Die Kommunen im Länderfinanzausgleich [1 ed.] 9783428467037, 9783428067039

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Die Kommunen im Länderfinanzausgleich [1 ed.]
 9783428467037, 9783428067039

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 566

Die Kommunen im Länderfinanzausgleich Von Rolf Grawert

Duncker & Humblot · Berlin

ROLF GRAWERT

Die Kommunen im Länderfinanzausgleich

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 566

Die Kommunen im Länderfinanzausgleich

Von Rolf Grawert

Duncker & Humblot · Berlin

CIP-Titelaufhahme der Deutschen Bibliothek Grawert, Rolf: Die Kommunen im Länderfinanzausgleich / von Rolf Grawert. - Berlin: Duncker u. Humblot, 1989 (Schriften zum Öffentlichen Recht; Bd. 566) ISBN 3-428-06703-7 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1989 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Irma Grininger, Berlin 62 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-06703-7

Vorwort Der bundesstaatliche Finanzausgleich ist fragwürdig geworden. Ob er richtig funktioniert, ist nicht mehr gewiß. Denn das im Jahre 1969 begründete Ausgleichssystem trifft auf eine inzwischen veränderte Sach- und Rechtslage, der es nicht hinreichend entspricht. Dies zeigt sich an den Ergebnissen: Das Verhältnis von Geber- und Nehmer-Ländern ist in eine chronische Schieflage geraten; das vielzitierte Nord-Süd-Gefälle nimmt zu; der Bund sieht sich zu immer erheblicheren und langfristigeren außerordentlichen Strukturhilfen veranlaßt. Angesichts dessen ist es angebracht, die Maßgaben der Verfassung und deren Umsetzung in Finanzpraxis gründlich zu überdenken. Dazu hat das Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juni 1986 den entscheidenden Anstoß gegeben. Stärker wirken die Umstände: der bundesweite Strukturwandel der Wirtschaft, die Zunahme der Soziallasten, die insbesondere auf die Kommunen drücken, sowie die Vorstellungen von Lebensqualität, die sich bei offener Informationsvermittlung gleichmäßig über Stadt und Land ausbreiten. Wenn gleichwertige Daseinsbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten erwartet werden, lassen sich erhebliche Unterschiede der Finanzkräfte der Länder nicht einfach mit den auf Vielfalt ausgelegten Eigenarten eines dezentralisierten Bundesstaates erklären. Die vorliegende Untersuchung, die aus einem der Landesregierung des Landes Schleswig-Holstein erstatteten Rechtsgutachten hervorgegangen ist, geht der Frage nach, welche Rolle die Kommunen im Vorgang des Länderfinanzausgleichs spielen und welche sie von Verfassungs wegen spielen sollen. Ihr geht es letztlich um das verbindliche Maß der Verteilungsgerechtigkeit, das Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G vorgibt. Der Weg dahin führt über eine konsequente Verrechtlichung der Finanzverfassung. Insoweit hat bereits das Bundesverfassungsgericht vorgesorgt. Wer dies als Politikverlust bedauert, möge bedenken, daß die Anrufung des Gerichts ein Unvermögen der politischen Verständigung offenbart. Wenn Verhandlungstechnik und Rücksichtnahme nicht zureichen, um die Spannungen im Finanzgefüge allseits erträglich zu gestalten, steht der Weg des Rechts zur Verfügung. Dann kommt es auf gründliche Verfassungsauslegung und auf präzise Gesetzgebung an. Dies ist dem Bundesstaat, der eine unitarische Wirtschaftsgesellschaft und Kulturgemeinschaft verfaßt, keineswegs unangemessen. Die relative Selbständigkeit von Bund, Ländern und Kommunen soll nicht machtpolitisch, sondern rechtlich gesichert werden. In diesem Sinne dient Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG, wie darzulegen ist, der Herstellungeines gesamtstaatlichen Finanzgleichgewichts.

6

Vorwort

Für ihre Hilfe bei der Fertigstellung dieser Untersuchung danke ich meinen Mitarbeitern, Frau Dr. Ulrike Bick, Herrn Matthias Beine, Frau Heike Diederich und Herrn Joachim Suerbaum, sowie meiner Sekretärin, Frau Evelyn Feldmann, sehr herzlich. Besonderen Dank schulde ich dem Geschäftsführer des Verlages, Herrn Rechtsanwalt Simon, für die zuvorkommende und zügige Betreuung dieser Schrift.

R. Grawert

Inhaltsverzeichnis

Α. Die Reform des Finanzausgleichs I. Reformanlaß 1. Das Finanzausgleichsgesetz 1969 2. Korrekturvorgaben des Bundesverfassungsgerichtes II. Reformmaßnahmen 1. Entwicklungslinien der jüngsten Finanzausgleichsreform 2. Die Änderung des Finanzausgleichsgesetzes von 1987 3. Fragestellungen

11 11 12 14 14 17 19

B. Die Stellung der Kommunen im Bundesstaat I. Staats- und finanzverfassungsrechtlicher Ordnungszusammenhang 1. Aufgaben- und Finanzordnung 2. Der kommunale Bezug II. Die staatsrechtliche Stellung der Kommunen gemäß Art. 28 G G 1. Kommunen als Funktionsträger des Staates 2. Einordnung der Kommunen in die Länder 3. Bund und Kommunen 4. Folgerungen für die Aufgaben- und Ausgabenverantwortung

23 23 25 26 26 28 29 30

III. Die finanzverfassungsrechtliche Stellung der Kommunen 1. Die Kommunen im System der vertikalen Steueraufteilung 2. Landeszugehörigkeit der Kommunen 3. Das Zuordnungsprinzip des Art. 106 Abs. 9 G G 4. Die Kommunen im System der horizontalen Steuerertragsaufteilung 5. Landesverfassungsrechtliche Finanzgarantien für die Kommunen . . . 6. Aussonderung der kommunalen Finanzhoheit aus dem Landesbereich?

32 32 33 36 37 38 39

IV. Zusammenfassende Statusbeschreibung der Kommunen

43

C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen I. Die kommunalen Finanzsubjekte 1. Erheblichkeitsmaßstäbe 2. Die Gemeinden 3. Die Gemeindeverbände 4. Folgerungen

46 46 49 49 51

8

Inhaltsverzeichnis II. Die Finanzkraft der Kommunen 1. Unbestimmte Rechtsbegriffe der Finanzverfassung 2. Der Begriff „Finanzkraft" 3. Relevanzmaßstäbe für die Finanzkraftbestimmung 4. Der Umfang der kommunalen „Finanzkraft" 5. Insbesondere: Das Realsteueraufkommen 6. Insbesondere: Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit - Konzessionsabgaben 7. Insbesondere: Gebühren

III. Der Finanzbedarf der Kommunen 1. Probleme der Begriffsbestimmung 2. Bedarfsgesichtspunkte 3. Der „Einwohner"-Maßstab 4. Die „Einwohner"-Gewichtung 5. Begriffsbestimmung und -gestaltung IV. Berücksichtigungs- und Ausgleichsgebot 1. Wort und Begriff „berücksichtigen" 2. Zweck der Berücksichtigung 3. Abwägung und Ermessen 4. Die „Wechselbeziehung"-These des Bundesrates 5. Folgerungen 6. Das Sicherstellungsgebot 7. Das Ausgleichsgebot 8. Die Angemessenheit des Ausgleichs

53 53 60 63 67 69 76 79 81 82 84 87 88 93 95 95 98 100 103 105 105 108 114

D. Zusammenfassung und Folgerungen I. Das Ausgleichskonzept des Grundgesetzes 1. Die Stellung der Kommunen im Bundesstaat 2. Die finanzverfassungsrechtliche Stellung der Kommunen 3. Die kommunalen Finanzsubjekte 4. Die Finanzkraft der Kommunen 5. Der Finanzbedarf der Kommunen 6. Das Berücksichtigungsgebot 7. Das Ausgleichs- und das Sicherstellungsgebot II. Beurteilung des Finanzausgleichsgesetzes 1. § 6 F A G 2. § 8 Abs. 1 F A G 3. § 8 Abs. 2 Nr. 3 F A G 4. § 8 Abs. 5 F A G 5. § 9 Abs. 3 F A G 6. § 10 Abs. 3 F A G Literaturverzeichnis

117 117 118 118 119 120 120 121 122 122 122 123 123 124 124 125

Abkürzungsverzeichnis Abs. Anm. AO Bd. BGBl. BMF BR BT BVerfGE BVerwGE DÖV Drs. DVB1. FAG FinArch Fn. GBl. GemO GG GVB1. HBKWP Hrsg., hrsg. JA JÖR MB1. NF NGO NJW NVwZ OVGE RGBl. StuW Tz. VerwArch VGemO WDStRL WRV

Absatz Anmerkung Amtsordnung Band Bundesgesetzblatt Bundesminister der Finanzen Bundesrat Bundestag Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Die öffentliche Verwaltung Drucksache Deutsches Verwaltungsblatt Gesetz über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern Finanzarchiv Fußnote Gesetzblatt Gemeindeordnung Grundgesetz Gesetz- und Verordnungsblatt Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis Herausgeber, herausgegeben Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch des öffentlichen Rechts Ministerialblatt Neue Folge Niedersächsische Gemeindeordnung Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Münster und Lüneburg Reichsgesetzblatt Steuer und Wirtschaft Teilziffer Verwaltungsarchiv Verwaltungsgemeinschaftsordnung Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Weimarer Reichsverfassung (Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919)

Α. Die Reform des Finanzausgleichs I. Reformanlaß Gemäß Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G „sind die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände) zu berücksichtigen", wenn durch Gesetz „die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgeglichen wird". Der Ausgleich „ist" durch den Bundesgesetzgeber „sicherzustellen". Dieser Verfassungsauftrag gilt seit dem Einundzwanzigsten Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Finanzreformgesetz) vom 12. Mai 19691.

1. Das Finanzausgleichsgesetz

1969

Der Bundesgesetzgeber ist dem Verfassungsauftrag durch den Erlaß des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern vom 28. August 19692 - F A G - nachgekommen. Das mehrfach geänderte Gesetz3 bezog bis zur jüngsten Reform durch das Achte Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern vom 18. Dezember 19874 gewisse Steuereinnahmen der Gemeinden in den Finanzausgleich unter den Ländern ein. Als „Steuereinnahmen" der Gemeinden eines Landes galten die Gemeindeanteile an der Einkommensteuer gemäß Art. 107 Abs. 5 G G und die bundesein1

BGBl. I S. 359. BGBl. I S. 1432. 3 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern v. 12.3.1971 (BGBl. I S. 187); Zweites Änderungsgesetz v. 27.10.1972 (BGBl. I S. 2049); Drittes Änderungsgesetz v. 8.5.1974 (BGBl. I S. 1045); Viertes Änderungsgesetz v. 20.1.1976 (BGBl. I S. 173); Fünftes Änderungsgesetz v. 17.3.1978 (BGBl. I S. 409); Sechstes Änderungsgesetz v. 10.5.1980 (BGBl. I S. 560); Gesetz zur Wiederbelebung der Wirtschaft und Beschäftigung und zur Entlastung des Bundeshaushalts (Haushaltsbegleitgesetz 1983) v. 20.12.1982 (BGBl. I S. 1857), Art. 6; Siebtes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern v. 19.12.1985 (BGBl. I S. 2354); Achtes Änderungsgesetz v. 18.12.1987 (BGBl. I S. 2764); Gesetz über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern in der Fassung der Bekanntmachung v. 28.1.1988 (BGBl. I S. 94); dazu Erste Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern im Ausgleichsjahr 1988 v. 21.3.1988 (BGBl. I S. 392); Gesetz zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft in den Ländern v. 20.12.1988 (BGBl. I S. 2358), Art. 2. 4 Vgl. vorstehenden Nachweis. 2

Α. Die Reform des Finanzausgleichs

12

heitlich typisierten Einnahmen aus der Grundsteuer sowie der Gewerbesteuer von Ertrag und Kapital abzüglich der Leistungen zur Gewerbesteuerumlage gemäß Art. 107 Abs. 6 Satz 4 und 5 G G (§ 8 F A G 1969). Die gemeindlichen Einnahmen wurden allerdings nur zur Hälfte angesetzt (§ 8 Abs. 5 FAG 1969) und den Einnahmen der Länder nach einer bundeseinheitlich vorgeschriebenen Einwohnerwertung hinzugerechnet (§ 6 Abs. 2, § 9 FAG 1969).

2. Korrekturvorgaben

des Bundesverfassungsgerichtes

Das Bundesverfassungsgericht erklärte durch Urteil des Zweiten Senates vom 24. Juni 19865 sämtliche Vorschriften des Zweiten Abschnitts des Finanzausgleichsgesetzes 1969 für unvereinbar mit Art. 107 Abs. 2 G G und verpflichtete den Gesetzgeber, mit Wirkung spätestens für das Haushaltsjahr 1988 eine Neuregelung zu treffen. Die Entscheidung betraf auch die Vorschriften des Gesetzes über die Einbeziehung von Steuereinnahmen der Gemeinden in den Finanzausgleich unter den Ländern. Bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung sollten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts des Finanzausgleichsgesetzes weiter anzuwenden sein. Durch das Urteil ist der Verfassungsauftrag an den Bundesgesetzgeber gemäß Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG aktualisiert und der Sache nach präzisiert worden. Denn das Bundesverfassungsgericht hat seiner Entscheidung eingehende Gestaltungsvorgaben für die Reform des Finanzausgleiches beigegeben. Bemerkenswert ist zunächst die Betonung des rechtsnormativen Gehaltes des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG. Nach Auffassung des Gerichtes sind die Tatbestände und Rechtsfolgen dieser Norm stärker verrechtlicht, als man seitens des Bundes und der Länder bislang gemeint hatte. Für Verhandlungen und für politische Gestaltung besteht infolgedessen nur ein begrenzter Spielraum. Die Grenzen sind durch unbestimmte Verfassungsbegriffe und Rechtsfolgegebote definiert. Sie sind den gesetzgebenden Kräften unvorgreiflich 6. Zwar setzt, wie ausgeführt wird, der Finanzausgleich eine Verständigungsund Kompromißbereitschaft der Länder und des Bundes voraus. Tatsächlich pflegt denn auch die Finanzausgleichsgesetzgebung aus langwierigen, intensiven Vorverhandlungen hervorzugehen. Von Rechts wegen bestimmt wird sie jedoch durch das im Grundgesetz geregelte Gesetzgebungsverfahren sowie durch die materiellen Gestaltungsvorgaben des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG. Diese Rechtsbindungen ins Bewußtsein der Beteiligten gehoben zu haben, ist ein Verdienst des Bundesverfassungsgerichtes, das damit den von der Finanzreform 1969 angelegten Wegen gefolgt ist. Im wegweisenden Gutachten der Kommission für die Finanzreform hieß es bereits7: „Die allgemeinen Regeln des Finanzausgleichs, 5 6 7

- 2 BvF 1, 5, 6/83, 1/84 und 1, 2/85 - , BVerfGE 72, S. 3 3 0 ^ 3 6 . BVerfGE 72, S. 330 (395 ff.). Kommission für die Finanzreform, Gutachten, Tz. 282 (S. 71).

I. Reformanlaß

13

die Ausgleichsansprüche und die Ausgleichsverbindlichkeiten sind vielmehr nach rechtsstaatlichen Grundsätzen durch Gesetz so zu regeln, daß die Ausgleichsleistungen ohne Ermessensentscheidungen von Verwaltungsstellen eindeutig bestimmbar und notfalls verfassungsgerichtlich durchsetzbar sind." Der Finanzausgleich ist seither eine Angelegenheit nicht mehr bündischer Absprache, sondern bundesstaatsrechtlicher Verfassungskonkretisierung. Diesem Ansatz entspricht es, das Sicherstellungs- und das Berücksichtigungsgebot des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G als Verfahrens- und als Inhaltsbindungen der Gesetzgebung zu akzentuieren. Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G ist Teil eines mehrstufigen „Systems" zur Verteilung des „Finanzaufkommens" im Bundesstaat. Er wird deshalb vom Bundesverfassungsgericht systemgerecht ausgelegt, nämlich dahin, daß er die Ergebnisse der „primären Steuerverteilung" gemäß Art. 107 Abs. 1 GG „korrigiert" 8 . Der horizontale Finanzausgleich des Art. 107 Abs. 2 GG hat demnach die Zielrichtung, solche Unterschiede in der „Finanzkraft" der Länder, die durch die primäre Verteilung des Steueraufkommens gemäß Art. 106 und Art. 107 Abs. 1 GG nicht aufgehoben werden, die aber gleichwohl im Hinblick auf die bundesstaatliche „Solidargemeinschaft" als unangemessen gelten müssen, „in gewissem Umfang, wenn auch nicht voll abzugleichen" 9 . Genauso hatte die Kommission für die Finanzreform den Finanzausgleich behandelt wissen wollen: Er sei seinem Wesen nach eine „Gemeinschaftshilfe", die „lediglich zur Milderung, nicht zur Einebnung der natürlichen Finanzkraftunterschiede" führen dürfe 10 . Welche Unterschiede insoweit „natürlich" und welche von Rechts wegen vorgeprägt sind, bleibt allerdings noch fraglich. Jedenfalls ist der Begriff „Finanzkraft", den Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG maßgeblich verwendet, ein unbestimmter Verfassungsbegriff, der für ein Gestaltungsermessen weder im Tatbestand noch bei der Rechtsfolge der Norm Raum läßt. Der Begriff soll „umfassend" verstanden werden. Er darf, wie das Bundesverfassungsgericht dem Finanzausgleichsgesetzgeber vorhält, nicht allein auf die Steuerkraft reduziert werden. Das schließt legislative Definitionsleistungen nicht aus. Denn unbestimmte Verfassungsbegriffe lassen infolge ihrer Allgemeinheit und politikbezogenen Valenzen gemeinhin eine Bandbreite von Deutungsvarianten zu. Insoweit ist namentlich der Terminus „Finanzkraft der Länder" dem Finanzausgleichsgesetzgeber in gewissem Rahmen zur Konkretisierung überantwortet. Doch fordert das Bundesverfassungsgericht die Vertretbarkeit einer legislativen Begriffsbestimmung; immerhin soll diese auch genügen. Eine verfassungsrechtliche Pflicht des Gesetzgebers, alle Einnahmen der Länder zur Ermittlung ihrer Finanzkraft zu addieren, besteht demnach nicht. Der Gesetzgeber soll die Finanzkraft vielmehr anhand von Indikatoren bestimmen können, sofern diese verläßlich sind und auch das Volumen der Finanzkraft zuverlässig erfassen. Dazu hat das Bundes8

BVerfGE 72, S. 330 (383, 386). BVerfGE 72, S. 330 (387). 10 Kommission für die Finanzreform,

9

Gutachten, Tz. 282 (S. 70).

14

Α. Die Reform des Finanzausgleichs

Verfassungsgericht ein Bestimmungskonzept geliefert, das die Finanzkraft „primär als Finanzaufkommen" ausweist. Gesichtspunkte des Finanzbedarfs der Länder sollen deshalb nur hilfsweise berücksichtigt werden dürfen 11 . Ist der Gesetzgeber auf diese Weise einerseits konzeptionell gebunden, so wird er andererseits vom Ergebnis her beschränkt. Der horizontale Finanzausgleich darf nämlich weder zu einer Veränderung in der Reihenfolge noch zu einer Nivellierung der Finanzkraft der Länder führen 12 . Das Bundesverfassungsgericht hielt einige der im Zweiten Abschnitt des Finanzausgleichsgesetzes 1969 enthaltenen Einzelnormen ausdrücklich für verfassungswidrig; erst wegen deren Bedeutung im Zusammenhang des Zweiten Abschnitts erklärte es diesen Abschnitt insgesamt für unvereinbar mit Art. 107 Abs. 2 GG. Auf die im Verfahren vorgebrachten Beanstandungen speziell der bisher geltenden Vorschriften des Finanzausgleichsgesetzes 1969, die der Berücksichtigung der Finanzkraft und des Finanzbedarfs der Gemeinden dienten, geht das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nicht ein. Aus diesem Umstand die Unbedenklichkeit jener Normen, namentlich des § 8 Abs. 5 F A G bisheriger Fassung, zu folgern, erscheint jedoch zumindest voreilig. Nach wie vor gilt der Satz, daß der Finanzausgleich den bundesstaatlichen Strukturprinzipien anzupassen ist 13 .

II. Reformmaßnahmen Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes hat den Bundesgesetzgeber vor die Frage gestellt, wie intensiv er sich der dem Grunde nach gebotenen Finanzausgleichsreform zu widmen hat. Einerseits könnte er an ein Minimalprogramm denken und die Novellierung auf die ausdrücklich beanstandeten Gesetzesvorschriften unter Beibehaltung des Finanzausgleichsgesetzes 1969 im übrigen beschränken; andererseits steht eine umfassendere Reform zur Diskussion. Die Antwort hängt nicht allein von den politischen Absichten der Beteiligten, sondern in erster Linie davon ab, wie die verfassungsrechtlichen Systemanforderungen an den Finanzausgleich beschaffen sind und wie sie sich zu den Einzelregelungen verhalten.

1. Entwicklungslinien

der jüngsten Finanzausgleichsreform

Die Bundesregierung wollte es von vornherein bei einer Minimalreform belassen. Sie leitete deshalb dem Bundesrat ihren „Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Län11 12 13

BVerfGE 72, S. 330 (397 ff.). BVerfGE 72, S. 330 (398, 419). Kommission fiir die Finanzreform,

Gutachten, Tz. 282 (S. 71).

II. Reformmaßnahmen

15

dem" durch Schreiben vom 29. Mai 198714 zur Stellungnahme mit der Bemerkung zu, die Reform auf „die notwendigen Änderungen des Länderfinanzausgleichs und die Neufestsetzung der Bundesergänzungszuweisungen einschließlich des Nachteilsausgleichs für die in Betracht kommenden Länder entsprechend den normativen Vorgaben des Urteils" zu beschränken. Einzelregelungen des Finanzausgleichsgesetzes bisheriger Fassung, die an und für sich vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet worden sind, „können" nach Ansicht der Bundesregierung „in der bisherigen Fassung weitergelten und sind deshalb unverändert geblieben" l5 . Zu diesen Vorschriften rechnete die Bundesregierung auch jene die gemeindlichen Steuereinnahmen betreffenden Vorschriften. Der Gesetzentwurf behielt auch die bisherige Einwohnerwertung gemäß § 9 Abs. 2 FAG 1969 bei. Über die durch das Urteil „zwingend gebotenen Änderungen" 16 hinaus sah er allerdings folgende - hier hervorgehobene - Änderungen vor: § 8 Abs. 5 F A G sollte lauten: „(5) Die nach den Absätzen 2 bis 4 errechneten Steuerkraftzahlen der Grundsteuern von den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, der Grundsteuer von den Grundstücken und der Gewerbesteuer vom Ertrag und Kapital werden je für sich nach einem für alle Länder einheitlichen Hundertsatz auf 60 vom Hundert des Betrages umgerechnet, den die Gemeinden aus der Grundsteuer von den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, aus der Grundsteuer von den Grundstücken sowie aus der Gewerbesteuer vom Ertrag und Kapital im Ausgleichsjahr eingenommen haben. Der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer und die Gewerbesteuerumlage werden auf 60 vom Hundert der Beträge herabgesetzt, die für das Ausgleichsjahr festgestellt sind."

§ 9 F A G sollte durch folgenden Absatz 4 ergänzt werden: „(4) Als Gemeinden im Sinne von Absatz 3 gelten in Rheinland-Pfalz auch die Verbandsgemeinden. "

Der Finanzausschuß des Bundesrates riet von der Änderung des § 8 Abs. 5 FAG ab, schlug aber die Erweiterung des entworfenen § 9 Abs. 4 um den Passus vor: „und in Schleswig-Holstein auch die Ämter" und gab die zusätzliche Erweiterung um den Passus: „sowie in Niedersachsen auch die Samtgemeinden" zu erwägen 17. Von den seitens der Länder beim Bundesrat beantragten Änderungen 18 sind für den hier zu untersuchenden Problembereich insbesondere die von Interesse, die das Land Schleswig-Holstein vorschlug 19 ; sie betreffen die Stellung der Kommunen im Finanzausgleich.

14 15 16 17 18 19

BR-Drs. BR-Drs. BR-Drs. BR-Drs. BR-Drs. BR-Drs.

225/87. 225/87, S. 1 f. = BT-Drs. 11/789, S. 1 f. 225/87, S. 1 = BT-Drs. 11/789, S. 1. 225/1/87. 225/2—31/87. 225/23—27/87.

16

Α. Die Reform des Finanzausgleichs

Nach den Vorschlägen dieses Landes sollte zum einen statt einer anteiligen die vollständige Berücksichtigung einer umfassend anzusetzenden Finanzkraft der Gemeinden bei der Berechnung der Finanzkraft der Länder vorgesehen und deshalb den Steuereinnahmen der Gemeinden im Sinne von § 8 Abs. 1 FAG auch der Ertrag der kommunalen Konzessionsabgaben hinzugerechnet werden. Zum anderen sollte die gemeindliche Gewerbesteuerkraft statt bundeseinheitlich jetzt nach Gemeindegrößenklassen differenziert veranschlagt und so berücksichtigt werden. Überdies wurde beantragt, Sonderbelastungen, die den Ländern Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein aus der Unterhaltung und Erneuerung ihrer Seehäfen erwachsen, einnahmemindernd in Anschlag zu bringen 20. Die Anträge der übrigen Länder betrafen vornehmlich die Gestaltung der Bundesergänzungszuweisungen. Die Stellungnahme des Bundesrates, die dieser zum Gesetzentwurf der Bundesregierung in seiner 579. Sitzung am 10. Juli 1987 beschloßt, wollte die vorgeschlagene Gleichstellungsregelung eines neuen § 9 Abs. 4 FAG zugunsten der rheinland-pfälzischen Verbandsgemeinden auch auf die schleswig-holsteinischen Ämter sowie auf die niedersächsischen Samtgemeinden erstreckt wissen. Eine Änderung des § 8 Abs. 5 FAG wurde jedoch abgelehnt. Laut Stellungnahme des Bundesrates sollte es bei der Fünfzig-Prozent-Anteilsregelungdes bisherigen § 8 Abs. 5 F A G sowie bei der Steuerkraftregelung des bisherigen § 8 Abs. 1 FAG bleiben. Die Bundesregierung hielt in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates" an der ursprünglich vorgeschlagenen stärkeren Berücksichtigung der Gemeindesteuern fest, um „eine gewisse Intensivierung des Länderfinanzausgleichs" sowie eine „Verbesserung der Position insbesondere der Länder Niedersachsen, Saarland und Schleswig-Holstein" zu erreichen. Den Gleichstellungsanträgen zu einem § 9 Abs. 4 FAG widersprach sie nicht, bestand aber auf ihrem Entwurf hinsichtlich der Neuregelung der Bundesergänzungszuweisungen. Der Bundestag machte sich den Gesetzentwurf der Bundesregierung 23 nur teilweise zu eigen. Er folgte in mancher Hinsicht den Bedenkendes Bundesrates, in anderer Hinsicht dem Drängen einzelner Länder. In der Schlußberatung ging es in der Hauptsache um das Problem der Bundesergänzungszuweisungen und um Sonderlasten, mithin um das Verhältnis des Bundes zu einzelnen Ländern 24 . 20 Antrag des Landes Schleswig-Holstein, BR-Drs. 225/22/87; Antrag der Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein, BR-Drs. 225/30/87; dazu ergänzend der Antrag der Freien und Hansestadt Hamburg, BR-Drs. 225/15/87, sowie der Freien Hansestadt Bremen, BR-Drs. 225/2/87. 21 BR-Drs. 225/87 = BT-Drs. 11/789, S. 11; im wesentlichen übereinstimmend mit den Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates, BR-Drs. 225/1/87. 22 Anlage zum BMF-Schreiben V A 3-FV 3020-88/87 - hier: S. 2 ff., 4 - = BT-Drs. 11/789, S. 17. 23 BT-Drs. 11/789; dazu Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses BT-Drs. 11/1404 sowie Bericht des Haushaltsausschusses BT-Drs. 11/1405. 24 Vgl. BT-Protokoll der 47. Sitzung am 4.12.1987, S. 3265—3301.

17

II. Reformmaßnahmen

Das Verhältnis der Länder zu ihren K o m m u n e n wurde entgegen dem A n t r a g der Bundesregierung und dem zum Teil weitergehenden A n t r a g der Fraktion Die Grünen 25 nicht intensiviert.

2. Die Änderung des Finanzausgleichsgesetzes

von 1987

Das Achte Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen B u n d u n d Ländern v o m 18. Dezember 1987 ändert den Zweiten A b schnitt des Finanzausgleichsgesetzes v o m 28. August 1969 nur in bestimmten Punkten. Die v o m Bundesverfassungsgericht nicht ausdrücklich beanstandeten Vorschriften dieses Abschnittes werden nicht angesprochen. Ihre Geltung w i r d in A r t i k e l 1 des Änderungsgesetzes durch die pauschale Formulierung ausgedrückt: „ D e r Zweite Abschnitt . . . gilt mit folgenden Änderungen": 1. § 5 w i r d wie folgt gefaßt: .§5 Ausgleichspflichtige und ausgleichsberechtigte Länder (1) Ausgleichspflichtig sind die Länder, deren Finanzkraftmeßzahl in dem Rechnungsjahr, für das der Ausgleich durchgeführt wird (Ausgleichsjahr), ihre Ausgleichsmeßzahl übersteigt. (2) Ausgleichsberechtigt sind die Länder, deren Finanzkraftmeßzahl im Ausgleichsjahr ihre Ausgleichsmeßzahl nicht erreicht." 2. § 6 w i r d wie folgt gefaßt: „§6 Finanzkraftmeßzahl, Ausgleichsmeßzahl ( 1 ) Die Finanzkraftmeßzahl eines Landes ist die Summe der Steuereinnahmen und der Einnahmen aus der bergrechtlichen Förderabgabe des Landes nach § 7 und der Steuereinnahmen seiner Gemeinden nach § 8. (2) Die Ausgleichsmeßzahl eines Landes ist die Summe der beiden Meßzahlen, die zum Ausgleich der Steuereinnahmen und der Einnahmen aus der bergrechtlichen Förderabgabe der Länder (§ 7) und zum Ausgleich der Steuereinnahmen der Gemeinden (§ 8) getrennt festgestellt werden. Die Meßzahlen ergeben sich aus den auszugleichenden Einnahmen je Einwohner im Bundesdurchschnitt, vervielfacht mit der Einwohnerzahl des Landes; hierbei sind die nach § 9 gewerteten Einwohnerzahlen zugrunde zu legen."

Vgl. BT-Drs. 11/1038, S. 2, 3 (zu § 8 Abs. 5), 6, 8: volle Einbeziehung der „Steuereinnahmen der Gemeinden eines Landes", vermindert „um den Betrag der Sozialhilfelasten eines Landes und seiner Gemeinden", weil Sozialhilfeausgaben „als bundesstaatlich verursachte und veranlaßte Ausgaben" zu werten seien. 2 Grawert

Α. Die Reform des Finanzausgleichs

18

3. § 7 wird wie folgt gefaßt: Einnahmen der Länder aus Steuern und Förderabgabe ( l) Als Steuereinnahmen eines Landes gelten die ihm im Ausgleichsjahr zugeflossenen Einnahmen 1. aus seinem Anteil an der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer; 2. aus seinem Anteil an der Gewerbesteuerumlage nach § 6 des Gemeindefinanzreformgesetzes; 3. aus der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer, der Kraftfahrzeugsteuer, der Biersteuer, der Rennwett- und Lotteriesteuer mit Ausnahme der Totalisatorsteuer, der Grunderwerbsteuer, der Feuerschutzsteuer und der Spielbankabgabe mit Ausnahme der Sonderabgabe und der Troncabgabe. Als Steuereinnahmen eines Landes gelten ferner die nach § 2 für das Ausgleichsjahr festgestellten Anteile an der Umsatzsteuer. (2) Den Einnahmen der Länder nach Absatz 1 wird das Aufkommen aus der Förderabgabe nach § 31 des Bundesberggesetzes hinzugesetzt. (3) Zur Abgeltung der Sonderbelastungen, die den Ländern Bremen, Hamburg und Niedersachsen aus der Unterhaltung und Erneuerung der Seehäfen Bremen, Bremerhaven, Hamburg und Emden erwachsen, werden von den Einnahmen nach den Absätzen 1 und 2 des Landes Bremen des Landes Hamburg des Landes Niedersachsen

90 000 000 D M 142 000 000 D M 18 000 000 D M

abgesetzt."

4. Dem § 9 wird folgender Absatz 4 angefügt: „(4) Als Gemeinden im Sinne des Absatzes 3 gelten auch die Verbandsgemeinden in Rheinland-Pfalz und die Samtgemeinden in Niedersachsen."

5. § 10 wird wie folgt gefaßt: 10 Bemessung der Ausgleichszuweisungen und der Ausgleichsbeiträge (1) Die Ausgleichszuweisungen der ausgleichsberechtigten Länder werden mit gestaffelten Hundertsätzen von den Beträgen errechnet, um die ihre Finanzkraftmeßzahl hinter ihrer Ausgleichsmeßzahl zurückbleibt. Hierbei werden als Ausgleichszuweisungen festgesetzt: 1. 100 vom Hundert des Betrages, der an 92 vom Hundert der Ausgleichsmeßzahl fehlt; 2. 37,5 vom Hundert des Betrages, der von 92 bis 100 vom Hundert der Ausgleichsmeßzahl fehlt. (2) Die Ausgleichsbeiträge der ausgleichspflichtigen Länder werden mit einem einheitlichen Hundertsatz von den Beträgen errechnet, um die ihre Finanzkraftmeßzahl ihre Ausgleichsmeßzahl übersteigt. Vorbehaltlich der Sätze 5 und 6 bleibt hierbei die Finanzkraft, die zwischen 100 und 102 vom Hundert der Ausgleichsmeßzahl liegt, außer Ansatz, und die Finanzkraft, die zwischen 102 und 110 vom Hundert der Aus-

II. Reformmaßnahmen

19

gleichsmeßzahl liegt, wird mit 70 vom Hundert angesetzt. Die 110 vom Hundert der Ausgleichsmeßzahl übersteigende Finanzkraft wird voll angesetzt. Der Hundertsatz von den ausgleichspflichtigen Beträgen wird so bemessen, daß die Summe der Ausgleichsbeiträge mit der Summe der Ausgleichszuweisungen übereinstimmt. Ist die Summe der Ausgleichszuweisungen größer als die Summe der ausgleichspflichtigen Beträge nach den Sätzen 2 und 3, so ist die zwischen 102 und 110 vom Hundert der Ausgleichsmeßzahl liegende Finanzkraft mit einem entsprechend höheren Satz als 70 vom Hundert in die Ausgleichspflicht einzubeziehen. Reicht auch der volle Ansatz der zwischen 102 und 110 vom Hundert der Ausgleichsmeßzahl liegenden Finanzkraft nicht aus, erstreckt sich die Ausgleichspflicht auch auf die Finanzkraft zwischen 100 und 102 vom Hundert der Ausgleichsmeßzahl. (3) Wenn die nach § 7 Abs. 1 und 2 ermittelten Steuereinnahmen und die Einnahmen aus der bergrechtlichen Förderabgabe eines ausgleichsberechtigten Landes einschließlich der nach Absatz 1 ermittelten Ausgleichszuweisungen je Einwohner unter 95 vom Hundert der durchschnittlichen Steuereinnahmen und der Einnahmen aus der bergrechtlichen Förderabgabe der Länder liegen, so ist die Ausgleichszuweisung an dieses Land um den Fehlbetrag zu erhöhen und die Berechnung der Ausgleichsbeiträge der ausgleichspflichtigen Länder entsprechend zu berichtigen. Wenn die Steuereinnahmen und die Einnahmen aus der bergrechtlichen Förderabgabe eines ausgleichspflichtigen Landes nach Abzug der von ihm zu leistenden Ausgleichsbeiträge je Einwohner unter den durchschnittlichen Steuereinnahmen und den Einnahmen aus der bergrechtlichen Förderabgabe der Länder liegen, so ist der Fehlbetrag von den anderen ausgleichspflichtigen Ländern im Verhältnis ihrer Ausgleichsbeiträge zu übernehmen."

Nr. 6 des Änderungsgesetzes enthält die geänderte Fassung des § 11 a, der die Ergänzungszuweisungen des Bundes regelt. Das Änderungsgesetz trat gemäß seinem Art. 4 mit Wirkung vom 1. Januar 1987 in Kraft. Durch Bekanntmachung vom 28. Januar 1988 ist das Gesetz über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern in die Fassung des Achten Änderungsgesetzes gebracht worden 26 . Diese Fassung enthält auch jene Vorschriften des Zweiten Abschnitts des Finanzausgleichsgesetzes vom 26. August 1969, die der Unvereinbarkeitsfeststellung und dem Neuregelungsgebot des Bundesverfassungsgerichts unterfielen. Die Neufassung des Finanzausgleichsgesetzes besteht demnach aus drei Klassen von Normen, nämlich aus den unbeanstandet gebliebenen Vorschriften des Ersten Abschnitts, aus den für verfassungswidrig erklärten, aber in die Neubekanntmachung unverändert übernommenen Vorschriften sowie aus den reformierten, neu beschlossenen Vorschriften.

3. Fragestellungen Ob diese Gesetzgebung den verfassungsrechtlichen Verfahrens-, Rahmen- und Leitbestimmungen entspricht, läßt sich auch nach dem maßgebenden Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nicht ohne weiteres erkennen. Das Gericht hat die Auslegung des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G nämlich nicht bis hin zu dessen zweitem Halbsatz betrieben. Ob der Umstand, daß die Regelungen der §§ 6 Abs. 1,8, 26

2*

BGBl. 1988 I S. 94.

20

Α. Die Reform des Finanzausgleichs

9 Abs. 3 FAG 1969 nicht je für sich, sondern als Bestandteile des Zweiten Abschnitts für verfassungswidrig erklärt worden sind, für Weitergeltung im Rahmen eines Änderungs- oder des geänderten Gesetzes spricht und zur beschlußlosen Übernahme jener Vorschriften in ein neues System des Finanzausgleiches führen kann, bleibt ebenso fragwürdig, wie das Verhältnis des Finanzausgleichs zwischen den Ländern unter Beibehaltung oder bei Änderung der Gemeindefinanzen zu den Ergänzungszuweisungen des Bundes klärungsbedürftig bleibt, da Änderungen in dem einen Bereich sich auf den anderen und somit auf das Gesamt des „mehrstufigen Systems zur Verteilung des Finanzaufkommens im Bundesstaat"27 auswirken. Die Untersuchung konzentriert sich in der Hauptsache auf die Frage, in welchem Umfang der verfassungsrechtlich gebotene „angemessene" Ausgleich der unterschiedlichen „Finanzkraft der Länder" im Sinne von Art. 107 Abs. 2 G G die Berücksichtigung der Finanzkraft und des Finanzbedarfs der Gemeinden (Gemeindeverbände) fordert. Dazu ist es erforderlich, den Status der Gemeinden und Gemeindeverbände im Gefüge des Bundesstaates und speziell im System der Finanzordnung des Grundgesetzes sowie der Landesverfassungen zu klären. Denn der Streit darüber, ob die Einbeziehung der kommunalen Finanzkraft in den Länderfinanzausgleich nur zu 50 vom Hundert der gemeindlichen Steuerkraft erfolgen 28 oder auf 60 vom Hundert der gemeindlichen Steuerkraft angehoben werden darf 29 oder in voller Höhe der ausgleichserheblichen gemeindlichen Finanzkraft vorzunehmen ist 30 , wurzelt letztlich in unterschiedlichen Auffassungen über Art und Umfang der Zugehörigkeit der Gemeinden - konsequenterweise auch der Gemeindeverbände - zu den Ländern. Während die volle Einbeziehung damit begründet wird, daß Gemeinden und Länder „verfassungsrechtlich eine Einheit" sind 31 , betont die im Bundesrat mehrheitlich durchgesetzte Gegenmeinung32 die Eigenständigkeit der Gemeinden und will deshalb die Finanzkraft der Gemeinden aus der der Länder dem Grunde, wenigstens der Höhe nach ausgesondert wissen. Dabei erscheinen die Kommunen als „Dritte Säule" des Bundesstaates. Nicht anders ist die Begründung des Bundesrates zu verstehen, die „Finanzkraft der Gemeinden" sei „von derjenigen der Länder abzuheben, weil die Einnahmen der Gemeinden die 27

BVerfGE 72, S. 330 (330, 383). So die Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drs. 225/87, S. 4 f., die insoweit ganz der Stellungnahme des Finanzministers des Landes BadenWürttemberg v. 25.2.1987 zu vorbereitenden Strukturvorstellungen des Bundesministers der Finanzen über eine Neuregelung des Finanzausgleichs entsprach. 29 So der Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drs. 225/87, Art. 1 Nr. 4 und Begründung S. 9, sowie Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Achten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, BT-Drs. 11/789, S. 17. 30 So die Anträge des Landes Schleswig-Holstein v. 9.7.1987, BR-Drs. 225/23, 25/87. 31 So die Begründungen der Anträge des Landes Schleswig-Holstein v. 9.7.1987, BR-Drs. 225/23/87, S. 1, und 225/25/87, S. 1. 32 Vgl. BR-Drs. 225/87, S. 4 f. 28

II. Reformmaßnahmen

21

Finanzkraft der Länder allenfalls mittelbar stärken", weshalb „die Finanzkraft der Gemeinden den Ländern zwar an-, aber nicht zugerechnet werden" dürfe; auch die weiteren Argumente, die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Gemeinden stünden in einer separaten „Wechselbeziehung", die volle Einbeziehung würde zu einer „Nivellierung" der Gemeindesteuerkraft „auf Bundesebene" hinauslaufen und „einen kommunalen Finanzausgleich über die Ländergrenzen hinweg" bewirken, beschwören die Distanz von Ländern und Kommunen. Die Frage nach dem Umfang der Berücksichtigungspflicht gemäß Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG führt mithin auf den Grundstatus der Kommunen im Bundesstaat zurück. Sie mit Hilfe der Wortlautinterpretation des blassen Begriffes „berücksichtigen" allein beantworten zu wollen, hieße, an der Oberfläche des Verfassungstextes bleiben. Die Bedeutung des Finanzausgleiches für die Praxis des Bundesstaates erfordert jedoch die Rückbesinnung auf die Funktionsbedingungen dieses Staates. Erst wenn man sich dieser Bedingungen vergewissert hat, läßt sich erörtern, ob mit dem Ausdruck „Finanzkraft" im ersten und im zweiten Halbsatz des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G derselbe Begriff oder Unterschiedliches bezeichnet wird. Dabei wird insbesondere dem Zusammenhang von Finanzkraft und „Finanzbedarf" Rechnung zu tragen und zu überlegen sein, ob von den Kommunen nur die Gemeinden in Betracht gezogen werden dürfen, wie dies der bisherigen Gesetzgebungspraxis entspricht. Bezogen auf das Finanzausgleichsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Januar 1988 ist es demnach näherhin fraglich, ob - § 8 Abs. 1 F A G nur einen Teil der ausgleichserheblichen „Steuereinnahmen der Gemeinden" berücksichtigen darf oder auf die gesamte ausgleichsrelevante Finanzkraft der Gemeinden (Gemeindeverbände) eines Landes einschließlich insbesondere der kommunalen Konzessionsabgaben abstellen muß, - § 8 Abs. 2 Nr. 3 FAG zutreffenderweise die Steuerkraftunterschiede aus der Gewerbesteuer vom Ertrag und Kapital nivelliert, indem er einen bundesweit einheitlichen Hebesatz zugrunde legt, oder ob er die Aufgabe einer wirklichkeitsnahen Berechnung zu Lasten wirtschaftsschwacher Länder verfehlt, - § 8 Abs. 5 FAG auf nachvollziehbaren Sachgründen beruht, wenn er den Finanzbedarf der Gemeinden in Höhe von 50 % der „Steuereinnahmen der Gemeinden" ohne Rücksicht auf die Bedarfslage(n) aller relevanten Kommunen, das heißt der Gemeinden und Gemeindeverbände, pauschaliert und die Finanzkraft nur in Höhe von 50 % der gemeindlichen „Steuereinnahmen" zum Ausgleich heranzieht, - § 9 Abs. 3 FAG eine richtig ausgewogene Bestimmung der Gemeindeklassen und der Einwohnerwertungsregel trifft oder ob er die Großstädte zu Lasten kleiner Landgemeinden bevorzugt, - § 6 FAG demgemäß die Finanzkraftmeßzahl und die Ausgleichsmeßzahl eines Landes durch verfassungsgemäße Ausgangswerte bestimmt und die „Finanzkraft der Länder" umfassend genug erfaßt und zum Ausgleich bringt,

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Α. Die Reform des Finanzausgleichs

- § 10 Abs. 3 F A G systemgerecht oder systemwidrig wirkt. Mithin geht es darum zu ermitteln, wie intensiv der horizontale Finanzausgleich in die kommunale Ebene hineinreicht und von dorther beeinflußt wird und unter welchen Bedingungen die Finanzausgleichsgesetzgebung vor Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G bestehen kann.

Β. Die Stellung der Kommunen im Bundesstaat I. Staats- und finanzverfassungsrechtlicher Ordnungszusammenhang Der grundgesetzliche Bundesstaat bildet ein Verbundsystem der staatlichen und kommunalen Gebietskörperschaften. Er verbindet Hoheitsträger, die über öffentliche Aufgaben, deren Erfüllung und deren Finanzierung in wechselseitiger Abhängigkeit relativ selbständig entscheiden. Welche staatsrechtliche Stellung den Gemeinden und Gemeindeverbänden - den Kommunen - im Bundesstaat zukommt, bestimmt Art. 28 GG. An diese Bestimmung schließen die Regelungen des X. Abschnitts des Grundgesetzes über das Finanzwesen an, die die finanzverfassungsrechtliche Rechtsstellung der Kommunen normieren. Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG akzentuiert den staats- und finanzverfassungsrechtlich definierten Sonderstatus der Gemeinden und Gemeindeverbände, indem er Länder und Kommunen einander in bestimmter Weise zuordnet. Das Berücksichtigungsgebot des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G wirkt als spezieller „Teil" jenes vom Bundesverfassungsgericht beschriebenen mehrstufigen Systems zur Verteilung des Finanzaufkommens im Bundesstaat, das zur „Ordnungsfunktion der Finanzverfassung" maßgeblich beitragen soll 33 . Welche Bedeutung dieser Ordnungsfunktion zukommt und welchen normübergreifenden Sinn sie dem fraglichen Berücksichtigungsgebot einstiftet, läßt sich erst aus dem bundesstaatlichen Verfassungszusammenhang der Aufgaben-, Funktions- und Finanzordnung des Grundgesetzes ermessen.

1. Aufgaben- und Finanzordnung In diesem Zusammenhang sind die Staatsverfassung und die Finanzverfassung aufeinander bezogen, so daß die Regeln über Aufgaben, Zuständigkeiten, Organbildung und Finanzwesen im Sinne einer Funktionseinheit aufzufassen sind. Die grundgesetzliche Konzeption eines der Weimarer Reichsverfassung noch unbekannten, besonderen Abschnittes über das Finanzwesen hat allerdings bisweilen den Eindruck erweckt, als solle eine eigenständige Finanzgewalt konstituiert werden. Man hätte dann an eine gewisse Distanz dieser Gewalt zum bundesstaatlichen System der Aufgaben- und Funktionenverteilung sowie zu den Grundrechten denken können. In diesem Sinne sah Wacke 34 die Finanzver33 34

BVerfGE 72, S. 330 (330, 383, 388). Wacke, Finanzwesen, S. 11.

24

Β. Die Stellung der Kommunen im Bundesstaat

fassung „materiell wie formell geschlossen neben der allgemeinen Staatsverfassung" stehen. Bei dieser Sicht wäre der Weg frei für ein gewisses Eigenleben der Finanzverfassung. Um dieser einen eigenen Sinnzusammenhang zu vermitteln, steht der Begriff „Finanzfunktion" bereit. Der Begriff hebt auf die besondere Aufgabe der Mittelbeschaflfung und dazu auf den Maßstab des Geldes ab 35 . Allein, so wenig die sogenannte Finanzgewalt von den Grundrechtsbindungen dispensiert ist, so wenig ist sie aus dem Gefüge von Staatsfunktionen und Staatsaufgaben eximiert. Die Finanzverfassung ist vielmehr ein integrierter Teil der Gesamtverfassung 36. Das grundgesetzlich geregelte „Finanzwesen" ordnet zwar die Vorgänge der Mittelbeschaffung, Mittelverteilung und Mittelverwendung bereichsweise zusammen. Aber diese Vorgänge sind sich nicht Selbstzweck, sondern beziehen sich auf die primären Zwecke und Aufgaben des Staates, die Gemeinschaft der durch ihn verbundenen Menschen zu schützen, zu ordnen und zu fördern. Die im X. Abschnitt des Grundgesetzes konzentrierten Normen haben also eine instrumentale Bedeutung. Sie beziehen sich auf den aufgabenorientierten Finanzbedarf von Bund, Ländern und Kommunen. Art. 104 a Abs. 1 G G verdeutlicht dies positivrechtlich und hält sich damit im Rahmen des staatshistorisch Hergebrachten. Obwohl Art. 104 a GG erst im Zuge der Finanzreform von 1969 dem Grundgesetz eingefügt wurde, gibt seine zentrale Aussage über die Konnexität zwischen Aufgaben und Ausgaben einen das Grundgesetz seit jeher prägenden Leitsatz wieder 37. Als dieser Leitsatz erstmals in Art. 106 Abs. 4 Nr. 1 G G in der Fassung des Finanzverfassungsgesetzes vom 23. Dezember 195538 positiviert worden war, gewann er trotz der begrenzten Reichweite dieser Vorschrift Anerkennung als allgemeiner Verfassungsgrundsatz 39. Seit der Einfügung des Art. 104 a GG in den Abschnitt über „Das Finanzwesen" verbindet der Grundsatz der Lastenverteilung die Regelungen der staatlichen Finanzwirtschaft eindeutig mit der Aufgabennorm des Art. 30: Die Ausgabenverantwortung des Bundes und der Länder schließt an deren jeweilige Aufgabenverantwortung an, das heißt in der Regel an die Verwaltungszuständigkeit Der Einleitungsartikel des X. Abschnitts dirigiert die Finanzverfassung und insbesondere die Verteilung des Finanzaufkommens im Bundesstaat. System35 Wacke, Finanzwesen, S. 13; anschließend Vogel in: Bonner Kommentar, Vorbemerkung zu Artikel 104 a—115 Rn. 5. 36 Friauf, W D S t R L 27 (1969), S. 6; ebenso Stern, Staatsrecht, Bd. II, S. 1055. 37 Vgl. die Nachweise zu den Beratungen des Verfassungskonvents von Herrenchiemsee und des Parlamentarischen Rates bei Vogel, in: Bonner Kommentar, Vorbemerkung zu Artikel 104a—115 Rn. 53 ff.; Stern, Staatsrecht, Bd. II, S. 1136 ff.; Vogel/Kirchhof, in: Bonner Kommentar, Art. 104 a Rn. 1 ff., 27 ff., dazu speziell Erichsen, Konnexität, S. 20 ff. 38 BGBl. I S. 817. 39 BVerfGE 9, S. 305 (328 f.); 14, S. 221 (233 ff); 26, S. 338 (389 ff.); Patzig, AöR 86 (1961), S. 245ff.; Kommission für die Finanzreform, Gutachten, Tz. 45,81 ff., 198 ff. (S. 14,25ff.,51 ff.). 40 Vgl. Stern, Staatsrecht, Bd. II, S. 1136 ff., mit weiteren Nachweisen.

I. Staats- und finanzverfassungsrechtlicher Ordnungszusammenhang

25

gerecht ist diese Verteilung dann, wenn sie der Verteilung der Aufgabenverantwortung entspricht. Die Aufgabenverantwortung setzt die Maßstäbe für die Aufgabenlast und weiterhin für die - angemessene - Finanzausstattung. Diese folgt mithin dem aufgabengemäßen Bedarf von Bund und Ländern. Davon ist auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 24. Juni 1986 ausgegangen: „Ziel dieser Verteilung" des Finanzaufkommens im Bundesstaat „ist, Bund und Länder finanziell in die Lage zu versetzen, die ihnen verfassungsrechtlich zukommenden Aufgaben auch wahrzunehmen; erst dadurch kann die staatliche Selbständigkeit von Bund und Ländern real werden, können sich Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung entfalten" 41 . Letztlich soll auch die Finanzkraft sich nach den Aufgabenansätzen richten. Der Begriff „Finanzkraft" wird vom Bundesverfassungsgericht zwar in erster Linie zur Erfassung des Finanzaufkommens verwendet 42 , unterliegt aber, da legislativer Ausformung bedürftig, der verfassungsrechtlichen Bewertung, die sich aus der dargestellten Zweckrichtung der Finanzordnung ergibt. Vorbehaltlich genauerer Klärung der einschlägigen Maßstabsbegriffe „Aufgaben", „Verantwortlichkeit" und „Bedarf 4 kommt es für das bundesstaatliche System der Finanzausstattung jedenfalls auf folgende Gerechtigkeitskriterien an 43 : - „sachgerechte" Beteiligung des Gesamtstaates und der Gliedstaaten „am Ertrag der Volkswirtschaft", - entsprechend der Verantwortung der Staaten für die ihnen „zukommenden Aufgaben", namentlich für die „Entwicklung der Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik", - zur Sicherstellung der Möglichkeit autonomer Aufgabenwahrnehmung als Bedingung der „Eigenstaatlichkeit".

2. Der kommunale Bezug Welchen Standort die Kommunen in diesem Systemzusammenhang einnehmen, läßt sich Art. 104 a Abs. 1 GG nicht unmittelbar entnehmen. Während hier nur von Bund und Ländern die Rede ist, werden die Kommunen in den nachfolgenden Artikeln durch ihre besondere Rechtsstellung ausgewiesen. Das Grundgesetz formt dadurch den Status der Kommunen gemäß Art. 28 GG in finanzverfassungsrechtlicher Hinsicht aus44.

41

BVerfGE 72, S. 330 (383). BVerfGE 72, S. 330 (331, 386, 397, 399 ff.); dazu näherhin unten C. II. 2 . - 4 . 43 Zit. BVerfGE 72, S. 330 (383, 386, 388); 55, S. 274 (300). 44 Ebenso Stern, in: Bonner Kommentar, Art. 28 Rn. 83; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 28 Rn. 79. 42

26

Β. Die Stellung der Kommunen im Bundesstaat

Die finanzverfassungsrechtlichen Statusregelungen für Gemeinden und Gemeindeverbände sind darauf angelegt, die in Art. 28 G G staatsrechtlich begründete Rechtsstellung der Kommunen zu vervollkommnen. Sie sind nicht nur deren Spiegelbild45, sondern sollen Funktionsvoraussetzungen für die kommunale Selbstverwaltung und für den Wirkverband von Staat und Kommunen schaffen. Es soll die kommunale Selbstverwaltung finanziell gesichert 46 und zugleich der Standort der Kommunen im Gefüge des Bundesstaates präzisiert werden, wobei Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG im letztgenannten Sinne wirkt. Das Finanzverfassungsrecht läßt sich also ebenso die gebietskörperschaftliche Eigenständigkeit wie die bundesstaatliche Eingliederung der Kommunen angelegen sein. Wie sie dadurch an das staatsrechtliche System der Funktionenverteilung und Aufgabenverantwortung anschließt, hängt von den Vorgaben des Art. 28 G G und insbesondere von der dortigen Zuordnung der Kommunen als Aufgabenträger ab.

II. Die staatsrechtliche Stellung der Kommunen gemäß Art. 28 GG Art. 28 G G macht die Rechtsstellung der Kommunen zum Gegenstand von Homogenitätsgeboten an die Länder und gibt diesen zugleich eine eigenständige Selbstverwaltungsgarantie von Bundesverfassungs wegen vor.

1. Kommunen als Funktionsträger

des Staates

Diese Garantie begründet den institutionellen und funktionalen Status der Kommunen im Staat. Mag auch die Geschichte der kommunalen Selbstverwaltung manche grundrechtsähnlichen Bezüge haben47, und mag selbst die Dogmatik noch in mancherlei Hinsicht von der Grundrechtsähnlichkeit der Selbstverwaltungsgarantie beeindruckt sein48, so entspricht es doch dem heutigen staatstheoretischen Verständnis und gilt gemäß Art. 28 GG, was das Bundesverfassungsgericht noch kürzlich zum Ausdruck gebracht hat: Gemeinden und Gemeindeverbände sind „ein Stück ,Staat'" 49 .

45

So die Metapher von Schmölders, Finanzpolitik, S. 21. Fischer-Menshausen, in: von Münch, Kommentar, Bd. 3, Vorbemerkungen zu den Art. 104a—109 Rn. 3 ff.; Grawert, VVDStRL 36 (1978), S. 299, mit weiteren Nachweisen. 47 So bis in vorgrundgesetzliches Landesverfassungsrecht hinein: Laut Art. 11 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung von Bayern v. 2.12.1946 sind Gemeinden „ursprüngliche Gebietskörperschaften"; Art. 49 der Verfassung für Rheinland-Pfalz v. 18.5.1947 gehört zum Bereich „Grundrechte und Grundpflichten" - das Vorbild ist Art. 127 WRV. 48 So die Vorwürfe von Burmeister, Neukonzeption, S. 1 f., 27 f.; Bethge, Selbstverwaltungsrecht, S. 158 f. 49 BVerfGE 73, S. 118 (191); ähnlich schon Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 28 Rn. 50: „Bestandteile des Staates". 46

II. Die staatsrechtliche Stellung der Kommunen gemäß Art. 28 GG

27

Zwar sagt Art. 28 GG ausdrücklich nichts über die Bildung der dort angesprochenen Gemeinden und Gemeindeverbände. Doch knüpfen weder die Organbildungsgebote des Absatz 1 noch die Funktionsgarantien des Absatz 2 bloß an die tatsächliche Existenz vorhandener Sozialgebilde an. Vielmehr konstituiert Art. 28 GG implicite Gemeinden und Gemeindeverbände als mit Rechtssubjektivität versehene, körperschaftliche Organisationseinheiten des Bundesstaates. Zu diesem Bildungs- liefert Art. 28 G G den zugehörigen Einrichtungsvorgang 50, indem er für eine - abgestufte - Ausstattung der verschiedenen Klassen von Kommunen mit Hoheitsbefugnissen und Sachzuständigkeiten sorgt 51 . Jeweils handelt es sich um die Verteilung von Staatsgewalt im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG. Deshalb zieht Art. 28 Abs. 1 GG die organschaftlichen Konsequenzen aus dem demokratischen Legitimationsprinzip. Dieses Prinzip läßt die jeweilige Staatsgewalt des Bundes und der Länder aus dem Volk, der Gesamtheit der jeweils zugehörigen Deutschen, hervorgehen. An diesen Vorgang schließen die Ordnungsmaßgaben des Art. 28 G G erst an. Wenn und insoweit die Kommunen und deren Organe demokratisch legitimiert sind, sind sie fähig, die ihnen überantwortete staatliche „Hoheitsmacht", die „Staatsgewalt"52, eigenverantwortlich mit Wirkung für Dritte wahrzunehmen. Die Eigenverantwortlichkeit bewirkt eine Dezentralisierung der verfaßten Staatsgewalt, hebt die Kommunen aber nicht in einen dritten, zwischen Staat und Gesellschaft anzusiedelnden Wirkbereich des Kommunal-Öffentlichen. Als Verwaltungsträger sind die Gemeinden und Gemeindeverbände vollziehende Gewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 3 G G 5 3 und des Art. 1 Abs. 3 GG. Zur „Staatsgewalt" und zur „Staatsverwaltung" gehören sie freilich nur im Hinblick auf das Außenverhältnis der Bundesrepublik Deutschland bzw. der Länder zu anderen Rechtssubjekten. Im Rahmen des - gegliederten - Bundesstaates kommt den Kommunen dank Art. 28 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 G G ein verfassungsunmittelbarer Sonderstatus relativer Eigenständigkeit zu, der die staatsinterne Unterscheidung der Selbst- von der Staatsverwaltung begründet. Ob der Begriff „mittelbare Staatsverwaltung" die Sache trifft, kann hier dahinstehen. Jedenfalls ist die Selbstverwaltungsgarantie kein Mittel der Ausgliederung der Kommunen aus dem Organisations- und Funktionsbereich des Staates, sondern ein Element seiner Binnengliederung. Die Gemeinden sind - ebenso wie Gemeindeverbände - „die in den Staat eingeordneten Gemeinwesen" einer Gemeinschaft von Menschen54, und zwar samt ihren Verwaltungsaufgaben und -funktionen. An diese Einordnung knüpfen die legislative Organisationsgewalt 50 Zu „Bildung" und „Einrichtung" vgl. Wolff, in: WolfT/Bachof, Verwaltungsrecht II, §781 (S. 128 f.). 51 Zu dieser Doppelwirkung des Art. 28 Abs. 2 GG ausführlicher Schmidt-Jortzig, Organisationshoheit, S. 123 ff. 52 So BVerfGE 8, S. 122 (132); 47, S. 253 (272). 53 Ebenso bezüglich der Gemeinden Schmidt- Aßmann, Kommunalrecht, S. 111. 54 So präzise Art. 117 Abs. 1 der Verfassung des Saarlandes v. 15.12.1947 in der Fassung v. 4.7.1979.

28

Β. Die Stellung der Kommunen im Bundesstaat

des Staates über die Kommunen sowie die Staatsaufsicht und die staatliche Verantwortung für die Kommunen an, deren Leistungsfähigkeit von Staats wegen zu sichern ist. 2. Einordnung der Kommunen in die Länder Art. 28 GG geht davon aus, daß Gemeinden und Gemeindeverbände bei einem zweistufigen Aufbau des Bundesstaates den Ländern eingegliederte Organisationseinheiten sind. Sie sind „ein Stück" der von den einzelnen Ländern gemäß Art. 28 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 28 Abs. 1 Satz 2, 3 GG zu bewirkenden Selbstorganisation der Gliedstaatlichkeit, das der Bund gemäß Art. 28 Abs. 3 G G gewährleistet, ohne die landesinterne Dezentralisation von sich aus anstelle der Länder und bundesunmittelbar herstellen zu dürfen 55 . Art. 28 GG begrenzt die landesrechtliche Organisationsgewalt, durchbricht aber nicht den zweistufigen Staatsaufbau 56. Das Grundgesetz kennt demnach zwar eine „dritte", nämlich kommunale, Ebene von verfassungsunmittelbar gebildeten Verwaltungsträgern, aber keine „dritte" Ebene verfaßter Staatlichkeit. Dementsprechend führen auch die Landesverfassungen die grundgesetzlichen Einrichtungsdirektiven aus, indem sie insonderheit den Gemeinden eine eigenständige, aber integrierte Stellung im Lande reservieren 57. Dank der grundgesetzlichen und landesverfassungsrechtlichen institutionellen Selbstverwaltungsgarantien nehmen Gemeinden und Gemeindeverbände diese allerdings in abgeschwächter Form - Verwaltungsaufgaben wahr, die zwar als solche des Staates im staatsrechtlich funktionellen Sinne und als vom Staat abgeleitete gelten, die aber innerhalb der Landesstaatsgewalt von den landeseigenen Staatsaufgaben abgesondert sind: die Selbstverwaltungsaufgaben. Dazu können ihnen nach Landesverfassungsrecht Staatsverwaltungsaufgaben übertragen werden. Jeweils bezeichnen die Zuständigkeiten Vorgänge funktioneller Integration der Kommunen in die Länder von unterschiedlicher Intensität: Der verfassungsunmittelbar bewirkten Ableitung der Selbstverwaltungsaufgaben vom Staat entsprechen die staatliche Rechtsaufsicht und die finanzielle Globalausstattung, der landesgesetzlich bewirkten Übertragung von Staatsverwaltungsaufgaben entsprechen die Fachaufsicht und die finanzielle Sonderausstattung der Kommunen. Im Landesverfassungsrecht wird bisweilen der Ausdruck „öffentliche Aufgaben" im allgemeinen staatsbezogenen Sinne>8 als Oberbegriff 55

Dazu auch Grawert. NJW 1987, S. 2331. Ebenso - statt vieler - Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 28 Rn. 70, 79; Stern, in: Bonner Kommentar, Art. 28 Rn. 84; ders., Staatsrecht, Bd. I, S. 407; Burmeister, Neukonzeption, S. 11 ff.; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, S. 27. 57 Vgl. Art. 69 bad.-württ. Verfassung; Art. 11 bayer. Verfassung; Art. 14 nieders. Verfassung; Art. 1 Abs. 1 nordrh.-westf. Verfassung: „Nordrhein-Westfalen ist ein Gliedstaat der Bundesrepublik Deutschland. Das Land gliedert sich in Gemeinden und Gemeindeverbände"; Art. 117 Abs. 1 saarl. Verfassung; Art. 2 Abs. 2, 39 schl.-holst. Landessatzung. 58 Zur Vieldeutigkeit des Begriffs vgl. im übrigen Hans H. Klein, DÖV 1965, S. 755 ff.; 56

II. Die staatsrechtliche Stellung der Kommunen gemäß Art. 28 GG

29

für Selbstverwaltungs- und Landes(verwaltungs)aufgaben verwendet 59; doch ist der Begriffsgebrauch uneinheitlich. Immerhin reflektiert er die landesbezogene Integration. Es läßt sich also festhalten: Die kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben gehören ebenso wie die spezifischen Landesverwaltungsaufgaben im Außenverhältnis der Gliedstaaten zum Bund und zu Dritten zu jenen „staatlichen Aufgaben", die Art. 30 G G zwischen Bund und Ländern verteilt, genauer: die mangels „andere(r) Regelung" gemäß Art. 30 GG „Sache der Länder" sind. Art. 28 Abs. 2 G G trifft keine „andere Regelung" im Sinne des Art. 30 GG zugunsten der Kommunen, sondern bestimmt deren Gliedstaatszugehörigkeit, die Voraussetzung für die bundesstaatliche Aufgabenverteilung ist.

3. Bund und Kommunen Die Einordnung der Gemeinden und Gemeindeverbände in die Gliedstaaten leidet allerdings unter dem Einfluß von zunehmenden Bundesingerenzen in den Kommunalbereich. Zwar besitzt der Bundesgesetzgeber keine allgemeine Zuständigkeit für Kommunalangelegenheiten, doch darf er aufgrund der Art. 83 ff. GG Kommunen in den Vollzug von Bundesgesetzen einschalten, jedenfalls punktuell 60 . Inwieweit dies zulässig ist, braucht hier jedoch nicht weiter untersucht zu werden, sofern der bundesgesetzliche Durchgriff auf die Kommunen nur die Organisationsgewalt der Länder tangiert, aber an der bisher festgestellten Landeszugehörigkeit der kommunalen Aufgaben und Befugnisse nichts ändert. Keine Änderung ergibt sich jedenfalls im Rahmen des Art. 84 Abs. 1 GG, weil dieser durchweg „eigene Angelegenheiten" der Länder betrifft 61 . Werden Kommunen hingegen gemäß Art. 85 Abs. 1 GG mit Verwaltungsaufgaben beauftragt, so sollen sie, wie behauptet worden ist 62 , als Auftragnehmer des Bundes dessen unmittelbare Funktionsträger sein. Gegen diese Auffassung spricht jedoch schon der Wortlaut des Art. 85 Abs. 1 GG. Danach sind es die „Länder", die eigentlich „im Auftrage des Bundes" durch ihre „Behörden" tätig werden. Das Weisungsrecht der obersten Bundesbehörden entspricht dieser Struktur, wie auch die Bundesaufsicht gemäß Art. 85 Abs. 4 G G eine solche über die Länder ist. Unabhängig von der umstrittenen Frage, ob die Länder im RahMartens, Öffentlich, S. 117 ff.; Häberle, Öffentliches Interesse, S. 211 ff., will den Begriff „öffentliche Aufgabe" aus seiner herkömmlichen Staatsbezogenheit lösen und einem - freilich undeutlichen - „Gemeinwohl" zuordnen. 59 Vgl. u.a. Art. 69, 71 Abs. 2, 3 bad.-württ. Verfassung; Art. 70,137 Abs. 1,2 hess. Verfassung; Art. 43 Abs. 1, 44 Abs. 3 nieders. Verfassung; Art. 77 Satz 1, Art. 78 Abs. 2,3 nordrh.westf. Verfassung; Art. 39 Abs. 1, 2 und Abs. 4 schl.-holst. Landessatzung. 60 BVerfGE 22, S. 180(181,210); näherhin Niemeier, Bund und Gemeinden, S. 19ff., 27 ff., 157 fT. 61 Davon geht auch BVerfGE 22, S. 180 (210), aus. 62 Vgl. dazu Schäfer, DÖV 1960, S. 643; Marschall, Kommentar, S. 589 f.

30

Β. Die Stellung der Kommunen im Bundesstaat

men des Art. 85 G G Landesverwaltung „nach Weisung des Bundes" oder Bundesverwaltung ausüben, ist jedenfalls festzuhalten, daß die Verwaltungsführung den Ländern und erst vermittelt durch diese den Kommunen obliegt. Die These von der „dritten", im Gesamtstaat eigenständig unter Bund und Ländern angesiedelten Ebene der Kommunen trägt, wenn sie die Kommunen als gemeinsamen „Grundstein des gesamtstaatlichen Verwaltungsaufbaus" für Bund und Länder ausweisen möchte 63 , der Zweigliedrigkeit des Bundesstaates und insbesondere dem Umstand nicht Rechnung, daß es eine gesamtstaatliche „Einheit" der „Staatsverwaltung" w im unitarischen Sinne um der Bundesstaatlichkeit willen nicht gibt und nicht geben darf: Was zugunsten der Kommunen gemeint ist, stellt die Eigenstaatlichkeit der Länder in Frage. Erkennt man dagegen in der Bundesauftragsverwaltung richtigerweise einen Typ der Landesverwaltung 65, dann besteht auch insoweit kein Zweifel, daß die bundesgesetzliche Bestimmung von Kommunen als ausführende Stellen von Verwaltungsaufgaben aufgrund Art. 85 Abs. 1 G G die Einordnung der Kommunen in die Länder nicht verändert.

4. Folgerungen für die Aufgaben- und Ausgabenverantwortung Aus der Einordnung der Kommunen in die Länder folgt deren Verantwortung für die Existenz- und Funktionsfähigkeit der Kommunen, aus der sich, allgemein gesagt, eine umfassende Sorgepflicht der Länder für die Kommunen ergibt. Diese reicht von der gemäß Art. 28 Abs. 2 G G bestehenden Pflicht zur Bildung und Einrichtung der Kommunen über die Organbildungspflicht gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 2, 3 GG bis zur Pflicht, die Selbstverwaltung substantiell nachzubessern und aufzufüllen, wenn sie durch „Abwanderungen" von Aufgaben zu höherstufigen Verwaltungsträgem oder durch Politikverflechtungen entleert wird 6 6 . Art. 28 Abs. 2 G G zielt auf eine lebendige, effektive und für den Bürger erhebliche Selbstverwaltung. Sie herzustellen und zu erhalten, ist Sache der Länder. Was diese mindestens zu leisten haben, bezeichnet Art. 115 c Abs. 3GG mit dem Ausdruck „Lebensfähigkeit". Der Ausdruck meint dort ein Mindestprogramm in Anbetracht der im Notstandsfall erlaubten - unabdingbaren - Unitarisierung oder Zentralisierung der Verwaltung. Art. 28 Abs. 2 G G schreibt für den Normalfall mehr vor, nämlich eine Allzuständigkeit der Gemeinden und eine funktionskräftige Zuständigkeit der Gemeindeverbände. Gleichwohl, und wenn 63 So Burmeister, Neukonzeption, S. 105, dazu S. 165 ff., - gegen die ganz herrschende Rechtsprechung und Lehre. 64 Zit. Burmeister, Neukonzeption, S. 97. 65 So zutreffend Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 83 Rn. 14; Maunz, ebd., Art. 85 Rn. 6\Broß, in: von Münch, Kommentar, Bd. 3, Art. 85 Rn. 1. 66 Dazu Grawert, W D S t R L 36 (1978), S. 292 ff., 299 ff.

II. Die staatsrechtliche Stellung der Kommunen gemäß Art. 28 GG

31

auch der Inhalt der zum Rechtsbegriff stilisierten Metapher von der „Lebensfähigkeit" sicherlich „dunkel" ist 67 , ist die Rechtsfolgerichtung hier wie dort gleich. Da die „Lebensfähigkeit" der Kommunen „insbesondere auch", aber eben nicht in erster Linie die Finanzausstattung meint, wird sie der Grundlegung durch orts- beziehungsweise verbandsgemeinschaftlich wesentliche Aufgaben, Befugnisse und Entscheidungsspielräume bedürfen. Die Sorgepflicht der Länder für die „Lebensfähigkeit" der Kommunen ist Bestandteil der Aufgabenverantwortung der Länder auch im Sinne von Art. 104 a Abs. 1 GG. Denn indem Art. 104 a Abs. 1 G G an die Aufgabenstruktur des Bundesstaates gemäß Art. 30 in Verbindung mit Art. 28 Abs. 2 GG anknüpft und seinen Rechtsfolgen die Zweigliedrigkeit des Bundesstaates zugrunde legt, schließt er die Kommunen in die Gliedstaatssphäre ebenso ein, wie Art. 28 GG dies tut 6 8 . Der Lastenverteilungsgrundsatz gilt nämlich für Bund und Länder nach Maßgabe der „Wahrnehmung ihrer Aufgaben". Er setzt also voraus, daß jede kostenauslösende Aufgabenwahrnehmung einem dieser Aufgabenträger zurechenbar ist 69 . Die Tatbestandsklausel „ihrer Aufgaben" nimmt dabei auf einen der Wahrnehmung vorausliegenden Zurechnungsmaßstab Bezug, der nur der Zuständigkeitsordnung des Grundgesetzes entnommen werden kann. Danach sind die Zuständigkeiten der Gemeinden und Gemeindeverbände für Selbstverwaltungsangelegenheiten insgesamt im Bereich der einzelnen Länder angesiedelt. Art. 104 a Abs. 4 GG erweist sich mithin nicht als Sondervorschrift, sondern als Bestätigung der Regel, indem er die Kommunen nur als Drittbegünstigte, nicht als Partner der Finanzhilfebeziehungen zwischen Bund und Ländern behandelt. Aus der Zurechnung der kommunalen Aufgaben zu den Ländern ergibt sich deren diesbezügliche Ausgabenlast im Verhältnis untereinander und zum Bund. Diese Last trifft die Länder ungeachtet des Umstandes, daß sie die Kostenveranlassung durch die Kommunen wegen deren Eigenverantwortlichkeit nur in den Grenzen des Rechts und mit Hilfe der Rechtsaufsicht dirigieren können. Die Kostenlast der Länder ist insoweit nur begrenzt Folge eigener Politikgestaltung, in der Hauptsache aber Folge ihrer grundgesetzlichen Sorgepflicht für die Selbstverwaltungsfähigkeit der Kommunen. Da Art. 28 Abs. 2 G G auf eine substantielle, effektive Selbstverwaltung zielt, meint seine Garantie auch eine angemessene Finanzausstattung70. 67 So Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 115 c Rn. 61; a. A. wohl, doch ohne weitere Lichtblicke, Versteyl, in: von Münch, Kommentar, Bd. 3, Art. 115 c Rn. 11. 68 Ebenso allein aufgrund des Wortlauts der Norm, Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 104 a Rn. 27; Vogels / Kirchhof in: Bonner Kommentar, Art. 104 a Rn. 68, berufen sich auf einen „Grundsatz der finanzwirtschaftlichen Zweistufigkeit des Gesamtsaats", den es freilich erst zu begründen und auf die staatsrechtlichen Verhältnisse umzuschreiben gilt. 69 Ebenso BVerfGE 72, S. 330 (383): die Bund und Ländern „verfassungsrechtlich zukommenden Aufgaben". 70 Meyer, Finanzverfassung, S. 45 ff.; Friedrich Klein, FinArch NF 27 (1968), S. 271 ff.; Stern, in: Bonner Kommentar, Art. 28 Rn. 99,157; Grawert, VVDStRL36(1978),S. Inders., in: Selbstverwaltung, S. 589 f., 592; Kirchhof, in: HBKWP, 2. Aufl., Bd. 6, S. 3 f., 9.

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Β. Die Stellung der Kommunen im Bundesstaat

III. Die finanzverfassungsrechtliche Stellung der Kommunen In der Finanzverfassung des Grundgesetzes werden die Richtlinien des Art. 28 Abs. 2 GG genauer ausgezogen und dazu landesverfassungsrechtlich perfektioniert. Die Finanzreformen von 1956 und von 1969 haben die Kommunen - in unterschiedlicher Weise - als besondere, gegenüber Bund und Ländern gestärkte 71 Träger eigener Finanzkraft eingerichtet. Dadurch ist die Sorgepflicht der Länder für eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen der Sache nach zum Teil von Bundesverfassungs wegen erledigt worden. Doch ist damit noch nichts über eine Rechtsstellungsänderung und nichts darüber gesagt, ob die grundgesetzlich begünstigten Kommunen dem Landesbereich entwachsen sind. Die finanzverfassungsrechtlichen Statusmerkmale geben den Kommunen folgendes Profil: /. Die Kommunen im System der vertikalen

Steueraufteilung

Art. 106 GG beteiligt die Kommunen an den Vorgängen der Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern. Er garantiert den Kommunen die Ertragsbeteiligung am Aufkommen bestimmter Arten und Gruppen von Steuern dem Grunde, nicht der Höhe nach. Damit werden zwar nicht einzelne steuergesetzliche Ausformungen in den Rang institutioneller Verfassungsgarantien erhoben. Doch erfassen die Ertragsgewährleistungen bestimmte Typen von Einnahmequellen und Veranlagungsbezügen und begnügen sich ausdrücklich nicht mit einer pauschalen, unbeschriebenen, beliebigen Anknüpfungen zugänglichen Beteiligungsregelung. Durch Gesetzesänderungen und Aufkommensschwankungen hindurch sind eine gewisse Stetigkeit, Verläßlichkeit und Erheblichkeit der Ertragsentwicklung zu gewährleisten. Art. 106 GG läßt in seinen die Kommunen begünstigenden Regelungen den Steuergesetzgebern also nicht freie Hand für die Steuergestaltung, sondern begrenzt sie durch seine kommunalfreundliche Typengarantie 72. Daher läßt sich durchaus von einer Realsteuergarantie sprechen 73. Da Art. 106 GG absichtlich und erkennbar eine finanzielle Sicherstellung der Kommunen bewirken soll, ist ihm auch eine umfangmäßige Substanz- und Erheblichkeitsgarantie zu entnehmen, die die Steuergesetzgebung des Bundes und der Länder bindet. Die Gemeinden werden gemäß Art. 106 Abs. 5 GG am Aufkommen der Einkommensteuer beteiligt; ihnen wird das Aufkommen der Realsteuern sowie der 71

Vgl. dazu Kommission für die Finanzreform. Gutachten, Tz. 220, 335, 350 (S. 56,87,91). Im Ergebnis ähnlich Maunz. in: Maunz/Dürig, Art. 106 Rn. 20, mit Hinweisen auf das teilweise kontroverse Schrifttum; Vogel /Walter, in: Bonner Kommentar, Art. 106 Rn. 189 f.; a. A. wohl Fischer-Menshausen, in: von Münch, Kommentar, Bd. 3, Art. 106 Rn. 32. 73 Grawert, in: Selbstverwaltung, S. 592; zustimmend Kirchhof, in: HBKWP, 2. Aufl., Bd. 3, S. 19; von Mutius/Henneke, Finanzausstattung, S. 64; unentschieden Fischer-Menshausen, in: von Münch, Kommentar, Art. 106 Rn. 32, daher unzutreffend zitiert - BVerfGE 26, S. 172 (184). 72

III. Diefinanzverfassungsrechtliche Stellung der Kommunen

33

örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern vorbehaltlich der Gewerbesteuerumlage gemäß Art. 106 Abs. 6 G G zugestanden, wobei der Begriff „Umlage" verdeutlicht, daß Bund und Länder nicht an der Ertragshoheit der Gemeinden, sondern nur am Ertrag - Aufkommen - beteiligt werden; überdies steht den Gemeinden ein Anteil am Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftssteuern, das heißt laut Art. 106 Abs. 3 Satz 1 GG: der Einkommen-, der Körperschaft- und der Umsatzsteuer, gemäß Art. 106 Abs. 7 G G zu. Die Gemeindeverbände werden gemäß Art. 106 Abs. 6 Satz 1 und Abs. 7 GG zurückhaltender bedacht, doch schreibt das Grundgesetz verbindlich immerhin das Ob der Finanzausstattung vor. Als letzten auf Dauer und ohne Zweckbindung eingerichteten Ausstattungsposten sieht Art. 106 Abs. 7 Satz 2 GG die Möglichkeit einer Beteiligung von Gemeinden und Gemeindeverbänden am Aufkommen der Landessteuern nach Maßgabe der Landesgesetzgebung vor; damit wird eine bundesstaatliche Selbstverständlichkeit ausgesprochen, denn den Ländern obliegt grundsätzlich die Finanzausstattung der Kommunen, im Rahmen und außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs; eine besondere Garantie enthält Art. 106 Abs. 7 Satz 2 G G nicht, so daß die Landesgesetzgeber nur gemäß Art. 28 Abs. 2 G G zur Steuerbeteiligung angehalten sein könnten, sofern und insoweit andere Mittel zur Sicherung der kommunalen Selbstverwaltung nicht ausreichen. Art. 106 Abs. 8 G G nimmt im Gegensatz zu Art. 106 Abs. 5 bis 7 G G nicht die Kommunen schlechthin, sondern einzelne Gemeinden und Gemeindeverbände in den Blick, indem er den Bund ausnahmsweise74 verpflichtet, im Einzelfall von ihm veranlaßte, das heißt: durch eine zuständigkeitsgemäße Entscheidung verursachte und bezweckte Sonderbelastungen - insbesondere durch Einrichtungen zur Verteidigung - finanziell abzugleichen 75 . Die Norm dirigiert also nicht den allgemeinen Finanzausgleich, sondern setzt dessen Durchführung voraus. Denn der Bund leistet aus den ihm gemäß Art. 106 Abs. 1 bis 4 GG zustehenden Bundesmitteln. Art. 106 Abs. 8 GG durchbricht das System der vertikalen Globalverteilung von Finanzmitteln nach Aufgabenebenen und Lastentypik, hält sich aber in der Linie verfassungsunmittelbarer Ausstattungsrechte der Kommunen.

2. Landeszugehörigkeit

der Kommunen

Die grundgesetzlichen Finanzgarantien verankern den staatsrechtlichen Status der Kommunen verfassungsunmittelbar auch im System der Finanzverfassung. Sie bestätigen und befestigen also den Grundsatz des Art. 28 Abs. 2 GG, 74

Ebenso Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 106 Rn. 99. Ähnlich bereits § 62 des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden (Finanzausgleichsgesetz) v. 23.6.1923 (RGBl. I S. 494). - Der Begriff der Veranlassung ist umstritten: für bloße Verursachung im Sinne der conditio sine qua non Vogel/Walter, in: Bonner Kommentar, Art. 106 Rn. 134; für die Zurechnung zu einer Entscheidung u.a. Meyer, Finanzverfassung, S. 169; von Mutius/Henneke, Finanzausstattung, S. 72. 75

3 Grawert

34

Β. Die Stellung der Kommunen im Bundesstaat

daß die kommunalen Aufgaben denen des Bundes und der Länder gleichwertig sind und im Kern nicht zur Disposition staatlicher Gewalten stehen. Aber sie geben keinen Anlaß für die Annahme, die Kommunen nähmen als Aufgabenträger eine „dritte", den Ländern nebengeordnete Ebene im Aufbau des Bundesstaates ein. Gegen diese Annahme spricht ausdrücklich Art. 106 Abs. 9 GG; doch ist dessen Bedeutung für die Finanzverfassung und namentlich für den horizontalen Finanzausgleich in Frage gestellt worden. Bereits dem Wortlaut nach rechnet Art. 106 GG die Gemeinden bzw. die Gemeinden und die Gemeindeverbände „den Ländern" als der Gesamtheit der Gliedstaaten und „dem Länderanteil" am Steueraufkommen in Abgrenzung zum Bund und zum Bundesanteil zu und geht dabei auch von der Landeszugehörigkeit im einzelnen aus: Absatz 5 setzt die Verantwortlichkeit der Länder für „ihre Gemeinden" voraus. Zwa r verpflichtet diese Norm die Länder lediglich zur Weiterleitung von Aufkommensanteilen nach den Maßgaben eines Bundesgesetzes76. Materiellrechtlich sind die Gemeinden demnach unabhängig von der Ordnungsgewalt der Länder; ihnen steht ein verfassungsunmittelbarer Garantieanspruch gegen den Bundesgesetzgeber auf Einrichtung der vorgesehenen Beteiligung am Aufkommen der Einkommensteuer zu. Doch sind sie dadurch nicht aus dem Ordnungszusammenhang ihrer jeweiligen Länder entlassen. Der Anspruch reglementiert die legislative Gestaltungskompetenz des Bundesgesetzgebers, wie Art. 28 Abs. 2 G G in den Fällen des Art. 84 Abs. 1 und des Art. 85 Abs. 1 G G kompetenzbeschränkend wirkt, ohne daß der Bundesstaat eine Dreiteilung erführe. Art. 106 Abs. 5 G G richtet sich nämlich auch gegen die Landesstaatsgewalt. Er nimmt diese ausdrücklich verfahrensrechtlich in Pflicht. Das vom Bundesrat seinerzeit veranlaßte Verfahren der Weiterleitung sollte die Zuständigkeit der Länder für die Gemeinden festhalten und „direkte staatsrechtliche Beziehungen zwischen Bund und Ländern" ausschließen77. Im Schrifttum ist dieser Normzweck bisweilen verdrängt worden: Die Weiterleitung sei „in erster Linie technische Funktion" 7 8 und von „Finanzzuweisungen" zu unterscheiden 79. Doch übergeht die dort angedeutete Interpretationstendenz zur Bundesunmittelbarkeit der Gemeinden das Regelungssystem, in dem Art. 106 Abs. 5 G G steht und das er selbst ausdrückt. Die Norm läßt an ihrer aufgabenbezogenen, also dienenden Funktion keinen Zweifel. Sie bleibt daher unter dem maßgebenden Eindruck der staatsrechtlichen Strukturvorgaben des Art. 28 GG. Ihre Rechtsfolgen bringen den Bund und die Länder in abgestufter Weise ins Spiel: Das Grundgesetz konstituiert die Garantie in abstracto, institutionell; die 76 Vgl. Gesetz zur Neuordnung der Gemeindefinanzen (Gemeindefinanzreformgesetz) v. 8.9.1969 (BGBl. I S. 1587), geändert durch Gesetz v. 27.12.1971 (BGBl. I S. 2157) und v. 30.11.1978 (BGBl. I S. 1849), §§ 1 bis 5. 77 Vgl. BT-Drs. V/2861, S. 90; Abgeordneter Dr. Reischl als Berichterstatter des Vermittlungsausschusses, Protokoll der 222. Sitzung des Bundestages v. 20.3.1969, S. 12058. 78 So Eisner/Schüler, Gemeindefinanzreformgesetz, S. 62. 79 So Meyer, Finanzverfassung, S. 184; zustimmend Eisner/Schüler, Gemeindefinanzreformgesetz, S. 62.

III. Die finanzverfassungsrechtliche Stellung der Kommunen

35

Ausstattungskompetenz des Bundesgesetzgebers formt den institutionellen Finanzstatus der Gemeinden bundesweit, aber nicht gemeindespezifisch aus; erst die einzelnen Länder vollziehen die kategorialen in subjektbezogene Finanzzuweisungen für „ihre Gemeinden"; die Einzelgemeinde erfährt von ihrem Land ihre spezifische Ausstattung. So geht denn auch das Gemeindefinanzreformgesetz vor: Es auferlegt den Ländern die Ermittlung des Gemeindeanteils und dessen Zuweisung im Einzelfall. Insoweit richtet der Anspruch der Gemeinde auf verfassungsgemäße Steuerbeteiligung sich gegen ihr Land. Dessen Sorgepflicht ist zwar bereichsweise bundesrechtlich begrenzt, aber nicht aufgehoben 80. Die Weiterleitungskompetenz ist Ausdruck und Bestandteil der prinzipiellen Sorgepflicht. Deren bereichsweise Vorprogrammierung löst die kommunalen Aufgaben ebensowenig aus dem Landeszusammenhang, wie Bundesgesetze aufgrund Art. 84 Abs. 1 G G Landesbehörden und Selbstverwaltungskörperschaften aus dem Organisationsgefüge des Landes lösen. Der Bundesgesetzgeber darf dieses Gefüge in dem einen wie in dem anderen Fall organisations-, verfahrensoder finanzrechtlich regeln, aber nicht staatsrechtlich umordnen. In Art. 106 Abs. 6 und 7 G G kommt die Zugehörigkeit der Kommunen zu den Ländern schon dadurch deutlich zum Ausdruck, daß der Garantieauftrag dort an die Landesgesetzgeber gerichtet ist. Das entspricht der Landesverantwortung für die Selbstverwaltungsfähigkeit der Kommunen. Die mögliche - und durch §6 des Gemeindefinanzreformgesetzes eingeführte - Gewerbesteuer bewirkt zwar eine unmittelbare Beteiligung des Bundes an kommunalen Einnahmen nicht an der kommunalen Ertragshoheit 81 - , setzt aber die Eingliederung der Kommunen in die Länder voraus. Zwar zieht § 6 Gemeindefinanzreformgesetz die Gemeinden nach einem bundeseinheitlichen, aus der durchschnittlichen Steueranspannung aller Gemeinden ermittelten Umlagesatz heran 82 und versieht sie insoweit mit einem Bundeszuschnitt. Doch reflektiert dieser Vorgang nur die Einkommensteuerbeteiligung der Kommunen und kompensiert die entsprechenden Aufkommensminderungen beim Bund - und bei den Ländern-, ohne etwas über die Aufgabenstruktur auszusagen. Nach einer verbreiteten Meinung soll insbesondere Art. 106 Abs. 8 G G Beleg für eine partielle Bundesunmittelbarkeit der Kommunen sein und Ausgleichsrechtsbeziehungen ohne Zwischenschaltung der Länder vorsehen 83. Doch zwingt der Wortlaut nicht zu dieser Auffassung. Dem ansonsten bestehenden 80 Im Ergebnis ebenso Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 106 Rn. 82: „Hauptverantwortung" des Landes. 81 So richtig Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 106 Rn. 92; widersprüchlich Fischer-Menshausen, in: von Münch, Kommentar, Bd. 3, Art. 106 Rn. 39: es werde „die kommunale Realsteuergarantie eingeschränkt", mit Rn. 13: keine Garantie bestimmter Steuerarten oder -einnahmen. 82 Eisner /Schüler, Gemeindefinanzreformgesetz, S. 113 f. 83 Vgl. Bleckmann, DVB1. 1970, S. 913; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 106 Rn. 96; Vogel/ Walter, in: Bonner Kommentar, Art. 106 Rn. 130 f.; Kirchhof, in: HBKWP, 2. Aufl., Bd. 6, S. 26.

3*

36

Β. Die Stellung der Kommunen im Bundesstaat

Verhältnis von Bund und Ländern entspricht vielmehr die systematische Auslegung, daß es die Länder sind, die den kommunalen Sonderbedarf dem Bund gegenüber geltend machen - für die Kommunen gemäß Art. 28 Abs. 2 G G geltend machen müssen - und ihn mit Hilfe von dessen - zweckgebundenem Sonderausgleich sowie mit zusätzlichen eigenen Ausgleichsmaßnahmen bei den Kommunen abdecken84. Im vergleichbaren Fall des Art. 104 a Abs. 4 Satz 1 GG ist anerkannt, daß der Bund den Ländern die Ausgleichsmittel zur Weiterleitung an die betreffenden Kommunen zu geben hat 85 . Dafür spricht der Wortlaut dieser Norm. Das Bundesverfassungsgericht hat ihn jedoch systematisch durch die These unterfangen, daß „im Bundesstaat Partner bei Finanzhilfen des Bundes für Investitionen der Gemeinden stets Bund und Länder, nicht Bund und Gemeinden" sind und daß deshalb „die verantwortliche Vergabe der Mittel an die kommunalen Investitionsträger" in den Händen der Länder liegt 86 . Der hier bezüglich Finanzhilfen zum Ausdruck gebrachte Systemgedanke trägt auch im Fall des Art. 106 Abs. 8 Satz 1 GG. Auch dort geht es nicht nur um einen schematischen Zahlungsvorgang, sondern infolge der Zumutbarkeitsklausel um die Bewertung und Zuordnung von Ausgabenlasten, die landesintern auch die Finanzverantwortung der Länder beanspruchen können, so wie im Fall des Art. 104 a Abs. 4 Satz 1 G G die Planungszuständigkeit angesprochen ist. Der Wortlaut des Art. 106 Abs. 8 Satz 1 G G steht einer bundesstaatstypischen Auslegung nicht entgegen, weil er über die Verfahrensbeteiligten nichts sagt. Eine solche Auslegung vermeidet Ausnahmethesen. Aber auch die herrschende Meinung bezieht Bund und Länder nur hinsichtlich der Ausgabenveranlassung und der Ausgleichsverpflichtung und nur fallweise, nicht in ihrem Gesamtstatus unmittelbar aufeinander, ohne die Kommunen samt deren Aufgaben- und Ausgabenverantwortung ansonsten aus der Landesstaatsgewalt emanzipieren zu wollen.

3. Das Zuordnungsprinzip

des Art. 106 Abs. 9 GG

Art. 106 Abs. 9 GG beschließt den Regelungskomplex der vertikalen Steuerverteilung mit der Feststellung: „Als Einnahmen und Ausgaben der Länder im Sinne dieses Artikels gelten auch die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden (Gemeindeverbände)." Als spezielle Legaldefinition verstanden, läßt dieser Satz sich trotz seines normumfassenden Wortlautes nur auf Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 und Abs. 4 Satz 1, 2 GG beziehen. Für Art. 106 Abs. 8 G G paßt er der Sache nach nicht, weil Länder und Kommunen dort gesondert erfaßt werden. Dennoch zeichnen die beiden Anwendungsfälle sich nicht durch Spezialität,

84

Vgl. auch Grawert, in: Selbstverwaltung, S. 597. BVerfGE 39, S. 96 (122); 41, S. 291 (313); Vogel/Kirchhof, 104 a Rn. 68; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 104a Rn. 52. 86 BVerfGE 39, S. 96 (122). 85

in: Bonner Kommentar, Art.

III. Die finanzverfassungsrechtliche Stellung der Kommunen

37

sondern durch ihre Grundsatzbedeutung aus. Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 G G sagt dies ausdrücklich: Wenn dessen Kostendeckungsregel zu den „Grundsätzen" gehört, von denen bei der Festsetzung der verfassungsrechtlich variablen Aufkommensbeteiligung „auszugehen" ist, dann hat sie eine normübergreifende Bedeutung. Daß der Grundsatz mehr als eine Richtlinie für eine Spezialgesetzgebung ausdrückt, ergibt sich schon im Vergleich mit Art. 106 a GG. Jeweils ist maßgebend und grundlegend die Konnexität von Aufgaben- und Ausgabenverantwortung einerseits beim Bund, andererseits bei den Ländern. Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 G G fügt dem die Deckungsregel hinzu. Da die Zuordnungsregel des Art. 106 Abs. 9 G G mit Verteilungsgrundsätzen verknüpft wird, gewinnt sie selbst grundsätzlich Bedeutung. Sie bestimmt dasselbe, was Art. 104 a G G seinen Regelungen zugrunde legt, nämlich die Zuordnung der kommunalen Aktivitäten und deren Ergebnisse zum Bereich der Länder 87 . Sie folgt aus der Struktur des Bundesstaates. Art. 106 Abs. 9 G G kommt daher eine Klarstellungsfunktion zu: Ungeachtet ihrer institutionellen Eigenständigkeit und ihrer finanzverfassungsrechtlich herausgehobenen Stellung führen die Kommunen kein finanzwirksames Sonderleben im Bundesstaat. Partner der Bundesstaatsbeziehungen sind auch in finanzverfassungsrechtlicher Hinsicht nur der Bund und die Länder. Die Kommunen sind letzteren hinsichtlich der Einnahmen und Ausgaben wie hinsichtlich der zugrunde liegenden Aufgaben inkorporiert. Art. 106 Abs. 9 G G reflektiert ein Bundesstaatsprinzip 88. Zwar soll die Zuordnung der kommunalen Einnahmen und Ausgaben nur „im Sinne dieses Artikels gelten", doch berührt diese Einschränkung nicht die Geltung des entsprechenden allgemeinen Bundesstaatsprinzips. 4. Die Kommunen im System der horizontalen Steuerertragsaufteilung Auf der Grundlage der vertikalen Steuerertragsaufteilung, die das Verhältnis des Bundes zur Ländergesamtheit 89 samt Kommunen betrifft, und im Anschluß an diese Aufteilung findet die horizontale Steuerertragsaufteilung zwischen den einzelnen Ländern gemäßt Art. 107 GG statt. In Art. 107 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 G G wird bestimmt, was den einzelnen Ländern „als eigene Finanzausstattung zusteht" 90 . Der Absatz 1 erfaßt die Landessteuern im Sinne von Art. 106 Abs. 2 GG und den Länderanteil an den Gemeinschaftssteuern im Sinne von

87

Vgl. dazu oben Β. II. 4. Im Ergebnis ebenso Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 107 Rn. 58; Fischer-Menshausen, in: von Münch, Kommentar, Bd. 3, Vorbemerkungen zu den Art. 104 a—109 R a 3, unter Berufung auf die - allerdings engeren - Aussagen in BVerfGE 39, S. 96 (122), und Art. 106 Rn. 8; Kirchhof, in: Reform, S. 5. 89 So die Formulierung in BVerfGE 72, S. 330 (383 f.); gemeint sind allerdings nicht eine Art von Gesamthand und von Gesamthandsvermögen; gemeint ist vielmehr ein abstrakter Bereich von Ertragszuständigkeiten. 90 BVerfGE 72, S. 330 (385). 88

38

Β. Die Stellung der Kommunen im Bundesstaat

Art. 106 Abs. 3 GG. Die den Kommunen gemäß Art. 106 Abs. 5 und Abs. 6 G G zustehenden Steuereinnahmen bleiben hier, weil vorab abgesondert, außer Betracht 91 . Gleichwohl sind Länder und Kommunen auch im Rahmen des Art. 107 Abs. 1 G G staats- und finanzverfassungsrechtlich miteinander verbunden. Denn die horizontale Steuerertragsaufteilung dient auch der mittelbaren Landesverwaltung. Sie schafft die Voraussetzungen, aufgrund deren die Länder ihrer Finanzverantwortung gegenüber den Kommunen nachkommen können. Art. 106 Abs. 7 G G sieht den landesinternen kommunalen Finanzausgleich aus dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftssteuern sowie aus dem Landessteueraufkommen vor, mithin aus den in Art. 107 Abs. 1 G G behandelten Ertragspositionen. Wenn die einzelnen Länder also gemäß Art. 107 Abs. 1 G G ihre „eigene Finanzausstattung" erhalten, dann treten sie - ähnlich wie im Falle des Art. 106 Abs. 5 Satz 1 GG - auch als Sachwalter kommunaler Belange auf, anders und mit einer altständischen Metapher gesagt: als das „ganze Land" samt Gliederungen. Die Sachwalterfunktion ist nach innen im Wege des Finanzausgleichs umzusetzen. Denn soweit die finanzverfassungsrechtlich bestimmte eigene Ertragszuständigkeit der Kommunen zur Selbstverwaltungsführung nicht ausreicht - und das ist die systembedingte Regel - , bleiben die Länder gemäß Art. 28 Abs. 2 GG gefordert, zur kommunalen Leistungsfähigkeit mit Hilfe eigener Finanzmittel beizutragen. Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G schließt also an ein Ordnungsprinzip des Systems der horizontalen Steuerertragsaufteilung an, wenn er die Kommunen in das Finanzgefüge der Länder eingliedert.

5. Landesverfassungsrechtliche

Finanzgarantien für die Kommunen

Die Landesverfassung- und anschließend die Landesgesetzgeber sind dem grundgesetzlichen Gebot gehöriger Finanzausstattung der Kommunen unter der selbstverständlichen Prämisse nachgekommen, daß die Kommunen zum Lande gehören, und zwar umfassend als Verwaltungsträger. Mustergültig nimmt beispielsweise Art. 73 Abs. 1 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg das Gebot des Art. 28 Abs. 2 GG auf: „Das Land sorgt dafür, daß die Gemeinden und Gemeindeverbände ihre Aufgaben erfüllen können." Dadurch soll die Selbstverwaltung sichergestellt werden. Häufig werden dazu genauere Finanzierungsquellen genannt 92 . Im Falle von Auftragsübertragungen vom Staat auf Kommunen kommen besondere Zusicherungen der Kostendeckung und des Finanzausgleichs zum Zuge 93 . 91 Ebenso Fischer-Menshausen, in: von Münch, Kommentar, Bd. 3, Art. 107 Rn. 8; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 107 Rn. 16 f. 92 Vgl. Art. 73 bad.-württ. Verfassung; Art. 137 Abs. 5 hess. Verfassung; Art. 45 nieders. Verfassung; Art. 79 nordrh.-westf. Verfassung; Art. 49 Abs. 5 rheinl.-pfalz. Verfassung; Art. 119 saarl. Verfassung; Art. 41,42 Abs. 2 schl.-holst. Landessatzung. Ausfuhrlicher insbesondere zur Rechtslage in NRW von Mutius /Henneke, Finanzausstattung, S. 80 ff.

III. Die finanzverfassungsrechtliche Stellung der Kommunen

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Land und Kommunen befinden sich demnach in einem Aufgaben- und Finanzverbund, der im Verhältnis zum Bund und zu anderen Ländern eine Funktionseinheit bildet. Jedes Land trägt insoweit die Ausgabenlast, und zwar im Prinzip umfassend, effektiv aber unter Berücksichtigung der grundgesetzlich bewirkten Finanzausstattung der Kommunen.

6. Aussonderung der kommunalen Finanzhoheit aus dem Landesbereich? Da die einzelnen Länder mit ihren Kommunen einen Aufgaben- und Finanzverbund bilden, liegt es nahe anzunehmen, daß die Finanzlage der Kommunen, soll heißen: der Komplex von Finanzkraft und Finanzbedarf, insgesamt in den Finanzkraftausgleich zwischen den Ländern gemäß Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G einbezogen wird. Die Norm erfaßt dann die kommunale Finanzhoheit als Bestandteil der Finanzzuständigkeit der Länder und die finanzwirksamen Folgen jener Finanzhoheit als Bestandteile der Finanzkraft der Länder. Kommunale Finanzhoheit meint hier die Befugnis zu einer eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen eines gesetzlich geordneten Haushaltswesens94. Einer solchen umfassenden Zuordnung von Ländern und Kommunen hat jedoch kürzlich der Bundesrat mehrheitlich - im Anschluß an gleichlautende Argumente des Finanzministers Baden-Württemberg - mit folgenden Erwägungen widersprochen 95: Erstens hätten die Länder - außer den Stadtstaaten - kein „Zugriffsrecht" auf die Steuereinnahmen der Gemeinden. Die Gemeinden könnten nach Art. 106 Abs. 6 G G die Realsteuerhebesätze festsetzen und damit die Höhe ihrer Steuereinnahmen „weitgehend selbst bestimmen, ohne daß die Länder darauf einen Einfluß haben". Deshalb würden die Gemeinden bei „unmittelbarer Einbeziehung der Gemeindesteuern in den Finanzausgleich" eine „ihnen nicht zukommende Einflußmöglichkeit auf den Umfang des Finanzausgleichs gewinnen". Die Finanzkraft der Gemeinden sei von derjenigen der Länder „abzuheben", weil die Einnahmen der Gemeinden die Finanzkraft der Länder allenfalls mittelbar stärken". Zweitens würde eine über den bisherigen Umfang hinausgehende Anrechnung der Finanzkraft der Gemeinden „im Ergebnis auf eine Nivellierung der Gemeindesteuerkraft auf Bundesebene hinauslaufen, d. h. auf einen kommunalen Finanzausgleich über die Ländergrenzen hinweg". 93 Art. 71 Abs. 3 bad.-württ. Verfassung; Art. 83 Abs. 3 bayer. Verfassung; Art. 137 Abs. 5 hess. Verfassung; Art. 44 Abs. 4 nieders. Verfassung; Art. 78 Abs. 3 nordrh.-westf. Verfassung; Art. 49 Abs. 5 rheinl.-pfalz. Verfassung; Art. 120 Abs. 2 saarl. Verfassung; Art. 42 Abs. 2 schl.holst. Landessatzung. 94 So BVerfGE 26, S. 228 (244); 23, S. 253 (369); erläuternd dazu Grawert, in: Selbstverwaltung, S. 587 f. 95 Vgl. BR-Drs. 225/87, S. 4 f. (die Reihung der Bedenken ist hier verändert).

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Β. Die Stellung der Kommunen im Bundesstaat

Drittens stelle Art. 107 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, G G eine „Wechselbeziehung" zwischen den Merkmalen Finanzkraft und Finanzbedarf der Gemeinden her. Der Umstand, daß hohe Realsteuereinnahmen entsprechend hohe Ausgaben voraussetzten, rechtfertige einen „werbungskostenähnliche(n) Abzug in Höhe von 50 v. H." von den Einnahmen. Da die den Gemeinden im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs zufließenden derivativen Einnahmen schon im Länderfinanzausgleich berücksichtigt werden, erfolge die Anrechnung der kommunalen Finanzkraft bereits im Umfang von rund 60 bis 70 vom Hundert, im Länderquerschnitt gerechnet. Viertens werfe eine über den bisherigen Umfang hinausgehende Einbeziehung der kommunalen Finanzkraft in den Länderfinanzausgleich zusätzliche Probleme der Bedarfsermittlung und -bemessung zur verstärkten und „auf die einzelne Gemeinde abgestellte(n) Berücksichtigung des Finanzbedarfs" auf. Sieht man zunächst von den besonderen Bezügen zu Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G ab, so konzentrieren sich diese Bedenken des Bundesrates auf die grundsätzliche Frage, wie die Finanzhoheit der Gemeinden und wie deren Wirkungen im Gefüge des Bundesstaates zu verorten sind. Diese Frage wird allerdings durch die vom Bundesrat verwendeten Maßstabsbegriffe „Zugriffsrecht", „Einfluß" und „Nivellierung auf Bundesebene" verstellt. Diese Begriffe sind teilweise unscharf. Bringt man sie auf ihre rechtssystematisch relevanten Kernaussagen, dann ergeben sich entweder verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeiten oder Porblembeschreibungen, die statt Lösungshinweisen einen vorwurfsvoll gemeinten Ausdruck bieten. So greift schon das erste Argument, die Länder hätten kein „Zugriffsrecht" auf die Steuereinnahmen der Gemeinden, zu kurz, soweit es nicht lediglich einen durch Art. 28 Abs. 2, Art. 106 Abs. 5 bis 7 und Art. 109 GG konstituierten Sachverhalt erfaßt, weil es der Rechtslage nicht ganz entspricht und weil ihm der Bezug zu den Rechtsfolgen des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG fehlt. Die Länder besitzen nämlich etliche legislative und administrative Regelungsbefugnisse zur Ordnung und Steuerung kommunaler Finanzgebarung. Zwar weist das Grundgesetz den Kommunen gewisse Steuereinnahmen endgültig zu. Im Rahmen des Art. 106 Abs. 5 GG haben die Landesverordnungsgeber jedoch Konkretisierungsbefugnisse gemäß § 2 und § 4 Abs. 2 des Gemeindefinanzreformgesetzes vom 8. September 1969 % ; im Rahmen des Art. 106 Abs. 6 GG sowie des Art. 106 Abs. 7 G G dürfen die Landesgesetzgeber über die Zuordnung von Steueraufkommen, über das Hebesatz- und das Steuererhebungsrecht und dadurch über die Höhe kommunaler Einnahmen im Einzelfall und insgesamt bestimmen. Die grundgesetzlich vorgeregelten Steuereinnahmen der Kommunen hängen also jedenfalls, wenn auch in unterschiedlichem Umfang, von legislativen Dispositionen der Länder ab 97 . 96

BGBl. I S. 1587; vgl. Fn. 76. Zum Streit über den Umfang der Maßgabekompetenzen der Landesgesetzgeber gemäß Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 106 Rn. 89; zur Rechtslage der 97

III. Die finanzverfassungsrechtliche Stellung der Kommunen

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In besonders intensiver Weise greift der landesinterne Finanz- und Lastenausgleich zur Ergänzung der eigenen Einnahmen der Kommunen regulierend in deren Finanzausstattung ein. Dabei geht es nicht nur um Zuweisungen aus Mitteln des Landes, sondern auch um den interkommunalen Ausgleich durch Einnahmeumschichtungen. Ein Beispiel solcher Umschichtungen stellt die Kreisumlage dar, die von kreisangehörigen Gemeinden erhoben wird 9 8 . Da die Kreisumlage an die Finanzkraft der kreisangehörigen Gemeinden anknüpft 99 , ordnet der Landesgesetzgeber mit der Kreisumlage auch jene Finanzkraft. Durch Aufgaben· und Bewirtschaftungsnormen bestimmt er außerdem die kommunale Ausgabengebarung. Im übrigen untersteht die einzelne Kommune der administrativen Aufsichtsführung ihres Landes gerade auch hinsichtlich ihres finanzwirtschaftlichen Verhaltens. Was immer „Zugriffsrecht" bedeutet - die Lösung der kommunalen Finanzhoheit aus dem Zusammenhang der Landesstaatsgewalt kann nicht gemeint sein. Die Finanzausstattung und die Finanzgebarung der Kommunen sind in die Rechtsordnungen der Länder eingebettet. Was nun den „Einfluß" der Kommunen auf die Finanzkraft ihrer Länder und damit auf den Finanzausgleich zwischen den Ländern anbetrifft, so gilt das soeben Gesagte mit gewissermaßen umgekehrten, nämlich „kommunalem" Vorzeichen: Die kommunale Ertragshoheit, die kommunale Hebesatz- und Abgabenerhebungszuständigkeit, die kommunale Eigenverantwortlichkeit der Aufgaben- und Ausgabengebarung, dies alles sind Faktoren, die die Finanzlage im Lande und des Landes beeinflussen. Eine restriktive Einnahme- oder eine ausgabenintensive Aufgabenpolitik der Kommunen kann für die Landesfinanzen so belastend sein, wie eine extensive Einnahme- oder eine restriktive Aufgabenpolitik sich entlastend auswirken kann. Denn je nachdem sind die Länder zur Finanzausstattung ihrer Kommunen mehr oder minder gefordert beziehungsweise mehr oder minder zum Abbau kommunaler Pflichtaufgaben genötigt. Den Spielraum für eine eigenständige Abgaben- und Hebesatzpolitik der Kommunen zu bemessen, haben die Landesgesetzgeber aufgrund der verfassungsrechtlichen Ermächtigungen allerdings weitgehend selbst in der Hand. Insoweit beruht die Beeinflußbarkeit der Finanzkraft der Länder auf deren Entscheidungen und Ordnungsvorgaben. Freilich wirken die kommunale Einnahmen· beziehungsweise Ausgabenpolitik und die kommunalen Eigeneinsogenannten Kleinen Gemeindesteuern - örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern - vgl. Bayer, in: HBKWP, 2. Aufl., Bd. 6, S. 165 ff., 200 ff. Das Steuererhebungsrecht der Gemeinden beruht auf landesgesetzlichen Ermächtigungen; die Landesgesetzgeber sind überdies befugt, die kommunale Steuererhebung an Richtlinien zu binden: vgl. etwa § 3 Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG) v. 21.10.1969 (GVB1. S. 712) in der Fassung des Gesetzes v. 30.1.1973 (GVB1. S. 60). 98 Vgl. § 45 Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung v. 13.8.1984 (GVB1. S. 497) in Verbindung mit § 31 Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 1987 (Gemeindefinanzierungsgesetz - GFG 1987) v. 19.12.1986 (GVB1. S. 767); zur Bedeutung dieser Umlage vgl. näherhin Berkenhoff, in: HBKWP, Bd. 3, S. 360 ff.; Friauf/ Wendt, Kreisumlage, pass. 99 Conrad, in: Selbstverwaltung, S. 370.

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Β. Die Stellung der Kommunen im Bundesstaat

nahmen erst mittelbar auf die Finanzkraft der Länder. Zum einen übt nämlich die kommunale Finanzhoheit eine Mittler- und Filterfunktion aus; zum andern führt der landesinterne Finanz- und Lastenausgleich durch sein differenziertes System von allgemeinen und zweckgebundenen Zuweisungen an die Kommunen sowie von Sonderbedarfsdeckungen und Umlagen zu einer gewissen Abund Angleichung der kommunalen Finanzkräfte. Die Mittelbarkeit des Einflusses ist nichts anderes als die Folge jener Dezentralität, die die Selbstverwaltung der Kommunen im gegliederten Staat ausmacht. Wer seitens des Bundesrates darauf Wert legt, daß der kommunale Einfluß „allenfalls" mittelbar sei, wiederholt deshalb nur den normalen verfassungsrechtlichen Status der Kommunen mit unangebrachter Betonung. Wie die kommunale Selbstverwaltung als mittelbare Staatsverwaltung der Länder, so läßt sich als deren mittelbare Finanzkraft die Finanzkraft der Kommunen begreifen. Daß sie ihrer Mittelbarkeit wegen eine ihr „nicht zukommende" Einflußmöglichkeit auf den horizontalen Finanzausgleich zwischen den Ländern gewinnen darf, ist dann einepetitio principii, weil der Umfang der Berücksichtigung gerade in Frage steht. Derselben Kritik setzt der Vorwurf sich aus, die volle Anrechnung der kommunalen Finanzkraft auf die der Länder führe zu einer „Nivellierung der Gemeindesteuerkraft auf Bundesebene". Der Ausdruck „Nivellierung" übertreibt, weil es nur auf eine länder- und bundesweit typisierte, nicht aber auf eine individualisierte Finanzkraftbemessung ankommen kann, um die Finanzkräfte der Kommunen im einzelnen Land sowie im Verhältnis der Länder zueinander vergleichbar, damit auch ausgleichbar machen zu können 100 . Gemeindespezifische „Spitzen" bleiben daher außer Betracht. Der Ausdruck „Nivellierung" übergeht zudem den Umstand, daß die kommunale Finanzkraft gemäß Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G um den kommunalen Finanzbedarf relativiert und nur als Bestandteil der Landesfinanzkraft in den Finanzausgleich eingeführt wird. Vor allem aber suggeriert der Ausdruck „Nivellierung" die Verfassungswidrigkeit der vollen Anrechnung der kommunalen Finanzkraft, ohne mehr als eine verbale Anprangerung zu leisten. Das vom Bundesverfassungsgericht 101 formulierte Nivellierungsverbot betrifft den Finanzausgleich insgesamt, nicht einzelne Faktoren der Finanzkraft der Länder. Dieses Gebot und die Mittelbarkeit der Auswirkungen kommunaler Finanzverhältnisse auf die Finanzkraft der Länder schließen eine „Nivellierung" der Finanzkräfte der Kommunen von vornherein aus. Im übrigen ist es streitig, wie weit das Berücksichtigungsgebot des Αή. 107 Abs. 2 Satz 1 G G greift. Ob nur eine teilweise oder eine umfassende, mittelbare Abgleichung kommunaler Finanzlagen erfolgen soll, ergibt sich aus dem Ausdruck „Nivellierung" nicht, wie immer man ihn versteht, weil er nur eine Folge bezeichnet, ohne deren Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit zu begründen. Im Grunde werden die Bedenken des Bundesrates den Besonderheiten der kommunalen Selbstverwaltung und der besonderen Rechtsstellung der Kom100 101

Vgl. dazu näherin unten zu C. II. 4., III. 3. und IV. BVerfGE 72, S. 330 (387, 398).

IV. Zusammenfassende Statusbeschreibung der Kommunen

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munen im Bundesstaat nicht gerecht, weil sie davon ausgehen, daß die Eigenverantwortlichkeit der Kommunen - speziell bei der Finanzgebarung - zur Aussonderung aus dem Funktionsbereich des Landes - speziell aus dessen Finanzkraftführen muß; so jedenfalls lautet das Argument, die Finanzkraft der Gemeinden sei von derjenigen der Länder „abzuheben" und auf diese nur beschränkt anzurechnen. Selbstverwaltung samt Finanzhoheit ist, wie dargelegt, ein Gliedstaatsprinzip. Art. 28 Abs. 1 und 2 G G verpflichtet die Länder zur Einrichtung und Respektierung einer dezentralen, gebietskörperschaftlichen Verwaltung. Weil diese Verwaltung Selbst- und mittelbare Staatsverwaltung ist, zeichnet sie sich durch einen eigenen Wirkungskreis und ihre Eigenverantwortlichkeit einerseits sowie durch die Eingliederung in den Staat, die Gesetzesbindung und die Staatsaufsicht andererseits aus. Die Eigenverantwortlichkeit dezentralisiert die Staatswillensbildung des Volkes in den Kommunen, eximiert diese aber nicht aus dem Staatsverband. Art. 28 Abs. 2 G G verbindet die Landeszugehörigkeit der Kommunen mit deren Eigenverantwortlichkeit, so daß die „Zugriffsrechte" und „Einflüsse" der unmittelbaren Landesstaatsgewalt auf die Kommunen mediatisiert, aber nicht aufgehoben sind; Art. 109 G G folgt dem in Ansehung der Haushaltswirtschaften. Anders gesagt: Die Eigenverantwortlichkeit der Kommunen hebt den Zurechnungs- und Funktionszusammenhang von Kommunen und Ländern im Bundesstaat nicht auf. Deshalb sind auch die kommunale Finanzhoheit und deren Folgen bundesstaatsrechtlich als Positionen des Gliedstaates zu verbuchen. Das Finanzverfassungsrecht hält sich, wie dargelegt, an diese Linie. Nur innerhalb des Landes lassen sich also Eigenverantwortlichkeit, Finanzhoheit und Finanzkraft der Kommunen von der unmittelbaren Landesstaatsgewalt beziehungsweise von der Finanzkraft des Landes „abheben". Eine Anrechnungsquote läßt sich diesem Sachverhalt nicht entnehmen. Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG sagt dazu nur, daß die Relation von Finanzkraft und Finanzbedarf der Kommunen, zusammengefaßt: die „Finanzlage" der Kommunen 102 , ungeachtet des Umstandes zu berücksichtigen ist, daß sie - auch - aus eigenständigen Entscheidungen der einzelnen Kommunen resultiert. Die „Finanzkraft der Länder" im Sinne von Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G reflektiert also bereichsweise die Staatsgewalt der Länder im Sinne von Art. 28 Abs. 1 Satz 1 und Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG, indem sie sich aus Bundesverfassungsrecht sowie aus Entscheidungen der staatsunmittelbaren und -mittelbaren Finanzhoheitsträger ergibt.

IV. Zusammenfassende Statusbeschreibung der Kommunen Die Stellung der Kommunen - Gemeinden und Gemeindeverbände - im Bundesstaat ist grundlegend durch Art. 28 Abs. 2 G G vorgeprägt und durch Landesrecht ausgeformt. Die grundgesetzlichen Statusgarantien betreffen die Bildung und die Einrichtung von Kommunen im Landesbereich. Sie binden die Landes102

Zu diesem Begriff BVerfGE 72, S. 330 (398, 402).

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Β. Die Stellung der Kommunen im Bundesstaat

Staatsgewalt von Bundesrechts wegen, gewähren bundesverfassungsrechtliche Rechte, begründen aber keine Bundesunmittelbarkeit und keine Bund und Länder nebengeordnete Gleichstellung im Bundesstaat des Grundgesetzes. Gemeinden und Gemeindeverbände sind zwar kraft Art. 28 Abs. 2 G G Basiseinheiten des Bundesstaates, dieses aber nur im Rahmen der durch Art. 20 Abs. 1 und Art. 30 G G vorgegebenen staatlichen Zweigliedrigkeit. Sie sind staatsinterne Gliederungen - ein „Stück" bzw. „Bestandteile" - der Länder, das heißt: deren Gebiet, Volk und Staatsgewalt vollständig eingefügt. Kommunen werden von den einzelnen Ländern als Rechtssubjekte und Verwaltungsträger errichtet, mit Organen eingerichtet und mit Aufgaben und Befugnissen, den sogenannten Hoheitsrechten, ausgestattet; sie besitzen von der Landesstaatsgewalt abgeleitete Hoheitsmacht. Die grundgesetzlichen Statusgarantien vermitteln den Kommunen eine Sonderstellung im Lande. Sie binden und programmieren dessen Organisationsgewalt inhaltlich. Die institutionellen Selbstverwaltungsgarantien legen insbesondere den Aufgabenbestand und die Aufgabentypik der Gemeinden und, in geringerem Maße, der Gemeindeverbände fest, doch bleiben die Selbstverwaltungsaufgaben grundsätzlich der Definition durch den Landesgesetzgeber zugänglich. Im Rahmen seiner Zuständigkeit darf auch der Bundesgesetzgeber die Wirksamkeit der Kommunen regeln, das heißt: ausnahmsweise deren Zuständigkeiten und Verfahren, vielfach materiell-rechtlich. Derartige Regelungen beruhen auf der Durchgriffskompetenz des Bundes gegenüber den Ländern, die ein typischer Ausdruck der Verflechtungsstruktur des grundgesetzlichen Bundesstaates ist. Die Kommunen werden insoweit in die bundesweite Verflechtungsstruktur einbezogen, allerdings nur hinsichtlich der Ausübung ihrer Aufgaben, nicht hinsichtlich deren Landes Zugehörigkeit. Im Verhältnis zum Bund und zu anderen Ländern bleiben die Kommunen samt ihren Aufgaben dem einzelnen Lande eingeordnet. Sie werden von der staatsrechtlichen Außenvertretung des Landes und dessen föderativen Kooperationen sowie von der Bundesaufsicht über das Land erfaßt und sind mit Ansprüchen auf Aufrechterhaltung ihrer Selbstverwaltungsfähigkeit grundsätzlich auf ihr Land verwiesen, dem gemäß Art. 28 Abs. 2 G G die Sorgepflicht obliegt. Die finanzverfassungsrechtlichen Bestimmungen des Grundgesetzes sind darauf angelegt, die Aufgaben- und Funktionsstruktur des Bundesstaates zu unterfangen. Sie dienen der Wirksamkeit des Staates und dessen Gliederungen. Der Bundesstaat ist als Organisations-, Aufgaben- und Funktionsgefüge und nicht um des Finanzsystems willen aufgebaut, so daß Strukturveränderungen aus der Finanzverfassung nicht abgeleitet werden können. Die in Art. 28 Abs. 2 G G grundgelegte Stellung der Kommunen erfährt im X. Abschnitt des Grundgesetzes eine nähere Ausformung. Demgemäß werden die Gemeinden und schwächer - die Gemeindeverbände finanzverfassungsrechtlich besonders gewichtet, aber aus ihrer Landeszugehörigkeit nicht herausgelöst. Der grundgesetzlich garantierten Verwaltungszuständigkeit entspricht die eigene Ertragshoheit. Diese prägt die Sorgepflicht der Länder fur die Kom-

IV. Zusammenfassende Statusbeschreibung der Kommunen

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munen vor, hebt sie aber nicht auf. Zwar lassen manche finanzverfassungsrechtlichen Bestimmungen sich als Ausnahmen von der Mediatisierung der Kommunen gegenüber dem Bund auffassen, und sie werden so aufgefaßt. Aber da Strukturdurchbrechungen weder in Art. 106 noch in Art. 107 G G ausdrücklich und eindeutig normiert sind, da Art. 104 a G G vielmehr die Einordnung der Kommunen in ihre Länder hinsichtlich der Ausgaben- und Aufgabenverantwortung betont, ist es angebracht, dieses Systemprogramm der Auslegung der Einzelnormen zugrunde zu legen. Art. 106 Abs. 9 GG firmiert zwar als besondere Legaldefinition, drückt aber zugleich einen Grundsatz aus. Demnach rechnen die Einnahmen und Ausgaben der Kommunen im bundesstaatlichen Rechtskreis zum Landesbereich, auch wenn sie landesintern abgesondert sind. Der Konnexitätsgrundsatz, demgemäß die Ausgabenverantwortung der Aufgabenverantwortung folgt, umfaßt die Kommunen als Gliederungen der Länder. Diese haben die Finanzverantwortung für die Kommunen. Die Finanzverfassung begründet keine „dritte" kommunale Ebene im Bundesstaat. Die Zweigliedrigkeit setzt sich in der Trennung der Haushaltswirtschaften des Bundes und der Länder gemäß Art. 109 Abs. 1 G G fort. Dabei sind die Haushalts wirtschaften der Gemeinden und Gemeindeverbände in die der Länder einbezogen.

C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen Das Berücksichtigungsgebot, das Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G an den Finanzausgleichsgesetzgeber richtet, entspricht dem Staats- und finanzverfassungsrechtlichen Zusammenhang von Ländern und Kommunen. Er bezieht die Finanzlage der Kommunen jedenfalls dem Grunde nach in die Finanzkraft der Länder ein. Welche Körperschaften durch den Begriffskomplex „Gemeinden (Gemeindeverbände)" erfaßt werden sollen, ist allerdings ebenso klärungsbedürftig, wie dies die Begriffe „Finanzkraft" und „Finanzbedarf 4 sind. Erst wenn klar ist, worum es sich dabei handelt, lassen sich die Folgen des Berücksichtigungs- und des Sicherstellungsgebotes für die „Finanzkraft der Länder" ermessen und bewerten.

I. Die kommunalen Finanzsubjekte Seit dem Rechnungsjahr 1950 ist bei der Finanzausgleichsregelung zwar von Gemeinden, nicht aber von Gemeindeverbänden die Rede. Dieser Befund zeugt von legislativer Tradition; er steht aber im Gegensatz zum Wortlaut des Art. 107 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, GG. Seit der Finanzverfassungsreform von 1969 ist es ein Verfassungsgebot, nicht nur auf Gemeinden, sondern auch auf Gemeindeverbände Bedacht zu nehmen.

/. Erheblichkeitsmaßstäbe Die ständige Vernachlässigung der Gemeindeverbände ließe sich angesichts des eindeutigen Wortlauts des Art. 107 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, G G eventuell als Folge einer Sachverhaltsbewertung erklären. Man könnte meinen, daß die Finanzkraft der Gemeindeverbände unerheblich und daß ihr Finanzbedarf schon durch die Prozentregelung für gemeindliche Steueraufkommen mitberücksichtigt sei. In diesem Sinne deutete der Bundesrat die Anteilsregelung des § 8 Abs. 5 FAG bisheriger und geltender Fassung103. Das läßt sich jedoch nicht nachvollziehen. Denn die Gemeindeverbände werden in keinem Zusammenhang dieser Norm erwähnt. Selbst wenn man § 8 Abs. 5 FAG als Rechnungsergebnis folgen wollte, könnte man das begründeterweise erst, nachdem man das durch Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG gegliederte und gestufte Verfahren durchlaufen hat. Dort sind aber Gemeindeverbände vorgesehen. 103

Vgl. dazu oben B. III. 6.

I. Die kommunalen Finanzsubjekte

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Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G normiert nämlich einen Verfahr ens weg zum Ausgleichsziel, der von der -

Ermittlung der Finanzkraft jedes einzelnen Landes, dann der Ermittlung der Finanzkraft der Kommunen jedes Landes und der Ermittlung des Finanzbedarfs der Kommunen jedes Landes zur Berücksichtigung der Finanzkraft und des Finanzbedarfs der Kommune jedes Landes bei dessen Finanzkraft und schließlich zum - Ausgleich der Finanzkraftunterschiede der Länder führen soll. Der Natur des Ausgleichsziels entsprechend, muß der Vorgang, auch soweit er auf Abwägungen beruht, berechenbar, mithin hinsichtlich seiner einzelnen Komponenten - Tatbestandsvoraussetzungen, Abwägungskriterien und Teilrechtsfolgebestimmungen - nachvollziehbar sein. Er muß auf seinen einzelnen Stufen zu Rechnungsergebnissen führen, die in die Gesamtrechnung eingestellt werden können. Auf drei Stufen kommt es auf Daten an, die Gemeinden und Gemeindeverbände betreffen. Es besteht also kein Anlaß, die gemeindeverbandlichen Daten ohne weiteres außer acht zu lassen oder voreilig zu pauschalieren. Das Grundgesetz rechtfertigt eine solche Vereinfachung nicht, und sie steht auch nicht im Einklang mit den neuen Beschlüssen des Gesetzgebers, den Kreis der Gemeinden gemäß § 9 Abs. 4 FAG um gewisse gemeindeähnliche Finanzsubjekte zu erweitern. Der Gesetzgeber darf sich nur systemgerecht verhalten. Indem Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G die Formulierung „Gemeinde (Gemeindeverbände)" zur Kennzeichnung der kommunalen Aufgabenträger benutzt, entspricht er einem finanzverfassungsrechtlichen Usus: Art. 104 a Abs. 4 Satz 1, Art. 105 Abs. 3, Art. 106 Abs. 7, 8 und 9 GG verfahren ebenso; Art. 106 Abs. 7 G G kennt eine ähnliche, nur satztechnisch anders formulierte Zusammenstellung. Die übliche Formulierung markiert die genannten Kommunen als Komplex und nimmt zugleich auf die Organisationseinheit der Länder Rücksicht, indem sie es diesen überläßt, über Binnengliederung und die Stufung der Kommunen zu entscheiden. Schon die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes1(M zeigt, daß Gemeinden und Gemeindeverbände zusammen gemeint sind, das heißt: Sie bilden die kommunale Aufgaben-, Ausgaben- und Ertragsebene eines Landes. Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G folgt mit dieser Zusammenordnung auch satztechnisch dem Finanzausgleichsgesetz vom 23. Juni 1923105, das „Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände)" dem Reich gegenübergestellt hatte. Da es letztlich um den Finanzausgleich zwischen den Ländern geht, ist die Finanzkraft nicht jeder Kommune an und für sich, sondern die Finanzkraft aller Kommunen eines Landes zusammen gefragt. Der Gesamtbegriff ergibt sich freilich aus den Einzeldaten. Daher muß der Kreis der heranzuziehenden Kommunen feststehen. Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG definiert ihn durch die Bezeichnung 104 105

Vgl. von Doemming/Füsslein /Matz, JÖR NF 1 (1951), S. 762 ff. RGBl. I S. 494.

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C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

der Verwaltungsträger der Art und dem Umfang nach: Von allen selbständigen Verwaltungsträgern eines Landes sind es nur, aber jedenfalls die bezeichneten Kommunen, die durch das Berücksichtigungsgebot erfaßt werden. Diese Kommunen zeichnen sich dadurch aus, daß sie finanzverfassungsrechtlich mit einer eigenen Ertragshoheit ausgestattet sind. Deswegen kommt es prinzipiell auf die Finanzkraft aller zuvor mit Finanzgarantien bedachten Kommunen an. Deren Kreis ist dem Gesetzgeber vorgegeben: durch Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit der verfassungsrechtlich und landesgesetzlich begründeten Kommunalorganisation der Länder. Es sind die Landesgesetzgeber, die in erheblichem Maße die Finanzerträge der Kommunen und die Aufgaben, infolgedessen auch die Ausgabenlasten zwischen Gemeinden und Gemeindeverbänden verteilen. Die verfassungsrechtliche Differenzierung nach Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft und überörtlichen Aufgaben bietet dafür zwar wesentliche Vorgaben. Doch darf der Landesgesetzgeber aufgrund der Gesetzesvorbehalte des Art. 28 Abs. 2 GG nähere Zuständigkeitsbestimmungen treffen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes 106 ist er nämlich kompetent, Selbstverwaltungsaufgaben von den Gemeinden auf die Kreise hochzustufen, weil auch den Kreisen das Recht zustehe, Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln. So gesehen, sind die Kreise mit den Gemeinden nicht nur territorial, sondern auch „nach Zweckbestimmung und Funktion aufs engste verbunden und verflochten" 1 0 7 und stehen „in bezug auf die Aufgabenträgerschaft in dem Sinne gleichwertig nebeneinander, daß erst beide zusammen innerhalb des Kreisgebiets die verwaltungsmäßigen Leistungen der kreisfreien Stadt erbringen"; ihr Verhältnis ist auf Ausgleich und Ergänzung angelegt; Gemeinden und Kreise sind „Teile der mittelbaren Staatsverwaltung". Wie die Aufgaben im einzelnen zwischen ihnen verteilt werden dürfen, hängt, vorbehaltlich der Wesensgehaltsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, von der Art der Aufgabe, von den Anforderungen effektiver Aufgabenerledigung und von den Maßnahmen des Verhältnismäßigkeitsprinzips ab. Das Aufgabenverhältnis ist also prinzipiell dynamisch und kann dynamisiert werden. Jedenfalls überantwortet Art. 28 Abs. 2 G G dem Landesgesetzgeber eine Gestaltungskompetenz, die für die Finanzkraft und für den Finanzbedarf der verschiedenen Kommunen folgenreich sein kann. Da die Folgen auf Entscheidungen beruhen, die dem Land zuzurechnen sind, ist es systemgerecht, die Verbindung und Verflechtung von Gemeinden und Gemeindeverbänden im Rahmen des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G zu veranschlagen. Dem widerspricht die isolierte Berücksichtigung der Finanzlage der Gemeinden. Da Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G die Begriffe „Gemeinde" und „Gemeindeverbände" von Verfassungs wegen vorgibt, darf der Gesetzgeber sie nicht eigenwillig umdefinieren, indem er etwa einen besonderen Begriff der „Gemeinden" schafft. 106

BVerwGE 67, S. 321 ff. (Rastede-Urteil); dazu Blümel, VerwArch 1984, S. 197 ff.; Knemeyer, DVB1. 1984, S. 23 ff.; Weides, NVwZ 1984, S. 155 ff. 107 BVerwGE 67, S. 321 (324), unter Berufung auf BVerfGE 23, S. 353 (368); 58, S. 177(196).

I. Die kommunalen Finanzsubjekte

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Die legislativen Gestaltungsmöglichkeiten betreffen nicht die Tatbestandsformulierung „Gemeinden (Gemeindeverbände)", sondern sind, wie noch zu zeigen sein wird, bei der Rechtsfolge „berücksichtigen" konzentriert.

2. Die Gemeinden Es ist naheliegend, Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG im systematischen Zusammenhang mit Art. 28 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 G G zu interpretieren. Danach ist „Gemeinde" die von Verfassungs wegen mit Allzuständigkeit und unmittelbar volkslegitimierten Repräsentationsorganen begabte Verwaltungseinheit der „örtlichen Gemeinschaft". Keine „Gemeinden" sind die kommunalen Verwaltungsträger, die, mit gesetzlich oder vertraglich bestimmten gemeinbildlichen Aufgaben begabt, partiell an Stelle der Gemeinden selbst tätig werden. Gemeindliche Einrichtungen, Unternehmen, Zweckverbände u. ä. m. fungieren zwar „als" Gemeinden und dürfen dies in engem, das Demokratie- und Selbstverwaltungsprinzip nicht beeinträchtigendem Umfang auch tun, sind aber keine Gemeinden. Die baden-württembergischen Gemeindeverwaltungsverbände, die bayerischen Verwaltungsgemeinschaften, die niedersächsischen Samtgemeinden, die rheinland-pfälzischen Verbandsgemeinden und die schleswig-holsteinischen Ämter sind demnach keine Gemeinden. Sie sind vielmehr Zusammenschlüsse von Gemeinden 108 , so daß sie konsequenterweise als „Gemeindeverbände" eingestuft worden sind 109 . Dafür sprechen auch landesrechtliche Bezeichnungen dieser Ver waltungs träger 110 . 3. Die Gemeindeverbände Allerdings ist der in Art. 28 Abs. 2 Satz 2 G G verwendete Begriff des Gemeindeverbands keineswegs eindeutig, so daß auch die Abgrenzung zum Be108 Vgl. §§ 59 ff. Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (GemO) in der Fassung v. 3.10.1983 (GBl. S. 578, 720); Verwaltungsgemeinschaftsordnung für den Freistaat Bayern (VGemO) in der Fassung der Bekanntmachung v. 26.10.1982(GVB1. S. 965); §§ 71 ff. Niedersächsische Gemeindeordnung (NGO) in der Fassung v. 22.6.1982 (GVB1. S. 229); §§ 64 ff. Gemeindeordnung für Rheinland-Pfalz (GemO) v. 14.12.1973 (GVB1. S. 491), mit Änderungen; Amtsordnung für Schleswig-Holstein (AO) in der Fassung v. 11.11.1977 (GVB1. S. 448), mit Änderungen. 109 Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 382 f.; Bogner, Verbandsgemeindeordnung, S. 2: „Gebietskörperschaft ..., aber auch Gemeindeverband"; Göb, in: HBKWP, Bd. 1, 1956, S. 386 f., schwankend allerdings zwischen „Kommunalverband" und „begrifflich ... Gemeinden"; Wolff/ Bachof, Verwaltungsrecht II, § 88 I (S. 248 ff.): „unterste Gemeindeverbände" bzw. „unterste echte oder unechte Gemeindeverbände"; ähnlich Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, S. 133: „Gesamtgemeinden" im Sinne von Wolff /Bachof und gleichbedeutend mit „Gemeindeverbände niederer Ordnung"; Scholler/Broß, Grundzüge, S. 10: „Untergemeindeverbände". 110 § 59 Satz 1 bad.-württ. GemO: „Gemeindeverwaltungsverband"; Art. 1 Abs. 1 bayer. VGemO: „Zusammenschluß" von Gemeinden; § 71 Abs. 3 NGO: „Samtgemeinden Kommunalverbände"; § 1 Abs. 2 schl.-holst. AO: „Zusammenschluß kreisangehöriger Gemeinden".

4 Grawert

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C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

griff der Gemeinde nicht auf der Hand liegt. Für die kleinen Zusammenschlüsse von Gemeinden, die von einigen Landesgesetzgebern zur Wahrnehmung gemeindlicher Aufgaben gebildet worden sind, ist deshalb der Begriff „Gesamtgemeinden" vorgeschlagen worden 111 . Er soll gewissermaßen den Übergang von dem einen zum anderen Typ kommunaler Verwaltungsträger im Sinne des Art. 28 Abs. 2 GG charakterisieren. Dogmatisch mag das hilfreich sein, wenn verdeutlicht werden soll, daß zwischen den verbandsangehörigen Gemeinden und den sogenannten Gesamtgemeinden, zu denen jene verbunden sind, ein besonders enger Aufgabenzusammenhang besteht, weil die verbandsmäßig organisierten Aufgaben aus dem Allzuständigkeitsbereich der Gemeinden zu deren Entlastung und Unterstützung ausgegliedert sind. Wo es dagegen auf die Unterscheidung von „Gemeinde" und „Gemeindeverband" ankommt, hilft der vermittelnde Begriff nicht. Bisweilen wird der Begriff „Gemeindeverband" nur auf „Kreise" konzentriert 1 1 2 . Für diese Eingrenzung soll der Umstand sprechen, daß eine umfassende Selbstverwaltung notwendigerweise unmittelbar demokratisch legitimiert sein muß, Art. 28 Abs. 1 Satz 2 G G insoweit aber nur die „Kreise" nennt und Art. 28 Abs. 2 Satz 2 G G demgemäß einengt. Gegen diese Einengung sprechen jedoch nicht nur Wortlaut und Tradition der Selbstverwaltungsgarantie, sondern auch die bundesverfassungsrechtlich maßgebende Organisationshoheit der Länder. Eine Begriffsverengung auf „Kreise" würde die Homogenisierung zur Unitarisierung treiben. Dem Normzweck der Homogenität entspricht es vielmehr anzunehmen, daß Art. 28 Abs. 2 Satz 2 G G nicht bestimmte Organisationseinheiten fixiert, sondern nur Strukturvorgaben definiert. Dann zielt der Begriff „Gemeindeverbände" auf solche Gebietskörperschaften, die mit generell umschriebenen, nicht nur speziell und enumerativ zugeschriebenen, substantiellen Selbstverwaltungsrechten ausgestattet sind und für die deshalb ein unmittelbar volkslegitimiertes Entscheidungsorgan als Hauptorgan vorgeschrieben ist. In diesem weiteren Sinne hat das Bundesverfassungsgericht den Begriff „Gemeindeverband" in Art. 28 Abs. 2 Satz 2 G G als „Sammelbegriff 4 bezeichnet, dessen konkrete Bedeutung aus dem jeweiligen Regelungszusammenhang zu erschließen sei. „Gemeindeverbände" sind jedenfalls „solche kommunalen Zusammenschlüsse, die entweder zur Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben gebildete Gebietskörperschaften sind oder die diesen Körperschaften jedenfalls nach dem Gewicht ihrer Selbstverwaltungsaufgaben sehr nahe kommen" und deshalb eine aus allgemeinen Wahlen hervorgegangene Volksvertretung benötigen113.

111 So Wolff/ Bachof, Verwaltungsrecht II, § 88 (S. 248); ebenso Wolff /Bachof/Stober. Verwaltungsrecht II, § 88 (S. 119) - hier etliche Ungenauigkeiten bei der Darstellung des geltenden Rechts - ; der Ausdruck suggeriert „Gemeinde14 für „Gemeindeverband". 112 So Roters, in: von Münch, Kommentar, Bd. 2, Art. 28 Rn. 60; der hier mit gleicher Ansicht verzeichnete Pagenkopf Kommunalrecht, Bd. 1, S. 63, entscheidet sich hingegen für ein Sowohl-als-auch. 1,3 BVerfGE 52, S. 95 (109, 112), bezüglich Art. 2 Abs. 2 der Landessatzung für SchleswigHolstein und zugleich mit Rücksicht auf Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG.

I. Die kommunalen Finanzsubjekte

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4. Folgerungen Legt man diese Maßstäbe an, so ergibt sich folgendes: Die baden-württembergischen Gemeindeverwaltungsverbände werden durch Vereinbarung benachbarter Gemeinden desselben Landkreises als „Verwaltungsgemeinschaft" gebildet. Eine solche Gemeinschaft ist eine Form der kommunalen Zusammenarbeit. Sie nimmt bestimmte, vertraglich und gesetzlich übertragene Aufgaben der und für die Mitgliedsgemeinden wahr. Ihr Repräsentationsorgan wird mittelbar demokratisch gewählt. Gemeindeverwaltungsverbänden fehlt die verfassungsrechtliche Eigenständigkeit. Sie sind daher keine Gemeindeverbände im Sinne des Art. 28 GG. Die bayerische Verwaltungsgemeinschaft weist einen ähnlichen Zuschnitt wie der baden-württembergische Gemeindeverwaltungsverband auf, so daß auch hier eine Qualifikation als „Gemeindeverband" ausscheidet. Die beiden Verbandsformen sind zwar auch als Alternative zur Einheitsgemeinde angesprochen worden 114 . Zu „Gemeinden" mit verfassungsunmittelbarer Selbstverwaltungsgarantie werden sie durch solche Funktionsvergleiche jedoch nicht. Die niedersächsischen Samtgemeinden werden durch Gesetz mit gemeindlichen Aufgaben anstelle der Gemeinden und mit dem Recht der Selbstverwaltung ausgestattet. Der Samtgemeinderat wird zwar von den Bürgern der Mitgliedsgemeinden gewählt. Da diese nicht zugleich als Bürger der Samtgemeinden definiert sind und als solche agieren, stützt die Samtgemeindegewalt sich nicht unmittelbar auf das Volk in den Samtgemeinden. Die Volkswahl ist überdies landesverfassungsrechtlich nicht gesichert, weil eine Volksvertretung nur für „Gebietskörperschaften (Gemeinden und Kreise)" vorgeschrieben ist und nicht für „sonstige öffentlich-rechtliche Körperschaften", zu denen die Samtgemeinden gezählt werden 115 . Nur „Gebietskörperschaften" haben eine landesverfassungsrechtliche Finanzausgleichsgarantie 116: Obwohl die Samtgemeinden Gemeinden ihrer Funktion nach ähneln und in gewisser Weise landesrechtlich „wie" diese behandelt werden 117 , sind sie keine den Strukturvorgaben des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verfassungsrechtlich entsprechenden „Gemeinden". Sie sind auch keine Gemeindeverbände im strengen Sinne des Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG, weil das Landes(verfassungs)recht die grundgesetzlichen Vorgaben, insbe114

Vgl. Schmidt, Samtgemeinde, S. 274, 277, mit Nachweisen. Der Niedersächsische Staatsgerichtshof sieht den Klammerzusatz als Legaldefinition an: Urt. v. 3.6.1980 - StGH 2/79 - , Nds. MB1. 1980, S. 1025 (1031); ebenso wohl Spörlein, Samtgemeinden, S. 186. 116 Vgl. Art. 44 f. Vorl. Niedersächsische Verfassung; § 71 Abs. 3, § 72, § 75 Abs. 2 NGO. Wolff/ Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 88 VI 1. b) (S. 125): „Gesamtgemeinde" als Adressat, nicht als Träger des Art. 28 Abs. 2 GG. 117 Wolff/ Bachof Verwaltungsrecht II, § 88 VI a) (S. 252 f.): „Gesamtgemeinden44 nehmen „als" Gemeinden i. S. d. Art. 28 Abs. 2 „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" wahr und genießen Autonomie „wie die Landkreise". - Schmidt, Samtgemeinde, S. 59: „der Gemeinde doch sehr weit angenähert. ... im weiteren Sinne ebenfalls dem Begriff der Gemeinde untergeordnet..."; Spörlein, Samtgemeinden, S. 187 ff.: Art „Gemeindeverbände44. 115

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C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

sondere die für die Volkslegitimation, nicht umgesetzt hat. Als Zwischenformen zwischen Gemeinde und Gemeindeverband sind sie nur Schöpfungen des Landesgesetzgebers, auf die Art. 28 und ihm folgend Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G sich nicht beziehen. Die rheinland-pfälzischen Verbandsgemeinden sind Gebietskörperschaften mit dem Recht zur Selbstverwaltung öffentlicher Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft. Die notwendigen Vertretungsorgane werden gemäß der landesverfassungsrechtlichen Garantie unmittelbar von den Bürgern gewählt. Sie genießen auch als Gemeindeverbände die landesverfassungsrechtliche Finanzgarantie 118 . Demnach haben Verbandsgemeinden vieles mit Gemeinden gemeinsam, tendieren ihres korporativen Verbandscharakters wegen aber zum Gemeindeverband 119 . Art. 28 Abs. 2 GG werden sie so oder so und auch als Mischform gerecht. Die schleswig-holsteinischen Ämter haben nur sehr begrenzte Selbstverwaltungsaufgaben der amtsangehörigen Gemeinden nach deren Beschlüssen auszuführen. Sie sind nicht als eigenständige Selbstverwaltungskörperschaften, sondern zur Stärkung der Selbstverwaltung der amtsangehörigen Gemeinden konstruiert, die ihre Trägersubjekte sind. Eine volkslegitimierte Vertretung gibt es konsequenterweise nicht. Die Landessatzung sieht sie nur für „Gemeinden" und „Gemeindeverbände" im oben definierten Sinne vor 120 . Demnach sind die Ämter keine Gemeindeverbände, weder im Sinne der Landessatzung noch im Sinne des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, und sie sind erst recht keine Gemeinden 121 . Diesen zu Art. 28 Abs. 2 G G gewonnenen Auslegungsergebnissen fügt Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G zusätzliche Gesichtspunkte aus dem besonderen Regelungszusammenhang des X. Abschnitts des Grundgesetzes hinzu. Hier werden „Gemeinden" und „Gemeindeverbände" genannt, weil sie neben Bund und Ländern Begünstigte einer besonderen Ertragsgarantie sind. Wenn, wie dargelegt, die Finanzkraft jedenfalls die Steuerkraft umfaßt und wenn es im wesentlichen diese ist, die zum Ausgleich gebracht werden soll, dann ist anzunehmen, daß alle Träger von grundgesetzlich vorgesehenen Steuererträgen dabei heranzuziehen sind. Als Träger kommunaler Finanzkraft kommen daher aus dem Kreis der definierten „Gemeinden" und „Gemeindeverbände" diejenigen in Betracht, die am Steueraufkommen gemäß Art. 106 Abs. 6 Satz 1 und Abs. 7 Satz 1 G G beteiligt werden, nicht aber diejenigen, deren Finanzaufkommen nur aus Mitteln der Länder stammt und die keine eigene Abgabenerfindungshoheit besitzen. Mit 118

Vgl. Art. 49 f. Verfassung für Rheinland-Pfalz; § 64 i.V.m. § 29, § 67 GemO. Bogner, Verbandsgemeindeordnung, S. 2: „Förderaigemeinde"; anders Salzmann/ Schunck/Hofmann/Schrick, Verbandsgemeindeordnung, S. 40: nicht „Gesamt-, Stufen- oder Foederalgemeinde", sondern „Gemeindeverbände" mit Aufgaben der Gemeinden. 120 Vgl. Art. 2, 39, 41 f. Landessatzùng für Schleswig-Holstein; § 1 Abs. 1, § 3, § 9 AO. 121 BVerfGE 52, S. 95 (109, 112 ff.); a. A. anscheinend Wolff /Bachof /Stober, Verwaltungsrecht II, § 88 I 2, I I I 1. (S. 122); undifferenziert für „Gemeindeverbände" Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 139, 155. 119

II. Die Finanzkraft der Kommunen

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dieser zusätzlichen Maßgabe ist der Kreis der Kommunen definiert, die zur Bemessung der kommunalen Finanzkraft regelmäßig in Betracht gezogen werden müssen: Gemeinden, rheinland-pfälzische Verbandsgemeinden und Kreise. Das Finanzausgleichsgesetz 1969 geht unzutreffenderweise von der Annahme aus, der Gesetzgeber dürfe nur auf Gemeinden zugreifen und die Gemeindeverbände außer acht lassen. Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G deckt eine solche „Auswahl" nicht. Sie wird dem Aufgaben- und Finanzverbund der beiden kommunalen Ebenen sowie dem Umstand nicht gerecht, daß beide Ebenen bei kreisfreien Städten ineins gesetzt sind. In Ansehung dieser Städte würde die Nichtberücksichtigung der Gemeindeverbände zu Ungleichgewichten führen. Daß deren Einnahmen keine unbeachtliche Größe haben, läßt sich den Angaben des Statistischen Bundesamtes entnehmen. Welche Einnahmen gemäß Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G zu berücksichtigen sind, hängt vom Begriff „Finanzkraft" ab.

II. Die Finanzkraft der Kommunen Der Länderfinanzausgleich setzt die Ermittlung der Finanzkraft sowohl der Länder als auch der Kommunen voraus. Beide Finanzkräfte sind normativ aufeinander bezogen und hängen tatsächlich zusammen. Sie markieren Bereiche der Handlungsfähigkeit. Daher tritt die charakteristische Affinität des Verfassungsrechts zum politischen Prozeß besonders deutlich in Erscheinung, wenn die maßgebenden Vorschriften der Finanzverfassung ausgelegt, konkretisiert und angewendet werden.

7. Unbestimmte Rechtsbegriffe

der Finanzverfassung

Der Begriff „Finanzkraft" ist ein Schlüsselbegriff des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG, weil er Grund, Umfang, Ziel und Rechtfertigung des Finanzausgleichs bezeichnet. Verständlicherweise bildete seine Inhaltsbestimmung deshalb ein wesentliches Problem im Streit um die Verfassungsmäßigkeit des Finanzausgleichsgesetzes 1969. Galt er den einen als offene, der finanzpolitischen Wertsetzung zugänglicher Begriff, so maßen andere ihm eine strenge Rechtsverbindlichkeit zu. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, daß „Finanzkraft" ein normativ wirkender „unbestimmter Begriff 4 ist, den der Gesetzgeber innerhalb gewisser verfassungsrechtlicher Grenzen „näher zu bestimmen" befugt sei. So gesehen, verkörpert der Begriff einerseits „gewisse materiell-rechtliche Vorgaben", die es im Wege der Verfassungsauslegung zu ermitteln gilt, und andererseits eine legislative „Gestaltungs- und Abgrenzungsbefugnis", die Raum „für den politischen Kompromiß" läßt. Die konkretisierende Entscheidung des Gesetzgebers über eine handhabbare Fassung des Finanzkraftbegriffes fallt also relativ autonom. Sie muß aber jenen „Vorgaben" entsprechend „vertretbar"

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C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

sein 122 . Bei dieser Deutung rangiert der Begriff „Finanzkraft" zwischen den Polen Rechtsbindung und Ermessen. Im X. Abschnitt des Grundgesetzes gibt es eine Reihe weiterer Begriffe, auf die jene Plazierung zutreffen könnte. Welche Folgen sie für das System der Finanzverfassung und letztlich für die konkrete Gestalt des Bundesstaates hat, kann daher nicht allein am Finanzkraftbegriff abgelesen werden. Art. 107 Abs. 2 G G gibt dieselben Auslegungsprobleme für die Begriffe „Finanzbedarf 4 , „allgemeiner Finanzbedarf 4 und „leistungsschwach" auf; in benachbarten Normen ist von „Wirtschaftskraft" (Art. 104 a Abs. 4 Satz 1) und „Deckungsbedürfnisse(n)" (Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2) beziehungsweise „Deckung" eines Bedarfs (Art. 107 Abs. 2 Satz 3) sowie von „Bedürfnis" (Art. 112 Satz 2) die Rede; andere Deckungsvorschriften knüpfen an „Investitionen" (Art. 104 a Abs. 4 Satz 1, Art. 115 Abs. 1 Satz 2), an „Aufwendungen" (Art. 120 Abs. 1), an eine „Mehrbelastung" (Art. 106 Abs. 4 Satz 2) und an „Mehrausgaben" oder „Mindereinnahmen" (Art. 106 Abs. 8 Satz 1) an. Typisch für diese Begriffe sind erstens ihre relativ offene, auf ein Zusammenwirken von Verfassung und Gesetz angelegte Struktur und zweitens ihr rechtsnormativer, aber auf finanzwirtschaftliche Sachverhalte bezogener Gehalt. Ersterenfalls geht es um die Verteilung und Legitimation von Staatsfunktionen und letzterenfalls um das Verhältnis der Rechtsordnung zu Nachbarwissenschaften, jeweils aber zunächst um Verfassungsauslegung. Die unbestimmten Begriffe der Finanzverfassung sind Verfassungsrechtsbegriffe. Sie sind dies kraft Entscheidung des Verfassung- oder Verfassungsgesetzgebers durch Einstellung in eine Rechtsnorm. Mögen sie auch auf äußerrechtliche Vorgänge oder Wertungen Bezug nehmen und von dort ihren besonderen Sinn erfahren, so sind sie doch wirksam nur als Ausdruck des Rechts. Daher gilt es, ihren verbindlichen Sinn im Kontext der Rechtsnorm und des Rechtssystems zu erfassen. Neben den seit Savigny klassischen Auslegungskriterien sind die speziell für das Verfassungsrecht entwickelten heranzuziehen 121 , um den objektivierbaren Willen des Verfassunggebers zu ermitteln 124 . Systematisch bedeutsam ist dabei der Gesichtspunkt der „Einheit der Verfassung" 1 2 \ Die teleologische Betrachtungsweise hat insbesondere auf die finanzwirtschaftlichen Konsequenzen126 und auf die Auswirkungen der Auslegung auf die bundesstaatlichen Verhältnisse zu achten. Bei der Interpretation des verfassungsrechtlichen Steuerbegriffs hat das Bundesverfassungsgericht in erster Linie 122

BVerfGE 72, S. 330 (390, 397 f., 399 ff.). Vgl. zusammenfassend Tipke, in: Leffson/Rückle/Großfeld, Handwörterbuch, S. 1 ff.; Fischer-Menshausen, in: Dreißig, Probleme I, S. 135 ff. 124 BVerfGE 1, S. 14 (32 f.); praktiziert in BVerfGE 72, S. 330 (390 ff.). 125 BVerfGE 19, S. 206 (220); 55, S. 274 (300). 126 Vgl. BVerfGE 50, S. 290 (333 f.), zur „Vertretbarkeit" von Prognoseentscheidungen - um die es bei der „Finanzkraft" nicht geht; ferner BVerwGE 41, S. 334 (342), bezüglich wirtschaftlicher Folgen; dazu allgemein Tettinger, StuW 1980, S. 213 ff.; zum hier teilweise vergleichbaren administrativen „Prognosespielraum" und dessen rechtmäßiger Ausführung vgl. ders., DVB1. 1982, S. 426 f. 123

II. Die Finanzkraft der Kommunen

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nach dem „entstehungszeitlichen Sinn" geforscht und erst anschließend die ordnungssystematische „Funktion" des Begriffs erwogen 127. Als maßgebend hat sich aber in den meisten Entscheidungen zur Finanzverfassung das Funktionsargument herausgestellt. „Funktion" bedeutet dabei so viel wie: beabsichtigte und absehbare Wirkung im Rahmen der Norm und in deren Wirkungsbereich; betont wird also der instrumentale Charakter eines normativen Verfassungsbegriffs. Bei der Auslegung der Finanzverfassung, ihrer Rechtsnormen und Rechtsbegriffe soll es vornehmlich auf die Ausgleichs- und Verteilungsfunktion sowie auf die Ordnungsfunktion ankommen. Die Ausgleichs- und Verteilungsfunktion knüpft daran an, daß die Vorschriften des X. Abschnitts des Grundgesetzes in der Hauptsache der aufgabengemäßen Verteilung der Ertragshoheit und des Finanzaufkommens und dadurch der materiellen Handlungsfähigkeit des Bundes sowie der Länder dienen. Der Funktion entsprechen die Abwägungskriterien Sachgerechtigkeit und Ausgewogenheit128. Sie durchzusetzen, war ein wesentliches Anliegen der Finanzreform von 1969129. Deshalb wurde die Finanzverfassung möglichst detailliert durchnormiert und in ein geschlossenes130 System gebracht, das mindestens von Art. 104 a bis Art. 108 G G einen „Funktionszusammenhang"131 herstellt - ob auch darüber hinaus einschließlich Art. 91 a, 91 b, 120 und 120 a G G bleibt noch zu klären. Die Finanzordnung soll jedenfalls sicherstellen, daß „Gesamtstaat und die Gliedstaaten am Gesamtertrag der Volkswirtschaft sachgerecht beteiligt" werden 132 . Infolgedessen liegt es nahe anzunehmen, daß der Finanzausgleich aufgrund einer bundesstaatlichen Gesamtrechnung der Einnahme· und Ausgabeposten erfolgen soll 133 . Im gleichen Sinne sind dann auch die einschlägigen finanzverfassungsrechtlichen Begriffe in den Grenzen ihres Wortlauts auf sachgerechte und ausgewogene Wirkungen auszurichten. Sie sind insoweit ergebnisorientiert. Die Ergebnisse der Aufkommensverteilung müssen letztlich „stimmen". Die Ordnungsfunktion knüpft an die Ausgleichs- und Verteilungsfunktion insoweit an, als sie diese absehbar und verläßlich machen soll. Dazu betont das Bundesverfassungsgericht die Gesichtspunkte der Geschlossenheit, der Regelhaftigkeit, der Formenklarheit und der Formenbindung 134 . Deren Beachtung soll der Entlastung des politischen Prozesses und der Stabilisierung des Bundesstaates dienen 135 . Wenn das Gericht in einem anderen Zusammenhang darauf 127 128 129 130 131 132 133 134 135

BVerfGE 67, S. 256 (285 f.). BVerfGE 32, S. 333 (338); 55, S. 274 (300); 67, S. 256 (286 f.). Vgl. Kommission für die Finanzreform, Gutachten, Tz. 67 (S. 18). BVerfGE 67, S. 256 (288). BVerfGE 55, S. 274 (299). BVerfGE 32, S. 333 (338); 55, S. 274 (300); 72, S. 330 (388). Vgl. dazu unten zu C. IV. BVerfGE 55, S. 274 (301, 304); 67, S. 256 (288). BVerfGE 67, S. 256 (289); 72, S. 330 (396).

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C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

hinweist, daß Finanzhilfegesetze „alles . . . Wesentliche" selbst bestimmen müssen, so wendet es sich nur gegen „Ermessensentscheidungen" von Regierungsund Verwaltungsstellen und nicht gegen den prinzipiellen Verfassungsvorbehalt 136 . Denn die Finanzreform von 1969 sollte gerade Verfassungsbindungen bewirken. Diesem Zweck entspricht eine möglichst bestimmte, abschließende und vollzugsfähige Auslegung finanzverfassungsrechtlicher Vorschriften und Begriffe. Dafür bemüht das Gericht die „Formenklarheit" im Sinne konziser, abstrakter, Interpretationskämpfe ausschließender 137 Begriffsfassung und die „Formenbindung" im Sinne zwingender, den Verfassungsvorrang nutzender Begriffsvorgaben. Die Ordnungsfunktion führt also zur Verrechtlichung der Finanzverfassung und ihrer Konkretisierungen. Sie sichert deren materielle Ziele kompetenziell und verfahrensmäßig ab. Die Verrechtlichung hat zur Folge, daß die Gestaltungskompetenzen von Regierung und Verwaltung verengt und die Kontrollkompetenzen des Bundesverfassungsgerichts und der Verwaltungsgerichte erweitert werden. Je mehr zwingendes Recht das Bundesverfassungsgericht in der Finanzverfassung erkennt, desto mehr wird es zum Herrn der Finanzwirtschaft. Dem soll offenbar die aus dem Verwaltungsrecht stammende Vertretbarkeitslehre abhelfen: Innerhalb eines verfassungsrechtlich definierten Rahmens sollen alle vertretbaren Lösungen des Gesetzgebers akzeptabel und nicht aufhebbar sein. Die Grenzziehung ist allerdings noch nicht klar. Hinsichtlich der Voraussetzungen des Art. 104 a Abs. 4 Satz 1 GG beschränkte das Bundesverfassungsgericht seine Kontrolle darauf, ob der Gesetzgeber die unbestimmten Rechtsbegriffe „zutreffend ausgelegt und sich in dem dadurch bezeichneten Rahmen gehalten" hat 138 . Damit nahm es ausdrücklich auf seine Erläuterungen des Bedürfnisbegriffs im Sinne von Art. 72 Abs. 2 Nr. 3 G G Bezug, die dem Gesetzgeber einen weiten „Ermessensbereich" konzedierten und „politische(n) Vorentscheidungen" Respekt zollten 139 . Das Gericht begnügte sich dort mit einer Mißbrauchs- und Evidenzkontrolle 140 . Bei der Ertragsverteilung soll es dagegen gerade nicht auf politisches Ermessen und auf „Interpretationskämpfe" im Spiel der gesetzgebenden Kräfte ankommen. Zur Ausschaltung von „Unwägbarkeiten" 141 wurde der Steuerbegriff strikt interpretiert. Hinsichtlich des Finanzkraftbegriffes läßt sich wieder eine gewisse Öffnung zugunsten des Gesetzgebers beobachten: Der „unbestimmte Begriff 4 sei von Verfassungs wegen „nicht definiert", so daß der Gesetzgeber ihn „anzuwenden", „zu handhaben" und „näher zu bestimmen" habe; andererseits wird der Begriff durch Verfassungsauslegung gehaltvoll und verbindlich erklärt 142 ; einerseits konzediert das Gericht also das Verfahren der Ver136 137 138 139 140 141 142

BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE

39, S. 96(116). 72, S. 330 (388 ff.). 39, S. 96 (114 f.). 13, S. 230 (233 f.). 34, S. 9 (39). 67, S. 256 (286). 72, S. 330 (399/397).

II. Die Finanzkraft der Kommunen

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ständigung, während es andererseits auf verfassungsrechtliche Vorgaben abstellt; seine Argumente bewegen sich zwischen den Alternativen bündisch hoheitlich. Dies ist dann nicht konturenlos oder widersprüchlich, wenn die Akzente richtig gesetzt werden. Ob eine Regelung durch Verfassung oder Gesetz getroffen wird, hängt außer von historischen Zufälligkeiten insbesondere vom Maß der gewünschten und erforderlichen Verbindlichkeit ab. Jede Verfassung muß ebenso stabil wie anpassungsfähig sein. Das eine ist sie durch ausnormierte, zwingende Vorschriften, das andere durch die Beschränkung auf Grundentscheidungen und Leitlinien. Wenn dann das „Nähere" dem Gesetz überlassen wird, dann wird dessen größere Sachnähe, aber auch dessen stärkere Politikverflechtung ins Spiel gebracht. Gesetze sind tragende Entscheidungen der Staatsgewalt mit hoch-, wenn auch nicht höchstrangiger Steuerungs-, Ordnungs-, Legitimations- und Publizitätsfunktion. Aber sie sind ihrem Inhalt nach auch Ausdruck der jeweils herrschenden Politik und gemäß deren Veränderungen abänderbar. Die Ausfüllung und Konkretisierung unbestimmter Verfassungsbegriffe durch Gesetz führt also zu einer gewissen, möglicherweise aber interessegebundenen und deshalb fragilen Stabilität. Die Frage ist, ob und inwieweit dies vom Verfassunggeber gewollt oder unumgänglich ist. Regelungen des gesellschaftlichen Bereiches hält das Grundgesetz durch den Grundrechtszusammenhang von Gewährleistung und Gesetzesvorbehalt flexibel. Kompetenzregelungen sind dagegen überwiegend stringent. Dies ist insbesondere bei der Zuständigkeitsordnung für Bund und Länder zu beobachten. Dort geht es nämlich um die Begründung und Begrenzung der Staatsgewalt. Deshalb kommt es auf Klarheit, Eindeutigkeit und darauf an, daß den Beteiligten - Bund und Ländern - Handlungsrahmen vorgegeben sind, die sich nach politisch-pragmatischen Erwägungen nicht verändern lassen; andernfalls stünde auch das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 G G auf dem Spiel. Was diese Zuständigkeitsordnung für die Definition von Aufgaben und Befugnissen leistet, hat die Finanzmittelordnung für die effektive Handlungsfähigkeit des Bundes und der Länder zu leisten. Insoweit die Finanzverfassung Berechenbarkeit erzielen und politisches Kalkül erübrigen soll, müssen die Maßstäbe vorgegeben und verbindlich sein. Insoweit zielt die Verrechtlichung der Finanzverfassung in erster Linie auf den Verfassungsvorrang und nur hilfsweise, keineswegs maßgebend auf die Gesetzgebung. Soll deren Gestaltungsfähigkeit berücksichtigt werden, spricht die Verfassung entsprechende Ermächtigungen aus. Dies ist im X. Abschnitt des Grundgesetzes vielfach, unter anderem auch in Art. 107 Abs. 2 G G geschehen. Andernfalls normiert die Verfassung selbst. Die verfassungsmäßige Verrechtlichung erfolgt vornehmlich durch unbestimmte Tatbestandsbegriffe, zu denen etwa die Begriffe „Finanzkraft", „Finanzbedarf 4 , „leistungsschwach" gehören. Sind solche Begriffe trotz aller Auslegungskunst nichtssagend, dann lassen sie sich auch nicht in ermessensartige Gestaltungsermächtigungen des Gesetzgebers interpretieren; denn dieser dürfte allenfalls nachrangig und nachvollziehbar, aber nicht nach eigenem Gutdünken tätig

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C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

werden 143 . Zu einem Kondominium von Verfassung- und Gesetzgeber laden unbestimmte Verfassungsbegriffe gerade nicht ein. Deshalb ist es mißverständlich, wenn das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber hier „Entscheidungsspielräume" konzediert und ausdrücklich nur Willkürentscheidungen verhindert wissen will 1 4 4 . Die Begründung dieser These, daß die normativen Festlegungen der Finanzverfassung „zum Teil nicht das Maß an inhaltlicher Bestimmtheit" aufwiesen, das „für Regelungen im Staat-Bürger-Verhältnis charakteristisch" sei, hinkt und trifft nicht zu. Was „Gewissen", „Rundfunk", „Wissenschaft" oder „Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen" heißen soll, läßt sich dem Wortlaut des Grundgesetzes nicht und dessen Sinn nur unter Berücksichtigung einer komplexen Wirklichkeit entnehmen. Die Normen korrespondieren auch hier ihren Anwendungsbereichen. Das Bundesverfassungsgericht sieht sich ständig veranlaßt, die Interpretation von Grundrechtstatbeständen selbst zu bewerkstelligen und hat bisher nicht selten recht eigenwillige Konstrukte hervorgebracht man denke nur an die „Rundfunk"-Rechtsprechung! - Jedenfalls hat die Verfassungsauslegung Begriffsbestimmungen und nicht Definitionsermächtigungen ergeben. Sie ist nach geltungszeitlichen Gesichtspunkten erfolgt 145 und hat für „vertretbare" 146 Konkretisierungen Raum gelassen. Die methodischen Ansätze sind also im Grundrechts- und im Finanzverfassungsteil des Grundgesetzes gleichartig - auch dies eine Konsequenz der „Einheit der Verfassung". Die verfassungsgemäße Auslegung unbestimmter Verfassungsbegriffe der Finanzverfassung hat demnach - die normativen Begriffsvorgaben des Grundgesetzes so bestimmt, umfassend und extensiv wie möglich zu erfassen, und zwar - im Hinblick auf die vorhandene und sich wandelnde Wirklichkeit der Aufgaben· und Ertragsverhältnisse von Bund, Ländern und Kommunen sowie - unter Berücksichtigung der finanzwissenschaftlichen Vorstellungen und deren finanzwirtschaftlichen Bezüge, durch die jene Verfassungsbegriffe seit der Finanzreform vorgeprägt sind. Dem Gesetzgeber kann dabei eine tragende Rolle nicht zukommen. Seine Konkretisierungen sind nicht autonom. Sie sind jederzeit auf ihre geltungszeitliche Richtigkeit hin überprüfbar. Der Finanzausgleichsgesetzgeber hat also in keinem der genannten „Spielräume" das letzte Wort. Zur korrekten Auslegung und Anwendung unbestimmter Verfassungsbegriffe gehört es, daß der vom Begriff erfaßte und zu erfassende Sachverhalt sorgfältig ermittelt und dabei in jeder relevanten Hinsicht in die Auslegung einbezogen wird. Dazu besteht insbesondere bei Tatbestandsbegriffen Anlaß; denn auf 143 Insoweit spricht BVerfGE 72, S. 330 (399), zutreffend von der Anwendung und Handhabung des unbestimmten Begriffs. 144 BVerfGE 72, S. 330 (390), - dort auch das folgende Zitat - , mit E 67, S. 256 (288 f.). 145 BVerfGE 74, S. 297 (350); 73, S. 118 (154) - Rundfunkbegriff-. 146 BVerfGE 35, S. 79 (125); 47, S. 327 (387) - Hochschulstruktur -.

II. Die Finanzkraft der Kommunen

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ihnen beruht die Berechenbarkeit der Rechtsfolge. Soweit Begriffskonkretisierungen auch auf Abwägungen, Wertungen oder - wie bei „Finanzbedarf 4 auf Prognosen hinauslaufen, sind diese Vorgänge erst am Ende der finanzwirtschaftlichen und aufgaben- sowie ertragsbezogenen Sachverhaltsklärung und der finanzwissenschaftlichen sowie verfassungssystematischen Begriffsausdeutung angebracht; sie lassen sich nicht begriffsleitend einführen. Manche finanzverfassungsrechtlichen Begriffe schließen allerdings mehr als Abwägungs- oder Wertungsvorgänge ein, wenn sie auf Sachentscheidungskompetenzen Bezug nehmen. Einen solchen Begriff führt Art. 107 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, G G mit dem Ausdruck „Finanzbedarf 4 ein. Dieser Begriff bezieht sich auf die Anforderungen, die sich für die Kommunen aus ihren Aufgaben ergeben. Insoweit den Kommunen Pflichtaufgaben auferlegt sind, ist ihre Ausgabenlast bestimmt und berechenbar. Der Erste Senat des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg 147 folgerte dies - hinsichtlich des Kreisumlagebedarfs - ebenso für den von ihm so bezeichneten „Notbedarf 4 , soll heißen: dem „notwendigen Bedarf zum Ziele der Erhaltung des Bestehenden44, nämlich der „Existenzfähigkeit 44 des kommunalen Aufgabenträgers, ohne diese Bedarfskategorie präziser zu qualifizieren. Zutreffend wies er aber darauf hin, daß der „übrige Bedarf 4 von Entscheidungen der Kommunen abhängt. Dies trifft auf die freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben zu. Ob und welche Aufgabe in welchem Umfang wann aufgegriffen und durchgeführt wird, bestimmt hier jede Kommune aufgrund Art. 28 Abs. 2 GG eigenverantwortlich. Der Begriff „Finanzbedarf 4 ergibt sich also auch infolge der politischen Entscheidungsfreiheit der Kommunen. Daraus folgt allerdings nicht, daß er alles, was den freiwilligen Aufgabenentscheidungen entspringt, auch - anerkennend - umfaßt. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg meinte freilich, daß die Bezugnahme des Begriffs „Bedarf 4 auf Entscheidungsfreiheiten die Qualifikation als unbestimmter Rechtsbegriff ausschließe. Dies anzunehmen, ist schon methodisch unzutreffend, weil jener Begriff keine Zuständigkeiten begründet, sondern lediglich auf die Ergebnisse ihrer Ausübung abhebt. Der „Finanzbedarf 4 im Sinne des Art. 107 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, G G ist jedenfalls, wie noch zu zeigen sein wird 1 4 8 , nicht darauf angelegt, unterschiedslos alles aufzunehmen, was die Kommunen an Bedarfen produzieren. Es kommt vielmehr auch bei diesem Begriff darauf an, die Reichweite des Begriffs zu bestimmen. Erst wenn der Tatbestand der Finanzverfassungsnorm hinreichend geklärt ist, hat der Gesetzgeber Gelegenheit zur Rechtsfolgegestaltung. Wie er im Grundrechtsbereich das Verhältnis etwa von Freiheit und Beschränkung regeln kann, so ermächtigt Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G ihn dazu, den Ausgleich der Finanzkraft der Länder angemessen zu bewirken. Im Hinblick auf diese Rechtsfolge sind Abwägungen erforderlich und normativ eingeplant. Dort ist die Finanzverfassung anpassungsfähig und -bedürftig. Verständigung und politischer Kompro147 148

OVGE 12, S. 378 (380 f.). Siehe unten zu C. III. 2., 4.

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C Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

miß der Beteiligten und Betroffenen - Bund und Länder 149 - können demnach, soweit zugelassen, im Rahmen der Rechtsfolgeausfüllung stattfinden. Daher bleibt es sinnvoll, die Definition der „Finanzkraft" möglichst weitgehend von Verfassungs wegen zu stabilisieren.

2. Der Begriff

„Finanzkraft"

Das Bundesverfassungsgericht hat sich bisher vornehmlich des Begriffes „Finanzkraft der Länder" angenommen. Da der Begriff „Finanzkraft" in beiden Halbsätzen des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG ohne ersichtliche Abweichungen verwendet wird, hält man es aber in Rechtsprechung und Schrifttum für selbstverständlich, daß er jeweils Gleichartiges meint 150 . Sieht man davon ab, daß das Gericht zunächst nur beliebige „politische Entscheidungen" über das, was die „Finanzkraft" ausmacht, abwenden will, so bleibt die Erkenntnis, daß der Begriff „gewisse materiell-rechtliche Vorgaben" enthält, und zwar „für den politischen Kompromiß", der aber, wie gesagt, erst bei der Rechtsfolgebestimmung stattfinden darf. Die „Vorgaben" bezeichnet das Gericht einerseits als „Festlegungen", was auf Bindung schließen läßt; andererseits sollen die am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten auf sie „zurückgreifen können", was auf Unverbindlichkeit schließen läßt, zumal vorher von „Bindungen und Vorgaben" nebeneinander die Rede ist. Entscheidend argumentiert das Gericht jedoch mit „den normativen Anforderungen des Grundgesetzes", die der Gesetzgeber „anzuwenden und zu handhaben" habe. Das Bundesverfassungsgericht setzt den Begriff „Finanzkraft" einerseits zum „Finanzaufkommen" im Bundesstaat als Gegenstand des finanzverfassungsrechtlichen Verteilungssystems und andererseits zu Sinn und Zweck des Finanzausgleichs in Beziehung. Da die Verteilungsvorgänge von Art. 91 a über Art. 91 b, Art. 104 a Abs. 3 und 4 bis zu Art. 106 und Art 107 G G reichen, umfaßt das Finanzaufkommen mehr als das Steueraufkommen. Infolgedessen erhält auch der Begriff „Finanzkraft" seinen weiten Zuschnitt: Art. 107 Abs. 2 Satz 1,1. Halbsatz, GG meint damit grundsätzlich alle Finanzmittel bzw. Einnahmen eines Landes - das sog. „Finanzaufkommen eines Landes" 151 - , die zur Bewältigung der Aufgaben zur Verfügung stehen. Der Gesichtspunkt der Aufgabenbelastung wird aus dem Begriff „Finanzkraft der Länder" prinzipiell eliminiert. Daß Belastungsfaktoren bei der Einwohner149 So pointiert BVerfGE 72, S. 330 (395 ff.); vgl. dazu auch BVerfGE 39, S. 96 (114), zu „Investitionen" im Sinne von Art. 104 a Abs. 4 Satz 1 GG. 150 Vgl. BVerfGE 72, S. 330 (401); Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 107 Rn. 58; Vogel/Kirchhof in: Bonner Kommentar, Art. 107 Rn. 159; Fischer-Menshausen, in: von Münch, Kommentar, Bd. 3, Art. 107 Rn. 15; Birk, in: Altemativkommentar, Bd. 2, Art. 107 Rn. 9; Kirchhof Länderfinanzausgleich, S. 44; Selmer/Brodersen, Grundfragen, S. 34 f., die allerdings den Zusammenhang von Finanzkraft und -bedarf auf den 1. Halbsatz übertragen wollen; Ossenbiihl, Grundfragen, S. 49. 151 So BVerfGE 72, S. 330 (403). - So wohl auch Stern, Staatsrecht, Bd. II, S. 1163 f.

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Wertung mittelbar mitspielen, wird als abstrakte Bemessungs-, nicht als Begriffsfolge in Kauf genommen. Jedenfalls scheiden Sonderbedarfe bei der Bestimmung der „Finanzkraft der Länder" grundsätzlich aus. Sie werden erst im Rahmen des Art. 107 Abs. 2 Satz 3 G G zur Bestimmung von Bundesergänzungszuweisungen veranschlagt. Das Grundgesetz sieht dort Zuweisungen aus Mitteln des Bundes an die „leistungsschwachen Länder" zur „ergänzenden Deckung ihres allgemeinen Finanzbedarfs" vor. Der Begriff „Leistungsschwäche" hebt sich dabei von dem dogmatischen Begriff „allgemeine Finanzschwäche"152 dadurch ab, daß er eine Relation zwischen Finanzaufkommen und Ausgabenlasten der Länder bezeichnet, und zwar der allgemeinen und besonderen Ausgabenlasten153. Für die „Finanzkraft" der Kommunen kann es auf solche Bezüge erst recht nicht ankommen, weil Art. 107 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, GG die Unterscheidung zum „Finanzbedarf 4 ausdrücklich betont. Das Begriffsgefüge und das Normensystem des Art. 106, 107 mit Art. 91 a, 104 a Abs. 4 G G laufen auf die Erkenntnis zu, daß der Begriff „Finanzkraft" in Art. 107 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz, G G „umfassend zu verstehen" ist und „nicht allein auf die Steuerkraft reduziert werden" darf 154 . Dank dieser Erkenntnis eröffnet das Bundesverfassungsgericht infolge des Überganges vom Absatz 1 zum Absatz 2 des Art. 107 GG eine neue Dimension der Finanzbeziehungen. Dem entspricht auch die teleologische Begründung. Das tragende Argument für ein umfassendes Verständnis von „Finanzkraft der Länder" wird aus dem „bündischen Prinzip des Einstehens füreinander" genommen155. Das ist eines jener dogmatischen Prinzipien, die im Grundgesetz keinen Ausdruck gefunden haben, aber dessen Funktionsfähigkeit bewirken sollen. Es ist kein Strukturprinzip im Sinne von Art. 20 Abs. 1 und Art. 79 Abs. 3 GG, sondern ein Funktionsprinzip zur Verknüpfung einzelner, sachlich zusammenhängender Rechtsfolgebestimmungen. Das „bündische Prinzip" deckt sich zum Teil mit dem Prinzip der Bundestreue, das in der früheren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts u.a. die Pflicht ergab, „daß die finanzstärkeren Länder den schwächeren Ländern in gewissen Grenzen Hilfe zu leisten haben" 156 . Wird die „bundesstaatliche Solidargemeinschaft" ins Feld geführt, 152

BVerfGE 72, S. 330 (398). So BVerfGE 72, S. 330 (402 f.; laut S. 398 ergeben „Leistungsfähigkeit und Leistungsschwäche" sich aus der „gesamten Finanzlage" eines Landes; die Ausgabenlasten sind dabei, um Widersprüche zu vermeiden, mitzudenken). 154 BVerfGE 72, S. 330 (397). 155 BVerfGE 72, S. 330 (386, 397), dazu S. 387: „bundesstaatliche Solidargemeinschaft". 156 BVerfGE 1, S. 117 (131); 12, S. 205 (254); ohne Bezugnahme ebenso, wenngleich umformuliert BVerfGE 72, S. 330 (386 f.). - Der Bundestagsabgeordnete Dr. Dresbach (CDU/CSU) bemerkte anläßlich der 3. Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern in der 57. Stzg. am 19.11.1954, daß der „Kräfteausgleich nur vom Bund oder aus Bundesmitteln" nicht angemessen sei, „denn wir sind von der echten Bruderliebe der deutschen Länder untereinander zutiefst überzeugt, und wir sind dessen gewärtig, daß der Reiche dem Armen in guter christlicher Art abgeben wird"; („Beifall und Zurufe"); diese Erfahrung machen die Länder jährlich aufs Neue. 153

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C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

dann sind die Länder als Einheiten und nicht in bestimmter Beziehung angesprochen. Der Hilfeanspruch richtet sich auf das Vermögen der Länder zur Hilfe schlechthin, nicht nur auf deren Steueraufkommen. In diesem Sinne bezieht das Bundesverfassungsgericht die Hilfeleistungspflicht der finanziell leistungsstärkeren Länder auf deren „finanzielle Selbständigkeit" bzw. auf deren „Eigenständigkeit" I 5 7 . Der Länderfinanzausgleich soll demnach die Länder als Aufgabenträger und nicht nur deren Steuerkraft stärken. Diese These wird noch entstehungsgeschichtlich untermauert 158 ; doch bleibt ausschlaggebend auch insoweit die Grundannahme, daß jedes Land als ganzes und daher mit „seiner gesamten Finanzlage" im Spiel ist. Damit behält das Bundesverfassungsgericht dieselbe weite Perspektive wie bei der Bildung des Begriffs des „Finanzaufkommens" im Bundesstaat bei. So schließt das „System" sich um die Steuerertragsverteilung gemäß Art. 106, 107 Abs. 1 GG, die nunmehr lediglich einen Ausschnitt aus dem Gesamtvorgang beschreiben, den „Gesamtstaat und die Gliedstaaten am Ertrag der Volkswirtschaft" sachgerecht zu beteiligen. Konsequenterweise stehen dann alle Arten von Einnahmen an, die zur Aufgabenbewältigung eingesetzt werden können. Die Definitionskompetenz des Bundesgesetzgebers soll es jedoch gestatten, Erhebliches von Unerheblichem zu unterscheiden. Dabei kommt es darauf an, „das Volumen der Finanzkraft zuverlässig" zu „erfassen". „Zuverlässig" und „verläßlich" sind Maßstäbe der Rechtssicherheit. Gefragt sind jedoch Maßstäbe für die Bestimmung des Umfangs der Finanzkraft. Da es nicht geboten sein soll, „alle Einnahmen der Länder zu addieren" 159 , wie es dem bundesstaatlichen Gleichheitsprinzip in formaler Weise entsprechen würde, darf die legislative Konkretisierung der „Finanzkraft" abwägend und gewichtend erfolgen. Nach dem zuvor Gesagten ist die Abwägung allerdings erst zuletzt und beschränkt erlaubt. Zur Auswahl stehen alle Einnahmeposten; ausgewählt werden sollen die für einen Einsatz zur Aufgabenbewältigung erheblichen. Das Bundesverfassungsgericht folgt dem Duktus der Art. 106, 107 Abs. 1 GG, wenn es als wesentlichen „Indikator" für die Finanzkraft die Steuerkraft anerkennt. Danach darf die Steuerkraft für die Finanzkraft stehen, „solange" sie diese „widerspiegelt" 16°. Die Metapher meint offenbar nicht Summenidentität, sondern Substantialität. Das heißt: „Solange" die Steuerkraft den normativen Ansprüchen der „Finanzkraft" auf „umfassende" Darstellung bis auf belanglose Abweichungen genügt, darf es bei ihr ein Bewenden haben. Gleichwohl bleibt der tatbestandliche Finanzkraftbegriff auf sämtliche Einnahmen angelegt161. 157

BVerfGE 72, S. 330 (398). BVerfGE 72, S. 330 (398): Hinweis, daß der Begriff „Finanzkraft" an die Stelle der Formulierung „leistungsfähigen und leistungsschwachen Ländern" getreten ist; dazu erheblich ausführlicher - und mit entgegengesetzten Ergebnissen - Lerche /Pestalozza, Förderabgabe, S. 39 ff., 52. 159 So BVerfGE 72, S. 330 (399). 160 BVerfGE 72, S. 330 (400). 161 Ebenso schon Vogel/Kirchhof, in: Bonner Kommentar, Art. 107 Rn. 151; Maunz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 107 Rn. 32; Lerche, in: Festschrift für Berber, S. 307; Starck, 158

II. Die Finanzkraft der Kommunen

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Infolgedessen sind alle Einnahmen ungeachtet ihrer Ertragsquellen heranzuziehen, auf ihre Tatbestandsmäßigkeit hin zu untersuchen und zu bewerten. Erst anschließend ist der Gesetzgeber imstande, eine Einnahme in die Finanzkraftdefinition verbindlich einzubeziehen oder sie zurückzustellen. Die Zurückstellung kann nur vorläufig erfolgen. Sie ist vom Gesetzgeber laufend zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren 162 . Der Gesetzgeber hat demnach keineswegs freie Hand, sondern ist inhaltlich und verfahrensmäßig gebunden.

3. Relevanzmaßstäbe für die Finanzkraftbestimmung Wird die Finanzkraft an den Indikator Steuerkraft angeknüpft, so gilt laut Bundesverfassungsgericht: „Es müssen aber dann grundsätzlich alle Steuern einbezogen werden 163 ." Das klingt mißverständlich. Denn nach dem zuvor Gesagten sind nicht nur „dann", wenn der Gesetzgeber den Indikator Steuerkraft wählt, alle Steuern einzubeziehen, wenn auch nur „grundsätzlich". Vielmehr muß der Gesetzgeber alle Steuereinnahmen in Betracht ziehen, weil sie charakteristischerweise Einnahmen sind, und er hat sie in den normativen Finanzkraftbegriff einzubeziehen, weil sie typischerweise das Finanzaufkommen bei den Ländern bzw. die Finanzausstattung der Länder markieren. Der Finanzkraftbegriff ist „aufkommensorientiert" 1 6 4 . Deshalb bezieht er sich ausnahmslos auf alle Steuereinnahmen. Er braucht sie jedoch nicht unbedingt definitorisch zu erfassen. Für Steuereinnahmen gilt insoweit nichts anderes als für sonstige Einnahmen. Ihre mögliche Nichtberücksichtigung folgt denselben Ausnahmeregeln, die das Bundesverfassungsgericht für die Bewertung der ,,weitere(n) Abgaben" und sonstigen „Einnahmen" aufgestellt hat 1 6 5 . Demnach darf der Gesetzgeber „eine", also prinzipiell jederart Einnahme unberücksichtigt lassen, wenn - sie ihrem Volumen nach nicht ausgleichsrelevant ist, - sie in allen Ländern verhältnismäßig gleich anfällt „oder" - der Aufwand für die Ermittlung der auszugleichenden Einnahmen zu dem möglichen Ausgleichseffekt außer Verhältnis steht. StuW 1974, S. 280 f.; Fischer-Menshausen, in: von Münch, Kommentar, Bd. 3, Art. 107 Rn. 15; Birk, in: Alternativkommentar, Bd. 2, Art. 107 Rn. 9. 162 So, wenngleich mit höchst vorsichtiger Formulierung, BVerfGE 72, S. 330 (413): Die Nichtberücksichtigung der Einnahmen der Länder aus Kapitalzinsen u. ä. „wäre allerdings bei einer erheblichen Änderung des Volumens und einer deutlich unterschiedlichen Verteilung dieser Einnahmen möglicherweise anders zu beurteilen". 163 BVerfGE 72, S. 330 (400). BVerfGE 72, S. 330 (400, 402). 165 Die Reihung: Einnahmen aus Steuern, aus weiteren Abgaben, sonstige Einnahmen, folgt der typischen Aufkommensrelevanz, ohne ein Relevanzprinzip zu determinieren; vgl. BVerfGE 72, S. 330 (400, 409).

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C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

Das Bundesverfassungsgericht formuliert insoweit Tatbestandsalternativen, ohne sie dann nur alternativ zu behandeln. In der Tat ist das Entweder-Oder problematisch. Ist ein Einnahmeposten seinem Volumen nach ausgleichsrelevant, so müßten Ermittlungsschwierigkeiten sich allemal haushaltstechnisch beheben lassen, um Einnahmeverstecke zu verhindern. Davon geht auch das Bundesverfassungsgericht aus, wenn es haushaltstechnische Belastungen „bei einer erheblichen Änderung des Volumens" von Zins- oder Wirtschaftseinkünften zurückgestellt wissen will 1 6 6 . Andererseits läßt die Ausgleichsrelevanz sich erst ermessen, wenn Ermittlungsschwierigkeiten behoben und der Einnahmeposten bestimmt ist. Infolgedessen ist vorab das Nutzen-Kosten-Verhältnis von Ausgleichswirkung und Ermittlungsaufwand abzuschätzen. Ähnlich verhält es sich mit der zweitgenannten Ausnahmeregel. Das Gericht bemißt die Verhältnismäßigkeit dort pro Einwohner 167 . Das ist ein Bezugspunkt. Im Kontext des gesamten Finanzaufkommens eines Landes bekommt jeder Einnahmeposten jedoch ein Quotengewicht, das je nach Haushaltsvolumen unterschiedlich ausfällt. Der gleiche Aufkommensbetrag wirkt sich bei verschiedenen Volumina des gesamten Finanzaufkommens verhältnismäßig unterschiedlich aus. Deshalb kann er nicht vorab und ohne Rücksicht auf seinen Wirkungszusammenhang in einem Land gegen gleichartige Einkommensposten der anderen Länder aufgerechnet werden. Da der Tatbestandsbegriff „Finanzkraft" eine Gesamtheit von Finanzaufkommen bezeichnet, schließt er isolierte, auf einzelne Einnahmekategorien reduzierte Ausgleichs- beziehungsweise Neutralisierungsvorgänge außerhalb des allgemeinen Finanzausgleichs gemäß Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G prinzipiell aus. Infolgedessen kommt es zunächst darauf an, das Finanzaufkommen bzw. die tatsächliche Finanzausstattung eines-jedes - Landes mit Hilfe aller finanziell überhaupt bemerkenswerten Einnahmeposten zusammenzustellen. Das Kriterium der „Ausgleichsrelevanz der Ländereinnahmen", auf das das Bundesverfassungsgericht in der Hauptsache abzustellen glaubt, hat seinen Grund nicht im Tatbestand der Finanzkraft, sondern bezieht sich auf die normative Ausgleichsfolge. Darauf ist wiederholt und zutreffend hingewiesen worden 168 . Die Aussage, daß ein geringes Aufkommensvolumen einer Ertragsquelle nicht veranschlagt zu werden braucht, stellt nicht die Finanzkrafteignung „kleiner" Einkommen in Frage, sondern nur die Notwendigkeit ihrer Berücksichtigung bei der Bemessung des Ausgleichs. Sie ist eine Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und daher der Rechtsfolge „angemessener Ausgleich" zugehörig. Im Hinblick auf diese Rechtsfolge darf eine Einnahmekategorie von der Tatbestandsdefinition der „Finanzkraft" ausgenommen werden. Soll die Rückwirkung „verläßlich", nachvollziehbar, berechenbar und korrigier166

BVerfGE 72, S. 330 (413). BVerfGE 72, S. 330 (409 - unklar: 413). 168 Vgl. Kirchhof, Länderfinanzausgleich, S. 52, 54 ff.; Ossenbühl, S. 70 f.; Vogel/Kirchhof, in: Bonner Kommentar, Art. 107 Rn. 151. 167

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bar bleiben, so kann sie allerdings nicht aufgrund von Kurzschlüssen, sondern erst aufgrund des dargelegten, gestuften Verfahrens stattfinden: - Heranziehung aller Einnahmen, - Aufkommenserhebung oder -Schätzung, - Herstellung der Vergleichbarkeit, - Bewertung der Einzelposten auf ihre Ausgleichsrelevanz hin, - Einbeziehung in die Finanzkraftdefinition oder Außerachtlassung. Die Vereinfachung der Feststellung der Ausgleichsrelevanz einer Einnahmekategorie kann darin liegen, daß der Gesetzgeber an Schätzungen und Erfahrungswerte anknüpfen darf. Diese Vereinfachung erledigt sich, wie gesagt, „bei einer erheblichen Änderung" der Verhältnisse, die es zu beobachten gilt. Außer auf das Kriterium der Ausgleichsrelevanz hat das Bundesverfassungsgericht im Rahmen seiner konkreten Normprüfung auf weitere Auswahlmaßstäbe abgestellt, die bedacht werden sollen. Sie spielen bei der Frage der Einbeziehung nichtsteuerlicher Einnahmen eine Rolle. Zur Finanzkraftbewertung der bergrechtlichen Förderabgabe weist das Gericht darauf hin, daß diese „weitere Abgabe" - „nicht Ausdruck einer Vermögensumschichtung im Sinne eines Entgelts" für eine Eigentumsverschiebung und - „nicht nur einmalige Einnahme des betreffenden Landes" sei. Bei der Finanzkraftbewertung von Zinseinnahmen erwägt das Gericht überdies, ob die Einnahmen - „durchlaufende Posten in den Haushalten der Länder" sind oder - „aus der Art und Weise der Durchführung einer staatlichen Aufgabe unter Einsatz allgemeiner Finanzmittel stammen" 169 . Diese Maßstäbe liegen dem Maßstab der Ausgleichsrelevanz voraus. Sie definieren das Tatbestandsmerkmal „Finanzkraft" unmittelbar. Ihre Begründung liegt auf der Hand: Bei Einmaligkeit wird das Solidarverhältnis der Länder nicht berührt; bei Vermögensdurchlauf und Vermögensersatz geht es nicht um Aufkommensbewegungen, sondern um aufgabenneutralen Transfer beziehungsweise Bestand. Ob die letztgenannten Gesichtspunkte eine jederzeit passende Abgrenzung ermöglichen, wird namentlich bei den Gebühreneinnahmen noch zu erwägen sein. Auf weitere Auswahlmaßstäbe hat das Bundesverfassungsgericht sich nicht eingelassen. Unerheblich bleibt daher das im Schrifttum erörterte Kriterium der „Fungibilität": Nicht fungible Einnahmen, über die „bereits bei ihrem Eingang rechtlich oder doch zumindest betriebswirtschaftlich verfügt worden ist", ließen sich nicht mehr verteilen, also auch nicht veranschlagen 170. Abgesehen von dem 169

BVerfGE 72, S. 330 (410, 412).

5 Grawert

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C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

Umstand, daß eine „betriebswirtschaftliche" Bindung rechtlich nicht faßbar und im übrigen der Willkür zugänglich ist, nimmt das Kriterium vorweg, was Zweck des Finanzausgleichs ist, nämlich den Bezug zur Ausgaben- und Aufgabenverantwortung. Es schafft im übrigen Manipulationen ein offenes Feld - man denke an Ausgabengesetze oder Verpflichtungsermächtigungen. Weil es auf „Fungibilität" in diesem Sinne nicht ankommen kann, wird auch das vom Bundesverfassungsgericht für erheblich gehaltene Kriterium „durchlaufende Posten" eng, nämlich als ausschließlich haushaltstechnischer Vorgang ohne eigene Zweckdisposition seitens des Landes verstanden werden müssen. Da die „Finanzkraft der Länder" aufkommensorientiert ist und der Sicherstellung der Leistungsfähigkeit dient, läßt sie sich nicht nach einem hypothetischen Maßstab berichtigen, der darauf abstellt, ob ein Land und dessen Kommunen eine aktive oder eine passive Steuergesetzgebungs- und Einnahmepolitik betreiben beziehungsweise ob sie alle verfügbaren Ertragsquellen soweit wie möglich ausschöpfen oder nicht. Vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ist dafür plädiert worden, nicht auf das tatsächliche, sondern auf das bei durchschnittlicher Ausschöpfung der Ertragsquellen erreichbare Finanzaufkommen abzustellen171. Das Gericht ist darauf zu Recht nicht eingegangen; es hat vielmehr sowohl die Ausgleichsrelevanz der Grunderwerbsteuer, der Feuerschutzsteuer und der Spielbankabgabe als auch die der Förderabgabe auf Erdöl nach dem tatsächlichen Aufkommen ermittelt 172 . Art. 106 und Art. 107 Abs. 1 G G bieten für hypothetische Berichtigungen keinen Anlaß. Berichtigungskriterien müßten als dogmatische Kunstwerke auftreten. Während das Grundgesetz ausdrücklich Raum für eine - auch von Land zu Land unterschiedliche - Landesgesetzgebung läßt, müßten einer Berichtigung Ausgangs werte zugrunde gelegt und Ziele gesetzt werden, die Gleichschaltungseffekte haben. Um Nachteile beim Finanzausgleich zu vermeiden, wären die Länder veranlaßt, eine dem Ideal durchschnittlicher Vernünftigkeit folgende Steuer-, mittelbar auch Wirtschaftspolitik zu betreiben. Was „vernünftig" ist, läßt sich jedoch schon der Sache nach kaum ausmachen: Unnütze Aufgaben wiegen so schwer wie Einnahmeverzichte, erst recht wie nachteilige Wirtschaftspolitiken. Dazu kommt das Problem der Vergleichbarkeit: Eine Abgabenverschonung, die ein Land vornimmt oder zuläßt und die zur Aufkommensminderung führt, kann nämlich sachliche, nicht selten zwingendeetwa strukturpolitische - Gründe haben, so daß von einem Fehlverhalten und von einem Mißbrauch des Finanzausgleichs nicht schon die Rede sein kann, wenn ein Land den Ertragsdurchschnitt in gewisser Beziehung unterschreitet. Berichtigungen nach hypothetischen Maßstäben bedeuten allemal Eingriffe in die Politikautonomie der Länder und Kommunen. Sie führten zu einer umfas170 So - samt Zitat - Kisker, Förderzins, S. 39 f.; kritisch dazu Ossenbühl, Grundfragen, S. 67 ff. 171 Kirchhof, Länderfinanzausgleich, S. 41 ff., unter Berufung auf Heitlage, FinArchNF 14 (1953), S. 454. 172 Vgl. BVerfGE 72, S. 330 (409 ff.).

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senden, über die Korrekturmaßstäbe des Art. 85 und Art. 109 Abs. 4 GG weit hinausgehenden Art von Bundesaufsicht aus Anlaß des Länderfinanzausgleichs. Der Finanzausgleich ist jedoch kein Mittel zur Disziplinierung der Länder, sondern zur Hilfe für sie. Die Finanzkraft bleibt also am tatsächlichen Finanzaufkommen eines Landes orientiert. Art. 107 Abs. 2 Satz 1,1. Halbsatz, GG läßt Typisierungen und Schematisierungen zu, sofern sie den „umfassenden" Charakter der tatbestandsmäßigen Finanzkraft nicht beeinträchtigen. Gewisse Schematisierungen lassen sich von dem rechtsfolgespezifischen Kriterium der Ausgleichsrelevanz ableiten.

4. Der Umfang der kommunalen „Finanzkraft" Infolge der Begriffsparallelen im ersten und zweiten Halbsatz des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG kann es mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes als ausgemacht gelten, daß auch die „Finanzkraft" der Kommunen „umfassend zu verstehen" ist und jedenfalls alle Einnahmen enthalten muß, die ausgleichsrelevant sind 173 . Von diesen Vorgaben abzugehen, bietet die Norm keinen Anlaß. Wortlaut, Sinnzusammenhang und Entstehungsgeschichte sprechen weder für eine weitere noch für eine engere, sondern für dieselbe Auslegung der beiden Finanzkraftbegriffe. Der zweite Halbsatz des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G veranlaßt ebensowenig zu einer ungenauen, ungefähren Begriffsauffassung oder zu der Annahme, der Gesetzgeber habe es anders als beim ersten Halbsatz in der Hand, den Begriff „frei" zu konkretisieren. Auch wenn man die Rechtsfolgeanordnung „berücksichtigen" im Sinne einer „freien" Ermessensermächtigung auffaßt - was in Frage zu stellen ist - , ist dies kein Grund, von einer präzisen Bestimmung des Gegenstandsbereiches abzusehen. Die Präzision obliegt, wie zum Begriff „Finanzkraft der Länder" ausgeführt, dem Finanzausgleichsgesetzgeber im Rahmen der verfassungsrechtlichen Maßgaben. Aus gesetzessystematischen Gründen kann der Gesetzgeber den Begriff „Finanzkraft" für beide Halbsätze des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G allerdings nur einheitlich konkretisieren. Sein vom Bundesverfassungsgericht konzedierter - Spielraum für „vertretbare" Begriffsbestimmungen unterliegt in der einen oder anderen Richtung: Finanzkraft der Länder, Finanzkraft der Kommunen, den Regeln der Selbstbindung. Da es um den Finanzausgleich zwischen den Ländern geht, ist die Finanzkraft aller Kommunen eines Landes insgesamt gefragt, die sich aus der Finanzkraft der einzelnen Kommunen ergibt. Finanzkraft ist auch im Falle der Kommunen im Kern, aber nicht nur Steuerkraft. Infolgedessen sind alle den Kommunen zufließenden Steuererträge 173 Aus ökonomischer Sicht ebenso Peffekoven, Voraussetzungen vgl. oben C. I. und II.

5

Fin Arch NF 45 (1987), S. 196. - Zu den

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C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

berücksichtigungsfähig, ungeachtet dessen, von wem sie erhoben werden. Eine Doppelveranschlagung beim Land und dessen Kommunen ist allerdings ausgeschlossen. Ob die betreffenden Steuererträge berücksichtigt werden müssen, hängt, wie gesagt, nicht von der Art des Steuertatbestandes, sondern vom Umfang des Aufkommens bei mittelfristiger Perspektive ab. Demgemäß kommen zur Berechnung der kommunalen Finanzkraft, falls erheblich und berechenbar, in Betracht: - der Anteil der Gemeinden an dem Aufkommen der Einkommensteuer gemäß Art. 106 Abs. 5 GG, - das Aufkommen der Realsteuern gemäß Art. 106 Abs. 6 GG, das heißt derzeit: das Aufkommen der Grund- und der Gewerbesteuer, abzüglich der Gewerbesteuerumlage, - das Aufkommen der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern gemäß Art. 106 Abs. 6 G G bei den Gemeinden und bei den Gemeindeverbänden 174. Die den Kommunen gemäß Art. 106 Abs. 7 G G zufließenden Steuerertragsanteile sind unterschiedlicher Qualität. Satz 1 der Vorschrift gewährt den Gemeinden und Gemeindeverbänden einen Beteiligungs- und Ertragsanspruch, der vom Landesgesetzgeber zu konkretisieren ist. Dies setzt voraus, daß der Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftssteuern bestimmt und den einzelnen Ländern zugeordnet ist. Dem vorgeschaltet ist das spezielle Ausgleichsverfahren gemäß Art. 107 Abs. 1 Satz 4 GG. Erst wenn es durchgeführt ist, steht der „Länderanteil" fest, über den landesintern zur Verteilung verfügt werden kann. Art. 106 Abs. 7 Satz 1 GG meint demnach eine Beteiligung an dem einem Land endgültig verfügbaren „Länderanteil". Rechtstechnisch kann das Land diese Beteiligung auch durch einen Hundertsatz des Brutto-Länderanteils definieren, um Berechnungs- und Festsetzungsprobleme vorab zu lösen 175 . Da Art. 106 Abs. 7 Satz 1 in Verbindung mit Art. 107 Abs. 1 G G zunächst die Ertragshoheit der einzelnen Länder begründet, rechnen die betreffenden Steueraufkommen auch dann zur Finanzkraft der Länder selbst, wenn sie an die Kommunen weitergeleitet werden. Dasselbe ist - erst recht - im Falle des Art. 106 Abs. 7 Satz 2 G G anzunehmen. Art. 106 Abs. 7 GG begründet keine ursprüngliche Ertragshoheit der Kommunen. Er unterstellt vielmehr die eigene Ertragshoheit der Länder. Dann bestimmt und gliedert er den kommunalen Finanzausgleich innerhalb des Landes. Die in seinem Rahmen erfolgenden Finanzzuteilungen des Landes an die Kommunen stärken deren „Finanzkraft" erst mittelbar via Finanzkraft des Landes. Sie sind also dort zu veranschlagen. 174 Dazu näher in Pagenkopf. Gemeindefinanzsystem, S. 50 ffBayer, in: HBKWP, 2. Aufl., Bd. 6, S. 156 ff. 175 Zu den Berechnungsproblemen vgl. Vogel/Kirchhof in: Bonner Kommentar, Art. 107 Rn. 126 f.

II. Die Finanzkraft der Kommunen

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Das neugefaßte Finanzausgleichsgesetz berücksichtigt die beiden in der Enumeration erstgenannten Aufkommensarten 176 . Das Aufkommen der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern bleibt hingegen vollständig außer Ansatz (§ 8 Abs. 1 FAG). Dies könnte wegen fehlender Ausgleichsrelevanz gerechtfertigt sein. Welcher Relevanzmaßstab dabei heranzuziehen ist, läßt sich nach den Äußerungen des Bundesverfassungsgerichtes nur ungefähr sagen. Im Falle der Feuerschutzsteuer und der Spielbankabgabe hat das Bundesverfassungsgericht ein Aufkommensvolumen für relevant gehalten, das „jährlich einige hundert Millionen D M " betrug 177 . Dabei ist es von der Berechnung und Bewertung der Einzelsteuer ausgegangen. Im Falle der für verfassungswidrig erklärten Ehegattenklausel des § 5 Abs. 2 Satz 4 des Gesetzes über die Steuerberechtigung und die Zerlegung bei der Einkommensteuer und Körperschaftssteuer in der Fassung vom 25. Februar 1971178 hielt das Gericht jedoch schon einen Einnahmeverlust des Landes Hamburg in Höhe von 37 Millionen D M für erheblich 179 . Folgt man dem, dann vermag derzeit aller Voraussicht nach keine der sogenannten „Kleinen Gemeindesteuern" des angezeigte Niveau zu erreichen 180. Angesichts dessen kommt es auf Ermittlungsprobleme nicht mehr an. Sollten die Aufkommen aus kleinen Gemeindesteuern allerdings infolge von Änderungen der Gesetzgebung oder aus anderen Gründen gesteigert werden, so würden auch sie je nach Ermittlungslage zu berücksichtigen sein. Das Finanzausgleichsgesetz sollte dafür eine Art Fortschreibungsklausel vorsehen. Das neugefaßte Finanzausgleichsgesetz beschränkt sich auf die kommunale Steuerkraft, um die „Finanzkraft" der Kommunen festzulegen. Nach der Normlogik des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G ist dies ebenso unzutreffend wie im Fall „Finanzkraft der Länder". Auch die kommunale Finanzkraft umfaßt weitere Ertragsarten. Von Interesse sind namentlich die Erträge aus wirtschaftlicher Tätigkeit, aus Konzessionsabgaben, aus Gebühren und Beiträgen.

5. Insbesondere: Das Realsteueraufkommen Da das Realsteueraufkommen für die Gemeinden und pro Land einen ausgleichsrelevanten Umfang besitzt 181 , ist es selbstverständlich bei einer umfassenden Finanzkraftberechnung zu berücksichtigen. Fraglich ist nur, mit welchen Rechnungsansätzen dies zu geschehen hat. Nach Art. 106 Abs. 6 Satz 2 G G ist den Gemeinden das Recht einzuräumen, die Hebesätze der Realsteuern im Rahmen der Gesetze festzustellen. Das 176

Zur Kritik an § 8 Abs. 2 Nr. 3 FAG vgl. die Ausführungen unter C. II. 5. und Β. IV. 3. BVerfGE 72, S. 330 (409). 178 BGBl. I S. 145. 179 BVerfGE 72, S. 330 (408). 180 Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 14 (Finanzen und Steuern), Reihe 3.3: Rechnungsergebnisse der kommunalen Haushalte 1983, 1985, S. 54 f. 181 Ebd. 177

70

C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

Grundsteuergesetz vom 7. August 1973182 und das Gewerbesteuergesetz 1984 (GewStG 1984) in der Fassung vom 14. Mai 1984183 sind dem nachgekommen. Das Hebesatzrecht gilt als ein Essentiale der gemeindlichen Finanzhoheit und damit des Selbstverwaltungsrechtes im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 G G in Verbindung mit Art. 106 Abs. 6 Satz 2 G G 1 8 4 . Kraft dieses Rechtes können die Gemeinden in erheblichem Umfang über die Finanzierung ihrer Aufgaben entscheiden und Daten für die örtliche Wirtschaftsentwicklung setzen. Die Hebesatz„politik" ist ein Faktor des Wirtschaftswettbewerbs zwischen den Gemeinden und implicite zwischen den Ländern. Niedrige Hebesätze gelten als attraktiv, hohe Hebesätze als abschreckend. Da die Realsteuern als allgemeiner „Beitrag" von Grundbesitz und Gewerbebetrieb zu den durch Belegenheit und Unternehmen veranlaßten kommunalen Lasten gerechtfertigt werden 185 , bedeutet Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG, daß den Gemeinden die Bildung ihrer besonderen KostenNutzen-Einheit mit Einwohnern und Unternehmen überantwortet sind. Die politische Entscheidung über die Steuererhebung und die Hebesatzfestsetzung ist eine Entscheidung über Bedingungen der „Funktionsfähigkeit der Gemeinde" , 8 6 . Die Entscheidungsautonomie ist durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG legitimiert und durch Art. 106 Abs. 6 Satz 2 G G Bestandteil der Finanzordnung. Sie ist daher im Rahmen dieser Finanzordnung mit ihrem verfassungsbegründeten Wertgehalt zu respektieren. Demgegenüber ist das Argument unerheblich, daß Gemeinden und Länder, die mit einer sogenannten Niedrigsteuerpolitik ihre Wirtschaft schonten und dadurch ihren Finanzkraftschnitt drückten, diejenigen Länder beim Finanzkraftausgleich unzuträglich belasteten, die eine Hochsteuerpolitik betrieben und damit ihre Wirtschaftslage anspannten; sie müßten deshalb mit einem Malus beim Finanzkraftausgleich belegt werden, der die nicht ausgeschöpften Hebesatzressourcen auszuweisen hätte. Eine solche Forderung diskriminierte die Autonomie der Kommunen entgegen der Garantie des Art. 28 Abs. 2 GG. Ohnehin ist der finanzpolitische Wert hoher bzw. niedriger Hebesätze ambivalent: „Reiche" Gemeinden können sich zur Heranziehung der örtlichen Wirtschaft ebenso wie zu deren pfleglicher Schonung veranlaßt sehen, und „arme" Gemeinden können sich mit Rücksicht auf die vorhandene und erhoffte Wirtschaft zwar zur Schonung mit Rücksicht auf ihre Finanzlage, aber auch zur Heraufsetzung der Hebesätze gezwungen sehen187. 182

BGBl. I S. 765. BGBl. I S. 657. 184 Vgl. Grawert, in: Selbstverwaltung, S. 603 f.; wer an einer materiellen Realsteuergarantie zweifelt, anerkennt den Selbstverwaltungsgehalt der Hebesatzgarantie jedenfalls für die Ertragsdauer von Realsteuem, vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 106 Rn. 91; entschiedener Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, S. 256, mit Hinweisen auf obergerichtliche Rechtsprechung. 185 BVerfGE 21, S. 54 (65 f.); 21, S. 160 (168), betreffend Gewerbesteuer; dazu Kommission für die Finanzreform, Gutachten, Tz. 355 (S. 92); Pagenkopf Gemeindefinanzsystem, S. 138. 186 BVerfGE 21, S. 54 (67). 187 Vgl. dazu die instruktive Übersicht von Jasper, in: Institut „Finanzen und Steuern", Brief Nr. 248: Entwicklung der Realsteuerhebesätze der Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern 1985 gegenüber 1984. 183

II. Die Finanzkraft der Kommunen

71

Der Nivellierung der Hebesätze liegt eine statische Betrachtungsweise zugrunde, die die kommunale Gestaltungskompetenz außer acht läßt. Es wird nämlich davon ausgegangen, daß bei Gemeinden mit niedrigen Hebesätzen die Anzahl der Unternehmen und damit die Grundbetragssumme auch dann gleich blieben, wenn die Hebesätze auf das durchschnittliche Niveau angehoben würden. Diese Annahme trifft jedoch nicht durchweg, jedenfalls nicht in voraussehbarer und verläßlicher Weise zu, so daß sie nicht Grundlage einer normativen Regelung sein kann. Von Verfassungs wegen dürfen Gemeinden im übrigen sowohl eine Art „Mengenpolitik" als auch eine „Preispolitik" bei der Gestaltung ihrer Hebesätze betreiben, um eine gewünschte bzw. erforderliche Einnahmehöhe zu erzielen: Bei der „Mengenpolitik" wird der Hebesatz niedriger - ggf. vergleichsweise unterdurchschnittlich - angesetzt in der Erwartung, daß durch Zuwanderung oder nicht erfolgten Wegzug von Unternehmen die Menge an Unternehmen und die Grundbetragssumme die erforderlichen Steuereinnahmen erbringen werden; bei der „Preispolitik" werden über den Preis bzw. Hebesatz die Gesamteinnahmen zu steigern gesucht. Durch eine Nivellierung des „Preises" oder der Hebesätze wird die Mengen- gegenüber der Preispolitik diskriminiert. Damit wird der Spielraum kommunaler Steuer-, Wirtschafts- und Standortgestaltung verengt. Angesichts dieser Konsequenzen muß die Hebesatzgarantie zur Hinnahme der gemeindlichen Entscheidungsfreiheit sowie von deren Folgen ohne weitere „Berichtigungen" führen. Die Entscheidungszuständigkeit der Gemeinden für die Höhe der Hebesätze ist ein Faktor, der bei der Bestimmung des Finanzkraftbegriffs ohne weiteres hinzunehmen ist, weil er sich aus dem systematischen Zusammenhang des Art. 106 Abs. 6 Satz 2 mit Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G ergibt. Infolgedessen sind auch die gemäß den geltenden kommunalen Hebesätzen zustande kommenden Steuererträge in das Finanzaufkommen der Länder einzubeziehen, zumal die kommunale Finanzkraft „umfassend" zu berücksichtigen ist. Allerdings unterliegt der - unbestimmte — Finanzbegriff der legislativen Disposition in den Grenzen der verfassungsrechtlichen Rahmenbestimmungen und Vorgaben; er kann in vertretbarer Weise vom Gesetzgeber konkretisiert werden. Zu den Rahmenbestimmungen gehört Art. 28 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG, demgemäß das hebesatzbestimmte Realsteueraufkommen zu respektieren und zu veranschlagen ist. Dies trifft sich mit der aus Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G folgenden These, daß die Tatbestandsvoraussetzungen des Finanzkraftausgleichs so präzise und wirklichkeitsnah wie möglich bestimmt werden müssen, um dem Ziel der Sachgerechtigkeit zu genügen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Begriff der Finanzkraft gewisse, konkretisierungsbedürftige Bedarfsaspekte beinhaltet und beinhalten darf, sofern sie zur Vergleichsberechnung nötig sind und „abstrakt" formuliert werden 188 . Weil 188 BVerfGE 72, S. 330 (400); das Bundesverfassungsgericht anerkannte dort die „Berücksichtigung eines abstrakten, nämlich auf die Zahl der Einwohner bezogenen Kriteriums für den Mittelbedarf" bei der Umrechnung der „absoluten Erträge der Länder" auf „die jeweilige Ein-

72

C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

überdies Verfahrensvereinfachungen erforderlich sind, ist es dem Finanzausgleichsgesetzgeber gestattet, das Realsteueraufkommen auch nach vergleichsspezifischen Kriterien zu definieren und insoweit modifiziert zum Finanzkraftausgleich zu bringen. Der Gesetzgeber muß dafür sachgerechte Gründe haben und objektivierte Kriterien anwenden189. Als derartige Kriterien kommen die Gemeindegröße, die Einwohnerdichte, die landesplanerische Standortqualifikation, die Verkehrsanbindung u.ä. in Betracht; zwingend vorgegeben ist keines dieser Kriterien, so daß die Wahl nach Wirklichkeitsnähe und Praktikabilität erfolgen kann. Die an sich, soweit erforderlich, zulässige Schematisierung und Typisierung dürfen aber keinesfalls die realen Aufkommensverhältnisse strukturell verfälschen. Daher ist es zwar rechtens, daß die Einführung und Anwendung vergleichsspezifischer Kriterien zu gewissen Abweichungen vom realen Realsteueraufkommen führen. Die Abweichungen dürfen jedoch einen ausgleichsrelevanten Umfang nicht annehmen, und sie dürfen das Aufkommensverhältnis der einzelnen Länder zueinander nicht erheblich verändern. Die Konkretisierungskompetenz des Finanzausgleichsgesetzgebers ermächtigt nicht dazu, reale Unterschiede der Finanzaufkommen durch Finanzkraftdefinitionen zu überholen. Das Finanzausgleichsgesetz wendet zur ausgleichsrelevanten Bewertung der Grundsteuer differenzierte Steuerkraftzahlen an. Das Gewerbesteuer aufkommen wird hingegen nach einem bundeseinheitlich fingierten Hebesatz berechnet (§ 8 Abs. 2 FAG). Diese Fiktion weicht prinzipiell und ohne stichhaltigen Grund vom System der Hebesatzfeststellung ab. Sie übergeht die Unterschiede zwischen den Gemeinden und Ländern. Zur Veranschaulichung des beachtlichen Hebesatzgefälles bei der Gewerbesteuer mögen die für Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern auf das Jahr 1985 vom Institut „Finanzen und Steuern" ermittelten Daten dienen 190 . wohnerzahl der Länder" zur Herstellung der Vergleichslage. Die These des Gerichts bezieht sich direkt nur auf den „Finanzbedarf der Länder", doch trifft sie auch auf die Finanzkraft der Kommunen zu. Denn gemäß § 8 Abs. 3 FAG findet dort eine Einwohnerwertung nach Gemeindegruppen bei der Errechnung der Realsteuerkraft eines Landes statt. - Wie sich aus § 1 und § 30 Gewerbesteuergesetz 1984 (GewStG 1984) in der Fassung v. 14.5.1984 (BGBl. I S. 657) ergibt, rechtfertigten die Gewerbesteuererhebung und die Ertragshoheit der Gemeinden sich der Sache nach - auch - als Äquivalent für Gemeindelasten, ein Umstand, der allerdings die Begründung - auch - durch die Opfertheorie für Steuererhebungen nicht ausschließt: so zutreffend Petzold, Gewerbesteuer, S. 9 f.; ferner Pagenkopf,\ Gemeindefinanzsystem, S. 139. Derselbe Befund gilt für die Grundsteuer. Positivrechtlich drücken § 1 und § 22 Grundsteuergesetz (GrStG) v. 7.8.1973 (BGBl. IS. 965) den Bedarfsbezug zwar nur sehr distanziert aus; er ergibt sich aber aus §§ 2,13 Abs. 1 GrStG in Verbindung mit § 80 Bewertungsgesetz (BewG) in der Fassung v. 30.5.1985 (BGBl. IS. 845), der u.a. auf die bauplanungsrechtliche Nutzbarkeit des Grundstücks, auf die Gemeindegrößenklasse, auf die „besonderen wirtschaftlichen Verhältnisse" in einer Gemeinde sowie auf deren Einwohnerzahl Bezug nimmt. Die Grundsteuer stellt sich also ebenfalls als ein Äquivalent für Leistungen der Gemeinde, namentlich solche infrastruktureller Art, dar; so Gutachten der Steuerreformkommission 1971, S. 714f.; ebenso Troll, Grundsteuergesetz, S. 35. 189 BVerfGE 72, S. 330 (331, 399 f.). - Übersicht über die Anwendung vergleichbarer Kriterien beim kommunalen Finanzausgleich in dem vom Innenminister des Landes NordrheinWestfalen hrsg. Gutachten, S. 23 ff.

II. Die Finanzkraft der Kommunen

73

Danach ergibt sich folgendes Profil der Hebesatzstreuung: Im Bundesland betrug der höchste Hebesatz und der niedrigste Hebesatz im Hundertsatz Hessen Nordrhein-Westfalen Bayern Niedersachsen Baden-Württemberg Schleswig-Holstein Rheinland-Pfalz Saarland

480 430 450 415 395 355 410 450

290 310 330 310 300 300 355 450

In der Hebesatzgruppe von 250 bis 300 % befand sich nur eine Gemeinde; danach lautet die Gruppenverteilung wie folgt: 300 bis 350 %: 48 Gemeinden; 350 bis 400 %: 64 Gemeinden; 400 bis 450 %: 33 Gemeinden; 450 bis 500 %: 5 Gemeinden im Jahre 1985. In Bremen lag der Hebesatz bei 420 %, in Hamburg bei 435 %. Den Ländern Saarland und Schleswig-Holstein wird eine „strenge Hebesatzdisziplin" bescheinigt191. Die vom Finanzausgleichsgesetzgeber als Steuerkraftzahl postulierte Rechnungsgröße 250 vom Hundert der Grundbeträge der Gewerbesteuer vom Ertrag und Kapital - „Grundbetrag" als das in dem dem Ausgleichsjahr vorausgehenden Kalenderjahr entstandene Aufkommen, geteilt durch die in diesem Kalenderjahr in Geltung gewesenen Hebesätze - hat mit der realen Hebesatzstreuung und mit dem tatsächlichen Hebesatzgefälle nicht viel zu tun. Die postulierte Rechnungsgröße ebnet alle Unterschiede ein. Die Konstruktion eines bundeseinheitlichen Maßes nimmt das Ausgleichsverfahren bei nur einer Einkommenskategorie vorweg, das Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G als gesamtheitliches, die gesamte Finanzkraft erfassendes Verfahren durchgeführt wissen will. Sie führt zu Verzerrungen der Wirklichkeit und läßt manche „armen" Länder „reicher" und manche „reichen" Länder „ärmer" erscheinen, als sie aufgrund der geltenden Hebesätze tatsächlich sind. Das zeigt die auf Seite 74 und 75 dargestellte Rechnungsübersicht. Bei erheblichen Abweichungen vom tatsächlichen Aufkommen ist die Typisierung nicht geeignet zu gewährleisten, daß „die Steuerkraft die Finanzkraft der einzelnen Länder widerspiegelt" 192. Das geltende Veranschlagungssystem ist daher realistischer umzugestalten. 190

Vgl. Jasper, in: Institut „Finanzen und Steuern", Brief Nr. 248: Entwicklung der Realsteuerhebesätze, S. 6 ff., 8; dort auch Berechnung der Prozentabweichung; dazu Statistisches Bundesamt, Finanzen und Steuern, Fachserie 14, Reihe 10.1 Realsteuervergleich 1984, S. 16: Nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Nr. 177 v. 2.8.1988, S. 11, haben die Gemeinden die Hebesätze um 4%—14 % (in Schleswig-Holstein) erhöht, so daß ein erhebliches Hebesatzgefälle besteht. 191 Vgl. näherhin: Finanzen und Steuern, Fachserie 14, Reihe 10.1 Realsteuervergleich, Tabellenteil 1.8. 192 BVerfGE 72, S. 330 (400).

84,1

Bremen

- 2,76

+

-

2,5

0,9

- 10,9

-

9,5 ± 0,72

-

0,7 + 58,3 + 0,45

0,3 + 11,5 + 0,29

113,1

294,7

126,9

282,9

87,4 -

46,4 +

7,4 +

2,9 ±

3,58

54,00

8,9 - 18,38

2,98

35,3 - 23,8 -

28,8 -

2,4 -

1,25

7,28

2,83

1,2 -

6,1 +

6,2 -

2,7 +

4,5 -

40,4 +

53,0 -

3,1 -

148,4 -

323,5 -

130,0 -

275,5 +

374,9 -

663,9 +

849,9 -

7,37

7,91

2,78

6,7 -

2,2 +

1.055,3 + 117,9 + 11,2 + 12,61

1.300,1 -

2.095,5 +

7.217,0 ± 212,1 ±

370,4

704,3

796,9

1.173,2

7.217,0

- 0,22

- 0,05

- 1,54

3,5 + 11,4 + 1,34

0,8

0,3

447/7 ± 42,7 ±

0,5

1,2 +

2,6

30,8 +

-

-

- 11,1

1.212,7

2.141,9

a Zweite vorläufige Abrechnung der Umsatzsteuerverteilung und des Finanzausgleichs unter den Ländern im Ausgleichsjahr 1987 (Anlage 1) Schnellbrief des Bundesministers der Finanzen vom 19. September 1988 - VA 3 - FV 3110 - 12/88 -. b Finanzen und Steuern, Fachserie 14- Reihe 4, Steuerhaushalt (4. Vierteljahr und Jahr 1987) - Seiten 48/49.

Länder ohne Berlin 447J

1,9

0,5

Hamburg

34,3

2,9

32,5

31,7

Rheinland-Pfalz

Schleswig-Holstein

Saarland

33,4

33,1

Hessen

- 21,7

48,2 + 10,9 + 22,6 + 1,17

102,2

59,1

91,1

- 30,5

Grundsteuer B

Mehr- (+) oder Minderbetrag (-)fiktiver tatsächl. Mehr- (+) oder Minderbetrag (-) durch fiktiven Ansatz Ansatz Aufkomdurch fiktiven Ansatz im LFAa menb in % zum in % zum tatsächl. tatsächl. AufDM je AufDM je Mio DM kommen Einw. Mio DM Mio DM Mio DM kommen Einw.

56,8 + 27,3 + 48,1 + 1,64

139,5

Niedersachsen

109,0

Mio DM

Mio DM

Baden-Württemberg

Bayern

Nordrhein-Westfalen

tatsächl. Aufkommenb

fiktiver Ansatz im LFAa

Grundsteuer A

Gemeindesteuern im LFA 1987 (100 %)

74 C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

4.868,4

312,4

81,0 - 27,6 - 77,79

26.336,9

363,2 -

26.336,9

± 906,6 ±

720,5 753,3

2.543,5

45,4 +

62.648,8

839,5 -

+

+

62.648,8

86,2 -

80,48

± 859,1 ±

131,88 1,4

55,66

12,59 + 110,04 10,3 -

6,3 -

83,8 - 10,4 -

4,8 8,14

11,89

+

7,1

1,5

1,0 -

1,0

2,5 7,72

+ 524,5 +

0,8

+ 145,4 + 172,4 -

804,3 2.715,9 -

3,4 ± 15,29

50,8 - 14,0 - 77,72

1.292,1 - 144,2 - 11,2 - 92,04

58,5 +

10.956,0

85,3 +

18.162,5 - 450,7 -

Mio DM

66,0 +

+

2.047,4

3.106,9

6.696,3 -

5.993,0

11.480,5

+

17.711,8

11.327,0

2.192,8

3.152,3

6.630,3

6.051,5

8,2 + 42,32

11.412,3

6,7 - 31,46

Mio DM

Mehr- (+) oder Minderbetrag (-) durch fiktiven Ansatz

±

+

14,49

56,10

27,03

in % zum tatsächl. AufDM je Mio DM kommen Einw.

tatsächl. Aufkommenab

Gemeindesteuern im LFA insgesamt0

a Zweite vorläufige Abrechnung der Umsatzsteuerverteilung und des Finanzausgleichs unter den Ländern im Ausgleichsjahr 1987 (Anlage 1) Schnellbrief des Bundesministers der Finanzen vom 19. Sept. 1988 - VA 3 - FV 3110 - 12/88-. b Finanzen und Steuern, Fachserie 14 - Reihe 4, Steuerhaushalt (4. Vierteljahr und Jahr 1987) - Seiten 48/49 -. c Gemeindeanteil an der Lohn- und Einkommensteuer, Gewerbesteuer nach Ertrag und Kapital abzüglich Gewerbesteuerumlage, Grundsteuer A und B.

Länder ohne Berlin

Bremen

1.147,9

212,2

293,2 -

Hamburg

Saarland

4,2 + 14,03

3,5 - 19,11

5,6 + 17,05

+ 395,7 +

4,4 + 18,40

+ 134,5 + 21,0 + 51,49

50,6 +

+

640,6

1.199,7

Rheinland-Pfalz 1.250,3

Schleswig-Holstein 775,1

106,1 -

3.018,3 -

2.912,2

Hessen

4.843,8

+ 122,6 +

2.300,4

2.177,8

Mio DM

in % zum tatsächl. AufDM je kommen Einw.

Mehr- (+) oder Minderbetrag (-) fiktiver durch fiktiven Ansatz Ansatz im LFAa

7.843,0 - 524,5 -

+ 203,2 +

5.239,5

4.665,2

7.318,5

Mio DM

Mio DM

Niedersachsen

Baden-Württemberg

Bayern

Nordrhein-Westfalen

tatsächl. Aufkommenab

fiktiver Ansatz im LFAa

Gewerbesteuer abzüglich Gewerbesteuerumlage

Gemeindesteuern im LFA 1987 (100%)

II. Die Finanzkraft der Kommunen 75

C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

76

6. Insbesondere: Einnahmen aus wirtschaftlicher Konzessionsabgaben

Tätigkeit

-

Berücksichtigungsfähig sind bei entsprechender Anwendung der für die Länder entwickelten Maßstäbe die Einnahmen der Kommunen aus wirtschaftlicher Tätigkeit, wobei erheblich nur die „Nettoeinnahmen" sein können 193 . Zu derartigen Einnahmen gehören die Unternehmensüberschüsse der wirtschaftlichen Unternehmen der Kommunen. Im Schrifttum werden derartige Einnahmen der Kommunen für gewichtiger gehalten als die entsprechenden des Bundes und der Länder 194 , doch stehen ihrer rechnerischen Ermittlung erhebliche Schwierigkeiten entgegen. Anders steht es mit den kommunalen Konzessionsabgaben: Auch sie sind „Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit". Sofern sie die angedeutete Marge der Erheblichkeit nicht nur einmalig, sondern mittelfristig regelmäßig und feststellbar erreichen, sind sie daher zur Finanzkraftermittlung heranzuziehen. Die Statistik zeigt folgendes Bild 1 9 5 : Einnahmen aus Konzessionsabgaben 1986 in Mio D M Nordrhein-Westfalen

in D M / E W

1.464,5

87,88

in v.H. 128,2

Bayern

447,8

40,73

59,4

Baden-Württemberg

614,4

66,09

96,4

Niedersachsen

450,5

66,61

91,3

Hessen

375,1

67,81

98,9

Rheinland-Pfalz

246,7

68,33

99,7

Schleswig-Holstein

75,4

135,0

51,67

Saarland

58,9

56,45

82,3

Hamburg

180,2

114,36

166,8

84,1

127,90

186,6

4.057,3

68,55

100,0

Bremen Zusammen nachrichtlich: Kreisfreie Städte Kreisangehörige Gemeinden, Ämter Landkreise

193

1.928,8 Mio D M 1.642,2 Mio D M 222,0 Mio D M

BVerfGE 72, S. 330 (413). Pauschal so Püttner, in: HBKWP, 2. Aufl., Bd. 6, S. 283. Vgl. näherhin Statistisches Bundesamt, Fachserie 14, Reihe 3.3: Rechnungsergebnisse der kommunalen Haushalte 1985, S. 12 f., 32 f. - vgl. vorstehende Übersicht! 195 Angaben auf Anfragen beim Statistischen Bundesamt. 194

II. Die Finanzkraft der Kommunen

77

Diese Befunde liegen im Rahmen der anerkannten Erheblichkeitsmarge. Dies zeigt sich auch im Vergleich mit dem Grundsteueraufkommen der Grundsteuer A196: 1986 Grundsteuer A in in Mio D M D M / E W Nordrhein-Westfalen Bayern Baden-Württemberg

Grundsteuer Β in v. H.

in in Mio D M D M / E W

in v. H.

56,2

3,37

45,1

1.998,9

119,94

102,0

137,3

12,48

167,0

1.254,4

114,10

97,0

45,9

4,93

65,9

1.011,7

108,84

92,5

102,3

14,21

190,2

825,8

114,78

97,6

Hessen

33,6

6,07

81,2

648,0

117,15

99,6

Rheinland-Pfalz

32,0

8,86

118,6

373,0

103,31

87,8

Schleswig-Holstein

30,5

11,67

156,2

270,0

103,34

87,9

Niedersachsen

Saarland

2,7

2,58

34,5

123,9

118,74

101,0

Hamburg

1,5

0,95

12,7

310,9

197,30

167,8

Bremen

0,5

0,76

10,1

140,0

212,92

181,1

442,5

7,47

100,0

6.956,6

117,55

100,0

Zusammen nachrichtlich: Kreisfreie Städte Kreisangehörige Gemeinden, Ämter Landkreise

17,3

2.767,6

421,6 1,6

3.738,0

Die Befunde weichen von denen für die vorausliegenden Jahre strukturell nicht erheblich ab. Daran zeigt sich, daß es um relativ stetige Einnahmeposten geht. Da der Finanzausgleich jährlich berechnet wird, lassen die jährlichen Einnahmen sich veranschlagen, ohne daß es einer Schematisierung bedarf. Ausweislich der Statistik bilden die Einnahmen aus Konzessionsabgaben mithin einen Sonderposten, dessen Volumen mit ca. 4 Milliarden D M die ausgleichsrelevante Höhe der Erträge der Grundsteuer A überschreitet und zwei Drittel der Grundsteuer Β erreicht. Dieser Umstand gibt Veranlassung, die Aufkommen aus Konzessionsabgaben in die Berechnung der kommunalen Finanzkraft einzustellen. Die Ertragsverteilung auf die einzelnen Länder fällt sehr unterschiedlich aus. Infolgedessen profitiert die Finanzkraft der einzelnen Länder ungleich von Konzessionsabgaben. Würden sie unberücksichtigt bleiben, ergäben sich zum Teil erhebliche Abweichungen der tatsächlichen von der veranschlagten Finanzkraft, so daß der Finanzkraftvergleich wettbewerbsverzerrend ausfiele.

196 Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 14, Reihe 4: Steuerhaushalt (4. Vierteljahr und Jahr 1986) - S. 50 f.

78

C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

Rechtsdogmatisch gesehen, sind Konzessionsabgaben privatrechtliche Entgelte von Versorgungs- und Verkehrsunternehmen dafür, daß ihnen die Benutzung der öffentlichen Verkehrsräume zur Leitungsverlegung gestattet und ein Betätigungsmonopol in dem betreffenden Gebiet eingeräumt wird 1 9 7 . Diese Abgaben könnten gemäß den Maßstäben berücksichtigungsfähig sein, die das Bundesverfassungsgericht zur Einbeziehung der bergrechtlichen Förderabgabe bewogen haben: Sie sei „nicht Ausdruck einer Vermögensumschichtung im Sinne eines Entgelts für die Aufgabe einer eigentumsartigen Sachherrschaft"; sie verschaffe dem Land „eine Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg der Förderunternehmen, die ein Gut der Allgemeinheit... nach Maßgabe einer ihnen nach öffentlichem Recht verliehenen Befugnis wirtschaftlich verwerten dürfen" 198 . Obwohl diese Begründung eher eine Tatbestandsbeschreibung als ein normatives Muster abgibt, lassen sich doch verallgemeinerungsfähige Kriterien erkennen. Daß der Entgeltcharakter eines Abgabenvertrages, für sich genommen, nicht ausschlaggebend sein kann, ist bereits gesagt worden. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Ertrag die entsprechende Vermögenseinbuße ausgleicht oder die freie Dispositionsmasse erhöht. Auch ersterenfalls könnte ein Ertrag nur dann außer Ansatz bleiben, wenn er kraft „Sachnähe" und nicht erst kraft sach- oder haushaltsgesetzlicher Entscheidung dem Zweck eines bestimmten Vermögensausgleichs verbunden ist. Eine solche „Sachnähe" muß man etwa bei Veräußerungserlösen annehmen, die als Substanzersatz und nicht als Ertragsmehrwert gelten; ebenso wirken Darlehenstilgungen durch Dritte nur als Wiederherstellung des status quo ante und nicht als freie Erträge. Ansonsten dienen alle Einnahmen der öffentlichen Hände der Erledigung von Aufgaben, und es macht in Ansehung der Finanzkraft keinen Unterschied, ob die Verknüpfung von Einnahme und Abgabe vorab durch den Sachgesetzgeber definiert oder erst durch den Haushaltsgesetzgeber ermöglicht wird. Auch die zweckgebundene Steuer trägt zur Finanzkraft bei. Eine zweckgebundene Abgabe sonstiger Art kann nicht anders behandelt werden 199 . Nun ist die Konzessionsabgabe nicht einmal zweckgebunden. Ihre Berücksichtigungsfähigkeit könnte allenfalls darunter leiden, daß die Abgabe als Gegenleistung an eine Leistung der Kommune gebunden ist, die aus dem Vermögensbestand stammt und nicht lediglich von marktgängigem Vermögenswert ist. Bestandspflege ist nicht Ertragsschöpfung, und nur diese könnte der Finanzkraft zugerechnet werden, die es auszu-

197 Dazu BVerwGE 22, S. 203; Büdenbender, Energierecht, S. 200 ff.; Pagenkopf, Kommunalrecht, Bd. 2, S. 105 ff.; Brügelmann/Ludwig, in: HBKWP, Bd. 3, 1959, S. 694 f., beide mit Belegen zu den Rechtsgrundlagen und zur Rechtsprechung. 198 BVerfGE 72, S. 330 (410), unter Berufung auf Friauf JA 1984, S. 627. 199 In der Tendenz ähnlich Lerche/Pestalozza, Förderabgabe, S. 82 f., gegen die vom Bundesverfassungsgericht nicht aufgegriffene „Fungibilitäts"-These von Kisker, Förderzins, S. 21. - BVerwGE 74, S. 308 (309 f.), rechnete die Ausgleichsabgabe nach dem BadenWürttembergischen Naturschutzgesetz v. 21.10.1975 (GBl. S. 654) deshalb nicht zu den steuerlichen Finanzmitteln, weil die „Wiedergutmachungsfunktion" der Abgabe fiir Schäden an der Natur maßgebend sei.

II. Die Finanzkraft der Kommunen

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gleichen gilt. Insoweit kann man eine Art „Saldo-Überlegung" 200 anstellen. Demnach ergibt sich folgende Bewertung der Konzessionsabgabe: Die Einräumung einer Monopolstellung „entreichert" die Kommune nicht bestandsschmälernd. Das Monopol wird erst durch die Verleihung begründet. Es ist die Folge der Betätigung einer vom Staat abgeleiteten Hoheitsbefugnis. Die sogenannte Konzession, die die Abgabe auslöst, kapitalisiert nicht bereits vorhandene Vermögensbestände, sondern schafft die Voraussetzungen für eine gewinnträchtige Wirtschaftsbetätigung durch das begünstigte Unternehmen. Das Entgelt für die Gewährung des Ausschließlichkeitsrechtes ist daher an sich berücksichtigungsfähig für die Finanzkraftbemessung. Das in der Konzessionsabgabe mit enthaltene Wegenutzungsentgelt201 ist zwar die Gegenleistung für ein bürgerlichrechtliches Nutzungsrecht, das durchaus eine „eigentumsartige Sachherrschaft" verschaffen kann, sofern man dazu auch ein durch Art. 14 G G geschütztes Recht wie eine Grunddienstbarkeit rechnet. Aber dieses Recht wird seitens der Gemeinde im strengen Sinne nicht „aufgegeben", also aus dem Vermögensbestand nicht ausgegliedert; denn erst die Nutzungsgestattung ist vermögenswirksam, ohne daß zuvor Vermögenswirksamkeit bestanden hätte. Jedenfalls restituiert das laufend zu zahlende Entgelt keinen geschmälerten Vermögensbestand, sondern erbringt verfügbaren, sachlich nicht gebundenen „Mehrwert". Die Konzessionsabgaben sind daher in jeder Hinsicht bei der Finanzkraftberechnung in Anschlag zu bringen.

7. Insbesondere: Gebühren Die Frage nach der Finanzkraftwirkung kommunaler Gebühren ist schon deshalb von Interesse, weil das Gebührenaufkommen nahezu ein Drittel des Steueraufkommens erreicht 202 . Die Ausgleichsrelevanz liegt also nahe. Gleichwohl begegnet der Versuch, die Berücksichtigung der Gebühren herbeizuführen, besonderen Problemen und Einwänden. Gebühren sind gesetzlich - oder auf Grund eines Gesetzes - festgelegte Entgelte für die Inanspruchnahme der öffentlichen Verwaltung. Sie dienen nicht in erster Linie dem Finanzbedarf des Staates oder der Kommunen, sondern sind mit individuell zurechenbaren öffentlichen Leistungen verknüpft, um deren Kosten zu decken203. Zwar folgt 200

So Lerche/Pestalozzi Förderabgabe, S. 92. Vgl. dazu Wolff/ Bachof, Verwaltungsrecht I, § 42 I I a) 2. (S. 312), und beispielsweise § 23 Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (StrWG NW) in der Fassung der Bekanntmachung v. 1.8.1983 (GVB1. NW S. 306), der für gewisse Fälle Unentgeltlichkeit vorsieht. 202 Vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 14, Reihe 3.3: Rechnungsergebnisse der kommunalen Haushalte 1983, 1985, S. 38 f.; Karrenberg/Miinstermann, S. 117, registrieren bei einer anderen Gebührendefinition über die Hälfte. 201

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C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

aus dieser Zweckbestimmung nicht von Verfassungs wegen, daß die Gebührenhöhe durch die Kosten der Leistung der öffentlichen Hand begrenzt sein muß. Verfassungsrechtlich ist es auch nicht vorgeschrieben, daß eine Gebührenregelung neben der Erzielung von Einnahmen zum Zwecke der teilweisen oder vollständigen Kostendeckung nicht noch weitere Zwecke wie solche der Lenkung, der Steuerung verfolgen darf 204 . Infolgedessen kann eine Gebühr durchaus einen „Mehrwert" erbringen. Aber sie bleibt doch ihrem Gegenleistungscharakter mehr oder minder verhaftet. Dieser kennzeichnet sie dem Grunde nach 205 . Insoweit die Kostendeckung erfolgt, sei es konkret bezogen auf die einzelne Verwaltungsleistung, sei es abstrakt bezogen auf einen Verwaltungszweig, wird üblicherweise ein Ertragszuwachs beim Verwaltungsträger verneint. Bei struktureller Betrachtung aus der Perspektive der Finanzkraft lassen die Gebührenerträge sich mit den Verwaltungskosten für Einrichtung, Personal, Sachmittel und Betrieb global verrechnen. Für diese Betrachtung könnte die Einheit der Verwaltung als komplexer Leistungsapparat den Grund abgeben. Da es nicht um die Gebührenberechnung im Einzelfall, sondern um die gesamte Finanzkraft geht, liegt es nahe, auf die Einheit der Verwaltung, statt auf den einzelnen Verwaltungsvorgang abzustellen; dieser ergibt sich aus dem Gesamtkomplex. Konsequenterweise kann dann auch das Gebührenaufkommen auf die Verwaltung bezogen und damit in eine spezifische „Sachnähe" gebracht werden, so daß die Gebühren insoweit aus der Dispositionsmasse auszuscheiden sind. Dem soll hier aber nicht weiter nachgegangen werden. Denn jedenfalls besitzen Benutzungsgebühren in der Regel eine spezifische, nachvollziehbare „Sachnähe". Bei der fälligen Differenzierung ergäben sich jedoch erhebliche Ermittlungsschwierigkeiten. Diese erhöhten sich, wollte man Gebühren wie Steuern nach Arten und nicht als einheitliche Einnahmekategorie in Anschlag bringen. Gebühren, die mehr als Kostendeckung erbringen, lassen sich im Umfang ihres Überschusses nicht als Gegenleistung vereinnahmen. Dazu gehören solche Gebühren, die ungeachtet des Verwaltungsaufwandes nach Gegenstandswerten bemessen werden, wie dies bei Verwaltungsgebühren nicht selten der Fall ist. Deren Erträge bedeuten „Gewinn". Sie sind also an sich berücksichtigungsfähig. Ihrer Berücksichtigung stehen jedoch erhebliche, fast unlösbare Ermittlungsschwierigkeiten entgegen. Weder die Berechnung der Verwaltungskosten noch die Differenzierung des berücksichtigungsfähigen und des nicht berücksichtigungsföhigen Anteils am Gebührenaufkommen lassen sich derzeit leisten. Daher ist auch nicht absehbar, ob das theoretisch berücksichtigungsfähige Gebührenaufkommen am Ende hinreichend ausgleichsrelevant ist. Für Pauschalierungen und Typisierungen gibt es keine verbindlichen Kriterien und Maß-

203

Vgl. BVerfGE 20, S. 257 (269); 50, S. 217 (226); Wolff /Bachof, Verwaltungsrecht I, § 42 I I a) 2. (S. 308); Wilke, Gebührenrecht, S. 16 ff., 55 ff., 90 ff. 204 BVerfGE 50, S. 217 (226). 205 Darauf weisen besonders Lerche/Pestalozza, Förderabgabe, S. 79, hin, allerdings um die Förderabgabe zu qualifizieren.

III. Der Finanzbedarf der Kommunen

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Stäbe. Daher übt das Gebührenaufkommen der Kommunen zweckmäßigerweise seine besondere Finanzkraftfunktion neben dem Finanzausgleich zwischen den Ländern aus.

III. Der Finanzbedarf der Kommunen Art. 107 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, G G führt „Finanzkraft" und „Finanzbed a r f als verschiedene Berechnungsgrößen an. Entgegen früheren Versuchen, den „Finanzbedarf" bereits in den Begriff „Finanzkraft" hineinzunehmen und letzteren schon vor dem vorgeschriebenen Berücksichtigungs-, dann Ausgleichsverfahren auf einen Verhältnisausgleich zu bringen 206 , hat das Bundesverfassungsgericht die eigenständige Bedeutung des Finanzbedarfs im Rahmen des 2. Halbsatzes des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G betont 207 . Diese Auslegung folgt dem Wortlaut der Verfassungsnorm und der zu Art. 107 Abs. 2 Satz 1,1. Halbsatz, und Satz 3 GG entwickelten Systematik: Erst hier ist von Leistungsschwäche, dort ist nur von Finanzkraft die Rede. Weil die eigene Finanzkraft der Kommunen hinter deren durch freiwillige und Pflichtige Aufgaben veranlaßten Finanzbedarf zurückbleibt, macht letzterer eine negative Größe im Verfahren der Ausgleichsberechnung aus. Der Finanzbedarf neutralisiert also nicht einfach die Finanzkraft der Kommunen. Er kann insgesamt erst im Rahmen des Ausgleichsverfahrens zu Buche schlagen. Dieser an der Wirklichkeit der Finanzbeziehungen von Land und Kommunen orientierte Befund bietet die sachliche Erklärung dafür, daß Art. 107 Abs. 2 Satz 1,2. Halbsatz, G G den Finanzbedarf der Kommunen zur besonderen Berücksichtigung aufgibt. Ohne dieses spezielle Berücksichtigungsgebot gäbe es entgegen Art. 28 Abs. 2 G G kommunale Finanzbedarfe, die beim Länderfinanzausgleich keine Rolle spielten und vom Bund nicht aufgewogen werden müßten, obwohl sie überwiegend durch Landes- und durch Bundesgesetze veranlaßt sind. Umgekehrt betrachtet, entspricht es dieser besonderen Bedeutung des Finanzbedarfs, daß die Finanzmittel, mit deren Hilfe die Finanzzuweisungen erfolgen, bei der Finanzkraft des Landes und nicht bei der ihrer Kommunen veranschlagt werden 208 . Andernfalls würde die unmittelbare Mittel- und Bedarfsverrechnung auf kommunaler Ebene das Berücksichtigungsgebot des Art. 107 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, GG typischerweise erledigen. Es war aber eines der strukturbestimmenden Ziele der Finanzreform von 1969, dem Finanzbedarf der Kommunen besonders Rechnung zu tragen, um die gesamtgesellschaftlich notwendigen und erwünschten Investitionen zu ermöglichen 209. 206

Dazu besonders Lerche, in: Festschrift für Berber, S. 307; Lerche/Pestalozzi Förderabgabe, S. 56 f.; bei diesem Versuch wurde die Bedeutung des Begriffs „Finanzbedarf zugunsten „Finanzkraft" in Art. 107 Abs. 2 Satz 1,1. Halbsatz, GG herabgespielt; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 107 Rn. 54. 207 BVerfGE 72, S. 330 (401); ebenso schon Vogel/Kirchhof, in: Bonner Kommentar, Art. 107 Rn. 152. 208 Ebenso schon Kommission für die Finanzreform, Gutachten, Tz. 335 (S. 87). 6 Grawert

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C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

Die Hervorhebung des kommunalen Finanzbedarfs entspricht daher der Hervorhebung der kommunalen Ertrags- und Finanzhoheit. Wie diesen kommt dem Finanzbedarf der Kommunen nicht nur eine Bedeutung für den landesinternen Finanzausgleich, sondern zudem für die „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet" - Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 GG - zu. Weil aber die Kommunen in die Länder integriert und nicht bundesunmittelbar sind, gehört die Berücksichtigung ihres Finanzbedarfs in das Verfahren des Länderfinanzausgleichs, der die Länder zu einer Solidargemeinschaft der Lastenträger zusammenfaßt. Wollte man den durch die eigene Finanzkraft nicht abgedeckten Finanzbedarf der Kommunen dem Bund als Sonderbedarf für das Verfahren gemäß Art. 107 Abs. 2 Satz 3 G G überantworten, so gliederte man die Kommunen aus ihrem Verbund mit den Ländern aus und überantwortete dem Bund letztlich auch die Kompetenz, über den kommunalen Bedarf der Sache nach zu befinden. Die eigenständige Bedeutung des Finanzbedarfs der Kommunen schließt es nicht aus, daß gewisse abstrakte Bedarfsgesichtspunkte bereits bei der Ermittlung der Finanzkraft der Kommunen erheblich werden, ähnlich wie im Rahmen des Art. 107 Abs. 2 Satz 1,1. Halbsatz, G G 2 1 0 . Dabei handelt es sich allerdings nicht um berechenbare Summen der Finanzkraft, sondern um mittelbar wirksame Berechnungsfaktoren. Ansonsten gilt: Wie die Finanzkraft muß auch der Finanzbedarf der Kommunen gesondert festgestellt werden, bevor die Berücksichtigung erfolgt und anschließend die Angleichung bewerkstelligt wird. /. Probleme der Begriffsbestimmung Mit „FinanzbedarP wird die Gesamtheit der finanzwirksamen Aufgabenlasten begriffen, und zwar der Gemeinden und Gemeindeverbände im definierten Sinne 211 . Die Begriffsbestimmung erfährt ihre Probleme bei der Umfangbestimmung. Dabei ist man sich im Schrifttum einig, daß der Bedarf aller Kommunen eines Landes objektiviert und typisiert werden muß 212 . Gleichwohl bleibt das Problem, welche Lasten in Ansatz zu bringen sind: die „notwendigen Ausgaben" 213 209

Vgl. dazu näherhin Kommission für die Finanzreform. Gutachten, S. 83 ff., 112 ff. Vgl. dazu BVerfGE 72, S. 330 (400). 211 BVerfGE 72, S. 330 (400); Vogel/Kirchhof in: Bonner Kommentar, Art. 107 Rn. 152: „Summe" - doch läßt sich hier nichts addieren; der Ausgabenbezug ist maßgebend auch nach Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 107 Rn. 56, und Fischer-Menshausen, in: von Münch, Kommentar, Bd. 3, Art. 107 Rn. 15. 212 Vgl. statt vielerHettlage, FinArch NF 14(1953), S. 476 f.; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 107 Rn. 56: „nur abstrakter Finanzbedarf 4, was allerdings nur heißen kann: losgelöst von der Situation der einzelnen Kommunen. 213 So Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 107 Rn. 54,56. Ebenso - bezüglich des Kreisumlagebedarfs - OVG Lüneburg, OVGE 12, S. 378 (380). 2,0

III. Der Finanzbedarf der Kommunen

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oder die Ausgaben für die „Pflichtaufgaben und im übrigen Aufgaben in vertretbarem' Umfang" 214 . Man entgeht diesem Problem nicht, indem man auf „polit. Wertungen" 215 abhebt, ohne den Tatbestandsbegriff zur freien Gestaltungsermächtigung umzufunktionieren - wofür die Verfassungsnorm keinen Anlaß bietet. Deshalb ist es angebracht, an den durch Art. 104 a Abs. 1 GG vorstrukturierten Zusammenhang von Ausgaben- und Aufgabenverantwortung anzuknüpfen: Der Finanzbedarf der Kommunen ist beim Länderfinanzausgleich zu berücksichtigen, weil die kommunalen Aufgaben gemäß Art. 28 Abs. 2, Art. 30 G G im Verbund der Staatsaufgaben der Länder stehen, von deren Sorgepflicht erfaßt werden und deren Finanzverantwortung bundesstaatsrechtlich zugeordnet sind 216 . Die Kommunen sind dabei als Selbstverwaltungskörperschaften angesprochen. Deshalb definiert der Selbstverwaltungsbereich den Finanzbedarf. Dieser betrifft also alle Selbstverwaltungsaufgaben, die Pflichtigen wie die freiwilligen. Letztere stehen im Zentrum der Selbst Verwaltungsgarantien. Sie weisen die Kommunen als Zentren politischer Willensbildung aus. Deshalb hat die Finanzreform von 1969 sich die Stärkung der kommunalen Finanzhoheit und Finanzkraft angelegen sein lassen217. Der Finanzbedarf darf sich mithin nicht allein an den rechtlichen Notwendigkeiten ausrichten, die Landes- und Bundesgesetzgebung bestimmen, sondern muß auf freiwillige Initiativen Rücksicht nehmen. Damit sind insbesondere Maßnahmen der Kultur- und Einrichtungsverwaltung sowie der Wirtschaftsförderung gemeint. Der Finanzbedarf der Kommunen ist mithin das Ergebnis vorgegebener und eigener politischer Entscheidungen. Ersterenfalls besteht eine landes- oder bundesweite Gleichmäßigkeit der Anforderung, während die effektiven Belastungen je nach Lage der einzelnen Kommune verschieden ausfallen werden; letzterenfalls differieren schon die Entscheidungsgrundlagen. Infolgedessen ergeben sich Probleme der Vergleichbarkeit, an die erst die Probleme der Quantifizierung anschließen. A m schwierigsten ist es, den aus der freiwilligen Aufgabenwahrnehmung resultierenden Finanzbedarf zu ermitteln. Da der Länderfinanzausgleich die Finanzstruktur des Bundesstaates regulieren soll, kann es entscheidend weder auf die Finanzgebarung noch auf die effektive Belastung der einzelnen Kommunen ankommen. So sehr deren Selbstverwaltungsrecht als Strukturprinzip auch des Länderfinanzausgleichs anzuerkennen ist, so wenig darf es diesen zur Funktion kommunaler Politikgestaltung machen. Denn Einstellung eines Ausgabepostens in den Finanzbedarf bedeutet, die Ländergesamtheit zum Einstehen 214 So Vogel/Kirchhof, in: Bonner Kommentar, Art. 107 Rn. 52, unter Berufung auf eine frühere Formulierung von Maunz. 215 So Fischer-Menshausen, in: von Münch, Kommentar, Bd. 3, Art. 107 Rn. 16. 216 Dazu oben Β. II. 2., 4., III. 2; BVerfGE 72, S. 330 (383). Zur Garantie einer angemessenen Finanzausstattung vgl. oben Fn. 70! 217 Vgl. Kommission für die Finanzreform, Gutachten, S. 86 f.; ferner Grawert, W D S t R L 36 (1978), S. 292 f.

6*

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C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

für eine kommunalpolitische Entscheidung veranlassen. Diese Folge läßt sich nur in den Grenzen einer generellen Vertretbarkeit rechtfertigen. Für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben kann im Rahmen des Länderfinanzausgleichs also lediglich mit einem gewissen Bedarfssockel gerechnet werden. Um den Finanzbedarf der Kommunen in bundesweit vergleichbarer Weise feststellen zu können, ist es also nötig, die Vielfalt der Umstände und Entwicklungen einheitlich durchzumustern. Dafür sind Kriterien und Maßstäbe für eine objektivierende und typisierende Bewertung und Abwägung zusammenzustellen. Soweit die Maßstäbe nicht reichen, heißt es, Wertungen anerkennen. Die Feststellung des Finanzbedarfs kann demnach nur das Ergebnis von Erfahrung, Erkenntnis und Entscheidung sein.

2. Bedarfsgesichtspunkte Der Finanzbedarf der Kommunen läßt sich, deren Status gemäß, im wesentlichen nach körperschaftlichen, bürgerschaftlichen und strukturellen Gesichtspunkten erwägen. Den körperschaftlich-institutionellen Mindeststandard gibt Art. 115 c Abs. 3 G G mit dem Topos „Lebensfähigkeit" der Kommunen vor. Er macht zugleich den Kern der Garantie des Art. 28 Abs. 2 GG aus 218 . Demnach gehören zur Selbstverwaltung Aufgaben und Befugnisse von substantieller Bedeutung. Die Garantie umfaßt einen traditionellen Bestand kommunaler Aufgaben und erstreckt sich auf die der Selbstverwaltungskörperschaft entsprechenden, auf die für ihre Struktur und Lage typischen Aufgaben. Die Selbstverwaltung darf nicht „ausgehöhlt" und von „kraftvoller Betätigung" auf ein „Scheindasein" herabgedrückt werden. Sie muß Erhebliches leisten können 219 . Den bürgerschaftlich-individuellen Maßstab gibt Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 G G im Rahmen des Strukturbegriffs „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" an. Der Sache nach konvergiert der Topos in vielfältiger Weise mit Maßgaben des Demokratie- und des Sozialstaatsprinzips sowie mit Grundrechtsstandards, insbesondere der Freizügigkeit, der Berufs- und Wirtschaftsfreiheit. Zwar läßt die Weite des Begriffsbereiches eine Vielzahl von Zielsetzungen und Parametern zu, weil „Lebensverhältnisse" in einem dezentralisierten Staat mit mehreren autonomen Entscheidungsträgern schwer zu definieren und zu messen sind. Dennoch lassen die Grundrechtsstandards den Schluß auf die „Wahrung eines Mindeststandards für wesentliche Lebensverhältnisse" zu 220 . Sie beinhalten auch 218 Ähnliche Kriterien hatten schon Hemel, in: Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht, Bd. 3 (1929), S. 6 f., 35 f., und Popitz, Finanzausgleich, S. 112 f., entwickelt. 2,9 Vgl. u.a. BVerfGE 22, S. 180(204 f.). - Zur bedarfsgerichteten Begriffsstruktur vgl. oben zu C. II. 1. 220 So Neumark, in: Dreißig, Probleme I, S. 169.

III. Der Finanzbedarf der Kommunen

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den Dynamisierungseffekt der Entwicklung. Zur Operationalisierung bedarf es freilich eines Sets von Indikatoren, die dem unbestimmten Rechtsbegriff aus den zu ordnenden Sachgebieten heraus angetragen werden müssen221. Da der Topos zudem Homogenitätsvoraussetzungen der gesamten organisierten Staatlichkeit formuliert, geht er alle staatlichen Aufgabenträger im Rahmen ihrer Zuständigkeit an. Er markiert nicht nur, aber auch eine „regionalpolitische Staatszielbestimmung" 222 . Er gibt die Perspektive des Handelns auf jeder Zuständigkeitsebene an. Er bindet bundesstaatsgemäß Lokalismus und Regionalismus in die Strukturen der nationalen Gesellschaft ein. Daher sind auch die Kommunen angesprochen. Sie sind zwar kompetent, die Angebote ihrer Infrastrukturleistungen im Kern autonom zu steuern und so eine gewisse Uneinheitlichkeit zu bewirken. Doch betrifft die Autonomie einerseits nicht die Grundstandards einer Industriegesellschaft. Anderseits gelten Maßgaben staatlichen Rechts, insbesondere für die raumörtlichen Strukturen. Und insgesamt werden örtliche Bedarfsentscheidungen im Rahmen des Art. 107 Abs. 2 Satz 1,2. Halbsatz, G G durch die Objektivierung und Typisierung des kommunalen Finanzbedarfs eines Landes ohnehin eingeebnet. Den Kommunen obliegt also ein Großteil der Verwaltungsaufgaben, deren Wahrnehmung die „Wahrung" bewirken soll. Infolgedessen werden auch ihre „Deckungsbedürfnisse" im Gefüge „der Länder", die Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 G G als die die Kommunen umfassenden staatlichen Einheiten nennt, vom Ziel der „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" mitbestimmt. Bestehende Unterschiede sind also beim Finanzbedarf in Anschlag zu bringen. Die Formel von der Einheitlichkeit bezeichnet allerdings kein Unitarisierungs-, sondern ein Abstimmungskonzept 223 . Sie betont ein „Harmonisierungsgebot" 224 , das einer Entwicklung entgegenwirken soll, bei der strukturelle Eigenarten und Unterschiede der Länder, die für das Dasein der Einwohner der Bundesrepublik Deutschland maßgebend sind, sich nachteilig für den allgemeinen Lebensstandard vertiefen. Von den verschiedenen Zuständigkeitsträgern wird ein zielorientiertes, materiell abgestimmtes Verhalten der Politikgestaltung erwartet. Dies rechtfertigt die Verfügung über öffentliche Mittel. Freilich meint die Formel nicht, was sie sagt. Nicht die „Verhältnisse" im Sinne von: natürliche, geographische, soziale, ökonomische, kulturelle Vorgegebenheiten sind zu „wahren". Gemeint ist vielmehr ein Programm grundständiger staatlicher Daseinsvorsorge, das unter Beachtung der lokalen und regionalen Besonderheiten mit den Mitteln der Ordnung, Leistung und Planung gleichwertige, dem industriegesellschaftlichen Standard ent221

Zu „Indikatoren" BVerfGE 72, S. 330 (415 f.). In letzterem Sinne Fischer-Menshausen, in: Dreißig, Probleme I, S. 147. Dazu Reding, FinArch NF 38 (1980), S. 340: „Aufgabe der Regionalpolitik als Lückenfüller dieses Unbestimmtheitsraumes". 223 Ähnlich zurückhaltend Lerche, in: Festschrift für Berber, S. 299 ff.; vgl. ferner Grawert, Der Staat 14 (1975), S. 230. 224 So Pagenkopf, Finanzausgleich, S. 259. 222

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C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

sprechende Grundbedingungen der Lebensgestaltung veranlaßt. Raumstrukturell begrenzt, bringt § 1 des Raumordnungsgesetzes vom 8. April 1965225 diese Richtung folgendermaßen zum Ausdruck: „(1) Das Bundesgebiet ist in seiner allgemeinen räumlichen Struktur einer Entwicklung zuzuführen, die der freien Entfaltung der Persönlichkeit in der Gemeinschaft am besten dient. Dabei sind die natürlichen Gegebenheiten sowie die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Erfordernisse zu beachten." „(4) Die Ordnung der Einzelräume soll sich in die Ordnung des Gesamtraumes einfügen. Die Ordnung des Gesamtraumes soll die Gegebenheiten und Erfordernisse seiner Einzelräume berücksichtigen."

Die Vorschrift reflektiert den Angelpunkt des „Einheitlichkeits"-Postulats, nämlich die Grundrechtsentfaltung des einzelnen. Der einzelne und seine Grundrechtsstandards: dies sind letztlich die Bemessungsbezüge für den Finanzbedarf. Sie ermöglichen den bundesweiten Vergleich der kommunalen Finanzbedarfe. Kommunalrechtlich gesprochen, bildet also der Einwohner den BasisBedarfsträger und den Ausgangspunkt für die Abstraktion des bundesweit stilisierten bzw. typisierten Finanzbedarfs der Kommunen der einzelnen Länder. Aufgrund des Postulats, die „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" bundesweit zu „wahren", ist davon auszugehen, daß jeder Einwohner einen gleichartigen grundständigen Bedarf an sozialer, ökonomischer und kultureller Daseinsvorsorge und infolgedessen den gleichen finanziellen Bedarf mit sich bringt. Daraus ergibt sich der Finanzbedarf der Kommunen. Der bürgerschaftlich-individuelle Maßstab, der vorstehend aus dem Gestaltungsgrundsatz der „Wahrung" der „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" gewonnen worden ist, wird durch Art. 3 Abs. 1 G G objektivrechtlich unterstützt, aber nicht vertieft. Art. 3 Abs. 1 GG ist hier nicht als Individualgrundrecht, sondern als objektivrechtliches Gerechtigkeitsprinzip gefragt, weil nicht Positionen des einzelnen gegenüber den Kommunen, sondern deren Aufgabenverantwortung bei der Politikgestaltung ausgemessen werden sollen. Als Gerechtigkeitsprinzip verbürgt die Norm das unverzichtbare Mindestmaß an materieller Gerechtigkeit und die strukturelle Ausgewogenheit und Systemkohärenz bestimmter, geordneter Lebensbereiche 226. Art. 3 Abs. 1 G G ist jedoch ein unsicherer Anknüpfungspunkt schon deshalb, weil er unter einem gewissen Vorbehalt gliedstaatlicher Besonderheiten und Autonomie steht, während der Topos „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet" von vornherein mit dem gesamtgesellschaftlichen, das Bundesstaatsverhältnis überwölbenden Zuschnitt aufwarten kann. Ihm kommt daher im Rahmen der bundesstaatlichen Finanzverteilung und -ausgleichung die Leitfunktion zu 227 . Immerhin stärkt auch der grundrechtliche Ansatz die These, daß der Finanzbedarf sich an den Einwoh225

BGBl. I S. 306. Vgl. Leibholz/Rinck, Grundgesetz, Art. 3 Anm. 19; zugunsten des Sozialstaatsprinzips bestritten von v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, Art. 3 Rn. 6, 22. 227 So bezüglich der Finanzkraft auch Kirchhof, Länderfinanzausgleich, S. 20 ff.; widersprüchlich aber die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG. 226

III. Der Finanzbedarf der Kommunen

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nern zu orientieren hat, die Begünstigte staatlicher samt kommunaler Aufgabenwahrnehmung sind. 3. Der „Einwohner"-Maßstab Zur Typisierung und Vergleichung kommt es zunächst auf den „unbeschriebenen" Durchschnittseinwohner an. Doch veranlassen die Unterschiede der „Lebensverhältnisse" in den verschiedenen Kommunen zur differenzierten Qualifizierung des abstrakten Durchschnittsbedarfs, insoweit die „Einheitlichkeit" noch nicht vorhanden, sondern erst herzustellen und jedenfalls zu „wahren" ist. Da jeweils die Wirklichkeit beeinflußt werden soll, hat die Qualifizierung des Finanzbedarfs sich so weit an der Wirklichkeit auszurichten, wie die erforderliche Typisierung und Abstraktion dies zulassen. Der Begriff „Finanzbedarf' ermächtigt, wie gesagt, den Gesetzgeber nicht zu Erfindungen, sondern zur bedarfsgerechten normativen Verallgemeinerung eines Sachstandes. Der erste Qualifikationsschritt führt anerkanntermaßen 228 zur Quantifizierung, nämlich zur Einwohnerzahl als objektivem, abstraktem Indikator für den Finanzbedarf. Da die Gemeinden und Gemeindeverbände jeweils durch ihre Einwohnerschaft getragen werden und da das kommunale Aufgabenspektrum sich jeweils auf jene Einwohnerschaft(en) bezieht, kann die Einwohnerbewertung nach wie vor als Mittel der Objektivierung und Typisierung herangezogen werden. Zu Überschneidungen im Verhältnis kreisangehöriger Gemeinden und Kreise führt das nicht, weil letztere Ausgleichs- und Ergänzungsaufgaben für jene wahrnehmen 229. Die kommunalen Aufgabenlasten sind zwischen Gemeinden und Kreisen typischerweise gegliedert, während sie bei kreisfreien Städten konzentriert sind. Allerdings können die aus der Kreisumlage und ähnlichen Umlagen bei den kreisangehörigen Gemeinden dem Kreis zufließenden Finanzmittel nur bei einer Stelle als Finanzbedarf verbucht werden, sofern sie überhaupt aufkommensrelevant sind. Ähnlich wie beim Finanzausgleich zwischen Ländern und Kommunen kommen hier die Gemeinden als Stellen in Betracht, so daß die Kreisumlage bei den Kreisen nicht mehr veranschlagt werden darf. Auf die Feststellung des Finanzbedarfs wirkt diese Zuordnung nicht verfälschend, weil die kommunale Finanzkraft ebenso wie der kommunale Finanzbedarf je als Gesamtposten zu ermitteln sind. Der Aufgabengliederung zwischen kreisangehöriger Gemeinde und Kreis wegen läßt sich für beide Klassen von Kommunen allerdings nicht derselbe Schlüssel zur Einwohnerbewertung wie für die kreisfreien Städte anwenden. Andernfalls würde der Bedarf wiederholt veranschlagt. Es geht aber auch nicht an, zur Vereinfachung auf die Einwohnerschaft kreisangehöriger Gemeinden im gleichen Maße abzuheben wie auf die kreisfreier Städte, weil man dann der 228 229

Vgl. jetzt nur BVerfGE 72, S. 330 (400, 413). Vgl. dazu oben C. I. 2., 3.

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C Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

spezifischen Situation im Kreis nicht hinreichend Rechnung trüge. Die Ausgaben der kommunalen Verwaltungsträger für Wohnungsbau, Infrastruktur, Bildung und Entsorgungsdienste - um wesentliche Belastungen zu nennen - sind in diesem Bereich ganz unterschiedlich verteilt, betreffen aber denselben Nutzerkreis 230 . Infolgedessen ist es erforderlich, entweder für die drei genannten Klassen von Kommunen besondere Einwohnerqualifizierungen vorzusehen oder nur zwischen kreisfreien und kreisangehörigen Gemeinden zu unterscheiden und letztere mit einem Qualifikationsfaktor zu versehen, der zugleich dem Bedarf der Kreise in typisierter Form Rechnung trägt. 4. Die „Einwohner"-Gewichtung Der prinzipiell also für alle Arten relevanter Kommunen maßgebenden Einwohnergewichtung liegt jedenfalls die bis heute vorherrschende Annahme zugrunde, daß die Ausgaben mit der Bevölkerungszahl sowie mit der Siedlungsdichte ansteigen. Das Gesetz normiert daher, seinen Vorgängern folgend, Einwohner- und Verdichtungsquoten 231. Allerdings wurden die Quoten nicht durchweg gleich angesetzt. Von 1950 bis 1954 wurden die Einwohnerzahlen der Gemeinden eines Landes mit folgenden Ansätzen je Einwohner gewertet: die die die die die die

ersten weiteren weiteren weiteren weiteren weiteren

5.000 15.000 80.000 400.000 500.000

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Gemeinde Gemeinde Gemeinde Gemeinde Gemeinde Gemeinde

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100 115 125 135 150 160

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Hundert, Hundert, Hundert, Hundert, Hundert, Hundert.

Das Finanzausgleichsgesetz von 1955 ordnete eine gewisse Abflachung an. Seither galten für die genannten, gleichbleibenden Kategorien von Einwohnerzahlen die Wertungssätze 100,110, 115, 120, 125,155 vom Hundert. Gemeinden mit mehr als 500.000 Einwohnern wird überdies ein Verdichtungsfaktor zugeschrieben, der von 2 bis 6 vom Hundert bei Dichten von 1.500 bis 3.000 Einwohnern je Quadratkilometer ansteigt. Diese Differenzierung ist von dem Achten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern vom 18. Dezember 1987232 nicht berichtigt worden. Nach wie vor bleibt es also bei der - an Popitz anschließenden - Theorie von der Belastungssteigerung im Zuge von Einwohneranstieg und Siedlungsverdichtung. 230

Vgl. dazu näherhin Köstering, in: HBKWP, 2. Aufl., Bd. 3, S. 39 ff. Vgl. die Einwohnerwertungen gemäß § 13 Gesetz über den Finanzausgleich unter den Ländern im Rechnungsjahr 1950 v. 16.3.1951 (BGBl. I S. 198); § 16 Gesetz über den Finanzausgleich unter den Ländern in den Rechnungsjahren 1951 und 1952 v. 8.10.1952 (BGBl. I S. 665); § 15 Gesetz über den Finanzausgleich unter den Ländern in den Rechnungsjahren 1953 und 1954 v. 26.6.1953 (BGBl. I S. 446); § 7 Länderfinanzausgleichsgesetz v. 27.4.1955 (BGBl. I S. 199); § 6 Länderfinanzausgleichsgesetz 1958 v. 5.3.1959 (BGBl. IS. 73); § 9 Gesetz über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern v. 28.8.1969 (BGBl. I S. 1432). 232 BGBl. I S. 2764. 231

III. Der Finanzbedarf der Kommunen

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Ob diese Annahme zutrifft, ist zunächst eine Frage tatsächlicher Erfahrung und kein Problem der Norm. Für jene Annahme sprechen, soweit ersichtlich, bislang vornehmlich die Normentradition und Plausibilitätserwägungen. Beide Gesichtspunkte sind bereits in den Anfangsjahren der Bundesrepublik Deutschland geläufig, die sich nach dem Kriege in einer anderen Bedarfslage befand, als sie heute gegeben ist. Allerdings gibt es erfahrungswissenschaftliche Untersuchungen, die die - vereinfachte - These, daß Einwohnerumfang und -Verdichtung die Aufgaben- und Ausgabenlasten proportional steigern, in Frage stellen und durch die Gegenthese korrigieren, daß - auch — die Kleinheit einer Einwohnerschaft und die Minimierung der Siedlungsdichte außergewöhnliche Belastungen veranlassen, soll der Standard der öffentlichen Leistungen zur „Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" gehalten oder erstrebt werden 233 . Umgekehrt lautet die These, daß die kommunalen Aufgaben in Verdichtungsräumen kostengünstiger erfüllt werden können. Andererseits wird mit einer der Sache nach gleichartigen Argumentation geltend gemacht, daß Stadtstaaten und vergleichbare Großstädte mit Hauptstadtfunktionen dieser ihrer spezifischen Funktionen wegen größere Ausgabenlasten zu tragen hätten als Städte ähnlicher Einwohnergröße und deshalb eine höhere Einwohnerwertung beanspruchen müßten, und zwar selbst dann, wenn Einwohnerverluste eintreten, ohne daß die Ausgaben sich entsprechend reduzieren lassen234. Zur Begründung dieser sogenannten Kostenremanenz wird auf den von der Bundesregierung vorgelegten „Bericht über die Bevölkerungsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, 2. Teil: Auswirkungen auf die verschiedenen Bereiche von Staat und Gesellschaft" 235 Bezug genommen. Dem Bericht läßt sich entnehmen, daß zumindest bis zum Jahre 2000 in kaum einem Aufgabenbereich wesentliche Entlastungen 233

Vgl. dazu schon Schmölders, Finanzpolitik, S. 169: „Die Technik des kommunalen Finanzausgleichs erweist sich in dieser schematischen Form, die den Finanzbedarf letztlich nur von der Einwohnerzahl her betrachtet, als weitgehend erstarrt; die Faktoren, die den gemeindlichen Finanzbedarf bestimmen, sind jedoch mannigfaltiger Art". Vgl. näherhin: Bös, Eine ökonomische Theorie des Finanzausgleichs, S. 65 ff.; Wittman, Finanzwissenschaft III., S. 114 f.: „... darf man nicht übersehen, daß auch dünnbesiedelte und/oder topographisch benachteiligte (Berg-)Regionen einen erhöhten Finanzbedarf haben In diesen Fällen sollte beim Finanzausgleich die Bevölkerungsdichte ebenfalls berücksichtigt werden, jedoch im umgekehrten Sinn zur Regelung für die Agglomerationsgebiete"; Littman, in: Handbuch der Wirtschaftswissenschaften, Bd. 1, S. 360; ebenso unter Bezugnahme auf frühere Äußerungen Littmanns Schneppe, Raumbedeutsame Wirkungen, S. 56 f.; ferner Tetsch, Raumwirkungen, S. 15: „Durch Beobachtung ist die Annahme gerechtfertigt, daß die Kostenkurve öffentlicher Leistungserstellung pro Outputeinheit u-förmig verläuft. Die Kosten der Erstellung einer Einheit der öffentlichen Leistungen sind in sehr schwach (unteroptimal) und in sehr stark (überoptimal) agglomerierten Gemeinden (Regionen) höher als in optimal agglomerierten Gemeinden (Regionen)." Ferner Daten bei Biehl, in: Handbuch der Finanzwissenschaften, Bd. IV, S. 101 ff.; Fischer-Menshausen, in: Handbuch der Wirtschaftswissenschaft, 2. Bd., S. 636 ff.; Hezel/Höfler/Kandel/Linhardt, Siedlungsformen, S. 145 f.; Leibinger/Lölhöffel, in: Klaus, Entscheidungshilfen, S. 112 f., hier speziell zum öffentlichen Verkehr. 2W Vgl. Anträge der Freien und Hansestadt Hamburg v. 9.7.1987, BR-Drs. 225/17/87, BRDrs. 225/19/87 und BR-Drs. 225/18/87. 235 BT-Drs. 10/863 v. 5.1.1984.

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C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

wegen sinkender Einwohnerzahlen erwartet werden können, da Änderungen der Altersstruktur und die Entwicklung anderer Bedarfsfaktoren dem entgegenstehen. Was den Hinweisen auf die Kosten der Streusiedlung einerseits, der Großstadtlage andererseits gemein ist, ist dies: Jeweils werden Aufgabenlast und Finanzbedarf nicht nur als Resultate von Einwohnerzahlen und Siedlungsdichte betrachtet, sondern aus der raumörtlichen Situation und Funktion einer Gemeinde ermittelt. Die Ermittlung erfolgt nicht isoliert, sondern in dem Zusammenhang, in dem die Kommune in ihrem Lande Raumordnungsfunktionen wahrzunehmen hat und von den Raumordnungsstrukturen abhängt. Die Alternative zum Ansatz des Finanzausgleichsgesetzes wird also stärker an kommunalen Funktionen und Funktionsbezügen ausgerichtet 236. Ungeachtet der rechts wissenschaftlich nicht verifizierbaren - und ökonomisch problematischen 237 - Annahmen, wie Einwohnerzahl und Siedlungsdichte sich auf die Bedarfslage tatsächlich auswirken, hat die Auslegung der Verfassungsnorm folgende Umstände zu erwägen: Die Sachverständigenkommission für die Finanzreform ist bei ihren Reformüberlegungen davon ausgegangen, daß es den Agglomerationsnachteilen entsprechende Deglomerationsnachteile gibt, die es zu berücksichtigen gilt 2 3 8 . Sie gab dem Reformgesetzgeber daher folgende Stellungnahme mit auf den Weg: „Die ländlichen Gemeinden sind heute vielfach aus ihrer Vereinzelung herausgetreten und beginnen, im Gefüge von Wirtschaft und Gesellschaft spezifische Aufgaben zu übernehmen. Damit geraten sie in die Gleichheitsbestrebungen der modernen Welt, die unvermeidbar Forderungen des sozialen Ausgleichs bei der Einkommensverteilung und in der Versorgung mit Zivilisationsleistungen hervorrufen. In diesem Sinne ist die Forderung nach der ,Aufrüstung des Dorfes 4 zu verstehen, die vor allem die Teilhabe an den unbestrittenen Vorteilen der modernen Zivilisation verlangt. Aus dieser Entwicklung ergeben sich zwei Folgerungen: Auch auf dem ,flachen 4 Lande muß eine Verwaltung zur Verfügung stehen, die sich der Anliegen der Bevölkerung wirksamer annehmen kann als bisher . . . Auf der anderen Seite geht es um die zeitgemäße Ausstattung der ländlichen Gebiete mit jenen Einrichtungen (Schule, Sportplatz, Kindergarten, Altersheim, Wasserversorgung, Kläranlage usw.), die Voraussetzung der zivilisatorischen Gleichstellung aller Staatsbürger sind."

Die Kommission schlug seinerzeit Maßnahmen der Gemeindefinanzreform eher als solche der Gebietsreform vor. Das mag heute dahinstehen. Bemerkenswert und richtungweisend bleibt jedenfalls der Ansatz bei der Lage und Infrastruktur der verschiedenen Kommunen. Für den Finanzausgleich ergibt sich die Folgerung, daß eventuelle Nachteile der „Stadt" ebenso ausgleichsbedürftig sind wie eventuelle Nachteile des „Dorfes", das heißt: der Agglomeration wie der Deglomeration. Wenn „Bedarfsunterschiede" zwischen industrialisierten Ver236 237 238

Vgl. dazu Blankenburg, Typisierung, S. 36 ff. Vgl. Peffekoven, FinArch NF 45 (1987), S. 203 f. Kommission für die Finanzreform, Gutachten, Tz. 318 bis 320 (S. 84).

III. Der Finanzbedarf der Kommunen

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dichtungsgebieten und Landgemeinden „im Zuge der Annäherung der Lebenshaltung in Stadt und Land und der Egalisierung der Leistungsansprüche an den Staat allmählich an Gewicht" verlieren und wenn die „besonderen Aufgaben und finanziellen Lasten der Agglomerationsschwerpunkte mit zentralörtl. Funktionen" ebenso auffällig wie die „spezifischen, meist geographisch bedingten Lastenfaktoren in einzelnen Flächenländern" sind 239 , dann müssen beide Sachverhalte angemessen berücksichtigt werden. Das Raumordnungsgesetz vom 8. April 1965240 ordnet in seinem § 2 „Grundsätze der Raumordnung" an, die, für Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände verbindlich, zu Strukturverbesserungen und Strukturangleichungen veranlassen sollen. Daß Raumordnung nicht Zustandswahrung, sondern Entwicklung zu gleichwertigen Lebensverhältnissen meint, ergibt sich insbesondere aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes. Demnach sollen in Gebieten, in denen die Lebensbedingungen in ihrer Gesamtheit im Verhältnis zum Bundesdurchschnitt wesentlich zurückgeblieben sind oder ein solches Zurückbleiben zu befürchten ist, die allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse sowie die kulturellen Einrichtungen verbessert werden; in den Gemeinden dieser Gebiete sollen die Lebensbedingungen der Bevölkerung, insbesondere die Wohnverhältnisse sowie die Verkehrsverhältnisse und Versorgungseinrichtungen, allgemein verbessert werden; in einer für ihre Bewohner zumutbaren Entfernung sollen Gemeinden mit zentralörtlicher Bedeutung einschließlich der zugehörigen Bildungs-, Kultur- und Verwaltungseinrichtungen gefördert werden. § 2 Abs. 1 Nr. 6 des Gesetzes stellt dazu ein Ordnungsprogramm für Verdichtungsräume auf 241 . Daß der funktionelle Bedarfsansatz dem Zweck des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G gerecht wird, hat das Bundesverfassungsgericht im Falle der Stadtstaaten und Großstädte im Grunde anerkannt. Das Gericht hielt es für „sachgerecht", die Andersartigkeit der Stadtstaaten gegenüber den Flächenstaaten im Länderfinanzausgleich zu berücksichtigen, und zwar „in Form einer Einwohnerveredelung" mit „Auswirkungen auf alle Flächenstaaten"242. Zur näheren Bestimmung der „Andersartigkeit" regte es u.a. einen „Großstadtvergleich" an. Dabei ging es von den Funktions- und Bedarfsunterschieden zwischen einem Stadtstaat beziehungsweise einer Großstadt und einer „Durchschnittsgemeinde" aus 243 . Da der239 240 241

S. Iff. 242

So Fischer-Menshausen, in: von Münch, Kommentar, Bd. 3, Art. 107 Rn. 2. BGBl. I S. 306. Vgl. dazu Peine, Raumplanungsrecht, S. 43 ff., sowie Wahl, Landesplanung, 2. Bd.,

BVerfGE 72, S. 330 (415). BVerfGE 72, S. 330 (416), mit Hinweisen auf die Funktionscharakteristika „Ballungszentren ohne Umland", „Pendlerproblematik", „Industrie-, Handels- und Dienstleistungszentren". Der Anregung des Gerichtes folgend erstellten Hummel und Leibfritz im Auftrag des Bundesministers der Finanzen das Gutachten: Die Einwohnerwertung der Stadtstaaten im Länderfinanzausgleich, IFO-Institut für Wirtschaftsforschung, München, Februar 1987. Die Ergebnisse dieses Gutachtens sind umstritten. Es wird eingewandt, daß Funktionsfaktoren nicht hinreichend berücksichtigt und gewertet worden sind: vgl. Begründung des Antrags der Freien und Hansestadt Hamburg v. 9.7.1987, BR-Drs. 225/19/87, S. 2. 243

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C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

artige Klassifizierungen nicht nur für die Stadtstaaten, sondern auch für Landgemeinden und Kreise der Flächenstaaten bedeutsam sind, wenn auch in einer durch Deglomeration statt durch Agglomeration bestimmten Weise, ist hier wie dort der Weg zur Anwendung von typisierenden Funktionsfaktoren zur Bedarfsermittlung gemäß Art. 107 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, GG gewiesen. Die „Berücksichtigung der vorgegebenen strukturellen Eigenart" der Stadtstaaten, folgerichtig aber auch der übrigen Funktionsklassen von Kommunen, darf, wie das Bundesverfassungsgericht zutreffend 244 betont, vom Gesetzgeber „nicht frei" definiert werden. Der Begriff „Finanzbedarf 4 gibt als unbestimmter Verfassungsbegriff keine ermessensmäßige Gestaltungskompetenz. „Umfang und Höhe" jener Berücksichtigung müssen sich deshalb „nach Maßgabe verläßlicher, objektivierbarer Indikatoren" als angemessen erweisen 245. Indem das Bundesverfassungsgericht durch komplexe Begriffe wie „Stadtstaat", „Großstadt", „Durchschnittsgemeinde", „Industrie-, Handels- und Dienstleistungszentrum" einen Indizienkomplex beschreibt, stellt es die bislang maßgebenden Kriterien Einwohnerzahl und Siedlungsdichte in den raumörtlichen Entwicklungszusammenhang, den schon das Raumordnungsgesetz vorgibt 246 . Demnach bleibt das geltende System der Einwohnerveredelung hinter den verfassungsrechtlichen und durch die Sachgesetzgebung des Bundes geprägten Anforderungen zurück, weil seine Qualifizierungsfaktoren einen hinreichend nachweisbaren und differenzierten Bezug zur Bedarfslage nicht haben. Der Finanzausgleichsgesetzgeber ist infolgedessen zur Nachbesserung seiner Bedarfsmaßstäbe verpflichtet, andernfalls er die Orientierung am Gesetzgebungsziel verfehlt. Da dem Gesetzgeber aufgegeben ist, den Finanzbedarf im Hinblick auch auf die „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet" zu typisieren, ist er im einzelnen gehalten: die tatsächlichen Grundlagen seiner Entscheidung - den „erheblichen Sachverhalt" - zutreffend und vollständig zu ermitteln, ihn seiner Entscheidung zugrunde zu legen und ihn unter Anwendung der vorgegebenen verfassungsrechtlichen Bewertungskriterien umfassend und in nachvollziehbarer Weise abzuwägen247. Dabei hat er, wie ausgeführt, eine Mehrzahl relevanter Belange in die Abwägung einzustellen. Wenn und insoweit der Finanzausgleichsgesetzgeber an die 244

Siehe dazu C. II. 5. und C. III. 4. BVerfGE 72, S. 330 (415 f.). 246 Ähnlich die Vorschläge für eine „Idealtypische Vorgehensweise der Finanzbedarfsmessung" von Hansmeyer/Kops, in: Reform, S. 37 f.; neuestens Eckey / Klemmer, Einwohnergewichtung, S. 12 ff., mit weiteren Nachweisen zu der Annahme, daß Einwohnerdichte allein kein relevantes Kriterium sein kann. Zur Einwohnergewichtung beim kommunalen Finanzausgleich vgl. das vom Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen hrsg. Gutachten, S. 17 ff. 247 So BVerfGE 50, S. 50 (51); 50, S. 195 (203), jeweils betreffend Bestands- und Gebietsänderungen von Gemeinden; die Regeln beanspruchen Geltung für weitere sachverhaltsgesteuerte Normgebungen: vgl. BVerfGE 73, S. 118 (154), betreffend die „Sondersituation" und „Entwicklung" beim Rundfunk. 245

III. Der Finanzbedarf der Kommunen

93

Einwohnerzahl und -dichte anknüpft, bieten sich theoretisch zwei Gestaltungsmöglichkeiten zur Nachbesserung der bisherigen Regeln an: Der Gesetzgeber könnte den gesteigerten Belastungswert für Fälle übermäßiger Agglomeration abbauen, oder er könnte zusätzliche Belastungswerte für Fälle übermäßiger Deglomeration vorsehen. Da aber gerade den Belastungsunterschieden Rechnung zu tragen ist, kommt nur der letztgenannte Vorgang in Betracht. Das bisherige Quotensystem ist also um objektive Indikatoren für den Sonderbedarf sogenannter unteroptimal agglomerierter Kommunen zu ergänzen. Die Indikatoren sollen strukturell bedingte Qualitätsunterschiede der Bedarfslagen zum Ausdruck bringen. Deshalb kommen Kriterien in Betracht, die im Hinblick auf den Topos „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet" von Belang sind. Derartige Kriterien sind etwa: Infrastruktur, Randlage, Verkehrsanbindung, Sondereinrichtungen, Beschäftigungsstand, Arbeitslosen- 248 und Sozialhilfequote und dergleichen mehr. Die Präzisierung obliegt dem Gesetzgeber. Welche der vielfältig denkbaren Kriterien er abwägend festhält, hat der Gesetzgeber zu bestimmen. Die Verfassung sagt über solche Ausführungsprobleme nichts. Ihre Eckwerte lauten: Wirklichkeitsentsprechung, Funktionsmäßigkeit 249 , Erheblichkeit, Verläßlichkeit, Praktikabilität. Erhebliche, strukturbedeutsame Kriterien hat der Gesetzgeber unbedingt heranzuziehen, um eine umfassende Bedarfsermittlung zu gewährleisten. Keinesfalls darf er sich der Typisierung gänzlich entziehen. Daß es möglich ist, objektive Sachkriterien der schlichten quotenmäßigen Einwohnergewichtung hinzuzufügen, zeigen die Finanzausgleichsgesetze der Länder, die Finanzzuweisungen nach konkreten Sachbedarfen der Kommunen - Verkehr, Schule - und nach Bedarfskomplexen - Kurorte, Stationierungsorte - differenzieren.

5. Begriffsbestimmung

und -gestaltung

Die Auslegung des Begriffs „Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände)" ergibt, insgesamt betrachtet, einige feste, zur Berechenbarkeit führende Begriffslinien. Sie offenbart dazu einen Konkretisierungsbedarf. Sicher ist zunächst, daß der Begriff „Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände)" ein besonderer Tatbestands begriff des Art. 107 Abs. 2 Satz 1, 2. 248 Dieser Gesichtspunkt spielte insbesondere in der Diskussion um die Verteilung des einst geplanten „Strukturfonds" eine erhebliche Rolle zur Feststellung eines Mangels an Wirtschaftskraft; vgl. zu den diesbezüglichen Initiativen BR-Drs. 124/88 (Gesetzentwurf des Bundesrates zur sog. Niedersachsen-Initiative); zum Gesetzentwurf der Bundesregierung BRDrs. 468/88: BR-Drs. 468/8/88 (Änderungsantrag Hamburgs); BR-Drs. 468/9/88 (Änderungsantrag Nordrhein-Westfalens); BR-Drs. 468/11/88 (Ablehnungsantrag Baden-Württembergs); BR-Drs. 468/12—14/88 (Änderungsantrag Berlins); BR-Drs. 468/1/88 (BR-Ausschüsse); BT-Protokoll 11/107, S. 7364 ff.; dazu die Berichte in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Nr. 177 v. 2.8.1988, Nr. 219 v. 20.9.1988, Nr. 228 v. 30.9.1988; das abschließende Gesetz zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft in den Ländern v. 20.12.1988 (BGBl. I S. 2358) kennt derartige Anknüpfungen nicht; dazu unten zu C. IV. 3 ff. 249 Vgl. dazu oben C. II. 1.

94

C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

Halbsatz, GG ist. Weil die vorstehende „Finanzkraft der Länder" im Prinzip nur auf das - gesamte - Finanzaufkommen ausgerichtet ist, ist es folgerichtig, den Tatbestand des 2. Halbsatzes zu gliedern, so daß „Finanzkraft" neben und zunächst unabhängig von „Finanzbedarf" zu bestimmen und zu ermitteln ist. Dieses normtechnisch konsequente Ergebnis entspricht auch der geordneten Sachlage. Zwar wird der Finanzbedarf der Kommunen abstrakt schon in einigen Elementen der „Finanzkraft" angesprochen; er wird aber ansonsten im Verfahren eines bloßen Finanzkraftvergleichs nicht vollständig erfaßt. Art. 107 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, G G meint den zusammengefaßten Finanzbedarf der Gemeinden und Kreise eines - jedes - Landes. Wegen der Aufgabenteilung im Kreis muß hierfür der Finanzbedarf für kreisangehörige Gemeinden und ihren Kreis so ermittelt werden, daß das Ergebnis dem für kreisfreie Städte, bei denen die betreffenden Aufgaben konzentriert sind, entspricht. Legt man die bisher übliche Einwohnerwertung des Finanzausgleichsgesetzes zugrunde, dann geht es darum, die bisher nur für Gemeinden konzipierten Wertungsmaßstäbe auf den Aufgabenzusammenhang von kreisangehörigen Gemeinden und Kreis umzuschreiben. Insoweit handelt es sich um eine zielgerichtete Normierungsaufgabe des Gesetzgebers, die unter Umständen Vorberechnungen der Bedarfsergebnisse erfordert. An sich ist die Einwohnerbewertung ein zulässiges Mittel der Bedarfsberechnung. Sie wirkt allerdings zu schematisch und damit sach- und gleichheitswidrig. Daher muß sie ergänzt beziehungsweise verfeinert werden durch objektivierte und typisierte Bedarfsgesichtspunkte. Diese sind als „Indikatoren" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes aus den unbestimmten Verfassungsrechtsbegriffen „Lebensfähigkeit" der Kommunen, „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" sowie aus den diese Begriffe konkretisierenden Grundrechtsstandards sachgerecht so zu entwickeln, daß Klassen von Kommunen gebildet werden können. Dabei kommt der raumörtlichen Entwicklung der Kommunen im Bundesgebiet eine besondere Bedeutung zu. Welche Bedarfsindikatoren neben den oder statt der bisher beobachteten - Einwohnerzahl und Siedlungsdichte - zur Klassifizierung im einzelnen angewendet werden, hat der Gesetzgeber aufgrund einer differenzierten Relevanzabwägung zu entscheiden. Insoweit besitzt er Konkretisierungsbefugnisse. Die Entscheidung muß jedenfalls verläßliche, sachgemäße Indikatoren ausweisen und entsprechend definierte Gemeindebedarfsklassen anstelle der bisherigen Gemeindegrößenklassen definieren, so daß den Belangen der Flächenstaaten und Landgemeinden ebenso Rechnung getragen werden kann wie den Stadtstaaten und Großstädten. Dem Konkretisierungsauftrag wird der Gesetzgeber nicht schon dadurch gerecht, daß er die Finanzkraft der Kommunen nur zur Hälfte oder zu einem anderen Prozentsatz zur Anrechnung bringt. Denn derartige Zahlen sind, soweit ersichtlich, nur das Ergebnis freier Entscheidung oder Vereinbarung, ohne Sachgründe auszuweisen oder zu referieren. Die Fassung des Finanzkraftbegriffes im Sinne von Art. 107 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, GG läßt vielmehr vermuten, daß der berechnete „Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände)" deren -

IV. Berücksichtigungs- und Ausgleichsgebot

95

gesamtheitliche - Finanzkraft übersteigt und deshalb aus Landesmitteln abgedeckt werden muß. Mit einem Prozentsatz der kommunalen Finanzkraft ist er jedenfalls zu ungenau und willkürlich dargestellt. Das bisher gehandhabte, vereinfachte Anrechnungsverfahren ist, wie sogleich zu begründen ist, auch mit der Rechtsfolge nicht vereinbar, die Art. 107 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, GG als „berücksichtigen" definiert.

IV. Berücksichtigungs- und Ausgleichsgebot Art. 107 Abs. 2 Satz 1,2. Halbsatz, GG setzt voraus, daß die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Kommunen feststellbar gemacht sind und feststehen, bevor das Berücksichtigungsgebot eingreift. Auch wenn man der Rechtsfolge „berücksichtigen" einen weiten Spielraum zubilligt, schließt dieser nicht die Dispositionsfreiheit über die Tatbestandsvoraussetzungen ein. Nur wo die unbestimmten Verfassungsbegriffe „Finanzkraft" und „Finanzbedarf 4 Begriffsunschärfen haben, ist der Gesetzgeber befugt, die Verfassungsbegriffe auf legislativem Wege verbindlich zu konkretisieren. Dasselbe gilt hinsichtlich des Begriffskomplexes „Gemeinden (Gemeindeverbände)". Eigenwillige „Klärungen" gegen konstitutionelle Begriffs vorgaben sind dem Gesetzgeber verwehrt 250 . Das Verfahren der Berücksichtigung darf also erst stattfinden, wenn der Sachverhalt bestimmt und geklärt ist. Der Gesetzgeber hat für die Klärung zu sorgen.

1. Wort und Begriff

„berücksichtigen"

Was dann „berücksichtigen" heißt, ist nach dem bisherigen Stand der Kommentierung nicht sicher. Der Begriff schwankt im Fadenkreuz seiner Ausleger. Er soll einerseits eine schwächere Bindung als der Begriff „beachten" begründen, aber doch nicht so schwach sein, daß die „Finanzkraft der Gemeinden bei der Finanzkraft der Länder vernachlässigt werden könnte" - der Finanzbedarf wird hierbei einbezogen er soll dem Gesetzgeber einen „weiten Ermessensspielraum" bieten 251 . Nach einer anderen Auffassung soll „berücksichtigen" weniger als „miteinbeziehen" sein und doch nicht erlauben, die Finanzverhältnisse der Kommunen nur „im Auge (zu) behalten", um sie „am Ende" ganz auszuklammern. Der Begriff soll eine „differenzierende Einbeziehung der Gemeinden" offenbar nur dieser - , erlauben, wobei die Differenzierung sich wohl auf alle Tatbestandsvoraussetzungen soll beziehen dürfen 252 . Ähnliches ist gemeint, wenn der Gesetzgeber für verpflichtet gehalten wird, „die zu berücksichtigende Institution (die Gemeinden in ihrer finanzwirtschaftlichen Autonomie) in ihrer Bedeutung für den jeweiligen Regelungsgegenstand (den Finanzausgleich unter 250 251 252

Dazu oben C. II. 1. So Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 107 Rn. 59. Vgl. Vogel/Kirchhof, in: Bonner Kommentar, Art. 107 Rn. 159 f.

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C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

den Ländern) . . . zu würdigen und im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens als eine Vorgabe für eine entwicklungsoffene Ausgleichsregelung in die Ermessenserwägungen mit einzubeziehen"; eine Außerachtlassung der „kommunalen Finanzkraft" soll ebenso unzulässig sein wie eine Anrechnung „zu hundert Prozent" 253 . Jeweils wird das Richtige also zwischen Alles und Nichts vermutet. Dazwischen hat der Gesetzgeber anscheinend freie Hand. Diese Thesen beruhen im wesentlichen auf Wortlautinterpretationen. Doch so aussagekräftig ist der Wortlaut nicht. Die Bedeutungsunterschiede zwischen „berücksichtigen", „beachten" und „mit einbeziehen" sind sprachlich nicht auszumachen. Sie werden nur im Kontext weiterer Inhaltsanreicherungen verständlich. Für sich genommen, sagen die Wörter nichts über Umfang und Intensität der Berücksichtigung usw. aus. Wenn Umgangs- und fachsprachlich von „Rücksicht", „Rücksichtnahme", „Berücksichtigung" u. ä. m. die Rede ist, geht es gemeinhin um eine Abwägungslage, bei der das in Bezug genommene Schutzgut insgesamt in die Abwägung eingestellt und anderen Schutzgütern gegenübergestellt wird. Die vollständige Einstellung in die Abwägung meint nicht, daß das Abwägungsergebnis ausschließlich von den Belangen bestimmt wird, die zur Berücksichtigung stehen. In diesem Sinne gilt etwa im Baurecht das „Gebot der Rücksichtnahme" 254 . § 13 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967255 verwendet „berücksichtigen" gleichbedeutend so, wie § 1 Satz 1 dieses Gesetzes von „beachten" spricht 256 ; zwar sind Bestimmtheit, Bestimmbarkeit und Überprüfbarkeit der im „Magischen Viereck" versammelten Ziele umstritten, doch kann es als ausgemacht gelten, daß das Gesetz eine Berücksichtigungspflicht enthält 257 und damit zur Einbeziehung aller Ziele in die Maßnahmeentscheidung zwingt. Das Grundgesetz verwendet die Ausdrücke „berücksichtigen" und „Berücksichtigung" außer in Art. 107 Abs. 2 Satz 1 noch in Art. 29 Abs. 1 Satz 2, Art. 33 Abs. 5 und Art. 36 Abs. 2. Zu Art. 29 Abs. 1 G G in der abweichenden Fassung des 25. Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 19. August 1969258, die im ersten Satz eine „Berücksichtigung" gebot und im zweiten Satz nur Neugliederungsziele nannte, entwickelte das Bundesverfassungsgericht die Alternative: „Beachtung vorgegebener verfassungsrechtlicher Ziele und Richtbegriffe" - „Berücksichtigung einzeln aufgezählter verschiedenartiger Belange". Die Alternative wurde nicht präzisiert, doch gibt sie zu erkennen, daß in beiden 253

So Kirchhof, Länderfinanzausgleich, S. 46. Vgl. BVerwGE 52, S. 122 (122,126); 67, S. 334 (337); 68, S. 58 (60 f.); dazu etwa Maurer, Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 9 (S. 126). 255 BGBl. I S. 582. 256 Vgl. Möller, Kommentar, § 1 Rn. 5 und § 13 Rn. 5; ebenso Stern/Münch/Hansmeyer, Kommentar, S. 145, 286 (die Relativierung der Verpflichtung beruht bei § 13 Abs. 2 auf „sollen"). 257 So Stern/Münch/Hansmeyer, Kommentar, S. 145; Hollmann, Globalsteuemng, S. 134. 258 BGBl. I S. 1241. 254

IV. Berücksichtigungs- und Ausgleichsgebot

97

Fällen Abwägungen anzustellen sind; ein Mehr an Verbindlichkeit ist bei keinem Begriff auszumachen259. Die geltende Fassung des Art. 29 Abs. 1 GG gibt alle Richtwerte und Belange unterschiedslos zur Berücksichtigung auf. Dies soll jetzt „weniger als ,in jedem Falle anwenden' " bedeuten, nicht: „bedingungslos und mit gleicher Intensität respektiert", doch müssen jeder einzelne Wert und Belang „ernsthaft in die gesetzgeberischen Überlegungen einbezogen" und es muß „im ersten Stadium von der Gleichwertigkeit aller Richtbegriffe" ausgegangen werden 260 . Die frühere Unterscheidung von „berücksichtigen" und „beachten", die durch die seinerzeitige, heute aufgehobene Gliederung des Art. 29 Abs. 1 G G veranlaßt war, wollte nicht in Abrede stellen, daß „möglichst allen Richtbegriffen Rechnung zu tragen" war 261 . Die Unterscheidung von „berücksichtigen" und „beachten" findet sich auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zu Art. 33 Abs. 5 GG. Nach der Entscheidung zum „G 131" soll die Pflicht zur „Berücksichtigung" dem Gesetzgeber „einen größeren Spielraum" zur Gestaltung lassen262. In der weiteren Rechtsprechung werden dann dezidiert die „nur zu berücksichtigenden" von den „zu beachtenden Grundsätzen" unterschieden, die verpflichtend sind. Diese Trennung und Akzentuierung erfolgt freilich im Rahmen des Verfassungsbegriffes „Berücksichtigung" 263 . Im Fall des Art. 36 Abs. 2 GG wird „eine objektive Bindung des Gesetzgebers" angenommen, doch wird diesem konzediert, „noch andere (nicht sachfremde) Beweggründe" in die Abwägung einzubringen 264. Der Grund dafür ergibt sich aus dem Zusatz „auch" in Art. 36 Abs. 2 GG, nicht aus dem Berücksichtigungsgebot. Zusammengefaßt zeigt diese Übersicht über die Verwendung des Begriffs „berücksichtigen" gewisse Bedeutungsschwankungen um einen relativ festen Begriffskern. Von Berücksichtigung ist bei Abwägungsvorgängen die Rede. Die in Rücksicht zu nehmenden Belange und Werte sind keiner willkürlichen Vor259

BVerfGE 49, S. 15 (20, 23). Maunz/Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 29 Rn. 25. Zustimmend zur Rechtsverbindlichkeit der allerdings mit weiten Beurteilungsspielräumen ausgestatteten Rechtsbegriffe von Münch, in: ders., Kommentar, Bd. 2, Art. 29 Rn. 17; von Münch hält „Berücksichtigung" im Sinne der alten Fassung des Art. 29 Abs. 1 GG für „eine schwächere Form der Beachtung" und beruft sich dabei auf den - auch nicht aussagekräftigeren - Bericht der Sachverständigenkommission für die Neugliederung des Bundesgebiets, Tz. 79. 261 Die Neugliederung des Bundesgebietes. Gutachten des von der Bundesregierung eingesetzten Sachverständigenausschusses, hrsg. Bundesminister des Innern, S. 23 Ziff. 11; zustimmend von Mangoldt/Klein, Grundgesetz, Bd. II, Art. 29 Erl. III 4 c). 262 BVerfGE 3, S. 58 (137); ferner E 8, S. 1 (16 f.). 263 BVerfGE 43, S. 154 (165). Kritisch zu dieser Differenzierung Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 33 Rn. 58; anders von Mangoldt /Klein, Grundgesetz, Bd. II, Art. 33 Erl. V I I 2, beide mit Hinweisen zum Streitstand. 264 Vgl. Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 36 Rn. 9; ähnlich von Mangoldt /Klein, Grundgesetz, Bd. II, Art. 36 Erl. IV 3: „Berücksichtigung ... zur Pflicht". 260

7 Grawert

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C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

auslese anheimgestellt, sondern im jeweils bestimmten Umfang zu erfassen und in die Abwägung einzubringen. Diese wird häufig als Ermessen bezeichnet. Damit ist nicht ungebundene Entscheidungsfreiheit, sondern eine sachangemessene, problemorientierte Abwägung über Art und Ausmaß der Erheblichkeit gemeint. Das Abwägungsergebnis muß sonach auf Gründen beruhen. Ohne Sachgründe dürfen abzuwägende Belange oder Werte nicht vernachlässigt werden. Seine besondere Bedeutung erhält der Begriff „berücksichtigen" aus dem jeweiligen Normzusammenhang.

2. Zweck der Berücksichtigung Berücksichtigt man nicht nur den Wortlaut, sondern den normativen Zusammenhang und den Normzweck des 2. Halbsatzes des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG, dann kommt es auf folgendes an: Der Finanzausgleich zwischen den Ländern soll annähernd gleichwertige Finanzkräfte der einzelnen Länder bewirken, damit diese ihrer Aufgabenverantwortung angemessen gerecht werden können. In diese Verantwortung ist auch die Sorgepflicht für die Kommunen eingeschlossen. Sie ist mit Hilfe des Finanzaufkommens der Länder zu erfüllen, soweit das Eigenaufkommen der Kommunen nicht zureicht. Aber auch insoweit rechnen die kommunalen Aufgaben als solche der Länder. Kommunen und Land stehen in einem staatsrechtlichen Finanzverbund. Art. 106 Abs. 9 G G bringt dies nicht nur im Sonderfall, sondern als Prinzip zum Ausdruck. Daher ist nicht die Auslegung des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G durch Art. 106 Abs. 9 G G vonnöten, um auch jene Finanzausgleichsnorm im Sinne des Prinzips zu verstehen. Da die landesinterne Verteilung des Finanzaufkommens auf Land und Kommunen je nach Landesgesetzgebung verschieden ausfallen und den Kommunen der einzelnen Länder mehr oder weniger aus dem Landeshaushalt zugeteilt werden kann, ist es auch zur Verhütung von Ungleichgewichten und Mißbräuchen bei der Verteilung angezeigt, zur Finanzkraft der Länder auch die der Kommunen hinzuzunehmen. Andernfalls würde der Länderfinanzkraftvergleich mit „hinkenden" Vergleichszahlen belastet sein. Wie die landesinterne Verteilung der Finanzaufkommen ist nämlich auch die Aufgabenverteilung zwischen Land und Kommunen, die den landesinternen Finanzausgleich maßgeblich bestimmt, von Land zu Land verschieden 265. Die Unterschiede beruhen auf Entscheidungen der einzelnen Länder und ihrer Kommunen. Die Landesgesetzgeber begründen und begrenzen in erheblichem Umfang das kommunale Eigenaufkommen und dessen Verhältnis zu ergänzenden Finanzzuweisungen und Umlagen. Sie sind kompetent, die Ertragszuständigkeit der Kommunen zu vergrößern oder zu vermindern und so von der des Landes zu unterscheiden. Sie disponieren über die Aufgabenzuständigkeit im 265

Vgl. zur Illustration Leidinger, in: HBKWP, 2. Aufl., Bd. 6, S. 341 ff.

IV. Berücksichtigungs- und Ausgleichsgebot

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Lande und damit über den Finanzbedarf der Kommunen. Den Landesgesetzgebern ist insbesondere der kommunale Finanzausgleich gemäß Art. 106 Abs. 7 GG und nach Landesverfassungsrecht vorbehalten und aufgegeben 266. Zu den Ausgleichsmaßnahmen gehören in erster Linie Finanzzuweisungen des Landes an die Kommunen. Deren Umfang ist von der wesentlich durch den Landesgesetzgeber geordneten Aufgabenstruktur im Lande abhängig. Wenn der Landesgesetzgeber den Finanzausgleich gestaltet, steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung 267. Um angesichts dessen „kommunalfinanzrechtliche Manipulationen" 268 zu verhindern, abstrahiert Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG den Länderfinanzausgleich von den je besonderen Beziehungen von Ländern und Kommunen, indem er alle relevanten Positionen unterschiedslos durch das Berücksichtigungsgebot zusammenfaßt. Die Erkenntnis des Verfassunggebers, daß die kommunale Finanzkraft der des betreffenden Landes nicht einfach hinzugerechnet werden kann, liegt anerkanntermaßen an der Unvergleichbarkeit der verschiedenen Aufkommenssummen. Vor der Einbringung in den Landesfinanzkraftausgleich bedarf es daher eines Verfahrens zur Herstellung der Vergleichbarkeit kommunaler Einnahmen. Das hat noch nichts mit Abwägung und Ermessen zu tun. Im Hinblick auf das Ziel eines angemessenen Finanzkraftausgleichs ist es erforderlich, die zu berücksichtigenden Belange möglichst wirklichkeitsnah, umfassend und gleichwertig in Betracht zu ziehen. Dieser Vorgang der Definition von Belangen kann sich auf einen „Kernbereich" konzentrieren 269, wenn damit die ausgleichsrelevanten Volumina der „Finanzkraft" beziehungsweise des „Finanzbedarfs" der Kommunen erfaßt werden. Ansonsten besteht kein Anlaß, den zur Selbstverwaltungsgarantie gehörenden Begriff „Kernbereich" zur Reduktion des Berücksichtigungstatbestandes zu verwenden 270. Erst die umfassend begriffene Finanzkraft und der umfassend begriffene Finanzbedarf aller finanzverfassungsrechtlich erheblichen Kommunen eines - jedes - Landes dürfen zur Abwägung herangezogen werden. Der Belang „Finanzkraft der Gemeinden (Gemeindeverbände)" läßt sich mit dem anderen „Finanzbedarf der Gemeinden (Gemeindeverbände)" daher nicht vorab und ohne Konkretisierung ineinssetzen, weil beide Begriffe gewisse Wertungen des Gesetzgebers voraussetzen, dann Konkretisierungen erfordern und schließlich zur Berechnung der Sachlage führen sollen. Das Verfahren der 266 Zur Ergänzungs- und Ausgleichsfunktion vgl. BVerfGE 26, S. 172 (181, 185); 39, S. 96 (122); 41, S. 291 (313 f.). 267 BVerfGE 23, S. 353 (368 f.); ebenso bezüglich der Aufgabenverteilung BVerwGE 67, S. 321 (323 ff.). 268 Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 107 Rn. 59. 269 So Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 107 Rn. 60. 270 Anders Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 107 Rn. 60: Zum „Kernbereich" der kommunalen Finanzkraft zähle nur „das eigene Steueraufkommen der Gemeinden mit Ausnahme der Einnahmen aus den örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuem". Dagegen oben C. II. 3. Im Ansatz deckt Maunz' These sich mit der hier vertretenen Auffassung, wenn mit „Kernbereich" dasselbe wie Ausgleichsrelevanz gemeint ist.

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C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

Berücksichtigung steht also erst nach differenzierten Vorgängen der Qualifizierung und Quantifizierung an. Dann steuert es die Abwägung und Anrechnung der in Art. 107 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, GG genannten Belange auf den weiteren Ausgleichsvorgang gemäß Art. 107 Abs. 2 Satz 1,1. Halbsatz, GG. Das Wort „hierbei" verknüpft die beiden Verfahren, deren Ziel die angemessene Ausgeglichenheit der unterschiedlichen „Finanzkraft der Länder" ist. Dieses Ziel markiert eine spezielle finanzverfassungsrechtliche Gleichheit zwischen den Ländern. Als Ausprägung des allgemeinen, auch die bundesstaatsrechtlichen Verhältnisse prägenden Gleichheitsprinzips 271, besagt das Ausgleichungsgebot des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG, vorbehaltlich näherer Untersuchung der Angemessenheit, zumindest, daß Finanzkraftunterschiede nicht ohne Sachgründe hingenommen und anerkannt werden dürfen. Dies vorausgesetzt, ist es als ausgeschlossen anzusehen, daß das zum Ausgleichsvorgang führende Berücksichtigungsverfahren und dessen Ergebnis der Willkür des Bundesgesetzgebers überlassen sein sollten. Der Umstand, daß dem Bundesgesetzgeber die Angemessenheit des Finanzkraftausgleichs verfassungsrechtlich vorgeschrieben ist, steht einer solchen Annahme entgegen. Weil die Länder Staaten mit dem „gleichen verfassungsrechtlichen Status" sind, haben sie „im Verkehr mit dem Bund Anspruch auf gleiche Behandlung" 272 . Art. 107 Abs. 2 Satz 1,1. Halbsatz, GG modifiziert diesen Anspruch durch die Rechtsfolgebestimmung „angemessen", löst ihn aber nicht zur Willkürermächtigung des Bundesgesetzgebers hin auf.

i . Abwägung und Ermessen Wer die Zuständigkeit des Gesetzgebers, die bezeichneten Belange „zu berücksichtigen", im Sinne von Ermessen verstanden wissen will 2 7 3 , kann demnach ein bis zur Willkür freies Ermessen jedenfalls nicht meinen 274 . Ob die Gesetzgebung überhaupt mit einem „weiten Ermessensspielraum" 275 rechnen darf, hängt von der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ab. Die Gestaltungsfreiheit kann nur mit ihren äußersten, am Evidenzbereich verlaufenden Grenzen in Sachstrukturen eingebunden oder durch verfassungsrechtliche Bindungen stärker eingeengt sein. Ungeachtet dessen ist aber schon fraglich, ob der 271

Vgl. dazu die Grundsatzthese in BVerfGE 1, S. 299 (315): „Als Glieder des Bundes besitzen die Länder, soweit positive verfassungsrechtliche Bestimmungen nicht entgegenstehen, den gleichen Status; sie stehen einzeln und gleichberechtigt nebeneinander"; ähnlich BVerfGE 12, S. 205 (255); zu BVerfGE 72, S. 330 (387), vgl. unten C. IV. 8. 272 So BVerfGE 12, S. 205 (255). 273 So Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 107 Rn. 59; Kirchhof, Länderfinanzausgleich, S. 46. 274 Zur Bedeutungsvielfalt von „freies Ermessen" vgl. Wolff /Bachof, Verwaltungsrecht I, §31 I I c) 3. (S. 198). 275 So Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 107 Rn. 59 und 60, wo allerdings Sachgründe für erforderlich gehalten werden.

IV. Berücksichtigungs- und Ausgleichsgebot

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Ermessensbegriff überhaupt der Rechtsfolgenanordnung des Art. 107 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, G G entspricht. Legislatives Ermessen beziehungsweise legislative Gestaltungsfreiheit, wie das Bundesverfassungsgericht treffender zu sagen pflegt, vermittelt dem Gesetzgeber die Zuständigkeit, innerhalb der verfassungsrechtlichen Schranken und Vorgaben die Regelungswege und -ziele nach seinen politischen Vorstellungen zu bestimmen. Mit der Zielsetzung ist dem Gesetzgeber gemeinhin auch das zugehörige Steuerungsprogramm zur näheren, allerdings systemkonformen Bestimmung überantwortet. Dem Gesetzgeber steht „ein weiter Spielraum" zu, um über die Zwecktauglichkeit eines Verfahrens zur Erreichung des gesetzten Zieles eine „politische Entscheidung" zu treffen; die Grenze ist erst dann erreicht, wenn eine Entscheidung nicht mehr „sachgerecht und vertretbar" ist 276 . Ein ähnlich weites Feld eröffnet die Gestaltungsfreiheit, wenn den Zielvorgaben des allgemeinen Gleichheitssatzes Rechnung getragen werden soll 277 . Daran könnte die Auslegung des Ausgleichsgebotes des Art. 107 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz, G G anknüpfen. Das Berücksichtigungsgebot des Art. 107 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, G G hat jedoch einen anderen Regelungsgehalt. Es soll nur die Finanzkraft und den Finanzbedarf der Kommunen in das Ausgleichsverfahren einführen, ohne schon selbst auf dessen Ziel unmittelbar verpflichtet zu sein. Im übrigen ist das Ausgleichsziel nicht so präzisiert, daß es Orientierungsgrößen für die Berücksichtigung abgeben könnte. Als Ermessensermächtigung verstanden, würde das Berücksichtigungsgebot dem Gesetzgeber infolgedessen nahezu völlig freie Hand lassen: Zielsetzung, Verfahrens- und Umfangbestimmung wären ihm ohne verfassungsrechtliche Vorgaben überantwortet; allein die Pflicht, überhaupt den Berücksichtigungsvorgang einzuleiten und irgendeine Berücksichtigungsentscheidung zu treffen, wären ihm durch das Gebot aufgegeben. Die „Sache", die die Sachgemäßheit und die Sachgründe tragen sollte, läßt sich nämlich aus dem Berücksichtigungsgebot gar nicht ableiten, wenn es nur zum Handeln ermächtigt. Eine derartige Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers stimmte jedoch weder mit der gegliederten Tatbestandsfassung noch mit der finanzverfassungsrechtlichen Bedeutung der kommunalen Position für das bundesstaatliche Wirkungsgefüge überein. Die Rechtsfolge eines ziel- und verfahrensfreien Gestaltungsermessens stünde im Gegensatz zur tatbestandlich differenzierten Ermittlungspflicht des Gesetzgebers. Deshalb gibt die Deutung des „berücksichtigen" als Ermessen nicht die richtige Richtung der Normauslegung an. Fragt man, was „berücksichtigen" als Rechtsfolgebestimmung eines gegliederten, komplexen Tatbestandes statt dessen gegenständlich meint, wenn nicht die Kompetenz zur Willkürentscheidung, und wo der Anknüpfungspunkt für Sachabwägungen ist, dann stehen zwei Vorgänge zur Auswahl. „Berücksich276

BVerfGE 69, S. 1 (53); auf diese Maßstäbe bezieht sich auch BVerfGE 72, S. 330 (399). Zur Vertretbarkeit bei unbestimmten Verfassungsbegriffen vgl. C. II. 1. 277 Vgl. u.a. BVerfGE 65, S. 104 (113), mit weiteren Nachweisen.

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C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

tigen" kann zum einen heißen, daß die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Kommunen je für sich als Einzelposten in die Berechnung der Finanzkraft der einzelnen Länder einzubeziehen und im Zusammenhang mit dieser zum Ausgleich mit der Finanzkraft der anderen Länder zu bringen ist. „Berücksichtigen" kann andererseits heißen, daß die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Kommunen zunächst untereinander abzuwägen sind und daß das Abwägungsergebnis insgesamt dem Verfahren gemäß Art. 107 Abs. 2 Satz 1,1. Halbsatz, G G einzufügen ist. So verfuhren bisher im Prinzip alle Finanzausgleichsgesetze, indem sie nur einen, freilich dem Umfang nach beschränkten Aufkommensposten der Kommunen in die Berechnung der Landesfinanzkraft einbezogen. Das geltende Finanzausgleichsgesetz behält diesen Usus bei. Der Bundesrat hat ihn für die allein gangbare Alternative gehalten278 und zur Begründung u.a. daraufhingewiesen, daß eine „Wechselbeziehung" zwischen der Finanzkraft und dem Finanzbedarf der Kommunen bestehe; hohen Realsteueraufkommen der Gemeinden entsprächen nämlich hohe Ausgaben, insbesondere zur Stärkung und Sicherung der Infrastruktur, die erst die Voraussetzung für die überdurchschnittlich hohen Einnahmen bildeten. Falls damit der abstrakte Finanzbedarf gemeint ist, der durch die Real Steuererhebung nach Äquivalenzgesichtspunkten in die Finanzkraftbemessung eingerechnet wird 2 7 9 , geht der Hinweis an dem Finanzbedarfsbegriff des Art. 107 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, G G vorbei; denn dort ist die Gesamtheit der konkreten, typisierten Finanzbedarfe gemeint 280 . I m übrigen schreibt die Verfassungsnorm aber nicht vor, auf welcher Ermittlungsstufe die kommunalen Positionen miteinander und mit der Finanzkraft des Landes verrechnet werden sollen. Der Gesetzgeber darf also darüber entscheiden, ob die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Kommunen zuerst in eine „Wechselbeziehung" gebracht und zu einem Rechnungsposten zusammengefaßt werden oder je gesondert bleiben und dann der Landesfinanzkraft zugeordnet werden sollen. Diese Entscheidung ergibt noch keine Maßstäbe für die Umfangbestimmung, die der Streit um den Begriff „berücksichtigen" eigentlich betrifft. Art. 107 Abs. 2 Satz 1,2. Halbsatz, G G selbst ordnet aber an, daß die Umfangbestimmung sich sowohl auf die Finanzkraft als auch auf den Finanzbedarf der Kommunen zu erstrecken hat („und"), so daß die eine die andere Position nicht einfach ersetzen darf.

278 Vgl. BR-Drs. 225/87, S. 5; ebenso schon der federführende Finanzausschuß und der Rechtsausschuß des Bundesrates in: BR-Drs. 225/1/87, S. 5. 279 Vgl. dazu oben C. II. 5. 280 Vgl. oben C. III. 5.

IV. Berücksichtigungs- und Ausgleichsgebot

4. Die „ Wechselbeziehung"-These

103

des Bundesrates

Die Argumentation des Bundesrates, daß die „Wechselbeziehung" zwischen den beiden „Merkmalen" es rechtfertige, nur die „Finanzkraft" und diese auch nur in reduziertem Umfang anzusetzen281, mißversteht jene verfassungsnormative Vorgabe. Was sie meinen könnte, ist vielmehr die oben definierte Zusammenfassung der beiden Rechnungsposten, die dann allerdings nicht schlichtweg „Finanzkraft" heißen kann. Sollte die irreführende Bezeichnung aber lediglich das Ergebnis der Zusammenfassung definieren wollen, dann stimmte der Ansatz mit Art. 107 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, G G überein. Fragwürdig bleibt dann die Anrechnungsregel des § 8 Abs. 5 FAG. Sie unterstellt, daß der Finanzbedarf der Kommunen entweder nur in Höhe von fünfzig Prozent der kommunalen Finanzkraft auftreten kann oder daß er nur in dieser Höhe angerechnet zu werden braucht, sofern er tatsächlich höher liegt. Die erstgenannte Unterstellung, daß kommunaler Finanzbedarf ständig nur in Höhe von fünfzig Prozent der kommunalen Finanzkraft besteht, kann jedoch nicht als wahrscheinlich gelten. Gegen sie sprechen bereits der Umstand, daß die Finanzkraft der Gemeinden die Finanzzuweisungen aus Landesmitteln nicht umfaßt, und die Erwägung, daß Aufkommen und Bedarf sich unterschiedlich entwickeln können, weniger bei der Einrichtungs-, stärker bei der Sozialverwaltung. Die normative Fixierung nimmt insofern auf die zugrunde gelegten Sachverhalte keine Rücksicht, obwohl eine solche Rücksichtnahme beabsichtigt ist 282 . Unterschiedliche Entwicklungen sind nicht nur zeit- und läge-, sondern auch strukturbedingt, und zwar, worauf es hier ankommt, landesweit. Wenn man von einer Klassifizierung der Kommunen nach den Kriterien: Mindest- beziehungsweise Grundstandard, Durchschnittsstandard und Spitzenstand des leistungsorientierten Bedarfs ausgeht, dann läßt sich annehmen, daß finanzstarke Gemeinden typischerweise weniger, finanzschwache Gemeinden mehr Finanzbedarf im Verhältnis zu ihrer Finanzkraft haben, um ihren Spitzenstand beziehungsweise ihren Grundstandard an Leistung zu wahren. Dabei erfordert das Leitprinzip „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" jedenfalls die Aufrechterhaltung eines Grundstandards und dessen Entwicklung zum Durchschnittsstandard, so daß der Schutz der Autonomie finanzstarker Gemeinden vor „Entreicherungen" infolge des Finanzausgleichs nicht so weit anerkannt werden kann, daß finanzschwache Gemeinden dauerhaft an einer Entwicklung gehindert werden. Dieser Rechtsgründe wegen kann die vollständige Anrechnung der kommunalen Finanzlage(n) auch nicht zu unzulässigen Ungleichbehandlungen der Länder im Finanzausgleich führen 283 . 281

BR-Drs. 225/87, S. 5. BR-Drs. 225/87, S. 4 f. 283 So eine der Sorgen des Bundesrates, BR-Drs. 225/87, S. 5; dagegen Begründung des Antrags des Landes Schleswig-Holstein v. 9.7.1987, BR-Drs. 225/25/87, S. 2. 282

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C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

Die geltende Fünfzig-Prozent-Regel ist also zum einen schon tatsächlich unzutreffend. Sie ist auch nicht systemkonform. Während nämlich das Finanzausgleichsgesetz die Finanzkraft der Kommunen im ausgleichsrelevanten Umfang veranschlagt wissen will, fingiert es den Umfang des angerechneten Finanzbedarfs ohne Rücksicht auf seine - typisierte - wirkliche Höhe. Die gesetzliche Schematisierung ist so abstrakt, daß sie sich nicht als Objektivierung und Typisierung rechtfertigen läßt. Sie wäre gerechtfertigt, wenn es dem Gesetzgeber freistünde, den Finanzbedarf nur zum Teil und dann schematisch zu veranschlagen. In diesem Falle brauchte er allerdings Sachgründe für seine Entscheidung. Deren Notwendigkeit ergibt sich, wie gesagt, aus dem Umstand, daß der Tatbestand des Art. 107 Abs. 2 Satz 1,2. Halbsatz, G G die Sachstandsermittlung erfordert, so daß das Prinzip der Systemkonformität Sacherwägungen auch für die Rechtsfolgebestimmung vorschreibt 284 . Dies ist im Grundsatz wohl auch nicht bestritten. Die Finanzausgleichsgesetzgeber haben die Anrechnungsregel bislang durchweg für sachlich begründungsbedürftig gehalten. Der Bundesrat hat sich um Begründungen bemüht. Sachbegründungen, die die Fünfzig-Prozent-Regel unterfangen könnten, sind jedoch nicht ersichtlich. Ein „werbungskostenähnlicher Abzug", den der Bundesrat zu erwägen gibt, hat mit den Tatbestandsvoraussetzungen „Finanzkraft" und „Finanzbedarf* offenbar nichts zu tun, da es hier keinesfalls um Werbung geht und da die Bedarfselemente, die die Realsteuereinnahmen charakterisieren, beim Berücksichtigungsvorgang keine Rolle spielen. Zwar gehören Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung der Ertragsquellen wie Arbeitsplatzsicherung und Grundstückserschließung zu den bedarfsbegründenden Faktoren 285 . Sie schlagen aber nicht in jeder Kommune und in jedem Lande in gleichem Ausmaß zu Buche. Ihr Verhältnis zur Finanzkraft läßt sich daher nicht pauschal auf fünfzig Prozent festlegen 286. Ermittlungsprobleme, die der Bundesrat überdies sieht, mögen sich zwar bei der Tatbestandsfeststellung ergeben; auf der Rechtsfolgeseite sind sie bereits erledigt. Vor allem ist auch hier nicht einzusehen, warum für alle Kommunen nur ein schematisierter Einheitssatz für die Bedarfsanrechnung gelten soll, während die Finanzkraft den tatsächlichen Entwicklungen folgt und der Finanzkraft des Landes voll zugerechnet werden muß, weil Kommunen und Land in einem Finanzverbund stehen. Gegen Art. 106 Abs. 9 G G verstößt es nicht, daß die kommunalen Finanzpositionen vollständig in die Finanzkraft der Länder einbezogen werden. Denn jene Verfassungsnorm entspricht dem grundgesetzlichen System dezentraler Verwaltung; sie drückt ein allgemeines Zuordnungsprinzip aus 287 ; Art. 107 284 285 286 287

Im Ergebnis ebenso Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 107 Rn. 60. So Vogel/Kirchhof, in: Bonner Kommentar, Art. 107 Rn. 171. A.A. Vogel/Kirchhof, ebd. Vgl. dazu oben B. III. 3.

IV. Berücksichtigungs- und Ausgleichsgebot

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Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, G G soll kein Konträrprogramm zu jener Norm bieten. Fehlen Gründe für die Nichtbeachtung von Finanzkräften oder -bedarfen, so bleibt es bei der Regel, daß alle abzuwägenden Positionen in ihrem gesamten ausgleichsrelevanten Umfang beim Ausgleich zu berücksichtigen sind, das heißt in der Sprache des Bundesverfassungsgerichtes: ohne Einschränkung zu „beachten" sind. Solange es keine überzeugenden Gründe dafür gibt, daß eine fünfzigprozentige Veranschlagung der „Finanzkraft" der Gemeinden oder gar nur der Steuerkraft der Gemeinden das Ergebnis einer Abwägung mit dem „Finanzbedarf" ist, muß die bisherige Regelung für unzureichend gehalten werden. Die Fünfzig-Prozent-Regelung begünstigt die ausgleichspflichtigen finanzkräftigen Länder und benachteiligt die finanzschwachen Länder ohne ersichtlichen sachlichen Grund 2 8 8 . Deshalb ist den Stimmen Recht zu geben, die für eine vollständige Einbeziehung der kommunalen Positionen in den Länderfinanzausgleich plädieren 289 . 5. Folgerungen Der Finanzausgleichsgesetzgeber ist deshalb gehalten, auf möglichste Vollständigkeit beziehungsweise auf umfassende Bemessung gerichtete Kriterien, Begriffe und Feststellungsmodi der „Finanzkraft" und des „Finanzbedarfs" der Kommunen zu normieren, das Berücksichtigungsverfahren zu konkretisieren und mangels Ausnahmegründe die kommunale Finanzposition bei der Berechnung der „Finanzkraft der Länder" vollständig zur Anrechnung zu bringen. 6. Das Sicherstellungsgebot Die Verfahren der Finanzkraft- und Finanzbedarfsermittlung gemäß Art. 107 Abs. 2 Satz 1,1. und 2. Halbsatz, G G dienen letztlich dazu, die Sicherstellung des angemessenen Ausgleichs der unterschiedlichen „Finanzkraft der Länder" zu ermöglichen. Sie sollen berechenbare und verläßliche Daten ergeben, mit deren Hilfe die Finanzkraft jedes einzelnen Landes einschließlich der Finanzlage seiner Kommunen und sodann die Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern festgestellt werden können. Erst nach dieser Feststellung läßt der erstrebte Ausgleich sich in angemessenem Umfang bewerkstelligen und sicherstellen. 288

Ohne nähere Begründung ebenso Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 107 Rn. 61. Stellungnahme der Bundesregierung zu einem Entwurf eines Finanzausgleichsgesetzes v. 6.6.1969, BT-Drs. V/4305, S. 101; Strauß, Finanzverfassung, S. 137 f., der betont, daß die Fünfzig-Prozent-Regelung nur „den Übergang erleichtern" sollte zur „endgültigen Regelung" der vollen Berücksichtigung; Ossenbühl, Grundfragen, S. 129; Schmidt-Bleibtreu /Klein, GG, Kommentar, Art. 107 Rn. 9; Patzig, DVB1. 1969, S. 896; a.A. Vogel/Kirchhof, in: Bonner Kommentar, Art. 107 Rn. 171, und, wenn auch in allgemeineren Wendungen, Kirchhof, Länderfinanzausgleich, S. 47 f., der entscheidend auf einen angeblichen Gegensatz von „berücksichtigen" und „beachten" abstellt. Birk, in: Alternativkommentar, Bd. 2, Art. 107 Rn. 11, referiert das Finanzausgleichsgesetz 1969 ohne Kommentar. 289

C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

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Sicherstellung meint dabei zweierlei. Zum einen meint die Verfassung jene Sicherstellung, die mit der Geltungskraft des Gesetzes verbunden ist. Das mit Zustimmung des Bundesrates erlassene Bundesgesetz bindet insbesondere die Länder, so daß der Finanzausgleich von deren Verhandlungs-, Abstimmungsund Bindungswillen nicht abhängt - es gälten sonst die Regeln des Einstimmigkeitsprinzips und der clausula rebus sie stantibus. Sicherstellung meint zum andern die inhaltliche Gestaltung des Ausgleiches. Die Ausgleichung soll feststehenden Regeln folgen, die Art. 107 Abs. 2 Satz 2 G G vorschreibt, und dadurch zu einem berechenbaren und feststellbaren Ergebnis führen, das die Ausgleichsberechtigung und die Ausgleichsverpflichtung so eindeutig ausweist, daß die beteiligten Länder ihre Haushalts-, Finanz- und Aufgabenplanung danach richten können. Denn der Zweck des Finanzausgleichs weist über diesen hinaus auf Art. 109 Abs. 1 GG, demgemäß die Länder in ihrer Haushaltswirtschaft selbständig und voneinander unabhängig sind, sowie auf Art. 20 Abs. 1, Art. 30 und Art. 28 Abs. 1 GG, denen gemäß die Länder im Bundesstaat und die Kommunen im dezentralisierten Gliedstaat die staatlichen Aufgaben autonom erfüllen und die staatlichen Befugnisse autonom ausüben. Das Bundesverfassungsgericht sieht in dem Sicherstellungsgebot das „bündische Prinzip des Einstehens füreinander" verwirklicht, das die Länder ungeachtet ihrer Eigenstaatlichkeit und finanziellen Selbständigkeit zu „gewissen Hilfeleistungen" an andere, „finanziell leistungsschwache" Länder verpflichte und diesen, wie konsequenterweise hinzuzufügen ist, einen Hilfeanspruch gibt290.

Mit dieser Begründung greift das Gericht durch die normative Verfassung hindurch auf essentialia eines Bundes zu. Wesentlicher Zweck eines Bundes ist die Erhaltung seiner Mitglieder 291 . Insoweit sind jeder und alle für jeden da. Dieser gemeinsame Zweck ist ein Element des Mitgliedstatus jedes einzelnen Bundesgliedes. Er motiviert die Bündnisinitiative und bestimmt das Zusammenleben im Bund. Im normativ verfaßten Bundesstaat richtet sich das Zusammenleben allerdings nach dem Verfassungsrecht. Bündniszwecke sind insoweit erheblich, als sie verfassungsrechtlichen Ausdruck gefunden haben. Die hier maßgebliche Norm des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G gibt nun jenem „bündischen Prinzip" in unitarischer Weise Ausdruck. Nicht die Länder selbst haben das „Einstehen füreinander" zu bewirken; dies besorgt vielmehr der Bund durch die abgestimmten Entscheidungen seiner Organe, des Bundestages und des Bundesrates, im Wege der Bundesgesetzgebung. Diese hoheitlich-unitarische Lösung schließt es aus, die Länder in ein partnerschaftliches Verhältnis des Miteinander zu versetzen. Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG verläßt sich nicht auf eine Kollektivvernunft der einzelnen Länder, sondern auf Mehrheitsbeschlüsse von Bundesorganen, und zwar deshalb, weil er außer auf die Erhaltungsinteressen seiner Mitglieder auch auf die Interessen seiner Bürger abstellt. Die Ausrichtung auf die 290 291

BVerfGE 72, S. 330 (386 f.). Schmitt, Verfassungslehre, S. 366, 368.

IV. Berücksichtigungs- und Ausgleichsgebot

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„Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" und auf Grundrechtsstandards überholt also bereichsweise das bündische Prinzip. Deshalb sollen die Ausgleichsregelungen des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G nicht bündisch, sondern unitarisch maßgebend wirken. Rechtstechnisch wird diese Wirkung durch das Gesetzgebungsgebot sowie durch unbestimmte Tatbestandsbegriffe und gebundene Rechtfolgebestimmungen bewerkstelligt. Dadurch wird u.a. die durch den Bundesrat erfolgende Mitwirkung der Länder begrenzt. Inhaltlich dürfen die „gewissen Hilfeleistungen", von denen das Bundesverfassungsgericht spricht, daher nicht am „bündischen" Minimum, sondern müssen am grundrechtsgemäßen Durchschnitt der Aufgaben ausgerichtet werden. Da die Hilfe wirklichen Leistungsschwächen abhelfen soll, ist sie nur insoweit erforderlich und gerechtfertigt, als Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern tatsächlich und in erheblichem Umfang bestehen. Die Sicherstellung soll zwar nur zu einem „angemessenen" Ausgleich führen. Sie ist also das Ergebnis - auch - einer Abwägung und Bewertung. Aber sie soll und darf nur auf sicheren, nachvollziehbaren Daten beruhen. Fehlt es an solcher Datensicherung und -Sicherheit, wäre die Ausgleichspflicht nicht zumutbar, und die Ausgleichsberechtigung wäre nicht gerechtfertigt. Die finanzielle Leistungsschwäche und -stärke müssen also sachlich begründet und dürfen nicht willkürlich gegriffen sein. Deshalb setzt das Sicherstellungsgebot Vorverfahren zur Datenermittlung und -feststellung voraus, die möglichst wirklichkeitsnah sind. Der den Länderfinanzausgleich leitende Sinn und der ihn „rechtfertigende Grund" 2 9 2 schließen infolgedessen freie Verfahrensgestaltungen des Bundesgesetzgebers aus, soweit dies finanz- und gesetzestechnisch möglich ist 293 . Je mehr man Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G als offene Norm interpretiert, je mehr man aus ihm Ermessensermächtigungen herausliest, um so mehr funktioniert man den Sicherstellungsauftrag des Bundesgesetzgebers zu einem Gestaltungsauftrag um. Es kommt dann um so mehr auf Zweckmäßigkeitserwägungen des Bundesgesetzgebers an. Die Verfassungsnorm stellt hingegen auf die reale Finanzlage der Länder ab. Gestaltung durch den Bundesgesetzgeber heißt bei Zustimmungsgesetzen auch: Mitentscheidung der Bundesratsmehrheit über Belange der einzelnen Länder. Eine solche Mitentscheidung darf hier aber nur so weit reichen, wie das „bündische Prinzip des Einstehens füreinander" dies sachlich erforderlich macht und die unitarischen Belange maßgebend bleiben. Aus dieser, dem Sicherstellungsgebot entnommenen Einsicht ergibt sich die Bestätigung der dargelegten Rechtsfolgebestimmung von „berücksichtigen". Es wäre widersinnig, den Ausgleich der effektiven Finanzkraftunterschiede auf dezisionistische Grundannahmen zu stützen. Dem entspricht es, Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G als normative Bestimmung und nicht als Anregung zur Gestaltung zu verstehen, seine Tatbestands- und Rechtsfolgebegriffe als unbestimmte Verfas292

BVerfGE 72, S. 330 (387). A.A. und für eine Regelungskompetenz des Bundesgesetzgebers im Sinne „der polit. Praxis", auf die „sich die Regierungen der Länder und . . . der BMF geeinigt haben": FischerMenshausen, in: von Münch, Kommentar, Bd. 3, Art. 107 Rn. 17. 293

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C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

sungsbegriffe und nicht als Ermessensermächtigungen zu behandeln, ferner, den Gesetzgeber zwar zu Konkretisierungen zu veranlassen, ihm dafür aber Begründungspflichten aufzuerlegen.

7. Das Ausgleichsgebot Der Länderfinanzausgleich ist das Ergebnis eines Gesamtvergleiches und einer Gesamtabwägung der Finanzlagen der Länder samt Kommunen. Er beruht auf einer umfassenden Ermittlung der Finanzkräfte der einzelnen Länder samt Finanzkräfte sowie -bedarfe ihrer Kommunen 294 und folgt aus der strikten Durchführung des verfassungsrechtlichen Ausgleichsgebotes. Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G verpflichtet den Bundesgesetzgeber, den Ausgleich zu regeln und die Länder dafür in die Pflicht zu nehmen. Sein Ausgleichsgebot erfordert daher ein Ausgleichsverfahren und die materielle Ausgeglichenheit. Beides zu leisten, ist eine ständige Aufgabe des Bundesgesetzgebers. Er ist zu Nachbesserungen verpflichtet, wenn absehbar ist, daß das normierte Ausgleichsverfahren nicht nur vorübergehend das Ausgleichsziel verfehlen wird. Dieses Ziel ist allerdings nur eine Etappe auf dem grundgesetzlichen Wege zur Finanzgerechtigkeit im Bundesstaat. Letztlich soll es erreicht werden, daß der „Gesamtstaat und die Gliedstaaten am Ertrag der Volkswirtschaft sachgerecht beteiligt" sind 295 . Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G bildet insoweit nur die abschließende Regelung für das Ausgleichsverhältnis zwischen den Ländern. Die Norm steht zwar wechselseitigen Vereinbarungen der Länder über Finanzhilfen oder Ertragszuständigkeiten entgegen296. Doch sieht das Grundgesetz im BundLänder-Verhältnis noch besondere und länderspezifische Unterstützungen aus Bundesmitteln aufgrund von Bundesgesetzen und Bund-Länder-Vereinbarungen vor: Art. 91 a, Art. 91 b, Art. 104 a Abs. 3,4, Art. 106 Abs. 4 Satz 2 und Art. 106 Abs. 8 G G beziehen sich auf besondere Aufgabenkomplexe, und Art. 107 Abs. 2 Satz 3 G G ermächtigt zu Ergänzungszuweisungen an einzelne, insgesamt leistungsschwache Länder. Die Relevanz dieser besonderen Vorgänge der Finanzausstattung der Länder durch den Bund belegt bereits nebenstehende Übersicht. Erst am Ende der verschiedenen allgemeinen und besonderen Beitrags-, Ausgleichs- und Ergänzungsverfahren lassen sich die Beteiligungen des Bundes und der einzelnen Länder am Ertrag der Volkswirtschaft, läßt sich also ihre finanzielle Handlungsfähigkeit vollständig ermessen. Deshalb ist zurückzufragen, welche Bedeutung dem Länderfinanzausgleich im Rahmen des komplexen Systems der Umverteilung zukommen soll und welche Ausgleichsleistungen von 294

Grundsätzlich ebenso Vogel/Kirchhof, in: Bonner Kommentar, Art. 107 Rn. 165,171 hier allerdings mit anderer Subsumtion des kommunalen Bedarfs. 295 BVerfGE 72, S. 330 (388 - mit 398 -); Wiederholung von BVerfGE 55, S. 274 (300). 296 So Fischer-Menshausen, in: von Münch, Kommentar, Bd. 3, Art. 107 Rn. 6; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 107 Rn. 5 und Art. 109 Rn. 6.

1. gemäß Art. 91 a GG

Wohnungsbau

387,6

82,2

199,1

527,8

162,0

246,2

638,3

-

71,7

12,9

52,0 94,3

-

8,0

19,3

13,2

8,9

896,4

-

86,2

23,5

27,8

81,3

-

196,2

54,3

122,4

228,8

4,1

-

314,1

22,8

68,0

HH Hs Ns

0,9 1,3 2,7 2,1 5,4 1,1 0,3

7,0 8,9

9,0

BY HB

212,7

62,3

133,8

445,9

1,3

0,2

776,6

750,9

92,1

27,1

16,2

275,4

44,3 9,4

84,1

1596,0

83,4

27,5

71,4

81,1

50,4

82,0 133,8

14,9

24,0 11,0

25,2

72,0

SH

24,5

118,3

429,5

-

114,1

41,5

135,0 212,7

89,0

90,0

NW RP SL

276,2

5. Bundesergänzungszuweisungen

-

37,3

225,2

572,0

124,0

310,1

267,0

281,4

Insgesamt: 1742,6 2522,3 152,5 436,5 1006,6 1684,7 3289,3 709,6 184,0 749,4 Gemäß Art. 91 a, Art. 91 b, Art. 104 a Abs. 3 und Abs. 4 GG wurden also vom Bund zu den Ländern - abgesehen von Berlin - 12,4775 Mrd. DM bewegt. Im gleichen Zeitraum erfolgten

- Gemeindeverkehr

- Städtebau

-

4. gemäß Art. 104 a Abs. 4 GG

3. gemäß Art. 104 a Abs. 3 GG

Forschung

2,0

394,8

-

3,1

220,0

2,2 3,4

198,1

230,0

2. gemäß Art. 91 b GG - Bildungsplanung

- GA Agrarstruktur

- GA Wirtschaftsstruktur

- G A Hochschulbau

BW

Zahlungen des Bundes an die Länder im Jahre 1987 (in Mio.)

IV. Berücksichtigungs- und Ausgleichsgebot

110

C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG erwartet werden. Von der Antwort hängt u. a. die Angemessenheit des Ausgleiches ab. Betrachtet man das System der Finanzverfassung insgesamt, dann zeigt es sich, daß das Grundgesetz hier hauptsächlich auf Regelverfahren und nur unter besonderen Umständen auf Sonderverfahren vertraut. Hauptsächlich soll die Finanzgerechtigkeit nach Abgabengesetzgebung sich aus der Ordnung der Ertragszuständigkeit sowie aus dem vertikalen und aus dem horizontalen Finanzausgleich ergeben. Dabei markieren Art. 106 und Art. 107 GG mehrere Stufen zur Verteilung des Finanzaufkommens 297, die zur schrittweisen Konkretisierung und Verdichtung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern sowie zwischen den Ländern führen. Jeder Stufe entsprechen bestimmte Regelungszwecke. Daher darf keine Stufe übersprungen werden. Wie die Abgabengesetzgebung der Aufkommensverteilung vorausliegt, so setzt die Aufteilung der Erträge die Verteilung der Ertragszuständigkeiten voraus. Konsequenterweise muß die Ausgleichsstrategie des Bundes und der Länder daher auf der Grundstufe der Ertragszuständigkeiten ansetzen, ehe Maßnahmen gemäß Art. 107 Abs. 2 G G in Betracht gezogen werden dürfen. Deshalb rangiert eine Modifizierung der Umsatzsteuerbeteiligung aufgrund Art. 106 Abs. 3 Satz 3, 4 und Abs. 4 Satz 1 G G oder eine Regelung der Gewerbesteuerumlage aufgrund Art. 106 Abs. 6 Satz 4, 5 G G vor dem Länderfinanzausgleich und dieser vor Ergänzungszuweisungen. Bundesergänzungszuweisungen sind, wie das Bundesverfassungsgericht zutreffend betont, als Ergänzung, nicht als Ersatz des horizontalen Finanzausgleichs angelegt298. Daher dürfen Maßnahmen gemäß Art. 107 Abs. 2 Satz 3 G G nur für einen begrenzten Adressatenkreis und nur in begrenztem Umfang erfolgen. Das Bundesverfassungsgericht hat dagegen „im Verhältnis zum horizontalen Länderfinanzausgleich ein beträchtliches Volumen" konzediert 299 . Diese Konzession birgt die Gefahr in sich, daß der Bundesgesetzgeber auf die fakultativen Ergänzungszuweisungen ausweicht, statt Strukturdefizite der Ertragszuständigkeiten zu korrigieren und den Länderfinanzausgleich anzupassen. Zu derartigen Korrekturen besteht dann Anlaß, wenn das Verfahren nach Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G mehrere leistungsschwache Länder hinterläßt, deren Leistungsschwäche auf strukturell gleichartigen Gründen beruht. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes ist jedoch umgekehrt vorzugehen 300: Je geringer die Finanzausstattung der leistungsschwachen Länder im horizontalen Finanzaus297 Vgl. dazu BVerfGE 72, S. 330 (383). - Für eine Einbeziehung der Finanzzuweisungen gem. Art. 91 a, 91 b, 104 a Abs. 3,4 GG in den - weiteren - Finanzausgleich wohl auch Stern, Staatsrecht, Bd. II, S. 1163 f. 298 BVerfGE 72, S. 330 (402). 299 BVerfGE 72, S. 330 (403). 300 BVerfGE 72, S. 330 (403); Fischer-Menshausen, in: von Münch, Kommentar, Bd. 3, Art. 107 Rn. 19; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 107 Rn. 72, und Vogel/Kirchhof, in: Bonner Kommentar, Art. 107 Rn. 175, betonen hingegen die Subsidiarität der Ergänzungszuweisungen.

IV. Berücksichtigungs- und Ausgleichsgebot

111

gleich an den Länderdurchschnitt herangeführt werde, um so mehr werde eine ergänzende Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs durch die Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen „praktisch zur Pflicht" des Bundesgesetzgebers. Damit wird die Zulässigkeit der Ausweitung als selbstverständlich unterstellt. Der horizontale Finanzausgleich wird durch das Verfahren gemäß Art. 107 Abs. 2 Satz 3 G G „praktisch" ersetzt. Diese Konsequenz steht nicht nur im Widerspruch zur Ausgangsthese von der Ergänzungsfunktion der Ergänzungszuweisungen; sie führt vielmehr auch zu Systembrüchen. Denn an die Stelle des Ausgleichsgebotes tritt eine unqualifizierte Deckungsermächtigung, und das Sicherstellungsgebot wird gegen eine Ermessenskompetenz ausgetauscht. Allerdings möchte das Gericht der letztgenannten Konsequenz entgehen, indem es das Ermessen für variabel bis zur Nullreduktion erklärt. Da aber die Pflicht des Bundes nur „praktisch" und nicht rechtlich besteht, da Art. 107 Abs. 2 Satz 3 G G also keine anspruchsbegründende Schutznorm zugunsten der Länder sein soll, bleibt deren Stellung prekär. Die Länder sind nicht nur auf die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit des Bundes, sondern vor allem auf die Bewertung ihrer Leistungsschwäche durch den Bund angewiesen. Sie sollten aber gerade aus der Kostgängerschaft befreit werden. Dementsprechend rangieren Ertragszuständigkeiten vor Schlüsselzuweisungen und diese vor Zweckzuweisungen. Es entspricht daher den Reformabsichten von 1969 besser, wenn der Bundesgesetzgeber im Falle erheblicher Verwerfungen der bundesstaatlichen Finanzlage die Ertragszuständigkeiten und den Finanzausgleich korrigiert, so daß bereits Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G den bundesweit erreichbaren Ausgleich bewirken kann. Vergleichbare Probleme ergeben sich auch im Verhältnis von Finanzausgleich und Finanzhilfen. Gemäß Art. 104 a Abs. 4 Satz 1 G G sind diese „für besonders bedeutsame Investitionen" zugelassen. Das sind Ausgaben für Maßnahmen beziehungsweise Aufgabenkomplexe, die in Ausmaß und Wirkung ein besonderes Gewicht für eine Verbesserung der gesamtstaatlichen Struktur haben 301 . Die in Betracht kommenden Aufgabenkomplexe sind enumeriert und limitiert. Da dies allerdings durch recht unbestimmte Verfassungsbegriffe geschehen ist, wird insgesamt ein weites Betätigungsfeld abgedeckt. Gleichwohl darf Art. 104 a Abs. 4 G G schon deshalb nicht zu einem umfassenden oder ständigen Mittel der Finanzausstattung werden, weil Finanzleistungen aus dem Bundeshaushalt an die Länder für Landesaufgaben die Gefahr von Abhängigkeiten der Länder vom Bund schaffen 302. Finanzhilfen des Bundes dürfen daher nur speziell und zeitlich begrenzt eingesetzt werden. Schärfer formuliert: Sie sind nur ausnahmsweise bundesstaatsgemäß. Jedenfalls darf, wie das Bundesverfassungsgericht zutreffend ausgesprochen hat 3 0 3 , Art. 104 a Abs. 4 G G „nicht als Ersatz für die nicht 301

BVerfGE 39, S. 96 (115). BVerfGE 39, S. 96 (108); vgl. dazu Frowein, W D S t R L 31 (1973), S. 23 ff.; kritisch Grawert, Der Staat 14 (1975), S. 241 f. 303 BVerfGE 39, S. 96(108, 111); zustimmend Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 104 a Rn. 55; ähnlich wohl Pauker, DÓV 1988, S. 68; a. A. - zuvor - Frowein, W D S t R L 31 (1973), S. 45. 302

112

C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

rechtzeitige und richtige Verteilung des Aufkommens der Gemeinschaftsteuern gemäß Art. 106 Abs. 3 ff. G G oder für die rechtzeitige und richtige Regelung des Finanzausgleichs nach Art. 107 Abs. 1 und 2 GG" angewendet werden. Finanzhilfen müssen sich mit einer Ergänzungsfunktion begnügen. Angesichts dessen ist es sehr fraglich, ob das kürzlich erlassene Gesetz zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft in den Ländern vom 20. Dezember 1988304 nicht schon den Rahmen des Art. 104 a Abs. 4 G G sprengt. Tatsächlich entstand es im Zuge der jüngsten Reform des Finanzausgleichsgesetzes und stellt sich im Ergebnis als dessen Nachbesserung dar. Denn es sollte dem „Handlungsbedarf beim Nord-Süd-Gefälle" 305 abhelfen, der hinsichtlich der Sozialhilfekosten und sonstiger Finanzschwächen der Länder und Kommunen vom Finanzausgleichsgesetz nicht abgedeckt wurde. Der nachträglich bewilligte Sonderausgleich wird konstant über zehn Jahre im Umfang von jährlich insgesamt 2,45 Mrd. D M zur Förderung eines differenziert formulierten, der Sache nach aber umfassenden Aufgabenbündels stattfinden. Er dient eigentlich dem Abbau allgemeiner Leistungsschwächen. Mit einer dahin zielenden Begründung wurde jedenfalls der Gesetzentwurf auf den Weggebracht 306 . Seitens der Länder, die bei dem Sonderausgleich leer ausgegangen sind, wurde daher von Anfang an gerügt, daß die Finanzhilfen eine Ersatzfunktion für den Finanzausgleich ausübten und als „Neben-Finanzausgleich" anzusehen seien'307. Während der Gesetzesberatungen im Bundestag wies man immerhin auf „die Notwendigkeit, die Finanzstrukturen zwischen Bund und Ländern zu überdenken", hin 3 0 8 . Ob das Strukturhilfegesetz den Anforderungen des Art. 104 a Abs. 4 GG genügt oder ob ein Formenmißbrauch vorliegt, soll hier nicht entschieden werden. Das Strukturhilfegesetz ist jedenfalls ein wichtiges Indiz für das Unvermögen des geltenden Finanzausgleichsgesetzes. Dieses Unvermögen ist zu beheben. Im übrigen läßt sich folgende prinzipielle Einsicht festhalten: Strukturelle Verwerfungen der bundesstaatlichen Finanzlage können nicht durch Ergänzungs maßnahmen behoben werden, sondern erfordern Reformen der Ertragszuständigkeiten und Ausgleichsregeln. Grundlegend ist dabei die Ertragsaufteilung. Im Verhältnis zu ihr soll Ausgleichsleistungen aus eigener Finanzausstattung nur subsidiäre Bedeutung zukommen 309 . Insgesamt gesehen, kennzeichnet der Stufenbau der grundgesetzlichen Finanzordnung also eine Rangfolge der Ausw

BGBl. I S. 2358. Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 228 v. 30.9.1988. 306 BR-Drs. 468/88, S. 1: „Es sollen daher die Länder, deren Wirtschaftskraft nach Bruttoinlandsprodukt je Einwohner oder Arbeitslosenquote einen Rückstand gegenüber dem Bundesdurchschnitt aufweist, Finanzhilfen erhalten". Zur kontroversen Diskussion dieses Anliegens und insbesondere seiner rechnerischen Konsequenzen für die einzelnen Länder vgl. BR-Drs. 468/1—14/88. 307 Antragsbegründung des Landes Baden-Württemberg v. 3.11.1988, BR-Drs. 468/11/88, S. 2, sowie v. 13.12.1988, BR-Drs. 581/1/88, S. 2; ähnlich die Antragsbegründung des Landes Hessen v. 14.12.1988, BR-Drs. 581/2/88. 308 Abg. Hüser (GRÜNE), BT-Plenarprotokoll 11/107, S. 7364, 7370 (7371). 309 BVerfGE 72, S. 330 (386). 305

IV. Berücksichtigungs- und Ausgleichsgebot

113

stattungsvorgänge. Auf jeder Stufe soll die Finanzgerechtigkeit so gut wie möglich bewerkstelligt werden. Deshalb geht es nicht an, daß das Ausgleichsgebot des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G auf ein niedriges Ausgleichsniveau bezogen wird. Der Ausgleich muß die gesamte Aufkommensverteilung vielmehr so umfassend vervollständigen, daß Finanzhilfen und Ergänzungszuweisungen ständig nur noch subsidiäre Ergänzungsfunktionen zuzukommen brauchen. Allerdings läßt Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG einen vollständigen Ausgleich nicht zu. Schon bisher hat die Finanzausgleichsgesetzgebung des Bundes mit einer „ausgleichsfreien Zone" operiert. Das Bundesverfassungsgericht hat dies zu Recht anerkannt. Denn die in der Steuerkraft hervortretende Wirtschaftskraft eines Landes ist nicht nur die Folge sozioökonomischer Vorgegebenheiten, sondern auch der Struktur- und Wirtschaftspolitik. Als Ausdruck staatlicher Autonomie sind die Landespolitik und die durch sie geschaffenen Verhältnisse prinzipiell zu respektieren und hinzunehmen. Im demokratischen Bundesstaat wird eine Entwicklungsvielfalt in den Ländern nicht nur riskiert, sondern erwartet. Deshalb gewährleistet Art. 109 Abs. 1 G G auch den Ländern die Selbständigkeit ihrer Haushaltswirtschaft, so daß „reichen" Ländern die Verfügungsbefugnis über ihre Finanzmittel prinzipiell zusteht. Aber diese Finanzmittel beruhen eben nur zum Teil auf eigener Wirtschaftskraft, wie auch die Finanzbedarfe keineswegs nur hausgemacht sind, und Art. 109 GG stellt die Haushaltswirtschaft des Bundes und der Länder von vornherein unter einen „gesamtwirtschaftlichen" Vorbehalt. Die Autonomie der Länder ist daher auch im Rahmen des Länderfinanzausgleiches zu den unitarisierenden Interessen - Grundrechtsstandards, „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse", Funktionsfähigkeit der Länder und Kommunen - ins Verhältnis zu setzen. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes sollen daher Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern zwar „in gewissem Umfang, wenn auch nicht voll abzugleichen" sein 310 . Die dem horizontalen Finanzkraftausgleich unterlegte Konstruktion einer „Solidargemeinschaft" der Länder trägt also nicht bis zur Gleichstellung der sogenannten „Bundesgenossen". Das Ausgleichsgebot unterliegt daher im wesentlichen zwei strukturellen Begrenzungsregeln: - Es gilt das Verbot einer „Nivellierung der Länderfinanzen" 311 . - Die Inanspruchnahme der ausgleichspflichtigen Länder darf diese nicht „entscheidend" schwächen und nicht zu einer „Veränderung in der Reihenfolge ihrer Finanzkraft" führen 312 . Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G ist mithin ein Gleichheitssatz besonderer Art. Er gewährleistet keine Chancen-, sondern eine verhältnismäßige Ergebnisgleichheit unter Wahrung der Positionsunterschiede. Den leistungsschwachen Ländern werden zwar die Existenzsorgen genommen, aber keine Aufholmittel konze310

BVerfGE 72, S. 330 (387). BVerfGE 72, S. 330 (387, 398); ebenso schon BVerfGE 1, S. 117 (131). 312 Zur Schwächung BVerfGE 1,S. 117(131); 72, S. 330 (398); zur Reihenfolge BVerfGE 72, S. 330 (418 f.). 311

8 Grawert

114

C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

diert, um in der Konkurrenz der Gliedstaatswirtschaften den Abbau von Wirtschaftsgefällen betreiben zu können. Die Leistungsfähigkeit der gebenden Länder soll ja nicht „entscheidend", das heißt: durch Abbau von Wettbewerbsvorteilen, geschwächt werden. Der Länderfinanzausgleich ist demnach ein Verfahren zur Minderung, nicht nur Nivellierung des sogenannten „Nord-SüdGefälles". Ansonsten kommt es auf die Landespolitik, auf Bundeshilfen und erstrangig - auf die Zuständigkeitsordnung an. Dabei kommt Art. 104 a Abs. 3 G G eine besondere Bedeutung zu. Ob Geldleistungsgesetze des Bundes regelmäßig aus den Landeshaushalten und nur um den Preis der Landeseigenverwaltung schwergewichtig aus Bundesmitteln erfüllt werden sollten, bedarf noch eingehender Überlegungen.

8. Die Angemessenheit des Ausgleichs Weil der Länderfinanzausgleich die Autonomie der Länder zu respektieren hat und deren Finanzausstattung nicht endgültig abschließt, braucht er nicht mehr als ein angemessenes Ausgleichsergebnis zu leisten. Die Angemessenheit bezieht sich der Sache nach sowohl auf die Aufgabenlast jedes einzelnen Landes als auch auf den Bundesdurchschnitt. Da es Ziel aller staatlichen Tätigkeit des Bundes und der Länder ist, den Grundrechtsbelangen der im Staat lebenden Menschen zu genügen und deshalb auch die „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet" zu wahren, ist beim Länderfinanzausgleich jedenfalls eine an den Einwohnerzahlen ausgerichtete Durchschnittsausstattung der Länder mit Finanzmitteln anzustreben, die von der Hundert-Prozent-Grenze nicht erheblich entfernt sein darf. Die Annäherung an diese Grenze trägt dem Umstand Rechnung, daß der Bundesstaat einer modernen Industriegesellschaft durch die zunehmende Verflechtung und Vereinheitlichung der Lebensbereiche, Wirtschaftsbereiche sowie der Wirtschaftskräfte gekennzeichnet ist. Überdies ist zu berücksichtigen, daß die Wirtschafts- und Finanzlagen der Länder in erheblichem Maße bundespolitisch geprägt sind. Allerdings kann nur die Annäherung der Finanzausstattung in Betracht kommen. Die Annäherung schließt die kommunalen Bedarfe ein. Sie gehören, wie gesagt, zu den Faktoren, die der Finanzkraft der Länder zuzuschlagen und bei der Unterschiedsermittlung zu berücksichtigen sind. Der Ausgleich kommt den Gemeinden über die Finanzausstattung der Länder zugute 313 . Wie diese Margen rechtstechnisch definiert werden, kann der Gesetzgeber bestimmen. Er hat dies in § 10 F A G getan. Die geltende Fassung der Norm stellt ein dreigliedriges Ausgleichssystem auf: Die Absätze 1 und 2 regeln den Ausgleich zwischen ausgleichsberechtigten und ausgleichsverpflichteten Ländern unter Bezugnahme auf deren jeweilige Finanzkraft samt der quotierten Finanzkräfte und -bedarfe ihrer Gemeinden; der Absatz 3 schreibt eine abschließende Aus313

Im Ergebnis ähnlich Vogel/Kirchhof,

in: Bonner Kommentar, Art. 107 Rn. 160.

IV. Berücksichtigungs- und Ausgleichsgebot

115

gleichskorrektur der gemäß den beiden vorhergehenden Absätzen erzielten Ergebnisse vor. Diese Regelung eines Schlußausgleichs stammt aus dem Finanzausgleichsgesetz von 1969. Sie ist in dem früheren Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nicht angegriffen und von dem Gericht nicht eigens beanstandet worden 314 . Im Zusammenhang eines verfassungsgemäß berichtigten beziehungsweise zu berichtigenden Finanzausgleichsgesetzes ist sie jedoch aus folgenden Gründen korrekturbedürftig: § 10 Abs. 3 FAG stellt lediglich auf gewisse Steuereinnahmen und Einnahmen aus der bergrechtlichen Förderabgabe eines „Landes" einschließlich der nach Absatz 1 ermittelten Ausgleichszuweisungen „je Einwohner" ab. Beide Maßstäbe, der Landeszuschnitt und der Einwohnerzuschnitt, werden den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht gerecht. Zum einen wird der vorgegebene Umstand mißachtet, daß Länder und Kommunen eine Einheit bilden. Der Finanzausgleich hat deshalb insgesamt, also bis hin zu einem Schlußvergleich und -ausgleich, auf dem umfassenden Finanzkraftbegriff unter umfassender Berücksichtigung der relevanten Finanzpositionen der Kommunen zu beruhen. § 10 Abs. 3 FAG beschränkt die Schlußabstimmung dagegen auf einen bloßen Ländervergleich. Er rückt damit von dem umfassenderen Ansatz ab, den die beiden ersten Absätze des § 10 FAG einhalten und bleibt vor allem hinter dem vorstehend dargelegten - verfassungsrechtlich gebotenen Ansatz zurück. Er begrenzt überdies die gebotenen Ausgleichsfolgen, weil er nur auf den „Einwohner" zielt, statt die Mehrzahl ausgleichsrelevanter Belange vorzuschreiben. § 10 Abs. 3 FAG trägt nur dem 1. Halbsatz des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G Rechnung; er läßt dessen 2. Halbsatz außer acht. Infolgedessen verfälscht er die gemäß § 10 Abs. 1 und 2 F A G erzielten Ergebnisse, statt sie „angemessen" zu berichtigen. Ein Grund für diese Abweichung ist nicht ersichtlich. Die Kennzeichnung der Regelung als „Vorabgarantie" 315 wird dem Normzweck eines abschließenden Ausgleichs nicht gerecht und liefert jedenfalls keine Begründung. Die Ausschüsse des Bundesrates haben daraufhingewiesen, daß § 10 Abs. 3 Satz 1 F A G ein zusätzliches, „selbständiges Berechnungskriterium" liefern soll 316 . Sie haben dabei jedoch übersehen, daß jede Berechnung den Vorgaben des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG zu genügen hat. Diese Vorgaben schließen es aus, den gemäß § 10 Abs. 1 und 2 F A G unter Berücksichtigung der kommunalen Finanzsituation angestellten Länderfinanzausgleich letztlich wieder auf einen bloßen Finanzkraftausgleich der Länder zurückzuführen. Das derzeit geltende Berechnungsverfahren gemäß § 10 Abs. 3 F A G führt nämlich zu folgendem, sachlich und verfassungsrechtlich nicht mehr sinnvoll erklärbarem Ergebnis: Hat ein finanzschwaches Land relativ finanzstarke Kommunen, so erhält es gegenüber einem Land mit sonst gleichen Gegebenheiten, 314 315 316

8

Vgl. BVerfGE 72, S. 330 (376, 417 ff.). So ein Parteivortrag laut BVerfGE 72, S. 330 (376). Vgl. BR-Drs. 225/1/87, S. 15.

116

C. Der Finanzkraftverbund von Ländern und Kommunen

aber finanzschwächeren Kommunen geringere Finanzausgleichszahlungen. Werden diese geringeren Finanzausgleichszahlungen nun allein, also ohne die kommunale Finanzkraft, der Länderfinanzkraft hinzugerechnet, so erscheint dieses Land finanzschwächer als das vorgenannte Vergleichsland und erhält deswegen gegebenenfalls noch zusätzliche Mittel. Die Ausgleichsregel führt also zu dem Ergebnis: Je finanzstärker die Kommunen eines - finanzschwachen Landes sind, desto geringere Finanzausgleichszahlungen erhält dieses Land und desto höhere Zusatzzahlungen erhält es im Rahmen des Schlußausgleichs gemäß § 10 Abs. 3 F A G 3 1 7 . Zur verfassungsgemäßen Änderung des § 10 Abs. 3 F A G gehörte es daher, außer der Finanzkraft der Länder auch alle ausgleichsrelevanten Finanzkräfte und -bedarfe aller heranzuziehenden Kommunen in Anschlag zu bringen und den isolierten Einwohnerzuschnitt um die angeführten weiteren Vergleichskriterien zu erweitern. Geschieht dies, dann erweist § 10 Abs. 3 F A G sich allerdings als überflüssig. Die Norm leistet dann nicht mehr als die beiden ersten Absätze des § 10 FAG: Der hier normierte Ausgleich erfolgt bereits umfassend und wahrt die Untergrenze von „95 vom Hundert" 318 . Insgesamt gesehen, soll Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G jedenfalls einen Ausgleich der Ertragsschöpfung bewirken, zu der die Länder selbst imstande sind. Für Spitzenbelastungen ist dann das Verfahren gemäß Art. 107 Abs. 2 Satz 3 G G reserviert. Nehmen Bundesergänzungszuweisungen einen weiteren Umfang an, dann steht, wie gesagt, das grundlegende System der Aufgaben Verteilung und der Ertrags Verteilung gemäß Art. 106 und Art. 107 Abs. 1 G G zur Reform an.

317 So schon die Begründung des Landes Schleswig-Holstein zur Änderung des § 10 Abs. 3 im Bundesrat; BR-Drs. 225/27/87, S. 2. 318 Ebenso Peffekoven, FinArch NF 45 (1987), S. 209.

D. Zusammenfassung und Folgerungen I. Das Ausgleichskonzept des Grundgesetzes Die Frage, welche Stellung die Gemeinden und Gemeindeverbände im System der bundesstaatlichen Finanzverfassung des Grundgesetzes einnehmen und welche Rolle ihr finanzieller Status insbesondere im Rahmen des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G spielt, führt zu folgenden Untersuchungsergebnissen:

1. Die Stellung der Kommunen im Bundesstaat a) Die Organisations- und Funktionsregeln der Staatsverfassung und die Regeln der Finanzverfassung des Grundgesetzes sind aufeinander bezogen. Die Ordnung der Finanzen dient der Funktionsfähigkeit der Aufgaben träger im Bundesstaat. Die Verteilung des Finanzaufkommens soll der Aufgabenverantwortung des Bundes, der Länder und der Kommunen gerecht werden und Autonomie sichern. b) Die Kommunen sind Funktionsträger des Staates. Sie üben Staatsgewalt im staatsrechtlichen Sinne von Art. 20 Abs. 2 und Art. 30 G G aus, und sie nehmen Staatsaufgaben im Sinne der letztgenannten Vorschrift wahr. c) Gemäß Art. 28 und Art. 30 G G sind die Kommunen den Gliedstaaten eingeordnete Organisationseinheiten und Aufgabenträger. Sie bilden keine dritte, neben Bund und Ländern etablierte Ebene. Sie unterliegen zwar gewissen Regelungen der Bundesorgane, besitzen aber keinen bundesunmittelbaren Status. Im Außenverhältnis eines Landes zu anderen Ländern und zum Bund gehören die durch Art. 28 Abs. 2 G G grundgesetzlich verbürgten kommunalen Selbstverwaltungsaufgaben ebenso wie die eigentlichen Landesverwaltungsaufgaben zu den Gliedstaatsaufgaben im Sinne von Art. 30 GG. d) Infolge dieser Einordnung in den Gliedstaatsbereich obliegt den Ländern gemäß Art. 28 Abs. 2 G G die Sorgepflicht für die Funktionsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung. Diese Sorgepflicht ist Bestandteil der Aufgabenverantwortung der Länder im Sinne von Art. 104 a Abs. 1 GG. Aus der Zurechnung der kommunalen Aufgaben zu den Ländern ergibt sich deren diesbezügliche Ausgabenlast im Verhältnis untereinander und zum Bund.

118

D. Zusammenfassung und Folgerungen

2. Die finanzverfassungsrechtliche

Stellung der Kommunen

a) Da Art. 28 Abs. 2 GG auf eine substantielle, effektive Selbstverwaltung zielt, meint seine Garantie auch eine angemessene Finanzausstattung. Soweit das Grundgesetz die Finanzausstattung nicht selbst unmittelbar sicherstellt, haben die Länder für die Sicherstellung und Nachbesserung zu sorgen, so daß eine gewisse Stetigkeit, Verläßlichkeit und Erheblichkeit der Ertragsentwicklung gewährleistet ist. b) Die Kommunen werden im Ordnungsgefüge der Finanzverfassung bundesstaatsgemäß als Bestandteile der Länder behandelt. Art. 106 Abs. 9 GG ist daher Ausdruck eines allgemeinen Prinzips. Im System der horizontalen Steueraufteilung umfassen die Steuererträge der einzelnen Länder auch die Mittel für die Finanzausstattung der Kommunen, soweit diese nicht durch originäre Einkommen angemessen geleistet werden. c) Es ist daher systemgemäß, wenn Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G die Berücksichtigung der Finanzkräfte und -bedarfe der Kommunen bei der Bestimmung der Finanzkraft der Länder aufgibt. d) Art. 107 Abs. 2 G G knüpft der Sache und dem Verfahrensstand nach an die primäre horizontale Steuerertragsaufteilung sowie an die fakultative Ergänzungszuteilung gemäß Art. 107 Abs. 1 G G an, um dennoch verbleibende Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern abzumildern. Art. 107 Abs. 2 Satz 1,1. Halbsatz, G G ist ausformuliert folgendermaßen zu lesen: Wenn nach Durchführung der Verfahren gemäß Art. 107 Abs. 1 G G Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern bestehen, dann ist durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, die Finanzkraft der unterdurchschnittlich ausgestatteten Länder der der überdurchschnittlich ausgestatteten Länder angemessen anzugleichen. e) Zur Finanzkraftbemessung sind die ausgleichsrelevanten Finanzaufkommen aller von Art. 107 Abs. 2 Satz 1,2. Halbsatz, G G erfaßten Kommunen heranzuziehen. 3. Die kommunalen Finanzsubjekte a) Der Kreis der gemäß Art. 107 Abs. 2 Satz 1,2. Halbsatz, G G zu berücksichtigenden kommunalen Aufgabenträger wird durch die Verfassungsbegriffe „Gemeinden" und „Gemeindeverbände" vorgegeben. Er darf vom Finanzausgleichsgesetzgeber nicht umdefiniert werden. Art. 107 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, G G nimmt auf Art. 28 Abs. 2 G G verbindlich Bezug. Bei enger Auslegung können als „Gemeindeverbände" nur „Kreise" behandelt werden; bei weiter Auslegung kommt es auf solche Gebietskörperschaften an, die mit substantiellen Selbstverwaltungsrechten ausgestattet sind und für die deshalb ein unmittelbar volkslegitimiertes Repräsentationsorgan als Hauptorgan vorgeschrieben ist.

I. Das Ausgleichskonzept des Grundgesetzes

119

b) Demnach sind die rheinland-pfälzischen Verbandsgemeinden, nicht aber die baden-württembergischen Gemeindeverwaltungsverbände, die bayerischen Verwaltungsgemeinschaften, die niedersächsischen Samtgemeinden und die schleswig-holsteinischen Ämter Kommunen im Sinne des Art. 107 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, GG.

4. Die Finanzkraft

der Kommunen

a) Der Begriff „Finanzkraft" darf als unbestimmter Verfassungsbegriff nur in den Grenzen des Finanzverfassungssystems und dessen Ordnungszwecken konkretisiert und nicht nach Ermessen gestaltet werden. Er ist wirklichkeitsnah nach objektiven Kriterien zu bestimmen. b) Der Begriff „Finanzkraft der Gemeinden (Gemeindeverbände)" reflektiert das Finanzaufkommen und ist insoweit „umfassend" zu verstehen. c) Kommunale Finanzkraft ist im Kern, aber nicht nur kommunale Steuerkraft in einem Land. Sie umfaßt vielmehr alle berücksichtigungsfähigen, ausgleichsrelevanten Finanzmittel. Doppelveranschlagungen beim Land und bei den Kommunen sind ausgeschlossen. d) Die Erträge aus den sogenannten Kleinen Gemeindesteuern sind berücksichtigungsfähig und fallweise ausgleichsrelevant. e) Das Realsteueraufkommen ist zu berücksichtigen. Seine Berechnung darf nicht nach bundeseinheitlich fingierten, undifferenzierten Steuerkraftzahlen erfolgen. Sie muß sich grundsätzlich an den autonomen Hebesatzfestsetzungen der Gemeinden orientieren. Normative Verallgemeinerungen dürfen nur mit sachgerechten Gründen und nach objektivierten Kriterien - wie Gemeindegröße, Einwohnerdichte, Standortqualifikation, Verkehrsanbindung u.ä. - vorgenommen werden; sie dürfen nicht zur Verzerrung der tatsächlichen Aufkommenslage führen. f) Einnahmen der Kommunen aus wirtschaftlicher Tätigkeit sind im Grunde berücksichtigungsfähig und fallweise ausgleichsrelevant, wenn mit ihnen relativ stetig und in dem bezeichneten Aufkommensumfang gerechnet werden kann. g) Konzessionsabgaben an die Kommunen sind der Sache nach berücksichtigungsfähig und dem Umfang nach ausgleichsrelevant. Sie sind daher beim Finanzkraftausgleich zwischen den Ländern zu berücksichtigen. h) Das kommunale Gebührenaufkommen könnte nur insoweit berücksichtigungsfähig sein, als es mehr als Kostendeckung, insoweit es also Kostenüberschüsse beinhaltet. Die Feststellung der Berücksichtigungsfahigkeit scheitert jedoch wegen Ermittlungsschwierigkeiten.

120

D. Zusammenfassung und Folgerungen

5. Der Finanzbedarf der Kommunen a) Der Finanzbedarf der Kommunen ist unabhängig von deren Finanzkraft systematisch zu erfassen und als Rechnungsposten zu ermitteln. Der Bundesgesetzgeber besitzt dafür keine Ermessensermächtigung; er ist vielmehr an das Verfassungskonzept gebunden. b) Mit „Finanzbedarf" wird die Gesamtheit der berechenbaren Aufgabenlasten der Kommunen im Sinne von Art. 107 Abs. 2 Satz 1,2. Halbsatz, G G begriffen. Dies schließt nicht nur die rechtlich notwendigen, sondern auch die freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben ein. Der Finanzbedarfsbegriff ist ein unbestimmter Verfassungsbegriff; er ist vom Finanzausgleichsgesetzgeber zu konkretisieren. Dabei ist insbesondere der Aufgabengliederung zwischen kreisangehörigen Gemeinden und Kreisen - eventuell durch Zusammenfassung und -bewertung - Rechnung zu tragen. Kreisfreie Gemeinden, kreisangehörige Gemeinden und Kreise sind gegebenenfalls mit besonderen Qualifikationsfaktoren zu versehen. c) Maßgebende Bedarfsgesichtspunkte müssen aus der Kernbereichsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG sowie aus dem Abstimmungskonzept „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet" abgeleitet und vom Finanzausgleichsgesetzgeber mit Rücksicht auf landesbesondere Umstände konkretisiert werden. d) Das Abstimmungskonzept nimmt den Einwohner mit dessen Grundrechtsstandards in den Blick. Der Finanzbedarf richtet sich daher in einem ersten Schritt der Bedarfsqualifizierung nach der Einwohnerzahl, sodann nach der Einwohnerdichte. Diese Qualifikationsfaktoren bedürfen jedoch der Ergänzung und Verfeinerung im Hinblick ebenso auf Agglomerationsvorteile und -nachteile wie auf Deglomerationsvorteile und -nachteile. Die Qualifikation muß zu einem funktionellen Bedarfsansatz führen.

6. Das Berücksichtigungsgebot a) Das Berücksichtigungsgebot des Art. 107 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, G G greift ein, nachdem die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Kommunen feststellbar gemacht und festgestellt sind. b) Die Rechtsfolgebestimmung „berücksichtigen" gewährt kein freies Ermessen, sondern verpflichtet zur begründeten Abwägung der ausgleichsrelevanten Belange im Hinblick auf das Ziel einer „sachgerechten" Beteiligung von Bund und Ländern samt Kommunen am „Ertrag der Volkswirtschaft". c) Eine nur pauschale, prozentuale Berücksichtigung der Finanzkraft und des Finanzbedarfs der Kommunen ist begründungsbedürftig; für sie spricht nicht die Vermutung sachlicher Richtigkeit. Das Erfordernis der Sachbegründung tritt also nicht erst bei Abweichungen von einer gewillkürten Pro-

I. Das Ausgleichskonzept des Grundgesetzes

121

zentregelung auf. Für eine solche Regelung sind Sachgründe nicht ersichtlich. Die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Kommunen sind daher in typisiertem und objektiviertem Umfang vollständig in den horizontalen Finanzkraftausgleich einzustellen.

7. Das Ausgleichs- und das Sicherstellungsgebot a) Der Finanzausgleich soll feststehenden Regeln folgen, die Art. 107 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 G G vorschreibt, und dadurch zu einem berechenbaren und feststellbaren Ergebnis führen, das die Ausgleichsberechtigung und die Ausgleichsverpflichtung so eindeutig ausweist, daß die beteiligten Länder ihre Haushalts-, Finanz- und Aufgabenplanung danach richten können. b) Der Finanzausgleich folgt dem „bündischen Prinzip des Einstehens füreinander". Hilfeleistungen finanzstarker an finanzschwache Länder sind daher nur insoweit erforderlich und gerechtfertigt, als Finanzkraftunterschiede zwischen den Ländern unter Berücksichtigung der Finanzkraft und des Finanzbedarfs ihrer jeweiligen Kommunen tatsächlich und in erheblichem Maße bestehen. c) Die Ausgleichsberechnung hat sachlich begründeten Maßstäben zu folgen. Der Sicherstellungsauftrag setzt nachvollziehbare Verfahren der Datenermittlung und -feststellung voraus. Er verträgt sich daher nicht mit diskretionärem Ermessen des Bundesgesetzgebers. d) Die finanzverfassungsrechtliche Ertragsaufteilung, der Finanzausgleich, Ergänzungszuweisungen und Finanzhilfen sowie Sonderausgleichsverfahren stehen in einer Stufenfolge, die zugleich die Rangfolge markiert. Maßnahmen zur Finanzausstattung der jeweils höheren Stufe sind subsidiär. A u f jeder Stufe soll die Finanzgerechtigkeit so gut wie möglich bewerkstelligt werden. e) Ergänzungszuweisungen und Strukturhilfen dürfen den Finanzausgleich auch nicht teilweise ersetzen. Das Ausgleichsgebot zielt daher auf ein möglichst hohes Ausgleichsniveau. f) Das Ausgleichsgebot wird durch ein Nivellierungsverbot begrenzt. Das Prinzip der „Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet" verlangt allerdings eine möglichst weitgehende Annäherung des Ausgleichs an die Durchschnittsausstattung der Länder einschließlich der zugehörigen Kommunen.

D. Zusammenfassung und Folgerungen

122

II. Beurteilung des Finanzausgleichsgesetzes Legt man den definierten Maßstab des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG an die Vorschriften des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Januar 1988 an, so ergibt sich folgende Beurteilung: /. §6 FAG Gemäß § 6 F A G werden die Finanzkraftmeßzahl und die Ausgleichsmeßzahl eines Landes u.a. durch die „Steuereinnahmen seiner Gemeinden" (Abs. 1) beziehungsweise „der Gemeinden" (Abs. 2) im Sinne des § 8 F A G definiert. Die Definitionen umfassen damit den zwar gewichtigsten, aber doch nur einen Teil der kommunalen Finanzkraft, die Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G zu berücksichtigen aufgibt. Der Sache nach nimmt § 6 F A G keine Rücksicht auf die berücksichtigungsfähigen und erheblichen Einnahmen der Gemeinden aus wirtschaftlicher Tätigkeit und aus Konzessionsabgaben319. Er berücksichtigt auch die Steuereinnahmen der Gemeinden nur in dem gemäß § 8 Abs. 1 und 5 FAG reduzierten Umfang der Hälfte der Beträge der dort in Bezug genommenen Steuern. Der Umstand, daß § 8 Abs. 1 und 5 F A G mit Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbar sind 320 , ist auch für die Verfassungsmäßigkeit des § 6 F A G erheblich. Schließlich veranschlagt § 6 F A G nur Einnahmen der „Gemeinden". Die Einnahmen der „Gemeindeverbände" werden entgegen Wortlaut und Normzweck des Art. 107 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz, G G nicht berücksichtigt 321 . Infolgedessen erweist § 6 FAG sich aus mehreren Gründen als unvereinbar mit Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG. Diese Unvereinbarkeit wirkt sich auch auf die an §6 FAG anschließenden Vorschriften der §§ 5 und 10 F A G aus.

2. §8 Abs. 1 FAG Die Vorschrift des § 8 Abs. 1 FAG definiert die „Steuereinnahmen der Gemeinden eines Landes" unter Bezugnahme auf eine bundesweit vereinheitlichte Veranschlagung des Gewerbesteueraufkommens gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 3 F A G 3 2 2 , die den gebotenen wirklichkeitsnahen Berechnungsmaß stab verfehlt. Die problematische Vorschrift knüpft an die Kürzungsregel des § 8 Abs. 5 F A G an, die die Finanzkraft und den Finanzbedarf der Gemeinden ohne Rücksicht auf die Finanzlage der Gemeindeverbände in unausgewogener, den 319 320 321 322

Vgl. Vgi. Vgl. Vgl.

dazu oben dazu oben dazu oben dazu oben

C. C. C. C.

II. 2., 3. - „Finanzkraft" - und C. II. 6. - „Konzessionsabgaben" I. 3., 4.; C. III. 4.; C. IV. 8. und nachstehend D. II. 3., 4. I. 4. III. 5. und nachstehende Nr. 3.

II. Beurteilung des Finanzausgleichsgesetzes

123

Finanzbedarf verkennender Weise berücksichtigt wissen will, so daß die dort anzubringenden Bedenken323 auch auf § 8 Abs. 1 F A G durchschlagen. § 8 Abs. 1 FAG ist infolgedessen mit Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbar.

3. § 8 Abs. 2 Nr. 3 FAG Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 3 FAG werden als Steuerkraftzahlen u. a. die Grundbeträge der Gewerbesteuer vom Ertrag und Kapital mit 250 vom Hundert angesetzt. Diese bundeseinheitliche Pauschalierung überschreitet die Grenzen des legislativen Gestaltungsermessens, weil sie zu den realen Hebesatzunterschieden zwischen den Gemeinden der verschiedenen Länder keinen sachlichen Bezug hat und daher willkürlich ist. Der bundeseinheitlich fingierte Hebesatz verzerrt die relevante Aufkommenslage in den Ländern, obwohl die an sich erforderliche Vergleichsbildung auch in differenzierter Form denkbar und finanztechnisch durchführbar ist. Die Vorschrift der undifferenzierten Vereinheitlichung weicht ohne erheblichen Grund von dem im übrigen vom Finanzausgleichsgesetzgeber beobachteten System wirklichkeitsnaher, differenzierter Veranschlagung ab 324 . Der fehlerhafte Ansatz gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 3 F A G verfälscht die Berechnung der „Steuereinnahmen der Gemeinden" gemäß § 8 Abs. 1 F A G und damit die Ausgleichsberechnung gemäß §§ 5, 6, 10 FAG. § 8 Abs. 2 Nr. 3 F A G ist daher mit Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar.

4. §8 Abs. 5 FAG Gemäß § 8 Abs. 5 F A G werden die Steuerkraftzahlen für die Gemeinden sowie der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer und der Gewerbesteuerumlage auf die Hälfte der relevanten Beträge herabgesetzt, so daß die Steuereinnahmen der Gemeinden eines Landes im Sinne von § 8 Abs. 1 FAG, die Finanzund die Ausgleichsmeßzahl eines Landes im Sinne von § 6 F A G und die Ausgleichsberechnung im Sinne von § 5 F A G von der Kürzung betroffen sind. § 8 Abs. 5 F A G ist somit eine Schlüssel Vorschrift für die Berücksichtigung der Finanzkraft und des Finanzbedarfs der Gemeinden (Gemeindeverbände) gemäß Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG. Die Vorschrift bezieht sich allerdings entgegen der Verfassungsnorm nur auf gewisse Steuereinnahmen der Gemeinden. Sie läßt dabei die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern außer acht und knüpft an die verfassungswidrige Gewerbesteuerberechnung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 3 F A G an. Die Kürzung, die sie als Rechtsfolge anordnet, wird der Verfassungsnorm nicht gerecht, weil sie die Finanzkraft der Kommunen nicht „umfassend" und deren Finanzbedarf in 323 324

Vgl. dazu sogleich unten zu Nr. 5. Vgl. dazu oben C. II. 5.

124

D. Zusammenfassung und Folgerungen

erheblich zu geringem Umfang berücksichtigt; die Finanzkraft und der Finanzbedarf der Kommunen werden in unangemessener Weise miteinander abgeglichen und daher zu stark verkürzt in die Ausgleichsberechnung eingestellt325. Infolgedessen ist § 8 Abs. 5 FAG aus mehreren Gründen mit Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G unvereinbar. 5. §9 Abs. 3 FAG Gemäß § 9 Abs. 3 FAG erfolgt die Einwohnergewichtung nach Gemeindegrößenklassen. Die Vorschrift läßt Gemeindeverbände und die Unterscheidung kreisangehöriger und kreisfreier Gemeinden außer acht 3 2 6 . Sie rechnet überdies mit der unzutreffenden Annahme, daß der Finanzbedarf der Kommunen nur mit steigender Bevölkerungszahl und Siedlungsdichte, nicht auch mit deren Degression ansteigt und überdies abhängig ist von Faktoren, die von der Bevölkerungszahl unabhängig sind. Diese Ansätze wirken sich auf die Feststellung der Ausgleichsmeßzahl im Sinne von § 9 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 F A G 327

aus . § 9 Abs. 3 FAG beeinträchtigt das Berücksichtigungs- und das Ausgleichsgebot des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG und ist deshalb mit dieser Norm nicht vereinbar. 6. § 10 Abs. 3 FAG Die Vorschrift des § 10 Abs. 3 FAG normiert einen abschließenden Zusatzausgleich, der entgegen Art. 107 Abs. 2 Satz 1 G G allein auf die Finanzkraft der Länder abstellt, und zwar ohne Rücksicht auf die Finanzkraft und den Finanzbedarf der Kommunen. Die Vorschrift verstößt daher gegen die Verfassung. Sie führt nicht zu einem angemessenen Ausgleich. Sie ist im übrigen auch bei verfassungsgemäßer Ausgestaltung überflüssig. § 10 Abs. 3 FAG funktioniert daher nicht systemgerecht und ist mit Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar.

325 326 327

Vgl. dazu C. III. 4. sowie insbesondere C. IV. 3.-5. Vgl. dazu oben C. I. 4. Vgl. dazu C. III. 2 . - 4 .

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