Die Kabbala des pegaseischen Pferdes: Zweisprachige Ausgabe 9783787335138, 9783787318063

Die 1585 in London erschienene »Cabala del cavallo pegaseo« ist Giordano Brunos radikalstes Werk und der einzige Text, v

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German Pages 198 [325] Year 2008

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Die Kabbala des pegaseischen Pferdes: Zweisprachige Ausgabe
 9783787335138, 9783787318063

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GIOR DANO

WERKE

B RU N O

Meiner

GIOR DA NO BRU NO W E R K E



GIORDANO

Mit der kritischen Edition von Giovanni Aquilecchia herausgegeben von Thomas Leinkauf

WERKE

B RU N O

BAND 6

F E L I X M E I N E R V E R L AG · H A M B U R G

GIOR DA NO BRU NO C A BA L A DE L C AVA L LO PEGA SEO DI E K A BBA L A DE S PEGA SE ISCH E N PFE R DE S Italienisch – Deutsch

Auf der Grundlage der Übersetzung von Kai Neubauer bearbeitet, kommentiert und herausgegeben von sergius kodera

F E L I X M E I N E R V E R L AG · H A M B U R G

Diese Ausgabe folgt der unter der Schirmherrschaft des Istituto Italiano per gli Studi Filosofici und des Centro Internazionale di Studi Bruniani bei »Les Belles Lettres« erschienenen kritischen Edition Œuvres Complètes de Giordano Bruno (Paris 1993 – 1999), ediert von Giovanni Aquilecchia, herausgegeben unter der Leitung von Yves Hersant und Nuccio Ordine. Wir danken dem Verlag »Les Belles Lettres« für die freundliche Genehmigung zur Verwendung des italienischen Textes. Hervorzuheben ist auch die gute Kooperation mit dem Istituto Italiano per gli Studi Filosofici, dem Centro Internazionale di Studi Bruniani und dem Italienischen Außenministerium. Schließlich danken wir der Fritz Thyssen-Stift ung, die auch diesen Band großzügig gefördert hat.

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblimographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar. ISBN 978-3-7873-1806-3 eBook ISBN 978-3-7873-3513-8 Zitiervorschlag: BW VI

www.meiner.de © Felix Meiner Verlag Hamburg 2009. Alle Rechte vorbehalten. Dies betrifft auch die Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte durch alle Verfahren wie Speicherung und Übertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bänder, Platten und andere Medien, soweit es nicht §§ 53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Gestaltung: Jens-Sören Mann. Satz: Type & Buch Kusel, Hamburg. Druck: Strauss, Mörlenbach. Bindung: Litges & Dopf, Heppenheim. Gedruckt auf alterungsbeständigem »Alster«-Werkdruck papier (ANSI-Norm resp. DIN-ISO 9706), hergestellt aus 100 % chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany.

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Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung. Von Sergius Kodera . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zu Brunos literarischem Stil xiii | Editionen xix | Historischer Kontext xxi | Sy nopsis xxviii | Dramatis personae l | Omnia vicissitudo lx | Das Rad der Fortuna lxiii | Der Baum der Ignoranz lxviii | Wissenschaft und Unwissenheit lxx | Das Lob der Hand lxxv | Prometheus und der Diebstahl von Wissen lxxxiv | Eselchens Himmelfahrten xci | Betrunkene Seelen civ | Editorische Notiz cix

Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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giordano bruno cabala del cavallo pegaseo die kabbala des pegaseischen pferdes Widmungsschreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Sonett zum Lob des Esels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Deklamation an den Leser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Erster Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zweiter Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Erster Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zweiter Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dritter Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dritter Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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An den kyllenischen Esel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Der kyllenische Esel des Nolaners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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inhalt

Kommentar. Von Sergius Kodera . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VO R B E M E R K U N G

Diese neue zweisprachige Ausgabe Giordano Bruno, Werke umfaßt in chronologischer Reihenfolge zunächst alle sieben Schriften, die Bruno in italienischer Sprache verfaßt hat. Sie ist die erste philologisch zuverlässige italienisch-deutsche Edition und ersetzt die einsprachige Gesamtausgabe der italienischen Dialoge, die Ludwig Kuhlenbeck unter dem Titel Gesammelte Werke in den Jahren 1904–1909 im Eugen Diederichs Verlag (Leipzig und Jena) herausgegeben hat. Nach Möglichkeit werden die italienischen Dialoge im Anschluß durch die lateinischen Werke ergänzt. Das Ziel aller an dieser Ausgabe Beteiligten war, nicht nur dem heutigen Stand der Forschung entsprechende neue Textausgaben für den deutschen Sprachraum vorzulegen, sondern zugleich die Werke Brunos auf gesicherter Basis durch ausführliche Kommentare zu erschließen. Grundlegend für die Neuedition ist die kritische Ausgabe von Giovanni Aquilecchia, die einen fundierten italienischen Grundtext bereitstellt. Für die Übersetzungen konnte zum Teil auf bereits vorliegende Einzelausgaben zurückgegriffen werden, die überprüft und, wo nötig, überarbeitet wurden, während andere vollständig neu anzufertigen waren. Jeder Band enthält darüber hinaus eine ausführliche Einleitung, in der über Werk, Werkgenese und die Wirkungsgeschichte informiert wird, eine Bibliographie, Namen- und Sachregister sowie ein Glossar. Die Paginierungen der Ausgaben Œuvres complètes, hg. von Yves Hersant und Nuccio Ordine, Paris 1993 ff. (Les Belles Lettres), sowie der Dialoghi italiani, hg. von Giovanni Aquilecchia, Firenze 1958 (Sansoni), werden am Rand (OC) bzw. im Kolumnentitel (DI) mitgeführt, um den Bezug auch älterer Forschungsliteratur auf die Neuausgabe zu ermöglichen. Der Herausgeber der Ausgabe, die Herausgeber der einzelnen Bände und der Verlag danken Christiane Bacmeister, Prof. Dr. Ferdinand Fellmann und Dr. Kai Neubauer dafür, daß sie ihre Übersetzungen für die Ausgabe Giordano Bruno, Werke zur Verfügung gestellt haben. Herz-

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vorbemerkung

lich gedankt sei auch Prof. Nuccio Ordine und der Société d’édition Les Belles Lettres für die kollegiale Kooperation und die Bereitstellung der italienischen Texte, dem Italienzentrum der Freien Universität Berlin und seinem Leiter Prof. Dr. Jörg Hempfer sowie Prof. Dr. Wilhelm Schmidt-Biggemann vom Philosophischen Seminar der Freien Universität, die dem Projekt seit der Anfangsphase ideelle und logistische Unterstützung angedeihen ließen. Besonderer Dank gilt schließlich der Fritz Thyssen-Stiftung für die großzügige Förderung dieses Editionsvorhabens. Mein besonderer Dank gilt Marlen Bidwell-Steiner; sie hat den vorliegenden Text durch zahlreiche wichtige Anregungen bereichert, in verschiedenen Stadien kommentiert und Korrektur gelesen. Marion Lauschke vom Meiner Verlag hat durch ihr unermüdliches editorisches Engagement und ihr sorgfältiges Lektorat einen enormen Beitrag zur weiteren Verbesserung des Bandes geleistet. Weiterhin zu Dank verpflichtet bin ich dem Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK) in Wien und der Italian Academy an der Columbia University in New York für Stipendien im Wintersemester 2004/5 bzw. 2005/6, in deren großzügigem Rahmen ich unter anderem die Zeit fand, dieses Projekt voranzutreiben. Sergius Kodera Wien, im Sommer 2008

EINLEITUNG

Die 1585 in London erschienene Cabala dell cavallo pegaseo ist Giordano Brunos radikalstes Werk und der einzige Text, von dem sich der Philosoph aus dem süditalienischen Nola freiwillig distanziert hat.1 Die Cabala ist ein über weite Strecken außerordentlich vergnüglich zu lesender, beißend ironischer Text über die menschliche Dummheit, die grauenhaften Folgen des religiösen Fanatismus, die damit einhergehende Verdunkelung der Wahrheit und die daraus resultierende Malaise in wissenschaftlicher und akademischer Kultur. Die dummen Skeptiker sind hier ebenso das Ziel von Brunos Polemik wie die Aristoteliker, die Platoniker, aber vor allem hat es der Autor auf die Juden und Christen abgesehen. Bruno nimmt sie als Anhänger einer Eselreligion par excellence wahr, eines Kultes, den die Juden ursprünglich als Sklaven der Ägypter aufgezwungen bekommen und den die Christen später übernommen hätten. Beide Glaubensgemeinschaften werden in der Cabala als degenerierte Eselskulte dargestellt, deren Anhänger sich, ihrer Dummheit entsprechend, in Tiere verwandelt haben. Diese polemischen Absichten sind schon im mehrdeutigen Titel des Werkes erkennbar. In einem sarkastischen Wortspiel macht Bruno die jüdische Geheimwissenschaft der Kabbalisten (für die sich auch viele christliche Intellektuelle der Renaissance interessierten) zu einer Caballeria: zu einer Pferdesache. Diesen Tieren soll also das Denken überlassen werden.

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Und zwar in der 1591 erschienenen Schrift Imaginum, OL II/3, S. 237; vgl. N. Ordine in U I, S.116; M. Ciliberto: Umbra profonda (1999), Kap. 2, bes. S. 279 ff.; S. Ricci: Giordano Bruno nell’Europa (2000), S. 331 bemerkt, daß sich Bruno mit seiner Distanznahme vor der Rückkehr nach Italien eine gewisse Sicherheit vor Verfolgung durch die Zensur verschaffen wollte. Wie auch die anderen Dialoghi italiani Brunos wird die Cabala mit fingiertem Erscheinungsort Paris von John Charlewood in London gedruckt. Bereits im 1582 publizierten Cantus, OL II/1, S. 198 hatte Bruno eine spezielle Abhandlung zum Thema Unwissenheit und über die Esel angekündigt.

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Aber Brunos Polemik wird noch deutlicher: Bei der Lektüre stellt sich nämlich heraus, daß der Titel des Werkes eigentlich Kabale des Pegaseischen Esels lauten müßte; das vergleichsweise edle Pferd wird hier also durch ein Tier ersetzt, das am unteren Ende der zeitgenössischen Wertehierarchie stand.2 In Übereinstimmung mit dieser sarkastischen Interpretation der jüdischen Kabbala entpuppt sich das aus der griechischen Mythologie wohlbekannte geflügelte pegaseische Pferd im Laufe des Dialoges denn auch als ein (schlauer) Esel, der den Aufstieg vom einfachen Lasttier in den Himmel geschafft hat. Die Kabbala mutiert so zu einer Kabale, also zu einer Intrige,3 in der die schlauen Esel das Sagen haben. Bruno war folgerichtig kein Kabbalist; der Inhalt des Textes ist überwiegend satirisch.4 Neben dieser scharfen Kritik an der zeitgenössischen Religion handelt die Cabala auch von der universellen vicissitudo, jener konstanten Veränderung, der alle Dinge unterworfen sind. Dieses Theorem wird hier in Zusammenhang mit der Seelenwanderung und der Frage nach dem richtigen, dem wahren Wissen im Gegensatz zu den trügerischen Wahrheiten der falschen Propheten erörtert. Außerdem erörtert Bruno in der Cabala das Thema der essentiellen Gleichheit von Menschen und Tieren: Sie unterscheiden sich nicht durch ihre geistigen, sondern vielmehr durch ihre körperlichen Veranlagungen. Diese radikalen Konzepte laufen den in der Renaissancephilosophie populären Vorstellungen von der Würde des Menschen diametral entgegen und vervollständigen die Liste der vielfältigen – und häretischen – Inhalte des kurzen Textes. Oft hat man den Eindruck, mit einer prallen Fülle von mehr oder weniger zufällig angeordneten Themenkreisen konfrontiert zu werden, die in ihrer Radikalität auf die

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M. Ciliberto: Umbra profonda (1999), S. 283 f. bezeichnet daher die Cabala auch als einen Text über die allgemeine Dekadenz aller zeitgenössischen Ordnungen; vgl. auch H. Gatti: Renaissance science (1999), S. 230. 3 So bekanntlich auch noch im Wortgebrauch der Dichter des Sturm und Drang. 4 Ich folge hier der Lesung von H. Gatti: Renaissance science (1999), S. 221–26; vgl. auch S. Ricci: Lo Spaccio della Cabala (2003), S. 228 und 233 f.; ders.: Giordano Bruno nell’Europa (2000), S. 337.

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überwiegende Mehrheit von Brunos Zeitgenossen wohl zutiefst schokkierend gewirkt haben müssen.5 Der Text ist gut versteckt: die Cabala erscheint als (schmale, aber durchaus gehaltvolle) Sandwicheinlage zwischen den beiden großen sogenannten Dialoghi morali, dem Spaccio delle bestia trionfante (1584) und den Eroici furori (1585). Das Werk kann jedoch auch als der Höhepunkt und Schluß des Spaccio verstanden werden, weil hier die Himmelsreform des Spaccio damit vollendet wird, daß der Dummheit, dem Eseltum, ein Sitz neben der Weisheit zuerkannt wird.6 Noch mehr als in den vorhergehenden Dialoghi italiani verwendet Bruno hier ein breites Register an literarischen Formen, die vom Mythos über die historia, die Invektive und die Predigt zum Lukianischen Dialog reichen (um nur die wichtigsten Gattungen aufzuzählen).7 Wie Aristoteles und Horaz es in ihren Poetiken verlangen, sind solche Fiktionen eine Mischung aus Wahrem und Erfundenem, sie sind daher wahrscheinlich (verisimilis). Bruno sieht sich offenbar gezwungen, seine auktoriale Position gegenüber den hier vorgetragenen radikalen Thesen zu verschleiern. Die Vielfalt der oben skizzierten und kontrovers diskutierten Themen bewirkt, daß die Cabala ein schwierig zu analysierender Text ist.8 Unstreitig war es Brunos zentrales Anliegen, die zeitgenössischen geistigen, kulturellen und religiösen Mißstände der europäischen Gesellschaften in sarkastischen Lobeshymnen auf die Dummheit darzustellen. Gleichzeitig lassen sich dabei auch Konzepte extrapolieren, die Bruno diesen negativen Aspekten positiv entgegenstellt. Hier ist besonders die autonome Tätigkeit des Individuums zu nennen: Sie ist nicht

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Für die Radikalität des Werkes vgl. M. Ciliberto: Ruota (1986), S. 55 f., 175 f., 196 f.; S. Ricci: Lo Spaccio della Cabala (2003), S. 219. 6 Siehe dazu auch M. A. Granada: Einleitung zu Cabala (1990), S. 18. 7 Zu Brunos Verwendung Lukianischer Motive im Spaccio vgl. M. A. Granada: Einleitung zu Expulsión (1989), S. 52 mit Literaturhinweisen. 8 S. L. Sondergard: Nachwort zu The Cabala (2002), S. 175 f. schreibt: »The Cabala has been something of a frustrating puzzle box – seemingly created to be insoluble for modern readers who look for doctrinal implications in every Brunist statement.«

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von religiösen oder anderen Autoritäten geleitet, strebt einerseits nach authentischer, zeitgemäßer Erkenntnis und setzt sich andererseits für das politische Gemeinwohl ein. Eine beträchtliche Anzahl teils bedeutender Renaissanceautoren hatten vor Bruno ein Lob des Esels beziehungsweise der Dummheit verfaßt: Machiavelli, Erasmus, Agrippa von Nettesheim9 und der Neapolitaner Pino10 sind hier zu nennen; diese parodistische Literaturgattung war also keineswegs neu.11 Bisher ist in diesem Zusammenhang übersehen worden, daß auch Platons Phaidros (260 b–c) von einem Encomium auf Esel spricht. Diese Lobrede ist leicht als Satire auf unfähige Staatsmänner zu erkennen, der Zusammenhang also schon hier eindeutig politisch. Auch daß ein Tier im Zentrum einer Schrift von Bruno steht, ist nicht einzigartig: Bereits ein Traktat zur Gedächtniskunst – der 1582 in Paris erschienene Cantus Circeus – hatte ein Schwein als Mittelpunkt eines mnemotechnischen Rades gehabt.12 Es diente dort als Merkhilfe für die topische Anordnung negativer Eigenschaften nach den Prinzipien der Lullischen Universalkombinatorik, eine Anwendung, die auch in der Cabala eine zentrale Rolle spielt.13 Hier sind allerdings nicht die einzelnen, sozusagen individuellen Unarten Ziel von Brunos beißendem Spott, sondern die universelle Dummheit per se, die sich in verschiedenen Formen des Eseltums artikuliert.

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Hier ist vor allem Agrippa von Nettesheim: De vanitate (1608), cap. 100 ff., S. 233–44 zu nennen. 10 Zu Pino vgl. N. Ordine: Philosophie des Esels (1999), S. 160–69, der allerdings die Ironie dieses Textes übersieht. 11 Die einschlägigen Parallelstellen werden im Kommentarteil erwähnt. Siehe dazu auch M. A. Granada: Einleitung zu Cabala (1990), S. 21 mit Literaturhinweisen. Für einen enzyklopädischen Überblick zum Thema vgl. N. Ordine: Philosophie des Esels (1999), S. 23–28, 31–44 und 158 f. 12 Cantus, OL II/1, S. 195 ff. 13 Solche Untugenden exemplifiziert Bruno übrigens bereits im (ebenfalls) 1852 in Paris erschienenen Candelaio in der Form eines Theaterstückes. Zu den Parallelen zwischen Cabala und Candelaio vgl. N. Ordine: Philosophie des Esels (1999), S. 59. Zum Lullismus siehe unten.

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Zu Brunos literarischem Stil Zu Brunos antiklassizistischem literarischem Stil wurde viel geschrieben.14 Der Nolaner liebt es, neue Wörter zu erfinden bzw. altbekannte einer Umsemantisierung zu unterziehen, denn für ihn unterliegt die Sprache – wie alle anderen Dinge auch – einem konstanten Wandel. Um sich den jeweils kontingenten Umständen, der vicissitudo, anpassen zu können, müssen daher neue Wörter erfunden und gebraucht werden. Ein in der Cabala zentrales Konzept wie die Metempsychose mutiert demzufolge zur »Metamphysikose«, offensichtlich um den spezifisch materiellen Charakter der Seelenwanderung in Brunos Denken zum Ausdruck zu bringen, die »Verwandlung und Körperwanderung aller Seelen«.15 Solche Sprachschöpfungen können sehr vergnüglich sein, etwa wenn im Asino cyllenico der sprechende Esel um Aufnahme in die pythagoreische Akademie ersucht und dabei wie folgt argumentiert: »Es ist zwar wahr, daß ich nicht jene natürliche Anlage, jenes weiche Fleisch, jene zarte, reine und vornehme Haut habe, welche die Physiognomen am geeignetsten für die Aufnahme der Lehre erachten […]«. Bruno verwendet hier das Kunstverb integnere: eine Wortschöpfung, die einerseits das italienische intendere »erachten, begreifen, verstehen« evoziert, gleichzeitg aber auch Anklänge an integumento, »die Haut der Tiere«, hat. Mit dieser witzigen Anspielung weist der Autor offensichtlich darauf hin, daß (zumindest den Eseln) die Lehren der Weisen »eingebläut« werden müssen. Andernorts bringt der Nolaner die verhaßte skeptische Philosophie mit der »Stiftshütte«, der tabernacula,

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Auf deutsch am leichtesten zugänglich ist N. Ordine: Philosophie des Esels (1999), S. 189–205 mit Literaturhinweisen; vgl. auch die treffenden Bemerkungen zur Rolle des aktiven Lesers, den Bruno voraussetzt, in B. Hasner: Der Dialog (2004), S. 15 f.; M. Ciliberto: Lessico (1979), S. XXVII; vgl. auch C. Schulz: Nachwort zu Über das Unendliche (1994). 15 Spaccio, DI, S. 593 hat die gebräuchliche Form metampsicosi; vgl. auch R. G. Mendoza: Metempsychosis and Monism (2002), S. 273–97, bes. S. 288. Zur kurzen Einführung in die Begriffe Animismus, vicissitudo, Metamorphose vgl. H. Gatti: Renaissance Science (1999), S. 70 ff.

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in Verbindung. Im Italienischen liest sich dieses Wort auch als Diminutiv von taberna, »Wirtshaus«, und mutiert demzufolge zur »kleinen Taverne«, in der es, wie der Leser indirekt erfährt, nichts zu essen gibt. Daher muß Sebasto als potentieller Anhänger dieser – eben nicht nur in intellektueller Hinsicht – unergiebigen skeptischen Philosophie den Gürtel so eng schnallen, daß er nicht einmal mehr atmen kann. Die hier aufgezählten Beispiele illustrieren die Versuche des Nolaners, die somatischen Aspekte des Denkens auf der lexikalischen Ebene präsent zu halten und damit einen zentralen Aspekt seiner Philosophie in der Textgestalt selbst verkörpert zu präsentieren. Auch die Experimente der Dialoghi italiani mit dem Satzbau (z. B. die auffällig häufige Verwendung der Hypotaxe, der Enumeratio oder der Accumulatio) wurden überzeugend als Versuche dargestellt, das infinite Universum auf der formalen Ebene festzuschreiben.16 Ordine formuliert dies in einer Bruno durchaus affinen Weise: »Der Satz tendiert zur Auflösung: alles kann Zentrum und Peripherie zugleich sein; die Periode wird zum unendlichen Universum, verwandelt sich in eine Vielzahl von Welten, die voneinander unabhängig, aber durch ständige wechselseitige Interferenzen verbunden sind.«17 Der fulminante Einleitungssatz der Cabala ist hier ein gutes Beispiel für solche komplexe sprachliche Gebilde. Nicht anders als es einem Töpfer zu geschehen pflegt, der ans Ende seines [Tag]werkes gelangt (und zwar nicht so sehr wegen der Wanderung (transmigration) des Lichtes als wegen Unvollkommenheit und Mangel der bearbeiteteten (spacciato) Materie) und der in seiner Hand etwas Glas oder Holz oder Wachs oder anderes hält, was nicht ausreicht, um daraus ein Gefäß herzustellen, [dem also] ein Stück übrigbleibt, mit dem er nichts anfangen kann oder anzufangen vermag, und überlegt, was er damit tun soll, da er es nicht unnütz wegwerfen möchte, sondern vielmehr der Welt zum Trotz will, daß es zu irgend etwas gut sei, und siehe da! es sich schließlich als vorbestimmt erweist, einen dritten Hen-

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N. Ordine: Philosophie des Esels (1999), S. 193–201. Ebd., S. 193.

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kel, einen Rand, einen Flaschendeckel, eine Einlage, ein Pflaster oder einen Flicken abzugeben, um irgendeinen Riß zu schließen, ein Loch zu füllen oder eine Delle zu glätten: [ebenso] ist es mir ergangen, nachdem ich nicht all meine Gedanken, sondern nur ein bestimmtes Bündel von Schriften ausgebreitet (spacciato) hatte, so daß ich schließlich – da ich nichts anderes abzuschließen hatte – mehr aus Zufall denn aus Überlegung die Augen auf einen Makulaturbogen richtete, den ich andere Male verachtet und als Umschlag für diese Schriften genommen hatte, und ich herausfand, daß er zum Teil dasjenige enthielt, was Ihr hier vorgestellt seht. (S. 5)

Hier ist Brunos zentraler Gedanke die Verbindung zwischen dem Lehmrest und dem Makulaturbogen, zwischen amorpher Materie und ungeformter Sprache, aus denen eine neue Wesenheit entsteht. Diese Position befindet sich in offenem Gegensatz zu den Eingangsversen der Ars poetica des Horaz, der die künstlerisch einheitliche Textgestaltung solchen stümperhaften Fragmenten vorzieht; Bruno zitiert diese Stelle auch wörtlich im ersten Dialog. Er betont damit den bruchstückhaften Charakter seines Textes, der allerdings – wie auch der Materialrest in der Hand des Töpfers – in ein größeres Ganzes integriert werden kann. Diese Aussage ist mehr als nur Bescheidenheitstopos – der wäre ohnedies ungewöhnlich für einen von Selbstzweifeln scheinbar selten geplagten Philosophen, sondern beinhaltet einen wichtigen argumentativen Aspekt.18 Der Nolaner spielt hier auf die Idee an, daß ein unendlich großes Universum von einem begrenzten, verkörperten Geist immer nur in einem Ausschnitt erkannt werden kann; aus dieser Perspektive ergibt sich, daß auch immer nur Teile (eben Textfragmente oder Materiestücke) sinnvoll geformt werden können.19 Auch in der Cena kommt die Denkfigur des verachteten Details, das durch intensive Ar18

Vgl. Immenso OL I/1, S. 199, wo Bruno sich mit ebensolchen messianischen und prophetischen Qualitäten darstellt wie in den berühmten Passagen der Cena. Vgl. auch P. R. Blum: Giordano Bruno (1999), S. 41 f. 19 M. E. zu Unrecht nimmt M. A. Granada: Einleitung zu Cabala (1990), S. 19 diese unübersichtliche Organisation als Mangel und nicht als bewußte literarische Strategie Brunos wahr.

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beit zu neuen Ehren gelangt, in einem positiven Zusammenhang vor, und zwar, wenn Bruno die Lehren des Kopernikus beschreibt.20 In der Nolanischen Philosophie ist diese bruchstückhafte Form allen Wissens kein notwendiger Nachteil, denn im unendlichen Universum ist ohnedies alles in allem.21 Ein weiterer wichtiger intertextueller Verweis ergibt sich aus der Lektüre des ersten Korintherbriefes, in dem Paulus den fragmentarischen Charakter der Erkenntnis im verkörperten Leib betont, und zwar im Gegensatz zur vollkommenen intellektuellen Schau, welche der Seele erst im Himmelreich gewährt wird: einer Erkenntnisform, von der sich Bruno in der Cabala explizit distanziert.22 Alles verändert sich zudem ständig und bedarf der kontinuierlichen Neugestaltung. Zwar ist der Geist (das Licht) in der Materie überall gleichmäßig verteilt, es wird aber durch die zeitlich je verschiedenen Ausformungen der Materie in konkrete Individuen »begrenzt«. Bruno spielt hier mit dem italienschen Wort spacciare, das ja schon im Titel des vorhergehenden italienischen Dialoges stand. Dieser Begriff kann mit »vertreiben« übersetzt werden, er bedeutet aber ebenso »entfalten«, »ausbreiten« und »losbinden«; das Wort ist vom lateinischen spatium (Raum) abgeleitet und steht daher auch für »raumgreifend«. Zufolge der christlichen Exegese ist durch dieses »Losbinden« die Befreiung des Menschen von der Erbsünde versinnbildlicht. Im Fall der Cabala geht es um die ironische Aufarbeitung der neutestamentarischen Geschichte von der Eselin und ihrem Füllen. Sie werden im Auftrag des Erlöser von den Aposteln entwendet, damit Christus auf ihnen in Jerusalem einziehen kann.23 Es ist wohl kaum ein Zufall, daß sowohl 20

Cena, DI, S. 28 f.: »[…] ripigliando quelli abietti e rugginosi fragmenti ch’ha possuto haver le mani da la antiquità, le ha ripoliti, accozzati e risaldati in tanto […] ch’ha resa la causa, già ridicola, abietta e vilipresa, onorata, preggiata, piú verisimile che la contraria […].” 21 Vgl. Imaginum, OL II/3, S. 95 und die Bemerkungen Brunos am Ende des ersten Teils des zweiten Dialoges (II/1) der Cabala. 22 Vgl. 1 Kor 13,9 f.: »Denn Stückwerk ist unser Erkennen (ex partibus enim cognovimus) und Stückwerk ist unser Prophezeien. Wenn aber das Vollendete kommt, dann wird das Stückwerk abgetan.« 23 Vgl. Mk 11,4–6. In der exegetischen Tradition werden die angebundenen Tiere als Metapher für die durch die Sünde gefesselte Menschheit inter-

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im Lukas- als auch im Matthäusevangelium von dieser dialektischen Verbindung von »sammeln« und »zerstreuen« in beinahe identischem Wortlaut die Rede ist. »Wer nicht für mich ist, ist gegen mich, und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.« Matthäus 12,30: »Qui non est mecum, contra me est, et qui non congregat mecum, spargit.«24 Damit eröffnet sich ein intertextueller Bezug zur Cabala, denn in Verbindung mit den Bibelversen gelesen, markiert bereits deren Eingangssatz den dezidiert antichristlichen Tenor von Brunos Philosophie. Sie zelebriert ja das Bruchstückhafte, das Zerstreute, das nicht Geeinte und ist somit gegen »ihn«, gegen Christus.25 Auch das Wort transmigration für »Wanderung« des Lichtes ist ganz bewußt gewählt, denn es spielt damit auf das in der Cabala zentrale Thema der Seelenwanderung an. Die Gestalt des Töpfers, mit der Bruno sich hier als Autor vergleicht, hat offensichtliche Anklänge an den Platonischen Demiurgen, ist aber ebenso ein alttestamentarisches Attribut Gottes.26 Im Römerbrief des Paulus spielt diese Metapher vom figulus eine zentrale Rolle,27 die Bruno in der Cabala ironisch diskupretiert; vgl. z. B. Ambrosius: Expositio Evangelii secundum Lucam (1978), lib. 9, cap. 3–6, S. 364–67. Zum dialektischen Zusammenhang von spaccio und religio, dem Austreiben und dem Anbinden, vgl. N. Ordine: Philosophie des Esels (1999), S. 105 ff. Bruno greift diese Zusammenhänge in der Deklamation bewußt auf: »Bittet, bittet Gott, Ihr Liebsten, daß er Euch zu Eseln mache, wenn Ihr noch keine seid. Ihr müßt nur wollen und sicher, sicher wird Euch ganz leicht die Gnade gewährt, denn obwohl Ihr von Natur aus Esel seid und die allgemeine Wissenschaft nichts als eine Eselei ist, müßt Ihr Euch vergegenwärtigen und sehr wohl darauf achten, ob Ihr Esel nach Gott seid: ich meine, ob Ihr zu jenen Unglücklichen gehört, die vor der Tür angebunden bleiben, oder zu jenen anderen Glücklichen, die eintreten [dürfen].« (S. 33) 24 Lk 11,23 hat colligit statt congregat und dispergit statt spargit: diese Termini legen ebenfalls eine Verbindung mit dem Wort spacciare nahe. 25 Vgl. M. A. Granada: Einleitung zu Cabala (1990), S. 50; A. Ingegno: La sommersa nave (1985), Kap. 7 f., bes. S. 89–93; und ders.: Polemica anticristiana (1973), S. 3–36. 26 Weish 13,11–14; 15,7; Sir 33,13 f.; 38,32 ff. 27 Röm 9,20 f.; in Cantus, OL II/2, S. 243 sagt Bruno übrigens ebenfalls, daß man den artifex universalis, der das plasmatische Universum formt, durch einen Töpfer visualisieren kann.

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tiert; wohl auch deshalb, weil Origenes sie im Zusammenhang mit der Seelenwanderung und der Prädestinationslehre aufgegriffen hatte.28 Origenes, dessen Name bereits auf den ersten Seiten dieser Dedicatio fällt, war jener Kirchenvater, der über die Möglichkeit der Belohnung und der Strafe in einer Reihe verschiedener Leben nachgedacht hatte, indem er die Individuen als Gefäße bezeichnete, die einmal schändlichen und einmal hervorragenden Inhalt haben können.29 Und hier gelingt der Sprung in die konfliktreichen politisch-religiösen Realitäten des 16. Jahrhunderts, denn Origenes’ Schriften wurden wohlwollend von Erasmus von Rotterdam rezipiert.30 Luther wiederum attackierte beide Autoren heftig: Mit seiner Version des paulinischen Christentums ist der Reformator seinerseits eines der Hauptziele der religiösen Polemik der Cabala.31 Aus dieser skizzenhaften Rekonstruktion, die in der Einleitung weiter ausgeführt wird, wird klar: In seinem fulminanten Eingangssatz vermittelt der Nolaner ein Panorama – all the world in a nutshell – von dem, was die folgenden Dialoge diskutieren werden. Dies geschieht in einer charakteristisch schnellen Denkbewegung, die den Rezipienten zunächst überfordert. Erst die Lektüre des gesamten Textes führt zum Verständnis der sprachlichen Ouvertüre zurück und zwar in einer für Brunos infinites Universum charakteristischen, nämlich einer kreisförmigen Denkbewegung. Bruno verwendet solche Satz- und Denkperioden also auch als literarisches Mittel, um die kosmischen Verhältnisse in nuce darzustellen, 28

Origenes: De principiis (1913), lib. 3, cap. 1,20–24, S. 237–44; vgl. auch F. Meroi, Cabala parva (2006), S. 23–29 mit zahlreichen Literaturhinweisen. 29 Diese Formulierung stammt aus Röm 9,21; auch Cicero: Tusculanae disputationes (1992), lib. I, cap. 52, S. 52 beschreibt den Körper als Gefäß: »Nam corpus quidem quasi vas est aut aliquid animi receptaculum.« Zu diesem Vorstellungskomplex im Neuplatonismus vgl. auch M. Ficino: Theologia Platonica (2001–6), lib. 13, cap. 1, Bd. IV, S. 114 f.; F. Meroi: Cabala parva (2006), Kap. 1. 30 Zu Bruno und Erasmus vgl. M. A. Granada: La reivindicación de la filosofía (2005), S. 155–82. 31 Eine ausführliche, wenn auch unnötig polemische Einführung gibt M. Ciliberto: Einleitung zu Spaccio (2000), S. 7–58, bes. S. 35–47.

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getreu dem Grundsatz, quod omnia in omnibus, wonach alles in allem ist. Mit dem Nolaner zu denken, bedeutet daher immer auch, sich auf diese sprachlich und inhaltlich komplexe Dimension einzulassen. Sie erschwert eine lineare Darstellung seiner Philosophie, denn wenn alles mit allem zusammenhängt, reproduziert man auch gedanklich eine kosmische Totalität, in der alle Aspekte gleichzeitig zusammenwirken. Dementsprechend interagieren in den Dialoghi italiani häufig auch weit auseinanderliegende Passagen. Bruno war ein Meister der Mnemonik, und in seinem messianischen Sendungsbewußtsein erwartete er offensichtlich auch von seinem Publikum, daß es seine Texte bis ins scheinbar unwichtigste Detail erinnern konnte.32 Diese vom Leser geforderte mentale Präsenz33 ermöglicht es zudem, ironische Brechungen zu erkennen und – gerade im Falle der heterodoxen Cabala – auch Rückschlüsse auf die Intentionen ihres Autors zu ziehen. In der vorliegenden Übersetzung wurde versucht, diese sprachlichen Eigenheiten so weit wie möglich zu übernehmen, um auch den hier skizzierten Aspekten des Nolanischen Denkens gerecht werden zu können. Diese Einleitung versucht, der Cabala als literarischem Experiment und als Sonderfall der ohnedies schon exponierten Philosophie Brunos gerecht zu werden und gleichzeitig die engen Verbindungen zu anderen Schriften des Autors zumindest anzudeuten.

Editionen Die einzige zeitgenössische Edition der Cabala ist ein außerordentlich rarer Text, der nur mehr in einem knappen Dutzend Exemplaren erhalten ist.34 Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte das Werk weder ein besonders großes noch ein positives Echo bei der Leserschaft gefun32

Vgl. Cena, DI S. 14 f.; R. Sturlese: Arte della natura (2000), S. 131 f. 33 F. Fellmannn: Einleitung zu Heroische Leidenschaften (1989), S. XXVI f. hat dafür den passenden Begriff »intensives Denken« geprägt. 34 R. Sturlese: Bibliografia, censimento (1987), S. 67 f. verzeichnet elf Exemplare der Cabala. Erfreulicherweise hat Eugenio Canone diesen Text als Faksimile in Band III der Opere italiane (Florenz, 1999, S. 1147–1240) publiziert.

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den und demzufolge auch kaum Spuren in der intellektuellen Kultur des ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts hinterlassen.35 Auch die römischen Inquisitoren erfuhren erst 1599, also zu einem späten Zeitpunkt des Prozesses gegen Bruno, zwar vom (weitaus einfußreicheren) Spaccio, nicht aber von der Cabala; der Nolaner konnte sich so während sieben Jahren seiner Haft stets als Naturphilosoph gerieren, dessen Lehren in verhältnismäßig geringfügigem Gegensatz zu katholischen Dogmen standen.36 Die einzige Ausnahme scheinen die englischen freethinker zu bilden, denn sie kannten nicht nur den Spaccio, sondern auch die Cabala. John Toland scheint in den ersten Jahren des 18. Jh. sogar eine partielle Übersetzung ins Englische verfaßt zu haben.37 Die früheste gedruckte Neuausgabe der Cabala erscheint 1830 bei Adolf Wagner in Leipzig, Eugenio Camerin gibt den Text 1864 in Mailand in der Biblioteca rara heraus.38

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In Imaginum, II/3, S. 237 schreibt Bruno, daß die Cabala auf allgemeines Mißfallen bei Gebildeten wie Ungebildeten gestoßen sei. Siehe dazu auch M. A. Granada: Einleitung zu Cabala (1990), S. 20. Zur Wirkungsgeschichte vgl. auch S. Ricci: Lo Spaccio della Cabala (2003), S. 215. 36 Vgl. M. Ciliberto: Giordano Bruno (1990), S. 259–76, bes. S. 274 f.; M. A. Granada: Einleitung zu Cabala (1990), S. 56. 37 Zu dieser Übersetzung der Cabala vgl. G. Aquilecchia: John Toland (1958), S. 77–86. Das Sonetto in lode del asino und das Sonetto molto pio sind in dieser Version erhalten geblieben (ebd., S. 80 f.). Toland kaufte den Text aus der Bibliothek der Königin Elisabeth im Jahre 1698 (ebd., S. 86); vgl. Ricci, La fortuna (1990), S. 245 und Anm. 16. Zu Toland vgl. ebd., S. 242–330. Das heute in Wien befindliche Exemplar gehörte Georg Wilhelm Hohendorff und hat die Bemerkung auf dem Titelblatt: »Che più s’ardita, più m’invita WH«; vgl. R. Sturlese: Bibliografia, censimento (1987), S. 68. Dies läßt eine weitere Verbreitung der Cabala auch auf dem Kontinent erahnen. Über die Beziehung Tolands zu Hohendorff vgl. S. Ricci: La fortuna (1990), S. 262–70. Allgemein zum Thema vgl. G. Albarani: Giordano Bruno in Italia (2004); G. Cacciatore: Giordano Bruno e noi (2003). 38 Davon existiert eine 1974 in Bologna bei Forni erschienene Faksimileausgabe.

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Historischer Kontext Zunächst soll kurz die historische Situation, in der die Cabala verfaßt wurde, und die Stellung dieses kleinen Werkes in Brunos Dialoghi italiani skizziert werden. London 1583 bis 1585: Giordano Bruno ist Gast bei Michel de Castelnau, Botschafter des französischen Königs;39 Henri III. hat den Philosophen aus Nola, der mehr als sieben Jahren lang auf der Suche nach einer Anstellung durch Europa irrte, vor den Glaubenskämpfen hierher in Sicherheit gebracht. Für den 1576 aus dem Konvent von San Domenico Maggiore in Neapel geflüchteten Dominikanermönch war auch in Paris der Boden zu heiß geworden.40 In einer gewiß nicht eben bequemen Dachkammer der Botschaft41 arbeitet Bruno an einer Serie von Texten, die, rückblickend betrachtet, »den großen literarischen Coup seines Lebens und Nachlebens [darstellen und …] die seinen Ruhm bis in die Gegenwart beherrschen«.42 In etwas mehr als 18 Monaten schreibt und publiziert der Nolaner insgesamt sechs philosophische Dialoge in italienischer Sprache. In diesen hochpolemischen Texten, die zum Teil sehr unterhaltsam zu lesen sind, stellt Bruno aber nicht nur sein beachtliches schriftstellerisches Talent unter Beweis: Für ein liberales Publikum am englischen Hof verfaßt, entwerfen diese Dialoghi italiani auch ein Bild der neuen Philosophie des Nolaners. Die ersten drei Texte, La cena delle ceneri, Della causa, principio ed uno, und Del infinito, universo e mondi erläutern das Kopernikanische Weltbild im Zusammenhang mit Brunos Infinitismus, also im Kontext seiner Lehre vom unendlich ausgedehnten Universum: revolutionäre Ideen, die Bruno in explizitem Gegensatz zu der an den Universitäten gelehrten Aristotelischen Naturphilosophie formulierte,

39

Zu Castelnau vgl. N. Ordine: La soglia dell’ombra (2003), S. 94–98. 40 Für eine hervorragende und gut lesbare deutschsprachige Einführung in diese Thematik siehe P. R. Blum: Giordano Bruno (1999), S. 39–96 und passim; vgl. auch A. Bönker-Vallon, Einleitung zu BW IV, S. XXIII–XXXI. 41 Zu Castelnaus Wohnsitz vgl. die Pläne in J. Bossy: Embassy Affair (1991), S. 248–51. 42 P. R. Blum: Giordano Bruno (1999), S. 39.

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also zur Lehre vom geozentrischen Weltbild und dem geschlossenen endlichen Kosmos. Die Professoren in Oxford (wo Bruno im Juni 1583 ein kurzes und sehr turbulentes Gastspiel gab)43 hatte dieser vehemente Anti-Aristotelismus derart in Rage gebracht, daß sie den kleinwüchsigen, wilden Mann – der zudem noch Latein mit einem seltsamen süditalienischen Akzent sprach – eher unsanft aus der berühmten Universität hinauskomplimentierten. Und damit hatten sie aus ihrer Perspektive durchaus recht, denn in einer Hinsicht waren sich Bruno und seine Gegner durchaus einig: Derartige Revisionen in der Naturphilosophie würden das ganze Lehrgebäude aristotelischer Philosophie außer Kraft setzen und damit ein Bildungssystem obsolet machen, das den gesamten universitären Lehrund Studienbetrieb in Europa strukturierte. Eine der beachtenswertesten Leistungen des Nolaners ist es denn auch, mit welcher Konsequenz er die Folgen eines solchen Paradigmenwechsels vom endlichen zum infiniten Universum für die gesamte Philosophie und Theologie durchdacht hat.44 Für Bruno war klar: Ein allmächtiger Gott kann sich nur in einem unendlich großen Universum in adäquater Weise abbilden, ein solcher Schöpfer muß sich in diesem kreativen Akt auch restlos verausgaben, wenn diese Welt ein konzises Abbild göttlicher Allmacht sein soll.45 Es ist daher nur folgerichtig, wenn bei Bruno die Materie (an der sich solcher göttlicher Gestaltungswille abarbeitet) ihren untergeordneten Stellenwert verliert; sie ist nicht mehr auf den Erdball im Zentrum des finiten Kosmos begrenzt, sondern ebenso ausgedehnt wie ihr Schöpfer.46 Von einem solchen unendlich großen Universum gibt es dann

43

Ebd., S. 40 ff. 44 H. Gatti: Renaissance science (1999), S. 238 betont daher auch die von Bruno postulierte Identität von Ontologie und Ethik, und ungewohnte Anmutung dieser Annahmen für das moderne Bewußtsein. 45 Vgl. A. Bönker-Vallon: Einleitung zu BW IV, S. LXX; T. Leinkauf: Einleitung zu BW III, S. LIV f. mit Literaturhinweisen. 46 Vgl. die klassische Arbeit von H. Védrine: La conception de la nature (1967), S. 280–87 und passim.

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(zumindest für den begrenzten Menschen) keine anschauliche Darstellung; Kategorien wie »oben« oder »unten«, »höher und tiefer«, »vorund nachgeordnet« und können nunmehr relational und in der Zeit bestimmt werden.47 So verlieren diese Begriffe auch jede überzeitliche und metaphysische und damit implizit ihre normative Bedeutung. Aus der Perspektive des Unendlichen wird es sinnlos in einem solchen Universum zum Beispiel von »Aufstieg« (etwa zu Platonischen Ideen, zu höheren Wesen, zu Gott) anders als in bloß metaphorischer Weise zu sprechen. Das Licht des Geistes ist sozusagen nicht mehr »vertikal«, sondern »horizontal in die Dinge verteilt« (um eine eingängige Formulierung von Hilary Gatti aufzugreifen).48 Hier wird klar, inwiefern die neue Kosmologie auch die traditionelle Anthropologie, das Verständnis vom Menschen verändert: Er kann nicht mehr Mittelpunkt der Schöpfung sein, denn das unendliche Universum besitzt keine solche Mitte. Der infinite Kosmos bringt eine Neuordnung der gesamten Wertestruktur mit sich. Als unendlich Große ist die Materie nicht mehr der unterste Bodensatz einer Schöpfung, sondern in ihr allgegenwärtig. Dem Somatischen kommt demzufolge eine wesentlich andere Bedeutung zu als in den traditionellen Platonischen und Aristotelischen Konzeptionen, über die sich Bruno auch oft mit beißendem Witz lustig macht.49 So etwa in seiner Kritik des Aristotelischen Hylemorphismus, in dem die Form der Naturdinge als männlich-aktiver Aspekt, die Materie als weiblich-passiver Teil bestimmt wurde. Bruno entgegnete, daß weder die Form ein dem Männlichen zuzuschreibender Begriff noch die Materie eine Verkörperung des bedürftigen Aspekts der Schöpfung sein kann, denn beides sind Anthropomorphismen, die in einem nicht

47

Vgl. A. Bönker-Vallon: Einleitung zu BW IV, S. XC ff. 48 H. Gatti: Renaissance science (1999), S. 211; T. Leinkauf: Einleitung zu BW III, S. LXXIV–LXXXI hat sich bemüht zu erklären, in welcher Form gleichzeitig die überkommene, sozusagen hierarchische Terminologie trotzdem für Brunos Kosmologie relevant bleibt. 49 Vgl. z. B. Causa, BW III, S. 184–196 mit Anmerkungen.

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nach menschlichem Maß geformtem Universum auch keine heuristische Qualität besitzen können.50 Doch wie übersetzt man solche naturphilosophischen Paradigmen in konkrete Handlungsmaximen, wie strukturieren diese Konzeptionen die konkreten Vorstellungen des Politischen, des Religiösen, der Ethik? Keine einfache Frage, denn wenn alles eines und ununterscheidbar ist, wo findet sich dann jener archimedische Punkt, der es dem Individuum erlauben würde, überhaupt noch in das Weltgeschehen gestaltend und erkennend einzugreifen und nicht nur passiver Teil eines gigantischen Weltganzen zu sein?51 In diesem Fall ist ein Perspektivenwechsel notwendig: Aus der Sicht des verkörperten Individuums gibt es eben sehr wohl Differenzen, die sich im Hier und im Jetzt, in jeweils konkreten psychophysischen Manifestationen konstatieren lassen. Die Verkörperung macht daher für Bruno keinen geringen Unterschied; dies gilt übrigens insbesondere für Pferde und Esel: Das ergibt sich in sehr amüsanter Weise, wenn man einen Blick in den Cantus Circeus wirft.52 Hier schreibt Bruno nämlich, daß er sich den Namen Filippo durch seine etymologische Bedeutung »Pferdeliebhaber« in Erinnerung zu rufen pflegt. (Bruno erwähnt allerdings nicht, daß er auf diesen Namen getauft wurde.) Im Gegensatz dazu erinnert der Nolaner die Pferdebremse (asylus) durch den Esel (asinus). Daher ist es auch sinnvoll, die überkommenen Hierarchien als Denkkategorien zu übernehmen, solange man nur nicht dem Irrtum verfällt, diese in der Welt der finiten Individuen als ewig und unverrückbar zu denken.53 Denn hier ist der konstante Wandel, dem alle Dinge unterworfen sind, ständig mitzudenken. Bruno war auch in diesem Fall ein konsequenter Denker: In den sogenannten Dialoghi morali, dem Spaccio della bestia trionfante, der Cabala del cavallo pegaseo und De gli heroici furori, skiz-

50

Causa, BW III, S. 22 und S. 230 ff.; Principiis, OM, S. 616–25; Umbris, OL II/1, S. 60 (Sturlese, S. 69 f.); vgl. auch A. Bönker-Vallon: Einleitung zu BW IV, S. LXXII. 51 Vgl. die anregende Darstellung in P. R. Blum: Brunos Brunianismus (1992), passim, und H. Gatti: Renaissance science (1999), S. 49. 52 Cantus, OL II/1, S. 242. 53 Siehe dazu auch T. Leinkauf: Einleitung zu BW III, S. XV f.

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ziert der Nolaner, wie er einmal sagt, bestimmte »Präludien nach Art der Musiker« und »bestimmte blinde Fundamente« einer Neuordnung der Gesellschaft.54 Die ersten beiden dieser Dialoge sind beißende Satiren auf die politische und religiöse Unkultur der Zeit und die mit ihr verbundenen entsetzlichen Glaubenskämpfe. Sowohl Erasmus mit seiner skeptischen Urteilsenthaltung als auch Luthers sola fide werden von Bruno abgelehnt.55 War bei Erasmus die Dummheit eine christliche Tugend, die der Autor mit dem Platonischen Furor und dem Paulinischen Korintherbrief in Verbindung bringt, so ist für Bruno die Einfältigkeit durchweg abzulehnen.56 Dies gilt ebenso für die in Luthers De servo arbitrio vorgetragene Doktrin, daß der Mensch ein Lasttier sei, das sich willig von göttlichem (oder dämonischem) Willen lenken zu lassen habe. Bruno verweigert sich in charakteristischer Weise solcher religiöser Innerlichkeit, denn für ihn müssen menschliche Taten konkret und sichtbar sein.57 Diese radikale Kritik an christlicher Ethik macht auch vor dem Erlöser selbst nicht halt: Für Bruno ist Christus ein Betrüger, der die Menschen durch ein paar gauklerhafte Tricks dazu verführt hat, an die passive Erlösung durch Hingabe, durch bloßes Hinhören zu glauben und damit den eminent dynamischen Anspruch des menschlichen Ingeniums aufzugeben.58 Das folgende Zitat aus dem Spaccio faßt diese Überlegungen zusammen: 54

Spaccio, DI, S. 553 und H. Gatti, Renaissance science (1999), S. 223; vgl. auch M. A. Granada: Einleitung zu Expulsión (1989), S. 26. 55 Vgl. zum Folgenden M. A. Granada: Einleitung zu Cabala (1990), S. 43– 49 und infra. 56 In bezug auf Phaidros 244a–45b; vgl. D. Erasmus; Moriae encomium (1979), S. 193. 57 Siehe dazu auch Spaccio, DI, S. 659 f., C 544 und z. B. M. Ciliberto: Einleitung zu Spaccio (2000), S. 51–4 und passim (oder besser: ad nauseam); H. Gatti: Renaissance science (1999), S. 225 f. kritisiert diese Position, weil der Text dem Protestanten Sir Philipp Sidney zugeeignet war. Sie nimmt an, daß der Spaccio eigentlich als satirische Darstellung der Umsetzung der Reformen des Konzils von Trient intendiert war. 58 Vgl. Cena, DI, S. 32; Furori, DI, S. 1124 und M. A. Granada: Einleitung zu Cabala (1990), S. 56; ders., Einleitung zu Expulsión (1989), S. 30 f. und S. 59 ff. mit Literaturangaben.

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Man lasse einen nicht derart triumphieren, weil er einen schändlichen und unwürdigen Lahmen geheilt hat, der als Gesunder kaum oder um nichts mehr Wert ist, denn als Kranker, sondern [vielmehr] ehre man einen, der das Vaterland befreit und einen verängstigten Geist auf den rechten Weg gebracht hat. Man preise nicht so sehr oder gar mehr jenen heroischen Gestus, der das in einer Esse glühende Feuer ohne Wasser zum Verlöschen gebracht hat, als jenen, der die entbrannte Volkswut ohne Blutvergießen besänftigt hat. Man erlaube nicht, daß man Gaunern und Staatsfeinden Statuen errichte und diese zum Schaden der Sitten und des menschlichen Lebens [leere] Worte und Träume verbreiten, sondern jenen, die Tempel für die Götter errichten, die Verehrung und den Eifer für jene Gesetze und Religionen vermehren, durch welche der Großmut und die Begeisterung für jenen Ehre entbrennt, die sich dem Dienst am Vaterland und dem Nutzen der Menschengeschlechts verschrieben hat; und Universitäten für die Wissenschaften, die Kriegskunst und die Literatur begründen. Und hüte dich davor, jenen Liebe, Ehre und den Preis des ewigen Lebens zu versprechen, welche die Pedanten und Schwätzer loben. Sondern [und] vielmehr jene [zu ehren], welche die Vollkommenheit des eigenen Intellekts für andere einsetzen, im Dienste der Gemeinschaft, im ostentativen Vollzug karitativer Werke, der Gerechtigkeit, des Erbarmens, und die so den Göttern gefallen. Deshalb erheben diese das römische Volk über alle anderen, denn durch ihre großmütigen Gesten näherte es sich den Göttern an […]59

Wie sich herausstellen wird, ist es zwar unabdinglich, den Spaccio im Gedächtnis zu haben, um die Cabala zu verstehen. Trotzdem verhandelt unser Text die oben skizzierten, brisanten Themen durchaus eigenständig und mit großer Hartnäckigkeit. Bedenkt man außerdem, daß Bruno sich von der Cabala als einzigem seiner Werke öffentlich distanziert hat, so liegt es nahe, diesem Text überhaupt eine Sonderstellung im Œuvre des Nolaners zu gewähren. Plausibel ist diese Annahme m. E. im Hinblick auf die kategorische Verurteilung nahezu aller Philosophien, besonders aber in der heftigen Kritik an Platonischen Theo59

Spaccio, DI, S. 659; vgl. auch M. A. Granada: Einleitung zu Cabala (1990), S. 51 f.

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remen und der dezidiert immanenten, auf das Hier und Jetzt gerichteten Perspektive der Cabala. Diese ist nicht nur auf das Individuum zentriert, dessen Eigenschaften zu verbessern wären. Bruno attackiert besonders die gelehrten Institutionen, die gesellschaftlich katastrophalen Folgen einer fehlgeleiteten Wissenschaft und einer falschen Religion, die Innerlichkeit, die daraus resultierende Unwissenheit und die Hoffnung auf passive, individuelle Rettung des Seelenheils. Ganz Europa ist von dieser allgemeinen Unkultur befallen und befindet sich unter der Herrschaft »des konkreten oder des abstrakten Eseltums«: Offensichtlich werden hier Katholiken und Protestanten Ziel von Brunos Spott. An diesem Tiefpunkt des Rades der Fortuna soll sich mit der Nolanischen Philosophie das Blatt wenden: Bruno tritt hier in der Rolle des (positiven) Anti-Christus auf, der den Weg für eine gerechte Gesellschaftsordnung und eine staatspolitisch nützlichere Religion weist (die sich ihrerseits an einer richtigen Naturphilosophie orientieren).60 Diese Gegenüberstellung von virtus romana und otium christianum hat deutliche Anklänge an Machiavellis Discorsi, in denen die Christen ebenfalls als Hauptschuldige für den zivilisatorischen und politischen Verfall Europas nach dem Ende der Antike dargestellt werden.61 Neben der fundamental pessimistischen Perspektive, welche den Großteil der Cabala ausmacht, blitzt hier also auch die Vorstellung einer aktiven, gestaltenden Teilnahme am Aufbau menschlicher Zivilisation und der Begriff des prometheischen Menschen als positives Gegenbild auf. Bruno vertritt die Position, daß wirkungsmächtige Erkenntnis und nützliches Wissen von den potentiell übelwollenden Göttern geraubt werden müssen. Für den Nolaner ist Wissen daraufhin zu befragen, ob es nützlich und konkret anwendbar ist und nicht ob es dem individuellen Seelenheil diene. Diese Ideale werden in der Cabala meist nicht explizit gemacht, sind aber aus Brunos dauernden sarkastischen Attacken auf die zeitgenössische (Un-)Kultur ablesbar. Die Cabala ist also kein Fürstenspiegel, der alle überkommenen Vorstellungen von 60

Vgl. auch M. A. Granada: Einleitung zu Cabala (1990), S. 50 ff.; A. Ingegno: Polemica anticristiana (1973), S.15 ff. 61 Vgl. M. Ciliberto: Giordano Bruno (1990), S. 128–32.

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der Vereinbarkeit von Tugend und Staatsraison über den Haufen wirft; solche Texte hatte ja schon Machiavelli geschrieben. Dennoch drängt sich ein Näheverhältnis von Brunos politischer Theorie zu den berüchtigten Schriften des Florentiners auf, und dies in einer originellen, typisch Nolanischen gnoseologischen Perspektive. Wie zu zeigen sein wird, erweitert der Nolaner Machiavellis zentrale politische Denkfiguren wie virtù, occasione und fortuna zu einer allgemeinen Methode der Invention, der Findung neuer Theoreme, die auf die Wissenschaft im allgemeinen angewendet werden können. (Diese koinzidiert bei Bruno mit der wahren Religion.)

Synopsis In der folgenden zusammenfassenden Darstellung der Cabala geht es um die Beschreibung der großen Themen und der komplexen Struktur des Textes unter weitgehendem Verzicht auf Belegstellen, die sich im Kommentarteil finden. Die Dedicatio oder: hypothetischer Universalesel sucht Stall Wie erwähnt, erweckt Brunos Cabala zur besseren Tarnung von Anfang an den Eindruck einer kleinen, zudem fragmentarischen Farce. Das Eingangszitat vergleicht den Autor mit einem Töpfer, der am Ende seines Tagwerkes Lehmreste in den Händen hält, mit denen er nichts anzufangen weiß. Ebenso wie dieser Handwerker ein paar mehr oder weniger nützliche Dinge gestaltet, die Bestandteil anderer Sachen sind, so gibt Bruno vor, die Cabala aus einem Makulaturbogen, der eigentlich die vorangegangenen Seiten des Spaccio einhüllte, entwickelt zu haben (vgl. oben). Spaccio und Eroici Furori sind Sir Philipp Sidney gewidmet, einer der zentralen Figuren der zeitgenössischen liberalen englischen Intellektuellenszene. Anders als bei diesen umfangreichen Dialogen (denen Bruno durch die Wahl des prominenten Patrons offensichtlich eine weiterreichende Aufmerksamkeit zukommen lassen wollte), ist die Ca-

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bala einem fiktiven Adressaten zugeeignet. Ein Umstand, den Bruno selbst reflektiert, wenn der Autor hier seine Schwierigkeiten dabei beschreibt, die Cabala, einen »ideellen Esel«, an den Mann bzw. die Frau zu bringen.62 Und das, obwohl dieses bescheidene Tier in Buchform vielseitig einsetzbar wäre und – als Emblem universeller Dummheit – eigentlich überall Platz finden könnte. Auch wenn er von allen, denen Bruno sein Wundertier zueignen will, verschmäht wird, ist der Esel als ein veritabler Jolly Joker der Dummheit von universellem Nutzen.63 Nach langem Hin und Her entscheidet sich der Autor, seinen Esel Don Sapatino, der hier als Erzbischof von Casamarciano bezeichnet wird (und somit über eine Diözese präsidiert, die es nie gab), zuzueignen. Wegen dessen »enzyklopädischer (Un)wissensheit« fällt die Wahl auf den geistlichen Herrn; er scheint geradezu dafür prädestiniert, Brunos Esel aufzunehmen. Don Sapatino ist offensichtlich eine der vielen konkreten Ausformungen dieses heiligen Tieres. Aber nicht nur der fiktive Adressat und der fingierte Erscheinungsort Paris lassen auf die potentiell subversiven Inhalte der Cabala schließen: Ein weiteres formales Indiz ist das Fehlen eines argumento am Beginn des Textes. In seinen anderen italienischen Dialogen und im Candelaio stellte Bruno eine solche Zusammenfassung an den Beginn seiner Texte: Offensichtlich sollten die heterodoxen Inhalte der Cabala nicht ohne weiteres für die Zensur ersichtlich sein.

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Solche Aussagen waren in der satirischen Literatur des 16. Jh. durchaus nicht ungewöhnlich, wie etwa das Argomento in P. Aretino: Cortigiana (2001), Abs. 4, S. 66 beweist. 63 Das kann auch als Satire auf das alchemistische Opus gelesen werden: und zwar wenn man die Dummheit durch die scheinbar wertlose materia prima ersetzt, jene universale Substanz, die das gemeine Volk verschmäht und von den Meistern der Chymischen Kunst in Gold verwandelt wird. Bereits im Candelaio I, 11, OC I, S. 97–107 hatte sich Bruno über die Leichtgläubigkeit und Dummheit der Alchemisten lustig gemacht.

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Das dem Widmungsschreiben folgende Sonett ist eine ironische Verherrlichung der Ignoranz, die Bruno hier mit christlichen Lehren verbindet.64 Der Leser wird aufgefordert, alle Anstrengungen im Bereich der Künste, Wissenschaften und Erfindungen tunlichst zu unterlassen und sich statt dessen passiv auf die göttliche Vorsehung zu verlassen. Es ist somit eine panoramische Zusammenfassung des folgenden Abschnitts, der die Vereselung der devoten Christen und ihre Verachtung für die geistigen Fähigkeiten und die Natur des Menschen in einer sarkastischen Lobrede anprangert. Die Deklamation Oder: Aufforderung zur heiligen Vereselung Hier handelt es sich der Form nach um eine zeittypische Predigt, die mit Sarkasmus die Dummheit der Juden und Christen attackiert und diese als Anhänger eines Eselskultes denunziert. Man gewinnt den Eindruck, daß hier ein Esel von der Kanzel zu einer Versammlung von Gläubigen spricht, oder genauer: ihr zuwiehert. Bruno hatte in seiner Zeit als Dominikanerpater eine spezielle Ausbildung zum Prediger absolviert; man kann sagen, daß er das Genre meisterhaft für seine Satire einsetzt.65 Es ist übrigens der Mühe wert, diesen Text laut vorzulesen. Der literarischen Form nach ist die Deklamation eine Literaturgattung, die dazu dient, bestimmte Argumente für durchaus auch schwer zu verteidigende Thesen anzuhäufen; so hatte Agrippa von Nettesheim (ein Autor, den Bruno gut kannte), eine declamatio über die »Nichtigkeit aller Künste und Wissenschaften« verfaßt (in der sich übrigens eben-

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Zu dieser Thematik vgl. M. A. Granada: Einleitung zu Expulsión (1989), S. 20 mit Literaturhinweisen. 65 F. Meroi: Cabala parva (2006), S. 63–110 hat die zeitgenössische Predigtliteratur in bezug auf die Deklamation untersucht und dabei zahlreiche linguistische und strukturelle Parallelen ausgemacht, ohne dabei allerdings ein bestimmtes Modell identifizieren zu können, an dem sich Brunos Satire orientiert (vgl. bes. ebd., S. 103). Zum Genre vgl. die Literaturhinweise ebd. S. 79 f., Anmerkung 83.

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falls eine ironische Lobrede auf den Esel findet). Agrippa hatte sich gegen Anfeindungen auch damit gerechtfertigt, daß er hier ein Genre der rhetorischen Literatur verwendet hätte, in dem die Autoren nicht zwingend ihre eigenen Überzeugungen vertreten, sondern eben nur eine bestimmte These stark machen wolten.66 Zweifellos betitelt Bruno seine homiletische Parodie in der Cabala auch deshalb als Deklamation, um sich vor Angriffen seitens der Patres zu schützen, denn was da zu lesen ist, muß für Christen aller Lager in der Tat »starker Tobak« gewesen sein. Es handelt sich um eine mit deutlichem Sarkasmus vorgetragene Rehabilitierung des Esels, und zwar als jenes Tier, in das sich die Christen verwandeln müssen, um des Himmelreiches anteilig werden zu können. Gespickt mit einschlägigen, oft leicht modifizierten Bibelversen, gerät diese homiletische Parodie zur frontalen Attacke nicht nur auf das Christentum Paulinischer Prägung, sondern auch auf die zeitgenössischen protestantischen und katholischen Reformatoren.67 In ihrer sancta simplicitas werden die Gläubigen dazu aufgefordert, nicht mehr selbst zu denken, sondern vielmehr sollen die Menschen ihre Ohren verlängern und so passiv und unkritisch das Wort Gottes annehmen. Als Folge dieser omnipräsenten, mystischen Lehre der Unwissenheit scheint es nur logisch, daß jene Vorfahren gepriesen werden, die »die fünf Finger in den Block eines Hufes gelegt hätten«, um so nicht mehr – wie Prometheus und Adam – nach den Früchten des Baumes der Erkenntnis greifen zu können.68 Bruno attackiert hier die Paulinische Doktrin, wonach der Glaube aus dem Zuhören entsteht (ex auditu fides).69 Die Christenmenschen sollen sich jenen Esel, auf dem Christus nach Jerusalem eingezogen

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Agrippa von Nettesheim, Apologia (1608), S. 326 f. 67 M. A. Granada: Einleitung zu Cabala (1990), S. 41; M. Ciliberto: Umbra profonda (1999), S. 283 f.; H. Gatti: Renaissance science (1999), S. 231; S. Ricci: Lo Spaccio della Cabala (2003), S. 219. 68 In diametralem Gegensatz zur Deklamation wird die menschliche Hand im zweiten Dialog als jenes Organ bezeichnet, das uns wesentlich von den Tieren unterscheidet. 69 Röm 10,17.

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ist, zum Vorbild nehmen und sich von diesem göttlichen »Aufreiter« führen lassen. Solche sarkastischen Passagen in der Cabala sind, wie bereits erwähnt, auch als Attacken auf Luthers De servo arbitrio zu lesen: Das Motiv des braven Esels, der geduldig seine Last trägt, erinnert des weiteren an das italienische Sprichwort »vom Esel, der den Wein trägt und selbst Wasser trinkt«: es bezeichnet einen nützlichen Idioten.70 Um die Bedeutung des Esels für das Christentum insgesamt zu untermauern, übernimmt Bruno eine traditionelle anagogische Interpretationsweise. Er beruft sich dabei auf ein der Heilsgeschichte korrespondierendes alttestamentarisches Ereignis, das er in der Erzählung von Balaam findet. Der heidnische Magier zog bekanntlich aus, um die Israeliten zu verfluchen. Als der Esel, auf dem er ritt, durch göttliche Weisung zu sprechen begann, segnete Balaam die Juden. Für Bruno ist solcher Wunderglaube Unsinn: das gilt ebenso für die in der Deklamation vorgetragene biblische Erzählung von Samson, der mit »einem Eselskiefer tausend Philistern das Leben nahm« (S. 29). Die Lektüre der Passage legt dabei die Vorstellung nahe, daß die Götter die Menschen absichtlich täuschen.71 Das ist eine geradezu Cartesianische Konzeption des genius malignus mit charakteristischen gnostischen Untertönen: Bruno insinuiert, daß die Menschen fähig sind, die betrügerischen Götter mithilfe ihrer prometheischen Schläue zu besiegen.72 Die Deklamation behandelt so das zentrale Thema der Cabala: die negativen Folgen der falschen Religionen und der mit ihnen verbun-

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Vgl. Candelaio, Proprolog, OC I, S. 47; zur Thematik im allgemeinen auch M. A. Granada: Einleitung zu Cabala (1990), S. 47 ff. Für eine berühmte zeitgenössische Passage vgl. Shakespeare, Julius Caesar, IV, 1, Z. 18–27. 71 »[…] allegorisch in jener sinnreichen Apologie von jenen Göttern bezeichnet worden, die gegen die aufrührerischen Giganten, die Söhne der Erde und kühnen Räuber des Himmels kämpften und sie mit Eselsstimmen verwirrten, entsetzten, erschreckten, unterwarfen und besiegten.« S. 29 72 M. A. Granada: Einleitung zu Cabala (1990), S. 50 betont in seiner Lesung der Hermes-Passage im Spaccio, daß für Bruno die Apostel und Christus von bösen Geistern besessen sind. Vgl. auch O. Jorn: Corporeità in Bruno (2002).

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denen Philosophien, die Passivität und Dummheit der Menschen als positiven Wert propagieren. Der gesamte Abschnitt ist durch den sarkastischen Hymnus auf das otium (der Christen) charakterisiert und damit durch eine Geisteshaltung, der Bruno im Spaccio die virtus der Römer als positives Bild gegenüberstellt.73 Aus der Deklamation wird demzufolge klar, daß Wissen erkämpft und gestohlen werden muß. Es wäre naiv anzunehmen, daß die Götter es freiwillig hergeben würden. Dementsprechend kreist die Deklamation um zwei Bibelstellen, Numeri 22,22–35 (die Geschichte von Balaam) und Matthäus 21,1–11 (die Geschichte vom Einzug Christi in Jerusalem auf einem Esel).74 Die polemische Botschaft dieser Passagen besteht darin, daß Bruno durch diese anagogische Lektüre biblischer Eselsmythen nicht nur auf den bestialischen Charakter der jüdischen wie der christlichen Traditionen hinweist, sondern zudem unterstreicht, daß beide Religionen die Menschen vertieren lassen.75 Im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen wäre das für Bruno allerdings nicht so tragisch, denn er geht davon aus, daß sich Tiere und

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Vgl. dazu die Ausführungen von M. A. Granada: Einleitung zu Expulsión (1989), S. 71 f., der nicht nur die Nähe dieser Ideen zu Machiavelli, sondern auch den Unterschied zu Augustinus und Luther hervorhebt. 74 Vgl. F. Meroi: Cabala parva (2006), S. 67, Anm. 11. In einen lesenwerten Artikel hat H. Gatti: La Bibbia nei Dialoghi italiani (2003), S. 202 die eindeutige Präferenz Brunos für das Matthäusevangelium unter den in den Dialoghi italiani zitierten neutestamentarischen Texten festgestellt. Die gegenwärtige Bibelforschung bringt Matthäus insbesondere mit der Vorstellung der Transformation (und zwar vom jüdischen zum christlichen Glauben) und mit einer Umsemantisierung des Alten Testaments in Zusammenhang. Beides identifiziert Gatti zurecht als genuin nolanische Theoreme: nicht nur die kontinuierliche Verwandlung aller Dinge, sondern auch die Vorstellung, daß Bruno den gesamten Bibeltext eigentlich umschreiben und für die eigene, die neue Philosophie strategisch nutzbar machen wollte, vgl. ebd. S. 203 f. und Cena, DI, S. 127, OC II, S. 201. 75 Vgl. auch S. Ricci: Lo Spaccio della Cabala (2003), S. 259, der die einzigartige Position Brunos in bezug auf die Kabbala im sechzehnten Jahrhundert betont.

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Menschen nicht essentiell voneinander unterscheiden. Der Verlust (oder schlimmer noch: der bewußte Verzicht) auf die dem Menschen eigenen körperlichen Anlagen zugunsten eines Nachlebens im Himmelreich hat allerdings gemeingefährliche Folgen, denn er trägt zum Verfall jener zivilisatorischen Institutionen bei, die den Menschen erst zum Menschen machen. Hauptziele der Deklamation sind demzufolge die fanatischen Christen: Paulus, Luther, die freiwillige Verdummung, der Verzicht auf Zivilisation und Staatlichkeit zugunsten des eigenen Seelenheiles.76

Das auf die Deklamation folgende Sonett faßt die Inhalte des vorhergehenden Abschnittes zusammen und hat (wiederum) den Einzug Christi nach Jerusalem auf einem Esel zum Thema: die gläubigen Christen werden hier aufgefordert, sich die Eselin, auf welcher der Erlöser beim Einzug in Jerusalem ritt, zum Vorbild zu nehmen und selbst zu Eseln zu werden. Erster Dialog Von Perserkönigen und Kabbalistischen Dummheitsbäumen oder: Von der Universalität der Dummheit. Die drei Dialoge der Cabala unterscheiden sich in der literarischen Form von den vorangegangenen Abschnitten. Bruno geht es hier um die Simulation einer oft heftig geführten verbalen Kontroverse über die bereits in der Zueignung und der Deklamation behandelten oder angekündigten Themen. Schon der Einstieg in den ersten Dialog legt nahe, daß die Intentionen des Autors nicht einfach zu erkennen sein werden, wenn Sebasto zu Saulino sagt: Und das Schlimmste, was man dir vorwerfen wird, ist, daß du Metaphern vorbringst, Märchen erzählst, in Parabeln argumentierst, Rätsel

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Siehe dazu auch N. Ordine: La soglia dell’ombra (2003), S. 108 f.

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einflechtest, Gleichnisse zusammenwürfelst, Mysterien abhandelst, Allegorien undeutlich aussprichst. (S. 44)

Sebasto verkörpert hier den vernünftigen und wißbegierigen Charakter, der typisch für viele von Brunos italienischen Dialogen ist. Er spricht mit Saulino, einer Persona, die sich schon im vorhergehenden Dialog mit Sophia über die Reform des Himmels unterhalten hatte.77 Saulino wird in der Sekundärliteratur oft als Sprachrohr Brunos bezeichnet.78 Gleich zu Beginn erklärt er auf Sebastos Wunsch den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Cabala und Spaccio. In diesem früheren Dialog waren nämlich die Sternbilder des großen Bären und des Flusses Eridanus vakant geblieben; deren Plätze werden in der Cabala nun dem konkreten bzw. abstrakten Eseltum überlassen, um damit der Universalität der Unwissenheit angemessen Ausdruck verleihen zu können. Die Verbindung mit dem vorhergehenden Dialog ist somit fixiert, aber Saulino weist auch gleich darauf hin, daß es sich hier um einen besonders wichtigen, neuen Abschnitt der im Spaccio begonnenen Erzählung handelt. Coribante, ein weiterer Sprecher, der auf den ersten Blick die topische Figur des Schulmeisters, des aristotelischen Pedanten verkörpert, ist entsetzt: Er argumentiert, daß die Unwissenheit ihren Sitz nicht gleich neben der Wahrheit haben könne, denn eine solche Nachbarschaft würde eine widersinnige Nähe zwischen diesen beiden Extremen implizieren. Mit deutlichen Anklängen an das zentrale Theorem der sogenannten Negativen Theologie entgegnet Saulino, daß (wie alle anderen Gegensätze auch) Wissen und Dummheit in extremis koinzidieren, also zusammenfallen, und daß dem Menschen diese höchsten Wahrheiten unzugänglich bleiben. Wie schon in der Deklamation stützen sich auch seine Argumente auf die Autorität von Bibelstellen und das 77

Für die mittelalterlichen Ursprünge dieser Vorstellung, im Zusammenhang mit dem Geburtsstern Christi, siehe V. Flint: The rise of magic (1991), S. 369. 78 N. Badaloni in: OC V, S. XII; N. Ordine in: U, S. 115; ders.: La soglia dell’ombra (2003), S. 119.

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arkane Wissen der Kabbalisten. Saulino gibt hier eine Darstellung der Sephirotbaumes, die Agrippa von Nettesheims De occulta philosophia entlehnt ist. Er verbindet Lehren der Kabbala mit dem Eselskult, indem er behauptet, daß in dieser jüdischen Geheimwissenschaft die Sphäre der Weisheit mit der des Esels identisch ist. Saulino folgert daraus, daß der Esel das zentrale Symbol der Juden insgesamt sei, denn dieses Tier koinzidiere mit der Weisheit, die ihren Sitz in der achten Sphäre der Fixsterne hat. Die Christen hätten diese arkane Doktrin der gelehrten Dummheit von den Juden übernommen. Saulino erklärt, daß beide Glaubensgemeinschaften zusammen mit den Skeptikern wie drei Zweige auf dem Baum der Eselswissenschaften wachsen, dessen Wurzeln die Sephirot seien. Aus ihm wachsen drei Äste der Ignoranz: Mystische Theologie und Kabbala, Skepsis und Paulinisches Christentum. Saulino visualisiert diese Lehren auch durch verschiedene Esel (siehe unten). Für den zeitgenössischen Leser war klar, daß es sich hier um die Beschreibung eines sogenannten Lullischen Wissensbaums handelt, denn Bruno entwirft hier einen universellen »Baum der Unwissenheit«, eine Kombinatorik der Dummheit, wie er sie manchmal auch in seiner ars memorativa verwendet hat.79 Dieser Baum des Unwissens und seine Beziehung zum menschlichen Gedächtnis wird uns weiter unten noch beschäftigen. Auch Sebasto bezeichnet Juden und Christen als Anhänger des Eselskultes, argumentiert allerdings nicht wie Saulino aus einer mystisch-theologischen, sondern aus einer historisch-politischen Perspektive. Sebasto meint, daß die Ägypter ursprünglich den Gott Opis oder Apis80 als Stier verehrt hätten; der Esel sei ihnen nach einer militärischen Niederlage vom Perserkönig Ochus aufgezwungen worden.81 Um diese Schande zu verbergen, hätten die Ägypter zahlreiche

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Zur Einführung in diese Thematik vgl. P. R. Blum: Giordano Bruno (1999), S. 32 ff.; zum Baummotiv vgl. Explicatio, OL II/2, S. 125. 80 Zu diesem Motiv, das vielleicht auf Papst Alexander VI. verweist, vgl. H. Gatti: Renaissance science (1999), S. 227 und F. A.Yates: Giordano Bruno (1964), S. 115 f. 81 In der Antike wurde der Esel von Magiern als Opfergabe verwendet, und zwar in bewußter Abhebung von den normalerweise den Göttern darge-

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Legenden erfunden, welche die neue Gottheit als verehrungswürdig erscheinen lassen sollten. Schließlich hätten sie den verhaßten Kult an ihre damaligen Sklaven, die Juden (»denen nichts als der Schwanz zum Esel fehlte«), weitergegeben. Zu diesem Volk, das unter dem Einfluß des malignen Saturns stehe, passe die Eselsreligion schon aufgrund der spezifischen und an sich verachtenswerten rassischen Veranlagung. In den Fußstapfen der Juden hätten die Christen den Eselskult dann übernommen.82 Dieser außerordentlich radikalen These zufolge sind sowohl Juden- wie auch Christentum auf einem historischen Irrtum gegründet. Es sind Religionen der Dummheit, die, wie Coribante sarkastisch bemerkt, ihren Ursprung in »Zwang und kriegerischer Unterwerfung« der Ägypter durch die Perser genommen hätten (und in der Folge in betrügerischer Absicht zu arkaner Mystik hochstilisiert worden wären).83 Abgesehen vom (zeittypisch) schockierenden Antisemitismus dieser Aussagen und der nicht minder radikalen (aber für den Autor der Cabala riskanteren) antichristlichen Polemik, attackiert Sebasto hier auch die mystischen Theologen; sie sind ja auch ein Zweig auf dem Baum der Unwissenheit. Die Cabala pflegt also einen wenig respektvollen Umgang mit der im 16. Jh. modischen Geheimlehre der Juden und der weltentrückten Theologie der Christen; der Text ist somit auch lesbar als Invektive gegen berühmte christliche Kabbalisten wie z. B. Giovanni Pico della Mirandola. Sie behaupteten von sich, respektable brachten Tieren wie Rind, Schaf oder Schwein. Vgl. F. Graf: Gottesnähe und Schadenszauber (1996), S. 205. 82 Solche antijüdischen Aussagen finden sich auch im Spaccio, DI, S. 616 und S. 719, S. 722. Zu Brunos Antisemitismus vgl. die interessanten Ausführungen in S. Ricci: Lo Spaccio della Cabala (2003), S. 244 ff., der schreibt, daß Erasmus fünf Adversus Judaeos-Predigten des Chrysostomos ins Lateinische übersetzte, die Bruno vielleicht schon im neapolitanischen Konvent (heimlich) gelesen hat. Erasmus fürchtete, daß sich das reformierte Christentum zur reinen Gesetzesreligion entwickeln und daher dem Judentum annähern könnte (ebd. S. 249); vgl. auch ders.: Giordano Bruno nell’Europa (2000), S. 341 f. 83 Bruno bezieht sich hier offensichtlich auf von Machiavelli entwickelte Thesen zur Verflechtung von Politik und Religion (s. u.).

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Erben der jüdischen Geheimwissenschaft zu sein – dies übrigens meist mit distinkt antisemitischen Untertönen.84 Sieht man einmal von der Beziehung zum Spaccio und den zahlreichen Bibelzitaten ab, dann verwendet Bruno für seine Argumente im ersten Dialog eigentlich nur zwei kurze Textstellen, die er bei anderen Autoren entlehnt: aus Agrippa von Nettersheims De occulta philosophia nimmt er eine Passage zur Sephirotlehre (und legt sie Saulino in den Mund); aus Valerianos Hieroglyphica kommt die von Sebasto vorgetragene Theorie zur Entstehung des Eselskultes aus politischem Zwang. Seine machiavellistische Perspektive auf die Geschichte des Eselkultes und der Judenchristen wird von Saulino heftig bestritten; bezeichnenderweise bleiben diese gegensätzlichen Positionen der beiden Sprecher unentschieden, und keine Meinung setzt sich durch. Das Gespräch wird auf den nächsten Tag verschoben, für den man Onorio als neuen Sprecher ankündigt: und zwar als Persona, die sich an seine früheren Leben als Esel erinnern kann. Zweiter Dialog. Erster Teil (II/1) Eselchens Himmelfahrten oder: Theorien darüber, wie man zu unbrauchbarem Wissen kommt, Teil I: Platonische Wiedererinnerung Im ersten Teil des zweiten Dialogs tritt Onorio auf, der eine groteske Lebensbeichte abgibt: er bekennt, in der griechischen Antike ein Esel gewesen zu sein, der, durch einen Unfall verstorben, in der Unterwelt nur vortäuschte, vom Lethestrom des Vergessens getrunken zu haben. Für diese Tat sei er in Pegasus, »den geflügelten Esel«, verwandelt und, nachdem er Jupiter gedient hatte, endgültig als Sternbild in den Himmel erhoben worden. Aufgrund seines famosen Gedächtnisses kann sich Onorio an alle seine Inkarnationen und Erlebnisse ganz mühelos erinnern.

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Siehe dazu P. Zimbelli: L’apprendista stregone (1995), S. 179 f.; F. Sécret: Cabbalistes chrétiens (1964), S. 28 ff.; S. Ricci: Lo Spaccio della Cabala (2003), S. 227 ff.

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Aus Brunos Perspektive ist diese Behauptung sicherlich unsinnig, denn bei ihm ist auch die Himmelsregion nicht vom universellen Wandel ausgeschlossen; es ist also nutzlos, sich alle erlebten Dinge zu merken, denn sie werden angesichts der omnipräsenten vicissitudo obsolet.85 Erinnern ist zudem ein aktiver, ein gestaltender Prozess, der nicht mühelos vor sich geht, wie weiter unten noch ausführlicher erörtert wird. Die These, daß der Esel einen himmlischen Sitz hat, wird hier leicht als Karikatur der Platonischen Ideenlehre erkennbar. Diese Behauptungen dienen dem einstigen Esel nicht nur dazu, die These von der Metempsychose zu untermauern, sondern sie sollen auch die substantielle Gleichheit von Menschen- und Tierseelen beweisen. Denn Onorios Ausführungen zufolge unterscheiden sich alle Lebewesen zwar durch den Körperbau, nicht aber durch eine essentiell verschiedene geistige Veranlagung. In einem drastischen Beispiel imaginiert der einstige Esel die Metamorphose von Menschen in Schlangen und umgekehrt, wobei er postuliert, daß »viele Tiere über mehr Begabung und viel mehr intellektuelles Licht verfügen können als der Mensch (S. 79)«. Das eigentliche Charakteristikum des Humanen ist für Onorio die Hand, die er als »Organ der Organe« bezeichnet. Sie ist Vorbedingung für jedwedes zivilisierte Leben. An diese radikalen Thesen schließt eine teils heftig geführte Debatte mit Sebasto an, in deren Verlauf Onorio erfolgreich die These verteidigt, das sich »tierischer Instinkt« nicht essentiell von menschlichem Intellekt unterscheidet, denn die individuelle Form entsteht nur durch »Proportion, Veranlagung, Ordnung der Materie«, aus der »die verschiedenen Temperamente« hervorgehen. Sebasto faßt schließlich diese (durchaus Nolanischen) Thesen dahingehend zusammen, daß »alle Körper aus der gleichen Materie geformt und alle Geister aus der geistigen Substanz bestehen«; er vergleicht (S. 73) diese Theoreme mit dem »prophetischen Dogma«, demzufolge der Schöpfer alle Dinge durch die Kreisbewegungen der Gestirne gestaltet, so wie ein Töpfer auf seinem Rad einmal würdige, ein85

Zur vicissitudo als Begriff, den Bruno gegen das Christentum als Offenbarungsreligion verwendet, siehe Causa, BW III, S. 202 f. und S. 212; T. Leinkauf: Einleitung zu BW III, S. XCII und CIX, mit Literaturhinweisen.

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mal verachtenswerte Dinge formt, die alle auch wieder dem Untergang anheimfallen (siehe unten). Sebasto bekundet, daß ihm diese Thesen Unbehagen bereiten, weil sie mit seinem Glauben unvereinbar sind, und markiert damit gleichzeitig deren zentrale Rolle für die Cabala. Im grotesken Bericht vom Aufstieg des Esels zum Gott attackiert Bruno nicht nur christliche, sondern auch Platonische Mythen und bringt diese mit Origenes’ Lehre von der Seelenwanderung in Verbindung. Im ersten Dialog zielt Brunos Polemik auf die dignitas hominis, auf die im Renaissanceneuplatonismus bei Marsilio Ficino und Giovanni Pico della Mirandola populäre Vorstellung, daß der Mensch eine Sonderstellung in der Schöpfungsordnung hätte.

Zweiter Dialog. Zweiter Teil (II/2) Eselchens Himmelfahrten oder: Theorien darüber, wie man zu unbrauchbarem Wissen kommt, Teil II: Aristotelische Erbsenzählerei Saulino und Coribante verspäten sich und versäumen so die zuvor diskutierten Thesen. Onorio berichtet von seiner Inkarnation als Aristoteles; davon, wie er zuerst der Schulmeister Alexanders des Großen gewesen sei und humanistische Fächer unterrichtet habe. »Als Einäugiger unter Blinden« wäre er aber bald auch zum großen Naturphilosophen aufgestiegen und hätte damit den Tiefpunkt der Philosophie eingeleitet, indem er die Wissenschaft gänzlich auslöschte. Eine Entwicklung, die Onorio als Folge der universellen vicissitudo (des konstanten Wandels, dem alle Dinge unterworfen sind) beschreibt. Der geständige Aristoteles bekennt offen, Schriften verfaßt zu haben, deren Sinn er selbst nie verstanden habe, und gibt auch zu, daß er »über die Essenz der Seele schlimmer delirierte als das Delirium selbst«. (S. 89) Sebastos folgende Invektive gegen Aristoteles’ De anima wird mit einem drastischen Beispiel untermauert: Dieser oder ein ähnlich unverständlicher Text wird in eine Latrine geworfen. Seine Frage, warum diese Unsinnsproduktion denn eigentlich so lange und von so vielen gebildeten Menschen unwidersprochen hingenommen wurde, beantwortet Onorio mit einer Attacke auf die Einfalt der Menschen; ohne diese

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kann auch der Glaube nicht existieren. Der schlaue Esel stellt damit die Verbindung zwischen falscher Religion und irriger Wissenschaft her. Die radikale Selbstkritik der Inkarnation des Aristoteles mündet in eine Attacke auf nicht näher bezeichnete zeitgenössische Autoren und deren unsinnige Schriften. In einer hinreißend komischen (und genuin Nolanischen) Rede verunglimpft Onorio schließlich auch noch den Habitus der humanistischen Gelehrten. Diese furiose Invektive wird durch Coribantes Frage unterbrochen, wie sich Onorio denn an seine früheren Existenzen erinnern könne. Für den zu spät gekommenen Pedanten wiederholt der einstige Esel die Geschichte seiner Abstinenz vom Lethestrom – diesmal fast noch ausführlicher als in II/1 und in peripatetischer Terminologie. Onorio erzählt nochmals von seinen verschiedenen irdischen Inkarnationen und davon, daß er die dabei gemachten Erfahrungen allesamt in seiner »himmlischen Bibliothek« aufbewahre, zu der er nach jedem Ausflug auf die Erde zurückkehre. Der einstige Esel übergeht dabei allerdings die zuvor getroffenen Schlußfolgerungen von der Wesensgleichheit von Mensch und Tier und der zentralen Rolle der Hand. Onorio betont, daß er durch die Erinnerung an seine Inkarnationen (und zwar offensichtlich im Gegensatz zu Aristoteles) die Wahrheit über die Essenz und die Substanz der Seele kenne. Dieser Abschnitt ist charakterisiert von der für Bruno typischen Invektive gegen den Erzpedanten Aristoteles, seine falsche Naturphilosophie, gegen die mystischen Theologen und andere (vermeintlich) göttlich inspirierte Unsinnsproduzenten.

Zweiter Dialog. Dritter Teil (II/3) Theorien darüber, wie man zu unbrauchbarem Wissen kommt, Teil III Kleine Tavernen und enger geschnallte Gürtel oder: Die Skepsis als widernatürliche Erstarrung Der dritte Teil des zweiten Dialoges beginnt mit der Rückkehr zur vortags bereits diskutierten These, daß es »überhaupt keine Wissenschaft« unter den Menschen gäbe. Unter Berufung auf Autoritäten und

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den Satz vom ausgeschlossenen Dritten versucht Saulino seine These zu untermauern, daß alle Wissenschaft in Unwissenheit bestehe und Weisheit und Dummheit daher benachbart seien. Sebasto widerlegt diese »Meinung« unter Hinweis darauf, daß in diesem Falle selbst die logische Form des Syllogismus nicht beweiskräftig wäre. Jene Skeptiker nämlich, die annehmen, daß man »keinerlei Wahrheit wissen kann«, wissen selbst nicht, »was sie sagen, und können sie nicht sicher sein, ob sie sprechen oder wiehern, ob sie Menschen oder Esel sind«. (S. 101) Mit dieser Aussage nimmt Sebasto die nun folgenden Attacken auf die skeptische Philosophie vorweg. Saulino gibt eine Darstellung der Lehren der Ephetiker und der Pyrrhoniker86 und erklärt die skeptische Doktrin der Urteilsenthaltung (epochè); seine Erzählung ist deutlich von Brunos eigenen Theoremen der vicissitudo gefärbt. Diese Rede wird immer wieder durch die sarkastischen Einwürfe Sebastos unterbrochen und kommentiert: Er prangert die Nutzlosigkeit der skeptischen Philosophenschulen an und attackiert deren verschlagene Faulheit. Indem sie annehmen, daß nichts gewußt werden kann, gerieren sich diese Scharlatane mühelos als große Philosophen. Besonders scheint Sebasto (der hier ganz eindeutig Sprachrohr Nolanischer Philosophie ist) zu erregen, daß die Skeptiker ausgerechnet der Natur die Schuld für die von ihnen postulierte kognitive Schwäche des Intellekts zuschieben wollen. Offensichtlich um Aristotelismus und Skepsis auf eine Stufe zu stellen, bekennt Onorio nun, sich auch an sein früheres Leben als Xenophanes von Kolophon87 erinnern zu können. Wie schon im Fall des Stagiriten tritt der einstige Esel in der Folge als Kronzeuge der Anklage

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Zu diesen Schulen der Pyrrhonischen Skepsis vgl. Diogenes Laertios: Vitae (1996), lib. 9, cap. 69 f., S. 196 f. 87 Xenophanes von Kolophon (6. Jh. v. Chr.) wird von Diogenes Laertios: Vitae (1996), lib. 9, cap. 72, S. 198 als Skeptiker beschrieben und war auch als solcher in der Antike bekannt. Interessantes Detail am Rande: Xenophanes machte sich auch über die Reinkarnationslehre des Phytagoras lustig (ebd., lib. VIII, cap. 36, S. 127): eine Tatsache, die in Spannung mit Onorios diesbezüglichen Ideen steht. Zu diesem Philosophen siehe auch W. K. C. Guthrie: A history of Greek philosophy (1962), Bd. I, S. 360–402.

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gegen die skeptische Philosophie auf. Er bezeichnet den Tropus, wonach es weder möglich ist, etwas zu lehren, noch die Wahrheit zu erfassen, als »abgegriffen«. Onorio stellt diese Argumentationsfigur (die Bruno offensichtlich besonders enervierte) auch detailliert dar und bringt sie in der Folge (scheinbar nur ganz kursorisch) in Zusammenhang mit der platonischen Anamnesislehre im Meno (82b–86c). Dort wird anhand der Ableitung geometrischer Lehrsätze durch einen ungebildeten Jugendlichen die These entwickelt, daß intellektuelles Lernen bloßes Wiedererinnern sei.88 Bei der Lektüre des Meno stellt sich heraus, daß Sokrates diesen Vorgang als körperliche Erstarrung beschreibt (84b–c).89 Eben diese Bewegungslosigkeit (und die daraus resultierende Faulheit) wirft nun Sebasto auch den Skeptikern vor: Wie bereits erwähnt, führe deren konsequent weitergedachte These von der Urteilsenthaltung dazu, daß man jedwede Aktivitäten einstellen, »den Gürtel enger schnallen« muß und schließlich daran zugrunde geht, daß man den Atem anhält. Ein zentraler Punkt dieser Argumentation bestand für Bruno offensichtlich darin, den Platonismus mit der skeptischen Eselei insofern zu verbinden, als beide Schulen unbrauchbare Thesen darüber haben, wie man zu praktischem, zu wirkungsmächtigem Wissen kommt. Wie erwähnt hatte auch schon Erasmus auf den letzen Seiten des Encomium moriae die christliche stultizia des Korintherbriefes mit den Beschreibungen des Furors im Phaidros gleichgesetzt und daher eine Nähe zwischen erleuchteten Paulinischen Christen und platonischen Höhenflügen der Seele angedeutet.90 Die hier genannten Doktrinen führen aus Brunos Perspektive notwendig in den Habitus der Erstarrung und damit in die Vereselung. Angesichts des ständig sich

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Bemerkenswerterweise folgt Bruno hier Augustinus, De trinitate, lib. 12, cap. 15, in: PL, Bd. 42, Sp. 1011 f., wo dieses Beispiel in ebenso kursorischer Form im Rahmen einer Invektive gegen die Seelenwanderung verwendet wird. 89 Und zwar durch den eindringlichen Vergleich mit jemandem, der im Erinnern körperlich paralysiert erscheint wie z. B. jemand, der von einem Zitterrochen attackiert wurde (Meno 84b–c). 90 In bezug auf Phaidros 244a–45b; vgl. D. Erasmus: Moriae encomium (1979), S. 193; M. A. Granada: Einleitung zu Cabala (1990), S. 43.

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wandelnden Universums ist dieser Zustand der Stasis widernatürlich. Nicht ohne Ironie schließt daher der Dialog (wie übrigens auch schon der Spaccio) mit der Aufforderung, essen zu gehen: und bestätigt damit auch auf der Handlungsebene die physische Realität des kontinuierlichen Wandels aller Dinge. In diesem Abschnitt ist also die Skepsis das Hauptziel von Brunos Attacken. Für den zeitgenössischen Leser war zudem klar, daß viele skeptische Philosophen der Renaissance fanatische Christen waren. Im Gefolge Savonarolas versuchte beispielsweise Gianfrancesco Pico della Mirandola in seinem Examen vanitatis doctrinae gentium (1520) mit auch bei Sextus Empiricus geborgten Argumenten alles philosophische Wissen, besonders aber Aristoteles zu widerlegen, um nur mehr Raum für den Glauben zu lassen.91 Tatsächlich finden sich auch im Vorwort der höchstwahrscheinlich von Bruno benutzten Übersetzung von Sextus’ Werken durch Gentian Hervet (1569) explizite Referenzen auf Gianfrancesco Pico und auf dessen Verbindung zwischen Skepsis und »wahrem« Glauben.92 Kein Wunder also, wenn Bruno diese Philosophenschule im Verbund mit den intellektuellenfeindlichen Eselslehren der Juden und Christen attackiert.93 Wie schon im Falle der jüdischen Kabbala scheint sich Bruno allerdings nicht sehr intensiv mit diesen Lehren befaßt zu haben, denn, sieht man von ein paar Gemeinplätzen aus Diogenes Laertius und Augustinus ab, könnte die Darstellung skeptischer Lehren in der Cabala fast ausschließlich aus den

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Zu Picos religiös motiviertem Skeptizismus vgl. R. Popkin: History of Scepticism (1979), S. 20 ff. und passim für den intellektuellen Kontext; C. B. Schmitt: Gianfrancesco Pico della Mirandola (1967), S. 35 ff. und S. 122–25. Meinte Bruno also nicht nur Giovanni Pico della Mirandola, sondern auch dessen Onkel Gianfranceso, wenn er dem Bibliothekar von der Abtei von St. Victor in Paris erzählte, daß er »Picus Mirandolensis und die Jesuiten verabscheue«? Siehe dazu auch F. A. Yates: Giordano Bruno (1964), S. 258. 92 Sextus: Adversus mathematicos (1556), fol. ā2v. Zu dieser Ausgabe und zur Verbindung mit Bruno vgl. R. Popkin: History of Scepticism (1979), S. 34 f. 93 Vgl. F. Papi: Antropologia e civiltà (1968), S.155 f.; M. A. Granada: Einleitung zu Cabala (1990), S. 35–39.

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Anfangsseiten dieser Ausgabe von Sextus Empiricus übernommen sein.94

Dritter Dialog Der Einbruch der vicissitudo oder: Das verpaßte Rendezvous Die Kabbala des pegaseischen Esels hat einen abrupten Schluß: Saulino wartet auf seine Gesprächspartner, bis Sebastos Diener Alvaro kommt, um mitzuteilen, daß alle anderen verhindert seien. Seinem Herrn sei die Frau gestorben, und er sei mit den Vorbereitungen für die Testamentsvollstreckung beschäftigt; Coribante habe die Fußgicht, und Onorio sei in die Bäder gegangen. Bruno demonstriert in dieser kurzen Passage noch einmal die wesentlichen Formen der universellen vicissitudo, des unerbittlichen und beständigen Wandels. Diese dramatische Wende markiert den Einbruch körperlicher Notwendigkeiten; offensichtlich will der Autor hier die von den Skeptikern fälschlich postulierte allgemeine Erstarrung nochmals auf der somatischen Ebene widerlegen: Sebasto ist unmittelbar mit dem beständigen Wandel aller Dinge konfrontiert, er betrifft ihn in einer noch viel existentielleren Form als die anderen Dialogpartner. Sebasto ist insofern in positiver Weise mit den Angelegenheiten des realen Lebens beschäftigt, als er sich um seine Erbschaft kümmert; damit verfolgt er genau jene Art von aktivem Leben, das Bruno auch im Spaccio ausdrücklich gelobt hatte. Daß der Pedant die Fußgicht hat, also unbeweglich ist, kann man aus Brunos Perspektive nur als passend für die erstarrte intellektuelle Kultur der Schulmeister ansehen. Onorio hingegen stellt seinen hedonistischen Charakter unter Beweis: Er verschwindet in die (seit jeher übel beleumundeten) Bäder; vielleicht deutet Bruno damit einfach an, daß der Esel seinem Sexualtrieb nachgibt. Der Name Alvaro erinnert an al vario, also: »auf die Verschiedenheit«. Er ist hier also der Bote des universellen Wandels, welchen Bruno in verschiedenen konkreten körperlichen Ausprägungen exem94

Und zwar Sextus: Adversus mathematicos (1569), fol. 1–8.

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plifiziert: auf der Ebene des Lebens und Sterbens (der sonst fröhliche Sebasto trauert); der Sexualität (Onorio verliert die für ihn charakteristische Schläue und Zurückhaltung und wird wieder zum geilen Esel) und der Beweglichkeit im Allgemeinen (vom trunkenen Anhänger des Bacchus mutiert Coribante zum gichtigen und daher phlegmatischen Schulmeister).95 Die günstige Gelegenheit ist vorübergegangen, wie Saulino mit Bedauern erklärt, die Cabala wird so fragmentarisch bleiben wie das Leben (und das Sternbild des Esels), wie wir gleich hören werden. Wie erwähnt, faßt Saulino den Vorsatz daß, sollten die Dialogpartner wieder zusammentreffen, er sie in ein Konklave »einsperren« (rinchiudere) und nicht wieder freilassen werde, bevor sie die vollständige, die große Kabbala »ausgefaltet (spaccatio)« haben werden. Mit diesem anspielungsreichen Hinweis auf den offensichtlich verpaßten Spaccio und dessen dialektischer Beziehung zur Religio, dem Anbinden, schließt die Cabala. Saulino liest den nun folgenden Text ganz peripatetisch im Herumspazieren, und zwar an einem Ort, der als »atrio« bezeichnet wird: Die Vermutung liegt nahe, daß er sich in einem Vorhof der Wahrheit bewegt.

Das folgende Sonett an den kyllenischen Esel liest sich wie eine bösartige Parodie auf den Kreuzestod Christi; dem Erlöser (oder seinen Propheten), deren eselhafte Eigenschaften hier ironisch verherrlicht sind, wird ein besseres Leben gewünscht.

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Die Assoziation von Trunksucht mit Podagra findet sich übrigens schon bei Lukian und Rabelais. Vgl. M. Bachtin: Rabelais und seine Welt (1998), S. 201. Das Thema war in der Renaissance beliebt, so verfaßten z. B. Wilibald Pirckheimer und Girolamo Cardano jeweils ein Podagrae encomium (1644), S. 1–71.

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Kyllenischer Esel Vom Nutzen guter Beziehungen bei der Aufnahme in Akademien oder: Brunos Bemerkungen zum Habitus der Intellektuellen. Es handelt sich beim Kyllenischen Esel wohl auch um den politisch wie religiös harmlosesten Teil der Cabala.96 Wie der Titel verrät, ist der kyllenische (also: der »merkuriale«) Esel des Nolaners »eine Zugabe«, die nicht unmittelbar Teil der Cabala ist. Bruno bekennt hier stärker als zuvor seine Autorschaft, denn nicht nur der Titel bezeichnet einen (weiteren) Bruch in der insgesamt fragmentarischen Erzählstruktur der Cabala. Zwar ist dieser »Esel« wie die drei vorangegangenen Abschnitte in Dialogform gehalten, allerdings will der Autor hier offenbar nicht die Fiktion einer tatsächlich gesprochenen und dynamischen Auseinandersetzung aufrecht erhalten. Der Text ist vielmehr eine mythologische fabula, in der ein sprechender Esel und der Gottt Merkur auftreten. Dies markiert einen veränderten Wahrheitsanspruch für den Dialog: Während die vorhergehenden Gespräche eine reale Diskussion über wichtige Themen simulierten, ist der Leser hier mit einer rein fiktionalen Geschichte konfrontiert. Der Inhalt der Fabel ist schnell erzählt: ein sprachbegabter Esel bittet um Einlaß in eine pythagoreische Akademie;97 Micco, das Inbild eines Pedanten und Vorsteher dieser gelehrten Schule, ist entsetzt über dieses Ansinnen und verweigert dem Tier den Eintritt. Bezeichnenderweise ist Micco der Name einer Affenart; die Mitglieder dieser – sonst von Bruno durchaus verehrten – Schule des Phythagoras verkommen also offensichtlich nicht zu Eseln, sondern zu Tieren, die dem Menschen durchaus ähnlich sind.98 Merkur, hier in der Funktion eines deus 96

Für die gegenteilige (allerdings nicht argumentativ belegte) Position vgl. N. Ordine: Philosophie des Esels (1999), S. 45 und 53. 97 Dem heutigen Leser drängen sich Analogien zu Franz Kafkas Bericht für eine Akademie geradezu auf. Es ist wohl nicht ohne Ironie, daß Aristoteles den Menschen als »sprachbegabtes Tier« definierte. 98 Zu Brunos positiver Einstellung zum Pythagoreismus siehe H. Gatti: Renaissance science (1999), S. 22 ff. Im Cantus, OL II/1, S. 199 f. charakterisiert Bruno die Affen als Tiere in Menschengestalt, die sich zwar von der besten

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ex machina, dekretiert nach einigem Hin und Her, daß dem Esel der Eintritt in jedwede Akademie zu erlauben sei. Der verängstigte Micco (und die offensichtlich inzwischen zusammengelaufenen übrigen Mitglieder der Philosophenschule) fügen sich dem göttlichen Verdikt, indem sie betonen, nicht taub zu sein. Mit dieser sarkastischen Referenz an die verhaßte Paulinischen Tradition des ex auditu fides endet der Kyllenische Esel. Das auf der Dialogebene ostentativ zur Schau gestellte herzliche Einverständnis von versatilem Gott und störrischem Tier ist in jeder Hinsicht unglaubwürdig: Zunächst ist festzuhalten, daß Bruno andernorts die absolut konträre Natur von (saturnischem) Esel und Merkur betont.99 Auch die Tatsache, daß der Götterbote in bestem Pedantenlatein spricht, trägt nicht zu seiner Glaubwürdigkeit bei: Der Auftritt des Gottes gewinnt weiter an Komik, wenn man sich vergegenwärtigt, daß dieser im Spaccio ein Urteil des Göttersenates erwirkt hatte, das die Reformatoren für ihre Dummheit bestrafte. Sie sollten »für dreitausend Jahre als Esel wiedergeboren werden und in dieser Verkörperung ein miserables Leben führen müssen«.100 Der merkuriale Urteilspruch der Cabala steht dazu in diametralem Gegensatz, wenn er den Esel in die privilegierte Position bringt, überall eintreten zu dürfen. Es handelt sich hier offensichtlich um einen jener »falschen Merkure«, die Bruno schon in der Cena attackiert.101 Auch im Spaccio ergeht es dem Götterboten schlecht: Er wird schließlich als Saltimbanco auf die Piazza de

Poesie, Weisheit und Historiographie angezogen fühlen, dabei allerdings immer den sachgemäßen Zugang zu diesen Dingen verfehlen und sich folglich gravierend falsch verhalten. 99 Imaginum, OL II/3, S. 237 f. Wieder liegt hier die für den gesamten Dialog bestimmende Verwechslung vor, denn in zahlreichen zeitgenössischen Darstellungen findet sich Merkur tatsächlich gemeinsam mit dem Pferd Pegasus (in dessen Rolle Onorio ja vorgibt, geschlüpft zu sein) und den Musen auf dem Parnass, z. B. Andrea Mantegna, Parnass (1495–97), Paris, Louvre. Dieser Berg ist allerdings durch Schweine etc. entweiht worden vgl. Spaccio, DI, S. 754. 100 Spaccio, DI, S. 626. 101 Vgl. Cena, DI, S. 32.

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l’Olmo in Neapel oder die Piazza San Marco in Venedig verbannt.102 Zudem vergleicht Bruno den verhaßten Paulus wegen seiner Beredsamkeit mit Merkur.103 Wiederum erweisen sich inganno und vicissitudo als zentrale Konzepte in Brunos dynamischem Universum. Der durchaus unglaubwürdige Charakter der merkurialen Verfügung, den Esel überall eintreten zu lassen, bestätigt die ganz reale Existenz des universellen Eseltums: Bruno betont nochmals die Nähe von Menschen und Tieren, nur daß diesmal nicht die Juden und Christen oder die Skeptiker zu Eseln werden. Der Esel will zum Menschen werden; nun beklagt sich also das Tier, daß es nur wiehern kann, so wie die Schlange (oder der in sie verwandelte Mensch) nur zischen konnte.104 In II/2, einer der zentralen Passagen der Cabala, hatte Bruno ja nachdrücklich auf die gleichartige geistige Disposition von Menschen und Tieren hingewiesen, zugleich aber betont, daß letzteren die körperliche Veranlagung zur Bildung von Zivilisationen fehle, nämlich (zumindest) die Hand, das Organ der Organe. Der Kyllenische Esel liest sich daher wie eine Replik auf II/1. Dort hatte Onorio berichtet, nicht vom Lethestrom getrunken zu haben; durch diesen transgressiven Akt war es ihm gelungen, sich nicht um seine Erinnerung an die Identität im früheren Leben bestehlen zu lassen. Damit hatte er Merkur übers Ohr gehauen, denn in seiner Gestalt als Psychopompos, Seelenführer, wacht dieser Gott darüber, daß die Seelen in der Unterwelt das Wasser des Vergessens trinken. Der Esel wurde also dadurch geadelt, daß er sich nicht beklauen ließ: Es ist bezeichnend für die Dummheit des Vorstehers der pythagoreischen Akademie, daß er sich vom Verdikt Merkurs beeindrucken läßt und – eben wie ein guter Christenesel – dem trügerischen Gott Gehör schenkt. Diese Intervention des Gottes der Diebe und Händler bleibt außerordentlich ambivalent: Sie liest sich wie eine bittere Satire auf die Esel in Academia, denen es gelingt, sogar in die hohe Schule der Pythagoreer aufgenommen zu werden, weil deren Mitglieder selbst zu Affen verkommen sind. Diese vertierten Intellektuellen glauben auch einem 102 103 104

Spaccio, DI, S. 700. Ebd., S. 780. Wie Onorio ja in II/3 ausführt.

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falschen Götterboten: Hier blitzt nochmals die (gnostische) Vorstellung auf, daß die Götter den Menschen übelwollen. Der Kyllenische Esel ist somit eine der vielen höchst vergnüglich zu lesenden Attacken Brunos auf die zeitgenössische Wissenschaftskultur, die sich dem Nolaner zeitlebens unaufgeschlossen zeigte. Der Autor stellt dieser passiven Geisteshaltung eine Logik des inganno, der Täuschung, gegenüber, die sich in einer ständig im Wandel befindlichen Welt bewähren muß. Nicht ohne Grund wird der kyllenische Esel, eine amüsante literarische Satire, von Saulino in müßigem Umherwandeln gelesen. Saulinos Verhalten suggeriert einen untätigen Lebenswandel. Dieser ist in Brunos Perspektive nicht nur charakteristisch für die Christenesel, die passiv auf die Erlösung warten, sondern auch für das fruchtlose Philosophieren der Peripatetiker; denn sie spazieren eitel in den Vorhallen der Wahrheit herum, ohne jemals zu ihr vorzudringen.

Dramatis personae Persona soll hier im ursprünglichen Wortsinn als Bezeichnung für »Maske« oder »Schauspieler« gebraucht werden.105 Als Bezeichnung für die Dialogpartner in der Cabala scheint mir dieser Begriff insofern besonders passend, als die Sprecher Brunos Denken nicht nur szenisch aufführen, sondern auch viele radikale Konzepte ihres Autors »maskiert«, nämlich in verschlüsselter Form vorbringen. In der Cabala ist der universelle Wandel aller Dinge nicht nur auf der inhaltlichen, sondern auch auf der formalen Eben präsent: Die Vorstellung der vicissitudo findet sich verkörpert in den handelnden Personen. Auch die Sprecher wechseln ihre Eigenschaften und damit ihre Funktion. Manchmal scheinen sie durchaus Nolanische Thesen vorzutragen, dann verändern sie ihren Charakter, sagen Wahres und Falsches und erschweren damit die Textanalyse.106 Diese Verschlüsselung der eigenen Positionen un105

Vgl. auch Candelaio, Proprologo, OC, I, S. 53: »i personaggi«. Vgl. auch H. Gatti: Renaissance science (1999), S. 221 ff., die ebenfalls bezweifelt, daß es sich bei den Sprechern der Dialoghi morali um »authentic voices« handelt. 106

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terscheidet die Cabala von den anderen Dialoghi italiani, insbesondere von Cena und Causa, wo die Stimme des Autors eindeutig zu identifizieren ist.107 Wie schon in der Einleitungspassage der Cabala betätigt sich Bruno hier als formidabler Töpfermeister der Worte und des Sinns. Zwar kann alles zu allem werden, aber alles bleibt – in seiner je konkreten Ausformung – auch notwendig fragmentarisch, bleibt, um einen anachronistischen Begriff zu verwenden, Bricolage. Was als Illustration der These omnia ex omnibus (daß alles aus allem werden kann) dient, erweist sich gleichzeitig als gewitzter Schutz dagegen, den Autor direkt mit den diskutierten Thesen identifizieren zu können. Es ist daher sinnvoll, die Stellung und Funktion der einzelnen Sprecher genauer zu analysieren, denn aus deren Rollenwechsel und den daraus resultierenden Widersprüchen läßt sich, so meine These, die intentio auctoris in der Cabala rekonstruieren. Onorio Besonders augenfällig ist der Rollenwechsel bei dem einstigen Esel Onorio, er ist die Persona des verhaßten Aristoteles und erinnert sich auch daran, den Skeptiker Xenokrates verkörpert zu haben. Gleichzeitig (und in pointiertem Gegensatz zu solcher Unsinnsproduktion) trägt diese Persona einige der radikalsten Thesen in der Cabala über die grundlegende Einheit von Tier und Mensch, über Wiedergeburt und den ständigen Wandel, welchem alle Dinge ausgesetzt sind, vor. Solche Theoreme sind oft mit Brunos eigenen philosophischen Positionen identifizierbar und vielleicht deshalb wird er im ersten Dialog als Pythagoreer angekündigt. Onorios viele Rollen lesen sich als Verkörperung der infiniten Manifestationen der universellen vicissitudo.108 107

Vgl. A. Bönker-Vallon: Einleitung zu BW IV, S. LVII–LIX. 108 Siehe dazu auch S. L. Sondergard: Nachwort zu The Cabala (2002), S. 176 ff., wo Onorio treffend als »composite character« (ebd., S. 177) bezeichnet wird. Diese Lesung ist m. E. weit präziser als M. A. Granada: Einleitung zu Cabala (1990), S. 30 f., wo Onorio lediglich als Beispiel positiven Eseltums bezeichnet wird.

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Selbst noch der dümmste Esel wird zum angesehenen (aber unfähigen) Philosophen, und selbst er hat noch Interessantes zu berichten; dies allerdings nur dann, wenn sich die Materie mit einer passenden Form (und umgekehrt) verbinden kann und damit jene physische Anlage schafft, die der geistigen Fähigkeit erst zur Durchsetzung verhilft.109 Nun ist der Name Onorio nicht nur ein Verweis auf den griechischen onos (Esel), das Wort liest sich auch (beinahe) wie ein Anagramm auf Orion. Dieser Jäger wollte Diana, die Göttin der Natur, vergewaltigen; zur Strafe dafür wurde er mit einem Pfeil durchbohrt.110 In Anlehnung an diesen Mythos hatte Bruno im Spaccio Orion mit Christus identifiziert, dem falschen Erlöser, der am echten Kreuz eines (natürlichen) Todes starb. Denn Christus ist, wie erwähnt, ein Scharlatan, dessen unbedeutende Wunder mit einer falschen (nämlich negativen) Vorstellung von der Rolle der Natur einhergehen. Daher kann man von ihm wie von Orion sagen, daß er versuchte, die Natur zu vergewaltigen. Das ist aus Brunos Perspektive ein gravierender Vorwurf, denn bei ihm koinzidiert die wahre Religion mit der richtigen Vorstellung von der allseits beseelten, göttlichen Natur.111 In der Cabala geht Bruno noch einen Schritt weiter, hier ist Orion/ Onorio eine Wiedergeburt des Aristoteles; der Philosoph, auf dessen Lehrgebäude die Christen ihre Theologie begründeten, hat offensichtlich die Betrügerei mit dem falschen Erlöser gemeinsam.112 Die

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Bruno verbindet diese Theoreme mit dem Begriff des Ingeniums; siehe dazu die Ausführungen von T. Dragon: Unité de l’être et dialectique (1999), S. 276; E. Canone: Il concetto di ingenium (1998), S. 27 ff.; vgl. auch De umbris, OL II/1, S. 7 f. (Sturlese S. 11 f.) 110 Horaz, Carmina (1993), lib. 3, carm. 4, V. 71–3, S. 70 ff. »[…] notus et integrae/ temptator Orion Dianae/ virginea domitus sagitta.« Vgl. Spaccio, DI, S. 604 C 505, wo dieser Mythos erwähnt wird. 111 Spaccio, DI, S. 777–83; A. Ingegno: Polemica anticristiana (1973), S.15 ff. 112 Wie bereits vielfach bemerkt wurde, zielt Brunos Kritik hier auf das Näheverhältnis der zeitgenössischen peripatetischen Philosophie zum Christentum des Reformationszeitalters. Zu Brunos ablehnender Haltung ge-

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(Un-)taten der beiden Scharlatane Christus und Aristoteles beruhen auf einer falschen Theorie darüber, wie sich Mensch und Natur, Leben und Bewußtsein zueinander verhalten. Onorio gibt ja auch freimütig zu, in der Gestalt des Aristoteles Werke geschrieben zu haben, in denen er »schlimmer delirierte als das Delirium selbst«. (S. 89) Saulino Wie erwähnt wurde Saulino oft als Brunos Sprachrohr bezeichnet, eine Perspektive, die sich bei genauerer Analyse aber als zu einfach erweist.113 Eine solche Identifikation ist schon deshalb wenig plausibel, weil Saulino gleich zu Beginn des ersten Dialoges zugibt, den Großteil dessen, was ihm Sofia im Spaccio über die Reform des Himmels mitgeteilt hat, vergessen zu haben; Saulino hat seither offensichtlich zuviel vom Lethestrom getrunken – ganz im Gegensatz zum einstigen Esel Onorio. Was auf den ersten Blick wie eine simple literarische Strategie erscheint, die den Dialog entfalten soll, ist bei näherer Überlegung doch ein äußerst merkwürdiger Umstand: vor allem, wenn man bedenkt, daß nicht nur Bruno selbst Meister der ars memorativa war, sondern daß die Erinnerung in der Philosophie Brunos insgesamt eine zentrale Rolle spielt; allein Saulinos Gedächtnisschwäche macht daher eine Identifikation dieser Persona mit dem Autor der Cabala problematisch. Ein weiteres Indiz dafür, daß Saulino nicht das Sprachrohr Brunos sein kann, ist die Tatsache, daß diese Persona im dritten Dialog zugibt, unfähig zu sein, die Cabala allein zu einem Ende zu führen, weil

genüber dieser scienza della fede, die apodiktisch jede Art von Freiheit des Philosophierens auszuschließen suchte, vgl. E. Canone: Il dorso e il grembo dell’eterno (2003), S. 85 und 94; Ordine in U I, S. 118. Für eine heftige Invektive gegen die aristotelischen Pedanten vgl. Immenso, OL I/2, S. 55 f. 113 S. L. Sondergard: Einleitung zu The Cabala (2002), S. XXX; Cabala, DI, S. 861, Anm. 11; M. A. Granada: Einleitung zu Cabala (1990), S. 22. Saulino Savolino war ein unbedeutender Kleriker aus Nola, mit dem Bruno möglicherweise mütterlicherseits verwandt war. Vgl. V. Spampanato: Vita di Giordano Bruno (1921), S. 47 ff.; S. Ricci: Lo Spaccio della Cabala (2003), S. 221.

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nämlich die günstige Gelegenheit, die occasione, vorübergegangen sei. Indem er Saulino als völlig auf die anderen Dialogpartner angewiesen darstellt, gibt Bruno zu verstehen, daß die Ausführungen dieser Figur bestenfalls einen Teilaspekt der hier behandelten Themen abdecken. Zudem scheint Saulino recht faul zu sein: Er kommt am Beginn von II/2 gemeinsam mit dem Pedanten zu spät und versäumt so wichtige Ausführungen Onorios. Saulino verpaßt hier die günstige Gelegenheit, sein Wissen zu vermehren. Das macht ihn völlig ungeeignet als Verkörperung jener prometheischen Ideale der Schnelligkeit, des Eifers und der diebischen Devianz, die Bruno dem passiven Eseltum der Juden und Christen positiv gegenüberstellt (siehe auch unten). Nach seinem beeindruckenden geistigen Höhenflug im Spaccio (wo er ja als Gesprächspartner der Sofia, der Weisheit fungierte) ist der Saulino der Cabala offensichtlich zum peripatetischen Esel geworden. Schließlich kommt es mit ihm so weit, daß er nur noch fähig ist, den Kyllenischen Esel laut vorzulesen, während er in einem nicht näher beschriebenen Vorhof eitel herumspaziert. Es paßt ganz in dieses zweifelhafte Bild, daß Saulino viele der hier vorgetragenen Thesen über die positiven Aspekte der Dummheit im Brustton der Überzeugung und unter Berufung auf Autoritäten, aber ohne Argumente vorträgt. Aufschlußreich für den Charakter und die Stellung dieser Persona sind jene biblischen Assoziationen, die sich aus dem Namen Saulino – also: »kleiner Saulus« – ergeben: Schon der alttestamentarische Saul, der erste König der Israeliten, hatte ein (Bruno zufolge wohl typisch jüdisches) enges Verhältnis zu Eseln, die seine königliche Natur offenbarten. Der durch Prophetie und Los bestimmte Herrscher erweist sich nach anfänglichen Erfolgen als ziemlich unfähiger König.114 Im Laufe seines Lebens wandelt sich Saul zum Schlechten; das macht ihn zur geeigneten Verkörperung von Brunos Lehre der universellen vicissitudo und bestätigt indirekt die antisemitische Polemik der Cabala. Noch treffender für Saulino ist allerdings die Persona des neutestamentarischen Saulus, der sich bekanntlich in den Apostel Paulus 114

1 Sam 9,3–5. Bruno erwähnt diese Geschichte in der Urfassung der Cena, DF, S. 146.

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»verwandelt«.115 Daß sich ausgerechnet der verhaßte Paulus mit seiner Verdummungslehre (dessen Christentum in der Cabala ja heftigst attackiert wird) aus dem berüchtigten Christenverfolger und radikalen Pharisäer Saulus entwickelt hat, paßt klar in Brunos Konzept. Aus seiner Perspektive sind ja beide Traditionen verachtenswerte Eselsreligionen, deren Wesensgleichheit in der Cabala betont wird. Wie schon Albertino, der »Kleine Albertus (Magnus)«, in De l’infinito ein Statthalter (veralteter) aristotelischer Kosmologie war, so ist in der Cabala der kleine Saulus offensichtlich ein Epigone des wohl berühmtesten Judenchristen.116 Und tatsächlich drängen sich Parallelen zwischen dem Apostel Paulus und Saulino geradezu auf: Beide sind in jüdischer und christlicher Eselstradition bewandert. Wie Sebasto zu Beginn des ersten Dialoges feststellen wird, spricht Saulino in Rätseln und spielt damit auf den ersten Korintherbrief an;117 er verwendet damit eine Argumentationsform, die in der Cabala ausdrücklich verurteilt wird. Später erläutert Saulino die kabbalistische [Esels]mystik und beruft sich dabei auf Paulus, zeitweise verfällt er dabei sogar in den Predigtstil der Deklamation. In II/3 erklärt er zudem noch die Lehren der Skeptiker; diese Denkschule verkörpert ja den dritten Ast auf dem Baum der Unwissenheit. Saulinos zweifelhafte Rolle wird dadurch bestätigt, daß er sich häufig, anstatt zu argumentieren, auf Autoritäten beruft: Eine Strategie, die Bruno oft, aber besonders in der Cabala verurteilte, weil sie der Freiheit des Philosophierens zuwiderläuft.118 115

Vgl. Apg. 9,3–18; 22,4–16; 26, 9–18. 1 Tim 1,1; Gal 1,1. Im Gegensatz zum dummen Professor Burchio aus Oxford (dessen Name das mittellateinische Wort für »Esel« bezeichnet) läßt sich der mit besseren geistigen Anlagen (di non addormentato ingegno) ausgerüstete Albertino rasch von Brunos Infinitismus überzeugen, Infinito, BW IV, S. 312; vgl. auch S. L. Sondergard: Nachwort zu The Cabala (2002), S. 173. Zur Persona des Albertino siehe C. Schulz: Nachwort zu Über das Unendliche (1994), S. 240 f.; A. Bönker-Vallon: Einleitung zu BW IV, S. LX. Es ist vielleicht kein nebensächliches Detail, daß Bruno in der Cena, DI, S. 136 seine eigene Konversion zum Kopernikanismus beschreibt. Zu diesem Thema vgl. ebd., S. LV ff. 117 1 Kor 13. 118 Vgl. etwa Cena, DI S. 91, wo Bruno für sich den Anspruch erhebt, als erster das heliozentrische Weltsystem argumentativ als metaphysische Not116

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Zudem wirkt die traditionelle Ikonographie der Bekehrung des Saulus wie ein Emblem für die Cabala: Der zukünftige Apostel liegt mit weit aufgerissenen Augen auf dem Boden, die Hände in abwehrender Geste ausgestreckt. Über ihm bäumt sich ein Pferd auf, dessen vordere Hufe drohend über Sauls Brustkorb schweben. Das Sujet eignet sich wohl hervorragend als Illustration für den »asinus alatus triumphans«.119 Berühmte Beispiele aus der Kunstgeschichte sind z. B. Michelangelos Bekehrung des Paulus in der Capella Paolina im Vatikan oder Alessandro Bonvicinos gleichnamiges Gemälde in Santa Maria presso Celso, Mailand.120 Coribante Im Unterschied zu den vorhergehenden Dialogen ist in der Cabala die Persona des Pedanten nicht immer von allen guten Geistern verlassen; erstaunlicherweise ist es oft gerade Coribante, der Saulino völlig zu Recht auf die Schwäche seiner Argumente aufmerksam macht: etwa wenn dieser seine Thesen nur unter Berufung auf Autoritäten begründet. Als sich kontinuierlich wandelndes Lebewesen hat auch der Schulmeister – bis zu einem gewissen Grad – seine hellen Momente.121 Brunos Aristoteles-Darstellung in der Cabala ist insofern auffällig, als dessen Philosophie nicht restlos verurteilt wird; als Pedant Alexanders scheint er sich nämlich in den studia humanitatis als durchaus kompetent zu erweisen. Sein Fehler besteht nur darin, sich (in der für

wendigkeit bewiesen zu haben »[…] perché lui lo tiene per altri proprii e più saldi principii, per i quali, non per autoritate ma per vivo senso e raggione, ha cossí certo questo come ogni altra cosa che possa aver per certo.« 119 Vgl. auch Anm. 73 unten, ab asino excidere. 120 Zu den mittelalterlichen Vorbildern vgl.: Bibliotheca Sanctorum (1982), Bd. X, Sp. 213 f. und 220 ff. 121 Ein Aspekt, der in der Forschungsliteratur übersehen wird. Vgl. S. L. Sondergard: Nachwort zu: The Cabala of Pegasus (2002), S. 176; G. Bruno: Opere (1956), S. 551 Anm. 2. Zu Brunos Gebrauch aristotelischer Argumentationsformen siehe P. R. Blum: Aristoteles bei Bruno (1980), S. 29–53; H. Gatti: Renaissance Science (1999), S. 57 und Anm. 29.

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Pedanten charakteristischen Selbstüberschätzung) auch noch über die Naturphilosophie hergemacht zu haben, von der die Schulmeister nun wirklich nichts verstehen. M. E. rührt Brunos Darstellung des Aristoteles als durchaus kompetenter Staats- und Moralphilosoph daher, daß Cabala und Spaccio (auch) politische Texte sind, die Ideale der antiken Römischen Staatslehre propagieren. Die Kritik zielt hier auf ein Christentum, das es verabsäumt, im realen Leben positiv wirksam zu werden. Bruno wirft den Christen schon im Spaccio vor, unfähig zu sein, Gemeinschaften zu stiften und solcherart am Fortschritt der Zivilisation und der Wissenschaften tätig mitzuwirken. Die Kritik am kontemplativen Leben stimmt im Spaccio mit zentralen Werten des antiken römischen Staatswesens und mit der von den Renaissancehumanisten propagierten Kultur der vita activa überein. Kein Wunder also, wenn Bruno diese in politischen Angelegenheiten als (potentiell) vernünftigere Gesprächspartner dargestellt, als das in der Naturphilosophie der ersten drei Dialoghi italiani der Fall war. Wie noch niemand bemerkt zu haben scheint, begeht Coribante allerdings im ersten Dialog einen folgenschweren argumentativen Fehler: der Pedant bezweifelt nämlich die Möglichkeit, daß sich Wissenschaft und Unwissenheit »nahe beieinander« befinden und etwas so Würdiges wie die Weisheit nicht unmittelbar neben etwas so Verachtenswertem wie dem Eseltum angesiedelt sein könne. Aus aristotelischer Perspektive ist das eine Sophistische Wiederlegung, denn mit dieser Aussage trifft Coribante keinen wesentlichen, sondern nur einen akzidentellen Unterschied zwischen Weisheit und Idiotie, indem er sich entweder auf das Akzidens des Ortes oder das Akzidens des Status einer Sache bezieht.122 Saulino fällt es leicht, diesem Einwand unter Hinweis auf andere Autoritäten, also ebenfalls ohne zu argumentieren, zu begegnen. So gelingt Saulino die Bekehrung Coribantes zur Eselswis122

Für die Kritik solcher Argumentationsformen vgl. z. B. Aristoteles: Topica, lib. 2, cap. 1–3, 109a–111a; ders.: De sophisticis Elenchis, cap. 22, 178a– 179a und cap. 24, 179a–180a. Für eine zeitgenössische Auseinandersetzung mit dem Trugschluß, daß Nähe Verwandtschaft oder Gleichartigkeit impliziert, vgl. F. Bacon: Of the colours of good and evil (2002), Kap. 7, S. 98 ff. und die Anmerkungen ebd., S. 554 ff.

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senschaft, indem er ihn seinerseits mit Trugschlüssen überlistet. Dies ist wohl als textimmanenter Hinweis darauf zu lesen, daß der Pedant damit auch seine (ohnehin beschränkte) Kapazität formale Argumente zu durchschauen, endgültig verloren hat. Ironischerweise preist daher der neubekehrte Eselswissenschaftler Coribante die rhetorische Strategie seines Opponenten in der folgenden Weise: Das sind keine rhetorischen Überredung[skünste], noch elenktische Sophismen, noch topische Wahrscheinlichkeiten, sondern apodiktische Beweise: nach denen der Esel kein so niederes Tier ist, wie man allgemein annimmt, sondern von viel heroischerer und göttlicherer Herkunft. (S. 63–65)

Spätestens im dritten Dialog wird Coribante vollends zum gichtkranken Schulmeister – also zu dem, wofür ihn erfahrene Leser Brunos immer schon gehalten haben: Zu einer Figur, deren geistige Erstarrung auch in körperlicher Unbeweglichkeit ihren Ausdruck findet; die Podagra ist außerdem eine seit der Antike topisch mit der Trunksucht verbundene Krankheit. Der Name dieser Persona erlaubt hier eine weitreichende Assoziationskette, denn Koribanten heißen ja die ekstatischen Anhänger des Dionysios, des Gottes des Weines. Wieder treibt Bruno ein komplexes Spiel mit Heiligennamen, denn es ist eine signifikante Koinzidenz, daß der Heilige Dionysius in christlichen Darstellungen das eigene Haupt in den Händen hält. Dieser wird im Frankreich des 9. Jh. mit Dionysius Aeropagita identifiziert, der bekanntlich von Paulus zum Christentum bekehrt worden sein soll; dem Aereopagiten werden außerdem jene Traktate zur negativen Theologie zugeschrieben, die Bruno in der Cabala heftig attackiert.123 Der christliche Heilige wie der pagane Gott eignen sich so hervorragend als Visualisierung des kopflosen Schwärmertums von Coribante, der durch Paulus/Saulus zur Eselsreligion konvertiert wird.

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Zentrum des Kultes ist die Abtei Saint Denis in Paris. Zum Thema allgemein vgl. Bibliotheca Sanctorum (1987), Bd. IV, Sp. 650–661.

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Sebasto Auf den ersten Blick verkörpert Sebasto den Typus der gemeinverständigen, aufgeschlossenen, aber unakademischen Persona. In Cena und Causa hatten etwa ein Smitho oder ein Gervasio die Rolle innegehabt, sich zwischen antiquierter, falscher, Peripatetischer Philosophie und neuer Nolanischer Kosmologie zu entscheiden. Zudem hatte diese Persona die Aufgabe, die theoretischen Reden gemeinverständlich zusammenzufassen und den Dialog durch geistreiche und komische Bemerkungen aufzulockern. Sebastos Kompetenzen in der Cabala sind weiter gefaßt als die seiner Vorgänger, denn er bringt eigene, radikale Thesen vor. Im ersten Dialog trägt diese Persona die wichtige Erzählung von der den Ägyptern aufgezwungenen Eselsreligion vor. Ende II/1 weist er auf die zentrale Metapher von der Töpferscheibe (also auf das Rad der vicissitudo) hin.124 In II/3 macht sich Sebasto gnadenlos über die Faulheit der Skeptiker lustig: Er vertritt also stets Thesen, die mit Brunos philosophischer Position vereinbar sind. Bezeichnenderweise finden Onorios zentrale Aussagen von der essentiellen Wesensgleichheit von Tieren und Menschen Sebastos Beifall (II/1), auch wenn er gleichzeitig ein mit diesen radikalen Ideen einhergehendes Unbehagen artikuliert; Sebasto markiert damit die zentrale Bedeutung dieser Theoreme für die Cabala. Auch sonst kommen gleich zu Anfang des ersten Dialoges Sebastos positive Eigenschaften deutlich zum Ausdruck. Er ist wißbegierig und hat (im Gegensatz zu Saulino) die Handlung des Spaccio im Gedächtnis behalten; er weist nachdrücklich auf die zentrale Rolle der in diesem Dialog unbesetzt gebliebenen himmlischen Plätze hin. Anders als Saulino versäumt er nicht die »schönen Argumente« Onorios (S. 87). Selbst nach dem Tod seiner Frau bleibt er als einzige Persona nicht müßig (III). In diesem Zusammenhang ist vielleicht bedenkenswert, daß der Heilige Sebastian ein Schutzpatron gegen die Pest

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Wie zur Illustration der Doktrin universellen Wandels mutiert Onorio an dieser Stelle flugs zum lügnerischen Esel und beginnt von »weisen Rabinen« zu faseln.

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ist125 und Bruno somit bei der Benennung dieser Persona nicht primär auf die Epidemie, sondern (in übertragenem Sinn) auf die Seuche des religiösen und doktrinären Fanatismus anspielen wollte. Somit ist also Sebasto der einzige Garant der Vernunft und Nolanischer Wahrheit, und zwar ganz im Gegensatz zu seinen Dialogpartnern: diese sind entweder faul und dumm (Saulino); unbeweglich und beschränkt (Coribante); oder weisen eine charakterliche Mischung aus Dummheit, Verschlagenheit und Gier (Onorio) auf. Sebasto ist damit die einzig durchweg positiv gezeichnete Persona in der Cabala. M.E. lassen sich aus Sebastos Zustimmung bzw. Ablehnung der hier verhandelten Thesen am ehesten Brunos eigene Positionen rekonstruieren. Diese sollen im folgenden ausführlich erörtert werden. Omnia vicissitudo Das Gesetz des universellen Wandels ist ein zentrales Thema der Philosophie Brunos.126 Wie erwähnt, wird diese Vorstellung in der Cabala mit besonderem Nachdruck in bezug auf den Menschen verhandelt, und zwar unter dem Gesichtspunkt der Metamphysikose, wie Sebasto die Seelenwanderung wohl absichtlich bezeichnet, um die somatischen Aspekte des Prozesses hervorzuheben. In der Cabala illustrieren die vielfältigen Formen der Verwandlung radikale Thesen: Dies betrifft sowohl das Verhältnis von Körper und Geist, von Menschen und Tieren als auch die Verbindung von Wissen und Dummheit in ihrem gesellschaftlichen und religiösen Zusammenhang. Die Idee, daß sich Menschen – strafweise – in verschiedenen Leben als Tiere inkarnieren, ist (auch) ein platonisches Konzept, das Bruno für seine Zwecke adaptiert. Im Gegensatz zu den Platonikern unterscheiden sich in der Cabala Mensch und Tier nur durch die ungleichen körperlichen Anlagen; der Geist leuchtet allen gleich hell. Die Schlange wäre vielleicht klüger als der Mensch, ihr fehlen aber die notwendigen 125

Vgl. Bibliotheca Sanctorum (1987), Bd. XI, Sp. 789 f. Zum Begriff der vicissitudo bei Bruno vgl. die ideengeschichtliche Sammlung in M. A. Granada: La reivindicación de la filosofía (2005), S. 245– 58; E. M. Severini: Vicissitudine e tempo (2004), S. 225–58. 126

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Organe, um diese eingeborene Begabung (ihr ingenium) zu verwirklichen. Solche Thesen diskutierte Bruno bereits in Causa (besonders im 5. Dialog), wenngleich nicht vorrangig aus anthropologischer, sondern aus kosmologischer Perspektive. Die Cabala hingegen konzentriert sich auf die Beschreibung des Wandels in den finiten Lebewesen und der Seelenwanderung.127 Siehe dazu den Abschnitt über Eselchens Himmelfahrten. Allerdings ist nicht restlos klar, wie Bruno sich die Metempsychose konkret vorgestellt hat: was also von der Essenz des Menschen bleiben kann, wenn sie ihrem Wesen nach durch die körperliche Ausprägung der Organe bedingt sind, diese sich aber nach dem Tode auflösen: und daher überhaupt nichts dem universellen Transformationsprozeß entgeht. Zwar gab Bruno im Verhör mit den Inquisitoren zu, als Philosoph an die Seelenwanderung zu glauben, eigene Texte des Nolaners stellen die Erinnerungsfähigkeit an frühere Leben allerdings radikal in Zweifel.128 In einer bekannten, zugleich hinreißend komischen und melancholischen Passage im Spaccio stellt Jupiter fest, daß selbst die Olympischen Götter dem kontinuierlichen Wandel nicht ent-

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Die Seelenwanderung wird von Augustinus verurteilt. Vgl. Civitas Dei, lib. 10, cap. 30, in: PL 41, Sp. 310 f.; ebd., lib. 12, cap. 12, in: PL 41, Sp. 359 f.; ebd., lib. 13, cap. 19, in: PL 41, Sp. 392 f.; De trinitate, lib. 12, cap. 15, in: PL 42, Sp. 1011 f.; vgl. auch M. Ficino, Theologia Platonica (2001–6), lib. 12, cap. 5, Bd. IV, S. 61. 128 S. L. Sondergard: Nachwort zu The Cabala (2002), S.176 zitiert Aussagen zum Gegenteil. Lampas, OL III, S. 48, OM, S. 1034 spricht davon, daß der individuelle Intellekt mit dem Tod des Individuums ausgelöscht wird; vgl. Spaccio, DI, S. 559, Anm. 3 für ein Inquisitionsdokument, daß Bruno an Seelenwanderung glaubt. Vgl. V. Spampanato: Vita di Giordano Bruno (1921), S.720 und L. Firpo: Il processo di Giordano Bruno (1993), S. 284 f., wo Bruno aussagt, daß eine Seele in derselben Weise, wie sie im Körper ist, in einen anderen Körper wechseln kann. H. Gatti: Renaissance science (1999), S. 231 ist der Ansicht, daß Bruno überhaupt nicht an die Metempsychose glaubte. Siehe auch N. Badaloni: Einleitung zu OC VI, S. XV und M. A. Granada: Einleitung zu Cabala (1990), S. 56 ff., wo ein Überblick über die vorhandenen Textpassagen gegeben wird. Für eine gute Zusammenfassung und Analyse im Zusammenhang mit den Theoremen von der psychophysischen Einheit aller Dinge siehe R. G. Mendoza: Metempsychosios and Monism (2002), S. 288 ff. und S. 296 f.

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gehen, daß auch sie sterblich sind und ohne Erinnerung an frühere Leben wiedergeboren werden.129 Wie dem auch sei: Die beiden Berichte Onorios von seinen wiederholten Himmelfahrten bleiben im Unterton zu ironisch, als daß man sie direkt mit Brunos Intentionen gleichsetzen könnte. Besonders irritierend ist die vom Esel aufgestellte Behauptung, daß er die verschiedenen Spezies, die er in seinen diversen irdischen Existenzen gesammelt, sozusagen kumulativ in der Himmelsregion wie in einer »Bibliothek« aufbewahrt hätte (S. 89 u. 97), und daß ihm diese – ganz mühelos – zu unsagbar großem Wissen verholfen hätten. Schon auf der Handlungsebene der Cabala ist diese Aussage deshalb zweifelhaft, weil Onorio, wie erwähnt, immer wieder beträchtliche Schwierigkeiten hat, sich an unmittelbar zuvor Gesagtes zu erinnern; weit her kann es offensichtlich mit dem Gedächtnis des schlauen Eselchens nicht sein. Wenn man zudem bedenkt, daß der Nolaner selbst ein Meister der Kunst der Ars memoriae war, ist eine solche Schwäche als ein Manko des Esels zu bewerten. Die hier sich abzeichnende wichtige Rolle des guten Gedächtnisses ist wohl auch als Mitteilung an den Leser zu verstehen, den hier vorgetragenen Text möglichst genau mental präsent zu halten, um so auch weit auseinanderliegende Stellen miteinander in Verbindung bringen und damit Brunos eigene Positionen im Gewirr der verschiedenen Aussagen identifizieren zu können. Um es vorwegzunehmen, ist 129

»Vedi dunque, cara sorella, come ne doma il tempo traditore, come tutti siamo sugetti alla mutazione; […] Andiamo, e non torniamo noi medesimi; e come non avemo memoria di quel che eravamo, prima che fussemo in questo essere, cossí non possemo aver saggio di quel che saremo da poi.« (Spaccio, DI, S. 592, S. 715) »[…] a fin che, mediante l’obblio, ognuno massime venga affetto e […] studioso di conservarsi nel stato presente.« (Spaccio, DI, S. 581) Jupiter beschreibt im folgenden allerdings, daß man sich durch gute Vorsätze und Taten in einer Weise disponieren kann, die eine Wiedergeburt in einem ähnlichen oder sogar besseren Zustand erleichtert oder überhaupt erst ermöglicht. Denn so wie ein Geist, der vorbestimmt ist, als Fisch wiedergeboren zu werden, mit Wasser in Berührung kommen muß, so muß der Mensch durch den Mutterleib gehen. Hier könnte es sich allerdings auch um eine Satire auf den Ichtys/Christus handeln, der bei der Jordantaufe mit Wasser benetzt und am Ende des Spaccio, DI, S. 728 zum Abendessen serviert wird.

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jedenfalls eines klar: Für Bruno ist Erinnern kein Vorgang, der mühelos oder ungesteuert vor sich gehen kann. Deshalb attackiert er in der Cabala auch die Ideenlehre der Platoniker; denn für den Nolaner kommt Wissenserwerb nicht in der bloß passiven Ideenschau in einem Himmelreich zustande (das es im infiniten Universum ohnehin nicht gibt). Die Erinnerung an ewige Seinsformen wäre zudem in der verkörperten Existenz, die sich ja ständig wandelt, ohnehin wenig nützlich. Aus der Perspektive des Einzelwesens ist Wissen vielmehr daraufhin zu prüfen, ob es im Hier und Jetzt praktisch anwendbar ist: Wissen ist Macht, die gestohlen, also aktiv angeeignet werden muß. Diese antiidealistische Position verkörpert Bruno in der Persona Onorios und seiner Himmelfahrten, die sich als präzise Persiflage auf diverse neuplatonische und christliche Mythologeme liest (siehe unten). Zudem ist die ars memorativa auch explizit ein zentrales Thema der Cabala: Bruno entwickelt hier einen mnemonischen Baum der Unwissenheit, der als Merkhilfe dienen kann, um das Gedächtnis zu strukturieren. Von ihm und seinem Zusammenhang mit dem Rad der Fortuna soll im folgenden die Rede sein. Das Rad der Fortuna Sebastos Töpferscheibe ist eine der wohl assoziationsreichsten Visualisierungen von Brunos Konzept der universellen vicissitudo und der Wandelbarkeit der Materie: Mir scheint, daß von dieser Ansicht jenes prophetische Dogma nicht weit entfernt ist noch ihm widerspricht, das besagt, daß sich das All in der Hand des universellen Bewirkers befinde: So wie ein und derselbe Lehm in der Hand ein und desselben Töpfers auf der [Töpfer-]scheibe der [Kreisbewegung] der Gestirne (gemäß dem Wechselspiel des Werdens und Vergehens der Dinge), einmal zu einem würdigen Gefäß, ein andermal zu einem schmählichen Gefäß geformt und schließlich [wieder] vernichtet wird.130 (S. 85)

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Für eine Analyse dieser Passage aus theologischer Perspektive vgl. F. Meroi: Cabala parva (2006), S. 31–38.

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Bruno kehrt hier zum Eingangssatz der Cabala und der Metapher vom Töpfer zurück; das Zitat erweckt nicht nur Assoziationen an das besonders in der Frühen Neuzeit populäre Rad der Fortuna,131 sondern auch an Vergils Aeneis. Der römische Dichter verwendet die Metapher von den »mille rotam volvere per annos« (Aeneis VI, V. 748 ff.), um die Lebenszyklen und verschiedenen Inkarnationen der Lebewesen zu beschreiben.132 Zudem ist das Bild vom Himmelstöpferrad auf jene Darstellungen übertragbar, die im Mittelalter zur Visualisierung des geozentrischen Weltbildes verwendet wurden. In dieser aristotelischen Theoremen geschuldeten Kosmologie stößt der Unbewegte Beweger die äußerste Himmelssphäre an und verursacht damit jene Bewegung, die sich in konzentrischen Bewegungen der Planetensphären durch den gesamten Kosmos bis zum Zentrum des Weltalls, der Erde, fortsetzt. Aber das sind Konzepte, die Bruno in seiner infinitischen Philosophie ablehnt, denn solcher Anthropomorphismus läßt sich nicht auf den Schöpfer des unendlichen Universums übertragen. Abgesehen davon ist die universelle vicissitudo für den Nolaner offensichtlich nicht als Belohnung oder Strafe für Taten in vorigen Leben zu verstehen, sondern unterliegt dem Zufall; Wandel ist kein teleologisches oder providenzielles Instrument zur Durchsetzung göttlichen Willens. Die Metapher von der Töpferscheibe ist daher nur insofern zur Erklärung physikalischer und kosmologischer Konzepte brauchbar, als sie eine Vorstellung vom kontinuierlichen Wandel ermöglicht. Offensichtlich bezieht sich die hier vorgestellte kosmologische Darstellung nicht direkt auf die infinitistische Naturphilosophie. Trotzdem kann diese Struktur aber als Element der ars combinatoria und der Mnemonik in sinnvoller Weise angewendet werden. Hier ist die Vorstellung von Rädern durchaus nützlich, denn die Kombinatorik, die sich durch die verschiedenen

131

Vgl. z. B. die Abbildung aus dem Ende des 15. Jh. in S. Brant: Das Narrenschiff (1968), cap. 56, S. 196; T. Tasso: Satire (2005), cap. 7, V. 46–54, S.113. Für die Beschreibung eines weiteren solchen Rades in Donis Schreibkammer vgl. N. Ordine: Philosophie des Esels (1999), S. 184; vgl. auch G. B. Pino: Ragionamento sovra de l’asino (1982), S. 134. 132 Siehe dazu auch N. Badaloni: Einleitung zu OC VI, S. XVIII und S. XXXIII.

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Stellungen mehrerer konzentrisch angeordneter Buchstabenkreise ergibt, kann als Wort- und Ideengenerator ebenso benutzt werden wie zur Strukturierung des Gedächtnisses.133 In diesem Zusammenhang ist außerdem die in der Cabala kontrovers diskutierte These von der Nähe von Wissen und Ignoranz (von Weisheit und Eseltum) durchaus haltbar, zur Erklärung müssen wir allerdings etwas weiter ausholen. Welchen Status die Sephirot-Lehre in Brunos Naturphilosophie hat, wird m. E. sofort klar, wenn man das von Saulino vorgetragene kabbalistische Weltsystem schematisch darstellt. Hier ist die Assoziation der Sephirot mit Planeten ebenso offensichtlich wie die Tatsache, daß diese göttlichen Manifestationen in einem traditionellen geozentrischen Weltbild funktionieren, so wie es in vielen vor- und nachkopernikanischen Darstellungen erhalten ist.134

1 2 3 3 5 6 7 8 9 10

11 12 13 14

a kleider b intelligenzen

c sphären

Krone Weisheit Vorsehung Güte Stärke Schönheit Sieg Lob Grund Reich

Heilige Tiere Gestaltende Räder Starke Engel Bildner Gewalten Wirkkräfte Herrschaft (Götter) Erzengel (Söhne d. Götter) Engel (Botschafter) Abgetrennte Seelen (Heroen)

1. Beweger Metatron 8. Sphäre Raziel Saturn Zafriel Jupiter Zadkiel Mars Kamael Sonne Raphael Venus Aniel Merkur Michael Mond Gabriel Sublunares Chaos Samael

Feuer Luft Wasser Erde

Vier fürchterliche Fürsten unter Samael Behemoth Beelzebub Leviathan Satan (S. 47–49)

133

d beweger

Für eine brilliante Problemgeschichte des brisanten Themas bei Bruno vgl. S. Clucas: Simulacra et signacula (2002); für eine anregende Deutung der Funktion der ars memorativa vgl. ders.: De imaginum, signorum et idearum compositione (2001). 134 Vgl. z. B. Johannes de Sacrobosco: Sphaera (1500), fol 2v.

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Bruno präsentiert hier also eine vorgeblich arkane Kosmologie, die sich als geläufiger Schematismus des veralteten geozentrischen Weltbildes entpuppt. Aber dies ist nicht der einzige Hinweis auf Brunos anti-kabbalistische Haltung. Der Nolaner erwähnt die Sephirot auch in den lateinischen Werken. Im Spaccio sagt er, daß Moses diesen Schematismus in verdrehter Form von den Ägyptern übernommen hätte. Hier erfahren wir auch, daß Moses ein Magier und Betrüger war.135 In der also offensichtlich falschen Doktrin der Kabbalisten sind zudem die vier Elemente ironischerweise teuflische Manifestationen. Diese Zuordnung impliziert eine der Materie gegenüber ablehnende Haltung, die Bruno ebensowenig teilte wie die geozentrische Kosmologie, die er Juden, Christen und Peripatetikern zum Vorwurf machte. Besonders amüsant wird aus dieser Perspektive Saulinos Behauptung, daß das Eseltum gemeinsam mit der Weisheit in der achten Sphäre seinen Sitz hätte, wenn man sich eine vielzitierte Passage aus der Cena in Erinnerung ruft. Hier rühmt sich der Nolaner, diese Himmelssphäre der Fixsterne, die den finiten Aristotelischen Kosmos begrenzt, durchbrochen zu haben. Stolz sagt Bruno darin, daß er so die Lehren der falschen Götter widerlegt und den eingeengten Geist befreit habe.136 Das in der Cabala entworfene System der Sephirot bleibt also reine Eselei, solange man dessen Orte mit einer realen Kosmologie verwechselt: Das bedeutet aber – nota bene – keineswegs, daß die hier wiedergegebene Topographie fiktiver Entitäten keine brauchbare Grundlage wäre, um das Gedächtnis zu organisieren; ja, Bruno selbst hat diese veraltete kosmologische Darstellung in De umbris idearum als mnemotechnisches Hilfsmittel empfohlen.137 In diesem Falle erscheint es nur folgerichtig, wenn Bruno zwischen jenen Schatten unterscheidet, die von der Wahrheit wegführen, und solchen, die die Wahrheit dennoch latent in sich tragen: und zwar auch wenn diese Abbilder selbst un135

Vgl. Spaccio, DI, S. 782 und S. 791; Magia matematica, OL III, S. 498; S. Ricci: Lo Spaccio della Cabala (2003), S. 247. 136 Cena, DI, S. 32 ff. 137 Vgl. die figura feconda in Umbris, OL II/1, S. 169 (Sturlese, S. 188); vgl. auch L. Spruit: Il problema della conoscenza (1988), S. 40–44 mit Literaturhinweisen.

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wahr sind.138 Denn als Strukturen sind diese veralteten Kosmologien durchaus nützlich, schließlich braucht es ein gutes Gedächtnis, um die Wahrheit erfassen zu können. Tatsächlich sind auch die Unterschiede zwischen der genuin kabbalistischen Lehre und Brunos Sprachphilosophie, die in enger Verbindung mit seiner Gedächtnistheorie steht, immens. Dies schon deshalb, als für die Kabbalisten kein Unterschied zwischen der göttlichen Schöpfung und der Schrift der Tora besteht; für Brunos Philosophie ist eine solche Ausblendung des semantischen Aspekts von Sprache hingegen undenkbar.139 Ricci hat allerdings plausibel gemacht, daß Brunos Verwendung kabbalistischer Terminologie in seinen magischen Schriften darauf zielt, die psychologische Dimension eines Begriffes in der Magie in seiner (jeweilig kontingenten) Formen nutzbar zu machen. Zum Beispiel, weil ein solcher Begriff in einer bestimmten historischen Situation allgemeinverständlich (oder eben besonders geheimnisvoll) ist und daher eine große Anzahl Menschen erreichen und beeinflussen kann.140 Diese Potenz unterscheidet die kabbalistische Terminologie allerdings nicht von anderen Sprachen. Sieht man einmal vom sehr allgemeinen und eigentlich Platonischen Prinzip der Vervielfältigung von Bildern bzw. der Reduktion der Vielfalt der Sinnesdinge auf ein einheitliches Prinzip ab, so ergeben sich keine inhaltlichen Affinitäten zwischen kabbalistischer und Nolanischer Sprachlehre.141 Im Begriff des indumentum, also der körperlichen Einkleidung abstrakter Konzepte, stellt Spang eine Affinität zu den Kabbalisten fest;142 dieser auch in der neuplatonischen Metaphysik häufig verwendete Begriff ist allerdings in seiner Allgemeinheit nicht direkt auf die kabbalistische Tradition zurückzuführen.143 Die Verbindung von Lullischer Kunst und Kabbala war im sechzehnten Jahr-

138

Umbris, OL II/1, S. 29 (Sturlese, S. 35 f.); vgl. auch P. R. Blum: Giordano Bruno (1999), S. 28 f. und T. Leinkauf: Einleitung zu BW III, S. XXXIII f. 139 Vgl. M. Spang: Omnia homini similia sunt (2002), S. 204. 140 S. Ricci: Lo Spaccio della Cabala (2003), S. 233 f. 141 M. Spang: Omnia homini similia sunt (2002), S. 201 f. 142 Ders., S. 215–23. 143 Wie M. Spang: Omnia homini similia sunt (2002), S. 218 selbst betont.

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hundert übrigens keineswegs ungewöhnlich; ihr Prototyp wurde im Pseudo-Lullischen Traktat De auditu cabalistico (1518) entwickelt.144 Auch in der Renaissanceliteratur ist die Nähe von jüdischer Geheimlehre und Erinnerungskunst durchaus geläufig; etwa im Gargantua werden solche Vorstellungen in ironischer Weise im Zusammenhang mit dem Narrentum verwendet.145 Die Gedächtniskünste standen außerdem seit dem Mittelalter mit der ars notoria in Verbindung, jener magischen Technik, die in kürzester Zeit den mühelosen Erweb eines Universalgedächtnisses versprach. Diese im wahrsten Sinne des Wortes »notorische Kunst« war bereits durch Thomas von Aquin als dämonisch verurteilt worden.146 Der Baum der Ignoranz Bruno verbindet den hier beschriebenen Schematismus nun noch mit der Darstellung eines (ebenfalls traditionell lullischen) Baumes der Unwissenheit. Dieser wächst aus den himmlischen Wurzeln der zehn Sephirot und bringt irdische Äste der Dummheit hervor. Der Baum ist vom Himmel und dem idealen Eseltum »gelenkt« und zwar »in dem das Eseltum von seinem Archetypus her astrologischen Einfluß« (S. 63) auf die Wurzel der zehn Sephirot nimmt, auf denen dieser Baum der Unwissenheit gegründet ist. Dieser umgekehrte Baum hat nicht nur Anklänge an Platos Timaios (90a–b), sondern auch an Darstellungen des Stammes Jesse aus dem Mittelalter, wo die Sippschaft Christi auch als aus dem Himmel wachsender Stammbaum visualisiert wird.147 Die

144

Vgl. A. B. Kilcher: Ars memorativa und ars cabalistica (2000), S. 216–23 und passim. 145 F. Rabelais: Gargantua (1955), Prolog zum zweiten Buch, S. 189. 146 Vgl. A. B. Kilcher: Ars memorativa und ars cabalistica (2000), S. 226. Es ist eine bittere Ironie der Geschichte, daß Bruno offensichtlich deswegen von seinem venezianischen Dienstgeber Mocenigo bei der Inquisition denunziert wurde, weil dieser vergebens von seinem Hauslehrer verlangt hatte, in eben jene magische Technik eingeweiht zu werden. 147 Vgl. C. Klapisch-Zuber: La genèse de l’arbre généalogique (1993), bes. Abb. 16, S. 74 und Abb.11, S. 69.

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Wurzel des Sephirotbaumes ist daher auf jene Ignoranz in himmlischen Dingen gepflanzt, die Bruno seit jeher verurteilt hat; kein Wunder also, wenn Weisheit und Dummheit in diesem System auf einer (ohnedies fiktiven) kosmologischen Stufe stehen. Solche Eseleien sind ja geradezu emblematisch für die enzyklopädische Dummheit, die versucht, das infinite Universum zu begrenzen. Man kann diese Aussagen in der Cabala nun in zweifacher Hinsicht lesen: Erstens bringt die falsche Metaphysik auch in der Natur des Menschen Dummheit hervor; zweitens kann man mit dem Baum der Unwissenheit allen Nonsense der Welt erinnern. Auch wenn wir uns die Äste auf dem Baum der Unwissenheit ansehen, wird klar, daß diese als Erinnnerungshilfe für die diversen Unsinnsdoktrinen stehen, ja, daß Bruno diese Lehren selbst mithilfe verschiedener Eselsfiguren visualisiert. species a ist die immer verneinende Unwissenheit: ihr gehören die mystischen Theologen und die Kabbalisten an. Figuration: der junge, flüchtige Esel. spezies b ist die immer zweifelnde Unwissenheit: ihr gehören die Skeptiker an. Figuration: die Eselin zwischen zwei Wegen. species c nimmt ohne Beweis alles als bekannt an: ihr gehören die Paulinischen Christen an. Figuration: Eselin und Füllen, die den Erlöser (nach Jerusalem) tragen. Saulino erläutert, daß Species A und C in einem Ast zusammen laufen, bevor sie sich mit Species B zu einem Stamm vereinigen. (S. 63) Bruno hat in der Beschreibung dieses Baumes den Zeitgenossen sehr geläufige wissenschaftliche Darstellungsformen synthetisiert: den Schematismus des finiten geozentrischen Kosmos (er wird schon in der Zueignung mit der Armillarsphäre (S. 11) erwähnt) und den Lullischen Baum des Wissens, eine Universalkombinatorik, die im vorliegenden Fall Unsinn repräsentiert.148 Beide verbindet, daß durch Drehungen

148

Für zeitgenössische Darstellungen vgl. z. B. den arbor moralis in R. Lullus: Arbor scientiae (1515), fol. XlVr.

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auf konzentrisch angeordneten Scheiben bestimmte Buchstabenkombinationen oder Konstellationen der Realität ebenso visualisiert werden können wie diverse Seinshierarchien der Kabbala, der Neuplatonischen Physik und der Peripatetischen Kosmologie. Für Bruno besteht der Nutzen nun nicht in der kosmologischen Valenz dieses Systems per se, sondern in der kreativen Potenz, die das geschulte Gedächtnis mit ihnen besitzt.149 Die von Sebasto beschriebene kosmische Töpferscheibe des göttlichen Handwerkers wird hier zur Leitmetapher einer Universalkombinatorik des Unsinns: Diese ist durchaus sinnvoll als mnemonisches System einsetzbar. Allerdings nur so lange, als man nicht den Fehler begeht, die hier vorgestellte Kosmologie mit der physischen Realität der Dinge zu verwechseln. Ein Meister der Gedächtniskunst könnte sich an dieser Aufzählung intellektueller Laster gleichzeitig die zugehörigen Tugenden merken bzw. diese visualisieren. Diese bereits von Lullus beschriebene Methode des Erinnerns anhand von Gegensätzen hat Bruno in seinen mnemonischen Traktaten theoretisch und im Spaccio an einem praktischen Beispiel ausgeführt, denn hier werden die himmlischen Laster durch Tugenden ersetzt. Diese Überlegungen versetzen uns nun in die Lage, einer der am heftigsten diskutierten Fragen, die sich bei der Lektüre der Cabala stellen, nachzugehen, nämlich der, wie sich Weisheit und Dummheit zueinander verhalten. Wissenschaft und Unwissenheit Die Frage des Verhältnisses von Wissen und Unwissenheit ist eines der zentralen philosophischen Probleme in der Cabala. Frances Yates ging von der Annahme aus, daß Bruno hier durchaus ernsthaft die Dummheit preisen würde; für diese bedeutende Autorin war die Cabala Brunos Version einer docta ignorantia (einer »gelehrten Un-

149

Vgl. auch R. Sturlese: Arte della natura (2000), S. 140, die davon ausgeht, daß die ars memorativa nicht dadurch produktiv wird, weil sie Kopien der Natur anfertigt, sondern indem sie den Menschen befähigt, die Kreativität der Natur nachzuahmen.

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wissenheit«), wie Nikolaus von Kues sie entwickelt hatte.150 Tatsächlich koinzidieren Weisheit und Dummheit bei Bruno wie bei Cusanus sub spezie aeternitatis. Nuccio Ordine hat sich daher bemüht, die dialektische Funktion der Eselsfigur in der Cabala darzustellen. Er kam zu dem Schluß, daß dieses Tier bei Bruno nicht nur mit negativen Eigenschaften besetzt wäre, vor allem weil dem Esel jener Arbeitswille und jene unbeirrbare Zähigkeit eignen würden, die der Spaccio dem otium des Goldenen Zeitalters als genuin menschliche Eigenschaften positiv gegenüberstellt.151 Badaloni hat diese These weiter ausgearbeitet, indem er die Dummheit in die dialektische Unendlichkeitsspekulation des Nolaners einbezieht.152 Vergegenwärtigt man sich nämlich Brunos Doktrin, daß alles in allem enthalten ist, dann ist natürlich auch der Esel Teil des unendlich ausgedehnten Ganzen. Daraus mit Badaloni folgern zu wollen, daß Bruno damit seinen Elitarismus aufgibt und sich zum Advokaten einer integrativen Politik sozialer Kohäsion macht, ist m. E. allerdings zweifelhaft.153 Anders als in den ersten drei Dialoghi italiani liegt Brunos Hauptaugenmerk hier nämlich nicht auf der Beschreibung einer infiniten Kosmologie, in welcher er ein solches Zusammenfallen der Gegensätze – des geistigen und des materiellen Universums – tatsächlich postuliert. Denn in ihrer konkreten Verkörperung im Hier und Jetzt unterscheiden sich die Lebewesen sehr wohl:154 Das bedeutet in der politischen und religiösen Realität, auf die sich die Cabala bezieht, daß die Esel durchaus von den Philosophen unterschieden werden müssen und eine Doktrin der bewußten Wissensverweigerung

150

F. A. Yates: Giordano Bruno (1964), S. 259 f. Vgl. N. Ordine: Philosophie des Esels (1999), S. 75–78 und das gesamte Kapitel 6, welches einer Zitatensammlung gleicht, der die argumentative Struktur weitgehend fehlt. M. A. Granada: Einleitung zu Cabala (1990), S. 30 schließt sich dieser These an. 152 N. Badaloni, Einleitung zu OC VI, S. XXVII–XXX. 153 Badaloni in: OC VI, S. XX f. Zu Brunos Elitarismus vgl. Cena, DI, S. 121 und Infinito, BW IV, S. 32. Für eine übersichtliche Zusammenschau der dialektischen Wendungen, mit denen Badaloni versucht, dem Eseltum Positives abzugewinnen, vgl. S. Ricci: Lo Spaccio della Cabala (2003), S. 218. 154 Siehe dazu auch T. Leinkauf: Einleitung zu BW III, S. LIII und XCI. 151

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enormen Schaden für die Gesellschaft anrichtet. Oder um eine Formel aufzugreifen, die Bruno oft in der Cabala verwendet: Es ist in menschlichen Angelegenheiten desaströs, wie die Esel nicht zwischen »Disteln und Salat« (S. 51) unterscheiden zu können. Vielmehr drängt sich hier die Annahme einer bewußten Verdrehung der Lehre der docta ignorantia des Cusanus durch den Nolaner auf. Auch Ricci und vor allem Gatti, deren Ansatz hier weiter verfolgt wird, haben eine positive Bewertung der Ignoranz in der Cabala grundlegend in Frage gestellt.155 Um es nochmals zu betonen: In der Kosmologie der Cabala (die den Ansatz des Spaccio ergänzt) liegen die Sitze von Weisheit und Eseltum nebeneinander, wie Saulino eindringlich formuliert. Er verteidigt seine These allerdings nicht mit Argumenten, sondern mit biblischen Autoritäten, und er verfällt sogar in den Predigtstil der Deklamation. In Brunos eigenem Verständnis sind das Verfahrensweisen, die nicht zur Glaubwürdigkeit einer Aussage beitragen.156 Wie wäre also die Nähe von Weisheit und Dummheit zu erklären? Nun ist klar, daß solche Gegensätze als benachbart gedacht werden können, um beide Aspekte besser erinnern zu können: Schon Lullus (dessen kombinatorische Kunst Bruno ja weiterentwickelte) hatte auf seinen universalkombinatorischen Rädern Laster und Tugenden nebeneinander montiert,157 und Saulino stellt, wie erwähnt, eine solche Gedächtniskunst in Form eines Baumes der Unwissenheit vor. Das Substrat, auf dem die memoria zu organisieren ist, ist für den Nolaner nämlich 155

H. Gatti: Renaissance science (1999), S. 221; S. Ricci: Lo Spaccio della Cabala (2003), S. 224 f. und S. 233 f. beweist nicht nur ein akutes Sensorium für den ironischen Unterton der Cabala, er betont (wie die bei ihm allerdings unerwähnt bleibende Gatti), daß Bruno ebenfalls in De monade in enzyklopädischer Perspektive religiöse Strömungen wie auch christliche Kabbala diskutiert, ohne dabei deren Lehren zuzustimmen. Bereits F. Sécret: Les kabbalistes chrétiens (1964), S. 290 hat sich skeptisch zu Brunos kabbalistischen Aspirationen geäußert. 156 In Causa, BW III, S. 40 ff. sagt die Persona Armesso denn auch unter anderem, daß sie weder wie Bacchus noch »wie jener betrunkene Eselsreiter« (gemeint ist wohl Christus) sprechen will. Für eine weitere Persiflage auf den Predigtstil vgl. ebd. S. 182 ff. 157 Vgl. z. B. R. Lullus: Ars brevis (1999), S. 4.

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weder nach logischen noch nach physischen Prinzipien ausgerichtet. Wie Bruno im Cantus Circeus ausführt, orientiert sich die Ordnung des Gedächtnisses vielmehr an einer bequemstmöglichen Art, bestimmte Dinge zu erinnern.158 Jene Bilder, die in der Gedächtniskunst verwendet werden, sollen z. B. möglichst die Größe von Menschen haben, und sie müssen sichtbar sein.159 Als Produkte, die in der Phantasie geformt werden, haben diese imagines daher auch keinen Status in der Prädikatenlogik; und man kann folglich auch veraltete Kosmologien als Merkhilfe verwenden;160 wichtig ist es nur, die Verwechslung der Elemente innerhalb eines mnemonischen System zu vermeiden, denn das würde Verwirrung erzeugen.161 In dieser Perspektive hat die Nachbarschaft von Weisheit und Ignoranz also einen praktischen Grund: nämlich besseres Erinnern der Gegensätze durch ihre topische Anordnung.162 Diese macht aber noch keine Aussage über die faktische »Nähe« der Begriffe und kann daher gerade nicht als Beweis dafür herangezogen werden, daß Dummheit und Wissen tatsächlich koinzidieren. Man darf daher nicht (wie Saulino) dem Irrtum verfallen, solche »Eselsbrücken« mit der Realität des konkreten, verkörperten Individuums oder gar der physischen Beschaffenheit des Universums zu verwechseln.

158

In Cantus OL II/1, S. 221 sagt Bruno ausdrücklich, daß die in der ars memorativa verwendeten imagines fiktiven Charakter haben dürfen. 159 Das ist auch der Grund, warum man keine imagines von unendlich großen Objekten verwenden kann. Vgl. Cantus, OL II/1, S. 223 und S. 235. 160 Vgl. Cantus OL II/1, S. 223; Umbris, OL II/1, S. 169 und S. 172 (Sturlese S. 188 und S. 192), wo Bruno ein traditionelles geozentrisches Weltbild und eine in der Sphaera des Sacrobosco zur Darstellung der Klimazonen verwendete Illustration für mnemonischen Zwecke adaptiert. Diese traditionelle Visualisierung findet sich beispielsweise auch in E. de Villena: Tratado de Astrologia (1983), Abb. 1, S. 130. 161 Vgl. Cantus OL II/1, S. 240. 162 Aristoteles bezeichnet diesen Vorgang als Antiperistasis. Vgl. Metaphysik, lib. 1, cap. 12, 348b: ein Fachterminus, den Bruno in Cantus, OL II/1, S. 245 und in Furori, DI, S. 1130 gebraucht. Vgl. auch Aristotles: Topica, lib. 6, cap. 9, 147a, wo der Stagirit betont, daß man durch eine stringente Definition der Wissenschaft auch gleichzeitig die Unwissenheit bestimmt.

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Bedenkt man, daß die im Spaccio und der Cabala entwickelten geozentrischen Kosmologien völlig fiktiver Natur sind (denn das heliozentrische System im Verein mit dem unendlichen Universum hat ja bei Bruno die alten Kategorien aufgehoben),163 dann erscheint Saulinos Postulat von der Nähe (und der daraus abgeleiteten Verwandtschaft) von Weisheit und Dummheit durchaus verständlich, solange er nur ein memotechnisches System beschreibt. Hier ist allerdings nochmals zu betonen, daß bei Bruno eine solche mentale Ordnung nicht notwendigerweise die realen Verhältnisse in der Natur beschreibt, sondern einfach als Erinnerungshilfe dienen kann. Fazit: Saulino, der sich zum (kabbalistischen) Esel macht, darf zwar einen Baum des Unwissens entwerfen, er versteht es aber nicht, ihn auch richtig zu gebrauchen, denn er verwechselt die räumliche Fiktion, die zur Organisation des Gedächtnisses erzeugt wird, mit der physischen Realität des Kosmos. Der Effekt ist verheerend: Saulino ist nicht nur gedächtnisschwach, sondern er hat auch einen falschen Begriff von der Struktur des Universums. Der in der Cabala entwickelte NonsenseBaum kann wohl als Ideengenerator fungieren, ist aber keine Abbildung der realen kosmologischen Verhältnisse und damit auch keine Grundlage für eine wahre Metaphysik: Bruno ist also kein Kabbalist, kein Christ und auch kein Anhänger der Skepsis. Folgt man dieser Lesung der Cabala, so bleibt also von der jüdischen Geheimlehre nicht mehr übrig als die Erinnerung an einen den Ägyptern aufgezwungenen Eselskult, den sie an die Juden weitergegeben haben. Bruno integriert ein längeres Zitat aus Agrippas Occulta philosophia in einen Lullischen Baum der Ignoranz; er fügt drei Eselsfiguren hinzu, die bei der Erinnerung an die verschiedenen konkreten Schulen der Ignoranz als Erinnerungshilfe dienen. Die Botschaft an die LeserIn der Cabala ist klar, sarkastisch und gänzlich unmystisch: der Nolaner versteht es, selbst noch aus solchen Systemen nützliche Merkhilfen zu konstruieren; diese vermitteln gleichzeitig Orientierung im Gewirr der Schulen der Ignoranz.164 Brunos Arbeit ist demzufolge weniger 163

Vgl. M. A. Granada: Einleitung zu Expulsión (1989), S. 50 f., wo allerdings keine direkte Verbindung zu Brunos ars memorativa hergestellt wird. 164 Diese Lesung steht in diametralem Gegensatz zu K. S. León-Jones:

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destruktiv, als sie vielleicht auf den ersten Blick anmuten mag; seine Polemik ist nicht ungeordnet, sondern zielt darauf, die bestehenden Habitus der falschen Propheten und der eitlen Akademiker systematisch bloßzustellen. In diesem Zusammenhang ist es bezeichnend, daß etwa Onorio in seiner (hinreißend komischen) Invektive gegen die Pedanten von Sebasto unterbrochen wird, um seine Kräfte nicht mit Dingen zu verschwenden, die ohnedies allen bekannt sind. Bruno sucht hier offensichtlich nach einer Struktur der Dummheit, um aus ihr – ex negativo – positive Handlungsmaximen ableiten zu können. Dazu gehört die Vorstellung, daß brauchbares, handlungswirksames Wissen gestohlen werden muß: Wie jedes andere verkörperte Ding muß auch das Wissen entwendet werden, damit man es besitzen kann. Die Äpfel vom Baum der Erkenntnis wollen also gepflückt werden. Dazu braucht es geschickte Hände mehr als einen schönen Geist. Das Lob der Hand Das Konzept der Transgression zur Gewinnung von praktisch anwendbarem Wissen spielt in Brunos Philosophie eine zentrale Rolle, wie m. E. zu selten erkannt wurde. Diese Formen der Grenzüberschreitung werden besonders in Brunos Lob der Hand als dem Organ der Organe offensichtlich. Bruno sagt in der folgenden Passage aus dem zweiten Dialog der Cabala nicht mehr und nicht weniger, als daß uns der Intellekt solange nichts nütze, wie dieser nicht mit dem perfektesten Organ, nämlich der Hand, dem Werkzeug der Werkzeuge, ausgestattet ist.

Giordano Bruno and the Kabbalah (1997), die davon ausgeht, daß Bruno Kabbalist war. M. E. vernachlässig León-Jones völlig den ironischen Charakter der Cabala (siehe etwa ebd., S. 125 über Prometheus und ebd., S. 131 zu Balaam). Die Autorin übersieht außerdem, daß Bruno in seinen vorhergehenden italienischen Dialogen eine infinitistische Kosmologie entwickelt hat, die zu den finiten Konzepten des Sephirotbaums in offenem Gegensatz stehen. Eine bösartige Lesung dieses Textes würde nahelegen, daß León-Jones mit der Attraktivität des Begriffs Cabala spielt (und zwar in einer Art, wie es vielleicht schon Bruno manchen seiner Zeitgenossen vorgeworfen hat).

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[…] was wäre, wenn man annähme, daß der Mensch über doppelt so viel Begabung (ingenium) verfügte, wie er hat, und daß ihm der intellectus agens noch viel heller leuchtete, als er ihm leuchtet, und daß mit all dem seine Hände in die Form der zwei Füße verwandelt werden, und im übrigen alles andere völlig normal belassen würde; sage mir, wo das Zusammenleben der Menschen gefahrlos sein könnte? Wie sich Sippschaften und Familienverbände gründen könnten, die […] so beständig wie jene der Pferde, Hirsche, Schweine wären: ohne so von unzähligen [anderen] Tierarten gefressen zu werden und derart größerem und sichererem Untergang geweiht wären? Und wo wären folglich die Gründung der Lehren, die Erfindung der Wissenschaften, die Bürgerversammlungen, die Gebäudekomplexe und vielerlei andere Dinge, die menschliche Größe und Vollkommenheit kennzeichnen und den Menschen zum wahrhaft unüberwindlichen Sieger über die anderen [Tier]arten machen. All dies, wenn Du es aufmerksam betrachtest, orientiert sich nicht vor allem am Diktat der Begabung, sondern an jenem der Hand, die das Organ der Organe ist. (S. 79–81)

Diese Passage hat Fulvio Papi bereits in den späten 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts brilliant analysiert.165 Kultur ist hier das Ergebnis eines Sedimentierungsprozesses, der aus somatischen Naturerfahrungen abgeleitet ist. Bruno postuliert also eine Kontinuität zwischen Natur und Kultur, und der Körper (genauer: die Hand) spielt dabei eine zentrale Vermittlerrolle. Nun ist die Idee, daß die Hand das Organ der Organe oder besser: das Werkzeug der Werkzeuge schlechthin wäre, nicht neu. Schon in Aristoteles De anima kann man im Zusammenhang mit der Aussage, daß die Sinne nicht die Dinge selbst, sondern nur deren Formen wahrnehmen, folgenden Satz lesen. »Daraus folgt, daß die Seele der Hand analog ist: denn so wie die Hand das Werkzeug der Werkzeuge ist, so ist das Denken die Form der Formen und der Sinn die Form der sinnlichen Dinge.« (De anima 3, 8, 432 a) In der Schrift De partibus animalium sagt Aristoteles nicht nur, woher diese 165

F. Papi: Antropologia e civiltà (1968), S. 240; vgl. auch O. Jorn: Corporeità in Bruno (2002), S.165–73; E. Canone: Il concetto di ingenium (1998), S. 25–29.

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Idee kommt, sondern macht auch deutlich, wie er sie verstanden wissen will: Es ist nun die Meinung des Anaxagoras, daß der Besitz dieser Hände die Ursache dafür ist, daß der Mensch unter allen Tieren das intelligenteste ist. Aber es ist vernünftiger anzunehmen, daß der Mensch die Hände wegen seiner überragenden Intelligenz hat. Denn die Hände sind Werkzeuge, und der unabänderliche Plan der Natur bei der Verteilung der Organe besteht darin, jedem Tier das zu geben, was es auch benutzen kann; die Natur handelt hier ebenso wie jeder besonnene Mann. Denn es ist ein besserer Plan, eine Person zu nehmen, die bereits Flöte spielen kann, und ihr eine Flöte zu geben, als eine zu nehmen, die eine Flöte besitzt und ihr die Kunst des Flötenspiels beizubringen. Denn die Natur fügt dem Geringeren das Größere und Wichtigere hinzu, [und nicht umgekehrt. …] Dieses Instrument – also die Hand – ist von allen das in der verschiedenartigsten Weise brauchbare, wurde von der Natur dem Menschen gegeben, jenem Tier, das unter allen Tieren am fähigsten ist, sich die verschiedenartigsten Künste anzueigenen.166

Bei Aristoteles ist die Hand also eine Folge der Vernunftbegabung des Menschen, und das Organ der Organe unterscheidet ihn von allen Tieren. Für Bruno verhält es sich genau umgekehrt: Für ihn »ist die Hand kein teleologisches Attribut der menschlichen Essenz, sondern die körperliche Konkretheit wird zu dem, was wir aus kultureller Perspektive Mensch nennen, weil diese mit einem bestimmten Organ, [der Hand nämlich] ausgestattet ist«.167 Hier erzeugt also nicht der Geist das ihm angemessene und seinem Intellekt untergeordnete physische Organ, sondern die Hand bedingt erst die Genialität des Menschen. Diese Perspektive ist durchaus kohärent mit Brunos allgemeiner Naturphilosophie, denn, wir haben es bereits erwähnt, beim Nolaner gehen die Formen aus dem materiellen Substrat hervor, sie werden von 166

De partibus animalium (1562), lib. IV, cap. 10, 687a, Bd. IV, fol. 189v– 190r (Übers. d. Verf.) 167 F. Papi: Antropologia e civiltà (1968), S. 241.

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und in ihm geboren. Bruno konnte sich hier auf Lukrez und dessen großen Epikuräischen Entwurf einer materialistischen Philosophie beziehen.168 Es lohnt sich, einen Blick in dieses in römischer Zeit verfaßte und Bruno wohlbekannte Epos zu werfen, um zu sehen, wie eindeutig Lukrez gegen Aristoteles polemisiert: Tatsächlich ist nichts in unseren Körpern zu dem Zweck geboren, daß wir in der Lage sein könnten, es zu verwenden; sondern, was immer geboren wird, schafft seine eigene Verwendung (sed quod natum est, id procreat usum). […] Ich bin davon überzeugt, daß alle Glieder existierten, bevor sie verwendet wurden. […] Schlachten wurden von Hand zu Hand geschlagen, Glieder zermalmt und Körper mit Blut entstellt, lange bevor man blitzende Speere schleuderte. […] Davon gänzlich unterschieden sind jene Organe, die zuerst selbst geboren und in der Folge ein mentales Bild ihrer eigenen Funktion (notitia utilitiatis) hervorbrachten. […] Sieh also, Beweis über Beweis, daß Du dem Glauben abschwören mußt, daß sie zum Zweck der Erfüllung einer bestimmten Aufgabe hervorgebracht wurden.169

Also: keine Teleologie des Geistes, kein Intellekt, der sich ein Organ schafft, das seinen Fähigkeiten angemessen wäre. Aber im Gegensatz zu Lukrez war Bruno kein Materialist.170 Für ihn ist der Geist ganz gleichmäßig über die Lebewesen verteilt; lediglich der unterschiedliche Körperbau entscheidet die individuelle Begabung, wie in der folgenden Auseinandersetzung der Cabala verhandelt wird: Sebasto: Was wirst Du von den Affen und Bären sagen, die, wenn Du nicht sagen willst, daß sie Hände haben, jedenfalls kein schlechteres Instrument als die Hand haben? Onorio: Sie verfügen nicht über den Körperbau, der einer solchen Begabung entsprechen könnte, denn die universale Intelligenz kann in ähn168

Ebd. Lukrez: De rerum natura (1973), lib. 4, V. 820–58, S. 356–60. 170 Zu Bruno und Lukrez vgl. M. A. Granada: La reivindicación de la filosofía (2005), S. 85–106. 169

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lichen und vielen anderen Tieren wegen der Schwere oder der Schlüpfrigkeit des materiellen Körperbaues keine so große Empfindungskraft solchen [Lebens]geistern eindrücken; […]. (S. 81)

Bruno betont hier nochmals die somatischen Voraussetzungen der menschlichen Begabung. Die Intelligenz der Tiere ist strukturell nicht von jener der Menschen verschieden.171 Im Spaccio hatte Bruno die Hand und den Intellekt als Geschenk der Götter bezeichnet, das den Menschen zum Menschen macht und vor allen anderen Tieren auszeichnet.172 Die Position der Cabala ist hier radikaler, weil sie die Hand zum ausschließlichen Charakteristikum der conditio humana erklärt.173 Wie bereits in Causa ersetzt hier die jeweils individuelle Kontraktion der Materie das Konzept des Neuplatonischen Auf- oder Absteigens in der Hierarchie des Seins.174 Bruno steht hier im übrigen in offenem Widerspruch zu Marsilio Ficino, der in der Theologia Platonica genau die Meinung vertritt, daß Tiere mit menschenähnlichen Organen von der Natur nicht den notwendigen Geist empfangen hätten, um sich dieser Werkzeuge so bedienen zu können, wie wir das tun.175 Onorio sagt: So ist also über allen Tieren ein aktiver Sinn, also jener, der alle fühlen läßt und durch den alle tatsächlich sinnlich wahrnehmen, und ein aktiver Intellekt, also jener, der alle verstehen läßt und durch den alle tatsächlich intellektuell verstehen, und daneben gibt es so viele Sinne und so viele einzelne passive oder mögliche Intellekte, wie es Subjekte gibt. Und sie existieren in so vielen spezifischen und numerischen Gra-

171

Im Cantus, OL II/1, S. 194 wird die Hand als die mächtigste Waffe des Menschen bezeichnet. 172 Spaccio, DI, S. 733. 173 Arnobius: Adversus nationes (1875), lib. 2, cap. 17 f., S. 61 f. referiert solche Doktrinen in seiner Kritik paganer Anthropologie, die er allerdings verurteilt. Vgl. N. Tirinnanzi in DF, S. 1328 f., Anm. 54; F. Meroi: Einleitung zu Cabala (2004), S. 144, Anm. 54. 174 Causa, BW III, S. 202–6. 175 M. Ficino, Theologia Platonica (2001–6), lib.13, cap. 3, Bd. IV, S. 181 ff.

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den des Körperbaues, wie es spezifische und numerische Figuren und Konstitutionen des Körpers gibt. Sebasto Sagt, was Euch gefällt, und versteht es, wie Ihr wollt; aber ich möchte nicht, daß es mir zur Gewohnheit wird, bei den Tieren den vernünftigen Instinkt Intellekt zu nennen. […] Onorio Wir können auch sagen, eine solche Wirkkraft sei der menschliche Intellekt, durch den der Mensch auf natürliche Weise sprachbegabt ist, und es steht uns frei, ihn zu benennen, wie es uns beliebt, und die Definitionen und Namen von unserer Warte aus abzugrenzen […]. Und es steht mir auch frei zu sagen, daß Euer Verstehen kein Verstehen ist, und von jeglicher Sache, die ihr macht, zu denken, daß sie nicht vom Intellekt, sondern vom Instinkt [verursacht] ist; da nun einmal die Handlungen anderer Tiere, die würdiger sind als die Euren (wie die der Bienen oder Ameisen), nicht als Intellekt, sondern als Instinkt benannt werden. Oder ich werde gar sagen, daß der Instinkt dieser Tierchen würdiger ist als Euer Intellekt. Sebasto […] Du nimmst also an, daß man so, wie man aus ein und demselben Wachs oder anderer Materie verschiedene und gegensätzliche Figuren formt, alle Körper aus der gleichen körperlichen Materie herstellt und [daß] alle Geister aus der gleichen geistigen Substanz bestehen? Onorio So ist es sicherlich; und füge dem hinzu, daß aus verschiedener Proportion, Veranlagung, Ordnung, Maß und Zahl des Körpers und des Geistes verschiedene Temperamente und Konstitutionen hervorgehen, verschiedene Organe hervorgebracht werden und verschiedene Genera von Dingen erscheinen. (S. 83–85)

Soweit Brunos eindringliche Darstellung der verschiedenen Ausformungen von Materie und Körper und Naturalisierung des Menschen.176 Sie steht in offenem Gegensatz zur Instinktlehre des Thomas von Aquin und zu den diversen Lehren von der Würde des Menschen, welche von 176

Vgl. auch M. A. Granada: Einleitung zu Expulsión (1989), S. 73 f., der den Gegensatz dieser Auffassung zur christlichen Lehre von der Erbsünde herausarbeitet.

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den christlichen Neuplatonikern propagiert wurde.177 Und der Nolaner bleibt hier nicht stehen, denn (wir haben es ja bereits angedeutet) die Hand ist an der Grenze, im Niemandsland zwischen Natur und Kultur, sie ist – wie die Psyche im Neuplatonismus – erratische Vermittlerin zwischen materiellen und spirituellen Aspekten. In Brunos philosophischer Anthropologie ist die Hand die Übergangsform zwischen Natur und Zivilisation, weil sie, anders als die anderen Organe, fähig ist, die Ausgangssituationen zu verändern, zu verformen und diese Akte auch zu kumulieren, also schon bereits Geformtes aufs Neue zu transformieren.178 Diese Fähigkeit, ermöglicht und bedingt durch das Organ der Organe, stellt den Menschen außerhalb des Kreislaufs der Natur, allerdings in kein imaginäres Zentrum der Welt und ohne teleologische Perspektive. Nicht sein überrragender Intellekt bestätigt die dignitas hominis im unendlichen Universum, sondern die somatisch fundierte Fähigkeit, auch gegen die Natur handeln zu können.179 Die für den Menschen charakteristische kreative Tätigkeit ist bei Bruno das Ergebnis von Fleiß, Erfindungsgabe und Schlauheit. Diese Eigenschaften stehen in frappierendem Gegensatz zur Muße eines goldenen Zeitalters, welches die Menschen eigentlich vertieren läßt und so nicht zu dem zu kommen erlaubt, wofür sie eigentlich körperlich veranlagt wären: nämlich, sich in komplexen Staatsgebilden zu organisieren und sich dabei kontinuierlich weiterzuentwickeln.180 In der Cabala kommt dieser ethisch-politische Imperativ in der massiven Kritik an den Christen zum Ausdruck, die sich eher passiv um das individuelle Seelenheil sorgen als sich um das Wohl der Allgemeinheit zu kümmern. Brunos Attacken gegen jene Philosophen, die – wie die Skeptiker – die Möglichkeit jeglichen Wissenserwerbes leugnen, zielen in die gleiche Richtung.

177

Vgl. Thomas von Aquin: Summa contra gentiles (1961), lib. 2, cap. 66, Bd. II, S. 201. 178 Ebenso wie der Töpfer im Eingangssatz der Cabala (s. o.). 179 Spaccio, DI, S. 733. 180 Spaccio, DI, S. 807. F. Papi: Antropologia e civiltà (1968), S. 243 betont, daß sich solche Aussagen bei Bruno auch als Polemik gegen die »Guten Wilden« verstehen lassen.

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Im Spaccio leugnet Bruno aber keineswegs, daß die Wirkungen solcher zivilisatorischer Aktivität durchaus ambivalent sein können, ja müssen. Diese auch negativen Folgen sind ein direktes Resultat der speziellen Begabung (virtu ed ingegeno) des Menschen181, der gerade wegen seiner Bedürftigkeit immer neue, wunderbare und entsetzliche Erfindungen hervorbringt. Keineswegs alle Menschen fördern also ihre spezifische schöpferische Begabung: Ganz im Gegenteil, viele nutzen die angeborenen Organe nicht, ja sie bilden sie sogar zurück, wie es Bruno in der folgenden Passage formuliert. Deren beißender Spott richtet sich gegen die Christen und ihre passive Heilserwartungen des Römerbriefes 10,17 mit der Doktrin der fides ex auditu. Was machten sie? Auf welche Seite schlugen sie sich? Sie blieben stehen, sie verschränkten die Arme oder hörten auf, sie zu gebrauchen; sie schlossen die Augen, entsagten jeder [Art] eigener Aufmerksamkeit und eigenen Studiums, verurteilten jedweden menschlichen Gedanken, verleugneten alles natürliche Empfinden, und schließlich hielten sie sich für Esel, und die, die es nicht waren, verwandelten sich in dieses Tier: Sie erhoben, dehnten, spitzten, vergrößerten und bauschten die Ohren auf. Und sie versammelten und vereinten alle Seelenkräfte im Gehör, um nur zu hören und zu glauben wie jener, der sagt: »In auditu auris obedivit mihi [Er gehorchte mir aufs Wort]«. Indem sie so das vegetative, sensitive und intellektive Vermögen zusamengezogen und gefangen hatten, legten sie die fünf Finger in den Block eines Hufes, damit sie nicht wie Adam die Hände ausstrecken können, um die verbotene Frucht vom Baum der Wissenschaft zu pflücken, wodurch sie der Früchte des Lebensbaumes verlustig gehen würden, oder wie Prometheus (der Metapher des gleichen Themas ist) die Hände ausstrecken können, um das Feuer Jupiters zu entwenden und damit das Licht im vernünftigen [Seelen]-vermögen zu entzünden. So kommt es mit unseren göttlichen Eseln, ihres eigenen Empfindens und ihrer Leidenschaft beraubt, so weit, daß sie nichts anderes verstehen, als was ihnen von den Offenbarungen entweder der Götter oder [von] deren Stellvertre181

Spaccio, DI, S. 733.

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tern in die Ohren geflüstert wird, und sie sich folglich von keinem anderen als eben diesem Gesetz regieren lassen. Deshalb wenden sie sich weder nach rechts noch nach links, es sei denn gemäß der Lektion und der Vernunft, die ihnen durch den Strick oder Zügel, die sie beim Hals oder Mund halten, vermittelt wird, und sie laufen nicht anders, als sie angefaßt werden. (S. 65–67)

Das eigentlich Menschlich-Genialische besteht also in der Transgression, im Prometheischen: darin, die Äpfel vom Baum der Erkenntnis zu entwenden, die günstige Gelegenheit, die occasio, beim Schopf zu packen, und zwar zum Wohl der gesamten Menschheit. Das Gegenbild ist geschickt dem Platonismus entwendet: Vertierung oder besser »Verhufung« als Emblem für die nicht ausgelebten materiellen (und nicht: geistigen) Potentiale. Hier ist aber noch eine weitere Polemik versteckt, nämlich gegen die Lehre der Parusie der Christen: Denn zufolge des Briefes an die Philipper (2,5–11) ist Christus ein zweiter Adam, der das Kreuz erträgt und damit die Sünden des Urvaters und der gesamten Menschheit durch Demut tilgt.182 In der – blasphemischen – Perspektive der Cabala ist der Erlöser damit ein Esel, der seine ureigensten menschlichen Veranlagungen zugunsten des blinden Gehorsams (gegenüber einer trügerischen Gottheit!) vernachlässigt hat. (Solche Ironie über den Kreuzestod ist auch aus dem letzen Sonett der Cabala mit dem Titel »An den kyllenischen Esel« abzulesen.) Damit verwundert es nicht, wenn Bruno seinen prometheischen, adamitischen Entwurf einer Anthropologie im Zusammenhang mit seiner radikalen Kritik des Christentums besonders eindringlich formuliert: In falscher Weise verehrt diese Religion nicht die lebendigen Naturdinge als unmittelbare Äußerungen der Gottheit. Diese verkehrte Theologie unterscheidet sich eminent von jenen (wir würden heute sagen, totemistischen) Religionen, welche die Gottheiten nicht in toten Standbildern, sondern in den lebendigen Dingen verehrt, oder, wie Bruno schreibt »Mars nicht nur in der Viper und im Skorpion, sondern auch im Knoblauch und in der Zwiebel« erkennt.183 Der Nolaner ent182 183

In Zusammenhang mit 1 Kor 15,22 und 14,45 und Röm 5,12–19. Spaccio, DI, S. 777 C 631.

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wirft hier eine philosophische Religion, die den materiellen Aspekt des Universums nicht verdrängt, sondern anerkennt, und mit ihm – zum Wohle der Menschen – schöpferisch umgeht. Man solle die Christen doch fragen – heißt es im Spaccio wie in der Cabala – ob ihre fundamentalistischen Aktivitäten zur Schaffung von Akademien, Universitäten, Tempeln, Spitälern, Kollegien, Schulen und anderen Orten der Lehre und der Künste beigetragen hätten.184 Die Lukrezsche utilitas, die »Funktion«, aber auch der »Nutzen« eines Dinges, taucht hier (wieder) als positives Gegenbild zur passiven Erlösungsmetaphysik auf. Prometheus und der Diebstahl von Wissen Diese immanentistische Perspektive auf die conditio humana eröffnet einen weiteren Horizont Nolanischer Philosophie, der sich weder auf die mystische coincidentia oppositorum, den Zusammenfall der Gegensätze, noch direkt auf die Theoreme von Brunos ars memorativa bezieht.185 Nimmt man nämlich an, daß Bruno mit der räumlichen Nähe von Weisheit und Dummheit den dialektischen Prozeß des Umschlages von Nicht-Wissen in Wissen im menschlichen Bereich illustrieren will, ist eine solche Nähe durchaus plausibel. Und zwar, wenn man sich vergegenwärtigt, daß in der Cabala intellektuelles Erfassen als Vorgang dargestellt ist, bei dem Wissen (und Macht) gestohlen werden; paradigmatisch ist hier das Feuer, welches Prometheus den Göttern raubte.186

184

Spaccio, DI, S. 662. Zur coincidentia oppositorum und Brunos Verhältnis zu Cusanus vgl. A. Bönker-Vallon: Einleitung zu BW IV, S. XLVII–LII. 186 R. Trousson: Le théme de Prométhée (1964), Bd. I, S. 88 ff. und S. 116– 20 bemerkt in seiner enzyklopädischen Studie zum Prometheusmotiv in der Literatur, daß diese mythologische Figur in der Renaissance zum Symbol menschlicher Autonomie wird; sie verkörpert den Fortschritt und die positiven, zivilisatorischen Wirkungen der Erziehung. Folgerichtig rückt die Bestrafung des Prometheus aus dem Blickfeld, und der Held wird zum »Prototyp einer metaphysischen Revolte« des Menschen gegen die Gottheit (ebd., S. 120); vgl. auch E. Cassirer: Individuum und Kosmos (2002), S. 98–114; N. Ordine: Philosophie des Esels (1999), S. 141 f. 185

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Um Wissen (und damit Macht) zu erwerben, muß man also den richtigen Moment erkennen, blitzschnell zugreifen und die Beute »mitgehen« lassen. Ein solcher transgressiver Akt setzt physische Nähe und die richtige körperliche Ausstattung voraus.187 In diesem Fall ist es durchaus sinnvoll, von einer Nachbarschaft von Weisheit und Unwissen zu sprechen, denn solcher räuberischer Wissenserwerb illustriert präzise jene schlagartige Veränderung, die in dem Moment wahrnehmbar wird, da man etwas »begriffen« hat. Dieses »Erfassen« ist in der Cabala in durchaus wörtlichen Sinn zu verstehen, denn die kognitiven Akte aller Lebewesen können sich ja nur in einem materiellen Substrat manifestieren. Wie wir wissen, macht erst die Hand, das Organ der Organe, den Menschen unter den Tieren einzigartig (denn der Geist ist ja in allen Lebewesen gleichförmig verteilt). Die Hand ist also das Organ, welches zum Klauen von jenem echten Wissen befähigt, das Macht verleiht. Vergegenwärtigt man sich das Lob der Hand in der Cabala, dann beschreiben diese transgressiven Akte die somatischen, nicht intellektuellen Aspekte des Wissenserwerbes aus der Perspektive des finiten, verkörperten Einzelwesens: Im ursprünglichen Wortsinn »begreift« es durch den prometheischen Raub die Nähe von Wissen und Unwissen. Die von Bruno immer wieder benutzte Metapher, daß man Türen durchschreiten muß, um zur Weisheit zu gelangen, gerät hier zur Anleitung zu Einbruch und Diebstahl.188 Sieht man einmal von der academia di marioli (der »Akademie der Gauner«) in Brunos Candelaio189 ab, wurde und wird solcher transgressiver Wissenserwerb in den hohen Schulen der Gelehrsamkeit normalerweise nicht vermittelt.190 Die Nähe von Wissen und Unwis-

187

N. Badaloni: Einleitung zu OC VI, S. LI f. und S. LVIII betont, daß die Ignoranz die Vorbedingung für den Wechsel ist. 188 Propagiert Bruno hier gnostisches Gedankengut? Im Umfeld des Christentums ist es bezeichnenderweise Simon Magus, der die Paulinische Friedensdoktrin attackiert, indem er die Räuber und Unzüchtigen lobt; vgl. auch A. Rebonato: Icarus, Sophia (2003), S. 137, Anm. 109; siehe auch ebd. S. 121 f. und S. 129–32. 189 Candelaio V, 14, OC I, S. 331. 190 Die für ein diebisches Verhalten notwendige Schnelligkeit der Auffas-

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senheit, Macht und Ohnmacht, Reichtum und Armut behält bei Bruno (ganz im Sinne der akademischen Gauner) jenen materiellen Aspekt der Verwandlung im Blick, der allen Dingen im unendlichen Universum eigen ist.191 Das wird auch durch eine amüsante Verkehrung der Heilsgeschichte deutlich, denn in Matthäus 21, diesem in der Cabala geradezu überstrapazierten Kapitel aus dem Evangelium, wo von den Vorbereitungen Christi Einzug in Jerusalem berichtet wird, entwenden ja die Apostel eine Eselin und ihr Füllen. Zufolge der christlichen Exegese ist durch dieses »Losbinden« die Befreiung des Menschen von der Erbsünde versinnbildlicht; aus der Perspektive der Cabala ist klar, daß die Apostel im Auftrage ihres Herren, eines »falschen Merkurs«, stehlen wie alle anderen auch (allerdings keine Pferde, sondern Esel). An diesem Punkt ist es instruktiv, einen Blick in Ficinos Theologia Platonica zu werfen, denn hier wird offensichtlich, daß aus der Perspektive des christlichen Neuplatonismus Prometheus und Merkur Antagonisten sind. Unter Berufung auf Protagoras 322a–c schreibt Ficino, daß die Menschen nicht ohne Gesetz zusammenleben können. Diese lex kann nicht von jener Vorsehung kommen, die sich in den geschaffenen Dingen findet und die in Prometheus verkörpert ist. Die Menschen müssen vielmehr das Gesetz von Merkur empfangen, d. h. von einem Propheten und Übersetzter des göttlichen und des menschlichen Gesetzes, der von Jupiter selbst entsandt ist. Die Sterne, fügt Ficino hinzu, würden kein göttliches Gesetz vermitteln, denn dieses ist unkörperlich.192 Mit seinem Lob für Prometheus, die Wissenschaft und die Methodik des Diebstahls (oder, wenn man so will, der neapolitanischen

sungsgabe zeichnet übrigens auch Albertino in Infinito, BW III, S. 312 aus; im Gegensatz zum schwerfälligen Peripatetiker Burchio ist er rasch fähig, die alten Grundsätze über Bord zu werfen und Brunos neues Weltbild zu akzeptieren. 191 In der Cena, DI, S. 154–62, beschreibt Bruno eindringlich den kosmologischen Zusammenhang zwischen beständiger Veränderung (vicissitudo) und Materie. 192 Vgl. M. Ficino: Theologia Platonica (2001–6), lib. 14, cap. 9, Bd. IV, S. 296–99; zum Thema vgl. E. Cassirer: Individuum und Kosmos (2002), S.110–14.

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Piazza) verkehrt Bruno dieses Verhältnis in der Cabala in sein völliges Gegenteil.193 Wissen muß also offensichtlich überall gestohlen werden. Bruno hat diesen Begriff des widerrechtlichen Entwendens oft mit venatio sapientiae, der Jagd nach der Weisheit umschrieben, und sich dabei auf Theoreme des Cusaners bezogen.194 Aber wie schon in der Theorie vom unendlichen Universum, das materiell und nicht hypothetisch zu denken ist, ist bei Bruno auch der Aspekt der Jagd, des Diebstahls, der Transgression nicht bloße Metapher, die metaphysische Wahrheiten zum Vorschein bringen oder umschreiben will. Es geht bei Bruno immer um die Rückbindung an das materielle Substrat. Wieder ist das aktive Wissen, die industria, hier dem otium positiv gegenübergestellt. Diese Theoreme finden sich, wie erwähnt, in den Protagonisten der Cabala verkörpert: Es wirft also ein bezeichnendes Licht auf Saulinos mangelhafte intellektuelle (und damit prometheische) Fähigkeiten, wenn er in der Cabala zweimal zu spät kommt, dabei zuerst »wichtige Ausführungen« und schließlich die occasione verpaßt, die Cabala überhaupt zu Ende zu führen. Da ist Onorio schon eine schlauere Bestie; er läßt sich die intelligiblen Spezies von Merkur nicht abnehmen, der ja in der Unterwelt darüber wacht, daß die Seelen ihre Erinnerung verlieren. Hier überlistet ausgerechnet das Tier den Gott der Diebe, und dafür wird es von den Unsterblichen belohnt.195 Gefordert ist also nicht die Geduld 193

In dieses Bild paßt, daß bei Bruno die Ethik in den Bereich der Natur, der konkreten Gegenstände gehört. Vgl. Figuratio, OL I/4, S. 140. Diese Passage hat P. R. Blum: Being a modern philosopher (2002), S. 405–15, bes. S. 413 f. brilliant kommentiert. 194 Zur venatio sapientiae siehe auch E. Canone: Il dorso e il grembo dell’eterno (2003), S. 85. Eine in diesem Zusammenhang wichtige Passage findet sich in Furori, DI, S.1121, wo Bruno betont, daß die erjagte Nahrung das Individuum konditioniert und materiell beeinflußt: Auch hier ist also keinesfalls davon die Rede, daß es nicht notwendig wäre, einen Unterschied zwischen »Disteln und Salat« zu machen, wie das die Esel tun. 195 »Dort wurde ich durch die Macht und den Befehl des Schicksals wieder zum Esel, allerdings ohne die intelligiblen Spezies zu verlieren, um welche der tierische Lebensgeist weder verwitwet noch beraubt worden war.« Die von N. Ordine: Einleitung zu U I, S. 120 und anderswo wortreich festgestellte Ambi-

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des Lasttiers, sondern vielmehr die virtù des Jägers, ein Theorem, das Bruno mit der grotesken Geschichte des (manchmal) schlauen Esels exemplifiziert. Um zu dieser Form der somatischen Erkenntnis fähig zu sein, darf man sich also keinesfalls geduldig von jemand anderem lenken lassen, wie es die Eselchristen tun. Völlig verboten ist es zudem, die eigene Denk- und Wahrnehmungsfähigkeit derart einzuschränken, daß man die Dinge nicht mehr genau unterscheiden kann; in der Sprache der Esel »keinen Unterschied zwischen Disteln und Salat zu machen«. Im Spaccio (DI, S. 733) beschreibt Bruno die Situation folgerichtig so: Zwar sind die Künste und Erfindungen ein Zeichen der Annäherung des Menschen an das Göttliche; ihre Entwicklung wird allerdings durch die Knappheit der Mittel und nicht durch den paradiesischen Überfluß der Güter begünstigt. Um zu effektivem Wissensraub fähig zu sein, gilt es die die Fortuna zu den eigenen Gunsten zu bezwingen. Wie Bruno im folgenden Dialog, den Eroici furori, schreiben wird, erscheint jedem Einzelwesen die Natur in immer verschiedenen Manifestationen. Deswegen ist die Wahrheit aber nicht beliebig, wie die Skeptiker fälschlich annehmen, sondern muß stets in mühevoller Weise und aktiv neu bestimmt werden.196 Im Spaccio beschreibt Bruno diese Art der diebischen Wachsamkeit übrigens nicht ohne sexistische Untertöne: »Vertreibe das Unglück, fasse die Fortuna beim Schopf; beschleunige den Lauf ihres Rades, wenn es dir am günstigsten erscheint; und, um es am Weiterlaufen zu hindern, steck ihm den Nagel hinein, wenn es dir gut erscheint.«197 Wie bereits angedeutet, ergeben sich hier auffällige Verbindungen zu Machiavellis politischem Denken: Auch dieser Autor hatte das Zu-

valenz des Eselsmotivs in der Cabala läßt sich damit sinnvoller auf Merkur beziehen, der ja das genaue Gegenteil des Esels ist. 196 Die ständige Bewegung ist bei Bruno die dem menschlichen Intellekt kongeniale Form, wie E. Canone: Il dorso e il grembo dell’eterno (2003), S. 118 betont. 197 »Scaccia la disavventura, apprendi la Fortuna pe’capelli; affretta quando meglio ti pare, il corso della sua ruota: e quando ti sembra bene, figigli il chiodo acciò non scorra.« (Spaccio, DI, S. 713)

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sammenspiel von virtus und fortuna, das Ergreifen der günstigen Gelegenheit zum zentralen Theorem erhoben und auf die zeitgenössische politische Misere Italiens angewendet.198 Für Machiavelli war sie bekanntlich durch Fremdherrschaft, politische Instabilität vornehmlich durch den nachteiligen Einfluß des Christentums auf das Staatswesen gekennzeichnet. Nun sind diese Parallelen zwischen Bruno und Machiavelli durchaus bekannt,199 ich denke allerdings, daß sie nicht in ihrer vollen Bedeutung für Brunos Denken in Betracht gezogen wurden. M. E. unternimmt der Nolaner in der Cabala den Versuch, diese ursprünglich politischen Kategorien auf eine philosophische Methode der Findung, der inventio von wirkungsmächtigem, von praktischem Wissen insgesamt zu übertragen. So gelesen, wird die Cabala zum positiven Kommentar zu einem für viele Naturphilosophen der Renaissance brennenden Problem: der Suche nach einer neuen Methodik der Findung in den

198

Vgl. besonders Discorsi (2000), lib. I, cap. 11, S. 91–94 und lib. II, cap. 2, S. 296–301; F. Papi: Antropologia e civiltà (1968), S. 269 f. Zu Brunos Elitarismus im Zusammenhang mit der Verbreitung genuin naturphilosophischer Wahrheiten wie der universellen vicissitudo siehe Furori, DI, S. 944 f.; M. Ciliberto: Giordano Bruno (1990), S. 243–57 hat die Verbindungen zwischen Machiavelli und Brunos Vinculis sowie Magia naturale aufgezeigt. Die obige Passage aus dem Spaccio beispielsweise hat deutliche Anklänge an eine vielzitierte Passage in N. Machiavelli: Il Principe (1995), cap. 25, S. 167, wo Fortuna als eine Frauenfigur dargestellt wird, die es liebt, sich gewalttätigen (jungen) Männern zu unterwerfen; vgl. auch N. Ordine: La soglia dell’ombra (2003), S. 110. 199 Siehe dazu z. B. N. Ordine: Einleitung zu U I, S. 106 und 111; M. A. Granada: Giordano Bruno (2002), S. 169–96 gibt eine übersichtliche Einführung in die Thematik, allerdings mit bezug auf den Spaccio. Hier setzt sich Bruno (wie schon Machiavelli: Discorsi, lib. 2, cap.1) für eine rein zivile Religion ein, die der ungebildeten Menge als Identifikationsinstrument und damit als Mittel der politischen Machtausübung sowie als Stabilitätsgarant im Staat dienen kann. Vgl. M. Ciliberto: Giordano Bruno (1990), S. 157 f. und S. 128– 32, S. 248–54, der diese Vorstellungen auch im Hinblick auf die in Vinculis entwickelte theoretische Magie behandelt, und zwar als Technik der psychischen Beeinflußung durch mächtige handlungsmotivierende Bilder.

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Wissenschaften. Aristoteles hatte keine solche Methode für die Invention neuen Wissens hinterlassen, und seine Gegner hatten den Peripatetikern stets vorgeworfen, mit ihren Syllogismen nur bereits bekannte Tatsachen apodiktisch beweisen zu können.200 Die negative Theologie und das Paulinische Christentum weisen im Gegensatz dazu mit ihrer Doktrin von der passiven Erlösung keinen geeigneten Weg zum Erwerb von Wissen und Macht. Daher ist es nur folgerichtig, wenn der Nolaner die mit der platonischen Anamnesislehre einhergehende körperliche Erstarrung (wie Plato sie im Meno beschreibt) verurteilt. Sie verbindet die Platoniker mit der ebenfalls abzulehnenden Doktrin der epoché, der Urteilsenthaltung, die ja ebenfalls polemisches Ziel der Cabala ist. In Brunos von ständiger vicissitudo gekennzeichnetem Universum bleibt eine solche statische Betrachtung oder Wiedergabe von historischem Wissen in jeder Hinsicht unbrauchbar, weil sie sich nicht den ständig wandelbaren physischen Gegebenheiten anpassen kann. Bruno entwickelt in der Cabala also ex negativo eine Anleitung, wie man zu brauchbarem, zu wirkungsmächtigem Wissen kommt: Die industria, der Fleiß, die astuzia, die Schläue, und die transgressiven Akte sind hier von zentraler Bedeutung. Um effektiv zu sein, müssen diese aktiven Qualitäten von einem dynamischen Gedächtnis unterstützt werden, das selbst wiederum auf einem gesteigerten Unterscheidungsvermögen, auf mentaler Präsenz, basiert. Die Karikatur dieser Wissensform findet sich in Onorios zweitem Bericht seiner Himmelfahrten, in dem er ja vorgibt, sich mühelos an alles erinnern zu können, was er je gesehen, erfahren oder erlebt hat. Mit dieser Apotheose des Esels Onorio / Christus /Aristoteles wollen wir uns im folgenden näher beschäftigen.

200

Als Einführung in die Thematik vgl. B. P. Copenhaver und C. B. Schmitt: Renaissance Philosophy (1992), S. 118–22 (zu Zabarella), und ebd., S. 227–39 (zu Ramus). Bruno äußert sich eindeutig negativ über Ramus in Causa, BW III, S. 136.

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Eselchens Himmelfahrten Für die zeitgenössischen LeserInnen bildeten die Berichte von den Höhenflügen des Esels sicher die provokantesten Abschnitte der Cabala. Onorio berichtet, es geschickt vermieden zu haben, in der Unterwelt vom Lethestrom zu trinken, wie das die Seelen normalerweise tun; er täuscht Merkur, der über diesen Vorgang wacht, und wird deshalb vom Göttersenat zum Pegasus erhoben. In folgenden Inkarnationen kehrt er »einmal als Philosoph, einmal als Dichter, einmal als Pedant« (S. 89) auf die Erde zurück und kann sich dabei stets an seine früheren Existenzen erinnern. Onorio berichtet, daß er sich dieses »Vorrecht […] durch Schläue und Zurückhaltung« (S. 97) verdient habe. Die Geschichte vom sagenhaften Aufstieg eines Lasttiers zum geflügelten Gott und von seinen Reinkarnationen als Philosoph weckt Assoziationen an Platonische Texte, griechische Mythen und auch an Christi Himmelfahrt: lauter Narrative, die hier (nur scheinbar) frei miteinander verknüpft werden. Bei aller Ironie, die in der Cabala im Spiel ist, gelingt es Bruno, im Bild von den Himmelfahrten des schlauen Esels mehrere Theoreme seiner Philosophie in satirischer Form darzustellen: nämlich die vicissitudo, die essentielle Gleichheit des Intellekts in Menschen und in Tieren und den prometheischen, den räuberischen Wissenserwerb. Besonders dieser letzte, in der Cabala zentrale Aspekt wird durch den Aufstieg des Esels zum Götterhimmel und die Verwandlung in das geflügelte Pferd illustriert. Es lohnt sich, diese Erzählung und ihre polemischen Absichten genauer zu analysieren, denn wie in einem Knoten laufen darin mehrere wichtige Argumentationsstränge der Cabala zusammen. Da ist zunächst der klassische Mythos von Pegasus: Einmal in den Himmel aufgenommen, diente das geflügelte Pferd als Lasttier für die Blitze des Göttervaters Zeus.201 Bei Horaz steht Pegasus in enger Verbindung mit dem Musenberg; das Pferd wird hier zum Symbol für diese Quelle der ewigen Weisheit,202 ein Aspekt, den Bruno offensichtlich mit großem

201

Hesiod: Theogonie (2006), lib. 5, V. 284 ff., S. 26. Vgl. Horaz: Carmina (1993), lib. 4, carm. 11, V. 27, S. 200; G. Boccaccio: Genealogia deorum gentilium (1998), lib. 10, cap. 27, Bd. VII, S.1012–16. In 202

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Sarkasmus betrachtet, wenn er Pegasus kurzerhand zum Esel macht.203 Es ist auch nicht ohne Ironie, wenn Onorio erzählt, Bellerophon »gedient« zu haben: Dieser Held wollte auf Pegasus in den Himmel reiten, er wurde aber vom Flugtier unterwegs abgeworfen.204 Aus der Perspektive der Cabala ist hier offensichtlich ein Tier zum Prometheus mutiert, denn das in der Seinshierarchie niedrigere Wesen hat die occasione genutzt, seinen Herrn abzuwerfen, um selbst in den Himmel aufzusteigen. Der Esel, Karikatur des Nolanischen Ideals von Prometheus, errät den richtigen Augenblick, um seine eigene Lebenssituation (nicht aber die aller Menschen) zu verbessern. Schon im Candelaio hatte Bruno solche Überlegungen zum Fazit einer zotigen politischen Satire gemacht: Soviel zum Thema: »Omnio rero vecissitudo este.« [Küchenlatein: »Alle Dinge verwandeln sich.«] Und keiner ist ein so großer Esel, daß er die sich bietende günstige Gelegenheit nicht ausnützt.205

»Blinder Esel findet auch manchmal einen Hafersack«, könnte man in Abwandlung eines bekannten Sprichwortes sagen. Daß Bruno ausgerechnet einem Esel die Fähigkeit zur Transgression andichtet, ist von

zahlreichen mittelalterlichen Darstellungen fliegt Pegasus auf den Musenberg. N. Ordine: Philosophie des Esels (1999), S. 92 und Anm. 7 bemerkt, daß der Mythos schon in L. Apuleius: Metamorphosen (1992), lib. 7, cap. 16, S. 189 ironisiert und das Pferd durch einen Esel ersetzt wird. In einen Esel verwandelt, läuft der Protagonist Lucillus so schnell, »als hätte er die Flügel des Pegasus«. Ebd., lib. 9, cap. 8, S. 272 wird Pegasus bei einer Prozession von Anhängern des Isiskultes durch einen alten Esel, Bellerophon durch einen Greis verkörpert. 203 Im Spaccio, DI, S. 754 sagt Bruno denn auch, daß diese Cabalinische Quelle von Rindvieh, Schweinen und Eseln verwüstet wird, und greift damit ein in der Renaissance bekanntes Motiv auf. 204 Ovid: Metamorphosen (1996), lib. 4, V. 785–89, S. 162 schreibt übrigens, daß das Pferd aus dem Blut der Medusa geboren wurde, also selbst Produkt eines spektakulären Transformationsvorganges ist. 205 »A proposito: ›Omnio rero vecissitudo este‹; e nisciuno è tanto grosso asino, che qualche volta, venendogli a proposito, non si serva de l’occasione.« Candelaio II, 4, OC, I, S.143.

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besonderer Ironie, wenn man von einer Lektüre der letzten Seiten des Spaccio ausgeht. Dort beschreibt der Nolaner nämlich eine exakte Inversion der Geschichte vom schlauen Onorio, indem er eine (unter anderen) bei Aelianus in ähnlicher Form überlieferte Sage erzählt.206 Wohl nicht zufällig spielt Prometheus hier eine wichtige Rolle, denn er belädt einen Esel mit Fässern, die das ewige Leben enthalten. Der Held hat dieses kostbare Gut den Göttern gestohlen und macht sich auf, um es den Menschen zu bringen. Durch die große Hitze wird der Esel unterwegs durstig.207 Von der Schlange Hydra wird er an eine Quelle gelockt, wo sich das Lasttier gierig zu tief zum Wasser hinunterbeugt, und die kostbare Ladung fällt so kopfüber zu Boden. Die Fässer zerbrechen, und ihr Inhalt vermengt sich mit dem Quellwasser, aus dem der Esel trinkt: Im Gegensatz zu den Menschen ist das Tier so zwar unsterblich, es wird aber auch mit dem Fluch der Götter belegt. Fortan muß der Esel zur Strafe als geschundenes und verachtetes Wesen von schlechter Nahrung und in Feindschaft mit den (sterblich gebliebenen) Menschen leben. Zudem ist der große Durst des Esels nach reinem Wasser seit der Antike sprichwörtlich;208 das Tier wird daher auch mit dem Dionysiuskult in Verbindung gebracht.209 Daß Bruno die Geschichte vom Esel in der Cabala als ein Vexierbild verwendet, welches das Tier in sein völliges Gegenteil verkehrt (denn einmal in der Unterwelt angekommen, ist der Esel ja weder gierig noch ungeschickt oder unbesonnen), und zudem Onorio noch an zwei Stellen von seinen verschiedenen Inkarnationen berichten läßt, deutet darauf hin, daß der Nolaner hier zentrale Aspekte seiner Philosophie, 206

C. Aelianus: De natura animalium (1959), lib. 6, cap. 51, Bd. II, S. 72 f.; Spaccio, DI, S. 816 f.; vgl. auch N. Ordine: Philosophie des Esels (1999), S. 140 f.; W. Deonna: Laus asini (1957), S. 18 und passim; F. Papi: Antropologia e civiltà (1968), S. 146 liest diese Erzählung auch als eine Satire auf die christliche Heilsgeschichte. 207 Daß die Verstorbenen, durstig, nach einer langen Wanderung durch die Wüste zum Trinken der Lethe gebracht werden, ist schon Bestandteil des Platonischen Mythos von Er (Republik 621a–b). 208 Vgl. Plinius, Naturalis Historia (1967), lib. 8, cap. 68, Bd. VIII, S. 124; W. Deonna: Laus asini (1957), S. 337, mit Literaturhinweisen. 209 W. Deonna: Laus asini (1957), S. 33 f.

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wenn auch unter satirischen Vorzeichen, verhandelt. Sie sollen im folgenden näher dargestellt werden. Aufgrund seiner Schläue unterscheidet sich Onorio grundsätzlich vom idealen christlichen Esel, wie ihn Bruno in der Deklamation der Cabala darstellt: Dieses Lasttier, hier eine Allegorie des idealen Gläubigen, trägt seinen Herrn Jesus brav ins himmlische Jerusalem. Auch die Verbindung zwischen Pegasus und dem Erlöser ist schon in der frühen Patristischen Literatur dokumentiert; so bringt Justinus der Märtyrer (2. Jh.) Christi Einzug in Jerusalem und den Mythos vom geflügelten Pferd in Zusammenhang. Und zwar indem er die Erzählung als bewußte – und dämonisch inspirierte – Darstellung alttestamentarischer Prophetie darstellt. In Jakobs Segen (Genesis 49, 10–11) ist die Rede von einem an einen Weinstock gebundenen Eselsfüllen. Justinus argumentiert, daß die heidnischen Poeten diese Erzählung irrtümlich mit einem Pferdefüllen und der Erzählung von Pegasos und Bellerophon sowie mit dem Bacchuskult in Verbindung gebracht hatten, ohne den eigentlichen Sinn des Textes, nämlich die Prophezeiung Christi Einzug in Jerusalem, erkannt zu haben. Was Justinus besonders erzürnt, ist, daß die heidnischen Poeten den Gott auf einem Esel mit einem Menschen auf einem Pferd verwechselt und damit einen der zentralen Glaubenssätze der Christen verdreht hätten. Dies ist nun eine Bibelstelle, auf die auch Bruno in der Deklamation referiert. Seine Perspektive stellt allerdings eine Inversion der patristischen Lesung des Pegasusmythos dar: In der Cabala sind die Christen dumme Esel, die nicht kapiert haben, daß man selbst versuchen muß, in den Himmel aufzusteigen, anstatt sich von einem potentiell übelwollenden Dämon reiten zu lassen.210 Vergegenwärtigt man sich einen neuplatonischen Text, Macrobius’ Somnuim Scipionis, so werden diese Überlegungen auch in ihrer politischen Brisanz deutlich. Diesem einflußreichen lateinischen Kommentar zu einem Mythos in Ciceros Republica zufolge haben alle großen Staatsmänner, die sich um das Gemeinwohl verdient gemacht haben,

210

Vgl. Justinian: Apologia, lib.1, cap. 54, in: PG 6, Sp. 407–10 und ebd., lib. 1, cap. 21, Sp. 359 f.

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einen Platz im Himmel211 – also genau jene Menschen, deren Qualitäten Bruno in Spaccio und Cabala positiv einschätzt.212 Aus der Perspektive des Somnium Scipionis lesen sich die Himmelfahrten des Esels in der Cabala also als Satire auf die zeitgenössische politische Dekadenz – wenn sogar diese Tiere schon in den Sternen verewigt sind. Der Esel ist daher tatsächlich universell – in allen Lebensbereichen – einsetzbar, wie Bruno ja bereits in der Zueignung der Cabala geschrieben hatte. Der Bezug der Cabala zum Somnium Scipionis ist damit aber noch nicht erschöpft. Macrobius sagt, daß die Regenten der Staatsgemeinschaften (civitatum rectores), obwohl sie verkörpert auf der Erde weilen, dennoch ihren Sitz im Himmel niemals verlassen hätten und diesen auch nach ihrem Ableben ganz mühelos aufgrund ihrer Tugenden wiedererlangen können (quam paene reliquerant, sedem reposcunt).213 Das ist eine Annahme, die auf die Seelenlehre Plotins zurückgeht, der meinte, daß die Seele gleichzeitig im Himmel und auf der Erde sei, alles umspanne und eigentlich stets im himmlischen Bereich verbleibe.214 Wieder liest sich Onorios Bericht wie eine Satire der neuplatonischen Lehre: Wie ich nun, wie schon gesagt, in meiner Eigenschaft als Pegasus in der Himmelsregion weilte, ist es mir durch Bestimmung des Fatums geschehen, daß ich wegen der Hinwendung zu den niederen Dingen […] 211

»Alacrior ad tuendam rem publicam […] omnibus, qui patriam conservarint, adiuverunt, auxerint, certum esse in coelo definitum locum ubi beati aevo sempiterno fruantur.« A. T. Macrobius: Somnium Scipionis (1994), lib.1, cap. 8, S. 36; vgl. auch Phaidros 248d. 212 Im Phaidros 249a werden die Philosophen als die besten Menschen beschrieben, weil sie die Praxis der Philosophie und der Knabenliebe betrieben haben; für Bruno ist die Päderastie ein typisches Kennzeichen der verhaßten Pedanten. Vgl. z. B. Candelaio III, 7, OC, I, S. 181. 213 A. T. Macrobius: Somnium Scipionis (1994), lib. 1, cap. 9, S. 40. Auch M. Ficino: Phaedran charioteer (1981), cap. 8, S. 100–3 geht davon aus, daß die Seele zu ihrem Stern zurückkehren würde. 214 »[…] wir leiten gewissermaßen einen Ausfluß des Oberen in die untere Welt oder richtiger: eine Wirkungskraft, wobei das Obere sich nicht mindert.« Plotin: Enneaden (1956–71), lib. 3, cap. 4, 3, Bd. Ia, S. 302–5.

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verbannt wurde: einmal als Philosoph, einmal als Dichter, einmal als Pedant, wobei ich mein Abbild im Himmel zurückließ; zu dessen Sitz kehrte ich nach jeder Seelenwanderung zurück […]. (S. 89)

Macrobius betont auch, daß die Tugenden die Seele zum Himmel emporheben, während die Laster den Menschen vertieren lassen.215 Derart verkommene Individuen werden dann auch strafweise als jene Tierart wiedergeboren, die am besten zu ihren negativen Eigenschaften paßt.216 In diesem bestialischen Zustand würden die Seelen den Himmel mit allen Kräften vermeiden, den sie durch »Unwissenheit, Täuschung und Betrug flüchteten«.217 Wieder ist Brunos Inversion dieses Vorstellungskomplexes leicht erkennbar, denn auch in der Cabala ist Betrug im Spiel. Hier ist es allerdings nicht die Seele, die sich um ihren Platz im Himmelreich betrügt, weil sie vertiert ist, sondern es ist das Tier, welches durch geschickte Vortäuschung den Aufstieg zu den Göttern schafft. Bruno verkehrt also den für die neuplatonische Tradition negativen Aspekt der Täuschung in einen positiv konnotierten prometheischen Wissenserwerb. Die hier skizzierten intertextuellen Spuren gilt es im Gedächtnis zu behalten, wenn wir uns dem klassischen Platonismus zuwenden: in diesem Zusammenhang hat Eselchens Himmelfahrt Anklänge an den berühmten Mythos der Götterkavalkade im Phaidros 246d–248. Bedingt durch ihre philosophische Veranlagung wachsen nämlich manchen Menschen Flügel, die sie zu den Göttern emporheben. Dieses Gefieder ist ihnen deshalb gewachsen, weil sie sich an das Reich der überhimmlischen Ideen erinnern; aufgrund dieser Fähigkeit nehmen sie die irdische Realität als Abglanz des Ideellen war. Die menschliche Seele wird im Phaidros als Wagenlenker dargestellt, der mit zwei Pfer-

215

A. T. Macrobius: Somnium Scipionis (1994), lib. 1, cap. 9, S. 40. 216 Siehe dazu auch Plato, Republik, 620a–d. 217 »[anima sedem caelestem] […] vel ignorando, vel dissimulando vel potius prodendo deservuit«. A. T. Macrobius: Somnium Scipionis (1994), lib. 1, cap. 9, S. 40. Im Phaidon 81e, auf den sich Macrobius hier bezieht, liest man, daß freßsüchtige, übermütige und trunksüchtige Menschen in Esel verwandelt werden.

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den und einem Flügelpaar ausgerüstet ist. Mit diesen Fluggeräten sind die Menschen fähig, vom Boden abzuheben, um sich der göttlichen Kavalkade, die den Himmel durchstreift, anzuschließen. Allerdings sind die Fahrzeuge der Sterblichen nicht so perfekt wie die der Götter: Anders als diese verfügen die Menschen nämlich über ein schlechtes und ein gutes Pferd, und deshalb gelingt es ihnen auch nur unter großer Anstrengung, mit den Himmelsbewohnern Schritt zu halten. Sie fallen daher oft auf die Erde zurück, vor allem dann, wenn sie das schlechte Pferd, das ihre Leidenschaften repräsentiert, nicht im Zaum halten können. Auf den ersten Blick scheint der platonische Mythos nur entfernt an Eselchens Himmelfahrt zu erinnern, denn davon, daß sich das schlaue Lasttier als Wagenlenker betätigen würde, ist ja nicht die Rede. Doch die allegorische Interpretation dieses berühmten Mythos in der neuplatonischen Tradition der Renaissance läßt die Narrative im Phaidros und in der Cabala verwandter erscheinen, als gedacht. Marsilio Ficinos einflußreicher Commentarium in Phaedrum vernachlässigt nämlich die Erzählung von Wagenlenker und Pferden zugunsten der Flügel, die dem philosophischen Menschen aus dem Kopf wachsen; sie werden hier zum wichtigsten Vehikel für den Aufstieg in die Götterwelt.218 Dieses Gefieder ist den Fluggeräten, die Onorio in der Cabala wachsen, ähnlicher als das Seelengespann im Platonischen Phaidros. Aus einer typisch Nolanischen Perspektive würde sich eher die Vermutung aufdrängen, daß die Flügel des Esels an seinen Flanken, also näher seinem sprichwörtlich imposanten Geschlecht als an seinem Gehirn sind.219 Die Himmelfahrten Onorios und seine diversen Inkarnationen sind daher als Satire auf wichtige Theoreme platonischer Anthropologie zu lesen; Marsilio Ficino und Giovanni Pico della Mirandola sahen den Menschen als einzigartigen Mittelpunkt der Schöpfung. Ficino beispielsweise vertrat die Meinung, daß die menschliche Seele jede Stufe des Kosmos durchwandern und somit auch der irdischen Sphäre ent-

218

M. J. B. Allen: The Platonism of Marsilio Ficino (1984), S. 105 ff. und

S. 111. 219

Zum Seelengefieder bei Bruno siehe auch Furori, DI, S. 973.

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kommen könne.220 Das Flügelpaar, welches dem Wagenlenker aus dem Kopf wächst, bezeichnet er als Intellekt und Wille. Bruno übernimmt diese Allegorie in seinem Traktat Sigillus Sigillorum, sagt aber gleichzeitig, daß die Natur nicht nur Menschen, sondern alle Wesen mit solchem Gefieder ausgestattet habe, die meisten von ihnen es allerdings – wegen der ungeheuren Mühe (fatica) – weder benutzen können noch wollen.221 Auch in diesem Zusammenhang betont der Nolaner also die zentrale Rolle der Mühe im Erkenntnisprozeß, welche er dem otium der Christen positiv gegenüberstellt. Da ist es nur folgerichtig, wenn auch in Spaccio und Cabala die platonische Doktrin vom Erlernen als bloßem Erinnern als Faulheit attackiert wird und Bruno die Ideenschau durch die Berichte des Esels von seinem Aufstieg und der Bibliothek im Himmelreich lächerlich macht. Onorios mühelose Wissenschaft liest sich wie eine Satire auf solche Vorstellungen: Denn einmal im Himmelreich angelangt, genießt der Esel besondere Privilegien, die er auch bei seinen Abstiegen in die Körperwelt nicht verliert. Bis zu jener Zeit, als ich nach dem Willen des Göttersenats mit den anderen Tieren hinabwandern mußte, wobei ich nur den Abdruck meiner Wirkkraft oben ließ: dort komme ich, durch Gunst und würdige Gewogenheit der Götter, von meiner Bibliothek geschmückt und umgeben an, wobei ich nicht nur die Erinnerung an die denkbaren, sophistischen, scheinbaren, wahrscheinlichen und beweisenden Spezies mitbringe, sondern weiter die Urteilskraft, jene, die richtig sind, von

220

M. J. B. Allen: The Platonism of Marsilio Ficino (1984), S. 96. Siehe dazu auch M. Ficino: Theologia Platonica (2001–6), lib. 13, cap. 4, Bd. IV, S. 186–89, wo dieser Autor feststellt, daß die ständige Zustandsveränderung und die kontinuierlich wechselnde Aufmerksamkeit auf verschiedene Objekte ein Charakteristikum der menschlichen Seele ist, die sich zwar hic et nunc für eine bestimmte Tätigkeit entscheidet und diese auch leidenschaftlich verfolgt, sich aber in dem Augenblick, wo der Instinkt vergeht, neuen Aufgaben zuwendet; das erlaubt es den Menschen, freier zu agieren als die Tiere. 221 M. Ficino: Phaedran charioteer (1981), S. 76 f.; ders.: Theologia Platonica (2001–6), lib. 14, cap. 3, Bd. IV, S. 246–9; Sigillus, OL II/2, S. 163.

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den anderen, die falsch sind, zu unterscheiden. Und weiter: von jenen Dingen, die ich in verschiedenen Körpern mit verschiedenartiger Säftemischung durch mehrere Arten von Wissenschaften erfaßt habe, behalte ich auch die physische Beschaffenheit im Gedächtnis; und viele jener anderen Wahrheiten, zu denen sich der Weg ohne den Dienst der Sinne durch die reine, intellektuelle Schau eröffnet. Und sie entgehen mir nicht, wie sehr ich mich auch in dieser Haut und in diesen Mauern [des Körpergefängnisses] eingeschlossen finde, in denen wir gewöhnlich durch die Pforten der Sinne (wie durch ganz schmale Öffnungen) irgendwelche Spezies der Wesen betrachten können; so steht es uns andererseits frei, den ganzen Horizont der natürlichen Formen klar und offen zu sehen, wenn wir uns außerhalb des [Körper]gefängnisses befinden. (S. 97–99)

Onorios Phantasievorstellung von einer »totalen Erinnerung« an die körperlichen Spezies liest sich als eine doppelte Parodie: Einerseits nimmt Bruno hier die Seelenlehre Plotins aufs Korn, wonach man die Bilder der konkreten Einzeldinge beim Aufstieg in die Welt der Ideen eigentlich hinter sich zu lassen hätte, also ganz das Gegenteil von Onorios Behauptungen.222 Andererseits ist diese Passage als pointierte Satire auf empirische Wissenschaft lesbar, die ja durch bloße Anhäufung von Fakten zu neuen Erkenntnissen gelangen will. Im Bild vom Tier, das (hier übrigens ganz platonisch) unfähig zur Abstraktion ist223 und daher wie ein Packesel Wissen in Regionen trägt, wo es in dieser Form gar nicht nützlich sein kann, ist daher m. E. auch als Kritik am Aristotelischen Empirismus (z. B. in den endlosen Aufzählungen von verschiedenen Tieren in den libri naturales des Stagiriten) zu lesen.224 Die Peripatetiker erscheinen hier als jene Erbsenzähler, die vermeinen, durch 222

Plotin: Enneaden (1956–71), lib. 4. cap. 3, 32, Bd. IIa, S. 243. 223 Vgl. Phaidos 249b–c. 224 Bruno polemisiert hier wohl auch gegen jene zeitgenössischen Empiriker wie etwa Giambattista della Porta und andere »Professoren« der sogenannten secreta Literatur, die vermeinten, durch ihre aus allen Bereichen zusammengetragenen Geheimrezepte praktisches Wissen (und damit Macht) einfach anhäufen zu können; vgl. W. Eamon: Science and the Secrets of Nature (1994), S. 134–67.

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die unreflektierte Anhäufung von Spezies zur wahren Wissenschaft zu gelangen. Die wahllose Ansammlung solcher mentaler Bilder in der »himmlischen Bibliothek«, von der Onorio berichtet, erzeugt also nur totes Wissen, das im Hier und Jetzt keine Anwendung finden kann. Der schlaue Onorio kann damit allerdings zum (nicht minder eselhaften) Philosophen Aristoteles mutieren, wenn er nur die Gelegenheit nutzt; so wie er sich als Esel den Status des Götterpferdes erschlichen hat, mag das Tier auch als Philosoph durchgehen: Und nachdem mit Sokrates Tod, Platos Verbannung und der Vernichtung anderer [Philosophenschulen] auf andere Arten die Kenntnis der Philosophie erloschen war, blieb ich allein als Einäugiger unter Blinden. Und so war es mir ein Leichtes, nicht nur als Rhetoriker, Politiker und Logiker, sondern auch als Philosoph Ansehen zu erlangen. (S. 89)

Ein weiterer provokanter Aspekt von Eselchens Himmelfahrt besteht darin, daß Platon zufolge Tierseelen keinesfals in menschlicher Form inkarniert werden können. Sie sind daher auch nicht in der Lage, in den Himmel aufzusteigen, weil ihnen die Fähigkeit zur Abstraktion fehlt. Nur Menschen können nämlich die abstrakten Spezies und Kategorien denken, denn nur sie hatten einst Gelegenheit, im Gefolge eines Gottes das Reich der Ideen zu schauen. Wer in den folgenden Leben vertiert ist, kann sich daher – nach einigen schmerzhaften Reinkarnationen – dazu entscheiden, die ursprüngliche menschliche Gestalt wieder anzunehmen.225 Auch Ficino betont den Unterschied zwischen humaner und animalischer Lebensform besonders häufig; als christlicher Neuplatoniker bezweifelt er überhaupt, daß sich Menschen tatsächlich in Tiere verwandeln können.226 In Ficinos Phaidroskommentar wird

225

Vgl. Phaidros 249 B–C. 226 M. Ficino: Phaedran charioteer (1981), S. 172 f. wiederholt die platonische Vorstellung, daß die Tiere nicht als Menschen reinkarniert werden können, weil sie die Ideen nie geschaut haben und daher weder Spezies noch abstrakte Konzepte aus den Einzeldingen ableiten können. Ficino wendet sich ausdrücklich gegen die Vorstellung, daß Menschen überhaupt die Spezies wechseln – also als Tiere wiedergeboren werden – können, und dagegen, daß

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der Wagenlenker zum wahrhaft kosmischen Wesen, das Mensch, Tier und Flugwesen verbindet, und somit zum Symbol des »Neuen Menschen«.227 Dieser homo novus hat genau jene körperlichen Qualitäten, über die sich Bruno angelegentlich der Persona Christi im Spaccio lustig macht; hier nämlich ist der Zentaur Orion eine Figuration von Christus. Onorio, der ja auch Tier, Mensch und (Esels-)Gott in einem ist, kann daher als Brunos pointierte Karikatur der hehren Ideale christlicher Neuplatoniker gelesen werden.228 Wie wir gesehen haben, revidiert Bruno diese anthropozentrischen Vorstellungen dahingehend, daß alle Wesen dem kontinuierlichen Wandel unterworfen sind und daher in der temporären Hierarchie der Dinge auf- und absteigen, je nachdem, ob sich das Rad der Fortuna zu ihren Gunsten bewegt oder nicht.229 Diese dynamische Konzeption des Universums macht aber nicht nur die platonische Anthropologie – speziell das Theorem von der Einzigartigkeit des Menschen – obsolet. Zumindest in der Cabala ist auch die Ideenlehre keine praktikable Theorie darüber, wie man

jede Seele in jedwedem Körper existieren könne; vgl. auch ders.: Theologia Platonica (2001–6), lib. 17, cap. 4, Bd. VI, S. 46–63. Hier war Plotin allerdings durchaus akzeptables Vorbild für Bruno; denn als einziger unter den Platonikern ging er davon aus, daß völlig stumpfsinnige Menschen sich nicht nur in Tiere, sondern sogar in Pflanzen verwandeln würden. Gleichzeitig sagt er, daß, wer die Bürgertugenden ehrt, wieder zum Menschen wird; vgl. Plotin: Enneaden (1956–71), lib. 3, cap. 4, 2, Bd. Ia, S. 300 f. 227 Vgl. M. J. B. Allen: The Platonism of Marsilio Ficino (1984), S. 94 ff. und S. 105–11. 228 Bei Ficino sorgt das schwarze Pferd der Götter für die Menschen und einte somit den Kosmos; hier ist vielleicht Christus als Inkarnation des Logos gemeint; vgl. M. J. B. Allen: The Platonism of Marsilio Ficino (1984), S. 96. Dies legt die Vermutung nahe, daß Bruno mit seiner Cabala in bewußter Abhebung von Ficino eine Apologie auf das schlechte Pferd im Platonischen Mythos schreiben wollte. 229 Bruno beschreibt nicht nur in der Cabala, sondern auch im Cantus Tiere, die eine Menschengestalt usurpiert haben; sie werden von Circe, der Natur, in die ihnen eigentlich kongruente Form rückverwandelt; vgl. Cantus, OL II/1, S. 186 und S. 193, 207 f.; Spaccio, DI, S. 559; M. Ciliberto: Ruota (1986), S. 79–83.

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zu wirkungsmächtigem Wissen kommt. Auch im Sigillus beschreibt Bruno ausführlich, daß die Erinnerung die kollektive Anstrengung des ganzen mentalen Apparates beansprucht; daß man sich nicht durch die mannigfaltigen Spezies von der synthetischen Leistung des Intellekts ablenken lassen soll. Dies würde nur zu Verwirrung und nicht zur Essenz der Dinge führen, die nur in Spuren erkannt werden kann.230 Es ist nämlich gerade diese synthetische Leistung des Bewußtseins, die das Individuum denk- und handlungsfähig macht: Denn wer die Einheit nicht ordnet, sucht, versteht und hervorbringt, ordnet nichts, sucht nichts, versteht nichts und bringt nichts hervor; wer vom vielfachen Sinn und von den vielfachen Schritten der Erkenntnis nicht zum Verständnis eines einfachen Sinns und einer einheitlichen Erkenntnis kommt, besitzt keinen Sinn, keine Erkenntnis; wer diese [Einheit] schließlich nicht erkennt und nicht durch sie wirkt, erkennt und bewirkt nichts.231

Diese Fähigkeit zur aktiven Synthese der mannigfaltigen Erscheinungen ist aber nur ein Aspekt des kognitiven Prozesses: dieser wird nämlich auch nachhaltig durch die körperlichen Voraussetzungen des Individuums bedingt. Wie erwähnt, wächst das Seelengefieder allen Lebewesen, aber die meisten werden von der großen Mühe abgeschreckt, es zum Fliegen zu benutzen. Wenn Onorio in obigem Zitat eine (mühelose) Form der totalen Erinnerung imaginiert, so läuft diese Vorstellung Brunos Gnoseologie diametral entgegen: Denn für das finite Wesen im unendlichen Universum bleiben die verschiedenen Arten von

230

Sigillus, OL II/2, S. 170 ff. 231 »Qui enim non disponit, quaerit, intelligit et facit unum, nihil disponit, nihil quaerit, nihil intelligit, nihil facit; qui ex multiplici sensu et multiplici cognitionis gradu unum sensum simplicemque unam cognitionem non est adeptus, nullum possidet sensum, nullam cogitationem; qui tandem ipsam non cognoscit et per eam non operatur, nihil cognoscit et nihil operatur.« Sigillus, OL II/2, S. 180; vgl. auch Causa, BW III, S. 264; E. Canone: Il dorso e il grembo dell’eterno (2003), S. 95–99. Aristoteles: Topica, lib. 4, cap. 5, 125b betont übrigens ebenfalls den aktiven, nicht-habituellen Charakter der Erinnerung.

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Wissen[-schaft] stets fragmentarisch; sie sind durch die verschiedenen körperlichen Zustände gebrochen, welche die Seele hinreißen und trunken machen. Schon im Eingangssatz der Cabala illustrierte Bruno mit der Metapher des Handwerkers, daß Kunst und Wissenschaft stets fragmentarisch, zeitbedingt und vor allem: mit dem Körper verbunden bleiben (siehe oben). Wieder lesen sich einige Schlüsselstellen aus Plotins Enneaden als Vexierbild dieser Auffassung: Für den Neuplatoniker der Spätantike sind diese Abstiege in die Körperwelt ambivalent, und zwar weil die Seele hier mit den (negativen) Eigenschaften der Körperwelt konfrontiert wird. Aufgrund mangelnder Abstraktionsfähigkeit müssen deren mindere Qualitäten sozusagen am eigenen Leib erfahren werden. [Die Seele … ] hat ja auch die Möglichkeit des Wiederaufstieges und hat dann hinzugewonnen die Kunde von den Dingen, die sie hienieden sah und erlebte, hat erfahren, was es eigentlich heißen will, in der oberen Welt zu leben, hat gleichsam deutlicher das Höhere erkannt durch den Vergleich mit dem Gegenteil. Denn erst die Erfahrung des Schlechten gibt denjenigen eine deutliche Erkenntnis des Guten, deren Kraft zu schwach ist, das Schlechte durch reine Wissenschaft vor aller Erfahrung zu erkennen.232

Was für Plotin der Erweb (und die folgende Zurückweisung) schlechter Eigenschaften ist, steht bei Bruno für den prometheischen, den transgressiven Wissenserwerb mit seinen charakteristischen ambivalenten Folgen. Stasis, wie sie die Platoniker mit ihrer Lehre von den unveränderlichen Urbildern, wie sie die Skeptiker und andere Esel mit ihrer Wissensverneinung predigen, bedeutet für den Nolaner einen unnatürlichen Zustand im mobilen Universum. Die Vorstellung eines passiven Wissenserwerbes durch bloße Ideenschau findet ihr kongeniales Echo bei den Paulinischen Christen, die durch bloßes Hinhören des Himmelreiches anteilig werden wollen. 232

Plotin: Enneaden (1956–71), lib. 4, cap. 8, 4, Bd. Ia, S. 136–39; vgl. auch lib. 4, cap. 8, 5, Bd. Ia, S. 140 f.; lib. 4, cap. 8, 6, Bd. Ia, S. 144 f.; lib. 4, cap. 8, 40, Bd. Ia, S. 147.

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Betrunkene Seelen Brunos intelligenter Schabernack liest sich also wie die völlige Inversion ehrwürdiger (neu)platonischer Psychologie; er glaubt offensichtlich nicht daran, daß die konsekutiven Seinsformen, die eine Seele durchläuft, etwas mit Belohnung oder Strafe zu tun haben; diese Inkarnationen sind vielmehr dem universellen Gesetz der vicissitudo unterworfen, sie sind kontingent und abhängig von den jeweiligen Kontraktionen der Materie, welche die Seele in verschiedener Weise »berauschen«. In der Cabala kommt daher immer wieder die positiv gewendete Metapher von der durch die Materie verursachte Trunkenheit der Seele vor: als Inspiration, die den Künstler hinreißt, und als Stoff, vor dem selbst Augustinus nicht sicher ist.233 Wie erwähnt, spielt Bruno auf dieses Konzept bereits im Eingangssatz der Cabala an, wo er es mit verschiedenen Kontraktionen der Materien in Verbindung bringt, die den Handwerker zu verschiedenen Leistungen befähigen. Diese Metapher hat eine lange Tradition in der Geschichte des Platonismus; hier wird sie allerdings unter negativen Vorzeichen verwendet. Aus platonischer Sicht hat der Abstieg der Seele in die Körperwelt katastrophale Folgen, denn die Seele berauscht sich an der Materie, von der sie sich angezogen fühlt, und vergißt ihren ideellen Ursprung.234 Beispielsweise Macrobius beschreibt den negativen Einfluß der Materie auf die Seele als Trunkenheit:235 Sie ist eine Metapher für den »Ansturm der Materie«, durch welchen die Seele die ideellen Formen vergißt, und zwar, um so mehr sie von der Materie aufnimmt (oder vom Lethestrom trinkt).236 Die göttliche Wahrheit ist jenen Menschen in

233

»Der gelehrte Augustinus, sehr trunken von diesem göttlichen Nektar, bezeugt in seinen Soliloquii [Selbstgesprächen], daß eher die Unwissenheit als die Wissenschaft zu Gott führt und die Wissenschaft eher als die Unwissenheit in die Verdammnis führt.« (S. 69) 234 Meno 81b–86c; Phaidon 79c spricht vom trunkenen Taumel der Seele, wenn sie die Körper sinnlich betrachtet, indem sie sich des Körpers bedient, anstatt in sich selbst Einkehr zu halten. 235 A. T. Macrobius: Somnium Scipionis (1994), lib. 1, cap. 12, S. 49. 236 Ebd.

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größerem Ausmaß zugänglich, die weniger von den Wassern des Vergessens aufgenommen haben, weil diese sich am besten an die überhimmlischen Ideen erinnern können, da sie dem durch die Materie verursachten Rausch entgehen. Die Seelen verfügen daher auch über unterschiedliche intellektuelle Begabung und zwar je nachdem, wieviel sie von diesen Wassern trinken.237 In der Cabala ist diese Vermischung mit der Materie allerdings nicht prinzipiell negativ zu bewerten, sondern bedeutet gerade die Verwirklichung des einen konkreten Individuums – sei es Mensch oder sei es Esel. […] denn die universale Intelligenz kann in ähnlichen und vielen anderen Tieren wegen der Schwere oder der Schlüpfrigkeit des materiellen Körperbaues keine so große Empfindungskraft solchen [Lebens]geistern eindrücken […]. (S. 81)

Bruno bezieht sich hier auf eine traditionelle Annahme, derzufolge die Materie wohldisponiert sein muß, um eine komplexe (Seelen-)form aufnehmen zu können. Folgerichtig bezeichnet er Lethe als Humor – als jenen Körpersaft – , der die individuelle Gestalt und die Fähigkeiten des Individuums aktualisiert oder hervorbringt.238 Dieser Position, derzufolge die Materie eine positive und konstitutive Rolle innehat, steht die neuplatonische Körperfeindlichkeit diametral gegenüber, wie ein weiterer Blick in den Somnium Scipionis erkennen läßt.239 Aber 237

Ebd. in Anlehnung an Timaios 43a ff. Auch Ficino: Theologia Platonica (2001–6), lib. 17, cap. 3, Bd. VI, S. 274–77; ebd., lib. 14, cap. 7, Bd. IV, S. 274–77 ist dieser Ansicht. Die Vorstellung ist bereits im Mythos von Er in Platons Republik (621a) angelegt. Dort ist davon die Rede, daß manche Seelen unfähig sind, auf sich selbst acht zu geben, und daher mehr, als ihnen gut tut, vom Lethestrom trinken, wodurch sie stumpfsinnig werden. Im Phaidros (250a) schreibt Plato, daß manche Seelen nur einen kurzen Blick auf die Ideenwelt genommen hätten und daher intellektuell beschränkt wären. 238 Lethe wird auch bei M. Ficino: Theologia Platonica (2001–6), lib. 14, cap. 7, Bd. IV, S. 277 als Körpersaft (Humor) bezeichnet. 239 Wie in Onorios Erzählung ist auch hier der Körper ein Gefängnis, das die Erkenntnisfähigkeit behindert. Vgl. A. T. Macrobius: Somnium Scipionis (1994), lib.1, cap. 10, 6 f., S. 49; O. Jorn: Corporeità (2002), S. 175–79.

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Materie ist nicht einfach gleich Materie; wie bei allen anderen Dingen gibt es auch hier qualitative Unterschiede. Macrobius schreibt in diesem Zusammenhang folgendes: Denn es ist jene Materie (hyle), die, versehen mit dem formgebenden Eindruck der Ideen (ideis impressa), die ganze Masse (molis) des Universums, das wir überall um uns sehen, geformt hat (formavit). Der höchste und reinste Teil davon, der himmlische Bereich, ist von ihm abhängig in Erhaltung und Existenz und wird Nektar genannt; man glaubt von ihm, daß er der Trank der Götter ist; wohingegen der niedrige und trübe Teil für den Trank der Seelen gehalten wird; und das meinten die Alten mit dem Lethestrom.240

Ficino spricht von der Notwendigkeit, sich vom Lethestrom zu reinigen und zu himmlischer Nahrung, dem Nektar der Götter, überzugehen; das wäre der allegorische Sinn der Platonischen Götterkavalkade.241 Wieder findet sich in Onorios Erzählung eine amüsante Verdrehung dieser Theoreme, wenn er berichtet, daß er – »aufgrund einer bestimmten Leidenschaft, die ich durch sie, wie von Nektar trunken [und nicht von Lethe],242 entwickelte«, immer wieder auf die Erde zurückkehren mußte (S. 89). Ficino erklärt außerdem, daß die von grober Materie gereinigte Seele zunächst die himmlische Bewegung der Sterne und in der Folge sogar die überhimmlische Bewegung der Engel mitvollziehen kann. Mit diesen göttlichen Wesen regiert sie (von dem ihr affinen Gestirn aus) die Welt: in der noch nicht restlos entkörperten Seinsform der Sterne dis-

240

A. T. Macrobius: Somnium Scipionis (1994), lib. 1, cap. 12, S. 49 f. 241 Phaidros 246d – 248e; vgl. M. Ficino, Theologia Platonica (2001–6), lib. 18, cap. 8, Bd. VI, S. 128. 242 Bruno kannte den Unterschied sehr gut, wie aus Causa, BW III, S. 42 hervorgeht. Vgl. auch Furori, DI, S. 945, wo von der »figura de le anime che si bagnano ed inebriano di Lete« gesprochen wird. Im Gegensatz zu Onorios Aussagen bezeichnet Bruno hier die durch den Lethestrom verursachte Trunkenheit als Metapher für Vergessen und Blindheit; diese Mängel werden durch das Gesetz des Werdens und Vergehens aller Dinge bewirkt.

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kurriert (umläuft) die Seele mit natürlichem Verstand die Spezies der Dinge; wenn sie mit den Engeln bei den überhimmlischen Göttern ist, gibt sie sich der zeitlosen Idenschau hin. In Sigillus Sigillorum zitiert Bruno diese Passage mit deutlich ironischem Unterton:243 Zudem ist in der Cabala Ficinos poetische Vision vom Schicksal der Seele im himmlischen und im ideellen Bereich im Zerrspiegel von Onorios Aussagen zu abstraktem und konkreten Eseltum reflektiert.244 Ausgerüstet mit diesem Hintergrundwissen sind wir nun in der Lage, den ironischen Charakter der Erzählung Onorios in der Cabala zu verstehen: Als ich also den glücklichen Gefilden entkam inmitten der Menge, deren höchster Führer Merkur war, ohne von den Wellen des reißenden Lethestromes geschlürft zu haben, tat ich so, als ob ich in Gesellschaft der anderen von diesem [Körper]saft (umore) tränke. Ich tat aber nichts anderes, als mich ihm zu nähern und ihn mit den Lippen zu berühren, damit die Umstehenden getäuscht würden, denen es genügen konnte, meinen Mund und mein Kinn naß zu sehen. (S. 75)

Indem Onorio es vermeidet, vom Lethestrom zu trinken, steigt seine Seele körperlos zu den Göttern auf; der Vorgang scheint für den einstigen Esel völlig mühelos zu sein. Diese Vorstellung widerspricht eindeutig Brunos Konzept von der fatica: Für den Nolaner ist geistige und körperlichen Anstrengung unerläßlich, wenn man Bedeutendes erreichen will.245 Die Leichtigkeit, mit welcher der Esel vorgibt, sich an alles

243

Sigillus, OL II/2, S. 162. Agrippa von Nettesheim: De Vanitate (1608), S. 244, schreibt in einer ähnlichen sarkastischen Passage »Aber leider wurde durch die Sünde unserer Ureltern alles verhüllt, und das Vergessen, die Mutter des Nicht-Wissens, griff um sich. Wenn ihr es vermögt, so nehmet doch […] den Schleier eures Verstandes weg, speit den todbringenden Trank aus, mit dem ihr euch selbst durch Vergessen berauscht habt, erwacht aus eurem törichten Schlaf und kommt zum wahren Licht, denn ihr seid gesalbt vom Heiligen Geist.« Übers.: Agrippa von Nettesheim: Über die Fragwürdigkeit (1993), S. 261. 245 Vgl. Sigillus, OL II/2, S. 163. 244

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erinnern zu können, steht ebenfalls in pointiertem Gegensatz sowohl zu Brunos Theorie der Gedächtniskunst als auch zu den in den Furori vorgestellten Doktrinen vom Aufstieg der Seele: denn hier wird das Individuum angesichts der Totalität der infiniten Gottheit ausgelöscht. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß Bruno in der Fabel vom schlauen Esel, der durch die Materieverweigerung zum Gott wird, die Platonische Anamnesislehre attackiert: ihrzufolge ist jedes Lernen Wiedererinnerung. Bruno wendet sich offensichtlich deshalb gegen dieses zentrale Theorem der platonischen Erkenntnislehre, weil aus der Perspektive der Cabala der Bereich der überhimmlischen Ideen für das verkörperte Individuum weder erfaßbar noch nützlich ist. Zu einfach wäre die bloße passive Ideenschau, um mit ihr tatsächlich relevantes Wissen zu gewinnen. Diese Form der Wiedererinnerung ist außerdem offensichtlich zu nahe an der unreflektierten, kritischen Übernahme jener Glaubensätze, die »von oben kommen«: Zu ähnlich ist die venerable platonische Anamnesislehre jenen Dogmen der christlichen Fanatiker, die Bruno attackiert. Es ist also nicht von ungefähr, wenn Bruno in II/3 den Platonischen Meno erwähnt; wie den Skeptikern und den dummen Christen wirft er auch den Platonikern vor, sich einfach zurückzulehnen, sozusagen die Augen zu verschließen (und auch alle andere Wahrnehmung tunlichst zu unterlassen), um auf jede eigenständige, relevante (und somit hart erarbeitete) Erkenntnis zu verzichten. Ziel seines Spottes ist hier nicht nur die Annahme, daß ewige Wahrheiten sozusagen im Schlafe erworben werden können. Der Nolaner nimmt hier auch die aus solchen Theoremen resultierende Laxheit und jenen Autoritätsglauben der Menschen aufs Korn, der von schlauen Eseln und übelwollenden Göttern gefördert wird. An diesem zentralen Punkt wird also klar, daß die zumindest implizit körperfeindliche Anamnesislehre der Epistemologie der Transgression in der Cabala diametral entgegensteht. Hier geht es immer um eine körperliche Erkenntnis im Hier und Jetzt: Brauchbare Wahrheit erschließt sich nur in der durch die Materie bedingten Kontingenz des Individuums. Egal ob Götter, Menschen oder Tiere: sie alle unterliegen dem universellen Gesetz des Wandels. Er ist bedingt durch ein allgemeines, plasmatisches Substrat, die Materie. Eselchens Himmelfahrten mit den Erzählungen von einem überzeitlichen und überindividuellen Supergedächtnis blei-

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ben daher Satire: Diese erlaubt es Bruno allerdings, trotz aller Ironie, radikale Thesen wie jene von der essentiellen Gleichheit von Menschen und Tieren zu artikulieren und sich dabei gleichzeitig über jüdische, christliche und platonische Apotheosen und Inkarnationen in einer für seine Epoche einzigartigen Weise lustig zu machen.

Editorische Notiz Die Grundlage der vorliegenden Übersetzung bildet die durch Giovanni Aquilecchia erstellte Textausgabe in den Œuvres complètes, Bd. VI. Die Übersetzung von Kai Neubauer (Hamburg 2000) wurde für diese Ausgabe grundlegend überarbeitet. Die Abkürzungen folgen den für diese Bruno-Ausgabe gültigen Normen. Die Bibliographie erfaßt die in der Einleitung und den Anmerkungen zitierten Werke. Für den Kommentar wurden außer der genannten die folgenden Ausgaben bzw. Übersetzungen der Cabala herangezogen, deren Angaben überprüft und ggf. korrigiert wurden: Dialoghi italiani, nuovamente ristampati con note da Giovanni Gentile, terza edizione a cura di Giovanni Aquilecchia, 2. Bde., Florenz 1985 (1958), Opere magiche, edizione diretta da Michele Ciliberto, a cura di Simonetta Bassi, Elisabetta Scapparone und Nicoletta Tirinnanzi, Rom 2000, Cabala del cavallo pegaseo, a cura di Fabrizio Meroi, Mailand 2004, The Cabala of Pegasus, translated and annotated by Sidney L. Sondergard and Madison U. Sowell, New Haven 2002. Die Übersetzung bemüht sich, so wörtlich wie möglich und trotzdem lesbar zu bleiben, ein nicht immer leichtes Unterfangen bei einem Text, der sich auch dem heutigen italienischen Leser nur durch umfangreiche Kommentare erschließt. Die zahlreichen sprachlichen Eigenarten der Cabala wurden in den Anmerkungen nur insofern behandelt, als sie auch von inhaltlicher Bedeutung sind. Eigentümliche Tempuswechsel werden ebenso wie Wechsel in der Anredeform (Du, Ihr) in der Übersetzung beibehalten. In eckigen Klammern stehen die Übersetzungen der lateinischen Passagen und Zusätze des Übersetzers, die das Verständnis erleichtern.

BIBLIOGRAPHIE

Ausgaben der Cabala Editio princeps Cabala del Cavallo Pegaseo. Con l’ aggiunta dell’ Asino Cillenico. Descritta dal Nolano: dedicata al Vescovo di Casamarciano, Parigi, Appresso Antonio Baio, Anno 1585 (eigentlich: London, John Charlewood). Nachdruck der Editio princeps in: Opere Italiane, ristampa anastatica delle Cinquecentine, a cura di Eugenio Canone, Florenz 1999, Bd. III, S. [1147–1240]. La Cabala del Cavallo pegaseo con l’aggiunta dell’ Asino Cillenico per Giordano Bruno, Mailand 1864 [Nachdruck: Bologna 1974]. Cabala del cavallo pegaseo con l’aggiunta dell’Asino cillenico, a cura di Nicola Badaloni, Palermo 1992. Cabala del cavallo pegaseo, a cura di Fabrizio Meroi, Mailand 2004.

Übersetzungen Französisch La cabale du cheval Pègase, traduit de l’italien, présenté par Bertrand Levergeois, Paris 1992. Cabale du cheval pégaséen, texte établi par Giovanni Aquilecchia, préface et notes de Nicola Badaloni traduction de Tristan Dagron, Paris 1994 (Œuvres complètes Bd. VI).

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Englisch The Cabala of Pegasus, translated and annotated by Sidney L. Sondergard and Madison U. Sowell, New Haven 2002.

Spanisch Cábala del Caballo Pegaso, traducción, introducción y notas de Miguel Ángel Granada, Madrid 1990.

Deutsch Kabbala, Kyllenischer Esel, Reden, Inquisitionsakten, ins Deutsche übertragen von Ludwig Kuhlenbeck, Jena 1909. Die Kabbala des Pegasus, übersetzt und herausgegeben von Kai Neubauer, mit einer Einleitung von Michele Ciliberto, Hamburg 2000.

Werkausgaben Opere di Giordano Bruno Nolano. Ora per la prima volta raccolte e pubblicate da Adolfo Wagner, Leipzig 1830. Le opere italiane di Giordano Bruno. Ristampate da Paolo de Lagarde, Göttingen 1888. Opere italiane con note da Giovanni Gentile, 2 Bde., Bari 1907–1908. Opere italiane nuovamente ristampate con note da Giovanni Gentile, 2 Bde., Bari 1925–27. Opere di Giordano Bruno e di Tommaso Campanella, a cura di Augusto Guzzo e di Romano Amerio, Mailand 1956. Dialoghi italiani. Dialoghi metafisici e dialoghi morali nuovamente ristampati con note da Giovanni Gentile, Florenz 1958. Dialoghi italiani, nuovamente ristampati con note da Giovanni Gentile, terza edizione a cura di Giovanni Aquilecchia, 2. Bde., Florenz 1985.

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Opere italiane. Testi critici e nota filologica di Giovanni Aquilecchia, introduzione e coordinamento generale di Nuccio Ordine, commento di G. Aquilecchia … [et al.], Turin 2002. Opere magiche, hg. von Michele Ciliberto, Simonetta Bassi, Elisabetta Scapparone und Nicoletta Tirinnanzi, Rom 2000. Opera Latine, Nachdruck der Ausgabe von Fiorentino, Tocco und anderen, Neapel und Florenz 1879–91, Stuttgart-Bad Cannstadt 1962.

Siglenverzeichnis BW Giordano Bruno, Werke, hg. von Thomas Leinkauf, unter Mitwirkung von Elisabeth Blum, Paul Richard Blum, Angelika BönkerVallon, Eugenio Canone, Sergius Kodera, Maria Moog-Grünewald, u. a., Hamburg 2006 f., zit. mit Bandzahl und Paginierung (z. B. BW III, S. 231). DI Dialoghi italiani, nuovamente ristampati con note da Giovanni Gentile, 3a ed. a cura di G. Aquilecchia, Firenze 1985 DF Dialoghi filosofici italiani, a cura e con un saggio introduttivo di M. Ciliberto, note ai testi a cura di Nicoletta Tirinnanzi, Milano 2000. OL Opera latine conscripta, ed. F. Tocco, H. Vitelli, V. Imbriani, C. M. Tallagrio, Neapel-Florenz 1879–1891 (3 Bde. in 8 Teilen), zit. mit Bandzahl und Paginierung, (z. B. OL II/1, S. 52). OC Œuvres completes, publiées sous le patronage de L’Istituto Italiano Per Gli Studi Filosofici, collection dirigée par Yves Hersant et Nuccio Ordine, Paris 1993 sqq., zit. mit Bandzahl und Paginierung (z. B. OC IV, S. 271). OM Opere magiche, edizione diretta da Michele Ciliberto, a cura di Simonetta Bassi, Elisabetta Scapparone, Nicoletta Tirinnanzi, Milano 2000. PG Patrologiae cursus completus, series Graece – Latina, hg. von J.-P. Migne, Paris 1844–1864. 161 Bände PL Patrologiae cursus completus, series Latina, hg. von J.-P. Migne Pais 1844–1864. 221 Bände U Opere italiane, testi critici e nota filologica di Giovanni Aquilec-

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Abkürzungsverzeichnis der Werke Brunos Acrotismus = Camoeracensis Acrotismus seu rationes articulorum physicorum (Wittenberg 1588) [= Neubearbeitung von Centum articuli], OL I/1, S. 53–190. Cabala = Cabala del cavallo pegaseo (London 1585), OC VI, ed. G. Aquilecchia, introduction et notes N. Badaloni, traduction T. Dagron, Paris 1994. Candelaio = Candelaio (Paris 1582), OC I, ed. G. Aquilecchia, introduction et notes G. Bàrberi Scquarotti, traduction Y. Hersant, Paris 1992. Cantus = Cantus circaeus (Paris 1582), OL II/1, S. 179–257; jetzt auch in: Le ombre delle idee. Il canto di Circe. Il sigillo dei sigilli, a cura di N. Tirinnanzi, Mailand 1997. Causa = De la Causa, principio et uno (London 1584), OC III, ed. et notes par G. Aquilecchia, introduction M. Ciliberto, traduction L. Hersant, Paris 1996. Cena = Cena de le ceneri (London 1584), OC II, ed. et notes G. Aquilecchia, préface A. Ophir, traduction Y. Hersant, Paris 1994. Explicatio Explicatio triginta sigillorum (Oxford 1583), OL II/2, S. 121– 160. Figuratio = Figuratio aristotelici physici auditus (Paris 1586), OL I/4, S. 131–221. Furori = De gl’eroici furori (London 1585), OC VII, ed. G. Aquilecchia, introduction par Eugenio Garin, notes par Michele Ciliberto, traduction P.-H. Michel, Paris 1997. Imaginum = De imaginum, signorum et idearum compositione (Frankfurt 1591), OL II/3, S. 87–322. Immenso = De innumerabilibus, immenso et infigurabili (Frankfurt 1591), OL I/1, S. 191–398 (lib. 1–3) und OL I/2, S. 1–318 (lib. 4–8); in: Opere latine. Il triplici minimo e la misura; La monade, il nu-

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DI 

| ¦ Cabala del Cavallo Pegaseo con l’aggiunta dell’Asino Cillenico:

descritta dal Nolano dedicata al Vescovo di Casamarciano

Parigi Appresso Antonio Baio Anno 1585

| OC 3

Die Kabbala des pegaseischen Pferdes mit der Zugabe des Kyllenischen Esels:

beschrieben vom Nolaner gewidmet dem Bischof von Casamarciano



Paris Bei Antonio Baio Anno 1585

 – 

| ¦ EPISTOLA DEDICATORIA epistola dedicatoria sopra la seguente cabala al reverendissimo signor don sapatino abbate successor di San Quintino e vescovo di Casamarciano.

Reverendissime in Christo Pater, Non altrimente che accader suole a un figolo, il qual gionto al termine del suo lavoro (che non tanto per trasmigrazion ¦ de la luce, quanto per difetto e mancamento della materia spacciata è gionto al fine) e tenendo in mano un poco di vetro, o di legno, o di cera, o altro che non è sufficiente per farne un vase, rimane un pezzo senza sapersi né potersi risolvere, pensoso di quel che n’abbia fare non avendolo a gittar via disutilmente, e volendo al dispetto del mondo che serva a qualche cosa: ecco che al ultimo il mostra predestinato ad essere una terza manica, un orlo, un coperchio di fiasco, una forzaglia, un empiastro, o una intacconata che risalde, empia o ricuopra qualche fessura, pertuggio o crepatura; è avvenuto a me, dopo aver dato spaccio non a tutti miei pensieri, ma a un certo fascio de scritture solamente, che al fine (non avendo altro da ispedire) più per caso che per consiglio ho volti gli occhi ad un cartaccio che avevo | altre volte spreggiato e messo per copertura di que’ scritti: trovai che conteneva in parte quel tanto che vi vederete presentato. Questo prima pensai di donarlo a un cavalliero: il quale avendovi aperti gli occhi, disse che non avea tanto studiato che potesse intendere gli misterii, e per tanto non gli possea piacere. L’offersi appresso ad un di questi ministri verbi Dei: e disse che era amico della lettera, e che non si delettava de simili esposizioni proprie a Origene, accettate da scolastici et altri nemici della lor professione.

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Widmungsschreiben zur folgenden Kabbala. An den hochwürdigsten Herrn Don Sapatino, Abt zur Nachfolge von San Quintino, Bischof von Casamarciano

Reverendissme in Christo pater [Hochwürdigster Vater in Christo] Nicht anders als es einem Töpfer zu geschehen pflegt, der ans Ende seines [Tag]werkes gelangt (und zwar nicht so sehr wegen der Wanderung des Lichtes als wegen der Unvollkommenheit und des Mangels der entfalteten Materie) und der in seiner Hand etwas Glas oder Holz oder Wachs oder anderes hält, was nicht ausreicht, um daraus ein Gefäß herzustellen, [dem also] ein Stück übrigbleibt, mit dem er nichts anfangen kann oder anzufangen vermag, und überlegt, was er damit tun soll, da er es nicht unnütz wegwerfen möchte, sondern vielmehr der Welt zum Trotz will, daß es zu irgend etwas gut sei, und siehe da! es sich schließlich als vorbestimmt erweist, einen dritten Henkel, einen Rand, einen Flaschendeckel, eine Einlage, ein Pflaster oder einen Flicken abzugeben, um irgendeinen Riß zu schließen, ein Loch zu füllen oder eine Delle zu glätten: [ebenso] ist es mir ergangen, nachdem ich nicht all meine Gedanken, sondern nur ein bestimmtes Bündel von Schriften ausgebreitet hatte, so daß ich schließlich – da ich nichts anderes abzuschließen hatte – mehr aus Zufall denn aus Überlegung die Augen auf einen Makulaturbogen richtete, den ich andere Male verachtet und als Umschlag für diese Schriften genommen hatte, und herausfand, daß er zum Teil dasjenige enthielt, was Ihr hier vorgestellt seht. Zuerst dachte ich daran, dieses einem Edelmann zu schenken, der aber, nachdem er die Augen darauf gerichtet hatte, sagte, daß er nicht genügend studiert habe, um diese Mysterien verstehen zu können, und es ihm aus diesem Grunde nicht gefallen könne. Darauf bot ich es einem dieser ministri verbi Dei [Diener des Gotteswortes] an, und er sagte, daß er ein Freund der [wörtlichen] Schrift[auslegung] sei und solche Ausführungen im Geiste des Origenes, wie sie von Scholasti-

6

epistola dedicatoria

 ¦ 

Il misi avanti ad una dama: e disse che non gli aggradava per non esser tanto grande quanto conviene al suggetto d’un cavallo et un asino. Il presentai ad un’altra: la quale quantumque gustandolo gli piacesse, avendolo gustato, disse che ci volea pensar su per qualche giorno. Viddi se vi potesse accoraggiar una pizocchera: e la me disse, »Non lo accetto se parla d’altro che di rosario, della vertù de granelli benedetti, e de l’agnusdei«. ¦ Accostailo al naso d’un pedante: il qual avendo torciuto il viso in altra parte, mi disse che aboliva ogn’altro studio e materia eccetto che qualche annotazione, scolia et interpretazione sopra Vergilio, Terenzio e Marco Tullio. Udivi da un versificante che non lo volea, se non era qualche copia d’ottave rime o de sonetti. Altri dicevano che gli meglior trattati erano stati dedicati a persone che non erano megliori che essi loro. Altri co l’altre raggioni mi parevan disposti a dovermene ringraziar o poco o niente, se io gli l’avesse dedicato: e questo non senza caggione, perché (a dir il vero) ogni trattato e considerazione deve essere speso, dispensato e messo | avanti a quel tale che è della suggetta professione o grado. Stando dumque io con gli occhi affissi su la raggion della materia enciclopedica, mi ricordai dell’enciclopedico vostro ingegno, il qual non tanto per fecondità e ricchezza par che abbraccie il tutto, quanto per certa pelegrina eccellenza par ch’abbia il tutto e meglio ch’il tutto. Certo nessun potrà più espressamente che voi comprendere il tutto: perché siete fuor del tutto. Possete entrar per tutto, perché non è cosa che vi tegna rinchiuso. Possete aver il tutto, perché non è cosa che abbiate. (Non so se mi dechiararò meglio con descrivere il vostro ineffabile intelletto). Io non so se siete teologo, o filosofo, o cabalista: ma so ben che siete tutti, se non per essenza, per partecipazione; se non in atto, in potenza; se non d’appresso, da lontano. In ogni modo credo che siate cossì sufficiente nell’uno come nell’altro: e però eccovi cabala, teo-

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widmungsschreiben









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kern und anderen Feinden seines Berufes gutgeheißen würden, nicht schätze. Ich legte es einer Dame vor, und sie sagte, daß es ihr nicht entspreche, da es nicht so groß sei, wie es dem Gegenstand eines Pferdes und eines Esels angemessen sei. Ich legte es einer anderen vor, welche, obwohl es ihr während seines Genusses gefiel, nachdem sie genossen hatte, sagte, daß sie darüber einige Tage nachdenken wolle. Ich sah, ob ich eine Betschwester dazu ermutigen konnte; und die sagte mir: »Ich nehme es nicht an, wenn es von anderem spricht als vom Rosenkranz, von der Wirkkraft der gebenedeiten Perlen und vom Agnus dei [Lamm Gottes].« Ich hielt es einem Pedanten unter die Nase, welcher mir mit abgewandtem Blick sagte, daß er alle Studien und Themen aufgegeben habe, außer einigen Anmerkungen, Scholien und Interpretationen zu Vergil, Terenz und Marcus Tullius. Von einem Versemacher bekam ich zu hören, daß er es nicht wolle, wenn es nicht irgendeine Abschrift mit Oktavreimen oder Sonetten sei. Andere sagten, daß die besseren Traktate Personen gewidmet wären, welche nicht besser als sie selbst seien. Andere schienen aus anderen Gründen geneigt, mir zu wenig oder gar keinem Dank verpflichtet zu sein, wenn ich es ihnen gewidmet hätte; und dies nicht ohne Grund, ist es – um die Wahrheit zu sagen – doch so, daß jede Abhandlung und Betrachtung jenem vorgelegt und unterbreitet und überbracht werden muß, der dem betreffenden Beruf oder Stand angehört. Da ich also das Prinzip der enzyklopädischen Materie fest im Blick hatte, erinnerte ich mich Eurer enzyklopädischen Begabung, die nicht so sehr aus Fruchtbarkeit und Reichtum alles zu umfassen scheint, sondern aufgrund einer gewissen hervorstechenden Vortrefflichkeit das Ganze und Besseres als dies Ganze zu besitzen scheint. Sicher wird niemand besser als Ihr das Ganze verstehen können, denn Ihr steht außerhalb des Ganzen; könnt zur Gänze eintreten, da es nichts gibt, was Euch eingeschlossen hält; Ihr könnt das Ganze haben, weil Ihr nichts habt. (Ich weiß nicht, wie ich mich in der Beschreibung Eures unfaßbaren Geistes besser ausdrücken könnte). Ich weiß nicht, ob Ihr Theologe oder Philosoph oder Kabbalist seid; ich weiß aber sehr wohl, daß Ihr dies gänzlich seid, wenn nicht in der Essenz, so durch Teilhabe; wenn nicht in Wirklichkeit, so der Möglichkeit nach; wenn nicht von Nahem, so von Weitem. Jedenfalls glaube ich, daß Ihr in dem einen wie in dem

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epistola dedicatoria

 – 

logia e filosofia; dico una cabala di teologica filosofia, una filosofia di teologia cabalistica, una teologia di cabala filosofica, di sorte ancora che non so se queste tre cose avete o come tutto, o come parte, o come niente: ma questo so ben certo, che avete tutto del niente in parte, parte del tutto nel niente, niente de la parte in tutto. ¦ Or per venire a noi, mi dimandarete: che cosa è questa che m’inviate? quale è il suggetto di questo libro? di che presente m’avete fatto degno? Et io vi rispondo che vi porgo il dono d’un Asino, vi si presenta l’Asino il quale vi farà onore, vi aumentarà dignità, vi metterà nel libro de l’eternità; ¦ non vi costa niente per ottenerlo da me et averlo per | vostro; non vi costarà altro per mantenerlo, perché non mangia, non beve, non imbratta la casa; e sarà eternamente vostro, e duraràvi ¦ più che la vostra mitra, croccia, pioviale, mula e vita: come senza molto discorrere possete voi medesimo et altri comprendere. Qua non dubito, reverendissimo monsignor mio, che il dono de l’asino non sarà ingrato alla vostra prudenza e pietà: e questo non dico per caggione che deriva dalla consuetudine di presentar a gran maestri non solamente una gemma, un diamante, un rubino, una perla, un cavallo perfetto, un vase eccellente; ma ancora una scimia, un papagallo, un gatto mammone, un asino; e questo allora che è necessario è raro, è dottrinale: e non è de gli ordinarii. L’asino indico è precioso e duono papale in Roma; l’asino d’Otranto è duono imperiale in Costantinopoli; l’asino di Sardegna è duono regale in Napoli; e l’asino cabalistico, il qual è ideale e per consequenza celeste, volete voi che debba essere men caro in qualsivoglia parte de la terra, a qualsivoglia principal personaggio: che per certa benigna et alta repromissione sappiamo che si trova in cielo il terrestre? Son certo dumque che verrà accettato da voi con quell’animo, con quale da me vi vien donato.

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widmungsschreiben





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

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anderen derart selbstgenügsam seid, und deshalb findet Ihr hier also Kabbala, Theologie und Philosophie, ich sage [vielmehr]: eine Kabbala theologischer Philosophie, eine Philosophie kabbalistischer Theologie, eine Theologie philosophischer Kabbala, so daß ich immer noch nicht weiß, ob Ihr diese Dinge zur Gänze, teilweise oder überhaupt nicht besitzt, aber dies weiß ich sicher: daß Ihr das Ganze von nichts teilweise, einen Teil des Ganzen im Nichts, nichts von einem Teil im Ganzen besitzt. Um nun aber zu uns zu kommen, werdet Ihr mich fragen: Was ist das, was Ihr mir da schickt? Was ist der Gegenstand dieses Buches? Welchen Geschenkes habt Ihr mich für würdig befunden? Und ich antworte Euch, daß ich Euch einen Esel als Geschenk überreiche; es stellt sich Euch ein Esel vor, der Euch zur Ehre gereichen wird, Eure Würde vergrößern wird, Euch ins Buch der Ewigkeit bringen wird; es kostet Euch nichts, ihn von mir zu bekommen und ihn als Euer eigen zu besitzen; es wird Euch nichts weiter kosten, ihn zu unterhalten, weil er nichts ißt, nichts trinkt, das Haus nicht beschmutzt; und er wird ewig Euer sein und wird Euch länger halten als Eure Mitra, Euer Chorhemd, Eure Albe, Euer Maultier und Euer Leben, wie Ihr selbst und andere ohne lange Erörterung erkennen könnt. Dabei zweifle ich nicht, mein hochwürdigster Monsignore, daß das Geschenk des Esels Eurer Klugheit und Frömmigkeit nicht unangenehm ist, und ich sage das nicht aus dem Grund, der aus der Gewohnheit herrührt, großen Herren nicht nur eine Gemme, einen Diamanten, einen Rubin, eine Perle, ein edles Pferd, ein hervorragendes Gefäß zu schenken, sondern auch [einmal] einen Affen, einen Papagei, einen Mandrill, einen Esel; und da dieser nun notwendig ist, ist er selten, doktrinär und außergewöhnlich. Der indische Esel ist kostbar und päpstliches Geschenk in Rom, der Esel aus Otranto ist kaiserliches Geschenk in Konstantinopel, der Esel aus Sardinien ist königliches Geschenk in Neapel; soll da der kabbalistische Esel, der rein ideell und folglich ein himmlisches [Tier] ist, in irgendeinem Teil der Erde für irgendeine hochstehende Persönlichkeit weniger wert sein, wo doch, wie wir durch gütige und hohe Verkündigung wissen, sich im Himmel auch das Irdische findet? Ich bin daher sicher, daß er von Euch in jenem Geist angenommen wird, in dem er Euch von mir geschenkt wird.

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epistola dedicatoria

 ¦ 

Prendetelo, o padre, se vi piace per ucello, perché è alato et il più gentil e gaio che si possa tener in gabbia. Prendetelo sel volete per fiera, perché è unico, raro e pelegrino da un canto, e non è cosa più brava che possiate tener ferma in un antro o caverna. Trattatelo se vi piace come domestico; perché è ossequioso, comite e servile, et è il meglior compagno che possiate aver in casa. Vedete che non | vi scampe di mano: perché è il meglior destriero che possiate pascere ¦ o per dir meglio vi possa pascere in stalla; meglior familiare che vi possa esser contubernale e trattenimento in camera. Maneggiatelo come una gioia e cosa preciosa, perché non possete aver tesoro più eccellente nel vostro ripostiglio. Toccatelo come cosa sacra, e miratelo come cosa da gran considerazione: perché non possete aver meglior libro, meglior imagine e meglior specchio nel vostro cabinetto. Tandem se per tutte queste raggioni non fa per il vostro stomaco, lo potrete donar ad alcun altro che non ve ne debba essere ingrato. Se l’avete per cosa ludicra, donatelo ad qualche buon cavalliero perché lo metta in mano de suoi paggi per tenerlo caro tra le scimie e cercopitechi. Se lo passate per cosa armentale, ad un contadino che li done ricetto tra il suo cavallo e bue. Sel stimate cosa ferina, concedetelo a qualche Atteone che lo faccia vagar con gli caprii e gli cervi. Se vi par ch’abbia del mignone, fatene copia a qualche damigella che lo tegna in luogo di martora e cagnuola. Se finalmente vi par ch’abbia del matematico, fatene grazia ad un cosmografo perché gli vada rependo e salticchiando tra il polo artico et antartico de una di queste sfere armillari, alle quali non men comodamente potrà dar il moto continuo, ch’abbia possuto donar l’infuso mercurio a quella d’Archimede, ad esser più efficacemente tipo del megacosmo, in cui da l’anima intrinseca pende la concordanza et armonia del moto retto e circolare.

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widmungsschreiben

 

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Nehmt ihn, o Vater, wenn Ihr mögt, für einen Vogel, denn er ist geflügelt und der anmutigste und fröhlichste, den man im Käfig halten kann. Nehmt ihn, wenn Ihr wollt, für ein wildes Tier, denn er ist nicht nur einzigartig, selten und rar, sondern es gibt auch kein ungezähmteres Ding, das Ihr in einer Höhle oder einer Kaverne gefangen halten könntet. Behandelt ihn, wenn Ihr mögt, wie einen Hausdiener, denn er ist unterwürfig, häuslich und knechtisch, und er ist der beste Gefährte, den Ihr im Haus haben könnt. Seht zu, daß er Euch nicht entläuft, denn er ist das beste Streitroß, das Ihr weiden lassen könnt, oder besser gesagt, das Euch in seinem [eigenen] Stall weiden kann; der beste Diener, der Euch Zimmer- und Bettgenosse sein kann. Handhabt ihn wie ein Kleinod und wie eine Kostbarkeit, denn Ihr könnt keinen hervorragenderen Schatz in Eurem Repositorium verwahren. Berührt ihn wie einen heiligen Gegenstand und betrachtet ihn wie einen äußerst verehrungswürdigen Gegenstand, denn Ihr könnt kein besseres Buch, kein besseres Bild und keinen besseren Spiegel in Eurem Gemach haben. Tandem [schließlich], wenn er trotz all dieser Gründe nicht nach Eurem Geschmack ist, könnt Ihr ihn immer noch einem anderen schenken, der Euch dafür nicht undankbar sein darf. Wenn Ihr ihn für eine wohlgefällige Sache haltet, schenkt ihn einem guten Edelmann, damit der ihn seinen Pagen an die Hand gebe, um ihn unter den Affen und Meerkatzen zu halten. Wenn Ihr ihn als ein Herdentier durchgehen laßt, [schenkt ihn] einem Bauern, damit er ihn zu seinem Pferd und seinem Ochsen aufnehme. Wenn Ihr ihn für wild einschätzt, überlaßt ihn irgendeinem Aktaion, damit er ihn mit den Wildziegen und Hirschen umherziehen lasse. Wenn es Euch scheint, daß er etwas von einem Herzblatt habe, dann gebt ihn einer Hofdame zur Seite, die ihn statt eines Marders oder eines Hündchens halten soll. Wenn es Euch schließlich scheint, daß er etwas von einem Mathematiker habe, macht einem Kosmographen eine Freude mit ihm, damit dieser ihn zwischen Nord- und Südpol einer dieser Armillarsphären reiben und umherhüpfen lasse, wodurch er ihnen nicht weniger bequem zu ihrer ständigen Bewegung verhelfen könnte, als es Archimedes durch Einflößen des Quecksilbers gelang: um so noch ausdrücklicher Typus des Makrokosmos zu werden, in welchem von der intrinsischen Seele die Übereinstimmung und Harmonie der geraden und kreisförmigen Bewegung

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epistola dedicatoria

 – 

Ma se siete come vi stimo sapiente, e con maturo giudicio considerate, lo terrete per voi: non stimando a voi presentata ¦ da me cosa men degna che | abbia possuto presentar a papa Pio quinto: a cui consecrai l’Arca di Noè; al re Errico terzo di Francia, il quale immortaleggio con l’Ombre de le Idee; al suo legato in Inghilterra, a cui ho conceduti Trenta sigilli; al cavallier Sidneo, al quale ho dedicata la Bestia trionfante. Perché qua avete non solamente la bestia trionfante viva; ma et oltre gli trenta sigilli aperti, la beatitudine perfetta, le ombre chiarite e l’arca governata: dove l’asino (che non invidia alla vita delle ruote del tempo, all’ampiezza de l’universo, alla felicità de l’intelligenze, alla luce del sole, al baldachino di Giove) è moderatore, dechiaratore, consolatore, aperitore e presidente. Non è, non è asino da stalla o da armento, ma di que’ che possono comparir per tutto, andar per tutto, entrar per tutto, seder per tutto, comunicar, capir, consegliar, definir e far tutto. Atteso che se lo veggio zappar, inaffiar et inacquare, perché non volete ch’il dica ortolano? S’ei solca, pianta e semina, perché non sarà agricoltore? Per qual caggione non sarà fabro, s’ei è manipolo, mastro et architettore? Chi m’impedisce che non lo dica artista, se è tanto inventivo, attivo e reparativo? Se è tanto esquisito argumentore, dissertore et apologetico, perché non vi piacerà che lo dica scolastico? Essendo tanto eccellente formator di costumi, institutor di dottrine e riformator de religioni, chi si farà scrupolo de dirlo academico, e stimarlo archimandrita di qualche archididascalia? ¦ Perché non sarà monastico, stante ch’egli sia corale, capitolare e dormitoriale? S’egli è per voto povero, casto et ubediente, mi biasimarete se lo dirò conventuale? Mi impedirete voi che non possa chiamarlo conclavistico, | stante ch’egli sia per voce attiva e passiva graduabile, eligibile, prelatibile? Se è dottor sottile, irre-

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abhängt. Aber wenn Ihr, wie ich Euch einschätze, weise seid und es mit reifem Verstand betrachtet, dann behaltet Ihr ihn für Euch. Und denkt nicht, daß Euch eine unwürdigere Sache von mir überreicht wurde als jene, die ich Papst Pius V. überreichen konnte: dem ich die Arche Noah dargebracht habe, dem König Heinrich III. von Frankreich, den ich mit den Schatten der Ideen verewigte, seinem Legaten in England, dem ich dreißig Siegel überlassen habe, dem Edelmann Sidney, dem ich die triumphierende Bestie gewidmet habe. Denn hier habt Ihr nicht nur die triumphierende Bestie lebendig, sondern auch und weiter die dreißig geöffneten Siegel, die vollkommene Seligkeit, die erhellten Schatten und die gesteuerte Arche: Dort, wo der Esel (der dem Leben der Räder der Zeit, der Weite des Universums, der Glückseligkeit der Intelligenzen, dem Licht der Sonne, dem Baldachin Jupiters um nichts nachsteht) Vermittler, Erklärer, Tröster, Eröffner und Vorsitzender ist. Er ist nicht[s bestimmtes], er ist kein Stallesel oder Herdentier, vielmehr einer derjenigen, die als alles erscheinen können, überall hingehen können, überall eintreten können, sich überall setzen können, alles mitteilen, verstehen, beraten, definieren und machen können. Erwägt man, daß ich ihn beim Graben, Gießen und Bewässern beobachten würde, warum sollte ich ihn nicht Gärtner nennen? Wenn er pflügt, pflanzt und sät, warum soll er kein Ackerbauer sein? Aus welchem Grund soll er nicht [Welt-] Baumeister sein, wenn er Handlanger, Maurermeister und Architekt ist? Wer verwehrt mir, ihn einen Künstler zu nennen, wenn er so erfindungsreich, aktiv und handwerklich begabt ist? Wenn er so ausgezeichnet im Argumentieren, im Verfassen von Dissertationen und Apologien ist, warum soll es Euch nicht gefallen, daß ich ihn Scholastiker nenne? Wo er solch ein hervorragender Erfinder von Bräuchen, Begründer von Katechismen und Reformator von Religionen ist, wer wird Skrupel haben, ihn einen Akademiker zu nennen und als Archimandrit irgendeiner Archididaskalie zu schätzen? Warum soll er nicht klösterlich sein, wo doch feststeht, daß er choral, kapitulär und dormitorial ist? Wenn er durch Gelübte arm, keusch und gehorsam ist, werdet Ihr mich tadeln, wenn ich ihn konventual nenne? Werdet Ihr mir verbieten, daß ich ihn konklavistisch nenne, wo doch feststeht, daß er das aktive und passive Wahlrecht besitzt und [somit] graduiert und zum Prälaten wählbar ist? Wenn er ein subtiler, unbezweifelbarer und er-

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epistola dedicatoria

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fragabile et illuminato, con qual conscienza non vorrete che lo stime e tegna per degno consegliero? Mi terrete voi la lingua perché non possa bandirlo per domestico, essendo che in quel capo sia piantata tutta la moralità, politica et economica? Potrà far la potenza de canonica autoritade ch’io non lo tegna ecclesiastica colonna, se mi si mostra di tal maniera pio, devoto e continente? Se lo vego tanto alto, beato e trionfante, potrà far il cielo e mondo tutto che non lo nomine divino, olimpico, celeste? In conclusione (per non più rompere il capo a me et a voi) mi par che sia l’istessa anima del mondo, tutto in tutto, e tutto in qualsivoglia parte. Or vedete dumque quale e quanta sia la importanza di questo venerabile suggetto, circa il quale noi facciamo il presente discorso e dialogi; nelli quali se vi par vedere un gran capo o senza busto o con una picciola coda, non vi sgomentate, non vi sdegnate, non vi maravigliate: perché si trovano nella natura molte specie d’animali che non hanno altri membri che testa, o par che siano tutto testa avendo questa cossì grande e l’altre parti come insensibili; e per ciò non manca che siano perfettissime nel suo geno. E se questa raggione non vi sodisfa, dovete considerar oltre che questa operetta contiene una descrizzione, una pittura; e che ne gli ritratti suol bastar il più de le volte d’aver ripresentata la testa sola senza il resto. Lascio che tal volta si mostra eccellente artificio in far una sola mano, un piede, una gamba, un occhio, una svèlta orecchia, un mezo volto ¦ che si spicca da dietro un arbore, o dal | cantoncello d’una fenestra, o sta come sculpito al ventre d’una tazza, la qual abbia per base un piè d’oca, o d’aquila, o di qualch’altro animale: non però si danna, né però si spreggia, ma più viene accettata et approvata la manifattura. Cossì mi persuado, anzi son certo, che voi accettarete questo dono come cosa cossì perfetta, come con perfettissimo cuore vi vien offerta. Vale.

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leuchteter Doktor ist, wie sollte Euer Gewissen mir dann verbieten, ihn für einen würdigen Berater zu halten und ihn als solchen zu schätzen? Werdet Ihr mir die Zunge festhalten, damit ich ihn nicht zum Hausdiener ausrufe, wo in diesem Kopf doch alle Moralität, Politik und Ökonomie eingepflanzt ist? Kann es die Macht der kanonischen Autorität verhindern, daß ich ihn für einen Grundpfeiler der Kirche halte, obwohl er sich mir derart fromm, devot und enthaltsam darstellt? Wenn ich ihn so hoch, selig und triumphierend sehe, werden der Himmel und die ganze Erde verhindern können, daß ich ihn göttlich, olympisch, himmlisch nenne? Schließlich (um mir und Euch nicht weiter den Kopf zu zerbrechen) scheint er mir die Weltseele selbst zu sein, alles in allem und alles in jedwedem Teil. Jetzt seht Ihr also, von welcher (und welch großer) Bedeutung dieser bewunderungswürdige Gegenstand ist, über den wir die vorliegenden Unterredungen und Dialoge führen: Wenn Ihr darin möglicherweise einen großen Kopf (sei er ohne Rumpf, sei er mit einem winzigen Schwanz) zu erkennen glaubt, erschreckt nicht, erzürnt Euch nicht, erstaunt Euch nicht, denn in der Natur finden sich viele Tierarten, die nur Kopf und keine anderen Glieder besitzen oder allein aus dem Kopf zu bestehen scheinen, weil dieser so groß ist und die anderen Teile kaum wahrnehmbar sind, und deshalb fehlt ihnen in ihrem Genus nichts zur höchsten Vollkommenheit. Und wenn Euch diese Erklärung nicht zufriedenstellt, müßt Ihr weiterhin in Betracht ziehen, daß dieses kleine Werk eine Beschreibung enthält, ein Gemälde, und daß es bei Portraits meistens genügt, den Kopf alleine ohne den Rest dargestellt zu haben. Ich lasse beiseite, daß man bisweilen ausgezeichnete Kunstfertigkeit beweist in der Ausführung nur einer Hand, eines Beines, eines Auges, eines zarten Ohres, eines halben Gesichtes, das hinter einem Baum oder aus einer Fensterecke hervorlugt oder wie auf den Bauch einer Trinkschale gemeißelt ist, die als Basis den Fuß einer Ente, eines Adlers oder sonst eines Tieres hat, ohne daß man [das Ding] deswegen verachtet oder es deswegen verurteilt, sondern diese Handarbeit dafür um so mehr schätzt und billigt. So bin ich der Überzeugung, bin sogar sicher, daß Ihr dieses Geschenk als etwas ebenso Reines annehmen werdet, wie es Euch allerreinsten Herzens dargeboten wird. Vale!

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sonetto

| ¦ Sonetto in lode de l’asino O sant’asinità, sant’ignoranza, santa stolticia e pia divozione, qual sola puoi far l’anime sì buone, ch’uman ingegno e studio non l’avanza: non gionge faticosa vigilanza d’arte qualumque sia, o ’nvenzione, né de sofossi contemplazione, al ciel dove t’edifichi la stanza. Che vi val, curiosi, il studiare, voler saper quel che fa la natura, se gli astri son pur terra, fuoco e mare? La santa asinità di ciò non cura; ma con man gionte e ’n ginocchion vuol stare aspettando da Dio la sua ventura. Nessuna cosa dura, eccetto il frutto de l’eterna requie, la qual ne done Dio dopo l’essequie.

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sonett

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Sonett zum Lob des Esels O heiliges Eseltum, o heilige Unwissenheit, Heilige Dummheit und fromme Devotion, Die Du allein die Seelen so gut zu machen vermagst, Wie kein menschlicher Geist und Streben sie voranbringt; Nicht gelangen mühevolle Achtsamkeit in Irgendwelcher Kunst oder Erfindung, Noch der Weisen Versenkung, Zum Himmel, wo Du Dir Deinen Raum erbaust. Was nützt Euch Neugierigen das Studieren, Wissen zu wollen, was die Natur macht, Ob auch die Sterne Erde, Feuer und Meer sind? Das heilige Eseltum kümmert sich nicht darum; Sondern will knieend mit gefalteten Händen bleiben Und die Vorsehung Gottes erwarten. Nichts dauert, Außer der Frucht der ewigen Ruhe, Die Gott nach der Bestattung schenkt.

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declamazione

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| ¦ Declamazione al studioso, divoto e pio lettore

Oimè, auditor mio, che senza focoso suspiro, lubrico pianto e tragica querela, con l’affetto, con gli occhi e le raggioni non può ramentar il mio ingegno, intonar la voce e dechiarar gli argumenti, quanto sia fallace il senso, turbido il pensiero et imperito il giudicio, che con atto di perversa, iniqua e pregiudiciosa sentenza non vede, non considera, non definisce secondo il debito di natura, verità di raggione e diritto di giustizia circa la pura bontade, regia sinceritade e magnifica maestade della santa ignoranza, dotta pecoragine e divina asinitade. Lasso, a quanto gran torto da alcuni è sì fieramente essagitata quest’eccellenza celeste tra gli uomini viventi, contra la quale altri con larghe narici si fan censori; altri con aperte sanne si fan mordaci; altri con comici cachini si rendono beffeggiatori: mentre ovumque spreggiano, burlano e vilipendeno qualche cosa, non gli odi dir altro che »Costui è un asino, quest’azzione è asinesca, questa è una asinitade«, stante che ciò absolutamente convegna dire dove son più maturi discorsi, più saldi proponimenti e più trutinate sentenze. Lasso, perché con ramarico del mio core, cordoglio del spirito et aggravio de l’alma, mi si presenta a gli occhi questa imperita, stolta e profana moltitudine che sì falsamente pensa, sì mordacemente parla, sì temerariamente scrive, | per parturir que’ scelerati discorsi de tanti monumenti che vanno per le stampe, per le librarie, per tutto, oltre gli espressi ludribrii, dispreggi e biasimi: l’asino d’oro, le lodi de l’asino, l’encomio de l’asino; dove non si ¦ pensa altro che con ironiche sentenze prendere la gloriosa asinitade in gioco, spasso e scherno? Or chi terrà il mondo che non pensi ch’io faccia il simile? Chi potrà donar freno alle lingue che non mi mettano nel me-

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deklamation

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Deklamation an den gelehrigen, devoten und frommen Leser

Ach, mein Zuhörer, daß Du Dich nicht ohne glühende Seufzer, feuchtes Weinen und tragische Klagen mit dem Herz, den Augen und dem Verstand meiner Begabung, meiner [stimmlichen] Intonation und der Art, die Argumente vorzubringen, erinnern kannst: Wie falsch ist [doch] der Sinn, trübe das Denken und unerfahren die Urteilskraft [jener Menschen], die in ihrer boshaften, unangemessenen und schädlichen Meinung die reine Güte, die königliche Ehrlichkeit und erhabene Majestät der heiligen Unwissenheit, der gelehrten Schafnatur und des göttlichen Eseltums nicht sehen, nicht in Betracht ziehen und in einer der Natur, der Wahrheit des Verstandes und dem Recht der Gerechtigkeit entsprechenden Weise nicht definieren [können]. Ach, von welch großem Unrecht unter den lebenden Menschen wird diese himmlische Exzellenz in derart gräßlicher Weise erschüttert, indem die einen sich mit geweiteten Nasenlöchern zu [Sitten]richtern über sie machen, andere mit entblößten Hauern bissig werden; und wieder andere sich mit flegelhaftem Hohngelächter in Spötter verwandeln, während überall, wo etwas geringgeschätzt, ausgelacht oder verachtet wird, man nichts anderes sagen hört als: »Der ist ein Esel, diese Handlung ist eselig, dies ist eine Eselei«, obwohl es doch so ist, daß man dies überall dort sagen sollte, wo man reifere Reden, festere Vorsätze und wohlüberlegtere Urteile antrifft. Ach, denn mit Schwermut in meinem Herzen, traurigem Geist und bedrückter Seele habe ich diese unwissende, dumme und profane Menge vor Augen, die so falsch denkt, so bissig spricht und so unbesonnen schreibt, um diese ruchlosen Reden über so viele große Dinge zu gebären, die durch die Druckereien, durch die Buchhandlungen und [schließlich] überallhin gelangen, und noch über diesen Ausdruck von Gespött, Geringschätzung, Verhöhnung hinaus: Im Goldenen Esel, dem Lob des Esels, dem Encomium des Esels, wo an nichts anderes gedacht wird, als sich mit ironischen Aussprüchen über das glorreiche Eseltum lustig, verächtlich und höhnisch zu machen. Wer wird da die Welt überzeugen können, daß ich nicht dassselbe tue? Wer wird jene Zungen zügeln können, damit sie mich nicht in die gleiche

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declamazione

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desimo predicamento come colui che corre appo gli vestigii de gli altri che circa cotal suggetto democriteggiano? Chi potrà contenerli che non credano, affermino e confermino che io non intendo vera e seriosamente lodar l’asino et asinitade, ma più tosto procuro di aggionger oglio a quella lucerna la quale è stata da gli altri accesa? Ma, o miei protervi e temerarii giodici, o neghittosi e ribaldi calunniatori, o foschi et appassionati detrattori, fermate il passo, voltate gli occhi, prendete la mira: vedete, penetrate, considerate se gli concetti semplici, le sentenze enunciative e gli discorsi sillogistici ch’apporto in favor di questo sacro, impolluto e santo animale, son puri, vere e demostrativi; o pur son finti, impossibili et apparenti. Se le vedrete in effetto fondati su le basi de fondamenti fortissimi, se son belli, se son buoni, non le schivate, non le fuggite, non le rigettate; ma accettatele, seguitele, abbracciatele, e non siate oltre legati dalla consuetudine del credere, vinti dalla sufficienza del pensare e guidati dalla vanità del dire: se altro vi mostra la luce de l’intelletto, altro la voce della dottrina intona, et altro l’atto de l’esperienza conferma. | L’asino ideale e cabalistico che ne vien proposto nel corpo delle sacre lettere, che credete voi che sia? Che pensate ¦ voi essere il cavallo pegaseo che vien trattato in figura de gli poetici figmenti? De l’asino cillenico degno d’esser messo in croceis nelle più onorate academie, che v’imaginate? Or lasciando il pensier del secondo e terzo da canto, e dando sul campo del primo, platonico parimente e teologale, voglio che conosciate che non manca testimonio dalle divine et umane lettere dettate da sacri e profani dottori che parlano con l’ombra de scienze e lume della fede. Saprà (dico) ch’io non mentisco colui ch’è anco mediocremente perito in queste dottrine, quando avien ch’io dica l’asino ideale esser principio prodottivo, formativo e perfettivo sopranaturalmente

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Kategorie einreihen, wie jener, der in den Fußstapfen all derer wandelt, die über diesen Gegenstand demokritisieren? Wer wird sie davon abhalten können zu glauben, zu behaupten und zu bestätigen, daß ich nicht wirklich und ehrlich den Esel und das Eseltum zu loben beabsichtige, sondern vielmehr Sorge dafür trage, daß Öl in diese Lampe gegossen werde, die von den anderen entzündet wurde? Aber, oh meine hochmütigen und vorschnellen Richter, oh meine trägen und infamen Verleumder, oh meine finsteren und leidenschaftlichen Verschwörer, haltet ein, richtet die Augen, nehmt Ziel: Seht, ergründet, überlegt, ob die einfachen Konzepte, die erklärenden Sentenzen und die syllogistischen Abhandlungen, die ich zugunsten dieses heiligen, unschuldigen und frommen Tieres vorbringe, rein, wahr und schlüssig sind, oder ob sie vorgetäuscht, unmöglich und trügerisch sind. Wenn Ihr sie tatsächlich auf dem Boden der festesten Fundamente gegründet findet, wenn sie schön sind, wenn sie gut sind, so verjagt sie nicht, flüchtet nicht vor ihnen, weist sie nicht zurück, sondern akzeptiert sie, folgt ihnen, nehmt sie an Euch und seid nicht weiter von der Gewohnheit des Glaubens gefesselt, von der Selbstgefälligkeit des Denkens besiegt und von der Eitelkeit des Redens geleitet; wenn anderes Euch das Licht des Intellekts zeigt, anderes die Stimme der Lehre intoniert und anderes die tatsächliche Erfahrung bestätigt. Der ideelle und kabbalistische Esel, der im Corpus der Heiligen Schriften vorgestellt wird, was glaubt Ihr, was er sei? Was denkt Ihr, ist das pegaseische Pferd, welches in den Bildern der poetischen Fabeln dargestellt wird? Was stellt Ihr Euch unter dem kyllenischen Esel vor, der würdig genug ist, in den ehrwürdigsten Akademien in croceis [in goldenen Gewändern] gekleidet zu werden? Lassen wir nun die Gedanken an den zweiten und den dritten [Esel] beiseite und richten wir sie auf das Feld des ersten – platonischen ebenso wie theologischen – so möchte ich, daß Ihr erfahrt, daß für ihn kein Zeugnis aus den göttlichen und menschlichen Schriften fehlt, die von heiligen und weltlichen Gelehrten diktiert wurden, welche mit dem Schatten der Wissenschaften und dem Licht des Glaubens sprechen. Jener, der nur mittelmäßig in jenen Lehren erfahren ist, wird wissen (sage ich), daß ich nicht lüge, wenn es soweit kommt, daß ich sagen werde, daß der ideelle Esel ein übernatürlich schöpferisches, formales und vervollkommnendes Prin-

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declamazione

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della specie asinina; la quale quantumque nel capacissimo seno della natura si vede et è dall’altre specie distinta, e nelle menti seconde è messa in numero, e con diverso concetto appresa, e non quel medesimo con cui l’altre forme s’apprendeno; nulla di meno (quel ch’importa tutto) nella prima mente è medesima che la idea de la specie umana, medesima che la specie de la terra, della luna, del sole, medesima che la specie dell’intelligenze, de gli demoni, de gli dèi, de gli mondi, de l’universo; anzi è quella specie da cui non solamente gli asini, ma e gli uomini e le stelle e gli mondi e gli mondani animali tutti han dependenza: quella dico nella quale non è differenza di forma e suggetto, di cosa e cosa; ma è semplicissima et una. Vedete vedete dumque d’onde derive la caggione che senza biasimo alcuno il santo de santi or è nominato non solamente leone, monocorno, rinoceronte, | vento, tempesta, aquila, pellicano: ma e non uomo, opprobrio de gli uomini, abiezzion di plebe, pecora, agnello, verme, similitudine di colpa, sin ad esser detto peccato e peggio. Considerate il ¦ principio della causa per cui gli Cristiani e Giudei non s’adirano, ma più tosto con glorioso trionfo si congratulano insieme, quando con le metaforiche allusioni nella santa scrittura son figurati per titoli e definizioni asini, son appellati asini, son definiti per asini: di sorte che dovumque si tratta di quel benedetto animale, per moralità di lettera, allegoria di senso et anagogia di proposito s’intende l’uomo giusto, l’uomo santo, l’uomo de Dio. Però quando nell’Exodo si fa menzione della redenzione e mutazion dell’uomo, in compagnia di quello vien fatta la menzion de l’Asino »Il primogenito dell’asino« dice, »cangiarai con la pecora; il primogenito dell’uomo redimerai col prezzo«. Quando nel medesimo libro è donata legge al desiderio dell’uomo che non si stenda alla moglie, alla servente, vedi nel medesimo numero messo il bue e l’Asino come che non meno importe proporsi materia di peccato l’uno che l’altro appetibile. Però

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zip der Spezies Esel ist; die, auch wenn man sie im weiten Busen der Natur sieht und sie von den anderen Spezies verschieden ist und, in den Geistern zweiter Ordnung, in numerischer Verschiedenheit und mit unterschiedlichen Konzepten begriffen werden und nicht durch jenes Eine, mit dem man die übrigen Formen begreift. Nichtsdestoweniger (und allein darauf kommt es an) gleicht die Idee im göttlichen Geist jener der Spezies Mensch, sie gleicht der Spezies der Erde, des Mondes, der Sonne, sie gleicht der Spezies der Intelligenzen, der Dämonen, der Götter, der Welten, des Universums. Es ist vielmehr diese Spezies selbst, von der nicht nur die Esel, sondern sowohl die Menschen wie auch die Sterne, Welten und alle irdischen Tiere ihre Abstammung herleiten. In dieser, sage ich, gibt es keinen Unterschied [zwischen] der Form und dem Gegenstand, [zwischen] der [einen] Sache und der [anderen] Sache, sondern sie ist einfachst und eine. Seht, seht nun also, aus welchem Grund der Heiligste der Heiligen, ohne jeglichen Tadel, einmal nicht nur als Löwe, Einhorn, Rhinozeros, Wind, Sturm, Adler, Pelikan bezeichnet wird, sondern auch Nicht-Mensch, Schandfleck der Menschen, Verworfenheit des Volkes, Schaf, Lamm, Wurm, Abbild der Schuld, ja sogar als Sünde und Schlimmeres benannt wird. Bedenkt das Prinzip der Ursache, aus dem Christen und Juden sich nicht erzürnen, sich vielmehr untereinander mit glorreichem Triumph gratulieren, wenn sie in den metaphorischen Anspielungen in der Heiligen Schrift mit den Titeln und den Definitionen der Esel dargestellt werden, als Esel bezeichnet werden, als Esel definiert werden; derart daß, wo immer man von diesem gebenedeiten Tier spricht (in buchstäblicher Moral, allegorischem Sinn und anagogischer Absicht), der gerechte Mensch, der heilige Mensch, der Mensch Gottes gemeint ist. Deshalb wird im Exodus dort, wo die Erlösung und Veränderung des Menschen erwähnt wird, in seiner Gesellschaft auch der Esel erwähnt. »Bei erstgeborenen Eseln«, heißt es dort, »sollt ihr als Ersatz ein Schaf bringen, und für den Erstgeborenen des Menschen sollt Ihr einen Preis bezahlen.« Wenn in dem gleichen Buch dem Mann das göttliche Gesetz gegeben wird, sein Begehren nicht auf Frau oder Magd zu erstrecken, findest du den Ochs und den Esel im gleichen [Bibel]vers gereiht, als mache es nichts aus, ob man sich als Sündenmaterial das eine oder das andere Begehrenswerte vornehme. Wo aber im Buch von

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quando nel libro de Giudici cantò Debora e Barac figlio d’Abinoen dicendo »Udite, o regi, porgete l’orecchie, o principi li quali montate su gli asini nitenti e sedete in giudicio«, interpretano gli santi rabini: »O governatori de la terra li quali siete superiori a gli generosi popoli, e con la sacra sferza le governate castigando gli rei, premiando gli buoni e dispensando giustamente le cose«. Quando ordina il Pentateuco che devi ridur et addirizzar al suo camino l’asino e bue errante del prossimo tuo, | intendeno moralmente gli dottori che l’uomo del nostro prossimo Idio, il quale è dentro di noi et in noi, s’aviene che prevariche dalla via della giustizia, debba essere da noi corretto et avertito. Quando l’archisinagogo riprese il Signor che curava nel sabbato, et egli rispose che »non è uomo da bene che in qualumque giorno non vegna a cavar l’asino ¦ o bue dal pozzo dove è cascato«, intendeno gli divini scrittori che l’asino è l’uomo semplice, il bue è l’uomo che sta sul naturale, il pozzo è il peccato mortale, quel che cava l’asino dal pozzo è la divina grazia e ministero che redime gli suoi diletti da quell’abisso. Ecco dumque qualmente il popolo redemuto, preggiato, bramato, governato, addirizzato, avertito, corretto, liberato e finalmente predestinato, è significato per l’asino, è nominato asino. E che gli asini son quelli per gli quali la divina benedizzione e grazia piove sopra gli uomini, di maniera che guai a color che vegnon privi del suo asino, certamente molto ben si può veder nell’importanza di quella madedizzione che impiomba nel Deuteronomio, quando minacciò Dio dicendo: »L’asino tuo ti sia tolto d’avanti, e non ti sia reso«. Maladetto il regno, sfortunata la republica, desolata la cità, desolata la casa, onde è bandito, distolto et allontanato l’asino. Guai al senso, conscienza et anima dove non è participazion d’asinità. Et è pur trito adagio ab asino excidere, per significar l’esser destrutto, sfatto, spacciato. Origene Adamanzio, accettato tra gli ortodoxi e sacri dottori, vuole che il frutto de la predicazione de’ settanta doi discepoli è signifi-

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den Richtern Debora zusammen mit Barak, dem Sohn Abinoams, singt und sagt: »Ihr Könige, leiht mir Euer Ohr, Ihr Fürsten, hört!, die ihr auf leuchtendhellen Eseln reitet und zu Gericht sitzt«, da interpretieren die heiligen Rabbiner: »Oh Herrscher der Erde, die ihr den edlen Völkern vorsteht und mit der heiligen Peitsche über sie herrscht, indem ihr die Bösen straft, die Guten belohnt und die Dinge gerecht verteilt.« Wenn der Pentateuch befiehlt, daß Du den irrlaufenden Esel und Ochsen Deines Nächsten auf seinen rechten Weg bringen sollst, dann meinen die Schriftgelehrten [in] moralisch[em Schriftsinn], daß der uns in Gott verwandte Mensch, der in uns drinnen (und in uns!) ist, in dem Fall von uns darauf aufmerksam gemacht und zurechtgewiesen werden soll, daß er vom Pfad der Gerechtigkeit abweicht. Als der Synagogenvorsteher Unserem Herrn Vorwürfe machte, weil dieser am Sabbath heilte, und dieser antwortete, »daß kein guter Mensch sei, wer nicht an jeglichem Tage hinzueile, um den Ochs und den Esel aus dem Brunnen zu ziehen, worein er gefallen«, verstanden die heiligen Autoren, daß der Esel der einfältige Mensch sei, der Ochs sei der Mensch im Naturzustand, der Brunnen sei die Todsünde, jene, die den Esel aus dem Brunnen ziehen, seien die göttliche Gnade und ihr Diener, die ihre Erwählten aus jenem Abgrund erlösen. Hier wird also das erlöste, gelobte, ersehnte, geführte, aufgerichtete, verwarnte, bestrafte, befreite und schließlich auserwählte Volk durch den Esel bezeichnet, es wird Esel genannt. Und daß es die Esel sind, deretwegen die himmlische Gnade und ihr Segen auf die Menschen herabregnen, so daß denen Übles blüht, denen ihr Esel abhanden kommt, kann man sicherlich sehr gut an der Wichtigkeit jener bleischweren Verwünschung im Deuteronomium erkennen, wo Gott droht, wenn er sagt: »Dein Esel wird vor Deinen Augen weggeführt, und Du siehst ihn nie wieder.« Verdammt das Reich, unglücklich die Republik, wüst die Stadt, wüst das Haus, wo der Esel verbannt, entfremdet und entfernt ist. Wehe dem Sinn, dem Bewußtsein und der Seele, die nicht am Eseltum teilhat. Dabei ist Ab asino excidere [vom Esel fallen] ein abgedroschenes Sprichwort, um das Zerstört-, Zugrundegerichtet- und Vernichtetsein zu bezeichnen. Origenes Adamantius, der unter den orthodoxen und heiligen Schriftgelehrten geachtet wird, meint, daß die Frucht der Predigt der 72 Schüler durch die 72.000 Esel bezeichnet wird, die das israeliti-

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cato per li settanta doi milia asini che il popolo israelita guadagnò contra gli Moabiti: | atteso che de quei settanta doi ciascuno guadagnò mille, cioè un numero perfetto d’anime predestinate, traendole da le mani de Moab, cioè liberandole dalla tirannia de Satan. Giongasi a questo ¦ che gli uomini più divoti e santi, amatori et exequitori dell’antiqua e nova legge, absolutamente e per particolar privilegio son stati chiamati asini. E se non mel credete, andate a studiar quel ch’è scritto sopra quell’Evangelico: »L’asina et il pulledro sciogliete e menateli a me«. Andate a contemplar su gli discorsi che fanno gli teologi ebrei, greci e latini sopra quel passo che è scritto nel libro de Numeri: »Aperuit Dominus os asinae, et locuta est«. E vedete come concordano tanti altri luoghi delle sacrate lettere dove sovente è introdotto il providente Dio aprir la bocca de diversi divini e profetici suggetti, come di quel che disse »Oh oh oh, Signor, ch’io non so dire«; e là dove dice »Aperse il Signor la sua bocca«; oltre tante volte ch’è detto »Ego ero in ore tuo«; tante volte ch’egli è priegato »Signor, apri le mie labra, e la mia bocca ti lodarà«; oltre nel testamento novo, »Li muti parlano, li poveri evangelizano«: tutto è figurato per quello che il Signor aperse la bocca de l’asina, et ella parlò. Per l’autorità di questa, per la bocca, voce e paroli di questa, è domata, vinta e calpestrata la gonfia, superba e temeraria scienza secolare; et è ispianata al basso ogni altezza che ardisce di levar il capo verso il cielo: perché Dio hav’elette le cose infermi per confondere le forze del mondo. ¦ Le cose stolte have messe in riputazione; atteso che quello che per la sapienza non posseva essere restituito, per la santa stoltizia et ignoranza è stato riparato: però è riprovata la | sapienza de sapienti, e la prudenza de prudenti è rigettata. Stolti del mondo son stati quelli

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sche Volk von den Moabitern eroberte: Man erwäge, daß von den 72 jeder tausend eroberte, also eine vollkommene Zahl auserwählter Seelen, die sie aus den Händen Moabs und somit aus der Tyrannei Satans befreiten. Man füge dem hinzu, daß die frommsten und heiligsten Männer, Liebhaber und Vollstrecker des alten und neuen Gesetzes uneingeschränkt und zur besonderen Auszeichnung Esel genannt wurden. Und wenn Ihr es mir nicht glaubt, geht und lest nach, was in jenem Evangelium darüber geschrieben steht: »Bindet die Eselin und ihr Junges los und führt sie zu mir.« Geht, um Euch in die Abhandlungen zu versenken, die die hebräischen, griechischen und lateinischen Theologen über jenen Passus verfaßt haben, der im Buch Numeri geschrieben steht: Aperuit Dominus os asinae et locuta est [Der Herr öffnete den Mund der Eselin, und sie sprach]. Und seht, wie viele andere Stellen der Heiligen Schriften übereinstimmend davon erzählen, wie der vorsehende Gott oft dabei dargestellt wird, wie er verschiedenen göttlichen und prophetischen Wesen den Mund öffnet, wie jenem, der sagt: »Oh Oh Oh Herr, ich kann doch nicht reden.« Und dort, wo er sagt: »Es öffnete der Herr seinen Mund.« Neben den vielen Malen, wo gesagt wird: »Ego ero in ore tuo [Ich werde in deinem Mund sein]«, wird er viele Male angerufen: »Herr, öffne meine Lippen, und mein Mund wird dich loben.« Weiterhin, im Neuen Testament: »Die Stummen sprechen, die Armen [im Geiste] verkünden das Evangelium.« Alles ist dadurch versinnbildlicht, daß der Herr der Eselin den Mund öffnete und sie zu sprechen [begann]. Durch ihre Autorität, durch ihren Mund und ihre Stimme und ihre Worte ist die aufgeblähte, hochmütige und unbesonnene weltliche Wissenschaft gebändigt, besiegt und zertreten; und alles Hohe, was sein Haupt gen Himmel zu wenden wagte, ist dem Erdboden gleichgemacht: denn Gott hat die schwachen Dinge erwählt, um die weltlichen Mächte zu verwirren, er hat die dummen Dinge zu Ehren gebracht. Man erwäge, daß das, was durch die Weisheit nicht mehr wiederherzustellen war, durch die heilige Einfalt und Unwissenheit ersetzt wurde; die Weisheit der Weisen wird deshalb

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ch’han formata la religione, gli ceremoni, la legge, la fede, la regola di vita; gli maggiori asini del mondo (che son quei che privi d’ogn’altro senso e dottrina, e voti d’ogni vita e costume civile, marciti sono nella perpetua pedantaria) son quelli che per grazia del cielo riformano la temerata e corrotta fede, medicano le ferite de l’impiagata religione, e togliendo gli abusi de le superstizioni, risaldano le scissure della sua veste; non son quelli che con empia curiosità vanno o pur mai andaro perseguitando gli arcani della natura, computaro le vicissitudini de le stelle. Vedete se sono o furon giamai solleciti circa le cause secrete de le cose; se perdonano a dissipazion qualumque de regni, dispersion de popoli, incendii, sangui, ruine et esterminii; se curano che perisca il mondo tutto per essi loro: purché la povera anima sia salva, purché si faccia l’edificio in cielo, pur che si ripona il tesoro in quella beata patria, niente curando della fama e comodità e gloria di questa frale et incerta vita: per quell’altra certissima et eterna. Questi son stati significati per l’allegoria de gli antiqui sapienti (alli quali non ha voluto mancar il divino spirito di revelar qualche cosa, almeno per farli inescusabili) in quello sentenzioso apologo de gli dèi che combattirono contra gli rubelli giganti, figli de la terra et arditi predatori del cielo; che con la voce de gli asini confusero, atterrirono, spaventaro, vinsero e domorno. Il medesimo ¦ è sufficientemente espresso dove, alzando il velo de la sacrata figura, s’affigono gli occhi all’anagogico senso di quel divin Sansone, che con l’asinina mascella tolse | la vita a mille Filistei; perché dicono gli santi interpreti che nella mascella de l’asina, cioè de gli predicatori de la legge e ministri della sinagoga, e nella mascella del pulledro de gli asini, cioè de’ predicatori della nova legge e ministri de l’ecclesia militante, delevit eos, cioè scancellò, spinse que’ mille, quel numero compito, que’ tutti, secondo che è scritto: »Cascarono dal tuo lato

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widerlegt und die Klugheit der Klugen verworfen. Die Dummen der Welt sind es gewesen, die die Religion, die Zeremonien, das Gesetz, den Glauben, die Lebensregel[n] gemacht haben; die größten Esel der Welt (welche diejenigen sind, die mangels jeder anderen Art von Sinn und Lehre und bar jeglicher Form des gesitteten und zivilisierten Lebens in der ewigen Pedanterie verfault sind) sind jene, die mit dem Segen des Himmels den verweltlichten und verderbten Glauben reformieren, die Wunden der verletzten Religion verarzten und, indem sie den vielfältigen Mißbrauch des Aberglaubens beseitigen, die Risse in ihrem Gewand heil werden lassen; es sind nicht jene, die mit gottloser Neugier den Geheimnissen der Natur nachlaufen, ohne sie jemals einzuholen, [und] die Wechselfälle der Sterne berechnen. Seht, ob sie jemals etwas in bezug auf die geheimen Ursachen der Dinge zu Wege gebracht haben oder bringen; ob sie irgendeinem der Reiche die Auflösung erspart haben, den Völkern die Vernichtung, Brände, Blutbäder, Zerstörungen, Gemetzel; ob sie sich darum kümmern, daß die ganze Welt durch sie zugrunde geht: Solange nur [ihre] arme Seele sich rettet, solange nur ihr Haus im Himmel gemacht ist, solange nur ihr Schatz in jene glückselige Heimat zurückkommt, ohne sich um den Ruhm und die Bequemlichkeit und die Ehre dieses zerbrechlichen Lebens zu kümmern: wegen jenes anderen ganz sicheren und ewigen. Diese sind von den alten Weisen (denn ihnen wollte der göttliche Geist nicht unterlassen, wenigstens [das Folgende] zu offenbaren, damit sie zumindest unentschuldbar wären) allegorisch in jener sinnreichen Apologie jener Götter bezeichnet worden, die gegen die aufrührerischen Giganten, die Söhne der Erde und kühnen Räuber des Himmels kämpften und sie mit Eselsstimmen verwirrten, entsetzten, erschreckten, unterwarfen und besiegten. Selbiges ist dort genügend zum Ausdruck gebracht, wo die Augen, indem sie den Schleier der heiligen Allegorie lüften, auf den anagogischen Sinn jenes göttlichen Samson starren, der mit dem Eselskiefer tausend Philistern das Leben nahm; deshalb sagen die heiligen Schriftausleger, daß [Samson] delevit eos [sie vernichtete] im Kiefer der Eselin (also: der Prediger des Gesetzes und Priester der Synagoge), sowie im Kiefer des Eselfüllens, (also: der Prediger des Neuen Gesetzes) und der Priester der streitbaren Kirche, (also: diese tausend, diese vollendete Zahl dort hineintrieb und auslöschte), jene alle, von denen ge-

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mille, e dalla tua destra diece milia«. Et è chiamato il luogo Ramathlechi, cioè exaltazion de la mascella; dalla quale per frutto di predicazione non solo è seguita la ruina delle adversarie et odiose potestadi, ma anco la salute de regenerati: perché dalla medesima mascella, cioè per virtù di medesima predicazione, son uscite e comparse quelle acqui, che promulgando la divina sapienza, diffondeno la grazia celeste, e fanno gli suoi abbeverati capaci de vita eterna. O dumque forte, vittoriosa e trionfatrice mascella d’un asino morto; o diva, graziosa e santa mascella d’un polledro defunto: or che deve essere della santità, grazia e divinità, fortezza, vittoria e trionfo dell’asino tutto, intiero e vivente, - asino, pullo e madre, - se di quest’osso e sacrosanta reliquia la gloria et exaltazion è tanta? E mi volto a voi, o dilettissimi ascoltatori; a voi a voi mi rivolto, o amici lettori de mia scrittura et ascoltatori de mia voce: e vi dico, e vi avertisco, e vi esorto, e vi scongiuro che ritorniate a voi medesimi. Datemi scampo dal vostro male, prendete partito ¦ del vostro bene, banditevi dalla mortal magnificenza del core, ritiratevi alla povertà del spirito, siate umili di mente, abrenunziate alla raggione, estinguete quella | focosa luce de l’intelletto, che vi accende, vi bruggia e vi consuma; fuggite que’ gradi de scienza che per certo aggrandiscono i vostri dolori; abnegate ogni senso, fatevi cattivi alla santa fede, siate quella benedetta asina, riducetevi a quel glorioso pulledro, per li quali soli il redentor del mondo disse a gli ministri suoi: »Andate al castello ch’avete a l’incontro«, cioè andate per l’universo mondo sensibile e corporeo il quale come simulacro è opposto e supposto al mondo intelligibile et incorporeo; »Trovarete l’asina et il pulledro legati«: v’occorerà il popolo ebreo e gentile, sottomesso e tiranneggiato dalla captività di Belial. Dice ancora, »Scioglietele, levateli de la cattività«: per la predicazion dell’Evangelio, et effusion de l’acqua battismale; »e menatele a me«: perché mi servano,

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schrieben steht: »Es fielen auf Deiner Seite tausend und zu Deiner Rechten zehntausend.« Und der Ort wird Ramath-lechi genannt, das heißt »Erhöhung des Kiefers«, auf sie folgte nicht nur der Untergang der feindlichen und verhaßten Machthaber, sondern auch das Heil der zur wahren Erkenntnis geführten. Denn aus demselben Kiefer, also durch die Kraft selbiger Predigt, sind jene Wasser herausgekommen und hervorgetreten, die (indem sie die göttliche Weisheit verkündigen) die himmlische Gnade in weitem Bogen ausgießen und die aus ihnen Trinkenden zum ewigen Leben befähigen. Folglich: Oh starke, siegreiche und triumphierende Kinnlade eines toten Esels; oh göttliche, gnadenbringende und heilige Kinnlade eines verstorbenen Füllens! Wie muß es dann um die Heiligkeit, Gnade und Göttlichkeit, um Stärke, Sieg und Triumph des ganzen, vollständigen und lebendigen Esels, Eselsmutter und Eselsfüllen [zusammen], bestellt sein, wenn Ruhm und Erhöhung dieses Knochens und dieser sakrosankten Reliquie [schon] so groß sind? Und ich wende mich an Euch, oh teuerste Hörer; an Euch, an Euch wende ich mich, oh Freunde, Leser meiner Schrift und Hörer meiner Stimme: und ich sage Euch und ich ermahne Euch, und ich beschwöre Euch, kehrt ein in Euch selbst. Verschonet mich vom Übel in Euch, nehmt Anteil am Guten in Euch, verbannt von Euch den vergänglichen Prunk des Herzens, zieht Euch zurück in die Armut der Seele, seid bescheiden im Geiste, schwört der Vernunft ab, löscht dies feurige Licht des Intellekts, das Euch entzündet, Euch verbrennt und Euch verzehrt; flüchtet jene Stufen der Wissenschaft, die Eure Schmerzen sicherlich nur vergrößern; schwört jedem vernünftigen Empfinden ab, macht Euch zu Gefangenen des heiligen Glaubens, seid jene gebenedeite Eselin, erniedrigt Euch zu jenem ruhmreichen Füllen, denn nur für diese sagte der Erlöser der Welt zu seinen Dienern: »Geht in das Dorf dort vorn!«, das heißt, durchschreitet die gesamte sinnliche und körperliche Welt, die als Abbild der intelligiblen und unkörperlichen unter- und gegenübergestellt sei. »[Dort] werdet Ihr eine Eselin und ihr Junges angebunden finden«, und Euch wird das hebräische und heidnische Volk in der Gefangenschaft Belials unterworfen und geknechtet begegnen. Weiter sagt er: »Bindet sie los! Führt sie aus der Gefangenschaft«, zur Verkündigung des Evangeliums und zum Vergießen des Taufwassers. »Und führt sie

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perché siano miei; perché portando il peso del mio corpo, cioè della mia santa instituzione e legge sopra le spalli, et essendo guidati dal freno delli miei divini consegli, sian fatti degni e capabili d’entrar meco nella trionfante Ierusalem, nella città celeste. Qua vedete chi son li redemuti, chi son gli chiamati, chi son gli predestinati, chi son gli salvi: l’asina, l’asinello, gli semplici, gli poveri d’argumento, gli pargoletti, quelli ch’han discorso de fanciulli; quelli, quelli entrano nel regno de’ cieli; quelli per dispreggio del mondo e de le sue pompe calpestrano gli vestimenti, hanno bandita da sé ogni cura del corpo, de la carne che sta avolta circa quest’anima, se l’han messa sotto gli piedi, l’hanno gittata via a terra: per far più gloriosa e trionfalmente passar l’asina et il suo caro asinello. Pregate, pregate Dio, o carissimi, se non siete ancora asini, che vi faccia dovenir asini. | Vogliate solamente: perché certo certo facilissimamente vi sarà conceduta la grazia; perché, benché naturalmente siate asini, e la disciplina commune ¦ non sia altro che una asinitade, dovete avertire e considerar molto bene se siate asini secondo Dio: dico se siate quei sfortunati che rimagnono legati avanti la porta, o pur quegli altri felici li quali entran dentro. Ricordatevi, o fideli, che gli nostri primi parenti a quel tempo piacquero a Dio, et erano in sua grazia, in sua salvaguardia, contenti nel terrestre paradiso, nel quale erano asini, cioè semplici et ignoranti del bene e male; quando posseano esser titillati dal desiderio di sapere bene e male, e per consequenza non ne posseano aver notizia alcuna; quando possean credere una buggia che gli venesse detta dal serpente; quando se gli possea donar ad intendere sin a questo: che benché Dio avesse detto che morrebono, ne potesse essere il contrario; in cotal disposizione erano grati, erano accetti, fuor d’ogni dolor, cura e molestia. Sovvegnavi ancora ch’amò Dio il popolo ebreo quando era afflitto, servo, vile, oppresso, ignorante, onerario, portator de còfini, somarro, che non gli possea mancar altro che la coda ad esser asino naturale sotto il domìno de l’Egitto: allora fu detto da Dio suo popolo, sua gente, sua scelta genera-

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zu mir!«, damit sie mir dienen, damit sie mein seien; damit sie, indem sie das Gewicht meines Körpers tragen (das heißt meiner heiligen Anordnung und meines Gesetzes auf ihren Schultern tragen) und würdig und fähig werden, geführt durch die Zügel meiner göttlichen Ratschlüsse, mit mir im triumphierenden Jerusalem, der himmlischen Stadt, Einzug zu halten. Hier seht Ihr, wer die Erlösten, wer die Berufenen, wer die Vorbestimmten, wer die Geretteten sind; die Eselin, das Füllen, die Einfachen, die Armen im Geiste, die Kindlein, diejenigen, die wie die Kinder reden; diese, diese kommen in das Himmelsreich, diese zertrampeln ihre Kleider aus Verachtung für die Welt und ihren Prunk; [sie] haben jegliche Sorge um ihren Körper, das Fleisch, das diese Seele umhüllt, vertrieben, treten es mit Füßen, haben es fort, zu Boden geworfen: um die Eselin und ihr liebes Eselein um so glorreicher und triumphierender erscheinen zu lassen. Bittet, bittet Gott, Ihr Liebsten, daß er Euch zu Eseln mache, wenn Ihr noch keine seid. Ihr müßt nur wollen, und sicher, sicher wird Euch ganz leicht die Gnade gewährt, denn, obwohl Ihr von Natur aus Esel seid und die allgemeine Wissenschaft nichts als eine Eselei ist, müßt Ihr Euch vergegenwärtigen und sehr wohl darauf achten, ob Ihr Esel nach Gott seid: ich meine, ob Ihr zu jenen Unglücklichen gehört, die vor der Tür angebunden bleiben, oder zu jenen anderen Glücklichen, die eintreten [dürfen]. Erinnert Euch, oh Gläubige, daß unsere ersten Verwandten in jener Zeit Gott gefielen und sich in seiner Gnade befanden, in seinem Schutz, zufrieden im irdischen Paradies, in der sie Esel waren, das heißt rein waren und nichts von Gut und Böse wußten: als sie somit gereizt werden konnten vom Begehren, Gut und Böse zu [er]kennen, und folglich gar keine Kunde davon haben konnten; als sie eine Lüge glauben konnten, die ihnen von der Schlange erzählt wurde; als man ihnen sogar weismachen konnte, daß, obwohl Gott ihnen gesagt hatte, sie würden sterben, das Gegenteil möglich wäre; in jenem Zustand waren sie wohlgefällig und anerkannt, gänzlich frei von Schmerzen, Mühe und Last. Erinnert Euch auch daran, daß Gott das jüdische Volk liebte, als es gequält, geknechtet, niedrig, unterdrückt, unwissend, belastet war, ein Träger von Lastkörben, ein Lasttier, dem unter der Herrschaft Ägyptens nichts anderes als der Schwanz zum natürlichen Esel fehlen konnte. Damals wurde es von Gott sein Volk, seine Leute, sein erwähl-

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zione. Perverso, scelerato, reprobo, adultero fu detto quando fu sotto le discipline, le dignitadi, le grandezze e similitudine de gli altri popoli e regni onorati secondo il mondo. Non è chi non loda l’età de l’oro, quando gli uomini erano asini, non sapean lavorar la terra, non sapean l’un dominar a l’altro, intender più de l’altro, avean per tetto gli antri e le | caverne, si donavano a dosso come fan le bestie, non eran tante coperte e gelosie, e condimenti de libidine e gola: ogni cosa era commune, il pasto eran le poma, le castagne, le ghiande in quella forma che son prodotte dalla madre natura. Non è ¦ chi non sappia qualmente non solamente nella specie umana, ma et in tutti gli geni d’animali la madre ama più, accarezza più, mantien contento più et ocioso, senza sollecitudine e fatica, abbraccia, bacia, stringe, custodisce il figlio minore: come quello che non sa male e bene, ha dell’agnello, ha de la bestia, è un asino, non sa cossì parlare, non può tanto discorrere; e come gli va crescendo il senno e la prudenza, sempre a mano a mano se gli va scemando l’amore, la cura, la pia affezzione che gli vien portata da gli suoi parenti. Non è nemico che non compatisca, abblandisca, favorisca a quella età, a quella persona che non ha del virile, non ha del demonio, non ha del uomo, non ha del maschio, non ha del accorto, non ha del barbuto, non ha del sodo, non ha del maturo. Però quando si vuol mover Dio a pietà e comiserazione il suo Signore, disse quel profeta: »Ah ah ah, Domine, quia nescio loqui«; dove col ragghiare e sentenza, mostra esser asino. Et in un altro luogo dice: »Quia puer sum«. Però quando si brama la remission della colpa, molte volte si presenta la causa nelli divini libri, con dire: »Quia stulte egimus«, »stulte egerunt«, ¦ »quia nesciunt quid faciant«, »ignoravimus«, »non intellexerunt«. Quando si vuol impetrar da lui maggior favore, et acquistar tra gli uomini maggior fede, grazia et autorità, si dice in un loco, che li apostoli eran stimati imbreachi; in un altro loco, che non sapean | quel che dicevano,

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ter Stamm genannt. Verdorben, verbrecherisch, gottlos, ehebrecherisch wurde es genannt, als es sich unter den Gesetzen, der Würde, der Größe und Ähnlichkeit der anderen Völker und Reiche, die in der Welt verehrt werden, befand. Es gibt keinen, der nicht das Goldene Zeitalter lobt, als die Menschen Esel waren, nicht das Feld zu bestellen wußten, der eine nicht über den anderen zu herrschen wußte [oder] mehr als dieser verstand, sie als Dach nur Höhlen und Kavernen hatten, sich besprangen wie die Tiere es tun, es nicht so viele Deckmäntel und Eifersüchteleien und Würze für Wollust und Freßsucht gab. Jede Sache gehörte allen, das Essen bestand aus Äpfeln, Kastanien und Eicheln in der Form, wie Mutter Natur sie hervorbringt. Es gibt keinen, der nicht weiß, wie sehr (nicht nur bei der Spezies Mensch, sondern auch bei den anderen Tierarten) die Mutter am meisten das jüngste Kind liebt, es am meisten streichelt, am meisten für seine Zufriedenheit und seine Muße sorgt, ohne Eifer und Mühe, es umarmt, küßt, drückt, beschützt: als jenes, das Gut und Böse nicht kennt, hat es etwas von einem Engel und etwas von einem Tier; es ist ein Esel, es versteht nicht so [richtig] zu sprechen, kann nicht so viel reden, und wie ihm Verstand und Klugheit wächst, so verringert sich nach und nach die ihm von seiten seiner Eltern entgegengebrachte Liebe, die Fürsorge, die fromme Zuneigung. Es gibt keinen Feind, der kein Mitgefühl empfinden, der jenes Alter, jene Person nicht liebkosen und beschützen würde, die nichts Viriles hat, nichts Dämonisches, nichts Menschliches hat, nichts Männliches hat, nichts Schlaues hat, nichts Bärtiges hat, nichts Derbes hat, nichts Reifes hat. Wenn man daher Gottes Gnade bewirken und seinen Herrn zur Nachsicht bewegen will, sagte jener Prophet: »Ah ah ah Domine, quia nescio loqui [Oh, oh Herr, weil ich nicht sprechen kann],« womit er durch das Wiehern und diese Aussage zeigt, daß er ein Esel ist. Und an einer anderen Stelle sagt er: »Quia puer sum [weil ich ein Knabe bin].« Wenn man daher die Vergebung einer Schuld ersehnt, stellt sich der Fall in den göttlichen Büchern oft so dar, daß man sagt: »Quia stulte egimus«,»stulte egerunt«, »quia nesciunt quid fasciant«, »ignoravimus«, »non intellexerunt«. Wenn man von ihm mehr Gunst erlangen und unter den Menschen mehr Glauben, Gnade und Autorität erlangen will, sagt man an einer Stelle, daß die Apostel für betrunken gehalten wurden. An einer anderen Stelle, daß sie nicht wußten, was sie

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 ¦ 

perché non erano essi che parlavano: et un de più eccellenti per mostrar quanto avesse del semplice disse che era stato rapito al terzo cielo, uditi arcani ineffabili, e che non sapea s’era morto o vivo, se era in corpo o fuor di quello. Un altro disse che vedea gli cieli aperti; e tanti e tanti altri propositi che tegnono gli diletti de Dio, alli quali è revelato quello che è occolto a la sapienza umana, et è asinità esquisita a gli occhi del discorso razionale: perché queste pazzie, asinitadi e bestialitadi son sapienze, atti eroici et intelligenze appresso il nostro Dio: il qual chiama li suoi pulcini, il suo grege, le sue pecore, li suoi parvuli, li suoi stolti, il suo pulledro, la sua asina, que’ tali che li credeno, l’amano, il siegueno. Non è, non è (dico) meglior specchio messo avanti gli occhi umani che l’asinitade et: asino il qual più esplicatamente secondo tutti gli numeri dimostre qual esser debba colui, che faticandosi nella vigna del Signore deve aspettar la retribuzion del danaio diurno, il gusto della beatifica cena, il riposo che siegue il corso di questa transitoria vita. Non è conformità megliore o simile che ne amene, guide e conduca alla salute eterna più attamente che far possa questa vera sapienza approvata dalla divina voce: come per il contrario non è cosa che ne faccia più efficacemente impiombar al centro et al baratro tartareo, che le filosofiche e razionali contemplazioni, quali nascono da gli sensi, crescono nella facultà discorsiva e si maturano nell’intelletto umano. Forzatevi, forzatevi dumque ad esser asini, o voi che siete uomini; e voi che siete già asini, studiate, procurate, adattatevi a ¦ proceder sempre da bene in meglio, a fin che | perveniate a quel termine, a quella dignità, la quale non per scienze et opre, quantumque grandi, ma per fede s’acquista; non per ignoranza e misfatti quantumque enormi, ma per la incredulità (come dicono secondo l’Apostolo) si perde. Se cossì vi disporrete, se tali sarete e talmente vi governarete, vi trovarete scritti nel libro de la

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deklamation 

 



  –  



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sagten, denn es waren nicht sie, die sprachen. Und einer der Ausgezeichnetsten sagte (um zu beweisen, wieviel er von einem Einfachen habe), daß er in den dritten Himmel entrückt gewesen sei, [wo er] unaussprechliche Geheimnisse vernommen habe und nicht wußte, ob er tot oder lebendig war, ob er in [seinem] Körper oder außerhalb desselben sei. Ein anderer sagte, er habe die Himmel geöffnet gesehen und viele viele andere Dinge mehr, welche die von Gott Geliebten glauben; Ihnen wird das offenbart, was der menschlichen Weisheit verborgen bleibt. Und diese ist vor den Augen der vernünftigen Rede Eseltum par excellence, denn diese Verrücktheiten, Eseleien und Dummheiten sind Weisheiten, heroische und intelligente Taten für unseren Gott. Er nennt jene, die an ihn glauben, ihn lieben und ihm folgen, seine Flöhe, seine Herde, seine Schafe, seine Kindlein, seine Dummen, seine Füllen, seine Eselin. Es gibt keinen, es gibt keinen (sage ich) besseren Spiegel, der den menschlichen Augen vorgehalten werden könnte, als das Eseltum und den Esel. Jener zeigt ganz klar und in Übereinstimmung mit allen [Bibel]versen, wie der sein muß, der, nachdem er sich im Weinberg des Herrn abgemüht hat, die Auszahlung des Tageslohnes, den Geschmack des beseligten Abendmahls, die Ruhe, die dem Lauf dieses vergänglichen Lebens folgt, erwarten muß. Es gibt kein besseres oder ähnlicheres Muster, das geeigneter wäre, zum ewigen Heil hinzuführen, anzuleiten und hin zu begleiten als diese echte, von der göttlichen Stimme gebilligte Weisheit; wie es im Gegensatz dazu keine Sache gibt, die [uns] sicherer in das Zentrum und in den Abgrund des Tartarus hinabstürzen läßt als die philosophischen und vernünftigen Betrachtungen, wie sie aus den Sinnen entstehen, im Verstandesvermögen wachsen und im menschlichen Intellekt reifen. Bemüht Euch also, bemüht Euch mit aller Kraft, Esel zu sein, Ihr, die Ihr Menschen seid; und Ihr, die Ihr schon Esel seid, lernt, besorgt Euch darum, fügt Euch darin, immer vom Guten zum Besseren fortzuschreiten, damit Ihr zu jenem Ziel gelangt, zu jener Würde, die man nicht durch Wissenschaft und Werke, wie groß sie auch seien, sondern durch Glauben erlangt; [und] die man nicht durch Unwissenheit und Untaten, wie maßlos sie auch seien, sondern durch Unglauben (wie man nach dem Apostel sagt), verliert. Wenn Ihr es so haltet, wenn Ihr so seid und Euch so benehmt, werdet Ihr Euch in das Buch des Lebens

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declamazione



vita, impetrarete la grazia in questa militante, et otterrete la gloria in quella trionfante ecclesia, nella quale vive e regna Dio per tutti secoli de secoli. Cossì sia. Finis

deklamation 



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[ein]geschrieben finden, werdet Ihr der Gnade in dieser streitbaren teilhaftig werden und die Glorie in jener triumphierenden Kirche erlangen, in welcher Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit leben und herrschen wird. So sei es. Finis [Ende]

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un molto pio sonetto

| ¦ Un molto pio sonetto circa la significazione de l’asina e pulledro »Ite al castello ch’avete d’avanti, e trovarete l’asina col figlio: quelli sciogliete, e dandogli de piglio, l’amenarete a me, servi miei santi. S’alcun per impedir misterii tanti, contra di voi farà qualche bisbiglio, risponderete lui con alto ciglio, c h’il gran Signor le vuol far trionfanti«. Dice cossì la divina scrittura, per notar la salute de’ credenti al redentor dell’umana natura. Gli fideli di Giuda e de le genti con vita parimente sempia e pura potran montar a que’ scann’eminenti. Divoti e pazienti vegnon a fars’il pullo con la madre contubernali a l’angeliche squadre.



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ein sehr frommes sonett

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Ein sehr frommes Sonett über die Bedeutung der Eselin und des Füllens »Geht in das Dorf da vorn! Dort werdet Ihr die Eselin und ihr Junges finden. Bindet beide los und, indem Ihr sie rasch ergreift, führt sie zu mir, meine heiligen Diener. Wenn jemand, derartige Mysterien zu verhindern, gegen Euch irgendwie daherraunt, antwortet ihm mit hochgezognen Augenbrauen, daß sie der große Herr triumphieren lassen möchte.« So spricht die Heilige Schrift, um das Heil der Gläubigen zu bezeichnen, im Erlöser der menschlichen Natur. Die Gläubigen Judäas und der Heiden, ebenso einfach wie rein im Leben, werden die hohen Sitze ersteigen können. Fromm und geduldig werden sie sich zum Fohlen mit der Mutter machen, Zimmergenossen der himmlischen Heerscharen.

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 ¦ 

| ¦ D IA L O G O P R I M O

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Interlocutori Sebasto, Saulino, Coribante Sebasto È il peggio che diranno che metti avanti metaffore, narri favole, raggioni in parabola, intessi enigmi, accozzi similitudini, tratti misterii, mastichi tropologie. Saulino Ma io dico la cosa a punto come la passa; e come la è propriamente, la metto avanti gli occhi. Coribante Id est, sine fuco, plane, candide; ma vorrei che fusse cossì come dite da dovero. Saulino Cossì piacesse alli dèi, che fessi tu altro che fuco con questa tua gestuazione, toga, barba e supercilio: come anco quanto a l’ingegno, candide, plane et sine fuco, mostri a gli occhi nostri la idea della pedantaria. Coribante Hactenus haec? Tanto che Sofia loco per loco, sedia per sedia vi condusse? Saulino Sì. ¦ Sebasto Occorrevi de dir altro circa la provisione di queste sedie? | Saulino Non per ora, se voi non siete pronto a donarmi occasione di chiarirvi de più punti circa esse col dimandarmi e destarmi la memoria, la quale non può avermi suggerito la terza parte de notabili propositi degni di considerazione. Sebasto Io a dir il vero, rimagno sì suspeso dal desio de saper qual cosa sia quella ch’il gran padre de gli dèi ha fatto succedere in quelle due sedie, l’una Boreale e l’altra Australe, che m’ha parso il tempo de mill’anni per veder il fine del vostro filo, quantumque curioso, utile e

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E R S T E R D IA L O G













Sprecher: Sebasto, Saulino, Coribante Sebasto Und das Schlimmste, was man Dir vorwerfen wird ist, daß Du Metaphern vorbringst, Märchen erzählst, in Parabeln argumentierst, Rätsel einflechtest, Gleichnisse zusammenwürfelst, Mysterien abhandelst, Allegorien undeutlich aussprichst. Saulino Aber ich erzähle die Sache genauso, wie sie sich zuträgt; und ich führe sie so vor Augen, wie sie wirklich ist. Coribante Id est, sine fuco, plane, candide [Das heißt ohne Betrug, offen und ehrlich], aber ich wünschte, es wäre wirklich, wie Ihr sagt. Saulino So wie es den Göttern gefiele, daß Du ein anderer wärst als ein unnützer Müßiggänger mit Deinen Gebärden, Deiner Toga, Deinem Bart und Deinen [verächtlich hochgezogenen] Augenbrauen: mit welchen Du dem Verstand, candide, plane et sine fuco, wie auch unseren Augen die Idee der Pedanterie vorführst. Coribante Hactenus haec [Und das ist alles]? So führte Euch Sophia von Ort zu Ort, von Sitz zu Sitz? Saulino Ja. Sebasto Müßt Ihr noch mehr über die Verteilung dieser Orte sagen? Saulino Im Augenblick nicht, wenn ihr nicht bereit seid, mir Gelegenheit zu geben, Euch über verschiedene Punkte diesbezüglich aufzuklären, indem Ihr mich befragt und in mir die Erinnerung weckt, die mir nicht mehr als ein Drittel der betrachtungswürdigen, wichtigen Gegenstände eingeflüstert haben dürfte. Sebasto Um die Wahrheit zu sagen, ich bin derart vom Wunsch erfüllt zu erfahren, was es war, das der große Vater der Götter an jenen beiden Sitzen geschehen ließ, dem nördlichen einerseits und dem südlichen andererseits, daß es mir tausend Jahre schien, bis ich das Ende Eures Erzählfadens sehen konnte, auch wenn dieser interessant, nützlich und

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dialogo primo

 ¦ 

degno: perché quel proposito tanto più mi vien a spronar il desio d’esserne fatto capace, quanto voi più l’avete differito a farlo udire. Coribante Spes etenim dilata affligit animum, vel animam, ut melius dicam: haec enim mage significat naturam passibilem. Saulino Bene; dumque perché non più vi tormentiate su l’aspettar della risoluzione, sappiate che nella sedia prossima, immediata e gionta al luogo dove era l’Orsa minore, e nel quale sapete essere exaltata la Veritade, essendone tolta via l’Orsa maggiore nella forma ch’avete inteso, per providenza del prefato consiglio vi ha succeduto ¦ l’Asinità in abstratto: e là dove ancora vedete in fantasia il fiume Eridano, piace a gli medesimi che vi si trove l’Asinità in concreto, a fine che da tutte tre le celesti reggioni possiamo contemplare l’Asinità, la quale in due facelle era come occolta nella via de’ pianeti, dov’è la coccia del Cancro. | Coribante Procul, o procul este, profani: questo è un sacrilegio, un profanismo, di voler fingere (poscia che non è possibile che cossì sia in fatto) vicino a l’onorata et eminente sedia de la Verità essere l’idea de sì immonda e vituperosa specie, la quale è stata da gli sapienti Egizzii ne gli lor ieroglifici presa per tipo de l’ignoranza: come ne rende testimonio Oro Apolline più volte replicando qualmente gli Babiloni sacerdoti con l’asinino capo compinto al busto e cervice umana volsero designar un uomo imperito et indisciplinabile. Sebasto Non è necessario andar al tempo e luogo d’Egizzii, se non è né fu mai generazione, che con l’usato modo di parlare non conferme quel che dice Coribante. Saulino Questa è la raggione, per cui ho differito al fine di raggionar circa queste due sedie: atteso che dalla ¦ consuetudine del dire e credere m’areste creduto parabolano, e con minor fede et attenzione arreste perseverato ad ascoltarmi nella descrizzione della riforma de l’altre sedie celesti, se prima con prolissa infilacciata de propositi non v’avesse

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erster dialog











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würdig sein mag. Denn dieses Thema spornt mein Begehren, mich von ihm überzeugen zu lassen, um so mehr an, als Ihr seine Erörterung hinausgezögert habt. Coribante Spes etenim dilata affligit animum, vel animam, ut melius dicam, haec nam mage significat naturam passibilem. [Aufschub der Hoffnung betrübt die rationale oder, besser gesagt, die vegetative Seele, da diese die leidende Natur besser bezeichnet.] Saulino Gut also, damit Ihr Euch nicht weiter mit dem Warten auf die Lösung quält, wisset, daß an jenem Sitz, wo der Kleine Bär war (wie Ihr wißt, wurde auf ihn die Wahrheit erhöht), nächstgelegenen und unmittelbar folgenden Ort durch Vorsehung oben genannten Rates das abstrakte Eseltum eingesetzt wurde, nachdem (in der Euch schon bekannten Form) der Große Bär von dort entfernt worden war. Und wo ihr in der Vorstellung noch den Fluß Eridanus seht, gefällt es demselben [Rat der Götter], daß sich dort das konkrete Eseltum befinde, zu dem Zweck, daß wir von allen drei Himmelsregionen aus das Eseltum betrachten können, das in zwei kleinen Lichtern auf den Planetenbahnen, dort wo die Schale des Krebses ist, wie versteckt war. Coribante Procul, o procul este, profani [Fern, bleibt fern, Ihr Ungeweihten]! Dies ist ein Sakrileg, eine Schändung, vorgeben zu wollen (da es nicht wirklich so sein kann), [daß] nahe dem verehrten und erhabenen Sitz der Wahrheit die Idee einer solch unreinen und schändlichen Spezies sei, die von den weisen Ägyptern in ihren Hieroglyphen als Musterbild der Unwissenheit genommen wurde: von dem Horus Apollo in mehrfachen Wiederholungen bezeugt, daß die babylonischen Priester durch den Eselskopf, der verbunden mit der menschlichen Brust und dem Nacken abgebildet wird, einen unerfahrenen und unerziehbaren Mann bezeichnen wollten. Sebasto Es ist unnötig, auf Zeit und Ort der Ägypter [zurück]zugehen, wenn es kein Menschengeschlecht gibt noch je gegeben hat, das durch die Umgangssprache nicht bestätigen würde, was Coribante sagt. Saulino Das ist der Grund, warum ich es bis zum Ende hinausgezögert habe, diese Sitze zu besprechen, erwägt man, daß Ihr mich aufgrund der Konventionen des Sprechens und Meinens für einen Schwätzer gehalten hättet; und mit weniger Glauben und Aufmerksamkeit hättet ihr ausgeharrt, um mir bei der Beschreibung der Reform der

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dialogo primo

 – 

resi capaci di quella verità: stante che queste due sedie da per esse meritano al meno altretanto de considerazione, quanto vedete aver ricchezza di tal suggetta materia. Or non avete voi unqua udito, che la pazzia, ignoranza et asinità di questo mondo è sapienza, dottrina e divinità in quell’altro? Sebasto Cossì è stato riferito da primi e principali teologi; ma giamai è stato usato un cossì largo modo de dire, come è il vostro. | Saulino È perché giamai la cosa è stata chiarita et esplicata cossì come io son per esplicarvela e chiarirvela al presente. Coribante Or dite, perché staremo attenti ad ascoltarvi. Saulino Perché non vi spantiate, quando udite il nome d’›asino‹, ›asinità‹, ›bestialità’‹ ›ignoranza‹, ›pazzia‹, prima voglio proporvi avanti gli occhi della considerazione, e rimenarvi a mente il luogo de gl’illuminati Cabalisti, che con altri lumi che di Linceo, con altri occhi che di Argo ¦ profondorno, non dico sin al terzo cielo, ma nel profondo abisso del sopramondano et ensofico universo: per la contemplazione di quelle diece Sephiroth che chiamiamo in nostra lingua ›membri‹ et ›indumenti‹, penetrorno, veddero, concepirno quantum fas est homini loqui. Ivi son le dimensioni Ceter, Hocma, Bina, Hesed, Geburah, Tipheret, Nezah, Hod, Iesod, Malchuth: de quali la prima da noi è detta ›Corona‹, la seconda ›Sapienza‹, la terza ›Providenza‹, la quarta ›Bontà‹, la quinta ›Fortezza‹, la sesta ›Bellezza‹, la settima ›Vittoria‹, la ottava ›Lode‹, la nona ›Stabilimento‹, la decima ›Regno‹. Dove dicono rispondere diece ordini d’intelligenze, de quali il primo vien da essi chiamato Haioth heccados, il secondo Ophanim, il terzo Aralin, il quarto Hasmalin, il quinto Choachim, il sesto Malachim, il settimo Elohim, l’ottavo Benelohim, il nono Maleachim, il decimo Issim: che noi nominiamo il primo

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erster dialog





   

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anderen Himmelssitze zuzuhören, wenn ich Euch nicht vorher in einer wortreichen Argumentationskette für jene Wahrheiten aufnahmefähig gemacht hätte: um so mehr als diese beiden Sitze schon für sich mindestens ebensoviel Aufmerksamkeit verdienen, wie Ihr am Reichtum des Untersuchungsgegenstandes sehen könnt. Habt Ihr nun niemals gehört, daß die Verrücktheit, die Unwissenheit und die Eselei dieser Welt in jener [höheren] Welt Weisheit, Wissenschaft und Göttlichkeit sind? Sebasto So ist es von den ersten und wichtigsten Theologen berichtet worden, aber niemand hat es jemals derart umfänglich besprochen wie Ihr. Saulino Das kommt daher, daß die Sache niemals so erklärt und dargelegt wurde, wie ich sie Euch jetzt erklären und Euch darlegen werde. Coribante Sprecht also, denn wir werden Euch aufmerksam zuhören. Saulino Damit ihr Euch nicht erschreckt, wenn Ihr den Namen des Esels, des Eseltums, der Dummheit, der Unwissenheit, der Verrücktheit hört, will ich Euch zuerst den Ort der erleuchteten Kabbalisten vor die nachdenklichen Augen führen und Euch in Erinnerung rufen: Indem diese sich mit anderen Lichtern als denen des Lynkeus, mit anderen Augen als denen des Argus vertiefen – ich sage nicht bis zum dritten Himmel –, sondern in den tiefen Abgrund des überirdischen und ensophischen Universums zur Betrachtung jener zehn Sephirot vordrangen, die wir in unserer Sprache »Glieder« oder »Kleider« nennen: [so] drangen sie ein, sahen und erfaßten sie quantum fas est homini loqui [worüber es den Menschen erlaubt ist, zu sprechen]. Dort sind die Dimensionen Keter, Hochma, Bina, Hesed, Geburach, Tipheret, Nezah, Hod, Jesod, Malchuth, von denen die erste von uns »Krone« genannt wird; die zweite »Weisheit«; die dritte »Vorsehung«; die vierte »Güte«; die fünfte »Stärke«; die sechste »Schönheit«; die siebte »Sieg«; die achte »Lob«; die neunte »Festigkeit« und die zehnte »Reich«. Diesen entsprechen, wie sie sagen, zehn Ordnungen von Intelligenzen, von denen die erste Haioth Hachadosch genannt wird, die zweite Ofanim, die dritte Aralin, die vierte Hasmalin, die fünfte Choachim, die sechste Melachim, die siebte Elohim, die achte Benelohim, die neunte Meleachim und die

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dialogo primo

 – 

›Animali santi‹ o ›Serafini‹, il secondo ›Ruote formanti‹ o ›Cherubini‹, il terzo ›Angeli robusti‹ o ›Troni‹, il quarto ›Effigiatori‹, il quinto ›Potestadi‹, il sesto | ›Virtudi‹, il settimo ›Principati‹ o ›dèi‹, l’ottavo ›Arcangeli‹ o ›figli de dèi‹, il nono ›Angeli‹ o ›Imbasciadori‹, il decimo ›Anime ¦ separate‹ o ›Eroi‹. Onde nel mondo sensibile derivano le diece sfere: 1. il primo mobile, 2. il cielo stellato o ottava sfera o firmamento, 3. il cielo di Saturno, 4. di Giove, 5. di Marte, 6. del Sole, 7. di Venere, 8. di Mercurio, 9. della Luna, 10. del Caos sublunare diviso in quattro elementi. Alli quali sono assistenti diece motori, o insite diece anime: la prima Metattron o principe de faccie, la seconda Raziel, la terza Zaphciel, la quarta Zadkiel, la quinta Camael, la sesta Raphael, la settima Aniel, l’ottava Michael, la nona Gabriel, la decima Samael, sotto il quale son quattro terribili principi: de quali il primo domina nel fuoco et è chiamato da Iob Behemoth, il secondo domina nell’aria et è nomato da Cabalisti e comunmente Beelzebub, cioè principe de mosche, idest de volanti inmondi, il terzo domina nell’acqui et è nomato da Iob Leviathan, il quarto è presidente ne la terra, la qual spasseggia e circuisse tutta, et è chiamato da Iob Sathan. Or contemplate qua, che secondo le cabalistica revelazione Hocma, a cui rispondeno le forme o ruote nomate ›Cherubini‹ che influiscono nell’ottava sfera, dove consta la virtù dell’intelligenza de Raziele, l’asino o asinità è simbolo della sapienza. ¦ Coribante Parturient montes… Saulino Alcuni Thalmutisti apportano la raggione morale di cotale influsso, arbore, scala o dependenza: dicendo che però l’asino è simbolo della sapienza nelli divini Sephiroth, perché a colui | che vuol penetrare entro gli secreti et occolti ricetti di quella, sia necessariamente de mistiero d’esser sobrio e paziente, avendo mustaccio, testa e schena

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erster dialog



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zehnte Issim; wir nennen die erste »heilige Tiere« oder »Seraphim«, die zweite »gestaltende Räder« oder »Cherubim«, die dritte »starke Engel« oder »Throne«, die vierte »Bildner«, die fünfte »Gewalten«, die sechste »Wirkkräfte«, die siebte »Herrschaft« oder »Götter«, die achte »Erzengel« oder »Söhne der Götter«, die neunte »Engel« oder »Botschafter«, die zehnte [vom Körper] abgetrennte Seelen oder Heroen. Aus ihnen gehen die zehn Sphären in der sinnlich wahrnehmbaren Welt hervor. 1. Der erste Beweger, 2. der gestirnte Himmel oder die achte Sphäre: oder das Firmament, 3. der Himmel des Saturn, 4. des Jupiter, 5. des Mars, 6. der Sonne, 7. der Venus, 8. des Merkur, 9. des Mondes, 10. des in vier Elemente unterteilten sublunaren Chaos. Als Beistand dienen ihnen zehn Beweger oder sind ihnen zehn Seelen eingeboren. Die erste, Metatron oder Fürst der Gesichter, die zweite Raziel, die dritte Zafriel, die vierte Zadkiel, die fünfte Kamael, die sechste Raphael, die siebte Aniel, die achte Michael, die neunte Gabriel, die zehnte Samael; dem unterstehen vier fürchterliche Fürsten, von denen der erste im Feuer herrscht und von Hiob Behemoth genannt wird, der zweite herrscht in der Luft und wird von den Kabbalisten und allgemein Beelzebub, also Fürst der Fliegen genannt, idest [d. h.] der unreinen Flugwesen, der dritte herrscht im Wasser und wird von Hiob Leviathan genannt, der vierte führt den Vorsitz auf der Erde, die er zur Gänze durchwandert (spassegiare) und umringt, und er wird von Hiob Satan genannt. Beachtet hier nun, daß nach der kabbalistischen Offenbarung Hochma, welcher die Cherubim genannten Formen oder Räder entsprechen, die in der achten Sphäre wirken, wo die Wirkkraft der Intelligenz Raziels ihren Sitz hat, der Esel oder das Eseltum Symbol der Weisheit ist. Coribante Parturient montes … [Die Berge kreißen … ]. Saulino Einige Talmudisten geben den moralischen Grund für diesen astrologischen Einfluß oder Baum [der Erkenntnis], diese Stufenleiter oder Abstammung an, wenn sie sagen, daß der Esel deshalb Symbol der Weisheit in den göttlichen Sephirot ist, weil jener, der in die geheimen und verborgenen Aufenthaltsorte derselben eindringen will, notwendigerweise von Berufs wegen nüchtern und geduldig sein und Schnauzbart, Kopf und Rücken eines Esels haben müsse. Er muß das demütige, bedrückte und niedrige Gemüt und jene

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d’asino; deve aver l’animo umile, ripremuto e basso, et il senso che non faccia differenza tra gli cardi e le lattuche. Sebasto Io crederei più tosto, che gli Ebrei abbiano tolti questi misterii da gli Egizzii: li quali per cuoprir certa ignominia loro hanno voluto in tal maniera esaltar al cielo l’asino e l’asinità. Coribante Declara. Sebasto Ocho re de Persi essendo notato da gli Egizzii suoi nemici per il simulacro d’asino, et appresso essendo lui vittorioso sopra de loro, et avendoseli fatti cativi, le costrinse ad adorar l’imagine de l’asino e sacrificargli il bovo già tanto adorato da essi, con rimproverargli che a l’asino il lor bove Opin o Apin verrebbe immolato. Questi dumque, per onorar quel loro vituperoso culto, e cuoprir quella machia, hanno voluto fingere raggioni sopra ¦ il culto de l’Asino il quale da quel che gli fu materia di biasimo e burla, gli venne ad esser materia di riverenza. E cossì poi in materia d’adorazione, admirazione, contemplazione, onore e gloria, se l’hanno fatto cabalistico, archetipo, sephirotico, metafisico, ideale, divino. Oltre essendo l’asino animal de Saturno e della Luna, e gli Ebrei di natura, ingegno e fortuna saturnini e lunari, gente sempre vile, servile, mercenaria, solitaria, incomunicabile et inconversabile con l’altre generazioni, le quali bestialmente spregiano, e da le quali per ogni | raggione son degnamente dispreggiate: or questi si trovaro nella cattività e servizio de l’Egitto, dove erano destinati ad esser compagni a gli asini con portar le some e servire alle fabriche; e là parte per esserno leprosi, parte perché intesero gli Egizzii che in essi pestilanziati regnava l’impression saturnia et asinina per la conversazione ch’aveano con questa razza, vogliono alcuni che le discacciassero da gli lor confini con lasciargli l’idolo de l’asino d’oro alle mani; il quale tra tutti li dèi se mostrava più propisiabile a questa gente, cossì a tutte l’altre nemica e ritrosa, come Saturno a tutti gli pianeti. Onde rimanendo con il proprio culto, lasciando da canto l’altre feste egizziane, celebravano per il lor

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 

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Wahrnehmung haben, die nicht zwischen Disteln und Salat unterscheidet. Sebasto Ich würde vielmehr glauben, daß die Hebräer diese Mysterien den Ägyptern entwendet haben: die, um eine bestimmte [ihnen] anhaftende Schande zu verdecken, auf diese Art den Esel und das Eseltum in den Himmel erheben wollten. Coribante Declara! [Erkläre!] Sebasto Ochus, König der Perser, wurde von den Ägyptern, seinen Feinden, durch ein Eselsbild bezeichnet. Und nachdem er sie besiegt und zu seinen Gefangenen gemacht hatte, zwang er sie, das Abbild des Esels zu verehren und ihm den Ochsen zu opfern, der damals von ihnen aufs höchste verehrt wurde, und warf ihnen dabei [auch noch] vor, daß ihr Ochse Opis oder Apis dem Esel geopfert werde. Jene also, um diesen ihren schändlichen Kult zu nobilitieren und diesen Schandfleck zu verdecken, wollten Gründe für den Eselskult erfinden, der, nachdem er ihnen zuerst Gegenstand von Tadel und Scherz war, Gegenstand der Ehrerbietung wurde. Und so machten sie ihn schließlich zum Grund der Verehrung, Bewunderung, Betrachtung, der Ehre und des Ruhmes kabbalistisch, archetypisch, sephirotisch, metaphysisch, ideal, göttlich. Darüber hinaus ist der Esel ein Tier des Saturns und des Mondes, und die Hebräer sind von Natur, Begabung und Schicksal saturnisch und zum Mond gehörig; Menschen, die immer feig, unterwürfig, käuflich und einsam sind und mit anderen Menschengeschlechtern nicht sprechen und keinen Kontakt unterhalten, [weil sie] diese als dumm verachten und so von ihnen mit gutem Recht verachtet werden. Nun fanden sich jene in ägyptischer Gefangenschaft und Knechtschaft, wo es ihr Schicksal war, daß sie Kameraden der Esel wurden, weil sie Lasten tragen und auf den Baustellen dienen mußten. Und dort, teils weil sie leprös waren, teils weil die Ägypter aufgrund des Verkehrs, den sie mit dieser Rasse hatten, verstanden, daß in diesen Pestbefallenen der saturnische und eselhafte Einfluß vorherrschte, wollten einige, daß man sie aus ihren Grenzen verjage und ihnen den Götzen des Goldenen Esels überlasse. Er stelle sich von allen Göttern für dieses Volk als am günstigsten dar, da sie allen übrigen genauso feindlich und widerspenstig gegenüberstanden wie Saturn allen Planeten. Weshalb sie, indem sie bei dem eigenen Kult blieben und alle anderen ägyptischen Feste bei-

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Saturno, demostrato nell’idolo de l’asino, gli sabbati, e per la lor ¦ Luna le neomenie: di sorte che non solamente uno, ma et oltre tutti gli Sephirothi possono essere asinini ai Cabalisti giudei. Saulino Voi dite molte cose autentiche, molte vicine all’autentiche, altre simili a l’autentiche, alcune contrarie a l’autentiche et approvate istorie. Onde dite alcuni propositi veri e boni, ma nulla dite bene e veramente: spreggiando e burlandovi di questa santa generazione, dalla quale è proceduta tutta quella luce che si trova sin oggi al mondo, e che promette de donar per tanti secoli. Cossì perseveri nel tuo pensiero ad aver l’asino et asinità per cosa ludibriosa: quale, qualumque sia stata appresso Persi, Greci e Latini, non fu però cosa vile appresso gli Egizzii et Ebrei. Là onde è falsità et impostura questa tra l’altre, cioè che quel culto asinino e divino abbia avuto origine dalla forza e | violenza, e non più tosto ordinato dalla raggione, e tolto principio dalla elezzione. Sebasto Verbi gratia, forza, violenza, raggion et elezzione di Ocho. Saulino Io dico divina inspirazione, natural bontade et umana intelligenza. Ma prima che vengamo al compimento di questa demostrazione, considerate un poco se mai ebbero, o denno aver avuto, o tener a vile la idea et influenza de gli asini questi Ebrei et altri partecipi e consorti de la lor santimonia. Il patriarca Iacob celebrando la natività e sangue della sua prole, e padri delle dodici tribù con la figura de le dodici bestie, vedete se ebbe ardimento di lasciar l’asino? Non avete notato che come fe’ Ruben montone, Simone orso, Levi cavallo, Giuda leone, ¦ Zabulon balena, Dan serpente, Gad volpe, Aser bove, Nettalim cervio, Gioseffo pecora, Beniamin lupo, cossì fece il sesto genito Isachar asino, insoffiandoli per testamento quella bella nuova e misteriosa profezia nell’orecchio: »Isachar asino forte, che poggia tra gli termini, ha trovato il riposo buono et il fertilissimo terreno; ha sotto poste le

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seite ließen, für ihren als Götzenbild des Esels dargestellten Saturn die Sabbate und für ihren Mond die Neumondfeste feierten, so daß nicht nur eine, sondern und weiterhin alle Sephiroth für die jüdischen Kabbalisten eselgestaltig sein können. Saulino Ihr sagt viel Glaubwürdiges, vieles, was beinahe glaubwürdig, anderes, was dem Glaubwürdigen ähnlich ist, einiges, was zu den glaubwürdigen und anerkannten Geschichten in Widerspruch steht. So behandelt Ihr einige wahre und gute Themen, sagt aber nichts gut und wahrhaftig, wenn Ihr dieses heilige Menschengeschlecht (von dem das ganze Licht ausging, das bis heute in der Welt ist und welches diese noch für Jahrhunderte zu zieren verspricht) gering schätzt und Euch über es lustig macht. So beharrst Du in Deinen Gedanken darauf, den Esel und das Eseltum als lächerliches Ding anzusehen, die doch – was sie auch [immer] bei den Persern, Griechen und Lateinern gewesen sein mögen – deswegen nichts Gemeines bei den Ägyptern und Hebräern waren. Es ist daher unter anderem Betrug und Lüge, daß dieser eselsgestaltige und göttliche Kult seinen Ursprung in Zwang und Gewalttätigkeit gehabt hätte und daß er nicht vielmehr, durch die Vernunft geordnet, seinen Ursprung im freien Willen genommen hätte. Sebasto Verbi gratia [Also:] Zwang, Gewalttätigkeit, Vernunft und freier Wille des Ochus. Saulino Ich sage: göttliche Eingebung, natürliche Güte und menschliche Intelligenz. Aber bevor wir diesen Beweis zu Ende führen, überlegt ein wenig, ob diese Hebräer und andere Teilhaber und Genossen ihrer Frömmigkeit die Idee und die Macht der Esel jemals gering geschätzt haben oder jemals Grund dazu gehabt haben oder hatten. Seht, ob der Patriarch Jakob, als er Geburt und Blut seiner Nachkommenschaft und der Väter der zwölf Stämme in Gestalt der zwölf Tiere feierte, es gewagt hätte, den Esel auszulassen? Habt Ihr nicht bemerkt, daß, so wie er aus Ruben den Hammel, Simeon den Bären, Levi das Pferd, Juda den Löwen, Sebulon den Wal, Dan die Schlange, Gad den Fuchs, Ascher den Ochsen, Naftali den Hirsch, Josef das Schaf, Benjamin den Wolf machte, daß er genau wie jene den sechsten Sohn Issachar zum Esel machte und ihm als Testament diese schöne neue und geheimnisvolle Prophezeiung ins Ohr flüsterte: »Issachar, der starke Esel, der zwischen den Grenzen steht, hat die gute Erholung und den fruchtbarsten Boden

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robuste spalli al peso, et èssi destinato al tributario serviggio«. Queste sacrate dodici generazioni rispondeno da qua basso a gli alti dodici segni del zodiaco, che son nel cingolo del firmamento, come vedde e dechiarò il profeta Balaam quando dal luogo eminente d’un colle le scòrse disposte e distinte in dodici castramentazioni alla pianura, dicendo: »Beato e benedetto popolo d’Israele, voi sète stelle, voi li dodici segni messi in sì bell’ordine di tanti generosi greggi. | Cossì promese il vostro Giova che moltiplicarebbe il seme del vostro gran padre Abraamo come le stelle del cielo, cioè secondo la raggione delli dodici segni del zodiaco: li quali venite a significar per li nomi de dodici bestie«. Qua vedete qualmente quel profeta illuminato dovendole benedire in terra, andò a presentarseli montato sopra l’asino, per la voce de l’asino venne instrutto della divina volontà, con la forza de l’asino vi pervenne, da sopra l’asino stese le mani alle tende, e benedisse quel popolo de Dio santo e benedetto: per far evidente che quelli asini saturnini ¦ et altre bestie che hanno influsso dalle dette Sephiroth, da l’asino archetipo, per mezzo de l’asino naturale e profetico, doveano esser partecipi de tanta benedizzione. Coribante Multa igitur asinorum genera: aureo, archetipo, indumentale, celeste, intelligenziale, angelico, animale, profetico, umano, bestiale, gentile, etico, civile et economico; vel essenziale, subsistenziale, metafisico, fisico, ipostatico, nozionale, matematico, logico e morale; vel superno, medio et inferno; vel intelligibile, sensibile e fantastico; vel ideale, naturale e nozionale; vel ante multa, in multis et post multa. Or seguite, perché paulatim, gradatim atque pedetentim, più chiaro, alto e profondo venite a riuscirmi. Saulino Per venir dumque a noi, non vi deve parer strano che la asinità sia messa in sedia celeste nella distribuzione delle catedre, che sono nella parte superna di questo mondo et universo corporeo: atteso che

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gefunden; er hat mit den starken Schultern das Gewicht auf sich genommen, und er sei zum Frohndienst bestimmt.« Diese zwölf heiligen Stämme entsprechen, wie der Prophet Balaam sah und erklärte, als er sie von der Höhe eines Hügels aus in der Ebene in zwölf verschiedenen Lagern angeordnet und unterschieden erblickte, hier unten den zwölf Zeichen des Tierkreises oben, die das Firmament umgürten, weshalb er sagte: »Seliges und gesegnetes Volk Israel, Ihr seid Sterne, Ihr die zwölf Zeichen in so schön angeordneten, so vielen fruchtbaren Herden. So versprach Euer Jahwe, daß er den Samen Eures großen Vaters Abraham vermehren würde wie die Sterne des Himmels, das heißt nach der Gattung der zwölf Zeichen des Zodiak, die Ihr mit den Namen der zwölf Tiere bezeichnet.« Hier seht Ihr, wie dieser erleuchtete Prophet, weil er [das jüdische Volk] auf der Erde segnen mußte, hinging, um sich ihnen auf einem Esel sitzend zu zeigen, [und] von der Stimme des Esels vom göttlichen Willen unterrichtet wurde, mit der Kraft des Esels dorthin gelangte, auf dem Esel sitzend die Hände gegen die Zelte ausstreckte und dieses heilige und gesegnete Volk Gottes segnete: um deutlich zu machen, daß diese saturnischen Esel und andere Tiere, die von den besagten Sephiroth astrologisch beeinflußt werden, vom archetypischen Esel, durch Vermittlung des natürlichen und prophetischen Esels an einer derart großen Segnung teilhaben müssen. Coribante Multa igitur asinorum genera [Viele Arten von Eseln (gibt es) daher], golden, archetypisch, bekleidet, himmlisch, intelligibel, engelhaft, tierisch, prophetisch, menschlich, gemein, edel, gesittet und sparsam; vel [oder] essentiell, verkörpert, metaphysisch, physisch, hypostatisch, einzelbegrifflich, mathematisch, logisch und moralisch; vel himmlisch, in der Mitte liegend, höllisch; vel intelligibel, sinnlich oder phantastisch; vel ideal, natürlich oder einzelbegrifflich; vel ante multa, in multis, et post multa [vor den Vielen, in den Vielen und nach den Vielen]. Nun fahrt fort, denn paulatim, gradatim, atque pedetentim [allmählich, stufenweise und Schritt für Schritt] beginnt Ihr mir, mehr Klarheit, Höhe und Tiefsinn zu erreichen. Saulino Um also zu uns zu kommen, darf es Euch nicht befremdlich erscheinen, daß bei der Verteilung der Kanzeln, die sich im himmlischen Teil dieser Welt befinden (in diesem körperlichen Universum) das Eseltum auf einen himmlischen Platz gesetzt wurde. Jenes muß

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esso deve esser corrispondente e riconoscere in se stesso certa analogia al mondo superiore. | Coribante Ita contiguus hic illi mundus, ut omnis eius virtus inde gubernetur, come oltre promulgò il prencipe de Peripatetici nel principio del primo della metorologica contemplazione. ¦ Sebasto O che ampolle, o che paroli sesquipedali son le vostre, o dottissimo et altritonante messer Coribante. Coribante Ut libet. Sebasto Ma permettiate che si proceda al proposito, e non ne interrompete. Coribante Proh. Saulino A la verità nulla cosa è più prossima e cognata che la scienza; la quale si deve distinguere (come è distinta in sé) in due maniere: cioè in superiore et inferiore. La prima è sopra la creata verità, et è l’istessa verità increata, et è causa del tutto: atteso che per essa le cose vere son vere, e tutto quel che è, è veramente quel tanto che è. La seconda è verità inferiore, la quale né fa le cose vere, né è le cose vere; ma pende, è prodotta, formata et informata da le cose vere, et apprende quelle non in verità, ma in specie e similitudine: perché nella mente nostra dove è la scienza de l’oro, non si trova l’oro in verità, ma solamente in specie e similitudine. Sì che è una sorte de verità la quale è causa delle cose, e si trova sopra tutte le cose; un’altra sorte che si trova nelle cose et è delle cose; et è un’altra terza et ultima, la quale è dopo le cose e dalle cose. La prima ha nome di causa, la seconda ha nome di cosa, la terza ha nome di cognizione. La verità nel primo ¦ modo è nel mondo archetipo ideale | significata per un de’ Sephiroth; nel secondo modo è nella prima sedia dove è il cardine del cielo a noi supremo; nel terzo modo è nella

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nämlich, als mit der höchsten Welt in Verbindung stehendes, eine bestimmte Analogie zu dieser [Welt] und in sich selbst erkennen lassen. Coribante Ita contiguus hic illi mundus, ut omnis eius virtus inde gubernetur [Diese hängt mit jener Welt so eng zusammen, daß jede innewohnende Kraft von dort gelenkt wird], wie weiterhin der Fürst der Peripatetiker am Anfang des ersten Buches der meteorologischen Betrachtung verkündet. Sebasto Oh welch hochmütige Redensarten, oh welch ausschweifende Worte Ihr verwendet, oh gelehrtester und [Jupiter gleich] herabdonnernder Meister Coribante. Coribante Ut libet [Wenn es Euch beliebt]. Saulino Aber erlaubt, daß mit dem Thema fortgefahren wird, und unterbrecht nicht. Coribante Proh [Oh]. Saulino Der Wahrheit ist nichts näher und verwandter als die Wissenschaft, die man in zwei Arten unterscheiden muß (wie sie in sich selbst unterschieden ist), in eine höhere und in eine niedere. Die erste steht über der geschaffenen Wahrheit und ist die ungeschaffene Wahrheit selbst und ist die Ursache von allem, erwägt man, daß für sie die wahren Dinge wahr sind und all das, was ist, wahrlich genau das ist, was es ist. Die zweite ist die niedere Wahrheit, die weder die wahren Dinge hervorbringt, noch die wahren Dinge ist, sondern von den wahren Dingen abhängt, geschaffen, geformt und angeleitet wird und diese nicht in Wahrheit begreift, sondern in Spezies und Abbild: weil sich in unserem Geist (wo die Wissenschaft vom Gold ist) das Gold nicht in Wahrheit, sondern nur in Spezies und Abbild befindet. So daß eine Art von Wahrheit jene ist, die Ursache der Dinge ist und sich über allen Dingen befindet; eine andere Art diejenige, die sich in den Dingen befindet und ihnen [an]gehört; und eine dritte und letzte ist die, die nach den Dingen und durch die Dinge existiert. Die erste hat den Namen Ursache, die zweite hat den Namen Ding, die dritte hat den Namen Erkenntnis. Die Wahrheit im ersten Sinn befindet sich in der ideellen archetypischen Welt, bezeichnet von einer der Sephiroth; im zweiten Sinn befindet sie sich im ersten Sitz, wo der Kardinalpunkt des (für uns) höheren Himmels ist; im dritten Sinn befindet sie sich in

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detta sedia che prossimamente da questo corporeo cielo influisce ne gli cervelli nostri: dove è l’ignoranza, stoltizia, asinità, et onde è stata discacciata l’Orsa maggiore. Come dumque la verità reale e naturale è essaminata per la verità nozionale, e questa ha quella per oggetto, e quella mediante la sua specie ha questa per suggetto, cossì è bisogno che a quella abitazione questa sia vicina e congionta. Sebasto Voi dite bene che secondo l’ordine della natura sono prossimi la verità e l’ignoranza o asinità: come sono talvolta uniti l’oggetto, l’atto e la potenza. Ma fate ora chiaro, perché più tosto volete far gionta e vicina l’ignoranza o asinità, che la scienza o cognizione: atteso che tanto manca che l’ignoranza e pazzia debbano esser prossime e come coabitatrici della verità, che ne denno essere a tutta distanza lontane, perché denno esser gionte alla falsità come cose appartenenti ad ordine contrario. Saulino Perché la Sofia creata senza l’ignoranza o pazzia, e per conseguenza senza l’asinità che le significa et è medesima con esse, non può apprendere la verità: e però bisogna che sia mediatrice; perché come nell’atto mediante concorreno gli estremi o termini, oggetto e potenza, cossì nell’Asinità concorreno la Verità e la Cognizione, detta da noi Sofia. Sebasto Dite brevemente la caggione. ¦ Saulino Perché il saper nostro è ignorare, o | perché non è scienza di cosa alcuna, e non è apprensione di verità nessuna; o perché se pur a quella è qualche entrata, non è se non per la porta che ne viene aperta da l’ignoranza, la quale è l’istesso camino, portinaio e porta. Or se la Sofia scorge la verità per l’ignoranza, la scorge per la stoltizia consequentemente, e consequentemente per l’asinità. Là onde chi ha tal cognizione, ha de l’asino, et è partecipe di quella idea. Sebasto Or mostrate come siano vere le vostre assumpzioni: perché

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besagtem Sitz, der von diesem körperlichen Himmel unsere Gehirne beeinflußt, wo die Unwissenheit, Dummheit und das Eseltum sind und von dem der Große Bär verjagt wurde. Wie also die wirkliche und natürliche Wahrheit von der begrifflichen Wahrheit untersucht wird und diese jene zum Gegenstand hat und jene vermittels ihrer Spezies diese zum Inhalt hat, so ist es nötig, daß jenem Aufenthaltsort dieser nahe und verbunden sei. Sebasto Ihr sagt richtig, daß nach der natürlichen Ordnung die Wahrheit und die Unwissenheit oder das Eseltum einander nahe sind, wie manchmal der Gegenstand, der Akt und die Potenz vereint sind. Aber nun erklärt, warum Ihr die Unwissenheit oder das Eseltum eher [der Wahrheit] verbunden und benachbart bestimmen wollt als die Wissenschaft oder die Erkenntnis. Denn, weit davon entfernt, daß die Dummheit und die Verrücktheit der Wahrheit am nächsten wären und sozusagen mit ihr zusammenwohnen könnten, müssen sie sich in größter Distanz zu ihr befinden, denn als Dinge, die mit dem Falschen verbunden sind, müssen sie der entgegengesetzten Ordnung angehören. Saulino Deshalb kann die geschaffene Sophia die Wahrheit nicht begreifen ohne Unwissenheit und Verrücktheit und folglich ohne Eseltum, die ja jene bedeutet und eins mit ihnen ist: Und deshalb ist es nötig, daß sie Vermittlerin sei, denn wie im vermittelnden Akt die Extreme oder die Grenzen, der Gegenstand und die Potenz sich vereinigen, so vereinigen sich im Eseltum die Wahrheit und die Erkenntnis, welche von uns Sophia [Weisheit] genannt werden. Sebasto Nennt kurz den Grund. Saulino Weil unser Wissen Unwissen ist oder weil es kein Wissen von irgendeiner Sache gibt und weil es kein Begreifen jedweder Wahrheit gibt; oder weil, wenn es zu jener auch irgendeinen Zugang geben sollte, dann dieser nur durch die Tür führen kann, die von der Unwissenheit geöffnet wird, die selbst Weg, Türhüter und Tür ist. Wenn Sophia die Wahrheit nun also durch die Unwissenheit entdeckt, dann entdeckt sie sie folglich durch die Dummheit und folglich durch das Eseltum. So daß wer eine solche Erkenntnis hat, etwas von einem Esel hat und dieser Idee teilhaftig ist. Sebasto Nun zeigt, wie Eure Annahmen wahr sein können, denn ich

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voglio concedere le illazioni tutte: perché non ho per inconveniente che chi è ignorante, per quanto è ignorante è stolto; e chi è stolto, per quanto è stolto è asino e però ogni ignoranza è asinità. Saulino Alla contemplazion de la verità, altri si promuoveno per via di dottrina e cognizione razionale per forza de l’intelletto agente che s’intrude nell’animo, excitandovi il lume interiore: e questi son rari; onde dice il poeta: Pauci quos ardens evexit ad aethera virtus; altri per via d’ignoranza vi si voltano e forzansi di pervenirvi, e di questi alcuni sono affetti di quella che è detta ignoranza di semplice negazione: e costoro né sanno, né presumeno di sapere; altri di quella che è detta ignoranza di prava disposizione: e tali quanto men sanno e sono imbibiti de false informazioni, tanto più pensano di sapere: ¦ quali per informarsi del vero richiedeno doppia fatica: cioè de dismettere l’uno abito contrario, e di apprender l’altro; altri di quella ch’è celebrata come divina | acquisizione, et in questa son color che né dicendo, né pensando di sapere, et oltre essendo creduti da altri ignorantissimi, son veramente dotti, per ridursi a quella gloriosissima asinitade e pazzia: e di questi, alcuni sono naturali, come quei che caminano con il lume suo razionale con cui negano, col lume del senso e della raggione, ogni lume di raggione e senso; alcuni altri caminano, o per dir meglio si fanno guidare con la lanterna della fede, cattivando l’intelletto a colui che gli monta sopra et a sua bella posta l’addirizza e guida: e questi veramente son quelli che non possono essi errare, perché non caminano col proprio fallace intendimento, ma con infallibil lume di superna intelligenza. Questi, questi son veramente atti e predestinati per arrivare alla Ierusalem della beatitudine e vision aperta della verità divina: per-

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will allen Schlußfolgerungen zustimmen; denn ich halte es nicht für unpassend, daß wer unwissend ist, insofern er unwissend ist, dumm ist, und wer dumm ist, da er dumm ist, ein Esel ist, und daher Unwissenheit Eseltum ist. Saulino Zur Betrachtung der Wahrheit erheben sich die einen mittels Lehre und rationaler Erkenntnis durch die Kraft des intellectus agens, der in den Geist eindringt und dort das innere Licht erweckt; und diese sind selten, weshalb der Dichter sagt: Pauci quos ardens evexit ad aethera virtus [Wenige, die brennend die Tugend zum Äther emporhebt]. Andere wenden sich ihr mittels der Unwissenheit zu und bemühen sich, mit aller Kraft zu ihr zu gelangen; und von diesen sind einige mit jener Unwissenheit geschlagen, die man einfache Verneinung nennt. Und diese wissen nicht, noch nehmen sie an zu wissen; andere mit jener Unwissenheit, die bösartige Veranlagung genannt wird, und diese glauben, um so mehr zu wissen, je weniger sie wissen und [je mehr sie] trunken von falschen Vorstellungsbildern sind; so daß es für sie doppelte Mühe bedeutet, sich die Wahrheit vorzustellen, nämlich den einen entgegengesetzten Habitus abzulegen und den anderen aufzugreifen; wiederum andere sind mit jener [geschlagen], die als göttliche Errungenschaft gefeiert wird, und in dieser befinden sich jene, die weder sagen noch denken, etwas zu wissen, und darüber hinaus von anderen für überaus unwissend gehalten werden, [jedoch] in Wirklichkeit gelehrt sind, weil sie sich auf dieses überaus rühmliche Eseltum und die Verrücktheit zurückziehen. Und von ihnen sind einige natürlich, wie jene, die mit ihrem rationalen Lichte wandern, mit dem sie – mit eben diesem Lichte des Sinnes und des Verstandes – jegliches Licht des Verstandes und des Sinnes leugnen; einige andere wandern, oder besser gesagt: lassen sich führen von der Laterne des Glaubens, indem sie den Intellekt jenem unterwerfen, der auf ihnen reitet und sie geflissentlich auf den rechten Weg bringt und führt. Und eben diese sind wahrlich diejenigen, die nicht irren können, weil sie nicht mit dem eigenen trügerischen Verstand wandern, sondern mit dem untrüglichen Licht der himmlischen Intelligenz. Diese, diese sind wirklich geeignet und vorbestimmt, das Jerusalem der Glückseligkeit und die offene Schau der göttlichen Wahrheit zu erreichen, denn auf ih-

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ché gli sopramonta quello, senza il qual sopramontante non è chi condurvesi vaglia. Sebasto Or ecco come si distingueno le specie dell’ignoranza et asinitade; e come vegno a mano a mano a condescendere per concedere l’asinitade essere una virtù necessaria e divina, senza la quale sarrebe perso il mondo, e per la quale il mondo tutto è salvo. Saulino Odi a questo proposito un principio, per un’altra più particular distinzione. Quello ch’unisce l’intelletto nostro, il qual è nella sofia, alla verità, la quale è l’oggetto intelligibile, è una specie d’ignoranza, secondo gli Cabalisti e certi mistici teologi; un’altra specie secondo gli ¦ Pirroniani, Efettici et altri simili; un’altra secondo teologi cristiani, tra quali il Tarsense la viene tanto più a | magnificare, quanto a giudicio de tutt’il mondo è passata per maggior pazzia. Per la prima specie sempre si niega: onde vien detta ignoranza negativa, che mai ardisce affirmare. Per la seconda specie sempre si dubita, e mai ardisce determinare o definire. Per la terza specie gli principii tutti s’hanno per conosciuti, approvati e con certo argumento manifesti, senza ogni demostrazione et apparenza. La prima è denotata per l’asino pullo, fugace et errabondo; la seconda per un’asina, che sta fitta tra due vie, dal mezo de quali mai si parte, non possendosi risolvere per quale de le due più tosto debba muovere i passi; la terza per l’asina con il suo pulledro, che portano su la schena il redentor del mondo: dove l’asina (secondo che gli sacri dottori insegnano) è tipo del popolo giudaico, et il pullo del popolo gentile, che come figlia ecclesia è parturito dalla madre sinagoga, appartenendo cossì questi come quelli alla medesima generazione procedente dal padre de’ credenti Abraamo. Queste tre specie d’ignoranza, come tre rami, si riducono ad un stipe nel quale da l’archetipo influisce l’asinità, e che è fermo e piantato su le radici delli diece Sephiroth. Coribante O bel senso. Queste non sono retorice persuasioni, né

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nen reitet jener Aufreiter, ohne welchen niemand fähig ist, dorthin zu gelangen. Sebasto So unterscheiden sich also die Spezies der Unwissenheit und des Eseltums; und so lasse ich mich nach und nach herab zuzugestehen, daß das Eseltum eine notwendige und göttliche Wirkkraft ist, ohne die die Welt verloren wäre und durch welche die ganze Welt gerettet ist. Saulino Höre zu diesem Zweck ein Prinzip für eine andere, genauere Unterscheidung. Das, was unseren Intellekt, der sich in der Weisheit befindet, mit der Wahrheit verbindet, die das intelligible Objekt ist, ist nach den Kabbalisten und bestimmten mystischen Theologen eine Spezies der Unwissenheit. Eine andere Spezies nach den Pyrrhonikern, Ephetikern und anderen ähnlichen. Eine andere nach christlichen Theologen, unter welchen sich der Tarsenser befindet, demzufolge sie derart vergrößert wird, daß sie nach dem Urteil der ganzen Welt als größte Verrücktheit abgetan wird. Mit der ersten Spezies verneint man immer, weshalb sie verneinende Unwissenheit genannt wird, denn sie wagt nie zu bejahen. Mit der zweiten Spezies zweifelt man immer und wagt nie, etwas festzustellen oder zu definieren. Mit der dritten Spezies hält man alle Prinzipien für bekannt, bewiesen und offensichtlich durch sicheres Argument, ohne irgendeinen Beweis oder Anschauung. Die erste bezeichnet den jungen, flüchtigen und irrenden Esel. Die zweite eine Eselin, die fest zwischen zwei Wegen steht, deren Mitte sie niemals verläßt, weil sie sich nicht entscheiden kann, auf welchen der beiden sie ihre Schritte eher lenken soll. Die dritte durch eine Eselin mit ihrem Füllen, die auf dem Rücken den Erlöser der Welt tragen. Wobei die Eselin (wie die heiligen Schriftgelehrten lehren) ein Typus des jüdischen Volkes ist und das Füllen ein Typus des Volkes, das als Tochter Kirche von der Mutter Synagoge geboren wurde, weswegen also sowohl diese als auch jene zum gleichen Geschlecht gehören, das aus Abraham, dem Vater der [Recht]gläubigen hervorgeht. Diese drei Spezies der Unwissenheit führen wie drei Äste auf einen Stamm zurück, in dem das Eseltum von seinem Archetypus her astrologischen Einfluß ausübt und der fest und gepflanzt auf den Wurzeln der zehn Sephiroth steht. Coribante Oh schöner Gedanke! Das sind keine rhetorischen Überredung[skünste], noch elenktische Sophismen, noch topische Wahr-

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elenchici sofismi, né topice probabilitadi, ¦ ma apodiptice demostrazioni; per le quali l’asino non è sì vile animale come comunmente si crede: ma di tanto più eroica e divina condizione. Sebasto Non è d’uopo ch’oltre t’affatichi, o Saulino, per venir a conchiudere quel tanto che io dimandavo che da te mi fusse definito: sì perché | avete sodisfatto a Coribante, sì anco perché da li posti mezi termini ad ogni buono intenditore può esser facilmente sodisfatto. Ma di grazia fatemi ora intendere le raggioni della sapienza, che consiste nell’ignoranza et asinitade iuxta il secondo modo: cioè con qual raggione siano partecipi dell’asinità gli Pirroniani, Efettici et altri academici filosofi; perché non dubito della prima e terza specie che medesime sono altissime e remotissime da’ sensi e chiarissime, di sorte che non è occhio che non le possa conoscere. Saulino Presto verrò al proposito della vostra dimanda; ma voglio che prima notiate il primo e terzo modo di stoltizia et asinitade concorrere in certa maniera in uno; e però medesimamente pendeno da principio incomprensibile et ineffabile, a constituir quella cognizione, ch’è disciplina delle discipline, dottrina delle dottrine, et arte de le arti. Della quale voglio dirvi in che maniera con poco o nullo studio e senza fatica alcuna ogn’un che vuole e volse, ne ha possuto e può esser capace. Veddero e considerorno que’ santi dottori e rabini illuminati, che gli superbi e presumptuosi sapienti del mondo quali ebbero fiducia nel proprio ingegno, e con temeraria e gonfia presunzione hanno avuto ardire d’alzarsi alla scienza de secreti divini ¦ e que’ penetrali della deitade, non altrimente che color ch’edificaro la torre di Babelle, son stati confusi e messi in dispersione, avendosi essi medesimi serrato il passo, onde meno fussero abili alla sapienza divina e visione della veritade eterna. Che fero? qual partito presero? Fermaro i passi, piegaro o dismesero | le braccia, chiusero gli occhi, bandiro ogni propria attenzione

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scheinlichkeiten, sondern apodiktische Beweise: nach denen der Esel kein so niederes Tier ist, wie man allgemein annimmt, sondern von viel heroischerer und göttlicherer Herkunft. Sebasto Es ist nicht nötig, daß du dich weiter bemühst, oh Saulino, all jenes zu beweisen, was ich gebeten habe, mir zu erklären; sei es, weil Ihr Coribante zufriedengestellt habt, sei es auch, weil man mit den angenommenen mittleren Begriffen jeden Wohlverständigen leicht zufriedenstellen kann. Aber laßt mich nun bitte die Gründe der Weisheit verstehen, die in der Unwissenheit und dem Eseltum iuxta [zufolge] zweiter Art besteht: aus welchen Gründen also die Pyrrhoniker, Ephetiker und andere akademische Philosophen am Eseltum teilhaben, denn ich zweifle nicht an der ersten und dritten Spezies, die so hoch, so entfernt von den Sinnen sich befinden [und] in der gleichen Weise so klar sind, daß es kein Auge gibt, das sie nicht erkennen könnte. Saulino Ich werde bald auf den Gegenstand Eurer Frage zurückkommen; ich will aber, daß Ihr zuerst bemerkt, daß die erste und die dritte Form der Torheit und Unwissenheit in gewissem Sinn in eines zusammenlaufen, und [zwar] deshalb, weil sie in der gleichen Weise von einem unverständlichen und unfaßbaren Prinzip abhängen, um jene Erkenntnis zu begründen, die Wissenschaft der Wissenschaften, Lehre der Lehren und Kunst der Künste ist. Von diesen will ich Euch sagen, in welcher Art, mit wenig oder gar keinem Studium und ohne irgendwelche Mühe jeder, der wollte und will, für sie empfänglich sein konnte und kann. Es sahen und beurteilten diese heiligen Schriftgelehrten und erleuchteten Rabbiner, daß die hochmütigen und anmaßenden Weltweisen, die auf ihren eigenen Verstand vertrauten und es mit unbesonnener und aufgeblasener Anmaßung gewagt haben, sich zur Wissenschaft der göttlichen Geheimnisse und zu jenem innersten Heiligtum der Gottheit zu erheben; nicht anders als die, die den Turm zu Babel erbauten, verwirrt und versprengt wurden, weil sie sich selbst den Weg versperrt hatten, weshalb sie um so weniger für die göttliche Weisheit und die Schau der ewigen Wahrheit geeignet waren. Was machten sie? Auf welche Seite schlugen sie sich? Sie blieben stehen, sie verschränkten die Arme oder hörten auf, sie zu gebrauchen; Sie schlossen die Augen, entsagten jeder [Art von] eigener Aufmerksamkeit und eigenen Studiums, verurteilten jedweden menschlichen Gedanken,

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e studio, riprovaro qualsivoglia uman pensiero, riniegaro ogni sentimento naturale: et in fine si tennero asini; e quei che non erano, si transformaro in questo animale: alzaro, distesero, acuminaro, ingrossaro e magnificorno l’orecchie; e tutte le potenze de l’anima riportorno et uniro nell’udire, con ascoltare solamente e credere; come quello di cui si dice: »In auditu auris obedivit mihi«. Là concentrandosi e cattivandosi la vegetativa, sensitiva et intellettiva facultade, hanno inceppate le cinque dita in un’unghia, perché non potessero come l’Adamo stender le mani ad apprendere il frutto vietato dall’arbore della scienza, per cui venessero ad esser privi de frutti de l’arbore della vita, o come Prometeo (che è metafora di medesimo proposito) stender le mani a suffurar il fuoco di Giove per accendere il lume nella potenza razionale. Cossì li nostri divi asini privi del proprio sentimento et affetto, vegnono ad intendere non altrimente che come gli vien soffiato a l’orecchie dalle revelazioni o de gli dèi o de’ vicarii loro: e per consequenza a governarsi non secondo altra legge che di que’ medesimi. Quindi non si volgono a destra o a sinistra, se non secondo la lezzione e raggione che gli dona il capestro o freno che le ¦ tien per la gola o per la bocca, non caminano se non come son toccati. Hanno ingrossate le labbra, insolidate le mascelle, incotennuti gli denti: a fin che per duro, spinoso, aspro e forte a digerir che sia il pasto che gli vien posto avante, non manche d’essere accomodato al suo palato. Indi si pascono de più grossi e materialacci appositorii, che altra qualsivoglia bestia che si | pasca sul dorso de la terra; e tutto ciò per venire a quella vilissima bassezza, per cui fiano capaci de più magnifica exaltazione, iuxta quello: »Omnis qui se humiliat exaltabitur«. Sebasto Ma vorrei intendere come questa bestiaccia potrà distinguere che colui che gli monta sopra, è dio o diavolo, è un uomo o un’altra bestia non molto maggiore o minore: se la più certa cosa ch’egli deve avere, è che lui è un asino e vuole essere asino, e non può far meglior vita et aver costumi megliori che di asino, e non deve aspettar meglior

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verleugneten alles natürliche Empfinden, und schließlich hielten sie sich für Esel, und die, die es nicht waren, verwandelten sich in dieses Tier: Sie erhoben, dehnten, spitzten, vergrößerten und bauschten die Ohren auf. Und sie versammelten und vereinten alle Seelenkräfte im Gehör, um nur zu hören und zu glauben wie jener, der sagt: »In auditu auris ob[o]edivit mihi [Er gehorchte mir aufs Wort]«. Indem sie so das vegetative, sensitive und intellektive [Seelen]vermögen zusammengezogen und gefangen hatten, legten sie die fünf Finger in den Block eines Hufes, damit sie nicht wie Adam die Hände ausstrecken können, um die verbotene Frucht vom Baum der Wissenschaft zu pflücken, wodurch sie der Früchte des Lebensbaumes verlustig gehen würden, oder wie Prometheus (der Metapher des gleichen Themas ist) die Hände ausstrecken können, um das Feuer Jupiters zu entwenden und damit das Licht im vernünftigen [Seelen]-vermögen zu entzünden. So kommt es mit unseren göttlichen Eseln, ihres eigenen Empfindens und ihrer Leidenschaft beraubt, so weit, daß sie nichts anderes verstehen, als was ihnen von den Offenbarungen entweder der Götter oder [von] deren Stellvertretern in die Ohren geflüstert wird, und sie sich folglich von keinem anderen als eben diesem Gesetz regieren lassen. Deshalb wenden sie sich weder nach rechts noch nach links, es sei denn gemäß der Lektion und der Vernunft, die ihnen durch Strick oder Zügel, die sie beim Hals oder Mund halten, vermittelt wird, und sie laufen nicht anders, als sie angefaßt werden. Sie haben die Lippen vergröbert, die Kiefer verstärkt, die Zähne versteint, damit die Nahrung die ihnen vorgesetzt wird, ihrem Gaumen angemessen ist, wie hart, dornig, rauh und schwerverdaulich sie auch sei. Sie ernähren sich also von gröberen und derberen Speisen als jedes andere Tier, das sich auf dem Rücken der Erde nährt; und all das, um zu jener gemeinsten Niedrigkeit zu gelangen, auf Grund derer sie zu um so großartigerer Erhöhung fähig werden, iuxta [gleich] dem: Omnis qui se humiliat exaltabitur [Jeder, der sich erniedrigt, wird erhöht werden]. Sebasto Ich möchte aber verstehen, wie dieses häßliche Tier unterscheiden kann, ob der, der auf ihm reitet, Gott oder der Teufel, ein Mensch oder ein anderes nicht viel höheres oder niedrigeres Tier ist; wenn die sicherste Gewißheit, die es haben darf, die ist, daß es ein Esel ist und Esel sein will und kein besseres Leben als ein Esel führen, keine

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dialogo primo

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fine che di asino, né è possibile, congruo e condigno ch’abbia altra gloria che d’asino? Saulino Fidele colui che non permette che siano tentati sopra quel che possono: lui conosce li suoi, lui tiene e mantiene gli suoi per suoi, e non gli possono esser tolti. O santa ignoranza, o divina pazzia, o sopra umana asinità. Quel rapto, profondo e contemplativo Areopagita, scrivendo a Caio, afferma che la ignoranza è una perfettissima scienza: come per l’equivalente volesse dire che l’asinità è una divinità. ¦ Il dotto Agostino, molto inebriato di questo divino nettare, nelli suoi Soliloquii testifica che la ignoranza più tosto che la scienza ne conduce a Dio, e la scienza più tosto che l’ignoranza ne mette in perdizione. In figura di ciò vuole ch’il redentor del mondo con le gambe e piedi de gli asini fusse entrato in Gerusalemme, significando anagogicamente in questa militante quello che si verifica nella trionfante cittade; come dice il profeta salmeggiante: »Non in fortitudine equi voluntatem habebit, neque in tibiis viri bene placitum erit ei«. | Coribante Supple tu: Sed in fortitudine et tibiis asinae et pulli filii coniugalis. [Saulino] Or per venire a mostrarvi come non è altro che l’asinità quello con cui possiamo tendere et avvicinarci a quell’alta specola, voglio che comprendiate e sappiate non esser possibile al mondo meglior contemplazione che quella che niega ogni scienza et ogni apprension e giudicio di vero, di maniera che la somma cognizione è certa stima che non si può saper nulla e non si sa nulla; e per consequenza di conoscersi di non posser esser altro che asino, e non esser altro che asino allo qual scopo giunsero gli Socratici, Platonici, Efettici, Pirroniani et altri simili, che non ebbero l’orecchie tanto picciole, e le labbra tanto delicate, e la coda tanto corta, che non le potessero lor medesimi vedere.

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besseren Sitten als ein Esel besitzen und kein besseres Ende als das eines Esels erwarten kann, wie ist es [dann] möglich, passend und würdig, daß es anderen Ruhm als den eines Esels erlangt? Saulino Treu ist der, der nicht erlaubt, daß sie über das hinaus versucht seien, was sie leisten können; er kennt die seinen, er hält und erhält die Seinen für die Seinen, und sie können ihm nicht genommen werden. Oh heilige Unwissenheit, oh göttliche Verrücktheit, oh übermenschliches Eseltum! Jener entrückte, tiefsinnige und kontemplative Aeropagita bestätigt in seinem Schreiben an Caius, daß die Unwissenheit eine vollendete Wissenschaft ist, als wollte er gleichbedeutend sagen, daß das Eseltum eine Gottheit ist. Der gelehrte Augustinus, sehr trunken von diesem göttlichen Nektar, bezeugt in seinen Soliloquii [Selbstgesprächen], daß eher die Unwissenheit als die Wissenschaft zu Gott und die Wissenschaft eher als die Unwissenheit in die Verdammnis führt. Als Gleichnis dafür nimmt er den Erlöser der Welt, der auf den Beinen und Füßen der Esel in Jerusalem eingezogen ist: Damit wird in diesem kämpfenden [Gottes]staat anagogisch das bezeichnet, was sich im triumphierenden [Gottesstaat] bewahrheiten sollte; wie der psalmodierende Prophet sagt: »Non in fortitudine equi voluntatem habebit, neque in tibiis viri bene placitum erit ei [Nicht auf der Rösser Kraft wird sein Wille ausgeübt, noch auf des Menschen Beinen]. Coribante Supple tu: Sed in fortitudine et tibiis asinae et pulli filii coniugalis [Füge hinzu: Aber auf der Kraft und den Beinen der Eselin und ihres ehelichen Füllens]. [Saulino:] Um Euch nun schließlich zu zeigen, daß es nichts anderes als das Eseltum ist, womit wir nach dieser hohen Warte streben und uns ihr annähern können, möchte ich, daß Ihr versteht und wißt, daß es auf der Welt keine bessere Betrachtungsweise geben kann als die, die alle Wissenschaft und alles Begreifen und Beurteilen des Wahren verweigert, so daß die höchste Erkenntnis die sichere Einschätzung davon ist, daß man nichts wissen kann und nichts weiß und folglich anerkennt, daß man nichts anderes als ein Esel sein kann und nichts anderes als ein Esel ist. Zu diesem Schluß gelangten die Sokratiker, Platoniker, Skeptiker, Pyrrhoniker und andere ähnliche, die nicht so kleine Ohren und nicht so zarte Lippen und keinen so kurzen Schwanz hatten, daß sie selbst diesen nicht hätten sehen können.

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dialogo primo

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Sebasto Priegoti Saulino, non procedete oggi ad altro per confirmazion e dechiarazion di questo: perché assai ¦ per il presente abbiamo inteso, oltre che vedi esser tempo di cena e la materia richiede più lungo discorso; per tanto piacciavi (se cossì pare anco al Coribante) di rivederci domani per la elucidazione di questo proposito; et io menarò meco Onorio, il quale si ricorda d’esser stato asino e però è a tutta divozione pitagorico: oltre che ha de grandi proprii discorsi con gli quali forse ne potrà far capaci di qualche proposito. Saulino Sarà bene, e lo desidero, perché lui alleviarà la mia fatica. Coribante Ego quoque huic adstipulor sententiae, | et è gionta l’ora, in cui debbo licenziar gli miei discepoli, a fin che propria revisant hospitia, proprios lares. Anzi (si lubet) per sin tanto che questa materia fia compita, quotidianamente io m’offero pronto in queste ore medesime farmi qua vosco presente. Saulino Et io non mancarò di far il medesimo. Sebasto Usciamo dumque. Fine del primo dialogo

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erster dialog

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Sebasto Saulino, ich bitte Euch, fahrt für heute nicht mit anderem zur Bestätigung und Erklärung dieser Dinge fort, weil wir für den Moment viel vernommen haben, um so mehr als Du siehst, daß es Zeit für das Abendessen ist und das Thema einer längeren Rede bedarf. Deshalb möge es Euch gefallen (wenn auch Coribante dieser Meinung ist), uns morgen zur Erhellung dieses Themas wiederzusehen; und ich werde Onorio mitbringen, der sich erinnert, ein Esel gewesen zu sein, und daher mit ganzer Hingabe Pythagoreer ist. Außerdem kann er eigene großartige Reden halten, mit denen er uns vielleicht von einigen Themen überzeugen wird. Saulino Das wird gut sein, und ich wünsche es, weil er mir meine Mühe erleichtern wird. Coribante Ego quoque huic adstipulor sententiae [Ich stimme dieser Ansicht ebenfalls zu], und es ist die Stunde gekommen, in der ich meine Schüler entlassen muß, damit propria revisant hospitia, proprios lares [sie die eigenen Heimstätten, die eigenen Herde wiedersehen]. Ich bin vielmehr dazu bereit, si lubet [wenn’s beliebt], mich hier täglich zu den gleichen Stunden bei Euch einzufinden, damit dieser Gegenstand zu Ende geführt werde. Saulino Und ich werde nicht versäumen, dasselbe zu tun. Sebasto So gehen wir also hinaus. Ende des ersten Dialogs

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| ¦ D IA L O G O SE C O N D O

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Interlocutori Sebasto, Onorio, Coribante, Saulino Sebasto E tu ti ricordi d’aver portata la soma? Onorio La soma, la carga, e tirato il manganello qualche volta: fui prima in serviggio d’un ortolano aggiutandolo a portar lettame dalla cittade di Tebe a l’orto vicino le mura, et a riportar poi cauli, lattuche, cipolle, cocumeri, pastinache, ravanelli et altre cose simili dall’orto alla cittade; appresso ad un carbonaio che mi comprò da quello, et il qual pochissimi giorni mi ritenne vivo. Sebasto Come è possibile ch’abbi memoria di questo? Onorio Ti dirò poi. Pascendo io sopra certa precipitosa e sassosa ripa, tratto dall’avidità d’addentar un cardo ¦ ch’era cresciuto alquanto più giù verso il precipizio, che io senza periglio potesse stendere il collo, volsi al dispetto d’ogni rimorso di conscienza et instinto di raggion naturale più del dovero rampegarvi: e caddi da l’alta rupe; onde il mio signore s’accorse d’avermi comprato per gli | corvi. Io privo de l’ergastulo corporeo dovenni vagante spirto senza membra; e venni a considerare come io, secondo la spiritual sustanza, non ero differente in geno né in specie da tutti gli altri spiriti che dalla dissoluzione de altri animali e composti corpi transmigravano; e viddi come la Parca non solamente nel geno della materia corporale fa indifferente il corpo dell’uomo da quel de l’asino, et il corpo de gli animali dal corpo di cose stimate senz’anima, ma ancora nel geno della materia spirituale fa rimaner indifferente l’anima asinina da l’umana, e l’anima che constitui-

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Z W E I T E R D IA L O G

, 













Sprecher: Sebasto, Onorio, Coribante, Saulino Sebasto Und Du erinnerst Dich, die Lasten getragen zu haben? Onorio Die Last, die Bürde, und manchmal habe ich auch Prügel bezogen. Ich war zuerst im Dienst eines Gärtners, dem ich half, Dünger von der Stadt Theben zum Garten nahe den Mauern zu tragen und dann Kohl, Salat, Zwiebeln, Melonen, Pastinaken, Radieschen und ähnliche Dinge vom Garten in die Stadt zurückzubringen. Danach bei einem Köhler, der mich von diesem kaufte und der mich nur ganz wenige Tage am Leben erhielt. Sebasto Wie ist es möglich, daß Du Dich daran erinnerst? Onorio Ich werde es Dir gleich sagen. Während ich auf einem bestimmten abschüssigen und steinigen Abhang weidete, [wurde ich] von der Gier, eine Distel zu kauen, angetrieben, die ein wenig weiter unten, Richtung Abgrund wuchs; um gefahrlos den Hals ausstrecken zu können, kletterte ich zu weit dorthin, allen Gewissensbissen und dem Instinkt der natürlichen Vernunft zum Trotz: und ich fiel vom hohen Fels, weshalb meinem Herren klar wurde, daß er mich für die Raben gekauft hatte. Ich wurde, meines körperlichen Gefängnisses entledigt, ein umherirrender Geist ohne Glieder und konnte beobachten, daß ich meiner geistigen Substanz nach weder in Genus noch Spezies anders als alle anderen Geister war, die nach der Auflösung der anderen Tiere und der zusammengesetzten Körper [in neue Körper] übersiedelten; und ich sah, wie die Parze nicht nur dem Genus der körperlichen Materie nach den Körper des Menschen von dem des Esels ununterschieden macht und [damit] den Körper der Tiere vom Körper der für seelenlos erachteten Dinge, sondern auch dem Genus der geistigen Materie nach die Seele des Esels ununterschieden von der des Menschen sein läßt, [ebenso wie] die Seele, die die besagten Tiere bildet, von der, die

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dialogo secondo

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sce gli detti animali, da quella che si trova in tutte le cose: come tutti gli umori sono uno umore in sustanza, tutte le parti aeree son un aere in sustanza, tutti gli spiriti sono dall’Amfitrite d’un spirito, et a quello ritornan tutti. Or dopo che qualche tempo fui trattenuto in cotal stato, ecco che Letheum ad fluvium Deus evocat agmine magno, scilicet immemores supera ut convexa revisant, rursus et incipiant in corpora velle reverti. All’ora scampando io da’ fortunati campi, senza sorbir de l’onde del rapido Lete, tra quella moltitudine di cui era principal guida Mercurio, io feci finta de bevere di quell’ ¦ umore in compagnia de gli altri: ma non feci altro ch’accostarvi e toccarvi con le labbra, a fin che venessero ingannati gli soprastanti a’ quali poté bastare di vedermi la bocca e ’l mento bagnato. Presi il camino verso l’aria più puro per la porta Cornea, e lasciandomi a le spalli e sotto gli piedi il profondo, venni a ritrovarmi nel Parnasio | monte, il qual non è favola che per il suo fonte Caballino sia cosa dal padre Apolline consecrata alle Muse sue figlie. Ivi per forza et ordine del fato tornai ad essere asino, ma senza perdere le specie intelligibili delle quali non rimase vedovo e casso il spirito animale, per forza della cui virtude m’uscirno da l’uno e l’altro lato la forma e sustanza de due ali sufficientissime ad inalzar in sino a gli astri il mio corporeo pondo. Apparvi e fui nomato non asino già semplicemente, ma o Asino volante, o ver cavallo Pegaseo. Indi fui fatto exequitor de molti ordini del provido Giove, servii a Bellerofonte, passai molte celebri et onoratissime fortune, et alla fine fui assumpto in cielo circa gli confini d’Andromeda et il Cigno d’un canto, e gli Pesci et Aquario da l’altro.

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sich in allen Dingen befindet; wie alle Körpersäfte in der Substanz ein Körpersaft sind, alle luftartigen Teile in der Substanz eine Luft sind, alle Geister aus der Amphitries eines Geistes entspringen und alle zu diesem zurückkehren. Nachdem ich nun einige Zeit in diesem Zustand gehalten wurde, da geschah folgendes: Laetheum ad fluvium Deus evocat agmine magno, Scilicet immemores supera ut convexa revisant, Rursus et incipiant in corpora velle reverti. [… ruft zu Lehtes Strom der Gott in mächtiger Heerschar: denn sie sollen erinnnerungslos die obere Wölbung wiedersehen, gewillt zurückzukehren in Körper.] Als ich also den glücklichen Gefilden entkam inmitten der Menge, deren höchster Führer Merkur war, ohne von den Wellen des reißenden Lethestromes geschlürft zu haben, tat ich so, als ob ich in Gesellschaft der anderen von diesem [Körper]saft tränke. Ich tat aber nichts anderes, als mich ihm zu nähern und ihn mit den Lippen zu berühren, damit die Umstehenden getäuscht würden, denen es genügen konnte, meinen Mund und mein Kinn naß zu sehen. Ich nahm den Weg zur reineren Luft durch die Pforte aus Horn und, indem ich die Tiefe in meinem Rücken und unter meinen Füßen ließ, fand mich auf dem Berg Parnass. Es ist keine Fabel, daß er wegen seiner Kabbalinischen Quelle eine [heilige] Stätte ist, die Vater Apollo seinen Töchtern, den Musen, weihte. Dort wurde ich durch die Macht und den Befehl des Schicksals wieder zum Esel, allerdings ohne die intelligiblen Spezies zu verlieren, um welche der tierische Lebensgeist weder verwitwet noch beraubt worden war. Durch deren Wirkkraft kamen mir auf der einen und der anderen Seite die Form und Substanz von zwei Flügeln heraus, die mich bestens dazu befähigten, meine körperliche Last bis zu den Sternen zu erheben (Phaedrus Ficino). Ich erschien dort und wurde nicht einfach Esel, sondern entweder fliegender Esel oder pegaseisches Pferd genannt. Dann wurde ich zum Vollstrecker der vielen Befehle des vorausblickenden Jupiter gemacht, ich diente Bellerophon, mir wurden viele berühmte und sehr ehrenhafte Geschicke zuteil, und schließlich wurde ich an den Grenzen Andromedas und des Schwans auf der einen Seite, und der Fische und des Wassermannes auf der anderen Seite in den Himmel aufgenommen.

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dialogo secondo

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Sebasto Di grazia rispondetemi alquanto prima che mi facciate intendere queste cose più per il minuto. Dumque per esperienza e memoria del fatto estimate vera l’opinion ¦ de Pitagorici, Druidi, Saduchimi et altri simili, circa quella continua metamfisicosi, cioè transformazione o transcorporazione de tutte l’anime? Spiritus eque feris humana in corpora transit, inque feras noster, nec tempore deperit ullo? Onorio Messer sì, cossì è certissimamente. Sebasto Dumque constantemente vuoi che non sia altro in sustanza l’anima de l’uomo e quella de le bestie? e non differiscano se non in figurazione? Onorio Quella de l’uomo è medesima in | essenza specifica e generica con quella de le mosche, ostreche marine e piante, e di qualsivoglia cosa che si trove animata o abbia anima: come non è corpo che non abbia o più o meno vivace e perfettamente communicazion di spirito in se stesso. Or cotal spirito secondo il fato o providenza, ordine o fortuna, viene a giongersi or ad una specie di corpo, or ad un’altra: e secondo la raggione della diversità di complessioni e membri, viene ad avere diversi gradi e perfezzioni d’ingegno et operazioni. Là onde quel spirito o anima che era nell’aragna e vi avea quell’industria e quelli artigli e membra in tal numero, quantità e forma; medesimo gionto alla prolificazione umana, acquista altra intelligenza, altri instrumenti, attitudini et atti. Giongo a questo che se fusse possibile, o in fatto si trovasse che d’un serpente il capo si formasse e stornasse in figura d’una ¦ testa umana, et il busto crescesse in tanta quantità quanta può contenersi nel periodo di cotal specie, se gli allargasse la lingua, ampiassero le spalli, se gli ramificassero le braccia e mani, et al luogo dove è terminata coda, andassero ad ingeminarsi le gambe: intenderebbe, apparirebbe, spirarebbe, parlarebbe, oprarebbe e caminarebbe non altrimente che l’uomo; perché non sarrebbe altro che uomo. Come per il contrario, l’uomo non sarebbe altro che serpente, se venisse a contraere come

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Sebasto Bitte antwortet mir kurz, bevor Ihr mir diese Dinge genauer erklärt. Also, Ihr haltet aufgrund tatsächlicher Erfahrung und Erinnerung die Meinung der Pythagoreer, Druiden, Saduzäer und anderer ähnlicher zur dauernden Metamphysikose, das heißt der Verwandlung und Körperwanderung aller Seelen, für wahr? Spiritus eque feris humana in corpore transit, inque feras noster, nec tempore deperit ullo? Onorio Ja, mein Herr, so ist es ganz sicher. Sebasto Also beharrst du darauf, daß die Seele des Menschen und die des Tieres in der Substanz gleich seien und sich nur in der [äußeren] Gestalt unterscheiden? Onorio Die des Menschen ist in spezifischer und allgemeiner Essenz gleich jener der Fliegen, Meeresaustern, Pflanzen und jedweden Dinges, das belebt ist oder eine Seele hat: wie es keinen Körper gibt, der nicht die Verbindung des Lebensgeistes in sich selber hat, sei sie nun mehr oder weniger lebendig oder vollkommen. Einmal vereinigt sich jener Lebensgeist nach Fatum oder Vorsehung, Ordnung oder Schicksal mit einer Spezies von Körper, einmal mit einer anderen, und erlangt je nach Art der Verschiedenheit von Körperbau und Gliedmaßen unterschiedliche Grade und Vollkommenheiten der Begabung und der Tätigkeiten. Weshalb jener Lebensgeist oder jene Seele, die in der Spinne war und dort diese Fähigkeit und diese Krallen und Gliedmaßen in bestimmter Anzahl, Menge und Form hatte ebenso, wenn sie zur Fortpflanzung im Menschen gelangt, andere Intelligenz, andere Instrumente, Haltungen und Handlungen erwirbt. Ich gehe soweit [zu sagen], daß, wenn es möglich wäre oder sich tatsächlich ereignete, daß ein Schlangenkopf sich in die Gestalt eines Menschenkopfes verformen und verwandeln und die Brust zu genau jener Größe wachsen würde, welche diese Spezies in ihrem [Lebens]kreislauf beinhalten kann, wenn die Zunge sich verbreitern, die Schultern sich vergrößern, die Hände und Arme sich verzweigen und an jenem Ort, wo der Schwanz endet, zwillingsgestaltig die Beine hervortreten würden: [daß die Schlange dann] nicht anders verstünde, erschiene, atmete, spräche, handelte und liefe als ein Mensch, weil sie [dann] nichts anderes wäre als ein Mensch. Wie andererseits der Mensch nichts anderes als eine Schlange wäre, wenn er die Arme und Beine wie in einem Baumstumpf zusammenzöge

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dentro un ceppo le braccia e gambe, e l’ossa tutte concorressero alla formazion d’una spina, s’incolubrasse e prendesse tutte quelle figure de membri et abiti de complessioni. All’ora arrebe più o men vivace ingegno, in luogo di parlar sibilarebbe, in luogo di caminare serperebbe, in luogo | d’edificarsi palaggio si cavarebbe un pertuggio, e non gli converrebe la stanza, ma la buca; e come già era sotto quelle, ora è sotto queste membra, instrumenti, potenze et atti: come dal medesimo artefice diversamente inebriato dalla contrazzion di materia e da diversi organi armato, appaiono exercizii de diverso ingegno e pendeno execuzioni diverse. Quindi possete capire esser possibile che molti animali possono aver più ingegno e molto maggior lume d’intelletto che l’uomo (come non è burla quel che proferì Mosè del serpe, che nominò sapientissimo tra tutte l’altre bestie de la terra); ma per penuria d’instrumenti gli viene ad essere inferiore, come quello per ricchezza e dono de medesimi ¦ gli è tanto superiore. E che ciò sia la verità, considera un poco al sottile, et essamina entro a te stesso quel che sarrebe se posto che l’uomo avesse al doppio d’ingegno che non have, e l’intelletto agente gli splendesse tanto più chiaro che non gli splende, e con tutto ciò le mani gli venesser transformate in forma de doi piedi, rimanendogli tutto l’altro nel suo ordinario intiero: dimmi dove potrebbe impune esser la conversazion de gli uomini, come potrebero instituirsi e durar le fameglie et unioni di costoro parimente o più che de cavalli, cervii, porci, senza esserno devorati da innumerabili specie de bestie per essere in tal maniera suggetti a maggiore e più certa ruina? e per conseguenza dove sarrebono le instituzioni de dottrine, le invenzioni de discipline, le congregazioni de cittadini, le strutture de gli edificii, et altre cose assai che significano la grandezza et eccellenza umana, e fanno l’uomo trionfator veramente invitto sopra l’altre specie? Tutto | questo, se oculatamente

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und alle Knochen sich zur Bildung einer Wirbelsäule vereinigten, er sich verschlängelte und all jene Gestalten der Glieder und physische Beschaffenheiten des Körperbaues [der Schlange] annähme. Dann hätte er eine mehr oder weniger lebhafte Begabung; statt zu sprechen, zischelte er, statt zu laufen, schlängelte er sich, statt sich ein Haus zu bauen, gräbe er ein Loch, und ihm wäre kein Wohnraum nützlich, sondern der Schlupfwinkel; und wie er vorher unter jenen war, so wäre er jetzt mit diesen Gliedern, Instrumenten, Potenzen und Akten ausgestattet: wie vom gleichen Handwerker Arbeitsproben von unterschiedlicher Begabung hervorgebracht werden und [seine] unterschiedlichen Leistungen davon abhängen, von welchen Kontraktionen der Materie er gerade hingerissen wird und mit welchen unterschiedlichen Organen er ausgerüstet ist. Folglich könnt Ihr verstehen, daß es möglich ist, daß viele Tiere über mehr Begabung und viel mehr intellektuelles Licht verfügen können als der Mensch (wie es kein Scherz ist, was Moses von der Schlange verkündet, die er das klügste unter allen Tieren der Erde nannte), aber durch den Mangel an Instrumenten ihm unterlegen sind, wie jener ihnen durch Überfluß und Gaben [der Fortuna] in denselben so weit überlegen ist. Und um herauszufinden, ob es wirklich so ist, bedenke es ein wenig scharfsinniger und untersuche in Dir selbst, was wäre, wenn man annähme, daß der Mensch über doppelt soviel Begabung verfügte, wie er hat, und daß ihm der intellectus agens noch viel heller leuchtete, als er ihm leuchtet, und daß mit all dem seine Hände in die Form der zwei Füße verwandelt werden und im übrigen alles andere völlig normal belassen würde; sage mir, wo das Zusammenleben der Menschen impune [gefahrlos] sein könnte? Wie sich Sippschaften und deren Verbände formieren könnten, die so beständig (oder noch beständiger) wie jene der Pferde, Hirsche oder Schweine wären, ohne [in dieser körperlichen Gestalt] von unzähligen [anderen] Tierarten gefressen zu werden und derart größerem und sichererem Untergang geweiht wären? Und wo wären folglich die Gründung der Lehren, die Erfindung der Wissenschaften, die Bürgerversammlungen, die Gebäudekomplexe und vielerlei andere Dinge, die menschliche Größe und Vollkommenheit kennzeichnen und den Menschen zum wahrhaft unüberwindlichen Sieger über die anderen [Tier]arten machen. All dies orientiert sich, wenn Du es aufmerksam betrachtest, nicht vor allem

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guardi, si referisce non tanto principalmente al dettato de l’ingegno, quanto a quello della mano, organo de gli organi. Sebasto Che dirai de le scimie et orsi che se non vuoi dir ch’hanno mano, non hanno peggior instrumento che la mano? Onorio Non hanno tal complessione che possa esser capace di tale ingegno; perché l’universale intelligenza in simili e molti altri animali, per la grossezza o lubricità della material complessione, non può imprimere tal forza di sentimento in cotali spiriti: però la comparazion fatta ¦ si deve intendere nel geno de più ingegnosi animali. Sebasto Il papagallo non ha egli l’organo attissimo a proferir qualsivoglia voce articulata? Or perché è tanto duro e con tanta fatica può parlar sì poco, senza oltre intendere quel che dice? Onorio Perché non ha apprensiva, retentiva adequabile e congenea a quella de l’uomo, ma tal quale conviene alla sua specie; in raggion della quale non ha bisogno ch’altri gl’insegne di volare, cercare il vitto, distinguere il nutrimento dal veleno, generare, nidificare, mutar abitazioni, e riparar alle ingiurie del tempo, e provedere alle necessitadi della vita non men bene, e talvolta meglior e più facilmente che l’uomo. Sebasto Questo dicono li dotti non esser per intelletto o per discorso, ma per instinto naturale. Onorio Fatevi dire da cotesti dotti: cotal instinto naturale è senso o intelletto? Se è senso, è | interno o esterno? Or non essendo esterno, come è manifesto, dicano secondo qual senso interno hanno le providenze, tecne, arti, precauzioni et ispedizioni circa l’occasioni non solamente presenti, ma ancora future, megliormente che l’uomo. Sebasto Son mossi da l’intelligenza non errante. Onorio Questa se è principio naturale e prossimo applicabile all’ope-

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am Diktat der Begabung, sondern an jenem der Hand, die das Organ der Organe ist. Sebasto Was wirst Du von den Affen und Bären sagen, die, wenn Du nicht sagen willst, daß sie Hände haben, jedenfalls kein schlechteres Instrument als die Hand haben? Onorio Sie verfügen nicht über den Körperbau, der einer solchen Begabung entsprechen könnte, denn die universale Intelligenz kann in ähnlichen und vielen anderen Tieren wegen der Schwere oder der Schlüpfrigkeit des materiellen Körperbaues keine so große Empfindungskraft solchen [Lebens]geistern eindrücken; deshalb muß der angestellte Vergleich innerhalb der Gattung der begabtesten Tiere verstanden werden. Sebasto Hat der Papagei nicht ein Organ, das sehr geeignet dafür ist, jedwede artikulierte Stimme hervorzubringen? Warum kann er dann nur so schwer und mit solcher Mühe derart wenig sprechen, ohne darüber hinaus zu verstehen, was er sagt? Onorio Weil er keine Lern- und Behaltensfähigkeit hat, die der des Menschen vergleichbar und ebenbürtig ist, sondern genau die, die seiner Spezies entspricht, aufgrund derer er es nicht nötig hat, daß andere ihn lehren zu fliegen, Futter zu suchen, Nahrung vom Gift zu unterscheiden, zu zeugen, zu nisten, die Wohnstätte zu wechseln und sich vor den Unbilden des Wetters zu schützen und den Erfordernissen des Lebens gerecht zu werden, nicht weniger gut und manchmal besser und leichter als der Mensch. Sebasto Das beruht, wie die Gelehrten sagen, nicht auf Intellekt oder Urteilskraft, sondern auf natürlichem Instinkt. Onorio Laßt Euch von diesen Gelehrten sagen: Ist solch natürlicher Instinkt Sinn oder Intellekt? Wenn er Sinn ist, ist er innerer oder äußerer? Da er nun offensichtlich nicht äußerlich ist, sollen sie sagen, nach welchem inneren Sinn [die Tiere] besser als der Mensch Voraussicht, Kunstfertigkeit, Kunst, Umsicht und Bereitschaft für die Wechselfälle [des Lebens] – und zwar nicht nur in der Gegenwart, sondern auch in der Zukunft – haben. Sebasto Sie werden von der unfehlbaren Intelligenz bewegt. Onorio Wenn diese ein natürliches und unmittelbares Prinzip ist, das auf die unmittelbare und individuelle Handlung anwendbar ist, kann

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razione prossima et individuale, non può essere universale et estrinseco, ma particulare et intrinseco, e per consequenza potenza dell’anima e presidente nella poppa di quella. Sebasto Non volete dumque che sia l’intelligenza universale che muove? ¦ Onorio Dico che la intelligenza efficiente universale è una de tutti: e quella muove e fa intendere; ma oltre in tutti è l’intelligenza particulare, in cui son mossi, illuminati et intendono; e questa è moltiplicata secondo il numero de gli individui. Come la potenza visiva è moltiplicata secondo il numero de gli occhi, mossa et illuminata generalmente da un fuoco, da un lume, da un sole: cossì la potenza intellettiva è moltiplicata secondo il numero de suggetti partecipi d’anima, alli quali tutti sopra splende un sole intellettuale. Cossì dumque sopra tutti gli animali è un senso agente, cioè quello che fa sentir tutti, e per cui tutti son sensitivi in atto; et uno intelletto agente, cioè quello che fa intender tutti, e per cui tutti sono intellettivi in atto; et appresso son tanti sensi e tanti particolari | intelletti passivi o possibili, quanti son suggetti: e sono secondo tanti specifici e numerali gradi di complessioni, quante sono le specifice e numerali figure e complessioni di corpo. Sebasto Dite quel che vi piace, et intendetela come volete: che io negli animali non voglio usar di chiamar quello instinto raggionevole, intelletto. Onorio Or se non lo puoi chiamar senso, bisogna che ne gli animali oltre la potenza sensitiva et intellettiva fingi qualch’altra potenza cognoscitiva. Sebasto Dirò ch’è un’efficacia de sensi interiori. Onorio Tal efficacia possiamo ancor dire che sia lo intelletto umano, onde naturalmente discorre l’uomo; et è ¦ in nostra libertà di nominar come ci piace e limitar le diffinizioni e nomi a nostra posta, come fe’ Averroe. Et anco è in mia libertà de dire che il vostro intendere non è intendere, e qualumque cosa che facciate, pensare che non sia per intel-

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es nicht universell und extrinsisch sein, sondern partikulär und intrinsisch und [muß] daher eine Fähigkeit der Seele sein, die sie wie vom Achterdeck aus steuert. Sebasto Also behauptet Ihr nicht, daß es die universelle Intelligenz ist, die bewegt? Onorio Ich sage, daß die universelle, wirkende Intelligenz eine für alle ist. Sie bewegt und läßt verstehen, aber darüber hinaus ist in allen die partikuläre Intelligenz, in der sie bewegt und erleuchtet werden und verstehen; und diese wird nach Anzahl der Individuen vervielfältigt. Wie die Sehfähigkeit nach der Zahl der Augen vervielfältigt wird, dabei aber generell von einem Feuer, von einem Licht, von einer Sonne bewegt und erleuchtet wird: So wird die Fähigkeit zu intellektuellem Verstehen nach der Zahl der Subjekte vervielfältigt, die an der [Universal]seele teilhaben, und über ihnen erstrahlt eine intellektuelle Sonne. So ist also über allen Tieren ein aktiver Sinn, also jener, der alle fühlen läßt und durch den alle tatsächlich sinnlich wahrnehmen, und ein aktiver Intellekt, also jener, der alle verstehen läßt und durch den alle tatsächlich intellektuell verstehen, und daneben gibt es so viele Sinne und so viele einzelne passive oder mögliche Intellekte, wie es Subjekte gibt. Und sie existieren in so vielen spezifischen und numerischen Graden des Körperbaues, wie es spezifische und numerische Figuren und Konstitutionen des Körpers gibt. Sebasto Sagt, was Euch gefällt, und versteht es, wie Ihr wollt; aber ich möchte nicht, daß es mir zur Gewohnheit wird, bei den Tieren den vernünftigen Instinkt Intellekt zu nennen. Onorio Wenn Du ihn nun nicht Sinn nennen kannst, ist es nötig, daß Du bei Tieren außer der Sinnes- und Verstandespotenz irgendeine andere Erkenntnisfähigkeit imaginierst. Sebasto Ich werde sagen, daß dies eine Wirkkraft der inneren Sinne ist. Onorio Wir können auch sagen, eine solche Wirkkraft sei der menschliche Intellekt, durch den der Mensch auf natürliche Weise sprachbegabt ist, und es steht uns frei, ihn zu benennen, wie es uns beliebt, und die Definitionen und Namen von unserer Warte aus abzugrenzen, wie es Averroes tat. Und es steht mir auch frei zu sagen, daß Euer Verstehen kein Verstehen ist, und von jeglicher Sache, die ihr macht, zu denken,

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dialogo secondo

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letto, ma per instinto: poiché l’operazioni de altri animali più degne che le vostre (come quelle dell’api e de le formiche) non hanno nome d’intelletto, ma d’instinto. O pur dirò che l’instinto di quelle bestiole è più degno che l’intelletto vostro. Sebasto Lasciamo per ora de discorrere più ampiamente circa questo, e torniamo a noi. Vuoi dumque che come d’una medesima cera o altra materia si formano diverse e contrarie figure, cossì di medesima materia corporale si fanno tutti gli | corpi, e di medesima sustanza spirituale sono tutti gli spiriti? Onorio Cossì certo; e giongi a questo che per diverse raggioni, abitudini, ordini, misure e numeri di corpo e spirito sono diversi temperamenti, complessioni, si producono diversi organi et appaiono diversi geni de cose. Sebasto Mi par che non è molto lontano, né abborrisce da questo parere quel profetico dogma, quando dice il tutto essere in mano dell’universale efficiente come la medesima luta in mano del medesimo figolo, che con la ruota di questa vertigine de gli astri viene ad esser fatto e disfatto secondo le vicissitudini della generazione e corrozzione delle cose, or vase onorato, or vase contumelioso di medesima pezza. Onorio Cossì hanno inteso e dechiarato molti de più ¦ savii tra gli rabini. Cossì par ch’intendesse colui che disse: »Uomini e giumenti salverai secondo che moltiplicarai la misericordia«. Cossì si fa chiaro nella metamorfose di Nabuchodonosor. Quindi dubitorno alcuni Saduchimi del Battista se lui fusse Elia: non già per medesimo corpo, ma per medesimo spirito in un altro corpo. In cotal modo di resuscitazione alcuni si prometteno l’execuzione della giustizia divina secondo gli affetti et atti ch’hanno exercitati in un altro corpo. Sebasto Di grazia, non raggioniamo più di questo, perché pur troppo

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zweiter dialog

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daß sie nicht vom Intellekt, sondern vom Instinkt [verursacht] ist; da nun einmal die Handlungen anderer Tiere, die würdiger sind als die Euren (wie die der Bienen oder Ameisen), nicht als Intellekt, sondern als Instinkt benannt werden. Oder ich werde gar sagen, daß der Instinkt dieser Tierchen würdiger ist als Euer Intellekt. Sebasto Verzichten wir für den Moment darauf, uns hierüber ausführlicher zu unterhalten, und kommen wir auf uns zurück. Du nimmst also an, daß man so, wie man aus ein und demselben Wachs oder anderer Materie unterschiedliche und gegensätzliche Figuren formt, alle Körper aus der gleichen körperlichen Materie herstellt, und [daß] alle Geister aus der gleichen geistigen Substsanz bestehen? Onorio So ist es sicherlich; und füge dem hinzu, daß aus verschiedener Proportion, Veranlagung, Ordnung, Maß und Zahl des Körpers und des Geistes verschiedene Temperamente und körperliche Konstitutionen hervorgehen, verschiedene Organe hervorgebracht werden und verschiedene Genera von Dingen erscheinen. Sebasto Mir scheint, daß von dieser Ansicht jenes prophetische Dogma nicht weit entfernt ist noch ihm widerspricht, das besagt, daß sich das All in der Hand des universellen Bewirkers befinde: So wie ein und derselbe Lehm in der Hand ein und desselben Töpfers auf der [Töpfer]scheibe der [Kreisbewegung] der Gestirne (gemäß dem Wechselspiel des Werdens und Vergehens der Dinge) einmal zu einem würdigen Gefäß, ein andermal zu einem schmählichen Gefäß geformt und schließlich [wieder] vernichtet wird. Onorio Derart haben es viele unter den weisesten Rabbinen verstanden und erklärt. Derart scheint es derjenige verstanden zu haben, der sagte: »In dem Maße, in welchem Du dein Erbarmen vermehrst, wirst Du Menschen und Lasttiere erretten«. Derart wird es klar in der Verwandlung von Nebukadnezzar. Deshalb fragten sich einige Saduzäer, ob [Johannes] der Täufer [eine Reinkarnation von] Elias sei: Sicherlich nicht wegen des gleichen Körpers, sondern als gleicher Geist in anderem Körper. In dieser Art der Wiederbelebung versprechen sich einige die Vollstreckung der göttlichen Gerechtigkeit nach jenen Leidenschaften und Handlungen, die sie in einem anderen Körper ausgeführt haben. Sebasto Bitte sprechen wir nicht weiter davon, weil mir leider Eure

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mi comincia a piacere e parermi più che verisimile la vostra opinione; et io voglio mantenermi in quella fede nella quale son | stato instrutto da miei progenitori e maestri: e però parliate de successi istorici, o favoleschi, o metaforici, e lasciate star le demostrazioni et autoritadi, le quali credo che sono più tosto storciute da voi che da gli altri. Onorio Hai buona raggione, fratel mio; oltre che conviene ch’io torne a compire quel ch’avevo cominciato a dirti, se non dubiti che con ciò medesimamente non ti vegna a sobvertere l’ingegno e perturbar la conscienza intemerata. Sebasto Non non, certo; questo ascolto più volentiera che mai posso aver ascoltata favola alcuna. Onorio Se dumque non m’ascolti sotto specie di dottrina e disciplina, ascoltami per spasso.

| ¦ Seconda parte del dialogo Sebasto Ma non vedete Saulino e Coribante che vegnono? Onorio È ora che doveano esser venuti. Meglio il tardi che mai, Saulino. Coribante Si tardus adventus, citior expeditio. Sebasto Col vostro tardare avete persi de bei propositi quali desidero che siano replicati da Onorio. Onorio Non, di grazia, perché mi rincrescerebbe; ma seguitiamo il nostro proposito, perché quanto a quello che sarà bisogno de riportar oltre, ne raggionarremo privatamente con essi a meglior comodità: perché ora non vorrei interrompere il filo del mio riporto. Saulino Sì, sì; cossì sia: andate pur seguitando. Onorio Or essendo io, come ho già detto, nella region celeste in titolo di cavallo Pegaseo, mi è avvenuto, per ordine del fato, che per la conver-

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Meinung zu gefallen beginnt und mir mehr als wahrscheinlich zu sein scheint; und ich möchte in jenem Glauben verbleiben, in dem ich von meinen Vorfahren und Lehrern unterrichtet wurde. Und deshalb sprecht von historischen oder erdichteten oder metaphorischen Ereignissen und laßt die Beweisführungen und Autoritäten beiseite, die, wie ich glaube, mehr von Euch als von den anderen verdreht werden. Onorio Du hast guten Grund dazu, mein Bruder: Abgesehen davon ist es nötig, daß ich darauf zurückkomme, das zu vollenden, was ich Dir zu sagen begonnen hatte; sofern Du Dich nicht fragst, ob ich Dir mit ebendiesem den Geist verführe und Deine makellose Überzeugung erschüttere. Sebasto Nein, nein, sicher nicht; dies höre ich lieber, als ich jemals irgendeine Geschichte gehört haben kann. Onorio Wenn Du mir nicht unter dem Aspekt der [religiösen] Lehrmeinung und der Wissenschaft zuhören willst, höre mir zum Spaß zu.

Zweiter Teil des Dialogs

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Sebasto Seht ihr denn nicht Saulino und Coribante, die dort kommen? Onorio Es ist höchste Zeit, daß sie kommen. Besser spät als nie, Saulino. Coribante Si tardus adventus, citior expeditio [Je später die Ankunft, um so schneller die Erledigung ]. Sebasto Durch Euer Zuspätkommen habt Ihr schöne Argumente verpaßt, von denen ich wünschte, daß sie von Onorio wiederholt würden. Onorio Nein, bitte nicht, denn das würde mir Umstände bereiten, aber fahren wir mit unserem Thema fort. Denn, was jene [Dinge] anbetrifft, die man weiter ausführen muß, so werden wir mit ihnen privatim bequemer diskutieren, denn jetzt möchte ich den Faden meiner Ausführungen nicht abreißen lassen. Saulino Ja, ja, so sei es denn. Fahrt nur fort. Onorio Als ich nun, wie schon gesagt, in meiner Eigenschaft als Pegasus in der Himmelsregion weilte, ist es mir durch Bestimmung des

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sione alle cose inferiori, causa di certo affetto ch’io indi venevo ad acquistare (la qual molto bene vien descritta dal platonico Plotino) come inebriato di nettare, venea bandito ad esser or un filosofo, or un poeta, or un pedante, lasciando la mia imagine in cielo; alla cui sedia a tempi a tempi delle trasmigrazioni ritornavo riportandovi la memoria delle | specie le quali nell’abitazion corporale avevo acquistate; e quelle medesime come in una biblioteca lasciavo là quando accadeva ch’io dovesse ritornar a qualch’altra terrestre abitazione. ¦ Delle quali specie memorabili le ultime son quelle ch’ho cominciate a imbibire a tempo della vita de Filippo Macedone, dopo che fui ingenerato dal seme de Nicomaco, come si crede. Qua, appresso esser stato discepolo d’Aristarco, Platone et altri, fui promosso col favor di mio padre ch’era consegliero di Filippo, ad esser pedante d’Alexandro Magno; sotto il quale, benché erudito molto bene nelle umanistiche scienze, nelle quali ero più illustre che tutti li miei predecessori, entrai in presunzione d’esser filosofo naturale, come è ordinario nelli pedanti d’esser sempre temerarii e presuntuosi: e con ciò, per esser estinta la cognizione della filosofia morto Socrate, bandito Platone, et altri in altre maniere dispersi, rimasi io solo lusco intra gli ciechi; e facilmente possevi aver riputazion non sol di retorico, politico, logico, ma ancora de filosofo. Cossì malamente e scioccamente riportando le opinioni de gli antiqui, e de maniera tal sconcie, che né manco gli fanciulli e le insensate vecchie parlarebono et intenderebono come io introduco quelli galant’uomini intendere e parlare, mi venni ad intrudere come riformator di quella disciplina della quale io non avevo notizia alcuna. Mi dissi principe de’ Peripatetici, insegnai in Atene nel sottoportico Liceo: dove secondo il lume e per dir il vero secondo le tenebre che regnavano in me, intesi et insegnai perversamente circa la natura de li principii e sustanza delle cose, delirai più che l’istessa delirazione circa l’essenza de l’anima, nulla | possevi

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Fatums geschehen, daß ich wegen der Hinwendung zu den niederen Dingen – aufgrund einer bestimmten Leidenschaft, die ich durch sie, wie von Nektar trunken, entwickelte (was vom Platoniker Plotin sehr gut beschrieben wird) – verbannt wurde: einmal als Philosoph, einmal als Dichter, einmal als Pedant, wobei ich mein Abbild im Himmel zurückließ; zu dessen Sitz kehrte ich nach jeder Seelenwanderung zurück, und dorthin brachte ich die Erinnerung an jene Spezies zurück, die ich in der körperlichen Behausung erworben hatte; und dort ließ ich dieselben wie in einer Bibliothek zurück, wenn ich in irgendeine andere irdische Behausung zurückkehren mußte. Von diesen erinnerbaren Spezies sind die letzten diejenigen, die ich zur Lebenszeit des Philipp von Mazedonien mir einzuverleiben begonnen habe, nachdem ich, wie man glaubt, aus dem Samen des Nikomachos gezeugt worden war. Hier wurde ich, nachdem ich ein Schüler Aristarchs, Platons und anderer gewesen war, durch die Gunst meines Vaters, der Ratgeber Philipps war, zum Pedanten Alexander des Großen befördert; unter ihm verfiel ich trotz meiner großen Kenntnisse in den humanistischen Wissenschaften (in denen ich viel glanzvoller als alle meine Vorgänger war) in die Anmaßung, ein Naturphilosoph zu sein, wie es bei den Pedanten üblich ist, die immer vorschnell und anmaßend sind. Und nachdem mit Sokrates’ Tod, Platos Verbannung und der Vernichtung anderer [Philosophenschulen] auf andere Arten die Kenntnis der Philosophie erloschen war, blieb ich allein als Einäugiger unter Blinden. Und so war es mir ein Leichtes, nicht nur als Rhetoriker, Politiker und Logiker, sondern auch als Philosoph Ansehen zu erlangen. Derart schlecht und dumm und in so entstellter Weise referierte ich dabei die Lehrmeinungen der Alten, daß nicht einmal die Kinder und die schwachsinnigen Greise so sprechen und verstehen würden, wie in meiner Darstellung jene Edelmänner verstehen und sprechen; und [so] kam ich dahin, mich als Reformator jener Wissenschaft einzuschleichen, von der ich gar keinen Begriff hatte. Ich nannte mich Fürst der Peripatetiker, lehrte in den Wandelgängen des Lykeions in Athen, wo ich gemäß dem Licht, oder um die Wahrheit zu sagen: gemäß der Finsternis, die in mir herrschte, in verkehrter Weise die Natur der Prinzipien und die Substanz der Dinge verstand und lehrte, über die Essenz der Seele schlimmer delirierte als das Delirium selbst, von der Natur

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comprendere per dritto circa la natura del moto e de l’universo; et in conclusione son fatto quello ¦ per cui la scienza naturale e divina è stinta nel bassissimo della ruota, come in tempo de gli Caldei e Pitagorici è stata in exaltazione. Sebasto Ma pur ti veggiamo esser stato tanto tempo in admirazion del mondo; e tra l’altre maraviglie è trovato un certo Arabo ch’ha detto la natura nella tua produzzione aver fatto l’ultimo sforzo, per manifestar quanto più terso, puro, alto e verace ingegno potesse stampare: e generalmente sei detto »demonio della natura«. Onorio Non sarebbono gli ignoranti se non fusse la fede; e se non la fusse, non sarebbono le vicissitudini ¦ delle scienze e virtudi, bestialitadi et inerzie, et altre succedenze de contrarie impressioni, come son de la notte et il giorno, del fervor de l’estade e rigor de l’inverno. Sebasto Or per venire a quel ch’appartiene alla notizia de l’anima (mettendo per ora gli altri propositi da canto), ho letti e considerati que’ tuoi tre libri nelli quali parli più balbamente che possi mai da altro balbo essere inteso; come ben ti puoi accorgere di tanti diversi pareri et estravaganti intenzioni e questionarii, massime circa il dislacciar e disimbrogliar quel che ti vogli dire in que’ confusi e leggieri propositi gli quali se pur ascondono qualche cosa, non può esser altro che pedantesca o peripatetica levitade. Onorio Non è maraviglia, fratello, atteso che non può in conto alcuno essere, che essi loro | possano apprendere il mio intelletto circa quelle cose nelle quali io non ebbi intelletto: o che vagliano trovar construtto o argumento circa quel ch’io vi voglia dire, se io medesimo non sapevo quel che mi volesse dire. Qual differenza credete voi essere tra costoro e quei che cercano le corna del gatto e gambe de l’anguilla? Nulla certo. Della qual cosa precavendo ch’altri non s’accorgesse, et io con ciò ve-

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der Bewegung und des Universums nichts richtig verstehen konnte; schließlich bin ich zu jenem geworden, durch den die natürliche und göttliche Wissenschaft auf dem tiefsten Punkt des Rades [der Fortuna] ausgelöscht wurde, wie sie zu Zeiten der Chaldäer und Pythagoreer auf diesem Rad ihren Höchststand erreicht hatte. Sebasto Und doch sehen wir Dich für derart lange Zeit von der Welt verehrt, und neben anderen Wunderdingen findet sich ein gewisser Araber, der gesagt hat, daß die Natur in deiner Hervorbringung die höchste Anstrengung unternommen hat, um zu zeigen, welch viel klarere, reinere, höhere und wahrhaftigere Begabung sie ausprägen könne, und generell nennt man dich »Genius der Natur«. Onorio Es gäbe keine Ignoranten, wenn es keinen Glauben gäbe; und wenn es ihn nicht gäbe, gäbe es auch keine Wechselfälle des Geschicks in den Wissenschaften und Tugenden, den Bestialitäten und Trägheiten und anderen aufeinanderfolgenden, konträren Eindrücken, wie Tag und Nacht, Gluthitze des Sommers und Frostschauer des Winters sie hervorrufen. Sebasto Um nun auf das zu sprechen zu kommen, was es mit dem Seelenbegriff auf sich hat (und die anderen Argumente für den Augenblick beiseite zu lassen), habe ich jene drei Deiner Bücher gelesen und beurteilt, in denen Du mit so großem Gestotter sprichst, daß Du [selbst] von einem anderen Stotterer niemals verstanden werden könntest. Wie Du leicht an derart vielen unterschiedlichen Meinungen und extravaganten Intentionen und Fragesammlungen erkennen kannst, [wenn Du selbst versuchen würdest], das aufzulösen und zu entwirren, was Du Dir mit diesen verwirrten und leichtsinnigen Argumenten sagen wolltest: wenn diese irgend etwas verbergen, es nichts anderes sein kann als pedantische oder peripatetische Leicht[sinn]igkeit. Onorio Das ist kein Wunder, Bruder, erwägt man, daß es ihnen in keiner Weise möglich ist, mein Verständnis für jene Angelegenheiten nachzuvollziehen, von denen ich [selbst] nichts verstand, oder daß sie fähig gewesen wären, logische Anordnung oder Beweisgrund von dem zu finden, was ich Euch sagen wollte, wo ich [doch] selbst nicht weiß, was ich mir sagen wollte. Welcher Unterschied, glaubt Ihr, besteht zwischen diesen und jenen, die die Hörner der Katze und die Beine des Aals suchen? Gewiß keiner. Um nun in dieser Angelegenheit vorzu-

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nesse ad perdere la riputazion di protosofosso, volsi far de maniera che chiumque mi studiasse nella natural filosofia (nella qual fui e mi sentivi a fatto ignorantissimo), per inconveniente o confusion che vi scorgesse, se non avea qualche lume d’ingegno, dovesse pensare e credere ciò non essere ¦ la mia intenzion profonda, ma più tosto quel tanto che lui, secondo la sua capacità, posseva da gli miei sensi superficialmente comprendere. Là onde feci che venesse publicata quella lettera ad Alexandro dove protestavo gli libri fisicali esser, messi in luce, come non messi in luce. Sebasto E per tanto voi mi parete aver isgravata la vostra conscienza; et hanno torto questi tanti asinoni a disporsi di lamentarsi di voi nel giorno del giudicio, come di quel che l’hai ingannati e sedutti, e con sofistici apparati divertiti dal camino di qualche veritade che per altri principii e metodi arrebono possuta racquistarsi. Tu l’hai pure insegnato quel tanto ch’a diritto doveano pensare: che se tu hai publicato come non publicato, essi dopo averti letto denno pensare di non averti letto; come tu avevi cossì scritto come non avessi scritto, talmente quei cotali ch’insegnano la tua dottrina | non altrimente denno essere ascoltati che un che parla come non parlasse. E finalmente né a voi deve più essere atteso, che come ad un che raggiona e getta sentenza di quel che mai intese. Onorio Cossì è certo, per dirti ingenuamente come l’intendo al presente: perché nessuno deve essere inteso più ch’egli medesimo mostra di volersi far intendere; e non doviamo andar perseguitando con l’intelletto color che fuggono il nostro intelletto, con quel dir che parlano certi per enigma o per metafora, altri per che vuolen che non l’intendano gl’ignoranti, altri perché la moltitudine non le spreggie, altri perché le margarite non sieno calpestrate ¦ da porci; siamo dovenuti a tale

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beugen, damit andere [meine Unwissenheit] nicht bemerken und ich somit meinen Ruf als Protosophos [Erster unter den Weisen] verlöre, beschloß ich, es so einzurichten, daß, wer auch immer mich in der Naturphilosophie studierte (in der ich mich höchst unwissend fühlte und es auch tatsächlich war) und dort Unpassendes oder Unklares fände, denken und glauben mußte – wenn er nicht selber über ein wenig Geisteslicht verfügte –, daß dies nicht meine tiefsinnige Intention war, sondern eher jenes Wenige, das er seinen Fähigkeiten gemäß von meinen Auffassungen [nur] oberflächlich verstehen konnte. Deswegen veranlaßte ich, daß jener Brief an Alexander veröffentlicht wurde, in welchem ich die Bücher der Physik, die veröffentlicht waren, feierlich für unveröffentlicht erklärte. Sebasto Womit Ihr, wie mir scheint, Euer Gewissen erleichtert habt und die vielen Riesenesel unrecht haben, die sich darauf vorbereiten, sich am Tag des Jüngsten Gerichtes über Euch zu beklagen als einen, der sie betrogen und verführt und mit sophistischem Redeprunk vom Weg irgendeiner Wahrheit abgebracht hat, die sie mit anderen Prinzipien und Methoden hätten wiedergewinnen können. Hast Du ihnen doch das wenige, welches sie mit gutem Recht denken müssen, beigebracht: Wenn Du nämlich Veröffentlichtes als Unveröffentlichtes [bezeichnet] hast, müssen sie, nachdem sie Dich gelesen haben, denken, Dich nicht gelesen zu haben. Ebenso wie Du geschrieben hast, als hättest Du nicht geschrieben, dürfen diejenigen, die Deine Lehre verbreiten, nicht anders angehört werden als einer, der spricht, als spräche er nicht. Und schließlich darf Euch nicht mehr Beachtung geschenkt werden als einem, der Untersuchungen anstellt und Urteile fällt über etwas, das er nie verstanden hat. Onorio So ist es sicherlich, um Dir ganz offen zu sagen, wie ich es im Moment verstehe, denn niemand darf weiter verstanden werden, als er selbst sich offensichtlich verständlich machen will: Und daher dürfen wir uns nicht aufmachen, jene mit unserem Intellekt zu verfolgen, die vor unserem Intellekt davonlaufen: [nämlich] mit jenen Redensarten, mit denen manche in Rätseln oder Metaphern sprechen, andere weil sie wollen, daß die Unwissenden sie nicht verstehen, [wieder] andere, damit sie die Menge nicht verachtet, andere [schließlich], damit keine Perlen vor die Säue geworfen werden. Wir sind an den Punkt gelangt,

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ch’ogni satiro, fauno, malenconico, imbreaco et infetto d’atra bile, in contar sogni e dir de pappolate senza construzzione e senso alcuno, ne vogliono render suspetti de profezia grande, de recondito misterio, de alti secreti et arcani divini da risuscitar morti, da pietre filosofali et altre poltronarie da donar volta a quei ch’han poco cervello a farli dovenir al tutto pazzi con giocarsi il tempo, l’intelletto, la fama e la robba, e spendere sì misera et ignobilmente il corso di sua vita. Sebasto La intese bene un certo mio amico, il quale avendo non so se un certo libro de profeta enigmatico o d’altro, dopo avervisi su lambiccato alquanto dell’umor del capo, con una grazia e bella leggiadria andò a gittarlo nel cesso dicendogli: »Fratello tu non vòi esser inteso; io non ti voglio intendere«; e soggionse ch’andasse con cento diavoli, e lo lasciasse star con fatti suoi in pace. | Onorio E quel ch’è degno di compassione e riso, è che su questi editi libelli e trattati pecoreschi vedi dovenir attonito Silvio, Ortensio melancolico, smagrito Serafino, impallidito Cammaroto, invecchiato Ambruogio, impazzito Giorgio, abstratto Reginaldo, gonfio Bonifacio, ¦ et il molto reverendo Don Cocchiarone »pien d’infinita e nobil meraviglia« sen va per il largo della sua sala, dove rimosso dal rude et ignobil volgo, se la spasseggia; e rimenando or quinci or quindi de la litteraria sua toga le fimbrie, rimenando or questo or quell’altro piede, rigettando or vers’il destro or vers’il sinistro fianco il petto, con il texto commento sotto l’ascella, e con gesto di voler buttar quel pulce ch’ha tra le due prime dite in terra, con la rugata fronte cogitabondo, con erte ciglia et occhi arrotondati, in gesto d’un uomo fortemente ¦ maravigliato, conchiudendola con un grave et emfatico suspiro, farà pervenir a l’orecchio de circonstanti questa sentenza: »Huc usque alii philosophi non pervenerunt«.

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daß jeder Satyr, Faun, Melancholiker (trunken und infiziert von der schwarzen Galle), auch wenn er ohne [Satz]bau und bar jeglichen Sinnes seine Träume erzählt und Unsinn daherredet, doch den Anschein der großen Prophetie, der verborgenen Mysterien, der höchsten Geheimnisse und göttlichen Arkana erwecken möchte: wie Tote aufzuwecken, den Stein der Weisen zu [besitzen] und andere Gaunereien; [nur] um jenen, die wenig Verstand haben, den Kopf zu verdrehen, um sie gänzlich verrückt zu machen, indem sie Zeit, Intellekt, das Ansehen und ihren Besitz aufs Spiel setzen und ihre Lebenszeit solcherart erbärmlich und unedel verbringen. Sebasto Das hat ein gewisser Freund von mir gut verstanden, er besaß – ich weiß es nicht genau – ein gewisses Buch des einen oder anderen rätselhaften Propheten: Nachdem er sich eine Weile darüber den Kopf zerbrochen hatte, ging er mit Anmut und schöner Grazie, um es in die Latrine zu werfen, wobei er zu ihm sagte: »Bruder, du willst nicht verstanden werden: ich will dich auch nicht verstehen«, und er fügte hinzu, daß er sich zu allen Teufeln scheren und ihn mit seinen Angelegenheiten in Ruhe lassen solle. Onorio Und es ist des Mitleids und Lachens würdig, daß man sieht, wie Silvio über diese publizierten Büchlein und schafsinnigen Traktate verdummt und wie Ortensio melancholisch wird, Serafino abmagert, Cammarato erblaßt, Ambrogio altert, Giorgio überschnappt, Reginaldo zerstreut und Bonifazio aufgeblasen wird und der hochverehrte Don Cocchiarone »voll unendlichen und edlen Staunens« in die Weite seines [Studier]zimmers verschwindet, wo er abseits des groben und unedlen Pöbels auf- und abgeht und dabei den Saum seiner literarischen Toga einmal hierhin, einmal dorthin wendet, einmal diesen, einmal jenen Fuß zurücksetzt, die Brust einmal nach der rechten, einmal nach der linken Seite zurückwirft mit dem Kommentartext unter der Achsel und mit einer Geste, als wolle er den Floh, den er zwischen den beiden ersten Fingern hält, zu Boden werfen, die Stirn grüblerisch in Falten gezogen, die Augenbrauen hochgerissen und mit weit offenen Augen in der Haltung eines völlig erstaunten Mannes; er kommt zum Schluß, indem er mit einem schweren und emphatischen Seufzer folgende Sentenz an das Ohr der Umstehenden dringen läßt: Hucusque alii philosophi non pervenerunt [So weit sind andere Philosophen nicht

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Se si trova in proposito di lezzion di qualche libro composto da qualche energumeno o inspiritato, dove non è espresso e d’onde non si può premere più sentimento che possa ritrovarsi in un spirito cavallino, all’ora per mostrar d’aver dato sul chiodo exclamarà: »O magnum misterium«. Se per aventura si trovasse un libro de … Sebasto Non più, di grazia, di questi propositi delli quali siamo pur troppo informati: e torniamo al nostro proposito. Coribante Ita ita, sodes. Fatene intendere con qual ordine e maniera avete repigliata la memoria la | qual perdeste nel supposito peripatetico et altre ipostatiche sussistenze. Onorio Credo aver detto a Sebasto, che quante volte io migravo dal corpo, prima che m’investisse d’un altro, ritornavo a quel mio vestigio dell’asinina idea (che per l’onor e facultà de l’ali non ha piaciuto ad alcuni che tegnono tal animale in opprobrio, di chiamarlo asino, ma cavallo Pegaseo), e da là dopo avervi descritti gli atti e le fortune ch’avevo passate, sempre fui destinato a ritornar più tosto uomo che altra cosa, per privileggio che mi guadagnai per aver avuto astuzia e continenza quella volta con non mandar giù per il gorgazuolo de l’umor de l’onde ¦ letee. Oltre per la giurisdizione di quella piazza celeste, è avvenuto che partendo io da corpi, mai oltre ho preso il camino verso il plutonio regno per riveder gli campi Elisii, ma vèr l’illustre et augusto imperio di Giove. Coribante Alla stanza dell’aligero quadrupede. Onorio Sin tanto che a questi tempi piacendo al senato de gli dèi, m’ha convenuto de transmigrar con l’altre bestie a basso, lasciando solamente l’impression de mia virtude in alto: onde per grazia e degno favor de gli dèi, ne vegno ornato e cinto de mia biblioteca, portando non solamente la memoria delle specie opinabili, sofistiche, apparenti,

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vorgedrungen]. Kommt er ins Dozieren angelegentlich irgendeines Buches, das von irgendeinem dämonisch Besessenen oder göttlich Inspirierten verfaßt wurde, in dem weder mehr Sinn ausgedrückt wird noch aus dem man mehr Sinn pressen könnte, als in einem kabbalinischen Geist wiedererkennbar wäre, dann wird er, um zu zeigen, daß er den Nagel auf den Kopf getroffen hat, ausrufen: O magnum misterium [Oh großes Mysterium]. Sollte sich zufällig ein Buch finden, über … Sebasto [Sagt] nicht mehr, ich bitte Euch, über diese Themen, über die wir nur allzugut Bescheid wissen: kehren wir zu unserem Thema zurück. Coribante Ita ita, sodes [Genau so, wenn’s geht]. Laßt uns verstehen, auf welche Art und Weise Ihr das Gedächtnis wiedererlangt habt, das Ihr im peripatetischen Substrat und in anderen hypostatischen Seinsformen verloren hattet. Onorio Ich glaube, Sebasto gesagt zu haben, daß ich, jedesmal wenn ich einen Körper verlassen habe und bevor ich mich mit einem anderen bekleidete, zu meinem Abbild der Eselsidee [dem Sternbild] zurückkehrte (wegen der Würde und Macht der Flügel mißfiel es einigen, die dieses Tier verschmähen, es Esel zu nennen, sondern [eher] pegaseisches Pferd). Und, nachdem ich Euch die erlebten Taten und Geschicke beschrieben hatte, war ich dazu bestimmt, von dort immer wieder eher als Mensch denn als etwas anderes [auf die Erde] zurückzukehren: aufgrund des Vorrechts, das ich mir durch Schläue und Zurückhaltung damals verdient hatte, als ich mir den Körpersaft der Fluten des Lethestromes nicht den Schlund hinunterlaufen hatte lassen. Außerdem geschah es gemäß der Entscheidung jenes himmlischen Gerichts, daß ich, den Körpern entstiegen, nie den Weg weiter bis ins Plutonische Reich nahm, um die Elysischen Felder wiederzusehen, sondern ins glanzvolle und hehre Reich Jupiters [zurückkehrte]. Coribante Zum Wohnsitz des geflügelten Vierfüßers. Onorio Bis zu jener Zeit, als ich nach dem Willen des Göttersenats mit den anderen Tieren hinabwandern mußte, wobei ich nur den Abdruck meiner Wirkkraft oben ließ: Dort komme ich, durch Gunst und würdige Gewogenheit der Götter, von meiner Bibliothek geschmückt [und] umgeben an, wobei ich nicht nur die Erinnerung an die denkbaren, sophistischen, scheinbaren, wahrscheinlichen und beweisenden

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probabili e demostrative, ma et oltre, il giudicio distintivo di quelle che son vere da l’altre che son false. Et oltre de quelle cose che in diversamente complessionati diversi corpi per varie sorti de discipline ho concepute, ritegno ancora l’abito, e de molte altre | veritadi alle quali senza ministerio de sensi con puro occhio intellettuale vien aperto il camino; e non mi fuggono, quantumque mi trove sotto questa pelle e pareti rinchiuso, onde per le porte de’ sensi (come per certi strettissimi buchi) ordinariamente possiamo contemplar qualche specie di enti: sì come altrimente ne vien lecito di veder chiaro et aperto l’orizonte tutto de le forme naturali ritrovandoci fuor de la priggione. Sebasto Tanto che restate di tutto sì fattamente informato, che ottenete più che l’abito di tante filosofie, di tanti ¦ suppositi filosofici, ch’avete presentati al mondo: ottenendo oltre il giudicio superiore a quelle tenebre e quella luce sotto le quali avete vegetato, sentito, inteso, o in atto o in potenza, abitando or nelle terrene, or nell’inferne, or nelle stanze celesti. Onorio Vero: e da tal retentiva vegno a posser considerar, e conoscer meglio che come in specchio, quel tanto ch’è vero dell’essenza e sustanza de l’anima.

| Terza parte del Dialogo Sebasto Soprasediamo circa questo per ora, e venemo a sentir il vostro parere circa la questione qual ieri fu mossa tra me e Saulino qua presente: il quale referisce l’opinion d’alcune sette le quali vogliono non esser scienza alcuna appo noi. Saulino Feci a certa bastanza aperto che sotto l’eminenza de la verità non abbiam noi cosa più eminente che l’ignoranza et asinitade: perciò che questa è il mezzo per cui la sofia si congionge e si domestica con

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Spezies mitbringe, sondern weiter die Urteilskraft, jene, die richtig sind, von den anderen, die fasch sind, zu unterscheiden. Und weiter: von jenen Dingen, die ich in verschiedenen Körpern mit verschiedenartiger Säftemischung durch mehrere Arten von Wissenschaften erfaßt habe, behalte ich auch die physische Beschaffenheit im Gedächtnis; und viele jener anderen Wahrheiten, zu denen sich der Weg ohne den Dienst der Sinne, durch die reine, intellektuelle Schau eröffnet. Und sie entgehen mir nicht, wie sehr ich mich auch in dieser Haut und in diesen Mauern [des Körpergefängnisses] eingeschlossen finde, in denen wir gewöhnlich durch die Pforten der Sinne (wie durch ganz schmale Öffnungen) irgendwelche Spezies der Wesen betrachten können; so steht es uns andererseits frei, den ganzen Horizont der natürlichen Formen klar und offen zu sehen, wenn wir uns außerhalb des [Körper]gefängnisses befinden. Sebasto So sehr, daß Ihr von allem derart geformt wurdet, daß Ihr nicht nur den Habitus zahlloser Philosophien und zahlloser philosophischer Annahmen erhaltet, die Ihr der Welt vorgestellt habt, sondern darüber hinaus jene überlegene Urteilskraft erlangt, die über dieser Finsternis und diesem Licht steht, unter denen Ihr dem Akt oder der Potenz nach vegetiert, gefühlt und verstanden habt, wenn ihr einmal in irdischen, ein andermal in unterweltlichen und noch ein andermal in den himmlischen Wohnsitzen gelebt habt. Onorio Das ist richtig: Und aus diesem Erinnerungsvermögen kann ich besser als in jenem Spiegel [der sinnlichen Wahrnehmung] erwägen und erkennen, was an der Essenz und Substanz der Seele wahr ist.

Dritter Teil des Dialogs

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Sebasto Schieben wir diese [Erörterung] für den Moment auf und kommen wir dazu, Eure Meinung über jene Streitfrage zu hören, die gestern zwischen mir und dem hier anwesenden Saulino aufgeworfen wurde, der die Meinung einiger Denkschulen referiert, die behaupten, daß es bei uns [Menschen] überhaupt keine Wissenschaft gäbe. Saulino Ich habe zweifellos hinlänglich dargelegt, daß wir in der Erhabenheit der Wahrheit nichts Erhabeneres als die Unwissenheit und

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essa; e non è altra virtude che sia capace ad aver la stanza gionta muro a muro con quella. Atteso che l’umano intelletto ha qualch’accesso a la verità; il quale accesso se non è per la scienza e cognizione, necessariamente bisogna che sia per l’ignoranza et asinità. Coribante Nego sequelam. Saulino La consequenza è manifesta da quel, che nell’intelletto razionale non è mezzo tra l’ignoranza e scienza perché bisogna che vi sia l’una de due: essendo doi oppositi circa tal suggetto, come privazione et abito. Coribante Quid de assumptione, sive antecedente? | ¦ Saulino Quella (come dissi) è messa avanti da tanti famosissimi filosofi e teologi. Coribante Debilissimo è l’argumento ab humana authoritate. Saulino Cotali asserzioni non son senza demostrativi discorsi. Sebasto Dumque se tal opinione è vera, è vera per demostrazione; la demostrazione è un sillogismo scientifico; dumque secondo quei medesimi che negano la scienza et apprension di verità, viene ad esser posta l’apprension di verità e discorso scienziale: e consequentemente sono dal suo medesimo senso e paroli redarguiti. Giongo a questo che se non si sa verità alcuna, essi medesimi non sanno quel che dicono, e non possono esser certi se parlano o ragghiano, se son omini o asini. Saulino La risoluzion di questo la potrete attendere da quel che vi farò udire appresso; perché prima fia mistiero intendere la cosa, e poi il modo e maniera di quella. Coribante Bene. Modus enim rei rem presupponat oportet. Sebasto Or fatene intendere le cose con quell’ordine che vi piace.

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das Eseltum besitzen. Denn diese ist das Mittel, wodurch sich die Weisheit mit dem [Eseltum] vereint und ihm vertraut macht, und es gibt keine andere Tugend, die fähig wäre, den Sitz Mauer an Mauer zusammen mit dieser zu haben. Erwägt man, daß der menschliche Intellekt einen gewissen Zugang zur Wahrheit hat: so dieser Zugang nicht durch Wissenschaft und Erkenntnis erfolgt, muß er notwendigerweise durch Unwissenheit und Eseltum erfolgen. Coribante Nego sequelam [Ich bestreite diese Folgerung]. Saulino Diese Schlußfolgerung ist deswegen offensichtlich, weil es im rationalen Intellekt kein Mittleres zwischen Unwissenheit und Wissen gibt und es daher eines von beiden sein muß, denn sie sind in diesem Gegenstand zwei Gegensätze wie die Beraubung und der Besitz [einer Form]. Coribante Quid de assumptione, sive antecedente [Was sagt ihr betreffs Annahme oder Obersatz]? Saulino Dies wird (wie ich bereits sagte) von sehr vielen berühmten Philosophen und Theologen vorgebracht. Coribante Sehr schwach ist das Argument ab humana authoritate [aus menschlicher Autorität]. Saulino Solche Behauptungen sind nicht ohne Beweiskraft. Sebasto Also, wenn diese Meinung wahr ist, ist sie wahr durch Beweis; der Beweis ist ein wissenschaftlicher Syllogismus; also wird von jenen selbst, die Wissenschaft und Erkenntnis der Wahrheit leugnen, die Erkenntnis der Wahrheit und die wissenschaftliche Unterredung vorausgesetzt. Und folglich werden sie durch ihren eigenen Verstand und ihre eigenen Worte widerlegt. Ich füge hinzu, daß, wenn man keinerlei Wahrheit wissen kann, sie selbst nicht wissen, was sie sagen, und sie nicht sicher sein können, ob sie sprechen oder wiehern, ob sie Menschen oder Esel sind. Saulino Die Lösung könnt Ihr Euch von dem erwarten, was ich Euch gleich hören lassen werde, denn es ist zuerst nötig, die Sache und dann die Modalität und die Weise derselben zu verstehen. Coribante Gut. Modus enim rei rem presupponat oportet [Denn notwendigerweise setzt die Modalität einer Sache diese Sache voraus]. Sebasto Laßt uns nun die Dinge in der Reihenfolge verstehen, die Euch gefällt.

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Saulino Farò. Son trovati tra le sette de filosofi alcuni nomati generalmente Academici, e più propriamente Sceptici over Efettici, li quali dubitavano determinar di cosa veruna, bandiro ogni enunciazione; non osavano affirmare o negare: ma si faceano chiamare inquisitori, investigatori e scrutatori de le cose. | ¦ Sebasto Perché queste vane bestie inquirevano, investigavano e scrutavano senza speranza di ritrovar cosa alcuna? Or questi son de quei che s’affaticano senza proposito… Coribante Per far buggiardo quella vulgata sentenza: Omne agens est propter finem. Ma edepol, mehercle, io mi persuado che come Onorio ha dependenza da l’influsso de l’asino Pegaseo, o pur è il Pegaseo istesso, talmente cotai filosofi sieno stati le Belide istesse, se almeno quelle non gl’influivano nel capo. Saulino Lasciatemi compire. Or costoro non porgean fede a quel che vedeano, né a quel ch’udivano: perché stimavano la verità cosa confusa et incomprensibile, e posta nella natura e composizione d’ogni varietà, diversità e contrarietà; ogni cosa essere una mistura, nulla costar di sé, niente esser di propria natura e virtude, e gli oggetti presentarsi alle potenze apprensive non in quella maniera con cui sono in se medesimi, ma secondo la relazione ch’acquistano per le lor specie, che in certo modo partendosi da questa e quella materia vegnono a giuntarsi e crear nuove forme ne gli nostri sensi. Sebasto Oh in verità costoro con non troppa fatica, in pochissimo tempo, possono esser filosofi e mostrarsi più savii de gli altri. Saulino A questi succesero gli Pirroni, molto più ¦ scarsi in donar fede al proprio senso et intelletto, che gli Efettici: perché dove quelli altri credeno aver compresa qualche cosa et esser fatti | partecipi di qualche giudicio per aver informazion di questa verità, cioè che cosa alcuna non può esser compresa né determinata, questi anco di cotal

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Saulino Das werde ich tun. Man findet unter den Denkschulen der Philosophen einige, die allgemein Akademiker, genauer aber Skeptiker oder Ephetiker genannt werden. [Weil] sie jede Feststellung über eine Sache bezweifelten, untersagten sie jedwede [definitive] Aussage; sie wagten weder zu bestätigen noch zu verneinen. Aber sie ließen sich [dennoch] Untersucher, Erforscher und Prüfer der Dinge nennen. Sebasto Warum untersuchten, erforschten und prüften diese eitlen Bestien aber ohne Hoffnung, irgend etwas erkennen zu können? Sie gehören wohl zu denen, die sich zwecklos abmühen. Coribante Um jene triviale Sentenz Omne agens est propter finem [Alles Tätige ist zu einem Zwecke tätig] Lügen zu strafen. Aber, edepol, mehercle [bei Pollux, bei Hercules!], ich gelange zu der Überzeugung, daß so, wie Onorio unter dem Einfluß des pegaseischen Esels steht oder der Pegasus selbst ist, so sind auch diese Philosophen die Beliden selbst gewesen, oder diese beeinflußten ihnen doch zumindest den Kopf. Saulino Laßt mich zum Ende kommen. Diese Schulen schenkten nun weder dem Vertrauen, was sie sahen, noch jenem, was sie hörten, da sie die Wahrheit für eine verworrene, unverständliche Sache hielten, die [zusammenhanglos] in die Natur gesetzt und aus jedweder Mannigfaltigkeit, Verschiedenheit und Widersprüchlichkeit zusammengesetzt ist; und [sie halten] jedes Ding für eine Mischung, nichts besteht aus sich selbst, nichts ist von eigener Natur und Wirkkraft; und die Gegenstände in den erkennenden Potenzen erscheinen nicht in jener Weise, in der sie in sich selbst sind, sondern gemäß der Relation, die sie durch ihre Spezies annehmen, die, indem sie sich in bestimmter Weise von dieser oder jener Materie trennen, unsere Sinne betrügen und in ihnen neue Formen schaffen. Sebasto Oh, in Wahrheit können jene ohne allzuviel Mühe in kürzester Zeit Philosophen werden und weiser als die anderen erscheinen. Saulino Diesen folgten die Pyrrhoniker, die ihren eigenen Sinnen und ihrem Intellekt gegenüber viel weniger vertrauensselig waren als die Ephetiker. Denn wo jene glauben, eine Sache verstanden zu haben und Teilhaber irgendeines Urteilens zu sein, weil sie den Nachweis für diese Wahrheit kennen, nämlich, daß keine Sache verstanden oder bestimmt werden kann, da enthalten sich diese auch eines solchen Ur-

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giudicio se stimaro privi, dicendo che né men possono esser certi di questo, cioè che cosa alcuna non si possa determinare. Sebasto Guardate l’industria di quest’altra Academia, ch’avendo visto il modello de l’ingegno e notato l’industria di quella che con facilità et atto di poltronaria volea dar de calci, per versar a terra l’altre filosofie, essa armata di maggior pecoraggine, con giongere un poco più di sale della sua insipidezza, vuol donar la spinta et a quelle tutte et a cotesta insieme: con farsi tanto più savia de tutte generalmente, quanto con manco spesa e lambiccamento di cervello in essa s’intogano et addottorano. Via via, andiam più oltre. Or che debbo far io essendo ambizioso di formar nuova setta, e parer più savio de tutti, e di costoro ancora che sono oltre gli tutti? Farò qua un terzo tabernaculo, piantarò un’Academia più dotta, con stringermi alquanto la cintura. Ma vorrò forse tanto raffrenar la voce con gli Efettici, e stringere il fiato con gli Pirroni, che per me poi non exali spirito, e crepi? Saulino Che volete dir per questo? [Sebasto] Questi poltroni per scampar la fatica di dar raggioni delle cose, e per non accusar la loro inerzia et invidia ch’hanno all’industria altrui, volendo parer megliori, ¦ e non bastandoli d’occultar la propria viltade, non possendoli passar avanti né correre al pari, né aver modo di far qualche cosa del suo, per non pregiudicar alla lor vana presunzione | confessando l’imbecillità del proprio ingegno, grossezza di senso e privazion d’intelletto, e per far parer gli altri senza lume di giudicio della propria cecitade, donano la colpa alla natura, alle cose che mal si rapresentano, e non principalmente alla mala apprensione de gli dogmatici: perché con questo modo di procedere sarrebono stati costretti di porre in campo al paragone la lor buona apprensione, la quale

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teilens, wenn sie nämlich sagen, daß sie sich noch nicht einmal dessen sicher sein können, daß man keine Sache bestimmen kann. Sebasto Seht Euch die Geschicklichkeit dieser anderen Akademie an, die, nachdem sie das Vorbild der Erfindungskraft [der Skeptiker] und deren Geschicklichkeit bemerkt hatte, mühelos und mit feigen Taten Tritte austeilen wollte, um die anderen Philosophen[schulen] zu Fall zu bringen: um selbst (mit noch größerer Schafsnatur gerüstet und unter Hinzufügung von etwas mehr Salz ihrer Geschmacklosigkeit) all jene [Denkschulen] zusammen mit dieser einen niederzuwerfen: indem [die Pyrrhoniker] sich um so weiser machen als alle anderen zusammengenommen, mit je weniger Aufwand und Kopfzerbrechen sie sich in dieser [Philosophenschule] mit der Toga und der Doktorwürde bekleiden. Los, los, gehen wir noch weiter! Was muß ich also tun, wenn ich den Ehrgeiz habe, eine neue Denkschule heranzubilden und noch weiser als alle zu erscheinen, sogar als jene, die weiter als alle anderen sind? Ich werde hier eine dritte Stiftshütte errichten und eine noch gelehrtere Akademie pflanzen, indem ich mir den Gürtel ein wenig enger schnalle. Aber will ich wirklich so sehr die Stimme mit den Ephektikern unterdrücken und den Atem mit den Pyrrhonikern anhalten, daß aus mir kein Lebensgeist mehr entweicht und ich sterbe? Saulino Was wollt Ihr damit sagen? [Sebasto]: Diese Taugenichtse wollen besser erscheinen [als sie sind] und der Mühe entgehen, Ursachen der Dinge anzugeben. Und anstatt ihre [eigene] Trägheit und den Neid anzuklagen, den sie auf die Geschicklichkeit anderer empfinden, reicht es ihnen nicht einmal, ihre eigene Gemeinheit zu verbergen. Da es ihnen unmöglich ist, [die anderen] zu überholen noch mit ihnen Schritt zu halten, und sie zudem unfähig sind, etwas Eigenes zu tun, um nicht ihrem eitlen, falschen Selbstbewußtsein zu schaden, bekennen sie die Schwäche der eigenen Begabung, die Schwerfälligkeit der Sinne und das Nichtvorhandensein des Intellekts. Und um die anderen lichtlos in ihrer Urteilskraft über die eigene Blindheit erscheinen zu lassen, geben sie die Schuld der Natur, den Dingen, die [von den Sinnen] schlecht dargestellt werden: und nicht der vor allem mangelhaften Auffassungsgabe der Dogmatiker. Denn durch diese Vorgehensweise wären sie gezwungen gewesen, die Überlegenheit ihrer guten Auffassungsgabe im Vergleich unter Be-

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avesse parturito meglior fede, dopo aver generato meglior concetto ne gli animi de quei che si delettano delle contemplazioni de cose naturali. Or dumque essi volendo con minor fatica et intelletto, e manco rischio de perdere il credito, parer più savii che gli altri, dissero gli Efettici che nulla si può determinare, perché nulla si conosce: onde quelli che stimano d’intendere e parlano assertivamente, delirano più in grosso che quei che non intendeno e non parlano. Gli secondi poi detti Pirroni, per parer essi archisapienti, dissero che né tampoco questo si può intendere (il che si credeano intendere gli Efettici): che cosa alcuna non possa esser determinata o conosciuta. Sì che dove gli Efettici intesero che gli altri che pensavano d’intendere non intendevano, ora gli Pirroni intesero che gli Efettici non intendevano se gli altri che si pensavano d’intendere intendessero o non. Or quel che ne resta per giongere di vantaggio alla sapienza di costoro, è che noi sappiamo che gli Pirroni non sapevano, che gli Efettici non sapevano, che gli dogmatici che pensavano di sapere non sapevano. E cossì con aggevolezza sempre più e più vegna a prendere aumento ¦ questa nobil scala de filosofie, sin tanto che demostrativamente si conchiuda l’ultimo | grado della somma filosofia et ottima contemplazione essere di quei che non solamente non affermano né niegano di sapere o ignorare, ma né manco possono affirmare né negare: di sorte che gli asini sono li più divini animali, e l’asinitade sua sorella è la compagna e secretaria della veritade. Saulino Se questo che dici improperativamente et in còlera, lo dicessi da buon senno et assertivamente, direi che la vostra deduzzione è eccellentissima et egregiamente divina; e che sei pervenuto a quel scopo al quale tanti gli dogmatici e tanti academici hanno concorso, con rimanerti di gran lunga a dietro tanti quanti sono. Sebasto Vi priego (poi che siamo venuti sin a questo) che mi facciate intendere con qual persuasione gli Academici niegano la possibilità di detta apprensione. Saulino Questa vorrei che ne fusse riferita da Onorio, percioché per

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weis zu stellen, die dann größere Glaubwürdigkeit erzeugt hätte, wenn sie ein besseres Konzept in jenen Geistern hervorgebracht hätte, die sich an der Betrachtung der Naturdinge erfreuen. Da sie nun aber mit weniger Mühe und Intellekt und ohne Risiko ihr Ansehen zu verlieren weiser als die anderen erscheinen wollten, sagten die Ephektiker, daß man nichts entscheiden könne, weil man nichts erkennen könne: weswegen diejenigen, die zu verstehen meinten und bestimmte Behauptungen aufstellten, schlimmer delirierten als diejenigen, die nichts verstünden und nicht sprächen. Um obergescheit zu erscheinen, sagten letztere (später Pyrrhoniker genannt), daß man nicht einmal das verstehen könne, was die Ephektiker zu verstehen glaubten: daß nämlich nichts entschieden oder erkannt werden könne. So daß, wo die Ephektiker verstanden, daß die anderen, welche zu verstehen meinten, nicht verstanden hatten, nun die Pyrrhoniker verstanden, daß die Ephektiker nicht verstanden, ob die anderen, die zu verstehen meinten, verstanden oder nicht. Zum Vorrang ihrer Weisheit ist noch hinzuzufügen, daß wir wissen, daß die Pyrrhoniker nichts wußten, daß die Ephektiker nichts wußten, daß die Dogmatiker, die zu wissen glaubten, [auch] nichts wußten. Und so erhöhte sich diese vornehme Stufenleiter der Philosophien mit immer größerer Leichtigkeit, bis man schließlich zum zwingenden Schluß kommt, daß den letzten Grad der höchsten Philosophie und vorzüglichsten Betrachtung diejenigen erreicht haben, die nicht nur weder behaupten noch verneinen, daß sie wissen oder nicht wissen, sondern nicht einmal verneinen oder behaupten können; so daß schließlich die Esel die göttlichsten Tiere sind und das Eseltum, Schwester, Begleiterin und Vertraute der Wahrheit ist. Saulino Wenn Du das, was Du als Vorwurf und in Wut sagst, mit vollem Verstand und in bestimmter Weise sagtest, würde ich meinen, daß Eure Schlußfolgerung ganz hervorragend und in ausgezeichneter Weise göttlich ist und daß Du an jenem Ziel angelangt bist, nach dem so viele Dogmatiker und so viele Akademiker strebten, wobei sie aber allesamt weit hinter Dir zurückblieben. Sebasto Ich bitte Euch (da wir nun einmal hierher gelangt sind), laßt mich verstehen, aus welcher Überzeugung die Akademiker die Möglichkeit besagter Auffassungsgabe leugnen. Saulino Das würde ich lieber von Onorio berichten lassen, denn da

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esser egli stato in ipostasi de sì molti e gran notomisti de le viscere de la natura, non è fuor di raggione che tal volta se sia trovato academico. Onorio Anzi io son stato quel Xenofane Colofonio che disse in tutte e de tutte le cose non esser altro che opinione. Ma lasciando ora que’ miei proprii pensieri da canto: dico circa il proposito, essere raggion trita quella de’ Pirroni ¦ li quali dicevano che per apprendere la verità, bisogna la dottrina; e per mettere in effetto la dottrina, è necessario quel che insegna, quel che è insegnato, e la cosa la quale è per insegnarsi: cioè il mastro, il | discepolo, l’arte; ma di queste tre non è cosa che si trove in effetto: dumque non è dottrina e non è apprension di veritade. Sebasto Con qual raggione dicono, prima, non esser cosa de cui fia dottrina o disciplina? Onorio Con questa. Quella cosa (dicono) o devrà esser vera o falsa; se è falsa, non può essere insegnata perché del falso non può esser dottrina né disciplina: atteso che a quel che non è, non può accader cosa alcuna, e perciò non può accader anco d’essere insegnato. Se è vera, non può pure più che tanto essere insegnata: perché o è cosa la quale equalmente appare a tutti, e cossì di lei non può esser dottrina, e per consequenza non può esserne alcun dottore, come né del bianco che sia bianco, del cavallo che sia cavallo, de l’arbore che sia arbore; o è cosa che altrimente et inequalmente ad altri et altri appare, e cossì in sé non può aver altro che opinabilità, e sopra lei non si può formar altro che opinione. Oltre s’è vero quel che deve essere insegnato e notificato, bisogna che sia insegnato per qualche causa o mezzo: la qual causa e mezzo o bisogna che sia occolta o conosciuta: s’ella è occolta, non può notificar altro; se la è conosciuta, è necessario che sia per causa o mezzo: e cossì oltre et oltre procedendo, verremo ad ¦ accorgerci che non si gionge al principio de scienza, se ogni scienza è per causa. Oltre (dicono) essendo che de le cose che sono, altre sieno corpi, altre incorpo-

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er die Seinsformen so vieler und großer Anatomen der Eingeweide der Natur angenommen hat, ist es nicht ausgeschlossen, daß er auch einmal Akademiker war. Onorio Ich war sogar jener Xenophanes aus Kolophon, der sagte, daß in und von allen Dingen nichts als Meinungen bestehen. Aber um meine eigenen Gedanken für den Augenblick beiseite zu lassen, sage ich zum Thema, daß das Argument der Pyrrhoniker abgegriffen ist, die sagten, daß zum Erlernen der Wahrheit die Lehre nötig ist und daß es zur Verwirklichung der Lehre einen braucht, der lehrt, einen, der belehrt wird, und die Sache, die gelehrt werden soll, also den Lehrer, den Schüler und die Kunst; aber von diesen dreien existiert in Wirklichkeit keine einzige; folglich gibt es keine Lehre und kein Erfassen der Wahrheit. Sebasto Aus welchem Grund sagen sie überhaupt, daß keine Sache existiere, von der es eine Lehre oder Wissenschaft gäbe? Onorio Aus dem folgenden: Eine Sache, sagen sie, muß entweder wahr oder falsch sein; wenn sie falsch ist, kann sie nicht gelehrt werden, denn vom Falschen gibt es weder Lehre noch Wissenschaft, erwägt man, daß dem, was nicht ist, nichts geschehen kann und es deshalb auch nicht geschehen kann, daß es gelehrt wird. Wenn sie wahr ist, kann sie erst recht nicht gelehrt werden: denn entweder ist es eine Sache, die allen auf die gleiche Weise erscheint, und dann kann es von ihr keine Lehre geben, und folglich kann es auch auch keinen Lehrer von ihr geben, wie auch nicht vom Weißen, daß es weiß sei, vom Pferd, daß es Pferd sei, und vom Baum, daß er Baum sei; oder es ist eine Sache, die jedem anders und ungleichartig erscheint und so nichts als bloßes Meinen in sich habe, weswegen über sie nichts als eben eine Meinung gebildet werden könne. Weiterhin, wenn wahr ist, was gelehrt und mitgeteilt werden soll, muß es durch irgendeine Ursache oder ein Mittleres gelehrt werden; diese Ursache und dieses Mittlere muß entweder verborgen oder bekannt sein. Wenn diese [beiden] verborgen sind, können sie nichts weiter mitteilen, wenn sie bekannt sind, dann sind sie es notwendigerweise durch Ursache und Mittleres; und so immer weiter fortschreitend werden wir bemerken, daß man nicht zum Prinzip einer Wissenschaft gelangt, wenn jede Wissenschaft eine Ursache hat. Weiter sagen sie, daß unter den seienden Dingen einige Körper, andere un-

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rali, bisogna che de cose quai vegnono insegnate, altre appartegnano a l’uno, altre a l’altro geno. Or il corpo non può esser insegnato, percioché non può esser sotto | giudicio di senso né d’intelletto. Non certo a giudicio di senso, stante che secondo tutte le dottrine e sette, il corpo consta de più dimensioni, raggioni, differenze e circonstanze; e non solamente non è un definito accidente per esser cosa obiettabile a un senso particolare o al commune, ma è una composizione e congregazione de proprietadi et individui innumerabili. E concesso (se cossì piace) ch’il corpo sia cosa sensibile, non per questo sarà cosa da dottrina o disciplina: perché non bisogna che vi si trove il discepolo et il maestro per far sapere ch’il bianco è bianco, et il caldo è caldo. Non può essere anco il corpo sotto il giudicio d’intelligenza, perché è assai conceduto appresso tutti dogmatici et academici, che l’oggetto de l’intelletto non può esser altro che cosa incorporea. Da qua s’inferisce secondariamente che non può essere chi insegne, né, terzo, chi possa essere insegnato: perché, come è veduto, questo non ha che apprendere o concipere, e quello non ha che insegnare et imprimere. Giongono un’altra raggione. Se avien che s’insegne, o uno senz’arte insegna un altro senz’arte: e questo non è possibile perché non men l’uno che l’altro ha bisogno di essere insegnato; o uno artista insegna un altro artista: ¦ e ciò verrebe ad essere una baia, perché né l’uno né l’altro ha mestiero del mastro; o quello che non sa insegna colui che sa: e questo verrebe ad essere come se un cieco volesse guidare colui che vede. Se nessuno di questi modi è possibile, rimarrà dumque che quel che sa, insegne colui che non sa: e ciò è più inconveniente che tutto quel che si può imaginare in ciascuno de gli altri tre modi de fingere; perché quello ch’è senz’arte non | può esser fatto artefice quando non ha l’arte, atteso che accaderia che potesse esser artefice quando non è artefice. (Oltre che costui è simile ad un nato sordo e cieco, il qual mai può venire ad aver

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körperlich sind, weswegen es nötig ist, daß von den Dingen, die gelehrt werden, einige zum einen Genus und andere zum anderen gehören. Nun kann der Körper nicht gelehrt werden, da er weder dem Urteil der Sinne noch dem des Intellekts unterliegt. Sicher nicht dem Urteil der Sinne, da nach allen Lehren und Denkschulen feststeht, daß der Körper aus mehreren Dimensionen, Proportionen, Unterschieden und Umständen besteht. Und er ist nicht nur deswegen kein bestimmtes Akzidens, weil er zum Objekt eines einzelnen Sinnes oder des Gemeinsinnes werden kann, sondern [auch weil] er eine Zusammensetzung und Ansammlung von unzähligen Eigenschaften und Einzelwesen ist. Und wenn es einem beliebt zuzugeben, daß der Körper ein sinnlich wahrnehmbarer Gegenstand ist, dann ist er deshalb kein Gegenstand der Lehre oder der Wissenschaft; denn um zu erfahren, daß das Weiße weiß und die Hitze heiß ist, benötigt man weder einen Schüler noch einen Lehrer. Andererseits kann der Körper nicht dem Urteil des Intellekts unterliegen, da es unter allen Dogmatikern und Akademikern völlig unbestritten ist, daß der Gegenstand des Intellekts nichts anderes als eine unkörperliche Sache sein kann. Hieraus folgt weiterhin, daß es weder einen geben kann, der lehrt, noch schließlich einen, der belehrt werden kann: weil, wie man sieht, dieser nichts zu begreifen oder zu empfangen hat und jener nichts zu lehren und einzuprägen hat. Sie fügen ein anderes Argument hinzu. Wenn es vorkommt, daß man lehrt, dann lehrt entweder einer kunstlos einen anderen Kunstlosen: Und das ist unmöglich, weil der eine es nicht weniger als der andere nötig hätte, belehrt zu werden; oder ein Künstler lehrt einen anderen Künstler, und das wäre ein Scherz, weil weder der eine noch der andere eines Meisters bedarf; oder jener, der nichts weiß, belehrt denjenigen, der weiß: was das gleiche wäre, wie wenn ein Blinder einen Sehenden führen wollte. Wenn keiner von diesen Modi möglich ist, wird daher übrigbleiben, daß derjenige, der weiß, denjenigen belehrt, der nicht weiß: Und das ist noch unpassender als alles, was man sich in jeder der drei anderen angenommenen Möglichkeiten vorstellen könnte. Denn wer keine Kunst besitzt, kann nicht zum Handwerker werden, solange er keine Kunst besitzt: erwägt man, daß jemand dann ein Handwerker sein könnte, wenn er kein Handwerker ist. (Wo dieser außerdem einem taub oder blind Geborenen gleicht, der nie einen Begriff von Tönen oder Farben

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pensiero de voci e di colori. Lascio quel che si dice nel Mennone con l’essempio del servo fugitivo il qual, fatto presente, non può esser conosciuto che sia lui, se non era noto prima: onde vogliono per ugual e medesima raggione non posser esser nova scienza o dottrina de specie conoscibili, ma una ricordanza). Né tampoco può esser fatto artefice quando ha l’arte: perché all’ora non si può dir che si faccia o possa esser fatto artefice, ma che sia artefice. Sebasto Che pare a voi, Onorio, di queste raggioni? Onorio Dico che in examinar cotai discorsi non fia mistiero d’intrattenerci: basta che dico esser buoni, come certe erbe son buone per certi gusti. Sebasto Ma vorrei saper da Saulino (che magnifica tanto l’asinitade, quanto non può esser magnificata la scienza e speculazione, dottrina e disciplina alcuna) se ¦ l’asinitade può aver luogo in altri che ne gli asini: come è dire se alcuno da quel che non era asino, possa doventar asino per dottrina e disciplina; perché bisogna che di questi quel che insegna, o quel che è insegnato, o cossì l’uno come l’altro, o né l’uno né l’altro, siano asini: dico se sarà asino quello solo che insegna, o quel solo ch’è insegnato, o né quello né questo, o questo e quello insieme. Perché qua col medesimo ordine si può vedere che in nessun modo si possa inasinire. | Dumque dell’asinitade non può essere apprension alcuna, come non è de arti e de scienze. Onorio Di questo ne raggionaremo a tavola dopo cena. Andiamo dumque, ch’è ora. Coribante Propere eamus. Saulino Su. Fine del secondo dialogo

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haben kann. Ich lasse beiseite, was man im Menon im Beispiel vom entlaufenen Sklaven sagt, der bei seiner Ergreifung nicht erkannt werden kann, wenn er nicht schon zuvor bekannt war. Aus ebendiesem Grund halten sie keine neue Wissenschaft oder Lehre von erkennbaren Spezies für möglich, sondern nur ein Erinnern.) Ebenso kann er auch nicht zum Handwerker gemacht werden, wenn er im Besitz der Kunst ist, denn dann kann man nicht sagen, daß man jemanden zum Handwerker mache oder ihn dazu machen könne, sondern [man muß sagen], daß er schon ein Handwerker ist. Sebasto Was denkt ihr [selber], Onorio, über diese Argumente? Onorio Ich sage, daß es nicht nötig ist, daß wir uns mit der Untersuchung solcher Reden aufhalten; es genügt, wenn ich sage, daß sie gut sind, wie gewisse Kräuter für gewisse Geschmäcker gut sind. Sebasto Aber ich möchte von Saulino wissen (der das Eseltum so verherrlicht, wie keine Wissenschaft und Forschung, Lehre und Ordnung verherrlicht werden können), ob das Eseltum in anderen als in den Eseln seinen Sitz haben kann. Anders gesagt, ob einer, der kein Esel war, durch Lehre und Ordnung Esel werden kann; denn es ist notwendig, daß jener von ihnen, der lehrt, oder jener, der belehrt wird, oder beide oder keiner von beiden Esel sind. Ich meine, wäre [dann] nur jener, der lehrt, oder nur jener, der belehrt wird, oder keiner von beiden oder beide [Esel]? Denn [aus dem oben Gesagten] kann man aus der gleichen Gedankenfolge sehen, daß es unmöglich ist, zum Esel zu werden. Folglich kann das Eseltum überhaupt nicht begriffen werden, ebensowenig wie die Künste oder die Wissenschaften. Onorio Darüber werden wir bei Tisch nach dem Abendessen diskutieren. Gehen wir also, es ist Zeit. Coribante Propere eamus [Gehen wir gleich]! Saulino Auf! Ende des zweiten Dialogs

 – 

| ¦ D IA L O G O T E R Z O

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Interlocutori Saulino, Alvaro Saulino Ho pur gran pezzo spasseggiato aspettando, e m’accorgo esser passata l’ora del cominciamento de’ nostri colloquii, e costoro non son venuti. Oh, veggio il servitor di Sebasto. Alvaro Ben trovato, Saulino, vegno per avisarvi da parte del mio padrone che per una settimana al meno non potrete convenir un’altra volta. A lui è morta la moglie e sta su l’apparecchi de l’execuzion del testamento, per esser libero di quest’altro pensiero ancora. Coribante è assalito da le podagre, et Onorio è andato a’ bagni. A dio. Saulino Và in pace. Or credo che passarà l’occasione de far molti altri raggionamenti sopra la cabala del detto cavallo. Perché, qualmente veggio, l’ordine de l’universo vuole che come questo cavallo divino nella celeste regione non si mostra se non sin all’umbilico (dove quella stella che v’è terminante è messa in lite e questione se appartiene alla testa d’Andromeda o pur al tronco di questo ¦ egregio bruto), cossì analogicamente accade che | questo cavallo descrittorio non possa venire a perfezzione: Cossì Fortuna va cangiando stile. Ma non per ciò noi doviamo desperarci; perché s’avverrà che questi tornino ad cominciar d’accoppiars’insieme un’altra volta, le rinchiuderò tutti tre dentro del conclave: d’onde non possano uscire sin tanto ch’abbiano spacciata la creazion d’una Cabala magna del cavallo Pegaseo. Interim questi doi dialogi vagliano per una Cabala parva, tironica,

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D R I T T E R D IA L O G













Gesprächsteilnehmer: Saulino, Alvaro Saulino Ich habe nun eine lange Weile im Herumspazieren gewartet und bemerke, daß die Uhrzeit des Beginns unserer Unterredungen verstrichen ist, ohne daß die anderen gekommen sind. Oh, ich sehe den Diener von Sebasto. Alvaro Guten Tag, Saulino. Ich komme im Auftrag meines Herrn, um Euch davon zu unterrichten, daß Ihr Euch für mindestens eine Woche nicht mehr treffen könnt. Ihm ist die Frau gestorben, und nun ist er mit Vorbereitungen zur Testamentsvollstreckung beschäftigt, um auch von dieser Sorge befreit zu sein. Coribante hat die Fußgicht, und Onorio ist in die Bäder gegangen. Adieu. Saulino Geh in Frieden. Ich glaube jetzt, daß die Gelegenheit, über die Kabbala besagten Pferdes weitere Gespräche zu führen, vorübergehen wird. Denn, soweit ich sehe, verlangt es die Ordnung des Universums, daß, wie sich dieses göttliche Pferd in der himmlischen Region nur bis zum Nabel zeigt (wobei es strittig und fraglich ist, ob jener Stern, der es begrenzt, zum Kopf der Andromeda oder doch zum Rumpf dieses vortrefflichen Tieres gehört), es ebenso in analoger Weise diesem Pferd, das hier beschrieben werden sollte, ergeht, das nicht vollendet werden kann: So ändert Fortuna ihre Gunst. Aber deswegen müssen wir nicht verzweifeln; denn für den Fall, daß jene zurückkehren sollten und beginnen, sich noch einmal zusammenzutun, werde ich sie alle drei in ein Konklave sperren, das sie nicht eher verlassen können, als sie die Kreation einer Cabala magna [Großen Kabbala] des pegaseischen Pferdes entfaltet haben. Interim [inzwischen] sollen diese zwei Dialoge als eine Cabala parva [Kleine Kabbala], eine rekrutenhafte, isagogische, mikrokosmische gelten. Und um

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dialogo terzo

 – 

isagogica, microcosmica. E per non passar ociosamente il presente tempo che mi supera da spasseggiarmi in questo atrio, voglio leggere questo dialogo che tegno in mano. Fine del terzo dialogo de la Cabala Pegasea

dritter dialog



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die mir vom Herumspazieren in dieser Vorhalle übrigbleibende Zeit nicht müßig zu vertun, will ich diesen Dialog lesen, den ich in Händen halte. Ende des dritten Dialogs der pegaseischen Kabbala

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a l’asino cillenico

| ¦ A l’asino cillenico Oh beato quel ventr’e le mammelle che t’ha portat’e ’n terra ti lattaro, animalaccio divo, al mondo caro, che qua fai residenz’e tra le stelle. Mai più preman tuo dorso basti e selle, e contr’il mond’ingrat’e ciel avaro ti faccia sort’e natura riparo con sì felice ingegno e buona pelle. Mostra la testa tua buon naturale, come le nari, quel giudicio sodo; l’orecchie lunghe, un udito regale; le dense labbra, di gran gusto il modo; da far invidia a’ dèi, quel genitale; cervice tal, la constanza ch’io lodo. Sol lodandoti godo: ma (lasso) cercan tue condizioni non un sonetto, ma mille sermoni.



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an den kyllenischen esel













An den kyllenischen Esel Glücklich sind der Bauch und der Busen, Die Dich zur Welt brachten und dort Milch Dir gaben, Göttliches Untier, der Welt lieb, Das Du hier wohnst und [gleichzeitig] unter den Sternen. Nie wieder sollen Deinen Rücken Stock und Sattel drücken, Und gegen den Undank der Welt und den Geiz des Himmels Sollen Dich Schicksal und Natur schützen Mit einer wirklich glücklichen Begabung und dickem Fell. Dein Kopf zeigt deine gutmütige Natur Wie die Nüstern dieses standfeste Urteil, Die langen Ohren ein königliches Gehör; Die dicken Lippen ein Benehmen von großem Geschmack, Dein Glied erweckt den Neid der Götter; Dein Nacken zeugt von der Beharrlichkeit, die ich lobe. Nur wenn ich Dich lobe, empfinde ich Freude: Aber weh, Deine Beschaffenheit Verlangt kein Sonett, sondern tausend Predigten.

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l’asino cillenico del nolano

 ¦ 

| ¦ L’A SI N O C I L L E N I C O D E L N O L A N O Interlocutori L’Asino, Micco Pitagorico, Mercurio

L’Asino Or perché derrò io abusar de l’alto, raro e pelegrino tuo dono, o folgorante Giove? Perché tanto talento porgiutomi da te, che con sì particular occhio me miraste (indicante fato), sotto la nera e tenebrosa terra d’un ingratissimo silenzio terrò sepolto? suffrirò più a lungo l’esser sollecitato a dire, per non far uscir da la mia bocca quell’estraordinario ribombo, che la largità tua in questo confusissimo secolo nell’interno mio spirito (perché si producesse fuora) ha seminato? Aprisi aprisi dumque con la chiave de l’occasione l’asinin palato, sciolgasi per l’industria del supposito la lingua, raccolgansi per mano de l’attenzione, drizzata dal braccio de l’intenzione, i frutti ¦ de gli arbori, e fiori de l’erbe, che sono nel giardino dell’asinina memoria. Micco O portento insolito, o prodigio stupendo, o maraviglia incredibile, o miracoloso successo. Avertano gli dii qualche sciagura. Parla l’asino? l’asino parla? O Muse, o Apolline, o | Ercule, da cotal testa esceno voci articulate? Taci Micco, forse t’inganni; forse sotto questa pelle qualch’uomo stassi mascherato, per burlarsi di noi. Asino Pensa pur, Micco, ch’io non sia sofistico: ma che son naturalissimo asino che parlo; e cossì mi ricordo aver avuti altre volte umani, come ora mi vedi aver bestiali membri.

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der kyllenische esel des nolaners

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D E R K Y L L E N I S C H E E SE L D E S N O L A N E R S











Sprecher: Der Esel, Micco der Pythagoreer, Merkur [Stumme Anhänger der Pythagoreischen Akademie] Der esel Nun, warum soll ich, Blitze schleudernder Jupiter, Dein hohes, seltenes und sonderbares Geschenk mißbrauchen? Warum soll ich ein derart großes Talent, das Du mir indicante fato [auf die Weisung des Schicksals hin] verliehen hast, unter der schwarzen und finsteren Erde eines zutiefst undankbaren Schweigens begraben? Werde ich dem Drang zum Sprechen noch länger widerstehen können, nur um nicht aus meinem Maul dieses außergewöhnliche Dröhnen dringen zu lassen, das Deine Großzügigkeit in diesem gänzlich durcheinandergeratenen Zeitalter im Inneren meines Geistes gesät hat (damit es nach außen dringe)? Es öffne sich, es öffne sich endlich mit dem Schlüssel der günstigen Gelegenheit der Eselsgaumen, es löse sich durch die Geschicklichkeit der [eselhaften] Seinsform die Zunge, um mit der Hand der Aufmerksamkeit, aufgerichtet vom Arm der Absicht, jene Früchte der Bäume und Blüten der Kräuter zu pflücken, die im Garten des Eselsgedächtnisses wachsen. Micco Oh, welch außergewöhnliches Vorzeichen, welch erstaunliches Wunderzeichen, welch unglaubliches Wunderding, welch wunderbares Ereignis. Mögen die Götter welches Unheil auch immer abwenden! Es spricht der Esel? Der Esel spricht? Oh Musen, oh Apollo, oh Herkules, aus solchem Kopf dringen artikulierte Laute? Schweig, Micco, vielleicht täuschst Du Dich; vielleicht hat sich ein Mann in dieser Haut verkleidet, um sich über uns lustig zu machen. Esel Glaub es nur, Micco, daß ich kein falscher, sondern ein ganz natürlicher Esel bin, der spricht; und genauso erinnere ich mich, andere Male menschliche [Glieder] gehabt zu haben, wie Du mich jetzt mit Eselsgliedern ausgestattet siehst.

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l’asino cillenico del nolano

 ¦ 

Micco Appresso (o demonio incarnato) dimandarotti chi, quale e come sei: per ora e per la prima vorrei saper che cosa dimandi da qua? che augurio ne ameni? qual ordine porti da gli dèi? a che si terminarà questa scena? a qual fine hai messi gli piedi a partitamente mostrarti vocale in questo nostro sottoportico? Asino Per la prima voglio che sappi ch’io cerco d’esser membro e dechiararmi dottore di qualche colleggio o academia, perché la mia sufficienza sia autenticata, a fin che non siano attesi gli miei concetti, e ponderate le mie paroli, e riputata la mia dottrina con minor fede, che… Micco O Giove, è possibile che ab eterno abbi giamai registrato un fatto, un successo, un caso simile a questo? Asino Lascia le maraviglie per ora, e rispondetemi ¦ presto: o tu o uno de questi altri, che attoniti concorreno ad ascoltarmi. O togati, annulati, pileati, didascali, archididascali, e de la sapienza eroi e semidei: volete, piacevi, èvvi a core d’accettar nel vostro consorzio, società, contubernio, e sotto la banda e vessillo de la vostra communione questo asino che vedete et udite? Perché di voi, altri | ridendo si maravigliano, altri maravigliando si ridono, altri attoniti (che son la maggior parte) si mordeno le labbia: e nessun risponde? Micco Vedi che per stupore non parlano, e tutti con esser volti a me, mi fan segno ch’io ti risponda: al qual come presidente ancora tocca di donarti risoluzione, e da cui come da tutti devi aspettar l’ispedizione? Asino Che academia è questa, che tien scritto sopra la porta: Lineam ne pertransito? Micco La è una scuola de Pitagorici. Asino Potravis’entrare? Micco Per academico non, senza difficili e molte condizioni.

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der kyllenische esel des nolaners





 





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Micco Gleich (oh leibhaftiger Dämon) werde ich Dich fragen, wer, was und wie Du seist. Im Moment und als erstes möchte ich wissen: Was willst Du hier? Welches Vorzeichen bringst Du? Welchen Befehl überbringst Du von den Göttern? Wo wird diese Geschichte enden? Zu welchem Zweck hast Du die Füße in diese unsere Säulenhalle gesetzt, um Dich in außergewöhnlicher Weise stimmbegabt zu zeigen? Esel Zuerst will ich, daß Du weißt, daß ich versuche, Mitglied irgendeines Kollegiums oder einer Akademie zu werden und mich Doktor zu nennen, damit meine Befähigung beglaubigt werde, zu dem Zweck, daß mit nicht weniger Glauben meine Ideen beachtet, meine Worte abgewägt und meine Lehre den Ruf keiner geringeren Glaubwürdigkeit haben als … Micco Oh Jupiter, ist es möglich, daß Du ab eterno [seit Beginn der Zeit] jemals so ein Ereignis, ein Begebnis, einen diesem ähnlichen Fall verzeichnet hast? Esel Laß für den Moment die Wunder beiseite und antworte mir sogleich: Du oder einer von diesen anderen, die bestürzt zusammenlaufen, um mich anzuhören. Oh Toga, Ring und [Doktor]hut tragende Didaskaliker, Erzdidaskaliker, Helden und Halbgötter der Weisheit, wollt Ihr, gefällt es Euch, liegt es Euch am Herzen, in Eurer Vereinigung, Eurer Gesellschaft, Eurer Zimmergenossenschaft und unter dem Banner und der Standarte Eurer Gemeinschaft diesen Esel, den Ihr seht und hört, aufnehmen? Warum wundern sich die einen von Euch, während sie lachen, andere lachen, während sie sich wundern, andere (und das ist der Großteil) beißen sich bestürzt auf die Lippen: und keiner antwortet mir? Micco Siehst Du, daß sie vor Staunen nicht reden und alle, während sie sich mir zuwenden, Zeichen machen, damit ich Dir antworte, da es mir als Vorsitzendem, von welchem Du stellvertretend für alle die Mitteilung erwarten darfst, obliegt, Dir die Entscheidung zu verkünden? Esel Was ist das für eine Akademie, die über der Tür geschrieben hat Lineam ne pertransito [Diese Linie nicht überschreiten]? Micco Das ist eine pythagoreische Schule. Esel Wird man dort eintreten können? Micco Als Akademiker nur unter vielen und schwierigen Bedingungen.

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l’asino cillenico del nolano

 ¦ 

Asino Or quali son queste condizioni? Micco Son pur assai. Asino Quali, dimandai, non quante. Micco Ti risponderò al meglio, riportando le principali. Prima: che offrendosi alcuno per essere ricevuto, avante che sia accettato, debba esser squadrato nella disposizion del corpo, fisionomia et ingegno, per la gran consequenza relativa che conoscemo aver il corpo da l’anima e con l’anima. ¦ Asino Ab Iove principium Musae, s’egli si vuol maritare. Micco Secondo: ricevuto ch’egli è, se gli dona termine di tempo (che non è men che di doi anni) nel quale deve tacere e non gli è lecito d’ardire | in punto alcuno de dimandar, anco di cose non intese, non sol che di disputare et examinar propositi; et in quel tempo si chiama ›acustico‹. Terzo: passato questo tempo, gli è lecito di parlare, dimandare, scrivere le cose udite, et esplicar le proprie opinioni; et in questo mentre si appella ›matematico‹ o ›caldeo‹. Quarto: informato de cose simili, et ornato di que’ studii, si volta alla considerazion de l’opre del mondo e principii della natura; e qua ferma il passo chiamandosi ›fisico‹. Asino Non procede oltre? Micco Più che fisico non può essere: perché delle cose sopranaturali non si possono aver raggioni, eccetto in quanto riluceno nelle cose naturali; percioché non accade ad altro intelletto che al purgato e superiore di considerarle in sé. Asino Non si trova appo voi metafisica? Micco Non: e quello che gli altri vantano per metafisica, non è altro che parte di logica. Ma lasciamo questo che non fa al proposito. Tali in conclusione son le condizioni e regole di nostra academia. Asino Queste? Micco Messer sì.

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Esel Welches wären nun diese Bedingungen? Micco Es sind sehr viele. Esel Ich fragte welche, nicht wie viele. Micco Ich werde Dir am besten antworten, indem ich Dir die wichtigsten aufzähle. Erstens muß, wenn jemand sich vorstellt, um empfangen zu werden, bevor er aufgenommen wird, die Veranlagung von Körper, Physiognomie und Begabung genau untersucht werden, wegen der großen relationalen Abhhängigkeit, die (wie wir wissen) der Körper von der Seele und [durch seine Vereinigung] mit der Seele hat. Esel Ab Iove principium Musae [Von Jupiter stammen die Musen], wenn er sich verheiraten will. Micco Zweitens: einmal zugelassen, wird ihm ein Zeitraum gegeben (der nicht weniger als zwei Jahre dauert), während dessen er schweigen muß und es nicht wagen darf, Fragen zu stellen: nicht einmal über Dinge, die er nicht verstanden hat; geschweige denn zu disputieren oder Argumente zu erläutern, und in dieser Zeit wird er »Acustico« [Hörer] genannt. Drittens ist es ihm nach Ablauf dieser Zeit erlaubt zu sprechen, zu fragen, das Gehörte aufzuschreiben und die eigenen Meinungen darzulegen; und in dieser Zeit wird er »Mathematiker« oder »Chaldäer« genannt. Viertens wendet er sich, von derlei Dingen gebildet und mit diesen Studien geschmückt, der Betrachtung der Werke der Welt und der Prinzipien der Natur zu, und hier hält er den Schritt an und nennt sich »Physiker«. Esel Weiter kommt er nicht? Micco Man kann nicht mehr als ein Physiker sein, denn von den übernatürlichen Dingen kann man keinen Begriff haben, außer insoweit sie in den natürlichen Dingen widerscheinen, so daß es keinem anderen als dem gereinigten und höheren Intellekt widerfährt, sie in sich zu betrachten. Esel Findet sich bei Euch keine Metaphysik? Micco Nein, und was die anderen als Metaphysik preisen, ist nichts anderes als Teil der Logik. Aber lassen wir das, denn es gehört nicht zum Thema. Solcherart sind im wesentlichen die Bedingungen und Regeln unserer Akademie. Esel [Nur] diese? Micco Ja, mein Herr.

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Asino O scola onorata, studio egregio, setta formosa, ¦ collegio venerando, gimnasio clarissimo, ludo invitto, et academia tra le principali principalissima. L’asino errante, come sitibondo cervio, a voi come a limpidissime e freschissime acqui; l’asino umile e supplicante a voi benignissimi | ricettatori de peregrini s’appresenta bramoso d’essere nel consorzio vostro ascritto. Micco Nel consorzio nostro an? Asino Sì, sì, signor sì, nel consorzio vostro. Micco Và per quell’altra porta messere, perché da questa son banditi gli asini. Asino Dimmi fratello, per qual porta entraste tu? Micco Può far il cielo che gli asini parlino, ma non già che entrino in scola pitagorica. Asino Non esser cossì fiero, o Micco, e ricordati ch’il tuo Pitagora insegna di non spreggiar cosa che si trove nel seno della natura. Benché io sono in forma d’asino al presente, posso esser stato e posso esser appresso in forma di grand’uomo; e benché tu sia un uomo, puoi esser stato e potrai esser appresso un grand’asino, secondo che parrà ispediente al dispensator de gli abiti e luoghi, e disponitor de l’anime transmigranti. Micco Dimmi fratello, hai intesi gli capitoli e condizioni dell’academia? Asino Molto bene. Micco Hai discorso sopra l’esser tuo, se per qualche tuo difetto ti possa essere impedita l’entrata? Asino Assai a mio giudicio. Micco Or fatevi intendere. | Asino La principal condizione che m’ha fatto dubitare è stata la prima. È pur vero che non ho quella indole, quelle carni mollecine, quella pelle delicata, tersa ¦ e gentile, le quali integnono li fisionotomisti attissime alla recepzion della dottrina: perché la durezza de quelle ripugna a l’agilità de l’intelletto. Ma sopra tal condizione mi par che debba posser

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Esel Oh ehrwürdige Schule, hehres Studium, wohlgestalte Denkschule, verehrte Lehranstalt, glänzendstes Gymnasium, unbesiegte Ringschule und vornehmste aller vornehmen Akademien! Der irrende Esel, als durstiger Hirsch, [wendet sich] an Euch wie an allerklarste und kühlste Gewässer, an Euch, gutmütigste Empfänger von Pilgern, wendet sich der Esel untertänig und flehentlich mit dem innigen Wunsch, in Eure Gesellschaft eingeschrieben zu werden. Micco In unsere Gesellschaft, he? Esel Ja, ja Herr, ja, in Eure Gesellschaft. Micco Geht durch jene Tür dort, Herr, denn diese ist den Eseln verboten. Esel Sag mir, Bruder, durch welche Tür bist Du eingetreten? Micco Mag der Himmel auch bewirken können, daß die Esel sprechen, so doch nicht, daß sie in die pythagoreische Schule eintreten. Esel Sei nicht so grausam, oh Micco, und erinnere Dich daran, daß Dein Pythagoras lehrt, nichts gering zu achten, was sich am Busen der Natur befindet. Obwohl ich gegenwärtig in der Gestalt eines Esels bin, kann ich doch in der Form eines großen Mannes gewesen sein oder bald zu ihr werden; und obwohl Du ein Mensch bist, kannst Du ein großer Esel gewesen sein oder bald [zu einem] werden, je nach dem, wie es dem Verwalter der Kleider und Orte, dem Ordner der wandernden Seelen nützlich erscheint. Micco Sag mir, Bruder, hast Du die Artikel und Bedingungen der Akademie verstanden? Esel Sehr gut. Micco Hast Du etwas über Deine Seinsform zu sagen, falls Dir aufgrund irgendeines [körperlichen] Gebrechens der Eintritt verwehrt werden sollte? Esel Recht viel, denke ich. Micco Gib Dich also zu verstehen. Esel Die Bedingung, die mich am meisten zweifeln ließ, war die erste. Es ist zwar wahr, daß ich nicht jene natürliche Anlage, jenes weiche Fleisch, jene zarte, reine und vornehme Haut habe, welche die Physiognomen am geeignetsten für die Aufnahme der Lehre erachten, da deren Sprödigkeit unvereinbar mit der Beweglichkeit des Intellekts ist. Aber von dieser Bedingung, meine ich, sollte mich der Vorsteher be-

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 ¦ 

dispensar il principe; perché non deve far rimaner fuori uno, quando molte altre parzialitadi suppliscono a tal difetto, come la sincerità de costumi, la prontezza de l’ingegno, l’efficacia de l’intelligenza, et altre condizioni compagne, sorelle e figlie di queste. Lascio che non si deve aver per universale che l’anime sieguano la complession del corpo: perché può esser che qualche più efficace spiritual principio possa vencere e superar l’oltraggio che dalla crassezza, o altra indisposizion di quello, gli vegna fatto. A qual proposito v’apporto l’essempio de Socrate, giudicato dal fisognomico Zopiro per uomo stemprato, stupido, bardo, effeminato, namoraticcio de putti et inconstante; il che tutto venne conceduto dal filosofo, ma non già che l’atto de tali inclinazioni si consumasse: stante ch’egli venia temprato dal continuo studio della filosofia, che gli avea porso in mano il fermo temone contra l’émpito de l’onde de naturali indisposizioni, essendo che non è cosa che per studio non si vinca. Quanto poi all’altra parte principale fisiognomica, che consiste non nella complession di temperamenti, ma nell’armonica proporzion de membri, vi notifico non esser possibile de ritrovar in me defetto alcuno, quando sarà ben giudicato. Sapete ch’il porco non deve esser bel cavallo, né l’asino bell’ | uomo: ¦ ma l’asino bell’asino, il porco bel porco, l’uomo bell’uomo. Che se straportando il giudicio, il cavallo non par bello al porco, né il porco par bello al cavallo; se a l’uomo non par bello l’asino, e l’uomo non s’inamora de l’asino né per opposito a l’asino par bello l’uomo, e l’asino non s’innamora de l’uomo. Sì che quanto a questa legge, all’or che le cose sarranno examinate e bilanciate con la raggione, l’uno concederà a l’altro secondo le proprie affezzioni, che le bellezze son diverse secondo diverse proporzionabilitadi; e nulla è ve-

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

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freien können, denn er darf keinen draußen lassen, [bei dem] viele andere herausragende Eigenschaften diesen Mangel ausgleichen, wie die Reinheit der Sitten, die Lebhaftigkeit der Begabung, die Kraft der Intelligenz und andere Bedingungen, die Gefährtinnen, Schwestern und Töchter derselben sind. Ich lasse beiseite, daß man nicht annehmen kann, daß die Seelen unter allen Umständen der Konstitution des Körpers folgen. Denn es kann sein, daß ein stärkeres spirituelles Prinzip jene Schmach überwinden und besiegen kann, welche jenem durch die Plumpheit oder durch eine andere schlechte Veranlagung verursacht wird. Diesbezüglich führe ich Euch das Beispiel des Sokrates an, der vom Physiognomen Zopyrus als unmäßiger, dummer, begriffsstutziger, verweiblichter, von flüchtiger Knabenliebe [besessener] und wankelmütiger Mensch beurteilt wurde: was alles von diesem Philosophen zugegeben wurde, aber keinensfalls, daß er sich von diesen Neigungen tatsächlich verderben ließe - wo er doch vom dauernden Studium der Philosophie gemäßigt würde, welche ihm das sichere Steuer in die Hand gegeben hat, um der Gewalt der Wellen der natürlichen schlechten Veranlagung zu trotzen, weil es doch nichts gäbe, was durch das Studium nicht überwunden werden könnte. Was nun weiter die andere Hauptsache der Physiognomie anbetrifft, die nicht in der Säftemischung der Temperamente, sondern in der harmonischen Proportion der Glieder besteht, teile ich Euch mit, daß es unmöglich ist, in mir irgendeine Unvollkommenheit zu finden, wenn man es nur recht beurteilt. Ihr wißt, daß das Schwein kein schönes Pferd sein darf noch der Esel ein schöner Mensch, sondern der Esel ein schöner Esel, das Schwein ein schönes Schwein [und] der Mensch ein schöner Mensch. So daß, um diese Erkenntnis weiterzuführen, das Pferd dem Schwein nicht schön erscheint, noch das Schwein dem Pferd schön erscheint; dem Menschen also der Esel nicht schön erscheint, und der Mensch sich nicht in den Esel verliebt, noch im Gegenzug dem Esel der Mensch schön erscheint, und der Esel sich nicht in den Menschen verliebt: So daß es in bezug auf dieses Gesetz so ist, daß in dem Moment, da die Dinge mit dem Verstand untersucht und erwogen werden, der eine dem anderen (gemäß der eigenen Leidenschaften) zugestehen wird, daß die Schönheiten unterschiedlich sind: gemäß den verschiedenen Möglichkeiten der Proportionen [der Körper]. Und nichts ist wirklich

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ramente et absolutamente bello, se non uno che è l’istessa bellezza, o il per essenza bello e non per participazione. Lascio che nella medesima umana specie quel che si dice de le carni, si deve attendere respectu habito a vinticinque circonstanze e glose che l’accomodino; perché altrimente è falsa quella fisiconomica regola de le carni molle: atteso che gli putti non son più atti alla scienza che gli adulti, né le donne più abili che gli uomini; eccetto se attitudine maggiore si chiamasse quella possibilità ch’è più lontana da l’atto. Micco Sin al presente, costui mostra di saper assai assai. Séguita, messer Asino, e fà pur gagliarde le tue raggioni quanto ti piace, perché Ne l’onde solchi e ne l’arena semini, e ’l vago vento speri in rete accogliere, e le speranze fondi in cuor di femine, ¦ se speri che da gli signori academici di questa o altra setta ti possa o debbia esser concessa l’entrata; ma | se sei dotto, contèntati de rimanerti con la tua dottrina solo. Asino O insensati, credete ch’io dica le mie raggioni a voi, acciò che me le facciate valide? Credete ch’io abbia fatto questo per altro fine che per accusarvi e rendervi inexcusabili avanti a Giove? Giove con avermi fatto dotto, mi fe’ dottore. Aspettavo ben io che dal bel giudicio della vostra sufficienza venesse sputata questa sentenza: »Non è convenevole che gli asini entrino in Academia insieme con noi altri uomini«. Questo, se studioso di qualsivogli’altra setta lo può dire, non può essere raggionevolmente detto da voi altri Pitagorici, che con questo che negate a me l’entrata, struggete gli principii, fondamenti e corpo della vostra filosofia. Or che differenza trovate voi tra noi asini e voi altri uomini non giudicando le cose dalla superficie, volto et apparenza? Oltre di ciò dite, giudici inetti: quanti de voi errano ne l’academia de gli asini? quanti imparano nell’academia de gli asini? quanti fanno profitto

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und absolut schön, außer dem einen, was die Schönheit selbst ausmacht oder dem essentiell (und nicht [nur] durch Teilhabe) Schönen. Ich lasse beiseite, daß selbst in derselben menschlichen Spezies das, was man vom Fleisch sagt, respectu habito [im bezug auf den Habitus] von fünfundzwanzig Begleitumständen und Anmerkungen verstanden werden muß. Denn erwägt man, daß die Knaben nicht mehr zur Wissenschaft geeignet sind als die Erwachsenen noch die Frauen fähiger als die Männer sind, außer man verstünde unter größerer Eignung jene Möglichkeit, die weiter entfernt von der Wirklichkeit ist: andernfalls ist die physiognomische Regel vom weichen Fleisch falsch. Micco Bisher zeigt jener, daß er sehr, sehr viel weiß. Fahr fort, Herr Esel, und zögere nicht, kühne Argumente vorzubringen, wie es Dir gefällt, denn In den Wellen pflügst Du und im Sand säest Du, Und den flüchtigen Wind hoffst Du, im Netz einzusammeln, Und gründest in Frauenherzen Hoffnungen, wenn Du hoffst, daß Dir von den akademischen Herren dieser oder einer anderen Denkschule der Eintritt gewährt werden könnte oder sollte; wenn Du aber gelehrt bist, gib Dich damit zufrieden, mit Deiner Lehre allein zu bleiben. Esel Oh Unsinnige, glaubt Ihr, daß ich Euch meine Argumente nenne, um sie mir von Euch für gültig erklären zu lassen? Glaubt Ihr, ich hätte dies zu anderem Zweck getan, als Euch vor Jupiter anzuklagen und unentschuldbar zu machen? Indem Jupiter mich gelehrt machte, machte er mich zum Lehrer. Ich wartete nur darauf, daß von der schönen Urteilskraft Eurer Selbstgerechtigkeit dieser Spruch ausgespuckt werde: »Es ist unschicklich, daß die Esel gemeinsam mit uns Menschen in die Akademie eintreten.« Dies, wenn es auch ein Anhänger irgendeiner anderen Denkschule sagen kann, kann vernünftigerweise nicht von euch Pythagoreern gesagt werden, die Ihr, indem Ihr mir den Eintritt verwehrt, [zugleich] die Prinzipien, Fundamente und Substanz Eurer Philosophie zerstört. Welchen Unterschied findet Ihr nun zwischen uns Eseln und Euch Menschen, wenn Ihr die Dinge nicht nach Oberfläche, Gesicht und Erscheinung beurteilt? Darüber hinaus verkündet Ihr unangemessene Urteile: Wie viele von Euch irren in der Akademie der Esel umher? Wie viele lernen in der Akademie der Esel? Wie viele

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nell’academia de gli asini? quanti s’addottorano, marciscono e muoiono ne l’academia de gli asini? quanti son preferiti, inalzati, magnificati, canonizati, glorificati e deificati nell’academia de gli asini? che se non fussero stati e non fussero asini, non so, non so come la cosa sarrebe passata e passarebbe per essi loro. Non son tanti studii onoratissimi e splendidissimi, dove si dona lezzione di saper inasinire, per aver non solo il bene della vita temporale, ma e de l’eterna ancora? Dite, a quante e quali facultadi et onori s’entra per la porta dell’asinitade? Dite, quanti son impediti, | exclusi, rigettati e messi in vituperio per non esser partecipi dell’asinina facultade e perfezzione? ¦ Or perché non sarà lecito ch’alcuno de gli asini, o pur al meno uno de gli asini entri nell’academia de gli uomini? perché non debbo esser accettato con aver la maggior parte delle voci e voti in favore in qualsivoglia academia, essendo che, se non tutti, al meno la maggior e massima parte è scritta e scolpita nell’Academia tanto universale de noi altri? Or se siamo sì larghi et effusi noi asini in ricever tutti, perché dovete voi esser tanto restivi ad accettare un de noi altri al meno? Micco Maggior difficultà si fa in cose più degne et importanti: e non si fa tanto caso e non s’aprono tanto gli occhi in cose di poco momento: però senza ripugnanza e molto scrupolo di conscienza si ricevon tutti nell’academia de gli asini, e non deve esser cossì nell’academia de gli uomini. Asino Ma, o messere, sappime dire e resolvimi un poco, qual cosa delle due è più degna: che un uomo inasinisca, o che un asino inumanisca? Ma ecco in veritade il mio Cillenio: il conosco per il caduceo e l’ali. - Ben vegna il vago aligero, nuncio di Giove, fido interprete della voluntà de tutti gli dèi, largo donator de le scienze, addirizzator de l’arti, continuo oracolo de matematici, computista mirabile, elegante dicitore, bel volto, leggiadra apparenza, facondo aspetto, personaggio grazioso,

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profitieren von der Akademie der Esel? Wie viele promovieren, verbrauchen sich und sterben in der Akademie der Esel? Wie viele werden protegiert, erhoben, gerühmt, kanonisiert, glorifiziert und vergöttlicht in der Akademie der Esel? Ich weiß nicht, wie es ihnen ergangen wäre oder ergehen würde, wenn sie keine Esel gewesen sind oder immer noch [Esel] wären. Gibt es nicht so viele höchstverehrte und herrlichste Studien, wo man in der Vereselung Lektionen erteilt, um nicht nur das Gut des zeitlichen, sondern auch das des ewigen Lebens zu besitzen? Sagt, in welche und wie viele Fakultäten und Ehren tritt man durch die Tür des Eseltums? Sagt, wie viele werden gehindert, ausgeschlossen, zurückgewiesen und der Schande preisgegeben, weil sie nicht an der eselhaften Fähigkeit und Vollkommenheit teilhaben? Warum soll es also nicht gestattet sein, daß einige Esel oder wenigstens ein Esel in die Akademie der Menschen eintrete? Warum darf ich nicht zugelassen werden, wo ich doch die Stimmen- und Mandatsmehrheit in jedweder Akademie für mich habe, da doch, wenn nicht alle, so doch die Mehrheit und die allermeisten in der unsrigen ganz allumfassenden Akademie eingeschrieben und eingraviert sind? Wenn wir Esel also so großzügig und offenherzig sind, alle aufzunehmen, warum müßt Ihr derart widerwillig sein, wenn es darum geht, wenigstens einen von uns aufzunehmen? Micco Größere Schwierigkeiten macht man in würdigeren und wichtigeren Dingen: und nicht so viel Umstände macht man und nicht so genau sieht man hin bei Dingen geringer Tragweite. Deshalb werden jene ohne Widerwillen oder große Gewissensbisse in die Akademie der Esel aufgenommen, und [deshalb] darf es in der Akademie der Menschen so nicht sein. Esel Aber, oh Meister, sag mir doch und erkläre mir kurz: welche der beiden Dinge ist würdiger, daß ein Mensch zum Esel oder ein Esel zum Menschen wird? Aber hier kommt wirklich mein Kyllenier, ich erkenne ihn am Merkurstab und den Flügeln. Willkommen sei der flüchtige geflügelte Bote Jupiters, treuer Übersetzer des Willens aller Götter, großzügiger Stifter der Wissenschaften, Reformer der Künste, beständiges Orakel der Mathematiker, bewundernswerter Rechenmeister, eleganter Rezitator, schönes Gesicht, anmutige Erscheinung, redegewandtes Anlitz, liebenswürdige Persönlichkeit, Mann unter Männern, unter

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uomo tra gli uomini, tra le donne donna, desgraziato tra desgraziati, tra beati beato, tra tutti tutto; che godi con chi gode, con chi piange piangi; però per | tutto vai e stai, sei ben visto et accettato: che cosa de buono apporti? ¦ Mercurio Perché, Asino, fai conto di chiamarti et essere academico, io come quel che t’ho donati altri doni e grazie, al presente ancora con plenaria autorità ti ordino, constituisco e confermo Academico e Dogmatico generale: acciò che possi entrar et abitar per tutto, senza ch’alcuno ti possa tener porta o dar qualsivoglia sorte d’oltraggio o impedimento, quibuscumque in oppositum non obstantibus. Entra dumque dove ti pare e piace. Né vogliamo che sii ubligato per il capitolo del silenzio biennale che si trova nell’ordine pitagorico, e qualsivogli’altre leggi ordinarie: perché novis intervenientibus causis, novae condendae sunt leges, proque ipsis condita non intelliguntur iura: interimque ad optimi iudicium iudicis referenda est sententia, cuius intersit iuxta necessarium atque commodum providere. Parla dumque tra gli acustici; considera e contempla tra’ matematici; discuti, dimanda, insegna, dechiara e determina tra’ fisici; tròvati con tutti, discorri con tutti, affratèllati, unisciti, identìficati con tutti, domina a tutti, sii tutto. Asino Avetel’inteso? Micco Non siamo sordi. FINE

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den Frauen Frau, unter den Elenden Elender, unter den Glücklichen Gücklicher, unter allen alles. Deshalb: der Du mit denen genießt, die genießen, mit denen weinst, die weinen; wo Du auch gehst und stehst, bist Du gern gesehen und aufgenommen. Was bringst Du Gutes? Merkur Weil Du, Esel, damit rechnest, Dich Akademiker zu nennen und es zu sein, [deshalb] ernenne ich Dich (als jener, der Dir [schon] andere Gaben und Gnaden zukommen ließ) und setze Dich nunmehr mit meiner vollen Autorität (auch noch) ein und bestätige Dich als Generalakademiker und -dogmatiker. So daß Du überall eintreten und wohnen kannst, ohne daß irgendeiner Dir die Tür zuhalten oder sonst eine Art von Schmach oder Hindernis bereiten könnte, quibuscumque in oppositum non obstantibus [ohne daß sich irgendeiner dagegen auflehnen könnte]. Tritt also ein, wo es Dir gefällt und Du möchtest! Weder wollen wir, daß Du zu dem zweijährigen Schweigegebot gezwungen sein sollst, das sich in der Regel der Pythagoreer findet, noch zu sonst einem der üblichen Gesetze, denn: novis intervenientibus causis, novae condendae sunt leges, proque ipsis condita non intelliguntur iura: interimque ad optimi iudicium iudicis referenda est sententia, cuius intersit iuxta necessarium atque commodum providere [wenn neue Ursachen auftreten, müssen neue Gesetze gemacht werden, womit nicht Gesetze zum Vorteil derselben gemeint sind: In der Zwischenzeit muß das Urteil dem hervorragendsten unter allen Richtern überlassen werden, der gemäß dem Nötigen und Nützlichen vorgehen möge]. Sprich also unter den Akustikern; beobachte und betrachte unter den Mathematikern; diskutiere, frage, lehre, erkläre und definiere unter den Physikern; sei mit allen, sprich mit allen, verbrüdere, vereinige und identifiziere Dich mit allen, beherrsche alle, sei alles. Esel Habt Ihr das verstanden? Micco Wir sind nicht taub. ENDE

KOM M E N TA R

Titel, Sonette, Deklamation und Widmungsschreiben (S. 3–41) 1 Zur Titelei: Die Cabala ist in London von John Charlewood gedruckt

worden. Casamarciano ist kein Bistum, vgl. auch Einleitung. 2 Vielleicht ein Angehöriger des niederen Klerus in der Pfarrei Santa Prima bei Nola, der 1586 Kaplan wurde. 3 [spacciato] Bruno verwendet bewußt ein mehrdeutiges Wort, das schon im Titel des vorhergehenden Dialoges, Lo spaccio della bestia trionfante, vorkommt und an den der Autor hier auf einer lexikalischen Ebene erinnert. Spacciare bedeutet »aus-« oder »vertreiben«, kann aber auch als »losbinden« oder (wie wenige Zeilen weiter unten) mit »ausbreiten« übersetzt werden. Das Wort leitet sich vom lateinischen spatium (Raum) her. Hier evoziert es die Vorstellung der mit bestimmten räumlichen Qualitäten ausgestatteten Materie. Diese ist in Brunos infinitem Universum unendlich weit ausgedehnt (und beseelt); für weitere philosophische und theologische Implikationen des Begriffes spaccio vgl. auch Einleitung. 4 Bruno meint hier offensichtlich die Dialoghi Italiani oder zumindest den Spaccio, an welchen die Cabala unmittelbar anschließt. 5 Zu diesem fulminanten Eingangssatz vgl. Einleitung. 6 Origenes (185–255) ist ein Kirchenvater neuplatonischer Schule; er war einer der Lieblingsautoren von Erasmus von Rotterdam. Beide Autoren werden von Luther heftig attackiert und sind ihrerseits Ziele der Polemik der Cabala. Bruno spielt hier auf den heterodoxen Inhalt der Cabala an und vor allem auf die Lehre der Seelenwanderung (siehe Einleitung). 7 Obszönität: die Größe der Geschlechtsorgane der Esel war schon in der Antike sprichwörtlich. Vgl. z. B. L. Apuleius: Metamorphosen (1992), lib. 10, Abs. 22, S. 253 f. 8 Zu diesen Aspekten des frühneuzeitlichen Christenkultes vgl. auch Candelaio IV, 12, OC I, S. 261 und V, 24, OC I, S. 405 ff. Die Rosenkranzbruderschaften (um 1460 in Douai gegründet) waren populäre religiöse Laienorden, welche Anhänger unter allen Ständen akzeptierte; die italienische Ordensregel schrieb vor, jede Woche mindestens 150 Ave Maria und 15 Pater noster zu beten. 9 Marcus Tullius ist Cicero; für Brunos radikale Kritik der Renaissancehumanisten, der »Pedanten«, siehe z. B. Causa, BW III, S. 76 ff.; M. Ciliberto: Ruota (1986), S. 24–65.

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kommentar

10 Für eine ähnliche Passage vgl. Candelaio, Dedicatio OC, I, S. 8 ff. 11 Also: wohl selbst ein universeller Esel sein muß. Vgl. Umbris, OL II/1,

S. 6 (Sturlese, S. 9). 12 Diese Passage ist offensichtlich ironisch gemeint; sie spielt zwar terminologisch mit Brunos Lehre vom unendlichen Universum und dessen infiniter Materie, meint aber Don Sapatinos grenzenlose Dummheit. 13 Im Gegensatz zu dieser Feststellung will Saulino im dritten Dialog seine ihm abhanden gekommenen Gesprächspartner in ein Konklave sperren, sollte er sie wieder treffen, damit sie dort eine vollständige Version der Cabala entwickeln (s. u.). 14 Der Priester ist also ein unwissender Esel! 15 Zur »kabbalistischen Theologie« siehe Spaccio, DI, S. 655, wo Bruno von einer tragedia cabalistica im Zusammenhang mit christlicher Theologie spricht. Wie schon im Argumento des Candelaio OC I, S. 17, skizziert Bruno hier eine Universalkombinatorik der Unwissenheit. Eine solche ars combinatoria wurde von Raimundus Lullus entwickelt. Anders als dieser katalanische Philosoph verbindet Bruno hier allerdings nicht Begriffe wie Weisheit, Güte, oder Größe (um nur einige zu nennen) zu den mannigfaltigen Aspekten, in denen sich die Gottheit der Welt mitteilt. Es ist dem Nolaner vielmehr darum zu tun, eine Kombinatorik der falschen Begriffe in Philosophie, Theologie und Kabbalistik zu konstruieren und so die Attribute der Dummheit, wie wir gleich sehen werden, in ein Eselsystem zu fassen. Vgl. auch Einleitung. 16 Es ist nicht das erste Mal, daß Bruno in eindeutig ironischer Absicht ein Tier zum zentralen Objekt seiner Betrachtungen macht: Im 1582 publizierten Cantus Circeus ist ein Schwein der Mittelpunkt eines lullischen kombinatorischen Systems. Die ganze Passage hat Anklänge an Agrippa von Nettesheim, De vanitate (1608), cap.102, S. 242 f. Das »Buch des Lebens« kommt im Neuen Testament oft vor, in besonders obsessiver Weise in der Apokalypse des Johannes: vgl. Phil 4,3. Offb 3,5; 13,8; 17,8; 20,12; 20,15; 21,27; Thomas von Aquin: Summa Theologiae (1952–56), Prima pars, Q. 24, Bd. I, S. 136 ff. 17 Das typische Transportmittel der Geistlichen. 18 Das ist als Anspielung auf Origenes’ Lehre von der Seelenwanderung [vas honoris] zu lesen. Vgl. Origenes: De principiis (1913), lib. 3, cap. 1, Abs. 20–24, S. 237–44 und Einleitung. 19 Siehe auch Candelaio I, 4, OC I, S. 69; die Esel aus Otranto waren schon in der Antike berühmt. 20 Solcher Lobpreis des Esels findet sich auch in G. B. Pinos Raggionamento sovra l’asino, einem nach 1551 in Neapel klandestin gedruckten satiri-

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schen (und bald verbotenen) Text. Vgl. auch Principiis, OL III, S. 555 und Einleitung. 21 Wie weiter unten klar wird, spielt Bruno hier auf das bei Hyginus: Astronomia (1992), lib. II, cap. 23, S. 68 und lib. III, cap. 22, S. 111 erwähnte Sternbild des Esels an. Bruno macht sich hier offensichtlich über die Mühelosigkeit des Aufstiegs in das Himmelreich und über seine eigene infinitistische Philosophie lustig, in der bekanntlich die (von den Aristotelikern postulierte) Trennung zwischen himmlischer und irdischer Welt aufgehoben war. Vielleicht handelt es sich hier um eine Anspielung darauf, daß selbst die Götter altern; eine These, die Bruno in sehr humorvoller Weise am Beginn des Spaccio, DI, S. 574 ff. vorträgt. 22 Der Esel ist ja nur ein Buch und braucht daher keinen eigenen Stall. 23 Auch in G. B. Pino: Ragionamento sovra de l’asino (1982), S. 165 findet sich eine solche anzügliche These: »[de gli asini …] il ser Marsale se ne serviva nel molino, in stalla, in cocina, in sala, per la casa, ed infin nel letto.« 24 Vgl. Cantus, OL II/1, S. 199. 25 Zum Mythos von Aktaion vgl. Ovid: Metamorphosen (1996), lib. 3, V. 138–252, S. 94–100. Die Erzählung vom Jäger, der als Strafe dafür, die Göttin Diana nackt gesehen zu haben, in einen Hirsch verwandelt und von seinen Hunden zerrissen wurde, spielt in Brunos Philosophie eine wichtige, allerdings nicht immer gänzlich ernste Rolle. Sie wird auch im Zusammenhang mit gehörnten Ehemännern verwendet. Vgl. Candelaio, OC I, S. 27 ff.; Spaccio, DI, S. 812 f.; Furori, DI, S. 1112–16. F. Rabelais: Gargantua (1955), Lib. 5, Kap 36, S. 882 verwendet das Motiv ebenfalls in diesem Sinne. 26 Die Armillarsphäre ist ein Instrument zur Darstellung und Berechnung der konzentrischen Planetenbewegungen im geozentrischen Weltbild. Für eine klassische Beschreibung der legendären, von Archimedes konstruierten Weltmaschine, die alle Bewegungen des Kosmos imitieren konnte, siehe z. B. Cicero: Tusculanae disputationes (1960), lib. I, cap. 63, S. 60 und ders.: De natura deorum (1999), lib. II, cap. 88, S. 244. In der Renaissance war dieser Apparat ein vieldiskutiertes Objekt, etwa bei Ficino; vgl. S. Toussaint: Archimedes (2002), S. 307–26. Auch in dieser Passage ist der Schabernack nicht fern, denn Bruno scheint sich über traditionelle mikro- und makrokosmische Weltmodelle lustig zu machen: Besser als der Gott Merkur »reibt« der sprichwörtlich geile Esel die Weltsphären gegeneinander und bewirkt so deren wechselseitige Befruchtung. Gleichzeitig ist das auch als eine proleptische Anspielung darauf lesbar, daß der Esel Merkur, dem dieses Metall bekanntlich zugeordnet ist, betrügt. Tatsächlich wird im weiteren Textverlauf der schlaue Esel Onorio Merkur in der Unterwelt täuschen, indem er lediglich vorgibt,

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von den Wassern der Lethe getrunken zu haben. Zum Begriff der »intrinsischen Seele« vgl. auch Cena, DI, S. 148 f. 27 Antonio Michele Ghisleri (1504–72) wurde im Jahr 1566 zum Papst gewählt und setzte die Tridentinischen Reformen um. Bruno berichtete auch dem Bibliothekar der Abtei von Hugo St. Victor in Paris von seiner Audienz bei diesem Papst, in welcher er das hier erwähnte Werk vorgestellt haben will. Von diesem wahrscheinlich mnemonischen Text fehlt jede Spur. Vgl. M. Ciliberto: Ruota (1986), S. 47 f. 28 Henri III. von Valios (1551–89). Bruno spielt auf De umbris idearum (Paris 1582) an, ein weiteres mnemonisches Werk. Siehe auch L. Firpo: Il processo di Giordano Bruno (1993), S. 161 f. 29 Michel de Castelnau (1518/20–1592), dem Bruno die mnemotechnischen Traktate Triginta Sigilli, Explicatio triginta sigillorum und Sigillius Sigillorum widmete. Zu den Verbindungen zwischen Castelnau und Bruno vgl. N. Ordine: OC VII, bes. S. VIII–XXV. 30 Sir Philipp Sidney (1554–86), dem Bruno den Spaccio della bestia trionfante DI, S. widmete. 31 Also gewissermaßen die »Offenbarung« aller jener Geheimnisse oder den Schlüssel zu den vorher genannten Werken. Bruno deutet hier in sarkastischer Art die Wichtigkeit der Cabala an: Der Monsignore, dem das Werk gewidmet ist, soll nicht denken, daß der Esel ein verachtenswertes Geschenk wäre. Interessant ist, daß Bruno hier seine mnemotechnischen Werke erwähnt, nicht aber jene italienischen Dialoge, in denen er seine infinitistische Philosophie entwickelt. Nur der Spaccio, ist so eng mit der Cabala verbunden, daß er nicht unerwähnt bleiben konnte. Es scheint, als würde Bruno durch die Auswahl dieser Texte bereits hier andeuten wollen, daß die Cabala nicht vorrangig von der Naturphilosophie, sondern vom Zusammenhang zwischen Gedächtnis, Wissenschaft und Moral handle. 32 Bruno wird das Thema des unwissenden Esels am Ende des Kyllenischen Esels noch einmal aufgreifen. Hier wird Merkur dem Esel erlauben, in jede Akademie einzutreten. 33 Bruno spielt hier auf die Reformatoren aller Lager des zeitgenössischen Christentums an. 34 Also als Mitglied einer Akademie zu bezeichnen. Der Begriff steht aber auch für einen Anhänger der akademischen skeptischen Schule; über diese wird sich Bruno unten, in II/3 lustig machen. Generell pflegte der Nolaner sein Image als Antiakademiker, und zwar nicht nur in der Cena, DI, S. 21–24 und passim, wo er seine Konflikte an der Universität Oxford literarisch aufarbeitet, sondern bereits auf der Titelseite des Candelaio, wo er sich als »Akademiker, der keiner Akademie angehört«, bezeichnet.

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35 Eigentlich: »Prior eines griechischen Klosters«. Im übertragenen Sinn:

»Haupt einer wichtigen Schule«. 36 »Daß er im Chor, im Kapitel und im Schlafsaal [eines Klosters] zu finden ist.« Zu Brunos ablehnender Haltung gegen die Mönche vgl. L. Firpo: Il processo di Giordano Bruno (1993), S. 158. 37 »Berechtigt, an einer Papstwahl teilzunehmen«. 38 Epitheta berühmter Kirchenlehrer: Duns Scotus (1256–1308) wurde doctor subtilis, Alexander von Hales (1185–1245) doctor irrefrangabilis und Raimundus Lullus (1235–1315) doctor illuminatus genannt; vgl. auch Infinito, BW IV, S. 200. 39 Während seiner Haft im Gefängnis der Inquisition wird Bruno von einem Mitgefangenen die Aussage unterstellt, daß die Kirche von Eseln regiert werde; vgl. L. Firpo: Il processo di Giordano Bruno (1993), S. 251. 40 Der Gedanke, daß sich im unendlichen Universum alles in allem reflektiert findet, ist zentral für Brunos Philosophie. Der Verweis auf die damit einhergehende Allgegenwart des Eseltums ist daher zwar bitter sarkastisch, aber nur folgerichtig; vgl. auch z. B. Sigillus, OL II/2, S. 170 und S. 196. Für die Thomistische Gegenposition vgl. Thomas von Aquin: Summa contra gentiles (1961), lib. 2, cap. 72, Bd. II, S. 206 f. 41 Das Sternbild des Esels endet beim Nabel dieses Tieres, eine Aussage die Saulino am Beginn des dritten Dialoges explizit machen wird; vgl. auch Hyginus: Astronomia (1992), lib. 3, cap. 10, S. 101. Zudem treibt Bruno hier (wieder) seinen Schabernack mit dem »gebenedeiten Eselsschwanz, dem die Genovesen zu Castello huldigen« (Candelaio, I, 1, OC I, S. 57). Bis zum Ende des 18. Jh. wurde in Genua in Santa Maria di Castello der Schwanz jenes Esels als Reliquie verehrt, auf dem Christus in Jerusalem eingezogen sein soll. In dieser Passage schränkt Bruno das vorhergehende Postulat von der universellen Vertauschbarkeit aller Dinge wieder ein, denn in der jeweiligen konkreten Seinsform sind die Dinge in geradezu schockierender Weise voneinander unterscheidbar. 42 Bruno nimmt hier das Eingangsthema vom fragmentarischen Charakter allen Wissens (und aller Dinge) wieder auf; er unterstreicht, daß er lediglich eine bruchstückhafte Skizze eines komplexen Sachverhalts geben kann. Die Referenzen an die bildende Kunst sind bei Bruno häufig und von zentraler gnoseologischer Bedeutung für seine Theorie des unendlichen Universums, das vom begrenzten menschlichen Geist niemals vollständig erfaßt werden kann. Trotzdem enthält und reflektiert jedes Einzelding das Ganze. Im Vorwort zur Cena, DI, S. 16, beschreibt sich der Autor als Maler, der nur verzerrte Formen dieser kosmischen Totalität hervorbringen kann. Als Teil dieses infiniten Ganzen kann er nämlich nicht von der Leinwand zurücktre-

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ten und so, gleichsam von außen, einen Blick auf seine Malerei werfen. Bruno nimmt diese Themen am Ende des ersten Teils des zweiten Dialoges der Cabala wieder auf. 43 Das Sonett ist eine Zusammenfassung der Inhalte der folgenden Deklamation und des ersten Dialoges, nämlich das (ironisch gemeinte) Lob auf den Esel, die Dummheit, die Religion und die Verachtung der Wissenschaft. Es besteht aus vierzehn Verszeilen, an welche beliebig viele »Schwänze« (eine Halbzeile und ein Couplet) angehängt werden könne. Wie auch schon bei Aretino, dem Meister dieser Form, sind diese code voller »Gift«, also sarkastischen Inhalts; vgl. S. L. Sondergard: Einleitung zu Giordano Bruno, The cabala of pegasus (2002), S. XXXVI, Anm. 18. Diese literarische Form war im Italien des 16. Jh. für satirische Inhalte besonders beliebt. Wieder treibt Bruno Schabernack mit den (Esels-)Schwänzen. 44 Vgl. Infinito BW IV, S. 24 und infra, II/3, Ende. 45 Der offensichtlich sarkastische Charakter dieses Sonetts wird auch durch den Vergleich mit dem Spaccio, DI, S. 727–47 deutlich; denn hier verurteilt Bruno genau jene Geisteshaltung, die passiv auf Erlösung wartet. Seiner Kritik am goldenen Zeitalter und dem damit verbundenen Nichtstun setzt Bruno eine positive Konzeption von aktiver Gemeinschafts- und Zivilisationsbildung entgegen, und zwar mit allen dadurch in Kauf zu nehmenden negativen Nebenwirkungen (vgl. auch Einleitung). Die Polemik richtet sich nicht nur gegen die Christen, sondern auch gegen Neuplatoniker wie Marsilio Ficino, der in seiner Theologia Platonica an vielen Stellen die leidvolle irdische Wanderschaft der menschlichen Seele der Ruhe im Jenseits, in der Gemeinschaft der Ideen und des Reiches Gottes gegenüberstellt; vgl. Theologia Platonica (2001–6), lib. 14, cap. 7, Bd. IV, S. 270–73. Zur ständigen Bewegung als der dem menschlichen Intellekt kongenialen Form der Erkenntnis bei Bruno siehe E. Canone: Il dorso e il grembo dell’eterno (2003), S. 118. 46 Vgl. auch Umbris, OL II/2, S. 2. (Sturlese, S. 3). Bruno parodiert im folgenden den zeitgenössischen Predigtstil; als Dominikaner war er in dieser Literaturgattung nicht nur spezialisiert, sondern er wollte nach seiner Priesterweihe selbst Prediger werden. Die homiletische Parodie ist in lamentatio, demonstratio und exhortatio (Wehklage, Beweis, Aufmunterung) gegliedert. Wie schon aus den ersten Worten deutlich wird, ist der Text zum lauten Vorlesen bestimmt. Der Inhalt ist das – offensichtlich von einem Esel verkündete – Lob dieser Tiergattung, der sancta simplicitas und des Paulinischen Christentums. 47 Bruno meint wohl das Wiehern des Esels, der diese Predigt offensichtlich hält. In Cantus, OL II/1, S. 244, einem mnemonischen Traktat, schreibt Bruno bezeichnenderweise, daß er durch das Eselswiehern inhaltslose Reden

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erinnert und ihm die Esel daher Sinnbild der »Asinologen«, der intellektuellen Schwätzer sind. 48 Vgl. Cantus OL II/1, S.197 f. und S. 201 f., wo sich auch abschätzige Bemerkungen zu Maultieren finden. 49 Gemeint sind wohl die folgenden Werke: die Metamorphosen des Apuleius, besser bekannt unter dem Titel Der goldene Esel; Agrippa von Nettesheims Kapitel über den Esel in De vanitate (1608), cap. 101 f. und Nachwort, S. 241–44; G. B. Pino: Ragionamento sovra de l’asino (1982), S. 31 f. und passim. 50 »sich lustig zu machen«, denn Demokrit war seit der Antike als der »lachende Philosoph« bekannt; vgl. Seneca, De ira (1992), lib. 2, cap. 10, und Cena DI, S. 8. 51 Eine offensichtlich ironisch gemeinte Aussage. 52 Bruno läßt hier wesentliche Visualisierungen des folgenden Textes Revue passieren: den platonischen Esel, als Sternbild im Ideenhimmel, den Esel der Kabbalisten und das Pferd Pegasus in der griechischen Mythologie, dessen Hufschlag der Sage nach die Quelle auf dem Musenberg geöffnet hat. 53 Klgl 4,5. 54 In einer offensichtlichen Spitze gegen die christlichen Platoniker der Renaissance verwischt Bruno in seiner Beschreibung des »ideellen Esels« die Grenzen zwischen Philosophie und Theologie. Im folgenden verwendet er Begriffe aus der platonischen Tradition, um das Verhältnis von ideellem und in der Natur abgebildetem Esel zu erklären. Dabei verkehrt er auch die übliche Beziehung von Licht und Schatten, derzufolge die Meinung ja dem Wissen unterlegen ist, weil sie nur ein Abbild der Wahrheit ist. Bruno wird diese Kritik am Platonismus in II/3 vertiefen. 55 Nicht ohne Ironie wird hier die platonische Idee des Esels vorgestellt. 56 »Den Menschen«. 57 Menschliches und Tierisches unterscheiden sich also nicht essentiell voneinander (und von allen anderen Dingen der Welt): Diese Vorstellungen werden in II/1 unter materialistischer Perspektive weiter ausgeführt. Hier skizziert Bruno den Unterschied zwischen dem göttlichen Geist, in dem alle unterschiedlichen Spezies koinzidieren, und der menschlichen Intelligenz, in der diese als verschiedene Begriffe abgebildet werden. Bruno hat diese Ideen insbesondere in Causa ausgeführt. Zur Spezies-Lehre bei Bruno vgl. Acrotismus, OL I/1, S. 118 f.; L. Spruit: Il problema della conoscenza (1988), S. 300–16 und ders.: Species intelligibilis (1995), S. 203–13. 58 Lauter Referenzen auf Bibelstellen: Offb 5,5; Num 23,21–2; Ijob 1,29; 27,21; 27,20; Dtn 32,11; 101,7; Ps 21,7; Jes 53,7; Apg 8,32; Röm 8,3; 2 Kor 5,21; vgl. auch Spaccio, DI, S. 788.

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59 Im zweiten Dialog der Causa, BW III, S. 84–102 unterscheidet Bruno

zwischen diesen beiden Konzepten: Prinzipien bewegen und verändern eine Sache von innen, während Ursachen diese nur äußerlich verändern können. 60 Bruno identifiziert hier sowohl Juden als auch Christen mit dem Eselskult, dessen Geschichte er im folgenden ersten Dialog erzählen wird. Er spielt außerdem auf den vierfachen Schriftsinn der Bibel an. Zu diesem für die christliche Theologie fundamentalen exegetischen Konzept siehe Thomas von Aquin: Summa Theologiae (1952–56), Prima pars, Q. 1, Art. 10, Bd. 1, S. 8 f. Für solches Lobpreis des Esels vgl. auch Ambrosius: Expositio Evangeli secundum Lucam (1978), lib 9, cap. 13, S. 370 ff. Zu Brunos Deutung der figurativen Sprache der Heiligen Schrift siehe auch Cena, DI, S.120–25. 61 In Anlehnung an Ex 13,13. 62 Ex 20,17. 63 In Anlehnung an Ri 5,1. 64 Ri 5,10 in einer nicht identifizierten rabbinischen Interpretation. 65 Dtn 22,1. 66 Lk 13,14. 67 Lk 14,5. 68 Bruno bringt hier die protestantische Prädestinationslehre mit dem Eseltum in Zusammenhang. 69 Vgl. die Urversion der Cena, DF, S. 146 f.; Spaccio, DI, S. 816–7. 70 Dtn 28,31; Lk 10,1. 71 Bruno bedient sich hier der rhetorischen Figur der Antiphrasis; der Text kann daher auch so verstanden werden, daß er das Gegenteil bedeutet. 72 Wahrscheinlich eine Anspielung an D. Erasmus: Adagiorum chilias prima, pars altera (1998), S. 155 f.: Das Adagium »Ab asino delapsus« bezeichnet einen unerfahrenen Menschen, der sich seiner Güter nicht zu bedienen weiß. In seiner ars memorativa zitiert Bruno die Redewendung im Atrium der Schande (flagitium) in Imaginum OL, II/3, S. 166. 73 Adamantius: De recta fide, in: PG 2, Sp. 1722 f. 74 Num 31,28–29 und 31,33–34 spricht von 72.000 Rindern bzw. 61.000 Eseln. 75 Mt 21,1–2. Diesen Passus wird Bruno zu wiederholten Malen aufgreifen. Auch im folgenden Sonnett steht er im Kontext des Einzugs Christi nach Jerusalem auf einer – entwendeten – Eselin (vgl. auch Einleitung). 76 Num 22–29 erzählt die Geschichte des Esels, auf dem Balaam ausritt, um die Israeliten zu verfluchen. Als das Tier zu sprechen beginnt, bewegt dieses Wunder den Magier bekanntlich dazu, die Zelte Israels zu segnen. Bruno führt den hier anzitierten alttestamentarischen Passus in anagogischer Inter-

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pretation mit der vorhergehenden Stelle aus dem Matthäusevangelium zusammen, wo vom Einzug Christi nach Jerusalem auf einem Esel berichtet wird. Auch Agrippa von Nettesheim: De vanitate (1608), cap.102, S. 242 f. bringt beide Passagen in Verbindung. Diese Bibelstellen werden Bruno im folgenden dazu dienen, sowohl Juden- als auch Christentum bloßzustellen; eine Polemik, der er im folgenden ersten Dialog weitreichende (und negative) religionsphilosophische Bedeutung verleihen wird. 77 Jer 1,6. 78 Ez 3,27. 79 Ex 4,12. 80 Ps 50,17. 81 Mk 7,37; Lk 7,22. 82 Gemeint ist der Esel Balaams (s. o.). 83 Vgl. 1 Kor 1,27–8. 84 1 Kor 1,21. Bruno attackiert hier nicht nur Paulus, sondern in der gesamten Passage auch Origenes: In Numeros homiliae (1921), lib. 13, cap. 8, S. 118 f.; lib. 14, cap. 3 und cap. 4, S. 125–28; ders.: Contra Celsum (1967), lib. 1, cap. 13, Band I, S. 110 ff. und M. Luther: De servo arbitrio (1908), Band 18, S. 759 f. Bedenkt man, daß Origenes’ Lehren heftig von Luther bekämpft wurden, wird offensichtlich, daß Bruno hier die Wertlosigkeit beider Strömungen im Christentum aufzeigen und mit dem Eselskult in Verbindung bringen will. 85 1 Kor 1,19. 86 Der ironische Unterton ist offensichtlich. 87 Hier beginnt Brunos Polemik gegen das Paulinische Christentum, gegen die protestantischen ebenso wie gegen die katholischen Reformatoren (siehe Einleitung). Zu Brunos Enttäuschung über seine Brüder im neapolitanischen Konvent vgl. L. Firpo: Il processo di Giordano Bruno (1993), S. 251, Spaccio, DI, S. 732–3, C 601–2. 88 Bruno gibt hier beinahe wörtlich einen Satz aus D. Erasmus: Moriae encomium (1979), S. 110 wieder. Im Gegensatz zu diesem Autor ist Brunos Polemik allerdings deutlich antichristlich, zudem scheint er die Möglichkeit einer positiven Reform auszuschließen. Beide Passagen haben Anklänge an Augustinus: Confessiones, lib. 10, cap. 35, in: PL 32, Sp. 802 f.; und lib. 10, cap. 42, in: PL 32, Sp. 807 f. 89 Bruno legt großen Wert darauf, eine Religion nach ihrem positiven Beitrag zur Erhaltung und Entwicklung der Gemeinschaft und des Friedens zu beurteilen. Er befindet sich damit (wieder einmal) in einer Gegenposition zu M. Luther: De Servo Arbitrio (1908), S. 626; der Reformator hatte hier gegen Erasmus polemisiert, weil dieser Humanist durch seine konziliante Haltung gegenüber dem Papsttum und den Fürsten das Wort Gottes gefährde.

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90 2 Kor 5,1; vgl. auch Augustinus, Civitas Dei, lib. I, cap.10, Abs. 2, in PL

41, Sp. 23 f. 91 Mat 6,20. 92 In dieser Attacke auf das Paulinische Christentum propagiert Bruno (ex negativo) klassisch römische ethische Ideale, indem er (wie übrigens auch Machiavelli) davon ausgeht, daß die virtù den Menschen in die Lage versetzt, das Schicksal positiv zu den eigenen Gunsten zu beeinflussen. Eine aufschlußreiche Parallelstelle für Brunos konträre Ansichten findet sich im Spaccio, DI, S. 661–2, wo ebenfalls die Früchte solch religiösen Fundamentalismus beschrieben werden. Der Nolaner bricht mit einer seit Boethius im Christentum verankerten Auffassung, derzufolge weltlicher Ruhm und Ehre im Angesicht des Himmelreiches nichtig seien; die Fortuna folglich bestenfalls eine (weitere) Magd der göttlichen Vorsehung ist; vgl. Q. Skinner: Machiavelli (2000), S. 30. Diese traditionellen Vorstellungen finden sich auch in Thomas von Aquin: De regimine principium, ad regem Cypri (1954), lib. 1, cap. 8 ff., S. 263– 69. 93 Und damit der Verdammnis anheimfallen vgl. Röm 1,20–21. 94 Hyginus: Astonomiae (1992), lib. 2, cap. 23, S. 62; Spaccio, DI, S. 586–7 und S. 490–492 erwähnt den Kampf der Götter mit den Giganten ebenfalls, und dabei stellt Bruno fest, daß auch die Götter altern, also den Menschen durchaus ähnlich sind. Diese Passage ist insofern wichtig, als in solchen transgressiven Handlungen für Bruno ein zentrales Element menschlicher Aktivität besteht. Der prometheische Raub des Feuers ist für Bruno eine Heldentat, die dem Gemeinwohl dient (vgl. Einleitung). 95 Ri 15,15–16. Causa, BW II, S. 184; Imaginum, OL II/3, S. 238. 96 »Des Neuen Testaments«. 97 Ps 90, 7; 1 Sam 21,12. 98 Ri 15, 17. 99 Ri 15,18–19; auch Agrippa von Nettesheim: De vanitate (1608), cap. 102, S. 243 erwähnt diese biblische Erzählung. Bruno stellt hier die christliche Offenbarung insgesamt als Eselei oder als Betrug dar. Sie kommt aus einem Eselsmaul, dem nicht zu trauen ist. Schon in der Cena, DI, S. 32 warnt Bruno vor den falschen Propheten und deren betrügerischen Lehren. 100 Auch Imaginum, OL II/3, S. 238 greift Bruno das Argument von der größeren Kraft des vollständigen Tieres auf, und zwar mit einer deutlich ironischen Distanznahme zur Reliquienverehrung (vgl. auch Spaccio, DI, S. 792, C 642). Seine Position gegenüber der magischen Wirksamkeit solcher Objekte ist allerdings nicht immer eindeutig ablehnend: Z. B. in Causa, BW III, S. 110 ff. spricht Bruno den in nekromantischen Ritualen verwendeten Gebeinen von Menschen nicht grundsätzlich jede Kraft ab (vgl. auch Sigillus, OL II/2, S. 197).

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101 Vgl. den Monolog des Müßigganges über das goldene Zeitalter im

Spaccio, DI, S. 727–730. 102 Vgl. Koh 1,14–20 und Furori, DI, S. 975, wo Bruno sagt, daß diese Art der Selbstzufriedenheit nur jenen, die »insensati e stolti« (unbesonnen und dumm) sind, vorbehalten bleibt. Hier beginnt die ironische Lobrede auf die »Armen im Geiste« (Mt 5,3). Wie der dritte Teil des zweiten Dialoges weiter ausführen wird, ist das folgende auch als Polemik gegen die skeptischen Philosophen der Renaissance zu lesen. 103 Für das Folgende siehe auch Augustinus, Ennarrationes in Psalmos, lib. 31, cap. 22 f. in: PL 36, Sp. 272, der betont, daß sich die Gläubigen zu Eseln machen sollen, die Christus auf ihren Schultern tragen. 104 Diese Konzeption widerspricht Brunos infinitistischer Philosophie, derzufolge eine Trennung zwischen geistiger und sinnlicher Welt (angesichts der allgegenwärtigen Durchdringung dieser Prinzipien) unmöglich ist; vgl. z. B. Causa, BW III, S. 112–16. Die Passage hat Anklänge an Origenes: Commentarium in Johannem (1970), lib. 10, cap. 30, Bd. II, S. 499 ff. 105 Mt 21,2; Bruno bezieht sich hier (und im folgenden) wieder auf das Thema vom Einzug Christi nach Jerusalem auf einer Eselin mit ihrem Füllen. 106 »Des Teufels«; vgl. für die gesamte Passage Origenes: Commentarium in Johannem (1970), lib.10, cap. 26–30, Bd. II, S. 478–501, der eine detaillierte allegorische Lesung dieser Erzählung gibt, die auch später einflußreich war. 107 Bruno interpoliert hier den Halbsatz »führt sie aus der Gefangenschaft« in den neutestamentarischen Text (Mt 21,2). In der exegetischen Tradition werden die angebundenen Tiere als Metapher für die durch die Sünde oder den Teufel gefesselte Menschheit interpretiert. Die Eselin steht hier für das jüdische Volk, von dem alles Wissen ausgegangen sei, und ihr Füllen für die Heiden. Vgl. Thomas von Aquin, Catena Aurea, (1953), In Matheum, cap. 21, Bd. I, S. 301–5, bes. S. 304; Ambrosius: Expositio Evangelii secundum Lucam (1978), lib. 9, cap. 3–6, S. 364–67. In Brunos Begriffswelt liest sich diese Passage als ein spaccio, ein »Losbinden« oder »Raumgreifen« einer Bestie; im vorliegenden Fall handelt es sich um die Befreiung des Esels, der die Dummheit der Juden und Christen versinnbildlicht. Dieser Spaccio steht in einem dialektischen Verhältnis zur re-ligio, dem Wieder-Anbinden. Er verkehrt damit die christliche exegetische Tradition in ihr Gegenteil, die das Losbinden des Esels als Erlösung von der Fessel des Unglaubens sah; vgl. Origenes: In Numeros homiliae (1999), lib. 14, cap. 4, AbS. 2, S. 180 f. und Einleitung. 108 Vgl. Gal 4,26. 109 Hebr 12,22; Offb 3,12. Ambrosius bezeichnet Christus als einen mysti-

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cus vector (»mystischen Reiter«), der die Verlockungen des Fleisches zähmt und den Geist in die richtige Richtung führt; vgl. Ambrosius: Expositio in Evangelii secundum Lucam (1978), lib. 9, cap. 9, S. 368. Auch diese Passage der Deklamation ist ironisch gemeint: den allseits disziplinierten und gegängelten Gläubigen wird der Einzug in das himmlische Jerusalem versprochen, so wie jenem Esel, auf dem Christus in diese Stadt Einzug hielt. Die Gläubigen sind wie jener (in Süditalien sprichwörtliche) »Esel, der den Wein trägt und Wasser trinkt«. Demzufolge sind sie nützliche Idioten, die (wie wir aus dem Spaccio wissen) einem betrügerischen Erlöser zum Triumph verhelfen, ohne dabei selbst etwas anderes als Lasten und Mühe zu ernten. 110 Diese Stelle hat Anklänge an Cusanus: Docta ignorantia (1964–67), lib. 3, cap. 11, Bd. I, S. 492 ff. Brunos letztes Wort über die Ignoranz ist vielleicht Furori, DI, S. 975 »[…] l’ignoranza è madre della felicità e beatitudine sensuale; e questa medesima è l’orto del paradiso degli animali; come si fa chiaro nelli Dialoghi de la Cabala del Cavallo pegaseo.« 111 Die Passage hat Anklänge an bekannte Zitate aus den Evangelien; vgl. Mt 5,3; 19,14; Mk 10,14. 112 Mt 21,8. 113 Das ist für Bruno ein widernatürliches Verhalten, denn hier wird die Sorge um den Körper, der für ihn eine Einheit mit der Seele bildet, vernachlässigt (vgl. auch II/1). 114 Der Höhepunkt dieser homiletischen Parodie. Gleichzeitig stellt sich hier die (ernstzunehmende) Frage nach der Verformbarkeit des Menschen, seiner Wandlungsfähigkeit und der Ähnlichkeit mit den Tieren, die Bruno im folgenden (II/1) weiter beschäftigen wird. G. B. Pino: Ragionamento sovra de l’asino (1982), S. 43 hat eine interessante Parallelstelle, auf die sich Bruno scherzhaft beziehen könnte. 115 In Anlehnung an Mk 11,4; Bruno spielt hier auch auf die Thematik des folgenden Kyllenischen Esels an, der in die pythagoreische Akademie aufgenommen werden (»eintreten«) will. Interessant ist die Wortwahl; der Esel bleibt draußen »angebunden,« also in der religio, und wird nicht losgelassen (spacciato), vgl. Einleitung und Anm. 107 oben. 116 »Adam und Eva« 117 Im zweiten Teil des ersten Dialoges wird Bruno die Möglichkeit der Verwandlung von Menschen in Schlangen diskutieren, und deren physiologisch bedingte Implikationen für die uniforme, universelle Geistsubstanz, wenn diese sich mit verschiedenen materiellen Formen verbindet. 118 Gen 2–3. Diese positive Beschreibung der Zustände im Paradies steht in krassem Gegensatz zu Brunos negativer Bewertung des Goldenen Zeitalters im Spaccio, DI, S. 430–47. Als Periode der Muße läßt sie den Menschen

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eher vertieren als ihm die Möglichkeit zu geben, zu sich selbst zu kommen, indem er sich durch Gemeinschaften, Institutionen und Staatswesen organisiert. Vgl. Einleitung. 119 Vgl. hierzu die ersten Kapitel des Buches Exodus, bes. 6–7. Bruno war der Ansicht, daß die Ägypter eine den Juden überlegene Zivilisation hatten; dieses Thema wird in II/1 weiter diskutiert. 120 Für klassische Beschreibungen dieser sagenhaften Periode vgl. z. B. Lukrez: De rerum natura (1993), lib. 5, V. 925–87, S. 476–80; Ovid: Metamorphosen (1996), lib. 1, V. 89–112, S. 10 ff.; Spaccio, DI, S. 729–730 zitiert T. Tasso: Aminta (1962), I, 2, V. 656–81, S. 54 ff. 121 D. Erasmus: Moriae encomium (1979), S. 110. 122 Ebd., S. 82. 123 Jer 1,6.  Ebd. 125 1 Sam 26,21. 126 2 Sam 24,10. 127 Lk 23,34. 128 1 Sam 26, 21; 2 Chr 16,9. 129 Jes 44,18; Die gesamte Passage auch bei D. Erasmus: Moriae encomium (1979), S. 188. 130 Apg 2,15. 131 Anspielung auf das Pfingstwunder. Vgl. Apg 2,1–15. 132 2 Kor 12,2–4. Thomas von Aquin: Summa Theologiae (1952–56), Prima Secundae, Q. 175, Art. 3–6, Bd. III, S. 762–66. D. Erasmus: Moriae encomium (1979), S.193 f.; Sigillus, OL II/2, S. 191. 133 Apg 7,55. 134 1 Kor 2,7. 135 1 Kor 1,18; für die gesamte Passage siehe (wiederum) D. Erasmus, Moriae encomium (1979), S.186 ff. Bruno zelebriert hier nochmals den Zusammenhang zwischen Christentum und Dummheit. 136 Mt 23,37. 137 Mt 26,31. 138 Joh 10,1–16. 139 Mt 18,3. 140 1 Kor 1,27. 141 Mt 21,2. 142 Siehe unten S. 199 und Anm. 105. 143 Mt 20,1–16. Zur Thematik des Gleichnisses vom Weinberg des Herren Lk 14, 15–16 in der Polemik der Reformation vgl. die anregende Darstellung von H. Belting: Das echte Bild (2005), S. 205–9.

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144 Hebr 4,3. 145 Bruno wird diese Themen im ersten Teil des zweiten Dialoges weiter

ausführen. Zur Rolle des Verstandes und der Imagination vgl. auch Furori, DI, S. 1003 f. 146 Wie schon im Spaccio, DI, S. 623–625, attackiert Bruno hier das Christentum Paulinischer Prägung und die Prädestinationslehre der Reformatoren, der zufolge das Heil weder durch Wissen noch durch Taten, sondern lediglich durch den Glauben (sola fide) zu erlangen wäre. Vgl. Röm 3,28; 9, 32; Gal 2,15–16; Hebr 10, 38; Hab 2,4. 147 Siehe oben, »das Buch der Ewigkeit«. Hier ist wieder eine Parallele zum Kyllenischen Esel erkennbar, der sich in die pythagoreische Akademie einschreiben lassen will. 148 Topischer Schlußsatz einer Predigt. 149 Das Sonett faßt zentrale Aspekte der Deklamation in bezug auf die Christen zusammen. Die erste Hälfte ist eine sehr freie Wiedergabe von Mt 21,1–3, wo vom Einzug des Erlösers nach Jerusalem berichtet wird. 150 Die hochgezogenen Augenbrauen sind bei Bruno ein topisches Epitheton der Pedanten; wie schon im Spaccio, DI, S. 552, werden sie hier mit den Christen verglichen. 151 Bruno interpoliert hier in den Evangelientext den Hinweis auf die ecclesia triumphans: Als Eselin ist sie in Brunos Perspektive wohl eine bestia triumphans, eine triumphierende Bestie. 152 Der Ausdruck ist (offensichtlich mit Absicht) zweideutig: Contubernium bedeutet im Lateinischen »Zeltgenossenschaft [militärisch]«, aber auch »wilde Ehe«. Wieder spielt Bruno auf den sprichwörtlichen »Esel, der den Wein trägt und Wasser trinkt«, an. Die Erwähnung der Gemeinschaft mit den himmlischen Heerscharen liest sich auch als Anspielung auf den Mythos von der Götterkavalkade in Platons Phaidros (siehe Einleitung).

Erster Dialog (S. 42–102) 1 Zu den Charakteren vgl. Einleitung. Saulino kommt bereits im Spaccio

vor, wo er sich mit Sofia unterhält. Möglicherweise wollte Bruno mit dieser Figur an einen Verwandten seiner Mutter, an Andrea Savolino aus Nola, erinnern. Vgl. V. Spampanato: Vita di Giordano Bruno (1921), S. 49 und S. 64. 2 Vgl. Aristoteles: Topica, lib. 6, cap. 2, 139b–140a. Eine deutliche Warnung an den Leser: Bruno will offensichtlich nicht alles, was hier gesagt wird, für bare Münze genommen wissen. Er bringt zudem Saulino, den »kleinen

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Saulus«, offenbar in Verbindung mit Saulus, der zum Apostel Paulus wurde (siehe Einleitung). 3 [fuco] Saulino versteht hier das lateinische Wort fucus (»Schminke, Betrug«) als das italienische fuco (»Müßiggänger, Possenreißer«). 4 Eines der bei Bruno typischen Wortgefechte mit einem Pedanten. Allerdings übernimmt bei ihm sonst eher der skeptische Amateur (in unserem Fall wäre das Sebasto) die Aufgabe solcher Verunglimpfung steriler Gelehrtenkultur; vgl. z. B. auch Causa, BW III, S. 182–192 und Einleitung. 5 Bruno signalisiert hier, daß die Cabala direkt an den Spaccio anschließt: Jupiter ersetzte dort die klassischen Tierkreiszeichen durch Tugenden (vgl. Spaccio, DI, S. 562–570). Sofia hatte Saulino dann durch die solcherart reformierten Regionen (die »Sitze und Orte« des Himmels) geführt. 6 Bruno betont hier nochmals den fragmentarischen Charakter des Folgenden. Daß Saulino behauptet, nur einen geringen Teil von Sofias Erzählungen im Gedächtnis behalten zu haben, ist allerdings befremdlich: Es signalisiert, daß er die Lehre dieser Personifikation der Weisheit vergessen hat. Er verbindet dabei in bemerkenswerter Weise die Reform des Himmels im Spaccio (die Umverteilung der Orte) mit einer Anspielung auf die klassische Gedächtniskunst. Hier ging es darum, sich bestimmte loci und imagines (Orte und Bilder) im Gedächtnis einzuprägen, um dann, in einem weiteren Schritt, die zu merkenden Inhalte mit dieser räumlichen und visuellen Struktur in Verbindung zu bringen (vgl. Einleitung). Offensichtlich handelt es sich zudem um eine (ironische) Anspielung auf Platons Meno und die Anamnesislehre (welche Bruno in II/3 attackiert). Vgl. auch Einleitung. 7 Sebasto markiert den brisanten Inhalt der Cabala, der den viel umfangreicheren Spaccio als geradezu langweilig und nebensächlich erscheinen läßt. Wie im folgenden klar wird, blieben im Spaccio die Sitze des Großen Bären und des Flusses Eridanus vakant. 8 Zu diesen Unterscheidungen vgl. Thomas von Aquin: Summa Theologiae (1952–56), Prima pars, Q. 78, Art. 4, Bd. I, S. 380 f. 9 An zwei Stellen im Spaccio erwähnt Bruno den imaginären Charakter dieses Flusses (DI, S. 568 und 808). Es ist daher interessant, daß an diesen Un-Ort nicht das abstrakte, sondern das konkrete Eseltum versetzt wird. Hier handelt es sich vielleicht um eine Anspielung darauf, daß das Sakrament der Eucharistie überflüssig ist. Vgl. N. Tirinnanzi: in DF, S.1285, Anm. 449 f. 10 Vgl. Hyginus: Astronomia (1992), lib. 2, cap. 23, S. 68 und lib. 3, cap. 22, S. 111. Dieser Autor erwähnt zwei Sterne im Zeichen des Krebses, die Esel genannt werden. Bereits im Spaccio, DI, S. 602–3 und S. 816 betonte Bruno

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die Bedeutung dieser beiden Sterne und kündigte deren genauere Beschreibung an. 11 Vergil: Aeneis (1994), lib. 6, V. 258, S. 236. 12 Bruno bezieht sich hier auf das 23. Kapitel der sogenannten Hieroglyphica des Horapollo, einen kurzen spätantiken Text, der (unrichtige) Übersetzungen ägyptischer Hieroglyphen vermittelte und im 15. und 16. Jh. enorm populär war. Zu diesem Text vgl. G. Boas: Einleitung zu Horapollo, Hieroglyphics (1993), S. 1–40 und S. 58 für die Übersetzung dieser Passage sowie J. Valeriano, Hieroglyphica (1556), fol. 87 r-v. Vgl. auch Imaginum, OL, II/3, S. 110, wo Bruno betont, daß der Eselskopf in der Hieroglyphenschrift die Unwissenheit (und nicht die Weisheit!) repräsentiert. 13 Sebasto, die Stimme der Vernunft, verstärkt Coribantes Einwände gegen die von Saulino postulierte Affinität von Dummheit (Eseltum) und Weisheit. 14 Saulino beginnt gleich mit einem Paulus-Zitat (vgl. 1 Kor 1,18–25). Die hier von ihm verwendeten Argumentationsformen sind durchaus untypisch für Brunos Philosophie, denn normalerweise hält der Nolaner mit seinen provokanten Thesen nicht hinterm Berg, wie etwa in der Cena. Auch im folgenden wird Saulino eher mit Autoritären als mit Argumenten operieren, um die Glaubwürdigkeit seiner Dummheitslehre zu beweisen, eine Verfahrensweise, die Bruno mißbilligt. Er polemisiert hier offensichtlich gegen die zahlreichen Schriften des Nikolaus von Kues, die Titel wie Docta ignorantia oder Idiota de mente tragen. 15 Die Ironie der Passage ist offensichtlich, denn in Brunos unendlichem Universum sind alle Dinge unwiederholbar. Daher konnte auch niemand zuvor so wie Saulino sprechen. In einer interessanten Parallelstelle im Candelaio I, 8, OC I, S. 87 sagt der Maler Gioanbernardo, daß er noch niemals so ein Portrait gemalt hat wie am heutigen Tage und dieses Werk auch nicht in genau derselben Weise wird wiederholen können. 16 Lynkeus war der Legende nach fähig, durch die Dinge zu blicken. Vgl. Hyginus: Fabulae (1993), lib. 14, AbS. 12 f., S. 26 f. Bruno erwähnt diesen Heroen mit Röntgenblick auch in Immenso, OL I/1, S. 336. 17 Die (sprichwörtlichen) Argusaugen waren über den ganzen Köper des Monsters verteilt. Vgl. Ovid: Metamorphosen (1996), lib. 1, V. 625 f., S. 36. 18 2 Kor 12,2–4. Schabernack am Rande: Im geozentrischen Weltbild ist Venus die Göttin des Dritten Himmels; zu dieser Göttin vgl. auch Spaccio, DI, S. 587, und S. 590–591; Cantus, OL II/1, S. 191. 19 En-sof nennen Kabbalisten das unerkennbare göttliche Prinzip, welches die gesamte Schöpfung transzendiert. Bezeichnenderweise zitiert Bruno hier und im folgenden einige Seiten aus Agrippa von Nettesheim: De occulta

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philosophia (1991), lib. 3, cap. 10, S. 424–7, in denen dieser und sämtliche andere unten erwähnten kabbalistischen Begriffe erklärt werden. In Monade, OL I/2, S. 462 führt Bruno sie auch als (fiktive) Ordnungsprinzipien ein, wo er den Sephirot andere Begriffe als in der Cabala zuschreibt; vgl. auch Magia mathematica, OM S. 44 ff. Ein tiefergehendes Interesse Brunos für Kabbalistik läßt sich aus dieser Textpassage wohl nicht ableiten (vgl. auch Einleitung). Mit ihren Anspielungen auf das Paulinische Christentum trägt dieser Bericht von den jüdischen Mysterien vielmehr eindeutig satirische Züge; sie erinnert an den Auftritt des Scharlatans Scaramuré im Candelaio I, 11, OC I, S. 97 ff., der ebenfalls einfach eine kurze Passage aus Albertus Magnus Schrift De Mineralibus zitiert, um sich damit als großer Magier zu gerieren. 20 2 Kor 12,4. Die gesamte Passage erinnert an den Predigtstil der Deklamation. Bruno bringt hier nochmals die Kabbalisten mit dem verhaßten Paulinischen Christentum in Verbindung. 21 Im geozentrischen Kosmos erzeugen diese himmlischen Räder – rotae coelestes – alle natürlichen Phänomene. Vgl. etwa M. Ficino: Theologia Platonica (2001–6), lib. 13, cap. 2, Bd. IV, S. 148; vgl. auch Magia mathematica, OM, S. 46 und Einleitung. 22 Ijob 40,15. 23 2 Kön 1,2–6; Mt 10,25 und 12, 24–28; Mk 3,22. 24 Ijob 40,5. 25 Ijob 1,6. 26 In der Zählung von der Erde aus gesehen, in der Firmamentsphäre, die auf den Saturn folgt. 27 Vgl. Origenes: Contra Celsum (1968), lib. 3, cap. 21, S. 48–51. 28 Horaz: Ars poetica (1993), V. 139, S. 548. Liest man diese Stelle bei Horaz im Kontext, dann meint Coribante, daß Saulino einen fulminaten Redebeginn jämmerlich fortgeführt hat; daß er somit unfähig ist, eine Ansammlung von Fragmenten zu einem organischen Ganzen zu verbinden (vgl. S. XV f., 141, 151). 29 Zu dieser Genügsamkeit (um nicht zu sagen: Geschmacklosigkeit) der Esel, siehe Lucilius: Satirae (1991), Fragm. 1299, Bd. III, S. 126: »similem habent labra lactucam asino carduos comedente.« Bruno konnte sich bei dieser für sein Argument zentralen Identifikation von jüdischer Geheimlehre, Weisheit und genügsamem Eseltum auf zwei Autoren beziehen: Agrippa von Nettesheim: De vanitate (1608), cap. 102, S. 241 f. und J. Valeriano: Hieroglyphica (1556), lib. 12, fol. 91r. Bereits bei Agrippa ist die antisemitische Tendenz eindeutig; Bruno erweitert sie zu einer antichristlichen Polemik. Saulinos Lobrede auf die Tugenden des Esels ist zumindest zweideutig: denn obwohl für Bruno harte Arbeit und die Fähigkeit zum Ertragen körperlicher Unbill mit

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Sicherheit Tugenden sind, so ist der Mangel an Unterscheidungskraft eindeutig negativ zu beurteilen (vgl. Einleitung). 30 Dieser Passus ist von zentraler Bedeutung für Brunos Religionsphilosophie, denn hier lassen sich die folgenden Postulate ableiten: Der Kult der Bilder ist historisch bedingt und kann (zumindest bis zu einem gewissen Grad), auch gewaltsam manipuliert werden. Religionen tendieren dazu, ihre Entstehungsgeschichten zu verschleiern, indem sie die politischen Dimensionen ihrer Macht ausklammern. Die folgende Erzählung übernimmt wieder Passagen aus J. Valeriano, Hieroglyphica (1556), lib. 12 fol. 90v. Siehe auch Plutarch: De iside et osiride (1970), cap. 31, S. 166. 31 Vgl. Monade, OL I/2, S. 462. 32 Vgl. auch Cantus, OL II, 1, S. 189 und Agrippa von Nettesheim: De occulta philosophia (1991), lib. 1, cap. 25, S. 137. 33 Vgl. Spaccio, DI, S. 799–800; Tertullian: Ad nationes (1968), lib. 1, cap. 11, S. 92–95 und den Kommentarteil ebd. S. 240 ff. mit Literaturhinweisen. 34 Bruno übernimmt hier antisemitische Polemik aus der Antike, wie sie sich in Tacitus: Historiae (1984), lib. 5, cap. 2–5, S. 512–18 und Flavius Josephus: Ad Apionem (1976), lib. 2, cap. 112, S. 336 ff. findet. Zur Thematik des Eselskultes im Judentum vgl. auch W. Deonna: Laus asini (1957), S. 623–26; G. B. Pino: Ragionamento sovra de l’asino (1982), S. 112 wiederholt diese rassistischen Stereotypen; vgl. auch S. L. Sondergard: Einleitung zu Giordano Bruno, The cabala of pegasus (2002), S. XXXVII, Anm. 23; A. Ingegno: Polemica anticristiana (1973), S. 16 f. Interessanter Weise bestreitet J. Valeriano; Hieroglyphica (1556), lib. 12, fol 90r., daß die Juden einen Eselskopf verehrt hätten. Die Weigerung, sich mit anderen Völkern zu vermischen, scheint für Bruno der negativste Aspekt des Judentums zu sein; wahrscheinlich, weil es damit dem Gesetz der kontinuierlichen Veränderung aller Dinge widerspricht. Für eine mnemonische Visualisierung des mit Saturn einhergehenden Elends (tristitiae spectrum) vgl. Imaginum, OL II/3, S. 213 f. Gleichzeitig bleibt Saturn in der zeitgenössischen Kultur eine zutiefst ambivalente Planetengottheit, weil er nicht nur die hier von Bruno skizzierten negativen Eigenschaften verleiht, sondern auch ingenium und die allgemeine Fähigkeit zu intellektueller Kontemplation. Zu negativen Eigenschaften des Saturn vgl. z. B. Agrippa von Nettesheim: De occulta philosophia (1991), lib. 3, cap. 63, S. 592 f. M. Ficino: Theologia Platonica (2001–6), lib. 13, cap. 4, Bd. IV, S. 192 ff. beschreibt die Verbindungen dieses Planeten zur Hexerei, wohingegen Ficino, ebd., lib. 14, cap. 10, Bd. IV, S. 306 f. das Naheverhältnis der Genies zu Saturn hervorhebt. 35 Dieser Einwand Saulinos ist außerordentlich zweideutig, vor allem wenn man ihn mit zwei vieldiskutierten Passagen aus der Poetik 1460a des

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Aristoteles in Verbindung bringt: »Man muß das Unmögliche, das wahrscheinlich ist, dem Möglichen vorziehen, das unglaubhaft ist.« Übers. in: Aristoteles: Von der Dichtkunst (1983), S. 429 »[...] denn es ist wahrscheinlich, daß vieles auch gegen die Wahrscheinlichkeit geschieht.« (1456a, Übers. ebd., S. 417). 36 Saulinos Aussagen stehen in deutlichem Widerspruch zur antichristlichen und antisemitischen Polemik, welche die gesamte Cabala charakterisiert. 37 Es ist bezeichnend, daß Saulino seine Einwände nicht weiter begründet. Das gilt auch für die folgende Passage, in der er keine rationalen Argumente zur Untermauerung seiner Thesen vorbringt, sondern sich auf die Autorität von Bibelstellen beruft. 38 Sebasto bringt hier die Dinge auf den Punkt, indem er nochmals feststellt, daß der Eselskult den Ägyptern vom Perserkönig Ochus aufgezwungen worden war und daher Religion politisch motiviert und kontingent ist. Was unpassend für die von Bruno geschätzten Ägypter war, muß allerdings nicht unbedingt falsch für die verhaßten Juden und Christen sein. Denn ihrem Temperament entspricht der Kult des Esels. 39 Vgl., auch für das Folgende, Gen 49,1–27. 40 Gen 49,14–5. Hier und im folgenden verfällt Saulino in den Predigtstil der Deklamation. 41 Num 24,2. 42 Gen 22, 17. 43 Spaccio, DI, S. 788–9. 44 Num 22,22. 45 Num 22,28. 46 Wie schon in der Deklamation gibt Bruno hier eine klar ironische und noch umfangreichere Darstellung der Geschichte von Balaam. Sie stellt in der anagogischen Bibelinterpretation das alttestamentarische Gegenstück zum Einzug Christi nach Jerusalem dar. Bruno will hier nochmals die Verbindung zwischen Judentum und dem verachtenswerten Eselskult unterstreichen. Vgl. auch Einleitung. 47 Wie ein richtiger Schulmeister wendet Coribante hier die scholastische Unterscheidung zwischen der ideellen, der realen und der mentalen Ebene der Konzepte auf das Eseltum an. Diese Aufzählung verstärkt die Ironie des ganzen Abschnittes. Vgl. Magia, OM, S. 338. 48 Coribante bezeichnet Saulino hier indirekt als Erz-Pedanten; die Phrase findet sich auch im Candelaio, III, 12, OC I, S. 205 und gehört zu den topischen Redewendungen des Schulmeisters auf der Renaissance-Bühne. 49 Saulino postuliert die Existenz des Esels in der Welt der platonischen

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Ideen, und zwar aufgrund der geradezu kosmischen Wichtigkeit dieses Tieres. Es ist nicht nur in den (materiellen) Sternen verewigt, sondern die von ihm versinnbildlichte Dummheit existiert auch im Reich der überhimmlischen Ideen. In diesen paradoxalen Aussagen beginnt Bruno, seine Kritik an der Platonischen Ideenlehre zu formulieren (s. u., II/3 und Einleitung). 50 Aristoteles, Meteorologica, lib. 1, cap. 2, 339a 22–3. Das ist eindeutig zuviel des Beifalls von einem Pedanten für Saulinos Esels-Weltmodelle. Coribante überträgt die von Saulino aus platonischer Sicht getätigten Aussagen auf die aristotelische Naturphilosophie. Bruno widerspricht solchen Theorien heftig, und die Meteorologica ist ihm als Fundament des geozentrischen Weltbildes ein durchweg verhaßter Text, wie auch in II/2 klar wird. Die feine Ironie am Rande: Offensichtlich reichen Saulinos Scheinargumente aus, den geistig minderbemittelten aristotelischen Schulmeister zu überzeugen. Sebasto wird die Dinge gleich auf den Punkt bringen. 51 Sebasto übersetzt »Ampullas et sesquipedalia verba« aus Horaz: Ars poetica (1993), V. 95–8, S. 546 ins Italienische. Er will damit andeuten, daß diese Kosmologien Hirngespinste sind. 52 [Altitonante] Ein Epitheton Jupiters, das Bruno gerne zur Charakterisierung der hochtrabenden Sprache der Pedanten verwendet. Vgl. z. B. Cena, DI, S. 46, C 36; und Infinito, BW IV, S. 200 für eine Parallelstelle. 53 Vgl. Thomas von Aquin: Summa Theologiae (1952–56), Prima Pars, Q. 84, Art. 7; Bd. I, S. 414 f.; ebd., Q. 85, Art. 1 f., S. 416–19; ebd., Q. 89, Art. 4, S. 439. 54 Wie aus einem Vergleich mit dem Spaccio klar wird, spricht Bruno hier vom himmlischen Sitz der Wahrheit. 55 Also dort, wo das konkrete Eseltum seinen himmlischen Platz gefunden hat. Vgl. Spaccio, DI, S. 809. 6 Gemeinsam mit Coribante psalmodiert Saulino über die Genera des Esels. Siehe auch Spaccio, DI, S. 646, wo Bruno allerdings betont, daß dieser höchsten Wahrheit nichts anderes zur Seite steht. Dort ist die irdische Weisheit die prudentia, die von der archetypischen providentia abhängt. Jener steht die Dialektik und die Metaphysik zur Seite, während die Dummheit, Trägheit und die Unbesonnenheit die Feinde der prudentia sind (vgl. ebd., DI 648). Saulino beschreibt in dieser Passage auch die Begrenztheit menschlicher Wissenschaft und das daraus folgende Näheverhältnis von Wissen und Dummheit. Denn um Erkenntnis zu gewinnen, sind wir stets auf potentiell täuschende Bilder angewiesen und haben daher auch keinen Zugang zur göttlichen, absoluten Wahrheit. (In II/3 wird Bruno diese Aussagen als Strategie der skeptischen Philosophen verurteilen.) Zur Funk-

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tion der species intelligibilis, mit der die Abstraktionsleistung des Intellekts in der scholastischen Philosophie erklärt wurde, vgl. L. Spruit: Il problema della conscenza (1988), S. 300–316 und ders.: Spezies intelligibilis (1995), S. 203–13. Der »körperliche Himmel«, der unsere Gehirne astrologisch beeinflußt, verleitet die Menschen zu irrationalen Taten und bindet sie damit in den Kreislauf der Natur ein. Diese hier von Bruno skizzierten Vorstellungen tauchen in der zeitgenössischen Debatte über die menschliche Willensfreiheit und den astrologischen Determinismus häufig auf. Für Bruno (als elitärem Denker) war offensichtlich klar, daß die Mehrheit der Menschen eher den Tieren zugerechnet werden muß. Der letzte Satz in obiger Passage deutet an, daß die Menschen dieser Verkörperung in keiner Weise entgehen können. Darauf weisen auch die folgenden Aussagen Sebastos hin. 57 Vgl. Aristoteles: Physik, lib. 5, cap.1, 224b; ders.: Topik, lib. 4, 124ab. Es ist bemerkenswert, daß sowohl Saulino als auch Sebasto hier aristotelische Argumentationsformen verwenden. 58 Vgl. Augustinus: Contra academicos (1970), lib. 3, cap. 4, S. 40: »Quare illi [sc. Academici] sapientem nihil scire affirmant.« In II/3 wird diese Argumentation auf das heftigste angegriffen (vgl. auch Einleitung). 59 Saulino beschreibt hier in verkehrter Weise den Umschlag von Unwissenheit in Wissen. Dieser ist zwar auch für Brunos Philosophie der kontinuierlichen vicissitudo von fundamentaler Bedeutung, er wird aber nicht von der Unwissenheit verursacht. Sebastos folgende Antwort ist ein deutlicher Hinweis auf die Ironie, die hier mit im Spiel ist. 60 In Anlehnung an Vergil: Aeneis (1994), lib. 6, V. 129 f., S. 228. vgl. Candelaio III, 7, OC I, S. 177, wo diese Phrase allerdings dem Pedanten Mamfurio in den Mund gelegt wird. Bruno spielt auf die Intellekttheorie des Averroes an, die er in II/1 näher behandeln wird. 61 Vgl. Platon, Leges, 863 c; Thomas von Aquin: Summa Theologiae (1952– 56), Prima secundae, Q. 76, Art. 2, Bd. II, S. 351 f.; Cena, DI, S. 45–46; Summa, OL I/4, S.112. In Furori, DI, S. 942 f. verurteilt Bruno jene Menschen, die über ihre Ignoranz Bescheid wissen und daher »an den Toren, von denen das Licht ausgeht, bleiben«, während die gänzlich Unwissenden selbst von diesen Pforten der Weisheit weit entfernt sind: In diese Gruppe fallen die Pedanten. Diese Topographie der Ignoranz steht im Widerspruch zum oben von Saulino entwickelten Schematismus, demzufolge Weisheit und Unwissen dicht beieinander liegen. 62 Für Bruno die verachtenswerteste Kategorie der Dummheit. 63 Bruno meint hier wohl nicht in erster Linie die Skeptiker der klassischen Antike, sondern Renaissancephilosophen wie Gianfrancesco Pico della

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Mirandola, die mit Hilfe skeptischer Argumentationsformen alle Wissenschaft zerstören und sich nur mehr dem reinen christlichen Glauben zuwenden wollten. (Siehe Einleitung) 64 Bruno attackiert hier wiederum das Christentum Paulinischer Prägung. 65 Offb 3,12; Hebr 12,22. 66 Offb 19,11; 1 Kor 13,12. 67 Also die dummen Christen; Bruno nimmt hier die Polemik aus der Deklamation wieder auf, der zufolge die Gläubigen zu Eseln werden müssen, um ins Himmlische Jerusalem zu gelangen. Vgl. auch Ps 73,22–28 und Origenes: In Lucam homiliae (1930), cap. 37, S. 217–21. Bruno attackiert gleichzeitig eine Passage aus M. Luther: De servo arbitrio (1908), S. 635. Hier wird die Prädestinationslehre mit der Metapher des »Aufreitens« illustriert, mit einem Bild also, das (zumindest aus Brunos ironischer Sicht) auch sexuelle Konnotationen haben kann. Wieder ist der Esel das Tier, »das den Wein trägt und Wasser trinkt«. Die ganze Erzählung ist im übrigen ein Vexierbild der Darstellung der göttlichen Kavalkade in Platons Phaidros, der die Menschen beim Aufstieg in den Himmel als Lenker zweispänniger Wagen (und eben gerade nicht als Lasttiere) beschreibt (vgl. auch Einleitung). 68 Die Ironie ist offensichtlich: Sebasto unterstreicht hier nochmals die religiösen Implikationen dieser gefährlichen Art der Unwissenheit. 69 Zu Brunos Einstellung zur negativen Theologie, die er explizit mit Pythagoras und dem Schweigen (nicht aber mit der Dummheit!) in Verbindung bringt, vgl. die durchaus ironisch klingenden Passagen in Sigillus, OL II/2, S. 172 und Furori, DI, S. 1164. 70 Bruno zählt hier einige antike skeptische Schulen auf: Die Pyrrhoniker zweifelten alles an, die Ephetiker (Zauderer) streben nach einer völligen Urteilsenthaltung. Siehe auch II/3 und Cena, DI, S. 45–6. 71 Der Apostel Paulus. 72 Bruno greift hier das Paulinische Christentum direkt an, vor allem mit Bezug auf 1 Kor 1,17–25. 73 Bruno spielt hier wohl auf »Buridans Esel« an, ein Gleichnis, daß die Unfreiheit des Willens bestätigen soll: Das Tier in der Mitte zwischen zwei Heubündeln kann sich nicht entscheiden, aus welchem es fressen soll, und stirbt daher Hungers. 74 Bruno entwickelt hier »Eselsbrücken« im wahrsten Sinnen des Wortes: mnemonisch verwertbare Visualisierungen der verschiedenen Arten der Dummheit, die er auch gleich in einen lullischen Baum der Unwissenheit integriert (vgl. Einleitung). 75 Wiederum in Anspielung auf Mt 21,1–11. Diese Passage ist als anti-

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christliche Polemik zu lesen, nicht als Loblied auf die Unwissenheit; vgl. auch Furori, DI, S. 975, wo Bruno die Ignoranz als das Paradies der Tiere bezeichnet. 76 Saulino veranschaulicht in diesem Abschnitt noch einmal das vorher Gesagte in einem lullischen Baum des (Un-) Wissens. Wie drei Zweige lassen sich mystische kabbalistische Theologie, Skepsis und Paulinisches Christentum auf den Stamm des himmlischen Eseltums, der Dummheit, zurückführen. Diese versucht von dort oben ihren wahrhaft bestialischen Einfluß auf die gesamte Menschheit auszudehnen. Wie schon im Cantus Circeus konstruiert Bruno hier einen auf negativen Eigenschaften basierenden Gedächtnisbaum, eine Universalkombinatorik der Dummheit (siehe Einleitung). 77 Coribante zeigt sich von Saulinos Scheinargumenten überlistet und zum Eseltum bekehrt: Der Pedant erkennt nicht einmal mehr, (omnia vicissitudo), daß Saulino hier keinesfalls im Sinne der aristotelischen Syllogistik verfährt. Vgl. Einleitung. 78 Ganz anders als Coribante, der hier zusehends zum schwachsinnigen Pedanten mutiert, begreift Sebasto Saulinos Konstrukte als Überredungskünste, die den Schulmeister (und alle anderen Mittelmäßigen) zufriedenstellen. Sebasto versteht damit das hier von der docta ignorantia Gesagte (richtig) als sinistres Machtinstrument in den Händen religiöser Demagogen. 79 Sebasto zeigt sich durchaus einverstanden mit der Idee, Juden und Christen als Anhänger des Eselskultes zu bezeichnen. Daß hier auch die antiken Schulen des Skeptizismus einzuordnen wären, scheint ihm allerdings weniger einzuleuchten. Deren Verbindung zur Dummheit wird erst in II/3 näher erläutert. 80 In II/3 wird Saulino diese Erklärungen (nach einer kurzen Einführung) Onorio überlassen. 81 Natürliche Unwissenheit und Paulinische Ignoranz sind somit identisch und klar als Eselei erkennbar. 82 Gen 11,1–9. In der Genesis Erzählung verwirrt Gott den Menschen (11,7). Der Schöpfer verkörpert hier in Brunos Perspektive jene potentiell bösartige Gottheit, welche die Menschen von dem ihnen eigenen Weg abbringt. Diese Passage hat Anklänge an N. Cusanus: Docta ignorantia (1964– 67), lib 1, cap. 4, Bd. I, S. 204 ff. 83 In Anlehnung an Ps 17,45. 84 Das ist die klassische Dreiteilung der Seele, wie Aristoteles sie in De anima entwickelt; Bruno wird diese Psychologie in II/2 heftig attackieren. 85 Gen 3,22. 86 Siehe auch Imaginum OL II/3, S. 102. Diese Passage ist insofern von zentraler Bedeutung, als sie Brunos Verständnis vom Zusammenhang zwi-

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schen körperlicher Beschaffenheit und der Fähigkeit zum Erwerb von Wissen illustriert. Bruno modifiziert ein klassisches Theorem, demzufolge intellektuelle und vor allem moralische Verkümmerung den Menschen zum Tier degradieren. Er wird weiter unten näher ausführen, daß sich der Mensch vom Tier nur durch den unterschiedlichen Körperbau, nicht aber durch einen überlegenen Geist unterscheidet. Dies betrifft im besonderen die Hand, das Organ der Organe, und zwar gerade deshalb, weil sie zu transgressivem, außernatürlichem Handeln (also: zum Stehlen) befähigt und damit erst den Mensch zum Menschen macht. Vgl. Einleitung. 87 Bruno weitet hier die Polemik gegen die Unwissenheit auf die ministri verbi dei, den Klerus, aus. 88 [incotennuto] – von cotenna: »Rinde, Grasnarbe«. 89 [appositori] – »Vorgesetzes«. 90 Lk 14,11; 18,14. Ariosto liefert ein konkretes Bild für Brunos Polemik gegen die christliche Ethik der Demut; in Satire (2005), Sonnetto 7, V. 46–54, S. 113, schreibt er, daß der Mensch um so mehr zum Esel wird, je höher er auf dem Rad der Fortuna aufsteigt. Diese Stelle findet sich auch in G. B. Pino: Ragionamento sovra de l’asino (1982), S. 134. 91 Zur Geschichte der Begriffe des meritum de congruo bzw. meritum de condigno bei Thomas v. Aquin vgl. F. Meroi: Einleitung zu Cabala (2004), S. 35 ff. und ders.: Parva Cabala (2006), S. 54 ff. 92 Sebasto hat hier (wiederum) den sprichwörtlichen Esel, der Wein trägt und Wasser trinkt, im Sinn: Wieder ist Luthers De servo arbitrio Ziel der Polemik, denn auch hier ist nicht zu entscheiden, ob Gott oder Satan die Bestie reitet. Siehe auch Spaccio, DI, S. 793–96. 93 1 Kor 10,13. 94 Dionysius Aeropagita: Epistola 1, in: PG 3, Sp. 1066 ff. 95 Augustinus: Soliloquia, lib. 1, cap. 5, in: PL 32, Sp. 875. 96 (Wiederum) Mt 21,1–11. 97 In Anlehnung an Ps 147,10. Hier und im folgenden psalmodiert Saulino im Stil der Deklamation. 98 In Anlehnung an Mt 21,5. Nicht ohne Pikanterie ersetzt Bruno das originale subiugalis »lastbarer« (allerdings nicht: »lustbarer«) durch coniugalis, also »legitimer« Eselssohn. 99 Dies in pointiertem Gegensatz zu Spaccio, DI, S. 537–8. 100 Also waren alle die hier genannten Denker Riesenesel – mit entsprechenden Organen. Bemerkenswert ist, daß Bruno hier auch die Platoniker und Sokrates frontal angreift. Tatsächlich attackiert er in II/3 auch die platonische Anamnesislehre. Die hier getroffene Aussage, daß auch Sokrates ein Riesenesel war, relativiert die im kyllenischen Esel ostentativ positiv dargestell-

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ten Eigenschaften des Sokrates: Solches Lob kann im Licht der hier getroffenen Aussagen zumindest nicht gänzlich ernst genommen werden. 101 Dies kündigt die Seelenwanderung, das zentrale Thema des folgenden Dialoges, an. 102 Coribante zeigt sich hier als echter Schulmeister: Offensichtlich hält er sich für den Lehrer von Saulino und Sebasto.

Zweiter Dialog (S. 72–113) 1 Zu den Gesprächspartnern des ersten Dialoges gesellt sich nun Onorio,

(wohl eher vom griechischen onos, »Esel«, abgeleitet, als vom italienischen onore »Ehre«). Der Name liest sich weiterhin wie ein Anagramm für Orion, der im Spaccio mit Christus identifiziert wurde. Onorio behauptet, in einem vorigen Leben ein Esel gewesen zu sein und in der Folge Aristoteles und andere Philosophen verkörpert zu haben. Wie ein eselhafter Prometheus ist diese Figur daher eine physische Manifestation der bereits diskutierten Theoreme von der Vertierung des Menschen, nur in umgekehrter Hinsicht; denn Onorio wurde trickreich vom Tier zum Menschen und Gott. Vgl. Einleitung. 2 Coribante und Saulino verspäten sich und treten erst in II/2 auf. 3 Sebasto nimmt unmittelbar die Befragung des einstigen Esels auf. 4 [tirato il manganello] eigentlich: »am Prügelkran gezogen«. Schon dieser Einstiegssatz markiert, wie wenig das folgende ernst zu nehmen ist. 5 Hier besteht eine vage Ähnlichkeit mit L. Apuleius: Metamorphosen (1992), lib. 9, 32, S. 220.  Diese Aussage gewinnt weiter unten zentrale Bedeutung: Bruno geht davon aus, daß die Vernunft der Tiere qualitativ nicht vom menschlichen Intellekt unterschieden ist. Auch den Tieren wohnt daher ein (allerdings durch die körperliche Anlage begrenztes) Streben inne, die Grenzen der Natur zu überschreiten. Wie wir oben gesehen haben, bewertet Bruno diese Fähigkeit zu transgressivem Verhalten ausdrücklich positiv. 7 Die Vorstellung vom Körper als Gefängnis der Seele ist im Platonismus weit verbreitet. Siehe Platon: Kratylos, 40c; Phaidon 81d–e (wo auch von Menschen die Rede ist, die als Esel wiedergeboren werden); Plotin: Enneaden (1956–71), lib. 4, cap. 8, 3, Bd. 1a, S. 134 f.; A. T. Macrobius: Somnium Scipionis (1994), lib.1, cap. 10, S. 43. Das Bild findet sich aber auch in Vergil: Aeneis (1994), lib. 6, V. 730–34, S. 262. Die folgende Erzählung Onorios über seine Erlebnisse in der Unterwelt und seinen Aufstieg zu den Sternen kann auch als Parodie auf diesen Text gelesen werden (vgl. auch die folgende Anmerkung).

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8 Gemeint ist Lachesis, jene Göttin, die über die Wiedergeburten der Seele

wacht. Vgl. Platon, Republik 617d. 9 Eigentlich eine der Nereiden und Gattin Neptuns, hier: bezeichnenderweise jene Essenz, in die alle Geister zurückkehren. Siehe auch Furori, DI, S. 1125, Vinculis, OL III, S. 692, OM, S. 510, Lampas, OL III, S. 182 f., OM, S. 1314 ff. 10 Die menschliche Seele unterscheidet sich also nicht essentiell von jener der Tiere, denn alles ist Teil des infiniten Universums. Diese Theoreme von der Einheit von Geist und Materie hat Bruno bereits in Causa unter einer kosmologischen Perspektive näher ausgeführt. Siehe auch Magia naturale, OL III, S. 435. 11 Vergil: Aeneis (1994), lib. 6, V. 748–51, S. 262; Übers. ebd., S. 263; das Folgende liest sich wie eine Parodie der Erzählung Vergils von Aeneas Gang in die Unterwelt, in deren Verlauf der römische Dichter die pythagoreischplatonische Theorie der Metempsychose beschreibt, und die Art und Weise, in der die Seelen einen neuen Körper annehmen. Vgl. Vergil: Aeneis (1994), lib. 6, V. 713–51, S. 260 ff. Die Lehre von der universellen Beseelung aller Dinge, in der Renaissance besonders oft in magischen Kontexten zitiert, spielt schon bei Vergil eine zentrale Rolle. Vgl. ebd., V. 724–9, S. 260. Fraglich ist, ob Bruno je angenommen hat, daß der Mensch fähig wäre, sich so an frühere Existenzen zu erinnern, wie Onorio es im folgenden beschreiben wird. Im Spaccio, DI, S. 592 ist nämlich selbst Jupiter an seine Erscheinung im Hier und Jetzt gebunden, auch er entkommt daher nicht dem universellen Wandel, indem er sagt: »andiamo e non torniamo noi medesimi e […] non avemo memoria di quel che eravamo… .« Vgl. auch Spaccio, DI, S. 558–9; Minimo, OL I/3, S. 142 f. L. Firpo: Il processo di Giordano Bruno (1993), S. 285 und Einleitung. 12 Dem Elysium, mit Anklängen an Vergil: Aeneis (1994), lib. 6, V. 743 f., S. 262. 13 Vergil: Aeneis (1994), lib. 6, V. 713 ff., S. 260. Vgl. auch Einleitung. 14 [soprastanti] Brunos Wortwahl ist präzise: Das lateinische superstes bedeutet »Zeugen«, »die Umstehenden«, aber auch »jene, die ihren eigenen Tod überlebt haben«. 15 Vergil: Aeneis (1994), lib. 6, V. 893–96, S. 270. Vgl. auch Principiis, OL III, S. 550 f., OM, S. 678 f. 16 Nicht der Parnass (bei Delphi) ist hier gemeint, sondern der Musenberg Helikon (in Boöthien), denn hier befand sich die Pferdetränke Hippokrene. Der Legende nach ist sie einem Hufschlag des Pegasus entsprungen. Vgl. Ovid: Metamorphosen (1996), lib. 5, V. 256–63, S. 176; Candelaio (Antiprologo), OC I, S. 37 und ebd. II, 1, OC I, S. 125. In Brunos ironischer Formulie-

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rung ist diese »die cabbalinische/kabbalistische Quelle«. Der beschriebene Höhenflug des Esels hat eindeutig parodistische Untertöne, denn hier usurpiert ein Lasttier die Stelle des geflügelten Götterpferdes Pegasus. Beachtenswert ist wieder das Phänomen der Transgression: Wie einem tierischen Prometheus gelingt es dem hochstaplerischen Esel, sich in die Gesellschaft der Götter und später in die der Philosophen einzuschleichen. 17 [rimase vedovo] far vedovo wird schon im Candelaio, Proprolog OC I, S. 41 als Euphemismus für Diebstahl verwendet. Bruno zeigt hier in äußerst amüsanter Weise den wahren Charakter des schlauen Esels, der sich der Gaunersprache bedient, um zu beschreiben, wie er die intelligiblen Spezies entwendet. Die Vorstellung, daß sich die Erfahrungen aus verschiedenen Leben sozusagen kumulativ speichern ließen, ist eine Verkehrung der Platonischen Erzählungen vom Leben außerhalb des Körpergefängnisses. Macrobius etwa schreibt, daß die Seelen bei ihrem Abstieg in die Leibeswelt in verschiedenem Ausmaß der Erinnerung an die himmlischen Ideen beraubt werden (vgl. Einleitung). Im Gegensatz dazu sagt Onorio, daß er die irdischen Spezies sozusagen hier zusammenrafft und in die Himmelssphäre hinaufträgt: Wieder kommt hier seine Gier zum Ausdruck; sie ließ Onorio ja schon als Esel verunglücken, als er wegen einer leckeren Distel in den Abgrund stürzte. 18 In seiner gewohnt synthetischen Art parodiert Bruno hier offensichtlich Platons Mythos von der Götterkavalkade im Phaidros 246b–249 c; hier können sich die Menschen als Wagenlenker mit ihren (allerdings eher unverläßlichen) Pferden dem himmlischen Umschwung der Unsterblichen anschließen. Die Platonische Erzählung wird von M. Ficino: Phaedran charioteer (1981) umfänglich kommentiert. In Furori beschreibt Bruno diese Flügel als Allegorien von Intellekt und Willen. Es gilt, diese beiden psychischen Fakultäten zu reformieren, damit die Gottheit in uns erkennbar wird. Siehe dazu auch E. Canone: Il dorso e il grembo dell’eterno (2003), S. 94 f. und Einleitung. 19 Dieser antike Held tötete die Chimäre und versuchte auf Pegasus in den Himmel zu reiten; dabei wurde er bezeichnenderweise vom geflügelten Pferd abgeworfen. Pegasus, von seiner menschlichen Last befreit und im Himmel angekommen, wird hier zum Götterpferd erhoben und darf der Sage nach fortan Jupiters Blitze tragen (siehe auch Einleitung). Onorio ist also wiederum ein durchaus listiges Tier, das sich nicht verhält wie die guten Christen und daher auch seinen Reiter nicht brav ins Himmelreich trägt. 20 Zu diesen astronomischen Daten siehe Hyginus: Astronomia (1992), lib. 3, cap. 7, S. 99 f.; cap. 10, S. 101, cap. 16 f., S. 106 ff. und cap. 28, S. 115. Aratos: Phainomena (1971), V. 200–225, S. 16 ff. Bruno erwähnt das Sternbild des Pegasus auch im Spaccio, DI, S. 565; DI 754. Hier wird das Götterpferd durch

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den Furor, die Ekstase, die Hellseherei, den Eifer und das Ingenium ersetzt, da die kabbalinische Quelle schon viel zu lange von Ochsen, Schweinen und Eseln verwüstet wurde. 21 Zum Konzept der Metempsychose (ein Wort, das Bruno wohl absichtlich in eine Metamphysikose verändert, um die körperlichen Aspekte dieser Verwandlung zu betonen) vgl. Ovid: Metamorphosen (1996), lib. 15, V. 158–9, S. 562 ff.; vgl. auch: Diogenes Laertius: Vitae philosophorum (1990), lib. 8, cap. 4–5, S. 112 f. und cap.14, S. 117 f.; das folgende Zitat und Einleitung. Zu den Druiden vgl. Caesar: De bello gallico (1990), lib. 6, cap. 14, S. 278. 22 Ovid: Metamorphosen (1996), lib. 15, V. 167 f., S. 564. In diesen Versen der Metamorphosen erklärt Ovid die (auch für Brunos Philosophie) zentrale Idee des beständigen Wandels bei Erhaltung der Gesamtsubstanz. Es lohnt sich, diese in der Renaissance weithin bekannte, hier aber nur anzitierte Passage zu lesen, denn Sebastos folgende Frage wird dadurch leichter verständlich (ebd., V. 165–172): »Omnia mutatur, nihil interit: errat, et illinc/ huc venit, hinc illuc, et quoslibet occupat artus/ spiritus eque feris humana in corpora transit/ inque feras noster nec tempore deperit ullo;/ utque novis facilis signatur cera figuris,/ nec manet ut fuerat nec formas servat easdem,/ sed tamen ipsa eadem est: animam sic semper eandem/ esse, sed in varias doceo migrare figuras.« (»Alles wandelt sich, nichts vergeht. Es schweift unser Geist, kommt hierher von dort, von hier dorthin, und dieser und jener Glieder bemächtigt er sich, geht über aus Tieren in Menschenleiber und wieder in Tiere, und niemals geht er zugrunde. Wie das schmiegsame Wachs sich formt zu neuen Gebilden, so nicht bleibt, wie es war, die gleiche Gestalt nicht behält, und doch dasselbe verbleibt, so lehre ich, ist auch die Seele immer dieselbe, doch wandert sie stets in neue Gestalten.« Dt. Übs. ebd., S. 565) 23 Causa, BW III, S. 108–12. 24 Der der hier mit »Körperbau« übersetzte medizinische Begriff der complexio (griechisch krasis, Mischung), bezeichnet in der antiken Physiologie das Mischungsverhältnis der Körpersäfte, aus denen die Temperamente hervorgehen. Die complexio ist für die psycho-physische Konstitution des Individuums, seinen Körperbau (und mithin auch für Gesundheit und für Krankheit) verantwortlich. 25 Eine solche Transformation, allerdings von einem Esel in einen Menschen, beschreibt auch G. B. Pino: Ragionamento sovra de l’asino (1982), S. 65: » [...] or li cadan le code che si pendean da dietro, or li peli aspri si transfomavan in più sottil lana; la faccia lunga già se li rotondava; e le mani, che poco anzi l’eran servite per zampe, già si accorciavano un poco, e d’una unghia si fan cinque diti per mano […]. E finalmente trasformati in uomini, si veggono esserli caduta la scorza asinina dal dosso.«

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26 [inceppare]: Wieder verwendet Bruno eine biologische Metapher, um

den durch Organverlust bedingten physischen und, damit verbunden, den psychischen Rückschritt eines Individuums darzustellen. Interessanterweise kommt das mit ceppo (»Baumstumpf, Block, in den ein Gefangener gelegt wird, Knechtschaft«) verwandte Wort inceppare bereits in der Deklamation vor. Dort steht es für die freiwilige Vereselung, die Verhufung der Christenmenschen (inceppare la mano in unghia). Das Bild vom Baum eignet sich gut, um einerseits die Verwandtschaft aller Dinge zum Ausdruck zu bringen, andererseits aber auch, um die artspezifischen Unterschiede der organischen Körper im Blick zu halten. 27 Diese zentrale Passage der Cabala verwirklicht auf einer somatischen Ebene, was in der Deklamation von den gläubigen Christen gefordert wird: eine Rückentwicklung. Wieder betont Bruno die fließenden Grenzen zwischen allen Lebewesen. Die Verwandlung von Menschen in Tiere, wie sie wohl am eindrucksvollsten in der Circe-Episode der homerischen Odyssee dargestellt wird, diente schon Neuplatonikern wie Plotin als moralische Allegorie für den Absturz der Seele in den animalisch-physischen Bereich. Diese Konzepte werden im 15. Jh. unter anderem von Marsilio Ficino und Pico della Mirandola aufgegriffen, und zwar vor allem in der Absicht, den Menschen in den Mittelpunkt der Schöpfungshierarchie zu stellen und damit zu betonen, daß dieser stets zu allem werden könne, zum Tier wie zum Gott. Ficino brachte diesen Vorstellungskomplex mit der Einbildungskraft (phantasia) in Zusammenhang, welche den Menschen nach dem Tode, gewissermaßen als privates Inferno, und als Vergeltung für einen lästerlichen irdischen Lebenswandel strafen würde; vgl. M. Ficino: Theologia Platonica (2001-6), lib. 18, cap. 10, Bd. VI, S. 194–97. Für einen Menschen, der von Circe in eine Schlange verwandelt wurde und in dieser Gestalt mit Odysseus über Medizin diskutiert, siehe G. B. Gelli: La circe (1976), lib. 2, S. 318–25. Brunos Perspektive unterscheidet sich davon insofern, als er die Vorstellung von der Vertierung des Menschen keineswegs allegorisiert; sie dient ihm hier vielmehr dazu, die essentielle Gleichheit aller Lebewesen zu unterstreichen und die ursprünglich ethische Konzeption auf eine somatische Ebene zu übertragen. Der Mensch ist den Tieren also nicht per se (durch eine ihm eigene spirituelle Essenz) überlegen; wie alle anderen Lebewesen auch ist er vielmehr auf die Gaben und die Gunst der Fortuna angewiesen. Zu Brunos Antihumanismus siehe auch De minimo OL I/3, S. 209. Zum Verhältnis von Mensch und Tier siehe auch Lampas, OL III, S. 180 f., OM, S. 1308 ff. 28 In dieser Passage verbindet Bruno die Überlegungen zur Einheit von Geist und Materie mit der Eingangsmetapher der Cabala, dem Töpfer, der Gegenstände aus einer einheitlichen Masse, dem Lehm, formt. Auch seine indivi-

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duellen Fähigkeiten sind bedingt durch die variablen Spannungszustände, in welchen sich sowohl die zu bearbeitende Materie als auch der Körper des Artifex selbst befinden. Signifikanterweise wendet Bruno hier eine im Neuplatonismus topische Formulierung in ihr Gegenteil: nämlich, daß die Seele durch den »Ansturm der Materie« (A. T. Macrobius: Somnium Scipionis (1994), lib 1, Cap. 12, S. 49) trunken wird und so die Fähigkeit zu intellektueller Betrachtung verliere. Für Bruno ermöglicht der materielle Aspekt die Verwirklichung der über das infinite Universum verteilten »geistigen« Substanz, etwa in der hier beschriebenen Ausbildung bestimmter Organe. Das Wort instrumento, welches sowohl »Werkzeug« als auch »Organ« bedeuten kann, eignet sich hervorragend für die Konstruktion dieser Denkfigur. Die Trunkenheit der Seele wird im Neuplatonismus durch den Lethefluß, aus dem die Seelen in der Unterwelt trinken müssen, allegorisiert. Siehe Einleitung und die folgenden Anmerkungen. Der Begriff ingegno, welcher hier mit »Begabung« übersetzt wird, unterstreicht nicht die seelischen Potentiale, sondern die materiellen Bedingungen, jene Kontraktionen der Materie, die die praktischen Fähigkeiten des Individuums determinieren. Vgl. auch T. Dragon: Unité de l’être et dialectique (1999), S. 276 f. Zur zentralen Rolle der Organizität für Brunos Denken im allgemeinen siehe auch M. Ciliberto: Umbra profonda (1999), S. 281. 29 In Immenso, I/2, S. 61 bestätigt Bruno, daß manche Tiere dem Menschen überlegen sind. Diese Idee findet sich häufig im zeitgenössischen italienischen Naturalismus, etwa bei Della Porta, wenngleich dieser Autor zumindest de nomine zugibt, daß den Tieren der Intellekt fehlt; vgl. Magia naturalis (1650), lib. I, cap. 10, S. 25: »… nam etsi [sc. animales] intellectu carent, senisbus adeo vigent, ut longe humanos superent, eorum actionibus Medicinam, Agriculturam, Architecturam, Oeconomicam ac deinde scientias et artes fere omnes docent.« 30 Gen 3,1. Zu Brunos (negativer) Einstellung zu Moses vgl. S. Ricci: Lo spaccio della Cabala (2003), S. 247. 31 Bruno unterstreicht hier, daß die Menschen den Tieren nur durch die materiellen Gaben der Fortuna überlegen sind; diese werden, wie wir aus dem Spaccio, DI, S. 690–92 wissen, von der blinden Göttin nach dem Zufallsprinzip vergeben. 32 Da also kein essentieller Unterschied zwischen Menschen- und Tierseele besteht, müssen sich die Lebewesen durch ihre physische Form und die Handlungsmöglichkeiten, welche sich durch die verschieden ausgeformten Organe ergeben, differenzieren. Bruno kommt zu dem Schluß, daß der größte Intellekt ohne die passenden Werkzeuge nutzlos bleibt, und zwar vor allem deshalb, weil er sich nicht in grundlegenden zivilisatorischen Errungenschaften umsetzen läßt. Jene Menschen, die ihre Hände freiwillig in den Block der

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Eselshufe spannen, wie es die Juden, die Christen und die Skeptiker tun, gefährden also das friedliche Zusammenleben und die Zivilisation insgesamt. Es ist instruktiv, diese Passage im Zusammenhang mit Brunos Lob für die Ideale des römischen Imperiums im Spaccio, DI, S. 659–60 zu lesen, die ihm auch in der Cabala ein politisches Vorbild sind. Vgl. Einleitung. 33 Diese Aussage ist schon in Aristoteles: De anima lib. II, cap. 8, 432a zu finden. Hier ist die Hand allerdings das Resultat des hervorragenden Intellekts. Vgl. Einleitung. Im Cantus, OL II/1, S. 194 wird die Hand als die mächtigste Waffe des Menschen bezeichnet. Im Spaccio, DI, S. 733 hatte Bruno die Hand und den Intellekt als Geschenk der Götter bezeichnet, das den Menschen zum Menschen macht und vor allen anderen Tieren auszeichnet. Die Position der Cabala ist hier radikaler, weil sie die Hand zum ausschließlichen Charakteristikum der conditio humana erklärt. Arnobius: Adversus nationes (1875), lib. 2, cap. 17 f., S. 61 f. referiert solche Doktrinen in seiner Kritik paganer Anthropologie, die er allerdings verurteilt. 34 Vgl. Cantus OL II/1, S. 205, wo Bruno über den Einfluß der Körpersäfte auf die moralische Disposition des Individuums schreibt. Er rekurriert hier auf eine traditionelle Annahme, derzufolge die Materie wohldisponiert sein muß, um eine komplexe (Seelen-)form aufnehmen zu können (vgl. Einleitung). Zum »Eindrücken« – wie schon im Falle des Töpfers eine dem Handwerk entlehnte Metapher – vgl. auch Brunos Polemik in II/3 gegen die skeptische Lehre, wonach es unmöglich ist, irgend etwas zu lehren. Cantus, OL II/1, S. 187 ist in diesem Zusammenhang auch von den »Fälschern der Siegel der Natur« (sygillorum naturae falsificatores) die Rede. 35 Das steht im Widerspruch zum Kyllenischen Esel, der gerade das Gegenteil behaupten wird (s. u.). 36 Siehe auch Monade, OL I/2, S. 368 f. Bruno unterstreicht hier die Wichtigkeit des Lernens und des Erinnerns. 37 Zum Instinkt vgl. Aristoteles: De anima lib. 3, cap. 5, 430a, wo gesagt wird, daß der Besitz des passiven Intellekts den Menschen vom Tier unterscheidet; vgl. auch Thomas von Aquin: Summa contra gentiles (1961), lib. 2, cap. 66, Bd. II, S. 201. 38 Aristoteles: De anima, lib. 3, cap. 2, 428a. Zur Unterscheidung dieser Begriffe siehe Summa, OL I/4, S. 31 f. Die Tiere verfügen in der fakultativen Psychologie des Mittelalters über die fünf äußeren und die vier inneren Sinne (sensus communis, imaginatio, aestimativa, memoria, sensitiva), aber nicht über den Intellekt und die Denkfähigkeit. Vgl. Thomas von Aquin: Summa Theologiae (1952–56), Prima pars, Q. 78, Art. 4, Bd. I, S. 380 f. Bereits Ficino hatte in seinem Phaidroskommentar Schwierigkeiten, zwischen rationaler Einzelseele und instinkthaftem, durch die Weltseele induziertem Ver-

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halten zu unterscheiden. Vgl. M. J. B Allen: The Platonism of Marsilio Ficino (1984), S. 78 f. Für eine zeitgenössische, sozusagen populärwissenschaftliche Darstellung dieser Begriffe vgl. G. B. Gelli: La circe (1976), Kap. 10, S. 426–47. 39 Generell gehen viele Naturphilosophen der Renaissance davon aus, daß der Mensch über einen freien Willen verfügt, daß die Tiere unmittelbar von der Weltseele und mittelbar von den Planentenkonstellationen beherrscht werden. Bruno läuft eine solche Trennung zuwider; deshalb stellt er diese terminologischen Unterscheidungen im folgenden als leere Begriffshülsen dar; vgl. auch Sigillus, OL II/2, S. 176; Causa, BW III, S. 94 und S. 120 ff. 40 [presidente nella poppa] kann auch bedeuten: »die Gewalt über ihr Herz hat«: Bruno meint die zentrale Verfügungsgewalt der Individualseele über ihren Körper. Hier werden die Handlungen der Tiere nicht einfach von der Weltseele in das Individuum hineingetragen, sondern der Intellekt agiert (als Prinzip) von innen, denn er ist über das gesamte unendliche Universum verteilt. Siehe auch Sigillus, OL II/2, S. 174. Zur Metapher von der Seele als Steuermann des Körpers siehe Aristoteles: De anima, lib. 2, cap. 1, 413a8 f.; Plotin: Enneaden (1956–1971), lib. IV, cap. 3, 21, Bd. II a, S. 216 ff.; Causa, BW III, S. 100; Spaccio, DI, S. 556–57; Furori, DI, S. 1092, C 894; Lampas, OL III, S. 67 f. und S. 242, OM, S. 1076 ff. und S. 1444. Thomas von Aquin: Summa contra gentiles (1961), lib. 3, cap. 78, Bd. XIV, S. 230 kritisiert diese Auffassung. 41 Bruno verwendet hier die Terminologie der platonischen Lichtmetaphysik; er greift ein von Plotin dargestelltes, aber vehement kritisiertes Modell auf: daß nämlich die Seele gleichzeitig eine für alle Individuen ist und erst durch die Verschiedenartigkeit der Materie ihre Individualität erhält; vgl. Plotin: Enneaden (1956–1971), lib. 4, cap. 3, 4, Bd. II a, S. 172 ff. Die aus der Materie entstandenen Körper sind in verschiedener Weise fähig, dieses intellektuelle Licht zu reflektieren. Das bedeutet für Bruno auch, daß der menschliche Intellekt keine abgetrennte Substanz ist, sondern Teil des universellen Intellekts; vgl. Causa, BW III, S. 118–20; Summa, OL I/4, S. 103 f., und S. 108, S. 114; Lampas, OL III, S. 49, OM, S. 1036; Sigillus, OL II/2, S. 174; vgl. auch T. Dragon: Unité de l’être et dialectique (1999), S. 286 f.; E. Canone: Il dorso e il grembo dell’eterno (2003), S. 100–3. 42 Vgl. Lampas, OM, S. 1034. 43 Vgl. Summa, OL I/4, S. 31 ff. 44 Bruno betont hier nochmals, daß er »Instinkt« für eine leere Begriffshülse hält, weil sie vom aktiven Intellekt ununterscheidbar ist. Siehe dazu auch Cena, DI, S. 148 f.; Summa, OL I/4, S. 120 f.; Immenso, OL I/2, S. 114 f.

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45 Vgl. Summa, OL I/4, S. 121 und S. 123. Bruno befindet sich damit in

offenem Widerspruch zu Thomas von Aquin: Summa contra gentiles (1961), lib. 2, cap. 66, Bd. II, S. 201. Für eine deutlich weniger radikale Stellungnahme vgl. Immenso, OL I/2, S. 314. 46 Sebasto faßt das bisher Gesagte zusammen; vgl. auch L. Firpo: Il processo di Giordano Bruno (1993), S. 300 f. 47 Vgl. Cena, DI, S. 154–57; Infinito, BW IV, S. 178 ff. Bruno kehrt hier zur Ausgangsstelle vom Töpfer zurück; er imaginiert den Kosmos als gigantische Töpferscheibe, durch deren gottgelenkte kontinuierliche Bewegung die Materie neu gestaltet wird. Gleichzeitig spielt Bruno auch auf den Satz aus dem Paulinischen Römerbrief an, der von Origenes im Hinblick auf die Reinkarnation als Strafe für Fehler in vergangenen Leben gedeutet worden war, vgl. Röm 9,18–22; 2 Tim 2,20–21; Origenes: De principiis (1913), lib. 3, cap. 1, 23, Bd. 5, S. 239–44, bes. S. 241. Zum Verhältnis von würdigem und unwürdigem Gefäß vgl. auch Spaccio, DI, S. 691; Imaginum, OL II/3, S. 109 f. und Einleitung. 48 In Anlehnung an Ps. 35,7–8. 49 Dan 4,28–30. 50 Mt 11,11–14 und 17,10–13; Joh 1,19–21; Lk 1,17. 51 [risuscitazione] kann auch »Wiedergeburt«, »Wiederauferstehung« oder »Seelenwanderung« bedeuten. 52 Eine Position, die Bruno so nicht teilt, denn die Rabbiner sind ja Esel. Für den Nolaner ist die Reinkarnation eine natürliche Notwendigkeit, die sich aus der vicissitudo aller Dinge ergibt. Die Anklänge an die christliche Theologie dienen hier wohl nur der Verschleierung der radikalen Theoreme der Cabala. Der folgende Einwand Sebastos wird das verdeutlichen: Es geht ja nicht um Belohnung und Bestrafung, sondern um den schicksalhaften Wandel, der durch die universale vicissitudo, die blinde Fortuna, verursacht wird. Bruno referiert hier (wieder) Römer 9,21 in der Lesung von Origenes: De principiis (1913), lib. III, cap.1, 21–24, Bd. 5, S. 239–44. Für die (gegenteilige) Ansicht siehe Thomas von Aquin: Summa contra gentiles (1961), lib. 2, cap. 44, Bd. II, S. 162 ff.; lib. 2, cap. 83, Bd. 2, S. 239–45, bes. S. 242; lib. 4, cap., 33, Bd. IV, S. 308 f. Siehe auch Furori, DI, S. 944; Magia naturale, OL III, S. 342, OM, S. 236; Minimo, OL I/3, S. 143. 53 Bruno markiert hier die Brisanz der durch Onorio vorgetragenen Thesen und daß nicht alle von ihnen für bare Münze genommen werden dürfen. Man könnte auch sagen, daß in diesem Abschnitt der Cabala viel von den Dichtern Vergil und Ovid über das Thema der Reinkarnation zu hören war und daß deren Vorstellungswelten Brunos eigene Konzepte präziser reflektieren als die rabbinischen Weisheiten und Onorios Berichte über seine Him-

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melfahrten. Vgl. auch Magia naturale, OL III, S. 342, OM, S. 236; Minimo, OL I/3, S. 143 und Einleitung. 54 Für eine Inversion dieser Aussagen vgl. Infinito, BW IV, S. 50, wo Burchio von einer spaßigen favola o fantasia spricht und von Fracastorio darauf hingewiesen wird, daß deren Wahrheit durchaus überzeugend sein könnte. 55 Sowohl Saulino als auch der Schulmeister waren nicht schnell genug: Sie haben die wichtigen Ausführungen über die essentielle Gleichheit von Menschen und Tieren in Onorios Rede über die Hand verpaßt. 56 Saulinos Sorglosigkeit spricht Bände: Am Beginn des dritten Dialoges wird er verzweifelt darüber sein, daß sich diese Gelegenheit nicht mehr ergeben wird (vgl. auch Einleitung). 57 Vgl. Platon, Phaidros 248b–49a; Umbris, OL II/1, S. 25, (Sturlese, S. 30); Furori, DI, S. 943 f., C 769; Vinculis, OL III, S. 691 f., OM, S. 508 ff. 58 [inebriato]: »betrunken« ist eine (vielleicht absichtlich) vage Formulierung Onorios, denn eigentlich werden die Menschenseelen von der Lethe trunken und verwirrt, während sich die Götter von feinstofflichem Nektar ernähren; vielleicht will Bruno hier auf die essentielle Verwandtschaft zwischen Göttern und Menschen hinweisen. Vgl. A. T. Macrobius: Somnium Scipionis (1994), lib.1, cap. 12, S. 50 f. und Einleitung. 59 Vgl. Platon, Phaidros 248b–49a; Plotin: Enneaden (1956–1971), lib. 4, cap. 3, Abs.15, Bd. IIa, S. 202 ff. und Einleitung. 60 Brunos Beschreibung des eselhaften Auf- und Abstiegs aus der Himmelswelt enthält typisch platonische Elemente, wenn auch in grob verdrehter Form. Sowohl im Mythos von Er in Platons Staat (618d–620d) als auch im Phaidros 249b hat die menschliche Seele die Wahl, wie sie reinkarniert werden will, sie muß nur unter einer – allerdings limitierten – Anzahl von Losen auswählen. Als Urtext ist hier (wieder) einmal der Mythos von der Götterkavalkade im Phaidros zu nennen. Der hier von Onorio beschriebene raubzugsartige Erwerb von Spezies quer durch die verschiedenen Leben hindurch widerspricht der platonischen Auffassung. Ihr zufolge sind die Ideen im überhimmlischen Bereich ja in aller Klarheit vorhanden. Hier neue irdische Erfahrungen sozusagen »hinaufzuschleppen«, bedeutet daher ein grundsätzliches (und Bruno sicherlich bewußtes) Mißverständnis der klassischen Metaphysik des Ideellen; dieses ist allerdings der Rolle des Esels als Lasttier durchaus angemessen. Im Phaidros 249bc sagt Platon auch, daß zwar menschliche Seelen als Tiere widergeboren werden können, nicht aber umgekehrt, weil diesen niedrigen Lebewesen die Ideenschau verwehrt geblieben ist (vgl. auch Einleitung). 61 [imbibere] (Latinismus): »aufsaugen«. Gemeint sind »die Fluten des Lethestromes«.

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62 Onorio hat entweder Gedächtnisschwächen oder er ist in Detailfragen

ziemlich unbekümmert, denn Nikomachos war der Sohn des Aristoteles. In diesem Falle wäre Onorio (vulgär ausgedrückt) die »Nachgeburt« der Aristoteles. Dessen Vater Amintos war der Berater Philipps von Makedonien, der seinerseits der Vater Alexanders des Großen war. Dieser wurde in seiner Jugend von Aristoteles unterrichtet oder, in Brunos Diktion, »geschulmeistert«. Zudem handelt es sich hier um eine Spitze gegen den Stagiriten als Philosophen, denn platonischer Inkarnationslehre zufolge müßte Onorio längst aus dem Zyklus der Wiedergeburten ausgeschieden sein. Platon schreibt nämlich im Meno (80d–81a), daß Philosophen nur eine Inkarnation durchmachen müssen, um zu den Himmlischen zurückkehren zu dürfen. Daran ändert auch nichts, daß Phaidros 249a davon spricht, daß die Seele dreimal ein philosophisches Leben gewählt haben muß, um nach drei Jahrtausenden wieder mit den Göttern vereint sein zu können: Denn selbst in diesem Falle kommen Onorios Inkarnationen schlecht davon, weil er, wie wir noch erfahren werden, auch als skeptischer Denker auf dieser Welt zugange war. Bruno will offensichtlich auch auf dieser Ebene vermitteln, daß Aristoteles kein echter Philosoph war. 63 Onorio (oder doch Bruno selbst?) bringt nochmals alles durcheinander: Aristarch von Samotrake (217–145) wurde traditionell für ein Vorbild philologischer Gelehrsamkeit gehalten. Vgl. Horaz: Ars poetica (1993), V. 450 f., S. 572. Er lebte aber lange nach Platon und Aristoteles. In der Cena, DI, S. 46 beschimpft Bruno Aristarch ebenfalls als Erzpedanten. Offensichtlich will der Nolaner den Stagiriten hier nicht nur als Schüler Platons brandmarken (der, wie wir oben erfahren haben, selbst ein Esel war), sondern ihn zudem noch als Lehrling eines Oberschulmeisters verunglimpfen. In jedem Fall sind diese Ungenauigkeiten auffällig, denn sie könnten andeuten, daß der Esel beginnt, jede Menge Unsinn zu reden: Er schlüpft (omnia vicissitudo!) demzufolge jetzt in das Gewand eines Aristoteles, der bereitwillig über die ihm eigene Mischung aus Schläue und Dummheit Auskunft gibt. 64 Aristoteles wird hier erstaunlicher Weise indirekt für seine humanistische Bildung (Politik, Rhetorik, Logik) gelobt. Zu den Verbindungen zwischen Magie, Politik und Rhetorik bei Bruno vgl. M. Ciliberto: Giordano Bruno (1990), S. 248 f. 65 Diese negativen Eigenschaften des »Fürsten der Peripatetiker« wiederholt Bruno oft; vgl. z. B. Cena, DI, S. 126 f.; Principiis, OL III, S. 522, OM, S. 616; Immenso, OL I/2, S. 56. Für eine umfassende Kritik aristotelischer Kosmologie siehe Causa, BW II, S. 150–58; Infinito, BW IV, S. 210–22 und S. 260– 72. Trotzdem bleibt Brunos Kritik an Aristoteles auch in diesen Werken nuanciert (vgl. Cena, DI, S. 156 f.): Wahrscheinlich, weil der Nolaner davon aus-

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ging, daß alles Denken Aspekte der Wahrheit enthält, die sich allerdings nur in verschiedenem Ausmaß und jeweils vom historischen Kontext abhängig aktualisieren lassen. In der Cabala bleibt Brunos Verachtung für Aristoteles offensichtlich auf die Naturphilosophie beschränkt. Diesem wird ja hier durchaus zugestanden, ein fähiger Politiker und Rhetoriker gewesen zu sein. Vgl. auch Einleitung. 66 Es ist kein Zufall, daß sich der Niedergang der antiken Philosophie strukturell nicht von der zwangsweisen Einführung des Eselskultes in Ägypten durch den persischen König Ochus unterscheidet: Bruno will hier vielmehr zeigen, daß beide Phänomene kontingent sind. Er beschreibt den Niedergang der antiken Philosophie als eine sozio-politische Katastrophe und folgt damit einem für den Renaissance Humanismus typischen Narrativ, welches das Mittelalter als »Dunkles Zeitalter« beschreibt. Nur mit dem Unterschied, daß Bruno den Beginn der politischen Katastrophe, der mit der Finsternis einhergehenden Blindheit, bereits früher, nämlich (spätestens) mit dem Untergang der Athenischen Demokratie ansetzt. Zu den verschiedenen Kategorien der Blindheit vgl. Furori, DI, S. 1140 ff. 67 Es ist bezeichnend, daß selbst dieser Eselsphilosoph, der bloß fähig ist, die Lehren der Alten nachzustottern, noch einen Rest jener prometheischen Schläue bewahrt, die Onorio eignete, als er sich unsterblich machte, indem er nur vortäuschte das Wasser des Lethestromes zu trinken. Auch im Gewand (oder besser: im Fell) des Aristoteles ist Onorio fähig, sich hochstaplerisch als Reformator einer Wissenschaft aufzuspielen, von der er in Wahrheit keine Ahnung hat. Hier verbindet sich Brunos radikale Institutionenkritik mit der oben von ihm skizzierten politischen Dimension des Wissens. Die Wortwahl in dieser Passage läßt auch eine Spitze gegen die Reformatoren des Christentums und im speziellen gegen Luther erkennen. Der Vorwurf der Unverständlichkeit aristotelischer Philosophie greift die topische humanistische Metaphysikkritik (wie sie übrigens seit Cicero geäußert wird) auf. Siehe auch Furori, DI, S. 1115 für eine Passage, in der Bruno ebenfalls den unverständlichen sprachlichen Ausdruck im Zusammenhang mit einer fehlgeleiteten Metaphysik attackiert. 68 Ein topisches Epitheton für Aristoteles. Vgl. z. B. Candelaio III, 12, OC I, S. 207. 69 Von denen sich der Name Peripatetiker (Spaziergänger) ableitet. 70 Für eine ähnliche Passage siehe Infinito, BW IV, S. 152 ff., wo vom Wechsel von antiker Weisheit zu anmaßender Sophistik die Rede ist. Wieder illustriert Bruno diese Invektive mit einer Serie einprägsamer Bilder: Der Esel Aristoteles, einäugig unter Blinden, triumphiert auf dem Tiefpunkt der Wissenschaften. Mit der Nennung des Rades der Fortuna weckt Bruno Assoziationen

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an ein wohlbekanntes zeitgenössisches Motiv. Im Spaccio ist es eben jene prisca philosophia der Pythagoreer, Chaldäer und der Ägypter, die Bruno der zeitgenössischen geistigen Kultur als genuine Weisheit positiv gegenüberstellt. 71 Bruno bezieht sich auf Averroes: Kommentar zu Aristoteles, De anima (1562), lib. 3, cap.1, Bd 4., fol. 159v. Hier wird der Stagirit »als Regel und exemplarisches Beispiel der Natur« bezeichnet; für weitere (abfällige) Bemerkungen zur Averroistischen Philosophie vgl. Infinito, BW IV, S. 254. 72 Bruno unterstreicht hier nochmals die zentrale Rolle der vicissitudo, des universellen Wandels: Er bringt (falsche) Religiosität mit philosophischer Ignoranz in Verbindung. Vgl. Cena, DI, S. 34 f.; Infinito, BW IV, S. 250 beschreibt ausführlich den Zusammenhang zwischen der Unfähigkeit, selbst zu denken, und dem blinden Autoritätsglauben im Zusammenhang mit Brunos inifinitistischer Kosmologie. Bruno ist hier allerdings nicht immer konsistent, etwa in Lampas, OM, S. 1232 ff. unterscheidet er zwischen theologischem und philosophischem Glauben; vgl. auch Summa, OL I/4, S. 71 f. und S. 99 f., S.126. 73 Bruno illustriert hier die Unverständlichkeit der Aristotelischen Philosophie anhand eines drastischen Beispiels: Die Sprache des Stagiriten ist derart sinnlos, daß sie sogar einem Experten mit ähnlich verwirrter Sprache unverständlich bleiben muß. 74 Der Begriff intentio bezeichnet in der scholastischen Terminologie die Verbindung zwischen erkennendem Subjekt und erkanntem Objekt; vgl. auch Summa, OL I/ 4, S. 49 f.; Magia, OM, S. 330; Lampas, OM, S. 1410. 75 Fragesammlungen sind charakteristisch für die scholastische Methode des Philosophierens. 76 Bruno kopiert hier auch auf der textuellen Ebene die Unverständlichkeit seines Lieblingsfeindes Aristoteles. 77 Aristoteles gesteht hier, daß seine Psychologie sinnlos ist und daß er sie selbst nicht verstanden hat; sie muß offensichtlich durch jene Seelenlehre ersetzt werden, die Onorio im vorigen Abschnitt skizziert hat. 78 [praecavere] Latinismus. 79 Wieder erweist sich der Esel als durchaus gerissener (Ver-)führer der Unwissenden. Zu den unfähigen Nachfolgern von Platon und Aristoteles vgl. auch Cena, DI, S. 126. 80 Vgl. A. Gellius: Noctes Atticae (1928), lib. 20, cap. 5, Abs. 9, Bd. III, S. 434. Diese Passage bezieht sich allerdings auf den Unterschied zwischen öffentlich verbreiteter und esoterischer (und daher nur dem Kreis der Schüler zugänglicher) Lehre. 81 [apparatus] Latinismus.

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82 Es ist nicht ohne Ironie, daß Bruno sich seinerseits von der Cabala di-

stanziert hat (siehe Einleitung). 83 Dieser Vorwurf – eine Attacke auf Paulus - trifft auch auf Saulino zu (vgl. den Anfang des ersten Dialoges). 84 Hier wird die Schläue der Esel entlarvt und ihre Darstellung als Invektive gegen die zeitgenössische pseudointellektuelle Kultur erkennbar. Für ihn ist diese Art von überschwenglichem Geisteszustand offensichtlich die Folge einer somatischen Störung. Sie wird durch den Überfluß eines der Temperamente, nämlich der saturnischen schwarzen Galle ausgelöst. Wenn Onorio von »Totenerweckung, großer Prophetie und den göttlichen Arkana« spricht, meint Bruno nicht etwa nur zeitgenössische falsche Propheten, Scharlatane oder Nekromanten, sondern zitiert vielmehr bekannte Bibelstellen (Mt 7,6; 1 Kor 13,12; 2 Kor 12,4). Wie schon im Spaccio ist offensichtlich Christus das Ziel von Brunos Polemik. Er verbindet hier also die antiaristotelische mit einer deutlich akzentuierten antichristlichen Polemik. Zum Bild des falschen Propheten siehe auch Imaginum, OL II/3, S. 198 f. und Einleitung. 85 Es scheint, als würde Bruno hier ehemalige Mitbrüder aus seiner Studienzeit im neapolitanischen Konvent San Domenico Maggiore karikieren. Vgl. V. Spampanato: Vita di Giordano Bruno (1921), S. 249 f. 86 Im Candelaio spielt ein Bonifacio eine der Hauptrollen: Er ist dort die (negative) Persona einer allerdings nicht mit Sicherheit identifizierbaren historischen Figur. 87 [Cocchiarone] Dialektal für »Riesenlöffel«. Im Candelaio III, 6, OC I, S. 173 und nach John Florio im Sinne von »Vielfraß«, verwendet. Vgl. V. Spampanato: Vita di Giordano Bruno (1921), S. 250. Spielt Bruno hier auf den Löffelschnitzer (coclear) in N. Cusanus: Idota de mente (1964–67), cap. 1, Band III, S. 480 ff. und cap. 2, S. 492 ff. an? Denn auch hier findet sich die Beschreibung des Habitus eines Philosophen und eines Redners. 88 F. Petrarca: Trionfo della Fame (1996), II, V. 1, S. 393. 89 Ziel von Brunos Sarkasmus sind hier offensichtlich die eitlen Peripatetiker, die im Auf- und Abgehen philosophieren. Es ist wichtig, im Gedächtnis zu behalten, daß Saulino am Beginn des dritten Dialoges ebenfalls untätig herumspaziert; und Bruno hier wie dort das Wort spassegiare verwendet, welches mit spacciare (vertreiben, austreiben) verwandt ist (vgl. Einleitung). 90 Bruno meint vielleicht den zuvor attackierten Aristoteleskommentar des Averroes. 91 Don Cocchiarone kennt offensichtlich Quintillian: Institutio Oratoria (1975), lib. 11, cap. 3, 92, Bd. II, S. 642, wo solche Gesten beschrieben sind; dort wird diese Handgeste als die allgemeinste bezeichnet, die sich für den Redeanfang, die Erzählung und die Beschuldigung eignet.

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92 Bis hierher betätigt sich Don Cocciarone in der Gestalt des schmieren-

schauspielenden Aristotelikers, im folgenden wird er zudem noch als inepter Theologe dilettieren. Die ganze Passage läßt sich somit als Invektive gegen den zeitgenössischen intellektuellen Habitus insgesamt lesen; dieser ersetzt aus Brunos Perspektive die Ideale der römischen Zivilisation durch belangloses Theater. 93 Also jener Pferde- oder Eselshirne, die in engster Verbindung mit der (irrigen) kabbalistischen Weisheit stehen. 94 Für eine ähnliche Stelle vgl. Imaginum, OL II/3, S. 199. 95 [supposito] (Latinismus): »in der verkörperten niedrigen Erscheinungsform«. 96 Coribante will noch einmal hören, was Onorio bereits Sebasto erklärt hat: Wie es dem Esel möglich war, die Erinnerung an seine Existenz als Aristoteles zu behalten bzw. diese wiederzuerlangen. Wie in der Einleitung dargestellt, ist die Erinnerung an frühere Leben und die damit verbundene (diebische) Wissensakkumulation der sicherlich problematischste Teil der Erzählung des Esels. Was ein Seitenhieb auf die Unpünktlichkeit dieses Pedanten ist, leitet jedenfalls über zu einer neuerlichen Erzählung der Lebensgeschichte Onorios, der sich hier als auffällig vergeßlich erweist. (Was soll man von einem Gedächtnisakrobaten halten, der sich nicht einmal mehr an das in II/1 gerade Gesagte erinnern kann?) 97 Bruno identifiziert hier seinen Esel mit dem Pegaseischen Pferd. Der Titel des Werkes lautet also eigentlich Cabala des pegaseischen Esels. Vgl. auch Einleitung. 98 Wie G. Aquilecchia: I dialoghi italiani (1996), S. 25–35; S. 30 f. entdeckte, findet sich diese Lesart (»fui destinato«) nur in jenem Exemplar der Cabala, das heute in der British Library ist (wahrscheinlich handelt es sich um den Bürstenabzug). Die übrigen bekannten Ausgaben haben alle die (abgeschwächte) Formulierung tenendomi (»indem sie mich anhielten«). Die hier wiedergegebene Lesart akzentuiert den unhintergehbaren Charakter der Wiedergeburten, die vom Fatum vorbestimmt sind; sie läßt sich aber auch als Karikatur der Prädestinationslehre lesen. Bruno selbst oder sein Drucker Charlewood haben diese Wortwahl wohl als zu stark für das protestantische Umfeld, in dem die Cabala gedruckt wurde, empfunden. 99 Das schlaue Verhalten des Scharlatans gerät hier zur Karikatur wahrhaft menschlicher, nämlich prometheischer Taten. Vgl. Einleitung. 100 »in die Unterwelt hinabstieg« 101 [aliger] (Latinismus): »zum geflügelten Esel oder zum pegaseischen Pferd«. 102 Furori, DI, S. 1124 f. betont die Unmöglichkeit dieser Annahme, weil

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eine solche Form totalen Wissens die Auflösung des Individuums bedeuten würde. 103 Auch in Infinito, BW IV, S. 312, verwendet Bruno dieses Bild. Onorio imaginiert hier nochmals eine Form der totalen Erinnerung, die Brunos Philosophie diametral zuwiderläuft (vgl. Einleitung). Das liest sich wiederum wie eine Parodie auf die Platonische Götterkavalkade. Zum Körpergefängnis vgl. auch M. Ficino: Argumentum in Traktate (1993), cap. 26, S. 84–93; Infinito, BW IV, S. 50 ff., Sigillus, OL II/2, S. 212 f., sowie supra Anm. 17 und Einleitung. 104 Es bleibt zu hoffen, daß nicht alle Existenzen des einstigen Esels von derartiger Scharlatanerie gekennzeichnet waren wie seine Verkörperung des Aristoteles! Onorios Unfähigkeit als Philosoph steht in krassem Gegensatz zu dieser Lobesrede. Dem aufmerksamen Leser wird aufgefallen sein, daß Onorio ja behauptet hat, gerade nicht in der Unterwelt gewesen zu sein. Der letzte Halbsatz liest sich wie ein ironischer Seitenhieb auf Dantes Divina Commedia, in welcher dieser Autor bekanntlich auch Hölle, Fegefeuer und Himmel abschreitet. In diesen Formulierungen Sebastos ist auch eine Satire auf die christliche Inkarnationslehre zu erkennen. Immerhin ist Onorio (beinahe) ein Anagramm von Orion, der im Spaccio, DI, S. 774 und 803–7 als Christus (und somit als Scharlatan) diffamiert wird. 105 1 Kor 13,12. 106 Sebasto leitet hier zum Thema des Skeptizismus, des »Dritten Astes aus dem Stamm des Eseltums, der auf den Sefirot gepflanzt ist«, über. Sieht man von einigen wenigen Gemeinplätzen zum Thema ab, die bei Diogenes Laertius und Augustinus nachzulesen sind, bilden ironischerweise lediglich die ersten Seiten aus Sextus Empiricus, Adversus mathematicos, den Angelpunkt der folgenden kaustischen Analyse skeptischer Doktrinen, die Bruno in einer zeitgenössischen Übersetzung zugänglich waren (vgl. Einleitung). Er hatte vermutlich schon bald die Nase voll davon. Auch in anderen Werken äußert sich Bruno negativ über die Skeptiker. Vgl. Cena, DI, S. 45 f.; Lampas, OM, S. 1232. Brunos prinzipielle Abneigung gegen den Skeptizismus wird auch durch eine Bemerkung deutlich, die sich als Autograph auf der Titelseite eines Exemplars von Francisco Sanchez’ Quod nihil scitur finden, das dem Nolaner gewidmet ist: »Mirum quod onager iste appellat se doctorem«; vgl. E. Canone: Gli anni napoletani (1992), S. 86 f. Wie in der Einleitung dargestellt, waren die Argumente der antiken Skeptiker in der Renaissance oft von Glaubensfanatikern wie Gianfrancesco Pico della Mirandola dazu eingesetzt worden, die menschliche Wissenschaft zugunsten der vorgeblich ewigen Wahrheiten des Christentums abzuwerten. Zu Sanchez vgl. R. Popkin: History of Scepticism (1979), S. 37–41.

zweiter dialog

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107 Wie schon zuvor beschreibt Saulino hier den Umschlag von Nichtwis-

sen in Wissen mit einem Trugschluß. 108 Vgl. Aristoteles: Metaphysik lib. 10, cap. 4, 1055a. Brunos Verständnis des Privationsbegriffes läuft der hier von Saulino vorgetragenen Konzeption diametral zuwider. Vgl. Causa, BW III, S. 262; Lampas, OM, S. 1214 ff.; zum Begriff des Habitus vgl. Summa, OL I/4 S. 26 und 28. 109 Coribante versteht diese Aussagen als Teil eines Syllogismus: Er fragt, wie es möglich sein soll, daß die Weisheit nicht mit der Erkenntnis, sondern mit der Ignoranz einhergeht. Saulino hat ja gerade auch Aristotelische Termini verwendet. 110 Coribante bemerkt richtig, daß Saulino sich hier (wiederum) lediglich auf die Autorität anderer beruft; eine Vorgehensweise, die Bruno in der Cabala (und andernorts) bereits mehrfach als besonders verachtenswerte Eselei bezeichnet hat. Im Gegensatz dazu argumentiert Coribante hier zwar pedantisch, aber erstaunlich stringent im aristotelischen Sinn. Bruno will den Leser auf die Darstellung der Lehrmeinungen der skeptischen Schulen vorbereiten, die er selbst nicht teilt. 111 Sebasto bringt die Dinge wieder einmal auf den Punkt, indem er hier nicht nur die Beweiskraft des Syllogismus unterstreicht, sondern auch eines der Standardargumente gegen die Skeptiker vorbringt. Wenn diese nämlich etwas affirmierend behaupten, dann widerlegen sie ihre eigenen Behauptungen, denen zufolge nichts gewußt werden kann; vgl. Sextus Empiricus: Adversus Mathematicos (1569), lib. 8, S. 16 f.; Eusebius: Praeparatio evangelica (1987), lib. 14, cap. 18, S. 150 und S. 152, und Augustinus: Contra Academicos, (1970), lib. 3, cap. 14, S. 53 f. 112 Modalität bezeichnet hier (als Begriff der scholastischen Logik) die Möglichkeit einer Sache, zu sein und/oder nicht zu sein. Es handelt sich um schulmeisterliches Geplapper Saulinos und Coribautes. 113 Zu diesen verschiedenen Schulen des Skeptizismus siehe Einleitung. 114 Siehe dazu Sextus Empiricus: Hypotheses (1569), lib. 1, cap. 7. S. 409 ff.; Diogenes Laertios, Vitae philosophorum (1990), lib. 9, cap. 69 f., S. 196 f. Augustinus: Contra Academicos (1970), lib. 1, cap. 4, S. 23. 115 Vgl. Augustinus, Contra academicos (1970), lib. 1, cap. 3, S. 6–12. 116 Also um die aristotelische Finalursache zu widerlegen. Zu diesem Begriff vgl. Aristoteles: Metaphysik, lib. 2, cap. 2, 994b; ders.: De anima, lib. 3, cap. 12, 434a; Thomas von Aquin: Summa contra gentiles (1961), lib. 3, cap., 2, Bd. III, S. 3 ff. »Quod omne agens agit propter finem.« 117 Typische Ausrufe eines Pedanten auf der Renaissance-Bühne. Vgl. Candelaio II, 1, OC I, S. 127, und auch z. B. G. B. Della Porta: Il moro (2000–3), III, 9, Bd. XV/3, S. 472.

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118 Zu den Beliden oder Danaiden vgl. Ovid, Metamorphosen (1996),

lib. 4, V. 462 f., S. 146, die berichten, daß diese fünfzig Töchter von Danaos ihre Ehegatten in der Hochzeitsnacht ermordeten. Sie mußten als Strafe in der Unterwelt Wasser mit bodenlosen Gefäßen schöpfen; die Beliden wurden so zum Inbild fruchtloser Taten. Lampas, OM, S. 960 erzählt den Mythos unter positiven Vorzeichen. Es ist interessant festzustellen, daß der Pedant hier wiederum einen hellen Moment hat und in Brunos Sinn argumentiert. 119 Saulino erklärt hier den siebenten Pyrrhonischen Topos (»Von der Vielheit der zusammengesetzten Dinge«). Vgl. Cicero: Accademica (1990), lib. 1, Abs. 12, S. 304–8, mit Bezug auf Sextus: Hypotheses (1556), lib. 1, cap. 2, S. 405 f. Des weiteren bezieht sich Bruno auf den sechsten Topos, der die Vermischung der Sinnesdaten zum Gegenstand hat. Vgl. Sextus: Hypotheses (1556), lib. 1, cap.14, S. 425 und Diogenes Laertios: Vitae philosophorum (1990), lib. 9, Abs. 84, S. 204. Diese antiken Argumentationsformen erhalten hier allerdings eine typisch nolanische Färbung, indem Saulino die kontinuierliche vicissitudo aller Dinge als neuen argumentativen Aspekt einbringt. 120 Vgl. Cena, DI, S. 45 f. 121 Sextus: Adversus mathematicos (1556), lib. 7, S. 15 f.; ders.: Hypotheses (1556), lib. 1, cap. 1, S. 405. 122 [industria] bedeutet auch Fleiß: Sebastos Sarkasmus bezieht sich auf die Faulheit der Pyrrhoniker, denn – wie die Christen – tragen sie nichts zum Fortgang der Wissenschaft und zur Entwicklung der Zivilisation bei; für eine vielzitierte Passage, in der Bruno diese Form der Faulheit attackiert. Vgl. auch Spaccio, DI, S. 740–44. 123 Also mit noch größerer Dummheit und vielleicht auch in Anspielung auf das Lamm Gottes. 124 Anspielung auf Mt 5,13, Mk 9,50, Lk 15,34. 125 Die gesamte Passage hat Anklänge an Lactantius: Divinarum Institutionum (1890), lib. 3, cap. 4, Bd. I, S. 184 ff. 126 Bruno spielt hier mit den Wörtern Tabernakel, also: »Stifts– oder Laubhütte«, und Taberna, also: »Taverne«; daher der Wortwitz im folgenden, wenn Sebasto davon spricht, daß er »den Gürtel enger schnallen« wird. 127 Bruno karikiert hier die skeptischen Argumente, indem er sie auf die Physiologie eines von der Urteilsenthaltung gelähmten Denkers überträgt: Als höchste Stufe dieser Form der Dummheit kann man schließlich nur mehr schweigen und die Luft anhalten. Dieses Idealbild läuft Brunos Denken diametral zuwider, denn Bewegungslosigkeit ist im ständig sich wandelnden Kosmos ein widernatürliches – und damit auch ein unphilosophisches – Verhalten.

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128 Vgl. Cicero: Accademica (1990), lib. 1, Abs. 48, S. 306; zur falschen Ab-

bildung der Dinge. Vgl. ebd., lib. 1, Abs. 40, S. 302. Diesen Aspekt der skeptischen Philosophie beurteilt Bruno besonders negativ. Im Spaccio wirft er (auch und besonders) den Christen vor, die Natur als böse und trügerisch dargestellt zu haben. Vgl. auch die folgende Anmerkung. 129 Brunos Polemik gegen die skeptische Philosophie erreicht hier ihren Höhepunkt. In der Metaphorik des ersten Dialoges der Cabala ist der Skeptizismus eben ein weiterer Ast auf dem Stamm des Eseltums. 130 Was hier mit (ironischer) Anerkennung gesagt wird, denkt Bruno von seiner eigenen Kosmologie, nämlich daß er die kopernikanischen Hypothesen besser als ihr Erfinder verstanden hätte. Vgl. z. B. Cena, DI, S. 25– 33. 131 Bruno verwendet die Metapher »de le viscere de la natura discreti notomisti« auch in Causa, BW III, S. 184, um die falschen Konzepte der aristotelischen Naturphilosophie, vor allem im Bezug auf die Materie und den beständigen Wandel, zu karikieren. 132 Vgl. Sextus: Hypotheses (1556), lib. 2, cap. 4, S. 448, ders., Adversus mathematicos (1556), cap. 22, S. 232; Diogenes Laertios: Vitae (1990), lib. 9, Abs. 72, S. 198. 133 Für diese Argumente siehe Sextus: Adversus mathematicos (1556), cap.1, S. 2 f. Saulino kneift und setzt sich argumentativ nicht durch. Onorio, der ja schon als peripatetischer Esel ob seiner philosophischen Inkompetenz geständig war, bekennt hier auch noch, daß eines der Grundargumente der Skeptiker, nämlich daß man »nichts erlernen kann«, abgegriffen ist. 134 Sextus: Adversus mathematicos (1556), cap. 3, S. 6.; ders.: Hypotheses (1556), lib. 3, cap. 27 ff., S. 537–41. 135 Bruno fügt diese Unterscheidungen den klassischen Argumenten hinzu; sie beziehen sich auf seine eigenen Theorien über die Zusammengesetztheit und die dadurch bedingte Wandlungsfähigkeit der physischen Körper, die in II/1 diskutiert wurden. 136 [individuus] Latinismus: auch in der Bedeutung von »Atom«. 137 Sextus: Adversus mathematicos (1556), cap. 3, S. 4 f.; ders.: Hypotheses (1556), lib. 3, cap. 28, S. 538 f. 138 Sextus: Adversus mathematicos (1556), cap. 3, S. 6 spricht nur von »Lehren«. Wie die beiden hier verwendeten auf Schwangerschaft und Zeugung hinweisenden Verba concipere und imprimere erkennen lassen, transponiert Bruno wiederum Theoreme der Skeptiker auf eine der nolanischen Philosophie korrespondierende somatische und vitalistische Ebene. Offensichtlich nimmt er die skeptische Philosophie sehr persönlich (und verachtet sie daher um so mehr für ihre Fehler).

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139 Also jemanden, der ein Handwerk oder eine andere Kunst (wie etwa

die Medizin) versteht und praktiziert. Über den Begriff der ars bei Bruno vor allem im Bezug auf die ars memorativa vgl. S. Clucas: De imaginum, signorum et idearum compositione (2001), S. 84 ff. 140 Vgl. Sextus: Adversus mathematicos (1556), cap. 4, S. 6 f., ders.: Hypotheses (1556), lib. 3, cap. 29, S. 538 f. 141 Diese Passagen sind im Zusammenhang mit Brunos Invektive gegen die Denkfaulheit der Skeptiker und der Platoniker zu verstehen. Er bezieht sich hier auf Meno 82 bc. Die Anspielung auf diesen Platonischen Dialog scheint auf den ersten Blick verwirrend, eignet sich aber bestens als Kommentar zu Sextus: Adversus mathematicos (1556), cap. 4, S. 6 f.; ders.: Hypotheses (1556), lib. 3, cap. 30, 538 f., wo dieser Autor die Auffassung vertritt, daß auch eine Rede nichts Neues lehren, sondern bestenfalls bereits Gewußtes wieder in Erinnerung rufen kann. Bruno liest diese Aussagen offensichtlich in Verbindung mit der Platonischen Doktrin, wonach alles Wissen Wiedererinnern ist. Diese Lehre wird im Meno 82b–86c anhand der Fähigkeit eines ungebildeten Dieners, Prinzipien aus Axiomen selbständig abzuleiten, demonstriert. Wie bei den Skeptikern ist diese Form der Erinnerung ein passiver Vorgang, der im Meno mit einer (aus Brunos Perspektive abzulehnenden) Erstarrung in Verbindung gebracht wird. Er widerspricht dieser Auffassung, denn Wiedererinnern ist für ihn kein passiver Vorgang (siehe auch Einleitung). 142 Onorio greift damit das bereits von Sebasto vorgebrachte Standardargument gegen die Skeptiker nochmals auf, nämlich deren Unfähigkeit, Unterscheidungen zu treffen. Wie auch die Esel sind die Anhänger dieser Denkschule nicht in der Lage, zwischen Disteln und Salat zu unterschieden. Diese Metapher taucht übrigens schon in der Cena, DI, S. 88 auf: Hier wird das Vorwort des Osiander zu Copernicus’ De revolutionibus orbium caelestium (vgl. N. Copernicus: Das Neue Weltbild (2006), S. 60 ff.) als solche Distel dargestellt, welche die Esel befriedigt abspeist und sie dabei den zentralen Wert des Buches verkennen läßt. 143 In dieser witzigen Replik auf die von Onorio referierten Doktrinen der Skeptiker setzt Sebasto noch einen weiteren Kritikpunkt nach: Die Theoreme über die Unmöglichkeit zu lehren und zu lernen implizieren, daß es so etwas wie Vereselung gar nicht geben kann; eine Idee, die Brunos Thesen von den Juden und Christen und ihrer Verwandlung in Tiere diametral entgegensteht. 144 Die Auseinandersetzung mit der Skepsis endet bezeichnenderweise mit der Aufforderung zum Essen; hier fungiert sie als immanentistische Widerlegung dieser Doktrin. Ihr hatte ja schon Sebasto vorgeworfen, daß sie (wenn man ihre Lehren konsequent weiter denkt) den Menschen dazu an-

dritter dialog

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hielte, den Gürtel so eng zu schnallen, daß alle organischen Funktionen unterbunden werden. Wie schon z. B. in Causa, BW IV, S. 44 ff. und am Schluß des Spaccio, DI, S. 829, C 668 fungieren hier Hunger und Essen als positives Urbild des universellen Wandels.

Dritter Dialog (S. 114–117) 1 Sebastos Diener. 2 Hier stimmt der Anschluß an den vorhergehenden Dialog nicht, denn

man hatte doch in der Runde vereinbart, sich nach dem Abendessen zu treffen. 3 Aus Brunos Perspektive wohl deshalb, um das sprichwörtlich große Geschlechtsteil zu verhüllen – immerhin handelt es sich ja, wie wir wissen – um einen ideellen Esel. 4 Hyginus: Astronomia (1992), lib. 3, cap. 10, S. 101. 5 »Come Fortuna va cangiando stile.« F. Petrarca: Trionfo della morte (1996), I, V. 135, S. 294. 6 [spacciato] Wie im Eingangsatz der Cabala verwendet Bruno hier das mehrdeutige Wort. Vgl. oben und Einleitung. 7 Durch einen plötzlichen Wandel der Fortuna sind die Dialogpartner bis auf Saulino unauffindbar. Die günstige Gelegenheit ist vorübergegangen, die Cabala wird so fragmentarisch bleiben wie das Sternbild des Esels. Wie schon im Einleitungssatz des Textes spielt Bruno hier mit dem Begriff spacciare, der herumgehen bzw. losbinden, austreiben bedeutet, und mit dessen Gegenteil, dem Konklave, wobei das Wort auch als ironische Anspielung auf die Papstwahl zu lesen ist. Vgl. M. A. Granada: Einleitung zu Cabala (1990), S. 20. Das Wort kommt auch am Ende des Spaccio, DI, S. 738 vor, und zwar als Bezeichnung für die Sitzung des Göttersenats, der die Himmelsreform verfügt. Außerdem scheint der Umstand, daß Saulino im »Herumspazieren« (spassegiando) wartet, beachtenswert. Wenn man nämlich den Inhalt des Folgenden bedenkt, daß ein Esel in die Akademie aufgenommen werden soll, so kann man Saulinos Herumspazieren auch als Karikatur der Peripatetiker verstehen, die ja ebenfalls eitel in den Vorhallen des Wissens herumstolzieren. Sie verwechseln dabei offensichtlich spasso mit spaccio, denn lautlich wie semantisch ist das italienische Wort spassegiare dem spacciare verwandt. Vgl. auch Causa, BW III, S. 40: »[...] questi vostri discorsi vengan formate comedie, tragedie, lamenti, dialoghi, o come vogliam dire, simili a quelli che poco tempo fa, per esserno essi usciti in campo a spasso, vi hanno forzato di starvi rinchiusi e retirati in casa.«

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An den kyllischen Esel 1 In der Antike war der Berg Kyllene auf dem Peloponnes dem Merkurkult

geweiht; das Sonett ist also dem merkurialen Esel zugeeignet. In Imaginum, OL II/3, S. 237 f. erklärt Bruno nicht ohne Ironie, daß das Naheverhältnis zwischen diesem Gott und dem Esel mit deren restlos konträren Eigenschaften zusammenhängt; diese sind zur Selbsterhaltung ihrer extremen Gegensätze notwendig. Vgl. auch Einleitung. 2 Lk 11,27. Das Bibelzitat macht klar, daß im folgenden Christus gemeint ist: Er ist die »göttliche Bestie«. 3 Die Behauptungen Onorios, im Himmel und auf Erden gelebt zu haben, werden hier mit der christlichen Heilsgeschichte in Verbindung gebracht. 4 Der Esel soll also keinesfalls mit jenen prometheischen Tugenden ausgestattet sein, die Bruno zufolge den Menschen erst zum Menschen machen. Versteht man dieses Tier als Persona Christi, dann liest sich die Strophe wie ironisches Bedauern über die Leiden des Erlösers am Kreuz. Diesen dem Schutz der Natur anzuempfehlen, ist Ausdruck bitteren Hohns auf die christliche Theologie, denn Gottvater hat ja die Leiden seines Sohnes nicht verhindert. 5 Bruno faßt hier nochmals alle negativen Aspekte des Eseltums zusammen: die Starrsinnigkeit; das Unvermögen oder den Unwillen, selbst zu denken und sich statt dessen nur auf das Gehör zu verlassen; den Verzicht darauf, mit den eigenen Händen schöpferisch tätig zu werden; das unzivilisierte Benehmen; die Geschmacklosigkeit, die Geilheit und die aus allen diesen Eigenschaften resultierende Unfähigkeit, sich dem kontinuierlichen Wandel anzupassen. Zum beharrlichen Eselsnacken, der offensichtlich prädestiniert ist, vom Schicksal Prügel zu beziehen, siehe auch oben, den Beginn von II/2 und Imaginum, OL II/3, S. 238. 6 Bruno markiert hier, daß dieses Sonett in Beziehung zur homiletischen Parodie der Deklamation steht. 7 Saulino liest hier also im Herumspazieren Brunos merkurialen Esel. Im folgenden wird das überaus begabte Tier um Einlaß in eine pythagoreische Akademie bitten. Analogien zu Franz Kafkas Bericht für eine Akademie drängen sich dem heutigen Leser geradezu auf. Der kyllenische Esel ist auf einer anderen Realitätsebene angesiedelt, als die vorhergegangenen Dialoge, die tatsächlich mögliche Gesprächssituationen simulierten. In der literarischen Form des Lukianischen Dialoges mit seinen allegorischen Figuren markiert Bruno deutlicher als zuvor seine Autorschaft und die imaginäre Ebene der Erzählung. Vgl. hierzu und zu den Charakteren Einleitung. 8 Auch Jupiter steht unter dem Fatum, wie Bruno im Spaccio, DI, S. 592 und S. 715 sagt.

an den kyllischen esel

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9 [industria] Bruno verwendet diesen Begriff auch schon oben, in II/3, um

die Faulheit der Skeptiker anzuprangern vgl. S. 105, Anm. 122. 10 Nicht ohne Ironie imaginiert Bruno hier die Inversion der in der Deklamation beschriebenen freiwilligen Vereselung der Juden und der Christen: Mit allen Mitteln versucht das Tier, die ihm zustehende Seinsform zu verlassen. Es will Hände, um endlich die Früchte vom Baum der Erkenntnis nicht ernten, sondern (wie wir wissen) stehlen zu können. Dabei mangelt es dem Esel zwar nicht an jener industria, jener Schläue, die für solche Unternehmungen condito sine qua non ist, aber sehr wohl am richtigen Körperbau. Das Eselsgedächtnis ist hier wohl eine amüsante Anspielung auf die im ersten Dialog durch Saulino skizzierte Mnemonik, in welcher der Esel mit der Weisheit auf einer Stufe steht.  Sprechende Tiere sind nicht nur in der biblischen Geschichte von Balaam, sondern in der antiken Literatur ein Topos für Wunderzeichen und Magie. Vgl. etwa L. Apuleius: Metamorphosen (1992), lib. 2, cap. 1, S. 24 f. Sie sind allerdings auch ein Element der Satire, denn Lukian: Revivescentes seu piscatores (1947), S. 48 f. beschreibt den Esel von Cumae, der ein Löwenfell anzog und die Bürger der Stadt verschreckte. Diese Erzählung steht im Zusammenhang mit Scharlatanen, die sich als Philosophen verkleiden. 12 Micco erweist sich hier als ziemlich unfähig, wenn er nicht weiß, daß die Seelenwanderung Teil seiner eigenen pythagoreischen Lehre ist; solche Unkenntnis wird ihm auch vom Esel weiter unten vorgeworfen. 13 Es ist bezeichnend, daß der Esel nicht wählerisch ist: »irgendeine« Akademie genügt ihm schon, gerade so wie das Tier ja auch sonst keinen Unterschied zwischen Disteln und Salat macht. Die Ironie dieser Passage wird dadurch noch gesteigert, daß sich Bruno auf der Titelseite des Candelaio das Epitheton Akademiker keiner Akademie gab und bekanntlich lebenslang ein gespaltenes Verhältnis zu Bildungsinstitutionen hatte. 14 Micco äfft hier (im wahrsten Sinn des Wortes) das Erstaunen Balaams darüber nach, daß sein Esel zu sprechen begann. 15 Das ist vielleicht auch eine Spitze gegen den zeitgenössischen, von der Gegenreformation geförderten Wunderglauben. Pietro Pomponazzis De incantationibus, eine verbotene, allerdings im 16. Jh. intensiv rezipierte Abhandlung aus dem Jahre 1520 erklärte alle Wunder oder dämonischen Ereignisse als natürliche Phänomene. Zur Einführung in die Thematik vgl. B. P. Copenhaver und C. B. Schmitt: Renaissance philosophy (1992), S. 111, mit Literaturhinweisen. 16 Epitheta mit eindeutig pedantisch-ironischem Unterton. Vgl. auch Cena, DI, S. 127 f.

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17 Eine pythagoreische Regel, die Bruno vielleicht in der Übersetzung von

M. Ficino: Opera omnia (1576), Bd. II, S. 1979 kannte. 18 Vgl. A. Gellius: Noctes Atticae (1928), lib. 1, cap. 9, 2, Bd. I, S. 45 ff. Bruno meint es natürlich im umgekehrten Sinne; die Seele ist abhängig vom Körperbau, wie Onorio oben ausgeführt hat. Bruno stellt hier das ingegno, die Begabung, eindeutig als somatisches Phänomen dar; vgl. auch Umbris, OL II/1, S. 68 f. (Sturlese S. 78 f.). 19 Der pedantische Esel persifliert hier Vergil: Eclogae (1969), lib. 3, V. 60 f., S. 8., wo Jupiter als immanentes universelles Fruchtbarkeitsprinzip erscheint: »Ab Iove principium musae. Iovis omnia plena; ille colit terras, illi mea carmina curae.« 20 Vgl. A. Gellius: Noctes Atticae (1928), lib. 1, cap. 9, 3–7, Bd. I, S. 45 ff. 21 Wieder eine Anspielung auf Röm 1,20. Bruno teilt diese Auffassung in Causa, BW III, S. 86–90, sagt dort aber, daß es die nobelste Aufgabe ist, dieses höchste Prinzip zu erforschen. 22 Aristoteles: Metaphysik, lib. 1, cap. 8, 989b–990a; lib. 14, cap. 3 1091a; Cena, DI, S. 41. 23 Ps 41,2. Zum Aktaionmythos, auf den Bruno hier vielleicht ebenfalls anspielt, siehe Furori, DI, S. 991. Der Esel verfällt in den psalmodierenden Stil der Deklamation. 24 Wohl durch die weiter unten erwähnte »Tür des Eseltums«. 25 Vgl. Diogenes Laertios: Vitae (1990), lib. 8, Abs. 36, S. 127; Ovid: Metamorphosen (1996), lib. 15, V. 72 f., S. 558; ebd., V.173 ff., S. 564; ebd., V. 456–65, S. 578; Iamblichos, Vita Pythagorica (1963), Abs.107 f., S. 112 ff.; und ebd., Abs. 168 f., S. 170–173. 26 Vgl. auch Causa, BW III, S. 108. Die vicissitudo ist allerdings dem blinden Fatum unterworfen; in diesem Sinne gibt es auch keinen anthropomorphen »Verwalter«, also keine Teleologie. 27 [integnono] Mit seiner Wortschöpfung integnere meint Bruno intendono (»begreifen, verstehen, erachten«), hat aber auch Anklänge an integumento (»Tierhaut«). Dies verweist wohl scherzhaft auf jene Lehren, welche der Eselshaut eingebläut werden müssen. 28 Vgl. Platon: Timaios 41b–47e, bes. 42a und 43e; M. Ficino: Theologia Platonica (2001–6), lib. 13, cap. 1, Bd. IV, S. 114–17. 29 Dies widerspricht Onorios Aussagen in II/1: Dort ging es ja gerade darum zu zeigen, daß es lediglich auf die körperliche Veranlagung ankommt, um einem bestimmten Ingenium zur vollen Entfaltung zu verhelfen, weil sich der Geist ohnedies gleichförmig über alle Dinge erstreckt. Wie im Spaccio, DI, S. 559 wird der Intellekt hier mit Bewegung und Geschicklichkeit gleichgesetzt.

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185

30 Vgl. Cicero: Tusculanae disputationes (1992), lib. 4, cap. 80, S. 310 ff.;

ders.: De fato (1965), lib. 5, cap. 10, S. 134. M. Ficino: Opera omnia (1576), S. 1682; Furori, DI, S. 985. Auch Sokrates ist, wie wir aus dem ersten Dialog wissen, ein Esel (mit einem großen Schwanz). 31 Diese Aussage ist häufig bei Bruno und anderen zu finden; vgl. z. B. Summa, OL I/ 4, S. 30 f.; N. Cusanus: De venatione saptientiae (1964–67), Bd. I, S. 8 f. 32 Vgl. Vinculis, OL III, S. 659 ff. 33 Zum Verhältnis von actus und potentia vgl. Causa, BW III, S. 166–76. 34 Bruno modifiziert leicht J. Sannazaro: Arcadia (2004), Ecloga 7, V. 10 ff., S. 133. 35 Anspielung auf Röm 1,20. 36 Der Esel verwechselt hier die Ebenen und gelangt zu einem Trugschluß, denn aus der Perspektive des unendlichen Ganzen besteht zwar kein Unterschied zwischen allen Dingen, sehr wohl aber in der konkreten Ausformung der Glieder im Individuum (vgl. Einleitung). 37 Vgl. L. Firpo: Il processo di Giordano Bruno (1993), S. 250 f. 38 Vielleicht in Anspielung auf 1 Kor 12,26. Für diese Beschreibung Merkurs siehe Candelaio, I, 11, OC, I, S. 97, Cantus, OL II/1, S. 192; Umbris, OL II/1, S. 170 (Sturlese S. 190); Principiis, OL III, S. 551, OM, S. 680. Dieser Gott wird hier durch seine sprichwörtlich ambivalenten Eigenschaften dargestellt. Mit diesen Charakterzügen ist er als Garant höherer Wahrheiten zweifellos unglaubwürdig. 39 Bedenkt man, daß Merkur der Gott der Diebe ist, so bekommt die Erlaubnis, überall eintreten zu dürfen, einen völlig neuen Sinn: Wieder ist die Transgression in wörtlichstem Sinne – als Diebstahl – ein zentraler Bestandteil der Karriere in einer Akademie (vgl. auch Einleitung). 40 Merkur wird hier zum Juristen-Pedanten! Er geriert sich, ganz wie Onorio/Aristoteles, in einer Zeit des kulturellen Niedergangs zum Richter. Die Sentenz ist eine typisch schulmeisterliche Aussage. Wie schon in der Cena, DI, S. 32 haben wir es hier mit einem falschen Götterboten zu tun: »Mercuri ed Apollini discesi dal cielo, con multiforme impostura han ripieno il modo tutto d’infinite pazzie, [...] approvando e confirmado le tenebre cagliniose de’ sofisti ed asini, […]«. Im Candelaio, V, 19, OC I, S. 373 wird Merkur von Momus mit den wenig schmeichelhaften Epitheta, »Sophist, Falschredner und Kuppler« bedacht. 41 Der Esel hat also alle Eigenschaften des Don Sapatino, dem die Cabala ja zugeeignet ist: So schließt sich der Kreis der nolanischen Eselei. M. A. Granada: Einleitung zu Cabala (1990), S. 31, Anm. 59 übersieht übrigens die Ironie der Passage.

186

kommentar

42 Diese Autoritätsgläubigkeit der pythagoreischen Esel ist ja zweifellos

unangebracht: Sie hören unkritisch auf das Wort des zweifelhaften Gottes und sind daher ebenso stupide und rigide wie (viele!) andere Akademiker und Dogmatiker. Ex auditu fides: willkommen unter den Paulinischen Eseln, die brav und geduldig zuhören. Vergleichbare Gedanken aus einer antiken Perspektive finden sich auch in Lukian: Revivescentes sive Piscatores (1947), passim, bes. S. 44–56.

GLOSSAR

abito affetto animo apprensione cognizione complessione concetto disciplina discorso facultà discorsiva figura giudizio indole industria influsso ingegno intendimento ipostasi operazione pazzia raggione setta specie speculazione sussistenza vicissitudo virtù

physische Beschaffenheit Leidenschaft Geist, Sinn Auffassungsgabe Erkenntnis Körperbau, Konstitution Begriff, Vorstellung Wissenschaft Erörterung, Rede Verstandesvermögen Gestalt Urteilskraft Natürliche Anlage Geschicklichkeit, Fleiß astrologischer Einfluß Begabung Verstand Seinsform Tätigkeit Verrücktheit Argument, Begriff, Proportion, Ursache Denkschule Spezies Forschung Existenz Wechselfälle des Geschicks Wirkkraft, Tugend

NA M E N R E G I S T E R

Kursive Seitenzahlen beziehen sich auf den Kommentarteil. Abraham 55, 63 Adam xxxi, lxxii f., 67 Aelianus, Claudius xciii, Agrippa von Nettesheim xii, xxx f., xxxvi, 138, 143, 145, 146, 152, 153, 154 Ägypter xxxvif., lix, lxiv, 45, 51, 53, 55, 149, 155, 172, 173 Akademiker lxxv, 13, 103, 107, 109, 111, 123, 135, 140, 186 Aktaion 11, 139 Albertus Magnus lv, 153 Alexander der Große xl, 89, 171 Alexander von Hales 141 Alvaro xlv Ambrosius 144, 147, 148 Amintos 171 Amphitries 75 Anaxagoras lxxvii Andromeda 75, 115 Apollo 75, 121 Apostel xvi, lxxxvi, 35 Apuleius, Lucius 137, 143, 161, 183 Aratos 163 Archimedes 139 Argus 47, 152 Ariosto Lodovico 160 Aristarch von Samotrake 89, 171, Aristoteles xi, xl f., xliv, li f., lvi f., lxxvi f., xc, c, 89, 150, 155, 156, 157, 159, 161, 167, 168, 171, 172, 173, 174, 175, 176, 177, 184, 185 Arnobius 167

Augustinus, Aurelius xliv, civ, 69, 145, 146, 147, 157, 160, 176, 177 Averroes 83, 157, 173 Badaloni, Nicola lxxi Balaam xxxii f., 55, 144, 145, 155, 183 Barak 25 Belial 31 Beliden 178 Bellerophon xcii, 75 Boethius 146 Bonvicino Alessando lvi Caesar 164 Camerin, Eugenio xx Castelnau, Michel de xxi, 140 Chaldäer 91, 125, 173 Charlewood, John 137, 175 Christen ix, xxvii, xxx ff., xxxvi f., xliii f., lxxxi ff., 23, 140, 144, 145, 147, 150, 153, 155, 178, 179, 180, als Esel xciv, 163, 166, Paulinische, xliii, ciii, 142, 146, 158, 159 Christus xvi f., xxv, xxxii ff., xlvi, lii f., livf., lxxxiii, xc f., xciv, c, 31, 141, 144, 147, 161, 174, 176, als Esel lxxxiii, 161, als Reiter 69, 147, 148, als göttliche Bestie 182 Cicero xciv, 7, 137, 139, 172, 178,179,185 Circe 165 Coribante xxxv, lvi–lix

190

namenregister

Cusanus (Nikolaus v. Kues) lxxi f., lxxxvii, 148, 152, 159, 174, 185 Danaiden 178 Dante Alighieri 176 Debora 25 Della Porta, Giambattista 166, 177 Demokrit 143 Diana lii, 139 Diogenes Laertius xliv, 164, 176 Dionysios Aeropagita lviii, 69, 160 Dogmatiker 105, 107, 111, 135, 186 Don Sapatino xxix Druiden 77 Duns Scotus 141 Elias, (Prophet) 85 Ephetiker xlii, 63, 65, 103, 105, 107, 158 Erasmus von Rotterdam xii, xviii, xxv, xliii, 137, 144, 145, 149 Eusebius 177 Ficino, Marsilio xl, lxxix, lxxxvi, xcvii f., c f., cvi f., 139, 142, 153, 154, 163, 165, 167, 176, 184, 185 Flavius Josephus 154 Fracastorio 170 Gatti, Hilary xxiii, lxxii Gelli, Giovan Battista 165, 168 Gellius, Aulus 173, 184 Ghisleri, Michele Antonio 140 Gott xxii f., 17, 23, 25, 27, 33, 39, als Reiter 67, 69, 159, 160 Griechen 53 Hebräer 51, 53 s. a. Juden Henri iii, xxi, 13, 140 Hervet, Gentian xliv

Hiob 49 Horapollo 152 Horaz xi, xv, xci, 153, 156, 171 Hyginus 39, 141, 146, 151, 152, 163, 181 Iamblichos 184 Jakob, 53, Jakobs Segen xciv Johannes der Täufer 85 Juden xxxvi f., 33 f. 41, 55, 63, 155, 159, 166, 180, s. a. Hebräer Jupiter xxxvii, lxxxvi, 13, 67, 97, 121, 125, 131, 156, 184 Justinus der Märtyrer xciv Kabbalisten xxxvi f., lxvi f., lxix, 47, 49, 53, 63, 143, 152, 153 Kafka, Franz 182 Kopernikus, Nikolaus xvi, 180 Lachesis 162 Lactantius 178 Lucilius 153 Lukian xi, 183, 186 Lukrez lxxvii, lxxxiv, 149 Lullus, Raimundus lxx, lxxii, 138, 141 Luther, Martin xviii, xxv, xxxii, xxxiv, 137, 145, 158, 160, 172 Lynkeus 47, 152 Machiavelli, Niccoló xii, xxvii f., lxxxviii f., 146 Macrobius xciv ff., civ ff., 161, 163, 166, 170 Merkur xlvii ff., lxxxvi f., xci, 75, 139, 140, der Kyllenier 133, 135, 182, 185 Micco xlvii f.

namenregister

Michelangelo lvi Moab 27 Momus 185 Moses lxvi, 79, 166 Neptun 162 Nereiden 162 Nikomachos 89, 171 Ochus xxxvi, 51, 53, 155, 172 Onorio xl ff., li ff., lxii f., xc–xcv, xcviii–cvii, 139, 161, 163, 169, 170, 171, 172, 175, 176, 180, 182 Opis xxxvi, 51 Ordine, Nuccio, xiv, lxxi Origenes xviii, xl, 5, 25, 137, 138, 145, 147, 153, 158, 169 Orion lii, ci, 161, 176 Osiander 180 Ovid 139, 149, 152, 162, 164, 169, 178, 184

191

Pino, Giovan Battista xii, 138, 139, 143, 148, 154, 160, 164 Pius v., Papst 13 Platon xii, c, 89, 157, 158, 161, 163, 170, 171, 173, 184 Platoniker lx, lxiii, xc, cviii, 69, 143, 160, 180 Plotin xcv, xcix, ciii, 89, 161, 165, 168, 170 Plutarch 154 Pomponazzi, Pietro 183 Prometheus xxxi, lxxxii–vi, xcii f., 67, 146, 161, 163, 172 Propheten, falsche x, lxxv, 95, 146, 174 Pyrrhoniker xlii, 63, 65, 69, 103, 105, 107, 109, 158, 178 Pythagoras 127, 158 Pythagoreer xlix, li, 71, 77, 91, 131, 135, 173 Quintillian 174

Papi, Fulvio lxxvi Paulus xvi f., xxxii, xxxiv, xlix, liv ff., 145, 151, 152, 158, 174, der Tarsener 63 Pedanten (Schulmeister) xxvi, xxxv, lviff., 7, 89, Pedantenschelte 29, 95, 97, 149, 150, 151, 155, 156, 157, 159, 171, 175, 177 Pegasus xxxviii, xci f., xciv f., 87, 103, 115, 143, 162, 163, 174 Perser 53 Petrarca, Francesco 174, 181 Philipp von Mazedonien 89, 171 Philister xxxii, 29 Pico della Mirandola, Gianfrancesco xliv, 157, 158, 176 Pico della Mirandola, Giovanni xxxvii, xl, xcvii, 165

Rabbiner 25, 65, 85, 169 Rabelais 139, s. a. Gargantua Reformatoren xviii, xxxi, xlviii, 13, 89, 140, 145, 150, 172 Ricci, Saverio lxvii, lxxii Sadduzäer 77, 85 Samson xxxii, 29 Sanchez, Francisco 176 Sannazaro, Jacopo 185 Saulino xxxv f., l, liii–lvi Saulus-Paulus liv ff., lviii Savolino, Andrea 150 Savonarola xliv Sebastian Hl. lix Sebasto xxxv–xl, lix f., lxx, lxxv

192

namenregister

Sextus Empiricus xliv, 176, 177, 178, 179, 180 Sidney, Philipp xxviii, 13, 140 Skeptiker ix, xxxvi, xlii f. xlv, xlix, lv, lix, lxix, lxxxviii, ciii, 69, 103, 157, 167, 176, 177, 179, 180, 183 Sokrates xliii, c, 89, 129, 160, 161, 185 Sokratiker 69 Sophia xxxv, liii, 43, 59, 150, 151 Spang, Michael lxvii Tacitus 154 Tasso, Torquato 149 Terenz 7 Tertullian 154 Teufel (als Reiter) 67, 69, 160 Thomas von Aquin lxviii, lxxx f.,

138, 141, 144, 146, 147, 149, 151, 156, 157, 160, 167, 168, 169, 177 Toland, John xx Valeriano, Giovanni Piero xxxviii, 152, 153, 154 Vergil lxiv, 7, 152, 157, 161, 162, 169, 184 Wagner, Adolf xx Xenophanes von Kolophon xlii, 109 Yates, Frances lxx Zeus xci Zopyrus 129

S AC H R E G I S T E R

Kursive Seitenzahlen beziehen sich auf den Kommentarteil. Abbild lxvi, xcvi, 31, 51, 57, 89, 97, 143 Aberglauben 29 Akademie der Gauner lxxxv Akademie der Pythagoreer xlvii, 123 f. 182 Anamnesislehre xliii, xc, cviii, 151, 160 Andromeda (Sternzeichen) 75, 115 Anthropologie xxiii, lxxxi, lxxxiii, xcvii, ci, 167 Antihumanismus 165 Antisemitismus xxxvii, 153, 154, 155 Apokalypse des Johannes 138 Armillarsphäre lxix, 11, 139 ars combinatoria lxiv f., 138, s. a. Universalkombinatorik ars memorativa xxxvi, lii, lxiii ff., lxx, lxxii ff. 140, 142, 144, 151, 180, 183, s. a. Erinnerung, Gedächtniskunst, Mnemonik ars notoria lxviii astuzia xc, 96, s. a. Schläue Athen 89 Autoritäten und Autoritätsglaube xii, xli, liv, lvi, lvii, lxxii, cviii, 15, 35, 27, 87, 101, 135, 155, 173, 177, 186 Begabung xxxix, lxi, lxxvi, lxxviii f., lxxxii, cv, 7, 19, 77, 79, 81, 105, 125, 127, 129, 166, 184

Bibliothek, mentale xli, lxii, xcviii, c, 89, 97 Buch des Lebens 39, 138 De servo arbitrio xxv, xxxii, 145, 158, 160 Dekadenz, politische xcv Deklamation als Literaturgattung xxx f. Denkbewegung, kreisförmige xviii Diebstahl 163, 183, 185, als wissenschaftliche Methodik lxxxv ff., s. a. Wissen, gestohlenes Disteln und Salat, Unterscheidung lxxii, lxxxviii, 51, 180, 183 docta ignorantia lxx ff., 152, 159 Dummheit xi f., xxv, xxix ff. und passim Elysium 162 Empirismus, aristotelischer xcix En-sof 152 Eridanus (Fluß) xxxv, 45, 151 Erinnerung xli, xlix, lxiii, lxxiv, lxxxvii, xcviii f., 43, 77, 89, 97, 99, 163, 175, 176, 180, als aktiver Prozess cii f., s. a. ars memorativa, Gedächtnistheorie Erstarrung xliii, xlv, xc, 178, 180 Esel xxxii, xxxiv, Buridans 158, drei Spezies der Unwissenheit lxix, 63, 176, Eselsreligion xxxvii, lv, lviii,

194

sachregister

lix, fliegender oder pegaseisches Pferd 75, goldener 51, göttliche 67, ideeller xxix, xxxix, 97, 155, kyllenischer 21, von Cumae 183, pythagoreischer, xlvii ff., 71, 186, Sternbild xlvi, 141, Eselsbrücken lxxiii, 158, Eselshufe 167, Eselskopf (Hieroglyphe) 45, Eselskult xxx, xxxvi f., lxxiv, 159, 172, Eselsschwanz 141, Eseltum xxvii, 17–21, 25, 37, 49, 55, Archetypus des Eseltums lxviii, 63, negative Aspekte 182, als Tier von Saturn und Mond 51, der Juden 51, Talent des Esels 121, Transformation von Esel in Mensch 164, und umgekehrt 165, Vereselung xxx, xliii, 133, 180, 183, Akademie der Esel xiii, xlvii, xlviii, 21, 131, 133, 148, 181, 183 Eucharistie 151 Evangelium 31 ex auditufides xxxi f., xlviii, lxxxii, 186, s. a. Gehör fatica xcviii, cvii, 34, 60, 64, 80, 102, 104, 106 Fatum xcv, 77, 89, 175, 182 Fische (Sternzeichen) 75 Form xxiii, xxxix, xxxix, lxxvi f., lxxx f., civ ff., 23, 77, 99, 101, 103, 121, 127, 141, 148, 166, 167 Fortuna lxxxviii, 146, 165, 166, 169, 181 Fragmentarische Erkenntnis xvi, ciii, 141, 151 Fragmentarischer Text xv, 153 Gargantua lxviii, s. a. Rabelais Gedächtnistheorie lxvii f. s. a. ars memorativa

Gefäße (vas honoris, vas contumeliae) xiv, xviii, lxiii, 5, 85, 138, 169 Gehör, als Instrument des Glaubens xlix, lxxxii, 67, 119, 182, s. a. ex auditu fides Geist xvi, xxxix, lx, lxxv, lxxvii f., lxxx, 19, 57, 61, 73, 75, 85, 143, 148, 160, 162, 165 Gemälde 15, 152 Geschicklichkeit 105, 121, 184, s. a. industria Glaube, religiöser xl, xliv, 21, 29, 31, 35, 37, 61, 87, 91, 150, 158, 173, 176 Gleichheit von Menschen und Tieren x, xxxix, xli, lix, xci, 75, 79, 81, 83, 85, 148, 160, 162, 165, 166, 170 Gnade Gottes 25, 31, 33, 35, 39 Goldenes Zeitalter lxxxi, 35, 142, 147, 148 Götter, betrügerische xxv, xlviii ff., xxxii, liii, 146, 148, 159 Götter, übelwollende xxvii Götterkavalkade, platonische xcvi ff., cvi f. 150, 163, 170, 176 Großer Bär (Sternzeichen) xxxv, 45, 59, 151 Habitus xliii, xlvii, lxxv, 61, 99, 131, 174, 175, 177 Hand xxxix, xli, als Organ der Organe lxxv–lxxxiii, 77, 79, 81, 167, und Diebstahl lxxxv, s. a. Diebstahl, Prometheus Handwerker xxviii, lxx, ciii f., 79, 111, 113 Helikon 162 Hierarchien xxiv, des Seins xcii, neuplatonische lxxix

sachregister

Hieroglyphen 45, 152 Himmelfahrten, des Esels xc ff. homo novus ci Hunger und Essen xiv, xliv, 35, 71, 113, 158, 180, 181 Hydra xciii Hylemorphismus xxiii Ideenlehre, Platonische xxxix, lxiii, ci, ciii, 156 Ignoranz xxx, xxxvi, lxviii ff., lxxii ff., 16, 148, 157, 159, 177, und Weisheit, Nähe lxv, lxxiii f., s. a. Unwissenheit Imagination 150 inceppare 77, 165 industria lxxxvii, xc, 76, 104, 120, 178, 183, s. a. Geschicklichkeit inganno xlix, l, 74, 92 Inkarnation xxxviii, xl, xli, lxiv, xci, xciii, xcvii, civ, cix, 171, 176 Inquisition xx, 141 Instinkt xxxix, lxxx, 73, 81, 83, 85, 167, 168 intellectus agens 61, 79, 83 Intellekt xxvi, lxxvii ff., 21, 31, 125, menschlicher xxxix, lxxv, xci f., 37, 63, 79, 81, 83, 85, 93, 101, 105, 111, 127, 142, 157, 161, 163, 166, 167, 168, 184, unterworfener 61, und Wille 163, intellektuelle Schau 99 Intelligenz lxxvii, 77, unfehlbare 81, der Tiere lxxix, universale wirkende cv, 81, 83, partikuläre 83 intentio 91, 173 inventio lxxxix f. Jerusalem, Christi Einzug nach xvi, xxxii ff., lxix, lxxxvi, xciv, 33, 61, 69, 141, 144, 147, 148, 150, 155, 158

195

Jesse, Stamm lxviii Kabale x Kabbala x, xxxvi, xliv, lxvii, lxx, 9, 115, 153, kabbalinische Quelle 75, 163, kabbalinischer Geist 97 Kirche, Tochter der Synagoge 63, streitbare 29, 39, 69, triumphierende 39, 69, als triumphierende Bestie 150, von Eseln regiert 141, s. a. Esel Kleiner Bär (Sternzeichen) 45 Klerus 160 Klugheit 29, 35 Konklave xlvi, 115, 138, 181 Konstantinopel 9 Korintherbrief xvi, xxv, xliii, lv Körperbau xxxix, lxxviii ff., cv, 77, 79, 81, 83, 160, 164, 183, 184 Körpergefängnis xcix, 73, 99, 161, 163, 176 Körpersaft (Humor) cv ff., 75, 97, 99, 99, 129, 164, 167 Kosmologie xxiii, lv, lix, lxiv, lxvi f., lxx ff., 156, 171, 173, 179 Krebs (Sternzeichen) 45, 151 Lebensgeist 75, 77, 105 Lehm xv, xxviii, lxiii, 85, 165 Lehre, Unmöglichkeit der 109, 111, 113, 167, 180 Leidenschaften xcvii, cvi, 67, 85, 89, 129 Lern-und Behaltensfähigkeit der Tiere 81 Lethestrom xxxviii, xli, xlix, xci, cv ff., 75, 97, 140, 166, 170, 172 Makrokosmos 11 Maler als Philosoph 141

196

namenregister

Materie xiv ff., xxii f., xxxix, lii, lxiii, lxxix, lxxxiii ff., civ ff., cviii, 5, 7, 73, 79, 103, 162, 167, 168, 169, verformbare universale 85, 137, 138, 165, 166, geistige 73 Metampysikose xiii, lx, 77, 164, s. a. Metempsychose Metaphysik als Teil der Logik 125, platonische Lichtmetaphysik 168 Metempsychose xiii, xxxix f., lx, 77, 162, 164, s. a. Wiedergeburt, Metampysikose Mnemonik xix, lxiv, 183, s. a. ars memoratvia Modalität 101, 177 Mysterien 41, 43, 51, 95, 153

Persona l phantasia (Einbildungskraft) 165, s. a. Vorstellungsbilder Physiognomie 125, 129 Plutonisches Reich 97 Prädestinationslehre xviii, 144, 150, 158, 175 Prediger xxx, 29 Predigtstil in der Cabala xxx, lv, 142, 153, 155 Prinzip, Prinzipien lxvii, 7, 23, 64, 81, 89, 109, 129, 147, 144, 152, 168, 180, 184 Privation 177 Psychologie, neuplatonische civ f. Quecksilber 11

Natur xlii, lii f., lxxiv, lxxvi f., lxxxi, lxxxviii, xcviii, 17, 19, 29, 103, 127, böse und trügerisch 105, 179 Naturphilosophie xxi f., und passim, des Aristoteles 93, 172, des Pythagoras 125, 127 Neapel xxi, 9 Nektar cvi f., 69, 89, 170 Neugier 17, 29 omnia in omnibus xix, lxxi, 15, 141 Organe lxi, lxx ff., 79, 85, 166, s. a. Hand otium xxvii, xxxiii, lxxi, lxxxvii, xcviii Otranto 9, 138 Oxford xxii, 140 Papsttum 145 Paradies 33, 148, der Tiere 159 Paris xxix Parnass 75, 162

Rad der Fortuna xxvii, lxiii ff., ci, 91, 160, 172 Ramath-lechi 31 Rätsel xxxiv, 43, 93 Reinkarnation xci, c, 85, 169 Relation xxiii, 103, 125 Religion xxvi ff., xxxiii, lii, lxxxiv, 29, 142, 145, 154, 155, falsche x, xxxii, xxxvii, xli, lxxxiii, religio xlvi, 147, 148 Reliquienverehrung 146 Rom 9 Römerbrief des Paulus xvii, lxxxii, 169 Rosenkranzbruderschaften 137 San Domenico Maggiore xxi, 174 Saturn 51, 153, als ambivalente Planetengottheit 154 Satzbau bei Bruno xiv Schatten der Ideen, der Wahrheit, lxvi f., 13, 21, 143

sachregister

Schlange xxxix, xlix, lx, 33, 77, 79, 148, 165 Schläue xxxii, xlvi, xci, xciv, 97, 163, 171, 172, 174, 183, s. a. astuzia Schönheit 129, 131 Schriftsinn, vierfacher 23, 144, anagogischer xxxii f. 29, 69, 155, Schule, pythagoreische 123, Vorschriften 125, Grade 125 Schwan (Sternzeichen) 75 Seele xliii, lxxvi, xcv–cviii, 17, 19, 25, 29, 31, 45, 49, 67, 73, 77, 83, 89, 91, 125, 127, 129, 142, 148, 153, 162, 163, 164, 165, 166, 167, 168, 170, 171, 184, Tierseele c f., ununterschieden von menschlicher Seele 73, Trunkenheit der Seele civ–vii, 89, 170, Abstieg der Seele in die Körperwelt xcviii, ciii f., 163, intrinsische 11, 140, betrunkene, civ ff., s. a. Lethe, Nektar, Seelenwanderung x, xiii, xvii f., lx ff., xcvi, 89, 137, 138, 161, 183, s. a. Metempsychose Sephirot lxv f., lxviii, 47, 49, 55, 53, 57, 63, 153, Sephirotbaum xxxvi Sinn, innerer 81, aktiver lxxix, 83, Sinne, 37, 167, Skeptische Philosophie xiv, 103 ff. sola fide xxv, 150 Sonderstellung der Cabala xxvi f. Sonett, literarische Form 142 spacciare xiv ff., xlvi, 4, 114, 137, 148, 174, 181 Spaccio della bestia trionfante xxv f., 147, 148 Spezies xcviii ff., cii, cvii, 57, 113, intelligible lxxxvii, 59, 75, 89, 99, 143, 157, 163, 170 Stiftshütte xiv, 105, 178

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studia humanitatis lvi f. Syllogismus xlii, 101, 177 Synagoge 29, 63 Täuschung (s. a. inganno) l, xcvi Temperamente xxxix, lxxx, 85, 129, 155, 164, 174 Theben 73 Theologie 9, kabbalistische 138, 159, negative xxxv, xc, 158, s. a. Eselsreligion Tierkreis 55, 151 Töpfer xiv f., xvii, xxviii, xxxix f. lxiv, 5, 85, 165, 167, 169 Töpferscheibe lix, lxiii f., lxx, der Gestirne 85 Transgression lxxv, lxxxiii, lxxxv ff., xcii f., cviii, 163, 185, s. a. Diebstahl, Prometheus Trunksucht lviii Universalkombinatorik xii, lxix f., 138, 159, s. a. ars combinatoria Universum xlix, lxxiii, lxxiv, lxxxiv, xc, ci ff., cvi, 13, 23, 47, 55, 91, 115, infinites xiv ff., xxi ff., lxiii f., lxxxi, lxxxvi f., 137, 138, 141, 152, 162, 166, 168 Unwissenheit als Wissenschaft oder Weisheit xxxv f., xlii, lvii, lxx ff. 27, 33, 37, 45, 61, 63, 63, 65, 99, 101, 107, 138, 158, 159, 160, heilige 17, 19, Topographie der 47, 59, 157, 177, s. a. Ignoranz Ursachen der Dinge 29, 105, 135, 144 Urteilsenthaltung xxv, xlii f., xc, 158, 178 Urteilskraft 19, 81, 99, 105, 131 venatio spientiae lxxxvii

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namenregister

Venus (Planet) 152 Verkörperung xxiv, lxxi, 157 Verstand 37, 61, 83, 150 Vertierung des Menschen lxxxiii, 161 vicissitudo x, xiii, xxxix f., xliv f., l f., lix ff., lxiv, xc f., civ, cviii, 29, 81, 91, 164, 169, 171, 173, 184 virtù lxxxviii, xxvii, lxxxviii f., 146 virtus romana und otium christianum xxvii, xxxii, 166, 175 Vorstellungsbilder 61, s. a. phantasia Wachs xiv, 5, 85, 164 Wahrheit xlii f., lxvii, lxxxviii, civ, cviii, 45, 57, 59, 61, 63, 65, 99, 101, 103, 109, 143, 156, 172 Wassermann (Sternzeichen) 75

Weinberg des Herren 37, 149 Weisheit, göttliche 31, 65 Weltbild, geozentrisches lxiv ff., lxix, lxxiv, 153, 156 Weltseele 15, 167, 168 Widerlegung, sophistische lvii f., 63 Wiedergeburt li f., 171, 175, s. a. Metempsychose Willensfreiheit 157, 168 Wirkkraft 49, 83, 97, 103, s. a. virtú Wissen, gestohlenes xxxiii, lxiii, lxxxiii–xci, 51, s. a. Diebstahl, Transgression Wissensbaum, lullischer xxxvi f., lxix, lxxiv f., 159 Wissenschaft, mühelose xcviii Wunderglaube xxxii, 121, 123, 183