von 1314 bis zu seinem Tod 1338 der Kartause Mauerbach vorstand, dürfte Friedrich der Schöne mit dem Kartäuserorden in Kontakt gekommen und von dessen monastisch-­eremitischen Idealen überzeugt worden sein. Prior Gottfried sollte in den Jahren nach der Gründung von Mauerbach eine wichtige Rolle in der habsbur­gischen Politik spielen, die in seinen Vermittlungsbemühungen ­zwischen Ludwig dem Bayern und Friedrich sowie den Verträgen von 1325 gipfelte.66 Dass Friedrichs Klostergründung mit seiner bevorstehenden

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Dynast und ­Kirche (wie Anm. 58), S. 51 – 90, hier S. 199 ff. (S. 60 ff.) und Anm. 41; ­Stelzer, Kanzlei (wie Anm. 61), S. 311 f. Sauter, Fürst­liche Herrschaftsrepräsenta­tion (wie Anm. 22), S. 38 – 42. Zuletzt zusammenfassend Sauter, Fürst­liche Herrschaftsrepräsenta­tion (wie Anm. 22), S. 30 f. Regesten des Herzogtums Steiermark 1 (wie Anm. 26), Nr. 658, S. 177; Gerhard Jaritz, Die Kartäuser von Mauerbach und ihre Geschichte: Spirituelles Leben auf materieller Basis, in: ÖZKD 53 (1999), S. 375 – 384, hier S. 375 f.; vgl. auch Sauter, Fürst­liche Herrschaftsrepräsenta­tion (wie Anm. 22), S. 40. Zu Prior Gottfried siehe Jaritz, Kartäuser von Mauerbach (wie Anm. 65), S. 375 f.; ­Sauter, Fürst­liche Herrschaftsrepräsenta­tion (wie Anm. 22), S. 39. Vgl. auch Schwedler,

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Thronkandidatur in engem Zusammenhang stand, nahm Lhotsky als sicher an. Er sieht die Gründung in Hinblick auf die Doppelwahl von 1314 „als gemeinschaft­ liche Bitte um höheren Beistand für die kommende Entscheidung“.67 Inwieweit Überlegungen bezüg­lich einer mög­lichen Grablege für Friedrich den Schönen damals schon eine Rolle spielten, bleibt zweifelhaft, wiewohl die Wahl des Kartäuserordens hierfür ein Indiz sein könnte. Eine eindeutige Bestimmung Mauerbachs zur Grablege für den Habsburger findet sich zu dessen Lebzeiten jedenfalls nicht. Anweisungen des Königs für sein Begräbnis sind nicht bekannt.68 Meyer drückt es so aus: „Das Verhältnis Friedrichs des Schönen zu Kloster Mauerbach entspricht idealtypisch der Beziehung eines stiftenden Fürsten zu seiner Stiftung. Fast zwangsläufig notwendig war es, daß Friedrich hier beigesetzt wurde, und zwar an exponierter Stelle in der Chormitte.“ 69 Über das Begräbnis Friedrichs, der in Gutenstein wohl ziem­lich einsam und ohne nennenswerte Öffent­lichkeit am 13. Januar 1330 starb, wissen wir kaum etwas.70 Einer münd­lichen Überlieferung zufolge haben die Kartäuser von Mauerbach die Leiche ihres Stifters die gesamte Strecke vom Sterbeort ins Kloster getragen.71 Eine Überführung des Leichnams nach Speyer wurde offenbar zu keinem Zeitpunkt erwogen. Zur Geschichte des Grabmals liefert fast nur die im späteren 17. Jahrhundert entstandene Klosterchronik des Prälaten Leopold Brenner Aufschluss. Geprägt sind die Geschicke von zahlreichen Verwüstungen, Plünderungen und Umbettungen. 1336 wurde Elisabeth, die ältere Tochter Friedrichs des Schönen, an der Seite ihres Vaters

Bayern und Österreich (wie Anm. 37), S. 161 f. 67 Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 242. Der Einschätzung Lhotskys folgt Sauter, Fürst­liche Herrschaftsrepräsenta­tion (wie Anm. 22), S. 41. 68 Rudolf J. Meyer, Königs- und Kaiserbegräbnisse im Spätmittelalter. Von Rudolf von Habsburg bis zu Friedrich III. (Forschungen zur K ­ aiser und Papstgeschichte. Beihefte zu F. J. Böhmer, Regesta Imperii 19), Köln – Weimar – Wien 2000, S. 73 f. Abweichend davon Hartmut Jericke, Begraben und vergessen? Bd. 2: Tod und Grablege der deutschen K ­ aiser und Könige. Von Rudolf von Habsburg bis ­Kaiser Rudolf II. (1291 – 1612), Leinfelden 2006, S. 38: „Der König hatte schon zu Lebzeiten verfügt, dereinst in seiner persön­lichen Stiftung, der Kartause Mauerbach im Wiener Wald, beigesetzt zu werden.“ 69 Meyer, Königs- und Kaiserbegräbnisse (wie Anm. 68), S. 73. 70 Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 1), S. 305 f.; Krieger, Die Habsburger (wie Anm. 2), S. 127; zuletzt mit einem Überblick über die Quellen Meyer, Königs- und Kaiserbegräbnisse (wie Anm. 68), S. 68 f. 71 Leopold Brenner, Historia Cartusiae Maurbacensis, c. 25: […] unde ad Cartusiam Maurba­censem funere regio conductus [zit. nach Meyer, Königs- und Kaiserbegräbnisse (wie Anm. 68), S. 68 Anm. 19]. Zu Leopold Brenner und seiner Klostergeschichte vgl. W ­ olfgang Hingst, Leopold Brenners „Historia Cartusiae Maurbacensis“, phil. Diss. Wien 1964.

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beigesetzt.72 Dann geriet die Grabstelle in Vergessenheit, sodass, als Maximilian im Jahre 1514 nach Mauerbach kam, man nicht mehr in der Lage war, ihm das Grab zu zeigen. Auf Maximilians Veranlassung wurden Nachforschungen angestellt, bei denen zwei Särge aufgefunden wurden, die man als diejenigen Friedrichs und seiner Tochter identifizierte.73 Maximilian ordnete an, ein Grabmal für seinen könig­lichen Ahnen zu errichten, der Plan wurde in der Kartause frei­lich niemals realisiert. Auf die weitere Entwicklung, nament­lich die barocke Grabmalsitua­ tion, in Mauerbach muss hier nicht näher eingegangen werden, Rudolf Meyer hat alles Wesent­liche dargelegt. Nur so viel: Nach der Aufhebung der Kartause durch ­Kaiser Josef II. im Jahre 1782 kamen die Gebeine Friedrichs des Schönen in die Fürstengruft von St. Stephan in Wien.74 Die zuletzt gemachten ­kurzen Bemerkungen zur nicht eben glanzvollen Memoria Friedrichs des Schönen in Mauerbach könnten suggerieren, dass die Erinnerung an ihn im spätmittelalter­lichen Österreich sehr rasch verblasste. Dazu passt auch das Bild, das die nahzeitige Landeschronistik vom Habsburger zeichnet: Rarus in populo cernitur, qui de huius obitu contristetur; nimirum quia nec fratres sui uterini Albertus et Otto multum super mortuo dolent isto.75 Die Worte Peters von Zittau sind bekannt und oft zitiert. Um aber auf meine Eingangsfrage zurückzukommen: Welche Rolle spielte Friedrich der Schöne bei der Wandlung der schwäbischen Familie der Habsburger zum Haus Österreich beziehungsweise bei der Schwerpunktverlagerung der habsbur­gischen Dynastie vom Südwesten des Reichs in den Osten? Ich denke, dass man hier nach den Ergebnissen der neueren Forschung der Regierung Friedrichs des Schönen doch wesent­lich mehr Bedeutung wird zumessen müssen, als dies noch Alphons Lhotsky einzuräumen gewillt war.

72 Meyer, Königs- und Kaiserbegräbnisse (wie Anm. 68), S. 70; Sauter, Fürst­liche Herrschaftsrepräsenta­tion (wie Anm. 22), S. 40 f., Anm. 32. 73 Meyer, Königs- und Kaiserbegräbnisse (wie Anm. 68), S. 70, der den Angaben von B ­ renners Historia folgt. 74 Meyer, Königs- und Kaiserbegräbnisse (wie Anm. 68), S. 71 f. und S. 73 f. 75 Petra Žitavského Kronika Zbraslavská, ed. Josef Emler (Fontes rerum Bohemicarum 4), Prag 1884, S. 302. Zur Königsaaler Chronik vgl. jetzt den Sammelband Chronicon Aulae regiae – Die Königsaaler Chronik. Eine Bestandsaufnahme, hg. von Stefan Albrecht (Forschungen zu Geschichte und Kultur der Böhmischen Länder 1), Frankfurt a. M. 2013.

Isabella von Aragón und Friedrich der Schöne Heiratspolitik im Z ­­ eichen des Königtums Stefanie Dick Heiratspolitik und Königtum waren im Mittelalter eng miteinander verbunden. Dabei stellte das dynastische Bewusstsein eine wichtige Schnittstelle dar,1 die ihre Bedeutung auch dann nicht verlor, nachdem sich die Wahl als zentrales Element der Königserhebung durchgesetzt hatte. Die Etablierung und Absicherung, der Erhalt und schließ­lich der Ausbau dynastischer Systeme bildeten das dynamische Fundament politischen Handelns und waren zugleich eine wesent­liche Triebkraft hierfür. Die politischen Akteure handelten mithin in erster Linie als Angehörige unterschied­licher Adelsgeschlechter, deren Interessen sie zu wahren versuchten. Vor ­d iesem Hintergrund ergibt sich ein in gewisser Hinsicht doppelt geschlechtergeschicht­licher Zugang: Erstens, weil die Auseinandersetzung mit dynastischen Fragen zwangsläufig mit der Erforschung adeliger Familien und ihrer Geschichte einhergeht. Dass diese Dynastien bildenden Adelsfamilien gemeinhin als Adelsgeschlechter bezeichnet werden, hängt auch damit zusammen, dass hier im Hinblick auf die Nobilität Männern und Frauen gleichermaßen hohe Bedeutung zukommt. Zweitens, weil auf diese Weise bereits im Untersuchungsgegenstand selbst ein beide Geschlechter berücksichtigender Ansatz angelegt ist. Dies entspricht den grundsätz­lichen Forderungen der Geschlechtergeschichte, die darauf zielt, die historischen Dimensionen der Kategorie Geschlecht auszuleuchten und damit Frauen und Männer in sich historisch wandelnden gesellschaft­lichen Strukturen als handelnde Subjekte zu verorten.2 Grundlage hierfür ist ein im Sinne kulturgeschicht­licher

1 Grundsätz­lich hierzu Gert Melville, Vorfahren und Vorgänger. Spätmittelalter­liche Genealogien als dynastische Legitima­tion zur Herrschaft, in: Die Familie als sozia­ler und historischer Verband. Untersuchungen zum Spätmittelalter und zur frühen Neuzeit, hg. von Peter-­Johannes Schuler, Sigmaringen 1987, S. 203 – 309, bes. S. 216 u. S. 221. 2 Vgl. dazu den grundlegenden Beitrag von Joan Scott, Gender: A Useful Category of Historical Analysis, in: American Historical Review 91 (1986), S. 1053 – 1075; ferner Rebekka Habermas, Geschlechtergeschichte und „anthropology of gender“. Geschichte einer Begegnung, in: Historische Anthropologie 1 (1993), S. 485 – 509, bes. S. 497; V ­ eronika Aegerter – Nicole Graf – Natalie Imboden – Thea Rytz – Rita Stöckli,

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­Forschungen ganzheit­licher Ansatz,3 der eine veränderte Perspektivierung erfordert. Dabei liegt der zu erwartende Erkenntnisgewinn in einer Vertiefung des Verständnisses von den komplexen Funk­tionsweisen historischer Gesellschaften und ihrer Institu­tionen. In ­diesem Sinne versteht sich die Untersuchung des Königspaares Isabella 4 und Friedrich als eine notwendige Erweiterung der vielfältigen, im Rahmen dieser Tagung behandelten Fragestellungen und Aspekte, bei der vor allem die gesellschaft­lich und politisch wirksamen Mechanismen des Königspaares in seiner Funk­tionalität als „institu­tionelles Gefüge“ 5 im Zentrum des Inte­ resses stehen. Angesichts des großen Überschneidungspotentials der einzelnen

Vorwort, in: Geschlecht hat Methode. Ansätze und Perspektiven in der Frauen- und Geschlechtergeschichte. Beiträge der 9. Schweizerischen Historikerinnentagung 1998, hg. von dens., Zürich 1999, S. 9 – 17, bes. S. 10; Renate Hof, Geschlechter ­verhältnis und Geschlechterforschung – Kontroversen und Perspektiven, in: Genus. Geschlechterforschung/Gender Studies in den Kultur- und Sozia­lwissenschaften. Ein Handbuch, hg. von Hadumod Bussmann – Renate Hof, Stuttgart 2005, S. 2 – 41, mit einem guten Überblick zur Entwicklung der Gender Studies und reichhaltigen Literaturangaben; sowie zuletzt Alina Bothe – Dominik Schuh, Geschlecht in der Geschichte? Zwischen Integra­tion und Separa­tion einer Forschungskategorie, in: Geschlecht in der Geschichte. Integriert oder separiert? Gender als historische Forschungskategorie, hg. von dens, Bielefeld 2014, S. 9 – 32, mit einer konzisen Darstellung der Forschungslage; in Bezug auf die mittelalter­lichen Verhältnisse vgl. vor allem Cordula Nolte, Frauen und Männer in der Gesellschaft des Mittelalters (Geschichte kompakt), Darmstadt 2011, S. 3 u. passim. 3 Vgl. etwa Thomas Mergel, Überlegungen zu einer Kulturgeschichte der Politik, in: Geschichte und Gesellschaft 28 (2002), S. 574 – 606, bes. S. 587 f. u. passim. 4 Die zeitgenös­sischen Quellen bieten neben der Namensform ‚Isabella‘ auch die eingedeutschte Variante ‚Elisabeth‘ in der Forschungsliteratur sind entsprechend beide Namen für die Gemahlin Friedrichs des Schönen präsent. Im Folgenden wird außerhalb von Zitaten durchgehend ‚Isabella‘ verwendet. 5 Karl-­Siegbert Rehberg, Die „Öffent­lichkeit“ der Institu­tionen. Grundbegriff­liche Überlegungen im Rahmen der ­Theorie und Analyse institu­tioneller Mechanismen, in: Macht der Öffent­lichkeit – Öffent­lichkeit der Macht, hg. von Gerhard Göhler, Baden-­Baden 1995, S. 181 – 211; vgl. hierzu ferner Regina Schulte, Der Körper der Königin – konzep­tionelle Annäherungen, in: Der Körper der Königin. Geschlecht und Herrschaft in der höfischen Welt seit 1500, hg. von ders. (Campus Historische Studien 31), Frankfurt a. M. – New York 2002, S. 11 – 23, die u. a. zeigt, dass der Körper der Königin „in ein politisches Konzept eingebunden“ ist (S. 11), wobei ebenso wie beim König politischer und natür­licher Körper „untrennbar miteinander verwoben sind“ (S. 12). Auch dieser Befund spricht dafür, das Königspaar als zusammengehöriges und zusammenwirkendes Gefüge von institu­tioneller Qualität zu betrachten.

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­ emen wird im Folgenden auf eine kleinteilige chronolo­gische Darstellung der Th Ereignis­geschichte verzichtet. Stattdessen sollen einzelne Gesichtspunkte heraus­ gegriffen werden, die einen Eindruck von dem politischen Zusammenwirken des Paares vermitteln und die Bedeutung des von Isabella in Ehe und Königtum eingebrachten Beziehungsnetzwerks herausstellen. Den Ausgangspunkt bildet dabei die Eheschließung des Paares, die in den Kontext spätmittelalter­licher Heiratspolitik einzuordnen ist.6 In der spätmittelalter­lichen Adelsgesellschaft war eine Eheschließung keine Marginalie und schon gar keine Privatangelegenheit. Dies gilt in besonderem Maße für den Hochadel als Träger der politischen Macht und lässt sich auf den gesamten euro­päischen Raum beziehen. Eheschließungen waren, wie schon Dieter Veldtrup am Beispiel Johanns von Böhmen und Karls IV . eindrucksvoll aufgezeigt hat, die Essenz diplomatischer Beziehungen und politischer Bündnisse, weshalb deren Charakterisierung als ‚Heiratspolitik‘ in mehr als einer Hinsicht zutreffend ist.7 Martin Kintzinger hat dies im Hinblick auf das Wesen mittelalter­licher Außenpolitik auf den Punkt gebracht: „Politische Beziehungen ­zwischen den Regna zu stiften hieß im Horizont der Zeit in erster Linie, heiratspolitisch zu handeln.“ 8 Die verhandelnden Parteien waren, sofern sich die zu Vermählenden noch im Kindesalter befanden, die Eltern – und hier vor allem die Väter, obgleich die Zustimmung der Mütter in der Regel zumindest formal eingeholt wurde. War der Bräutigam bereits erwachsen, musste er sich selbst mit dem Vater der Braut verständigen. Ledig­lich im Falle der Wiederverheiratung einer Witwe konnte auch einmal eine Braut an den Eheverhandlungen teilhaben. Für die Verhandlungspartner war es unerheb­lich, ob sie eine potentielle Braut oder einen Bräutigam anzubieten hatten. Viel wichtiger als das Geschlecht ihres jeweiligen ‚Verhandlungsgegenstandes‘ waren seine oder 6 Dazu auch Johanna Schrader, Isabella von Aragonien, Gemahlin Friedrichs des S­ chönen von Österreich (Abhandlungen zur Mittleren und Neueren Geschichte 58), Berlin – Leipzig 1915, S. 43 – 53, der das Verdienst zukommt, die von Zeissberg und Finke edierten aragone­ sischen Quellen erstmals im Hinblick auf Isabella untersucht zu haben. Allerdings bleiben ihre Interpreta­tionsansätze etwas eindimensional. 7 Dieter Veldtrup, Zwischen Eherecht und Familienpolitik. Studien zu den dynastischen Heiratsprojekten Karls IV. (Studien zu den Luxemburgern und ihrer Zeit 2), Warendorf 1988, S. 443. 8 Martin Kintzinger, Politische Westbeziehungen des Reiches im Spätmittelalter. West­ liche Kultur und Westpolitik unter den Luxemburgern, in: Deutschland und der Westen Europas im Mittelalter, hg. von Joachim Ehlers (VuF 56), Stuttgart 2002, S. 423 – 455, hier S. 439; vgl. zudem Stéphane Péquignot, Euro­päische Diplomatie im Spätmittel­ alter. Ein historischer Überblick, in: ZHF 39 (2012), S. 65 – 95, bes. S. 79 und passim.

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ihre dynastische Herkunft, die familiäre Stellung sowie die politischen Implika­ tionen und Mög­lichkeiten, die sich daraus ergaben oder ergeben konnten.9 Als Friedrich der Schöne wohl bereits 1311 erste Kontakte zur Krone Aragón aufnahm 10 und mit König Jayme II. über die Ehe­lichung von dessen dritter Tochter Isabella verhandelte, war der nach eigener Aussage dreiundzwanzigjährige 11 Herzog von Österreich und Steiermark in der unterlegenen Posi­tion. Im Reich herrschte Heinrich VII. von Luxemburg und es war keineswegs zu erwarten, dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändern würde. Der Habsburger bewarb sich also in seiner Eigenschaft als Herzog um die Hand der aragone­sischen Königstochter, die als ­solche eine überlegene Würde repräsentierte. Gerade darauf wird es Friedrich angekommen sein. Zwar ist kaum anzunehmen, dass er zu ­diesem Zeitpunkt mit dem aragone­sischen Eheprojekt unmittelbar auf die Erringung des Königtums abzielte, aber die mit einer solchen Ehe verbundene Steigerung des Prestiges sowie der Adelsqualität und die politische Vernetzung über die Grenzen des Reiches hinaus boten vielfältige Op­tionen und dürften im Sinne der Konsolidierung und des Ausbaus der bis dahin erreichten habsbur­gischen Machtstellung attraktiv gewesen sein. Warum der junge Herzog von Österreich seinen Blick ausgerechnet nach Aragonien richtete, lässt sich kaum mit letzter Sicherheit erhellen. Er selbst führt in einem Schreiben an Jayme II. aus, dass er im Reich keine passende Gemahlin finden könne, da er bereits mit allen großen Fürstengeschlechtern verwandt sei.12 Das ist als Begründung sicher­lich nicht von der Hand zu weisen,13 muss a­ llerdings 9 Zum Prozedere spätmittelalter­licher Heiratsverhandlungen im Allgemeinen siehe Karl-­ Heinz Spiess, European Royal Marriages in the Late Middle Ages. Marriage, Treaties, Ques­tions of Income, Cultural Transfer, in: Majestas 13 (2005), S. 7 – 21; ders., Europa heiratet. Kommunika­tion und Kulturtransfer im Kontext euro­päischer Königsheiraten des späten Mittelalters, in: Europa im späten Mittelalter. Politik – Gesellschaft – Kultur, hg. von Rainer C. Schwinges – Christian Hesse – Peter Moraw (HZ, Beiheft 40), München 2006, S.  435 – 4 64; ders., Unterwegs in ein fremdes Land. ‚Interna­tionale‘ Erbtochterheiraten im Mittelalter, in: Die Erbtochter, der fremde Fürst und das Land. Die Ehe Johanns des Blinden und Elisabeths von Böhmen in vergleichender euro­päischer Perspektive/L‘héritière, le prince étranger et le pays. Le mariage de Jean l’Aveugle et d’Elisabeth de Bohême dans une perspective comparative européenne, hg. von Michel Pauly (Publica­tions du CLUDEM 38), Luxembourg 2013, S. 9 – 26. 10 Heinrich Ritter von Zeissberg, Elisabeth von Aragonien, Gemahlin Friedrich’s des ­Schönen von Oesterreich (1314 – 1330) (Sitzungsberichte der philosophisch-­historischen Classe der Kaiser­lichen Akademie der Wissenschaften 137), Wien 1898, S. 5. 11 Vgl. Zeissberg, Elisabeth von Aragonien (wie Anm. 10), Anhang I, Nr. 2, S. 134. 12 Zeissberg, Elisabeth von Aragonien (wie Anm. 10), Anhang I, Nr. 3, S. 134 f. 13 Vgl. zu dieser Problematik auch Helen M. Jewell, Women in Late Medieval and Reforma­ tion Europe 1200 – 1500 (European Culture and Society), Basingstoke 2007, S. 85 f.

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auch als im Rahmen einer Brautwerbung notwendige Selbstdarstellung des Habsburgers verstanden werden. Durch die Präsenta­tion seiner familiären und damit zugleich auch politischen Vernetzungen hat er sein Potential als Bündnispartner wie auch seine Nobilität angemessen herausgestellt. Bedeutender für die von Friedrich dem Schönen angestrebte Verbindung mit Aragón war aber wohl, dass das Land unter der Herrschaft Jaymes II., der von 1291 bis 1327 regierte, zu einer beacht­lichen politischen Stabilität gelangt und damit zu einer ernst zu nehmenden Kraft im euro­päischen Mächtespiel geworden war.14 Hinzu kam, dass der König aus seiner zweiten Ehe mit Blanca von Anjou, die 1310 gestorben war, über fünf Töchter verfügte, von denen drei in mehr oder weniger heiratsfähigem Alter waren. Die beiden Älteren, Maria und Konstanze, waren um 1311 bereits nach Kastilien versprochen,15 aber die vermut­lich um 1300 geborene Isabella 16 stand noch zur Disposi­tion. Auch die Interessenlage König Jaymes II. ist nicht mit abschließender Gewiss­ heit zu rekonstruieren, obwohl man vermuten darf, dass die Existenz von fünf Prinzessinnen nicht nur politische Chancen bot, sondern zugleich auch eine erheb­liche Herausforderung darstellte. Allein für die Aussteuer bedurfte es beträcht­licher finanzieller und materieller Ressourcen, selbst wenn – wie im Falle des Herzogs von Österreich – keine Ausstattung erster Klasse notwendig war. Nichtsdestotrotz dürfte der aragone­sische König grundsätz­lich Interesse an mög­lichst hochrangigen Eheverbindungen seiner Töchter gehabt haben. Die Mög­lichkeiten, die sich aus solchen Konstella­tionen ergeben konnten, hat sein Zeitgenosse Graf Wilhelm III. von Holland, Hennegau und Seeland eindrucksvoll vor Augen geführt, indem er drei seiner vier Töchter äußerst prominent verheiratete und damit geradezu zum „Schwiegervater Europas“ 17 avancierte: Margarete ehe­lichte Ludwig den Bayern, Philippa Edward III. von England und Johanna den ­später von seinem Schwager gefürsteten und zum Herzog erhobenen Grafen Wilhelm von Jü­lich.18

14 Vgl. Thomas N. Bisson, The Medieval Crown of Aragon. A Short History, New York 2 1991, S.  94 – 100. 15 Zu den Nachkommen Jaymes II. vgl. Zeissberg, Elisabeth von Aragonien (wie Anm. 10), S. 11 f. 16 Zeissberg, Elisabeth von Aragonien (wie Anm. 10), S. 33 f. 17 Alois Schmid, Die Entstehung des Teilherzogtums Straubing-­Holland, in: 650 Jahre Herzogtum Niederbayern-­Straubing-­Holland. Vortragsreihe, hg. von Alfons Huber  – ­Johannes Prammer, Straubing 2005, S. 7 – 39, hier S. 15. 18 Vgl. zuletzt Stefanie Dick, Margarete von Hennegau, in: Die Kaiserinnen des Mittelalters, hg. von Amalie Fössel, Regensburg 2011, S. 249 – 270, hier S. 250.

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In den Verhandlungen mit Friedrich dem Schönen war Jayme II. in der komfortablen Posi­tion, Forderungen stellen und seinen Interessen Nachdruck verleihen zu können. Seine zentrale Bedingung bestand in einer Änderung der habsbur­ gischen Erbvereinbarungen,19 und zwar dahin gehend, dass seinem künftigen Schwiegersohn und dessen Nachkommen aus der Verbindung mit Isabella die Alleinherrschaft in den österreichischen Ländern zukommen sollte.20 Das war für Friedrich keine ganz leichte Aufgabe. Sie erforderte eine Verzichtserklärung seiner jüngeren Brüder Leopold, Albrecht, Heinrich und Otto sowie eine förm­ liche Zustimmung der Landstände.21 Entsprechend lange zog sich der Verhandlungsprozess hin, bei dem Gesandtschaften ­zwischen Wien und Barcelona hin und her wechselten. Erst 1313 sah Jayme II. seine Anforderungen soweit erfüllt, dass er der Eheschließung zustimmte.22 Am 14. Oktober wurde Isabella im könig­lichen Schloss in Barcelona von dem Erzbischof von Tarragona per verba de presenti mit Friedrich dem Schönen von Habsburg vermählt. Als Stellvertreter des Herzogs von Österreich fungierte Rudolf von Liechtenstein, der das Eheversprechen in lateinischer Sprache leistete, während Isabella ihres auf Katalanisch gab.23 Allem Anschein nach war Isabella mit dem Lateinischen nicht hinreichend vertraut, um ein vollgültiges Eheversprechen, bei dem es darauf ankam, dass sie dessen Inhalt umfassend verstand, in dieser Sprache abzugeben. Dafür spricht unter anderem, dass ihre überwiegend auf Latein abgefasste Korrespondenz zu Beginn ihres Aufenthalts im Reich nicht von einem klas­sischen Notar, sondern von Alamanda Sapera, einer aus der Heimat mitgebrachten Hofdame, erledigt wurde.24 Der erste, nach der Abreise ihres aragone­sischen Gefolges verfasste Brief Isabellas, in dem sie ihren Vater um die 19 Vgl. hierzu den Beitrag von Gerald Schwedler in ­diesem Band. 20 Vgl. das Schreiben Jaymes II. an Friedrich den Schönen vom 27. Februar 1312, in: Z ­ eissberg, Elisabeth von Aragonien (wie Anm. 10), Anhang I, Nr. 7, S. 136 ff.; ferner Zeissberg,­ ­Elisabeth von Aragonien (wie Anm. 10), S. 37 ff. 21 Ausführ­lich hierzu Zeissberg, Elisabeth von Aragonien (wie Anm. 10), S. 37 – 42; Günther Hödl, Habsburg und Österreich 1273 – 1493. Gestalten und Gestalt des österreichischen Mittelalters, Wien – Köln – Graz 1988, S. 69 f. 22 Vgl. sein Schreiben vom 14. Februar 1313 an Friedrich den Schönen, in: Zeissberg, ­Elisabeth von Aragonien (wie Anm. 10), Anhang I, Nr. 20, S. 147 f. 23 Zeissberg, Elisabeth von Aragonien (wie Anm. 10), Anhang I, Nr. 61, S. 184. 24 Regesta Habsburgica. Regesten der Grafen von Habsburg und der Herzöge von Österreich aus dem Hause Habsburg. III. Abteilung: Die Regesten der Herzöge von Österreich sowie Friedrichs des Schönen als deutschen Königs von 1314 – 1330, bearb. von Lothar Gross (Publika­tionen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung), Innsbruck 1924 [künftig: Regesta Habsburgica III], Nr. 219, S. 29.

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Entlohnung der auf Befehl Friedrichs entlassenen Bediensteten bittet, ist bezeichnenderweise in katalanischer Sprache gehalten.25 Bei genauerer Betrachtung des Kontexts fällt zunächst auf, dass diese Heirat des Herzogs von Österreich angesichts der großen Zugeständnisse, w ­ elche die nachgeborenen Brüder durch ihre Verzichtserklärungen machen mussten, nur mit dem Konsens der gesamten Familie realisiert werden konnte. Dass ein solches Maß an Übereinstimmung erreicht wurde, ist dabei keineswegs eine Selbstverständ­ lichkeit. Im Gegenteil, gerade Fragen der Verteilung des Erbes und der Partizipa­ tion an der Macht führten in vergleichbaren Fällen immer wieder zu massiven innerfamiliären Auseinandersetzungen. Ein treffendes Beispiel bieten hier etwa die wittelsbachischen Brüder Rudolf und Ludwig, die sich bei der Königswahl von 1314 in gegnerischen Lagern befanden.26 Die Einmütigkeit der Habsburger, an der zweifellos auch deren M ­ utter Elisabeth, die ehemals an der Seite Albrechts I. römisch-­deutsche Königin gewesen war, einen gewissen Anteil hatte,27 ist nur aus einer gemeinsamen Interessenlage verständ­lich, die so ausgeprägt war, dass ihr partikulare Individualinteressen untergeordnet wurden. Berücksichtigt man die Dauer der Verhandlungen, dann wird deut­lich, dass diese Einigkeit nicht von vornherein gegeben war, sondern offenbar erst hergestellt werden musste. Bemerkenswert ist dabei nicht zuletzt der Zeitpunkt, an dem die Eheverhandlungen ­zwischen den Habsburgern und Jayme II . von Aragón zum Abschluss kamen. Erst kurz zuvor, am 24. August 1313, war K ­ aiser Heinrich VII . auf seinem Italienzug in der Nähe von Siena im Alter von etwa fünfundvierzig Jahren an einem schweren Malariaanfall verstorben.28 Der römisch-­deutsche Königsthron war damit überraschend vakant, und wie schon 1308 meldete Friedrich der Schöne seine Kandidatur an. Diesmal dürfte er sich bessere Chancen ausgerechnet haben: Zum einen war durch die zwischenzeit­liche Herrschaft des Luxemburgers Heinrich nun keine unmittelbare Vater-­Sohn-­Folge mehr gegeben, 25 Acta Aragonensia. Quellen zur deutschen, italienischen, franzö­sischen, spanischen, zur ­Kirchen- und Kulturgeschichte der diplomatischen Korrespondenz Jaymes II. (1291 – 1327), 3 Bde., ed. Heinrich Finke, Berlin – Leipzig 1908; ND Aalen 1968, hier Bd. 1 [künftig: Acta Aragonensia 1], Nr. 244, S. 364. 26 Zum wittelsbachischen Bruderzwist siehe etwa Heinz Thomas, Ludwig der Bayer (1282 – 1347): K ­ aiser und Ketzer, Regensburg 1993, S. 43 – 56; sowie Ludwig H ­ olzfurtner, Die Wittelsbacher. Staat und Dynastie in acht Jahrhunderten, Stuttgart 2005, S. 59 – 71. 27 Das ergibt sich aus einem Schreiben Jaymes II. an Elisabeth vom 24. Februar 1313, in dem er sie über seine abschließende Zustimmung zu der Vermählung ihrer beiden Kinder unterrichtet, vgl. Zeissberg, Elisabeth von Aragonien (wie Anm. 10), Anhang I, Nr. 23, S. 149. 28 Jörg K. Hoensch, Die Luxemburger. Eine spätmittelalter­liche Dynastie gesamteuro­ päischer Bedeutung (1308 – 1437), Stuttgart – Berlin – Köln 2000, S. 48.

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zum anderen mochte der Herzog von Österreich, der inzwischen zudem etwas älter und erfahrener geworden war, durch die sich abzeichnende Verbindung mit dem aragone­sischen Königshaus als in besonderem Maße für das Königsamt prädestiniert erscheinen.29 In ­diesem Punkt kamen sich die Interessen von Bräutigam und Brautvater zweifellos entgegen: Die Aussicht auf die Erringung der römisch-­deutschen Königswürde durch Friedrich war für beide Seiten gleichermaßen attraktiv und dürfte den Fortgang der Verhandlungen deut­lich beflügelt haben. Dass eine Verbindung mit dem deutschen König für die Krone Aragón offenbar schon länger eine erstrebenswerte Op­tion darstellte, zeigt sich an den Ereignissen von 1311. Unmittelbar nach dem Tod Margaretes von Brabant, die während des Italienzuges Heinrichs VII. in Genua verstorben war, hatte Christian Spinula, der vor Ort weilende Gesandte Jaymes II., seinem Auftraggeber in einem Schreiben vom 14. Dezember 1311 nahegelegt, dem verwitweten römisch-­deutschen König eine aragone­sische Prinzessin als neue Gemahlin zu offerieren.30 Auch wenn der Anstoß nicht direkt von Jayme II. ausging, verweist der Umstand, dass der sicher mit den politischen Zielen des Königs bestens vertraute Gesandte einen solchen Vorschlag formulieren konnte, auf die Richtung, in ­welche sich die Ambi­tionen der Krone Aragón bewegten. Schon bald nach der Eheschließung in Barcelona wurde die Braut ausgestattet und der, wie Johann von Victring berichtet, „aufs Beste versehene“ Brautzug gen Österreich in Bewegung gesetzt.31 Neben der habsbur­gischen Gesandtschaft, der außer dem bereits erwähnten Liechtensteiner noch der Abt von St. Lambert, ­Heinrich von Wallsee, sowie weitere clerici et laici personae honorabiles 32 angehörten, wurde Isabella auch von einer aragone­sischen Entourage begleitet. Die Führung oblag dem Bischof von Gerona und Philipp von Saluzzo, einem Verwandten König Jaymes. Hinzu kamen die Rechtsexperten Bartholomäus de Turri und Petrus von Gallifa sowie Dienerschaft, Possenreißer und nicht zuletzt einige Mönche, die der Braut geist­lichen Beistand in ihrer Muttersprache leisten sollten.33

29 Karl Friedrich Krieger, Die Habsburger im Mittelalter. Von Rudolf I. bis Friedrich III., Stuttgart 22004, S. 115. 30 Acta Aragonensia 1, Nr. 194, S. 278 f. 31 Iohannis abbatis Victoriensis, Liber certarum historiarum IV, ed. Fedor Schneider (MGH SS rer Germ [36,2]), Hannover – Leipzig 1910 [künftig: Iohannis abbatis Victoriensis, Liber certarum historiarum IV], S. 60. 32 Iohannis abbatis Victoriensis, Liber certarum historiarum IV, S. 60. 33 Vgl. Schrader, Isabella von Aragonien (wie Anm. 6), S. 36 f.; sowie Acta Aragonensia 1, Nr. 234, S. 347 u. Nr. 236, S. 348.

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An dieser Stelle ist nach der Interessenlage Isabellas zu fragen: An den Eheverhandlungen selbst hatte sie keinen erkennbaren Anteil, auf dem Brautzug hingegen stand sie nun im Zentrum der Aufmerksamkeit. Es ist frei­lich zu kurz gedacht, sie in erster Linie als Objekt der strate­gisch-­politischen Aktivitäten ihres Vaters und Bräutigams zu betrachten. Sie war nicht nur Gegenstand ­dieses politischen Bündnisses, sondern hatte auch eine aktive Rolle darin. Diese drückt sich zunächst einmal ganz grundsätz­lich in ihrem Einverständnis mit den für sie ausgehandelten Arrangements aus, wobei sich letzthin auch die Frage nach potentiellen Handlungsalternativen stellt. Für eine gültige Ehe war nach kirch­ lichen Rechtsvorstellungen das freiwillige Einverständnis beider Ehepartner notwendig. Es bestand also durchaus die Mög­lichkeit, die Zustimmung zu einer von den Eltern ausgehandelten Eheverbindung zu verweigern, und es gibt vereinzelt Beispiele dafür, dass diese Mög­lichkeit auch genutzt wurde.34 Aber warum hätte Isabella die Heirat mit dem Habsburger ablehnen sollen? Wie so oft kann auch hier nur auf der Grundlage von Wahrschein­lichkeiten geurteilt werden, die indes bei sorgfältiger Berücksichtigung der zeitgenös­sischen Modalitäten eine gewisse Aussagekraft erlangen. Isabella war die dritte von insgesamt fünf Töchtern des aragone­sischen Königs. Auch bei bestem Willen des Vaters war es im Hinblick auf die damit verbundenen Kosten nicht selbstverständ­lich, dass alle Töchter eine Ehe eingehen und damit ein standesgemäßes Leben an der Spitze der Gesellschaft führen konnten. Isabellas nächstjüngere Schwester Blanca lebte denn auch als Nonne in Sigena,35 dem Hauskloster der Königsfamilie, während die Jüngste, Violante, im Alter von neunzehn Jahren mit Philipp von Tarent, einem Anjou, verheiratet werden konnte,36 wofür aber wohl schon nicht mehr der Vater, sondern der Bruder Alfonso IV. verantwort­ lich zeichnete. Die Alternativen zur Ehe führten ins gesellschaft­liche Abseits, das heißt entweder in ein mehr oder weniger komfortables Klosterdasein oder aber in die Rolle eines zunächst von den Eltern, ­später dann gewöhn­lich von einem Bruder zu unterhaltenden, funk­tionslosen und damit überflüssigen Familienanhängsels. Die Ehe und die damit verbundene eigenständige Haushaltsführung sowie die dazugehörigen repräsentativen Aufgaben boten hingegen einen Wirkungsraum, welcher der Erziehung, den Lebensgewohnheiten und den Erwartungen junger Prinzessinnen am ehesten entsprach. Je höherrangig der Ehepartner war, desto größer war die Bedeutung der Heirat für die ganze Familie und umso wichtiger 34 Veldtrup, Eherecht (wie Anm. 7), S. 182. 35 Acta Aragonensia 1 (wie Anm. 25), S. CLXXXIII; bei Zeissberg, Elisabeth von Aragonien (wie Anm. 10), S. 11, heißt es „Sixena“. 36 Zeissberg, Elisabeth von Aragonien (wie Anm. 10), S. 12.

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war die Funk­tion der Braut für ihre Angehörigen, die schließ­lich ihren bisher einzigen Bezugsrahmen dargestellt und ihre Sicht auf die Dinge geprägt hatten.37 Nicht nur die männ­lichen Mitglieder einer Adelsfamilie waren Akteure dynas­ tischen Handelns, auch den weib­lichen Familienangehörigen kamen hinsicht­ lich der Herrschaftssicherung und der Machterweiterung wichtige Aufgaben zu, derer sie sich durchaus bewusst waren.38 Beispielhaft sei hier auf Eleonore von Portugal verwiesen, um deren Hand der franzö­sische König und ­Kaiser Friedrich III . konkurrierten. Als ihre Eltern sie nach ihrer Präferenz befragten, entschied sie sich – so jedenfalls wird es von Aeneas Silvius Piccolomini, dem späteren Papst Pius II ., überliefert – ohne zu zögern für den K ­ aiser, weil d­ iesem 39 der höhere Rang zukäme. Adelssprösslinge beiderlei Geschlechts wurden dazu erzogen, eine Ehe einzugehen, die ihrer Familie zum Vorteil gereichen würde.40 Im Gegensatz zu den Söhnen war eine s­ olche Heirat für die Töchter jedoch in der Regel die einzige Mög­lichkeit, ihren gewohnten Lebensstil aufrechtzuerhalten oder sogar zu verbessern. Es ist bezeichnend, dass Friedrich der Schöne seiner soeben von ihrer gescheiterten Brautfahrt aus Italien heimgekehrten Schwester Katharina, deren Verheiratung mit Heinrich VII . durch dessen überraschenden Tod nicht zustande gekommen war, mit dem Versprechen, ihr einen anderen Ehemann verschaffen zu wollen, tröstete.41 Vor ­diesem Hintergrund dürfte Isabella die Verheiratung mit dem Habsburger als ebenso angemessen wie wünschenswert erschienen sein. 37 Vgl. hierzu Ilona Fendrich, Die Beziehung von Fürstin und Fürst: Zum hochadeligen Ehealltag im 15. Jahrhundert, in: Fürstin und Fürst. Familienbeziehungen und Handlungsmög­ lichkeiten von hochadeligen Frauen im Mittelalter, hg. von Jörg Rogge (Mittelalter-­ Forschungen 15), Ostfildern 2004, S. 93 – 137, hier S. 132; Katherine Walsh, Die Fürstin an der Zeitenwende z­ wischen Repräsenta­tionsverpflichtung und politischer Verantwortung, in: ebd., S. 265 – 279, hier S. 265; Ursula Liebertz-­Grün, Rollenbilder und weib­liche Sozia­lisa­tion im Adel, in: Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung 1: Vom Mittelalter bis zur Aufklärung, hg. von Elke Kleinau – Claudia Opitz, Frankfurt a. M. – New York 1996, S. 42 – 62; sowie John Carmi Parsons, Mothers, Daughters, Marriage, Power: Some Plantagenet Evidence, 1150 – 1500, in: Medieval Queenship, hg. von dems., New York 1993, S. 63 – 78, bes. S. 71 ff. 38 Vgl. insbesondere Heide Wunder, Einleitung. Dynastie und Herrschaftssicherung: Geschlechter und Geschlecht, in: Dynastie und Herrschaft in der Frühen Neuzeit. Geschlechter und Geschlecht, hg. von ders. (ZhF, Beih. 28), Berlin 2002, S. 9 – 27, bes. S. 17 f. 39 Aeneas Silvius de Piccolomini, Historia Austrialis II,1, hg. u. übers. von Jürgen Sarnowsky (FSGA 44), Darmstadt 2005, S. 186 – 189. 4 0 In ­diesem Sinne auch Veldtrup, Eherecht (wie Anm. 7), S. 68; Wunder, Einleitung (wie Anm. 38), S. 18 f. 41 Iohannis abbatis Victoriensis, Liber certarum historiarum IV, S. 60.

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Ihre Zustimmung kommt nicht zuletzt in ihrem späteren Verhalten als verheiratete Frau und Königin an der Seite des Habsburgers zum Ausdruck. Vor allem die uneingeschränkte und tatkräftige Loyalität gegenüber Friedrich deutet darauf hin, dass Isabella die ihr zugedachte Rolle nicht nur bereitwillig, sondern mit einigem Engagement ausgefüllt hat. Insbesondere die ersten Ehejahre, die quellenmäßig vergleichsweise gut bezeugt sind, geben diesbezüg­lich Aufschluss und zeigen zudem, dass Isabella, indem sie die Angelegenheiten ihres Gemahls zu ihren eigenen machte und beispielsweise ihren Vater wiederholt darum anging, die Belange Friedrichs an der Kurie zu fördern, auch politisch agierte. Die Hochzeitsfeier­lichkeiten zogen sich bis Mitte 1315 hin. Die entscheidende Zeremonie fand am 31. Januar 1314 in Judenburg, dem ersten Ort in Österreich, den der Brautzug erreichte, statt.42 Allen Beteiligten musste daran gelegen sein, die bislang nur stellvertretend geschlossene Ehe zu realisieren und damit rechtssicher und voll verbind­lich zu machen. Hier begegneten die Brautleute einander zum ersten Mal und hier wurden auch die notwendigen Verträge und Urkunden von Herzog Friedrich gegengezeichnet und den aragone­sischen Gesandten als Sicherheit ausgehändigt. Im Frühjahr erreichte die junge Herzogin Wien, wo ihr ein prachtvoller Empfang bereitet wurde.43 Friedrich der Schöne dürfte dann den Rest des Jahres vor allem mit seiner Königskandidatur beschäftigt gewesen sein. Im Oktober wurde er bei Frankfurt zum römisch-­deutschen König gewählt und im November in Bonn gekrönt.44 Dass ein Teil der Königswähler den Wittelsbacher Ludwig gekürt hatte und damit nun zwei rivalisierende Könige vorhanden waren, die ihren Anspruch jeweils erst noch durchsetzen mussten, war zwar mit zahlreichen Komplika­tionen und Unwägbarkeiten verbunden, aber keineswegs hoffnungslos. Gerade das neue Bündnis mit Jayme II. von Aragón, der über außerordent­lich gute Beziehungen zur Kurie verfügte 45 und mit den Anjous verschwägert war, bot vielfältige Mög­lichkeiten und eine gute Ausgangsbasis. Entsprechend intensiv wurde denn auch das Verhältnis gepflegt: Es entspann sich ein reger Briefverkehr, der eine in dieser Dichte einzigartige Quellengrundlage darstellt, die Heinrich Finke seinerzeit mit den Worten

42 Zeissberg, Elisabeth von Aragonien (wie Anm. 10), S. 64 u. Anhang I, Nr. 68, S. 193 f.; zur ersten Begegnung der Brautleute siehe Iohannis abbatis Victoriensis, Liber certarum historiarum IV, S. 60. 43 Zeissberg, Elisabeth von Aragonien (wie Anm. 10), S. 66. 4 4 Krieger, Habsburger (wie Anm. 29), S. 117; sowie ausführ­lich Andreas Büttner, Der Weg zur Krone. Rituale der Herrschererhebung im spätmittelalter­lichen Reich 1 (Mittelalter-­ Forschungen 35,1), Ostfildern 2012, S. 306 u. S. 317 – 324. 45 Vgl. etwa Acta Aragonensia 1, S. CCXIII.

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charakterisiert hat: „Noch nie habe ich eine so eigenartig politisch-­persön­liche Korrespondenz des Mittelalters gelesen wie die ungefähr 100 im Register 318 [des Archivo de la Corona de Aragon, d. Vf.in] vereinigten Briefe, die Jayme an seine Tochter, die deutsche Königin Elisabeth, seinen Schwiegersohn Friedrich d. Sch. und ihre Umgebung gerichtet hat.“ 46 Doch nicht nur die Briefe des Königs selbst sind in dem aragone­sischen Kronarchiv versammelt, daneben finden sich dort auch zahlreiche Schreiben Friedrichs des Schönen und seiner Gemahlin Isabella, die sowohl politische wie persön­liche Belange behandeln. So berichtet der Habsburger in einem Schreiben vom 23. Mai 1315 seinem Schwiegervater von weiteren Hochzeitsfeier­lichkeiten, die am 28. April in Ravensburg stattgefunden hätten, und von der Krönung Isabellas zur römisch-­deutschen Königin während des Pfingstfestes am 11. Mai in Basel.47 Die erzählenden Quellen sprechen in ­diesem Zusammenhang von einer Doppelhochzeit, bei der Friedrich mit Isabella und sein jüngerer Bruder Leopold mit K ­ atharina von Savoyen vermählt worden wäre.48 Es ist nicht auszuschließen, dass aus Anlass der Eheschließung Leopolds und angesichts der zahlreich versammelten Gäste die Hochzeit des jungen Königspaares in Basel ein weiteres Mal inszeniert wurde. Dann wäre frei­lich zu fragen, warum Friedrich das in seinem Schreiben nicht erwähnt. Vom 15. Mai desselben Jahres datiert ein Brief des aragone­sischen Königs an Isabella, in dem er ihr mitteilt, dass einer seiner Gesandten von Angehörigen seiner Dienerschaft heimtückisch ermordet worden sei und dass bei einem der Täter, den man inzwischen gefasst habe, einer ihrer Siegelstempel gefunden worden wäre. Auf seine Anordnung hin sei dieser zerstört worden und er übersende ihr nunmehr die Reste.49 An ­diesem Schreiben lassen sich vor allem zwei Aspekte zeigen: zum einen, dass Isabella, die stets gesonderte Briefe ihres Vaters erhielt, von d ­ iesem als eigenständige Gesprächspartnerin wahrgenommen wurde. Zum anderen wird deut­lich, dass sie über eigene Siegelstempel verfügte, die augenschein­lich auch Verwendung fanden und deren Zweckentfremdung problematische Folgen haben konnte. Ein weiterer Hinweis auf die rege Korrespondenz Isabellas findet sich in einem Brief Alamanda Saperas an König Jayme, die am 6. Juni 1315 aus Baden nicht nur von den vorangegangenen 4 6 Acta Aragonensia 1, S. CLXXXIV. 47 Regesta Habsburgica III, Nr. 229, S. 31. 48 Siehe Iohannis abbatis Victoriensis, Liber certarum historiarum V, S. 67 f.; sowie Die C ­ hronik des Mathias von Neuenburg, ed. Adolf Hofmeister (MGH SS rer Germ N. S. 4), Berlin 1924 – 1940, S. 100 bzw. S. 357. 49 Regesta Habsburgica III, Nr. 219, S. 29.

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Krönungsfeier­lichkeiten berichtet, sondern darüber hinaus wortreich die Mühen und Ausgaben der Angehörigen des aragone­sischen Gefolges darstellt und in ­diesem Zusammenhang ausführt, dass sie den umfangreichen Schriftverkehr der jungen Königin zu erledigen habe.50 Während Jayme II. bis Mitte 1315 vor allem Erfolgsmeldungen erreicht hatten, sollte sich die Lage am habsbur­gischen Königshof in der Folgezeit beträcht­lich verschlechtern, da die finanziellen Mittel des Herzogtums für die fortgesetzte Kriegführung Friedrichs nicht ausreichten. In einem auf den 16. Juni 1315 datierten Brief erklärt Friedrich seinem Schwiegervater, warum er das aragone­sische Gefolge Isabellas bis auf Blancha de Caldes und Bonanat Cardona entlassen hatte: Er wollte, so schrieb er, die Königin beständig in seiner Nähe wissen und da sei es besser, wenn sie einheimische Begleitung an ihrer Seite hätte.51 Dass dies nicht der alleinige Grund gewesen sein kann, wird deut­lich, wenn man den wenige Tage ­später verfertigten Brief Isabellas an ihren Vater hinzuzieht, in welchem sie ­diesem anvertraut, dass die Dienerschaft ohne Entlohnung entlassen worden sei, und ihn bittet, sich darum zu kümmern.52 Aus den Antwortschreiben Jaymes II . vom 6. August, in denen er dezidiert auf die hier zitierten und andere, offenbar nicht überlieferte Briefe Friedrichs und Isabellas eingeht, erfahren wir noch weitere Details: Die Entlohnung des inzwischen zurückgekehrten Gefolges seiner Tochter hat er offenbar anstandslos übernommen, wozu auch die Einträge in den Rechnungsbüchern passen.53 Mit großem Nachdruck äußert er ferner seine Freude darüber, dass Friedrich ­Isabellas Morgengabe erhöht habe. Allerdings könne er die ursprüng­lichen Urkunden nicht zurückgeben, solange ihm nicht die unterzeichneten aktualisierten Fassungen vorlägen.54 Dieser beiden Ehegatten nahezu gleichlautend übermittelte Bescheid 55 erweist, worum das Königspaar gebeten hatte: Offenbar war die finanzielle Not am habsbur­g ischen Hof so groß, dass nicht nur die Kosten insgesamt reduziert werden mussten, wie durch die Entlassung der teuren aragone­sischen Dienerschaft deut­lich wird. Allem Anschein nach war Isabella sogar dazu bereit, ihre Witwenversorgung zu riskieren und für den 50 Acta Aragonensia 1, Nr. 242, S. 361 ff. 51 Einem Brief Jaymes II. entnehmbar, vgl. Regesta Habsburgica III, Nr. 295, S. 38; vgl. ferner Schrader, Isabella von Aragonien (wie Anm. 6), S. 61, mit Auszügen aus den entsprechen­ den Quellen. 52 Acta Aragonensia 1, Nr. 244, S. 364. 53 Acta Aragonensia 1, Nr. 243, S. 363. 54 Regesta Habsburgica III, Nr. 295, S. 38. 55 Bezüg­lich des Briefes an Isabella siehe Regesta Habsburgica III, Nr. 296, S. 39.

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Thronfolgekrieg ihres Gatten einzusetzen. Da die frag­lichen Urkunden indes von ihrem Vater aufbewahrt wurden, musste dieser unter Vorwänden dazu bewegt werden, selbige herauszugeben, was letzt­lich nicht gelang, da er ein solches Ansinnen mehrfach zurückwies. Ein Brief des Bonanat Cardona, einer der beiden aragone­sischen Gefolgsleute, die der Königin geblieben waren, an seine Base Alamanda Sapera vom 4. Oktober 1316 vermittelt einen Eindruck von der schwierigen Situa­tion Isabellas und Friedrichs: Die schlimme Lage am Hof, so schreibt er, sei noch schlechter geworden. Inzwischen wären Kronen und Kostbarkeiten aus dem Brautschatz ­Isabellas verpfändet worden. Die Erlöse hätte sie dem König für seine Kriegführung übersandt.56 Die vormals engen Kontakte zu König Jayme II. ließen in der Folgezeit merk­lich nach. Zwar boten die Geburt eines Sohnes am 26. Juni 1316, der bereits wenige Tage ­später verstarb, und die einer Tochter im August 1317, die den Namen Elisabeth erhielt, Anlass für gegenseitigen brief­lichen Austausch, die Intensität der ersten beiden Jahre wurde jedoch nicht mehr erreicht. Als Beleg für das offenbar im Zuge ausbleibender Erfolge bei der Durchsetzung der Königsherrschaft Friedrichs abgekühlte Verhältnis mag ein Geleitbrief König Jaymes II. für Philipp Monachi vom 3. Juni 1319 gelten: Er empfiehlt darin seinen Pförtner, den er mit Schreiben für Isabella und Friedrich nach Österreich gesandt hatte, seinen Getreuen und Freunden und bittet diese, den Boten zu s­ chützen und sicher zu seinem Bestimmungsort zu geleiten.57 Die einstmals hochrangig besetzten Gesandtschaften wurden nun durch einen Pförtner ausgeführt. Auf die Gefangenschaft Friedrichs 1322 reagierte Jayme II . mit brief­licher Anteil­nahme,58 ohne frei­lich wirksame Unterstützung leisten zu können oder zu wollen. Ebenso wurden die Freilassung seines Schwiegersohnes und dessen Einigung mit Ludwig dem Bayern 1325 von Jayme mit schrift­lich formulierten Glückwünschen goutiert.59 Die enge Koopera­tion der Anfangsjahre war nunmehr zum Austausch von Höf­lichkeiten und guten Wünschen geronnen. Auch das schwere Augenleiden Isabellas, die fast erblindet war und nur noch Hell-­ dunkel-­Kontraste wahrnehmen konnte, führte weder zu gesteigerter familiärer Nähe noch zu einer nennenswerten Intensivierung der nahezu zum Erliegen gekommenen politischen Kontakte. Als sie ihrem Vater am 4. Juni 1326 von ihrer Erkrankung berichtete und ihn bei dieser Gelegenheit dringend um die 56 57 58 59

Acta Aragonensia 1, Nr. 247, S. 368 f. Regesta Habsburgica III, Nr. 825, S. 105. Regesta Habsburgica III, Nr. 1253, S. 155. Regesta Habsburgica III, Nr. 1547, S. 191.

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Entsendung eines ärzt­lichen Spezialisten aus Aragonien bat,60 kam lange keine Antwort. Erst im Dezember reagierte Jayme II . mit einem Brief an Friedrich, in dem er zwar guten Willen bekundete, aber seinen Schwiegersohn aufforderte, doch zunächst einmal heimische Ärzte zu Rate zu ziehen und eine genaue Diagnose stellen zu lassen.61 Vermut­lich ging es ein weiteres Mal um die Frage der Finanzierung, die Friedrich nicht bewältigen konnte und Jayme nicht übernehmen wollte. Eine Lösung fand sich jedenfalls erst nach dem Tod des aragone­ sischen Königs (Oktober 1327), dessen Nachfolger Alfonso seiner Schwester in einem Schreiben vom 28. Juli 1329 versprach, den benötigten Arzt zu ­schicken.62 Bemerkenswert ist diese Angelegenheit insofern, als Jayme II . seiner ältesten, nach Kastilien verheirateten Tochter, die schwermütig geworden war, offenbar ohne zu zögern einen bedeutenden Arzt geschickt hatte.63 Frei­lich konnte dieser nicht viel ausrichten; Konstanze starb noch vor ihrem Vater. Warum er Isabella diese Unterstützung versagt hat, muss letzthin offenbleiben. Abschließend lässt sich Folgendes festhalten: Isabella und Friedrich agierten als Paar – gegenüber ihren Untertanen, wie sich zum einen in der hier nicht näher behandelten urkund­lichen Überlieferung zeigt, aber auch, wie die vorgestellten Briefe erwiesen haben, gegenüber anderen Herrschern und gegenüber der eigenen Familie. Gerade das von Isabella mit in die Ehe sowie in das Königtum eingebrachte familiäre Netzwerk mit seinen Kontakten und Bündnisop­tionen hat den Fortgang der Ereignisse maßgeb­lich mitbestimmt. Solange sich Politik und Diplomatie nicht im Rahmen überpersön­licher staat­licher Gebilde vollzogen, sondern in erster Linie Ausdruck komplexer „tatsäch­licher oder potentieller Verwandtschafts- und sonstiger dynastisch-­sozia­ler Beziehungen“ 64 waren, ist diese sich aus der Königspaarbeziehung ergebende Dynamik zu berücksichtigen. Die Gemahlin eines Herrschers ist mithin auch im späten Mittelalter keine zu vernachlässigende Größe 65 und ihre Bedeutung erschöpft sich nicht in der Beziehung zu 60 Acta Aragonensia 1, Nr. 256, S. 379. 61 Regesta Habsburgica III, Nr. 1757, S. 216. 62 Acta Aragonensia. Quellen zur deutschen, italienischen, franzö­sischen, spanischen, zur ­Kirchen- und Kulturgeschichte. Aus der diplomatischen Korrespondenz Jaymes II. (1291 – 1327), Bd. 3, ed. Heinrich Finke, Berlin 1922; ND Aalen 1966, Nr. 258, S. 551 f. 63 Vgl. Acta Aragonensia 1, S. CLXXXII f. 6 4 Wolfgang E. J. Weber, Einleitung, in: Der Fürst. Ideen und Wirk­lichkeiten in der euro­ päischen Geschichte, hg. von dems, Köln – Weimar – Wien 1998, S. 1 – 26, hier S. 24. 65 In der starken Einbindung von Frauen in den politischen Alltag der höfischen Gesellschaft (als Königinnen, Regentinnen oder Mätressen) sieht Opitz im Übrigen eine zentrale ­Ursache für die Intensität, mit welcher der Streit um den Wert und die Bedeutung der Frauen im Frankreich der Renaissance und Barockzeit ausgetragen wurde; vgl. Claudia

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ihrem Ehemann.66 Im Gegenteil repräsentiert sie ein eigenständiges Beziehungsgeflecht, das sich in der einen oder anderen Art und Weise immer auch auf die Handlungen und Handlungsmög­lichkeiten ihres Gatten ausgewirkt und damit den Gang der Geschichte beeinflusst hat.

Opitz, Streit um die Frauen? Die frühneuzeit­liche „Querelle des femmes“ aus sozia­lund frauengeschicht­licher Perspektive, in: Historische Mitteilungen 8 (1995), S. 15 – 27, bes. S. 18. 66 In ­diesem Sinne argumentiert auch Michel Margue, Die Erbtochter, der fremde Fürst und die Stände. „Interna­tionale“ Heiraten als Mittel der Machtpolitik im Spannungsfeld z­ wischen Hausmacht und Land, in: Johann und Elisabeth, hg. Pauly (wie Anm. 9), S. 27 – 45, hier S. 32.

Die Rolle der nörd­lichen Rheinlande und des Kölner Erzbischofs bei der Wahl Friedrichs des Schönen Manfred Groten Die politischen Spielräume und Handlungsop­tionen des Römischen Königs ­ urden von seinem Verhältnis zu den Kurfürsten, Fürsten, Magnaten und Städw ten des Reiches bestimmt. Die dezentrale, sich weitgehend selbst organisierende politische Struktur des Reiches konfrontierte den Herrscher mit zahlreichen politischen Interak­tionsräumen mittlerer Größe.1 Unter diesen kam dem Kölner Raum besondere Bedeutung zu, lag in ihm doch der Krönungsort Aachen. Sich den Weg nach Aachen zu bahnen, war die erste Herausforderung, der sich ein neu gewählter König zu stellen hatte. Im Jahre 1314 ist Ludwig der Bayer nach Aachen gelangt, Friedrich der Schöne hingegen nicht. Es lohnt sich also, die Machtverhältnisse im nörd­lichen Rheinland, die für diese Konstella­tion verantwort­lich waren, genauer zu untersuchen, zumal auch der Kölner Erzbischof und Kurfürst seinen Rang im Machtgefüge ­dieses Raumes zu behaupten hatte. Zunächst wird im Folgenden Erzbischof Heinrich von Virneburg kurz vorgestellt, wobei das Augenmerk vor allem auf seine kurfürst­lichen Ambi­tionen gerichtet werden soll. Anschließend werden die Mächte des Kölner Raumes, die Grafen von Jü­lich, Berg, Geldern und Kleve sowie die Stadt Köln behandelt. Der spätere Kölner Erzbischof Heinrich war ein Sohn des gleichnamigen Grafen von Virneburg und wurde um 1244/46 geboren.2 Sein erstes ­Auftreten in den

1 Vgl. Manfred Groten, Das Reich im Rheinland (12.–14. Jahrhundert), in: Die Rheinlande und das Reich. Vorträge gehalten auf dem Symposium anläss­lich des 125-jährigen Bestehens der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde am 12. und 13. Mai 2006 im Universitätsclub in Bonn, veranstaltet von der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde in Verbindung mit dem Landschaftsverband Rheinland, hg. von dems. (Publika­tionen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde. Vorträge 34), Düsseldorf 2007, S. 45 – 70, hier S.  45 – 49. 2 Die Regesten der Erzbischöfe von Köln im Mittelalter 4 [künftig: REK 4], bearb. von ­Wilhelm Kisky (Publika­tionen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 21), Bonn 1915; Ulrich Seng, Heinrich II. von Virneburg als Erzbischof von Köln (Studien zur

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Quellen bezeugt ihn als Teilnehmer an der Schlacht von Worringen am 5. Juni 1288, und zwar auf der Seite der Gegner des Kölner Erzbischofs Siegfried von Westerburg.3 Zu dieser Zeit besaß Heinrich ein Kanonikat im Kölner Stift St. Gereon.4 Ansonsten verfolgte er seine geist­liche Karriere aber vorrangig in seinem Heimatbistum Trier. Bonifaz VIII., der ihm 1295 Dispens für die Teilnahme an der Schlacht von Worringen erteilte, bezeichnete ihn als Kleriker der Trierer Diözese.5 Im folgenden Jahr erscheint Heinrich als Kaplan König Adolfs von Nassau, mit dem er verwandt war.6 Der Papst befreite ihn von seinen Residenzpflichten.7 Der Protek­tion König Adolfs verdankte Heinrich auch die päpst­liche Provision mit der Kölner Dompropstei im Jahre 1297.8 Erst mit über 50 Jahren konnte sich Heinrich damit der Prälatur bemächtigen, die als ein Sprungbrett für das Amt des Erzbischofs galt. Seine Wahl zum Erzbischof von Trier im Jahre 1300 kassierte Bonifaz VIII.9 Nach dem Tod Wikbolds von Holte wählte das Kölner Domkapitel Heinrich im Mai 1304 zum Erzbischof.10 Der Elekt reiste nach Rom und wurde von Benedikt XI . tatsäch­lich zum Erzbischof ernannt.11 Da der Papst aber vor der Publizierung dieser Ernennung starb, musste Heinrich die Entscheidung des neuen Papstes abwarten, die Clemens V. Mitte Dezember 1305 in Lyon zu seinen Gunsten fällte.12 Heinrich dankte dem Papst seine Beförderung mit unverbrüch­ licher Treue. Am 19. Dezember 1305 leistete er auch Philipp IV. einen Treueid, der ihn zu einem zuverlässigen Gefolgsmann des franzö­sischen Königs machte.13 Im Vorfeld der Königswahl von 1308 bezeichnete Heinrich von Virneburg Philipp als seinen Herrn und liebsten Freund.14 Am 9. Juni präsentierte der franzö­ sische König dem Kölner seinen Bruder Karl von Valois als Kandidaten für die

Kölner Kirchengeschichte 13), Siegburg 1977; Wilhelm Janssen, Das Erzbistum Köln im späten Mittelalter 1191 – 1515 (Geschichte des Erzbistums Köln 2,1), Köln 1995, S. 211 – 226. 3 REK 4, Nr. 62. 4 REK 4, Nr. 63; Ulrike Höroldt, Studien zur politischen Stellung des Kölner Domkapitels ­zwischen Erzbischof, Stadt Köln und Territorialgewalten 1198 – 1332 (Studien zur Kölner Kirchengeschichte 27), Siegburg 1994, S. 596 f. 5 REK 4, Nr. 65. 6 REK 4, Nr. 66. 7 REK 4, Nr. 67. 8 REK 4, Nr. 70. 9 REK 4, Nr. 95. 10 REK 4, Nr. 118. 11 REK 4, Nr. 120. 12 REK 4, Nr. 126. 13 REK 4, Nr. 127. 14 REK 4, Nr. 287.

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Nachfolge Albrechts von Habsburg.15 Karl war bei den Kurfürsten jedoch nicht mehrheitsfähig, und auch Clemens V. unterstützte seine Kandidatur nicht. Da Heinrich von Virneburg kein anderer Bewerber am Herzen lag, konnte er sich darauf konzentrieren, im Wahlverfahren eine Vorrangstellung gegenüber seinen Amtsbrüdern zu erringen.16 Dabei half ihm der Umstand, dass der Herzog von Sachsen und der Markgraf von Brandenburg ihre Wahlentscheidungen an sein Votum gebunden hatten. Um die Wahl Heinrichs von Luxemburg sicherzustellen, überließ der mit Heinrichs Bruder Balduin von Trier verbündete Mainzer Erz­bischof Peter von Aspelt Heinrich von Virneburg die eigent­lich ihm selbst zustehende Rolle des Wahlleiters. Heinrich setzte zudem gegenüber dem Luxemburger durch, dass dieser die konstitutive Bedeutung des Aachener Krönungsakts betonte, indem er bis zur Krönung konsequent den Titel ‚erwählter König‘ führte und seine Herrscherjahre vom Krönungstag an zählte. Die Handlungsweise Heinrichs von Virneburg steht in einer Tradi­tion, die Franz-­Reiner Erkens als „Kölner ­Theorie“ bezeichnet hat.17 Der Begriff suggeriert allerdings eine stärkere Stringenz und Geschlossenheit der Vorstellungen des Kölner Erzbischofs von den Implika­tionen seines Krönungsrechts, als die Quellen wirk­lich erkennen lassen. Unverkennbar hatte aber Heinrich von Virneburg die Gunst der Stunde für die Steigerung seines Ranges zu ­nutzen gewusst. Bei der Wahl des Jahres 1314 ist es Heinrich jedoch nicht gelungen, seine überzogenen Ansprüche durchzusetzen.18 Philipp IV. von Frankreich brachte Ende 1313 seinen jüngeren Sohn Philipp als Kandidaten ins Spiel.19 Papst Clemens V. unterstützte diesen Vorstoß nicht, sondern ermahnte die Kurfürsten nur, einen der ­Kirche treu ergebenen König zu wählen.20 Am 2. Januar 1314 sahen sich die Kurfürsten in Rhens mit Kandidaturen der Luxemburger, Wittelsbacher und Habsburger konfrontiert. Außerdem bewarben sich Vertreter der Häuser A ­ vesnes und Dampierre, Wilhelm von Hennegau-­Holland und Ludwig von Nevers.21 Warum sich Heinrich von Virneburg gegen die Wahl Johanns von Böhmen sperrte und

15 REK 4, Nr. 327. 16 Franz-­Reiner Erkens, Der Erzbischof von Köln und die deutsche Königswahl. Studien zur Kölner Kirchengeschichte, zum Krönungsrecht und zur Verfassung des Reiches (Mitte 11. Jahrhundert bis 1806) (Studien zur Kölner Kirchengeschichte 21), Siegburg 1987, S.  64 – 72. 17 Erkens, Erzbischof (wie Anm. 16), S. 45 – 52. 18 Erkens, Erzbischof (wie Anm. 16), S. 70. 19 REK 4, Nr. 792. 20 REK 4, Nr. 798. 21 REK 4, Nr. 800.

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anschließend eine Doppelwahl provozierte, indem er hartnäckig an Friedrich dem Schönen festhielt, ist schwer zu beantworten. Seine Entscheidung für den Habsburger hat, wie sich noch zeigen wird, seine Machtstellung im Rheinland erheb­lich gefährdet. Sein Versuch, in die Rolle des Schiedsrichters über die beiden Prätendenten zu schlüpfen, misslang ihm gründ­lich. Die Krönung Friedrichs konnte nicht in Aachen vollzogen werden. Heinrich von Virneburg war 1314 auf ganzer Linie gescheitert. Vordergründig betrachtet konnte Friedrich der Schöne nicht in Aachen gekrönt werden, weil die Bürger dieser Stadt ihm den Einzug in ihre Mauern verwehrten. Ursache für die Brüskierung des Habsburgers war aber in erster Linie die Haltung der rheinischen Magnaten zur Doppelwahl vom 19./20. Oktober 1314. An der Spitze des nordrheinischen Adels standen vier Grafen. Gerhard VII. von Jü­lich  22 und Rainald I. von Geldern 23 gehörten einer Genera­tion an, denn beide wurden in den Fünfzigerjahren des 13. Jahrhunderts geboren. Beide nahmen an der Schlacht von Worringen teil.24 Gerhard kämpfte unter Führung des siegreichen Herzogs von Brabant, Rainald focht an der Seite des Kölner Erzbischofs und geriet in Gefangenschaft. Rainald erbte die geldrische Grafschaft im Jahre 1271, Gerhard hatte zunächst die Herrschaft Kaster inne und folgte seinem Bruder Walram erst 1297 in der Grafschaft Jü­lich. Adolf VI. von Berg ist einer jüngeren Genera­tion zuzurechnen.25 Er hatte erst 1308 die Herrschaft in der Grafschaft Berg angetreten. Der jüngste der vier rheinischen Grafen war Dietrich VII. von Kleve, geboren wohl im Jahre 1291, der 1310 den Kampf um die Grafschaft Kleve aufnehmen musste.26 Die rheinischen Grafengeschlechter waren vielfach miteinander verwandt und verschwägert. Rainald von Geldern war der Schwiegervater Dietrichs von Kleve,27

22 Heinz Andermahr, Graf Gerhard VII. von Jü­lich (1297 – 1328) (Schriften zur rheinischen Geschichte 8), Bonn 1988. 23 Ralf G. Jahn, Die Genealogie der Vögte, Grafen und Herzöge von Geldern, in: Gelre – Geldern – Gelderland. Geschichte und Kultur des Herzogtums Geldern 1, hg. von ­Johannes Stinner  – Karl-­Heinz Tekath (Veröffent­lichungen des Historischen Vereins für Geldern und Umgebung 100), Geldern 2001, S. 29 – 50, hier S. 34. 24 Ulrich Lehnart, Teilnehmer der Schlacht von Worringen, in: BDLG 124 (1988), S. 135 – 185, hier S. 163, S. 182. 25 Helmut Dahm, Adolf VI. (VIII.), in: NDB 1 (1953), S. 76 f. 26 Manuel Hagemann, Der Erwerb der Grafschaft Kleve 1347 (Libelli Rhenani 21), Köln 2007, S.  23 – 26. 27 Jahn, Genealogie (wie Anm. 23), S. 34; Euro­päische Stammtafeln NF 6, hg. von Detlev Schwennicke, Marburg 1978, Tafel 21 (Kleve), Tafel 25 (Geldern).

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dieser der Schwager Adolfs von Berg.28 Die M ­ utter Gerhards von Jü­lich war eine Tante Rainalds von Geldern.29 Das dichte Geflecht von Verwandtschaftsbeziehungen verhinderte natür­lich keineswegs Konflikte ­zwischen den Grafenhäusern, im Gegenteil. Häufig wurden Erbstreitigkeiten verbissen ausgefochten.30 Nutznießer solcher Auseinandersetzungen war der Kölner Erzbischof, dessen Anspruch auf Vorherrschaft am Niederrhein 1288 einen Dämpfer erhalten hatte. Heinrich von Virneburg stammte aus einem recht ärm­lichen Grafengeschlecht, dessen Stammburg in der Südeifel auf Trierer Diözesangebiet lag.31 Die V ­ irneburger haben sehr erfolgreich die Strategie verfolgt, die Bedeutung ihres Geschlechts durch den Erwerb kirch­licher Ämter zu steigern.32 Den Bischöfen und Prälaten aus dem Virneburger Haus oblag es, für das Fortkommen der übrigen Familienmitglieder zu sorgen. So vermittelte Erzbischof Heinrich 1308 eine Ehe seiner Großnichte Mechtild mit Graf Otto von Kleve.33 Als Otto schon 1310 starb, versuchte Mechtild, die Grafschaft Kleve gegen Ansprüche Dietrichs von Kleve und Dietrich Lufs III. Graf von Hülchrath für ihre Tochter Irmgard zu halten. In ihrer bedrängten Lage war ihr Großonkel keine große Hilfe. Der Erzbischof erklärte die kölnischen Lehen der Klever durch den Tod des Grafen Otto für heimgefallen. Zu diesen Lehen zählte er auch, gewiss zu Unrecht, die Grafschaft Kleve.34 Um sich die Beute zu sichern, söhnte er sich mit Graf Engelbert II. von der Mark aus. Engelbert sollte Heinrich beim Erwerb der Grafschaft unterstützen und dafür als Lohn die rechtsrheinischen Klever Güter und Rechte erhalten. Bestandteil des Bündnisses z­ wischen Heinrich von V ­ irneburg und dem Märker war wohl auch die Verlobung Irmgards mit ­Engelberts Sohn Adolf, mit der die Verbindung der Häuser Kleve und Mark angebahnt wurde. Den Bundesgenossen gelang es aber nicht, Dietrich aus der Grafschaft Kleve zu verdrängen. Dieser verheiratete 1309 seine Schwester Agnes mit Adolf von Berg, der damit Stellung gegen die Ansprüche des Kölner Erzbischofs bezog.35 Im 28 Euro­päische Stammtafeln NF 6 (wie Anm. 27), Tafel 21 (Kleve), Tafel 27 (Berg). 29 Euro­päische Stammtafeln NF 6 (wie Anm. 27), Tafel 25 (Geldern), Tafel 33 ( Jü­lich). 30 Vgl. z. B. den Streit um das Erbe Ottos von Geldern bei Dieter Kastner, Die Territorial­ politik der Grafen von Kleve (Veröffent­lichungen des Historischen Vereins für den Nieder­ rhein 11), Düsseldorf 1972, S. 106 – 121; Hagemann, Johann von Kleve (wie Anm. 26), S.  23 – 26. 31 Wilhelm Iwanski, Geschichte der Grafen von Virneburg. Von ihren Anfängen bis auf Robert IV. (1383), Koblenz 1912. 32 Euro­päische Stammtafeln NF 7, hg. von Detlev Schwennicke, Marburg 1979, Tafel 143. 33 Kastner, Territorialpolitik (wie Anm. 30), S. 99. 34 REK 4, Nr. 674. 35 Kastner, Territorialpolitik (wie Anm. 30), S. 110.

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Vorfeld der Wahl von 1314 baute Heinrich von Virneburg seine Machtposi­tion gegenüber Dietrich von Kleve aus, indem er Dietrich Luf die Grafschaft Hülchrath abkaufte.36 Dass angesichts d­ ieses Vorgehens von Seiten Kleves keine Unterstützung für die Wahlpläne des Erzbischofs zu erwarten war, versteht sich von selbst. Dass auch Adolf von Berg sich gegen Heinrich von Virneburg stellte, ist dagegen nicht so selbstverständ­lich. Er hätte auch als Helfer des Erzbischofs Profit machen können. Adolf versprach jedoch schon vor dem 1. Februar 1314 Johann von Böhmen, dessen Wahl der Kölner Erzbischof bekannt­lich ablehnte, er werde ihn mit all seiner Macht in seinem Streben nach der Königskrone unterstützen.37 Johann verpflichtete sich dafür zur Zahlung von 5000 Mark sowie zur Bestätigung der ber­gischen Reichslehen und der Pfandschaft an Duisburg. Graf Gerhard von Jü­lich sollte 2250 Mark sofort zur Verfügung stellen, der Rest war nach der Wahl Johanns fällig. Ludwig der Bayer hat die Belohnung Adolfs von Berg am 5. Dezember 1314 sogar auf 11.000 Mark erhöht.38 Dass Gerhard von Jü­lich sich gegen Heinrich von Virneburg stellte, kann nicht verwundern. Die Territorien von Jü­lich und Kurköln grenzten entlang der Erft aneinander. Seit den Tagen Graf Wilhelms IV. († 1278) hatte die spannungsreiche Nachbarschaft wiederholt zu Fehden geführt. Für Gerhard kam noch ein besonderer Streitpunkt hinzu. Es ging um das Amt des Schultheißen von Aachen, der als Vertreter des könig­lichen Stadtherrn fungierte. Dieses Amt hätte sich gut in das Machtgefüge des Grafen eingefügt, der schon die Aachener Vogtei als Lehen des Herzogs von Brabant innehatte.39 Das Schultheißenamt war aber seit 1306 an Rainald von Valkenburg verpfändet.40 Gerhard bemühte sich um die könig­liche Genehmigung zur Auslösung der Pfandschaft, die ihn in den Besitz des begehrten Amtes gebracht hätte. Rainald von Valkenburg hatte 1313 ein Bündnis mit Heinrich von Virneburg auf zwölf Jahre geschlossen,41 und Friedrich der Schöne versprach im Mai 1314, die Pfandsumme für das Schultheißenamt zu erhöhen und die Einlösung erst nach 20 Jahren zu gestatten.42 Damit wurden die Pläne Gerhards von 36 Kastner, Territorialpolitik (wie Anm. 30), S. 113 f. 37 Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins 3, hg. von Theodor Joseph ­L acomblet, Düsseldorf 1853, Nr. 125 = MGH Const. 5: 1313 – 1324, ed. Jakob Schwalm, Hannover – Leipzig 1909 – 1913 [künftig: MGH Const. 5], Nr. 18. 38 Lacomblet 3 (wie Anm. 37), Nr. 145. 39 Andermahr, Graf Gerhard (wie Anm. 22), S. 56 f. 4 0 Regesten der Reichsstadt Aachen 2, bearb. von Wilhelm Mummenhoff (Publika­tionen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 47), Köln 1937 [künftig: Regesten der Reichsstadt Aachen 2], Nr. 54. 41 REK 4, Nr. 743. 42 Regesten der Reichsstadt Aachen 2, Nr. 147 = Lacomblet 3 (wie Anm. 37), Nr. 129.

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Jü­lich durchkreuzt. Der wiederum war in der Lage, die Krönung Friedrichs des Schönen in Aachen zu verhindern, denn die Straße von Sinzig am Rhein nach dem Krönungsort führte durch das Jü­licher Land. Gerhards Einfluss reichte 1314 auch nach Brabant, wo er neben Floris Berthout van Mechelen für den minderjährigen Herzog die Herrschaft ausübte.43 So konnte er Wilhelm von Avesnes, den Grafen von Hennegau und Holland, in Schach halten, der sich am 25. März 1314 mit Heinrich von Virneburg verbündet hatte, im letzten Moment aber zu Ludwig dem Bayern überlief, der ihn im Besitz seiner Grafschaften bestätigte.44 Als Einziger unter den rheinischen Grafen leistete Rainald von Geldern dem Kölner Erzbischof Gefolgschaft. Die kirchentreue Haltung des Grafen lässt sich weniger aus realpolitischen Erwägungen erklären als vielmehr aus seiner eigenwilligen Persön­lichkeit und seiner von Kreuzzugbegeisterung befeuerten Religiosität. Da auch der Lütticher Bischof Adolf von der Mark der Politik seines Metropoliten folgte, konnte Rainald bei den für den größten Teil seiner Grafschaft zuständigen Oberhirten mit Wohlwollen rechnen.45 Rainald betrieb den Aufbau eines Netzes von Hospitälern, die er Mons dei oder Insula dei nannte. Auch mehrere geldrische Städte wurden mit dem Namen Insula dei ausgezeichnet. Reinhold Schneider hat zu zeigen versucht, dass das, was die ältere Forschung als religiöse Schwärmerei, wenn nicht gar als Fantastereien eines Geistesgestörten abgetan hat, durchaus der Intensivierung der Herrschaft Rainalds in seiner Grafschaft gedient haben mag.46 Paul Moors hat zwar ­Schneiders Interpreta­tion in Bausch und Bogen verworfen, selbst allerdings eine alternative Deutung des rätselhaften Komplexes vorgelegt, deren Tragfähigkeit eher zweifelhaft erscheint.47 Die Kontroverse kann hier auf sich beruhen. Friedrich dem Schönen versprach Rainald von Geldern, er werde mit sage und schreibe 1000 Rittern zur Aachener Krönung erscheinen. Der Graf entwertete diese Zusage allerdings durch die Bedingung, dass er auf seinem Zug nach Aachen das Jü­licher Territorium verschonen dürfe.48 Gerhard von Jü­lich 43 Andermahr, Graf Gerhard (wie Anm. 22), S. 44 f. 4 4 REK 4, Nr. 812; Regesten der Reichsstadt Aachen 2, Nr. 178 = MGH Const. 5, Nr. 130. 45 Wie Anm. 42. 4 6 Reinhold Schneider, Die Kreuzzugsidee als Leitmotiv landesherr­lichen Handelns. Ein Beitrag zu den „Insula Dei“-Diplomen Rainalds I. von Geldern (1271 – 1326), in: Bijdragen en Mededelingen Gelre 81 (1990), S. 12 – 34. 47 Paul Moors, „Frenetieke activiteit“. De religieus-­ideolo­gische politiek van graaf Reinoud I van Gelre, 1288 – 1318, in: Bijdragen en Mededelingen Gelre 91 (2000), S. 37 – 77. 48 MGH Const. 5, Nr. 117, S. 114, § 14: Est eciam condictum, quod idem comes cum mille armatis militaribus veniet Aquis ad coronacionem nostram, partem nostram contra invasores nostros adiuvando, et quod ab ista parte Mogii et Moselle nobis assistet contra nostros inimicos,

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war seit 1309 einer seiner Testamentsvollstrecker und seit 1311 sein Vasall für Grevenbroich und weitere Güter.49 Der Einschränkung zum Trotz versprach der Habsburger am 16. November 1314, ohne mit der Wimper zu zucken, die exorbitanten Wünsche des Grafen zu erfüllen. Ob sich in den geradezu größenwahnsinnigen Forderungen Rainalds schon die Geisteskrankheit ankündigte, die seinen gleichnamigen Sohn 1318 dazu veranlasste, seinen Vater zu entmachten, sei dahingestellt. ­Friedrich der Schöne verpflichtete sich u. a., „wenn es machbar ist und unserem Recht nicht schadet, an dem Ort Insula dei die Krone zu tragen und dort die Krone und die hl. Lanze mit den Reichsinsignien verwahren zu lassen“.50 Mit dem Ort Insula dei war vermut­lich Hattem in der Veluwe gemeint.51 Weiterhin versprach Friedrich, Rainald zum Fürsten zu erheben, ein Versprechen, das er am 1. August 1317 erfüllte.52 Die Verleihung des erb­lichen Fürstenranges ohne Schaffung eines fürst­lichen Territoriums und Verleihung eines neuen Titels hatte Heinrich VII. eingeführt, der 1310 die Grafen Berthold von Henneberg und Amadeus V. von Savoyen in dieser Form zu Reichsfürsten machte.53 Rainald von Geldern und sein gleichnamiger Sohn haben von dem Privileg von 1317 keinen offiziellen Gebrauch gemacht. 1339 hat Ludwig der Bayer Rainald II . von Geldern zum Herzog erhoben.54 Der ­Kaiser bescheinigte ihm, er sei regio genere ortus, und verlieh ihm die Ämter, qui propter eleccionem de nobis factam se opponunt seu opponent nobis. Sic tamen quod terram comitis Iuliacensis hostiliter intrare vel invadere non teneatur hac de causa. Sein Sohn Rainald hielt darüber hinaus Kontakt zur Gegenpartei. Er erscheint am 31. Oktober 1314 als Zeuge in einer Urkunde über eine Bürgschaft zugunsten der Klever zusammen mit den Grafen von Jü­lich, Berg und Mark sowie vielen anderen Herren: Inventar des herzog­lich arenber­ gischen Archivs in Edingen/Enghien (Belgien) 2. Die Urkunden der deutschen Besitzungen bis 1600, bearb. von Christian Renger, zum Druck gebracht von Johannes Mötsch (Veröffent­lichungen der Landesarchivverwaltung Rheinland-­Pfalz 75), Koblenz 1997, Nr. 43. 49 REK 4, Nr. 454 (außerdem Erzbischof Heinrich, Bischof Guido von Utrecht, Ehefrau Margarete, Graf Otto von Kleve); Manfred Groten, Der Übergang der kesselschen Herrschaft Grevenbroich an die Grafen von Jü­lich, Eine territorialgeschicht­liche Fallstudie, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 180 (1978), S. 57 – 79, hier S. 77. 50 MGH Const. 5, Nr. 117, S. 113, § 8: Et si commode et absque preiudicio iuris nostri fieri poterit, in eodem loco Insula Dei volumus coronari quodque ibidem corona et lancea cum imperialibus insignibus reponantur. 51 Moors, Frenetieke activiteit (wie Anm. 47), S. 54. 52 MGH Const. 5, Nr. 450. 53 Steffen Schlinker, Fürstenamt und Rezep­tion. Reichsfürstenstand und gelehrte Literatur im späten Mittelalter, Köln – Weimar – Wien 1999, S. 105 – 115, S. 224 – 228. 54 Schlinker, Fürstenamt (wie Anm. 53), S. 130 – 139, dort Urkundentext, S. 132 f.; Wilhelm Janssen, Die Erhebung des Grafen Rainald II. zum Herzog und Reichsfürsten im Jahre

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den König bei feier­lichen Anlässen anzukleiden und ihm bei Festkrönungen in Aachen, Mailand oder Rom die Krone aufzusetzen. Rainald von Geldern war durch seine Verheiratung mit Eleonore, der Schwester König Eduards III. von England, seit 1331 auch mit Ludwig verschwägert.55 Warum war Rainald I. von Geldern so darauf versessen, zum Fürsten erhoben zu werden? Hier treffen wir auf ein Grundproblem der politischen Struktur des Rheinlandes, das hier nur kurz skizziert werden kann.56 Erzbischof Rainald von Dassel hatte in den 60er-­Jahren des 12. Jahrhunderts das 1151 geschaffene rheinische Herzogtum zu einem Herrschaftsraum verdichten wollen, den er terra Coloniensis, kölnisches Land, nannte.57 Die rheinischen Grafen und Herren sollten als domini terre, Landherren, an den Landesherrn gebunden werden. Diese Zumutung traf die Adeligen in einer Phase, in der sie sich anschickten, ihre eigenen diversen Herrschaftsrechte unter dem Begriff potestas, Gewalt, zu bündeln.58 Diese Gewalt wurde nach dem Römerbrief des Paulus (13,1) als von Gott gegeben betrachtet, weshalb die Grafen und Herren das Prädikat dei gratia in ihre Titel einfügten.59 Im frühen 13. Jahrhundert gingen sie noch einen Schritt weiter und führten für ihre Herrschaftsräume den bis dahin allein vom Kölner Erzbischof verwendeten Begriff Land ein.60 Damit entbrannte im Rheinland ein Kampf um die Landeshoheit, in dem die Konzep­tion eines Verbunds von adeligen Ländern nach der Schlacht von Worringen den Sieg über den herzog­lichen Hoheitsanspruch des Erzbischofs davontrug. Konnten die rheinischen Grafen ihre Freiheit, wie sie es nannten, gegenüber dem Erzbischof behaupten, so legten sie um die

1339, in: Van hertogdom Gelre tot provincie Gelderland. Hoofdstukken uit de geschiedenis van Bestuur en Bestuursinrichting van Gelderland 1339 – 1989, hg. von Frank Keverling Buisman – Olav Moormann van Kappen (Rechtshistorische reeks van het Gerard Noodt Instituut 20), Nijmegen 1990, S. 1 – 26. 55 Jahn, Genealogie (wie Anm. 23), S. 34; Euro­päische Stammtafeln NF 2, hg. von Detlev Schwennicke, Marburg 1984, Tafel 4. 56 Vgl. Groten, Reich (wie Anm. 1), S. 66 – 70. 57 Manfred Groten, Köln und das Reich, Zum Verhältnis von ­Kirche und Stadt zu den staufischen Herrschern 1151 – 1198, in: Stauferreich im Wandel, hg. von Stefan Weinfurter (Mittelalter-­Forschungen 9), Stuttgart 2002, S. 237 – 252, hier S. 243 – 250. 58 Manfred Groten, Die Erforschung des hochmittelalter­lichen Adels im Rheinland. Bilanz und Perspektiven, in: Verortete Herrschaft. Königspfalzen, Adelsburgen und Herrschaftsbildung in Niederlothringen während des frühen und hohen Mittelalters, hg. von Jens Lieven – Bert Thissen – Ronald Wientjes (Schriften der Heresbach-­Stiftung Kalkar 16), Bielefeld 2014, S. 191 – 210, hier S. 204. 59 Groten, Reich (wie Anm. 1), S. 57 f. 60 Groten, Reich (wie Anm. 1), S. 58 f.

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Mitte des 13. Jahrhunderts aus freien Stücken die Würde von Herrschern von Gottes Gnaden ab. In der spätstaufischen Reichskonzep­tion der Zeit ­Kaiser Friedrichs II. wurde den Fürsten als Säulen oder Gliedern des Reichs besondere Bedeutung zugesprochen.61 Die Herrschaft von K ­ aiser und Fürsten wurde von jeder anderen Form von Herrschaft als von Gott verliehen abgegrenzt. Der ­Kaiser und die Reichsfürsten, und nur sie, herrschten von Gottes Gnaden. Parallel zum kirch­ lichen Rechtsdenken wird die Vorstellung entwickelt, die Zuständigkeit des Kaisers sei aufgrund seiner plenitudo potestatis unbegrenzt, die Verantwortung der Fürsten beschränke sich, wie die der Bischöfe, in partem sollicitudinis, in erster Linie auf ihre jeweiligen Herrschaftsbereiche. Der nichtfürst­liche Adel, die Magnaten oder Barone, wurde nur von Fall zu Fall und ohne unbedingten Anspruch auf Teilhabe zu den Reichsgeschäften hinzugezogen. Die nach dem Abfall Konrads von Hochstaden vom ­Kaiser 1239 entschieden staufertreuen rheinischen Grafen haben sich diese Reichsidee zu eigen gemacht und das dei gratia aus ihren Titeln entfernt.62 Damit trat ihr nichtfürst­licher Rang im Gegensatz zur Fürstenwürde des Kölner Erzbischofs unübersehbar in Erscheinung. Der Aufstieg in den Fürs­tenrang wurde ein Desiderat der Magnaten. Vor ­diesem Hintergrund wird der Wunsch Rainalds von Geldern verständ­lich. Friedrich der Schöne konnte ihn nur in schlichtester Form erfüllen. Ludwig der Bayer hat Rainalds Sohn und seinen anderen Schwager Wilhelm von Jü­lich in feier­ licher Form zu Reichsfürsten erhoben.63 1380 und 1417 sind auch die Grafen von Berg und Kleve zu Herzögen erhoben worden.64 In keiner anderen Region des Reiches hat es so viele Standesverbesserungen gegeben. Der Grundkonflikt ­zwischen dem Kölner Erzbischof und den rheinischen Grafen hat die Krönung Friedrichs des Schönen in Aachen verhindert. Warum setzte ihm dann Heinrich von Virneburg nicht in seiner Bischofsstadt Köln die Krone aufs Haupt? Die Kölner hatten in der Schlacht von Worringen an der Seite der Gegner des Erzbischofs gekämpft. Aus ihrer Sicht hatten sie auf dem Schlachtfeld ihre alte Freiheit verteidigt und behauptet. Das bedeutete allerdings nicht, wie es oft dargestellt wird, dass die Kölner Erzbischöfe 1288 ihre Bischofsstadt auf Nimmerwiedersehen verließen. Siegfried von Westerburg, Wikbold von Holte und auch Heinrich von Virneburg hielten noch häufig in Köln Hof. Seit 1263 hatten die Kölner allerdings die rheinischen Grafen und zahlreiche Herren zu 61 62 63 6 4

Groten, Reich (wie Anm. 1), S. 54 – 57. Groten, Reich (wie Anm. 1), S. 59 – 61. Schlinker, Fürstenamt (wie Anm. 53), S. 115 – 130. Schlinker, Fürstenamt (wie Anm. 53), S. 162 – 168, S. 168 – 173.

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Edelbürgern ihrer Stadt gemacht.65 Gerhard von Jü­lich hatte den Edelbürgervertrag, der ihn verpflichtete, der Stadt mit neun Rittern und 15 Knappen zur Hilfe zu kommen, noch 1312 bestätigt.66 Eingebunden in das Netzwerk des rheinischen Adels verweigerte die Stadt Köln 1314 Friedrich dem Schönen die Anerkennung. Ludwig der Bayer besuchte Köln nach der Aachener Krönung und bestätigte der Stadt am 4. Dezember 1314 die Privilegien.67 Heinrich von Virneburg hatte nicht die Mittel, den Widerstand der Kölner zu brechen. Sein Verhältnis zu seiner Bischofsstadt hat im Gefolge der Doppel­ wahl von 1314 dauerhaften Schaden genommen. Bis 1314 hielt sich der Erzbischof relativ oft in Köln auf.68 Nach 1314 nahm die Häufigkeit seiner Aufenthalte in der Stadt dagegen deut­lich ab. Heinrich residierte seither mit Vorliebe in Bonn und auf der Godesburg.69 Bonn mit seiner prachtvollen Stiftskirche bot einen Rahmen, der den Vollzug der Krönung in würdiger Form ermög­lichte. Die Krönung Friedrichs des Schönen in Bonn am 25. November 1314 kann man als ein Schlüsselereignis der rheinischen Geschichte mit weitreichenden Folgen bezeichnen.

65 Hans Domsta, Die Kölner Außenbürger. Untersuchungen zur Politik und Verfassung der Stadt Köln von der Mitte des 13. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts (Rheinisches Archiv 84), Bonn 1973. 66 Lacomblet 3 (wie Anm. 37), Nr. 120. Zu den Edelbürgern vgl. Domsta, Kölner Außenbürger (wie Anm. 65). 67 Lacomblet 3 (wie Anm. 37), Nr. 142. 68 Aufenthalte in Köln vor der Bonner Krönung: REK 4, Nrn. 151 – 153,159,162, 166, 176 f., 188, 197, 199, 229, 235 f., 241, 262, 264 f., 268, 275 f., 284, 291, 303 f., 309, 315, 321 f., 334, 337, 372, 383, 424, 426 – 430, 457, 460, 462, 464, 467 – 4 69, 480, 487, 498 f., 512 – 516, 520, 570, 576, 605, 631 f., 639, 644 – 651, 657 – 660, 662 f., 673, 714 – 718, 746, 748, 767 f., 773, 829 – 832, 842. Aufenthalte in Bonn im selben Zeitraum: REK 4, Nr. 287, 314, 419, 518, 522, 614, 654, 851, 859, 863, 875, 877, 882. Vgl. zur Situa­tion in Köln auch Manfred Groten, Köln 1308. Erinnerung, Quellen, Konstruk­tionen, in: 1308. Eine Topographie historischer Gleichzeitigkeit, hg. von Andreas Speer – David Wirmer (Miscellanea Mediaevalia 35), Berlin – New York 2010, S. 461 – 474. 69 Aufenthalte in Bonn: REK 4, Nrn. 891, 893, 960, 975, 984, 1010, 1028, 1032, 1038, 1040, 1057, 1073 – 1075, 1083, 1095, 1098, 1108, 1119, 1127, 1130, 1136, 1177 f., 1180, 1189, 1202, 1205 f., 1212 f., 1224, 1231, 1239 f., 1245 f., 1284, 1322, 1348, 1390, 1406, 1424, 1430, 1494, 1503, 1516 f., 1546, 1552, 1604, 1615, 1667 f., 1718 f., 1799, 1801, 1806, 1812 – 1817, 1819, 1835, 1846, 1853 f., 1864, 1866, 1872, 1878 f., 1884, 1904, 1909, 1918, 1920, 1936, 1942, 2000, 2012. Aufenthalte in Köln im selben Zeitraum: REK 4 , Nrn. 972 f., 1008 f., 1182, 1214, 1226, 1229, 1232 f., 1238, 1256 f., 1260, 1274, 1295, 1312, 1316, 1318, 1323 – 1325, 1328, 1337, 1363, 1365, 1383, 1408 – 1416, 1462, 1491, 1507 – 1509, 1644 f., 1659, 1677, 1766 f.

Tafelteil

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Taf. 1 Köln, Dom, Chor, Apsis und anschließender Langchorteil auf der Südseite: Triforium und Obergaden.

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Taf. 2 Köln, Dom, Dreikönigenschrein, Stirnseite, unterer Teil, linke Hälfte, v. l. n. r.: Otto IV., die Heiligen Drei Könige. Taf. 3 Köln, Dom, Chor, Obergaden, Achsfenster: Anbetung der Könige. Taf. 4 Köln, Dom, Chor, Obergaden, Achsfenster, Couronnement: Wappen des Erzbischofs Heinrich von Virneburg.

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Taf. 5 Straßburg, Münster, Langhaus, Nordseite, 4. Fenster (von Osten nach Westen gezählt): v. l. n. r.: Karl Martell, Karl der Große, Pippin der Jüngere, Ludwig der Fromme, (3. Viertel 13. Jh. und älter). Taf. 6 Evreux, Kathedrale, Chor, Obergaden, Achsfenster: im unteren Teil der Lanzetten das Stifterbild des Bischofs Jean du Prat mit Inschrift und Wappen (um 1335).

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Taf. 7 Chronik der 95 Herrschaften, Innsbruck, Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, Cod. 255, fol. 95v, König Friedrich der Schöne.

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Taf. 8 Chronik der 95 Herrschaften, Innsbruck, Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, Cod. 255, fol. 45r, Kaiser Friedrich I. Barbarossa.

Taf. 9 Chronik der 95 Herrschaften, Innsbruck, Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, Cod. 255, fol. 65v, König Rudolf I. von Habsburg (König Albrecht I. von Habsburg?).

198

Taf. 10 Gebetbuch der Königin Elisabeth, Wien, Zentralbibliothek der Österreichischen Minoritenprovinz, Horneinband, Vorderseite, hl. Nikolaus und hl. Äbte.

Taf. 11 Gebetbuch der Königin Elisabeth, Wien, Zentralbibliothek der Österreichischen Minoritenprovinz, fol. 4v–5r, Kalender, August und September.

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Taf. 12 Gebetbuch der Königin Elisabeth, Wien, Zentralbibliothek der Österreichischen Minoritenprovinz, Horneinband, Rückseite, hl. Oswald und weitere Heilige.

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Taf. 13 Gebetbuch der Königin Elisabeth, Wien, Zentralbibliothek der Österreichischen Minoritenprovinz, fol. 7v–8r, Das wahre Antlitz Christi auf dem Schweißtuch der Veronica und Gebete zu ihm.

Taf. 14 Gebetbuch der Königin Elisabeth, Wien, Zentralbibliothek der Österreichischen Minoritenprovinz, fol. 8v, fol. 10r, Gebete, Maria mit dem Christkind.

201

Taf. 15 Gebetbuch der Königin Elisabeth, Wien, Zentralbibliothek der Österreichischen Minoritenprovinz, fol. 11v, Darbringung Christi im Tempel.

Taf. 16 Gebetbuch der Königin Elisabeth, Wien, Zentralbibliothek der Österreichischen Minoritenprovinz, fol. 12v, Apostel Simon und Judas Thaddäus.

Taf. 17 Gebetbuch der Königin Elisabeth, Wien, Zentralbibliothek der Österreichischen Minoritenprovinz, fol. 13v, Geburt Mariens.

Taf. 18 Gebetbuch der Königin Elisabeth, Wien, Zentralbibliothek der Österreichischen Minoritenprovinz, fol. 14v, hl. Margarete entsteigt dem Bauch des Drachens.

202

Taf. 19 Gebetbuch der Königin Elisabeth, Wien, Zentralbibliothek der Österreichischen Minoritenprovinz, fol. 15v, hl. Katharina von Alexandria.

203

Taf. 20 Gebetbuch der Königin Elisabeth, Wien, Zentralbibliothek der Österreichischen Minoritenprovinz, fol. 16v, hl. Bischof Erhard.

Taf. 21 Gebetbuch der Königin Elisabeth, Wien, Zentralbibliothek der Österreichischen Minoritenprovinz, fol. 17v, hl. Elisabeth von Thüringen.

Taf. 22 Gebetbuch der Königin Elisabeth, Wien, Zentralbibliothek der Österreichischen Minoritenprovinz, fol. 18v–19r, hl. Christophoros, Initiale und Zierschrift zu Psalm 1.

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Taf. 23 Gebetbuch der Königin Elisabeth, Wien, Zentralbibliothek der Österreichischen Minoritenprovinz, fol. 46v–47r, Initiale zu Psalm 26, Psalmtext.

Taf. 24 Gebetbuch der Königin Elisabeth, Wien, Zentralbibliothek der Österreichischen Minoritenprovinz, fol. 139r, Initiale zu Psalm 101.

Taf. 25 Gebetbuch der Königin Elisabeth, Wien, Zentralbibliothek der Österreichischen Minoritenprovinz, fol. 200r, Beginn der Cantica mit der Initiale zum Confitebor.

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Taf. 26 Gebetbuch der Königin Elisabeth, Wien, Zentralbibliothek der Österreichischen Minoritenprovinz, fol. 220v–221r, Credo, Gebete, Schreibernotiz.

Taf. 27 Gebetbuch der Königin Elisabeth, Wien, Zentralbibliothek der Österreichischen Minoritenprovinz, Buchschnitt oben.

Taf. 28 Gebetbuch der Königin Elisabeth, Wien, Zentralbibliothek der Österreichischen Minoritenprovinz, Buchschnitt seitlich.

Taf. 29 Gebetbuch der Königin Elisabeth, Wien, Zentralbibliothek der Österreichischen Minoritenprovinz, Buchschnitt unten.

Taf. 30 Gebetbuch der Königin Elisabeth, Wien, Zentralbibliothek der Österreichischen Minoritenprovinz, Buchrücken mit Stoffbezug.

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Taf. 31 Bonner Münster, Ansicht Innen nach Osten. Taf. 32 Bonner Münster, Außenansicht von Osten.

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Taf. 33 Bonner Münster, nördliches Querhaus, neuzeitliche Wandmalereien zu den Krönungen im Bonner Münster. Taf. 34 Dreigeteilte Machsor-Handschrift (‚Tripartite Machsor‘), Budapest, Ungarische Akademie der Wissenschaften, Orientalische Sammlung, Kaufmann MS A 384, fol. 103v, Kampf Friedrichs des Schönen und Ludwigs des Bayern.

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Taf. 35 Minoritenkirche Wien, Portalvorhalle am nördlichen Seitenschiff, Tympanon, Maria mit dem Christuskind und Engeln, verehrt von Friedrich dem Schönen und seiner Frau Elisabeth.

Taf. 36 Minoritenkirche Wien, Portalvorhalle am nördlichen Seitenschiff, Tympanon, Detail, Friedrich der Schöne.

Taf. 37 Minoritenkirche Wien, Portalvorhalle am nördlichen Seitenschiff, Tympanon, Detail, Königin Elisabeth.

Heinrich II. von Virneburg, der Koronator Friedrichs des Schönen als Donator des Dreikönigsfensters im Hochchor des Kölner Domes Peter Kurmann Die feier­liche Weihe des neu errichteten Domchors zu Köln (Taf. 1), die am 27. September 1322 im Rahmen einer Provinzialsynode vorgenommen wurde,1 war einer der Höhepunkte im Pontifikat des Erzbischofs Heinrich von Virneburg, der seit 1304 (dem Jahr seiner Wahl) bzw. 1306 (dem Jahr der Bestätigung durch den Papst) das Amt bis zu seinem Tod am Dreikönigsfest 1332 innehatte.2 War es ein Zufall, dass man den feier­lichen Akt auf den Tag der 452. Wiederkehr der Weihe des karolin­gischen Vorgängerbaus legte, die am 27. September 870 zelebriert worden war?3 Mit Sicherheit konnte aber keiner wissen, dass am folgenden Tage, also am 28. September 1322, das Heer Ludwigs des Bayern seinem Gegner König Friedrich dem Schönen von Habsburg auf dem Schlachtfeld von Mühldorf eine vernichtende Niederlage zufügen würde, was dann zur Folge hatte, dass der habsbur­gische Kontrahent zum jahrelangen Gefangenen des Königs aus dem Hause Wittelsbach wurde.4 Diesen anerkannte der Kölner Erzbischof zeit seines Lebens nie, hatte er doch im Verein mit anderen Kurfürsten die Wahl Friedrichs 1 Paul Clemen, Der Dom zu Köln (Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz 6, Abt. 3, Die Kunstdenkmäler der Stadt Köln 1), Düsseldorf 1937, S. 58. 2 Wilhelm Janssen, Das Erzbistum Köln im späten Mittelalter 1191 – 1515, hg. von Eduard Hegel (Geschichte des Erzbistums Köln 2,1), Köln 1995, S. 211 – 226; Klaus Militzer, Heinrich II. v. Virneburg, Ebf. v. Köln, in: LexMa 4 (1989), Sp. 2082 f. 3 Hugo Stehkämper, Die Kölner Erzbischöfe und das Domkapitel z­ wischen Grundsteinlegung und Chorweihe des gotischen Domes (1248 – 1322), in: Kölner Domblatt 44/45 (1979/80), S. 11 – 34, hier S. 19; Matthias Untermann, Zur Kölner Domweihe von 870, in: RhVjbll 47 (1983), S. 335 – 342 (vom Verfasser nicht als echte Weihe, sondern als Rekonzilia­tionsweihe gedeutet). 4 Bernhard Schimmelpfennig, Ludwig der Bayer (1314 – 1347). Ein Herrscher ­zwischen Papst und Kurfürsten, in: Krönungen. Könige in Aachen – Geschichte und Mythos. Kat. der Ausstellung Aachen 11.6.–3. 10. 2000, Bd. 2, hg. von Mario Kramp, Mainz 2000, S.  460 – 4 68.

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des Schönen zum römischen König betrieben und ihn am 25. November 1314 in Bonn gesalbt und gekrönt. Man darf dabei einen ‚familienpolitischen‘ Aspekt nicht vergessen, denn die Nichte des Erzbischofs namens Elisabeth wurde im selben Jahr 1314 mit Heinrich von Österreich, dem Bruder des Kronprätendenten Friedrich, verheiratet.5 Das Defizit, dass die Königskrönung Friedrichs nicht zu Aachen in Karls des Großen Pfalzkapelle stattfinden konnte, sondern eben ‚nur‘ im Bonner Münster, wurde dadurch einigermaßen wettgemacht, dass dem Kölner Erzbischof die echte Reichskrone zur Verfügung stand, während L ­ udwig der Bayer, der am gleichen Tag in Aachen vom Mainzer Erzbischof gekrönt wurde, mit einer Ersatzkrone vorliebnehmen musste.6 Acht Jahre ­später wird sich Erzbischof Heinrich von Virneburg anläss­lich der Kölner Domchorweihe an die Königskrönung im Bonner Münster erinnert haben. Er ließ dabei vielleicht auch seinen Blick auf die Gestalten der Könige schweifen, die hoch oben unter dem Hauptgewölbe seiner Kathedrale zu sehen waren. Diese Figurenreihe muss zum Zeitpunkt der Chorweihe zusammen mit der gesamten übrigen Verglasung des Domchors eingesetzt gewesen sein. Die Zeremonie hätte wohl kaum abgehalten werden können, wenn man vorher nicht alle Hochschifffenster mit Glas geschlossen hätte. Ein provisorischer Zustand mit offenen Hochchorfenstern oder solchen, in denen ledig­lich Holzverschalungen dem Wind und Wetter getrotzt hätten, wäre der Feier­lichkeit des Ereignisses abträg­lich gewesen. Mit Recht geht die Forschung davon aus, dass 1322 aber nicht nur die Glasfenster, sondern auch die gesamte litur­gische und künstlerische Ausstattung des Domchors installiert und vollendet war, dies mit Ausnahme der Malereien an den Chorschranken.7 Während im Binnenchor das originale Ausstattungskonzept sich bis heute noch weitgehend erhalten hat, ist es im Chorumgang und in den Radialkapellen

5 Brigitte Hamann, Die Habsburger. Ein biographisches Lexikon, Wien – München 2001, S. 83 f. 6 Karl-­Friedrich Krieger, Die Habsburger im Mittelalter. Von Rudolf I. bis Friedrich III., Stuttgart – Berlin – Köln 1994, S. 117. 7 Zur inhalt­lichen Deutung immer noch grundlegend Arnold Steffens, Die alten Wandgemälde auf der Innenseite der Chorbrüstungen des Kölner Domes, in: Zeitschrift für christ­liche Kunst 15 (1902), S. 129 – 144; ND in: Dombau und Theologie im mittelalter­ lichen Köln, Festschrift zur 750-Jahrfeier der Grundsteinlegung des Kölner Domes, hg. von Ludger Honnefelder – Norbert Trippen – Arnold Wolff (Studien zum Kölner Dom 6), Köln 1998, S. 99 – 150; zur stilgeschicht­lichen Einordnung Gerhard Schmidt, Die Chorschrankenmalereien des Kölner Domes und die euro­päische Malerei, in: Kölner Domblatt 44/45 (1979/80), S. 293 – 340.

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zur Zeit der Chorweihe und danach großenteils verändert worden.8 Anlass dazu bot der Dreikönigenschrein, das Hauptheiligtum des Domes, der nun in der Achskapelle des Chorumgangs installiert worden war (Taf. 2). Weil abzusehen war, dass die Vollendung des Domes noch sehr lange auf sich warten ließ, wurde im Gegensatz zur ursprüng­lichen Konzep­tion der Chorumgang für die Laien zugäng­lich gemacht und ihnen damit der Weg zur Hauptreliquie in der Achskapelle geöffnet. Zusätz­lich wurden in verschiedenen anderen Radialkapellen einzelne Sta­tionen für die Verehrung von weiteren Heiligen eingerichtet. Wäre der Dom im Mittelalter vollendet worden, so hätte der Schrein der Heiligen Drei Könige seine endgültige Aufstellung nicht im Chorumgang, sondern inmitten der Vierung erhalten. Wahrschein­lich wäre das Heiltum wie der Schrein der Passionsreliquien in der Pariser Sainte-­Chapelle auf einer Bühne zur Schau gestellt und von einem hohen Baldachin überhöht gewesen. Auf diese Weise hätten ihn die Laien und Pilger, denen das Quer- und Langhaus zugewiesen worden wäre, von Weitem sehen können. Folgt man den Hypothesen, die Rolf Lauer mit guten Gründen aufgestellt hat, so wäre dem ursprüng­lichen Konzept zufolge der gesamte Chor auf der Ostseite des Querhauses mit Gittern abgeschlossen gewesen, sodass er nicht nur im Hauptschiff, sondern auch in den Seitenschiffen und im Umgang einzig und allein dem Klerus vorbehalten gewesen wäre. Dementsprechend hätten die in den Kapellen des Chorumgangs installierten Grab­legen von lokalen Heiligen und Bischöfen sowie die Gnadenbilder, die einzelnen Altären zugeordnet waren, den alleinigen Zweck gehabt, dem Domklerus die Vergangenheit seiner eigenen ­Kirche als Teil der universalen Heilsgeschichte in Erinnerung zu rufen. Konnte der Chor nur vom Klerus betreten werden, so wäre dies vielleicht des Rätsels Lösung, weshalb das ganze Chorerdgeschoss mit Ausnahme des zentral angeordneten („älteren“) Bibelfensters in der Achskapelle 9 mit einer Ornamentverglasung versehen wurde. Narrative Bildzyklen hatte der theolo­gisch ausgebildete Klerus nicht nötig (so wenigstens wollte es wohl auch

8 Das Folgende nach Rolf Lauer, Bildprogramme des Kölner Domchores vom 13. bis zum 15. Jahrhundert, in: Dombau und Theologie (wie Anm. 7), S. 185 – 232; siehe auch Ulrike Brinkmann und Rolf Lauer, Die mittelalter­lichen Glasfenster des Kölner Domchores, in: Himmels­licht. Euro­päische Glasmalerei im Jahrhundert des Kölner Dombaus (1248 – 1349), Kat. Ausst. Schnütgen-­Museum Köln 1998, hg. von Hiltrud Westermann-­ Angerhausen, Köln 1998, S. 22 – 33. 9 Herbert Rode, Die mittelalter­lichen Glasmalereien des Kölner Domes (Corpus vitrearum medii aevi, Deutschland 4,1), Berlin 1974, S. 47 – 57. Ulrike Brinkmann, Der typolo­ gische Bilderkreis des Älteren Bibelfensters im Kölner Dom, in: Dombau und Theologie (wie Anm. 7), S. 151 – 183.

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im Falle der hochadeligen Kölner Domkanoniker die Fik­tion). Die hellen, nur mit wenigen Farbtönen durchwirkten Grisaillefenster boten den Vorteil einer größeren Lichtfülle für die Liturgie, und obendrein ließen sie die Farbfassung der Architektur hell erstrahlen. Während also vor den anläss­lich der Chorweihe erfolgten Veränderungen in den Fenstern des ganzen Chorerdgeschosses die Grisaille vorherrschte, zeigten die Öffnungen des Obergadens eine Kompromissform, die sie bis heute beibehalten haben.10 Hier werden jeweils die oberen zwei Drittel der Glasfläche von einem farbigen Teppich gotischer Maßwerkformen ausgefüllt (Taf. 1). Bei Letzteren handelt es sich in der überwiegenden Mehrheit um Vierpässe in verschiedenen Posi­tionen. Dieses farbige, aus architektonischen Teilen zusammengefügte Teppichmuster liegt auf einem in Grisaille ausgeführten, silbern glänzenden Flechtbandornament, das sich in vielfältigen Varia­tionen ausbreitet. Das untere Drittel der Obergadenfenster hingegen wird von einer Reihe buntfarbiger Königsfiguren eingenommen. Bevor wir uns diesen Herrschergestalten zuwenden, ­seien zwei grundsätz­liche Bemerkungen vorausgeschickt. Erstens ist die Kombina­tion von einem Gitter aus rein ornamental verwendeten architektonischen Passformen mit einem abstrakten Flechtwerkmuster in der gesamten Kunst der Gotik etwas völlig Einmaliges. Zweitens ist ebenso ungewöhn­lich die horizontale Aufteilung der Fensterfläche in einen unteren, vielfarbig gestalteten figür­lichen Teil und eine obere, größere Zone, die ein Gemisch von architektonischen und abstrakten Formen zeigt. In der oberen Partie wird einerseits dank dem ornamental wirkenden Maßwerkgitter das Prinzip der Farbigkeit bis zur Fensterspitze weitergeführt, andererseits ist sie infolge der Verwendung von Grisaille für das Grundmuster viel heller als die zuunterst im Fenster stehende Buntverglasung mit der Königsreihe. Es manifestiert sich also ein deut­licher Kontrast ­zwischen Buntverglasung und Grisaille. An sich ist die Kombina­tion von Grisaillen mit Buntverglasung in gotischen Fenstern gang und gäbe, denn Ähn­liches lässt sich auch in Frankreich ab den 1240er-­Jahren sehr häufig beobachten. Die mit Grisaillen bewerkstelligte Aufhellung der Fensterflächen, wie man sie in Köln und vielen franzö­sischen Beispielen beobachten kann, erlaubte es, die zusehends verfeinerte Architektur der späteren Hochgotik angemessen auszuleuchten und trotzdem in den Fenstern eine mehrfarbig verbild­lichte Heilsbotschaft zum Leuchten zu bringen. Einmalig ist in Köln aber die gesamte Disposi­tion, ­welche die Buntverglasung in den untersten Teil des

10 Eva Frodl-­Kraft, Die Ornamentik der Chor-­Obergadenfenster des Kölner Domes, in: Himmels­licht (wie Anm. 8), S. 45 – 50.

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Obergadens rückt. In Frankreich wechseln dagegen die vielfarbigen figür­lichen Streifen und die in Grisaille gehaltenen Partien in jeweils horizontaler Anordnung miteinander regelmäßig ab (eines der frühesten Beispiele dafür bietet die Kathedrale von Tours), und seit dem späten 13. Jahrhundert wurde es zur Regel, dass ein einziger farbiger Bildstreifen das Fenster auf halber Höhe durchläuft und damit sozusagen in eine kohärente aus Grisaillen bestehende Fläche eingebettet ist (repräsentative Beispiele in den Chören der Kathedrale von Beauvais und der Abteikirche St-­Ouen in Rouen). In den meisten Fällen werden die figür­lichen Teile von Architekturrahmen umgeben.11 Allerdings ändert sich das Bild völlig, wenn man in Köln das Triforium, dessen Rückwand ursprüng­lich ebenfalls mit farbig aufgehöhten Grisaillen versehen war,12 als Teil der Fenster im Obergeschoss betrachtet. Triforium und Hochschifffenster schmelzen auf diese Weise zu einer Einheit zusammen, in welcher die Königsreihe auf der mittleren Höhe der Gesamtverglasung oberhalb der Arkaden des Domchors erscheint.13 Das sieht nach einer ausgeklügelten Bildregie aus, die auf einer kohärenten Gesamtplanung beruht. Dennoch wäre zu fragen, ob das farbige Band der Königsreihe von Anfang an, d. h. bereits zur Zeit des Baubeginns 1248 vorgesehen war oder ob ­dieses erst im Laufe des Bauprozesses in das Gesamtbildprogramm des Domchors nachträg­lich eingefügt wurde. Darauf wird zurückzukommen sein. Die insgesamt 48 Königsgestalten,14 die das untere Drittel der Obergaden­fenster einnehmen, stehen vor abwechselnd rotem und blauem Grund auf baldachinartigen Konsolen, die jeweils ein Stifterwappen 15 umschließen. Entsprechend der Anzahl der Bahnen in den vierteiligen Maßwerken erscheinen pro Fenster vier Könige, die sich paarweise einander zuwenden. Jeder König wird vom mittleren Bogen einer dreiteiligen Arkatur umschlossen, die mit ihren goldenen und 11 Meredith Parsons Lil­lich, The Band Window: A Theory of Origin and Development, in: Gesta 9 (1970), S. 26 – 33; Peter Kurmann, „Architektur in Architektur“: Der gläserne Bauriss der Gotik, in: Himmels­licht (wie Anm. 8), S. 34 – 43. 12 Rode, Die mittelalter­lichen Glasmalereien des Kölner Domes (wie Anm. 9), S. 96 ff. 13 Peter Kurmann, Als die Kathedralen farbig waren…, in: Farbe im Mittelalter. Materialität – Medialität – Semantik 1, Akten des 13. Symposiums des Mediävistenverbandes vom 1.–5. 3. 2009 in Bamberg, hg. von Ingrid Bennewitz – Andrea Schindler, Berlin 2011, S. 31 – 4 6 und Abb. 3. 14 Rode, Die mittelalter­lichen Glasmalereien des Kölner Domes (wie Anm. 9), S. 98 – 140. 15 Zu diesen und zur Frage nach den Stiftern siehe Rode, Die mittelalter­lichen Glasmalereien des Kölner Domes (wie Anm. 9), S. 103, und die einschlägigen Einträge in den jeweiligen Katalognummern; Joachim Deeters, Die Fensterstiftungen der Stadt Köln und ihrer Bürger in Kapellen und Obergaden des Chors, in: Ad Summum 1248. Der gotische Dom im Mittelalter, Kat. Ausst. Historisches Archiv Köln 1998, Köln 1998, S. 25 – 30.

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silbernen Farbtönen und ihren Bekrönungen aus fein ziselierten Wimpergen, Helmen und Fialen wie ein goldschmiedeartig gebildetes Gehäuse aussieht. An dieser Architektonisierung nehmen auch die Konsolen teil, denn sie bestehen ebenfalls aus Arkaturen, die teilweise mit einer Andeutung von Perspektive wiedergegeben sind. Regelmäßig wechselt jeweils ein bartloser König von jugend­ lichem Aussehen mit einem bärtigen und folg­lich älter wirkenden Herrscher ab. Die Gestalten werden alle durch die könig­lichen Insignien Krone, Zepter und Reichsapfel charakterisiert; ihre Gewänder spiegeln in manchem modische Elemente des 13. Jahrhunderts wie die Tasselschnur wider, sind aber insgesamt der hochgotischen Idealform eines feier­lich ausgebreiteten, weiten Mantels verpflichtet, dessen Faltenwerk nur eine beschränkte Zahl von Varia­tionen zulässt. Hermelinkragen, Handschuhe sowie Borten, die einen Besatz von Halbedelsteinen aufweisen, erhöhen den Eindruck könig­licher Würde, nirgendwo jedoch ist ein Versuch zu erkennen, tatsäch­lich existierende Elemente eines historisch überlieferten Krönungsornats oder dazugehörige Insignien 16 in das Bild einzufangen. Sämt­ liche dieser Könige bleiben vollkommen anonym: Weder sind sie mit Inschriften nament­lich erkennbar gemacht, noch tragen sie Merkmale physiognomischer Art oder ­solche des Kostüms, die auf die Absicht einer individuellen Charakterisierung hindeuten würden. Der idealtypische Charakter dieser Figuren lässt verschiedene Deutungen zu. Zur Auswahl stehen in der Forschung alttestament­liche Könige und/oder Vorfahren Christi, oder aber deutsche Könige beziehungsweise ­Kaiser. In Erwägung gezogen wurden auch die 24 Ältesten der Apokalypse vor dem Thron des Allerhöchsten, ergänzt durch 24 Könige des Alten Testaments.17 Im Hinblick auf all diese Op­tionen muss berücksichtigt werden, dass in den beiden schmalen Lanzetten des Achsfensters die Anbetung der drei Könige dargestellt ist.18 Die Kombina­tion der Anbetung Christi durch die drei Könige mit der Aufreihung von 48 Herrscherbildern ist ein deut­licher Hinweis darauf, dass es sich bei Letzteren um die Könige des Heiligen Römischen Reiches handelt. Der Zyklus führt vor Augen, dass die deutschen Herrscher ideell in der direkten Nachfolge der ersten

16 Für einen ­kurzen Überblick über sämt­liche real existierende Insignien der deutschen Könige und ­Kaiser des Mittelalters und ihre Funk­tion siehe Jan Keupp u. a. (Hgg.), „…die keyser­ lichen zeychen…“. Die Reichskleinodien – Herrschaftszeichen des Heiligen Römischen Reiches, Regensburg 2009, und ebenso Jürgen Petersohn, Die Reichsinsignien im Herrscherzeremoniell und Herrschaftsdenken im Mittelalter, in: Die Reichskleinodien (Schriften zur staufischen Geschichte und Kunst 16), Göppingen 1997, S. 162 – 183. 17 Rode, Die mittelalter­lichen Glasmalereien des Kölner Domes (wie Anm. 9), S. 102. 18 Ebd., S. 112.

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christ­lichen Könige stehen, die den Erlöser verehrt haben.19 Mit der Vielzahl von Monarchen im Obergaden soll wohl angedeutet werden, dass die Herrschaft des Reichs bis zum Jüngsten Tage dauern werde. Nicht zu vernachlässigen ist auch der symbo­lische Gehalt der Zahl 48. Als Resultat der Multiplika­tion der Sechszahl der Weltalter mit der Achtzahl der Seligpreisungen ließ sie sich als Verheißung des ewigen Paradieses für die Gerechten der irdischen Zeitalter deuten.20 Dies darf ganz besonders für die christ­lichen Könige gelten, deren Herrschaft im Sacrum Imperium die Heilswirksamkeit der ­Kirche garantierte. Über der Anbetung der Könige enthält das Achsfenster zwei Reihen von Brustbildern alttestament­licher Könige und Propheten, die sich bis an die untere Grenze des Couronnements erstrecken (Taf. 1, 3).21 Damit ist das Achsfenster die einzige total mit Figuren ausgefüllte gläserne Einheit des ganzen Obergadens. Das zentrale Fenster befindet sich in einem direkten räum­lichen Bezug zum darunter stehenden Hochaltar und dem seit 1322 dahinter aufgestellten Dreikönigenschrein,22 und man darf vermuten, dass Letzterer auch für die spezifische Ikonographie des Achsfensters den direkten Anlass gab. Die Rede ist von der Stirnseite des Schreins, wo neben den Magiern König Otto IV. erscheint (Taf. 2), der am Epiphanietag 1200 anläss­lich eines Hoftags in Köln den Häuptern der drei Heiligen je eine goldene Krone gestiftet hatte.23 Diese Hereinnahme eines welt­lichen Herrschers in den sakralen Bildzusammenhang einer Anbetung der Könige könnte die Idee einer fast endlosen ‚Multiplizierung‘ welt­licher Herrscher für die Bildausstattung des Obergadens im Domchor nach sich gezogen haben. Dennoch fehlt, wie die Propheten im oberen Teil der Verglasung des Achsfens­ ters bezeugen, die alttestament­liche Komponente mitnichten. Das Jesuskind der Anbetung der Könige im Achsfenster weist mit seinem Apfel in der Linken 19 Zum Thema allgemein zuletzt Die Heiligen Drei Könige. Mythos, Kunst und Kult, Kat. Ausst. Museum Schnütgen Köln 25. 10. 2014 – 25. 1. 2015, hg. von Manuela Beer u. a., Köln – München 2014. 20 Die Deutung bezog sich ledig­lich auf die Ordnungszahl von Psalm 48. Siehe Heinz Meyer – Rudolf Suntrup, Lexikon der mittelalter­lichen Zahlenbedeutungen, München 1987, Eintrag zur Zahl 48. 21 Rode, Die mittelalter­lichen Glasmalereien des Kölner Domes (wie Anm. 9), S. 112 ff. 22 Siehe dazu als exzellente Einführung Rolf Lauer, Der Schrein der Heiligen Drei Könige (Meisterwerke des Kölner Domes 9), Köln 2006. 23 Clemens M. M. Bayer, Otto IV. und der Schrein der Heiligen Drei Könige im Kölner Dom: Inschriften und andere Textquellen, in: Otto IV. Traum vom welfischen Kaisertum, Kat. Ausst. Braunschweig 2009, hg. von Bernd U. Hucker – Stefanie Hahn – Hans-­ Jürgen Derda, Petersberg 2009, S. 101 – 122; Rolf Lauer, Otto IV. und der Schrein der Heiligen Drei Könige, in: ebd., S. 123 – 126.

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Maria als neue Eva aus, und deswegen stellen die darüber angebrachten Könige mit Sicherheit die Vorfahren Christi aus dem Hause Davids dar, auch wenn sie inschrift­lich nicht gekennzeichnet sind. Formal gleichen aber die Könige in und über der Anbetungsszene vollkommen den jugend­lichen Königen in allen anderen Teilen des Zyklus – und die meisten von ihnen halten wie diese einen Reichsapfel in der Hand. Das Argument, dass die Königsreihe im Obergaden insgesamt keine alttestament­lichen Herrscher darstellen könne, weil fast alle dieser Monarchen den Reichsapfel tragen, ist damit entkräftet, denn offensicht­lich erhielten im Achsfenster eindeutig als Vorfahren Christi zu interpretierende Herrscher ebenfalls ­dieses Würdezeichen, was allerdings sehr ungewöhn­lich ist. Dennoch sind mit den 48 Königen des Kölner Chorobergadens doch wohl in erster Linie die deutschen Könige und ­Kaiser gemeint. Zu Recht hat die Forschung in d­ iesem Zusammenhang bereits mehrfach auf die Königsgalerien an den Außenfassaden franzö­sischer Kathedralen der Gotik hingewiesen (Abb. 1), in denen ein Ensemble horizontal aufgereihter idealtypischer Herrscherfiguren zur Schau gestellt wird.24 Als Prototyp d­ ieses an mehreren Kathedralen Frankreichs, aber auch Englands und sogar Spaniens vorkommenden Motivs gilt die Königsgalerie der Westfassade von Notre-­Dame in Paris, deren Königsstatuen in der Revolu­tion zerstört wurden (die Köpfe hat man 1977 wiederentdeckt).25 Die mehr als hundertjährige Streitfrage, ob die Figuren in den Königsgalerien die Könige Judas oder Frankreichs darstellen, hat 1965 Johann Georg Prinz von Hohenzollern brillant gelöst, indem er nachwies, dass sie offenbar von Anfang an bewusst mehrdeutig konzipiert wurden: Man muss in ihnen sowohl alttestament­liche Herrscher als auch franzö­ sische Könige sehen.26 Die in Frankreich erfolgreich betriebene Sakralisierung des Königtums, fußend auf der Legende des anläss­lich der Taufe Chlodwigs vom Himmel gesandten Salböls, hat bekannt­lich dazu geführt, dass der franzö­sische König den alttestament­lichen Königen gleichgestellt wurde. Damit wird er zum defensor ecclesiae und Garanten des Friedens, der die heilsbringende Mission der K ­ irche fördert. Papst Paul I. bezeichnete Pippin den Jüngeren als neuen Moses und David; Paulinus von Aquileja verg­lich Karl den Großen mit David und Salomon und wies ihm Funk­tionen eines Priesters zu.27 Es ist aufgrund dieser ­Prämissen also durchaus 24 Johann Georg Prinz von Hohenzollern, Die Königsgalerie der franzö­sischen Kathedrale, München 1965. 25 Zuletzt umfassend zu ­diesem Thema: Claudine Lautier, Les deux galeries des rois de la cathédrale de Chartres, in: Bulletin monumental 169 (2011), S. 41 – 6 4. 26 Prinz von Hohenzollern, Die Königsgalerie (wie Anm. 24). 27 Belege in ebd., S. 74 f.; auch Yves Christe, L’Apocalypse de Jean. Sens et développements de ses visions synthétiques, Paris 1996, S. 161.

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Abb. 1 Chartres, Kathedrale, Westfassade, Königsgalerie von Südwesten (um 1220).

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Abb. 2 Reims, Kathedrale, Langhaus, Südseite, 1. Obergadenfenster im Osten, Reimser Erzbischöfe und französische Könige (um 1240).

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Abb. 3 Amiens, Kathedrale, Chor, Obergaden, Achsfenster: Bischof Bernard d’Abbeville als Fensterstifter vor der Madonna (1269).

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Abb. 4 Reims, Kathedrale, Chor, Obergaden, Achsfenster: in der rechten Lanzette unten das Stifterbild des Erzbischofs Henri de Braine (um 1240).

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mög­lich, die Obergadenverglasung des Kölner Domchors als eine in das Innere der Kathedrale übertragene Königsgalerie franzö­sischer Art zu interpretieren.28 Zwar bot keine der Fassaden der rheinischen Metropolitankirche, die stilistisch und typolo­gisch zum Kreis der hochgotischen Kathedralen Frankreichs gehört, Platz für eine Königsgalerie, aber die Programmgestalter setzten das eng mit der kapetin­gischen Monarchie verbundene Motiv in Glasmalerei um und erwiesen ihm die höchste Ehre, indem sie es im litur­gisch wichtigsten Teil des Bauwerks, an sichtbarster Stelle im Hohen Chor installierten. Es wäre auch zu überlegen, ob neben den skulpturalen Königsgalerien nicht zwei analoge Figurenzyklen aus dem Bereich der Glasmalerei das Kölner Ensemble ebenfalls angeregt haben. Die Rede ist von den Herrscherbildern in den Langhäusern der Kathedralen von Reims und Straßburg. In Reims zeigte vor den Zerstörungen des 1. Weltkriegs der Obergaden in der ganzen Länge des Hauptschiffs eine Reihe thronender franzö­sischer Könige, einige davon sogar durch Inschriften nament­ lich gekennzeichnet.29 Unter jedem dieser Könige saß ein ebenso großer Bischof oder Erzbischof (Abb. 2). Ungefähr die Hälfte ­dieses Bilderzyklus hat sich, wenn auch stark restauriert und ergänzt, an Ort und Stelle erhalten. Diese Disposi­tion suggerierte keineswegs, der König sei höhergestellt als der kirch­liche Amtsträger. Ganz im Gegenteil sagte sie vor dem Hintergrund des Selbstverständnisses der Reimser ­Kirche aus, dass der Monarch nur dann seinen Platz an der Spitze der Gesellschaft einnehmen durfte, wenn er vom Nachfolger des hl. Remigius, der seinerzeit Chlodwig getauft hatte, in Reims gesalbt und gekrönt wurde. In den berühmten Königsfenstern im nörd­lichen Seitenschiff des Straßburger Münsters scheint die bild­liche Botschaft auf den ersten Blick weniger pointiert zugunsten der kirch­lichen Auftraggeber auszufallen.30 Hier hat man um 1250 eine Anzahl gläserner Königsfiguren in den Fenstern des nörd­lichen Seitenschiffs eingesetzt – also in 28 Diese Interpreta­tion bereits in Hans Sedlmayr, Die Entstehung der Kathedrale, Zürich 1950, S. 472; Reiner Dieckhoff, Die mittelalter­liche Ausstattung des Kölner Domes, in: Der gotische Dom in Köln, hg. von Arnold Wolff, Köln 1986, S. 33 – 65, zum Königs­ zyklus im Obergaden S. 36 f. 29 Meredith Parsons Lil­lich, The Gothic Stained Glass of Reims Cathedral, Pennsylvania 2011, S.  173 – 209. 30 Peter Kurmann, Deutsche ­Kaiser und Könige. Zum spätstaufischen Herrscherzyklus und zur Reiterfigur Rudolfs von Habsburg am Straßburger Münster, in: Kunst im Reich ­Kaiser Friedrichs II. von Hohenstaufen 2, hg. von Alexander Knaak (Akten des 2. Interna­ tionalen Kolloquiums zu Kunst und Geschichte der Stauferzeit, Bonn, 8.–10. 12. 1995), München – Berlin 1997, S. 54 – 169; Jean-­Philippe Meyer – Brigitte Kurmann-­Schwarz, La cathédrale de Strasbourg. Choeur et transept: de l’art roman au gothique (vers 1180 – 1240), Strasbourg 2010, S. 231 – 235.

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größtmög­licher Nähe des Betrachters –, von denen einige aus dem romanischen Münster übernommen, aber teilweise hochgotisch überformt wurden (Taf. 5). Gleichzeitig hat man aber den Zyklus auch mit neuen hochgotischen Figuren erweitert. Dieses stilgeschicht­liche Potpourri wurde im Laufe der Jahrhunderte vielfach beeinträchtigt, unsachgemäß restauriert und teilweise mit neuzeit­lichen Werken ergänzt, sodass seine ursprüng­liche Anordnung nicht mehr zu erkennen ist. Alle Figuren sind nament­lich mit Inschriften gekennzeichnet. Zwar kann man sich auf diese nicht immer verlassen, da auch sie (häufig falsch) ergänzt oder sogar neu erfunden wurden – dennoch steht aufgrund originaler Reste fest, dass es sich mit Sicherheit um deutsche Könige und K ­ aiser handelt. Obwohl sich kaum eine genealo­gisch sinnvolle Anordnung rekonstruieren lässt, erstreckte sich der Zyklus als zeit­liche Abfolge der Figurenreihe von den frühen Karolingern (es erscheint Karolus dictus Martel pater Bippini) bis zu Barbarossa (Fridericus imperator sub­ mersus). Während bei manchen gleichnamigen Herrschern die Nummerierung fehlt, wurde Heinrich II. (Henricus imperator [bzw.] rex Babinbergensis) gleich dreimal dargestellt. Vielleicht gibt dieser heiliggesprochene Herrscher den Schlüssel zum Verständnis des Straßburger Zyklus. In Straßburg halten die K ­ aiser und Könige des Reiches wie in Köln Krone, Zepter und Reichsapfel (Karl der Große zusätz­lich das Schwert). Im Unterschied zu den Kölner Protagonisten tragen sie nicht weite Mäntel mit gotischen Faltenwürfen, sondern eine Tunika und einen Umhang in der Art römischer Feldherren, zweifellos eine Anspielung auf den Krönungsornat. Auf mehreren Köpfen ruht eine Krone, die abgerundete Platten aufweist, was auf eine – allerdings ungenaue – Kenntnis der real existierenden Reichskrone seitens der Glasmaler hinweist. Vor allem aber sind in Straßburg sämt­liche gekrönten Häupter mit einem Nimbus umgeben (in denen sich die Inschriften befinden). Bei Heinrich II. und Karl dem Großen ist der Nimbus gerechtfertigt, da beide heiliggesprochen wurden, aber wie wird er bei allen anderen begründet? Offensicht­lich wurden in Straßburg alle deutschen Könige und K ­ aiser als Quasi-­Heilige betrachtet, eine Auffassung, die der franzö­sischen Königstheorie sehr ähn­lich war. Erst die feier­liche Weihe und Salbung erhebt den Herrscher über seine Untertanen und versieht ihn mit gött­lichen Gnaden. Auch nach dem Investiturstreit und selbst wenn das Salböl im Sacrum Imperium nicht direkt vom Himmel stammte, so war der König als Gesalbter des Herrn Stellvertreter Christi auf Erden.31 In dieser Sicht herrschte nur 31 Zu dieser Auffassung passt die Interpreta­tion von Krönungsbildern als vorweggenommene Vergabe der himm­lischen Krone an den Herrscher im Jenseits, siehe Joachim Ott, Krone und Krönung. Die Verheißung und Verleihung von Kronen in der Kunst von der Spätantike bis um 1200 und die geistige Auslegung der Krone, Mainz 1998, S. 231 – 257.

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noch ein geringer Unterschied z­ wischen den kanonisierten heiligen Königen und den anderen – und diese wurden durch die Existenz jener zusätz­lich geheiligt. Da allen Königen und Kaisern die ­gleiche Würde von Gott verliehen wurde, konnte man unter Umständen ihre Individualität vernachlässigen. Das geschah bereits bei der Herstellung der Scheide des Reichsschwerts, das für die Kaiserkrönung H ­ einrichs IV. im Jahr 1084 geschaffen wurde.32 Es zeigt 14 in Goldblech getriebene, wie in Straßburg frontal ausgerichtete Herrscherfiguren, die, wenn man die Abfolge richtig von der Spitze zur Öffnung hin abliest, die Könige und ­Kaiser des Reiches von Karl dem Großen bis Heinrich III. wiedergeben, obwohl weder Namen noch Nimben vorhanden sind. Insofern ist die Königsreihe auf dem Reichsschwert mit derjenigen im Obergaden des Kölner Doms vergleichbar: Beide sind namenlos. Die Figuren in den Straßburger Fenstern suchen hingegen sowohl die Sakralität als auch die historische Existenz individueller Herrscherpersön­lichkeiten im Bilde festzuhalten: Erstere wird mit Hilfe der Nimben und Insignien, Letztere durch die Inschriften mit den Namen bezeugt. Die Existenz einer Königsreihe in Straßburg rechtfertigt sich durch das Bildprogramm der gesamten Verglasung des Straßburger Münsters, das der Glorifizierung der universalen ­Kirche dient und ihren lokalen Besonderheiten Rechnung trägt. In ­diesem ekklesiolo­gischen Kontext nehmen die deutschen Könige und ­Kaiser eine genau definierte heilsgeschicht­liche Stellung ein. Letzt­lich gilt das ebenso vom Kölner Königszyklus, obwohl er anders formuliert wurde. Entscheidend ist hier die Anbindung der Königsreihe an die Reliquien der Heiligen Drei Könige, die der Idee des sakralen Königtums in idealer Weise entsprechen, da sie Christus gesucht und gefunden haben. Man kann die Ikonographie der Verglasung des Domchorobergadens als monumentalisierte und erweiterte Wiederholung der Stirnseite des Dreikönigenschreins interpretieren. Mit seiner Einbindung in die Anbetungsszene stellte sich dort Otto IV. in die Nachfolge der ersten christ­lichen Könige und legitimiert dadurch seine damals noch recht­lich ungesicherte Herrschaft als Gegenkönig (Taf. 2). Nach seinem Vorbild umgeben die 48 gläsernen Könige im Obergaden des Chors die Darstellung der Anbetung im Achsfenster. Dennoch sind ähn­lich den Königen in den franzö­sischen Fassadengalerien die Kölner Herrscherfiguren mehrdeutig zu interpretieren. Schreitet man sie von Westen nach Osten in Richtung Achsfenster ab, so handelt es sich um die Vorläufer Christi, die den Betrachter auf die Darstellung der ersten Epiphanie hinführen (Taf. 3). Verfolgt man die könig­lichen Gestalten in der Gegenrichtung, indem 32 Mechthild Schulze-­D örrlamm, Das Reichsschwert. Ein Herrschaftszeichen des ­Saliers Heinrich IV. und des Welfen Otto IV. (Römisch-­Germanisches Zentralmuseum, Forschungsinstitut für Vor- und Frühgeschichte, Monographien 32), Sigmaringen 1995.

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man sich vom Achsfenster entfernt, so handelt es sich um christ­liche Könige, deren Herrschaft von der Menschwerdung des Erlösers ihren Ausgang nimmt. Dieses Bildprogramm ist nicht nur in sich schlüssig, sondern es stellt erneut das mehrschichtige Sinnverständnis der franzö­sischen Königsgalerien unter Beweis. Es bleibe in d­ iesem Zusammenhang nicht unerwähnt, dass die meisten deutschen Könige nach ihrer Krönung in Aachen den Dreikönigenschrein in Köln besuchten. Wie stark die Verbindung ­zwischen dem deutschen Königtum und dem Kult der Heiligen Drei Könige im Laufe der Zeit geworden war, zeigt sich auch daran, dass spätestens seit der Weihe und Krönung Heinrichs VII., die an Epiphanie 1309 in Aachen stattfand, regelmäßig die im Rahmen der Königskrönungen gefeierte heilige Messe nach dem Formular ­dieses Festes zelebriert wurde.33 Die bisher angeführten Beweggründe reichen wohl für sich allein genommen nicht aus, um die Existenz des Kölner Königszyklus inmitten des Hohen Chors zu erklären. Neben theolo­g ischen und hagiographischen Erwägungen, ­welche die heilsgeschicht­liche Rolle des Königtums und seine geistige Verbindung zum Dreikönigskult betreffen, hat ein dritter Faktor Planung und Ausführung dieser an so ungewöhn­licher Stelle angebrachten Galerie von Königsbildern motiviert. Es war dies die in die Zeit der Ottonen zurückreichende Rivalität z­ wischen den erzbischöf­lichen Sitzen von Köln, Mainz und Trier,34 aus der sich nach und nach das von Köln beanspruchte Recht auf die Krönung der deutschen Könige herauskristallisierte. Letzteres wird manchmal als ‚Kölner Königswahltheorie‘ (besser wäre ‚Krönungstheorie‘) bezeichnet.35 Es stand definitiv im Raum, seitdem 1028 der Kölner Erzbischof Pilgrim Heinrich III . in Aachen gekrönt hatte. Gebunden war das Krönungsrecht an den Usus, den König in der Pfalzkapelle Karls des Großen zu salben und zu krönen. Hier konnte nur der Kölner Erzbischof zum Zuge kommen, denn laut einem von Papst Leo IX . 1052 ausgestellten Privileg durfte in seiner Erzdiözese nur der Kölner Metropolit Königskrönungen vornehmen. Aachen gehörte zum Bistum Lüttich, Suffragandiözese Kölns.

33 Walter Goldinger, Das Zeremoniell der deutschen Königskrönung seit dem späten Mittelalter, in: Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs 5 (1957), S. 91 – 111. Siehe auch den Beitrag von Albert Gerhards in ­diesem Band. 34 Odilo Engels, Metropolit oder Erzbischof ? Zur Rivalität der Erzstühle von Köln, Mainz und Trier bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts, in: Dombau und Theologie (wie Anm. 7), S.  267 – 294. 35 Franz-­Reiner Erkens, Der Erzbischof von Köln und die deutsche Königswahl (Studien zur Kölner Kirchengeschichte 21), Siegburg 1987; Klaus Militzer, Der Erzbischof von Köln und die Krönungen der deutschen Könige, in: Krönungen. Könige in Aachen 1 (wie Anm. 4), S. 105 – 111.

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Zur Zeit der Erbauung des gotischen Kölner Doms erhielt die Th ­ eorie des Krönungsrechts unter Erzbischof Konrad von Hochstaden neuen Auftrieb. Dieser behauptete nun, nicht die Wahl des Kandidaten, sondern nur dessen in Aachen vollzogene Krönung begründe die Herrschaft eines deutschen Königs. Damit wäre der deutsche Monarch ebenso vom Kölner Erzbischof abhängig geworden wie der franzö­sische König von demjenigen in Reims. Mit dieser Ansicht konnte sich Konrad von Hochstaden auf Dauer ebenso wenig durchsetzen wie seine Nachfolger. Ihren Höhepunkt, aber auch ihr Ende erreichte die ‚Kölner ­Theorie‘ unter Erzbischof Heinrich II . von Virneburg. Indem er nach der Doppelwahl von 1314 Ludwig den Bayern und dessen Wähler einlud, nach Köln zu kommen, um ihre Posi­tionen darzulegen, beanspruchte er die Funk­tion eines Richters und setzte sich letzt­lich damit an die Stelle des Papstes. Mit ­diesem überspannten Anspruch konnte der Virneburger sich nicht durchsetzen, und unter seinen Nachfolgern wurde es um die Vorrechte des Kölner Erzbischofs bei der Wahl und Krönung der Könige still. Zwar blieb Köln das Krönungsrecht erhalten, aber von nun an unterblieben weitere Versuche, ‚staatsrecht­liche‘ Konsequenzen daraus zu ziehen. Die Frage, ob die von den Erzbischöfen Konrad von Hochstaden (1238 – 1261) und Heinrich von Virneburg (1304/06 – 1332) betriebene Reaktivierung und Überhöhung der ‚Kölner Krönungstheorie‘ zur Idee geführt hat, im Hochchor der Kölner Metropolitankirche eine Königsgalerie zu inszenieren, stellt sich unweiger­lich. Ihre Beantwortung hängt nicht von der genauen Datierung der einzelnen Teile des Kölner Doms ab, denn die Grundzüge des Bildprogramms können Jahrzehnte vor dessen Verwirk­lichung festgelegt worden sein. In der Tat ist die Präsenz der Königsgalerie innerhalb des Gesamtprogramms schlüssig und allem Anschein nach nicht nachträg­lich aufgepfropft worden. Sie bildet den krönenden Abschluss der litur­gischen und künstlerischen Ausstattung des Domchors. Im Erdgeschoss feiert die ­Kirche die Heilsvermittlung performativ in Liturgie und Chorgebet, begleitet von den Bildern auf den Altären und am Chorgestühl. Die erst nach der Chorweihe hinzugekommenen Chorschrankenmalereien halten den hervorragenden Stellenwert der Kölner K ­ irche in der Universalgeschichte fest, und deshalb findet sich dort nicht nur die Abfolge der Kölner Bischöfe in einzelnen ‚Porträts‘, sondern auch diejenige der römischen und deutschen ­Kaiser und Könige seit der Antike bis zur damaligen Gegenwart, die alle nament­lich bezeichnet sind. Darüber erhebt sich an den Pfeilern des Binnenchors das von Christus und Maria angeführte Kollegium der Apostel, das die Verbindung ­zwischen der irdischen und der himm­lischen Liturgie herstellt. Zuoberst führen die Lichtgestalten der Königsreihe die Verwandlung der irdischen Realität des Sacrum Imperium in die transzendente Seinsform des himm­lischen Paradieses vor Augen.

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Wann aber ist der Königszyklus entstanden? Die neuesten bauarchäolo­gischen Untersuchungen ergeben für den Obergaden des Domchors eine Bauzeit von ca. 1270 – 1285. Es folgte die Errichtung von Dach, Strebewerk und Hochgewölbe ­zwischen ca. 1285 und 1310.36 Die von außen eingesetzte Verglasung der Couronnements aller Fenstermaßwerke wurde parallel mit der Aufmauerung der betreffenden Partien ausgeführt, aber das Einsetzen aller anderen Panneaux, wozu die Königsfiguren gehören, könnte eventuell lange nach dem Aufbau der Chorarchitektur, aber mög­lichst vor dem Abbau der Gerüste für die Einwölbung des Hochschiffs bewerkstelligt worden sein, und zwar auf der Innenseite der Maßwerke. Das ergibt für die Gesamtplanung der Obergadenverglasung ein Datum von spätestens ca. 1280. Die Ausführung und die Montage der Glasmalereien müssen sich bis ca. 1310 hingezogen haben, was bei einem Ensemble, dessen Gesamtfläche etwa 1350 qm beträgt, im Rahmen des zeit­lich Mög­lichen bleibt. Die Annahme einer lange nach 1310 erfolgten Einsetzung der Obergadenverglasung stünde im Widerspruch zu den Indizien, die darauf hindeuten, dass die Chorausstattung im Erdgeschoss vor d ­ iesem Datum hergestellt und installiert wurde, denn diese konnte nicht Wind und Wetter ausgesetzt werden. Andererseits müsste ein dendrochronolo­gisch untersuchtes Rüstholz vom Hochgewölbe (Fälljahr 1310 – 1335) zur Hypothese führen, dass das Letztere erst spät eingefügt wurde – ein ganz normaler Vorgang in mittelalter­lichen Großbauten.37 Das könnte heißen, dass auf Triforiumshöhe ein Zwischenboden das Chorerdgeschoss vom Wetter abschirmte, während darüber in aller Ruhe die Obergadenfenster eingesetzt wurden. Damit wäre auch das späte Datum der Chorweihe erklärt. Es gibt bauarchäolo­g ische Indizien dafür, dass das Einsetzen der Glasmalereien von Westen nach Osten voranschritt. Deshalb gehört das Achsfenster wohl zu den zuletzt entstandenen Teilen des Zyklus (Taf. 1, 3). Es wäre also mög­lich, dass es erst kurz vor der Chorweihe von 1322 in die Fensteröffnung eingesetzt wurde. Das Achsfenster nimmt eine Schlüsselposi­tion für das Verständnis des gesamten Bildprogramms des Kölner Hochchors ein. Es ist das einzige vollständig mit vielfarbigen Figuren ausgestattete Fenster des ganzen Obergadens, und es lässt in der Blickrichtung zum Chor alle anderen Fenster zurücktreten. Es ist gewiss kein 36 Maren Lüpnitz, Der mittelalter­liche Ringanker in den Chorobergadenfenstern des Kölner Domes, in: Kölner Domblatt 62 (1997), S. 65 – 84; dies., Die Chorobergeschosse des Kölner Domes. Beobachtungen zur mittelalter­lichen Bauabfolge und Bautechnik, Köln 2011. 37 Ulrich Back – Thomas Höltken, Die Baugeschichte des Kölner Domes nach archäolo­ gischen Quellen. Befunde und Funde aus der gotischen Bauzeit (Studien zum Kölner Dom 10), Köln 2008, S. 13 – 113, hier S. 47 f.

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Zufall, dass es im Couronnement als weitere Auszeichnung ein erzbischöf­liches Wappen trägt (Taf. 4). Es handelt sich um dasjenige Heinrichs von Virneburg, dessen Glasbestand zu 90 Prozent original ist.38 Es teilt uns sehr wahrschein­lich mit, dass dieser Erzbischof der Stifter d­ ieses Fensters gewesen ist. Dem Einwand, die beiden großen Wappen des Erzstiftes Köln am Sockel der Anbetung der Könige (Taf. 3) widersprächen unserer Hypothese, kann man entgegenhalten, dass wohl jeder wusste, dass die gesamte Baulast des Domes nicht vom Erzbischof, sondern in erster Linie vom Domkapitel getragen wurde, das der eigent­ liche Bauherr war,39 sodass es sich nicht noch mit einer Fensterstiftung anpreisen musste. Wahrschein­lich erwies der Erzbischof mit der Anbringung der Wappen des Erzstifts dem Domkapitel die Ehre, dessen Verantwortung für den Bau vor Augen zu führen.40 Heinrich von Virneburg blieb ganz im Rahmen dessen, was man im 13. Jahrhundert von einem Bischof in Sachen Beteiligung am Bau der Kathedrale erwarten konnte. Seine Rolle als Donator entsprach genau dem, was manche seiner Amtskollegen in Frankreich ebenfalls geleistet haben, indem sie, beispielsweise in ­Amiens (Abb. 3), Reims (Abb. 4) oder Evreux (Taf. 6) an der repräsentativsten Stelle, näm­lich in der Hauptachse des Chors, die Fenster stifteten.41 Im Gegensatz zu ihnen übte sich aber der Virneburger in Bescheidenheit, indem er sich nicht wie diese in effigie darstellen ließ, sondern sich mit der Anbringung seines Wappens in der schon fast im Gewölbe verschwindenden Fensterspitze begnügte (Taf. 1). Dennoch hat sich mit d­ iesem Fenster der ‚Königsmacher‘ Heinrich von Virneburg, der 1314 Friedrich dem Schönen zum Thron verhelfen wollte, im Kölner Dom an repräsentativster Stelle ein Denkmal gesetzt. Das passt ausgezeichnet zu ­diesem kirch­lichen Würdenträger, der die sogenannte ‚Kölner Krönungstheorie‘ auf die Spitze trieb. Sie sollte ihm aufgrund seines Salbungsrechts bei der Krönung die ausschlaggebende Rolle auch bei der Königswahl einräumen. Aber Köln wurde nie zum deutschen Reims, denn das verhinderten Karls des Großen Memoria und Thron in Aachen. So wurde der

38 Rode, Die mittelalter­lichen Glasmalereien (wie Anm. 9), S. 111, S. 114. 39 Stehkämper, Die Kölner Erzbischöfe (wie Anm. 3), S. 26 ff.; Wolfgang Schöller, Die recht­liche Organisa­tion des Kirchenbaues im Mittelalter vornehm­lich des Kathedralbaues, Köln – Wien 1989. 4 0 Dass Domkapitel und Heinrich von Virneburg gemeinsam für die Kosten des Fens­ ters aufkamen, ist in Anbetracht des verbürgten Machtanspruchs d ­ ieses Erzbischofs wenig wahrschein­lich. 41 Peter Kurmann – Brigitte Kurmann-­S chwarz, Franzö­sische Bischöfe als Auftrag­ geber und Stifter von Glasmalereien. Das Kunstwerk als Geschichtsquelle, in: ZK 60 (1997), S.  429 – 450.

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Kölner Dom nie zur Krönungskathedrale. Trotzdem soll seine ‚Königs­galerie‘, fokussiert auf die Heiligen Drei Könige, daran erinnern, dass der Kölner Metropolit mit der Salbung und Krönung des Königs im Aachener Dom dieselbe Funk­tion ausübte wie der Reimser Erzbischof in seiner Kathedrale. Dass die Königsreihe des Kölner Doms unter Heinrich von Virneburg fertiggestellt wurde, mag ein historischer Zufall sein, aber dadurch erhielt dieser ambi­tionierte Würdenträger die Gelegenheit, sozusagen in letzter Minute wenigstens sich mit seinem Wappen an zentraler Stelle über dem litur­gischen Mittelpunkt der größten deutschen Dom- und Wallfahrtskirche zu manifestieren.

Im ­­Zeichen von Krieg und Kompromiss Formen der symbo­lischen Kommunika­tion im frühen 14. Jahrhundert Claudia Garnier Bonn ist ein würdiger Ort. So zumindest sah es der österreichische Historiograph Johann von Viktring, der über die Königskrönung Friedrichs des Schönen berichtet, dass der Habsburger in der ­Kirche zu St. Cassius in Bonn von Bischof Heinrich von Köln gekrönt und als ein gesetzesmäßig erwählter, gerechter und zur Herrschaft befähigter König ausgerufen worden sei. Friedrich habe einflussreiche Anhänger um sich versammelt, führe den Königstitel und halte an berühmten Orten prunkvolle Hoftage ab.1 Indem Johann von Viktring die Rechtmäßigkeit der Wahl des Habsburgers beteuert und den König mit konven­tionellen Herrschertugenden beschreibt, scheinen Bedenken an der Legitimität einer Königskrönung, die nicht in Aachen, sondern in Bonn stattfand, ausgeräumt. Es scheint zunächst, als sei Friedrich der Schöne über sämt­liche Zweifel erhaben, zumal er die Insignien vom richtigen Koronator, dem Erzbischof von Köln, erhielt. Am Ende seiner Schilderung der Bonner Krönung fügt Johann von Viktring jedoch einen k­ urzen Exkurs ein: Es sei kein so großer Verstoß gewesen, wie es scheinen könnte, dass Friedrich nicht am vorgeschriebenen Ort gekrönt worden sei. Anschließend führt der Chronist alle jene ihm bekannten Krönungen an, die an anderen Orten erfolgten; die Liste reicht zurück bis zu den ostfränkischen Karolingern. Selbst eine Stadt von minderem Ruf und Ansehen wie Forchheim hätte damals der Rechtmäßigkeit der Krönung keinen Abbruch getan.2 1 Johann von Viktring, Liber certarum historiarum, ed. Fedor Schneider (MGH SS rer Germ [36,2]), Hannover – Leipzig 1910, l. 5, c. 1, REC B, D, A2 [künftig: Johann von Viktring, Liber certarum historiarum], S. 105 f.: Fridericus autem in ecclesia beati Cassii in civitate predicta Bunnensi ab Heinrico episcopo Coloniensi coronatur et rex rite electus, iustus, potens, sapiens et abilis proclamatur. […] fortissimos habuit adiutores, se quoque regio nomine tytulavit et curias in locis famosis sibi favorabilibus indixit et suis temporibus magnifice festiva­ vit […]. Zu Johann von Viktring Alphons Lhotsky, Quellenkunde zur mittelalter­lichen Geschichte Österreichs (MIÖG Erg.-Bd. 19), Graz – Köln 1963, S. 292 ff.; Urban Bassi – Margit Kampter, Studien zur Geschichtsschreibung Johanns von Viktring (Das Kärntner Landesarchiv 22), Klagenfurt 1997. 2 Johann von Viktring, Liber certarum historiarum, l. 5, c. 1, S. 106: Sed nec multum abusivum fuit, licet videretur de eo, quod in loco debito Fridericus non extitit coronatus, quia post mortem

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Die überaus bemüht wirkenden Argumenta­tionen des Zisterzienserabts legen nahe, dass sich der Hof Friedrichs des Schönen durchaus des defizitären Charakters der Krönung bewusst war. Umso wichtiger war es daher, den König mit allen anderen Attributen rechtmäßiger Herrschaft auszustatten. Dazu zählte im Wesent­lichen auch, dass sich der neue König auf seinen Hoftagen – also in der politischen Öffent­lichkeit – mög­lichst eindrucksvoll präsentierte. Es waren also nicht nur die verfassungsrecht­lichen Initialakte, wie die Wahl, die die Königsmacht im frühen 14. Jahrhundert begründeten, sondern ihre öffent­liche Inszenierung spielte eine mindestens ebenso zentrale Rolle. Es ist daher eine lo­gische Konsequenz, dass auch die Partei Ludwigs des Bayern eben jene Krönungsakte unterstreicht, die die Legitimität des ­Wittelsbachers und die vermeint­liche Unrechtmäßigkeit des habsbur­gischen Königtums bewiesen.3 In der ‚Chronica Ludovici‘ findet sich eine ausführ­liche Beschreibung der Krönung des Wittelsbachers in der Aachener Marienkirche cum gloria et honore. Der Verfasser widmet sich nicht nur detailliert den einzelnen Akten der Krönungsfeier­ lichkeiten, sondern er betont gleichzeitig die Rechtmäßigkeit des Vorgangs „am rechten Ort mit der richtigen Krone“.4 Im Anschluss widmet sich der ­Historiograph

Heinrici in Apulia, ut in cronicis imperatorum legimus, Philippus frater eius in Moguncia rex ordinatur, Otto dux Saxonie in Colonia et Aquisgrani sollempniter consecratur […] proceres et optimates regni in Forchaim convenerunt, quod est oppidum Orientalis Francie non magne estimacionis, ibique Ludewicum imperatoris Arnulfi filium regem super se creant regiisque ornamentis indutum in fastigio regni locant. 3 Zu Ludwig IV. von Wittelsbach Heinz Thomas, Ludwig der Bayer (1282 – 1347). ­Kaiser und Ketzer, Graz u. a. 1993; Hans-­Georg Hermann – Hermann Nehlsen, ­Kaiser ­Ludwig der Bayer. Konflikte, Weichenstellungen und Wahrnehmung seiner Herrschaft (Quellen und Forschungen aus dem Gebiet der Geschichte NF 22), Paderborn u. a. 2002; Bernd ­Schneidmüller, ­Kaiser Ludwig IV. Imperiale Herrschaft und reichsfürst­licher Konsens, in: ZHF 40 (2013), S. 369 – 392; Ludwig der Bayer (1314 – 1347). Reich und Herrschaft im Wandel, hg. von Hubertus Seibert, Regensburg 2014. Allgemein zur Zeit der Doppel­ herrschaft vgl. Alphons Lhotsky, Geschichte Österreichs seit der Mitte des 13. Jahrhunderts. 1281 – 1358 (Veröffent­lichungen der Kommission für Geschichte Österreichs 1), Wien 1967, S. 223 – 306; Karl-­Friedrich Krieger, Die Habsburger im Mittelalter. Von Rudolf I. bis Friedrich III., Stuttgart – Berlin – Köln 1994, S. 114 ff.; Marie-­Luise Heckmann, Das ­Doppelkönigtum Friedrichs des Schönen und Ludwigs des Bayern (1325 – 1327). Vertrag, Vollzug und Deutung im 14. Jahrhundert, in: MIÖG 109 (2001), S.  53 – 81; Michael ­Menzel, Die Zeit der Entwürfe. 1273 – 1347 (Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte 7a), Stuttgart 102012, S. 153 ff. 4 Chronica Ludovici imperatoris quarti, ed. Georg Leidinger, in: Bayerische Chroniken des 14. Jahrhunderts (MGH SS rer Germ [19]), Hannover – Leipzig 1918 [künftig: Chronica Ludovici], S. 125 f.: Electores quinque ducebant ducem Ludwicum Aquisgrani ad locum

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der Erhebung Friedrichs des Schönen. Er sei auf einem Feld bei Bonn gewählt und auf einem Fass stehend zum König ausgerufen worden. Als sei diese ‚Inthronisa­ tion‘ nicht unwürdig genug, fügt der Chronist an, dass der Habsburger bei d­ ieser Prozedur sogar ins Fass gefallen sei.5 Beide Seiten – die habsbur­gische wie die wittelsbachische – bedienen sich also im Kampf um die Königswürde symbo­ lischer Kommunika­tionsakte, um die Legitima­tion des eigenen Protagonisten zu betonen und die der Gegenseite bewusst in Frage zu stellen. Zwar schießt der unbekannte bayerische Chronist ein wenig über das Ziel hinaus, indem er den vermeint­lich auf einem Fass proklamierten König zu allem Überfluss auch noch in selbiges hineinfallen lässt. Dies mag wohl darin begründet sein, dass er sich der Verlockung des Wortspiels dolio – doleo nicht entziehen konnte. Diese und ähn­ liche Beschreibungen haben ihm in der mediävistischen Forschung schließ­lich auch den Ruf eines zutiefst unzuverlässigen Gewährsmannes für die Geschichte der Wittelsbacher eingebracht.6 Doch im vorliegenden Falle ist die Frage nach der Faktizität des Vorgangs von nachgeordnetem Interesse; von Belang ist vielmehr die Tatsache, dass dem Chronisten die Akte symbo­lischer Kommunika­tion als Folie dienen, um dem Leser die Rechtmäßigkeit ‚seines‘ Königs in der Auseinandersetzung mit Friedrich dem Schönen zu beweisen. Die öffent­liche Präsenta­tion der Macht stellte demnach kein unbedeutendes Spektakel dar, das inhalt­licher Relevanz entbehrte. Symbole, ­­Zeichen und Rituale dienten vielmehr der Etablierung politischer Ordnungen, indem sie die Herrschaftsverhältnisse nicht nur abbildeten, sondern ebenso begründeten. In der historischen Mediävistik beansprucht das Thema ‚Symbo­lische Kommunika­ tion‘ seit rund zwei Jahrzehnten einen festen Platz, wenn es um die Erforschung politischer Kulturen und sozia­ler Ordnungen geht.7 Im Zuge des sogenannten tutum. Ibi coronatur cum gloria et honore […] ibi in regem Romanum inungitur, ibi debito loco et debita corona cum uxore sua coronatur et pro rege ab omni populo collaudatur […]. 5 Chronica Ludovici, S. 126: Secunda pars electorum […] vocant ducem Fridricum ad unam civitatem, que dicitur Pung, et coronatur ibi in campo super uno dolio, et proclamatur in regem. Cecidit in dolio, quod non multum doleo. 6 Georg Leidinger, Chronica Ludovici imperatoris quarti. Einleitung, in: Bayerische Chroniken, ed. Georg Leidinger (wie Anm. 4), S. 105 – 118. 7 Gerd Althoff, Spielregeln der Politik im Mittelalter. Kommunika­tion in Frieden und Fehde, Darmstadt 1997; Formen und Funk­tionen öffent­licher Kommunika­tion im Mittelalter, hg. von Gerd Althoff (VuF 51), Stuttgart 2001; Die Macht der Rituale. Symbolik und Herrschaft im Mittelalter, hg. von Gerd Althoff, Darmstadt 2003; Philippe Buc, The Dangers of Ritual. Between Early Medieval Texts and Social Scientific Theory, Princeton 2001; Edgar Bierende – Sven Bretfeld – Klaus Oschema, Riten, Gesten, Zeremonien. Gesellschaft­ liche Symbolik in Mittelalter und Früher Neuzeit, Berlin – New York 2008, S. 117 – 139; Frank

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‚cultural turn‘ zeichnete sich in den Geistes- und Sozia­lwissenschaften im weiteren und den Geschichtswissenschaften im engeren Sinne ein Interesse für jene Interak­tionsmuster ab, die durch zeichenhaftes Handeln und Symbole geprägt waren.8 Der Bedeutung d­ ieses Forschungsfeldes kommt man vor allem dann auf die Spur, stellt man in Rechnung, dass es sich um Gesellschaften handelt, die in einem weitaus geringeren Maße literalisiert waren als Gemeinschaften der Moderne oder gar der Gegenwart. Mit anderen Worten: Die Führungsschichten dokumentierten politisch relevante Vorgänge nicht zwingend in schrift­licher Form, sondern präsentierten sie auch oder bisweilen ausschließ­lich durch zeichenhaftes Handeln. Dabei sind es vor allem zwei Felder, auf denen Formen der symbo­lischen Kommunika­tion zu rekonstruieren sind: Erstens erscheinen sie im Kontext von Initia­tionshandlungen, die eine Person in einen neuen Status und eine für die Gesellschaft neue Funk­tion überleiteten. Das Beispiel der Königskrönung kam bereits zur Sprache. Zu nennen sind in d ­ iesem Zusammenhang auch die Rexroth, Politische Rituale und die Sprache des Politischen in der historischen Mittelalterforschung, in: Die Sprache des Politischen in actu. Zum Verhältnis von politischem Handeln und politischer Sprache von der Antike bis ins 20. Jahrhundert, hg. von Angela de ­Benedictis, Göttingen 2009, S. 71 – 90; Ulrich Meier – Gabriela Signori – Gerd Schwerhoff, ­Rituale, ­­Zeichen, Bilder. Formen und Funk­tionen symbo­lischer Kommunika­tion im Mittelalter (Norm und Struktur 40), Köln – Weimar – Wien 2011. 8 Andreas Büttner, Grenzen des Rituals. Forschungsinteressen und Methodenwandel in Mittelalter, Neuzeit und Zeitgeschichte (Norm und Struktur 42), Köln – Weimar – Wien 2014; Barbara Stollberg-­R ilinger, Rituale (Historische Einführungen 16), Frankfurt a. M. 2013; Barbara Stollberg-­R ilinger, Alles nur symbo­lisch? Bilanz und Perspektiven der Erforschung symbo­lischer Kommunika­tion (Symbo­lische Kommunika­tion in der Vormoderne), Köln – Weimar – Wien 2013; Geschichtswissenschaft und „Performative Turn“. Ritual, Inszenierung und Performanz vom Mittelalter bis zur Neuzeit (Norm und Struktur 19), hg. von Jürgen Martschukat – Steffen Patzold, Köln – Weimar – Wien 2003; Z ­­ eichen – Rituale – Werte. Interna­tionales Kolloquium des Sonderforschungsbereichs 496 an der Westfä­lischen Wilhelms-­Universität Münster (Tagung des SFB in Münster. 22.– 25. Mai 2002), hg. von Gerd Althoff (Symbo­lische Kommunika­tion und gesellschaft­ liche Wertesysteme. Schriftenreihe des SFB 496 3), Münster 2004; Spektakel der Macht. Rituale im Alten Europa 800 – 1800. Ausst.-Kat. Magdeburg, hg. von Gerd Althoff u. a., Darmstadt 22009; Die Welt der Rituale. Von der Antike bis heute, hg. von Claus Ambos u. a., Darmstadt 2005; Bild und Ritual. Visuelle Kulturen im historischen Kontext, hg. von Claus Ambos u. a., Darmstadt 2009; Das Sozia­le als Ritual. Zur performativen Bildung von Gemeinschaften, hg. von Christoph Wulf u. a., Opladen 2001, S. 339 – 347, hier S. 340; vgl. einführend auch Ritualtheorien. Ein einführendes Handbuch, hg. von Andrea Bellinger – David J. Krieger, Opladen 1998; Edward Muir, Ritual in Early Modern Europe (New Approaches to European History), Cambridge 1997.

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Bischofsinvestitur, die Lehnsinvestitur, die Erhebung zum Ritter oder Rituale der Amtseinsetzung im weitesten Sinne.9 Diese Vorgänge kamen über einen langen Zeitraum hinweg ohne schrift­liche Fixierung aus, denn sie bezogen ihre Verbind­lichkeit aus Inszenierungen, die vor der jeweils relevanten Öffent­lichkeit gezeigt wurden. Zweitens begegnen symbo­lische Interak­tionsmuster auffallend häufig im Kontext von Konflikten: sei es zu Beginn einer Auseinandersetzung, um einen Gegner zu provozieren; sei es im Verlauf der Streitigkeiten, um wachsende Konfliktbereitschaft zu demonstrieren oder, im umgekehrten Falle, um den Willen zum Frieden zu signalisieren. Zeichenhaftes Handeln spielte schließ­lich auch dann eine Rolle, wenn am Ende Sieg, Niederlage oder ein gleichberechtigter Kompromiss präsentiert wurden. Kurzum: Wenn sich dieser Band unter den Stichworten ‚Krönung – Krieg – Kompromiss‘ des Doppelkönigtums von 1314 annimmt, dann zielt er wohl nicht zufällig auf jene ­Themen, die tradi­tionelle Domänen der Erforschung symbo­lischer Kommunika­tion darstellen. Während dieser Beitrag einführend Formen und Funk­tionen rituellen Handelns im Kontext der Königserhebung skizziert hat, rücken im Folgenden in erster Linie die beiden anderen Bereiche in den Blick: Konflikt und Kompromiss. Der chronolo­gische Rahmen ­dieses Beitrags wird sich jedoch nicht auf die Zeit des Doppelkönigtums beschränken, sondern all jene aussagefähigen Fälle aus der Geschichte der Habsburger im frühen 14. Jahrhundert in den Blick nehmen, die den thematischen Zuschnitt des Beitrags ergänzen.

9 Hagen Keller, Die Investitur. Ein Beitrag zum Problem der ‚Staatssymbolik‘ im Hochmittel­ alter, in: FmSt 27 (1998), S. 51 – 86; Dietrich W. Poeck, Rituale der Ratswahl. ­­Zeichen und Zeremoniell der Ratssetzung in Europa (12.–18. Jahrhundert) (Städteforschungen A 60), Köln – Weimar – Wien 2003; Marion Steinicke – Stefan ­Weinfurter, Investiturund Krönungsrituale. Herrschaftseinsetzungen im kulturellen Vergleich, Köln – Weimar – Wien 2005; Thomas Bauer, Zwischen Tradi­tion und Innova­tion: Herrschaftseinsetzungen im Licht aktueller Ritualforschung, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 27 (2009), S.  281 – 289; Philippe Depreux, Symbole und Rituale. Die Investitur als formaler Akt, in: Canossa. Erschütterung der Welt. Geschichte, Kunst und Kultur am Aufgang der Romanik, hg. von Christoph Stiegemann  – ­Matthias Wemhoff, München 2006, S.  159 – 167; Philippe Depreux, Lehnsrecht­liche Symbolhandlungen: Handgang und Investitur im Bericht Galberts von Brügge zur Anerkennung Wilhelm Clitos als Graf von Flandern, in: Das Lehnswesen im Hochmittelalter. Forschungskonstrukte – Quellenbefunde – Deutungsrelevanz, hg. von Jürgen Dendorfer (Mittelalter-­Forschungen 34), Ostfildern 2010, S. 387 – 399.

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Symbole von Krieg und Konflikt Konflikte entstanden nicht selten vor dem Hintergrund von bewussten oder auch unbewussten Provoka­tionen, die den Gegner herausforderten und so latente Spannungen eskalieren ließen. Existierten inhalt­liche Divergenzen, konnte eine Brüskierung auf dem Feld der symbo­lischen Kommunika­tion den berühmten Tropfen bilden, der das Fass zum Überlaufen brachte. Überliefert ist etwa ein gescheiterter Verhandlungsversuch z­ wischen Friedrich dem Schönen und dem Böhmen­ könig Johann dem Blinden. In innerdynastischen Konflikten der Habsburger hatte ­Friedrichs jüngerer Bruder, Otto der Fröh­liche, unter anderem mit der Unterstützung des Böhmenkönigs, eine adäquate Beteiligung an der Herrschaft gefordert. Johann der Blinde indes hatte die Auseinandersetzungen im Haus Habsburg auch dazu genutzt, um in Nordösterreich Städte und Burgen zu erobern. Nachdem sich Friedrich mit seinem jüngeren Bruder verständigt hatte, suchte er auch den Ausgleich mit Johann dem Blinden.10 Nach Johann von Viktring führte ein erster Verhandlungsanlauf jedoch nicht zum gewünschten Erfolg, weil sich der Böhmenkönig durch das Verhalten des Habsburgers beleidigt fühlte. Aus der Perspektive des Zisterzienserabts scheiterte das geplante Treffen aus folgendem Grund: An einem festgesetzten Termin hielten sie eine Zusammenkunft, wobei der König von Böhmen mit abgezogener Kappe Friedrich bei seiner Ankunft entgegeneilte, um ihm seine Verehrung zu bezeigen, während Friedrich nur langsam, indem er den Hut nur ein klein wenig lüftete, die Begrüßung zu erwidern schien. Hierdurch aber erachtete sich König Johann beleidigt und hob die Zusammenkunft auf, indem er erklärte, er sei eines Kaisers Sohn und selbst König und wisse nicht, wer von beiden dem anderen vorzugehen habe. 11

Es ist dem Habsburger wohl kaum zu unterstellen, dass er nicht um die Konven­tionen zeremonieller Begrüßungsakte wusste. Die Entblößung des Haupts als Z ­­ eichen der

10 Zu Johann dem Blinden vgl. Michel Pauly, Johann der Blinde. Graf von Luxemburg, König von Böhmen. 1296 – 1346 (Publica­tions du CLUDEM 14), Luxemburg 1997; Ivan Hlavácek, Johann von Luxemburg und Ludwig IV. von Bayern, in: K ­ aiser Ludwig der Bayer, hg. von Hermann – Nehlsen (wie Anm. 3), S. 139 – 161. 11 Johann von Viktring, Liber certarum historiarum, l. 5, c. 7, S. 134: Rex Bohemorum in occur­ sum Friderici detracto capucio, ut reverenciam faceret venienti, processit; Fridericus lento, pileo ad modicum elevato, obviacionis vicem rependere videbatur. Quo facto rex Iohannes arbitrans se contemptum placiti diem solvit, dicens se imperatoris filium et regem, nesciens, quis eorum alteri esset preferendus. Übersetzung nach: Das Buch gewisser Geschichten von Abt Johann von Victring, übers. von Walter Friedensburg (GdV 86), Leipzig 1888, S. 226 f.

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Reverenz zählt zu jenen klas­sischen Interak­tionsformen, die Achtung und Ehrerbietung zum Ausdruck brachten. Es bieten sich mehrere Erklärungen an: Erstens könnte sich Friedrich der Schöne bewusst über den Böhmenkönig posi­tioniert und ­dieses hierarchische Verhältnis durch ein ledig­lich angedeutetes Anheben der Kopfbedeckung zum Ausdruck gebracht haben. Zweitens liegt die Vermutung nahe, dass der Habsburger den Böhmen bewusst provoziert und einen Eklat gewissermaßen heraufbeschworen hat. Die Reak­tion des Böhmenkönigs lässt insofern auf diese Interpreta­tion schließen, da sich Johann der Blinde als Sohn des Luxemburgers Heinrich VII., der im Gegensatz zu den könig­lichen Vorfahren des Habsburgers den Kaiser­titel trug, in seiner Stellung so sehr missachtet fühlte, dass er sofort abreiste und auf diese Weise seinem Protest demonstrativen Ausdruck verlieh. Drittens könnte jedoch auch Johann der Blinde das Scheitern provoziert haben, indem er selbst den Vorrang gegenüber dem Habsburger beanspruchte und diese Präponderanz von seinen kaiser­lichen Vorfahren ableitete. Unabhängig davon, welcher Interpreta­tion der Vorzug zu geben ist, bleibt der Befund, dass die Verhandlungen zunächst nicht an inhalt­lichen Divergenzen scheiterten, sondern an erwarteten, erteilten oder vorenthaltenden Symbolen der Ehrerbietung. Selbst wenn die Schilderung des gescheiterten Gesprächs nicht der Realität, sondern ledig­lich der Phantasie des Zisterzienserabts entsprungen sein sollte, so zeigt sie dennoch, dass den Zeitgenossen zumindest die innere Logik eines solchen Konflikts vertraut war und daher als Begründung für die misslungene Einigung genügte. Ganz offensicht­lich reichte sie aus, um den gescheiterten Verhandlungsversuch plausibel zu erklären. Am Ende verständigten sich beide Kontrahenten in einem zweiten Gesprächsanlauf, der unter der Vermittlung Ottos des Fröh­lichen in die Wege geleitet wurde. Der Böhmenkönig restituierte den Habsburgern seine Eroberungen im Norden Österreichs gegen umfangreiche materielle Entschädigungen, sodass der Weg zum Frieden geebnet war: „[…] und daraufhin überkamen sie einer wechselseitigen Freundschaft, und er [Johann von Böhmen] und Friedrich fassten Zuneigung zueinander und hielten trau­liche Besprechungen.“ 12 In der Narra­tion des Textes erscheint der Hinweis auf die colloquia familiaria als Symbol, um fried­liches und freundschaft­liches Einvernehmen zum Ausdruck zu bringen.13 Dem modernen Betrachter mögen derartige Konfronta­tionen auf den ersten Blick als ärger­liche, aber in letzter Konsequenz nebensäch­liche Vorfälle erscheinen. In 12 Johann von Viktring, Liber certarum historiarum, l. 5, c. 7, S. 134: Tandem ei ad stipendiorum reconpensam maxima summa pecunie contaxatur, et restitutis pluribus, que acquisierat et in manibus habuerat, in amicicia mutua sunt firmati, ceperuntque ipse et Fridericus se diligere et familiaria colloquia commiscere. Übersetzung nach: Das Buch gewisser Geschichten (wie Anm. 11), S. 227. 13 Zu den Symbolen von Frieden und Eintracht vgl. unten S. 243 – 253.

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einer politischen Ordnung jedoch, in der sich Einfluss und Bedeutung eines Funk­ tionsträgers an der ihm zugesprochenen Ehrerweisung orientierten, stellten derartige Gesten keine Petitessen dar. Sie waren vielmehr ein massiver Angriff auf Integrität und politischen Status des so Herabgesetzten.14 Nicht immer fanden Konflikte über die Frage nach geschuldeter oder vorenthaltener Reverenz, an denen die Habsburger beteiligt waren, am Ende einen güt­lichen Abschluss. Die gravierendsten Auswirkungen zog ohne Zweifel das Verhalten König Albrechts von Habsburg nach sich, der die Eskala­tion der Auseinandersetzungen am Ende mit dem Leben bezahlte. Es handelte sich in d­ iesem Fall um die Konflikte mit Johann von Österreich und Steier, dem postumen Sohn Rudolfs II. Zwar war Johann seit 1307 als Mitregent anerkannt, er besaß jedoch keinerlei nennenswerten Einfluss auf die Herrschaft. Ebenso bemühte er sich erfolglos um das Erbe seiner verstorbenen Eltern oder doch zumindest um eine Entschädigung.15 Obwohl Johann wiederholt eine angemessene Beteiligung einforderte, stieß er bei seinem Onkel immer wieder auf taube Ohren. Die Fronten waren am Ende so verhärtet, dass sich Johann schließ­lich zur Ermordung seines Verwandten hinreißen ließ. Gemeinsam mit Rudolf von Wart, Rudolf von Balm, Walter von Eschenbach und Konrad von Tegerfeld überfiel er am 5. Mai 1308 beim Übergang über die Reuß den König, der noch an Ort und Stelle seinen Verletzungen erlag. In das habsbur­gische Gedächtnis ging Johann daher mit dem Beinamen ‚Parricida‘ (Verwandtenmörder) ein. 14 Verletzte Ehre. Ehrkonflikte in Gesellschaften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, hg. von Klaus Schreiner – Gerd Schwerhoff, Köln – Weimar – Wien 1996; Ehrkonzepte in der Frühen Neuzeit, hg. von Sibylle Backmann u. a. (Colloquia Augustana 8), Berlin 1998; Knut Görich, Die Ehre Friedrich Barbarossas. Kommunika­tion, Konflikt und politisches Handeln im 12. Jahrhundert (Symbo­lische Kommunika­tion in der Vor­moderne 1), Darmstadt 2001; Dagmar Burkhart, Ehre. Das symbo­lische Kapital, München 2002; Dagmar Burkhart, Eine Geschichte der Ehre, Darmstadt 2006; Sylvia Kesper-­B iermann, Ehre und Recht. Ehrkonzepte, Ehrverletzungen und Ehrverteidigungen vom späten Mittelalter bis zur Moderne, Magdeburg 2011. 15 Zu den Auslösern des Konflikts vgl. Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 3), S. 154 ff.; Krieger, Die Habsburger (wie Anm. 3), S. 107 f.; ausführ­lich zum Königsmord von 1308 Bruno Meyer, Studien zum habsbur­gischen Hausrecht, in: ZSchG 25 (1945), S. 153 – 176; Zur späteren Verarbeitung Heinz-­Dieter Heimann, Mord, Memoria, Repräsenta­tion. Dynastische Gedächtniskultur und franziskanische Religiosität am Beispiel der habsbur­gischen Grablege Königsfelden im späten Mittelalter, in: Imperios sacros monarquías divinas = Heilige Herrscher, gött­liche Monarchien, hg. von Carles Rabassa (Humanitas 10), Castelló de la Plana 2002, S. 269 – 290; Jana Madlen Schütte, Königsmord und Memoria. Litur­gisches und historiographisches Erinnern an Albrecht von Habsburg, in: Concilium medii aevi 15 (2012), S. 77 – 115.

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Die inhalt­lichen Auslöser des Konflikts bildeten ohne Zweifel innerdynastische Auseinandersetzungen um Macht und Einfluss im Hause Habsburg. Dass diese aber in einem Königs- und Verwandtenmord mündeten, bedurfte einer Erklärung, deren Begründung von Seiten der zeitgenös­sischen Historiographie recht schnell zu Formen und Auslegungsproblemen symbo­lischer Kommunika­tionsakte führt. So berichten verschiedene historiographische Quellen von einem Treffen z­ wischen Johann und seinem Onkel Anfang Mai 1308, bei dem Johann einmal wieder seine Forderungen vortrug. Mit dem Verweis auf unmittelbar bevorstehende Kämpfe mit den Přemysliden in Böhmen und Thüringen vertagte der König die Entscheidung auf einen späteren Zeitpunkt. Dennoch fand man sich zum gemeinsamen Mahl zusammen, anschließend setzte der König nach Mathias von Neuenburg seinen Söhnen und Herzog Johann Kränze aus Rosen auf. „Der Herzog aber legte den seinigen unter Thränen auf den Tisch und wollte mit seinen Leuten nicht länger an der Tafel bleiben.“ 16 Der könig­liche Neffe empfand die Bekränzung nicht als Auszeichnung oder Symbol familiärer Verbundenheit, sondern als so beschämend, dass er die Tischgemeinschaft verweigerte. Warum Johann Parricida die Bekränzung als Provoka­tion empfand, erhellt die ausführ­lichere Darstellung des Johann von Viktring. Nach seiner Schilderung ließ der König nicht nur seinen Söhnen und Johann, sondern „jedem einzelnen ein Kränzlein hinlegen, in dem Wunsche, die Stimmung aller zu heben und sie fröh­ lich und guten Muthes werden zu lassen.“ 17 Die Kränze könnten das Frühjahr und das Aufblühen der Natur symbolisiert haben, denn Johann von Viktring verweist explizit auf den Frühling, den Monat Mai und die Tatsache, dass „ringsum alles, was die Erde hervorgebracht hatte“, ergrünt sei.18 Doch auch in dieser Version der 16 Mathias von Neuenburg, Chronica, ed. Adolf Hofmeister (MGH SS rer Germ N. S. 4), Berlin 21955 [künftig: Mathias von Neuenburg, Chronica], c. 36, S. 71: Prandentibus autem illis cum rege rex cuilibet filiorum et Iohanni duci unum crinale rosarum posuit super caput. Dux autem flens suum posuit super mensam, ispeque et sui comedere noluerunt in mensa. Übersetzung: Die Chronik des Mathias von Neuenburg, übers. von Georg Grandaur (GdV 84), Leipzig 1892, S. 48; zu Mathias von N ­ euenburg vgl. Rolf Sprandel, Studien zu Mathias von Neuenburg, in: Historiographia mediaevalis. Studien zur Geschichtsschreibung und Quellenkunde des Mittelalters. Festschrift für Franz-­Josef Schmale, hg. von Dieter Berg – Hans-­Werner Goetz, Darmstadt 1988, S. 270 – 282. 17 Johann von Viktring, Liber certarum historiarum, l. 3, c. 10, S. 384: Rexque, dum ad men­ sam consisterent, singulis serta posuit, super omnes iocunditatem et exultacionem thesaurizare gestiebat. Übersetzung nach: Das Buch gewisser Geschichten (wie Anm. 11), S. 148. 18 Johann von Viktring, Liber certarum historiarum, l. 3, c. 10, S. 384: Erat autem vernum tempus in Kalendis May […] cunctis terre geniminibus virescentibus. Übersetzung nach: Das Buch gewisser Geschichten (wie Anm. 11), S. 148.

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Ereignisse empfand Johann Parricida die Signale des Königs als Affront. Johann von Viktring legt ihm folgende Worte in den Mund: O Herr, lange Zeit nun seid Ihr der Vormund meiner Unmündigkeit gewesen; jetzt aber ist meine Kindheit vorüber und blühende Jugend umfängt mich. Ich kann aber nicht erachten, daß meine Herrschaft mir durch kindische Kränzlein zurückerstattet werde, sondern, wie ich Euch schon häufig ermahnt habe, so bitte ich nochmals flehent­lich um Rückerstattung des Meinigen, daß ich den Namen und die Macht eines Fürsten zu verdienen und auszuüben im Stande sei. 19

Der König ging auch auf diese Bitte nicht ein, sondern wies seinen Neffen ledig­lich darauf hin, dass er sich bisher als zuverlässiger Sachwalter und Vormund erwiesen habe und Johann daher keinerlei Schaden entstanden sei. Für Johann stellten die Kränze demnach weder ein Symbol des Frühlings noch eine Geste der Geselligkeit dar, vielmehr empfand er sie als deut­lichen Hinweis auf seine Unmündigkeit. Dies deckt sich insofern mit der Beschreibung des Mathias von Neuenburg, als in seiner Schilderung nur die Königssöhne und Johann mit dem Schmuck bedacht wurden. Aus dieser Perspektive erschien Johann ledig­lich als Mitglied des habsbur­gischen Nachwuchses und nicht als vollwertiger Teilhaber der fürst­lichen Macht, dem nomen et actum principis zukamen. Dass er in d­ iesem Kontext noch einmal seine Bitte um die adäquate Herrschaftsbeteiligung wiederholte, der auch d­ ieses Mal nicht stattgegeben wurde, verstärkte den Eindruck, vom König nicht als ernst zu nehmender Gesprächs- und Verhandlungspartner wahrgenommen zu werden. Schließ­lich ist darauf hinzuweisen, dass die Gespräche beim Mahl – also im Beisein der höfischen Gemeinschaft – stattfanden. Aus der Sicht des Johann ­Parricida steigerte die Anwesenheit der Öffent­lichkeit die Kränkung zusätz­lich. Dass er nach Mathias von Neuenburg daher sofort die Tafel verließ, ist lo­gische Konsequenz dieser Wahrnehmung. Die Demütigung war für Johann daher eine doppelte: Erstens hatte ihm der König durch die Bekränzung seine eingeschränkte politische Handlungsfähigkeit ostentativ vor Augen geführt; zweitens hatte er ihm eine mit allem Nachdruck vorgetragene Bitte öffent­lich abgeschlagen, ihn also zusätz­lich düpiert.20 19 Johann von Viktring, Liber certarum historiarum, l. 3, c. 10, S. 384 f.: O domine, dudum tutor fuistis mei pupillatus, nunc elapsa infancia ramos apprehendi floride iuventutis. Non sertis michi estimo meum dominium restauratum, sed, sicut vos crebrius sum hortatus, adhuc supplex postulo michi mea restitui, ut et ego nomen et actum principis valeam exercere. Übersetzung nach: Das Buch gewisser Geschichten (wie Anm. 11), S. 148 f. 20 Zur Funk­tion der Bitte als Mittel politischer Kommunika­tion vgl. Claudia Garnier, Die Kultur der Bitte. Herrschaft und Kommunika­tion im mittelalter­lichen Reich, Darmstadt 2008.

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Ob Albrecht von Habsburg seinen Neffen bewusst provozierte oder ob wohlgemeinte Signale von Verbundenheit und Geselligkeit von Johann Parricida nicht im gewünschten Sinne interpretiert wurden, kann am Ende nicht entschieden werden. In jedem Fall war die öffent­liche Zurückweisung der Bitte seines Neffen ein Signal in der politischen Kommunika­tion des Spätmittelalters, das einer Besänftigung der erhitzen Gemüter kaum zuträg­lich war. Es nimmt daher kaum Wunder, dass Mathias von Neuenburg auch von einem anderen Beteiligten am Königsmord an der Reuß – Walter von Eschenbach – berichtet, dass dieser beim König kurz vor dem Überfall mit einer Bitte gescheitert sei.21 In diesen Zusammenhang passt ebenfalls eine im unmittelbaren Vorfeld des Königsmordes erscheinende Notiz über den Bischof von Basel, der vergeb­lich bei der könig­lichen Familie um Gnade gefleht hatte. Er war der Königin Elisabeth kurz vor Klein-­Basel entgegengeeilt, um sie um Vermittlung bei ihrem Gemahl zu bitten. Die Dring­lichkeit seines Anliegens unterstreicht die Tatsache, dass er sogar neben dem Wagen der Königin herlief. Elisabeth schenkte ihm jedoch kein Gehör; ihr Gefolge ließ die Pferde sogar schneller antreiben, sodass der mit Dreck bespritzte Kirchenmann ungehört am Straßenrand zurückblieb. Auch in ­diesem Fall wird dem inständig Bittenden nicht nur die Bitte abgeschlagen, sondern er wird zusätz­lich erniedrigt.22 Es soll an dieser Stelle keinesfalls der Eindruck erweckt werden, dass diese Episoden die entscheidenden Auslöser des Königsmordes an der Reuß darstellten. Allerdings ist auffällig, dass die Chronisten gescheiterte Akte der öffent­lichen Interak­tion und fehlgedeutete ­­Zeichen der symbo­lischen Kommunika­tion direkt vor der Beschreibung des Überfalls auf den König posi­tionierten. Die inhalt­ lichen Divergenzen um Erbe, Macht und Herrschaft wurden aus dieser Perspektive durch Konflikte um ­­Zeichen und Gesten der symbo­lischen Kommunika­tion verstärkt und sollten ganz offensicht­lich den unerhörten Vorfall des Verwandtenund Königsmords begreifbar machen. Dabei dienten die geschilderten Ereignisse sowohl Johann von Viktring als auch Mathias von Neuenburg als probate Erklärungsmodelle: Gescheiterten Bitten um Erbe und Anerkennung folgten Kränkungen auf dem Feld öffent­licher Kommunika­tion, die schließ­lich in der ­offenen Empörung gegen Albrecht von Habsburg mündeten. In der Komposi­tion 21 Mathias von Neuenburg, Chronica, c. 36, S. 71: Waltherus quoque de Eschibach cum a rege sibi ablata repeteret, dicens se regis consanguineum et patrem suum in servicio regis occisum, nec proficeret, quod pariter ipsum posset submergere, dixit regi. 22 Ebd., S. 70: Ascendente autem regina versus Rinvelden, cum iuxta minorem Basileam venisset, exivit Otto episcopus ad eam, currens iuxta currum eius, graciam pro rege placando inplorans; et dicente Conrado Monachi milite Basilensi ad vectores currus, quod percuterent equos, illisque percucientibus, episcopus fuit luto perfusus.

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der Darstellungen ergeben sich auf diese Weise lo­gische, aufeinander aufbauende Stufen der Konflikteskala­tion, die am Ende im Königs- und Verwandtenmord kulminierten. Da der Ausbruch der Konflikte durch Akte symbo­lischer Kommunika­tion visualisiert wurde, ebneten derartige Handlungen ebenso den Weg zum Ausgleich und zum Kompromiss. Auf d­ iesem Feld waren die Handlungsmuster von der politischen Ausgangssitua­tion abhängig. Eine zentrale Rolle spielte etwa die Frage, ob sich eine der Streitparteien ihrem Gegenüber unterwerfen und in ­diesem Zusammenhang sogar um Gnade bitten musste oder ob ein gleichberechtigter Ausgleich gefunden wurde und sich die Partner auf Augenhöhe begegneten. In einer langen Tradi­tion stehend und stets aufwendig in Szene gesetzt gestalteten sich Akte der Unterwerfung, die mit Gnadenbitten verbunden waren. Ein für das Doppelkönigtum von 1314 aussagekräftiges Beispiel bildet etwa die Schlacht von Mühldorf im Jahr 1322.23 Nach langen Kampfhandlungen siegte Ludwig der Bayer, und es ist kaum verwunder­lich, dass die militärische Niederlage des Habsburgers in der bayerischen Historiographie vergleichsweise breit ausgeschmückt wird. Nach der Aussage des unbekannten Mönchs von Fürstenfeld in der ‚Chronica de gestis principum‘ sollen der Habsburger und seine Gefolgsleute im Anschluss an das Schlachtgeschehen als Gefangene vor Ludwig den Bayern geführt worden sein: Als sie vor diesen gebracht wurden, stürzten sie sich weinend und jammernd vor ihm mit dem Angesicht auf die Erde nieder, da sie den Tod erleiden zu müssen fürchteten. Aber der König erzeigte ihnen könig­liche Milde, wie sie dem Herrscher ziemt, und sprach: ‚Stehet auf und fürchtet Euch nicht; ihr sollt nicht sterben, sondern ich werde Euch bewahren bis man mir euretwegen Genüge thun wird.‘ 24

23 Krieger, Die Habsburger (wie Anm. 3), S. 120 f.; Wilhelm Erben, Die Schlacht bei Mühldorf. 28. September 1322. Historisch-­geographisch und rechtsgeschicht­lich untersucht (Veröffent­lichungen des Historischen Seminars der Universität Graz 1), Graz 1923; Lhotsky, Geschichte Österreichs (wie Anm. 3), S. 271 – 280; Josef Steinbichler, Die Schlacht bei Mühldorf. 28. September 1322. Ursachen, Ablauf, Folgen, Mühldorf a. Inn 1993; Malte Prietzel, Kriegführung im Mittelalter. Handlungen, Erinnerungen, Bedeutungen (Krieg in der Geschichte 32), Paderborn u. a. 2006, S. 13 f., S. 160; Martin Clauss, Kriegsniederlagen im Mittelalter. Darstellung – Deutung – Bewältigung (Krieg in der Geschichte 54), Paderborn u. a. 2010, S. 241 ff., S. 260 ff. 24 Chronica de gestis principum, S. 95: Qui cum venissent coram rege, flentes et eiulantes cor­ ruerunt coram eo in faciem super terram, timentes se occisuros. Rex vero erga eos regia clemen­ cia utebatur, quia clemencia decet regem. ‚Surgite‘, inquit, ‚confidite, non moriemini ista vice, sed vos reservabo, quousque mihi de vobis satisfiet‘. Übersetzung nach: Chronik des Mönchs von Fürstenfeld, in: Quellen zur Geschichte K ­ aiser Ludwig‘s des Baiern, übers. von W ­ alter

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Ob die Unterlegenen tatsäch­lich derartig expressive ­Gefühlsäußerungen wie Weinen und Jammern an den Tag legten, kann sicher­lich diskutiert werden. Bei der Schilderung des Fußfalls vor dem Schlachtensieger und der damit verbundenen Bitte um Gnade handelte es sich jedoch um eine überaus konven­tionelle Geste, die in der Historiographie stets eine prominente Rolle spielte.25 Dass über die fußfällige Gnadenbitte zwar bayerische Chronisten informieren, die österreichischen Geschichtsschreiber jedoch schweigen, ist kaum verwunder­lich. Doch aus der habsbur­gischen Geschichtsschreibung des frühen 14. Jahrhunderts existiert breites Anschauungsmaterial, das die zentrale Bedeutung der fußfälligen Gnadenbitte belegt. Noch einmal ist der bereits diskutierte Fall des Johann Parricida aufzugreifen. Rund ein Jahr nach der Tat verhängte der neue König – Heinrich VII. von Luxemburg – über ihn und seine Helfer die Reichsacht.26 Die überlieferte Achturkunde zählt die konven­tionellen Folgen spätmittelalter­licher Rechts- und Friedlosigkeit auf: Johann und seinen Helfern wurden Ehre und Recht genommen, die Gemahlinnen wurden zu Witwen, die Kinder zu Waisen

Friedensburg (GdV 81), Leipzig 1883, S. 62; allgemein zu Gnadenbitten des Spätmittelalters vgl. Garnier, Kultur der Bitte (wie Anm. 20), S. 324 ff. 25 Jean-­Marie Moeglin, Harmiscara, Harmschar, Hachée. Le dossier des rituels d’humilia­ tion et de soumission au moyen âge, in: ALMA 54 (1996), S. 11 – 65; Jean-­Marie Moeglin, Pandolf la corde au cou (Ottoboni lat. 74, F. 193v). Quelques réflexions au sujet d’un rituel de supplica­tion (XIe–XVe siècle), in: Suppliques et requêtes. Le gouvernement par la grâce en occident (XIIe–XV siècle), hg. von Hélène Millet (Collec­tion de l’ École française de Rome 310), Rom 2003, S. 37 – 76; Gerd Althoff, Das Privileg der deditio. Formen güt­ licher Konfliktbeendigung in der mittelalter­lichen Adelsgesellschaft, in: Nobilitas. Funk­ tion und Repräsenta­tion des Adels in Alteuropa, hg. von Otto Gerhard Oexle – Walter Parvicini (Veröffent­lichungen des Max-­Planck-­Instituts für Geschichte 133), Göttingen 1997, S.  27 – 52; ND in: Gerd A ­ lthoff, Spielregeln der Politik im Mittelalter (wie Anm. 7), S.  99 – 125. 26 MGH Const. 4,1: 1298 – 1311, ed. Jakob Schwalm, Hannover – Leipzig 1906 [künftig: MGH Const. 4,1], Nr. 323, S. 281; zum spätmittelalter­lichen Achtverfahren vgl. Friedrich Battenberg, Reichsacht und Anleite im Spätmittelalter. Ein Beitrag zur Geschichte der höchsten könig­lichen Gerichtsbarkeit im Alten Reich, besonders im 14. und 15. Jahrhundert (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 18), Köln – Wien 1986; Friedrich Battenberg, Das Achtbuch der Könige Sigmund und Friedrich III. Einführung, Edi­tion und Register (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 19), Köln – Wien 1986; Joseph Poetsch, Die Reichsacht im Mittelalter und besonders in der neueren Zeit (Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte 105), Breslau 1911; Eduard Eichmann, Acht und Bann im Reichsrecht des Mittelalters (Görres-­Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft im katho­lischen Deutschland. Sek­tion für Rechts- und Sozia­lwissenschaft 6), Paderborn 1909.

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erklärt.27 Die Geächteten wurden „ihren Freunden verboten und ihren Feinden erlaubt“, sodass sie zwar straflos angegriffen werden, jedoch keinerlei Unterstützung von ihren Verwandten, Bündnispartnern oder Lehnsleuten in Anspruch nehmen durften. Das Kontaktverbot mit den Geächteten erstreckte sich nicht nur auf militärische Hilfe, sondern auf jeg­liche Form der Gemeinschaft und der damit verbundenen Unterstützung. In spätmittelalter­lichen Achtsentenzen wurde dies zumeist durch eine Standardformulierung ausgedrückt, die auch im Urteil über Johann Parricida Verwendung findet: Swer die vorgesriben verzalten lůte gehûset unde gehovet unde bi im behalten hat, do er den selben mort vor weste, sit der zit daz si den mort taten an dem Ro(e)mischen kunge Albreht seligen unserm vorvar des riches, daz die in die selben schult gevallen sint, alse die die umbe den selben mort verzalt sint.28

Wer also gegen die Auflagen der Acht verstieß, machte sich desselben Deliktes schuldig wie der Bestrafte und hatte mit denselben Sank­tionen zu rechnen. Johann und seine Helfer ergriffen die Flucht; nach erfolglosen Bemühungen um Begnadigung an der Kurie in Avignon begab sich der Habsburger nach Italien. Im Jahr 1312 bat er den König, der auf seinem Italienzug weilte, um Gnade: Ins Gewand eines Augustinermönchs gekleidet, warf er sich Heinrich VII. in Pisa zu Füßen. Dieser Fall ist insofern bemerkenswert, da Johann von Viktring in d­ iesem Zusammenhang vergleichsweise ausführ­liche Reflexionen anstellt: Der K ­ aiser wurde nicht wenig bewegt und wußte nicht, was er thun solle. Er hielt es für hart, dem Flehenden Erhörung zu verweigern; aber ein so unerhörtes Verbrechen ungestraft zu lassen, erschien ihm ungerecht und gottlos. Im Streit der pietas und der equitas machte sich schließ­lich ein Mittelweg ausfindig, derart, dass der Verbrecher sein Leben nicht verlieren, sonst aber strenge bestraft werden sollte. 29

27 MGH Const. 4,1, Nr. 323, § 1, S. 282: Wir haben in ê und reht genomen, ir lehen den herren ledig geseit, ir e­liche wirtin witwen alles ir rechtes, ir e­liche kint weisen alles ir rechtes. 28 Ebd., S. 282. 29 Johann von Viktring, Liber certarum historiarum, l. 4, c. 6, S. 50: […] dux Iohannes, Alberti regis interfector, in habitu religiosorum Augustinensium prostratus veniam postulavit […]. Impe­ rator anxius, quid ageret, non modicum turbabatur, petenti veniam denegare impium arbitrans; inultum tantum facinus dimittere minus iustum et temerarium videbatur. Inter molicionem tamen pietatis et equitatis medium adinvenit, ut reus non occideretur, nichilominus artissime puniretur. Übersetzung nach: Das Buch gewisser Geschichten (wie Anm. 11), S. 174 f.

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Der ­Kaiser entband Johann zwar nicht völlig von seiner Strafe, hob jedoch die Acht auf und wies ihn in das Benediktinerkloster S. Niccolò in Pisa ein. Dort erhielt er nach seinem Tod – vermut­lich am 13. Dezember 1313 – ein würdiges Begräbnis. Der Fall des Johann Parricida ist aus dem Grunde von zentraler Bedeutung, als Johann von Viktring die Funk­tionsweisen einer kniefälligen Gnadenbitte deut­ lich auf den Punkt bringt. Der inständig Flehende setzte den Adressaten durch seinen Unterwerfungsgestus so sehr unter Druck, dass Härte und Strenge in dieser Situa­tion den Gebetenen in das Licht unnachgiebiger Herrschaftspraxis gerückt hätten.30 Indem Heinrich VII. den Verwandten- und Königsmörder zwar bestrafen, aber nicht vernichten ließ, fand er schließ­lich einen Ausgleich.

Im ­­Zeichen von Frieden, Einheit und Kompromiss Während Gesten der Unterwerfung im Rahmen von Konflikten eindeutige Signale von Über- und Unterordnung aussandten, erforderte die Visualisierung eines gleichberechtigten Kompromisses andere Parameter der symbo­lischen Interak­tion. Für diesen Bereich bietet die Zeit der Doppelherrschaft ebenfalls breites Anschauungsmaterial. Nachdem Ludwig der Bayer in der Schlacht von Mühldorf zwar gesiegt und seinen Gegner in der Burg Trausnitz in Haft hatte nehmen lassen, geriet er von anderer Seite in Bedrängnis. Aufgrund seiner Konflikte mit der Kurie verhängte Papst Johannes XXII. im März 1324 über ihn die Exkommunika­tion. Auch im Reich war es Ludwig dem Bayern nicht gelungen, seine Herrschaft unangefochten zu etablieren. Vor allem die Brüder Friedrichs des Schönen kämpften weiter gegen die wittelsbachische Herrschaft.31 In dieser Situa­tion entschloss sich Ludwig zur Freilassung seines Gegners. Er verzichtete im Rahmen der Sühne zwar auf die Zahlung von Lösegeld, allerdings hatte ihn Friedrich der Schöne auf andere Weise zu entschädigen. Friedrich musste – auch im Namen seiner Brüder – das Königtum des Wittelsbachers anerkennen. Ebenso verpflichteten sich die ehemaligen Kontrahenten zu wechselseitiger Hilfe gegen jedermann; vor allem hatten die Habsburger Ludwig den Bayern gegen

30 Zum Spannungsfeld ­zwischen Recht und Gnade vgl. Karl Ubl, „Clementia“ oder „severitas“. Historische Exempla über eine Paradoxie der Tugendlehre in den Fürstenspiegeln Engelberts von Admont und seiner Zeitgenossen, in: Historische Exempla in Fürstenspiegeln und Fürstenlehren, hg. von Christine Reinle (Kulturgeschicht­liche Beiträge zum Mittelalter und Früher Neuzeit 4), Frankfurt a. M. 2011, S. 21 – 41, bes. S. 37 – 39. 31 Krieger, Die Habsburger (wie Anm. 3), S. 124 ff.

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den Papst zu unterstützen.32 Zudem wurde die Allianz durch ­verwandtschaft­liche Bande ergänzt, indem sich Ludwig und Friedrich auf die Verlobung ihrer Kinder verständigten.33 Schließ­lich ist zu betonen, dass sich beide Vertragspartner nicht nur persön­lich auf die Einhaltung der Absprachen verständigten, sondern im Falle ihres Ablebens ebenso ihre Nachfolger in die Pflicht nahmen: Und wer auch daz der chunig oder der hertzog Friderich oder si beide ab giengen, dannoch sol die vreuntschaft ­zwischen ir beider chinder furganch haben und sullen sie dez chůniges chinder und dez hertzog Friederiches brůder volenden in aller weis, als vorgeschriben stet.34

Dass Friedrich und Ludwig dem Abkommen eine zukunftsweisende Ausrichtung verliehen, zeugt von der Absicht, den Bund auch für die folgenden Genera­tionen nachhaltig abzusichern. In der Forschung werden Abkommen dieser Art seit einigen Jahren als ‚Erbeinungen‘ bezeichnet und zumeist in einem engeren dynastischen Kontext interpretiert.35 Diese Allianzen definierten zeit­lich unbegrenzte Übereinkünfte, da sie stets über die Lebenszeit der Akteure hinaus angelegt waren und im Todesfall auf deren Rechtsnachfolger übergingen. In der Regel verständigten sich die Partner auf Unterstützung im militärischen oder ökonomischen Bereich, sagten sich gegenseitige Rechts- und Friedenssicherung zu und verwiesen gleichzeitig darauf, dass im Falle ihres Ablebens die Bündnispflichten auf die Erben übergehen sollten. Gleichzeitige Eheabsprachen verstärkten mitunter die transgenerative Zielrichtung. Die Tatsache, dass die Trausnitzer Absprache nicht durch einen ‚einfachen‘ Frieden, sondern in Form einer Erbeinung und eines Ehebündnisses fixiert wurde, belegt den Stellenwert, den beide Dynastien dem Abkommen beimaßen. Diese 32 MGH Const. 6,1: 1325 – 1330, ed. Jakob Schwalm, Hannover 1914 – 1927 [künftig: MGH Const. 6,1], Nr. 29, c. 4, S. 18: Si sullen auch alle fu(e)mfe sich zů dem chunige verbinden ewic­lich bei im und seinen chindern ze beliben und in ze helfen wider aller mænge­lich, swie si genant sein, pfaffen und leyen und mit namen wider den der sich babest nennet und alle seine helfer und gůnner, die wile er wider den chunich und daz riche ist. 33 Ebd., c. 6, S. 19. 34 Ebd. 35 Erbeinungen und Erbverbrüderungen in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Genera­ tionsübergreifende Verträge und Strategien im euro­päischen Vergleich, hg. von Mario ­Müller  – Karl-­Heinz Spiess – Uwe Tresp, Berlin 2014; Mario Müller, Besiegelte Freundschaft. Die brandenbur­g ischen Erbeinungen und Erbverbrüderungen im späten Mittel­alter (Schriften zur politischen Kommunika­tion 8), Göttingen 2010; Uwe Tresp, ­Erbeinung und Dynastie. Die Egerer Verträge von 1459 als Grundlage der ­säch­sisch-­böhmischen Beziehungen im 15. und 16. Jahrhundert, in: Jahrbuch für Euro­ päische Geschichte 8 (2007), S. 3 – 28.

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Wertschätzung schlug sich ebenso in der performativen Ausgestaltung des Friedens nieder. Johann von Viktring berichtet über die Vorgänge wie folgt: Der Prior begeht ein Amt der heiligen Messe und stärkt beide, indem er sie mit ein und derselben Hostie communicieren läßt, und versöhnt mit einem Eid und Friedenskuss Friedrich mit Ludwig […]. Als das ausgeführt war, traten beide in engster Freundschaft so nahe, wie einst Jonathan und David. 36

Auch die bayerische Historiographie widmet dem Vorgang eine vergleichsweise große Aufmerksamkeit. Die ‚Chronica de ducibus Bavariae‘ schildert den Hergang in vergleichbarer Art und Weise, indem sie das gemeinsame Abendmahl als ­­Zeichen der Freundschaft und Bürgschaft für die gegenseitigen Zusagen betont: Aber als der edle Fürst L ­ udwig den Oesterreicher eine Zeitlang gefangen gehalten hatte, gab er demselben schließ­lich, ohne ihm Geld, Burgen, Städte, Vesten oder Länder abzunehmen, als ein großmütiger Fürst die Freiheit zurück, wobei er sich für den Verzicht auf die Regierung und das Treugelöbnis und Freundschaftsversprechen keine andere Bürgschaft ausbedang, als das beide zugleich, zum Z ­­ eichen und zur Bekräftigung ihres Freundschaftsbundes, mit einander das Sakrament des Fleisches und des Blutes des Herrn nahmen, zum Heil dem, der die Abrede halten werde, aber dem Uebertreter derselben zum Gericht. 37

Unabhängig von ihrem parteiischen Standpunkt betonen die Chronisten vergleichbare Aspekte: zum einen die Umwandlung der offenen Feindschaft in Freundschaft; zum anderen die symbo­lische Präsenta­tion des Friedens durch unterschied­liche Kommunika­ tionsakte wie den Friedenskuss und das gemeinsame Sakrament des Abendmahls. 36 Johann von Viktring, Liber certarum historiarum, l. 5, c. 5, S. 125: Officium sacre misse prior celebrat et ambos sacra communione de una hostia corroborat, sacramento Fridericum Ludewico ac pacis osculo conciliat […]. Quibus peractis sic sibi invicem conglutinantur sicut quondam Iona­ thas atque Davit. Übersetzung nach: Das Buch gewisser Geschichten (wie Anm. 11), S. 216. 37 Chronica de ducibus Bavariae, ed. Georg Leidinger, in: Bayerische Chroniken, ed. Georg Leidinger (wie Anm. 4), S. 157: Nobilis autem princeps Ludwicus cum Australem ali­ quamdiu in captivitate tenuisset, tandem eum sine omni pecuniarum, castrorum, civitatum, municionum ac terrarum exaccione more liberalis principis pristine reddidit libertati, nullam super regni abrenunciacione et super promisse fidei et amicicie confirmacione aliam requirens caucionem, nisi quod in signum et robur tante inter eos contracte amicicie deberent simul in uno loco [sumere] corporis et sangwinis Domini sacramenta servanti fidem in salutem, sed in iudicium transgressori. Übersetzung nach: Chronik von den Herzögen von Bayern (wie Anm. 24), S. 93 f.

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Der Terminus Freundschaft (amicitia, friuntschaft) bewegte sich im 14. Jahrhundert im Spannungsfeld unterschied­licher Bindungsformen. Zunächst kam er im Bereich politischer Bündnispartnerschaft zum Einsatz und fixierte ein Zweckbündnis, das auf wechselseitigen Nutzen und Vorteil zugeschnitten war.38 Ein solches Abkommen liegt auch im Falle der Trausnitzer Sühne vor, indem detailliert die Pflichten beider Vertragsparteien festgehalten sind. Das zweite Bedeutungsfeld des mittellateinischen Terminus amicitia bzw. seines entsprechenden volkssprach­lichen Pendants erschließt sich über die Semantik der Verwandtschaft. Im Einzelfall stellt es mitunter ein schwieriges Unterfangen dar, Bündnis- und Verwandtschaftsbeziehungen voneinander zu isolieren: Allianzen konnten durch Verwandtschaft abgesichert werden, indem eine Ehe ­zwischen den Mitgliedern des Abkommens vereinbart wurde. Ebenso konnten bereits bestehende dynastische Netzwerke durch Bündnisse intensiviert werden.39 Grundsätz­ lich erhoffte man sich durch die Kumula­tion verschiedenster Sozia­l­bindungen eine größtmög­liche Absicherung einer Beziehung. Von dieser Zielsetzung zeugt auch die Trausnitzer Übereinkunft, wenn sie mit einer Heiratsabsprache und einem Hilfsbündnis das gesamte Bedeutungsspektrum des Terminus amicitia ausfüllt. Eine zentrale Bedeutung kommt schließ­lich der Frage zu, wie diese Zusagen in symbo­lische Kommunika­tionsformen gegossen wurden. Zunächst erwähnen die Historiographen das osculum pacis, das als konven­tionelles Signal von Frieden und Einvernehmen gilt. Es spielte in der nonverbalen Kommunika­tion stets eine wichtige Rolle: sei es, dass sich Herrschaftsträger nach einem Konflikt auf einen Ausgleich verständigten, wie der vorliegende Fall dokumentiert; sei es, dass sich einander verwandtschaft­lich oder freundschaft­lich verbundene Interak­ tionspartner ihres positiven Einvernehmens versicherten – etwa bei der Begrüßung oder Verabschiedung.40 38 Zum Konzept der Freundschaft im Spätmittelalter Claudia Garnier, Amicus amicis — inimicus inimicis. Politische Freundschaft und fürst­liche Netzwerke im 13. Jahrhundert (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 46), Stuttgart 2000; Klaus Oschema, Freundschaft und Nähe im spätmittelalter­lichen Burgund. Studien zum Spannungsfeld von Emo­tion und Institu­tion (Norm und Struktur 26), Dresden 2006; Klaus Oschema, Freundschaft oder „amitié“? Ein politisch-­sozia­les Konzept der Vormoderne im zwischensprach­lichen Vergleich (15.–17. Jahrhundert) (ZHF, Beih. 40), Berlin 2007; Gerhard Krieger, Verwandtschaft, Freundschaft, Bruderschaft. Sozia­le Lebens- und Kommunika­tionsformen im Mittelalter. Akten des 12. Symposiums des Mediävistenverbandes vom 19. bis 22. März 2007 in Trier, Berlin 2009. 39 Dazu Karl-­Heinz Spiess, Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters. 13. bis Anfang des 16. Jahrhunderts (VSWG, Beih. 111), Stuttgart 1993, S. 174. 40 Klaus Schreiner, „Er küsse mich mit dem Kuss des Mundes“ (Osculetur me osculo oris sui, Cant. 1,1), in: Höfische Repräsenta­tion. Das Zeremoniell und die Zeichen, ­­ hg. von Hedda Ragotzky – Horst Wenzel, Tübingen 1990, S. 89 – 132; Yannick Carré, Le baiser sur

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Der Friedenskuss stammt ebenso aus dem litur­gischen Bereich wie das Abendmahl, das die Chronisten als Z ­­ eichen von Frieden und Freundschaft erwähnen. Dass man sich im Fall der Trausnitzer Sühne vor allem symbo­lischer Interak­ tionsmuster religiöser Provenienz bediente, mag durch den Umstand erklärt werden, dass mit dem Kartäuserprior Gottfried von Mauerbach und dem Augustiner­ prior Konrad von München unter anderem die Beichtväter der Protagonisten für den Frieden verantwort­lich zeichneten.41 Es wäre allerdings eine verkürzte Interpreta­tion, wollte man das gemeinsame Abendmahl als ­­Zeichen des Einvernehmens ausschließ­lich durch die Provenienz der Friedensvermittler erklären. Die konven­tionellen Formen des Friedenseides und -kusses wurden durch das Sakrament der Eucharistie verstärkt. Die Hoffnung auf die Dauerhaftigkeit des Friedens, die bereits durch die Konzep­tion der Erbeinung und Eheverbindung zum Ausdruck gebracht wurde, spiegelte sich ebenso in der performativen Ausgestaltung des Friedens durch ein Sakrament wider, das als solches als unauflösbar galt. Im Rahmen der Trausnitzer Sühne machte die geteilte Hostie Gott zum Zeugen der Einheit und Gemeinschaft. Auf diese Weise verknüpfte dieser Akt die Funk­tionen mittelalter­licher Eidesleistungen mit der Eucharistie und erhöhte somit die Verbind­lichkeit der Absprachen. Denn die Hostie wurde „zum Heil dem, der die Abrede halten werde, aber dem Uebertreter derselben zum Gericht“ geteilt. Allerdings dürfen die Bemühungen, dem Akt die notwendige sakrale Überhöhung zu verleihen, nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich alle Beteiligten auf la bouche au moyen âge: rites, symbols, méntalités, à travers les textes et les images, XIe– XVe siècles, Paris 1993, S. 163 ff.; Klaus van Eickels, Kuss und Kinngriff, Umarmung und verschränkte Hände. Zeichen ­­ personaler Bindung und ihre Funk­tion in der symbo­lischen Kommunika­tion des Mittelalters, in: Geschichtswissenschaft und „Performative Turn“, hg. von Martschukat – Patzold (wie Anm. 8), S. 134 – 159; Thomas Richter, Instrumenta pacis. Der Kuss von Kunstwerken und Reliquie im Friedensritus der Heiligen Messe, in: Riten, Gesten, Zeremonien, hg. von Bierende – Bretfeld – Oschema (wie Anm. 7), S. 117 – 139. 41 Wilhelm Erben, Die Berichte der erzählenden Quellen über die Schlacht bei Mühldorf, in: AÖG 105 (1917), S. 229 – 516, bes. S. 476 – 489; Zitat S. 487 f.: […] do bedacht sich der von Payern und rait zu dem kunig gen Trauseniht und vertëdigt sich mit im also, das der kunig mit dem von Payern aus den vengnuzze gen Munchen kom, und vertaidigten sich mit einander aller sache noch ir paider peichtiger rat, der prior von Mawrbach, der des chunigs peichtiger was, und eines prior Augustinerorden, der des von Payern peichtiger was, also das sy paident­ halben allen irn rat varn liezzen, und gingen ped zu einander zu dem Mynnern prudern datz Munchen, und verainten sich gentz­lich mit einander und giengen do herfür und swürn vor aller menleich auff gotz Leichnam zueinander. Do namens ped ze stet unsers hern leichnam von dem prior von Mawrpach. Domit wart chunich Fridreich ledich. Winfried Stelzer, Der Streit zu Mühldorf, in: VL 9 (1995), Sp. 394 ff.

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überaus unsicherem Terrain bewegten. Denn der Wittelsbacher war zu d­ iesem Zeitpunkt exkommuniziert.42 Daher war kein Priester befugt, in Ludwigs Anwesenheit die Eucharistie zu begehen. Auch war es allen Christen untersagt, mit dem Exkommunizierten in Kontakt zu treten und gemeinschaft­lich oder gar vertrau­lich mit ihm zu verkehren.43 In der Trausnitzer Sühne widersetzten sich also nicht nur Ludwig der Bayer und seine Anhänger den Auflagen der päpst­lichen Exkommunika­ tion. Eine demonstrative Opposi­tion gegen den Papst wurde ebenso von Friedrich dem Schönen verlangt, wenn er mit einem Gebannten die Hostie teilte. An der performativen Ausgestaltung der Trausnitzer Sühne sind nicht nur die Akte bemerkenswert, die zur Visualisierung des Ausgleichs gewählt wurden. Ebenso fällt ins Auge, dass auf sämt­liche Signale von Über- oder Unterordnung verzichtet, sondern vielmehr ein gleichrangiges Verhältnis zum Ausdruck gebracht wird: die Freundschaft, der Friedenskuss, die geteilte Hostie, die beabsichtigte Heirats­ verbindung und nicht zuletzt die Analogiebildung zum berühmten Jonathan-­ David-­Motiv.44 Dass Friedrich der Schöne in der Trausnitzer Sühne sämt­liche

4 2 Diethelm Böttcher, Johannes XXII ., Ludwig der Bayer und die monitio canonica, in: ZRG KA 127 (2010), S. 314 – 349; Michael Menzel, Imperiales Beben. Ludwig der Bayer, Italien und der Papst, in: Bayern und Italien. Kontinuität und Wandel ihrer tradi­tionellen Bindungen. Vorträge der „Historischen Woche“ der Katho­lischen Akademie in Bayern vom 17. bis 20. Februar 2010 in München, hg. von Hans-­Michael Körner, Lindenberg 2010, S.  72 – 87; Gerald Schwedler, „dampnate memorie Ludovici de Bavaria“. Erinnerungsvernichtung als metaphorische Waffe im Konflikt ­zwischen der Kurie und ­Kaiser Ludwig dem Bayern, in: Sterben über den Tod hinaus. Politische, s­ ozia­le und religiöse Ausgrenzung in vormodernen Gesellschaften, hg. von Claudia Garnier – Johannes Schnocks, Würzburg 2012, S. 165 – 201. Zu den Folgen vgl. Thomas, Ludwig der Bayer (wie Anm. 3), S. 163 ff.; Martin Kaufhold, Gladius spiritualis. Das päpst­liche Interdikt über Deutschland in der Regierungszeit Ludwigs des Bayern (1324 – 1347) (Heidelberger Abhandlungen zur ­Mittleren und Neueren Geschichte NF 6), Heidelberg 1994. 43 Wilhelm Rees, Exkommunika­tion, in: LThK 3 (31995), Sp. 1119 f.; Peter Welten u. a., Bann, in: TRE 5 (1980), S. 159 – 190; Paul Hinschius, Das Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten in Deutschland, Bd. 4, Berlin 1888, S. 691 ff.; ebd., Bd. 5, Berlin 1895, S. 1 ff.; Elisabeth Vodola, Excommunica­tion in the Middle Ages, Berkeley u. a. 1986; Roger E. Reynolds, Rites of Separa­tion and Reconcilia­tion in the Early Middle Ages, in: Segni e riti nella chiesa altomedievale occidentale (Settimane di Studio del Centro italiano di studi sull’Alto Medioevo 32), Spoleto 1987, S. 405 – 437; Wilhelm Rees, Die Strafgewalt der ­Kirche. Das geltende kirch­liche Recht – dargestellt auf der Grundlage seiner Entwicklungsgeschichte (Kanonistische Studien und Texte 41), Augsburg 1993. 4 4 Esther Wipfler, Amicitia in der Kunst des Mittelalters – Die Personifika­tion und ihre Rezep­ tion, in: Freundschaft. Motive und Bedeutungen, hg. von Sybille Appuhn-­R adtke – Esther

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Herrschaftsansprüche aufgab, seinen einstigen Rivalen uneingeschränkt anerkannte und damit in letzter Konsequenz seine politische Niederlage markierte, ist der Symbolsprache der Trausnitzer Sühne nicht zu entnehmen. Dies ist umso bemerkenswerter, als die schrift­lichen Absprachen der Sühneurkunde gerade nicht auf Gleichrangigkeit, sondern auf die Unterordnung des Habsburgers abzielen: Friedrich wird am Ende sogar auf die Beeidigung der Sühne verpflichtet, ohne eine s­ olche Garantie von Seiten der Wittelsbacher zu erhalten: Daz die sůne als si geschriben stet von worte ze worte also volfu(e)rt und gehalten werde, dez sol hertzog Friderich sweren zů den heiligen.45 Während also in der Sühneurkunde eine deut­ lich asymmetrische Beziehung ­zwischen Sieger und Besiegtem hergestellt wird, verzichten die symbo­lischen Interak­tionsmuster auf diese Hierarchie. Ganz im Gegenteil: Die Ritualsprache des Friedens vermittelt ein ebenbürtiges Verhältnis. Nun könnte man aus ­diesem Befund den Einwand ableiten, dass in ­diesem Fall die symbo­lische Kommunika­tion die politischen Konstella­tionen verfälscht darstellt und somit auch eine gewisse Beliebigkeit in sich birgt. Man könnte betonen, dass die verfassungsrecht­lich relevanten Absprachen urkund­lich fixiert wurden und die öffent­liche Präsenta­tion der Sühne ledig­lich unverbind­liches Zeremoniell darstellte. Diese Einwände würden jedoch die Leistungsfähigkeit vormoderner Symbolsprache völlig verkennen. Denn das primäre Ziel der Trausnitzer Sühne konnte gerade nicht in der Demütigung und Unterwerfung Friedrichs des ­Schönen bestehen. Die Trausnitzer Sühne war vielmehr auf die Herstellung eines Konsenses angelegt, der Ludwig dem Bayern politische Handlungsfähigkeit sichern sollte. Daher war es naheliegend, diese Aspekte in das Zentrum der symbo­lischen Interak­tion zu rücken. Die Gleichstellung auf dem Feld der symbo­lischen Interak­tion ließ Friedrich als ebenbürtigen Verhandlungspartner erscheinen und stärkte so die Bereitschaft der Habsburger zum Ausgleich und zur Anerkennung des wittelsbachischen Königtums. Indem er zwar de facto seine Herrschaftsansprüche preisgeben musste, doch zumindest auf dem Feld politischer Repräsenta­tion seinem König auf Augenhöhe begegnete, vermochte Friedrich der Schöne sein Gesicht zu wahren. Nicht umsonst betont der unbekannte Verfasser der ‚Schlacht von Mühldorf ‘ aus habsbur­ gischer Sicht, dass das gemeinsame Sakrament des Abendmahls in aller Öffent­ lichkeit begangen wurde: […] und swürn vor aller menleich auff gotz Leichnam

Wipfler (Veröffent­lichungen des Zentralinstituts für Kunstgeschichte 19), München 2006, S. 155 – 179, S. 158 ff. 45 MGH Const. 6,1, Nr. 29, c. 10, S. 20.

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zueinander.46 Der Herstellung der Gleichrangigkeit dienten die mit Bedacht gewählten Formen der Symbolsprache. Aus dieser Perspektive stellten sie kein Zerrbild der politischen ‚Realität‘ dar, sondern sie erfüllten im Rahmen der Konsensfindung einen eigenen und unverzichtbaren Zweck.47 Das so präsentierte Verhältnis verwandelte sich im Folgejahr tatsäch­lich zu einer recht­lichen wie politischen Gleichrangigkeit, denn 1325 einigten sich ­Ludwig der Bayer und Friedrich der Schöne im wohl unkonven­tionellsten Verfassungsdokument des Spätmittelalters – dem Münchener Vertrag. Dieses Abkommen fixierte eine gemeinsame und gleichberechtigte Herrschaft beider Könige. Die politischen Vorteile für Friedrich den Schönen liegen auf der Hand. Die Gründe, die Ludwig den Bayern zu d­ iesem Schritt veranlassten, werden seit jeher kontrovers diskutiert. Obgleich diese Fragen von zentraler Bedeutung sind, können sie an dieser Stelle nicht vertieft werden, zumal sie für das erkenntnisleitende Thema des Beitrags letzt­lich von nachgeordnetem Interesse sind.48 Stellt man im Zusammenhang mit dem Münchener Vertrag die Frage nach der Bedeutung symbo­lischer Interak­tionsformen, so fällt auf, dass sich die Urkunde dieser T ­ hemen in beacht­lichem Ausmaß annimmt. Nicht umsonst wurde der Münchener Vertrag in den vergangenen Jahren aus ritualgeschicht­ licher Perspektive mehrfach untersucht, sodass die hier gebotene Bestandsaufnahme entsprechend kurz gehalten werden kann.49 Die Grundlage des Vertrags bildete zunächst die Idee, dass beide Könige mit ein ander g­lich als ein persone handeln sollten.50 Zudem versprachen sie, sich einander nicht nur als Brüder zu

46 Der Quellentext findet sich oben in Anm. 41. Bei der ‚Erzählung über den Streit von Mühldorf ‘ handelt es sich um einen anonym verfassten und in zwei Versionen überlieferten Bericht aus der Perspektive der Habsburger. Die hier zitierte ausführ­lichere Fassung entstand ­zwischen 1328 und 1330, sodass hier eine zeitnahe Dokumenta­tion vorliegt. 47 Ausführ­liche Überlegungen zum Verhältnis von Urkunden und Symbolsprache bei C ­ laudia Garnier, ­­Zeichen und Schrift. Symbo­lische Handlungen und literale Fixierung am Beispiel von Friedensschlüssen des 13. Jahrhunderts, in: FmSt 32 (1998), S. 263 – 287. 48 Zusammenfassend dazu Menzel, Die Zeit der Entwürfe (wie Anm. 3), S. 167 f. 49 Gerald Schwedler, Herrschertreffen des Spätmittelalters. Formen – Rituale – Wirkungen (Mittelalter-­Forschung 21), Ostfildern 2008, S. 233 ff.; Claudia Garnier, Der doppelte König. Zur Visualisierung einer neuen Herrschaftskonzep­tion im 14. Jahrhundert, in: FmSt 44 (2010), S. 265 – 290. 50 Beide verkündeten, daz wir daz Romische riche, darcz(o) wir bede erwelt und geweihet sein, mit allen seinen wirden, eren, rechten laæuten und gůten und swaz ez hat und darcz(o) geho(e)rt uber al die werlt mit ein ander g­lich als ein persone, einem nicht baz dann dem andern, ietwederm mer noch minre, besitzen, haben, pflegn und handeln sullen (MGH Const. 6,1, Nr. 105, c. 1, S. 72).

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bezeichnen, sondern auch als s­ olche zu behandeln: Wir sullen […] uns bru(e) der heizzen und schriben an ein ander und auch als bru(e)der haben.51 Dies ist insofern naheliegend, da beide zwar keine leib­lichen Geschwister, jedoch Vettern waren. Der Verweis auf Einheit und Brüder­lichkeit rief zum einen die nahe Verwandtschaft ins Gedächtnis; zum anderen bildete er das Fundament für die Gestaltung und Visualisierung einer gleichberechtigten Partnerschaft. Einheit und Brüder­lichkeit sind daher die unverkennbaren Leitmotive, wenn es um die öffent­liche Repräsenta­tion der Doppelherrschaft ging. Dies war umso wichtiger, als im Bereich der Königsherrschaft keinerlei Vorlagen für die Inszenierung einer Doppelherrschaft existierten. Dies gilt insbesondere für die Frage nach der Herrschaftspräsenta­tion im öffent­lichen Raum. Der Münchener Vertrag bietet eine recht allgemein gehaltene Formulierung: Wir sullen auch g­liche ere haben ze strazzen, ze chirchen und an aller stat […].52 Hier ist die Sitz- und Prozessions­ordnung bei den Zusammenkünften auf Reichsebene angesprochen. Sie war häufig Gegenstand ernsthafter Konflikte und wurde schließ­lich eine Genera­tion ­später in der Goldenen Bulle von 1356/57 fixiert. Ein Blick auf die Verfügungen der Goldenen Bulle zeigt jedoch, dass sämt­liche dort festgeschriebenen Akte symbo­lischer Kommunika­tion auf einen König zugeschnitten waren. Sei es beim Festmahl, wenn der König an der erhöhten Tafel die Ehrendienste der Kurfürsten entgegennahm; sei es im Rahmen von Versammlungen oder Prozessionen, bei denen exakt geregelt war, wer rechts oder links, vor oder hinter dem König saß oder schritt. Diese Choreographien bezogen sich auf ein Zentrum der politischen Ordnung.53 Wie sich aber eine ­solche Konfigura­tion auf zwei Herrscher beziehen konnte, diese Frage lassen die allgemein gehaltenen Formulierungen wohl bewusst offen. Der Münchener Vertrag zeigt also deut­lich, dass der Symbolsprache des frühen 14. Jahrhunderts enge Grenzen gesteckt waren, wenn sie die Pfade konven­ tioneller Handlungsmuster verließ. Das Modell von Einheit und Brüder­lichkeit unterstrich zwar das Einvernehmen der einstmals verfeindeten Könige und eignete

51 Ebd., c. 2, S. 73. 52 Ebd. 53 Bernd Schneidmüller, Inszenierungen und Rituale des spätmittelalter­lichen Reichs. Die Goldene Bulle von 1356 in westeuro­päischen Vergleichen, in: Die Goldene Bulle. Politik, Wahrnehmung, Rezep­tion, hg. von Ulrike Hohensee u.  a. (Berlin-­Brandenbur­gische Akademie der Wissenschaften. Berichte und Abhandlungen, Sonderbd.), Berlin 2009, S.  261 – 297; Bernd Schneidmüller, Das spätmittelalter­liche Imperium als lebendes Bild. Ritualentwürfe der „Goldenen Bulle“ von 1356, in: Bild und Ritual, hg. von Ambos (wie Anm. 8), S. 210 – 228.

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sich so in hervorragendem Maße zur Visualisierung des Kompromisses. Es stellte jedoch einen nur unzureichenden Ersatz für die Präsenta­tion spätmittelalter­licher Königsherrschaft dar, die auf monarchische Exklusivität ausgerichtet war. Dies belegt ebenfalls ein Sachverhalt, der als Abschluss des Beitrags an die einführenden Überlegungen anknüpft. Stellt man in Rechnung, welch immense Bedeutung für die Legitimierung beider Könige dem Krönungsakt von 1314 zukam, so wäre zu erwarten, dass sich der Münchener Vertrag dieser Thematik in besonderer Weise annähme. Die Urkunde offenbart jedoch das genaue Gegenteil. Eine erneute Krönung wird nicht thematisiert, da – so der Wortlaut des Vertrags – wir bede erwelt und geweihet sein […].54 Mit anderen Worten: Die Frage des rechten Krönungsorts, des rechtmäßigen Koronators und der erforder­lichen Insignien, die zuvor sämt­liche Argumenta­tionen getragen hatte, scheint nun plötz­ lich bedeutungslos. Bei genauerer Analyse indes spricht aus dieser Verfügung wohl weniger die innere Überzeugung als vielmehr eine gewisse Hilflosigkeit. Schließ­ lich waren die Insignien, der Thron und die gesamte Krönungsliturgie für einen König konzipiert und nicht für mehrere Kandidaten. Die Herausforderung einer Doppelkrönung hätte ohne Zweifel eine erste ernsthafte Konfliktgefahr heraufbeschworen, an der der ambi­tionierte Plan einer gleichberechtigten Herrschaft sofort gescheitert wäre. Dieses Problem bürdete sich der Münchener Vertrag wohl aus guten Gründen nicht auf. Die praktische Umsetzung einer Doppelkrönung hätte zwangsläufig wieder in jenen Legitimitätsdebatten gemündet, die bereits das Jahr 1314 geprägt hatten. Dass aber in der öffent­lichen Repräsenta­tion durchaus Spielraum für die Visualisierung der Gleichrangigkeit bestand, ist den Informa­tionen des Peter von ­Zittau zu entnehmen: Zwar bekannte er freimütig, dass er die genauen Friedensmodalitäten nicht kenne.55 Doch er vermerkt, dass sich Friedrich und Ludwig gegenseitig als König bezeichneten, miteinander speisten und tranken, ja sogar das Bett teilten – kurzum in Wort und Tat ein fried­liches und gleichberechtigtes Verhältnis pflegten.56 Die Wirkmacht der Symbolsprache belegt schließ­lich die Tatsache,

54 Dazu oben Anm. 50. 55 Die Königsaaler Geschichtsquellen. Mit den Zusätzen und der Fortsetzung des Domherrn Franz von Prag, hg. von Johann Loserth (Fontes rerum Austriacarum. Scriptores 8), Wien 1875; ND London – New York 1970, S. 433: […] nescio quibus modis, quibus formis, seu quibus tractatibus intervenientibus, cunctis admirantibus ipse Fridericus, qui usque ad ter­ tium annum captus fuerat, est a vinculis absolutus. Non fuerunt aliquae muni­tiones in signum foederis et amicitiae Ludowico datae, nec super hac concordia sunt literae publicatae. 56 Ebd., S. 433: Simul usque hodie hi duo principes, qui se nominant reges, comedunt, bibunt et simul dormiunt et in verbis pacificis unum sunt; matrimonium satis inconsuetum hi inter

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dass das Bild zweier Könige in einem Bett die langfristige Rezep­tion der Doppelherrschaft bestimmte.57 Kein Geringerer als Friedrich Schiller brachte in seinem Gedicht ‚Deutsche Treue‘ die Doppelherrschaft aus der Perspektive Friedrichs des Schönen mit folgenden Worten zum Ausdruck: Siehe, da stellt er aufs neu willig den Banden sich dar. Tief gerührt umhalßt ihn der Feind, sie wechseln von nun an Wie der Freund mit dem Freund trau­lich die Becher des Mahls, Arm in Arm schlummern auf einem Lager die Fürsten, Da noch blutiger Haß grimig die Völker zerfleischt.58

Nicht der Münchener Vertrag als Verfassungsdokument fand den Weg in das kollektive Gedächtnis, sondern eben jene Formen der symbo­lischen Interak­tion, die die politische Kultur des frühen 14. Jahrhunderts prägten. Ebenso wie die Inthronisa­ tion auf einem Fass aus wittelsbachischer Perspektive als Symbol der unrechtmäßigen Herrschaft Friedrichs des Schönen galt, so präsentierten das gemeinsame Mahl und das geteilte Bettlager den Zustand von Frieden und Eintracht.

suos pueros statuerunt; duxit enim filius Ludowici filiam Friderici, licet hi pueri sint in tertia consanguinitatis linea constituti. Est autem hoc admirabile in auribus omnium populorum, quod uterque usque hodie regem se scribit et nominat Romanorum. Zum Schlafen in einem Bett als Ritual des Friedens und des Ausgleichs vgl. Klaus van Eickels, Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt. Die eng­lisch-­franzö­sischen Beziehungen und ihre Wahrnehmung an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter (Mittelalter-­Forschungen 10), Bamberg 2002, S. 341 ff.; Karin Lerchner, Lectulus floridus. Zur Bedeutung des Bettes in Literatur- und Handschriftenillustra­tionen des Mittelalters (Pictura et poesis 6), Wuppertal 1993, S. 71 f. 57 Karl Borromäus Murr, Das Mittelalter in der Moderne. Die öffent­liche Erinnerung an ­Kaiser Ludwig den Bayern im Königreich Bayern, München 2008, S. 146 ff.; Karl B ­ orromäus Murr, Das Ringen um den mittelalter­lichen ­Kaiser. Rezep­tionen Ludwigs des Bayern in Deutschland in der Neuzeit, in: Ludwig der Bayer, hg. von Seibert (wie Anm. 3), S.  451 – 494. 58 Zitiert nach Murr, Das Mittelalter in der Moderne (wie Anm. 57), S. 148; ebd., S. 146 ff., zum Einfluss ­dieses Gedichts auf die literaturgeschicht­liche Deutung im 19. Jahrhundert.

Ludwig IV. und Friedrich der Schöne Wien – Mühldorf – München Martin Clauss Die Stadt Bonn verdankt dem Wittelsbacher Ludwig IV. zwei Königskrönungen und das Jubiläum, das den Anlass für die wissenschaft­liche Tagung ,Bonn 1314 – Krönung, Krieg und Kompromiss‘ lieferte.1 In dem an Jubiläen nicht armen Jahr 2014 beging man in Regensburg das Krönungsjubiläum Ludwigs IV. in Form der bayerischen Landesausstellung, der einige Tagungen und wissenschaft­liche Publika­tionen vorgelagert waren.2 Ludwig wurde und wird in der Forschung kontrovers diskutiert, et­liche Aspekte seiner Herrschaft sind umstritten und eine allgemein akzeptierte Gesamtwürdigung liegt bislang nicht vor.3 Ludwigs Leben und Herrschaft waren geprägt von Streitigkeiten und Konflikten: mit seinem älteren Bruder Rudolf, mit den Päpsten in Avignon, mit dem franzö­sischen und dem eng­lischen König, mit den Luxemburgern und großen Teilen der Kurfürsten und – für uns entscheidend – mit den Habsburgern und Friedrich dem Schönen. Die Darstellung und Wertung des Wittelsbachers in den zeitgenös­sischen Quellen oszillieren dementsprechend ­zwischen hochfliegender Panegyrik und den Verwünschungen eines Papst Clemens VI., der Ludwig noch kurz vor dessen Tod im Oktober 1347 verfluchte:4 1 Die Vortragsfassung des Beitrages wurde weitgehend beibehalten und nur um die wesent­ lichen Anmerkungen ergänzt. Zu Ludwig IV. vgl. Martin Clauss, Ludwig IV. – der Bayer. Herzög, König, ­Kaiser (kleine bayerische biografien), Regensburg 22014 (auf Einzelnachweise zu ­diesem Buch wird im Folgenden verzichtet). 2 Vgl. Ludwig der Bayer. Wir sind K ­ aiser! Katalog zur Bayerischen Landesausstellung 2014 in Regensburg vom 16. Mai bis 2. November, hg. von Peter Wolf u. a. (Veröffent­lichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 63), Augsburg 2014, und Ludwig der Bayer (1314 – 1347). Reich und Herrschaft im Wandel, hg. von Hubertus Seibert, Regensburg 2014. 3 Maßgeb­lich ist nach wie vor die bislang einzige umfangreiche wissenschaft­liche Biographie Heinz Thomas, Ludwig der Bayer (1282 – 1347): ­Kaiser und Ketzer, Regensburg 1993. Vgl. auch Peter Schmid, Ludwig der Bayer. Herrscher im Widerstreit, Abensberg 1997. Et­liche überzeugende Neubewertungen hat Michael Menzel in diversen Arbeiten vorgenommen; vgl. z. B. Michael Menzel, Die Zeit der Entwürfe. 1273 – 1347 (Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte 7a), Stuttgart 2012, S. 153 – 191. 4 Vgl. Michael Menzel, Quellen zu Ludwig dem Bayern, in: ZBLG 60 (1997), S. 71 – 86.

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Es schlage ihn Gott mit Wahnsinn, Blindheit und Tollwut. Der Himmel schleudere seine Blitze auf ihn. […] Der Erdkreis kämpfe gegen ihn. Die Erde öffne sich und verschlinge ihn lebendig.5

Es kann in d­ iesem Beitrag nicht darum gehen, diese Gegensätze einer Lösung zuzuführen oder einen völlig neuen Ludwig zu präsentieren. Vielmehr sollen für einen Abschnitt in Ludwigs Leben und Herrschaft einige neue Akzente zur Diskussion gestellt werden; es geht um die Phase in Ludwigs Herrschaft, die maßgeb­lich durch sein Verhältnis zu seinem Cousin Friedrich dem Schönen gekennzeichnet war – mithin die Phase bis zu dessen Tod 1330. Folgt man der Forschung, so verbanden F ­ riedrich und Ludwig et­liche Aspekte: Als Kinder wurden sie gemeinsam erzogen, ­später haben sie ein Bett geteilt, Frieden geschlossen und Kriege geführt und die Reichsverfassung umgestaltet.6 Beider Karrieren als Herzöge von Bayern und Österreich und vor allem als Könige im deutschen Reich erklären sich nur durch die Bezugnahme und Abgrenzung auf den jeweils anderen: Ohne F ­ riedrich wäre Ludwig nicht König geworden und ohne Ludwig wäre Friedrich nicht König geworden. Der Beitrag geht einigen Aspekten dieser Wechselbeziehung nach und gliedert sich in drei Abschnitte: Wien steht für die Jugend Ludwigs und ­Friedrichs vor dem Königtum, Mühldorf für Thronstreit und Schlacht und München für die Einigung und das Doppelkönigtum.

Wien – Jugend Über die Jugend Ludwigs IV. wissen wir so gut wie nichts – schon das Geburtsjahr ist umstritten. In der Forschung werden mit unterschied­lichen Argumenten die Jahre 1282, 1283, 1286 oder 1287 favorisiert, wobei der Trend seit Waldemar 5 Zitiert nach Michael Menzel, Ludwig der Bayer. Der letzte Kampf ­zwischen Kaisertum und Papsttum, in: Die Herrscher Bayerns: 25 historische Portraits von Tassilo III. bis ­Ludwig III., hg. von Alois Schmid – Katharina Weigand, München 22006, S. 134 – 148, hier S. 117. 6 Zu Ludwig und Friedrich vgl. Michael Menzel, Ludwig der Bayer (1314 – 1347) und ­Friedrich der Schöne (1314 – 1330), in: Die deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian I. (919 – 1519), hg. von Bernd S­ chneidmüller – Stefan Weinfurter, München 2003, S. 393 – 4 07. Zu Friedrich vgl. etwa Karl-­Friedrich Krieger, Die Habsburger im Mittelalter. Von Rudolf I. bis Friedrich III. (­Kohlhammer Urban-­Taschenbücher 452), Stuttgart 22004, S.  110 – 127, Richard Reifenscheid, ­Friedrich der Schöne, in: Die K ­ aiser. 1200 Jahre euro­päische Geschichte, hg. von Gerhard ­Hartmann – Rudolf Schnith, Graz u. a. 1996, S. 399 – 4 04, oder Alphons Lhotsky, Friedrich der Schöne, in: NDB 5 (1961), S. 487. Eine Biographie zu Friedrich dem Schönen stellt ein Desiderat der Forschung dar.

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Schlögl zu 1282 zu gehen scheint.7 Die Unsicherheit in dieser Frage ist mehr Ausweis für die Quellenproblematik als gravierendes Defizit für die Interpreta­tion der allermeis­ten Aspekte von Leben und Herrschaft Ludwigs. Für die Beziehung ­zwischen den Cousins wird hier aber ein interessanter Aspekt deut­lich. Ludwigs genaues Alter wird näm­lich dann wichtig, wenn man seine Beziehung zu ­Friedrich dem S­ chönen in psychologisierenden Kategorien von emo­tionaler Nähe oder Freundschaft lesen will. Hier ist aber Vorsicht geboten: Die uns zur Verfügung stehenden Texte – Selbstzeugnisse sind nicht darunter – gewähren uns keinen verläss­lichen Einblick in die Emo­tionalität der Akteure. Das Geburtsjahr Friedrichs des Schönen ist in der Forschung unumstritten 1289.8 Die beiden Vettern trennten also – je nach Geburtsdatum für Ludwig IV. – ­zwischen drei und sieben Jahre. Einen Teil ihrer Kindheit sollen beide zusammen in Wien am Hof Herzog Albrechts I. von Österreich verbracht haben. Hierzu wird in der Forschung immer wieder betont, dass die beiden Vettern aufgrund einer gemeinsam verbrachten Kindheit eine enge Bindung zueinander gehabt hätten, sie werden etwa als „Spielkameraden“ bezeichnet.9 Diese Annahme basiert auf einem einzigen Quellenbeleg:10 Dieser stammt aus dem Augustinerchorherrenstift Dießen (Oberbayern) und aus dem Jahr 1365, wurde mithin knapp 20 Jahre nach dem Tod ­Kaiser Ludwigs und über 30 Jahre nach dem Friedrichs des Schönen verfasst.11 Hier wird berichtet, dass Ludwig als kleiner Junge in Wien zusammen mit den Söhnen des Herzogs von Österreich (das bezieht sich auf Albrecht I. von Österreich) die litterae gelernt habe, also in Latein unterrichtet worden sei. Hieraus folgern et­liche Ludwig-­Biographien, dass der Wittelsbacher zusammen mit den habsbur­gischen Herzogssöhnen, also Rudolf III., Friedrich dem Schönen und Leopold I., in Wien erzogen wurde: Man drückte gemeinsam die Schulbank und lernte Latein.12 7 Waldemar Schlögl, Beiträge zur Jugendgeschichte Ludwigs des Bayern, in: DA 33 (1977), S.  182 – 199. 8 So etwa Werner Maleczek, Friedrich der Schöne, in: LexMA 4 (1995), Sp. 939. 9 Menzel, Ludwig der Bayer (wie Anm. 6), S. 394. 10 Die Literatur schweigt zur Jugend Friedrichs des Schönen weitgehend. Karl-­Friedrich ­Krieger, Habsburger im Mittelalter (wie Anm. 6), S. 110 vermerkt: „Im Gegensatz zu seinem Vater und Großvater kann man sich über die Persön­lichkeit des jungen Herzogs [Friedrich der Schöne] kaum ein verläss­liches Bild machen.“ Keine Angaben zu Kindheit und Erziehung finden sich bei Lhotsky, Friedrich der Schöne (wie Anm. 6), ­M aleczek, Friedrich der Schöne (wie Anm. 8) oder Reifenscheid, Friedrich der Schöne (wie Anm. 6). 11 Vgl. Schlögl, Jugendgeschichte Ludwigs des Bayern (wie Anm. 7), S. 195. 12 Vgl. etwa Thomas, Ludwig der Bayer (wie Anm. 3), S. 17 – 18.

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Neben der Tatsache, dass wir es hier mit einem vergleichsweise späten Beleg zu tun haben, steht dem gemeinsamen Lateinunterricht der beiden Vettern die Beobachtung entgegen, dass ihre Lateinkenntnisse zumindest in Zweifel gezogen werden müssen. Alphons Lhotsky konstatiert in seiner Geschichte Österreichs: „Friedrichs Bildungsgrad ist unklar; es ist mög­lich, dass er etwas Latein verstand.“ 13 Eva Schlotheuber hat auf die öffent­liche Diskussion um die Bildung Ludwigs im Kontext seiner Auseinandersetzungen mit der Kurie verwiesen:14 In der ‚Chronik der bayerischen Herzöge‘ (Chronica de ducibus Bavariae) lesen wir, Ludwig habe zum idealen Herrscher nichts gefehlt außer die Kenntnis der lateinischen Sprache. Dies habe sein Kanzler – Meister Ulrich von Augsburg – ausgenutzt und aus persön­licher Rache Schreiben an Papst Johannes mit einem anderen als dem von Ludwig gewollten Inhalt versehen, was dann zur Auseinandersetzung Ludwigs mit der Kurie geführt habe.15 Diese Darstellung ist offenkundig einer bestimmten Inten­tion verpflichtet: Sie will Ludwig von aller Schuld am Streit mit dem Papst freisprechen und gleichzeitig als kirchenfrommen Herrscher präsentieren. Dennoch bleibt, dass es für Lateinkenntnisse Ludwigs und Friedrichs jenseits des einen Hinweises aus Dießen an Belegen fehlt. Nicht jeder, der Latein gelernt hat, kann auch Latein; dennoch bleibt zweifelhaft, ob wir der Episode von der gemeinsamen Erziehung in Wien Glauben schenken dürfen. Damit wäre dann auch einer innigen Verbundenheit aufgrund einer gemeinsamen Jugend die Grundlage entzogen.

Mühldorf – Thronstreit Festeren Boden betreten wir beim ersten Konfliktfeld z­ wischen Ludwig und ­Friedrich: dem Einfluss auf Niederbayern. Seit 1312 regierte Ludwig als Vormund der minderjährigen Herzöge – Heinrich der Jüngere, Heinrich der Ältere und Otto IV. – über ­dieses bayerische Teilherzogtum. In Niederbayern kollidierten die Interessensphären

13 Alphons Lhotsky, Geschichte Österreichs seit der Mitte des 13. Jahrhunderts. 1281 – 1358 (Geschichte Österreichs 2,1), Graz – Wien – Köln 1967, S. 170. 14 Vgl. Eva Schlotheuber, Öffent­liche Diskurse über die Bildung des Königs. Die Herrscherpersön­lichkeit Ludwigs des Bayern im Spiegel der zeitgenös­sischen Chronistik, in: Reich und Herrschaft im Wandel, hg. von Seibert (wie Anm. 2), S. 387 – 412. Ein Hinweis auf die Ausbildung Ludwigs in Wien findet sich hier nicht. 15 Vgl. Chronica de ducibus Bavariae, ed. Georg Leidinger, in: Bayerische Chroniken des 14. Jahrhunderts (MGH SS rer Germ [19]), Hannover – Leipzig 1918, S. 151 – 175, hier S. 157 f.

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der oberbayerischen und österreichischen Herzogtümer, und so kam es zunächst zu Verhandlungen z­ wischen Ludwig und Friedrich: Bernhard Lübbers hat jüngst drauf hingewiesen, dass neben einem bereits hinläng­lich bekannten Treffen in Landau an der Isar, wo Ludwig das Schwert gegen Friedrich gezogen haben soll, im September 1313 ein weiteres Treffen im niederbayerischen Zisterzienserkloster Aldersbach stattgefunden hat.16 Trotz dieser mehrfachen Bemühungen konnten die Vettern keine Lösung auf dem Verhandlungsweg finden, und es kam zum Waffengang und zur Schlacht bei Gammelsdorf am 9. November 1313. Wie bei fast allen mittelalter­lichen Schlachten können wir nicht mehr genau ermitteln, was sich auf dem Schlachtfeld zugetragen hat, wie Ludwig agierte und w ­ elchen Anteil er am Sieg seiner Truppen hatte – sei es als Feldherr oder als Kämpfer.17 Die Schilderung in der ‚Chronik von den Taten der Fürsten‘ (Chronica de gestis principum), die uns Ludwig als aktiven Kämpfer und Motivator seiner Truppen vorstellt, ist offensicht­lich einem Herrscher­ ideal verpflichtet und wertet ex post.18 Entscheidend für die weitere Entwicklung sollte sein, dass Ludwig siegreich blieb. Er hatte sich damit in der niederbayerischen Frage durchgesetzt und die Habsburger militärisch bezwungen – Friedrich der Schöne selbst war in Gammelsdorf nicht anwesend. Dieser Sieg ist in zweifacher Hinsicht für die weitere Karriere Ludwigs entscheidend: Er vergrößerte in den folgenden Jahren die territoriale Grundlage seiner Herrschaft und posi­tionierte ihn gegen die Habsburger und Friedrich den Schönen. Dies bringt uns zum ersten Teil der eingangs aufgestellten These, dass Ludwig ohne Friedrich nicht König geworden wäre. Ludwigs Kandidatur – die Forschung diskutiert hier, ob er eigenständig aktiv oder von der luxembur­gischen Partei nach dem Ausscheiden Johanns von Böhmen aufgestellt wurde 19 – war eine Gegenkandidatur gegen Friedrich den Schönen. Nach dem Tod Heinrichs VII. in Italien standen zwei Thronanwärter relativ schnell fest, die sich durch ihre Hausmacht und die Zugehörigkeit zu einer Königsfamilie auszeichneten: Friedrich der Schöne und Johann von Luxemburg. Die luxembur­gische 16 Vgl. Bernhard Lübbers, Briga enim principum, que ex nulla causa sumpsit exordium … Die Schlacht bei Gammelsdorf am 9. November 1313. Historisches Geschehen und Nachwirken, in: Reich und Herrschaft im Wandel, hg. von Seibert (wie Anm. 2), S. 205 – 236. 17 Vgl. mit weiterführenden Hinweisen zu Gammelsdorf jetzt Lübbers, Schlacht bei Gammels­ dorf (wie Anm. 16). 18 Vgl. Chronica de gestis principum, ed. Georg Leidinger, in: Bayerische Chroniken, ed. Leidinger (wie Anm. 15) [künftig: Chronica de gestis principum], S. 1 – 104, hier S.  67 – 68. 19 Vgl. hierzu etwa Ernst Schubert, Kurfürsten und Wahlkönigtum. Die Wahlen von 1308, 1314 und 1346 und der Kurverein von Rhens, in: Balduin von Luxemburg Erzbischof von Trier, Kurfürst des Reiches. 1285 – 1354. Festschrift aus Anlass des 700. Geburtsjahres, hg. von Franz-­Josef Heyen – Johannes Mötsch, Mainz 1985, S. 103 – 117, hier S. 107 – 111.

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Partei suchte nach dem Rückzug Johanns einen neuen Kandidaten und kam auf Ludwig. Als Mitglieder einer altehrwürdigen reichsfürst­lichen Familie waren die wittelsbachischen Herzöge schon bei früheren Gelegenheiten als Königskandidaten im Gespräch gewesen.20 Was zeichnete Ludwig darüber hinaus aus? In der wittels­ bachischen Chronistik ist die Sachlage klar: Der Sieger von Gammelsdorf hatte sich reichsweiten Ruhm erworben und sich so für das Königsamt qualifiziert.21 Diese Argumenta­tion passt sich ebenso in eine wittelsbachische Panegyrik ein wie die Behauptung, Ludwig habe die ihm angetragene Aufgabe nur sehr zöger­lich und aus Pflichtbewusstsein heraus angenommen.22 Die Charakterisierung des Treffens von Gammelsdorf in der Forschung schwankt ­zwischen Scharmützel und Ritterschlacht, es scheint aber sicher, dass nicht der Schlachtenruhm als solcher ausschlaggebend für Ludwigs Kandidatur war – die entsprechenden Narrative finden sich sämt­lich in wittelsbachischen Geschichtsdeutungen, die nach der Wahl von 1314 entstanden sind. Entscheidend ist hier ein anderer Punkt: Nicht Schlachtenruhm, sondern ein Sieg über die Habsburger machte Ludwig zum geeigneten Kandidaten gegen Friedrich den Schönen. Hinzu kam, dass Ludwig über eine vergleichsweise schmale Machtbasis verfügte – die Pfalzgrafschaft bei Rhein und das Herzogtum Oberbayern musste er sich mit seinem älteren Bruder Rudolf teilen, und mit ­diesem lag er meistens im Streit. Ludwig war also der ideale Gegenkandidat gegen Friedrich den Schönen: nicht zu mächtig, um die Stellung der Kurfürsten zu gefährden, und doch aussichtsreich im Agieren gegen den Habsburger. Wenn damit das Kalkül der Ludwig unterstützenden Kurfürsten – König Johann von Böhmen, Erzbischof Balduin von Trier, Erzbischof Peter von Mainz, Herzog Johann von Sachsen-­Lauenburg und Markgraf Waldemar von Brandenburg – treffend beschrieben ist, sollten sie sich zunächst enttäuscht sehen. Auf Doppelwahl und -krönung folgte eine langwierige militärische Auseinandersetzung, in der Ludwig keineswegs als entschlossener Feldherr und siegesgewisser Krieger auftrat.23 Die Auseinandersetzungen in den Jahren von 1314 bis 1322 waren von

20 So etwa 1273 der Vater Ludwigs IV., Ludwig II., vgl. Handbuch der bayerischen Geschichte, hg. von Max Spindler – Andreas Kraus, München 21988, S. 90. 1308 sind Ludwig IV. selbst und sein Bruder Rudolf als Kandidaten greifbar; vgl. Thomas, Ludwig der Bayer (wie Anm. 3), S. 33. 21 Vgl. Chronica Ludovici Imperatoris Quarti, ed. Georg Leidinger, in: Bayerische Chroniken, ed. Leidinger (wie Anm. 15), S. 105 – 138, hier S. 124, und Chronica de gestis principum, S. 78. 22 Vgl. Chronica de gestis principum, S. 78. 23 Vgl. zum Thronstreit Heinrich Schrohe, Der Kampf der Gegenkönige Ludwig und ­Friedrich um das Reich bis zur Entscheidungsschlacht bei Mühldorf, Berlin 1901.

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großer strate­gischer und vor allem taktischer Zurückhaltung Ludwigs geprägt – das kann man als Furchtsamkeit oder kluge Einsicht in seine Mög­lichkeiten auslegen, je nach Perspektive.24 In den Jahren 1315, 1316, 1319 und 1320 standen sich die Kämpfer des Wittelsbachers und der Habsburger fünfmal kampfbereit gegenüber, ohne dass es zu einer Schlacht gekommen wäre. Viermal – bei Speyer (1315), Esslingen (1316), Mühldorf (1319) und Straßburg (1320) – zog sich Ludwig zurück, einmal hingegen Friedrich – bei Landsberg 1315. Wir greifen hier eine für das Mittelalter durchaus typische Art der Kriegsführung: Beide Kriegsparteien mobilisierten für zeit­lich begrenzte Feldzüge Truppenverbände, agierten mal mehr und mal weniger in Kenntnis der Ak­tionen des Gegners und versuchten ­diesem Schaden zuzufügen, ohne sich dem Risiko einer Feldschlacht auszusetzen.25 Diese Art der Kriegsführung mochte in et­lichen Fällen bewährt sein, sie erwies sich als ungeeignet, um einen Thronkonflikt zu beenden. Dies wird an einer Episode zum Jahr 1320 deut­lich, die Mathias von Neuenburg erzählt:26 Vor Straßburg lagen sich die Truppen Ludwigs und Leopolds – des Bruders Friedrichs des Schönen – gegenüber. Der Chronist berichtet nun von der Ankunft Friedrichs im Lager seines Bruders, w ­ elche die Situa­tion entscheidend verändert: Zum einen freut sich Leopold über die Hilfe, zum anderen wird damit den bayerischen Truppen der Vorwand zur Schlachtvermeidung genommen. Die Truppen Ludwigs sollen näm­lich erklärt haben, gegen Leopold nicht kämpfen zu wollen, „weil sie mit dessen Besiegung das Ende ihrer Arbeit noch nicht erreicht hätten“.27 In den Augen des pro-­habsbur­gischen Chronisten ist das offensicht­lich eine Ausrede der feigen Bayern, die sich nicht trauen, gegen die Habsburger zu kämpfen. Die narrative Logik der Szene rekurriert aber auf ein kommunizierbares, weil anerkanntes Grundverständnis der Situa­tion: Erst die Beteiligung der beiden Thronanwärter macht eine Schlacht zur Entscheidungsschlacht. Dass Ludwig und seine Bayern sich nun trotz der Anwesenheit Friedrichs zurückziehen, verdeut­licht in den Augen Mathias von Neuenburg ihre Feigheit und desavouiert den Hinweis 24 Zu Ludwig IV. als Feldherr vgl. Jörg Rogge, Louis IV., in: The Oxford Encyclopedia of Medieval Warfare and Military Technology 2 (2010), S. 523 – 524, hier S. 524: „Louis was a cautious military leader, not known for seeking battle.“ 25 Zur Kontroverse in der Forschung über battle-­seeking und battle-­avoiding strategy vgl. Hans-­ Henning Kortüm, Kriege und Krieger. 500 – 1500, Stuttgart 2010, S. 170 – 172. Allgemeingültige Aussagen für die Epoche sind hier sicher­lich nicht mög­lich. 26 Vgl. Die Chronik des Mathias von Neuenburg, ed. Adolf Hofmeister (MGH SS rer Germ N. S. 4), Berlin 1955, Fassung B [künftig: Chronik des Mathias von Neuenburg], c. 44, S. 109 – 112. 27 Chronik des Mathias von Neuenburg, c. 44, S. 112: Pretenderant enim inferiores se nolle conflingere cum Lúpoldo, cum eo victo finem negocii non haberent.

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auf die Abwesenheit Friedrichs als Schutzbehauptung. Beim Thronstreit haben wir es also mit einer besonderen Art der militärischen Auseinandersetzung zu tun: Königsherrschaft wurde personal gedacht und somit war das persön­liche Agieren der Thronanwärter zwingend erforder­lich.28 Nur der Sieg über den Rivalen konnte den Streit entscheiden. Dies erklärt die Vorsicht, die Ludwig walten ließ, und das Dilemma, in dem er sich befand: Er konnte sich nicht unbegrenzt der Schlacht entziehen, sondern musste seinen Anspruch in eigener Person auf dem Schlachtfeld behaupten. Die Abfolge von Schlachtverweigerungen schwächte die Posi­tion des Wittelsbachers zunehmend, der eben nicht in der Tradi­tion von Gammelsdorf als ruhmreicher Feldherr agierte, sondern mehr und mehr als Zauderer wahrgenommen wurde. So vermerkt die ‚Chronik von den Taten der Fürsten‘, die ­Ludwig vollauf wohlgesonnen ist, nach dessen Rückzug vor Straßburg: „Und wie ich denke, waren unsere Sünden daran schuld, dass zum Schaden des Gemeinwesens und zur Störung des Friedens die Feldschlacht zum vierten Mal versäumt wurde.“  29 Die Vermeidungsstrategie verlängerte den Konflikt, der durch Schadentrachten keinem Ergebnis zugeführt werden konnte, und schadete dem Ansehen Ludwigs. So erklärt sich auch, warum es 1322 zur Schlacht von Mühldorf kam.30 Die Verknüpfung von Königsherrschaft und Kriegsteilnahme ist wesent­lich für das Zustandekommen der Schlacht und für das Verhalten beider Protagonisten in ihr – oder doch die Art, wie davon erzählt wurde.31 Wie schon in vielen Situa­tionen im Thronstreit gab Friedrich auch 1322 die Strategie vor und Ludwig reagierte. Die ‚Chronik von den Taten der Fürsten‘ stellt die habsbur­gische Strategie wie folgt dar: Friedrich sollte mit einer Abteilung von Österreich her auf Ludwigs Kerngebiet vorrücken, sein Bruder Leopold von den habsbur­gischen Stammlanden im Westen. Die Brüder wollten Ludwig wie einen Fisch ins Netz treiben.32 Und Ludwig ließ sich treiben: Offenbar sah er sich wegen des zunehmenden Prestigeverlusts durch 28 Vgl. zum Verhältnis von Königtum und Krieg im Mittelalter: Der König als Krieger. Zum Verhältnis von Königtum und Krieg im Mittelalter. Beiträge der Tagung des Zentrums für Mittelalterstudien der Otto-Friedrich-Universität Bamberg (13. – 15. März 2013) hg. von Martin Clauss – Andrea Stieldorf – Tobias Weller (Bamberger interdisziplinäre Mittelalterstudien. Vorträge und Vorlesungen 5), Bamberg 2015. 29 Chronica de gestis principum, S. 91: Nostris ut estimo, peccatis exigentibus in malum rei publice et ad turbacionem pacis campestre bellum iam negligitur quarta vice. 30 Vgl. zur Schlacht von Mühldorf mit weiterer Literatur Martin Clauss, Mühldorf, Battle of, in: The Oxford Encyclopedia of Medieval Warfare and Military Technology 3 (2010), S.  34 – 35. 31 Vgl. zu den Quellen zur Schlacht von Mühldorf Wilhelm Erben, Die Berichte der erzählenden Quellen über die Schlacht bei Mühldorf, Wien 1917. 32 Vgl. Chronica de gestis principum, S. 93.

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seine evasive Strategie der vergangenen Jahre nun zur Schlacht genötigt. Er rückte auf Friedrich vor und beide Truppen kamen bei Mühldorf in Schlagdistanz, bevor das Netz fertig war, bevor also Leopold von Westen her seine Truppen zugeführt hatte. Nun war es an Friedrich, sich gemäß der Logik von Königsherrschaft, Krieg und Prestige zu verhalten. Er wartete nicht ab, bis die habsbur­gischen Truppen komplett waren, sondern suchte die Schlacht. Die habsburgfreund­lichen Quellen lassen keinen Zweifel daran, dass die Schlacht bei Mühldorf eine bewusste Entscheidung Friedrichs war, führen diese angesichts der Niederlage frei­lich nicht auf die gerade skizzierte Logik, sondern auf den Friedenswillen des Habsburgers zurück: Der Bürgerkrieg habe schon zu lange gedauert und zu viele Witwen und Waisen hervorgebracht; daher wollte Friedrich den Konflikt bei Mühldorf zu einem Ende führen.33 Wie schon bei Gammelsdorf, so ist es auch für die Schlacht von Mühldorf schwer, den Hergang im Detail zu erfassen. Deut­lich greifen wir aber in manchen Texten das Bemühen, den jeweiligen Protagonisten ins rechte und den Antagonisten ins schlechte Licht zu rücken.34 Grundlage dabei ist weniger zweckra­tionales Verhalten im Sinne militärischer Logik oder Herrschaftsraison als der Zusammenhang von kriegerischer Tapferkeit, Eignung zum Königtum und Heldentum. Sehr deut­lich wird dies bei Mathias von Neuenburg, der über die Schlacht mit Sympathien für Friedrich schreibt.35 Beide Könige sind bei Mathias auf dem Schlachtfeld anwesend – frei­lich in gänz­lich unterschied­licher Haltung: Während Friedrich sich durch Krone und Banner deut­lich als König zu erkennen gibt und damit für alle sichtbar in eigener Person für seinen Anspruch eintritt, versteckt Ludwig sich feige. Er tarnt sich im weiß-­blauen Waffenrock in einer Gruppe gleichgekleideter Ritter, weil er Angst um sein Leben hat. Der Sieg fällt hier nicht dem Tapfereren zu, Friedrich verliert vielmehr, weil seine Truppen ihn im Stich lassen. Somit ist auch gleich ein Grund für die Gefangennahme Friedrichs zur Hand, die nach Maßgabe habsbur­gischer Herrschaftsraison auf jeden Fall zu vermeiden gewesen wäre: Ein tapferer Streiter wie Friedrich flieht nicht feige, sondern stellt sich dem Feind bis zum Schluss. Ganz anders Ludwig: Er kämpft bei Mathias gar nicht und ist nur Nutznießer vom Verrat der feigen Österreicher, die Friedrich im Stich lassen. Diese Sichtweise ist eindeutig parteiisch. Interessanterweise findet sich aber auch unter den pro-­wittelsbachischen Texten keiner, der Ludwig als heroischen 33 So etwa die ‚österreichische Erzählung über den Streit von Mühldorf ‘, zitiert nach Erben, Berichte (wie Anm. 31), S. 248 – 261, hier Version I, S. 253. 34 Vgl. hierzu Martin Clauss, Kriegsniederlagen im Mittelalter. Darstellung – Deutung – Bewältigung (Krieg in der Geschichte 54), Paderborn u. a. 2010, S. 241 – 244 und S. 260 – 262. 35 Vgl. Chronik des Mathias von Neuenburg, c. 49, S. 118 – 121.

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Kämpfer feiert – andere Motive, wie das Gottvertrauen des verdienten Siegers, finden sich sehr wohl. Offenbar schweigen die Quellen zu Ludwigs Tapferkeit und Kampfesmut, weil es hier nichts zu berichten gab.36 Wie ist nun das Ergebnis der Schlacht von Mühldorf, der Sieg Ludwigs und die Gefangennahme Friedrichs, zu bewerten? Gerald Schwedler hat die verschiedenen Quellenaussagen zum Treffen der beiden Vettern auf dem Schlachtfeld zusammengetragen und festgestellt, dass „auf ereignisgeschicht­licher Ebene“ kein konsistentes Bild zu konstruieren ist.37 Der Ausgang der Schlacht verschaffte Ludwig eindeutig politisch-­strate­gische Vorteile und er war in zweifacher Hinsicht offenbar unerwartet: Das betrifft zunächst den Sieg an sich und dann die Konstella­tion, die sich aus der Gefangennahme Friedrichs ergab. Et­liche historiographische Erzählungen zu Mühldorf basieren auf der Todesfurcht Ludwigs und Friedrichs, was darauf schließen lässt, dass der Tod eines der beiden Thronanwärter in oder nach einer Schlacht des Thronstreites für die zeitgenös­sischen Adressaten plausibel war.38 Diese Vorstellung passt auch gut zu dem gerade geschilderten Zusammenhang von Thronstreit und persön­lichem Einsatz der Könige und wird durch die historische Erfahrung gestützt. In zwei Schlachten, in denen sich vor Mühldorf zwei rivalisierende Könige gegenüberstanden, kam der Verlierer jeweils ums Leben: Ottokar von Böhmen fiel bei Dürnkrut und Jedenspeigen 127839 und Adolf von Nassau 1298 bei Göllheim 40. Sieger und Profiteur des Schlachtentodes war jeweils ein Habsburger, Rudolf – der Großvater Friedrichs des Schönen – und Albrecht I. – sein Vater. Blickt man weiter zurück, so fand auch der Thronanwärter Rudolf von Rheinfelden im Kampf gegen Heinrich IV. im Jahr 1080, wenn auch nicht in der Schlacht an der Elster selbst, so doch an den Spätfolgen den Tod.41 In Thronkämpfen galt es, einiges zu riskieren, und der Tod des Konkurrenten lag durchaus im Interesse des Siegers. Vor ­diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum Friedrich der Schöne seine Niederlage überlebte. Der Erfahrungsschatz von drei Königen, die auf 36 So schon Thomas, Ludwig der Bayer (wie Anm. 3), S. 104. 37 Gerald Schwedler, Herrschertreffen des Spätmittelalters. Formen, Rituale, Wirkungen (Mittelalter-­Forschungen 21), Stuttgart 2008, S. 231. 38 So etwa Chronik des Mathias von Neuenburg, c. 49, S. 119 für Ludwig oder Chronica Ludovici Imperatoris Quarti (wie Anm. 21), S. 128 für Friedrich. 39 Vgl. Karl-­Friedrich Krieger, Die Schlacht von Dürnkrut 1278, in: Höhepunkte des Mittel­ alters, hg. von Georg Scheibelreiter, Darmstadt 2004, S. 154 – 165. 4 0 Vgl. Malte Prietzel, Kriegführung im Mittelalter. Handlungen, Erinnerungen, Bedeutungen (Krieg in der Geschichte 32), Paderborn u. a. 2006, S. 97. 41 Vgl. Michaela Muylkens, Reges geminati. Die Gegenkönige in der Zeit Heinrichs IV. (Historische Studien 501), Husum 2012, S. 202.

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dem Schlachtfeld ihr Leben ließen, sollte hier nicht zur Annahme von allzu viel Regelhaftigkeit verleiten. Jede mittelalter­liche Schlacht war von zahlreichen Kontingenzen gekennzeichnet, die ein inten­tionales Handeln gegenüber einzelnen Personen nur bedingt ermög­lichten. Ottokar von Böhmen etwa wurde nicht als Teil der habsbur­g ischen Strategie, sondern aus privater Rache umgebracht. Hinzu kommt, dass nicht alle Akteure auf dem Schlachtfeld die gleichen Interessen hatten, auch wenn sie einer Partei angehörten. Die Erzählungen zur Gefangennahme Friedrichs sind stark von Darstellungsabsicht und Motivik gekennzeichnet. Erkennbar scheint aber, dass der Burggraf von Nürnberg und eventuell noch andere, weniger prominente Kämpfer in seine Gefangennahme involviert waren, bevor Friedrich an Ludwig IV . übergeben wurde. Den Fängern Friedrichs ging es wohl in erster Linie um Lösegeld, was das Überleben der Beute notwendig machte.

München – Doppelkönigtum Die Gefangenschaft des Gegenspielers in einem Thronstreit stellte den Sieger vor das Problem, wie er mit einer Konstella­tion umgehen sollte, die zwar einen militärischen Sieger, aber kein endgültiges Ergebnis hervorgebracht hat: Der Rivale war am Leben und damit das Gottesurteil der Schlacht nicht in letzter Konsequenz eindeutig.42 Was also resultierte aus der Gefangennahme Friedrichs? Nach dem Sieg von Mühldorf zeigte sich schnell: Ein Thronstreit ohne persön­liche Beteiligung der Thronkandidaten war nichts, ein Sieg über einen Thronkandidaten aber auch nicht alles. Auch die hohe symbo­lische Bedeutung der Gefangenname Friedrichs konnte nicht über die militärisch-­politische Situa­tion hinwegtäuschen: Noch immer stand ein habsbur­gisches Heer im Feld, mit Leopold an der Spitze waren die Habsburger durchaus handlungsfähig und als politische Macht im Reich und im Thronkampf keineswegs ausgeschaltet. Dies zeigte sich etwa in der von habsbur­gischen Quellen genüss­lich tradierten Episode, Ludwig habe das Schlachtfeld von Mühldorf sofort wieder geräumt und nicht – wie oftmals als üb­lich angesehen – seinen Sieg durch den Verbleib auf der Wallstatt kommuniziert.43 Darüber hinaus waren die 42 Vgl. zu ­diesem Gedanken mit Bezug auf die Schlacht von Fontenoy 841 Martin Clauss, Die Schlacht als narratives Konstrukt. 841: Zweimal Fontenoy, in: Kulturgeschichte der Schlacht, hg. von Marian Füssel – Michael Sikora (Krieg in der Geschichte 78), Paderborn u. a. 2014, S. 53 – 78. 43 Vgl. Chronik des Mathias von Neuenburg, c. 49, S. 121. Zum symbo­lischen Akt des Verbleibens auf dem Schlachtfeld vgl. Prietzel, Kriegführung (wie Anm. 40), S. 150 – 158,

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­militärischen Ak­tionen des Thronstreites nach Mühldorf keineswegs beendet: Im Winter 1324/25 belagerte Ludwig das habsbur­gische Burgau in Ostschwaben.44 Als Leopold mit einem Entsatzheer anrückte, musste sich Ludwig unter Zurücklassung seiner Belagerungsausrüstung im Januar 1325 fast fluchtartig zurückziehen. Die Belagerung von Burgau fügt sich rückblickend gut in das Bild, das wir von Ludwigs Verhalten im Thronstreit gewonnen haben: Er mied die Konfronta­tion eher, als dass er sie suchte, und überließ den Habsburgern immer wieder das Feld. Hinzu kam, dass sich für Ludwig ab Oktober 1323 ein neues Konfliktfeld aufgetan hatte, das ihn bis zu seinem Tod begleiten sollte: der Streit mit der avignone­sischen Kurie.45 Das Agieren Ludwigs nach dem Sieg bei Mühldorf kann also nicht allein vor dem Hintergrund des Thronstreites gedeutet werden, weil dieser sich nun mit anderen Konfliktfeldern verschränkte. So erklärt sich, wie sich die Beziehung ­zwischen Friedrich und Ludwig weiterhin entwickelte und warum Ludwig seinem besiegten Konkurrenten das Königtum sicherte. Friedrich der Schöne durchlief durch seine Gefangenschaft einen doppelten Statuswechsel: vom politisch(en) eigenständigen Akteur zum reaktiven Gefangenen und vom – aus wittelsbachischer Sicht – unrechtmäßigen Thronanwärter zum König. Die politische Ak­tionsmacht lag nach Mühldorf zunächst bei Ludwig, wenn auch nicht uneingeschränkt. Der Ausgang der Schlacht warf für Ludwig IV . die Frage auf, wie er mit dem gefangenen Gegenkönig verfahren sollte. Eine Freilassung gegen Lösegeld wird in den Quellen nicht erwähnt und kam offenkundig nicht in Frage. Ludwig wollte politisches Kapital aus seinem Schlachtenglück generieren. Zum besseren Verständnis der Situa­tion bietet sich der Vergleich mit einer ähn­lich gelagerten Konstella­tion im 14. Jahrhundert an: die Gefangenschaft König Johanns II . von Frankreich nach der Schlacht bei Poitiers im Hundertjährigen Krieg.46 Entscheidende Elemente beider Situa­tionen sind sehr und S. 160 (zu Mühldorf ). 4 4 Vgl. Klaus von Andrian, Die Belagerung von Burgau durch König Ludwig den Bayern im Winter 1324/25, in: Das obere Schwaben 3 (1956), S. 206 – 218. 45 Vgl. hierzu beispielhaft Jürgen Miethke, Der Kampf Ludwigs des Bayern mit Papst und avignone­sischer Kurie in seiner Bedeutung für die deutsche Geschichte, in: K ­ aiser Ludwig der Bayer. Konflikte, Weichenstellungen und Wahrnehmung seiner Herrschaft, hg. von Hermann Nehlsen  – Hans-­Georg Hermann, Paderborn 2002, S. 39 – 74. Ursachen und Verlauf ­dieses Konfliktes sind für die folgende Argumenta­tion weitgehend nachrangig. 46 Vgl. zu Johann II. von Frankreich Jean Deviosse, Jean le Bon, Paris 1985; zum Hundertjährigen Krieg Martin Clauss, Das Ringen ­zwischen England und Frankreich. Der Hundert­jährige Krieg, in: Europa im 15. Jahrhundert. Herbst des Mittelalters – Frühling der Neuzeit?, hg. von Klaus Herbers – Florian Schuller, Regensburg 2012, S. 183 – 203; zu

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ä­ hn­lich und verweisen auf die gemeinsame Problematik. In beiden Fällen erhoben zwei Könige Anspruch auf einen Thron: Ludwig IV . und Friedrich der Schöne sahen sich als König des römisch-­deutschen Reiches, Eduard III . und Johann II . beanspruchten beide den franzö­sischen Thron für sich. In beiden Fällen fungierten die gefangenen Könige als Verhandlungspartner für ihre siegreichen Gegner und in beiden Fällen wurden die gefangenen Thronprätendenten schließ­lich gemäß ihrem Anspruch als Könige anerkannt: ­Friedrich der Schöne als römisch-­deutscher König im Doppelkönigtum von München 1325 und Johann II . als König von Frankreich im Frieden von B ­ rétigny 1360. In beiden Fällen führte also die Niederlage in einer Schlacht zur letzt­lichen Anerkennung eines vorher bestrittenen Thronanspruches durch den Sieger. Der Grund hierfür liegt im strukturellen Dilemma, das sich aus der Gefangennahme eines Gegen­königs ergab und den politischen Entwicklungen ­zwischen Gefangennahme und Anerkennung. Das strukturelle Dilemma für Ludwig IV . und Eduard III . bestand in der Frage, wen man eigent­lich gefangen hatte. Die Anerkennung des Thronanspruches des gefangenen Kontrahenten lief zwar den bislang gestellten Forderungen entgegen, erhöhte aber den Wert der Beute beträcht­lich: im materiell-­symbo­lischen Sinne und als Verhandlungspartner für alle künftigen Abkommen. Indem Eduard III . Johann von Frankreich schon bei dessen Einzug in London im Mai 1357 könig­liche Ehren zuteilwerden ließ, machte er deut­lich, wen er da in seiner Gewalt hielt: nicht Johann von Valois, einen Usurpator, sondern Johann, den König von Frankreich.47 Mit ­diesem konnte er dann über Gebietsabtretungen und Lösegeld verhandeln. Die ­g leiche Logik greifen wir auch ­zwischen Ludwig und ­Friedrich, wenn auch aufgrund der Entwicklungen ­zwischen Gefangennahme und Freilassung in etwas anderer zeit­licher Abfolge. Unmittelbar nach dem Sieg von Mühldorf begnügte sich Ludwig damit, ­Friedrich auf der Burg Trausnitz in der Ober­ pfalz festzusetzen.48 Bis zur sogenannten Trausnitzer Sühne im März 1325, die Poitiers und den Folgen bis zum Vertrag von Brétigny Jonathan Sump­t ion, The Hundred Years War II. Trial by Fire, London 2001, S. 195 – 454. 47 Vgl. Schwedler, Herrschertreffen (wie Anm. 37), S. 208 – 216. 48 Vgl. zu den Entwicklungen ­zwischen der Schlacht von Mühldorf und dem Vertrag von ­München (mit Hinweisen auf ältere Literatur) Gerald Schwedler, Bayern und Österreich auf dem Thron vereint. Das Prinzip der gesamten Hand als Verfassungsinnova­tion für das Doppelkönigtum von 1325, in: Reich und Herrschaft im Wandel, hg. von Seibert (wie Anm. 2), S. 147 – 166; Claudia Garnier, Symbo­lische Kommunika­tion während der Herrschaft Ludwigs des Bayern am Beispiel von Bündnis- und Friedensschlüssen, in: ebd., S. 169 – 190 und Claudia Garnier, Der doppelte König. Zur Visualisierung einer neuen Herrschaftskonzep­tion im 14. Jahrhundert, in: FmSt 44 (2010), S. 265 – 290.

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zur Freilassung Friedrichs führte, scheint es zu keinem Kontakt und keiner Unterredung z­ wischen den Vettern gekommen zu sein.49 In dieser Zeit änderte sich die politische Lage für Ludwig aber grundlegend und damit der Wert, den Friedrich der Schöne für ihn hatte. Dies lag zum einen an dem schon angesprochenen Streit mit der Kurie und zum anderen an den Aktivitäten Leopolds von Habsburg.50 Dieser war nicht nur nach wie vor militärisch gegen Ludwig aktiv und erfolgreich, sondern bemühte sich im Jahr 1324 auch um Verhandlungen mit der Kurie und der franzö­sischen Krone um eine kapetin­g ische Thronkandidatur im Reich. Im Vertrag von B ­ ar-­sur-­Aube vom Juli 1324 verpflichtete sich Leopold, die Kandidatur Karls IV . von Frankreich für die römisch-­deutsche Krone zu unterstützen. Leopold hatte die Ansprüche seines Bruders zu d­ iesem Zeitpunkt offenbar aufgegeben. Auch wenn diese Bemühungen am Widerstand einiger Kurfürsten scheiterten, veranlasste die Konstella­tion Ludwig IV . doch dazu, den Wert seines Gefangenen zu überdenken. Sein Ziel dabei war, für sein Vorgehen in Italien und gegen den Papst Rückhalt im Reich zu gewinnen und auch die Habsburger auf seine Seite zu ziehen.51 Dies konnte am besten gelingen, wenn er Friedrich an sich band und ihn dazu brachte, den Rest der habsbur­ gischen Familie auf Ludwigs Seite zu ziehen. Dazu war ein weiterer Verbleib Friedrichs in Gefangenschaft nicht geeignet, seine Funk­tion als Faustpfand für habsbur­g isches Wohlwollen oder zumindest Stillhalten hatte Friedrich der Schöne 1324/25 endgültig verloren – wenn er diese jemals erfüllt hatte. Nun brauchte Ludwig einen aktiven Friedrich auf seiner Seite, den er gegen die Kurie in Stellung bringen konnte. Dies erreichte er in drei Schritten, die man mit Michael Menzel als Teil einer Strategie im Kampf gegen die Kurie lesen kann52: die Trausnitzer Sühne vom März 1325, den Vertrag von München vom September 1325 und den Vertrag von Ulm vom Januar 1326.53 Zunächst wurde in der Trausnitzer Sühne die Freilassung Friedrichs gegen die Anerkennung von Ludwigs Königtum vereinbart, unter der Maßgabe, dass Friedrich auch seinen Bruder zur Anerkennung der Vereinbarung bewegen konnte. Dies scheiterte vorhersehbar, was dann zum Vertrag von München und

49 So Schwedler, Herrschertreffen (wie Anm. 37), S. 232. 50 Vgl. hierzu Thomas, Ludwig der Bayer (wie Anm. 3), S. 170 – 171. 51 Vgl. Roland Pauler, Friedrich der Schöne als Garant der Herrschaft Ludwigs des Bayern in Deutschland, in: ZBLG 61 (1998), S. 645 – 662. 52 Vgl. Menzel, Zeit der Entwürfe (wie Anm. 3), S. 164 – 170, oder Menzel, Ludwig der Bayer (wie Anm. 5), S. 112 – 117. 53 Vgl. MGH Const. 6,1: 1325 – 1330, ed. Jakob Schwalm, Hannover 1914 – 1927, Nr. 29 (Trausnitzer Sühne), Nr. 105 (Vertrag von München), Nr. 140 und Nr. 141 (Ulmer Vertrag).

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zum Doppelkönigtum führte. An ­diesem Vertrag interessiert hier vor allem die politische Dimension – weniger der recht­liche Hintergrund oder der symbo­ lische Gehalt.54 Entscheidend ist hierbei, dass Ludwig seinen Verhandlungspartner zum König machte und so zweierlei erreichte. Zum einen brachte er die Habsburger auf seine Seite, indem er Friedrich den Status zuerkannte, den er ihm in Mühldorf erst entrissen zu haben schien. Damit war ihm in Friedrich wieder ein wirkmächtiger Verhandlungspartner erwachsen, der Ludwig mehr nützte als ein eingeschlossener Prätendent. Darüber hinaus legte er durch den Vertrag von München den Grundstein für den nächsten Schritt in der Auseinandersetzung mit der Kurie: den Thronverzicht vom Januar 1326 im Ulmer Vertrag. Ludwig bot hier dem Papst an, auf seinen Thron zu verzichten, wenn dieser an seinen Mitkönig Friedrich gehen würde. Vor dem Hintergrund der Exkommunika­ tion Ludwigs im März 1324 und der öffent­lich und symbolkräftigen Gemeinschaft von Friedrich und Ludwig rund um den Vertrag von München musste Papst ­Johannes  XXII . diesen Thronverzicht ablehnen. Friedrich der Schöne hatte Umgang mit dem gebannten Ludwig IV . gepflegt und ein Bündnis mit ihm geschlossen; das machte ihn als König in den Augen Papst Johannes XXII . untragbar. Diese Reak­tion war für Ludwig vorhersehbar und Teil seines politischen Kalküls, um die öffent­liche Meinung im Reich auf seine Seite zu ziehen. Er konnte sich als kompromissbereiter Herrscher präsentieren, dessen selbstloser Lösungsvorschlag am hartherzigen Papst scheiterte. So erklären sich Doppelkönigtum und Thronverzicht als Ludwigs Lösungen für das Dilemma des gefangenen Gegenkönigs. Der Vertrag von München schuf eine Situa­tion, von der die Habsburger und Ludwig IV . gleichermaßen profitierten. Der Wittelsbacher brachte die Habsburger und durch den Vertrag von Ulm die öffent­liche Meinung im Reich hinter sich und verschaffte sich so Bewegungsspielraum für seine Ak­tionen in Italien. Für Friedrich waren Trausnitzer Sühne und Vertrag von München ein Weg, das nach Mühldorf in weite Ferne gerückte Königtum zu erlangen. Er hat bis zu seinem Tod mehrfach als König geurkundet und so aus seiner Sicht die Krone, die er 1314 in Bonn erhalten hat, behauptet.55

54 Zu diesen Aspekten vgl. die Beiträge von Claudia Garnier und Gerald Schwedler in ­diesem Band. 55 Vgl. zur Umsetzung des Vertrages Marie-­Luise Heckmann, Das Doppelkönigtum ­Friedrichs des Schönen und Ludwigs des Bayern (1325 – 1327), in: MIÖG 109 (2001), S. 53 – 81.

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Zusammenfassung Zwischen dem Streit um Niederbayern ab 1313 und dem angebotenen Thronverzicht Ludwigs zugunsten Friedrichs des Schönen 1326 waren die Laufbahnen beider Protagonisten eng aufeinander bezogen. Ob dies auf Grundlage einer gemeinsamen Jugend- und Schulzeit in Wien erfolgte, soll dahingestellt bleiben. Sicher ist, dass sich die Vettern aneinander abgearbeitet und aneinander aufgerichtet haben: Ludwigs Königtum verdankt sich der Gegenkandidatur gegen Friedrich; im Thronstreit folgten beide der Logik von Prestige, Kriegertum und Herrschaftsanspruch, die letzt­lich Ludwig in die Lage versetzte, seinen Vetter für seine politischen Pläne einzuspannen. Im Vertrag von München machte Ludwig Friedrich zum König und löste so das strukturelle Dilemma, das sich ihm nach der Gefangennahme F ­ riedrichs stellte. Ludwig trug der machtpolitischen Stellung der Habsburger und den Anforderungen seiner Politik gleichermaßen Rechnung.

Briefgewohnheiten in ungewöhn­lichen Zeiten Briefe und Brieflehren in Zeiten des Doppelkönigtums Florian Hartmann Die Briefrhetorik euro­päischer Kanzleien hatte sich im 13. Jahrhundert zunehmend verfestigt.1 Was für Urkunden bereits vorher erfolgt war, hat sich im Verlauf des 12. Jahrhunderts zunehmend auch auf die Epistolographie ausgeweitet. Eine Ursache dürfte die damals in ganz Europa einsetzende Rezep­tion italienischer Brieflehren gewesen sein, die durch verbind­liche Regeln der Briefstilistik verbreitet wurden.2 Die durch diese homogene Brieflehre bewirkte Formalisierung und Vereinheit­lichung der Briefrhetorik ging stark auf Kosten der Genialität einzelner Briefe.3 Stephen Jaeger verknüpft gar das Ende der „große[n] Zeit der Briefkunst im Mittelalter“ seit dem 12. Jahrhundert mit dem Aufkommen der ars dictami­ nis und der Briefsteller insgesamt.4 Ist diese These wohl übertrieben, so ist dem 1 Zur zunehmenden Standardisierung, zu der auch die flächendeckende Verbreitung der Briefsammlung des Petrus de Vinea beigetragen hat, vgl. Benoît Grévin, Rhétorique du pouvoir médiéval: les Lettres de Pierre de la Vigne et la forma­tion du langage politique européen (XIIIe–XVe siècle) (Bibliothèque des Écoles françaises d’Athènes et de Rome 339), Rom 2008. 2 Zu den Brieflehren des 13. Jahrhunderts mit ihrer zunehmenden Systematisierung vgl. James J. Murphy, Rhetoric in the Middle Ages. A History of Rhetorical Theory from Augustine to the Renaissance, Berkeley 1974, S. 255 f.; John O. Ward, Rhetorical Theory and the Rise and Decline of Dictamen in the Middle Ages and Early Renaissance, in: Rhetorica 19 (2001), S. 175 – 223, hier S. 190 f.; zur Verbreitung insgesamt vgl. die knappen Angaben der artes dictandi bis 1230 bei Anne-­Marie Turcan-­Verkerk, Répertoire chronologique des théories de l’art d’écrire en prose (milieu du XIe s.-années 1230). Auteur, oevre(s), inc., édi­ tion(s) ou manuscrit(s), in: ALMA 64 (2006), S. 193 – 239. 3 Vgl. Fulvio Delle Donne, Amicus amico. L’amicizia nella pratica epistolare del XIII secolo, in: Parole e realtà dell’ amicizia medievale, hg. von Antonio Rigon, Ascoli 2011, S.  107 – 126. 4 Charles Stephen Jaeger, Ironie und Subtext in lateinischen Briefen des 11. und 12. Jahrhunderts, in: Gespräche – Boten – Briefe. Körpergedächtnis und Schriftgedächtnis im Mittelalter, hg. von Horst Wenzel (Philolo­gische Studien und Quellen 143), Berlin 1997, S. 177 – 192, hier S. 177; zur Geschichte der mittelalter­lichen Briefsteller insgesamt vgl. Murphy, Rhetoric (wie Anm. 2), S. 194 – 268; Martin Camargo, Ars dictaminis. Ars dictandi (Typologie des sources du Moyen Âge occidental 60), Turnhout 1991; Carol Dana Lanham, Writing Instruc­tion from Late Antiquity to the Twelfth Century, in: A short history of writing

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grundsätz­lichen Befund zuzustimmen, dass die Verbreitung und der Erfolg der ars dictaminis eine Vereinheit­lichung des Briefstils auf Kosten sprach­licher Individualität und Kreativität zur Folge hatten.5 An der stilistischen Brillanz einiger Spezialisten änderte das Aufkommen der ars dictaminis frei­lich nichts. Immerhin fallen die umfangreichen Briefsammlungen eines Petrus de Vinea oder Thomas von Capua in dieselbe Periode.6 Vergleicht man die Briefe des 12. Jahrhunderts mit denen Ludwigs IV . und Friedrichs des Schönen aus dem beginnenden 14. Jahrhundert, dann wird diese Homogenität schnell deut­lich. Schon die Salutatio, Herzstück einer jeden ars instruc­tion from ancient Greece to modern America, hg. von James J. Murphy, Mahwah 2 2001, S.  79 – 121; Enrico Artifoni, Repubblicanesimo comunale e democrazia moderna (in Margine a Giovanni Villani, IX, 10: „Sapere guidicare e reggere la nostra repubblica secondo la politica“), in: Bollettino Roncioniano 6 (2006): Il governo della città nell’Italia comunale. Una prima forma di democrazia?, S. 21 – 33; Malcolm R ­ ichardson, The Ars dictaminis, the Formulary, and Medieval Epistolary Practics, in: Letter-­Writing Manuals and Instruc­tion from Antiquity to the Present: Historical and Bibliographic Studies, hg. von Carol Poster – Linda C. Mitchell, Columbia 2007, S. 52 – 66; Florian Hartmann, Ars dictaminis. Briefsteller und verbale Kommunika­tion in den italienischen Stadtkommunen des 11. bis 13. Jahrhunderts (Mittelalter-­Forschungen 44), Ostfildern 2013. 5 Carl Sutter, Aus Leben und Schriften des Magister Boncompagno, Freiburg i. Br. 1894, S. 41. Diese Kritik blieb aber nicht auf wenige Bologneser wie etwa Boncompagno da Signa beschränkt, sondern wurde auch außerhalb Italiens formuliert, vgl. etwa die nachhaltige Kritik an der Bologneser ars dictaminis des 13. Jahrhunderts bei Konrad von Mure, Summa de arte prosandi, ed. Walter Kronbichler, in: ders., Die Summa de arte prosandi des ­Konrad von Mure (Geist und Werk der Zeiten), Zürich 1968, S. 176: Preterea hic est notan­dum, quod licet magistri in arte prosandi, videlicet bocunbancus (!), Bernhardus, Guido, Johannes Garlandia et alii quam plures in suis Summis plurima proverbia, plures formas epistolarum posuerint ad rudium informa­tionem seu ad sue scientie ostenta­tionem, ego tamen proverbia et formas et exemplaria qualiumcumque litterarum seu instrumentorum vel nullas vel paucas pono, triplici ra­tione: Prima ratio est causa brevitatis. Secunda est, ut prosator habitis prosandi regulis ingenium suum studeat, circa quaslibet materias sollerter exercere. Tertia est, ne pro­ sator in baculo harundineo confisus ex suarum formarum affirmitate loqui videatur, risum auditoribus interdum facturus. 6 Vgl. Hans Martin Schaller, Zur Entstehung der sogenannten Briefsammlung des Petrus de Vinea, in: DA 12 (1956), S. 114 – 159; ders., Studien zur Briefsammlung des Kardinals Thomas von Capua, in: DA 21 (1965), S. 371 – 518; als beispielhafte Analyse der Briefsammlungen aus der Mitte des 13. Jahrhunderts vgl. Elmar Fleuchaus, Die Briefsammlungen des Berard von Neapel. Überlieferung – Regesten (MGH Hilfsmittel 17), München 1998; jetzt auch Die Kampanische Briefsammlung (Paris lat. 11867), ed. Susanne Tuczek (†) (MGH Briefe d. spät. MA 2), Hannover 2010; vgl. jüngst auch Matthias Thumser, Petrus de Vinea im Königreich Sizilien. Zu Ursprung und Genese der Briefsammlung, in: MIÖG 123 (2015), S. 30 – 48.

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dictandi und in Fragen der Etikette wohl auch der heikelste Teil eines Briefes,7 zeigt eine fast langweilige Verfestigung in den Schreiben Ludwigs IV. und ­Friedrichs des Schönen. Der Schlussgruß lautet durchweg gratiam suam et omne bonum. Dagegen waren im 12. Jahrhundert noch eine Reihe variabler Saluta­tiones üb­lich, je nach Stand und Status des Empfängers oder nach dem Verhältnis, das ­zwischen den Briefpartnern bestand. Diese Varianz hat sich im 13. Jahrhundert ganz im Mainstream verloren. Auch darüber hinaus sind die strikte Beachtung der Regeln des dictamen und die regelmäßige Imita­tion der Stilistik berühmter Briefsammlungen ein Charak­ teristikum nicht nur der Kanzlei Ludwigs IV. In der berühmten Sachsenhäuser Appellatio tertia contra processum pontificis von 1324 ist gleich eine ganze Reihe wört­ licher Zitate aus der Summa des Petrus de Vineas nachzuweisen.8 Die antipäpst­ lichen Briefe Friedrichs II . in der Sammlung Petrus de Vineas waren näm­lich gewissermaßen die Blaupause für Ludwigs Schreiben im Kampf gegen Johannes XXII. Auch Ludwigs Mandata super processibus pontificis non publicandis von 1329 zitieren wört­lich gleich im ersten Satz über vier MGH-Zeilen aus der Sammlung Richards von Pofi, um gleich anschließend sechs Zeilen aus Petrus de Vinea anzufügen.9 Ein ähn­liches Ergebnis zeigt die Überprüfung des Diktats bei Friedrich dem Schönen. So enthält eine von Friedrich ausgestellte Revocatio einer Sentenz Heinrichs VII. ebenfalls wört­liche Entlehnungen aus der Sammlung Petrus de Vineas im Umfang von sechs MGH-Zeilen. Verstreut in den Briefen Ludwigs IV. und Friedrichs des Schönen finden sich zudem Anlehnungen an die artes dictandi Guido Fabas und Benes da Firenze.10

7 Grundlegend Carol Dana Lanham, Salutatio. Formulas in Latin Letters to 1200. Syntax, Style and Theory (Münchener Beiträge zur Mediävistik und Renaissance-­Forschung 22), München 1975; zur Bedeutung sozia­ler Standesbezeichnungen in den Saluta­tiones vgl. Giles Constable, The structure of medieval society according to the dictatores of the twelfth century, in: Law, church and society, hg. von Kenneth Pennington – Robert ­Somerville, Philadelphia 1977, S. 253 – 267; vgl. auch beispielhaft Achim Thomas Hack, Gruß, eingeschränkter Gruß und Grußverweigerung. Untersuchungen zur Salutatio in den Briefen Papst Gregors VII. und ­Kaiser Heinrichs IV., in: AfD 47/48 (2001/2002), S. 47 – 84. 8 MGH Const. 6,1: 1325 – 1330, ed. Jakob Schwalm, Hannover 1914 – 1927 [künftig: MGH Const. 6,1], Nr. 436, S. 344 – 350; vgl. dazu Grevin, Rhétorique (wie Anm. 1), S. 696. 9 MGH Const. 6,1, Nr. 656, S. 554; vgl. dazu Grevin, Rhétorique (wie Anm. 1), S. 698 f. 10 Vgl. die Aufstellung bei Grevin, Rhétorique (wie Anm. 1), S. 668; dazu vgl. Bene da Firenze, Candelabrum, ed. Gian Carlo Alessio (Thesaurus Mundi. Bibliotheca scriptorum latinorum mediae et recentioris aetatis 23), Padua 1983; Guido Faba, Rota nova: ex codice manuscripto oxoniensi New College 255 nunc primum prodit, edd. Virgilio Pini  –­ ­Alphonsus P. Campbell (Opere dei maestri 9), Bologna 2000; Guido Faba, Summa

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Diese Befunde über die Vertrautheit der beiden Kanzleien mit den Klassikern italienischer Brieflehren zeigen, dass die unter Ludwig IV . und Friedrich dem Schönen für das Diktat verantwort­lichen Akteure im dictamen pflichtgemäß unterwiesen worden waren. Insbesondere die lateinischen Briefe bewegen sich völlig im Regelsystem italienischer Brieflehren des Duecento. Kein öffent­ licher Brief, der in dieser Zeit diktiert wurde, konnte diese verbind­lichen Regeln missachten. Denn Abweichungen von den Regeln konnten als Beleidigungen missverstanden werden – oder waren zu Recht als ­solche zu verstehen. Als es beispielsweise 1158 zum Zerwürfnis z­ wischen Friedrich Barbarossa und Papst Hadrian IV. kam, heißt es, der ­Kaiser habe zu einer ungeheuer­lichen Maßnahme gegriffen. Rahewin führt dazu aus: Der K ­ aiser befahl seinem Notar, beim Abfassen von Briefen seinen Namen dem des römischen Bischofs voranzustellen. […] Obwohl dieser Brauch der Anrede früher üb­lich war, soll er in jüngerer Zeit aus Reverenz gegenüber Personen verändert worden sein. Der K ­ aiser sagte also, entweder müsse der Papst den Brauch seiner Vorgänger beim Schreiben an die kaiser­liche Person befolgen oder aber er selbst müsse den Brauch früherer Herrscher in seinen eigenen Briefen aufgreifen.11

Angesichts der hier erkennbaren Brisanz war es wichtig, für alle denkbaren Brief­ inhalte und Korrespondenzpartner die gültigen Kommunika­tionsregeln samt Anredeformen zu kennen. Unisono wird darin die besondere Ehrung eines Königs durch die Voranstellung seiner persona in der Anrede gefordert, obwohl doch grundsätz­lich der Adressat aus Ehrerweisung vor den Absender zu stellen ist. In einer Handschrift der Bibliotheca Rilliana in Poppi bei Arezzo aus dem 14. Jahrhundert finden sich deswegen auf nicht weniger als 25 Seiten insgesamt rund 150 dictaminis, ed. Augusto Gaudenzi, in: Il Propugnatore, 13 – 14 (1890), S. 287 – 338, und 16 – 17 (1890), S. 345 – 393; Guido Faba, Dictamina Rhetorica, ed. Augusto Gaudenzi, in: Il Propugnatore, N. S. 5, 1 (1892), S. 86 – 129 und 5, 2 (1892), S. 58 – 109, zitiert nach dem ND Guido Faba, Dictamina Rhetorica (Medium Aevum. Collana di studi e testi diretta da Giuseppe Vecchi. Artes Triviales VII, 3), Bologna 1971, S. 2 – 97. 11 Rahewin, Gesta Friderici imperatoris IV, 21, in: Otto von Freising und Rahewin: Gesta Friderici imperatoris, edd. Georg Waitz – Bernhard von Simson (MGH SS rer Germ [46]), Hannover – Leipzig 31912, S.  162 – 351, hier S. 260 f.: Iubet notario, ut in scribendis cartis nomen suum preferens Romani episcopi subsecundet et dic­tionibus singularis numeri ipsum alloquatur. Qui mos scribendi cum antiquitus in usu esset communi, a modernis ob quandam personarum reverentiam et honorem putatur immutatus. Aiebat siquidem imperator aut papam debere servare suorum antecessorum ad personam imperialem scribendi consuetudinem, aut se ipsum antiquorum principum morem in suis epistolis oportere observare.

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Saluta­tionsmuster, die – säuber­lich in geist­liche und welt­liche Sphären geschieden – in strenger hierar­chischer Gliederung an alle erdenk­lichen Personen vom Papst oder ­Kaiser bis zum einfachen Kleriker und Bauern gerichtet sind.12 Dieser fast neurotische Hang zur systematischen Erfassung aller Personen­ konstella­tionen hatte natür­lich seine Grenzen. Solange sich die Inhalte und das in den Briefen agierende Personengefüge im bekannten Rahmen bewegten, war das gut ausgebildete Personal imstande, das rhetorische Wissen abzurufen und die Schreiben zu diktieren. Dieses Wissen wurde von ihnen erwartet. Theoretisch wurden dabei persone sublimes, mediocres und persone viles/humiles unterschieden.13 Die personae der Kommunika­tionspartner mussten also zueinander in Beziehung gesetzt werden. Wer einen angemessenen Brief mit adäquater Briefanrede (Salu­ tatio) verfassen wollte, musste die personae kennen, das heißt, er musste über Stellung und Rangverhältnis der Kommunika­tionspartner im Bilde sein. So schreibt es die Brieflehre seit dem 12. Jahrhundert immer wieder vor. Wirkmächtig war dabei der Bologneser Magister Bernhard: Ut igitur providus dictator cuique epis­ tole congruam saluta­tionem adhibeat, semper ei necesse est mittentis et recipientis prenosse personas.14 Das etikettenkonforme Abfassen öffent­licher Schreiben setzte also die Kenntnis der geltenden sozia­len Hierarchien voraus. Wo d­ ieses gelernte Wissen aber nicht mehr ausreichte, weil die Brieflehren den Fall noch nicht vorgesehen hatten, musste Abhilfe geschaffen werden. Dieses Dilemma wird 1325 dadurch erkennbar, dass Ludwig und Friedrich gemäß dem Münchener Vertrag als eine persona handelten. Vor ­diesem Hintergrund wird verständ­lich, warum der kanzleimäßige Umgang mit dem unbekannten Phänomen des Doppelkönigtums im Münchener Vertrag von 1325 so markant vorneweg geregelt wurde. Diese aus verfassungshistorischer Perspektive ohne Zweifel merkwürdige Lösung, die in München am 5. September 1325 in Bezug auf die Doppelherrschaft zweier Könige gefunden wurde, hat die Forschung bekannt­lich seit jeher beschäftigt.15 Bis heute hat man keine Vorlagen 12 Bibliotheca Rilliana, HS. 432, f. 26r–38r. 13 Adalbertus Samaritanus, Praecepta dictaminum, ed. Franz-­Josef Schmale (MGH Quellen zur Geistesgeschichte des Mittelalters 3), Weimar 1961, S. 33; Aurea Gemma Oxoniensis, ed. Heinz-­Jürgen Beyer, in: ders., Die „Aurea Gemma“. Ihr Verhältnis zu den frühen Artes dictandi, Diss. (masch.), Bochum 1973, Teil II, S. 463. 14 Magister Bernhard, Summa dictaminum, Città del Vaticano, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Pal. lat. 1801, f. 1r–51r, hier f. 7v. 15 Vgl. Heinz Thomas, Ludwig der Bayer (1282 – 1347). ­Kaiser und Ketzer, Regensburg 1993, S. 172 f.; Roland Pauler, Friedrich der Schöne als Garant der Herrschaft Ludwigs des Bayern in Deutschland, in: ZBLG 61 (1998), S. 645 – 662, hier S. 657; Michael M ­ enzel, Die Zeit der Entwürfe 1273 – 1347 (­Gebhardt Handbuch der Deutschen Geschichte 7a),

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ausgemacht, auf die die Akteure damals zurückgegriffen hätten.16 Uns soll die verfassungsrecht­liche Problematik allerdings in ­diesem Kontext weniger interessieren. Gerald Schwedler hat diese Frage erneut behandelt, den Forschungsstand konzise resümiert und um eine bedenkenswerte These bereichert.17 Im Folgenden soll es vielmehr im Anschluss an die skizzierten Entwicklungen zum Briefwesen in den Kanzleien des 13. und 14. Jahrhunderts um die Frage gehen, inwieweit gerade die Problematik des kanzleimäßigen Umgangs mit dem Doppelkönigtum die Anlage des Münchener Vertrages geprägt hat. Nach einleitenden Bemerkungen zum Doppelkönigtum heißt es im ersten Kapitel bekannt­lich: Wir sullen auch g­liche ere haben ze strazzen, ze chirchen und an aller stat und uns bede e Romische chunige und merer dez riches schriben und nennen und uns bruder heizzen e haben. Und swer under uns dem andern und schriben an ein ander und auch als br uder e setzen. Schriben aver wir bede mit ein ander hantvest oder briefe, schribet, der sol in f ur e daz daran dhain vorganch sei. […] Wir sullen so setze sich der heute der morgen f ur, zwei niwe insigel machen, in den ietwederm unser beder namen gegraben sein und in unserm chunig Ludowiges insigel sol chunig Frideriches name vorsten, alsam in unserm chunig Frider(iches) insigel sol chunig Ludowiges name vor steen, unde sullen die insie forme und bůchstab sein.18 gel g­licher gr ozze,

Der Vertrag scheint, wenn wir uns diese einleitenden Bestimmungen im ersten Paragraphen anschauen, primär auf s­ olche Probleme konzentriert zu sein, die sich infolge der Einführung der bis dahin unbekannten Doppelherrschaft in den Kanzleien stellten. Dort herrschte offenbar Regelungsbedarf. Das überrascht nicht. Denn für das Problem eines Doppelkönigtums boten die gewöhn­lich konsultierten Stuttgart 102012, S. 167 f.; Marie-­Luise Heckmann, Das Doppelkönigtum Friedrichs des Schönen und Ludwigs des Bayern (1325 – 1327). Vertrag, Vollzug und Deutung im 14. Jahrhundert, in: MIÖG 109 (2001), S. 53 – 81, bes. S. 61 f.; zuletzt allein im Jubiläumsjahr 2014 Claudia Garnier, Inszenierte Politik. Symbo­lische Kommunika­tion während der Herrschaft Ludwigs des Bayern am Beispiel von Bündnis- und Friedensschlüssen, in: Ludwig der Bayer (1314 – 1347). Reich und Herrschaft im Wandel, hg. von Hubertus S­ eibert, Regensburg 2014, S. 169 – 190, hier S. 183 – 188; Gerald Schwedler, Bayern und Österreich auf dem Thron vereint. Das Prinzip der gesamten Hand als Verfassungsinnova­tion für das Doppelkönigtum von 1325, in: ebd., S. 147 – 166. 16 Dieses Urteil bei Schwedler, Bayern und Österreich (wie Anm. 15); denkbare Vorbilder von bikephaler Herrschaft diskutiert Heckmann, Doppelkönigtum (wie Anm. 15), allerdings mit dem Ergebnis, dass keiner dieser Fälle 1314 als Vorlage in Frage kommt. 17 Schwedler, Bayern und Österreich (wie Anm. 15). 18 MGH Const. 6,1, S. 73.

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artes dictandi schlichtweg keine Vorlagen. Vor allem hier musste Abhilfe geschaffen werden. Die Reihenfolge der beiden Könige in der Salutatio von gemeinsam ausgestellten Briefen war zu regeln, ebenso die Anrede in Briefen von dem einen an den anderen.19 Sogar die Siegel wurden bis in die Größe der Buchstaben normiert, um die Gleichrangigkeit der beiden Könige zu symbolisieren. Diese protokollarischen Regelungen im Münchener Vertrag haben bekannt­lich längst die Aufmerksamkeit der Forschung gefunden. Während Heinz Thomas sie eher als rhetorisches Beiwerk abtun wollte, haben jüngst wieder Gerald Schwedler und Claudia Garnier auf die Relevanz dieser hochsymbo­lischen und sinntragenden Akte der Repräsenta­tion hingewiesen.20 Auffällig an dem Münchener Vertrag ist zudem, wie Schwedler gezeigt hat, dass die tatsäch­liche Teilung der Herrschaft gar nicht angesprochen wird.21 Was passiert denn, wenn diese ideell als eine Person gedachte Doppelspitze uneins würde? Wessen Befehl soll in d­ iesem Fall für die Fürsten verbind­lich sein? Wie stellt man sich diese Doppelherrschaft in der praktischen Durchführung vor? War es den Fürsten freigestellt, an wen von beiden sie sich wenden sollten? Was, wenn bei Streitigkeiten z­ wischen zwei Fürsten der eine zu Ludwig und der andere zu Friedrich zog? Es ist wohl bezeichnend, dass diese Problemfälle, dieser theoretisch denkbare Dissens, gar nicht expliziert wurden, obwohl man mit solchen Fällen sicher rechnen durfte. Schwedler verweist auf den eher pragmatischen Charakter d­ ieses Vertrages, der die faktische Herrschaft vielleicht gar nicht regeln sollte, damit sich keiner der beiden Könige in seiner Herrschaftsausübung beschränkt sah.22 Ebenso bezeichnend ist, was dann eigent­lich noch an konkretem Regelungsbestand im Vertrag übrig bleibt: im Wesent­lichen Fragen symbo­lischer Art.23 Das wirft ein Schlag­licht auf diejenigen, die diesen Vertrag sprach­lich umgesetzt haben und die gerade deswegen auch gleichsam amtsgemäß am empfäng­lichsten für die symbo­lischen Feinheiten der Kommunika­tion waren, also das Kanzleipersonal.24 Es ist wohl kein Zufall, dass ­dieses auf Sprache spezialisierte Personal zuallererst die sprach­liche Regulierung d ­ ieses Doppelkönigtums löste. Hier wurden pragmatische Angelegenheiten für den Kanzleialltag geregelt, der Rest zunächst − jedenfalls hinsicht­lich konkreter Regelungen − ausgeklammert. 19 Damit ist einer der am intensivsten traktierten Punkte im Rahmen der ars dictaminis berührt; vgl. Lanham, Salutatio (wie Anm. 7). 20 Dazu die Hinweise in Anm. 15. 21 Schwedler, Bayern und Österreich (wie Anm. 15), S. 160. 22 Schwedler, Bayern und Österreich (wie Anm. 15), S. 160. 23 Dazu vor allem Garnier, Inszenierte Politik (wie Anm. 15); sowie ihr Beitrag in d­ iesem Band. 24 Darauf verweist bereits Schwedler, Bayern und Österreich (wie Anm. 15), S. 160 f.

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Schaut man sich diese Regelungen an, so reflektieren sie die in der Briefpraxis und Brieftheorie der Zeit herrschenden Schwerpunktsetzungen. Was im sozia­len Gefüge allerdings längst etablierten Regeln folgen musste, war immer dann von besonderer Brisanz, wenn die hierarchischen Bezüge ­zwischen Empfänger und Absender nicht eindeutig geklärt waren. Diese Brisanz fühlten auch die Verfasser des Vertrages von München. Letzt­lich fing das Problem bereits bei der Konzep­ tion des Vertragstextes an. Die einzige überlieferte Fassung jedenfalls stellt ohne Problembewusstsein den Namen Ludwigs vor denjenigen Friedrichs, da es sich um die Ausfertigung für Friedrich den Schönen handelt. Man muss sich wohl die Existenz eines zweiten Exemplars vorstellen, das bei Ludwig verblieb und in dem Friedrichs Name vor demjenigen Ludwigs stand. So wie in der kurfürst­lichen Verlautbarung zur Wahl Ludwigs 1314 in der Trierer Ausfertigung der Trierer Erzbischof und in der Mainzer der Mainzer Erzbischof voranstand.25 Die Verantwort­lichen in der Kanzlei sahen sich im Kontext des Doppelkönigtums also vor ein Problem gestellt, für das ihre solide Ausbildung keine Lösung anbot, für das aber künftig eine Lösung gefunden werden musste. Und diese Regelung konnte im Interesse des künftigen Einvernehmens sehr schnell erforder­lich sein, sobald näm­lich erste Schreiben aufzusetzen waren, sobald also das eigent­lich alltäg­liche Regierungshandeln begann. Wenn wir uns folgend der Frage widmen, wo und wie die Verantwort­lichen auf die in dem Münchener Vertrag gefundenen Lösungen im Konzept eines Doppelkönigtums verfallen sind, dann ist der Blick auf die forma mentis, auf die Ausbildung und das Erfahrungswissen der Urheber zu richten. Ohne exakt zu wissen, wer für den Text verantwort­lich zeichnete, fokussiere ich auf die bei Helmut Bansa, dem besten Kenner der Kanzlei Ludwigs IV., behandelten, im Vertrag von München ausdrück­lich genannten Akteure: auf den Kanzler Hermann von Lichtenberg und den Protonotar Ulrich Wild. Die Suche nach sprach­lichen Vorlagen führt dabei fast zwangsläufig auch zu der Frage nach den Vorlagen für das Doppelkönigtum in der Sache und zu der Frage, wie man 1325 auf diese einmalige Lösung verfallen ist. Hermann von Lichtenberg führte bereits seit 1314 den Titel des Kanzlers, stand aber wohl schon vorher in Kontakt zu Ludwig IV . Was seine Ausbildung betrifft, so scheint der Hinweis wichtig, dass Hermann im Jahr 1304 als Student in Bologna belegt ist.26 Auch für Ulrich Wild vermutet Bansa einen

25 MGH Const. 5: 1313 – 1324, ed. Jakob Schwalm, Hannover – Leipzig 1909 – 1913 [künftig: MGH Const. 5], Nr. 102 u. Nr. 103, S. 98 – 103. 26 Helmut Bansa, Studien zur Kanzlei ­Kaiser Ludwigs des Bayern vom Tag der Wahl bis zur Rückkehr aus Italien (1314 – 1329) (Münchener Historische Studien, geschichtl.

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Universitätsbesuch,27 seine von Papst Nikolaus (V.) attestierte litterarum scien­tia entspricht ebenfalls der italienischen Mode des 13. Jahrhunderts. Denn mit dem Bologneser Studium war nicht selten im Vorgriff ein Kurs zur Notariats­lehre verbunden, die sich auch den protokollarischen Fragen schrift­licher Kommunika­ tion widmete. So lässt sich in Bezug auf die beiden genannten, am Vertrag von München beteiligten und mit der sprach­lichen Gestaltung könig­licher Schreiben beauftragten Hermann von Lichtenberg und Ulrich Wild konstatieren: Erstens war ihnen im Interesse der geregelten Ausübung ihres Amtes in der Kanzlei an einer klaren Anleitung für die Handhabung dieser diplomatischen Fragen gelegen. Zweitens kannten sie aus eigener Anschauung in ihrer Studienzeit in Bologna die Inszenierungen politischer Interak­tion ­zwischen zwei konkurrierenden Akteuren an der Spitze der Kommune. Und sie waren drittens auf das Genaueste mit den in Italien mit besonderer Expertise gelehrten Regeln zur Gestaltung öffent­licher Korrespondenz – auch im Rahmen brisanter politischer Konstella­tionen – vertraut. Um zu erhellen, inwieweit ihr Erfahrungswissen aus Bologneser Studienzeiten ihre Darlegungen im Münchener Vertrag beeinflusst haben könnten, gehe ich im Folgenden in zwei Schritten vor. Zunächst werde ich in einem längeren Exkurs die politische Konstella­tion in den ober­ italienischen Kommunen – insbesondere in Bologna – um 1300 skizzieren. In einem zweiten Schritt geht es dann um die Frage, wie die dortigen politischen Spannungen verbal in den Bologneser Rheto­riklehren bewältigt wurden und inwieweit sich diese Verbalisierungen auf die in München gefundene Lösung haben auswirken können. Marie-­Luise Heckmann hat bereits 2011 in ihrer Auflistung von denkbaren Vorbildern für das Doppelkönigtum zwar beiläufig auf das Konsulat in den ober­ italienischen Kommunen verwiesen.28 Doch war d­ ieses 1325 in Oberitalien schon längst wieder Geschichte.29 Dennoch lässt sich ein Bezug zu den zeitgenös­sischen italienischen Kommunen noch viel leichter plausibel machen. Das Studium der

Hilfswissenschaften 6), München 1968, S. 228; Acta Na­tionis Germanicae Universitatis, edd. Ernestus Friedlaender – Carolus Malagola, Berlin 1887, S. 55b, Z. 8. 27 Bansa, Kanzlei (wie Anm. 26), S. 242. 28 Heckmann, Doppelkönigtum (wie Anm. 15). 29 Zur Geschichte der oberitalienischen Kommunen mit ihrem raschen Wechsel von Regierungsformen vom Konsulat über das Podestariat zum Seniorat vgl. etwa Giuliano Milani, I comuni Italiani. Secoli XII–XIV, Segrate 22008, S.  136 – 139; François Menant, L’Italia die comuni (1100 – 1350) (La storia. Temi 19), Rom 2011; franz. Original: L’Italie des communes [1100 – 1350], übersetzt von Igor Mineo, Paris 2005.

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beiden am Münchener Vertrag mitwirkenden Hermann von Lichtenberg und Ulrich Wild lässt dabei Bologna in den Fokus geraten. Der Tod Friedrichs II. und der Zerfall des Stauferreiches in dessen Folge haben zu einem Aufstieg einer breiteren, nichtadeligen, aber wohlhabenden Elite in den Städten geführt, die man als Popolo bezeichnet.30 Die von ­diesem Popolo zunehmend beeinflussten Stadtgesellschaften stellten neben die bestehenden kommunalen Gremien neue Gremien. Die bis ins 13. Jahrhundert einheit­liche Verfassung der Kommunen unter einem Podestà, also einem Bürgermeister, der meist von außen berufen wurde,31 wurde im Zuge des Aufstiegs des Popolo in eine dualistische Struktur überführt, wovon dieser zunehmend profitierte. Die Exekutivgewalt war nicht mehr ausschließ­lich dem Podestà vorbehalten, sondern sie war aufgeteilt auf den Podestà und den Repräsentanten des Popolo, den Capitano del popolo, der meist einem Gremium von Popolaren (sogenannten Anziani oder Priori) vorstand. Der Capitano wurde so zum Gegenpol des Podestà. Ein Gleichgewicht war durch diese dualistische Struktur nicht geschaffen. Während zunächst noch die Macht des Capitano beschränkt war, nahmen in den letzten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts seine Prärogativen stetig auf Kosten des Podestà zu.32 Den Einfluss der alten Herrschaftselite konnte der Popolo aber auch auf dem Höhepunkt seiner Macht nicht ganz ausschalten.33 In hoher Frequenz und mit großen regionalen Unterschieden wechselten die Regierungsformen und die Machtverhältnisse in den Kommunen 34

30 Vgl. als exemplarische Detailstudie Emilio Cristiani, Nobiltà e popolo nel comune di Pisa dalle origine del podestariato alla Signoria dei Donoratico (Pubblicazioni dell’Istituto italiano per gli studi storici 13), Neapel 1962; konkret zum Aufstieg des popolo und der damit verbundenen Konfliktgenese Enrico Artifoni, La società del «popolo» di Asti fra circolazione istituzionale e strategie familiari, in: Quaderni storici 51 (1982), S. 1027 – 1053, bes. S. 1029. Zum gesamten Prozess vgl. ders., Una società di «popolo». Modelli istituzionali, parentele, aggregazioni societarie e territoriali ad Asti nel XIII secolo, in: StM 24 (1983), S.  545 – 616. 31 Grundlegend Jean Claude Maire Vigueur, Conclusione. Flussi, circuiti e profili, in: I podestà dell’Italia comunale, Parte I: Reclutamento e circolazione degli ufficiali forestieri (fine XII sec.–meta XIV sec.), hg. von dems. (Collec­tion de l`école française de Rome 268), Rom 2000, Vol. II, S. 897 – 1099; zum Wesen der Berufungen von außen besonders Enrico Artifoni, I podestà itineranti e l’area comunale piemontese. Nota su uno scambio ineguale, in: ebd., Vol. I, S. 23 – 45. 32 Vgl. Claudia Storti, Scritti sugli statuti lombardi (Università degli Studi dell’Insubria. Facoltà di Giurisprudenza 29), Mailand 2007, S. 446 f. 33 Vgl. John Kenneth Hyde, Society and Politics in Medieval Italy. The Evolu­tion of the Civil Life, 1000 – 1300, London 1973, S. 113 – 115. 34 Milani, Comuni (wie Anm. 29), S. 136.

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und mit ihnen die symbo­lischen und verbalen Darstellungen und Inszenierungen dieser Machtverhältnisse. In vielen Städten übernahm zu Beginn des 14. Jahrhunderts schließ­lich der Capitano die Führung, leitete die Ratssitzungen, lenkte die Innen- und Außen­ politik, führte das kommunale Heer in den Krieg und kontrollierte die verbliebenen Verwaltungsarbeiten und Rechtsprechungen des Podestà. Allerdings erfolgte diese Verfassungsreform zunächst nicht unter Entmachtung des Podestà, sondern vielmehr dadurch, dass ein „in allen Func­tionen mit ihm concurrierendes Amt“ geschaffen wurde.35 Ernst Salzer nannte ­dieses Verfassungskonstrukt etwas „Gekünsteltes“, und trifft damit – vielleicht nicht so zufällig – in etwa die Bewertungen der Forschung über das Doppelkönigtum im Vertrag von München 1325. Auf den Punkt gebracht, bedeutete die Einführung des Amtes des Capitano del popolo eine „collegia­lische Regierungsform“,36 die sich allerdings von der kollegia­lischen Herrschaft mehrerer Konsuln in den Kommunen des frühen 12. Jahrhunderts dadurch unterschied, dass die beiden ‚Kollegen‘ unterschied­liche Ziele verfolgten und für eine je unterschied­liche Klientel sprachen. Das unterschied die kommunale Regierung in Italien zur Zeit des Popolo auch von den deutschen Städten, die ebenfalls über kollegiale Stadtregierungen verfügten. Die beiden Ämter waren nicht mit unterschied­lichen Befugnissen auf unterschied­lichen Feldern betraut, dem neuen Amt des Capitano del popolo wurde also keine in irgendeiner Form neue Amtsfunk­tion übertragen, sondern beide trugen Verantwortung für dieselben Funk­tionen.37 Podestà und Capitano fungierten als Korrektiv, das Missmanagement und Korrup­tion des jeweils anderen eindämmen sollte.38 Diese im Kern ‚antagonistische Doppelspitze‘ in den Kommunen des Popolo benötigte ganz neue Formen der Inszenierung von Stadtherrschaft. Ein Beispiel bietet die kommunale Chronistik. Im ‚Chronicon Bolognese‘ wurden die Jahresberichte in der Tradi­tion kommunaler Geschichtsschreibung im 13. Jahrhundert mit der Nennung des in dem jeweiligen Jahr amtierenden Podestà begonnen. Ab 1303, kurz bevor Hermann von Lichtenberg in Bologna studierte, wurde der Capi­ tano neben den Podestà gestellt, die Doppelherrschaft also auch symbo­lisch zum Ausdruck gebracht.39 Aussteller der Statuten Bolognas von 1288, also gewisserma 35 Ernst Salzer, Über die Anfänge der Signorie in Oberitalien. Ein Beitrag zur italienischen Verfassungsgeschichte (Historische Studien 14), Berlin 1900, S. 289. 36 Salzer, Signorie (wie Anm. 35), S. 289. 37 Vgl. Salzer, Signorie (wie Anm. 35), S. 290. 38 Vgl. Hyde, Society (wie Anm. 33), S. 114. 39 Corpus Chronicorum Bonensium, ed. Albano Sorbelli (RIS 2), 18, 1, Vol II., Città di Castello 1910 – 1938, Chronaca Vill., S. 263 ff., zu vergleichen mit ebd., S. 262, ad annum

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ßen des Stadtrechts, waren laut Intitulatio Podestà und Capitano gleichermaßen. In den Statuten Parmas aus den ersten Jahren des 14. Jahrhunderts heißt es, die Soldaten sollen auf Befehl ihrer Herren, des Podestà und des Capitano, bereitstehen und jedem von beiden Gehorsam leisten und nach dem Willen des Podestà und des Capitano antreten.40 Diese grundsätz­lich betonte Doppelregierung konnte frei­lich nicht kaschieren, dass bald der eine, bald der andere einen leichten Vorrang genoss. Um die Wende zum 14. Jahrhundert hatte sich diesen Vorrang zumeist der Capitano del popolo erworben. So ist aus dem Jahr 1320 ein Treueid der Paduaner gegenüber ­Friedrich dem Schönen überliefert, öffent­lich geleistet in der contio, der Versammlung aller Bürger, durch den Capitano in Stellvertretung für die gesamte Stadt mit der Versicherung, den Podestà zur Einhaltung der damit verbundenen Aufgaben zu verpflichten. Zu Ehren Jesu Christi, der Stadtheiligen Paduas, zu Ehren des Paps­ tes und zu Ehren des Rex Romanorum, Friedrichs des Schönen, sowie zu Ehren, Lob und Ehrerweisung des Dominus Uldricus de Walse Stirie capitaneus, der die Stellvertretung könig­licher Majestät übernommen hat, heißt es: Ich, Uldricus de Walse de Stirie capitaneus, schwöre die Stadt Padua zu leiten und vernünftig zu regieren, Recht und Gesetz zu achten und durch den Podestà und dessen iudices Recht herstellen zu lassen gemäß den Statuten und Gewohnheiten der Stadt, allerdings unbeschadet meines Willens und meiner Entscheidung. 41

Dieser Eid verdeut­licht die verwirrende Kompetenzteilung ­zwischen Podestà und Capitano. Letzterer spricht den Eid für die Kommune und stellt jede Entscheidung des Podestà unter den Vorbehalt der eigenen Zustimmung. Die Amtskompetenzen ­zwischen Podestà als dem älteren Amt und Capitano waren auch hier nur unzureichend voneinander abgegrenzt. Sie unterlagen zudem stetigem Wandel und lassen sich in den Quellen kaum rekonstruieren. In Bezug auf die Leitung 1302 mit alleiniger Nennung des jeweils amtierenden Podestà. 4 0 Statuta Parmensia, in: Monumenta historica patriae ad provinciam Parmensem et Placentinam pertinentia II: Statuta communis Parmae ab anno 1266 ad annum circiter 1304, ed. Luigi Barbieri, Parma 1857, S. 97: soldaterii stare et esse debeant ad mandata domino­ tum potestatis et capitanei et cuilibet eorum obedire, facere mostras ad vonluntatem potestatis et capitanei. 41 MGH Const. 5, Nr. 557, S. 446: Iuro ego Uldricus de Walse d Stirie capitaneus […] regere et ra­tionabiliter gubernare et quemlibet intrinsecorum de civitate Padue et districtu in suo iure et iusticia asservare et ius reddi facere per potestatem et eius iudices in civitate Padue […] secundum formam statutorum, reforma­tionum, ordmamentorum et consuetudinum dicte civitatis […] salva semper voluntate et beneplacito meo.

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des kommunalen Heeres äußern sich beispielsweise die Statuten von Siena 1268 allgemein, dass „der Podestà oder der Capitano del popolo im Kriegsfall zur Sicherheit […] in der Stadt zurückbleiben müsse, und dass der Rat zu entscheiden habe, wer von beiden in der Stadt zurückbleiben, wer zum Heer abgehen muss“.42 In den Bologneser ‚Statuta sacra‘ sind die Soldtruppen ausdrück­lich dem Befehl des Podestà und des Capitano unterstellt.43 Weitere Belege aus anderen Kommunen legen nahe, dass die arbeitsteiligen Bestimmungen zum Podestà und Capitano unter anderem auf militärischem Gebiet üb­lich waren. Die Offenheit der Kompetenzverteilung führte zwangsläufig zu wiederholten Auseinandersetzungen. Nicht selten konnte der Capitano gewaltsam seine Posi­tion durch Unterstützung des Popolo steigern, was in der meist tradi­tionellen Historiographie als Aufbau einer Tyrannis gebrandmarkt wurde. Genua wäre dafür ein quellenreiches und darum beredtes Beispiel.44 Bezeichnend für diese Konflikte z­ wischen Podestà und Capitano waren aber die abschließend immer wieder erfolgten Vereinbarungen, die den Frieden in der Stadt wiederherstellten und dazu auch die Eintracht z­ wischen Podestà und Capitano symbo­lisch zur Schau stellten. Die Amtsträger waren von gleicher sozia­ler Herkunft und Bildung. Oft wurde ein Podestà del comune in der gleichen Stadt einige Jahre ­später als Capitano del popolo neu angestellt. Die Ämter waren also auch für die Amtsträger von gleicher Attraktivität. Sie unterschieden sich kaum, sind Ausdruck einer „dupplicazione del potere“, wie es Enrico Artifoni nannte.45 Dieses Nebeneinander beider Ämter konnte immer wieder in Konkurrenz umschlagen. In den letzten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts wurde aus der bloßen „dupplicazione del potere“ ein Kampf um die Macht, aus dem Kollegen zunehmend eine Alternative, ein Ersatz zum Podestà.46 Im Jahr 1259 habe der Capitano begonnen, grausam zu agieren, ihm übertragene Herrschaftsbefugnisse weit ausgedehnt, die gesamte Herrschaft an sich gerissen, städtische Ämter eigenmächtig vergeben, Gesandte entsandt, den Podestà, die Konsuln und alle übrigen Magistrate gezwungen, allein seinen eigenen Befehlen 42 Il constituto del Comune di Siena dell’ anno 1262, ed. Lodovico Zdekauer, Mailand 1897, Nr. 221, S. 898; vgl. Salzer, Signorie (wie Anm. 35), S. 289. 43 Statuti del popolo di Bologna del secolo XIII. Gli ordinamenti sacrati e sacratissimi, hg. von Augusto Gaudenzi (Monumenti istorici pertinenti alle provincie di Romagna 6), Bologna 1888, S. 135. 4 4 Vgl. Annales Ianuenses, in: Annali Genovesi di Caffaro e de’suoi continuatori dal MXCIX al MCCXCIII, Bd. 4, ed. Cesare Imperiale (Fonti per la storia d’Italia 11), Rom 1926, S. 38. 45 Enrico Artifoni, Società di «popolo» (wie Anm. 30), S. 582, mit Beispielen für s­ olche erwähnten Karrieren in Asti S. 583. 4 6 Artifoni, Società del «popolo» (wie Anm. 30), S. 1042.

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zu gehorchen, Ratsbeschlüsse ignoriert und damit den ganzen gewohnten Aufbau der Republik zerstört. Daraufhin hätten einige Adelige eine geheime Verschwörung vorbereitet.47 Solche Kämpfe ­zwischen Vertretern des Popolo und denen des Adels waren auch in anderen Städten zur Regel geworden. Aber trotz dieser Konkurrenz blieb die Kopräsenz der beiden getrennten Spitzen doch erhalten. Die Doppelherrschaft wurde in den Städten Oberitaliens um 1300 zwangsläufig auch inszeniert. Zu zeremoniellen Anlässen in den Kommunen, die Christoph Dartmann in Anlehnung an Franz-­Josef Arlinghaus als Theaterstaaten definierte,48 musste das Miteinander der beiden Amtsträger auch adäquat umgesetzt werden. So berichtet das ‚Chronicon Bolognese‘ von Feiern anläss­lich eines militärischen Erfolges der Kommune Bologna: Von ­diesem Sieg am 20. Juni ging so große Freude aus wie nie zuvor. Auf diese Nachricht hin veranstalteten der Herr Pino de Rubeis aus Florenz, damals Podestà in Bologna, und Fulcerio de Chalbulo, der Capitano, einen großen Umzug mit der gesamten Militia der Stadt Bologna durch die gesamte Stadt Bologna mit Girlanden an der Spitze. 49

Kaum einem Bewohner der Kommunen dürften Zeremonien dieser Art und das kollegial einträchtige Miteinander von Podestà und Capitano zu solchen Anlässen und als Ausdruck inszenierter Eintracht entgangen sein. Da in den Kommunen die Heimat der ars dictaminis und der daraus hervorgehenden ars arengandi, der Lehre von Reden in Volksversammlungen, lag, ist

47 Annales Ianuenses (wie Anm. 44), S. 38: Ipso anno dum capitaneus insolencius agere cepisset, ac potestatem sibi concessam nimium prorogaret, omnemque potestatem ad se demumque tra­ disset, honores ciuitatis per se concederet, legatos mitteret, ipsiusque solius potestatem consulem et ceteros magistratus compelleret obedire mandatis, decretaque consilii inania forent, totumque adsolitum statum rei publice evertisset ex nobilibus plurimis […] indiscreta tamen coniuratio facta est. 48 Christoph Dartmann, Politische Interak­tion in der italienischen Stadtkommune. 11. – 14. Jahrhundert (Mittelalter-­Forschungen 36), Ostfildern 2012, S. 395; allgemeiner Franz-­Josef Arlinghaus, From „Improvised Theatre“ to Scripted Roles. Literacy in communica­tion in north Italian law courts (12th–13th centuries), in: Charters and the use of the written word in Medieval Society (Utrecht studies in medieval literacy 5), Turnhout 2000, S.  215 – 237. 49 Chronaca Vill. (wie Anm. 39), S. 257: de qua Vitoria die xxi iunii abuit magnum gaudium quam nunquam habuerunt et papenticos referebatur in cuius signum dominus Stoldus domini Pini de Rubeis de Florencia tuc potestas Bononie et Fulcerius de Chalbulo capitaneus fecerunt strepitum magnum ad stiludencium cum tota milicia civitatis Bononie per civitatem Bononie con gherlandis in capite per civitatem.

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es wenig verwunder­lich, dass der Umgang mit dieser Doppelspitze auch Thema in den kommunalen Rhetoriklehren war. Matteo de Libris, ein Bologneser Notar aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, ist ein Beispiel dafür. Als Notar war Matteo zeit seines Lebens bis 1275 aktiv. Währenddessen hat er mindestens drei Werke zum dictamen verfasst. Die kürzere, ­zwischen 1264 und 1275 verfasste Version war nach Ausweis der Handschriften überaus erfolgreich und weit verbreitet. Sie enthielt auch einen ausgreifenden theoretischen Teil zur Briefrhetorik in der Tradi­tion seiner Bologneser Vorgänger. Die davon abweichende Langfassung beschränkt sich auf eine sehr kurze Einleitung. Im Mittelpunkt stehen 355 Brief­ muster, meist als Paar und Serie von Brief und Antwortschreiben.50 In seiner Lehre der oralen Rhetorik, den Arringhe, stellt er Reden vor, in denen dafür plädiert wird, angesichts der angespannten politischen Gesamtsitua­tion in Italien im Allgemeinen und der gewaltsamen Konflikte in Bologna im Besonderen die Monarchie eines Podestà abzuschaffen und zu einer Doppelherrschaft überzugehen: „Was man sagen kann, um neue Konsuln berufen zu lassen und nicht einen Podestà.“ 51 Matteos Werk sollte rasch weite Verbreitung finden – nicht nur, aber insbesondere in Bologna, wo Matteo es um 1280 verfasst hatte. Schon deswegen ist kaum auszuschließen, dass die Bologneser Studenten der nachfolgenden Genera­tionen entweder Matteos Werk oder zumindest dessen Ideen zur Kenntnis genommen haben. Dazu zählte dann auch die Frage, wie eine Doppelspitze begründet und symbo­lisch in der städtischen Interak­tion dargestellt werden sollte. Jüngst hat Christoph Dartmann umfassend die politische Interak­tion in den Kommunen nachgezeichnet und dabei auf die wiederholten Inszenierungen von Herrschaft und von Eintracht verwiesen, die bisweilen aber kaum mehr als Konsensfassaden gewesen s­ eien.52 Im Rahmen dieser Inszenierungen wurde sicher auch das Verhältnis ­zwischen Podestà und Capitano auf die städtischen Bühnen 50 Vgl. Claudio Felisi  – Anne-­Marie Turcan-­Verkerk, Les artes dictandi latines de la fin du xie à la fin du xive siècle: un état des sources, in: Le dictamen dans tous ses états. Perspectives de recherche sur la théorie et la pratique de l’ars dictaminis (xie–xve siècles). Actes du colloque interna­tional de Paris, 5 – 6 juillet 2012, hg. von Benoît Grévin  – Anne-­Marie Turcan-­Verkerk, Turnhout 2015, S. 417 – 541, Nr. 68.3, S. 476. 51 Matteo de Libri, Aringhe, ed. Eleonora Vincenti (Documenti di filologia, 19), Mailand – Neapel 1974, Nr. 30, S. 269: Come se po‘ dire per fare chiamare novi consuli e no podestà. 52 Dartmann, Politische Interak­tion (wie Anm. 48). Vorher schon ders., Zwischen demonstrativem Konsens und kanalisiertem Konflikt. Ein Essay über öffent­liche Kommunika­tion in der italienischen Stadtkommune, in: Cum verbis ut Italici solent suavibus atque ornatissimis. Funk­tionen der Beredsamkeit im kommunalen Italien/Funzioni dell‘eloquenza nell‘Italia comunale, hg. von Florian Hartmann (Super alta perennis. Studien zur Wirkung der klas­sischen Antike 9), Göttingen 2011, S. 27 – 4 0.

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gebracht. Wie deren Miteinander symbolisiert werden sollte, habe ich in den zeitgenös­sischen Quellen zwar nicht eruieren können. Aber das scheint dem grundsätz­lichen Befund von Dartmann zu entsprechen, wonach man auch in den Statuten offenbar vermied, eine klare Kompetenzunterscheidung vorzunehmen. Wichtiger als die normative Seite war das Errichten einer Konsensfassade. Denn Dartmann konstatiert eine auffallende Diskrepanz z­ wischen der zunehmenden Bedeutung des verschrift­lichten Rechts und dem „hohen Vertrauen in die Leis­ tungsfähigkeit der Schrift“ auf der einen Seite und der mangelnden Beachtung dieser Normen auf der anderen. So wurde bis ins Detail die Einholung eines von außen bestellten neuen Capitano oder Podestà geregelt. Für deren erste Reden in den Volksversammlungen schufen Notare Musterreden. Das Protokollarische rückte also beim Umgang mit den kommunalen Regierungsspitzen in den Vordergrund. Verstehen wir die Stadtkommunen mit Arlinghaus als Theaterstaaten, in denen sich niemand der Inszenierung kommunaler Herrschaft entziehen konnte,53 dann wird man auch den Bologneser Studenten die Vertrautheit mit diesen Verfahren unterstellen können. Sie waren geradezu prädestiniert, die recht­lich und notariell geprägte Kommunika­tion der Akteure zu deuten. Matteo de Libris Aringhe, der ‚Liber de regimine civitatum‘ des Johannes von Viterbo oder der ‚Oculus pastoralis‘ – all dies sind zeitgenös­sische Rhetorikwerke aus der Feder von Notaren, die sich der sprach­lichen Bewältigung der kommunalen Machtspiele widmeten.54 Diese Rhetorik war wichtiger Bestandteil des Studiums in Bologna. Damit komme ich nach dem langen Exkurs zurück auf den Kanzler und auf den Protonotar Ludwigs IV. Beide kannten die Regeln und die wichtigsten italienischen artes und summae dictandi sowie die grundlegenden Werke zur münd­lichen Rhetorik. Der Protonotar Ulrich Wild hatte ein Jahr zuvor die Sachsenhäuser Appella­tion redigiert und dabei ausführ­lich und mehrfach aus der Briefsammlung Petrus de Vineas zitiert.55 Dass sie als Kanzleiangestellte dann amtsgemäß aufgrund ihrer Ausbildung und aufgrund der eigenen Anschauung in Italien den Münchener Vertrag auf protokollarisch kanzleibezogene Fragen einer Doppelspitze

53 S. Anm. 48. 54 Vgl. die folgenden Edi­tionen Iohannes von Viterbo: Liber de regimine civitatum, ed. Caetano Salvemini (Bibliotheca iuridica medii aevi. Scripta anecdota Glossatorum 3), Bologna 1901, S. 215 – 280; Oculus pastoralis pascens officia et continens radium dulcibus pomis suis, ed. Dora Franceschi, (Memorie dell’Acedemia delle scienze di Torino. Classe di scienze morali, storiche e filologiche, series IV, 11), Turin 1966; Oculus pastoralis – Speeches from the Oculus pastoralis, ed. Terence O. Tunberg, Toronto 1990. 55 S. o. die Anm. 8 und 9.

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ausrichteten, ist vielleicht auch mit deren Ausbildung und mit dem sozia­len und politischen Umfeld der Universität Bologna zu erklären. Wenn sie darüber hinaus in Italien gelernt hatten, wie man aus zwei zunächst unversöhn­lichen Konkurrenten an der kommunalen Spitze zumindest verbal und in der öffent­lichen Inszenierung eine gedachte idealisierte Einheit machte, dann konnte d­ ieses Wissen als Ausgangspunkt für eine vertrag­liche Lösung fungieren. Frühere Schreiben ­Friedrichs und Ludwigs zeigen deut­lich den differenzierten Umgang mit der Anrede italienischer Adressaten. Bald werden bloß Podestà und Capitano angeredet, bald Podestà, Capitano und concilium und bald Podestà, Anziani und Konsuln.56 Diese bewusste Differenzierung zeigt, wie genau die Kanzleien die Regierungsstruktur und die Titulaturen der Amtsträger der einzelnen Kommunen kannten und dass ihnen die Doppelstruktur durchaus geläufig war. Noch ein weiteres Charakteristikum des Münchener Vertrages entspricht dem Befund in den kommunalen Statuten. Denn die praktische Ausgestaltung der Doppel­herrschaft bleibt doch auf unbefriedigende Weise schwammig, das Doppelkönigtum scheint darin weniger geschaffen oder definiert als vielmehr verwaltet zu werden. Die Urheber in den Kanzleien suchten für das Doppel­königtum nolentes volentes eine Verfahrenslösung zum praktischen Gebrauch, eine Regelung, wie die Kanzlei mit dem Phänomen umzugehen hatte. In die Richtung deutet auch der in den Quellen durchweg herausgestellte geheime Charakter dieser Vereinbarung.57 Er war kein Friedensvertrag von verfassungsmäßigem Rang, sondern eine pragmatische Handreichung. Sie wurde auf der einen Seite nicht öffent­lich gemacht; auf der anderen Seite beschäftigte sie sich aber gerade mit der Handhabung des Doppelkönigtums in der Öffent­lichkeit, indem für Briefe, die damals immer auch öffent­liche Dokumente waren, und für öffent­liche Inszenierungen, Prozessionen und Zeremonien ein Verfahren definiert wurde. Damit reagiert der Vertrag von München auf gesellschaft­liche Entwicklungen und Erwartungen, die sich daraus ergaben, dass gerade in dieser Periode der Reichsgeschichte die öffent­liche Meinung an Bedeutung gewann.58 Angesichts dessen und angesichts der gewachsenen

56 MGH Const. 5, Nr. 363, S. 303 f. 57 Johannes von Winterthur, Chronica, ed. Friedrich Baethgen (MGH SS rer Germ N. S. 3), Berlin 1924, S. 82 f.; Heinrich Taube von Selbach, Chronica, ed. Harry Bresslau (MGH SS rer Germ N. S. 1), Berlin 1922, S. 35. Zu ­diesem Vorwurf der Geheimhaltung vgl. schon Schwedler, Bayern und Österreich (wie Anm. 16), S. 152. 58 Dazu vor allem Ernst Schubert, Ludwig der Bayer im Widerstreit der öffent­lichen Meinung seiner Zeit, in: K ­ aiser Ludwig der Bayer. Konflikte, Weichenstellungen und Wahrnehmung seiner Herrschaft (Quellen und Forschungen aus dem Gebiet der Geschichte 22), hg. von Hermann Nehlsen – Hans-­Georg Hermann, Paderborn 2002, S. 163 – 197.

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Ansprüche unterschied­licher Öffent­lichkeiten auf Partizipa­tion ist erklärbar, warum es den Akteuren so wichtig war, im Rahmen des Doppel­königtums eine Lösung dafür zu finden, wie man in der Öffent­lichkeit mit d­ iesem neuartigen Phänomen umzugehen hatte. Man ist fast versucht zu sagen, 1325 wurde in München kein politisches Problem gelöst, sondern ein Provisorium für die Kanzleipraxis handhabbar gemacht. In Italien fand man Vorlagen für den Umgang mit solch einer Doppelspitze, auf die man für die praktischen Fragen im Vertrag von München dann zurückgreifen konnte. Mehr auch nicht. Zwar wird in den Kommunalstatuten in aller Detailverliebtheit festgehalten, wie die Wahl des Podestà del comune und des Capitano del popolo im Einzelnen und konkret durchzuführen war. Aber bis heute ist die Forschung darüber im Unklaren, wie z­ wischen diesen beiden nebeneinanderstehenden Spitzenämtern innerhalb der kommunalen Politik die Kompetenzen verteilt waren. Denn die Statuten regelten diese Kompetenzverteilung mit keinem Wort. Auch darin ist ihnen der Vertrag von München so fremd nicht.

Zur Frage der Hofkunst im Reich und in Frankreich im 14. Jahrhundert Christian Freigang Über Hofkunst im 14. Jahrhundert zu reflektieren, beruht zunächst auf der axiomatischen Annahme, dass künstlerische Artefakte Kommunika­tionsmedien darstellen, die s­ ozia­le Distink­tion und Identität vermitteln und insofern dem ‚Fürstenhof ‘ einen öffent­lich wahrnehmbaren Sonderstatus zuweisen. Wie das eigent­lich geschieht, darüber ist man sich mangels dokumentarischer Evidenz allerdings nicht ganz im Klaren: Und so lassen sich, wie zuletzt durch Brigitte Kurmann-­ Schwarz, ­Wolfgang Brückle und Malcolm Vale ausgeführt, recht unterschied­liche Defini­tionen des Begriffs ‚Hofkunst‘ finden.1 Während er seit den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts als Epochenbegriff der durch ein ebenso expressives wie elegantes Idiom ausgezeichneten Kunst unter Ludwig IX. von Frankreich galt,2 wurde der Terminus von Robert Suckale in einem allgemeinen stilgeschicht­ lichen Sinne auch auf eine künstlerische Produk­tion bezogen, die sich auf die Selbstdarstellung verschiedener adelig-­höfischer Gruppen bezieht. Dabei erhält das Stilidiom dynastisch-­distinktiven Charakter, kennzeichnet programmatisch politische Inten­tionen verschiedener Parteiungen.3 Daneben gibt es die prominent von Martin Warnke vertretene Auffassung vom Hofkünstler, der – institu­ tionell an die Adelshöfe gebunden – sich von den zünftisch verfassten kommunalen Kunstproduk­tionen bzw. den Ateliers und Werkstätten geist­licher Instanzen 1 Brigitte Kurmann, Der Schrein der hl. Gertrud und das Problem der franzö­sischen Hofkunst im 13. Jahrhundert. Stand der Forschung und Probleme, in: Schatz aus den Trümmern. Der Silberschrein von Nivelles und die euro­päische Hochgotik. Ausst.-Kat. Paris und Köln 1995/96, hg. von Hiltrud Westermann-­Angerhausen, Köln 1996, S. 237 – 249; Wolfgang Brückle, Revision der Hofkunst. Zur Frage historistischer Phänomene in der ausgehenden Kapetingerzeit und zum Problem des höfischen Stils, in: ZK 63 (2000), S.  404 – 434; Malcolm Vale, The Princely Court. Medieval Courts and Culture in North-­ Western Europe, 1270 – 1380, Oxford 2001. 2 Robert Branner, St. Louis and the Court Style in Gothic Architecture, London 1965. 3 Robert Suckale, Die Hofkunst ­Kaiser Ludwigs des Bayern, München 1993. Bernd ­Carqué, Stil und Erinnerung. Franzö­sische Hofkunst im Jahrhundert Karls V. und im Zeitalter ihrer Deutung (Veröffent­lichungen des Max-­Planck-­Instituts für Geschichte 192), Göttingen 2004.

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abhebt.4 Der Hofkünstler verfüge in seiner engen Bindung an den Hof bzw. den Herrscher über besondere Freiheiten und Privilegien, sein Publikum sei insofern exklusiv, als an den Höfen eine durch Bildung, verfeinerte Verhaltenskodizes und Divertissement geprägte „höfische Kultur“ eine besondere Wertschätzung von Raffinement und Virtuosität geherrscht habe. Wie derartige Klassifizierungen in Bezug auf Friedrich den Schönen zu konkretisieren sind, bleibt indessen äußerst schwierig, denn zu gering sind sein politisches Gewicht und seine Stiftertätigkeit, als dass man den Versuch unternehmen könnte, etwa eine ‚Hofkunst unter Friedrich dem Schönen‘ auch nur umreißen zu wollen. Sicher­lich hat er die bemerkenswert anspruchsvolle Wiener Augustinereremitenkirche nahe der Hofburg gestiftet.5 Im Licht neuerer Forschung sind die bislang für die Ausführung reklamierten bayerischen Werkmeister – deren Bestellung auf eine gezielte Programmatik des Baus hindeuten könnte – allerdings neuzeit­liche Quellenkontamina­tionen. Auch die Grundrissform des Langhauses wird nunmehr mit guten Gründen mit regionalen Tradi­tionen und nicht mit der Übernahme deutscher Vorbilder in Verbindung gebracht. Vor allem ist der bemerkenswerte Chor mit dem sich erweiternden Polygonschluss das Resultat einer durchgreifenden Planänderung der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts – also lange nach Friedrichs Tod –, die sich dann sehr deut­lich an der Chorerweiterung der Aachener Pfalzkapelle orientiert. Geradezu konträr ist ein weiteres Werk aus der Entourage Friedrichs zu beurteilen, die zu Ehren des hl. Ludwig von Toulouse als Grabstätte seiner Ehefrau Elisabeth von Aragon gestiftete Ludwigskapelle an der Wiener Minoritenkirche.6 Hier hat man, wohl zu Recht, vor allem auf süddeutsche Einflüsse verwiesen, für das Portaltympanon vor allem auf eine Skulpturenwerkstatt aus Regensburg. Insbesondere aber die um 1330 entstandene Architektur mit ihren innovativen Maßwerkcouronnements und den angeschärften Birnstabprofilen fungiert als Relais ­zwischen den architektonischen Verfeinerungen, wie man sie zeitgleich in Südwestdeutschland findet, und der Wiener Architektur des 14. Jahrhunderts. Man könnte von hier aus versuchen, den um 1304 begonnenen Ausbau des Hallenchores des Stephansdoms in seiner zweiten, innovativen Bauphase inklusive seiner hervorragenden Bauskulptur der Zeit um 1320/1340 4 Martin Warnke, Hofkünstler. Zur Vorgeschichte des modernen Künstlers, Köln 1985. 5 Günther Buchinger – Doris Schön, „… jene, die ihre hände hilfreich zum bau erheben …“: Zur zeit­lichen Konkordanz von Weihe und Bauvollendung am Beispiel der Wiener Augustinerkirche und Georgskapelle, in: RIHA Journal 0020 (18. April 2011), URL: www. riha-­journal.org/articles/2011/2011-apr-­jun/buchinger-­schoen-­wiener-­augustinerkirche (zuletzt aufgerufen am 17. 4. 2015). 6 Maria Parucki, Die Wiener Minoritenkirche, Wien – Köln – Weimar 1995.

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dem Engagement Friedrichs zuschreiben und daraus eine spezifische Hofkunst ableiten. Allerdings stünde man vor der Schwierigkeit, forcierte Datierungen in die Lebenszeit Friedrichs vorzunehmen und die bezeugt intensive kommunale Stiftungstätigkeit – der Rat der Stadt hatte auch das Bauamt inne – gegen eine nicht belegte Bautätigkeit Friedrichs auszuspielen. Das zugegeben Diffizile eines solchen Unterfangens hätte aber insofern seinen Reiz, als für die Person des mächtigen und siegreichen Konkurrenten Friedrichs, ­Kaiser Ludwig der Bayer, durch Robert Suckale sehr nachdrück­lich eine spezifische ‚Hofkunst‘ reklamiert worden ist.7 Hier wird sehr dezidiert eingefordert, künstlerischen und insbesondere bildhauerischen ‚Stil‘ als politische Programmatik des Kaisers darzustellen, die instrumentell eingesetzt und entsprechend von oberster Instanz dirigiert worden sei. Ausgehend von einer als exemplarisch für den Hofstil eingestuften Madonnenstatue aus Weiler unternimmt ­Suckale den Versuch, genuin kunsthistorische Kategorien zu aktualisieren, indem sie aus sich heraus, ohne weitere nachweisbare Kommentierung als herrscher­liche Selbstdarstellung zu verstehen ­seien. Implizit bedeutet das, dass sich jedes politische Handeln im Mittel­alter zumindest seit einer bestimmten Zeit auf je unterschied­liche, ja dezidiert distinkte Strategien von ‚Hofkunst‘ stützen müsse. Die politische Programmatik eines solchen Konzeptes von Hofkunst besteht insbesondere darin, den Monumenten und Bildwerken über die Evoka­tion von regionaltypischen Stilformen Bündnisse und Allianzen dauerhaft einzuprägen, damit Affirma­tion und Widerstand zu kennzeichnen. Einige Beispiele: Der stilistische und motivische Rekurs auf Giottos Navicellamosaik der Berufung Petri in St.-Pierre-le-Jeune in Straßburg beziehe sich auf die antiludovizische, prorömische Haltung der Stadt – nicht aber etwa nur auf die Inten­tion des patrizischen Stifters. In Frankfurt am Main, politisch wichtig als Stadt der Königswahl, sei die Madonna am Nordquerhaus der Stifts- und Pfarrkirche St. Bartholomäus, also dem Wahlort der Herrscher, aufgrund ihrer Nähe zur wohl von Ludwig dem Bayern gestifteten Madonna in der Zisterzienserkirche Fürstenfeld als öffent­lich gemachtes Bekenntnis der Stadt zum Wittelsbacherherrscher, selbst nach dessen Tod, zu interpretieren. Da die Stadt aber innerhalb der Legitima­tionskämpfe des Nachfolgers, ­Kaiser Karl IV., rasch auf dessen Seite umgeschwenkt sei, habe man auch den skulpturalen Stil des wenig ­später entstandenen Südquerhausportals auf die neue karolinische Linie umstellen müssen – so hat man im Gefolge Suckales die These weiter ausgebaut.8 Insgesamt sei die fraglos zu beobachtende Neuausrichtung künstlerischer und architektonischer 7 Suckale, Hofkunst (wie Anm. 3), S. 81. 8 Jiří Fajt – Markus Hörsch, Zwischen Prag und Luxemburg – Eine Landbrücke in den Westen, in: Karl IV. ­Kaiser von Gottes Gnaden. Kunst und Repräsenta­tion des Hauses

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Tendenzen unter Karl IV. aus einer stilistischen Opposi­tion gegen seinen Erzfeind Ludwig entstanden.9 In Verbindung mit Suckales ebenfalls epochalem Werk zur franzö­sischen gotischen Architektur des 12. und 13. Jahrhunderts 10 wurde hier eine umfassende Geschichte der spätmittelalter­lichen Kunststile als politisches Instrument vorgelegt. Diese reizvolle Synthese fand ihre aktuelle Fortführung, denn die große Ausstellung zu Karl IV. in Prag und New York 2006 mit dem programmatischen Titel ‚Kunst und Repräsenta­tion‘ schlug den Bogen bis K ­ aiser Sigismund. So entstehe aus der antiludovizischen Neuausrichtung der Künste unter Karl IV. ein karolinischer Reichsstil, der sich als Universalidiom im sogenannten Interna­ tionalen Stil um 1400 manifestiere.11 Trotz aller stupenden Kennerschaft und vor allem der emanzipatorisch grundierten Zielsetzung, Kunst als politisches Instrument analysierbar zu machen, bleiben indessen eine Reihe sehr essenzieller kritischer Fragen an die Methode. So fehlt bislang jeder belastbare Nachweis dafür, wie und über wen eine ­solche Instrumentalisierung im 13. und 14. Jahrhundert gesteuert wurde. Das ändert sich bekannt­lich etwa in der Zeit K ­ aiser Maximilians I., aus der wir ja recht genau wissen, mit w ­ elchen Gelehrten und Beratern die Erhaltung des ‚Gedächtnis‘ in verschiedensten Medien umgesetzt wurde. Außerdem ist, wie Matthias Weniger jüngst konstatierte, die Kontextualisierung der meisten von Suckale in Anspruch genommenen Werke, insbesondere ihre Zuweisung an bestimmte politische Akteure, höchst schwierig und oftmals sehr hypothetisch.12 Sodann müsste man voraussetzen, dass die Zeitgenossen allesamt ausgebildete kunsthistorische Mediävisten, und zwar kennerschaft­licher Schulung, waren, die all das Fränkische, Oberrheinische, Böhmische sofort erkennen und datieren und somit auf den jeweiligen Herrscher zu beziehen vermochten. Vor allem könnte man auch von zeichen- und kommunika­tionstheoretischer Seite kritisch ansetzen, denn etwa sekundäre Bedeutungsvereinnahmungen oder Aushandlungsprozesse über Deutungshoheiten sind in der Stilsemantik kaum zu vermitteln. Analoges gilt auch für die zugrunde gelegte historiographische Methode, die in hohem Maße Luxemburg 1310 – 1437. Ausst.-Kat. Prag 2006, hg. von Jiří Fajt, München – Berlin 2006, S.  357 – 383, hier S.  357 – 358. 9 Suckale, Hofkunst (wie Anm. 3), S. 160 – 169. 10 Dieter Kimpel – Robert Suckale, Die gotische Architektur in Frankreich. 1140 – 1270, München 1985. 11 Jiří Fajt, Von der Nachahmung zu einem neuen kaiser­lichen Stil. Entwicklung und Charakter der herrscher­lichen Repräsenta­tion Karls IV. von Luxemburg, in: Karl IV., hg. von Fajt (wie Anm. 8), S. 41 – 75. 12 Matthias Weniger, Kunst und Hofkunst unter Ludwig dem Bayern, in: Ludwig der Bayer (1314 – 1347). Reich und Herrschaft im Wandel, hg. von Hubertus Seibert, Regensburg 2014, S.  361 – 384.

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ereignisgeschicht­lich verfährt, eben herrscher­liche und dynastische Allianzen bzw. Divergenzen politischer und militärischer Natur als wesent­liches Paradigma nennt. Die implizit zugrunde gelegten politischen Handlungsmuster bilden insofern Konkurrenz, Gegnerschaft und Absetzung bzw. Loyalität und Parteinahme, während vielfältige Zwischentöne von Kompromiss, Lavieren, Neutralität kaum über Stile vermittelt werden können. Bezeichnenderweise ist bei Suckale bei allem Insistieren auf dem Konflikt ­zwischen Ludwig und dem Papst bzw. Karl IV. nichts von einer Kompromisspolitik gegenüber dem Habsburger Gegen- oder Mitkönig Friedrich dem Schönen im Felde der Kunst vermerkt. Es sind s­ olche grundsätz­ lichen Schwierigkeiten, die es neben der lückenhaften dokumentarischen Evidenz als sehr problematisch erscheinen lassen, auf einer Hofkunst Friedrichs zu insistieren und sie in ein Verhältnis zu Ludwig zu setzen. Derartige Vorbehalte gegenüber einer Verortung stilistischer Idiome von ‚Hofkunst‘ als politisches Herrschaftsinstrument sind bereits von Malcolm Vale oder Wolfgang Brückle formuliert worden.13 Wie aber der Verweis auf ­Kaiser ­Maximilian deut­lich macht, kann den Artefakten sehr wohl eine große Bedeutung bei der vielfältigen Vermittlung politischer und religiöser Selbstverständnisse um 1500 zukommen. Insofern erscheint es sinnvoller, ‚Hofkunst‘ in einem erweiterten Sinne zu begreifen, näm­lich als Artefaktproduk­tion, die eingebunden ist in ein komplexes System symbo­lischer Kommunika­tion, das vor allem auch die Inszenierung von Schauspielen, Turnieren, Einzügen, Banketten, Festen, die literarische und chronika­lische Produk­tion, das Stiftungswesen u. v. m. umfasst. Man kann etwa für die franzö­sischen Apanagefürstentümer des 15. Jahrhunderts sehr spezifische Identitätsausbildungen feststellen, die sich künstlerisch vielfältig niederschlagen und bei denen zumindest fallweise auch nachzuweisen ist, dass damit eine zentralisierte und institu­tionalisierte Verwaltung korreliert war. Wie etwa Simona Slanička gezeigt hat, betrieben die Burgunder seit dem späten 14. Jahrhundert eine intelligente und logistisch kleinteilig geregelte Politik der Embleme und Devisen. In ihrer unmittelbaren Verständ­lichkeit suggerierten etwa die heraldischen ­­Zeichen von Feuerstahl und Knotenstock militärische Energie und Stärke und erzeugten in ihrer abundanten Omnipräsenz eine unentrinnbare Sphäre von politischer Programmatik, materialisiert etwa in der Ikonographie von Tapisserien, Handschriften oder Neujahrsgeschenken.14 Das verbindet sich mit dem programmatischen Insistieren auf dem Troja-­Stoff, der literarisch und bildnerisch, 13 Vale, Princely Court (wie Anm. 1), S. 247 – 252; Brückle, Revision (wie Anm. 1). 14 Simona Slanička, Krieg der ­­Zeichen. Die visuelle Politik Johanns ohne Furcht und der armagnakisch-­burgundische Bürgerkrieg (Veröffent­lichungen des Max-­Planck-­Instituts für Geschichte 182), Göttingen 2002.

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insbesondere im Rahmen des Ordens vom Goldenen Vlies, evoziert wurde. Dies ließ sich einerseits auf die angemaßte Anziennität der Burgunder beziehen und zeigte, andererseits die Befreiung des Heiligen Landes als politische Programmatik proklamierte und insoweit christ­lich fundierte Legitimität an. Die Anjou hingegen setzten zur gleichen Zeit deut­lich auf eine Entmilitarisierung ihres Images, indem sich der Herrscher selbst als gebildeter Literat präsentierte, Turniere zu literarischen Bukolika transformierte oder herrscher­liche Frömmigkeit als eremitengleiche Askese vermittelte.15 Dabei spielten literarische und bildnerische Verfahren eine besondere Rolle, die den Teilnehmer/Betrachter/Leser in Art einer Rezep­tionsästhetik in die zier­lichen Luftschlösser des rex literatus involvierten – beim Schäferspiel genauso wie bei der Lektüre von allegorischen Ritterromanen oder Turnieranweisungen. Als Korrelat derartiger Krea­tionen politischer Images über symbo­lische Kommunika­tionsprozesse können wir in den franzö­sischen Fürstentümern dieser Zeit auch die Etablierung von Verwaltungsstrukturen nachvollziehen, die unabhängig von zünftischen Strukturen auf die Person des Fürsten bzw. das von ihm regierte Gemeinwesen orientiert waren. Als sehr gut organisierter Hof zeigt sich gemäß den Recherchen von Thomas Rapin derjenige des Herzogs von Berry. Entscheidend dabei ist die Existenz einer unabhängigen Rechnungskammer, die Chambre de comptes, über die eine stark hierarchisiert strukturierte Bautätigkeit im gesamten Herzogtum bezahlt und kontrolliert wurde. An der Spitze stand als oberster Werkmeister Guy de Dammartin (général maître d’oeuvres du duc), von der Gründung des Herzogtums 1369 bis zu seinem Tod 1397, gefolgt bis 1413 von seinem jüngeren Bruder Dreux. Diese obersten Werkmeister beaufsichtigten die Baustellen und sicherten zumeist über ein System aus Unter- und Werkverträgen eine zuverlässige Bauführung vor Ort. Der Amtsinhaber führte den Titel Valet de Chambre (der aber vor allem finanztechnischer Natur war!) und verfügte über mehrere Kammerherren, gehörte aber nicht zu den fami­ liares des Herzogs und war, im Unterschied zu Raymond du Temple in Paris und Vincennes, kein Intimus des Herrschers. Guy de Dammartin erhielt eine überdurchschnitt­liche, aber nicht exorbitante Bezahlung. Im Falle der neu errichteten Herzogsresidenz in Poitiers wissen wir, dass die Tour Maubergeon 15 Christian Freigang, Fantaisie et Ymaginacion: Selbstreflexion von Höfischkeit am proven­ ça­lischen Hof unter René I., in: Hofkultur in Frankreich und Europa im Spätmittelalter, hg. von dems.  – Jean-­Claude Schmitt (Passagen/Passages 11), Berlin 2005, S. 209 – 243; ders., Le tournoi idéal: la créa­tion du bon chevalier et la politique courtoise de René d’Anjou, in: René d’Anjou, écrivain et mécène (1409 – 1480), hg. von Florence Bouchet (Texte, Codex & Contexte 13), Turnhout 2011, S. 179 – 196.

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von einem untergebenen, gleichwohl aufgrund seiner Kompetenz privilegierten Werkmeister Jean Guérart auf einem großen Pergament gerissen und durch Guy dem Herzog zur Abnahme vorgelegt wurde, wofür offenbar auch ein Modell aus Nussbaum angefertigt worden war.16 Auf den eigenhändigen Entwurf von Guy gehen offenbar auch Hauptwerke wie die Schlösser in Mehun-­sur-­Yèvre und Poitiers zurück. Wir haben es also mit einer effizient geregelten Bauverwaltung zu tun, innerhalb derer offenbar auch die Entwurfstätigkeit vonstattenging bzw. -gehen konnte. Ein besonderes Augenmerk kam dabei dem Aspekt der Wirtschaft­lichkeit zu, der sich etwa darin äußert, dass Kostenvoranschläge, Unterverträge und Baudurchführung über die Chambre de Comptes kontrolliert wurden. Allerdings scheint der Herzog kaum direkt in diese intensive Bautätigkeit involviert gewesen zu sein. Gleichwohl zeichnet sich seine Herrschaft durch eine intensive Bautätigkeit aus: Die Saintes Chapelles in Bourges und in Riom, die Palastum- und -ausbauten in Poitiers, Mehun-­sur-­Yèvre und des Hôtel de Nesle in Paris sind hier zu nennen. Ein Vergleich der beiden Saintes Chapelles in Riom und in Bourges macht aber klar, dass trotz der analogen Rückbezüge auf das Pariser Vorbild eben kein einheit­licher Stil angewandt wurde, denn zu sehr unterscheidet sich die innovative Formensprache in Riom von derjenigen in Bourges. Die intensive, administrativ effizient geregelte Bautätigkeit im Herzogtum bedeutete offenbar nicht eine stilistische Homogenität. Diese zentralisierte fürst­liche Bauverwaltung erlaubte große Flexibilität, was die persön­liche Anteilnahme des Herrschers an der künstlerischen Produk­tion betrifft. Während – im Gegensatz zur Situa­tion in Paris – zu den Bauleuten keine engeren Bande bestanden, gab es ausgesuchte Maler, die in der unmittelbaren Entourage des Jean de Berry zu verorten sind. Die weid­lich bekannten Kronzeugen dafür stellen die Maler und Goldschmiede Paul, Hermann und Hans von Limburg dar – unter denen vor allem Paul eine herausragende Rolle am Hofe spielte –, immer wieder mit Neujahrsgeschenken bedacht und ihrerseits auch als Schenkende auftretend. Wenn sie dabei ein virtuos geschaffenes Salzfass und eine Buchattrappe übergaben, so wiesen sie implizit auf die Gründe ihrer Wertschätzung hin: handwerk­liche Qualität und eine überraschende Fähigkeit der bildnerischen Mimesis. Wiewohl die Einzigartigkeit dieser Übergabe von étrennes nicht überbewertet werden darf – denn auch andere Handwerker übergaben an Neujahr Geschenke an den Herrscher –, so fallen doch eine Reihe von direkten herzog­ lichen Interven­tionen zugunsten Pauls und seiner Brüder auf: von Ehrentiteln über

16 Thomas Rapin, Les Dampmartin, une dynastie de maîtres d’oeuvre à la lecture des sources (1365 – 1469), in: Revue historique du Centre-­Ouest 4 (2005), S. 247 – 271, hier S. 259.

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die Zuführung einer Braut (in Form einer minderjährigen Bürger­lichen) bis hin zur Schenkung eines palastähn­lichen Wohn- und Atelierhauses in Bourges.17 Wie schon zuvor am burgundischen Hof waren die Brüder vertrag­lich auf Arbeiten für den Herrscher festgelegt, und ihr Name wurde zusammen mit demjenigen von Jacquemart des Hesdin insofern zu einer Art Markenzeichen, als die von ihnen ausgestatteten Bücher im Bibliotheksinventar zumindest fallweise explizit als ihre Werke verzeichnet sind. Die Limburgs erscheinen insofern als exemplarisch für einen Hofkünstler, der nun auch in der Tat politische Botschaften vermittelt: Dazu zählt etwa die bild­liche Dokumenta­tion der ‚Baupolitik‘ des Herrschers, wie sie in den Veduten des berühmten Stundenbuchs der Très Riches Heures sichtbar wird, die vor allem die fürst­lichen Residenzen und Ländereien zeigen und sie in ein höfisch-­geziertes Ambiente integrieren.18 Die Programmatik der Très Riches Heures muss dabei wohl auf ein differenziertes Konzept, welches sich nicht allein den Künstlerbrüdern verdankt, zurückzuführen sein. Darüber hinaus vermitteln die kosmolo­gischen Darstellungen und Eintragungen in den Kalenderblättern (v. a. f° 2v, 3v, 6v, 7v, 9v, 10v, 11v, 12v), der astronomische Mensch (f° 14v) oder die Romkarte (f° 141v) Gelehrsamkeit als durchgehendes herrscher­liches Ideal. Hinzu treten subtile tagespolitische Parteinahmen, wenn etwa die Peiniger ­Christi in den Passionsdarstellungen (f° 143r, 146v, 147r, 153r) durch ihre kreuzweisen Schärpen als feind­liche Burgunder kennt­lich gemacht sind.19 Bemerkenswerterweise folgt die Struktur der Bauverwaltung im Berry in vielen Elementen administrativen Neuerungen, die unter König Karl V. am franzö­ sischen Hof eingeführt worden waren. Die Einrichtung eines général maître des oeuvres du roi als Oberaufsicht der könig­lichen Baumaßnahmen ist hier ebenso zu nennen wie deren Bezug auf eine eigenständige Rechnungskammer. In ­diesem System agierte ein mittlerweile gut dokumentierter Kleriker Guillaume d’Ogier als oberster Offizier, dem insbesondere ein Spezialist, Raymond du Temple, als Bauunternehmer und Architekt direkt untergeordnet war.20 Dieser, zunächst an 17 Die Brüder van Limburg: Nijmegener Meister am franzö­sischen Hof (1400 – 1416). Ausst.Kat. Nijmegen, hg. von Rob Dückers, Stuttgart 2005, passim. 18 Chantilly, Musée Condé, MS. 65; Les très riches heures du duc de Berry: Manuskript Nr. 65 aus den Sammlungen des Musée Condé in Chantilly, 2 Bde., Luzern 1984; Les très riches heures du Duc de Berry et l’enluminure en France au début du XVe siècle. Ausst.-Kat. ­Chantilly 2004, hg. von Patricia Stirnemann, Paris 2004. 19 Slanička, Krieg (wie Anm. 14), S. 242 – 280. 20 Jean Chapelot, Charles V maître d’ouvrages: à propos de la construc­tion du donjon de Vincennes et de quelques chantiers contemporains, in: Du projet au chantier. Maîtres d’ouvrages et maîtres d’oeuvre aux XIVe–XVIe siècles, hg. von Odette Chapelot (Civilisa­ tions et sociétés 106), Paris 2001, S. 337 – 4 03, bes. S. 366 – 368.

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der großen Wendeltreppe des Louvre beschäftigt – an der auch der nachmalige Hauptbauaufseher der Berry, eben Guy de Dammartin, tätig war –, scheint sich in ähn­licher persön­licher Nähe zum König wie die Brüder Limburg bewegt zu haben. Immerhin übernahm dieser höchstpersön­lich die Patenschaft eines der Kinder des Baumeisters. Der König selbst richtete zur Förderung bestimmter Projekte, wie etwa dem vielfach veränderten, immer wieder durch persön­liche Interven­tionen geprägten Ausbau des Donjon in Vincennes, einen persön­lichen Sonderfonds, die sogenannten coffres, ein und war selbst erstaun­lich häufig an Besichtigungen und Begutachtungen von Bauprojekten beteiligt. Dabei handelt es sich insbesondere um Profanarchitekturen, also Fortifika­tionen, Brücken u. Ä., nicht unbedingt um ästhetisch aufwendige Anlagen. Raymond du Temple spielte hier eine heraus­ ragende Rolle, und es war wohl diese exklusive Stellung, die ihm erlaubte, sich am Grand vis du Louvre in einem skulptierten Porträt abbilden zu lassen und sich als familiaris in die dynastische Reihe des Königshauses einzureihen.21 Aussagekräftig sind in d­ iesem Zusammenhang auch neuere Erkenntnisse zu seiner Entwurfs­ tätigkeit. Gemäß einer jüngst entdeckten Quelle gab er von Paris aus die Erbauung der Sainte-­Chapelle in Vincennes durch Risse und Schablonen vor, die dann von kompetenten Baumeistern ausgeführt wurde.22 Damit war sichergestellt, dass das unter Karl begonnene Architekturwerk auch unter seinem Nachfolger gemäß einer zentralisierten Entwurfsplanung ausgeführt werden konnte. Die Quellen für eine derart detailliert geregelte Bauverwaltung lassen sich aber offenbar nicht so lesen, als ob hier ein bestimmter Hofstil als Distink­tionsmerkmal bestimmter Gruppen kreiert werden sollte – selbst wenn dies als Sekundäreffekt nicht auszuschließen ist. Die Hauptmotiva­tion lag darin, die herrscher­liche Förderung der Produk­tion von Bildern und Architekturen gezielt herauszustellen. Wolfgang Brückle hat in ­diesem Sinne näm­lich deut­lich gemacht, wie im letzten Drittel des 14. Jahrhunderts unter dem franzö­sischen König Karl V. ein neues, profanes Stadt- und Staatsverständnis wirksam wurde. Die zunehmende Ausdiffe­ renzierung der Metiers einerseits, die Orientierung der Politik am bien publique andererseits gab dem Herrscher auch eine bislang nicht zu findende Verantwortung in architektonisch-­künstlerischen Fragen. Der umfassende Umbau von Paris zu einer architektonisch prächtigen Kapitale, wie sie unter Karl V. offensicht­lich 21 Zuletzt Isabelle Taveau-­L aunay, Raymond Du Temple, maître d’œuvre des rois de France et des prince, in: Du projet, hg. von Chapelot (wie Anm. 20), S. 323 – 338; Odette ­Chapelot – Jean Chapelot – Jean Pascal Foucher, Un chantier et son maître d’oeuvre: Raymond Du Temple et la Sainte-­Chapelle de Vincennes en 1395 – 1396, in: Du projet, hg. von Chapelot (wie Anm. 20), S. 433 – 488. 22 Ebd., bes. S. 459 – 475.

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als Politik betrieben wurde, hatte zum Ziel, Schönheit, Pracht und Ordnung des urbanistischen Stadtgefüges als Ausweis einer zunehmend auf Welt­liches gerichteten könig­lichen Politik visuell erfahrbar werden zu lassen. Zu nennen sind hier vor allem die Vergrößerung des Stadtgebietes, der Ausbau des Louvre, des Hôtel Saint-­Pol und des Schlosses von Vincennes, zahlreiche Kirchengründungen usw. Seither ist eine gleichsam ‚touristische‘ Inszenierung der schönen Stadt auch Teil von Herrschaftsritualen, wie vor allem der Bericht vom Empfang von ­Kaiser Karl IV . in Paris deut­lich macht. Brückle fasst das als ästhetische Überhöhung des franzö­sischen Königtums auf, in dem sich der Staat über die Kunstwerke repräsentiert und damit die Ranghöhe des Herrschers legitimiert.23 Um 1400 wird Christine de Pizan Karl V. unter Rückbezug auf Fürstenideale, die bei Aristoteles und Thomas von Aquin formuliert sind, aufgrund seiner vollendeten Beherrschung der artes liberales als ‚sage roi‘ preisen: Charles fust sage artiste, se demoustra vray architecteur et deviseur certain et prudent ordeneur, lorsque les belles fondacions fist faire en maintes places, notables edifices beaulx et nobles, tant d’eglises comme de chasteaulx et autres bastimans à Paris et ailleur […].24 Versuchen wir nunmehr, die eben genannten Aspekte einer zentralisierten und autonomen ‚Bau- und Kunstverwaltung‘ auf das Reich zu übertragen, so gibt es zunächst eine Reihe von parallel zu lesenden Indizien. So erscheinen meines Wissens zum ersten Mal unter Karl IV. Maler als familiares des Herrschers, näm­lich Nikolaus Wurmser aus Straßburg und Meister Theoderich.25 Wir können annehmen, dass dazu auch die Dombaumeister Matthias von Arras und Peter Parler gehörten, denn immerhin erscheinen sie innerhalb der von K ­ aiser Karl IV. angeführten Stiftergemeinschaft, die als Büsten im Prager Domtriforium abgebildet ist. In dieser Funk­tion sind auch beide bemerkenswerterweise im Dominneren unter ihren Büsten begraben.26 Das erinnert an die wenig ältere Aufnahme von Raymond du Temple in die Ehrenplätze am Pariser Grand vis. Peter Parler sind zudem sicher mehrere kaiser­liche Bauprojekte zuzuweisen, so außer dem Prager 23 Wolfgang Brückle, Civitas terrena. Staatsrepräsenta­tion und politischer Aristotelismus in der franzö­sischen Kunst 1270 – 1380, München – Berlin 2005, bes. S. 166 – 199. 24 Suzanne Solente, Le livre des fais et bonnes meurs du sage roy Charles V par Christine de Pisan, Bd. 2 (Société de l’Histoire de France, série ant. à 1789, t. 437 et 444), Paris 1936 u. 1940, S. 37. 25 Antonín Friedl, Magister Theodoricus. Das Problem seiner malerischen Form, Prag 1956, S.  24 – 25 u. S.  333 – 334. 26 Christian Freigang, Werkmeister als Stifter. Bemerkungen zur Tradi­tion der Prager Baumeisterbüsten, in: Nobilis arte manus. Festschrift zum 70. Geburtstag von Antje ­Middeldorf Kosegarten, hg. von Bruno Klein – Harald Wolter-­von dem Knesebeck, Dresden – Kassel 2002, S. 244 – 264.

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Dom auch der Altstädter Brückenturm und die Allerheiligenkirche auf dem ­Hradschin. Derartig hochrangige Aufträge machten Parler wie auch seine franzö­ sischen Kollegen zu wohlhabenden Grundbesitzern. Angesichts solcher generellen Vergleichbarkeiten fällt aber umso mehr auf, was wir im Gegensatz zu den franzö­ sischen Quellen dokumentarisch entbehren: keine Titel innerhalb einer höfischen Verwaltung, keinerlei Angaben zu zentralisierenden und institu­tionalisierenden Strukturen oder Finanzierungsmodi. Im Gegenteil sind beide Meister des Prager Doms in ihren Inschriften ausdrück­lich nur als Magister fabricae des Doms genannt.27 Andererseits ist sicher­lich erwägenswert, dass die umfangreiche, durch Karl in Angriff genommene Erweiterung der Prager Altstadt durch die Anlage der Neustadt mit dem zentralen Wenzelsplatz eine umfangreiche Logistik und zentrale Finanzierung voraussetzte, in die wohl auch hoch qualifizierte Werkmeister involviert waren, die dem Herrscher nahestanden und ihre Kompetenzen in entscheidendem Maße einfließen ließen. Hierfür wurde jüngst von einigen Autoren konkret Matthias von Arras in Anspruch genommen, ohne dass dies indessen wie zur selben Zeit in den franzö­sischen Fürstentümern im Sinne einer Kunst- und Bauverwaltung quellenmäßig greifbar wäre.28 Analoges gilt für die ausgeklügelte Inszenierung des Prager Doms als Ritual- und Memorienort Karls IV., die nicht ohne eine koordinierende Planung zu denken ist.29 Vergleichbares können wir für Ludwig IV ., den Bayern, nicht ermitteln. Im Gegenteil ist die Anzahl seiner Stiftungen und der von ihm in Auftrag gegebenen Bauten und Kunstwerke eher gering: die Lorenzkapelle im Alten Hof in München, der Chor und der Hauptaltar sowie die wittelsbachische Grablege in der Münchener Frauenkirche, das Kloster Ettal, die Ettaler Madonna, die Fürstenfelder Madonna.30 Bis auf die beiden erhaltenen – stilistisch völlig unterschied­lichen 27 Zur Problematik der Inschriften im Chortriforium: Milena Bartlová, The Choir Triforium of Prague Cathedral Revisited: The Inscrip­tions and Beyond, in: Prague and Bohemia. Medieval Art, Architecture and Cultural Exchange in Central Europe, hg. von Zoë Opačić (Conference Transac­tions. The British Archaeological Associa­tion 32), Leeds 2009, S. 81 – 100; zur Bauinschrift am Turm: Klára Benešovská – Ivo Hlobil, Peter Parler & St Vitus’s Cathedral 1365 – 1399, Prag 1999, S. 149 – 151. 28 Zoë Opačić – Paul Crossley, Prague as a New Capital, in: Prague. The Crown of Bohemia, 1347 – 1437, hg. von Barbara Drake Boehm – Jiří Fajt, New York u. a. 2005, S. 59 – 73, hier S.  66 – 67. 29 Paul Crossley, Bohemia sacra: Liturgy and History in Prague cathedral, in: Pierre, lumière, couleur. Etudes d’histoire de l’art du Moyen Âge en l’honneur d’Anne Prache, hg. von Fabienne Joubert – Dany Sandron, Paris 1999, S. 341 – 365. 30 Weniger, Kunst (wie Anm. 12); eine Übersicht bei Peter Pfister, Staatsfrömmigkeit und Privatfrömmigkeit Ludwigs des Bayern in seinem bayerischen Herrschaftsgebiet, in:

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Kunstkreisen entstammenden – Madonnen sind die den Stiftungen zugehörigen Ensembles verloren bzw. stark beeinträchtigt. Angaben über die beteiligten Künstler, ihre Verbindung mit der kaiser­lichen Verwaltung fehlen ganz. Etwas besser stellt sich die Situa­tion für die Dynastie der konkurrierenden Luxemburger dar, der ja auch Ludwigs Vorgänger, Heinrich VII., entstammte. Vor allem der ­Trierer Erzbischof Balduin von Luxemburg, Bruder Heinrichs VII. und Großonkel K ­ aiser Karls IV., ist gut erforscht.31 Die Vielfalt und der Umfang der Stiftungen sicherten dem Geschlecht ein intensives und lang währendes Andenken. Auffällig ist bei Heinrich VII. eine geographisch äußerst weite Streuung der Stiftungen und Memorialorte ­zwischen Trier, dem Mittelrhein und Mittelitalien. Dies war natür­lich nicht zentral zu organisieren, sondern wurde von lokalen Kräften, dem Pisaner Domkapitel oder dem Oberweseler Stiftskollegium, eben den von den Stiftungen profitierenden Institu­tionen, betrieben. Dabei war die künstlerische Ausgestaltung im Grunde eine nachgeordnete Frage, selbst wenn natür­lich solch hochrangige Aufträge von exquisiten Ateliers auszuführen waren. Entscheidende Bedeutung kam den vermittelten Images zu – wie das Michael Viktor Schwarz genannt hat:32 die Referenz auf antikes Kaisertum in Pisa etwa oder die Legitimität des Handelns in der Romfahrt Heinrichs. Daraus rechtfertigte sich die Memoria durch bestimmte, bewusst diversifizierte Personengruppen. Analoges gilt für die Vielfalt der Stiftungen von Balduin von Trier, die sich indessen wegen der Komplexität der damit verbundenen Motive nicht unter dem Rubrum einer morpholo­gisch einheit­lichen Hofkunst einordnen lassen.33 Vielmehr scheint es auch hier, als hätten die bestifteten Institu­tionen die bild­lich- oder bau­lich-­ materielle Umsetzung selbst in die Hand genommen. Erst der neue Akzent auf die Herausstellung einer guten künstlerischen Qualität als Ausdruck eines geordneten bien publique, die unter Karl V. von Frankreich betrieben wurde – eine Politik, in die der Herrscher explizit auch direkt involviert ­ aiser Ludwig der Bayer 1282 – 1347. Ausst.-Kat. Fürstenfeldbruck 1997, hg. von Angelika K Mundorff – Renate Wedl-­B ruognolo, Fürstenfeldbruck 1997, S. 53 – 76. 31 Franz J. Ronig, Kunst unter Balduin von Luxemburg, in: Balduin von Luxemburg, Erzbischof von Trier – Kurfürst des Reiches. 1285 – 1354, hg. von Johannes Mötsch  – Franz-­Josef Heyen (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 53), Mainz 1985, S. 489 – 558; Grabmäler der Luxemburger. Image und Memoria eines Kaiserhauses, hg. von Michael Victor Schwarz, Luxemburg 1997; Verena Kessel, Balduin von Trier (1285 – 1354). Kunst, Herrschaft und Spiritualität im Mittelalter (Geschichte und Kultur des Trierer Landes 12), Trier 2012. 32 Michael Victor Schwarz, Image und Memoria: Statt einer Zusammenfassung, in: Schwarz, Grabmäler (wie Anm. 31), S. 175 – 182. 33 Kessel, Balduin (wie Anm. 31), bes. S. 399 – 4 00.

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erscheint –, begründete offenbar eine neue zentralisierende Koordina­tion des künstlerischen und architektonischen Schaffens. Ob damit ein einheit­licher künstlerischer Stil kreiert wurde, bleibt weiterhin eine Frage. Jedenfalls machte diese neue Koordina­tion recht schnell Schule, in den franzö­sischen Apanage­ fürs­tentümern und in Ansätzen auch im Reich, und muss als Innova­tion dieser Zeit gelten, von der die Frage einer konzertierten ‚Hofkunst‘ in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts abgesetzt werden sollte.

Kunstwerke aus dem Umfeld Friedrichs des Schönen Harald Wolter-­von dem Knesebeck

Einleitung Da er im Kampf seinem Wittelsbacher Vetter Ludwig dem Bayern unterlag, ist es das Schicksal des Habsburger Königs Friedrich mit dem Beinamen ‚der Schöne‘, dass er bis heute kaum jemals ohne Ersteren zu haben ist.1 Nach ihren Krönungen 1314 rangen beide erst mit militärischen und diplomatischen Mitteln um die Anerkennung ihres Königtums. Beide versuchten dann aber nach der von Friedrich verlorenen Schlacht bei Mühldorf von 1322 und seiner Gefangenschaft bei Ludwig dem Bayern ab 1325 ein für das deutsche Mittelalter einmaliges Experiment: ein Doppelkönigtum, das beiden Titel und Ehre und idealiter auch g­ leiche Rechte und Pflichten als Könige ließ und sogar ein gemeinsames Siegel vorsah. Dieser Versuch wurde allerdings bald für den machtpolitisch erfolgreicheren Wittelsbacher irrelevant und verlor mit dem 1330 eingetretenen Tod Friedrichs des Schönen ohnehin seine Grundlage. In der Goldenen Bulle von 1356 fehlten dann die Habsburger unter den Königswählern. Dennoch sahen sich die Habsburger aufgrund der drei Könige aus ihren Reihen, Rudolf I., Albrecht I. und eben Friedrich dem Schönen, sowie ihrer großen süddeutschen Machtbasis immer als eine königsfähige Familie an, auch wenn es danach bis 1438 dauerte, dass mit Albrecht II. wieder ein Habsburger König wurde. Ludwig dem Bayern waren 2014, dem Jubiläumsjahr dieser Krönungen, eine Vielzahl von Publika­tionen und die bayerische Landesausstellung gewidmet, die noch dazu mit dem euphorischen Titel ‚Wir sind ­Kaiser!‘ auftrumpfte.2 Das Echo

1 Zur Bezogenheit der beiden aufeinander zu Lebzeiten vgl. Clauss in ­diesem Band. Einmal weitgehend gleichberechtigt nebeneinander stehen beide in dem Abschnitt „Kampf um die Krone“ und in dem Abschnitt "Gemeinsames Königtum", zu ihnen und der Schlacht von Mühldorf in: Verbündet – Verfeindet – Verschwägert. Bayern und Österreich. Bayerisch-­ Österreichische Landesausstellung 2012. Burghausen, Braunau am Inn, Mattighofen. 27. April bis 4. November 2012 (Veröffent­lichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur), hg. von Wolfgang Jahn – Evamaria Brockhoff, München 2012, 2 Bde., hier Bd. 1, S. 173 – 188. 2 So gab es im Jubiläumsjahr 2014 der Krönungen der beiden Gegenkönige am 25. November 1314 für Ludwig den Bayern eine Landesausstellung in Regensburg, vgl. Ludwig der Bayer. Wir

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auf die Krönung Friedrichs am Tag der hl. Katharina, dem 25. November 1314, im Bonner Münster war 2014 hingegen deut­lich verhaltener und zudem eher lokal an seinen Krönungsort Bonn gebunden.3 Das interna­tionale Symposion ‚Bonn 1314 – Krönung Krieg und Kompromiss‘ vom 27. bis 29. November in Bonn nahm einmal von Friedrich dem Schönen, seinem Werdegang und seiner familiären Einbettung aus die Doppelwahl und die beiden Krönungen in Aachen und Bonn sowie den Konflikt der beiden Könige und schließ­lich das Doppelkönigtum in den Blick. Im Rahmen ­dieses Symposions, das im Bereich des Kreuzgangs des Bonner Münsters stattfinden konnte, stand naturgemäß die mittelalter­liche Kunst nicht im Vordergrund. Zwei kunsthistorische Beiträge zielten auf die Frage nach der Darstellung von Königtum im Umfeld der Krönungen von 1314 und nach den Bedingungen von ‚Hofkunst‘. Peter Kurmann kann in d­ iesem Band zeigen, wie sich der Kölner Erzbischof Heinrich II. von Virneburg, der Friedrich den Schönen krönte, in ‚seinen‘ Kölner Dom einschrieb. Da dieser ihm aufgrund der lokalpolitischen Verhältnisse für die mit den Reichsinsignien vollzogene Krönung ebenso wenig zur Verfügung stand wie der tradi­tionelle Krönungsort, das in der Kölner Erzdiözese gelegene Aachener Münster, in dem Ludwig der Bayer seine Krone erhielt,4 tat Heinrich dies, indem er im Dom sein Wappen (Taf. 4) an zentraler Stelle in das auf die Heiligen Drei Könige und die sich ihnen anschließenden, wohl als deutsche Könige lesbaren langen Königsreihen fokussierte Programm der Glasmalereien des Chorobergadens (Taf. 1, 3) einfügte. Christian Freigang geht im vorliegenden Band Defini­tionen und Bedingungen von ‚Hofkunst‘ nach. Er

sind K ­ aiser! Katalog zur Bayerischen Landesausstellung 2014; Regensburg Minoriten­kirche, St. Ulrich am Dom, Domkreuzgang, 16. Mai bis 2. November 2014 (Veröffent­lichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 63), hg. von Peter Wolf, Regensburg 2014; dazu ein Sammelband, vgl. Ludwig der Bayer (1314 – 1347). Reich und Herrschaft im Wandel, hg. von Hubertus Seibert, Regensburg 2014; aber auch eine Monographie zu ihm von Martin Clauss, Ludwig IV. – der Bayer. Herzog, König, ­Kaiser, Regensburg 2014. Zuvor war Ludwig der Bayer schon in einem Buch von Robert Suckale, Die Hofkunst K ­ aiser Ludwigs des Bayern, München 1993, kunsthistorisch ausführ­lich gewürdigt worden. Noch reicher ist die Beschäftigung mit Karl IV., der Ludwig nachfolgen sollte und hierzu im Bonner Münster am 26. November 1346 zum König gekrönt wurde, wie etwa die gemeinsam bayerisch-­tschechischen Großausstellungen zu ihm im Jahr 2016 in Nürnberg und Prag belegen mögen, vgl. http://www.gnm. de/ausstellungen/aktuell-­und-­vorschau/karl-­iv/ (zuletzt aufgerufen am 14. 4.2016). 3 Zu den reichen Aktivitäten zum Krönungsjubiläum am Bonner Münster, in die sich auch die Tagung einreihte, vgl. http://www.bonner-­muenster.de/kroenung700/ (zuletzt aufgerufen am 8. 4. 2016). 4 Zu dem Umfeld, in dem der Erzbischof damals in seiner Erzdiözese agieren musste, vgl. den Beitrag von Groten in ­diesem Band.

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kann zeigen, dass ihre Defini­tion, wenn sie auf eine zentral gelenkte Kunstproduk­ tion mit relativ klar konturiertem Programm zielt, erst viel ­später in Frankreich unter Karl V. fassbar zu werden scheint. Der Begriff ‚Hofkunst‘ muss daher für die Könige von 1314, auch für den im Bereich der Kunstproduk­tion viel prononcierter auftretenden Ludwig den Bayern, problematisch erscheinen. Aus dem Abendvortrag der Tagung hervorgegangen, stellt mein Beitrag die Werke der bildenden Kunst und der Architektur vor, die für Friedrich den Schönen und seine Frau bzw. in Bezug auf diesen Herrscher entstanden sind. Er fällt daher weder methodisch noch thematisch so prononciert aus wie die Beiträge von Kurmann und Freigang. Zudem ist der Bestand an Werken, die in ­diesem Zusammenhang Beachtung finden können, eher überschaubar. Insbesondere im profanen Bereich sind die Verluste nicht selten fast vollständig. Nur noch in Quellen fassbar sind etwa die höfischen Repräsenta­tionen und Feiern, die gerade zu Beginn von ­Friedrichs Herrschaft und im Rahmen seiner am 14. Oktober 1313 geschlossenen, 1314 in den habsbur­gischen Landen an verschiedenen Orten gefeierten Hochzeit mit der aragone­sischen Prinzessin Isabella/Elisabeth (die im Folgenden mit der deutschen Variante ihres Namens Elisabeth bezeichnet wird) eine große Rolle gespielt haben.5 Kleidung und Ausstattung solcher Feste hatten praktisch keine Überlieferungschance. Auch Darstellungen von ihnen fehlen. Vom reichen Brautschatz, den Elisabeth aus Aragón mit sich führte, zeugen zumindest die Schriftquellen.6 Höchstens ein älterer, mög­licherweise in diesen Zusammenhängen als Brautgeschenk oder Krönungsgabe für Elisabeth wiederverwendeter und für sie um eine Miniaturenfolge erweiterter Psalter (Taf. 10 – 30, Abb. 9, 10) könnte auf diesen Bereich zurückverweisen. Als ein für die Frömmigkeitsübungen der Königin gedachter Gegenstand konnte er als Stiftung an eine kirch­liche Institu­tion kommen, die Wiener Minoriten, in deren ­Kirche Elisabeth auch ihre Grabstätte fand. Neben seiner religiösen Funk­tion war es aber wohl auch der überschaubare finanzielle Wert, der ­diesem Gebetbuch das Schicksal des besagten Brautschatzes ersparte, w ­ elchen Elisabeth von Aragón mit sich führte. Dieser wurde verpfändet, als im Zuge des sich über Jahre hinziehenden Konfliktes mit Ludwig dem Bayern die Geldnot der Habsburger stetig zunahm. Als Beispiel für die höfische Geschenkkultur und die Ausrichtung der Frömmigkeit am Hof kommt dem Gebetbuch für meinen Beitrag besondere Bedeutung zu. 5 Zu Isabella/Elisabeth und ihrer Hochzeit mit Friedrich vgl. Dick in ­diesem Band. ­Freigangs Beitrag in ­diesem Band betont zu Recht die wichtige Rolle, die solch repräsentativen Anlässen im Rahmen von ‚Hofkunst‘ zukam. 6 Zu ­diesem Brautschatz vgl. Johanna Schrader, Isabella von Aragonien, Gemahlin ­Friedrichs des Schönen von Oesterreich (Abhandlungen zur Mittleren und Neueren Geschichte 58), Berlin – Leipzig 1915, S. 24 – 35.

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Abb. 5 Siegel Friedrichs des Schönen und seiner Frau Elisabeth, nach Posse 1909, Herzogs- (Nr. 1) und Königssiegel Friedrichs (Nr. 5), Königinnensiegel Elisabeths (Nr. 9).

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Abb. 6 Königssiegel Friedrichs des Schönen, Umzeichnung, nach von Sava 1866.

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Abb. 7 Speyer, Dom, Grabmal König Rudolfs I. von Habsburg.

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Abb. 8 Tulln, Chorpfeilerfiguren, von links: König Rudolf I. von Habsburg, seine Frau Gertrud-Anna, Herzog Albrecht I. von Habsburg, seine Frau Elisabeth, nach Marquart Herrgott, Monumenta Augustae Domus Austriacae (2. Hälfte 18. Jh.).

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Abb. 9 Gebetbuch der Königin Elisabeth, Wien, Zentralbibliothek der Österreichischen Minoritenprovinz, Horneinband, Vorderseite, hl. Nikolaus und hl. Äbte, nach Essenwein 1863.

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Abb. 10 Gebetbuch der Königin Elisabeth, Wien, Zentralbibliothek der Österreichischen Minoritenprovinz, Muster des Stoffeinschlages des Einbandes, nach Essenwein 1863.

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Abb. 11 Marburg, Elisabethkirche, Figurenaufsatz am Schutzgitter südlich des Elisabethschreins, linke Hälfte, Aufnahme von ca. 1914.

Abb. 12 Marburg, Elisabethkirche, Figurenaufsatz am Schutzgitter südlich des Elisabethschreins, rechte Hälfte, Aufnahme von ca. 1914.

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Abb. 13 Grabmal der Königin Elisabeth in ihrer Grabkapelle an der Wiener Minoritenkirche, nach Marquart Herrgott, Monumenta Augustae Domus Austriacae (2. Hälfte 18. Jh.).

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Abb. 14 Nordostansicht der Grabkapelle der Königin Elisabeth an der Wiener Minoritenkirche.

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Abb. 15 Minoritenkirche Wien, Portalvorhalle am nördlichen Seitenschiff, Tympanon, Detail der Maria mit dem Christuskind.

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Mit dem Komplex der Wiener Minoritenkirche (Abb. 14) ist auch das Grab Elisabeths (Abb. 13) und insbesondere das noch heute dort in neuem bau­lichem Kontext erhaltene Tympanonrelief (Taf. 35 – 37, Abb. 15) ihrer Grabkapelle verbunden. Es verdient als einzige mir bekannte zeitgenös­sische Darstellung des Königspaares neben seinen Siegeln (Abb. 5, Nr. 5, Nr. 9; Abb. 6) besondere Aufmerksamkeit. Viel weniger ist von der Grablege Friedrichs im Kartäuserkloster Mauerbach bekannt. Darüber hinaus sind in meinem Beitrag weitere mit dem Königspaar verbundene Institu­tionen, Stiftungen und ihre Bauten kurz anzusprechen. Dementsprechend geht mein Beitrag über ältere vergleichbare Zusammenstellungen hinaus. Dies gilt ebenso für den k­ urzen Abschnitt zu Friedrich dem Schönen in dem von Percy Ernst Schramm begründeten und dann von Hermann Fillitz in die Zeit der Habsburger weitergeführten Standardwerk zu den ‚Denkmalen der deutschen Könige und ­Kaiser‘ von 1978 wie für den Katalog zur Zeit der frühen Habsburger von 1979.7 Auch schien es ratsam, zum besseren Verständnis der mit Friedrich und Elisabeth verbundenen Werke einzelne ältere bild­liche Zeugnisse zu frühen habsbur­gischen Herrschern heranzuziehen, ebenso wie ausgewählte Werke zur zeitgenös­sischen und posthumen Rezep­tion Friedrichs. Im Folgenden geht es daher um Werke unterschied­licher Formen und Funk­ tionen sowie verschiedener Kontexte, denen eine Einbindung in ein einheit­ liches System zentral gesteuerter Ausrichtung im Rahmen einer entwickelten Form von ‚Hofkunst‘ fehlt. Sie sind etwa in Reak­tion auf die Doppelwahl und die Krönungen von 1314, den Konflikt der beiden Könige sowie die repräsentativen und religiösen Bedürfnisse von Friedrich und Elisabeth entstanden. Es geht somit um die Bedeutung dieser Werke für die Familie der Habsburger auf dem Weg zur Dynastie, insbesondere bei den sich hierbei stellenden Herausforderungen und Krisen.

7 Percy Ernst Schramm (†) – Hermann Fillitz, in Zusammenarbeit mit Florentine Mütherich, Denkmale der deutschen Könige und K ­ aiser II : Ein Beitrag zur Herrschergeschichte von Rudolf I. bis Maximilian I. 1273 – 1519 (Veröffent­lichungen des Zentralinstituts für Kunstgeschichte 7), München 1978, bes. S. 54, Taf. 12 f.; Die Zeit der frühen Habsburger. Dome und Klöster 1279 – 1379. Niederösterreichische Landesausstellung. Wiener Neustadt 12. Mai bis 28. Oktober 1979 (Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums N. F. 85), Wien 1979, bes. S. 360 f., Kat. Nr. 109 – 113, sowie S. 414 f., Kat. Nr. 203 und S. 435, Kat. Nr. 231. Verschiedene Listen relevanter Objekte und kurze Behandlungen und Bewertungen zu ihnen unter der gewählten Perspektive Herrschaftsrepräsenta­tion bietet auch die historische Arbeit von Alexander Sauter, Fürst­liche Herrschaftsrepräsenta­tion. Die Habsburger im 14. Jahrhundert (Mittelalter-­ Forschungen 12), Ostfildern 2003.

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Zu den mit Friedrich dem Schönen verbundenen Werken der bildenden Kunst Im Folgenden werden diese Werke ausgehend von der Person Friedrichs, seiner Familie und seinem Lebenslauf betrachtet. Friedrich, 1289 als zweiter Sohn des Habsburger Herzogs und späteren Königs Albrecht I. geboren, erhielt ähn­lich wie sein jüngerer Bruder Leopold einen Namen, der ihn erkennbar in die Tradi­ tion der Babenberger Herzöge von Österreich und damit des neuen herausragenden Terri­toriums der eigent­lich aus ‚Schwaben‘ stammenden Habsburger stellte.8 Seit der Frühen Neuzeit ist Friedrich zudem unter dem Beinamen ‚der Schöne‘ bekannt, was die stark idealisierte Vorstellung von ihm prägte.9

Das Bild Friedrichs des Schönen in der Innsbrucker Handschrift der ‚Österreichischen Chronik von den 95 Herrschaften‘ Als schön und mild gar fürstleichen wird Friedrich allerdings schon gegen Ende des 14. Jahrhunderts in der anonymen, nach Christian Lackner „in den habsbur­ gisch-­österreichischen Ländern zu Ausgang des Mittelalters weit verbreiteten und hoch geschätzten“ Chronik bezeichnet, die unter dem Titel die ‚Chronik der 95 Herrschaften‘ bekannt ist.10 Trotz dieser Idealisierung fand Friedrich, wie Lackner im vorliegenden Band zeigen kann, im Gefüge der Chronik, die einen „dreifachen chronolo­gischen Durchlauf nacheinander durch Papst-, ­Kaiser- und österreichische Geschichte“ bietet, in seiner Doppelrolle als Herzog und als König „keinen rechten Platz“.11

8 Zu den Babenberger Leitnamen Friedrich und Leopold vgl. in ­diesem Zusammenhang Lackner in ­diesem Band. 9 Dies demonstriert etwa das Fantasieporträt von Antoni Boys aus dem 16. Jahrhundert in Wien, vgl. http://www.habsburger.net/de/personen/habsburger/friedrich-­iii-­der-­schone (zuletzt aufgerufen am 14. 4. 2016), das ihn mit der Beischrift FRIDERICVS PVLCHER ROM. REX. zeigt. 10 Österreichische Chronik von den 95 Herrschaften, ed. Joseph Seemüller (MGH Dt. Chron. 6), Hannover 1906/09 [künftig: Österreichische Chronik], Zitat auf S. 196. Weitere Literatur zu dieser Chronik bei Lackner in ­diesem Band, Anm. 5. Zu einer weiteren Quelle für diesen Beinamen vgl. Schwedler im vorliegenden Band. 11 Lackner in ­diesem Band, S. 150.

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Dass hierbei zumindest auf bildkünstlerischem Wege Abhilfe geschaffen werden konnte, zeigen die wohl in Wien um/bald nach 1400 im Umfeld der sogenannten Hofminiaturisten entstandenen Buchmalereien einer heute in Innsbruck verwahrten Handschrift dieser Chronik mit Friedrichs Darstellung (Taf. 7).12 In den Stilformen der Zeit um 1400 erscheint Friedrich hier als thronender König in einer historisierten Initiale, w ­ elche den Beginn des 5. Buches der Chronik markiert. Sein Bild ist daher in die Königsreihe der Chronik integriert. Im Text folgt hier gleich nach der Erwähnung des Todes Heinrichs VII. und der Doppelwahl von 1314 die bereits zitierte positive Charakterisierung Friedrichs als schön und mild gar fürstleichen, dann wird sein einziger, früh verstorbener Sohn erwähnt.13 Interessant ist hier vor allem das Layout der Seite. Es stellt Friedrich besonders heraus, gehört doch die 14 Zeilen hohe und in Deckfarben angelegte Initiale mit seinem Bild oben links am Textbeginn, direkt neben besagter positiver Charakterisierung seiner Person, zur obersten Kategorie der Initialen des Codex, w ­ elche 12 Innsbruck, Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, Cod. 255, fol. 95v, vgl. Hermann Julius Hermann, Die illuminierten Handschriften in Tirol (Beschreibendes Verzeichnis der illuminierten Handschriften in Österreich 1 = Publika­tionen des Institutes für Österreichische Geschichtsforschung), Leipzig 1905, S. 173 f., Fig. 69 f.; Gabriela Kompatscher u. a., Katalog der Handschriften der Universitätsbibliothek Innsbruck 3: Cod. 201 – 300. Katalog- und Registerband, Beiheft (Österreichische Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse, Denkschriften 271 = Veröffent­lichungen der Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters II,4,3), Wien 1999, S. 210 f.; zur kunsthistorischen Einordnung vgl. Gerhard Schmidt, Die Buchmalerei, in: Die Gotik in Niederösterreich. Kunst, Kultur und Geschichte eines Landes im Spätmittelalter, bearb. von Fritz Dworak – Harry K ­ ühnel, Wien 1963, S. 93 – 114, bes. S. 104, zu Nr. 77; Katalog der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mittelalters 3,4 (Veröffent­lichungen der Kommission für deutsche Literatur des Mittelalters der Bayerischen Akademie der Wissenschaften), hg. von Ulrike Bodemann – Peter Schmitt – Christine Stöllinger-­Löser, München 2001, S. 248 – 250 und Abb. 125 ff. Dort auch zu der am nächsten verwandten Handschrift der Chronik in Berlin, Staat­liche Bibliothek Berlin, Ms. germ. fol. 122, mög­licherweise Tirol, 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts, S. 248 f., Abb. 125 f., vgl. auch http://digital.staatsbibliothek-­ berlin.de/werkansicht/?PPN=PPN78779306X&LOGID=LOG_0001 (zuletzt aufgerufen am 23. 4. 2016); Mitteleuro­päische Schulen II (ca. 1350 – 1410): Österreich – Deutschland – Schweiz, bearb. von Andreas Fingernagel u. a. (Österreichische Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse, Denkschriften 305 = Veröffent­lichungen der Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters I,11), Wien 2002, S. XXII, 176, 205 f., Fig. 54 ff. Weitere Literatur und Informa­tionen auch unter http://manuscripta.at/m1/hs_detail. php?ID=7836 (zuletzt aufgerufen am 9. 4. 2016). Für die Erlaubnis zur Einsichtnahme in die Innsbrucker Handschrift und zur Publika­tion dieser Miniatur sei Peter Zerlauth, Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, Abteilung für Sondersammlungen, sehr gedankt. 13 Österreichische Chronik, S. 196.

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jeweils ein neues Buch einleiten. Für den anschließenden Abschnitt zu Ludwig dem Bayern wurde hingegen unten am Ende der Seite nur eine einfache, ledig­ lich dreizeilige Initiale verwendet. Darüber hinaus ist das Kapitel zu ihm denkbar kurz und schildert vor allem seine Bannung durch den Papst und seinen jähen Tod.14 Schlug sich bereits bei den Zeitgenossen der Zwist der beiden Könige etwa in der jeweils parteiischen Sicht der Vorgänge der Doppelwahl und der Krönungen des Jahres 1314 in der Chronistik nieder,15 so konnte eine ­solche Absetzung der beiden Könige voneinander offensicht­lich auch noch Genera­tionen nach den Geschehnissen die Textgestalt einer Chronik, aber eben auch deren buchkünstlerische Aufbereitung in einer konkreten Handschrift prägen. Das Bild Friedrichs in der Innsbrucker Handschrift ist das eines idealisierten Königs. Sein kurzer Bart verdeut­licht eine mittlere Altersstufe, was dem Alter, das Friedrich mit 41 Lebensjahren tatsäch­lich erreichte, nach mittelalter­lichem Verständnis auch entsprach. Eine s­ olche Typisierung ist bei Darstellungen von Herrschern im Mittelalter eher die Regel.16 Sie ist etwa regelmäßig bei Siegeln (Abb. 5, Nr. 5; Abb. 6) anzutreffen, wie gleich zu zeigen sein wird. In der Innsbrucker Handschrift ist Friedrichs Darstellung zudem eingebettet in eine kleine Herrscherfolge, die sich auf die drei historisierten Initialen der Anfänge der Bücher 3 – 5 der Chronik verteilt. Eingeleitet von Friedrich I. ­Barbarossa (Taf. 8), folgt auf ihn entweder sein Vater, König Albrecht I. oder, meines Erachtens fast naheliegender, der erste Habsburgerkönig Rudolf I. (Taf. 9),17 dem im ­Spätmittelalter für die Habsburger als Dynastie stets die Rolle als Spitzen­ahn 14 Ebd., S. 197. 15 Vgl. dazu in ­diesem Band insbesondere die Beiträge von Büttner und Garnier. 16 Vgl. etwa die Ausführungen von Suckale, Hofkunst (wie Anm. 2), S. 25 – 27, zu den Darstellungen Ludwigs des Bayern. 17 Entgegen Hermann, Die illuminierten Handschriften (wie Anm. 12), S. 175; ­Kompatscher, Katalog der Handschriften (wie Anm. 12), S. 210 f., sowie Bodemann (Hg.), Katalog der deutschsprachigen Handschriften (wie Anm. 12), S. 260, möchte ich hier eher König Rudolf I. vermuten und nicht Albrecht I., wie die Überschrift des Kapitels zu Albrecht I. und seinem Herzogtum als 92. Herrschaft (Von herczog Albrechten, künig Rudolfs sun, die zwoundnewnc­ zigist herschaft ze Österreich. Vgl. Österreichische Chronik, S. 139) nahelegen könnte. Sowohl die Darstellung als König und der Textbezug auf König Rudolf I., wird dieser doch hier direkt am Textbeginn als Chunig Rudolff erwähnt, der auf dem von ihm nach Augsburg geladenen Hoftag seinen Sohn Albrecht I. zum Herzog von Österreich ausruft, vgl. Österreichische Chronik, S. 139 f., lassen eher König Rudolf I. vermuten. So auch die Benennung der Darstellung des Königs mit Bügelkrone in dieser Initiale in der eng verwandten Handschrift der Chronik in Berlin (vgl. Anm. 12) auf der Homepage der Staatsbibliothek Berlin, siehe http:// digital.staatsbibliothek-­berlin.de/werkansicht/?PPN=PPN78779306X&DMDID=DMD LOG_0021 (zuletzt aufgerufen am 23. 4. 2016).

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zukam.18 Ihm verdankten die Habsburger ihren Aufstieg in den Reichsfürstenstand und ihre Königsfähigkeit, die sie seither mit den W ­ ittelsbachern und den Luxemburgern teilten. Abschließend erscheint dann Friedrich der Schöne (Taf. 7). Aus Sicht der Entstehungszeit der Handschrift, d. h. um 1400 bzw. bald nach 1400, war Friedrich noch der letzte König aus der Familie Habsburg. Die Bildausstattung zielte somit darauf, das habsbur­gische Königtum besonders heraus­zuheben und in positive Zusammenhänge zu stellen. Mit ­Kaiser Barbarossa (Taf. 8) wurde hierzu ein erster, in der Chronik selbst zudem als besonders guter Herrscher charakterisierter Träger des Namens Friedrich hervorgehoben.19 Seine Verbindung mit dem Namensvetter Friedrich dem Schönen in dieser kleinen Herrscherfolge war somit für Letzteren rangerhöhend. Eine s­ olche Darstellung wie in der Innsbrucker Handschrift war demnach geeignet, die Defizite bei der Wahrnehmung Friedrichs als besiegten Gegenkönig bzw. Mitkönig im zweiten Glied gegenüber Ludwig dem Bayern aufzuheben. Dies war in der Entstehungszeit der Handschrift wohl umso wichtiger, als damals auf Ludwig den Bayern nach längerer Zeit mit Ruprecht von der Pfalz 1400 – 1410 wieder ein Wittelsbacher als König gefolgt war. Mit der von mir vermuteten Darstellung von König Rudolf I. als Spitzenahn erscheint zudem für die Habsburger der dynastische Aspekt ihrer Königsherrschaft besonders betont.

Das Königssiegel Friedrichs des Schönen Typisiert ist wie erwähnt auch das Königssiegel Friedrichs (Abb. 5, Nr. 5),20 wie etwa die Gegenüberstellung mit dem gleichartigen Königssiegel Ludwigs des Bayern verdeut­ licht.21 Es zeigt ihn frontal thronend mit Krone und Szepter. Seine Füße ruhen auf einem Löwen (vgl. Abb. 6). Dieser Löwe ist ein am Grab seines Großvaters, König Rudolf I.

18 Vgl. Jean-­Marie Moeglin, Dynastisches Selbstbewusstsein und Geschichtsschreibung. Zum Selbstverständnis der Wittelsbacher, Habsburger und Hohenzollern im Spätmittelalter, in: HZ 256 (1993), S. 593 – 635, bes. S. 628. 19 Österreichische Chronik, S. 99: Im stund sein begier zu guten dingen. 20 Vgl. Karl von Sava, Die Siegel der österreichischen Regenten, III. Abtheilung. Die Siegel der österreichischen Fürsten aus dem Hause Habsburg, in: Mittheilungen der K. K. Centralkommission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale 11 (1866), S. 137 – 152, bes. S.  141 – 144; Otto Posse, Die Siegel der Deutschen ­Kaiser und Könige 1: Von Pippin bis Ludwig den Bayern, 751 – 1347, Dresden 1909, Taf. 53, Nr. 5 (Geh. Haus- u. Staatsarchiv Stuttgart), von 1315. 21 Vgl. etwa Suckale, Hofkunst (wie Anm. 2), S. 118 f., Abb. 5.

Kunstwerke aus dem Umfeld Friedrichs des Schönen

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(Abb. 7), in Speyer 22 vorgebildeter Verweis auf die Macht des Königs, zumal er sich an einen alten Bildtypus des triumphierenden Christus anlehnte. Dieser schreitet gemäß der Ausdeutung von Psalm 90,13 (Zählung nach der Vulgata, die ich auch im Folgenden angebe, nach heutiger Zählung Psalm 91,13) über Löwen, Nattern und Drachen. Zugleich stellt er eine Verbindung zum Thron Salomos her, den man sich von Löwen umgeben vorstellte. Beide Aspekte scheinen s­ päter von Ludwig dem Bayern in zwei unter dem Eindruck antiker Werke in Italien entstandenen Darstellungen seiner Person, seiner Goldenen Bulle bzw. seinem Kaisersiegel, aufgenommen worden zu sein.23

Bilder der Habsburger Dynastie vor und nach Friedrich dem Schönen Ein Befund wie derjenige in der Innsbrucker Handschrift und die Übereinstimmungen ­zwischen dem Siegel und dem Grab in Speyer lassen es sinnvoll erscheinen, einen Blick auf die Verbild­lichung der neuen königsfähigen Dynastie der Habsburger vor Friedrich dem Schönen zu werfen. Ein erstes Beispiel ist besagtes Grab des Großvaters Rudolf I. im Speyerer Dom (Abb. 7), des ersten, erst im hohen Alter von 73 Jahren 1291 verstorbenen Habsburger Königs. Sein Bild ist gekennzeichnet durch das schmale, hagere und deut­liche Alterszüge tragende Gesicht mit der hakenförmigen ‚Adlernase‘, einer schon in der Antike fassbaren, ‚aquilinischen‘ Ausrichtung des Idealbilds eines sorgenden, ernsthaften Walters des hohen Herrscheramtes. Trotz dieser Bindung an tradierte Vorstellungen vom Bild eines guten Herrschers steht das Grab nicht nur zu den bilderlosen Gräbern der dynastischen Grablege der Salier in Speyer selbst in Kontrast. Es hebt sich auch von älteren Grabmaltradi­tionen ab, die gern ein religiös motiviertes jugend­ liches Idealbild auch bei einem im hohen Alter verstorbenen Fürsten darboten. Zusammen mit seinem Sohn Albrecht I., dem Vater Friedrichs des Schönen, war Rudolf I. aber in seiner einzigen Klosterstiftung, der Klosterkirche der Dominikanerinnen in Tulln, in ein bereits dynastisch ausgerichtetes Programm eingebunden.24

22 Vgl. zu dem Grab ebd., S. 26, Abb. 14. 23 Zu diesen Werken vgl. ebd., S. 31 – 33, Abb. 16a,b, 17. 24 Zu Tulln vgl. Geschichte der Bildenden Kunst in Österreich 2: Gotik, hg. von Günter ­B rucher, München – London – New York 2000, S. 227 f., Kat. Nr. 27 (Barbara Schedl); zu den Skulpturen selbst vgl. Renate Wagner-­R ieger, Bildende Kunst: Architektur, in: Kat. Ausst. Die Zeit der frühen Habsburger (wie Anm. 7), S. 103 – 126, bes. S. 104 – 107; Gerhard Schmidt, Die Skulptur, in: Geschichte der Bildenden Kunst in Österreich 2: Gotik, hg. von Günter Brucher, München – London – New York 2000, S. 298 – 317, bes. S. 299 f., S. 303; Horst Schweigert, Gotische Plastik unter den frühen Habsburgern von

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Das Kloster hatte Rudolf aus Dank für seinen Sieg über den böhmischen König und die Errettung aus Todesgefahr gestiftet. Das Figurenprogramm (Abb. 8) der Chorpfeilerfiguren der nach 1786 abgebrochenen ­Kirche ist nur in einer barocken Darstellung überliefert. An dieser Stelle erlaubten die Bilder, das regelmäßige Gebet für den Stifter und seine Familie am Hochaltar zu intensivieren. Rudolf I. tritt hier mit Königskrone auf, aber anscheinend ohne den spezifisch ‚individualisierten‘ Herrschertypus seines Grabs. Vielmehr ähnelt er im jugend­lichen Idealtypus seinem den Herzogshut tragenden Sohn Albrecht I., der ja erst nach der Absetzung Adolfs von Nassau am 23. Juni 1298 zum König gewählt wurde. Die Herzogswürde in den neuen Territorien der Habsburger, Österreich, Steiermark und Kärnten, hatte Albrecht 1282/83 von seinem Vater erhalten. Bild­lich eng aufeinander bezogen wie die beiden Gemahlinnen, die sie begleiten, führen Vater und Sohn jeweils die Rechte Richtung Herz nach oben an die Brust, während die Linke das auf ihre Herrschaft und Ritterschaft verweisende, mit Scheide und Gürtel versehene Schwert mit der Spitze auf dem Boden aufgesetzt präsentiert. Dieser visuelle Gleichklang legte eine dynastische Kontinuität nahe, die gerade erst installiert wurde und gegen Widerstände etabliert werden musste, da sie im neuen Territorium alles andere als abgesichert war. Sollte sich das wenig s­ päter entstandene Bild Rudolfs in Speyer (Abb. 7) durch seine modernen Formen deut­lich von den dort dominanten unfigür­ lichen Grabmälern der Salierdynastie abheben, so setzte das Tullner Programm ganz auf dynastischen Gleichklang. Dieser wurde mit anderen, aber ebenso modernen Mitteln wie in Speyer verdeut­licht, betont doch Gerhard Schmidt zu Recht, dass die Tullner Habsburgerstatuen, die im neuen Territorium der Habsburger „das Bedürfnis der neuen Dynastie nach dauerhafter bild­licher Präsenz erkennen“ lassen, „zu den ältesten Monumentalfiguren noch lebender Stifter, von denen wir wissen“, gehörten, was sie von ansonsten gut vergleichbaren Darstellungen längst verstorbener Stifter im Westchor des Naumburger Doms absetzt.25 Indem der König im neuen Territorium den mit ihm so vergleichbar dargestellten Sohn als neuen Herzog installiert, kann Tulln mit Alexander Sauter als eine Art „Ankunftszeichen der neuen Dynastie im deutschen Südosten“ verstanden werden und steht zugleich für einen zentralen Vorgang für die Dynastiebildung der Habsburger, die Erhöhung der Grafen von Habsburg in den Reichsfürstenstand.26

ca. 1280 bis 1358, in: ebd., S. 318 – 321, bes. S. 318. Zur Deutung vgl. auch Sauter, Fürst­ liche Herrschaftsrepräsenta­tion (wie Anm. 7), S. 22 – 26. 25 Schmidt, Die Skulptur (wie Anm. 24), S. 300, zum Vergleich mit Naumburg vgl. ­Sauter, Fürst­liche Herrschaftsrepräsenta­tion (wie Anm. 7), S. 24 f. 26 Ebd., S. 26.

Kunstwerke aus dem Umfeld Friedrichs des Schönen

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Noch viel stärker prägte der dynastische Aspekt den Ort der großen Krise der Habsburger am Beginn des 14. Jahrhunderts, den Ort der Ermordung König ­Albrechts I. im Jahr 1308. Es sind Kloster und K ­ irche der Klarissen in Königsfelden, die in den habsbur­gischen Stammlanden im Kanton Aargau an der Stelle entstanden, wo Albrecht I. dem Mordanschlag eines Verwandten zum Opfer fiel.27 Neben den Stifterbildern der besonders qualitätsvollen Chorverglasung gab es einen umfangreichen dynastisch ausgerichteten Glasmalereizyklus in den Seitenschifffenstern des Langhauses. In d­ iesem war der wiederum in Speyer bestattete König Albrecht I. zusammen mit seiner Frau Elisabeth dargestellt. Bei Letzterer weist ihr Kirchenmodell auf ihre herausragende Rolle bei Errichtung und Ausstattung von ­Kirche und Kloster hin. Schon die Namensgebung Königsfelden für den Ort des Mordes ist ein ­­Zeichen für den dynastischen Anspruch auf die Königswürde. Dieser war allerdings aufgrund des jugend­lichen Alters der Kinder des Paares nicht direkt einlösbar. Der dynastische Zyklus des Langhauses entstand erst nach der Mitte des 14. Jahrhunderts und gehört damit ins Umfeld der Goldenen Bulle, ­welche die Habsburger aus dem Kreis der Königswähler ausschloss. Umso plausibler ist es, dass er mit Brigitte Kurmann-­Schwarz das Festhalten der Habsburger an ihrem Königtum bzw. dem „könig­lichen Rang“ der Familie zeigt, als „eine stirps regia, eine könig­liche, sakral überhöhte Dynastie, die dem regierenden Haus gleichgestellt, wenn nicht aufgrund der Zahl der regierenden Häupter d­ iesem übergeordnet war“.28 In diesen Selbstentwurf dürfte auch das Königtum Friedrichs des Schönen einbezogen gewesen sein, auch wenn die Darstellung des 1330 Verstorbenen in d­ iesem Zyklus nicht eindeutig nachweisbar ist.29 Königsfelden steht zudem für die anhaltende Bindung von Teilen der Familie zu den habsbur­gischen Stammlanden. Das Kloster hebt sich hierin von den gleich noch anzusprechenden Klostergründungen ab, ­welche die Genera­tion von Friedrich dem Schönen und seinen Brüdern am neuen Herrschaftsschwerpunkt der Familie in den öst­lichen Herzogtümern und Ländern tätigte.30 Friedrichs M ­ utter Elisabeth, die treibende Kraft bei der Entstehung von Königsfelden, stammte von den Grafen von Tirol-­Görz ab, ihre ­Mutter war eine Wittels­ bacherin. Aus ihrer Ehe mit dem ältesten Sohn König Rudolfs I. gingen 21 Kinder

27 Zu Kloster Königsfelden, seiner Gründung und den Glasmalereien vgl. grundlegend Brigitte Kurmann-­Schwarz, Die mittelalter­lichen Glasmalereien der Klosterkirche Königsfelden (Corpus Vitrearum Medii Aevi, Schweiz 2), Bern 2008, zu den Darstellungen der Stifter im Chor bes. S. 210 – 218, zum dynastischen Zyklus aus der Zeit um 1360 in den Seitenschiffen des Langhauses vgl. bes. S. 229 – 234. 28 Ebd., S. 233 f., Zitate auf S. 234. 29 Ebd., S. 230, S. 232, Abb. 77. 30 Ebd., S. 213.

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hervor. Unter den überlebenden Söhnen musste Friedrich schließ­lich als der Älteste die Rolle des Familienoberhaupts übernehmen. Die hohen Ambi­tionen, die seine Familie trotz der Katastrophe von Königsfelden pflegte, zeigten sich in seiner bereits vor seiner Königswahl und Krönung angebahnten und geschlossenen Ehe mit Elisabeth, der Tochter des Königs Jayme/Jakob II. von Aragón.31 Die Ehe blieb allerdings dynastisch irrelevant, da ihr wie erwähnt kein überlebender Sohn entstammte. Auch von Elisabeth ist ein Siegel (Abb. 5, Nr. 9) bekannt. Es zeigt sie mit der Krone auf einer einfach gestalteten Thronbank sitzend, mit einem Reichsapfel neben einem kürzelartig in den Hintergrund eingefügten Reichsadler, der für die Präsenz ihres Mannes stehen dürfte.32 Friedrichs Frau starb im selben Jahr wie er am 12. Juli 1330 und wurde in Wien bei den Minoriten bestattet, die Elisabeth ebenso sehr gefördert hatte wie ihre Schwiegermutter die Klarissen in Königsfelden.

Ein Buch für die dynastischen Aufgaben einer Frau: das Gebetbuch der Königin Elisabeth in Wien Daher könnte es sich, auch gemäß der Überlieferung, bei dem mit 14 × 10 cm recht kleinen Gebetbuch, das in der Bibliothek des Wiener Minoritenkonventes in seinem weitenteils noch originalen Hornplatteneinband (Taf. 10, 12, Abb. 9) aufbewahrt wird und das auf den zwei Metallenden der beiden Schließen ihren Namen :ELS :PET für Elisabeth trägt, in der Tat um ein Gebetbuch der Königin handeln.33 Aus der Betrachtung des Buchschmucks hat die nicht sehr u­ mfangreiche 31 Zu ihr vgl. Dick in ­diesem Band. Zuvor siehe die materialreichen Arbeiten von Heinrich von Zeissberg, Elisabeth von Aragonien, Gemahlin Friedrich’s des Schönen von Oesterreich. (1314 – 1330), in: Sitzungsberichte der philosophisch-­historischen Classe der kaiser­ lichen Akademie der Wissenschaften 137, Bd. VII, Wien 1898; Schrader, Isabella von Aragonien (wie Anm. 6). 32 Posse, Die Siegel der deutschen K ­ aiser (wie Anm. 20), Taf. 53, Nr. 9 (Or. Hausarchiv Wien. 1330 Juli 4. Hefmer IX. 79); vgl. auch von Zeissberg, Elisabeth von Aragonien (wie Anm. 31), S. 96 f.; bzw. Dick in ­diesem Band zu einem Siegel aus der Frühzeit E ­ lisabeths als Königin. 33 Wien, Zentralbibliothek der Österreichischen Minoritenprovinz, Psalter und Gebete, teilweise in Deutsch, 221 Pergamentblätter mit Schrift in gotischer Textura, Miniaturen in Deckfarben mit Gold, 14 × 10 cm, Regensburg um 1270/1280, zusätz­liche Miniaturen um 1310 – 20 (fol. 11 – 18). Einzige monographische Behandlung ist der kurze Beitrag von August Essenwein, Ein Büchereinband vom Beginne des XVI. [sic! statt XIV., vgl. den Inhalt des Aufsatzes. Es handelt sich also um einen Druckfehler] Jahrhunderts, in: Mittheilungen

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Forschung zur Handschrift geschlossen, dass hier einer der nicht untypischen in Regensburg geschaffenen Psalter vorliegt, in den s­ päter noch eine Miniaturenfolge

der K. K. Centralkommission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale 8 (1863), S. 287 f. Nach Essenwein, der bereits die Zuweisung an Elisabeth von Aragón vornimmt, war das Buch damals durch Tausch aus dem Besitz der Wiener Minoriten in denjenigen „meines Freundes des Malers J. Klein“ gekommen, aus dem es s­ päter offensicht­lich wieder in den der Minoriten überging. Bei ­diesem Freund dürfte es sich um Johannes Klein (1823 – 1883), Schüler an der Wiener Akademie, ­später Kunstprofessor, gehandelt haben, der vor allem im Bereich Glas- und Wandmalerei von Essenwein seit seiner Wiener Zeit immer wieder für seine Projekte herangezogen wurde, vgl. Peter Springer, Zwischen Mittel­ alter und Moderne. August Essenwein als Architekt, Bauhistoriker, Denkmalpfleger und Museums­mann, Braunschweig 2014, bes. S. 204 f. mit Anm. 59, mit Verweis auf den 1884 von Essenwein verfassten Nachruf auf Klein, sowie S. 216 f., mit Nachweis einer Quelle, in der Klein von Essenwein als „treuer Freund“ bezeichnet wird. Eng angelehnt an Essenwein ist der kurze Abschnitt zum Gebetbuch bei von Zeissberg, Elisabeth von Aragonien (wie Anm. 31), bes. S. 100 f. Weitere Literatur Karl Lind, Die österreichische kunsthistorische Abtheilung der Wiener-­Weltausstellung. (Pavillon des amateurs.), in: Mittheilungen der K. K. Centralkommission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale 18 (1873), S. 149 – 220, S. 207 f., unter den ­später in dieser Ausstellung hinzugefügten mittelalter­lichen Werken; Schramm – Fillitz, Denkmale (wie Anm. 7), S. 54, S. 118, Kat. Nr. 12; Kat. Ausst. Die Zeit der frühen Habsburger (wie Anm. 7), Kat. Nr. 203 (Gerhard Schmidt); Robert Suckale, Die Zeit der Gotik. Die Regensburger Buchmalerei von 1250 bis 1350, in: Regensburger Buchmalerei. Von der frühkarolin­gischen Zeit bis zum Ausgang des Mittel­ alters. Ausstellung der Bayerischen Staatsbibliothek München und der Museen der Stadt Regensburg [Ausstellung in Regensburg 16. Mai–9. August 1987], München 1987, S. 79 – 92, bes. S. 80, S. 82, S. 85 f., Kat. Nr. 64 (Robert Suckale); Andreas F ­ ingernagel  – ­Martin Roland, Mitteleuro­päische Schulen I (ca. 1250 – 1350), Text- und Tafelband (Die illuminierten Handschriften und Inkunabeln der Österreichischen Na­tionalbibliothek 10), Wien 1997, S. 33; Kat. Ausst. Verbündet – Verfeindet – Verschwägert 1 (wie Anm. 1), Kat. Nr.  117 (Karl-­Georg Pfändtner). Speziell zum Einband vgl. Helmut Engelhart, Die Würzburger Buchmalerei im Hohen Mittelalter. Untersuchungen zu einer Gruppe illuminierter Handschriften aus der Werkstatt der Würzburger Dominikanerbibel von 1246, Text- und Abbildungsband (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg 34), Würzburg 1987, S. 326 – 331 (Der Hornplatteneinband – zu Wesen und Verbreitung einer seltenen Einbandform des 13. Jahrhunderts), bes. S. 330 f., Nr.  13; ­Helmut Engelhart, Der Hornplatteneinband. Eine charakteristische Form der Einbandgestaltung illuminierter Psalterhandschriften des 13. Jahrhunderts. Mit einem Verzeichnis der Hornplatten­einbände, in: The Illuminated Psalter. Studies in the Content, Purpose and Placement of its Images, hg. von Frank O. Büttner, Turnhout 2005, S. 441 – 456, Abb. 456 – 472, bes. S. 452, S. 455, Nr. 15. Für die Erlaubnis zur Einsichtnahme in die Wiener Handschrift und zur Publika­tion der Abbildungen sei Pater Christian von der Zentralbibliothek der Österreichischen Minoritenprovinz sehr gedankt.

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als zweite Lage (fol. 11 – 18) integriert wurde.34 Der Psalter selbst umfasst wie üb­lich einen Kalender (fol. 1r–6v, Taf. 11), dessen Einträge et­liche Regensburger Heilige aufweisen,35 die Psalmen (fol. 19r–200r, Taf. 22 – 24) und die ­Cantica (fol. 200r–213v, Taf. 25), das Te deum (fol. 213v–214v) und das Glaubensbekenntnis Quicumque (fol. 214v–216v), die Allerheiligenlitanei (fol. 217r–220v) und abschließend ein Credo (fol. 220v–221r, Taf. 26), an das sich auf der letzten Seite (fol. 221r) das Canticum des Simon und ein mit deutschem Titel versehenes Gebet an den Heiligen Geist anschließen.36 Der gesamte Text und die mit ihm verbundenen Miniaturen entstanden noch vor 1300 in Regensburg. Zu diesen Miniaturen gehören diejenigen der ersten Lage (fol. 1 – 10), d. h. der Kalender (Taf. 11) mit Arkadenstellungen und Tierkreis­zeichen in Medaillons, aber auch die ersten beiden, vom späten Zackenstil geprägten Miniaturen (Taf. 13, 14) des Bildvorspanns ­zwischen Kalender und Psalmen. Den beiden Miniaturen sind auf den vorangehenden Versoseiten auf diese bezogene Gebete mit teilweise deutschen Gebetsanweisungen, die im Umfang von 25 bis 27 Zeilen ohne Linierung etwas unsicher auf den Seiten angelegt wurden, gegenübergestellt. Derselben Werkstatt dürften auch die in Deckfarben vor Goldgrund mit Zierschriftfeld hervorgehobenen großen Initialen der Teilungspsalmen (Psalm 1, Taf. 22, Psalm 26, Taf. 23, Psalm 38, 51, 68, 80, 97, 101, Taf. 24, und Psalm 109, Psalmzählung wieder nach der Vulgata) bzw. des Confiteor zu Beginn der Cantica (Taf. 25) zugewiesen werden. Mit ihnen verbinden sich schließ­lich im Dekor auch die Miniaturen des Hornplatteneinbandes (Taf. 10, 12), die demnach ebenfalls zur Erstausstattung der Handschrift gehören und nicht untypisch für einen Psalter des 13. Jahrhunderts sind.37 Dies mag der Vergleich der Initiale zu Psalm 101 (Taf. 24) mit den herzförmigen Zierelementen oben links bzw. unten rechts auf beiden Einbandseiten belegen. Zwischen den Ornamentzonen sind in jeweils eigenen Feldern triptychonartig 34 Zur Händescheidung und Datierung von Buchschmuck und Miniaturen vgl. vor allem Kat. Ausst. Die Zeit der frühen Habsburger (wie Anm. 7), Kat. Nr. 203 (Gerhard Schmidt). 35 Vgl. zum Regensburger Kalender in ­diesem Codex Kat. Ausst. Die Zeit der frühen Habsburger (wie Anm. 7), Kat. Nr. 203 (Gerhard Schmidt), Kat. Ausst. Regensburger Buchmalerei (wie Anm. 33), Kat. Nr. 64 (Robert Suckale). Hervorzuheben sind: 8.10. Translatio Erhards in rot als Hochfest, 31.10. Wolfgang, 7.10. seine Translatio, dazu die Erzbischöfe von Salzburg (31.1. Virgil, 27.3. Rupert, 25.9. dessen Translatio). Auffällig ist zum 19.12. der Eintrag einer ‚Lena conversa‘. 36 Textkorrekturen wurden wohl von einer Hand eingetragen, die sich auf der vorletzten Seite (fol. 220v, Taf. 26) in einem lateinisch-­deutschen, um Gebetsfürbitte nachsuchenden Schreiber­eintrag als Jacob Fleyser (?) bezeichnet. 37 Engelhart, Der Hornplatteneinband (wie Anm. 33).

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die Darstellungen von fünf Heiligen vereinigt, wobei jeweils zwei als Brustbild gestaltete Heilige der seit­lichen Felder sich dem stehenden Heiligen im hochrechteckigen Zentralfeld des Einbandes zuwenden. Vorne ist es der hl. Nikolaus als Bischof mit Buch und Bischofsstab, wie die Beischrift S NICOLA(us) links auf dem blauen Rahmenstreifen um den Goldgrund belegt. Er ist umgeben von hl. Mönchen, jeweils einem jungen und einem alten, die aufgrund der Abtsstäbe mit Robert Suckale als hl. Äbte der Benediktiner oder Zisterzienser angesehen werden können. Hinten ist durch die Beischrift S OSWALDVS der in Regensburg besonders verehrte hl. König Oswald belegt. Er wird umgeben von drei jugend­ lich unbärtigen und oben rechts einem bärtigen Heiligen, die alle dem Apostel­ typus folgen. Suckale verg­lich die Grundausstattung des Codex mit Regensburger Miniaturen der 1270er-­Jahre, nament­lich einem in Wien verwahrten Psalter und dem Seligenthaler Graduale.38 Nur die zweite Lage des Psalters (fol. 11 – 18, Taf. 15 – 22) umfasst stilistisch andersartige Miniaturen. Sie sind malerischer und weicher in der Wiedergabe von Gesichtern und Gewandung, zugleich gerät hierdurch die Gestaltung der Rahmenleisten unpräziser. Ein durchgehendes Motiv bei ihnen ist die ­zwischen dem Goldgrund unten und dem olivgrünen Grund oben vermittelnde Folge goldgelb­licher wimpergartiger Baldachine. Suckale verbindet diese Miniaturen mit denjenigen auf dem Dach des Regensburger Domschatzreliquiars sowie mit der großen Werkstatt des Antiphonars von Heilig Kreuz in Regensburg, was auf eine Entstehung in Regensburg ab/nach 1310 verweisen dürfte.39 Besonders die Miniaturenfolge ­zwischen Kalender und Psalmen verrät viel über die sich wandelnde Ausrichtung des Codex. Sie soll daher genauer betrachtet werden, zumal sie dank der bisher nicht beachteten Beschreibung der Handschrift bei August Essenwein von 1863 gegenüber dem heutigen Bestand als ehemals umfangreicher erscheint.40 Am Anfang stehen die beiden noch zur Grundausstattung der Handschrift aus der Zeit vor 1300 gehörenden Miniaturen, das nahansichtig wieder­gegebene wahre Antlitz Christi auf dem Schweißtuch der Veronica

38 Kat. Ausst. Regensburger Buchmalerei (wie Anm. 33), Kat. Nr. 64 (Robert Suckale). Zum ­Psalter in Wien, Österreichische Na­tionalbibliothek, Cod. 1939, und zum Seligenthaler Graduale, London, The British Library, Add. MS. 16950, vgl. ebd., Kat. Nr. 60 und Nr. 62 (Robert Suckale). 39 Kat. Ausst. Regensburger Buchmalerei (wie Anm. 33), Kat. Nr. 64 (Robert Suckale). Zum Reliquienkasten im Domschatz von Regensburg, D 1974/66, und dem in Einzelblättern über viele Bibliotheken verstreuten Antiphonar aus Heilig Kreuz in Regensburg vgl. ebd., Kat. Nr. 67 und Nr. 71 (Robert Suckale). 4 0 Essenwein, Ein Büchereinband (wie Anm. 33), S. 287 f.

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(fol. 7v–8r, Taf. 13), dem eine Ablass verheißende Gebetfolge mit deutschsprachigen Gebets­anweisungen auf der vorangehenden Seite verbunden ist.41 Die Gebete auf der Rückseite der Miniatur (fol. 8v–10r [sic!], Taf. 14) haben sich ursprüng­lich aber wohl nicht auf die heute folgende Miniatur einer stehenden Madonna auf fol. 10r bezogen, die sich nach dem Modell der Eleousa innig dem Christkind auf ihrem rechten Arm zuwendet. Vielmehr dürfte sich hier die von Essenwein erwähnte Darstellung einer Geburt Christi ­zwischen Christusbild und Madonna befunden haben, bei der nach Essenwein „zu bemerken ist, dass das Kind keinen Kreuznimbus hat“.42 Das Fehlen dieser Miniatur zeigen sowohl die moderne Foliierung der Blätter, die jeweils oben rechts eingetragen ist, wobei fol. 9 aber fehlt, sowie der Aufbau der Lage, eine ehemals aus fünf Doppelblättern gebildete Quinternio, aus der das neunte Blatt entfernt wurde. Zudem thematisieren die Gebete auf fol. 8v, die wohl der Miniatur auf der Rectoseite des verlorenen Blattes gegenüberstanden, passend zu deren Thema die Geburt C ­ hristi. Auf der Rückseite des verlorenen Blattes (fol. 9v) mögen daher die Gebete gestanden haben, die sich auf die erhaltene Madonna mit dem Christkind von fol. 10r bezogen. Insgesamt sind die Heiligen des Horneinbandes (Taf. 10, 12) ebenso wie die Bilderfolge zu den Gebeten (Taf. 13, 14) so allgemein gehalten, dass sie keine weiterführenden Schlüsse auf den Erstbesitzer bzw. eher noch die Erstbesitzerin des Regensburger Psalters zulassen. Dies ist bei den folgenden Miniaturen anders. Sie sind wie dargelegt als Teil der folgenden, zweiten Lage vor dem Psalmbeginn (fol. 11 – 18, Taf. 15 – 22) ein erst nach ab/nach 1310 entstandener Nachtrag. Anders als zuvor sind hier die Miniaturen auf den Versoseiten der Blätter angeordnet und zudem mit leer gebliebenen und linierten Rectoseiten konfrontiert, auf denen wohl wiederum Gebete den Miniaturen gegenübergestellt werden sollten.43 Auch hier weiß Essenwein von einem ursprüng­lich umfangreicheren Bestand. So erwähnt er als Erstes im Anschluss an die stehende Madonna mit dem Christuskind (Taf. 14) die heute verlorene ­Miniatur einer Kreuzigung (‚Christus am Kreuze‘).44 Ob sie schon zu den

41 Zur Veronica in Psalterien des 13. Jahrhunderts und der ihnen zugeordneten Gebetfolge vgl. etwa Harald Wolter-­von dem Knesebeck, Die Beatus-­Seiten der sog. ­thürin­gisch-­säch­sischen Malerschule: Vom Bild für die Welt zum wahren Bild Christi, in: The Illuminated Psalter (wie Anm. 33), S. 413 – 426, Abb. 418 – 433, bes. S. 425 f. 42 Essenwein, Ein Büchereinband (wie Anm. 33), S. 287 f. Es ist nicht untypisch, dass gerade ein ‚Postkartenmotiv‘ wie die Geburt Christi geraubt wurde. 43 Bei der Einfügung des Nachtrags wurde wohl zu ­diesem Zweck auch fol. 10v liniert, die noch zur ersten Lage und damit zur Grundausstattung der Handschrift gehört. 4 4 Essenwein, Ein Büchereinband (wie Anm. 33), S. 288.

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­ iniaturen des Nachtrags gehörte oder noch zum Grundstock, muss offenbleiM ben, da sie z­ wischen den beiden Lagen posi­tioniert ist. Wie eine weitere verlorene Miniatur, von der Essenwein spricht, muss sie aber noch vor der Foliierung verschwunden sein, da diese von fol. 10 – 18 bis zum Psalmbeginn bruchlos durchläuft. In der (zumindest heute) als Quaternio erscheinenden zweiten Lage folgt als Erstes die Darbringung Christi im Tempel (fol. 11v, Taf. 15) mit Maria und einem recht jugend­lich erscheinenden Simon, die im Beisein einer ebenfalls nimbierten Dienerin mit den Täubchen das Christkind gemeinsam über den reich mit litur­gischen Tüchern versehenen Altar in der Bildmitte halten. Es schließen sich die gemeinsam am 28. Oktober verehrten, auf einer Wiese einander zugewandt stehenden Apostel Simon und Judas Thaddäus (fol. 12v, Taf. 16) und die Marien­ geburt (fol. 13v, Taf. 17) an. Auf sie folgt die Darstellung Margaretes (fol. 14v, Taf. 18), die dank des von ihr geschlagenen Kreuzeszeichens aus dem Bauch des Drachen heraussteigt, der sie im Kerker verschlungen hatte. Zwischen diesen beiden Miniaturen zählt nun Essenwein ‚die Geburt Johannes des Täufers‘ auf.45 Der Organisa­tion der Lage nach könnte sie mit einem Doppelblatt verschwunden sein, das um das zentrale Doppelblatt der Lage (fol. 14 – 15) gelegt war. Dies entspricht aber nicht der Beschreibung Essenweins. Dieser sah nach Margarete noch „S. Georg, S. Erhart, S. Elisabeth (sie hat eine Rose in der Hand, soll also wohl trotz des häss­lichen alten Gesichtes Elisabeth von Thüringen sein), S. Christoph“.46 Es folgen aber ledig­lich die jeweils als stehend wiedergegebenen Heiligen Katharina (fol. 15v, Taf. 19) in einem Rosengarten mit Rad, Märtyrerpalme und Krone, der Regensburger Bischof Erhard (fol. 16v, Taf. 20), Elisabeth von Thüringen (fol. 17v, Taf. 21) und schließ­lich Christophorus mit dem Christkind auf dem Arm (fol. 18v, Taf. 22) in den Fluten, ein Bild, das gegen den jähen, unbußfertigen Tod helfen sollte. Somit scheint Essenwein nur über unzureichende Notizen oder Kenntnisse vom Codex verfügt oder ihn vielleicht sogar teilweise nur nach dem Gedächtnis beschrieben zu haben. Denn entgegen Essenweins Behauptung hält Elisabeth keine Rosen, sondern steht ledig­lich ­zwischen rosenartigen Blumen, vor allem aber ist ­zwischen Margarete und Erhard Katharina mit dem Rad zu sehen und nicht Georg. Vielleicht hat das Radattribut Essenwein zur irrigen Identifika­tion mit dem öfter als gerädert dargestellten Georg geführt? Eine s­ olche Interpreta­tion hätte er dann allerdings entgegen der eindeutigen Namensbeischrift .S.KATERINA . vorgenommen. Wie anschließend bei .S.ERHART(us). und bei .S.ELISABET. ist sie gut lesbar in schwarzer Schrift über der Miniatur angegeben, während zuvor

45 Ebd. 4 6 Ebd.

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Simon und Judas bzw. und Maria bei ihrer Geburt sowie Margarete jeweils in ihren Nimben benannt sind, Anna bei der Mariengeburt hingegen in Schwarz auf ihrem Liegekissen.47 Verwirrenderweise sind zudem Spuren des Herausschneidens einer Miniatur auf fol. 12 (Taf. 16) festzustellen, also ein Blatt vor der von Essenwein für die verlorene Miniatur angegebenen Stelle. So ist es vermut­lich besser, diese Stelle nicht genau zu fixieren, wohl aber die verlorene Geburt des Täufers in direkter Verbindung mit der erhaltenen Mariengeburt zu sehen. Dementsprechend wären der verlorenen Szene der Geburt Christi des Grundstocks der Handschrift gleich zwei weitere Geburtsszenen im Miniaturennachtrag gefolgt. Nicht nur bei einer solchen Rekonstruk­tion mit zwei Geburtsszenen ergibt sich ein Bild des Nachtrags, dessen Miniaturen das Gebären in den Fokus nehmen. Auch die Darstellung der Maria bei der Darbringung Christi im Tempel am 40. Tag nach seiner Geburt scheint in diese Richtung zu weisen. Der Aspekt Geburt kann darüber hinaus auch die Darstellung Margaretes (Taf. 18) erklären, die mit dem Kreuzzeichen den Bauch des Ungeheuers aufsprengt, ist sie doch eine dezidiert in Kindesnöten angerufene Heilige.48 Hinzu tritt mit der hl. ­Elisabeth von Thüringen (Taf. 21) als Fürstin und mehrfache ­Mutter ebenso ein Rollenvorbild für eine verheiratete Aristokratin wie mit der gebildeten Königstochter ­Katharina (Taf. 19). Aufgrund der Provenienz und der Namensnennung Elisabeths auf den Schließen darf von einer Verwendung der Handschrift durch die Frau Friedrichs des Schönen ausgegangen werden. Daher kann man Folgendes annehmen: Eine ältere, vielleicht schon in der Familie vorhandene Handschrift wurde mit dem Nachtrag auf die Funk­tion hin adaptiert, einer Frau religiösen Beistand für ihre dynastische Aufgabe, das Gebären von Kindern, zu geben. Zugleich war mit der hl. Elisabeth von Thüringen, einer mehrfachen M ­ utter, die Namenspatronin für den deutschen Namen der aragone­sischen Prinzessin präsent. Erhard (Taf. 20) mag als Regensburger Heiliger bei einer in Regensburg geschaffenen Handschrift keine ungewöhn­liche Wahl gewesen sein.49 Schließ­lich könnte man auch die

47 .S.SIMON., .S.IVDE., .S.ANNA., .S.MARIA., .S.MARGRET. 48 Sabine Kimpel – Gregor Martin Lechner, Margareta (Marina) von Antiochien, in: LCI 7 (1974), Sp. 494 – 501, bes. Sp. 494. Auch besaß Elisabeth in ihrem Brautschatz eine Vita sanctae Margaretae, vgl. Schrader, Isabella von Aragonien (wie Anm. 6), S. 27 f., die diese allerdings als Vita der Dominikanerin Margareta von Ungarn vermutet. 49 Vielleicht bot er sich für die junge Königin auch deshalb an, weil er die hl. Herzogstochter Odilia durch ihre Taufe von angeborener Blindheit heilte und daher ein wichtiger Heiliger gegen Augenleiden war, vgl. Gisela Koschwitz, Erhard von Regensburg, in: LCI 6 (1974), Sp. 164 f., bes. Sp. 164; vgl. auch Dies., Odilia (­Ottilia) von Hohenburg, in: ebd. 8 (1976),

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jugend­liche Gestaltung aller Männer, auch älterer wie der Simons der Darbringung (Taf. 15), mit ­kurzen blonden Bärten ebenso wie die idyl­lischen Gartenstücke, in denen die Heiligen vielfach stehen, als gezielte Gestaltung der Miniaturen für eine junge Frau als Rezipientin verstehen. Ist dieser Miniaturennachtrag der zweiten Lage des Codex daher sicher erst für Elisabeth eingefügt worden, was auch seine Datierung ab/nach 1310 nahelegt, so muss es offenbleiben, ­welche Folgen dieser recht kleine Eingriff für den Einband der Handschrift hatte. Der original erhaltene und immer noch als rote Rankenabfolge gut lesbare Buchschnitt der Handschrift scheint mir nur im Bereich der zweiten Lage (Taf. 27 – 29) irritiert zu sein. Dies spricht eher für eine Einfügung der neuen Lage in den existierenden Buchblock ohne vollständige Neubindung, die einen neuen Buchschnitt nötig gemacht hätte. Auch der recht gut erhaltene, vor allem am Buchrücken (Taf. 30, Abb. 10) sichtbar werdende Stoffeinschlag dürfte daher der alte sein, während die textilen Teile der beiden Schließen wohl neuzeit­lich sind.50 Unabhängig hiervon scheinen die schon bei Essenwein 1863 Sp. 76 – 79. Denn zumindest ­später litt Elisabeth nachweis­lich an sehr starken, schließ­lich bis zur Blindheit führenden Augenproblemen, vgl. von Zeissberg, Elisabeth von Aragonien (wie Anm. 31), S. 91, Schrader, Isabella von Aragonien (wie Anm. 6), S. 77 – 80, sowie den Beitrag von Dick in ­diesem Band. Vielleicht zeigten sich ­solche Augenprobleme bereits vorher bei ihr? 50 Mein besonderer Dank gilt Regula Schorta, Abegg-­Stiftung in Riggisberg (CH), für die folgende Einordnung und Charakterisierung der textilen Elemente des Einbandes. Nach ihr gehört der schöne Seidenstoff am Einband des kleinen Gebetbuches noch ins 13. Jahrhundert, er ist in Spanien oder Italien entstanden. Ursprüng­lich zeigte das Gewebe ein goldenes Muster (Rosetten, verdrehte Rautenrahmen) auf silbernem Grund und hatte damit sicher eine prachtvolle Wirkung. Dennoch ist die Seide vergleichsweise einfach, der Musterrapport ist klein, der webtechnische Aufwand war dementsprechend nicht groß, und die Metallfäden bestehen aus einem eher dicken Leinenkern, der mit vergoldetem bzw. versilbertem Darmhäutchen umsponnen ist. Regula Schorta kennt keinen unmittelbaren Mustervergleich. Es ist ein recht geläufiger Gewebetyp, dessen Materialkombina­tion ihn aber etwas verschleißanfällig macht. Auf keinen Fall sollte man aus der Herkunft Elisabeths und dem eventuell spanischen Stoff einen Zusammenhang kreieren, waren s­ olche Textilien als gehobene Handelsware doch in ganz Europa verbreitet. Soweit es Regula Schorta an den von mir zur Verfügung gestellten Fotografien mög­lich war, lautet die textiltechnisch korrekte Beschreibung: Samitgewebe in Köper 1/2 Z-Grat auf der Vorderseite. 2 Haupt- zu 1 Bindekettfaden; beide Seide, vermut­lich Z-Drehung, ungefärbt (die Bindekettfäden vermut­lich etwas dunkler als die Hauptkettfäden); Stufung 1 Hauptkettfaden; ca. 22 Haupt- und 11 Bindekettfäden/cm. Zwei Schüsse im Verhältnis 1:1, jede Passée mit gleicher Schussfolge; versilbertes bzw. vergoldetes Darmhäutchen um Leinenseele (vermut­lich Zwirn S aus 2 Fäden Z-Drehung), Montage S, riant; Stufung 1 Passée; ca. 30 Passées/cm. Musterrapport B. und H. je ca. 5 cm; technischer Rapport B. und H. ca. 2,5 cm (ca. 56 Kettstufungen,

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(Abb. 9) abgebildeten, damals anscheinend noch mit zwei textilen Anhängern verzierten metallenen Schließenschnallen mit dem Namen :ELS :PET (Taf. 10, 12) mittelalter­liche Ergänzungen zu sein. Sie könnten im Zuge der Einfügung der zweiten Lage entstanden sein, um den Namen der jungen Braut mit ihrer Handschrift zu verbinden. Hierfür könnten auch die Löwen am Ende der Schließenschnallen sprechen, wenn sie auf den Löwen als habsbur­gisches Wappentier anspielen. Nicht ausgeschlossen werden kann allerdings, dass der im Grundbestand ältere Psalter schon vorher im Besitz der Habsburger war, wobei er als Regensburger Produkt insbesondere Friedrichs ­Mutter, der 1313 verstorbenen Wittelsbacherin Elisabeth, gehört haben könnte. Sie scheint sich ganz besonders auf ihre könig­liche Schwiegertochter gefreut und das Hochzeitsprojekt eifrig gefördert zu haben.51 Dementsprechend kann nicht ganz ausgeschlossen werden, dass die Schnallen mit dem Namen :ELS :PET schon unter ihr, ja sogar noch für sie entstanden sind. Die Wiederverwendung einer älteren, mög­licherweise nur geringfügig auf ihre neue Besitzerin adaptierten Handschrift für Friedrichs Frau passt jedenfalls gut zu der finanziellen Situa­tion des Königs. Sie hatte sich schon in Zusammenhang mit seiner kostspieligen Königswahl und Krönung zugespitzt. In dem weitere Ressourcen verschlingenden Krieg mit Ludwig dem Bayern wurde sie aber nur noch schlimmer, sodass die junge Braut bald wiederholt in die Schmuckschatulle gegriffen haben soll.52 Die Handschrift selbst könnte schon für die Hochzeit 1314 verwendet worden sein, waren s­ olche Handschriften doch keine unüb­lichen Geschenke zu solchen Anlässen. Aber auch die Krönung Elisabeths zu Pfings­ ten 1315 in Basel durch den Kölner Erzbischof, bei welcher die Reichsinsignien vorgeführt wurden, wäre eine Gelegenheit für ein solches Geschenk gewesen, wie Karl Georg Pfändtner vorgeschlagen hat.53 Wurde die zweite Gruppe der ­ganzseitigen Miniaturen erst für diesen Fall eingefügt, so könnte die Darstellung ca. 74 Schussstufungen). Die Tatsache, dass das Gewebe unter dem Schmuckbeschlag über den ganzen Einband läuft, nur am Buchrücken und den Kanten sichtbar ist und dass dabei die Kette horizontal liegt, also am Buchrücken mehr Belastung ausgesetzt ist als der Schuss, scheint recht typisch für Prachteinbände zu sein und kann auch an deut­lich älteren Handschriften beobachtet werden. Dieses Vorgehen führt bei ­diesem Gewebe allerdings dazu, dass paradoxerweise mit den seidenen Kettfäden der strukturell schwächere Teil als die Schussfäden mit Leinenkern der größeren Belastung ausgesetzt ist. Sicher erheb­lich jünger (vielleicht 18. Jahrhundert) sind die Goldborten der Schließen. 51 Vgl. Dick in d­ iesem Band zum Anteil von Friedrichs ­Mutter an dem Zustandekommen von dessen Ehe. 52 Vgl. Kat. Ausst. Verbündet – Verfeindet – Verschwägert (wie Anm. 1), Kat. Nr. 117 (Karl-­ Georg Pfändtner). 53 Vgl. ebd.

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der hl. ­Katharina (Taf. 19) zugleich ein Reflex auf die Heilige des Tages der Königskrönung Friedrichs des Schönen in Bonn am 25. November 1314 sein. In d ­ iesem Falle wäre sie das einzige direkt mit der Krönung in Bonn verbundene Bild!

Die Königskrönungen von 1314 und der Streit um das Königtum im Bild Als der vom Kölner Erzbischof Heinrich II . von Virneburg in Bonn gekrönte König blieb es Friedrich erspart, in die Reihe der Darstellungen ‚kleiner‘ Könige zu geraten, ­welche die Mainzer Erzbischöfe wiederholt seit Siegfried III . von Eppstein auf ihren Grabmälern als von sich gekrönt darstellen ließen, damit sie attributiv als Ausweis ihres Status als Königsmacher dienen konnten.54 Am Endpunkt der Entwicklung dieser Grabmalform für Mainzer Erzbischöfe erscheint ­dieses Bildformular noch einmal gesteigert. Der Mainzer Erzbischof Peter von Aspelt, Erzfeind des Koronators von Friedrich dem Schönen, erscheint auf seinem um 1335 entstandenen Grabstein gleich mit drei Königen: Links erscheint der Luxemburger Heinrich VII. mit seinem Sohn Johann, König von Böhmen, rechts Ludwig der Bayer.55 Die Kölner Erzbischöfe pflegten hingegen den exklusiven und gleichzeitig viel unproblematischeren Bezug des Königtums auf die in ihrem Dom verehrten Heiligen Drei Könige, ­welche das Christkind verehrten. An die Darstellung ­dieses Vorgangs schließt sich in der wohl unter Heinrich II. von Virneburg vollendeten Verglasung des Obergadens des Kölner Doms (Taf. 1, 3, 4) eine anonymisierte Königsreihe nach west­lichem Vorbild (Abb. 1) an. Für diese Königsreihe war es irrelevant, ob die deutschen Könige, die man ‚machte‘, wirk­lich reüssierten, wurde das deutsche Königtum doch auf diese Weise nur ganz allgemein adressiert. Stand Aachen dem Kölner Erzbischof für die Krönung seines Kandidaten wie 1314 nicht zur Verfügung, weil der Weg dorthin von der gegnerischen Partei für die Krönung Ludwigs des Bayern blockiert wurde,56 so musste er ausweichen. Da er 54 Vgl. insbesondere Winfried Wilhelmy, Ein unbekanntes Krönungsrelief der Mainzer Erzbischöfe: Bonifatius und die Bildpropaganda der sedes Moguntiae im Zeitalter der Goldenen Bulle, in: Mainzer Zeitschrift. Mittelrheinisches Jahrbuch für Archäologie, Kunst und Geschichte 99 (2004), S. 17 – 30. 55 Ebd., S. 24, Abb. 5; Kat. Ausst. Ludwig der Bayer (wie Anm. 2), Kat. Nr. 2.1. (Matthias Weniger), Kat. Nr. 2.2. (Winfried Wilhelmy). 56 Vgl. hierzu und zum Folgenden den Beitrag von Groten in ­diesem Band.

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im Konflikt mit der Stadt Köln auch auf den Kölner Dom verzichten musste, kam am 25. November 1314 auf diese Weise bei der Krönung Friedrichs des ­Schönen erstmals Bonn ins Spiel, was nach Manfred Groten ein „Schlüsselereignis der rheinischen Geschichte mit weit reichenden Folgen“ markierte, sollte doch Bonn seither zusammen mit der Godesburg Köln als Aufenthaltsort des Erzbischofs den Rang ablaufen.57 Ohnehin folgte das Bonner Münster (Taf. 31, 32) zusammen mit dem Thebanerstift in Xanten in der Kirchenhierarchie gleich nach dem Kölner Dom. Neben den beiden römischen Legionärsmärtyrern Cassius und Florentius als Stadtpatrone konnte die legendarische Verbindung zur hl. Helena, der ­Mutter Konstantins, dem Münster imperialen Anspruch verleihen. Bau­lich war das Bonner Münster und seine Kirchenfamilie zudem eine eindrucksvolle und große K ­ irche, die teilweise im Übergangsstil von der Romanik zur Gotik errichtet und anders als der Kölner Dom 1314 bereits fertiggestellt und reich ausgestattet war.58 Zudem bot sie den großen Vorzug, dass neben ihr eine Residenz des Erzbischofs stand, die sich am Westende des heutigen Residenzschlosses befand.59 Bonn war ­später noch einmal im Jahre 1346 Ort einer Königskrönung, derjenigen des Luxemburgers Karl IV., der Ludwig dem Bayern nachfolgen sollte. An beide Krönungen erinnern im Bonner Münster allerdings nur neuzeit­liche Wandmalereien (Taf. 33) und ein Glasfenster im Nordarm.60 Der bald ausbrechende Krieg ­zwischen Friedrich dem Schönen und Ludwig dem Bayern scheint ein besonders interessantes Bildzeugnis hinterlassen zu haben. Es ist Teil einer jüdischen Handschrift, einer Machsor (Taf. 34) genannten Sammlung von Gebeten und Texten nach dem jüdischen Festkreislauf, die sich heute auf drei Bände verteilt.61 Sie entstand im ‚medinah Bodase‘ genannten Bezirk 57 Vgl. Ebd. 58 Vgl. Romanik (Geschichte der bildenden Kunst in Deutschland 2), hg. von Susanne ­Wittekind, München 2009, Kat. Nr. 218 (Matthias Untermann), mit Literatur. 59 Vgl. Florian Indenbirken, Das Schloss im 16. und 17. Jahrhundert, in: Das kurfürst­ liche Schloss in Bonn. Residenz der Kölner Erzbischöfe. Rheinische Friedrich-­Wilhelms-­ Universität, hg. von Georg Satzinger, München – Berlin 2007, S. 11 – 18, bes. S. 11 – 13. 60 Zu den Wandmalereien August Martins von 1893 vgl. Lorena Pethig, Die Restaurierungsgeschichte der Bonner Münsterkirche (Arbeitshefte der rheinischen Denkmalpflege 79), Worms 2012, S. 88 f., Abb. 77. 61 Tripartite Machsor, Budapest, Ungarische Akademie der Wissenschaften, Orienta­lische Sammlung, Kaufmann MS A 384, fol. 103v (die anderen beiden Teile in London, The British Library, Ms. Add. 22413; Oxford, Bodleian Library, Ms. Michael 619); vgl. Sarit Shalev-­ Eyni, Kunst als Geschichte. Zur Buchmalerei hebräischer Handschriften aus dem Bodenseeraum (Arye Maimon-­Institut für Geschichte der Juden: Studien und Texte 3), Trier 2011, bes. S. 15 – 18; Kat. Ausst. Ludwig der Bayer (wie Anm. 2), Kat. Nr. 2.13 (Viola Skiba).

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blühenden jüdischen Lebens vor den großen Pestpogromen rund um den Bodensee. Die Miniatur stammt von einem christ­lichen Buchmaler. Ohne Textbezug an einem Textbeginn zeigt sie uns in reicher Architektur zwei auf ihren Pferden aus geöffneten Toren direkt aufeinandertreffende Ritter, die sich an den Helmen packen und ohne den Schutz von Schilden versuchen, mit den Schwertern aufeinander einzuschlagen. Hierbei rückt derjenige rechts mit dem bayerischen Wappen auf der Schabracke des Pferdes dynamisch in die Mitte, während derjenige links mit dem habsbur­gischen Wappen bedrängter erscheint. Dafür hat nur er eine Krone als Helmzier, sein Gegenüber aber ein Bäumchen. Für beide Reiter wurden Vorlagen gewählt, die der Maler durch den Wegfall der Schilde und den Griff Richtung Gegner dynamisierte. Für den linken Reiter sind es Siegel der Zeit und Region, etwa das Siegel Markgraf Rudolfs von Baden von 1306.62 Für den Rechten waren Darstellungen des Kriegsgetümmels und der wilden Verfolgung wesent­lich, damit Szenen von höchster Gefährdung, für die das über dem Kopf geschwungene Schwert charakteristisch zu sein scheint, wie sie der zeitgenös­sische Codex Manesse in reicher Zahl bietet.63 Mit Sarit Shalev-­Eyni dürfen wir in der Miniatur im Machsor ein Bild vom Konflikt Ludwigs des Bayern mit Friedrich dem Schönen sehen.64 Ob allerdings die Eingrenzung Shalev-­Enyis auf die Schlacht von Mühldorf 1322 zutreffend ist, möchte ich dahingestellt lassen. Sie sieht mit Ludwig den Sieger von Mühldorf im Zentrum, bezieht aber das kleine hockende Männchen mit entblößtem Hinterteil oben über dem Rahmen in der Bildmitte als negative Kennzeichnung auf ihn, was sie mit der Ablehnung des Wittelsbacher in den Städten der Region um den Bodensee, bei Juden wie Bürgern etwa in Überlingen, begründet. Meines Erachtens zielt das unflätige Männchen mit seinem Hinterteil aber nicht direkt auf einen der Streitenden, die in der geschilderten Dynamisierung ihrer Vorlagen schildlos umso streitlustiger aufeinander einschlagen, sondern auf den Raum ­zwischen ihnen. Beide Kämpen scheinen mir auf diese Weise in ein kritisches Licht gerückt. Dies gilt insbesondere, wenn es die Winde vom Hinterteil des Männleins

62 GLAK 37 Nr. 158; vgl. auch das Siegel des Grafen Ulrich III. von Württemberg von 1331, Original (Signatur: HStAS A 602 Nr. 6082). 63 Heidelberg, Universitätsbibliothek, cpg 848, vgl. Codex Manesse. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhandschrift, hg. und erläutert von Ingo F. Walther unter Mitarbeit von Gisela Siebert, Frankfurt 1988, Der Herzog von Anhalt, Taf. 8, Herzog Johann von Brabant, Taf. 9, Graf Friedrich von Leiningen, Taf. 13, Graf Albrecht von Heigerloch, Taf. 18, Graf Wernher von Homberg, Taf. 19, Herr Goesli von Ehenheim, Taf. 65b, Der Püller, Taf. 83, Herr Friedrich der Knecht, Taf. 107, Herr Dietmar der Setzer, Taf. 111. 6 4 Shalev-­Eyni, Kunst als Geschichte (wie Anm. 61), bes. S. 17 f.

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sein sollten, die hier eine Parodie auf den Schlachtenlärm des wilden Kampfes abgeben.65 Zudem scheint mir auch noch ein weiteres Motiv einen vergleichbaren Subtext zur Kampfszene zu bieten: die Drachen unter den Initialbuchstaben. Wie die Ritter oben ineinander verschlungen, verbeißen sich die ihnen auch farb­lich angenäherten Drachen in sich selbst. Ihre Halsverschlingung erinnert dabei an den ungewöhn­lichen Griff der Streiter an den Hals des jeweiligen Gegners, den erst der Wegfall der Schilde ermög­lichte. Mir scheint hier daher kein konkretes Ereignis wie die Schlacht von Mühldorf 1322 dargestellt zu sein, zumal diese Schlacht zumindest vorerst das Ende des Thronstreites zu bringen schien. Vielmehr sind es hier wohl gerade die über lange Jahre hin ungeklärten Verhältnisse, mit all den Unsicherheiten und wirtschaft­lichen Folgen gerade auch für die Region am Bodensee, die hier kritisiert werden. Hierdurch erscheint 1322 eher ein Terminus ante quem für diese Miniatur zu sein. Als Subtext scheint mir hier zwar die Sicht der Städte rund um den Bodensee auf den Konflikt sichtbar, aber als Kritik an den beiden Verursachern der unsicheren Lage, die es eben zu einer solchen Entscheidungsschlacht wie in der Miniatur nicht kommen ließen. Es ist die Sicht in den Städten Konstanz, Zürich, St. Gallen, Schaffhausen, Lindau und Überlingen, die sich in ihrer Urkunde 1315 zu einem Schutzbund vereinten, der zugleich Neutralität gegenüber den beiden Königen bis zur Klärung der Herrschaftsverhältnisse vereinbarte.66 Ganz anders als die Städte hatte Papst Johannes XXII . offensicht­lich größtes Interesse daran, dass die Lage im Reich ungeklärt blieb. Obwohl beide Kurfürstenlager der Königswahl von 1314 aufgrund einer Sedisvakanz in Rom ihre zwiespältige Wahl vorsorg­lich jeweils an den zukünftigen Papst übermittelt hatten, so unterließ es Johannes XXII., einen der Kandidaten anzuerkennen. Weder Friedrich, der über seine Verwandten in Aragon Einfluss zu nehmen versuchte, noch Ludwig konnten etwas beim Papst erreichen, da ihre Auseinandersetzung das Königtum schwächte und keinen ­Kaiser erwarten ließ.

65 Allgemein zu solchen Marginaldarstellungen vgl. Lilian M. C. Randall, Images in the Margins of Gothic Manuscripts, Berkeley 1966, bes. Abb. 525 – 543 (Obscaene), Abb. 543 mit einem Nackten, der eine Fanfare mit ihrem Mundstück an sein Gesäß führt, in den um 1300 im flämischen Bereich entstandenen Rothschild Canticles, Privatbesitz, fol. 134r; vgl. allgemein zum Thema auch Michael Camille, Images on the Edge. The Margins of Medieval Art, Cambridge Mass. 1992, vgl. etwa S. 42 – 47. 66 GLAK 5, Nr. 6905; vgl. Kat. Ausst. Verbündet – Verfeindet – Verschwägert (wie Anm. 1), Kat. Nr. 110 (Gerald Schedler).

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Die Schlacht von Mühldorf und die letzten Jahre Friedrichs des Schönen – Stiftungen der Habsburger in und um Wien Nach der verlorenen Schlacht von Mühldorf 1322 war Friedrich Gefangener ­Ludwigs des Bayern. Er kam aber frei, als dieser versuchte, mit einem Doppel­ königtum zugleich das Reich zu befrieden und den Papst in Zugzwang zu bringen. Dies schien Ludwig der beste Weg zu sein, die Anerkennung des Papstes zu erreichen oder diesen zumindest als unversöhn­lich zu brandmarken. Und in der Tat trug der letzte große Konflikt z­ wischen einem deutschen König und dem Papst zur bleibenden Entfremdung ­zwischen Reich und Papsttum bei. Bei der Begründung des gemeinsamen Königtums ereigneten sich die im vorliegenden Band thematisierten Zeichen ­­ demonstrativer Eintracht und Freundschaft beider Könige. Durch s­ olche ­­Zeichen konnten sie auch versuchen, ihr ramponiertes Image wiederherzustellen, für das mir die Miniatur in der Machsor-­ Handschrift (Taf. 34) ein Beispiel zu sein scheint. Dies lag umso näher, als beide Vettern waren, war doch Ludwigs ­Mutter Mechtild eine Enkelin Rudolfs I. von Habsburg, Friedrichs ­Mutter wiederum eine Wittelsbacherin. Im Vorfeld dieser demonstrativen Beweise von Harmonie wurden von den geist­lichen Gewährsleuten und den gelehrten Beratern der beiden Könige Kompromisse gefunden, die auch Friedrich Ehre, Titel und Funk­tion ließen. Sogar ein gemeinsames Siegel war geplant, wurde aber nicht realisiert. So blieb es bei der auf der gemeinsamen Urkunde vom 5. September 1325 in Ludwigs Residenzort München beibehaltenen Form, nutzte doch jeder König einfach sein eigenes Siegel weiter.67 Als Produkt dieser k­ urzen Phase der Harmonie wurde bis vor Kurzem der aus Blech ausgeschnittene, heute schwarz oxidierte Figurenfries (Abb. 11, 12) angesehen, der oben auf dem Schutzgitter süd­lich des Elisabethschreins in der Marburger Elisabethkirche in Aufnahmen von ca. 1914 noch Spuren von Malerei zeigt.68 Nach der Deutung von Margret Lemberg handelt es sich bei der Figurendarstellung allerdings nicht um eine Reisegesellschaft der beiden Könige und ihres Umfeldes zum Grab der heiliggesprochenen Landgräfin und Königstochter. Vielmehr ist das Gitter die Stiftung einer aus der landgräf­l ichen Familie stammenden, damals im landgräf­lichen Schloss residierenden Witwe, 67 ÖStA, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Wien, AUR 1325 IX 5, vgl. Kat. Ausst. Verbündet – Verfeindet – Verschwägert (wie Anm. 1), Kat. Nr. 113 (Kathrin K ­ ininger). 68 Suckale, Hofkunst (wie Anm. 2), S. 21, S. 241 f., Abb. 8, mit älterer Literatur.

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deren Stiftungen in Marburg bis 1334 zu verfolgen sind, die Dargestellten dementsprechend mit ihr verbundene Vertreter der Landgrafen von Thüringen und Hessen aus dem Umfeld und der Nachfolge der Heiligen bzw. aus der Familie der Stifterin.69 Anders als der weiterhin sehr aktive Ludwig zog sich Friedrich weitgehend auf den öst­lichen Teil der habsbur­gischen Länder zurück. Statt dies als Rückzug zu begreifen, hat die moderne Historiographie zu Recht die Bedeutung von F ­ riedrich und seiner Genera­tion bei der Verankerung der Habsburger in ihren neuen Ländern im Osten betont. Wie Lackner in dem vorliegenden Band, u. a. mit Hinweis auf die „einzigartige Stellung Wiens im Itinerar“ Friedrichs des Schönen, herausarbeitet, kommen ihm nicht unwesent­liche Verdienste bei dieser habsbur­gischen Schwerpunktverlagerung nach Österreich und für den Weg Wiens zur habsbur­ gischen Residenz zu.70 Dies gilt auch für die breitenwirksame Stiftertätigkeit, mit der das Königspaar im ganzen Land sein Gedächtnis mit Königsrang und Namen in der Messfeier befestigte.71 Insbesondere die eigenen Klosterstiftungen und die Grablegen des Königspaares sind hierbei hervorzuheben und abschließend kurz anzusprechen. Es ist bezeichnend, dass die beiden Klostergründungen Friedrichs personell mit der Zeit seiner Gefangenschaft und der Einigung mit Ludwig verbunden sind. In Wien selbst gilt dies für das Kloster der Augustinereremiten und seiner eindrucksvollen ­Kirche St. Augustin direkt neben der Hofburg durch eine Stiftung Friedrichs und seiner Brüder, ohne dass sich hier ein Anteil des Königs an der konkreten Gestaltung der zudem erst nach seinem Tode entstandenen Bauten ausmachen ließe.72 Günther Hödl betont aber die große Bedeutung dieser neben

69 Margret Lemberg, Item sant Elizabeth im kasten. Der Elisabethschrein – die erstaun­liche Karriere eines Kunstwerks (Veröffent­lichungen der Historischen Kommission für Hessen 79), Marburg 2013, S. 23 – 29. 70 Lackner in ­diesem Band, S. 157. Vgl. auch Günther Hödl, Friedrich der Schöne und die Residenz Wien. Ein Beitrag zum Hauptstadtproblem, in: Jahrbuch des Vereines für Geschichte der Stadt Wien 26 (1970), S. 7 – 35. 71 Man beachte sein Testament Wien, 24. Juni 1327, ÖStA, Haus-, Hof- und ­Staatsarchiv, Wien, FUK 78/1,2, vgl. Kat. Ausst. Verbündet – Verfeindet – Verschwägert (wie Anm. 1), Kat. Nr. 115 (Kathrin Kininger). Letzt­lich unklar ist hingegen, ob der durch eine Widmungsbeischrift seinem Namen als Stifter verbundene Codex mit dem Kommentar des Augustinus zu den Apostelbriefen des Paulus, Heiligenkreuz, Stifts­bibliothek, Cod. 33, wirk­lich der erste Autograph eines Habsburgers darstellt, vgl. ebd., Kat. Nr. 116 (­Gerald Schwedler). 72 Vgl. hierzu Freigang in ­diesem Band.

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der Hofburg gelegenen Klosteranlage für die Residenzwerdung Wiens.73 Für diese Gründung war anscheinend der Prior des Münchener Augustinerkonvents, Konrad von Tattendorf, zentral, der zusammen mit dem ersten Prior der zuvor schon von Friedrich im Wienerwald gegründeten Kartause Mauerbach, Gottfried von Seiz, dem Beichtvater des Königs, die Verträge Friedrichs zum Ausgleich mit Ludwig und für das Doppelkönigtum vermittelte.74 Die erstmals 1313 fassbaren Bestrebungen zur Gründung der Kartause Mauerbach, die 1316 offiziell vollzogen wurde und am Anfang einer neuen Gründungswelle von Kartäuserklöstern stand, verband Alphons Lhotsky mit dem erneuten Streben der Habsburger nach der Königskrone.75 Aber auch als Grablege kam Friedrichs eigener Stiftung Mauerbach besondere Bedeutung zu, denn es war die erste eines regierenden Habsburgers in deren neuen Ländern im Osten. Dem Beispiel folgten die Brüder Friedrichs mit ihren als Grablegen angelegten Klostergründungen. Herzog Otto stiftete 1327 das Zisterzienserkloster in Neuberg an der Mürz in der Steiermark, wiederum ein Kartäuserkloster gründete Albrecht II. im Jahr 1330 in Gaming in Niederösterreich.76 Mit diesen Stiftungen entkräfteten die Habsburger der Genera­tion Friedrichs den Vorwurf, sie würden nichts für das Land und seinen Ausbau tun, indem sie, wie schon beim residenzartigen Ausbau Wiens, den Schwerpunkt von den Stammlanden im Westen endgültig in die neuen Länder im Osten verlegten.77 Am 13. Januar 1330 verstarb zuerst Friedrich auf Burg Gutenstein, am 12. Juli folgte ihm seine Frau Elisabeth. Über die Grablege des Königs in besagtem Kartäuserkloster Mauerbach bei Wien, einer der imposantesten Anlagen der Kartäuser,

73 Hödl, Friedrich der Schöne (wie Anm. 70), S. 7 – 35, bes. S. 22. Vgl. auch Lackner im vorliegenden Band. 74 Hierzu und zum Folgenden vgl. Sauter, Fürst­liche Herrschaftsrepräsenta­tion (wie Anm. 7), S.  38 – 42, S.  56 – 63. 75 Alphons Lhotsky, Geschichte Österreichs seit der Mitte des 13. Jahrhunderts (1281 – 1358). Neubearbeitung der Geschichte Österreichs von Alfons Huber, Bd. 2,1 (Veröffent­lichungen der Kommission für die Geschichte Österreichs 1), Wien 1967, S. 242. Vgl. zu Mauerbach auch Gerhard Jaritz, Die Kartäuser von Mauerbach und ihre Geschichte: Spirituelles Leben auf materieller Basis, in: ÖZKD 53 (1999), S. 375 – 384. 76 Vgl. Sauter, Fürst­liche Herrschaftsrepräsenta­tion (wie Anm. 7), S. 42 – 52. Zur Architektur der beiden Stiftungen vgl. Brucher (Hg.), Gotik (wie Anm. 24) , Kat. Nr. 37 und Nr. 49 (ders.). 77 Vgl. Sauter, Fürst­liche Herrschaftsrepräsenta­tion (wie Anm. 7), S. 34 – 36, S. 61 – 63. Vgl. auch allgemein Lackner im vorliegenden Band.

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ist leider nichts Näheres bekannt.78 Mit dem Begräbnis Elisabeths bei den Wiener Minoriten, durch das diese noch enger in das religiöse Beziehungsgeflecht der Habsburger eingebunden wurden, dürfte, wie erwähnt, auch ihr Gebetbuch in deren Besitz gekommen sein. Zumindest in einer Graphik des 18. Jahrhunderts ist ihr heute verlorenes Grabmal (Abb. 13) in einer auf dem Friedhof nörd­lich an die Wiener Minoritenkirche angebauten, 1328 geweihten Kapelle (Abb. 14) belegt.79 Es ist eher schlicht, wies aber heraldischen Dekor ­zwischen gotischem Blendwerk auf: an den Schmalseiten je zweimal die Wappen Aragons, an den Längsseiten den österreichischen Bindenschild. In dieser Form ist es gut mit dem Grab von Beatrix, der 1322 verstorbenen Gemahlin Ludwigs des Bayern, in der Münchener Frauenkirche vergleichbar.80 Die heute nur noch in Teilen erhaltene Kapelle, die zudem ihre Glasmalereien verlor, war einem erst wenig zuvor im Jahre 1317 heiliggesprochenen Onkel ­Elisabeths geweiht, dem hl. Ludwig, Franziskaner und Erzbischof von Toulouse.81 Nach den Ausführungen Freigangs im vorliegenden Band vermittelt ihre Architektur mit ihren innovativen Zierformen zwar ­zwischen der zeitgenös­ sischen süddeutschen Architektur, die s­ olche Formen aufweist, und derjenigen in Wien im 14. Jahrhundert. Hieraus kann aber keine gesicherte Zuweisung anderer bau­licher Aktivitäten in Wien wie etwa des 1304 begonnenen Ausbaus des Hallenchores von St. Stephan an den König bzw. den Wiener Hof abgeleitet werden.82 Nach Süddeutschland weist auch das vom Kapellenbau erhaltene Portal­tympanon (Taf. 35), das in der dritten Bauphase, in welcher die Kapelle nach Westen hin zu einem Nordschiff der K ­ irche erweitert wurde, an die

78 Vgl. etwa Jaritz, Die Kartäuser von Mauerbach (wie Anm. 75), bes. S. 375 – 378. Zum Grab zudem Kat. Ausst. Die Zeit der frühen Habsburger (wie Anm. 7), Kat. Nr. 112 – 113. 79 Schramm – Fillitz, Denkmäler (wie Anm. 7), S. 54, Taf. 13. 80 Kat. Ausst. Ludwig der Bayer (wie Anm. 2), Kat. Nr. 5 und Nr. 26 (Hans Ramisch). 81 Zur ­Kirche der Minoriten in Wien vgl. allgemein Maria Parucki, Überraschende Erkenntnisse an der Wiener Minoritenkirche: eigent­liche Ludwigskapelle wiederentdeckt, in: ÖZKD 46 (1993), S. 10 – 14; Maria Parucki, Die Wiener Minoritenkirche, Wien – Köln – Weimar 1995, zur Kapelle besonders S. 98 – 109, Fig. 5 f., S. 213 – 228, bes. S. 226 – 228, Abb. 25 zum Tympanon der Kapelle, S. 252 – 257; Barbara Schedl, „… Dacz Münster dasc den ­Minnerm prüdern ze Wienne erbawe…“. Zur „virtuellen Rekonstruk­tion“ der mittelalter­lichen Minoritenkirche in Wien, in: ÖZKD 52 (1998), S. 479 – 490, bes. S. 485; ­B rucher (Hg.), Gotik (wie Anm. 24), Kat. Nr. 11 und Nr. 13 f. (Mario Schwarz), bes. Kat. Nr. 13, zweiter Bauzustand: Anbau der Ludwigskapelle. Vgl. auch Sauter, Fürst­liche Herrschaftsrepräsenta­ tion (wie Anm. 7), S. 52 – 56. 82 Zum Chorbau von St. Stephan vgl. Brucher (Hg.), Gotik (wie Anm. 24), Kat. Nr. 34 (ders.).

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Nordwand ­dieses neuen Nordschiffs der ­Kirche versetzt wurde.83 Es stammte nach Gerhard Schmidt interessanterweise wohl wiederum von einem in der freien Reichsstadt Regensburg tätigen Künstler, wie Vergleiche mit der Skulptur am dortigen Dom nahelegen.84 Solche künstlerischen Verbindungen Wiens zur bayerischen Herzogs- und Bischofsstadt reichen im Bereich der (Bau-)Skulptur bis in die Zeit der Babenberger zurück.85 Das kleine, an der Basis nur 150 cm messende Tympanonrelief zeigt Friedrich und seine Frau in Anbetung der von Engeln gekrönten und (ehemals) mit Kerzenleuchtern begleiteten Himmelskönigin mit dem Christkind (Abb. 15), für das Maria einen Vogel in ihrer Rechten bereithält. Die Darstellungen von Friedrich und seiner Frau (Taf. 36, 37) sind als zeitgenös­sische Wiedergaben der beiden von Bedeutung für unser Thema, auch wenn sie wie schon die Habsburger der Chorpfeiler in der K ­ irche der Dominikanerinnen von Tulln (Abb. 8) als Idealtypen gestaltet sind. Konnten die Darstellungen der Habsburger dort das Gebet der Nonnen für sie intensivieren, so ist es in Wien das Königspaar selbst, das, den Engeln hierin folgend, das Christkind anbetet und die Muttergottes verehrt. Auffällig für ein Stifterbild auf einem Relief ist dabei der Blick des Königspaares auf den Betrachter, der zum Mitbeten aufgefordert wird. Auf diese Weise verbinden sich beim Königspaar „Repräsenta­tion und Devo­tion“, wie Schmidt hervorhob.86 In dem von Michael V. Schwarz angesprochenen Sinne eines Images bleibt dies alles wohl bewusst eher unauffällig.87 Positiv gewendet zeigt sich hier aber eine auf Einprägsamkeit und leichte Rezipierbarkeit angelegte Wiedergabe eines vorbild­ lich frommen Königspaares, noch dazu an einem öffent­lichen, gut einsehbaren Ort der mittelalter­lichen Großstadt und Residenz, war das Portal der Grabkapelle der Königin ursprüng­lich wohl vom Friedhof der Minoriten aus bestens sichtbar. 83 Vgl. ebd.; zum Tympanon vor allem Gerhard Schmidt, Das Marientympanon der Wiener Minoritenkirche, in: ÖZKD 11 (1957), S. 107 – 117; Gerhard Schmidt, Das Marientympanon der Wiener Minoritenkirche als mög­liche Quelle für deren Baugeschichte, in: ebd., S. 119 ff.; Kat. Ausst. Die Zeit der frühen Habsburger (wie Anm. 7), Kat. Nr. 231. Für die Hilfe bei der Autopsie des Reliefs sei Pater Christian von der Zentralbibliothek der Österreichischen Minoritenprovinz sehr gedankt. 84 Schmidt, Das Marientympanon (wie Anm. 83), S. 114 – 117. 85 Früh- und Hochmittelalter (Geschichte der bildenden Kunst in Österreich 1), hg. von ­Hermann Fillitz, München – New York 1998, Kat. Nr. 58 (Mario Schwarz), zur Bauplastik des von den Babenbergern gegründeten Schottenklosters in Wien, das vom Regensburger Schottenkloster besiedelt wurde. 86 Schmidt, Das Marientympanon (wie Anm. 83), S. 114. 87 Grabmäler der Luxemburger. Image und Memoria eines Kaiserhauses, hg. von Michael Victor Schwarz, Luxemburg 1997; vgl. auch Freigang im vorliegenden Band.

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Fazit und Schluss So unterschied­lich die Sicht auf Friedrich den Schönen in den Schriftquellen ist, so unterschied­lich erscheint er auch in den wenigen bildkünstlerischen Wiedergaben seiner Person. Neben das Idealbild des frommen Beters auf dem Tympanonrelief der Wiener Minoritenkirche (Taf. 35 – 37, Abb. 15) tritt seine Integra­tion in dynastische Bildprogramme wie bei der Handschrift der ‚Chronik von den 95 Herrschaften‘ in Innsbruck (Taf. 7 – 9). Ein direkter bild­licher Reflex auf seine Krönung, wie sie bei Ludwig dem Bayern dessen Darstellung auf dem Grabstein des Mainzer Erzbischofs Peter von Aspelt bietet, fehlt bei ihm. Die Kölner Erzbischöfe hielten in ihrer Ausrichtung auf die Heiligen Drei Könige die große Königsreihe im Obergaden des Kölner Domchores (Taf. 1, 3) bewusst anonym. Zusammen mit Ludwig konnte Friedrich durchaus auch kritisch betrachtet und dargestellt werden, wie die jüdische Machsor-­Handschrift (Taf. 34) zu zeigen scheint. Sucht man nach den eigenen Aktivitäten Friedrichs als Stifter und Gründer, so ist besonders seine Rolle bei der Residenzbildung Wiens und der Schwerpunktverlagerung von den habsbur­g ischen Stammlanden im Westen in die neuen Herzogtümer im Osten hervorzuheben, auch wenn sich dies dort kaum in direkt mit ihm verbindbaren Artefakten und Bauten niederschlug. Die Königsgrablege Mauerbach ist fast vollständig untergegangen, das Tympanonrelief mit dem Königspaar (Taf. 35 – 37, Abb. 15) stammt von der Grabkapelle seiner Frau an der Wiener Minoritenkirche (Abb. 14). Blieb um diese herum der umfangreichste Überlieferungskomplex zu dem in dem vorliegenden Beitrag behandelten Thema erhalten, so mag dies die von Stefanie Dick im vorliegenden Band herausgestellte Bedeutung der Königin und ihres Netzwerks für das Königspaar auch im Bereich der Monumentenüberlieferung betonen. Neben Teilen der Kapelle ist das rein ornamental-­heraldisch verzierte Grab Elisabeths wenigstens in einem Stich (Abb. 13) überliefert. Zu d ­ iesem Komplex gehört schließ­lich auch das ehemalige Gebetbuch ­Elisabeths (Taf. 10 – 30, Abb. 9, 10), eine ältere Regensburger Handschrift, die im Umfeld des Königs für die junge Königin um einen Bildzyklus erweitert wurde. Diese Bilderreihe ist ein kostbares Zeugnis privaten Bildgebrauchs für die Frömmigkeitsübungen der Königin am Habsburger Hof Friedrichs des Schönen. Im Hinblick auf die deut­lich ablesbare Ausrichtung auf geist­lichen Beistand bei Geburten sollten diese Bilder offensicht­lich auch dynastischen Zwecken dienen. Der Codex könnte bei den Hochzeitsfeier­lichkeiten oder erst bei der Krönung Elisabeths Pfingsten 1315 in Basel in ihren Besitz gekommen sein. Sollte dieser Bilderzyklus als Nachtrag erst für diese Krönung entstanden sein, so könnte sich

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die Darstellung der hl. Katharina (Taf. 19) bereits auf die Krönung Friedrichs des Schönen am Katharinentag, dem 25. November 1314, im Bonner Münster bezogen haben. In ­diesem Falle wäre mit dieser Miniatur ein mittelalter­liches Bildzeugnis erhalten, das zumindest indirekt mit dem Vorgang verbunden ist, der den Anlass zum vorliegenden Band gab.

Abbildungsnachweis Harald Wolter-­von dem Knesebeck, Bonn: Abb. 14, 15; Taf. 27 – 30, 35 – 37 Bonn, Münster, Stadtdekanat Bonn / N. Bach: Taf. 31 – 33 Budapest, Ungarische Akademie der Wissenschaften, Orienta­lische Sammlung: Taf. 34 Ville de Chartres, service archéologique: Abb. 1 Innsbruck, Universitäts- und Landesbibliothek Tirol: Taf. 7 – 9 Köln, Dombauhütte, Matz und Schenk: Taf. 1, 2 Köln, Dombauhütte, Mira Unkelbach: Taf. 3, 4 Peter Kurmann, Pieterlen (CH): Abb. 3; Taf. 6 Foto Marburg: Abb. 7, 11, 12 Straßbourg, Jean-­Philippe Meyer: Taf. 5 Wien, Zentralbibliothek der Österreichischen Minoritenprovinz: Taf. 10 – 26 Nach der zitierten Literatur: Abb. 2, 4 (aus: La Grâce d’une cathédrale. Reims, Edi­ tions la Nuée bleue, Strasbourg) Abb. 5, 6, 8 – 10, 13

Autorenverzeichnis Prof. Dr. Matthias Becher, Professor für mittelalter­liche Geschichte an der Rheinischen Friedrich-­Wilhelms-­Universität Bonn; Forschungsschwerpunkte: Allgemeine Geschichte des frühen und hohen Mittelalters; Politik-, Sozia­l- und Verfassungsgeschichte des Frankenreiches und des werdenden Deutschen Reiches; Macht und Herrschaft in vormodernen Gesellschaften. Dr. Andreas Büttner, wissenschaft­licher Mitarbeiter für mittelalter­liche Geschichte an der Ruprecht-­Karls-­Universität Heidelberg; Forschungsschwerpunkte: Ritua­le der Herrschererhebung im euro­päischen Spätmittelalter; Geld und Politik im Mittel­alter; Königsherrschaft im Mittelalter. Prof. Dr. Martin Clauss, Professor für Europa im Mittelalter und der Frühen Neuzeit an der Technischen Universität Chemnitz; Forschungsschwerpunkte: Verfassungsgeschichte des Hochmittelalters; der Hundertjährige Krieg; Königtum und Krieg im Mittelalter; Historiogra­phiegeschichte; Rezep­tion des Mittelalters; Mittelalter im Schulbuch; Lautsphären des Mittelalters. Dr. Stefanie Dick, Geschäftsführerin des SFB 1167: „Macht und Herrschaft – Vormoderne Konfigura­tionen in transkultureller Perspektive“ an der Rheinischen Friedrich-­Wilhelms-­Universität Bonn; Forschungsschwerpunkte: Gesellschaftsentwicklung und Elitenbildung im frühen Mittelalter; Königtum im Mittelalter (Institu­tionalisierungsprozesse vom Frühmittelalter bis zum 15. Jahrhundert); Gender Studies (Pilgerinnen, Stiftungsverhalten, Herrscherpaare). Prof. Dr. Christian Freigang, Professor für Geschichte und Th ­ eorie der Architektur an der Freien Universität Berlin; Forschungsschwerpunkte: Architektur­ geschichte des Mittelalters und des 19.–20. Jahrhunderts, vor allem in Deutschland und Frankreich; Architekturtheorie und –wahrnehmung; spätmittelalter­liche Kunst; Geschichte der Kunstgeschichte. Prof. Dr. Claudia Garnier, Professorin für „Geschichte der Vormoderne“ an der Universität Vechta; Forschungsschwerpunkte: Kommunika­tionsformen in der vormodernen Herrschaftsordnung; Strategien interkultureller Kommunika­tion ­zwischen Ost und West in der Vormoderne; politische und religiöse Ausschluss­ verfahren im Mittelalter, politische Netzwerkbildung im ausgehenden Mittelalter; Fehdeführung; Konfliktbeilegung und Schiedsgerichtsbarkeit im Spätmittelalter.

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Autorenverzeichnis

Prof. Dr. Albert Gerhards, Professor für Liturgiewissenschaft und Direktor des Seminars für Liturgiewissenschaft an der Katho­lisch-­Theolo­gischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-­Wilhelms-­Universität Bonn; Forschungsschwerpunkte: Theologie und Praxis der Liturgie (Schwerpunkt: Eucharistisches Hochgebet); Kirchenmusik; ­Kirche und Kunst; Judentum und Christentum. Prof. Dr. Manfred Groten, emeritierter Professor für Mittelalter­liche und ­Neuere Geschich­te/Rheinische Landesgeschichte an der Rheinischen Friedrich-­ Wilhelms-Universität Bonn; Forschungsschwerpunkte: Euro­päische Geschichte 11.–13. Jh., vor allem Verfassungs-, K ­ irchen-, Geistes- und Kulturgeschichte; rheinische Landes­g eschichte 11.–17. Jh.; Erforschung von Personengruppen; Stadtgeschichte; Sphragistik. PD Dr. Florian Hartmann, Akademischer Rat auf Zeit am Institut für Geschichtswissenschaft der Rheinischen Friedrich-­Wilhelms-­Universität Bonn; Forschungsschwerpunkte: Papst- und Kirchengeschichte, Geschichte Roms und Italiens; Geschichte der Rhetorik und der Epistolographie. Prof. Dr. Dr. h. c. Peter Kurmann, emeritierter Professor für Kunstgeschichte des Mittelalters an der Universität Freiburg/Schweiz und assoziierter Professor der École Pratique des Hautes Études Paris; Forschungsschwerpunkte: Geschichte der gotischen Architektur und Skulptur in Frankreich und Mitteleuropa; Geschichte und Theorien der Denkmalpflege. Prof. Mag. Dr. Christian Lackner, Professor für Historische Hilfswissenschaften/ Schwerpunkt Mittelalter an der Universität Wien; Forschungsschwerpunkte: Formen und Differenzierung des spätmittelalter­lichen Verwaltungsschriftguts; hoch- und spätmittelalter­liche Briefforschung; Mittelalter­liche Bildungs-, Universitäts- und Bibliotheksgeschichte; Österreichische Geschichte des späteren Mittelalters, insbesondere die Geschichte des habsbur­g ischen Hofes im 14. und 15. Jahrhundert. Prof. Dr. Mathias Schmoeckel, Deutsche und Rheinische Rechtsgeschichte an der Rheinischen Friedrich-­Wilhelms-­Universität; Forschungsschwerpunkte: Geschichte des Beweisrechts (6.–18. Jahrhundert); Rechtsgeschichte der Reforma­ tion, des Völkerrechts (19. und 20. Jahrhundert), des Zivilrechts (20. Jahrhundert) und des Na­tionalsozia­lismus; Erbrecht.

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PD Dr. Gerald Schwedler, wissenschaft­licher Mitarbeiter am Lehrstuhl für früh­ mittelalter­liche Geschichte an der Universität Zürich; Forschungsschwerpunkte: Geschichtsschreibung und Erinnerungskultur; Damnatio Memoriae im frühen und hohen Mittelalter; Politik- und Kulturgeschichte der Königreiche im spätmittelalter­lichen Europa; Normbildung und -durchsetzung, Rechtsrituale und Rechtskodifika­tion; Bayerische, österreichische und friulanische Landesgeschichte. Prof. Dr. Harald Wolter-­von dem Knesebeck, Professor für Kunstgeschichte unter besonderer Berücksichtigung des Mittelalters an der Rheinischen Friedrich-­ Wilhelms-­Universität Bonn; Forschungsschwerpunkte: Buch- und Wandmalerei des Hoch- und Spätmittelalters; profane und christ­liche Ikonographie; Schatzkunst des Hoch- und Spätmittelalters; Schrift und Bild im Mittelalter; Geschichte der Kunstgeschichte des Mittelalters.

Personenregister Wegen ihrer Häufigkeit sind die Namen Friedrich der Schöne und Ludwig der Bayer nicht im Register verzeichnet. Die Bezeichnungen Kg. und Ks. ohne Bereichsbezeichnung beziehen sich immer auf das römisch-deutsche Reich. Bei gleichnamigen Einträgen werden zuerst die Personen mit weltlichen Ämtern, dann solche mit geistlichen Ämtern angeführt. Die Reihung innerhalb derselben Hierarchieebene folgt alphabetisch nach den Herrschaften.

Abkürzungen: b.  = bei; Bf.  = Bischof; bibl.  = biblisch; Burggf.  = Burggraf; d.  = das/der/des; d. Ä.  = der Ältere; d. J. = der Jüngere; Ebf. = Erzbischof; fränk. = fränkischer; Ft. = Fürst; Gem. = Gemahlin; Ges. = Gesandter; Gf. = Graf; Hl. = Heiliger; Hzg. = Herzog; hzl. = herzoglich; Kg. = König; kgl. = königlich; Ks. = Kaiser; ksl. = kaiserlich; Ldgf. = Landgraf; Mgf. = Markgraf; myth. = mythisch; Pfgf. = Pfalzgraf; röm. = römischer; s. = siehe; St. = Sankt; steir. = steirisch; T. = Tochter; u. = und; v. = von; Verf. = Verfasser; Weihbf. = Weihbischof

A

B

Adolf v. Nassau, Kg.  75, 128, 182, 264, 322 Adolf II., Gf. v. d. Mark  185, 188 Adolf VI., Gf. v. Berg  31 f., 184 – 186, 188 Adolf v. d. Mark, Bf. v. Jülich  187 Aeneas Silvius Piccolomini s. Pius II. Agnes, Gem. Adolfs v. Berg  185 Alamanda Sapera, Hofdame Isabellas v. Aragón  18 f., 170, 176, 178 Albericus de Rosate, Jurist  69, 90 f., 94, 100 Albrecht I., Kg.  12 f., 28, 43, 49 f., 75, 120, 125, 127 – 131, 134, 144 f., 147, 150 – 154, 158 f., 171, 183, 197, 236 – 239, 242, 257, 264, 303, 309, 317, 319, 321 – 323 Albrecht II., Kg.  303 Albrecht II. (d. Weise), Hzg. v. Österreich  130, 140 f., 143 f., 149 – 151, 157, 162, 164, 170 f., 339 Albrecht III., Hzg. v. Österreich  144 Alfons IV., Kg. v. Aragón  173, 179 Alfons X. (d. Weise), Kg. v. Léon-Kastilien  81 Amadeus V., Gf. v. Savoyen  188 Anna, Hl.  330 Aristoteles, Philosoph  298 Augustinus, Kirchenvater  338

Balduin v. Luxemburg, Ebf. v. Trier  13 – 15, 29, 33 f., 37 f., 47, 58, 81, 183, 260, 300 Baldus de Ubaldis, Jurist  90, 100 Bartholomaeus de Saliceto, Jurist  97 f. Bartholomäus de Turri, Jurist  172 Bartolus, Jurist  97, 100 Beatrix, Gem. Ludwigs d. Bayern  340 Bene da Firenze, Rhetoriklehrer  273 Benedikt XI., Papst  182 Benedikt XII., Papst  54 Bernard d’Abbeville, Abt in Poitiers  219 Bernard v. Pavia, Kanonist  73, 84 Bernardus Parmensis, Kanonist  87 Bernhard, Magister  275 Berthold, Gf. v. Henneberg  30, 139, 188 Berthold, Schützenmeister  158 Blanca v. Anjou, Gem. Jakobs II.  169 Blanca, T. Jakobs II. v. Aragón  173 Blancha de Caldes, Gefolge Isabellas v. Aragón 177 Blanche, Gem. Rudolfs I. v. Böhmen  134, 151 Bonanat Cardona, Gefolge Isabellas v. Aragón  177 f. Boncompagno da Signa, Philosoph  272

352

Personenregister

Bonifaz VIII., Papst  49 – 51, 182 Boys, Antoni, Maler  317 Brenner, Leopold, Prälat  163

C Cassius, Hl.  334 Chlodwig, Kg.  216, 221 Christian Spinula, Ges. Jakobs II.  172 Christine de Pizan, Schriftstellerin  298 Christopherus, Hl.  203, 329 Clemens V., Papst  14, 19, 182 f., 209 Clemens VI., Papst  255

F Florentius, Hl.  334 Floris Berthout van Mechelen, Adeliger  187 Friedrich I. Barbarossa, Ks.  87, 126, 136, 197, 222, 274, 319 f. Friedrich II., Ks.  11, 28, 190, 273, 280 Friedrich III., Ks.  174 Friedrich II., Hzg. v. Österreich  141 Friedrich III., Hzg. v. Österreich  144 Friedrich V., Burggf. v. Nürnberg  139, 265 Friedrich III. v. Leibnitz, Ebf. v. Salzburg  141 Fulcerio de Chabulo, Capitano 284

D

G

Daniel v. Wichterich, Weihbf. v. Trier  58, 108 David, bibl. Figur  216, 245, 248 Dietrich Luf III., Gf. v. Hülchrath  185 f. Dietrich VII., Gf. v. Kleve  184 – 186 Dietrich v. Wolfsau, Bf. v. Lavant  160 Dietrich v. Pillichsdorf, Marschall  133, 139, 161 Dreux de Dammartin, Baumeister  294 Durandus, Bf. v. Mende  107 Dürer, Albrecht, Maler  93

Georg, Hl.  329 Gerhard V., Gf. v. Jülich  184 – 187 Gerlach, Gf. v. Nassau  39 Gertrud-Anna, Gem. Rudolfs I.  309 Giotto, Maler  291 Gothofredus de Trani, Jurist  78, 95 Gottfried, Prior v. Mauerbach u. Seiz  139, 162, 247, 339 Gratian, röm. Ks.  73 Gregor IX., Papst  53 Guérart, Jean, Maler  295 Guido de Baysio, Kanonist  88, 102 Guido Faba, Rhetoriklehrer  273 Guido, Bf. v. Utrecht  188 Guillaume d’Ogier, Kleriker  296 Guillaume Durand, Kanonist  97 Guillem de Rocabertí, Ebf. v. Taragona  170 Günther v. Schwarzburg, Kg.  56 Guy de Dammartin, Baumeister  294 f., 297

E Eduard III., Kg. v. England  56, 169, 189, 267 Eike v. Repgow, Verf. d. Sachsenspiegels  125 Eleonore v. Portugal, Gem. Friedrichs III.  174 Eleonore, Gem. Rainalds II. v. Geldern  189 Elisabeth v. Aragón, s. Isabella v. Aragón Elisabeth, Gem. Albrechts I.  136, 171, 239, 309, 323 f., 332 Elisabeth v. Niederbayern, Gem. Ottos d. Fröhlichen  21, 140 f. Elisabeth v. Virneburg, Gem. Heinrichs v. Österreichs  13, 210 Elisabeth, T. Friedrichs d. Schönen  21, 163 f., 178, 252 Elisabeth v. Thüringen, Hl.  203, 329 f. Engelbert II., Gf. v. d. Mark  17, 185 Engelbert v. Admont, Theologe  243 Erhard, Bf. v. Regensburg  203, 326, 329 f. Eva, bibl. Figur  216

H Hadrian IV., Papst  274 Hans v. Dissenhofen, Truchsess  139 Hans v. Limburg, Goldschmied  295 Haymo, Prior d. Grande Charteuse  162 Heinrich II., Ks.  222 Heinrich III., Ks.  223 f. Heinrich IV., Ks.  223, 264 Heinrich V., Ks.  67

Personenregister

Heinrich VI., Ks.  87 Heinrich VII., Ks.  11, 28 f., 34 – 36, 93, 108, 120, 132, 168, 171 f., 174, 183, 188, 224, 230, 235, 241 – 243, 259, 273, 300, 318, 333 Heinrich Raspe, Kg.  27 f. Heinrich VI., Kg. v. Böhmen, Hzg. v. Kärnten  14 f., 31 f., 35, 80, 131, 145 Heinrich XV. d. J., Hzg. v. Niederbayern  258 Heinrich XVI. d. Ä., Hzg. v. Niederbayern  258 Heinrich (d. Sanftmütige), Hzg. v. Österreich  13, 120, 130, 132, 135 f., 154, 162, 170 f., 210 Heinrich, Mgf. v. Brandenburg  30 Heinrich I., Gf. v. Virneburg  181 Heinrich II. v. Virneburg, Ebf. v. Köln  12, 14, 16 f., 29 – 32, 34 f., 37 – 43, 56, 59, 62 – 64, 80, 84, 181 – 188, 190 f., 194, 209 f., 225, 227 – 229, 304, 333 Heinrich III. v. Helfenberg, Bf. v. Gurk  34 Heinrich v. Wallsee, Abt v. St. Lambert  172 Helena, Hl.  334 Henri de Braine, Ebf. v. Reims  220 Henricus v. Segusia (Hostiensis), Kardinal, Kanonist  79, 88 Herbord v. Simaning, hzl. Hofmeister  161 Hermann v. Lichtenberg, kgl. Kanzler  139, 278 – 281 Hermann v. Limburg, Goldschmied  295

I Innozenz III., Papst  71, 87, 102 Innozenz IV., Papst  87 f., 90, 94, 97 Irmgard, T. Ottos v. Kleve  185 Isabella v. Aragón, Gem. Friedrichs d. Schönen  18, 43, 63, 135 f., 141, 160, 165 – 168, 170, 172 – 179, 198 – 205, 208, 290, 305 f., 309 – 311, 313 f., 316, 324 f., 330 – 332, 339 f., 342

J Jacquemart des Hesdin, Maler  296 Jakob II., Kg. v. Aragón  19, 33, 42 – 44, 60, 135 f., 145, 154, 161, 168 – 173, 175 – 179, 324 Jayme II., s. Jakob II. v. Aragón

353

Jean, Hzg. v. Berry  295 Jean du Prat, Bf. v. Evreux  195 Jesus Christus, bibl. Figur  115, 200 f., 208, 214, 216, 222 f., 225, 282, 296, 315, 321, 327 – 330, 341 Johann (d. Blinde), Kg. v. Böhmen, Gf. v. Luxemburg  12 – 15, 20f., 29 – 31, 33, 42, 57, 81, 142, 167, 183, 186, 234 f., 259 f., 333 Johann II., Kg. v. Frankreich  266 f. Johann I., Hzg. v. Brabant  184 Johann III., Hzg. v. Brabant  187 Johann Parricida, Hzg. v. Österreich u. Steiermark  128, 131, 236 – 239, 241 – 243 Johann, Hzg. v. Sachsen-Lauenburg  14, 81, 260 Johann v. Bonn, Kanoniker  17 Johann v. Buch, Jurist  126 Johann v. Viktring, Chronist  16, 46 f., 60, 141 – 143, 162, 172, 229 f., 234 f., 237 – 239, 242 f., 245 Johanna, Gem. Wilhelms v. Jülich  169 Johannes Andreae, Jurist  84, 89, 99 f. Johannes d. Täufer, bibl. Figur  329 Johannes Monachus, Kardinal, Jurist  77, 101 Johannes Teutonicus, Jurist  89 Johannes v. Viterbo, Chronist  286 Johannes XXII., Papst  19 – 23, 49, 52, 64, 99 – 102, 137, 142 f., 248, 258, 269, 273, 336 Jonathan, bibl. Figur  245, 248 Josef II., Ks.  164 Judas, bibl. Figur  114, 201, 329 f. Julian, röm. Ks.  106

K Karl d. Große, Ks.  85, 92, 94, 109, 195, 210, 216, 222 – 224, 227 Karl IV., Ks.  25, 46, 55 f., 59, 62, 64, 133, 167, 291 – 293, 298 – 300, 304, 334 Karl V., Ks.  70 Karl Martell, Hausmeier  195 Karl IV., Kg. v. Frankreich  268 Karl V., Kg. v. Frankreich  296 – 298, 300, 305 Karl VI., Kg. v. Frankreich  135 Karl I., Kg. v. Ungarn  142 Karl I., Gf. v. Valois  182 f.

354

Personenregister

Karl v. Amira, Rechtshistoriker  93 Katharina v. Savoyen, Gem. Leopolds v. Österreich 176 Katharina, T. Albrechts I.  174 Katharina, Hl.  202, 304, 329 f., 333, 343 Konrad II., Ks.  93 Konrad V. (II.) Münch v. Landskron, Ritter  239 Konrad Haarmarkter, hzl. Hubmeister  158 Konrad v. Hochstaden, Ebf. v. Köln  190, 225 Konrad v. Tegerfeld, Bf. v. Konstanz  236 Konrad v. Gundelfingen, Fürstabt  139 Konrad v. Tattendorf, Augustinerprior  139, 159, 247, 339 Konrad v. Verbehang, Deutschordenskomtur 160 Konradin, Hzg. v. Schwaben, Kg. v. Jerusalem u. Sizilien 11 Konstantin d. Große, röm. Ks.  106, 334 Konstanze, T. Jakobs II. v. Aragón  169, 179

L Leo IX., Papst  224 Leopold I., Hzg. v. Österreich u. Steiermark  20 f., 23, 60, 120, 129 f., 132 f., 136, 142, 151 f., 154, 156, 162, 170 f., 176, 257, 261 – 263, 265 f., 268, 317 Leopold III., Hzg. v. Österreich, Steiermark, Kärnten u. Krain  144 Ludwig d. Fromme, Ks.  195 Ludwig d. Kind, Kg.  230 Ludwig IX., Kg. v. Frankreich  289 Ludwig XI., Kg. v. Frankreich  174 Ludwig II. (d. Strenge), Hzg. v. Bayern, Pfgf. b. Rhein 260 Ludwig V., Hzg. v. Oberbayern, Mgf. v. Brandenburg  21, 252 Ludwig, Gf. v. Nevers  183 Ludwig, Ebf. v. Toulouse  290, 340

M Madonna s. Maria Margarete, Gem. Gerhards v. Jülich  185, 188 Margarete v. Brabant, Gem. Heinrichs VII.  172

Margarete, Gem. Ludwigs d. Bayern  169, 231 Margarete v. Ungarn, Hl.  201, 329 f. Maria, bibl. Figur  200, 208, 216, 219, 225, 291, 299, 315, 328 – 330, 341 Maria, T. Jakobs II. v. Aragón  169 Matteo de Libris, Notar  285 f. Matthäus, bibl. Figur  127 Matthias v. Arras, Dombaumeister  298 f. Matthias v. Neuenburg, Chronist  17, 46, 82, 237 – 239, 261, 263 Maximilian I., Ks.  164, 292 f. Mechtild, Gem. Ludwigs II. (d. Strengen)  337 Mechtild, Gem. Ottos v. Kleve  185 Meister Theoderich, ksl. Hofmaler  298 Moses, bibl. Figur  216

N Napoleon Orsini Frangipani, Kardinal  154 Nikolaus Wurmser, ksl. Hofmaler  298 Nicolaus II., Papst  103 Nikolaus (V.), Papst  279 Nikolaus, Hl.  198, 310, 327 Notker v. St. Gallen, Chronist  112

O Odilia v. Hohenburg, Hl.  330 Oswald, Kg. v. Northumbria  199, 329 Otachar s. Ottokar Otto III., Kg.  85, 230 Otto IV., Kg.  65, 89, 194, 215, 223, 230 Otto IV., Hzg. v. Niederösterreich  258 Otto IV. (d. Fröhliche), Hzg. v. Österreich, Steiermark u. Kärnten  21, 120, 130, 135, 140 – 142, 145, 147, 149, 154, 162, 164, 170 f., 234 f., 339 Otto, Gf. v. Kleve  185, 188 Otto, Ldgf. v. Hessen  17, 39 Otto, Bf. v. Basel  239 Otto, Abt v. St. Lambrecht  160 Ottokar ouz d. Geul, Chronist  129, 152, 160 Ottokar, Kg. v. Böhmen  264 f.

Personenregister

P Paul I., Papst  216 Paul v. Limburg, Goldschmied  295 Paulinus v. Aquileja, Patriarch  216 Paulus, bibl. Figur  118, 189, 338 Peter Parler, Dombaumeister  298 Peter v. Aspelt, Ebf. v. Mainz  13 – 15, 29, 31, 36, 47, 57 f., 62, 78, 81, 84, 183, 260, 333, 342 Peter v. Zittau, Chronist  46, 63, 164, 252 Petrus de Biaxio, Jurist  78 Petrus de Columna, Adeliger  53 Petrus de Vinea, Kanzler  271 – 273, 286 Petrus v. Gallifa, Jurist  172 Petrus, bibl. Figur  291 Philipp v. Schwaben, Kg.  87, 230 Philip IV., Kg. v. Frankreich  134, 182 f. Philipp V., Kg. v. Frankreich  183 Philipp, Ft. v. Tarent  173 Philipp, Mgf. v. Saluzzo  172 Philipp Monachi, Pförtner Jakobs II.  178 Philippa, Gem. Eduards III. v. England  169 Phokas, röm. Ks.  106 Pilgrim, Ebf. v. Köln  224 Pino de Rubeis, Podesta 284 Pippin d. J., fränk. Kg.  195, 216 Piterolf v. Gortschach, kgl. Magister  161 Pius II., Papst  174

355

Rudolf I., Kg. v. Böhmen  129 – 131, 134, 151 f., 154, 159, 255, 257 Rudolf I., Hzg. v. Oberbayern, Pfgf. b. Rhein  12, 14, 29 – 31, 33 – 35, 39 f., 56 f., 63, 80, 84, 171, 260 Rudolf I., Hzg. v. Sachsen-Wittenberg  14, 17, 30, 35, 39 f., 55, 80, 183 Rudolf II., Hzg. v. Österreich u. Steiermark  125, 128, 144, 236 Rudolf II., Hzg. v. Sachsen-Wittenberg  56 Rudolf IV. (d. Stifter), Hzg. v. Österreich, Steiermark u. Kärnten  144 Rudolf, Mgf. v. Baden  335 Rudolf v. Wart, Burggf. v. Falkenstein  236 Rudolf v. Balm, Adeliger  236 Rudolf v. Liechtenstein, Adeliger  160, 170 Ruprecht v. d. Pfalz, Kg.  57, 59, 61, 320 Ruprecht III., Gf. v. Virneburg  17

S Salomon, bibl. Figur  216 Schiller, Friedrich, Dichter  24, 253 Siegfried III. v. Eppstein, Ebf. v. Mainz  333 Siegfried v. Westerburg, Ebf. v. Köln  182, 185, 190 Sigismund, Ks.  57, 292 Simon, bibl. Figur  114, 201, 326, 329 – 331 Stephan I., Hzg. v. Niederbayern  140

R

T

Rainald I., Gf. v. Geldern  184, 187 f., 190 Rainald II., Gf. v. Geldern  188 – 190 Rainald v. Valkenburg, Schultheiß  186 Rainald v. Dassel, Ebf. v. Köln  189 Raymond du Temple, Bauherr  294 – 298 Remigius, Ebf. v. Reims  221 Remus, myth. Figur  137 Richard v. Pofi, Skriniar  273 Robert, Kg. v. Neapel  69 Romulus, myth. Figur  137 Rudolf I., Kg.  12, 31, 125, 129, 144, 151, 197, 264, 303, 308 f., 319 – 323, 337 Rudolf v. Rheinfelden, Kg.  264

Thomas Ebendorfer, Chronist  151 Thomas v. Aquin, Philosoph  69, 298 Thomas v. Capua, Kardinal  272

U Uhland, Ludwig, Dichter  24 Uldricus de Walse Stirie, Capitano 282 Ulrich v. Augsburg, kgl. Kanzler  258 Ulrich v. Wallsee, steir. Hauptmann  152 Ulrich Wild, kgl. Protonator  139, 278 – 280, 286 Urban IV., Papst  80, 84

356

Personenregister

V Veronica, Hl.  200, 328 Violante, Gem. Philipps v. Tarent  173

W Waldemar, Mgf. v. Brandenburg  12 – 14, 29 – 31, 81, 183, 260 Walram, Gf. v. Jülich  184 Walter v. Eschenbach, Adeliger  236, 239 Weigand v. Trausnitz, kgl. Kerkermeister  139

Wenzel III., Kg. v. Böhmen, Polen u. Ungarn 130 Wikbold v. Holte, Ebf. v. Köln  182, 190 Wilhelm I., Hzg. v. Jülich  169, 190 Wilhelm III., Gf. v. Holland, Hennegau u. Seeland  30 f., 33, 169, 183, 187 Wilhelm IV., Gf. v. Jülich  186 Woldemar s. Waldemar v. Brandenburg Wolfgang, Bf. v. Regensburg  326

SABINE PENTH, PETER THORAU (HG.)

ROM 1312 DIE KAISERKRÖNUNG HEINRICHS VII. UND DIE FOLGEN. DIE LUXEMBURGER ALS HERRSCHERDYNASTIE VON GESAMTEUROPÄISCHER BEDEUTUNG (REGESTA IMPERII – BEIHEFTE: FORSCHUNGEN ZUR KAISER- UND PAPSTGESCHICHTE DES MITTELALTERS, BAND 40)

Mit Heinrich VII. (1308–1313), dessen Weihe am 29. Juni 1312 in Rom das abendländische Kaisertum wiederbegründete, begann der Aufstieg der Luxemburger zu einer Herrscherdynastie, die für rund 130 Jahre die Geschicke Europas kulturell und politisch maßgeblich mitbestimmte. Obwohl man die Luxemburger als spätmittelalterliche Weichensteller Europas betrachten kann, wurde die europäische Dimension ihrer Herrschaft bisher kaum in den Blick genommen. Die Autoren des Bandes haben sich daher zum Ziel gesetzt, den aktuellen Forschungsstand im Hinblick auf die europäische Relevanz der Luxemburger-Herrschaft zu bündeln, neue Forschungsergebnisse vorzustellen und insbesondere Forschungslücken sowie neue Fragestellungen aufzuzeigen. 2016. 505 S. GB. 160 X 230 MM | ISBN 978-3-412-50140-2

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DORIS BULACH (BEARB.)

DIE URKUNDEN AUS DEN ARCHIVEN UND BIBLIOTHEKEN DER OBERPFALZ UND TSCHECHIENS VII. DIE REGESTEN KAISER LUDWIGS DES BAYERN (1314–1347) HEFT 9: DIE URKUNDEN AUS DEN ARCHIVEN UND BIBLIOTHEKEN DER OBERPFALZ UND TSCHECHIENS

In den über 400 wie gewohnt umfänglich erschlossenen und kommentierten Regesten spiegelt sich zum einen die wechselhafte Politik des wittelsbachischen Königs und Kaisers gegenüber dem luxemburgischen Böhmen und dem Reichsland Eger. Detailliert greif bar werden zum anderen die Beziehungen, die er als oberbayerischer Landesfürst zu dem in der späteren Oberpfalz begüterten Adel, den dortigen Städten und Klöstern pflegte, sowie die dynastischen Besitzveränderungen zugunsten der Wittelsbacher in der rheinischen Pfalzgrafschaft infolge des »Vertrag von Pavia« 1329. 2012. XXXVI, 281 S. BR. 170 X 240 MM | ISBN 978-3-412-20961-2

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K ARL VOCELK A

DIE FAMILIEN HABSBURG UND HABSBURG-LOTHRINGEN POLITIK – KULTUR – MENTALITÄT

Diese kompakte Geschichte ist für Leser bestimmt, die sich schnell Information zu den Habsburgern verschaffen wollen. Die politische Rolle der Familie in weiten Teilen Europas, aber auch ihre menschlichen Situationen und Konflikte werden kurz dargestellt. Nach einer Einführung in ihre Geschichte als Herrscher im Heiligen Römischen Reich und der Habsburgermonarchie widmet sich der Band auch den spanischen Habsburgern, den Nebenlinien in Italien und der Position der nicht regierenden Männer, Frauen und Kinder der Habsburger. Zwei weitere Teile sind der Mentalität der Familie und den kulturellen Leistungen der Dynastie gewidmet. Erziehung, Sendungsbewusstsein, Frömmigkeitsverhalten und Jagdleidenschaft sind ebenso Themen dieses Buches wie Repräsentation und Propaganda, Schlösser und Gärten, Feste und Sammlungen der Familie. 2010. 243 S. GB. 1 KARTE, 3 STAMMBÄUME 135 X 210 MM. ISBN 978-3-205-78568-2

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