Die imperiale Ordnung des letzten Großselguqen 3515131477, 9783515131476

Kaum ein Sultan herrschte so lange wie der Selǧuqe Sanǧar. Mit seinem Tod im Jahre 1157 endete eine Ära – auch weil Sanǧ

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Die imperiale Ordnung des letzten Großselguqen
 3515131477, 9783515131476

Table of contents :
Titel
Impressum
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
I.1.Zu Sangar b. Malik-Šah
I.2.Zu den Quellen
II. Vorüberlegungen zu Herrschaftsverständnis und Reichsgedanke
III. Die zeitliche und räumliche Dimension des Sangar-Reichs
IV. Bestimmung und Betrachtung der Teile des Sangar-Reichs
IV.1.Hurasan
IV.2.HVarazm
IV.3.Nimruz
IV.4.Transoxanien und die Provinzen am oberen Amudarja
IV.4.1.Das Reich der Qarahaniden (bis 1141)
IV.4.2.Die Ränder Transoxaniens und die Qarahaniden nach 1141
IV.5.Das Reich der Gaznaviden und Gur
IV.5.1.Hintergrund: Gaznaviden und Selguqen
IV.5.2.Bahram-Šah, der Vasallensultan
IV.5.3.Die Šansabaniden und der Niedergang der Gaznaviden
IV.6.Das Teilreich der Irak-Selguqen
IV.6.1.Grundlagen: Großsultan und Juniorsultan
IV.6.2.Von Mahmud II. zu Muhammad II
IV.6.3.Bagdad und das Abbasidenkalifat
IV.6.4.Der arabische Irak abgesehen von Bagdad
IV.6.4.1.Die Herren der Sümpfe
IV.6.4.2.Die Herren von Hilla
IV.6.5.Das nördliche Zweistromland, Ostanatolien und Syrien
IV.6.5.1.Der „König des Westens“
IV.6.5.2.Das Emirat der Zangiden von Mosul
IV.6.5.3.Syrien
IV.6.5.4.Ostanatolien
IV.6.6.Das Kaukasusgebiet einschl. des historischen Aserbaidschans
IV.6.6.1.Die Zeit Sultan Ma?muds II., Širvan und die Georgier
IV.6.6.2.Dawud b. Mahmud und die großen Emire zur Zeit Sultan Masuds
IV.6.7.Huzistan, Fars und Umgebung
IV.6.7.1.Die muluk von Fars und ihre Atabegs
IV.6.7.2.Die Borsuqiden und ihre Nachfolger
IV.6.7.3.Das östliche Fars (vom Meer bis zum Wüstenrand)
IV.7.Rayy und die Provinzen im Süden des Kaspischen Meeres
IV.7.1.Sangars Brückenkopf im Westen
IV.7.2.Mazandaran
IV.7.3.Qumis, Gurgan und Dihistan
IV.8.(Weitere) Sonder- und Zweifelsfälle, „Ex- und Enklaven“
V. Das imperiale Gefüge
V.1.Herrschaftsebenen und -zonen
V.2.Die Macht des Großsultans
Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Quellen
2. Sekundärliteratur
3. Internet-Datenbanken
Genealogische Tafeln
Verzeichnis der Abbildungen und Schaubilder
Indices
1. Toponyme
2. Anthroponyme
3. Dynastien, Stämme, Völker, Religionsgruppen
4. Ausgewählte Begriffe und Titel, Dinge und Themen

Citation preview

Sebastian Hanstein

Die imperiale Ordnung des letzten Großselǧuqen

Hamburger Studien zu Gesellschaften und Kulturen der Vormoderne Band 18

Franz Steiner Verlag

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Hamburger Studien zu Gesellschaften und Kulturen der Vormoderne Alessandro Bausi (Äthiopistik), Christof Berns (Archäologie), Christian Brockmann (Klassische Philologie), Christoph Dartmann (Mittelalterliche Geschichte), Philippe Depreux (Mittelalterliche Geschichte), Helmut Halfmann (Alte Geschichte), Kaja Harter-Uibopuu (Alte Geschichte), Stefan Heidemann (Islamwissenschaft), Ulla Kypta (Mittelalterliche Geschichte), Ulrich Moennig (Byzantinistik und Neugriechische Philologie), Barbara Müller (Kirchengeschichte), Sabine Panzram (Alte Geschichte), Werner Riess (Alte Geschichte), Jürgen Sarnowsky (Mittelalterliche Geschichte), Claudia Schindler (Klassische Philologie), Martina Seifert (Klassische Archäologie), Giuseppe Veltri ( Jüdische Philosophie und Religion) Verantwortlicher Herausgeber für diesen Band: Stefan Heidemann Band 18

Die imperiale Ordnung des letzten Großselǧuqen Sebastian Hanstein

Franz Steiner Verlag

Umschlagabbildung: 527 H. in Iṣfahān geschlagener Dinar Sultan Toġrı̊ ls II. (Stephen Album Rare Coins, Auktion 18, Los 504). Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2023 www.steiner-verlag.de Layout und Herstellung durch den Verlag Satz: DTP + TEXT Eva Burri, Stuttgart Druck: Beltz Grafische Betriebe, Bad Langensalza Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-13147-6 (Print) ISBN 978-3-515-13154-4 (E-Book) https://doi.org/10.25162/9783515131544

Editorial In der Reihe Hamburger Studien zu Gesellschaften und Kulturen der Vormoderne haben sich geisteswissenschaftliche Fächer, die u. a. die vormodernen Gesellschaften erforschen (Äthiopistik, Alte Geschichte, Byzantinistik, Islamwissenschaft, Judaistik, Theologie- und Kirchengeschichte, Klassische Archäologie, Klassische und Neulateinische Philologie, Mittelalterliche Geschichte) in ihrer gesamten Breite zu einer gemeinsamen Publikationsplattform zusammengeschlossen. Chronologisch wird die Zeit von der griechisch-römischen Antike bis unmittelbar vor der Reformation abgedeckt. Thematisch hebt die Reihe zwei Postulate hervor: Zum einen betonen wir die Kontinuitäten zwischen Antike und Mittelalter bzw. beginnender Früher Neuzeit, und zwar vom Atlantik bis zum Hindukusch, die wir gemeinsam als „Vormoderne“ verstehen, zum anderen verfolgen wir einen dezidiert kulturgeschichtlichen Ansatz mit dem Rahmenthema „Sinnstiftende Elemente der Vormoderne“, das als Klammer zwischen den Disziplinen dienen soll. Es geht im weitesten Sinne um die Eruierung sinnstiftender Konstituenten in den von unseren Fächern behandelten Kulturen. Während Kontinuitäten für die Übergangszeit von der Spätantike ins Frühmittelalter und dann wieder vom ausgehenden Mittelalter in die Frühe Neuzeit als zumindest für das lateinische Europa relativ gut erforscht gelten können, soll eingehender der Frage nachgegangen werden, inwieweit die Kulturen des Mittelalters im Allgemeinen auf die antiken Kulturen rekurrierten, sie fortgesetzt und weiterentwickelt haben. Diesen großen Bogen zu schließen, soll die neue Hamburger Reihe helfen. Es ist lohnenswert, diese längeren Linien nachzuzeichnen, gerade auch in größeren Räumen. Vielfältige Kohärenzen werden in einer geographisch weit verstandenen mediterranen Koine sichtbar werden, wobei sich die Perspektive vom Mittelmeerraum bis nach Zentralasien erstreckt, ein Raum, der für die prägende hellenistische Kultur durch Alexander den Großen erschlossen wurde; auch der Norden Europas steht wirtschaftlich und kulturell in Verbindung mit dem Mittelmeerraum und Zentralasien – sowohl aufgrund der Expansion der lateinischen Christenheit als auch über die Handelswege entlang des Dnepr und der Wolga. Der gemeinsame Impetus der zur Reihe beitragenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler besteht darin aufzuzeigen, dass soziale Praktiken, Texte aller Art und Artefakte/Bauwerke der Vormoderne im jeweiligen zeithistorischen und kulturellen Kontext ganz spezifische sinn- und identitätsstiftende Funktionen erfüllten. Die Ge-

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Editorial

meinsamkeiten und Alteritäten von Phänomenen – die unten Erwähnten stehen lediglich exempli gratia – zwischen Vormoderne und Moderne unter dieser Fragestellung herauszuarbeiten, stellt das Profil der Hamburger Reihe dar. Sinnstiftende Elemente von Strategien der Rechtsfindung und Rechtsprechung als Bestandteil der Verwaltung von Großreichen und des Entstehens von Staatlichkeit, gerade auch in Parallelität mit Strukturen in weiterhin kleinräumigen Gemeinschaften, werden genauso untersucht wie Gewaltausübung, die Perzeption und Repräsentation von Gewalt, Krieg und Konfliktlösungsmechanismen. Bei der Genese von Staatlichkeit spielen die Strukturierung und Archivierung von Wissen eine besondere Rolle, bedingt durch ganz bestimmte Weltvorstellungen, die sich z. T. auch in der Kartographie konkret niederschlugen. Das Entstehen von Staatlichkeit ist selbstverständlich nicht nur als politischer Prozess zu verstehen, sondern als Gliederung des geistigen Kosmos zu bestimmten Epochen durch spezifische philosophische Ansätze, religiöse Bewegungen sowie Staats- und Gesellschaftstheorien. Diese Prozesse der longue durée beruhen auf einer Vielzahl symbolischer Kommunikation, die sich in unterschiedlichen Kulturen der Schriftlichkeit, der Kommunikation und des Verkehrs niedergeschlagen hat. Zentrum der Schriftlichkeit sind natürlich Texte verschiedenster Provenienz und Gattungen, deren Gehalt sich nicht nur auf der Inhaltsebene erschließen lässt, sondern deren Interpretation unter Berücksichtigung der spezifischen kulturellen und epochalen Prägung auch die rhetorische Diktion, die Topik, Motive und auktoriale Intentionen, wie die aemulatio, in Anschlag bringen muss. Damit wird die semantische Tiefendimension zeitlich weit entfernter Texte in ihrem auch symbolischen Gehalt erschlossen. Auch die für uns teilweise noch fremdartigen Wirtschaftssysteme der Vormoderne harren einer umfassenden Analyse. Sinnstiftende Elemente finden sich auch und v. a. in Bauwerken, Artefakten, Grabmonumenten und Strukturen der jeweiligen Urbanistik, die jeweils einen ganz bestimmten Sitz im Leben erfüllten. Techniken der Selbstdarstellung dienten dem Wettbewerb mit Nachbarn und anderen Städten. Glaubenssysteme und Kultpraktiken inklusive der „Magie“ sind gerade in ihrem Verhältnis zur Entstehung und Ausbreitung des Christentums, der islamischen Kultur und der Theologie dieser jeweiligen Religionen in ihrem Bedeutungsgehalt weiter zu erschließen. Eng verbunden mit der Religiosität sind Kulturen der Ritualisierung, der Performanz und des Theaters, Phänomenen, die viele soziale Praktiken auch jenseits der Kultausübung erklären helfen können. Und im intimsten Bereich der Menschen, der Sexualität, den Gender-Strukturen und dem Familienleben gilt es ebenfalls, sinnund identitätsstiftenden Elementen nachzuspüren. Medizinische Methoden im Wandel der Zeiten sowie die Geschichte der Kindheit und Jugend sind weitere Themengebiete, deren Bedeutungsgehalt weiter erschlossen werden muss. Gemeinsamer Nenner bleibt das Herausarbeiten von symbolträchtigen Elementen und Strukturen der Sinnhaftigkeit in den zu untersuchenden Kulturen gerade im kulturhistorischen Vergleich zu heute. Die Herausgeber

Vorwort Bei vorliegender Studie handelt es sich um eine insgesamt nur leicht ergänzte Fassung meiner im November 2017 von der Fakultät für Geschichte, Kunst- und Orientwissenschaften der Universität Leipzig angenommenen und am 25. Januar 2018 verteidigten Dissertation „Die imperiale Ordnung des letzten Großselǧuqen, as-sulṭān al-aʿẓam Sanǧar“. Begonnen wurde die Arbeit 2014 noch unter einem anderen Titel. Die anfängliche (vielleicht zu ambitioniert entworfene) Zielvorstellung war eine Untersuchung der politischen Akteure, Strategien und Entwicklungen nach dem Zusammenbruch der beiden Großreiche des Selǧuqen Sanǧar und des anūšteginidischen Ḫvārazmšāhs ʿAlāʾ adDīn Muḥammad gewesen; es sollte gewissermaßen um „Dynamik aus dem Machtvakuum“ gehen. Das Themenfeld der Anūšteginiden-Herrschaft (11.–13. Jh.) war zuvor bereits im Rahmen meiner Bachelor- sowie Master-Arbeit beackert worden und überhaupt hatte sich während meines Arabistik-Studiums am Orientalischen Institut der Alma Mater Lipsiensis schon früh eine nachhaltige Begeisterung für die ältere Geschichte und Kultur insbesondere der östlichen islamischen Welt entflammt. Dieser (von kaum einer Kommilitonin oder einem Kommilitonen geteilten) Begeisterung dann auch eine entsprechende Spezialisierung folgen zu lassen, war keineswegs selbstverständlich, geschah jedoch nicht zuletzt, weil mich meine Professorin Verena Klemm mit Bedacht dazu ermutigte – ein erster Grund, ihr an dieser Stelle ausdrücklich zu danken. Verena Klemm war es auch, die mir die Möglichkeit bot, als Student in den reichen Sondersammlungen der Leipziger Universitätsbibliothek mit islamischen Handschriften zu arbeiten und so – letztlich über mehrere Jahre (2012–2015) – Kompetenzen im wissenschaftlichen Umgang mit historischen Originalquellen zu erwerben. Eingebunden in ein Forschungsprojekt konnte ich damals nicht nur auf dem Gebiet der Kodikologie wertvolle Erfahrungen sammeln. Die konzentrierte Arbeit an der Dissertation wurde mir ab Juni 2015 durch ein Promotionsstipendium der Gerda-Henkel-Stiftung ermöglicht, welcher für diese so wichtige finanzielle Unterstützung mein tiefer Dank gilt. Zudem bedanke ich mich vielmals bei der Universität Leipzig für die Gewährung eines Doktorandenförderplatzes im Jahre 2014 sowie bei der Pelling-Zarnitz-Stiftung, von welcher der für die Publikation erforderliche Druckkostenzuschuss stammt. Besonders gedankt sei Frau Prof. Dr. Verena Klemm natürlich dafür, dass sie mein Promotionsvorhaben als engagierte Betreuerin sowie Erstgutachterin begleitete – und

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Vorwort

zwar mit einer konstruktiven Mischung aus unverblümter Kritik und einem Zutrauen, das sich immer wieder im Zugestehen größerer Freiräume äußerte. Daneben danke ich nachdrücklich Herrn Prof. Dr. Stefan Heidemann für die Übernahme des Zweitgutachtens – als es, aus gutem Grund, notwendig geworden war, die Dissertation zu einem vorzeitigen Abschluss zu bringen – wie auch für das Angebot, meine Arbeit in die Hamburger Studien zu Gesellschaften und Kulturen der Vormoderne aufzunehmen. Hinzu kommt, dass er es war, der mich 2012/2013 in die Numismatik einführte. Ein herzliches Dankeschön geht überdies an Dr. Lutz Ilisch, welcher meine Arbeit als stets interessierter Gesprächspartner mehrmalig mit fachlichen Anregungen und Ermutigungen beförderte und mir in seiner Verantwortung als Leiter der Forschungsstelle für islamische Numismatik Tübingen (FINT) Zugang zu einer der weltweit größten und besten Sammlungen orientalischer Münzen gewährte. Des Weiteren richtet sich mein expliziter Dank an folgende Personen: Prof. Dr. Jürgen Paul, der mich vor allem zur Themenwahl beriet und mit wichtiger Lektüre versorgte, Beate Wiesmüller und Cornelius Berthold für ihre hilfreichen Hinweise und Anmerkungen zu Leseproben und kniffeligen Einzelfragen, Amer Abas, mit dem ich wiederholt problematische Textstellen aus arabischsprachigen Quellen diskutieren durfte, und Dr. Stefanie Brinkmann für ihre gewohnt kompetente Beratung bei der Erstellung des Exposés zum Dissertationsvorhaben. Schließlich bin ich sehr dankbar für die familiäre Unterstützung, welche mir zuteilwurde und aus der sich auch die Widmung dieser Arbeit an meine Großmutter Ruth Merker ergibt. Die wissenschaftliche Umschrift des Arabischen, Persischen und Türkischen erfolgte – wie könnte es anders sein – nach den Regeln der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft.1 So steht beispielsweise in persischen Wörtern immer v statt (wie im Arabischen) w und für den dunklen, schweren i-Laut des Türkischen ı̊ . Türkische Wörter sind stets als solche transkribiert (d. h. auch ohne Unterscheidung von Vokallängen); ihre behelfsmäßige Schreibweise mittels des arabisch-persischen Alphabets wurde nur dann (zusätzlich) kenntlich gemacht, wenn sie von (numismatischem oder epigraphi1

Was die nichtwissenschaftliche Umschrift angeht, so wurden – nach Ermessen – Eindeutschungen verwendet, wie sie so auch im Duden zu finden sind, z. B. Kadi und Kasside statt qāḍī und qaṣīda – jedoch: Mamlūk statt Mameluck. Besonders schwierig fiel eine Abwägung im Falle von Geographika: Auch weil im Duden z. B. nur der Isfahan als Teppichart steht, habe ich für die Stadt lieber die DMG-Umschrift gebraucht und da Iṣfahān in seiner Bekanntheit z. B. mit Buḫārā vergleichbar ist, wurde auch bei solchen Toponymen meist die wissenschaftliche Umschrift gewählt – obwohl es (nicht nur für die Teppichart, sondern auch) für die Stadt das Duden-Lemma Buchara gibt. Überdies fand Berücksichtigung, wie sehr eine im Deutschen mehr oder weniger etablierte Form vom (transkribierten) Original abweicht und so eine echte Alternative zur wissenschaftlichen Transkription darstellt: Mos(s)ul etwa erscheint als stärker eingedeutscht und damit eigenständigere Form (ähnlich wie Aleppo oder Kairo) – während es im Falle von Iṣfahān ohnehin fraglich ist, ob es auf das bloße Weglassen von Diakritika ankäme. Wiederum im Sinne der Vergleichbarkeit wurde als Duden-Schreibweise z. B. nicht nur Hedschas verwendet, sondernd auch Pandschab.

Vorwort

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schem) Interesse ist. Die Flexionsendungen des Arabischen (iʿrāb) sind nur im Falle von Gedichtversen vollständig wiedergegeben, sonst zumindest bei allen Verben. Der Apostroph drückt bei arabischen Wörtern aus, dass zwar ein alif geschrieben steht, als alif al-waṣl jedoch stumm ist; im Persischen, dass ein alif nicht nur für die Aussprache entfällt, sondern dazu auch das Schriftzeichen weggelassen wurde. Auf eine Darstellung der verkürzten Aussprache langer Vokale unmittelbar vor alif al-waṣl (z. B. in walī ’l-ʿahd fī ’l-ʿālamīn) wurde in dieser Arbeit einheitlich verzichtet (dafür aber die wechselnde Vokalquantität des Personalsuffix der 3. Person Singular maskulin berücksichtigt). Unsichere oder unklare Lesungen (v. a. von Namen) sind durch einen direkt davor gesetzten Asterisk markiert. Bei der Wiedergabe von Münzinschriften sollen Schrägstriche (zum Teil durch eingeschobene Positionsbeschreibungen ergänzt) das Text-Layout erkennen lassen, indem sie vor allem jene Stellen anzeigen, an denen der Text von einer Zeile in die nächste übergeht. Durch [xxx] ist markiert, dass eine Textstelle nicht wiedergegeben werden kann, weil sie weder les- noch (sicher) rekonstruierbar ist, wohingegen […] für Stellen steht, die (obwohl zitierbar) deshalb ausgelassen wurden, weil sie im jeweiligen Zusammenhang nicht von Bedeutung sind. Im Unterschied zum eingeklammerten Ausrufezeichen weist [sic] auf zitierte Fehler hin. Grundsätzlich enthalten eckige Klammern Zusätze, die so keine oder keine direkte Entsprechung im wiedergegebenen Originaltext (mehr) haben. Es kann sich dabei einerseits um Rekonstruktionen handeln – vor allem wenn nur (noch) partiell lesbare Inschriften transkribiert sind – als auch um Ergänzungen, die (von mir in eine Textwiedergabe eingebaut) dem besseren Verständnis dienen sollen, insbesondere im Falle von Übersetzungen. Wenn (in Kurzform) auf historische Quellen(stellen) verwiesen ist, so beziehen sich diese Literaturangaben immer auf die (im Quellenverzeichnis aufgeführte) Edition des jeweiligen Werks – andernfalls wurde die (zusätzliche) Verwendung der Übersetzung durch tr. und den Namen des Übersetzers deutlich gemacht. Die Umrechnung von Datumsangaben nach dem islamischen Mondkalender erfolgte mit Hilfe des von Johannes Thomann (Asien-Orient-Institut der Universität Zürich) entwickelten Programms auf der Seite http://mela.us/hegira.html („Conversion of Islamic and Christian dates“). In der Regel wurde die Jahreszählung nach der h­ iǧra (H.) in vorliegender Arbeit nur dann wiedergegeben und stellenweise bevorzugt, wenn es zum Beispiel um Prägejahre geht.

Inhaltsverzeichnis I. Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 I.1. Zu Sanǧar b. Malik-Šāh. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I.2. Zu den Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 II. Vorüberlegungen zu Herrschaftsverständnis und Reichsgedanke . . . . . . 28 III. Die zeitliche und räumliche Dimension des Sanǧar-Reichs. . . . . . . . . . . . . 45 IV. Bestimmung und Betrachtung der Teile des Sanǧar-Reichs. . . . . . . . . . . . 53 IV.1. Ḫurāsān . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 IV.2. ḪVārazm. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 IV.3.Nīmrūz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 IV.4. Transoxanien und die Provinzen am oberen Amudarja. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 IV.4.1. Das Reich der Qaraḫaniden (bis 1141). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 IV.4.2. Die Ränder Transoxaniens und die Qaraḫaniden nach 1141. . . . . . . . . . 97 IV.5. Das Reich der Ġaznaviden und Ġūr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 IV.5.1. Hintergrund: Ġaznaviden und Selǧuqen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 IV.5.2. Bahrām-Šāh, der Vasallensultan. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 IV.5.3. Die Šansabāniden und der Niedergang der Ġaznaviden. . . . . . . . . . . . . 114 IV.6. Das Teilreich der Irak-Selǧuqen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 IV.6.1. Grundlagen: Großsultan und Juniorsultan. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 IV.6.2. Von Maḥmūd II. zu Muḥammad II.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 IV.6.3. Bagdad und das ʿAbbāsidenkalifat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 IV.6.4. Der arabische Irak abgesehen von Bagdad. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 IV.6.4.1. Die Herren der Sümpfe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 IV.6.4.2. Die Herren von Ḥilla. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 IV.6.5. Das nördliche Zweistromland, Ostanatolien und Syrien . . . . . . . . . . . . 210 IV.6.5.1. Der „König des Westens“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 IV.6.5.2. Das Emirat der Zangiden von Mosul. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 IV.6.5.3.Syrien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 IV.6.5.4.Ostanatolien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

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Inhaltsverzeichnis

IV.6.6. Das Kaukasusgebiet einschl. des historischen Aserbaidschans. . . . . . . 250 IV.6.6.1. Die Zeit Sultan Maḥmūds II., Širvān und die Georgier. . . . . . 251 IV.6.6.2. Dāwūd b. Maḥmūd und die großen Emire zur Zeit Sultan Masʿūds. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 IV.6.7. Ḫūzistān, Fārs und Umgebung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 IV.6.7.1.Die mulūk von Fārs und ihre Atabegs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 IV.6.7.2. Die Borsuqiden und ihre Nachfolger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 IV.6.7.3. Das östliche Fārs (vom Meer bis zum Wüstenrand). . . . . . . . . 286 IV.7. Rayy und die Provinzen im Süden des Kaspischen Meeres. . . . . . . . . . . . . . . . . 295 IV.7.1.Sanǧars Brückenkopf im Westen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 IV.7.2.Māzandarān. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 IV.7.3. Qūmis, Gurgān und Dihistān. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 IV.8. (Weitere) Sonder- und Zweifelsfälle, „Ex- und Enklaven“. . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 V. Das imperiale Gefüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 V.1. Herrschaftsebenen und -zonen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 V.2. Die Macht des Großsultans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 Quellen- und Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 1..Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 2..Sekundärliteratur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 3..Internet-Datenbanken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 Genealogische Tafeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 Verzeichnis der Abbildungen und Schaubilder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 Indices. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 1..Toponyme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 2..Anthroponyme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 3.. Dynastien, Stämme, Völker, Religionsgruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 4.. Ausgewählte Begriffe und Titel, Dinge und Themen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409

I. Einleitung Es spricht sich ja immer so leicht von einem Reich, dabei ist es in hohem Maße erklärungsbedürftig, was imperiale Herrschaft etwa im 12. Jahrhundert eigentlich bedeutete, wie sie dauerhaft dutzende Länder umspannen konnte, darunter viele, in denen der imperiale Machthaber nie selbst war. Auf welcher Grundlage gehörte ein Gebiet zu einem Reich und dank welcher Strukturen und Mechanismen vermochte das Reichsoberhaupt (wenigstens) seine Anerkennung über größte Entfernungen hinweg durchzusetzen und zu behaupten? Dem Selǧuqen Sanǧar b. Malik-Šāh (geb. 1086 in Sinǧār, gest. 1157 in Marv) gelang dies den mittelalterlichen Chronisten zufolge sogar länger als jedem anderen Sultan, was insbesondere deshalb interessant ist, weil sich das großselǧuqische Reich unter ihm eben nicht mehr in der Phase der anfänglichen Eroberungsdynamik befand, während der der Monarch mit seinen Heeren ein Territorium nach dem anderen unterwarf, sondern die Errichtung der Selǧuqenherrschaft abgeschlossen war. Bei der Beschäftigung mit den turbulenten Entwicklungen, welche sich an Sanǧars Ende und den dramatischen Zusammenbruch seines Reiches anschlossen, stellte ich fest, dass es angebracht wäre, sich einmal speziell mit jenem politischen System vertieft auseinanderzusetzen, das bis dahin so lange Bestand gehabt hatte und dementsprechend prägend gewesen war – eben mit der komplexen, bislang wenig untersuchten imperialen Ordnung des letzten Großselǧuqen. Mir schien eine gründliche Darlegung lohnend, worum es sich bei diesem (früh verklärten und einen starken ideologischen Einfluss hinterlassenden) Reich, dem „Sanǧar-Reich“, überhaupt handelte, zumal der Begriff zunächst dehnbar und mehrdeutig ist. Mitunter begegnen in der modernen Literatur auch Bezeichnungen wie „ostselǧuqisches Reich“, was die Frage aufwirft, ob es sich unter Sanǧar womöglich gar nicht mehr um ein Imperium handelte. Untersucht und geklärt werden soll in vorliegender Arbeit vor allem, aus welchen Teilen Sanǧars Reich wie zusammengesetzt war und welchen Umfang es tatsächlich hatte (mitunter wird bei der Darstellung derartiger Reiche ja die Dimension der Vasallenstaaten – um nur eine Problematik zu benennen – entweder vergessen oder einfach ausgeklammert). Der Fokus soll auf den politischen Besonderheiten der einzelnen Reichsteile liegen und darauf, wie Sanǧar seine Macht hier konkret ausübte. Auf welche Weise äußerte sich die imperiale Herrschaft auch abseits der Kernprovinzen?

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Was hielt die diversen Reichsteile zusammen und durch welche (neuen) Strukturen war das großselǧuqische Imperium unter Sanǧar gekennzeichnet? In Ergänzung zu Jürgen Pauls erst 2016 erschienenem magnum opus mit dem Titel Lokale und imperiale Herrschaft im Iran des 12. Jahrhunderts, zu dessen Schwerpunkten örtliche „Aristokraten“, ḫidma-Beziehungen oder auch das iqṭāʿ-Wesen zählen, geht es mir insbesondere um die sich aus den unterschiedlichen Herrschaftsebenen und Arten der Herrschaftsausübung ergebende Differenziertheit des Gebietes, das sich als Reich Sultan Sanǧars bezeichnen lässt. Denn so viel sei vorweggenommen: Dieses war keinesfalls ein homogener Monolith, sondern ein buntes Konglomerat und äußerst vielschichtiges Machtgefüge. Ich hoffe, ein facettenreiches Panorama bieten zu können, welches einen die politische Kultur jener Epoche in ihren faszinierenden Feinheiten und ihrer eigenen Logik besser verstehen lässt und unter anderem zeigt, wie überregionale Netzwerke und Aushandlungsprozesse in der Praxis funktionierten. Bislang, so mein Eindruck, ist das Bild von Sanǧars Sultanat insgesamt noch zu sehr von einer Verfallsvorstellung und Verfallserzählung geprägt. Der Hauptteil vorliegender Arbeit (IV.) soll eine Art „Reise“ durch sämtliche Teile des Imperiums sein. Auf dieser Reise werde ich Region für Region, Vasallenfürstentum für Vasallenfürstentum einzeln durchgehen, in aller Gründlichkeit analysieren, wie die Gebiete (im Laufe der Zeit) an Sultan Sanǧar gebunden waren, und so bestimmen, ob und wo sich all die Teile in das imperiale System des letzten Großselǧuqen einordnen lassen. Dabei gilt es, die Geschichte mancher Herrschaftsgebilde und -häuser erstmalig zu rekonstruieren, Lücken in unserer Kenntnis der politischen Entwicklung vieler Ecken der islamischen Welt zu schließen und mit nicht wenigen Irrtümern aufzuräumen. Das mag gelegentlich nach einer Fülle an Details aussehen, doch ist dies in Anbetracht eines Untersuchungszeitraums von rund vierzig Jahren sowie der gewaltigen Ausmaße des großselǧuqischen Reiches nicht wirklich der Fall. Zudem wird die Betrachtung eine ausgesprochen selektive sein; der besondere Ansatz besteht ja darin, von einer einzelnen Person auszugehen, das heißt nur herauszuarbeiten, was auf Sanǧars Rolle schließen lässt und zum Verständnis des jeweiligen regionalen oder lokalen Kontexts notwendig ist. Zum aktuellen Stand der Forschung sei auf den umfassenden Überblick von Jürgen Paul2 sowie die Einleitung zu The Seljuqs: Politics, Society and Culture3 verwiesen, in welcher zunächst der fachweltliche Konsens konstatiert ist, dass die Selǧuqen zu den „understudied Muslim dynasties“ gehören, obschon ihre ausgedehnte Herrschaft mit gleich mehreren Neuerungen und Entwicklungen von nachhaltiger und entscheidender Bedeutung verbunden war.4 Mit dieser Feststellung (eines Nachholbedarfs) einher ging ein neues Interesse an den Selǧuqen, das in den Jahren ab 2010 eine relativ dichte 2 Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 79 ff. 3 Hrsg. von Christian Lange und Songül Mecit, Edinburgh 2011, S. 1–10. 4 Lange/Mecit, op. cit., S. 1.

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Reihe entsprechender Publikationen gezeitigt hat. Paul, der diesen Trend früh beobachtete, machte dabei vor allem vier thematische Schwerpunkte aus, in denen gegenüber der älteren Forschung neue Einsichten gewonnen wurden und werden:5 – die Rolle lokaler Eliten („Notabeln“) in verschiedenen Teilen des Reiches, – die Rolle der (nomadischen) Türkmenen (auch nach den initialen Eroberungen), – das Maß, in dem die Selǧuqen als türkische Herrscher ihren nomadischen Traditionen treu blieben, und – das sogenannte Sunni revival und der persönliche Anteil der Selǧuqen hieran. Zugleich ist klar, dass dies längst nicht die einzigen Themen sind, denen es sich (neu) zu widmen lohnt; selbst „klassische“ Fragestellungen, etwa die (politische) Ereignisgeschichte oder den Reichsaufbau und -umfang betreffend, können keinesfalls als abgearbeitet gelten.6 Beispielsweise wurde noch kaum nachvollzogen, wie sich die Institution des Sultanats nach ihrer Einrichtung durch die Selǧuqen Schritt für Schritt weiterentwickelte und sich dabei die Anzahl der (gleichzeitig bestehenden) Sultanate von der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts (als es zunächst nur einen einzigen Sultan gab) bis in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts vervielfachte. Auch nach Einschätzung Andrew Peacocks sind noch immer „many basic questions […] unresolved“.7 „The Seljuk Empire and the way it functioned changed considerably over its one and a half centuries of existence, but it is only very occasionally that the evidence allows us to understand how and why it did.“8 Zukünftige Studien, so Peacocks Hoffnung, sollten unter Berücksichtigung dieser Veränderungen weniger generalisieren und sich stattdessen darauf konzentrieren, wie genau die Herrschaft der Selǧuqen zu bestimmten Zeiten und in bestimmten Teilen des Reiches funktionierte, sodass Gemeinsamkeiten und Unterschiede erkennbar würden. Zudem sei der Zustand des Imperiums unter Sultan Malik-Šāh I. (reg. 1073–1092) besser nicht mehr als der normale oder ideale anzusehen9 – vielleicht ist es vielmehr Sanǧars Herrschaft, die uns am ehesten ein Bild liefert, das sich auch für Vergleiche (mit anderen Reichen) sowie zum Verständnis späterer Entwicklungen eignet. Schon Carole Hillenbrand war einmal zu der Erkenntnis gelangt: „Perhaps it is time for a fundamental reappraisal of the Seljuq achievement to include the whole of the twelfth century instead of the thirty years in the eleventh century in which it can be said that Niẓām al-Mulk, rather than the Seljuq sultan, held sway. In particular, the reign of Sanjar generally receives short shrift […].“10 5 Paul, „Recent Publications“, S. 275. 6 Auch brauchbares Kartenmaterial zur Selǧuqenherrschaft ist kaum vorhanden. 7 Peacock, Great Seljuk Empire, S. 10. 8 Peacock, Great Seljuk Empire, S. 12. 9 Ibid. 10 Hillenbrandt, Rezension zu Der Staat der Seldschukiden und Mittelasien in 11.–12. Jh., S. 255 f. Hillenbrand führt zuvor aus, dass sich die Forschung zu den Selǧuqen („[which] moves exceedingly slowly“) generell zu sehr auf die westlichen Reichsteile und die Zeit der drei ersten Sultane (11. Jh.) konzentriere.

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Jedoch ist, wie Paul zuletzt bemerkte, ein Strom der Publikationen zu Sanǧars Herrschaft, also den späteren Jahrzehnten und dem Ostteil des großselǧuqischen Reiches, ausgeblieben;11 bei aller neuen Aufmerksamkeit für die Dynastie standen noch immer die früheren Jahrzehnte deutlich im Vordergrund.12 Paul selbst neigt zu einer relativ starken Unterscheidung zwischen der Geschichte des westlichen Selǧuqenreiches (Irak und Umgebung) und der des östlichen (Ḫurāsān und Umgebung), wobei er sich auf letztere Region konzentriert. Eine scharfe, grundsätzliche Trennung ist hier allerdings problematisch13 und man sollte nicht annehmen, dass die Entwicklungen im Westen insgesamt schon besser erforscht sind. Die sogenannten Irak-Selǧuqen – deren (1118/1119 beginnende) Herrschaft so eng mit Sanǧars verbunden ist, dass sie dessen imperiale Ordnung definiert (und fast einen Platz im Titel vorliegender Studie verdient hätte) – scheinen in mancher Hinsicht sogar die größte Herausforderung zu sein. Die Verhältnisse und Vorgänge im Sultanat dieser bis 1194 bestehenden Dynastielinie stellen sich besonders kompliziert und unübersichtlich dar, was eine besonders eingehende, vertiefte Beschäftigung notwendig macht, wie sie bislang nur wenige auf sich genommen haben. Eine sehr gründliche und wichtige Untersuchung zur (Transformation der) politischen Ordnung unter den irakischen Selǧuqen liegt immerhin für die Jahre 1152–1187 von Kenneth Allin Luther vor14 – also für genau jene Phase(n), die sich an den Untersuchungszeitraum vorliegender Arbeit anschloss(en).15 Weil sie so komplex sei und daher „properly a separate subject“, wurde die Geschichte der Irak-Selǧuqen von Peacock zuletzt nur in Teilen näher behandelt,16 und selbst David Durand-Guédy deckt das Feld nicht ab, wenngleich vor allem ihm rezente Beiträge zu verdanken sind, in denen verschiedene Einzelthemen ganz hervorragend beleuchtet werden. Lokalgeschichtliche Arbeiten wie Durand-Guédys umfassende Darstellung der Interaktion zwischen türkischen Herrschern und iranischer Stadtelite im selǧuqischen Iṣfahān17 haben sich bekanntlich als sehr aufschlussreich erwiesen. „It is only through

11 Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 82. 12 Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 79. 13 Die imperiale Ebene hängt im Falle der Selǧuqen an der Herrschaft über Ost und West, beide Großregionen sind auf vielfältige Weise miteinander verbunden, Herrscher, Militärs, Beamte, Dichter usw. sehr mobil zwischen beiden Gebieten. Das auch für Herrschaftsansprüche im Osten relevante Kalifat hatte nun einmal seinen Sitz in Bagdad und Länder wie Māzandarān sind gleichermaßen von Entwicklungen in Ḫurāsān wie von solchen im westlichen Iran betroffen. Schaute man z. B. nur auf die Vorgänge in der Osthälfte des Sanǧar-Reiches, ließe sich die imperiale Herrschaftsebene gar nicht erfassen und verstehen. 14 Luther, The Political Transformation of the Seljuq Sultanate of Iraq and Western Iran. 15 Und in denen es dann keine Selǧuqenherrschaft mehr über Ost und West gab. 16 Peacock, Great Seljuk Empire, S. 7. 17 Durand-Guédy, Iranian Elites and Turkish Rulers – A history of Iṣfahān in the Saljūq period.

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detailed, regional studies that we can understand the fluctuating impact of Seljuk rule in different locations“, befand auch Peacock, „and these should be a priority for future scholarship.“18 Mancher Beitrag zu einem ausgewählten Teil des Selǧuqenreiches, etwa zu einer darin bestehenden oder daraus hervorgehenden Regionalherrschaft oder zu einer einzelnen Person, lässt aber auch die Gefahr erkennen, vieles nicht richtig einordnen und beurteilen zu können, wenn größere Zusammenhänge wie Vorgänge und Vorstellungen auf imperialer Ebene (ausgeblendet und infolgedessen) unverstanden bleiben. Es erscheint also besonders vielversprechend, mikro-, meso- und makroperspektivische Zugänge miteinander zu verknüpfen und so imperiale Strukturen (auch) aus regionaler oder lokaler Sicht zu erfassen. Ein derartiger Ansatz wurde nicht nur von Paul verfolgt, sondern 2014–2019 auch im Hamburger Projekt „The Early Islamic Empire at Work – The View from the Regions Toward the Center“, wobei man sich unter anderem von Peter Thoraus für dessen Untersuchung zum Staufer Heinrich VII. formuliertem Ziel inspirieren lassen hatte, „die traditionelle Trennung von (personaler) Königsgeschichte und Landesgeschichte aufzuheben und beides in einem Geflecht gegenseitiger Beziehung, Abhängigkeit und Durchdringung zu sehen und letztlich im Rahmen einer beide Problemkreise erfassenden Reichsgeschichte darzustellen.“19 Thorau hatte hier Überlegungen des einflussreichen Mediävisten Peter Moraw aufgegriffen20 und überhaupt lässt sich zwischen der Forschung zum römisch-deutschen Reich (hervorgehoben sei hier etwa Barbara Stollberg-Rilinger mit ihrem kulturalistischen Ansatz21) und der Beschäftigung mit einem mittelalterlichen islamischen Imperium, wie es unter Sanǧar bestand, die eine oder andere Parallele ziehen. Imperien sind in den letzten Jahren bekanntlich zu einem zentralen Thema der vergleichenden Geschichtswissenschaft geworden; die Forschung dazu hat einen merklichen Aufschwung erfahren. Eine (einheitliche) Definition, was überhaupt als Imperium, Welt- oder Großreich usw. zu bezeichnen ist, gestaltet sich jedoch schwierig und es wurde – auch um Zirkelschlüsse zu vermeiden – die Notwendigkeit einer interdisziplinären, epochenübergreifend und universalhistorisch vergleichenden Zusammenschau erkannt, in die es möglichst viele verschiedene imperiale (sowie vielleicht auch nur imperiumsähnliche) Ordnungen einzubeziehen gilt (anstatt an den üblichen Bei-

18 Peacock, Great Seljuk Empire, S. 8. 19 Thorau, König Heinrich (VII.), das Reich und die Territorien, Berlin 1998, S. 5. 20 Moraw, „Landesgeschichte und Reichsgeschichte im 14. Jahrhundert“ in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte, Bd. III, 1977, S. 175–191; s. dazu auch Christine Reinle, „Landesgeschichte und Reichsgeschichte als komplementäre Perspektiven auf die deutsche Geschichte. Peter Moraws Verständnis von Landesgeschichte“ in: ead., Stand und Perspektiven der Sozial- und Verfassungsgeschichte zum römisch-deutschen Reich – Der Forschungseinfluss Peter Moraws auf die deutsche Mediävistik, Affalterbach 2016, S. 221–250. 21 S. z. B. ihren Artikel „Die zeremonielle Inszenierung des Reiches, oder: Was leistet der kulturalistische Ansatz für die Reichsverfassungsgeschichte?“.

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spielen Rom und China zu hängen, sofern überhaupt vorneuzeitliche und nichtwestliche Reiche Berücksichtigung finden).22 Einen in diesem Sinne ambitionierten, da besonders breit angelegten Versuch stellt das von Robert Rollinger und Michael Gehler herausgegebene Sammelwerk Imperien und Reiche in der Weltgeschichte23 dar. Einleitend wird darin unter anderem kritisiert, dass in der neueren Imperiumsforschung bislang ein politikwissenschaftlich determinierter Zugang dominierte, „dessen Ausgangspunkt und eigentlicher Betrachtungshorizont in der Regel in der unmittelbaren Gegenwartsgeschichte verankert und dessen Blick in die Vergangenheit oft nur von selektiven Leitmustern bestimmt war“.24 Durch einen „gezielt historischen Zugang“ soll, wie die beiden Herausgeber erklären, auch der Tendenz entgegengewirkt werden, dass der Imperiumsbegriff infolge eines inflationären Gebrauchs jede analytische Schärfe verliert.25 So gehaltvoll und richtungsweisend Imperien und Reiche in der Weltgeschichte auch geworden sein mag, kommt man doch nicht umhin, zu bemängeln, dass die islamische Welt darin nur schwach vertreten ist – wie die Herausgeber selbst einräumen und bedauern.26 Nicht nur ein Beitrag zur Selǧuqenherrschaft lässt sich vermissen – sogar das ʿAbbāsidenkalifat blieb unbehandelt.27 In der Hauptsache sind es zwei sehr kurze Beiträge von Heinz Halm, in denen wenigstens ein paar islamische Großreiche thematisiert werden, nämlich zum einen die der Fāṭimiden, Aiyūbiden und Mamlūken, zum anderen die der Almoraviden und Almohaden. Interessanterweise äußert Halm die Meinung, dass für das Mittelalter eigentlich nur die vier Kalifate der Umaiyaden, ʿAbbāsiden, Fāṭimiden und Almohaden als imperial zu bezeichnen sein dürften; ansonsten sei das Osmanische Reich „vielleicht das islamische Imperium schlechthin“.28

22 Gehler/Rollinger, Imperien und Reiche, S. 15. Ein globalhistorischer Ansatz wurde z. B. auch mit dem Werk Universal Empire – A Comparative Approach to Imperial Culture and Representation in Eurasian History (Cambridge 2012) verfolg, das die beiden Herausgeber Peter Fibiger Bang und Dariusz Kołodziejczyk als „exercise in comparative world history“ verstehen. Für Bang erfordert die Betrachtung eines Imperiums zwingend die globale Perspektive, aus der klar wird, dass diese Art von Herrschaftsgebilde eigentlich nichts Ungewöhnliches ist, kein isoliertes Phänomen, kein Kuriosum. 23 Zweibändige Publikation zu einer gleichnamigen Großkonferenz im Jahre 2010, in deren Rahmen über 40 (mehr oder weniger) imperiale Ordnungen behandelt wurden. 24 Gehler/Rollinger, Imperien und Reiche, S. 14. 25 Gehler/Rollinger, Imperien und Reiche, S. 26. 26 Gehler/Rollinger, Imperien und Reiche, S. 21, 26 („So wird man auch in diesem Band das eine oder andere Imperium vermissen. Dies betrifft vor allem die islamischen Großreiche Irans und Zen­tralasiens wie jene der Safawiden und Qadjaren, der Großseldschuken, Ghaznawiden und ­Chorezm-Schahs, Timurs und er Timuriden.“). 27 Die erste Kalifendynastie wurde in „The Umayyad State – an Empire?“ berücksichtigt; daneben findet sich ein Beitrag mit dem Titel „The Ottoman Empire“. Auch in Bangs und Kołodziejczyks Universal Empire (s. o.) ließe sich für den großen Vergleich die Einbeziehung eines mittelalterlichen islamischen Reiches vermissen. 28 Halm, „Fatimiden, Ayyubiden und Mamluken“, S. 564.

Zu Sanǧar b. Malik-Šāh

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Die vorliegende Arbeit ist von der begründeten Überzeugung geleitet, dass die Herrschaft der Großselǧuqen ebenso imperial war wie jene der Fāṭimiden, und es wird zu zeigen sein, dass dies auch noch für Sanǧars Sultanat gilt. Dabei ist (nach dem Historiker Jürgen Osterhammel) unter einem Imperium vor allem ein besonders großräumiges, hierarchisch aufgebautes Herrschaftsgebilde zu verstehen, das mehrere Länder und Völker umfasst und „dessen Verbund durch Administration, Gewaltpotentiale, Zusammenarbeit mit den Einheimischen sowie Eliten-Symbolik und einen Anspruch des Universalismus gewährleistet wird“.29 Mit Peacocks Monographie The Great Seljuk Empire wurde 2015 denn auch die Reihe The Edinburgh History of the Islamic Empires eröffnet30 – und ein Standardwerk vorgelegt, wie es lange Zeit fehlte; insbesondere als Einführung zu den Selǧuqen insgesamt lässt es sich uneingeschränkt empfehlen. Neben Pauls großem Werk und – nach wie vor von Bedeutung – Clifford Edmond Bosworths monumentalem Kapitel in der Cambridge History of Iran31 sei ansonsten noch Mehmed Altay Köymens Büyük Selçuklu İmparatorluğu Tarihi, Band II: İkinci İmparator­luk Devri32 (von 1954) hervorgehoben sowie Sergej G. Agadshanows Der Staat der Seldschukiden und Mittelasien im 11.–12. Jahrhundert (schlechte Übersetzung aus dem Russischen). Beide Werke sind aber leider ideologisch geprägt und haben auch sonst ihre Schwächen.33 Speziell über Sanǧar informiert ein Artikel von Bosworth in der EI2 („Sandjar“) sowie ein jüngerer in der EIr von Deborah G. Tor („Sanjar, Aḥmad b. Malekšāh“). Im Folgenden soll der letzte Großselǧuqe nur noch einmal kurz unter Herausstellung einiger (Indizien für) Persönlichkeitsmerkmale vorgestellt werden. I.1 Zu Sanǧar b. Malik-Šāh Abū ’l-Ḥāriṯ Aḥmad Sanǧar war ein Sohn des Sultans Malik-Šāh (I.) b. Alp-Arslan. Unter seinem älteren Halbbruder Berkyaruq (reg. 1092–1104) wurde er im Jahre 1097 als Vizekönig (malik) von Ḫurāsān im Osten des großselǧuqischen Imperiums eingesetzt. Diese untergeordnete Stellung behielt er auch, nachdem sich sein (von ihm unterstützter) Vollbruder Muḥammad (I.) Tapar 1105 als alleiniger Sultan des Reiches durchgesetzt hatte. Erst auf Muḥammads Tod im Jahre 1118 hin griff Sanǧar selbst nach dem Sultanat, wobei er sich gegen seinen jugendlichen Neffen Maḥmūd (II.) b. Muḥammad 29 Gehler/Rollinger, Imperien und Reiche, S. 3. 30 Bislang außerdem erschienen: The Almoravid and Almohad Empires, The Fatimid Empire und The Mongol Empire; sieben weitere Bände wurden bereits angekündigt. 31 Bosworth, „Political and Dynastic History“. 32 Wahrscheinlich beruht das Werk teilweise auf Köymens unpublizierter Habilitationsschrift über Sanǧar von ca. 1948. 33 Zu Agadshanow, Seldschukiden s. etwa die Rezension von Carole Hillenbrand im Journal of the Royal Asiatic Society.

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(reg. 1118–1131) durchsetzen musste. Zu diesem Zeitpunkt hatte er in Ḫurāsān bereits rund 20 Jahre lang erfolgreich regiert. Hieran schlossen sich nun noch einmal rund vier Jahrzehnte an, in denen Sanǧar als Reichsoberhaupt herrschte. Es konnte somit gut sein, dass man sein gesamtes Leben unter diesem einen Machthaber verbrachte. Wenngleich es für viele Zeitgenossen schwer vorstellbar war, sollte aber auch Sanǧars Herrschaft nicht ewig währen: Nachdem eine Strafexpedition gegen aufständische Nomaden aus dem türkischen Stammesverband der Oġuz (zu dem unter anderem die Selǧuqen selbst gehörten) für Sanǧar 1153 überraschend in einer totalen Niederlage geendet hatte, fristete der betagte Sultan dreieinhalb Jahre als ohnmächtiger Gefangener der nun Ḫurāsān verwüstenden Nomaden, ehe ihm 1156 die Flucht gelang und er ein Jahr später verstarb.34 Im Osten folgte ihm zunächst sein qaraḫanidischer Neffe Maḥmūd b. Muḥammad (reg. bis 1162) nach, doch war das großselǧuqische Imperium mit Sanǧars Tod für immer untergegangen. Der spektakuläre Zusammenbruch einer derart ehrfurchtgebietenden Herrschaft (der Oġuz-Konflikt soll in dieser Arbeit wohlgemerkt nicht behandelt werden) beschäftigte die Menschen natürlich. Bereits um das Jahr 1200 musste Sanǧar sogar für ein neues Hadith herhalten, wonach der Prophet Muḥammad laut Ḥuḏaifa b. al-Yamān (gest. 656/657) einst vorhergesagt habe: „Am Ende der Zeit wird ein Mann hervortreten und sich an das Ufer des Ǧaiḥūn [also des Amudarjas] begeben. Er wird aus dem Osten heraus mit einem gewaltigen Heer vorrücken, den Herrn von Ḫurāsān besiegen und die Türken […]. Es wird sich um einen Mann von brauner Hautfarbe handeln mit großem Bauch und großem Kopf, kräftiger Stimme, Pockennarben und ein bis zwei Muttermalen an seiner rechten Hand.35 Er wird über Ḫurāsān herrschen, wie ein Ort in der Ǧazīra heißen36 und Marv zu seiner Residenz machen. Seine Reiter und Fußsoldaten werden ihn unter ihre Kontrolle bringen, doch wird er gleichwohl Könige unterwerfen, ehe er schließlich seinerseits mächtigen Truppen aus dem Osten und China unterliegen wird. Danach wird seine Herrschaft geschwächt sein und bleiben; in Ḫurāsān werden Chaos und Verwirrung regieren.“37

Angespielt wird hier auf Sanǧars größte Niederlage, jene gegen die nichtmuslimischen Qara-Ḫitai in der transoxanischen Qaṭvān-Steppe von 1141. Allerdings ist die Bedeu-

34 S. dazu Agadshanow, Seldschukiden, S. 273–306; Bosworth, „Political and Dynastic History“, S. 152–157; Schwarz, Sulṭān von H̱ urāsān, S. 50 ff. 35 Nīšāpūrī (Salǧūq-nāma, S. 69) beschreibt Sanǧar ähnlich: gandum-gūn, d. h. braun oder bräunlich, wörtlich: „getreidefarben“ (das Wort kann sogar blond bedeuten), pockennarbig, von guter Statur, mit aufrechtem Rücken und Hals; wegen der Pockennarben waren in seinem Schnurrbart einige Haare verloren gegangen. 36 Wahrscheinlich war es eher so, dass der Name der Stadt, nahe der ihr Sohn zur Welt kam, Sanǧars Eltern an das (gleich oder ähnlich klingende) türkische Wort sanǧar – „der, der (zu)sticht/zustößt“ (s. Houtsma, Glossar, S. 80) erinnerte. 37 Ḥusainī, Aḫbār, S. 64 f. Nach ṣāḥib Ḫurāsān wa-’l-atrāk steht ein ungelesenes Wort.

Zu Sanǧar b. Malik-Šāh

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tung dieser verlorenen Schlacht für Sanǧars weitere Herrschaft recht umstritten;38 meiner Einschätzung nach liegt D. Tor ganz richtig, wenn sie hier im Gegensatz zu anderen keinen Wendepunkt sieht, ab dem die Macht des Sultans kontinuierlich verfiel.39 Zu dem kuriosen Hadith gibt Ṣadr ad-Dīn al-Ḥusainī nur an, dass er es aus baʿḍ al-kutub habe; den Titel des Werks nennt er nicht. Womöglich haben wir es mit einer ausführlicheren Variante einer ähnlichen Überlieferung zu tun, welche sich in ʿAbd al-Karīm ar-Rāfiʿīs At-Tadwīn fī aḫbār Qazwīn findet. Ar-Rāfiʿī starb 1226 und gibt ein Hadith (samt isnād), welches ihm ein faqīh namens Muḥammad b. ʿUṯmān b. Yūsuf as-Samarqandī 585 H. (1189/1190) in Qazvīn mitteilte. Darin heißt es, der Prophet habe gesagt: „Sanǧar wird der letzte König der Perser sein. Er wird achtzig Jahre lang leben und dann an Hunger sterben.“40 Angesichts der Zerstörungen und des Chaos, der politisch-territorialen Fragmentation und der unübersichtlichen Machtkämpfe, welche sich an Sanǧars Ende anschlossen, kam dieses den Menschen offenbar wie das Ende einer ganzen Ära vor; die lange, vergleichsweise stabile und glückliche Herrschaft des letzten Großselǧuqen – aus dem im 13. Jahrhundert eine Figur der Dichtung wurde41 – wirkte rückblickend wie ein goldener Herbst. Apropos Herbst: Als vorliegende Arbeit 2017 an der Universität Leipzig eingereicht wurde, begann gerade der November und ebendieser Monat ist es, welcher in der Republik Turkmenistan 2002 offiziell umbenannt worden war in: Sanǧar!42 Auch sonst gehört der letzte Großselǧuqe zu jenen historischen Figuren, auf die sich der turkmenische Staat häufig bezieht. Im Aschgabater Präsidentenpalast etwa werden ausländische Delegationen gern zu Beratungen in die „Sultan-Sanǧar-Halle“ geführt; Phantasieportraits des Selǧuqenherrschers finden sich auf turkmenischen Münzen und Geldscheinen (seit 2009 auf dem 5-Manat-Schein). An Statuen fehlt es natürlich auch nicht, wobei jene vor dem Unabhängigkeitsdenkmal der Hauptstadt in ihrer rechten Hand eine goldene Miniatur des Marver Sanǧar-Mausoleums hält. Wovon jemand, der an Sanǧar im Rahmen einer nationalen Heldengeschichte großer Turkmenen erinnert, wohl eher wenig wissen will, sind die Hinweise auf des Sul-

38 S. Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 199 f. 39 Deborah G. Tor, EIr-Artikel „Sanjar, Aḥmad b. Malekšāh“. 40 Rāfiʿī, Tadwīn, Bd. I, S. 452. Angeblich musste Sanǧar während seiner Gefangenschaft Hunger leiden. 41 Schimmel, Triumphal Sun, S. 187: „Among the later rulers, the Seljuk king Sanjar […] had apparently been transformed into a model of the successful wordly ruler in the early thirteenth century; the story of Sanjar and the old woman became commonplace in Persian literature, and was a favourite subject for painters. The frequency of his name in Rumi’s poetry seems to indicate that he could be treated exactly like any of the ancient kings, comparable to the heroes of pre-Islamic Persian mythology, […] along with whom he is often mentioned.“ Man könnte auch sagen, dass Sanǧar ins kulturelle Gedächtnis einging, eine Figur der Erinnerung und der Tradition wurde. Der Dichter Ǧalāl ad-Dīn Rumī lebte von 1207 bis 1273. 42 Sanǧar wurde im November geboren. Nach dem Tod des „Türkmenbaşy“ Nyýazow 2006 wurden dann unter Berdimuhamedow 2008 wieder die alten Monats- und Wochentagsnamen eingeführt.

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tans (für damalige Verhältnisse nicht ungewöhnliche) Neigung zu männlichen Geliebten. Hierbei war es für den Selǧuqen wohl typisch, seine Favoriten (ḫawāṣṣ) – in der Regel junge, türkische Sklaven (ġilmān) – zunächst in höchste Höhen zu heben, mit Macht und Besitz zu überhäufen, sie dann jedoch, nachdem die Leidenschaft nachgelassen hatte und in Abscheu umgeschlagen war, nicht nur fallen, sondern auch beseitigen zu lassen.43 D. Tor geht so weit, von sexueller Ausbeutung zu sprechen.44 Auf jeden Fall war Sanǧars Hof (und nicht nur dieser) ein homoerotisches Milieu, was deshalb eine politische Dimension hat, weil die wechselnden Lieblinge des Sultans mit Ämtern und „Lehen“ (iqṭāʿāt)45 versorgt wurden und ihr grenzenloser Einfluss Anlass zu Machtkämpfen gab. Was an Sanǧar bisweilen noch irritieren oder Skepsis hervorrufen mag, ist, dass er weder lesen noch schreiben konnte. Bosworth bemerkte dazu misstrauisch: „Barthold’s categorical assertion […] that Sanjar was certainly illiterate requires more substantial proof than he adduced.“46 Das Dokument, auf das sich Barthold47 bezog, ist wohlgemerkt ein Brief, den der Sultan selbst an den Bagdader Kalifenhof schicken ließ. Darin erklärt Sanǧar offen: maʿlūm ast ki mā ḫvāndan va nibištan nadānīm.48 Bestätigt wird dies dadurch, dass Sanǧar, wie es in einer anderen Quelle heißt, darauf angewiesen war, sich eine verschriftlichte Rede al-Ġazālīs (gest. 1111) immer wieder vorlesen zu lassen.49 Außerdem passt es gut zur Beschreibung seines Charakters, wie sie uns etwa Nīšāpūrī liefert. So soll Sanǧar zwar verstanden haben, wie man ein Reich in Würde und mit Augenmaß führt, doch sei er in Detailfragen recht einfach (sāda-dil) gewesen und überhaupt „oldschool“, „vom alten Schlag“ (bāstānī-yi ṭabʿ), das heißt etwas altmodisch und in seiner Art eher von gestern.50 Sanǧars Kleidungsstil etwa wird als sehr unprätentiös charakterisiert: Meist trug er nur eine qabā (eine Art Oberrock) aus Zandanīǧī-Stoff, etwas Schlichtes aus welliger Seide (ʿutābī) oder eine Lammfellweste – saß er hingegen auf dem Thron, verzichtete er auf nichts, was zu einen Sultan gehörte.51 Wahrscheinlich war Sanǧar also der letzte Analphabet seiner Dynastie, denn von anderen Selǧuqen (etwa von seinem Neffen Maḥmūd II.) – und auch von Selǧuqinnen – ist sehr wohl bekannt, dass sie des Lesens und Schreibens mächtig waren (nicht 43 Bundārī, Zubda, S. 271 (s. zum ġilmān-Problem ferner S. 123). 44 Tor, „Mamlūk Loyalty“, S. 771, Anm. 15. 45 Das Wort Lehen entspricht natürlich nicht ganz dem, was iqṭāʿ bedeutet, doch werde ich diese Übersetzung in vorliegender Arbeit dennoch verwenden. 46 Bosworth, „steppe peoples“, S. 77. 47 Turkestan, S. 308. 48 Eqbāl, Vezārat, S. 316. 49 Ġazālī, Fad ̣āʾil al-anām, S. 44. 50 Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 54. Vielleicht war Sanǧars Lebensweise noch stärker vom Nomadentum geprägt als die anderer türkischer Herrscher seiner Zeit. 51 Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 56. Zandanīǧī-Stoff ist ein feines, verschiedenfarbiges Baumwollgewebe aus Buḫārā und Umgebung, benannt nach dem Dorf Zandana; s. Khan, „Zandanījī Misidentified“ oder Dode, „Zandanījī Silks“.

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zufällig wird das Attribut al-ʿālim neben al-ʿādil etc. im 12. Jahrhundert zu einem festen Bestandteil der Herrschertitulaturen). In gewisser Weise scheint sich Sanǧars Charakter in dem seines Mausoleums zu spiegeln, über das Robert Hillenbrand mit Blick auf andere Bauwerke aus derselben Epoche schrieb: „[I]t possesses in fuller measure than any other of them the key diagnostic features of the local school – that solemn, slightly dour majesty, that simplicity of form (overwhelming in this case), that reliance on plain brickwork as an index of strength, that indifference to spatial dynamism in the squinch zone, and, above all and controlling all, an innate conservatism. […] The interior too has a slightly uncouth quality. It is an overpowering space, but an empty one.52 […] None of the large Iranian domes have so little happening inside. It is as if mere size were a sufficient end in itself.“53

Alles in allem fällt das Urteil über Sanǧar in den Quellen wohlgemerkt sehr positiv aus. Er soll durchaus ein fähiger Herrscher gewesen sein, gerecht und gottesfürchtig, großzügig und mild. Noch in einer Quelle aus dem 14. Jahrhundert wird beispielsweise gesagt, dass Sultan ʿAlāʾ ad-Dīn Kai-Qubād I. von Rūm (reg. 1220–1237) der gerechteste aller Herrscher aus der Selǧuqen-Dynastie gewesen sei – abgesehen von Sanǧar.54 Auch wenn der letzte Großselǧuqe in manchen Dingen einfach war (G. E. Tetley:55 „a man of less charisma and narrower interests“), muss dies nicht bedeuten, dass die Kultur an seinem Hof weniger reich blühte,56 doch wäre dieser Frage erst noch eine umfassende Studie zu widmen. Zu bedenken ist, dass zahlreiche Werke des 12. Jahrhunderts ja längst verloren sind; einst gab es sogar ein Sanǧar-nāma.57 I.2 Zu den Quellen Da sich Werke wie das Sanǧar-nāma oder Ibn Funduqs Mašārib at-taǧārib wa-­ġawārib al-ġarāʾib leider nicht erhalten haben, sind wir über die Verhältnisse und Entwicklungen in der östlichen Hälfte des Selǧuqenreiches (Ḫurāsān und Umgebung) grundsätz-

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Hillenbrand, „Seljuq monuments of Turkmenistan“, S. 298. Hillenbrand, „Seljuq monuments of Turkmenistan“, S. 303. Tārīḫ-i āl-i Salǧūq dar Ānāṭūlī, S. 78. Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 157. So sieht es aber Tetley, Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 157 f. („it seems that his court was not a centre of culture, at least in this early period of his reign“). 57 Ibn Isfandiyār hatte auf dieses (historiographische) Werk offenbar noch Zugriff, s. Tārīḫ-i ­Ṭabaristān, Bd. II, S. 54, 72.

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lich schlechter unterrichtet als über jene in der westlichen (al-ʿIrāqain58 und Umgebung). Insgesamt gesehen liegt zu den Groß- und Irak-Selǧuqen aber eine ganze Reihe brauchbarer Werke vor, was sich beispielsweise in Hinblick auf die späten Ġaznaviden oder die Qaraḫaniden nicht behaupten lässt. In Anbetracht der Tatsache, dass zu den Chroniken der Selǧuqenzeit inzwischen schon mehrere gute Überblicke vorgelegt worden sind, verzichte ich darauf, hier einen weiteren zu geben; stattdessen sei etwa auf Peacocks59 oder Durand-Guédys60 Ausführungen verwiesen. Diesen ist unter anderem zu entnehmen, dass ʿImād ad-Dīn al-Iṣfahānīs Nuṣrat al-fatra wa-ʿuṣrat al-fitra (von 1183) doch nicht – wie viele immer noch meinen – verloren, sondern in einem einzelnen Manuskript der Pariser Bibliothèque nationale auf uns gekommen ist. Weil dieses Werk jedoch noch keinen Herausgeber gefunden hat, habe auch ich für vorliegende Arbeit weiterhin al-Bundārīs Kurzfassung Zubdat an-nuṣra wa-nuḫbat al-ʿuṣra verwendet. Hervorzuheben ist, dass es keinesfalls genügt, sich nur auf die „üblichen“ Chroniken zu stützen. Viele wichtige Informationen fanden sich in Werken, in denen man sie zunächst gar nicht vermuten würde; auch für Sanǧars Herrschaft können etwa arabische Quellen aus der Levante relevant sein. Oft handelt es sich nur um ganz versprengte Einzelinformationen, welche erst zusammengetragen und kombiniert werden müssen. Zu den Werken, die sich als sehr interessant und wertvoll erwiesen, aber bislang nicht oder kaum genutzt wurden, gehört beispielsweise Ibn al-ʿImrānīs al-Inbāʾ fī taʾrīḫ al-ḫulafāʾ, eine ʿAbbāsidenchronik des 12. Jahrhunderts, welche aufschlussreiche Angaben enthält, die nirgendwo sonst zu finden sind. Das gleiche gilt für Naǧm ad-Dīn Qummīs Wesirsgeschichte Ḏail(-i) Nafṯat al-maṣdūr, welche in ihrer faszinierenden Detailfülle noch längst nicht angemessen beachtet und ausgewertet wurde. Sie setzt dasselbe Werk fort, das auch al-Iṣfahānīs Nuṣrat al-fatra zugrunde liegt, nämlich den (sonst nicht erhaltenen) Nafṯat al-maṣdūr fī ṣudūr zamān al-futūr wa-futūr zamān aṣ-ṣudūr des Wesirs Anūširvān b. Ḫālid (gest. 1138). Das Muǧmal at-tawārīḫ wa-ʼl-qiṣaṣ datiert sogar in die frühen Jahre von Sanǧars Sultanat; aus anderen, heute verlorenen Chroniken des 12. Jahrhunderts wird sowohl in Sibṭ Ibn al-Ǧauzīs Mirʾāt az-zamān fī taʾrīḫ al-aʿyān (13. Jh.) als auch in Ibn al-Furāts Taʾrīḫ ad-duwal wa-ʼl-mulūk (14. Jh.) zitiert. Zusätzlich zu bio- und historiographischen Werken wurden in vorliegender Arbeit auch diverse andere Genres berücksichtigt, darunter vielfach die Poesie – wie ergiebig (panegyrische) Gedichte sein können, zeigte etwa Gillies E. Tetley in The Ghaznavid 58

59 60

„Die beiden Irak“ sind der arabische (ʿIrāq al-ʿArab) und persische (ʿIrāq al-ʿAǧam), d. h. die südliche Hälfte Mesopotamiens (mit Bagdad) und die westiranische Ǧibāl-Provinz (um Hamadān, Iṣfahān und Rayy). Wenn in dieser Arbeit also einfach nur vom Irak gesprochen oder etwas als irakisch bezeichnet wird, meint dies gemäß dem damaligen Sprachgebrauch beide Teile (und nicht nur den arabischen oder das heutige Staatsgebiet). Great Seljuk Empire, S. 12 ff. Iranian Elites and Turkish Rulers, S. 4 ff.

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and Seljuk Turks. Von besonderer Bedeutung sind selbstverständlich inšāʾ-Dokumente, nicht zuletzt wegen des „staatlichen“ Selbstverständnisses, das darin zum Ausdruck kommt. Hier wurde neben der Sammlung ʿAtabat al-kataba (von Sanǧars Kanzleichef Ǧuvainī) unter anderem auch die Sankt Petersburger Handschrift C 816 herangezogen, deren Aḥkām dīwān salāṭīn maḍīya zum Teil noch unediert sind.61 Viele solcher Schreiben verdienen es eigentlich, Gegenstand separater, eingehender Studien zu sein (wie sie Durand-Guédy vorlegte); selbst bei relativ bekannten Briefen und Urkunden lohnt es sich, den historischen Kontext (Absender/Aussteller, Adressat, zeitliche Einordnung) noch einmal zu überdenken. Vor allem wegen der Relevanz, welche die elaborierten Herrschertitulaturen besitzen, galt es außerdem, Inschriften an Bauwerken (und anderen Objekten) zu nutzen – überhaupt war es eine grundlegende Zielsetzung dieser Arbeit, auch solche nichtliterarischen Textquellen in besonderem Maße einzubeziehen. Wenn es um das Rekonstruieren von Herrschaftsstrukturen, Hierarchien und die Definition eines Reiches geht, kommt im Falle der islamischen Kultur bekanntlich einer Quellengruppe eine herausragende Rolle zu: Münzen. Die Namensnennung in der sikka war ja zusammen mit jener in der ḫuṭba eine offizielle Äußerung dafür, wer herrschte, und somit ein ganz zentrales Privileg muslimischer Machthaber. Während es sich bei der Freitagspredigt natürlich um eine mündliche Angelegenheit handelt, die uns nur äußerst selten schriftlich überliefert ist, dokumentieren Münzen (unter bestimmten Voraussetzungen) noch heute, wer wann wo unter und über wem an der Macht war. Denn die Nennung des eigenen Namens machte auch die Nennung aller übergeordneten Herrscher notwendig – ein (bedenkt man noch dazu die Titel) nicht selten kompliziertes System, das in der Selǧuqenzeit vollends entwickelt war. Es kam damals einer offenen Rebellion gegen den Oberherrn gleich, dessen Namen zu entfernen, und andersrum der deutlichen Formulierung eines Herrschaftsanspruchs, den eigenen Namen neu in ḫuṭba und sikka einzuführen. Hierum wurden Kriege geführt und oft kam es den Fürsten auch nur auf die Nennung ihres Namens an, da diese die Anerkennung ihrer Herrschaft eben hinreichend anzeigte. Zu unterscheiden ist allerdings zwischen Kleingeld aus unedlem Metall und Prägungen in Silber oder Gold. Nur Münzen der zweiten Kategorie konnten nach islamischem Recht62 als „absolutes Äquivalent“ und damit als ordentliches Zahlungsmittel fungieren, während es sich bei Münzen aus Kupfer oder Bronze rechtlich gesehen nur um Geldersatzzeichen handelte (deren Tauschwert nicht durch den Materialwert gedeckt war). Dies bedeutete, dass für Æ-Münzen insgesamt weniger strenge Regeln galten und die Gestaltung solcher (nur beschränkt umlauffähigen) Stücke zumeist 61 62

S. dazu Rosen, Manuscrits, S. 146–159; Horst, Staatsverwaltung, S. 10 f. Für die Benutzung eines Mikrofilms der Sankt Petersburger Handschrift danke ich Jürgen Paul. Genauer: nach ḥanafitischem Recht; die ḥanafitische Rechtsschule war die von den Selǧuqen bevorzugte.

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eine rein lokale Angelegenheit war. So unterlag das Kleingeld (fulūs aber auch stark legierte oder kupferne Dirhams) auf Grund seiner Sonderstellung auch nicht im gleichen Maße dem sikka-Recht wie die (guthaltigen) 🜇-Dirhams und die Dinare,63 woraus sich hinsichtlich des herrschaftsgeschichtlichen Quellenwertes der Inschriften auf Æ-Münzen nur eine bedingte Aussagekraft ergibt: Führt der jeweilige Münzherr einzig seinen eigenen Namen auf, muss das nicht heißen, dass er über sich keinen Oberherrn anerkennt, und selbst wenn er einen anderen Machthaber nennen lässt, so ist damit noch nicht zwingend die ganze Herrscherhierarchie abgebildet (sondern eventuell nur in Auswahl wiedergegeben). Solche Münzen können also kaum als Belege für eine Einbindung oder eben Nichteinbindung in imperiale Strukturen dienen, doch gibt es daneben auch unedles Kleingeld, auf dem die jeweilige Hierarchie sehr wohl vollständig dokumentiert ist und dessen Inschriften folglich die gleiche Relevanz zukommt wie dem Text auf Goldmünzen. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, dass es unter den Selǧuqen und deren Vasallen ja kein reichsweit einheitliches Geldsystem gab, sondern vor allem ein Nebeneinander lokaler und regionaler Währungen. Während man mancherorts etwa ausschließlich Billon-Dirhams prägte, wurden anderswo wiederum nur Æ-Münzen oder nur Dinare produziert, wobei zwischen dem stets feingoldenen Dinar von Nīšāpūr und Dinaren anderer Münzstätten mit einem weniger zuverlässig reguliertem Feingehalt (oft: Blassgold-Dinare) zu differenzieren ist – nur erstere Sorte fand auch überregional Akzeptanz. Zwar wurden unter den Großselǧuqen selbst sowohl fulūs als auch Dirhams geprägt (wobei Sanǧars Herrschaft in Ḫurāsān keine Ausnahme darstellt), doch sind es in erster Linie und typischerweise die Goldmünzen, welche heute von dieser Dynastie zeugen. Stephen Album spricht von insgesamt rund 60 Orten, an denen selǧuqischen Dinare geschlagen wurden.64 Noch immer gilt, dass diese reiche Münzprägung nur ansatzweise erfasst ist; unter den neueren Publikationen sei als sehr brauchbares Hilfsmittel Yahya Jafars The Seljuq Period in Baghdad hervorgehoben, ein Typenkatalog zur ʿabbāsidisch-selǧuqischen Dinarprägung in Madīnat as-Salām zwischen 447 und 552 H. (1055–1157). Dass Münzen während Sanǧars Sultanat an dutzenden Orten dezentral produziert wurden und das Münzrecht regionale Besonderheiten aufwies, trifft sich mit dem in vorliegender Arbeit verfolgten Ansatz, die imperiale Ordnung (auch) aus den diversen Einzelregionen heraus zu betrachten und zu verstehen. Dass sich die politischen Strukturen und ihre Entwicklung auf den Münzen protokollarisch niederschlugen und hier öffentlich ablesbar waren, machte es natürlich erforderlich, die sikka stets aktuell zu halten: Sobald ein neues Jahr begann, ein neuer Herrscher inthronisiert oder anerkannt wurde, der alte Kalif verstarb, der Gouverneur

63 Heidemann, Aleppiner Kalifat, S. 209. 64 Album, Checklist, S. 182.

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einer Stadt wechselte oder der Thronfolger ausgetauscht wurde, mussten Münzstempel mit neuen Inschriften angefertigt werden. Islamische Münzen stellen so gewissermaßen verkürzte Urkunden oder Staatsbulletins dar, welche es uns ermöglichen, die vielfältigeren, aber weniger sicheren Berichte der Chronisten zu überprüfen und zu ergänzen. Unser Bild von der mittelalterlichen Geschichte der islamischen Welt beruht ja hauptsächlich auf der Fülle historiographischer Werke, deren Quellenwert allerdings zwischen neutralen Darstellungen und Propaganda, Zeitzeugenberichten und phantastischen Erzählungen schwankt. Münzen berichten uns hingegen nicht subjektiv oder in zeitlichem Abstand über irgendwelche Vorgänge, sondern sie entstanden direkt im Laufe der Ereignisse. Ferner lässt sich bei vielen Chroniken nicht nur eine gewisse Tendenziösität feststellen, sondern auch eine geographische Konzentration auf die großen Machtzentren, sodass die Herrschaftsverhältnisse in Randgebieten nicht selten nur durch die sikka dokumentiert sind. Trotz alledem wurden und werden islamische Münzen (und ebenso Inschriften) nur selten intensiv und in größerem Umfang als primäre Textquellen berücksichtigt, dabei birgt gerade deren Zusammenspiel mit dem historiographischen Material ein nicht zu unterschätzendes Erkenntnispotential. Unter den Münztypen, auf die ich im Laufe der folgenden Kapitel zu sprechen kommen werde, sind zahlreiche Neuentdeckungen; vieles war bisher unpubliziert oder auch falsch bestimmt. Bevor die oben erwähnte „Rundreise“ durch Sultan Sanǧars Imperium beginnt, sollen allerdings noch ein paar allgemeinere Überlegungen zu bestimmten Begrifflichkeiten und Konzepten vorausgeschickt (und zum Teil vorweggenommen) werden, um diese anschließend im Hinterkopf zu haben. Wie gesagt, berührt die Namensnennung in ḫuṭba und sikka bereits die Frage, was man eigentlich unter einem Reich wie dem der Selǧuqen verstehen kann und sollte.

II. Vorüberlegungen zu Herrschaftsverständnis und Reichsgedanke Der Reichsbegriff ist im historisch-islamischen Kontext bekanntlich weniger unproblematisch, als es auf den ersten Blick scheint. Gerade die Lexik birgt hier gewisse Schwierigkeiten, sieht man sich doch mit einer Reihe von Wörtern konfrontiert, für die eine Übersetzung mit „Reich“ mehr oder weniger infrage kommt; darunter solche, die diese Bedeutung erst im Laufe der Zeit erwarben, und solche, die genau genommen nur für eine besondere Form oder einen Teil dessen stehen, was ein Reich oder einen Staat (zumindest nach unserem heutigen Verständnis) im Allgemeinen ausmacht. Nicht immer lässt sich der exakte Bedeutungsumfang bestimmen oder mit Gewissheit sagen, wie dessen Wandel im Detail ablief. So meint das in der Gegenwartssprache für „Staat“ ganz und gar gebräuchliche d­ aula ursprünglich einen Wandel oder Wechsel, einen (günstigen) Umschwung der Zeit oder eine (glückliche) Schicksalswendung. Deshalb ordnete es Maḥmūd al-Kāšġarī (gest. 1105) in seinem Dīwān luġāt at-Turk der türkischen Vokabel qut („Glück“) zu65 und deshalb begegnet es auch in Wunschformeln, wie man sie über die Jahrhunderte auf Keramiken, Metallarbeiten und andere Objekte setzte, häufig in einer Reihe mit iqbāl („Glück“)66 und saʿāda („Glückseligkeit“), aber ebenso neben ʿizz („Macht“) und mulk („Herrschaft“). Letztere Kombination lässt bereits einen speziellen Bezug zum Politischen erkennen, der aber im Falle von daula nicht so sehr im politischen Erfolg wie im (revolutionären) Moment der Ablösung, dem An-die-Reihe-Kommen liegt: Da nicht zuletzt die Geschicke der Mächtigen wechselhaft waren und Fortuna früher oder später den Stern eines neuen Herrschers aufgehen ließ, steht das arabische Abstraktum auch für die glückliche Fügung, erfolgreich im Amt oder an der Macht zu sein, also für einen zeitweiligen Zustand. Im Sinne einer Herrschaftsperiode oder Ära 65 Kāšġarī, Dīwān luġāt at-Turk, Bd. I, S. 269: qut – ad-daula wa-’l-ǧadd; auch letzteres bedeutet „Glück“, „günstiges Geschick (das sich neu ergibt)“. S. zu qut im politischen Kontext in Anm. 35. 66 Iqbāl bedeutet wörtlich „Herankommen“, „Annäherung“, „Hinwendung“ und wenn sich die (ganze) Welt einem Menschen zuwendet – man sagt: aqbalat ʿalaihi ’d-dunyā –, dann ist ihm das Schicksal gewogen und er hat Glück. Ein Werk Abū Bakr Muḥammad ar-Rāzīs (gest. 925) trägt den Titel Maqāla fī amārāt al-iqbāl wa-’d-daula („Abhandlung über die Zeichen des Glücks und der Schicksalsfügung“).

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meint es die Regentschaft (genauer gesagt: das Gelingen, Glücken oder Prosperieren der Regentschaft) einer bestimmten Person oder Familie, der es vergönnt war, eine andere abzulösen, weil sich das Schicksal sozusagen auf ihre Seite geschlagen hat.67 Durch diese Konnotationen vom profanen, mitunter sogar abwertend gemeinten mulk abgehoben, wurde daula anfangs exklusiv mit Bezug auf die ʿAbbāsiden gebraucht.68 Nachdem sich im 10. Jahrhundert überall Herrscherhäuser durchgesetzt hatten, die vom selbst im Irak weitgehend entmachteten Kalifen (faktisch) unabhängig waren, begann man jedoch, ebenso von deren An-der-Reihe-Sein/Herrscherglück zu sprechen; hinzu kamen Konzepte wie die „daula der Araber“ oder die „daula des Islams“.69 Es wurde nunmehr zunehmend zwischen gleichzeitig bestehenden und teils miteinander verbundenen duwal unterschieden70 (wobei die grundsätzliche Einheit der islamischen Welt nicht in Frage gestellt wurde). Die Differenzierung nach Herrscherhäusern ist allerdings keine Rechtfertigung für die gängige Übersetzung des Begriffs mit „Dynastie“71 – hierfür blieben āl und banū in Gebrauch, daneben kommen ḫāna(dān), silsila, tuḫma und dūdmān vor.72 Wenn also, wie die Quellen belegen, in Franz Rosenthal, EI2-Art. „Dawla“; Lewis, Political Language, S. 35 f.; Barghouti, Umma and Dawla, S. 56–59 (S. 57: „Unlike the European concept of the state, whose fixity is its determining feature, the temporality and lack of fixity are the main determining features of the Arabic concept of Dawla.“). Nach Huṣainī (Aḫbār, S. 9) formulierte es Sübashı̊ , jener Heerführer, der es nicht vermocht hatte, Ḫurāsān gegen die Selǧuqen zu verteidigen, seinem Herrn, dem Ġaznaviden Masʿūd I. (reg. 1031–1040), gegenüber so: li-kull daula mahāba wa-baʿda kull ḍiyāʾ ġayāba wa-li-kull yaum qaum wa-li-kull zamān malik („Jede Herrschaft kommt zu Anseh’n, [doch] jedem Lichtschein folgt das Dunkel. Jede Zeit hat ihre Leute und jede Ära ihren König“). Baihaqī (Tārīḫ-i masʿūdī, S. 119) erklärt, dass die Herrschaft gemäß Gottes Bestimmung seit jeher von Gruppe auf Gruppe übertragen wird, wobei das „Hemd der Herrschaft“ (pīrāhan-i mulk) der einen aus- und einer anderen angezogen wird. In ähnlicher Form begegnet das Konzept auch in anderen Kulturen, insbesondere stimmt es mit der (u. a. chinesisch beeinflussten) türkisch-mongolischen Vorstellung überein, nach der eine bestimmte Person (und deren Familie) das Herrschaftsmandat vom Himmel(sgott) erhält, indem dieser sie mit Charisma und Glück (türkisch: qut, mongolisch: suu, chinesisch: fu) auszeichnet (s. dazu z. B. Allsen, „Spiritual Geography“, passim) 68 Als die ʿAbbāsiden damit begannen, Ehrentitel zu vergeben, bezog sich das darin enthaltene ­daula folglich selbstverständlich auf ihre Herrschaft als Kalifen des islamischen Imperiums. Dass es zumindest in diesem Kontext fortan mehr als eine Glücksart meinte, zeigen auch alqāb wie Iqbāl ad-Daula und Saʿd ad-Daula; zudem kommen später Formulierungen wie bi-iqbāl daulat as-sulṭān vor. 69 Diesen lag die astrologische Vorstellung konstellationsbedingter politischer Machtzyklen zu Grunde. „Herr der (glückbringenden) Konstellation/Vereinigung (der Himmelskörper [ Jupiter und Venus])“ (ṣāḥib al-qirān oder ṣāḥib-qirān) war sogar ein Herrschertitel, der bereits für Sanǧar belegt ist. 70 S. Barghouti, Umma and Dawla, S. 57–59 („a Dawla inside a Dawla was quite usual and more or less the norm throughout the best part of Islamic History“). 71 Dies merkte schon Madelung in seinem aufschlussreichen Artikel „Assumption“ an, s. darin S. 95 f., Anm. 49. 72 Niẓām al-Mulk (Siyar al-mulūk, S. 255) spricht z. B. vom ḫāna-yi ḫulafāʾ-i banī-yi ʿAbbās, Niẓāmī ʿArūżī (Čahār maqāla, S. 2) von der silsila-yi āl Šansab (dies sind die Ġūriden) und der Autor des Muǧmal at-tawārīḫ (S. 408) vom ḫāna-yi ḫāniyān az tuḫma-yi Afrāsiyāb (die Qaraḫaniden). 67

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selǧuqischer Zeit, als die Öffnung des Begriffs (sultanatsbedingt?) ihren Abschluss gefunden haben dürfte, von der daula eines oder der Selǧuqen die Rede war,73 dann bezeichnete daula sicher nicht die Herrscherfamilie oder -reihe, sondern die Regentschaft jenes beziehungsweise der Selǧuqen (samt allem, was dazugehört). Dass die Übersetzung mit „Regentschaft“ oder „Regierung“ gegenüber der mit „Dynastie“ vorzuziehen ist, lässt sich anhand vieler Textstellen belegen; Formulierungen wie aġāz/ ibtidāʾ-i daulat-i āl … („Beginn der Regierung der …-Dynastie“) sprechen hier für sich.74 Davon abgesehen erhielt sich die Zweit- oder Nebenbedeutung, dass jemand mit daula einer Gunst teilhaftig ist,75 eine Geneigtheit ihm gegenüber genießt, die eben nicht zuletzt in dem Glück bestehen kann, (als) Herrscher (an der Reihe) zu sein. So ist wohl auch der bekannte Vers Rašīd ad-Dīn Vaṭvāṭs (gest. 1182/1183) zu verstehen, der da lautet: čūn malik Atsı̊ z ba-taḫt-i mulk bar āmad * daulat-i Salǧūq va āl-i ū ba-sar āmad76 („Zu der Zeit, da König Atsı̊ z den Thron bestieg, das Herrscherglück Selǧuqs und seiner Familie ablief “). Eine Frage, die sich angesichts der Koexistenz mehrerer duwal stellt, ist die, ob denn gerade bei den mit daula gebildeten alqāb – von denen anzunehmen ist, dass sie einem gewissen Konservatismus unterlagen – weiterhin klar und unbestritten war, um welche Regierung es überhaupt ging. Zu bedenken ist immerhin, dass solche Ehrennamen schon im 10. Jahrhundert nicht allein vom ʿAbbāsidenkalifen vergeben wurden.77 Wessen daula war beispielsweise gemeint, als der Sāmānidenemir Nūḥ II. (reg. 976–997) den ihm unterstehenden Ġaznaviden Sebük-Tegin (gest. 997) und Maḥmūd (gest. 1030) 994 die alqāb Nāṣir ad-Dīn wa-’d-Daula und Saif ad-Daula verlieh, nachdem sie für ihn eine Rebellion niedergeschlagen hatten?78 Ad-daula al-ʿabbāsīya oder ad-daula as-sāmānīya? Es mag sich zwar um keinen offiziellen Titel gehandelt haben,

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Z. B.: daulat-i mubārak-i salǧūqī; selǧuqische Inschriften enthalten nicht selten die Formel fī daulat (maulānā) as-sulṭān … – „während/unter der Regentschaft (unseres Herrn) des Sultans …“. Diese Formulierung findet sich etwa oft im Muǧmal at-tawārīḫ, z. B. auf S. 18 ff. oder 388. Im selben Werk heißt es einmal: hīč daulat mubāraktar az ān-i vai nabūd zi nīkū-sīratī-yi ū ham-čunīn dar āl-i Salǧūq bimānad – „Keine daula war gesegneter als die seine [gemeint ist Sultan Toġrı̊ l-Beg]; möge von seinem guten Charakter auch weiterhin (etwas) in der selǧuqischen Familie bleiben.“ An anderer Stelle (S. 404) ließt man: daulat az ḫānidān-i Būʾiyān naql kard – „Die daula übertrug sich von der Būyiden-Dynastie [auf eine andere]“. Ibn al-Ǧauzī schreibt in Bezug auf die ersten Selǧuqen einmal: aḫaḏū ’d-daula – „sie nahmen die daula“ (al-Muntaẓam, Bd. XV, S. 267); Niẓām al-Mulk stellt fest: daulat ba-kamāl rasīda ast – „die daula hat Vollkommenheit erreicht“ (Siyar almulūk, S. 215). Im Persischen heißt es ja auch az daulat-i šumā – „dank/durch eure(r) Gunst/Gnade“. Ǧuvainī, Tārīḫ-i ǧahāngušāy, Bd. II, S. 7. Vaṭvāṭ war u. a. der Hofpoet des anūšteginidischen ­ vārazmšāhs Atsı̊ z (reg. 1127/1128–1156) und dichtete die so beginnende Kasside, als sein Herr 1141 Ḫ Sanǧars Hauptstadt Marv eroberte. Auch die Sāmāniden (Bīrūnī, al-Aṯār, S. 134) und – da von den ʿAbbāsiden völlig unabhängig und selbst Kalifen – Fāṭimiden verliehen Ehrentitel; in letzterem Fall kann selbstverständlich kein Zweifel daran bestehen, dass nicht die ʿabbāsidische daula gemeint war. Bosworth, „Titulature“, S. 215 f. (mit Quellenangaben); Stern, „Manuscript“, S. 14–16.

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aber interessant ist in diesem Zusammenhang, dass aṯ-Ṯaʿālibī (gest. 1038) über den ḫvārazmischen Alleskönner Abū Saʿīd Aḥmad b. Šabīb aš-Šabībī schrieb, dieser sei Šaiḫ ad-Daulatain (sowie Ṣāḥib al-Ǧaišain) genannt worden, weil er sowohl für die sāmānidische als auch für die būyidische daula tätig war.79 Bezogen sich alqāb wie ʿAḍud ad-Daula zur Zeit der Selǧuqen also (immer noch) eindeutig auf die Regierung des Kalifen, dessen Autorität als religiöses Oberhaupt (Imam) die Sultane anerkannten und für den sie zu streiten vorgaben, oder – den realen Machtverhältnissen sowie der oft eigenmächtigen Titelvergabe und -annahme80 entsprechend – auf jene der Selǧuqen selbst, wobei denkbar ist, dass es einzig um die Herrschaft dieser mächtigsten aller Dynastien ging oder aber um eine Art sunnitische Gesamt-daula, die das Kalifat miteinschloss? Die Selǧuqen stellten die ʿabbāsidischen daula ja nicht in Frage,81 doch kam eben zumindest aus ihrer Sicht die eigene hinzu. Ein Bezug auf die Herrschaft der tatsächlichen Machthaber darf zumindest für die mit mulk („Königsherrschaft“) gebildeten Ehrennamen als sehr wahrscheinlich gelten, welche die Būyiden 999/1000 für ihre Wesire einführten,82 als sie sich selbst, zum Zeichen ihrer Macht und gegen den Widerstand des Kalifen, zu Königen (mulūk) aufschwangen.83 Denn das eigentlich unislamische, weltliche Menschen-mulk (persisch pādišāhī) konnte wohl kaum für die erhabene Theokratie des „Befehlshabers der Gläubigen“ stehen84 und außerdem fällt auf, dass derartige alqāb nicht vom Kalifen, sondern von den Būyiden vergeben wurden,85 die sie jedoch nie selbst führten – vermutlich weil dies eine unsinnige Selbstreferenz (z. B. „Stütze der [eigenen] Königsherrschaft“)

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Ṯaʿālibī, Yatīmat ad-dahr, Bd. IV, S. 277: lammā ’ḫtaṣṣa bi-’d-daula as-sāmānīya wa-’d-daula al-­ buwaihīya (s. zu Dualtiteln: Goldziher, „Ueber Dualtitel“, wo Šaiḫ ad-Daulatain und Ṣāḥib alǦaišain jedoch fehlen).

Bereits einige Būyiden nahmen eigenmächtig Ehrentitel an (Busse, Chalif und Grosskönig, S. 164) und zumindest der erste Qaraḫanide hatte sich seine alqāb Šihāb ad-Daula und Ẓahīr ad-Daʿwa selbst zugelegt (Bīrūnī, al-Aṯār, S. 134). Während der Regierung Malik-Šāhs I. scheint dies dann normal gewesen zu sein; Niẓām al-Mulk fordert sogar Strafen für unangemessene Titelanmaßungen (Siyar al-mulūk, S. 211). 81 So nannten sie sich in einem Brief, den sie – wenn er denn echt ist – 1040 an al-Qāʾim bi-Amr Allāh (reg. 1031–1075) schrieben (s. Safi, Politics of Knowledge, S. 28 f.), selbst havā-ḫvāh-i daulat, d. h. „Anhänger/Parteigänger der [ʿAbbāsiden-]Herrschaft“ (Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 13); s. auch u., S. 33, Anm. 96. 82 Busse, Chalif und Grosskönig, S. 252–254 (auf ʿUmdat al-Mulk folgten Faḫr und Saʿd al-Mulk). 83 Busse, Chalif und Grosskönig, S. 174 ff. u. S. 57; id., „Revival“, S. 64. Busse glaubt, dass die Būyiden ihr Königtum (mulk) als vom Kalifat unabhängig verstanden. Ihre Herrschaft basierte nicht nur auf vom Kalifen delegierter (und somit islamisch legitimierter) Macht, sondern ebenso auf der monarchischen Tradition der Sāsāniden, von denen die Būyiden abzustammen behaupteten. Letzteres sowie den malik-Titel beanspruchten auch die Sāmāniden. 84 Aus (streng) islamischer Sicht besaß allein Gott mulk, woran der Kalif aṭ-Ṭāʾiʿ (reg. 974–991) mit der Wahl seiner Paraphe (ʿalāma) erinnerte: al-mulk li-’llāh waḥdahū (Rūḏrāwarī, Ḏail Taǧārib al-umam, S. 126). 85 Busse, Chalif und Grosskönig, S. 253 f. 80

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bedeutet hätte.86 Dafür, dass sich auch die daula-alqāb auf die Regentschaft der faktischen Gewalthaber beziehen konnten – so wie es ja hinsichtlich der sāmānidischen Monarchie der Fall zu sein scheint –,87 ließe sich für die Zeit der Selǧuqen auf ähnliche Weise argumentieren: Selǧuqenherrscher erhielten zwar vom Kalifen daula-Titel, doch finden sich diese in der Hauptsache nur auf Münzen aus Bagdad sowie auf Prägungen untergeordneter Machthaber,88 weil, so die mögliche Schlussfolgerung, ein Titel wie ʿAḍud ad-Daula nur adäquat war, solange der Träger (noch) nicht selbst als Sultan an der Regierung war, und sonst nur der einen solchen laqab bevorzugt verwendete, welcher dabei nach wie vor an seine eigene daula dachte: der Kalif.89 Wie die ausnahmsweise in einer Quelle für Alp-Arslan (reg. 1063–1073) gegebene Langform ʿAḍud ad-Daula al-Qāhira al-ʿAbbāsīya90 nahelegt, war und blieb es jedoch sehr wahrscheinlich so, dass sich die daula-alqāb der Selǧuqen grundsätzlich auf die

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Folglich begegnen mulk-alqāb in der Regel nicht bei Fürsten; eine Ausnahme scheint der Qara­

ḫanide Šams al-Mulk Naṣr b. Ibrāhīm (reg. 1068–1080) zu sein.

Für die Būyiden dürfte zumindest die daula, auf die in den alqāb Bezug genommen wurde, noch unbestritten jene der Kalifen gewesen sein, da sie – weniger mächtig als die Selǧuqen und Vorteile im Umgang mit anderen Fürsten sehend – noch mehr Sorge darauf verwendeten, den Anschein einer tatsächlichen Oberherrschaft der ʿAbbāsiden weitgehend zu wahren (Madelung „Assumption“, S. 99). Dass trotzdem schon an eine eigene, dailamitische daula gedacht wurde, zeigt u. a. der vollständige Titel jenes Geschichtswerkes, das Abū Isḥāq Ibrāhīm aṣ-Ṣābiʾ (gest. 994) für ʿAḍud ad-Daula schrieb: Kitāb at-Tāǧī fī aḫbār ad-daula al-dailamīya (Khan, „A Manuscript“, S. 27, 32 f.; Madelung, „Abū Isḥāq al-Ṣābī“, S. 19 f., insbesondere Anm. 15). 88 So steht Alp-Arslans laqab ʿAḍud ad-Daula regulär auf Münzen, die geprägt wurden, als Čaġrı̊ Begs Sohn noch Gouverneur in Ḫurāsān war. Danach, als Sultan, erscheint Alp-Arslan auf den allermeisten seiner Münzen als malik al-Islām – außer in Bagdad, wo man offenbar besonderen Wert auf den Titel ʿAḍud ad-Daula legte und der Kalif ab 1069/1070 auch wieder Münzherr war (Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. VIII, S. 384). Auf Prägungen Malik-Šāhs I. und Berkyaruqs begegnet normalerweise stets Muʿizz ad-Dunyā wa-’d-Dīn (neben Rukn al-Islām) bzw. Rukn ad-Dunyā wa-’d-Dīn; bis auf wenige Ausnahmen wurden beider alqāb Ǧalāl ad-Daula bzw. ʿAḍud/Muʿizz ad-Daula (al-Qāhira) nur auf Bagdader Münzen geprägt. In der kurzen Zeit, in der Malik-Šāhs Bruder Tutuš das Sultanat beanspruchte (1092–1095), wurde sein üblicher Titel (als malik von Syrien) Tāǧ ad-Daula (al-Qāhira) zwar vom Kalifen auf Dinare der Tigris-Metropole gesetzt, doch ließ Tutuš selbst (auf Münzen aus Rayy, Sāva und Zanǧān) nun stattdessen die alqāb ʿAḍud ad-Dīn (daneben: ʿIzz ad-Dunyā) und Rukn al-Islām verwenden. Erst unter Muḥammad Tapar (reg. ab 1105) ließ man in Bagdad von den Ehrennamen auf daula in der sikka ab. 89 Hierzu passt, dass die Selǧuqen, nachdem der Kalif die Kontrolle über die Bagdader Münze zurückerlangt hatte, auf Prägungen aus Madīnat as-Salām bald so gut wie gar nicht mehr mit dem Sultanstitel aufgeführt wurden; s. dazu Jafar, Seljuq Period, S. 24, 31. 90 Ibn al-ʿImrānī, al-Inbāʾ, S. 199. Alqāb, in denen explizit angegeben ist, um wessen daula es geht, sind die Ausnahme: Für Saladin (reg. 1169–1193) ist auf einigen Æ-Dirhams (Naṣībīn, 578 H.; Maiyāfāriqīn, 581–584 H.) sowie in Bauinschriften (TEI Nr. 34093, 32751) der Titel Muḥyī ’d-Daula Amīr al-Muʾminīn („Beleber der daula des Befehlshabers der Gläubigen“) belegt und der Mamlūkensultan al-Ašraf Ḫalīl (reg. 1290–1293) nannte sich später (1291) ebenfalls auf Münzen sowie in Bauinschriften (TEI Nr. 3655, 3666) Muḥyī ’d-Daula (aš-Šarīfa) al-ʿAbbāsīya („Beleber der (geehrten) ʿabbāsidischen daula“; s. Heidemann, Aleppiner Kalifat, S. 188; de Polignac, „Un « nouvel Alexandre »“, Absatz 17 der Remmm-Online-Publikation), womit er genau wie mit seinem laqab Ṣalāḥ ad-Dunyā wa-’d-Dīn auf Saladin Bezug nahm (Hillenbrand, Crusades, S. 240 f.). 87

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ʿAbbāsidenherrschaft bezogen, was die Kalifen eben besonders betonten. Denn im

Sinne al-Māwardīs (gest. 1058) Lehre vom nachträglich zu legalisierenden Usurpationsemirat (imārat al-istīlāʾ)91 hielten die ʿAbbāsiden an der Ideologie fest, dass es allein ihre daula gab, Būyiden wie Selǧuqen nicht mehr als Bevollmächtigte in ihren Diensten waren92 und daula-Titel folglich die Unterordnung unter die Oberhoheit des Kalifen anzeigten. Großkönige und Sultane hingegen verstanden sich mit der Zeit zunehmend selbst als emanzipierte daula-Inhaber, für die der nützliche, dem Ideal der Einheit von weltlicher und geistlicher Macht93 entsprechende Bund mit den ʿAbbāsiden unter ihrer souveränen Herrschaft stand und das Kalifat als religiöse Institution und Legitimationsquell Teil des von ihnen regierten Reiches war.94 Dabei waren Būyiden wie Selǧuqen bestrebt, ihre besondere Partnerschaft mit dem Hause ʿAbbās durch Heiratsverbindungen fortzuentwickeln. Zu einer gemeinsamen daula (einer Art sunnitischen Gesamt-daula, s. o.) verschmolzen Kalifen- und Sultansherrschaft95 jedoch nicht; wie auch Inschriften belegen, wurden beide Regierungen als parallel bestehend aufgefasst.96 Der grundsätzliche Konflikt, welcher sich aus den konträren Auffassungen, der Konkurrenz beider duwal, ergab,97 blieb dauerhaft ungelöst; wozu man bestenfalls fand, war ein Modus Vivendi. 91 Al-Māwardī, al-Aḥkām as-sulṭānīya, S. 54–57. 92 Al-Mustaršid bi-’llāh (reg. 1118–1135) soll gesagt haben: fauwaḍnā umūranā ilā āl Salǧūq – „Wir [die ʿAbbāsidenkalifen] vertrauten unsere Angelegenheiten [v. a. die Regierungsangelegenheiten] den Selǧuqen an.“ (Niẓāmī ʿArūżī, Čahār maqāla, S. 37). 93 Barthold/Becker, „Kalif und Sultan“, S. 357. Wie lässt al-Masʿūdī (Murūǧ aḏ-ḏahab, Bd. II, S. 162) den Sāsāniden Ardašīr so schön sagen: „Religion und Herrschaft sind Brüder. Das eine kommt nicht ohne das andere aus, denn die Religion ist die Grundlage der Herrschaft und die Herrschaft der Hüter der Religion. Was keine Grundlage besitzt, ist verloren und was keinen Hüter hat, geht zunichte.“ (ad-dīn wa-’l-mulk iḫwān lā ġinan li-wāḥid minhumā min ṣāḥibihī fa-’d-dīn uss al-mulk wa’l-mulk ḥārisuhū wa-mā lam yakun lahū uss fa-maʿdūm wa-mā lam yakun lahū ḥāris fa-ḍāʾiʿ). S. zum Verhältnis von Religion und Herrschaft weiter u., S. 42 f. 94 Kafesoğlu/Leiser, History of the Seljuks, S. 89. 95 In der Literatur (z. B. Bundārī, Zubda, S. 120) kommt auch der Ausdruck ad-daula as-sulṭānīya vor. 96 Inschriften, die über Restaurationsarbeiten an der Damaszener Umaiyaden-Moschee im Jahre 1082/1083 informieren, ist zu entnehmen, dass diese Arbeiten während des Kalifats der ʿabbāsidischen daula, zur Zeit des Imams al-Muqtadī, sowie während der daula des Sultans Malik-Šāh I. und zur Zeit des Vizekönigs Tutuš durchgeführt wurden; TEI Nr. 6646–6649: fī ḫilāfat ad-daula al-ʿabbāsīya aiyām al-imām al-Muqtadī bi-Amr Allāh Abī ’l-Qāsim ʿAbd Allāh amīr al-muʾminīn wa-fī daulat as-sulṭān al-muʿaẓẓam šāhānšāh al-aʿẓam saiyid mulūk al-umam maulā ’l-ʿArab wa-’lʿAǧam Abī ’l-Fatḥ Malik-Šāh b. Muḥammad b. Dāwud Yamīn Amīr al-Muʾminīn wa-fī aiyām aḫīhi ’l-malik al-aǧall al-muʾaiyid al-manṣūr Tāǧ ad-Daula wa-Sirāǧ al-Milla wa-Šaraf al-Umma Abī Saʿīd Tutuš b. malik al-Islām Nāṣir Amīr al-Muʾminīn (s. auch Kay, „Seljukite Inscription“); man beachte, dass nur der malik, dessen Regierungszeit nicht als daula bezeichnet ist, einen daula-laqab trägt. 97 Zu den Spannungen, die aus den Ansprüchen des ʿAbbāsidenkalifats und der daulat ad-Dailam (der Būyiden) resultierten, s. Madelung, „Assumption“, S. 95 ff.; Busse, Chalif und Grosskönig, S. 131 ff. Dass die ʿAbbāsidenkalifen des 11./12. Jh. keine einflusslosen, passiven Marionetten waren, zeigt auch Hanne in Putting the Caliph in His Place. Der von George Makdisi (s. z. B. „Les rapports“) aufgedeckte Konflikt mit den Selǧuqen, die nur vorgebliche Befreier des Kalifen waren, lässt sich, wie oben angedeutet, an den Münzen ablesen, während er in vielen literarischen Quellen

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Mit dem zuvor ungekannten Status, den die Großselǧuqen als legitime, die göttliche Ordnung nunmehr regulär garantierende Sultane der sunnitischen Welt erlangten, wurde die verfängliche daula-Frage also offenbar erst richtig heikel und so dürfte sich erklären, warum sich gerade unter dieser Dynastie die Favorisierung von Ehrentiteln auf ad-dīn (oder ad-dunyā wa-’d-dīn) durchsetzte.98 Dieser Trend, sich lieber auf die Religion zu beziehen, hatte wohl weniger mit dem betonten Bekenntnis zur sunnitischen Orthodoxie zu tun99 als mit dem Umstand, dass daula-alqāb aus den genannten Gründen wenigstens für Sultane zu problematisch geworden waren, um noch bevorzugt zu werden. Die mit dīn zusammengesetzten Titel waren nicht einfach nur „vornehmer“100, sie klangen, wie Ibn Ḫaldūn (gest. 1406) bestätigt, nach Selbstständigkeit101 und pass-

eher heruntergespielt wird. S. zur vermeintlichen Eintracht zwischen Kalif und Sultan auch: Safi, Politics of Knowledge, S. 35–42 (Abschnitt „Problematizing the Myth of Saljūq Obedience to the Caliph“), insbesondere S. 39 u. 41; Tor, „Two Murders“; Siddiqi, Caliphate and Kingship, S. 128 ff. 98 Anders als Peacock erklärt (Great Seljuk Empire, S. 138), war Sultan Toġrı̊ l-Beg (reg. 1040–1063) jedoch keineswegs der erste Herrscher, welcher einen laqab auf ad-dīn trug. Derartige Ehrennamen wurden bereits vereinzelt im späten 4. Jh. H. und regelmäßig ab dem frühen 5. Jh. H. verliehen. Der erste, welcher sich mit einem schmücken durfte, war wohl der Ġaznavide Sebük-Tegin, allerdings erhielt dieser den laqab Nāṣir ad-Dīn wa-’d-Daula 384 H. offenbar nicht vom Kalifen, sondern vom Sāmānidenemir (s. o.). Dafür, dass Sebük-Tegin von da an tatsächlich Nāṣir ad-Dīn wa-’d-Daula hieß, plädierte überzeugend Stern („Manuscript“, S. 14–16), nachdem Bosworth („Titulature“, S. 216) nachvollziehbarerweise meinte: „Nāṣir ad-Daula is probably the original form, and the dīn component may have been added to it in popular usage soon after his death or even during his lifetime“. Dass Stern richtiglag, belegen Dinare aus Harāt, s. etwa Zeno Nr. 46286 (von 385 H.) und 70306 (386 H.) oder auch ANS 1995.84.1 (385 H.)! Busse – welcher bezüglich Sebük-Tegin Bosworth folgte – listet die frühesten Verleihungen von dīn-alqāb unter dem Jahre 388 H. (s. Chalif und Grosskönig, S. 165, 169 f.). Damals soll zum einen Badr b. Ḥasanwaih vom Kalifen ebenfalls den Ehrennamen Nāṣir ad-Dīn wa-’d-Daula (zunächst nur: Nuṣrat ad-Daula) gewährt bekommen haben; s. hierfür nicht nur Rūḏrawārī, Ḏail Taǧārib al-umam, S. 311, sondern auch Muǧmal at-tawārīḫ, S. 401 (in Badrs Münz- und Bauinschriften erscheint der laqab allerdings nie). Zum anderen habe der Emir der Baṭīḥa Muhaḏḏab ad-Daula den Ehrennamen Bahāʾ ad-Dīn erhalten, wobei sich Busse auf eine von Tornberg 1870 publizierte Münze stützte, s. „Découvertes récentes“, S. 242, Nr. 103. Meiner Meinung nach wurde der Dirham (al-Baṣra, 388 H.) jedoch an entscheidender Stelle falsch gelesen: Statt Bahāʾ ad-Dīn steht darauf – wohlgemerkt mit Bezug auf den noch unter Muhaḏḏab ad-Daula genannten Emir Abū Dulaf – an-Naṣīr (für Naṣīr ad-Daula). Unzweifelhaft ist, dass sich Bahāʾ ad-Daula 392 H. obendrein Qiwām ad-Dīn nennen durfte (Hilāl aṣ-Ṣābiʾ, Taʾrīḫ, S. 418 – Busse verweist auf eine falsche Seite) und damit zumindest der erste Būyide mit einem dīn-laqab war. In jedem Fall fällt die Einführung derartiger Ehrennamen, wie etwa bei Qalqašandī zu lesen (Ṣubḥ, Bd. V, S. 442, 492), in die Zeit des Kalifen al-Qādir bi-’llāh (reg. 991–1031). Die Verdrängung der daula-alqāb durch die – letztlich höchstrangigen (s. Maihanī, Dastūr-i dabīrī, S. 14) – auf dīn wurde übrigens von Maxim Romanov auf der Grundlage von Daten aus aḏ-Ḏahabīs Taʾrīḫ al-Islām in Tabellen veranschaulicht (s. in „Toward Abstract Models for Islamic History“, Abb. 15 auf https://alraqmiyyat.github.io/2013/1102.html). 99 Dass theologische Gründe vorlagen, hält auch Bosworth in seinem EI2-Artikel „Laḳab“ für unwahrscheinlich. 100 Busse, Chalif und Grosskönig, S.166. 101 Ibn Ḫaldūn, al-ʿIbar, Bd. I (al-Muqaddima), S. 285: „Titel, […] welche die Loslösung vom Band der Ergebenheit und Anstellung dadurch anzeigen, dass sie [die Herrscher] sie nur mit ad-dīn zu-

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ten somit wesentlich besser zu einem gereiften Herrschaftsverständnis, einer imperialen Gottesgnadentum-Ideologie, gemäß der der Sultan – wie Sanǧar den (Wesir des) Kalifen in einem Brief wissen ließ102 – die Weltherrschaft103 direkt von Gott erhielt und folglich als dessen Schatten galt.104 Der ẓill Allāh (fī ’l-arḍ) zu sein, erklärt Sanǧar in einer Ernennungsurkunde für den Oberkadi von Nīšāpūr sowie in einem Schreiben an die Würdenträger von Samarqand105 und auch der Ḫvārazmšāh redet ihn in einem Brief mit „Schatten Gottes auf Erden“ und sogar mit „Stellvertreter des Propheten“ (naʾib-i paiġām-bar) an.106 Anderswo sagt der Selǧuqe, dass Gott die Schlüssel zu den Weltgegenden (mafātiḥ-i aqālīm) in die Hand seiner Regierung und Herrschaft (dar dast-i iyālat va salṭanat-i mā) gelegt habe.107 Schon Toġrı̊ l-Begs laqab Rukn ad-Daula war rasch in Rukn ad-Dīn geändert worden108 und bald bedurfte es keiner konkreten Leistung zu Gunsten der Religion mehr, sammensetzten (alqāb […] mušʿira bi-’l-ḫurūǧ ʿan ribqat al-walāʾ wa-’l-iṣṭināʿ bi-mā aḍāfūhā ilā ’d-dīn faqaṭ). 102 Das hochinteressante, von Muʾayyid ad-Dīn Muntaǧab al-Mulk Ǧuvainī verfassten Schreiben (ein mis̱ āl) vom Ramaḍān 527 H. ( Juli/Aug. 1133) findet sich auf f. 105v–114r in der unedierten inšāʾ-Sammlung Aḥkām dīwān salāṭīn māḍīya (s. Rosen, Manuscrits, S. 146 ff.). Es wurde in Bartholds Turkestan – Teksti aufgenommen (S. 35–39), jedoch nur in verkürzter Form. Eine vollständige, kommentierte Edition besorgte ʿAbbās Eqbāl in seinem Artikel „Nāme-ye solṭān Sanǧar be-vazīr-e al-Mustaršid bi-’llāh“ in Yādgār, Bd. IV, Nr. 9–10, Teheran 1326–1327 = 1947–1949, S. 134– 155. Sie findet sich ebenfall in Eqbāls Vezārat, S. 302–318. Im Text heißt es u. a.: mā pādišāhī-yi ǧahān-rā az ḫudāvand-i ǧahān ǧallat ʿaẓamatuhū yāfta-īm […] īzad-i taʿālā hama ǧahān-rā dar taḥt-i taṣarruf va amān-i mā dārad (Eqbāl, Vezārat, S. 305). 103 Nichts anderes beanspruchte ein Sultan wie Sanǧar, s. u., S. 51 f. Die „Welt“ auf die sich ein Weltreich bezieht, ist natürlich eine relative Größe (Münkler, Imperien, S. 26); worum es geht, ist die dār al-Islām. 104 Zu den Vertretern dieser – al-Māwardīs Konzept (s. o.) entgegengesetzten und später von Ibn Ǧamāʿa (gest. 1333) ausformulierten – Ideologie zählen Niẓām al-Mulk (gest. 1092) und al-Ġazālī (gest. 1111). Zu Beginn von Rāvandīs Kapitel zu Malik-Šāh I. (Rāḥa, S. 125) ist zu lesen: „Der Sultan ist der Stellvertreter Gottes auf dessen Erde. […] Er ist der Schatten Gottes und der Herrscher/ Richter im Rahmen der Religion des Auserwählten [Muḥammad]“ (inna ’s-sulṭān ḫalīfat Allāh fī arḍihī […] sulṭān sāya-yi ḫudā-st va ḥākim dar dīn-i muṣṭafā). S. zur vermehrten Geltung, die weltliche Herrscher mit dem Sultanat auch im religiösen Bereich erlangten: Nagel, Staat und Glaubensgemeinschaft, Bd. I, S. 434 ff.; Siddiqi, Caliphate and Kingship, S. 121 ff. (ab S. 122 zu Niẓām al-Mulks Verständnis, ab S. 126 zu al-Ġazālīs); Lewis, Political Language, S. 52; Kurpalidis, „Sultan’s Power“, S. 134 f.; Barthold/Becker, „Kalif und Sultan“, S. 358 f.; van Berchem, „Eine arabische Inschrift“, S. 93 ff. Zur Bedeutung der dīn-alqāb in diesem Kontext auch Peacock, Great Seljuk Empire, S. 138. 105 Urkunde: Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 9; Schreiben: Aḥkām, f. 41v–42r/Barthold, Turkestan – Teksti, S. 25. 106 Vaṭvāṭ, Nāmahā, S. 9/Aḥkām, f. 47r. Sanǧar selbst scheint es bei „Stellvertreter des Kalifen“ belassen zu haben, zumindest bezeichnet er sich in dem Schreiben an die Würdenträger von Samarqand so (Aḥkām, f. 41v / Barthold, Turkestan – Teksti, S. 25: pādišāh-i rū-yi zamīn ki ẓill-i Allāh taʿālā ast va nāʾib-i ḫalīfa-yi rasūl-i ū). 107 Aḥkām, f. 17r. 108 Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 17 f.: laqabaš az daulat ba-dīn badal šud. Diese laqab-Änderung – s. dazu Safi, Politics of Knowledge, S. 37 – soll 1060 stattgefunden haben, doch steht der Ehrenname Rukn ad-Dīn schon ab 1050/1051 auf Toġrı̊ ls Münzen, wohingegen die damals wohl tatsächlich vom Kalifen verliehene (dem Selǧuqen so aber nicht genügende?) Form Rukn ad-Daula numismatisch überhaupt nicht belegt ist. Rukn al-Dīn heißt Toġrı̊ l auch in einem Brief des Kalifen al-Qāʾim

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um einen dīn-laqab führen zu können. Die übermäßige Verbreitung derartiger Ehrennamen ließ den Selǧuqen-Wesir Niẓām al-Mulk (gest. 1092) vergeblich fordern, sie für Religionsgelehrte zu reservieren;109 Herrscher, die Sultane oder zumindest ausreichend mächtig waren, folgten nach dem Tode Malik-Šāhs I. (1092) dessen Beispiel und wählten standardmäßig die (noch) halbwegs exklusive Form auf ad-dunyā wa-’ddīn.110 Hinsichtlich der in ihrer Prestigeträchtigkeit abgesunkenen daula-alqāb und der nach Maihanī (12. Jh.) noch eine Stufe unter diesen rangierenden auf mulk111 plädierte Niẓām al-Mulk dafür, erstere nur an (türkische) Militärführer und letztere nur an Zivilbeamte zu vergeben, da dies für die Träger passend sei.112 Wie bereits erwähnt, verzichteten die Selǧuqensultane und andere große Machthaber trotzdem nicht komplett auf die wertgeminderten daula-Titel (s. o., S. 32, Anm. 88). Eine Zeit lang nahmen sie sie quasi noch der Vollständigkeit halber in ihre langen Titelketten auf113 oder auch, an (den malik) ʿAḍud ad-Daula Alp-Arslan sowie den Herrn von Ġazna aus dem Jahre 1060, s. Qalqašandī, Ṣubḥ, Bd. VI, S. 406. Dass für Toġrı̊ l-Beg gar schon die Doppelform Rukn ad-Dunyā wa-’d-Dīn gebraucht wurde, würde einzig eine 455 H. (1063) in Bagdad geprägte Geschenkmünze belegen (s. Walker, „Unique Medal“) – die aber völlig zu Recht unter Fälschungsverdacht steht. Es wäre m. W. das früheste Vorkommen dieser laqab-Art, welche dann erst seit Malik-Šāh I. regulär verwendet wurde. Dass die neue Doppelform oder gar nur Rukn ad-Dunyā auf Toġrı̊ ls normalen Münzen zu finden ist, möchte ich sehr bezweifeln; wahrscheinlich wurden die von Kucur („Coins of Tughril Beg“, S. 1601) herangezogenen Prägungen (Chodžanijazov, Katalog, S. 12, Nr. 36 und S. 21, Nr. 76; Hennequin, Catalogue, S. 15 f., Typ XVI/Nr. 18 und S. 27, Typ XXXII/Nr. 38 – beide mit Fragezeichen) nur falsch gelesen. Sollte der Silberteller für Alp-Arslan im Bostoner Museum of Fine Arts (Inventarnr. 34.68) doch keine Fälschung sein (s. Watson, „Authentic Forgeries?“, S. 63–69), wäre der darauf stehende ­laqab ʿAḍud ad-Dīn (statt ʿAḍud ad-Daula) zu beachten. Ein anderer religionsbezogener und somit anspruchsvollerer, numismatisch belegter laqab Toġrı̊ ls lautet Ġiyāṯ al-Muslimīn („Beistand der Muslime“); weitere finden sich bei Ibn al-Qalānisī, Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 283. In einem Brief an den Oberkadi (qāḍī ’l-quḍāt) von Rayy, Abū ʿAbd Allāh ad-Dāmaġānī, nennt sich der erste Selǧuqensultan u. a. Muḥyī ’l-Islām, Ḫalīfat al-Imām und Yamīn Ḫalīfat Allāh Amīr al-Muʾminīn (Ibn alǦauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVI, S. 72). 109 Niẓām al-Mulk, Siyar al-mulūk, S. 201, 210 f. 110 Solche Doppel-alqāb etablierten sich als die höchstrangigen und waren bis in die Zeit Sanǧars den Sultanen sowie deren Söhnen und Frauen vorbehalten; s. dazu Niẓām al-Mulk, Siyar al-mulūk, ed. Charles Schefer: Siasset Namèh – Traité de Gouvernement, Paris 1891, S. 136 f. (eine spätere Ergänzung). 111 Zur alqāb-Hierarchie (im 12. Jh.): Maihanī, Dastūr-i dabīrī, S. 14. Maihanī – zur zeitlichen Einordnung (vor 585 H. = 1189/1190?): Richter-Bernburg, „Titulatur“, S. 181, Anm. 13, 15 – gibt in seinem inšāʾ-Handbuch zwar an, dass die Ehrennamen auf dīn die höchsten sind, geht aber leider nicht auf Doppelformen ein. 112 Niẓām al-Mulk, Siyar al-mulūk, S. 201, 210 f. Die būyidische Praxis (mulk-Titel für Wesire; daula-Titel für die būyidischen und andere faktisch autonome Statthalter des Kalifen, die ja meist als Militärführer an die Macht gelangt waren) sollte also im Prinzip fortgeführt werden. Anscheinend sah Niẓām al-Mulk die Emire vorrangig als Unterstützer und Gefolgsleute derjenigen, die an der Regierung (daula) waren, und die Wesire, Finanzbeamten usw. primär als diejenigen, welche die (vom Militär für die Regierenden gesicherte) Herrschaft (mulk) über das Land (den staatlichen Besitz) organisierten. 113 Weshalb man ihnen fast nur begegnet, wenn ein Monarch z. B. in einer längeren Bauinschrift zeigt, was er an Titeln so alles zu bieten hat.

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weil es ihnen situativ vorteilhaft erschien, sich damit legitimatorisch auf das Kalifat beziehen zu können. Letzteres war insbesondere für aufstrebende, weniger mächtige (Vasallen-)Fürsten interessant, denen die daula-alqāb gewissermaßen überlassen wurden und genügen sollten.114 (Man könnte sagen: Je mächtiger der Herrscher, desto unbedeutender ein daula-Titel für ihn; wer sich auf imperialer Ebene sah, hatte ad-dunyā wa-’d-dīn im Sinn.) Was die semantische Tendenz der Wörter daula und mulk in Richtung „Reich“ (und „Dynastie“) angeht, so ist natürlich zu bedenken, dass wir – das Wort „Staat“ im vorneuzeitlichen Kontext bereits vermeidend – auch bei „Reich“ oder „Fürstentum“ an Staatlichkeit denken, einem Staat aber eine besondere Idee zu Grunde liegt und ebendiese Idee der mittelalterlichen islamischen Welt fremd war. Zwar waren einige der Elemente, die einen Staat im Allgemeinen ausmachen, durchaus vorhanden und entwickelt, doch wurden sie noch nicht zusammengedacht, nicht zu einem System vereint. Dass es deshalb eigentlich gar keine Reiche gab, muss allerdings nicht bedeuten, dass man derartige Begriffe unter keinen Umständen verwenden darf. Es sollte nur völlig klar sein, dass sie zu den Mitteln einer modernen, distanzierten Geschichtsbetrachtung gehören und nicht zum Gedankengut der historischen Kultur, die untersucht wird. Wenn in vorliegender Arbeit also unter anderem vom Selǧuqenreich die Rede ist, dann nicht, weil eine solche staatsähnliche Einheit nach damaligem Verständnis bestand, sondern weil es aus heutiger Sicht durchaus angemessen und sinnvoll erscheint, von einem Reich zu sprechen – wenn schon nicht von einem Staat.115 Gegen die Bezeichnung als Staat spricht ja bereits, dass ein Reich in vorneuzeitlichen Gesellschaften kaum als von den regierenden Persönlichkeiten und Dynastien unabhängiges Gemeinwesen (mit institutioneller Ordnung und festem Staatsgebiet) aufgefasst wurde.116 Es ist unzweifelhaft der Herrscher oder die Dynastie, worüber ein islamisches Reich oder Fürstentum in allererster Linie definiert ist. Reiche hingen an Dynastien – nicht andersherum – und gingen als Familienunternehmen mit diesen

114 Dies gilt sogar noch für die Zeit nach dem Sturz des Bagdader Kalifats, als z. B. die Kīnḫvārī-Bāvandiden von Āmul (1238–1349) weiterhin daula-alqāb trugen und dabei vielleicht auf die übergeordnete daula der (selbst keine derartigen Titel mehr führenden) Ilḫane Bezug nahmen. 115 Peacock, der von einem state der Selǧuqen spricht, führt vorsichtig auf, was unter einem Reich verstanden werden darf: „By the middle of the eleventh century, something resembling a Seljuk state had emerged – a polity that struck coins, had some sort of a bureaucracy, and raised taxes, to use a fairly minimal definition“ (Great Seljuk Empire, S. 21). Zu Recht bestimmt er an anderer Stelle (op. cit., S. 40) noch einmal „the ability to mint coins“ als „one of the basic elements of a state“. 116 „L’État c’est moi“. In Zusammenhang mit der Entwicklung hin zu einem transpersonalen Reichsund somit Staatsverständnis ist die Schiffsmetapher Kaiser Konrads II. (reg. 1024–1039) berühmt geworden: „Wenn der König stirbt, bleibt (doch) das Reich bestehen, ebenso wie ein Schiff bleibt, dessen Steuermann fällt“ (Wipo, Gesta Chuonradi imperatoris, S. 30: Si rex periit, regnum remansit, sicut navis remanet, cuius gubemator cadit.).

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unter.117 Darum ist es auch gerechtfertigt, die (politische) Geschichte der islamischen Welt traditionell über die Herrscherhäuser zu begreifen, und so wichtig, hinter den politischen Entwicklungen stets die Menschen und deren konkrete, persönliche Beziehungen zu sehen,118 zumal die politische und die soziale Ordnung nicht voneinander getrennt waren. (Nebenbei gesagt kann man in Hinblick auf die islamische Welt unserer Tage ja ebenfalls zu der Erkenntnis gelangen, dass es dort zwar viele starke Männer, aber kaum starke Staaten gibt.) Die Bedeutung „Reich“ – um auf die Semantik von daula und mulk zurückzukommen – ergibt sich demnach erst aus der Tatsache, dass das, was ein Reich wie jenes der Selǧuqen ausmachte, nichts anderes als die personenbezogene Herrschaft ist, welche Tamim Al-Barghouti (für daula) so definiert: „The Dawla is a temporary authority structure […]. A fixed territory or sovereignty are not necessary conditions for any power structure to be called a Dawla. [… T]he Dawla is the people who rule, and the political arrangements that bring them to power.“119

In Hinblick auf die nicht maßgebliche Souveränität wäre wieder an das nominelle Abhängigkeitsverhältnis zum Kalifat zu denken sowie an Nebenlinien und Vasallen der Selǧuqen. Der Autor des im 12. Jahrhundert verfassten Muǧmal at-tawārīḫ wa-’l-qiṣaṣ wird diesem Herrschaftsgeflecht (mit duwal innerhalb einer daula) gerecht, indem er zum Beispiel von den drei gleichzeitig bestehenden Regierungen des „allergrößten“ (alaʿẓam) Sultans Sanǧar, des „hochverehrten“ (al-muʿaẓẓam) Sultans Maḥmūd II. (reg. 1118–1131)120 und des Kalifen al-Mustaršid bi-’llāh (reg. 1118–1135) spricht, welche miteinander verbunden seien (īn har sih daulat muttaṣil-ast bā-ham).121 Dass es hier wie auch in den meisten Inschriften122 nicht um die daula der Dynastie, sondern um die des einzelnen Regenten geht, verdeutlicht noch einmal die starke Personenbezogenheit des Konzepts. Für Sanǧars Reich ergibt sich somit die Notwendigkeit, bei der politischen Verortung seiner keineswegs isolierten daula sowie bei der Bestimmung des von ihm kontrollierten Territoriums auch andere duwal mit einzubeziehen und dabei mehrere Herrschaftsebenen aufzufächern. Unter dem für Al-Barghouti ebenfalls unmaßgeblichen

117 Rosenthal erklärt in seiner Übersetzung von Ibn Ḫaldūns Muqaddima (The Muqaddimah, Bd. I, S. lxxx): „In Ibn Khaldun’s view of history, according to which the whole world and everything in it depends upon man, there is no room for an abstract concept of ‚the state.‘ A state exists only in so far as it is held together and ruled by individuals and the group which they constitute, that is, the dynasty. When the dynasty disappears, the state, being identical with it, also comes to an end.“ 118 Deshalb ist auch die in vielen arabischen Geschichtswerken übliche Kombination von annalistischen und biographischen Abschnitten durchaus naheliegend und sinnvoll. 119 Barghouti, Umma and Dawla, S. 64 f. 120 Zum Verhältnis beider Selǧuqensultane und ihren Titeln u., unter IV.6.1. 121 Muǧmal at-tawārīḫ, S. 415, auf S. 412 heißt es: „Weil die daula des allergrößten Sultans [Sanǧar] und die des hochverehrten Sultans [Maḥmūd] – möge Gott beider Unterstützer stärken! – in diese Zeit [d. h. die Abfassungszeit des Muǧmal] fallen, verbinde ich sie miteinander“ (čūn daulat-i sulṭān-i aʿẓam va muʿaẓẓam aʿazza Allāh anṣārahumā dar īn ʿahd ast ba-ham mauṣūl kunīm). 122 S. etwa o., S. 30, Anm. 73 und S. 33, Anm. 96.

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Herrschaftsgebiet – von einem Staatsgebiet kann ja keine Rede sein – darf man sich ohnehin kein flächiges Territorium mit exakt definierten Grenzen vorstellen. Stattdessen handelte es sich meist um dynamische, netzartige Strukturen mit unscharfen Konturen und heterogener Beschaffenheit. Entscheidend war die Kontrolle einzelner Schlüsselpositionen, an die sich Einflusszonen anschlossen; mehr als auf Grenzlinien kam es darauf an, wo wessen Name in der Freitagspredigt (ḫuṭba) sowie auf den Münzen (sikka) genannt wurde.123 Auch Grenzen hingen nicht selten an Personen und zu den Charakteristika von Imperien gehört ja, dass deren Grenzen (besser: Grenzgebiete, zum Teil: bewegliche Erschließungsgrenzen124) nur selten präzise sind, sich eher in den Weiten des Raumes (z. B. in Nomadengebieten) verlieren und keine gleichberechtigten politischen Einheiten trennen.125 (Vielmehr wird typischerweise zwischen einem imperialen Inneren und einem Äußeren, dem „Rest der Welt“, unterschieden.126) Die Frage der für unsere Vorstellung von einem Reich so wichtigen politischen Territorialität führt von daula und mulk zu einer Vokabel, die sich vielleicht noch am ehesten mit „Reich“ übersetzen lässt: mamlaka. In den Quellen wird zwar auch dieser Begriff nicht im Sinne des gesamten, eine politische Einheit darstellenden Staatsgebildes verwendet, doch kann mamlaka sowohl abstrakt „Königtum“ („Herrschertum“) im Sinne weltlicher Königsmacht, -würde und Souveränität meinen127 – Niẓām al-Mulk betont beispielsweise seine Loyalität gegenüber der mamlakat-i Salǧūqiyān128 – als auch ein Gebiet, über das jemand die Herrschaft (mulk) inne hat, etwa ein Königreich oder Fürstentum.129 Wenn ein solcher Machtbereich gemeint ist, bezeichnet es allerdings nicht zwingend das zu einem Reich gehörende Territorium als Ganzes. Es wird ebenso für einen Reichsteil wie das Gebiet eines Teilfürstentums oder eine Provinz gebraucht, sodass – auch für ein (in unseren Augen) einziges Reich wie das der Großselǧuqen –

123 Dass die von einem Herrscher kontrollierten Gebiete zudem nicht einmal zusammenhängen mussten, lässt sich heute, in Zeiten festgelegter Staatsgebiete mit künstlichen Grenzlinien, noch an der internen Gliederung der (kleineren) Vereinigten Arabischen Emirate erkennen – einem Gewirr von En- und Exklaven (allein zum „aš-Šārǧa-Puzzle“ gehören an Land fünf verstreute Teilterritorien). Man denke ferner daran, wie das vom sog. Islamischen Staat kontrollierte Gebiet auf den meisten Karten dargestellt wird. 124 Begrifflichkeit nach Jürgen Osterhammel, s. Leitner, Imperium, S. 88 f. 125 Münkler, Imperien, S. 16; Leitner, Imperium, S. 213 f. 126 Leitner, Imperium, S. 214 f. 127 Der Begriff steht dann in einer Reihe mit salṭanat und pādišāhī (Aḥkām, f. 123v/Barthold, Turkestan – Teksti, S. 39). 128 Niẓām al-Mulk, Siyar al-mulūk, S. 254. Kurz darauf (S. 255) spricht er von seiner Loyalität gegenüber „dieser bezwingenden/überwältigenden/siegreichen daula“ (daulat-i qāhira). 129 Es verhält sich ganz ähnlich wie mit daula und – da ein personales Reichsverständnis ja ebenso bei uns lange vorherrschte – vielen deutschen Ableitungen mit dem Suffix -tum und einer Personenbezeichnung als Grundwort, z. B. Fürstentum. Diese sind zunächst Abstrakta (Amt/Würde/Herrschaft eines …) und dann durch Funktionsverschiebung auch Bezeichnungen für Herrschaftsund Einflussgebiete. Nur manchmal wird unterschieden: Königtum – Königreich (im Englischen kingship – kingdom).

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häufiger die Pluralform mamālik begegnet. Besonders deutlich wird dieser Gebrauch, schaut man sich die Bezeichnungen für die obersten Behörden und ihre Leiter in den Urkundensammlungen aus der Zeit der Selǧuqen und Anūšteginiden an.130 Hierin ist stets von (kull-i/ǧumla-yi) mamālik die Rede, worunter mitnichten das selǧuqische beziehungsweise anūšteginidische Reich nebst anderen Reichen zu verstehen ist, sondern die Gesamtheit jener Herrschaftsgebiete, die das eigene Reich ausmachen. Der Plural steht also nicht in Widerspruch zum „Reichsgedanken“, das Gegenteil ist der Fall.131 Schon bei (Ibn) Miskawaih (gest. 1030) heißt es bezüglich des amīr al-umarāʾ Ibn Rāʾiq (gest. 942), dass dieser die Kontrolle „über das Kalifat und die übrigen mamālik erlangte“, „ihm die Führung der mamlaka überlassen wurde“ und „Befehl erging, dass die Freitagspredigt von allen Kanzeln in den mamālik [auch] für ihn zu halten sei“.132 Außer der föderalstaatsähnlichen Organisation mancher Reiche wird die Form mamālik offenbar speziell dem Umstand gerecht, dass der Status von Gebieten im Laufe der Geschichte zwischen Fürstentum, Teilfürstentum und Reichsprovinz schwankte. So wie im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch eher überregionale (und folglich großräumige) Staatsgebilde als Reiche bezeichnet werden, sind es als bisweilen unabhängige Länder (verschiedener Volksgruppen) die mamālik, aus deren Sammlung und Fassung sich – ohne ein neues Wort – die imperiale Ebene ergibt.133 Ibn Ḫallikān (gest. 1282) erklärt zum Beispiel, dass sich Ardašīr I., welcher 224 n. Chr. das Sāsānidenreich begründete, der mamālik bemächtigte, indem er alle anderen Kleinkönige (mulūk aṭ-ṭawāʾif) beseitigte; dass letztere einst von Alexander dem Großen (reg. 336–323 v. Chr.) in den Ländern (bilād) eingesetzt worden waren, nachdem die mamālik zuvor (in achaimenidischer Zeit) unter der Herrschaft eines einzigen Mannes gestanden hatten; und dass die mamlaka (Sgl.!) besagter Kleinkönige ebenso lange dauerte wie die der Großkönige.134 Die politische Fragmentiertheit der islamischen Welt im Jahre 332 H. (943/944) vergleicht al-Masʿūdī (gest. 957) im Übrigen auch mit der von 130 S. die Vorkommen von mamālik in Horst, Staatsverwaltung (passim). 131 In Titeln wie ḥāfiẓ bilād Allāh („Hüter der Länder Gottes“), mālik riqāb al-umam („Beherrscher der Nacken der Völker“) oder saiyid al-mulūk wa-’s-salāṭīn („Herr der Könige und Sultane“) sind es ebenfalls die Plurale, die dazu dienen, den Herrscher auf eine höhere, transregionale, imperiale Ebene zu heben. 132 Miskawaih, Taǧārib al-umam, Bd. I, S. 351 ( Jahr 324 H.); Busse, Chalif und Grosskönig, S. 185, wo fī ’l-mamālik mit „im ganzen Reich“ übersetzt ist. Trotz der übergeordneten Bedeutung des Kalifen ist sein irakisches Herrschaftsgebiet (Sgl. mamlaka) nur ein Teilreich, genau wie die anderen halb­ autonomen mamālik. 133 Die Errichtung eines Reiches bedeutete, mamālik zu sammeln und sie an die eigene Person zu binden. Hierzu passt der Eroberer-Titel muḥriz mamālik (ad-dunyā) „Erwerber/Erringer der mamālik (der Welt)“, den u. a. die Rūm-Selǧuqen, Ġūriden und Anūšteginiden sowie die Mamlūken-Sultane von Delhi und die Ilḫane führten. 134 Ibn Ḫallikān, Wafayāt, Bd. IV, S. 361 (Biographie Abū Bakr aṣ-Ṣūlīs): abāda [gemeint ist Ardašīr] mulūk aṭ-ṭawāʾif wa-mahada al-mulk li-nafsihī wa-’staulā ʿalā ’l-mamālik […] rattaba [gemeint ist Alexander] fī bilād mulūk aṭ-ṭawāʾif wa-samāhum bi-ḏālika li-anna kull malik yaḥkumu ʿalā ṭāʾifa maḫṣūṣa baʿda an kānat al-mamālik li-raǧul wāḥid […] wa-kānat muddat mamlakat mulūk aṭ-­

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Ardašīr beendeten Phase der Diadochen- und Epigonenstaaten nach Alexanders Tod.135 In Zusammenhang mit den Ausmaßen verschiedener Herrschaftsgebiete (nach al-Fazārī, gest. 777) benutzt er bemerkenswerterweise für Großreiche wie für ganz kleine Fürstentümer einfach nur das Wort ʿamal („Wirkungsbereich“)136 und Niẓām al-Mulk stellt einmal die einfache Regel auf, dass „jedem Herrscher umso mehr vilāyat gehört, je mehr Truppen er hat, und (folglich) umso weniger vilāyat, je weniger Truppen.“137 Beide Autoren greifen hier auf ein politisch-territoriales Vokabular zurück, das sonst (auch unter Sanǧar) eher zur Bezeichnung von Gebieten innerhalb eines Reiches dient, zur Bezeichnung dessen, was überhaupt im Vordergrund stand: Provinzen. Die natürlichen Regionen und Länder (buldān) der Geographie gingen bei der Wahrnehmung und Beschreibung von Herrschaftsgebieten nicht in künstlichen, politischen Einheiten wie Reichen oder Fürstentümern auf.138 Zwar bildeten alle Länder mit islamischer Rechtsprechung zusammen die (als Gegenstück zur dār al-ḥarb definierte) dār al-Islām, doch war es hierfür unerheblich, ob diese Länder unter einer einzigen Macht standen oder nicht. Dass es sich somit wieder um keinen Terminus für „Reich“ im politischen Sinne handelt, gilt auch für die synonyme Bezeichnung mamlakat al-Islām, welche die Geographen des 10. Jahrhunderts einführten, als es schon nicht mehr nur einen einzigen Kalifen gab. Unter mamlaka ist hier keine politische, an einem Herrscher, einem imperialen Zentrum usw. hängende Einheit zu verstehen, sondern lediglich ein weiterer Oberbegriff für alle muslimisch dominierten Gebiete, ein Ausdruck für die islamische Welt als eine Art Kulturraum.139 In Sanǧars aufschlussreichen Brief an den Kalifenhof wird übrigens der Form diyār al-Islām, dem Plural von dār al-Islām, der Vorzug gegeben.140

ṭawāʾif arbaʿ-miʾat sana wa-muddat mamlakat mulūk al-Furs al-awāḫir arbaʿ-miʾat sana. Man beachte, wann mamālik und wann mamlaka verwendet wird. 135 Al-Masʿūdī, Murūǧ aḏ-ḏahab, Bd. II, S. 73 (infirād kull raʾīs wa-taġallubihī ʿalā ’s-suqʿ allaḏī huwa fīhi ka-fiʿl mulūk aṭ-ṭawāʾif baʿda muḍī ’l-Iskandar ilā an malaka Ardašīr b. Bābak b. Sāsān) und Bd. I, S. 306 (taġallaba ṣāḥib kull nāḥiya min ʿamalihī ʿalā nāḥiyatihī ka-taġallaba mulūk aṭ-ṭawāʾif ḥīna qatala al-Iskandar b. Filīfus al-Maqdūnī Dārā b. Dārā malik al-Furs wa-ka-naḥwa mā naḥnu bisabīlihī fī hāḏā ’l-waqt wa-huwa sanat iṯnain wa-ṯalāṯīn wa-ṯalāṯ-miʾa). Aus al-Masʿūdīs Vergleich geht hervor, dass man das Perser-, Alexander- und Kalifenreich als in dieselbe Kategorie, nämlich die imperiale, gehörig ansah. Die Reichsbildung der Parther wurde offenbar nicht als solche wahrgenommen, vielleicht weil es unter der eher schwachen Zentralmacht der Arsakiden (247 v. Chr. bis 224 n. Chr.) viele weitgehend autonome Teilfürstentümer mit eigenen Dynastien gab. 136 Al-Masʿūdī, Murūǧ aḏ-ḏahab, Bd. IV, S. 37–40; „Wirkungsbereich“ im Sinne des Bereichs der staatlichen Verwaltung, insbesondere der Finanzverwaltung. 137 Siyar al-mulūk, S. 224: har pādišāhī-rā ki laškar-i bīštar vilāyat bīštar bāšad va har ki-rā laškar-i ­kamtar vilāyataš kamtar, weiter heißt es: har ān gāh ki az laškar bikāhad az vilāyat kāsta šavad va čūn dar laškar afzāyad dar vilāyat afzūda šavad – „immer wenn das Heer verringert wird, wird (auch) die vilāyat verringert werden und so das Heer vermehrt wird, wird (auch) die vilāyat vermehrt werden“; vilāyat (arab. wilāya) bedeutet hier „Herrschaftsgebiet“. 138 Antrim spricht von einem „regionalism that seems to depend on something other than the pres­ ence or absence of a Muslim ruler“ (Routes and Realms, S. 100). 139 Antrim, Routes and Realms, S. 100 f. 140 S. z. B. Eqbāl, Vezārat, S. 312.

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Wenn es für die Menschen eigentlich keine Reiche gab, nur Herrschaften, dann lag dies also im Besonderen daran, dass man keine festen, Staatsgebieten entsprechenden politisch-territorialen Einheiten definierte. Idealerweise konnte es auf imperialer Ebene ohnehin nur das Reich des amīr al-muʾminīn geben und diese Vorstellung von einer exklusiven Kopplung zwischen Reich und Kalifat scheint sich bis in die Selǧuqenzeit gehalten zu haben. Faktisch und aus heutiger Sicht war die Reichsbildung zwar längst Sache konkurrierender Regionalfürsten geworden, doch in der Theorie, in den Köpfen, blieb es im Grunde bei dem einen islamischen Imperium und dass dieses als universal gedacht wurde, machte es womöglich von vornherein überflüssig, territorial definierte Reiche zu beschreiben. So schufen die Selǧuqen nach damaligem, traditionellem Verständnis kein wirklich neues, eigenes Reich; sie übernahmen vielmehr die Herrschaft innerhalb des einen islamischen. Dessen Symbolfigur war der „Befehlshaber der Gläubigen“, obgleich die tatsächliche Herrschaft der ʿAbbāsiden vom Maġrib bis nach Zentralasien zu Sanǧars Zeit bereits in weiter Ferne lag. Dass der Kalif nur noch ein geistlicher Führer war, ist dennoch falsch. Was islamisch war und was nicht, entschieden in der Hauptsache die ʿulamāʾ und wenngleich einige ʿAbbāsiden zu Religionsfragen Stellung nahmen, waren sie doch keine Chef-Theologen oder oberste Rechtsgelehrte, wie es den Selǧuqen wohl am liebsten gewesen wäre.141 Die Kalifen von Bagdad besaßen im religiösen Bereich auch keine solche Autorität wie etwa ihre fāṭimidischen Kollegen als charismatische, göttlich erleuchtete Imame im schiitischen Sinne. Sie waren als Vertreter Gottes/Muḥammads ja selbst weder göttlich noch Propheten; die Aufgabe des amīr (!) al-muʾminīn bestand vor allem darin, die Geltung der Scharia zu gewährleisten, also in der politischen Leitung (zaʿāma) der umma, wobei der Islam für diese Herrschaft selbstverständlich konstitutiv war – schließlich gab es keine Trennung der Politik von der Religion (und auch keine Entsprechung zur Zwei-Schwerter-Lehre).142 Aus diesem Grund wurde die 141 Rāvandī (Rāḥa, S. 334) berichtet, dass Ǧahān-Pahlavān Muḥammad b. Eldigüz (reg. 1175–1186), der Großatabeg Sultan Toġrı̊ ls III. (reg. 1176–1194), einmal in aller Öffentlichkeit (ʿalā malāʾ min an-nās) erklärte, „dass sich der [Kalif als] Imam mit der Freitagspredigt und dem Vorbeten, zu deren Schutz die weltlichen Könige da sind und welche die besten Verrichtungen und geehrtesten Tätigkeiten darstellen, befassen solle und das Herrschertum den Sultanen anvertraut lassen möge“ (imām-rā ba-ḫuṭba va pīš-namāzī ki šāhān-i maǧāzī dar ḥimāyat-i ān-and va bihtarīn-i kārhā va muʿaẓẓamtarīn-i kardārhā-st mašġūl mī-bāyaḏ būḏan va pādišāhī bā salāṭīn mufavvaż dāštan). In der Regel wird Bartholds Übersetzung dieser Stelle (Turkestan, S. 347) verwendet (deutsch: Barthold/Becker, „Kalif und Sultan“, S. 361), die jedoch auf einer abweichenden (emphatischeren), türkischen Version des Textes beruht. 142 S. o., S. 33, Anm. 97. Zu denen, die hingegen eine Trennung annehmen, gehört offenbar auch Busse, der schreibt: „The definite separation of Dīn and Dawla completed by the Būyids was not canceled by their successors in spite of contrary asseverations put forward by the Saljūqs and other rulers“ („Revival“, S. 67). Seiner Einschätzung nach war es den Būyiden unter Berufung auf die sāsānidische Herrschaftstradition gelungen, ein vom Kalifat völlig unabhängiges – d. h. nicht einfach delegiertes – Königtum zu errichten und die Rolle des Kalifen auf die eines weihenden Oberpriesters zu reduzieren (op. cit., S. 63 f.).

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Macht keineswegs in der Weise aufgeteilt, dass der Kalif lediglich geistlich-spirituelle Befugnisse hatte und der Sultan alle weltlichen.143 Die ʿAbbāsiden blieben die religiös-politischen (theokratischen) Reichsoberhäupter,144 nur wurden ihre Rolle und Wirkungskraft als Regenten zeitweise sehr stark eingeschränkt, weil sie ebenjene religiös-politische Macht (sulṭān) mit Herrschern unter/neben sich teilen mussten – was nicht ohne grundsätzlichen Konflikt ging (s. o., S. 33 f.).145 Hinzu kommt, dass man andererseits auch die Herrschaft der faktischen Gewalthaber nicht als rein weltlich im Sinne religiöser Irrelevanz verstand. Das Sultanat war, wie bereits erwähnt, ebenso eine islamische Institution wie das Kalifat146 und auch ein Oberemir (amīr al-umarāʾ) oder Großkönig (šāhānšāh) mit Vorliebe für iranische Herrschaftstraditionen147 herrschte ja im Rahmen des Islams und musste in allererster Linie religiös legitimiert sein, wofür der Kalif zumindest bei den Sunniten sehr wertvoll war (was die Langlebigkeit der ʿabbāsidischen Dynastie mit erklärt). Es ist hier durchaus sinnvoll, nach Michael Mann zwischen militärischer, wirtschaftlicher, politischer und ideologischer Macht148 oder so wie George Makdisi149 nach Jacques Maritain zwischen Autorität und Macht zu unterscheiden150 (wobei sich Autorität mit den beiden letzten Machtsorten verbinden ließe). So wurde das Selǧuqenreich mit militärischer Macht errichtet, doch scheint schon Toġrı̊ l-Beg erkannt zu haben, dass diese allein nicht ausreichen würde, um dauerhaft einen Großteil der islamischen Welt zu beherrschen, denn ein „Imperium, so lässt sich vermuten, ist dann am beständigsten, wenn es sich auf alle vier Quellen der Macht gleichermaßen stützen kann beziehungsweise sie mit dem Überschreiten der augusteischen Schwelle in ein Gleichgewicht gebracht hat.“151 Die Selǧuqen nutzten daher zur Konsolidierung ihres jungen Reiches den Quell ideologischer und politischer Macht, den das Kalifat darstellte, und hatten Erfolg. 143 Für Makdisi (Ibn ʿAqīl, S. 76) besaßen die ʿulamāʾ die geistliche Macht, während sich Kalif und Sultan die weltliche teilten. 144 Al-Qāʾim reimte im Rahmen der Verhandlungen um die Hochzeit zwischen seiner Tochter und Toġrı̊ l-Beg einmal selbstbewusst: naḥnu banū ’l-ʿAbbās ḫair an-nās fīnā al-imāma wa-’z-zaʿāma ilā yaum al-qiyāma (Bundārī, Zubda, S. 20), d. h. „Wir sind die Söhne des ʿAbbās, die besten unter den Menschen. Uns gehört das Imamat und die (politische) Führerschaft bis zum Jüngsten Tag“. 145 Wenn der Kalif tatsächlich ein geistlicher Führer geworden wäre, hätte es diesen Konflikt wohl nicht gegeben. 146 Lewis, Middle East, S. 148 f. Sanǧars Rolle als Reichsoberhaupt war der eines Kalifen sogar nicht unähnlich. 147 Dazu, dass diese Vorliebe nicht mit einer antiislamischen Haltung einherging: Tor, „Long Shadow“. 148 Mann, Geschichte der Macht, Bd. I, S. 46 ff. 149 Makdisi, Ibn ʿAqīl, S. 70; dazu Hanne, Putting the Caliph in His Place, S. 36 f. 150 Maritain, Man and the State, S. 126: „Authority and power are two different things: Power is the force by means of which you can oblige others to obey you. Authority is the right to direct and command, to be listened to or obeyed by others. Authority requests power. Power without authority is tyranny.“ 151 Münkler, Imperien, S. 82 (und 79 f.); s. auch Leitner, Imperium, S. 67. Als „augusteische Schwelle“ wird (nach Michael Doyle) der Übergang von der Expansions- zur Konsolidierungsphase eines Reiches bezeichnet.

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Zusätzlich legitimierten sie sich aber noch auf andere Weise: mittels „Verdienst und Erbschaft“ (in Sanǧars Brief an den Kalifen: ba-istiḥqāq-u-mīrās̠ ).152 Jemand wie Sultan Sanǧar war daher in der Position, über „eigene“ Autorität zu verfügen; die ideologische und politische Macht, die er besaß, basierte auf seiner Abstammung und, wie gesagt, göttlichen Erwähltheit, seiner jahrzehntelangen, gerechten Herrschaft voller prestigeträchtiger Siege und Verdienste um den Islam (wichtig ist hier der Dschihad) sowie auf der Gefolgschaft seiner zahlreichen Vasallen (dazu unten) und überhaupt dem Netz politischer Beziehungen (das nicht zuletzt mittels Heiraten geknüpft worden war). Auch pflegte er engen Umgang mit Heiligen und Religionsgelehrten.153 Das Kalifat, dessen Insignien Prophetenmantel und -stab Sanǧar eine Zeit lang besaß,154 war angesichts dessen schon nicht mehr ganz so wichtig; anscheinend waren die ʿAbbāsiden – von denen al-Mustaršid bi-’llāh (1135) und ar-Rāšid bi-’llāh (1137) ja wahrscheinlich in Sanǧars Auftrag ermordet wurden155 – für den „allergrößten“ Sultan im Grunde nicht mehr als eine weitere, seiner Oberherrschaft unterstehende (allerdings renitente) Lokaldynastie und tatsächlich unterscheiden sich die Bagdader Kalifen dieser Zeit gar nicht so sehr von den sie umgebenden, „normalen“ Herrscherhäusern. Hanne bemerkt dazu: „the caliphs were just one of a number of amirs, sultans, and the like, attempting to maintain and increase their spheres of influence.“156 Während sich die Selǧuqen also insbesondere um Autorität bemühten, versuchten die Kalifen, nicht nur über Autorität zu verfügen, sondern ebenfalls (wieder) über alle vier Machtsorten.

152 S. Mottahedeh, „Some Attitudes“, S. 88–90 und dazu, dass sich bereits die Būyidenherrschaft nicht allein auf die Autorität des Kalifats stützte, o., S. 31, Anm. 83. In seinem Brief an den Wesir des Kalifen (Eqbāl, Vezārat, S. 302–318) führt Sanǧar so manches an, woraus ihm politische und ideologische Macht erwächst. Z. B. verweist er voller Stolz auf den siegreichen Kampf gegen die „Ungläubigen“ in Turkestan (S. 311), auch wenn dieser eigentlich auf das Konto des (ihm damals noch treuen) Ḫvārazmšāhs Atsı̊ z ging. Zur Bedeutung des Dschihads für die kalifatsunabhängige Legitimation und Autorität des Herrschers: Busse, „Revival“, S. 67 f. („One is tempted to say that Jihād was put in the place of the caliphate.“); Tor, „Privatized Jihad“, insbesondere S. 570. 153 Tor, „Sovereign and Pious“, S. 49–53. 154 Burda und qaḍīb wurden al-Mustaršid bi-’llāh 1135 weggenommen und erst 1141 von Sanǧar an al-Muqtafī li-Amr Allāh zurückgeben (Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 317; Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 10; Bundārī, Zubda, 241 f.). 155 Dazu Tor, „Two Murders“. 156 Hanne, Putting the Caliph in His Place, S. 39.

III. Die zeitliche und räumliche Dimension des Sanǧar-Reichs Als „Sanǧar-Reich“ soll noch nicht der Teil des selǧuqischen Imperiums bezeichnet sein, den Sanǧar als malik (d. h. als „Vizekönig“) von Ḫurāsān rund 20 Jahre lang unter der Oberherrschaft seiner Brüder regierte, sondern erst jene neue politische Ordnung, an deren Spitze er sich, mit Erlangung des Sultanats, im Jahre 1119 stellte (dazu unter IV.6.1.) und in der (statt eines räumlichen Teils) ein zeitlicher Abschnitt des selǧuqischen Reiches gesehen werden kann. Da es nun allerdings recht unterschiedliche Ansichten gibt, in was für Entwicklungsabschnitte die fast zweihundertjährige Geschichte der Selǧuqen (in ihrer Hauptlinie) am besten einzuteilen ist und wie bestimmte Phasen konkret anzusetzen sind, fällt auch das Urteil über die Art des durch Sanǧars Sultanat charakterisierten Stadiums verschieden aus. Der kurzen Übersicht, die Başan zur Frage der Periodisierung liefert,157 ist zu entnehmen, dass Kafesoğlu einfach nur eine Zeit des Aufstiegs (1040–1092) und eine Zeit des Verfalls (1092–1194) unterschied, wobei das Wendejahr nachvollziehbarerweise jenes ist, in dem erst Niẓām al-Mulk und kurz darauf Malik-Šāh I. verstarb. Irgendwo in die Mitte der langen Zeit des Niedergangs gehörend nimmt Sanǧars Herrschaft (obwohl sie Kafesoğlu positiv hervorhebt158) in diesem groben Modell keinen besonderen Platz ein, doch spielt ihr Ende eine Rolle bei der Einteilung in drei Phasen nach Turan: „Aufstieg“ (1040–1092), „Stagnation“ (1092–1157) und „Fall“ (1157–1194). Auch Köymen definierte zunächst drei Abschnitte, nämlich „Gründung“ (985/993–1040), „Reich“ (1040–1153) und „Fall“ (1153–1194), bevor er den mittleren in drei auflöste: „erstes Reich“ (1040–1092), „Interregnum“ (1092–1114) und „zweites Reich“ (1115– 1153). Den Anfang vom Ende markiert für ihn also Sanǧars Gefangennahme durch die Oġuz, was sicherlich korrekt geurteilt ist. Başan selbst setzt den Beginn der „Auflösung“ hingegen mit dem Jahr 1105 an (was verwundert); seine anderen Phasen heißen „Eroberung“ (985/993–1063), „Reich“ (1063–1092) und „Interregnum“ (1092–1105).159

157 Başan, Great Seljuqs, S. 21 f. Berücksichtigt sind hier nur die türkischen Selǧuqen-Experten. 158 Kafesoğlu/Leiser, History of the Seljuks, S. 56, 62 f. 159 Başan, Great Seljuqs, S. 21 f.

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Nach Meinung Sanaullahs, dessen Dissertation den Titel The Decline of the Saljūqid Empire trägt, lässt sich die Geschichte der Großselǧuqen in die drei Stadien „Aufstieg“, „Niedergang“ (1092–1117) und „Fall“ unterteilen, was wie bei Kafesoğlu eine lange Zeit des Verfalls nach Malik-Šāhs Tod bedeuten würde.160 Luther, der seine Doktorarbeit dem irakischen Selǧuqensultanat zwischen 1152 und 1187 widmete, orientiert sich im Prinzip an Sanaullah, bemerkt aber, dass auf die Niedergangszeit von 1092 bis ca. 1117/1118 eine Phase folgte, in der die Lage unter Sultan Sanǧar noch einmal stabilisiert wurde (Köymens „zweites Reich“).161 Ähnlich sieht es Peacock. Für ihn war die sich an den Aufstieg (ab 965) anschließende Zeit von 1092 bis 1194 sowohl eine der Krisen, in die die Auflösung des „Great Seljuk Empire“ zwischen 1152 und 1157 fällt, als auch eine der erneuten Konsolidierung, zu der zumindest Sanǧars frühe Herrschaft bis ca. 1138 gerechnet wird.162 Zu den dieser Differenzierung zugrundeliegenden, begründeten Bedenken, ob Sanǧars (gesamtes) Sultanat wirklich als eine Periode des Verfalls abgestempelt werden darf, passt, was der Politikwissenschaftler Herfried Münkler zu Imperien im Allgemeinen schreibt: „Folgt man dem Modell von Aufstieg und Niedergang, so ist die Geschichte fast aller Imperien durch eine kurze und dynamische Aufstiegsphase und eine lange Periode des Niedergangs gekennzeichnet. Dabei ist Erstere weitgehend mit der Zeit militärischer Expansion identisch, während die nach dem Scheitelpunkt imperialer Kraftentfaltung unternommenen Reformen allesamt mit Blick auf den mehr oder weniger langsamen Verfall betrachtet werden. Ein solches Modell imperialer Geschichte prämiert zwangsläufig die militärische Seite von Imperien und vernachlässigt deren politische Erneuerungsfähigkeit.“163

Anstelle des Modells von Aufstieg, Scheitelpunkt und Niedergang, mit dem eine Vorstellung historischer Zwangsläufigkeit verbunden ist, bevorzugt Münkler ein genaueres Zyklenmodell, gemäß dem politische Gemeinschaften in ihrer Geschichte mitunter mehrfach auf- und absteigen und „die Verweildauer im oberen Zyklensegment umso größer ist, je mehr Machtsorten [der Entscheidungselite] zur Auswahl stehen.“164 Hinsichtlich der Selǧuqen sollte man außerdem bedenken, dass die Phasen auf Grund verschiedener Kriterien definiert werden: Mal ist der Stand der Expansion ausschlaggebend, mal die relative Geeintheit des Reiches oder die Intensität interner

160 Sanaullah, Decline, S. xvi. 161 Luther, Political Transformation, S. 2 f. 162 Peacock, Great Seljuk Empire, S. 20 (Kapitelüberschrift „The Rise of the Seljuks: From the Eurasian Steppe to the Gates of Cairo, c. 965–1092“), S. 72 (Kapitelüberschrift „Crisis, Consolidation and Collapse: The Great Seljuk Empire and the Sultanate of Iraq, 1092–1194“), S. 74 f. („The earlier parts of Sanjar’s reign in some respects represented a second zenith of Seljuk rule“), S. 101 (Krise unter Sanǧar), S. 107–114 (Untergang des großselǧuqischen Reiches). 163 Münkler, Imperien, S. 109. 164 Münkler, Imperien, S. 112. Unterschieden werden nach M. Mann (Geschichte der Macht, Bd. I, S. 46 ff.) politische, militärische, wirtschaftliche und ideologische Macht.

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Machtkämpfe. Des Weiteren kommt es darauf an, wie man die sogenannten irakischen Selǧuqen, welche sich immerhin bis 1194 hielten, einstuft: als Nebenlinie, Hauptlinie oder gar noch als Großselǧuqen. Letzterer Begriff bezeichnet zumeist die imperiale Phase der Hauptlinie. Dies bedeutet, dass Sanǧar als letzter Großselǧuqe gelten sollte, die späteren Sultane des Iraks jedoch – in Übereinstimmung mit den meisten Quellen (und im Sinne eines sog. „shadow empire“ vom Typ „empire of nostalgia“165) – durchaus als Fortsetzung der Hauptlinie betrachtet werden dürften.166 Sanaullah und Luther sehen in Sanǧars Herrschaft also schon deshalb eine Zeit des Niedergangs, weil ihre drei Phasen nur die in den 1150er Jahren endende imperiale Geschichte betreffen,167 auf die sich auch Peacock in The Great Seljuk Empire konzentrierte.168 Aus den Eckdaten der genannten türkischen Historiker ist hingegen ersichtlich, dass deren letzte Phasen nicht allein für die Zeit der Großselǧuqen gelten sollen, sondern ebenso für die der Sultane des Iraks. Dass Başan die „Auflösung“ bis 1194 andauern lässt, ist allerdings etwas widersprüchlich, gehört er doch eigentlich zu denen, die die irakischen Selǧuqen klar abtrennen.169 Ferner erscheint seine Datierung des Beginns der Zerfallsphase ungerechtfertigt. Immerhin wurde mit Muḥammad Tapars Durchsetzung im Jahre 1105 die Reichseinheit nach Jahren des Bürgerkriegs wieder gesichert und die politische Ordnung erfolgreich stabilisiert, sodass diese Zeit kaum als eine der verstärkten Zerrüttung und galoppierenden Auflösung bezeichnet werden kann. Muḥammads Herrschaft (bis 1118) und die seines Bruders Sanǧar gingen vielmehr mit einem, wie es Münkler nennt, „Verweilen im oberen Zyklensegment“ einher; der wahre Niedergang – hier stimme ich Köymen zu – erfolgte nicht vor 1152/1153. Was die übrigen Phasen anbetrifft, so mag zwar die Überschrift „Interregnum“ (ähnlich wie Turans „Stagnation“) nicht optimal sein, doch würde ich ansonsten Başan folgen, der

165 S. Leitner, Imperium, S. 166 (Arten von shadow empires nach Thomas J. Barfield; empires of nostalgia: „Sie basieren auf Erinnerung an vergangene Organisationen, indem sie Anspruch auf eine imperiale Tradition erheben, aber selbst nicht die notwendigen Voraussetzungen eines Imperiums aufweisen.“). 166 Von Bosworth (New Islamic Dynasties, S. 185 f.) werden sie folglich in eine Reihe mit ihren „großen“ Vorgängern gestellt (die Linien von Syrien und Kirmān sind hingegen extra gelistet, die Rūm-Selǧuqen sogar komplett separiert). Julie Scott Meisami – um auch ein Beispiel für die Gleichsetzung von Hauptlinie und Großselǧuqen zu nennen – wählte für ihren Artikel über die Zeit Toġrı̊ ls III. und dessen Ende 1194 den Titel „The Collapse of the Great Seljuqs“. 167 Sanaullah, Decline, S. 132 („[…] Sanjar, who became the last of the Saljuqid Sultans. Sanjars’s long reign, comprising the downfall of the Saljuqid empire, would be a fit subject for independent re­ search.“); Luther, Political Transformation, S. 3 („The third and last phase of the Great Seljuq Empire, aside from its de jure extension in ʿIrāq […], involved Sanjar and his relatives who held the western appange known as the ʿIrāq Sultanate.“). 168 Zwar erzählt Peacock die Geschichte der Selǧuqen bis 1194, doch werden die irakischen Selǧuqen nach 1157, wie auf S. 7 und 114 erklärt, weniger ausführlich behandelt, weil ihre Herrschaft von jener der Großselǧuqen sehr verschieden gewesen und deshalb ein Thema für sich sei. 169 Başan, Great Seljuqs, S. 198 (man beachte die Nummerierung der Toġrı̊ ls); zudem handelt das Werk, wie am Titel zu erkennen, nur von den Großselǧuqen.

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unter anderem berücksichtigt, dass erst Alp-Arslan (reg. 1063–1073) die beiden separaten Reiche Čaġrı̊ -Begs (reg. 1040–1060) und Toġrı̊ l-Begs170 zu so etwas wie dem Imperium der Großselǧuqen vereinte. Klar abzulehnen bleibt die Behauptung Van Renterghems, das Ende der großselǧuqischen Periode sei bereits durch den Tod Malik-Šāhs I. markiert.171 Hinsichtlich der räumlichen Ausdehnung des Sanǧar-Reiches soll ebenfalls die 1119 durchgesetzte Stellung als oberster Sultan ausschlaggebend sein. Dies entspricht der damaligen Auffassung und bedeutet, dass das Reichsterritorium sämtliche Gebiete umfasst, in denen Sanǧars Name in ḫuṭba und sikka genannt wurde. Eine skizzenhafte Beschreibung dieses Territoriums samt ehrfurchtsvoller Hervorhebung der gewaltigen Ausmaße gehört typischerweise zu den meisten Abschnitten, die Sanǧar in den historiographischen Quellen gewidmet sind. Ṣadr ad-Dīn al-Ḥusainī erklärt in seinen Aḫbār ad-daula as-salǧūqīya beispielsweise: „Man betete für ihn [Sanǧar] von Lahore, Ġazna und Samarqand bis Ḫurāsān, Ṭabaristān, Kirmān, Siǧistān, Iṣfahān, Hamadān, ar-Rayy, Aserbaidschan, Armenien, Arrān und Bagdad sowie (in) den beiden [d. h. dem arabischen und dem persischen] Irak, Mosul, Diyār Bakr, [Diyār] Rabīʿa, Großsyrien und den beiden heiligen Stätten [Mekka und Medina]. In (all) diesen Gegenden und deren Ländern wurden die Münzen für ihn [d. h. mit seinem Namen darauf] geschlagen.“172

170 Dazu, dass Čaġrı̊ seinem Bruder mindestens gleichgestellt war: Peacock, Great Seljuk Empire, S. 41–43; Bulliet, „Numismatic Evidence“; Shimizu, „Bow and Arrow“. Bulliet nahm noch an, dass in Čaġrı̊ s Ostreich, zu dem er auch Nīšāpūr zählte, nicht Čaġrı̊ , sondern Toġrı̊ l seinen Namen auf Münzen prägen ließ, allerdings (wg. Čaġrı̊ s Herrschaft) nur den Namen und nicht auch das für volle Souveränität stehende Pfeil-und-Bogen-Zeichen. Erst als sein Artikel geschrieben war, erfuhr Bulliet, dass Čaġrı̊ sehr wohl eigene Münzen mit seinem Namen sowie dem Pfeil-und-Bogen-Zeichen prägen ließ, was seiner Theorie die Grundlage nahm. Vor diesem Hintergrund nahm Shimizu einige Berichtigungen vor, doch arbeitete er wie Bulliet mit einer ungenügenden Materialbasis und ging ausgerechnet Čaġrı̊ s eigener Münzprägung in Marv, Balḫ, Čaġāniyān oder Zaranǧ nicht weiter nach. Čaġrı̊ s 448 H. in Sīstān verteilte Dinare etwa sind uns nicht nur durch ihre Erwähnung in der Tāʾrīḫ-i Sīstān bekannt, sodass man über ihr Aussehen lediglich spekulieren könnte (s. Shimizu, op. cit., S. 94). Es haben sich Exemplare erhalten und auch hierauf sind Čaġrı̊ s Name und der Bogen mit dem Pfeil darunter – nicht wie bei Toġrı̊ l daneben – zu sehen. Da sich diese Variante also nicht nur auf den Münzen der Kirmān-Selǧuqen findet, sondern auch auf Čaġrı̊ s eigenen, ḫurāsānischen Prägungen sowie jenen mit dem Namen seines Vasallen Naṣr I. von Sīstān, scheint die Position des Pfeils die eigentliche Markierung der Machtbereiche beider Brüder zu sein. (Obwohl Bulliet, Shimizu und andere stets von einem Pfeil reden, könnte es sich auch um eine Keule handeln.) 171 Van Renterghem, Les élites bagdadiennes, Bd. I, S. 4. 172 Ḥusainī, Aḫbār, S. 92 f. Die Diyār Bakr umfassen den nördlichen, ostanatolischen Teil der Ǧazīra mit den Städten Āmid (Diyarbakır), Arzan, Maiyāfāriqīn (Silvan) und Ḥiṣn Kaifā (Hasankeyf), die Diyār Rabīʿa das Ḫābūr/Ǧaġǧaġ-Gebiet um al-Ḥasaka, das Sinǧār-Gebiet sowie das Tigrisgebiet von Takrīt (Tikrīt) bis Ǧazīrat Ibn ʿUmar (Cizre). „Großssyrien“ meint die bilād aš-Šām; zu Aserbaidschan, Armenien und Arrān s. u., S. 250.

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Speziell zur Reichsperipherie, den äußersten Gebieten, in denen man die Oberherrschaft des „Sultans der Sultane“ (sulṭān as-salāṭīn) anerkannt habe, findet sich in Nīšāpūrīs Salǧūq-nāma folgende Angabe: „Die Freitagspredigt wurde für ihn gehalten vom Grenzgebiet bei Kāšġar bis in die entferntesten Gegenden des Jemens, Mekka, Ṭāʾif, Oman, Makrān, Aserbaidschan, Rūm und Bulġār.“173

Laut Benjamin von Tudela, einem jüdischen Orientreisenden des 12. Jahrhunderts, benötigte man vier Monate und vier Tage, um allein Sanǧars iranisches Herrschaftsgebiet einmal zu durchqueren.174 Ein solch ausgedehntes Imperium – die einzelnen Gebiete gilt es in den folgenden Kapiteln dieser Arbeit prüfend durchzugehen – war natürlich kein monolithisches, homogenes Gebilde, sondern ein buntes Konglomerat diverser politischer und territorialer Einheiten, in denen der oberste Sultan seine abgestufte Macht auf unterschiedliche Art und Weise ausübte. Wie Jürgen Paul anmerkte, wurde dieser heterogene, uneinheitliche Reichsaufbau mitunter übersehen.175 Andererseits stellt er aber auch kein besonderes Merkmal dar, denn im Prinzip war ja kein islamisches Reich so etwas wie ein „Zentralstaat“, in dem der Monarch überall gleichermaßen direkt regierte. Gebiete unter (oft eingesessenen) Vasallendynastien und (von einer Hauptlinie unterschiedenen) dynastischen Nebenlinien waren etwas ganz Normales, was natürlich nicht zuletzt damit zu tun hat, dass es sich bei Reichen eben um größere, überregionale Gebilde handelt, in denen sonst selbstständige Länder vorübergehend zusammengefügt sind. Dynastische Bundesstaaten mit einer Hauptlinie waren zudem nichts typisch Türkisches; man denke nur an die Reichsbildungen der Būyiden, Ġūriden oder Aiyūbiden. Differenziert werden kann allerdings durchaus danach, wie groß der Anteil der von Vasallen regierten Gebiete gegenüber dem vergleichsweise direkt beherrschten Territorium ausfällt und welcher Art die Vasallen und Statthalter sind: Wie viel Autonomie genossen sie? Gehörten sie einer Dynastie an und, wenn ja, der des Oberherrn, einem älteren Herrscherhaus oder einem erst neu begründeten? Zu Sanǧars Reich lässt sich nach einer derartigen Aufgliederung festhalten, dass es ein besonders komplexes Machtgefüge darstellt, in das vergleichsweise viele Provinzherren, Teilfürsten und Dynastien verschiedenster Couleur eingebunden waren, und zwar auf mehreren Ebenen, wie noch zu zeigen sein wird. Von diesem Reichscharakter erhielt auch Benjamin von Tudela Kenntnis, der von nicht weniger als 45 Königen berichtet, die Sanǧar in Persien unterstanden haben sollen.176 Die Fortsetzung des oben gegebe173 Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 56; in der Version von Qāšānī (Zubda – Selǧuqen, S. 45) ist zwischen Makrān und Aserbaidschan noch Arrān aufgeführt. 174 Benjamin von Tudela, Sefer ha-Massaʾot, tr. Adler, S. 52. 175 Paul, „Sanjar and Atsız“, S. 83, Anm. 6. Anders als türkische Historiker gingen A. K. S. Lambton, H. Horst und Z. M. Buniyatov von einem weitgehend einheitlichen Sanǧar-Reich aus, ohne zwischen den Teilen angemessen zu differenzieren. 176 Benjamin von Tudela, Sefer ha-Massaʾot, tr. Adler, S. 52.

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nen Ḥusainī-Zitats lautet „und die Könige [der Länder] traten auf seinem Teppich“ (taṭaʾu bisāṭahū mulūkuhā), womit gemeint ist, dass sich Sanǧars Oberhoheit überall Vasallenfürsten beugten,177 was der zeitgenössische Autor des Muǧmal at-tawārīḫ so zusammenfasst: „Alle Herrscher des Islams legten sich den Gürtel der Untertänigkeit an und ließen in der muslimischen Freitagspredigt sämtlicher Länder des Islams das Kanzelgebet in seinem [d. h. in Sanǧars] Namen verrichten.“178

Eine der vielen an Sanǧar adressierten Kassiden des „Dichterfürsten“ (amīr aš-šuʿarāʾ) Muʿizzī (gest. zwischen 1124 und 1127) enthält die Verse: „Indien, Turkestan und Ḫvārazm, Irak, Kleinasien und Großsyrien: Ein jeder Herr [dieser Länder] ist gebunden an den Befehl des Sultans Sanǧar. Noch über dem Schauplatz der Könige – und wär’ es auch ein farsang [darüber] – erstreckt sich von Aleppo bis Kāšġar das Wirkungsfeld des Sultans Sanǧar. Vom Ufer des Mittelmeeres bis zum Ufer des Chinesischen Meeres: Wer besitzt [hier] schon die Kühnheit zu einem Aufstand gegen Sultan Sanǧar?“179

Schon im Jahre 1116 feierte Muʿizzī seinen selǧuqischen Herrn als einen „weltweit Könige einsetzenden König“ (dar hama-yi ʿālam malik-i malik-nišān).180 Von dem Verb nišāndan leitet sich ein Terminus ab, der für Dokumente aus Sanǧars Kanzlei typisch ist und wörtlich „Eingesetzte“ bedeutet: nišāndagān. In einer Urkunde zur Übertragung (taqlīd) der Verwaltung/Steuerprovinz (ʿamal) von Gurgān und Umgebung (navāḥī) an den malik Ġiyāṯ ad-Dīn wa-’d-Dunyā (sic) Masʿūd b. Muḥammad, Sanǧars Neffen, heißt es zum Beispiel: „Sämtliche Sultane und Könige der Welt bis ins äußerste Turkestan, die Regionen Indiens, das anatolische Grenzgebiet und die Länder des Westens sind Unsere Vasallen, von Uns Eingesetzte, von Uns Installierte. Der Nacken jedes einzelnen von ihnen ist unter Unserem Joch und in Unserem Dienst.“181 177 Ḥusainī, Aḫbār, S. 92 f.; auf jemandes Teppich zu treten – ein Ausdruck, den man oft liest –, bedeutet, sich jemandem in Ergebenheit unterzuordnen und dessen Oberhoheit anzuerkennen; s. dazu Paul, „Khidma“, S. 408–411 oder Lokale und imperiale Herrschaft, S. 263 f. 178 Muǧmal at-tawārīḫ, S. 412: hama-yi pādišāhān-i islām kamar-i muṭāvaʿat bastand va dar ǧumla-yi bilād-i islām va ḫuṭba-yi musalmānī bar minbarhā ḫuṭba-rā ba-nām-i ū ārāyiš dādand. Auch ohne muṭāvaʿat steht das Sich-Gürten (kamar bastan) für eine untertänige Dienstbereitschaft gegenüber einem Höhergestellten. 179 Muʿizzī, Dīvān, S. 88: Hind va Turkistān va Ḫvārazm va ʿIrāq va Rūm va Šām * har ki dārad banda-yi farmān-i sulṭān Sanǧar-ast / gar-či farsangī būd balā-yi maidān-i mulūk * az Ḥalab tā Kāšġar maidān-i sulṭān Sanǧar-ast / az lab-i daryā-yi maġrib tā lab-i daryā-yi Čīn * kī-st k-ū-rā zahra-yi ʿiṣyān-i sulṭān Sanǧar-ast. 180 Muʿizzī, Dīvān, S. 495; dazu Tetley, Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 180 f. 181 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 17: ǧumlagī-yi salāṭīn va mulūk-i ǧahān tā ba-aqāṣī-yi Turkistān va bilād-i Hind va s̠ aġr-i Rūm va diyār-i Maġrib ṣanāʾiʿ va nišāndagān va murattabān-i mā-and va raqaba-yi har yak

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Passagen gleichen Tenors finden sich in vielen inšāʾ-Dokumenten, wobei man immer wieder auf ähnliche Formulierungen stößt. So wird einleitend gern darauf hingewiesen, dass des Sultans Regierungsbanner (rāyat-i daulat) dank Gottes Hilfe in den Herrschaftsgebieten der Welt (mamālik-i ǧahān) gehisst ist und seinen majestätischen Schatten (sāya-yi hamāyūn) auf die Weltgegenden (aqālīm-i ʿālam) wirft, was bedeutet, dass in Ost und West (šarqan va ġarban), zu Lande wie zu Wasser (barran va baḥran), in den Ebenen und Gebirgen (ǧabalan va sahlan), fern wie nah (buʿdan va qarban) ein jeder Monarch und Gebieter der sieben besiedelten Kontinente (har pādišāh va farmān-dihanda ki dar haft kišvar-i maʿmūr […] ast) von Sanǧar erwählt (guzīda), erhoben (bar-kašīda) und eingesetzt (nišānda), gutwillig oder gezwungenermaßen (ṭauʿan au karhan) sein Sklave (banda) sowie eines der Werkzeuge seines Urteils und Befehls (ṣanāʾiʿ-i raʾy va farmān-i mā) ist. Sie alle werden, wie es weiterhin heißt, am Rande und im Zentrum der Welt (dar aṭrāf va ausāṭ-i ǧahān) unter Verweis auf ihre Knechtschaft gegenüber Sanǧar (ba-simat-i ʿubūdiyat-i mā) genannt und dass ihre Hälse (aʿnāq) – die Nacken der Ḫusrauen und Großmächtigen des Erdkreises (riqāb-i akāsira va ǧabābira-yi āfāq) – erniedrigt (muẕallal), des Sultans Ge- und Verboten unterworfen (musaḫḫar-i avāmir va navāhī-yi mā) und mit den Halsbändern seiner Gnade geschmückt (ba-aṭvāq-i minnat-i mā mutaḥallī) sind, gehört ebenfalls zu den Standardausdrücken. Ferner erklärt Sanǧar, dass die Zügel der Auflösung wie des Abschlusses, der Bestätigung wie der Ungültigkeitserklärung von Herrschaftsgeschäften auf der ganzen Erdoberfläche von seiner Macht ergriffen (ʿinān-i ḥall va ʿaqd va ibrām va naqż-i umūr-i mamlakat-i basīṭ-i rū-yi zamīn dar qabża-yi iqtidār-i mā) wurden.182 Ein wichtiger Grund, die Weltherrschaft (pādišāhī-yi ʿālam) und Oberhoheit über zahlreiche andere Fürsten derart vollmundig herauszustellen, ist sicher die Absicht, sich über den Erfolg zu rechtfertigen, Ehrfurcht zu erzeugen und (prophylaktisch) einzuschüchtern. Es ging um einen politischen Nimbus, der alte Gefolgsleute die Oberhoheit des Großsultans nicht infrage stellen und weitere Machthaber zu der Einsicht gelangen ließ, sich ebenfalls zu beugen („ḫidma-Pflege und -Werbung“). Potentielle Rebellen und Feinde sollten sich bewusst sein, mit welch gewaltigen Kräften sie es im Falle einer Auseinandersetzung zu tun hätten: Nicht allein Sanǧar wäre ihr Gegner, sondern quasi die ganze Welt. Dies vermitteln auch einige der pompösen Titel und panegyrischen Beinamen, die Sanǧar auf dem Höhepunkt seiner Macht trug:

az-īšān dar rabqa va ḫidmat-i ma-st; das stärkste Wort ist hier ṣanāʾiʿ (Sgl. ṣanīʿa), das sich ebenso mit „Kreaturen“, „willige Werkzeuge“ oder „Marionetten“ übersetzen lässt. Die „Eingesetzten“ kommen natürlich auch in Sanǧars Schreiben an den Wesir des Kalifen vor (s. etwa Eqbāl, Vezārat, S. 305). 182 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 64 f., 69 f., 74 f.

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„Beherrscher der Nacken der Völker“ (mālik riqāb al-umam) „Herr (über die Könige) der Araber und Perser“ (auf Münzen: maulā ’l-ʿArab wa’l-ʿAǧam, in einer Inschrift: saiyid mulūk al-ʿArab wa-’l-ʿAǧam, in inšāʾ-Dokumenten: ḫudāygān-i ʿArab va ʿAǧam) – „Monarch/Herrscher der Söhne Adams [d. h. der Menschheit]“ (pādišāh/ḫudāygān-i banī Adam) – „Sultan/Monarch/Gebieter über Ost und West“ (sulṭān/pādišāh/farmāndih-i šarq va ġarb/mašriq va maġrib) – „Sultan über Gottes Erde“ (sulṭān arḍ Allāh) – „zweiter Alexander [von Makedonien]“ (Iskandar-i s̠ ānī) / „zweiter Ḏū ’l-Qarnain“ (Ḏū ’l-Qarnain aṯ-ṯānī) / „Ḏū ’l-Qarnain [d. h. „Zweigehörnter“] seiner Zeit“ (Ẕū ’l-Qarnain-i ʿahd) – „Herrscher der Welt / der (gesamten) Erdoberfläche“ (ḫudāvand/ḫudāygān-i ʿālam/ǧahān/rū-yi zamīn)183 – –

183 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 2, 14 f.; TEI Nr. 34491 (Ribāṭ-i-Šaraf-Inschrift von 1154/1155); Ibn al-Qalānisī, Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 284 (sehr lange alqāb-Kette!); eine schöne Auswahl bieten u. a. 515 H. (1121/1122) und 519 H. (1125/1126) in Balḫ geprägte Münzen (s. auch Hennequin, „Monnaies salǧūqides inédites“, S. 104–106, Nr. 40 f.); s. zudem ʿAufī, Lubāb, Bd. I, S. 311, 313 (Brief an Sanǧar, zitiert aus ʿAufīs Ǧawāmiʿ al-ḥikāyāt wa-lawāmiʿ ar-riwāyāt) sowie Aḥkām, f. 41v–42r, 123v/ Barthold, Turkestan – Teksti, S. 25, 39 (hier auch weitere Kombinationen wie farmāndih/pādišāh-i rū-yi zamīn). Der Vergleich mit Alexander dem Großen findet sich außerdem noch in der Intitulatio eines Erlasses an Naṣr II. von Nīmrūz (Aḥkām, f. 92v), bei Muʿizzī (Dīvān, passim) sowie (neben einigen anderen Vergleichen, darunter „dritter Dareios“) in Samarqandīs Aġrāḍ as-siyāsa (S. 405); s. ferner Ibn al-Furāt, Taʾrīḫ ad-duwal wa-’l-mulūk, S. 187 (und 266, wo aus Ibn Diḥya alKalbīs Kitāb an-Nibrās fī taʾrīḫ ḫulafāʾ banī ’l-ʿAbbās zitiert ist) oder Moġul-Tai, Muḫtaṣar taʾrīḫ al-ḫulafāʾ, S. 149 (Sanǧar al-mulaqqab Ḏā ’l-Qarnain).

IV. Bestimmung und Betrachtung der Teile des Sanǧar-Reichs IV.1 Ḫurāsān Das Kerngebiet des Sanǧar-Reiches – um sinnvollerweise mit diesem zu beginnen – war das ostiranische Ḫurāsān mit dem „Standort des Throns und dem Zentrum des Herrschaftsbanners“ (mustaqarr-i sarīr-i mulk va markaz-i rāyat-i daula)184 Marv aš-Šāhiǧān, wo Sanǧar den Staatsschatz aufbewahrte, sein dār al-āḫira genanntes, noch heute stehendes Mausoleum errichten ließ und seinen Hofgetränkelieferanten (­fuqqāʿī/šarrābī) ʿAzīz ad-Dīn ʿAtīq az-Zanǧānī reich genug machte, damit dieser eine von Yāqūt gerühmte Bibliothek mit 12 000 Bänden gründen konnte.185 Die prosperierende Großprovinz – der „Nabel der Länder Irans“ (surrat bilād Īrān)186 – war dem zehnjährigen Prinzen Sanǧar im Jahre 1097 von seinem Halbbruder Sultan Berkyaruq (reg. 1092–1104) gegeben worden, nachdem sie zuvor das Teilfürstentum des maliks Muʿizz al-Islām Arslan-Arġu(n) b. Alp-Arslan (gest. 1097) gewesen war. Letzterer scheint sich als Erbe seines Großvaters Čaġrı̊ -Beg gesehen zu haben, welcher Ḫurāsān bis zu seinem Tod 1059 als autonomer malik al-mulūk beherrscht hatte, und auch Sanǧar stand in dieser „Ostreich“-Tradition ( Jürgen Paul: „ulus Čaġrı̊ “).187 Als untergeordne184 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 46; in einer anderen Urkunde (Ǧuvainī, op. cit., S. 66) sagt Sanǧar von Marv, dass es „die Hauptstadt, der Herrschersitz und das Zentrum der Banner jener Könige ist, die vor Uns waren – Könige und Sultane der (ganzen) Erdoberfläche (Marv ki dār al-mulk va ḫānadān-i daulat-ast va markaz-i rāyāt-i mulūk-i aslāf-i mā mulūk va salāṭīn-i rū-yi zamīn). 185 Yāqūt, Muʿǧam al-buldān, Bd. IV, S. 509; bevor er Sanǧar versorgte, infolgedessen zu Ansehen gelangte und die nach ihm benannte ḫizāna, die ʿAzīziyya, gründete, hatte Abū Bakr ʿAtīq oder ʿAtīq b. Abī Bakr auf dem Markt von Marv Obst und Kräuter verkauft. 186 Vaṭvāṭ, Maǧmūʿa, S. 21. 187 Auch andere Selǧuqen versuchten, sich Ḫurāsān als Teilreich zu sichern. So eroberte der (in den 1080ern) gegen seinen Bruder Malik-Šāh I. rebellierende malik von Balḫ Šihāb ad-Daula Tekiš (auch: Tekiš-Beg, Tekiš-Arslan; gest. 1094) u. a. Tirmiḏ, Valvāliǧ (Varvālīz, Valvalīz, Valvalīǧ, …, heute: Kunduz), Marv ar-Rūd sowie Marv (aš-Šāhiyān), wobei er bis nach Nīšāpūr vordrang, und Šams ad-Daula Toġan-Šāh, ein weiterer Sohn Alp-Arslans, regierte in den 1070ern sowohl Harāt als auch Marv, Saraḫs und Marv ar-Rūd, doch wissen wir über diesen mysteriösen malik fast nichts, obwohl sich ihm sogar der Herrscher von Sīstān unterordnete. Sibṭ Ibn al-Ǧauzī berichtet davon, wie Toġan-Šāh von seinem Bruder Sultan Malik-Šāh 1182/1083 gefangen genommen wur-

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ter Teilherrscher führte er wie sein Onkel Arslan-Arġu den Titel al-malik al-muẓaffar und wie Alp-Arslan – der Čaġrı̊ zunächst als Herrscher von Ḫurāsān nachgefolgt war und neben diesem in Marv begraben lag – den laqab ʿAḍud ad-Daula.188 Neu war der Titel „König des Ostens“ (malik al-mašriq), den Sanǧar unter seinem Bruder Sultan Muḥammad I. (reg. 1105–1118) auf Dinare prägen ließ und der seine rasch gefestigte Stellung ganz gut zum Ausdruck bringt.189 Im Gegensatz zu anderen Gebieten des Kernlandes kam das der Hauptstadt (dār al-mulk) Marv grundsätzlich nicht für die Vergabe von iqṭaʿāt („Lehen“) infrage,190 was bedeutet, dass die Steuern hier immer ganz und allein von Sanǧars Finanzbeamten eingezogen wurden. Ob es deshalb, wie Paul meint, auch keinen Gouverneur von Marv gab,191 ist nicht völlig klar. Genauer gesagt, fragt sich, inwiefern Sanǧar vertreten wurde, wenn er – und das war oft der Fall – nicht persönlich in der Provinz (vilāyat) von Marv weilte. Wir kennen zwar tatsächlich keine Quelle, in der ein vālī (Pl. vūlāt) explizit erwähnt wird, doch ist in einer Urkunde für das Amt des Steuereinnehmers (ʿamal) von Marv zumindest von einer Provinzverwaltungbehörde (dīvān-i iyālat) die Rede,192 woraus sich schließen lässt, dass auch die Hauptstadt nicht ganz unmittelbar der „obersten Behörde“ (dīvān-i aʿlā) unterstand.193 Nicht jeder Gouverneur war ja zugleich ein muqṭaʿ, also iqṭāʿ-Halter (des Territoriums, welches er regierte). Womöglich ließ Sanǧar (der sich sogar fast mehr in Balḫ

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de (Mirʾāt, ed. Sevim, S. 234). Zu Tekiš und Arslan-Arġu(n): Paul, „Arslān Arghūn“; ergänzt sei, dass Tekišs Tochter Sanǧars Frau wurde (Ibn Funduq, Tārīḫ-i Baihaq, S. 72) und Arslan-Arġu(n) seinen Münzen nach zu urteilen tatsächlich ganz Ḫurāsān kontrollierte – neben Balḫ, Varvārlīz, Marv ar-Rūd, Marv, Saraḫs und Nasā gehören auch Harāt und Nīšāpūr (letzteres: 486–489 H., auf Ibn al-Aṯīr ist also Verlass) zu den Prägeorten seiner Dinare. ANS 1922.211.108 (Nīšāpūr, 486 oder 488 H.?) wurde von Hanne („Death on the Tigris“, S. 152) an entscheidender Stelle falsch gelesen: Arslan-Arġu(n) beansprucht hier mitnichten die Titel as-sulṭān al-muʿaẓẓam und malik al-Islām, auf dem Rev. steht al-malik al-muẓaffar / Muʿizz al-Islām. Nach Fāmī („Tārīḫ-i Harāt“, S. 132 f. = f. 66v–67r) trug Sanǧar zu Beginn seiner Herrschaft den Titel al-malik al-muʾayyid al-muẓaffar al-manṣūr plus jene Ehrennamen, die einst sein Halbbruder Aḥmad (gest. 1088/89) als Malik-Šāhs designierter Thronerbe erhalten hatte: ʿAḍud ad-Daula, Tāǧ al-Milla und ʿUddat Amīr al-Muʾminīn. Ein weiterer laqab des maliks Sanǧar lautete Ǧamāl al-Umma. Auch Arslan-Arġu führte den Ehrennamen ʿAḍud ad-Dunyā wa-’d-Dīn. Der (von qaraḫanidischen Münzen bekannte) Titel findet sich z. B. auf Prägungen aus Balḫ und Valvāliǧ ab 493 H. (bis Sanǧar 512 H. zum Sultan aufsteigt) sowie auf 496 H. in Nīšāpūr und 499 H. in Marv geprägten Dinaren. 493 H. (1099/1100) hatte Sanǧar bei Naušaǧān gegen Berkyaruq gekämpft und seinen stärksten Rivalen um die Macht in Ḫurāsān besiegt: Ḥabašī b. Altun-Taq (Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 27 f.). Dieser war unter Berkyaruq drei Jahre lang amīr-i dād (dād-beg) und amīr al-umarāʾ von Ḫurāsān gewesen und hatte von Dāmġān (wo er seinen Namen auf Münzen prägen ließ) aus neben Westḫurāsān auch Qūmis (inkl. der Festung Girdkūh), Gurgān und Ṭabaristān regiert. Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 385. Paul, „Administrative Legacy“, S. 12; id., Lokale und imperiale Herrschaft, S. 222. Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 67; Horst, Staatsverwaltung, S. 135 (Urkunde Q 2). Dementsprechend war auch hier ein eigener Provinz-mustaufī („Finanzrat“) tätig, s. Ǧuvainī, ʿ­ Ataba, S. 46–48, Horst, Staatsverwaltung, S. 126 f.

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als in Marv aufgehalten zu haben scheint) die Kapitale auch nur durch einen zivilen raʾīs („Vorsteher“)194 und/oder einen hier stationierten amīr-i isfahsālār (d. h. einen Truppenkommandeur) regieren,195 also nicht durch einen „Vollgouverneur“. Wenn der Sultan innerhalb der, wie Paul es nennt, „imperialen Oase“ von und um Marv vertreten wurde, dann jedenfalls kaum in der gleichen Weise wie in den übrigen Kernland-Provinzen, wo nahezu die gesamte Staatsgewalt an Gouverneure delegiert sein konnte (welche folglich mehr als nur reine Militärstatthalter, zivile Vermittler oder Finanzverwalter waren). Beispielsweise hatte der Emir und ḥāǧib (Kammerherr) Falak ad-Dīn ʿAlī b. Sebük-Tegin Čatrī („der Schirmträger“)196 bis zu seiner rebellionsbedingen Hinrichtung (wohl 1152) die Statthalterschaft (iyālat) von Harāt inne,197 während der amīr-i isfahsālār (Heerführer) ʿImād ad-Dīn Qumač – den Sanǧar einen Bruder nannte198 – die Region Balḫ regierte und sogar eine eigene Dynastie gründete.199 Solche von Vasallenfürsten, das heißt mehr oder weniger abhängigen Monarchen inklusive Vizekönigen, zu un194 Zum Amt des raʾīs: Horst, Staatsverwaltung, S. 54–56; Lambton, „Administration“, S. 383–386; Paul, „Local Lords or Rural Notables?“ und (v. a. zum „dörflichen raʾīs“) id., Lokale und imperiale Herrschaft, S. 133 ff. 195 Für beide Posten gibt es Hinweise in einer Urkunde für den mustaufī der Provinz Marv, s. Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 48; Horst, Staatsverwaltung, S. 127 (Urkunde L 1); dazu Lambton, „Administration“, S. 369. Aus dem Urkundentext geht auch hervor, dass der Hof zu selten in Marv war. 196 Den Vatersnamen Sebük-Tegin fand ich in Ibn Funduqs Tārīḫ-i Baihaq (S. 266), wo ʿAlī in Verbindung mit dem Jahr 519 H. (1125/1126) erwähnt ist (man lese ‫ چتری‬statt ‫)ختری‬. Zum ḥāǧib (oder amīr-i bār, s. zu diesem Hofamt bzw. diesen Hofämtern Bundārī, Zubda, S. 117) dürfte ʿAlī nicht vor 1135 ernannt worden sein, weil in den Jahren davor noch der Emir – und Gouverneur von Nīšāpūr (Ḥusainī, Aḫbār, S. 126) – Niẓām ad-Dīn Abū ’l-Qāsim Maḥmūd Kāšānī Kammerherr war (Bundārī, Zubda, S. 158; Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 73–75; Ǧabalī, Dīvān, S. 439 ff.), welcher 1141 in der Qaṭvān-Schlacht gefallen sein soll (Ḥusainī, op. cit., S. 94). Ich denke, dass ʿAlī der in Sanǧars fatḥ-nāma-yi Ḫvārazm (Aḥkām, f. 143v–145v/Barthold, Turkestan  – Teks­ti, S. 44–47) so gelobte, dem Sultan sehr nahestehende „Bruder“ amīr-i isfahsālār Falak ad-Daula wa’d-Dīn ist, welcher in der Schlacht bei Hazārasp (15.11.1138) den rechten Flügel des selǧuqischen Heeres anführte. Dass ʿAlī für Sanǧar in Ḫvārazm kämpfte, geht nämlich aus einem der nicht wenigen Gedichte hervor, die Ǧabalī an „Falak ad-Dīn ʿAlī bār-beg“ richtete (bār-beg = amīr-i bār), s. Dīvān, S. 384–386. Derselben Kasside ist auch zu ennehmen, dass ʿAlī zum Zeitpunkt jenes Ḫvārazm-Feldzugs bereits Verantwortung für Harāt trug. Andere Gedichte beziehen sich auf eine von dieser Stadt aus erfolgte „Eroberung Ġūrs“ (S. 182–186), auf einen Neubau (S. 222 f.) und auf ein Treffen mit dem Mazyadidenfürsten Dubais b. Ṣadaqa (S. 265–267); ein weiteres (S. 55–57) beginnt gleich mit der Aussage, ʿAlī sei „ein Emir, der dem Weltherrscher [Sanǧar] ein Bruder ist“ (’mīrī ki pādišāh-i ǧahān-rā barādar-st). 197 Vor ʿAlī, Anfang des 12. Jh., war der Emir Boz-Quš Sanǧars Gouverneur von Harāt, s. zu ihm u., S. 76 f. 198 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 35–37; Aḥkām, f. 116v. Bei der damals gängigen Betitelung mit Bezeichnungen für Familienmitglieder – s. dazu auch Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 303–305 (oder id., „Khidma“, S. 405) – handelt es sich um eine uralte Praxis; man denke nur an die Amarna-Briefe. 199 Was Ḫurāsāns vierte Metropole Nīšāpūr angeht, so könnte ihr Gouverneur im frühen 12. Jh. der Emir Öner gewesen sein; s. zu ihm u., S. 106, Anm. 468. Ḥusainī (Aḫbār, S. 126) zufolge soll Sanǧar die wilāyat Naisābūr später seinem Kammerherrn Maḥmūd Kāšānī übertragen haben (s. zu ihm o., Anm. 196). Paul (Lokale und imperiale Herrschaft, S. 222) schreibt, dass niemand bekannt

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terscheidende Gouverneure waren in der Regel (freigelassene) Mamlūken (ġilmān), also türkische Militärs, und, zumindest theoretisch, nicht mehr als bestallte Vertreter (­nuvvāb, Sgl. nāʾib) ihres Herrn, auf den all ihre, mitunter beträchtliche, Macht zurückging und dem sie zu Gehorsam verpflichtet waren.200 Manchmal hatten sie neben dem vālī-Amt noch weitere Posten wie den des šiḥnas201 inne und hielten in ihrer Provinz (und/oder anderswo) umfangreiche Lehen (iqṭāʿāt), welche ihnen der Sultan für geleistete oder zu leistende Dienste202 verliehen hatte. Wenn Ämter und Lehen unter solchen Emir-Gouverneuren gelegentlich vererbt wurden, dann allerdings nur von Sanǧars Gnaden, nicht weil ein derartiger Rechtsanspruch bestand.203 Ein weiteres Herrscherrecht, das selbst die großen Gouverneure und muqṭaʿān – Provinzherren wie ʿAlī und Qumač, die beiden nach ca. 1140 dienstältesten und somit autoritärsten Emire204 – in Ḫurāsān (und ähnlich verwalteten Gebieten) nicht besaßen, war das auf Namensnennung in ḫuṭba und sikka. Folglich sind auf den in der Kernprovinz geprägten Münzen so gut wie nie Personen genannt, die in der Rangordnung unter Sanǧar standen. Eine der Ausnahmen stellen Nīšāpūrī-Dinare des Jahres 493 H. (1099/1100) dar, auf denen amīr Ismāʿīl zu lesen ist.205 An gleicher Stelle steht auf anderen, 496, 499, 501 und 504 H. geschlagenen Stücken derselben Münzstätte Nāṣir ad-Dīn, doch handelt es sich in diesem Falle um keinen Emir-laqab. Ibn al-Aṯīr weiß nämlich zu berichten, dass Sanǧar während seiner Zeit als Vizekönig selbst genau die-

sei, der die Provinz Nīšāpūr als Gouverneur gehabt hätte, und nimmt daher an, dass es auch keinen solchen Gouverneur gab. 200 Tatsächlich waren Militärsklaven (ġilmān) keineswegs treuer als andere Soldaten, s. Tor, „Mamlūk Loyalty“. 201 Der šiḥna, ein militärischer „Präfekt“, war mit seinen Truppen für die öffentliche Sicherheit und Ordnung in einem bestimmten Gebiet zuständig; s. etwa Horst, Staatsverwaltung, S. 93–96. Dabei konnte er als lokaler Polizeichef einem Gouvernneur unterstehen oder vom Herrscher als Militärstatthalter mit besonderen Aufgaben wie der Aufsicht über bestimmte Nomaden, unterworfene Fürsten oder das Bagdader Kalifat betraut sein. Für eine Unterscheidung zwischen „Territorial-­ šiḥna“ und „Gruppen-šiḥna“ s. Durand-Guédy, „Türkmen-Saljūq relationship“, S. 23 (eine Übersetzung mit „Vizekönig“ wäre ganz falsch). 202 Zum Thema ḫidma(t): Paul, „Khidma“ und (ausführlichst) id., Lokale und imperiale Herrschaft, S. 231 f. („Ḫidma als Konzept“), S. 259 ff. („Ḫidma in der Praxis“). 203 Lambton, „Administration“, S. 370–374; Horst, Staatsverwaltung, S. 46–48 (zur Macht eines Gouverneurs) und 61–67 (zum Lehenswesen); Agadshanow, Seldschukiden, S. 195 ff.; ganz ausführlich zur iqṭāʿ-Problematik: Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 378 ff. (s. davor auch S. 215 f.). 204 Bundārī, Zubda, S. 276: akābir ad-daula […] wa-aqdam minhum Qumāǧ wa-ʿAlī al-Ǧatrī. 205 Ramadan, SNAT XIV a, S. 68 f., Nr. 664. Wer dieser Ismāʿīl war, ist unklar. Man könnte an den Emir von Ṭabas in Quhistān denken. Dieser war zwar Ismāʿīlit, aber trotzdem ein Verbündeter des amīr-i dād Ḥabašī b. Altun-Taq, welcher Berkyaruq als amīr al-umarāʾ von Ḫurāsān diente (bis ihn der malik Sanǧar 1099/1100 besiegte, s. o., S. 54, Anm. 189). Muʿizzī und Ǧabalī, Hofpoeten der Selǧuqen, verfassten sogar Lobgedichte auf Ḥusām ad-Dīn Abū ’l-Muẓaffar Ismāʿīl b. Muḥammad Gīlakī (Tetley, Ghaznavid and Seljuq Turks, S. 137 f.) und Sanǧars Emir Öner soll ihn (auf Anordnung von oben) einmal in Nīšāpūr willkommen geheißen haben (Ġaznavī, Maqāmāt-i Žanda-Pīl, tr. Moayyad/Lewis, S. 238).

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sen Ehrennamen führte und auch Muʿizzī nennt den malik al-mašriq so.206 Als Muʿizz ad-Dunyā wa-’d-Dīn, das heißt als Sultan, trug Sanǧar dann unter anderem den Titel Nāṣir Dīn Allāh. Auf eine andere, besonders interessante Ausnahme stieß ich bei näherer Betrachtung eines Dinartyps, welcher (wie erst jetzt klar ist) 509–511 H. (1116–1117) in Balḫ und Valvāliǧ geprägt wurde.207 Sanǧar ist darauf als Vasall seines Bruders aufgeführt und trägt dementsprechend noch den laqab ʿUddat Amīr al-Muʾminīn (welchen er als Sultan in Burhān Amīr al-Muʾminīn änderte). Daneben, genauer gesagt: rechts und links im Revers-Feld, finden sich zwei Ehrennamen, welche nicht Sanǧar gehören: Ṣadr ad-Dīn und Niẓām al-Islām. Überhaupt sind dies keine fürstlichen alqāb. Die Nomina regentes lassen vielmehr an einen Wesir (ṣadr) denken und tatsächlich führte der 500 H. (1106) bestallte Chef der ḫurāsānischen Zentralverwaltung, Abū Ǧaʿfar Muḥammad b. Faḫr al-Mulk, die Ehrennamen Ṣadr ad-Dīn und, wie ein Brief von seinem irakischen Amtkollegen belegt, Niẓām al-Islām.208 Darüber hinaus war ebendieser Wesir, wie aufzuzeigen sein wird, speziell mit Balḫ verbunden; das rund 30 km nördlich der Stadt aufragende Minarett von Zādiyān aus dem Jahre 502 H. (1108/1109) wurde wahrscheinlich in seinem Auftrag errichtet.209 Meiner Meinung nach liegt also die einzige 206 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 182. Auf 486–489 H. in Nīšāpūr geprägten Münzen Berkyaruqs (Ramadan, SNAT XIV a, S. 66–68, Nr. 650–655) findet sich – an gleicher Stelle – dessen laqab Rukn ad-Dīn. Vermutlich brachte Sanǧar frische Ehrennamen aus Bagdad mit, wo er ja 494 H. vom Kalifen empfangen und ausgezeichnet worden war. Mit Erlangung des Sultanats wurde der laqab Nāṣir ad-Dīn – welcher ebenso auf Münzen aus Harāt (494 H., 511 H.), Marv (499 H.?) und Balḫ (511/512 H.) vorkommt – in Muʿizz ad-Dunyā wa-’d-Dīn geändert. 207 Schwarz publizierte drei solcher Stücke, rekonstruierte aber falsch [50]1 statt [51]1 H.: SNAT XIV c, S. 95, Nr. 771 f. (Balḫ; außer al-Islām nach Niẓām sei ergänzt, dass auf die Mzst.-Datum-Formel noch naṣr min Allāh wa-fatḥ qarīb folgt) und S. 150 f., Nr. 1293 (Valvāliǧ = Kunduz; auf dem Av. steht rechts ʿUdda statt ʿAḍud). Ein viertes wurde damals übersehen: FINT 1994-15-15 (wohl Balḫ). Mittlerweile gehören zur FINT-Sammlung noch sechs weitere Exemplare: 2001-13-92 (511 H., wohl Balḫ), 2002-16-60 und 2003-16-150 (beide: Valvāliǧ, 510 H.), 2003-16-151 (Balḫ, 509 H., hier: Niẓām / ad-Dīn), 2008-13-59 (Balḫ), 2010-7-14 (wohl Balḫ). S. auch Zeno Nr. 134393 (wohl Balḫ) und 3713 (Valvāliǧ, 510 H.). Es gibt auch eine Variante, bei der auf dem Av. nicht Allāh aḥad / Allāh aṣ-ṣamad steht, sondern Niẓām / al-Islām – der laqab also wiederholt ist – und auf naṣr min Allāh wa-fatḥ qarīb noch wa-baššir al-muʾminīn (Koran, 61:13) folgt. Auf allen Exemplaren enthält das Rev.-Feld einen Teil des Thronverses (worauf Sanǧars Königstitel in der grammatikalisch falschen Form al-malik al-mašriq folgt, weshalb Schwarz al-malik al-mušarraf las). Im Av.-Feld der Balḫer Dinare findet sich ab 510 H. die Formel rabb iḫtim / bi-ḫair („Lass es gut ausgehen, Herr!“; manchmal scheint ‫ مخير‬zu stehen), womit genau wie mit naṣr min Allāh usw. auf den Krieg gegen den Ġaznaviden Malik-Arslan (s. u., S. 105 ff.) Bezug genommen wurde. 208 Ġazālī, Faḍāʾil al-anām, S. 79; s. zudem Muʿizzī, Dīvān, S. 433. Der andere Vers, den Eqbāl (Vezārat, S. 232) in diesem Zusammenhang zitiert, dürfte nicht auf Ṣadr ad-Dīn bezogen sein, s. Muʿizzī, op. cit., S. 329. 209 Zādiyān ist ein Dorf im Daulatābād-Distrikt. Das beeindruckende Bauwerk – s. Sourdel-Thomine, „Deux minarets“, S. 122 ff.; TEI Nr. 34447 – umlaufen zwei Inschriftbänder, von denen das obere das Jahr 502 H. enthält und das untere verrät: amara bi-bināʾ hāḏihi ’l-manāra al-amīr al-aǧall assaiyid Muʿtamid ad-Daula Faḫr al-Umarāʾ Abū Ǧaʿfar Muḥammad b. ʿAlī al-[xxx]. Dass Ṣadr adDīns kunya Abū Ǧaʿfar lautete (Eqbāl, Vezārat, S. 231: Abū ’l-Ḥasan) und sein Vater, Faḫr al-Mulk

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Nennung eines selǧuqischen Wesirs in der sikka vor und zudem die allerletzte Wesirsnennung auf einer Münze überhaupt! Wesire wurden ja vor allem vom 9. bis ins 10. Jahrhundert hin und wieder in der sikka aufgeführt; in der Zeit danach blieb dieses Privileg selbst einem Niẓām al-Mulk verwehrt. Es stellt sich daher die Frage nach dem Grund für Ṣadr ad-Dīns anachronistische Nennung. Zunächst kann man vermuten, dass sie gar nicht in seiner Eigenschaft als Wesir erfolgte, sondern in der Rolle eines Gouverneurs (und/oder Lehensinhabers) der Region Balḫ, doch hatte jenen Posten ja definitiv Qumač inne (und wäre ein ḫurāsānischer vālī/muqṭaʿ in der sikka ebenfalls gegen die Norm). Wenn Ṣadr adDīn als Wesir genannt ist, dann vielleicht allein auf sein persönliches, eigenmächtiges Betreiben hin, jedenfalls nicht regulär, wie das Fehlen seines Namens auf Prägungen anderer Münzstätten zeigt. Eventuell nutzte er seine (damals kulminierende) Macht und Präsenz in Balḫ für eine entsprechende Intervention aus politischem Ehrgeiz, einen Vorstoß, dem Wesirat frischen Glanz zu verleihen und seine Stellung insbesondere gegenüber der Militärführung sichtbar zu unterstreichen. Wie wir noch sehen werden, würde ein solches Übertrumpfungsmanöver bestens zu dem Niẓām-al-Mulk-Enkel Ṣadr ad-Dīn passen, der offenbar sehr ambitioniert und selbstbewusst war, das Gegenteil von bescheiden und ein erklärter Feind der Emire, welche damals bekanntlich immer dominanter wurden, während die Wesire allmählich an Geltung verloren (s. u.). Ich neige deshalb dazu, Ṣadr ad-Dīns Gastspiel in der sikka in ebendiesem Spannungsfeld zu sehen, als Akt der Selbstinszenierung und nachdrückliche Betonung eines Autoritätsanspruchs, den es im Konflikt mit einflussreichen Militärs zu behaupten galt. Auf Grund der Schlüsselrolle, die ihm in der Geschichte des Sanǧar-Reiches zukommt, ist es angebracht, noch ein paar mehr Worte über den amīr al-umarāʾ-i laškar und sipah-dār-i buzurg210 Qumač zu verlieren, genauer gesagt darüber, mit wem wir es eigentlich zu tun haben. Ganz abgesehen davon, dass die Reihe seiner Nachkommen einiges Verwirrungspotential besitzt,211 stellt sich nämlich folgende Frage: Ist er, der langjährige Gouverneur von Balḫ, auch der Atabeg Qumač, welcher Sanǧar 1097 von Berkyaruq zur Seite gestellt wurde,212 und/oder kann man ihn mit jenem Qumač gleichsetzen, den zum Beispiel Nīšāpūrī213 als ḥāǧib Malik-Šāhs I. und Berkyaruqs erwähnt? Nun, zunächst einmal dürfte es so sein, dass der Prinzentutor und der Kammerherr identisch sind.214 Dies geht unter anderem daraus hervor, dass der mit Sanǧar nach

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(gest. 1106), ʿAlī hieß (die Information fehlt bei Eqbāl), sagt Ibn al-Aṯīr (al-Kāmil, Bd. IX, S. 100, 182). Interessant ist auch, dass der Wesir als Emir bezeichnet ist. Beide Titel („Emir der Emire des Heeres“ und „großer Heerführer“) bei Munšī Kirmānī, Nasāʾim, S. 70. Diese Problematik erfordert eine separate Studie. Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 8. Bundārī (Zubda, S. 265) spricht auch von Sanǧars Atabeg, nennt diesen aber merkwürdigerweise nur kaǧ-kulāh (s. zu diesem Begriff u., S. 60). Salǧūq-nāma, S. 34, 43. Dies nimmt auch Lambton (Continuity and Change, S. 228) an.

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Ḫurāsān geschickte Atabeg zumindest in Rašīd ad-Dīns Adaption des Salǧūq-­nāma den Titel amīr ḥāǧib trägt.215 Außerdem meint Ibn al-Aṯīr wohl den Kammerherrn, wenn er angibt, dass ein Emir Qumač von Berkyaruq Baṣra als iqtāʿ erhielt und einen Stellvertreter in die Stadt schickte, später aber mit Berkyaruq brach und nach Ḫurāsān

ging.216 Möglicherweise ist dies ferner jener Emir Qumač, der nach Malik-Šāhs Tod zunächst Sultan Maḥmūd I. (reg. 1092–1094) in Iṣfahān unterstützte und Berkyaruqs Wesir Faḫr al-Mulk überfiel,217 doch gab es definitiv auch noch einen anderen Qumač, „einen der größten Emire Bagdads“, der erst 562 H. (1166/1167) verstarb und wie sein Sohn Yazdan dem Kalifen diente (er trug die nisba al-Mustaršidī).218 Wären nun der ehemalige ḥāǧib, welcher als Sanǧars Tutor nach Osten kam, und der vālī von Balḫ ein und dieselbe Person (Agadshanow219, Peacock220 und Tetley221 etwa halten den Gouverneur für den ehemaligen Atabeg), würde dies nicht nur bedeuten, dass dieser Emir ziemlich alt wurde – ʿImād ad-Dīn Qumač fiel ja erst 1153 im Kampf gegen die Oġuz –; man müsste sich auch darüber wundern, dass es in einer Urkunde so klingt, als hätte der isfahsālār seine Karriere in Sanǧars Dienst begonnen;222 immerhin trifft dies schwerlich auf jemanden zu, der vor 1097 schon Kammerherr mindestens zweier Sultane war und als solcher im Übrigen muqṭaʿ von Abhar, Zanǧān, Rūdbār, Qazvīn, Alamūt, Ṭārum und ganz Arrān.223 Des Weiteren wird weder in besagter Urkunde noch in irgendeiner anderen Quelle auch nur angedeutet, dass es sich bei Sanǧars Statthalter um den einstigen Atabeg handelte, was doch gewiss erwähnenswert gewesen wäre. Ich glaube daher, dass ʿImād ad-Dīn Qumač erst als einer von Sanǧars Mamlūken aufstieg und nicht mit dem ḥāǧib/Atabeg zu identifizieren ist. Letzterer hatte sein Leben wahrscheinlich noch im selben Jahr beschlossen, in dem er nach Ḫurāsān gekommen war; jedenfalls erwähnt Ibn al-Aṯīr ganz beiläufig, dass ein Emir Qumač verstarb, während Berkyaruq 1097 in Marv weilte!224

215 Rašīd ad-Dīn, Ǧāmiʿ – Selǧuqen, S. 43; in dem von Morton edierten Text, s. Nīšāpūrī, Salǧūq-­ nāma, S. 38, und bei Rāvandī (Rāḥa, S. 143) fehlt dieser Titel allerdings. 216 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 52. 217 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. VIII, S. 495. 218 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. X, S. 7 und Bd. IX, S. 464. 219 Seldschukiden, S. 261. 220 Great Seljuk Empire, S. 106. 221 Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 193. Tetley gibt zudem fälschlich an, der Atabeg sei Sanǧars ḥāǧib geworden. 222 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 75. 223 Munšī Kirmānī, Nasāʾim, S. 64. Zu Qumačs nāʾib für diese nordwestiranischen Gebiete ernannte der Wesir Niẓām al-Mulk den Kāšāner Nāṣiḥ al-Mulūk ʿAzīz al-Ḥaḍra Ṣafī ’d-Dīn Abū Ṭāhir Ismāʿīl, der auch als Qumačs kadḫudā (eine Art Verwalter) bezeichnet wird (Rašīd ad-Dīn, Ǧāmiʿ – Selǧuqen, S. 71; Qāšānī, Zubda – Selǧuqen, S. 52 – anders als Tetley, Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 194, meint, ist der Salǧūq-nāma-Zusatz nicht die einzige Quelle zu dieser Person) und der Onkel von Sanǧars späterem Wesir Muʿīn ad-Dīn Muḫtaṣṣ al-Mulk Abū Naṣr Aḥmad b. Fażl al-Kāšī (1124–1127 im Amt) ist. 224 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 9.

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Ist diese Annahme korrekt, finden sich die chronologisch frühesten Erwähnungen von Sanǧars Balḫer Gouverneur und Heerführer nicht eher als in Zusammenhang mit Ereignissen des Jahres 1114 (s. dazu u., S. 88), dem Mord an Sanǧars oben erwähntem Wesir Ṣadr ad-Dīn im April 1118 und dem Amtsantritt von Niẓām ad-Dīn Toġan-Beg225 Muḥammad b. Sulaimān al-Kāšġarī, einem der folgenden Wesire, anno 1122. Stets tritt ʿImād ad-Dīn Qumač als jemand in Erscheinung, der bereits über beachtlichen Einfluss verfügt; laut Munšī Kirmānī war er Inhaber einer Sonderstellung, der „ranghöchste Statthalter des Sultanats“ (qarm-i muqaddam-i mamlakat va nāʾib-i aršad-i salṭanat).226 Folgen wir dem anekdotischen Bericht, welcher sich zu Ṣadr adDīn Muḥammads Ende in Bundārīs Zubdat an-nuṣra findet,227 riet und half Qumač seinem Herrscher als kluger, verlässlicher Vertrauter, jenen Skandal zu vertuschen, in dem sich eines Morgens die Spannungen zwischen Ṣadr ad-Dīn und einem ġulām namens Qaimaz entluden. Letzterer war Sanǧars Liebling und fiel dadurch auf, dass er seine Mütze schief zu tragen pflegte. Diese modische Extravaganz brachte ihm den Spitznamen kaǧ-kulāh ein228 und bot dem Wesir offenbar Anlass zu ständigen Sticheleien, aus denen bald gegenseitige Drohungen wurden. Als Sanǧar dann einmal gemeinsam mit Qaimaz in Ṣadr ad-Dīns Balḫer Haus übernachtete, soll er von Wein und Liebe für seinen Favoriten229 derart trunken gewesen sein, dass es dem ġulām möglich war, heimlich das Herrschersiegel230 zu entwenden, sich damit (scheinbar autorisiert) Zutritt zu den Gemächern des Gastgebers zu verschaffen und Ṣadr ad-Dīn im Schlaf zu enthaupten. Das ging natürlich entschieden zu weit. Der beim Anblick des ihm präsentierten Kopfes entsetzte und – wie es in der Quelle weiter heißt – schlagartig wieder nüchterne Selǧuqe rief nach Qumač, welcher ihm empfahl, Fassung zu bewahren, den Tatort zu verlassen und sein Ansehen nicht dadurch zu beschädigen, das Geschehene durch überstürzte Aktionen an die Öffentlich dringen zu lassen. Diesem Rat folgte Sanǧar und so wurde Qaimaz nicht gleich in Stücke gehackt, sondern erst nach einer Weile beseitigt. 225 Die Lesung toġan ist nicht sicher. Da in den Quellen neben ‫ تغار‬noch ‫ يغان‬vorkommt, ist auch Yaġan-Beg möglich; Eqbāl (Vezārat, S. 252 f.) preferrierte auf Grund von Muʿizzī-Versen YabġūBeg. 226 Munšī Kirmānī, Nasāʾim, S. 61 (die Grundbedeutung von qarm ist wohlgemerkt „Zuchthengst“); Ḫvāndamīr, Dastūr al-wuzarāʾ, S. 191 (wo Qumač als ḥākim und muqarrabtarīn-i arkān-i daulat bezeichnet ist). Vielleicht konnte Qumač (ebenso wie Öner, s. zu ihm u., S. 106) von dem Vakuum profitieren, das Boz-Quš, der bis zu seinem Tod 1104/1105 größte Heerführer Sanǧars, hinterlassen hatte (s. zu ihm u., S. 76 f.). 227 Bundārī, Zubda, S. 265–267; s. dazu auch Eqbāl, Vezārat, S. 232 f.; Peacock, Great Seljuk Empire, S. 178; Klausner, Seljuk Vezirate, S. 134, Anm. 27. 228 Es ist bemerkenswert, dass kaǧ-kulāh hier in seiner wörtlichen Bedeutung gebraucht wurde; in der Regel steht der Ausdruck ideomatisch für „Beau“ oder „Modegeck“ und wird v. a. in der Poesie als Bezeichnung für den Geliebten gebraucht. 229 Beide, Sanǧar und Qaimaz, schauten sich tief in die Augen und hielten Händchen (Bundārī, Zubda, S. 266: ʿainuhū fī ʿain al-mamlūk wa-yaduhū fī yadihī). 230 Ein Ring? S. zum unklaren ḫātim-Einsatz seitens des Herrschers: Horst, Staatsverwaltung, S. 36.

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Dass Ṣadr ad-Dīn 1118 in Balḫ eines gewaltsamen Todes starb, sagt auch Ibn alAṯīr,231 doch lesen wir bei ihm von anderen Umständen. Nach seiner Version, in der die „Schiefmütze“ keine Rolle spielt, entsprach Sanǧar Beschwerden vonseiten der Emire, indem er die Gefangennahme und Hinrichtung des Wesirs selbst in Auftrag gab.232 Für diese (im Nachhinein bedauerte) Entscheidung soll eine ganze Reihe von Gründen vorgelegen haben, darunter in erster Linie Ṣadr ad-Dīns starke Animosität gegenüber den Emiren,233 sein wiederholtes Kollaborieren mit dem Feind – angeblich ließ er sich dafür bezahlen, Sanǧar vom Kampf abzuraten – sowie seine ungenierte Bereicherung an den Schätzen Ġaznas (s. dazu u., S. 108).234 Es ergibt sich also die Frage, ob der einzig von Bundārī überlieferte Zwischenfall nun umso mehr bezweifeln werden darf oder gar Ibn al-Aṯīrs Version nur auf dem beruht, was Sanǧar anstelle der Wahrheit verbreiten ließ. Ich denke, dass beide Versionen zumindest teilweise in Einklang gebracht werden können, zieht man noch zwei weitere Quellen heran. Die kurzen Abschnitte, die Ṣadr ad-Dīn von Munšī Kirmānī und Ḫvāndamīr gewidmet sind, enthalten nämlich sowohl eine Bestätigung der Aussagen Ibn al-Aṯīrs als auch die Angabe, der Wesir sei auf einer privaten Festlichkeit (maǧlis-i uns va ṭarab) von Höflingen (mulāzimān-i dargāh) durch Streitkolbenschläge getötet worden.235 Was Kāšġarī angeht, so erhielt er das Wesirat 1122 gegen ein exorbitantes Bestechungsgeld von einer Million Nīšāpūrī-Dinare, wobei ihn Qumač als sein Gönner unterstützte oder (laut Ḫvāndamīr) sogar selbst die Summe für den Mann zahlte, der bis dahin mit der Aufsicht über die Finanzen (żabṭ-i amvāl/ʿamal va taṣarruf) von – man ahnt es – Balḫ betraut gewesen war. Um von seinem Schachzug (seiner Investition) zu profitieren, hatte der amīr-i isfahsālār allerdings nicht lange Zeit: Schon zwei Jahre später wurde Kāšġarī wegen seiner Inkompetenz als Leiter der Zentralverwaltung wieder abge- und nach Turkestan strafversetzt.236 Sanǧars übernächster Wesir Naṣīr adDīn Abū ’l-Qāsim Maḥmūd b. al-Muẓaffar b. ʿAbd al-Malik b. Abī Tauba al-Marwazī (al-Ḫvārazmī?) sollte noch tiefer fallen. 1127 ins Amt gekommen, verstrickte sich der ambitionierte Rechtsgelehrte letztlich in eine für uns sehr interessante Affäre, ein In­ trigenspiel, zu dessen Beteiligten außer Qumač noch andere Spitzenemire gehören 231 Sowie Ibn Funduq, Tārīḫ-i Baihaq, S. 75. 232 Die Entscheidung fiel noch in der frisch eroberten Ġaznaviden-Hauptstadt, doch erklärte Sanǧar seinen Emiren, dass es unmöglich sei, den Wesir gleich in Ġazna zu töten. 233 Ibn al-Aṯīr: waḥ(ḥ)aša ’l-umarāʾ wa-’staḫaffa bihim und min īḥāšihī ’l-umarāʾ – er verachtete die Militärführer also und entfremdete sie (dem Herrscher?), ließ sie sich allein fühlen, machte sie beklommen. 234 Ibn al-Aṯīr; al-Kāmil, Bd. IX, S. 182. 235 Munšī Kirmānī, Nasāʾim, S. 58; Ḫvāndamīr, Dastūr al-wuzarāʾ, S. 188 f. Beide begründen den Hass auf Ṣadr ad-Dīn mit dessen Bereicherung an Juwelen aus den ġaznavidischen Schatzkammern. Zumindest Ḫvāndamīr macht völlig klar, dass Sanǧar selbst wutentbrannt den Befehl zur Vernichtung des Wesirs erteilte. Dass Ṣadr ad-Dīn der Zorn des Sultans traf, ist ferner im Muǧmal at-tawārīḫ (S. 412) zu lesen. 236 Munšī Kirmānī, Nasāʾim, S. 61–63; Ḫvāndamīr, Dastūr al-wuzarāʾ, S. 191–194.

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und in dem es nicht zuletzt auch wieder um Korruption geht. Hier ist zwar nicht der Raum, die Geschichte in all ihren Einzelheiten zu erzählen, doch sollen kurz einige wesentliche Zusammenhänge aufgezeigt werden, zumal die Affäre bisher (soweit ich sehe) nur sinnentstellt geschildert wurde.237 Aus Qummīs Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, der ältesten Quelle,238 geht hervor, dass Naṣīr ad-Dīn von Qumač und einigen anderen Großen des Reiches gezielt dazu aufgestachelt worden war, gegen den mächtigen amīr-i aǧall Iḫtiyār ad-Dīn Ǧauhar vorzugehen.239 Die Gruppe um den Herrn von Balḫ packte, so heißt es wörtlich, die Schlange mit der Hand des Wesirs (ba dast-i ū mār giriftand),240 was in etwa so viel bedeutet wie, dass sie Naṣīr ad-Dīn für sich die Kastanien aus dem Feuer holen ließ. Qumač wollte also mitnichten Ǧauhar in die Stellung von Naṣīr ad-Dīn bringen, wie E. Wiedemann und K. Kohl (in Anlehnung an F. Krenkow) schreiben;241 er versuchte vielmehr, den amtierenden Wesir gegen seinen (wahrscheinlich beneideten) Konkurrenten zu instrumentalisieren. Iḫtiyār ad-Dīn Ǧauhar at-Tāǧī war ein schwarzer (ḥabašī) Eunuch (ḫādim) aus dem Nachlass von Sanǧars Mutter und um das Jahr 1130 der vertrauteste (muqarrab) Emir des obersten Selǧuqenherrschers.242 Als absoluter Liebling seiner Majestät konnte er sich einiges erlauben und derart viel Geld und Macht akkumulieren, dass er den Menschen geradezu wie ein zweiter Sultan vorkam.243 Qummī betont die herausragende Stellung des dunkelhäutigen Favoriten folgendermaßen: „Nie wurde in der Epoche des Islams bekannt, dass ein Mächtigerer und Glücksbegünstigterer als er aus Abessinien kam. Zu seiner Zeit war er das Schwarze des Auges und die übrigen Emire [zusammen nur] das Weiße. Auf dem Antlitz der Welt jener Tage erschien er als entzückendes Schönheitsmal. Sein Schwarz war das Schwarz der Nacht, welches

237 Bei Klausner (Seljuk Vezirate) und Eqbāl (Vezārat) – dessen Abschnitt zu Naṣīr ad-Dīn (S. 263 f.) überhaupt sehr kurz ist – steht gar kein Wort dazu. 238 S. Luther, „New Source“; die Darstellungen Munšī Kirmānīs, Ḫvāndamīrs und ʿUqailīs basieren auf der Qummīs (eines irakselǧuqischen Beamten, welcher seine Wesirsgeschichte in der zweiten Hälfte des 12. Jh. verfasste). 239 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 3 (und Munšī Kirmānī, Nasāʾim, S. 70): ū-rā dar ašrāf bar-ān dāštand ki qaṣd-i amīr-i aǧall Iḫtiyār ad-Dīn Ǧauhar-i ḫādim kard; bei Ḫvāndamīr (Dastūr alwuzarāʾ, S. 199) sind die ašrāf einige Emire und arkān-i daulat. 240 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 4; Munšī Kirmānī, Nasāʾim, S. 70. 241 Wiedemann/Kohl, „al Charaqî“, S. 213; Krenkow übersetzte aus Ḫvāndamīrs Dastūr al-wuzarāʾ. 242 Bundārī, Zubda, S. 273 f. Im Text heißt es: kāna mamlūk ummihī wa-min ḫawāṣṣ ḫadamihā. Die Sultansmutter Safariyya-Ḫatun (s. zu ihr u., S. 133) trug den laqab Tāǧ ad-Dunyā wa-’d-Dīn – daher Ǧauhars nisba! Ǧauhar – „who“, wie Ayalon wiederholt schrieb (Eunuchs, S. 160; „Mamlūks of the Seljuks“, S. 331), „deserves a much more detailed discussion“ – fiel 1140 den Assassinen zum Opfer; Bundārī zufolge war Sanǧar in den Mord verwickelt. 243 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 3: dar ān mulk sulṭān-i duvvum būd; Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 6: ḫādim Sanǧar […] kāna mustauliyan ʿalā mamlakatihī mutaḥakkiman fīhā; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 315: huwa min ḫadam as-sulṭān Sanǧar wa-kāna qad ḥakama fī ­daulatihī wa-ǧamīʿan min ǧumlat iqṭāʿihī […] wa-kāna sāʾir ʿaskar as-sulṭān yaḫdimūnahū wa-yaqifūna bi-bābihī.

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ansprechend und wohlgefällig ist. Die türkischen Emire erfuhren durch den abessinischen Eunuchen eine solche Beschmückung wie das Gesicht und die Ohrspitze durch eine schwarze Locke.“244

Ǧauhar – welcher bis zu seinem Tod muqṭaʿ der Provinz von Rayy war – soll so viel

Macht besessen haben, dass die gegen ihn eingeleitete Ermittlung des Wesirs dem Vorgehen einer Mücke gegen einen Elefanten glich.245 Als Naṣīr ad-Dīn 1132 daranging, seinen irakischen Amtskollegen Abū ’l-Qāsim ad-Darguzīnī (wir werden ihn noch kennen lernen) für das Jahr 526 H. mit einem Teil von Rayy zu belehnen, verhinderte Iḫtiyār ad-Dīn dies, weshalb ihn der Wesir grob anfuhr.246 Das Hauptvergehen, dessen Ǧauhar Munšī Kirmānīs Bericht zufolge beschuldigt wurde, bestand darin, ohne Erlaubnis (iǧāzat) und signierten Erlass (tauqīʿ)247 des Monarchen auf zahlreiche iqṭāʿāt zugegriffen und sich so unrechtmäßig an dīvān-Steuern (amvāl-i sulṭānī va mutavaǧǧihāt-i dīvānī) bereichert zu haben.248 Um die Sache weiter zu verfolgen, wurde eine Konferenz einberufen, an der zwar nicht Ǧauhar selbst, aber sein kadḫudā249 Ṯiqat ad-Dīn Abū Ǧaʿfar teilnahm. Agadshanow gibt falsch an, Abū Ǧaʿfar habe als Qumačs kadḫudā gedient, und bringt auch sonst fast alles durcheinander. So verwechselt er ʿImād ad-Dīn Qumač mit dessen Sohn ʿAlāʾ ad-Dīn, dem er die nordwestiranischen iqṭāʿāt des ḥāǧibs Qumač (s. o.) gibt, und meint, dass Ǧauhar ebendiese Lehen für den Heerführer Qumač verwaltete, ehe er sich ihrer illegal be-

244 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 4: dar ʿahd-i islām nišān natavān dād ki qāhirtar va ṣāhib-qirāntar az ū az Ḥabaša bīrūn āmad savād-i čašm-i rūzgār būd va dīgār umarā bayāż bar rū-yi zamāna ḫāl-i dil-rubā āmad siyāhī-yi ū siyāhī-yi šab būd ki pasandīda va nīkū bāšad umarā-yi Turk-rā az ḫvāǧayi ḥabašī čunān zīnat bāšad ki rūy va banā-gūš-rā az zulf-i siyāh (im Folgenden wird noch darauf hingewiesen, dass sich Schwarz auch als Farbe des Kalifats auszeichnet). S. zu ṣāhib-qirān o., S. 29, Anm. 69. Bei „Abessinien“ darf an das ganze Horn von Afrika gedacht werden. Ḫvāǧa gehört zur Reihe der Eunuchentitel und ließe sich, den Euphemismus erhaltend, ebenso mit „Meister“ o. Ä. übersetzen. In der persischen Dichtung galten Türken als weiß; die Schwarzen, mit denen sie gern kontrastiert wurden, waren für gewöhnlich nicht die Abessinier, sondern die Inder. 245 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 4: iżāfat-i Naṣīr ad-Dīn bā amīr-i aǧall iżāfat-i paš(š)a būd bā pīl. 246 Bundārī, Zubda, S. 157 f.: anʿama [gemeint ist Sanǧars Wesir] ʿalā ’d-Darkuzīnī bi-farʿ ar-Raiy li-­ tilka ’s-sanna fa-inna ’r-Raiy kānat min al-aʿmāl as-sanǧarīya wa-wālīhā min aṣḥābihā al-aǧall al-­ muqarrab Ǧauhar al-maʿrūf bi-’l-amīr al-aǧall fa-lammā farraʿa ’l-wazīr al-farʿ wa-wazzaʿahū ­manaʿahū al-amīr al-aǧall wa-wazaʿahū fa-aġlaẓa ’l-wazīr lahū fī ’l-maqāl wa-kāna ḏālika min al-­ asbāb ḥatfihī fī ’l-maʾāl. 247 Tauqīʿ kann sowohl einen Erlass oder ein Dekret meinen als auch die – sonst (exakter) ʿalāma genannte – (fromme) Devise, welche als eigenhändige Unterschrift des Herrschers fungierte. 248 Munšī Kirmānī, Nasāʾim, S. 70 (wo auch steht: hama-yi milk/mulk dar dast-i amīr Ǧauhar-i ḫādim ast); Ḫvāndamīr, Dastūr al-wuzarāʾ, S. 200; bei Qummī klafft leider eine größere Textlücke. Zu dīvān-Steuern: Horst, Staatsverwaltung, S. 73, 76 f. 249 Das Amt des kadḫudā entspricht quasi dem eines Wesirs für Emir-Gouverneure. Es handelt sich um eine Art Sekretär oder Verwaltungsassistent (iqṭāʾ-Verwaltung); viele kadḫudā stiegen später zu Wesiren auf.

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mächtigte und damit auf den Widerstand Abū Ǧaʿfars stieß.250 In Wahrheit beschwerte sich letzterer nicht beim Wesir über Ǧauhar, sondern verteidigte den Eunuchen (der ja sein Herr war) gegenüber Naṣīr ad-Dīn, indem er auf besagter Versammlung unter anderem konterte, dass es nun einmal gewisse Mittel (vuǧūḥ) benötige, Tag für Tag 10 000 Militärsklaven (ġilmān)251 zu unterhalten. Auch warnte er den Wesir, infolge seiner Anfeindungen selbst Schande auf sich zu laden, doch ließ sich der Rechtsgelehrte davon nicht beirren. Beide Streitparteien blieben bei ihren unverblümt dargelegten Standpunkten, woraufhin schließlich Sanǧar entschied, dass der Fall in aller Gründlichkeit vor ihm persönlich zu verhandeln sei. Als Ǧauhar von dieser Absicht des Sultans erfuhr, geriet er in höchste Aufregung und wandte sich an niemand geringeren als ʿAlī Čatrī. Dass letzterer ihm sogleich mit Rat und Tat zur Seite stand, lässt auf die Fronten schließen, die zwischen den großen Emiren verliefen; offenbar gehörte ʿAlī nicht zur Gruppe um Qumač, war eventuell sogar dessen Feind.252 Was im Folgenden geschah, lässt sich so zusammenfassen: ʿAlī zeigte sich gegenüber Sanǧar von seiner witzigsten, eloquentesten Seite und überredete ihn zu einer Party, indem er mit einem besonderen Präsent lockte: zwei ġilmān, deren Schönheit sogar die ewig jungen Knaben (wildān muḫalladūn) des Paradieses253 neidisch machte. Wie sich unterwegs herausstellte, fand die Feierlichkeit jedoch nicht bei ʿAlī selbst statt – welcher erklärte, weder dafür noch für besagte ġilmān genügend Geld zu haben –, sondern im Haus Ǧauhars und der ließ sich nicht lumpen. Gemäß ʿAlīs Plan wartete er mit jeder erdenklichen, das Leben verschönernden Herrlichkeit auf und beschenkte Sanǧar mit allem, was er an Kostbarkeiten zu bieten hatte, darunter vierzig Sängersklavinnen.254 Gleichzeitig wurde ʿAlī nicht müde, in amüsanter Weise auf den Selǧuqen einzureden und so erreichte man schließlich, dass sich der Sultan sehr zufrieden zeigte und kein Interesse mehr daran hatte, den von Naṣīr ad-Dīn erhobenen Anschuldigungen nachzugehen. Sanǧar teilte seinem Wesir mit, dass er in der Sache Gnade vor Recht ergehen lassen wolle und wünsche, dass er, Naṣīr ad-Dīn, nun ebenfalls mit Ǧauhar Frieden schließe. Mit dieser Entscheidung war der Wesir ausgebremst. Er musste erkennen, dass „das, was er geschlagen hatte, (nur) Wasser gewesen war und (folglich)

250 Agadshanow, Seldschukiden, S. 196 f. 251 Eine beachtliche, wohl übertriebene Zahl; bei Agadhshanow sind es an dieser Stelle nach Uqailī (?) 2000, bei Wiedemann und Kohl („al Charaqî“, S. 214) nur 1000, obwohl in deren Quelle (Ḫvāndamīr, Dasūr al-wuzarāʾ, S. 200) 2000 steht. Ibn al-Furāt (Taʾrīḫ ad-duwal wa-’l-mulūk, S. 384) spricht von etwa 4000 Mamlūken, die Ǧauhar gehörten (s. dazu Ayalon, Eunuchs, S. 161). 252 Vielleicht war dies der Grund, warum er Ǧauhar half. Zum Problem der Eifersucht unter mamlūkischen Emiren: Tor, „Mamlūk Loyalty“, S. 767, 778 f., 790; s. zudem Bundārī, Zubda, S. 276. An dieser Stelle sei auch angemerkt, dass sich im Dīvān des Dichters Ǧabalī – welcher insbesondere Lobgedichte auf Sanǧars große Emire verfasste – zwar Kassiden für Ǧauhar (S. 95 f., 251–253) und ʿAlī Čatrī (s. o., S. 55, Anm. 196) finden, aber keine für Qumač. 253 S. Koran, Sure 56:17 und 76:19 („Wenn du sie siehst, hälst du sie für verstreute Perlen“). 254 Die Sängersklavinnen gehörten anscheinend dem kadḫudā Ṯiqat ad-Dīn Abū Ǧaʿfar.

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nicht zu Butter verarbeitet werden konnte.“255 Ohne die Zustimmung des Sultans war es ihm kaum möglich, gegen den amīr-i aǧall zu bestehen, zumal dieser sich nur nach außen hin versöhnlich gab, in Wahrheit aber auf den Untergang des Wesirs hinwirkte. Es dauerte nicht lange, bis Ǧauhar denn auch Sanǧars Erlaubnis erhielt, Naṣīr ad-Dīn sowie dessen Sohn Šams ad-Dīn Abū ’l-Ḥasan ʿAlī gefangen zu nehmen; laut Kirmānī wurde letzterem angehängt, in den Harems einiger großer Emire Unzucht getrieben zu haben.256 Am Ende, im Jahre 1132,257 wurden Vater und Sohn in einer Festung am Amudarja eingekerkert, die sie bis zu ihrem Tod nie wieder verließen.258 Wie die hier dargestellten Vorgänge um Qumač sowie ʿAlī Čatrī und Ǧauhar erkennen lassen, waren die großen Emire Ḫurāsāns keineswegs gezügelter oder minder besitz- und machthungrig als ihre Kollegen im Teilreich der irakischen Selǧuqen.259 Sanǧar besaß nur genügend politisches Gewicht, das Gravitationszentrum einer hierarchischen Ordnung zu bilden, in der zum einen eine profitable Systemteilhabe die großen Emire wenigstens pro forma nach den Regeln der Ordnung spielen ließ und so gewissermaßen auf stabilen Umlaufbahnen hielt, und in der zum anderen ein einzelnes Element beim Versuch, das System unverhohlen infrage zu stellen oder daraus auszubrechen, mit der Mobilisierung einer Mehrheit gegen sich rechnen musste, die zumindest das Potential besaß, die Verhältnisse wieder auszugleichen und kohärent zu wirken.260 Letzteres war

255 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 6: āb būd ki mī-ǧunbānīd az ān zubdaʾī ḥāṣil nayāmad. 256 Munšī Kirmānī, Nasāʾim, S. 72: pisaraš-rā ba-tuhmat-i taraddud-i fāsiqāna ba-ḥaram-sarāhā-yi ­umarā-yi daulat muttaham va mansūb kard. 257 Als Jahr der Absetzung ist am Schluss von Bundārīs Abschnitt zu Naṣīr ad-Dīn (Zubda, S. 268–270) 526 H. angegeben, und nicht, wie bei Wiedemann und Kohl („al Charaqî“, S. 217) zu lesen, 536 H. 258 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 4–6; Munšī Kirmānī, Nasāʾim, S. 70–72; Ḫvāndamīr, Dastūr al-wuzarāʾ, S. 200–204 (die beiden letzten Quellen mit Versen, die Šams ad-Dīn im Gefängnis dichtete). S. zudem Samʿānī, Muntaḫab, Bd. III, S. 1705 f., wo gesagt wird, dass Naṣīr ad-Dīn zwischen seiner Absetzung als Wesir und seiner Gefangennahme in Nīšāpūr – für beides sind keine Gründe angegeben – erst noch als Finanz- und sodann Rechnungsrat tätig war (s. zum dīvān-i istīfāʾ und dīvān-i išrāf: Horst, Staatsverwaltung, S. 36–39). Die am Amudarja gelegene Burg, auf die er von Marv aus gebracht wurde und an deren Tor er begraben liegt, hieß Samʿānī zufolge ‫باتكر‬. Ein Ort dieses Namens lag nach al-Muqaddasī (Aḥsan at-taqāsīm, S. 292; Barthold, Turkestan, S. 80: Bānkar oder Bāykar) nahe dem Flussufer gegenüber Karkūh (Kerki, jetzt Atamyrat), also beim heutigen Kerkiči (wo es nach wie vor über den Strom geht), und auch Yāqūt (Muʿǧam albuldān, Bd. I, S. 452) kennt unter dem Namen Bātikrū eine „starke Festung am Amudarja-Ufer“. Hier – Tirmiḏ war also nicht die einzige transoxanische Burg unter Sanǧars Kontrolle – soll Naṣīr ad-Dīn im Ramaḍān 530 H. ( Juni 1136) „gestorben oder erdrosselt worden“ sein; bei Ibn Isfandiyār (Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. I, S. 131) steht, dass Sanǧar ihn in Marv töten ließ. Wiedemann und Kohl („al Charaqî“, S. 216–218) zitieren statt Samʿānī den diesen zitierenden Subkī (Ṭabaqāt, Bd. VII, S. 294), weshalb bei ihnen von der Burg Bānakar und dem (als falsch erkannten) Todesjahr 503 H. zu lesen ist. 259 Agadshanow, Seldschukiden, S. 262. 260 Ob nach einer unverhohlenen Anmaßung oder Rebellion wider das System eine Mehrheit gegen den Aufbegehrenden zustande kam, hing stark von den Führungsqualitäten des Herrschers ab. Waren diese nicht vorhanden, konnte das Beispiel des Aufbegehrenden auch Schule machen und die alte Ordnung zerstört werden.

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ein Nebeneffekt der Konkurrenz unter den Emiren261 (und Vasallenfürsten) und konnte nur solange funktionieren, wie es ein intaktes Gravitationszentrum gab. Dass Sanǧar für seine Emire wesensnotwendigerweise der politische Bezugs- und Angelpunkt war und dadurch rückwirkend den äußerlichen Erhalt der von ihm abhängigen Ordnung bedingte,262 machte ihn jedoch nicht dagegen immun, massiv beeinflusst zu werden. Wie wir sahen, war die Manipulationskraft manch eines üppig begüterten Günstlings aus dem Militär sogar groß genug, die Einsetzung oder Vernichtung eines Wesirs zu erwirken.263 Aus Hab- und Geltungssucht allein brauchte ein ostiranischer Emir also nicht so weit zu gehen, offen gegen die von Sanǧar verkörperte und verfochtene Ordnung zu verstoßen. Hinzu musste noch so etwas wie ein (emotionales) Zerwürfnis mit dem Sultan kommen (beispielsweise aus dem Gefühl heraus, ungerecht behandelt worden zu sein) und/oder eine konkrete Vorstellung davon, wie eine alternative Ordnung aussehen sollte. Ein Gebiet, das auf Grund seiner besonderen geostrategischen Lage und Geschichte geradezu zur Entwicklung einer solchen Zielvorstellung verleitete, war die Großoase Ḫvārazm am Unterlauf des Amudarjas. IV.2 ḪVārazm Im selben Jahr, in dem Berkyaruq seinem Halbbruder Ḫurāsān anvertraut hatte, war der in Marv ausgebildete Emir Quṭb ad-Dīn Muḥammad b. Yamīn ad-Dīn Anūš-Tegin zum Gouverneur von Ḫvārazm – und somit zum Ḫvārazmšāh – ernannt worden. Schon sein Vater, ein mamlūkischer ṭašt-dār264 Sultan Malik-Šāhs I., war wenigstens dem Titel nach šiḥna jener wichtigen, reichen Randprovinz am Südufer des Aralsees gewesen, doch begann die eigentliche Herrschaft der Anūšteginiden-Dynastie erst mit Muḥammad (I.), der sich vor Ort eine Machtbasis aufbauen konnte und das ihm übertragene Amt offenbar sehr vorbildlich und erfolgreich verwaltete. Sanǧar, dem der in Gurgānǧ residierende Ḫvārazmšāh unterstand und dessen Hof er regelmäßig aufsuchte, wusste dies zu schätzen und erlaubte nach Muḥammads Tod, dass dessen Sohn ʿAlāʾ ad-Daula Atsı̊ z (reg. 1127/1128–1156) den Posten seines Vaters erbte. Dahinter stand gewiss die Hoffnung, dass sich Atsı̊ z als ebenso treuer, gehorsamer Statthalter erweisen würde wie Muḥammad.265 Mit der Zeit entwickelte der neue Ḫvārazmšāh jedoch politische Ambitionen, die ihn ab ca. 1135 in Konflikt mit dem Sultan brachten, wobei wir unter anderem von Steuern erfahren, welche Atsı̊ z normalerweise regelmäßig an Sanǧar 261 S. dazu Lambton, Continuity and Change, S. 245. 262 Dazu, dass auch die mächtigsten Emire eines Sultans bedurften: Peacock, Great Seljuk Empire, S. 234. 263 Zum Konflikt zwischen Wesirat und Militär: Klausner, Seljuk Vezirate, S. 88 ff. und 136, Anm. 75. 264 Der „Schüsselhüter“ war bei Hof für des Sultans Waschschüssel samt Wasserkrug verantwortlich. 265 In einem anderen Fall äußerte Sanǧar die gleiche Hoffnung (d. h. die Erwartung, dass der Sohn sich als ebenso vorbildlicher Gouverneur erweisen würde wie der Vater), s. Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 17.

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weiterzuleiten hatte und wegen der sich Reichsbeamte in Ḫvārazm aufhielten.266 Zahlungen, die Sanǧar aus Ḫvārazm zuflossen, werden auch von ʿImād ad-Dīn al-Iṣfahānī (gest. 1201) erwähnt.267 Wie zuletzt von Paul dargestellt, sammelte der Anūšteginide – an den unteren Syr­ darja sowie die Ostküste des Kaspischen Meeres expandierend268 – gezielt Nomadengruppen hinter sich und forderte, derart gestärkt, seinen Oberherrn zu einem offenen Machtkampf heraus, bei dem es nicht etwa nur um ein vom Selǧuqenreich unabhängiges Ḫvārazm ging, sondern darum, Sanǧars Platz auf der imperialen Ebene einzunehmen269 – und somit letztlich ein „vulture empire“ zu errichten: „Vulture empires […] werden von lokalen Führungspersönlichkeiten aus Grenzprovinzen oder Klientel-Staaten der imperialen Peripherie als Folge des imperialen Zusammenbruchs eines benachbarten imperialen Gebildes gegründet. Sie belagern das imperiale Zentrum und bilden ein neues Imperium. Grenzregionen ringen oft Generationen lang entweder um mehr Autonomie oder um eine erneute Zentralisierung. Lokale Kulturelemente werden in vulture empires mit einem administrativen System nach dem Vorbild des vorangegangenen Imperiums kombiniert, und es wird eine neue Herrschaftsdynastie gegründet.“270

Im Verlauf dieser wechselhaften Auseinandersetzung versuchte der Großsultan erfolglos, seinen Neffen Sulaimān-Šāh b. Muḥammad anstelle des unbotmäßigen Anūšte­ giniden zu installieren (1138/1139), und Atsı̊ z nutzte die selǧuqische Niederlage in der Qaṭvān-Steppe271 sofort aus, um vorübergehend Nordḫurāsān zu besetzten, des Sultans Marver Thron zu besteigen, die Freitagspredigt in seinem Namen halten zu lassen und Sanǧars Schatztruhen nach Ḫvārazm zu verbringen (1141–1142).272 Letztlich reichte 266 Aḥkām, f. 144r/Barthold, Turkestan – Teksti, S. 45 (fatḥ-nāma anlässlich Sanǧars Eroberung Ḫvārazms 1138 mit Angabe der Gründe für den Feldzug). Erwähnt wird eine regelmäßig im gesamten Flussgebiet des Amudarjas erhobene Steuer (bāǧhā-yi mutavātir dar ǧumlagī-yi rūd-bār va Ǧaiḥūn), die der Ḫvārazmšāh – so sein Vergehen – nicht im Ganzen (sondern parākanda) weitergeleitet hat; die Beamten sind des Sultans vukalāʾ. 267 Bundārī, Zubda, S. 271 (ḥumūl). Ansonsten lesen wir in den Quellen nichts über regelmäßige Zahlungen der Anūšteginiden an Sanǧar (nur über anlassabhängige Geschenke), wenngleich davon in der Sekundärliteratur manchmal die Rede ist; Buniyatov (Khorezmian State, S. 7) schreibt zu Quṭb ad-Dīn Muḥammad etwa: „He delivered tributes to the sultan’s treasury in person or occasionally via his son Atsiz.“ 268 Am Syrdarja wurde die Stadt Ǧand erobert, westlich von Ḫvārazm die Halbinsel Manqı̊ šlaq. Durch die Karakum stieß Atsı̊ z bis nach Kabūd-Ǧāma in Gurgān, Ḫabūšān (Qūčān) in Ustuvā und Nasā vor. 269 Paul, „Sanjar and Atsız“, S. 82, 96, 99, 101, 109 f., 123 und passim. 270 Leitner, Imperium, S. 166 (nach Thomas J. Barfield). 271 S. u., S. 92. Ibn al-Aṯīr gibt gar an, dass Atsı̊ z die Qara-Ḫitai zum Einmarsch ins Sanǧar-Reich ermutigt und mit ihnen ein Heiratsbündnis geschlossen hatte (al-Kāmil, Bd. IX, S. 319). Barthold (Turkestan, S. 327) hält dies bloß für ein Gerücht, Biran (Qara Khitai, S. 42) hingegen für gut möglich, wozu auch ich tendiere. 272 Ḥusainī, Aḫbār, S. 95 f.; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 323 f.; Ibn Funduq, Tārīḫ-i Baihaq, S. 272; Aḥkām, f. 142v–143v/Barthold, Turkestan – Teksti, S. 43 f. (Bekanntmachung, an deren Ende der

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Atsı̊ z’ Macht aber nie aus, um den Großsultan zu stürzen oder ihm ein für alle Mal auch die formelle Anerkennung als Oberherr zu verweigern, und so wurde noch Atsı̊ z’ Sohn und Nachfolger Il-Arslan (reg. 1156–1172) von Sanǧar mit Diplom (manšūr) und Ehrengewändern (ḫilaʿ) in sein Amt als Gouverneur von Ḫvārazm eingesetzt.273 Trotzdem können die Anūšteginiden nicht als „normale“ vulāt gelten.274 Der traditionelle Regionalherrschertitel, die Begründung einer Dynastie und Atsı̊ z’ beharrliches Streben nach Mehr – zu dem ebenso die Beschäftigung eines eigenen Wesirs275 und das eigenständige Knüpfen weitgespannter diplomatischer Kontakte gehörte, wie sie ein Qumač wohl nicht pflegte276 – hoben die Machthaber in Gurgānǧ von anderen Emir-Gouverneuren ab und brachten sie in die Nähe der Vasallenfürsten (mulūk). Atsı̊ z erscheint denn auch mit dem malik-Titel,277 doch ist nicht ganz klar, wann und wie er dazu kam. Dass sich dieser Rang bereits für seinen Vater ergab, weil in Ḫvārazmšāh das persische Äquivalent für malik steckt, ist zu bezweifeln,278 und wahrscheinlich war es zu dieser Zeit prinzipiell nicht möglich, in den „Fürstenstand“ erhoben zu werden. Wer zu den mulūk zählte, entschied Anfang des 12. Jahrhundert der Familienhintergrund und war noch keine Frage der Machtakkumulation. Bedenken sollte man ferner, dass wir von keiner Verheiratung einer Schwester oder Tochter Sanǧars an Atsı̊ z, dessen Vater oder Sohn wissen,279 wohl aber von mehreren Vermählungen solcher Prinzessinnen mit Machthabern, die in aller Regel Sultane oder Könige waren.280 Es besteht insgesamt Grund zur Annahme, dass sich der Ḫvārazmšāh während seines Aufstiegskampfes einfach selbst zu einem malik mit royalem ad-dunyā-wa-’d-

Ḫvārazmšāh von den Nīšāpūrern ḫuṭba, sikka und ṭirāz (!) in seinem Namen fordert). In Baihaq und Nīšāpūr wurde Atsı̊ z’ Name vom 29. Mai bis zum 17. bzw. 24. Juli 1142 in der ḫuṭba genannt (dann wieder Sanǧars). Bei seinem nächsten Ḫvārazm-Feldzug erreichte Sanǧar, dass ihm die noch

versiegelten Schatztruhen zurückgegeben wurden. 273 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 407. Zu Ehrenkleidern: Springberg-Hinsen, Ḫilʿa. 274 Dazu Paul, „Sanjar and Atsız“, S. 83–85. 275 S. zu Atsı̊ z’ Wesiren (die es anscheinend bereits in den 1130er Jahren gab): Buniyatov, Khorezmian State, S. 75 f. Emire auf Gouverneursposten hatten nur einen kadḫudā. 276 Und nicht brauchte, denn gerade Atsı̊ z’ Annäherung an das Kalifat muss in Zusammenhang mit dem Bedarf gesehen werden, die eigene Herrschaft – anders als Qumač – unabhängig von Sanǧar zu legitimieren. 277 In den literarischen Quellen allerdings meist posthum (malik-i māżī); nicht selten ist zu beobachten, dass ihm dabei von späteren Bewunderern überzogene Titel zugeschrieben werden. 278 Richter-Bernburg („Titulatur“, S. 181) nimmt hingegen an, dass die malik-Würde mit dem gleichwertigen Titel Ḫvārazmšāh einherging. Zu bedenken ist, dass Sanǧar selbst bis 1118/1119 ein malik war. Sollte etwa auch der mamlūkische Emir Ekinči b. Qočqar, den Berkyaruq 1097 zum Ḫvārazm­ šāh ernannte, schon als malik gegolten haben? 279 Nur andersherum nahm der erwähnte malik Sulaimān-Šāh eine Schwester Atsı̊ z’ zur Frau. Allerdings wertet Richter-Bernburg („Titulatur“, S. 184) Atsı̊ z’ laqab Karīm aṭ-Ṭarafain als Hinweis auf eine adlige Mutter – Paul („Sanjar and Atsız“, S. 110) denkt an eine vornehme Qı̊ pčaqin. 280 Dazu, dass die Selǧuqen so gut wie nie Heiratsverbindungen mit Emiren eingingen: Lambton, Continuity and Change, S. 268 f. (Sonderfälle sind die Heiraten der Atabegs mit den verwitweten Müttern ihrer Schützlinge).

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dīn-Titel281 erklärte,282 während er für Sanǧar einer der großen Emire und Heerführer, ein amīr-i isfahsālār, mit dementsprechendem laqab auf ad-daula wa-’d-dīn283 blieb.284 Auch über Qumač heißt es ja lediglich, dass er, „obwohl aus dem Sklavenstand, die hohe Gesinnung der mulūk besaß“,285 also nur wie ein Fürst war. Eine weitere Besonderheit, die Atsı̊ z von seinem Vater und anderen Emir-Gouverneuren des Großsultans deutlich unterscheidet, besteht darin, dass sein Name in der sikka erscheint. Auch hier stellt sich die Frage, ob es sich um eine Anmaßung im Rahmen des Ringens mit Sanǧar handelt, die womöglich mit der Annahme des Königstitels einherging. Diesbezüglich ist zunächst festzustellen, dass die frühesten bekannten Anūšteginiden-Münzen noch in die Zeit vor ca. 1135 datieren: Die ansprechenden Kupferdirhams, von denen gleich 30 (Schatzfund) zur Sammlung der Amer­ ican Numismatic Society (ANS) gehören,286 wurden offenbar 527 H. (1132/1133) ge-

281 S. o., S. 36 mit Anm. 110. 282 Die von Lambton (Continuity and Change, S. 247) bemerkte und von ihr grob in die späte Selǧuqen- und Anūšteginiden-Zeit datierte Entwicklung, in deren Verlauf der malik-Titel auch für mächtige, zu halbautonomen Herrschern aufgestiegene Emire üblich wurde (nachdem er anfangs für Selǧuqen-Prinzen reserviert gewesen sei), dürfte also mit Atsı̊ z, auf jeden Fall aber unter Sultan Sanǧar ihren Anfang genommen haben. Atsı̊ z’ alqāb-Entwicklung war wohl folgende: Als Kronprinz trug der Anūšteginide (u. a.) die Ehrennamen ʿAlāʾ ad-Daula und Bahāʾ ad-Dīn (Richter-Bernburg, „Titulatur“, S. 180; Muʿizzī, Dīvān, S. 434 f.). Aus letzterem wurde dann, wahrscheinlich mit dem Herrschaftsantritt 1127/1128, Nuṣrat ad-Dīn, während ʿAlāʾ ad-Daula noch eine Zeit lang Bestand hatte (Richter-Bernburg, op. cit., S. 184), ehe noch während der Zeit der Treue gegenüber Sanǧar die Doppelform ʿAlāʾ ad-Daula wa-’d-Dīn gewährt wurde (s. u.). Aus dieser scheint Atsı̊ z schließlich eigenmächtig ʿAlāʾ ad-­Dunyā wa-’d-Dīn gemacht zu haben. Der bei Ǧūzǧānī (Ṭabaqāt, Bd. I, S. 299) zu findende und von Buniyatov (Khorezmian State, S. 7) übernommene Ehrenname Ǧalāl ad-Dīn dürfte falsch sein. Laut Buniyatov führte schon Atsı̊ z’ Vater den Doppel-laqab Quṭb ad-Dunyā wa-’d-Dīn, doch findet sich in dem Gedicht Muʿizzīs, auf das als Quelle verwiesen wird, nur ʿImād-i Daulat va Dunyā gefolgt von Ǧamāl-i Dīn (Dīvān, S. 295). Auch Richter-Bernburg (op. cit., S. 180) zitiert keinen addunyā-wa-’d-dīn-Titel Muḥammads I., sondern nur die alqāb Quṭb ad-Dīn und ʿImād ad-Daula – zumindest die Form mit ʿImād braucht bei Muʿizzī also nicht zu irritieren (s. Tetley, Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 144). 283 S. Richter-Bernburg, „Titulatur“, S. 188. 284 Dies passt zu Köymens Meinung, dass sich Atsı̊ z zunächst die Rechte eines Vasallenfürsten (also maliks) anmaßte (was zu Sanǧars erstem Feldzug gegen ihn führte), bevor er sodann auf völlige Unabhängigkeit und schließlich die Übernahme des Selǧuqenreiches hinarbeitete (Büyük Selçuklu İmparatorluğu, Bd. II, S. 313 f.). 285 So Sanǧar in einer Urkunde für Qumačs Enkel, s. Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 75 (agar-či az ʿidād-i mamālīk būd himmat-i mulūk dāšt); himmat ließe sich auch mit „das hohe Streben“ oder „der (positive) Ehrgeiz“ wiedergeben. 286 ANS (MANTIS-Datenbank) 1978.43.1–1978.43.30 (mehrheitlich ohne Bilder); Bates in Annual Report of the American Numismatic Society von 1978, S. 19 f. (mit drei auf dem Kopf stehenden Abbildungen). Zudem erkenne ich diesen Typ in einer Abb. in Chodžanijazovs Denežnoe obraščenie (Tafel IX, Nr. 85) wieder (s. auch id., Katalog, S. 112 f., Nr. 411 – der Autor selbst erkannte nicht, dass es sich um eine Prägung Atsı̊ z’ handelt). In Albums Checklist ist unter Atsı̊ z nur die Prägung von Goldmünzen angegeben.

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schlagen287 und weisen zwei Varianten auf. Die Revers-Inschrift enthält immer Muʿizz ad-Dunyā / wa-’d-Dīn Sanǧar und darunter ʿAlāʾ ad-Daula wa- / ’d-Dīn Ḫvārazmšāh, wobei Atsı̊ z entweder in einer letzten Zeile folgt oder (dann anstelle eines Ornaments) ganz oben steht.288 Der Anūšteginide ist also unter seinem Oberherrn genannt (dessen Sultanstitel fehlen darf, weil wir es lediglich mit einer Kupferprägung zu tun haben) und weder als malik aufgeführt noch mit einem ad-dunyā-wa-’d-dīn-laqab; die auf den Dirhams zu lesende Form mit daula findet sich in Lobgedichten Vaṭvāṭs. Eine weitere, schlecht erhaltene Kupfermünze Atsı̊ z’ im Archäologischen Museum Istanbul289 könnte, eine teils falsche Entzifferung vorausgesetzt, den gleichen Typ wie die ANS-Exemplare repräsentieren; jedenfalls genügt sie nicht als Beleg für einen Sanǧar treuen malik Atsı̊ z vor ca. 1135. Es sieht somit nicht danach aus, dass der Ḫvārazmšāh erst als selbsternannter malik das sikka-Recht ausübte, zumal seine Münzprägung einsetzte, bevor er sich offen gegen Sanǧar erhob. Möglicherweise hatte das Selǧuqenoberhaupt sogar eine Ausnahme gemacht und es Atsı̊ z gestattet, sich in der sikka zu nennen (es war ja auch nur Kupfergeld). Allerdings geht aus einer einzelnen Quelle hervor, dass der Anūšteginide bereits früher als gedacht in Opposition zu seinem Oberherrn ging, nämlich just in dem Jahr, das der Prägung seiner ersten Münzen unmittelbar vorausging! Der Autor dieser Quelle, Ibn al-ʿImrānī (gest. ca. 1165?), berichtet davon, wie Sanǧar anno 526 H. (1132) in die Ǧibāl-Provinz einrückte und den irakischen Sultansthron mit seinem Neffen Toġrı̊ l besetzte (s. u., S. 147 ff.). In der großen Schlacht, zu der es dabei kam, besiegte der „allergrößte“ Sultan mit Hilfe von Atsı̊ z (und anderen) Toġrı̊ ls Bruder und Rivalen Masʿūd, welcher sich mit dem Kalifen al-Mustaršid gegen ihn verbündet hatte. Über das, was nach dieser Schlacht passierte, schreibt Ibn al-ʿImrānī: „Er [Sultan Sanǧar] wollte (sodann weiter) auf Bagdad marschieren, erregte mit [der Absicht zu] einem (solchen) Vorgehen gegen den Kalifen jedoch Äußerungen des Missfallens; wie es heißt, verweigerte ihm der Ḫvārazmšāh die Unterstützung dafür. Dieser war (nun aber) die Glut des [von Sanǧar aufgebotenen] Heeres und so kehrte der Sultan [wohl oder übel direkt] zurück nach Ḫurāsān.“290

287 Den Angaben in der MANTIS-Datenbank zufolge ist auf 1978.43.24–1978.43.26 die Einerzahl 7 zu lesen, auf 1978.43.27–1978.43.29 zudem die Zehnerstelle erhalten: [5]27 H. 288 Bei der Rev.-Umschrift handelt es sich um den Koranvers 9:33. Im Av.-Feld (Quadrat, von dessen Seitenmitten je eine Nische ausgeht) steht unter einem Ornament (in der oberen Nische) und zwischen einer sternförmigen Blüte (linke Nische) und einem Dreiblatt (rechte Nische): lā ilāh illā / ’llāh Muḥammad / rasūl Allāh / al-Mustaršid / bi-’llāh (untere Nische); um das Feld die Formel mit Prägeort (Ḫvārazm) und -jahr. 289 Artuk/Artuk, İslâmî Sikkeler Kataloğu, Bd. I, S. 428, Nr. 1303 ( Jahr 52x H.; mit Titel al-malik almuʿaẓẓam). 290 Ibn al-ʿImrānī, al-Inbāʾ, S. 217: arāda qaṣd Baġdād fa-qabbaḥū lahū qaṣd al-ḫalīfa wa-qīla inna Ḫwārizm-Šāh lam yusāʿidhu ʿalā ḏālik wa-kāna huwa ǧamrat al-ʿaskar fa-ʿāda ’s-sulṭān ilā Ḫurāsān.

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Sehr interessant ist diesbezüglich übrigens ein Bericht Ibn al-Ǧauzīs, wonach alMustaršid an (seinen Retter?) den Ḫvārazmšāh 1133/1134 (!) fürstliche Ehrenkleider schickte …291 Die Integration von Atsı̊ z’ Namen in die sikka mag also – wenngleich, wie gesagt, noch keine Rede von Rebellion sein kann – durchaus in Zusammenhang mit einem frühen Haltungswandel gegenüber Sanǧar erfolgt sein und dokumentieren, dass der Anūšteginide schon um 1132 nach mehr Eigenständigkeit zu streben begann. Insbesondere vor diesem Hintergrund ist es vielleicht nicht zu gewagt, die (anscheinend sicher gelesene) Betitelung des Ḫvārazmšāhs mit al-malik al-muʿaẓẓam/al-muẓaffar auf einem Dinar des Jahres 530 H. (1135/1136)292 bereits als Ausdruck des Aufbegehrens zu sehen, obwohl Sanǧar noch ordnungsgemäß als „allergrößter“ Sultan Erwähnung findet. Die nächsten (mir) bekannten Prägungen Atsı̊ z’ zeugen dann bereits vom Gipfelpunkt der Kampagne gegen Sanǧar kurz nach dem Debakel von Qaṭvān (536 H.). Es sind dies vier Goldmünzen, von denen eine 537 H. (1142/1143) geschlagen wurde und zwei aus dem Folgejahr stammen.293 Abgesehen vom Kalifen al-Muqtafī li-Amr Allāh (reg. 1136–1160) ist darauf kein Oberherr genannt, nur der Ḫvārazmšāh294 als al-malik al-aʿẓam / ʿAlāʾ ad-Dunyā wa- / ’d-Dīn Abū ’l-Muẓaffar / Atsı̊ z b. Muḥammad.295 Dies dürfte bedeuten, dass sich der Anūšteginide trotz seines Verhaltens in Marv und Nīšāpūr zwar nicht zum Sultan aufschwang – dazu waren seine Erfolge in Ḫurāsān zu unsicher –,296 aber

291 Al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 284. Der Anlass für diese Auszeichnung ist leider nicht angegeben; denkbar wäre hier vielleicht auch Atsı̊ z’ Eroberung von Ǧand im Winter 1132/1133. Für den Grund, warum diese erste (?) ḫilaʿ-Sendung den Ḫvārazmšāh nicht erreichte s. u., S. 153. 292 Chodžanijazov, „Klad zolotych“, S. 90, Nr. 2 (hier al-muʿaẓẓam) mit Abb. auf S. 91; id., Katalog, S. 141 f., Nr. 503 (hier al-muẓaffar – beides ist vorstellbar). 293 537 H.: FINT 1991-16-97 (Mzst.bezeichnung: baldat Ḫvārazm); 538 H.: OMJ 2003-17-32 (baldat Ḫvārazm; fälschlich Atsı̊ z’ Enkel Tekiš zugeschrieben) und ANS 1970.81.1 (in der MANTIS-Datenbank fehlt die Zuordnung zu Atsı̊ z sowie das Prägejahr, doch weiß zumindest Michael Bates Bescheid, s. Richter-Bernburg, „Titulatur“, S. 187 – die hier geäußerten Zweifel an der Lesung können nun fallen gelassen werden; Richter-Bernburg kannte nur dieses eine Stück); der vierte Dinar, Zeno Nr. 116926, worauf weder Prägeort noch -jahr lesbar ist, fällt stilistisch aus der Reihe (hier zudem: […] ad-Dunyā wa-’d-D / īn […]). 294 Dazu passt eine Urkunde für den Hauptstadt-Prediger (s. Horst, Staatsverwaltung, S. 163), in der Atsı̊ z den ḫaṭīb instruiert, Kleider so schwarz wie die der ʿAbbāsiden zu tragen und in der ḫuṭba den Kalifen sowie den Ḫvārazmšāh zu nennen – von einem Selǧuqensultan ist keine Rede. 295 So die Rev.-Feldinschrift. Die 538-H.-Stücke weisen noch ein Wort am rechten Feldrand auf; im Falle des Jenaer Exemplars wohl ʿalam (wahrscheinlicher als ʿilm). 296 Es gibt allerdings einen rätselhaften Dinar – Zeno Nr. 117360 –, in dessen Rev.-Feld as-sulṭān alaʿẓam / ʿAlāʾ ad-Dunyā wa-’ / d-Dīn Abū ’l-Muẓaffar (?) und in der letzten Zeile vor Muḥammad etwas steht, das offenbar als Atsı̊ z (b.) interpretiert wurde, jedenfalls ist das Stück bei Zeno anstandslos dem Ḫvārazmšāh Atsı̊ z zugeordnet. Die Lesung des Namens ist jedoch viel zu unsicher, um es zu bestimmen und hier als Hinweis für die (wie gezeigt, unwahrscheinliche) Annahme des Sultanstitels zu werten. Abgesehen davon, dass es insgesamt so gar nicht wie ein normaler (ḫvārazmischer) Dinar Atsı̊ z’ aussieht – was freilich ebenso auf Zeno Nr. 116926 mit einem ähnlich schlechten Schriftbild zutrifft (s. o.) –, widerspricht auch die Nennung des Kalifen an-Nāṣir li-’dDīn / Allāh in der 4./5. Av.-Zeile der genannten Zuschreibung. Sie passt vielmehr zu einer Prägung

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dennoch signifikant erhöhte: durch einen Doppel-laqab, wie er Selǧuqenherrschern zustand, sowie die Neubildung „allergrößter König“, die ihn von den übrigen – anders als er ja nicht souveränen – mulūk abgrenzen sollte (wobei das für abhängige Könige übliche Epitheton al-muʿaẓẓam analog zum Großsultanstitel gesteigert ist).297

Abb. 1  538 H. in Gurgānǧ geprägter Dinar des maliks Atsı̊ z, auf dem anstelle Sanǧars der Irak-Selǧuqe as-sulṭān al-muʿaẓẓam Ġiyāṯ ad-Dunyā wa-’d-Dīn Abū ’l-Fatḥ Masʿūd als Oberherr genannt ist (FINT 2015-6-1).

Noch im Jahr 538 H. (1143/1144) trat dann eine weitere brisante Veränderung in der ḫvārazmischen sikka ein,298 die vermutlich in Zusammenhang mit Sanǧars zweiter Straf­ expedition nach Ḫvārazm steht, was allerdings nicht heißt, dass der Feldzug mehr als einen Patt gebracht hätte und die Kontrahenten zu einer echten Übereinkunft gelangt wären. Denn obschon der Ḫvārazmšāh die selǧuqische Oberhoheit auf seinen Dinaren wieder anerkennt – aus al-malik al-aʿẓam wird daher das um zwei Stufen bescheidenere al-malik al-muẓaffar; zudem fehlt der Doppel-laqab –, stellt die Veränderung ein politisches Manöver dar, das auf die Zersetzung Sanǧars imperialer Ordnung abzielt. Als Atsı̊ z’ Oberherr ist nämlich nicht etwa wie früher Sanǧar angegeben, sondern dessen Neffe Ġiyāṯ ad-Dunyā wa-’d-Dīn Masʿūd, welcher seit 1134 als Vasall seines Onkels in den beiden Irak regierte! Wie noch darzustellen ist, hatten auch die Gouverneure und Vasallenfürsten des irakischen Subsultans den übergeordneten Großsultan in der sikka zu nennen, weshalb die Auslassung von Sanǧars Namen einer Erhebung Masʿūds der Qaraḫaniden von Balḫ oder der Ġūriden von Bāmiyān aus dem frühen 12. Jh., an die einen der Dinar, dessen Umschriften leider unleserlich sind, auf den ersten Blick denken lässt. 297 So sieht es auch Richter-Bernburg, „Titulatur“, S. 187 f. (Anm. 79: Atsı̊ z als malik-i aʿẓam in Vaṭvāṭ-Schreiben aus der – unter Il-Arslan zusammengestellten – Sammlung ʿArāʾis al-ḫawāṭir). 298 Dazu Paul, „Sanjar and Atsız“, S. 104 f.; Richter-Bernburg, „Titulatur“, S. 186 f. und S. 185, Anm. 58.

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zum höchsten Selǧuqenherrscher gleichkam. Um genau dies zu verdeutlichen, ging Atsı̊ z gleich noch einen Schritt weiter und machte 539 H. aus Masʿūds normalem Titel as-sulṭān al-muʿaẓẓam – welcher auf den Münzen von 538 H. (Abb. 1) und erneut (!) auf denen von 543 H. (1148/1149) steht – as-sulṭān al-aʿẓam.299 Offenbar war der Anūšteginide darauf aus, die Autorität seines alten Feindes weiter zu torpedieren, indem er ihn quasi für abgesetzt erklärte. Dasselbe geht aus seiner parallel laufenden Korrespondenz mit dem Kalifat hervor, deren Zweck eine von Sanǧar unabhängige Herrschaftslegitimation war.300 Weniger klar ist, was sich Atsı̊ z konkret vonseiten Masʿūds versprach. Dachte er wirklich an ein gemeinsames Vorgehen gegen Sanǧar oder vielmehr nur daran, dass ihm ein fernerer, schwächerer Alibi-Oberherr künftig nicht in die Quere kommen können würde? Es gibt zwar eine Überlieferung, nach der sich der „Ḫvārazmšāh“ und Sultan Masʿūd schon zuvor gegen die Alamūt-Ismāʿīliten verbündet hatten, doch reicht diese – nach Erhellung der Identität des dabei gemeinten Anūšteginiden – kaum noch als Hinweis für eine direkte Verständigung zwischen Atsı̊ z und dem irakischen Sultan aus.301 Wahrscheinlich reagierte Masʿūd nicht einmal auf den 299 538 H. geprägt: Morton & Eden, Auktion 72 (Dez. 2014), Los 872 (Mzst.bezeichnung: Ḫvārazm; links und rechts im Rev.-Feld ein ‫ ;)س‬Markov, Katalog, Bd. I, S. 297, Nr. 1 und wahrscheinlich Chodžanijazov, „Klad zolotych“, S. 91 (Abb.) und 92, Nr. 4 f. sowie FINT 2015-6-1 (xx8 H.; Mzst.bezeichnung: Ḫvārazm; s. Abb. 1); 539 H.: Markov, op. cit., Bd. II, S. 976, Nr. 1a und FINT FA1 A3 (links im Av.-Feld ein ‫ ;)س‬54x H.: Chodžanijazov, op. cit., S. 91 (Abb.) und 92, Nr. 3 (noch mit as-sulṭān al-aʿẓam); 543 (?) H.: Zeno Nr. 124030 (die Einerstelle ist undeutlich, wg. Platzmangel ist aber 3 am wahrscheinlichsten; Mzst.bezeichnung: baldat Ḫvārazm; selber Rev.-Stempel wie FINT 2015-6-1). 300 Dazu Paul, „Sanjar and Atsız“, S. 103 f.; Buniyatov, Khorezmian State, S. 8, 10 f. In einem Brief (Vaṭvāṭ, Maǧmūʿa, S. 4–13) bittet Atsı̊ z al-Muqtafī um ein Diplom (manšūr) über die Statthalterschaft (wilāya) von Ḫvārazm (im weitesten Sinne). Dass er daraufhin eine Art Anerkennung aus Bagdad erfuhr, impliziert ein Schreiben, in dem er sich bei ebendiesem Kalifen für eingetroffene Ehrungen (tašrīfāt), darunter Gewänder (ḫilaʿ), bedankt (Vaṭvāṭ, op. cit., S. 14–18). Buniyatov, der den ersten Brief fälschlich ins Jahr 1141 datiert, denkt, dass al-Muqtafī ebenso wie zuvor al-Mustaršid darauf aus gewesen sei, Atsı̊ z als Verbündeten gegen die Selǧuqen zugewinnen, und den Ḫvārazmšāh deshalb umgehend zu einem unabhängigen, von da an eigene Dinare prägenden Sultan erhoben habe. Dies ist sicher eine Überinterpretation. Es ist allerdings bemerkenswert, dass Atsı̊ z, wie oben angegeben, bereits um 528 H. (1133/1134) in der Position war, direkt vom Kalifen mit Ehrenkleidern ausgezeichnet zu werden (Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 284). S. zum Kontakt mit dem Kalifat auch o., S. 71, Anm. 294. 301 Laut Hammer-Purgstall (Assassinen, S. 117 f.) soll Atsı̊ z nach Masʿūds Thronbesteigung zu diesem gekommen sein und ihn von einer Offensive gegen Alamūt überzeugt haben. Daraufhin sei er mit jenem Gebiet belehnt worden, das bislang der Emir Yarı̊ n-Quš al-Bāzdār („der Falkner“) gehalten hatte, sodass dieser nun bei den Ismāʿīliten Zuflucht suchte. Kiyā Buzurg-Umīd (reg. 1124–1138) nahm Yarı̊ n-Quš auf und verweigerte dessen Auslieferung, als der Ḫvārazmšāh diese mit der Begründung verlangte, dass er ja immer ein Freund der Ismāʿīliten gewesen sei, wohingegen Yarı̊ nQuš sie bekämpft habe. Von dieser Begebenheit, die der Ursprung einer langen Feindschaft zwischen den Anūšteginiden und Alamūt gewesen sein soll, berichten ebenso Hodgson (Assassins, S. 103) und Daftary (Ismāʿīlīs, S. 353); letzterer datiert sie ins Jahr 530 H. (1136). Alle halten den Ḫvārazmšāh, um den es geht, für den Herrscher von Ḫvārazm, doch wurde Ḫvārazmšāh damals als eine Art Familienname gebraucht (Richter-Bernburg, „Zur Titulatur“, S. 186). So findet sich in Rašīd ad-Dīns Version der Geschichte (Ǧāmiʿ – Ismāʿīliten, S. 139 f.) ein laqab, der nicht Atsı̊ z gehört: ʿAin ad-Daula. Muʿizzī scheint ein Gedicht verfasst zu haben, als ein ʿAin ad-Daula einmal

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propagierten Oberherrnwechsel und so darf bezweifelt werden, ob dem Ḫvārazmšāh diese Provokation am Ende viel brachte.302 Wie oben gesagt, sah sich Atsı̊ z ja später sogar wieder genötigt, Sanǧar als „allergrößten“ Sultan anzuerkennen, weshalb auch immer.303 Dies belegt ein 544 H. (1149/1150)

Nīšāpūr besuchte (Dīvān, S. 27), und weil bei Bundārī (wie bei Rašīd ad-Dīn) von ʿAin ad-Daula „Ḫvārazmšāh“ zu lesen ist, meinte Eqbāl (der Hrsg. von Muʿizzīs Dīvān), dass es sich um Atsı̊ z’ Vater Quṭb ad-Dīn Muḥammad handele, was Tetley (Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 136) übernahm. Dies ist jedoch auch deshalb wieder falsch, weil Bundārī (Zubda, S. 165, 170) ʿAin ad-Daula in Zusammenhang mit Ereignissen um 1133 erwähnt (als Quṭb ad-Dīn bereits tot war): Aus seinem sowie Huṣainīs Bericht (Aḫbār, S. 103 f.) geht hervor, dass der anūšteginidische Emir ʿAin ad-Daula, als Masʿūd gegen Sultan Toġrı̊ l II. rebellierend in Aserbaidschan einzog, (wohl von dort) nach Ḫvārazm ging, bevor er noch 1133 in den Irak zurückkehrte, um an Toġrı̊ ls Seite gegen Masʿūd zu kämpfen. Ich vermute, dass ʿAin ad-Daula schon 1132 gegen Masʿūd (zu dessen Emiren Yarı̊ n-Quš zählte) gekämpft hatte, nachdem er erst mit Atsı̊ z und Sanǧar in den Westen gekommen war, um den ebenfalls mitgeführten Toġrı̊ l als Sultan zu installieren (und dann in dessen Dienst zu bleiben). Als Toġrı̊ l schon 1134 starb und doch noch Masʿūd Sultan wurde, scheint sich ʿAin ad-Daula dann letzterem angeschlossen zu haben (Aḫbār, S. 107) – und wahrscheinlich können wir an diese Stelle besagte Absprache bezüglich eines Vorgehens gegen die Ismāʿīliten setzen. Muẓaffar adDīn Yarı̊ n-Quš (Hammer-Purgstall: Berenkesch, Hodgson: Bartaqash) verfügte damals über viel Macht (Aḫbār, S. 106) und erhob sich (1135) gegen Masʿūd, woraufhin er zwar zunächst u. a. von ʿAin ad-Daula in die Flucht geschlagen wurde, aber im Bündnis mit Bagdad noch bis zu seinem Tod 535 H. (1140/1141) gegen Masʿūd Front machte (Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 281 f., 288 f., 318). Wie Münzen belegen, regierte er bereits seit der Zeit Sultan Maḥmūds II. Qazvīn, und so darf man annehmen, dass ʿAin ad-Daula von Masʿūd zum muqṭaʿ ebenjener Stadt ernannt wurde. Bei Ḥusainī ist zu lesen, dass Yarı̊ n-Quš Qazvīn bereits 1132 abgeben musste, nachdem er auf Seiten des maliks Dāwūd, des Sohns Maḥmūds II., eine Schlacht gegen Toġrı̊ l II. verloren hatte (Aḫbār, S. 102). Rašīd ad-Dīn zufolge soll ʿAin ad-Daula Mitte Ǧumādā I 534 H. (Anfang Jan. 1140) in Sanǧars Feldlager in Ḫvārazm von den Ismāʿīliten – seinen erklärten Feinden, an deren Territorium Qaz­ vīn grenzte – ermordet worden sein (Ǧāmiʿ – Ismāʿīliten, S. 156). Hieraus lässt sich schlussfolgern, dass er mit keinem von Atsı̊ z’ Brüdern Yūsuf und I̊ nal-Tegin gleichzusetzen ist, die ja noch in den 1150er Jahren aktiv und im Übrigen wohl jene zwei Söhne Muḥammads I. waren, welche bei Atsı̊ z’ Machtübernahme an den Hof des Bāvandiden ʿAlāʾ ad-Daula ʿAlī nach Māzandarān auswichen (Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. I, S. 107). Vielmehr drängt sich die Identifizierung mit Atsı̊ z’ Sohn Atlı̊ ġ auf, der Ende 533 H. (!) auf Sanǧars Befehl hin ebenfalls im ḫvārazmischen Lager dieses Sultans getötet wurde (Ǧuvainī, Tārīḫ-i ǧahāngušāy, Bd. II, S. 5; Aḥkām, f. 103r, 144v/ Barthold, Turkestan – Teksti, S. 45; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 309). Ibn al-ʿImrānī (al-Inbāʾ, S. 223 f.) berichtet nämlich, dass ʿAin ad-Daula 532 H. – nachdem er zuletzt wieder (auf Seiten des Kalifen ar-Rāšid und Dāwūds) gegen Masʿūd gekämpft hatte – in den Osten zurückkehrte (dazu auch Ibn al-Aṯīr, op. cit., S. 305: ʿāda Ḫwārizm-Šāh ilā bilādihī) und dort fī ṣaḥn dār as-sulṭān Sanǧar einem ismāʿīliischen Attentat zum Opfer fiel! 302 Paul („Sanjar and Atsız“, S. 104, Anm. 195) findet es in diesem Zusammenhang interessant, dass sich Atsiz’ Sohn Il-Arslan (reg. ab 1156) in einem Brief an den Kalifen (Aḥkām, f. 76r–78r) für Masʿūd (gest. 1152!) ausspricht, doch ist der in diesem Schreiben erwähnte sulṭān-i aʿẓam Ġiyāṯ ad-Dunyā wa-’d-Dīn nicht Masʿūd, sondern dessen Nachfolger Muḥammad II. 303 Dazu Paul, „Sanjar and Atsız“, S. 105. Anfang 543 H. war Sanǧar (Ǧuvainī zufolge) ein drittes Mal in Ḫvārazm einmarschiert (was Paul bezweifelt). 544 H. zog er zudem ein viertes Mal nach Rayy und traf sich mit Masʿūd, der seinen Onkel nach wie vor als Oberherrn anerkannte. Anders als Sanǧars zweite Strafexpedition gegen Atsı̊ z dürfte sich dies also in der veränderten sikka widerspiegeln.

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geprägter Dinar des Ḫvārazmšāhs,304 der außerdem zeigt, dass der Münzherr den moderaten Königstitel al-malik al-muẓaffar (mit Duldung Sanǧars?) behielt, wobei er wie zuvor („unter“ Masʿūd) auf den Zusatz eines Ehrennamens verzichtete. Während in der Literatur nun von keinem weiteren Vorstoß Atsı̊ z’ zu lesen ist, seine formelle Vasallität offen aufzukündigen,305 geht aus den Inschriften des letzten Münztyps dieses Anūšteginiden klar hervor, dass er sehr wohl noch einmal zu alten Ansprüchen zurückkehrte, und zwar gleich als Sanǧars Macht von den Oġuz gebrochen wurde. So ist im Revers-Feld eines 548 H. (1153) und eines 551 H. (1156) geschlagenen Dinars306 derselbe Titel zu lesen, den sich der Ḫvārazmšāh anlässlich Sanǧars Niederlage in der Qaṭvān-Steppe und seiner eigenen Erfolge in Ḫurāsān zugelegt hatte: al-malik al-aʿẓam. Ergänzend tritt in der nächsten Zeile al-ʿālim al-ʿādil („der kluge und gerechte“) hinzu,307 woraufhin in der letzten Zeile Atsı̊ z b. Muḥammad folgt – ohne dass irgendwo auf der Münze noch ein Oberherr (außer dem Kalifen) angegeben wäre. Das heißt, dass sich Atsı̊ z abermals für souverän und, auf der Vorstufe zum Sultanat, zum obersten aus der Reihe der mulūk erklärte. Überhaupt spricht der numismatische Befund nicht für drei einzelne Rebellionen, an die sich stets wieder Phasen des Gehorsams anschlossen, sondern für einen Dauerkonflikt zwischen Sanǧar und dem aufstrebenden Ḫvārazmšāh, in dessen Verlauf sich der Anūšteginide immer nur so weit und so lange beugte, wie es die Situation gerade unbedingt erforderte, während die Maßnahmen des Großsultans in erster Linie der Gesichtswahrung dienten.308 Nie kam es zu einer wirklichen Entscheidung, weil keine Seite sich durchzusetzen vermochte. Von Atsı̊ z ging somit fast permanent Gefahr für Sanǧars imperiale Ordnung aus und wie wir noch sehen werden, blieb es nicht bei diesem einen Parvenü-Fürsten, dem die Stellung als abhängiger Regionalherrscher nicht genug war.

304 Zeno Nr. 41811 (Rev.-Feld: li-’llāh / as-sulṭān al-aʿẓam / Muʿizz ad-Dunyā wa-’d-Dīn / Abū ’l-Ḥāriṯ Sanǧar / al-malik al-muẓaffar / Atsı̊ z). 305 Paul, „Sanjar and Atsız“, S. 106 f. und 124 f. Barthold, Turkestan, S. 329: „This time Atsiz did not take advantage of the Sultan’s misfortune in order to proclaim his own independence“. 306 Stephen Album Rare Coins, Auktion 36 ( Jan. 2020), Los 737 (Mzst.bezeichnung: Ḫvārazm; rechts im Av.-Feld sowie oben im Rev.-Feld ein unklares Wort) und Zeno Nr. 63828 (rechts im Av.-Feld ein ‫ ;ع‬im Rev.-Feld oben mulk, rechts vielleicht ein Schwert). Atsı̊ z starb am 9. Ǧumādā II 551 H. (30. Juli 1156). 307 Malik-i ʿālim-i ʿādil oder nur malik-i ʿādil wird Atsı̊ z dann – nach seinem und Sanǧars Tod – auch in Ibn Funduqs Tārīḫ-i Baihaq bzw. Vaṭvāṭs Ḥadāʾiq as-siḥr genannt (s. Richter-Bernburg, „Zur Titulatur“, S. 186, Anm. 64). 308 Paul, „Sanjar and Atsız“, S. 110 f.

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IV.3 Nīmrūz Kommen wir zunächst aber zu dem Land, dessen 1106–1164 (!) regierender Fürst als Sanǧars treuester Vasall gelten kann: Sīstān oder, wie es auch genannt wurde, Nīmrūz. Hier, südlich von Ḫurāsān am Zarah- oder Hāmūn-See, herrschten als Erben der Ṣaffāriden die Naṣriden. Der Gründer und Namensgeber dieser Dynastie, Naṣr I. (reg. mit Unterbrechungen 1030–1073), war noch als Gouverneur Maḥmūds von Ġazna (reg. 998–1030) eingesetzt worden und anschließend, während einer Phase großer politischer Instabilität in Sīstān, in der Lage gewesen, sich an der Macht zu behaupten, indem er ab 1040 die Oberhoheit der Selǧuqen anerkannte und zu nutzen wusste. Dies bedeutete, dass regelmäßig selǧuqische Truppen ins Land kamen, um Naṣr gegen Rebellen zu helfen, die benachbarten Ġaznaviden309 zu bekämpfen oder Ansprüche im Rahmen eines innerselǧuqischen Streits um die Provinz geltend zu machen. Auch in die wechselhaften Kämpfe, die sich Naṣrs Nachfolger über Jahrzehnte lieferten – das Land blieb äußerst unruhig –, waren (neben anderen Machthabern) immer wieder selǧuqische Emire involviert. Qı̊ zı̊ l-Sarı̊ g etwa unterstützte Bahāʾ ad-Dīn Abū Aḥmad Ḫalaf b. Naṣr (reg. mit Unterbrechungen 1090–1106/1107) 1094 bei dem Versuch, die sīstānische Hauptstadt Zaranǧ von einem gewissen Emir Muʾayyid zurückzuerobern,310 nachdem er zuvor (1092) im Auftrag Sultan Malik-Šāhs I. gegen die Ismāʿīliten in Quhistān gekämpft hatte.311 Ebenfalls in Zusammenhang mit einem Feldzug gegen die unmittelbar westlich von Sīstān entstandene Exklave der Alamūt-Nizāriten erschien Ende 1102 der isfahsālār Boz-Quš in Zaranǧ. Dieser war damals Sanǧars größter Emir und als solcher (vor ʿAlī Čatrī) Gouverneur von Harāt.312 Er traf mit Ḫalaf 309 Die Ġaznaviden hielten immer noch Bust im Osten Sīstāns und es gab Versuche, das an die Selǧuqen verlorengegangene Gebiet um Zaranǧ zurückzuerobern. 310 Tārīḫ-i Sīstān, S. 386 f. Wer der Emir Muʾayyid (bzw. amīr-i muʾayyid) war, wird nirgends erklärt. 1092 tauchte er plötzlich auf, eroberte Zaranǧ und übernahm die Herrschaft über Sīstān, sodass Ḫalaf in Richtung Quhistān floh. Bosworth (Saffarids, S. 389) scheint überzeugt, dass es sich um Ḫalafs eigenen Sohn Naṣr II. handelte, der seinen Vater später tatsächlich noch stürzten sollte. Tetley (Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 150) fragt sich hingegen, ob dieser Emir womöglich der auch sonst als Emir bezeichnete Wesir Muʾayyid al-Mulk b. Niẓām al-Mulk sein könnte. Jedenfalls zog der mysteriöse Emir 1094 aus der Hauptstadtfestung wieder ab und überließ die Herrschaft einem Emir namens Abū Naṣr (b.) Šāhānšāh, dessen Identität ähnlich unklar ist. 311 Ǧuvainī, Tārīḫ-i ǧahāngušāy, Bd. III, S. 202 f. 312 Boz-Quš (anderswo: Er-Quš) hatte schon 493 H. (1099/1100) an Sanǧars Seite (rechter Flügel) gegen Berkyaruq und Ḥabašī b. Altun-Taq gekämpft (s. o., S. 54, Anm. 189) und Ibn al-Aṯīr zufolge war er es gewesen, der damals den amīr-i dād tötete (al-Kāmil, Bd. IX, S. 27 f.). Im Jahr darauf führte er in Sanǧars Auftrag einen ersten Feldzug gegen die Quhistān-Ismāʿīliten, deren Zentrum Ṭabas war (Ibn al-Aṯīr, op. cit., S. 43), und 495 H. (1101/1102) nahm er nahe Balḫ Qadı̊ rḪan Ǧibrāʾīl b. ʿUmar, einen der östlichen Qaraḫaniden, gefangen, nachdem dieser – ermutigt von Sanǧars Emir Kün-Toġdı̊ (oder Kündigüz), der Boz-Quš beneidete – in Ḫurāsān eingefallen war (Ibn al-Aṯīr, op. cit., Bd. IX, S. 57 f.). Kurz nach seiner zweiten Expedition gegen die Ismāʿīliten von Quhistān 497 H. (1103/1104) verstarb Boz-Quš (Ibn al-Aṯīr, op. cit., S. 75 f.). Ich denke, dass

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und dessen Sohn Naṣr II. ein Übereinkommen, woraufhin letzterer von einem Emir namens Maʾmūn313 für sechs Monate mit nach Balḫ und Tirmiḏ genommen wurde.314 Ob Nīmrūz (erst) bei dieser Gelegenheit dem jungen Vizekönig von Ḫurāsān unterstellt wurde, lässt sich nur vermuten. Dass schon Ḫalaf Sanǧar als Oberherrn anerkannte, ist jedoch auf Grund eines neu entdeckten Münztyps gesichert, den ich eindeutig diesem Naṣriden – von dem bisher noch keine Prägungen bekannt waren315 – zuordnen konnte. Es handelt sich um Kupfermünzen, auf deren Vorderseite unter dem nasḫī-Glaubensbekenntnis Ḫalaf b. Naṣr (fünfte Zeile) steht, während auf der Rückseite der Name des Kalifen al-Mustaẓhir bi-’llāh (reg. 1094–1118; vierte Zeile) sowie malik Sanǧar (fünfte Zeile) zu lesen ist (s. Abb. 2).316 Die Nichtnennung des Sultans ist be-

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als Todesjahr 498 H. anzusetzen ist, weil der isfahsālār in diesem Jahr auf Sanǧars Befehl hin noch die zu Harāt gehörende Burg Šamīrān zerstörte (an deren Stelle wohl heute die Iḫtiyār-ad-DīnFestung thront). Dies berichtet uns jedenfalls Fāmī Haravī (1079/1080–1151/1152) in seiner „Tārīḫ-i Harāt“ (S. 134 f. = f. 67v–68r) – der einzigen Quelle, aus der wir wissen, dass Boz-Quš einmal vālī von Harāt war. Auf seinen Kampf gegen die „Ketzer“ um Ṭabas wird auch in Sanǧars Brief an den Kalifenhof verwiesen (Eqbāl, Vezārat, S. 309). Wahrscheinlich nach Ḫurāsān gehend hatte ein Emir Maʾmūn Sīstān 1088 (kurz nach Abū ’l-­ ʿAbbās’ Machtübernahme) verlassen. 1094 wurde er vom Emir Abū ’l-Fażl (= Naṣr II.?) und den Einwohnern Zaranǧs zu Hilfe gerufen, woraufhin er von Harāt in die Hauptstadt Sīstāns zurückkehrte und vergebens versuchte, sie gegen Ḫalaf zu verteidigen. Ein Emir, der 1099 aus Nih in Westsīstān kam, um gemeinsam mit Anderen, darunter ein Emir Farruḫ-Šāh aus Ḫurāsān, gegen Ḫalaf zu kämpfen, hieß wohl Maʾmūn b. Abī ’l-ʿAbbās und dürfte mit dem zuvor genannten Maʾmūn identisch sein. Bosworth (Saffarids, S. 392) glaubt, es handle sich um einen Emir der Selǧuqen von Ḫurāsān. Bevor Maʾmūn Ḫalafs Sohn Naṣr nach Balḫ brachte, war er 1103 noch in Barūnǧ (wohl nahe Zaranǧ) gewesen (Tārīḫ-i Sīstān, S. 384, 387, 389). Farruḫ-Šāh kam 1108 ein zweites Mal nach Sīstān (Tārīḫ-i Sīstān, S. 391) und dürfte mit Sanǧars amīr-i isfahsālār Tāǧ ad-Dīn Farruḫ-Šāh identisch sein, welcher in Sanǧars Brief an den Kalifenhof Erwähnung findet (s. Eqbāl, Vezārat, S. 309). Tārīḫ-i Sīstān, S. 389 f. In Bosworths Saffarids (S. 397) heißt es noch, dass bislang keine vor Naṣr II. geprägten Münzen der Naṣriden bekannt seien. In Albums Checklist wird Ḫalaf überhaupt nicht aufgeführt, doch s. Albums Vermutung (Kommentar vom Apr. 2012) zu dem 🜇-Dirham Zeno Nr. 110211. Letzterer und Zeno Nr. 259412 stammen vom selben Av.-Stempel: In einem zentralen Doppelquadrat mit Ringlein in den Seitenmitten steht: malik l-Islām [sic] / Abū Aḥmad / Ḫalaf-i Naṣr (also ohne b.!). Um das Quadrat verläuft ein Perlkreis, sodass sich vier Zwischenräume ergeben. Während der untere ein Ringlein enthält, von dem links und rechts je ein Strich mit gespaltenem Ende abgeht, steht in den übrigen die šahāda: (rechts:) lā ilāh illā / (oben) ’llāh waḥdahū / (links:) lā šarīk lahū. Die Umschrift um den Perlkreis ist die Mzst.-Datum-Formel (wobei in dirham anscheinend das rāʾ fehlt). Drei Münzen fanden sich im Orientalischen Münzkabinett Jena: OMJ 2008-6-60, 2008-6-61, 20086-62; zwei weitere, auf denen aber nicht alle Namen erhalten sind, gehören zur Tübinger Sammlung (FINT 2009-7-75, 2009-9-75). Es lassen sich u. a. anhand der Av.-Feldbegrenzung (Doppelkreis mit Ringlein) zwei Varianten unterscheiden. In den Feldern blühen links und/oder rechts Blumen. Die Rev.-Umschrift ist der Koranvers 9:33. Die Av.-Umschrift scheint die Bezeichnung dirham sowie den Mzst.namen Siǧistān zu enthalten; die Stelle mit dem Prägejahr ist leider auf keinem Exemplar erhalten, doch kommt nur der Zeitraum 490–499 H. (1097–1106) infrage. Auf Zeno Nr. 110211 (anderer Dirhamtyp, s. o.) werden im unteren Rev.-Feld ebenfalls al-Mustaẓhir bi-’llāh (vorletzte Zeile) und der malik Sanǧar (letzte Zeile) genannt; bi-Siǧistān ist hier in der Av.-Umschrift bestens zu lesen, das Prägejahr jedoch auch nicht. So es sich ebenfalls um Vers 9:33

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merkenswert und bestätigt, wie weitgehend Muḥammad Tapar die gesamte Ostpolitik Sache seines Bruders sein ließ. Anstatt innerhalb des Reiches neben Ḫurāsān auf derselben Verwaltungsebene zu rangieren, hing Sīstān (ähnlich wie Ḫvā­razm) „reichsmittelbar“ von seiner großen Nachbarprovinz im Norden ab. Der malik al-mašriq Sanǧar erinnert in dieser Hinsicht wieder an Čaġrı̊ -Beg, den einst Naṣr I. auf seinen Münzen nannte.317 Interessant ist zudem der Vergleich mit Dirhams des Naṣriden Ṭāhir b. Naṣr (reg. 1073–1088), von dem bislang ebenfalls noch gar keine Münzen bekannt waren. Auf den zwei Exemplaren, die sich in der Sammlung der Forschungsstelle für islamische Numismatik Tübingen fanden, steht Ṭāhirs Name unter dem des selǧuqischen maliks Toġan-Šāh von Harāt, worin die neue Information steckt, dass Sīstān auch zu dessen Machtbereich gehörte, und folglich eine Parallele zur Abhängigkeit Ḫalafs von Sanǧar erkennbar ist, nur wird von Ṭāhir unter dem Kalifen noch Sultan Malik-Šāh I. genannt, sogar als Yamīn Amīr al-Muʾminīn.318

Abb. 2  Die drei Dirhams (Av./Rev.) des Naṣriden Ḫalaf im Orientalischen Münzkabinett Jena.

handelt, dürfte die Rev.-Umschrift auf Zeno Nr. 110211 fehlerhaft sein. Dies gilt jedenfalls für Zeno Nr. 259412, wo (anders als bei Nr. 110211) ein Doppelkreis als Rev.-Feldbegrenzung dient und im Rev.-Feld aus der 112. Sure zitiert wird: Allāh aḥad Allāh / aṣ-ṣamad lam yalid / [wa-lam y]ūlad walam yakun / … 317 Album, Checklist, S. 149, Nr. F1425 (Siǧistān, 450 H.). Zumindest auf einigen solcher Dinare von 450 H. ist neben Naṣr I. (ism rechts im Av.-Feld) und Čaġrı̊ (4.–5. Rev.-Zeile) auch der Gouverneur von Harāt, Čaġrı̊ s Sohn Alp-Arslan, (3.–4. Av.-Zeile) genannt. Auf die Dinare von 448 H. – die sogar in der Tārīḫ-i Sīstān (S. 380) erwähnt sind – wurde (abgesehen vom Kalifen) noch allein Čaġrı̊ s Name geprägt (rechts im Av.-Feld steht bloß fażl). 318 FINT 1995-27-69 und 1999-16-14. Av.: faḫr (?) / * / lā ilāh illā ’llāh / waḥdahū lā šarīk lahū / Šams ad-Daula / Ṭoġān-Šāh / Ṭāhir; Rev.: li-’llāh / Muḥammad rasūl Allāh / al-Qāʾim bi-Amr Allāh / ­Malik-Šāh Muʿizz ad-Dīn / Yamīn Amīr al-Muʾ / minīn. Als Prägezeit kommen die Jahre 465–467 H. (1073–1075) infrage. S. zu Toġan-Šāh o., S. 53, Anm. 187.

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Was Abū ’l-Fażl Naṣr II. angeht, so ist anzunehmen, dass es in Balḫ ein erstes Treffen zwischen ihm und Sanǧar gab, und möglicherweise wurde dabei auch der Umsturz abgesprochen, den der Naṣriden-Prinz im Anschluss an seine Rückkehr nach Sīstān (1104) ins Werk setzte: 1106 rebellierte Naṣr (wie Bosworth glaubt, abermals) gegen seinen Vater, eroberte Zaranǧ und schwang sich zum neuen Herrn von Sīstān auf.319 Ḫalaf gelang wie seinem anderen Sohn Šāhānšāh die Flucht nach Ṭāq, doch schaffte er es trotz der Hilfe des selǧuqischen Emirs Qutalmı̊ š/Qutlumuš (1107) nicht mehr, seine Herrschaft zu restaurieren, sodass er letztlich mit seinem Nachfolger Frieden schloss.320 Wie gesagt, wurde Tāǧ ad-Dīn, so Naṣrs gängigster laqab, von da an ein sehr wichtiger Pfeiler der Herrschaft seines Oberherrn Sanǧar,321 dessen Schwester Šāh-­Ḫatun Ṣafiyya – die „Zierde der Frauen unter den Weltbewohnern“ (zain nisāʾ alʿālamīn) und „Glorie der (diesseitigen) Welt und Religion“ (nāziš-i dunyā-u-dīn)322 – er heiraten durfte.323 Diese enge Bindung stärkte Naṣr und bescherte Sīstān wohl endlich bessere, vergleichsweise ruhige Zeiten.

319 Anders als Paul meint (Lokale und imperiale Herrschaft, S. 220; „Sanjar and Atsız“, S. 84; „Administrative Legacy“, S. 8) fand unter Sanǧars Oberherrschaft also sehr wohl ein Thronwechsel in Sīstān statt. 320 Tārīḫ-i Sīstān, S. 390 f. Die unter dem Namen Sār-o-Tār (Tār-o-Sār) bekannten Ruinen der Festungsstadt aṭ-Ṭāq ragen etwa 45 km südöstlich des modernen Zaranǧ aus dem Wüstensand. 321 Sanǧar selbst bezeichnet ihn in einem Brief an den Ġaznaviden Bahrām-Šāh als einen der beiden getreuesten Vertreter seiner Herrschaft (Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 90: muḫliṣtarīn-i auliyāʾ-i daulat – der andere dürfte Qumač sein). S. zudem Aḥkām, f. 17r–18r, wo der Sultan über Naṣr u. a. sagt: ḫidmat-i ū sabab-i daulat ast. 322 Ein persisches Nomen regens ist für einen solchen laqab ganz ungewöhnlich. Handelt es sich womöglich um die Übersetzung eines der üblichen arabischen Ehrennamen wie z. B. Ǧalāl ad-Dunyā wa-’d-Dīn? 323 Daulat-Šāh, Taḏkirat aš-šuʿarāʾ, S. 107; Šāh Ḥusain, Iḥyāʾ al-mulūk, S. 74. Über Ṣafiyya ist nur sehr wenig bekannt; selbst in Lambtons Selǧuqen-Stammtafel (Continuity and Change, Tafel I am Ende) fehlt sie. In seinem Muṣībat-nāma (Kapitel 14/1; tr. Ritter, S. 423) erzählt ʿAṭṭār von der unglücklichen Liebe zwischen ihr und dem Araberprinzen Šaraf ad-Daula. Aus der Anekdote geht hervor, dass die Ḫatun sehr schön war und in der Hauptstadt Marv lebte, als Nāṣir ad-Dīn Ṭāhir b. Faḫr al-Mulk b. Niẓām al-Mulk Sultan Sanǧars Wesir war, also zwischen 1134 und 1154, was (so die Geschichte nicht gänzlich erfunden ist) bedeuten würde, dass Naṣr II. Ṣafiyya erst nach ca. 1135 heiratete. Die angegebenen alqāb der ḫatun-i aǧall stammen aus einem Lobgedicht Muʿizzīs (Dīvān, S. 558), in dem Ṣafiyya als „Tochter eines vorigen und Schwester des derzeitigen Sultans“ bezeichnet wird und aus dem sich ferner schließen lässt, dass sie dieselbe Mutter wie Sanǧar (Tāǧ ad-Dunyā wa-’dDīn Safariyya-Ḫatun) sowie einen Sohn namens Selǧuq-Šāh hatte (Tetley, Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 141, 189). Letzteren hält Tetley für den gleichnamigen Sohn Muḥammads I.; da dieser jedoch Ṣafiyyas Bruder war, wird weiterhin vorgeschlagen, dass die Ḫatun eigentlich nur eine Zweitfrau Muḥammads war, die später von dessen Mutter und Bruder quasi als Tochter bzw. Schwester angenommen wurde. Dafür spräche, dass Šāh Ḥusain Ṣafiyya als Sanǧars ham-šīra bezeichnet.

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Als vorbildlicher Vasall beteiligte sich der Herr von Nīmrūz324 mit seinen Truppen an mehreren militärischen Unternehmungen Sanǧars,325 wobei er durch seinen außerordentlichen Kampfesmut auffiel. Hierfür wurde er sogar über die Landesgrenzen hinaus berühmt;326 nicht wenige Poeten verfassten entsprechende Lobgedichte.327 Eine der Schlachten, in die der Sīstāner dem Selǧuqen folgte, war die große von Qaṭvān (September 1141). Zu deren Ende hin, als sich das muslimische Heer auflöste und der Sieg der Qara-Ḫitai nicht mehr zu verhindern war, riet Tāǧ ad-Dīn seinem vom Feind eingekreisten Schwager gerade noch rechtzeitig zur Flucht, während er selbst an dessen Platz unter dem Schirm (čatr) im Zentrum der übriggebliebenen Truppen weiterkämpfte und letztlich (ebenso wie Sanǧars Frau Terken-Ḫatun, Qumač, dessen Sohn und Andere) in Kriegsgefangenschaft geriet.328 Abgesehen davon, dass Naṣrs Füße zunächst in den Stock gelegt und die Holzblöcke mit einer schweren Kette gesichert wurden,329 behandelte der Gür-Ḫan den Herrscher von Nīmrūz allerdings gut. Er schätzte dessen Gesellschaft330 und respektierte den Ausnahmekrieger derart, dass er ihn nach etwa zweieinhalb Jahren wohl nicht gegen ein Lösegeld frei ließ, sondern auf die Nachricht hin, dass in Sīstān zwischenzeitlich Naṣrs Söhne die Macht an sich gerissen hätten.331 Einer anderen Überlieferung zufolge war dem Naṣriden die Flucht

324 Nīšāpūrī zufolge gab Sanǧar Naṣr II. nicht nur die Herrschaft über Nīmrūz (Sīstān), sondern auch die über das benachbarte Zābulistān (Salǧūq-nāma, S. 55), doch gehörte diese Provinz definitiv zum Reich der Ġaznaviden. 325 S. zur Naṣrs Erfüllung der Pflicht zur Heeresfolge auch Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 361. Anders als Paul angibt, wird auch für einen Feldzug Sanǧars nach Ḫvārazm eine Teilnahme sīstānischer Truppen erwähnt, s. Aḥkām, f. 144r/Barthold, Turkestan – Teksti, S. 45 (fatḥ-nāma). 326 Qāšānī, Zubda – Selǧuqen, S. 55: „In den großen Schlachten, inmitten zahlloser Truppen war er der Recke seines Heeres“ (dar maṣāfhā-yi muʿaẓẓam va laškar-i ʿaramram pahlavān-i sipāh-i ū būdī). S. auch Samarqandī, Aġrāḍ as-siyāsa, S. 410 f. 327 Neben seinem (sonst wohl unbekannten) Hofpoeten Ḫvāǧa Saʿīd Mustaufī (s. Khan, „Bahram Shah“, Teil I, S. 75) rühmten ihn auch Muʿizzī (Dīvān, S. 298–300) und der ebenfalls an Sanǧars Hof wirkende ʿAbd al-Vāsiʿ Ǧabalī (Dīvān, S. 64 f., 134–138, 229–232, 311–319) sowie Muḫtārī Ġaznavī (Dīvān, S. 50–52, 123–126) und der oben erwähnte Vaṭvāṭ (Dīvān, S. 296). 328 Bundārī, Zubda, S. 278 und Ḥusainī, Aḫbār, S. 93 f.; Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 58 f.; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 322. Naṣr führte wie schon 1116/1117 im Kampf gegen den Ġaznaviden Malik-Arslan (dazu unten) den linken Flügel. 329 Ǧūzǧānī, Ṭabaqāt, Bd. I, S. 276. 330 Rašīd ad-Dīn, Ǧāmiʿ – Selǧuqen, S. 60. 331 Bundārī, Zubda, S. 278; Ḥusainī, Aḫbār, S. 93. Eventuell ist ein Schreiben Sanǧars – s. Aḥkām, f. 141r f. – an jenen malik-i Nīmrūz gerichtet, der Sīstān während Naṣrs Gefangenschaft als „Thronerbe und Vertreter des Vaters“ (valī-ʿahd va nāʾib-i pidar) regierte. Jedenfalls nennt der Sultan den Adressaten Sohn statt Bruder, Emir statt malik und vor allem (wiewohl Tāǧ ad-Dīn im Text Erwähnung findet) Nuṣrat/Naṣīr ad-Dīn Niẓām al-Islām Ẓahīr al-Imām, also mit alqāb, welche nicht Naṣr II. gehören (s. u.). Hinsichtlich der Dauer der Kriegsgefangenschaft ist in der Tārīḫ-i Sīstān (S. 391) zu lesen, dass Tāǧ ad-Dīn erst im Apr./Mai 1144 nach Zaranǧ zurückkehrte, wohingegen etwa Nīšāpūrī (Salǧūq-nāma, S. 59) schreibt, dass der Herrscher von Sīstān bereits nach einem Jahr beim Gür-Ḫan zusammen mit der Ḫatun an Sanǧar zurückgeschickt wurde (s. allerdings auch Rašīd ad-Dīn, Ǧāmiʿ – Selǧuqen, S. 60, wo eingeschoben ist, dass die Gefangenschaft der Königin

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gelungen, und zwar mit Hilfe einer ihm zugetanen Frau des Gür-Ḫans.332 Jedenfalls nahm er besagten Stock samt Kette mit nach Zaranǧ und hängte beides in der maqṣūra der Freitagsmoschee auf, wo noch Ǧūzǧānī im Jahre 1216/1217 einen Blick darauf werfen konnte.333 Als Lohn für seine langjährigen, treuen Dienste bekam Tāǧ ad-Dīn Naṣr II. von Sanǧar unter anderem334 die Provinz Farāh (ganz im Norden Sīstāns) übertragen; anders als Horst angibt,335 ist der entsprechende „hohe Erlass“ (al-miṯāl al-ʿālī)336 nämlich gewiss keiner, den erst Vaṭvāṭ im Namen des Ḫvārazmšāhs Il-Arslan schrieb. Darüber hinaus lässt eine Prüfung der Titel, die Naṣr in Urkunden wie dieser, Briefen und anderen Quellen trägt, den Schluss zu, dass der Herrscher Sīstāns anfangs noch als Emir galt, mit der Zeit (vielleicht erst Mitte des 12. Jh.) jedoch definitiv als malik eingestuft und vom Selǧuqen- wie vom Ġaznavidensultan Bruder genannt wurde,337 wobei man annehmen darf, dass die veränderte Bewertung seiner – ja immerhin parallel zu den Selǧuqen an die Macht gekommenen – Dynastie338 nicht zuletzt auch mit der Ehelichung Ṣafiyyas zusammenhing. Ausschlaggebend war am Ende wohl das hohe Ansehen, welches Tāǧ ad-Dīn spätestens nach seiner Rückkehr aus besagter Gefangenschaft genoss. Lambton führt den Naṣriden hingegen als Beispiel für einen Emir an, der entgegen den Regeln einfach wegen seiner gewachsenen Macht und Autonomie zum malik avancierte,339 was, wie wir sahen, vielmehr auf Atsı̊ z zutrifft (dessen Familie erst im Dienste der Selǧuqen aufstieg). Zudem kann man nicht allein von Naṣrs Regionalherrschertitel malik-i Nīmrūz ausgehen, weil dieser in der Regel nur als eine Art

doch zwei Jahre währte). Für Terken-Ḫatun sollen 500 000 Dinar gezahlt worden sein, für Qumač und Sohn 100 000. 332 Ǧūzǧānī, Ṭabaqāt, Bd. I, S. 276. 333 Ibid.; auf S. 277 erfahren wir, dass Naṣr II. hier gelegentlich selbst das Freitagsgebet sprach. 334 Šāh Ḥusain, Iḥyāʾ al-mulūk, S. 74: sulṭān čand maḥall bar mamālik-i ū afzūda. 335 Staatsverwaltung, S. 120, Urkunde I 11. 336 Aḥkām, f. 17r–18r; in der Narratio werden Naṣrs Verdienste und beständige Treue wärmstens hervorgehoben und gewürdigt. 337 Schreiben, in denen Sanǧar oder Atsı̊ z Naṣr als malik betitelt und/oder barādar nennt: Aḥkām, f. 17r–18r, 33r–34r, 35v–37r, 50v, 92v–94v, 139v; Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 90; Vaṭvāṭ, Nāmahā, S. 18 (die meisten lassen sich in Sanǧars späte Jahre datieren). Vom malik Abū ’l-Fażl spricht auch Samarqandī (Aġrāḍ as-siyāsa, S. 410) und in der Tārīḫ-i Sīstān (S. 391) findet sich einmal amīr-i aǧall malik-i muʾayyid. Bei Muʿizzī (Dīvān, S. 298) steht noch schlicht amīr-i muẓaffar-i manṣūr und in Briefen, die der Ġaznavide Bahrām-Šāh an seinen barādar Naṣr richtete, al-amīr al-aǧall as-saiyid al-auḥad oder amīr-i aǧall-i auḥad (Aḥkām, f. 95r, 97r, 98v, 99r–99v). Paul (Lokale und imperiale Herrschaft, S. 304; „Khidma“, S. 405; „Administrative Legacy“, S. 8) gibt an, Naṣr sei von Sanǧar sowohl Bruder als auch Sohn genannt worden, doch kommt nur barādar vor (zum Sonderfall Aḥkām, f. 141 f. s. o., Anm. 331). 338 Nur Šāh Ḥusain (Iḥyāʾ al-mulūk, S. 74) bemerkt explizit, dass es sich bei Naṣr II. um den ersten Herrscher Sīstāns handelte, welcher „königliche alqāb“ erhielt: ū avval kasī ast az natāyiǧ-i āl Ṣaffār va sulāla-yi pādišāhān-i ẕavī ’l-iqtidār-i ʿAǧam ki alqāb-i malikī yāfta va baʿd az ān pādišāhān-i Zābul va Sīstān-rā malik guftand. 339 Lambton, Continuity and Change, S. 247 (ihr b. Ṭāhir ist in b. Ḫalaf zu korrigieren).

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Beiname angehängt ist und vom eigentlichen Titel unabhängig zu sein scheint (sodass ihn genauso ein Emir führen konnte);340 beides macht ihn dem bekannteren Ḫvārazm­ šāh durchaus vergleichbar. Die allermeisten alqāb und nuʿūt, die Naṣr während seiner langen Regentschaft sammelte, finden sich einzig in der unpublizierten und daher von Bosworth und anderen ungenutzten inšāʾ-Sammlung Aḥkām dīwān salāṭīn māḍīya, aus der hier folgende, recht beeindruckende malik-Volltitulatur (ohne ism, kunya und nasab) wiedergegeben sei: malik-i aǧall-i auḥad-i kabīr-i muʾayyid-i manṣūr-i muẓaffar-i ʿālim-i ʿādil barādar Tāǧ ad-Dīn Bahāʾ al-Islām wa-’l-Muslimīn Šams al-Mulūk wa-’s-Salāṭīn Qāhir al-Kafara wa’l-Mulḥidīn Qāmiʿ al-Faǧara wa-’l-Mutamarridīn Qātil al-Mufsidīn ʿUddat al-Ǧuyūš fī ʿAlamīn Raḍī ’l-Imām Ṣafī ’l-Anām ʿAḍud al-Ḫilāfa ʿAlāʾ ad-Daula Niẓām al-Milla Nāṣir al-Umma ʿImād al-Mulk Qiwām al-Maʿālī amīr umarāʾ aš-šarq wa-’l-ġarb pahlavān-i ǧahān ḫusrau-i Īrān va Tūrān šahriyār-i ʿArab va ʿAǧam šāh-i ġāzī malik-i Nīmrūz341

Einige dieser illustren Ehrennamen342 kommen auch in Briefen vor, in denen Naṣr nicht als malik, sondern als Emir angesprochen wird,343 sowie in jener Titulatur, welche das

340 Außer an den schon angegebenen in den Aḥkām (f. 35v: šāh-i Nīmrūz, sonst stets malik-i Nīmrūz) kommt der Regionalherrschertitel an folgenden Stellen vor: Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 90 (malik-i aǧall-i muʾayyid-i muẓaffar-i manṣūr-i ʿādil barādar Tāǧ ad-Dīn malik-i Nīmrūz); Muʿizzī, Dīvān, S. 298 (amīr Tāǧ ad-Dīn Abū ’l-Fażl malik-i Nīmrūz); Vaṭvāṭ, Dīvān, S. 296 (pādišāh/šāh-i Nīmrūz); id., Nāmahā, S. 18, 117 (zwei Briefe von Atsı̊ z an den malik-i Nīmrūz); Ǧabalī, Dīvān, S. 134 f. (malik-i Nīmrūz Tāǧ ad-Dīn ’mīr ’bū ’l-Fażl Naṣr b. Ḫalaf), S. 229 (malik Tāǧ ad-Dīn ’mīr ’bū ’l-Fażl Naṣr b. Ḫalaf malik-i Nīmrūz und ’mīr Tāǧ ad-Dīn malik ’bū ’l-Fażl Naṣr b. Ḫalaf), S. 311 (Tāǧ ad-Dīn Abū ’l-Fażl Naṣr b. Ḫalaf malik-i Nīmrūz), S. 312 (šāh-i Nīmrūz […] malik ’bū ’l-Fażl Naṣr b. Ḫalaf), S. 318 (Tāǧ ad-Dīn amīr Abū ’l-Fażl Naṣr b. Ḫalaf malik-i Nīmrūz und malik-i Nīmrūz Tāǧ ad-Dīn […] ’mīr ’bū ’l-Fażl Naṣr); Muḫtārī, Dīvān, S. 50, 123 (Naṣr b. Ḫalaf pādišāh-i Nīmrūz), S. 51 (pādišā Naṣr-i Ḫalaf ’bū ’l-Fatḥ [sic] šāh-i Nīmrūz), S. 124 (Tāǧ-i Dīn malik-i Nīmrūz Naṣr-i Ḫalaf); Khan, „Bahram Shah“, Teil I, S. 75 (Mustaufī: malik-i Nīmrūz); Samarqandī, Aġrāḍ as-siyāsa, S. 410 (­malik-i Nīmrūz Tāǧ ad-Dīn Abū ’l-Fażl Naṣr-i Ḫalaf […] ki pādišāh-i Sīstān būd) und 411 (längere, vom Text bei Khan teils abweichende Version des Mustaufī-Gedichts auf den malik-i Nīmrūz). Man beachte, wo der Regionalherrschertitel innerhalb der Titulaturen steht. Bei Ǧuvainī folgt er erst nach dem eigentlichen malik-Titel samt Epitheta, barādar und Ehrenname und auch Muʿizzī, Muḫtārī und Ǧabalī hängen ihn zumeist hinten an. Dabei baut letzterer zuvor – mitunter zusätzlich zum eigentlichen malik-Titel (!) – noch den Emir-Titel ein, welcher Naṣr auch von Muʿizzī gegeben wird. Im Übrigen kommt noch unter den Mihrabāniden die Form ḫusrau-i Nīmrūz vor (Tārīḫ-i Sīstān, S. 403). 341 Aḥkām, f. 92v (Erlass Sanǧars). Die Titelketten in zwei weiteren Schreiben (f. 36v, f. 139v) sind fast die gleichen. Abweichend steht dort in beiden Fällen Qāmiʿ al-Kafara wa-’l-Mušrikīn Qāhir al-Mutamarridīn und je einmal Falak al-Maʿālī und Ẓahīr al-Anām; ferner fehlt in der mit Tāǧ al-Milla wa-’d-Dīn beginnenden Titulatur auf f. 36v u. a. der daula-laqab und auf f. 139v die Paarformelbildung mittels ʿArab und Tūrān (dafür hier: šahriyār-i ʿAǧam sipahdār-i Īrān). Wie man sieht, klingt in Naṣrs Ehrennamen sowohl die Bekämpfung der „ungläubigen“ Qara-Ḫitai als auch die der benachbarten, „häretischen“ Quhistān-Ismāʿīliten an. 342 Man vergleiche die Reihe mit den Ausführungen Richter-Bernburgs auf S. 180 ff. in „Titulatur“. 343 Eine Abweichung, die zu beobachten ist, betrifft den daula-laqab; er lautet in Bahrām-Šāhs Briefen an den Emir Naṣr Ǧamāl ad-Daula (Aḥkām, f. 97r, 98v, 99v). Vaṭvāṭ (Dīvān, S. 296) gibt Naṣr in einem

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untere zweier kūfischer Schriftbänder aufwies, die bis zum Einsturz des Monuments (um 1955) ein prachtvolles Ziegelminarett nahe Zāhedān umliefen;344 die Inschrift lautet: al-malik al-muʾayyid al-manṣūr al-muẓaffar al-ʿālim al-ʿādil Tāǧ ad-Dunyā wa-’d-Dīn Šams al-Mulūk wa-’s-Salāṭīn šāh-i ġāzī sulṭān-i Nīmrūz Abū ’l-Fażl Naṣr b. Ḫalaf Naṣīr Amīr al-Muʾminīn.345 Zu bedenken ist, dass das sogenannte Mīl-e Qāsemābād höchstwahrscheinlich erst errichtet wurde, als Sanǧar schon tot und die politische Lage folglich eine neue war,346 weshalb die darauf gesetzte Titelkette eventuell nicht mehr Naṣrs Vasallenstatus widerspiegelt. So bestätigt den Doppel-laqab, wie ihn das Minarett aufwies, für Sanǧars Regierungszeit nur Muʿizzī347 (dessen Tod ja zwischen 1124 und 1127 datiert wird). In den inšāʾ-Dokumenten begegnen stattdessen regelmäßig die für den Grenzbereich zwischen Emir und König angemesseneren Formen Tāǧ ad-Daula wa-’dDīn und Tāǧ al-Milla wa-’d-Dīn,348 wohingegen man auf Naṣrs Münzen – es lassen sich mindestens sieben Æ/BI-Typen unterscheiden349 – lediglich ein Mal (die Kurzform) Tāǧ [ad-Dīn] liest;350 am häufigsten findet sich allein die kunya Abū ’l-Fażl.351 Gedicht noch den laqab Nāṣir-i Islām und in Ǧabalīs Versen (Khan, „Bahram Shah“, Teil I, S. 75) findet sich der Beiname ʿālam-sūz – der Ġūride Ḥusain II. war also nicht der erste „Weltverbrenner“. 344 S. O’Kane, „Salǧūq Minarets“, S. 89 ff. Das über 21 m hohe Minarett ragte ca. 8 km nordwestlich von Zāhedān unweit des Dorfs Qāsemābād empor, nach dem es meist als Mīl-e Qāsemābād bezeichnet wird. Bei O’Kane, Sourdel-Thomine („Deux minarets“, Karte auf S. 132) sowie auf http://archnet. org/sites/3858 und anderswo ist falsch angegeben, dass es sich bei dem hier gemeinten Zāhedān um die heutige (ehemals Duzdāb/Duzdāp genannte) Hauptstadt der iranischen Doppelprovinz Sīstān und Balūčistān (Belutschistan) handelt, und auch Bosworth (Saffarids, S. 395) schreibt etwas irreführend „to the northwest of the modern site of Zāhidān“. Tatsächlich beziehen sich die Angaben (wie aus den alten Berichten klar hervorgeht) auf die Ruinen von „Alt-Zāhedān“, welche ca. 9 km nördlich von Zahak, ca. 12 km westlich von Mīlak und ca. 13 km südöstlich von Bonǧār bei Zābol (früher: Naṣratābād) liegen. Vielleicht handelt es sich sogar um die Überreste des alten Zaranǧ (das moderne, einst Nād-e ʿAlī genannte Zaranǧ in der afghanischen Provinz Nimroz liegt nur 16 km weiter östlich). 345 Die gesteigerte Variante sulṭān-i Nīmrūz ist bemerkenswert, bedeutet aber – anders als O’Kane („Salǧūq Minarets“, S. 93) meint – nicht, dass Naṣr sich irgendwann zum Sultan aufschwang. 346 O’Kane, „Salǧūq Minarets“, S. 93; Bosworth, Saffarids, S. 396. Man geht davon aus, dass der im oberen Schriftfries genannte malik Tāǧ ad-Dīn Ḥarb das Minarett bauen ließ, als sein Großvater Naṣr noch an der Macht war. 347 Muʿizzī, Dīvān, S. 298. Dass zuvor der amīr- und nicht der malik-Titel steht, erscheint unstimmig. 348 Aḥkām, f. 17r–18r, 36v, 95r–98v, 139v; mehrfach hat der Schreiber al-milla wa abseits der Zeile nachgetragen. 349 Bosworth wusste in Saffarids (S. 397) bloß eine einzige Münze Naṣrs II. zu nennen: FINT EA6 A4. Ein Überblick über Naṣrs Münzprägung wird sich im von mir geplanten SNAT-Band zu Sīstān finden. 350 Auf dem Av. dieses in Albums Checklist (unter Nr. 1425) erwähnten Typs ist innerhalb des Achtpasses ganz oben gut Tāǧ zu lesen, während ad-Dīn vermutlich unter der šāhāda (2.–4. Zeile mit Punkt links neben Muḥammad) steht. Der Typ gehört sicherlich in die ersten Jahre nach Sanǧars Tod – bei der Person, welche unter dem Kalifen al-Muqtafī auf dem Rev. genannt ist und Album für „unidentified“ hält, handelt es sich um Sanǧars qaraḫanidischen Neffen und Erben Maḥmūd b. Muḥammad b. Sulaimān! 351 An dieser Stelle sei noch die einzige andere bauliche Hinterlassenschaft angesprochen, die mit Naṣr II. in Verbindung gebracht wurde: eine Anlage bei dem Ort Sangān (Sanǧān) im zu Raża-

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Auch besagter malik-Status ist numismatisch unbelegt, doch weisen einige der Nīmrūzer Billon-Prägungen – mit Sanǧars Namen (letzte Av.-Zeile) – im quadratischen Revers-Feld den Regionalherrschertitel šāhānsāh-i Nīmrūz auf. Dass es sich hier um eine bemerkenswerte, gesteigerte Variante des in literarischen Quellen vorkommenden (pādi)šāh/malik-i Nīmrūz (s. o.) handelt, gilt auch für das sulṭān-i Nīmrūz der Minarettinschrift; anders als O’Kane352 meint, bedeutet diese Variante aber nicht etwa, dass sich Naṣr II. irgendwann zum Sultan aufschwang (man vergesse nicht, mit welchem Titel die Inschrift beginnt). Weil auf den šāhānsāh-i-Nīmrūz-Münzen nie ein Kalif angegeben und keines der mir bekannten Exemplare353 so gut geprägt/erhalten ist, dass das Jahr (Av.-Umschrift) entzifferbar wäre, kann man vorerst nur annehmen, dass es sich um einen der frühen Typen Naṣrs II. handelt. Auf dem Avers des einzigen anderen Münztyps, den ich erstens Naṣr b. Ḫalaf zuordnen konnte und welcher zweitens noch während Sanǧars Herrschaft geschlagen wurde, ist der Selǧuqensultan oberhalb der šahāda genannt und unterhalb der Kalif al-Muqtafī, während die letzte Zeile wohl den ism des Naṣriden enthält.354 Der Revers zeigt einen Doppelkreis mit dem einzelnen „Ehrentitel“ ġāzī darin355 und wie sich sowohl den inšāʾ-Dokumenten als auch der Minarettinschrift entnehmen lässt, war Naṣr II. ja als šāh-i ġāzī bekannt (s. o.; Sanǧar in einem Brief: malik […] barādar Tāǧ ad-Dīn

vī-Ḫorāsān gehörenden šahrestān von Roštḫār. Wilber dokumentierte hier* einen Inschriftrest, der sich als [T]āǧ ad-Dīn interpretieren ließe, und gab dazu Richard Ettinghausens Überlegung wieder, dass sich der Ehrenname auf Naṣr II. beziehen könnte, da dessen Herrschaft gut zur vorgeschlagenen Datierung der Ruinen passe (Wilber, „Two Structures“, S. 34 (f.), Abb. 2 und S. 37, Addendum nach Ettinghausen). Wie spekulativ diese Zuordnung anhand eines einzelnen laqabs ist, war Wilber selbst bewusst und hinzu kommt, dass der Baukomplex deutlich außerhalb des naṣridischen Machtbereiches liegt. Mittlerweile (oder wusste Wilber davon nichts?) gilt er offenbar als letzte Ruhestätte des Čištī-Scheichs Rukn ad-Dīn Maḥmūd (gest. 1200/1201), welcher als šāh(-i) Sanǧān bekannt wurde. Gleichwohl wurde Wilbers/Ettinghausens unsichere Zuordnung übernommen, s. etwa Jarrar/Riedlmayer/Spurr, RSIA, S. 174, Nr. 13.16 (unter Saffarids). * Wilber lokalisiert Sanǧān richtig an der Straße, die Torbat-e Ḥaidariyye (einst Zāva) mit Ḫargerd verbindet, doch irritieren seine Entfernungsangaben („Turbat-i Haydari, fifty kilometers to the west, and Khargird, forty kilometers to the east“); tatsächlich sind es von Torbat-e Ḥaidariyye aus nur etwa 25 km. Zu beachten ist, dass es in der Region zwei Orte namens Sangān mit historischem Baubestand gibt: einen oberen (pāʾīn) an genannter Stelle im šahrestān von Roštḫār und einen unteren (bālā) rund 16 km südöstlich von Ḫargerd im šahrestān von Ḫāf. 352 „Salǧūq Minarets“, S. 93. 353 Zur FINT-Sammlung gehören fünf solcher Münzen: 2002-16-74, 2002-16-75, 2009-12-176, 200912-177, 2015-2-128; Av.: lā ilāh illā / ’llāh Muḥammad / rasūl Allāh / Sanǧar; bei der Rev.-Umschrift könnte es sich um die Koranverse 30:4–5 handeln. Ansonsten lassen sich mind. drei Varianten unterscheiden: das Quadrat ist außen nicht immer mit einem Bogen und drei Punkten je Seite verziert und in šāhānšāh-i / Nīmrūz steht beispielsweise das finale h an verschiedenen Stellen, etwa über dem zweitem š. 354 Sanǧar / lā ilah illā ’llāh / Muḥammad rasūl Allāh / [al-Mu]qtafī bi-Amr [sic] Allāh / Naṣr (?). Mir ist nur ein einziges Exemplar dieses Typs in der FINT-Sammlung bekannt; es handelt sich wieder um einen BI-Dirham. 355 Um den Doppelkreis stehen zwei ungelesene Umschriften.

Das Reich der Qaraḫaniden (bis 1141)

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malik-i Nīmrūz šāh-i ġāzī356) – was in seinem Fall wohl nicht nur auf den Kampf gegen die benachbarten Ismāʿīliten von Quhistān Bezug nimmt, sondern insbesondere auf besagte Teilnahme an der Schlacht in der Qaṭvān-Steppe (1141). Vielleicht nahm Naṣr den ġāzī-Titel erst nach seiner Rückkehr von den Qara-Ḫitai an; wegen des genannten ʿAbbāsiden datiert der Münztyp jedenfalls in die Zeit nach 1136 und auch alle anderen Vorkommen des ġāzī-Titels gehören in Naṣrs späte Jahre. Auf einem weiteren neu bestimmten Dirhamtyp Naṣrs II. ist der Münzherr sogar (nur) in der Form šāh-i ġāzī aufgeführt (Rev.),357 was schon zu der Annahme geführt hatte, es könne sich um einen Verweis auf den bāvandidischen Herrscher von Māzandarān Rustam „Šāh-Ġāzī“ b. ʿAlī (reg. ca. 1142–1165) handeln, doch wissen wir nun, dass ebenso der Herr von Nīmrūz diesen Glaubenskämpfer-Titel führte. Noch abenteuerlicher ist eine Fehlbestimmung des Typs als ḥamdānidisch (!) durch Ǧamāl Torābī Ṭabāṭabāʾī, welcher auf dem Avers unten as-saʿīd lesen will und an Saʿīd ad-Daula Saʿīd b. Šarīf von Aleppo (reg. 991–1002) dachte.358 Tatsächlich führt Naṣr an dieser Stelle den Kalifen al-Mustanǧid bi-’llāh auf (reg. 1160–1170), weshalb im Übrigen auch Stephen Albums Bestimmung des Typs als Prägung jenes (anūšteginidischen) Herrschers, welcher die Naṣriden-Dynastie 1225 stürzte (Tāǧ ad-Dīn I̊ nal-Tegin),359 falsch ist. Gleichwohl sind wir nun schon in der Zeit nach dem Untergang des Sanǧar-Reiches angekommen und so soll hier weder dieser interessante Dirham-Typ noch Naṣrs übrige Münzprägung (weiter) besprochen werden. Fest steht, dass sich kein Fall finden ließ, in dem Sultan Sanǧar nicht in der Nīmrūzer sikka genannt wäre (und das, obwohl wir es lediglich mit BI/Æ-Stücken zu tun haben). IV.4 Transoxanien und die Provinzen am oberen Amudarja IV.4.1 Das Reich der Qaraḫaniden (bis 1141) Während der Herrscher – man darf sagen: malik – von Nīmrūz also ganz auf den Bund mit Sanǧar setzte, um seine Interessen zu sichern, und (im Gegensatz zu Atsı̊ z) nicht als Konkurrent, sondern als zuverlässiger Partner des Sultans Karriere machte, gestaltete sich die Oberhoheit über die Qaraḫaniden in Transoxanien komplizierter und gab hin und wieder Anlass zur Sorge. Nachdem Sultan Berkyaruq ab 1097 von den westlichen Vertretern aus dem „Geschlecht des Afrāsiyāb“ als Oberherr aner-

356 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 90. 357 In einem Doppelquadrat mit je einem nach außen ragenden Zierknoten pro Seitenmitte: šāh(-i) / ġāzī; um den quadratischen Rahmen ein Kreis und darum der Koranvers 9:33. 358 S. Ṭabāṭabāʾī, Sekkehā-ye eslāmī-ye Īrān, S. 625. 359 Album, Checklist, S. 150, Nr. 1431D.

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Transoxanien und die Provinzen am oberen Amudarja

kannt worden war,360 zog einer der östlichen Vertreter der Dynastie namens Ǧibrāʾīl gegen Samarqand und tötete (wohl 1099) den hier von Berkyaruq eingesetzten Ḫaqan Maḥmūd.361 Als Sanǧar wenig später in Bagdad weilte, sah Ǧibrāʾīl dann die Gelegenheit gekommen, neben Mā warāʾa ’n-nahr auch Ḫurāsān in Besitz zu nehmen, wozu ihn einer der Emire des jungen, auf der Rückreise aus dem Irak erkrankten „Königs des Ostens“ ermutigte (s. o., S. 76, Anm. 312). Sanǧar konnte Ǧibrāʾīl jedoch besiegen und Transoxanien im Jahre 1102 erneut der Selǧuqenherrschaft unterstellen; zum Vasallenfürsten von Samarqand erwählte er (wohlgemerkt noch in seiner Funktion als Statthalter) den vor Ǧibrāʾīl in seine Geburtsstadt Marv geflüchteten Muḥammad b. Sulaimān.362 Dieser westliche Qaraḫanide mit dem Titel Arslan-Ḫan363 war Sanǧars Neffe und wurde außerdem noch (s. Tafel I auf S. 387) dessen Schwiegervater364 und Schwager,365 wobei die Schwester, welche der Selǧuqe dem Ḫaqan zur Frau gab, – „das Hauptjuwel am Collier366 der Königsfamilie und die Perle an der Halskette des Sultansgeschlechts“ – niemand anderes als die zuvor mit Sultan Masʿūd III. von Ġazna (reg. 1099–1115) verheiratete mahd-i ʿIrāq Gauhar-Ḫatun war!367 360 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 9; bei Bundārī (Zubda, S. 258 f.) ist zu lesen, dass Berkyaruq den Thron der westlichen Qaraḫaniden nacheinander Sulaimān, Maḥmūd und Hārūn gab. Letzterer könnte mit Ǧibrāʾīl identisch sein, s. Pritsak, „Karachaniden“, S. 49. Zumindest von Maḥmūd und Ǧibrāʾīl sind Münzen bekannt, doch findet sich auf keinem Stück der Name eines Selǧuqen. 361 Ibn al-Aṯīr, op. cit., Bd. VIII, S. 119, wo Ǧibrāʾīl nur Toġan-Ḫan genannt wird. 362 Ibn al-Aṯīr, op. cit., Bd. IX, S. 57–59. Muḥammad hatte anscheinend bereits (um) 1100/1101 für kurze Zeit regiert; jedenfalls soll sein Name auf einer Münze mit dem Prägejahr 494 H. stehen (Kočnev, Numizmatičeskaja istorija, S. 216). Kočnev findet dies problematisch, doch passt es zu Ibn al-Aṯīrs Aussage, dass Muḥammad von Ǧibrāʾīl gestürzt und von Sanǧar wiedereingesetzt wurde (al-Kāmil, Bd. IX, S. 320). 363 Dies war traditionell der höchste Rang innerhalb des komplizierten qaraḫanidischen Titelsystems. 364 Arslan-Ḫans Tochter Terken-Ḫatun war Sanǧars Hauptfrau (wie gesagt, war er wohl auch noch mit der Tochter seines Onkels Tekiš b. Alp-Arslan verheiratet). Terken-Ḫatun begleitete ihren Gatten auf dessen Feldzügen und ließ im Jahre 549 (1154/1155) die als Ribāṭ-i Šaraf bekannte Karawanserei zwischen Saraḫs und Mašhad renovieren, wie eine Inschrift verrät, in der sie u. a. malikat nisāʾ al-ʿālamīn („Königin der Frauen unter den Weltbewohnern“) muʿizzat āl Afrāsiyāb qutluġ bilge sayyida Terken bt. al-ḫaqan al-aʿẓam genannt wird (TEI Nr. 34491). Ibn Funduq nennt sie malika-yi rū-yi zamīn (Tārīḫ-i Baihaq, S. 250) und berichtet interessanterweise, dass 1148/1149 auf ihren Befehl hin eine Festung zerstört wurde (op. cit., S. 269). Terken-Ḫatun starb wohl 1156; manche halten das sog. Kyz-Bibi-Mausoleum in Marv für ihr Grab. 365 Sanǧar bezeichnete ihn als seinen Bruder (Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 62). 366 ‫( واسطﮥ عقد‬s. folgende Anm.) ist doppeldeutig: Versteht man vāsiṭa als „Vermittlerin“ und ließt ʿaqd stattʿiqd, so ist die Königin als diejenige Person charakterisiert, über die der Dynastie(n)bund funktionierte. 367 Dies geht sowohl aus dem Brief hervor, den Sanǧar vor der Einnahme Samarqands im Jahre 1130 an die Würdenträger dieser Stadt schickte (Aḥkām, f. 42v/Barthold, Turkestan – Teksti, S. 26: ḫudāvand-zāda mahd-i ʿIrāq dāmat ʿiṣmatuhā), als auch aus einem Schreiben, in dem Atsı̊ z Arslan-Ḫans Sohn Maḥmūd „zum Tod von dessen Mutter, der Ḫatun, Königin mahd-i ʿIrāq“ kondoliert (Vaṭvāṭ, Nāmahā, S. 16 f., wo sie vāsiṭa-yi ʿiqd-i ḫānadān-i mamlakat va durr-i qilāda-yi dūḏmān-i salṭanat sowie sayyida-yi nisāʾ-i dunyā genannt wird). Barthold übersah in Sanǧars Brief wohl den Bei­ namen mahd-i ʿIrāq; jedenfalls gibt er fälschlich an, Sanǧars Frau, die Tochter Arslan-Ḫans, habe den Sultan zunächst vom Angriff auf Samarqand abgehalten (Turkestan, S. 321). Bislang wusste

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Muḥammad benötigte und erhielt wiederholt die militärische Hilfe seines Oberherrn, zunächst gegen zwei qaraḫanidische Rivalen: Den einen, ʿUmar, tötete Sanǧar letztlich in Ḫvārazm;368 der andere, Saġun- oder *Saġı̊ r-Beg, wurde erst zurückgedrängt und zum Friedensschluss mit Arslan-Ḫan gezwungen (1103), dann aber, nach einem weiteren Versuch, die Macht in Transoxanien an sich zu reißen, empfindlich geschlagen (1109/1110).369 Möglicherweise gehörte Saġun-Beg zu jenen Widersachern des Ḫaqans, die Sanǧar in seine Hauptstadt deportieren ließ.370 Dies war im Rahmen des alten Konflikts zwischen Qaraḫaniden und Geistlichen jedenfalls das Schicksal des politisch gefährlichen Ḥanafiten-Oberhaupts von Buḫārā Abū Isḥāq Ibrāhīm b. Ismāʿīl aṣ-Ṣaffār gewesen.371 An dessen Stelle hatte der malik von Ḫurāsān noch 1102 (oder kurz darauf) den sogenannten „zweiten [Abū Ḥanīfa] Nuʿmān“ Burhān al-Milla wa-’d-Dīn ʿAbd al-ʿAzīz b. ʿUmar Māza gesetzt, von dem es im Kitāb-i Mullāzāda heißt, dass auch er mit einer Schwester Sanǧars verheiratet war.372 Was der Installation dieses Marver Imams mit dem neu eingeführten Titel aṣ-ṣadr (al-kabīr) zu Grunde gelegen haben dürfte, ist eine Divide-et-impera-Strategie, die (angesichts der von Ǧibrāʾīl entwickelten Energie) darauf abzielte, den Einfluss des Samarqander Großḫans so weit zu begrenzen, dass am Ende alle transoxanischen Machthaber dauerhaft auf die Selǧuqen angewiesen waren. Vermutlich wollte Sanǧar die oppositionelle Kraft, welche die Geistlichkeit gegenüber dem qaraḫanidischen Königtum darstellte, zwar unter Kontrolle bringen, aber, ihre potentielle Instrumentalisierbarkeit erkennend, erhalten, weshalb er die Stellung der ʿulamāʾ dadurch stärkte, dass er aus ihrem Führer einen von ihm abhängigen und sogar mit ihm verschwägerten Lokalherrscher machte.373 Denn tatsächlich waren ʿAbd al-ʿAzīz I. und seine Nachkommen, die bis 1238 überdauernde ṣudūr-Dynastie

man nicht, was aus Gauhar-Ḫatun (Gauhar-i Mulk) nach Sanǧars Einmarsch in Ġazna (1117, s. u.) geworden war, und hielt Arslan-Ḫans Frau für eine andere, sonst unbekannte Schwester Sanǧars. S. zum Lebenslauf der mahd-i ʿIrāq, ihrer umstrittenen genealogischen Einordnung und Rolle in Zusammenhang mit den Ġaznaviden weiter u., S. 103 f. 368 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. VIII, S. 119. 369 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 69, 137. Saġun ist ein (von al-Kāšġarī erwähnter) Titel; die Form saġı̊ r könnte sich Boyle zufolge von sı̊ ġı̊ r (s. Houtsma, Glossar, S. 81) ableiten und „Ochse“ bedeuten (Ǧuvainī, Tārīḫ-i ǧahāngušāy, tr. Boyle, Bd. I, S. 288, Anm. 33). Es wäre anzunehmen, dass ‫ساغن‬ in ‫ ساغر‬verlesen wurde. 370 Aḥkām, f. 42v/Barthold, Turkestan – Teksti, S. 26. 371 Samʿānī, al-Ansāb, Bd. VIII, S. 77; Muʿīn al-Fuqarāʾ, Mullāzāda, S. 21. 372 Muʿīn al-Fuqarāʾ, Mullāzāda, S. 48; Übersetzung: Pritsak, „Āl-i Burhān“, S. 84 f. 373 Ähnlich sieht es Pritsak („Karachaniden“, S. 50), der davon spricht, dass mit ʿAbd al-ʿAzīz’ Einsetzung „in Māwerāennahr ein Staat im Staate“ entstand. Zudem gibt er an, dass Sanǧar im Rahmen seiner Neuordnung Transoxaniens nicht nur Muḥammad b. Sulaimān in Samarqand, sondern als dessen Mitḫaqan in Buḫārā auch noch einen gewissen Muḥammad b. Šuʿaiṯ ernannte habe (was die Frage nach dessen Verhältnis zu ʿAbd al-ʿAzīz aufwürfe, jedoch genauso im Sinne einer Divide-et-impera-Politik zu interpretieren wäre). Leider konnte ich keine Quelle ermitteln, in der dieser Qaraḫanide (wohl Muḥammads Onkel 2. Grades, s. Pritsaks Stammtafel) genannt ist.

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der Burhāniden, mehr als nur religiös-rechtliche Autoritäten – sie lenkten praktisch die politischen Geschicke Buḫārās,374 wobei ihre Stellung der der Ḫuǧandiden-ruʾasāʾ von Iṣfahān vergleichbar ist.375 Ein Fortbestehen der Spannungen zwischen Qaraḫaniden und Geistlichen unter Sanǧars Oberherrschaft vermag also kaum zu überraschen und so äußert Bosworth den Verdacht, es könnten religiöse Kräfte gewesen sein, die sich 1114 solange beim „König des Ostens“ über Arslan-Ḫans angebliche Tyrannei beschwerten, bis der Selǧuqe in Richtung Mā warāʾa ’n-nahr marschierte376 und erst wieder besänftigt umkehrte, nachdem sich Qumač sowie der Ḫvārazmšāh bei ihm für den angeklagten, um Vergebung bittenden (ḫidma-Zeremonie über den Amudarja) Qaraḫaniden verwendet hatten.377 Ibn Isfandiyār erwähnt allerdings, dass der Selǧuqe damals vielmehr über einen Vorstoß Arslan-Ḫans via Āmūya (Āmul, heute Türkmenabat) in Richtung Marv informiert wurde. Dabei soll der transoxanische Herrscher jemanden besiegt (und getötet?) haben, dessen Name mit ‫ كوساكون‬wiedergegeben ist. Bei diesem Machthaber (mulk-i Ḫurāsān dāšt) könnte es sich um den oben erwähnten (und wohl einst nach Ḫurāsān deportierten) Saġun handeln, bedenkt man, dass anderswo (s. u., Anm. 385) die Form Kök-Saġun (‫ )كوﮎ ساغون‬vorkommt. Als Sanǧar dann über den Fluss hinweg Arslan-Ḫans Unterwerfung akzeptierte, ließ er sich aus der Gewalt des Ḫaqans die Frau sowie den Sohn des „‫ “كوساكون‬übergeben – eine Information, die es im Hinterkopf zu behalten gilt. Ende der 1120er Jahre waren es dann jedenfalls definitiv ein mächtiger Samarqander Rechtsgelehrter aus dem Stand der ʿAliden und der zivile raʾīs der westlichen Qaraḫaniden-Hauptstadt, deren Komplott zunächst einmal Arslan-Ḫans Sohn Naṣr das Leben kostete. Letzterer war damals Mitregent seines teilweise gelähmten Vaters und nach einer Version der Ereignisse von al-Ašraf b. Muḥammad b. Abī Šuǧāʿ, besagtem faqīh, dazu überredet worden, einen Staatsstreich zu planen, was Abū ’l-Fatḥ Muḥammad b. Sulaimān erfuhr und mit beider Hinrichtung beantwortete. Nach einer zweiten, wohl wahrscheinlicheren Version fiel Naṣr ohne sich gegen seinen Vater gewandt zu haben einem Mordanschlag des ʿAliden und dessen Mitver-

374 Niẓāmī ʿArūżī, Čahār maqāla, tr. Browne, S. 110–112 (Übersetzung der Anmerkungen Qazvīnīs aus dessen Edition); Pritsak, „Āl-i Burhān“, hierin speziell zu ʿAbd al-ʿAzīz I. und der Gründung der ṣadr-Würde in Buḫārā: S. 84–88; Bosworth, EIr-Artikel „Āl-e Borhān“. 375 S. zu dieser einflussreichen Lokaldynastie Durand-Guédy, „Emblematic Family“. Auch der Begründer der Ḫuǧandiden-Dynastie kam aus Marv; al-Ḫuǧandī bezieht sich auf eine Stadt in Transoxanien. 376 Dies erwähnt auch Niẓāmī ʿArūżī und berichtet, dass Sanǧar damals bei Panǧdih (am Murġāb nördlich von Marv ar-Rūd) Halt machte, wo ihn der amīr-i dād Abū Bakr b. Masʿūd (b. Tāǧir? s. Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 8) empfing (Čahār maqāla, S. 95). 377 Bosworth, „Political and Dynastic History“, S. 139 f. (statt Qaimaz ist Qumač zu lesen); Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 150; Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 39 f. Da Arslan-Ḫan Qumač und Muḥammad umgehend um ihre Hilfe bat, scheint sein Verhältnis zu diesen beiden transoxaniennahen Machthabern recht gut gewesen zu sein. Außerdem wusste er wohl um deren Einfluss auf Sanǧar. S. zur „ḫidma über den Strom“ Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 279 f.

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schwörers zum Opfer, woraufhin Arslan-Ḫans anderer Sohn Qadı̊ r-Ḫan Aḥmad, der Münzinschriften nach das Farġāna-Tal regierte, herbeigerufen wurde und die Konspiranten als neuer Ko-Ḫaqan ausschaltete.378 Nun bereute Muḥammad, anfangs unsicher, ob Aḥmad der Lage Herr werden würde, oder – gemäß der ersten Version – angesichts rebellischer Qarluqen, (wohl reflexartig) um Sanǧars Hilfe gebeten zu haben, zumal sich der Selǧuqe dieses Mal nicht von einem Feldzug über den Amudarja abbringen ließ. Wenngleich fraglich ist, ob sich Sanǧar unterwegs – er scheint in Buḫārā Station gemacht zu haben – wirklich mit Attentätern im Auftrag Arslan-Ḫans konfrontiert sah,379 steht doch fest, dass das Verhältnis beider Herrscher zu dieser Zeit seinen Tiefpunkt erreichte. Nach gescheiterten Vermittlungsversuchen ließ der „allergrößte“ Sultan seine (nach eigenen Angaben 70 000) Soldaten im Frühjahr 1130 Samarqand erobern und teilweise plündern.380 Während sich Aḥmad anscheinend ins Farġāna-Tal zurückziehen konnte,381 wurde sein von einem Schlaganfall gezeichneter Vater Muḥammad entthront und nach Ḫurāsān geschickt.382

378 Farġāna scheint spätestens 499 (1105/1106) in den Besitz des Sanǧar-Vasallen Muḥammad b. Sulaimān übergegangen zu sein und verblieb dann offenbar für längere Zeit unter der Herrschaft der westlichen Qaraḫaniden (Kočnev, Numizmatičeskaja istorija, S. 217 f.; Fedorov, „Osh hoard“, passim). Da auf den meisten der in einem Schatzfund aus Ūš (Oš) enthaltenen Münzen mit dem Namen Muḥammads auch noch dessen Sohn Aḥmad genannt ist, nimmt Kočnev zu Recht an, dass Aḥmad Farġāna als (ziemlich autonomer) Statthalter seines Vaters regierte, während Fedorov (op. cit., S. 313, 318) glaubt, dass diese Münzen erst zwischen 522 und 524 H. während Aḥmads Mitregentschaft geprägt wurden. Ibn al-Aṯir, der Aḥmad zumindest in Zusammenhang mit den Ereignissen 1129–1130 nicht namentlich nennt, sagt bloß, dass der zweite Sohn aus Turkestan herbeigerufen wurde. Auf nicht wenigen Stücken aus dem Schatzfund erscheint Aḥmad sogar allein, was wohl bedeutet, dass er diese Münzen als unabhängiger Ḫaqan Farġānas schlagen ließ, wahrscheinlich nach der Absetzung seines Vaters durch Sanǧar. Bei dem in Albums Checklist (S. 167) die Nr. 3375 tragenden Æ-Typ aus Samarqand handelt es sich hingegen (anders als präsentiert) um keinen, den Aḥmad als Nachfolger seines Vaters prägen ließ. Dass auf diesen 523–524 H. geschlagenen fulūs nur Aḥmad als Alleinherrscher der westlichen Qaraḫaniden genannt ist, behauptet Kočnev („La chronologie“, S. 56 mit Anm. 45 auf S. 72; s. auch „Svod nadpisej 2“, Teil II, S. 259, Nr. 1000), doch erscheint Aḥmad auf den zugrundeliegenden Exemplaren – Markov, Katalog, Bd. I, S. 275, Nr. 505 f. – lediglich als Mitregent seines Vaters. 379 Bei Ibn al-Aṯīr (s. u.) ist zu lesen, dass Sanǧar die 12 voll bewaffneten Männer aufgriff, mittels Folter zum Reden brachte und dann tötete. Ǧuvainī berichtet offensichtlich von demselben Vorfall, sagt aber nicht, dass Arslan-Ḫan etwas damit zu tun hatte. Ihm zufolge wurde Sanǧar nahe Buḫārā angegriffen und von Atsı̊ z in letzter Minute gerettet (Tārīḫ-i ǧahāngušāy, Bd. II, S. 4). D. h., dass der Ḫvārazmšāh am Feldzug seines Oberherrn teilnahm und Sanǧar (vielleicht um ihn zu treffen) zunächst einmal nach Buḫārā kam, und zwar, wie Fedorov meint, schon im Jahre 522 H. (1128), in das dann folglich auch die Verschwörung in Samarqand zu datieren wäre. Grund für Fedorovs Annahme sind buḫārische Münzen, die 522 H. geprägt wurden und nur den Selǧuqensultan nennen (Fedorov, „Osh hoard“, S. 316–318). 380 Aḥkām, f. 41v–42v/Barthold, Turkestan – Teksti, S. 25 f. (Brief Sanǧars an die Würdenträger Samarqands). 381 S. o., Anm. 378. 382 Zu all diesen Ereignissen der Jahre 1129 und 1130: Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 253, 320 f.

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Welchen Qaraḫaniden-Spross Sanǧar daraufhin zum neuen Großḫan Transoxaniens erhob, ist nicht ganz klar. Ibn al-Aṯīr und Muntaǧab ad-Dīn Ǧuvainī nennen als Muḥammads direkten Nachfolger (Qı̊ lı̊ č-)Qara-Ḫan al-Ḥasan (Ḥasan-Tegin) b. ʿAlī b. ʿAbd al-Muʾmin,383 bei dem es sich wohl um einen Cousin Arslan-Ḫans384 und möglicherweise entweder um Saġun-Beg selbst (so Pritsak) oder – es sei an Ibn Isfandiyārs Angaben erinnert (die Pritsak nicht kannte) – um dessen Sohn handelt.385 Aus einem Dokument, das eindeutig aus Sanǧars Kanzlei stammt (und nicht, wie Horst dachte, aus der des Ḫvārazmšāhs Il-Arslan und somit Vaṭvāts Feder386), erfahren wir in Zusammenhang mit Arslan-Ḫans Nachfolge jedoch, dass der „allergrößte“ Sultan den Thron Turkestans mit seinem Zögling (parvarda) Rukn ad-Dunyā wa-’d-Dīn Abū ’l-Muẓaffar Ibrāhīm b. Sulaimān besetzte387 – einem, wie es scheint, Bruder Arslan-Ḫans, für dessen Existenz es sonst keine Belege gibt. Eine zufriedenstellende Lösung dieses Problems wurde bislang nicht gefunden. Im Gegensatz zu Pritsak und Fedorov, die Ibrāhīm b. Sulaimān eine ganz kurze Regentschaft nach beziehungsweise (wie Barthold) vor Ḥasan-Tegin einräumen,388 glaubt Kočnev nicht, dass es einen solchen Ḫaqan wirk-

383 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 253, 320 f.; Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 4. 384 Wenn Ǧuvainīs Angabe, Ḥasan sei der ibn ʿamm von Muḥammad b. Sulaimān b. Dāwūd gewesen, korrekt ist, müssten ʿAbd al-Muʾmin und Dāwūd b. Ibrāhīm identisch sein. Vermutlich hat Bosworth deshalb in seiner überarbeiteten Qaraḫaniden-Übersicht („Additions“, S. 17) an Ḥasan b. ʿAlī b. ʿAbd al-Muʾmin einfach noch b. Ibrāhīm angehängt. S. zu dieser Frage auch Kočnev, Numizmatičeskaja istorija, S. 219 f. Pritsak kannte Ǧuvainīs Aussage nicht und nahm daher an, dass ­ asan-Tegin einem ganz anderen Dynastiezweig angehörte („Karachaniden“, S. 52 und genealogiḤ sche Übersicht vor S. 33). 385 Pritsak („Karachaniden“, S. 50 f.) verweist uns auf Ateşs Ausführungen zu Samarqandīs Sindbāḏ-nāma (S. 65), wo wiederum aus Rosens Manuscrits zitiert wird. Der dort (S. 154) verzeichnete Vaṭvāt-Brief – es geht um Aḥkām, f. 87r–87v – ist nun an ʿAlī b. al-Ḥasan ‫( كرﮎ ساعون‬sic, es ist wohl ‫ كوﮎ‬zu lesen) adressiert (s. auch Eqbāls Einleitung zu Vaṭvāṭs Ḥadāʾiq as-siḥr, S. ‫)نا‬, was allerdings nicht zwingend bedeutet, dass der türkische Beiname/Titel dem Vater Ḥasan gehört, zumal wir von Ǧuvainī (Tārīḫ-i ǧahāngušāy, Bd. II, S. 14) wissen, dass ʿAlī derjenige war, den man als Kök-Saġı̊ r (Kök-Saġun, s. o., S. 87, Anm. 369) kannte. Anders als beispielsweise Bosworth traue ich daher der von Pritsak vorgelegten Identifikation nicht ganz. Wie gesagt, gibt es auch die Möglichkeit, dass (ein) Saġun 1114 von Arslan-Ḫan getötet wurde und dies Ḥasans Vater war. 386 Horst, Staatsverwaltung, S. 120 f. (Urkunde I 12). Er ging sicherlich von dem Jahr 557 H. (1162) aus, das am Textende gegeben ist, jedoch nicht stimmen kann und vermutlich deshalb keinen Eingang in Bartholds Edition (Turkestan – Teksti, S. 23 f.) fand. Den Irrtum, Il-Arslan habe den Qaraḫaniden installiert, übernahm Buniyatov (Khorezmian State, S. 103). 387 Aḥkām, f. 18r–22r. Der Eingesetzte ist auf f. 19v wie folgt genannt: ḫaqan-i aʿẓam-i ʿādil-i ­muʾayyid farzand-i aʿazz Rukn ad-Dunyā wa-’d-Dīn Burhān al-Islām wa-’l-Muslimīn Abū ’l-Muẓaffar Tamġač-Buġra-Ḫan Ibrāhīm b. Sulaimān. In dem Schreiben wird zuvor daran erinnert, dass Arslan-Ḫan 30 Jahre lang Sanǧars Vasall (nāʾib va gumāšta-yi mā) war, und ein vierter Transoxanien-Feldzug des Selǧuqen erwähnt. 388 Barthold, Turkestan, S. 321 f.; Pritsak, „Karachaniden“, S. 52; Fedorov, „Osh hoard“, S. 317. Fedorov schlägt vor, eine Gruppe vor 1118 geprägter Münzen Ibrāhīm b. Sulaimān zuzuordnen (der damals noch im nördlichen Farġāna-Tal regiert haben soll).

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lich gab,389 und in der Tat ist nur Ḥasan numismatisch nachweisbar390 und Ǧuvainī als Sanǧars Staatskanzleichef besondes glaubwürdig. Zudem fällt auf, dass Ibrāhīm b. Sulaimān denselben laqab und dieselbe kunya wie der Qaraḫanide Ibrāhīm b. Muḥammad (!) b. Sulaimān trägt, welcher Transoxanien 1141–1156 unter Oberhoheit der Qara-Ḫitai regierte. Könnte es daher nicht sein, dass bei der Abschrift des inšāʾ-Dokuments, in dem von Arslan-Ḫan übrigens schon als einem Verstorbenen gesprochen391 und ein Hilfegesuch Ibrāhīms erwähnt wird, einfach nur b. Muḥammad vergessen wurde (das Jahr 557 H. kann ja ebenfalls nicht stimmen) und eigentlich Arslan-Ḫans Sohn gemeint ist? Immerhin wissen wir von dessen Münzen, dass er Sanǧar zumindest für einige Zeit als seinen Oberherrn anerkannte, wie unten noch zu erläutern sein wird. Wie dem auch sei, im Sommer 1132 rebellierte Aḥmad b. Arslan-Ḫan gegen den Sultan, sodass dieser aus dem Irak nach Osten eilen musste.392 Anlass, Verlauf und Ausgang dieser Erhebung sind unbekannt. Aus einem Schreiben an den byzantinischen Kaiser (welches im Kapitel zu Ostanatolien besprochen sei) geht allerdings hervor, dass das Selǧuqenoberhaupt in den 1130er Jahren (1138?) noch einmal mit einer militärischen Intervention jenseits des Amudarja befasst war, und zwar weil damals (unlängst) der pādišāh von Mā warāʾa ’n-nahr und Turkestan, den Sanǧar in dem Brief als seinen nāʾib bezeichnet, verschieden sei.393 Ob sich diese Angabe nun auf Ḥasans oder eher Aḥmads Tod bezieht, ist schwer zu entscheiden, zumal in Transoxanien – wohin Sanǧar als Zeichen der Achtung und Verbundenheit den Kopf von Atsı̊ z’ hingerichtetem Sohn Atlı̊ ġ schicken ließ394 – bereits 1137 ein neuer Vertreter der westlichen Qaraḫaniden regierte, nämlich Ǧalāl ad-Dunyā wa-’d-Dīn Maḥmūd b. Muḥammad b. Sulaimān, der Sohn der mahd-i ʿIrāq.395 Nicht etwa als Gouverneur dieses Samarqander Großḫans, sondern, 389 Kočnev, Numizmatičeskaja istorija, S. 219, 221. In seinen „Additions“ zu den New Islamic Dynasties ließ Bosworth den bis dahin als Ḥasans Nachfolger geführten Ibrāhīm b. Sulaimān weg. 390 Der Schatzfund von Ūš (s. Fedorov, „Osh hoard“) enthielt Münzen Arslan-Ḫans, Aḥmads und Ḥasans, aber eben keine Ibrāhīms. 391 Das Schreiben kann also nicht unmittelbar nach Arslan-Ḫans Absetzung verfasst worden sein, da der gelähmte Qaraḫanide ja erst starb, nachdem man ihn nach Balḫ gebracht hatte. Leider wird sein Todesjahr unterschiedlich angegeben: Infrage kommen 524 H. ( Jahr der Absetzung), 525 H. (Muʿīn al-Fuqarāʾ, Mullāzāda, S. 74) und 526 H. (Qaršī, Mulḥaqāt, S. CXLVI). 392 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 265–267. 393 ʿAufī, Lubāb, Bd. I, S. 316. 394 Aḥkām, f. 144v/Barthold, Turkestan – Teksti, S. 45. S. zum 1138 auf Sanǧars Befehl hin zerstückelten (ʿAin ad-Daula) Atlı̊ ġ o., S. 73 f., Anm. 301. Das stolze Versenden der abgetrennten Köpfe besiegter Feinde hatte Tradition und scheint eher zum guten Ton gehört zu haben, als dass es eine Drohung war. So waren die Empfänger der schaurigen Trophäen meist bedeutende Herrscher aus dem gleichen Lager und oft die fernen Oberherren (auch der Kalif), welche so einen vorzeigbaren Beleg für die Vernichtung des Gegners (z. B. eines Rebellen) erhielten. Es gab sogar spezielle „Kopfkammern“, in denen die von gefragten Spezialisten konservierten Häupter der einstigen Widersacher archiviert wurden. 395 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 321. Bei Ibn al-Ǧauzī ist in Bezug auf Sanǧar einmal von der bint ­bintihī zauǧat Maḥmūd zu lesen (al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 19), was bedeuten könnte, dass der Sohn der mahd-i ʿIrāq obendrein mit einer Enkelin oder Tochter seines Onkels verheiratet war,

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wie explizit gesagt, als direkter Statthalter des Selǧuqensultans übte die Herrschaft über Buḫārā indes ein Emir namens Zangī [b.] ʿAlī aus. Er war wohl das weltlich-militärische Gegenstück zum ṣadr und scheint, anders als in der Tārīḫ-i Buḫārā behauptet, Atsı̊ z’ Überfall auf Buḫārā im Jahre 1139/1140 überlebt zu haben.396 Auch Maḥmūd war ein Vasall seines Onkels und erbat dessen militärische Hilfe, nachdem ihm die nichtmuslimischen Qara-Ḫitai – unter deren Kontrolle seit 1134 bereits die Besitzungen der östlichen Qaraḫaniden standen – im Jahre 1137 Farġāna entrissen hatten. An der 1141 folgenden Schlacht in der Qaṭvān-Steppe397 beteiligten sich auf Seiten Maḥmūds, Sanǧars und der Emire Ḫurāsāns (darunter Qumač mit Sohn) unter anderem der zweite Burhānide Ḥusām ad-Dīn ʿUmar I. b. ʿAbd al-ʿAzīz, Naṣr von Sīstān, der Kākūyiden-Fürst von Yazd sowie (im Gegensatz zu den vorherigen wohl nicht persönlich) die Herrscher Ġaznas, Ġūrs, Māzandarāns und des persischen Iraks.398 Trotzdem erlitt der „allergrößte“ Sultan eine schwere Niederlage, sodass abgesehen vom strategisch wichtigen Tirmiḏ399 (vorerst) ganz Mā warāʾa ’n-nahr aus seinem Imperium ausschied und der Gür-Ḫan Yelü Daši, das Oberhaupt der Qara-Ḫitai, seine Tributhoheit ebenso über Ḫvārazm ausdehnen konnte. Während sich Maḥmūd zusammen mit Sanǧar nach Ḫurāsān zurückzog,400 wurde sein Bruder Rukn ad-­Dunya wa-’d-Dīn Ibrāhīm b. Muḥammad vom Gür-Ḫan zum Vasallenfürsten Samarqands ernannt, was auch bedeutete, dass der Qaraḫanide eine von Dašis Töchtern zur Frau bekam. Als Statthalter von Buḫārā installierte der neue Oberherr Transoxaniens derweil Atsı̊ z’ Neffen Atı̊ m/Alp-Tegin, welchem eingeschärft wurde, sich ganz nach den Weisungen des ṣadrs Tāǧ al-Islām Aḥmad I. b. ʿAbd al-ʿAzīz zu richten401 – ʿUmar I. hatten die Qara-Ḫitai getötet.

doch ist an dieser Stelle vielleicht eher der irakische Juniorsultan Maḥmūd (II.) gemeint, dem Sanǧar zwei seiner Töchter zur Frau gegeben hatte. 396 Naršaḫī, Tārīḫ-i Buḫārā, S. 30 (ba-firmān-i sulṭān Sanǧar vālī-yi Buḫārā būd). Da uns Ibn al-Aṯīr von einem noch in den 1160er Jahren aktiven Sanǧarī-Emir Zangī b. (ʿAlī b.) Ḫalīfa aš-Šaibānī berichtet (al-Kāmil, Bd. IX, S. 385 f., 470), muss man wohl zwei Schlussfolgerungen ziehen: 1. Ḫalīfa bedeutet an dieser Stelle der Taʾrīḫ-i Buḫārā nicht „Statthalter“ (so wie es die Übersetzer des Werks A. A. Badawi / N. M. El Terâzi und R. N. Frye dachten), sondern gehört noch zur Namenskette. 2. Die Aussage, Atsı̊ z habe Zangī 1139/1140 getötet, kann nicht stimmen; vermutlich wurde der Emir einfach nur versetzt. Im Übrigen ist bei Ibn al-Aṯīr (op. cit., Bd. IX, S. 364) unter dem Jahr 544 H. (1149/1150) der Tod des ḫurāsānischen Würdenträgers ʿAlī b. Rāfiʿ b. Ḫalīfa aš-Šaibānī vermerkt. 397 Dazu samt Vorgeschichte: Biran, Qara Khitai, S. 41 ff. Qaṭvān liegt östlich von Samarqand in Ušrūsana. 398 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 322. 399 Tirmiḏ hatte Sanǧar 1098 erobert und einer Person namens Toġrı̊ l-Tegin anvertraut (Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 17). 400 Sicherlich kam auch Maḥmūds Mutter mit; Ibn Funduq (Tārīḫ-i Baihaq, S. 20, 175) erwähnt interessanterweise eine Medrese der Ḫatun mahd-i ʿIrāq samt Bibliothek in Nīšāpūr. 401 Niẓāmī ʿArūżī, Čahār maqāla, S. 37 f. (und op. cit, tr. Browne, S. 24 f., 109); Naršaḫī, Tārīḫ-i Buḫārā, S. 30. Als Atı̊ m-Tegins (ich würde den Namen so interpretieren, atı̊ m bedeutet „Schütze“) Vater ist ein Emir *Bayābānī genannt.

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Wir sehen also, dass sich Sanǧar wiederholt von seinen wechselnden Schützlingen herbeirufen ließ und mehrmals militärisch in Mā warāʾa ’n-nahr operierte – öfter als in jedem anderen Land. Hierin zeigt sich der für Imperien charakteristische Interventionszwang,402 aber auch, wie wichtig dem Selǧuqensultan das besondere Prestige war, welches an der von seinem Vater und Vorbild, dem großen Malik-Šāh, geerbten Oberherrschaft über das altehrwürdige Geschlecht des Afrāsiyāb (und somit den türkischen Hochadel) hing.403 Dass andersherum einmal Sanǧar von qaraḫanidischen Truppen unterstützt wurde, ließe sich allein aus einer zweifelhaften Angabe Ibn Isfandiyārs schließen.404 Zudem ist nichts über irgendwelche Zahlungen bekannt, die dem Sultan aus Transoxanien zuflossen; allerdings scheint ein Würdenträger auf Sanǧars Befehl hin im dīvān des Großḫans tätig gewesen zu sein.405 Wie stark und weitreichend der selǧuqische Einfluss (bei persönlicher Abwesenheit des Oberherrn) jenseits des Amudarjas wirklich war, lässt sich daher nicht ohne Weiteres sagen. Die Münzen Arslan-Ḫans – über den Ibn al-Aṯīr sagt, er habe gemäß Sanǧars Anweisungen regiert406 – lassen diesbezüglich erkennen, dass in der Tat nicht immer und nicht überall die Notwendigkeit gesehen wurde, den Selǧuqen in die sikka zu integrieren. Muḥammad b. Sulaimān ist sogar fast nur allein oder mit seinem Sohn Aḥmad genannt; unter beider in Ūš entdeckten Prägungen fand sich keine einzige mit einem Verweis auf Sanǧar.407 Wenn der Selǧuqe erscheint, dann auf Münzen aus Buḫārā, wo ja, wie wir

402 Münkler, Imperien, S. 30. 403 Auch Sanǧars Wahl einer qaraḫanidischen Gemahlin (wie sie Alp-Arslan und Malik-Šāh I. hatten) ist in diesem Zusammenhang zu sehen. In einem Brief aus der Feder Vaṭvāṭs (Nāmahā, S. 14) heißt es über das edle Geschlecht des Afrāsiyāb, dass „keine andere Dynastie tiefer im Königtum verwurzelt sei als diese“ (az ān ʿarīqtar dar mulk dūḏmān nīst). S. dazu auch Peacock, Great Seljuk Empire, S. 136. 404 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 54. Es geht um Sanǧars Feldzug gegen Sultan Maḥmūd II. im Jahre 1119, an dem sich der Ġūridenfürst, der Ġaznavide Bahrām-Šāh, Atsı̊ z und eben die Ḫane (sic, vielleicht sollte statt ḫānān eher ḫāqān stehen) Transoxaniens beteiligt haben sollen. Ibn al-Aṯīrs Teilnehmer- bzw. Unterstützerliste sieht allerdings anders aus (dazu unten); z. B. soll statt Atsı̊ z (der damlas noch gar nicht Ḫvārazmšāh war) sein Vater Muḥammad mit Sanǧar gezogen sein. 405 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 62 f. (Aussteller des Schreibens ist Sanǧar): ba-iǧāzat va farmān-i mā malābis-i ḫidmat-i dīvān-i maḥrūs-i barādarī-yi aʿazzī-yi ḫāqān-i aʿẓamī-yi qarāḫānī dāma maḥrūsan gašta-st (der Mann, um den es geht, heißt Muʿīn ad-Dīn Yamīn al-Islām und wird einmal ṣadr-i Tūrān genannt); ich denke, dass von Arslan-Ḫans dīvān die Rede ist. 406 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 59 (bi-waṣīya min Sanǧar). 407 Fedorov, „Osh hoard“, S. 314 f. (Nr. 1–8), 318; Fedorovs Nrn. 3–8 entsprechen, wie mir scheint, Kočnev, „Svod nadpisej 2“, S. 259, Nr. 996–998, 1001 f. Weitere Münzen, auf denen Arslan-Ḫan ohne Sanǧar genannt ist: Zeno Nr. 17043 (🜇; wohl Samarqand; 521 oder 522 H.?) = Kočnev, „Svod nadpisej 2“, S. 258, Nr. 993; Markov, Katalog, Bd. I, S. 274 f., Nr. 501–503; Zeno Nr. 16001; Fedorov et al., SNAT XV a, S. 89, Nr. 893 – alle fünf: Æ; ḍuriba hāḏihi ’n-niṣfīya bi-Samarqand; o. J. = Kočnev, „Svod nadpisej 2“, S. 258, Nr. 991; Zeno Nr. 16005 (wie die fünf vorherigen, doch auf Av. Kalligraphie in Löwenform); Kočnev, „Svod nadpisej 2“, S. 258 f., Nr. 987 (Farġāna), 990 (Samarqand; 520 H.), 992 (52x H.), 994. Weitere Münzen, auf denen Arslan-Ḫan und Aḥmad ohne Sanǧar erscheinen: Markov, op. cit., Bd. I, S. 275, Nr. 505 (Samarqand, 523 H. = 1128/1129) bis S. 276, Nr. 509 = Kočnev, „Svod nadpisej 2“, S. 259, Nr. 1000, 996. Weitere Münzen Aḥmads ohne Arslan-Ḫan und,

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sahen, seine direkten Vertreter das Sagen hatten und wo man wiederum nicht immer Arslan-Ḫan in der sikka aufführte.408 Dies wurde mit einer Übernahme der Stadt durch Sanǧar im Vorfeld der Eroberung Samarqands erklärt,409 doch ist wohl nicht erst auf Prägungen der Jahre 522 und 524 H. (1128–1130) einzig der „allergrößte“ Sultan angegeben, sondern schon auf fulūs von 515 H. (1121/1122). Der numismatische Befund stützt also den Eindruck, dass Buḫārās Zugehörigkeit zum Teilreich der westlichen Qaraḫaniden zwischenzeitlich kaum noch gegeben war. Wenngleich Arslan-Ḫan hier, vermutlich um mehr Präsenz zu zeigen, in großem Umfang bauen ließ, löste sich die Stadt zunehmend aus seinem Machtbereich und entwickelte sich bis zum Einfall der Qara-Ḫitai eher in Richtung einer ḫurāsānischen Provinz;410 dementsprechend ist auf den Münzen auch kein Gouverneur oder der ṣadr genannt. Gleichzeitig wird deutlich, dass es vor 1130 aber auch nur in Buḫārā zu mehr als einer lockeren Oberhoheit des Selǧuqensultans kam. Muḥammad b. Sulaimān versuchte wahrscheinlich, bei aller (akzeptierten) Abhängigkeit von seinem Schwager eine Integration der Qaraḫaniden-Herrschaft in dessen Imperium zu vermeiden und es nach Möglichkeit bei einem äußeren Schutzherrn zu belassen. Als jemand, der selbst über untergeordnete Teilherrscher gebot, pflegte der Großḫan eine eigene Reichstradition, zu der auch ein eigenes Titelsystem gehörte. Muḥammad nannte sich

wie in diesem Fall immer, ohne Sanǧar: Markov, op. cit., Bd. I, S. 276, Nr. 510 ff.; Kočnev, „Svod nadpisej 2“, S. 259, Nr. 1003. 408 Fedorov, „Političeskaja istorija“, S. 102 f. Die kurze Reihe der Prägungen, auf denen Sanǧar und Arslan-Ḫan genannt sind, soll mit einem 498 H. = 1104/1105 zu Buḫārā geschlagenen Stück beginnen (Sanǧar erscheint darauf noch als malik und es sind Waffen abgebildet; s. Frähn, Recensio, S. 139 f., Nr. 170 = Kočnev, „Svod nadpisej 2“, S. 258, Nr. 986). Es folgen buḫārische Prägungen der Jahre 513 H. = 1119/1120 (Markov, Katalog, Bd. I, S. 274, Nr. 500; Kalif al-Mustaršid) und 516 H. (Kočnev, „Svod nadpisej 2“, S. 258, Nr. 988), ein 51x H. geprägter Typ (Markov, op. cit., Bd. I, S. 274, Nr. 504 = Kočnev, „Svod nadpisej 2“, S. 259, Nr. 995; Kočnev, „Svod nadpisej 3“, S. 277, Nr. 995; Kalif al-Mustaršid) und Zeno Nr. 37568 (Mzst. und Jahr unklar; das Av.-Feld bildet ein Stern aus zwei sich überschneidenden Quadraten; im Rev.-Feld links ein Schwert). Buḫārische fulūs, auf denen allein Sanǧar erscheint, prägte man in den Jahren [5]15 H. (Chodžanijazov, Katalog, S. 105, Nr. 379; Markov, Katalog, Bd. I, S. 371, Nr. 56), 522 H. = 1128 (Chodžanijazov, Katalog, S. 114, Nr. 415; id., Denežnoe obraščenie, Tafel IX, Nr. 88; Zeno Nr. 44369 und 95068 – der Typ zeichnet sich durch eine Rosette auf dem Rev. aus) und wohl zumindest auch noch [5]24 H., s. Fedorov, „Političeskaja istorija“, S. 102 f. Hinzu kommt ein Dirham-Typ der 520er Jahre H. mit einem sternförmigen Rev.-Feld, auf dem noch der Kalif al-Mustaršid angegeben ist (Chodžanijazov, Denežnoe obraščenie, Tafel IX, Nr. 86; Zeno Nr. 108125, 95514 und 167898). Ist Sanǧar gemeinsam mit Arslan-Ḫan genannt, erscheint er als as-sulṭān al-muʿaẓẓam; fehlt der Ḫaqan, so steht stets as-sulṭān al-aʿẓam. 409 Fedorov, „Osh hoard“, S. 316 f., 318; s. dazu o., S. 89, Anm. 379. 410 Weshalb Köymen Buḫārā auf seiner Karte des Sanǧar-Reiches (s. Büyük Selçuklu İmparatorluğu, Bd. II, Buchende hors texte) sogar als zum gleichen Gebiet wie Ḫurāsān gehörig darstellt, also nicht als Teil des Qaraḫanidenreiches, sondern innerhalb der Zone, wo keine Vasallenfürsten regierten („Büyük Selçuklu Imparatorluğunun vasıtasız hakim olduğu ülkeler“)!

Das Reich der Qaraḫaniden (bis 1141)

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als Erster al-ḫaqan al-aʿẓam411 und wahrscheinlich ist dieser Titel auch am berühmten Kalon-Minarett in Buḫārā zu lesen.412 Leider ist das (obere) Inschriftband sonst aber zu schlecht erhalten, um etwa die arabischen Ehrennamen des Bauherrn rekonstruieren zu können; in der Hauptsache führte Muḥammad wohl den laqab ʿAlāʾ ad-Daula (Muʿizzī:413 ʿAlā ad-Dīn). Erst nach der Absetzung Arslan-Ḫans fand Sanǧars sikka-Recht auch in anderen Teilen Transoxaniens (wieder?) stärkere Anerkennung. Jedenfalls ist der Großselǧuqe auf dem überwiegenden Teil der Münzen Ḥasans aus Farġāna angegeben414 und – durchweg mit dem Titel as-sulṭān al-aʿẓam – ebenso auf jenen Maḥmūds,415 wobei allerdings nach wie vor unklar ist, wer sich (frühestens) im Jahre 530 H. (1136) auf Dirhams aus Samarqand (?) Nuṣrat al-Ḥaqq wa-’d-Dīn Pahlavān aš-Šarq nannte.416 411 Auch Sanǧar betitelte den Qaraḫaniden so, s. Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 62. Bei Muḥammad und seinem Sohn Aḥmad – auf deren Münzen Sanǧar kaum bzw. nie genannt ist – begegnet sowohl das normale al-ḫaqan al-ʿādil als auch das anspruchsvollere al-ḫaqan al-aʿẓam. Für die weniger autonomen Vasallen Ḥasan und Maḥmūd ist neben al-ḫaqan al-ʿādil nur die Form al-ḫaqan al-muʿaẓẓam belegt und in Hinblick auf Ibrāhīm (s. u., S. 100 f.) ist zu beobachten, dass dieser auf Münzen, auf denen er Sanǧar anerkennt, eher als al-ḫaqan al-muʿaẓẓam erscheint, wohingegen sein Titel zumeist al-ḫaqan al-aʿẓam lautet, wenn der Sultan nicht genannt ist. 412 S. TEI Nr. 7670, wo die obere Inschrift des „großen“ (kalān) Minaretts folgendermaßen wiedergegeben ist: (Rest unentziffert). Statt al-ʿaẓīma muss es sicher al-muʿaẓẓama heißen und al-ʿaẓam lese ich statt al-muʾaiyid. Für ein gutes und aktuelles Bild der Inschrift danke ich Herrn Wolfgang Pechstedt. 413 Dīvān, S. 293 und 504 (mit weiteren panegyrischen Ehrennamen). 414 Fedorov, „Osh hoard“, S. 315 f. (Nr. 9, 10, 13), 318; s. auch Kočnev, „Svod nadpisej 2“, S. 259, Nr. 1004– 1009. 415 Markov, Katalog, Bd. I, S. 277, Nr. 515 f. = Kočnev, „Svod nadpisej 2“, S. 260, Nr. 1014 (Samarqand; 532 H.); Kočnev, „Svod nadpisej 2“, S. 260, Nr. 1015; Zeno Nr. 45047 = Chodžanijazov, Katalog, S. 142 f., Nr. 504 ff. und id., Denežnoe obraščenie, Tafel XII, Nr. 116 f. Sanǧars zunehmende Nennung auf qaraḫanidischen Münzen bemerkte auch Kočnev. Er schloss daraus, dass der selǧuqische Einfluss unter Maḥmūd sein Maximum erreichte (Numizmatičeskaja istorija, S. 222). 416 S. Chodžanijazov, Denežnoe obraščenie, Tafel IX f., Nr. 92 ff. und id., Katalog, S. 115, Nr. 420 (mit Lesung des Prägeortes Samarqand sowie des Prägejahres 530 H.); Kočnev, „Svod nadpisej 2“, S. 260, Nr. 1010–1013; Exemplare: Fedorov et al., SNAT XV a, S. 89, Nr. 894–896; Zeno Nr. 38781, 38783, 121394, 65384, 65383, 152460. Anders als Fedorov glaubt Kočnev, hinter Nuṣrat al-Ḥaqq wa-’d-Dīn Pahlavān aš-Šarq verberge sich Maḥmūd (Numizmatičeskaja istorija, S. 221), und infolgedessen ordnet auch Bosworth diesem Qaraḫaniden besagte Titel zu („Additions“, S. 17). Zu beachten ist, dass es mehrere Varianten dieses Münztyps und eine ganze Reihe stilistisch (kursiver Schriftduktus) sehr ähnlicher Prägungen gibt. Die kursive Reihe beginnt, so viel ist klar, unter Maḥmūd. Zu den problematischen Typen, die Kočnev fast alle diesem Qaraḫaniden zuschreibt (s. „Svod nadpisej 2“, S. 260 f.) ist auch einer, auf dem gleich drei Titel stehen: al-ḫaqan al-muʿaẓẓam, al-ḫaqan al-aǧall, as-saiyid al-muẓaffar (Exemplar: Zeno Nr. 38782; ähnlich: Zeno Nr. 59158). Der rätselhafte Pahlavān erscheint mit und ohne Sanǧar; einmal (lesbarer Prägeort: Samarqand) ist er sogar in Kombination mit dem GürḪan (al-ḫaqan al-ʿādil) angegeben (Chodžanijazov, Katalog, S. 144, Nr. 512; id., Denežnoe obraščenie, Tafel XII, Nr. 120 – man lese stets ‫ كور‬statt ‫)سرور‬, was ja bedeuten würde, dass er vor und nach 1141 an der Macht war. Haben wir es darum vielleicht gar nicht mit einem Ḫaqan zu tun? Kočnev (Numizmatičeskaja istorija, S. 224) nimmt hier die Verwendung eines alten Rev.-Stempels an. Fer-

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Ḥasan und Maḥmūd führten als Vasallenherrscher unter anderem den Titel al-ḫaqan al-muʿaẓẓam, worin sich ebenso der nach 1130 gewachsene selǧuqische Einfluss zeigt wie in den alqāb auf ad-dunyā wa-’d-dīn, die erst jetzt (!) bei den Qaraḫaniden auf-

kamen. Dass diese Mode schon ein halbes Jahrhundert zuvor mit Malik-Šāh I. nach Trans­oxanien vordrang, ist ein Irrtum, welcher durch Pritsak und Bosworth Verbreitung fand.417 Er lässt sich bis zu einem 574 H. unter al-Mustaḍīʾ geprägten Æ-Dirham zurückverfolgen, den Markov als 474 H. unter al-Muqtadī geschlagen publizierte.418 Mit der Erkenntnis dieser Fehllesung steht fest, dass eine Einbeziehung der Qaraḫaniden in das a­ lqāb-System und somit die politische Ordnung der Großselǧuqen nicht erfolgte, ehe dem Sultan – nämlich Sanǧar – insbesondere verwandtschaftlich sehr nahestehende Ḫaqane auf den Thron gelangten, deren Erziehung in Ḫurāsān stattfand und die wie Maḥmūd im Grunde mehr Selǧuqen als Qaraḫaniden waren. Wer genau nun der allererste Großḫan mit einem selǧuqischen ad-dunyā-wa-’d-dīn-laqab war (wie ihn dann auch Atsı̊ z annahm), hängt zum einen davon ab, was man von Rukn ad-Dunyā wa-’d-Dīn Ibrāhīm b. Sulaimān (s. o.) hält (der in Sanǧars Schreiben übrigens ebenfalls mit ḫaqan-i aʿẓam betitelt ist). Zum anderen kommt es darauf an, für wie verlässlich man die marginale Erwähnung von Ḥasans doppeltem Ehrennamen Ǧalāl ad-Dunyā wa-’d-Dīn in dem wohl zwischen 1160 und 1165 für seinen Sohn Masʿūd verfassten Werk Aġrāḍ as-siyāsa erachtet.419 Was Ǧalāl ad-Dunyā wa-’d-Dīn Maḥmūd anbelangt, so findet sich auf seinen Münzen zwar nur das Nomen regens ǧalāl, ohne dass hierauf noch etwas folgt, doch kann die Doppelform durch ihre verschiedentliche Verwendung in inšāʾ-Dokumenten als gesichert gelten.420

ner gibt es Stücke, auf denen nur Sanǧar genannt ist, und welche eines ʿAlāʾ ad-Dunya wa-’d-Dīn Šāhānšāh (?, oben im Feld noch: Muḥammad). Auch unter Ibrāhīm b. Arslan-Ḫan (al-ḫaqan alaʿẓam), der Sanǧar und/oder den Gür-Ḫan als Oberherr(e)n aufführt, setzte sich die kursive Reihe zunächst fort, s. dazu u., S. 100 f. 417 Bosworth, „Political and Dynastic History“, S. 92; Pritsak, „Karachaniden“, S. 52. Zu beobachten ist vielmehr, dass bei den Qaraḫaniden schon früh gelegentlich andere Doppel-alqāb gebildet wurden, z. B. Nāṣir al-Ḥaqq wa-’d-Dīn oder Muʿizz al-Milla wa-’d-Dīn. Auf Münzen des malik al-mašriq wa-’ṣ-Ṣīn Ibrāhīm b. Naṣr (reg. 1040–1069) aus Ḫuǧand soll Kočnev („Svod nadpisej 2“, S. 254, Nr. 937 f.) zufolge ferner die (sonst nicht belegte) Doppelform Nūr ad-Dīn wa-’d-Daula begegnen, doch scheint mir deren korrekte Lesung und Zuordnung (ist Ibrāhīm selbst gemeint?) recht ungewiss. 418 Markov, Katalog, Bd. I, S. 273, Nr. 495. Es handelt sich um den Typ, welcher in Albums Checklist die Nr. 3423 trägt. 419 Samarqandī, Aġrāḍ as-siyāsa, S. 5 (und 318). Pritsak stützt sich allein hierauf; einen anderen Beleg für den Doppel-laqab gibt es nicht. In Samarqandīs Sindbāḏ-nāma (S. 8) steht nur der türkische Titel Qı̊ lı̊ č-Qara-Ḫān. 420 Vaṭvāṭ, Nāmahā, S. 14, 16, 19, 27, 31, 99, 107, 109, 111, …

Die Ränder Transoxaniens und die Qaraḫaniden nach 1141

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IV.4.2 Die Ränder Transoxaniens und die Qaraḫaniden nach 1141 Mā warāʾa ’n-nahr meint in erster Linie Suġd. Weiter östlich herrschte in Farġāna wohl bis mindestens 1132 Aḥmad b. Muḥammad b. Sulaimān, welcher sich gegen Sanǧar stellte. Danach fiel das Tal an Ḥasan und wurde von dessen Sohn und Statthalter Toġrı̊ lḪan Ḥusain (gest. 1156) regiert, wie Münzen belegen. Auf Ḥasans Dirhams aus Aḫsīkat ist der selǧuqische Oberherr gemäß der neuen Ordnung stets aufgeführt und auch auf einigen Prägungen Ḥusains erscheint außer dem Samarqander Ḫaqan noch der Sultan.421 Wahrscheinlich um 1137, also nach dem Tod seines Vaters, wurde Ḥusain dann vom Großḫan Maḥmūd unabhängig, woraufhin Farġāna, zunächst unter Oberherrschaft der Qara-Ḫitai, endgültig eigene Wege beschritt. Ḥusains damit einhergehende Erhöhung dokumentieren Münzen, auf denen nur er genannt ist, sowie die Titel und Ehrennamen, welche sich an seinem 1152 errichteten Mausoleum in Özkend finden, darunter al-ḫaqan al-ʿādil al-aʿẓam Ǧalāl ad-Dunyā wa-’d-Dīn (!).422 Zumindest für die erste Hälfte der 1130er Jahre lässt sich also sagen, dass Sanǧars Reich (wenigstens) bis an den Oberlauf des Syrdarjas reichte. Glaubt man Muʿizzī, war dies bereits nach dem Sieg über Ǧibrāʾīl (1102) der Fall, als der neue Ḫan und seine Familie, wie es in Versen des Dichters heißt, von Özkend bis Farab Vasallen des Selǧuqenkönigs waren.423 Ob sich das Sanǧar-Reich darüberhinaus sogar einmal bis in den Osten Turkestans erstreckte, was ja mehrere Historiographen behaupten und Bregels Zentralasien-Karte Nr. 15 auf die Spitze getrieben zeigt,424 ist ungewiss. Zwar 421 Fedorov, „Osh hoard“, S. 315 f., Nr. 9 (f.) bzw. Nr. 13. Fedorov (op. cit., S. 318 f.) glaubt, dass diese Münzen in Nordfarġāna geschlagen wurden, während Aḥmad den Süden des Tals kontrollierte. Kočnev (Numizmatičeskaja istorija, S. 220 f.) hält dies meiner Meinung nach zu Recht für haltlos. 422 Inschrift des Mausoleums: TEI Nr. 15563. Dass Ḥusain, der ṣāḥib Farġāna, 551 H. starb, gibt Qaršī an (Mulḥaqāt, S. 146) und steht in Widerspruch zu Albums Angabe, dass er noch bis ca. 1180 Münzen prägen ließ (Checklist, S. 168, Nr. 3414). 423 Muʿizzī, Dīvān, S. 489, 553. Tetley (Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 172) ließt Farāb und glaubt wohl deshalb, ein Dorf dieses Namens nahe Samarqand sei gemeint. Im Text steht aber an beiden Stellen Farab. Dies ist eine Stadt rechts des Amudarja gegenüber von Āmul (heute Türkmenabat) auf dem Weg von Marv nach Buḫārā. Diese Lage an der Westgrenze Transoxaniens macht es durchaus plausibel, Farab(r) der östlichsten Stadt Farġānas gegenüberzustellen, wenngleich man zunächst vielleicht eher an die wichtige Stadt Fārāb (später Uṭrār) am Arys in der Isfīǧāb-Provinz denken würde. Zu beachten ist ja, dass Ǧibrāʾīl Herrscher von Ṭarāz (östlich von Fārāb am Talas) und Balāsāġūn war; womöglich umfasste Sanǧars Einflussgebiet also, abgesehen von der Ušrūsana (zwischen Suġd und Farġāna), auch noch die Provinzen Īlāq und Čāč (Šāš). Interessant ist, dass Sanǧars türkischer Wesir Muḥammad b. Sulaimān Kāšġarī (s. o., S. 61) im Anschluss an seine Absetzung 1124 damit betraut wurde, sich quasi als eine Art Provinzwesir um die Finanzaufsicht (żabṭ-i amvāl) in einigen Teilen Turkestans (bilād-i Turk) zu kümmern, die damals neuerlich unter die Verwaltung des Sultans (dar taḥt-i taṣarruf-i sulṭān/ba-ḥauza-yi dīvān-i sulṭān) gekommen waren (Munšī Kirmānī, Nasāʾim, S. 63; Ḫvāndamīr, Dastūr al-wuzarāʾ, S. 193 f.). 424 Bregel, Atlas, S. 31, Karte Nr. 15 „The First Half of the 12th Century: The Seljuks, Qarakhanids, Khorezmshahs, Qara-Khitays“. Die Grenzen des „östlichen Selǧuqensultanats“ (das hier unter dieser Bezeichnung sämtliche Besitzungen der Qaraḫaniden umfasst, obwohl diese genau wie andere, etwa auch westiranische Vasallenfürsentümer Teile des Gesamtsultanats waren) reichen auf dieser

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zählt der Sultan im Jahre 1133 (d. h. zu einer Zeit, die man erwarten würde) den Ḫaqan von Kāšġar zu den von ihm Eingesetzten425 und soll Ǧūzǧānī zufolge den Qara-Ḫitai Weidegründe um Qayalı̊ q (im Siebenstromland), Almalı̊ q (am Ili) und Balāsāġūn (im Ču-Tal) gewährt haben,426 doch deutet sonst nichts darauf hin, dass die östlichen Qaraḫaniden je unter Sanǧars Kontrolle standen oder womöglich vom westlichen Ḫaqanat abhingen – was allerdings auch der besonders dürftigen Quellenlage geschuldet sein mag. Kočnevs Urteil lautet, dass des Großsultans Oberhoheit jenseits von Farġāna, wenn überhaupt, nur ganz kurz und pro forma anerkannt wurde.427 Am unteren Syrdarja lag die Stadt Ǧand, welche der Ḫvārazmšāh 1132/1133 als Sanǧars Vasall eingenommen hatte.428 Nachdem Atsı̊ z die Kontrolle über diesen wichtigen Grenzposten zu einem unklaren Zeitpunkt – wohl 1138 oder 1141 – wieder entglitten war, regierte hier, wahrscheinlich unter Oberhoheit der Qara-Ḫitai, ein vālī, dessen Einordnung ziemlich problematisch ist. ʿAṭā-Malik Ǧuvainī zufolge hieß er Kamāl ad-Dīn b. Arslan-Ḫan Maḥmūd und wurde, als Atsı̊ z Ǧand 1152 zurückeroberte, von diesem in eine Falle gelockt und für den Rest seines Lebens weggesperrt, obgleich er davor sowohl mit dem Anūšteginiden als auch mit Vaṭvāṭ befreundet gewesen war.429 Tatsächlich finden sich in Vaṭvāṭs Dīvān nicht wenige Lobgedichte auf einen in Turkestan und insbesondere Ǧand herrschenden ḫusrau-i Tūrān Kamāl ad-Dīn, nur geht daraus hervor, dass diese Person – anscheinend ein Qaraḫanide – selbst Arslan-Ḫan Abū ’l-Qāsim Maḥmūd hieß und sogar den Titel ḫaqan(-i muʿaẓẓam) führte.430 Nun mag man gleich an den in Samarqand regierenden Abū ’l-Qāsim Maḥmūd denken,431 doch kann es sich aus mehreren Gründen nicht um Sanǧars Neffen handeln432 und auch ein (sonst unbekannter) Sohn dieses Qaraḫaniden kommt meines Erachtens schwerlich infrage,433 weshalb sich nicht Karte im Osten fast bis nach Čerčen (Qiemo) und Korla am Bosten-See, also bis ins Herz Xin­ jiangs; was bedeuten würde, dass Sanǧars Macht so gut wie im ganzen Gebiet des Tienschan und der Taklamakan spürbar war. 425 Eqbāl, Vezārat, S. 311 f. (ḫaqān-i Kāšġar-rā ki mā nišānda-īm). Man darf natürlich davon ausgehen, dass Sanǧar in dem ans Kalifat gerichteten Schreiben, in welchem auch Ṭarāz erwähnt wird, dazu neigt, die Reichweite seiner Macht zu übertreiben. 426 Ǧūzǧānī, Ṭabaqāt, Bd. I, S. 261. 427 Kočnev, Numizmatičeskaja istorija, S. 222. 428 Eqbāl, Vezārat, S. 311; Paul „Sanjar and Atsız“, S. 93. 429 Ǧuvainī, Tārīḫ-i ǧahāngušāy, Bd. II, S. 10 f. 430 S. dazu Eqbāls Einleitung zu Vaṭvāts Ḥadāʾiq as-siḥr, S. ‫ ;ک‬Nafīsīs Einleitung zu Vaṭvāṭs Dīvān, S. 6 f. und Tūysirkānīs Anhang zu Vaṭvāṭs Namāha, S. 233–235. 431 Nafīsī (Einleitung zu Vaṭvāṭs Dīvān, S. 6) etwa hält beide für dieselbe Person und gibt falsch an, dass Maḥmūd der Sohn von Sulaimān gewesen sei. 432 Wobei der laqab gar nicht einmal das Problem ist (der konnte gewechselt werden). Die Langform lautet übrigens Kamāl ad-Daula wa-’d-Dīn (als isolierter daula-laqab kommt Niẓām ad-Daula vor), was auf einen untergeordneten Machthaber deutet. Der ism Maḥmūd wurde gern mit der kunya Abū ’l-Qāsim kombiniert. 433 Für Maḥmūds Sohn hält ihn Pritsak („Karachaniden“, S. 54). Als nasab ist an einer Stelle (Vaṭvāṭ, Dīvān, S. 310 f.) übrigens b. Abū Bakr ḫāl (sic, sicher nicht ḫān) gegeben, was Nafīsī (Einleitung zu Vaṭvāṭs Dīvān, S. 6 f., 10) im Gegensatz zu Tūysirkānī (Anhang zu Vaṭvāṭs Namāha, S. 233–235)

Die Ränder Transoxaniens und die Qaraḫaniden nach 1141

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sagen lässt, ob Kamāl ad-Dīn eventuell noch vor 1141 vom Sultan eingesetzt wurde. Anstatt das Rätsel zu lösen, fügt Atsı̊ z’ fatḥ-nāma-yi Ǧand nur noch weitere Widersprüche hinzu. So wird in dem Dokument gesagt, dass die Rückeroberung der Stadt schon 1145 erfolgte,434 und hinsichtlich des beseitigten Machthabers lediglich angemerkt, dass dieser sich selbst den Namen eines Ḫans zugelegt habe (ism-i ḫānī bar ḫvad nahāda būd).435 Dazu, wie Sanǧars Herrschaft über die Provinzen am oberen Amudarja, (nord)östlich von Balḫ und Tirmiḏ, organisiert war, liegen uns kaum Nachrichten vor. Nur aus knappen Angaben Ibn al-Aṯīrs lassen sich folgende Informationen gewinnen: Das Land Ḫuttal(ān) regierte in den 1150er Jahren ein malik namens Abū Šuǧāʿ Farruḫ-Šāh, von dem es heißt, dass er seine Abstammung auf den Sāsāniden Bahrām-Gūr (reg. 420– 438) zurückführte. Als sich der Sultan 1153 mit dem Oġuz-Aufstand konfrontiert sah und Farruḫ-Šāh zur Heeresfolge aufrief, soll der Herr von Ḫuttalān zwar seine Truppen gesammelt, dann jedoch nur abgewartet haben, welche Seite gewinnen würde, um sich mit dieser zu arrangieren.436 Hieraus kann man schließen, dass Farruḫ-Šāh – auch noch nach dem Einfall der Qara-Ḫitai – wenigstens formal zu Sanǧars Vasallen zählte (kāna fī ṭāʿat as-sulṭān) und wohl kein Gouverneur mamlūkischen Hintergrunds, sondern der Vertreter einer eingesessenen, relativ autonomen Regionaldynastie war.437 Besagte Oġuz (Ġuzz) nomadisierten um die Mitte des 12. Jahrhunderts in Ḫuttalān ebenso wie in Ṭuḫāristān, wohin sie (nach ihrer Verdrängung aus Suġd durch die Qarluqen) Zangī b. Ḫalīfa aš-Šaibānī eingeladen hatte. Dieser Emir war der Gouverneur des östlichen, an Badaḫšān grenzenden Ṭuḫāristān und damit der unmittelbare Nachbar seines Rivalen Qumač.438 Er dürfte mit Sanǧars ehemaligem Statthalter in Buḫārā identisch sein (was bedeuten würde, dass die Oġuz den gleichen Landeswechsel wie er vollzogen), doch tritt zu dem Widerspruch, der transoxanische Gouverneur sei bereits 1139 umgekommen (s. o.), nun noch der hinzu, dass Zangī b. ʿAlī b. Ḫalīfa aš-Šaibānī 1163/1164 Ġazna erobert haben soll, obwohl Qumač seinen verhassten Nachbarn angeblich schon lange vorher umgebracht hatte. Genauer gesagt wird berichtet, wie Zangī in Gefangenschaft getötet wurde, nachdem er vor 1152, das heißt zu Zeiten Sanǧars (!), Balḫ angegriffen und eine Niederlage erlitten hatte, weil seine Oġuz zum Feind

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glauben ließ, hier sei noch irgendein anderer, nicht königlicher Kamāl ad-Dīn Abū ’l-Qāsim Maḥmūd gemeint. Dazu Paul „Sanjar and Atsız“, S. 106, 123 f. Paul denkt wie Barthold (s. Turkestan, S. 328 f.), dass es nur eine Rückeroberung Ǧands gab, zieht aber das Jahr 1145 vor. Aḥkām, f. 127r/Barthold, Turkestan – Teksti, S. 41. Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 424. Im Sommer 1158, also kurz nach Sanǧars Tod, griff Farruḫ-Šāh dann Tirmiḏ an. Vielleicht besteht Verwandtschaft zu jenen Emiren Ḫuttal(ān)s, die uns von Münzen der Sāmāniden- und Ġaznavidenzeit bekannt sind (s. Album, Checklist, S. 151; Fedorov, „Khuttalān and Wakhsh“, S. 197–200) und die offenbar auch unter den Selǧuqen an der Macht blieben. Einer wurde von Alp-Arslan besiegt, nachdem er sich geweigert hatte, dem neuen Sultan Tribut zu zahlen (Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. VIII, S. 365 f.). Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 385 f.

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Transoxanien und die Provinzen am oberen Amudarja

übergelaufen waren. Was die seitdem in Qumačs Zuständigkeitsbereich gehörenden Nomaden selbst anbetrifft, so wissen wir, dass sie (gleich anderen Türkmenen) in Sanǧars imperiale Ordnung eingebunden waren. Als persönliche Untertanen (raʿāyāyi ḫaṣṣ) des obersten Selǧuqenherrsches – jedenfalls beanspruchten sie, Sanǧar direkt zu unterstehen – mussten die Oġuz im Gegenzug für Weiderechte jählich 24 000 Schafe für die Sultansküche liefern; ihre Anführer hatten den Rang von Emiren und waren bei Hof präsent.439 Abschließend verdient Beachtung, dass Sanǧar nach seinem Waterloo von 1141 offenbar noch einmal auf die imperiale Bühne Transoxaniens zurückkehrte. Dies zeigen Münzen an, auf denen der von Yelü Daši eingesetzte Qaraḫanide Rukn ad-Dunyā wa-’d-Dīn Abū ’l-Muẓaffar Ibrāhīm b. Muḥammad (reg. 1141–1156) den „allergrößten“ Sultan als seinen Oberherrn aufführt.440 Wenn lesbar, ist der Prägeort dieser Dirhams zumeist Buḫārā (was kaum überrascht) und als Prägejahr wurde überwiegend 541 H. (1146/1147) gelesen, doch gibt es insgesamt eine Reihe unterschiedlicher Typen,441 darunter einen, den ich (anders als Chodžanijazov) ebenfalls Ibrāhīm zuordnen würde und auf dem die Münzstätte Samarqand gelesen wurde,442 sowie einen, dessen Prägejahr wohl 543 H. lautet.443 In Anbetracht dessen dürfte Sanǧars erneute Anerkennung zeitlich wie räumlich etwas weiter gereicht haben als bisweilen angenommen. Eventuell begann sie schon bald nach Dašis Tod im Jahre 1143, auf den hin die von einer Frau geführten Qara-Ḫitai vorübergehend Schwäche zeigten.444 1144 überfielen die Oġuz Buḫārā und auch Atsı̊ z’ abermaliges Vordringen an den Syrdarja (1145) könnte ein Grund dafür gewesen sein, dass sich Ibrāhīm nach Ḫurāsān wandte und womöglich ganz aufhörte, den Gür-Ḫan in der sikka anzugeben – derartige Münzen aus Samarqand mit der typischen nasḫī-Schrift445 scheinen mir nämlich eher in Ibrāhīms erste

439 Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 61 f.; Bundārī, Zubda, S. 281; s. auch Agadshanow, Seldschukiden, S. 273– 283. 440 Wir wissen nicht, wie genau es zu dieser Anerkennung kam. Wenn Sanǧars Brief an den Phantom-Ḫaqan „Ibrāhīm b. Sulaimān“ in Wahrheit doch an Ibrāhīm b. Muḥammad gerichtet ist (s. o., S. 90 f.), dürfe er in diesem Zusammenhang gehören. 441 S. Chodžanijazov, Katalog, S. 146 f.; Kočnev, Numizmatičeskaja istorija, S. 224; id., „Svod nadpisej 2“, S. 261 f., Nr. 1026 (Buḫārā; 541 H.), 1038, 1041; Zeno Nr. 16019 (Buḫārā; 541 H.) = Kočnev, „Svod nadpisej 2“, S. 261, Nr. 1027; Zeno Nr. 153172 (Buḫārā; 54[1?] H.); Zeno Nr. 16020 (Prägeort und -jahr nicht lesbar; mit Nennung des Kalifen al-Muqtafī; das Rev.-Feld dieses ansprechenden Typs ist durch vier sich überschneidende und so ein zentrales Vierblatt bildende Kreise achtgeteilt). 442 Chodžanijazov, Katalog, S. 145, Nr. 517. 443 Biran, Qara Khitai, S. 49, wo von einer Münze mit Ibrāhīms sowie Sanǧars Namen aus Buḫārā die Rede ist, welche 1148 geschlagen worden sein soll. Biran äußert die m. E. abwegige Vermutung, dass jene Oġuz für Sanǧars Nennung verantwortlich gewesen sein könnten, welche Buḫārā 1144 überfallen hatten. 444 S. dazu Biran, Qara Khitai, S. 48 f. 445 S. Zeno Nr. 95386, 59157. Ibrāhīm nennt sich al-ḫaqan al-aʿẓam, während der Gür-Ḫan noch den Titel al-ḫaqan al-ʿādil trägt.

Hintergrund: Ġaznaviden und Selǧuqen

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Regierungsjahre zu gehören.446 Ab wann der Qaraḫanide Dirhams schlagen ließ, auf denen er nur sich selbst (sowie den Kalifen) nennt, ist nicht ganz klar. Die ersten dürften noch zu Beginn der 540er Jahre H. entstanden sein, die meisten wohl aber erst, als Sanǧars Anerkennung wieder nachließ.447 Obwohl die Qaraḫaniden weiterhin Vasallen der Qara-Ḫitai blieben, wurden letztere dann nie mehr in der sikka aufgeführt. Interessant ist übrigens die Auswirkung von Sanǧars Oberhoheit auf Ibrāhīms Titulatur: Auf Münzen mit dem Namen des „allergrößten“ Sultans erscheint der Qaraḫanide eher als al-ḫaqan al-muʿaẓẓam, wohingegen er sich (bis auf eine Ausnahme) weiterhin oder wieder als al-ḫaqan al-aʿẓam bezeichnet, wenn der Selǧuqe nicht genannt ist. IV.5 Das Reich der Ġaznaviden und Ġūr IV.5.1 Hintergrund: Ġaznaviden und Selǧuqen Fest steht, dass kein Qaraḫanidenfürst je den Rang eines Sultans beanspruchte, solange das Sanǧar-Reich Bestand hatte.448 Mit dem Sultanstitel – welchen Toġrı̊ l-Beg als erster Fürst überhaupt offiziell angenommen und auf Münzen prägen lassen hatte449 – war

446 Kočnev („Svod nadpisej 2“, S. 261, Nr. 1031; Numizmatičeskaja istorija, S. 224) gibt jedoch die Prägejahre 547 und 548 H. (1152–1154) an, wogegen v. a. stilistische Gründe sprechen (s. o., S. 95 f., Anm. 416); viel passender wären die Jahre 537 und 538 H. 447 Kočnev „Svod nadpisej 2“, S. 261, Nr. 1024 (?; Samarqand; xx7/8 H.), 1025 (Samarqand: 540– 543 H.; Buḫārā: 543 H.), 1028 f. (xx2 H.), 1030 (Buḫārā: 545 H.; Samarqand); Exemplare: Zeno Nr. 139353 (Samarqand; wahrscheinlich 542 H.), 154384 (gleicher Typ; Ort und Jahr aber nicht lesbar), 48469 und 70609 (weder Ort noch Jahr lesbar; oben in den Feldern ḫāqānī; seltsame Schreibung des Kalifennamens), 16018 (Buḫārā; [5]4[8?] H.; oben im Rev.-Feld ‫)? ٯىاىک‬, 122562 ( Jahr und Ort nicht lesbar; oben im Rev.-Feld wieder  ‫ ;)?…ىک‬Markov, Katalog, Bd. I, S. 277, Nr. 517 (Buḫārā; Jahr nicht lesbar; Markov hatte den Namen des Ḫaqans nicht entziffern können). Was die Deutung von ‫ ٯىاىک‬angeht, so könnte man vielleicht auch ‫ قرابک‬lesen. Dies ließe dann an (den Gouverneur?) Qarača-Beg denken, der von den Oġuz in Buḫārā belagert wurde. In Naršaḫīs Tārīḫ-i Buḫārā (S. 30) ist als Jahr für dieses Ereignis 538 H. (1144) angegeben, doch ist womöglich 548 H. (1153) vorzuziehen, wie schon Schefer vorschlug (Chrestomathie persane, Bd. I, S. 39). 448 Allerdings scheint Naṣr b. Ibrāhīm (reg. 1068–1080) einst aus malik al-mašriq wa-’ṣ-Ṣīn, einem ­laqab seines Vaters (sowie früherer Ḫaqane), unter selǧuqischem Einfluss sulṭān al-mašriq (ebenso: aš-šarq) wa-’ṣ-Ṣīn gemacht zu haben; eine seltenere Variante lautet sulṭān arḍ aš-šarq (Kočnev, „Svod nadpisej 2“, S. 255 f., Nr. 947 ff., 953, 956 ff.). Dazu ist aber zu sagen, dass mit diesen Formen nur vorübergehend experimentiert wurde (sie setzten sich nicht durch) und sulṭān dabei vor allem nie an die Stelle des eigentlichen Titels (ḫaqan, ḫan, malik) trat – es blieb auf eine bestimmte laqab-Art beschränkt, deren erster Bestandteil ähnlich wie bei malik-i Nīmrūz (s. dazu o., S. 81 ff., insbesondere Anm. 340), malik al-Islām oder auch amīr aš-šuʿarāʾ nicht mit dem tatsächlichen, offiziellen Rang des Trägers zusammenhing. 449 Laut Ibn al-Aṯīr (al-Kāmil, Bd. VIII, S. 241) wurde Toġrı̊ l in der ḫuṭba schon unmittelbar nach seinem ersten Einzug in Nīšāpūr im Šaʿbān 428 H. (1037) as-sulṭān al-muʿaẓẓam genannt. Auf Münzen seines Vasallen in Iṣfahān, des Kākūyiden-Emirs Farāmurz (reg. 1041 bis nach 1063), findet sich der Sultanstitel ab 434 H. (1042/1043), auf seinen eigenen Prägungen erst ab 438 H. (1046/1047).

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Das Reich der Ġaznaviden und Ġūr

anfangs ja ohnehin die Vorstellung verbunden gewesen, dass es immer nur einen einzigen Inhaber dieser höchsten Herrscherwürde geben konnte, nur einen obersten Monarchen, an den der Kalif die gesamte Herrschergewalt (sulṭān) über die islamischen Länder des Ostens wie des Westens übertrug.450 An diesem Ideal hielten die Selǧuqen fest. Allerdings hatten sie auf ihrem Weg zur Supermacht jene imperiale Struktur, die die iranische Welt bis dahin durchzogen hatte, nicht vernichtet oder unterworfen, sondern lediglich zurückgedrängt, sodass in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft ein zweites, nicht minder souveränes Reich fortexistierte: das (freilich stark geschrumpfte) der Ġaznaviden.451 Außerhalb der selǧuqischen Ordnung verbleibend ließ sich diese Dynastie den eigenen Anspruch auf die imperiale Herrschaftsebene nicht nehmen. Die sich hieraus ergebende Konkurrenz beider Mächte bedeutete nicht zuletzt, dass man in Ġazna auf die Begründung des Sultanats seitens der Selǧuqen reagieren musste, um weiterhin auf Augenhöhe agieren zu können. Die Antwort sah, wenig überraschend, so aus, dass die Nachfahren Sebük-Tegins alsbald ebenfalls ganz offiziell den Sultanstitel annahmen; Ibrāhīm b. Masʿūd (reg. 1059–1099) begann noch vor dem Jahr 1075 damit, sich auf seinen Münzen sowohl malik al-Islām als auch saiyid as-salāṭīn und assulṭān al-aʿẓam zu nennen, wobei letztere Formen das übliche as-sulṭān al-muʿaẓẓam des Gegners übertreffen sollten.452 „Allergrößter“ Sultan pflegte sich fortan jeder Herrscher der Ġaznaviden zu nennen. Im Jahre 1059 hatten Selǧuqen und Ġaznaviden vertraglich vereinbart, dass jede der beiden Dynastien selbstständig und uneingeschränkt über ihr eigenes Reich gebieten möge (ittafaqat […] ʿalā ’stibdād kull wāḥid bi-mulkihī); jeder sollte die Territorien behalten, die er gerade kontrollierte (uti possidetis), und von erneuten Angriffen auf den forthin als gleichrangig zu akzeptierenden Nachbarn absehen. Besiegelt beziehungs-

450 Toġrı̊ ls feierliche Krönung zum malik al-mašriq wa-’l-maġrib durch die Hand des Kalifen erfolgte Anfang 1058 (Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. VIII, S. 337); dem Selǧuqen wurde erklärt: „der Befehlshaber der Gläubigen hat dir sämtliche Länder anvertraut, die Gott ihm anvertraut hat“ (ibid.: qad wallāka ǧamīʿ mā wallāhu ’llāh min bilādihī); s. auch Bundārī, Zubda, S. 14; Ḥusainī, Aḫbār, S. 18; Bar ʿEbroyo, Maḵtḇonūṯ Zaḇne, tr. Budge, S. 212. 451 Zum geschrumpften Ġaznavidenreich: Bosworth, Later Ghaznavids, S. 6 ff. (Karte am Anfang des Buches). 452 Schon von Ibrāhīms Vorgänger Farruḫ-Zād (reg. 1052–1059) hat sich ein Æ-Dirham erhalten, auf dem der Ġaznavide u. a. den Sultanstitel trägt, und zwar noch in der Form, die Toġrı̊ l für die Selǧuqen etablierte: as-sulṭān al-muʿaẓẓam. Allerdings handelt es sich bei diesem zur Sammlung der Eremitage gehörigen Unikum offensichtlich um keine normale Münze: Das im Rabīʿ II 448 H. (1056) zu Ġazna geprägte Stück (s. Markov, Katalog, Bd. I, S. 189, Nr. 38) hat einen Durchmesser von 88 mm (!), wiegt dementsprechend 125,6 g und trägt eher untypische Inschriften. Auf Farruḫ-Zāds regulären Prägungen erscheint niemals der Sultanstitel. S. zum inkonsequenten, inoffiziellen Gebrauch des Sultanstitels unter Ibrāhīms Vorgängern: Bosworth, „Titulature“, S. 222–224; Giunta/Bresc, „Listes de la titulature“, S. 185–190. Auch auf Ibrāhīms Prägungen der Mzst. Lahore erscheint anfangs noch die Form as-sulṭān al-muʿaẓẓam – ein Exemplar soll aus dem Jahr 456 H. (1063/1064) stammen –, ehe sich der Elativ durchsetzt (s. Goron/Goenka, Indian Sultanates, S. xxix).

Hintergrund: Ġaznaviden und Selǧuqen

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weise aufgefrischt wurde dieses insgesamt kaum verletzte und von einer gewissen Achtung gegenüber der älteren Dynastie getragene Übereinkommen durch Heiratsverbindungen:453 Prinz Masʿūd b. Ibrāhīm erhielt zunächst eine Tochter oder Schwester Alp-Arslans zur Frau. Später, als der Frieden unter Malik-Šāh I. vorübergehend gefährdet war, wurde auch Ibrāhīms zweiter Sohn Naṣr mit einer selǧuqischen Prinzessin vermählt und diese (wohl noch ziemlich junge) Tochter Malik-Šāhs namens Gauhar-Ḫatun (oder Gauhar-i Mulk) war es nun, die unter der Bezeichnung mahd-i ʿIrāq Berühmtheit erlangte. Nachdem Ibrāhīm 1099 gestorben und Masʿūd III. Sultan geworden war, scheint es dann so gewesen zu sein, dass der neue Ġaznavidenherrscher seinen Bruder Naṣr tötete und die mahd-i ʿIrāq (erst) daraufhin selbst ehelichte, vermutlich weil seine erste Frau, die Tochter oder Schwester Alp-Arslans, bereits tot war.454 453 Ḥusainī, Aḫbār, S. 29; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. VIII, S. 349; Bosworth, Later Ghaznavids, S. 49, 51 ff. (Kapitel zu den Beziehungen zwischen Ibrāhīm und den Selǧuqen, die den Ġaznaviden Vater nannten) und zudem S. 78–80 (über die Beziehungen der Ġaznaviden zum Kalifat). Zur ersten Heiratsverbindung zwischen beiden Häusern (s. Tafel I auf S. 387) kam es schon bemerkenswert früh: Der 1041–1049 regierende Ġaznavide Maudūd b. Masʿūd ehelichte eine Tochter des Selǧuqen Čaġrı̊ -Beg, welche die Mutter seines Sohnes Masʿūd II. und nach dessen ephemerer Regentschaft die Frau des folgenden (ebenfalls nur kurz herrschenden) Monarchen ʿAlī b. Masʿūd I. (Maudūds Bruder) wurde (Mustaufī, Tārīḫ-i guzīda, S. 398 f.). Diese Verbindung wird meist übersehen; weil sie in Bosworths Later Ghaznavids keine Erwähnung fand, berücksichtigte sie z. B. auch Hilloowala in Women’s role (s. S. 68) nicht. Die nächste uns bekannte Heirat zwischen Vertretern der Selǧuqen und Ġaznaviden ist dann die zwischen Alp-Arslans Sohn Arslan-Šāh und einer Tochter Maudūds. Ibn al-Aṯīr, der den Ġaznaviden nicht namentlich nennt, erwähnt die Vermählung für das Jahr 1064 (al-Kāmil, Bd. VIII, S. 370). Dass ʿIzz ad-Daula Arslan-Šāh (der in den 1060er Jahren erst malik von Fārs, dann von Marv war) nicht der Schwiegersohn Sultan Ibrāhīms wurde (so Bosworth, op. cit., S. 55), sondern des verstorbenen Maudūds, ist bei Mīrḫvānd zu lesen (Raużat aṣ-ṣafāʾ – Selǧuqen, S. 68, 89). 454 Von Ḥusainī (Aḫbār, S. 16, 58) wissen wir, dass zunächst Masʿūd und einer seiner Brüder je eine Selǧuqin erhielten, wobei die erste Prinzessin ihm zufolge eine Tochter Alp-Arslans und Gauhar-Ḫatun eine Tochter Malik-Šāhs war. Seine (erklärungsbedürftige) Angabe, dass (später) auch die mahd-i ʿIraq mit Masʿūd verheiratet war, wird von Ǧūzǧānī bestätigt (Ṭabaqāt, Bd. I, S. 240). Faḫr-i Mudabbir (Ādāb al-ḥarb, S. 156 f.; s. auch Khan, „Bahram Shah“, Teil I, S. 65) sagt nur, dass Sultan Malik-Šāh Prinz Masʿūd eine Tochter Čaġrı̊ -Begs zur Frau gab (womit diese älter als ihr 1061 geborener Gatte gewesen sein müsste), doch wurde hier womöglich aus zwei oder gar drei Prinzessinnen (Maudūds Frau war ja eine Tochter Čaġrı̊ -Begs) eine einzige gemacht. Dass der zweite Ġaznavidenprinz Naṣr hieß – tatsächlich findet sich ein Träger dieses Namens in Ǧūzǧānīs Liste der vielen Söhne Ibrāhīms (Ṭabaqāt, Bd. I, S. 238) –, sein Bruder Masʿūd ihn tötete und Masʿūd erst daraufhin der Mann der mahd-i ʿIraq wurde, erfahren wir allein von Ibn al-Aṯīr (al-­ Kāmil, Bd. IX, S. 155), dessen Informationen Bosworth zwar erwähnt (Later Ghaznavids, S. 96), in ihrer Bedeutung als zur Klärung der verworrenen Verhältnisse führend aber offenbar nicht erkannte. Ibn al-Aṯīr präzisiert auch, dass die mahd-i ʿIrāq „Sanǧars Schwester über Berkyaruq“ gewesen sei (hiya uḫt al-malik Sanǧar min as-sulṭān Berkyaruq), was wohl bedeutet, dass sie dessen Halb- oder sogar Stiefschwester war (und somit zumindest dieselbe Mutter wie Sanǧars Halbbruder Berkyaruq hatte). Dazu, wer nun Masʿūds erste Frau war, findet sich bei Ibn al-Aṯīr die Angabe, es habe sich um eine Schwester Alp-Arslans gehandelt. Dass D. S. Richards an dieser Stelle „daughter“ übersetzt (The Chronicle of Ibn al-Athīr, Teil I, S. 168), muss ein Fehler sein, da nicht nur in der von mir benutzten Edition uḫt steht, sondern ebenso in der Dar-Sader-Ausg. der Edition

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Dies, das heißt vor allem die Existenz zweier selǧuqischer Gattinnen Masʿūds III., hat in der Vergangenheit schon für einige Verwirrung gesorgt und die Beantwortung der – insbesondere für die folgenden Geschehnisse so relevanten – Frage nach der korrekten genealogischen Einordnung der mahd-i ʿIrāq zu einem Problem werden lassen.455 Bosworth456 stützte sich diesbezüglich auf Khan, dessen Überlegungen darum kreisten, wen Masʿūds Sohn Bahrām-Šāh (reg. 1117–1153) zur Mutter hatte. Zu seinen vollkommen überzeugenden Schlüssen gehört, dass es sich bei Bahrām-Šāh um keinen Sohn der mahd-i ʿIrāq und nur um einen jüngeren Halbbruder seines Vorgängers ­Malik-Arslan (reg. 1116–1118) handelt.457 Jedoch zweifelt Khan nicht im Geringsten daran, dass die mahd-i ʿIrāq sehr wohl die Mutter Malik-Arslans war,458 was meiner Überzeugung nach nicht stimmt. Denn die einzig logische, mit allen Angaben weitestgehend in Einklang stehende Lösung lautet, dass beide Ġaznaviden eine von Sanǧars Schwester Gauhar-Ḫatun verschiedene Mutter hatten, wobei jene Malik-Arslans die erwähnte erste (namenlose und im frühen 12. Jh. schon verstorbene) selǧuqische Gemahlin Sultan Masʿūds III. war! Dies geht so nicht nur aus Ibn al-Aṯīrs und Rašīd adDīns Ausführungen hervor;459 auch Ǧūzǧānī nennt die mahd-i ʿIrāq Malik-Arslans Stiefmutter (mādar-i sababī)460 und Faḫr-i Mudabbir hat ja anscheinend primär die ältere Selǧuqenprinzessin im Sinn, wenn er erklärt, dass diese Malik-Arslans Mutter wurde. Zu bedenken ist auch, dass Gauhar-Ḫatun von Sultan Malik-Arslan derart unwürdig behandelt wurde, dass sie ihn hasste und ihren Bruder Sanǧar zu einem Vorgehen gegen ihn ermutigte. Nach einer Mutter-Sohn-Beziehung klingt dies nicht.

Carl Johan Tornbergs (Ibn-el-Athiri Chronicon quod perfectissimum inscribitur, Bd. X, Leiden 1864, Neuausg.: Beirut 1966, S. 504), welche Richards verwendete. Zudem spricht auch Rašīd ad-Dīn von einer Schwester (Ǧāmiʿ – Sāmāniden, Būyiden, Ġaznaviden, S. 180). 455 Bosworth, EIr-Art. „Gowhar Ḵātun“; id., Later Ghaznavids, S. 54 f., 95 f. Sowohl in vielen Primärquellen als auch in der Sekundärliteratur sind die verwandschaftlichen Verhältnisse widersprüchlich dargestellt, die beiden Selǧuqinnen ebenso miteinander verwechselt wie die Umstände ihrer Verheiratung. 456 Later Ghaznavids, S. 90 f., 92 f., 95 f. 457 Khan, „Bahram Shah“, Teil I, S. 64–66. Es gibt drei zentrale Argumente: 1. Während Malik-Arslans Abstammung in Lobgedichten auf Maḥmūd von Ġazna und Čaġrı̊ -Beg zurückgeführt wird, ist dies bei Bahrām-Šāh nicht der Fall. 2. Sanǧar soll gezögert haben, Bahrām-Šāh gegen Malik-Arslan zu helfen, weil er fürchtete, es würde dann heißen, er habe einen Fremden unterstützt und so einen Verwandten gestürzt. 3. Wäre die mahd-i ʿIrāq Bahrām-Šāhs Mutter gewesen, hätte Malik-Arslan sie kaum als seine Fürsprecherin zu Sanǧar geschickt. 458 S. dazu noch „Bahram Shah“, Teil I, S. 74 mit Anm. 2; daneben auch Başan, Great Seljuqs, S. 121 (nach Özaydın). 459 S. o., Anm. 454; in Bezug auf Arslan-Malik (bei beiden immer: Arslan-Šāh) heißt es: ummuhū Salǧūqīya wa-hīya uḫt as-sulṭān Alp-Arslan bzw. mādaraš ḫvāhar-i sulṭān Alp-Arslan b. Dāvud būd. 460 Ṭabaqāt, Bd. I, S. 241.

Bahrām-Šāh, der Vasallensultan

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IV.5.2 Bahrām-Šāh, der Vasallensultan Die überregional bedeutsamen Ereignisse, mit denen die genannten Persönlichkeiten und dargelegten Verhältnisse in Verbindung stehen, nahmen ihren Ausgang, als Masʿūd III. 1115 verstarb und sein Sohn und designierter Nachfolger Šīrzād umgehend von Malik-Arslan gestürzt wurde.461 Auch andere potentielle Kandidaten für den Thron ließ Malik-Arslan rigoros ausschalten, bis nur noch sein (damals gerade nicht in Ġazna weilender) Halbbruder Bahrām-Šāh als Rivale übrig blieb.462 Zur Flucht gezwungen suchte dieser nach Hilfe von außen und wandte sich via Sīstān und Kirmān (dazu unter IV.8.) nach Marv, wo Sanǧar zu dieser Zeit noch als Vasall seines Bruders Sultan Muḥammad regierte. Offenbar fand der malik des Ostens schnell Gefallen an dem royalen Bittsteller, sodass er sich auf dessen Seite in den ġaznavidischen Nachfolgestreit einmischte, zunächst diplomatisch.463 Seine Versuche, zwischen beiden Parteien zu vermitteln, blieben allerdings ebenso fruchtlos wie jene Malik-Arslans, Bahrām-Šāh Sanǧars Unterstützung mittels eines Abgesandten zu entziehen. Die Nachricht von der schlechten Behandlung seiner Schwester, der mahd-i ʿIrāq, soll das ihre dazu beigetragen haben, dass der Herr Ḫurāsāns schließlich eine feindliche Haltung gegenüber dem (entfernt verwandten) Sultan von Ġazna einnahm,464 worüber sich dieser beim selǧuqischen Familienoberhaupt beschwerte. Sultan Muḥammad I. schickte daraufhin einen Boten mit der Anweisung an Sanǧar, ein militärisches Vorgehen gegen Malik-Arslan besser zu unterlassen, da die Ġaznaviden eine große Dynastie seien.465 Sicherlich galt die Maxime, die im Großen und Ganzen friedliche, ausbalancierte Koexistenz beider Reiche nicht aufs Spiel zu setzten, doch erkannte der – von politisch-militärischen Erfolgen verwöhnte und entsprechend gestärkte – König des Ostens wohl die Gelegenheit, die sich ihm hier bot, und entschloss sich zu dem Wagnis, seinen Einfluss über die bislang respektierte Grenze zum ġaznavidischen Machtbereich auszudehnen.466

461 Dazu Bosworth, Later Ghaznavids, S. 89 ff. Šīrzād regierte für etwa ein Jahr, floh dann zu den Bāvandiden ans Kaspische Meer und vollzog den ḥaǧǧ, ehe er nach Ġazna zurückkehrte und getötet wurde. 462 Zu Bahrām-Šāhs Kampf um den Thron: Khan, „Bahram Shah“, Teil I, S. 69 ff. 463 Wie aus einem Gedicht Muʿizzīs (Dīvān, S. 495) hervorgeht, dachte man schon im März 1116, kurz nach Bahrām-Šāhs Ankunft in Marv, daran, dass der Ġaznavidenprinz von Sanǧar ebenso als abhängiger Monarch eingesetzt werden könnte wie der Qaraḫanidenherrscher (Tetley, Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 180). Zudem zeigen Balḫer Dinare des Jahres 509 H. (1116), dass man einer Konfrontation entgegensah (s. o., S. 57, Anm. 207). 464 Ǧūzǧānī, Ṭabaqāt, Bd. I, S. 241 (bā mādar-i sababī […] istiḫfāf kard badān sabab Sanǧar ḫaṣm-i ū šud). 465 Bundārī, Zubda, S. 163; Ḥusainī, Aḫbār, S. 91: hāḏā bait kabīr ( fa-)lā taqṣidhu. 466 Ähnlich schätzt es Bosworth (Later Ghaznavids, S. 94 f.) ein.

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Das Reich der Ġaznaviden und Ġūr

Noch bevor Muḥammads Bote in Ḫurāsān eintraf,467 hatte Sanǧar seinen Emir Öner468 in Begleitung Bahrām-Šāhs mit einem Heer gen Süden ausrücken lassen. Bei Bust, das schon zum Ġaznavidenreich gehörte, vereinigten sich die selǧuqischen Truppen mit denen Naṣrs II. von Nīmrūz und errangen einen ersten Sieg über die Vielvölkerarmee Arslan-Maliks.469 Dessen anschließende Versuche, Öner zu bestechen und Sanǧar – der jetzt ebenfalls an den Helmand kam – von der mahd-i ʿIrāq besänftigen zu lassen, schlugen fehl; zwar übermittelte Gauhar-Ḫatun alle Geschenke (darunter 200 000 Dinar) sowie das Ersuchen um Frieden und die Auslieferung Bahrām-Šāhs, handelte ansonsten aber vollkommen entgegen ihrem Auftrag: Sie überzeugte ihren Bruder von einem Angriff auf Ġazna.470 In die große Schlacht vor den Toren der tief verschneiten Hauptstadt471 schickte Malik-Arslan unter anderem 30 000 Reiter und 50, 100 oder sogar 120 Kriegselefanten mit je vier Mann Besatzung. Erst nachdem Abū ’l-Fażl Naṣr II. dem Leittier zur Verschreckung der übrigen Dickhäuter persönlich den Bauch aufgeschlitzt hatte – was enormen Eindruck machte –, vermochte Sanǧars Streitmacht, den Sieg auf ihre Seite zu ziehen472 und Ġazna zu erobern; sowohl die

467 Weil Muḥammad seinen Bruder im Kriegsfall nicht verunsichern wollte, sollte der Bote seine Nachricht angeblich nur dann überbringen, wenn Sanǧar nicht bereits militärische Maßnahmen ergriffen hat. 468 Öner, der wohl ein sipahsālār-i buzurg war und den laqab ʿIzz ad-Dīn trug, kommt in mehreren Geschichten über den Ṣūfī-Scheich Aḥmad-i Ǧām (1049–1141) vor, zu dem er – genau wie Sanǧar – engen Kontakt pflegte (s. Ġaznavī, Maqāmāt-i Žanda-Pīl, tr. Moayyad/Lewis, S. 238–242, 339, 363). Auf Grundlage dieser und anderer Erwähnungen (s. Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 39, 54 f.) ließe sich vermuten, dass er der Gouverneur von Nīšāpūr war (wo er einmal den ismāʿīlitischen Herrn von Ṭabas willkommen hieß). Ferner erfahren wir von seiner zeitweiligen Inhaftierung sowie von seiner Ermordung, die sich bald nach seinem misslungenen Gurgān-Einsatz (s. u., S. 129) in Marv ereignete und daraus resultiert haben soll, dass man ihn gegenüber Sanǧar schlechtgemacht hatte. Ibn Isfandiyār (op. cit., Bd. II, S. 60) berichtet, dass es die Ismāʿīliten waren, die ihn umbrachten, nachdem der Bāvandide Tāǧ (?) al-Mulūk Bahrām ein Jahr lang bei ihm gewesen war, und tatsächlich findet sich in der Liste prominenter Persönlichkeiten, die unter Ḥasan-i Ṣabbāḥs Führung liquidiert wurden, der Eintrag: „Tötung Öners, des Emirs von Ḫurāsān, durch Isfandiyār Damāvandī in der Stadt Marv im Šauwāl des Jahres 515 H. (Dez. 1121/Jan. 1122)“ (Rašīd adDīn, Ǧāmiʿ – Ismāʿīliten, S. 135). Aḥmad-i Ǧām soll mehrere Unglücke Öners vorausgesagt haben. Auch über den Ġazna-Feldzug heißt es in einer Geschichte, dass der Scheich seinem Schützling eine Niederlage prophezeit und damit am Ende Recht behalten habe – was so aber gar nicht stimmt. 469 Zu alledem sowie dem, was folgt: Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 155–157 (sehr anschaulicher, detailierter Bericht!); Bundārī, Zubda, S. 262 f.; Ḥusainī, Aḫbār, S. 91. 470 Hierzu auch Sanaullah, Decline, S. 15. Von einem Angriff abgeraten haben soll Sanǧars Wesir Ṣadr ad-Dīn Qiwām al-Mulk Muḥammad, nachdem Malik-Arslan ihm hierfür eine halbe Million Dinar zugesichert hatte. Diese Bestechung war ein Grund, warum Sanǧar den Wesir 1118, also gleich im Anschluss an den Ġazna-Feldzug, in Balḫ töten ließ. So berichtet es uns jedenfalls Ibn al-Aṯīr (al-Kāmil, Bd. IX, S. 182), während in Bundārīs Zubdat an-nuṣra, wie bereits ausgeführt, eine andere Geschichte erzählt ist, s. o., S. 60 f. 471 Der genaue Ort der Schlacht war die Ebene von Šahrābād. 472 Sanǧar führte das Zentrum, Öner den rechten, Naṣr den linken Flügel. Die furchterregenden Elefanten (s. dazu Tetley, Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 183) waren anfangs das Problem des Zen­ trums, wandten sich dann aber dem linken Flügel zu. Naṣr soll außer dem Leittier noch zwei wei-

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Stadtburg als auch die außerhalb gelegene Schatz- und Gefängnisfeste wurden kampflos übergeben.473 Der triumphale Einzug in die Kapitale erfolgte am 25. Februar 1117, wobei Bahrām-Šāh vor dem berittenen Selǧuqenkönig zu Fuß ging, ehe er allein auf dem Thron seiner Vorväter Platz nahm.474 Wie abgemacht trat er seine Herrschaft als Vasall der Großselǧuqen an, was im Detail ein politisches Novum und Kuriosum bedeutete. An dritter Stelle nach dem Kalifen und as-sulṭān al-muʿaẓẓam Muḥammad I. wurde in der ḫuṭba nun nämlich der untergeordnete malik Sanǧar noch vor dem Ġaznavidenherrscher genannt, obwohl letzterer den Titel as-sulṭān al-aʿẓam behalten durfte! Ibn al-Aṯīr bemerkt dazu: „Dies gehört zum Merkwürdigsten, was man je gehört hat.“475 Offenbar war es schlicht unrealistisch, den Ġaznaviden den Sultanstitel zu nehmen, und praktisch unmöglich, die Titel 1117 so anzupassen, dass sie die Hierarchie ihrer Träger widerspiegeln. Der Grund hierfür liegt einerseits in Sanǧars unverbrüchlicher Anerkennung des einen Selǧuqensultans Muḥammad und andererseits darin, dass der König des Ostens gleichwohl mächtig und autonom genug war, um nicht nur ein Lokal- oder Regionalfürstentum zu unterwerfen, sondern ein bislang unabhängiges Reich anzuschließen. Im Übrigen wird in den Quellen immer wieder hervorgehoben, dass Sanǧar der erste Herrscher war, dem es gelang, die Ġaznaviden der eigenen Oberhoheit zu unterstellen und den selǧuqischen Einflussbereich dementsprechend weit nach Südosten auszudehnen. Ibn al-Aṯīr schreibt: „Nie zuvor war die Freitagspredigt in Ġazna für einen Selǧuqen gehalten worden. Hierauf hatte selbst Malik-Šāh [I.] trotz all seiner Macht- und Herrschaftsfülle nicht (einmal) hoffen können und jedes Mal, wenn er (doch) den Wunsch danach äußerte, hielt ihn Niẓām al-Mulk zurück.“476

Im Muǧmal at-tawārīḫ ist zu lesen: „Noch kein Sultan hatte sowohl über die Dynastie Afrāsiyābs [d. h. die Qaraḫaniden] als auch über das Reich von Ġazna und die [dort herrschende] Familie Maḥmūds [d. h. die Ġaznaviden] triumphiert.“477

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tere getötet haben. Der Rückzug der Dickhäuter ermöglichte Sanǧar den finalen Vorstoß, während Öner dem linken Flügel zu Hilfe kam. In der Burg von Ġazna hatte Malik-Arslan zuvor noch einen Abgesandten Sanǧars gefangen gehalten. In der uneinnehmbaren Festung mit dem Staatsschatz waren Bahrām-Šāhs Ehefrau und sein Bruder Ṭāhir inhaftiert; letzterer erreichte die Übergabe an Sanǧar. Nach einem Vers Muʿizzīs (Dīvān, S. 521) sitzt allerdings Sanǧar selbst auf Maḥmūds Thron im bāġ-i pīrūzī (Tetley, Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 182). Al-Kāmil, Bd. IX, S. 156: kāna yuḫṭabu lahū [gemeint ist Sanǧar] bi-’l-malik wa-li-Bahrām-Šāh bi-’ssulṭān ʿalā ʿādat ābāʾihī fa-kāna hāḏā min aʿǧab mā yusmaʿu bihī. Al-Kāmil, Bd. IX, S. 157: lam yuḫṭab bi-Ġazna li-Selǧuqī qabla hāḏā ’l-waqt ḥattā inna ’s-sulṭān ­Malik-Šāh maʿa tamakkunihī wa-kaṯrat mulkihī lam yaṭmaʿ fīhi wa kāna kullamā rāma ḏālik manaʿa minhu Niẓām al-Mulk. Muǧmal at-tawārīḫ, S. 412: hīč sulṭān bar ḫānadān-i Afrāsiyāb va mulk-i Ġaznīn va Maḥmūdiyān čīragī nayāft – unter den Maḥmūdiyān ist, wie gesagt, die Familie Maḥmūds von Ġazna zu verste-

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Später, als Sanǧar selbst der „allergrößte“ Sultan war, redete er Bahrām-Šāh in Briefen konsequent mit as-sulṭān al-muʿaẓẓam al-walad al-aʿazz (persisch: farzand-i aʿazz, d. h. „teuerster Sohn“) an,478 was trotz Sultanstitel keinen Zweifel an dessen Unterordnung lässt (Naṣr II. von Sīstān, Qumač und andere Große des Reiches wurden, wie gesagt, Bruder genannt). Analog dazu pflegte der Ġaznavide den Selǧuqen als Vater zu bezeichnen.479 Ebenso wie zur Anerkennung der Selǧuqen in ḫuṭba und sikka verpflichtete sich Abū ’l-Muẓaffar Bahrām-Šāh zu regelmäßigen Tributzahlungen (ḥumūl) an Sanǧar, die entweder in 1000 Dinar pro Tag oder 250 000 Dinar pro Jahr bestanden. Es handelte sich um Steuergelder aus der Hauptstadt (furża-yi šahr), über deren Weiterleitung ein eigens eingesetzter ʿāmil aus Sanǧars dīvān wachte.480 Zusätzlich nahm der malik almašriq am Ende seines 40 Tage währenden Aufenthalts in Ġazna unvorstellbare Kostbarkeiten aus den Schatzkammern der Sebükteginiden mit sich und auch sein Wesir und die Truppen hatten sich an den (infolge vieler Raubzüge nach Indien immensen) Reichtümern der Stadt bedient.481 Wozu es in Zusammenhang mit der Installation Bahrām-Šāhs wider Erwarten nie kam, war eine neuerliche interdynastische Heirat (so wie bei der Einsetzung des Qaraḫaniden Muḥammad b. Sulaimān); jedenfalls gibt es hierfür keinerlei Hinweise. Von einer ġaznavidischen Beteiligung an Sanǧars Kriegen sprechen Ibn Isfandiyār und Ibn al-Aṯīr bezüglich der Schlacht bei Sāva (s. u., S. 129 ff.) beziehungsweise jener in der Qaṭvān-Steppe (s. o., S. 92). Was den geschlagenen Malik-Arslan angeht, so hatte er sich in den nordindischen Teil seiner Besitzungen flüchten können. In der Provinzhauptstadt Lahore fand er

hen, und nicht, wie Tetley meint, die „partisans of Sanjar’s rebellious nephew Maḥmud“ (Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 171). Ǧūzǧānī erklärt in Hinblick auf die Eroberung Ġaznas: ān daulat ki Sanǧar-rā būd hīč yak az pidarān-i ū-rā nabūd (Ṭabaqāt, Bd. I, S. 258). Qāšānī, Zubda – Selǧuqen, S. 44: mamlakat-i Ġaznīn ki hīč-kas az āl-i Salǧūq qaṣd va ʿazm-i ān nakard bigirift; Bundārī, Zubda, S. 263: kāna mulk āl Maḥmūd min auwal ʿahdihī bikran lam yuqtaḍḍu wa-ḫatman lam yufaḍḍu ḥattā atā Sanǧar wa-kasara sikrihī wa-hataka sitrihī; ähnlich Ḥusainī, Aḫbār, S. 91: kānat [gemeint ist Ġazna] munḏu fataḥahā ’s-sulṭān Maḥmūd b. Sebük-Tegin bikran lam tuftaḥ. 478 Die Briefe aus dem Jahre 1150 finden sich in Ǧuvainīs ʿAtaba auf S. 88–92. Dass Bahrām-Šāh gemeint ist (der Name wird nie genannt), ergibt sich aus dem Inhalt. Paul (Lokale und imperiale Herrschaft, S. 304; „Administrative Legacy“, S. 8) hält den als „Sohn“ bezeichneten Adressaten hingegen fälschlich für den Ġūridenherrscher. 479 Aḥkām, f. 99r–100r, 101v–102v. 480 Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 54; Bundārī, Zubda, S. 263, 271 (ḥumūl Ġazna); Ḥusainī, Aḫbār, S. 91; s. zudem Tetley, Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 181 zu Muʿizzī (Dīvān, S. 556) über die Aussicht auf monatliche Elefantenladungen bestehend aus Schatullen voller Juwelen und säckeweise Gold und Silber nebst Lieferungen von Pferden, Elefanten und Kamelen aus Ġazna (tatsächlich setzte Sanǧar wenig später selbst Kriegselefanten ein). 481 Ibn al-Aṯīr spricht davon, dass Sanǧar 5 Kronen (jede über 2 Mio. Dinar wert!), 1300 edelsteinbesetzte Gold- und Silberpreziosen und 17 Gold- und Silberthrone erbeutete, während seine Soldaten insbesondere die silbernen Wandverkleidungen und Wasserräder raubten, auf die sie in den Palästen bzw. Palastgärten stießen.

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Beistand bei seinem Statthalter aus der Abū-Ḥalīm-Šaibānī-Familie482 und sammelte neue Truppen, die er gleich im Anschluss an Sanǧars Rückkehr nach Ḫurāsān gegen Ġazna führte. Bahrām-Šāh floh daraufhin nach Bāmiyān und forderte die Hilfe seines Oberherrn an. Vor dem Heer, welches der in Balḫ weilende Selǧuqenkönig umgehend entsandte, zog sich Malik-Arslan aus der Ġaznaviden-Kapitale ins Gebirge zurück, wo er schließlich gefasst wurde. Der selǧuqische Befehlshaber wollte den Gefangenen nun eigentlich mit zu Sanǧar nehmen, doch kaufte ihm Bahrām-Šāh den gefährlichen Bruder sicherheitshalber ab, um ihn im Herbst 1118 strangulieren zu lassen. Damit stand der neue Ġaznavidensultan immer noch vor der Aufgabe, die indischen Reichsteile unter seine Kontrolle zu bringen, wozu er im Jahre 1119 zwei siegreiche Feldzüge in den Pandschab unternahm. Am Ende des ersten stand die Unterwerfung, nicht aber die Absetzung, am Ende des zweiten dann die Beseitigung des (erneut) widersetzlichen Bū-Ḥalīm-Statthalters Muḥammad b. ʿAlī Šaibānī, welcher jenseits des Indus ein mächtiges Heer aufgestellt hatte.483 Im Folgenden installierte Bahrām-Šāh ihm, wie es scheint, botmäßige Gouverneure; irgendwann entsandte er auch seinen ältesten Sohn Ǧalāl ad-Daula Abū ’l-Fatḥ Daulat-Šāh nach Nordindien, der ab 1118 möglicherweise als eine Art politische Geisel an Sanǧars Hof gelebt hatte.484 Bahrām-Šāh gelang es anscheinend, seine Herrschaft alsbald zu konsolidieren. Die wohl in erster Linie finanziell drückende Abhängigkeit von Sanǧar stellte er, wie es scheint, (trotzdem) lange Zeit nicht offen infrage; erst nach gut fünfzehn Jahren kamen seinem inzwischen zum Sultan aufgestiegenen Oberherrn Meldungen zu Ohren, dass der Ġaznavide sich nicht länger wie ein loyaler Vasall verhalte.485 Folglich unternahm der oberste Selǧuqe im Jahre 1135 einen zweiten großen Feldzug nach Ġazna, auf dem ihn unter anderem der Ḫvārazmšāh Atsı̊ z und Iḫtiyār ad-Dīn Ǧauhar, sein damals größter Emir,486 begleiteten. Als das Heer via Bust bis Teginābād487 vorgerückt war, übermittelte der Gelehrte Abū ’l-ʿAlāʾ Muḥammad b. Maḥmūd (gest. ca. 1194) – welchen Bahrām-Šāh laut Samʿānī (gest. 1166) wiederholt als Botschafter zu Sanǧar entsandte488 – des Ġaznaviden Bitte um Vergebung,489 mit der Folge, dass der

482 S. Clifford Edmund Bosworth, EIr-Art. „Bū Ḥalīm Šaybānī Family“. 483 Bosworth, Later Ghaznavids, S. 101–103. 484 Dies schlussfolgerte zumindest Khan aus einem Gedicht, s. „Bahram Shah“, Teil I, S. 90, Anm. 1. Daulat-Šāhs Rückkehr nach Ġazna muss vor 1130 erfolgt sein. 485 Hierzu und zu dem, was anschließend geschah: Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 284; Ḥusainī, Aḫbār, S. 92; Bundārī, Zubda, S. 264. S. ferner Samarqandī, Aġrāḍ as-siyāsa, S. 409, wo steht, dass Bahrām-Šāh rebellierte und die vereinbarten Zahlungen nicht mehr gewissenhaft leiste. 486 S. zu ihm o., S. 62 f. 487 Wohl nahe Qandahār in Ruḫḫāǧ. 488 Ṣafadī, al-Wāfī, Bd. V, S. 6; Ṣafadī zitiert Samʿānī, welcher in seiner heute verlorenen Chronik von Marv schrieb, dass er den Imam und Kadi von Ġazna Muḥammad b. Maḥmūd 1152 in Balḫ traf und der Herr von Ġazna diesen zweimal zu Sanǧar nach Ḫurāsān schickte. 489 Während Ṣafadīs Eintrag zu Muḥammad b. Maḥmūd an-Naisābūrī al-Ġaznawī keine weiteren Informationen über dessen diplomatische Missionen enthält, erfahren wir von ʿAufī (Lubāb, Bd. I,

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Selǧuqe seinerseits Ǧauhar auf diplomatische Mission vorausschickte. In Ġazna erhielt Ǧauhar nun Bahrām-Šāhs Zusage, sich wieder offiziell fügen (und dann auch weiter Tribut entrichten) zu wollen, wofür der Ġaznavide mit zurück in Sanǧars Lager genommen wurde. Unmittelbar vor der anstehenden ḫidma-Zeremonie490, überlegte es sich Bahrām-Šāh – bezweifelnd, dass ihm tatsächlich verziehen werden und er die Herrschaft behalten dürfen würde – jedoch noch einmal anders und floh nach La­hore, woraufhin Sanǧar Ġazna einnahm und sich erneut an den Reichtümern der Stadt bediente. Offenbar war der Selǧuqensultan aber wirklich gewillt, es bei Bahrām-Šāhs Herrschaft zu belassen; andernfalls hätte er diesen ja auf indischem Boden bekriegen und eventuell eine Antwort darauf finden müssen, wem sonst er die eroberten Territorien anvertrauen sollte – eine Beseitigung der Ġaznavidendynastie wäre gewiss problematisch gewesen. Sanǧar verständigte sich also (schriftlich) mit Bahrām-Šāh und sicherte ihm abermals zu, gänzlich unbeschadet auf den Thron Ġaznas zurückkehren zu können. So geschah es letztlich auch, allerdings erst – und das verdient Beachtung – nachdem der Großselǧuqe die ġaznavidische Hauptstadt interimistisch (so jedenfalls ließe sich Ḥusainīs Angabe verstehen) einem ihm verantwortlichen Gouverneur unterstellt und sich selbst im Sommer 1136 nach Balḫ zurückgezogen hatte. Dies bedeutet, dass Sultan Bahrām-Šāh am Ende darum herumkam, sich noch einmal, wie gefordert, in persona und aller Form seinem Oberherrn zu unterwerfen. Letzterer sah sich wohl nicht im Stande, die Lage definitiv zu regeln, und man könnte vermuten, dass Atsı̊ z dieses Anzeichen der Grenze imperialen Durchsetzungsvermögens in Erinnerung behielt. Bei Sanǧars in Ġazna zurückgelassenem Statthalter mag es sich durchaus um Ǧauhar at-Tāǧī handeln und Bosworth fragt sogar, ob dieser nicht folglich auch mit Bahrām-Šāhs (lediglich von Faḫr-i Mudabbir erwähntem) Atabeg, dem mihtar Ǧauhar, zu identifizieren sei.491 Hierfür spricht, dass es sich bei mihtar um einen typischen Eunuchentitel handelt.492 Spätestens an diesem Punkt stellt sich die Frage, was uns eigentlich die Münzen darüber verraten, in welchem Ausmaß die selǧuqische Oberhoheit im Ġaznavidenreich anerkannt wurde. Dazu lässt sich zunächst einmal konstatieren, dass wir aus Ġazna tatsächlich keine vollen Gold- oder Silberprägungen Bahrām-Šāhs ohne Sanǧars Namen kennen.493 Auf den allermeisten dieser Stücke ist der Kalif al-Mustaršid (reg. 1118–1135) S. 271 f.), dass der Gelehrte mit dem laqab Faḫr al-Milla wa-’d-Dīn (sonst Muʿīn ad-Dīn) zum Einsatz kam, als Sanǧar gegen Ġazna zog, um Bahrām-Šāh zu bestrafen (ergo 1135). 490 S. Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 259 ff., speziell S. 280 f.; id., „Khidma“, S. 408 ff. (insbesondere S. 412–414 für den Wiedereintritt in jemandes ḫidma). 491 Bosworth, Later Ghaznavids, S. 100; Faḫr-i Mudabbir, Ādāb al-ḥarb, S. 43. 492 Jedenfalls kamen später, unter den Tīmūriden oder Ṣafaviden, nur Eunuchen als Träger dieses Titels infrage. 493 Auf ¼-Dirhams oder Æ-Stücken kann auch nur Bahrām-Šāh genannt sein; für die kleineren Münzen gelten ja andere Regeln.

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angegeben,494 doch gibt es darüber hinaus welche, auf denen al-Muqtafī (reg. 1136– 1160) erscheint,495 was belegt, dass Bahrām-Šāh auch nach dem Konflikt mit Sanǧar (1135–1136) dessen Vasall blieb, wenngleich er sich dem Selǧuqen damals erfolgreich entzogen hatte. Am Rande einiger solcher Münzen ist vom Prägejahr immerhin noch so viel zu lesen, dass man sie in die 540er Jahre H. datieren kann.496 Hinsichtlich der Titel ist zu beobachten, dass sich Bahrām-Šāh in der sikka stets as-sulṭān al-aʿẓam nennt, während Sanǧar demgegenüber nur auf einem einzigen Typ als Sultan ausgewiesen ist, und zwar als as-sulṭān al-muʿaẓẓam.497 Wahrscheinlich hätte die Aufführung zweier „allergrößter“ Sultane (die noch dazu gar nicht ebenbürtig waren) etwas merkwürdig und inkonsequent angemutet, weshalb man sie scheute. Dass den superlativischen Titel überhaupt gleich zwei Herrscher innerhalb eines politischen Systems führten, lag, wie gesagt, zum einen an der Geschichte: Auf ġaznavidischer Seite war der Rang ein Erbe der Zeit, bevor Sanǧar die beiden bis dahin separaten und grundsätzlich rivalisierenden Reiche der Selǧuqen und Sebükteginiden verkoppelte. Selbst auf Bahrām-Šāhs seltenen Dinaren498 ist nur der Ġaznavide Sultan, doch steht hier immerhin Sanǧars sultanischer Ehrenname Muʿizz ad-Dunyā wa-’d-Dīn. Dies ist besonders, weil der Selǧuqenherrscher sonst ausnahmslos mit seinem alten daula-laqab ʿAḍud ad-Daula aufgeführt wird. Als Gründe für diese Praxis kommen Platzmangel und die traditionelle Vorliebe der Ġaznaviden für ebendiese alqāb-Sorte infrage – Bahrām-Šāh selbst nennt sich (nicht nur) auf seinen Münzen immer Yamīn ad-Daula.499 Man könnte dahinter aber auch noch die Tendenz vermuten, Sanǧars unangenehme Übermacht und Beanspruchung unumschränkter Suzeränität ein wenig zu relativieren, indem man seine Titulatur auf ein eher bescheidenes und (wie in Kapi494 Am häufigsten sind die ganzen Dirhams. Ist darauf ein Prägejahr lesbar, fällt es in die 520er Jahre H. Sanǧar ist direkt unter dem Kalifen auf dem Av. genannt. 495 Im Gegensatz zu den Dirhams aus der Zeit al-Mustaršids weisen die mit dem Namen al-Muqtafīs ganz oben im Av.-Feld noch Sanǧars kunya Abū ’l-Ḥāriṯ auf; ansonsten ist der Selǧuqe genau wie zuvor genannt. 496 S. z. B. Zeno Nr. 134586 (unzweifelhaft 54x H.). Zeno Nr. 134586 mit dem Prägejahr [5]48 H. ist hingegen fälschlich Bahrām-Šāh zugeordnet – dieser Dirham gehört schon dessen Nachfolger Ḫusrau-Šāh, wie das laqab-Element muʿizz verrät (bei Bahrām-Šāh steht an dieser Stelle ja yamīn). 497 Lane Poole, Catalogue, Bd. IX, S. 250, Nr. 576t; Tye/Tye, Jitals, S. 12, Nr. 109; Goron/Goenka, Indian Sultanates, S. xxx, Typ GZ48. Dass, wie von Goron und Goenka wiedergegeben, über assulṭān / al-aʿẓam / Bahrām-Šāh noch ad-dunyā wa-’d-dīn steht, ist nicht korrekt; an dieser Stelle findet sich schlicht ʿadl und auf der anderen Seite (über as-sulṭān / al-muʿaẓẓam / Sanǧar) wahrscheinlich ʿaḍud. S. für ein Bsp. Zeno Nr. 32258. 498 Die Sammlung der FINT enthält sechs Exemplare, von denen vier publiziert sind: Schwarz, SNAT XIV d, S. 50 f. Nr. 478–481 (statt Yamīn ad-Daula lese ich Abū ’l-Muẓaffar; ergänzt sei ferner, dass auf Nr. 481 al-Muqtafī und Sanǧar mit seinem daula-laqab genannt ist); seitdem kamen 2002-18-22 (51x H., Typ wie SNAT-Nr. 470 f.) und 2003-16-141 aus dem Jahr 54x H. hinzu (s. auch noch Zeno Nr. 127107). 499 Mit Yamīn ad-Daula wa-Amīn al-Milla wählte und bevorzugte Bahrām-Šāh wohlgemerkt jene Titel, die einst sein Ururgroßvater Maḥmūd getragen hatte; offenbar eiferte er dem Berühmtesten seiner Ahnenreihe nach.

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tel II erläutert) interpretationsfähiges Element reduzierte, durch das der Träger ungeachtet seiner Machtfülle untergeordnet und als einer von mehreren Gefolgsleuten des Kalifats charakterisiert wird. Eine zweite Besonderheit besagter Dinare liegt darin, dass einzig auf diesen Prägungen ebenso Bahrām-Šāh einen doppelten laqab nach Art der Großselǧuqen führt, nämlich ʿAlāʾ ad-Dunyā wa-’d-Dīn. Damit ist er der erste Vertreter seiner Dynastie mit einem Ehrennamen dieser Form und es lässt sich abermals feststellen, dass die Annahme eines solchen laqabs Ausdruck der Bindung an Sanǧar war – der seinen ġaznavidischen Vasallen in Briefen fast ausschließlich mit ʿAlāʾ ad-Dunyā wa-’d-Dīn anredet.500 Anders als noch bei Bosworth zu lesen501 ist ein mit ʿalāʾ gebildeter Ehrenname also für Bahrām-Šāh numismatisch belegt, wobei die Prägung entsprechender Goldmünzen schon in der Regierungszeit al-Mustaršids (s. o.) begann. Im Übrigen gilt nach wie vor, dass ġaznavidisches Geld, auf dem außer Sanǧar noch dessen Oberherr Sultan Muḥammad Tapar angegeben ist, bislang nicht gefunden wurde. Falls derartige Stücke überhaupt geschlagen wurden, kämen dafür auch lediglich die Jahre 510 und 511 H. infrage; Kalif war da noch al-Mustaẓhir bi-’llāh.502 Außer in Ġazna wurden während Bahrām-Šāhs langer Herrschaft offenbar nur noch in Lahore, dem Nabel der indischen Besitzungen, Münzen geprägt. Khan,503 Bosworth504 und andere bemerken zu solchen BI-Stücken, dass Sanǧar darauf (ebenso wie der Kalif) niemals genannt ist, und in der Tat dürfte der Ġaznavidensultan die selǧuqische Oberhoheit gleich Arslan-Ḫan in Transoxanien nicht selbstverständlich in allen Reichsteilen angezeigt haben, sondern fürs Erste nur dort, wo der Einfluss des Suzeräns am stärksten war. Aller Wahrscheinlichkeit nach dürfte sich allerdings zumindest ein Münztyp mit Bahrām-Šāhs und Sanǧars Namen dem Prägeort La­hore zuordnen lassen, und zwar aus rein stilistischen Gründen. Es handelt sich um den

500 In den Briefen aus dem Jahre 1150 (Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 88–92) wird weder der ism noch die ­kunya oder der nasab des Adressaten genannt und nur an einer Stelle (S. 91) begegnet noch ein anderer Ehrenname als ʿAlāʾ ad-Dunyā wa-’d-Dīn, nämlich Tāǧ al-Islām wa-’l-Muslimīn (sonst unbelegt). Ansonsten wird ʿAlāʾ ad-Dunyā wa-’d-Dīn in persischen Varianten von Sayyid Ḥasan (Khan, „Bahram Shah“, Teil I, S. 79: ‫ )عال دنيى و دين‬und Muʿizzī (Dīvān, S. 66: ‫ )عالء دين و دنيا‬gebraucht; während das einfache ʿAlāʾ ad-Dīn in Ibn Funduqs Tārīḫ-i Baihaq (S. 71) vorkommt. Der für Bahrām-Šāh nur in den Ṭabaqāt-i nāṣirī sowie einigen späten Geschichtswerken angegebene Titel Muʿizz ad-Daula (wa-’d-Dīn) dürfte falsch sein; Ǧūzǧānī ist in Sachen alqāb generell nicht zu trauen. 501 Bosworth, Later Ghaznavids, S. 98. 502 Dass al-Mustaẓhir (gest. 16. Rabīʿ II 512 = 6. Aug. 1118) auf keiner Prägung Bahrām-Šāhs erscheint, bedeutet, dass wir keine Münze aus den ersten Regierungsjahren dieses Ġaznaviden haben, also auch keinen Beleg, dass Sultan Muḥammad (gest. 24. Ḏū ’l-Ḥiǧǧa 511 = 18. Apr. 1118) nicht doch kurzzeitig in der sikka genannt wurde. Grundsätzlich wäre m. E. davon auszugehen, dass anfangs Dinare Sultan Bahrām-Šāhs geschlagen wurden, auf denen kurioserweise der malik al-mašriq Sanǧar genannt ist. 503 „Bahram Shah“, Teil I, S. 89 f. 504 Later Ghaznavids, S. 99; „Political and Dynastic History“, S. 159.

Bahrām-Šāh, der Vasallensultan

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bereits wegen des Titels as-sulṭān al-muʿaẓẓam für Sanǧar erwähnten Æ-Typ, dessen Schriftduktus der gleiche ist wie auf allen indischen Prägungen Bahrām-Šāhs.505 Wir können also davon ausgehen, dass Sanǧars Anerkennung ihren Niederschlag in der sikka – wenn auch nur für kurze Zeit – ebenso im Pandschab fand und Historiographen wie Ḥusainī und Ǧūzǧānī folglich nicht maßlos übertrieben haben.506 Über den politischen Status der Regionen Sind und Belutschistan kann man hingegen wenig mehr als Vermutungen anstellen. Am Unterlauf des Indus herrschte damals die Sūmrā-Dynastie, von der es heißt, sie habe sich vom Ġaznaviden ʿAbd ar-Rašīd (reg. ca. 1049–1052) unabhängig gemacht.507 In einer Liste von Städten und Gebieten, die zum Herrschaftsbereich Sultan Ibrāhīms gehörten, finden sich jedoch nach wie vor solche in Sind508 und wie aus einem Lobgedicht hervorgeht, diente Masʿūd III. ein ʿāmil von Sind.509 Vielleicht hielt Bahrām-Šāh also wenigstens noch einen Teil dieser Provinz oder wurde dort zumindest als nomineller Oberherr anerkannt. Ähnliches ist für Makrān – hier soll ja die ḫuṭba für Sanǧar gehalten worden sein – und Ṭūrān anzunehmen. Kīz/Kīǧ (Kēč, beim heutigen Turbat) und Quṣdār (heute Ḫużdār), die Hauptstädte beider Randprovinzen, stehen zumindest ebenso in besagter Liste und Masʿūds ʿāmil von Sind war offenbar auch einmal Gouverneur von Quṣdār.510 Andererseits heißt es, Makrān mit der Haupthafenstadt Tīz (beim heutigen Čāhbahār) hätte zum Machtbereich der Kirmān-Selǧuqen gehört;511 womöglich wechselte also

505 S. o., S. 111, Anm. 497. Die charakteristische Schrift ist dicker, gröber, kantiger und zeigt eine stärkere Betonung der Grundlinie, welche die Buchstaben verbindet. In der Regel tragen die indischen Münzen der Ġaznaviden nicht beidseitig arabische Inschriften; dort, wo bei diesem speziellen Typ Sanǧars Name steht, ist sonst das Reittier Shivas, der Stier Nandi, abgebildet und darüber in Nāgarī-Schrift śrī sāma(nta deva) zu lesen. 506 Ḥusainī: s. o., S. 48; Ǧūzǧānī, Ṭabaqāt, Bd. I, S. 258 (dar mamālik-i Ġaznīn va Hindūstān ­hamayi ḫuṭba va sikka ba-nām-i Sanǧar šūd). 507 S. Elliot, History of India, Bd. I, S. 483 ff. und dazu die Quellenauszüge auf S. 215 f. und 343 f.; Baloch, „Sind, Baluchistan and Makran“, S. 301. 508 Faḫr-i Mudabbir, Ādāb al-ḥarb, S. 104 f. Genannt sind u. a. Sīvistān (heute Sehvan), Arōr (beim heutigen Rohri), die Inselfestung Bukkur/Bhakkar (beim heutigen Sukkur) und Učh (Učč), nicht aber al-Manṣūra (so die alte Provinzhauptstadt nicht mit Bukkur gleichzusetzen ist). Bosworth, der die interessante Liste wiedergibt (s. Later Ghaznavids, S. 8), nennt auch noch Daibul, jedoch wird die wichtige Hafenstadt zumindest nicht in Ḫvānsārīs Edition aufgeführt. Bemerkenswert sind ferner die Listung von Khambhat in Gudscharat und die Angaben „bis zur Grenze Adens“ (tā ḥadd-i ʿAdan; dies wiederum nicht bei Bosworth) und „die gesamte Ozeanküste“ (ǧumla-yi sāḥil-i daryā-yi muḥīṭ). 509 Bosworth, Later Ghaznavids, S. 86; der Dichter ist Muḫtārī Ġaznavī, der ʿāmil der sarhang Abū Yaḥyā Muḥammad b. Ḫaṭīb. 510 Ibid.; s. auch id., „Makrān and Quṣdār“, S. 208 f. Ferner wird in einem Gedicht von Masʿūd-i Saʿd-i Salmān auf eine Eroberung Makrāns unter Sultan Ibrāhīm Bezug genommen. Auf Köymens Karte des Sanǧar-Reiches (s. Büyük Selçuklu İmparatorluğu, Bd. II, Buchende hors texte) ist ganz Makrān ebenso wie Sind Teil des ġaznavidischen Teilreiches. 511 Vazīrī, Tārīḫ-i Kirmān, S. 91–96; Piacentini, „ʿUmān–Kīj–Kirmān/Harmuz axis?“, S. 265–267, S. 270–272.

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die Oberherrschaft über Makrān,512 wo zur Zeit Bahrām-Šāhs wahrscheinlich schon jenes Fürstenhaus regierte, das sein Küstenland und Ṭūrān später zum Sultanat von Makrān vereinigte. N. A. Baloch zufolge lassen panegyrische Verse für das frühe 12. Jahrhundert auf einen malik Ḥasan schließen, dem dann sein Sohn Abū ’l-Makārim Ḫusrau-Šāh folge.513 IV.5.3 Die Šansabāniden und der Niedergang der Ġaznaviden Nördlich der ġaznavidischen Provinz Zamīn-Dāvar (am Helmand) erstreckte sich am Oberlauf des Harī-Rūd als eine Art Pufferzone zum selǧuqischen Ḫurāsān die Gebirgsregion (bilād-i ǧibāl) Ġūr, auf deren Fürsten, die Ġūriden, sich unser Interesse just an dieser Stelle richten soll, ja muss, weil ihre Machtentfaltung aufs Engste mit dem Ende Bahrām-Šāhs und dessen – ebenfalls noch Sanǧars Suzeränität akzeptierendem (!) – Nachfolger verflochten ist. Mehrere Ġūriden oder, genauer gesagt, Šansabāniden waren Vasallen der Ġaznaviden. ʿIzz ad-Dīn al-Ḥusain b. al-Ḥasan (reg. ca. 1100–1147) erkannte entweder darüber hinaus oder stattdessen die Oberhoheit Sanǧars an, wobei vermutlich die Ausdehnung der selǧuqischen Macht auf Ġazna im Jahre 1117 eine Rolle spielte, vielleicht aber auch eine direkte (und frühere) Auseinandersetzung mit den Ġūriden den Ausschlag gab. Zwar bestehen Zweifel, ob ʿIzz ad-Dīn Ḥusain wirklich, wie in einer späten Quelle zu lesen, im Jahre 1107/1108 von Sanǧar besiegt und gefangen genommen wurde,514 doch wissen wir aus Gedichten ʿAbd al-Vāsiʿ Ǧabalīs und Muʿizzīs von zwei Feldzügen, die Sanǧars isfahsālār Quṭb ad-Dīn Amīr-i Amīrān auf Befehl seines 512 In Šabānkāraʾīs Maǧmaʿ al-ansāb (Bd. II, S. 191) heißt es, der Kirmān-Selǧuqe Arslan-Šāh I. (reg. 1101–1142) habe Makrān sowie einen Teil von Indien erobert. 513 Baloch, „Sultanat of Makran“, S. 107; id., „Sind, Baluchistan and Makran“, S. 299. Ḫusrau-Šāh hatte zwei Söhne: Tāǧ ad-Dīn Abū ’l-Makārim und Nuṣrat ad-Dīn Abū ’l-Ḫaṭṭāb. Ersterer, welcher zunächst als Vasall der Ġūriden herrschte, wird auch von Ibn al-Muǧāwir (Taʾrīḫ al-mustabṣir, S. 328) erwähnt, jedoch als Tāǧ ad-Dīn Abū ’l-Makārim b. al-Ḥasan (statt b. Ḫusrau-Šāh b. al-Ḥasan). 514 Ḫvāfī (Muǧmal-i faṣīḥī, Bd. II, S. 683) zufolge gewann Sanǧar bereits im Jahre 501 H. eine Schlacht gegen die Ġūriden (was Raverty, s. Bd. I. seiner Übersetzung zu Ǧūzǧānīs Ṭabaqāt, S. 149, Anm. 2 sowie S. 336, Anm. 4, und andere übernahmen). Dabei soll Ḥusain b. Sām (sic) gefangen worden sein, woraufhin sich der Ġūride zwei Jahre lang um die Feuerstellen der Köche in Sanǧars Armee kümmern musste, ehe er auf Betreiben Qumačs begnadigt und als treuer Vasall zurück nach Ġūr geschickt wurde. Das Problem ist jedoch, dass dies auch über ʿIzz ad-Dīns Sohn Ḥusain II. in Zusammenhang mit dessen Niederlage gegen Sanǧar (anno 547 H.?, s. u.) erzählt wird (Rašīd ad-Dīn, Ǧāmīʿ – Hind, Sind, Kaschmir, S. 57 f.) und den Datierungen bezüglich der Ġūriden im Muǧmal-i faṣīḥī größtenteils kein Vertrauen geschenkt werden kann. Zudem gibt es noch eine zweite, ähnliche Geschichte, in der ʿIzz ad-Dīn (nach Schiffbruch mit Tiger, Versklavung und Räuberdasein) vom ġaznavidischen Sultan Ibrāhīm gefangen, sodann als Kammerherr (ḥāǧib) in Dienst genommen und schließlich von Masʿūd III. als Regent in Ġūr eingesetzt wird. Sie findet sich bei Mustaufī (Tārīḫ-i guzīda, S. 403), Isfizārī (Rauḍāt al-ǧannāt, Bd. I., S. 395 f.) sowie Firišta (Gulšan, Bd. I, S. 95 f.) und auch Faṣīḥ Ḫvāfī gibt eine Kurzfassung davon unter dem Jahr, in das er – irrigerweise, da zu spät – den Tod Ḥusains I. datiert: 545 H. Begonnen haben soll Ḥusains Herrschaft über Ġūr

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Herrn nach Ġūr unternahm. Der erste dürfte noch in die Zeit gehören, als Sanǧar malik al-mašriq war, und führte den isfahsālār von Harāt aus (unter anderem) gegen die Festung Tūlak, welche er einnahm.515 Die zweite, (wohl deutlich) spätere Expedition hatte das Gebiet Varšād zum Ziel. Sie endete damit, dass sich der malik-i Ġūr ergab und mit Amīr-i Amīrān ein neues (!) Abkommen (paimān) schloss.516 Der Tribut, den Ḥusain (gemäß ebendiesem Abkommen?) jährlich zu entrichten hatte, bestand nach einer anderen Quelle traditionellerweise aus Rüstungsgütern wie Harnischen, Panzerhemden und Helmen sowie aus einigen der „löwengleichen“ Hunde, für die Ġūr neben seinen Waffen bekannt war.517 Ob Bahrām-Šāh (quasi als Junior-Oberherr) vergleichbare Lieferungen erhielt oder das, was ehemals nach Ġazna ging, nun einfach exklusiv nach Ḫurāsān geschickt wurde, ist, wie angedeutet, unklar. Wir erfahren nur, dass Ḥusain ein zumindest freundschaftliches Verhältnis zu den (die Grenze nach Ġūr wohl streng kontrollierenden)518 Ġaznaviden pflegte519 und einer seiner Söhne, der malik al-ǧibāl Quṭb ad-Dīn Muḥammad, mit Sultan Bahrām-Šāh verschwägert war.520 So lag es für Quṭb ad-Dīn wohl besonders nahe, von Fīrūzkūh, dem neu gegründeten Zentrum seines Teilfürstentums Varšād, nach Ġazna auszuweichen, als er nach Ḥusains Tod und der Machtübernahme seines Bruders Saif ad-Dīn Sūrī (wohl 1147)

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nach Ḫvāfī 493 H. (op. cit., Bd. II, S. 677) – also in dem Jahr, auf das man einfach deshalb kommt, weil damals Sultan Masʿūd III. den Thron bestieg … Ǧabalī, Dīvān, S. 296–304; von der im Westen Ġūrs gelegenen Festung Tūlak (der Ort heißt noch heute so) ging es weiter nach ‫( كمندش‬Mandeš?). Dass Tūlak von einem Emir des maliks (!) Sanǧar erobert wurde (wohl vor 500 H., s. Tetley, Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 173), geht auch aus einem Vers Muʿizzīs hervor (Dīvān, S. 353). Zu Amīr-i Amīrān s. u., S. 149, Anm. 718. Ǧabalī, Dīvān, S. 382 f.; hier die Information, dass Amīr-i Amīrān zweimal gegen Ġūr zog. Einen weiteren Feldzug (wieder von Harāt aus) führte später ʿAlī Čatrī an – jedenfalls gratuliert Ǧabalī dem amīr-i ḥāǧib und Sanǧar zu einer „Eroberung Ġūrs“ (Dīvān, S. 182–186). Ǧūzǧānī, Ṭabaqāt, Bd. I, S. 335, 346. S. zudem Niẓāmī ʿArūżī, Čahār maqāla, S. 94, wo steht, dass Ḥusains Sohn Quṭb ad-Dīn Muḥammad (gest. 543 H.) ein Paar ġūrische Hunde an den amīr-i dād Abū Bakr b. Masʿūd in Panǧdih schickte. In einer seiner Geschichten über Aḥmad-i Ǧām berichtet Ġaznavī aus eigener Erfahrung von den strengen Passkontrollen, die der lokale Beamte des ġaznavidischen Post- und Nachrichtendienstes (barīd) an der Grenze zu Ġūr durchführte (Maqāmāt-i Žanda-Pīl, tr. Moayyad/Lewis, S. 246). Ibid. Bei Firišta ist zu lesen, dass ʿIzz ad-Dīn sowohl Sultan Sanǧar als auch den Ġūriden-Sultanen Gehorsam (iṭāʿat) erwies (Gulšan, Bd. I, S. 96), was so jedoch keinen Sinn ergibt. Wahrscheinlich sind statt der Ġūriden- die Ġaznaviden-Sultane gemeint; die Frage ist nur: einschließlich BahrāmŠāh? Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 356. Weil Ǧūzǧānī nichts von dieser Heiratsverbindung zu berichten weiß, bezweifelt sie Ghafur (Ġōrids, S. 19). Ibn al-Aṯīr sagt nur kāna qad ṣāhara Bahrām-Šāh und da auch Firištas dāmād (Gulšan, Bd. I, S. 87, 96) nicht ganz eindeutig ist, bleibt offen, ob der Ġūride nun des Ġaznaviden Schwiegersohn wurde, so wie es Ghafur und Khan („Bahram Shah“, Teil II, S. 200) verstehen, oder doch eher dessen Schwager, wie Richards übersetzt (The Chronicle of Ibn al-Athīr, Teil II, S. 25). Glaubt man Firišta, war schon Quṭb ad-Dīns Mutter eine ġaznavidische Prinzessin, die Ḥusain I. einst von Sultan Ibrāhīm zur Frau gegeben worden war (op. cit., Bd. I, S. 96).

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mit der Familie in Konflikt geriet.521 Auf den warmen Empfang, den man ihm am Ġaz­ navidenhof bereitete, müssen allerdings schon bald Aktivitäten gefolgt sein, die dazu führten, dass Bahrām-Šāh in seinem Gast zu Recht oder Unrecht – Ǧūzǧānī spricht von Verleumdung durch Neider – eine akute Bedrohung sah und er den malik al-ǧibāl vergiften ließ. Dieser Mord bedeutete Krieg. Noch 543 H. (1148) unternahm Sūrī, das Šansabāniden-Oberhaupt mit Sitz in Istiya, einen Rachefeldzug und erzielte mit der (reibungslosen) Einnahme Ġaznas522 einen Erfolg, der in der Konsequenz ein Anschlag auf die von Sanǧar geschaffene Ordnung war und somit überregionale Relevanz besaß. Angesichts seiner prestigeträchtigen Eroberung beanspruchte Abū ’l-Futūḥ Sūrī nun nämlich als erster Ġūride das Sultanat, wobei er den nach Lahore geflohenen Ġaznavidenherrscher offenbar (ähnlich wie Atsı̊ z Sanǧar) zu ersetzen gedachte, ohne jedoch noch die selǧuqische Oberhoheit anzuerkennen.523 Der große Fehler, welcher Sūrī bei seiner sonst von Umsicht zeugenden Niederlassung in Ġazna unterlief, bestand darin, im Vertrauen, die Emire und Würdenträger der Stadt bereits dauerhaft für sich gewonnen zu haben, den Großteil seiner eigenen Soldaten rasch zurück an den Harī-Rūd zu schicken. Denn als der Winter hereinbrach und wegen des Schnees keine Truppenbewegungen zwischen Ġūr und Zābulistān mehr möglich waren, folgte Bahrām-Šāh einem Aufruf seiner Getreuen in Ġazna und zog mit einem Heer aus dem Pandschab bis hinauf in die Nähe von Kabul, wo er Sūrī (auf dessen Seite interessanterweise Oġuz kämpften) am 12. Mai 1149524 besiegte und gefangen nahm. Wieder in die Kapitale zurückgekehrt ließ Bahrām-Šāh den Ġūriden sowie dessen Wesir öffentlich erniedrigen und hinrichten.525 An seinen nördlichen Nachbarn Qumač sandte er ein fatḥ-nāma, das sich uns als Teil der Aḥkām dīwān salāṭīn māḍīya erhalten hat und von großem Wert für die Rekonstruktion der Geschehnisse ist.526 521 Bei Sūrīs Thronbesteigung war das ġūridische Herrschaftsgebiet unter Ḥusains Söhnen aufgeteilt worden. Die Überreste von Fīrūzkūh, mit dessen Bau Quṭb ad-Dīn vor seinem Rückzug nach Ġaz­ na erst begonnen hatte, liegen direkt am Südufer des Harī-Rūd nahe dem heutigen Ǧām (in der afghanischen Provinz Ġōr). 522 Ǧūzǧānī, Ṭabaqāt, Bd. I, S. 335 f., 393; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 357 (mit der Angabe, dass Sūrī Ġazna im Ǧumādā I 543 H. eroberte); Firišta, Gulšan, Bd. I, S. 87, 96 f. Anders als Ǧūzǧānī geben Ibn al-Aṯīr und Firišta an, Quṭb ad-Dīn sei in der Absicht nach Ġazna gekommen, die Stadt zu erobern. 523 Ein numismatischer Beleg hierfür fehlt allerdings; von Sūrī, dessen Herrschaft über Ġazna gut sieben Monate währte, sind – bislang – keine Münzen bekannt. 524 Das genaue Datum (2. Muḥarram 544 H.) zog Khan („Bahram Shah“, Teil II, S. 201–203) aus einer langen Kasside des Dichters Sayyid Ḥasan Ġaznavī (Dīvān, S. 81–90). 525 Ǧūzǧānī, Ṭabaqāt, Bd. I, S. 393–395 (mit der Angabe, dass Sūrīs Flucht bei einem Ort namens Sang-i Sūrāḫ endete); Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 357; Firišta, Gulšan, Bd. I, S. 87 f., 97. S. zu all den Ereignissen auch Khan, „Bahram Shah“, Teil II, S. 200–203; Ghafur, Ġōrids, S. 19 f.; Bosworth, Later Ghaznavids, S. 113–115. 526 Aḥkām, f. 99v–103r. Aus dem Dokument geht hervor, dass Bahrām-Šāh im Ḏū ’l-Qaʿda 543 H. von Lahore (dem wāsiṭa-yi mamālik-i Hind) nach Ġazna (seinem mustaqarr-i mulk) aufgebrochen war und Ende Ḏū ’l-Hiǧǧa das Gebiet um Kabul erreicht hatte. Die Schlacht gegen Sūrī (der als mudbir-i maḫẕūl-i malʿūn bezeichnet wird) begann dann am Abend des 1. Muḥarram (čahār-šanba

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Was Qumačs Herrn anbetrifft, so bedachte ihn Bahrām-Šāh als Zeichen der Zusammengehörigkeit – es galt, die Unterstützung des Selǧuqenoberhaupts zu sichern – mit Sūrīs Kopf. Dass Sanǧar zu dieser Zeit nach Rayy reiste, um seinen Neffen Masʿūd zu disziplinieren (die von Durand-Guédy diskutierte Frage, in welchem Jahr,527 kann auf Grund der gesicherten Datierung des Sieges über Sūrī nunmehr als geklärt gelten!),528 traf sich insofern gut, als das bis in den persischen Irak verschickte Haupt oder, besser gesagt, die damit gezeigte Ehrerbietigkeit und Verbundenheit des östlichen Vasallensultans offenbar einigen Eindruck auf die Mächtigen Westirans machte.529 Sanǧar selbst zählt das „Löschen der Flamme Sūrīs“ und das Versenden des Kopfes nach Rayy in einem Brief, den er seinem „Sohn“ Bahrām-Šāh im Folgejahr 1150 schrieb, zu den „unvergesslichen“, „bewundernswürdigen Heldentaten“, durch welche der Ġaznavide „die Aufrichtigkeit seiner Freundschaft und die Festigkeit seines Ganges auf dem breiten Weg der Treue zum Ausdruck brachte“ und „bis in den äußersten Irak und die Länder des Westens Ansehen erlangte“.530 In Ġūr provozierte Sūrīs unrühmliches Ende derweil die nächste Mobilmachung: Bahāʾ ad-Dīn Sām b. Ḥusain, welcher erst Teilherrscher mit Sitz in Sanga531 gewesen, dann Quṭb ad-Dīn Muḥammads Nachfolger in Fīrūzkūh geworden und nun (1149) an die Spitze der Ġūridendynastie aufgerückt war, sammelte umgehend ein großes Heer, erlag aber noch auf dem Weg nach Ġazna einer Krankheit, sodass die Kunde von seinem Tod zusammen mit Sūrīs Kopf in Rayy eintraf.532 Ghafur, Bosworth und O’Neal weisen darauf hin, dass Sām keinen geringeren Titel als as-sulṭān al-aʿẓam geführt habe, und stützen sich dabei auf ein paar von Sourdel bestimmte Dinare aus der

ġurra-yi īn sāl) 544 H. und fand an einem Ort namens *Toġa-Tegin (‫ )طوغاىکىں‬statt (f. 100v). An Bahrām-Šāhs Seite kämpften drei seiner Söhne (f. 101r). 527 Durand-Guedy, „Where did the Saljūqs live?“, S. 220, 247, 249. 528 Sanǧar kam Ende Šaʿbān 544 H. (Dez. 1149/Jan. 1150) nach Rayy (Bundārī, Zubda, S. 224; Ibn alAṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 356, 362; Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 71 f.), und nicht schon, wie Nīšāpūrīs Salǧūq-nāma (S. 59) und Ḥusainīs Aḫbār (S. 120 f.) zu entnehmen, im Šaʿbān 543 H. – in diesem Jahr lebte Sūrī ja noch. Das Treffen zwischen Onkel und Neffe dauerte bis Mitte Ramaḍān. In einem Brief von 545 H. erwähnt Sanǧar die „frohen Kunde“ von seiner Rückkehr aus dem Irak nach Ḫurāsān (Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 88). 529 Das Eintreffen des von Geschenken begleiteten Kopfes – Farīd ad-Dīn al-Kātib dichtete Verse darauf – wird sogar in Nīšāpūrīs Salǧūq-nāma (S. 59 f.) erwähnt. 530 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 89: maʾās̱ ir-i marżī ki sulṭān-i muʿaẓẓam farzand-i aʿazz […] dar iẓhār-i ­intimā ba-ṣidq-i valā va s̱ abāt-i qadam bar ǧādda-yi vafā namūda-st či dar ʿahd-i mutaqaddim az qahr va qamʿ-i Muḥammad-i Hindasī [sic, gemeint ist wohl Muḥammad b. ʿAlī Šaibānī, s. o., S. 109] va či dar ʿahd-i nazdīk az iṭfāʾ-i nāyira-yi Sūrī va firistādan-i sar-i ū ba-dār-gāh ba-ẓāhir-i Rayy dar hangāmī va maużiʿī ki az ān ba-mauqiʿtar va ba-maużiʿtar natavānad būd bar ḫāṭir mansī nabūda-st va nīst va sulṭān-i muʿaẓẓam farzand-i aʿazz […] badīn sabab ẕikr-i ǧamīl tā aqāṣī-yi ʿIrāq va diyār-i maġrib rasīda-st. 531 Sanga war die Hauptstadt des ġūrischen Distrikts Mandēš (beim heutigen Āhangarān). 532 Auch Sāms Tod wird in den Versen Farīd ad-Dīns erwähnt, s. o., Anm. 529.

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(einstigen) Sammlung des Nationalmuseums von Kabul.533 Diese Stücke534 wären die einzigen bekannten Münzen Sāms I. sowie die vielleicht ältesten ġūridischen überhaupt, doch ist Sourdels Lesung in Wahrheit derart zweifelhaft, dass wir sie keinem Schluss zu Grunde legen können. So soll etwa auf einer Seite Malik-Šāh al-aʿẓam stehen,535 was sich Ghafur folgendermaßen zu interpretieren traute: „He [Sām] contrived an ingenious way of paying the traditional alleginace to the Selǧuq dynasty by engraving the name of the deceased Sultan Malik Šāh on the reverse of the coin but demon­ strated his lack of allegiance to the ruling Sultan Sanǧar by omitting his name.“536 Richtig ist, dass die Šansabāniden bereits an eine Konfrontation mit Bahrām-Šāhs Oberherrn gedacht haben dürften und Sām wohl deshalb insbesondere an der Nordwestgrenze Ġūrs Festungen errichten ließ.537 Wie dem auch sei, der nächste Ġūridenherrscher, Sāms (bislang über Vuǧīristān538 gebietender) Bruder ʿAlāʾ ad-Dīn Abū ʿAlī al-Ḥusain b. al-Ḥusain (reg. 1149–1161), erreichte die ġaznavidische Kapitale.539 Nachdem er Bahrām-Šāh bereits zweimal in Zamīn-Dāvar/Ruḫḫāǧ geschlagen hatte, eroberte er in einer dritten Schlacht Ġazna und übte an der Metropole auf solch schreckliche Weise Rache (die Opferzahlen und Zerstörungen sollen immens gewesen sein), dass es ihm den Beinamen „der Weltverbrenner“ (ǧahān-sūz) eintrug. Anders als zuvor Sūrī überließ Ḥusain II. die Kontrolle der Feindeshauptstadt sodann einem seiner Heerführer – unter dem wohl allerdings lediglich die Zerstörung zum Abschluss gebracht werden sollte540 – und kehrte selbst (via Bust, dessen Prachtbauten er ebenfalls in Trümmer legte) nach Ġūr zurück. Spätestens an dieser Stelle ist einzuschieben, dass bezüglich der Aktivitäten des „Weltverbrenners“ und der davon geprägten letzten Jahre Sultan Bahram-Šāhs in den Quellen die gleiche große Unsicherheit und Konfusion herrscht wie über fast alle Geschehnisse und Entwicklungen im Rahmen des Niederzwingens der Ġaznaviden durch die Ġūriden; man könnte sogar sagen, dass sich zu kaum einem Ereigniskomplex derart 533 Ghafur, Ġōrids, S. 24; C. E. Bosworth, EIr-Artikel „Ghurids“; Michael O’Neal, EI3-Artikel „Ghurids“. 534 Sourdel, Inventaire, S. 114. 535 Und in der Zeile darunter Ġiyāṯ ad-Dunyā wa-’d-Dīn. Auf der anderen Seite las Sourdel: as-sulṭān al-aʿẓam / Bahāʾ ad-Dunyā wa-’d-Dīn / Abū ’l-[xxx] Sām b. Ḥasan – was erahnen lässt, dass schon der Vatersname ziemlich undeutlich sein muss, da wohl eher al-Ḥasan stehen würde oder, im Falle Sāms I., al-Ḥusain. Vielleicht haben wir es doch nur mit einer Prägung Bahāʾ ad-Dīn Sāms von Bāmiyān zu tun, der 1192–1206 regierte und sich definitiv „allergrößter“ Sultan nannte. 536 Ghafur, Ġōrids, S. 24. 537 Ghafur, Ġōrids, S. 23; zu Sām I.: Ǧūzǧānī, Ṭabaqāt, Bd. I, S. 337 f. 538 Gebiet westlich von Ġazna an der Grenze zwischen Ġūr und Zābulistān. 539 Dazu und zu dem, was folgte: Ǧūzǧānī, Ṭabaqāt, Bd. I, S. 242, 341–345; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 376 f.; Niẓāmī ʿArūżī, Čahār maqāla, S. 46; Faḫr-i Mudabbir, Ādāb al-ḥarb, S. 437–442; Khan, „Bahram Shah“, Teil II, S. 204–214; Bosworth, Later Ghaznavids, S. 115–118; Ghafur, Ġōrids, S. 25–27. 540 Von dem isfahsālār Amīr-Ḫan und seiner Tyrannei wissen wir nur aus einer Anekdote Faḫr-i Mudabbirs, s. Ādāb al-ḥarb, S. 437–442.

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widersprüchliche Angaben finden.541 Dies betrifft nicht zuletzt die zeitliche Einordnung der Verheerung Ġaznas, welche wahrscheinlich noch zu Winterbeginn des Jahres 544 H. (Dezember 1149) stattfand. Vermutlich dauerte es auch nicht allzu lange, bis Bahrām-Šāh, welcher angesichts der Niederlage gegen Ḥusain erneut ins Fünfstromland geflüchtet war, ein letztes Mal in seine Kapitale zurückkehrte. Ghafur denkt, dass dies noch vor der Sanǧar zu einem Brief vom Rabīʿ I 545 H. ( Juli 1150)542 veranlassenden Expedition Ḥusains nach Harāt passierte543 – einem Unternehmen, das nun ohne Frage eine direkte Involvierung des Selǧuqenoberhaupts bedeutete. In Ibn al-Aṯīrs Chronik ist es ebenfalls das Jahr 545 H., unter dem wir von einem ersten ġūridischen Übergriff auf Harāt lesen. Der kurze Abschnitt enthält dabei die interessanten Informationen, dass Ḥusain von der Bevölkerung Harāts zu Hilfe gegen die herrschenden Türken gerufen wurde und er, in die Stadt eingelassen, seine Ergebenheit und Treue gegenüber Sanǧar bekundete.544 Was der Šansabānide mit diesem merkwürdigen Schachzug erreichte, erfahren wir leider nicht; zudem gibt der Plan dahinter Rätsel auf. Denn während der Ġūride auf der einen Seite womöglich versuchte, einen Angriff des Selǧuqensultans zu vermeiden (und gar zu einem Arrangement zu kommen?),545 blieb es auf der anderen nicht bei einem einzigen provokativen Vorstoß nach Ḫurāsān. Abgesehen davon, dass Ibn al-Aṯīr an anderer Stelle von einer Plünderung der Region um Harāt spricht und damit wohl keinen anderen Feldzug als den vom Rabīʿ I meint, belagerte Ḥusain II. nämlich noch im selben Jahr (545 H.) Balḫ.546 Weil Qumačs Oġuz (s. o., S. 99 f.) in dem darauffolgenden Kampf zum „Weltver­ brenner“ überliefen, gelang es dem Angreifer sogar, die Stadt zu erobern, doch zog er sich alsbald wieder zurück, wahrscheinlich vor Sanǧar. Letzterer lagerte, wie wir dank einem weiteren Schreiben an Bahrām-Šāh wissen,547 im Ḏū ’l-Qaʿda (März 1151) nahe 541 S. dazu etwa Ravertys Anmerkungen auf S. 112 ff. und 347 ff. in Bd. I. seiner Übersetzung von Ǧūzǧānīs Ṭabaqāt; Khan, „Bahram Shah“, Teil II, S. 211 f.; Bosworth, Later Ghaznavids, S. 112, 115 f., 119–123. 542 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 89–91. 543 Ghafur (Ġōrids, S. 28) meint, dass das mysteriöse Heer, welches in Faḫr-i Mudabbirs Anekdote (s. o.) eines Tages vor Ġazna erscheint und Amīr-Ḫan zur Flucht veranlasst, jenes Bahrām-Šāhs gewesen sein muss, und hat vermutlich recht. Nicht ganz nachzuvollziehen vermag ich hingegen, weshalb er in Sanǧars Brief vom Rabīʿ I 545 H. den Beweis sieht, dass Bahrām-Šāh zu diesem Zeitpunkt bereits wieder in Ġazna war. Khan („Bahram Shah“, Teil II, S. 213 f.) kam zu dem Schluss, dass der Ġaznavide nach ca. einem Jahr aus Lahore zurückkehrte. 544 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 367 (aẓhara ṭāʿa li-’s-sulṭān Sanǧar wa-’l-qiyām ʿalā ’l-wafāʾ lahū wa’l-inqiyād ilaihi). S. auch Isfizārī, Rauḍāt al-ǧannāt, Bd. I., S. 396, und – wegen der Angabe Muṣliḥ ad-Dīn Lārīs, die Harāter seien über Ḥusains Machtübernahme froh gewesen – Bosworth, „Political and Dynastic History“, S. 149. 545 Ghafur (Ġōrids, S. 29) glaubt stattdessen, Ḥusain habe die ḫuṭba in Harāt weiterhin für Sanǧar halten lassen, um diesen zu düpieren. Die Harāter Münzen des Ġūriden (s. u.) legen jedoch nahe, dass in der Stadt damals nicht länger für Sanǧar gebetet wurde. 546 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 376, 386. Ḥusains Soldaten plünderten Nāb, Auba (s. zu beiden Orten u., Anm. 550) und Mārabād (heute Mārvā) am Harī-Rūd. 547 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 91 f.

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Balḫ und arbeitete wohl an einem möglichst breiten Aufgebot gegen den Ġūriden548 – von dem er mittlerweile auch keinen Tribut mehr erhielt.549 Während wir nun ziemlich genau wissen, wo es schließlich zum großen, eigentlich unausweichlichen Aufeinanderprall zwischen Ḥusain und Sanǧar kam – die Schlacht tobte bei Auba550 –, ist die Datierung dieses Ereignisses wie so oft weit weniger sicher.551 Zwar findet sich in den verlässlichsten Quellen das Jahr 547 H. (1152/1153), nur weshalb sollte erst so viel Zeit verstrichen sein? Was geschah 546 H.? Darüber hinaus stellt sich die Frage nach dem Zusammenhang zwischen besagten Vorgängen in Harāt anno 545 H. und dem Umstand, dass Sanǧar bei Auba nicht allein den aufstrebenden Ġūriden und deren nomadischen Verbündeten (darunter wieder 6000 Oġuz) gegenüberstand, sondern ebenso ʿAlī Čatrī, der zu Ḥusain übergelaufen war. Hatte der amīr-i ḥāǧib bereits 545 H. die Seiten gewechselt, um so die nicht zuletzt gegen ihn gerichtete Erhebung der Harāter zu überstehen?552 Unzweifelhaft ist, dass es (anders als zum Beispiel Ibn al-Aṯīr die Abläufe darstellt) erst den erfolgreichen Schlag gegen Ġazna brauchte, bevor sich jemand wie ʿAlī – der in der Vergangenheit an einer „Eroberung Ġūrs“ beteiligt gewesen war553 – dem Šansabānidenherrscher anschloss, und dass sich der Gouverneur von Harāt dennoch verschätzt hatte. Als klarer Sieger ging aus der Konfrontation nahe Auba nämlich Sanǧar hervor, nachdem die Oġuz diesmal Ḥusain verraten hatten. Auch der zweite Versuch eines aufbegehrenden Vasallen, von seiner Provinz aus ins benachbarte Kernland des Sanǧar-Reiches zu expandieren, blieb damit ein Zwi-

548 Ghafur, Ġōrids, S. 29 f. Sanǧar konnte sich keine weitere Niederlage erlauben und wollte deshalb wohl kein Risiko eingehen. Bahrām-Šāh dürfte noch sehr geschwächt gewesen sein und was Naṣr II. von Sīstān angeht, so soll er Ghafur zufolge vorgegeben haben, krank zu sein, um Sanǧar keine militärische Hilfe leisten zu müssen. 549 Ǧūzǧānī, Ṭabaqāt, Bd. I, S. 346. 550 Die Stadt Auba (Aufa, Awbeh, Oubeh, Obe, …) liegt keine 100 km östlich von Harāt am Harī-Rūd. Bei dem Schlachtfeld, von dem auch der Ort Nāb (heute Naw? Rašīd ad-Dīn, Ǧāmiʿ – Selǧuqen, S. 63: Pāp) nicht weit gewesen sein soll, scheint es sich mir um die Dašt-i Kar (beim Šaila-yi-NayakTal) zu handeln. Ǧūzǧānī spricht ja explizit von einer ausgedehnten Ebene namens „Dreieck (Delta) von Nāb“ (sih-gūša-yi Nāb) sowie von einem Fluss, obwohl er den Harī-Rūd bereits unmittelbar davor erwähnte (Ṭabaqāt, Bd. I, S. 346). Raverty tat dies einfach als redundant ab (Übersetzung der Ṭabaqāt, Bd. I, S. 358, Anm. 3.), doch ist mit dem zweiten Gewässer bestimmt die in den HarīRūd mündende Šaila gemeint. 551 Zum Zusammenstoß zwischen Ḥusain und Sanǧar: Niẓāmī ʿArūżī, Čahār maqāla, S. 102 f., 130 (Niẓāmī war bei der Schlacht dabei); Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 376; Ǧūzǧānī, Ṭabaqāt, Bd. I, S. 346 f.; Rašīd ad-Dīn, Ǧāmiʿ – Selǧuqen, S. 62 f. (Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 60); Ḫvāfī, Muǧmal-i faṣīḥī, Bd. II, S. 716 f. 552 Bundārī zufolge war ʿAlī 544 H. zusammen mit Sanǧar in Rayy gewesen (Zubda, S. 224 f.). Auch deshalb irrt Ḫvāfī sicherlich, wenn er angibt, der vālī von Harāt habe just diese – zudem falsch ins Jahr 542 H. datierte – Irak-Reise des Sultans genutzt, um in dessen Abwesenheit zu rebellieren (Muǧmal-i faṣīḥī, Bd. II, S. 712). Ghafur meint, dass es ʿAlī gewesen sei, der Ḥusain 545 H. nach Harāt rief (Ġōrids, S. 29). 553 Zu einem fatḥ-i Ġūr wird ʿAlī sowie Sanǧar vom Dichter Ǧabalī gratuliert, s. dessen Dīvān, S. 182 ff.

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schenfall; Harāt kam erneut unter selǧuqische Herrschaft. Schirm-ʿAlī, der „Weltverbrenner“ und sein Neffe Šams ad-Daula wa-’d-Dīn Muḥammad b. Masʿūd gerieten alle drei in Gefangenschaft, woraufhin der Kammerherr zur Strafe für seinen Treuebruch umgehend zweigeteilt554 und Muḥammad gegen eine Zahlung von 50 000 Dinar an Sanǧars Heerführer Yarı̊ n-Quš Harīva555 nach kurzer Zeit wieder freigelassen wurde.556 ʿAlāʾ ad-Dīn Ḥusain soll hingegen bis zu zwei Jahre als Gefangener des Selǧuqenherrschers verbracht haben, doch muss die Dauer deutlich kürzer gewesen sein, wenn er tatsächlich erst 547 H. gefasst wurde.557 Jedenfalls begnadigte Sanǧar nach einer Weile, deren Länge es zuließ, dass in Ġūr zwischenzeitlich ein anderer Šansabānide die Macht innehatte, sogar den „Weltverbrenner“ und schickte ihn, angeblich hochgeehrt, zurück nach Fīrūzkūh.558 Wieder Herr seines Berglandes soll sich ʿAlāʾ ad-Dīn Ḥusain dem Selǧuqensultan gegenüber loyal gegeben haben.559 Rücksicht brauchte er auf Sanǧar allerdings kaum

554 Die Zweiteilung, d. h. wohl die Durchtrennung der Taille, scheint mir eine besondere Hinrichtungsart gewesen zu sein, die Sanǧar vielleicht deshalb wählte, weil ihn ʿAlīs Abtrünnigkeit besonders hart getroffen hatte (s. dazu Tor, „Mamlūk Loyalty“, S. 775 f., 787 f.). Mit ʿAlīs Tod hatte Qumač den Platz als dienstältester und somit autoritärster Emir Sanǧars für sich allein. Es ist anzunehmen, dass er die Zweiteilung als Wegfall eines alten Gegenspielers begrüßte, hatte es ʿAlī doch wohlgemerkt vorgezogen, sich Ḥusain anzuschließen, während Qumač dem Ġūriden (quasi auf Seiten der Ġaznaviden) im Kampf begegnete, und schon im Konflikt zwischen dem Wesir Naṣīr ad-Dīn Maḥmūd und Iḫtiyār ad-Dīn Ǧauhar (ca. 1130, s. o., S. 61 ff.) bereitwillig Qumačs Feind unterstützt. 555 Der isfahsālār Yarı̊ n-Quš gehörte damals zu Sanǧars größten Emiren (Bundārī, Zubda, S. 276). Er war 544 H. mit in Rayy (Bundārī, op. cit., S. 224 f.) und 548 H. (1153) einer derjenigen, die Sanǧar angeblich zum Kampf gegen die Oġuz drängten (Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 63). In diesem Kampf fiel Yarı̊ n-Quš, nachdem ihn die anderen Emire aus Neid im Stich gelassen hatten (Ḥusainī, Aḫbār, S. 123; s. auch Agadshanow, Seldschukiden, S. 261, 287). Bei Ḥusainī steht zwar al-amīr Muʾayyid b. (!) Yarı̊ n-Quš, doch lässt Bundārīs al-Muʾayyid Yarı̊ n-Quš annehmen, dass Yarı̊ n-Qušs laqab Muʾayyid ad-Dīn lautete. Andererseits könnte es auch zu Verwechslungen mit Sanǧars Emir Muʾayyid (Ai-Aba) gekommen sein; im Salǧūq-nāma ist es nämlich dieser (und nicht Yarı̊ n-Quš), dem die übrigen Emire mit solcher Missgunst begegneten, dass von Geschlossenheit und Diszi­ plin im Kampf gegen die Oġuz keine Rede sein konnte. 556 Niẓāmī ʿArūżī, Čahār maqāla, S. 102 f. Šams ad-Daula wa-’d-Dīn – einen laqab dieser Art tragen nun ġūridische mulūk, während der Ehrenname des übergeordneten Ġūriden-Sultans gemäß selǧuqischem Vorbild auf ad-dunyā wa-’d-dīn endet (s. u.) – war nicht nur Ḥusains Neffe, sondern auch dessen Schwiegersohn. Diese und andere Informationen lassen sich einem Schreiben Sanǧars entnehmen, s. Aḥkām, f. 142r–142v. Neben der Angabe, dass sich die über 30 000 Oġuz und Ġūrer gegenseitig umbrachten, findet sich darin das Datum „Dienstag, 17. Rabīʿ I“ (si-šanba hafdahum-i māh-i Rabīʿ al-auwal tartīb-i bandagān farmūdīm va īšān-rā dar muqābala-yi ān maḫāẕīl firistād), das jedoch zu keinem der für die Schlacht infrage kommenden Jahre passt (547 H. war der 17. Rabīʿ I ein Sonntag). Sanǧar hatte sich wohlgemerkt davor gehütet, nach seinem Sieg in Ġūr einzumarschieren. 557 Ghafur, Ġōrids, S. 32. Anfang 548 H. wurde Sanǧar ja schon von den Oġuz gefangen genommen. 558 Ǧūzǧānī, Ṭabaqāt, Bd. I, S. 259, 347–350. Ǧūzǧānī stellt die Freilassung gar so dar, als habe Sanǧar Ḥusain für den Fall seines Untergangs im anstehenden Kampf gegen die Oġuz als eine Art Erben bestimmt – offensichtlich ein Versuch, die Ġūriden (denen Ǧūzǧānī ja diente) zu legitmieren. 559 Ghafur, Ġōrids, S. 35.

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noch nehmen, da dieser ab 548 H. (1153) ein ohnmächtiger Gefangener der Oġuz war. Zu den neuen Eroberungen, die Ḥusain somit ungehemmt machen konnte, gehört die der nördlichen Nachbarregion Ġarčistān. Hier, am Oberlauf des Murġāb, regierte gegen Mitte des 12. Jahrhunderts interessanterweise noch immer ein einheimischer Fürst mit dem Titel šār, was auf weitere alte Lokaldynastien schließen lässt, die sich, obgleich in selǧuqenzeitlichen Zusammenhängen (so gut wie) gar nicht mehr erwähnt, bis in Sanǧars Zeit halten konnten – man denke etwa an den malik von Ḫuttal (s. o.). Nachdem bereits Sām ein Bündnis mit dem šār von Ġarčistān eingegangen war, nahm Ḥusain nun dessen Tochter zur Frau.560 Zudem annektierte er die Festung Tūlak sowie die ġaznavidischen Provinzen Bust, Zamīn-Dāvar, Ruḫḫāǧ und – falls dies nicht schon zuvor (545 H.?) geschehen war – Bāmiyān,561 wo sich sein ältester Bruder Faḫr adDaula wa-’d-Dīn Masʿūd (reg. bis 1163 oder 1168) einrichtete und zum Gründer einer Seitenlinie der Šansabāniden wurde.562 Die Verbindung zwischen Ġazna und Sīstān war damit ebenso blockiert wie die zwischen Ġazna und Balḫ. Während sich das einst ausgedehnte Ġaznavidenreich also auflöste, ging auch Bahrām-Šāhs Leben zu Ende. Um das Jahr seines Todes herrscht größte Verwirrung, doch möchte ich hier aus mehreren Gründen für 548 H. (1153) plädieren.563 Aus diesem Jahr stammen die ersten Münzen seines Sohns und Nachfolgers Muʿizz ad-Daula ­ usrau-Šāh, welcher wie sein im Kampf gegen Ḥusain gefallener Bruder Daulat-Šāh Ḫ einige Zeit am Hof des Selǧuqensultans verbracht zu haben scheint.564 Auf den (seltenen) Dinaren und nichtindischen Dirhams ist als Oberherr (die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt) nach wie vor Sanǧar genannt,565 was wohl nicht der Fall wäre, wenn

560 Ǧūzǧānī, Ṭabaqāt, Bd. I, S. 337, 349. Die Namen des šārs und seiner Tochter sind nicht ganz klar; er hieß wohl (Šāh b.) Ibrāhīm b. Ardašīr, sie war vielleicht eine ḥurra namens Nūr-i Mulk (Raverty: Ḥūr Malikah). Zu den šārs von Ġarčistān: Muhammad Nazim, EI 1-Art. „Shār“; Richard N. Frye, EI2-Art. „Ghardjistān“. 561 Ǧūzǧānī, Ṭabaqāt, Bd. I, S. 348. Das südwestlich von Fīrūzkūh (Ǧām) gelegene Tūlak war, wie oben (S. 115) erwähnt, früh von einem Emir Sanǧars erobert worden, weshalb man vermuten kann, dass es Ḥusain einem ebensolchen abnahm. Mit Bāmiyān kamen auch Teile Ṭuḫāristāns unter ġūridische Herrschaft. Dafür, dass Bāmiyān schon vor Ḥusains Gefangenschaft an die Ġūriden gefallen war, spricht u. a. Niẓāmī ʿArūżīs Aussage, das Geld, mit dem Šams ad-Dīn Muḥammad nach der Schlacht bei Auba freigekauft worden war, sei vom Hof seines Vaters in Bāmiyān gekommen (Čahār maqāla, S. 102). 562 Ǧūzǧānī, Ṭabaqāt, Bd. I, S. 384 f. 563 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 391: Raǧab 548 H. (Sept./Okt. 1153). 564 Khan („Bahram Shah“, Teil II, S. 227) schloss aus einem Gedicht, dass Ḫusrau-Šāh ab 1136 an Sanǧars Hof leben musste. Die Schlacht, in der Kronprinz Daulat-Šāh sein Leben ließ, war die erste zwischen Ḥusain und Bahrām-Šāh in Zamīn-Dāvar. 565 Album, Checklist, S. 182; Lane Poole, Catalogue, Bd. IX, S. 250 f., Nr. 580d (Dinar) und 580g ff. (Dirhams); Tye/Tye, Jitals, S. 13, Nr. 112. Die Information, dass auf Ḫusrau-Šāhs Dinaren Sanǧar genannt ist, fehlt bei Album. Auf einem relativ gut erhaltenen Exemplar lese ich die Feldinschriften so: Abū ’l-Ḥāriṯ / lā ilāh illā ’llāh / waḥdahū lā šarīk lahū / al-Muqtafī li-Amr Allāh / ʿAḍud ad-­ Daula / [Aḥ]mad (?) Sanǧar (Av.); muʿizz / Muḥammad rasūl Allāh / as-sulṭān al-aʿẓam / Muʿizz ad-Daula / Ḫusrau-Šāh (Rev.). Das Jahr 548 H. ist z. B. auf dem Dinar FINT 1999-10-30 und jenem

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Ḫusrau-Šāh den Thron, wie Ǧūzǧānī angibt, erst 552 H. (1157), das heißt im Todesjahr des Selǧuqenseniors, bestiegen hätte.566 As-sulṭān al-aʿẓam Ḫusrau-Šāh selbst verschied im Raǧab 555 H. (1160)567 und soll laut Ǧūzǧānī sieben Jahre lang regiert haben … Dass Bahrām-Šāh noch im Ḏū ’l-Qaʿda 547 H. (1153) am Leben war, ist dank eines datierten

Briefs an den malik-i Nīmrūz gesichert.568 Zu Verwechslungen dürfte es nicht zuletzt deshalb gekommen sein, weil Ḥusain auch Ḫusrau-Šāh bekriegte und sogar noch ein zweites Mal gegen Ġazna zog.569 Bei Ibn al-Aṯīr ist zu lesen, dass der „Weltverbrenner“ im Anschluss an seinen Vergeltungsschlag gegen die Ġaznaviden-Kapitale den Titel as-sulṭān al-muʿaẓẓam annahm und fortan einen Schirm (čatr) über sich tragen ließ – beides nach Sitte der Großselǧuqen.570 Ferner führte Ḥusain II. den laqab Iḫtiyār Amīr al-Muʾminīn,571 doch scheint er sich als Vertreter einer alteingesessenen Dynastie nicht um Beziehungen zum ʿAbbāDirham gut zu erkennen, der bei Zeno die Nr. 49533 trägt, allerdings ist letzteres Stück fälschlich Bahrām-Šāh zugeordnet (bei dem es sich deshalb nicht um den Münzherrn handelt, weil Muʿizz ad-[Daula] der laqab Ḫusrau-Šāhs ist). Auf anderen Dirhams wurde neben der Mzst. Ġazna das Prägejahr 550 H. gelesen und auf wieder anderen ist Sanǧar deshalb nicht aufgeführt, weil er drei Jahre eher als Ḫusrau-Šāh starb. Bosworth meinte in seinem EIr-Artikel „Ḵosrowšāh b. Bahrāmšāh“ zuletzt noch „Numismatics is of no help“, wobei er über das Problem schrieb: „the exact date of his [d. h. Ḫusrau-Šāhs] accession to the throne and, indeed, the whole chronology of his brief reign and that of his son and successor Ḵosrow Malek […], are very confused and uncertain, with many disrepancies in the sources“. 566 Ǧūzǧānī, Ṭabaqāt, Bd. I, S. 242 f. Khan („Bahram Shah“, Teil II, S. 214–217) schlussfolgerte, dass Bahrām-Šāh Anfang 552 H. starb, wobei er sich insbesondere auf H. G. Ravertys mysteriöse Angaben zu einigen Münzen stützte (s. Bd. I der Übersetzung zu Ǧūzǧānīs Ṭabaqāt, S. 114, Anm. 5), deren Zuverlässigkeit ich jedoch (anders als Bosworth) anzweifeln möchte. Anders als Paul meint (Lokale und imperiale Herrschaft, S. 220; „Sanjar and Atsız“, S. 84; „Administrative Legacy“, S. 8) fand unter Sanǧars Oberherrschaft also sehr wohl ein Thronwechsel in Ġazna statt. 567 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 441 f. 568 Aḥkām, f. 95r–97r; Datierung: li-ʿašr [Tage oder Nächte?] ḫalauna min Ḏī ’l-Qaʿda sanat sabʿ wa-arbaʿīn wa-ḫams-mīʾa. 569 S. dazu Bosworth, Later Ghaznavids, S. 121 f. Dank Faḫr-i Mudabbir wissen wir von einer Schlacht, die Ḫusrau-Šāh gegen Ḥusain bei der Stadt Teginābād verlor (Ādāb al-ḥarb, S. 480–482). Ins Vorfeld dieses (für die Ġaznaviden den endgültigen Verlust der Region bedeutenden) Kampfes gehört sicherlich das Drohgedicht, welches Ḥusain an Ḫusrau-Šāh schickte, nachdem dieser sich zuvor geweigert hatte, Teginābād an die Ġūriden abzutreten (Ǧūzǧānī, Ṭabaqāt, Bd. I, S. 396 – ob von Ḫusrau-Šāh oder dessen Sohn und Nachfolger Ḫusrau-Malik die Rede ist, hängt von der Hs. ab; bei Firišta, Gulšan, Bd. I, S. 90, steht Ḫusrau-Šāh, was auch korrekt sein dürfte, während Ḫvāfī, Muǧmal-i faṣīḥī, Bd. II, S. 698, fälschlich angibt, die Verse seien 521 H. an Bahrām-Šāh adressiert worden). Dass der Šansabānide nach seinem Sieg erneut Ġazna angriff und die Stadt 555 H. besetzt hielt, belegt ein Dinar (Khan/Babur, „Victory Dinar“, S. 21); ob damals aber Ḫusrau-Šāh oder bereits Ḫusrau-Malik (vorübergehend) nach Lahore auswich, ist ebenso unklar wie die Rolle der Oġuz und die Chronologie der folgenden Auseinandersetzungen. 570 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 377 (statt ‫ الخبر‬ist ‫ الجتر‬zu lesen); der čatr (Sanǧars war im Übrigen schwarz) gehörte ebenso zu den Sultansinsignien der Ġaznaviden. 571 Niẓāmī ʿArūżī, Čahār maqāla, S. 5, 46; darüber hinaus konnte ich diesen laqab auf mehreren Münzen Ḥusains lesen (s. u.). Auch ġūridische mulūk führten bald solche und andere anspruchsvolle Ehrennamen (id., op. cit., S. 1 f., 133 f.; Schwarz, SNAT XIV d, S. 19). Niẓāmī stand im Dienste der Šansabāniden und verfasste die Čahār maqāla Anfang der 1150er Jahre.

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sidenkalifen oder eine Anerkennung durch selbigen bemüht zu haben. Ein weiterer Unterschied zur Erhebung des Ḫvārazmšāhs – der ja keinem Herrscherhaus entstammte – besteht darin, dass sich der kometenhafte Aufstieg der Ġūriden bis zum direkten Machtkampf mit Sanǧar eher ungeplant aus dem einfachen Bedürfnis nach Rache an einem Sanǧar-Vasallen sowie der im Zuge dessen gewonnenen und wohl für alle überraschenden Erkenntnis der eigenen Stärke ergab.572 Ansonsten ähneln sich ʿAlāʾ adDīn Atsı̊ z und ʿAlāʾ ad-Dīn Ḥusain – deren gegenseitige Wertschätzung so weit ging, dass letzterer einen seiner Söhne nach ersterem benannte573 – durchaus. Beide verstanden es, für Nomadengruppen attraktiv zu sein, beide drangen bis in Sanǧars Kernland vor und beide wollten letztlich ganz nach oben, weshalb der Šansabānide zu Unrecht nicht in gleichem Maße als Sanǧar-Herausforderer gilt wie der Anūšteginide. Beachtung verdient auch, dass Ḥusain II. genau wie Atsı̊ z als erster (?) seiner Dynastie das sikka-Recht ausübte,574 und tatsächlich findet sich auf einigen Münzen des „Weltverbrenners“ der Sultanstitel. Er begegnet entweder in der Form as-sulṭān al-aʿẓam oder in der neuen – ebenso bei Niẓāmī ʿArūżī vorkommenden575 – regionalen Variante sulṭān al-mašriq, was schwierig zu deuten ist. Leider lässt sich – zumal Prägeort und -jahr in aller Regel nicht mehr erkennbar sind – nicht bestimmen, inwieweit der Anspruch auf eine der beiden Formen oder die Sultanswürde überhaupt einerseits an den Besitz von Ġazna gekoppelt war und andererseits nur während der Rebellion gegen Sanǧar oder erst (wieder) nach dessen Ende erhoben wurde. Dafür, dass es dem Ġūriden (zu einem gewissen Zeitpunkt) eher um die Substitution der verhassten Ġaznaviden ging als um die gesamte Osthälfte des Selǧuqenreiches (wie sie einst der malik al-mašriq beherrscht hatte), sprechen Dirhams, auf denen der „Sultans des Ostens“ nach ġaznavidischem Vorbild unter ʿAḍud ad-Daula / Sanǧar genannt ist.576 Daneben gibt es aber ebenso Stücke, die Ḥusain als sulṭān al-mašriq oder as-sulṭān al-aʿẓam ohne Angabe eines Oberherrn (abgesehen vom Kalifen) prägen ließ,577 und selbst wenn mit der Variante „Sultan 572 Unter anderen Umständen wären die Šansabāniden vielleicht nie aus ihren Gebirgstälern hervorgekommen und ähnlich unbedeutend geblieben wie die benachbarten šārs von Ġarčistān. Niẓāmī ʿArūżī (Čahār maqāla, S. 5) verherrlicht Ḥusains Machtzuwachs u. a. so: „Mit 50 000 schwer gepanzerten, äußerst eifrigen Männern warf er sämtliche Heere der Welt zurück und verwies alle Könige seiner Zeit in die Ecke.“ 573 Ǧūzǧānī, Ṭabaqāt, Bd. I, S. 300. 574 Sourdels Zuordnung einiger Dinare zu Sām I. ist, wie gesagt, zweifelhaft, s. o., S. 117 f. 575 Niẓāmī ʿArūżī, Čahār maqāla, S. 5, 102. 576 Für ein Beispiel s. die Nr. 54915 im Archiv bei Poinsignon Numismatique (http://www.poinsignonnumismatique.de). Av.: lā ilāh illā ’llāh / al-Muqtafī li-amr Allāh / ʿAḍud ad-Daula / Sanǧar; Rev: Allāh / Muḥammad rasūl / as-sulṭān [sic] al-mašriq / ʿAlā ad-Dīn / Ḥusain. Der Stil deutet auf Ġaz­ na. Die Randzier ist auf beiden Seiten ein doppelter Perlkreis; von den Umschriften haben sich nur noch Spuren erhalten. 577 Auf Zeno Nr. 52823 (aus Fīrūzkūh?) scheint im Rev.-Feld u. a. as-sulṭān al-aʿẓam / ʿAlāʾ ad-Dunya wa-’d-Dīn / Abū ʿAlī al-Ḥusain / b. al-Ḥusain zu stehen; in der 4. Av.-Zeile ist al-Muqtafī genannt. Album zufolge konnten auf einigen solcher Dirhams im ġaznavidischen Stil mit Sultanstitel die Prägejahre 549 und 550 H. gelesen werden (Checklist, S. 192, Nr. N1754). Bei Los 502 in Baldwin’s

Die Šansabāniden und der Niedergang der Ġaznaviden

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des Ostens“ die Möglichkeit zur Koexistenz mit dem Selǧuqen signalisiert werden sollte, dürfte folgendes feststehen: Sanǧar, für den die Oberhoheit über das Haus Sebük-Tegins, wie gesagt, größte Relevanz besaß578 und der zeit seines Lebens als Hüter der alten Reichsordnung auftrat, war sicher nie bereit, die Beseitigung der Ġaznavidenherrschaft zu akzeptieren, oder damit einverstanden, dass es nun, Mitte des 12. Jahrhunderts, plötzlich und erstmalig vier Sultane gab – bedeutete dies doch den Abbau einer nicht unwichtigen Hemmschwelle auf dem Weg zu einer neuen Ordnung. Für den Selǧuqen und die übrigen Herrscher war der Ġūride nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein malik. Dies belegt ein Schreiben Sanǧars579 sowie eine Reihe von Briefen des Ḫvārazmšāhs, in denen Ḥusain die Titel malik-i aǧall-i kabīr-i muʾ­ayyidi muẓaffar-i manṣūr-i muʿaẓẓam-i ʿādil, pādišāh/malik-i ǧibāl und (anstatt sulṭān al-mašriq) malik al-mašriq trägt.580 Somit dürften jene Dirhams, auf deren Revers […] / al-malik al-muʿaẓẓam / ʿAlāʾ ad-Dīn al-Ḥusain / b. al-Ḥusain zu lesen ist, während auf dem Avers […] / as-sulṭān al-aʿẓam / Sanǧar steht,581 wohl noch am ehesten die Ordnungsvorstellung des Selǧuqenherrschers widerspiegeln, weshalb sie durchaus kurz nach der Freilassung und Heimkehr des Ġūriden (548 H.?) in Fīrūzkūh geschlagen worden sein könnten. Dasselbe gilt für einen Dinar-Typ mit der Revers-Inschrift […] as-sulṭān / al-aʿẓam Muʿizz ad-Du / nyā wa-’d-Dīn / Sanǧar malik aš-šarq / ­ usain.582 Album zufolge gehören hingegen alle Münzen mit dem malik-Titel in die Ḥ Zeit vor Ḥusains Gefangenschaft und die mit dem Sultanstitel in die Zeit danach, wozu er angibt, Sanǧar sei (wenn überhaupt) nur auf letzteren genannt.583 Beide Aussagen sind auf jeden Fall zu korrigieren, auch weil der „Weltverbrenner“ auf einem 555 H. (1160, also drei Jahre nach Sanǧars Tod und wenige Monate vor seinem eigenen) geprägten Dinar aus Ġazna (!) als al-malik al-aʿẓam erscheint,584 möglicherweise in Anlehnung an Atsı̊ z.

Islamic Coin Auction Nr. 26 (Aug. 2014) handelt es sich um einen Blassgold-Dinar, welcher stempelgleich mit FINT 1998-9-145 ist; die Rev.-Feld-Inschrift dieses (Fīrūzkūher?) Typs lässt sich so rekonstruieren: [xxx] / [Muḥamma]d rasūl Allāh / ʿAlāʾ ad-Dunyā wa-’d-Dīn / sulṭān al-mašriq / Abū ʿAlī al-Ḥusain b. / al-Ḥusain; auf dem Av. ist wieder al-Muqtafī genannt (rechts im Feld: al-mulk oder al-malik); der Stil ist hier nicht der von Ġazna. Bei Album fehlen Dinare mit dem Sultanstitel ganz (die besondere Form sulṭān al-mašriq wird gar nicht erwähnt). Zur FINT-Sammlung gehören auch noch drei BI-Stücke im ġaznavidischen Stil, auf deren Rev. as-sulṭān / al-aʿẓam / ʿAlāʾ ad-Dīn / al-Ḥusain steht, während der Av. einen liegenden Bullen (Nandi) zeigt; auch hier ist die Mzst. unklar (s. Schwarz, SNAT XIV d, S. 96 f., Nr. 1160). 578 Nach dem Verlust der Qaraḫaniden an die Qara-Ḫitai war sie mit Sicherheit noch wichtiger geworden. Das Ġūriden-Problem hatte Sanǧar und die Ġaznaviden noch einmal zusammengeschweißt. 579 Aḥkām, f. 142r: malik ʿAlāʾ ad-Dīn Ḥusain. 580 Vaṭvāṭ, Nāmahā, S. 25 (es muss fraglos ‫ المشرق‬statt ‫ المشرف‬heißen, s. auch Aḥkām, f. 53v), 31. 581 S. Zeno Nr. 38637; es handelt sich um ein Stück nach ġaznavidischem Vorbild, auf dem über Sanǧar noch al-Muqtafī aufgeführt ist. 582 FINT 1999-16-34; Mzst. unklar, obwohl teils noch gut lesbar; Jahr 54x H. 583 Album, Checklist, S. 192. 584 Khan/Babur, „Victory Dinar“, S. 21.

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Das Reich der Ġaznaviden und Ġūr

„Allergrößter König“ ist außerdem der Titel, welchen Ḥusain auf Dinaren aus Harāt führt, und zwar ohne über sich Sanǧar zu nennen.585 Das ist insofern erstaunlich, als man in diesem klaren Fall der Nichtanerkennung des Selǧuqenherrschers eigentlich den Sultanstitel erwarten könnte. Vielleicht muss man es wieder so verstehen, dass Ḥusain vorerst nur das Sultanat der Ġaznaviden beanspruchen und in Ḫurāsān lediglich als malik auftreten konnte, zumindest solange der Kampf mit Sanǧar nicht entschieden oder (im Rahmen einer Art Doppeltaktik) nicht gewollt war. Ibn al-Aṯīrs Aussage, Ḥusain habe sich bei seinem (ersten) Einzug in Harāt dem Selǧuqensultan gegenüber loyal verhalten (s. o.), bestätigen die Münzen jedenfalls nicht; Sanǧars Ausschluss aus der sikka dürfte vielmehr den Abfall ʿAlī Čatrīs dokumentieren. Als Prägezeit kommen eigentlich nur die Jahre 545–547 H. infrage und weil ein anscheinend in Fīrūzkūh geprägter Dinar große Ähnlichkeit mit den Stücken aus Harāt aufweist,586 nehme ich an, dass er ebenfalls in die Zeit datiert, da der Ġūride in Sanǧars Kernland einfiel. Ḥusains primärer Ehrenname lautet auf den Harāter und zumindest einigen Fīrūzkūher Münzen, dem 555 H. in Ġazna geschlagenen Dinar sowie bei Niẓāmī ʿArūżī587 nicht einfach ʿAlāʾ ad-Dīn, sondern ʿAlāʾ ad-Dunyā wa-’d-Dīn.588 Der Einfluss der Großselǧuqen und der in Orientierung an diese erfolgende politische Aufstieg kommen also auch im Falle der Ġūriden durch die Übernahme jener speziellen, prestigeträchtigen Doppelform zum Ausdruck. Ebenfalls nach selǧuqischem Vorbild wurde es obendrein üblich, dass männliche Verwandte des Šansabānidensultans den malik-Titel plus einen

585 FINT 2001-11-55 – Av.: Harāt / lā ilāh illā ’llāh waḥdahū / lā šarīk lahū [al-imām] / al-Muqtafī li-Amr Allāh / amīr al-muʾminīn; Rev.: [Muḥammad rasūl Allāh] / al-malik [al-aʿẓam] ­al-ʿādi / l ʿAlāʾ ad-Dunyā wa-’d-Dīn / Abū ʿAlī al-Ḥusain / b. al-Ḥusain Iḫ[tiyār] / Amīr / (links im Feld:) [al-Muʾ] / (rechts:) minīn. FINT 2010-7-97 – Av.: Harāt / lā ilāh illā ’llāh / waḥdahū lā šarīk lahū / Muḥammad rasū[l Allāh] / al-Muqtafī li-A[mr Allāh]; Rev.: Harāt / Muḥammad rasūl Allāh / [al-mali]k al-aʿẓam / [ʿAlāʾ ad-]Dunyā wa-’d-Dīn / [Abū ʿAlī] al-Ḥusain b. / [al-Ḥusain] /  (wahrscheinlich rechts im Feld:) [Iḫtiyār] / (links:) Amīr al-Muʾminīn. Auf die Mzst. Harāt deutet auch der Stil von FINT 1997-32-93 und des stempelgleichen Stücks Zeno Nr. 164704 – Av.: [lā ilāh illā ’llāh] / waḥdahū lā šarīk lahū / Muḥammad rasūl Allāh / al-Muqtafī li-Amr Allāh / amīr / [xxx]; Rev.: al-ʿādil (?) / [al-]malik al-aʿẓam / ʿAlāʾ ad-Dunyā wa-’d-Dīn / Abū ʿAlī al-Ḥusain / [b.] al-Ḥusain Iḫtiyār / [xxx]. Dasselbe gilt für Zeno Nr. 89285, ein Fragment, auf dem nicht viel mehr als Abū ʿA[lī al-Ḥusain b.] / al-Ḥusain (Rev.) und [al-i]mām / [al-Muqtaf]ī li-Amr Allāh (Av.) lesbar ist (s. Lebedev/Koifman, „Klad serebrjanych“, S. 18 + Abb. 14, Nr. 138), doch spricht hier andererseits das Prägejahr 55x H. gegen Harāt. Ein weiteres 🜇-Stück, das sich für eine Erfassung des Titels (malik oder Sultan?) zu schlecht erhalten hat, ist FINT 1999-16-33 (Av.: lā ilāh illā ’llāh / Muḥammad rasūl Allāh / al-imām al-Muqtafī; Rev.: [xxx] / [ʿAlāʾ ad-]Dunyā wa-’dDīn / Abū ʿAlī al-Ḥusain / b. al-Ḥusain Iḫtiyār / Amīr / [xxx]). 586 FINT 1999-10-44 – Av.: Fīrūzkūh (?) / lā ilāh illā ’llāh waḥdahū / lā šarīk lahū al-imām /  al-­Muqtafī li-Amr Allāh / amīr al-muʾminīn; Rev.: Muḥammad rasūl Allāh / al-malik al-aʿẓam al-ʿādi / l ʿAlāʾ ad-Dunyā wa-’d-Dīn / Abū ʿAlī al-Ḥusain b. / al-Ḥusain Iḫtiyār Amīr / al-Muʾminīn ḫallada Allāh / mulkahū / (oben im Feld:) wa-aʿazza naṣ[rahū] (die Eulogie erscheint hier m. W. erstmals auf einer Münze); auf beiden Seiten sind im Feld Waffen abgebildet. 587 Niẓāmī ʿArūżī, Čahār maqāla, S. 5, 46, 102, 130. 588 Nur ʿAlāʾ ad-Dunyā, wie Ghafur angibt (Ġōrids, S. 199), ist definitiv falsch.

Grundlagen: Großsultan und Juniorsultan

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laqab auf ad-daula wa-’d-dīn trugen.589 Ḥusains Halbbruder Masʿūd, den Niẓāmī ʿArūżī malik al-ǧibāl sowie malik mulūk al-ǧibāl nennt,590 prägte in Bāmiyān sogar eigene Münzen, auf denen er ausnahmslos den analog zu sulṭān al-mašriq gebildeten Titel malik aššarq führt.591 Allerdings lässt sich nicht mit Gewissheit sagen, wann er damit begann: erst nach dem Tod des „Weltverbrenners“ oder doch noch (kurz) davor.592 Ob es den „König des Ostens“ zur gleichen Zeit wie den „Sultan des Ostens“ gab und die Titel eventuell das Hauptkennzeichen für einen Rangunterschied zwischen den Brüdern waren, bleibt folglich offen. Allgemein formuliert gilt: Wiewohl der Herrscher von Fīrūzkūh – wer immer dies während Masʿūds Münzprägung war – vorerst das Privileg genoss, der Ġūriden einziger Sultan zu sein, ging die damit verbundene Oberhoheit nicht so weit, dass ihn der Herr von Bāmiyān je in der sikka angab. Grund hierfür mag ein Zerwürfnis gewesen sein; andernfalls handelt es sich um eine Abweichung von der selǧuqischen Praxis. Da uns dieser Punkt jedoch bereits zu weit in die Phase nach 1157 ziehen würde, gehört er nicht mehr zur Betrachtung des Sanǧar-Reiches, die uns nun nach Westen blicken lässt. IV.6 Das Teilreich der Irak-Selǧuqen IV.6.1 Grundlagen: Großsultan und Juniorsultan Gehen wir noch einmal zurück ins Jahr 1117: Nach seinem triumphalen Einzug in Ġaz­ na schickte der malik al-mašriq Sanǧar seinem geliebten Bruder und Oberherrn ein fatḥ-nāma. Als dieses Schreiben im Irak eintraf, war Sultan Muḥammad I. schon sehr krank.593 Er verstarb am 18. April 1118 in Iṣfahān, woraufhin ihn sein vierzehnjähriger Sohn Abū ’l-Qāsim Maḥmūd II. planmäßig als as-sulṭān al-muʿaẓẓam des großselǧuqischen Imperiums beerbte. Ab dem 17. Mai wurde Maḥmūds Name auch in der Bagdader ḫuṭba genannt, was aus Legitimations- und Prestige-Gründen besonders wichtig war; schließlich residierte in der „Stadt des Heils“ der „Befehlshaber der Gläubigen“, bei dem es sich nur noch bis August 1118 um al-Mustaẓhir und sodann um al-Mustaršid handelte. Zwar 589 Niẓāmī ʿArūżī, Čahār maqāla, S. 1 f., 4, 102 f., 133 f. 590 Niẓāmī ʿArūżī, Čahār maqāla, S. 4 (hier auch: ḫusrau-i Īrān), 134. 591 S. z. B. Schwarz, SNAT XIV d, S. 19. Auch Masʿūds Sohn und Nachfolger nannte sich anfangs noch malik aš-šarq. Wahrscheinlich differenzierte man ganz bewusst zwischen šarq und mašriq. Letzteres konnte im engeren Sinn für Ḫurāsān und Umgebung stehen, während das allgemeinere šarq noch weit darüber hinausreicht – Bāmiyān lag ja am östlichen Rand der dār al-Islām – und die gesamte Osthälfte der Welt, den Osten überhaupt meint, so wie in Sanǧars Weltherrscher-Titeln (s. dazu etwa al-Muqaddasī, Aḥsan at-taqāsīm, S. 7). 592 Für die Zeit danach spricht, dass auf sämtlichen Münzen Masʿūds der 555 H. (1160) ins Amt gekommene al-Mustanǧid als Kalif genannt ist. Andererseits soll Masʿūd bereits 558 H. (1163) verstorben sein, was jedoch auch angezweifelt wird. Album (Checklist, S. 194) zufolge schlägt Richard Accola auf Grund des numismatischen Materials 563 H. (1168) als Masʿūds Todesjahr vor. 593 Ḥusainī, Aḫbār, S. 91.

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Das Teilreich der Irak-Selǧuqen

verfügte der ʿAbbāsidenkalif zu dieser Zeit wieder über eigene Finanzen sowie einen eigenen, wachsenden Beamtenapparat, an dessen Spitze ein eigener Wesir stand, doch hatte er im Gegensatz zu anderen Lokalfürsten des Selǧuqenreiches nach wie vor keinen großen Anteil an der Regierung seiner Stadt. Die politisch-­militärische Macht, die ihm hierfür fehlte, lag in den Händen eines ihm zur Seite gestellten Präfekten (šiḥna), welcher als Statthalter des (selbst meist nur winters in der Tigris-Metropole weilenden) Sultans fungierte und den Handlungsspielraum des amīr al-muʾminīn begrenzte.594 Dass der Eunuch (al-ḫādim) Muǧāhid ad-Dīn Bihrūz nach rund zehnjähriger Amtszeit noch im Sommer 1118 als šiḥna von Bagdad ersetzt wurde, war nur eine von mehreren Machtumverteilungen, mit denen Maḥmūds Sultanat seinen Anfang nahm.595 Eine andere betraf den dailamitischen malik Garšāsp II. (reg. ab 1095) aus dem Geschlecht der Kākūyiden, das unter großselǧuqischer Oberherrschaft zumindest noch Yazd kontrollierte und bei den Sultanen traditionell in sehr hohem Ansehen stand.596 Weil Garšāsp es aus Vorsicht vor seinen Feinden vermied, wie gefordert bei Hofe zu erscheinen, ließ ihn Maḥmūd von einem Reitertrupp festnehmen und übertrug Yazd dem Mundschenk (as-sāqī) Qarača. Der Kākūyide schaffte es jedoch, aus seiner Haft auf der Festung Farrazīn (in der Ǧibāl-Provinz) nach Ḫurāsān zu entkommen, wo er Sanǧar – mit dessen Schwester er verheiratet war! – eingehend über die Lage im persischen Irak unterrichtete und zu einer Intervention ermutigte.597 Dasselbe soll Maḥmūds eigene Mutter getan haben, wofür sie von Iṣfahān nach Balḫ reiste.598 594 S. Van Renterghem, „Controlling and Developing Baghdad“, S. 118–120, 125 f.; zu al-Mustaẓhirs Lage unter den Selǧuqen: Hanne, Putting the Caliph in His Place, S. 134–141. 595 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 172 f.; Bundārī, Zubda, S. 120 ff., wo zehn verhängnisvolle Fehlentscheidungen und Übel zu Beginn von Maḥmūds Herrschaft aufgezählt werden. Für vieles davon gibt Anūširvān b. Ḫālid (Maḥmūds Wesir der Jahre 1127–1128), auf dessen Nafṯat al-maṣdūr Bundārīs Text zurückgeht, seinem Erzfeind Qiwām ad-Dīn Abū ’l-Qāsim Nāṣir b. ʿAlī ad-Darguzīnī (exakter: al-Anasābādī) die Schuld (s. auch Sibṭ Ibn al-Ǧauzī, Mirʾāt, ed. al-Ġāmidī, S. 656 f.; wohingegen Darguzīnī in Qummīs Ḏail Nafṯat al-maṣdūr gepriesen wird). Darguzīnī war 1118 der kadḫudā von Maḥmūds mächtigem amīr-i ḥāǧib ʿAlī b. ʿUmar. Seines Amtes enthoben floh Bihrūz nach Takrīt, dessen muqṭaʿ er wohl war. 596 Bosworth, „Dailamīs“, S. 84 ff., speziell zu Garšāsp II. S. 88. 597 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 183 f.; Bundārī, Zubda, S. 133 f.; Muǧmal at-tawārīḫ, S. 414; s. ferner Ǧaʿfarī, Tārīḫ-i Yazd, S. 37; Kātib Yazdī, Tārīḫ-i Yazd-i ǧadīd, S. 64 f. (allerdings scheint in diesen Stadtgeschichten ein heilloses Chaos in Sachen Kākūyiden-Genealogie und -Chronologie zu herrschen). Vermutlich gehört Garšāsps Gefängnisaufenthalt ins Jahr 512 H., auch wenn dies nicht zur Datierung im Muǧmal at-tawārīḫ passt. Die Festung Farrazīn (Farraǧīn/Barraǧīn), welche damals in der Hand des Emirs Qaiṣar war, ist nicht sicher lokalisiert. Vielleicht steht oder stand sie nahe Tūra (Tūla) an der Straße zwischen Ārāk und Burūǧird (Borūǧerd); Karaǧ, vor dessen Toren sich Farrazīn erhob, soll an der Stelle des heutigen Āstāna gelegen haben (Luther, „The Site of Karaj“). 598 Sibṭ Ibn al-Ǧauzī, Mirʾāt, ed. al-Ġāmidī, S. 656. Sie soll Sanǧar im Jahre 512 H. aufgesucht und als Antwort ein samʿan wa-ṭāʿatan erhalten haben. Davon ausgehend, dass es sich bei Maḥmūds Mutter um Gauhar-Ḫatun bt. Ismāʿīl b. Yāqūtī b. Čaġrı̊ -Beg Dāwūd handelt, ergibt sich ein Problem: Das Leben dieser Selǧuqin soll nämlich zur gleichen Zeit geendet haben wie das ihres Gatten (511 H.); sie wurde erdrosselt, weil man sie verdächtigte, für Muḥammads Krankheit verantwortlich zu sein (s. Başan, Great Seljuqs, S. 41, 122, 185).

Grundlagen: Großsultan und Juniorsultan

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Sultan Muḥammads Tod hatte den malik al-mašriq (mit Anfang 30) in die Position des Familienseniors aufrücken lassen. Als šaiḫ al-bait (wa-ʿaẓīmuhū wa-ḥāfiẓ ʿizzahū wa-mudīmuhū)599 und sicher auch angesichts seiner gewachsenen Machtfülle war Sanǧar nun nicht länger gewillt, sich mit dem Rang eines untergeordneten Teilherrschers zu begnügen, was dadurch zum Ausdruck kam, dass er im Verlauf des Jahres 512 H. (1118), wie Münzen belegen, selbst den Souveränitätstitel as-sulṭān al-muʿaẓẓam annahm – womit es insgesamt drei Sultane gab – und seinen höchsten Ehrennamen nach väterlichem Vorbild in Muʿizz ad-Dunyā wa-’d-Dīn änderte.600 Maḥmūd versuchte daraufhin, seinen widersetzlichen Onkel zum Einlenken zu bewegen, indem er ihm Geschenke schickte und die Provinz Māzandarān sowie jährlich 200 000 Dinar anbot,601 doch vergebens: Sanǧars Entschluss, seine eigene Anerkennung als oberster Herrscher des gesamten Selǧuqenreiches (es drohte ja die Teilung) durchzusetzen – sich also stolz mit Bruder, Vater und Großvater in eine Reihe zu stellen –,602 stand bereits fest und so wurden auf beiden Seiten Kriegsvorbereitungen getroffen. Zur Rechtfertigung diente Sanǧar auch das Argument, sein minderjähriger Neffe stehe unter dem schlechten Einfluss der ihn kontrollierenden Emire und Beamten; angeblich hatten Maḥmūds ḥāǧib Saif ad-Dīn ʿAlī b. ʿUmar – welcher die Regierungsgeschäfte führte603 – und dessen kadḫudā (der spätere Wesir) Abū ’l-Qāsim ad-Darguzīnī den jungen Sultan sogar dazu gebracht, einen Brief an den Ḫan von Samarqand zu schreiben, damit dieser in Ḫurāsān einfällt und eine zweite Front gegen Sanǧar eröffnet.604 Der Krieg begann damit, dass der Emir Öner an der Spitze einer Vorausabteilung nach Gurgān entsandt wurde und ihn der Kammerherr ʿAlī von dort zurückschlug.605 Als dann im Hochsommer 1119 Sanǧar mit seiner Hauptstreitmacht nach Westen kam (bei Bundārī606 findet sich ein Vergleich mit der aufgehenden Sonne: kāna ka-’š-šams aḍāʾat min mašriqihā wa-anārat min ufuqihā), nahm er die strategisch wichtige Stadt Rayy ein, welche sein Neffe zuvor verlassen hatte. Wie Ibn al-Ǧauzī hervorhebt, be-

599 Bundārī, Zubda, S. 120, wo Sanǧar auch als ʿimād āl Salǧuq wa-salṭanatihī bi-bilād Ḫurāsān ilā ’l-ʿIrāq ilā Mā warāʾa ’n-nahr ilā Ġazna wa-Ḫwārizm bezeichnet ist; s. auch Ḥusainī, Aḫbār, S. 83 f. 600 Auf den ersten Münzen, die Sanǧar als Sultan prägen ließ, ist noch der Kalif al-Mustaẓhir genannt. 601 Dies und die folgende Darstellung des Konflikts vor allem nach Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 182–184. 602 S. auch Tor, Great Seljuk Empire, S. 90. 603 Ḥusainī, Aḫbār, S. 88, 96. ʿAlī b. ʿUmar b. *Surma („Antimon“, „Kajal“?) war Muḥammad Tapars sowie Maḥmūds Kammerherr und amīr-i bār (auf ʿAlīs Münzen: bār-beg) – weshalb er meist ʿAlīyi Bār genannt wird –; als letzterer regelte er den Zutritt zum Sultan (zu den Ämtern: Bundārī, Zubda, S. 117). Anscheinend diente nach ihm noch sein Sohn Muḥammad als Maḥmūds ḥāǧib (Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 71). 604 Bundārī, Zubda, S. 120; Ḥusainī, Aḫbār, S. 88. 605 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 51; Ġaznavī, Maqāmāt-i Žanda-Pīl, tr. Moayyad/Lewis, S. 240 f. 606 Zubda, S. 125.

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Das Teilreich der Irak-Selǧuqen

gleiteten Sultan Sanǧar fünf Könige, darunter der „malik von Ġazna“,607 was natürlich großen Eindruck machte. Tatsächlich dürfte Bahrām-Šāh allerdings (gleich anderen Vasallenherrschern des Ostens) nur Truppen gestellt haben608 und auch sonst sollte die Aussage wohl nicht zu genau genommen werden. Denn mit dem ortskundigen Kākūyiden Garšāsp, dem Ḫvārazmšāh Muḥammad sowie einem der Söhne Naṣrs II. von Nīmrūz sind es erst vier Fürsten, die ihrem Oberherrn in den persischen Irak folgten, und so wie Bosworth609 einfach Sanǧar selbst hinzuzuzählen, erlauben uns Ibn al-Ǧauzīs Worte nicht. Es ist daher wohl die beste Lösung, sich an Ibn al-Aṯīrs Teilnehmerliste zu halten und (anstelle des Ġaznaviden) Öner und Qumač einzurechnen, obwohl diese ja keine mulūk waren. Eigentlich gehört in die Reihe der östlichen Anführer außerdem noch *Bāḏhū. Dass wir diesen Namen610 kennen, ist deshalb besonders, weil es sich bei Bāḏhū um das Leittier der 18 oder sogar 40 Kriegselefanten handelt, die Sanǧar dank der Eroberung Ġaznas nun selbst ins Feld führen konnte. Insgesamt soll die Armee des ḫurāsānischen Sultans 20 000 Mann stark gewesen sein, nicht zuletzt dank vieler Ismāʿīliten und türkischer kuffār.611 Damit war sie um 10 000 Soldaten kleiner als das in Hamadān versammelte Heer Sultan Maḥmūds,612 zu dessen Emiren neben der zerstrittenen Doppelspitze613 aus dem ḥāǧib ʿAlī und dem šiḥna von Bagdad ʿImād ad-Dīn Mengü-Bars614 der Atabeg Oġuzoġlı̊ 615, Qarača as-Sāqī616, Sonqur al-Buḫārī617 und die Söhne Borsuqs618 zählten.

607 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 172: kāna maʿa Sanǧar ḫamsat mulūk ʿalā ḫamsat asirra minhum malik Ġazna. 608 Dasselbe gilt für die Ġūriden und Qaraḫaniden; Ibn Isfandiyār (Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 54) schreibt: Sanǧar bā ǧumla-yi ḥašam az Ġūr va Bahrām-Šāh-i Ġaznīn va Atsiz-i Ḫvārazmšāh va ḫānān-i Samarqand rūy ba-ʿIrāq nihād. Wohlgemerkt regierte 1119 noch Atsı̊ z’ Vater; während Bahrām-Šāh in diesem Jahr in Indien kämpfte. 609 „Political and Dynastic History“, S. 120. 610 Vielleicht ist statt ‫ باذهو‬persisch Bāzū („Kraft/Macht“) zu lesen. 611 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 172. 612 Dass Maḥmūd 30 000 Mann hatte, sagt auch Sibṭ Ibn al-Ǧauzī (Mirʾāt, ed. al-Ġāmidī, S. 676), doch soll Sanǧar demgegenüber gar mit 100 000 in die Schlacht gezogen sein. Ibn Isfandiyār (Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 51) zufolge waren es 60 000 Reiter, mit denen der amīr-i bār ʿAlī Öner aus Gurgān vertrieb. 613 Bundārī, Zubda, S. 125; Ḥusainī, Aḫbār, S. 88. 614 S. zu diesem als recht tyrannisch beschriebenen Emir u., S. 146, Anm. 703. 615 Ich vermute, er war Maḥmūds (ehemaliger) Atabeg; Ibn al-Aṯīr deutet eine Verbindung zur Stadt Hamadān an. Sanǧar nahm Oġuzoġlı̊ in der Schlacht bei Sāva (s. u.) gefangen und ließ ihn töten (s. auch Muǧmal at-tawārīḫ, S. 413), weil er Maḥmūd ausliefern wollte. 616 Qarača begann seine Karriere als ein Mamlūk Sanǧars, wie letzterer in seinem Brief an den Kalifen selbst erklärt (Eqbāl, Vezārat, S. 318). Später – einer Aḥmad-i-Ǧām-Anekdote zufolge hatte Qarača versucht, seinen Herrn zu vergiften (Ġaznavī, Maqāmāt-i Žanda-Pīl, tr. Moayyad/Lewis, S. 105–109) – trat er in den Dienst Muḥammad Tapars, nach dessen Tod ihm Maḥmūd II., wie oben angegeben, Yazd anvertraute. Wir werden Qarača noch als Atabeg-Gouverneur von Fārs begegnen, der gegen Sanǧar zu Felde zieht und dies mit seinem Leben bezahlt. Ibn Ḫallikān zufolge hieß Qarača eigentlich Bars (Wafayāt, Bd. VII, S. 142).

Grundlagen: Großsultan und Juniorsultan

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Der Ort, wo beide Streitmächte am 11. August 1119619 aufeinandertrafen, lag in der Wüste nahe Sāva, für deren Durchquerung Sanǧars Truppen acht Tage gebraucht hatten. Einzig Ibn Isfandiyār gibt genauer an, dass die Schlacht bei Haftād-Pūlān tobte,620 wobei es sich um eine (vom Atabeg Šīrgīr erbaute) Brücke handelte, die südlich von Sāva über den Qara-Čāi (damals: Gāvmāsā oder Gāvmāhā) führte.621 Maḥmūds Armee war nicht nur zahlenmäßig überlegen, sondern auch mit dem Terrain vertraut, sodass sie die Wasserquelle zuerst erreicht hatte und nun besetzt hielt. Sibṭ Ibn al-Ǧauzī weiß zu berichten, wie sich während des Kampfes „ein schwarzer Wind erhob“ und eine dramatische Atmosphäre schuf, indem er „die Welt in Dunkelheit hüllte“ und für ein unheimliches Abendrot sorgte.622 Die Entscheidung über den Sieg soll erst nach Sonnenuntergang herbeigeführt worden sein, als Sanǧar – angesichts seiner aufgelösten Heeresflügel und einer dementsprechend nahen Niederlage – alles auf die eindrucksvoll equipierten623 Elefanten setzte und diese (wie so oft) bewirkten, dass die Pferde des Gegners verschreckt davonliefen. Maḥmūd floh daraufhin geschlagen nach Iṣfahān, doch gelang es Sanǧar, Oġuzoġlı̊ zu fassen und Hamadān einzunehmen, wo er als alleiniger Sultan Münzen

617 Dies ist wohl der Emir, welcher damals muqṭaʿ von Baṣra war (Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 188 f. – hier: Aq-Sonqur) und den Muḥammad Tapar 1106/1107 auf einen Feldzug gegen den Bāvandiden Ḥusām ad-Daula Šahriyār geschickt hatte (Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 33 f.). Vermutlich kann er zudem mit jenem ʿIzz ad-Dīn Alp-Sonqur-Beg al-Buḫārī identifiziert werden, der auf 517 H. (1123/1124) in Nihāvand geprägten Dinaren genannt ist, s. u., S. 145. Um 1108/1109 war ein Alp-Sonqur-Beg wohl vālī von Hamadān. 618 Zur in Ḫūzistān regierenden Emirsdynastie der Borsuqiden unter IV.6.7.2. ab S. 279. 619 Dies (2. Ǧumādā I 513 H.) ist das Datum Ibn al-Aṯīrs. Muʿizzī, Dīvān, S. 198: 12. Ǧumādā I 513 H.; Muǧmal at-tawārīḫ, S. 412 f.: Mi., 3. Ǧumādā I [5]12 H., was so nicht stimmen kann, doch soll die Schlacht während des Sonnenuntergangs in Gang gewesen sein, womit ihr Beginn auf einen anderen Tag fiele als ihr Ende. Laut Bundārī (Zubda, S. 126) dauerte sie drei Tage. Bei Ḥusainī (Aḫbār, S. 88) steht ebenfalls das falsche Jahr 512 H. 620 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 54: ba-Haftād-Pūlān-i Hamadān. 621 Mustaufī, Nuzhat al-qulūb, tr. Le Strange, S. 213. Der Qara-Čāi fließt aus der Region östlich von Hamadān in westlicher Richtung südlich an Sāva (Sāveh) und nördlich an Qum vorbei, ehe er vereinigt mit dem Qum-Fluss in den großen Salzsee (daryāča-ye namak) der Kavīr-e Masīle sickert. Besagte Brücke hatte wohl 70 Bögen; noch heute gibt es beim Dorf Sorḫ-Deh am Südufer des Qara-Čāi (ca. 13 km von Sāva entfernt) zwei alte Brückenbauten. Der Emir Anūš-Tegin Šīrgīr war von 1110/1111 bis 1118/1119 der erste Atabeg des Prinzen Toġrı̊ l b. Muḥammad und als solcher Herr über Sāva, Āva (Āveh), Zanǧān und Abhar gewesen. 622 Sibṭ Ibn al-Ǧauzī, Mirʾāt, ed. al-Ġāmidī, S. 676; gut möglich, dass wir es hier mit einer literarischen Ausschmückung zu tun haben. 623 Sibṭ Ibn al-Ǧauzī über die Elefanten: wa-ʿalaihā ‫[ البركسطونات‬Fußnote mit mehreren Varianten] wa-fīhā al-marāyā al-lāmiʿa wa-ʿalaihā al-muqātila. Das Wort, welches al-Ġāmidī (und zunächst auch mir) Schwierigkeiten bereitete, kommt aus dem Persischen, wo es bargust(u)vān lautet (s. Assadullah Souren Melikian-Chirvani, EIr-Artikel „Bargostvān“). Es steht für eine Art Tierharnisch (im Englischen: caparison) oder geschmückte Schabracke, die im Falle von Elefanten in der Tat mit spiegelnden Halbkugeln besetzt sein kann; derartige Kopfteile sind in Indien als nettipattam bekannt). Ich danke Cornelius Berthold, der mir hierzu einen entscheidenden Hinweis gab.

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Das Teilreich der Irak-Selǧuqen

prägen ließ (Abb. 3). Die Nachricht von seinem Triumph bei Sāva624 erreichte binnen zehn Tagen Bagdad mit der Folge, dass der Mazyadide Dubais – um den es uns später noch gehen soll – al-Mustaršid empfahl, nun anstelle Maḥmūds dessen Onkel in ḫuṭba und sikka zu nennen. Dies wurde am 4. September 1119 realisiert.625 So wie Sibṭ Ibn al-Ǧauzī die Geschehnisse darstellt, hatte sich Sanǧar sogar schon 512 H. (wohl noch 1118) vom Kalifen mit einer kompletten Garnitur sultanischer Ehrengewänder (ḫilaʿ as-salṭana al-kāmila) auszeichnen lassen.626

Abb. 3  513 H. zu Hamadān geschlagener Dinar, auf dem (abgesehen vom Kalifen) allein as-sulṭān al-muʿaẓẓam Muʿizz ad-Dunyā wa-’d-Dīn Sanǧar genannt ist (FINT FC1 D6).

Obschon die Machtprobe mit seinem Neffen gewonnen war, hatte der Selǧuqensenior zu hohe Verluste erlitten, als dass es klug gewesen wäre, dem Gegner nach Iṣfahān zu folgen und sich gleich in die nächste Schlacht zu stürzen. Er schlug Maḥmūd daher vor, Frieden zu schließen, und wieder ist es eine Frau, deren Rolle an dieser Stelle Be-

624 Für einige panegyrische Verse zum Sieg (in denen die Elefanten ein zentrales Thema sind) s. Muʿizzī, Dīvān, S. 198–202, 557, 484 f. (dazu auch Tetley, Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 183 ff.). 625 Die auch von Muʿizzī (Dīvān, S. 201, 485) erwähnte Anerkennung durch das Kalifat belegen Bagdader Dinare des Jahres 513 H., auf denen außer al-Mustaršid und seinem designierten Thronfolger nur noch Sultan Muʿizz ad-Dunyā wa-’d-Dīn Sanǧar aufgeführt ist ( Jafar, Seljuq Period, S. 53, Typ S.MS.513C). 626 Sibṭ Ibn al-Ǧauzī, Mirʾāt, ed. al-Ġāmidī, S. 657, wo steht, dass Sanǧar gleich auf die Nachricht vom Tod seines Bruders hin einen Abgesandten mit Geschenken nach Bagdad geschickt habe und vom Kalifen auch als Herrscher über Ġazna und Transoxanien bestätigt worden sei. Wenn das stimmt, wäre es wohl so zu deuten, dass der ʿAbbāside die Uneinigkeit der Selǧuqen fördern wollte, indem er Sanǧar mit Maḥmūd auf eine Stufe stellte. Ferner wäre Springberg-Hinsens Aussage zu korrigieren, Sanǧar sei vom Kalifen 1119 anerkannt worden, „anscheinend ohne daß ihm eine H̬ ilʻa geschickt wurde“ (Ḫilʿa, S. 144). Womöglich erhielt Sanǧar ja bei dieser Gelegenheit den laqab Muʿīn Ḫalīfat Allāh.

Grundlagen: Großsultan und Juniorsultan

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achtung verdient: Sanǧars Mutter. Safariyya-Ḫatun, eine sogenannte umm walad627 mit dem laqab Tāǧ ad-Dunyā wa-’d-Dīn und dem (wahrscheinlich türkischen) Eigennamen *Bašūlī,628 war eine der einflussreichsten Frauen ihrer Zeit629 und gab ihrem Sohn folgenden Rat: „Du hast bereits Ġazna samt dazugehörigen Provinzen und Transoxanien erobert. Du brachtest Gebiete ohne Ende in deine Gewalt und ließest sie alle ihren [angestammten] Herren. So behandle deines Bruders Sohn wie einen von ihnen!“630

Was Letzteres im Einzelnen bedeuten sollte, werden wir gleich noch sehen; zunächst ist festzuhalten, dass Sanǧar auf die Matriarchin – bei der es sich ja um Maḥmūds Großmutter handelte – hörte. In Iṣfahān war man indes wenig bereit, den Sieg der

627 Der Begriff steht für eine Sklavin, die ihrem Herrn ein Kind gebar und infolgedessen Privilegien genoss, nicht mehr verkauft werden durfte und spätestens mit dem Tod ihres Besitzers freikam. ­Safariyya war eine Konkubine (ḥaẓīya) Malik-Šāhs und Türkin (Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 210). In den Salǧūq-nāma-Adaptionen bei Rašīd ad-Dīn (Ǧāmiʿ – Selǧuqen, S. 38) und Qāšānī (Zubda – Selǧuqen, S. 34) ist sie eine ǧāriya-zāda, was bedeuten würde, dass schon ihre Mutter eine Sklavin war. Ibn al-Ǧauzī (al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 199) weiß allerdings folgendes zu berichten: Als sie mächtig geworden war, ließ Sanǧars Mutter solange nach ihren Eltern und Geschwistern suchen, bis man diese ausfindig machte, und bezahlte viel Geld, damit man die Familie (offenbar von weit her, vielleicht aus transoxanischen Nomadengebieten) zu ihr brachte. So kam es, dass sie ihre Mutter nach 40 Jahren der Trennung (!) erstmals wiedersah. Um zu testen, ob die alte Frau sie nach all der Zeit noch erkannte, umgab sich Safariyya anfangs mit ihr ähnlich sehenden Dienerinnen. Das Ergebnis war, dass der Mutter die Stimme ihrer Tochter reichte, um gezielt auf diese zuzustürzen; interessant ist, dass sie anschließend zum Islam konvertierte. 628 Sie war also nicht einfach nur als Safariyya-Ḫatun bekannt, wie Hanne („Women“, S. 104 f.) schreibt. Der bemerkenswerte laqab findet sich bei Muʿizzī – welcher der Sultansmutter neun Gedichte widmete (Tetley, Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 188) –, der für mich nicht deutbare Name ‫ بشولى‬in den Salǧūq-nāma-Adaptionen bei Rašīd ad-Dīn (Ǧāmiʿ – Selǧuqen, S. 38) und Qāšānī (Zubda – Selǧuqen, S. 34). Im Übrigen ist Ṣafariyya mit ṣād (so bei Hanne und Tetley) falsch. 629 S. zu ihr am besten Tetley, Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 181, 188–190; was Dabashi (Truth and Narrative, S. 78 und 105, Anm. 50) über sie schreibt, ist u. a. deshalb falsch, weil er jene Angaben, die Mustaufī in seiner Tārīḫ-i guzīda zu Malik-Šāhs Hauptfrau Terken-Ḫatun macht, irrigerweise als auf Sanǧars Mutter bezogen verstand. Safariyya hatte eigene ġilmān (s. o., S. 62) sowie einen kadḫudā (va nāʾib-i ḥaram-sarā; Munšī Kirmānī, Nasāʾim, S. 60), welchen Ḫvāndamīr als ṣāḥib ihres dīvāns bezeichnet (Dastūr al-wuzarāʾ, S. 190) und der 1121 Sanǧars Wesir wurde: ­Šaraf ad-Dīn Abū Ṭāhir Saʿd b. ʿAlī al-Qummī. Sie war eine fromme Bauherrin und vor allem berühmt, weil gleich zwei ihrer Söhne große Monarchen wurden: Muḥammad Tapar und Sanǧar. Ein dritter Sohn starb im Kindesalter; Šāh-Ḫatun Ṣafiyya (s. o., S. 79) war wohl ebenfalls Safariyyas Tochter. Sanǧars Mutter verstarb nach Bundārī (Zubda, S. 273 f.) im Šauwāl 517 H. (1123) in Marv, wohingegen Ibn al-Ǧauzī (al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 192, 199), Sibṭ Ibn al-Ǧauzī (Mirʾāt, ed. al-Ġāmidī, S. 728 f.) und Ibn al-Aṯīr (al-Kāmil, Bd. IX, S. 210) als Todesjahr 515 H. (1121/1122) angeben. In Bagdad ließ Maḥmūd II. für seine Großmutter eine Trauerfeier veranstalten, wie es sie bis dahin noch nicht gegeben hatte. 630 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 184: qad istaulaita ʿalā Ġazna wa-aʿmālihī wa-Mā warāʾa ’n-nahr wa-malakta mā lā ḥadd ʿalaihi wa-qarrarta ’l-ǧamīʿ ʿalā aṣḥābihī fa-’ǧʿal walad aḫīka ka-aḥadihim.

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Das Teilreich der Irak-Selǧuqen

Ḫurāsāner zu akzeptieren; viele plädierten für einen erneuten Waffengang.631 Die For-

derung, sich für einen Friedensschluss erst wieder in den Osten zurückzuziehen, lehnte Sanǧar – von Hamadān nach Karaǧ vorrückend – ab, doch stellte er in Aussicht, seinen Neffen zum Thronfolger (valī-ʿahd) zu bestimmen.632 Dass schließlich ein Übereinkommen erzielt wurde, ist (abhängig von der Quelle) entweder Maḥmūds neuem Wesir as-Sumairamī geschuldet, welcher den Teenager-Sultan von einer Aussöhnung mit dem väterlichen Verwandten überzeugte und sich als Mittler anbot,633 oder aber ad-Darguzīnī, den der amīr-i bār ʿAlī b. ʿUmar beauftragte, für Maḥmūd um Nachsicht zu bitten.634 Einer von beiden reiste im Herbst 1119 zu Sanǧar nach Rayy und handelte das Protokoll für ein politisches Großereignis aus, bei dem es um eine demonstrative Klarstellung der Machtverhältnisse ging und auf jede Feinheit ankam:635 – Maḥmūd musste persönlich zu seinem Onkel nach Rayy kommen und einen Monat (Bundārī: 20 Tage) lang bei ihm bleiben. – Während dieser Zeit sollte er von der für Sultane üblichen roten nauba (Zeremonial-Fanfare) absehen und (stattdessen nur) zum Klang der schwarzen und weißen nauba absitzen – beziehungsweise beim Auf- und Absitzen keine türkischen Trompeten erschallen lassen – und außerdem auf das fünffache nauba-Schlagen verzichten.636

631 Rašīd ad-Dīn, Ǧāmiʿ – Selǧuqen, S. 57. 632 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 185; zur Lage von Karaǧ: Luther, „The Site of Karaj“. 633 Bundārī, Zubda, S. 127 f.; Ḥusainī, Aḫbār, S. 88 f.; Munšī Kirmānī, Nasāʾim, S. 73. Niẓām ad-Dīn Kamāl al-Mulk Abū ’l-Ḥasan/Abū Ṭālib ʿAlī b. Aḥmad as-Sumairamī, der das Wesirsamt 1119–1122 bekleidete, sprach zu Maḥmūd: „Dieser [Mann, d. h. Sanǧar] ist dein Onkel, dir gegenüber [quasi] in der Position eines Vaters und der Senior [innerhalb] der [selǧuqischen] Familie. Es ist ratsam, sich mit ihm zu einigen. Ich will an deiner Stelle zu ihm gehen und euer beider Verhältnis in Ordnung bringen.“ (hāḏā ʿammuka wa-huwa fī maqām wālidika wa-’l-kabīr [fī] ’l-bait wa-’r-raʾy ­muwāfaqatuhū wa-anā asīru ilaihi ʿanka wa-uṣallihu ’l-ḥāl bainakumā). 634 Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 55; in Qāšānīs Version (Zubda – Selǧuqen, S. 44 f.) sagt Darguzīnī gegenüber Sanǧar bezüglich Maḥmūds Vorgehen: „Dieses Verhalten war ungebührlich, es rührte von seiner Kindlichkeit her.“ (īn ḥarakat nā-pasandīda būd va az sar-i kūdakī raft). Bundārī (s. o.) zufolge lieferten sich Darguzīnī und Sumairamī eine Art Wettlauf. Auf ḫurāsānischer Seite führte wohl Sanǧars Wesir Šihāb al-Islām Abū ’l-Maḥāsin ʿAbd ar-Razzāq b. ʿAbd Allah (1118–1121 im Amt) die Verhandlungen (Tetley, Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 185). 635 Die folgenden Punkte nach: Ḥusainī, Aḫbār, S. 89; Bundārī, Zubda, S. 128 f.; Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 55. Zur Bedeutung solcher „öffentlichen Inszenierungen, die durch eine Vielzahl von symbolischen, rituellen und zeremoniellen Formen für alle Beteiligten das Ganze der politisch-sozialen Ordnung evozierten: Stollberg-Rilinger, „Die zeremonielle Inszenierung“, S. 238 ff. 636 Als Teil des Hofzeremoniells wurde die nauba (s. Henry George Farmer, EI2-Art. „Ṭabl-K̲ h̲ āna“; Ann Katharine Swynford Lambton, EI2-Art. „Naḳḳāra-K̲ h̲ āna“) zu bestimmten Zeiten und Anlässen von einer Militärkapelle insbesondere auf Trommeln (ṭabl, naqqāra) und Trompeten (būq) gespielt. Sie war ein bedeutendes, begehrtes Herrscherrecht und Herrschaftszeichen. Während Kalifen (anfangs nur diese), Großkönige und Sultane das Privileg besaßen, zu allen fünf Gebetszeiten spielen zu lassen (fünffache nauba), war untergeordneten Machthabern (zur Zeit der Selǧuqen: mulūk) meist nur eine dreifache nauba erlaubt. Welche Bedeutung die erwähnten Farben haben, ist allerdings unklar; s. dazu Hillenbrand, „Aspects of the Court“, S. 30 f.

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– Maḥmūd hatte weiterhin den Boden vor Sanǧar zu küssen (Proskynese) und auf dem Weg vom großen Audienzzelt (bārgāh)637 zum surādiq638 nicht von dessen Steigbügel zu weichen – neben dem er zu Fuß ging, während sein Onkel ritt. – Er durfte in Rayy keinen sarāparda aus rotem Ǧahrumī-Stoff errichten639 und sich von seinem Onkel auch nicht dadurch absondern, dass er in einem separaten Quartier (wiṭāq)640 wohnte anstatt unmittelbar neben Sanǧars persönlichem Zelt (bei dessen Kindern und Frauen). Kurzum: Maḥmūd II. musste sich öffentlich unterwerfen, musste von seinem Anspruch auf das Sultanat ablassen641 – und tat es auch. Von Sumairamī genau instruiert erkannte er Sanǧar im November/Dezember 1119 programmgemäß als Dynastie- und Reichsoberhaupt an und trat in dessen ḫidma („auf dessen Teppich“). Dass kein zweiter sarāparda errichtet wurde – Maḥmūd logierte bei seiner Großmutter642 – war dabei ein Zeichen für die bewahrte Einheit des großselǧuqischen Imperiums. Sibṭ Ibn al-Ǧauzī zufolge schloss Sanǧar seinen Neffen in die Arme, küsste ihn zwischen die Augen und gab im sogar eigenhändig von seinem Essen – „eine Sitte der Türken, um die Aufrichtigkeit einer Freundschaft sowie die Behebung einer Entfremdung auszudrücken“.643 Im Gegenzug für seinen Canossagang wurde Maḥmūd unter Übergabe reicher Präsente (Ehrengewänder, Pferde, Elefanten, …)644 offiziell als Vasallenherrscher der

637 S. Durand-Guédy, „Tents“, S. 164–166. 638 S. zu diesem Begriff (Synonym: sarāparda) die folgende Anm.; gemeint ist Sanǧars surādiq. 639 Er durfte überhaupt keinen eigenen sarāparda haben. Das Wort – zu dem surādiq synonym ist – steht nicht einfach für eine Art großes Zelt, sondern vielmehr für die spezielle Einhegung aus Stoffbahnen, welche ein (d. h. wohl v. a. das royale) Zeltareal umgab und nach außen hin abgrenzte ( Junker/Alavi: „Zeltlagereinfassung“); s. dazu Durand-Guédy, „Tents“, S. 159–163. Innerhalb einer solchen Einhegung wurden im Übrigen offenbar auch Münzen geprägt, d. h. eine Heeresmünzstätte befand sich ggf. auf dem surādiq-Areal, also ganz nahe beim Herrscher (s. Ramadan, SNAT XIV a, S. 46 f., Nr. 410). Auch Ibn al-ʿImrānī führt rote maḍārib (neben schwarzen Bannern) als etwas auf, mit dem sich der Sultan vom Militär abhob (al-Inbāʾ, S. 211). Der Ǧahrumī-Vorhangstoff ist nach seinem Herkunftsort Ǧahrum in Zentral-Fārs benannt. 640 Das Wort wiṭāq scheint vom arabischen wiṯāq abgeleitet zu sein. 641 Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 55: ānči šiʿār va āyīn-i salṭanat ast biguẕārad. S. dazu a. Tetley, Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 184. 642 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 185. 643 Mirʾāt, ed. al-Ġāmidī, S. 677: […] nāwalahū Sanǧar bi-yadihī min ṭaʿām aklihī wa-hiya ʿādat atTurk fī ṣafāʾ al-mawadda wa-izālat al-waḥša. Sibṭ Ibn al-Ǧauzī (op. cit., S. 678) berichtet auch noch, dass Maḥmūd seinem Onkel, als dieser schließlich nach Ḫurāsān zurückkehrte, ein Abschiedsgeleit über mehrere farsaḫ gab (šayyaʿahū farāsiḫ) – wer jemanden ab wo (Empfang) oder bis wo (Abschied) geleitete, zeigte, protokollarisch genau geregelt, ebenfalls dessen Platz in der Herrschaftshierarchie an. 644 Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 56; Sibṭ Ibn al-Ǧauzī, Mirʾāt, ed. al-Ġāmidī, S. 677 (wo neben ḫilaʿ­ as-salṭana ein mit Juwelen besetzter Sattel im Wert von 20 000 Dinar erwähnt ist). Umgekehrt beschenkte auch Maḥmūd seinen Onkel, doch nahm Sanǧar die reichen Präsente nur öffentlich an, um sie dann hinter den Kulissen fast gänzlich zurückzugeben; alles, was er behielt, waren fünf Araberpferde (Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 185).

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Das Teilreich der Irak-Selǧuqen

westlichen Reichshälfte eingesetzt und durfte sogar den Titel as-sulṭān al-muʿaẓẓam behalten.645 Damit trotzdem außer Zweifel stand, welcher von beiden Selǧuqensultanen des anderen Oberherr war, nahm Sanǧar nun den Titel as-sulṭān al-aʿẓam an.646 Davon abgesehen musste Maḥmūd den „Sultan der Sultane“ natürlich überall in ḫuṭba und sikka nennen und seinen primären laqab umgehend in Muġīṯ ad-Dunyā wa’d-Dīn ändern – hatte er doch, wie Münzen der Jahre 512 und 513 H. (aus Bagdad, der Ǧibāl-Provinz, Fārs und Ḫūzistān) zeigen, zunächst denselben, prestigeträchtigen Ehrennamen geführt, auf den auch Sanǧars Wahl gefallen war, nämlich Muʿizz ad-Dunyā wa-’d-Dīn.647

645 S. hierzu a. Ibn al-ʿImrānī, al-Inbāʾ, S. 211; Maḥmūd erhielt die Privilegien eines Sultans zurück. 646 Hierzu sei angemerkt, dass der neue Titel nur im (Kontext des) westlichen Subsultanats obligatorisch war (v. a. in ḫuṭba und sikka). Dort, wo es unter Sanǧar keinen zweiten Selǧuqensultan gab (etwa in Ḫurāsān), war die Form auf al-aʿẓam optional und neben jener auf al-muʿaẓẓam in Gebrauch; die Standard-Titulatur, wie sie sich auch in der Ribāṭ-i-Šaraf-Inschrift von 1154/1155 (!) findet, beginnt mit as-sulṭān al-muʿaẓẓam šāhānšāh al-aʿẓam. 647 Dies ist unzweifelhaft und nicht etwa, wie Younis („Dinars of Isfahān AH 512“, S. 138 ff.) meint, „unlikely“. Zu Beginn seiner Herrschaft erkannte Maḥmūd Sanǧar auf keiner seiner Prägungen an. Für Bagdad s. Jafar, Seljuq Period, S. 52 f., Nr. S.MS.512A–S.MS.513B. Younis kennt drei Dinare vom selben Typ („special issue“), welche 512 H. in Iṣfahān geschlagen wurden: einen im British Museum (Lane Poole, Catalogue, Bd. III, S. 41, Nr. 78), einen in der Tübinger Sammlung (FINT 2001-13-96) und ANS 1965.159.9. Im Handel (Morton & Eden, Auktion 82, Los 40) tauchte zuletzt (Okt. 2016) ein ebenfalls 512 H. in Iṣfahān geprägtes Stück auf, dessen Rev. das des „special issue“ ist, während auf dem Av. einzig al-Mustaršid genannt wird (also gar kein Selǧuqe; über der šahāda steht wohl fatḥ). ANS 1965.159.8 wurde 512 oder schon 511 H. (Kalif ist noch al-Mustaẓhir) in Iṣfahān geprägt („standard issue“), das gleiche gilt für: Lane Poole, Catalogue, Bd. III, S. 40 f., Nr. 77; s. zudem Hennequin, Catalogue, S. 130, Typ CXLIII/Nr. 190 (Mzst. unklar). ANS 1922.211.121, ebenfalls aus Iṣfahān, muss m. E. 512 oder – wie FINT FB9 D2 (gleiche Mzst.) – 513 H. geschlagen worden sein (nicht 517 H., wie in der MANTIS-Datenbank angegeben). ANS 1965.270.15: Dārābǧird (auf der Münze: Dārāfǧird), 512 H. FINT 1994-39-1 entstand 512 H. in einer Heeresmünzstätte (bi-’l-Muʿaskar) und trägt den Namen des Atabeg-Emirs Lačin (s. u., S. 146, Anm. 703). Letzterer ist auch auf ANS 1985.116.3 aus Hamadān genannt; das ins Jahr 512 H. datierende Stück ist deshalb besonders, weil (einzig) hierauf noch Maḥmūd den Titel as-sulṭān al-aʿẓam trägt. Die folgenden Dinare sind in der MANTIS-Datenbank fälschlich Sultan Muḥammad I. und der Mzst. Tunis (!) zugeordnet, wurden aber – ebenso wie FINT FB9 B6 – alle 512 H. unter Maḥmūd in al-Ahwāz geprägt: ANS 1965.270.17, ANS 1965.159.4, ANS 1965.159.5, ANS 1972.288.82. Tustar, 512 H. (Kalif ist noch al-Mustaẓhir): Wilkes & Curtis, Auktion 5 (Apr. 2015), Los 217. Den laqab Muʿizz adDīn trägt Maḥmūd übrigens schon auf einem 510 H., also noch zu Lebzeiten Muḥammads I., in Hamadān geschlagenen Dinar (FINT 1992-2-50), wobei er, der malik, als designierter Thronerbe aufgeführt ist (s. Ibn al-ʿImrānī, al-Inbāʾ, S. 208! Maḥmūd wurde seit 508 H. in ḫuṭba und sikka genannt).

Grundlagen: Großsultan und Juniorsultan

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Schaubild 1  Die Verschiebung des imperialen Schwerpunktes nach Sanǧars Sieg über Maḥmūd II.

Wiewohl die Begründung des westlichen Subsultanats also keine Reichsteilung bedeutete – das Gegenteil war der Fall –, kam es mit Sanǧars Erhebung648 Ende 1119 zu einer dauerhaften Verschiebung des imperialen Schwerpunktes: Nachdem der oberste Selǧuqenherrscher bislang stets im Irak residiert und Ḫurāsān von einem abhängigen Vizekönig regieren lassen hatte, war es nunmehr genau andersherum!649 Wichtig ist zudem, dass Sanǧar den Juniorsultan, wie abgemacht und über das Jahr 513 H. in der sikka angezeigt,650 zum walī ʿahd al-muslimīn erklärte, womit Muġīṯ ad-Dunyā wa-’d-Dīn Abū ’l-Qāsim Maḥmūd dazu bestimmt war, seinem Onkel bei dessen Tod als as-sulṭān alaʿẓam nachzufolgen (wozu es allerdings nie kommen sollte).651 Sanǧar selbst hatte ja keinen Sohn,652 dafür aber mehrere Töchter. Eine davon, Mahi-Mulk-Ḫatun, bekam Maḥmūd (anno 1120? in Ḫurāsān oder wieder zurück von dort?) zur Frau;653 anscheinend waren sich beide noch zu Lebzeiten Sultan Muḥammads

648 Wie bedeutend Sanǧars Statusveränderung war, betont auch Tetley, Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 179. 649 Ḥusainī, Aḫbār, S. 83, 98. 650 Dies gilt allerdings nur für das Territorium des irakischen Subsultanats, d. h. für Münzstätten der Ǧibāl (FINT 2008-12-57, FB9C3) sowie für Bagdad ( Jafar, Seljuq Period, S. 54, Nr. S.MS.513E f.), nicht aber für Nīšāpūr (ANS 1965.94.1). 651 In der Form walī ’l-ʿahd fī ’l-ʿālamīn findet sich der Thronfolgertitel für Maḥmūd sogar im Vorwort (S. 9) zum Muǧmal at-tawārīḫ; an gleicher Stelle wird auch die neue Großsultan-Juniorsultan-Ordnung berücksichtigt. 652 Genauer gesagt hatte er einen – Muʿizzī gratulierte zur Geburt des Jungen –, doch muss dieser als Kind verstorben sein (Tetley, Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 159). 653 Ibn al-ʿImrānī, al-Inbāʾ, S. 211; Rašīd ad-Dīn, Ǧāmiʿ – Selǧuqen, S. 73 (Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 70); Ǧaʿfarī, Tārīḫ-i Yazd, S. 37. Der Name der Prinzessin wird unterschiedlich wiedergegeben (Mahmulk, Mahmalak, Mahmalik, …). Dass sich Maḥmūd, nicht zuletzt für die Hochzeit, 513 H. „zu Sanǧar nach Ḫurāsān begab“, sagt Ibn al-Qalānisī (Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 202), wobei er allerdings eher von beider Treffen in Rayy zu sprechen scheint. Andererseits gibt es auch Muʿizzī-Verse,

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Das Teilreich der Irak-Selǧuqen

versprochen worden.654 Die überreiche Aussteuer, welche zusammen mit der in einer Prunksänfte reisenden Selǧuqin auf dem Rücken mehrerer Elefanten von Ḫurāsān in den Irak getragen wurde, sollte später noch Anlass für Spannungen zwischen Sanǧar und Maḥmūd geben. Als Mah-i-Mulk bereits im Frühjahr 516 H. (1122) mit nur 17 Jahren in Hamadān verstarb,655 ließ ihr untröstlicher Vater den betagten Dichter ʿAmʿaq Buḫārī eine Elegie (marṯiya) verfassen.656 Wie wichtig Sanǧar eine Heiratsverbindung mit seinem Neffen war, zeigt sich daran, dass er bald für Ersatz sorgte und dem Juniorsultan eine weitere Tochter zur Frau gab, nämlich Amīr-Sittī-Ḫatun.657 Die Hochzeitsorganisation oblag offenbar Abū ’l-Qāsim Darguzīnī,658 welcher die auch mahd-i maimūn genannte Prinzessin im Jahre 518 H. (1124) vom väterlichen Hof nach Hamadān überführte und (wohl als kadḫudā) in ihren Dienst trat.659 Noch im selben Jahr wurde Darguzīnī zu Maḥmūds Wesir ernannt, nachdem der Juniorsultan seinen alten Wesir auf Sanǧars Wunsch hin (!) abgesetzt hatte (s. u.). Auch Amīr-Sittī-Ḫatun war kein langes Leben vergönnt; sie starb 524 H. (1129/ 1130).660 Ihr Vater verlangte daraufhin beider Königinnen Mitgift – die Kostbarkeiten der Mah-i-Mulk waren direkt an ihre Schwester übergegangen – zurück, was bei Maḥmūd jedoch auf Ablehnung stieß und ihn Darguzīnīs Rat befolgen ließ, seinen um das geforderte Erbe wissenden mustaufī (Finanzrat) zu beseitigen (525 H.).661 Abgesehen von den „Preziosen und Raritäten, wie sie in den Schatzkammern von Königen

aus denen Tetley die Information zog, dass Maḥmūd in Verbindung mit seiner Proklamation zum valī-ʿahd sowie der Heirat persönlich nach Ḫurāsān reiste (Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 186 f.). 654 Ibn al-ʿImrānī (al-Inbāʾ, S. 208) zufolge reiste Muḥammad nach Ḫurāsān, um für seinen Sohn Maḥmūd um die Hand von Sanǧars Tochter anzuhalten, woraufhin das Mädchen in Begleitung von Sanǧars Mutter nach Iṣfahān kam. Hinweise hierauf finden sich auch bei Muʿizzī (s. Tetley, Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 186) und Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 182. 655 Muǧmal at-tawārīḫ, S. 415; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 218; Rašīd ad-Dīn, Ǧāmiʿ – Selǧuqen, S. 73. 656 Daulat-Šāh, Taḏkirat aš-šuʿarāʾ, S. 64 f. Meist wird angenommen, ʿAmʿaq habe das Klagegedicht anlässlich des Todes jener Sanǧar-Tochter verfasst, die 524 H. (1129/1130) starb, s. etwa De Blois, Persian Literature, Bd. V, S. 219; J. Matīnī, EIr-Artikel „ʿAmʿaq Boḵarāʾī“; Nasim, Anwari, S. 203. Daulat-Šāh spricht jedoch explizit von Mah-i-Mulk (außerdem stellt sich die Frage nach Amʿaqs Alter). 657 Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 70; Šabānkāraʾī, Maǧmaʿ, Bd. II, S. 113. Nach Munšī Kirmānī war AmīrSittī-Ḫatun Maḥmūds erste Frau und Mah-i-Mulk die zweite (Nasāʾim, S. 73). 658 S. zu den Muʿizzī-Versen, aus denen dies hervorgeht, Tetley, Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 186 f. Anders als ich denkt Tetley, dass sich diese Verse – obwohl Darguzīnī als Wesir angesprochen wird – nicht auf Maḥmūds zweite Hochzeit beziehen, sondern auf die erste. 659 Muǧmal at-tawārīḫ, S. 415; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 248. Eqbāl (Vezārat, S. 267) verwechselt Amīr-Sittī-Ḫatun hier mit ihrer verstorbenen Schwester. 660 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 256 (auf S. 249 klingt es eher so, als wäre sie noch 523 H. gestorben). 661 Bundārī, Zubda, S. 152 f.; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, Bd. I, S. 189 (ʿAzīz ad-Dīn al-Mustaufī – ein Feind Darguzīnīs …). Maḥmūd II. hatte massive Finanzprobleme und nicht wenige Schätze der Mah-iMulk waren im Aug. 1121 einem Brand im Bagdader Sultanspalast zum Opfer gefallen (Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 211).

Grundlagen: Großsultan und Juniorsultan

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[sonst] nicht zu finden sind“,662 soll jede der zwei Sanǧar-Töchter ihrem Mann einen Sohn hinterlassen haben.663 Sicher ist, dass Amīr-Sittī-Ḫatun Maḥmūd eine Tochter namens Gauhar-i Nasab gebar,664 von deren Stiftungstätigkeit noch heute ein Koran aus dem Jahre 540 H. (1145) im Museum des Imam-Reżā-Schreins (Mašhad) zeugt.665 Dass es infolge von Sanǧars Erhöhung und Maḥmūds Unterwerfung (nicht aber, wie eigentlich angebracht, Degradierung zum malik) ab 1119 ordnungsgemäß und dauerhaft zwei Selǧuqensultane gab, war, wie gesagt, neu. Allerdings wurde wohl schon einmal ganz kurz mit einem Doppel-Sultanat innerhalb eines politischen Systems experimentiert und dabei zum Teil sogar mit demselben Titelvariantenpaar gearbeitet, dessen sich später Sanǧar und Maḥmūd (und danach noch weitere Herrscher in ähnlicher Relation) bedienten. Auf dem ersten Dinartyp, der dies belegt, ist sowohl assulṭān al-muʿaẓẓam Nāṣir ad-Dunyā wa-’d-Dīn Maḥmūd b. Malik-Šāh (Av.) genannt als auch as-sulṭān al-aʿẓam (!) Muḥyī ’d-Dunyā wa-’d-Dīn Ismāʿīl b. Alp-Sonqur-Beg (Rev.; nicht etwa: b. ʿAlī Sonqur-Beg!).666 Geprägt wurden solche (sehr seltenen) Münzen in Iṣfahān anno 486 H. (1093), also zu Beginn des Bürgerkriegs nach ­Malik-Šāhs Tod. Terken-Ḫatun, die mächtige Hauptgemahlin Malik-Šāhs, warb damals um Unterstützung für ihren minderjährigen Sohn Maḥmūd I. (reg. 1092–1094) und gegen dessen Halbbruder Berkyaruq. Einer, den sie gewinnen konnte (und heiratete), war der malik von Aserbaidschan Ismāʿīl b. Yāqūtī b. Čaġrı̊ -Beg Dāwūd, welcher neben Sultan Maḥmūd offenbar noch genügend Platz für sich selbst als Seniorsultan sah.667 Kurz bevor Terken-Ḫatuns Sohn verstarb, wurden in Iṣfahān und Šīrāz des Weiteren Münzen geschlagen, auf denen Maḥmūd gemeinsam mit Berkyaruq genannt ist. Im Fall der Prägungen aus der Reichshauptstadt ist es dabei so, dass beide Selǧuqen unterschiedslos den normalen Titel as-sulṭān al-muʿaẓẓam tragen (Biarchie),668 während auf dem

662 Ibn Ḫallikān (Wafayāt, Bd. I, S. 189) über die Ausstattung (ǧihāz): anwāʿ at-tuḥaf wa-’l-ġarāʾib ­allatī lā tūǧadu fī ḫazāʾin al-mulūk. 663 Mustaufī, Tārīḫ-i guzīda, S. 454; Mīrḫvānd, Raużat aṣ-ṣafāʾ – Selǧuqen, S. 194. 664 Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 70; Ibn al-Azraq, Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 200. 665 1153, als Malik-Šāh III. durch Muḥammad II. als Sultan ersetzt und nach Ḫūzistān geflohen war, versuchte ihm seine Schwester Gauhar-i Nasab aus Iṣfahān Geld zu bringen, wurde aber auf Befehl Muḥammads gestoppt (Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 88). Ibn al-Azraq gibt an, dass Gauhar-i Nasab bis ca. 557 H. (ca. 1162) lebte (Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 200). 666 Hanne („Death on the Tigris“, S. 152, 164–166; Putting the Caliph in His Place, S. 132) – der statt Alp falsch ʿAlī liest – kennt nur das Exemplar im Archäologischen Museum Istanbul (Artuk/Artuk, İslâmî Sikkeler Kataloğu, Bd. I, S. 345, Nr. 1050 + Abb. auf Tafel XLII), doch gibt es noch ein zweites (vom selben Rev.-Stempel) in der ANS-Sammlung (1922.211.119). Oben im Rev.-Feld findet sich der Name Il-Arslan (bei Artuk/Artuk falsch: Alp-Arslan), wobei offen ist, ob dieser Ismāʿīl gehört oder irgendeinem Emir. 667 Ismāʿīl, ein Cousin Malik-Šāhs I., wurde schon kurz darauf (Aug./Sept. 1093) ermordet, s. Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. VIII, S. 489 f. Dass sein Vater Yāqūtī als Alp-Sonqur-Beg bekannt war, verrät uns einzig besagter Dinartyp. Zudem änderte Ismāʿīl seinen laqab Quṭb ad-Daula offenbar mit Erlangung des Sultanats in Muḥyī ’d-Dunyā wa-’d-Dīn. 668 Chodžanijazov, Katalog, S. 65 f., Nr. 232–234 (486 und 487 H. = 1094); ANS 1922.211.120 (486 H.);

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Das Teilreich der Irak-Selǧuqen

Dinar aus Fārs Berkyaruq, genau wie zuvor sein Onkel Ismāʿīl, den Rang des „allergrößten“ Sultans einnimmt.669 Was die Rivalen Berkyaruq und Muḥammad Tapar im Jahre 1104 vereinbarten, war hingegen eine komplette Reichsteilung: Es sollte fortan zwei voneinander unabhängige Sultane mit getrennten Herrschaftsgebieten geben.670 Als Vasallensultan des Westens blieb Maḥmūd II. wohlgemerkt selbst Herr über untergeordnete Fürsten und eine ganze Reihe von Ländern, weshalb sich von einem Reich im Reiche sprechen lässt.671 Dies macht das irakische Subsultanat – ganz wie von Safariyya-Ḫatun angedacht (s. o.) – dem Qaraḫaniden- und Ġaznavidenreich vergleichbar: Alle drei bildeten Teilreiche innerhalb des Sanǧar-Imperiums. Muʿizzī griff also nicht zufällig drei Gebiete heraus, als er an Sanǧar adressiert dichtete: „Drei Ḫusrauen sind’s, in Irak, Indien und Turkestan, welche damit beschenkt, dass sie Stützung von dir erfahr’n.“672 Zu den Ländern, welche das westliche Subsultanat umfasste, gehören außer dem persischen Irak (ʿIrāq al-ʿAǧam), also der Ǧibāl-Provinz mit den Hauptstädten Iṣfahān und Hamadān, (das historische) Aserbaidschan, die transkaukasischen Provinzen Širvān, Arrān und Armenien, die Ǧazīra (Nordmesopotamien), Großsyrien und der arabische Irak (ʿIrāq al-ʿArab) sowie Ḫūzistān und Fārs.673 Bevor es in den nächsten Kapiteln darum gehen soll, welchen Einfluss nun Sanǧar mit Erlangung der Oberhoheit über all diese Gebiete auf deren Regierung hatte, ist es sinnvoll, sich zunächst auf das Verhältnis zwischen ihm, dem „allergrößten“ Sultan, und seinem Juniorpartner, dem irakischen Sultan, zu konzentrieren und dabei die Entwicklung dieser Beziehung bis zu ihrem Ende im Jahre 1157 zu verfolgen. Die politische Ordnung, welche 1119 festgelegt wurde, sollte nämlich weit über Maḥmūds Tod hinaus Bestand haben; auch seine Nachfolger Dāwūd b. Maḥmūd, Toġrı̊ l (II.) b. Muḥammad, Masʿūd b. Muḥammad, Malik-Šāh (III.) b. Maḥmūd und Muḥammad (II.) b. Maḥmūd regierten die Westhälfte des Selǧuqenreiches als untergeordnete Herrscher mit dem Titel as-sulṭān al-muʿaẓẓam in Anerkennung der Suzeränität ihres Onkels beziehungsweise Großonkels (und zugleich Großvaters?), as-sulṭān al-aʿẓam Sanǧar.

in Kenntnis letzterer Münze: Hanne, „Death on the Tigris“, S. 152, 164; id., Putting the Caliph in His Place, S. 132; s. auch Agadshanow, Seldschukiden, S. 167. 669 FINT 1994-22-87 von 487 (oder doch 486?) H.; außer den beiden Sultanen ist noch der Emir-Gouverneur Quṭb ad-Dīn Qutluġ-Beg Öner genannt. 670 Bosworth, „Political and Dynastic History“, S. 111. 671 Der bloße Titel ist also nicht das einzige, was Maḥmūd und seine Nachfolger von einfachen mulūk abhob. Bosworths Einschätzung, Maḥmūd und seine Nachfolger hätten „with the title of sultans but in reality with the status of maliks“ regiert (EI2-Artikel „Sald̲ j̲ ūḳids“ – III. The various branches of the Sald̲ j̲ ūḳs – 1. The Great Sald̲ j̲ ūḳs of Persia and ʿIrāḳ), hat zwar ihre Berechtigung, doch war ein malik eben meist nur Herr über ein Land und hatte nicht noch mulūk unter sich. 672 Muʿizzī, Dīvān, S. 201: sih ḫusrau-and ba-Hind va ʿIrāq va Turkistān * ki az ʿaṭā-yi tū dārand har sih istiẓhār. 673 S. etwa Ibn al-Aṯīr, at-Taʾrīḫ al-bāhir, S. 21; zur Aufzählung der Länder merkt der Autor bemerkenswerterweise an, dass er selbst ein Diplom (von Sanǧar für Maḥmūd betreffs Übertragung all dieser Länder) gesehen habe (raʾaitu manšūrahū bi-ḏālik).

Von Maḥmūd II. zu Muḥammad II.

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IV.6.2 Von Maḥmūd II. zu Muḥammad II. Während seiner dreizehn Jahre auf dem Thron sah sich Maḥmūd II. fortlaufend mit Lokal- und Regionalfürsten konfrontiert, die sich ihm widersetzten und revoltierten. Zu den hartnäckigsten zählten sein jüngerer Bruder Toġrı̊ l674 und der Mazyadide Dubais b. Ṣadaqa, ein faszinierend umtriebiger Unruhestifter,675 welcher von al-Ḥilla aus Bagdad zu attackieren pflegte. Als sich beide 1125 zusammentaten und in die Gegend nördlich der Kalifenstadt einfielen, wurde ihr Angriff von al-Mustaršid – der zum Zwecke der Verteidigung gegen Dubais seit 1123 über eigene Truppen verfügte!676 – abgewehrt, woraufhin Toġrı̊ l und der Mazyadide nach Osten wichen. Verfolgt von Sultan Maḥmūds Heer fanden sie Schutz in Ḫurāsān und beschwerten sich beim Selǧuqenoberhaupt über den Kalifen sowie den irakischen šiḥna Saʿd ad-Daula Yarı̊ nQuš az-Zakawī (gest. 1145/1146), welcher gemeinsam mit al-Mustaršid gegen sie vorgerückt war.677 Maḥmūd zeigte sich indes erfreut und dankbar, dass der ʿAbbāside den zwei Rebellen Einhalt geboten hatte. Er begann sich mit dem Kalifen über ein engeres Zusammengehen zu verständigen, wobei wohl eine gemeinsame Kampagne gegen Sanǧar angedacht wurde. Es dauerte nicht lange, bis letzterer hiervon erfuhr und reagierte, indem er Maḥmūd 1126 einen aufschlussreichen Brief zukommen ließ. Darin bezeichnet er den Juniorsultan als seine rechte Hand, sagt, dass seine Haltung ihm gegenüber die eines Vaters sei (zumal er selbst ja keinen Sohn habe),678 und erinnert an sein großzügiges, gnädiges Verhalten nach der Auseinandersetzung im Sommer 1119. Zudem erklärt er, dass der Kalif entschlossen sei, sie beide zu hintergehen, sich am Ende also auch gegen Maḥmūd wenden werde, weshalb dieser ihm kein Vertrauen schenken dürfe. Im Anschluss drängt Sanǧar auf konkrete Maßnahmen: Maḥmūd soll mit seinen Soldaten Bagdad besetzen und des Kalifen Wesir Ǧalāl ad-Dīn Abū ʿAlī al-Ḥasan Ibn Ṣadaqa verhaften, alle Vorräte sowie die Reiseausrüstung al-Mustaršids beschlagnahmen, jene Kurden töten, die der ʿAbbāside in sein Heeresregister eingetragen hat, und deutlich machen, dass militärische Unternehmungen nicht Sache eines Kalifen sind.679

674 Toġrı̊ l b. Muḥammad (geb. 1109) war ab 1110/1111 malik eines Teilfürstentums um Sāva, Āva und Zanǧān, welches ihm Sanǧar 1119 bestätigte (s. u., S. 210, 296). Im Konflikt mit Sultan Maḥmūd hatte er sich jedoch nach Arrān zurückgezogen. 675 S. zu ihm unter IV.6.4.2., ab S. 199. 676 S. Hanne, Putting the Caliph in His Place, S. 153, 155. 677 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 228 f.; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 232 f.; Muǧmal at-­ tawārīḫ, S. 415. 678 Hanne verstand die Aussage so, dass Sanǧar den Kalifen (anders als Maḥmūd) nicht als Sohn betrachte (Putting the Caliph in His Place, S. 156 oder „Ritual and Reality“, S. 155). 679 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 231. S. zur Reiseausrüstung Qalqašandī, Ṣubḥ, Bd. II, S. 130–132.

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Das Teilreich der Irak-Selǧuqen

Etwa zur gleichen Zeit wandte sich besagter šiḥna Yarı̊ n-Quš mit der Warnung an Maḥmūd,680 dass al-Mustaršid mittlerweile nach Herrschaft (mulk) strebe, sultanischen Beamten den Zutritt zu Bagdad verwehre, in ernst zu nehmendem Maße an militärischer Stärke gewinne, und – alsbald bereit, sich unabhängig zu machen – mit potentiellen Verbündeten (darunter Kurden) korrespondiere.681 Dies und Sanǧars Appell ließen Maḥmūd handeln. Wie von seinem Onkel gewünscht, marschierte er im Winter 1126/1127 auf die „Stadt des Heils“ und bekämpfte al-Mustaršid solange, bis dieser einem Friedensschluss zustimmen musste und der Selǧuqe in die TigrisMe­tropole einziehen konnte. Unterworfen oder geschwächt wurde der ʿAbbāside allerdings nicht. Zwar erfolgte eine Übergabe von Geld, Waffen und Pferden, doch blieb Ibn Ṣadaqa (bis zu seinem Tod 1128) im Amt.682 D. Tor sieht den Kalifen sogar als Gewinner.683 In Ḫurāsān wurden Dubais – den Sanǧar zunächst inhaftiert hatte – und der malik Toġrı̊ l derweil nicht müde, das Selǧuqenoberhaupt von der Gefahr einer Verschwörung zwischen Maḥmūd und al-Mustaršid zu überzeugen; immerhin hatten sich die beiden gleich wieder versöhnt (ohne dass Sanǧars Vorgaben vollständig erfüllt worden waren). Beharrlich zu einem Feldzug aufgestachelt, kam der „Sultan der Sultane“ schließlich im Herbst 1128 erneut nach Rayy,684 um zu sehen, wie es nun wirklich um die Loyalität des irakischen Vasallensultans bestellt war. Er schickte nach Maḥmūd und anders als es ihn Dubais hatte argwöhnen lassen, eilte sein Neffe daraufhin umgehend von Hamadān nach Rayy, wo ihn Sanǧar ehrenvoll empfing, man die Verstimmung rasch ausräumte und im Übrigen so viele Sultane, mulūk und Wesire in einem Zelt vereint waren, wie es nur äußerst selten vorkam.685 Bevor er im Dezember zufrieden nach Ḫurāsān zurückkehrte, setzte der Selǧuqensenior wohlgemerkt durch, dass der „Problemfürst“ Dubais rehabilitiert und auch Abū ’l-Qāsim Darguzīnī wieder zum Chef der irakischen Zentralverwaltung ernannt wurde ( Januar 1129) – nachdem der Juniorsultan diesen im Sommer 1127 (wegen Parteinahme für den Kalifen während der

Nicht an Sanǧar, wie Hanne angibt (Putting the Caliph in His Place, S. 156). Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 229, 232; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 237. Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 237–239; Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 236, 241 ff. Tor, „Two Murders“, S. 283. Die Stadt Rayy gehörte damals nicht zum westlichen Subsultanat; Sanǧar hatte sie Maḥmūd 1119 zu seiner Verfügung entzogen, s. u., S. 295 ff. 685 Bundārī, Zubda, S. 154: „Zu den erstaunlichen Ereignissen und ungewöhnlichen Vorkommnissen gehört, dass damals in einem einzigen Zelt Sultan Sanǧar, die vier Brüder Sultan Maḥmūd, Masʿūd, Toġrı̊ l und Sulaimān sowie der Wesir ad-Darguzīnī und Sanǧars Wesir an-Naṣīr Maḥmūd Ibn Abī Tauba zusammenkamen“ (min al-ittifāqāt al-ʿaǧība wa-’l-wāqiʿāt al-ġarība annahu ­’ǧtamaʿa fī ḏālika ’l-ʿahd fī ḫarkāh wāḥida […]). Wahrscheinlich meint auch Ibn Isfandiyār diese Zusammenkunft, s. Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 63. Als er nach Ḫurāsān zurückkehrte, nahm Sanǧar die Brüder Toġrı̊ l und Masʿūd wieder mit sich. 680 681 682 683 684

Von Maḥmūd II. zu Muḥammad II.

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Kämpfe um Bagdad) ins Gefängnis geworfen hatte.686 Wie gesagt, verdankte Darguzīnī bereits seine erste Bestallung zu Maḥmūds Wesir dem „allergrößten“ Sultan. Damals (1123) hatte Sanǧar die Gefangennahme und Auslieferung des bisherigen Amtsinhabers Šams al-Mulk ʿUṯmān b. Niẓām al-Mulk angeordnet, wodurch Maḥmūd in eine schwierige Situation geriet, barg die Überstellung des inhaftierten Wesirs doch die Gefahr, dass dieser belastende Geheimnisse verriet. Der Juniorsultan ließ Šams al-Mulk daher sicherheitshalber töten und sandte nur dessen Kopf nach Ḫurāsān.687 Was Dubais angeht, so protegierte ihn bis zu ihrem Tod Amīr-Sittī-Ḫatun,688 für die ja auch Darguzīnī arbeitete – man erkennt das Netzwerk, welches Sanǧar im Westen unterhielt.689 Tatsächlich wurde der Mazyadide von Maḥmūd Anfang 1129 mit in den arabischen Irak genommen, wo es dann aber nicht dazu kam, dass er – wie von Sanǧar gewünscht – an die Stelle des Atabegs ʿImād ad-Dīn Zangī b. Aq-Sonqur trat und Mosul anvertraut bekam.690 Nach Ḥilla konnte Dubais vorerst ebenfalls nicht; dafür erhielt die Stadt jemand, den wir ebenfalls zu Sanǧars Günstlingen zählen können: Muǧāhid ad-Dīn Bihrūz. Dieser war inzwischen zum dritten Mal šiḥna von Bagdad, nachdem seine erste Wiedereinsetzung noch 1119 auf direkten Befehl des Siegers der Schlacht bei Sāva geschehen war.691 Ein weiteres Beispiel für Sanǧars erfolgreiche Einmischung in Personalfragen des westlichen Subsultanats ist der Fall des isfahsālār Anūš-Tegin Šīrgīr. Maḥmūd hatte den Atabeg seines Bruders Toġrı̊ l gleich im Jahre 1119 (oder noch 1118) gegen den Emir Kün-Toġdı̊ ausgetauscht, welcher seinen Vorgänger inhaftierte. Einige Monate später ordnete Sanǧar jedoch Šīrgīrs Freilassung an, woraufhin dieser sein altes

686 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 241 f., 247 f.; zu Darguzīnī auch: Ibn al-Furāt, Taʾrīḫ ad-duwal wa-’lmulūk, S. 222; zu Dubais noch: al-ʿAẓīmī, Taʾrīḫ Ḥalab, S. 376; Iṣfahānī, Ḫarīda – Dichter des Iraks, Teil IV, Bd. 1, S. 175. Sanǧar selbst bestreitet in seinem Brief an das Kalifat, den Mazyadiden unterstützt zu haben; s. Eqbāl, Vezārat, S. 313. Anders als Ibn al-Aṯīr und Ibn al-Ǧauzī (al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 249) datieren Bundārī (s. o.) und Ḥusainī (Aḫbār, S. 98) das zweite Treffen zwischen Sanǧar und Maḥmūd in Rayy nicht ins Jahr 522, sondern ins Jahr 521 H. Wäre der Großsultan schon 521 H. nach Rayy gekommen, hätte der Poet Ḥaiṣa Baiṣa jedoch kaum 522 H. in Marv ein Lobgedicht an Dubais adressiert (Dīwān, Bd. I, S. 232); der Mazaydide wurde ja in Rayy an Maḥmūd übergeben. 687 Muǧmal at-tawārīḫ, S. 415; Munšī Kirmānī, Nasāʾim, S. 74; Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 220–222. Wie Ibn al-Aṯīr berichtet (al-Kāmil, Bd. IX, S. 223 f.), erwirkte Sanǧar ʿUṯmāns Sturz, weil ihn sein eigener Wesir Abū Ṭāhir al-Qummī (s. o., S. 133, Anm. 629), ein Feind der Niẓāmal-Mulk-Familie, dazu drängte (zudem soll das Verhältnis zwischen Maḥmūd und ʿUṯmān ohnehin belastet gewesen sein). Bei Bundārī (Zubda, S. 141) ist hingegen zu lesen, dass es – welch Überraschung! – Darguzīnī war, der die Sache als Sanǧars Botschafter eingefädelt hatte. 688 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 249; Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 253. 689 S. Peacock, Great Seljuk Empire, S. 92 f. 690 Zangī (reg. in Mosul 1127–1146), der Begründer der Zangiden-Dynastie, durfte seine Position behalten, nachdem er persönlich zu Maḥmūd nach Bagdad gekommen war und den Sultan reich beschenkt hatte. 691 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 189. Mehr zu Bihrūz u., ab S. 170.

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Das Teilreich der Irak-Selǧuqen

Schaubild 2  Zentrale Personen und ihre Verbindungen in Sanǧars Netzwerk um Juniorsultan und Kalif ca. 1123.

iqṭāʿ zurückbekam.692 Vermutlich setzte der „allergrößte“ Sultan auf Personen wie Bihrūz und Šīrgīr, weil diese bereits Vertraute seines Bruders Muḥammad gewesen waren. Dabei dürfte es ihm eher um Kontinuität und Stabilität gegangen sein als darum, Maḥmūds Autorität zu untergraben. Sanǧar war ja vor allem darauf bedacht, dass die von ihm geschaffene Ordnung Bestand hatte, seine Anerkennung als Reichsoberhaupt also dauerhaft und überall obligatorisch war (indem sie sich automatisch aus jener des irakischen Subsultans ergab) und er über Möglichkeiten der Kontrolle und Steuerung verfügte.693 692 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 213; Muǧmal at-tawārīḫ, S. 413. Kün-Toġdı̊ , der Maḥmūd verriet, starb 1122. Šīrgīr – s. zu seinem Lehen o., S. 131, Anm. 621 – wurde zusammen mit seinem Sohn Šaraf ad-Daula ʿUmar, Sultan Maḥmūds amīr ḥāǧib, 1131 hingerichtet. Grund war eine komplizierte Intrige, in die auch der Wesir Abū ’l-Qāsim Darguzīnī verwickelt war, s. Ibn al-Furāt, Taʾrīḫ ad­duwal wa’l-mulūk, S. 169–171 (sowie Elshayyals Zusammenfassung auf S. 33 f.); Ibn al-Aṯīr, op. cit., Bd. IX, S. 259; Bundārī, Zubda, S. 147. Šīrgīrs Kopf wurde nach Nīšāpūr geschickt und auf einen Speer gesteckt zur Schau gestellt. Als sich der malik Toġrı̊ l (dessen Atabeg Šīrgīr ja gewesen war) und das Volk hierüber empörten, befahl der Sultan, den Kopf abzunehmen. Ḥusainī irrt sich wahrscheinlich, wenn er angibt, Sanǧar habe Šīrgīr als Atabeg (gegen den Emir Qara-Sonqur) ausgewechselt, und dies ins Jahr 1128 datiert, als der Großsultan in Rayy weilte (Aḫbār, S. 98). 693 S. zu Sanǧars Zielen auch Agadshanow, Seldschukiden, S. 243. Richtig ist, dass es dem Großsultan um die Neutralisierung und Abschaffung separatistischer Bestrebungen ging, doch meint Aga­

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In Hinblick auf Sanǧars Anerkennung ist festzuhalten, dass es sich Maḥmūd (nach 1119) tatsächlich nie erlaubte, seine Unabhängigkeit zu erklären. Entgegen Bosworths Aussage, „it is true that after 519/1125 Maḥmūd minted coins on which he himself was styled al-Sulṭān al-Muʿẓẓam [sic] and Sanjar was not mentioned“,694 sind keine Prägungen bekannt, auf denen allein der irakische Sultan genannt ist.695 Dies gilt auch für das Jahr 522 H., in dem das Verhältnis zwischen Maḥmūd und seinem Onkel derart belastet war, dass der Senior mit einer Armee nach Rayy zog,696 sowie für Münzen, auf denen unter Maḥmūd noch weitere Machthaber aufgeführt sind. Letztere konnten sogar Emir-Gouverneure des irakischen Kernlandes sein, wobei sich etwa für die Stadt Nihāvand folgendes ablesen lässt:697 Seines Amtes als šiḥna von Bagdad enthoben (1127) regierte hier der oben erwähnte Saʿd ad-Daula Yarı̊ n-Quš az-Zakawī, und zwar als Nachfolger eines gewissen (zumindest für das Jahr 517 H. belegten) ʿIzz adDīn Alp-Sonqur-Beg al-Buḫārī, bei dem es sich um den (ehemaligen) muqṭaʿ von Baṣra handeln könnte.698 Yarı̊ n-Quš az-Zakawī führt auf seinen von 521 bis in die 530er Jahre H. geschlagenen Münzen interessanterweise den Atabeg-Titel, wenngleich nicht bekannt ist, dass sich je ein Prinz oder eine Prinzessin in seiner Obhut befand.699 Auf Dinaren aus Qazvīn erscheint derweil Muẓaffar ad-Dīn Yarı̊ n-Quš al-Bāzdār700 und der Distrikt Rūḏrāvar (zwischen Nihāvand und Hamadān) muss um 519 H. in der Hand eines nur numismatisch belegten I̊ nanč Yabġu Zangī b. Ayāz gewesen sein.701 Prägungen Maḥmūds, auf denen sich (ab 513 H.) nie Gouverneursnamen finden, stammen aus Iṣfahān und Hamadān, was wahrscheinlich mit dem Residenzstatus beider Städte zusammenhängt.702 Hamadān entwickelte sich ja erst unter Maḥmūd zur Zweitkapitale und so mag es kein Zufall sein, dass die numismatisch rekonstruierbare

dshanow zudem, Sanǧar habe einfach auf jede Weise die Gegner der irakischen Herrscher unterstützt. 694 „Political and Dynastic History“, S. 136. 695 Vor der eben zitierten Aussage sagt Bosworth übrigens „Sanjar made Maḥmūd his heir, and the two names henceforth appear on Sanjar’s coins“, was so auch nicht stimmt. Natürlich brauchte Sanǧar seinen Vasallen in Ḫurāsān und anderswo nicht in der sikka nennen; beider Namen erscheinen logischerweise nur auf Maḥmūds Prägungen. 696 S. Rostom, „Rare Seljuq Dinār“ (darauf zwei Formeln mit Konfliktbezug; Mzst. Iṣfahān; anders als der Autor meint, ist der Typ längst publiziert, s. Hennequin, Catalogue, S. 117 f., Typ CXXVIII/ Nr. 160). 697 S. Lowick, „Seljūq Coins“, S. 247–250. 698 S. o., S. 130 f. mit Anm. 617. 699 Ich gehe davon aus, dass ihm in der Tat irgendeiner der zahlreichen fürstlichen Sprösslinge anvertraut war. 700 S. o., S. 73 f., Anm. 301. 701 Lowick, „Seljūq Coins“, S. 248. Für weitere vulāt auf Münzen Maḥmūds II. s. Album, Checklist, S. 185. 702 Sanǧar hatte Iṣfahān 1119 explizit zu Maḥmūds Residenz bestimmt (Sibṭ Ibn al-Ǧauzī, Mirʾāt, ed. al-Ġāmidī, S. 677 f.).

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Reihe der hier regierenden Emire nur bis zu Maḥmūds Herrschaftsbeginn reicht.703 Vermutlich wurden im Gebiet einer Hauptstadt auch im Westen prinzipiell keine iqṭāʿāt vergeben,704 womit allerdings nicht gesagt ist, dass beide Residenzen zu keinem Zeitpunkt Statthaltern anvertraut waren. Denn später, unter Sultan Masʿūd b. Muḥammad (reg. 1134–1152), gab es anscheinend sowohl einen vālī von Hamadān als auch einen vālī von Iṣfahān.705 Die Frage ist vielleicht, ob jene Posten permanent und zugleich besetzt waren und welche Befugnisse beide Gouverneure verglichen mit anderen besaßen; nicht jeder vālī war ja zugleich ein muqṭaʿ (des Territoriums, das er regierte). Am 10. September 1131 erlag Sultan Maḥmūd II. in Hamadān einer Krankheit. Zum valī-ʿahd hatte er seinen Sohn Abū ’l-Fatḥ Dāwūd bestimmt, welcher nun mit Hilfe des Wesirs Abū ’l-Qāsim Darguzīnī sowie des Atabegs Aq-Sonqur al-Aḥmadīlī neuer Sultan des Iraks wurde. Wie Münzen belegen,706 erkannte auch er Sanǧar als Oberherrn an, wohingegen sich seine eigene Anerkennung auf die Ǧibāl-Provinz und Aserbai­ dschan beschränkte.707 Der erste Herausforderer, mit dem es Dāwūd aufnehmen musste, war sein Onkel Masʿūd b. Muḥammad. Dieser war erst Ende 1130 überraschend aus Gurgān in den persischen Irak zurückgekehrt, was zu Spekulationen geführt hatte, ob Sanǧar ihn womöglich gegen Sultan Maḥmūd entsandt habe. Der Frieden blieb damals aber gewahrt; Maḥmūd belehnte seinen ḫidma-erbietigen Bruder bei einem Treffen in Kirmānšāh(ān) mit der Stadt Ganǧa (heute Gəncə).708 Ein Jahr später be-

703 S. Album, Checklist, S. 186 f. Nur Borsuq II. ist uns aus der Literatur (u. a.) als Herr von Hamadān bekannt. Die letzten Dinare des Nuṣrat ad-Dīn Alp-Lačin-Beg Mengü-Bars stammen von 512 H. (s. ANS 1985.116.3), als bereits Maḥmūd Sultan (aber noch kein Vasall seines Onkels) war. AlpLačin-Beg trägt auf jenen letzten Dinaren den Atabeg-Titel. Dies und das Jahr, ab dem sein Name nicht mehr auf Münzen erscheint, machen eine Identifikation mit dem oben (S. 130) erwähnten ʿImād ad-Dīn Mengü-Bars wahrscheinlich, welcher 1118–1119 šiḥna von Bagdad war, unmittelbar nach Muḥammad Tapars Tod dessen Konkubine Sar-i Ǧahān (so Ibn al-Aṯīr) oder Nīst-andarǦahān („Nichts [wie sie] auf der Welt“, so Ḥusainī), die Mutter des maliks Masʿūd, zur Frau genommen hatte – daher wohl der Atabeg-Titel, den ihm Ḥusainī gibt – und 1120 auf Maḥmūds (Ḥusainī: Sanǧars) Befehl hin getötet wurde (Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 187; Ḥusainī Aḫbār, S. 88 f., 106). 704 Durand-Guédy, Iranian Elites and Turkish Rulers, S. 118. 705 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 281 (Sonqur al-Ḫumār-Tegin als wālī von Hamadān; auf S. 296 wird derselbe als šiḥna ebenjener Stadt bezeichnet), 288 (Alp-Quš al-Kabīr/as-Silāḥī als ṣāḥib von Iṣfahān; auf S. 274 wird derselbe als Masʿūds nāʾib in Iṣfahān erwähnt), 336 (Yarı̊ n-Quš az-Zakawī als ṣāḥib von Iṣfahān); Bundārī, Zubda, S. 220 (Naǧm ad-Dīn Rašīd al-Ġiyāṯī als wālī von Iṣfahān); Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 109 (Nūr ad-Daula Sonqur [al-Ḫumār-Tegin] als vālī von Hamdān). Anders als Durand-Guédy (Iranian Elites and Turkish Rulers, S. 325) erklärt, ist Yarı̊ n-Quš nie auf Münzen aus Iṣfahān genannt – die Dinare, auf die verwiesen wird, wurden alle zu Nihāvand geschlagen (wo Yarı̊ n-Quš wohl muqṭaʿ war); außerdem trägt Sanǧar darauf ordnungsgemäß den höheren Sultanstitel (al-aʿẓam), und nicht, wie von Durand-Guédy angeben und auch anderswo (op. cit., S. 184) verwechselt, den niedrigeren (al-muʿaẓẓam). 706 Lane Poole, Catalogue, Bd. III, S. 44, Nr. 86. 707 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 259; Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 264 (lies ‫ احمديلي‬statt ‫)احمد بكي‬, 268. 708 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 256, wo steht, dass sich die Gerüchte über den Grund für Masʿūds Rückkehr (aus Ḫurāsān) als falsch herausstellten. Ibn al-Ǧauzī berichtet unter dem Jahr 525 H.

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setzte der malik dann Tabrīz, wo ihn Sultan Dāwūd erfolglos belagerte. Im Anschluss rückte Masʿūd auf Hamadān vor und schickte einen Boten mit der Forderung nach Bagdad, dass der Kalif ihn als Sultan in der ḫuṭba nennen lassen solle. Das gleiche tat mit einem kleinen Vorsprung Dāwūd, während der malik von Fārs, ein weiterer Bruder Maḥmūds II. namens Selǧuq-Šāh, bereits persönlich in die Tigris-Metropole eingezogen war, um – getrieben von seinem ehrgeizigen Atabeg Qarača as-Sāqī – eigene Ansprüche anzumelden. Für al-Mustaršid stand in dieser Situation also zu befürchten, sich – egal, welchen Prätendenten er unterstützte – in einen komplizierten Machtkampf zu verwickeln und selbigen nach Bagdad zu holen, weshalb er die Haltung einnahm, dass die Entscheidung der ḫuṭba-Frage allein bei Sanǧar liege und er sich ganz nach diesem richten werde. An das Selǧuqenoberhaupt selbst schrieb der taktierende ʿAbbāside, dass das Recht auf Namensnennung in der Bagdader Freitagspredigt eigentlich nur dem „allergrößten“ Sultan gebühre. Die Bestätigung, welche Sanǧar aus dieser willkommenen Bekundung für seinen imperialen Herrschaftsanspruch zog, dürfte umso größer gewesen sein, als man die Bereitschaft, sich seinem höchstinstanzlichen Urteil zu unterwerfen, ebenso in Rayy erklärte.709 Weil die Stadt damals zu den von Sanǧars dīvān verwalteten Territorien gehörte, hatte Darguzīnī sich sowie sein Vermögen hierher in Sicherheit gebracht und sodann nach Ḫurāsān übermitteln lassen, worin er und die mit ihm gereiste Militärführung der Ǧibāl übereingekommen waren: Man wollte, dass Sanǧar die Verhältnisse im Westen neu ordne, und erwartete sein baldiges Erscheinen.710 Selbstverständlich zögerte der Selǧuqensenior nicht, die Einladungen zur Intervention anzunehmen – für einen imperialen Herrscher gibt es ja keine Neutralitätsoption711 –, doch dauerte es bis Februar/März 1132, ehe er zum inzwischen dritten Mal (als Sultan) mit einer Armee in Rayy eintraf. In seinem Kielwasser folgte zwei Tage später der malik Toġrı̊ l b. Muḥammad, welcher ja seit 1125 (s. o.) im Osten lebte.712 Am Tigris führte die Meldung von der Ankunft des „allergrößten“ Sultans dazu, dass Masʿūd und Selǧuq-Šāh – welche sich zunächst kleinere Gefechte geliefert hatten – zusammen

(1131) allerdings davon, dass sich Masʿūd, schon damals nach dem Sultanat strebend, tatsächlich gegen Maḥmūd wandte (al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 263). Bei Bundārī ist zu lesen, dass Masʿūd dem Ruf einiger Emire folgte, die gegen Maḥmūd rebellierten (Zubda, S. 174). 709 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 262 f.; Bosworth, „Political and Dynastic History“, S. 120, 124; zur Haltung des Kalifen: Hanne, Putting the Caliph in His Place, S. 160. Laut Ibn al-ʿAdīm (Buġyat, S. 3848) hatte al-Mustaršid eine weitere ḫuṭba-Anfrage von Zangī erhalten, welcher den von ihm kontrollierten Selǧuqenprinzen Alp-Arslan b. Maḥmūd als neuen Sultan sehen wollte. Auch in diesem Fall lautete die Antwort des Kalifen: „Ich warte auf das Antwortschreiben Sanǧars“. In der Tat wird Sanǧar auf Bagdader Münzen ab 525 H., Maḥmūds Todesjahr, immer wieder als einziger Selǧuqe angegeben (s. Jafar, Seljuq Period, S. 60 ff.). 710 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 259; Ḥusainī, Aḫbār, S. 99; Bundārī, Zubda, S. 156. 711 Münkler, Imperien, S. 30. 712 Sanǧar selbst spricht von sieben Jahren, die Toġrı̊ l in seinem Dienst und unter seiner Erziehung verbrachte, sodass er Erfahrungen sammeln konnte (Eqbāl, Vezārat, S. 315).

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mit al-Mustaršid ein Bündnis gegen Sanǧar schlossen (März/April). Masʿūd erklärte sich zum Sultan, der malik Selǧuq-Šāh wurde sein valī-ʿahd und den arabischen Irak – wo Sanǧars Name ab dem 20. Mai nicht mehr in der ḫuṭba genannt wurde! – sollten Bevollmächtigte (wukalāʾ) des Kalifen regieren. Sanǧar begab sich derweil von Rayy nach Hamadān und verkündete, wen er zum neuen Subsultan erhob. Seine Wahl war auf Toġrı̊ l gefallen,713 welcher auch in der Hinsicht Maḥmūds Nachfolge antrat, als er nach dem Tod seines Onkels dessen Platz als Großsultan einnehmen sollte.714 Damit Toġrı̊ l II. herrschen konnte, galt es aber erst seinen Rivalen Masʿūd zu besiegen. Dieser, Selǧuq-Šāh und der beide Selǧuqen dominierende Emir Qarača (ein gefürchteter Krieger) führten bereits ein Heer über die Dāy-Marǧ715 und eigentlich hätte sich auch der Kalif mit seinen Truppen an dem Feldzug beteiligen sollen. Der Grund, warum sich al-Mustaršid stattdessen schon wieder auf dem Rückweg nach Bagdad befand, war das Funktionieren von Sanǧars Seilschaften gewesen. Genauer gesagt kam an diesem Punkt zum Tragen, dass sich das Selǧuqenoberhaupt wiederholt für den Mazyadiden Dubais b. Ṣadaqa eingesetzt und 1127 die Ernennung des inzwischen in Mosul regierenden Emirs ʿImād ad-Dīn Zangī zum šiḥna der Tigris-Metropole veranlasst hatte. Indem sich diese beiden nun im Frühjahr 1132 auf Anordnung ihres Gönners für einen Angriff auf Bagdad zusammentaten, eröffneten sie eine zweite Front, deretwegen Masʿūd und Selǧuq-Šāh ohne al-Mustaršids Hilfe gegen ihren Onkel antreten mussten. Dabei hätten die 30 000 Soldaten, welche die Brüder ins Feld führten, jede Unterstützung gegen die (Ibn al-Ǧauzī zufolge) 160 000 Mann starke Streitmacht des Gegners dringend gebrauchen können. Zur großen Schlacht kam es schließlich am 25. Mai nahe Dīnavar, wohin Sanǧar und Toġrı̊ l über Nihāvand, Asadābād und Kangāvar vorgerückt waren. Angeblich starben insgesamt 40 000 Mann, bis feststand, dass der Sieg einmal mehr dem „allergrößten“ Sultan gehörte, auf dessen Seite außer Toġrı̊ l unter anderem der Ḫvārazmšāh Atsı̊ z, der Emir Qumač von Balḫ sowie der Bāvandidenprinz Rustam b. ʿAlī gekämpft hatten.716 Während der schwer verwundete Atabeg Qarača nach der Schlacht enthauptet wurde,717 kam Masʿūd – welcher mit Selǧuq-Šāh zu fliehen versucht hatte – mit einer Rüge

713 Sanǧar entschied sich also gegen Dāwūd, der wohl auch keine der beiden Sanǧar-Töchter zur Mutter hatte. Anders als Paul (Lokale und imperiale Herrschaft, S. 358, Anm. 27) angibt, war Toġrı̊ l nicht schon um 1127 als neuer Subsultan vorgesehen oder gar der von Sanǧar benannte valī-ʿahd. 714 S. hierzu auch Sanǧars eigene Erklärung: Eqbāl, Vezārat, S. 315 (walī ’l-ʿahd fī ’l-ʿālam). 715 Bei dieser „Wiese“ (marǧ) muss es sich, wie Durand-Guédy angibt („Where did the Saljūqs Live?“, S. 250 f.), um das ausgedehnte Grünland handeln, das sich ca. 30 km östlich von Kirmānšāh neben dem (v. a. wegen der Inschrift Dareios’ I. bekannten) Berg Bīsutūn (Bihsutūn) erstreckt. 716 Zur Beteiligung des Letztgenannten: Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 71 f.; der Fürst von Māzandarān (ʿAlī b. Šahriyār) stellte Sanǧar für die Schlacht 5000 Männer. 717 Hier spielte gewiss eine Rolle, dass sich Qarača gegen Sanǧar gewandt hatte, obgleich er als dessen mamlūk aufgestiegen und von diesem auch sonst begünstigt worden war. Sanǧar musste also persönlich von Qaračas Undankbarkeit enttäuscht sein, ähnlich wie im Fall ʿAlī Čaṭrīs. In seinem Brief an den Kalifen schreibt Sanǧar über Qaračas Rebellion: „Wir wissen nicht, wie eine solche

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davon und durfte in sein transkaukasisches Teilfürstentum um Ganǧa zurückkehren.718 Den irakischen Sultansthron besetzte Sanǧar natürlich mit seinem Kandidaten. Toġrı̊ l bekam ein Ehrengewand verliehen und mit Qiwām ad-Dīn Abū ’l-Qāsim Darguzīnī einen Wesir verordnet, dem er (wegen der Hinrichtung des Atabegs Šīrgīr) feindlich gesinnt war,719 doch zählte offenbar mehr, dass der Mann zu den bewährten Interessenvertretern des Reichsoberhaupts gehörte. Darguzīnī erbat und erhielt vom „allergrößten“ Sultan sogar einen Vorrat an Erlassformularen mit dessen Blankounterschrift (!)720 und weil „Sanǧar“, wie Naǧm ad-Dīn Qummī schreibt, „die größte Wertschätzung für Qiwām ad-Dīn im Herzen trug“,721 bestallte er diesen noch im selben Jahr zusätzlich zum Leiter seiner eigenen, ḫurāsānischen Zentralverwaltung, womit Darguzīnī, wie Ḥusainī hervorhebt, mehr erreichte als jeder andere Selǧuqenwesir nach Niẓām al-Mulk.722 Der so Ausgezeichnete ließ sich im Osten allerdings vom Schatzmeister (ḫāzin) Ẓahīr ad-Dīn ʿAbd al-ʿAzīz al-Ḥāmidī al-Ḫurāsānī vertreten und verblieb selbst im Irak,723 wo er Sanǧar ja auch am meisten nützte.724 Anmaßung in seinen Kopf steigen konnte“ (Eqbāl, Vezārat, S. 318: nadānīm tā īn ġurūr az kuǧā dar sar-i ū šud). 718 All dies nach: Bundārī, Zubda, S. 156–159; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 262–265; Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 270 f.; Ḥusainī, Aḫbār, S. 100 f. Zu Masʿūds Emiren gehörten noch Yūsuf Čaʾuš („der Feldwebel/Wachtmeister/Hofwächter“), Yarı̊ n-Quš al-Bāzdār und Qı̊ zı̊ l; ersterer wurde mit Qarača hingerichtet, letzterer hatte Sanǧar schon vor der Schlacht wissen lassen, dass er zu ihm überlaufen werde. Wieder führte Sanǧar Kriegselefanten ins Feld, die er bei sich und seinen Eliteeinheiten im Zentrum positionierte. Sein rechter Flügel wurde von Toġrı̊ l, Qumač und Amīr-i Amīrān* kommandiert, der linke u. a. von Atsı̊ z. Nachdem der rechte Flügel zunächst zersprengt worden war, floh Toġrı̊ l, kam dann aber zurück und griff mit Atsı̊ z Qarača von hinten an, als dieser gerade das Zentrum attackierte. * Zum pahlavān-i ǧahān Quṭb ad-Dīn Šams ad-Daula Amīr-i Amīrān ‫ – )?( منكبه‬ich fand ihn als mamdūḥ ʿAbd al-Vāsiʿ Ǧabalīs – s. o., S. 114 f. Er war, wie gesagt, ein isfahsālār Sanǧars und für diesen wie ein Sohn (was so auch für seinen Bruder, den Emir Šams ad-Dīn Oġul-Beg, gilt; Ǧabalī, Dīvān, S. 105, 420). In einem der vielen Lobgedichte Ǧabalīs wird sein Einsatz gegen ­Qarača sogar erwähnt (Dīvān, S. 382); darüber hinaus erfahren wird, dass Amīr-i Amīrān, welcher sonst wohl in Harāt residierte, für Sanǧar nicht nur in Ġūr und dem Irak kämpfte, sondern auch gegen einen Ḫaqan in Turkestan. 719 Anscheinend war anfangs gar nicht Šīrgīr, sondern Toġrı̊ l selbst Darguzīnīs Ziel gewesen, s. Ibn al-Furāt, Taʾrīḫ ad-duwal wa-’l-mulūk, S. 169–171 (sowie Elshayyals Zusammenfassung auf S. 33 f.)! Darüber, dass Šīrgīrs abgetrennter Kopf in Nīšāpūr öffentlich zur Schau gestellt wurde, hatte sich Toġrı̊ l erfolgreich bei Sanǧar beschwert, woraufhin dieser seinen Neffen ehrte und ihm sein Beileid (zum Verlust des geschätzten Atabegs) aussprach. 720 Bundārī, Zubda, S. 166 f.: […] bayāḍ li-maqāṣid taʿriḍu wa-aġrāḍ; es geht um Sanǧars ʿalāma. 721 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 2: sulṭān Sanǧar-rā az Qiwām ad-Dīn vaqʿī-yi tamām dar dil būd. Sanǧar hatte Darguzīnī übrigens schon 1119 nach seinem Sieg über Maḥmūd mit einem Ehrengewand ausgezeichnet. 722 Ḥusainī, Aḫbār, S. 105: lam yabluġ wazīr li-’s-salǧūqīya baʿda Niẓām al-Mulk mā balaġahū ad-­ Darkuzīnī. 723 Bundārī, Zubda, S. 270; Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 2. Ob der Empfänger jener Urkunde, deren Text sich in der inšāʾ-Sammlung Aḥkām auf f. 37v–39r findet, – ein Wesir mit dem laqab Qiwām ad-Dīn – wirklich Abū ’l-Qāsim Darguzīnī war, ist unsicher; s. dazu Horst, Staatsverwaltung, S. 29. 724 S. hierzu auch Dabashi, Truth and Narrative, S. 502.

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Meldungen von einer Erhebung des Qaraḫaniden Aḥmad in Transoxanien zwangen den siegreichen Großsultan im Sommer 1132 zu einer raschen Rückkehr in sein Kernland. Er hatte noch nicht ganz Nīšāpūr erreicht, da musste as-sulṭān al-muʿaẓẓam Rukn ad-Dunyā wa-’d-Dīn Abū Ṭālib Toġrı̊ l bereits einen Angriff seines Neffen Dāwūd auf Hamadān abwehren.725 Zwar gelang ihm dies, doch fand Maḥmūds Sohn Zuflucht beim Kalifen, welcher Zangī und Dubais hatte zurückschlagen können. Als daraufhin von Ganǧa aus ebenso Masʿūd in die Tigris-Metropole kam, taten sich er, Dāwūd, dessen Atabeg Aq-Sonqur und al-Mustaršid zusammen. Letzterer krönte ersteren zum Sultan (Winter 1132/1133), wobei sich die Frage stellt, was dies nun für Sanǧars Anerkennung bedeutete.726 Toġrı̊ l II. sollte in Bagdad jedenfalls nie als Sultan akzeptiert werden. Albums Angabe, die Dinare dieses Selǧuqen seien „mainly [in] Madinat al-Salam“ geschlagen worden, ist also ganz falsch, ebenso wie die Anmerkung, jener würde darauf „as independent ruler“ erscheinen.727 Die seltenen Münzen, auf denen Toġrı̊ l – natürlich stets als Vasall seines Onkels – genannt ist (s. Abb. 4), stammen vor allem aus Iṣfahān (526 H. mit valī-ʿahdTitel!), daneben aus Sumairam und Rayy.728 Im persischen Irak war Toġrı̊ ls Herrschaft allerdings auch nicht stabil: Nachdem Sultan Ġiyāṯ ad-Dunyā wa-’d-Dīn Abū ’l-Fatḥ Masʿūd schon ganz Aserbaidschan erobert hatte, nahm er seinem Bruder im Frühjahr/ Sommer 1133 erst Hamadān und dann Iṣfahān.729 Bemerkenswerterweise stellte sich ein (auf den ersten Blick eher unscheinbarer) Dinar, auf den ich in der Tübinger Sammlung 725 Hierzu und dem Folgenden: Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 266 f., 269 f.; Bundārī, Zubda, S. 160– 170; Ḥusainī, Aḫbār, S. 101–104; Rašīd ad-Dīn, Ǧāmiʿ – Selǧuqen, S. 76 (Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 72); Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 271, 275. 726 Ab dem 9. Dez. wurde Masʿūd in der Freitagspredigt als Sultan genannt und nach (d. h. unter) ihm ebenso Dāwūd. Die übliche Investiturzeremonie (s. dazu etwa Springberg-Hinsen, Ḫilʿa, S. 141– 145) erfolgte am 14. Jan. Nun wäre anzunehmen, dass sich Sanǧars Anerkennung damit (wieder) erledigt hatte, doch gibt es unter den 527 H. geschlagenen Dinaren aus Madīnat as-Salām sowohl welche, auf denen gar kein Selǧuqe erscheint, als auch solche, auf denen Sanǧar entweder allein oder zusammen mit Masʿūd (!) aufgeführt ist ( Jafar, Seljuq Period, S. 62 f.). Auf Bagdader Münzen der Jahre 526 und 528 H. wird Sanǧar interessanterweise ebenfalls genannt, und zwar als einziger Selǧuqe. Außerdem lässt sich die Frage dank eines 527 H. wahrscheinlich in Hamadān geprägten Dinars (FINT FB10 B3, Abb. 5) beantworten, s. dazu unten! 727 Album, Checklist, S. 185. 728 Iṣfahān, 526 H., mit Titel walī ’l-ʿahd: Morton & Eden, Auktion 76 (Dez. 2015), Los 464; Iṣfahān, 527 H.: Stephen Album Rare Coins, Auktion 18 ( Jan. 2014), Los 504; Iṣfahān, 528 H., mit Nennung des Kalifensohnes ʿUddat ad-Dīn Abū Ǧaʿfar (!): Hennequin, Catalouge, S. 134, Typ CXLVII/ Nr. 194; Sumairam (Semirom, im Norden von Fārs, ca. 140 km südlich von Iṣfahān), 526 H., mit dem laqab (eines Gouverneurs?) Saif ad-Dīn: Stephen Album Rare Coins, Auktion 25 (Mai 2016), Los 623; Rayy, 529 H., mit Nennung des maliks Sulaimān-Šāh (s. u., S. 299 f.) sowie angeblich des Kalifen ar-Rāšid (vermutlich ist al-Mustaršid zu lesen, andernfalls wäre Toġrı̊ l längst tot gewesen!): Dorn, „Sendungen von morgenländischen Münzen“, S. 31 f., Nr. 19 (dazu Miles, Numismatic History of Rayy, S. 213 f., Nr. 250Y; Toġrı̊ ls Titel ist bestimmt zu as-sulṭān al-muʿaẓẓam zu korrigieren); unklare Mzst. (vielleicht in Ḫūzistān?): FINT FB10 A2. 729 In Iṣfahān setzte Masʿūd als seinen Stellvertreter (nāʾib) den Emir Alp-Quš as-Silāḥī ein, welcher den malik Selǧuq-Šāh bei sich hatte.

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stieß und von dessen Avers-Umschrift kaum mehr als …‫ …ﻊ وعشر‬lesbar ist (s. Abb. 5), zu meiner Überraschung als einzigartiges Zeugnis ebendieser Offensive und (anders als 1132 erfolgreichen) Expansion des von al-Mustaršid gestützten Gegensultanats heraus. Genannt ist darauf nämlich nicht nur Masʿūd als as-sulṭān al-muʿaẓẓam (d. h. anstelle des verdrängten Toġrı̊ l) unter as-sulṭān al-aʿẓam Sanǧar (!), sondern zudem besagter

Abb. 4  527 H. in Iṣfahān geschlagener Dinar Sultan Toġrı̊ ls II. (Stephen Album Rare Coins, Auktion 18, Los 504).

Abb. 5  Dinar, den Masʿūd [527 H.] als Gegensultan zu Toġrı̊ l II. prägen ließ; als sein valī-ʿahd ist Dāwūd (b. Maḥmūd) genannt (FINT FB10 B3).

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ʿAbbāside sowie, im Revers-Feld rechts, Dāwūd, wobei ganz oben auf derselben Münzseite noch walī zu lesen ist.730 Letzeres bedeutet, dass Masʿūd seinen Neffen hier noch

zu Lebzeiten al-Mustaršids als designierten Nachfolger (für den frisch eroberten Thron des irakischen Subsultanats) aufführt – was mich das Prägejahr 527 H. rekonstruieren ließ! – und die Position als valī-ʿahd auch der Grund dafür war, weshalb Dāwūds Name im selben Jahr zusammen mit dem Sultan Masʿūds in der Bagdader ḫuṭba erklang.731 Vor allem aber beantwortet der Dinar die Frage nach Sanǧars Anerkennung, indem er dokumentiert, dass Masʿūds neuerliche Erhebung nicht auch mit einer Zurückweisung des Suzeränitätsanspruchs seines Onkels einherging, sondern „nur“ gegen dessen Favoriten Toġrı̊ l gerichtet war. Als Prägeort der Münze ist wohl die Hauptstadt Hamadān anzunehmen, auf deren Einnahme sich das Wörtchen fatḥ oben im Avers-Feld beziehen mag. Von Masʿūd quer durch Westiran gejagt befahl (oder gestattete?) Sultan Toġrı̊ l die Tötung seines Wesirs Abū ’l-Qāsim Darguzīnī,732 womit es um Sanǧars Einfluss in den Ǧibāl gleich noch schlechter stand. Militärisch geschlagen flüchtete Toġrı̊ l schließlich gemeinsam mit Dubais über Rayy nach Māzandarān, dessen Herrscher ʿAlī b. Šahriyār (ein Vasall Sanǧars) beide ehrenvoll empfing und den Winter über an seinem Hof beherbergte.733 Möglicherweise weilte Toġrı̊ l als nächstes (d. h. im Frühjahr 1134?) in Nīšāpūr. Dies könnte zumindest eine Erklärung dafür sein, warum sein Name ohne Sultans- oder valī-ʿahd-Titel auf Nīšāpūrī-Dinaren des Jahres 528 H. (1133/1134) erscheint.734 Fest steht, dass sich Mitte 1134 wieder mehr und mehr Truppen um ihn

730 Links wäre wahrscheinlich vertikal al-ʿahd zu lesen; ansonsten steht im Rev.-Feld: Muḥammad rasūl Allāh / al-Mustaršid bi-’llāh / as-sulṭān al-muʿaẓẓam / Masʿūd; Av.: fatḥ / lā ilāh illā / ’llāh waḥdahū / as-sulṭān al-aʿẓam / Sanǧar (FINT FB10 B3). 731 S. o., Anm. 726. 527 H. = 1133. 732 Ibn al-Aṯīr sagt nur, dass Darguzīnī im Aug./Sept. 1133 der Rache einiger ġilmān des Emirs Šīrgīr zum Opfer fiel (al-Kāmil, Bd. IX, S. 269 f.). Bundārī (Zubda, S. 168 f.), Ḥusainī (Aḫbār, S. 103 f.) und Nīšāpūrī (Salǧūq-nāma, S. 72) erklären dazu, dass Toġrı̊ l dem Wesir die Schuld für seine Misere gab und ihn für dessen Zusammenarbeit mit den Alamūt-Ismāʿīliten verurteilte (welche damals Aq-Sonqur al-Aḥmadīlī ermordeten); s. auch Ibn al-Furāt, Taʾrīḫ ad-duwal wa-’l-mulūk, S. 221–223. Ḥusainī gibt Iṣfahān als Ort der Hinrichtung an, doch dürfte Darguzīnī erst in Luristān getötet worden sein – Bundārī: in Šāpūr-Ḫvāst (heute Ḫorramābād), Nīšāpūrī: in Līštar (Alīštar, heute Aleštar), wobei beide Städte zu Ḫūzistān gezählt werden. Dass er sein Leben, wie Başan (Great Seljuqs, S. 128) angibt, in Rayy verlor, ist sicher falsch. 733 Hierzu auch Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. I, S. 107. Bei Bundārī und Ḥusainī ist zu lesen, dass die wohl nahe Rayy zu verortende Schlacht, nach der Toġrı̊ l als Verlierer zu den Bāvandiden floh, im Raǧab 527 H. (Mai 1133) stattfand, doch dürfte diese Auseinandersetzung vielmehr in den Herbst gehören, während der Kampf im Raǧab – wie aus Ibn al-Qalānisīs Bericht hervorgeht (Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 238) – jener um Hamadān war (wo Masʿūd Ibn al-Aṯīr zufolge im Šaʿbān einzog). 734 Ramadan, SNAT XIV a, S. 69, Nr. 676; andererseits – oder war der Rev.-Stempel nicht aktuell? – ist Toġrı̊ l auch noch auf einem Nīšāpūrī-Dinar von 529 H. genannt, s. Stephen Album World Coins, Liste 225 ( Juni 2007), (S. 6,) Nr. 55368. Albums Frage „Or did Sanjar recognize Tughril as his overlord, for some forgotten political necessity?“ (Checklist, S. 185, Anm. 442) ist jedenfalls ganz klar mit Nein zu beantworten!

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scharen, und zwar nicht zuletzt dank einer von Dubais ersonnenen List: Ibn al-Ǧauzī zufolge fing Toġrı̊ l – der von al-Mustaršid, wie gesagt, nie als Sultan bestätigt worden war – kurzerhand eine Sendung Ehrengewänder (ḫilaʿ) ab, welche der ʿAbbāside eigentlich an den Ḫvārazm­šāh Atsı̊ z adressiert hatte, und tat dann so, als ob jene Kleider für ihn bestimmt wären und ihm ergo doch noch die legitimierende Anerkennung des Kalifen zuteilwürde! Masʿūd, welcher zu diesem Zeitpunkt bereits mit einer Erhebung Dāwūds beschäftigt war, blieben bald nur noch sehr wenige Emire und so kam es, dass die gesamten Ǧibāl (und wohl auch Aserbaidschan) im Sommer erneut an denjenigen fielen, welcher Sanǧars Wahl und Repräsentant war. Es sah insgesamt gut aus für Sultan Toġrı̊ l II., das Glück schien gerade wieder auf seiner Seite, da wurde er krank und starb mit 25 Jahren in Hamadān (24. Oktober 1134).735 Der plötzliche Tod seines Bruders erlaubte es Masʿūd, sich endlich als Sultan durchzusetzen. Damit rückte die Notwendigkeit in den Vordergrund, das Verhältnis zwischen ihm und seinem Onkel zu klären, was offenbar weniger problematisch war, als man zunächst annehmen könnte. Eine konkrete Verständigung (mit dazugehörigen Formalitäten) wird in den Quellen zwar nicht erwähnt, doch scheint es so gewesen zu sein, dass sich Masʿūd sogleich in die Rolle des Vasallensultans fügte und Sanǧar ihn, den Usurpator,736 als Toġrı̊ ls Nachfolger akzeptierte.737 Verständlich wird dies, bedenkt man die jeweilige Lage, in der sich beide damals befanden. Masʿūd brauchte das Dynastieoberhaupt hinter sich, weil seine Entente mit dem Kalifen just in einen eskalierenden Zwist umgeschlagen war, eine von Yarı̊ n-Quš al-Bāzdār angeführte Gruppe hochrangiger Emire (alsbald im Bündnis mit Bagdad) gegen ihn Front machte und er ferner mit neuen Manövern seines Neffen Dāwūd rechnen musste (welcher sich nach wie vor in Aserbaidschan behauptete).738 Was Sanǧar angeht, so konnte dieser nicht schon wieder all seine Kräfte für eine große Kampagne im Westen aufbieten, zumal

735 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 273 f.; Bundārī, Zubda, S. 170–172; Ḥusainī, Aḫbār, S. 104 f.; Ibn alǦauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 284, 291, 303. Ḥusainī und andere geben als Toġrı̊ ls Todesjahr falsch 528 H. an; für das korrekte s. auch Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 72. Hanne (Putting the Caliph in His Place, S. 162 f.) hat Ibn al-Aṯīr übrigens missverstanden. So meint er, Toġrı̊ l sei nach seinem Triumph im Sommer 1134 nach Bagdad gekommen, doch war derjenige, welcher an al-Mustaršid schrieb und dann mit Selǧuq-Šāh in der Kalifenstadt zusammentraf, natürlich (der aus den Ǧibāl weichende) Masʿūd! Toġrı̊ l wollte sich wohl noch gegen Bagdad wenden, blieb aber bis zu seinem Tod in Hamadān. Außerdem gehört Ibn al-Aṯīrs Schilderung von Toġrı̊ ls Rückeroberung der Ǧibāl (anders von als Hanne dargestellt) inhaltlich vor das, was (auch) Ibn al-Ǧauzī über den Konflikt zwischen Masʿūd und al-Mustaršid wegen einiger Emire berichtet. 736 Luther, Political Transformation, S. 18. 737 Anders Paul, „Sanjar and Atsız“, S. 95: „After Ṭughril’s untimely death in 1134, Sanjar had no representative [in the west]“. 738 S. z. B. Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 278, 281–283.

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er primär damit beschäftigt war, die neuen Qaraḫanidenherrscher, Bahrām-Šāh (Ġazna-Feldzug von 1135) sowie den immer selbstbewussteren Ḫvārazmšāh unter Kontrolle zu halten. Sicher befand er es auch nicht für zwingend erforderlich, abermals einem anderen Kandidaten den Vorzug gegenüber Masʿūd zu geben; letzterer hatte Toġrı̊ l ja nicht etwa getötet.739 Kurzum: Man sah die Sache wohl auf beiden Seiten pragmatisch, mit der Folge, dass Sanǧars Stellung als Oberherr des irakischen Sultanats nicht infrage gestellt wurde und es in dieser Hinsicht keinen Bruch gab. Gleich 1135 bekam Masʿūd von seinem Onkel mitgeteilt, wie er mit den Problem-Emiren verfahren solle.740 Wenig später gelang es Masʿūd dann, im Wettstreit mit dem Kalifen eine größere Zahl von Lokal- und Regionalherren für sich zu gewinnen, wobei sich ihm insbesondere Personen mit einer Verbindung nach Osten anschlossen, etwa der Anūšteginide ʿAin ad-Daula (Atlı̊ ġ), der ḫurāsānische Emir Sābiq adDīn Rašīd und Dubais.741 Anscheinend schickte der „allergrößte“ Sultan sogar Truppen, die seinem Neffen in der Schlacht von Dāy-Marǧ (24. Juni 1135) zum Sieg über al-Mustaršid und die mit diesem alliierten Emire verhalfen742 und seinen Abgesandten Yarı̊ n-Quš al-Qārī/Qurʾān-Ḫvān (?)743 in Masʿūds Lager nahe Marāġa begleiteten,744 um – auf die eine oder andere Weise – für eine Wendung im Fall des zu diesem Zeitpunkt bereits in einem Zelt arretierten Kalifen zu sorgen. Yarı̊ n-Qušs Eintreffen ging bekanntlich damit einher, dass al-Mustaršid von einer Gruppe „Bāṭiniten“ erdolcht wurde (Ende August 1135), und in der Tat spricht manches für einen Mord im Auftrag

739 Zudem hatte Masʿūd schon früher direkt unter Sanǧar als Vizekönig gedient, nämlich in Gurgān; s. u., S. 316. Fragner (Hamadān, S. 139 f.), der von einer Aussöhnung zwischen Sanǧar und Masʿūd spricht, meint, ersterer habe den Thronwechsel sogar begrüßt: „Sanǧar war mit dieser Entwicklung durchaus zufrieden: Schon […] 527 H. […] hatte er in einem Brief an Mustaršid diesem vorgeschlagen, den Tuġril, der ihm zu schwach erschien, gegen einen kraftvolleren Herrscher auszutauschen.“ Eine solche Aussage vermag ich in dem Brief jedoch nicht zu finden; Toġrı̊ l wird im Gegenteil gerühmt und als hervorragende Wahl verteidigt (Eqbāl, Vezārat, S. 315). 740 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 293. Anders als von Sanǧar vorgegeben, ließ Masʿūd die Emire jedoch nicht hinrichten „and thereby announced that he would not be a blind puppet of his uncle“ (Bosworth, „Political and Dynastic History“, S. 136). Allerdings dürfte Masʿūd kaum in der Lage gewesen sein, Yarı̊ n-Quš al-Bāzdār, Borsuq III., Qı̊ zı̊ l und andere große Emire einfach zu beseitigen. Er musste ihnen vergeben, weil er dringend ihre Truppen brauchte. 741 Bundārī, Zubda, S. 175; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 281 f. 742 Ibn al-Azraq, Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 205. 743 Die nisba al-Qārī – deren Träger, ein Emir, wohl in der Qaṭvān-Schlacht fiel – findet sich wiederholt bei Ḥusainī (Aḫbār, S. 94, 107 f.) sowie in Sanǧars Brief an den Kalifen (Eqbāl, Vezārat, S. 317), der andere, zweifelhafte Beiname („der Koranleser“?) bei Bundārī (Zubda, S. 177) und Ibn al-Aṯīr (al-Kāmil, Bd. IX, S. 283: ‫ قزان خوان‬ohne Yarı̊ n-Quš), während Ibn al-ʿImrānī (al-Inbāʾ, S. 221) von Yarı̊ n-Quš al-Faḫrī spricht. 744 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 298, wo wie bei Ibn al-Azraq von einem ʿaskar ʿaẓīm die Rede ist.

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Sanǧars und/oder Masʿūds.745 Eventuell führte letzterer den gefangenen ʿAbbāsiden erst zwei Monate lang mit sich, weil er auf (weitere) Anweisungen oder die Zustimmung seines Oberherrn wartete.746 In einem der Schreiben, welche damals eilig zwischen beiden Selǧuqen ausgetauscht wurden, erteilt der „allergrößte“ Sultan seinem Neffen jedenfalls Befehle und bezeichnet ihn als al-walad al-ʿazīz.747 Auch als es 1135/1136 um die Wahl eines neuen amīr al-muʾminīn ging, bat Masʿūd seinen Onkel um Anweisung, welchen ʿAbbāsiden er in Bagdad einsetzen solle. Prinzipiell scheint Sanǧar einen Sohn al-Muqtadīs namens Hārūn präferiert zu haben,748 für den daher auch Masʿūd plädierte, doch lautete der Befehl des Selǧuqenseniors letztlich, dass sich al-Mustaršids Wesir Šaraf ad-Dīn az-Zainabī, der Bagdader Schatzmeister (ṣāḥib al-maḫzan) Ibn al-Baqšalāmī und der kalifale Kanzleileiter (kātib al-inšāʾ, sowie Chefdiplomat) Ibn al-Anbārī auf einen Kandidaten einigen sollen.749 Die drei Herren entschieden sich für einen Bruder al-Mustaršids, welcher den laqab al-Muqtafī li-Amr Allāh annahm (August 1136). Sanǧar ließ Masʿūd dem neuen Kalifen daraufhin (Frühjahr 1137) an seiner statt (d. h. in Stellvertretung) den obligatorischen Treueeid

745 Dazu Tor, „Two Murders“, S. 288 ff. Wie Ibn Abī Ṭayyiʾ in seinen Maʿādin aḏ-ḏahab schrieb, sprechen die Umstände (qarāʾin al-ḥāl) klar dafür, dass Sanǧar die Attentäter schickte (Ibn al-Furāt, Taʾrīḫ ad-duwal wa-’l-mulūk, S. 265 – s. zudem S. 266, wo aus Ibn Diḥya al-Kalbīs Kitāb an-Nibrās fī taʾrīḫ ḫulafāʾ banī l-ʿAbbās zitiert wird). Bar Hebräus hat daran nicht den geringsten Zweifel; doch war Masʿūd seiner Meinung nach nicht (gänzlich) eingeweiht (Bar ʿEbroyo, Maḵtḇonūṯ Zaḇne, tr. Budge, S. 259 f.). Sibṭ Ibn al-Ǧauzī meint, dass Masʿūd und Sanǧar die Tötung des Kalifen vereinbart hatten (Mirʾāt, ed. Jewett, S. 95). Anzunehmen wäre, dass Masʿūd von Yarı̊ n-Quš ein geheimer Brief übergeben wurde (so Bundārī, Zubda, S. 177), in welchem der „allergrößte“ Sultan die folgende Beseitigung des Kalifen erklärte. Ebenso wie Yarı̊ n-Qušs inszenierte Ankunft hätte dann wohl auch Sanǧars vorherige Verlautbarung, al-Mustaršid sei umgehend freizulassen, um Verzeihung zu bitten und mit allen Ehren zurück nach Bagdad zu bringen, lediglich der Ablenkung und Verschleierung gedient (s. etwa Ibn Wāṣil, Mufarriǧ, Bd. I, S. 61 – unter Berufung auf Ibn al-­ Anbārī). Nach Bar Hebräus warf Sanǧar seinem Neffen in einem geheimen Brief vor, nicht gleich im Durcheinander des Gefechts für den Tod des ʿAbbāsiden gesorgt zu haben. 746 S. etwa Ibn al-Qalānisī, Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 249: kutibat al-muṭālaʿāt ilā ’s-sulṭān Sanǧar […] bi-ṣūrat al-ḥāl wa-’l-istiʾḏān bi-mā yaʿtamidu fī bābihī […] fa-lammā ʿāda al-ǧauwāb min as-sulṭān Sanǧar fī hāḏā ’l-bāb wa-taqrīr mā iqtaḍāhu ’r-raʾy fī amr al-ḫilāfa baina ’s-sulṭānain; Ibn al-Azraq, Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 208: qīla inna ’s-sulṭān Masʿūd […] istaʾḏana ʿammahū Sanǧar fa-aḏina lahū fī qatlihī. 747 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 297; Bar ʿEbroyo, Maḵtḇonūṯ Zaḇne, tr. Budge, S. 259 f. 748 Huwa šaiḫ kabīr. Man wüsste gern, was Sanǧar mit diesem 1155 verstorbenen (s. Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 104 f.) Bruder al-Mustaẓhirs (und damit Onkel al-Mustaršids) verband. Kannte er ihn von früher oder war Hārūn der Sohn einer Selǧuqin? 749 Ibn al-Azraq, Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 209, 212 (alternativ: Ibn Wāṣil, Mufarriǧ, Bd. I, S. 62 f.). Zum genannten Wesir u., ab S. 185, zu Ibn al-Anbārī u., S. 180 ff. Für Informationen über Kamāl ad-Dīn Abū ’l-Futūḥ Ḥamza b. ʿAlī b. Ṭalḥa, genannt Ibn al-Baqšalāmī, s. Ibn al-ʿImrānī, al-Inbāʾ, S. 211; Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 150. Anders als Carole Hillenbrand annimmt (s. Anm. 224 zu ihrer Ibn-al-Azraq-Übersetzung auf S. 399 in History of the Jazīra, Bd. II) ist Kamāl ad-Dīn Ḥamza – welcher 1161 starb – nicht mit dem bereits 1139 hingerichteten Wesir Kamāl ad-Dīn Muḥammad al-Ḫāzin (s. u., S. 158 f.) identisch.

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leisten (mubāyaʿa),750 was beweist, dass der Irak-Selǧuqe als ordentlicher Repräsentant seines Onkels fungierte. Beachtung verdient im Übrigen, dass die kostbaren Kalifatsinsignien, Muḥammads burda und qaḍīb, welche al-Mustaršid nach seiner Niederlage von Masʿūd abgenommen worden waren, an Sanǧar nach Ḫurāsān übersandt wurden.751 Während Bagdad und die ʿAbbāsiden vorerst wieder unter selǧuqischer Kontrolle waren, erwiesen sich die Aufsässigkeit und der Machtzuwachs einiger Emire als Dauerproblem, auf das Masʿūd – selbst kaum noch über Besitz verfügend – fast nur in der Weise zu reagieren vermochte, dass er rivalisierende Emire gegeneinander ausspielte. Von einer direkten Verwicklung oder Einmischung Sanǧars in diese Kämpfe lesen wir in den Quellen nichts; der „allergrößte“ Sultan sah sich ab den 1130er Jahren, wie gesagt, primär mit ernsthaften Herausforderungen im Osten konfrontiert. Zudem gab es mittlerweile wohl weniger Personen, über die er auf die Entwicklungen im Westen Einfluss nehmen konnte. In der Salǧūq-nāma-Version, die in Rašīd ad-Dīn Fażl-Allāhs Ǧāmiʿ at-tawārīḫ integriert wurde, sowie in jener, welche Teil von Qāšānīs Zubdat at-tawārīḫ ist, heißt es zwar unmissverständlich, Masʿūd habe Sanǧars Tochter Gauhar-Ḫatun zur Frau bekommen,752 doch sucht man nach dieser Information in dem von Morton edierten Salǧūq-nāma und anderen Adaptionen wie Rāvandīs Rāḥat aṣ-ṣudūr und Ḥamd-Allāh Mustaufīs Tārīḫ-i guzīda vergeblich. An gleicher Stelle753 liest man dort, dass Sultan Masʿūd seine Tochter Gauhar-Ḫatun an den valī-ʿahd Dāwūd b. Maḥmūd gab, was durch weitere Angaben in allen Salǧūq-nāma-Versionen sowie Bundārīs Zubdat an-nuṣra Bestätigung findet – auch bei Rašīd ad-Dīn und Qāšānī ist von Gauhar-Ḫatun bt. Masʿūd die Rede, welche erst mit Dāwūd und dann (nach dessen Ermordung 1143/1144) mit Masʿūds neuem valī-ʿahd Muḥammad b. Maḥmūd verheiratet war.754 An der Existenz dieser Prinzessin kann somit kaum Zweifel bestehen und es wäre sicher das einfachste, die Aussage über Sanǧars Tochter mit einer Verwechslung zu erklären (zumal eine solche Selǧuqin auch in Ibn al-Aṯīrs Überblick

750 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 321: waṣala Yumn al-ʿIrāq al-Ḫādim ilā Baġdād rasūlan min as-sulṭān Sanǧar fa-amara ’s-sulṭān Masʿūdan bi-mubāyaʿat al-Muqtafī ʿanhu fa-daḫala ilaihi fī Raǧab fa-bāyaʿahū ʿan ʿammihī Sanǧar wa-tammat al-baiʿa al-muqtafīya fī Ḫurāsān. Masʿūd selbst hatte al-Muqtafī kurz nach dessen Erhebung den Treueeid geschworen (Ibn al-Azraq, Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 216). Zur baiʿa: Émile Tyan, EI2-Artikel „Bayʿa“; Hanne, „Ritual and Reality“. 751 Die ʿAbbāsiden erhielten beides erst im Juni/Juli 1141 zurück (Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 317; Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 10; Bundārī, Zubda, 241 f.). 752 Rašīd ad-Dīn, Ǧāmiʿ – Selǧuqen, S. 79; Qāšānī, Zubda – Selǧuqen, S. 56; offenbar soll dieser Bund schon kurz nach Masʿūds Thronbesteigung geschlossen worden sein. 753 Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 75; Rāvandī, Rāḥa, S. 227; Mustaufī, Tārīḫ-i guzīda, S. 455. 754 Bundārī, Zubda, S. 195, 222; Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 81, 84; Rašīd ad-Dīn, Ǧāmiʿ – Selǧuqen, S. 87, 91; Qāšānī, Zubda – Selǧuqen, S. 62, 64 f.; Rāvandī, Rāḥa, S. 236, 244; Mustaufī, Tārīḫ-i guzīda, S. 457. Der selǧuqische malik Muḥammad b. Maḥmūd wurde 1146 oder 1147 Masʿūds valī-ʿahd und regierte als solcher Ḫūzistān.

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über Masʿūds Gemahlinnen755 keine Erwähnung findet). Allerdings heißt es bei Rašīd ad-Dīn und Qāšānī an einer Stelle, besagte Tochter Masʿūds sei die Tochter GauharḪatuns gewesen,756 woraus auf zwei Damen gleichen Namens zu schließen wäre (Sanǧars Tochter und deren Tochter).757 Eine Heiratsverbindung zwischen Sanǧar und Masʿūd erscheint also doch einigermaßen fraglich, wohingegen den Quellen ohne Widersprüche zu entnehmen ist, dass letzterer (genau wie schon Maḥmūd II. und Toġrı̊ l II.) vom „allergrößten“ Sultan einen Wesir zugewiesen bekam, nämlich ʿImād ad-Dīn Abū ’l-Barakāt Ibn Salama ad-Darguzīnī. Dieser war der Neffe (ḫvāhar-zāda) oder Schwager (barādar-i zan) des hingerichteten Qiwām ad-Dīn Abū ’l-Qāsim Darguzīnī und Sanǧars Gunst teilhaftig geworden, nachdem er sich gezielt an dessen Ḫurāsāner Hof begeben hatte. Als er dann in den Irak zurückkehrte, befolgte Sultan Masʿūd umgehend den Befehl des Reichsoberhaupts und bestallte ʿImād ad-Dīn (Ibn al-Aṯīr: Kamāl ad-Dīn) Abū ’l-Barakāt 1135/1136 anstelle von Šaraf ad-Dīn Anūširvān b. Ḫālid (gest. 1138) zum Leiter

755 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 307: 1. Zubaida-Ḫatun bt. Berkyaruq (gest. 1137), 2. Sufrā bt. Dubais b. Ṣadaqa, genannt ʿArab-Ḫatun (Heirat 1138; Mutter von Malik-Šāh b. Masʿūd), 3. Tochter des Selǧuqen Qavurd (Heirat wohl ebenfalls noch 1138). Ibn al-Ǧauzī gibt an, dass jener Qavurd Masʿūds Onkel väterlicherseits war (al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 328), doch ist kein Sohn Malik-Šāhs I. mit diesem Namen bekannt. Laut Ibn al-Aṯīr hatte das Ansehen dieses Selǧuqen gelitten, weil er ein Trunkenbold war. Dass es sich um einen Kirmān-Selǧuqen handelt – was so wohlgemerkt nirgendwo steht –, ist zwar anzunehmen, doch wäre zu bezweifeln, dass wir es – wie Lambton meint (Continuity and Change, S. 260 und Selǧuqen-Stammtafel III am Ende) – mit Aḥmad Qavurd b. Čaġrı̊ -Beg zu tun haben; sonst müsste Masʿūd die Tochter seines 1073 verstorbenen Urgroßonkels geehelicht haben … Zudem verwechselt Lambton (s. auch noch ihre Stammtafel II) die mit Masʿūd verheira­ tete Prinzessin mit der Witwe des Kalifen al-Mustaẓhir („Ḫatun al-Mustaẓhirīya“, s. u., S. 175 ff.). Diese Schwester Sanǧars wurde 1138 (!) die Frau des maliks von Kirmān, welchen Ibn al-Ǧauzī als Sohn Qavurds bezeichnet (op. cit., Bd. XVII, S. 335, s. auch Bd. XVIII, S. 23), obwohl der regierende Kirmān-Selǧuqe Arslan-Šāh I. (zu dessen Frauen eine Tochter Muḥammad Tapars zählte) Qavurds Enkel war. Womöglich ist also auch der nasab der von Masʿūd geehelichten Prinzessin unvollständig. Andernfalls muss es sich bei deren Vater um einen nahezu unbekannten Selǧuqen handeln und tatsächlich findet sich in Rāvandīs Selǧuqen-Übersicht (Rāḥa, Stammtafel zwischen S. 84 und 85) noch ein zweiter Qavurd, welcher wahrscheinlich als Bruder Arslan-Šāhs I. anzusehen ist. Ibn al-Aṯīr (op. cit., Bd. IX, S. 329) erwähnt noch, dass ein nur als Sohn Qavurds bezeichneter Bruder der mit Masʿūd verheirateten Dame 1143/1144 in Bagdad als Hintermann einer Räuberbande agierte und deshalb auf Befehl des Sultans gekreuzigt wurde. 756 Rašīd ad-Dīn, Ǧāmiʿ – Selǧuqen, S. 87; Qāšānī, Zubda – Selǧuqen, S. 62. 757 Genau dies tat offenbar Lambton, ohne besagtes Problem zu beachten, s. Continuity and Change, S. 260 sowie ihre Selǧuqen-Stammtafel II am Ende, in welcher Masʿūds Tochter allerdings gleich doppelt genannt ist (namentlich als Gohar Khātūn und nochmal als Fulāna).

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seiner Zentralverwaltung.758 Allerdings wurde der zweite Darguzīnī-Wesir schon Ende 1138 wieder entlassen; der Mann, der ihn ersetzte, war Sanǧars ehemaliger Schatzmeister und Gouverneur von Rayy, Kamāl ad-Dīn Abū Šuǧāʿ Muḥammad b. al-Ḥusain/ʿAlī al-Ḫāzin.759 Wie wenig Macht Masʿūd gegenüber seinen Emiren noch besaß und wie sehr man Sanǧar – dem Naǧm ad-Dīn Qummī speziell für diese Zeit große Autorität bescheinigt760 – in der Rolle des „Personalchefs“ sah, zeigen die folgenden Ereignisse: Der 758 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 75 (Schwager), 79 (Entlassungsschreiben für Anūširvān aus Ḫurāsān), 83; Munšī Kirmānī, Nasāʾim, S. 79 (Neffe), Ḫvāndamīr, Dastūr al-wuzarāʾ, S. 211 (hier gar: mādaraš ḫvāhar-zāda-yi Qiwām ad-Dīn […] būd); Bundārī, Zubda, S. 181 (kāna nasīban li-’lQiwām ad-Darkuzīnī min ǧihat aḫwālihī); Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 294. (Wäre ʿImād ad-Dīn sowohl Qiwām ad-Dīns Neffe als auch dessen Schwager, müsste der erste Darguzīnī-Wesir seine Nichte geheiratet haben, was unwahrscheinlich ist).

Schaubild 3  Von Sanǧar protegiert wurde ein Bauernsohn aus Darguzīn zum Begründer einer mächtigen Wesirsdynastie (grün, W = Wesir), die sich unter anderem mit jener der Kāš(ān)ī-Wesire (violett) verband. 759 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 93, 95; Munšī Kirmānī, Nasāʾim, S. 80; Ḫvāndamīr, Dastūr alwuzarāʾ, S. 212.ʿImād ad-Dīn wurde Ḥusainī zufolge bi-ǧamīl aus dem Amt entlassen (Aḫbār, S. 122), und nicht etwa (wie z. B. in Başans Great Seljuqs auf S. 134 zu lesen) getötet. Grund für die Absetzung sollen Verleumdungen seitens einflussreicher Würdenträger gewesen sein. Darauf, dass auch al-Ḫāzin ernannt wurde, weil sich Sanǧar für ihn verwendet hatte, gibt es keine Hinweise. Akopyan und Mosanef („Billon Coinage“, S. 84 f.) machen aus ʿImād ad-Dīn und al-Ḫāzin irrtümlich eine einzige Person! 760 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 75: ḥukm-i sulṭān Sanǧar dar īn vaqt dar šaraf va ʿizzat ṭarāvat va nafaẕ dāšt.

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über Aserbaidschan gebietende Atabeg Qara-Sonqur erzwang nach nur sieben Monaten die Hinrichtung Kamāl ad-Dīn al-Ḫāzins und machte seinen eigenen kadḫudā Maǧd ad-Dīn ʿIzz al-Mulk Abū ’l-ʿIzz Ṭāhir b. Muḥammad al-Burūǧirdī zum Wesir ( Juni 1139).761 Nicht gewillt, dies zu akzeptieren, beschloss daraufhin der angesehene Finanzrat (mustaufī) Kamāl ad-Dīn (oder Bahāʾ ad-Dīn) Ṯābit b. Muḥammad alQummī at-Tamīmī (welcher zuvor auf ʿImād ad-Dīns Absetzung hingewirkt hatte),762 gegen den Atabeg und Burūǧirdī vorzugehen, indem er sich heimlich nach Ḫurāsān begab und Sanǧar – in der Absicht, von diesem selbst zum Wesir des Westens ernannt zu werden – mitteilte, dass doch eigentlich er, der „allergrößte“ Sultan, die irakischen Wesire zu bestimmen pflege (!), nun aber Qara-Sonqur selbiges tue und sich somit ein sanǧargleiches Handeln anmaße.763 Ehe er seinen Plan durchführen konnte, wurde al-Kamāl Ṯābit von Burūǧirdī in Hamadān inhaftiert, wo man ihn (nur mit einem dünnen Hemd bekleidet) im Winter 1139/1140 erfrieren ließ.764 Wie bereits erwähnt und später noch ausführlich zu beleuchten sein wird, gehörte die strategisch wichtige Provinz Rayy unter Sultan Sanǧar zunächst nicht zum Subsultanat der irakischen Selǧuqenlinie. Dies änderte sich, nachdem der „allergrößte“ Sultan 1141 von den Qara-Ḫitai geschlagen worden war. Ibn al-Ǧauzī berichtet, dass Masʿūd 1142 von seinem Onkel die Erlaubnis erhielt, nunmehr ebenso frei über Rayy und Dependenzen zu verfügen, wie es einst Sultan Muḥammad I. getan hatte. Masʿūd sollte Rayy zu seinem Stützpunkt machen, sodass er und seine Truppen bereitstünden, falls Sanǧar sie zu Hilfe rufe.765 Anders als man vielleicht meinen könnte, bedeutete dies jedoch nicht, dass der Selǧuqensenior in seiner Position gegenüber Masʿūd schwächelte, sich deshalb zu Geschenken gezwungen sah und kleinlaut zurücksteckte. Indem er eine veränderte Zuständigkeit für Rayy erklärte, wälzte er vielmehr ein wachsendes Problem ab und erlegte es seinem Neffen auf, sich an seiner statt darum zu kümmern, da er selbst zu sehr mit östlichen Bedrohungen beschäftigt war. Der Name dieses Problems war ʿAbbās. Infolge der Ermordung seines Herrn, des mächtigen Eunuchen-Emirs Ǧauhar, dessen iqṭāʿ Rayy gewesen war, hatte sich ʿAbbās 1140 zum Herrscher jener Stadt aufgeschwungen, die er bislang in Stellvertretung regiert hatte, und eine große 761 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 306 f.; Bundārī, Zubda, S. 187 f. Burūǧirdī war damals bereits 70 Jahre alt und soll 600 Dörfer besessen haben; Masʿūd entließ ihn 1144/1145. Wie schon gesagt, ist der hingerichtete Wesir Kamāl ad-Dīn Muḥammad al-Ḫāzin – anders als Carole Hillenbrand annimmt (s. die Anm. 224 zu ihrer Ibn-al-Azraq-Übersetzung auf S. 399 in History of the Jazīra, Bd. II) – nicht mit dem kalifalen Schatzmeister Ibn al-Baqšalāmī (s. o., S. 155) identisch, der erst 1161 verstarb. 762 Bosworth gibt in seinem EIr-Artikel „Dargazīnī“ irrtümlich an, ʿImād ad-Dīn Darguzīnī sei als Wesir durch al-Kamāl (Kamāl ad-Dīn) Ṯābit Qummī (statt durch al-Ḫāzin) ersetzt worden; außerdem schreibt er ʿImād ad-Dīn die Leistungen al-Ḫāzins zu. 763 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 103 f. (aknūn atābeg Qarā-Sonqur Sanǧarī mī-kunad va vazīr mīgumārad); Munšī Kirmānī, Nasāʾim, S. 81 f.; Ḫvāndamīr, Dastūr al-wuzarāʾ, S. 213 f. 764 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 6. 765 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 26; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 319.

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Anzahl von Truppen um sich geschart.766 Wie etwa in Rašīd ad-Dīns Salǧūq-nāma-Adaption zu lesen, führte dies dazu, dass „Sanǧar auf ʿAbbās ärgerlich war und Sultan Masʿūd befahl, ihn zu ergreifen und Rayy von ihm zurückzuerobern“767 – ein Aspekt, der in Jürgen Pauls Untersuchung zu ʿAbbās fehlt,768 den es für eine korrekte Interpretation der Aussagen Ibn al-Ǧauzīs aber unbedingt zu beachten gilt. Nachdem ʿAbbās – auf Sanǧars Geheiß hin769 – 1147 eliminiert worden war (sein Kopf ging nach Ḫurāsān), begab sich der „allergrößte“ Sultan im Winter 1149/1150 „trotz seines hohen Alters“ sogar noch ein letztes Mal persönlich nach Rayy, was folgende Gründe hatte: Wie das Selǧuqenoberhaupt offenbar genau wusste, favorisierte Masʿūd seit einiger Zeit einen Emir namens ʿIzz ad-Dīn Ḫāṣṣ-Beg (eigentlich: BegArslan) b. *Palang-Eri, wodurch dieser eine prädominante Stellung erlangte und sich die übrigen, abgehängten Emire aus Furcht vor ihm empörten. Die Reichsordnung in Gefahr sehend tadelte Sanǧar seinen Neffen und forderte ihn auf, Ḫāṣṣ-Beg fallen zu lassen. Weil der Juniorsultan nicht gleich hören wollte, machte der Selǧuqensenior seine Drohung war und zog nach Rayy, wozu ihn (wieder einmal) ein Iraker ermutigt hatte, nämlich Yamīn ad-Dīn al-Makīn Abū ʿAlī, welcher unlängst als Chef der irakischen Heeresverwaltungsbehörde (ʿāriż) schimpflich abgesetzt worden,770 nach Ḫurāsān gegangen und dort auf die Posten des Vizewesirs und Schatzhaussekretärs gelangt war. Als Sanǧar nun Masʿūd nach Rayy zitierte, weilte dieser gerade in Asadābād und wurde von Ḫāṣṣ-Beg gedrängt, seine Reise nach Bagdad fortzusetzen, ohne den Großsultan zu treffen. Dagegen meinte der Emir Šaraf ad-Dīn al-Muwaffaq Gird-Bāzū, dass Widerstand zwecklos und am besten zu tun sei, was schon Maḥmūd II. hatte tun müssen. Tatsächlich ging Masʿūd nach Rayy, begleitet von nur zwei oder drei Personen. Aufs Herzlichste empfangen leistete er mustergültig ḫidma und erhielt eine Ehrenrobe, während sein Favorit und die Armee sicherheitshalber in Asadābād warteten. Ḫāṣṣ-Beg fürchtete sich insgeheim vor Sanǧar (az sulṭān Sanǧar mustašʿir būd) und es kursierten Gerüchte, dass er Masʿūd geraten habe, sich gegen das Dynastieoberhaupt zu erheben und im Irak volle Souveränität zu beanspruchen. Dem Juniorsultan, dessen

766 Bundārī, Zubda, S. 191; mehr zu Rayy unten, im Kapitel „Sanǧars Brückenkopf im Westen“ ab S. 295. 767 Rašīd ad-Dīn, Ǧāmiʿ – Selǧuqen, S. 81: sulṭān Masʿūd az Hamadān ba Rayy āmad ki sulṭān-i aʿẓam Sanǧar bar ʿAbbās mutaġayyir būd va sulṭān Masʿūd-rā farmūd tā ū-rā bigīrad va Rayy az ū bāz gīrad (alternativ: Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 77). 768 S. Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 194 f. ʿAbbās lehnte sich ähnlich wie Atsı̊ z gegen Sanǧar auf! Was Paul als „komplexe Situation“ bezeichnet, war eigentlich der Normalfall. 769 Rašīd ad-Dīn, Ǧāmiʿ – Ismāʿīliten, S. 152, 157. 770 Masʿūds damaliger Wesir, welcher al-Makīn (Makīn ad-Dīn) Abū ʿAlī ba nikāyat aus dem dīvān-i ʿārż entließ, war Šams ad-Dīn Abū ’n-Naǧīb al-Aṣamm ad-Darguzīnī, dessen Mutter die Schwester Qiwām ad-Dīn Abū ’l-Qāsim Darguzīnīs war. Bis er 1146/1147 Wesir wurde, diente Šams ad-Dīn als kadḫudā des Emirs Ḫāṣṣ-Beg.

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Status bestätigt wurde,771 gelang es jedoch, seinen Onkel rundum zu besänftigen und sich bei ihm soweit für Ḫāṣṣ-Beg zu verwenden, dass dieser ebenfalls zwecks Huldigung nach Rayy kommen konnte. Mit sich brachte er reiche Geschenke für Sanǧar, dem er beim Polo und in anderen Reiterspielen angeblich derart imponierte, dass der Selǧuqensenior ihm am Ende ähnlich zugeneigt war wie sein Neffe.772 Keine zwei Jahre nachdem der „Sultan der Sultane“ von seiner letzten Rayy-Expedition zufrieden nach Ḫurāsān zurückgekehrt war,773 verschied Ġiyāṯ ad-Dunyā wa-’dDīn Abū ’l-Fatḥ Masʿūd am 2. Oktober 1152 (mit 43 Jahren) in Hamadān. Auch er starb als Vasall seines Onkels,774 ohne dass sein Handlungsspielraum signifikant größer gewesen wäre als jener Maḥmūds II.775 Dies lag allerdings weniger an Sanǧar – welcher im Konflikt mit Atsı̊ z und den Qara-Ḫitai ja an Macht eingebüßt hatte – als an den großen West-Emiren, durch deren Renitenz, Unkontrollierbarkeit und Herrschaftsstreben Masʿūd viel zu sehr in Bedrängnis, viel zu unsicher war, um sich eine Lösung vom Familienoberhaupt erlauben zu können. Davon abgesehen, dass ihm hierfür die Stärke fehlte, dürfte er das Band zwischen ihm und Sanǧar bei der Behauptung seiner Position bisweilen eher als Halt denn als Fessel empfunden haben. Dementsprechend sind keine Münzen bekannt, auf welchen Sultan Masʿūd ohne Sanǧar genannt ist.776 Einige weisen sogar noch den Namen al-Mustaršids auf,777 was als weiteres Zeichen angesehen werden kann, wie schnell und anstandslos sich Masʿūd nach Toġrı̊ ls Tod

771 Wie oben ausgeführt, endete nun auch Atsı̊ z’ (nur) durch Münzen belegtes Experiment, sich statt Sanǧar Masʿūd zum Oberherrn zu wählen. So es das Ziel gewesen war, einen Keil zwischen beide Sultane zu treiben, hatte der Anūšteginide offenbar nicht den geringsten Erfolg. 772 Rašīd ad-Dīn, Ǧāmiʿ – Selǧuqen, S. 90 f.; Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 59 f.; Bundārī, Zubda, S. 224 f.; Ḥusainī, Aḫbār, S. 120 f.; Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 157 f. (s. zu al-Makīn in Ḫurāsān auch Ḥaiṣa Baiṣa, Dīwān, Bd. I, S. 196 f.); Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 355 f., 362; Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 71 f.; Luther, Political Transformation, S. 21 f. Zu den ḫurāsānischen Heerführern, die Sanǧar nach Rayy begleiteten, zählten Yarı̊ n-Quš Harīva, ʿAlī Čatrī und Sonqur al-ʿAzīzī. Ḫāṣṣ-Beg war der Atabeg von Masʿūds Sohn Malik-Šāh und wurde 1153 hingerichtet. 773 Hiervon zeugt ein auf Ende 545 H. (1151) datierter Brief aus Saraḫs, in dem Sanǧar von der „frohen Kunde“ (bašārat) spricht, dass seine Banner aus dem Irak wieder in Ḫurāsān eingetroffen sind, s. Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 88. 774 Dass Masʿūd Sanǧars Oberhoheit (trotz Qaṭvān) anerkannte, betont auch Luther, Political Transformation, S. 4, 6, 18 f., 22. 775 C. E. Bosworth, EI2-Artikel „Sald̲ j̲ ūḳids“ – III. The various branches of the Sald̲ j̲ ūḳs – 1. The ­Great Sald̲ j̲ ūḳs of Persia and ʿIrāḳ (429–552/1038–1157): „only latterly, during the period of Sand̲ j̲ ar’s preoccupation with affairs in Transoxania and K̲ h̲ wārazm, did Masʿūd attain somewhat more freedom of action.“ 776 Auf vielen Münzen finden sich zusätzlich Namen von Emiren. 777 Interessanterweise ist auf einigen Dinaren (FINT 1995-15-96, 2009-12-78) zudem der Sohn und designierte Nachfolger al-Mustaršids namens ʿUddat ad-Dīn Abū Ǧaʿfar (1135–1138: ar-Rāšid bi’llāh) aufgeführt, obwohl diese Münzen nicht in Bagdad oder Umgebung geprägt wurden (Hanne, Putting the Caliph in His Place, S. 146: „I have not found any coins outside Baghdad that mention the walī al-ʿahd“). Wegen der Ähnlichkeit zu einem Typ, den Toġrı̊ l 528 H. in Iṣfahān schlagen ließ (Hennequin, Catalouge, S. 134 – auch hier rechts/links ʿUddat ad-Dīn / Abū Ǧaʿfar), könnte es sich um Masʿūds ersten Typ der Mzst. Iṣfahān handeln.

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zu Sanǧars Suzeränität bekannte. Anders als im Falle Toġrı̊ ls und Maḥmūds lesen wir allerdings weder auf den Münzen noch in der Literatur davon, dass Masʿūd irgendwann zu Sanǧars valī-ʿahd bestimmt wurde. Eine mögliche Erklärung hierfür wäre zwar die, dass statt ihm bereits ein anderer Selǧuqe, nämlich der malik Sulaimān-Šāh b. Muḥammad Tapar, für die Nachfolge vorgesehen war,778 doch sprechen Sanǧars Ordnung sowie sein eigentlich gutes, geregeltes Verhältnis zu Masʿūd viel eher für dessen Einsetzung – eventuell wurde Sulaimān-Šāh ja erst mit Masʿūds Tod zum valī-ʿahd seines Onkels erhoben.779 „Als Sultan Masʿūd […] starb, setzten die Höflinge [des Verblichenen] ihre Hoffnungen auf den allergrößten Sultan Muʿizz ad-Dīn Sanǧar. Untereinander zeigten sie [indes] Feindseligkeiten und jeder begann aus Neid des anderen Rang beim Sultan [für sich] zu fordern.“780

Der mit Abstand mächtigste Mann bei Hofe war zu diesem Zeitpunkt nach wie vor Ḫāṣṣ-Beg, den Masʿūd zum Großkammerherrn (amīr-i ḥāǧib-i kabīr) sowie zum Atabeg seines Sohnes gemacht hatte. Die Unsicherheit, welche die Iraker 1152 wieder einmal auf Sanǧar setzen ließ, wirft die Frage auf, ob Muḥammad b. Maḥmūd, der malik von Ḫūzistān, damals immer noch die Position des designierten Thronfolgers innehatte oder Masʿūd – dessen eigener Sohn noch vor dem Vater verstorben war781 – sich erneut umentschieden hatte, und zwar zu Gunsten von Muḥammads Bruder Malik-Šāh. Letzterer 778 S. Paul, „Sanjar and Atsız“, S. 95. Dass Sulaimān-Šāh später, zum Zeitpunkt der Oġuz-Katastrophe (1153), Sanǧars valī-ʿahd war, sagt Ibn al-Aṯīr (al-Kāmil, Bd. IX, S. 404) – und zwar einzig dieser; die Stelle, auf die Peacock (Great Seljuk Empire, S. 134, Anm. 49) verweist – Ibn Isfadiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. I, S. 108 – bezieht sich auf den Qaraḫaniden Maḥmūd b. Muḥammad. 779 Warum hätte Sanǧar Masʿūd als Juniorsultan akzeptieren, ihm aber die valī-ʿahd-Position verweigern sollen? Er hätte auch kaum erwarten können, dass Masʿūd ggf. bereit gewesen wäre, sich Sulaimān-Šāh unterzuordnen. Sulaimān wurde von Masʿūd inhaftiert (1146/1147, nach anfänglicher Beteiligung an einer Rebellion) und kam erst nach dessen Tod wieder frei, was ebenfalls gegen den valī-ʿahd-Status spricht. S. zur Problematik auch Schwarz, Sulṭān von H̱ urāsān, S. 60. Im Anschluss an seine Freilassung (1152) versuchte Sulaimān, Irak-Sultan zu werden, scheiterte aber und ging nach Ḫurāsān. Eigentlich kann die Zeit nicht gereicht haben, damit er noch vor Sanǧars Oġuz-Feldzug (1153) in Ḫurāsān eintraf, doch stieß ich auf eine Kasside, die der Dichter Sayyid Ḥasan Ġaznavī (gest. ca. 1161?) nach Masʿūds Tod „am Hofe Sanǧars und Sulaimāns“ vorgetragen haben soll (Dīvān, S. 49), wobei es nicht danach klingt, dass Sanǧar zu diesem Zeitpunkt schon in Gefangenschaft war … Traf Sulaimān seinen Onkel also doch noch kurz vor dessen Oġuz-Feldzug und wurde bei dieser Gelegenheit valī-ʿahd? 780 Ḥusainī, Aḫbār, S. 123: lammā tuwuffiya ’s-sulṭān Masʿūd […] ṭamiʿa ’l-ḥašam bi-’s-sulṭān al-aʿẓam Muʿizz ad-Dīn Sanǧar wa-aẓharū ’l-muḍārana bainahum wa-ṣāra kull wāḥid minhum yaṭlubu ­martabat al-āḫar ʿinda ’s-sulṭān wa-taḥāsadū. 781 Ein Sohn war 1139/1140 geboren worden (Mutter: Ibnat Qavurd) und kurz darauf verstorben. Der Sohn, welcher dann 1143 auf die Welt kam, stammte von Sufrā bt. Dubais und hieß Malik-Šāh. Er lebte zumindest so lange, dass Ḫāṣṣ-Beg in der Nachfolge der Emire Čavlı̊ (gest. 1146) und ʿAbd arRaḥmān b. Toġa-Yürek (gest. 1147) für eine Weile sein Atabeg sein konnte. Wahrscheinlich bezieht sich das in al-Qalqašandīs Ṣubḥ (Bd. VI, S. 397–399) zu findende Kondolenzschreiben al-Muqtafīs an Masʿūd auf den Tod dieses Jungen.

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stand seinem Onkel zuletzt wohl (wieder) recht nahe,782 weilte bei dessen Tod wahrscheinlich auch in Hamadān und zumindest Ibn al-Aṯīr gibt explizit an, dass er es war, den Masʿūd zu seinem Nachfolger bestimmt hatte.783 Ḫāṣṣ-Beg mag also den Wünschen seines Herrn entsprochen haben, als er zunächst Malik-Šāh auf den Thron setzte. Dass Sanǧars Anerkennung weiterhin außer Frage stand (Ḫāṣṣ-Beg hatte ja in Rayy die Gunst des Selǧuqenoberhaupts gewonnen), dokumentiert eine Münze Sultan Malik-Šāhs III., zu dem in Albums Checklist (S. 185) angemerkt ist, dass von ihm gar keine Prägungen bekannt seien! Der Dinar (s. Abb. 6), auf den ich im Handel stieß und welcher dort irrtümlich Maḥmūd II. zugeordnet war,784 wurde 548 H. (1153/1154) zu ʿAskar Mukram geschlagen; im Revers-Feld steht: ẓafar / Muḥammad / rasūl Allāh  / Muʿ izz ad-Dunyā wa-’d-Dīn / as-sulṭ ān al-muʿ aẓẓ am / Abū ’l-Fatḥ  Malik-Šāh / b. Maḥmūd / (rechts:) Muġīṯ ad-Dunyā / (links:) wa-’d-Dīn.785 Während letzterer Doppel-laqab Malik-Šāh gehört,786 bezieht sich ersterer zweifelsohne auf Sanǧar, wenngleich dieser ab 1153 ein Gefangener der Oġuz war.

Abb. 6  548 H. zu ʿAskar Mukram geschlagener Dinar Sultan Malik-Šāhs III. (Stephen Album Rare Coins, Auktion 17, Los 540).

782 Bundārī, Zubda, S. 227. 783 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 374. S. zu dieser Problematik Luther, Political Transformation, S. 23, 26 f. – die Aussage Ibn al-Aṯīrs kennt Luther wohlgemerkt nicht. 784 Stephen Album Rare Coins, Auktion 17 (Sept. 2013), Los 540. 785 Av.-Feld: faḫr / lā ilāh illā / ’llāh waḥdahū / lā šarīk lahū / al-Muqtafī li-Amr Allāh. S. dazu, dass der Dinar geprägt wurde, nachdem Malik-Šāh von den Emiren in Hamadān gegen seinen Bruder Muḥammad ausgewechselt worden war und er sich quasi als Gegensultan nach Ḫūzistān abgesetzt hatte, u., S. 285. Der gleiche Dinartyp wurde in ʿAskar Mukram auch noch 549 H. geprägt (neuer Av.-Stempel, Weiterverwendung des Rev.-Stempels). 786 Bosworth (New Islamic Dynasties, S. 186) gibt als Ehrenname für Malik-Šāh III. falsch Muʿīn ad-Dunyā wa-’d-Dīn an; die kunya dieses Sultans war m. W. bislang unbekannt.

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Nach nur drei Monaten als Sultan wurde Malik-Šāh III. von den Emiren wieder abgesetzt und alsbald gegen seinen Bruder Abū Šuǧāʿ Muḥammad ausgetauscht.787 Dieser nahm den Ehrennamen Ġiyāṯ ad-Dunyā wa-’d-Dīn an788 und ließ Ḫāṣṣ-Beg enthaupten. Noch zu Lebzeiten des betagten „Sultans der Sultane“ auf den Thron gelangt hatte auch Muḥammad II. (reg. 1153–1159), wie Münzen belegen,789 zunächst nur den Rang eines Subsultans inne und erkannte Sanǧars mittlerweile traditionelle Oberhoheit an.790 Das gleiche gilt für seinen Onkel und Herausforderer Ġiyāṯ ad-Dunyā wa-’d-Dīn (!) Abū Šuǧāʿ Sulaimān-Šāh, den der Kalif al-Muqtafī 1156 als eine Art Gegensultan zu Muḥammad aufstellte.791 Zu Sulaimān-Šāhs valī-ʿahd bestimmte der ʿAbbāside dabei Malik-Šāh III.,792 nachdem dieser, aus seiner Gefangenschaft in Hamadān entkom-

787 Zu alldem: Luther, Political Transformation, S. 26 ff.; Fragner, Hamadān, S. 149 ff. 788 Bosworth, New Islamic Dynasties, S. 186: Rukn ad-Dunyā wa-’d-Dīn – doch war dies Muḥammads laqab als malik. 789 Akopyan/Mosanef, „Āq Qush“, S. 46 (zu Burūǧird geschlagener Dinar, auf dem unter al-Muqtafī und as-sulṭān al-aʿẓam Sanǧar (Av.) der Emir – er war m. W. kein Atabeg – Nāṣir ad-Dīn Aq-Quš und as-sulṭān al-muʿaẓẓam Muḥammad b. Maḥmūd (Rev.) genannt sind); Miles, Numismatic History of Rayy, S. 215 (Dinare von [5]49 und 5[5]1 H.). Der Muḥammad II. von Lane Poole zugeordnete Dinar von 551 H. (Catalogue, Bd. IX, S. 281, Nr. 90q), welchen Luther wiederum lieber Sulaimān-Šāh beilegen wollte (Political Transformation, S. 106), ist in Wahrheit eine rein ʿabbāsidische Prägung – ab 547 H. (s. Jafar, Seljuq Period, S. 73–75) wird auf Bagdader Münzen kein Selǧuqe außer Sanǧar genannt; bei ʿUddat ad-Dunyā wa-’d-Dīn Abū ’l-Muẓaffar handelt es sich um al-Muq­tafīs Sohn, den späteren Kalifen al-Mustanǧid. 790 Luther, Political Transformation, S. 109. 791 Luther, Political Transformation, S. 74–77, 106; Bundārī, Zubda, S. 240 f.; Ḥusainī, Aḫbār, S. 140 f., Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 94 (ū-rā […] ba-salṭanat nām-zad kard); Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 405 (ḫalaʿa ʿalaihī ḫilaʿ as-salṭana); Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 106 (hier lediglich: ḫalaʿa ʿalaihī). Wohlgemerkt erklärte al-Muqtafī den letzten noch lebenden Sohn Muḥammads I. nur zum Subsultan des persischen Iraks (mit dem Ziel, Muḥammad II. und die Selǧuqenherrschaft weiter zu schwächen; Luther: „divide and rule“). Im arabischen Irak hingegen wurde Sulaimān-Šāh zwar (anders als Muḥammad II.) unter Sanǧar in der ḫuṭba genannt (Luther: „a hollow arrangement, designed to serve the purposes of the caliphate in its struggle to be free of the Seljuqs“), doch offenbar ohne dass ihm hier der Sultansrang zugestanden wurde. Wie ein Sultan war Sulaimān in Bagdad auch nicht empfangen worden (wenngleich er in Ḫurāsān ein solcher gewesen war). Angeredet wurde „der um Hilfe bittende König“ (al-malik al-mustaǧīr), wie man ihn nannte, einfach nur mit al-muʿaẓẓam. Bagdader Münzen mit Sulaimāns Namen sind (mir bislang) nicht bekannt. Anders als Luther schreibt, sagt Ibn al-Ǧauzī auch nicht, dass es solche Prägungen gab, sondern lediglich, dass anlassbedingt Dirhams und Dinare verstreut wurden. Zudem glaubte Luther, dass auf Bagdader Dinaren von 551 H. neben Sanǧar wahrscheinlich Sulaimān genannt ist, doch gehören der laqab und die kunya, auf denen seine Annahme basiert, keinem Selǧuqen, sondern dem Sohn und designierten Thronfolger al-Muqtafīs (s. Jafar, Seljuq Period, S. 74). 792 Luther, Political Transformation, S. 77: „The caliph had candidates for a complete hierarchy of Sel­juqs […]. But it was such a hollow and impotent hierarchy that one must seriously question whether the caliph really wanted the Seljuq Sultanate to survive at all. He was attempting to overthrow the only Seljuq who had any strengh, Sultan Muḥammad, by means of the obviously incompetent Sulaymānshāh, seconded by the unstable Malikshāh“. Hinzu kommt, dass al-Muqtafī seinem Wesir 1154 den laqab sulṭān al-ʿIrāq verlieh, wozu Luther (op. cit., S. 78) fragt: „If he was prepared to call his vazir sultan, how many other people might receive the same title? And by the same token, how seriously did he take the institution of the sultanate?“. Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht auch,

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men, bislang selbst als Gegensultan in Ḫūzistān geherrscht hatte (wie besagter Dinar aus ʿAskar Mukram verrät). Hinzu kommt, dass der Kalif Masʿūds Tod sogleich zum Anlass genommen hatte, seinerseits die Macht im arabischen Irak zu übernehmen793 und das Gebiet aus dem westlichen Subsultanat herauszulösen, indem er zwar noch Sanǧars Oberhoheit, jedoch nicht länger Ansprüche der Irak-Selǧuqen akzeptierte – gleich welcher von diesen mit seiner Unterstützung oder ohne Sultan war. Während also das Teilreich der Irak-Selǧuqen zunehmend zerfiel, zwei oder drei Juniorsultane miteinander rivalisierten und ihnen noch dazu der Kalif als emanzipierter, ebenbürtiger Herrscher gegenüberstand, war Sanǧar die Konstante; nur er oder besser gesagt sein Name hielt das Reich gewissermaßen als kleinster gemeinsamer Nenner noch formal zusammen. Wiewohl sich der letzte Großselǧuqe selbst in einer äußerst misslichen Lage befand, blieb seine Position an der Spitze des Imperiums unangefochten. Im Laufe der Jahrzehnte war sie im Irak schlicht zu einer Selbstverständlichkeit geworden, zu etwas Gegebenem, mit dem man nicht länger haderte. Anstatt dass man hier noch danach trachtete, Sanǧars Oberhoheit abzuschütteln und selbst die höchste Herrschaftsebene zu erklimmen, war der Irak zu einer Arena für (wie es bei Münkler einmal heißt) „Prestigespiele der zweiten Reihe“794 geworden, von welchen sich ebenso im Falle des Konflikts zwischen Ġaznaviden und Ġūriden sprechen ließe. Mit der Zeit beruhte Sanǧars Autorität nicht zuletzt auf seinem hohen Alter sowie der außerordentlichen Länge (und Robustheit) seiner Herrschaft.795 Mehr als jedem anderen Selǧuqen kam ihm die Stellung eines Patriarchen zu und so bedient sich der „Sultan der Sultane“ auch gerne des Familienmotivs, etwa wenn er in seinem Brief an den Kalifenhof hinsichtlich der Irak-Selǧuqen erklärt: „Alles, was vonseiten der prophetischen Stufen [d. h. vom Hof der ʿAbbāsidenkalifen] in Bezug auf die Statthalter und Funktionäre der [Uns, d. h. Sanǧar] eigenen Herrschaft gewährt wird, insbesondere zu Gunsten der Uns Teuren und Unserer Söhne – möge Gott sie stärken! –, [das] alles soll mit Dank und Erkenntlichkeit belohnt werden, zusammen mit Gehorsam und Ergebenheit. Ruhm und Würde Unseres Hauses mögen wachsen! Unsere Güte und Zuneigung gegenüber jedem einzelnen der Söhne und [Uns] Teuren sind vollkommen und Unser Auge soll klar[sichtig] für die Zunahme ihres Glückes, ihrer Macht

dass der ʿabbāsidische Kronprinz nun gleich einem Selǧuqenherrscher einen laqab auf ad-dunyā wa-’d-dīn führte (welcher just in Masʿūds Todesjahr neu in die sikka eingeführt wurde). 793 S. z. B. Bundārī, Zubda, S. 234 f.; dazu Luther, Political Transformation, S. 48 ff. oder Hanne, Putting the Caliph in His Place, S. 175 f. Masʿūd al-Bilālī, der letzte selǧuqische šiḥna von Bagdad, musste fliehen. 794 Münkler, Imperien, S. 55 f. 795 Bosworth, EI2-Artikel „Sald̲ j̲ ūḳids“ – III. The various branches of the Sald̲ j̲ ūḳs – 1. The Great Sal­ d̲ j̲ ūḳs of Persia and ʿIrāḳ (429–552/1038–1157): „[…] the passage of time and the unprecedented length of Sand̲ j̲ ar’s rule in the east, first as malik and then as supreme sultan, in general strength­ ened Sand̲ j̲ ar’s moral authority within the dynasty“.

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Das Teilreich der Irak-Selǧuqen

und ihrer Würde sein! So wollen Wir auch, dass jedem von der Herrschaft, dem Vermögen und der Größe reichlich zuteil sei.“796

Auch im Folgenden redet Sanǧar – die wohlwollende Vaterfigur – davon, dass er all seine „Söhne“, wie er die irakischen Subsultane zu nennen pflegt,797 mit einem Stück vom „Reichskuchen“ versorgt habe (ān mamālik ki bar īšān īs̠ ār karda-īm va ba-har-yak arzānī dāšta), und beschwört den Familienzusammenhalt. Im Grunde spricht es für sich, dass das politische System, gemäß dem unter der Suzeränität des „allergrößten“ Sultans, as-sulṭān al-aʿẓam, noch ein Selǧuqe mit dem Titel as-sulṭān al-muʿaẓẓam regierte, von 1119 bis zu Sanǧars Tod Bestand hatte. Diese Dauerhaftigkeit ist ziemlich erstaunlich und rechtfertigt es, in dem Arrangement ein Erfolgsmodell zu sehen (das sogar Nachahmer finden sollte). Die wohl letzte wichtige Entscheidung, welche Sanǧar als Reichsoberhaupt bezüglich des westlichen Subsultanats fällte, ist für das knappe Jahr nach seiner Befreiung aus den Händen der Oġuz im Salǧūq-nāma dokumentiert. Um vor Augen zu führen, wie beeindruckend lange Sanǧar Herrscher war, berichtet (wahrscheinlich) Ẓahīr ad-Dīn Nīšāpūrī selbst,798 zwei Urkunden (tauqīʿ) dieses Selǧuqen gesehen zu haben, und zwar eine von 491 H. (1097/1098) und eine von 551 H. (1156/1157). Letztere sei nach Bagdad geschickt worden ba-vilāyat-i ʿahd-i sulṭān Muḥammad b. Maḥmūd,799 was offenbar bedeutet, dass Sanǧar zuletzt Muḥammad II. zu seinem Erben bestimmte! Ein derartiges Festhalten an der Regelung, wonach der jeweilige Juniorsultan des Westens immer auch Großsultan in spe war, erscheint durchaus plausibel. Besagte Urkunde dürfte Muḥammads Position sowohl

796 Eqbāl, Vezārat, S. 314: har-či az aʿtāb-i nabaviyya dar bāb-i auliyā va ṣanāyiʿ-i daulat-i ḫvīš farmāyand ḫāṣṣa dar ḥaqq-i aʿizza va farzandān-i mā aʿazzahum Allāh hama ba-šukr va minnat-dāšt muqābil bāšad va ba-ṭāʿat va inqiyād-i multaqī va faḫr va ubbahat-i ḫānadān-i mā ziyādat šavad va šafaqat va ʿāṭifat-i mā dar bāb-i har-yakī az farzandān va aʿizza ba-daraǧa-yi kamāl ast va čašm-i mā badān-čī īšān-rā ziyāda mīšavad az iqbāl va tamkīn va rifʿat raušan bāšad va činān ḫvāhīm ki har-yak-rā az mulk va māl va basṭat naṣībī vāfir bāšad. Der Kontext ist der, dass Sanǧar des Kalifen Kollaboration mit dem rebellischen malik ʿAḍud ad-Dīn Masʿūd (s. o., S. 147 ff.) zur Sprache bringt. Anstatt al-Mustaršid aber Vorwürfe zu machen, bedankt er sich für die Unterstützung eines Familienmitgliedes und betont, dass auch der farzand-i aʿazz Masʿūd bei ihm nicht zu kurz kommt. 797 Paul meint, Sanǧar habe die „Familienmitglieder, vor allem also die westlichen Seldschuken, […] als seine Brüder“ benannt (Lokale und imperiale Herrschaft, S. 304). Er verweist ebenfalls auf eine Stelle in Sanǧars Brief an den Kalifenhof (Aḥkām, f. 106v = Eqbāl, Vezārat, S. 303), doch geht es dort eben nicht um rhetorische Brüder, sondern um die leiblichen; der Kontext ist der, dass Berkyaruq und Muḥammad Tapar Sanǧar an der Herrschaft partizipieren ließen. 798 In der Selǧuqen-Geschichte Muḥammad Ibrāhīm Ḫabīṣīs, die z. T. auf dem Salǧūq-nāma basiert, ist hier vom ṣāḥib eines (sonst unbekannten) Werks mit dem Titel Anwār al-basātīn fī aḫbār assalāṭīn die Rede. Möglicherweise ist dies der Originaltitel des Salǧūq-nāma, doch „[m]ost proba­ bly the Anwār al-Basātīn was another work incorporating information from the Saljūqnāma“ (Morton/Nīšāpūri, Salǧūq-nāma, Einleitung, S. 35 f.). 799 Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 68 (hier: nivīsanda-yi īn tārīḫ du tauqīʿ-i ū [gemeint ist Sanǧar] dīd). Außer bei Ḫabīṣī (s. o.) findet sich die Stelle auch bei Rāvandī (Rāḥa, S. 185, hier: du tauqīʿ az ān-i ū dīḏand), nicht jedoch in Qāšānīs Zubdat at-tawārīḫ oder Rašīd ad-Dīns Ǧāmiʿ at-tawārīḫ.

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gegenüber dem Kalifen gestärkt haben – dessen Stadt der Selǧuqe ab Ende 551 H. belagerte – als auch gegenüber Sulaimān-Šāh, der sich in Ḫurāsān ja als herbe Enttäuschung entpuppt hatte und nun keinesfalls mehr als Sanǧars valī-ʿahd infrage kam.800 Bezüglich Sulaimān-Šāh b. Muḥammad sowie zur administrativen Gliederung der zenralen Provinzen des irakischen Subsultanats soll an dieser Stelle noch eine Bemerkung angehängt sein, welche Kurdistan betrifft. Denn auf die denkbar bedeutsame Frage, wann Kurdistan in der Geschichte erstmals als eigenes Gebiet und Verwaltungseinheit mit ebendiesem Namen definiert wurde, findet sich überall die allseits akzeptierte Antwort: von Sanǧar.801 Zurückführen lässt sich diese Angabe auf G. Le Strange, welcher in The Lands of the Eastern Caliphate (S. 192 f.) erklärte: „As regards the origin of the Kurdistân province, it is stated that about the middle of the 6th (12th) century Sulṭân Sanjar the Saljûḳ divided off the western part of the Jibâl pro­ vince, namely the region which was dependent on Kirmânshâh, and giving it the name of Kurdistân put it under the government of his nephew Sulaymân Shâh, surnamed Abûh (or Ayûh), who, at a later period – that is from 554 to 556 (1159 to 1161) – succeeded his uncle as chief of the house of Saljûḳ and Sulṭân of the Two ʻIrâḳs. […] Sulaymân Shâh made Bahâr – a town that still exists, lying some eight miles to the north of Hamadân – his capital; and here there was a strong castle.“

Die Quelle für diese Informationen sei Ḥamd-Allāh Mustaufīs Nuzhat al-qulūb aus dem 14. Jahrhundert. Darin ist jedoch nur zu lesen, dass (ein) Sulaimān-Šāh  ‫ – اىوه‬Le Strange fügt in seiner Nuzhat-al-qulūb-Übersetzung einfach in Klammern „the Saljūq“ an802 – irgendwann vor der Zeit des Autors Herrscher in Kurdistan war und von Bahār aus regierte.803 Alles andere scheint Le Strange selbst geschlussfolgert zu haben. Nun ist aber weder bekannt, dass der Selǧuqe Sulaimān-Šāh einmal speziell in der Gegend um Bahār herrschte,804 noch, dass er irgendeinen Beinamen wie ‫ اىوه‬trug. Beides trifft auf einen ganz anderen Sulaimān-Šāh zu, von dem beispielsweise in Mustaufīs Tārīḫ-i guzīda in Zusammenhang mit den Atabegs von Klein-Luristān berichtet wird. Es handelt sich um Šihāb ad-Dīn Sulaimān-Šāh, der als Herrscher des oġuzischen Ivä- oder

800 Wahrscheinlich ging die Urkunde (parallel bekam damals der Anūšteginide Il-Arslan b. Atsı̊ z die seinige) erst nach Bagdad, als der vom Kalifen unterstützte Sulaimān-Šāh bereits von Muḥammad besiegt ( Juni/Juli 1156) und wieder eingesperrt war. Sanǧars Befreiung dürfte spätestens im März 1156 stattgefunden haben; im Okt./Nov. kehrte der „Sultan der Sultane“ schließlich nach Marv zurück. Ob Sulaimān überhaupt jemals valī-ʿahd war, ist, wie gesagt, fraglich. 801 So z. B. auch wiederholt in Thomas Bois’ und Vladimir Minorskys EI2-Artikel „Kurds, Kurdistān“, bei Lambton, Continuity and Change, S. 403 oder Strohmeier/Yalçın-Heckmann, Kurden, S. 55 f. 802 Mustaufī, Nuzhat al-qulūb, tr. Le Strange, S. 105 f. 803 Mustaufī, Nuzhat al-qulūb, S. 127. 804 Wo er unter Sanǧar tatsächlich als malik installiert war, werde ich später in dieser Arbeit noch ausführen (für eine Übersicht s. u., S. 338).

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Das Teilreich der Irak-Selǧuqen

Yı̊ va-Stamms – die Interpretation des Beinames ist somit klar – viele Jahre lang unter ʿabbāsidischer Oberhoheit von Bahār aus regierte, bis er schließlich bei dem Versuch, Bagdad gegen die Mongolen zu verteidigen, 1258 umkam.805 Die landläufige Berufung auf eine frühe „Erfindung“ Kurdistans durch Sultan Sanǧar beruht also ganz offensichtlich auf einem Irrtum! IV.6.3 Bagdad und das ʿAbbāsidenkalifat Was die Rolle angeht, welche Bagdad und das Kalifat innerhalb des Sanǧar-Reiches spielten, so wurden einige Zusammenhänge bereits in die Ausführungen zur Situation der Irak-Selǧuqen einbezogen. In Ergänzung dazu soll es auf den folgenden Seiten nun noch einmal ganz speziell um die Kontakte zwischen den (unterschwellig in Konkurrenz stehenden) Inhabern der beiden imperialen Spitzenpositionen gehen, um die Beziehung zwischen as-sulṭān al-aʿẓam und amīr al-muʾminīn. Hatte Sanǧar am Tigris den gleichen Einfluss wie im persischen Irak oder war seine Oberhoheit jenseits des Zāgros-Gebirges kaum noch zu spüren? Wie verlief seine Kommunikation mit den sich Schritt für Schritt emanzipierenden ʿAbbāsiden und welche Aufmerksamkeit schenkte der weit im Osten residierende Großselǧuqe Bagdad überhaupt? Gehen wir zunächst in das Jahr zurück, in dem Sanǧar zum Großsultan des gesamten Selǧuqenreiches aufstieg und sich sein politischer Zuständigkeitsbereich infolgedessen so weit ausdehnte, dass er erstmals auch Bagdad umfasste. Ibn al-Aṯīrs Angabe, dass al-Mustaršid Sanǧar gleich im Ǧumādā I 513 H. (Aug./ Sept. 1119) in ḫuṭba und sikka nennen ließ, ist korrekt. Die auch von Muʿizzī806 erwähnte Anerkennung durch das Kalifat belegen Bagdader Dinare des Jahres 513 H., auf denen außer al-Mustaršid und seinem designierten Thronfolger einzig Sultan Muʿizz adDun­yā wa-’d-Dīn Sanǧar aufgeführt ist.807 Noch ehe das Arrangement mit Maḥmūd II. zustande kam, hatte sich der Sieger der Schlacht bei Sāva also um eine Verständigung mit dem (neuen) Kalifen bemüht808 und war überhaupt in Sachen Bagdad sehr aktiv geworden; seine eigenen Prägungen der Münzstätte Balḫ zeigten damals den (neuen?) laqab Muʿīn Ḫalīfat Allāh.809 Um den ʿAbbāsiden und dessen Wesir Ǧalāl ad-Dīn ʿAmīd

805 Mustaufī, Tārīḫ-i guzīda, S. 555–557, 715; Bidlīsī, Šaraf-nāma, S. 124–132. Izady, der Herausgeber und Übersetzer des Šaraf-nāma, zitiert in seiner Anm. 1 auf S. 124 (ohne es kenntllich zu machen und vorgebend, Mustaufīs Worte wiederzugeben) kurioserweise Le Strange und behauptet dann, Sulaimān-Šāh b. Muḥammad „Ivä“ sei der Großvater von Šihāb ad-Dīn Sulaimān-Šāh gewesen. 806 Dīvān, S. 201, 485. 807 Jafar, Seljuq Period, S. 53, Typ S.MS.513C. 808 Nachdem ihm der alte eventuell schon sultanische Ehrenkleider übersandt hatte, s. o., S. 132 mit Anm. 626. 809 Lesbar auf Dinaren der Jahre 513 H. (Hennequin, „Monnaies salǧūqides inédites“, S. 96, Nr. 30) und 515 H.

Bagdad und das ʿAbbāsidenkalifat

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ad-Daula Abū ʿAlī al-Ḥasan Ibn Ṣadaqa (im Amt 1119–1122 sowie 1123) rasch für sich zu gewinnen, wies er beiden schriftlich iqṭāʿāt im Wert von 50 000 beziehungsweise 10 000 Dinar zu und stattete den Leiter der kalifalen Behörde mit zusätzlichen Befugnissen aus. So bekam Ǧalāl ad-Dīn mit der Sorge um das Stadtwohl (vorübergehend) das šiḥna-Amt in die Hände gelegt (!) und darüber hinaus „das Wesirat der Ḫatun“ übertragen810 – welche Dame hier gemeint ist, sei in Kürze erklärt. Im Šaʿbān (Nov./ Dez. 1119) traf ʿAbd ar-Raḥmān Abū Muḥammad Ibn aṭ-Ṭabarī samt einer Urkunde in Bagdad ein, mit der ihn Sanǧar zum Professor an der hiesigen Niẓāmīya bestallt hatte.811 Die nächsten Schreiben und Geschenke von Sanǧar überbrachte dem Kalifen dann im Šauwāl ( Jan. 1120) der hochangesehene Kadi Abū Saʿd Muḥammad b. Naṣr al-Haravī; unter den Präsenten waren dreißig stoffbezogenen Sitzmöbel sowie zehn Mamlūken.812 Ebenfalls noch 513 H. verfügte Sanǧar die Wiedereinsetzung des vermutlich armenischen Eunuchen Muǧāhid ad-Dīn Abū ’l-Ḥasan Bihrūz b. ʿAbd Allāh al-Ġiyāṯī als šiḥna der Tigris-Metropole.813 Außerdem wurde gemäß dem Arrangement von Rayy eine erneute Anpassung des Münzprotokolls angeordnet. Da die Bagdader Münze (dār aḍ-ḍarb) seit 1070 wieder unter kalifaler Kontrolle stand,814 erscheinen die Selǧuqen auf den im 12. Jahrhundert zu Madīnat as-Salām geschlagenen Dinaren immer nur mit ihrem ism und ad-dunyā-wa-’d-dīn-laqab (nie mit dem Sultanstitel). Nachdem zunächst Sanǧars Name den Maḥmūds II. ersetzt hatte, wurden nun beide Herrscher gemeinsam in der sikka aufgeführt. Ibn al-Ǧauzī erwähnt diese Neuerung (von der ḫuṭba sprechend) erst für den Muḥarram 514 H. (Apr. 1120),815 doch lässt sich an den Münzen der Kalifenstadt ablesen, dass al-Mustaršid auch in diesem Fall umgehend auf die Entwicklungen in der Ǧibāl-Provinz reagierte und Maḥmūd noch 513 H. neben Sanǧar nennen ließ, zum Teil sogar als dessen valī-ʿahd.816

810 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 173. Sanǧar setzte Maḥmūds šiḥna Mengü-Bars also ab. 811 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 173. Schon der Vater des Bestallten, Abū ʿAbd Allāh al-­ Ḥusain b. ʿAlī aṭ-Ṭabarī war Professor an der Bagdader Niẓāmīya-Medrese gewesen. Ibn aṭ-Ṭabarī hatte diesen Posten zweimal inne: zunächst ab Ende 1112 und dann, nachdem der zwischenzeitlich lehrende Asʿad al-Mīhanī entlassen worden war, erneut ab Ende 1119 (s. Makdisi, „Institutions of Learning“, S. 41 f.). In Subkīs Ṭabaqāt (Bd. VII, S. 147) heißt es unter Berufung auf Ibn as-Samʿānī, dass Ibn aṭ-Ṭabarī bei Sanǧars Wesir Naṣīr ad-Dīn Abū ’l-Qāsim Maḥmūd Ibn Abī Tauba ein- und ausgegangen und 533 oder 531 H. (1138/1139 oder 1136/1137) in Ḫvārazm gestorben sei. Um den Professorenposten in Bagdad zu bekommen, soll er (an Sanǧar?) so viel Geld gezahlt haben, dass er sich davon eine komplette eigene Medrese hätte erbauen lassen können. 812 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 173; die Rede ist von ṯalāṯīn taḫtan min aṯ-ṯiyāb. Mehr zum Kadi u. 813 Maḥmūd II. hatte Bihrūz im Sommer 1118 nach zehn Jahren im Amt abgesetzt. 814 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. VIII, S. 384; seitdem wurden (wieder) „Amīrī-Dinare“ geprägt. Der šiḥna von Bagdad wurde niemals in der sikka genannt. 815 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 185. 816 Lane Poole, Catalogue, Bd. III, S. 42, Nr. 79; Hennequin, Catalogue, S. 120 f., Typ CXXXII/Nr. 165 und Typ CXXXIII/Nr. 166; Jafar, Seljuq Period, S. 53 f., Nr. S.MS.513D–S.MS.513F.

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Das Teilreich der Irak-Selǧuqen

Angesichts einer solch reibungslosen Kooperation dürfte für den Selǧuqensenior keine Notwendigkeit bestanden haben, 513 oder 514 H. noch einmal persönlich nach Bagdad zu kommen. Ebendies vermutet aber Tetley, weil Muʿizzī eine „Rückkehr Sultan [!] Sanǧars aus Bagdad nach Nīšāpūr“ zum Anlass für eine Kasside nahm.817 Es ist allerdings kaum vorstellbar, dass ein derartiges Ereignis in keine einzige Chronik Eingang fand. Ein Beamter des Großsultans wurde damals sicher noch geschickt, um sich mit der Steuererhebung auf dem Bagdader Schafs-, Ziegen- und Gazellenmarkt (sūq al-ġanam wa-sūq aẓ-ẓibāʾ) zu befassen; diese Einnahmen hatte Sanǧar nämlich interessanterweise für sich bestimmt (anstatt sie Maḥmūd zu lassen).818 Im Jahre 1122 gab Sultan Maḥmūd das Amt des Präfekten von Bagdad (und des arabischen Iraks) an den Emir von Mosul Aq-Sonqur al-Borsuqī (gest. 1126). Muǧāhid ad-Dīn Ǧamāl ad-Daula Bihrūz, welcher davon unabhängig die Festungsstadt Takrīt (Tikrīt) hielt, sollte den Posten jedoch 1127 zurückerlangen und bis zu seinem Tod am 9. Januar 1146 sogar noch ein paar Mal innehaben – öfter und länger als jeder andere. Tatsächlich zähle ich mindestens fünf Amtszeiten und komme auf bis zu 30 Jahre, die Bihrūz šiḥna war.819 Der Eunuch sah also Kalifen, Sultane und Wesire kommen und 817 Muʿizzī, Dīvān, S. 162–164; Tetley, Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 185 f. („Though the Caliph al-Mustar­ shid had already been requested to put Sanjar’s name in the khuṭba, it seems that there had been some delay, or possibly some argument about the wording, which could only be resolved by Sanjar’s presence in person“). In dem Gedicht heißt es, dass Sanǧar im Monat Ḫurdād (Mai/Juni) in Nīšāpūr eintraf, wo man ihn nicht erwartet hatte. Der einzige (bekannte) Bagdad-Aufenthalt Sanǧars ist der von 1101. 818 Ibn al-ʿImrānī, al-Inbāʾ, S. 211. 819 Einen Überblick zu Bihrūz’ Amtszeiten als Präfekt bietet folgende Tabelle; die šiḥna-Liste bei Zambaur (Manuel, S. 222) ist weitgehend unbrauchbar. Amtszeit

von

I.

502 H. oder 507 H.

512 H. Bihrūz wurde 502 H. mit der Leitung von Bauprojekten in Bagdad beauftragt. Eine ofizielle Ernennung zum šiḥna der Stadt und „des gesamten [arabischen] Iraks“ erfolgte, anders als Ibn al-Aṯīr angibt (al-Kāmil, Bd. IX, S. 133), vielleicht erst 507 H., s. Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 133. Nachfolger: Aq-Sonqur al-Borsuqī, Mengü-Bars, ein nāʾib Dubais’ II.

II.

513 H.

516 H. Nachfolger: Aq-Sonqur al-Borsuqī, Yarı̊ n-Quš az-Zakawī (ab 518 H.), Zangī b. Aq-Sonqur (521 H.)

III.

521 H.

529 H. Ankunft in Bagdad: 3. Ramaḍān. Bihrūz erhielt auch al-Ḥilla; 523 H. wurde er im Amt bestätigt. Nachfolger: Čavlı̊ al-Qasīmī, Beg-Aba al-Muḥammadī (529 H.), Yarı̊ n-Quš al-Bāzdār (530 H.), Alp-Quš as-Silāḥī (ab 531 H.)

IV.

532 H.

536 H. Der Vorgänger Alp-Quš wird bei Bihrūz in Takrīt inhaftiert. Nachfolger: Qı̊ zı̊ l der Stallmeister (amīr-i āḫūr), Eldigüz als šiḥna-naʾib (538 H.)

V.

bis

Anmerkungen

538 H. (?) 540 H. Bihrūz starb am 23. Raǧab 540 H. (Datum bei Ibn Ḫallikān, s. u.).

Bagdad und das ʿAbbāsidenkalifat

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gehen, während er zu einem erfahrenen, zuverlässigen Politveteranen avancierte, einer „Bank“, welche aus der selǧuqischen Administration des ʿIrāq al-ʿArab bald gar nicht mehr wegzudenken war. Wohlgemerkt erwies sich Bihrūz, ein eifriger Bauherr, dabei als fähigster und beliebtester Präfekt, den Bagdad je hatte.820 Dass Sanǧar zur Wahrung seines Einflusses auf ihn setzte, ist daher nachvollziehbar und andersherum sicher auch ein Grund für des Eunuchen ungewöhnlich lange Karriere. Es ist angesichts des undeutlich geschriebenen ism zwar nicht ganz sicher, doch könnte es durchaus Bihrūz sein, auf welchen das Selǧuqenoberhaupt in seinem Brief an den Kalifenhof von 1133 mit folgenden – zu beider enger Verbindung passenden – Worten zu sprechen kommt: „Damit er bei den geheiligten Stationen [d. h. am Hof der ʿAbbāsiden] Dienstbarkeit sowie Segenswünsche übermittle und die Umstände verbindlich bespreche […], schickten Wir den Emir Muǧāhid ad-Dīn Bihr[ū]z (?), welcher einer der Vertrauensmänner, eine der (zuverlässigen) Stützen und ein Erwählter Unserer Regierung ist, gekennzeichnet durch die Würdigkeit absoluten Vertrauens [in ihn], die ihm eigenen löblichen Charaktereigenschaften, ein glückliches Händchen sowie durch alle gefälligen Talente und guten Sitten.“821 Zu Bihrūz’ Vorgeschichte und Rolle beim Aufstieg der Aiyūbiden – deren Ahnherrn Naǧm ad-Dīn Aiyūb er als dizdār (Kastellan) von Takrīt einsetzte – s. auch Ibn Ḫallikān, Wafayāt, Bd. I, S. 256 f. (Biographie Aiyūbs) sowie in Bd. VII, S. 141 f. (Biographie Saladins). Offenbar kam Bihrūz, welcher auch eine Burg in Arrān besaß, aus Dvin in Armenien, wo ihn angeblich ein Emir einer Affäre mit seiner Gattin bezichtigte und ihn aus Rache kastrierte. Von Ibn Ḫallikān wird Bihrūz als ḫādim rūmī bezeichnet. Im Gegensatz zu Ǧauhar at-Tāǧī war er jedenfalls hellhäutig, daher auch die nisba al-Abyaḍ. Al-Ġiyāṯī nimmt auf Sultan Ġiyāṯ ad-Dunyā wa-’d-Dīn Muḥammad Tapar Bezug (dessen Günstling Muǧāhid ad-Dīn nach seiner Kastration wurde). Bihrūz’ Macht als šiḥna des Iraks soll sich über das gesamte Gebiet zwischen Baṣra, Mosul und Iṣfahān erstreckt haben; die ihm unterstehende Kavallerie soll 5000 Reiter stark gewesen sein (Abū Šāma, ar-Rauḍatain, Bd. II, S. 165 – als Quelle ist Ibn Abī Ṭayyiʾ angegeben). 820 Ibn Ḫallikān, Wafayāt, Bd. VII, S. 142; Van Renterghem, „Controlling and Developing Baghdad“, S. 125 f. Bihrūz war für die Bauarbeiten am Bagdader Sultanspalast und der Sultansmoschee verantwortlich, kümmerte sich um eine letzte Instandsetzung des Nahrawān-Kanalsystems und ließ ein nach ihm benanntes Dorf (al-Muǧāhidīya) und Sufi-Konvent (Ribāṭ Bihrūz, Ribāṭ al-Ḫādim) errichten sowie ein Grabmal für sich (Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 112 und Bd. XVIII, S. 17, 46). Auch eine Straße wurde nach ihm benannt (Darb Bihrūz). In Ayalons Eunuchs heißt es auf S. 338 in Fußnote 28 übrigens: „A piece of evidence of exceptional interest about the role of a eunuch in the revival of lraq’s economy, which deserves a much more central place than reference in a note, is the following one. In 502/1108–9 the Seljuk Sultan Maḥmūd b. Malikshāh gave the eunuch Ma‘rūf the task of “rebuilding” Iraq.“ Davon abgesehen, dass der Sultan Muḥammad hieß, erkannte Ayalon offenbar nicht, dass statt maʿrūf korrekt Bihrūz zu lesen ist; s. Sibṭ Ibn al-Ǧauzī, Mirʾāt, ed. al-Ġāmidī, S. 503. 821 Aḥkām, f. 113v: amīr Muǧāhid ad-Dīn *Bihr[ū]z-rā ki az ǧumla-yi s̠ iqāt va muʿtamadān va ­guzīda-yi maǧlis-i mā-st [maǧlis, das sich auch mit „Hofversammlung“ wiedergeben lässt, steht oft für die Regierung oder den Herrscher selbst] va ba-maḥall-i iʿtimād-i tamām va ba-ḫiṣāl-i ḥamīda-yi mutaḫaṣṣiṣ va bahramand [dieses Wort kann außer „Gelingen“ usw. auch „Teilhabe(r)“ bedeuten] va ba-hama-yi hunārhā va ādāb-i marżī muttasim firistādīm tā ḫidmat va duʿā ba-mavāqif-i ­muqaddasa birasānad va aḥvāl ba-vāǧibī taqrīr kunad […]. In Eqbāls Edition (Vezārat, S. 317) steht bar guzīda statt va guzīda; Muǧāhid ad-Dīns ism konnte er nicht entziffern.

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Tatsächlich war Bihrūz 1132 bei Sanǧar im ʿIrāq al-ʿAǧam gewesen. Der Bericht, aus dem dies hervorgeht,822 enthält außerdem die Information, dass der „Herr von Takrīt“ direkt auf Befehl des Großsultans handelte (d. h. ohne Vermittlung oder Involvierung des Irak-Sultans). Das erste der mis̠ āl-Formulare, welche das Selǧuqenoberhaupt mit seiner Blanko-ʿalāma versehen und Abū ’l-Qāsim Darguzīnī überlassen hatte, nutzte der Wesir nämlich sogleich, um Bihrūz anzuweisen, den in Takrīt inhaftierten Exmustaufī ʿAzīz ad-Dīn hinrichten zu lassen.823 Auf das Dokument verweisend schrieb der eingeschüchterte Eunuch daraufhin an seinen Kastellan (dizdār) Naǧm ad-Dīn Aiyūb, doch sollte ʿAzīz ad-Dīn das Leben erst genommen werden, nachdem Bihrūz 1133 persönlich an den Tigris zurückgekehrt war – Sanǧars ʿalāma hatte ihn gezwungen, sich dem Willen des Wesirs zu fügen.824 Im Sommer 1123 kam mit Abū ’l-Fatḥ ʿAbd al-Wāḥid Ibn al-Bāqarḥī ein neuer Professor an die Bagdader Niẓāmīya und auch dieser hatte ein Ernennungsschreiben bei sich, das Sanǧars Signum trug.825 Als noch im selben Jahr Maḥmūds Wesir Šams alMulk ʿUṯmān b. Niẓām al-Mulk auf Befehl des Großsultans entlassen worden war, verlor auch sein Bruder Niẓām al-Mulk (zuvor wohl: Ḍiyāʾ al-Mulk) Aḥmad die Stellung als oberster Beamter des Kalifen.826 Besonders interessant ist, für wen al-Mustaršid – von dem sich in al-Qalqašandīs Ṣubḥ al-aʿšā übrigens ein Brief an Sanǧars damaligen Wesir findet827 – derweil am sogenannten Oktagon (al-Muṯammana) bauen ließ. Wie Ibn al-Ǧauzī und Sibṭ Ibn al-Ǧauzī angeben, hing das im Sommer 1124 abgeschlossene Bauprojekt damit zusammen, dass der Kalif geheiratet hatte, und zwar niemand anderen als eine Tochter Sanǧars!828 Anscheinend war die Ehe bereits geschlossen, sodass nur noch die feierliche Überführung der Prinzessin nach Bagdad ausstand, wofür al822 Bundārī, Zubda, S. 167 f. 823 S. zu den Blankoerlassen von 1133 sowie dem Grund für ʿAzīz ad-Dīns Inhaftierung o., S. 149 bzw. 138. 824 Aiyūb (Saladins Vater) und sein Bruder Asad ad-Dīn Šīrkūh b. Šāḏī hatten versucht, den Exmustaufī zu schützen. Als Darguzīnī hiervon erfuhr, wurde er wütend und schickte Bihrūz samt Attentätern und einer Honig-Gift-Mixtur nach Takrīt. ʿAzīz ad-Dīn starb keine 40 Tage, bevor Darguzīnī selbst getötet wurde. S. auch Dabashi, Truth and Narrative, S. 502 f. 825 Subkī, Ṭabaqāt, Bd. VII, S. 204; Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 220 (hier: Schreiben von Sanǧar und Maḥmūd); Makdisi, „Institutions of Learning“, S. 42. Ibn al-Bāqarḥī hatte die Professur nur sehr kurz inne; er starb 1158/1159 in Ġazna. 826 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 220; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 224. Maḥmūd hatte al-Mustaršid wohl zu Niẓām al-Mulks Entlassung aufgefordert. Anders als sein Bruder ʿUṯmān wurde Abū Naṣr Aḥmad (der auch Muḥammad Tapars Wesir gewesen war) wohlgemerkt nicht getötet, sondern starb erst 1150. 827 Qalqašandī, Ṣubḥ, Bd. VI, S. 419–421, wo falsch ilā Muʿizz ad-Dīn al-Faḍl b. Maḥmūd steht. Kein Wesir hieß so; gemeint ist sicher Muʿīn ad-Dīn Abū Naṣr Aḥmad b. al-Faḍl b. Maḥmūd, der 1124– 1127 im Amt war. 828 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 224 f.; Sibṭ Ibn al-Ǧauzī, Mirʾāt, ed. Jewett, S. 69. Das unter al-Mustaršid vollendete (und unter al-Muqtadī begonnene?) Oktagon am Tigrisufer (s. auch Ibn alǦauzī, op. cit., Bd. XVII, S. 195, 300) hat wohl nichts mit dem Oktagon-Palast (Dār al-Muṯammana) zu tun, welchen der Kalif al-Muṭīʿ (reg. 946–974) einst errichten lassen hatte. Ibn al-Aṯīrs Angabe,

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Mustaršid (nach Vollendung des Oktagons) den Eunuchen (al-ḫādim) Naẓar829 und Ibn al-Anbārī (wir kennen ihn bereits von der Wahl al-Muqtafīs) zum Selǧuqensenior sandte. Der für die Heirat verantwortliche Kadi, Zain al-Islām Abū Saʿd al-Haravī (s. o.), war im Juni 1121 erst zum qāḍī ’l-quḍāt des gesamten Reiches mit Ausnahme des arabischen Iraks (bi-ǧamīʿ al-mamālik siwā ’l-ʿIrāq) erhoben und sodann vom Kalifen mit einem Brief sowie Präsenten zu Sanǧar geschickt worden.830 1122 vom Hof des „Sultans der Sultane“ mit Gegengeschenken sowie Geld zurückgekehrt,831 war er bald erneut nach Ḫurāsān gereist, um die Verlobung des ʿAbbāsiden mit der Selǧuqin zum Abschluss zu bringen. Diese Mission sollte jedoch seine letzte sein; auf dem Rückweg (ca. 1124) fiel Haravī in Hamadān einem ismāʿīlitischen Mordanschlag zum Opfer.832 Vermutlich erreichte Sanǧars Antwortschreiben al-Mustaršid trotzdem, woraufhin Naẓar und Ibn al-Anbārī besagten Auftrag erhielten. Letzterer sollte den Oberkadi jedenfalls als Hauptbotschafter zwischen Kalifat und Sultanat ersetzen. Was nun die Braut selbst angeht, so erfahren wir (anders als in Carole Hillenbrands EI2-Artikel „al-Mustars̲ h̲ id“ zu lesen) leider nicht, wann oder ob sie in Bagdad eintraf. Merkwürdigerweise ist von dieser Tochter des „allergrößten“ Sultans – welche nur Ibn al-Ǧauzī und sein Enkel erwähnen – sogar überhaupt nie wieder die Rede, was (ähnlich wie im Falle der Verheiratung einer Sanǧar-Tochter an Sultan Masʿūd, s. o.) zumindest daran zweifeln lässt, ob Naẓar und Ibn al-Anbārī ihre Mission erfüllen konnten.833

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dass es zur Niẓāmīya-Medrese gehörte (al-Kāmil, Bd. IX, S. 224), passt zu Sibṭ Ibn al-Ǧauzīs Erklärung, es habe (noch zu seiner Zeit) unterhalb des Tāǧ-Palastes gestanden (Mirʾāt, ed. Jewett, S. 69). Abū ’l-Ḥasan Naẓar b. ʿAbd Allāh al-Ǧuyūšī (gest. 1150) war unter anderem amīr al-ḥāǧǧ, als welcher er die Pilgerkarawanen nach Mekka führte. Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 193; Sibṭ Ibn al-Ǧauzī, Mirʾāt, ed. al-Ġāmidī, S. 722. Haravīs Ernennung (ḫilʿa-Verleihung) zum Oberkadi erfolgte im Bagdader Sultanspalast; zusammen mit einem Brief von al-Mustaršid wurde Sanǧar auch einer von Sultan Maḥmūd zugestellt. Der Kalif hatte seinen eigenen qāḍī ’l-quḍāt, nämlich Abū ’l-Qāsim ʿAlī b. al-Ḥusain az-Zainabī, welcher ein Cousin des späteren Wesirs Šaraf ad-Dīn war. Eine Abschrift der Ernennungsurkunde (ʿahd) für ʿAlī b. al-Ḥusain az-Zainabī findet sich übrigens bei al-Qalqašandī (Ṣubḥ, Bd. X, S. 264–276). Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 206. Bei seiner Rückkehr an den Tigris überbrachte ­Haravī die Nachricht, dass Šams al-Mulk ʿUṯmān Maḥmūds Wesir geworden war und nun dessen Bruder Aḥmad Wesir des Kalifen werden sollte. Ibn al-Aṯīr datiert den Mord ins Jahr 519 H. (al-Kāmil, Bd. IX, S. 234), doch tendiere ich zu einem früheren Zeitpunkt. Ibn al-Qalānisī (Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 210) sagt, dass die Nachricht vom Tod des Kadis (bei ihm in Syrien) 518 H. (1124/1125) eintraf. In der Liste der ismāʿīlitischen Anschläge, die unter Kiyā Buzurg-Um(m)īd erfolgten, heißt es sogar, der qāżī-yi šarq va ġarb sei bereits im Šaʿbān 516 H. (1122) getötet worden (Rašīd ad-Dīn, Ǧāmiʿ – Ismāʿīliten, S. 142, wo allerdings 526 statt 516 H. steht). Normalerweise wird das Eintreffen einer solchen Prinzessin in den Chroniken erwähnt. Sollte Sanǧars Tochter (so sie existierte) tatsächlich je nach Bagdad übergesiedelt sein, starb sie vermutlich ähnlich früh wie ihre Schwestern oder „verschwand“ im Harem, ohne noch irgendeine öffentliche Rolle zu spielen (was allerdings untypisch gewesen wäre).

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Womöglich kam die Überführung der Prinzessin auch wegen der politischen Spannungen nie zustande, welche ihren vorläufigen Höhepunkt in Maḥmūds Angriff auf Bagdad fanden – zuvor, 1126, hatte Sanǧar seinen Neffen ja vor dem Kalifen gewarnt und ihm die Eroberung der Tigris-Metropole aufgetragen (s. o.). Eventuell war das Selǧuqenoberhaupt damals von Dubais überzeugt worden, dass al-Mustaršid – Heiratsallianz hin oder her – ganz grundsätzlich gegen das Sultanat arbeite und den ʿabbāsidischen Ambitionen viel mehr mit militärischer Stärke zu begegnen sei. Bemerkenswerterweise hatte Sanǧar den Mazyadiden – noch in der Absicht, sich den Kalifen geneigt zu machen (yataqarrabu bi-ḏālika ilā ’l-Mustaršid) – ja zunächst (1126?) in Nīšāpūr oder Marv ar-Rūd inhaftiert,834 ihn dann aber nicht nur frei gelassen, sondern sich so weit für ihn verwendet, dass Maḥmūd Dubais Anfang 1129 mit nach Bagdad nahm. In seinem Brief an den Kalifenhof streitet der „Sultan der Sultane“ freilich ab, den Mazyadiden unterstützt zu haben, und begründet dessen Freilassung mit der Unverhältnismäßigkeit einer längeren Haft sowie dem Einsatz „großer Fürsprecher“.835 Als Maḥmūd im Januar 1127 mit al-Mustaršid kämpfte, kam es sogar dazu, dass der ʿAbbāside erstmals so weit ging, Sanǧars (ebenso wie Maḥmūds) Namen aus ḫuṭba und sikka zu streichen,836 sich also für gänzlich unabhängig zu erklären und damit den imperialen Anspruch des Selǧuqenseniors empfindlich zu verletzen. Obwohl der Friedensschluss im Februar dieser totalen Frontstellung ein baldiges Ende bereitet haben dürfte (zumindest fürs Erste), wollte sich Sanǧar wohl speziell in der zentralen ḫuṭba-Frage Gewissheit verschaffen und entsandte den Nīšāpūrer ḫaṭīb Ibn Ṣāʿid, welcher 1128 zusammen mit Šaraf ad-Dīn Abū ’l-Qāsim ʿAlī b. Ṭirād az-Zainabī in Bagdad eintraf und sich vom Kalifen die Erlaubnis holte, fortan in der Tigris-Metropole die Freitagspredigt zu halten.837 Die Identität des ḫaṭībs (Ibn al-Ǧauzī nur: rasūl min ʿinda Sanǧar) ergibt sich daraus, dass Šaraf ad-Dīn, al-Mustaršids oberster Adelsmarschall (naqīb an-nuqabāʾ) der ʿAliden und ʿAbbāsiden,838 im Herbst 1127, vom Kalifen nach Ḫurāsān geschickt worden war, um Dubais’ Verbleib im Exil zu vereinbaren, und ihn nach diesem Treffen mit Sanǧar besagter Ibn Ṣāʿid auf dem Heimweg begleitet hatte. Über das Treffen selbst lesen wir, dass der naqīb dem Großsultan Ehrengewänder übergab, die Sanǧar gleich anlegte, und Šaraf ad-Dīn seinerseits hoch dekoriert wurde,

834 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 229; Eqbāl, Vezārat, S. 312; al-ʿAẓīmī, Taʾrīḫ Ḥalab, S. 376 (Nīšāpūr); Iṣfahānī, Ḫarīda – Dichter des Iraks, Teil IV, Bd. 1, S. 175 (akramahū Sanǧar ṯumma aǧlasahū bi-Marw ar-Rūḏ šibh maḥbūs – er soll also nur ein Quasigefangener gewesen sein). 835 Eqbāl, Vezārat, S. 312 f.: čūn kār az ḥadd biguẕašt va šafīʿān-i buzurg angīḫt farmūdīm tā ū-rā iṭlāq va tasrīḥ kardand tā har kuǧā ḫvāhad ravad ū-rā vilāyat va laškar nadāda-īm va tarbītī nafarmūdīm. 836 Jafar, Seljuq Period, S. 58, Typ A.MS.521 (521 H.; genannt sind nur der Kalif und sein Sohn). 837 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 249; Abū ’l-Maʿālī Asʿad b. Ṣāʿid erhielt eine ḫilʿa und ḫaṭaba ʿalā ’l-manābir kull ǧumʿa fī ǧāmiʿ; er starb 1133 zurück in Nīšāpūr. 838 S. zum naqīb etwa Van Renterghem, „Controlling and Developing Baghdad“, S. 127. ʿAlī erbte das Amt des Adelsmarschalls der ʿAbbāsiden von seinem Vater Ṭirād (oder Ṭarrād, gest. 1098); 1123/1124 wurde die bis dahin separate Würde des Adelsmarschalls der ʿAliden seinem Amt hinzugefügt.

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indem ihm der Selǧuqe nicht nur Fahnen, Pauken und Trompeten, jeweils zwei Banner, verzierte Schwerter und Pferde sowie eine Halskette schenkte, sondern es ihm obendrein gestattete, vor dem Eingang zu seiner Unterkunft dreimal täglich Trommeln rühren zu lassen.839 Zurück in Bagdad sollte Šaraf ad-Dīn (welcher 1129 zum Wesir des Kalifen aufstieg) dann gleich wieder zu Sanǧar, wofür er 30 000 Dinar erhielt.840 Auch wenn al-Mustaršid vielleicht nie Sanǧars Schwiegersohn wurde, konnte das Selǧuqenoberhaupt dennoch auf eine im kalifalen Palastkomplex platzierte Dame von seinem Blut zählen. Seit März 1111 residierte hinter den ḥarīm-Mauern841 nämlich seine Schwester ʿIṣmat-Ḫatun bt. Malik-Šāh, welche zwei Jahre zuvor mit al-Mustaẓhir verheiratet worden war.842 Ähnlich wie Bihrūz hatte sich ʿIṣmat-Ḫatun über die Jahre als eine feste Größe des Bagdader Politikbetriebs etabliert; Ibn al-Ǧauzī, bei dem sie regelmäßig Erwähnung findet, sagt, dass man ihr mit Ehrfurcht (haiba) begegnete. Er spricht zudem von ihren Gefolgsleuten (aṣḥāb) und nennt das „Haus der Ḫatun“ einen Schutzbezirk (ḥiman).843 Für Sanǧar und die Selǧuqen überhaupt dürfte al-Mustaẓhirs 839 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 244. S. zum Privileg der nauba o., S. 134. Mit aʿlām oder liwāʾain könnten außer Fahnen und Banner auch Standarten gemeint sein. 840 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 249 (Quelle: Ibn az-Zāġūnī). Der Großsultan kam ja später in diesem Jahr (1128) noch persönlich nach Rayy, um mit Maḥmūd zu sprechen. Dieses Treffen war dann wohl Thema eines Briefes, den Maḥmūd an den Kalifen schrieb – s. für das Antwortschreiben Qalqašandī, Ṣubḥ, Bd. VI, S. 452 f. Dort steht als Absender al-Muqtafī und als Adressat Maḥmūd b. Muḥammad, was natürlich nicht stimmen kann. Stimmt der Selǧuqe, so war der Absender al-Mustaršid. Ist jedoch der Name des ʿAbbāsiden korrekt, so korrespondierten al-Muqtafī und Masʿūd b. Muḥammad, und zwar erst ca. 1150. 841 In Bagdad gab es in der Hauptsache zwei große Palastbezirke, die beide östlich des Tigris lagen: den der Großkönige bzw. Sultane (Dār al-Mamlaka/Dār as-Salṭana) östlich der Abū-Ḥanīfa-­Moschee (wo auch die Sultansmoschee stand, s. Le Strange, Baghdad, Kapitel XVII) und – südlich davon – den der Kalifen (Le Strange, op. cit., Kapitel XVIII). Letzterer, zu welchem in erster Linie der Tāǧ-Palast gehörte, erstreckte sich im Uferbereich südöstlich der Mustanṣirīya-Medrese und wurde von einer Mauer mit sieben Toren begrenzt (Le Strange, Baghdad, Kapitel XIX). Das heute als „ʿabbāsidischer Palast“ bezeichnete Gebäude (eine Medrese?) war nicht Teil dieses Areals. 842 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 112, 120; Ibn as-Sāʿī, Ǧihāt, S. 108 (auf S. 110 f. ist alMustaẓhirs Gattin irrtümlicherweise noch einmal aufgeführt). Derjenige, welcher die Selǧuqin nach Bagdad geleitet hatte, war Abū Saʿd al-Haravī gewesen. Über den Sohn, welchen ʿIṣmat-Ḫatun al-Mustaẓhir Anfang Febr. 1112 gebar, sagt Ibn as-Sāʿī, dass er bereits im Okt. 1114 verstarb und Abū Isḥāq Ibrāhīm hieß. Beides spricht gegen Jafars Annahme, dieser Sohn sei jener 525 H. (1131) verstorbene Bruder al-Mustaršids namens Abū ’l-Ḥasan ʿAlī gewesen, den al-Mustaẓhir 509–511 H. als zweiten Thronfolger (?) in der sikka nennen ließ und der 512–513 H. als al-Mustaršids Rivale mit Sitz in Wāsiṭ für Unruhe sorgte (Seljuq Period, S. 50 f.). Bei Ibn al-ʿImrānī (al-Inbāʾ, S. 211 f.) ist interessanterweise zu lesen, dass Abū ’l-Ḥasan – dessen ism in dieser Quelle ʿAbd Allāh lautet – sich sogar zum Gegenkalifen mit dem laqab al-Mustanǧid bi-’llāh aufschwang! 843 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 23; zur Rolle des Dār Ḫātūn als Zufluchtsort s. etwa Ibn al-Ǧauzīs Augenzeugenbericht auf S. 241 in Bd. XVII. In diesem Bericht wird auch erwähnt, dass die Ḫatun Soldaten daran hinderte, durch das Nubische Tor in den kalifalen Palastbezirk einzudringen. Bei Le Strange (Baghdad, S. 265 f., 272 f.) ist zu lesen, dass das (oder ein?) Dār Ḫātūn in der Nähe des nördlichsten Tores der ḥarīm-Mauer, dem Bāb al-Ġaraba, stand und abgerissen wurde, als al-Mustaẓhir hier das Dār ar-Raiḥānīyīn errichten ließ. Ibn al-Ǧauzī spricht aber auch in der Zeit danach noch vom Dār Ḫātūn, weshalb es sich womöglich doch um ein separates Gebäude

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kluge (Ibn as-Sāʿī:844 kānat raʾīsa ǧalīla min aʿqal an-nisāʾ wa-ašaddihinna ḥazman wa-sadādan) Witwe insbesondere eine wertvolle Kontaktperson und Informantin, eine Insiderin, gewesen sein, galt es aus Sultanssicht doch, die ʿAbbāsiden genau im Auge zu behalten. In Zusammenhang mit ʿIṣmat-Ḫatuns Rolle als Mäzenin und Bauherrin – ihre Ḥanafiten-Medrese in Iṣfahān war die größte der Welt845 – verdient Beachtung, welchem Prediger (wāʿiẓ) sie nahe dem Azaǧ-Tor in Ost-Bagdad ein ribāṭ (religiöses Zentrum inklusive Wohnheim, eine Art Hospiz) spendierte und auch sonst mittels Stiftungen großzügig förderte. Burhān ad-Dīn Abū ’l-Ḥasan ʿAlī b. al-Ḥusain al-Ġaznavī, so der Name ebenjenes 1122/1123 an den Tigris gekommenen Günstlings der Selǧuqin, war nämlich pikanterweise für seine ausgeprägte Geringschätzung gegenüber dem ʿAbbāsidenkalifat bekannt! Zum Schiismus neigend (yamīlu ilā ’t-tašayyuʿ) griff der Ašʿarit/Ḥanafit den „Befehlshaber der Gläubigen“ in seinen Predigten zuweilen verbal an, während er die Selǧuqen enthusiastisch zu preisen pflegte. Sein Einfluss wuchs, bis Sultan Masʿūds Tod (1152) al-Muqtafī endlich die Gelegenheit gab, gegen ihn vorzugehen; al-Ġaznavī selbst verstarb 1156.846 Das erste direkte Aneinandergeraten ʿIṣmat-Ḫatuns mit al-Mustaršid ist für das Kriegsjahr 526 H. (1131/1132) überliefert. Ibn al-ʿImrānī zufolge hatte sich der Kalif nach dem Tod Maḥmūds II. (525 H.) „sämtlicher Besitztümer und iqṭāʿāt der Türken im [arabischen] Irak bemächtigt“,847 wobei laut Ibn al-Ǧauzīs Lehrer Ibn az-Zāġūnī848 selbst Sanǧars Schwester nicht verschont blieb.849 Im Zuge von (so jedenfalls der Vorwurf) Streitigkeiten zwischen ihr und einem Jüngling namens Ibn al-Mihtar (?), welcher nach Handgreiflichkeiten sein Pferd, sein Dorf und letztlich sein Leben verlor, –

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handelte. Vielleicht war der Name auch auf die neue Palastanlage übergegangen oder diente zur Bezeichnung eines Teils davon. Le Strange spricht in diesem Sinne vom Dargāh-i Ḫātūn, einer Halle nahe dem Bāb an-Nūbī, was bedeuten würde, dass ʿIṣmat-Ḫatun in einem dār residierte, das zum Raiḥānīyīn-Palast gehörte. Fest steht jedenfalls, dass die Frauen der Kalifen im Norden des Palastbezirks wohnten, unweit der (später erbauten) Mustanṣirīya-Medrese. Ǧihāt, S. 108. Ibn as-Sāʿī, Ǧihāt, S. 109; sie stand an der Heeresmarkt-Str. S. auch Durand-Guédy, Iranian Elites, S. 200 f. Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 210 und Bd. XVIII, S. 108–110; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 411; Madelung, „Spread of Māturīdism“, S. 133, Anm. 61; Ephrat, „Seljuqs and the Public Sphere“, S. 147; speziell zu den Einnahmen, die al-Ġaznavī zugeflossen sein sollen: Ibn Mufliḥ, al-Ādāb, Bd. I, S. 239 f., wo u. a. steht, dass der Prediger jährlich 3600 Dinar erhielt, von denen 1200 an ihn und seine Kinder gingen, 1200 an die Leute seines ribāṭs und 1200 an den maǧlis. Ibn al-ʿImrānī, al-Inbāʾ, S. 217: istaulā ’l-Mustaršid bi-’llāh ʿalā ǧamīʿ mā kāna li-’l-Atrāk bi-’l-ʿIrāq wa-uqṭiʿahā; auch Ibn al-Ǧauzī (al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 270) erwähnt den Einzug vom Grundbesitz (ǧubiya ’l-ʿaqār). Abū ’l-Ḥasan ʿAlī b. ʿUbaid Allāh, ein ḥanbalitischer Gelehrter aus Bagdad, ist u. a. der Verfasser einer nicht erhaltenen Chronik, welche bis zu seinem Tod im Nov. 1132 reichte. Das Folgende nach Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 272 (Quelle: Abū ’l-Ḥasan [Ibn azZāġūnī]); Sibṭ Ibn al-Ǧauzī, Mirʾāt, ed. Jewett, S. 86 (eine Art Kurzfassung). Beide Berichte weisen Unklarheiten auf und stimmen auch nicht völlig überein.

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involviert war wohl ein Diener der Ḫatun –850 löste al-Mustaršid das iqṭāʿ der Selǧuqin auf, eignete sich ihre Stallungen an und schlug aus dem Verkauf der Immobilien Profit. Außerdem jagte er ihre Dienerschaft davon und stellte die Ḫatun samt jenen, die zu ihr hielten, unter Hausarrest. Solch ein Vorgehen blieb natürlich nicht unbemerkt und offenbar wurde Sanǧar nicht nur von seiner leidenden Schwester darüber informiert. Möglicherweise war es sogar ebendiese Entwicklung, welche al-Ġaznavī 526 H. einen Brief an Sanǧars Wesir schreiben ließ, wofür ihn nicht wenige in Bagdad verachteten.851 Wie es heißt, beantwortete der „allergrößte“ Sultan das Schreiben der Ḫatun mit einem Brief, in dem er seine Absicht erklärte, alsbald vernichtend gegen den Kalifen und dessen Herrschaft loszuschlagen.852 Al-Mustaršid erhielt von dieser Korrespondenz allerdings Kenntnis und nahm ʿIṣmat-Ḫatun den Brief weg, dessen Inhalt dann einer der Gründe war, warum er – verbündet mit Qarača as-Sāqī, Masʿūd und Selǧuq-Šāh (s. o.) – gegen Sanǧar zu Felde zog.853 An dieser Stelle sei an Ibn al-ʿImrānīs Aussage erinnert, dass der Selǧuqensenior nach seinem Triumph bei Dīnavar eigentlich gleich weiter auf Bagdad marschieren wollte (was jedoch beim Ḫvārazmšāh auf Ablehnung stieß, s. o., S. 70). In der Tigris-Metropole, wo man Sanǧar 526 H. die Anerkennung in der Freitagspredigt verweigerte und zumindest 525 H. erneut Dinare ohne seinen Namen geprägt hatte,854 kursierten bereits Gerüchte über sein Nahen und man bereitete sich ängstlich auf einen Angriff vor.855 Daran, dass im Verhältnis zwischen Großsultan und Kalif zu dieser

850 Ibn al-Ǧauzī: original ‫ابن المهر‬, „berichtigt“ in ‫ ;ابن المهير‬Sibṭ Ibn al-Ǧauzī: ein šābb namens ‫بن المهتر‬. Bei dem Diener der Ḫatun handelte es sich wohl um einen Latrinenleerer (nāziḥ). Anscheinend wurde er vorgeladen und mit den Anschuldigungen bezüglich Ibn al-Mihtar konfrontiert. Es wurde vorgegeben, der Jüngling sei geflohen, obwohl er in Wirklichkeit tot war. Was die Ḫatun und ihr ḥāfiẓ damit zu tun hatten, verrieten offenbar andere Diener. 851 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 270. Sanǧars Wesir war damals noch Maḥmūd Ibn Abī Tauba. 852 Ibn al-Ǧauzī: yurīdu an yaftuku/yaftiku bi-’d-daula; Sibṭ Ibn al-Ǧauzī: yurīdu al-fatk bi-’l-ḫalīfa. Das Verb fataka meint in erster Linie „vernichten“, „zerstören“, nach Hans Wehr aber auch nur „plötzlich angreifen“. Es ist also nicht ganz klar, was Sanǧars Ziel war. Wenn es ihm um das Auslöschen einer daula ging, dann sicher nur um die Absetzung al-Mustaršids, und nicht um das Ende des ʿAbbāsidenkalifats. S. hierzu auch Tor, „Two Murders“, S. 285. Selbst der anūšteginidische Sultan Muḥammad II. (reg. 1200–1220), der mächtigste aller Ḫvārazmšāhs, wäre, so 1217 kein Schneesturm seinen Feldzug gegen Bagdad gestoppt hätte, vermutlich nicht weiter gegangen, als seinen alten Gegenspieler an-Nāṣir li-Dīn Allāh (reg. 1180–1225) abzusetzen und einen anderen ʿAbbāsiden zu installieren. Dafür, dass der von ihm aufgestellte schiitische Gegenkalif tatsächlich jemals in der sikka genannt wurde, gibt es keine Belege – auf allen Münzen erscheint bis zuletzt an-Nāṣir. 853 Vielleicht meint Niẓāmī ʿArūżī diesen Feldzug, wenn er in einer Anekdote davon spricht, wie alMustaršid speziell gegen Sanǧar ausrückte (Čahār maqāla, S. 36 f.). 854 Für Ende 525 H. sind sowohl Bagdader Münzen ohne jede Sultansnennung belegt als auch solche, auf denen Sanǧar als einziger Selǧuqe aufgeführt ist ( Jafar, Seljuq Period, S. 60 f.). Erstaunlicherweise gibt es auch von 526 H. Dinare aus Madīnat as-Salām, auf denen Sanǧar genannt wird. 855 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 270; Bar ʿEbroyo, Maḵtḇonūṯ Zaḇne, tr. Budge, S. 256.

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Zeit ein Tiefpunkt erreicht wurde, hatten die Nachrichten von und über ʿIṣmat-Ḫatun gewiss großen Anteil; wie al-ʿAẓīmī (gest. nach 1161) in seiner Chronik vermerkt, war 526 H. das Jahr, in dem Sanǧar bezüglich al-Mustaršid die Geduld verlor.856 Vor diesem Hintergrund erscheint es umso plausibler, dass der Selǧuqe bei der Beseitigung des hoffnungslos unbotmäßigen ʿAbbāsiden seine Finger im Spiel hatte. Wann genau al-Mustaẓhirs Witwe ihre Freiheit zurückerlangte (wahrscheinlich recht bald), ist nicht überliefert, doch gelang es ihr, die gefährlichen Unruhen und Wirren der folgenden Jahre unbeschadet zu überstehen. Dabei fungierte ihr Palais (Dār Ḫātūn) weiterhin als Ort, an dem man Schutz suchte; beispielsweise flüchteten sich hierher der Bagdader Polizeichef (wālī) Abū ’l-Karam sowie der Kammerherr (ḥāǧib al-bāb) des Kalifen,857 als auf die Nachricht von al-Mustaršids Gefangennahme hin im Sommer 1135 Kämpfe zwischen dem aufgebrachten Volk und Masʿūds šiḥna ausbrachen.858 Während al-Mustaršids Nachfolger ar-Rāšid sodann in einer Novembernacht desselben Jahres heimlich vor Masʿūd aus dem ʿabbāsidischen Palast zum Atabeg Zangī floh, ergriff ʿIṣmat-Ḫatun die Initiative und ließ „ihre Leute“ das Nubische Tor besetzen.859 Das Bāb an-Nūbī lag unweit des Dār Ḫātūn und war damals wohl das Hauptportal der Mauer um den kalifalen Palastbezirk,860 zu dessen zentralem Gebäudekomplex, der Residenz des amīr al-muʾminīn, ar-Rāšid vor seiner Flucht nicht 856 Al-ʿAẓīmī, Taʾrīḫ Ḥalab, S. 384: taġaiyara ’s-sulṭān Sanǧar ʿalā ’l-Mustaršid. 857 S. zu beiden Ämtern Van Renterghem, „Controlling and Developing Baghdad“, S. 119 f. bzw. 126 (wālī = ṣāḥib aš-šurṭa). Der ḥāǧib al-bāb war Zain ad-Daula Abū ’l-Qāsim ʿAlī b. aṣ-Ṣāḥib, s. Ibn al-Azraq, Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 213. 858 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 296; s. ferner S. 306 (naqala ’n-nās ilā Dār al-Ḫalīfa waDār Ḫātūn; Kontext: heftige Kämpfe zwischen ar-Rāšid und Yarı̊ n-Quš az-Zakawī im Herbst 1135, nachdem der neue Kalif eine Geldzahlung verweigert hatte). 859 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 311 f. Masʿūd lagerte bei Nahrawān, Zangī im Westen Bagdads. Ibn al-Ǧauzī zufolge verließ ar-Rāšid (reg. 1135–1136) seinen Palast (im Osten Bagdads, s. o., Anm. 841) durch das (wohl an einem Bootssteg gelegene) Bāb al-Bušrā (von wo aus er den Tigris überquerte) in der Nacht des 14. Ḏū ’l-Qaʿda 530 H., bevor Masʿūd am 15. in Bagdad einzog. Ibn al-Anbārī, welcher den Sultan begleitete, berichtete Ibn al-Azraq (s. dessen Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 214 f.) allerdings, dass er und Masʿūd bereits am 10. Ḏū ’l-Qaʿda eintrafen, und auch die Huldigung für al-Muqtafī soll nach einer Textversion schon am 13. Ḏū ’l-Qaʿda stattgefunden haben. Letzteres Datum dürfte jedoch (anders als Carole Hillenbrand meint) falsch sein, weil Ibn al-Ǧauzī hierfür den 18. Ḏū ’l-Qaʿda angibt und dies zu jenem Datum passt, welches sich in einer anderen Version von Ibn al-Azraqs Werk für Ibn al-Anbārīs Vorabtreffen mit dem Kalifen in spe findet: Mo., 17. Ḏū ’l-Qaʿda. Hillenbrand hielt dieses Datum für einen Fehler und änderte es in ihrer Übersetzung (History of the Jazīra, Bd. II, S. 297 f. mit Anm. 278 auf S. 409) in den 12. Ḏū ’l-Qaʿda. Dazu, ab wann al-Muqtafī Kalif war, stößt man auch in anderen Quellen auf unterschiedliche Angaben. So lesen wir bei Ibn al-Aṯīr (al-Kāmil, Bd. IX, S. 293) vom 18. Ḏū ’l-Ḥiǧǧa und bei Ibn al-ʿImrānī (al-Inbāʾ, S. 225) vom 17. Ḏū ’l-Ḥiǧǧa, wobei in beiden Fällen vermutlich einfach der Monatsname verwechselt wurde. Ibn al-ʿImrānī fügt hinzu, dass zwischen ar-Rāšids Abreise und der baiʿa für al-Muqtafī drei Tage lagen, und was Masʿūds Einzug in Bagdad angeht, so stimmt Ibn al-Aṯīr mit Ibn al-Ǧauzī überein; zudem spricht auch Ibn al-Qalānisī vom Ḏū ’l-Qaʿda (Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 256). Das Datum in Karl Vilhelm Zetterstéens EI2-Artikel „al-Muḳtafī“, der 8. Ḏū ’l-Ḥiǧǧa, ist ebenfalls nicht korrekt. 860 S. Le Strange, Baghdad, S. 274 f. und o., Anm. 841 sowie 843 in vorliegender Arbeit.

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etwa einem ʿAbbāsiden die Schlüssel ausgehändigt hatte, sondern der Selǧuqen-Lady.861 Bei Masʿūds anschließendem Einzug in die Tigris-Metropole kontrollierte die Ḫatun also deren Herz und trug von dieser Position aus zu einer raschen und geordneten Übernahme der Stadt durch ihren und Sanǧars Neffen bei.862 Ibn as-Sāʿī berichtet von ʿIṣmat-Ḫatuns politischem Wirken nichts; bei ihm heißt es einfach nur, dass sie nach al-Mustaẓhirs Tod (1118) nach Iṣfahān zurückkehrte, dort starb und in ihrer Mega-Medrese beigesetzt wurde.863 Wie wir aber sahen, blieb die Selǧuqin noch eine ganze Weile in Bagdad – solange, bis sie erneut heiratete. Es war das Jahr 1138, als ein Bote „Ibn Qavurds, des maliks von Kirmān“ bei Masʿūd um ihre Hand anhielt, der Sultan daraufhin seinen Wesir ins Dār Ḫātūn schickte, die Hausherrin ihre Einwilligung gab und die Kadis ein Brautgeld von 100 000 Dinar festsetzten (25. Oktober).864 Angesichts der Tatsache, dass der damalige König der Kirmān-Selǧuqen, Arslan-Šāh I. (reg. 1101–1142), ein Qavurd-Enkel war und Arslan-Šāh möglicherweise einen Bruder namens Qavurd hatte, ist nicht ganz klar, wen Sanǧars Schwester da genau ehelichte. Auch der Vater jener Selǧuqin, die (wohl ebenfalls 1138) Masʿūds Frau wurde – beide Hochzeiten stehen offensichtlich in Zusammenhang –, soll Qavurd geheißen haben und laut Ibn al-Aṯīr ein Trunkenbold mit dementsprechend lädiertem Ansehen gewesen sein.865 Ein Sohn dieses Herrn, Ibn al-Aṯīr spricht einfach nur von Ibn Qavurd, agierte in Bagdad 1143/1144 als Hintermann einer Räuberbande und wurde deshalb auf Befehl des Sultans gekreuzigt.866 Es ist daher eher unwahrscheinlich, dass er es war, zu dem ʿIṣmat-Ḫatun nach ihrer zweiten Hochzeit zog, wohin auch immer – wir erfahren leider nur noch von ihrem Tod 1141/1142.867 Die nächste im kalifalen Palastbezirk positionierte Selǧuqin war Masʿūds Schwester Fāṭima-Ḫatun bt. Muḥammad, welche 1137 mit al-Muqtafī verheiratet wurde, 1139/1140 nach Bagdad kam, dort das Dārgāh Ḫatun bezog und 1147 verstarb. Ibn Ḫallikān sagt, dass sie lesen und schreiben konnte und ihr Management von Vernunft geprägt war.868

861 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 312. Wie Ibn al-Azraq vom kalifalen ḥāǧib al-bāb erfuhr, ließ ar-Rāšid vor seiner Flucht zu Zangī alle männlichen ʿAbbāsiden, die an seiner statt zum Kalifen hätten erwählt werden können, einsperren. Von dem Vorhaben, sie zu töten, ließ er dann aber ab, und beschränkte sich darauf, aus dem Palast möglichst viele Juwelen mitzunehmen (Ibn al-Azraq, Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 213 f.). 862 Der bei der Ḫatun untergekommene Abū ’l-Karam beruhigte mit dem ḥāǧib das Volk und wollte dann den Kalifen suchen. Man nahm ihn jedoch fest und brachte ihn zum Sultan, der ihn freiließ und im Amt bestätigte. 863 Ibn as-Sāʿī, Ǧihāt, S. 108 f. 864 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 335, s. auch S. 23 in Bd. XVIII. 865 S. zu alldem o., S. 157, Anm. 755. 866 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 307, 329. 867 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 23. Wenn sie, wie Ibn as-Sāʿī sagt, in Iṣfahān starb, spräche dies vielleicht gegen einen Umzug nach Kirmān. 868 Ibn Ḫallikān, Wafayāt, Bd. V, S. 73; Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 321 und Bd. XVIII, S. 3, 60; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 296, 316 (man lese bt. as-sulṭān Muḥammad statt bt. as-sulṭān

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Die Gewitterwolken, welche das Verhältnis zwischen Sanǧar und dem Kalifen 1131/1132 so stark verfinstert hatten, bedeuteten wohlgemerkt nicht, dass man sich nun von einander abwandte, den Dialog abbrach und es zu einer diplomatischen Eiszeit kam – im Gegenteil. Mit der Anspannung und dem Misstrauen ging ein intensiver Austausch einher und wenngleich man de facto weiter gegeneinander spielte, legte man doch Wert auf den Anschein wechselseitiger Anerkennung und Annäherung (s. u.). Hieraus konnten beide Herrscher ihren Nutzen ziehen; sich Möglichkeiten offenzuhalten war aussichtsreicher als die Konsequenz eines offenen Bruchs. So hatte der „Sultan der Sultane“ nach der großen Schlacht gegen al-Mustaršids Alliierte und der Installation Toġrı̊ ls II. offenbar das Bedürfnis, gegenüber dem aufsässigen ʿAbbāsiden einmal ausführlich und selbstbewusst Grundsätzliches klarzustellen, weshalb er im Sommer 1133 seinen bereits mehrfach erwähnten und von Jürgen Paul als apologia pro vita sua charakterisierten Brief an den kalifalen Wesir verfassen ließ. Dass formal nicht der amīr al-muʾminīn selbst der Adressat ist, verdient Beachtung und auch sonst steckt das Schreiben voller Bezüge auf die Spannungen und Differenzen zwischen Sanǧar und al-Mustaršid.869 Es geht um im Raum stehende Vorwürfe, um Kompetenzen, Verdienste und die daraus resultierenden Ansprüche. Überbracht wurde Sanǧars Apologie wohl von jenem Gesandten, der Anfang 1134 in Bagdad eintraf und mit einem Ehrenkleid ausgezeichnet wurde. Als ebendieser Herr dann im April zurück nach Ḫurāsān reiste, begleitete ihn der kalifale Ambassadeur Muʾaiyid ad-Dīn Sadīd ad-Daula Abū ʿAbd Allāh Muḥammad b. ʿAbd al-Karīm Ibn al-Anbārī mit dem Auftrag, auch Sanǧar ḫilaʿ zu verleihen, und zwar Gewänder im Wert von über 120 000 Dinar!870 Ibn al-Anbārī stand schon seit 1098/1099 im Dienste des ʿAbbāsidenkalifats. Nachdem er anfangs al-Mustaẓhirs wakīl ad-dār871 gewesen war, hatte er von 1113/1114 bis zu seinem Tod im Juni 1163 (!) das Amt des Kanzleichefs (kātib al-inšāʾ) inne.872 Auf dem Weg zum „Sultan der Sultane“ (1134) wurde er bereits im Abstand von vier farsaḫ (rund 24 km) zu dessen Aufenthaltsort von einer Ehrenes-

Masʿūd), 349. Masʿūd heiratete parallel al-Muqtafīs Tochter Zubaida (gest. 1193/1194), die damals aber noch viel zu jung war, und die Ehe wurde auch bis zu Masʿūds Tod nie vollzogen. 869 Wenn ʿIṣmat-Ḫatun immer noch eine Gefangene gewesen wäre, als der Brief geschrieben wurde, hätte ihr Bruder sie darin vielleicht erwähnt. 870 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 283. 871 Horst, Staatsverwaltung, S. 17 f.: „Hofkommissar“. Anscheinend fungierte auch der vakīl-dār als eine Art Mittelsmann, der den Kontakt zum Herrscher herstellte und Anliegen (etwa des Wesirs) an diesen weiterleitete. Ob er mit dem ustāḏ ad-dār („Haushofmeister“?) und/oder ḥāǧib al-bāb identisch ist, sein dahingestellt. 872 Ibn al-Azraq, Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. (Ibn al-Anbārīs eigene Worte); das Jahr [4]9[2] H. wurde ergänzt nach Ibn Wāṣil, Mufarriǧ, Bd. I, S. 68; Ibn al-Ǧauzī zufolge (al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 157) war Ibn al-Anbārī schon ab 503 H. (1109/1110) kātib al-inšāʾ (bei Ibn al-Aṯīr falsch: ab 530 H.; zudem vermerkt Ibn al-Aṯīr den Tod Ibn al-Anbārīs einmal korrekt für das Jahr 558 H. und einmal falsch für das Jahr 535 H.!).

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korte in Empfang genommen.873 Außerhalb der nicht namentlich genannten Stadt ließ der Selǧuqensenior dann bei Ankunft des kalifalen Würdenträgers ein großes Audienzzelt (naubatīya ʿaẓīma)874 aufschlagen, unter dem er für die folgende Investiturzeremonie auf einem erhöhten Thron Platz nahm. Seinem ausdrücklichen Wunsch gemäß erhielten daraufhin zuerst die anwesenden Emire und mulūk – darunter höchstwahrscheinlich Sulaimān-Šāh b. Muḥammad, vielleicht auch Toġrı̊ l II.875 – ihre Gewänder, ehe Sanǧar selbst als letzter an die Reihe kam. Ibn al-Anbārī, der zunächst nach dem üblichen Protokoll hatte verfahren wollen, stieg auf die Tribüne mit dem taḫt al-mamlaka und überreichte dem Sultan einen Brief des Kalifen, was der Selǧuqe mit einem Bodenkuss quittierte. Wieder thronend, den Brief auf seinem Schoß, bekam Sanǧar von Ibn al-Anbārī sodann besagte Ehrenkleider angelegt, eine Krone aufgesetzt sowie eine Halskette umgehängt, bevor al-Mustaršids Vertreter herabstieg, um ein weiteres Geschenk seines Herrn zu präsentieren – vorgeführt wurde ein Ross samt Sattel, dessen Hufe goldbeschlagen waren. Der Sultan küsste einen der Hufe. Nachdem er abermals auf seinen Platz zurückgekehrt war, unterhielt man sich, wobei die Rede auf den von ihm 1132 als Irak-Sultan installierten Toġrı̊ l kam, welchem der Kalifen ja die Anerkennung verweigerte. Anders als Fragner meint,876 hatte Sanǧar seinen Kandidaten gegenüber al-Mustaršid schon in dem Brief von 1133 als hervorragende Wahl verteidigt und auch jetzt ließ er Ibn al-Anbārī wissen, dass Toġrı̊ l geeigneter als Masʿūd sei und er (Sanǧar) sich in der Frage nicht umentschieden werde.877 Am Ende der Unterredung wurde ein Antwortschreiben an al-Mustaršid aufgesetzt. Springberg-Hinsen, die die – binnen eines Tages über die Bühne gebrachte – Verleihung aller Gewänder und Insignien durch Ibn al-Anbārī erwähnt, bringt übrigens ein paar Dinge durcheinander; bei ihr ist der Ort des Geschehens das „seldschukische

873 Dies und das Folgende nach Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 292. S. zum Ehrengeleit o., S. 135, Anm. 643. 874 S. Durand-Guédy, „Tents“, S. 163 f. Durand-Guédy ist sich unsicher, ob naubatī(ya) wirklich Audienzzelt (so Steingass) bedeuten kann, und denkt eher an ein Zelt für mamlūkisches Wachpersonal und/oder die nauba-Kapelle, doch kennt er den eben auch in dieser Hinsicht aufschlussreichen Bericht über Ibn al-Anbārīs Mission von 1134 nicht. 875 Ibn al-Ǧauzī spricht explizit von Sanǧars Brudersöhnen und wie gesagt ist Toġrı̊ l auf NīšāpūrīDinaren des Jahres 528 H. genannt (s. o., S. 152). Womöglich fand die Zeremonie also vor den Toren Nīšāpūrs statt, ehe Sultan Toġrı̊ l 1134 erneut nach Westen ging und die Ǧibāl-Provinz von Masʿūd zurückeroberte. 876 Fragner, Hamadān, S. 139 f., wo in Bezug auf Sanǧar zu lesen ist: „Schon im Jahre 527 H. […] hatte er in einem Brief an Mustaršid diesem vorgeschlagen, den Tuġril, der ihm zu schwach erschien, gegen einen kraftvolleren Herrscher auszutauschen.“ Wie bereits an anderer Stelle gesagt, vermag ich eine solche Aussage in dem Brief jedoch nicht zu finden; Toġrı̊ l wird im Gegenteil gerühmt (Eqbāl, Vezārat, S. 315). 877 Qāla anā aʿlamu annahū [gemeint ist Toġrı̊ l] aʿqal min Masʿūd wa-aṣlaḥ li-amīr al-muʾminīn walākinnī [das aber erscheint mir an dieser Stelle falsch, man darf es wohl ignorieren] qad wallaituhū wa-lā arḍā li-nafsī an ataġaiyira.

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Lager vor den Toren Bagdads“ und Ibn al-Anbārī der Wesir des Kalifen ar-Rāšid.878 Tatsächlich fungierte der Kanzleichef später (1140), unter al-Muqtafī, noch als Vizewesir. Der Zweck, zu welchem al-Mustaršid das Selǧuqenoberhaupt – als Reaktion auf dessen Rechtfertigungsschrift – 1134 ehrte und ihm Bestätigung verschaffte, war natürlich der, Sanǧar positiv zu stimmen und die Wogen so weit zu glätten, dass der Großsultan nicht gleich wieder einen persönlichen Einmarsch in Bagdad plante. Die Besänftigung mittels Material für eine öffentlichkeitswirksame Inszenierung war aber nur die eine Seite der kalifalen Politik und dürfte primär dazu gedient haben, die andere zu kaschieren. Der Gefallen sollte wohl als Gegengewicht zu jenen Aktivitäten wirken, die der Kalif parallel (!) entfaltete und welche nach wie vor Sanǧars Interessen zuwiderliefen, darunter die Unterstützung Masʿūds gegen Toġrı̊ l, die Auszeichnung des Ḫvārazmšāhs Atsı̊ z (s. o., S. 153) und die Entsendung kalifaler Truppen gegen Bihrūz in Takrīt. Letzterer hatte sich geweigert, al-Mustaršid (erneut) Geld für dessen Militär zu geben, woraufhin es im Mai 1134 zu einem Kampf kam, der damit endete, dass der Eunuch den Rückzug der Angreifer erkaufte.879 Im Übrigen hatte der (damals persönlich gegen Mosul ziehende) Kalif bereits im Sommer 1133 vergebens versucht, Bihrūz dazu zu bringen, ihm seine Festung zu überlassen.880 Von dem als Ibn al-Qaṭṭān bekannten Satiriker Abū ’l-Qāsim Hibat-Allāh b. al-Faḍl al-Baġdādī (gest. 1163) stammt der Vers: „Obwohl nicht einmal imstande, Takrīt zu bezwingen, geh’n wir’s in uns’rer Torheit an, Sanǧar Tirmiḏ abzuringen“ (Takrītu tuʿǧizunā wa-naḥnu bi-ǧahlinā * namḍī li-naʾḫuḏa Tirmiḏan min Sanǧar).881 Wie bereits erläutert, spielte auch Sanǧar gegen den Kalifen, wenngleich er zu keinem Zeitpunkt müde wurde, die Form zu wahren und dem amīr al-muʾminīn salbungsvoll seine Hochachtung zu erweisen. Während er ʿIṣmat-Ḫatun im Vertrauen über seine tatsächliche Haltung informierte, pflegte er sich dem Kalifen gegenüber solange als dessen ergebenster Knecht zu bezeichnen und solange alles, was – sowie jeden, der – von alMustaršid kam, demonstrativ zu ehren,882 bis er schließlich des ʿAbbāsiden Beseitigung

878 Springberg-Hinsen, Ḫilʿa, S. 144. Wie gesagt fehlt Springberg-Hinsen die Information, dass Sanǧar bereits viel früher vom Kalifen mit Ehrengewändern ausgezeichnet worden war, s. o., S. 132 mit Anm. 626. 879 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 283. 880 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 276; Hanne, Putting the Caliph in His Place, S. 161. Bihrūz erklärte sich zwar bereit, den Kalifen finanziell zu unterstützen, übergab ihm aber nicht – wie gefordert – Takrīt und kam auch nicht von seiner Festung, um sich al-Mustaršids Feldzug persönlich anzuschließen. 881 Ibn Ḫallikān, Wafayāt, Bd. VI, S. 60 (zu Ibn al-Qaṭṭān – von dessen Spott niemand verschont blieb, auch nicht der Kalif (lam yaslam minhu aḥad lā al-ḫalīfa wa-lā ġairuhū) – ab S. 53); Ḥusainī, Aḫbār, S. 121, wo ein Teil der qaṣīda rāʾīya, aus welcher der Vers stammt, in Zusammenhang mit einem kalifalen Feldzug des Jahres 1148 zitiert wird, doch passt der Vers eher zu al-Mustaršids Ausrücken gegen Sanǧar anno 1132. 882 Man denke an die dreifache nauba für Šaraf ad-Dīn az-Zainabī, das Empfangsgeleit über vier farsaḫ für Ibn al-Anbārī sowie Sanǧars Boden- und Hufkuss. Für die Knecht-Rhetorik s. etwa Ibn al-

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ins Werk setzte. Was Masʿūd angeht, so war er mit Erlangung des irakischen Sultanats nach Toġrı̊ ls Tod nicht länger derjenige, welcher Seite an Seite mit dem Kalifen gegen einen gemeinsamen Feind rebellierte, sondern nunmehr selbst in der Position desjenigen, der in al-Mustaršids Ambitionen eine Gefahr für seinen Herrschaftsanspruch sehen und sich um seine Autorität in Bagdad sorgen musste. Für eine Partnerschaft mit dem ʿAbbāsiden gab es also keine Basis mehr, doch wurde, wie gesagt, stattdessen eine Verständigung mit Sanǧar notwendig, wobei der Kalif den Schulterschluss beider Selǧuqen freilich sehr ungern sah und es daher mit der alten Taktik versuchte, zwar den fernen Sultan anzuerkennen, sich aber – zusammen mit neuen Verbündeten – gegen den nahen zu wenden. So berichtet Ibn al-Ǧauzī, dass Masʿūds Name in der Bagdader Freitagspredigt Anfang Mai 1135 durch den seines Neffen Dāwūd ersetzt wurde, während weiterhin Segenswünsche für Sanǧar erklangen.883 Das gleiche dürfte für Masʿūds erneuten Ausschluss aus der ḫuṭba im November gelten,884 als bereits ar-Rāšid Kalif war und die energische Politik seines Vaters fortsetzte. Jedenfalls erscheint der Name des Großsultans auch auf jenen Münzen ar-Rāšids, auf denen Masʿūd nicht genannt ist, und zumindest Jafar deutet einen Dinartyp von 530 H. trotz der Verwendung eines alten Revers-Stempels in der Weise, dass Masʿūds Name ebenso aus der sikka entfernt wurde.885 Nachdem ar-Rāšid als Kalif ab- und durch al-Muqtafī ersetzt worden war,886 hatte Masʿūd dem neuen amīr al-muʾminīn, wie gesagt, noch einmal in Stellvertretung für seinen Onkel die Treue geschworen (Frühjahr 1137). Der Bote, der die Anweisung hierzu von Sanǧar nach Bagdad übermittelt hatte, reiste von dort aus weiter nach Mosul, wo er auch Zangī eine baiʿa abnahm und dazu aufforderte, ar-Rāšid – der ja mit dem Atabeg nach Mosul geflohen war – fallen zu lassen. Da al-Muqtafī ihm überdies Ländereien und frische alqāb anbot, erkannte Zangī noch im selben Monat sowohl den neuen Kalifen als auch wieder Masʿūd (satt Dāwūd) an.887 Ar-Rāšid verlor damit seinen stärksten Verbündeten. Neue Unterstützung fand er weder bei den Artuqiden

Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 270 (baʿaṯa Sanǧar yaqūlu anā ’l-ʿabd fa-mā aradta minnī faʿaltu), 292 (anā ’l-ʿabd al-mamlūk). 883 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 294. Dāwūd war damals in Aserbaidschan; s. zu seiner

Anerkennung durch den Kalifen auch: Michael der Syrer, Chronik, tr. Chabot, Bd. III, S. 241. 884 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 306. Bei seiner erneuten Anerkennung durch den Kalifen war Dāwūd in Bagdad. Masʿūd wurde in ḫuṭba und sikka dann wieder bei der Einsetzung al-Muq­ tafīs genannt (Nov. 1136). 885 S. Jafar, Seljuq Period, S. 65 f. 529 H. ließ ar-Rāšid neben sich nur Sanǧar nennen. 530 H. kam Masʿūds Name hinzu (Typ S.MS.530A), um dann – so darf man annehmen – wieder weggelassen zu werden, wofür der Typ S.MS.530B wegen des veralteten Rev. (auf dem Sanǧar „wieder“ als einziger Selǧuqe erscheint) allerdings kein guter Beleg ist. Bagdader Münzen, auf denen statt Masʿūd dessen Neffe Dāwūd genannt wird, sind nicht bekannt. 886 S. Muth, „‚Entsetzte‘ Kalifen“, S. 119–123. 887 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 321 f.; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 293 f. Ar-Rāšid musste befürchten, dass Zangī ihn auslieferte.

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noch bei den Rūm-Selǧuqen oder Dānišmandiden888 – alle bekannten sich zu der von Sanǧar vertretenen Ordnung –, weshalb er sich nach Osten wandte. Offenbar in Unkenntnis der Politik, welche der Großsultan (gegen ihn) betrieb, beabsichtigte er, nach Ḫurāsān zu gehen, weshalb er Masʿūd um Erlaubnis fragte, den ʿIrāq al-ʿAǧam zu durchqueren.889 Ḥusainī zufolge kam ar-Rāšid sogar bis Dāmġān, von wo aus er dem Selǧuqensenior im Mai 1137 einen Brief schickte. Darin beschwerte er sich über Masʿūd und bat Sanǧar naiverweise um dessen militärische Hilfe und persönliches Eingreifen. Die Antwort hierauf traf im Juni ein und enthielt selbstverständlich eine Absage unter dem Vorwand, dass Sanǧars Streitkräfte wegen der Qara-Ḫitai am Amudarja gebunden seien.890 „Sanjar claimed to be too busy to restore al-Rāshid, but that of course does not explain“, wie Deborah Tor korrekt anmerkt, „why he did not simply command Masʿūd to desist – Masʿūd was his acknowledged vassal.“891 Im Frühjahr 1138 verloren ar-Rāšids Verbündete, darunter vor allem Dāwūd, in der Ebene von Panǧ Angušt eine Schlacht gegen Masʿūd.892 Der abgesetzte Kalif kam daraufhin von Marāġa nach Hamadān, rückte bis al-Ḥuwaiza in Ḫūzistān vor und belagerte schließlich Iṣfahān. Vor den Toren dieser Stadt wurde er im Juni, genau wie sein Vater, von einer Gruppe „Bāṭiniten“ (so die meisten Quellen) umgebracht. Laut Ibn al-Aṯīr handelte es sich bei den Mördern um Ḫurāsāner in ar-Rāšids Diensten893 und glaubt man Sibṭ Ibn al-Ǧauzī, dann hießen die Auftraggeber hinter der Tat abermals Sanǧar und Masʿūd.894 „Von einem Wesir ar-Rāšids oder al-Mustaršids“ soll ein Brief an Sanǧar stammen, aus dem al-Qalqašandī (gest. 1418) in seinem Kanzleihandbuch Ṣubḥ al-aʿšā zitiert.895 Die Person, um die es darin geht, heißt Quṭb ad-Dīn Abū Manṣūr [al-Muẓaffar b. Abī ’l-Ḥusain] Ardašīr al-ʿAbbādī. Über diesen Marver Prediger lesen wir bei Ibn Ḫallikān, dass er nach Bagdad zog, sich der Gunst des Kalifen al-Muqtafī erfreute und nach rund drei Jahren in der Tigris-Metropole als Botschafter zu Sanǧar nach Ḫurāsān geschickt wurde. Anschließend kehrte er als Sanǧars Botschafter nach Bagdad zurück (1146/1147) 888 Ibn al-ʿImrānī, al-Inbāʾ, S. 223. Ar-Rāšid verließ Mosul im Herbst 1136, um (mit Zangī) nach al-Maġraqa (bei Mosul), Naṣībīn (Nusaybin) und Sinǧār zu reisen; dann kehrte er noch einmal nach Mosul zurück. 889 Ibn al-Azraq, Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 217. Sanǧar hatte ar-Rāšids Namen im gesamten Osten auf den Münzen sowie in der Freitagspredigt zügig durch al-Muqtafīs ersetzen lassen. 890 Ḥusainī, Aḫbār, S. 108 f. 891 Tor, „Two Murders“, S. 293. 892 In der Schlacht verloren beide Seiten. Zur Ebene von Panǧ Angušt (nordwestlich von Hamadān) s. Durand-Guédy, „Where did the Saljūqs Live?“, S. 252. Mit ar-Rāšid alliiert waren auch die Emire von Fārs, Ḫūzistān und Ḫalḫāl, Mengü-Bars, Boz-Aba und ʿAbd ar-Raḥmān b. Toġa-Yürek. 893 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 304 f.; s. auch Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 332. Von Hamadān nach Ḥuwaiza (Ḥawīza) war ar-Rāšid gemeinsam mit Dāwūd und dem „Ḫvārazmšāh“, d. h. ʿAin ad-Daula, unterwegs, dann zerstreute sich die Koalition, weil Masʿūd bereits wieder in Bagdad war. 894 Sibṭ Ibn al-Ǧauzī, Mirʾāt, ed. Jewett, S. 101. S. auch Tor, „Two Murders“, S. 291–293. 895 Qalqašandī, Ṣubḥ, Bd. VII, S. 85.

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und reiste weiter nach Ḫūzistān, wo er Anfang August 1152 verschied.896 Es wäre daher anzunehmen, dass der besagte Brief eher aus der Regierungszeit al-Muq­tafīs stammt. Bei dessen erstem Wesir handelt es sich um al-Mustaršids letzten, also um jenen Hāšimiten, welcher 1127 (damals noch als naqīb) in diplomatischer Mission zu Sanǧars gereist und 1136 auf Geheiß des Großsultans Teil des Dreierrats zur Wahl von ar-Rāšids Nachfolger gewesen war: Šaraf ad-Dīn Abū ’l-Qāsim ʿAlī b. Ṭirād az-Zainabī.897 Az-Zainabī, der bei seiner Erhebung zum saiyid al-wuzarāʾ und ṣadr aš-šarq wa’l-ġarb im April 1129 von al-Mustaršid die Ehrennamen Muʿizz al-Islām und ʿAḍud al-Imām erhalten hatte,898 darf als besonders selǧuqenfreundlich gelten; ein weiterer laqab lautet Niẓām al-Ḥaḍratain – die beiden Höfe sind der ʿabbāsidische und der selǧuqische.899 Seine Mittlerstellung mag auch ein Grund gewesen sein, warum er 1132, just als sich der amīr al-muʾminīn offen gegen den Großsultan wandte, abgesetzt und eingesperrt wurde. Die Haft war aber nur von kurzer Dauer. 1134 – fast oder genau zu der Zeit, da der Kalif Sanǧars Botschafter auszeichnete und für das Selǧuqenoberhaupt Ehrengaben vorbereiten ließ – bekam az-Zainabī sogar das Wesirat zurück und behielt es bis zu al-Mustaršids Ende.900 Unter al-Muqtafī war az-Zainabī rund vier Jahre lang dīwān-Chef, dann, 1140, kam es zu einem Konflikt, dessen Schilderung Ibn al-Ǧauzī die Bemerkung vorausschickt, dass der Wesir sowohl auf ʿabbāsidischer als auch auf selǧuqischer Seite sehr viel Einfluss und Ansehen gewonnen hatte (­tamakkana […] min ad-daulatain).901 Wahrscheinlich verfolgten Sanǧar und Masʿūd ab 1136 die neue Taktik, den Kalifen mit Hilfe von dessen Wesir unter Kontrolle zu halten, doch war auch al-Muqtafī bei aller Vorsicht und Geduld keiner, der sich einfach in die ihm zugedachte Rolle fügte und Gelegenheiten, sich sukzessive von den Selǧuqen zu emanzipieren, ungenutzt ließ.902 896 Ibn Ḫallikān, Wafayāt, Bd. V, S. 212; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 345. Qalqašandī sagt, dass Quṭb ad-Dīn al-Marwazī als Botschafter in die Kalifenstadt kam, was sich auf die Rückkehr von Sanǧar beziehen dürfte. Bei Bundārī (Zubda, S. 235) ist zu lesen, dass Quṭb ad-Dīn von al-Muqtafī 546 oder 547 H. zu Muḥammad b. Maḥmūd entsandt wurde, der damals noch malik von Ḫūzistān war. 897 S. zu ihm etwa Ibn aṭ-Ṭiqṭaqā, al-Faḫrī, S. 305 f. sowie 310 f. und Bosworths EI2-Artikel „al-Zay­ nabī“; zur Zainabī-Familie: Van Renterghem, Les élites bagdadiennes, Bd. I, S. 360 ff. Der Adelsmarschall war ab 1122 zunächst Vizewesir, als welcher er zweimal (1122 und 1128) die Amtsgeschäfte führte, ehe er 1129 zum ordentlichen Wesir ernannt wurde. Seine Tochter war die Frau des späteren Kalifen al-Muqtafī gewesen – daher also sein Einsatz für die Wahl dieses ʿAbbāsiden. 898 Ibn al-ʿImrānī, al-Inbāʾ, S. 216. 899 Ibn Ḫallikān, Wafayāt, Bd. IV, S. 454; Goldziher, „Ueber Dualtitel“, S. 329. 900 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 271 (Anūširvān b. Ḫālid wird kalifaler Wesir), 272 (Inhaftierung und Freilassung az-Zainabīs im Šaʿbān bzw. Ḏū ’l-Qaʿda 526 H.), 282 (Entlassung Anūširvāns und Wiedereinsetzung az-Zainabīs im Rabīʿ I 528 H.); Ibn al-ʿImrānī, al-Inbāʾ, S. 217 (Inhaftierung az-Zainabīs und Einsetzung Anūširvāns im Raǧab; statt 527 ist wohl 526 H. zu lesen), 218 (Entlassung Anūširvāns und Wiedereinsetzung az-Zainabīs im Ǧumādā II 528 H.). 901 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 4. 902 Hanne, Putting the Caliph in His Place, S. 165: „ʻPandora’s box’ had been opened for the caliphs, and they would demonstrate no willingness to shut it“; s. auch S. 173. Bar Hebräus zufolge war az-Zainabī sogar von Masʿūd gewarnt worden, dass es ein Fehler sei, einen intelligenten Erwachsenen

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Der sich zuspitzende Konflikt zwischen al-Muqtafī und az-Zainabī begann damit, dass der ʿAbbāside seine Bediensteten und Steuereinnehmer (ʿummāl) aussandte, ohne dies mit dem Wesir abzusprechen, der, wie es heißt, gegen jede Anordnung al-Muqtafīs Einwände erhob und „eines (geheimen) Zusammenspiels mit den Türken“ (d. h. den Selǧuqen) bezichtigt wurde.903 Auf die hieraus resultierende Verstimmung folgte zwar eine Versöhnung (April 1140), doch entbrannte bald ein Streit zwischen Anhängern az-Zainabīs und solchen eines gewissen Turšuk, bei dem es sich um al-Muqtafīs einzigen türkischen Mamlūken und einen seiner vertrautesten Emire handelte.904 Niẓām al-Ḥaḍratain wandte sich daraufhin aufgebracht an Sultan Masʿūd und trat in dessen Dienste, was den amīr al-muʾminīn kränkte und dazu veranlasste, den „ḫidma-Überläufer“ zurückzufordern. Der Selǧuqe schickte den Wesir auch zurück, nur war die Sache damit keineswegs erledigt. Weil az-Zainabī einem altgedienten Angestellten des Kalifen den Zutritt zu seinem Herrn untersagte und al-Muqtafī damit erneut vor den Kopf stieß, ließ der ʿAbbāside den ḥāǧib des Wesirs festnehmen. Ob dieses Schritts beunruhigt, nahm az-Zainabī im Bagdader Sultanspalast Zuflucht905 ( Juni/Juli) und weigerte sich, wieder herauszukommen. Weil al-Muqtafī ihn nicht dazu bewegen konnte, auf seinen Posten zurückzukehren, schrieb der Kalif an Masʿūd. Die offiziellen Dokumente trugen derweil az-Zainabīs Namen, ohne dass der Wesir noch irgendwelche Aufgaben wahrnahm. Dieser kuriose Zustand dauerte an, bis aus Masʿūds Heerlager eine Antwort eintraf. Darin hieß es, der amīr al-muʾminīn möge in der Sache verfahren, wie er wolle, und so wurde az-Zainabī im Sommer 1140 seines Amtes enthoben. Bevor der Kalif einen neuen Wesir bestallte, wurde Šaraf ad-Dīn az-Zainabī eine Zeit lang von seinem Cousin väterlicherseits,906 dem qāḍī ’l-quḍāt Abū ’l-Qāsim ʿAlī b. al-Ḥusain az-Zainabī (gest. 1149), vertreten und als sich al-Muqtafī ebenso von diesem abwandte (und der Oberkadi zudem erkrankte),907 übernahm Ibn al-Anbārī die kommissarische Leitung des kalifalen dīwāns. Würdenträger, die dem prominenten Asylanten im Bagdader Dār al-Mamlaka nahestanden, bekamen damals Probleme.908 Abgesetzt wurde auch Abū ’l-Ḥasan Muḥammad b. Ṭirād az-Zainabī (gest. 1147), wel-

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wie al-Muqtafī zum Kalifen zu wählen – besser wäre ein noch formbarer Kandidat gewesen (Bar ʿEbroyo, Maḵtḇonūṯ Zaḇne, tr. Budge, S. 263, 266). Dies und die folgenden Ereignisse nach Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 4; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 315; Ibn al-Azraq, Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 228; Ibn al-ʿImrānī, al-Inbāʾ, S. 225 (hier: nasabahū […] ilā muwāṭaʾat al-Atrāk ʿalaihi). Ibn al-Ǧauzī erklärt an dieser Stelle nicht, wer Turšuk ist, doch s. Bundārī, Zubda, S. 235 (al-Muq­ tafī hatte geschworen, als Kalif keine türkischen Mamlūken zu kaufen; erwarb dafür aber armenische und griechische – den türkischen Militärsklaven Turšuk hatte er bereits vor 1136 erworben). Offenbar wohnte der kalifale Wesir in einem ufernahen Haus beim Marātib-Tor (Ibn al-Aṯīr: AzaǧTor). Um zum dār as-sulṭān zu gelangen, nahm az-Zainabī in der Mittagszeit ein Boot, genauer gesagt eine sumairīya. Für eine Stammtafel der Zainabī-Familie s. Van Renterghem, Les élites bagdadiennes, Bd. II, S. 304. Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 68 f. Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 9 (wo es um den šaiḫ aš-šuyūḫ Ismāʿīl geht).

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cher seinem Bruder Šaraf ad-Dīn (bei dessen Aufstieg zum Wesir) im Amt des obersten Adelsmarschalls nachgefolgt war. So wie sich Šaraf ad-Dīn verhielt, kann eigentlich kein Zweifel bestehen, dass er um nicht weniger als sein Leben fürchtete. Bei Masʿūds Rückkehr an den Tigris (Herbst 1141), bat der nach wie vor festsitzende Ex-Wesir seinen selǧuqischen Beschützer, den Kalifen doch wenigstens dazu zu bringen, dass er in sein Haus zurückkehren dürfe.909 Der Irak-Sultan beauftragte daraufhin seinen eigenen Wesir Maǧd ad-Dīn Burūǧirdī, sich des Bittstellers anzunehmen und zwischen diesem und al-Muqtafī zu vermitteln. In den folgenden Tagen pendelten zwischen dem Kalifenpalast und Burūǧirdīs nördlich von Bagdad gelegenem Landsitz,910 wo Šaraf ad-Dīn untergekommen war, ständig Boten, darunter der kalifale Schatzmeister. Nachdem al-Muqtafī dabei die Vergehen des Abgesetzten aufgezählt hatte, setzte sich Burūǧirdī für diesen ein und übermittelte das sultanische Ersuchen um Vergebung für Šaraf adDīn. Wie wir nun erfahren, stammte die Bitte, der amīr al-muʾminīn möge seinem Ex-Wesir verzeihen, nicht allein von Masʿūd, sondern ebenso von dessen Onkel – das Selǧuqenoberhaupt war offenbar längst eingeschaltet. Am Ende der diplomatischen Bemühungen willigte al-Muqtafī ein, Burūǧirdī und Šaraf ad-Dīn offiziell zu empfangen, wofür beide den Tigris hinabfuhren und den kalifalen Palastbezirk durch das Uferportal betraten. Zugang zum Audienzsaal (bait an-nauba), zu dem anlässlich der Anhörung zahlreiche Emire und Höflinge mitgekommen waren, erhielt zunächst aber nur der Wesir Masʿūds. Er küsste den Boden, trat vor den Kalifen und sprach: „[Mein] Herr, Sultan Sanǧar ersucht und bittet den Befehlshaber der Gläubigen demütig, der [von ihm eingelegten] Fürsprache zugunsten az-Zainabīs stattzugeben.“911 Im Anschluss wurde als zweiter Fürsprecher Masʿūd genannt und aus dem Koran zitiert. Al-Muqtafī erklärte sich letztlich bereit, dem Wunsch beider Sultane zu entsprechen und Šaraf ad-Dīn zu vergeben, woraufhin dieser ebenfalls eintreten durfte912 und nach einem Bodenkuss die Erlaubnis erhielt, in sein Bagdader Haus zurückzukehren. Burūǧirdī ging zu Masʿūd und erstattete Bericht. Der Einsatz der Sultane hatte ferner bewirkt, dass Muḥammad b. Ṭirād az-Zainabī 1141 den Posten des naqīb an-nuqabāʾ zurückbekam. Die Karriere seines Bruders war indes vorbei: Bis der ehemalige Wesir 1144 krank und mittellos verstarb, verließ er sein Haus nur noch, um in die Moschee zu gehen.913 Verarmt war er vor allem deshalb, weil 909 Dies und das Folgende nach: Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 18 f. 910 Ibn al-Ǧauzī gibt an, dass Burūǧirdīs dār in al-Aǧama („das Schilfdickicht“) stand. Dies war wohl der Name eines großen Dorfes am Tigris zwischen Bagdad und Sāmarrāʾ (etwa in der Gegend des heutigen Duǧail). 911 Yā maulānā ’s-sulṭān Sanǧar yasʾalu wa-yataḍarraʿu ilā ’l-amīr al-muʾminīn fī qubūl aš-šafāʿa fī ’z-Zainabī (wa-kaḏālika Masʿūd). 912 Er trat zusammen mit den Emiren an das vergitterte Zeremonialfenster, dann wurde der hier angebrachte Vorhang gelüftet, sodass der thronende Kalif ihn durch das Fenster sehen konnte. 913 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 325.

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er die Mächtigen des Reiches (aber auch Gelehrte, Studenten und Reisende) großzügig zu beschenken pflegte; insbesondere für sein Asyl in Masʿūds Palast war ein Vermögen an die Frauen und andere Leute des Sultans geflossen. Hinsichtlich der Zeit nach seinem Ableben musste Šaraf ad-Dīn am Ende gar den Kalifen bitten, für den Unterhalt seiner Familie zu sorgen, was al-Muqtafī, als es so weit war, in reichem Maße tat.914 Dessen ungeachtet, kann kein Zweifel bestehen, dass sich der ʿAbbāside einer der wichtigsten Stützen der Selǧuqenherrschaft in Bagdad entledigt hatte und nun freier war, einen eigenen Kurs zu verfolgen. Für Sanǧar dürfte es während der 1140er Jahre – in denen unter anderem ʿIṣmat-Ḫatun und Bihrūz verschieden – generell nur noch wenige Möglichkeiten der effektiven Einflussnahme am Tigris gegeben haben. Wer ihm natürlich blieb, war Masʿūd und so ließ der im Osten unter Druck geratene Großsultan das Kalifat ab dieser Zeit anscheinend stärker Sache des Juniorsultans sein – dem es, den Winter über meist persönlich in Bagdad zugegen,915 auch gelang, die Herrschaft über Madīnat as-Salām und Umgebung noch bis an sein Lebensende zu behaupten. Wohl eingedenk, welchen beiden Selǧuqen er sein Imamat verdankte, wartete al-Muqtafī seinerseits anständig bis zu Masʿūds Tod (und keinen Tag länger), ehe er sich rigoros vom Subsultanat unabhängig machte,916 und bis zur Nachricht von Sanǧars Hingang, bevor er auch den allerletzten Rest selǧuqischer Autorität in Madīnat as-Salām abschüttelte. Tatsächlich wurde der Großsultan 547–552 H. (1152–1157) weiterhin jedes Jahr in der Bagdader ḫuṭba und sikka angegeben, wobei nur aus dem Jahr 548 H. zusätzlich rein ʿabbāsidische Dinare bekannt sind.917 Wenngleich aus heutiger Sicht klar ist, dass mit einem Feldzug Sanǧars bis an den Tigris nicht länger zu rechnen war,918 blieben al-Muqtafī damals womöglich Zweifel, ob ein Comeback des Selǧuqenseniors nicht doch möglich sei; immerhin war dieser nach seiner Niederlage gegen die Qara-Ḫitai ja auch wieder zu Kräften gekommen. Wichtiger dürfte allerdings sein, dass Sanǧars „name still commanded enough respect to act as a deterrent to some of the rival Seljuq claimants“, wie Jafar919 es formuliert, und der ohnmächtige Großsultan noch als Alibi-Oberherr herhalten musste. Die Kalifen neigten ja grundsätzlich dazu, sich zwar immer wieder gegen den nahen, irakischen Subsultan zu wenden, dabei jedoch nur selten auch dem fernen Großsultan

914 Ibn aṭ-Ṭiqṭaqā, al-Faḫrī, S. 310 f. Angeblich besaß az-Zainabī, als er erkrankte, nicht einmal genügend Geld, um sich den Duft zu leisten, mit welchem er sein Elend so gern gelindert hätte. S. zum Tod (etwa zum Testament und der späteren Umbettung) des gefallenen Wesirs auch Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 34 f. (wo u. a. steht, dass al-Muqtafī zudem die Leichentücher und die für deren Parfümierung benötigten Duftessenzen spendierte). 915 Durand-Guedy, „Where did the Saljūqs live?“, S. 223. 916 S. zu al-Muqtafīs Maßnahmen nach Masʿūds Tod: Luther, Political Transformation, S. 48 ff.; ­Hanne, Putting the Caliph in His Place, S. 175 f. 917 Jafar, Seljuq Period, S. 72–74. 918 Luther, Political Transformation, S. 77 919 Seljuq Period, S. 75.

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die Anerkennung zu verweigern. So ist auf den bislang bekannten Dinar(unter)typen, welche zwischen Maḥmūds Tod 525 H. (1131) und der Installation al-Muqtafīs 530 H. (1136) zu Madīnat as-Salām geschlagen wurden, nur zweimal ein Irak-Selǧuqe, aber neunmal Sanǧar aufgeführt:920 H.-Jahr 525 526 527 528 529 530

Kalif (teils mit Thronfolger) + + + + + + + + + + + + +

Irak-Sultan – – – – + – – – – – – + –

Sanǧar + – + + + – + – – + + + +

In der Zeit vor Maḥmūds Tod „fehlte“ Sanǧars Name nur auf den ersten Prägungen des Jahres 521 H. (1127)921 und solange Masʿūds Juniorsultanat währte, lediglich auf einigen von 541 H. (1146/1147).922 In der Hauptstadt des arabischen Iraks war die formale Anerkennung des Selǧuqenoberhaupts also insgesamt ähnlich stabil wie im persischen Irak; während immerhin drei Kalifen aufeinanderfolgten, hörten die Menschen in der Freitagspredigt zumeist wie gewohnt den Namen Sanǧar. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Bagdad definitiv noch zum Gürtel jener Gebiete gehörte, in denen die Suzeränität des „allergrößten“ Sultans mehr bedeutete als nur dessen Aufführung in ḫuṭba und sikka. Wenngleich Sanǧar als Reichsoberhaupt 920 Die folgende Tabelle nach Jafar, Seljuq Period, S. 60–66. Ich vermute, dass al-Mustaršid auch 526 H. Dinare ohne Sanǧars Namen prägen ließ; wie gesagt, wurde der Selǧuqensenior in ebendiesem Jahr vorübergehend aus der ḫuṭba ausgeschlossen. 921 In Jafars Seljuq Period (S. 58) gehört Typ A.MS.521 also vor S.MS.521. Dass in Bagdad Münzen zwar weiterhin mit Sanǧars, jedoch nicht mit Maḥmūds Namen geschlagen wurden, kam 514 H. vor. 922 Jafar, Seljuq Period, S. 71 (rein ʿabbāsidischer Typ; warum damals kein Selǧuqe genannt wurde, ist unklar). Sanǧars Name erscheint wohlgemerkt auch auf jenen Bagdader Dinaren von 533 H., auf welchen – für mich unerklärlicherweise – statt Masʿūd (der 533 H. in Bagdad war) links im Rev.-Feld ein Muḥammad genannt ist. Muḥammad b. Maḥmūd (welcher m. W. erst 543 H. mit einigen gegen Masʿūd rebellierenden Emiren nach Bagdad kam) trug damals den Ehrennamen Rukn ad-Dunyā wa-’d-Dīn; doch lautet der zweite laqab auf besagten Dinaren unverändert Ġiyāṯ ad-Dunyā wa-’d-Dīn.

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wohl nie persönlich in die „Stadt des Heils“ kam,923 schenkte er ihr und dem Kalifat große Aufmerksamkeit, und das nicht nur zu Beginn seines Sultanats. Bagdad war, wie in diesem Kapitel herausgearbeitet, ein dauerhafter Schwerpunkt seiner West-Politik und ich würde, anders als Hanne924, weder sagen, dass Sanǧars Einfluss nach 1119 kontinuierlich schwand, noch dass der Selǧuqensenior beim Stabilisieren der Verhältnisse am Tigris weitgehend versagte (oder gar an einer Destabilisierung interessiert war). So regierte etwa mit Bihrūz über lange Jahre ein außergewöhnlich guter šiḥna, der Befehle des Großsultans zuverlässig umsetzte, und obwohl schon al-Mustaršid alles unternahm, um sich von den Selǧuqen zu befreien, erlangten die ʿAbbāsiden ihre völlige Unabhängigkeit nicht vor Sanǧars Tod zurück. Wie die Zusammenstellung und Analyse sämtlicher Textstellen zum Thema ergab, herrschte ein ausgesprochen reger, intensiver diplomatischer Verkehr zwischen dem „Sultan der Sultane“ und dem „Befehlshaber der Gläubigen“. Ersterer mischte sich auch westlich des Zāgros immer wieder entschlossen ein, wobei für die Einschätzung seiner Rolle in der irakischen Tagespolitik (Hanne:925 „he played a minimal role in the day-to-day politics of the region“) insbesondere auf die indirekte Einflussnahme durch Günstlinge, Vertraute und Vertreter geschaut werden muss. Erkennt und bedenkt man dieses teilweise rekonstruierbare Personennetzwerk, lässt sich nicht nur von gelegentlichen Ausflügen926 sprechen, die Sanǧar hinsichtlich des Iraks unternahm. Die Rolle des „allergrößten“ Sultans ist auch in dem zu suchen, was die Juniorsultane oder andere „Vor-Ort-Akteure“ wie Dubais II. taten. Sie war überwiegend aktiv, und nicht die eines „casual observer“927. IV.6.4 Der arabische Irak abgesehen von Bagdad Bagdad war zwar das wichtigste, aber nicht das einzige Machtzentrum des arabischen Iraks, weshalb unbedingt noch ein paar Worte über die politische Situation im Umkreis der Tigris-Metropole angebracht sind. Um die Einbindung dieser Gebiete ins Sanǧar-Reich beurteilen zu können, ist vor allem zu klären, wer im südlichen Mesopotamien in welcher Position herrschte und was für überregionale Verflechtungen hier bestanden.

923 Daran, dass zu Zeiten Berkyaruqs und Muḥammads I. hingegen ein dār al-mulk in Bagdad war und sich seine Brüder regelmäßig in der Stadt aufhielten, erinnert Sanǧar in seinem Brief an den Kalifenhof (Eqbāl, Vezārat, S. 313). Überhaupt lässt sich etwa die Aussage Van Renterghems, dass sich die Selǧuqensultane nicht oft in Bagdad aufgehalten hätten und die Stadt für sie nur eine sekundäre Machtbasis gewesen sei (Les élites bagdadiennes, Bd. I, S. 4.), so nicht unterschreiben. 924 Putting the Caliph in His Place, S. 149. 925 Putting the Caliph in His Place, S. 164. 926 Hanne, Putting the Caliph in His Place, S. 143: „occasional forays“. 927 Hanne, Putting the Caliph in His Place, S. 177.

Der arabische Irak abgesehen von Bagdad

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Nachdem Sultan Masʿūd 1152 verstorben war, eroberte al-Muqtafī Schritt für Schritt ein Territorium, das im Norden bis an Takrīt reichte und im Süden (nahe der Grenze zu Ḫūzistān) ʿAbbādān einschloss. Es umfasste Ḥulwān und al-Liḥf928 ebenso wie al-Ḥilla, al-Kūfa, Wāsiṭ und al-Baṣra. All diese Gebiete waren, wie man erfährt, bis dahin von Gouverneuren des irakischen Subsultans gehalten worden, während sich die Regierungsbefugnisse des Kalifen tatsächlich ganz auf Bagdad beschränkt hatten. Takrīt – in dessen kaum zu bezwingender Festung manch hochgeborener Häftling verwahrt wurde – war dabei lange Zeit Bihrūz anvertraut. Als der Eunuch 540 H. (1146) starb, ging die Stadt an einen anderen, schwarzen ḫādim namens Faḫr ad-Dīn Masʿūd al-Bilālī über, welcher Bihrūz zudem als šiḥna von Bagdad beerbte. Dass nun aus dem Jahr 540 H. Münzen aus Takrīt bekannt sind,929 dürfte mit al-Bilālīs Machtübernahme zusammenhängen; die Inschriften der Dinare unterscheiden sich jedoch nicht nennenswert von der Bagdader sikka. In anderen Städten des arabischen Iraks wurden offenbar über die gesamte Zeit, die Sanǧar Sultan war, keine Münzen geprägt, sodass man sich hauptsächlich auf vereinzelte Angaben in der Literatur stützen muss. Anscheinend gab es keinen wesentlichen Unterschied zwischen den Herrschaftsverhältnissen um Bagdad und jenen um Hamadān. Wie in der Ǧibāl-Provinz setzte der westliche Subsultan auch in den Städten, Burgen und Distrikten des arabischen Iraks fast überall seine Emire als Statthalter ein.930 Kaum noch eigene Krongüter (ḫāṣṣLand) und Gebiete übrig lassend, deren Steuereinnahmen ganz dem dīvān-i aʿlā zuflossen, verteilte er nahezu das gesamte Zweistromland in Form von iqṭāʿāt,931 wobei die so Versorgten beispielsweise Kalifen, Höflinge oder Beamte waren – hervorzuheben ist der Wesir des Juniorsultans932 –, hauptsächlich aber türkische Militärführer, darunter jene, die, wie gesagt, auf administrativer Ebene als Gouverneure fungierten.

928 Gebiet mit gleichnamigem Hauptort in der Vorgebirgszone östlich von Bagdad an der Grenze zur Ǧibāl-Provinz. Zu al-Liḥf gehörte im Osten Bandanīǧīn (Bandanīgān) und im Westen die Festung al-Māhkī. 929 Hennequin, Catalogue, S. 135, Typ CXLVIII/Nr. 195. Ein weiterer – nicht stempelgleicher – Dinar aus Takrīt wurde im März 2009 im Handel angeboten: Baldwin’s Islamic Coin Auction Nr. 15, Los 273. Als Prägejahr wurde hier 545 H. angegeben, doch scheint mir das Exemplar ebenfalls von 540 H. zu stammen (zwischen Takrīt und arbaʿīn ist definitiv nur für ein Wort Platz, dessen Gestalt nicht mehr an ḫams als an sana denken lässt). Im Auktionskatalog heißt es ferner: „It has been customary to classify coins of this type as Saljuq, but as they were issued under the direct authority of the Abbasid caliph it makes more sense to describe them as Abbasid coins.“ Tatsächlich kann von einer „direct authority“ al-Muqtafīs in Takrīt gar keine Rede sein. 930 Für interessante Einzelheiten sei eine besondere Quelle hervorgehoben: der Dīwān des Dichters Ibn al-Muʿallim (gest. 1196) aus al-Hurṯ bei Wāsiṭ, s. Margoliouth, „Ibn al-Muʿallim“, etwa S. 339 f. 931 S. etwa Bundārī, Zubda, S. 135 (Mesopotamien unter Maḥmūd II.) sowie 245 (Westpersien unter Muḥammad II.). Zum Kronland und dīvān-Steuern: Horst, Staatsverwaltung, S. 19–22 und 60 f. (zwischen den Krongütern und allem übrigen Land, das nicht in Privatbesitz war, wurde zur Zeit der Selǧuqen wohl nicht mehr streng unterschieden) bzw. 76 f. 932 Bundārī, S. 235 (al-Muqtafīs Wesir bekommt all das als iqṭāʿ, worüber zuvor der Sultanswesir verfügt hatte).

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Das begehrteste und wichtigste urbane Zentrum nach Bagdad war wohl (noch vor Wāsiṭ) Baṣra, was sicher mit Gewinnen aus dem Seehandel über den Persischen Golf in Richtung Indien und China zusammenhing, welcher auch im 12. Jahrhundert noch Millionäre hervorbrachte.933 Als lokaler wālī und/oder muqṭaʿ ließ sich ein Emir bisweilen von einen nāʾib vertreten, zumal es nicht selten vorkam, dass jemand zugleich mehrere Positionen und Territorien innehatte. So konnte der Bagdader šiḥna beispielsweise parallel Herr von Baṣra und Burūǧird sein934 (überhaupt wurde jenes Amt wiederholt Personen übertragen, welche Baṣra regierten oder regiert hatten) und zumindest phasenweise scheint es überdies so gewesen zu sein, dass beim Präfekten der Kalifenstadt die Zuständigkeit für ganz Südmesopotamien lag. Bihrūz etwa war als šiḥna nicht nur Herr von Takrīt und (kurzzeitig) Ḥilla, sondern übergeordneter Gouverneur des gesamten arabischen Iraks; laut einer Quelle soll sich seine Macht bis nach Baṣra, Mosul und Iṣfahān erstreckt haben.935 Ein anderer „šiḥna Bagdads und des [übrigen arabischen] Iraks“, Aq-Sonqur al-Borsuqī (gest. 1126), regierte gar zeitgleich die Nachbarprovinz Mosul und bekam obendrein noch Wāsiṭ als iqṭāʿ,936 woraufhin er seinen Emir Zangī als Subgouverneur nach Baṣra schickte. Wenig später wurde Zangī dann vom Sultan zum muqṭaʿ ebenjener Stadt ernannt und blieb es, während er (dank Sanǧar) 1127 selbst „Präfekt des Iraks“ war.937 Anders als die Regierungsgewalt des Kalifen war die des Bagdader šiḥnas also nicht auf Madīnat as-Salām begrenzt. Von einem Präfekten oder Gouverneur, dem analog der gesamte persische Irak unterstand, lesen wir wohlgemerkt an keiner Stelle. Dass die regionale Herrschaftsebene oberhalb der einzelnen Lokalherren in Südmesopotamien einmal mit einem selǧuqischen malik (plus Atabeg) besetzt war, kam nicht vor. Zwar richtete sich Sultan Masʿūds Bruder Selǧuq-Šāh (wie einst alMustaršids Bruder und Rivale Abū ’l-Ḥasan938) vorübergehend in Wāsiṭ ein, brachte wohl auch Ḥilla unter seine Kontrolle und „trachtete nach dem Irak“,939 doch wurde

933 S. etwa Stern, „Rāmisht of Sīrāf, a Merchant Millionaire of the Twelfth Century“. 934 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 324 (der šiḥna hieß Qı̊ zı̊ l). 935 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 133 (erst šiḥnakīyat Baġdād, dann šiḥnakīyat al-ʿIrāq ǧamīʿihī), 249 (Bagdad + Ḥilla); Abū Šāma, ar-Rauḍatain, Bd. II, S. 165 (nach Ibn Abī Ṭayyiʾ). 936 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 214, 217. 937 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 229, 241. Ein weiterer Herr von Baṣra, der šiḥna von Bagdad wurde, war Beg-Aba (Ibn al-Aṯīr, op. cit., Bd. IX, S. 281 f.), ein mamdūḥ des Dichters Ibn al-Muʿallim, s. Margoliouth, „Ibn al-Muʿallim“, S. 336, 340. 938 S. o., S. 175, Anm. 842. 939 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 321; Ibn al-Aṯīr, at-Taʾrīḫ al-bāhir, S. 52; id., al-Kāmil, Bd. IX, S. 289. Selǧuq-Šāh war zusammen mit seinem (zweiten) Atabeg Alp-Quš as-Silāḥī, dem Gouverneur von Iṣfahān, in den arabischen Irak gekommen und nahm Wāsiṭ dem unlängst aus Bagdad hierher geflohenen šiḥna Beg-Aba weg. Um ihn aufzuhalten, rückte Zangī von der Tigris-Metropole aus nach Süden vor und nutzte einen Streit zwischen Selǧuq-Šāh und Alp-Quš, um letzteren auf die Seite der Bagdader Anti-Masʿūd-Koalition zu ziehen. Selǧuq-Šāhs Streit-

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damals, 1136, kein ordentliches Teilfürstentum geschaffen; vielmehr hatte sich SelǧuqŠāh hier einfach die Gelegenheit zu einer neuen Zwischenstation im Rahmen seines Umherirrens nach dem Verlust von Fārs geboten.940 Die Frage, ob es im arabischen Irak (nichtselǧuqische) Fürsten auf lokaler Ebene gab, führt uns zu zwei Sonderfällen unter den kleineren Machthabern der Region. Während etwa Baṣra oder Wāsiṭ immer wieder an andere türkische Emire des Sultans fielen und dabei ebenso wie in den meisten Städten der Ǧibāl oder im Falle der Bagdader šiḥnagiyya keine Gouverneursdynastien begründet wurden, regierten nämlich in Ḥilla am Euphrat sowie dem schwer zugänglichen Marschland unterhalb von Wāsiṭ über mehrere Generationen hinweg Mitglieder zweier eingesessener, arabischer (!) Familien, von denen sich eine – die Mazyadiden – noch dazu zum Schiismus bekannte. Da insbesondere Informationen über die Herren des Marschlands, al-Baṭīḥa oder al-Baṭāʾiḥ, mit ihrem Zentrum alĠarrāf941 fehlen, seien im Folgenden zunächst ein paar Fakten über deren Geschichte als Teil des Sanǧar-Reiches zusammengetragen.942 IV.6.4.1 Die Herren der Sümpfe Die Familie, welche die Baṭīḥa im 12. Jahrhundert regierte, war 1075/1076 an die Macht gelangt, indem sie den bisherigen Herrn der Sümpfe, Abū Naṣr Ibn al-Haiṯam aṣ-Ṣalīq, gestürzt und an den Bagdader šiḥna Saʿd ad-Daula Gauhar-Āʾīn (gest. 1100) ausgeliefert hatte. Einer ihrer beiden Anführer, Muhaḏḏab ad-Daula Abū ’l-ʿAbbās ­Aḥmad as-Saʿīd b. al-Muḫtaṣṣ Muḥammad Ibn Abī ’l-Ǧabr al-Laiṯī943 war daraufhin von macht schwand infolgedessen dahin; zu einer Schlacht kam es nicht mehr. Im Jahr darauf (531 H.) ernannte Masʿūd Alp-Quš sogar zum neuen Präfekten von Bagdad. 940 Noch im selben Jahr (530 H.) zog Selǧuq-Šāh mit Truppen, die ihm Masʿūd gestellt hatte, von Wāsiṭ aus gegen Dāwūd, der gerade Šūštar belagerte. Selǧuq-Šāh wurde jedoch geschlagen und kam, wie wir dank Ibn al-ʿImrānī (al-Inbāʾ, S. 222, 225) wissen, kurz darauf nach Bagdad, wo er dem neuen Kalifen al-Muqtafī huldigte. 941 Gebiet (mit gleichnamigem Hauptort?) um den Šaṭṭ al-Ġarrāf (Šaṭṭ al-Ḥayy) südlich von Wāsiṭ. Der Šaṭṭ al-Ġarrāf verbindet heute Tigris und Euphrat und war damals wohl noch der Hauptarm des Tigris. Eine Stadt namens al-Ġarrāf liegt heute inmitten des Marschlandes zwischen aš-Šaṭra und an-Nāṣirīya (Gouvernnement Ḏī Qār). 942 Soweit ich sehe, hat sich bisher allein Zambaur (Manuel, S. 138) mit dieser dritten Dynastie von Baṭīḥa-Herrschern (erste: ʿImrāniden, zweite: Muẓaffariden) beschäftigt, allerdings nur, indem er ein paar aufgelistet und eine Stammtafel erstellt hat. Schon Ibn Ḫaldūn (al-ʿIbar, Bd. IV, S. 685) gibt an, dass er nicht mehr von dieser Dynastie weiß als das, was Ibn al-Aṯīr schrieb, und auch Zambaur stützt sich einzig auf diese Angaben. In anderen Werken (z. B. Imād ad-Dīn al-Iṣfahānīs Ḫarīdat al-qaṣr oder Ṣafadīs al-Wāfī bi-’l-wafayāt) stieß ich jedoch auf einige weitere Informationen, welche dazu beitragen, Zambaurs Aufstellung zu berichtigen und zu erweitern. 943 S. Ṣafadī, al-Wāfī, Bd. VIII, S. 27 für eine nasab-Kette über viele Generationen samt Hinweis auf die Abstammung von Maʿadd b. ʿAdnān. Zusammen mit der nisba al-Laiṯī, welche sich bei Iṣfahānī findet (Ḫarīda – Dichter des Iraks, Teil IV, Bd. 1, S. 523: al-Laiṯīyūn), ergibt sich eine Zugehörigkeit zum Kināna-Stamm, zu dessen Zweigen die Banū Laiṯ gehören. Zambaur und Richards (Teilüber-

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Gauhar-Āʾīn (!) zu Ibn al-Haiṯams Nachfolger erhoben worden944 und konnte sich in dieser Stellung bis zu seinem Tod im Jahre 1114 oder 1115945 halten. Danach ging die Herrschaft womöglich erst an seinen Sohn an-Nafīs über oder aber gleich an Naṣr, welcher laut Ibn al-Aṯīr an-Nafīs’ Sohn war. ʿImād ad-Dīn al-Iṣfahānī nennt Naṣr hingegen wiederholt einen Sohn Muhaḏḏab ad-Daulas, wozu jedoch ein von ihm zitierter Vers nicht passt, in dem Naṣr als ibn ḫālī („Sohn meines Oheims“) adressiert wird, und zwar von jemandem, dessen Mutter wahrscheinlich Muhaḏḏab ad-Daulas Tochter war.946 Dies würde also Ibn al-Aṯīrs Angabe (Naṣr b. an-Nafīs) bestätigen, auch wenn noch ein weiteres genealogisches Problem besteht, welches in Kürze erklärt sei. Von Naṣr heißt es, er habe in der Baṭīḥa als Inspektor (nāẓir) für Raiḥān Maḥkawaih (Maḥkūya), einen Eunuchen des Sultans, fungiert, weil das Gebiet ein iqṭāʿ dieses Höflings gewesen sei.947 Vermutlich war der Herr des Marschlandes regulär verpflichtet, eine bestimmte Summe an den (irakischen) Sultan weiterzuleiten, doch hatte Maḥmūd II. in seiner finanziellen Not wohl das Anrecht auf dieses Geld an besagten ḫādim abgetreten, ohne dass sich dadurch etwas an Naṣrs Stellung änderte. Jedenfalls erfolgte nach Muhaḏḏab ad-Daulas Tod keine Entmachtung der Ibn-Abī-’l-Ǧabr-Familie, auch wenn – möglicherweise nur vorübergehend – ein muqṭaʿ zwischengeschaltet war. Naṣr selbst starb 1122 in einem Kampf mit al-Muẓaffar b. Ḥammād b. al-Muẓaffar, welcher einer anderen Linie der Dynastie angehörte.948 Wie Ibn al-Aṯīr erklärt, bestand eine traditionelle Feindschaft zwischen den beiden Familienzweigen. Als Muhaḏḏab ad-Daula an die Macht kam, hatte sich ihm das Oberhaupt der zweiten Linie, sein Cousin Abū Saʿīd al-Muẓaffar b. al-Muṣṭanī Ismāʿīl, beugen müssen. Dessen Sohn und Erbe Abū ’l-Makārim Ḥammād erhob sich dann gegen seinen verhassten Schwiegervater Muhaḏḏab ad-Daula, indem er diesen als Steuerpächter für den Mazyadiden Ṣadaqa I. (reg. 1086–1108) in Wāsiṭ verdrängte949 und sich von Ṣadaqa Truppen gegen

setzung von Ibn al-Aṯīrs al-Kāmil: The Chronicle of Ibn al-Athīr, Teil I, S. 120, Anm. 12) dachten, Abū ’l-Ǧabr sei Muhaḏḏab ad-Daulas Großvater gewesen, doch handelt es sich nach Ṣafadī um den Ururgroßvater – Ibn Abī ’l-Ǧabr (nicht selten wurde Ibn Abī ’l-Ḫair gelesen) diente unter Auslassung mehrerer Generationen als Familienname. 944 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 110 f. Zambaurs Jahresangaben sind nicht korrekt. Die Ernennung durch Gauhar-Āʾīn (welcher als šiḥna zugleich muqṭaʿ von Wāsiṭ gewesen war) zeigt wieder, dass der Bagdader Präfekt (bisweilen) auch übergeordneter Gouverneur des gesamten arabischen Iraks war. 945 Ṣafadī, al-Wāfī, Bd. VIII, S. 27; Muhaḏḏab ad-Daula – ein großer Dichter – starb in Bagdad. 946 Iṣfahānī, Ḫarīda – Dichter des Iraks, Teil IV, Bd. 1, S. 531, 539. 947 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 214. 948 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 214, Iṣfahānī, Ḫarīda – Dichter des Iraks, Teil IV, Bd. 1, S. 531. Al-Muẓaffar b. Ḥammād ist derjenige, welcher Naṣr mit ibn ḫālī anredet. 949 Sultan Muḥammad I. hatte Wāsiṭ als iqṭāʿ an Ṣadaqa gegeben; Muhaḏḏab ad-Daula wiederum blieb im Sumpf und schickte seinerseits Stellvertreter in die Stadt (also: Sultan → muqṭaʿ → Steuerpächter → nāʾib; s. dazu Sanaullah, Decline, S. 4 f.). Auch Ṣafadī (al-Wāfī, Bd. VIII, S. 27) gibt an, dass Muhaḏḏab ad-Daula die Aufsicht (naẓar) über Wāsiṭ zusätzlich zum Emirat der Baṭīḥa innehatte.

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an-Nafīs stellen ließ. Die militärischen Auseinandersetzungen des Jahres 1107 endeten zwar letztlich mit einem Friedensschluss, nachdem Muhaḏḏab ad-Daula die Mazyadiden hatte für sich gewinnen können,950 doch war der Konflikt damit eben nicht gelöst, wie der Kampf zwischen Ḥammāds Sohn al-Muẓaffar und Muhaḏḏab ad-Daulas Nachkommen Naṣr zeigt. Nachdem er Naṣr getötet hatte, zog al-Muẓaffar via Wāsiṭ in die Baṭīḥa und setzte sich als deren neuer Herrscher durch;951 auch einen Onkel Muhaḏḏab ad-Daulas ließ er beseitigen.952 Ibn al-Aṯīr erwähnt nun, dass sich Ḥammād Ibn Abī ’l-Ǧabr 1140/1141 mit Torun-Tai, dem Emir von Wāsiṭ verbündete,953 doch dürfte Ḥammād damals gar nicht mehr am Leben gewesen sein, weshalb wohl eher sein Sohn Abū ’l-Fatḥ al-Muẓaffar gemeint ist. Dessen Regentschaft soll für al-Ġarrāf und die Baṭāʾiḥ eine Periode voll des Ansehens, der Sicherheit und des kulturellen Glanzes bedeutet haben.954 Sie währte die allermeiste Zeit, die Sanǧar Sultan war; Hinweise auf einen Kontakt zum Reichsoberhaupt finden sich allerdings nicht. Hierfür mögen die Herren des Marschlandes schlicht zu unwichtig gewesen sein. Wenngleich ihre Truppen und Boote für das Machtgefüge innerhalb des arabischen Iraks durchaus entscheidend sein konnten, reichte die Bedeutung der Dynastie nie über die regionale Ebene hinaus. ʿImād ad-Dīn al-Iṣfahānī hebt in seiner Ḫarīdat al-qaṣr die Rolle hervor, welche das Territorium der Banū Abī ’l-Ǧabr traditionell als Rückzugsgebiet spielte: Bei al-Muẓaffar habe ein jeder, der Kalif oder Sultan fürchtete, gütige Aufnahme und Schutz gefunden, sodass er ganz und gar sicher war.955 Unterstützung aus dem Sumpf erhielt etwa Dubais, nachdem ihn al-Mustaršid 1132 besiegt und in die Flucht geschlagen hatte956 – ein Beispiel, das zeigt, auf wessen Seite der ṣāḥib al-Baṭīḥa im Jahr der Konflikteskalation zwischen Sanǧar und al-Mustaršid stand, nämlich auf der des Großsultans, in dessen Auftrag Dubais ja gegen Bagdad vorgerückt war. Womöglich gehörte das Marschland auch nicht zu jenen Gebieten, in denen Sanǧar damals aus der ḫuṭba ausgeschlossen wurde. Ibn al-ʿImrānī zufolge plante 1138 sogar der neue Kalif al-Muq­ 950 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 110 f. 951 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 214; Iṣfahānī, Ḫarīda – Dichter des Iraks, Teil IV, Bd. 1, S. 531. Zambaur dachte fälschlich, dass es nur einen al-Muẓaffar gab (al-Muẓaffar b. Ismāʿīl), sodass Ḥammāds Sohn bei ihm fehlt. 952 Iṣfahānī, Ḫarīda – Dichter des Iraks, Teil IV, Bd. 1, S. 532 f.; der Dichter aṣ-Ṣārim Muraǧǧā b. Battāh al-Baṭāʾiḥī, dessen Schwester Muhaḏḏab ad-Daulas Mutter war, musste sterben, weil er über al-Muẓaffar b. Ḥammād gespottet hatte. 953 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 317. 954 Iṣfahānī, Ḫarīda – Dichter des Iraks, Teil IV, Bd. 1, S. 530: qad kānat bilād al-Baṭāʾiḥ muḥtarama bihī ka-’l-Abāṭiḥ [gemeint ist die Talsenke von Mekka] aḥṣan min al-ḥuṣūn wa-’l-balad al-maṣūn […] kānat aiyāmuhū ġuraran fī ’l-Ġarrāf. 955 Iṣfahānī, Ḫarīda – Dichter des Iraks, Teil IV, Bd. 1, S. 529: kull man yaḫšā min al-ḫalīfa au as-sulṭān yaǧidu ʿindahū al-mann wa-’l-munā wa-’l-amān fa-lā yuqdaru ʿalaihi wa-lā yusāʾu ilaihi. Schon im Altertum boten diese Sümpfe Flüchtlingen, Feinden und Oppositionellen Schutz; Ṣaddām Ḥusain ließ sie deshalb trockenlegen. 956 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 265.

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tafī, sich vor seinem abgesetzten Neffen ar-Rāšid und Sultan Dāwūd b. Maḥmūd in die Baṭāʾiḥ zurückzuziehen, wofür er mit al-Muẓaffar in Verbindung trat und Schiffe bereitmachen ließ.957 Wie unter anderem auch bei Ibn al-Ǧauzī vermerkt, endete al-Muẓaffars Leben erst 1156, also nach über 30 Jahren an der Macht. Wieder war es ein gewaltsamer Tod – Mord im Badehaus (Iṣfahānī: wāfāhu ’l-ḥimām fī ’l-ḥammām) – und wieder gehörten die (drei) Täter dem rivalisierenden Familienzweig an.958 Iṣfahānī spricht nur von einigen aḥfād (d. h. von Enkeln oder allgemein Nachkommen) Muhaḏḏab ad-Daulas, während bei Ibn al-Ǧauzī und Ibn al-Aṯīr für den Hauptattentäter der Name Yaʿīš beziehungsweise Nafīs b. Faḍl Ibn Abī ’l-Ḫair (sic) angegeben ist.959 Korrigiert man nun Yaʿīš zu Nafīs, drängt sich gleichermaßen eine Berichtigung von Faḍl zu Naṣr auf, womit wir wieder bei der Frage nach Muhaḏḏab ad-Daulas Sohn oder Enkel wären (s. o.). Geht man weiterhin davon aus, dass derjenige, den al-Muẓaffar 1122 im Kampf tötete, ein Sohn von Muhaḏḏab ad-Daulas Sohn an-Nafīs war, es also einen Naṣr b. an-Nafīs gab, dürfte es sich bei (an-)Nafīs b. Naṣr, einer anderen Person, um Muhaḏḏab ad-Daulas Urenkel handeln (al-Muẓaffar trug ja ebenfalls den Namen seines Großvaters). Der nächste Fürst des Marschlandes wurde nicht etwa al-Muẓaffars Mörder, sondern Badr b. al-Muẓaffar,960 von dem wir fast nur dank Ḥusainī wissen. Nachdem Badr bereits 1154 auf Seiten des Kalifen gegen Masʿūd al-Bilālī gekämpft hatte,961 wandte er sich nach dem Tod seines Vaters mit der Bitte an al-Muqtafī, nicht länger jedes Jahr Soldaten sowie einen Teil der Grundsteuer (ḫarāǧ) abliefern zu müssen. Als der ʿAbbāside das Ersuchen zurückwies, wartete Badr, bis Sultan Muḥammad II. Anfang 1157 gegen Bagdad vorrückte, und trug dem Selǧuqen dieselbe Bitte an – mit Erfolg. Muḥammad erließ Badr besagte Tributleistungen und vergrößerte sogar noch dessen Territorium, indem er sogleich ein entsprechendes Dokument in die Sümpfe schickte. Im Gegenzug wechselte Badr (endgültig) die Seiten.962 Er zog in Wāsiṭ eine beachtliche Anzahl von Truppen (min ʿašāʾir alĠarrāf wa-bilād al-Baṭīḥa) und Booten (min sāʾir bilād al-ʿIrāq) zusammen, was al-Muq­ tafī so sehr beunruhigte, dass er nun doch anbot, auf besagte Abgaben zu verzichten, und sich überdies bereit erklärte, dem ṣāḥib al-Baṭīḥa die vom Sultan gewährten Gebiete zuzusprechen. Das späte Entgegenkommen ablehnend blieb der umworbene Lokalfürst aber bei seiner Unterstützung für Muḥammad, weshalb der Kalif – nicht ohne Erfolg –

957 Ibn al-ʿImrānī, al-Inbāʾ, S. 223; ar-Rāšid und Dāwūd wollten von Ḫūzistān aus in den Irak vorstoßen. 958 Iṣfahānī (Ḫarīda – Dichter des Iraks, Teil IV, Bd. 1, S. 531) bemerkt an anderer Stelle passend: mulūk al-Baṭāʾiḥ lam yazālū yamlikūna bi-’l-qatl wa-’l-fatk. 959 Iṣfahānī, Ḫarīda – Dichter des Iraks, Teil IV, Bd. 1, S. 530; Ibn al-Ǧauzī, al-Mutaẓam, Bd. XVIII, S. 110; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 412. 960 Während bei Ibn al-Ǧauzī (al-Mutaẓam, Bd. XVIII, S. 110) korrekt waliya ’bnuhū makānahū steht, ist bei Ibn al-Aṯīr (al-Kāmil, Bd. IX, S. 412) vom Sohn keine Rede, wa-waliya baʿdahū scheit sich auf Nafīs zu beziehen. 961 Ḥusainī, Aḫbār, S. 131 f.; es geht um die Schlacht von Bakimzā. 962 Hierzu auch Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 107; Bundārī, Zubda, S. 249.

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eine Intrige gegen ihn spann.963 Am Ende hatte der Herr der Marschen im Ringen zwischen Kalifat und Sultanat – einem Konflikt, den er auszunutzen suchte – auf die falsche Seite gesetzt, wobei in den Quellen nicht erwähnt ist, welche Konsequenz Muḥammads Rückzug aus dem Zweistromland für die Ibn-Abī-’l-Ǧabr-Familie hatte. Festzuhalten ist, dass die Herrscher der Baṭīḥa bis dahin regulär zu Tributleistungen verpflichtet waren, welche offenbar erst an den westlichen Subsultan und dann, nachdem al-Muqtafī im arabischen Irak quasi dessen Platz eingenommen hatte, an den Kalifen gingen. Auch im Falle der Banū Abī ’l-Ǧabr soll die Situation der Dynastie hier nicht über Sanǧars Todesjahr hinaus rekonstruiert werden. Zambaurs Aufstellung zu den Herrschern dieses Hauses endet bereits mit al-Muẓaffar, doch dürfte sich die Reihe selbst nach Badr noch fortgesetzt haben. So erwähnt Ibn al-Aṯīr für das Jahr 1183 einen Šaraf ad-Dīn Aḥmad Ibn Abī ’l-Ǧabr, dessen Vater Herr von al-Ġarrāf war, und der Dichter Ibn al-Muʿallim (gest. 1196) verfasste eine Totenklage für Yaḥyā b. Muqbil Ibn Abī ’l-Ǧabr, den Emir von Hāla, einem Ort in al-Ġarrāf.964 Als Emire werden die Herren des Marschlandes auch im Dīwān des Dichters Ḥaiṣa Baiṣa (gest. 1179), in Ibn al-ʿImrānīs al-Inbāʾ und Iṣfahānīs Ḫarīda bezeichnet.965 Vor allem in seinen Überschriften spricht Iṣfahānī aber ebenso von mulūk, etwa wenn er al-Muẓaffar als malik al-Baṭīḥa fī zamāninā vorstellt,966 und das eine Mal, dass Ibn al-Ǧauzī (ein weiterer Zeitgenosse) nicht einfach das allgemeine ṣāḥib verwendet, lesen wir bei ihm vom malik al-Baṭāʾiḥ.967 Die Einstufung als Fürstenhaus mag also nicht abwegig gewesen sein; immerhin handelte es sich ja um eine etablierte, lokal verwurzelte Dynastie. Regulär und offiziell dürfte es allerdings – nicht zuletzt wegen des geringen Prestiges – beim Emir-Titel geblieben sein, welcher sich auch speziell in den von Iṣfahānī zusammengestellten Gedichtproben findet. Was die Ehrennamen der Ibn-Abī-’l-Ǧabr-Herrscher angeht, so passt ein daula-laqab zu einem kleinen oder mittleren Emir; dass Muhaḏḏab ad-Daula noch einen laqab auf ad-dīn trug, ist nicht anzunehmen. Für al-Muẓaffar gibt Iṣfahānī den Ehrennamen Nāṣir ad-Daula an,968 doch lässt sich aus Ḥaiṣa Baiṣas Dīwān die Information gewinnen, dass es jener Herr der Baṭīḥa, dessen lange Regierung als Glanzzeit charakterisiert wurde und welcher daher noch am ehesten an einen malik denken ließe, tatsächlich zu einem

963 Ḥusainī, Aḫbār, S. 137–139 (mit Details zu besagter Intrige); Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 95 (wo von al-Muẓaffars Söhnen die Rede ist); s. auch Luther, Political Transformation, S. 85 f. 964 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. X, S. 123; Margoliouth, „Ibn al-Muʿallim“, S. 336. 965 Ḥaiṣa Baiṣa, Dīwān, Bd. I, S. 211 (Überschrift); Ibn al-ʿImrānī, al-Inbāʾ, S. 223 (al-Muẓaffar); Iṣfahānī, Ḫarīda – Dichter des Iraks, Teil IV, Bd. 1, S. 525 (Muhaḏḏab ad-Daula), 538 (derselbe, in einem Vers), 539 (Naṣr), 540 (al-Muẓaffar, in einem Vers). 966 Iṣfahānī, Ḫarīda – Dichter des Iraks, Teil IV, Bd. 1, S. 523, 525, 529, 531 (alle Stellen beziehen sich auf regierende Familienmitglieder; zwei andere Angehörige der an Dichtern reichen Dynastie werden immer Emire genannt, s. S. 547, 561 f., 580, 584). 967 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 31 ( Jahr 538 H. = 1144, gemeint ist also al-Muẓaffar). 968 Iṣfahānī, Ḫarīda – Dichter des Iraks, Teil IV, Bd. 1, S. 529.

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dīn-laqab brachte: Sowohl in einer längeren Kasside aus dem Jahre 525 H. (1130/1131) als auch in der Überschrift zu einer kürzeren lesen wir nicht Nāṣir ad-Daula, sondern Nāṣir ad-Dīn; statt Nāṣir ad-Daula steht in besagter Überschrift zudem Ḍiyāʾ ad-Daula.969 Interessant ist nun noch das Verhältnis der Banū Abī ’l-Ǧabr zur benachbarten Herrscherdynastie von Ḥilla. Offenbar hingen die Herren der Baṭīḥa zumindest anfangs von den mächtigeren und angeseheneren Mazyadiden ab, was sich unter anderem an folgenden Punkten erkennen lässt: Muhaḏḏab ad-Daula wurde von Ṣadaqa I. zum Beistand verpflichtet,970 war dessen Steuerpächter der Stadt Wāsiṭ und musste seinen Sohn an-Nafīs nach Ḥilla schicken, als er 1107 wieder Frieden mit dem Mazya­diden schloss. 1108 kämpfte Ḥammād für Ṣadaqa gegen Sultan Muḥammad.971 Nachdem al-Muẓaffar die Macht im Sumpf an sich gerissen hatte (1122), teilte er Ṣadaqas Nachfolger Dubais umgehend mit, dass er ihm gehorche (kātaba Dubaisan wa-aṭāʿahū), und befolgte sodann des Mazyadiden Befehl, mit einem Heer auf Wāsiṭ vorzurücken. Trotzdem plante Dubais wohl, den neuen Dynasten der Baṭīḥa ergreifen zu lassen, um Geld von ihm zu erpressen. Entsprechende Instruktionen soll jedenfalls ein Schreiben beinhaltet haben, das die Wāsiṭer erbeuteten und an al-Muẓaffar schickten, woraufhin dieser seine Unterstützung für den Herrn von Ḥilla vorerst einstellte.972 Wie bereits erwähnt, konnte Dubais jedoch später erneut auf den Ibn-Abī-’l-Ǧabr-Herrscher zählen; 1120/1121 schickte er seine Frauen zum Schutz vor Sultan Maḥmūd II. in die Baṭīḥa. Heiratsverbindungen zwischen beiden Familien sind zwar nur für die Zeit Muhaḏḏab ad-Daulas dokumentiert,973 mögen aber auch danach noch geknüpft worden sein. Wenn al-Muẓaffar den Mazyadiden mit der Zeit nicht länger untergeordnet war, so dürfte dies damit zusammenhängen, dass Dubais b. Ṣadaqa (reg. 1118–1135) die meiste Zeit mit abenteuerlichen Unternehmungen außerhalb des südlichen Zweistromlands verbrachte und seine Herrschaft in Ḥilla folglich nicht sonderlich stabil war. Welche Rolle die Mazyadiden dennoch oder gerade deshalb am Euphrat und darüber hinaus, auf imperialer Ebene, spielten, gilt es im Folgenden herauszuarbeiten – es ist Zeit, den Fokus speziell auf ihre Stellung und Bedeutung in beziehungsweise für Sanǧars Ordnung zu richten.

969 Ḥaiṣa Baiṣa, Dīwān, Bd. I, S. 211, 216, 221. 970 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 208. 971 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 108; Ḥammad geriet in Gefangenschaft, wurde aber nicht getötet. 972 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 74 f., 110 f., 214 f. 973 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 110, 118 (Muhaḏḏab ad-Daulas Tochter war mit Abū ’n-Naǧm ­Badrān b. Ṣadaqa verheiratet); Iṣfahānī, Ḫarīda – Dichter des Iraks, Teil IV, Bd. 1, S. 538.

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IV.6.4.2 Die Herren von Ḥilla Die arabischen (Banū Asad), zwölferschiitischen Mazyadiden gehörten zu jenen Dynastien, welche schon vor Toġrı̊ l-Begs Geburt regierten. Nachdem sie im Jahre 1060 Vasallen des Selǧuqensultans geworden waren, nutzte ihr Emir Ṣadaqa I. den Bruderkrieg zwischen Berkyaruq und Muḥammad Tapar dazu, seine Macht über das Kerngebiet der Familie (um al-Ḥilla al-Mazyadīya/as-Saifīya und an-Nīl) hinaus auf den Großteil des arabischen Iraks auszudehnen. Er brachte unter anderem Kūfa, Hīt, Wāsiṭ, Baṣra und Takrīt unter seine Kontrolle und setzte in den Städten seine eigenen Gouverneure ein. Der als „König der Araber“ (malik al-ʿArab, s. u.) bezeichnete Mazyadide stieg damit im frühen 12. Jahrhundert zu einem Regionalherrscher auf, dessen Autorität, wie gesagt, auch der Herr der Baṭīḥa anerkannte. Die Folge dieses Aufstiegs war, dass sich Muḥammad Tapar bald nach seiner Etablierung als alleiniger Selǧuqensultan gegen den zu mächtig gewordenen Vasallen wandte und Ṣadaqa 1108 auf dem Schlachtfeld getötet wurde. Der Mazyadidenherrschaft war damit vorerst ein Ende gesetzt. Muḥammad installierte Ṣadaqas General Saʿīd b. Ḥamīd al-ʿUmarī als Gouverneur von Ḥilla, während Dubais b. Ṣadaqa die nächsten Jahre am Sultanshof verbringen musste. Erst als Maḥmūd II. 1118 den Thron bestiegen hatte, erhielt Dubais auf Nachfrage die Erlaubnis, nach Ḥilla zurückzukehren und die Stadt samt Umgebung als Vasall zu regieren; der Selǧuqe achtete also den Herrschaftsanspruch, welchen der Mazyadide geerbt hatte. Wie bereits erwähnt, erwies sich Saif ad-Daula Abū ’l-Aġarr (oder Abū ’l-Aʿazz?) Dubais II., welcher ebenfalls malik al-ʿArab genannt wurde, als großer Unruhestifter. Ganze Landstriche verheerend bedrohte er ab 1120 wiederholt den Bagdader Kalifen und ermutigte Maḥmūds Brüder zur Rebellion gegen den irakischen Sultan. Letzterer, der Bagdader šiḥna sowie al-Mustaršid selbst mussten daher mehrfach gegen den renitenten Araber zu Felde ziehen, woraufhin dieser mal hierhin und mal dahin entwich.974 Die erst restaurierte Mazyadiden-Herrschaft über Ḥilla wurde infolgedessen immer wieder unterbrochen. Nach seiner ersten Flucht (1121) ließ Dubais Maḥmūd – ohne Erfolg – das Angebot unterbreiten, täglich 1000 Dinar sowie ein Pferd zu entrichten, wenn der Sultan nur seine Rückkehr nach Ḥilla genehmige.975 Wahrscheinlich waren die Mazyadiden dauerhaft zu einer Abgabe an den (irakischen) Sultan verpflichtet; schon Ṣadaqa I. hatte regulär Gelder an Malik-Šāh I. weitergeleitet (so wie seine Vorfahren an die Būyiden). Offenbar warf Ḥilla auch ganz beachtliche Einnahmen ab – bei Ibn al-ʿImrānī ist von 1 750 000 Dinar per annum zu lesen976 – und obwohl aus den Quellen nicht genau hervorgeht, welche Ausdehnung das Dubais II. unterstellte Ter974 S. etwa: Karabacek, Mazyaditen, S. 82 ff.; Zouache, „Dubays B. Ṣadaqa“. 975 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 209. 976 Ibn al-ʿImrānī, al-Inbāʾ, S. 214; als Dubais 1121 aus Ḥilla floh, sollen ihn 1000 Sklaven begleitet haben, von denen jeder eine Gürteltasche mit 1000 Dinar darin umhatte.

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ritorium hatte, dürfte es erneut nicht nur Ḥilla umfasst haben.977 Dubais war zudem schon vor 1118 mit einem üppigen iqṭāʿ versorgt worden und einige seiner eigenen Gefolgsleute hielten später (1122) iqṭāʿāt in oder bei Wāsiṭ (was zu Konflikten mit den diese Stadt kontrollierenden Türken führte).978 Nicht zu vergessen, gelang es dem rebellischen Mazyadiden gleich zweimal, Baṣra zu besetzen. Dubais ließ kaum eine Möglichkeit ungenutzt, an Geld zu kommen, wandte große Summen für politische Zwecke auf und schaffte es immer wieder, Truppen um sich zu scharen. Seine reichsweiten Unternehmungen in Konflikt mit Kalif und Juniorsultan machten ihn zu einer Persönlichkeit von überregionaler Bedeutung, was den „König der Araber“, wie gesagt, vom (wenig expansionsfreudigen) Herrscher der Baṭāʾiḥ unterschied. Der Mazyadide war nicht irgendein Lokalherr, sondern eine Schlüsselfigur auf der politischen Bühne des westlichen Subsultanats.979 Entsprechend führte ihn sein Weg irgendwann zum Reichsoberhaupt und offenbar konnte er Sanǧar während der Monate, die er 1128 an dessen Hof weilte,980 nachhaltig beeindrucken und von sich überzeugen.981 Denn, wie bereits erwähnt, hörte der Großsultan auf den Araber und setzte sich für dessen Rehabilitierung ein. Unter dem besonderen Schutz von Sanǧars Tochter stehend wurde Dubais von Maḥmūd Ende 1128/Anfang 1129 mit nach Bagdad genommen, wo er im Sultanspalast residierte. Gemäß der Anordnung des Selǧuqenoberhaupts sollte er nicht nur Ḥilla als iqṭāʿ zurückbekommen, sondern auch an Zangīs Stelle zum Statthalter über Mosul und Syrien ernannt werden. Tatsächlich begann Maḥmūd, den Machtwechsel in Mosul zu arrangieren, doch zeigte sich Zangī zu einer solchen Versetzung ebenso wenig bereit wie al-Mustaršid, Dubais zu vergeben – wiewohl Sanǧar den Kalifen extra um eine Aussöhnung gebeten hatte. Während sich der ʿAbbāside konsequent weigerte, irgendeine Landübertragung an Dubais zu bestätigen – Hanne missverstand Ibn al-Aṯīr

977 S. etwa Ibn Ḫallikān, Wafayāt, Bd. II, S. 263 (istaulā ʿalā kaṯīr min bilād al-ʿIrāq); Bundārī, Zubda, S. 135. 978 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 172, 214 f. 979 Dazu Hanne, Putting the Caliph in His Place, S. 151, 155, 164, 980 Eine anlässlich Dubais’ Ankunft in Ḫurāsān verfasste Lobkasside trug der (offenbar mit in den Osten gereiste) Dichter Ḥaiṣa Baiṣa (Dīwān, Bd. I, S. 232) 522 H. in Marv vor (wohl nachdem der Mazyadide aus seiner Haft oder Quasi-Haft in Nīšāpūr oder Marv ar-Rūd entlassen worden war). Ḥaiṣa Baiṣa hielt sich 522 H. auch noch in Nīšāpūr und Saraḫs auf. In einer Kasside Muʿizzīs wird außerdem ein Besuch des šāh-i ʿArab an Sultan Sanǧars Hof erwähnt (Dīvān, S. 152), der eventuell noch in die Zeit davor gehört. 981 Sein Aufenthalt in Ḫurāsān fand auch in Werken des östlichen Iran Niederschlag. ʿAufī gibt hierzu eine Anekdote in seinen Ǧawāmiʿ al-ḥikāyāt wa-lawāmiʿ ar-riwāyāt (s. Kapitel 17 des II. Teils bzw. Kapitel 42 des Gesamtwerks) und Ǧabalī adressierte eine Lobkasside an Dubais (Dīvān, S. 265 f.). Interessant ist übrigens auch, woher einige Mazyadiden-Verse in ʿImād ad-Dīn Iṣfahānīs Ḫarīdat al-qaṣr (passim) stammen. Iṣfahānī zitierte sie aus Samʿānīs Ḏail Taʾrīḫ Baġdād und Samʿānī wiederum aus dem Kitāb Sirr as-surūr von Abū ’l-ʿAlāʾ Muḥammad b. Maḥmūd, welcher unter Bahrām-Šāh Kadi von Ġazna war (s. o., S. 109), sowie aus Abū ’l-Ḥasan ʿAlī b. Zayd al-Baihaqīs Wišāḥ ad-Dumya.

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an dieser Stelle982 –, eilte Zangī persönlich nach Bagdad und überzeugte Maḥmūd mittels Geld und anderer Geschenke, ihm Mosul und Syrien zu lassen. Sanǧars Durchsetzungskraft stieß hier also an eine Grenze. Zwar kehrte Dubais im August/September 1129 (gegen Maḥmūds und al-Mustaršids Willen) nach Ḥilla zurück, musste es aber schon kurz darauf wieder aufgeben.983 Nachdem Dubais – auf dem Weg, sich der südsyrischen Stadt Ṣarḫad (heute Ṣalḫad) zu bemächtigen – im Juli 1131 vom Damaszener Atabeg Tāǧ al-Mulūk Böri b. Tuġ-Tegin (reg. 1128–1132) gefangen genommen worden war, wollten ihn sowohl alMustaršid als auch Zangī ausgeliefert haben. Letzterer machte dem Herrscher von Damaskus ein Angebot, das dieser nicht ablehnen konnte, und kam so dem kalifalen Abgesandten Ibn al-Anbārī zuvor. Er tauschte Dubais im Oktober aus, was den „König der Araber“ mitnichten ein besseres Schicksal erwarten ließ, als wenn er in die Hände des ʿAbbāsiden geraten wäre. Doch obwohl Zangī und Dubais bislang Feinde gewesen waren, behandelte der Herr von Mosul und Aleppo den Mazyadiden überraschenderweise als seinen Ehrengast, beschenkte ihn reichlich und ließ ihn umgehend frei!984 Von besonderem Interesse ist diese Begebenheit wegen Ibn al-Azraqs und Bar Hebräus’ (Bar ʿEbroyos) Erklärungen, dass Zangī ausdrücklich angewiesen wurde, Dubais freizulassen und zu beschützen – und zwar von Sanǧar,985 zu dem sich der Mazyadide wenig später (nach seiner und Zangīs Niederlage gegen al-Mustaršid 1132) auf den Weg gemacht haben soll.986 Warum verwendete sich der „Sultan der Sultane“ wiederholt für Dubais? Wie bereits erwähnt, muss sich der Mazyadide zum einen in Ḫurāsān sehr gut präsentiert haben; auch Toġrı̊ l b. Muḥammad dürfte damals beim Selǧuqenoberhaupt für seinen Kumpan geworben haben. Zum anderen sah Sanǧar gewiss die Bedeutung, welche der malik 982 Hanne, Putting the Caliph in His Place, S. 158: „[Dubays] then sought to conciliate the caliph, who hesitated to respond until Dubays was offered his own lands to control. […] It appears that al-Mustarshid believed that without further lands of his own, Dubays b. Sadaqa was even more of a threat to Baghdad.“ Ibn al-Aṯīr sagt aber: wa-’starḍā [das Subjekt muss Maḥmūd sein, nicht Dubais, s. auch Ibn al-Furāt, Taʾrīḫ ad-duwal wa-’l-mulūk, S. 112] ʿanhu [das Personalsuffix steht für den Mazyadiden] al-ḫalīfa fa-’mtanaʿa ’l-ḫalīfa min al-ʾiǧāba ilā an [Hanne übersetzt mit „until“, doch gehört ilā nicht zu an, sondern zu iǧāba] yuwalliya Dubais [hier sollte Dubaisan stehen] šaiʾan min al-bilād. Interessant, dass die Zustimmung des Kalifen überhaupt vorgesehen war. 983 Ibn al-Ǧauzī, al-Mutaẓam, Bd. XVII, S. 249, 252–254; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 248–250, 264; al-ʿAẓīmī, Taʾrīḫ Ḥalab, S. 376. Ibn Ḫallikān (Wafayāt, Bd. II. S. 327 f.) zufolge gehört Sanǧars Anordnung, Dubais als wālī von Mosul zu bestallen, in die Zeit, bevor Zangī dieses Amt erhielt – der Mazyadide sollte angeblich schon 1127 auf den verstorbenen Emir Masʿūd b. al-Borsuqī folgen. Zu Dubais’ Aktivitäten nach dem erneuten Verlust von Ḥilla und seinem Verschwinden in der Wüste Ende 523 H. (1129): Karabacek, Mazjaditen, S. 95 ff. 984 Ibn al-Qalānisī, Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 230 f.; Ibn al-ʿAdīm, Zubda, S. 305 f.; id., Buġya, S. 3848; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 258 f.; Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 263; Karabacek, Mazjaditen, S. 100–104. Ibn al-Anbārī wurde auf seiner Rückreise von Damaskus nach Bagdad von Zangī festgenommen. 985 Ibn al-Azraq, Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 201; Bar ʿEbroyo, Maḵtḇonūṯ Zaḇne, tr. Budge, S. 256. 986 Ibn al-ʿAdīm, Zubda, S. 308; Michael der Syrer, Chronik, tr. Chabot, Bd. III, S. 241.

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al-ʿArab als Gegenpart zum gefährlich unfügsamen Kalifen al-Mustaršid hatte. Einen weiteren Grund gibt der Großselǧuqe selbst an, wenn er in seinem Brief an den ʿAbbāsidenhof erklärt, als Kind (d. h. vor 1097), einmal beim Emir Ṣadaqa I. in Ḥilla logiert und diesem einen Eid (ʿahd va saugand) geleistet zu haben, Dubais (der damals ebenfalls noch ein Knabe war) stets ein Freund zu sein.987 Sanǧar setzte also auch in diesem Fall auf alte, persönliche Bande, auf jemanden, den er von früher kannte. Wichtig ist außerdem, dass es Ibn al-Aṯīr zufolge Dubais gewesen war, welcher den amīr al-muʾminīn 1119 dazu veranlasst hatte, umgehend Sanǧar statt Maḥmūd als alleinigen Sultan in ḫuṭba und sikka nennen zu lassen.988 Al-Mustaršid und der Mazyadide waren zu Beginn ihrer Regentschaften ja noch nicht gleich verfeindet gewesen; im Herbst 1118 hatte der Kalif Dubais sogar feierlich mit Ehrengewändern und weiteren Insignien (ǧubba, farǧīya, Turban, Halskette, Pferd, Sattel, Schwert, Gürtel, Banner) ausgezeichnet.989 Viel genützt hat der „König der Araber“ dem Reichsoberhaupt wohl allerdings nicht. Zwar wandte sich Dubais tatsächlich nie gegen die Herrschaft des „allergrößten“ Sultans und unterstützte den von Sanǧar erwählten Juniorsultan Toġrı̊ l II., doch konnten die meisten seiner politischen Aktivitäten, insbesondere jene gegen Maḥmūd II., nicht im Interesse des Selǧuqenseniors gewesen sein. Richtig ist auch, dass die anhaltende Bedrohung durch Dubais überhaupt erst zur militärischen Emanzipation, Aufrüstung und damit Erstarkung des Kalifen geführt hatte.990 Gleichwohl meinten die Selǧuqen, al-Mustaršid mithilfe des Mazyadiden in Schach halten zu können. Als der ʿAbbāside aber letztendlich eliminiert worden war, gab es für die Sultane folglich keinen triftigen Grund mehr, ausgerechnet Dubais zu verschonen, und so ließ ihm Masʿūd noch im Herbst 1135 den Kopf abschlagen, um dann zu behaupten, der „König der Araber“ habe hinter dem skandalösen Kalifenmord gesteckt.991 Dass Sanǧar hierzu sein Einverständnis gegeben hatte, ist in Anbetracht des reibungslosen Übereinkommens zwischen beiden Selǧuqen (auf das ja in dieser Arbeit geschlossen wurde, s. o.) anzunehmen; eventuell war auch er zu der Ansicht gelangt, dass der unberechenbare Mazyadide nur noch als Sündenbock für das Attentat auf seinen Erzfeind taugte.992 987 Eqbāl, Vezārat, S. 312 (Sanǧar sollte dem ihm Anempfohlenen nach Möglichkeit Gutes angedeihen lassen und ggf. gnädig Zuflucht gewähren); s. dazu auch Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 319. 988 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 184. 989 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 164; dazu Springberg-Hinsen, Ḫilʿa, S. 124; vgl. auch Horst, Staatsverwaltung, S. 23; die Insignien sind die eines großen Emir-Gouverneurs. Ǧubba: langes Obergewand; farǧīya: wohl eine Art Talar (s. Dozy, Vêtements, S. 107–117 bzw. 327–334). 990 Hanne, Putting the Caliph in His Place, S. 155. 991 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 285; Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 303, 305; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, Bd. II, S. 264 f.; Ibn al-Furāt, Taʾrīḫ ad-duwal wa-’l-mulūk, S. 275; Ibn al-ʿAdīm, Zubda, S. 307; Bundārī, Zubda, S. 178 f. 992 Bar Hebräus zufolge teilte Sanǧar Masʿūd mit, dass Dubais die Quelle allen Übels und deshalb an den Kalifen auszuliefern sei (Bar ʿEbroyo, Maḵtḇonūṯ Zaḇne, tr. Budge, S. 260).

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Während Dubais II. in Aserbaidschan vom Leben zum Tode befördert wurde, scheint Ḥilla interessanterweise unter mazyadidischer Kontrolle gestanden zu haben; Saif ad-Daula Ṣadaqa (II.) b. Dubais konnte hier umgehend die Herrschaft übernehmen. Die meiste Zeit, die der malik al-ʿArab zwischen Syrien und Ḫurāsān umherzog, regierte am Euphrat jedoch kein Vertreter seiner Dynastie. Nachdem ihm die erste Rückeroberung Ḥillas gelungen war, hatte Dubais für einen Friedensschluss im Jahre 1122 sowohl seinen Bruder Manṣūr b. Ṣadaqa als auch einen Sohn als Geisel zu Sultan Maḥmūd II. schicken müssen. Als letzteren wenig später die Nachricht erreichte, dass Dubais (siegreich) gegen den Bagdader šiḥna gekämpft hatte, ließ er beide Geiseln auf der Festung Farrazīn inhaftieren und Manṣūr blenden.993 1123 gerieten ferner alle Frauen Dubais’ bis auf zwei in Gefangenschaft. 1124/1125 wurde Manṣūr erkrankt an den Kalifen überstellt, in dessen Gewahrsam er verstarb;994 ein dritter Bruder, Šams ad-Daula Tāǧ al-Mulūk Abū ’n-Naǧm Badrān b. Ṣadaqa, lebte bis zu seinem Tod 1135/1136 im ägyptischen Exil.995 Dubais dar ǧahān āvāra šud va ḫāna-yi vai ḫarāb gašt va hīč istiqāmat nayāft.996 Die Mazyadiden wurden so weit geschwächt, dass Juniorsultan und Kalif versuchten, Ḥilla einem nichtmazyadidischen Regenten zu übertragen. So gab Maḥmūd die Stadt 1129 dem Bagdader Präfekten Bihrūz, welcher aber schon wenige Monate später vor Dubais aus Ḥilla floh.997 Länger halten konnte der „König der Araber“ das Zentrum seiner Dynastie auch dieses Mal nicht: Noch im selben Jahr musste er, wie bereits erwähnt, erneut selbst fliehen, wobei er mit einem zuvor entführten Sohn Maḥmūds in der Wüste verschwand.998 Bei seiner Rückkehr ins südliche Zweistromland anno 1132 wurden Ḥilla und Umgebung (bilād Bābil) von einem Eunuchen des Kalifen namens Ǧamāl ad-Daula Iqbāl al-Mustaršidī regiert.999 Offenbar hatte al-Mustaršid – welcher damals 993 Muǧmal at-tawārīḫ, S. 414; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 193 f., 213–215, 219; Ibn al-Ǧauzī, al-­ Muntaẓam, Bd. XVII, S. 197 f., 204, 206–208; zur Festung s. o., S. 128, Anm. 597. 994 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 230; Iṣfahānī, Ḫarīda – Dichter des Iraks, Teil IV, Bd. 1, S. 175: ḥ­ abasa ilā an atāhu ’l-yaqīn. 995 Iṣfahānī, Ḫarīda – Dichter des Iraks, Teil IV, Bd. 1, S. 177. Ein weiterer Bruder soll Ibn Isfandiyār zufolge Baraka geheißen haben und beim (ebenfalls schiitischen) Bāvandiden ʿAlī b. Šahriyār Hilfe gesucht haben (Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. I, S. 108); s. zu Ṣadaqas Söhnen auch Zambaur, Manuel, S. 137 (wo Baraka nicht aufgeführt ist). 996 Muǧmal at-tawārīḫ, S. 385. 997 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 253. Vielleicht gab Bihrūz die Stadt kampflos auf, weil er wusste, dass Sanǧar Dubais’ Rückkehr wollte. Außerdem mag Maḥmūds Wahl auf Bihrūz gefallen sein, weil er hoffte, dass Sanǧar diesen als Ersatz für den Mazyadiden akzeptieren würde. 998 Nachdem ihm in Bagdad weder Ḥilla noch Mosul zugesprochen worden war, scheint Dubais den Juniorsultan zunächst (zwangsweise) wieder zurück in die Ǧibāl begleitet zu haben. Auf dem Weg nach Hamadān verschied seine Gönnerin Amīr-Sittī-Ḫatun, dann erkrankte Maḥmūd und Dubais raubte besagten Selǧuqenprinzen (s. Ḥaiṣa Baiṣa, Dīwān, Bd. I, S. 191), ehe er in Richtung Ḥilla aufbrach (Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 253). Der kleine Prinz hieß Farruḫ-Šāh, genannt al-Ḫafāǧī, (Bundārī, Zubda, S. 205) und wurde später erst an den ʿuqailidischen Herrn von Qalʿat Ǧaʿbar übergeben, dann an Zangī, welcher sein Atabeg wurde. 999 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 271.

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weder Toġrı̊ l noch Sanǧar anerkannte – die Thronstreitigkeiten nach Maḥmūds Tod dafür genutzt, selbst einen Gouverneur für die nahe Mazyadiden-Stadt zu bestimmen. Aufmerksamkeit verdient, welch besondere Demütigung er dabei für Dubais und dessen Dynastie ersonnen hatte: Als Iqbāl 1133 offiziell mit einem Diplom (manšūr) investiert wurde, verlieh er ihm nicht nur die alqāb Saif ad-Daula und Ḥusām ad-Dīn, sondern auch die Titel sulṭān al-umarāʾ und malik al-ʿArab! Dazu erhielt der Eunuch unter anderem königliche (!) Ehrengewänder, ḫilaʿ al-mulūk, und wurde mit Dinaren bestreut.1000 Es kann also kein Zweifel bestehen, dass der ʿAbbāside dem bisherigen „König der Araber“ Saif ad-Daula Dubais seine Würde nehmen, ihn komplett ersetzen und der ganzen Mazyadidenherrschaft ein Ende bereiten wollte. Auf den Rang, in den Iqbāl erhoben wurde, gilt es noch einmal zurückzukommen. Wir wissen nicht genau, wann und wie die Regentschaft des Eunuchen Iqbāl über Ḥilla und Dependenzen (aʿmāl) endete und Dubais’ Sohn Ṣadaqa II. in die Stadt gelangte. Iqbāl – unter dem Sanǧars Name in der ḫuṭba sicherlich nicht kürzer weggelassen wurde als in Bagdad – ging nach al-Mustaršids Ermordung erst zu Bihrūz nach Takrīt (1135), ehe er gemeinsam mit ar-Rāšid aus Bagdad nach Mosul floh. Nachdem Zangī, der Herr über Mosul, dann auf die Seite von Masʿūd und Sanǧar gewechselt war und sich von al-Muqtafīs abgesetztem Neffen losgesagt hatte (1136), sperrte er Iqbāl ein und ließ ihn töten.1001 Was Ṣadaqa II. angeht, so wollte ihn Sultan Masʿūd anfangs aus Ḥilla vertreiben. Ein entsprechender Befehl erging an den Bagdader šiḥna; mazyadidische Besitzungen wurden als iqṭāʿāt neu vergeben. Ṣadaqa, welcher erst 15 Jahre alt war, gehörte damals zur Koalition um ar-Rāšid und Dāwūd. Im Anschluss an Masʿūds Eroberung der Kalifenstadt und der Installation al-Muqtafīs kam der Maz­ yadide jedoch zum Subsultan, trat in dessen Dienste und wurde (verbunden mit einer Heiratsallianz, s. u.) als Herr von Ḥilla bestätigt.1002 Folglich kämpfte er 1138 in der Schlacht von Panǧ Angušt auf Seiten Masʿūds gegen Dāwūd und ar-Rāšids andere Verbündete, wobei er vom Emir Boz-Aba (dem Gouverneur von Ḫūzistān) getötet wurde. Somit musste die Herrschaft über Ḥilla wieder neu geregelt werden und wieder setzte Masʿūd einen jungen Sohn Dubais’ II. ein. Er hieß ʿIzz ad-Daula Muḥammad und bekam einen Atabeg zur Seite gestellt.1003

1000 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 282 (Saif ad-Daula); Ibn al-ʿImrānī, al-Inbāʾ, S. 217 (Ḥusām ad-Dīn; Iqbāl bekam ferner eine Halskette, einen Armreif und 10 000 Reiter); Ḥaiṣa Baiṣa, Dīwān, Bd. I, S. 366, 370 (Bestätigung des Ehrennamens Ḥusām ad-Dīn). 1001 Bundārī, Zubda, S. 180. 1002 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 285, 288, 296; Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 306, 314, 327. 1003 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 304 f.; Bundārī, Zubda, S. 185; Ibn al-ʿImrānī, al-Inbāʾ, S. 223. Muḥammads laqab habe ich in der angegebenen Form aus Ḥaiṣa Baiṣas Dīwān (Bd. I, S. 309); in Ibn al-Azraqs Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid (S. 271) steht ʿIzz ad-Dīn statt ʿIzz ad-Daula. Ibn al-Azraq weiß zu berichten, dass Muḥammad bis zum Tod seines Vaters bei seiner Mutter in Mārdīn gelebt hatte, nach seiner kurzen „Herrschaft“ wieder zu den Artuqiden zurückkehrte, nach 559 H. (1163/1164) starb und einen Sohn hinterließ. Atabeg steht so nicht in Ibn al-Aṯīrs Text, doch ist klar,

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Die Mazyadiden benötigten also zumindest eine Bestätigung ihrer Herrschaft durch den Sultan, welcher gegebenenfalls in ihre Erbfolge eingriff und ihnen Ḥilla sogar wegzunehmen drohte. Im Falle von Muḥammad b. Dubais wurde das vom Subsultan auserkorene Familienmitglied alsbald von einem anderen Mazyadiden herausgefordert und gestürzt: 1145/1146 entriss ʿAlī, ein weiterer minderjähriger Sohn Dubais’ II., Ḥilla seinem Bruder und begann mit einer ähnlichen Politik wie sein Vater, indem er sich an fremden iqṭāʿāt vergriff und dem Kalifen wie dem Bagdader šiḥna Anlass zu großer Sorge gab. Masʿūd entsandte daraufhin seinen kurdischen Emir Sal(l)ār, welcher zwar 1147 einen Sieg über ʿAlī errang und in Ḥilla als Gouverneur einzog, sich jedoch schon 1148 wieder vor dem Mazyadiden und dessen Verbündeten (den Herren von al-Liḥf und Wāsiṭ) zurückziehen musste. Wiewohl der malik al-ʿArab ʿAlī nun gemeinsam mit vielen anderen Emiren gegen Masʿūd rebellierte, verzieh ihm dieser später und bestätigte seine Position (1150).1004 Darauf, dass Dubais’ Söhne noch irgendwelche Kontakte zu Sanǧar hatten, gibt es keine Hinweise. Ḥusainī zufolge soll ʿAlī II. nun auf Seiten Sultan Muḥammads II. gekämpft haben, als dieser 551/552 H. (1157) Bagdad angriff.1005 Hierbei dürfte es sich allerdings um eine falsche „Ergänzung“ handeln. ʿAlī – von dem bei Bundārī an gleicher Stelle1006 keine Rede ist, nur von den Banū Asad – war nämlich bereits 545 H. (1150/1151) oder 546 H. in Asadābād verschieden.1007 Die weitere Geschichte der Dynastie ist unklar. Anscheinend sammelten sich die Banū Asad nach ʿAlīs Tod hinter einem anderen Maz­ yadiden; laut Nīšāpūrī wurde Sultan Muḥammad bei seinem Angriff von einem Enkel Dubais’ II. unterstützt.1008 In Bosworths New Islamic Dynasties1009 heißt es – wohl nach aṣ-Ṣafadī1010 –, als letzter Mazyadide habe Muhalhil b. ʿAlī, „a shadowy figure“, geherrscht, doch sei hierzu Folgendes angemerkt: Bei Muhalhil handelte es sich weder um einen Sohn ʿAlīs noch um einen Mazyadiden, sondern um Muḥammads erwähnten Atabeg, den Ǧāwānī-Kurden Ḍiyāʾ ad-Dīn Muhalhil b. Abī ’l-ʿAskar, welcher ʿAlī vor dessen Machtübernahme hatte inhaftieren lassen wollen und anschließend in

dass ein solcher Tutor (zur Person s. u.) gemeint ist; Hanne (Putting the Caliph in His Place, S. 171) dafür unzutreffend: „overlord“. 1004 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 44 f., 56, 64, 66, 71 f.; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 335 f., 348, 355, 362. 1005 Ḥusainī, Aḫbār, S. 136 f. 1006 Zubda, S. 250. 1007 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 82 (546 H.); Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 368 (545 H.). 1008 Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 95 f.: az Ḥilla pisar-zāda-yi Dubais bā du sih hizār raǧǧāla biyāvardand (ein Enkel dürfte selbst für damalige Verhältnisse zu jung gewesen sein); Rāvandī, Rāḥa, S. 267: pisarān-i [statt pisar-zāda-yi] Dubais. Ḥusainī (Aḥbār, S. 136 f.) erwähnt außer ʿAlī noch einen der Söhne von dessen Onkel (väterlicherseits) namens Ḥasan al-Muṭrib (Bundārī, Zubda, S. 250: al-Muḍṭarib), welcher den Angriff auf Bagdad nicht überlebte – womöglich endete die Mazyadidenherrschaft mit diesem Emir. 1009 Auf S. 87 f., nicht aber in seinem EI2-Artikel „Mazyad“. 1010 Ṣafadī, al-Wāfī, Bd. XXI, S. 71 (Todesjahr: 545 H.).

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Bagdad untergekommen war. Nach Sultan Masʿūds Tod nahm 1152 erneut der Emir Sal(l)ār Ḥilla ein, dieses Mal im Auftrag von Masʿūds Nachfolger Malik-Šāh III. Während Muhalhil vor ihm (aus Ḥilla?) zurückwich, kam der aus Bagdad nach Takrīt geflüchtete šiḥna Masʿūd al-Bilālī geradewegs zu Sal(l)ār, ertränkte ihn und übernahm selbst die Herrschaft über Ḥilla. Ebenfalls noch im selben Jahr (547 H.) fiel die Stadt infolge einer Niederlage Bilālīs an al-Muqtafī und eventuell bestimmte der ʿAbbāside (erneut?) Muhalhil zu ihrem muqṭaʿ und wālī. Für das Jahr 1156 (551 H.) ist als kalifaler Gouverneur sodann der Emir Faḫr ad-Dīn Quwaidān belegt, welcher Ḥilla möglicherweise im Anschluss an die Schlacht von Bakimzā (Herbst 1154) erhalten hatte. Muhalhil hatte in dieser Schlacht auf Seiten al-Muqtafīs gefochten, war in ihrem Verlauf aber nach Bagdad geflüchtet.1011 Das letzte Mal, dass Muhalhil Erwähnung findet, ist in Zusammenhang mit dem Vorrücken Sultan Muḥammads II. auf Bagdad Anfang 1157. Wie Ibn al-Aṯīr schreibt, nahm Muhalhil bei dieser Gelegenheit Ḥilla ein (raḥala Muhalhil ilā ’l-Ḥilla fa-aḫaḏahā), doch steht in Ibn al-Ǧauzīs Muntaẓam (Ibn al-Aṯīrs Quelle): raḥala ­Muhalhil ilā ’l-Ḥilla fa-aḫaḏahā Banū ʿAuf.1012 Es ist also fraglich, wer die Stadt besetzte und ob er sie (als Verbündeter des Sultans) dem Kalifen oder (als Gegner des Sultans) einem Mazyadiden (oder zumindest den Banū Asad) entriss, bevor sie wohl schon kurz darauf endgültig an die ʿAbbāsiden fiel. Jedenfalls ging die Herrschaft der schiitischen „Araberkönige“ noch zu Lebzeiten Sanǧars unter und womöglich wäre sie ohne den Großsultan bereits deutlich eher erloschen. Als al-Mustanǧid die Banū Asad 558 H. (1162/1163) gezielt vernichten ließ, dürfte es sicher nicht mehr darum gegangen sein, Ḥilla – wo 556 H. ein Mamlūk des Kalifen als šiḥna amtierte und 557 H. rein ʿabbāsidische Dinare geschlagen wurden (!) – von irgendwelchen Mazyadiden zu erobern, sondern darum, deren Stamm auch in seinem Rückzugsgebiet, den Marschen, als Unruhefaktor endgültig auszuschalten.1013 Wie bereits festgestellt, standen die Mazyadiden über den Herren der Baṭīḥa, doch wie ist ihr spezieller Erbtitel malik al-ʿArab zu verstehen? Waren sie überhaupt mulūk? Wiewohl eine Ausübung des sikka-Rechts durch Dubais nicht verwunderlich gewesen 1011 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 374, 397, 405; Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 84 f.; Ḥusainī, Aḫbār, S. 130–132; Bundārī, Zubda, S. 238 f.; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, Bd. II, S. 363; Ḥaiṣa Baiṣa, Dīwān, Bd. II, S. 300 f. Schon Muhalhils Bruder ʿAntar al-Ǧāwānī hatte als Atabeg Ṣadaqas II. fungiert (und war zusammen mit diesem getötet worden). 1012 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 409; Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 111. Die Banū ʿAuf hatten den Kalifen in der Schlacht von Bakimzā ebenfalls im Stich gelassen, vielleicht im Bündnis mit Muhalhil. 1013 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 464 (und für den šiḥna S. 451). Bosworth (New Islamic Dynasties, S. 87 f.) meint, der Kalif habe Ḥilla erst 1163 erobert; doch wurde die Stadt bereits dauerhaft von einem Gouverneur der ʿAbbāsiden regiert, wenngleich es in ihr noch Asaditen gab. Für eine Münze al-Mustanǧids aus Ḥilla: Baldwin’s Islamic Coin Auction Nr. 22 (Sept. 2012) oder 25 (Dez. 2013), Los 3291 bzw. 376; in Albums Checklist (S. 59) steht zu al-Mustanǧids Dinaren wohlgemerkt „­Madinat al-Salam only“.

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wäre, fehlt es ja leider an numismatischen Zeugnissen der Mazyadidenherrschaft, also nicht zuletzt an Belegen für Titulaturen, die bei der hierarchischen Verortung der Dynastie helfen könnten. Unzweifelhaft ist, dass Ṣadaqa I. und Ṣadaqa II. den laqab Saif ad-Daula führten. Für Dubais gibt Bosworth (nur) den Ehrennamen Nūr ad-Daula an, welcher sich bei Ibn Ḫallikān und – an einer einzigen Stelle – bei Ibn al-Aṯīr findet sowie, nach Karabacek, in einer verderbten und beschädigten Inschrift von 1129 (s. u.).1014 Es kann nun allerdings als gesichert gelten, dass auch Dubais Saif ad-Daula hieß1015 – ein Widerspruch? Die Richtigkeit von Karabaceks Lesung vorausgesetzt – andernfalls ließe sich einfach annehmen, Dubais II. sei von späteren Autoren fälschlicherweise der Ehrenname Dubais’ I. (reg. 1017–1082) zugeschrieben worden –, käme hier vielleicht folgende Erklärung in Frage: Den laqab Nūr ad-Daula führte Dubais II. während seiner Jugend, bevor er 1118 selbst Herr von Ḥilla wurde. Erst dann nahm er – gleich anderen Fürsten – den (mittlerweile frei gewordenen) väterlichen laqab an, ohne dass sein erster Ehrenname damit völlig ungebräuchlich wurde.1016 Jedenfalls, so viel wird deutlich, gingen die Mazyadiden als Träger von daula-alqāb in die Geschichte ein. Hinweise auf die höheren dīn-alqāb gibt es bemerkenswerterweise kaum: Dubais II. heißt in einem Gedicht von Ǧabalī Šaraf ad-Dīn und für Ṣadaqa I. erwähnt Ibn Ḫallikān den Namen Faḫr ad-Dīn.1017 Beide Male mag es sich durchaus um einen Irrtum handeln; womöglich hielt man alqāb auf dīn wegen der schiitischen Gesinnung der Dynastie für unpassend. Malik al-ʿArab wurde Ṣadaqa I. seit der Verleihung (!) des Titels durch al-Mustaẓhir um 1100 genannt.1018 Die persische Form malik-i ʿArab verwendete Sanǧar für Dubais in seinem Schreiben an den Kalifenhof,1019 was bestätigt, dass es sich keineswegs nur um einen informellen, rein panegyrischen Beinamen handelte. Im Prinzip haben wir es wieder mit einem Regionalherrschertitel (wie Ḫvārazmšāh, malik-i Nīmrūz, malik-i ǧibāl) zu tun, weil Ṣadaqa konkret eine Spitzenstellung unter jenen Araberstämmen eingeräumt wurde, welche damals am Westrand des Iraks lebten, also in Nachbarschaft zu den Banū Asad und deren Gebiet um Ḥilla, an der wichtigen Route in Richtung Hedschas. Unter diesen (schwer zu kontrollierenden) Gruppen, den Wüsten- ebenso wie den Marsch-Arabern, kam den Mazyadiden zeitweise eine gewisse Autorität zu; zumindest war der malik al-ʿArab in der Position, Stämme gegeneinander auszuspie-

1014 Bosworth, New Islamic Dynasties, S. 87; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, Bd. II, S. 263; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 32 (sub anno 494 H., Dubais ist noch jung und kein Herrscher); Karabacek, Mazyaditen, S. 14, 39 ff. 1015 Beispielsweise nennt ihn Ibn al-Ǧauzī oft so (s. etwa al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 186), ebenso wie Iṣfahānī (Ḫarīda – Dichter des Iraks, Teil IV, Bd. 1, S. 170) oder auch Ḥaisa Baiṣa (Dīwān, Bd. I, S. 234, 252, 342). Eventuell trug Dubais ferner den laqab Faḫr al-Mulūk (Ṣadaqa I.: Tāǧ al-Mulūk). 1016 Dieselbe Praxis lässt sich auch bei anderen Dynastien der Epoche beobachten, etwa bei den Anūšteginiden. 1017 Ǧabalī, Dīwān, S. 265; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, Bd. II, S. 490. 1018 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 208. 1019 Eqbāl, Vezārat, S. 312.

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Das Teilreich der Irak-Selǧuqen

len und zu mobilisieren.1020 Sie fielen quasi in seinen Zuständigkeitsbereich, wobei das Verhältnis zu den Beduinen genau wie das zu den diversen kurdischen und türkischen Gruppen im iranischen Raum zwei Seiten hatte: Zum einen ließen sich die (halb)nomadischen Araberstämme als militärische Alliierte nutzen, zum anderen musste man sie immer wieder selbst bekämpfen, um sie für Überfälle zu bestrafen. In dieser Hinsicht war die Rolle der Herren von Ḥilla also (beispielsweise) jener der Ḫvārazmšāhs nicht unähnlich. Auch die Stellung des Eunuchen, den al-Mustaršid zum malik al-­ ʿArab anstelle der Mazyadiden erhob, sollte die eines regionalen Beduinen-Beauftragten sein; bei dem Ernannten selbst musste es sich hierfür um keinen Araber handeln. Dies zeigt, dass der Titel (zumindest aus kalifaler Sicht) weniger an einer bestimmten Familie, als an der Herrschaft über das Gebiet von Ḥilla hing.1021 Genau wie malik-i Nīmrūz oder Ḫvārazmšāh nimmt malik al-ʿArab nicht (zwingend) den Platz des normalen, einfachen malik-Titels ein. Dieser könnte für die Maz­ yadiden in besagter Steininschrift von 1129 belegt sein, welche von Dubais’ Aufenthalt im syrischen Buṣrā (Bosra) zeugt, allerdings steht darin wohl nicht malik, sondern – wie Karabacek erläutert, (nur) der Assonanz willen – mālik. Die ganze Titulatur soll lauten: al-maulā al-mālik al-ʿālim al-ʿādil al-muʾaiyid al-muẓaffar al-manṣūr al-muǧāhid al-murābiṭ Nūr ad-Daula al-amīr Dubais Saif al-Islām.1022 Man beachte (neben dem ­laqab Saif al-Islām1023) das eingeschobene al-amīr. Tatsächlich werden die Mazyadiden in den (literarischen) Quellen fast immer als Emire bezeichnet, wobei der Regionalherrschertitel auch in diesem Fall angehängt sein kann. Er ist somit wieder unabhängig vom eigentlichen Titel, sodass kein Widerspruch besteht, wenn es sich beim „König der Araber“ um einen Emir handelt.1024 Gleichwohl sollte man nicht denken, dass malik al-ʿArab deshalb keinerlei Rangerhöhung bedeutete.1025 Mit dem Titel „König der Araber“ war durchaus eine reale Aufwertung der mazyadidischen Herrscher gegenüber anderen Emiren verbunden, eine Herausgehobenheit, die sich nicht nur aus der besonderen Rolle unter den regionalen Araberstämmen er-

1020 Auf die Beziehung zu den Banū Ibn Abī ’l-Ǧabr wurde bereits eingegangen. Dubais mobilisierte zum Beispiel 1123 die Muntafiq zu einem gemeinsamen Angriff auf Baṣra. Sein Vater pflegte die ʿUbāda und Ḫafāǧa gegeneinander auszuspielen; vor letzteren beschützte er im Auftrag des Sultans Kūfa. 1021 Auch zur Kontrolle der beduinischen Araber in den bilād aš-Šām wurde (später) ein verantwortlicher Ansprechpartner mit dem Titel amīr al-ʿArab ernannt, s. Hiyari, „Amīrate of the Arabs“, S. 514 ff. und außerdem Heidemann, Renaissance der Städte, S. 271. Um die Beziehungen mit türkischen Nomaden, wie sie etwa in Gurgān und Dihistān zahlreich waren, zu regeln, setzten die Selǧuqensultane bekanntlich spezielle šiḥnas ein (Durand-Guédy spricht von group šiḥnas, s. „Türk­men-Saljūq relationship“, S. 23 und 45). 1022 Karabacek, Mazyaditen, S. 14, 30 ff.; Karabacek meint, dass al-mālik hier nicht nur für al-malik steht, sondern darüberhinaus für den „weggefallenen Lakab“ malik al-ʿArab. 1023 Alqab auf Islām rangierten laut Maihanī (Dastūr-i dabīrī, S. 14) eine Stufe unter denen auf dīn. 1024 Mitunter kommt sogar die Form amīr al-ʿArab vor; Iṣfahānī (Ḫarīda – Dichter des Iraks, Teil IV, Bd. 1, S. 153) wählte für sein Mazyadiden-Kapitel die Überschrift mulūk al-ʿArab wa-umarāʾuhā. 1025 Für Karabacek involvierte der Titel „keine eigentliche Rangerhöhung“ (Mazyaditen, S. 30 f.).

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gab, sondern sich darüber hinaus an folgenden Punkten festmachen lässt: Die Maz­ yadiden waren eine etablierte, wichtige Dynastie und galten daher als ein, wie Ibn Ḫallikān erklärt,1026 bait kabīr – was ja ein zentrales Kriterium für mulūk war. Ibn al-Ǧauzī betont, dass Ṣadaqa I. einst Ehrengewänder verliehen bekam, wie sie zuvor noch kein Emir erhalten hatte.1027 Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, was derselbe Chronist über jene ḫilaʿ sagt, die 1133 Iqbāl al-Mustaršidī erhielt: Der ḫādim – welcher Dubais ja als malik al-ʿArab und Herr von Ḥilla ersetzen sollte – bekam vom Kalifen ḫ­ ilaʿ al-mulūk, also königliche Gewänder,1028 woraus man schließen darf, dass der „König der Araber“ eben kein einfacher Emir war.1029 Von aṣ-Ṣafadī erfahren wir, dass Ṣadaqas Name immerhin in der ḫuṭba genannt wurde,1030 und in Versen des ostiranischen Hofpoeten Ǧabalī wird Dubais nicht nur als šāh-i ahl-i ʿArab [für malik al-ʿArab] va nāʾib-i sulṭān-i ʿAǧam [Ḥilla gehörte ja zum westlichen Subsultanat] angesprochen, sondern auch als pādišā[h]-zāda-yi āzāda („edler Monarchenspross“).1031 Von Bedeutung ist zudem, dass Ṣadaqa II. 1136 eine Tochter Sultan Masʿūds ehelichen durfte,1032 denn normalerweise erhielten Emire ja keine Selǧuqenprinzessinnen zur Frau; auch der Herr der Baṭīḥa wäre als Schwiegersohn sicher nicht infrage gekommen. Noch vor Ṣadaqas Hinrichtung (1138) heiratete Masʿūd mit Sufrā obendrein seinerseits eine Tochter Dubais’ II. Während erstere Verbindung vom Juniorsultan zu dem Zweck arrangiert worden war, die Mazyadiden schnell besser im Griff zu haben, kam die zweite Ehe auf folgende Weise zustande: Da sich ihre Familie wegen des Verlusts von iqṭāʿāt (die Masʿūd neu vergeben hatte) in finanziellen Schwierigkeiten befand, wandte sich Sufrā an eine Instanz, deren Einfluss bereits beleuchtet wurde: an ʿIṣmat-Ḫatun. Sanǧars Schwester sollte sich bei ihrem Neffen für die Mazyadiden verwenden und erreichte, dass Masʿūd (die für ihre Schönheit bekannte) Sufrā zur Frau nahm.1033

1026 Wafayāt, Bd. II, S. 263 (Bericht über Dubais b. Ṣadaqa). 1027 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 208. 1028 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 282; Iqbāl ritt mit den Gewändern in Bagdad zum dīwān, wo sein manšūr verlesen wurde; anschließend ließ man über ihn Dinare regnen. S. auch Ibn al-ʿImrānī, al-Inbāʾ, S. 217; 1029 S. hierzu Springberg-Hinsen, Ḫilʿa, S. 124 f. (wo aus der Bezeichnung malik al-ʿArab und der Prozession des Ernannten auf einen Rang über dem normalen wālī geschlossen wird). Die Insignien, welche Dubais 1118 erhalten hatte (s. o.), scheinen allerdings „nur“ die eines (großen) Emir-Gouverneurs gewesen zu sein (s. auch Horst, Staatsverwaltung, S. 23). 1030 Ṣafadī, al-Wāfī, Bd. XVI, S. 171: kāna yuḫṭabu lahū min al-Furāt ilā ’l-baḥr; außerdem soll Ṣadaqa der erste Mazyadide mit dem Titel Emir gewesen sein. 1031 Ǧabalī, Dīvān, S. 265. 1032 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 296. Dubais II. war übrigens mit Gauhar-Ḫatun (gest. 1163/1164) und Šaraf-Ḫatun verheiratet. Erstere war die Tochter des Artuqiden Naǧm ad-Dīn Il-Ġāzī, letztere die Tochter des kalifalen Wesirs ʿAmīd ad-Daula Ibn Ǧahīr und einer Tochter des großen Niẓām al-Mulk. 1033 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 327 f. Die Hochzeit fand im Jan. 1138 statt. Sufrā war die Tochter von Šaraf-Ḫatun, wohingegen Muḥammad b. Dubais, der Nachfolger Ṣadaqas II., ein Sohn der Gauhar-Ḫatun war.

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Das Teilreich der Irak-Selǧuqen

Auch die Herren von Ḥilla gehören also in den Bereich der unscharfen Grenze zwischen Emir und malik, einen Bereich, welcher unter Sanǧar zunehmend an Bedeutung gewann. Als Beispiel für Emire, die erst in diesen Grenzbereich hinein und dann unaufhaltsam daraus hinaus zu mulūk aufstiegen, wurden bereits die Anūšteginiden vorgestellt, doch finden sich junge Dynastien, welche besagte Schwelle im Laufe des 12. Jahrhunderts hinter sich ließen, ebenso im nördlichen Zweistromland, um dessen politische Einbindung in Sanǧars Imperium es nun gehen soll. IV.6.5 Das nördliche Zweistromland, Ostanatolien und Syrien IV.6.5.1 Der „König des Westens“ Zu Beginn der Regierungszeit Sultan Maḥmūds II. hatten dessen jüngere Brüder Toġrı̊ l, Masʿūd und Selǧuq-Šāh die Position eines untergeordneten Regionalherrschers (mit Atabeg an der Seite) inne.1034 Anders als es manchmal klingt, waren die drei selǧuqischen mulūk aber nicht erst von Sanǧar mit Teilen der westlichen Reichshälfte bedacht worden, sondern schon von ihrem Vater Muḥammad I., dessen Bruder die Gebietszuweisungen als Großsultan 1119 nur bestätigte. Während sich die Territorien der Vizekönige Toġrı̊ l und Selǧuq-Šāh nördlich beziehungsweise südlich an das westiranische Kernland des (irakischen) Sultans anschlossen (s. u., S. 251/296 und 269 f.), erstreckte sich das Masʿūd unterstellte Herrschaftsgebiet über weite Teile der Ǧazīra bis hinein nach Syrien und Aserbaidschan und war damit quasi das westliche Pendant zu jenem Teilfürstentum, das Sanǧar als malik al-mašriq hielt. Offenbar hatte Sultan Muḥammad das östliche Erfolgsmodell zum Vorbild genommen und beabsichtigt, die Macht am unruhigen, angegriffenen Westrand des Imperiums1035 in ähnlicher Weise zu konzentrieren. Tatsächlich wurde in Anlehnung an den Vizekönig von Ḫurāsān sogar der neue Titel malik al-maġrib gebraucht,1036 welchen Masʿūd auf einem BI-DirhamTyp aus der Regierungszeit seines Vaters trägt!1037

1034 Obwohl erst im Herbst 1117 geboren, war eventuell auch schon dem fünften und jüngsten Bruder, Sulaimān-Šāh b. Muḥammad, ein eigenes Teilfürstentum zugedacht worden: das von Rayy. 1035 S. dazu Heidemann, Renaissance der Städte, S. 197 ff. („Konsolidierung und Anarchie in der Mosuler Provinz“) und 212 ff. („Reichsseldschukische Initiativen gegen die fränkischen Staaten“). 1036 Bundārī, Zubda, S. 132; hier malik al-ġarb, bei Ḥusainī (Aḫbār, S. 96) malik al-maġrib; Masʿūd erhielt diesen Titel li-ḥadd mamlakatihī. 1037 Für den Hinweis auf diesen Münztyp bin ich Lutz Ilisch dankbar; zur FINT-Sammlung gehören drei solcher Stücke. In Ṭabāṭabāʾīs Sekkehā-ye eslāmī-ye Īrān ist der Typ zwar publiziert (S. 500 f.; drei Stück), doch wurde hier statt malik al-maġrib Masʿūd falsch ‫ الال بن مسعود‬gelesen! In der Zeile über dem „König des Westens“ erscheint der Kalif al-Mustaẓhir, während das Rev.-Feld ganz assulṭān al-muʿaẓẓam Muḥammad gehört. Prägeort und -jahr stehen in der schwer lesbaren Rev.-Umschrift.

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Der „König des Westens“

Vizekönigreich des maliks der nördlichen Ǧibāl

Vizekönigreich des malik al-maġrib

Kerngebiet des Sultans

Vizekönigreich des malik al-mašriq

Vizekönigreich des maliks von Fārs

Schaubild 4  Die vier selǧuqischen Vizekönigreiche beim Tode Sultan Muḥammads I.

Eine solche Münze des malik al-maġrib, auf die ich in der ANS-Datenbank stieß,1038 dürfte es sogar erlauben, das Jahr 504 H. (1111, s. u.) zu lesen1039 sowie den aserbaidschanischen Prägeort Madīnat Urūmiya (Urmiya, ANS falsch: Iṣfahān). Ein anderer dirham-aswad-Typ des maliks Masʿūd wurde bei Grabungen in Ḥarrān gefunden.1040 Das Zentrum der „Westlande“, von dem aus auch der Kampf gegen die Kreuzfahrer ausging, war allerdings definitiv Mosul, dessen Emir-Gouverneur im frühen 12. Jahrhundert mit einer Frequenz ausgewechselt wurde, die ʿImād ad-Dīn Zangī (ehe er selbst für lange Zeit Herr ebendieser Stadt wurde) einmal klagen ließ, es geschehe geradezu jeden Tag.1041 Dabei war es in Wahrheit gar nicht so schlimm: Als der kleine Masʿūd 1111 von seinem Vater in die Diyār Rabīʿa entsandt wurde, regierte hier (seit 1108) der isfahsālār Šaraf ad-Dīn Maudūd b. Altun-Tegin (gest. 1113), auf den 1114 Saif ad-Dīn Aq-Sonqur al-Borsuqī folgte. 1115/1116 übernahm dann Čaʾuš-Beg Öz-Aba den wichtigen Posten des Gouverneurs von Mosul und wurde damit zugleich Masʿūds dritter Atabeg. Aufmerksamkeit verdient, dass der Emir (und muqṭaʿ) von Mosul anderen wulāt der Region vorgeordnet war, er also das Kommando über Subgouverneure in Städten wie Ǧazīrat Ibn ʿUmar (heute Cizre) oder Sinǧār hatte. Dies macht ihn dem

1038 ANS 0000.999.7448. Das Stück wurde in der MANTIS-Datenbank nur Sultan Muḥammad zugeordnet. 1039 Statt ḫams-miʾa steht wohl nur ḫams und nach sana ist recht deutlich ‫ ار‬sichtbar. 1040 S. Heidemann, „Fundmünzen von Ḥarrān“, S. 274, 282–284, 291 f. (Av.-Feld: al-malik, Rev.-Feld: Masʿūd; Nennung Sultan Muḥammads und des Kalifen al-Mustaẓhir in den Umschriften). Derartige Münzen (zur FINT-Sammlung gehören vier) könnten in Ḥarrān geprägt worden sein oder in Mosul. 1041 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 229 (kull yaum li-’l-Mauṣil amīr ǧadīd).

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Das Teilreich der Irak-Selǧuqen

šiḥna von Bagdad vergleichbar; die Herrschaft über Mesopotamien basierte quasi auf zwei Schlüsselstellungen – einer im Süden (Irak) und einer im Norden (Ǧazīra). Mit Sanǧars Aufstieg zum „allergrößten“ Sultan änderte sich für den „König des Westens“ und seinen Atabeg wahrscheinlich kaum mehr, als dass auch diese beiden nun über Sultan Maḥmūd II. zusätzlich noch dessen Oberherrn anerkannten. Es dauerte allerdings kein volles Jahr, bis Čaʾuš-Beg die neue Ordnung zumindest teilweise infrage stellte, indem er – angestiftet von Dubais II. – gegen Maḥmūd rebellierte und seinen minderjährigen Schützling Masʿūd zum Gegensultan ausrief.1042 Wie er dabei zu Sanǧar stand, geht aus den Quellen nicht hervor. Ziel des Atabegs war es zunächst, Hamadān zu erobern, wofür er gemeinsam mit Masʿūd, dessen neuem Wesir und einem großen Heer ins Zāgros-Gebirge vorstieß. Aus der Schlacht, zu der es im Juni 11201043 am Pass von Asadābād kam, ging jedoch Maḥmūd als Sieger hervor, woraufhin Masʿūd, beim Versuch zu entkommen, von Aq-Sonqur al-Borsuqī ergriffen und vor seinen Bruder gebracht wurde. Letzterer verzieh ihm, wobei interessant ist, dass Maḥmūd mit Masʿūd teilweise bis ins Detail auf die gleiche Weise verfuhr wie kurz zuvor Sanǧar mit ihm! So musste der Unterlegene persönlich ins Lager des Siegers kommen, wo er ehrenvoll empfangen wurde und bei seiner Mutter wohnte. Vor den thronenden Subsultan getreten hatte er den Boden zu küssen, ehe ihn sein älterer Bruder – die öffentliche Unterwerfung akzeptierend – umarmte und zwischen die Augen küsste, während beide weinten. Als Zeichen der Versöhnung beschenkte Maḥmūd Masʿūd sogar mit einem Ehrengewand, welches er selbst in Rayy von Sanǧar erhalten hatte.1044 Insgesamt waren es 28 Tage des Jahres 1120, in denen Masʿūd in der ḫuṭba der Ǧazīra und Aserbaidschans anstelle Maḥmūds als Sultan genannt und seine Rangerhöhung durch einen čatr sowie die fünffache nauba angezeigt wurde. Dass Maḥmūd ihm – und sogar Čaʾuš-Beg – die Rebellion vergab, bedeutete wohlgemerkt nicht, dass der Zwi-

1042 Dies und das folgende nach: Muǧmal at-tawārīḫ, S. 414; Bundārī, Zubda, S. 132 f.; Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 186; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 191 f.; Rašīd ad-Dīn, Ǧāmiʿ – Selǧuqen, S. 73 f. Statt Čaʾuš-Beg steht oft Ǧuyūš-Beg, etwa auch bei Heidemann, Renaissance der Städte, S. 231, wo Masʿūds Erhebung kurz erwähnt wird. Der türkische ism des Emirs wurde meist AiAba gelesen, doch lässt mich der numismatische Befund klar Öz-Aba bevorzugen (Heidemann: Uzbeh). Masʿūd, der Spielball dieses seines Atabegs, rief beim Anblick seines großen Bruders vor der Schlacht laut nach diesem und wollte zu ihm, wurde aber von Čaʾuš-Beg zurückgehalten. Sein Wesir Abū Ismāʿīl aṭ-Ṭuġrāʾī wurde nach dem Kampf hingerichtet. 1043 Das Jahr wird in den Quellen unterschiedlich angegeben. Ibn al-Ǧauzī (und danach Ibn al-Aṯīr, Sibṭ Ibn al-Ǧauzī) sowie al-ʿAẓīmī (Taʾrīḫ Ḥalab, S. 370): 514 H. (1120); Rašīd ad-Dīn: falsch 524 für 514 H.; Bundārī (und danach Ḥusainī) sowie im Muǧmal at-tawārīh: 513 H. (1119). Der Monat ist immer der Rabīʿ I. Im Muǧmal wird exakt Donnerstag, der 18. angegeben, doch war der 18. Rabīʿ I nicht 513, sondern erst 514 H. ein Donnerstag (das gleiche gilt für den anschließend genannten Dienstag, den 23. Rabīʿ I, an dem Masʿūd vor Maḥmūd trat). Auch das bei Rašīd ad-Dīn zu findende Datum Dienstag, 16. Rabīʿ I passt nur zum Jahr 514 H. 1044 Springberg-Hinsen, Ḫilʿa, S. 176: „ein besonders ehrenvolles und symbolträchtiges Geschenk […]. Masʿūd mußte durch die Annahme des geschenkten Kleides notgedrungen seine Loyalität gegenüber den anderen Mitgliedern der Herrscherfamilie bekunden.“.

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schenfall für beide keine Konsequenzen hatte. Čaʾuš-Beg musste Mosul und Dependenzen an Aq-Sonqur al-Borsuqī abtreten und nach Aserbaidschan gehen, wo er 1122 getötet wurde. Welche Entscheidung hinsichtlich Masʿūds Stellung fiel, wird in den Quellen zwar nicht genau gesagt, doch ergibt sich, dass das Teilfürstentum des malik al-maġrib nach zehnjährigem Bestand aufgelöst wurde; der Emir von Mosul regierte vorerst ohne einen selǧuqischen Vizekönig an seiner Seite. Masʿūd erhielt einen neuen Atabeg1045 und hatte sich offenbar fürs Erste an Maḥmūds Hof aufzuhalten. Zu irgendeinem Zeitpunkt (1121/1122?) entfernte ihn dann sein Onkel Sanǧar aus dem Teilreich des irakischen Subsultans, indem er ihn zu sich in den Osten kommen ließ.1046 Über den Ausgang der Schlacht bei Asadābād war das Dynastieoberhaupt bereits durch einen Brief unterrichtet worden, welchen ihm Maḥmūd gleich nach seinem Sieg geschrieben hatte. Sowohl die schnelle Unterwerfung der Rebellen als auch die anschließende Versöhnung beider Brüder waren gänzlich in Sanǧars Interesse, sodass die Nachricht davon höchst zufrieden stimmte und ihr Überbringer geehrt wurde. Sibṭ Ibn al-Ǧauzī1047 bietet an dieser Stelle noch eine kurze Aufzählung jener Territorien, über die Maḥmūd vom „allergrößten“ Sultan als Vasallensultan eingesetzt worden war, wobei Beachtung verdient, welcher Ort als westlichster genannt ist. Es handelt sich um al-ʿArīš, ein Städtchen an der Mittelmeerküste der Sinai-Halbinsel, das damals die Grenze zwischen dem Kreuzfahrerkönigreich von Jerusalem und dem Kalifat der Fāṭimiden markierte. Maḥmūds Herrschaftsbereich sollte also die kompletten bilād aš-Šām umfassen; die Westgrenze seines Imperiums sah Sanǧar exakt dort, wo das geschrumpfte Reich der Kalifen von Kairo begann. Faktisch erstreckte sich die Macht der Selǧuqen um 1120 allerdings längst nicht mehr bis ans Mittelmeer. Der vom Sultan eingesetzte Gouverneur von Mosul, in dessen Zuständigkeit die Levante lag, kon­ trollierte nicht einmal jene Teile Syriens, in denen sich keine Kreuzfahrer festgesetzt hatten. Erst Zangī, einer der bedeutendsten Emire des Sanǧar-Reiches, sollte hieran etwas ändern und zu einem Herrscher avancieren, dem zwar vielleicht der Titel fehlte, welcher davon abgesehen aber durchaus so etwas wie der „König des Westens“ war. IV.6.5.2 Das Emirat der Zangiden von Mosul Wie Ibn al-Aṯīr, der Hofchronist der Zangiden (!), in Zusammenhang mit ʿImād adDīn Zangīs erfolglosem Krieg gegen den Kalifen al-Mustaršid im Jahre 526 H. erklärt, hatte Zangī von Sanǧar das begehrte Amt des Präfekten von Bagdad erhalten.1048 Wohl

1045 Bundārī, Zubda, S. 133. 1046 Muǧmal at-tawārīḫ, S. 415. Im Herbst 1121 war Masʿūd noch bei Maḥmūd in Bagdad. In Ḥaiṣa-Baiṣas Dīwān (Bd. I, S. 184) findet sich eine Kasside, die 1128 an Masʿūd in Ḫurāsān gerichtet wurde. 1047 Mirʾāt, ed. al-Ġāmidī, S. 704. 1048 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 264; s. auch Ibn al-Furāt, Taʾrīḫ ad-duwal wa-’l-mulūk, S. 192.

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in Anlehnung an Ibn Wāṣil1049 meint Taef El-Azhari nun, dass sich diese Aussage auch auf das genannte Jahr bezieht und besagte Vergabe des šiḥna-Postens erfolgte, während Toġrı̊ l II. von seinem Onkel 1132 in den Ǧibāl gegen Masʿūd durchgesetzt wurde.1050 Ibn al-Aṯīrs Worte sind jedoch vielmehr so zu verstehen, dass sich Zangī zu dieser Zeit daran erinnerte, seine einstige Ernennung zum Präfekten (nicht zuletzt) dem Großsultan zu verdanken (ḏakara anna ’s-sulṭān Sanǧar qad aʿṭāhu šiḥnakīyat Baġdād). Bezug genommen wird also sicherlich auf Zangīs bekannte (und einzige) Amtszeit als šiḥna der Tigris-Metropole im Jahre 1127, auch wenn Ibn al-Aṯīr in seinem Bericht zur Einsetzung durch Maḥmūd II. anno 521 H. die Rolle Sanǧars nicht erwähnt.1051 Von Bagdad wurde Zangī nach Mosul versetzt.1052 Bereits vor den Zangiden hatte es hier die Tendenz zu einer Gouverneursdynastie gegeben: Nachdem der Emir Aq-Sonqur al-Borsuqī 1126 ermordet worden war, hatte ihn zunächst sein Sohn ʿIzz ad-Dīn Masʿūd beerben dürfen,1053 auf den sodann ein noch minderjähriger Bruder nachfolgen sollte. Dieses Mal entschied sich Sultan Maḥmūd jedoch gegen al-Borsuqīs Nachkommenschaft und vertraute Mosul und Dependenzen, das heißt auch (Teile von) Syrien, stattdessen Zangī an. Letzterer zog im Herbst 1127 in die Hauptstadt der Ǧazīra ein und begann sogleich, seine Herrschaft zu sichern und auszubauen – mit dem neuen Posten war, wie gesagt, die Aufgabe verbunden, im „wilden Westen“ des Reichs „aufzuräumen“. So brachte Zangī bis 1128 nicht nur Mosul, ar-Raḥba am Euphrat, Ǧazīrat Ibn ʿUmar, das zuletzt artuqidische Naṣībīn (Nusaybin), Sinǧār, das Ḫābūr-Gebiet sowie Ḥarrān unter seine Kontrolle,1054 sondern auch Manbiǧ, Buzāʿa und vor allem Aleppo – weitere Territorien sollten folgen. Überall installierte er eigenverantwortlich Subgouverneure, während eingesessene Lokaldynasten mit der Zeit rigoros entmachtet wurden. Beispielsweise beendete Zangī 1133/1134 die Herrschaft vieler kurdischer

1049 Mufarriǧ, Bd. I, S. 48. 1050 Azhari, Zengi, S. 26: „During the chaos, Sultan Sanjar declared his support for the insignificant Tughril b. Muhammad I and appointed Zengi as the shihna of Baghdad. […] What is striking here is the appointment of Zengi as shihna by the far-away Sanjar, which reflects the supreme sultan’s full trust in and need of Zengi’s ability and loyalty to help impose his candidate Tughril in 1131/2.“ Falsch ist auch, was auf S. 122 steht: „Zengi himself was appointed shihna of Baghdad by Supreme Sultan Sanjar in 1131 and he remained in that post until Sultan Mas‘ud installed his own shihna, Boz Aba“. 1051 Der Hauptgrund für die Einsetzung dürfte Zangīs große Hilfe für Maḥmūd bei dessen Kampf gegen al-Mustaršid 1126–1127 gewesen sein, welchen Sanǧar ja befohlen hatte. 1052 S. dazu Heidemann, Renaissance der Städte, S. 245 ff. 1053 Von Aq-Sonqur und Masʿūd (gest. 1127) sind Dirhams bekannt, s. Ilisch, „Unedierte Silbermünzen“, S. 11 (Prägungen Aq-Sonqurs, vielleicht aus ar-Raḥba; Nennung Sultan Muḥammads) mit Anm. 10 auf S. 12 bzw. Ṭabāṭabāʾī, Sekkehā-ye eslāmī-ye Īrān, S. 511–513 (offenbar aserbaidschanische Prägungen Masʿūds; die darauf genannten Personen sind falsch identifiziert; Nennung Sultan Maḥmūds II. ohne Sanǧar). 1054 Ar-Ruhā, Sarūǧ und al-Bīra gehörten zur Grafschaft Edessa, einem der Kreuzfahrerstaaten.

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Burgherren (von denen er einige zunächst bestätigt hatte) und beseitigte 1141/1142 die ʿUqailiden-Linie von ʿĀna und Ḥadīṯa (am Euphrat).1055 Wie war es nun um die Verbindung zwischen Zangī in Mosul und dem Reichsoberhaupt im Osten bestellt? Welchen Einfluss hatte Sanǧar – der ja in Sinǧār zur Welt, als Herrscher jedoch nie so weit in den Westen gekommen war – auf den mächtigen Emir der Ǧazīra? Teilweise wurde diese Frage bereits in Zusammenhang mit den ʿAbbāsiden und Dubais II. beantwortet, doch seien hier noch einmal vier wichtige Entwicklungen herausgestellt: Als sich Sanǧar 1128 mit Maḥmūd in Rayy traf, wies er seinen Neffen an, Mosul und Dependenzen von Zangī an Dubais zu übertragen, doch konnte Zangī den Juniorsultan persönlich und mittels reicher Präsente (es flossen 100 000 Dinar) dazu bewegen, von dieser gravierenden Personalveränderung abzusehen. Auch der Kalif hatte sein Plazet verweigert, sodass Sanǧars Vorgabe am Ende nicht realisiert wurde.1056 Sofern sie weiter entfernte, aus ḫurāsānischer Perspektive gar periphere Länder wie die Ǧazīra und Syrien betrafen, ließen sich die Direktiven des Großsultans offenbar zur Not als nur bedingt bindend betrachten; zumindest meinte Maḥmūd wohl, es sich in diesem Fall erlauben und es vor seinem Onkel rechtfertigen zu können, den Plan noch einmal an die aktuellen Umstände anzupassen. Sicher ist Sanǧars Anordnung auch nicht so zu verstehen, dass sich der Selǧuqensenior damit gegen Zangī wandte und diesen entmachten wollte. Vielmehr dürfte es ihm einfach darum gegangen sein, seinem Günstling Dubais einen Gefallen zu erweisen und hiervon persönlich zu profitieren.1057 ʿImād ad-Dīn Zangī blieb also dauerhaft Herr von Mosul, womit das an Ruhe und Ordnung interessierte, Verlässlichkeit schätzende Reichsoberhaupt kaum unglücklich gewesen sein dürfte. Zangīs Herrschaftsgebiet war ja Teil des westlichen Subsultanats,1058 sodass Sanǧar davon ausgehen konnte, dass auch seine Oberhoheit bis in den Westen offiziell anerkannt wurde. Direkt kontaktiert und in die Pflicht genommen wurde der Emir der Ǧazīra vom „allergrößten“ Sultan, wie gesagt, in den Jahren 1131 und 1132. Der erste Grund war der, dass Dubais nach seiner Gefangennahme bei 1055 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 274–276. Der Emir der Ḥumaidī-Kurden hieß ʿĪsā, zu seinen Festungen zählten Šūš und al-ʿAqr im Tigrisgebiet südlich von Mosul. Andere Burgen wie Ašib (heute Amêdî oder Amediye, arabisch al-ʿImādīya – der Name geht auf Zangīs laqab zurück!) und Kawāšī in den Bergen nordlich von Mosul wurden den Hakkārī- bzw. Mihrānī-Kurden entrissen; s. auch Azhari, Zengi, S. 51 ff. Die ʿUqailiden (genauer Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 26: āl Muhāriš) sind bei Azhari (op. cit., S. 92) „unknown Arab chiefs“. 1056 S. auch o., S. 200 f. 1057 Vermutlich versprach sich Sanǧar von dem Mazyadiden, dass dieser in erster Linie als sein Vertreter regiert, al-Mustaršids Machtentfaltung zuverlässig restringiert und auch Maḥmūd dauerhaft gehorsam gehalten hätte. Es sei daran erinnert, dass Sanǧars Anordnung an Maḥmūd, Dubais als wālī von Mosul zu bestallen, Ibn Ḫallikān (Wafayāt, Bd. II. S. 327 f.) zufolge in die Zeit gehört, bevor Zangī dieses Amt erhielt – der Mazyadide hätte demnach gleich 1127 direkt auf al-Borsuqīs Sohn folgen sollen. 1058 Heidemann (Renaissance der Städte, S. 246 f.) erklärt zu Recht, dass Zangīs politisches Streben darauf gerichtet war, eine stabile Herrschaft innerhalb des selǧuqischen Reiches aufzubauen, und er seine Herrschaft noch als Teil des großselǧuqischen Reiches begriff.

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Damaskus an Zangī ausgeliefert worden war und dieser ihn freilassen und beschützen sollte. Hierzu habe Sanǧar, wie Ibn al-Azraq1059 schreibt, den Herrn von Mosul angewiesen und Bar Hebräus (Bar ʿEbroyo) weiß in Zusammenhang mit den Bemühungen des maliks Masʿūd, Maḥmūd als Sultan zu beerben, gar folgendes zu berichten: „Masʿūd […] kam zu Zangī nach Mosul und bat ihn um Gold und [militärische] Unterstützung für einen Feldzug gegen den Kalifen [al-Mustaršid]. Zudem fragte er nach Dubais, dem König der Maʿadd, um diesen zum Kalifen zu bringen […]. Zangī antwortete daraufhin: ‚Gold kann ich dir geben, 50 000 Dinar, und auch so viele Sklaven, Dienerinnen und Pferde wie du möchtest, nur nicht Dubais, weil ich eine Anweisung von Sultan Sanǧar erhalten habe, gemäß der ich ihn an niemanden ausliefern darf, und es ist mir nicht möglich, gegen Sanǧars Anordnung zu verstoßen.‘“1060

Nachdem Zangī, der wohlgemerkt als Feind des „Araberkönigs“ galt, Sanǧars Anweisungen befolgt hatte – Dubais wurde zu seiner Überraschung sogar geehrt und beschenkt1061 –, wies ihn das unlängst in den persischen Irak gezogene Selǧuqenoberhaupt zudem an, Bagdad zu erobern. Hier sollte er – so der zweite Grund – dafür sorgen, dass in der ḫuṭba zum einen wieder Sanǧar und zum anderen, an zweiter Stelle, Toġrı̊ l II. genannt wurde.1062 Zwar schafften es Zangī und Dubais nicht, die Kalifenstadt einzunehmen, doch bewirkte ihr Vorrücken immerhin, dass al-Mustaršid gezwungen war, mit seinen Truppen im arabischen Irak zu bleiben, statt an der Seite Masʿūds, Selǧuq-Šāhs und Qaračas gegen Sanǧar und Toġrı̊ l zu kämpfen – bekanntermaßen ging die Schlacht zugunsten des Großsultans aus (s. o.). El-Azhari wundert sich in diesem Zusammenhang, „how Zengi was cooperating at the same time with two Seljuq sultans, Sanjar and Mas‘ud“,1063 übersieht aber die Abfolge der Ereignisse: Als Zangī gemäß Sanǧars Willen auf Bagdad marschierte,1064 war seine anfängliche, erfolglose Kooperation mit Masʿūd gegen Selǧuq-Šāh und Qarača bereits beendet.1065 Im Gegenzug für Zangīs Un1059 Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 201. 1060 Bar ʿEbroyo, Maḵtḇonūṯ Zaḇne, tr. Budge, S. 256 (meine Übersetzung nach der englischen von Budge); mit Maʿadd (Budge: Maʿdāyē) sind die beduinischen Nordaraber gemeint. Wahrscheinlich hatte Masʿūd geplant, den Mazyadiden in Bagdad an dessen Erzfeind al-Mustaršid auszuliefern, wenn letzterer ihn im Gegenzug als neuen Sultan anerkennt. 1061 S. Ibn al-ʿAdīm, Zubda, S. 306 f.; Dubais erhielt von Zangī in Aleppo u. a. 100 000 Dinar und eine prächtige ḫilʿa (Seidensatin-ǧubba + Turban). Wie Ibn al-ʿAdīm (Buġya, S. 3848) zu berichten weiß, schenkte Zangī dem Mazyadiden, was er kurz vorher bei der Festnahme des kalifalen Abgesandten Ibn al-Anbārī erbeutet hatte. 1062 Ibn al-Aṯīr, at-Taʾrīḫ al-bāhir, S. 44. 1063 Azhari, Zengi, S. 26, wo ferner zu lesen ist: „The sources do not furnish us with any more information on how Zengi was cooperating at the same time with two Seljuq sultans, Sanjar and Mas‘ud. The only interpretation is that Zengi was taking a risk with the remote Sanjar and the nearby Mas‘ud at the same time.“). 1064 El-Azhari, Zengi, S. 27: „Zengi followed his own interests and Sanjar’s order to march on Baghdad“. 1065 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 262–265.

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terstützung im Ringen um das Sultanat hatte Masʿūd das Territorium des Emirs von Mosul damals übrigens um Irbil erweitert. Die Stadt war erst kurz zuvor von Zangī okkupiert worden, nachdem sie bis dahin zu jenem Teilfürstentum gehört hatte, das Masʿūd als malik von Aserbaidschan regierte. Nicht lange davor war Irbil der Sitz einer kurdischen Lokaldynastie gewesen, der des Abū ’l-Haiǧāʾ b. Mūsak al-Haḏbānī.1066 Dieser Emir hatte die Stadt bereits um 1105 regiert; 1127, als Maḥmūd II. Bagdad angriff, verriet Abū ’l-Haiǧāʾ den Kalifen und lief zum Sultan über.1067 Etwa zur gleichen Zeit erhielten seine Söhne Faḍl1068 und Abū ʿAlī von ʿIzz ad-Dīn Masʿūd b. al-Borsuqī die Kontrolle über die Festung von Irbil, nachdem diese den Haḏbānīs 1123/1124 genommen worden war.1069 Abū ’l-Haiǧāʾ könnte noch 1127 verstorben sein;1070 jedenfalls blieb Irbil nach seinem Tod noch kurz in Familienbesitz. Zangī installierte hier schließlich seinen türkischen Emir Zain ad-Dīn Abū ’l-Ḥasan ʿAlī Küčük,1071 den Begründer der bis 1233 regierenden Begteginiden-Dynastie. Das vierte (uns bekannte) Mal, dass der Herr von Mosul in den Fokus des „Sultans der Sultane“ geriet, hing mit Zangīs Unterstützung für den Kalifen ar-Rāšid zusammen.1072 Der in Bagdad abge- und durch al-Muqtafī ersetzte Sohn al-Mustaršids hielt sich seit seiner Flucht aus der Tigris-Metropole im Herbst 1136 nicht einfach nur in Mosul auf, sondern wurde in Zangīs gesamtem Herrschaftsgebiet weiterhin offiziell als (einziger) Kalif anerkannt. Die Spaltung ging sogar noch tiefer: Als Subsultan ließ Zangī anstelle Masʿūds dessen über Aserbaidschan gebietenden Neffen Dāwūd b. Maḥmūd in der ḫuṭba nennen, womit in Teilen des Selǧuqenreiches eine Parallelhierarchie Anerkennung fand, innerhalb derer gleich zwei Ebenen entgegen Sanǧars Willen besetzt waren. Masʿūd und sein Onkel erkannten natürlich, welch besondere Gefahr von diesem Block ausging und dass ihm keine Zeit gegeben werden durfte, sich weiter zu stabilisieren. Ar-Rāšid drohte zu einem dauerhaften Legitimationsquell für alternative Ordnungen zu werden und konnte von seinen Anhängern ja mit dem Argument verteidigt (und beworben) werden, dass al-Mustaršid ihn regulär zum Nach1066 Ibn Wāṣil, Mufarriǧ, Bd. I, S. 97. Die Geschichte dieses Hauses wäre erst noch zu rekonstruieren; für das 5. Jh. H. ist eine Reihe von Haḏbānī-Herrschern in Irbil belegt, darunter einige „Söhne des Mūsak“. 1067 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 102–104, 143, 175, 239. 1068 Ibn Munqiḏ, al-Iʿtibār, S. 87. 1069 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 237. 1070 Es ist eher nicht anzunehmen, dass Abū ’l-Haiǧāʾ b. Mūsak (oder vielleicht besser: Ibn Mūsak), der Herr von Irbil, mit Abū ’l-Haiǧāʾ b. ʿAbd Allāh, dem 1133/1134 bei Zangī in Mosul verstorbenen Burgherrn von Ašib (s. o., Anm. 1055) und Nūšī, identisch ist. Letzterer – zu ihm sowie zu seinen Söhnen Aḥmad und ʿAlī s. Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 275 – war nämlich auch kein Haḏbānī-, sondern ein Hakkārī-Kurde; zu Aḥmads Nachkommen: Ibn Ḫallikān, Wafayāt, Bd. I, S. 180 ff. 1071 Ibn Wāṣil, Mufarriǧ, Bd. I, S. 97. 1072 Die folgenden Ausführungen nach: Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 321 f.; Ibn al-Aṯīr, atTaʾrīḫ al-bāhir, S. 53 f.; Ibn al-Furāt, Taʾrīḫ ad-duwal wa-’l-mulūk, S. 300 f., 319–324 (u. a. nach Ibn Abī Ṭayyiʾ); Ibn al-Qalānisī, Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 256 f.; al-ʿAẓīmī, Taʾrīḫ Ḥalab, S. 387 f.; Ḥusainī, Aḫbār, S. 108; Michael der Syrer, Chronik, tr. Chabot, Bd. III, S. 242.

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folger bestimmt hatte. Hinzu kam, dass auch Dāwūd beim Tode seines Vaters dessen valī-ʿahd gewesen war, es sich also quasi um eine Allianz der rechtmäßigen Thronerben handelte, unterstützt vom mächtigsten Emir des Westens. Der Mann, den Sanǧar zwecks Durchsetzung seiner Kandidaten entsandte, war der Eunuch Yumn al-ʿIrāq(ī). Dieser hatte, wie bereits dargestellt, in Bagdad die Instruktion übermittelt, gemäß derer Sultan Masʿūd dem Kalifen al-Muqtafī noch einmal in Stellvertretung für das Selǧuqenoberhaupt den Treueeid geleistet hatte. Der schwierigere Teil seiner Mission stand Yumn damit aber noch bevor; sein nächstes Ziel hieß Mosul. Auch ar-Rāšid und Zangī hatten auf die Kunde von al-Muqtafīs Installation hin Boten nach Bagdad geschickt, doch wurde nur der des Emirs empfangen.1073 Die Verhandlungen liefen letztlich darauf hinaus, zu welchem Preis der Herr von Mosul und Aleppo seinen ʿabbāsidischen Gast – dem er es in Mosul an nichts fehlen ließ – aufgeben und ebenfalls al-Muqtafī akzeptieren würde. Neben zusätzlichen alqāb wurden Zangī zehn Territorien aus dem Kronland (ḫāṣṣ) des Kalifen als iqṭāʿ in Aussicht gestellt, darunter Ṣarīfain und Darb Hārūn, zwei Landgüter des fruchtbaren Duǧail-Distrikts (südwestlich von Sāmarrāʾ), welche jährlich über 12 000 Dinar abwarfen. Dergleichen hätte, wie man betonte, bisher noch kein Provinzherrscher erhalten und in der Tat ging Zangī auf das Angebot ein. Er ließ sich die beglaubigten Dokumente zu ar-Rāšids Absetzung nach Mosul senden, wo sie geprüft und vom Oberkadi az-Zainabī für korrekt befunden wurden. Am Ende konnte Yumn, welcher in Mosul angekommen auftragsgemäß die Verstoßung des hier residierenden Gegenkalifen gefordert hatte, Zangī sowie (im Anschluss?) den Syrern die baiʿa für al-Muqtafī abnehmen, woraufhin letzterer ab April 1137 auch in der Ǧazīra und den bilād aš-Šām anerkannt wurde.1074 Das gleiche gilt für Masʿūd, welchen Zangī fortan wieder anstelle Dāwūds als Juniorsultan in ḫuṭba und sikka aufführen ließ. Ar-Rāšid hatte eine solche Einigung wohl schon befürchtet und musste nun den Machtbereich des Emirs von Mosul verlassen, um nicht noch – wie von Masʿūd gewünscht, aber von ʿAlī Küčük, dem Gouverneur von Irbil, verhindert – ausgeliefert zu werden. Wenig später kam Zangī schließlich auch der Aufforderung nach, den kalifalen qāḍī ’l-quḍāt az-Zainabī aus Mosul zurück nach Bagdad zu schicken,1075 und erhielt von Boten des Kalifen sowie des Subsultans Ehrengeschenke.1076 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der „Sultan der Sultane“ in Sachen Mosul (zumindest soweit überliefert) immer nur in Verbindung mit den ʿAbbāsiden und/oder Dubais II. aktiv wurde – nie wegen einer Angelegenheit ohne solche 1073 Zangīs Mann war der Kadi Kamāl ad-Dīn Muḥammad b. ʿAbd Allāh aš-Šahrazūrī. 1074 Der in Ḥiṣn Kaifā regierende Artuqide Dāwūd b. Sökmen ließ al-Muqtafī anscheinend erst ab 1138 in der ḫuṭba nennen, s. Ibn al-Azraq, Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 218. 1075 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 307. S. auch noch Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 323 (dazu wie, von Trommelschlägen begleitet, am Nubischen Tor öffentliche Bekanntmachungen in Sachen ḫuṭba und Oberkadi az-Zainabī verlesen wurden). 1076 ʿAẓīmī, Taʾrīḫ Ḥalab, S. 389, 394; Ibn al-Qalānisī, Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 263.

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(überregionalen) Verwicklungen, bei der es allein oder primär um Zangī und dessen Landespolitik für Nordmesopotamien und Syrien gegangen wäre. Hierin zeigt sich ein Unterschied zu Sanǧars großem Interesse an Bagdad. Zwar lässt sich der Einfluss des Selǧuqenoberhaupts für das Emirat von Mosul noch problemlos nachweisen, doch war er in dieser Region schon um einiges geringer. Das Zentrum der Diyār Rabīʿa darf wohl als westlichster Punkt jener Zone angesehen werden, in der sich Sanǧar – wenngleich nicht in persona vor Ort – noch selbst engagierte. Bemerkenswert ist, dass ebenso die irakischen Sultane nie mehr persönlich in die Ǧazīra kamen; der letzte, welcher es bis Mosul geschafft hatte, war Muḥammad I. gewesen. Dabei lag die Region natürlich zunächst im Zuständigkeitsbereich des Juniorsultans, dessen Hof es folglich auch war, an dem Zangīs ältester Sohn Ġāzī als politische Geisel leben musste. Zumindest Masʿūd wollte durchaus etwas gegen den bedrohlichen Machtzuwachs des Emirs von Mosul unternehmen, doch soll Zangī immer wieder Aktivitäten gefördert haben, die den Irak-Selǧuqen von einem Ǧazīra-Feldzug abhielten. Darüber hinaus zog es Zangī im Ernstfall vor und war finanziell dazu in der Lage, sich ein friedliches Übereinkommen mit dem permanent in Geldnöten schwebenden Subsultan zu erkaufen.1077 Welchen Platz nahmen Zangī und seine Nachfolger nun innerhalb von Sanǧars imperialem Herrschaftssystem ein? Der selbst über lokale Machthaber gebietende Emir-Gouverneur von Mosul1078 unterstand, wie gesagt, dem westlichen Subsultan, doch gestaltete sich die Hierarchie noch etwas komplexer. Zwischen Zangī und dem Juniorsultan war im Westen nämlich nach einigen Jahren ohne Vizekönig wieder die malik-Ebene eingezogen und mit einem Sohn Maḥmūds II. besetzt worden, als dessen Atabeg der Emir von Mosul fungierte.1079 Nun gab es aber ab einem bestimmten Zeitpunkt gleich zwei Selǧuqenprinzen in Zangīs „Obhut“, die in den Quellen sowie in der Sekundärliteratur für gewöhnlich miteinander verwechselt oder – die Verwirrung ist groß – für ein und dieselbe Person gehalten werden. Es handelt sich um die Brüder Alp-Arslan und Farruḫ-Šāh b. Maḥmūd, bezüglich derer sich vor allem die Fragen stellen, wer (von beiden) wie lange auf dem Thron sitzen durfte und welches Ende fand. Es folgt der Versuch, einige Antworten zu geben und so die politischen Verhältnisse in Zangīs Machtbereich weiter zu klären. Farruḫ-Šāh gelangte wohl frühestens 1130 auf abenteuerlichen Umwegen nach Mosul; er ist derjenige Prinz, welcher von Dubais entführt wurde, dann beim ʿUqaili1077 S. etwa Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 328 f.; Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 123; Azhari, Zengī, S. 34. Als die Byzantiner 1138 Aleppo bedrohten und Zangī deshalb um militärische Hilfe bat, wollte Masʿūd ein so großes Heer nach Westen schicken, dass sich Zangī davor fürchten musste, auf Anordnung des Sultans selbst besiegt zu werden. 1078 Beispielsweise befolgte der Emir von ar-Raḥba 1131 Zangīs Befehl, den kalifalen Abgesandten Ibn al-Anbārī festzunehmen (Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 263). 1079 In Heidemanns Renaissance der Städte (s. S. 245 ff.) blieb dieser – für den Aufbau der zangidischen Herrschaft, deren Einbindung ins Selǧuqenreich und die Vereinigung der Westprovinz(en) so wichtige – Punkt gänzlich unberücksichtigt.

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den-Emir von Qalʿat Ǧaʿbar weilte und womöglich deshalb den Beinamen al-Ḫafāǧī trug.1080 Was Abū Ṭālib Alp-Arslan b. Maḥmūd angeht, so ist anzunehmen, dass wenigstens er Zangī von seinem Vater regulär überlassen wurde, vielleicht gleich 1127 oder auch erst 1129 (sicherlich ehe der Atabeg Farruḫ-Šāh in die Hände bekam). Nach Mosul gekommen war Alp-Arslan allerdings schon 1124/1125 zusammen mit seiner Mutter, nachdem Sultan Maḥmūd beide Aq-Sonqur al-Borsuqī (welcher damals aus Bagdad in die Ǧazīra zurückkehrte) anvertraut hatte.1081 Ibn al-Aṯīr zufolge war es Alp-Arslan, der 1145 erfolglos gegen seinen Tutor Zangī rebellierte, indem er dessen Statthalter in Mosul, Naṣīr ad-Dīn Ǧaqar, töten ließ und versuchte, die Macht an sich zu reißen.1082 Dies muss in Wahrheit aber Farruḫ-Šāh gewesen sein, welcher den missglückten Aufstand mit seinem Leben bezahlte.1083 Doch im Namen welches Prinzen regierte Zangī nun? Bei Bundārī ist zu lesen, dass Farruḫ-Šāh in der Hauptstadt der Ǧazīra lebte, während Alp-Arslan auf einer Burg bei Sinǧār untergebracht war, von der ihn der Atabeg erst als Ersatz für den rebellischen Bruder holte.1084 Aus anderen Quellen – die Münzen seien gleich besprochen – geht allerdings hervor, dass Alp-Arslan Zangī nicht erst in dessen letzten Jahren als Scheinkönig diente, sondern bereits früher – auch wenn er zum Teil mit Sultan Dāwūd b. Maḥmūd verwechselt wird.1085 Es ist sogar nicht unwahrscheinlich, dass es immer nur Alp-Arslan war, welchen Zangī dem Kalifen, den Sultanen

1080 Bundārī, Zubda, S. 205 f.; al-ʿAẓīmī, Taʾrīḫ Ḥalab, S. 384; Ibn al-ʿAdīm, Zubda, S. 305. Die Ḫafāǧa gehörten zu den Banū ʿUqail. Al-Kātib al-Iṣfahānī zufolge hatte Zangī Farruḫ-Šāh von Dubais im Krieg erbeutet, doch lesen wir in den beiden anderen Quellen, dass der Mazyadide den Prinzen bei Naǧm ad-Daula Mālik in Qalʿat Ǧaʿbar zurückließ. 1081 Bei Ibn al-Azraq (Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 198) und Ibn Ḫallikān (Wafayāt, Bd. II. S. 328) ist zu lesen, dass Maḥmūd dem Emir von Mosul beide Prinzen zusammen anvertraute. Laut alʿAẓīmī (Taʾrīḫ Ḥalab, S. 384) befanden sich Alp-Arslan und Farruḫ-Šāh 525 H. gemeinsam bei Zangī. Einzig von Ibn al-ʿAdīm (Buġya, S. 3848) erfahren wir Alp-Arslans kunya und dass die Mutter dieses Prinzen bis zu ihrem Tod – Azhari (Zengi, S. 151) übersetzt falsch, dass statt der Mutter der Sohn gestorben sei – bei al-Borsuqī gelebt hatte. Dank dieser Information ergibt sich, dass jener Prinz, von dessen Entsendung zu al-Borsuqī wiederum nur Ibn al-Aṯīr berichtet (al-Kāmil, Bd. IX, S. 229), Alp-Arslan war. 1082 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 332 f. Die Rebellion – s. dazu Azhari, Zengi, S. 36 f., 115 – scheiterte daran, dass die meisten in Mosul dem Atabeg gegenüber loyal blieben. Ǧaqars Nachfolger wurde ʿAlī Küčük. 1083 Bundārī, Zubda, S. 206; Ibn al-ʿAdīm, Zubda, S. 325 f.; id., Buġya, S. 3851; Ibn al-Qalānisī, Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 280 f.; Ibn Ḫallikān, Wafayāt, Bd. I, S. 365 (mit Erwähnung, dass laut Ibn al-Aṯīr Alp-Arslan rebellierte); Abū Šāma, ar-Rauḍatain, Bd. I, S. 179 f. (mit der Erkenntnis, dass Ibn alAṯīr irrte und es al-Kātib al-Iṣfahānī besser wusste). Ibn al-Aṯīr verschmilzt beide Prinzen zu „AlpArslan al-Ḫafāǧī“ (der Name Farruḫ-Šāh kommt bei ihm gar nicht vor. El-Azhari glaubt ebenfalls, dass es nur einen Selǧuqenspross in Zangīs Gewalt gab (Zengi, S. 143). Weil er von Ibn al-Aṯīr übernahm, dass Alp-Arslan der rebellische malik war, stolpert er darüber, wie dieser Prinz aus Zangīs Lager bei Edessa nach Mosul kam (op. cit., S. 101). 1084 Bundārī, Zubda, S. 205–207. 1085 Ibn al-ʿAdīm, Zubda, S. 312 („Sultan Alp-Arslan Dāwūd b. Maḥmūd“, von dem es heißt, er sei vor Masʿūd zu Zangī nach Mosul geflohen); s. zur Verwechslung auch u., S. 236.

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sowie den Provinzherren gegenüber konsequent als echten Herrscher ausgab, dessen Anordnungen er, der bloße Stellvertreter des maliks, gehorsam ausführe.1086 Der Atabeg-Titel war für Zangī von größter Wichtigkeit. Das mittelfristige Ziel des Emirs bestand natürlich darin, einen von ihm kontrollierten Selǧuqen als Sultan zu etablieren, wozu er anscheinend zwei Anläufe unternahm. Der erste soll schon auf Maḥmūds Tod (1131) hin erfolgt sein. Laut Ibn al-ʿAdīm beantragte der Atabeg beim Kalifen die Nennung Alp-Arslans in der Bagdader ḫuṭba, woraufhin al-Mustaršid mit der Begründung ablehnte, dass Alp-Arslan noch zu jung, Dāwūd b. Maḥmūd valī-ʿahd und es überhaupt an Sanǧar sei, einen Nachfolger zu bestimmen.1087 Von Zangīs zweitem – ebenfalls erfolglosem – Versuch, Regent eines Sultans zu werden, lesen wir bei Ibn al-Azraq: Nachdem im September 1135 ar-Rāšid Kalif geworden war, soll er dem Atabeg vorgeschlagen haben, Alp-Arslan zum Sultan zu erklären, wenn Zangī ihm dafür im Kampf gegen Masʿūd helfe.1088 Wie bereits dargestellt, zog der Emir von Mosul damals in der Tat als wichtigster Verbündeter ar-Rāšids nach Bagdad, erkannte dort aber, ebenso wie ar-Rāšid und offenbar ohne Probleme, Dāwūd als Sultan an (Azhari, Zengi, S. 31: „he agreed to unite against the bigger danger that Sultan Mas‘ud represented“),1089 sodass es wohl (wieder) beim malik Alp-Arslan blieb. Ibn Wāṣil, welcher Ibn al-Azraqs Bericht adaptierte, meint, dass ar-Rāšids Angebot dem Atabeg während dessen Belagerung von Damaskus übermittelt worden sei,1090 was aber so nicht stimmen kann. Als Zangī im Februar/März (!) 1135 vor Damaskus lagerte, erreichte ihn (wie Ibn Wāṣil vorher auch nach Ibn al-Aṯīr erwähnt) der kalifaler Bote Abū Bakr Ibn Bišr al-Ǧazarī, welcher im Namen al-Mustaršids (!) rasche Hilfe gegen Masʿūd anforderte.1091 Folglich müsste es sich bei dem von Ibn al-Azraq überlieferten um ein neues Hilfegesuch aus Bagdad handeln, obwohl Alp-Arslan anscheinend auch schon bei al-Ǧazarīs Auftritt vor Damaskus eine gewisse Rolle spielte, wie im Kapitel zu Syrien noch zu behandeln sein wird. Sehr wahrscheinlich bezieht sich die Angabe in der Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid auf dieselbe diplomatische Mission, welche zu Beginn des erhaltenen Teils von Usāma Ibn Munqiḏs Kitāb al-Iʿtibār Erwähnung findet (der Text setzt unvermittelt ein). Dort heißt es, Ibn Bišr sei mit der Botschaft zu

1086 Ibn al-Aṯīr, at-Taʾrīḫ al-bāhir, S. 71. So pflegte Zangī gegenüber Botschaftern oder wenn er Briefe beantwortete, zu behaupten, der malik hätte dieses und jenes gesagt. 1087 Ibn al-ʿAdīm, Buġya, S. 3848; dazu Azhari, Zengi, S. 26. Da es nur die eine Quelle für besagte Anfrage gibt, damals von mehreren Seiten solche Anfragen eingingen und Zangī ja zunächst Masʿūds Anspruch unterstützte, sei angemerkt, dass Ibn al-ʿAdīm hier eventuell etwas durcheinandergebracht hat (auch weist sein Bericht im Folgenden einen auffälligen Zeitsprung auf). 1088 Ibn al-Azraq, Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 213. 1089 Möglicherweise wurde der Realpolitiker Zangī auch von den 30 000 Dinar bewogen, die ar-Rāšid ihm zahlte. 1090 Ibn Wāṣil, Mufarriǧ, Bd. I, S. 63. 1091 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 280 und – dazu, dass die von Zangī entsandten Truppen den Kalifen nicht mehr rechtzeitig erreichten – 282; Ibn al-Qalānisī, Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 248.

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Zangī gekommen, er möge sich beim Kalifen ar-Rāšid einfinden,1092 wobei der Kampf, den sich der Atabeg zu ebendiesem Zeitpunkt mit den Kreuzfahrern lieferte und in welchem Ibn Bišr offenbar durch einen fränkischen Speer getötet wurde, jener von Mai bis Juni 1136 im Raum al-Lāḏiqīya gewesen sein muss. Jedenfalls gelangte Zangī später zu der Haltung, seinen Selǧuqenkönig als Sultan durchzusetzen, sobald Masʿūd verstorben wäre.1093 Bevor letzteren 1152 der Tod ereilte, fiel allerdings der Atabeg selbst 1146 einem Mordanschlag zum Opfer. Alp-Arslan ist es auch, der auf Zangīs seltenen Dinaren aufgeführt wird, wohlgemerkt in seiner Rolle als malik und mit dem laqab ʿAḍud ad-Dīn (dafür, dass erneut der Titel malik al-maġrib gebraucht wurde, gibt es keine Hinweise). Die älteste bekannte Münze – Prägeort ist immer Mosul – stammt aus dem Jahre 532 H. (1137/1138), also aus der Zeit vor Farruḫ-Šāhs gescheitertem Versuch, die Macht zu übernehmen; andere Exemplare weisen das Prägejahr 540 (1145/1146) und 54x H. auf.1094 Bei Azhari ist über solche Dinare ausgeführt, dass darauf weder Zangī selbst noch jemals der Kalif genannt sei,1095 und Jafar, welcher das Exemplar von 532 H. publizierte, las nicht nur das Wort über dem Anfang der šahāda falsch, sondern ließ zudem komplett aus, was im AversFeld rechts und links steht.1096 Just über diese drei Stellen verteilt sich jedoch jener Teil der Inschrift, welcher auf den – von Jafar folglich unterschlagenen und von Muḥammad Bāqir al-Ḥusainī falsch identifizierten – Münzherrn verweist – auf Zangī. Der Atabeg ist nämlich – ebenso wie der Kalif al-Muqtafī! – sehr wohl auf sämtlichen Exemplaren aufgeführt, und zwar in Form der Titulatur atabeg malik al-umarāʾ al-ʿādil Toġrı̊ l-Tegin.1097

1092 Ibn Munqiḏ, al-Iʿtibār, S. 1 f. 1093 Ibn al-Aṯīr, at-Taʾrīḫ al-bāhir, S. 71. 1094 532 H.: Dār al-Kutub, Nr. 3241; 540 und 54x H.: Hennequin, Catalogue, S. 173–175, Typ CLXXXIX f./Nr. 242 f. (BnF); al-Ḥusainī, „ṯalāṯ maskūkāt“, S. 193, Nr. 7692 (Irakisches Nationalmuseum). Der erste von al-Ḥusainī mit Zangī in Verbindung gebrachte Dinar (S. 192, Nr. 4288) ist m. E. den Atabegs von Fārs zuzuordnen (die Inschriften sind unvollständig und z. T. falsch gelesen); die dritte Münze (S. 195, Nr. 7693) entstand offenbar durch falsche Stempelkopplung (Av.: Mosul, 541 H.; Rev.: Takrīt), wobei kein Zangide genannt ist. S. statt in „ṯalāṯ maskūkāt“ alternativ: al-Ḥusainī, al-ʿUmla, S. 34–41. 1095 Azhari, Zengi, S. 131: „Zengi’s name was never mentioned; neither was the name of the ‘Abbasid caliph. [… D]espite the honorific titles which the caliph had bestowed upon Zengi during the same year [1145 …], Zengi still did not include him on the dinar, indicating some level of independence.“ 1096 Jafar, Seljuq Period, S. 68; oben im Av.-Feld steht nicht etwa al-imām al-ʿādil, sondern al-umarāʾ al-ʿādil. 1097 Auch in der Dār-al-Kutub-Datenbank (http://enl.numismatics.org, ID 3241) sind die drei Stellen völlig verkehrt mit al-malik Muḥammad / Muʿizz ad-Dīn und al-imām al-ʿādil wiedergegeben (ferner ist die kunya in „Ghiyath al-Din Abu Ja’far Mas’ud ibn Muhammad“ falsch). Hennequin schien sich unsicher gewesen zu sein, ob atābeg und malik al-ʾumarā für Zangī stehen; statt atābeg las al-Ḥusainī gar Abū Bakr, weshalb er glaubte, dass als Münzherr ein gewisser ʿIzz ad-Dīn Abū Bakr ad-Dubaisī genannt sei. Je nach Verteilung der Wörter lassen sich übrigens drei Av.-Varianten unterscheiden:

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Das Emirat der Zangiden von Mosul

Weil er so wie Ibn al-Aṯīr irrtümlich von nur einem Selǧuqen in Zangīs „Obhut“ ausgeht, meint Azhari, Alp-Arslans Nennung im Jahre 540 H. erklären zu müssen: „1145 was the same year Alp Arslan tried to seize Mosul for himself, yet his name was still kept on the dinar. It was probably better for Zengi, who imprisoned his sultan, to keep using his name rather than submitting himself to his longtime enemy Sultan Mas‘ud.“ Nun war Alp-Arslan aber, wie gesagt, gar nicht der Rebell, und wird von Zangī eben nicht anstelle Masʿūds als Sultan genannt, weil Masʿūd auf den Dinaren ganz ordnungsgemäß Anerkennung findet! Zusammen mit seinem Namen ist stets auch Sanǧars angegeben (Muʿizz ad-Dunyā / wa-’d-Dīn wa-Ġiyāṯ / ad-Dunyā wa-’d-Dīn / (oben:) Sanǧar / (unten:) wa-Masʿūd), sodass alles seine Richtigkeit hat; der Großsultan hatte Zangī ja 1137 wieder auf Linie bringen lassen.1098 Beachtung verdient nicht zuletzt der Titel malik al-umarāʾ, „König der Emire“, eine Steigerung zu amīr al-umarāʾ. Wie wir noch sehen werden, war Zangī nicht der einzige (und nicht der erste), der sich so nannte. Geführt wurde diese neue Variante nur von den allermächtigsten Emiren im isfahsālār-Rang, solchen, die als Atabegs halbautonom über große Provinzen oder, besser gesagt, Länder herrschten und wiederum Emir-Gouverneure unter sich hatten. Mit „König der Emire“ wird Zangī zum Beispiel mehrfach von Usāma Ibn Munqiḏ (gest. 1188) betitelt1099 und auch in den Bauinschriften des Atabegs sucht man weder diese Form noch den türkischen laqab Toġrı̊ l-Tegin (bei Ibn al-Qalānisī und Azhari falsch: Toġrı̊ l-Beg1100) vergeblich.1101 Aus den Bauinschriften geht zudem hervor, dass Zangī zwar grundsätzlich den isfahsālār-Rang innehatte, er aber wohl gegen Ende seiner Herrschaft (zumindest in Syrien vereinzelt auch) den malik-Titel trug! So ist am 537 H. (1142/1143) errichteten Šaiḫ-Muḥassin-Mausoleum in Aleppo al-amīr al-isfahsalār as-saiyid al-kabīr al-mālik [nicht al-malik] al-ʿādil al-ʿālim al-muʾaiyid al-manṣūr ʿImād ad-Dīn usw. zu lesen, wo-

532 H.

Kalifennennung (und unten)

rechts

oben

links

al-Muqtafī li-Amr Allāh / amīr al-muʾminīn

atabeg malik

al-umarāʾ al-ʿādil

Toġrı̊ l-Tegin

malik al-umarāʾ

al-ʿādil

ata-beg

malik al-umarāʾ

al-ʿādil

Toġrı̊ l-Tegin

540 H. […] al-Muqtafī li-Amr / Allāh amīr / al-muʾminīn 54x H.

al-Muqtafī li-Amr Allāh / amīr al-muʾminīn / atabeg

1098 Azhari, Zengi, S. 92: „It should be noted that Zengi’s relationship with the supreme Seljuq sultan of the empire, Sanjar, did not experience any negativity for a decade, as the latter was in remote Khurasan in Central Asia and consistently occupied with the attacks of the Turkmen from across the river Oxus.“ 1099 Ibn Munqiḏ, al-Iʿtibār, S. 99, 104, 155, … 1100 Ibn al-Qalānisī, Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 284 (Volltitulatur über sechs Zeilen); Azhari, Zengi, S. 102 (Übersetzung, zu der wenigstens angemerkt sei, dass al-ʿIraqain nicht für den Nord- und den Süd­ irak steht). 1101 Dazu auch Lane Poole, Catalogue, Bd. III, S. xviii–xx.

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hingegen an der von Ernst Herzfeld zwei Jahre jünger datierten Ḥaǧǧārīn-Moschee (ebenfalls in Aleppo) offenbar al-malik al-ʿādil al-ʿālim al-muʾaiyid al-muẓaffar ʿImād ad-Dunyā wa-’d-Dīn usw. stand.1102 Mit dem Königstitel scheint also auch die Annahme eines Doppel-laqabs, wie ihn die Selǧuqen führten, einhergegangen zu sein. Im Prinzip setzte der Atabeg ja darauf, im Namen eines selǧuqischen maliks zu regieren, weshalb es eigentlich in seinem eigenen Interesse lag, dessen Wert nicht dadurch zu mindern oder zu relativieren, selbst den Fürstenrang zu beanspruchen. Womöglich hatte alMuq­tafī den malik-Titel verliehen, nachdem Zangī 1144 die Eroberung der Kreuzfahrerhauptstadt Edessa (ar-Ruhā, heute Şanlıurfa) geglückt war.1103 Jedenfalls betrat der Emir die Schwelle zum Königtum1104 – ein zukunftsweisender Schritt auf dem Weg zu einer neuen, postselǧuqischen Staatenlandschaft, in der sich die Zangiden ebenso wie die Anūšteginiden im Osten einen Platz sicherten. Nach ʿImād ad-Dīn Abū Saʿīd1105 Zangīs Ermordung im September 1146 kam es zu einer Aufteilung des Herrschaftsgebietes unter zweien seiner Söhne: Während Nūr ad-Dīn Maḥmūd die Macht in Syrien übernahm, trat der ältere Saif ad-Dīn Ġāzī (I.), welcher bislang Šahrazūr1106 gehalten hatte, das väterliche Erbe in der Ǧazīra an, wo es zunächst den malik Alp-Arslan unter Kontrolle zu bringen galt. Dieser war beim Tod seines Atabegs mit in dessen Lager vor Qalʿat Ǧaʿbar gewesen. Anschließend hatte sich ein Teil der Truppen um ihn gesammelt, mit dem er via ar-Raqqa und Mākisīn (heute Markada) in Richtung Sinǧār zog. Dass er dabei ziemlich planlos agierte und die Chance verpasste, sich rasch die Herrschaft zu sichern, war von den Würdenträgern an seiner Seite gewollt. Letzterer Loyalität galt nämlich Ġāzī, weshalb sie dafür sorgten, dass dieser in der Phase der Machtvakanz genügend Zeit hatte und ausreichend Unterstützung für ihn zusammenkam. So war es Ġāzī, welcher vor Alp-Arslan in

1102 S. TEI Nr. 11986 und 32767 (in beiden Inschriften: malik umarāʾ al-mašriq wa-’l-maġrib). Die Titulatur bei Ibn al-Qalānisī (Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 284) ist die eines isfahsalār (laqab: ʿImād adDīn); davon, dass vom sulṭān aš-Šām die Rede ist, darf man sich nicht weiter irritieren lassen – Ibn al-Qalānisī verwendet sulṭān allgemein für einen großen, übergeordneten Herrscher. 1103 Die Kalifen scheinen ja das Ziel verfolgt zu haben, den Wert solcher weltlichen Titel zu relativieren, um so die Autorität der Selǧuqen und anderer Herrscher zu untergraben; s. o., S. 164 f., Anm. 792. 1104 Zangī hatte übrigens eine Selǧuqin zur Frau genommen, Farḫundā-Ḫatun bt. Riḍwān b. Tutuš b. Alp-Arslan. 1105 Dies ist die kunya, welche Zangī Ibn al-Qalānisī (Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 284) zufolge trug und auf die auch eine der Bauinschriften des Atabegs deutet (s. TEI Nr. 12004), wohingegen Stefan Heidemann in seinem EI2-Artikel „Zangī“ wohl von Ibn al-ʿAdīm (Buġya, S. 3845) Abū ’l-Muẓaffar übernahm. An anderer Stelle gibt Ibn al-ʿAdīm ein al-ʿAẓīmī-Zitat, in welchem ebenfalls Abū Saʿīd vorkommt (Buġya, S. 3846), und auch an-Nuʿaimī (gest. 1521) gibt diese Form (ad-Dāris, Bd. I, S. 74). Bei Ibn Ḫallikān (Wafayāt, Bd. II, S. 327) steht Abū ’l-Ǧūd. 1106 Der Distrikt des irakischen Gouvernements as-Sulaimānīya, in dem die Ruinen (genannt Yasīn Teppe) der Hauptstadt liegen, trägt noch heute den Namen Šahrazūr. Zangī hatte das Gebiet 1139/1140 von einem Türkmenen-Emir namens Qı̊ pčaq erobert, dessen Gefolgschaft daraufhin das zangidische Militär verstärkte.

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die Hauptstadt Mosul einziehen konnte, woraufhin der Selǧuqe wohl merkte, dass ihm die wahre Entwicklung der Dinge entgangen und seine Lage kritisch war. Er ergriff daher die Flucht, wurde aber bald festgenommen, mit Versprechungen gelockt und zu Ġāzī gebracht, welcher ihn nach einem groß inszenierten Empfang wegsperren ließ.1107 ʿImād ad-Dīn al-Iṣfahānī und Ibn al-Azraq zufolge starb sowohl Farruḫ-Šāh alḪafāǧī als auch Alp-Arslan in Mosul eines gewaltsamen Todes.1108 Vielleicht wollte Ibn al-Aṯīr dies in Hinblick auf den Ruf der Zangiden vertuschen und verschmolz deshalb beide Selǧuqen zu „Alp-Arslan al-Ḫafāǧī“, dessen Beseitigung wegen der Rebellion von 1145 (Ermordung Ǧaqars) noch als einigermaßen gerechtfertigt gelten konnte.1109 Wann Alp-Arslan starb, wird in den Quellen nicht erwähnt, doch könnte es erst 551 H. oder in Sanǧars Todesjahr 552 H. (1157) gewesen sein. Auf den Dinaren, welche Ġāzī I. (gest. 1149) und sein Nachfolger Quṭb ad-Dīn Maudūd b. Zangī (reg. 1149–1170) bis 550 H. (1155/1156) prägen ließen, ist ʿAḍud ad-Dīn Alp-Arslan nämlich nach wie vor aufgeführt; erst ab 552 H. erscheint der selǧuqische malik plötzlich nicht mehr in der sikka.1110 Hieraus lässt sich schließen, dass Zangīs erste Nachfolger (zumindest die in Mosul) den gefangen gehaltenen Sultanssohn zunächst noch zur Herrschaftslegitimierung benutzten.1111 Auch verwendeten sie weiterhin die väterlichen Titel „König der Emire (des Ostens und des Westens)“, Toġrı̊ l-Tegin und Atabeg, denen Maudūd dann ab 555 H. (1160) aber, wenigstens auf seinen Dirhams, selbstbewusst al-malik al-ʿādil al-ʿālim voranstellte.1112 (Letztere Neuerung hing vermutlich damit zusammen, dass die im selben Jahr erfolgte Installation Sulaimān-Šāhs als Nachfolger Muḥammads II. auf dem Hamadāner Sultansthron entgegen zuvor getroffener Vereinbarungen nicht mit einer Ausdehnung

1107 Ibn al-Aṯīr, at-Taʾrīḫ al-bāhir, S. 84–86; id., al-Kāmil, Bd. IX, S. 341 f.; Ibn al-Azraq, Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 240–242; Bundārī, Zubda, S. 209 f. In der Hauptsache war es Zangīs (und dann Ġāzīs) einflussreicher Wesir Ǧamāl ad-Dīn Abū Ǧaʿfar Muḥammad b. ʿAlī al-Iṣfahānī (gest. 1164), der Alp-Arslan irreleitete und Ġāzīs Machtübernahme organisierte. Nachdem der Selǧuqe dazu ermutigt worden war, sich in aller Ruhe mit Alkoh0l, Musik und Mädchen zu vergnügen, entzog ihm Ǧamāl ad-Dīn heimlich die Gefolgschaft der Militärführung und schickte die Emire nach Mosul, dessen Statthalter ʿAlī Küčük er angewiesen hatte, Ġāzī aus Šahrazūr kommen zu lassen. 1108 Bundārī, Zubda, S. 207 (lā šakk annahū baʿda mā uḥtīla ʿalaihi uġtīla wa-baʿda mā ustuzilla uzīla), 210 (katamū amrahū wa-ḫatamū ʿumrahū); Ibn al-Azraq, Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 200, 241 (Fußnote 7); Ibn al-Aṯīr meint nur, dass Alp-Arslans Inhaftierung in der Festung von Mosul das letzte ist, was bezüglich dieses maliks bekannt wurde. 1109 Es ist ja schon sehr verwunderlich, dass ausgerechnet Ibn al-Aṯīr, welcher besonders gut informiert war, im Gegensatz zu anderen nie einen zweiten Selǧuqenprinzen erwähnt. 1110 541 H.: FINT 2001-11-62; 550 H.: FINT 1994-44-39, al-Ḥusainī, al-ʿUmla, S. 42, Nr. 4; 552 H.: ­Wilkes & Curtis, Auktion 10 (Apr. 2016), Los 88 – Mzst. ist immer Mosul. 1111 S. dazu Bundārī, Zubda, S. 210. 1112 S. z. B. Spengler/Sayles, Turkoman Figural Bronze Coins, Bd. II, S. 4 ff., Typ 59; die Autoren halten den Titel malik al-umarāʾ as-šarq wa-’l-ġarb für „unprecedented“ – „this title “King of the Princes” had never before been embellished by the Turkomans with the additional phrase “… of the East and the West”“ –, doch nannte sich, wie gesagt, bereits Zangī so.

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der zangidischen Macht auf das Selǧuqensultanat des persischen Iraks einhergegangen war und Maudūd – welcher als Sulaimān-Šāhs Atabeg hätte fungieren sollen – angesichts dessen die Verbindungen zur selǧuqischen Monarchie aufgab.1113) Der Vergleich eines Mosuler Dinars von 541 H. (1146/1147) mit einem von 550 H. zeigt zudem folgendes: Wo Ġāzī I. über sich (und Alp-Arslan) noch ordnungsgemäß den Juniorsultan Masʿūd angibt – welcher Zangīs ältesten Sohn umgehend als neuen Herrscher bestätigt hatte1114 –, sucht man auf Maudūds Prägung vergeblich nach dem inzwischen regierenden Sultan Muḥammad II., während auf beiden Münzen unverändert Sanǧar genannt ist.1115 Offenbar gingen die Zangiden also den gleichen Weg wie die ʿAbbāsiden und lösten sich – nach Masʿūds Tod 1152 – zunächst einmal aus dem Verband des westlichen Subsultanats, ohne gleich ganz das Selǧuqenreich zu verlassen. Tatsächlich erscheint Sanǧars Name noch auf allen Prägungen bis zum Jahre 553 H.,1116 was bedeutet, dass Maudūd mit dem finalen Schritt genau wie al-Muqtafī bis zur Nachricht vom Tod des Großsultans wartete.1117 Sogar im nördlichen Zweistromland war Sanǧars Anerkennung also dauerhaft gegeben, selbst Zangīs Herrschaft verlief nicht losgelöst, nicht unberührt vom direkten Einfluss des Selǧuqenseniors. Lässt sich das gleiche auch für die bilād aš-Šām konstatieren oder lagen diese nun doch zu weit im Westen, als dass der „Sultan der Sultane“ noch ein Faktor gewesen wäre?

1113 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, S. 437; id. at-Taʾrīḫ al-bāhir, S. 114 f. Sulaimān war auf Wunsch Muḥammads II. seit 1156 in Mosul inhaftiert gewesen. Die Emire der Ǧibāl hatten seine Entsendung von Maudūd erbeten, woraufhin man abmachte, dass der Zangide Sultan Sulaimāns Atabeg, der zengidische Wesir Ǧamāl ad-Dīn auch Wesir des Selǧuqen und ʿAlī Küčük Herr über Sulaimāns Armee sein würde. Maudūd hätte also auf Reichsebene regiert (sofern man noch von einem Reich sprechen kann), doch entglitt ʿAlī Küčük in Hamadān die Kontrolle über den Selǧuqen und die Lage, weshalb er mit den zangidischen Truppen nach Mosul zurückkehrte – Sulaimān-Šāh wurde wenig später (1161) ermordet. S. zu diesen Vorgängen Luther, Political Transformation, S. 116 ff. 1114 Ibn al-Aṯīr, at-Taʾrīḫ al-bāhir, S. 86; Masʿūd war Ġāzī, welcher von ihm zum Herrschaftsantritt ḫilaʿ bekam, sehr zugeneigt; der Zangide hatte ja früher, als politische Geisel, ständig am Hof dieses Sultans gelebt. 1115 541 H. (Mzst. Mosul): FINT 2001-11-62 (Ġāzī + Alp-Arslan + Masʿūd + Sanǧar + al-Muqtafī); 550 H. (Mzst. Mosul): FINT 1994-44-39 (Maudūd + Alp-Arslan + Sanǧar + al-Muqtafī). Eventuell handelt es sich auch bei ANS 0000.999.37375 (BI-Dirham!) um eine zengidische Prägung (wegen b. Aq-Sonqur), auf der (neben al-Muqtafī) noch sowohl der Junior- als auch der Großsultan genannt ist (Masʿūd + Sanǧar). 1116 552 H. (Mzst. Mosul): Wilkes & Curtis, Auktion 10 (Apr. 2016), Los 88 (Maudūd + Sanǧar + al-Muqtafī); 553 H. (Mzst. Mosul): FINT FD6 F5 (Maudūd + Sanǧar + al-Muqtafī); auf einem 554 H. zu Irbil geschlagenem Dinar (Hennequin, Catalogue, S. 176, Typ CXCI/Nr. 244) ist folglich überhaupt kein Selǧuqe mehr angegeben. 1117 Bereits für 555 H. ist dann, wie gesagt, der malik-Titel belegt.

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IV.6.5.3 Syrien Ein Großteil der bilād aš-Šām, vor allem der Küstenstreifen vom Sinai bis hinauf nach Kilikien, war dauerhaft von den Kreuzfahrern besetzt, sodass man die Frage nach Sanǧars Anerkennung und Einfluss unter den Machthabern dieser Gebiete nicht Stellen braucht.1118 Das gleiche gilt für die noch bis 1124 beziehungsweise 1153 von den Fāṭimiden gehaltenen Hafenstädte Tyros (Ṣūr) und Askalon (ʿAsqalān)1119 sowie für das kleine Herrschaftsgebiet, welches sich der syrische Ableger der Nizāriten, also der von den Fāṭimiden abgefallenen Ismāʿīliten mit dem Zentrum Alamūt, ab den 1130er Jahren im Ǧabal Bahrāʾ (Ǧabal Anṣārīya) westlich von Ḥamāh aufbaute.1120 Die hier über „Missionsburgen“ wie al-Qadmūs, al-Kahf und Maṣyāf gebietenden Assassinenführer unterstanden allein den Nachfolgern Ḥasan-i Ṣabbāḥs, welche ihrerseits südlich des Kaspischen Meeres als oberste Nizāritenchefs im Namen eines verborgenen Imams regierten, was bedeutet, dass aus ihrer Sicht beide Kalifate, das von Kairo ebenso wie das von Bagdad, und natürlich auch das sunnitische Selǧuqensultanat unrechtmäßig waren. Völlige Unabhängigkeit scheinen ferner die Drusen innerhalb eines kleinen Gebirgsgebiets östlich von Sidon (Ṣaidā) genossen zu haben, das sich laut Benjamin von Tudela bis zum Hermon erstreckte,1121 und sicher gab es darüber hinaus noch weitere Gemeinschaften, welche zumindest keinen sunnitischen Herrscher anerkannten. Wo Sanǧar trotz alledem die Westgrenze des von ihm übernommenen Imperiums sah, verrät das Diplom (manšūr), mit dem er Maḥmūd II. 1119 zum Subsultan bestallte. Ibn al-Aṯīr selbst konnte dem Dokument entnehmen, dass das Dynastieoberhaupt seinem Neffen alle Länder min ḥadd Ḫurāsān ilā ’d-Dārūm bi-aqṣā ’š-Šām übertrug,1122 was unter anderem das Königreich Jerusalem einschließt, dessen westlichste Festung ad-Dārūm, das heutige Dair al-Balaḥ im Gazastreifen, war.1123 Sunnitische Machthaber regierten in Syrien von Aleppo über Šaizar, Ḥamāh, Ḥimṣ, Tadmur, Baʿlabakk, Damaskus, Ṣarḫad und Buṣrā bis hinein ins heutige Jordanien; unter den beduinischen Arabern der Region spielten zu Sanǧars Zeit eigentlich nur noch die zu den Ṭayy(iʾ) gehörigen (Nachkommen der) Ǧarrāḥiden (die Banū Rabīʿa) eine gewisse Rolle.1124 Während nun im Iran um die Nachfolge Muḥammad Tapars gestrit1118 Es stellt sich allerdings die interessante Frage, ob es in den muslimisch bewohnten Gebieten der Kreuzfahrerstaaten nicht auch noch eine Freitagspredigt gab und wer, wenn ja, darin genannt wurde. Leider erlaubt die Quellenlage keine Antwort; s. Köhler, Allianzen und Verträge, S. 375. 1119 S. hierzu etwa Halm, Kalifen und Assassinen, S. 101–109, 158–160, 228–231. 1120 Hierzu: Halm, Kalifen und Assassinen, S. 203–208. 1121 Benjamin von Tudela, Sefer ha-Massaʾot, tr. Adler, S. 18 („Sie sind keinem König untertan“). Im Wādī Taim herrschte bis 1133 ein Emir namens aḍ-Ḍaḥḥāk b. Ǧandal, eventuell als Nachfolger seines Bruder Baraq. 1122 Ibn al-Aṯīr, at-Taʾrīḫ al-bāhir, S. 21. 1123 Noch etwas weiter westlich, im Grenzgebiet zwischen dem Königreich und Ägypten, lag nur noch der Außenposten al-ʿArīš, s. o., S. 213. 1124 Hiyari, „Amīrate of the Arabs“, S. 511 ff.

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ten und das neue Junior-unter-Großsultan-Arrangement gefunden wurde, residierte in der Aleppiner Zitadelle wohlgemerkt schon kein Selǧuqe mehr. Jüngst von dort verdrängt (und unter Hausarrest gestellt) hatte den letzten malik aus der syrischen Linie, Sulṭān-Šāh b. Riḍwān b. Tutuš, der Emir Naǧm ad-Dīn Il-Ġāzī, dessen Dynastie, die Artuqiden, nun von 1118 bis 1125 eigenmächtig die Herrscher der von den Kreuzfahrern bedrohten Stadt stellen sollte.1125 Zwar ist nicht bekannt, dass sich Il-Ġāzī (gest. 1122) durch die Kunde von der Herausbildung einer neuen Reichsspitze im Osten zu einer unmittelbaren Reaktion veranlasst sah (wie seine Münzen dokumentieren, regierte er zunächst noch im Namen Sulṭān-Šāhs), doch sollte Sanǧars Aufstieg auch im fernen Syrien, wenn überhaupt, nicht lange unberücksichtigt oder folgenlos für die hiesige Herrschaftslegitimation bleiben. Spätestens 1124 sah Il-Ġāzīs Neffe Nūr ad-Daula Balı̊ k-Ġāzī, welcher Aleppo im Jahr davor eingenommen hatte und außerdem über Ḫartpert (Harput) und Ḥarrān gebot, die Erforderlichkeit, anzuzeigen, dass der aktuelle, inzwischen etablierte oberste Selǧuqenherrscher, der „Sultan der Sultane“, auch sein Suzerän war. Dies wäre angesichts der relativ losen Verbindung der bilād aš-Šām zu den östlichen Schaltzentralen des Imperiums so nicht unbedingt zu erwarten gewesen, ist aber durch einen BI-Dirham (Abb. 7) belegt, den besagter Artuqiden-Emir [51]8 H. in Aleppo prägen ließ, ohne darauf noch einen anderen Machthaber als sich selbst (innere Rev.-Umschrift als quadratischer Rahmen um einen Kreis mit zentralem Punkt: Faḫr / ad-Dīn / Balı̊ k / Ġāzī) und eben den Selǧuqensenior aufzuführen, letzteren in der Form as-sulṭ / ān almuʿa / ẓẓam / Sanǧar (innere Av.-Umschrift, arrangiert wie jene auf dem Rev.).1126 Weil der irakische Subsultan interessanterweise nicht genannt wird, ist hier auch der Titel as-sulṭān al-aʿẓam für Sanǧar nicht notwendig. Beachtung verdient, dass diese früheste bekannte sikka-Präsenz des Reichsoberhauptes in Syrien wohl auch in Zusammenhang mit dem Ende der nominellen Herrschaft des letzten Aleppiner Selǧuqenkönigs zu sehen ist, welchen erst Balı̊ k-Ġāzī 1123 in Gefangenschaft nach Ḥarrān überführen ließ und damit endgültig absetzte. Der Dirham bestätigt die Annahme, dass Sanǧars Oberhoheit nicht erst zusammen mit jener Masʿūds und al-Muqtafīs in einem bereits von Zangī dominierten Syrien durchgesetzt wurde und sie auch ganz im Westen nicht einfach nur an der Oberhoheit des irakischen Juniorsultans hing.

1125 S. dazu Heidemann, Renaissance der Städte, S. 232 ff. 1126 FINT 1991-16-104; Ilisch, „Unedierte Silbermünzen“, S. 11 f., Nr. 5 (mit der richtigen Abb. direkt über 4.). Im Jan. 2020 tauchte in zweites Exemplar – aber mit falscher Bestimmung – im Handel auf: Stephen Album Rare Coins, Auktion 36, Los 765.

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Abb. 7  „Schwarzer Dirham“ des artuqidischen Emirs von Aleppo (FINT 1991-16-104).

Als 1128 (vier Jahre nach Balı̊ k-Ġāzīs Tod) Zangī in die bilād aš-Šām vorstieß und (Manbiǧ, Buzāʿa sowie) Aleppo eroberte, tat er dies sicherlich gemäß seiner Bestallung durch Sultan Maḥmūd II.1127 El-Azhari meint hingegen, Ibn al-Aṯīr würde in Zusammenhang mit der Übernahme Aleppos fälschlicherweise – weil zu früh – von einer Urkunde sprechen, laut der Zangī auch auf syrischem Boden herrschen sollte.1128 Zu bedenken ist aber, dass schon die Zuständigkeit vorheriger Gouverneure von Mosul regulär bis in die Levante gereicht hatte und Zangī 1127 sämtliche Gebiete erhielt, die zuvor unter al-Borsuqīs Kontrolle gewesen waren. Es ist daher nicht anzunehmen, „that the biased historian, Ibn al-Athir, writes of the events of 1129 occurring as early as 1127 in order to add to the glory of Zengi.“1129 Was 1129 in einer neuen Urkunde festgesetzt wurde, war offenbar eine Präzisierung oder Erweiterung des Zangī anvertrauten Territoriums, nachdem der Emir seine drohende Verdrängung durch Dubais II. (mit kalifaler Hilfe) erfolgreich abgewendet hatte. Hierfür war er, wie bereits dargestellt, in Bagdad „auf den Teppich des Sultans getreten“; anschließend wurde er nicht einfach nur im Amt bestätigt, sondern konnte nach Mosul bi-’t-tawāqīʿ as-sulṭānīya bi-mulk almaġrib kullihī (!) zurückkehren.1130 Das Zangī zugewiesene Herrschaftsgebiet dürfte also schon von Anfang an Aleppo umfasst haben, bevor es 1129 um weitere, bedeutende Teile der bilād aš-Šām vergrößert wurde, vielleicht anlässlich der Einsetzung Alp-Arslans als malik und Zangīs Ernen-

1127 S. dazu auch Heidemann, Renaissance der Städte, S. 245 ff. 1128 Azhari, Zengi, S. 18 f.; s. auch Azhari, Saljūqs of Syria, S. 230 f. 1129 Azhari, Zengi, S. 19. 1130 ʿAẓīmī, Taʾrīḫ Ḥalab, S. 381.

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nung zu dessen Atabeg. Anders als von Stefan Heidemann erklärt,1131 wurde der Atabeg damals sicher nicht vom Sultan zum neuen malik al-maġrib erhoben, doch stellt sich die Frage, was al-maġrib kullihī eigentlich bedeuten sollte, vor allem in Hinblick auf die damalige muslimische Vormacht Syriens, das Böriden-Emirat von Damaskus. In al-ʿAẓīmīs ausführlicherem Werk zur Geschichte Aleppos (jenem, das nicht erhalten ist) stand nach Ibn al-ʿAdīm, dass Zangī aus Bagdad eine erneuerte Bestallungsurkunde für „die beiden Ǧazīras, aš-Šām, Aleppo, die Küste und das, was daran angrenzt“ mitbrachte,1132 woraus sich aber nicht eindeutig schließen lässt, ob Zangī insbesondere auch nach Damaskus greifen durfte. Zumindest ist es nicht unwahrscheinlich, dass Sultan Maḥmūd keine Hemmungen hatte, auf die Böriden zu verzichten oder wenigstens keine Rücksicht auf sie zu nehmen.1133 Der Begründer dieser türkischen Dynastie, Ẓahīr ad-Dīn Tuġ-Tegin, war als Atabeg eines der syrischen Selǧuqen – die Linie endete in Damaskus 1105 – an die Macht gelangt und regierte bis zu seinem Tod 1128 nicht selten zum Missfallen der Selǧuqensultane, etwa indem er mit den Kreuzfahrern, Fāṭimiden und Assassinen kooperierte. Tuġ-Tegin konnte nicht als verlässlicher Vasall gelten, auch wenn er 1116 persönlich zu seinem Oberherrn Muḥammad Tapar nach Bagdad gekommen, sich dem Sultan unterworfen und per manšūr als Emir-Gouverneur Syriens bestätigt worden war.1134 Was Zangī angeht, so hatte Maḥmūd II. 1129 keinen Grund, an dessen Treue zu zweifeln und vielleicht hielt es der Irak-Selǧuqe für eine gute Entscheidung, einem solchen Emir gleich den gesamten Westen anzuvertrauen, anstatt auf eine Art Mächtegleichgewicht zu achten. Zwar ist auf den meisten Dirhams des Atabegs Tuġ-Tegin der großselǧuqische Sultan Muḥammad I. genannt, doch fehlen Prägungen aus der Zeit nach 1118, welche eine Anerkennung Maḥmūds II. und/oder Sanǧars belegen würden. Das gleiche gilt für die Münzen von Tuġ-Tegins Sohn und Nachfolger Tāǧ al-Mulūk Böri (reg. 1128–1132), was allerdings bei den wenigen bekannten Exemplaren (von Böri nur fulūs) nicht viel bedeuten muss. Jedenfalls verlief Zangīs Expansion in der Levante vor allem auf Kosten der Böriden, zu deren Besitzungen ja keineswegs nur die Hauptstadt Damaskus gezählt hatte. Davon abgesehen, dass der Herr von Mosul ein echter Atabeg war, während Tuġ-Tegins Nachkommen nicht länger über einen Selǧuqenspross verfügten,

1131 S. Renaissance der Städte, S. 247; EI2-Artikel „Zangī“. 1132 Ibn al-ʿAdīm, Buġya, S. 3847 (und 3845); mit al-Ǧazīratain dürften die Diyār Rabīʿa und die Diyār Muḍar gemeint sein; um aš-šaṭṭ zu kontrollieren, mussten, wie gesagt, die Kreuzfahrer bekämpft werden. 1133 S. Azhari, Saljūqs of Syria, S. 230. 1134 S. Ibn al-Qalānisī, Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 193–197 für den kompletten manšūr-Text! Aus dem Dokument geht hervor, dass Tuġ-Tegin schon zuvor gemäß einer Bestallungsurkunde vom Sultan regierte; leider werden die ihm zugewiesenen Orte nicht noch einmal aufgezählt. Die Rede ist vom imārat aš-Šām und man erfährt, dass dem Atabeg von Damaskus „gnädigerweise“ sämtliche Einnahmen aus den ihm unterstellten Gebieten überlassen werden. Tuġ-Tegin erhielt das Recht, sein Amt in der Familie zu vererben.

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bestand zwischen Zangī und Böri kein wesentlicher Rangunterschied; bei beiden handelte es sich um einen Großemir im isfahsālār-Rang, welcher einen Wesir an seiner Seite hatte und über eine Reihe von Subgouverneuren gebot. So regierte etwa in Ḥamāh Böris Sohn Bahāʾ ad-Dīn Sävinč, bis Zangī ihn 1130 gefangen und die Stadt am Orontes einnahm.1135 Sävinčs Bruder Šams al-Mulūk Ismāʿīl, welcher Böri 1132 als Herr von Damaskus beerbte, konnte neben Bāniyās (von den Kreuzfahrern) auch Ḥamāh zurückerobern, doch ging letztere Stadt im Jahr seines Todes, 1135, erneut an Zangī verloren, dem sich der wālī von Bāniyās 1137 gleich freiwillig unterstellte. Baʿlabakk – wo Böri während der Herrschaft seines Vaters Gouverneur gewesen war – ließ Ismāʿīl von seinem Bruder Šams ad-Daula Muḥammad regieren. Als Zangī 1139 auch diesen wichtigen Ort eroberte, installierte er als Statthalter Saladins Vater Naǧm ad-Dīn Aiyūb, welcher sich nach dem Tod des Atabegs 1141 allerdings gezwungen sah, Baʿlabakk wieder den Böriden zu überlassen. Zangīs wichtigster Mann in Syrien war natürlich sein langjähriger Statthalter in Aleppo, der Emir Saif adDīn Savār b. Ai-Tegin (gest. nach 1147). Ein Beispiel für einen Böriden-Gouverneur, der nicht zur Herrscherfamilie gehörte, ist der über Buṣrā und Ṣarḫad gebietende, de facto halbautonome isfahsālār Amīn ad-Daula Gümüš-Tegin (gest. 1146/1147).1136 Er ist nicht (wie zum Beispiel im EI2-Artikel „Ṣalkhad“) zu verwechseln mit Faḫr ad-Daula Gümüš-Tegin, der Ṣarḫad bis zu seinem Tod 1131 regiert hatte.1137 Wie man erkennt, lieferten sich Zangī und die Böriden ein zähes Ringen um die Vorherrschaft in Syrien. Tatsächlich gab es in den bilād aš-Šām wohl nur drei kleinere Herrschaftszentren, die zum Selǧuqenreich gehörten, aber lange Zeit weder Teil des zangidischen noch des böridischen Machtblocks waren. In allen dreien residierten interessanterweise Lokaldynastien, geschützt durch starke Festungen. Es handelt sich um die ʿUqailiden von Qalʿat Ǧaʿbar (und ar-Raqqa), die gleichfalls arabischen Banū Munqiḏ von Šaizar und die türkischen Banū Qarača von Ḥimṣ. Erstere war von allen ʿUqailidenlinien jene, die sich am längsten halten konnte. Nachdem die schiitische Dynastie einst fast das gesamte Gebiet zwischen Bagdad und Aleppo kontrolliert hatte, blieb ihr zuletzt nicht mehr als Qalʿat Ǧaʿbar (Qalʿat Dausar) am Euphratufer, während ringsherum Zangī gebot. Dieser hatte sich bereits 1135 ar-Raqqas bemächtigt1138 und „wollte [nun] nicht, dass inmitten seiner Territorien ein Ort verblieb, der von je-

1135 Sävinč wurde später gegen Dubais ausgetauscht, s. o., S. 201. 1136 Zu ihm: Nuʿaimī, ad-Dāris, Bd. I, S. 132 f.; Köhler, Allianzen und Verträge, S. 196. Ibn al-Qalānisī (Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 253) berichtet sogar davon, wie der Herr von Damaskus Amīn ad-Daula 1136 die isfahsālār-Würde verlieh. 1137 Beide Emire sind aus Inschriften bekannt, s. TEI Nr. 30847 (Ṣarḫad, Faḫr ad-Daulas Grabinschrift!), 7627, 7745, 7759 (alle drei in Buṣrā und von Amīn ad-Daula). Faḫr ad-Daula ist derjenige Emir, welcher Ṣarḫad 1110 anstelle von Baʿlabakk erhalten hatte und nach dessen Tod Dubais II. eingeladen wurde, Ṣarḫad zu übernehmen. 1138 Ibn al-ʿAdīm, Zubda, S. 311.

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mand anderem als ihm beherrscht wurde“.1139 Um die störende Enklave zu beseitigen, begann er die Festung 1146 zu belagern, fiel dabei jedoch einem Mordanschlag zum Opfer, woraufhin es erst im Jahre 1169 seinem Sohn Nūr ad-Dīn Maḥmūd gelingen sollte, Qalʿat Ǧaʿbar vom letzten ʿUqailiden zu erobern. An dieser Stelle sei eine kurze Rekonstruktion der Abfolge sowie der verwandtschaftlichen Verhältnisse der ʿUqailiden von Qalʿat Ǧaʿbar und ar-Raqqa geboten, da die entsprechenden Darstellungen bei Zambaur, Lane-Poole, Kay, El-Azhari und anderen nicht korrekt sind.1140 Die Linie beginnt mit Šams ad-Daula Abū ’z-Zimām Sālim b. Mālik b. Badrān b. al-Muqallad b. al-Musaiyib, welcher Qalʿat Ǧaʿbar und ar-Raqqa Ende 1086/Anfang 1087 von Sultan Malik-Šāh I. im Gegenzug für die Übergabe Aleppos erhalten hatte. Sālim ließ ar-Raqqa von seinem Sohn ʿAlī regieren, bis dieser 1108 von den Banū Numair getötet wurde, welche ar-Raqqa vorübergehend besetzen konnten.1141 Sālim selbst verstarb 1125, woraufhin ihm sein anderer Sohn Šihāb ad-Dīn Naǧm ad-Daula Mālik (I.) beerbte.1142 Bei letzterem handelte es sich um denjenigen, an dessen Hof Dubais den gekidnappten Prinzen Farruḫ-Šāh zurückließ (s. o.), und überhaupt ist hervorzuheben, dass die ʿUqailiden von Qalʿat Ǧaʿbar sowohl den Mazyadiden als auch anderen Persönlichkeiten in politischen Schwierigkeiten immer wieder Zuflucht und Schutz gewährten. Als Māliks Statthalter regierte im zurückgewonnen Raqqa sein Sohn Ṣalāḥ ad-Dīn Zaʿīm ad-Daula Musaiyib. Kurz nachdem Mālik 1135 verschieden war,1143 wurde Musaiyib von Zangī mittels einer List um ar-Raqqa gebracht.1144 In Qalʿat Ǧaʿbar (auf das sich das ʿuqailidische Territorium nunmehr beschränkte) folgte indes Badrān b. Mālik nach, wurde jedoch noch 1135 von einem dritten Bruder ermordet.1145 Dieser hieß ʿIzz ad-Dīn Saif ad-Daula Abū ’l-Ḥasan ʿAlī und war jener Emir, den Zangī 1147 erfolglos belagerte, wie Ibn al-ʿAdīm sich von Badrān b. Ǧanāḥ ad-Daula Ḥusain b. Mālik b. Sālim, also dem Sohn eines vierten Bruders, berichten ließ.1146 Zur Übergabe Qalʿat Ǧaʿbars an Nūr ad-Dīn Maḥmūd und damit zum Ende der (von den Zangiden unabhängigen) ʿUqailiden-Herrschaft kam es letztlich infolge der Gefangennahme

1139 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 339. 1140 S. auch die Darstellung bei Heidemann, Renaissance der Städte, S. 260 ff., welche korrekt ist, aber nicht mehr die späten (besonders gern durcheinander gebrachten) ʿUqailiden von Qalʿat Ǧaʿbar einschließt. 1141 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 127 f.; s. aber auch Ibn Šaddād, al-Aʿlāq, Teil III, S. 77 f.; dazu Heidemann, Renaissance der Städte, S. 274–279. 1142 ʿAẓīmī, Taʾrīḫ Ḥalab, S. 375 f.; Ibn Šaddād, al-Aʿlāq, Teil III, S. 111 f. 1143 ʿAẓīmī, Taʾrīḫ Ḥalab, S. 387. 1144 Ibn al-ʿAdīm, Zubda, S. 311; Heidemann, Renaissance der Städte, S. 282–284. 1145 Ibn al-Azraq, Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 216 f., 222, 268; nach Ibn Šaddād (al-Aʿlāq, Teil III, S. 112 f.) wurde Badrān erst 1138/1139 getötet. 1146 Ibn al-ʿAdīm, Buġya, S. 3855 f.; s. auch Ibn al-Qalānisī, Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 285. Nach El-Azhari (s. etwa Zengi, S. 56 und 87, Anm. 7) herrscht die ganze Zeit über Sālim!

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Šihāb ad-Dīn Māliks II., bei dem es sich um den Sohn seines 1151 verstorbenen Vorgängers ʿAlī b. Mālik b. Sālim handelt.1147 Ein Kontakt zum fernen Reichsoberhaupt Sanǧar (oder dessen Repräsentanten, dem irakischen Subsultan) ist für die ʿUqailiden ebenso wenig bekannt wie für die Munqiḏiden. In der Region waren allerdings beide Araberdynastien sehr gut vernetzt und im Übrigen auch miteinander befreundet. Beide spielten (als fast schon neutrale Instanzen) eine Vermittlerrolle unter den (muslimischen und christlichen!) Machthabern der Levante und boten auf ihren Burgen politisches Asyl.1148 Die Festung der Banū Munqiḏ war seit 1081 jene von Šaizar am Orontes. Hier regierte über eine Zeitspanne, welche sich fast mit der von Sanǧars Herrschaft über Ḫurāsān deckt, nämlich von 1098 bis 1154, der Emir ʿIzz ad-Dīn Abū ’l-ʿAsākir Sulṭān b. ʿAlī. Als im Jahre 1138 der byzantinische Kaiser Johannes II. Komnenos (reg. 1118–1143) mit einer großen Armee in Syrien einfiel und Šaizar angriff, schickte Sulṭān ein Hilfegesuch an Zangī. Der Grund, warum der Kaiser gerade Šaizar belagerte, war allerdings der, dass dieser Ort (wie man Johannes sagte) nicht Zangī unterstand und ein Angriff den Atabeg folglich nicht besonders kümmern werde.1149 Nachdem Zangī dennoch in der Nähe Stellung bezogen hatte, konnte Sulṭān schließlich den Abzug des Byzantiners erkaufen. Neben Geschenken soll Johannes angeblich die Zusage erhalten haben, dass Šaizar seine Oberhoheit anerkennt und jährlich Tribut entrichtet.1150 Viel bedeutet haben kann dies freilich nicht; die Anerkennung muslimischer Herrscher blieb davon gewiss unberührt. Selbst Damaskus war ja einige Zeit dem König von Jerusalem tributpflichtig, was aber nur zeigt, welch spezielle Formen einer regionalen Außenpolitik die besondere Lage an der Peripherie des Selǧuqenreiches mit sich bringen konnte, ohne dass deshalb eine Oberherrschaft der Kreuzfahrer in Konkurrenz zum Sultanat begründet worden wäre.1151 Das Ende der Munqiḏiden-Herrschaft brachte ein schweres Erdbeben in Sanǧars Todesjahr 1157, welches die Festung von Šaizar zum Einsturz brachte. Hierbei fanden fast alle Mitglieder der Dynastie den Tod, auch der zuletzt regierende Emir Tāǧ ad-Daula Muḥammad b. Sulṭān. Die Katastrophe bot Zangīs Nachfolger in Syrien, Nūr ad-Dīn Maḥmūd, endlich die Gelegenheit, den strategisch wichtigen Ort unter seine 1147 Ibn Šaddād, al-Aʿlāq, Teil III, S. 114 f.; Ibn al-Aṯīr, at-Taʾrīḫ al-bāhir, S. 136 f. Nach Zambaur (Manuel, S. 135), welcher nur zwei ʿUqailiden von Qalʿat Ǧaʿbar auflistet, folgte Mālik b. ʿAlī direkt auf Sālim, wobei Māliks Vater für Sālims 1108 ermordeten Sohn gehalten wird. Die gleichen Fehler (man übersah, dass es zwei ʿAlīs und zwei Māliks gab) finden sich bei Lane-Poole (s. Moham­ madan Dynasties, Stammtafel nach S. 116) und Kay („Banu ‘Oḳayl“, S. 523 f. + Stammtafel), ein richtiger Ansatz hingegen bei Hillenbrand (S. 418 ihrer Übersetzung zu Ibn al-Azraqs Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid). 1148 Köhler, Allianzen und Verträge, S. 159–162; Heidemann, Renaissance der Städte, S. 260–262, 266– 270. 1149 Ibn al-Aṯīr, at-Taʾrīḫ al-bāhir, S. 55. 1150 Runciman, History of the Crusades, Bd. II, S. 215–217. 1151 S. zu dieser Frage Köhler, Allianzen und Verträge, S. 375–380.

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Kontrolle zu bringen; der Emir, den er Šaizar sogleich besetzen und die Burg wiederaufbauen ließ, wurde zum Begründer einer zunächst für die Zangiden regierenden Gouverneursdynastie, der Banū ’d-Dāya. Während die Banū Munqiḏ dank Usāma und seiner Autobiographie eine gewisse Bekanntheit genießen, lässt sich selbiges über die benachbarte Lokaldynastie von Ḥimṣ nicht sagen – selbst in Zambaurs Manuel fanden die Banū Qarača keine Berücksichtigung. Ihr Gründer und Namensgeber – dessen nisba al-Ǧanāḥī wohl auf Ǧanāḥ ad-Daula al-Ḥusain, den 1103 ermordeten Atabeg des Selǧuqenkönigs Riḍwān von Aleppo und vorherigen Herrscher von Ḥimṣ Bezug nimmt – starb Ende 1111,1152 woraufhin ihn sein Sohn Ṣamṣām ad-Dīn Qayı̊ r-Ḫan als Herrscher von Ḥimṣ beerbte. Der Name dieses (ebenso wie der Vater als tyrannisch charakterisierten) Emirs wurde bislang mit KhīrKhān oder Qırḫān/Qirkhan/Qïr-Khan wiedergegeben, doch dürfte ‫خير‬/‫ قير‬für das türkische qayı̊ r (die westliche Form des normalen qadı̊ r) stehen, was „grimmig“, „gestreng“ oder „hart“ bedeutet. Dafür, dass sich Qayı̊ r-Ḫan im Konflikt mit Tuġ-Tegin von Damaskus als loyaler Vasall des Selǧuqensultans bewies, verfügte dieser, dass dem Herrn von Ḥimṣ im Jahre 1115 auch Ḥamāh unterstellt wurde. In der Folgezeit regierte hier Qayı̊ r-Ḫans Bruder Šihāb ad-Dīn Maḥmūd b. Qarača, welcher sich wiederholt Kämpfe mit den Munqiḏiden lieferte. Nach seinem Tod fiel die Stadt 1124 an Tuġ-Tegin, gegen den sich bereits im Vorjahr Qayı̊ r-Ḫan hatte verteidigen müssen.1153 Aus der Feindschaft zwischen den Banū Qarača und den Böriden, aber auch aus Qayı̊ r-Ḫans Anlehnung an das Sultanat erklärt sich, warum der Herr von Ḥimṣ sehr schnell darin war, Zangī 1128/1129 als neuen starken Mann des Westens anzuerkennen und ihm jene List empfahl, durch die der Emir von Mosul nach Aleppo gleich noch Ḥamāh mitsamt Böris Sohn in seine Gewalt bekam. Womit Qayı̊ r-Ḫan nicht gerechnet hatte, war allerdings, dass Zangī kurz darauf auch ihn in Ketten legen ließ und weiter auf Ḥimṣ vorrückte. Mit dem gefangenen Lokalherrscher sollte die Übergabe der Stadt erpresst werden, doch ließ sich deren Interimsregent, ein Sohn Qayı̊ r-Ḫans, selbst durch den Anblick, wie sein Vater auf verschiedene Arten gedemütigt wurde, nicht zur Abtretung von Ḥimṣ bewegen.1154 Da die Belagerung der Stadt ebenfalls keinen Erfolg zeitigte, gehörte sie bis auf Weiteres weder zum Machtbereich der Böriden noch zu dem des Atabegs Zangī, was auf Dauer eine schwierige Situation darstellte. So sahen sich Qayı̊ r-Ḫans Söhne – einer, ʿAin ad-Daula, war 1131/1132 ermordet worden;1155 das Schicksal des Vaters ist unklar1156 – dem Druck 1135 nicht länger gewachsen 1152 Vielleicht ist er mit jenem Mamlūken Malik-Šāhs I. identisch, der in den 1090er Jahren Ḥarrān regierte. 1153 ʿAẓīmī, Taʾrīḫ Ḥalab, S. 361, 365; Ibn al-Qalānisī, Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 182, 209; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 154, 158; Ibn Munqiḏ, al-Iʿtibār, S. 46–46. 1154 Ibn al-ʿAdīm, Zubda, S. 302. 304; Ibn al-Qalānisī, Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 228. 1155 ʿAẓīmī, Taʾrīḫ Ḥalab, S. 384 f. 1156 Ibn al-Azraqs Angabe, Zangī habe Qayı̊ r-Ḫan 1137 getötet (Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 226), ist nicht sehr überzeugend.

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und schlugen dem Emir Šihāb ad-Dīn Maḥmūd b. Böri (reg. 1135–1139) vor, ihm Ḥimṣ im Tausch gegen Tadmur (Palmyra) zu überlassen, womit der Herrscher von Damaskus einverstanden war.1157 Zuvor hatte Zangī Ḥimṣ immer wieder attackieren lassen; auf seiner Wunschliste stand über dieser Stadt nur noch das Hauptziel in Syrien, die Kapitale der Böriden. Wie bereits erwähnt, drang Zangī als ordentlicher Statthalter der Selǧuqen nach Syrien vor; er hatte eine Urkunde für den „gesamten Westen“ und sogar einen Sohn des Sultans bei sich. Doch auch die Böridenherrschaft war von Seiten der Selǧuqen legitimiert. In dem manšūr, das einst Tuġ-Tegin erhalten hatte, wird für die Zukunft nämlich ausdrücklich eine Vererbung der gewährten Herrschaftsrechte an die Nachkommen des Empfängers zugesichert!1158 Das heißt, dass sich auch Tāǧ al-Mulūk Böri und seine Söhne noch darauf berufen konnten, in Damaskus als ordentliche Vasallen des Sultans zu regieren, und tatsächlich sollte diese formale Abhängigkeit nicht etwa an Bedeutung verlieren – die Bedrohung durch Zangī verlieh der Frage nach dem Verhältnis zu Sultanat und Kalifat (neues) Gewicht. Vom Eroberer Šams al-Mulūk Abū ’l-Fatḥ Ismāʿīl wissen wir, dass er 1134 von al-Mustaršid ausgezeichnet wurde,1159 was natürlich den Grund hatte, dass der ʿAbbāside die Position des damals gefährlichsten Feindes seines Feindes Zangī stärken wollte. Ismāʿīl ist es aber auch, von dem wahrscheinlich die früheste Böriden-Prägung mit Nennung Sanǧars bekannt ist. Genauer gesagt sind auf dem schwarzen Dirham nur (noch?) die Namen Ismāʿ[ī]l und Sanǧar zu lesen;1160 das irakische Juniorsultanat war damals ja umstritten. Wie die Prägung Balı̊ k-Ġāzīs aus Aleppo so zeigt auch diese kleine Münze, dass sich Sanǧars Anerkennung in Syrien nicht erst an jener Zangīs oder zwingend an der eines Subsultans hängend niederschlug. Nachdem Ismāʿīl offenbar den Verstand verloren und Zangī zur Übernahme von Damaskus eingeladen hatte, ließ ihn seine einflussreiche Mutter Ṣafwat al-Mulk ­Zumurrud Anfang 1135 umbringen.1161 Als neuer Herrscher folgte sein Bruder Šihāb ad-Dīn Maḥmūd nach, doch ließ sich der Atabeg-Emir von Mosul und Aleppo durch diesen Machtwechsel nicht von seinem zügigen Vorrücken auf die Böriden-Hauptstadt abhalten. Gemäß der Aufforderung von Ismāʿīl, wollte er nun endlich Damaskus unter seine Kontrolle bringen und begann die Stadt zu belagern. Nach einiger Zeit ohne Fortschritte kam es zu Friedensverhandlungen, wobei es um Fragen ging, die die imperiale Struktur betrafen – auch der Kalif war involviert. Die wichtigste Quelle für diese interessante, aber nicht ganz klare Neuregelung der oberhoheitlichen Verhältnisse am Westrand des Selǧuqenreiches ist Ibn al-Qalānisī, welcher berichtet, dass 1157 Ibn al-Qalānisī, Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 252. 1158 Ibn al-Qalānisī, Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 197. 1159 Ibn al-Qalānisī, Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 242. 1160 Ilisch, SNAT IV b 1, S. 38 f., Nr. 436 (Av: as-sulṭān / Sanǧar; Rev.: Ismāʿil [sic] b. / Būrī). 1161 Dazu etwa Azhari, Saljūqs of Syria, S. 242 f.

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Šihāb ad-Dīn Maḥmūd damals persönlich aus der belagerten Kapitale kommen sollte, um sich dem in Zangīs Heerlager befindlichen malik Alp-Arslan (und damit faktisch dessen Atabeg) zu unterwerfen. Der Herr von Damaskus lehnte es aus gutem Grund ab, das Risiko persönlich einzugehen, und schickte stattdessen seinen Bruder Tāǧ alMulūk Bahrām-Šāh. Gleichzeitig erreichte Zangī der bereits erwähnte raʾīs Bišr b. Karīm b. Bišr, welcher vom Kalifen beauftragt war, den Atabeg mit ḫilaʿ auszuzeichnen und umgehend in den Irak zu rufen.1162 Was al-Mustaršid – mit dem sich Zangī erst im November 1134 versöhnt hatte – vom „König der Emire“ des Westens wollte, war dessen Hilfe im aufkeimenden Konflikt mit Sultan Masʿūd. Ibn al-Ǧauzī zufolge hatten die belagerten Damaszener den ʿAbbāsiden aber auch extra darum gebeten, Zangī zurückzuhalten.1163 Am Ende wurde, wie Ibn al-Qalānisī und Ibn al-ʿAdīm schreiben, Alp-Arslans Nennung in der Damaszener Freitagspredigt vereinbart, wobei Alp-Arslan den Sultanstitel trägt. Dies sei die vom kalifalen Abgesandten übermittelte Anweisung gewesen; Zangī gab sich damit zufrieden und zog (nachdem er Bahrām-Šāh empfangen hatte) im März 1135 ab.1164 Die Frage ist nun, ob al-Mustaršid Alp-Arslan (wie Azhari1165 glaubt) wirklich zum Sultan erhob – und somit (erneut) Sanǧars Reichsordnung und die Einheit des westlichen Subsultanats angriff – oder der von Zangī kontrollierte Selǧuqensprössling doch nur als malik Anerkennung finden sollte. Ibn al-Qalānisī steht zumindest im Verdacht, es mit dem Sultanstitel nicht so genau zu nehmen; es ist durchaus möglich, dass er ihn an dieser Stelle in einem allgemeinen Sinn verwendet.1166 Ibn al-Aṯīr und Ibn Wāṣil, der aus zwei unterschiedlichen Missionen Bišrs eine einzige machte (s. o.), gebrauchen in ihren Berichten jedenfalls nur den Titel malik.1167 Hinzu kommt, dass bei Ibn al-ʿAdīm Maḥmūds Söhne Alp-Arslan und Dāwūd – letzteren erklärte der Kalif wenig später tatsächlich zum Juniorsultan anstelle Masʿūds – zu einer einzigen Person verschmolzen sind.1168 Während in den Editionen von Ibn al-Aṯīrs Text die Stelle mit der ḫuṭba-Nennung fehlt und ergänzt werden muss,1169 geht aus Ibn al-Ǧauzīs Worten nicht hervor,

1162 1163 1164 1165 1166 1167 1168 1169

Ibn al-Qalānisī, Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 247 f. Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 293. Ibn al-Qalānisī, Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 248 und (danach) Ibn al-ʿAdīm, Zubda, S. 312. Zengi, S. 29 (auf S. 114 hingegen: „official malik in Syria and Iraq“ – um den Irak ging es freilich gar nicht); Saljūqs of Syria, S. 244. Ibn al-Qalānisī bezeichnet z. B. den Emir Zangī einmal als sulṭān aš-Šām (und Sanǧar als sulṭān Ḫurāsān oder sulṭān aš-Šarq); anderswo spricht er vom Sultan der Stadt Damaskus und meint den Böriden-Emir. Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 280 (es muss natürlich Alp-Arslan b. Maḥmūd heißen); Ibn Wāṣil, Mufarriǧ, Bd. I, S. 58, 63. Könnte der Grund hierfür gar sein, dass al-Mustaršid in Damaskus (auch) Dāwūd anerkennen ließ? Auch Tornbergs Edition (Ibn-el-Athiri Chronicon quod perfectissimum inscribitur, Bd. XI, Uppsala 1851, S. 13) ist an dieser Stelle unbefriedigend, s. zur Ergänzung die Übersetzung von Richards (The Chronicle of Ibn al-Athīr), Teil I, S. 314, Anm. 3.

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dass es um die Freitagspredigt in Damaskus und den Selǧuqen Alp-Arslan geht; vielmehr scheint sich das Wort ṣabīy auf den jungen Böridenherrscher zu beziehen.1170 Wie sich erahnen lässt, ist also eine Reihe von Möglichkeiten denkbar, welche Hie­ rarchie nun tatsächlich festgelegt wurde. Al-Mustaršid ist die Genehmigung eines neuen Sultanats zwar zuzutrauen, doch deuten die folgenden Entwicklungen eher darauf hin, dass die Böriden Alp-Arslan nur als malik der Ǧazīra und Syriens anerkennen mussten, und zwar ohne dass bereits zu diesem Zeitpunkt angeordnet wurde, obendrein Dāwūd als Sultan zu nennen. Masʿūds Name wurde ja in Bagdad erst Anfang Mai 1135 substituiert – ob er bis dahin auch in der Damaszener ḫuṭba erklang, ist allerdings unklar – und mit dem Angebot, Alp-Arslan zum Subsultan zu erheben, konnte später wohl noch ar-Rāšid Zangīs Unterstützung gewinnen.1171 Azhari behauptet hingegen irrtümlich, alMustaršid habe Alp-Arslan sogar im Irak als Sultan anstelle Masʿūds nennen lassen.1172 Was während der Verhandlungen mit Bišr offenbar nicht zur Debatte stand, war Sanǧars Stellung als „allergrößter“ Sultan. Der Selǧuqensenior durfte darauf vertrauen, dass seine Anerkennung in Zangīs Machtbereich nicht infrage gestellt wurde, doch musste er andererseits in einem Zusammengehen von Zangī mit dem Kalifat eine Gefahr für die Macht seiner Dynastie sehen. Außerdem wird deutlich, dass dazu, wer nun in Damaskus als König beziehungsweise Sultan auf den Herrschaftsebenen unter Sanǧar Anerkennung erfuhr, Regelungen unabhängig vom Reichsoberhaupt getroffen wurden – eine Hierarchie gemäß den Vorstellungen des Großsultans war in Syrien nicht selbstverständlich.

1170 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 293. 1171 S. o., S. 221. Wenn al-Mustaršids Botschafter im Frühjahr 1135 wirklich Alp-Arslans Anerkennung als Sultan bewirkt hätte, wäre dieser natürlich nicht nur in Damaskus an die Stelle des irakischen Subsultans getreten, sondern in Zangīs gesamtem Einflussgebiet und man müsste annehmen, dass der Atabeg diese große Errungenschaft dann sehr schnell einfach wieder aufgegeben hätte. Man dürfte auch fragen, warum der Kalif seinem neuen Verbündeten gleich einen solch großen Gefallen hätte erweisen sollen, wo doch bereits Alp-Arslans Anerkennung als malik ein Erfolg für den Atabeg gewesen wäre. 1172 Azhari, Zengi, S. 29: „[W]e see al-Mustarshid cancel the khutba in Iraq for Mas‘ud and declare it for Alp Arslan […]. Zengi also managed to force the Seljuqs of Damascus to give the khutba to his candidate too, the new sultan Alp Arslan, before leaving the walls of Damascus. Now, for the first time, Zengi could act in full confidence supported by the legitimacy as the atabeg of the sultan, in whose name the khutba was declared not only in Iraq and parts of the Jazira, but also in Syria, from Aleppo in the north to Damascus in the south.“ Masʿūd wurde, wie gesagt, erst später aus der Bagdader ḫuṭba ausgeschlossen und an seine Stelle trat eben nicht Alp-Arslan, sondern Dāwūd. Azhari schreibt über al-Mustaršids Verfügung ferner: „In return, the khutba to Alp Arslan would be declared in all of Zengi’s dominions in Syria, the Jazira and Iraq“ (op. cit., S. 72) und über die Auswirkung von al-Mustaršids Niederlage: „Zengi lost his chance to keep the khutba in Iraq and Syria for his candidate Alp Arslan“ (S. 30). Das war jedoch überhaupt nicht der Punkt! Auf Zangīs Territorium wurde Alp-Arslan 1135 schon längst überall in der Freitagspredigt genannt – als ­malik – und daran änderte auch al-Mustaršids Tod nichts. Außerdem war vom Irak gar keine Rede, es ging nur um Damaskus.

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Von Ibn al-Qalānisī erfahren wir auch, dass es 1136 zu einer Neuerung in der Damaszener Münzprägung kam. Als die in der sikka (von Ende 530 H.) aufgeführten Personen werden dabei 1. der neue Kalif ar-Rāšid, 2. as-sulṭān al-muʿaẓẓam Masʿūd und 3. der Emir Šihāb ad-Dīn Maḥmūd aufgezählt.1173 Dass Sanǧars Repräsentant Masʿūd zu dieser Zeit (möglicherweise erstmals) von den Böriden anerkannt wurde, ist deshalb bemerkenswert, weil dieser nach al-Mustaršids Tod zwar erneut in der Bagdader ḫuṭba (statt Dāwūd) genannt, sein Name Anfang 530 H. jedoch auf Geheiß ar-Rāšids abermals durch den Dāwūds ersetzt worden war. Dies bedeutet, dass die Böriden im Falle ihrer neuen Dinare entweder sofort auf Sultan Dāwūds Verdrängung durch Masʿūd aus Bagdad (Ende 530 H.) reagierten oder dem Kalifen anders als Zangī (noch) gar nicht darin gefolgt waren, Dāwūd anzuerkennen. Jedenfalls stellt sich vor allem die Frage, wieso Ibn al-Qalānisī für die neue sikka nicht auch Sanǧars Namen angibt. Wa­ rum hätte Masʿūd ohne seinen Oberherrn aufgeführt werden sollen, nachdem letzterer ja schon auf Ismāʿīls Münzen erschien? War es vielleicht wie im Falle des ġaznavidischen oder des qaraḫanidischen Teilreichs so, dass Sanǧars Anerkennung nicht immer bis in die Peripherie reichte, oder wird der Großsultan nicht erwähnt, weil seine fortwährende Anerkennung ohnehin selbstverständlich war? Nun sind uns zwar keine Exemplare bekannt, auf die Ibn al-Qalānisīs Beschreibung zutrifft, dafür aber Dinare, welche offenbar ebenfalls noch Ende 530 H. geschlagen wurden. In den Inschriften führt Šihāb ad-Dīn Maḥmūd über sich Sanǧar ebenso wie Masʿūd auf und erstaunlicherweise ist zudem nicht mehr (wie auf einigen von Šihāb ad-Dīns schwarzen Dirhams1174) ar-Rāšid genannt, sondern bereits der gerade erst installierte al-Muqtafī.1175 Demnach war es wohl so, dass sich die Böriden – anders als es bei Ibn al-Qalānisī klingt1176 – ohne jede Verzögerung folgsam nach Sanǧar und Masʿūd richteten und im Gegensatz zu Zangī eben nicht am Kalifat des abgesetzten, nach Mosul geflohenen ar-Rāšid festhielten!1177 Als dann der zuvor beobachteten Neigung, die Herrscherhierarchie in Syrien teilweise unabhängig vom Großsultan anzupassen, mit der Entsendung des Eunuchen Yumn (s. o.) Rechnung getragen wurde und dieser 531 H. (1137) in Sanǧars Auftrag über Bagdad und Mosul möglicherweise bis nach Damaskus reiste – jedenfalls nahm er auch den ahl aš-Šām die baiʿa für al-Muqtafī ab1178 –,

1173 Ibn al-Qalānisī, Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 257. 1174 Ilisch, SNAT IV b 1, S. 38 f., Nr. 437 f. – die Umschriften sind ungelesen. 1175 Ilisch, SNAT IV b 1, S. 38 f., Nr. 439 (s. auch S. 7) und id. im Auktionskatalog Nr. 75 (Dez. 1989) der Münzen und Medaillen AG, S. 46, Los 361. Es handelt sich um die frühesten bekannten Böriden-Dinare; aus der Zeit davor sind nur (schwarze) Dirhams bekannt. 1176 Ibn al-Qalānisī, Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 256 f. 1177 S. auch Ilisch, Auktionskatalog Nr. 75 (Dez. 1989) der Münzen und Medaillen AG, S. 46, unter Los 361. 1178 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 321 f.

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dürfte Šihāb ad-Dīn die politischen Verhältnisse also schon ganz im Sinne des Selǧuqenoberhaupts angezeigt haben. Wirkungslos war Yumns Reise in den Westen sicher dennoch nicht – bemerkenswerterweise sind auch auf allen Dinaren (und den meisten Dirhams), welche die Böriden über die folgenden Jahre prägen ließen, immer der Großsultan Sanǧar und sein Vasall Masʿūd angegeben (wenn jemand nicht genannt wird, dann der Herr von Damaskus selbst).1179 Weder in Ibn al-Qalānisīs Erläuterungen zur neuen sikka von Ende 530 H. erwähnt noch auf irgendeiner der bekannten Böriden-Prägungen genannt ist Alp-Arslan b. Maḥmūd, was darauf schließen lässt, dass Zangīs Erfolg, seinem Marionettenkönig auch auf dem Territorium des Emirats von Damaskus huldigen zu lassen, kein nachhaltiger war. Dementsprechend ging Zangī weiter gegen die Böriden vor; 1137 belagerte er erneut Ḥimṣ. 1138 heiratete der Atabeg Šihāb ad-Dīns Mutter Zumurrud-Ḫatun und bekam Ḥimṣ quasi als Mitgift, doch ging der Plan, über die Lady auch Damaskus unter seine Kontrolle zu bringen, nicht auf. Nachdem Šihāb ad-Dīn 1139 ermordet worden war, beerbte ihn sein Bruder Ǧamāl ad-Dīn Muḥammad. Dieser Emir hatte bislang Baʿlabakk regiert, das Zangī noch im selben Jahr eroberte. Die Dirhams, die der Atabeg daraufhin (534 H.) hier prägen ließ, belegen die von ihm auch westlich des Eu­phrats vertretene Herrscherhierarchie – nachdem er Sanǧars Kandidaten 1137 doch noch akzeptiert (und Dāwūd sowie ar-Rāšid fallengelassen) hatte. Lückenlos sind auf diesen Münzen 1. al-Muqtafī, 2. Sanǧar, 3. Masʿūd, 4. der malik ʿAḍud ad-Dīn Alp-Arslan und 5. „der gerechte König der Emire“ Zangī b. Aq-Sonqur aufgeführt (Abb. 8).1180 Vergleichbare „Staatsbulletins“ stehen leider weder für Qalʿat Ǧaʿbar, Šaizar oder Ḥimṣ zur Verfügung und auch aus Zangīs syrischem Herrschaftsgebiet sind sonst nur weniger informative Dirhams aus Aleppo bekannt;1181 Dinare – auf denen die politischen Verhältnisse ja immer am besten dokumentiert sind – wurden damals lediglich in Damaskus geprägt.

1179 S. z. B. Ilisch, SNAT IV b 1, S. 38 f.; Zeno Nr. 112508 oder ANS 1969.98.1 (Damaskus; 531 H.; ohne Nennung Šihāb ad-Dīns); al-Ǧābir, Qaṭar II, S. 212–214 (Nr. 2824: Damaskus; 533 H.; Ǧamāl adDīn Muḥammad b. Böri). 1180 Av.: lā ilāh illā ’llāh / Muḥammad rasūl Allāh / (darüber:) malik al-umaraʾ / (ganz unten:) al-­ ʿādil / (links:) Ṭoġrı̊ l-Tegīn (?) b. / (rechts:) Aq-Sonqur; Rev.: al-imām / al-Muqtafī li-Amr Allāh /  al-aʿẓam Sanǧar / wa-’l-muʿaẓẓam / Masʿūd / (rechts:) ʿAḍud ad-Dīn / (links:) Alp-Arslān; s. auch Zeno Nr. 51706. 1181 S. z. B. Zeno Nr. 143932 – das Stück wurde irrtümlich dem Böriden Tuġ-Tegin zugeschrieben, doch ist auf dem Rev.-Feld atābeg / [mali]k al-umarāʾ Ṭoġrı̊ l[-Tegīn] / (Umschrift): Zankī b. Aq-Sonqur zu lesen (und auf dem Av. al-imām al-Muqta[fī]). Die Publikation dreier solcher Dirhams wird im SNAT-Bd. IVe1 erfolgen.

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Abb. 8  Dirham des Atabeg-Emirs Zangī und seines selǧuqischen maliks Alp-Arslan aus Baʿlabakk (FINT FD5 B6).

Während Zangī 1139–1149 abermals die Böriden-Hauptstadt belagerte, wurde Ǧamāl ad-Dīn von seinem Sohn Muǧīr ad-Dīn Abaq beerbt. Die Regierung verblieb jedoch in den Händen des fähigen Emirs Muʿīn ad-Dīn Öner, welcher ein Bündnis mit dem Königreich von Jerusalem schloss und gute Beziehungen zu Zangīs Nachfolger in Syrien, seinem Schwiegersohn Nūr ad-Dīn Maḥmūd (reg. 1146–1174), unterhielt.1182 Nachdem Öner 1149 gestorben war, sah sich Abaq 1150 schließlich gezwungen, dem vor Damaskus lagernden Nūr ad-Dīn nachzugeben und dessen Oberhoheit zu akzeptieren. Fortan ließ der letzte Böride den zangidischen Herrscher von Aleppo in ḫuṭba und sikka aufführen, was wohlgemerkt nichts daran änderte, dass in Damaskus obendrein weiterhin die beiden Selǧuqensultane genannt wurden. Genauer gesagt kennen wir einen schwarzen Dirham-Typ, auf dessen einer Seite Sanǧar / wa-Masʿūd zu lesen ist und auf der anderen Abaq / wa-Maḥmūd; in der Umschrift um letzteres Namenspaar findet sich zudem der Name des Kalifen.1183 Offenbar versuchte man in Damaskus mit der vorbildlichen, kontinuierlichen Anerkennung von Groß- und Juniorsultan der zangidischen Expansion etwas entgegenzuhalten (erinnert sei an den Ġaznaviden Ḫusrau-Šāh, der angesichts der ġūridischen Aggression noch auf Sanǧar gehofft zu haben scheint). Mitunter (zum Beispiel 536 H.) wurden sogar Dinare ganz ohne Böriden-Nennung geprägt – so, als wenn die Stadt

1182 S. für einen Abriss der Ereignisse etwa Azhari, Saljūqs of Syria, S. 252 ff. Irritierenderweise spricht Azhari in seiner Studie immer von den syrischen Selǧuqen, wenn er die Böriden meint. 1183 Ilisch, SNAT IV b 1, S. 39, Nr. 444; Zeno Nr. 159108. Sanǧar und Masʿūd sind auch auf allen anderen Dirhams des Emirs Abaq genannt, auf den Dinaren ohnehin (für einen ¼-Dinar s. Zeno Nr. 101597).

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vergleichsweise direkt von den Selǧuqen kontrolliert worden wäre. Den Verlust ihrer Kapitale zu verhindern, schafften die Böriden allerdings weder auf diese Weise noch auf einen andere – im Jahre 1154 machte Nūr ad-Dīn endlich den väterlichen Wunsch wahr und brachte Damaskus in seinen Besitz.1184 Abaq musste weichen; sein Weg führte ihn über Ḥimṣ und Bālis (das alte Emār, heute Maskana am Assad-Stausee) nach Bagdad, wo er 1168/1169 starb. Die Frage, ob sich auch Nūr ad-Dīn Maḥmūd, der in erster Linie den Titel al-malik al-ʿādil führte, selbst noch (wenigstens für eine Weile) als Herrscher innerhalb des selǧuqischen Reichsverbands verstand und dies ordnungsgemäß anzeigte, beantwortet ein bislang unpublizierter Dirham-Typ, welcher sehr wahrscheinlich in Aleppo geprägt wurde und (in fāṭimidischer Tradition) pro Seite drei konzentrische Kreisinschriften (um drei konzentrische Ringe) aufweist (mit einem zentralen Punkt auf dem Av.). Als Prägejahr könnte in einem Fall [5]42 H. (1147/1148) zu lesen sein (äußere Rev.-Inschrift). Der Münzherr erscheint auf diesem Typ als Nūr ad-Dīn Maḥmūd b. atābeg al-ʿādil (innere Rev.-Umschrift) und nennt über sich as-sulṭānain (oder doch assulṭānān?) al-aʿẓam wa-’l-muʿaẓẓam Sanǧar wa-Masʿūd (mittlere Rev.-Inschrift) sowie al-imām al-Muqtafī bi-’llāh [sic] amīr al-muʾminīn (innere Av.-Inschrift).1185 Nūr ad-Dīns Unterordnung unter seinen älteren Bruder Saif ad-Dīn Ġāzī und dessen Instrumentalisierung des Selǧuqen Alp-Arslan (s. o.) kommen dagegen ebensowenig zum Ausdruck wie auf den erwähnten schwarzen Dirhams aus Damaskus, auf welchen Abaq die zangidische Oberherrschaft anerkennt; vermutlich bestand Alp-Arslans Scheinkönigtum nach Zangīs Tod nur noch in der Ǧazīra fort. Die Aufführung Masʿūds als Subsultan bestätigt, dass die Münzen nicht erst in Damaskus geschlagen wurden. Sie gehören offenbar in Nūr ad-Dīns frühe Regierungsjahre und da von diesem Zangiden sonst keine für die Herrscherhierarchie aussagekräftigen Prägungen bekannt sind1186 und auch andere Quellen nichts über sein Verhältnis zu den Reichsspitzen verraten, kann hinsichtlich der Frage, wann genau in Syrien zum letzten Mal ein Selǧuqe in ḫuṭba und sikka genannt wurde, vorerst nur vermutet werden, dass es der Herr von Aleppo und Damaskus noch bis zu Sanǧars Gefangennahme oder Tod zumindest bei der Anerkennung des „allergrößten“ Sultans beließ. Besondere Beachtung verdient, dass wenigstens Nūr ad-Dīn dem betagten Großsultan trotz der großen Distanz und ganz anderer Sorgen nicht egal war. Dank Ibn al-Qalānisī ist nämlich überliefert, dass den zangidischen Herrscher Syriens im April 1157 ein Brief des Selǧuqenseniors erreichte, in welchem Sanǧar (dem im Text ein 1184 Ibn al-Qalānisī, Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 327 f. 1185 FINT 2002-20-1877 bis 2002-20-1891 (s. zum Fundbestand Ilisch, Jahresbericht 1999, S. 21 f., Nr. 10) und 2008-12-65. Die mittlere Av.-Inschrift enthält die šahāda; die äußere ist noch ungelesen. Eine Publikation dieser interessanten Stücke wird im SNAT-Bd. IVe1 erfolgen. 1186 S. allerdings Zeno Nr. 107289 – dass es sich hierbei um eine Prägung Nūr ad-Dīns handelt, ist möglich und anscheinend wird wenigstens in einer Umschrift ein Sultan genannt (den Namen müsste ein besser geprägtes/erhaltenes Exemplar offenbaren).

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falscher laqab gegeben wurde) seine Zuneigung und Anerkennung für Nūr ad-Dīn ausdrückt sowie vor allem über die volle Rückgewinnung seiner Freiheit und Souveränität informiert! Der „allergrößte“ Sultan ließ Zangīs Sohn wissen, dass er nun zurück auf der politischen Bühne sei, wieder über Truppen verfüge und beabsichtige, einen gemeinsamen Kampf gegen die Kreuzfahrer zu unterstützen.1187 Zweifelsohne bezweckte Sanǧar damit, klarzustellen, dass es trotz allem weiterhin eine verbindliche imperiale Macht gab und man selbst ganz im Westen noch mit dieser zu rechnen habe. Nūr ad-Dīn sollte nicht denken, dass die Ära der Großselǧuqen schon am Ende und die Zeit, sich aus dem Reich zu lösen, gekommen sei. Nachdem Sanǧar die Flucht aus seiner Gefangenschaft bei den Oġuz geglückt war, erhielten sicherlich viele Herrscher ähnliche Schreiben; genügend Machthaber schnell von einer Restauration der Ordnung zu überzeugen, war das Gebot der Stunde. Dass sich das Selǧuqenoberhaupt in dieser Situation aber selbst um Syrien kümmerte, ist erstaunlich und zeigt, wie sehr es bis zuletzt um die Behauptung der imperialen Ebene ging. Abschließend lässt sich der Gesamteindruck festhalten, dass Sanǧars Oberhoheit sogar in den (sunnitisch beherrschten) bilād aš-Šām die meiste Zeit über von den meisten Machthabern anerkannt wurde. Allerdings war Sanǧar hier wirklich nur ein Name; Hinweise auf Kontakte zwischen dem Großsultan und syrischen Herrschern fanden sich abgesehen von besagtem Brief an Nūr ad-Dīn (sowie eventuell der Mission des Eunuchen Yumn) nicht. Entsprechend der Formulierung al-maġrib kullihī (s. o.) war der Westrand des Reiches auch weitestgehend Zangī überlassen, an dessen machtvoller Position vorbei es keine eigene Syrien-Politik der Sultane gab – das Emirat von Mosul fungierte quasi als politische Schleuse. Nur 1138 wäre es beinahe zu einer Überwindung dieser Barriere durch Sultan Masʿūd gekommen, als der Irak-Selǧuqe ein Heer gegen den Aleppo bedrohenden Kaiser von Byzanz entsenden wollte; 1143 plante Masʿūd dann wohl, seinen Neffen Dāwūd b. Maḥmūd nach Syrien zu schicken, weshalb angeblich Zangī Dāwūd ermorden ließ.1188 Auch mit Hilfe des maliks AlpArslan konnte Zangī in Syrien beanspruchen, vollumfänglich das Sultanat zu repräsentieren. Folglich wird der Atabeg in Ibn al-Qalānisīs Damaskus-Chronik sogar als sulṭān aš-Šām bezeichnet, wohingegen Sanǧar mitunter als „Sultan des Ostens“ oder „Sultan von Ḫurāsān“ erscheint,1189 was auf eine Wahrnehmung als Herrscher in einem anderen, entfernten Teil der Welt schließen lässt. Natürlich wird der Sultanstitel hier jedoch lediglich in einem allgemeinen Sinne gebraucht (so wie ṣāḥib); auch Ibn al-Qalānisī war sich Sanǧars übergeordneter Position als Reichsoberhaupt bewusst und hatte beispielsweise genaue Kenntnis von dessen imperialer Titulatur.1190

1187 Ibn al-Qalānisī, Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 337 f.; es muss natürlich muʿizz statt giyāṯ heißen. 1188 Bundārī, Zubda, S. 195. 1189 Ibn al-Qalānisī, Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 275, 284. 1190 Ibn al-Qalānisī, Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 284.

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IV.6.5.4 Ostanatolien Ganz im Norden des Zweistromlandes grenzte das zangidische Territorium an die Besitzungen der Artuqiden. Der für Zangī gefährlichste Herrscher aus dieser Familie hieß Rukn ad-Daula Dāwūd b. Sökmen. Als Sanǧar sich zum Großsultan erhob, regierte Dāwūd schon seit einem Jahrzehnt Ḥiṣn Kaifā (Hasankeyf) und Umgebung am Oberlauf des Tigris. Dieses Artuqiden-Emirat war jedoch nicht das einzige: Gleich nebenan herrschte bis 1122 Naǧm ad-Dīn Il-Ġāzī I. über Mārdīn und Maiyāfāriqīn (Silvan). Nach seinem Tod folgte ihm in ersterer Stadt Ḥusām ad-Dīn Temür-Taš b. IlĠāzī und in letzterer dessen Bruder Šams ad-Daula Sulaimān b. Il-Ġāzī nach. Sulaimān verstarb bereits 1124, woraufhin Dāwūd zusätzlich Ḫartpert übernahm und Temür-Taš auch Maiyāfāriqīn (wo fortan nichtartuqidische Gouverneure regierten). Dazu, inwieweit die Artuqidenherrschaft selǧuqisch legitimiert war, wissen wir einerseits, dass Il-Ġāzī Maiyāfāriqīn von Sultan Maḥmūd II. übertragen bekommen hatte, entweder 11181191 oder 1121/1122, als Temür-Taš im Auftrag seines Vaters den Sultanshof aufsuchte, um Fürsprache zugunsten Dubais’ (Il-Ġāzīs Schwiegersohn) einzulegen.1192 Womöglich wurde auch in diesem Fall zugesichert, dass der Emir-Gouverneur von Mārdīn und Maiyāfāriqīn seine Stellung vererben dürfe. Andererseits liegen für die Folgezeit keinerlei Informationen über irgendwelche Beziehungen (des auf seinen Vater gefolgten) Temür-Tašs oder Dāwūds zum irakischen Juniorsultan oder dessen Oberherrn Sanǧar vor. Der Grund hierfür dürfte wieder Zangī sein, dem die Selǧuqen eben sämtliche Angelegenheiten des „wilden“ Westens überantworteten und dabei im Umgang mit anderen Machthabern der Region freie Hand ließen sowie eine (auf Grund seiner Atabeg-Rolle) übergeordnete Position zugestanden (al-maġrib kullihī). Hierzu passt, dass Temür-Taš 1134 Zangīs Vasall wurde1193 und erst nach dessen Tod – als angeblich sämtliche Emire der Umgebung von ihm abhängig geworden waren1194 – 1152 ein von Ehrengewändern begleitetes manšūr vom Sultan (vermutlich Masʿūd) und Kalifen erhielt.1195 An der Schlacht von Dāy-Marǧ zwischen al-Mustaršid und Masʿūd soll sich auf Seiten der Sultane auch der „Herr von Ḫartpert“ mit seinen Truppen beteiligt ha-

1191 Ibn al-Azraq, Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 185. 1192 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 209 f.; s. auch Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 197. 1193 ʿAẓīmī, Taʾrīḫ Ḥalab, S. 386: waṣala Ḥusām ad-Dīn ilā ḫidmat atābeg. Zangī übertrug Temür-Taš auch Gebiete. Ibn al-ʿAdīm erwähnt für 1141/1142, dass gleich mehrere Söhne der Artuqiden-Herrscher in die Dienste des Atabegs traten (Zubda, S. 323); zum Sohn von Dāwūd s. Bar ʿEbroyo, Maḵtḇonūṯ Zaḇne, tr. Budge, S. 268. 1194 Ibn al-Azraq, Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 254; für Temür-Taš eingenommen, mag Ibn al-Azraq hier übertreiben. 1195 Ibn al-Azraq, Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 255; das Diplom wurde von den Gebetskanzeln verlesen. Anders als Azhari (Zengi, S. 49, 96) schreibt, starb Zangī vor Temür-Taš.

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ben1196 – anscheinend leistete der Artuqide Dāwūd b. Sökmen also 1135 Heeresfolge, wobei es aber sicherlich eine Rolle spielte, dass sich der Kalif mit Dāwūds Feind Zangī verbündet hatte. Ebenfalls ganz in Sanǧars Sinne war, dass ar-Rāšid die Artuqiden 1136 vergeblich um Hilfe bat; keiner gewährte dem abgesetzten ʿAbbāsiden Aufnahme.1197 Allerdings fragt sich, warum Dāwūd dann angeblich bis zum Herbst 1138 wartete, ehe er al-Muqtafī in der Freitagspredigt nennen ließ.1198 Über Temür-Taš erfahren wir, dass er angesichts der massiven Plünderungen, zu denen es während der Belagerung von Mārdīn durch Saif ad-Dīn Ġāzī I. 1147/1148 kam, über eine – unter Zangī nie vorgekommene – Übergriffigkeit auf Kosten der „Einnahmen des Sultans“ (ḥāṣil as-sulṭān) klagte,1199 was wohl bedeutet, dass die Artuqiden regelmäßig Gelder oder Waren an den irakischen Selǧuqensultan abführten. Alles in allem kann also davon ausgegangen werden, dass auch diese Dynastie noch – locker – in Sanǧars Reich eingebunden war. Sowohl Temür-Taš (reg. 1122–1154!) als auch Faḫr ad-Dīn Qara-Arslan b. Dāwūd, welcher seinen Vater 1144 als Herr von Ḥiṣn Kaifā beerbte, begann mit einer eigenen Münzprägung. Geschlagen wurden allerdings keine Dinare und auf beider Kupferdirhams ist über dem lokalen Artuqidenherrscher nie irgendein Sultan aufgeführt – auch der Kalif wird anfangs nicht genannt. Somit können die Münzen nicht als Dokumente für eine Anerkennung oder Nichtanerkennung selǧuqischer Oberhoheit dienen. Was sie aber zeigen, ist, dass offenbar beide Artuqiden schon den malik-Titel beanspruchten. Auf Temür-Tašs frühesten Prägungen – belegt sind die Jahre 542 (1147/1148) und 543 H. – scheint al-malik al-ʿādil (nachgestellt) dabei merkwürdigerweise noch mit al-amīr al-ʿālim (vorangestellt) sowie malik al-umarāʾ kombiniert zu stehen; der folgende, undatierte Typ weist dann nur noch al-malik al-ʿālim al-ʿādil auf.1200 Dieselbe Titelform verwendete Qara-Arslan (gest. 1167) auf seinen ersten Dirhams mit Prägejahr (556 H. = 1160/1161) und ebenso auf zweien der wohl noch davor gehörenden drei Typen ohne Jahresangabe.1201 Anzunehmen wäre, dass sich Temür-Taš den Königstitel als Reaktion auf Zangīs Tod zulegte; ohne die Macht des Atabegs brauchte dessen Reservierung des malik-Status für Alp-Arslan keine Beachtung mehr geschenkt werden. Qara-Arslan wiederum mag gewartet haben, bis der ihm übergeordnete ­Temür-Taš verstorben war; dass sich sein Vater Dāwūd demgegenüber noch mit dem

1196 Ibn al-Azraq, Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 205. 1197 Ibn al-ʿImrānī, al-Inbāʾ, S. 223. 1198 Ibn al-Azraq, Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 218. 1199 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 349. 1200 Spengler/Sayles, Turkoman Figural Bronze Coins, Bd. I, S. 73 f. und 76 f., Typ 25 und 26. Ein dritter Typ (Typ 24) trägt neben Temür-Tašs laqab Ḥusām ad-Dīn den Namen Šīr-Bārīk, welcher einem artuqidischen Emir (Saif ad-Dīn Maudūd b. ʿAlī) in Temür-Tašs Diensten zugeordnet werden kann. 1201 Spengler/Sayles, Turkoman Figural Bronze Coins, Bd. I, S. 3 f., 7 f., 12 und 15, Typ 1–4. Ab 560 H. verwendete Qara-Arslan dann den Titel malik al-umarāʾ (auch in seiner Ḫartperter Bauinschrift von 561 H. ist er nur ein isfahsālār-Emir, s. TEI Nr. 7991) und nennt den Kalifen al-Mustanǧid.

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isfahsālār-Rang begnügt hatte, verrät dessen berühmte Emailschale im Ferdinandeum zu Innsbruck1202 (die Inschriften eines solchen Objekts sind ja in der Regel kein Platz für große Bescheidenheit). In der Nachbarschaft der beiden Artuqiden-Fürstentümer regierte eine Reihe weiterer kleiner Dynastien, über deren Einbindung in das großselǧuqische Imperium wir ähnlich wenig wissen. Die Emire von Arzan und Bidlīs (Bitlis) – aus der heute (türkisch) als Dilmaçoğulları1203 bezeichneten „Dynastie des Buckligen“1204 – dürften zumindest zeitweise vom Herrscher in Mārdīn abhängig gewesen sein. Auf Šams ad-Daula Toġan-Arslan al-Aḥdab folgten nacheinander seine Söhne Ḥusām ad-Daula Qurtı̊ (reg. 1137/1138–1143/1144), Šams ad-Dīn Yāqūt-Arslan (reg. bis 1146) und Faḫr ad-Dīn Daulat-Šāh (reg. bis nach 1183).1205 Letzterer hatte bis zu seinem Herrschaftsantritt in Zangīs Diensten gestanden (und ist im Übrigen jener Herr, welchen Durand-Guédy1206 nicht identifizieren konnte). Ein Nachkomme Daulat-Šāhs namens Ḥusām ad-Dīn Toġrı̊ l konnte sich in Arzan immerhin bis zum Jahre 1230 halten.1207 Der Status der Dilmačiden ist in etwa mit dem der oben ausführlicher (weil exemplarisch) vorgestellten Herren der irakischen Baṭāʾiḥ vergleichbar; auch innerhalb des regionalen Machtgefüges waren sie anderen Dynastien untergeordnet und somit im Normalfall kaum als Ansprechpartner für Sultane interessant. Dasselbe gilt für die über Āmid (heute Diyarbakır) gebietenden I̊ naliden: Diese (ebenfalls seit dem 11. Jahrhundert etablierte türkische) Lokaldynastie1208 musste kurz vor oder kurz nach dem Tod des Emirs Faḫr ad-Dīn Saʿd ad-Daula Il-Aldı̊ b. Ibrāhīm b. I̊ nal (reg. 1109/1110– 1141) zustimmen, Zangī in der ḫuṭba zu nennen,1209 und man darf annehmen, dass nicht nur der Name des Atabegs erklang. 1151/1152 war Il-Aldı̊ s Sohn und Nachfolger Ǧamāl ad-Dīn wa-’d-Daula Maḥmūd dann gezwungen, Temür-Tašs Oberhoheit anzuerken-

1202 Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Inventarnr. K 1036; s. dazu TEI Nr. 11996 und z. B. Redford, „Innsbruck Plate“. Redford (S. 124) äußert Zweifel an der (auf Max van Berchem zurückgehenden) Zuschreibung der Schale, weil die darauf angegebene Genealogie für ihn in dieser Reihenfolge keinen Sinn ergibt; sie wäre umzustellen. Meiner Meinung nach ist nach abā oder (türkisch) atā nicht Sukmān (Sökmen) zu lesen, sondern Sulaimān und tatsächlich hatte Dāwūd laut Ibn al-Azraq einen Sohn dieses Namens! Redfords Zweifel sind also unbegründet. 1203 S. etwa Alex Mallett, EI3-Artikel „Dilmaçoğulları beyliği“. 1204 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. X, S. 488: Die Dynastie wurde als ein altes Haus geachtet; man nannte sie bait Toġan-Arslan oder eben bait al-Aḥdab. 1205 Über die Herrscher vor und nach diesen vieren scheint keine Klarheit zu bestehen. Der Dynastie­ gründer hieß wohl Muḥammad b. Dı̊ lmač und hatte Bidlīs (und Arzan) um 1085 vom Selǧuqensultan als iqṭāʿ erhalten. Selbst in Zambaurs Manuel ist die Emirsfamilie von Arzan nicht aufgeführt. 1206 Durand-Guédy, „Diplomatic Practice“, S. 278. 1207 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. X, S. 487 f.: Ḥusām ad-Dīn musste den Aiyūbiden weichen; Bidlīs war schon eher verloren gegangen. 1208 S. Zambaur, Manuel, S. 139; Berchem, Amida, S. 54 ff. 1209 Ibn al-Aṯīr erwähnt dies einmal unter Il-Aldı̊ s Sterbejahr 536 H. (al-Kāmil, Bd. IX, S. 324) und einmal unter dem Jahre 537 H. (at-Taʾrīḫ al-bāhir, S. 64).

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nen,1210 wobei die eigentliche Macht in Āmid inzwischen – und bis zum Ende der I̊ nali­ den (1183) – bei der Wesirsdynastie der Nīsāniden lag.1211 In Claude Cahens knappen EI2-Artikel „Īnāl“ ist noch zu lesen, es seien keine Münzen der I̊ naliden bekannt. Möglicherweise ist das so nicht mehr korrekt,1212 doch handelt es sich wohl kaum um Dokumente der Herrscherhierarchie. Dafür haben sich in Āmid gleich mehrere ı̊ nalidisch-nīsānidsiche Bauinschriften erhalten. Aus diesen geht unter anderem hervor, dass auch Maḥmūd b. Il-Aldı̊ zunächst wie sein Vater den isfah­sālār-Rang innehatte1213 und später – in diesem Fall erst nach Sanǧars Tod – zum malik aufstieg, womit der isfahsālār-Titel interessanterweise von den Banū Nīsān übernommen wurde.1214 In der Inschrift, welche Il-Aldı̊ an der Freitagsmosche seiner Stadt anno 518 H. (1124/1125) anbringen ließ, findet sich vor allem eine Bestätigung dafür, dass der Herr von Āmid über sich die Selǧuqen anerkannte. Genannt ist (nach fī ­daula) zwar nicht der oberste Suzerän Sanǧar, aber dessen Vasall as-sulṭān al-muʿaẓẓam Maḥmūd II.1215 Als Nachbardynast der Artuqiden sei an dieser Stelle noch der Burgherr von alHattāḫ (nordöstlich von Maiyāfāriqīn) erwähnt, weil es sich um den letzten Herrscher aus der kurdischen Familie der Marwāniden handelt, einer im 10. und 11. Jahrhundert bedeutenden Regionalmacht. Der Name dieses Emirs lautete Ibn al-Azraq1216 zufolge Šams ad-Daula ʿĪsā b. Aḥmad b. Niẓām ad-Dīn, was bedeutet, dass der für gewöhnlich als letzter Marwānide geltende Manṣūr b. Naṣr (gest. 1096) Šams ad-Daulas Onkel gewesen war. ʿĪsās Herrschaft wurde von Temür-Taš b. Il-Ġāzī beendet, welcher alHattāḫ 1136/1137 erobern konnte.1217 Westlich von Āmid erstreckte sich das Grenzgebiet zwischen dem Territorium der Kreuzfahrer-Grafschaft von Edessa (im Süden) und dem der muslimischen Dānišmandiden (im Norden). Nachdem der Emir Amīr-Ġāzī Gümüš-Tegin b. Dānišmand im Jahre 1130 Fürst Bohemund II. von Antiochia (Antakya) besiegt hatte, schickte er dessen einbalsamierten Kopf nach Bagdad.1218 Honoriert wurde dies, indem ihn der Kalif al-Mustaršid und der „Sultan von Ḫurāsān“ (womit allerdings wohl der irakische Sultan gemeint ist) 1134 zum „malik der nördlichen Gebiete“ ernannten, was mit der 1210 Ibn al-Azraq, Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 260. 1211 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. X, S. 119 f.; Zambaur, Manuel, S. 139; Berchem, Amida, S. 55–74. 1212 S. Album, Checklist, S. 202. Die Zuschreibung des Dirhamtyps basiert auf einem Bestimmungsversuch von Lutz Ilisch; zur Absicherung sind weitere Exemplare vonnöten. Auf jeden Fall konnten Gegenstempel als ı̊ nalidisch bestimmt werden. 1213 S. etwa TEI Nr. 6298 (535 H.) und 7917 (550 H.). 1214 TEI Nr. 7976 (559 H.); s. dazu Berchem, Amida, S. 65. 1215 TEI Nr. 7685. In den jüngeren Inschriften ist kein Selǧuqe mehr genannt. 1216 Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 221. 1217 Sowohl al-ʿAẓīmī (Taʾrīḫ Ḥalab, S. 388) als auch Ibn al-Qalānisī (Ḏail Taʾrīḫ Dimašq, S. 262 f.) und Ibn Abī Ṭayyiʾ (Ibn al-Furāt, Taʾrīḫ ad-duwal wa-’l-mulūk, S. 336) geben als Jahr der Eroberung 531 H. an, Ibn al-Aṯīr (al-Kāmil, Bd. IX, S. 307) und Ibn al-Azraq hingegen (irrtümlich) 532 bzw. 528 H. 1218 Runciman, History of the Crusades, Bd. II, S. 183

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Verleihung entsprechender Insignien einherging: Übersandt wurden eine Goldkette, ein goldenes Zepter, vier schwarze Flaggen sowie Trommeln (für die Ausübung des nauba-Rechts).1219 Hieraus lässt sich schließen, dass die Dānišmandiden den Selǧuqensultan anerkannten und Teil des Reiches waren. Wieder wurde aus einem Emir ein malik, wobei allerdings Gümüš-Tegin selbst just verschied, als die Insignien in Malaṭya eintrafen (die andere Hauptstadt der Dānišmandiden war Sīvās). So wurde damit gleich sein Sohn und Nachfolger Muḥammad investiert, welcher dann 1136 ar-Rāšid keine Zuflucht gewährte.1220 Der malik-Titel findet sich auch auf den Münzen, die Muḥammad b. Gümüš-­ Tegin (gest. 1142) und seine – nach einer Dreiteilung des Fürstentums – regierenden Nachfolger prägen ließen.1221 Er begegnet unter anderem (unübersetzt!) in der griechischen Inschrift O M ME / ΛHKIC Π / ACHC P Ѡ  / MANIAC // KAI AN /  ATOΛHC / MAXAM / ATIC, das heißt „der große König (MELHKIC = ­malik) von ganz Romanien und Anatolien Muḥammad“;1222 für Muḥammads Nachfolger sind sogar royale alqāb auf ad-dunyā wa-’d-dīn belegt!1223 Nun war die (nicht selbst angemaßte) Erhebung der Dānišmandiden zu Königen sicherlich ein eher außergewöhnlicher Vorgang, geschuldet der besonderen Situation der Dynastie am umkämpften Rand des Reiches in einer relativ abgelegenen Provinz. Dergleichen wäre selbst für die mächtigsten Emire der beiden Irak oder Ḫurāsāns nicht infrage gekommen; neue mulūk stellte hier idealerweise die Sultansfamilie. Dass auf den dānišmandidischen Münzen nie ein selǧuqischer Oberherr aufgeführt ist, braucht wiederum nicht zu überraschen, da es sich immer nur um Æ-Dirhams handelt (auf denen – zumindest damals noch – selbst auf die Kalifennennung verzichtet werden konnte und wurde). Wie oben bereits erwähnt, dürfte der „Sultan von Ḫurāsān“, welcher zur Verleihung des Königstitels an Gümüš-Tegin zumindest sein Einverständnis gab, eher der Juniorsultan gewesen sein, zu dessen Teilreich ja auch Ostanatolien gehörte. Hierauf lässt der quellenspezifische Sprachgebrauch schließen. Jedoch passt auf die Auszeichnung, welche die Dānišmandiden 1134 vonseiten der Reichsspitze erfuhren, sehr gut, was in derselben Quelle allgemein zur Legitimation der ostanatolischen Machthaber erklärt wird. Jeder der türkischen Emire, die von „Ḫurāsān“ (d. h. dem irakisch-iranischen Raum und überhaupt dem Osten) aus auf das (ehemalige) Territorium des Byzantinischen Reiches vordrangen, soll nämlich früher

1219 Michael der Syrer, Chronik, tr. Chabot, Bd. III, S. 233, 237; Bar ʿEbroyo, Maḵtḇonūṯ Zaḇne, tr. ­Budge, S. 258. 1220 Ibn al-ʿImrānī, al-Inbāʾ, S. 223. 1221 S. Whelan, Public Figure, S. 51 ff. 1222 Dazu: Shukurov, „Turkoman and Byzantine self-identity“, S. 264 ff. Der arabische Titel, welchen Kalif und Sultan gewährt hatten, lautete wahrscheinlich malik bilād ar-Rūm. 1223 S. z. B. auch die Bauinschrift TEI Nr. 7936.

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oder später eine Bestätigung seiner Herrschaft von Sultan Sanǧar und dem Bagdader Kalifen erhalten haben (wobei letzterer als religiöses Oberhaupt bezeichnet ist).1224 Nördlich von Ḫartpert (Ḥiṣn Ziyād) grenzten die artuqidischen Besitzungen an die der Mengüčekiden, einer weiteren türkischen ġāzī-Dynastie, über die wir besonders schlecht unterrichtet sind (aus Sanǧars Zeit sind leider weder Münzen noch Bauinschriften bekannt). Ihre Herrschaftszentren waren Kemāḫ, Arzinǧān (Erzincan) und Difrigī (Divriği); in letzterer Stadt regierte ab ca. 1142 eine separate Linie. Noch weiter oben am Westlichen Euphrat (Karasu) lag das Emirat der Salduqiden mit der Hauptstadt Arzan ar-Rūm (Erzurum). Hier schlug man nun tatsächlich Münzen, auf denen selǧuqische Sultane als Oberherren angegeben sind. Allerdings bedarf es einer umfassenderen Studie, um die frühen Prägungen der Dynastie mit Sicherheit zuordnen1225 und die Frage klären zu können, ob vielleicht auch Sanǧar aufgeführt wird. Fest steht, dass zumindest dessen Vasall Masʿūd mit dem Titel as-sulṭān al-muʿaẓẓam auf Münzen ʿIzz ad-Dīn Salduqs II. (reg. 1131/1132–1168?) erscheint, und wahrscheinlich wird auf solchen Ḍiyāʾ ad-Dīn Ġāzīs (reg. ca. 1124–1131/32) Sultan Maḥmūd II. genannt.1226 Eine mögliche Verwechslung mit dem Rūm-Selǧuqen Masʿūd b. Qı̊ lı̊ čArslan (reg. 1116–1156) ist wohlgemerkt durch nasab-Angabe (Masʿūd b. Muḥammad) ausgeschlossen. Andere Prägungen ʿIzz ad-Dīns tragen eine Umschrift, in welcher der Titel as-sulṭān al-aʿẓam gelesen wurde, auf den dann ein Wort folgen soll, das wie ‫سنقر‬ aussieht1227 (also sehr an ‫ سنجر‬denken ließe). Tatsächlich scheint mir hier aber nur (fehlerhaft) as-sulṭān al-muʿaẓẓam šahānšāh al-aʿẓam (ganz ohne ism) zu stehen.1228 Dazu, wie das ferne Reichsoberhaupt als solches in den Diyār Bakr wahrgenommen wurde, finden sich in ʿAufīs Ǧawāmiʿ al-ḥikāyāt wa-lawāmiʿ ar-riwāyāt (sowie, daraus übernommen, in ʿUqailīs/ʿAqīlīs Aṯār al-wuzarāʾ1229) zwei faszinierende Briefe

1224 Michael der Syrer, Chronik, tr. Chabot, Bd. III, S. 175. 1225 S. Album, Checklist, S. 202. Eine gute Materialübersicht dürfte ein Katalog liefern, welcher von Yılmaz İzmirlier zusammengestellt wird. 1226 S. z. B. Zeno Nr. 172414 bzw. Nr. 172415 (Reiter-Typ, fehlerhafte Umschrift: as-sulṭān muʿaẓẓam [sic] Muġīṯ ad-Dīn?) und 180546 (as-sulṭān Muġīṯ ad-Dunyā wa-’d-Dīn). Auf den beiden letzteren Typen steht mittig nur Ḍiyāʾ / ad-Dīn; dass dieser laqab Ġāzī, einem Sohn Salduqs I., gehört, findet in einer Erzurumer Bauinschrift Bestätigung, s. TEI 22217 (sog. Tepsi Minare). Album geht aus unklaren Gründen von zwei Salduqiden namens Ġāzī aus und auch von zwei Trägern des laqabs Ḍiyāʾ ad-Dīn. Die Münzen mit dem Ehrennamen Naṣīr / ad-Daula (und der Umschrift as-sulṭān al-muʿaẓẓam) würde ich auf Grund besagter Inschrift aber Ḍiyāʾ ad-Dīn Ġāzī zuordnen wollen; möglicherweise wurden sie geprägt, als dieser noch keinen dīn-laqab hatte. 1227 Casanova, „Numismatique des Danichmendites“ in RN, Bd. XII, S. 320 (dazu Abb. 8 auf Tafel IV in RN, Bd. XIV) oder Hennequin, Catalogue, S. 863. 1228 S. dazu auch Akopyan, „Dvin“, S. 267 f., Nr. 20. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass auf anderen Varianten des Kreuz-Typs tatsächlich der Großsultanstitel steht (womit dann aber nicht Sanǧar gemeint sein muss, da dieser vor Salduq II. starb). ʿIzz ad-Dīns (erster) Kreuz-Typ findet sich wiederholt auf Ḍiyāʾ ad-Dīns Reiter-Typ überprägt. 1229 S. M. Dabīrsīāqī, EIr-Artikel „Āṯār al-wozarāʾ“; ʿAufīs Ǧawāmiʿ al-ḥikāyāt gehört zu ʿUqailīs Quellen.

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in persischer Sprache.1230 Das erste Schriftstück – ein Hilfegesuch (faryād-nāma) – ist an den „pādišāh-i rūzgār Muʿizz ad-Dunyā wa-’d-Dīn Ḏū ’l-Qarnain aṯ-ṯānī (!) Sanǧar b. Malik-Šāh“ gerichtet und stammt von einer Gruppe Muslime, die der byzantinische Kaiser bei seinen verheerenden Vorstößen bis ins Gebiet von Āmid und Maiyāfāriqīn gefangen genommen hatte und welche dem Großsultan nun ihr Leid klagten. Als Reaktion hierauf ließ Sanǧar seinen ṣāḥib-i dīvān-i inšāʾ Muʿīn ad-Dīn Ḥusain b. ʿAlī Aṣamm umgehend einen Brief an den malik al-masīḥ ʿaẓīm ar-Rūm verfassen,1231 in dem er erklärt, dass sämtliche Machthaber in Ost und West seine „Söhne“ und Statthalter seien, und die sofortige Freilassung der Gefangenen verlangt. Andernfalls würde er – so die unmissverständliche Drohung – befehlen, alle Christen von Kleinasien, Syrien und den Ländern der Araber bis nach Turkestan und Indien zu töten, ihre Klöster und Kirchen zu zerstören, und ein gewaltiges Heer für einen Angriff gegen die Byzantiner sammeln.1232 Als Sanǧar die Bitte um Hilfe erreichte, lagerte er gerade am Amudarja, weil der Herrscher von Turkestan und Transoxanien, das heißt einer der Qaraḫaniden, verstorben war. Bei dem basileus, an den Muʿīn-i Aṣamms Schreiben adressiert ist, handelt es sich zweifelsohne um Johannes II. Komnenos, welcher 1130–1135 gegen die Dānišman­ diden kämpfte, 1137 Kilikien unterwarf und 1138 Aleppo bedrohte (s. o.).1233 Angeblich bewirkten Sanǧars Drohungen, dass der Kaiser keine Ruhe mehr fand und tatsächlich veranlasste, dass alle muslimischen Gefangenen aus Āmid und Maiyāfāriqīn – versorgt mit Kleidung und Proviant! – in ihre Heimat zurückkehren konnten (ʿAufī: „Man sagte, dass mit einem einzigen Brief die Arbeit eines Heeres erledigt wurde“).1234 Jedenfalls zeigt das Hilfegesuch, dass man Sanǧar in Ostanatolien als jemanden sah, der auf Grund seiner Stellung über die Autorität verfügte, den basileus unter Druck zu setzen. Man traute ihm zu, auch aus der Ferne effektiv Einfluss zu nehmen, wohl wissend, dass er auf einer Ebene weit über all den Regionalherrschern stand und deshalb in der Lage war, mit dem obersten Herrscher der Christen (für den man den Byzantiner hielt) anders zu kommunizieren als es etwa ein Artuqide oder Zangī gekonnt hätte. Für eine Zurechtweisung des Kaisers brauchte es die Instanz des Großsultans, über dessen imperiale Zuständigkeit bei aller Indirektheit offenbar selbst die Einwohner der Diyār Bakr im Klaren waren. Bemerkenswerterweise räumt Sanǧar dem Kaiser gegenüber selbst ein, dass seine Politik und die Ehrfurcht vor ihm die westlichen Länder (er nennt wohlgemerkt sogar 1230 Den vollständigen Text – ich halte die Schreiben für authentisch – gibt Mírzá Muḥammad ­Qazwíní im Anmerkungsteil seiner (und Browns) Edition von ʿAufīs Lubāb al-albāb wieder, s. Bd. I, S. 309 ff. S. zudem Merçil, „Sultan Sencer’in Bizans Imparatoruna Mektubu“. 1231 ʿAufī, Lubāb, Bd. I, S. 314. Muʿīn-i Aṣamm diente bereits um 1123 als Sanǧars Kanzleichef. 1232 ʿAufī, Lubāb, Bd. I, S. 316 f. 1233 S. etwa Runciman, History of the Crusades, Bd. II, S. 211–220. Mir ist nicht klar, bei welcher Gelegenheit eine Abteilung des byzantinischen Heeres bis in die Diyār Bakr vorgedrungen sein soll. 1234 ʿAufī, Lubāb, Bd. I, S. 77 f.

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Ägypten) von Ḫurāsān aus nicht immer in vollem Maße erreicht (haibat va siyāsat-i mā dar ān iqlīm kamtar rasīda); die Kontrolle dieser Provinzen sei bis hin nach Rūm eben weitestgehend seinen Vasallen anvertraut.1235 In diesem Zusammenhang lässt sich auch für Ostanatolien noch einmal festhalten, dass es der Atabeg Zangī war, welcher hier als Dominator die Position der Hauptverbindung vom Sultanat in die Region besetzte, während es zwischen all den kleineren Herrschern zwar ein sehr dichtes Beziehungsnetz gab, an das auch Zangī angeschlossen war, für diesen ostanatolischen Dynastienkomplex jedoch (so gut wie) keine gesonderten Beziehungen zur Reichsspitze dokumentiert sind. Rein Regionalpolitisches war am Westrand des Imperiums vollständig abdelegiert. IV.6.6 Das Kaukasusgebiet einschließlich des historischen Aserbaidschans Dilmačiden, Dānišmandiden, Mengüčekiden, Salduqiden – sie alle herrschten vor allem über Armenier. Im Kernland dieses Volkes, das heißt am Van-See und weiter nördlich, im Gebiet des Aras, an der Grenze zu Georgien, regierten unter selǧuqischer Oberhoheit zum einen die türkischen Sökmeniden, welche seit 1100 in Aḫlāṭ (Ḫilāṭ) residierten und sogar den Titel šāh-i Arman führten, und zum anderen die kurdischen Šaddādiden von Ānī, deren Geschichte bis in die Mitte des 10. Jahrhunderts zurückreicht. Südöstlich des historischen Armenien (Großarmenien) erstreckte sich rings um den Urmi(y)a-See das historische Aserbaidschan (Āẕarbāiǧān, die antike Media Atropatene), welches heute (fast ganz) zur Islamischen Republik Iran gehört. Die wichtigsten urbanen Machtzentren dieser Provinz waren Marāġa, Tabrīz und Ardabīl. Im Norden schloss sich an das historische Aserbaidschan die (trans)kaukasische Region Arrān an, als deren bedeutendste Stadt Ganǧa (Gəncə) in der heutigen Republik Aserbaidschan genannt sei. Während Arrān im Westen nahe dem Savān-See an das armenische Gebiet um Dvin (Dabīl) grenzte, bildete im Osten der Unterlauf des Aras den Übergang zur Mūqān- oder Mūġān-Steppe. Am Kaspischen Meer gelegen reichte letztere im Süden an Aserbaidschan (Gebiet nördlich von Ardabīl) sowie Gīlān heran und hörte im Norden dort auf, wo Širvān mit der Hauptstadt Šammāḫī (Şamaxı) begann. Hier, jenseits der Kura, regierten schon seit Jahrhunderten die Širvānšāhs aus der arabischstämmigen Dynastie der Yazīdiden, zu deren Besitzungen zeitweise auch die Hafenstadt Darband (Bāb al-Abwāb, heute Derbent in der russischen Teilrepublik Dagestan) zählte. In all diesen – zum westlichen Subsultanat gehörenden – Provinzen war Sanǧar niemals persönlich präsent und es finden sich in den Quellen auch kaum Hinweise, dass es zwischen ihm und den Machthabern Aserbaidschans, Armeniens, Arrāns oder 1235 ʿAufī, Lubāb, Bd. I, S. 315 f.

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Širvāns direkte Beziehungen und folglich eine direkte Einflussnahme des Großsultans auf die Politik jener Herrscher gab. Deshalb gilt es, sich in erster Linie auf Sanǧars ordnungsgemäße Anerkennung zu konzentrieren und darauf, wie es unter dem „Sultan der Sultane“ um die herrschaftliche Organisation und Anbindung besagter Gebiete bestellt war. IV.6.6.1 Die Zeit Sultan Maḥmūds II., Širvān und die Georgier Während Maḥmūd II. im Jahre 1119 von seinem Onkel Sanǧar herausgefordert und unterworfen wurde, lag er obendrein im Streit mit seinem Bruder Toġrı̊ l und dessen neuem Atabeg Kün-Toġdı̊ .1236 Letzterer war von Maḥmūd eigentlich ernannt und entsandt worden, um Toġrı̊ l von der Festung Sarǧahān (Sar-i Ǧahān) nach Hamadān zu bringen, doch unterstützte der Emir stattdessen des maliks Weigerung, vor den neuen Sultan des Iraks zu treten, und ließ Toġrı̊ ls alten Atabeg Šīrgīr inhaftieren. Als Maḥmūd daraufhin gegen beide zu Felde zog, konnte er sowohl seines Bruders Truppen zerschlagen als auch dessen auf der Festung Šamīrān/Samīrān deponierten „Staatsschatz“ erbeuten.1237 Das Teilfürstentum, welches Toġrı̊ l von seinem Vater im Norden der Ǧibāl erhalten hatte und das Sanǧar 1119 wohl bestätigte, ging in diesem Konflikt verloren – Kün-Toġdı̊ und sein Schützling zogen sich aus dem persischen Irak nach Arrān zurück. Hier, in Südkaukasien, okkupierte Toġrı̊ l ein neues Herrschaftsgebiet, zu dem auch Naḫčivān (Naxçıvan) gehörte. Wie er und sein Atabeg in der Folgezeit zum Großsultan standen, ist unklar – bei der Widersetzlichkeit gegen Maḥmūd blieb es jedenfalls. Die Münzen, welche sich Kün-Toġdı̊ zuschreiben lassen, konnten noch nicht vollständig entziffert werden, doch scheint auf ihnen neben dem Emir selbst nur ein Selǧuqe aufgeführt zu sein, nämlich Sultan Maḥmūd.1238 Dies ist eventuell so zu erklären, dass die Dirhams gleich 1118 geprägt wurden, als Kün-Toġdı̊ womöglich schon Gouverneur 1236 Kün-Toġdı̊ zählte zu den größten Emiren Sultan Muḥammads I., dessen ġulām er war und von dem er sogar Sohn genannt wurde (Muǧmal at-tawārīḫ, S. 413); ʿImād ad-Dīn Zangī heiratete KünToġdı̊ s Witwe (Ibn al-Aṯīr, at-Taʾrīḫ al-bāhir, S. 28). 1237 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 181 f. Die Festung Samīrān (in Ṭārum) erhob sich einige Kilometer westlich vom heutigen Manǧīl am Qı̊ zı̊ l Üzan im Gebirge östlich von Zanǧān, während Sarǧahān östlich von Sulṭāniyya (und damit südlich von Samīrān) stand. Vermutlich residierte auf Samīrān im 12. Jh. kein Ǧustānide/Musāfiride mehr. 1238 Ein paar Münzen des Emirs Kün-Toġdı̊ wurden – ohne (korrekte) Bestimmung – in Ṭabāṭabāʾīs Sekkehā-ye eslāmī-ye Īrān publiziert, s. dort S. 301 unten und S. 302 oben (Ṭabāṭabāʾī falsch: Quṭb ad-Dunyā Ǧustān b. an-Nāṣir ad-Daula) sowie S. 507 unten (Ṭabāṭabāʾī las Saʿd statt Kün-Toġdī) mit dem Bild oben auf S. 508. Auf letzterem Typ (FINT FC3 D3 und FC3 D4; Sammlung Ilisch Az2) lese ich as-sulṭān / al-muʿaẓẓam Maḥmūd / b. Muḥammad Qutluġ Öz (?) / Beg Kün-Toġdī / Ẓahīr Amīr al-Muʾ / minīn (Rev.); auf einem weiteren (FINT FC3 D1 und FC3 D2) steht u. a. Kün-Toġdı̊ s laqab Muʾayyid ad-Dīn (2. Rev.-Zeile, danach noch ein daula-laqab). Prägejahr und -ort sind leider nie lesbar. Einen Münztyp, auf dem Toġrı̊ l als malik genannt ist, kenne ich bislang nur aus der Zeit Sultan Muḥammads I. (Dinar von 505 H., Mzst. in der nördlilchen Ǧibāl-Provinz).

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in Aserbaidschan oder Arrān war, jedoch noch nicht Toġrı̊ ls Atabeg und folglich auch noch nicht ungehorsam gegenüber Maḥmūd, der wiederum noch nicht unter Sanǧar herrschte. In seiner Eigenschaft als (selbsternannter) malik von Arrān war es Toġrı̊ l, den die Einwohner von Tiflis um Hilfe gegen den christlichen Bagratiden-König David IV. (reg. 1089–1125) baten. Der georgische Monarch begann damals, seine Herrschaft auf Kosten der muslimischen Nachbarn auszudehnen, und hatte aufgehört, Tribut an die Selǧuqen zu zahlen. Nachdem ein von Toġrı̊ l entsandter šiḥna die Lage der bedrängten Tifliser nicht hatte verbessern können, formierte sich schließlich 1121 eine Koalition muslimischer Machthaber, an der sich außer dem selǧuqischen malik und seinem Atabeg auch der Artuqide Il-Ġāzī, der Mazyadide Dubais und der Dilmačide Toġan-Arslan beteiligten. Trotzdem konnte David „der Erbauer“ in der anschließenden Schlacht am Didgori obsiegen, woraufhin er Tiflis belagerte, eroberte und zur Hauptstadt seiner Dynastie machte (1122).1239 Auch andere Territorien gerieten in diesen Jahren unter bagratidische Herrschaft, darunter das armenische Ānī (1123). Den Šaddādiden gelang es unter Fażl(ūn) (IV.) b. Abī ’l-Asvār jedoch, ihre Stadt zurückzugewinnen (ca. 1125), wobei Minorsky den „chief of the princes“, an dessen Hof Fażl(ūn) bis dahin „in Khorasan“ gelebt hatte, mit Sanǧar identifiziert.1240 Es ist zwar möglich, dass ein Sohn Šāvūrs II. (reg. ca. 1118–1123) als politische Geisel beim Großsultan weilte, nur wird Ḫurāsān in manchen (nichtislamischen) Quellen auch für den persischen Irak verwendet … Sowohl dem malik Toġrı̊ l b. Muḥammad als auch seinem Atabeg gelang es, den Georgiern zu entkommen. Bei ihrem anschließenden Vorstoß, Maḥmūd Aserbaidschan zu entreißen, erkrankte Kün-Toġdı̊ jedoch und verstarb Ende 1121/Anfang 1122. Seinen Platz wollte nun Aq-Sonqur al-Aḥmadīlī, der Gouverneur von Marāġa, einnehmen und wieder wandte sich der neue Emir an Toġrı̊ ls Seite gegen den Subsultan. Letzterer entsandte daraufhin Čaʾuš-Beg, den kurz zuvor besiegten und begnadigten Ex-Atabeg des malik al-maġrib, mit einem Heer nach Aserbaidschan, was zur Folge hatte, dass die Rebellion um Toġrı̊ l im Jahre 1122 zusammenbrach.1241 Der malik unterwarf sich seinem Bruder, ohne dass aus den Quellen hervorgeht, welche Regelungen an diesem Punkt bezüglich Toġrı̊ ls Position getroffen wurden. Vielleicht durfte er als – nunmehr in das westliche Subsultanat und damit auch regulär ins Sanǧar-Reich eingebundener – Vizekönig in der Region verbleiben; Aq-Sonqur jedenfalls regierte für Maḥmūd weiterhin in Marāġa, wo er zum Begründer einer kleinen Dynastie1242 wurde. Wie bereits geschil1239 Ibn al-Azraq, Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 187–190; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 194; Ibn al-ʿImrānī, al-Inbāʾ, S. 213 f. 1240 Minorsky, Caucasian History, S. 84. Bosworth („Political and Dynastic History“, S. 123) spricht gar von einem Heer unter Sanǧar, welches bewirkte, dass Davids Gouverneur Ānī wieder den Šaddā­ diden überließ. 1241 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 213. 1242 Kenneth Allin Luther, EIr-Artikel „Atābakān-e Marāḡa“; Neguin Yavari, EI3-Artikel „Aḥmadīlīs“.

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dert, dauerte es nur bis 1125, ehe Toġrı̊ l erneut zum Problem wurde, indem er zusammen mit seinem Freund Dubais den Kalifen bedrohte. Beide gerieten allerdings in die Defensive, weshalb sie es vorzogen, zu Sanǧar nach Ḫurāsān zu gehen. Dort hielt sich bereits der malik Masʿūd auf (welcher ja ebenfalls im Westen gescheitert war) und wie dieser blieb Toġrı̊ l nun vorerst unter der Aufsicht des Reichsoberhaupts.1243 Nachdem Sultan Maḥmūd den Emir Čaʾuš-Beg Öz-Aba in Tabrīz doch noch hatte töten lassen – wovon Aq-Sonqur vermutlich direkt profitierte –, kam er den Bitten von Flüchtlingen aus Tiflis und Abgesandten aus Širvān nach, selbst etwas gegen die Einfälle der Georgier zu unternehmen. Er zog 1123 bis vor Šammāḫī, wo er den Širvānšāh – wahrscheinlich Faḫr ad-Dīn wa-’d-Daula Abū ’l-Haiǧāʾ Minūčihr b. Afrīdūn (Farīdūn) – aus seiner Festung kommen ließ und vorübergehend festsetzte. Die Georgier erhielten von ihm indes eine „unverschämte“ Tributforderung, welche König David damit beantwortete, dass er ein Heer unter Aq-Sonqur schlug. Zu einer Schlacht mit den Truppen des Sultans kam es dann aber nicht mehr; die Georgier zogen sich wegen Streitigkeiten mit ihren qı̊ pčaqischen Alliierten fürs Erste zurück.1244 Auf David IV. folgte 1125 sein Sohn Demetre I., welcher bis 1156 regierte. Interessanterweise ließen beide Bagratiden in Tiflis Münzen prägen, auf denen (soweit bekannt) zwar nicht Sanǧar genannt ist, jedoch Maḥmūd II., bevor auf späteren Münzen Demetres ebenso Sultan Masʿūd b. Muḥammad sowie der Kalif al-Muqtafī aufgeführt werden!1245 Des Weiteren gestattete der malik al-mulūk (!) Ḥusām al-Masīḥ Demetre (wie er auf seinen Prägungen tituliert ist) den Muslimen in seiner Hauptstadt unter anderem das öffentliche Freitagsgebet samt Kanzelpredigt, wobei – wie Ibn al-Azraq aus eigener Erfahrung berichtet – für Kalif und Sultan („und niemanden sonst“) gebetet wurde.1246 Während die Frage nach der ḫuṭba in den Kreuzfahrerstaaten nicht beantworten werden konnte,1247 haben wir hier also den Beleg für eine formale Anerkennung des westlichen Subsultans im Königreich Georgien. Doch waren die christlichen Bagratiden deshalb – trotz all ihres Machtzuwachses – Teil des Selǧuqenreiches?1248

1243 Muʿizzī verfasste eine Kasside anlässlich Masʿūds und Toġrı̊ ls Aufnahme bei Sanǧar, s. Dīvān, S. 496–498. 1244 Muǧmal at-tawārīḫ, S. 415 (hier 516 statt 517 H.); Bundārī, Zubda, S. 139–141; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 224 (wo Maḥmūds Expedition als Erfolg gewertet ist); Ibn al-ʿImrānī, al-Inbāʾ, S. 213 f. (wo davon die Rede ist, dass Maḥmūd nichts auszurichten vermochte); Hādī, Falakī-i-Shirwānī, S. 17–19. 1245 Paghava, „First Arabic Coinage of Georgian Monarchs“, S. 234 ff.; Pachomov, Monety Gruzii, S. 74– 80; Turkia/Paghava, „New Coin Type of Dimitri I“ und Turkia/Paghava/Zlobin, „New Coin Type of Dimitri I – Addendum“. Auch auf einigen Münzen König Giorgis III. (reg. 1156–1184) ist noch der Kalif angegeben. 1246 Ibn al-Azraq, Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 191 f.; Ibn al-Azraq war 1153–1154 in Georgien, s. dazu Minorsky, „Caucasia in the History of Mayyāfāriqīn“. 1247 Die Quellen schweigen hierzu, s. Köhler, Allianzen und Verträge, S. 375. 1248 Auf Köymens Karte des Sanǧar-Reiches (s. Büyük Selçuklu İmparatorluğu, Bd. II, Buchende hors texte) ist ganz Georgien als zum Teilreich des irakischen Subsultans gehörig markiert.

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Leider ist über die Beziehungen zwischen Demetre und den Selǧuqen kaum etwas bekannt. Immerhin: Eine Tochter des georgischen Königs, Rusudan, soll erst mit Masʿūd und nach dessen Tod sogar kurz mit Sanǧar verheiratet gewesen sein;1249 außerdem erreichte den Großsultan im Sommer 1148 ein Brief Demetres mit Fragen.1250 Ausgeschlossen ist es demnach nicht, dass sich die Bagratiden mit dem Sultanat arrangierten und zumindest vorgaben, in Anerkennung der selǧuqischen Oberhoheit zu regieren1251 – während sie in der Region auf Kosten untergeordneter muslimischer Machthaber expandierten. Andererseits ließ Demetre, wie Ibn al-Azraq erklärt, besagte Münzen nur für die von ihm privilegierten muslimischen Untertanen schlagen, wohl auch aus wirtschaftlichen Überlegungen.1252 Somit hätten lediglich die muslimischen Tifliser weiterhin Sultan und Kalif anerkannt und dabei den georgischen König in ihre Herrscherhierarchie integrieren müssen. Unzweifelhaft ist, dass die Bagratiden über die Bedeutung der Namensnennung in ḫuṭba und sikka im Bilde waren. Die von den Georgiern bedrängten Širvānšāhs waren definitiv Vasallen der Selǧuqen und im Übrigen keine Emire, sondern mulūk. Al-malik al-muʿaẓẓam Minūčihr b. Afrīdūn, welcher offenbar nach Sultan Maḥmūds Abzug 1123 weiterregieren durfte, nannte sich sogar „großer Ḫaqan“; wobei er aber einen laqab auf ad-dīn wa-’d-daula trug.1253 Wann Minūčihr III. auf den Thron gelangte, ist ebenso unklar wie das Jahr seines Todes. Zudem sei hier darauf aufmerksam gemacht, dass die verbreitete Annahme, sein Vater Afrīdūn sei der Sohn und Nachfolger von Farīburz b. Sallār gewesen,1254 1249 Mxitʿar Goš, „Chronik“ (Datastanagirkʿ-Anhang), tr. Dowsett, S. 485; Rayfield, Edge of Empires, S. 100; Minorsky, Caucasian History, S. 100. Laut Rayfield versuchten Sultan Masʿūd und der Atabeg Eldigüz 1143, von Demetre Ganǧa zurückzuerobern. Zwar gewann der Georgier eine Schlacht, musste jedoch Frieden schließen, wobei es zu besagter Heiratsallianz und Ganǧa als Mitgift wieder unter selǧuqische Herrschaft gekommen sei. Nach Sanǧars Tod soll Rusudan nach Georgien zurückgekehrt sein und noch bedeutenden Einfluss gehabt haben. Wahrscheinlich war Rusudans zweiter Mann aber gar nicht Sanǧar, sondern Sulaimān-Šāh, s. Bundārī, Zubda, S. 233! 1250 Ibn Funduq, Tārīḫ-i Baihaq, S. 163. Die Fragen waren auf Arabisch und Syrisch gestellt; Ibn Funduq selbst wurde mit dem Antwortschreiben beauftragt. 1251 Pachomov etwa sah in der Nennung des Sultans auf den Münzen einen Beweis dafür, dass die Georgier ihre Abhänigkeit vom Selǧuqenreich anerkennen mussten, s. Minorsky, „Caucasia in the History of Mayyāfāriqīn“, S. 30 f. Pachomovs Ansicht stieß auf heftigen Widerspruch. 1252 Paghava, „First Arabic Coinage of Georgian Monarchs“, S. 246 ff.; Turkia/Paghava, „New Coin Type of Dimitri I“, S. 11: „The leaders of the Islamic world could have been acknowledged for the sake of retaining the validity of the Georgian currency even abroad (in the neighbouring Muslim countries), whereas the political and military history of the period leaves no doubt that Dimitri I was, in no way, the vassal of the Seljuks. […] Anyway, in our opinion, the reasons for engraving the Arabic legends and (sometimes) also the names of the Caliph and the Seljuk sultan on the dies have not yet been sufficiently clarified.“ 1253 S. die Bauinschrift TEI Nr. 22826 (die vorgeschlagene Datierung auf ca. 489 H. kann nicht stimmen) = Nejmat, Korpus, Bd. I, S. 39, Nr. 13. Auch Minūčihrs Sohn und Nachfolger, al-malik almuʿaẓẓam Aḫsatān I. (reg. von ca. 1164 bis ca. 1200), führte noch keinen laqab auf ad-dunyā wa-’ddīn (er hieß Ǧalāl ad-Daula wa-’d-Dīn). 1254 Für das Ende von Farīburz’ Herrschaft und die Zeit danach fehlt es an Informationen; die Chronologie und Genealogie der Širvānšāhs liegt an dieser Stelle im Dunkeln. Bosworth (New Islamic Dy-

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im Widerspruch zum epigraphischen Befund steht. Aus Bakuer Bauinschriften geht nämlich hervor, dass Minūčihr III. der Sohn von Afrīdūn b. Minūčihr [II.] b. Farīburz war.1255 Der bisherige Schluss, Farīburz sei der Großvater von Minūčihr b. Afrīdūn gewesen, basiert zudem darauf, dass Farīburz in einem Gedicht als ǧadd der Schwester Minūčihrs III. bezeichnet wird1256 und in unserer Hauptquelle zur Geschichte der Širvānšāhs steht, auf Farīburz sei dessen Sohn Afrīdūn gefolgt.1257 Bei letzterer Aussage soll es sich allerdings um eine Ergänzung aus dem 17. Jahrhundert (!) handeln1258 und was ǧadd angeht, so kann es ebenso für den Urgroßvater stehen. Obwohl Afrīdūn (b. Minūčihr II.?) im Jahre 1120 (514 H.) getötet wurde, stammt der (meinem Materialüberblick nach) früheste Münztyp Minūčihrs III. – welcher bislang weder bei Kouymjian noch anderswo publiziert wurde – erst von 529 oder 530 H.; als Kalif ist darauf nämlich ar-Rāšid genannt. Gleich darunter wird außerdem ein Sultan aufgeführt, dessen Name jedoch leider nicht mehr lesbar ist.1259 Auf allen anderen bekannten Prägungen Minūčihrs1260 sind die ʿAbbāsiden al-Muqtafī und al-Mustanǧid kombiniert mit den Selǧuqensultanen Muḥammad II., Sulaimān-Šāh1261 und Arslannasties, S. 140) – der sich auf Minorsky und Kouymjian stützte – lässt auf Farīburz um 1063 Afrīdūn (Farīdūn) b. Farīburz folgen und dann (ca. 1094) Minūčihr II. b. Farīburz mit der Anmerkung „immediate predecessor or successor of Farīburz, or contemporaneous ruler of Sharwān during Farīdūn’s time?“ Minūčihr II. ist nur von Münzen (Kouymjian, Numismatic History, S. 155 f.; Zeno Nr. 4490) und einer Bauinschrift von 489 H. (Nejmat, Korpus, Bd. I, S. 38, Nr. 5 = TEI Nr. 22818) bekannt. 1255 Vorausgesetzt, die (schwierige) Rekonstruktion der über zahlreiche Platten verteilten Inschriften – s. Nejmat, Korpus, Bd. I, S. 42 f., Nr. 40 f. (danach: TEI Nr. 23139 und 23140) – ist korrekt. Die Platten befanden sich an einem zu Beginn des 14. Jh. im Kaspischen Meer versunkenen Festungsbau der Širvānšāhs, der sog. Festung von Bayil (Bayıl qalası) oder Sabayil; s. Bretanizki et. al., Kunst Aserbaidshans, S. 56–59. Nejmat rekonstruierte u. a. eine Inschrift Farīburz’ III. (datiert 630 H.) und eine von dessen Sohn Aḫsatān II., bildete von der ersten (Nr. 40) aber nur den Anfang ab, während von der zweiten (Nr. 41) Abbildungen des Anfangs fehlen. (Bei Nr. 40 stimmt übrigens die auf der Abb. zu sehende Plattenzusammenstellung nicht mit der rekonstruierten Inschrift überein: Zum einen fehlt mindestens eine Platte, ohne dass eine Lücke gelassen wurde, zum anderen kommt das auf Platte Nr. 125 teilweise zu lesende al-muʿaẓẓam im Text auf S. 43 nicht vor …). 1256 Hādī, Falakī-i-Shirwānī, S. 6 f. (wo Minūčihr III. als Minūčihr II. gezählt ist). 1257 Minorsky, Sharvān and Darband, S. 41. 1258 Ibid. und S. 67–69. Die Hauptquelle ist die Weltgeschichte Ǧāmiʿ ad-duwal des Müneǧǧim-Bašı̊ (gest. 1702), welcher aus einer fragmentarisch erhaltenen Taʾrīḫ Bāb al-Abwāb von ca. 1106 zitiert. Die Lücke in Müneǧǧim-Bašı̊ s Geschichte der Širvānšāhs betrifft genau die Zeit zwischen Farīburz und Minūčihr III.; mit letzterem lässt der (nun Ġaffārīs Tārīḫ-i ǧahānārā benutzende) Kompilator sogar irrtümlich eine neue Dynastie (Kasrāniden) beginnen (s. Minorsky, Sharvān and Darband, S. 129, dazu S. 134–136). Tätsächlich sind von Afrīdūn keine Münzen bekannt (Kouymjian, Numismatic History, S. 157 f.) – die Zuordnung einer Prägung im Orientalischen Münzkabinett Jena (s. Mayer, Sylloge, S. 160 f., Nr. 1312) ist spekulativ. Anzunehmen wäre, dass es zwei Personen dieses Namens gab: Farīburz’ in der Taʾrīḫ al-Bāb als Gouverneur von Darband erwähnten Sohn und Farīburz Enkel, den Sohn Minūčihrs II. und Vater Minūčihrs III. 1259 Zeno Nr. 4489; auf der einen Seite steht in einem Stern al-malik / Minūčihr / b. Afrīdūn, auf der anderen lā ilāh [illā ’llāh?] / Muḥammad rasūl [Allāh] / ar-Rāšid [bi-’llāh] / as-sulṭān [xxx]. 1260 S. Kouymjian, Numismatic History, S. 159 ff.; Sejfeddini, Monetnoe, Bd. I., S. 118 f. 1261 ANS 1922.211.166.

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Šāh (reg. ab 556 H. = 1161) angegeben, was zum einen bedeutet, dass Minūčihr nicht nur 30 Jahre und nicht nur (wie Hādī1262 schlussfolgerte) bis 544 H. regiert haben kann. Zum anderen erscheint damit das Unikum mit der Nennung ar-Rāšids zeitlich derart isoliert, dass es sich tatsächlich um die einzige Münze Minūčihrs III. handelt, welche überhaupt sicher in die Zeit vor 1157 datiert – und so braucht es nicht zu verwundern, dass sich der Name Sanǧar insgesamt auf gar keiner Prägung aus Širvān findet, wohingegen Album zu Minūčihrs seltenen Münzen schreibt: „Some examples cite the Great Seljuq ruler Sanjar as overlord“.1263 Hinweise auf Kontakte zwischen Širvānšāh und Großsultan gibt es ebenfalls keine (wohingegen etwa ein Schreiben des Ḫvārazmšāhs an den Wesir des Širvānšāhs bekannt ist1264). Nicht anders verhält es sich hinsichtlich der Lokaldynastie von Darband; auch auf Münzen des (von den Širvānšāhs unabhängigen) maliks (!) Muẓaffar b. Muḥammad b. Ḫalīfa as-Sulamī (dessen nisba auf eine Verwandtschaft mit den früheren hāšimidischen Herrschern von Darband schließen lässt) ist neben dem Kalifen al-Muqtafī nur der irakische Selǧuqensultan (as-sulṭān al-muʿaẓẓam) aufgeführt.1265 Nun lagen Darband und Šammāḫī ganz im Norden des Selǧuqenreiches; weder Maḥmūd noch einer seiner Nachfolger sollte je wieder die Kura überqueren. Arrān und Aserbaidschan hingegen dienten den verschiedenen Selǧuqen immer wieder als Machtbasen und Schauplätze ihrer Machtkämpfe. Beide Provinzen waren meist direkt in die politischen Vorgänge des irakischen Kerngebiets verwickelt, in das Aserbaidschan ja weiträumig und ohne Barrieren überging. So war Toġrı̊ l b. Muḥammad auch nicht der letzte malik, welcher in Transkaukasien regierte. Nachdem sein Bruder Masʿūd Ende 1130 überraschend aus Gurgān in die Ǧibāl zurückgekehrt war, gab ihm Sultan Maḥmūd Arrān,1266 wobei nicht bekannt ist, ob der malik zusammen mit einem (Atabeg-)Emir nach Ganǧa geschickt wurde. Ḥusainī schreibt, Sanǧar habe, als er 1128 in Rayy war, Anūš-Tegin Šīrgīr als Toġrı̊ ls Atabeg durch den Emir Qara-Sonqur ersetzt und dabei letzterem Arrān zugewiesen.1267 Zu diesem Zeitpunkt war Šīrgīr, der Herr von Abhar und Zanǧān, allerdings längst nicht mehr Toġrı̊ ls Tutor und Toġrı̊ l von 1125 bis 1132 auch gar nicht im persischen Irak.1268 Vermutlich brachte Ḥusainī hier also etwas durcheinander; aus seiner Quelle1269 geht jedenfalls keine solche Šīrgīr oder Arrān betreffende Regelung des Reichsoberhaupts hervor.1270

1262 Falakī-i-Shirwānī, S. 11 f. 1263 Album, Checklist, S. 205, Nr. 1909. 1264 Vaṭvāṭ, Maǧmūʿa, S. 34. 1265 Kouymjian, Numismatic History, S. 243 ff. 1266 Bundārī, Zubda, S. 174; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 256. 1267 Ḥusainī, Aḫbār, S. 98; s. auch Lambton, Continuety and Change, S. 230 f. 1268 Eqbāl, Vezārat, S. 315. 1269 Vgl. Bundārī, Zubda, S. 154. 1270 Toġrı̊ l und Masʿūd wurden nach der Zusammenkunft in Rayy 1128 von Sanǧar wieder mit in den

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Was Qara-Sonqur angeht, so begegnet er uns das erste Mal als einer jener irakischen Emire, die nach Sultan Maḥmūds Tod zusammen mit dem Wesir Darguzīnī nach Rayy zogen, um auf den Großsultan zu warten;1271 1132 bis 1134 kämpfte er dann für den von Sanǧar installierten Juniorsultan Toġrı̊ l. Ḥusainī bezeichnet ihn nun wiederholt als Toġrı̊ ls Atabeg, obwohl fraglich ist, dass der dreiundzwanzigjährige Sultan überhaupt noch einen Tutor hatte.1272 Fest steht, dass Qara-Sonqur – wessen Atabeg er auch immer war oder noch wurde – nun tatsächlich zum Gouverneur von Arrān und Aserbaidschan aufstieg, worum es im Folgenden ebenso gehen soll wie um die fast durchgängig auf Aserbaidschan beschränkte Herrschaft des Selǧuqen Dāwūd b. Maḥmūd, mit dessen Atabeg Qasīm ad-Daula Aq-Sonqur Aḥmadīlī (gest. 1133) der Emir Qara-Sonqur regelmäßig verwechselt wird. IV.6.6.2 Dāwūd b. Maḥmūd und die großen Emire zur Zeit Sultan Masʿūds Als Sultan Maḥmūd II. seinen Bruder Masʿūd nach Ganǧa entsandte, war in Aserbai­ dschan eventuell schon ein anderer, jüngerer malik installiert. Abū ’l-Fatḥ Dāwūd b. Maḥmūd, der seinem Vater 1131 kurzzeitig auf den Hamadāner Sultansthron folgte, ist nämlich auf einem in Dvin gefundenem Dirhamtyp genannt, auf welchem zudem der laqab Muġīṯ ad-Dunyā wa-’d-Dīn erscheint.1273 Dies ließe sich so deuten, dass die Münzen geschlagen wurden, während Dāwūd noch ein malik unter seinem Vater Sultan Muġīṯ ad-Dunyā wa-’d-Dīn Maḥmūd war. Dafür, dass Dāwūd bereits als Kronprinz ein Teilfürstentum im Raum Aserbaidschan hielt, spricht auch die Person seines Atabegs, immerhin scheint Aq-Sonqur von Marāġa seit Čaʾuš-Begs Hinrichtung 1122 der dominierende Emir-Gouverneur der Provinz gewesen zu sein. Als Dāwūds Atabeg wird allerdings ebenso ein Ayāz genannt1274 und tatsächlich findet sich hierfür sogar eine Bestätigung auf besagten Münzen aus Dvin – als weitere Person ist darauf nämlich ein Ṭoġrı̊ l-Tegīn / atābeg Ayāz aufgeführt!1275 Denkbar wäre, dass dieser Ayāz vor sowie vielleicht noch einmal nach Aq-Sonqur als Dāwūds Tutor fungierte; womöglich übte er das Amt (zunächst) auch in Vertretung für den Herrn von Marāġa aus. Wohlgemerkt

Osten genommen. Šīrgīr, welcher (dank Sanǧar wieder frei) Toġrı̊ l und Aq-Sonqur 1122 gegen Sultan Maḥmūd unterstützt hatte, wurde 1131 hingerichtet, s. o., S. 144, Anm. 692. 1271 Bundārī, Zubda, S. 156. 1272 Auch in anderen Quellen wird Qara-Sonqur der Atabeg-Titel gegeben. War er als Sultan Toġrı̊ ls führender Emir quasi wie dessen Atrabeg oder wurde ihm irgendwann noch ein anderer Selǧuqe anvertraut? 1273 Akopyan, „Dvin“, S. 264 f., Nr. 18 (Muġīṯ / ad-Dunyā wa-’d-Dīn / * / Dāwūd). Sanǧar ist auf diesen Münzen nicht genannt, ob es sich bei Dvin auch um den Prägeort handelt, ungewiss. 1274 Husainī (Aḫbār, S. 101) fügt den Namen Ayāz interessanterweise einmal dort ein, wo bei Bundārī (Zubda, S. 160) Aq-Sonqur genannt ist; s. aber auch Bundārī, Zubda, S. 187, 199. 1275 Akopyan, „Dvin“, S. 264 f., Nr. 18.

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basiert die grobe zeitliche Einordnung des Dirhamtyps und damit der Schluss, dass Dāwūd mit Ayāz an seiner Seite schon vor 1131 malik im Raum Aserbaidschan war, auf der Zuordnung des laqabs Muġīṯ ad-Dunyā wa-’d-Dīn zu Maḥmūd II. Nicht ausgeschlossen werden kann aber, dass Dāwūd (zeitweise, als Sultan) selbst diesen Ehrennamen führte; der ihm ansonsten zugeordnete laqab Ġiyāṯ ad-Dunyā wa-’d-Dīn ist ja kaum belegt. Wie dem auch sei, Sultan Dāwūd vermochte sich trotz Aq-Sonqurs Unterstützung nicht auf dem Thron von Hamadān zu behaupten; Aserbaidschan wurde sein dauerhaftes Rückzugsgebiet. Nachdem er schon 1131 mit seinem Onkel Masʿūd konfrontiert gewesen war – der malik von Arrān hatte vorübergehend Tabrīz besetzt halten können –, gelang es Dāwūd 1132 auch nicht, mit einem in Tabrīz zusammengezogenen Heer Hamadān von Sultan Toġrı̊ l zurückzuerobern. Toġrı̊ l II. vertrieb ihn und Aq-Sonqur im Gegenteil sogar aus Aserbaidschan. Beide wichen nach Bagdad, wohin ihnen Masʿūd – den Sanǧar erst als malik von „ganz Arrān und einem Teil Aserbaidschans“ bestätigt hatte1276 – aus Ganǧa folgte.1277 Wie Dāwūd und sein Atabeg nach Toġrı̊ ls Installation zum Großsultan standen, ist nicht bekannt, doch kam Aserbaidschan nun unter die Herrschaft des Atabegs Qara-Sonqur, welcher treu Sanǧars Repräsentanten Toġrı̊ l diente. Letzterer zog selbst in Marāġa ein, doch währte sein Erfolg nur kurz. 1133 kehrten Dāwūd, Aq-Sonqur und der vom Kalifen zum Sultan erklärte Masʿūd aus Bagdad zurück und konnten ganz Aserbaidschan erobern; Qara-Sonqur wurde in einer Schlacht vor den Toren des belagerten Ardabīl besiegt. Was den (zu) dominanten Aq-Sonqur angeht, so fiel er noch im selben Jahr einem Attentat zum Opfer, das entweder Toġrı̊ ls Wesir Darguzīnī oder Masʿūd in Auftrag gegeben hatte.1278 In Marāġa beerbte ihn ein Sohn namens Nuṣrat ad-Dīn Abū Saʿīd Arslan-Aba. Als Sultan Toġrı̊ l II. 1134 verstarb, war sein führender Emir (und Atabeg?) Qara-Sonqur wieder in Aserbaidschan, wo er über Dāwūd in Marāġa gesiegt hatte (nachdem dieser zuvor schon von Sultan Masʿūd belagert worden war). Qara-Sonqur wechselte nun mit Hilfe von Zubaida bt. Berkyaruq (gest. 1137) in den Dienst von deren Gatten Sultan Masʿūd, welcher ihn erneut gegen Dāwūd entsandte. Letzterer hatte sich 1135 mit al-Mustaršid verbündet, war dann von Marāġa aus in die Tigris-Metropole gezogen und dort von ar-Rāšid zum Gegensultan gemacht worden. Wieder zurück in Aserbaidschan, verlor Dāwūd eine weitere Schlacht gegen Qara-Sonqur nahe Marāġa, woraufhin wir ihm in den Ǧibāl, in Ḫūzistān und Fārs wiederbegegnen.1279 Qara-Son1276 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 12: Arrāniyya bi-asrihā va baʿẓī az Āẕarbāyagān dar iʿtidād-i ­dīvān-i ū āmad. 1277 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 262, 267; Bundārī, Zubda, S. 160–163; Ḥusainī, Aḫbār, S. 101 f. 1278 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 269; Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 275; Bundārī, Zubda, S. 165 f., 169; Ḥusainī, Aḫbār, S. 103 f.; Rašīd ad-Dīn, Ǧāmiʿ – Ismāʿīliten, S. 135 und 143 (Aq-Sonqurs Ermordung ist in der assassinischen Opferliste gleich zweimal verzeichnet, mit den Jahresangaben 527 und 528 H.). 1279 Bundārī, Zubda, S. 171, 175; Ḥusainī, Aḫbār, S. 105–107; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 273 f., 294.

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qur etablierte sich in diesen Jahren als Masʿūds Gouverneur von Aserbaidschan und Arrān1280 (Durand-Guédy: „Ganja-Ardabīl axis“1281). Er ging gegen die Georgier vor1282 und akkumulierte eine erschreckende Machtfülle.1283 1138/1139 war er so mächtig, dass er den Subsultan zwingen konnte, den engagierten Wesir Kamāl ad-Dīn Muḥammad einfach so hinzurichten und stattdessen seinen (Qara-Sonqurs) kadḫudā zu bestallen, weshalb man den Atabeg gar mit Sanǧar verglich.1284 Hierfür hatte sich der Emir den malik Selǧuq-Šāh und auch Dāwūd an seine Seite geholt, was offenbar dazu führte, dass Dāwūd seine Rebellion gegen Masʿūd endgültig aufgab. Wir sehen also, dass die Ermordung Aq-Sonqurs und die Bekämpfung Dāwūds unter Sultan Masʿūd die Bildung eines mächtigen Emirats in Aserbaidschan und Arrān zur Folge hatten. Bislang hatte die Gegend primär als Rückzugsgebiet für rebellische mulūk und Gegensultane (Toġrı̊ l, Masʿūd, Dāwūd) gedient, weshalb man vermuten kann, dass Sanǧars Anerkennung in diesem unruhigen „Widerstandsnest“ zumindest nicht durchgehend gegeben war. Münzen, die die fragliche Einbindung der Region ins Reich während dieser Jahre erhellen würden, fehlen allerdings. Vielleicht ist es auch kein Zufall, dass sich erst besagtes Emirat, welches mit Qara-Sonqur nur einen ersten Höhepunkt erreichte, numismatisch halbwegs nachvollziehen lässt. So mächtig wie Qara-Sonqur war, verwundert es zumindest nicht, dass er das sikka-Recht ausübte und seinen Namen zusammen mit dem Atabeg-Titel (!) und dem eines malik al-umarāʾ auf Dirhams prägen ließ;1285 er stand offensichtlich auf einer Stufe mit Zangī. Die Kupfermünzen1286 wurden zwischen 532 und 535 H. höchstwahrscheinlich zu Ardabīl geschlagen und weisen die ordnungsgemäße Nennung beider Sultane (sowie die des Kalifen) auf: as-sulṭān / al-muʿaẓẓam / Masʿūd1287 und (andere Seite, unter al-Muqtafī / (darüber:) li-Amr Allāh) as-sulṭān / al-aʿẓam / Sanǧar.

1280 Wie wir erfahren, kamen zwei Söhne Qara-Sonqurs bei einem Erdbeben in Ganǧa ums Leben (Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 315). 1281 Durand-Guédy, „Battle of Qara-Tegin“, S. 164. 1282 Mxitʿar Goš, „Chronik“ (Datastanagirkʿ-Anhang), tr. Dowsett, S. 482 f. 1283 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 317: Der Sultan fürchtete sich vor dem übermächtigen Atabeg. 1284 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 97 f., 100 f., 103; Bundārī, Zubda, S. 186 f.; Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 76 f.; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 306 f. 1285 Ehrennamen Qara-Sonqurs konnte ich keine finden. In einer armenischen Quelle (Mxitʿar Goš, „Chronik“, tr. Dowsett, S. 482) heißt es jedoch, der Atabeg Xara[s]ngur sei mit der persischen Entsprechung für (armenisch) tiezerakal („Herr der Welt“) betitelt worden. Dowsett (op. cit., S. 483, Anm. 1) schreibt dazu: „Professor [Walter Bruno] Henning suggests that tiezerakal points to his rank of ǰāndār, misunderstood by the Armenian as ǰihāndār.“ Ich würde vermuten, dass Qara-Sonqur vielmehr den laqab ǧahān-pahlavān trug. 1286 FINT FC3 F3 (s. Abb. 9); Sammlung Ilisch Az5 (53x H.). 1287 (darunter:) malik al-umarāʾ / (links im Feld:) atābeg / (rechts im Feld:) Qarā-Sonqur; die Umschrift enthält die Mzst.-Datum-Formel.

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Abb. 9  Dirham des Atabeg-Emirs Qara-Sonqur (FINT FC3 F3).

Qara-Sonqurs Prägungen sind allerdings gar nicht die frühesten aus Aserbaidschan, welche eine Anerkennung des Selǧuqenoberhaupts nordwestlich der Ǧibāl sicher dokumentieren. Präsentiert sei an dieser Stelle eine weitere Neuentdeckung, die in der Sammlung der American Numismatic Society gelang und nicht nur in einer Hinsicht Beachtung verdient. Es handelt sich um einen höchstwahrscheinlich ebenfalls in Ardabīl geschlagenen Kupferdirham des Jahres 531 H. (1136),1288 welcher von einem Machthaber zeugt, von dem bislang noch keine Münzen bekannt waren! So steht unter as-sulṭān / al-muʿaẓẓam / Masʿūd der Ehrenname Šaraf ad-Dīn und rechts im Feld Bulāq.1289 Wie in Bundārīs Zubda zu lesen, war dieser Emir Bulaq in Aserbaidschan zunächst unter Toġrı̊ l II. an der Seite Qara-Sonqurs aktiv gewesen, bevor er 1133 zum siegreichen Gegensultan Masʿūd wechselte, der ihm wohl Ardabīl zusprach.1290 Über as-sulṭān / al-aʿẓam / Sanǧar steht auch auf Bulaqs Münze der Name des Kalifen, jedoch handelt es sich noch um ar-Rāšid,1291 was bedeutet, dass al-Muqtafī in Damaskus schneller anerkannt wurde als in Aserbaidschan.

1288 Der Typ markiert somit im Übrigen den Übergang zu einer eigenen Kupferprägung in Aserbai­ dschan. 1289 ANS 1959.165.65. Oben im Feld steht eventuell b. (oder beg?); rechts noch etwas Unleserliches, ggf. der Vatersname. Von der Umschrift ist noch ḍuriba sowie [san]at iḥdā wa-ṯalāṯīn wa-ḫ[ams-miʾa] erhalten. In den Angaben in der ANS-Datenbank kommt der Münzherr nicht vor, nur die Namen Sanǧar und Masʿūd wurden gelesen. 1290 Bundārī, Zubda, S. 165, 170. 1291 Ar-Rāšid, darüber: bi-’llāh; rechts im Feld ein Ornament; die Umschrift enthält die šahāda. Auch der Kalif fehlt im ANS-Katalogisat ganz.

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Album führt Qara-Sonqur und dessen Dirhams in seiner Checklist unter den Aḥmadīlī-Atabegs von Marāġa,1292 was natürlich falsch ist. Qara-Sonqur gehörte gar keiner Dynastie an und wurde hier wohl mit seinem Gegenspieler Aq-Sonqur verwechselt, von dem wir bislang keine Münzen kennen. Dem Aḥmadīlī-Atabeg Arslan-Aba b. Aq-Sonqur (reg. ca. 1133–1175) möchte ich allerdings eine Prägung zuordnen, auf der (über einem Löwen, arslan) noch der türkische laqab Alp-Qutluġ auszumachen ist, da Arslan-Aba diesen in der Widmung des anonymen persischen Fürstenspiegels Baḥr al-fawāʾid trägt.1293 Die Münze, ein Unikum,1294 wurde ebenfalls während der Herrschaft Sultan Masʿūds geschlagen, welcher auf derselben Seite wie Arslan-Aba genannt ist. Auf der anderen Seite ist deutlich der Titel as-sulṭān al-aʿẓam zu lesen, was bedeutet, dass Sanǧar (nun) auch in Marāġa anerkannt wurde. Ḥusainī zufolge hatte Masʿūd diese Stadt 1135 (?) belagert, bis sich ihr Herr ergeben hatte. Der Sultan überließ dem Emir-Gouverneur daraufhin Marāġa und Tabrīz, nahm ihm aber Rūʾīn Diz (die „Messing-Burg“).1295 Später gehörten (wieder) alle drei Orte zu den Aḥmadīlī-Besitzungen; angesichts so mächtiger Nachbarn wie Qara-Sonqur spielte die Achse Marāġa-Tabrīz jedoch meist eine untergeordnete Rolle. Der Atabeg und „König der Emire“ Qara-Sonqur verstarb 1140/1141 in Ardabīl. Als seinen Nachfolger hatte er den ehemaligen Leibwächter (ǧāndār) Čavlı̊ , einen ġulāmEmir Toġrı̊ ls II., gewählt, welchen Masʿūd nun zum neuen muqṭaʿ-Gouverneur Arrāns und eines Großteils (bīštar) von Aserbaidschan ernannte1296 sowie zum Atabeg seines kleinen Sohnes Malik-Šāh.1297 Čavlı̊ verfügte dementsprechend über ähnlich viel Macht wie sein Vorgänger1298 und auch er war bald bereit, sich gegen den irakischen Sultan zu wenden. In Zanǧān ereilte ihn jedoch zuvor, im Herbst 1146, (wohl infolge einer Armthrombose) der Tod.1299 In Albums Checklist kommt Čavlı̊ unter den Emi1292 Album, Checklist, S. 203 (Nr. T1896). 1293 Baḥr al-fawāʾid, tr. Meisami, S. viii (anders als es die Übersetzerin angibt, starb Dāwūd nicht schon 1134 und Eldigüz war auch nie Masʿūds Atabeg) und S. 6. 1294 Zeno Nr. 6389, unter „Atabeks of Arran“. Mit diesem Stück (Sammlung Akopyan, Nr. 020) verwandt ist unzweifelhaft Zeno Nr. 128824, eine Prägung, auf der unter Masʿūd wohl ebenfalls der Träger des laqabs Alp-Qutluġ genannt ist, während auf der anderen Seite [al-Mu]qtafī / [li-A]mr Allāh / [as-] sulṭān / [a]l-aʿẓam / [Sanǧa]r zu lesen ist. Bei Zeno wurde das Stück Eldigüz zugeordnet. 1295 Ḥusainī, Aḫbār, S. 108 (wo von Aq-Sonqur die Rede ist, doch muss Arslan-Aba gemeint sein). Ob Ḥusainīs Chronologie an dieser Stelle stimmt, ist unsicher. Vielleicht gehört die Unterwerfung von Arslan-Aba eher in die Zeit nach der Installation al-Muqtafīs; zu ar-Rāšids 1135 in Bagdad versammelten Verbündeten zählte laut Ibn al-Aṯīr nämlich auch „Ibn al-Aḥmadīlī“ (al-Kāmil, Bd. IX, S. 288). Sicher ist wohl, dass Masʿūd Marāġa 1151 eroberte (Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 84 f.); s. auch Kenneth Allin Luther, EIr-Artikel „Atābakān-e Marāḡa“. 1296 Bundārī, Zubda, S. 190 f.; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 317; Mxitʿar Goš, „Chronik“ (Datastanagirkʿ-Anhang), tr. Dowsett, S. 483; Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 123; Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 77. 1297 Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 70. 1298 Er sollte es sogar mit ʿImād ad-Dīn Zangī aufnehmen, s. Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 123. 1299 Bundārī, Zubda, S. 203 f. (Čavlı̊ starb im selben Herbst wie Zangī); Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 344; Mxitʿar Goš, „Chronik“ (Datastanagirkʿ-Anhang), tr. Dowsett, S. 484.

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ren Aserbaidschans nicht vor. Gleichwohl sind inzwischen Münzen dieses Atabegs publiziert worden; es handelt sich um Kupferdirhams aus Ardabīl, die sich auf zwei Typen verteilen.1300 Die Inschriften wurden im Prinzip von Qara-Sonqur übernommen – genannt sind nach wie vor Masʿūd, Sanǧar und al-Muqtafī –, doch erscheint Čavlı̊ nicht mit dem Atabeg-Titel. Dafür ist er sowohl ein malik al-umarāʾ als auch ein ǧahān-pahlavān (Typ 1) und ersetzt dann ersteren Titel durch seinen laqab Ǧamāl adDīn (Typ 2). Qara-Sonqur und Čavlı̊ regierten nicht ganz Aserbaidschan, was, wie gesagt, am Atabeg-Emir von Marāġa lag, aber auch am Selǧuqen Dāwūd. Nachdem dieser mit seinem Onkel Masʿūd 1138 erneut Frieden geschlossen hatte, wurde er nämlich als Vizekönig, valī-ʿahd und Schwiegersohn des Juniorsultans1301 in Tabrīz installiert. Leider ist über Dāwūd nur sehr wenig bekannt; weil seine Versuche, sich als Sultan durchzusetzen, letztlich scheiterten, wird er in den Quellen immer nur am Rande erwähnt. Ehe er Masʿūd beerben konnte, fiel er 1143 einem von syrischen „Bāṭiniten“ ausgeführten Mordanschlag zum Opfer, hinter dem angeblich ʿImād ad-Dīn Zangī steckte.1302 Auch nach Dāwūd gab es in Aserbaidschan und Arrān noch selǧuqische mulūk, doch waren diese anscheinend nicht mehr als Teilfürsten über eigene Territorien eingesetzt, sondern einfach so, das heißt ohne „Amt“, den offiziell selbst herrschenden Emir-Gouverneuren überlassen (die sie quasi als politisches Kapital in Festungen verwahrten). „Freilaufende“ Selǧuqen wie Čaġrı̊ -Šāh, ein weiterer Sohn Maḥmūds II., wurden nicht toleriert.1303 Auf Ǧamāl ad-Dīn Čavlı̊ al-Ǧāndār folgte mit dessen Schwiegervater und Sultan Masʿūds Großkammerherrn (al-ḥāǧib al-kabīr) Faḫr ad-Dīn ʿAbd ar-Raḥmān b. Toġa[n]-Yürek 1146 der dritte große Emir Transkaukasiens. Er erhielt (zusätzlich zu seiner bisherigen Besitzung Ḫalḫāl) alle Gebiete in Aserbaidschan, Arrān und Armenien, die zuvor Čavlı̊ gehalten hatte1304 und übernahm auch die Position als Atabeg des Prinzen Malik-Šāh b. Masʿūd, welcher nun nach Ganǧa gebracht wurde. Faḫr ad-Dīn

1300 Ṭabāṭabāʾī, Sekkehā-ye eslāmī-ye Īrān, S. 555 (Typ 2), 556 (Typ 1, wohl von 540 H.); die Mzst. ist auf Zeno Nr. 87749 (Typ 1) zu lesen; s. auch ANS 1922.211.151 (Typ 1). 1301 Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 75. 1302 Ibn al-ʿImrānī, al-Inbāʾ, S. 223 (Dāwūd bat Masʿūd um Frieden und erhielt Aserbaidschan zugesprochen); Bundārī, Zubda, S. 195 (Zangī wollte eine von Masʿūd geplante Versetzung Dāwūds nach Syrien verhindern); Rašīd ad-Dīn, Ǧāmiʿ – Ismāʿīliten, S. 151. Ibn al-Azraq (Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 200) zufolge schlugen die Assassinen mitten auf dem sūq von Tabrīz zu (das Jahr 539 H. ist allerdings falsch, das richtige findet sich etwa auch bei ʿAẓīmī, Taʾrīḫ Ḥalab, S. 397). 1303 Mxitʿar Goš, „Chronik“ (Datastanagirkʿ-Anhang), tr. Dowsett, S. 486 f.: Čaġrı̊ -Šāh (dessen Atabeg Ayāz war, s. Bundārī, Zubda, S. 242 f.) wurde von Eldigüz gehängt, damit dieser die Macht in Ganǧa übernehmen konnte. 1304 Bundārī, Zubda, S. 214 f.; Mxitʿar Goš, „Chronik“ (Datastanagirkʿ-Anhang), tr. Dowsett, S. 484; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 335.

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beherrschte das Sultanat1305 und ging so weit, sich mit den rebellischen Emiren ʿAbbās von Rayy und Boz-Aba von Fārs gegen Masʿūd zu verschwören. Auch entzog er dem Subsultan dessen vertrautesten Höfling, mit der Folge, dass dieser in Absprache mit Masʿūd und mit Hilfe anderer sultanstreuer Emire den Kammerherrn auf einem Georgien-Feldzug im Jahre 1147 ermordete.1306 Der Name des Höflings ist Beg-Arslan – genannt Ḫāṣṣ-Beg – b. *Palang-Eri. Wir begegneten Masʿūds absolutem Favoriten bereits in Zusammenhang mit Sanǧars letzter Expedition nach Rayy im Winter 1149/1150. Damals hatten sich mehrere Emire gegen Ḫāṣṣ-Begs Bevorzugung und überragende Machtfülle als Generalissimus, Großkammerherr und Atabeg (des zuletzt nach Ganǧa geschickten Prinzen) empört; zudem waren dem Favoriten sicherlich nicht wenige Territorien unterstellt worden. Gleich nach Faḫr ad-Dīns Beseitigung hatte Ḫāṣṣ-Beg die Kontrolle über Arrān übernommen und hier Gouverneure eingesetzt;1307 später ernannte Masʿūd dann einen Cousin des Favoriten namens Ravādī zum valī von Ganǧa.1308 Ardabīl und Marāġa wurden von Ḫāṣṣ-Beg belagert, woraufhin dieser die (unterworfenen?) Aḥmadīlīs sowie Eldigüz, den Emir von Naḫčivān,1309 samt ihren Truppen in den Krieg gegen Boz-Aba führte (1147).1310 Die Machthaber Arrāns und Aserbaidschans kämpften also für Masʿūd und damit auch im Interesse Sanǧars, über den wir in Zusammenhang mit dieser großen Auseinandersetzung allerdings nichts erfahren. Ebenso wenig geht aus der Literatur hervor, mit welchem Gouverneursposten und/oder Lehen Masʿūds übermächtiger Liebling – dem Čavlı̊ einst Tabrīz entzogen und an Arslan-Aba (zurück)gegeben hatte1311 – über die folgenden Jahre versorgt war. Nur Münzen legen eine Verbindung zu Ostaserbaidschan nahe. So sind BI-Dirhams mit Ḫāṣṣ-Begs Namen und laqab ʿIzz adDīn bekannt, als deren Prägeort Urmiya gelesen wurde.1312 Darüber hinaus gibt es aber auch Kupfermünzen, auf denen malik al-umarāʾ / Beg-Arslān / b. *Palang-Erī steht1313 – Album hält Ḫāṣṣ-Beg und Beg-Arslan fälschlich für zwei unterschiedliche Emire1314 – und welche unzweifelhaft in eine Reihe mit Čavlı̊ s Prägungen (aus Westaserbaidschan)

1305 Bundārī, Zubda, S. 192: kāna […] al-ḥākim ʿalā ’d-daula al-muhīb aṣ-ṣaula; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 343: laisa li-’s-sulṭān maʿahū ḥukm. 1306 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 343; Bundārī, Zubda, S. 216 f.; Mxitʿar Goš, „Chronik“ (Datastanagirkʿ-Anhang), tr. Dowsett, S. 484; Durand-Guédy, „Battle of Qara-Tegin“, S. 168. 1307 Bundārī, Zubda, S. 217. 1308 Mxitʿar Goš, „Chronik“ (Datastanagirkʿ-Anhang), tr. Dowsett, S. 485; Bundārī, Zubda, S. 232. 1309 Dies ist der Begründer der bedeutenden Atabeg-Dynastie der Eldigüziden; wann Eldigüz von Masʿūd in Transkaukasien installiert worden war, lässt sich nicht genau sagen. 1310 Durand-Guédy, „Battle of Qara-Tegin“, S. 173, 177 f. 1311 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 136 f.; Ḥusainī, Aḫbār, S. 115. 1312 Lowick, „Oriental Hoards“, S. 101, Nr. 269 f. 1313 FINT 2003-16-172 (53x H.) und FC3 D6; ANS 1985.55.3 (in der MANTIS-Datenbank fälschlich Čavlı̊ zugeschrieben); es handelt sich um zwei Typen, s. u. 1314 Album, Checklist, S. 203.

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gehören.1315 Solche Kupfermünzen weisen unverändert die Nennung beider Sultane auf,1316 wohingegen Sanǧar auf den BI-Stücken aus Urmiya im Gegensatz zum Juniorsultan nicht angegeben ist. Als Juniorsultan ist dabei erst Masʿūd und sodann, nach dessen Tod, Malik-Šāh III. aufgeführt, was eine Datierung ermöglicht. Warum Ḫāṣṣ-Beg b. *Palang-Eri auf einigen seiner (späteren) Prägungen darauf verzichtete, auch den Großsultan zu nennen, lässt sich nicht ermitteln. Dass er Sanǧar jedoch grundsätzlich die Anerkennung verweigerte, ist deshalb unwahrscheinlich, weil er diesen ja im Winter 1149/1150 für sich gewinnen und seine dominante Stellung somit als vom Reichsoberhaupt genehmigt verteidigen konnte (s. o.). Zudem ist Sanǧar unter Ḫāṣṣ-Beg nicht etwa letztmalig in der sikka Aserbaidschans aufgeführt. Von Šams ad-Dīn Eldigüz, welcher nach Ḫāṣṣ-Begs Ermordung 1153 zum neuen mächtigsten Emir der Region aufstieg (und anders als seine Vorgänger eine Dynastie begründete), gibt es unter anderem Æ-Münzen, auf denen der „allergrößte“ Sultan zusammen mit Muḥammad II. genannt ist. Diese wurden von Kouymjian in Sanǧars letztes Lebensjahr datiert1317 und anscheinend ließ Eldigüz davor Münzen schlagen, die so zu interpretieren sind, dass er vorübergehend nur noch den Großsultan anerkannte, jedoch (wie die ʿAbbāsiden und Zangiden) nicht mehr den Subsultan.1318 Auf wieder anderen Stücken – Eldigüz’ Münzprägung ist recht unübersichtlich1319 – wird hingegen der Subsultan (Masʿūd, dann Muḥammad II.) ohne Großsultan aufgeführt und wieder sind dies BI-Dirhams, die (wenn der Prägeort lesbar ist) aus Urmiya stammen oder dem gleichfalls in Westaserbaidschan gelegenen Salmās.1320 In A. Akopyans und F. Mosanefs Studie zu Eldigüz’ BI-Münzen beginnt die Reihe mit einem Typ, auf dem der Emir über sich Sanǧar sowie al-Muqtafī nennen lässt, jedoch – wie es aussieht – keinen Juniorsultan. Die Autoren halten diesen Typ für den

1315 Das gleiche gilt für ANS 1971.249.4, ein Stück, auf dem als Juniorsultan unter Sanǧar wohl ­Malik-Šāh III. genannt ist und dazu ein malik al-umarāʾ sowie Atabeg ohne ism (Ḫāṣṣ-Beg?), sowie für die bei Ṭabāṭabāʾī, Sekkehā-ye eslāmī-ye Īrān, S. 515 oben zu sehende Münze (noch Sultan Masʿūd; statt ‫ ملک االعظم‬muss es ‫ ملک االمراء‬heißen). 1316 Typ 1 (FINT 2003-16-172) – Av.: as-sulṭān / al-muʿaẓẓam / Abū ’l-Fatḥ / [Masʿūd] (links und rechts im Feld Waffen; Umschrift: Mzst.-Datum-Formel), Rev.: Allāh / al-Muqtafī li-Amr / as-sulṭān / alaʿẓam / [malik al-]umarāʾ / (rechts im Feld:) [Beg-A]rslān / (links:) b. *Palang-Erī; Typ 2 (FINT FC3 D6; ANS 1985.55.3) – Av: wie eben, Rev.: Allāh / al-Muqtafī li-Amr / as-sulṭān / al-aʿẓam Sanǧar / malik al-umarāʾ / (rechts im Feld:) Beg-Arslān / (links:) b. *Palang-Erī (Umschrift: Koranvers 9:33). 1317 Kouymjian, Numismatic History, S. 300–302, Nr. 4; auch Eldigüz trägt den Titel malik al-umarāʾ. 1318 Kouymjian, Numismatic History, S. 298–300, Nr. 2 (und 3); Akopyan/Mosanef, „Billon Coinage“, S. 74 f., Typ 1. 1319 S. auch den Bereich „Shams al-Din Īldegiz, 531–571“ bei Zeno. 1320 Lowick, „Oriental Hoards“, S. 101, Nr. 269 f.; Akopyan/Mosanef, „Billon Coinage“, S. 76–82, Typ 2–7 (s. auch Zeno oder z. B. ANS 1991.88.4). Anscheinend expandierte Eldigüz von Naḫčivān aus zunächst in den Westen Aserbaidschans nach Salmās und übernahm dann von Ḫāṣṣ-Begs (u. a.) Urmiya. Wenn auf Eldigüz’ Münzen Muḥammad II. ohne Sanǧar genannt ist, können diese natürlich auch aus der Zeit nach Sanǧars Tod stammen.

Das Kaukasusgebiet einschließlich des historischen Aserbaidschans

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frühesten und geben an, es sei gut möglich, dass Eldigüz’ Regentschaft in Aserbai­ dschan direkt unter Sanǧar begonnen habe, während andere Territorien Maḥmūd II. unterstellt worden seien. Außerdem vermuten sie für die Münzen eine Prägezeit vor 536 H., weil Sanǧar nach seinem Qaṭvān-Debakel im Westen an Autorität eingebüßt habe: „According to numismatic evidence, after 536/1141 coins with the name of Sanjar were struck only at the mints of Khurāsān – in Balkh, Harāt, and Nīshāpūr, and mention of Sanjar on coins struck in Madīnat al-Salām ceased.“1321 Hierzu sei folgendes angemerkt: (1.) Es ist durchaus möglich, dass auf besagtem BI-Typ doch auch der Juniorsultan aufgeführt ist, und zwar in der (ungelesenen) Revers-Umschrift. Sollte dies aber nicht der Fall sein, so wäre (2.) anzunehmen, dass der Typ geschlagen wurde, als Eldigüz Muḥammad II. die Anerkennung verweigerte. Damit würden die Prägungen zeitlich nicht vor solche mit Sultan Masʿūds Namen1322 gehören, sondern danach. (3.) In jedem Fall hat Sanǧar Eldigüz nicht als einen vom Subsultanat unabhängigen Herrscher eingesetzt; Ǧūzǧānīs von Akopyan und Farbod herangezogene Aussagen1323 müssen nicht mehr bedeuten, als dass Eldigüz eventuell irgendwann auch im Namen des Großsultans bestallt wurde.1324 (4.) Wie bereits in den vorherigen Kapiteln dieser Arbeit herausgearbeitet, kann keine Rede davon sein, dass Sanǧars Anerkennung in der sikka außerhalb des ḫurāsānischen Kernlandes nach 1141 zurückging. Šams ad-Dīn Eldigüz (gest. 1175) war einer jener Emire gewesen, die aus Protest gegen Ḫāṣṣ-Begs Bevorzugung durch Masʿūd 1148 Bagdad angegriffen und sich dann, ohne etwas erreicht zu haben, wieder zerstreut hatten.1325 Nachdem es dem Juniorsultan später (1150) gelungen war, einen (seit 1149 drohenden) Zusammenstoß mit Sanǧar abzuwenden – der Großsultan akzeptierte, wie gesagt, den Favoriten seines Neffen –, formierte sich jedoch erneut Widerstand gegen Ḫāṣṣ-Beg, indem sich die Nachbarn Eldigüz und Arslan-Aba, der – ebenfalls von Münzen aus dieser Zeit bekannte – Atabeg Ayāz1326 und der šāh-i Arman zusammenschlossen. Masʿūd und sein mächtiger 1321 Akopyan/Mosanef, „Billon Coinage“, S. 74–76 (Typ 1, vermutlich aus Urmiya). 1322 Akopyan/Mosanef, „Billon Coinage“, S. 76 f., Typ 2 (Mzst. Salmās) und S. 78, Typ 3 (Urmiya). 1323 Ǧūzǧānī, Ṭabaqāt, Bd. I, S. 257 f., 268 f. (wo Eldigüz sogar die nisba as-Sanǧarī gegebn wird). 1324 Insbesondere wenn es um Länder und Dyastien westlich von Ḫurāsān geht, ist Ǧūzǧānī ohnehin keine zuverlässige Quelle; er bringt sehr viel völlig durcheinander. Dass Eldigüz aus Sanǧars Diensten kam, ist zwar nicht unmöglich, doch ist die Angabe, dass Atabegs wie er oder Zangī Sanǧars Sklaven waren, kaum wörtlich zu verstehen: Sie stammten nicht aus den Reihen seiner persönlichen ġilmān, sondern galten – so wie alle Machthaber des Reiches – auch ganz ohne persönliche Bekanntschaft einfach als sklavengleiche Untertanen des Großsultans; man kennt diese Rhetorik ja aus den inšāʾ-Dokumenten (s. o., S. 51). 1325 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 64–66; Bundārī, Zubda, S. 222. 1326 Dies ist der ehemalige Atabeg des maliks Dāwūd b. Maḥmūd. Zu Münzen mit seinem Namen aus der Zeit Sultan Masʿūds s. Akopyan/Mosanef, „Billon Coinage“, S. 85–87 (mit teils fehlerhaften Lesungen). Auch auf diesen Stücken erscheint Ayāz mit dem laqab Toġrı̊ l-Tegin (Akopyan/Mosanef bei Typ 12 stattdessen: Muʿīn ad-Dīn), zudem trägt er auf einem Typ (aus Salmās?) den Titel malik al-umarāʾ (Typ 12, s. z. B. ANS 1997.112.1). Anscheinend war Ayāz zeitweise von Eldigüz abhängig. Unter Sultan Muḥammad II. diente er eventuell als Atabeg des maliks Čaġrı̊ -Šāh b.

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Günstling unternahmen daraufhin einen Feldzug nach Aserbaidschan. Hierbei wurde Marāġa erobert und ein Frieden zwischen Arslan-Aba und Ḫāṣṣ-Beg erzielt (1151).1327 Wie gesagt, vermochte Eldigüz seine Herrschaft erst nach Ḫāṣṣ-Begs Tod so weit auszudehnen, dass er sich – zunächst neben Arslan-Aba – als mächtigster Emir der Region etablieren konnte.1328 Er und der Herr von Marāġa unterstützten 1153 Sulaimān-Šāh gegen Muḥammad II. und teilten Aserbaidschan quasi unter sich auf.1329 Eldigüz machte sich außerdem zum Atabeg eines Sohnes Toġrı̊ ls II. namens Arslan-Šāh,1330 den er schließlich (1161) erfolgreich auf dem Sultansthron installieren sollte. Als Sulaimān-Šāh und Malik-Šāh b. Maḥmūd 1156 mit kalifaler Unterstützung gegen Muḥammad II. nach Aserbaidschan zogen, tat sich interessanterweise nur Eldigüz mit ihnen zusammen, nicht aber Arslan-Aba b. Aq-Sonqur. Bei Qummī ist zu lesen, dass letzterer ebenso wie der Atabeg Ayāz und der šāh-i Arman auf der Seite von Sanǧars finalem valī-ʿahd Muḥammad standen, welcher sodann in einer Schlacht am Aras über Eldigüz siegte.1331 Arslan-Aba erhielt daraufhin Aserbaidschan zugesprochen1332 und wurde (später?) zum Atabeg von Muḥammads Sohn Dāwūd ernannt,1333 doch durfte auch Eldigüz die Herrschaft über Arrān behalten (was ihn nicht davon abhielt, sich 1157, in Sanǧars Todesjahr, erneut gegen Sultan Muḥammad zu wenden).1334 Bei dem wiederholt erwähnten „Schah der Armenier“ handelt es sich um Sökmen II., den Herrn des Van-See-Gebiets mit der Hauptstadt Aḫlāṭ. Auch dieser Machthaber verdient noch Beachtung, nicht nur weil er von 1128 bis 1185 (!) regierte. Nāṣir adDīn Sökmen b. Ibrāhīm b. Sökmen war bereits der dritte Vertreter einer türkischen Emirsdynastie, welche eben interessanterweise besagten Titel šāh-i Arman führte. Regionalherrschertitel waren also definitiv kein ostiranisches Phänomen; wobei die Anūšteginiden weniger den Širvānšāhs vergleichbar sind als vielmehr den Sökmeniden. Ob letztere auch den eigentlichen malik-Titel beanspruchten oder sich mit dem Emir-Rang begnügten, ist nicht festzustellen – leider kennen wir von dieser Dynastie weder Bauinschriften noch Münzen und auch sonst erfahren wir aus den Quellen nur

Maḥmūd (Bundārī, Zubda, S. 242) und stieg zum Kammerherrn des Sultans (mit dem laqab Nāṣir ad-Dīn) auf (Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 99). Welches Gebiet ihm (in Aserbaidschan/Transkaukasien) unterstellt war, geht aus den Quellen nicht hervor. 1327 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 158 f.; Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 84 f. 1328 Zusammen mit Ḫāṣṣ-Beg verlor der ǧāndār Zangī sein Leben, welcher von Ḥusainī (Aḫbār, S. 127) als „Herr von Aserbaidschan“ bezeichnet wird. Auch Ganǧa in Arrān kam offenbar erst nach ḪāṣṣBegs Tod unter Eldigüz’ Herrschaft. 1329 Bundārī, Zubda, S. 231–233, 242 f.; Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 162 (Eldigüz und Arslan-Aba belagern Tabrīz). 1330 Eldigüz war zu diesem Zeitpunkt bereits mit Arslan-Šāhs verwitweter Mutter verheiratet. 1331 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 175 f.; Ḥusainī, Aḫbār, S. 141 f.; Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 94 f.; Luther, Political Transformation, S. 78–81. 1332 Ḥusainī, Aḫbār, S. 142. Ayāz kämpfte 1157 für Muḥammad in Bagdad. 1333 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 434. 1334 Ḥusainī, Aḫbār, S. 142. Ein Sohn Eldigüz’ musste als Geisel mit Muḥammad gehen.

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sehr wenig über sie. Unter selǧuqischer Oberherrschaft stehend war der šāh-i Arman sowohl in den aserbaidschanisch-transkaukasischen Gouverneurskomplex eingebunden (s. o.) als auch in den ostanatolischen.1335 Ein direkter Kontakt zu Sanǧar ist wieder nicht belegt, doch erfahren wir zumindest von einem Schritt Sultan Masʿūds, welcher die politische Organisation des armenischen Kernlandes betraf und der im Folgenden noch kurz angesprochen sei. Nachdem Dāwūd und ar-Rāšid besiegt worden waren, musste Sultan Masʿūd 1138 nicht zuletzt eine Lösung für seinen ältesten noch lebenden Bruder Selǧuq-Šāh finden, der bei al-Muqtafīs Installation mit in Bagdad gewesen war und ansonsten von Wāsiṭ aus für Unruhe gesorgt hatte.1336 Überraschenderweise entschied Masʿūd, Selǧuq-Šāh jene Länder zu geben, über die der šāh-i Arman gebot, das heißt Aḫlāṭ und Dependenzen, Manāzgird (Malāzgird) sowie Arzan,1337 wobei er dem malik mit Oġuzoġlı̊ asSilāḥī, dem muqṭaʿ von Tabrīz, einen neuen Atabeg zur Seite stellte. Ob Masʿūd Sökmen II. so bestrafen wollte, weil dieser womöglich Dāwūd unterstützt hatte, geht aus den Quellen ebenso wenig hervor wie die Form, in der der šāh-i Arman seiner vom Sultan beschlossenen Verdrängung begegnete. Wir erfahren nur, dass Selǧuq-Šāh Aḫlāṭ attackierte, die Einwohner der Gegend tyrannisierte und ihnen viel Geld abnahm.1338 Die gewaltsame Machtübernahme am Van-See war vielleicht noch im Gange, als der Emir Qara-Sonqur Selǧuq-Šāh 1139 zu sich rief, um ihn wieder als malik jener Provinz einzusetzen, die er vor Jahren verloren hatte. Selǧuq-Šāh schloss sich daraufhin umgehend dem Feldzug gegen Boz-Aba nach Fārs an, womit sein kurzer Auftritt als malik von Armenien beendet war. Auch dieser Versuch, einen Selǧuqen anstelle eines etablierten Emir-Gouverneurs zu installieren – man denke an Sulaimān-Šāhs Gastspiel in Ḫvārazm anno 1138 –, war gescheitert. Als Masʿūd später noch einmal plante, einen (halbwegs handlungsfähigen) Verwandten in den Westen zu schicken, nämlich Dāwūd in die bilād aš-Šām, erlag der malik, wie gesagt, noch vor seiner Abreise einem Mordanschlag. Ibn al-Azraq zufolge wurde Sökmen II. etwa zu der Zeit, als Selǧuq-Šāh in Armenien war, von Bewohnern des Gebiets Sasun (westlich von Bidlīs) gefangen genommen1339 (oder sollte dieses Ereignis gar als Anlass für Selǧuq-Šāhs Entsendung von 533 auf 532 H. vordatiert werden?), konnte aber Anfang 1139 seine Freiheit zurückerlangen und fortan weiter in Aḫlāṭ regieren. Ob der šāh-i Arman einst ein Vasall des maliks Dāwūd gewesen war, lässt sich nicht feststellen. Dafür könnte ein in Dvīn gefundener Münztyp – so er denn auch in Dvīn geprägt wurde, was nicht unwahrscheinlich ist – belegen, dass zumindest dieser nördliche Teil Armeniens zeitweise Dāwūd unterstand

1335 Das Territorium der Sökmeniden grenzte u. a. an das der Dilmačiden, Salduqiden und Zangiden. 1336 S. o., S. 192 f. 1337 In Arzan regierten eigentlich die Dilmačiden, vielleicht (zeitweise) als Vasallen des šāh-i Arman. 1338 Bundārī, Zubda, S. 185; Ibn al-Azraq, Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 218. 1339 Ibn al-Azraq, Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 219.

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(ohne zu Sökmens Machtbereich zu gehören).1340 Besagter Münztyp ist auf jeden Fall hochinteressant und bedarf weiterer Forschung; der Großteil der Inschrift ließ sich noch nicht entziffern. Insgesamt gesehen war Sanǧars Anerkennung also wohl auch in Transkaukasien und dem historischen Aserbaidschan größtenteils gegeben. Sie hing an jener des Juniorsultans und ist numismatisch gut für die Phase der großen Atabeg-Emire greifbar, deren Reihe sich wie folgt rekonstruieren ließ: – Qasīm ad-Daula Aq-Sonqur al-Aḥmadīlī, – Qara-Sonqur, – Ǧamāl ad-Dīn Čavlı̊ al-Ǧāndār, – Faḫr ad-Dīn ʿAbd ar-Raḥmān b. Toġa[n]-Yürek, – ʿIzz ad-Dīn Arslan-Beg b. *Palang-Eri, alias Ḫāṣṣ-Beg, – Nuṣrat ad-Dīn Arslan-Aba b. Aq-Sonqur und Šams ad-Dīn Eldigüz Auffällig ist somit wieder, dass Sanǧars sikka-Präsenz nicht etwa schwerpunktmäßig in Kombination mit Sultan Maḥmūd II. beobachtet werden kann (wenngleich dieser ja so spektakulär unterworfen worden war), sondern erst in der Verbindung mit Masʿūd als verbreitete Konvention erscheint (also an der Seite jenes Neffen, von dem mitunter behauptet wurde, dass die Anerkennung des Großsultans mit ihm zurückging). Tatsächlich ist es im Fall der aserbaidschanischen Münzprägung wie auch in dem der zangidischen und böridischen das (realpolitisch zusammengekommene) Sultansgespann Sanǧar + Masʿūd, mit dem sich uns in Sachen Oberherrenanzeige numismatisch eine neue Regelmäßigkeit und Konsequenz dokumentiert. Für die imperiale Ordnung hatten offenbar insbesondere auch die erfolgreiche Installation al-Muqtafīs und die Isolation ar-Rāšids, das Auf-Linie-Bringen Zangīs, der Sieg über Dāwūd und eben die Etablierung eines dominanten Emirats in Aserbaidschan einen neuen Schub (oder eine Art Rejustierung, Straffung) bedeutet. Des Weiteren blieb die Instanz des Reichsoberhaupts von der wachsenden Macht der aserbaidschanischen Emire nicht untangiert; schon bevor Ḫāṣṣ-Begs Stellung den Selǧuqensenior auf den Plan rief, war Qara-Sonqur in Konkurrenz zu und als ein Fall für Sanǧar gesehen worden.

1340 Akopyan, „Dvin“, S. 260 f., Nr. 15 (Bestimmung unvollständig). Dieser Typ wurde bislang immer nur in Dvin gefunden. Der unbekannte Münzherr trägt offenbar den laqab Arslan-Tegin; Dāwūd ist wohl als Sultan genannt, ohne Sanǧar.

Die mulūk von Fārs und ihre Atabegs

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IV.6.7 Ḫūzistān, Fārs und Umgebung IV.6.7.1 Die mulūk von Fārs und ihre Atabegs Die große, wichtige Provinz Fārs mit der Hauptstadt Šīrāz bildete gewissermaßen das südliche Pendant zu Aserbaidschan/Arrān. Sultan Muḥammad Tapar hatte sie ca. 1113 (?) dem Emir Faḫr ad-Dīn Čavlı̊ Saqqāʾū (Saqao, Saqāvū?)1341 unterstellt, welcher das Land als Atabeg des erst zweijährigen Sultanssohnes Čaġrı̊ regieren sollte. Schon 1116 verstarben jedoch gleich beide, Čavlı̊ und Prinz Čaġrı̊ b. Muḥammad,1342 sodass erneut die Notwendigkeit bestand, die Herrschaft über Fārs zu regeln. Dies geschah spätestens, als Sanǧar Muḥammads Nachfolger Maḥmūd II. 1119 als Vasallensultan einsetzte. Wahrscheinlich bestätigte der Selǧuqensenior damals wieder eine Regelung seines 1118 verstorbenen Bruders; möglicherweise war es aber auch erst Sanǧar, der den Mundschenk (as-sāqī, auch: aḏ-ḏauwāq) Qarača zum neuen Atabeg-Gouverneur von Fārs bestimmte1343 (immerhin handelte es sich bei diesem Emir um einen seiner ehemaligen Mamlūken1344). Der selǧuqische malik, dessen Tutor Qarača wurde, war Maḥmūds Bruder Selǧuq-Šāh b. Muḥammad.1345 Im Muǧmal at-tawārīḫ wa-l-qiṣaṣ (S. 414) heißt es, Sanǧar habe Selǧuq-Šāh 1119 mit sich zurück nach Ḫurāsān genommen, doch muss dies eine Verwechslung mit Muḥammads jüngstem Sohn Sulaimān-Šāh sein – SelǧuqŠāh saß während der Regierungszeit seines Bruders und (unmittelbaren) Oberherrn Maḥmūd definitiv auf dem Thron von Šīrāz. Zu seinem von Qarača regierten Vizekönigreich gehörte nicht nur ganz Fārs, sondern auch ein Teil der Provinzen Iṣfahān und Ḫūzistān.1346 In Albums Checklist wird der malik Selǧuq-Šāh irrtümlich als Atabeg von Fārs geführt, während der tatsächliche Atabeg Qarača – ebenso wie sein Vorgänger Faḫr adDīn Čavlı̊  – gar nicht berücksichtigt wurde.1347 Der Grund hierfür ist sicherlich der, dass Selǧuq-Šāhs seltene Dinare zumeist nur Qaračas Titel tragen und lediglich im Falle eines Typs auch den türkischen ism des Mundschenks. Die Titel wurden in der Fol-

1341 Ibn Zarkūb, Šīrāz-nāma, S. 63 f.: Ǧamāl ad-Dīn. ‫ سقاوو‬hängt vermutlich mit saqqāʾ („Wasserträger“, „Mundschenk“) zusammen; vielleicht bestand eine feste Verbindung zwischen dem Mundschenk­ amt und (den Einnahmen aus) der Provinz Fārs. 1342 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 162–165; Čaġrı̊ verstarb im Sommer 1116 mit nur fünf Jahren, dann Čavlı̊ . 1343 Ibn Zarkūb, Šīrāz-nāma, S. 64. 1344 S. o., S. 130, Anm. 616. 1345 Muǧmal, S. 413. 1346 Bundārī, Zubda, S. 134 f. 1347 S. Album, Checklist, S. 207. Albums Nr. 1922 wäre also korrekterweise Qarača zuzuordnen und/ oder Selǧuq-Šāhs Münzprägung mit unter jener der Großselǧuqen zu erwähnen (wo ja z. B. auch Arslan-Šāh b. Alp-Arslan als malik von Fārs geführt wird). Čavlı̊  – von dem Dinare mit Čaġrı̊ s Namen bekannt sind, s. etwa ANS 1963.173.4 – müsste eine neue Nr. unmittlebar vor Nr. 1922 bekommen.

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Das Teilreich der Irak-Selǧuqen

ge fälschlich Selǧuq-Šāh zugeordnet, welcher in Wahrheit wiederum immer nur mit seinem – etwas eigentümlich geschriebenen – ism erscheint.1348 Konkret steht auf allen (mir bekannten) Exemplaren – es lassen sich sechs Avers- und fünf Revers-Typen unterscheiden – der Atabeg-Titel und der eines malik al-umarāʾ.1349 Letzterer mag sogar auf Qarača zurückgehen und sich sodann für ähnlich mächtige Provinzherren, den „Club“ der größten Atabeg-Emire, etabliert haben; Zangī b. Aq-Sonqur etwa konstruierte seine Herrschaft ja gemäß demselben Regierungsmodell wie Qarača.1350 Die einzige Münze, auf der letzterer namentlich genannt ist, stammt aus dem Jahr 518 H. (Abb. 10). Im Revers-Feld ist zu lesen: Muḥammad rasūl Allāh / as-sulṭān al-muʿaẓẓam / Muʿizz ad-Dunyā wa-’d-D / [īn A]bū ’l-Ḥāriṯ Sanǧar / [malik] al-umarāʾ / (ganz oben:) atābeg Qarāča (!); im Avers-Feld: saʿāda / lā ilāh illā / ’llāh waḥdahū / lā šarīk lahū / alMustaršid bi-’llāh / Abū ’l-Qāsim Maḥmū / d / (rechts:) Sel[ǧuq] / (links:) Šāh. Dass hier ganz auf Maḥmūds Sultanstitel verzichtet wurde, hängt offenbar damit zusammen, dass Sanǧar statt mit dem Großsultanstitel nur mit der einfacheren Titelform erscheint – so kommt trotz der Abweichung vom üblichen Protokoll doch ein Rang­ unterschied zum Ausdruck. Auf allen übrigen Münztypen werden über Selǧuq-Šāh und seinem Tutor wohlgemerkt immer normal as-sulṭān al-muʿaẓẓam Maḥmūd und, als dessen Oberherr, as-sulṭān al-aʿẓam Sanǧar (sowie der Kalif) angegeben. Die Anerkennung des Großsultans war in Fārs offenbar über Maḥmūds gesamte Regierungszeit hinweg stabil. Überhaupt währte Selǧuq-Šāhs (nominelles) Regionalkönigtum deutlich länger als das von Masʿūd im Westen oder das von Toġrı̊ l im Norden; Qarača scheint Fārs gut im Griff gehabt und nie gegen Maḥmūd rebelliert zu haben. Tetley schreibt über Selǧuq-Šāh b. Muḥammad: „[He] presumably died young, as he played no part in the quarrels between the other sons of Muḥammad“.1351 Wie

1348 Lane Poole (s. Catalogue, Bd. III, S. 241 ff.) vermochte den Namen Selǧuq-Šāh – s. etwa Stephen Album Rare Coins, Auktion 18 ( Jan. 2014), Los 516 – verständlicherweise nicht zu entziffern; bei ihm steht (als ein Atabeg von Fārs) ‫ سرحو شاه‬mit Fragezeichen. Lowick, „Seljūq Coins“, S. 247: „an Atābeg named Sharjū (?) minting at Shīrāz“. 1349 S. Lane Poole, Catalogue, Bd. III, S. 241–243, Nr. 676–680. Als Prägejahre konnten auf den 5 Stücken im British Museum 517, 519, 520, 521 und 524 H. gelesen werden; die Mzst. ist immer Šīrāz. In der Tübinger Sammlung stieß ich auf einen Dinar von 518 H. (FINT FB9 C4; Mzst. nicht lesbar), welcher sich u. a. dadurch auszeichnet, dass Qarača darauf namentlich genannt ist (s. Abb. 10)! Der Atabeg ist nur 517 und 518 H. zusammen mit Sanǧar auf dem Rev. genannt, ansonsten immer beim malik auf dem Av. Ebenso wird Maḥmūd nur in diesen Jahren auf dem Av. aufgeführt, danach stets gemeinsam mit seinem Onkel auf dem Rev. Auf dem 517 H. geschlagenen Av.-Typ scheint der Name des maliks, anders als es Lane Poole rekonstruierte, komplett oben im Feld zu stehen, s. Stephen Album Rare Coins, Auktion 27 ( Jan. 2017), Los 769. Zu den im British Museum vertretenen Typen kommt auch noch folgender Av.-Typ hinzu: ʿadl / lā ilāh illā / ’llāh al-Mustar / šid bi-’llāh / Šāh-Selǧuq [sic] / atābeg / (rechts im Feld:) malik / (links:) al-umarāʾ (FINT 2009-12-84 von 52x H.; Rev. wie Lane Poole, op. cit., S. 243, Nr. 679). 1350 Indem er als weitgehend autonomer Emir-Gouverneur im Namen eines selǧuqischen Marionetten-maliks regierte. 1351 Tetley, Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 189.

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Abb. 10  518 H. (1124/1125) geprägter Dinar des Atabeg-Emirs Qarača und seines selǧuqischen maliks Selǧuq-Šāh (FINT FB9 C4).

schon aus den vorangegangenen Kapiteln hervorgegangen, entspricht dies so nicht der Wahrheit. Richtig ist, dass Selǧuq-Šāh wohl kein Herrschertalent war, nie das Sultanat erlangen sollte und in den Quellen (wenn überhaupt) als recht blasse, unselbstständige Persönlichkeit erscheint. Es spricht bereits für sich, dass wir weder kunya noch laqab dieses maliks kennen und er beispielsweise im Šīrāz-nāma – wo Qarača, also dem tatsächlichen Herrscher von Fārs, ein Abschnitt gewidmet ist – gar keine Erwähnung findet. Der „König der Emire“ Qarača war denn auch die treibende Kraft hinter Selǧuq-Šāhs Versuch, Maḥmūd 1131 als Subsultan zu beerben. In Bagdad eingezogen genoss Selǧuq-Šāh sogar die Unterstützung des Kalifen und kämpfte sodann gegen seinen Bruder und Konkurrenten Masʿūd, doch bewirkte die Kunde von Sanǧars zweitem Ǧibāl-Feldzug (zur Durchsetzung Toġrı̊ ls), dass sich Selǧuq-Šāh mit der Stellung als Masʿūds valī-ʿahd begnügen musste – Qarača akzeptierte den Sultanatsanspruch Masʿūds und dachte wohl, dass er genauso gut diesen Selǧuqen kontrollieren könne.1352 Nachdem er die große Schlacht bei Dīnavar gegen Sanǧar und Toġrı̊ l im Mai 1132 verloren hatte, wurde Qarača schwer verwundet vor den Großsultan gebracht und hingerichtet. Wovon wir an dieser Stelle nichts erfahren, ist Selǧuq-Šāhs Schicksal. Sicherlich wurde ihm ebenso wie Masʿūd vergeben, doch schweigen die Quellen darüber, welche Pläne die Sieger für ihn hatten. Fest steht nur, dass er als malik von Fārs abgesetzt wurde und wir ihm erst im Sommer 1134 an der Seite von Alp-Quš al-Kabīr as-Silāḥī, Masʿūds Emir-Gouverneur in Iṣfahān, wiederbegegnen, der wohl sein neuer Atabeg geworden 1352 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 270 (kāna Qarača yataḥakkamu ʿalā Masʿūd wa-Selǧuq ǧamīʿan); Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 264 (Qarača über sein Ziel: kuntu arǧū an […] uqīma sulṭānan aḥkumu ʿalaihi).

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war. Zusammen mit Alp-Quš ging Selǧuq-Šāh nach Bagdad,1353 von wo aus beide womöglich nach Iṣfahān zurückkehrten, ehe sie 1136 abermals in den arabischen Irak kamen. In Wāsiṭ verließen Alp-Quš und seine Truppen dann Selǧuq-Šāh,1354 welcher zur Huldigung für al-Muqtafī schließlich wieder bei Masʿūd in Bagdad weilte.1355 Zu Qaračas Nachfolger als Emir-Gouverneur der Provinz Fārs hatte Sultan Toġrı̊ l II. 1132 Mengü-Bars ernannt. Auch dieser wollte und sollte das Land für einen Selǧuqenprinzen regieren und so wurde ihm (als Ersatz für Selǧuq-Šāh) ein Sohn Toġrı̊ ls namens Alp-Arslan überlassen.1356 Damit waren die Herrschaftsebenen unter Sanǧar vollständig neu besetzt, doch zeigen Mengü-Bars’ Dinare, dass angesichts der weitergehenden Machtkämpfe im westlichen Subsultanat schnell abermalige Anpassungen vorgenommen wurden. So kennen wir bislang keine Prägungen, auf denen Mengü-Bars Toġrı̊ l nennt,1357 dessen Name wiederum auf Münzen aus Sumairam steht, ohne dass darauf Mengü-Bars erscheint.1358 Dafür könnte aber besagter malik Alp-Arslan mit dem laqab ʿAḍud ad-Dīn auf einem Dinar genannt sein, den Mengü-Bars als Atabeg 527 H. (1133) zu Fasā schlagen ließ – und zwar unter Sultan Masʿūd.1359 Dies bedeutet, dass der neue Emir von Fārs auf Toġrı̊ ls Niederlage (s. o.) reagierte, indem er umgehend dessen siegreichen, vom Kalifen unterstützten Bruder anerkannte. Die Anerkennung des „allergrößten“ Sultans blieb hiervon unberührt, allerdings muss alsbald ein weiterer malik-Austausch erfolgt sein: Statt Alp-Arslan b. Toġrı̊ l – der weder mit Arslan-Šāh b. Toġrı̊ l (dem späteren Sultan) noch mit Alp-Arslan b. Maḥmūd (dem malik in Zangīs Händen) zu verwechseln ist1360 – wird nämlich auf Dinaren aus Šīrāz und Fasā ab 528 H. Rukn ad-Dīn Malik-Šāh aufgeführt.1361

1353 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 274. Sultan Toġrı̊ l II. hatte über Masʿūd gesiegt, woraufhin dieser und sein Statthalter Alp-Quš beim Kalifen Zuflucht suchten. Selǧuq-Šāh wurde von al-Mustaršid ehrenvoll aufgenommen und mit 10 000 Dinar beschenkt. 1354 Ibn al-Aṯīr, at-Taʾrīḫ al-bāhir, S. 52 (wo Alp-Quš als Selǧuq-Šāhs Atabeg bezeichnet ist); s. auch o., S. 192, Anm. 939. 1355 Ibn al-ʿImrānī, al-Inbāʾ, S. 222, 225. 1356 Bundārī, Zubda, S. 163. 1357 Als Prägejahre wären hier 526 und 527 H. anzunehmen. 1358 Stephen Album Rare Coins, Auktion 25 (Mai 2016), Los 623 (Sumairam, 526 H.). Gehörte Sumairam (Semirom, im Norden von Fārs, ca. 140 km südlich von Iṣfahān) also nicht zu Mengü-Bars’ Herrschaftsgebiet oder gehören die beiden alqāb an den Feldrändern der Münze (darunter Saif ad-Dīn) Mengü-Bars und/oder einem von dessen Subgouverneuren? Alp-Arslan ist auf der Münze jedenfalls nicht genannt. 1359 FINT 1997-6-35; Av.: lā ilāh illā / ’llāh al-Mustar / šid bi-’llāh / as-sulṭān / al-aʿẓam / (oben:) Sanǧar / (links im Feld:) atābeg / (rechts:) Mengǖ-Barz, Rev.: saʿāda / Muḥammad / rasūl Allāh / as-sulṭān / al-muʿaẓẓam / Masʿūd / (rechts im Feld:) ʿAḍud ad-Dīn / (links:) Arslān (?). Fasā liegt südöstlich von Šīrāz. 1360 Ḥusainī, Aḫbār, S. 105. 1361 Fasā 528 H.: Stack’s Bowers Galleries, Sale #148 – New York International Numismatic Convention Auction, Los 750 (Atabeg Šahriyār) und FINT 1994-22-90 (anderer Typ; Atabeg ‫ ;)جبوغا‬Šīrāz (528 oder 529 H.): OMJ 2006-09-009 und Stephen Album Rare Coins, Auktion 19 (Mai 2014), Los 666 (Atabeg Mengü-Bars).

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Malik-Šāh, den vermutlich Masʿūd zum neuen Vizekönig von Fārs bestimmt hatte, war ein Sohn Sultan Maḥmūds II. Während er nun längere Zeit auf dem Thron von Šīrāz verbleiben durfte, fällt auf, dass auf seinen Münzen in Kombination mit dem Atabeg-Titel entweder der Name Mengü-Bars steht oder aber einer der beiden Eigennamen/Ehrennamen/Titel (?) Šahriyār und ‫حىوعا‬. Letzteres Wort würde ich ǧabuġa (‫ )جبوغا‬lesen wollen, also als eine Form des alten türkischen Herrschertitels yabġu,1362 welcher für das 12. Jh sonst kaum belegt ist (und damals vielleicht wiederbelebt werden sollte).1363 In anderen Quellen zur Geschichte von Fārs und Umgebung kommt ein ǧabuġa – oder irgendeine andere Entsprechung zu ‫ – حىوعا‬allerdings ebensowenig vor wie ein Šahriyār. Somit deutet nur der numismatische Befund darauf hin, dass vielleicht neben oder unter Mengü-Bars – welcher 1134 vorübergehend zurück auf Toġrı̊ ls Seite wechselte1364 – noch ein weiterer Machthaber beanspruchte, für Malik-Šāh zu regieren. Šahriyār lässt sich auf Münzen bis in die Zeit al-Muqtafīs nachweisen, mitunter ist er sogar zusammen mit (oder als) ‫ جبوغا‬genannt.1365 Was Mengü-Bars angeht, so wird auf den beiden letzten Dinartypen mit seinem ism, geprägt 530 H. (Münzstätte Šīrāz), als ʿAbbāside anfangs noch al-Mustaršid posthum1366 und erst dann ar-Rāšid aufgeführt (s. Abb. 11)1367 – den der Atabeg-Gouverneur von Fārs unterstützte, als bereits al-Muqtafī Kalif war. 1138 zog Mengü-Bars im Bündnis mit Dāwūd b. Maḥmūd gegen Sultan Masʿūd ins Feld und wurde nach einer Niederlage in der Ebene von Panǧ Angušt hingerichtet. Die Kontrolle über Fārs übernahm daraufhin der Emir Boz-Aba, welcher zuvor für seinen Herrn Mengü-Bars in Ḫūzistān regiert hatte.1368 Dinare von 531 H. (1136/1137) dokumentieren nun nicht nur das Festhalten an ar-Rāšid, sondern auch die Anerkennung Sultan Dāwūds anstelle Masʿūds 1362 Siehe C. E. Bosworth, EIr-Art. „Jabḡuya“. Auf arabisch-ḫvārazmischen Münzen der Oġuz-Fürsten, welche im 9. Jh. am unteren Syrdarja herrschten, ist die Form ‫ جبويه‬belegt. 1363 Er findet sich in der Form ǧabūġā noch unter den alqāb des in Difrigī (Divriği) regierenden Mengüčekiden Šāhānšāh b. Sulaimān, s. TEI Nr. 8225 („Sitte Melik Türbesi“, wohl von 592 H.; s. dazu auch Pancaroğlu, „House of Mengüjek“, S. 38 mit Anm. 22), sowie unter jenen des Atabegs ArslanAba b. Aq-Sonqur von Marāġa, s. Baḥr al-fawāʾid, tr. Meisami, S. viii, 6, 330 f. 1364 Ḥusainī, Aḫbār, S. 104; Bundārī, Zubda, S. 170 (Mengü-Bars schickte seinen Emir Boz-Aba). 1365 FINT 2009-12-86 (Atabeg Šahriyār + [Ru]kn ad-Dīn Malik-Š[āh] + Masʿūd + [Sanǧar] + al-Muq­ tafī), FINT 2009-12-88 (Atabeg ǧabuġa (+?) Šahriyār + al-malik al-muẓaffar Malik-Šāh + Masʿūd + Sanǧar + al-Muqtafī). 1366 FINT PZS-59 und (stempelgleich) Stephen Album Rare Coins, Auktion 31 (Mai 2018), Los 738 (beide mit lesbarem Jahr 530 und dem Namen al-Mustaršid zusammen auf dem Av.). Ansonsten sind unverändert Malik-Šāh, Masʿūd und Sanǧar genannt; es wurde auch nur ein neuer Av.-Stempel wg. des Jahreswechsels angefertigt, während der Rev.-Stempel noch der durch OMJ 200609-009 (wohl 529 H.) dokumentierte ist. Vom selben Av.-Stempel (wie PZS-59), aber anderem Rev.-Stempel (bei gleichem Typ): FINT FE5 A6. 1367 FINT 1994-22-89; Jahr nicht vollständig lesbar, aber 529 H. kommt nicht infrage, weil noch Anfang 530 H. al-Mustaršid genannt wurde; Av: [xxx] / lā ilāh illā / ar-Rāšid bi-’llāh / as-sulṭān / al-aʿẓam Sanǧar / Rukn ad-Dīn / (rechts im Feld:) Malik / (links:) Šāh; Rev.: salāma / Muḥammad / rasūl Allāh / as-sulṭān / al-muʿaẓẓam / Masʿūd / (links im Feld:) atābeg / (rechts:) Mengǖ-Barz. 1368 Ibn al-ʿImrānī, al-Inbāʾ, S. 223; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 304 f.; Bundārī, Zubda, S. 184 f.

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(s. Abb. 12).1369 Beides war nicht in Sanǧars Sinne, doch erfolgte immerhin keine Abkehr vom Großsultan selbst. Statt mit dem Namen Mengü-Bars ist der Atabeg-Titel auf

Abb. 11  530 H. (1135/1136) in Šīrāz geprägter Dinar, auf dem der Atabeg Mengü-Bars außer seinem malik Malik-Šāh und den Sultanen Masʿūd und Sanǧar erstmals den neuen Kalifen ar-Rāšid nennt (FINT 1994-22-89).

Abb. 12  531 H. [in Šīrāz] geprägter Dinar, auf dem Mengü-Bars (weil unlängst getötet?) zumindest nicht mehr namentlich genannt ist; dafür ist der Atabeg-Titel mit dem eines ǧabuġa (?) kombiniert. An Masʿūds Stelle wird nun Dāwūd als Subsultan genannt, während statt al-Muqtafī noch immer ar-Rāšid Anerkennung findet (FINT 2013-7-1). 1369 FINT 2013-7-1 (= Zeno Nr. 15253) und 1995-4-95 ([53]1 H.); Av: Malik-Šāh / lā ilāh illā / ’llāh waḥdahū / lā šarīk lahū / ar-Rāšid / bi-’llāh / (rechts im Feld:) ǧabūġā / (links:) atābeg; Rev.: ­salāma  / Muḥammad / rasūl Allāh / as-sulṭān al-aʿẓam / wa-’sulṭān / al-muʿaẓẓam / (rechts im Feld:) Sanǧar wa- / (links:) Dāwud. Ein zweiter Typ von 531 oder 532 H. scheint sich nur darin zu unterscheiden, dass (als Reaktion auf Mengü-Bars’ Tod?) gar kein Atabeg genannt ist (anderer Av.-Stempel, gleicher Rev.-Stempel; FINT PZS-62).

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solchen Münzen wieder mit ‫( حىوعا‬ǧabuġa) kombiniert. Dieselbe Angabe begegnet nun auf den meisten Prägungen, auf denen schließlich regulär Masʿūd und al-Muqtafī aufgeführt werden, weshalb man davon ausgehen darf, dass beide Titel (zumindest ab 1138) Boz-Aba gehören. Dieser wurde offenbar Malik-Šāhs neuer Atabeg – in der sikka kommt auch uluġ-atabeg, das heißt „Großatabeg“, sowie der Titel malik al-umarāʾ vor1370 – und so stabilisierte sich eine Hierarchie, welche über mehrere Jahre Bestand hatte. Nur zu Beginn von Boz-Abas Herrschaft über Fārs, im Jahre 1139, gab es den Versuch, Selǧuq-Šāh, also den früheren Vizekönig des Landes, in Šīrāz zu reinstallieren. Hierzu wurde Sultan Masʿūds Bruder vom Emir Qara-Sonqur (dessen Sohn Muḥammad von Boz-Aba getötet worden war) aus Armenien (s. o.) zurückgerufen und bis in die Hauptstadt von Fārs gebracht, wo er mit seinem Atabeg Oġuzoġlı̊ asSilāḥī die Regierung übernehmen sollte. Boz-Aba hatte sich derweil auf einer Festung verschanzt, von der er wieder herunterkam, sobald Qara-Sonqur abgezogen war. Es gelang ihm, Selǧuq-Šāh und Oġuzoġlı̊ zu überraschen, und da beide nicht im Stande waren, sich allein zu behaupten, konnte Boz-Aba noch 1139 oder 1140 Šīrāz und andere Städte zurückerobern. Den unglückseligen, erkrankten malik Selǧuq-Šāh hinderte er an der Flucht und ließ ihn auf der berühmten Weißen Burg inhaftieren; „dies ist das letzte, was von ihm bekannt wurde“.1371 Der auf den Münzen genannte Rukn ad-Dīn Malik-Šāh war (irgendwann) nicht (mehr) der einzige Selǧuqe unter Boz-Abas Kontrolle. Auch sein Bruder Muḥammad b. Maḥmūd befand sich beim Herrn von Fārs1372 und wurde von diesem bei Gelegenheit sogar als Gegensultan zu Masʿūd aufgestellt.1373 Letzterer musste Boz-Aba unter dem Einfluss seines ḥāǧib ʿAbd ar-Raḥmān b. Toġa[n]-Yürek 1146 vergeben und ihn offiziell zu Muḥammads Atabeg ernennen, was deshalb wichtig war, weil Muḥammad (laut 1370 Zeno Nr. 42084 (bei Zeno dem Salġuriden Sonqur zugewiesen, doch wird noch al-malik al-ʿādil Malik-Šāh b. Maḥmūd genannt); Stack’s Bowers Galleries, December 2008 Coin Galleries, Los 423 (uluġ-atabeg folgt auf ǧabuġa). Auf einem anderen Typ steht oben im Av.-Feld sogar der ism Boz-Aba (‫)ىوراىه‬, s. Lane Poole, Catalogue, Bd. III, S. 46, Nr. 89. Lane Poole ordnete die Münze Malik-Šāh zu, so als ob dieser als Sultan genannt wäre; dabei gehört der Typ (auch nach Lane Pooles System) noch unter die Prägungen Sultan Masʿūds. Lane-Pooles Lesung kann (dank eines weiteren Exemplars) wie folgt ergänzt und berichtigt werden: Bōz-Aba / lā ilāh illā ’llāh / al-Muqtafī li-Amr Allāh (Lane Poole: waḥdahū lā šarīk lahū) / al-malik al-ʿādil / Malik-Šāh b. Maḥmūd / [xxx] / (links im Feld wohl:) uluġ-atābeg (Av.), (oben im Feld:) ‫ د‬Rosette ‫ ع‬/ Muḥammad / rasūl Allāh as-sulṭān / alaʿẓam Sanǧar / wa-’l-muʿaẓẓam Masʿūd (Rev.). 1371 Bundārī, Zubda, S. 188 f.; Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 77; Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 100; Ibn alAṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 311. Die Weiße Burg (Isfīd Diz) erhob sich im Distrikt von Nauban(da)ǧān zwischen Šīrāz und Arraǧān; Selǧuq-Šāh fand dort den Tod. 1372 Ibn Zarkūb (Šīrāz-nāma, S. 66) zufolge war Muḥammad (auf Betreiben seines Bruders) gemeinsam mit Boz-Aba nach Šīrāz gekommen; folgerichtig ist von zwei Prinzen die Rede, für die BozAba regierte. Allerdings werden die Selǧuqen und ihre Familienverhältnisse von Ibn Zarkūb – dessen Quelle wohl Baiżāvīs Niẓām at-tawārīḫ (s. S. 80) ist – auch wiederholt durcheinandergebracht. An anderer Stelle (S. 69) heißt es, Sultan Masʿūd habe Muḥammad zu Boz-Aba geschickt. 1373 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 136: Boz-Aba ließ Muḥammad während seiner Rebellion von 1145–1146 in der Kapitale Hamadān in ḫuṭba und sikka nennen.

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Nīšāpūrī) gleichzeitig zum valī-ʿahd erhoben wurde.1374 Als sich der Subsultan dann 1147 endlich ʿAbd ar-Raḥmāns und auch des Emirs ʿAbbās hatte entledigen können, zog Boz-Aba, das letzte lebende Mitglied des zerschlagenen Triumvirats, erneut gegen Masʿūd in den Krieg. Mit sich führte der Herr von Fārs und Ḫūzistān1375 seine beiden Selǧuqenprinzen, von denen er in Iṣfahān Muḥammad zum Gegensultan erklärte.1376 In der großen (von Durand-Guédy vorbildlich analysierten) Schlacht von Qara-Tegin (5. Juli) unterlag Boz-Aba jedoch und wurde von Ḫāṣṣ-Beg hingerichtet.1377 Die Brüder Malik-Šāh und Muḥammad b. Maḥmūd kehrten nach Boz-Abas Ausschaltung 1147 zurück in den Süden;1378 wahrscheinlich hatte ihnen ihr Onkel vergeben und sie als Vizekönige bestätigt. ʿImād ad-Dīn al-Iṣfahānī zufolge erklärte Masʿūd den malik Muḥammad erst jetzt zum valī-ʿahd, gab ihm seine Tochter zur Frau und Ḫūzistān als Teilfürstentum.1379 Sicher ist, dass Muḥammad dabei war, als eine Gruppe von Emiren gegen Masʿūd und Ḫāṣṣ-Beg rebellierte, indem sie 1148 Bagdad angriff und sich dann wieder zerstreute.1380 Einige dieser Emire kamen wohl 1149 erneut in die Gegend der Tigris-Metropole, wobei sie dieses Mal aber Malik-Šāh b. Maḥmūd bei sich hatten (den der Kalif als Sultan anerkennen sollte).1381 Zuvor hatte Malik-Šāh wahrscheinlich Fārs verlassen, wo es ihm nur etwa ein Jahr lang gelungen war, sich ohne Boz-Aba als Vizekönig zu halten. Die Person, vor der er sich notgedrungen zurückgezogen hatte, war der Emir Sonqur b. Maudūd aus der Dynastie der Salġuriden,1382 von dem es heißt, er sei ein Neffe des Atabegs Boz-Aba gewesen.1383 Über den Beginn der Salġuridenherrschaft ist bei Ibn Zarkūb (14. Jh.) zu lesen, dass Sonqurs Vater Maudūd unter Boz-Aba die Nomaden von Gandumān, einem frucht-

1374 Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 81; dazu Fragner, Hamadān, S. 144 oder Durand-Guédy, „Battle of Qara-Tegin“, S. 166 („Boz-Aba held the future of the Saljuq state in his hands. […] Fārs had never before exerted such influence in the affairs of the Saljuq sultanate.“). Masʿūd musste sogar Boz-Abas kadḫudā zu seinem neuen Wesir nehmen. 1375 Mxitʿar Goš, „Chronik“ (Datastanagirkʿ-Anhang), tr. Dowsett, S. 485. 1376 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 151; Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 82; bei Bundārī (Zubda, S. 219) ist von der Inthronistaion beider Prinzen die Rede. S. dazu Durand-Guédy, „Battle of Qara-Tegin“, S. 175. S. auch Baiżāvī, Niẓām at-tawārīḫ, S. 80 (statt Tūrān-Šāh ist Būz-Aba zu lesen) und Ibn Zarkūb, Šīrāz-nāma, S. 67 f., wo die Namen Malik-Šāh und Masʿūd vertauscht sind. 1377 Durand-Guédy, „Battle of Qara-Tegin“, S. 179–182. Boz-Abas Kopf wurde nach Bagdad geschickt. „The showdown at Qara-Tegin can be interpreted as the last confrontation between Azarbayjan and Fārs for control of the resources of the central Saljuq space. It ushered in the long-lasting pre-eminence of Azarbayjan, the withdrawal of Fārs and the eventual marginalization of the ­province of Jibāl/ʿIrāq al-ajamī.“ (Durand-Guédy, op. cit., S. 161). 1378 Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 83; Baiżāvī, Niẓām at-tawārīḫ, S. 80; Ibn Zarkūb, Šīrāz-nāma, S. 68 (­Malik-Šāh und Masʿūd sind im Abschnitt zu Boz-Abas Niederlage miteinander verwechselt). 1379 Bundārī, Zubda, S. 222 (543 H.). 1380 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 64; Bundārī, Zubda, S. 222. 1381 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 71. Danach hält sich Malik-Šāh an Masʿūds Hof auf und ist auch bei seinem Onkel, als dieser stirbt (Bundārī, Zubda, S. 227). 1382 Ibn Zarkūb, Šīrāz-nāma, S. 71 f.; Baiżāvī, Niẓām at-tawārīḫ, S. 80, 86. 1383 Mustaufī, Tārīḫ-i guzīda, S. 503.

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baren Weidegebiet südwestlich von Iṣfahān,1384 anführte und sogar als Stellvertreter in Šīrāz eingesetzt wurde, als der Atabeg 1147 in den Krieg gegen Masʿūd zog. Schon Sonqurs Vater hatte also kurzzeitig Fārs regiert, war dann aber vor Malik-Šāh b. Maḥmūd zurück nach Gandumān gewichen und verstorben.1385 Nachdem nun Sonqur 1148 (543 H.) die Macht in Šīrāz an sich gerissen hatte, nahm er nicht nur gleich Boz-Abas Titel malik al-umarāʾ und ǧabuġa an, sondern führte auch (anders als Lambton meinte1386) die Tradition fort, als uluġ-atabeg für einen selǧuqischen malik zu herrschen.1387 Dies belegen Münzen, wobei es wohl erst ein bis zwei Jahre dauerte, um (passend zum Tutor-Titel) einen solchen malik zu organisieren. Denn anders als Mohammad Younis rekonstruiere ich auf zwei stempelgleichen Dinaren Sonqurs, auf denen eben (höchstwahrscheinlich) noch kein malik genannt ist, nicht 552 H. als Prägejahr, sondern 543 H.,1388 womit dieser Typ ganz an den Anfang der salġuridischen Münzprägung gehört! Sonqur gibt auf diesen Dinaren sowohl den Großsultan Sanǧar als auch den Juniorsultan Masʿūd an, weshalb ein Prägejahr nach 547 H. (Masʿūds Todesjahr) ohnehin nicht infrage kommt. Der Name des besagten, neuen maliks von Fārs lautet Muḥammad b. Toġrı̊ l und wurde noch zur Zeit Masʿūds in die sikka eingeführt;1389 auch auf einem von Raymond Hebert publizierten Goldamulett ist er zu finden.1390 Wo dieser Sohn Sultan Toġrı̊ ls II. – Hebert hielt ihn irrtümlich für Sultan Muḥammad II. – plötzlich herkam, ist unbekannt; in den literarischen Quellen findet er erst in späteren Zusammenhängen Erwähnung.1391 Durand-Guédy, welcher Younis’ Arbeit nutzte, erklärt, eine Münze von 545 H. (1150/1151) würde zeigen, dass Muḥammad b. Toġrı̊ l von seinem Atabeg Sonqur an-

1384 Im Westen der iranischen Provinz Čahār-Maḥāl va Baḫtiyārī, šahrestān Borūǧen. 1385 Ibn Zarkūb, Šīrāz-nāma, S. 71 f. 1386 Lambton, Continuity and Change, S. 246: „Although they are often referred to in the sources as atabegs, they were not so in the technical sense, in that Sonqur b. Maudūd […] does not appear to have had a Saljuq prince entrusted to him.“ 1387 Ǧūzǧānī, Ṭabaqāt, Bd. I, S. 270: Als Sanǧar starb, seien einige seiner Neffen – tatsächlich waren es bereits Selǧuqen der nächsten Generation – aus dem Irak zu Sonqur gekommen va ism-i šāhī īšānrā musallam dāšt va ḫvad [Sonqur] ba-ism-i atābegī dar mamālik taṣarruf kard. 1388 Younis, at-Tadāwul, Bd. II (Tabellen- und Bildteil), Nr. 7 und Nr. 8 = OMJ 2006-09-012 und FINT FE5 B4. In der Av.-Umschrift des Jenaer Stücks (Mzst. [Šī]rāz) berührt der letzte Buchstabe von ‫ ثلث‬das folgende ‫و‬, von dem ebenso wie von ‫ اربعين‬nur noch die untere Hälfte zu sehen ist (‫ و‬ohne Kopf). 1389 Younis, at-Tadāwul, Bd. II, Nr. 9 (FINT FE5 B6, mit Sonqurs Titulatur malik al-umarāʾ ǧabuġa uluġ-atabeg) und Nr. 10 (ANS 1922.211.112, von 54x H.); in Bd. I ist auf S. 33 ein Exemplar mit dem lesbaren Prägejahr 545 H. publiziert und so mag es ebendieses Jahr (oder das davor) sein, in dem Muḥammad b. Toġrı̊ l den Thron von Fārs bestieg. In Younis’ Arbeit sind die Münzen kaum chronologisch geordnet. 1390 Hebert, „Salghurid Amulet“, S. 93 f.; TEI Nr. 35665. 1391 S. Rašīd ad-Dīn, Ǧāmiʿ – Selǧuqen, S. 111 f., 120; Ḥusainī, Aḫbār, S. 145 f., 169–171. Album hält Muḥammad b. Toġrı̊ l für „unidentified“ (Checklist, S. 207, Anm. 481), erklärt sonst aber für Sonqurs Münzen richtig: „His earliest issues cite both the western Seljuq and their nominal suzerain Sanjar“.

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Das Teilreich der Irak-Selǧuqen

stelle von Masʿūd als as-sulṭān al-muʿaẓẓam anerkannt worden sei.1392 Dies ist jedoch mitnichten der Fall; auf der Prägung wird ganz ordnungsgemäß Masʿūd als Juniorsultan (unter Sanǧar) und Muḥammad (wie auf allen Münzen Sonqurs) nur als malik aufgeführt.1393 Was sich für die sikka beobachten lässt, ist das Ende der Anerkennung eines Subsultans mit Masʿūds Tod. Sonqur ging politisch also den gleichen Schritt wie die Zangiden: Der erste Selǧuqe, auf den er verzichtete, war weder der Großsultan noch der regionale Vizekönig, sondern der auf der Ebene dazwischen herrschende Sultan des Iraks. Wahrscheinlich wurde Sanǧar – von dem Ǧūzǧānī gar (fälschlich) behauptet, er habe Sonqur eingesetzt1394 – auch in Fārs noch bis zu seinem Tod (552 H.) anerkannt; sicher belegt ist das Jahr 550 H. (1155/1156).1395 Sonqur (dessen laqab im Übrigen Quṭb ad-Dīn und nicht Muẓaffar ad-Dīn lautet) starb 556 (oder 557 oder 558) H., woraufhin die Herrschaft über Fārs weiter fest in der Hand seiner Familie, der Salġuriden, blieb.1396 So wie in Aserbaidschan/Arrān erfolgte die Etablierung einer Dynastie also erst am Ende von Sanǧars langer Herrschaft nach einer Phase großer Emire, die nicht miteinander verwandt waren. Ein Unterschied zwischen Fārs und Aserbai­ dschan ist hingegen, dass sich erstere Provinz in einer größeren Distanz zum Kerngebiet des westlichen Subsultanats befand, nicht zuletzt in Folge der Ablösung Iṣfahāns durch Hamadān. Die Juniorsultane kamen nie persönlich bis nach Šīrāz, sodass Fārs in seiner sich entwickelnden faktischen Autonomie eher der zangidischen Ǧazīra vergleichbar ist. Dass gleichwohl auch die mulūk von Fārs und ihre Atabegs regulär Gelder an den Juniorsultan zu entrichten hatten, weiß Ḥusainī zu berichten.1397 Die Münzprägung der Atabegs von Fārs ist zwar in Teilen noch recht unübersichtlich (vor allem die Zeit Boz-Abas bedarf weiterer Untersuchungen), doch haben wir es im Gegensatz zu Aserbaidschan und dem (trans)kaukasischen Raum glücklicherweise mit einer kontinuierlichen Reihe von Goldmünzen zu tun, auf denen die Herrscher­ hierarchie ja in der Regel sehr zuverlässig, genau und vollständig dokumentiert ist. Umso mehr muss betont werden, dass Sanǧars Anerkennung in Fārs offenbar äußerst stabil war, wenngleich sich in den Quellen keine Hinweise finden, dass der „allergrößte“ Sultan nach Qaračas (Einsetzung und) Hinrichtung noch direkt Einfluss auf die Geschicke des Landes nahm. Wenn überhaupt, könnte das Selǧuqenoberhaupt einige Zeit im Jahre 526 H. (1132) nicht anerkannt worden sein, nachdem man seinen Namen aus der Bagdader Freitagspredigt getilgt hatte und bevor Mengü-Bars als vālī für Sanǧars neuen Vasallensultan Toġrı̊ l die Verhältnisse in Fārs gegebenenfalls wie-

1392 Durand-Guédy, „Battle of Qara-Tegin“, S. 184. 1393 Younis, at-Tadāwul, Bd. I, S. 33 (mit lesbarem Jahr) und Bd. II, Nr. 9 (derselbe Typ, aber Jahr nicht lesbar). S. zu Sonqurs Verbleib im Subsultanat auch Luther, Political Transformation, S. 164. 1394 Ǧūzǧānī, Ṭabaqāt, Bd. I, S. 258, 268, 270 (wo Sonqur sogar die nisba as-Sanǧarī gegeben ist). 1395 Younis, at-Tadāwul, Bd. II, Nr. 3 (FINT FE5 B5). 1396 Die Herrschaft der Salġuriden sollte bis 1282 währen. 1397 Ḥusainī, Aḫbār, S. 164 (Sgl. ḥaml); s. auch Bundārī, Zubda, S. 121 (Pl. ḥumūl).

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Die Borsuqiden und ihre Nachfolger

der ordnete. Einen abschließenden Überblick über die Herrscher von Fārs während Sanǧars Zeit als Großsultan bietet die folgende Tabelle:

1132

1138 1139 1139/1140 1147

1148

Vizekönig (malik)

Atabeg-Gouverneur

Selǧuq-Šāh b. Muḥammad

ʿIzz ad-Dīn Qarača as-Sāqī

Alp-Arslan b. Toġrı̊ l

Mengü-Bars

Malik-Šāh b. Maḥmūd Selǧuq-Šāh b. Muḥammad

Boz-Aba Oġuzoġlı̊ as-Silāḥī Boz-Aba

Malik-Šāh b. Maḥmūd

(Maudūd) –

– Muḥammad b. Toġrı̊ l

Quṭb ad-Dīn Sonqur b. Maudūd

IV.6.7.2 Die Borsuqiden und ihre Nachfolger Neben dem Irak und Fārs wird in Sanǧars fatḥ-nāma anlässlich des „großen Sieges“ über den Ḫvārazmšāh Atsı̊ z von 1138 als drittes Land, unter dessen Machthabern die „frohe Kunde“ bekannt zu machen sei, Ḫūzistān herausgehoben.1398 In der Tat sollte die (strategische) Bedeutung der kleineren, westlichen Nachbarprovinz von Fārs, durch die man aus den Ǧibāl in den Süden des arabischen Iraks gelangte, nicht unterschätz werden. Angeblich hatte Sanǧar seinen unterworfenen Neffen Maḥmūd II. 1119 zwischen Fārs und Ḫūzistān wählen lassen;1399 dass Selǧuq-Šāh den Thron von Šīrāz er- oder behielt, würde bedeuten, dass sich der Juniorsultan für Ḫūzistān entschied. Die Dynastie, welche es an dieser Stelle zu berücksichtigen gilt, war keine, die Šūštar und Umgebung schon zu Beginn der Selǧuqenherrschaft regierte, und auch keine, die das Sanǧar-Reich überdauern sollte. Bei den Borsuqiden handelt sich um eine Familie türkischer Emir-Gouverneure der Sultane und wiewohl sich die Tendenz zu einer faktischen iqṭāʿ- und Gouverneurspostenvererbung für Westiran beispielsweise auch im Falle der Emire von Qazvīn (Yarı̊ n-Quš al-Bāzdār und sein Sohn Alp-Arġu) oder Abhar (Šīrgīr und sein Sohn Ḥaidar) beobachten lässt, fällt die Dynastie von Ḫūzistān dadurch auf, dass sie sich relativ früh etablieren konnte und deutlich mehr Machthaber als nur einen Vater und dessen Sohn umfasst.

1398 Aḥkām, f. 145r/Barthold, Turkestan – Teksti, S. 46. 1399 Sibṭ Ibn al-Ǧauzī, Mirʾāt, ed. al-Ġāmidī, S. 678.

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Das Teilreich der Irak-Selǧuqen

Bisher wurde die Dynastie der Borsuqiden als solche kaum definiert und behandelt,1400 dabei verdient sie eigentlich mehr Aufmerksamkeit. Im Folgenden sei die Karriere der Familie wenigstens umrissen. Borsuq I., ein Emir Sultan Toġrı̊ l-Begs, war der Selǧuqen erster šiḥna in Bagdad gewesen. Kurz nachdem er Sanǧar nach Ḫurāsān gebracht hatte (!), wurde er 1097 von den Ismāʿīliten ermordet1401 und hinterließ (neben einer Tochter) die Söhne Zangī, Aq-Böri, Il-Begi und Zaḥīr ad-Dīn wa-’d-Daula Muʿīn al-Islām Borsuq. Letzterer, Borsuq II., ist unter Berkyaruq und Muḥammad Tapar auf Münzen aus Rayy (497 H.) und *Alāštar (heute Aleštar; 49x H.) beziehungsweise Hamadān und Burūǧird (503–504 H. = 1109–1111) genannt.1402 Zum Machtbereich der Banū Borsuq gehörte zeitweise nämlich nicht nur (das eigentliche) Ḫūzistān – als dessen Herren Zangī und Il-Begi bereits um 1100 erwähnt werden –, sondern vor allem auch das sich nördlich anschließende (und damals wohl zu Ḫūzistān gerechnete) ­Luristān. Vermutlich hatte Borsuq II. hier, genauer gesagt in Klein-Luristān, seine (erste) Basis, nachdem die Ländereien unter den Brüdern aufgeteilt worden waren. Wer ein ganzes Stück weiter im heißen Süden, in Ahvāz, regierte, verrät ein dort geprägter Dinar aus dem Jahre 495 H. in der ANS-Sammlung (1966.31.8). In der ­MANTIS-Datenbank wurde er einfach nur Berkyaruq zugeschrieben, während anderswo immerhin zu lesen ist, dass darauf außerdem ein Borsuq sowie ein sonst unbekannter Nūr ad-Daula „Ahwāzī“ genannt sei. Nanette M. Pyne etwa nimmt in ihrer Dissertation an, es handle sich bei Nūr ad-Daula um einen lokalen Beamten unter

1400 Wenn überhaupt, findet sie fast nur in türkischen Werken Erwähnung (Porsukoğulları); für einen englischsprachigen Beitrag s. Claude Cahens EI2-Artikel „Bursuḳ“. Selbst in Zambaurs M ­ anuel wurde die Dynastie nicht berücksichtigt. Nach Fertigstellung vorliegender Arbeit erschien im Frühjahr 1397/2018 (auf Persisch) folgender Beitrag: Mohsen Rahmati, „Ḫandān-e Borsoqī va taḥavvolāt-e ʿaṣr-e Salǧūqī“ („Bursuqids Family and Events of the Seljuq Period“) in: Pažūhešhāye Tārīḫī / Journal of Historical Researches, Bd. X, Heft 1, S. 111–127. Darin ist von einer Verbindung Borsuqs I. zur kurdischen Dynastie der Ḥasanwaihiden/Ḥasanūyiden die Rede, weil in einer Inschrift, auf welche ich weiter unten noch zu sprechen kommen werde, zuletzt wohl Borsuq b. ­ asanwaih/Ḥasanūya gelesen wurde. Die Richtigkeit dieser Lesung möchte ich jedoch sehr beḤ zweifeln. 1401 Muǧmal, S. 409 (amīr-i sipāh-sālār Borsuq-i kabīr). Borsuq I., welcher vier Sultanen gedient und wohl auch das ḥāǧib-Amt innegehabt hatte, war auf mehreren Fedzügen in Ost und West, auch in Anatolien, aktiv gewesen. 1402 Rayy: FINT FB8 A3 (s. auch Album, Checklist, S. 184, Erwähnung unter Berkyaruq). *Alāštar (in Luristān): St James’s Auctions, Auktion 34 (Sept. 2015), Los 701 – mit der Schreibweise ‫االشتر‬ (*Alāštar oder gar *al-Aštar, *al-Ištar); in den literarischen Quellen kommen mehrere Varianten des (folglich unklaren) Namens vor, darunter Alīštar und Līštar sowie Aštar und Lāštar; heutige Schreibweise: ‫الشتر‬. Hamadān und Burūǧird: Album, op. cit., S. 187, Nr. E1707 (unter „Seljuq Governors of Hamadan“) und FINT 1991-16-94 (Hamadān, 503 H.), FB8 D5 (Hamadān, 504 H.); bei Hennequin, Catalogue, S. 92 f., Typ CVI/Nr. 137 (Hamadān, 504 H.) wurde der laqab falsch Muʿtazz al-Islām wiedergegeben, nachdem Siouffi – s. Catalogue de Monnaies Arabes, Mosul, Teilpublikation vom März (oder April?) 1880, (nach späterer Paginierung einer Kopie im Ashmolean Museum S. 50) unter „Boursoukides“ (auch fälschlich „Boussoukides“, von Hennequin so übernommen) – ihn bereits richtig gelesen hatte.

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Borsuq II.1403 Woran hier aber wie sooft gescheitert wurde, ist die Herauslesung türkischer Namen, welche mit arabischen Buchstaben geschrieben wurden. Tatsächlich ist auf der Münze unter dem Selǧuqen nämlich nur eine einzige Person aufgeführt, und zwar Nūr ad-Daula Aq-Böri b. Borsuq (man lese ‫ اقبوري بن‬statt ‫)اهوزي‬, also einer der Brüder ­Borsuqs II.!1404 Dieser Emir – von dem bislang noch gar keine Münzen bekannt waren – kontrollierte also bereits unter Berkyaruq die Hauptstadt Ḫūzistāns, von wo aus sich die Lehen der Familie eben bis hinauf in die Gegend von Hamadān erstreckten; neben Līštar (= *Alāštar) umfassten sie auch Šāpūr-Ḫvāst, das heutige Ḫorramābād.1405 Ebendiese Territorien wurden den Borsuqiden dann 1105 von Sultan Muḥammad I. entzogen. Im Austausch erhielten die Brüder Dīnavar und Umgebung;1406 erst in der Folge (ab ca. 1110) begegnet Borsuq II. als Herr von Hamadān (s. Münzen). Zusammen mit seinem Bruder Zangī kämpfte Borsuq II. schließlich 1115 gegen die Kreuzfahrer; im Jahr darauf verstarben beide, womit Hamadān für die Familie verloren ging. Was Ḫūzistān angeht, so sucht man zwar auf Münzen, wie sie 503 und 504 H. in Ahvāz geschlagen wurden, in der Tat vergeblich nach Aq-Böris Namen (oder dem eines anderen Borsuqiden), doch steht fest, dass die 1105 angestrebte Entfernung der Banū Borsuq aus Ḫūzistān (und Luristān) entweder nicht vollständig durchgesetzt worden oder nur vorübergehend gewesen war. Denn 1119/1120 regierte Nūr ad-Daula Aq-Böri erneut oder nach wie vor in Ḫūzistān; bei ihm waren seine Neffen Hindu b. Zangī und Eroġlı̊ b. Il-Begi. Die Borsuqiden hatten zuvor auf Seiten Maḥmūds II. gegen Sanǧar gekämpft, was ihnen in Rayy aber offenbar vergeben worden war. Der amīr-i bār ʿAlī b. ʿUmar hingegen fiel nach der verlorenen Schlacht bei Sāva in Ungnade und floh nach Ḫūzistān, wo ihn Aq-Böri nahe Šūštar gefangen nahm und auf Maḥmūds Befehl hin tötete.1407 Für die nächsten Jahre wird als Herr von Ḫūzistān (mit Sitz in Šūštar) dann wieder ein Emir Borsuq b. Borsuq erwähnt, ergo: Borsuq III., ein Sohn Borsuqs II. Anders als Album in seiner Checklist angibt, muss es dieser Borsuqide der dritten Generation (und nicht Borsuq II.) sein, dessen Name auf 516 H. (1122/1123) zu ʿAskar Mukram (heute Band-e Qīr, zwischen Šūštar und Ahvāz) geprägten Dinaren steht.1408 Irritie-

1403 Pyne, The impact of the Seljuq invasion on Khuzestan, S. 225. 1404 Nūr ad-Daula Aq-Bȫrī b. steht in der letzten von vier Av.-Zeilen (die dritte enthält den Kalifennamen), Borsuq vertikal rechts im Feld. Wie es der Zufall manchmal will, tauchte im Mai 2018 ein zweiter, stempelgleicher Dinar Aq-Böris im Handel auf: Stephen Album Rare Coins, Auktion 31, Los 730. Die Münze war an entscheidender Stelle ebenfalls ganz falsch gelesen. 1405 Was Rayy angeht, so hatte Borsuq II. die Stadt 1102 von einem Gouverneur Muḥammad Tapars für Berkyaruq zurückerobert (überhaupt standen die Borsuqiden dauerhaft auf dessen Seite) – daher sein Name auf der Münze. 1406 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 88. 1407 Muǧmal, S. 414; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 187. 1408 Album gibt an, dass derselbe Borsuq, von dem Dinare aus Hamadān und Burūǧird bekannt sind (503–504 H.), auch auf der Münze aus ʿAskar Mukram (Baldwin’s Islamic Coin Auction Nr. 12, Los 3592) genannt sei (Checklist, S. 187, Nr. E1707); dabei war Borsuq II. ja schon 510 H. verstorben.

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Das Teilreich der Irak-Selǧuqen

rend ist im Übrigen auch, dass Album die Dynastiebezeichnung Bursuqids nicht für die Nachkommen Borsuqs I. verwendet (die Dynastie kommt auch bei ihm nicht vor), sondern für Aq-Sonqur al-Borsuqī und dessen Sohn Masʿūd.1409 (Letztere stattdessen etwa als Aqsonquriden zu bezeichnen, wäre sehr ratsam.) Wahrscheinlich hatte Borsuq III. seinen Onkel Aq-Böri um 1121 als Oberhaupt der Familie in Ḫūzistān abgelöst.1410 Wir kennen von ihm sogar eine persische Inschrift aus dem Jahre [5]23 H. (1128/1129), welche einen Steinblock in Ḫorramābād (damals Šāpūr-Ḫvāst, in Luristān) umläuft. Leider ist sie schlecht erhalten und meines Wissens nach wie vor nicht publiziert. Nachdem darin der Juniorsultan Maḥmūd genannt ist, folgt die (in Zeile 1 auf der Ostseite beginnende) Titulatur: amīr-i isfahsalār-i kabīr / (Südseite, Zeile 2:) Ẓahīr ad-Dīn wa-’d-Daula Muʿīn al-Islām Toġrı̊ l-Tegin Abū / (Westseite, Zeile 3:) Saʿīd Borsuq b. Borsuq b. Borsuq.1411 Auch Borsuq III. war also ein isfahsālār und trug dieselben arabischen Ehrennamen wie schon sein Vater. Der laqab Muʿīn al-Islām findet sich auch auf dem erwähnten Dinar aus ʿAskar Mukram1412 sowie auf einem weiteren in der ANS-Sammlung, der meines Erachtens nicht [5]22, sondern [5]24 H. geschlagen wurde.1413 Letzteres Stück, das bislang nicht als borsuqidisch bestimmt oder geographisch verortet worden war, stammt in Anbetracht des Münzherrn sicherlich ebenfalls aus einer Stadt in Ḫūzistān oder Luristān. Der Rest der Prägeortangabe erlaubt es, hier *Alāštar anzunehmen, das deshalb eher infrage kommt als Tustar (arabisch für Šūštar), weil in letzterer Stadt 524 H. ein Dinartyp geprägt wurde, dessen Stil der für Ḫūzistān übliche ist und auf dem kein Borsuqide genannt wird.1414 Für alle drei Münzen (die von 516 und die beiden von 524 H.) sowie

1409 S. Album, Checklist, S. 203; die nisba bedeutet hier kein verwandtschaftliches Verhältnis. Zu Saif ad-Dīn Aq-Sonqur (welcher weder mit Zangīs Vater noch mit dem Begründer der Aḥmadīlī-Dynastie zu verwechseln ist – alle drei trugen den laqab Qasīm ad-Daula!) und Masʿūd s. o., S. 214. 1410 S. auch Bundārī, Zubda, S. 137 (die erwähnte Burg ist mir nicht bekannt). 1411 Wiedergegeben nach: Ernst Herzfeld, „Skizzenbuch XI: Pasargadae III, 1928“, S.  33–36 (Digitalisat unter http://edan.si.edu/slideshow/slideshowViewer.htm?damspath=/Public_Sets/FS/FSA/FSA_ A.06_02.02.11); s. zudem Herzfeld, „Bericht über archäologische Beobachtungen“, S. 74 f. Die Nennung des Juniorsultans beginnt auf der Westseite in Zeile 2: [xxx] Muġīṯ ad-Dunyā wa-’d-Dīn Abū l-Qā / (Nordseite, Zeile 1:) sim Maḥmūd b. Muḥammad b. Malik-Šāh Yamīn Amīr / (Ostseite, Zeile 1:) al-Muʾminīn. 1412 Baldwin’s Islamic Coin Auction Nr. 12, Los 3592; Av: lā ilāh illā / ’llāh waḥdahū / lā šarīk lahū / alMustaršid bi-’llāh / (links im Feld:) as-sulṭān / (rechts:) al-aʿẓam / (oben:) Sanǧar, Rev.: Pfeilund-­Bogen-Emblem mit li-’llāh / Muḥammad rasūl Allāh / as-sulṭān al-muʿaẓẓam / Abū ’l-Qāsim / Maḥmūd b. Muḥammad / (rechts im Feld:) Muʿīn al-Islām / (links:) Borsuq b. Borsuq. 1413 ANS 1967.21.21 (in der MANTIS-Datenbank: 522?; es wurden nur die Sultansnamen gelesen); Av.: lā ilāh illā ’llāh / waḥdahū lā šarīk lahū / al-Mustaršid bi-’llāh / as-sulṭān al-aʿẓam / [Sanǧar], Rev.: Muḥammad rasūl Allāh / as-sulṭān al-muʿaẓẓa[m] / Maḥmūd b. Muḥammad / Muʿīn al-­ Islā[m] / (ganz oben im Feld:) Borsuq / (ganz unten:) b. Borsuq. 1414 Ein solcher Dinar wurde im Frühjahr 2018 von „umayyad“ (= MKIC = Mohammad K. Islamic Coins, Dubai) auf eBay angeboten.

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für jene, die ohne Nennung des Emirs ab 520 H. (1126) in Ahvāz geschlagen wurden,1415 gilt, dass über Maḥmūd ordnungsgemäß Sanǧar aufgeführt ist.1416 Wie Dinare aus Ahvāz und Šūštar von 514, 515 und sogar 519 H. ohne Sanǧars Namen1417 vermuten lassen, hatte es wohl allerdings erst eine ganze Weile gedauert, bis man auch am Kārūn die Anerkennung des Großsultans regulär in der sikka anzeigte. Fest steht, dass die Borsuqidenherrschaft über Ḫūzistān zu Beginn des Sanǧar-Reiches wiederhergestellt war – falls sie zuvor überhaupt eine Unterbrechung erfahren hatte. Leider ließen sich keine borsuqidischen Münzen für die Zeit nach Sultan Maḥmūds Tod finden. Aus den Geschichtswerken geht hervor, dass Borsuq III. unter jenen Emiren war, die zusammen mit dem Wesir Darguzīnī den Winter 1131/1132 über in Rayy auf Sanǧar warteten,1418 und dass er im Sommer 1132 für Sanǧars neuen Vasallensultan Toġrı̊ l gegen dessen Neffen Dāwūd kämpfte.1419 Unter Sultan Masʿūd fällt Borsuq dann jedoch als einer der wichtigsten Emire auf, die sich gegen den von Sanǧar akzeptierten und unterstützten Juniorsultan stellten. So schloss er sich 1135 erst mit 7000 Reitern alMustaršids Ǧibāl-Feldzug an und war dann Teil der Anti-Masʿūd-Allianz um ar-Rāšid und Dāwūd.1420 Das letzte, was wir von Borsuq wissen, ist, dass Masʿūd ihm, dem ṣāḥib Tustar und ḫudāvand-i Līštar (s. o.), 1136 trotz alledem vergab.1421 Etwa zur gleichen Zeit dringt Dāwūd nach Ḫūzistān vor (Belagerung Šūštars), woraufhin er die Provinz einige Jahre lang als Gegensultan zu Masʿūd (aber Sanǧar anerkennend) behaupten kann und 1138 bereits Boz-Aba als Mengü-Bars’ Statthalter in Ḫūzistān begegnet.1422

1415 520 H.: Wilkes & Curtis, Auktion 5 (Apr. 2015), Los 216; 521 oder 522 H. (?): Wilkes & Curtis, Auktion 1 ( Jun. 2014), Los 363. 1416 D. h. Sanǧar ist stets mit dem Großsultanstitel aufgeführt; Maḥmūds laqab lautet, wenn angegeben, Muġīṯ ad-Dunya wa-’d-Dīn (s. o.). 1417 ANS 1972.288.83 (al-Ahwāz, 514 H.); Baldwin’s Islamic Coin Auction Nr. 20 (Mai 2012), Lose 693 (al-Ahwāz, 514 H.), 694 (al-Ahwāz, als Jahr wurde falsch 518 statt 515 H. gelesen), 695 (Tustar, 519 H.). Einige dieser Stücke mögen noch unter Aq-Böri geprägt worden sein, doch ist kein Emir genannt. Maḥmūd trägt darauf sogar wie vor 513 H. den laqab Muʿizz ad-Dunyā wa-’d-Dīn (!) oder interpretierte man seinen alten Ehrennamen gar einfach als (freilich nicht eindeutigen) Verweis auf Sanǧar um? 1418 Bundārī, Zubda, S. 156. 1419 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 267. Cahen spricht in seinem EI2-Artikel „Bursuḳ“ von den Brüdern Borsuq und Toġrı̊ l b. Borsuq, doch beruht dies m. E. auf einem Irrtum, welcher Ibn Ḫaldūn (s. al-ʿIbar, Bd. V, S. 69) bei der Wiedergabe von Ibn al-Aṯīrs Darstellung unterlief (und nicht passiert wäre, stünde nach kāna ʿalā maimanat as-sulṭān Toġrı̊ l ‫ ابن برسق‬statt ‫)بن برسق‬. 1420 Bundārī, Zubda, S. 175; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 281 f., 288. 1421 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 296; die Emire, die Masʿūds Vergebung suchten, kamen mit dessen Frau Zubaida-Ḫatun nach Bagdad, s. Ibn al-Furāt, Taʾrīḫ ad-duwal wa-’l-mulūk, S. 318. Nīšāpūrī hingegen berichtet, dass die rebellischen Emire um Borsuq nahe Līštar lagerten, wo sie Masʿūd von Hamadān kommend im Schlaf überraschte und dann ihren Bitten um Verzeihung stattgab (Salǧūq-nāma, S. 76). 1422 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 294, 304.

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Offenbar endete die Borsuqidenherrschaft mit einem Sohn Borsuqs III. namens Ḥamza, dessen Tod Ibn Abī Ṭayyiʾ unter dem Jahre 533 H. (1138/1139) erwähnt.1423 AlpQuš as-Silāḥī, der Präfekt von Bagdad, begehrte damals die (an den arabischen Irak grenzende) wilāya des Verstorbenen, mit welcher M. F. Elshayyal, der Herausgeber des Textes, nichts anzufangen wusste, sodass er das Wort unpunktiert ließ. Zu lesen ist an dieser Stelle ‫الشتر‬, also Alaštar oder Alištar, (Claude Cahen, EI2-Artikel „Bursuḳ“: Tustar) was wohl bedeutet, dass sich das Borsuqiden-Emirat zuletzt noch auf (einen Teil von) Luristān beschränkte. Alp-Qušs Versuch, es zu annektieren, blieb erfolglos; Sultan Masʿūd ließ den machthungrigen, als sehr tyrannisch beschriebenen šiḥna festnehmen und hinrichten. Dies geschah 532 H. (1138),1424 weshalb Ibn Abī Ṭayyiʾs Datierung nicht ganz stimmen kann und Ḥamza b. Borsuq wohl ebenfalls schon 532 H. verschied.

Čavlı̊ Saqqāʾū

Schaubild 5  Die Dynastie der Borsuqiden.

Nach Boz-Abas Beseitigung 1147 regierte Muḥammad b. Maḥmūd unter seinem Onkel Sultan Masʿūd als malik – und valī-ʿahd – in Ḫūzistān,1425 das damit erstmals die Provinz eines selǧuqischen Vizekönigs war. Von einem Atabeg an Muḥammads Seite erfahren wir interessanterweise nichts. Dokumentiert ist das neue Teilfürstentum des designierten Thronerben innerhalb des westlichen Subsultanats durch einen neu entdeckten Dinartyp aus ʿAskar Mukram, welcher im Handel falsch bestimmt war. Was man offenbar nicht verstanden hatte, ist, dass unter Muʿizz ad-Dunyā wa-ʼd-Dīn – also Sanǧar – zunächst einmal Ġiyāṯ ad-Dunyā wa-ʼd-Dīn – das heißt Masʿūd – genannt wird, ehe noch Abū Šuǧāʿ Muḥammad b. Maḥmūd mit seinem ersten (!) laqab Rukn ad-Dunyā wa-ʼd-Dīn sowie dem Titel walī ʼl-ʿahd (!) als untergeordneter malik von

1423 Ibn al-Furāt, Taʾrīḫ ad-duwal wa-’l-mulūk, S. 358. 1424 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVII, S. 328, 330. 1425 Bundārī, Zubda, S. 222;

Die Borsuqiden und ihre Nachfolger

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Ḫūzistān folgt.1426 Stattdessen dachte man, Muḥammad hätte diese Münze als Sultan

geprägt, weshalb auch das Jahr falsch gelesen wurde: 548 H. (1153/1154) statt 545 H. (1150/1151). Im Anschluss an die Inhaftierung Sultan Muġīṯ ad-Dunyā wa-’d-Dīn Abū ’l-Fatḥ Malik-Šāhs III. (s. o.) lud Ḫāṣṣ-Beg den malik Muḥammad ein, aus Ḫūzistān nach Hamadān zu kommen, um den Thron zu besteigen.1427 In der Folge tauschten die Brüder 1153 quasi die Positionen: Während Muḥammad dem Ruf in die Hauptstadt folgte und neuer Subsultan wurde, nahm sich Malik-Šāh – dem die Flucht aus Hamadān geglückt war – Ḫūzistān.1428 Hier herrschte er nun aber – wie sein bereits erläuterter Dinar aus ʿAskar Mukram von 548 H. zeigt1429 – zunächst nicht als malik, sondern als Gegensultan zu Muḥammad II. Letzterer wird auf der Münze nicht genannt, doch blieb es bei der Anerkennung des Reichsoberhaupts Sanǧar (dessen Enkelin Gauhar-i Nasab bt. Maḥmūd damals versuchte, ihren Bruder Malik-Šāh zu unterstützen1430). 1155 verlor Malik-Šāh Ḫūzistān dann an den Emir Ḥusām ad-Dīn Il-Doġdı̊ (nicht: Ai-Toġdı̊ ), genannt Šumla, b. Quš-Toġan,1431 konnte das Land aber 1158 noch einmal (mit Muḥammads Einverständnis) zurückerobern, bevor er im Frühjahr 1160 vergiftet wurde;1432 danach etablierte Šumla (gest. 1174/1175) in Ḫūzistān sogar eine eigene Dynastie. Wie schon die Borsuqiden herrschte Šumla auch über *Alāštar und Šāpūr-Ḫvāst in Luristān,1433 wo ihm – neben Surḫāb, dem oder einem der letzten ʿAnnāziden1434 – Šuǧāʿ ad-Dīn Ḫuršīd unterstand, der Begründer der (bis 1597 regierenden) Atabeg-Dynastie von Klein-Luristān (Lur-i Kūčik). Während die Ḫuršīdiden erst nach Šumlas

1426 Wilkes & Curtis, Auktion 1 ( Jun. 2014), Los 364; Morton & Eden, Auktion 76 (Dez. 2015), Los 463: ʿadl / lā ilāh illā / ’llāh waḥdahū / lā šarīk lahū / al-Muqtafī li-Amr Allāh (Av.), inṣāf / Muḥammad rasūl Allāh / Muʿizz ad-Dunyā wa-’d-Dīn / wa-Ġiyāṯ ad-Dunyā wa-’d-Dīn / walī ’l-ʿahd / Abū Šuǧāʿ (darüber:) Muḥammad / b. Maḥmūd / (rechts im Feld:) Rukn ad-Dunyā / (links:) wa-’d-Dīn. Den laqab Ġiyāṯ ad-Dunyā wa-’d-Dīn nahm Muḥammad b. Maḥmūd erst als Sultan an. 1427 S. Luther, Political Transformation, S. 26 ff. 1428 Ibn al-Azraq, Taʾrīḫ Maiyāfāriqīn wa-Āmid, S. 257 f.: zu Malik-Šāhs Machtbereich soll zudem ein Teil der Provinz Baṣra gehört haben. 1429 Stephen Album Rare Coins, Auktion 17 (Sept. 2013), Los 540; s. dazu o., S. 163. 1430 S. zu Gauhar-i Nasab o., S. 139. 1431 Auf den Münzen dieses Machthabers lese ich – im Gegensatz zu Akopyan/Mosanef, „Dīnār of Ḥisām al-Dīn Aydoghdī“ – Il-Doġdı̊ statt Ai-Toġdı̊ (s. etwa auch die Abb. in Akopyans und Mosanefs Artikel). Quš oder Küš ist vermutlich eine Variante von küč „stark“, „mächtig“. Das tamġa auf Il-Doġdı̊ s Dinaren sowie jenen seines Sohnes Amīrān konnte ich als das des Oġuzen-Stammes Eymür identifizieren, zu dem die Familie offenbar gehörte! (S. zu alldem meinen Beitrag „Numismatische Einblicke in die Geschichte der Borsuqiden-Dynastie und Ḫūzistāns im 12. Jh.“ in der Festschrift zum 70. Geburtstag von Lutz Ilisch). 1432 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 401, 425, 442; s. auch Luther, Political Transformation, S. 100 ff. 1433 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 233. 1434 Die ʿAnnāziden waren eine kurdische Dynastie, welche vom Ende des 10. bis Mitte des 11. Jh. eine regionalpolitische Rolle gespielt hatte.

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Tod unabhängig wurden (Surḫāb musste sich Šuǧāʿ ad-Dīn unterwerfen),1435 ging in Groß-Luristān (Lur-i Buzurg), dem Gebiet um Īḏaǧ (Māl-Amīr, heute Īẕe), wohl schon um 1155 eine neue Macht ihren eigenen Weg. Zum Herrscher in diesem Landesteil erhob sich der kurdischstämmige Emir Abū Ṭāhir, nachdem er zuvor Sonqur b. Maudūd, dem Herrn von Fārs, gedient hatte und von diesem zum Gouverneur der Region Kūh-Gīlūya (Kohgīlūye, an der Grenze zwischen Fārs und Ḫūzistān) ernannt worden war. Abū Ṭāhir (gest. ca. 1160?) begründete die Atabeg-Dynastie der Hazāras­ piden (reg. bis 1424), durch welche offenbar eine ältere Lokaldynastie ihr Ende fand und die Šūlen aus Luristān nach Fārs verdrängt wurden.1436 Sowohl über die Geschichte der beiden neuen (Pseudo-)Atabeg-Familien als auch über die Herrschaftsverhältnisse in Groß-Luristān vor der Eroberung durch die Hazāraspiden ist jedoch nur sehr wenig bekannt;1437 in den Quellen finden sich teils widersprüchliche Darstellungen.1438 So lässt sich auch nicht sagen, wie etwa Abū Ṭāhir zu Sanǧar und den Selǧuqen stand. IV.6.7.3 Das östliche Fārs (vom Meer bis zum Wüstenrand) Im Osten grenzte Fārs an Kirmān, das nicht Teil des westlichen Subsultanats war. Auf welche Weise der Atabeg-Gouverneur von Fārs seine in Šīrāz zentrierte Macht im Konflikt mit lokalen Machthabern und den Kirmān-Selǧuqen zielstrebig auf die verschiedenen Teile der Provinz ausdehnte, lässt sich dank einer längeren Schilderung Ibn al-Aṯīrs für den Emir Faḫr ad-Dīn Čavlı̊ (gest. 1116) nachvollziehen,1439 doch mangelt es an vergleichbaren Informationen für die Zeit, während der die mulūk und ihre Atabegs unter Sanǧars Oberhoheit regierten; Münzen sind außer aus Šīrāz nur noch aus Fasā bekannt. So lässt sich lediglich annehmen, dass es auch Qarača und seinen Nachfolgern gelang, weitere wichtige Städte wie etwa Kāzirūn zu beherrschen und die Grenze zu Kirmān stabil zu halten.1440 Gewiss blieb es auch dabei, dass sich die kurdischen Šabānkāra im (später nach ihnen benannten) Südosten von Fārs (um

1435 Mustaufī, Tārīḫ-i guzīda, S. 550–552. S. zu den Ḫuršīdiden Vladimir Minorsky, EI2-Artikel „Lur-i Kūčik“. 1436 Mustaufī, Tārīḫ-i guzīda, S. 538–540. S. zu den Hazāraspiden Vladimir Minorsky, EI2-Artikel „Lur-i Buzurg“ (und zu den Šūl V. Minorsky, EI2-Artikel „S̲ h̲ ūlistān“). 1437 S. Bertold Spuler, EIr-Artikel „Atābakān-e Lorestān“; Vladimir Minorsky, EI2-Artikel „Lur“. 1438 Man vergleiche etwa die Darstellung zu den Hazāraspiden in Mustaufīs Tārīḫ-i guzīda mit der in Šabānkāraʾīs Maǧmaʿ al-ansāb (Bd. II, S. 206–208) – ist Abū Ṭāhir mit (Šabānkāraʾīs) ʿAlī identisch? Die abweichendenden Darstellungen und Widersprüche (Ibn al-Aṯīr erwähnt einen Abū Ṭāhir als Herrn von Lūristan sub anno 603 H. = 1207!) bedürften einer eigenen intensiven Studie. 1439 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 162–165; s. auch Šabānkāraʾī, Maǧmaʿ, Bd. II, S. 152 f. 1440 Als Čavlı̊ es belagerte, gehörte Furǧ zu den Besitzungen der Kirmān-Selǧuqen. Der (vor Čavlı̊ geflüchtete) Herr von Dārābǧird war mit dem König von Kirmān verschwägert und Ranba oder Ronba, eine wichtige Festung südöstlich von Dārābǧird, im frühen 12. Jh. ebenfalls in kirmānischer Hand.

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Dārābǧird) nur mit Mühe kontrollieren ließen. Unter Čavlı̊ hatte der führende (Ismāʿīlī-)Šabānkāra-Emir Ḥasan (Ḥasanwaih/Ḥasanūya) – Ibn al-Balḫī: Ḥas[an?]ūya b. Salk b. Muḥammad b. Yaḥyā;1441 Ibn al-Aṯīr: al-Ḥasan, genannt Ḫusrau, b. al-Mubāriz; Šabānkāraʾī: Niẓām ad-Dīn Ḥasan b. Ibrāhīm b. Muḥammad1442 – interessanterweise ganz ähnlich argumentiert wie später (1153) die renitenten Oġuz der Balḫ-Provinz gegenüber Sanǧars Gouverneur Qumač:1443 Er bestand darauf, nur dem Sultan untertan zu sein, ihm also unmittelbar zu unterstehen, ohne sich zusätzlich noch einem Machthaber auf Provinzebene zu beugen.1444 Die Reihe und verwandtschaftlichen Verhältnisse der Šabānkāra-Emire – welche eine Abstammung von den Sāsāniden und dem mythischen Šāh-nāma-König Manūčihr beanspruchten1445 – können an dieser Stelle nicht rekonstruiert werden.1446 Offenbar war aber immer noch besagter Ḥasan (der sich Čavlı̊ letztlich gefügt hatte) an der Macht, als sein Stamm irgendwann in der Regierungszeit Maḥmūds II. erneut für Unruhe sorgte. Dem Wesir Anūširvān b. Ḫālid zufolge soll (auch) hieran Abū ’l-Qāsim Darguzīnī Schuld gehabt haben: Angeblich waren die kurdischen Šabānkāra-Emire von diesem so schlecht behandelt worden, dass sie sich (den irakischen Sultanshof verlassend?) auf ihre Festungen zurückzogen und von dort aus wieder großen Schaden anrichteten.1447 Inwiefern dies eine Rebellion gegen die Selǧuqen bedeutete, ist unklar; Beachtung verdient, dass die Šabānkāra-Führung anscheinend tatsächlich direkte Beziehungen zur Regierung des Subsultanats hatte. Mit dem (für ihn zuständigen) Atabeg-Gouverneur von Fārs geriet Ḥasan erneut um 1150 in Konflikt. In der Absicht, den Thron von Šīrāz zu erobern, rückte er aus seinem Kerngebiet mit dem Zentrum Ǧūšnābād nach Fustaǧān, also in Richtung Fasā, vor,1448 woraufhin ihm wohl Abū Ṭāhir, der spätere Herr von Groß-Luristān, im Dienst des Salġuriden Sonqur 1441 Ibn al-Balḫī, Fārs-nāma, S. 165. 1442 Šabānkāraʾī, Maǧmaʿ, Bd. II, S. 151 f. (mit dem malik-Titel). 1443 Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 62; dazu Schwarz, Sulṭān von H̱ urāsān, S. 52 f. 1444 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 163; Čavlı̊ hatte von Ḥasan verlangt, dem kleinen malik Čaġrı̊ zu huldigen. 1445 S. (Ibn al-Balḫī, Fārs-nāmā, S. 164 und) die lückenlose nasab-Kette (bis zu Adam) bei Šabānkāraʾī, Maǧmaʿ, Bd. II, S. 151. Ismāʿīl, der Stammvater des vornehmen Ismāʿīlī-Clans innerhalb des Šabānkāra-Stammes, soll der Urenkel eines (erfundenen?) Sohnes des letzten Sāsānidenkönigs Yazdgird III. namens Hormuz (Hormizd) gewesen sein. 1446 Zambaurs Liste und Stammbaum (Manuel, S. 233) sind sicherlich zu korrigieren. Es ist wohl auch nicht sinnvoll, von den Banū Fażlūya/Faḍlawaih zu sprechen (s. Bertold Spuler, EI2-Artikel „Faḍlawayh“; ʿAbd-Allāh Mardūḵ, EIr-Artikel „Fażlūya“), da der mächtige und berühmteste Šabānkāra-Emir Fażlūya/Faḍlawaih (gest. 1072?) dem Rāmānī-Clan angehörte und kein Vorfahr jener Herrscher war, die bis Mitte des 15. Jh. regierten (s. auch Krawulsky, Īrān, S. 148–150). 1447 Bundārī, Zubda, S. 122. Zuvor soll die Provinz Fārs in bester Ordnung gewesen sein. 1448 Man darf sicherlich von einer zentralen Achse Šīrāz–Fasā sprechen. Wie auch die Münzen zeigen, war Fasā das südöstliche Bollwerk der Zentralmacht, bevor die Straße, welche (von Šīrāz) über Dārābǧird und Tārum (Ṭārom) bis hinab an den Persischen Golf führte, das Šabānkāra-Kernland berührte. Das Dorf Fustaǧān war auf ebendieser Straße die erste Station nach Fasā/Pāsa (ehe man die Grenze zum Dārābǧird-Distrikt erreichte), s. Ibn al-Balḫī, Fārs-nāma, S. 162.

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(s. o.) eine Niederlage beibrachte.1449 Nicht lange danach soll Niẓām ad-Dīn Hasan I. achtzigjährig verstorben und (so jedenfalls Šabānkāraʾī) von seinem ältesten Sohn Saif ad-Dīn Hazārasp beerbt worden sein.1450 Ǧūšnābād (Gošnābād), der Stammsitz Ḥasans und seiner Vorgänger, ist wohl ganz in der Nähe von Iṣṭihbān(ān), dem heutigen Estahbān, zu lokalisieren. Auch die Festung von Iṣṭihbānā war eine jener vier Burgen, welche zur Zeit Sanǧars das Kernland der (Ismāʿīlī-)Šabānkāra-Emire definierten.1451 Īg (Īǧ, mit der Festung Dār al-Amān), wohin das Herrschaftszentrum der Dynastie unter Ḥasans Nachfolgern verlegt wurde, liegt rund 20 Kilometer südöstlich von Iṣṭihbān(ān).1452 Bevor ihn Čavlı̊ zurückdrängte, hatte Ḥasan offenbar auch Fasā zu seinen Besitzungen gezählt, während Kāzirūn von Abū Saʿd (b.) Muḥammad b. Mammā, dem Anführer eines anderen (der fünf) Šabānkāra-Clans (Karzuvī-Šabānkāra), erobert werden musste. Überhaupt war Fārs einst, mit dem Untergang der Būyiden-Herrschaft Mitte des 11. Jahrhundert, vollständig in die Gewalt der Šabānkāra geraten. Die damit verbundene Unsicherheit und Unruhe, die wiederholten Kämpfe gegen die Selǧuqen und die vielen Zerstörungen hatten einen allgemeinen Verfall der Provinz zur Folge, welcher einer der Gründe für den Niedergang der Hafenstadt Sīrāf war.1453 Ein weiterer Grund, warum die zuvor boomende Welthandelsmetropole am Persischen Golf in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts wieder zu einem vergleichsweise unbedeutenden Dorf herabsank, lag im unaufhaltsamen Aufstieg einer neuen Macht an der Küste von Fārs – dem der Herrscher von Kīš.1454 Auf der Insel Kīš (arabisch: Qais) geboten zu Sanǧars Zeit die Banū Qaiṣar, eine Dynastie, über deren Herkunft sich unterschiedliche Angaben finden; womöglich handelte es sich um Araber, vielleicht aber auch um Iraner.1455 Jedenfalls zogen die Emire von Kīš den Seehandel zwischen Indien, Arabien, dem Irak und Iran an sich, wobei sie laut al-Idrīsī (gest. 1164/1165) aber eher wie Piraten auftraten. Sie wurden reich, bauten eine große Flotte auf und avancierten zur dominanten Seemacht der Region;1456 auch andere Inseln gehörten zu ihrem Territorium. Ḫumar-Tegin, der vālī von Fārs unter Sultan Malik-Šāh I., begab sich ein- oder zweimal in der Absicht nach Sīrāf, Kriegs1449 Šabānkāraʾī, Maǧmaʿ, Bd. II, S. 153 (Rückzug Ḥasans, dem die Salġuriden bei der Übernahme von Šīrāz zuvorgekommen waren); Mustaufī, Tārīḫ-i guzīda, S. 539 (Sieg Abū Ṭāhirs). 1450 Šabānkāraʾī, Maǧmaʿ, Bd. II, S. 153 f. 1451 Šabānkāraʾī, Maǧmaʿ, Bd. II, S. 153; Ibn al-Balḫī, Fārs-nāma, S. 157. 1452 S. auch Krawulsky, Īrān, S. 148 f., 151 f. 1453 S. dazu etwa Aubin, „La ruine de Sîrâf “; Piacenta, „Merchant Families“, S. 147–150. 1454 Ibn al-Balḫī, Fārs-nāma, S. 136; s. neben Aubin, „La ruine de Sîrâf “ auch Whitehouse, „Maritime Trade“. 1455 S. Daniel T. Potts, EIr-Artikel „Kish Island“; Aubin, „La ruine de Sîrâf “, S. 298 f. Die Banū Qaiṣar regierten bis 1229; eine Rekonstruktion der Dynastie ist zumindest an dieser Stelle nicht möglich (Aubin nimmt für die Mitte des 12. Jh. einen Herrscher namens Ǧamšīd an). 1456 Wilson, Persian Gulf, S. 98 f.; Whitehouse, „Maritime Trade“, S. 330; Piacentini, „Mercantile Em­ pire“, S. 251 f.; Daniel T. Potts, EIr-Artikel „Kish Island“.

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schiffe bauen zu lassen und damit Kīš zu besetzen, doch konnte der Herrscher des Eilands mittels Geschenken und Bestechungsgeldern stets erreichen, dass Ḫumar-Tegin unverrichteter Dinge wieder abzog. Die Einkünfte aus dem Handel, welche zuvor Sīrāf zugutegekommen waren, flossen somit dauerhaft an die Banū Qaiṣar. Letztere sollen dann sogar so weit gegangen sein, Sīrāf zu erobern, woraufhin Ḫumar-Tegin regelmäßig daran scheiterte, die Hafenstadt zurückzugewinnen, und der umkämpfte Ort kaum noch angelaufen wurde.1457 Allerdings beruht die verbreitete Angabe, ein Emir von Kīš habe Sīrāf annektiert, auf einem Fehler, der dem Herausgeber und Übersetzer der Quelle, Ibn al-Balḫīs Fārs-nāma, unterlief. So dachte Le Strange bezüglich der Person, die Sīrāf einnahm, es müsse yakī az ǧumla-yi ḫānān nām-i ū Abū ’l-Qāsim heißen,1458 und übersetzte: „a ceratin one of the Khāns [of Qays Island] named Abū-l-Qasim“.1459 Nun wäre der türkische Ḫan-Titel an dieser Stelle aber einigermaßen verwunderlich und tatsächlich ist stattdessen wohl Ǧātān zu lesen, was bedeutet, dass die Hafenstadt an einen Mann namens Abū ’l-Qāsim aus dem Stamm der Ǧāt fiel. Die von den Arabern auch Zuṭṭ genannten Ǧāt waren eine aus Sind stammende Volksgruppe, die in mehreren Gebieten des Kalifenreiches angesiedelt worden war und im 11. Jahrhundert eben auch an der Küste von Fārs lebte.1460 In Hinblick darauf, ob die Emire von Kīš die Selǧuqen anerkannten, findet sich ein vager Hinweis in Ibn al-Muǧāwirs Taʾrīḫ al-mustabṣir aus dem 13. Jahrhundert. Darin heißt es, dass man auf Kīš einen Teil der Einnahmen an Sultan Malik-Šāh I. abzuführen pflegte. Sultan Sanǧar habe sich dann jedoch wegen der gewaltigen Ausdehnung seiner Herrschaft und der Größe seines Vermögens nicht weiter um die Armen gekümmert, weshalb besagte Abgabe – welche folglich wohl als Armensteuer zu verstehen ist? – unter ihm ein vorläufiges Ende fand.1461 Dies lässt nun wenigstens darauf schließen, dass das Emirat von Kīš in Beziehung zum Selǧuqensultanat stand, und wenn ab einem bestimmten Zeitpunkt keine Abgaben mehr entrichtet wurden, dann muss dies nicht bedeuten, dass der Herr der Insel Malik-Šāhs Erben jede Anerkennung verweigerte. Vielleicht ließ der Emir von Kīš den „allergrößten“ Sultan also zumindest noch in der ḫuṭba nennen, als er im Jahre 1135 den spektakulären Versuch unternahm, das ferne Aden zu erobern! Hierzu entsandte er (wie wir unter anderem aus zwei Briefen

1457 Ibn al-Balḫī, Fārs-nāma, S. 136 f. 1458 Ibn al-Balḫī, Fārs-nāma, S. 136. 1459 Ibn al-Balḫī, Fārs-nāma, tr. Le Strange, S. 41–43; die Übersetzung wurde u. a. von Wilson (Persian Gulf, S. 95) und Whitehouse („Maritime Trade“, S. 328) übernommen. 1460 Hilāl aṣ-Ṣābiʾ, Taʾrīḫ, S. 415 f.; den Ǧāt ist sogar eine Monographie gewidmet: Sigrid WestphalHellbusch/Heinz Westphal: Zur Geschichte und Kultur der Jat, Berlin 1968 (s. darin S. 32). 1461 Ibn al-Muǧāwir, Taʾrīḫ al-mustabṣir, S. 326: kānat ḫulafāʾ Qais [wer damit gemeint ist, sei dahingestellt] yusallimūna al-qiṭʿa li-’s-sulṭān al-aʿẓam Rukn [sic] ad-Dunyā wa-’d-Dīn Abū ’l-Fatḥ Malik-Šāh b. Maḥmūd [sic] b. Alp-Arslan fa-lammā tuwuffiya tawallā baʿdahū ’s-sulṭān al-aʿẓam Muʿizz ad-­ Dunyā wa-’d-Dīn Abū ’l-Ḥāriṯ Sanǧar b. Aiyūb-Šāh [sic] fa-lam yaltafit ilā ’l-fuqarāʾ li-’ttisāʿ al-mulk ʿalaihi wa-’l-māl ladaihi quṭiʿa/qaṭaʿa ḏālik.

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des Kairoer Genīza-Korpus wissen) eine imposante Flotte, deren Besatzung zunächst auch den Hafen der jemenitischen Handelsstadt in ihre Gewalt bringen konnte, letztlich jedoch besiegt wurde.1462 Im boomenden Aden regierte damals die Dynastie der Zuraiʿiden unter der Oberhoheit der Fāṭimiden. Sanǧar selbst scheint keine Seepolitik verfolgt zu haben. Nur die Selǧuqenkönige von Kirmān (mit dem Titel malik al-barr al-baḥr) herrschten auch im Persischen Golf, das heißt in der Straße von Hormuz und Teilen des gegenüberliegenden Oman (Qalhāt, Ṣuḥār), wobei sie sich der Schiffe des Emirs von Alt-Hormuz, welcher ihr Vasall war, bedienten.1463 Hormuz, dessen Dynastie wohl im 11. Jahrhundert an die Macht gekommen war, trat bald in Konkurrenz zu Kīš1464 und sollte es schließlich als Vormacht auf See ersetzen. Zu bedenken ist, dass die Güter, welche man in Ḫurāsān oder Transoxanien aus dem Handel im Indischen Ozean bezog, über das naṣridische Sīstān aus Kirmān gekommen sein sollen.1465 Kīš hingegen blieb wirtschaftlich mit Fārs verbunden,1466 obschon sich nicht mit Sicherheit sagen lässt, ob die Banū Qaiṣar (außer Sanǧar) auch die Machthaber in Šīrāz und/oder die irakischen Subsultane anerkannten. Das gleiche gilt für die Lokaldynastie, welche im Nordosten von Fārs Yazd (und Abarqūh?) regierte. Dennoch soll auch sie noch in diesem letzten Unterkapitel zum Teilreich der Irak-Selǧuqen behandelt werden, zumal Yazd in den Listen jener Territorien, die Sanǧar seinem Neffen Maḥmūd 1119 entzog und sich direkt unterstellte, ebenso wenig vorkommt wie Kīš. Die dailamitische Dynastie der Kākūyiden hatte einst (in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts) nahezu die gesamte Ǧibāl-Provinz beherrscht. Unter selǧuqischer Oberhoheit blieben ihr nur noch die Städte Yazd und Abarqūh, welche Toġrı̊ l-Beg der Familie 1051 quasi als Kompensation für die (erzwungene) Abtretung Iṣfahāns zugesprochen hatte.1467 Gleichwohl genossen die Kākūyiden bei den türkischen Sultanen dauerhaft hohes Ansehen; ʿAḍud ad-Dīn ʿAlāʾ ad-Daula1468 Abū ’l-Kālīǧār Garšāsp b. ʿAlī b. Farā1462 Gotein, „Two Eyewitness Reports“; Ibn al-Muǧāwir, Taʾrīḫ al-mustabṣir, S. 143–145. Der Herr von Kīš hieß oder trug wohl den Titel al-ʿAmīd; die Flotte wurde möglicherweise von seinem Sohn (walad) befehligt. 1463 S. dazu etwa Piacentini, „ʿUmān–Kīj–Kirmān/Harmuz axis?“; Bhacker, „Qalhāt in Arabian History“, S. 30. Auf Köymens Karte des Sanǧar-Reiches (s. Büyük Selçuklu İmparatorluğu, Bd. II, Buch­ ende hors texte) gehört der Oman nicht zum Herrschaftsbereich der Kirmān-Selǧuqen, sondern zum Teilreich des irakischen Juniorsultans. 1464 Während Fārs wiederholt Kämpfen, Unsicherheit und Zerstörungen ausgesetzt war, genoss Kirmān mit seinem Haupthafen Hormuz unter den Qavurdiden lange Zeit Ruhe und Sicherheit, womit eine wirtschaftliche Blüte einherging (Piacenta, „Merchant Families“, S. 147 f.; ead., „ʿUmān–Kīj–Kirmān/Harmuz axis?“, S. 267). 1465 Ibn al-Muǧāwir, Taʾrīḫ al-mustabṣir, S. 314; s. auch Piacentini, „ʿUmān–Kīj–Kirmān/Harmuz axis?“, S. 266. 1466 Piacentini, „Merchant Families“, S. 152, 154, 157; ead., „ʿUmān–Kīj–Kirmān/Harmuz axis?“, S. 273. 1467 Bosworth, „Dailamīs“, S. 84 f. 1468 Obwohl ʿAḍud ad-Dīn der höhere Ehrenname ist, war Garšasp unter dem traditionellen Familien-laqab ʿAlāʾ ad-Daula bekannt.

Das östliche Fārs (vom Meer bis zum Wüstenrand)

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murz, welcher wahrscheinlich ab 1095 regierte,1469 wird sowohl als Emir als auch als malik eingestuft1470 und durfte sogar eine Schwester Sanǧars namens Sitāra-Ḫatun heiraten1471 (was für einen malik spricht). Darüber hinaus war er wohl der Sohn einer Selǧuqin1472 und zudem über seine Schwester ʿAṭā-Ḫatun mit den Selǧuqen verbunden. Letztere soll die Frau von Sultan Malik-Šāhs Sohn Maḥmūd gewesen sein,1473 wozu Bosworth korrekt feststellt, dass hier unmöglich Maḥmūd I. gemeint sein kann, und bemerkt: „It seems obvious that Malik-Shāh’s grandson, the later Sultan Maḥmūd b. Muḥammad, is really intended.“1474 Meines Erachtens ist aber auch dies nicht zutreffend. Wie sich nämlich beobachten lässt, sind in der Tārīḫ-i Yazd-i ǧadīd, wenn es um die Söhne Malik-Šāhs I. geht, die Namen Maḥmūd und Muḥammad vertauscht,1475 was bedeutet, dass ʿAṭā-Ḫatun Sanǧars Bruder Muḥammad I. heiratete und diesem einen Sohn namens ʿAṭā-Ḫan gebar (s. Tafel III auf S. 389). Bestätigt wird dies durch die Identifizierung einer weiteren Dame namens Terken-Ḫatun, welche eine Tochter Sultan Muḥammads I. war. In der Tārīḫ-i Yazd-i ǧadīd heißt es, sie sei nach Maḥmūds – also eigentlich Muḥammads – Tod (1118) mit ihrem Halbbruder ʿAṭā-Ḫan und dessen Mutter ʿAṭā-Ḫatun nach Yazd gekommen und später nach Kirmān gegangen, wo ein Enkel des Kirmān-Selǧuqen Qavurd sie einem seiner Söhne zur Frau gegeben habe.1476 Hierauf wird nun unzweifelhaft in Afḍal ad-Dīn Kirmānīs Badāyiʿ al-azmān Bezug genommen, wenn erwähnt wird, dass Arslan-Šāh I. (ein Enkel Qavurds, reg. 1101–1142) gegen Ende seiner Herrschaft eine Tochter des Sultans Muḥammad (!) b. Malik-Šāh nach Kirmān holte.1477

1469 Bosworth, „Dailamīs“, S. 88 f. 1470 Emir: Muǧmal, S. 414 und TEI Nr. 7799; malik: Bundārī, Zubda, S. 133, 151. 1471 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 183; den Namen der Selǧuqin fand ich nur an einer Stelle: Yazdī, al-ʿUrāḍa, S. 69. Auch Ǧaʿfarī (Tārīḫ-i Yazd, S. 37) gibt an, dass ein Kākūyide des Sultans Schwager wurde, doch spricht er, wohl irrtümlich, von Garšāsps Vater ʿAlī, welcher Sanǧars Begleiter in Ḫūrāsān gewesen sein soll. Ähnlich Kātib Yazdī: Nach seiner Darstellung (Tārīḫ-i Yazd-i ǧadīd, S. 64 f.) ging ein Kākūyide namens Alī-yi Garšasp (= ʿAlī?) während der Thronstreitigkeiten nach dem Tode Malik-Šāhs I. zu Sanǧar, welcher später Farāmurz, dem Sohn und Nachfolger von Alī-yi Garšasp, eine seiner Cousinen väterlicherseits zur Frau gegeben habe. 1472 Bosworth, „Dailamīs“, S. 86 f. und 91 f.; Garšasps Vater ʿAlī b. Farāmurz war mit Arslan-Ḫatun, einer Tochter des Čaġrı̊ -Beg verheiratet (Ǧaʿfarī, Tārīḫ-i Yazd, S. 35 und Kātib Yazdī, Tārīḫ-i Yazd-i ǧadīd, S. 59: mit einer Tochter von Čaġrı̊ -Begs Sohn Sulaimān-Šāh). 1473 Kātib Yazdī, Tārīḫ-i Yazd-i ǧadīd, S. 62 f. 1474 Bosworth, „Dailamīs“, S. 92; so auch Lambton, Continuity and Change, S. 261. 1475 Kātib Yazdī, Tārīḫ-i Yazd-i ǧadīd, S. 64; so heißt es, Muḥammads Mutter sei die berüchtigte Terken-Ḫatun gewesen, und auch die Reihenfolge der Sultane nach Malik-Šāh I. (Muḥammad, Berkyaruq, Maḥmūd) stimmt so nicht – zuletzt triumphierte Muḥammad. Anscheinend sind in der Tārīḫ-i Yazd-i ǧadīd Maḥmūd I., Muḥammad I. sowie Maḥmūd II. zu einer Person verschmolzen. 1476 Kātib Yazdī, Tārīḫ-i Yazd-i ǧadīd, S. 63 f. ʿAṭā-Ḫan scheint in Yazd nur gelebt, aber nicht regiert zu haben. 1477 Afḍal ad-Dīn Kirmānī, Badāyiʿ al-azmān, S. 22 (oder Muḥammad b. Ibrāhīm, Tārīḫ-i Salǧūqiyān-i Kirmān, S. 26); Bosworth erkannte diesen Zusammenhang nicht.

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Das Teilreich der Irak-Selǧuqen

Wie bereits erwähnt, war Garšāsp II. gleich zu Beginn der Herrschaft Sultan Maḥmūds II. mit diesem in Konflikt geraten, inhaftiert worden und dann zu seinem Schwager Sanǧar geflohen, um dessen Anspruch auf die Position des Reichsoberhaupts zu unterstützen (s. o., S. 128). Die Frage ist nun, ob Sanǧar die Kākūyiden 1119 wieder Sultan Maḥmūd oder (so wie zum Beispiel die Bāvandiden von Māzandarān) seiner Herrschaft direkt unterstellte. Anzunehmen wäre, dass Yazd Teil des westlichen Subsultanats wurde, nur lässt sich nicht sagen, ob Garšāsp dabei dem Vizekönig von Šīrāz untergeordnet war. Interessant könnte in diesem Zusammenhang ein Dinar des Atabegs von Fārs aus dem Jahre 508 H. (1114/1115) sein, dessen Prägeort vielleicht Yazd zu lesen ist.1478 Neben Faḫr ad-Dīn Čavlı̊ selbst, seinem malik Čaġrı̊ , dessen Vater Sultan Muḥammad I. und dem Kalifen ist darauf kein anderer Machthaber aufgeführt, was nicht nur bedeuten würde, dass Yazd zumindest damals zum Teilfürstentum von Fārs gehörte, sondern auch, dass die Stadt zu dieser Zeit entweder nicht in kākūyidischer Hand war oder Garšāsp – weil er womöglich nur ein muqṭaʿ ohne Regierungsbefugnisse war? – nicht das sikka-Recht besaß.1479 Auch sonst sind keinerlei Münzen von Garšāsp (oder seinem Vater) bekannt. Fest steht jedenfalls, dass Garšāsp Yazd (über Abarqūh ist nichts bekannt) von seinem siegreichen Schwager 1119 zurückbekam. Als treuer Vasall folgte der Kākūyide seinem Oberherrn Sanǧar in den Krieg. Genauer gesagt ist den beiden tīmūridenzeitlichen Stadtgeschichten von Yazd zu entnehmen, dass „ʿAlī b. Farāmurz“ beziehungsweise „Farāmurz b. ʿAlī(-yi) Garšāsp“ – für beide Namen wäre (wie immer) Garšāsp b. ʿAlī zu lesen1480 – an der Seite des „allergrößten“ Sultans gegen die Qara-Ḫitai kämpfte – und dabei, das heißt anno 1141, auf dem Schlachtfeld in der Qaṭvān-Steppe, den Tod fand. Dementsprechend soll der letzte Kākūyide 40 Jahre lang als vālī von Yazd regiert haben.1481 Zu möglichen Nachfolgestreitigkeiten würde auch passen, dass der Kirmān-Selǧuqe Arslan-Šāh gegen Ende seiner Herrschaft – er regierte bis 1142 – in Yazd interveniert haben soll, nachdem es zwischen ihm und ʿAlāʾ ad-Daula (Garšāsp oder ʿAṭā-Ḫan?) Unstimmigkeiten gegeben habe und der Emir „ʿAlī b. Farāmurz“ (um Garšāsps Vater kann es sich hier natürlich nicht mehr handeln) zu ihm geflohen sei.1482 Vielleicht war es Sanǧars Niederlage

1478 ANS 1963.173.4. Es würde sich um die einzige bekannte Yazder Prägung aus dem 12. Jh. handeln. 1479 Allerdings gibt Ibn al-Balḫī an, dass in Yazd mit (minderwertigen) Münzen gezahlt wurde, welche als Amīrī-Dinare bekannt waren (Fārs-nāma, S. 122), was er wohl deshalb tut, weil sich dieses Geld von jenem im übrigen Fārs unterschied. Auch könnte die Bezeichung amīrī ein Hinweis auf die kākūyidischen Emire von Yazd sein. 1480 S. Bosworth, „Dailamīs“, S. 88 f., 91 f. Beide Versionen der Kākūyiden-Geschichte sind, wie bereits gesagt, hochproblematisch; nicht nur die Namen sind offenbar komplett durcheinandergeraten. 1481 Ǧaʿfarī, Tārīḫ-i Yazd, S. 38; Kātib Yazdī, Tārīḫ-i Yazd-i ǧadīd, S. 65. 1482 Afḍal ad-Dīn Kirmānī, Badāyiʿ al-azmān, S. 22 (oder Muḥammad b. Ibrāhīm, Tārīḫ-i Salǧūqiyān-i Kirmān, S. 26); dazu auch Houtsma, „Selǵuqen von Kermân“, S. 374 f. und Bosworth, „Dailamīs“, S. 88.

Das östliche Fārs (vom Meer bis zum Wüstenrand)

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gegen die Qara-Ḫitai gewesen, welche es Arslan-Šāh wagen ließ, das benachbarte Yazd vorübergehend seiner Oberherrschaft zu unterstellen. Nun gibt es allerdings ein Objekt, welches Bosworth in seiner Kākūyiden-Studie nicht berücksichtigte und das so sehr gegen einen Tod Garšāsps II. in der Qaṭvān-Schlacht spricht, dass wir ihn wohl ausschließen dürfen. Bei dem Objekt handelt es sich um ein Teil eines minbars aus Yazd, das sich heute im Metropolitan Museum of Art befindet.1483 Die hölzerne Tafel trägt eine geschnitzte Inschrift, welche besagt, dass die Gebetskanzel fī zaman al-amīr al-aǧall as-saiyid al-muʾaiyid al-muẓaffar / al-manṣūr ʿAḍud ad-Dīn Šams al-Mulūk […]1484 / wa-’s-Salāṭīn ʿAlāʾ ad-Daula Garšāsp / b.1485 ʿAlī b. Farāmurz b. ʿAlāʾ ad-Daula Ḥusām Amīr / al-Muʾminīn1486 fī Ǧumādā ’l-ūlā sanat sitt wa-arbaʿīn1487 wa-ḫams-miʾa in Auftrag gegeben wurde.1488 Garšāsp war demnach noch 1151, also zehn Jahre nach Sanǧars großer Schlacht gegen die Qara-Ḫitai, am Leben! Trotzdem ist es möglich und gar nicht unwahrscheinlich, dass er in Qaṭvān gekämpft (und seine Abwesenheit in Yazd für Unruhe gesorgt) hatte.1489 Es mag auch sein, dass Garšāsp in irgendeiner späteren Schlacht umkam; denn in Muḥammad Yazdīs alʿUrāḍa, einer späten (ca. 1311 entstandenen) Quelle, wird er interessanterweise als ­pādišāh-i šahīd bezeichnet.1490 Nach dem wohl gewaltsamen Tod des letzten Kākūyiden (es dürfte Garšāsp gewesen sein) soll Sanǧar Yazd (mangels männlicher Nachkommen) zwei Töchtern des Verstorbenen gegeben haben. Diese beiden Frauen hätten die Stadt eine Weile regiert und dann von Sultan Arslan-Šāh b. Toġrı̊ l (reg. 1161–1176) einen Emir namens Rukn ad-Dīn Sām zur Seite gestellt bekommen.1491 Sām (gest. 1193/1194), welcher die Dynastie der Atabegs von Yazd (reg. bis 1297) begründete, heiratete Ǧaʿfarī zufolge eine der Töchter des Kākūyiden Garšāsp und zeugte mit ihr einen Sohn namens Atā-Ḫan

1483 Accession Number: 34.150.2. 1484 Das Zeilenende wird von vier symmetrisch arrangierten, Buchstaben andeutenden Hasten ausgefüllt. Anscheinend verlief die Schnitzarbeit nicht ganz nach Plan; in der nächsten Zeile wurde die kunya vergessen oder wegen des Platzproblems darauf verzichtet. 1485 An dieser Stelle steht ‫ ابن‬statt ‫بن‬, wobei sich das ‫ ا‬noch am Ende der vorherigen Zeile befindet. 1486 Statt ‫ المومنين‬steht ‫المىرمنين‬. 1487 Der zunächst wohl vergessene Buchstabe ‫ ر‬ist en miniature oberhalb von ‫ ﺑﻌ‬nachgetragen. 1488 TEI Nr. 7799 oder s. http://www.metmuseum.org/art/collection/search/449017 (mit Bildern), wo man wiederholt (auch im Katalogeintrag) die irrtümliche Aussage liest, dass (statt des Kākūyiden) der Auftraggeber und Stifter der Kanzel, Abū Bakr b. Muḥammad, durch Heirat mit Sultan Sanǧar verbunden gewesen sei. 1489 Womöglich half Arslan-Šāh dem aus der Schlacht zurückgekehrten Garšāsp, Yazd von ʿAṭā-Ḫan zurückzuerlangen? Oder war gar ʿAṭā-Ḫan in Transoxanien gefallen? 1490 Yazdī, al-ʿUrāḍa, S. 69. Yazdī, ein Wesir, starb 1342/1343. Bosworth hatte offenbar keine Kenntnis, dass dieses Werk relevante Informationen zu den Kākūyiden und Atabegs von Yazd enthält. 1491 Ǧaʿfarī, Tārīḫ-i Yazd, S. 38 f.; Kātib Yazdī, Tārīḫ-i Yazd-i ǧadīd, S. 65 f. (in letzterer Quelle heißt es, Sām sei von Sanǧar ernannt worden).

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Das Teilreich der Irak-Selǧuqen

(gest. 1227).1492 In Yazdīs al-ʿUrāḍa wird Sanǧars Schwester Sitāra-Ḫatun, Garšāsps Witwe, zudem „Großmutter der Könige von Yazd“ genannt,1493 was bedeuten könnte, dass es nicht nur eine Verbindung zwischen den weiblichen Hinterbliebenen des letzten Kākūyiden und den neuen Atabegs gab. Denn auch wenn jene Tochter, welche Sām ehelichte, Sitāras Tochter war (was wahrscheinlich ist), stammten die Atabegs des 13. Jahrhunderts nicht von Sām, sondern von dessen Bruder ʿIzz ad-Dīn Langar (gest. 1207/1208) ab. Bosworth (welcher die Stelle in Yazdīs al-ʿUrāḍa nicht kannte) schreibt hingegen: „Through the marriage of Garshāsp b. ʿAlī b. Farāmurz’s daughter to the first Atabeg Rukn ad-Din Sām, it became true that Kākūyid blood flowed in the veins of these Atabegs of Yazd“,1494 doch macht besagte Verbindung allein lediglich Sāms Sohn ʿAlāʾ ad-Daula Atā-Ḫan, von dem nicht einmal klar ist, ob er je regierte,1495 zu einem Nachfahren der Kākūyiden (sowie der Selǧuqen). Die Kākūyiden sind ein Beispiel für eine iranische Lokaldynastie, die im Gegensatz zu anderen kleinen Herrscherhäusern in direkter Beziehung zum Reichsoberhaupt stand. Der Hauptgrund hierfür ist in dem hohen sozialen Status der Familie zu sehen, die an jene der selǧuqischen Sultane mehrfach durch Heirat gebunden war (wohingegen der Kontakt im Falle der Mazyadiden an der sehr speziellen Persönlichkeit eines einzelnen Vertreters seiner Dynastie hing). Wir wissen nicht, welchen Einfluss Sitāra-Ḫatun in Yazd besaß; Beachtung verdient aber, dass Sanǧar die Stadt zwei Frauen anvertraute, welche vermutlich seine Nichten waren. Wahrscheinlich war Yazd für den Selǧuqensenior auch deshalb von Interesse, weil es im Grenzgebiet zwischen Fārs, der Ǧibāl-Provinz und Kirmān sowie an der zentralen Wüstenroute lag, welche zwischen Westiran und Quhistān im Osten verlief. Viel wichtiger – es handelt sich quasi um das Rückgrat des Imperiums – war allerdings die große „Königsstraße“ südlich des Elburs-Gebirges, welche Ḫurāsān mit dem Irak verband. Das östliche Tor zur Ǧibāl-Provinz bildete dabei die Stadt Rayy, um deren Platz in Sanǧars politischer Ordnung es im Folgenden gehen soll.

1492 Ǧaʿfarī, Tārīḫ-i Yazd, S. 40 (hier wird Atā-Ḫans Großvater müttlerlicherseits sogar korrekt Garšāsp genannt). 1493 Yazdī, al-ʿUrāḍa, S. 69 (ǧadda-yi mulūk-i Yazd). 1494 Bosworth, „Dailamīs“, S. 94; s. auch id., EIr-Artikel „Kākuyids“ („The Kākuyids disappear as such from historical mention after the death of Garšāsp II at Sanjar’s side in the battle of the Qaṭvān steppe with the Qara Ḵitay in 1141, but one of Garšāsp II’s daughters married Rokn-al-Din Sām, the Turkish Atabeg entrusted by the Saljuq sultan with their care, so that one may say that the Kākuyids were transformed into the ensuing line of Atabegs“). 1495 Stephen C. Fairbanks, EIr-Artikel „Atābakān-e Yazd“; Bosworth, New Islamic Dynasties, S. 209 (Herrscherliste ohne Atā-Ḫan)

Sanǧars Brückenkopf im Westen

295

IV.7 Rayy und die Provinzen im Süden des Kaspischen Meeres IV.7.1 Sanǧars Brückenkopf im Westen Wir lesen in keiner Quelle etwas über regelmäßige Zahlungen, zu denen der irakische Juniorsultan (so wie der Vasallensultan von Ġazna) gegenüber dem Großsultan verpflichtet war. Dafür hatte Sanǧar seinem unterlegenen Neffen im Jahre 1119 einige Territorien entzogen, um sie in die Reihe der zentraleren Provinzen um Ḫurāsān aufzunehmen, deren Machthaber ihm direkt unterstellt waren. Zu diesen Gebieten gehörten laut dem Wesir Anūširvān b. Ḫālid:1496 – Māzandarān („und Ṭabaristān“) – Qūmis (Provinz, zu der unter anderem die Städte Bisṭām und Simnān gehörten) – Dām(a)ġān (die Hauptstadt der Provinz Qūmis) – Rayy (Stadt und Umland bildeten eine Provinz) – Damāvand (kleine Stadt am gleichnamigen Berg) In anderen Quellen1497 werden außerdem folgende Städte aufgeführt, die Sanǧar Maḥmūd II. wegnahm und zu seiner persönlichen (ḫāṣṣ) Verfügung bestimmte: – Hamadān – Sāva – Āba (Āva) – Kāšān – Qum – Ḫūy (in Westaserbaidschan) Hierzu ist zu sagen, dass es sich zumindest bei der Nennung Hamadāns klar um einen Fehler handeln muss; die Stadt blieb natürlich im Besitz des Subsultans, wenngleich Sanǧar wohl, wie es in einigen Quellen heißt, die alte Kapitale Iṣfahān als Maḥmūds Residenz vorsah.1498 Auch von Sāva und Āva wissen wir, dass sie in der Folgezeit dauerhaft zum Teilreich der Juniorsultane gehörten; vermutlich hängt ihre Aufführung mit dem Vizekönigtum des maliks Toġrı̊ l b. Muḥammad zusammen, zu dem beide Städte definitiv gehört hatten und das Sanǧar 1119 eventuell bestätigte, ehe es doch endgültig aufgelöst wurde (s. o.). Ibn al-ʿImrānī zufolge verlor Maḥmūd II. an seinen Onkel ferner einzelne Lehen in (der Provinz) Iṣfahān, deren Inhaberin zur Zeit Muḥammads I. dessen Mutter gewesen war.1499 Hierbei mag es sich wiederum um jenes Stück von Iṣfahān handeln, welches nach Anūširvān b. Ḫālid dem Teilfürstentum des maliks von Fārs Selǧuq-

1496 Bundārī, Zubda, S. 134. Paul gibt irrtümlich an, aus dem Text würde hervorgehen, dass der m ­ alik Toġrı̊ l Rayy und die dazugehörigen Provinzen erhalten habe (Lokale und imperiale Herrschaft, S. 404). 1497 Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 56; Munšī Kirmānī, Nasāʾim, S. 73; Ibn al-ʿImrānī, al-Inbāʾ, S. 211. 1498 Sibṭ Ibn al-Ǧauzī, Mirʾāt, ed. al-Ġāmidī, S. 677 f. 1499 Ibn al-ʿImrānī, al-Inbāʾ, S. 211.

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Rayy und die Provinzen im Süden des Kaspischen Meeres

Šāh angefügt wurde.1500 Überhaupt änderte Sanǧar ja nicht nur die politische Zugehörigkeit einiger Provinzen, sondern verteilte auch Ansprüche auf bestimmte Einnahmen neu, ohne dass die Gebiete, deren Steuergelder damit nicht länger Maḥmūd zuflossen, deshalb nicht mehr unter Maḥmūds Regierung standen. Nīšāpūrī schreibt, dass sich der Selǧuqensenior sogar in allen Zentren des Iraks und Aserbaidschans Domänen und Steuern sicherte; die Finanzbeamten seines dīvāns sollten von diesen Territorien nicht abgeschnitten sein.1501 Ibn al-ʿImrānī beziffert die Summe der jährlichen Einnahmen, die aus besagten Gebieten fortan Sanǧar statt Maḥmūd erhielt, auf 300 000 Dinar.1502 Die größte Bedeutung unter den von Sanǧar annektierten Territorien hatte Rayy. Die Stadt war als ehemalige Kapitale (sowie Begräbnisort) Sultan Toġrı̊ l-Begs zum einen von symbolischem und wegen ihrer Lage zum anderen von hohem strategischem Wert.1503 Ihre Position an der westlichen Öffnung jenes natürlichen Korridors zwischen dem persischen Irak und Ḫurāsān, welchen die kleine Provinz Qūmis (Kūmiš) darstellte, machte sie zu einem idealen Wachposten und Brückenkopf, von dem aus sich der Großsultan versprach, das westliche Subsultanat gut unter Kontrolle halten zu können.1504 Wäre das Teilfürstentum des maliks Toġrı̊ l b. Muḥammad von Bestand gewesen, hätte es wohl direkt an die von Sanǧar übernommene Provinz um Rayy gegrenzt. Außer Sāva und Āva (wo zuvor der dailamitische Emir Abū Dulaf Surḫāb b. Kai-Ḫusrau Lokalherr gewesen war1505) hatte es noch Sāruq (Sārūq), Sāmān, Qazvīn, Abhar, Zanǧān sowie Ṭālaqān, Dailam und Gīlān am Kaspischen Meer umfasst. Östlich von Gīlān erstreckte sich Māzandarān, für dessen Kontrolle Rayy ebenfalls unabdingbar war; von der Stadt aus führte eine Route in nördlicher Richtung quer durch das Elburs-Gebirge nach Āmul in der Küstenebene. Sultan Sanǧar konnte sich jederzeit nach Rayy begeben und von dort aus entweder weiter in den persischen Irak vordringen oder den Juniorsultan zu sich zitieren, um dessen Vasallenstatus zu prüfen und in einem persönlichen Gespräch Angelegenheiten von imperialer Tragweite zu regeln. So kam er nach 1119 noch drei weitere Male in die Stadt,1506 stets auf Einladung. Es folgt eine Übersicht zu allen vier Expeditionen, ihren Anlässen und Resultaten: 1500 Bundārī, Zubda, S. 134 f. 1501 Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 56. 1502 Ibn al-ʿImrānī, al-Inbāʾ, S. 211 (wo Hamadān, Rayy, Sāva, Ḫūy, Lehen in Iṣfahān sowie zwei Märkte in Bagdad aufgelistet sind). 1503 Bosworth, „Political and Dynastic History“, S. 136. 1504 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 185. 1505 Hiervon zeugt noch eine Bauinschrift, s. TEI Nr. 35449, wo das Jahr zu korrigieren ist: Zu lesen ist nicht 453 H., sondern 503 H. Ein Jahr später wurden Sāva und Āva für Toġrı̊ l bestimmt und dessen Atabeg Šīrgīr anvertraut. 1506 Bundārī, Zubda, S. 265; Peacock führt unter Bezugnahme auf ebendiese Stelle eine Expedition Sanǧars zu viel an (Great Seljuk Empire, S. 93, Anm. 101), weil er missverstand, dass bei Bundārī die Regierungszeiten Toġrı̊ ls II. und Masʿūds zusammengefasst sind. Durand-Guédy irrt hingegen, wenn er meint: „In the forty-one years of his reign, the ʻsulṭān al-muʿaẓẓam’ (as Sanjar was known)

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Sanǧars Brückenkopf im Westen

Jahr

Anlass

1119

Streit mit Maḥmūd II. um die Führung des Reiches nach dem Tod Muḥammads I.

Schlacht bei Sāva, Einnahme Hamadāns, Unterwerfung Maḥmūds in Rayy, Einrichtung des Subsultanats

1128

von Toġrı̊ l und Dubais genährte Zweifel an Maḥmūds Ergebenheit; Gefahr einer Verschwörung zwischen Maḥmūd und dem zu mächtig gewordenen Kalifen

Maḥmūd muss nach Rayy kommen und kann Sanǧar von seiner Loyalität überzeugen. Bei dem Treffen sind die Wesire beider Sultane sowie Masʿūd und Toġrı̊ l zugegen; letztere nimmt Sanǧar wieder mit in den ­Osten. Maḥmūd muss Darguzīnī und Dubais rehabilitieren.

1132

Streit um Maḥmūds Nachfolge; der Kalif, Darguzīnī und die Emire der Ǧibāl erwarten Sanǧars Entscheidung.

Einnahme Hamadāns und Installation Toġrı̊ ls II. als neuen Subsultan mit Dargu­ zīnī als Wesir; Sieg über Masʿūd, Selǧuq-Šāh und Qarača nahe Dīnavar

1149/1150 Unruhe wegen der Machtfülle von Masʿūds Favoriten Ḫāṣṣ-Beg; Ermutigung durch Yamīn ad-Dīn al-Makīn Abū ʿAlī

Verlauf/Ergebnis

Masʿūd muss nach Rayy kommen und kann Sanǧar von seiner Ergebenheit überzeugen. Auch Ḫāṣṣ-Beg kommt nach Rayy und wird vom Großsultan akzeptiert.

Aus westlicher Perspektive konnte Rayy auch als Zufluchtsort fungieren: Während sich im Irak nach dem Tod Maḥmūds II. Auseinandersetzungen um die Nachfolge abzeichneten und die politische Lage instabil wurde, zog der Wesir Darguzīnī mitsamt seinem Vermögen von Hamadān nach Rayy um, „wo er sich sicher fühlte, weil es von Sultan Sanǧar gehalten wurde“.1507 Die Stadt gehörte damals also klar zu einem anderen Machtbereich; wer hier gebot, tat dies unabhängig vom Juniorsultan. Doch wie und von wem ließ das Reichsoberhaupt den so wichtigen Brückenkopf regieren? Die Beantwortung dieser Frage birgt gewisse Schwierigkeiten und ist vorerst leider nicht zur Gänze möglich. Bekanntlich wird als vālī und muqṭaʿ von Rayy der Eunuch Iḫtiyār ad-Dīn Ǧauhar at-Tāǧī genannt, welcher das Amt aber nicht selbst ausübte, sondern sich vor Ort von seinem ġulām ʿAbbās vertreten ließ.1508 Als Ǧauhar 1140 verstarb, regierte ʿAbbās die Stadt dann als deren Gouverneur weiter, bis Sultan Masʿūd ihn 1147 tötete. Für Jürgen Paul war Rayy damit von 1119–1146 durchgängig in der Hand von ʿAbbās.1509 Tatsächlich wissen wir nicht, wann Sanǧar Ǧauhar und Ǧauhar ʿAbbās einsetzte; Anfang der 1120er Jahre stand der Eunuch noch in den Diensten der Sultansmutter. Hinzu kommt, dass in den Quellen weitere Gouverneure von Rayy ge[korrekt müsste hier al-aʿẓam stehen] only visited his western territories twice: in 526/1132 […] and in 544/1149–50, when he went no further than Rayy. In Jibāl, this translated into near total freedom of action for the the descendants of Muḥammad (the so-called Saljūqs of ʿIrāq or Lesser Saljūqs) and their emirs.“ (Iranian Elites and Turkish Rulers, S. 256). 1507 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 259. 1508 Ḥusainī, Aḫbār, S. 113; Bundārī, Zubda, S. 191. 1509 Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 193.

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Rayy und die Provinzen im Süden des Kaspischen Meeres

nannt werden, welche keineswegs alle in die Zeit nach ʿAbbās’ Beseitigung gehören. Bevor auch dies angesprochen sei, muss zunächst aber erläutert werden, was Münzen Unerwartetes über die Herauslösung Rayys aus dem irakischen Herrschaftsgebiet verraten. Wenn Rayy 513 H. (1119) zu einer Provinz wurde, wie es sie in und um Ḫurāsān gab, wäre eigentlich zu erwarten, dass Maḥmūds Name auf Prägungen der Münzstätte Rayy ebenso wenig stehen darf wie auf solchen aus Nīšāpūr, Balḫ oder Gurgānǧ, Bisṭām, Dāmġān oder Zaranǧ. Dinare, welche 514 und auch noch 517 H. (1123/1124) in Rayy geschlagen wurden, weisen jedoch neben Sanǧars Namen und Titel sehr wohl auch jene des Juniorsultans auf,1510 was darauf hindeutet, dass die Stadt nicht gleich oder nicht gleich gänzlich aus Maḥmūds Herrschaftsgebiet ausschied. Vielleicht war sie zunächst noch rein formal Teil des irakischen Subsultanats und dessen Herrscher „nur“ in fiskalischer Hinsicht entzogen. Jedenfalls ist in der sikka irgendein (anfänglicher) Son­ derstatus der Stadt dokumentiert, von dem wir so nichts aus den literarischen Quellen wissen und der wohl auch in einer interessanten Besonderheit der Revers-Inschrift von 514 H. (s. Abb. 13) zum Ausdruck kommt: Sanǧars ʿalāma „Ich vertraue auf Gott allein“, tawakkaltu ʿalā ’llāh waḥdahū!1511 Die persönlichen, frommen Devisen, mit denen

Abb. 13  514 H. (1120/1121) in Rayy geschlagener Dinar mit Nennung Sanǧars und Maḥmūds II. ( Jean Elsen & ses Fils s. a., Auktion 118, Los 1498).

1510 514 H.: Jean Elsen & ses Fils s. a., Auktion 118 (Sept. 2013), Los 1498 (mit falsch gelesenem Jahr 524 H.); 517 H.: ANS 1985.116.5 und 1985.116.4 (selber Typ: Ṭabāṭabāʾī, Sekkehā-ye eslāmī-ye Īrān, S. 508, unten – ohne lesbare Mzst.; als Jahr wurde 514 statt 517 H. gelesen). 1511 Av.: lā ilāh illā / ’llāh waḥdahū / lā šarīk lahū / al-Mustaršid bi-’llāh / (rechts im Feld:) as-sulṭān almuʿaẓẓam / (ganz oben:) Muġīṯ ad-Dunyā / (ganz unten:) wa-’d-Dīn / (links im Feld:) Abū ’l-­Qāsim Maḥmūd; Rev: Muḥammad / rasūl Allāh / as-sulṭān al-aʿẓam / šāhānšāh / Muʿizz ad-Dunyā wa’d-Dīn / (ganz oben im Feld:) Abū ’l-Ḥāriṯ / (ganz unten:) Sanǧar / (links im Feld:) tawakkaltu / (rechts:) ʿalā ’llāh waḥdahū.

Sanǧars Brückenkopf im Westen

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nen die Sultane und andere Herrscher eigenhändig Erlasse und Urkunden unterzeichneten (!), finden sich normalerweise nicht in der sikka; für die (bisher unbemerkte) Ausnahme dürfte es einen speziellen Grund gegeben haben. Auch gegen Ende seiner Herrschaft wurde Maḥmūd II. weiterhin auf Münzen aus Rayy unter Sanǧar angegeben, doch finden wir nun noch einen weiteren Namen, den sich Miles in seiner Numismatic History of Rayy (wo zwischen 499 und 525 H. eine Lücke klafft) nicht erklären konnte: Sulaimān.1512 Dies ist ohne Zweifel Maḥmūds jüngster Bruder, welcher 1119 von Sanǧar mit nach Ḫurāsān genommen worden war.1513 Offenbar hatte der Großsultan seinen Neffen dann – so wie schon von Muḥammad I. vorgesehen – als Vizekönig der Provinz Rayy eingesetzt;1514 auf den Dinaren trägt Sulaimān-Šāh dementsprechend den malik-Titel.1515 Was das Jahr der Einsetzung angeht, so wäre an 1128 (522 H.) zu denken, als Sanǧar zusammen mit Sulaimān-Šāh, Masʿūd und Toġrı̊ l für ein Familientreffen mit Maḥmūd in Rayy weilte. Als letzterer 1131 verstarb, war Sulaimān-Šāh erst 14 Jahre alt. Wir lesen zwar in keiner Quelle etwas von einem Atabeg, der für den Jungen regierte, doch weiß Ibn Funduq (gest. 1169/1170) von einem Mann zu berichten, der zwischen 526 und 528 H. (1131/1132–1133/1134) als vālī von Rayy amtierte. Dieser Herr, Ibn Funduqs eigener Schwiegervater (!),1516 hieß Šihāb ad-Dīn Muḥammad b. Masʿūd al-Muḫtār1517 und verwaltete die Provinz, wie man annehmen darf, unter dem von Sanǧar installierten malik. Noch vor Šihāb ad-Dīn gehört Muʿīn ad-Dīn Muḫtaṣṣ al-Mulk Abū Naṣr Aḥmad b. Fażl Kāšī, welcher vom Großsultan gleich 1119 zum Gouverneur von Rayy bestallt worden war.1518 Später (1124–1127) sollte er Sanǧar in Ḫurāsān als Wesir dienen und auch über Kamāl ad-Dīn Muḥammad, den besonders fähigen irakischen Wesir, dessen Hinrichtung 1139 von Qara-Sonqur erzwungen wurde, heißt es, er sei unter Sanǧar ḥākim und vālī von Rayy gewesen, bis ihn Masʿūd (gegen den er die Stadt, mehr ṣāḥib as-saif als ṣāḥib al-qalam, verteidigte) im Jahre 1133 inhaftieren ließ.1519 Ein Problem besteht nun darin, zu erklären, welche Positionen Ǧauhar und ʿAbbās innehatten, wenn Sulaimān-Šāh malik 1512 Miles, Numismatic History of Rayy, S. 213, Nr. 250X = ANS 1922.211.136. Miles las das Prägejahr 525 H., doch kann diese Lesung nicht als sicher gelten. 1513 Im Muǧmal at-tawārīḫ wa-l-qiṣaṣ (S. 414) heißt es, Sanǧar hätte Selǧuq-Šāh 1119 mit sich nach Ḫurāsān genommen, doch muss hier Sulaimān-Šāh gemeint sein. 1514 Zuvor hatte ein anderer Sohn Sultan Muḥammads I. namens Ǧalāl ad-Dīn Aḥmad diese Stellung innegehabt, s. Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 38 und Morton, „Dinars from Western Māzandarān“. Dass Sulaimān noch von seinem Vater als malik von Rayy vorgesehen worden war, geht aus einer Urkunde hervor, deren Aussteller (höchstwahrscheinlich) Sulaimān war, s. Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 42. 1515 Schon Schwarz, s. Sulṭān von H̱ urāsān, S. 58, vermutete, dass es sich um Sulaimān-Šāh handelt. 1516 Heinz Halm, EIr-Artikel „Bayhaqī, Ẓahīr-al-Dīn“. 1517 Ibn Funduq, Tārīḫ-i Baihaq, S. 116, 266. 1518 Munšī Kirmānī, Nasāʾim, S. 66; Ḫvāndamīr, Dastūr al-wuzarāʾ, S. 195. 1519 Munšī Kirmānī, Nasāʾim, S. 80; Ḫvāndamīr, Dastūr al-wuzarāʾ, S. 212; s. auch Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 93 und 95, wo zwar von Kamāl ad-Dīns Aktivität in Rayy zu lesen ist, aber (fälschlich?) vālī-yi/iyālat-i vay statt vālī-yi/iyālat-i Rayy steht.

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und Šihāb ad-Dīn oder Kamāl ad-Dīn vālī von Rayy war. Denn zumindest der mächtige Emir Iḫtiyār ad-Dīn Ǧauhar ist bereits um 1132 mit Rayy verbunden,1520 doch wäre – so eine mögliche Lösung – anzunehmen, dass er hier lediglich Lehen hielt, zumal er in den Quellen auch meist nur als muqṭaʿ vorgestellt wird.1521 Was ʿAbbās anbetrifft, so mag er zu dieser Zeit noch gar nicht in Rayy gewesen sein. Dafür erwähnt Ibn Isfandiyār für die Zeit um 1125 einen Sanǧar dienenden šiḥna von Rayy (und Āmul) namens Čavlı̊ ,1522 was als Ergänzung zu einem zivilen vālī (wie Muʿīn ad-Dīn) passen würde. Sulaimān-Šāh lässt sich als Vizekönig von Rayy numismatisch auch für das Jahr 529 H. (1134) unter Sultan Toġrı̊ l II. nachweisen1523 sowie für die die folgenden Jahre, als der auf den Dinaren aufgeführte Kalif erst ar-Rāšid und sodann al-Muqtafī hieß. Auf den nach 1134 geprägten Stücken1524 (bei denen mit Nennung al-Muqtafīs handelt es sich um den häufigsten Münztyp Sulaimān-Šāhs) ist der Subsultan nun – anders als Schwarz behauptet – interessanterweise nicht länger angegeben, nur der „allergrößte“ Sultan Sanǧar!1525 Besagte Herauslösung Rayys aus dem irakischen Herrschaftsgebiet war damit auch formal vollendet – Sultan Masʿūd hatte in diesem Teil der Ǧibāl vorerst keinen Platz in der Herrscherhierarchie. Ein Dinar des maliks Ġiyāṯ ad-Dīn Sulaimān-Šāh aus Rayy scheint 533 H. (1138) geprägt worden zu sein.1526 In diesem Jahr bekam Sulaimān von seinem Onkel eine neue Stellung zugewiesen – die des Ḫvārazmšāhs.1527 Womöglich war er damit (vorübergehend) nicht mehr Vizekönig von Rayy und auch ein (bis dahin wohl für ihn regierender) vālī des Brückenkopfes gab im selben Jahr sein Amt auf, um nach Ḫurāsān zurückzukehren und sich bei Sanǧar um das Wesirat zu bewerben. Dieser von ʿImād ad-Dīn al-Iṣfahānī erwähnte Gouverneur von Rayy war Šaraf ad-Dīn Abū ’l-Ḥasan ʿAlī b. al-Ḥasan al-Baihaqī und soll später – genau wie sein Vorgänger Šihāb ad-Dīn – in

1520 Bundārī, Zubda, S. 157 (inna ’r-Raiy kānat min al-aʿmāl as-sanǧarīya wa-wālīhā min aṣḥābihā alaǧall al-muqarrab Ǧauhar). 1521 Bundārī, Zubda, S. 191; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 284 (und, weil in der von mir benutzten Ausgabe Wörter fehlen, al-Kāmil, ed. Tornberg: Ibn-el-Athiri Chronicon quod perfectissimum in­ scribitur, Bd. XI, Uppsala 1851, S. 50); Ibn al-Furāt, Taʾrīḫ ad-duwal wa-’l-mulūk, S. 383. 1522 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 65. 1523 Dorn, „Sendungen von morgenländischen Münzen“, S. 31 f., Nr. 19; dazu Miles, Numismatic History of Rayy, S. 213 f., Nr. 250Y. Auf dem Dinar soll als Kalif schon ar-Rāšid genannt sein, doch war Toġrı̊ l zu dessen Regierungszeit bereits tot, weshalb wohl al-Mustaršid zu lesen ist. 1524 Kalif ar-Rāšid: FINT FB10 C6 (Stelle mit Prägeort und -jahr nicht erhalten); al-Muqtafī: ANS 0000.999.7466, 0000.999.7467, 0000.999.7468, 1947.72.3; Dār al-Kutub, Nr. 3251 f. (mit falscher Datierung); weitere Stücke im Handel, z. B. Gorny & Mosch, Auktion 226 (Okt. 2014), Los 5167 (mit der Angabe „Mzst. Sari oder Amul“, doch ist zweifelsohne Rayy anzunehmen). 1525 Schwarz (Sulṭān von H̱ urāsān, S. 58) behauptet, Sulaimān sei auf den Münzen an dritter Stelle nach Sanǧar und Masʿūd genannt; Paul (Lokale und imperiale Herrschaft, S. 193 f.) übernahm dies. 1526 ANS 1947.72.3 (in der MANTIS-Datenbank: „Date: 555?“). Das Stück ist weder bei Miles noch bei Schwarz berücksichtigt; letzterer gibt an, der Münztyp sei bis 530 H. nachzuweisen. 1527 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 309. Sulaimān wurde von seinem Onkel (erst?) bei dieser Gelegenheit mit einem Wesir, einem Atabeg und einem ḥāǧib ausgestattet.

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der Qaṭvān-Schlacht gegen die Qara-Ḫitai gefallen sein.1528 534 H. (1140) wurde zudem Ǧauhar ermordet, woraufhin dessen Emir ʿAbbās als Sanǧars vālī1529 (laut einer Quelle war er šiḥna) die Macht in Rayy übernahm.1530 Falls der Großsultan das Attentat auf Ǧauhar in Auftrag gegeben hatte,1531 wäre zu bezweifeln, dass ʿAbbās sein Wunschkandidat für den Posten war. Wie bereits erklärt, wurde ʿAbbās rasch zu einem ernsten Problem. Er soll zwar in Sanǧars Auftrag einen Feldzug nach Māzandarān unternommen haben,1532 doch dauerte es nicht lange, bis seine militärische Macht (dank Ǧauhars Truppen) jener der beiden Selǧuqensultane gleichkam, er es sich wagte, Sanǧars Niederlage gegen die Qara-Ḫitai (1141) für einen Angriff auf Ḫurāsān auszunutzen (!)1533 sowie die Einnahmen aus Rayy komplett für sich zu behalten1534 (anstatt sie teilweise abzuführen, was für einen Provinzgouverneur normal gewesen wäre). Ähnlich wie Atsı̊ z lehnte sich ʿAbbās offen gegen das Reichsoberhaupt auf.1535 Da der Selǧuqensenior nun aber mit der Rettung seiner Herrschaft im Osten ausgelastet war, überließ er es seinem Vasallen Masʿūd, Rayy wieder unter Kontrolle zu bringen. Hierfür erlaubte er es dem Juniorsultan, in gleicher Weise über die von ʿAbbās beherrschte Provinz zu verfügen, wie es früher Sultan Muḥammad I. gekonnt hatte. Masʿūd sollte gar mit seinem Heer in Rayy Stellung beziehen für den Fall, dass Sanǧar Hilfe benötige.1536 Auch Masʿūd sah sich jedoch nicht in der Lage, ʿAbbās einfach so zu beseitigen.1537 Er musste ihn zunächst als seinen Gouverneur akzeptieren,1538 woraufhin sich der Herr von Rayy schon bald an einem Komplott gegen den Juniorsultan beteiligte (1146). Eine Rolle spielte dabei auch Sulaimān-Šāh, welcher sich aus Gurgān/Dihistān kommend1539 ʿAbbās anschloss, dann aber gemeinsam mit seinem anūšteginidischen 1528 Iṣfahānī, Ḫarīda, Bd. zu den fuḍalāʾ ahl Ḫurāsān, S. 98 (s. dazu Richter-Bernburg, Der Syrische Blitz, S. 36 f.); Ibn Funduq, Tārīḫ-i Baihaq, S. 226 (zu Šaraf ad-Dīn), 116 (zu Šihāb ad-Dīn). 1529 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 104. 1530 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 315; zu Ǧauhars Ermordung auch Rašīd ad-Dīn, Ǧāmiʿ – Ismāʿīliten, S. 146 (hier die Bezeichnung šiḥna für ʿAbbās). 1531 So Bundārī, Zubda, S. 273 f. Nach Ǧauhars Ermordung waren Qumač und ʿAlī Čatrī die beiden mächtigsten Emire Sultan Sanǧars (id., op. cit., S. 276). 1532 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 75. Mit ʿAbbās zogen Truppen aus Ḫuvār (heute Ārādān) und Simnān (Provinz Qūmis), Damāvand und Sāva (Ǧibāl); möglicherweise waren einige dieser Städte (zeitweise) dem Herrn von Rayy untergeordnet. 1533 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 118. 1534 Bundārī, Zubda, S. 191: istaulā ʿalā ’r-Raiy wa-aʿmālahā wa-tafarrada bi-ḥiyāzat amwālihā wa-­ qawiya ʿalā ’s-sulṭānain Sanǧar wa-Masʿūd. 1535 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 117 f.; Rašīd ad-Dīn, Ǧāmiʿ – Ismāʿīliten, S. 146. Wusste oder glaubte ʿAbbās vielleicht, dass Sanǧar das Attentat auf seinen Herrn in Auftrag gegeben hatte? 1536 Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 26; Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 319. 1537 Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 77: Sanǧars Befehl lautete, ʿAbbās zu ergreifen und Rayy von ihm zurückzuerobern. 1538 Ibid.; Ibn al-Ǧauzī, al-Muntaẓam, Bd. XVIII, S. 26; Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 118, 123; dazu Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 195. 1539 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 136.

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Schwager Yūsuf zu Masʿūd überlief (nachdem man ihn gewarnt hatte, dass Boz-Aba ihn genauso verschwinden lassen würde wie Selǧuq-Šāh,1540 s. o.).1541 Malik von Ḫvā­ razm war Sulaimān nur ganz kurze Zeit im Jahre 1139 gewesen und wir wissen nicht, ob er nach seiner Vertreibung durch Atsı̊ z wieder als Vizekönig von Rayy amtierte. Was wir von ihm allerdings haben, ist der Text einer Urkunde, mit welcher der amīr-i isfahsalār Ḍiyāʾ ad-Daula wa-’d-Dīn Abū ’l-Fatḥ Yūsuf b. Ḫvārazmšāh [Muḥammad] zum Statthalter (nāʾib) von Rayy bestallt wird.1542 Darin heißt es, die Herrschaft über diese Provinz sei dem (nicht namentlich genannten) Aussteller des Dokuments sowohl vom Großsultan Sanǧar als auch aktuell (dar’īn vaqt) vom Subsultan Masʿūd bestätigt worden. Hieraus ergibt sich, dass Yūsufs Ernennung zwischen 1134 und 1146 erfolgt sein muss; in letzterem Jahr wurde Sulaimān nämlich von seinem Bruder (trotz Seitenwechsel) auf einer Festung inhaftiert, die er erst wieder verließ, als Masʿūd verstorben war. Bedenkt man, dass Masʿūd in Sachen Rayy erst ab 1141 (mit)bestimmen durfte, müsste Sulaimān seinen anūšteginidischen Schwager gegen den Amtsinhaber ʿAbbās ernannt haben. In diesem Fall wäre am ehesten an den einen Monat vor Sulaimāns Inhaftierung zu denken, als er gemeinsam mit Masʿūd und Yūsuf in Rayy weilte und ʿAbbās, vor ihnen geflohen, auf einer Burg in Māzandarān.1543 Das Vizekönigtum Sulaimān-Šāhs mag also spätestens 1146 geendet haben; es gibt Dinare aus Rayy, auf denen Sultan Masʿūd und Sanǧar ohne malik genannt sind.1544 Bis ʿAbbās – so wie vom Selǧuqensenior gefordert – ausgeschaltet wurde, dauerte es bis 1147; sein Kopf wurde von Bagdad nach Ḫurāsān geschickt.1545 ʿAbbās hinterließ (neben einer Tochter) einen Sohn, welcher an der Seite Boz-Abas in der großen Schlacht von Qara-Tegin umkam, ohne seinen Vater als vālī von Rayy beerbt zu haben.1546 Stattdessen soll Masʿūd noch in Bagdad einen Emir ʿAbbās’ namens Aq-Sonqur Fīrūzkūhī zum neuen Gouverneur der Stadt ernannt haben, wie wir allerdings nur

1540 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 137. 1541 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 335; Bundārī, Zubda, S. 198, 201; Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 79. 1542 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 42–45 (Nr. 13); dazu Horst, Staatsverwaltung, S. 119 (Urkunde I 9) mit der sicher falschen Annahme, der Aussteller sei Rukn ad-Dīn Maḥmūd, Sanǧars Nachfolger in Ḫurāsān. Lambton („Administration“, S. 329, Anm. 1) vermutet nur, dass der Aussteller ein selǧuqischer malik ist. Für die höchstwahrscheinlich korrekte Schlussfolgerung, dass es sich um Sulaimān-Šāh handelt, s. Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 197. 1543 Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 80 (als ʿAbbās von der Burg zu Masʿūd kam, soll er es gewesen sein, der zu Sulaimāns Inhaftierung riet); Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 137. Paul – der ʿAbbās für Sulaimāns „Protektor“ hält (dabei dürften beide an sich eher Gegner gewesen sein) – vermutet einen früheren Zeitpunkt für die Ausstellung der Urkunde, s. Lokale und imperiale Herrschaft, S. 197 f., Schwarz einen deutlich späteren, s. Sulṭān von H̱ urāsān, S. 60 (543 H.). Wenn das Dokument nicht doch aus der Zeit um 1136 stammt, würde es belegen, dass Sulaimān auch nach seinem Gastspiel in Ḫvārazm (nomineller) Vizekönig von Rayy war. 1544 Miles, Numismatic History of Rayy, S. 214, Nr. 250Z, 251A (von 545 H.?). 1545 Rašīd ad-Dīn, Ǧāmiʿ – Ismāʿīliten, S. 152, 157. 1546 Bundārī, Zubda, S. 219 f.

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von Ḥusainī erfahren.1547 Bei Qummī ist hingegen oder darüber hinaus zu lesen, dass ʿAbbās’ iqṭāʿ, welches neben Rayy auch Kāšān umfasste (s. obige Liste der von Sanǧar 1119 übernommenen Territorien), Masʿūds Emir Faḫr ad-Dīn Ḥasan-i Ǧāndār gegeben wurde.1548 So oder so bestimmte an diesem Punkt der Juniorsultan, wer auf ʿAbbās folgen sollte; Sanǧar hatte ihm ja die Zuständigkeit für Rayy übertragen. Das muss aber nicht heißen, dass der Großsultan nun nie mehr über die Regierung der Stadt verfügte; 1149/1150 zog er ja auch noch ein letztes Mal nach Rayy, um Masʿūd hierhin zum Rapport einzubestellen. Als Sanǧars ḥākim beziehungsweise vālī in Rayy werden unter anderem noch Makīn ad-Dīn Abū ’l-Faḫr1549 Qummī und Faḫr ad-Dīn Abū Ṭāhir Kāšī erwähnt. Letzterer, dessen Vater der Wesir Muʿīn ad-Dīn (Sanǧars erster vālī in Rayy, s. o.) gewesen war, scheint bis 1153 in der Stadt gewesen zu sein, als Sultan Sulaimān-Šāh ihn ebenfalls zum Wesir erhob.1550 Etwa zur gleichen Zeit begegnet erstmals der Emir I̊ nanč als Herr von Rayy.1551 Paul ist der Meinung, dass ein von Sanǧar ausgestelltes manšūr, in welchem das Amt des Gouverneurs ebendieser Provinz einem Herrn namens Qiwām ad-Dīn Muʿīn al-Islām wa-’l-Muslimīn I̊ nanč Qutluġ Bilge Ḫvāǧa Beg Abū ’l-Fażāʾil al-Muẓaffar b. Anūširvān übertragen wird,1552 besagtem Emir I̊ nanč gehört,1553 doch muss man hieran zweifeln. Denn zum einen ist ı̊ nanč ein sehr häufiges Element türkischer Titulaturen (der eigentliche Name des Bestallten ist al-Muẓaffar; er war kein Militär) und zum anderen hieß der Emir Ḥusām ad-Dīn – nicht Qiwām ad-Dīn – I̊ nanč-Sonqur. Ein Hinweis, wann die Einsetzungsurkunde verfasst wurde, liefert die Angabe, der Aussteller sei gerade von einem Ḫvārazm-Feldzug nach Ḫurāsān zurückgekehrt, doch ist schwer zu entscheiden, vom welchem.1554 Ḥusām ad-Dīn I̊ nanč-Sonqur (gest. 1169) war Ibn al-Aṯīr zufolge ein Militärsklave Sanǧars, der erst 1153/1154 nach Rayy kam, als in Ḫurāsān die Oġuz wüteten.1555 Dem steht die Aussage Ḥusainīs entgegen, I̊ nanč sei bereits unter Masʿūd Gouverneur von 1547 Ḥusainī, Aḫbār, S. 119 (bei Bundārī findet sich diese Information nicht). Paul meint, ʿAbbās’ Sohn hätte dann Aq-Sonqurs Stellung in Rayy eingenommen und einen unbestrittenen Erbanspruch darauf gehabt (Lokale und imperiale Herrschaft, S. 196, 198). Anders als Paul angibt, erfahren wir aus den Quellen, wann und wie der Sohn sein Leben verlor. 1548 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 151. 1549 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 163. 1550 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 162 f. 1551 Ibid.; Bundārī, Zubda, S. 233. 1552 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 69–74 (Nr. 29); dazu Horst, Staatsverwaltung, S. 115 f. (Urkunde I 5). 1553 Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 196; schon für Schwarz (Sulṭān von H̱ urāsān, S. 68) war diese Identifikation naheliegend. 1554 Paul geht vom dritten anno 1148 aus, s. Lokale und imperiale Herrschaft, S. 196, 410. So dies korrekt ist, würde es bedeuten, dass Sanǧar zu alten Ansprüchen auf Rayy zurückgekehrt war. 1555 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 389. Hierzu würde I̊ nančs plötzlicher Auftritt auf der politischen Bühne des westlichen Subsultanats passen. Bosworth (s. „Political and Dynastic History“, S. 156) scheint I̊ nanč an dieser Stelle mit einem anderen Sanǧarī-Emir zu verwechseln. Dass I̊ nanč zu Sanǧars Heer gehörte, deutet auch Ibn Isfandiyār an (s. Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 92).

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Rayy gewesen, was eventuell von Nīšāpūrī gestützt wird.1556 Es lässt sich somit nicht sicher sagen, wann und wie I̊ nanč zur Herrschaft in Rayy kam und der Großsultan letztmalig selbst einen Vertreter in der Stadt installierte. Münzen sind hier leider keine Hilfe, da sich auf Prägungen aus Rayy keine Gouverneursnamen finden – was ja für Provinzen, über die Sanǧar vergleichsweise direkt gebot, typisch ist. Zusammenfassend war Rayy tatsächlich die westlichste Provinz, um die sich Sanǧar ähnlich direkt und intensiv kümmerte wie um Ḫurāsān, indem er immer wieder selbst Gouverneure einsetzte, bei denen es sich interessanterweise nicht nur um Emire handelt. Es fand sich gleich eine Reihe von Personen, die als vālī des Brückenkopfes bezeichnet sind, aber keine Militärs waren; darunter spätere Wesire. Wie etwa der Bestallungsurkunde für Abū ’l-Fażāʾil al-Muẓaffar b. Anūširvān zu entnehmen, hatten diese unter anderem dīvān-Steuern auf Abruf bereitzuhalten sowie die Krongüter des Großsultans in und um Rayy zu verwalten.1557 Davon abgesehen, dass Sanǧar also selbst wichtige Gelder aus der Provinz zuflossen, konnte er sie auch nutzen, um Favoriten wie Ǧauhar zu finanzieren. Zudem gewährte er seinem jüngsten Neffen hier ein Vizekönigtum, damit dieser das Regieren üben konnte. Infolgedessen und wegen der Schwankungen in der Zuständigkeit des irakischen Juniorsultans für Rayy änderten sich die Herrschaftshierarchie und der Status der Provinz im Laufe der Jahre mehrfach. Bei diesen politischen Umstellungen war die Anerkennung des Reichsoberhauptes in Rayy aber nie gefährdet, außer vermutlich während ʿAbbās’ Herrschaft (für die uns leider keine Münzen vorliegen). Auch auf (wohl unter I̊ nanč geschlagenen) Dinaren der Jahre 549 und 551 H. ist Sanǧar noch ganz ordnungsgemäß als Oberherr des Juniorsultans aufgeführt.1558 Was die Rolle Rayys an der Grenze zwischen dem Teilreich der Irak-Selǧuqen und Sanǧars zentralerem Herrschaftsgebiet angeht, so erinnert sie übrigens an die Rolle Buḫārās, das ja eigentlich zum qaraḫanidischen Teilreich gehörte, wo Sanǧar aber direkt über die Regierung bestimmte (s. o.) und so eine Art östlichen Brückenkopf unterhielt. Eine erbliche Regionalherrschaft gab es unter Sanǧar in Rayy nicht, doch schloss sich eine solche im Berg- und Küstenland unmittelbar nördlich davon an. IV.7.2 Māzandarān Die internen Herrschaftsverhältnisse im von außen nur schwer zu erobernden, wasserund wald-, burgen- und traditionsreichen Māzandarān (Ṭabaristān) – einer ganz eigenen Welt, die anderswo in Konflikt Geratenen seit Ewigkeiten Unterschlupf bot – sind kaum zu überblicken; unsere Hauptquelle zur Geschichte dieses Rückzugsgebiets, Ibn 1556 Ḥusainī, Aḫbār, S. 128; Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 89 (I̊ nanč soll anwesend gewesen sein, als Muḥammad II. Sultan wurde). 1557 S. Lambton, „Administration“, S. 379 f. 1558 Miles, Numismatic History of Rayy, S. 215.

Māzandarān

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Isfandiyārs Tārīḫ-i Ṭabaristān (aus dem frühen 13. Jahrhundert), ist in weiten Teilen sehr detailliert. Das bedeutendste Fürstenhaus, welches während der selǧuqischen Epoche in (Ost-)Māzandarān regierte, waren die iranischen Bāvandiden, deren Wurzeln bis in vorislamische Zeit reichen. Genauer gesagt handelte es sich im 12. Jahrhundert um die zweite Linie dieser Dynastie, die der zwölferschiitischen Ispahbadiyya mit Sitz in Sārī (Sāriya). Iṣfahbad (ispahbad) lautete der regionale Titel jener Herrscher, welche ansonsten mulūk waren (malik al-ǧibāl, auf Münzen: malik oder malik-i ʿādil; sonst, auch in Staatskorrespondenz: malik-i Māzandarān1559). Als altehrwürdiges, angeblich von den Sāsāniden und Kayāniden abstammendes Geschlecht1560 taugten die Bāvandiden für Heiratsverbindungen mit ihren selǧuqischen Oberherren und so gab Sultan Muḥammad I. Naǧm ad-Daula Qārin b. Šahriyār eine seiner Schwestern zur Frau.1561 Als Qārin daraufhin in Sārī die Macht übernahm, hatte sich eine Feindschaft zwischen ihm und seinem Bruder ʿAlāʾ ad-Daula Šams al-Mulūk ʿAlī b. Šahriyār entwickelt.1562 Obwohl der damalige Vizekönig von Rayy, Muḥammads Sohn Aḥmad, in dessen Zuständigkeit Māzandarān und die Bāvandiden lagen, ʿAlī gegen Qārin unterstützte, sah sich der jüngere Bruder gezwungen, das Feld zu räumen, und ging nach Ḫurāsān zu Sanǧar. Letzterer hatte also schon als malik almašriq mit den Bāvandiden zu tun. ʿAlī fand bei ihm freundliche Aufnahme,1563 soll dann aber keine Erlaubnis erhalten haben, wieder in den Westen zurückzukehren, als ihn die Nachricht von Qārins Tod erreichte (ca. 1115). ʿAlī verließ seinen Gastgeber somit gegen dessen Willen. Den Thron in Sārī hatte inzwischen Qārins Sohn Faḫr alMulūk Rustam bestiegen, welchen Sultan Muḥammad zwecks Regelung der von ʿAlī angemeldeten Ansprüche nach Iṣfahān bestellte. Dort angekommen wurde Rustam dann wohl von der Witwe seines Vaters, besagter Sultansschwester, vergiftet, weil diese ʿAlī zugeneigt war. Auf die Genehmigung, seinem Neffen als iṣfahbad nachfolgen zu dürfen, musste ʿAlī nun jedoch warten, bis Muḥammad gestorben und Maḥmūd II. Sultan war. Erst dieser verheiratete ihn mit Qārins selǧuqischer Witwe und entließ beide 1118 nach Māzandarān, wo mittlerweile Bahrām b. Šahriyār und Farāmurz b. Rustam die Herrschaft beanspruchten. ʿAlī gelang es, schnell genügend Lokalherren für sich zu

1559 ʿAbd al-Ǧalīl Rāzī, Kitāb an-Naqḍ, S. 110, 200, 216; Vaṭvāṭ, Nāmahā, S. 23, 119. 1560 Eine interessante nasab-Kette bis zu Adam fand ich in Ibn Isfandiyārs Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 125 f. Die Sāsāniden sind hier Abkömmlinge der mythischen Kayāniden, welche über die Pīšdā­ diden Nauḏar und Manūčihr vom israelitischen Stammvater Juda, einem der 12 Söhne Jakobs, abstammen sollen. 1561 ʿAbd al-Ǧalīl Rāzī, Kitāb an-Naqḍ, S. 108, 201, 261. 1562 S. hierzu und zu den folgenden Entwicklungen auch Morton, „Dinars from Western Māzandarān“, S. 82 f. und Wilferd Madelung, EIr-Artikel „Āl-e Bāvand“. 1563 Anders als Paul (Lokale und imperiale Herrschaft, S. 258) meint, ist also klar, dass sich die beiden Männer Sanǧar und ʿAlī b. Šahriyār einmal getroffen haben.

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gewinnen,1564 sodass seine beiden Rivalen in die Defensive gerieten und sich gegen ihn zusammentaten.1565 Die soeben skizzierte Situation der Bāvandiden-Herrschaft war nun die, in der es zum Krieg zwischen Sanǧar und seinem Neffen Maḥmūd kam. Letzterer forderte den neuen iṣfahbad ʿAlī auf, sich dem ḥāǧib ʿAlī b. ʿUmar anzuschließen, um Gurgān gegen Sanǧars Emir Öner zu verteidigen. Da der iṣfahbad aber nicht wie gewünscht in persona Heeresfolge leistete, bewirkte der ḥāǧib bei seinem Sultan eine Hinwendung zu Bahrām und Farāmurz.1566 Auch dank seiner selǧuqischen Gattin Zāhida-Ḫatun1567 schaffte es ʿAlāʾ ad-Daula ʿAlī jedoch, sich zu behaupten1568 und Maḥmūds Gunst bei einem persönlichen Treffen zurückzuerlangen, womit sich die Lage für seine Rivalen wieder verschlechterte. Farāmurz gab an diesem Punkt auf und unterwarf sich ʿAlāʾ ad-Daula. Tāǧ (?) al-Mulūk Bahrām hingegen blieb ein Gegner seines Bruders und schloss sich Sanǧar an. Als der ḫurāsānische Sultan nun 1119 selbst nach Westen zog, forderte er den iṣfahbad ʿAlī ebenfalls zur Heeresfolge auf, woraufhin sich dieser mit dem Verweis auf seinen Bund mit Maḥmūd entschuldigte.1569 Wie erwähnt, bestimmte Sanǧar dann nach seinem Sieg und Aufstieg zum „Sultan der Sultane“, dass die Provinz Māzandarān nicht Teil des westlichen Subsultanats sein sollte (s. o.). Er unterstellte sich die streitenden Bāvandiden direkt, wohl in der Hoffnung, dass ʿAlī nun die Notwendigkeit sähe, ihm zu gehorchen. Das erste, was Sanǧar als Oberherr der Bāvandiden von seinem Schwager ʿAlī verlangte, war dessen persönliches Erscheinen und ḫidma-Erbieten bei Hofe1570 – und wieder entschuldigte sich der iṣfahbad; als Grund wurde dieses Mal die Gicht vorgebracht. Immerhin entsandte ʿAlī ersatzweise seinen Sohn und valī-ʿahd Rustam, doch zeigte sich Sanǧar mit dessen Auftritt in Ḫurāsān so unzufrieden, dass er den Jungen zu seinem Vater zurückschickte. Hieran hatte auch der Bāvandide Bahrām Anteil, welcher sich ja – als potentieller Ersatz für ʿAlī – beim Großsultan aufhielt. Der iṣfahbad wurde nun abermals und sehr nachdrücklich aufgefordert, selbst als ordentlicher Vasall vor das Selǧuqenoberhaupt zu treten, woraufhin ʿAlī die Auslieferung seines Bruders Bahrām zur Bedingung machte. Sanǧars Geduld war damit am Ende; er schickte Bahrām mit einem manšūr (!) und Truppen ausgestattet nach Māzandarān und befahl einer Reihe von Lokalherren des östlichen Elburs, sich dem Feldzug anzuschließen.

1564 S. Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 119, 274. 1565 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 35–50. 1566 Der Wesir Anūširvān b. Ḫālid – s. Bundārī, Zubda, S. 122 – wirft dem ḥāǧib und dessen kadḫudā Darguzīnī einen schlechten Umgang mit den „Emiren Māzandarāns“ vor, sodass diese zum Pro­ blem wurden. 1567 Ihren türkischen Eigennamen (?) gibt ʿAbd al-Ǧalīl Rāzī (Kitāb an-Naqḍ, S. 261) in der Form ‫سلقم‬. 1568 Für Einzelheiten: Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 355 f. 1569 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 51–52; Wilferd Madelung, EIr-Artikel „Āl-e Bāvand“. 1570 Zur Vasallenpflicht „Präsenz“: Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 351 ff., speziell zu den Bāvandiden (von denen der Sultan persönliche Heeresfolge verlangte) ab S. 354.

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Namentlich genannt werden hier unter anderem Garšāsp b. Ǧahšiyār von Gulpāyagān, Farāmurz b. Mardāvīǧ von Langarūd und (der Herr von) Kabūd-Ǧāma;1571 diese kleinen, eingesessenen Machthaber ließen sich also vom Sultan gegen ihren bāvandidischen Herrn mobilisieren. So kam in Gurgān, dessen türkische Emire ebenfalls mit Bahrām zogen, ein großes Heer zusammen, das in der Folge Sārī einnahm. Es fehlte nicht fiel und ʿAlī hätte die Herrschaft tatsächlich verloren, doch gelang es ihm letztlich, das Blatt zu wenden. Der von Sanǧar bestallte Bahrām musste sich zurückziehen und kam bei Öner in Nīšāpūr unter.1572 Dass ʿAlī es vermied, die Sicherheit seines Fürstentums noch einmal zu verlassen und sich dem guten Willen des Großsultans anzuvertrauen, ist verständlich; immerhin war ihm in der Vergangenheit sowohl von Sanǧar als auch von Muḥammad I. die Erlaubnis zur Rückkehr nach Māzandarān verweigert worden. Aus der Sicht des Reichsoberhauptes galt es jedoch, nicht nachzugeben und Härte zu zeigen, zumal ʿAlī es schließlich bewerkstelligte, seinen Bruder Bahrām in Gurgān ermorden zu lassen.1573 Dafür bereitete dem iṣfahbad weiterhin Farāmurz b. Mardāvīǧ Probleme, ein benachbarter Lokalherr, welcher bei Sanǧar gegen ʿAlī intrigierte.1574 Normalerweise hätten solche kleinen Machthaber als Bāvandiden-Vasallen wohl keinen direkten Kontakt zum Sultan gehabt, doch sollten sie dem Herrscher in Sārī natürlich nur solange unterstehen, wie dieser im Sinne des Reichsoberhaupts regierte. Das tat der iṣfahbad aber zumindest in keinem zufriedenstellenden Maße – auch als Sanǧar 1128 via Bisṭām und Simnān in den persischen Irak zog, kam es am Ende nicht dazu, dass sich ʿAlī ihm – wie erneut gefordert – anschloss. Dabei war der Bāvandide dieses Mal sogar schon mit seinen Truppen von Sārī aufgebrochen, nur hatten ihn Informationen über einen möglichen Kampf zwischen den in Rayy zusammenkommenden Selǧuqen wieder umkehren lassen.1575 Sanǧar beauftragte nun verschiedene Machthaber in der Nachbarschaft Māzandarāns, gegen den widersetzlichen Bāvandiden vorzugehen, darunter seinen Neffen Masʿūd. Dieser war nach der gescheiterten Erhebung gegen Maḥmūd (1120) vom Dynastiesenior in den Osten des Reiches geholt und zum malik der Provinz Gurgān gemacht worden. Gurgān grenzte im Westen an Māzandarān und wie dem Text der Bestallungsurkunde für Masʿūd zu entnehmen ist, sollte in der Zuständigkeit des Vizekönigs von Gurgān unter anderem auch Ṭabaristān liegen.1576 Die direkte Auseinandersetzung mit den Bāvandiden wurde somit an Masʿūd delegiert. Dessen erste 1571 Zur diesen Lokalherrschaften und ihrer Lage u., ab S. 318. Ich zähle sie zur Provinz Gurgān östlich von Māzandarān. 1572 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 54–60; Wilferd Madelung, EIr-Artikel „Āl-e Bāvand“. 1573 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 60–62. Bahrām hatte sich nach Öners Ermordung (1121/1122) beim malik Masʿūd b. Muḥammad in Gurgān aufgehalten. 1574 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 62. 1575 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 63. 1576 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 18, 21; Horst, Staatsverwaltung, S. 114 f., Urkunde I 3.

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Unternehmung in der Sache endete jedoch damit, dass ʿAlī sich mit Geschenken die Gunst des jungen Selǧuqen erwarb. Als Farāmurz b. Mardāvīǧ Langarūdī Masʿūd daraufhin anbot, Māzandarān für ihn von den Bāvandiden zu erobern, zeigte sich der malik von Gurgān folglich überhaupt nicht begeistert; er ließ seine Truppen sogar über Farāmurz’ Männer herfallen und den, der ihm doch eigentlich ganz in Sanǧars Sinne helfen wollte, ergreifen.1577 Bei einer anderen Gelegenheit zog Masʿūd von Gurgān aus tatsächlich gegen ʿAlī zu Felde. Sanǧar hatte es ihm befohlen, nachdem der iṣfahbad einer erneuten Vorladung (war es die fünfte?) wieder nicht nachgekommen war – er selbst sei schon zu alt, würde aber einen seiner Söhne schicken, was Sanǧar ablehnte. Diese Mal kooperierte Masʿūd mit einem Lokalherrn, Mardāvīǧ b. Garšāsp (Gulpāyagānī?), wurde aber dennoch von ʿAlī geschlagen und musste nach Gurgān zurückkehren.1578 Neben seinem Neffen entsandte Sanǧar auch die Emire *Arġaš (*Arġuš, Boz-Quš oder Barġaš?) und Čavlı̊  – dem sich Farāmurz Langarūdī anschloss – gegen ʿAlāʾ adDaula ʿAlī.1579 *Arġaš, der wohl der Gouverneur von Dāmġān war, stieß gleich zwei Mal – zuletzt 1131 – nach Māzandarān vor, konnte aber nichts weiter erreichen. Das gleiche gilt für Čavlı̊ , Sanǧars šiḥna von Rayy und Āmul, dessen nāʾib in letzterer Stadt vom iṣfahbad verjagt worden war. Āmul war gewissermaßen die selǧuqische Hauptstadt Māzandarāns und Sārī die bāvandidische. Während der iṣfahbad vor allem noch­­ Tam(m)īša als wichtigste Machtbasis seiner Dynastie im Osten (an der Grenze zu Gurgān)1580 und die alte Bergresidenz Fir(r)īm im Distrikt Šahriyār(a)-Kūh1581 besaß, regierte in Āmul ein vālī des Sultans; auf Münzen, die hier geschlagen wurden, wird der iṣfahbad nicht genannt. Die selǧuqische Herrschaft über Āmul war also direkter,1582 bis es den Bāvandiden schließlich gelang, auch diese Stadt fest in ihren Besitz zu bringen. Schon zuvor griffen sie regelmäßig auf Āmul über; einer der hiesigen Gouverneure Sanǧars, welcher von ʿAlī überfallen wurde, hieß Panā-Ḫusrau, genannt ustād ʿamīd.1583 An der Seite eines solchen (zivilen) vālī (= ʿamīd?) gab es einen šiḥna oder eben šiḥna-nāʾib. Auf Dinaren, welche 519 H. (1125/1126) in Āmul geprägt wurden, ist unter Sanǧar ein

1577 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 63 f. Farāmurz’ Sohn und valī-ʿahd Vardān-Šāh lebte gezwungenermaßen an ʿAlīs Hof. 1578 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 68–70. Ibn Isfandiyār gibt hier das Jahr 521 H. (1127), was nicht recht zu Sanǧars vorher erwähnter Rayy-Kampagne von 522 H. passt. 1579 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 64–68, 70 f.; Wilferd Madelung, EIr-Artikel „Āl-e ­Bāvand“. 1580 Beim heutigen Kordkūy; s. Rabino, Mázandarán and Astarábád, S. 3, 69. 1581 Im Gebirge (Kūh-i Qārin) zwischen Sārī und Dāmġān; s. Rabino, Mázandarán and Astarábád, S. 2. Vermutlich lag in jenen bewaldeten Bergen auch Āram, das als Sitz des Kronprinzen fungierte – noch heute heißt ein Dorf im šahrestān von Nekā so (baḫš Hezārǧarīb, dehestān Estaḫr-e Pošt). 1582 S. auch Morton, „Dinars from Western Māzandarān“, S. 82, 85 f. 1583 Der ʿamīd war eine Art ziviler, primär mit Finanzen befasster Gouverneur; auch in Bagdad gab es neben dem šiḥna einen solchen Beamten (s. Bosworth, „Political and Dynastic History“, S. 99).

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Ḫumar-Tegin genannt,1584 bei dem es sich offenbar um einen (vālī oder) šiḥna handelt.

Āmuler Münzen von 521 H. (1127/1128) weisen diesen Namen nicht mehr auf; auf ihnen ist Sanǧar (abgesehen vom Kalifen) als einziger Machthaber aufgeführt.1585 Der Text einer Ernennungsurkunde für einen vālī von Māzandarān hat sich in der inšāʾ-Sammlung ʿAtabat al-kataba erhalten; der Bestallte ist ein isfahsālār namens Muʾaiyid ad-Daula wa-’d-Dīn I̊ na[n]č Bilge Ṣawā[b?]-Beg Abū ’l-Wafāʾ.1586 Anders als Horst1587 angibt, kann dieses Schreiben nicht von Sanǧar selbst stammen. Der Aussteller ist vielmehr ein selǧuqischer malik, welcher „im Schoß jenes Monarchen erzogen wurde, der der Welt ein zweiter Alexander [von Makedonien] ist“.1588 Zu denken wäre hier an Masʿūd, welcher ja als Vizekönig von Gurgān (zeitweise) für Māzandarān verantwortlich war, oder Sulaimān-Šāh, den malik von Rayy.1589 Zudem scheint auch Toġrı̊ l b. Muḥammad eine Weile unter seinem Onkel als Provinzherrscher in (der Nähe von) Māzandarān regiert zu haben; zumindest werden seine Beamten in einer Bestallungsurkunde für den raʾīs von Māzandarān erwähnt.1590 Der (amīr) raʾīs hieß Tāǧ ad-Dīn Abū ’l-Makārim Aḥmad b. al-ʿAbbās und war von Sanǧar mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet.1591 Zu seinem Zuständigkeitsgebiet gehörten – wie im Falle des maliks Masʿūd und des isfahsālārs Abū ’l-Wafāʾ – Māzandarān und Gurgān; beide Provinzen hingen unter Sanǧar administrativ zusammen. Als der Großsultan 1132 in den persischen Irak vorstieß, um Toġrı̊ l als neuen Juniorsultan durchzusetzen, verstärkten seine Armee – man glaubt es kaum – Truppen des Bāvandiden ʿAlī. Zwar nahm der iṣfahbad nicht persönlich an dem Feldzug teil, doch führte die māzandarānischen Krieger der Kronprinz Rustam b. ʿAlī an, welcher sich im Kampf gegen den Atabeg Qarača as-Sāqī auszeichnete.1592 Das bislang schlechte Verhältnis zwischen Sanǧar und dem iṣfahbad verbesserte sich in der Folge ein wenig. Rustam wurde (anders als beim ersten Mal) ehrenvoll zu seinem Vater zurückgeschickt und man kooperierte im Kampf gegen den Emir *Arġaš, welcher beim Großsultan in Ungnade gefallen und aus Rayy nach Gurgān geflohen war (von wo ihn

1584 Album, Checklist, S. 185 (s. unter „Sanjar, as independent sultan“); die Lesung Ḫumār (letzte Av.-Zeile) könnte nicht sicher sein; Sanǧar ist als Sultan und šāhānšāh tituliert. 1585 FINT FC1 C6 und FC1 D1. 1586 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 13–16 (taqlīd-i iyālat va vilāyat-i Māzandarān). 1587 Staatsverwaltung, S. 114, Urkunde I 2. 1588 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 14: mā-rā dar ḥaǧr-i daulat-i činīn pādišāhī ki ǧahān-rā Iskandar-i s̱ ānī-st parvariš dāda-st. 1589 In dem Schreiben werden Abū ’l-Wafāʾ auch die Untertanen in Gurgān anvertraut, was vielleicht (oder gerade nicht?) für Masʿūd spricht. Vom malik in Rayy waren die Bāvandiden bereits früher abhängig gewesen. 1590 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 25; s. auch Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 404. 1591 S. Horst, Staatsverwaltung, S. 128–139, Urkunden N 1 und N 2; Lambton, „Administration“, S. 282 ff. Als raʾīs bestanden Tāǧ ad-Dīns Hauptaufgaben in der Vermittlung und Überwachung. 1592 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 71 f. Interessant ist, dass der Emir Qumač von Balḫ ein Freund des Bāvandiden-Prinzen gewesen sein soll.

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Sanǧars ḥāǧib Maḥmūd Kāšānī vertreiben sollte).1593 Zudem fanden Sanǧars Protegés Toġrı̊ l und Dubais bei ʿAlī gastliche Aufnahme (1133)1594 und was die zentrale Frage der Heeresfolge angeht,1595 so beteiligte sich der iṣfahbad nun nicht nur an Sanǧars erstem Ḫvārazm-Feldzug (1138),1596 sondern auch an der Schlacht in der Qaṭvān-Steppe (1141).1597 Belastet wurde das Verhältnis zwischen dem Selǧuqenoberhaupt und ʿAlāʾ ad-Daula ʿAlī noch einmal durch Streitigkeiten um das Erbe der verstorbenen Gemahlin des iṣfahbad – bei der es sich ja um Sanǧars Schwester Zāhida-Ḫatun handelte; letztlich (1135?1598) kaufte ʿAlī seinem Oberherrn den von diesem beanspruchten Anteil für 100 000 Dinar ab – sowie durch eine erfolglose Expedition, die ʿAbbās, der Gouverneur von Rayy, im Auftrag des Großsultans nach Māzandarān unternahm.1599 Zuvor hatte Sanǧars ʿamīd in Āmul gemeldet, dass der Moment günstig sei, die Festung Dārā in Besitz zu nehmen1600 – am Ende blieb ʿAbbās nur ein Friedensschluss mit dem ­iṣfahbad, obwohl dieser erklärt hatte, Āmul zu erobern und des Sultans ʿamīd und ­šiḥna zu entfernen. Kurz darauf (1140?) fiel die Festung Dārā, deren Herr Jahre zuvor Sanǧars šiḥna Čavlı̊ (s. o.) Zuflucht vor ʿAlī geboten hatte, an die Bāvandiden.1601 Ein weiterer Lokalherr, der an dieser Stelle erwähnt sei, ist der marzubān von Lāriǧān,1602 denn auch er kooperierte mit Sanǧar gegen den iṣfahbad. Sein Gebirgsdistrikt dürfte etwa dem heutigen baḫš Lārīǧān im südlichen šāhrestān von Āmul entsprechen, was bedeutet, dass der marzubān an jener Straße herrschte, die von Rayy nach Āmul führte. Vor ʿAbbās’ Entsendung war deshalb sichergestellt worden, dass der selǧuqische

1593 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 73. Maḥmūd Kāšānī wurde wohl als vālī von Nīšāpūr entsandt. 1594 Bundārī, Zubda, S. 170; Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. I, S. 107. 1595 S. zur Heeresfolge auch Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 360 ff. 1596 Aḥkām, f. 144r/Barthold, Turkestan – Teksti, S. 45 (fatḥ-nāma; die Rede ist von Truppen aus Māzandarān). 1597 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 322 (malik Māzandarān). Paul meinte, von einer Beteiligung māzandarānischer Kontingente an der Qaṭvān-Schlacht werde nicht berichtet (Lokale und imperiale Herrschaft, S. 359, Anm. 29). 1598 Ibn Isfandiyār gibt wie üblich kein Jahr an, erwähnt aber ein Erdbeben, bei dem es sich vielleicht um jenes handelt, das Ibn al-Aṯīr unter dem Jahr 529 H. verzeichnet. 1599 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 73–76; Wilferd Madelung, EIr-Artikel „Āl-e Bāvand“. Die ḫātūn-i salǧūqī hatte 1128 (?) die Gräber ihres Vaters und Bruders Malik-Šāh und Muḥammad in Iṣfahan besucht und war dort erkrankt. Um den Nachlassstreit zu regeln, entsandte Sanǧar wieder seinen Großkämmerer Maḥmūd Kāšānī nach Māzanadarān. 1600 Der alte Burgherr, Šahanšāh, war verstorben; s. Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 74. Rabino möchte die Festung westlich von Behšahr (beim Dorf Kūhistān = Kūsān) verorten (Mázandarán and Astarábád, S. 160); andere halten Dārāb-Kalā östlich von Sārī für ihren Standort. Diese Annahmen basieren allerdings auf einer Gleichsetzung von Dārā (‫ )دارا‬mit Āb-Dara (‫)آب دره‬, welche ich bezweifle, s. Ibn Isfandiyār, op. cit., Bd. II, S. 124 (Burgenliste). Man könnte die Festung Dārā im oder nahe dem Distrikt von Āmul vermuten. 1601 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 76 f. 1602 S. Rabino, Mázandarán and Astarábád, S. 147.

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ʿamīd von Āmul den Herrn von Lāriǧān auf seiner Seite hatte. Nachdem ʿAbbās wieder abgezogen war, ging ʿAlāʾ ad-Daula ʿAlīs Sohn Rustam gegen den Lāriǧān-marzu-

bān Minūčihr vor.1603 Es ist nicht ganz klar, wann ʿAlī b. Šahriyār abdankte und verstarb (1142?). Fest steht, dass er noch am Leben war, als sich sein Sohn Tāǧ al-Mulūk Mardāvīǧ zum „allergrößten“ Sultan Sanǧar begab und in dessen ḫidma trat. Ibn Isfandiyār sagt an einer Stelle, dass Mardāvīǧ von seinem Vater geschickt wurde, und an einer anderen, dass er ohne das Einverständnis der Familie nach Ḫurāsān ging, weil er wegen seines dominanten Bruders, des neuen iṣfahbad Naṣīr/Nuṣrat ad-Daula1604 Abū ’l-Fatḥ Šāh-Ġāzī Rustam, vorerst keinen Platz für sich in Māzandarān sah.1605 Jedenfalls erreichte den Bāvandidenprinzen die Nachricht vom Tod seines Vaters in Marv, woraufhin er Sanǧar (welcher von ihm sehr angetan gewesen sein soll) um Erlaubnis bat, dem Ruf jener zu folgen, welche mit Rustams Herrschaft in Māzandarān nicht einverstanden waren. Für den Selǧuqensenior bot sich hier natürlich eine Gelegenheit, die Bāvandiden wieder stärker unter Kontrolle zu bringen. So wie einst Bahrām b. Šahriyār stattete er Mardāvīǧ mit einem Heer aus1606 und forderte die Lokaldynasten östlich von Māzandarān – den Kabūd-Ǧāma sowie die Emire von Langarūd und Gulpāyagān – zur Heeresfolge auf. Obwohl Mardāvīǧ dann auch in Māzandarān viele kleine Machthaber wie etwa den Lāriǧān-marzubān Minūčihr auf seiner Seite hatte, vermochte sich Rustam am Ende zu halten.1607 In der Folge bestanden erstmals zwei voneinander unabhängige Bāvandiden-Fürstentümer nebeneinander: das des Rustam in Māzandarān (mit der Residenz Sārī) und das des Mardāvīǧ östlich von Tamīša (bīrūn-i Tamīša)1608 um die Festung Ǧuhaina1609 in Gurgān. Tāǧ al-Mulūk Mardāvīǧs Installation als iṣfahbad am Rand von Māzandarān dürfte getreu dem Prinzip divide et impera erfolgt sein; aus Sanǧars Sicht ließ sich Rustam mittels Mardāvīǧ unter Druck setzen. Auch andere einheimische Machthaber der Region wurden offenbar vom Großsultan (oder einem seiner Vizekönige) mit iqṭāʿāt versorgt, wie die Gewährung eines māzandarānischen Lehens im Wert von 30 000 Nīšāpūrī-Di-

1603 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 77 f. In Lāriǧān gab es natürlich eine starke Festung. 1604 Seine alqāb sind unklar. Ibn Isfandiyār nennt Rustam einmal Nuṣrat ad-Daula (Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. I, S. 108) und einmal Naṣīr ad-Daula (op. cit., Bd. II, S. 80); in Gedichten kommt Nuṣrat adDīn vor, aber auch Ḥusām ad-Dīn (op. cit., Bd. I, S. 110 f.). 1605 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. I, S. 113 (man lese Marāvīǧ b. ʿAlī statt ʿAlī b. Mardāvīǧ!) und Bd. II, S. 79 (bī-iǧāzat). 1606 Sanǧar beauftragte Amīr-i Amīrān – s. o., S. 149, Anm. 718 –, welcher den Emir Quš-Temür ent­ sandte. 1607 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 80–85; Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 359. 1608 Man unterschied zwischen den zwei Gebieten Bīrūn-Tamīša und Darūn/Andarūn-Tamīša, s. Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. I, S. 74 und Bd. II, S. 124 sowie Rabino, Mázandarán and Asta­ rábád, S. 3, 69. 1609 Ǧuhaina (Ǧuhīna?) lag an einem Fluss und der durchs östliche Elburs-Gebirge führenden Straße zwischen Bisṭām und der alten Provinzhauptstadt Gurgān (beim heutigen Gonbad-e Kāvūs).

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nar für den verdienten amīr-i isfahsālār Sirāǧ ad-Dīn Naǧm al-Islām zeigt. In dem entsprechenden manšūr-Text1610 ist der Begünstigte nämlich als iṣfahbad bezeichnet, was aber nicht heißen muss, dass es sich um den herrschenden Bāvandiden oder überhaupt um einen Vertreter dieser Familie handelt; auch andere Lokaldynasten führten wohl (bisweilen) den traditionellen Titel1611 (welcher über dem des marzubān rangierte). So wird Rustam b. ʿAlī auf dem Höhepunkt seiner Macht (s. u.) von anderen Regionalfürsten sowie in Lobgedichten als iṣfahbad-i iṣfahbadān (sowie šāh-i šāhān und malik al-mulūk) angesprochen.1612 Nachdem sich sein Bruder in direkter Nachbarschaft als Herrscher festgesetzt hatte, erhielt Rustam von Sanǧar die Aufforderung, einen seiner Söhne nach Marv zu entsenden, um dort Mardāvīǧs Platz einzunehmen. In Anbetracht der Umstände hielt es der iṣfahbad nun wohl für angebracht, sich nicht zu weigern, und so schickte er seinen jugendlichen valī-ʿahd Gird(a)-Bāzū zum Großsultan. Der bāvandidische Prinz kann noch nicht lange in Ḫurāsān gewesen sein, als er – einer Quelle zufolge im Sommer 11421613 (vermutlich war es eher etwas später) – beim Besuch eines Saraḫser Badehauses von zwei ismāʿīlitischen Attentätern niedergestochen wurde. Als sein Vater hiervon erfuhr, gab er Sanǧar die Schuld und pflegte den Selǧuqen fortan als mulḥid („Ketzer“) zu bezeichnen. Wie Ibn Isfandiyār erklärt, brach Rustam nach Gird(a)-Bāzūs Ermordung zudem alle Beziehungen zum Großsultan ab1614 und wahrscheinlich ist Pauls Einschätzung korrekt, dass die Anerkennung von Sanǧars Oberhoheit durch den iṣfahbad (in Sārī) damit ein Ende fand.1615 Als der „Sultan der Sultane“ in Bedrängnis und schließlich in Gefangenschaft geriet, nutzte Rustam b. ʿAlī – den die marodierenden Oġuz wohl wissend, dass er Sanǧars Feind war, als Verbündeten wollten1616 – dies aus, um nicht nur ganz Māzandarān zu erobern, sondern seine Herrschaft auch auf die angrenzenden Provinzen Gīlān, Gurgān und Qūmis auszudehnen. Zeitweise reichte seine Macht von Ǧāǧarm in Ḫurāsān

1610 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 84; Horst, Staatsverwaltung, S. 138, Urkunde S 1. 1611 Jedenfalls spricht Rabino auch (für das 12. Jh.) von iṣfahbads von Māmṭīr, Landak und Lafūr, s. Mázandarán and Astarábád, S. 147 sowie, für „Lesser Báwands and others“, S. 148. Bei dem Herrn von Lafūr (Abū Isḥāq Mahdī) scheint es sich sogar noch um einen Vertreter der Qāriniden gehandelt zu haben. Mir ist aber kein māzandarānischer Träger des laqabs Sirāǧ ad-Dīn bekannt. 1612 Vaṭvāṭ, Nāmahā, S. 23, 119; ʿAbd al-Ǧalīl Rāzī, Kitāb an-Naqḍ, S. 132, 200, 553; Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 84. 1613 Rašīd ad-Dīn, Ǧāmiʿ – Ismāʿīliten, S. 158: Muḥarram 537 H. – doch werden in dieser Liste teilweise falsche Jahre angegeben; al-Muqarrab Ǧauhar etwa starb 534 statt 535 und Dāwūd b. Maḥmūd 538 statt 537 H., weshalb auch Gird-Bāzū womöglich erst 538 H. ermordet wurde. 1614 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 86 f. Dafür wurden nun wohl Rustams Beziehungen zum Ḫvārazmšāh Atsı̊ z intensiver. Zu Gird-Bāzūs Ermordung auch: ʿAbd al-Ǧalīl Rāzī, Kitāb an-Naqḍ, S. 132. 1615 Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 359. 1616 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 94.

Māzandarān

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bis an die Grenzen Mūqāns im Westen.1617 Das Ǧuhaina und Astarābād (heute Gorgān) umfassende Fürstentum seines Bruders Mardāvīǧ – den er töten ließ1618 – eroberte Rustam ebenso wie Rayy, wo er den Selǧuqen Sulaimān-Šāh auf den Sultansthron setzte (Winter 1152/1153?).1619 Letzteres deutet darauf hin, dass der ambitionierte Bāvandide, welcher eine Tochter Sultan Maḥmūds II. zur Frau hatte,1620 zumindest nicht selbst den Sultanstitel annahm. Hilfreich für eine Klärung, in welcher Position sich Rustam (gest. 1163 oder 1165?) seit dem Bruch mit Sanǧar sah, wären Münzen, doch sind ausgerechnet vom mächtigsten aller Bāvandiden keine eigenen Prägungen bekannt,1621 sondern nur Nīšāpūrī-Dinare, auf denen Rustam als (ein) Oberherr genannt ist.1622 Nūr-Allāh Šūštarī (gest. 1610) zufolge ließ der Schiit Rustam b. ʿAlī genau wie seine Vorgänger (einzig?) den verborgenen zwölften Imam in ḫuṭba und sikka nennen, wobei er als Quelle für diese Information ʿAbd al-Ǧalīl Rāzīs Kitāb an-Naqḍ angibt.1623 In ebendiesem Werk wird Rustam – ein Zeitgenosse des Autors – zwar in der Tat mehrfach als schiitischer Herrscher lobend hervorgehoben, doch konnte ich keine Angabe zur bāvandidischen Münzprägung finden. Von wem wir jedoch gleich eine Reihe von Dinar-Typen kennen, ist der vorherige iṣfahbad ʿAlī b. Šahriyār und zumindest auf dessen Prägungen ist – entgegen Šūštarīs Aussage – kein schiitischer Imam genannt.1624 Wenn lesbar, ist der Prägeort von ʿAlīs Dinaren die Hauptstadt Sārī. Das Prägejahr ist nicht immer angegeben und oftmals nicht mehr lesbar, doch liegen sowohl Münzen mit Nennung des ʿabbāsidischen Kalifen al-Mustaršid1625 als auch solche mit Nennung al-Muqtafīs1626 vor. Auf manchen trägt ʿAlī den malik-Titel oder einen Ehrennamen. ʿAlāʾ ad-Daula ist zwar der gängigste laqab dieses iṣfahbad (eine weitere Gemeinsamkeit mit den entfernt verwandten Kākūyiden ist die traditionelle Vorliebe der Bāvan­ 1617 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. I, S. 108 f. und Bd. II, S. 88 ff.; Wilferd Madelung, EIr-Artikel „Āl-e Bāvand“. 1618 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 92 f. 1619 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. I, S. 109 und Bd. II, S. 90 f. Die Chronologie ist problematisch; eine Lösung könnte aber Qummī bieten, welcher berichtet, dass Sulaimān-Šāh sich nach seiner Freilassung im Herbst 1152 zuerst zu I̊ nanč nach Rayy begab, dann zum malik-i Māzandarān ging und mit dessen Hilfe Rayy von I̊ nanč eroberte (Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 162). Erst danach wandte er sich – als von Rustam aufgestellter Gegensultan – nach Aserbaidschan, um mit der Unterstützung der dortigen Emire Sultan Muḥammad II. (bei dem I̊ nanč war) 1153 vorübergehend aus Hamadān zu vertreiben. 1620 ʿAbd al-Ǧalīl Rāzī, Kitāb an-Naqḍ, S. 262; Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 104. 1621 Jedenfalls mir nicht. Album gibt für Rustam jedoch an: „AV dinar (pale gold), local issue as independent ruler with title al-sultan al-a‘zam RR“ (Checklist, S. 172, Nr. 1528.1). 1622 Lane-Poole, Catalogue, Bd. III, S. 115; Ramadan, SNAT XIV a, S. 70 f., Nr. 887. 1623 Šūštarī, Maǧālis al-muʾminīn, Bd. II, S. 386. 1624 Nur auf Münzen der ersten Bāvandiden-Linie (10. Jh.) findet sich immerhin der schiitische ­šahāda-Zusatz ʿAlī walīyu ’llāh. 1625 S. z. B. ANS 1967.261.23–1967.261.29; Wilkes & Curtis, Auktion 4 (Feb. 2015), Los 188. 1626 S. z. B. Solidus Numismatik, Online-Auktion 6 ( Jul. 2015), Los 566; Stephen Album Rare Coins, Liste 271 (Nov. 2012), Nr. 53142.

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diden für Ehrennamen auf al-mulūk), aber nicht der höchstrangige – auf einer Prägung steht auch Šaraf ad-Dīn.1627 Gemäß Sanǧars Bestimmungen von 1119 wird der irakische Sultan während ʿAlīs Herrschaft nicht (mehr) in der (ost)māzandarānischen sikka angegeben1628 und wie wir sahen, spielte er in all den Auseinandersetzungen auch keine Rolle. Ebenso wenig ist der selǧuqische malik von Gurgān oder Rayy aufgeführt – wiewohl Māzandarān zeitweise dem dīvān eines solchen Vizekönigs unterstellt war. Was Sanǧars Nennung angeht, so lautet der numismatische Befund, dass sie trotz aller Streitigkeiten auf sämtlichen Prägungen ʿAlīs gegeben ist! Die Weigerung des ­iṣfahbad, persönlich vor den Sultan zu treten, bedeutete offenbar keine Ablehnung der grundsätzlichen Zugehörigkeit zum Sanǧar-Reich. Gleichwohl stellten die Bāvandiden ein Dauerproblem für den Großsultan dar, dessen Beziehung zum Herrn von Sārī an jene zum Ḫvārazmšāh erinnert – wobei das Verhältnis zwischen Sanǧar und dem iṣfahbad schon von Beginn an angespannt war. Das Selǧuqenoberhaupt musste sich über lange Zeit immer wieder mit den Bāvandiden befassen und nahm in Māzandarān erheblichen Einfluss; nicht nur einmal hätte der Herrscher in Sārī wegen Sanǧars Unterstützung für einen Rivalen fast den Thron verloren. Sanǧar war in Māzandarān also keineswegs nur der Name eines fernen Oberherrn. Wie herausgearbeitet, war Māzandarān ja auch nicht gleichbedeutend mit dem bāvandidischen Vasallenfürstentum von Sārī. Bis es dem Sultan letztlich entglitt, war das mit Rayy verbundene Āmul noch einige Jahre lang die selǧuqische Verwaltungs- und Operationsbasis in Māzandarān und als solche Sitz eines selǧuqischen Gouverneurs, welcher nicht zuletzt dafür sorgte, dass dem Großsultan aus Māzandarān Gelder zuflossen. Außerdem konnte Sanǧar darauf zählen, dass sich, wenn gefordert, diverse kleinere Machthaber der Provinz auf seine Seite stellten, gegen den iṣfahbad von Sārī. Die bedeutendste Dynastie im Westen Māzandarāns, das heißt in Rūyān, waren die Bādūspāniden, welche die Wurzeln ihrer Herrschaft ebenfalls in sāsānidischer Zeit sahen und den traditionellen, lokalen Titel ustundār führten.1629 Zu Rūyān gehörten neben der Hauptstadt Kuǧū (heute Koǧūr)1630 unter anderem Kalār, Čālūs und – weiter entlang der Küstenstraße in Richtung Āmul – Nātil (Nātal); im gebirgigen Süden des Distrikts war Rayy nicht weit. Wie Münzen belegen, regierte auch der ustundār von Rūyān unter der Oberhoheit des selǧuqischen Sultans. Truppen aus Čulāb (Ǧulāb, Šulāb)1631, Lāriǧān und Rūyān schlossen sich sowohl dem šiḥna Čavlı̊ als auch dem vālī 1627 Weitere alqāb ʿAlīs fand ich in einer Kasside Muʿizzīs (Dīvān, S. 103): Rukn al-Islām und Quṭb alMaʿālī. 1628 512 H. war dies noch anders: Bevor ihn sein Onkel unterwarf, wurde Maḥmūd von Bahrām b. Šahriyār als einziger Sultan auf Dinaren aus Sārī genannt. 1629 S. zu dieser Dynastie Wilferd Madelung, EIr-Artikel „Baduspanids“ und Bosworth, New Islamic Dynasties, S. 201 f. 1630 S. Habib Borjian, EIr-Artikel „Kojur i. Historical Geography“. 1631 Es handelt sich hier m. E. um einen Gebirgsdistrikt südöstlich von Āmul (und nicht etwa um das heutige Čūlāb in Gīlān), s. die Karte in Rabinos Mázandarán and Astarábád.

Māzandarān

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ʿAbbās an, als Sanǧar diese beiden Machthaber von Rayy in den Krieg gegen ʿAlī b.

Šahriyār schickte.1632 Im Falle der zweiten Kampagne ließ sich der ustundār dann allerdings vom iṣfahbad überreden, ʿAbbās nicht weiter zu helfen und sein Heer aus Āmul zurückzuziehen. Dafür stellte sich der Fürst von Rūyān später wieder auf Sanǧars Seite, indem er Mardāvīǧ b. ʿAlī anerkannte.1633 Welcher ustundār unter Sultan Sanǧar herrschte, lässt sich nur für die letzten Jahre sagen: Der Bādūspānide, der zunächst Mardāvīǧ unterstützte, sich dann aber mit Rustam b. ʿAlī verbündete (Heiratsallianz) und in den 1150er Jahren1634 verstarb, hieß Šahrīvaš(n).1635 Als Vater und Vorgänger dieses ustundār ist in einer späteren Quelle ʿIzz ad-Daula Hazārasp genannt,1636 während auf Kuǧūer Dinaren aus dem frühen 12. Jahrhundert der Name Naṣr b. Šahrīvaš gelesen wurde.1637 Dieser (aus der Literatur unbekannte) Naṣr mag noch an der Macht gewesen sein, als Sanǧar 1119 das irakische Subsultanat einrichtete; eventuell blieb er (zunächst) sogar ein Vasall des Juniorsultans Maḥmūd.1638 Überhaupt konzentrierte sich Sanǧars Māzandarān-Politik definitiv auf die Bāvandiden, wahrscheinlich weil diese (meistens) über den Bādūspāniden standen. So sollte nach dem Tod des ustundār Šahrīvaš (b. Hazārasp) dessen einst zu den Bāvandiden geflohener Bruder Kai-Kāvūs in Rūyān (und Dailamān) als Vasall des iṣfahbad Rustam b. ʿAlī herrschen.1639 Nach einer womöglich rund tausendjährigen Geschichte ging die Dynastie der Bādūspāniden erst am Ende des 16. Jahrhunderts unter. Westlich von Rūyān schlossen sich Dailam(ān) und Gīlān an. Auch hier gab es eine Reihe kleiner Herrschaften und es besteht Grund zur Annahme, dass die selǧuqische Oberhoheit unter den (schiitischen) Machthabern dieser Gebiete zu Sultan Sanǧars Zeit kaum oder keine Anerkennung fand. Theoretisch dürften Gīlān und Dailam (ebenso wie Ṭārum und Ṭālaqān) zum westlichen Subsultanat gehört haben; sie werden, wie bereits erwähnt, unter jenen Territorien aufgeführt, die das Teilfürstentum des maliks Toġrı̊ l b. Muḥammad bildeten. Mangels Belegen oder Hinweisen auf eine tatsächliche imperiale Ein- oder Anbindung selbst jener Gebiete im Südwesten des Kaspischen Meeres, die nicht von den Alamūt-Nizāriten kontrolliert wurden, sollen

1632 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 65 f. bzw. 75 f. 1633 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 81 f. 1634 Wilferd Madelung (EIr-Artikel „Baduspanids“) meint ca. 553 H., Morton („Dinars from Western Māzandarān“, S. 87) vor 551 H. In „Political and Dynastic History“ (S. 29) gibt Bosworth an, Šahrīvašn (Šahrnūš) habe 1116/1117–1129 regiert, was sicher nicht korrekt ist. 1635 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 84, 88; Morton, „Dinars from Western Māzandarān“, S. 87. Paul (Lokale und imperiale Herrschaft, S. 363, Anm. 48) irrtümlich: „Ustandār von Šahr-i Yūšan“. 1636 S. etwa Rabino, Mázandarán and Astarábád, S. 145. 1637 Morton, „Dinars from Western Māzandarān“, insbesondere S. 79 f. und 86 f. 1638 S. Morton, „Trois dinars“, S. 102 und ab S. 106; der ustundār Naṣr würde hiernach Sultan Maḥmūd mit dem laqab Muġīṯ (!) ad-Dunyā wa-’d-Dīn in der sikka nennen, doch ist die Bestimmung aller drei Dinare als Prägungen eines ustundārs äußerst zweifelhaft (wie Morton später selbst bemerkte)! 1639 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 96; Madelung, EIr-Artikel „Baduspanids“.

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die dortigen Herrschaftsverhältnisses nur ganz kurz an anderer Stelle angesprochen sein, im Kapitel zu Sonderfällen und Randgebieten, deren politischer Status in Bezug auf Sanǧars Imperium besonders unklar ist (IV.8.). Zuvor bleibt aber noch zu untersuchen, was die Herrschaft des Großsultans im Südosten des Kaspischen Meeres und der sich südlich davon anschließenden Verbindungsprovinz zwischen Rayy und Ḫurāsān bedeutete – in Gebieten, deren Zugehörigkeit zum Sanǧar-Reich unzweifelhaft ist. IV.7.3 Qūmis, Gurgān und Dihistān Wie bereits dargestellt, wurden nicht nur die Machthaber von Rayy regelmäßig in die Auseinandersetzungen mit und unter den Bāvandiden verwickelt, sondern auch jene von Qūmis und Gurgān. Über beide Provinzen hatte Sanǧar offenbar noch nicht als malik al-mašriq geherrscht. Als Sultan setzte er in ihren urbanen Zentren dann (genau wie in Balḫ oder Harāt) zunächst Emir-Gouverneure ein, darunter einen Mann namens Ḥasan, welcher seinem Vater Muḥammad Yol-Aba als vālī von Gurgān nachfolgen sollte. Ḥasan rebellierte jedoch gegen Sanǧar, wie es in einer Urkunde aus dessen Kanzlei heißt, und wurde geschlagen.1640 Daraufhin entschied der Großsultan, in Gurgān ein selǧuqisches Vizekönigtum mit eigenem dīvān einzurichten, und setzte über den diversen Gouverneuren der Provinz seinen Neffen Ġiyāṯ ad-Dīn wa-’d-Dunyā (sic) Masʿūd ein (den Horst an dieser Stelle fälschlich zum Kronprinzen erklärt1641).1642 Diese Neuerung erfolgte anscheinend schon Ende 1121.1643 Obwohl Masʿūd damals noch ein Kind war, lesen wir nichts über einen Atabeg. 1128 reiste Masʿūd zum großen Familientreffen nach Rayy, wurde anschließend aber (zur Erleichterung Sultan Maḥmūds) von Sanǧar wieder mit in den Osten genommen,1644 wo er noch bis 1130 malik von Gurgān blieb.1645 Warum er dann, nach immerhin fast zehn Jahren in dieser Stellung, selbige, wie es scheint, recht plötzlich auf- und sich in die Ǧibāl begab, geht aus den Quellen nicht hervor; vielleicht war Sanǧar mit ihm unzufrieden, weil er im Konflikt mit den Bāvandiden keinen Erfolg vorweisen konnte (s. o.).

1640 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 16. 1641 Horst, Staatsverwaltung, S. 114, Urkunde I 3 (im Index, auf S. 175, gar: „vielleicht Sohn des Sanǧar“). 1642 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 16–21; dazu noch Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 249 f. und Lambton, „Administration“, S. 76–78. 1643 Ibn Isfandiyār sagt, dass der Bāvandide Bahrām b. Šahriyār zu Masʿūd ging, als der Emir Öner ermordet wurde (Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 60) – Öner starb 1121/1122. Im Herbst 1121 war Masʿūd noch bei Maḥmūd II. in Bagdad gewesen. 1644 Bundārī, Zubda, S. 154. 1645 Lambton („Administration“, S. 374 f., Anm. 6) zeigte sich von Masʿūds Amtszeit in Gurgān verwirrt; sie nahm etwa mehr als eine Installation des maliks in Gurgān an und stolperte über Ibn al-Aṯīrs falsche Angabe, Masʿūd sei (aus Ganǧa) noch einmal nach Gurgān zurückgekehrt.

Qūmis, Gurgān und Dihistān

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Abb. 14  Wahrscheinlich in Gurgān geprägter Dinar mit Nennung des maliks Masʿūd unter Sanǧar und al-Mustaršid (FINT 2008-12-59).

Dokumentiert ist das selǧuqische Vizekönigtum von Gurgān und Umgebung (­ navāḥī) meines Erachtens in einem einzelnen Dinar der Tübinger Sammlung (Abb. 14). Masʿūd ist hierauf nämlich mit dem Titel al-malik al-ʿādil unter Sanǧar und dem Kalifen al-Mustaršid genannt; leider ist die Stelle mit dem Prägejahr nicht erhalten. Bei der Münzstätte dürfte es sich erwartungsgemäß um die Provinzhauptstadt Gurgān handeln,1646 welche beim heutigen Gonbad-e Kāvūs lag, wohingegen das heutige Gorgān zu Sanǧars Zeit Astarābād hieß und die zweite größere Stadt der Provinz Gurgān war. Zu den Territorien, in denen der malik Masʿūd seinen Onkel als Herrscher vertrat, sollten laut Einsetzungsdiplom auch Ṭabaristān (was womöglich nicht ganz dasselbe wie Māzandarān meint) und Dihistān (nördlich von Gurgān) sowie Bisṭām und Dāmġān gehören.1647 Qūmis hing in dieser Zeit also an Gurgān und auch später sollte Sanǧar einmal einen raʾīs für die Provinz Gurgān und Bisṭām ernennen.1648 Auf einem Dinar, welcher [52]1 H. (1127) in Dāmġān geschlagen wurde,1649 ist Masʿūd allerdings ebenso wenig angegeben wie der oben bereits erwähnte vālī von Dāmġān namens *Arġaš (*Arġuš, Boz-Quš oder Barġaš?).1650 Als der Großsultan 1132 nach Rayy kam,

1646 FINT 2008-12-59: bi-Ǧ[urǧān]? Av.: lā ilāh illā / ’llāh Muḥammad / rasūl Allāh / al-imām alMustaršid / bi-’llāh / (rechts im Feld:) al-malik / (ganz oben:) al-ʿādil / (links:) Masʿūd; Rev: li’llāh / as-sulṭān al-muʿaẓẓam / Muʿizz ad-Dunyā wa-’d-D / īn Abū ’l-Ḥāriṯ Sanǧar / b. Malik-Šāh (der Großsultanstitel ist hier wieder unnötig, da es keinen Subsultan gibt). 1647 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 21. Qūmis wird in den inšāʾ-Dokumenten nie als administrative Einheit erwähnt; stattdessen sind die großen Städte dieser Provinz als Distriktzentren angegeben. 1648 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 23. 1649 Morton & Eden, Auktion 82 (Okt. 2016), Los 75; wegen des Kalifen kommt nur das Jahr 521 H. infrage. 1650 Die Inschriften gleichen ansonsten aber auffällig denen des Tübinger Dinars mit Masʿūds Namen!

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war er auf Arġaš wegen dessen Misserfolgen im Kampf gegen den iṣfahbad zornig. Aus diesem Grund zog es der vālī vor, gemeinsam mit zwei anderen Emiren der Region nach Gurgān zu fliehen,1651 wo er sich schon zuvor der Festungen Ǧuhaina und *Bāl(a)man (‫)بالمن‬1652 bemächtigt hatte. Etablieren konnten sich Arġaš und seine Söhne hier jedoch nicht; in Absprache mit Sanǧars ḥāǧib Maḥmūd Kāšānī zwang der Bāvandide ʿAlī den rebellischen Emir wenig später zur Aufgabe beider Burgen1653 – welche offenbar unweit der Ostgrenze Māzandarāns und somit noch innerhalb des vom iṣfahbad beanspruchten Machtbereichs standen. Vermutlich wurde Arġaš im Folgenden von Sanǧar vergeben; 1133/1134 belagerte er im Auftrag des Großsultans die Nizāriten-Festung Girdkūh, welche einen Berg keine 20 km westlich von Dāmġān krönte. Als malik von Gurgān war Masʿūd auch Herr über eingesessene Lokaldynasten. In Zusammenhang mit den Bāvandiden wurden hier bereits die Emire von – Kabūd-Ǧāma, – Gulpāyagān (Ǧulfādaqān) und – Langarūd am östlichen Rand von Māzandarān identifiziert; wo genau diese drei kleinen Machthaber regierten, ist allerdings nicht bekannt. In der Auflistung der Territorien, über welche Sanǧar Masʿūd als Herrscher (pādišāh) einsetzte, wird das (sonst schon ganz übliche) Toponym Māzandarān nicht verwendet, stattdessen sind Āmul und Ṭabaristān genannt, vielleicht weil das Kernland der Bāvandiden ausgenommen sein sollte. Mit Ṭabaristān wäre dann womöglich im engeren Sinne der Osten des Elburs-Gebirges gemeint. Am weitesten entfernt von Māzandarān oder dem bāvandidischen Kernland lag anscheinend Kabūd-Ǧāma. So hieß sowohl ein fruchtbarer, reicher Distrikt als auch die hier regierende einheimische Familie,1654 aus der zu Sanǧars Zeit ein Mann namens Rustam an der Macht war. Auf Le Stranges Karte der „Provinces of Jibal and Jilan, with Mazandaran, Kumis, and Jurjan“1655 ist Kabūd-Ǧāma nicht korrekt lokalisiert. Es dürfte stattdessen im Südosten der Provinz Gurgān (ostān Golestān) beim heutigen Mīnūdašt zu verorten sein und sich von dort aus in Richtung Osten, Süden und Südwesten erstreckt haben.1656 Rabino identifizierte es mit Ḥāǧǧīlar,1657 wobei es sich um

1651 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 71. 1652 Beide sind nicht genau lokalisiert, s. zu Ǧuhaina aber o., S. 311, Anm. 1609 und zu *Bāl(a)man u., S. 319 ff. 1653 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 73. 1654 S. dazu Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 111 f. (Bsp. für Burgherren); Šehāb, „Tārīḫ-e Kabūd-Ǧāmegān“, S. 45 ff. 1655 Eastern Caliphate, zwischen S. 184 und 185 (s. nördlich von Tamisah am Golf von Gorgān). 1656 Für die Beschreibung einer Ausdehnung, die wohl teilweise zu weit ist (sie würde das gesamte Gebirge östlich von Māzandarān umfassen), s. Šehāb, „Tārīḫ-e Kabūd-Ǧāmegān“, S. 7, dazu auch die Karte auf S. 31. 1657 Rabino, Mázandarán and Astarábád, S. 84, 162.

Qūmis, Gurgān und Dihistān

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die Bezeichnung eines Distrikts südlich von Mīnūdašt handelt (wohingegen ḤāǧǧīlarQalʿe am Ostrand von Gonbad-e Kāvūs liegt, also kaum in Kabūd-Ǧāma). Von der Stadt Gurgān oder der Festung Ǧuhaina aus gelangte man also durch Kabūd-Ǧāma nach Ḫurāsān; im Süden grenzte Kabūd-Ǧāma an die Qūmis-Provinz. Gulpāyagān könnte als Nachbardistrikt Kabūd-Ǧāmas nördlich von Bisṭām gelegen haben. Unter Sultan Sanǧar regierte hier Faḫr ad-Daula Garšāsp b. Ǧahšiyār, welcher vielleicht einen Sohn namens Mardāvīǧ hatte. Von der Festung Ǧuhaina ist anzunehmen, dass sie zu Gulpāyagān gehörte; sie lag irgendwo auf dem Weg zwischen Bisṭām (in Qūmis) und der Provinzhauptstadt Gurgān. Rabino hielt Faḫr ad-Daula Garšāsp für einen Kabūd-Ǧāma, was wohl der Grund dafür ist, dass er Ǧuhaina und ganz Gulpāyagān zu Kabūd-Ǧāma zählen wollte.1658 Als eigene administrative Einheit östlich von Māzandarān begegnet Gulpāyagān in einem Urkundentext, mit dem Sanǧar einen raʾīs für „Māzandarān, Gurgān, Dihistān, Astarābād, Bisṭām und [eben] Ǧulfādaqān“ ernannte.1659 Bekannt und bemerkenswert ist außerdem die Einsetzung eines Kadis von Gulpāyagān durch den Großsultan; erwähnt wird in diesem Zusammenhang auch ein Vize-šiḥna.1660 Sicherlich genossen die Lokalherren des östlichen Elburs unter selǧuqischer Oberherrschaft weniger Autonomie als der Bāvandide in Sārī. Andererseits erlaubte die größere Nähe zum Sultanat eine politische Selbstbehauptung gegenüber dem iṣfahbad, dessen regionale Dominanz ja in den Herrschaftsbereich des Gurgāner Provinzherrn hineinreichte und die hiesigen Lokaldynasten mitunter vor die Entscheidung stellte, wessen Vasallen sie in erster Linie waren. Ähnliche Überlappungen gab es im Westen Māzandarāns, doch gilt wohl insbesondere für das Gebiet bīrūn-i Tamīša, dass sich die kleinen Machthaber recht bereitwillig in den Dienst (der Statthalter) des Reichsoberhauptes gegen den iṣfahbad in Sārī stellten.1661 Bei Langarūd muss es sich ebenfalls um einen historischen Distrikt des östlichen Elburs-Gebirges handeln (und nicht um den gleichnamigen Ort nahe der Grenze zwischen Māzandarān und Gīlān). Vielleicht lag es irgendwo zwischen Astarābād und Bisṭām. In einem Atemzug mit Langarūd und *Bāl(a)man erwähnt Ibn Isfandiyār als Lokalherrensitz auch Ḫvāsta-Rūd1662 und zumindest dieses Toponym scheint sich mehr oder weniger bis heute erhalten zu haben; Ḫvāsta-Rūd entspricht wahrscheinlich dem Tal von Ziyārat im Wald südlich von Astarābād.1663 Die Frage, ob die Burg Bāl(a)man zu Langarūd gehörte, führt zur Lokaldynastie dieses Distriktes. Ibn Isfandiyār spricht einmal von Farāmurz b. Vardān-Šāh Langarūdī und sonst von Farāmurz b. Mardāvīǧ, 1658 Rabino, Mázandarán and Astarábád, S. 84, 147, 162. 1659 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 23. 1660 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 45. 1661 Faḫr ad-Daula Garšāsp lehnte sich in Golpāyagān auch nach Sanǧars Tod noch gegen den iṣfahbad von Sārī auf, s. Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 96 f. 1662 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 81, 93, 108. 1663 Ziyārat-e Ḫās(t)e-Rūd.

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Rayy und die Provinzen im Süden des Kaspischen Meeres

liefert hierzu aber selbst die Lösung, indem er zuvor an einer Stelle noch eine ausführlichere Namensform angibt: Farāmurz b. Mardāvīǧ b. Vardān-Šāh.1664 Dieser während der 1120er Jahre regierende Emir wurde, wie oben dargestellt, vom malik Masʿūd festgenommen – und zu Sanǧar geschickt. Ob er beim Großsultan ankam oder zuvor verstarb, ist nicht ganz klar.1665 Erwähnt wird Farāmurz noch einmal an der Seite von Sanǧars šiḥna Čavlı̊ , dessen Māzandarān-Feldzug er sich in Bisṭām angeschlossen hatte.1666 Dass er hierfür vom Hof und mit der Unterstützung des Selǧuqenseniors zurückgekehrt war, ist vorstellbar; lange kann es aber nicht mehr gedauert haben, bis Farāmurz (eines natürlichen Todes) starb. Das Todesjahr, auf das M. S. Israeli schloss, 530 H. (1135/1136),1667 halte ich für zu spät.1668 Wenngleich das Langarūdī-Fürstentum als marginale Lokalherrschaft fast der Vergessenheit anheimgefallen ist, muss es doch so bedeutend gewesen sein, dass Farāmurz der primäre mamdūḥ eines überregional gefeierten Hofpoeten war, dessen Nom de Plume sich sogar von Farāmurz’ laqab herleitete. Israeli hat nämlich recht, wenn er jenen šāh-i Māzandarān ʿImād ad-Daula wa-’d-Dīn Farāmurz, an den ʿImādī (Šahriyārī)1669 die meisten seiner Kassiden adressierte,1670 mit Farāmurz b. Mardāvīǧ identifiziert,1671 wohingegen Rabino1672, Taqi Pūr-Nāmdārīān (EIr-Artikel „ʿEmādī Rāzī“), de Blois und eigentlich alle anderen ihn (eher) für den Bāvandiden Farāmurz b. Rustam halten, welcher in den Thronkämpfen von 1118 seinem Onkel oder Großonkel ʿAlī unterlag (s. o.).1673 Bei Ibn Isfandiyār ist sogar eindeutig erklärt, dass es der Besitzer der Festung *Bāl(a)man war, dem ʿImādīs Panegyrik galt.1674 1664 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 41. 1665 S. Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 64, wo sowohl steht, dass er zu Sanǧar geschickt wurde als auch, dass er farmān-i ḥaqq yāft. 1666 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 65. 1667 Israeli, „Imadi“, S. 186. 1668 Israeli nimmt an, dass Farāmurz nach jenem Aufenthalt Masʿūds beim iṣfahbad ʿAlī festgenommen wurde, welchen Ibn Iṣfandiyār in Bd. I seiner Tārīḫ-i Ṭabaristān ins Jahr 529 H. datiert. Aus Bd. II geht jedoch hervor, dass Masʿūd schon als malik von Gurgān ʿAlīs Gast war und Farāmurz bald nach Sanǧars Rayy-Expedition des Jahres 522 H. zu ihm kam. 1669 S. Johannes Thomas Pieter de Bruijn, EI2-Artikel „ʿImādī“ oder Israeli, „Imadi“. 1670 S. Rāvandī, Rāḥa, S. 210 und S. 371, Anm. 5. 1671 Israeli, „Imadi“, S. 185–187. 1672 Rabino, Mázandarán and Astarábád, S. 135 1673 De Blois, Persian Literature, Bd. V, S. 286 f.: „The greatest part of his surviving poems is dedicated to one Saif al-dīn ʿImād al-daulah Farāmarz; this can hardly be anyone other than the Bāwandid ­prince Farāmarz b. Rustam“; „Israeli argued (against Qazwīnī) that the patron was one ʿImād aldīn Farāmarz b. Mardāwīj of Gurgān, but at the time in question Māzandarān means Ṭabaristān, not Gurgān.“ Die Lage von Langarūd (nach der weder de Blois noch Israeli fragte) lässt es durchaus zu, von einem māzandarānischen Machthaber zu sprechen, zumal Farāmurz ein Gegner des iṣfahbad war. 1674 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 93: ʿImād ad-Daula Mardāvīǧ va Farāmurz ki mamdūḥ-i ʿImādī-yi šāʿir būdand pādišāh būdand va qalʿa-yi ‫ بالمن‬milk-i īšān būd. Israeli („Imadi“, S. 185) glaubt hier an einen Textfehler und möchte wahrscheinlich einfach ʿImād ad-Daula Farāmurz b. Mardāvīǧ und statt der Plural- Singularformen lessen. Es ist allerdings möglich, dass auch Farā-

Qūmis, Gurgān und Dihistān

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Dass wir es bei den Langarūdī-Emiren mit einer Lokaldynastie zu tun haben, ist nicht zuletzt daran ersichtlich, dass Farāmurz b. Mardāvīǧ einen valī-ʿahd hatte. Dieser Sohn hieß Vardān-Šāh und musste ab einem bestimmten Zeitpunkt am Hof des bāvandidischen iṣfahbad leben, dessen Anspruch es ja war, sich benachbarte Lokalherren wie jene im südlichen Gurgān als Vasallen unterzuordnen. Vardān-Šāhs Bruder ʿAlī hielt die Festung Bāl(a)man, bis er sie an den Emir *Arġaš verlor (s. o.).1675 Seitdem gehörten beide Söhne des inzwischen verstorbenen Emirs Farāmurz zum Gefolge des iṣfahbad, welcher anscheinend auch keinen der Brüder später wieder in oder bei Langarūd installierte, sodass die Herrschaft ihrer Dynastie wohl (Ende der 1120er Jahre) ein Ende fand. In Bāl(a)man, das also zum Besitz der Langarūdī-Emire gehört hatte, saßen dann auch nach Arġaš türkische Militärs des Sultans, bevor der Bāvandide Rustam b. ʿAlī ihnen die Burg abkaufte.1676 Was Ǧuhaina angeht, so gab Sanǧar die Festung, wie gesagt, Rustams Bruder und Rivalen Tāǧ al-Mulūk Abū ’l-Fawāris (?) Mardāvīǧ b. ʿAlī, welcher hier, sowie wohl auch über Astarābād und Umgebung, immerhin zehn Jahre lang als loyaler Vasall des Großsultans regieren sollte. Die Lokalherren von Gulpāyagān und Kabūd-Ǧāma waren ihm vermutlich untergeordnet; die Mutter Faḫr ad-Daula Garšāsps nahm er zur Frau.1677 Wie sehr der Selǧuqensenior auf Mardāvīǧ setzte, zeigt sich auch daran, dass dieser (und nicht etwa Rustam) zudem eine (weitere) Schwester des Großsultans heiraten durfte!1678 Nachdem Mardāvīǧ – welchem Sanǧars Hofpoet Anvarī zwei Kassiden widmete1679 – schließlich beim Versuch, von Ǧuhaina via Kabūd-Ǧāma nach Ḫurāsān zu fliehen, von Rustam ausgeschaltet worden war, machte dieser seinen Triumph noch komplett, indem er Sanǧars nun verwitwete Schwester nach einiger Zeit selbst ehelichte.1680 In der Zeit nach Masʿūds Weggang aus Gurgān (1130) war Mardāvīǧs Vasallenfürstentum im Raum Astarābād anscheinend das einzige derartige (sich abhebende) Herrschaftsgebilde, welches Sanǧar in diesem Teil seines Reiches neu kreierte. Dass hier,

murz’ Vater (schon) ein Gönner ʿImādīs war und der laqab ʿImād ad-Daula in der Familie vererbt wurde. 1675 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 64 f. 1676 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 93. 1677 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 81, 85. 1678 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. I, S. 113 und Bd. II, S. 85 f., 93. 1679 Dass der mamdūḥ Mardāvīǧ ist, verrät Ibn Isfandiyār (Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. I, S. 113 und Bd. II, S. 86). Den Überschriften in Anvarīs Dīvān ließen sich weitere Namensbestandteile und Titel des Bāvandiden entnehmen. In Saʿīd Nafīsīs Edition steht einmal malik al-mulūk sulṭān Tāǧ al-Mulūk (S. 148) und einmal Iftiḫār as-Salāṭīn malik al-mukarram Tāǧ al-Mulūk (S. 261), was so sicher nicht korrekt ist. In der Edition von Modarres Rażavī findet sich neben dem (ebenfalls zweifelhaften) Titel amīr-i isfahsālār die kunya Abū ’l-Fawāris sowie ein weiterer Ehrenname: Nuṣrat ad-Dīn oder (an anderer Stelle) Naṣīr ad-Dīn (s. etwa auf ganjoor.net die Kassiden Nr. 39 und 90). Bezüglich Rustams alqāb herrscht ähnliche Unsicherheit. 1680 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 93 f.

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Rayy und die Provinzen im Süden des Kaspischen Meeres

im Südosten des Kaspischen Meeres, noch einmal das Zentrum eines selǧuqischen Vizekönigtums lag, wird nicht berichtet. Allerdings soll sich Sulaimān-Šāh, der malik von Rayy, (bis) 1145 in Gurgān und Dihistān aufgehalten haben1681 und eine Urkunde zur Ernennung des isfahsālārs ʿAḍud ad-Dīn als vālī von Gurgān1682 könnte von einem malik (statt von Sanǧar selbst) stammen.1683 Da dieses Schreiben offenbar in die Reorganisationsphase nach der Qaṭvān-Schlacht (1141) gehört,1684 ließe sich in der Tat an Sulaimān-Šāh denken, dessen dīvān, wie es im Text heißt, nach unruhigen Zeiten die Provinz Gurgān samt Dependenzen ba-ḥukm-i aʿlā-yi ḫudāygānī-yi aʿẓamī-yi šāhānšāhī unterstellt wurde.1685 Es wäre dann ein Vizekönig und nicht der Großsultan, welcher einen als Bruder bezeichneten Stellvertreter (sowie, gleich hinterher, den Kanzleichef Muntaǧab ad-Dīn) nach Gurgān entsandte und sich die Neuvergabe der iqṭāʿāt jener Provinz vorbehielt.1686 Auch eine Einsetzungsurkunde für einen Richter und ḫaṭīb der Stadt Astarābād1687 dürfte (anders als bisher allgemein angenommen) nicht vom Großsultan selbst ausgestellt worden sein, sondern von einem Neffen des Reichsoberhaupts. Bei dem in diesem Dokument angesprochenen isfahsālār Ḍiyāʾ ad-Daula wa-’d-Dīn mag es sich durchaus um den oben erwähnten Anūšteginiden Abū ’l-Fatḥ Yūsuf handeln, welcher (später, nach einer Amtszeit in Gurgān?) von seinem Schwager Sulaimān-Šāh zum Statthalter der Provinz Rayy ernannt wurde. Der Kadi wäre somit wohl ebenfalls vom malik Sulaimān-Šāh eingesetzt worden. Dem türkischen Emir-Gouverneur von Gurgān ʿAḍud ad-Dīn (es ist im Übrigen nicht nötig, in ihm einen Qaraḫaniden zu sehen1688) waren natürlich wieder Subgouverneure unterstellt, wobei in besagter Urkunde aber keine Rede von Māzandarān/ 1681 Qummī, Ḏail Nafṯat al-maṣdūr, S. 136. 1682 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 30–32; Horst, Staatsverwaltung, S. 117 f., Urkunde I 7. 1683 Horst, Lambton und Paul meinen, dass sie von Sanǧar stammt. Die Provinz ist jedoch erst auf jemandes Befehl hin unter den dīvān des Urkundenausstellers gekommen. Es sei daran erinnert, dass auch für Māzandrān die Einsetzung eines Emir-Gouverneurs durch einen selǧuqischen malik bekannt ist. 1684 Es ist von „nach der Transoxanien-Expedition“ (safar-i Mā warāʾa ’n-nahr) vakant gewordenen Lehen die Rede; s. Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 411 (wo es um ein zweites, späteres Schreiben mit demselben Bezug geht; die vorausgehende Bestallung ʿAḍud ad-Dīns scheint Paul gar nicht für in besagte Reorganisationsphase, sondern für in ruhigere, normale Zeiten gehörig zu halten, s. op. cit., S. 412 f.) Weil sie den Aussteller beider Dokumente für Sanǧar hält, übersetzt Lambton einfach „our journey to Transoxania“ („Administration“, S. 374 f.), das Possessivum ist aber ihr Zusatz. 1685 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 30. 1686 S. dazu Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 411–413; Muntaǧab ad-Dīns Ernennung – s. Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 67–69; Horst, Staatsverwaltung, S. 118 f., Urkunde I 8 – charakterisiert Paul als Taskforce-Ernennung. 1687 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 50–52; Horst, Staatsverwaltung, S. 150 f., Urkunde V 5. 1688 Paul (Lokale und imperiale Herrschaft, S. 304) vermutet dies, weil der isfahsālār wohl ʿAḍud ad-Dīn Alp-Qara-Ḫan Arslan hieß und als Bruder bezeichnet wird (Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 69), und meint, dass es sich nicht um einen gewöhnlichen Gouverneur handelt. Der laqab Alp-Qara-Ḫan verrät

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Ṭabaristān oder Qūmis ist. Auf wahrscheinlich zu Dāmġān geprägten Dinaren des Jah-

res 538 H. (1144/3411) wird – unter dem „allergrößten“ Sultan – auch nicht etwa der malik Sulaimān-Šāh genannt, dafür aber ein vālī namens Aq-Sonqur.1689 Schon auf einer Prägung derselben Münzstätte von 536 H. dürfte an gleicher Stelle der Name eines anderen Emir-Gouverneurs stehen (‫)? طعىه‬,1690 während auf einem 532 H. (1137/1138) geschlagenen Dinar aus Bisṭām1691 (abgesehen vom Kalifen) einzig der Selǧuqensenior aufgeführt ist. In den späten Jahren um Sanǧars letzten Rayy-Besuch (1149/1150) unterstanden wahrscheinlich sowohl die großen Emir-Gouverneure von Qūmis als auch die von Gurgān (wieder) dem Reichsoberhaupt direkt. Was Dihistān1692 im heutigen Turkmenistan anbetrifft, so war es Teil von Masʿūds Vizekönigreich gewesen und hing wohl auch sonst administrativ an Gurgān. Erhalten hat sich der Text einer Urkunde, mit der ein selǧuqischer malik einem isfahsālār namens Ǧamāl ad-Dīn (in Übereinstimmung mit Sanǧars Anordnung) das šiḥna- sowie die Vertretung des Gouverneursamtes von Dihistān (šiḥnagī-yi Dihistān va niyābat-i iyālat dar ān viyālat) übertrug.1693 Ǧamāl ad-Dīn hatte sich offenbar schon (direkt) unter dem Großsultan verdient gemacht und hielt iqṭāʿāt in Gurgān. An dieser Stelle ist hervorzuheben, dass es in Dihistān und Gurgān eine große Anzahl türkischer Nomaden gab, um die sich jemand wie Ǧamāl ad-Dīn ganz besonders zu kümmern hatte (wie auch besagtem Urkundentext zu entnehmen ist).1694 Es galt, den Türkmenengruppen Tränkund Weideplätze zuzuweisen, sie Abgaben entrichten zu lassen und ihre Heeresfolge zu sichern. Hierfür wurden sogar spezielle Nomadenpräfekten eingesetzt.1695 So mag etwa I̊ l-Toġan, ein šiḥna von Gurgān während Sanǧars erster Jahre als Großsultan,1696 (noch) für die Provinz oder Stadt Gurgān allgemein zuständig gewesen sein, wohingegen der isfahsālār Šams ad-Daula/al-Milla I̊ nanč Bilge Uluġ Ǧāndār Beg eigens er-

aber keinen Qaraḫaniden und stammen die entsprechenden Dokumente von einem malik, wäre es nur dieser (und nicht der Sultan), welcher den Emir einen Bruder nennt. 1689 FINT 1992-2-52. Ein ǧāma-dār (Aufseher der Kleiderkammer) Sanǧars hieß Aq-Sonqur (Rašīd adDīn, Ǧāmiʿ – Selǧuqen, S. 69); zudem wäre an den Emir Aq-Sonqur Fīrūzkūhī (s. o.) zu denken. 1690 ANS 1972.288.87. 1691 Baldwin’s, Auktion 98 (Mai 2016), Los 2998. 1692 Distrikt oder Provinz mit gleichnamiger Hauptstadt im Norden Gurgāns (nördlich des Atrek) an der Südostküste des Kaspischen Meeres. Bei der Stadt handelt es sich wahrscheinlich um den ribāṭ, dessen Ruinen als Mašhad-i Miṣriyān bekannt sind (s. Le Strange, Eastern Caliphate, S. 379 f.; C. E. Bosworth, EIr-Artikel „Dehestān“ sowie Bertold Spuler, EI2-Artikel „Dihistān“, wo das hier gemeinte Dihistān jedoch teilweise mit jenem in Bādġīs nordöstlich von Harāt verwechselt wird!). 1693 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 84 f.; Horst, Staatsverwaltung, S. 160, Urkunde X 3 (Horst schreibt das Dokument Sanǧar zu); Duran-Guédy, „Türkmen-Saljūq relationship“, S. 18, 23 f., 50 f. 1694 Zu diesem Thema Duran-Guédy, „Türkmen-Saljūq relationship“. 1695 Schon die Römer ernannten in Nordafrika spezielle Nomadenbeauftragte mit dem Titel praefectus gentis. 1696 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 60.

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(Weitere) Sonder- und Zweifelsfälle, „Ex- und Enklaven“

nannt wurde, um sich der Türkmenen Gurgāns (und Umgebung) anzunehmen;1697 die Bestallung erfolgte (zumindest in diesem Fall) direkt durch das Reichsoberhaupt.1698 Der Provinz Dihistān war unter Ǧamāl ad-Dīn die noch deutlich weiter nördlich gelegene Halbinsel Manqı̊ šlaq (heute in Kasachstan) zugeordnet.1699 In diesem halbwüstenhaften Gebiet lebten türkische Nomaden, welche (im Gegensatz zu jenen in Gurgān) als „Ungläubige“ galten und vom Herrn der Provinz Gurgān bekriegt werden sollten.1700 Wir sind hier erneut ganz am Rand des Selǧuqenreiches angekommen, in einer Region, welche unter die wachsende, nicht zuletzt von Nomaden getragene Macht des Ḫvārazmšāhs Atsı̊ z geriet,1701 also jenes Herrschers, dessen Provinz auf der Reise durch Sanǧars ausgedehntes Imperium gleich unsere erste Station nach dem Kernland Ḫurāsān war. IV.8 (Weitere) Sonder- und Zweifelsfälle, „Ex- und Enklaven“ Auf der in vorliegender Arbeit unternommenen Reise durch das Imperium, dessen Oberhaupt Sanǧar hieß, wurde um einige Gebiete bewusst ein Bogen gemacht. Dies liegt entweder daran, dass es sich eindeutig um Territorien handelt, in denen die Suzeränität des „allergrößten“ Sultans prinzipiell keine Anerkennung fand, oder das politische Verhältnis zum Selǧuqenoberhaupt aus unterschiedlichen Gründen zu unklar ist, um von einer Zugehörigkeit zu dessen Reichsverband auszugehen. Diese Fälle sollen im Folgenden noch kurz erläutert werden. Wie zu Beginn des Syrien-Kapitels erklärt, reichte Sanǧars Oberhoheit im Westen nicht bis ans Mittelmeer, da in der Levante unter anderem christliche und ismāʿīlitische Machthaber herrschten. Siebenerschiitische Inseln gab es aber bekanntlich auch im Iran, wobei es hier in erster Linie zwei Gebirgsregionen waren, welche die Nizāriten mittels mächtiger Festungen – unabhängig vom Sultanat oder irgendeiner anderen Macht – kontrollierten: Dailamān mit dem Zentrum Alamūt (nördlich von

1697 Duran-Guédy unterscheidet dementsprechend zwischen Territorial- und Gruppen-šiḥna, s. „Türk­men-Saljūq relationship“, S. 23–25. 1698 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 80–82; Horst, Staatsverwaltung, S. 159 f., Urkunde X 2; Duran-Guédy, „Türkmen-Saljūq relationship“, S. 18, 47–50; Lambton, „Administration“, S. 382. Duran-Guédy sieht Hinweise, dass die Urkunde in die Reorganisationsphase nach Qaṭvān gehört (op. cit., S. 39 f.). Zu der Tatsache, dass der Kanzleichef Muntaǧab ad-Dīn (wie oben erwähnt) selbst kurz nach der Qaṭvān-Katastrophe nach Gurgān entsandt worden war, schreibt er: „This constitutes a strong argument for thinking that all the documents concerning the Gurgān in the ʿAtabat al-kataba were written when Muntajab al-Dīn Juwaynī held this position.“ Jedoch gehört zumindest die Bestallung Masʿūds als Vizekönig von Gurgān in eine deutlich frühere Phase. 1699 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 85. 1700 Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 19. 1701 S. etwa Paul, „Sanjar and Atsız“, S. 88 f., 93; Duran-Guédy, „Türkmen-Saljūq relationship“, S. 24.

(Weitere) Sonder- und Zweifelsfälle, „Ex- und Enklaven“

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Qazvīn, westlich von Rūyān)1702 und das größere, von Alamūt abhängige Quhistān im Südwesten Ḫurāsāns (nordwestlich von Sīstān).1703 Daneben besaßen die „Assassinen“ (abgesehen von ihrem syrischen Territorium) noch einzelne Burgen in der Provinz Qūmis (vor allem Girdkūh nahe Dāmġān) und wohl auch in Luristān,1704 während die einst okkupierten Festungen in Fārs und Ḫūzistān im frühen 12. Jahrhundert wieder an die Selǧuqen verloren gegangen waren (Heinz Halm missversteht Ibn al-Aṯīr, wenn er übersetzt, dass sich die Ismāʿīliten auf der Burg Ḫānlanǧān fast zweihundert Jahre lang behauptet hätten1705). Bezüglich dieser teilweise weit auseinanderliegenden Besitzungen von einem „Staat im Staate“ zu sprechen,1706 ist eher unglücklich, da die Nizāriten-Herrschaft ja erklärtermaßen grundsätzlich und ohne Zweifel außerhalb des sunnitischen Reichsverbandes für sich bestand. An den Rändern der dailamitischen und quhistānischen Machtbereiche äußerte sich dies mitunter sogar in der Form, dass die Nizāriten mit Vertretern des Selǧuqensultanats konkurrierten, indem sie genau wie diese (d. h. zusätzlich zu diesen) am selben Ort Steuern einzogen.1707 Dass die Großmeister von Alamūt zu keinem Zeitpunkt Sanǧars Vasallen waren, bedeutete allerdings nicht, dass es zwischen ihnen und dem obersten Selǧuqenherrscher keine Verständigung gab. Insgesamt scheint der Großsultan sogar ein relativ gutes Verhältnis zu den Nizāriten gepflegt zu haben, auch wenn er – nicht zuletzt aus Image-Gründen – hin und wieder Strafexpeditionen gegen sie entsandte1708 (und sich manche seiner Gouverneure in besonderem Maße als „Bāṭiniten“-Feinde profilierten). Es bestand offenbar ein regelmäßiger diplomatischer Kontakt zwischen Sanǧar und Alamūt und einige der ismāʿīlitischen Attentate sollen ja im Auftrag des Selǧuqenseniors erfolgt sein – oder geschahen zumindest in dessen Interesse. Als ʿAṭā-Malik Ǧuvainī 1256 bei der Eroberung Alamūts durch die Mongolen dabei war, fand er in der

1702 Die Nizāriten expandierten hier nach Ṭālaqān (unter Kiyā Buzurg-Umīd, reg. 1124–1138) sowie vielleicht auch nach Ṭārum. 1703 S. zur ismāʿīlitischen Herrschaft in Quhistān Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 121 ff. Im Besitz der Nizāriten waren z. B. Ṭabas-i Gīlakī, Qāʾīn, Tūn, Ḫūr, Zūzan und Turšīz/Ṭur(ai)ṯīṯ. Es ist nicht klar, wie die Herrschaft hier organisiert war. Vermutlich waren mehrere Lokalherrschaften locker miteinander verbunden; der Stellvertreter des Großmeisters von Alamūt trug bisweilen den Titel muḥtašam. Neben der Gīlakī-Dynastie (s. o., S. 56, Anm. 205) dürften unter anderem noch Nachkommen der Sīmǧūriden eine Rolle gespielt haben. 1704 Daftary, Ismāʿīlīs, S. 352 f. 1705 Halm, Kalifen und Assassinen, S. 117 f. Zum einen spricht Ibn al-Aṯīr gar nicht von Ḫānlanǧān bei Iṣfahān, sondern von Ḫalādḫān bei Arraǧān (Heinz Gaube, EIr-Artikel „Arrajān“: Qalʿat Ḥalāḏān/ Dez Kelāt), zum anderen waren es fast 200 Jahre, in denen von dieser Festung aus Wegelagerei betrieben wurde, bis sie an den Būyiden ʿAḍud ad-Daula fiel (al-Kāmil, Bd. IX, S. 40) – es geht also um die Zeit (lange) vor den Nizāriten! 1706 Halm, Kalifen und Assassinen, S. 119, 204, 252. 1707 Ġaznavī, Maqāmāt-i Žanda-Pīl, tr. Moayyad/Lewis, S. 196–198; Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 125 f. 1708 Z. B. 521 H., s. Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 245; zuvor hatten die Ismāʿīliten Sanǧars Wesir ermordet.

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(Weitere) Sonder- und Zweifelsfälle, „Ex- und Enklaven“

Bibliothek der Großmeister mehrere Schriftstücke, die von Sanǧars Bemühungen um eine friedliche Koexistenz mit den Nizāriten zeugten.1709 Anders als in seinem Brief an den Kalifenhof von 1133 dargestellt,1710 dürfte eine Beseitigung der „Assassinen“ für den Großsultan also keine Priorität gehabt haben. Sanǧar zeigte sich vielmehr tolerant1711 und wiederholt zum Abschluss einer Waffenruhe sowie zur Gewährung von Sicherheitsgarantien bereit, solange die Nizāriten auf eine weitere Expansion verzichteten.1712 Sogar bestimmte Steuereinnahmen sprach er ihnen zu.1713 Ein Bote, den er 1149/1150 nach Alamūt schickte, sollte nochmals erforschen, wie weit die religiösen Überzeugungen der Nizāriten eigentlich vom rechten Glauben abwichen …1714 Im Norden grenzte das nizāritische Territorium um Alamūt an Gīlān, wo zu Sanǧars Zeit mehrere Lokalherrschaften bestanden, darunter solche der Zaiditen. Die Fün­ ferschiiten waren erbitterte Feinde der Ismāʿīliten, bekriegten aber nicht nur diese, sondern kämpften vor allem untereinander um das Imamat (was letztlich zu ihrem Niedergang in der Region führte). Regelmäßig traten neue ʿAliden als Rivalen auf und suchten unter den diversen eingesessenen Machthabern Unterstützung. So wurde etwa Abū Ṭālib Yaḥyā b. Aḥmad, welcher als Imam unter anderem Hausam (heute Rūdsar) erobert hatte, von einem gewissen Ḥasan Ǧurǧānī herausgefordert, allerdings nur mit anfänglichem Erfolg. Ḥasan wurde von einem der gīlānischen Lokalherren zurückgeschlagen, doch konnte Abū Ṭālib seine Macht daraufhin nicht wieder ganz restaurieren und zog sich in einen Teil Dailamāns zurück, der noch nicht an die Nizāriten gefallen war. Nach seinem Tod 1126 versuchte Ḥasan erneut, Anerkennung zu finden, wurde gefangen genommen und in Absprache mit gīlānischen und dailamitischen Lokalherren hingerichtet. Abū Hāšim Kiyā Ǧurǧānī, welcher 1131/1132 Ansprüche erhob, mag ein Verwandter Ḥasans gewesen sein; sein Tod ging auf das Konto der benachbarten „Assassinen“. 1149/1150 trat dann ein fremder ʿAlide namens Ašraf b. Zaid ­Ḥasanī als Imam in Lāhīǧān auf, fand aber nur kurz Unterstützung und starb alsbald. In Lāhīǧān, das Hausam im 12. Jahrhundert den Rang ablief, hielten sich derweil die ­Ṯāʾiriden, welche als zaiditische Emire regierten, ohne das Imamat zu beanspruchen.1715 Auch wenn ad-dāʿī ilā ’l-ḥaqq Kiyā Buzurg ar-Riḍā b. al-Hādī, dessen Fürstentum wohl im gebirgigen, dailamitischen Teil Gīlāns lag, als Verbündeter oder Vasall der 1709 Ǧuvainī, Tārīḫ-i ǧahāngušāy, Bd. III, S. 214 f. 1710 Eqbāl, Vezārat, S. 308–310. 1711 Angeblich aus Furcht, s. etwa Ġaznavī, Maqāmāt-i Žanda-Pīl, tr. Moayyad/Lewis, S. 141 ff. (die Ismāʿīliten durften selbst in Marv missionieren). 1712 Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 124 f. (zu den Abkommen); Daftary, Ismāʿīlīs, S. 345 („Sultan Sanjar had not sanctioned any anti-Nizārī activity for almost two decades, which may reflect the existence of some sort of truce between the Saljūqs and the Nizārīs“), 357 („another period of truce between the Nizārī leadership and Sanjar“). 1713 Daftary, Ismāʿīlīs, S. 342. 1714 Rašīd ad-Dīn, Ǧāmiʿ – Ismāʿīliten, S. 153; Halm, Kalifen und Assassinen, S. 205. 1715 All dies nach Wilferd Madelung, EIr-Artikel „ʿAlids of Ṭabarestān, Daylamān, and Gīlān“; s. auch id., EIr-Artikel „Gīlān iv. History in the Early Islamic Period“.

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Bāvandiden ʿAlī und Rustam begegnet,1716 besteht kein Grund zur Annahme, dass die verschiedenen Zaiditenherrschaften weniger unabhängig von den Selǧuqen waren als die Nizāriten; auch Gīlān dürfte somit (größtenteils) nicht zu Sanǧars Reich gehört haben. Stattdessen bildete sich vorübergehend auch hier eine eigene überregionale Herrschaftsstruktur (auf Kalifatsebene) heraus, indem besagter Imam al-Muʾayyad bi’llāh Abū Ṭālib Yaḥyā (al-aḫīr) b. Aḥmad al-Hārūnī nicht nur von einem zaiditischen Herrscher im Oman (!) unterstützt wurde, sondern als amīr al-umma wa-’l-muʾminīn sogar im nordjemenitischen Ṣaʿda Anerkennung fand (wo er einen rassidischen Statt­ halter für das Gebiet „zwischen Mekka und Aden“ einsetzte)!1717 Doch auch von den vermutlich nicht-zaiditischen Machthabern Gīlāns ist nicht bekannt, dass sie Sanǧar untergeordnet waren. Zu nennen wäre hier etwa die kleine Isḥāqī-Dynastie von ­Fūman, deren Fürst Sulṭān-Šāh b. Dubbāǧ einmal dem Sohn des Bāvandiden Rustam b. ʿAlī Zuflucht gewährte.1718 Zumindest die drei größeren nizāritischen Territorien in Dailamān, Syrien und Quhistān waren ebenso wie das zaiditische Gīlān keine (politischen) Enklaven, reichten aber teilweise unmittelbar an Sultanatsgebiet heran. Im Gegensatz dazu lag der Hedschas mit den beiden heiligen Stätten abseits der Kernländer des Selǧuqenreiches. Gleichwohl soll auch hier, im Westen der Arabischen Halbinsel, Sanǧar in ḫuṭba und sikka genannt worden sein, doch mangelt es an Quellen, um diese Angabe zu überprüfen. Münzen aus Mekka oder Medina sind für die erste (und den Großteil der zweiten) Hälfte des 12. Jahrhunderts nicht bekannt1719 und auch sonst wissen wir leider sehr wenig über die Politik der Scherifen-Emire beider Städte. In Mekka regierte die ḥasanidische Hawāšim-Linie, deren Gründer Muḥammad Ibn Abī Hāšim (reg. 1063–1094?) einst regelrecht mit den Oberhoheitsrechten geschachert und sich mal von den Fāṭimiden, mal von den ʿAbbāsiden/Selǧuqen für einen ḫuṭba-Wechsel kaufen lassen hatte. Diese Schaukelei zwischen beiden Imperien führte dazu, dass Sultan Malik-Šāh I. (dessen Schwester Ibn Abī Hāšim zwischenzeitlich versprochen worden war1720) Truppen nach Westarabien entsandte, allerdings scheinen die Scherifen auch dadurch nicht zu einem endgültigen Bruch mit den Fāṭimiden gebracht worden zu sein, was wohl in erster Linie an der Abhängigkeit von ägyptischen Getreidelieferungen lag.1721 Ob sich

1716 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. II, S. 69, 87 f., 96, 143. Kiyā Buzurg wird als malik-i Dailamān bezeichnet; seine Schwester war die Frau des Bādūspāniden Hazārasp. 1717 Madelung, EIr-Artikel „ʿAlids of Ṭabarestān, Daylamān, and Gīlān“. In Bosworths Liste der jemenitischen Zaiditen-Imame (New Islamic Dynasties, S. 96) findet sich übrigens ein Yaḥyā b. Muḥammad mit der Jahresangabe 511 H., bei dem es sich um den Imam in Gīlān, Yaḥyā b. Aḥmad, handeln muss! 1718 Rabino, „Rulers of Lahijan and Fuman“, S. 93 f. 1719 Erst aus der Zeit um 1190 gibt es Münzen des Emirs Mukaṯṯir b. ʿĪsā von Mekka. 1720 Sibṭ Ibn al-Ǧauzī, Mirʾāt, ed. Sevim, S. 199 f. 1721 Hurgronje, Mekka, Bd. I, S. 63 f.; Halm, Kalifen und Assassinen, S. 28–34, 43; Wüstenfeld, Geschichte der Stadt Mekka, S. 222 f.

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Mekka und Medina nun (bis) zu Sanǧars Zeit doch noch so fest ins Selǧuqenreich einbinden lassen hatten, dass der „allergrößte“ Sultan hier (gemeinsam mit seinem westlichen Vasallensultan?) gar dauerhaft anerkannt wurde, ist zweifelhaft.1722 Das Verhältnis zwischen den Selǧuqen und den (zaiditischen?1723) Hawāšim war und blieb auf jeden Fall problematisch. So gerieten die Emire, welche die Sultane damit betrauten, die alljährliche Pilgerkarawane auf dem Darb Zubaida quer durch die Wüste zu führen, wiederholt mit den mekkanischen Scherifen aneinander, wobei letztere die Pilger regelmäßig überfallen ließen.1724 Dies war beispielsweise im Jahre 539 H. (1145) der Fall, woraufhin sich der langjährige amīr al-ḥāǧǧ Naẓar – welcher einmal als Botschafter al-Mustaršids zu Sanǧar gereist war1725 – 540 H. weigerte, die Karawane erneut zu geleiten.1726 In Mekka regierte damals Hāšim b. (Abī) Fulaita, bei dem es sich wohl um einen Urenkel des Emirs Muḥammad Ibn Abī Hāšim handelt.1727 Im Jahre 545 H. (1151) wollte dann Qaimaz, der unerfahrene Ersatzmann für Naẓar, angesichts eines absehbaren Beduinenüberfalls, von Mekka aus nicht (wie vorgesehen) nach Medina ziehen, wogegen die iranischen Pilger heftig protestierten. Sie drohten damit, sich bei Sultan Sanǧar über Qaimaz zu beschweren (offenbar traute man dem Selǧuqensenior also ein Vorgehen gegen den amīr al-ḥāǧǧ zu), und erreichten so, dass die Karawane den Weg nach Medina nahm – und von Wüstenarabern ausgeplündert wurde.1728 Die ḥusainidischen Scherifen von Medina konnten aus selǧuqischer Sicht vermutlich ebenso wenig als loyale Vasallen gelten wie die von Mekka.1729 Von einem der Beduinenstämme des Naǧd, den Ġuzaiya, erfahren wir immerhin, dass sie einmal ein Bündnis mit dem Mazyadiden Dubais II. ablehnten, weil sie Kalif und Sultan nicht verärgern wollten.1730 Was den Jemen angeht, so wurden die Selǧuqen hier definitiv nicht anerkannt – ein Großteil des Landes gehörte zum Reich der Fāṭimiden. Die omanische Küste wiederum stand unter der Herrschaft der Kirmān-Selǧuqen, welche hier ebenfalls als Zweifelsfall hervorzuheben ist.

1722 1155 schickte der Emir von Mekka einen Gesandten an den Fāṭimidenkalifen (Wüstenfeld, Geschichte der Stadt Mekka, S. 225). 1723 S. Mortel, „Zaydi Shiʿism and the Ḥasanid Sharifs of Mecca“, zu den Hawāšim S. 459 (für Mortel entscheiden sich die Emire von Mekka dauerhaft für die ʿabbāsidisch-selǧuqische Seite). 1724 S. Hurgronje, Mekka, Bd. I, S. 64–66; Wüstenfeld, Geschichte der Stadt Mekka, S. 224. 1725 Auch der Eunuch Yumn al-ʿIrāq(ī), Sanǧars Abgesandter zu Durchsetzung al-Muqtafīs, war über mehrere Jahre hin amīr al-ḥāǧǧ. 1726 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 334, 336. 1727 Die Abfolge und die verwandtschaftlichen Verhältnisse der Hawāšim scheinen noch nicht abschließend geklärt; die Stammtafel Wüstenfelds (zu Beginn von Geschichte der Stadt Mekka) ist wohl derjenigen Hurgronjes (Mekka, Bd. I, zwischen S. 24 und 25) vorzuziehen. 1728 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 365. 1729 D. h. auch sie dürften zwischen Fāṭimiden und ʿAbbāsiden/Selǧuqen geschwankt haben. S. zu dieser Dynastie etwa Mortel, „Ḥusaynid Amirate of Madīna“. Ibn Abī Hāšim hatte einmal nach Medina übergegriffen. 1730 Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 221 (517 H.).

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Kirmān erscheint zwar mitunter in Auflistungen der Territorien, die Sanǧars Reich umfasst habe, – genauer gesagt, soll es dem westlichen Juniorsultan zugesprochen worden sein1731 –, doch belegt eigentlich nichts, dass die Provinz zwischen Fārs und Dašt-e Lūt nach Sultan Malik-Šāh I. weiterhin unter großselǧuqischer Oberhoheit stand. Das Gleiche gilt für die zweite Nebenlinie der Selǧuqendynastie, jene von Rūm. In beiden Fällen lässt sich schwer entscheiden, ob (zusätzlich zum ʿAbbāsidenkalifen auch) Sanǧars Suzeränität anerkannt wurde oder man (untypisch für sunnitische Machthaber) unabhängig vom „allergrößten“ Sultan herrschte.1732 Von den anatolischen Selǧuqen liegt für Masʿūd I. (reg. 1116–1156!) lediglich ein byzantinisch inspirierter, undatierter Æ-Münztyp vor, von dem keine Wiedergabe der Herrscherhierarchie zu erwarten ist. Masʿūd b. Qı̊ lı̊ č-Arslan ist darauf allerdings als as-sulṭān al-muʿaẓẓam genannt, was zumindest bedeutet, dass er im Zeitraum der Prägung Unabhängigkeit vom irakischen Juniorsultanat beanspruchte. (Ab irgendeinem Zeitpunkt zu Sanǧars Lebzeiten gab es also sogar drei Selǧuqensultane.1733) Von den kirmānischen Selǧuqen (welche mulūk waren) haben wir hingegen diverse Dinartypen, auf denen die Anerkennung anderer Herrscher im Prinzip vollständig angezeigt wird. So ist stets der Kalif angegeben und tatsächlich findet sich auf vielen Prägungen Arslan-Šāhs I. (reg. ca. 1100–1142) unter anderem der (isolierte) laqab Muʿizz ad-Dunyā wa-’d-Dīn …1734 Das Problem hierbei ist nun aber, dass der Kirmān-Selǧuqe ebendiesen Ehrennamen oder eine Variante davon selbst führte (und obendrein sogar dieselbe kunya wie Sanǧar trug),1735 weshalb nicht klar ist, ob es sich wirklich um einen Verweis auf den Großselǧuqen handelt. Sowohl für als auch gegen eine Nennung (und damit Anerkennung) Sanǧars lassen sich gute Argumente vorbringen,1736 doch bedarf 1731 Ibn al-Aṯīr, at-Taʾrīḫ al-bāhir, S. 21; zur Aufzählung der Gebiete merkt der Autor an, dass er selbst ein Diplom (von Sanǧar für Maḥmūd betreffs Übertragung all dieser Länder) gesehen habe (­raʾaitu manšūrahū bi-ḏālik). 1732 Auf Köymens Karte des Sanǧar-Reiches (s. Büyük Selçuklu İmparatorluğu, Bd. II, Buchende hors texte) gehört das Gebiet der Rūm-Selǧuqen zum Teilreich des irakischen Subsultans, während Kirmān (ohne Oman) als Vasallenfürstentum (genau wie z. B. Sīstān) nur dem Großsultan untersteht. Peacock wiederum markierte Kirmān auf seiner Karte des Sanǧar-Reiches um 1140 (s. Great Seljuk Empire, S. 98 f.) als Teil des irakselǧuqischen Subsultanats (was dem numismatischen Befund widerspricht). 1733 S. zu Masʿūd und seinem Sultanstitel Mecit, Rum Seljuqs, S. 42–45 (mit der Vermutung, dass Masʿūd erst in seinen letzten Jahren zum Sultan aufstieg, als das großselǧuqische Reich unterging). 1734 Der laqab findet sich stets auf dem Av. nach dem Kalifennamen, während Muḥyī ’l-Islām wa-’lMuslimīn Arslan-Šāh b. Kirmān-Šāh immer auf dem Rev. steht. Muḥyī ’l-Islām wa-’l-Muslimīn war Arslan-Šāhs primärer Ehrenname. 1735 Muḫtārī, Dīvān, S. 15 f. (Muʿizz-i Daulat va Dīn oder Muʿizz-i Dunyā va Dīn), 313 f. (Muʿizz adDīn); Ǧabalī, Dīvān, S. 253 f. (Muʿizz ad-Dīn wa-’d-Dunyā). 1736 Zu bedenken ist etwa, dass Muʿizz ad-Dunyā wa-’d-Dīn oft auf Dinaren steht, die noch zur Zeit des Kalifen al-Mustaẓhir geprägt wurden, Sanǧar den laqab aber erst kurz vor al-Mustaẓhirs Tod annahm. Andererseits findet sich der Ehrenname an derselben Stelle schon auf Münzen des Kirmān-Selǧuqen Tūrān-Šāh I. und gilt dabei allgemein als Verweis auf Sultan Malik-Šāh I.

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es erst einer umfassenden Studie zur kirmānselǧuqischen Münzprägung, um die Frage abschließend diskutieren und beantworten zu können. Fürs Erste lässt sich immerhin festhalten, dass auf Arslan-Šāhs Dinaren zumindest keine Irak-Selǧuqen anerkannt werden. Für Tetley1737 war Kirmān neben den Reichen der Ġaznaviden und Qaraḫaniden 1118, als Sanǧar gerade erst zum Sultan (aber noch nicht zum Großsultan) aufgestiegen war, einer von dessen „three major vassal states“. Der von Muʿizzī erwähnte Kontakt zwischen Sanǧar und dem šāh-i Kirmān anlässlich der Eroberung Ġaznas1738 muss jedoch nicht bedeuten, dass Arslan-Šāh b. Kirmān-Šāh b. Qavurd ein Vasall des siegreichen Großselǧuqen war oder wurde. Vielleicht ist eher anzunehmen, dass Sanǧars Rolle in den Machtbereichen der Kirmān- und Rūm-Selǧuqen nicht die eines imperialen Herrschers war, sondern eher die eines Hegemons.1739 Dies würde etwa bedeuten, dass er sich nicht wie im Falle der Irak-Selǧuqen als Reichsoberhaupt in innere Angelegenheiten einmischte, aber auf Grund seiner unbestrittenen Vormachtstellung und Autorität als Dynastieoberhaupt in außenpolitischen Angelegenheiten zu konsultieren war. Ein konkretes Beispiel hierfür gibt es (bereits!) aus der Zeit, als Sanǧar noch unter seinem Bruder regierte: Nachdem der Ġaznavide Bahrām-Šāh vor Sultan Malik-Arslan die Flucht ergriffen hatte, führte ihn sein Weg über Sīstān 1116 nämlich zunächst nach Kirmān, wo ihn Arslan-Šāh zwar freundlich empfing und großzügig finanziell half, jedoch erklärte, dass die Bereitstellung eines (kirmānischen) Heeres wegen Sanǧars Position ein politischer Fauxpas wäre. So wurde Bahrām-Šāh hinsichtlich einer (ja denkbar heiklen, da den Frieden zwischen zwei unabhängigen Reichen betreffenden) militärischen Unterstützung weiter an den malik al-mašriq verwiesen, an dessen Hof ihn ein Emir Arslan-Šāhs geleitete.1740 Zumindest im Falle der Kirmān-Selǧuqen könnte man davon ausgehen, dass eine Art Abkommen zwischen Sanǧar und Arslan-Šāh bestand, gemäß dem sich letzterer ganz auf seine (etwas abgelegene) Region (inklusive Oman) zu beschränken hatte, das

1737 Ghaznavid and Seljuk Turks, S. 182. 1738 Muʿizzī, Dīvān, S. 521, wo ein fatḥ-nāma erwähnt wird – zur Reaktion auf ebendiese frohe Kunde in Kirmān s. Afḍal ad-Dīn Kirmānī, Badāyiʿ al-azmān, S. 23 (oder Muḥammad b. Ibrāhīm, Tārīḫ-i Salǧūqiyān-i Kirmān, S. 27). 1739 S. zur Unterscheidung etwa Münkler, Imperien, S. 18 f., 67 ff. sowie Leitner, Imperium, S. 47 ff. (v. a. nach Michael Doyle) und 142 f. Für Doyle bedeutet imperiale Herrschaft, nicht nur die Außenpolitik einer anderen Macht zu bestimmen – das sei noch Hegemonie –, sondern auch die Innenpolitik einer (somit unterworfenen) Macht zu kontrollieren. Hegemonie impliziert dabei eine Führungsrolle, die von den prinzipiell gleichberechtigten (d. h. souverän bleibenden) kleineren Mächten (freiwillig) akzeptiert wird. 1740 Afḍal ad-Dīn Kirmānī, Badāyiʿ al-azmān, S. 22 (oder Muḥammad b. Ibrāhīm, Tārīḫ-i Salǧūqiyān-i Kirmān, S. 26); dazu Khan, „Bahram Shah“, Teil I, S. 72. Arslan-Šāh soll auf Sanǧars Stellung als Sultan verwiesen haben (guft čūn sulṭān-i aʿẓam Sanǧar bar masnad-i salṭanat ast etc.), doch kann dies so nicht stimmen, da Sanǧar damals definitiv noch malik war.

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heißt die große Bühne den Sultanen überließ, selbst auf den Sultansrang verzichtete und dafür von großselǧuqischer Seite weitestgehend in Ruhe gelassen wurde, wobei Kirmān eben tatsächlich außerhalb des Sanǧar-Reiches verblieb. An dieser Eigenständigkeit der Kirmān-Selǧuqen etwas zu ändern, mag den „allergrößten“ Sultan irgendwann durchaus gereizt haben,1741 doch lesen wir selbst in Zusammenhang mit der gewaltsamen Machtübernahme durch Arslan-Šāhs Sohn Muḥammad im Jahre 1142 nichts von einer Intervention Sanǧars. Es ist geradezu auffällig, dass ArslanŠāhs lange – Kirmān Frieden und großen Wohlstand bescherende – Regierungszeit offenbar ohne sonderlich bedeutsame Ereignisse und nennenswerte Involvierungen in Vorgänge der Provinzen unter großselǧuqischer Herrschaft verlief. Das Königtum der Kirmān-Selǧuqen scheint zu Sanǧars Zeit gewissermaßen nebenher und für sich bestanden zu haben. Wenn Sanǧar selbst etwa auch Ägypten zu seinem Machtbereich zählt,1742 dann ist dies natürlich reines Wunschdenken. Zu den Gebieten, in denen eine formale Anerkennung des „Sultans der Sultane“ nicht völlig ausgeschlossen werden kann – obwohl sie räumlich abgeschnitten weit an der Peripherie lagen –, zählt neben dem He­ dschas im Süden allerdings noch das Fürstentum der (sunnitischen) Wolga-Bulgaren (Bulġār) ganz im Norden, auf dem Territorium der heutigen Republik Tatarstan (um den Kujbyšever Stausee) in Russland. Tatsächlich gibt es sogar ein umfassendes, detailliertes Werk zur Geschichte der Wolga-Bulgaren, in dem Beziehungen zu Sanǧar erwähnt werden, nur gilt dieses als Fälschung. Verdächtig ist schon der Umstand, dass sich nur noch Teile der Zusammenfassung einer gestohlenen russischen Übersetzung von 1939 erhalten haben sollen, nachdem ein tatarischsprachiges, in arabischer Schrift geschriebenes Manuskript vom Innenministerium der UdSSR vernichtet worden sei. Der Titel dieses mittlerweile auch ins Englische übertragenen Werks lautet Ǧäġfär Tarīḫi (Cäğfär Tarixı, Җәгъфәр тарихы, Джагфар Тарихы); angeblich handelt es sich um eine Zusammenstellung diverser (älterer) Texte, welche im 17. Jahrhundert angefertigt wurde.1743 Zu lesen ist darin, dass der wolgabulgarische Thron von 1118–1135

1741 Vazīrī, Tārīḫ-i Kirmān, S. 91 (Ein Botschafter Arslan-Šāhs wird von Sanǧar zur Stadt Ǧīruft befragt und merkt, dass der Sultan ein Verlangen hegt, nach Kirmān überzugreifen – was eine geschickte Antwort erfordert). 1742 ʿAufī, Lubāb, Bd. I, S. 315 f. (Sanǧars Brief an den byzantinischen Kaiser): ʿIrāq va diyār-i ʿArab va Šām va vilāyat-i Maġrib va mamlakat-i Miṣr va mużāfāt ba-farzandān-i aʿazz va nuvvāb-i kār-dīda har yak dar ḫidmat va bandagī as̱ ār va ḫiṣāl satūda dāšta-and bāz guẕāšta-īm. 1743 S. dazu den englischen Wikipedia-Artikel „Cäğfär Taríxı“ und die Vorworte zum Text unter http://s155239215.onlinehome.us/turkic/10_History/Djagfar_Tarihi/DjagfarTarihi_Preface. htm. Alles, was über das dubiose Werk bekannt ist, stammt vom Herausgeber Fargat Nurutdinov, dessen Onkel die russische Übersetzung angefertigt haben soll. Ein Inhaltsverzeichnis und auch die russische Publikation finden sich unter http://s155239215.onlinehome.us/turkic/10_History/ Djagfar_Tarihi/Contents_DjagfarTarihi_En.htm. In Franks Islamic Historiography and ‘Bulghar’ Identity Among the Tatars wird die „Ǧäġfär-Chronik“ auf S. 192 erwähnt.

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mit einem Fürsten namens *Šamgun besetzt war, die eigentliche Macht irgendwann jedoch bei einem Regenten namens *Kolyn lag. Kolyn soll sehr um enge Beziehungen zum Selǧuqen­reich bemüht gewesen sein und erreicht haben, dass sein Sohn *Anbal 1135 eine Tochter Sanǧars zur Frau bekam! Im selben Jahr sei Šamgun verstorben, woraufhin Kolyn Anbal zu dessen Nachfolger gemacht und 1137 die Qaraḫaniden im Kampf gegen die Qara-Ḫitai unterstützt habe. Kolyn regierte noch bis zu seinem Tod im Jahre 1154; Anbals Herrschaft endete 1164.1744 Nun ist es durchaus möglich, dass zumindest ältere (mündliche) Überlieferungen in die Geschichte des Ǧäġfär (Ǧaʿfar) eingeflossen sind und nicht alles darin frei erfunden ist.1745 Schon für das frühe 12. Jahrhundert wird von einer Taʾrīḫ Bulġār berichtet.1746 Sanǧar selbst gibt 1133 an, dass seine Vasallen bis an die Grenzen Bulġārs vorstießen,1747 und von einer Verbindung der Wolga-Bulgaren in Sanǧars Kernland lesen wir (immerhin) für das 11. Jahrhundert in der Tārīḫ-i Baihaq. Dort wird berichtet, dass der Emir Abū Isḥāq Ibrāhīm b. Muḥammad b. (oder besser Ibn?) Yiltavar neben Geld für die Moscheen von Sabzavār und Ḫusrauǧird auch exotische Geschenke für den Herrscher Ḫurāsāns (Maḥmūd von Ġazna?) übersandte.1748 Bemerkenswerterweise wurden die Wolga-Bulgaren in diesem Jahr (1024) auch nach der Ǧäġfär Tarīḫi von einem Ibrāhīm b. Muḥammad regiert … Jedenfalls wäre es keine Überraschung, wenn sich Sanǧars Oberhoheit abseits der Kernländer irgendwo in den Weiten des Raumes verlor; wer hier nach festen Grenzen sucht, wird wenig finden. Klar ist, dass die Zugehörigkeit zum großselǧuqischen Reichsverband im Falle schiitischer Herrschaften von der konkreten Strömung abhing: Während Zwölferschiiten Sanǧars Suzeränität offenbar (als interimistisch) akzeptier-

1744 Diese Informationen finden sich in Bd. II, Teil 1 („History of Bulgar“), Kapitel 4; s. entweder unter http://s155239215.onlinehome.us/turkic/10_History/Djagfar_Tarihi/Volume2/DjagfarTarihiV2 P2En.htm oder http://s155239215.onlinehome.us/turkic/25Bulgars/BarievBulgarSynopsisEn.htm (Zusammenfassung von Riza Bariev). Nurutinov zu Bd. II: „The second volume of the first edition of the Bahshi Iman collection of the Bulgarian annals “Djagfar Tarihi” (1680) includes articles and notes of the last owner of its full text, F. G.-Kh. Nurutdinov, written based on the materials of the part of the collection lost in the beginning of the 1980's, and therefore containing most valuable and unique information. The second volume consists of three parts. A first part of the book, entitled “History of Bulgar” (From most ancient times to the beginning of the 13 century) was written by F. G.-Kh. Nurutdinov in 1972 as a conspectus for his graduate work. The work rests on the information in the Kul Gali book “Hon Kitaby” (1242) and some other Ancient Bulgarian annals of the lost part of the “Djagfar Tarihi”.“ Der genannte Autor des „Hunnen-Buchs“, Kul Gali (Qol Ġali), ist ein bekannter wolgabulgarischer Poet, welcher tatsächlich um 1200 lebte. 1745 Peter B. Golden, EI3-Artikel „Bulghārs“: „Beginning in the late twelfth/eighteenth century, Muslim scholars of the Volga-Ural region, writing in Turkic and using oral and written traditions, produced a series of histories that were based on notions of a shared regional Islamo-Bulghāric identity.“ 1746 Ivan Hrbek, EI2-Artikel „Bulg̲h̲ār“. 1747 Eqbāl, Vezārat, S. 311. 1748 Ibn Funduq, Tārīḫ-i Baihaq, S. 53.

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ten, grenzten sich alle Ismāʿīliten und Zaiditen legitimatorisch vom Selǧuqensultanat ab. Für einige der erläuterten Zweifelsfälle gilt hingegen, dass eine Anerkennung des Großsultans nicht unwahrscheinlich ist, nur weil sich hierfür keine eindeutigen Belege fanden.

V. Das imperiale Gefüge V.1 Herrschaftsebenen und -zonen Trotz einiger Zweifelsfälle haben wir nun ein recht detailliertes Bild, welche Länder und Dynastien das Sanǧar-Reich umfasste und was die Herrschaft des letzten Großselǧuqen in den verschiedenen Gebieten eigentlich bedeutete. Zu guter Letzt sollen einige Ergebnisse noch einmal sortiert und zusammengefasst werden. An erster Stelle wäre zu konstatieren, dass sich Sultan Sanǧars Anerkennung als Oberherr tatsächlich für einen Großteil der islamischen Welt nachweisen ließ. Die beeindruckenden Angaben zur Ausdehnung des selǧuqischen Imperiums unter diesem Herrscher sind somit längst nicht in dem Maße übertrieben, wie bisweilen vermutet. Selbst wenn etwa Ǧūzǧānī angibt, dass Sanǧars daula die all seiner Vorgänger übertroffen habe1749 (was den Übersetzer der Quelle offenbar irritierte und zu Anmerkungen wie „Our author’s statements here are contrary to facts“ oder „It is beyond a doubt that the Saljūḳ empire was of the greatest extent in Malik Shāh’s reign“ veranlasste1750), ist dies damit zu erklären, dass es Sanǧar eben als einzigem Selǧuqen gelang, selbst die Ġaznaviden (und Ġūriden) seiner Oberhoheit zu unterstellen. Das Gewicht dieses Triumphs darf keinesfalls übersehen werden. An einer Karte des Sanǧar-Reiches „on the eve of the battle of Qatwan, 1141“, wie sie Peacock bietet,1751 ist folglich zu bemängeln, dass das ġaznavidische Herrschaftsgebiet nicht etwa gleich dem qaraḫanidischen als Teil des großselǧuqischen Imperiums markiert wurde, sondern (entgegen der Statusgleichheit von Ġaznaviden und Qaraḫaniden) immer noch als gesondertes, eigenständiges Reich erscheint. Dass dies auf anderen Karten des Selǧuqenreichs nicht als grober Fehler zu werten ist, liegt daran, dass fast alle immer nur die Situation gegen Ende des 11. Jahrhunderts zeigen (sollen) – kurz bevor das Imperium vermeintlich zerfiel, Sanǧar aber eben noch nicht Ġazna erobert hatte.

1749 Ǧūzǧānī, Ṭabaqāt, Bd. I, S. 258: ān daulat ki Sanǧar-rā būd hīč yak az pidārā-i ū-rā nabūd. 1750 Ǧūzǧānī, Ṭabaqāt, tr. Raverty, Bd. I, S. 147 f., Anm. 9 und 6. 1751 Peacock, Great Seljuk Empire, 98 f.

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Wenngleich sich die Verhältnisse seit den Tagen Malik-Šāhs I. gewandelt hatten, war Sanǧar – dem väterlichen Vorbild verpflichtet1752 – ab 1119, wie herausgearbeitet, nie nur Teilherrscher innerhalb eines zerfallen(d)en großselǧuqischen Machtbereiches; Aussagen wie „1118 […] the Great Seljuq empire finally disintegrated“1753 vermitteln, wie gesagt, ein falsches Bild. Dass sich Sanǧar sogar noch ganz am Ende seines langen Lebens um die Anerkennung des irakischen Juniorsultans in Bagdad sowie um die Zangidenherrschaft in Syrien kümmerte, verdeutlicht vielleicht am besten, wie untrennbar seine Position von einer Verantwortlichkeit für Ost und West war. Dementsprechend sollte auch von immer wieder zu findenden, im Grunde widersprüchlichen Bezeichnungen wie „ḫurāsānisches Sultanat“ oder „ostselǧuqisches Reich“ Abstand genommen werden, wenn es um Sanǧars Herrschaft ab 1119 geht! Teilreiche sind deshalb Teilreiche, weil es noch eine verbindende Herrschaftsebene darüber gibt. Ohnehin zeigte sich, dass Sanǧars Imperium auf mehreren Ebenen, bis zu fünf an der Zahl, organisiert war, und sich die Institution des Sultanats unter ihm noch mehr zur Oberherrschaft über andere entwickelte, zur überregionalen Klammer. Agadshanow, der konsequent vom „ostselǧuqischen Staat“ spricht und in den Angaben der Quellen bezüglich Sanǧars Reich starke Übertreibungen sieht, meint offenbar, eine Täuschung aufzudecken, wenn er erklärt, dass Sanǧar in vielen Gebieten ja „lediglich“ in ḫuṭba und sikka anerkannt wurde, ohne dort in der gleichen Weise „real“ zu herrschen wie etwa in Ḫurāsān.1754 Was hierbei nicht bedacht wurde, ist, dass ebendies doch eigentlich die Normalität war – genau so funktionierte die imperiale Ebene in einem Reich wie dem der Selǧuqen. Selbstverständlich herrschte das Reichsoberhaupt (selbst jemand wie Malik-Šāh I.) nicht überall gleichermaßen direkt, sondern begnügte sich oft damit, dass jene, denen er die Regierung eines Territoriums überlassen hatte, ihre jeweilige Stellung in der Hierarchie akzeptierten, sich dementsprechend verhielten und dies offiziell anzeigten. Man sollte, wie gesagt, keine fremden Maßstäbe wie den moderner (gar zentralistischer) Staatlichkeit anlegen und nicht verkennen, welchen für damalige Verhältnisse staatsrechtlichen Charakter die nicht zufällig so umkämpfte Namensnennung in ḫuṭba und sikka hatte. Dahinter, wer in welcher Form genannt wurde, standen ja immer konkrete politische Zwänge; keine Person wurde einfach so ohne driftigen Grund aufgeführt. Die Namensnennung war der entscheidende, allgemein anerkannte Ausdruck ganz realer Machtverhältnisse und legitimatorischer Abhängigkeiten. In den Dokumenten, welche von der Selbstdarstellung des „Weltherrschers“ Sanǧar zeugen, ist es ja auch mitnichten so, dass sich der Großselǧuqe damit rühmt, der eine, einzig wahre Monarch zu sein (und über einen zentralistischen Einheitsstaat zu ge1752 Al-Ġazālī hatte dem jungen Sanǧar einst geraten, alles genau so wie sein Vater Malik-Šāh zu machen, s. Faḍāʾil al-anām, S. 41. 1753 Mecit, „Kingship and ideology“, S. 66. 1754 Agadshanow, Seldschukiden, S. 178 f., 241 f.

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Das imperiale Gefüge

bieten) – ganz im Gegenteil: Es wird immer wieder betont, dass er „nur“ der oberste Herrscher einer Vielzahl von Herrschern sei, ein Vater mit vielen Söhnen in aller Welt. Einheitlichkeit (im Sinne von absoluter, gleichmäßiger Durchdrungenheit und Verschmolzenheit) ist hier auch gar kein Kriterium, vielmehr kommt die universal ausgerichtete imperiale Herrschaft – wie etwa in dem von P. Bang und D. Kołodziejczyk herausgegebenen Sammelband Universal Empire für unterschiedliche Reiche vergleichend aufgezeigt – gerade durch Vielfältigkeit zum Ausdruck und lässt sich in erster Linie an einer ausgeprägten Hierarchisierung festmachen, dem klaren Anspruch, allen übergeordnet zu sein: „The key component in the grammar of universal monarchy was the celebration of mastery over a multiplicity of lesser lords and subject populations and their need to pay homage and tribute to the supreme ruler. Enacted in ritual processions and fixed in works of art, imperial lords everywhere attempted to publicise their boundless might by putting on display the infinite diversity of people gravitating to their throne.“1755 „A universal emperor staked out a claim to be the supreme monarch in the sea of con­ tentious and rival lordships; all others ranked below him and were thus, in a sense, part of his hegemony, even if they eluded direct control […].“1756

Indirekte Herrschaft kann es in der Tat auch in einer imperialen Ordnung geben, die aber nicht dasselbe ist wie eine hegemoniale. Entscheidend für ein Imperium erscheint, dass die Abhängigkeit der diversen kleineren Mächte eine formale Abhängigkeit ist, und nicht nur eine informelle. Es reicht also (in Anlehnung an Joseph Nye1757) nicht, wenn die kleineren Mächte nur faktisch abhängig sind, indem sie zwar unter dem Einfluss oder der Kontrolle einer dominanten Supermacht stehen, jedoch weiterhin als (formal) souverän und gleichberechtigt gelten. Sie müssen unterworfen und dem imperialen „Kernzentrum“1758 – als bekennende Vasallen – untergeordnet sein, was aber (nach Michael Doyle) eben nicht heißt, dass die formale Kontrolle (im Rahmen einer horizontalen Integration) direkt sein muss; sie kann auch durch Einsetzung oder Bestätigung einheimischer Führungskräfte (U. Leitner: „sekundäre Eliten“) indirekt

1755 Bang/Kołodziejczyk, „Elephant of India“, S. 27 f.; s. in demselben Sammelbd. etwa auch S. 216 (Größe + Vielfalt als einfache Empire-Definition nach Anthony Pagden) und Hall, „Imperial universalism“, S. 308: „the univeralism internal to these [pre-modern] empires is best seen in terms of pluralism and polyethnicity rather than in terms of standardization and uniformity“. 1756 Bang/Kołodziejczyk, „Elephant of India“, S. 11. 1757 S. Leitner, Imperium, S. 54. 1758 Das („final authority“ besitzende) „Kernzentrum“ eines imperialen Systems bilden nach Leiter (in Anlehnung an Alexander Motyl sowie Barry Buzan und Richard Little) die Führungspersönlichkeiten der „Kerneinheit“ (anderswo „Metropole“ genannt), welche mehrere „Subeinheiten“ (anderswo als „Peripherie“ bezeichnet) unterschiedlichen Typs dirigiert, wobei zur Kerneinheit verschiedenartige Abhängigkeitsverhältnisse bestehen (Leitner, Imperium, S. 152 f., 159).

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ausgeübt werden (Kurt Raaflaub: „expansion through subjection“)1759 – wie das Beispiel des großselǧuqischen Reiches unter Sanǧar bestätigt. Ein Imperium schließt ja die politische Repräsentation der unterworfenen Eliten nicht etwa aus;1760 nur kann es innerhalb des Reiches keine (uneingeschränkt) souveränen Subeinheiten mehr geben,1761 sondern nur noch verschiedene Formen der Abhängigkeit zur zentralen „Letztautorität“.1762 Imperiale Herrschaft, so wie sie sich für das großselǧuqische Reich feststellen lässt, umfasst also ein Spektrum an Herrschaftsgraden, das von unmittelbarer Herrschaft bis hin zu Oberherrschaft/Oberhoheit reicht, wobei letztere (welche vertikal funktioniert) am besten von (horizontal funktionierender) Hegemonie (Vorherrschaft) unterschieden wird, indem man die Frage nach genommener Souveränität sowie der Formalisierung von Subordination und Abhängigkeit stellt. Andernfalls erscheint die Grenze zwischen einer imperialen und einer hegemonialen Ordnung in der Tat (wie Münkler bemerkte) fließend,1763 insbesondere wenn man folgende Unterscheidung M. Doyles zugrunde legt: „Empire is […] a relationship between a metropole and a periphery linked to the metropole by a transregional society based in the metropole; hegemony is a relationship between metropoles, one of which is more powerful than the other.“1764

In Sanǧars Reich war der Zentrum-Peripherie-Gegensatz nicht so stark; es gab Subzentren und Peripherien, wobei die Interaktionen und das Beziehungsgeflecht im „imperialen Inneren“ von wechselseitiger Abhängigkeit bestimmt wurden. Davon abgesehen müssen sich imperiale Herrschaft und Hegemonie auch nicht unbedingt ausschließen: Ein und dieselbe Person kann hier als Oberherr auftreten und dort als (informelle Kontrolle ausübender) Hegemon (im Rahmen einer imperialistischen Außenpolitik).1765 Dass Sanǧar die imperiale Ebene so lange fest besetzt hielt, jedoch, wie vielfach gezeigt, nichtsdestoweniger politische Aufstiegsprozesse abliefen, führte zu einer Be-

1759 Leitner, Imperium, S. 238 f., zu den primären und sekundären Eliten auch S. 225. 1760 So etwa auch Niall Ferguson, s. Leitner, Imperium, S. 60. 1761 Will man Souveränität nicht als absolut, d. h. als unteil- und unabstufbar, verstehen, ließe sich für ein Imperium auch von nur noch eingeschränkt souveränen Subeinheiten sprechen oder von geteilter Souveränität (s. Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 66), wohingegen bei einer hegemonialen Ordnung die Souveränität der kleineren Mächte auf jeden Fall uneingeschränkt bleibt (auch weil die Vormachtstellung freiwillig akzeptiert wird und sie „nur“ die außenpolitischen Beziehungen der Mächte betrifft). 1762 Leitner, Imperium, S. 161, s. auch S. 152 f. („Subeinheit und Kerneinheit“). 1763 Mit Blick auf die USA hält Münkler (Imperien, S. 76 f.) den Unterschied allerdings aus anderen Gründen für „sehr viel fließender […] als oft angenommen“ (s. auch Leitner, Imperium, S. 47); die Einmischung in innere Angelegenheiten kleinerer Mächte sollte durchaus als zentrales Kriterium für imperiale Herrschaft gelten. 1764 Zitiert bei Leitner, Imperium, S. 48; zum Unterschied zw. Imperium und Hegemonie ab S. 47. 1765 Zudem sind innerhalb des Reiches regionale Hegemonien möglich.

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Das imperiale Gefüge

tonung der Regionalherrschaften. Neue Regionalherrscher – mit speziellen Regionalherrschertiteln! – schluckten dabei nicht selten kleinere, lokale Herrschaften, welche so zugunsten mittlerer wegfielen. Aus starken Regionalherrschaften wurden dann unaufhaltsam Königtümer – wobei die Begründung von Dynastien nur konsequent ist – und zum Teil entstanden auf diese Weise die Fundamente für neue Reiche (bei deren Expansion sich später wieder neue Lokal- und Regionalherrschaften herausbildeten). Die Ebene der mulūk und großen Emir-Gouverneure war unter Sanǧar also sehr dynamisch und verdient an dieser Stelle noch einige Ausführungen. Mulūk waren einerseits eingesessene, unterworfene Fürsten wie die Širvānšāhs oder die Bāvandiden und andererseits Vizekönige aus der Dynastie der Selǧuqen, welche bereits in jungen Jahren vom Sultan mit einem Teil des Reiches versorgt wurden. Es folgt eine Übersicht, welche selǧuqischen Teilfürstentümer in dieser Arbeit gefunden werden konnten: – Masʿūd b. Muḥammad, 1111–1120 in der Ǧazīra (sowie Teilen Syriens und Aserbaidschans) – Toġrı̊ l b. Muḥammad, 1119–1125 (?) in Arrān (davor im Norden der Ǧibāl)1766 – Selǧuq-Šāh b. Muḥammad, ca. 1118–1132 und erneut 1139 in Fārs – Masʿūd b. Muḥ., 1121–1130 in Gurgān (und Umgebung) – Dāwūd b. Maḥmūd, 1120er bis 1131, ca. 1133 und 1138–1143 in Transkaukasien – Alp-Arslan b. Maḥmūd, 1120er bis ca. 1156 in der Ǧazīra (und Teilen Syriens) – Sulaimān-Šāh b. Muḥammad, (mit Unterbrechungen?) Ende 1120er bis 1146 (?)1767 in Rayy (und Umgebung) – Masʿūd b. Muḥ., 1130–1132 und 1132–1133 in Arrān (und Teilen Aserbaidschans) – Alp-Arslan b. Toġrı̊ l, 1132–1133 in Fārs – Malik-Šāh b. Maḥmūd, 1133–1148 in Fārs – Sulaimān-Šāh b. Muḥ., 1138/1139 in Ḫvārazm – Selǧuq-Šāh b. Muḥ., 1138/1139 in Armenien – Muḥammad b. Maḥmūd, 1147–1153 in Ḫūzistān – Muḥammad b. Toġrı̊ l, ab ca. 1150 in Fārs Selǧuqische mulūk gab es sowohl direkt unter Sanǧar als auch unter dessen westlichem Juniorsultan; die ihnen zugewiesenen Provinzen lagen an den Rändern der jeweiligen Kernländer (Ḫurāsān und die beiden Irak). Die Dauer, über die sich die einzelnen Vizekönige auf ihren Thronen behaupten konnten, ist sehr unterschiedlich. Insgesamt am kontinuierlichsten einem selǧuqischen Vizekönig unterstellt war Fārs. Wie sich beobachten lässt, waren es in erster Linie die schwachen, kindlichen Marionettenkönige, für die ein anderer regierte, welche sich am längsten halten konnten, wohingegen das

1766 Möglicherweise regierte Toġrı̊ l zwischen 1125 und 1132 noch irgendwo im Osten. 1767 Möglicherweise regierte Sulaimān-Šāh zuletzt auch im Raum Gurgān.

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Modell eines selbstständigen, erwachsenen Selǧuqen-maliks (wie Sanǧar einer gewesen war) versagte. Wohlgemerkt ist es deshalb sehr wichtig, gerade auch die (eher) nominellen (Kind-)Königtümer in den Blick zu nehmen – anstatt sie (wie nicht selten der Fall) zu übersehen oder zu ignorieren –, weil dies dabei hilft, (jenseits der faktischen Herrschaft) die politischen Vorstellungen und Konzepte der damaligen Zeit zu verstehen. Interessiert man sich nur für die harten, „realen“ Machtverhältnisse, dafür, wer sich tatsächlich mit Gewalt und Erfolg durchsetzte und so letzlich Geschichte schrieb, bleiben hingegen grundlegende Strukturen und Ideen des imperialen Projekts verborgen. Die anfangs für selǧuqische Vizekönige gedachte Position auf der Mittelebene wurde zunehmend von Emiren eingenommen, wobei es zwei Möglichkeiten gab: Entweder herrschten Atabeg-Emire als Regenten/Stellvertreter für einen praktisch machtlosen Selǧuqen oder es wurden ganze Provinzen gleich direkt Emir-Gouverneuren unterstellt. So oder so haben wir es hier nicht mit normalen, „kleinen“ Emiren zu tun, die ohnehin vielfach als vulāt einzelne Städte oder Distrikte regierten. Wer als isfahsālār faktisch ganze Länder wie Fārs oder die Ǧazīra kontrollierte – und dabei natürlich Subgouverneure unter sich hatte –, gehörte zu einem exklusiven Klub, für den der (zumindest im Westen aufkommende) Titel malik al-umarāʾ bezeichnend ist. Die Schicht der größten, mächtigsten Militärführer dominierte das Reich und es verwundert kaum, dass sich in Ost wie West ein diffuser Grenzbereich zwischen Emir und malik erkennen lässt, eine neuartige Übergangszone, in der sich Naṣr II. von Sīstān ebenso bewegte wie der Ḫvārazmšāh Atsı̊ z oder Zangī. Die beiden letzteren dürfen vielleicht als die zwei bedeutendsten Emire des Sanǧar-Reiches gelten. Sowohl der Anūšteginide als auch der Zangide rang geschickt mit dem Sultan (Sanǧar beziehungsweise Masʿūd), profilierte sich im Kampf gegen „Ungläubige“ und konnte seine Herrschaft am Ende vererben. Gleichzeitig unterschieden sich die beiden Regionalherrscher in ihrer Strategie: Während Zangī in der Rolle des Atabegs eines Selǧuqen aufstieg, setzte Atsı̊ z unter anderem auf die alte Regionalherrschaftstradition seines Landes. Festzustellen ist auch, dass der Aufstieg der Emire immer erst über den ­malik-Rang erfolgte, ehe man sich von den Selǧuqen löste (und gar selbst das Sultanat beanspruchte). Der Unterschied zwischen mulūk und Emiren – welche unter Sanǧar beide als Provinzherren bestallt werden konnten – war vor allem einer des sozialen Status; erstere hatten gewissermaßen ein Geburtsrecht auf ein Stück vom Reich, aus dem sie sich dann auch finanzieren konnten. Selǧuqische Vizekönige besaßen auf regionaler Ebene einen Verwaltungsapparat, welcher dem der Sultane glich,1768 wobei ihnen – ebenso wie Vasallenkönigen unterworfener Dynastien – eine Kanzlei und insbesondere ein eigener Wesir zur Verfügung standen. Die Provinzverwaltung unter Emir-Gouverneu-

1768 Horst, Staatsverwaltung, S. 50.

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Das imperiale Gefüge

ren dürfte hingegen grundsätzlich einfacher gewesen sein. Ihnen diente anstelle eines Wesirs nur ein kadḫudā und schaut man sich etwa die Ernennungsurkunde für den ­malik von Gurgān an, so scheint an den selǧuqischen Vizekönig (gerade in Finanzangelegenheiten) auch eine größere Fülle an Kompetenzen delegiert worden zu sein als an Provinzgouverneure aus der Reihe der Emire.1769 Im Falle eines Atabeg-Emirs, der im Namen eines maliks regierte, verhielt es sich natürlich so, dass der Verwaltungsapparat samt Wesir des Vizekönigs faktisch für den Atabeg arbeitete und auch sonst nahmen sich einige der halbautonomen Großemire auf der Schwelle zu mulūk das Recht, eigene Provinzwesire zu beschäftigen. Vālī ist also genau wie nāʾib eine allgemeine Bezeichnung; sowohl ein malik als auch ein Emir (oder ein Zivilbeamter) konnte als Gouverneur und damit als Stellvertreter fungieren. Vulāt gab es dabei auf mehreren Ebenen und der Begriff ist sicher nicht einfach austauschbar mit anderen, spezielleren Bezeichnungen wie šiḥna oder muqṭaʿ. Vielleicht ist es sinnvoll, von „Vollgouverneuren“ – die den übergeordneten Herrscher sehr weitgehend vertraten, an der Spitze einer Provinzbehörde standen und ihrerseits Subgouverneure und Beamte (etwa lokale šiḥnas) ernannten – zum einen reine Militärstatthalter (šiḥnas) und zum anderen rein zivile vulāt oder eher vermittelnde Vorsteher (ruʾasāʾ) zu unterscheiden. Ein šiḥna wäre quasi ein Befehlshaber örtlicher oder regionaler Truppen mit zunächst polizeiähnlichen Aufgaben, der unter anderem auch einem zivilen Gouverneur oder einem unterworfenen Herrscher (wie dem Kalifen) ergänzend1770 zur Seite gestellt werden konnte, also dort in einer besonderen Rolle hervortrat, wo es keinen normalen „Vollgouverneur“ gab (etwa auch in der Hauptstadt). Ferner kam es vor, dass ein Emir zugleich vālī und šiḥna einer Provinz war. Nuvvāb konnte praktisch jeder Amtsträger haben. Die Grenze, ab der jemand seinen Namen in ḫuṭba und sikka nennen lassen durfte, war nicht etwa mit jener zwischen mulūk und Emir-Gouverneuren identisch, auch unter letzteren übten nicht wenige das wichtige Herrscherrecht aus. Allerdings gab es hier, wie gesagt, einen Unterschied zwischen dem westlichen Subsultanat und Ḫurāsān: Im Osten war die Aufführung von vulāt auf Münzen eher unüblich, selbst wenn sie so mächtig wie Qumač von Balḫ waren. Alle mulūk gehörten selbstverständlich einem Herrscherhaus an und dass es auch unter Emiren mitunter zur Dynastiebildung kam, kann eigentlich nicht verwundern und war auch prinzipiell keine gegen den Willen des Sultans erkämpfte Entwicklung. Darüber hinaus wurde Herrschaft auch unter solchen Lokalherren vererbt, die nicht als mulūk galten, sodass es Vasallendynastien nicht etwa nur auf regionaler Ebene gab. Wie Jürgen Paul richtig feststellt, widersprach sich Vererbung bei alledem nicht mit Ernennung.1771 Auf allen Herrschaftsebenen waren etab1769 In inšāʾ-Dokumenten fällt diesbezüglich die Formulierung auf, dass ein Gebiet (von Sanǧar) „Unserem dīvān unterstellt“ wurde. 1770 Auch als Repräsentant (nāʾib) des Oberherrn. 1771 Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 217 f.

Herrschaftsebenen und -zonen

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lierte Dynasten (bis hin zu lokalen Aristokraten) in das hierarchische, auf Delegation basierende System mit eingebunden. Was die Ebene oberhalb der diversen Regionalherrscher angeht, so thronte hier in vielen Fällen nicht gleich der Großsultan selbst. Stattdessen sehe ich drei große Teilreiche, deren Oberhäupter eine Zwischenstellung einnahmen. Es sind dies das westliche Subsultanat, das sich bis nach Indien erstreckende Ġaznavidenreich und das (westliche) Qaraḫanidenreich in Transoxanien. Hier herrschten nicht einfach nur mulūk, sondern Vertreter einer eigenen imperialen Tradition, die wiederum regionale Teilfürsten und Statthalter (etwa in Fārs, dem Farġāna-Tal oder dem Pandschab) unter sich hatten. Daneben bildete das Gebiet zwischen diesen drei Teilreichen quasi ein viertes, in welchem die Provinzherren dem Selǧuqenoberhaupt direkt unterstanden (und die Verwendung des Großsultanstitels für Sanǧar folglich nicht zwingend notwendig war – hier genügte auch das normale as-sulṭān al-muʿaẓẓam). Dazu gehörten sowohl die Emir-Gouverneure Ḫurāsāns und der Ḫvārazmšāh als auch der Herr von Nīmrūz sowie die Machthaber in Māzandarān, Qūmis, Gurgān und Rayy, bei denen es sich ja zeitweise um selǧuqische Vizekönige handelte.

Schaubild 6  Teilreiche innerhalb des Sanǧar-Reichs.

An den Grenzen zu allen drei Teilreichen gab es so etwas wie Brückenköpfe oder Übergangsprovinzen, in denen die oberherrschaftliche Zuständigkeit weniger eindeutig war oder schwankte. So unterstellte sich Sanǧar die Provinz von Buḫārā faktisch direkt, obwohl sie eigentlich zum qaraḫanidischen Herrschaftsgebiet gehörte, und trat zwischenzeitlich die Verantwortung für Rayy an den westlichen Juniorsultan ab, nachdem dieser hier bereits früher in der sikka aufgeführt worden war, obwohl ihm der Großsultan die Provinz 1119 entzogen hatte. Zwischen Sanǧar und dem östlichen Vasallensultan Bahrām-Šāh regierten die Ġūriden, bei denen nicht ganz klar ist, was Sanǧars Suzeränität für die Anerkennung der ġaznavidischen bedeutete. Auch Ġazna wurde von Sanǧar, wenn nötig, besetzt, ohne von hier aus weiter in Bahrām-Šāhs Teilreich vorzudringen. Schon bei Sanǧars Aufstieg zum „Sultan der Sultane“ war es ja, um in Lahore, Ardabīl oder Aleppo offiziell als Oberherr anerkannt zu werden, nicht erforderlich gewesen, jedes Land einzeln zu erobern. Ein Mechanismus, welcher Imperien mitunter schnell anschwellen ließ, war die Übertragung von Oberhoheit: Wenn es gelang, einen Herrscher zu unterwerfen, der selbst schon Vasallen unter sich hatte, verhielt es sich im Idealfall so,

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Das imperiale Gefüge

dass diese Vasallen den Sieger nun ebenfalls anerkennen mussten, als zweiten, übergeordneten Suzerän, ohne dass noch ein direkter Kontakt zu ihnen nötig war. Auf der anderen Seite ließ sich der Eindruck gewinnen, dass Sanǧars Oberhoheit in allen drei Teilreichen nicht in jedem Winkel immer vorbildlich angezeigt wurde. Auch am nördlichen Rand des westlichen Subsultanats fanden sich Dynastien, auf deren Münzen der irakische Juniorsultan ohne den Großsultan genannt ist; allerdings ist zu bedenken, dass es sich in solchen Fällen nie um Dinare oder guthaltige Silber-Dirhams handelt.1772 Grundsätzlich zeigen einige der Zweifelsfälle, Unklarheiten und Schwankungen in der Nachweisbarkeit von Vasallität natürlich auch die größere Flexibilität der Verhältnisse und … „… daß sich Reichszugehörigkeit nicht verfassungstheoretisch abstrakt und [stets] eindeutig definieren läßt, sondern vielmehr als relationales Geflecht aus situativ-pragmatisch durchaus variierenden Geltungsansprüchen beschrieben werden muß, die ihrerseits (für die Zeitgenossen wie für die Historiker) vor allem in performativen symbolischen Akten manifest und real werden.“1773

Zu den internen Verhältnissen und Herrschaftsstrukturen des Qaraḫaniden- und Ġaznavidenreichs liegt leider viel weniger Quellenmaterial als zum irakischen Subsultanat vor. Auf jeden Fall aber lässt sich in Sanǧars Imperium eine komplexe, vor allem auf regionaler Ebene dynamische Hierarchie von Herrschaftsebenen erkennen; Oberherren waren selbst Vasallen, Vasallen selbst Oberherren. Jürgen Pauls Modell zum SanǧarReich ist hingegen eines konzentrischer Zonen. Er unterscheidet 1. eine äußere oder Vasallenzone, in der unterworfene Könige herrschten (darunter jene von Sīstān und Māzandarān, aber auch die Irak-Selǧuqen), 2. eine patrimoniale Haushaltszone (GroßḪurāsān mit Ḫvārazm, Gurgān und Rayy) aus Provinzen, in denen Verwandte Sanǧars oder (mangels eigener Söhne) dessen Militärsklaven als Gouverneure regierten, und 3. eine „imperiale Oase“, welche ohne jeden Gouverneur direkt von Sanǧars dīvān verwaltet wurde. Diese zentrale Oase habe aus Marv und Nīšāpūr bestanden; „ein großer Teil der Ressourcen, über die Sanǧar verfügte, dürfte aus diesem Gebiet gekommen sein“.1774 Paul sagt, dass es in Marv keinen Gouverneur gab, weil die Hauptstadt nicht als iqṭāʿ vergeben wurde,1775 doch ist es vielleicht nicht ganz so einfach.1776 Auch für Nīšāpūr fan1772 Wie einleitend erklärt, machte das Münzmetall einen rechtlichen Unterscheid, s. o., S. 25 f. 1773 Stollberg-Rilinger, „Die zeremonielle Inszenierung“, S. 238. 1774 Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 222. Ferner sieht Paul parallel eine Zone, in der Aristokraten sitzen (vor allem in Gebirgs- und Steppengebieten), und eine, „in welcher Beauftragte des Sultans in Stellvertretung für diesen die Herrschaftsgewalt innehaben“. Die meisten dieser Aristokraten gehörten auf die lokale Herrschaftsebene und sollten einem Gouverneur unterstehen. Ein Aristokrat wie der Bāvandide Mardāvīǧ b. ʿAlī regierte auf der ihm von Sanǧar gegebenen Burg Ǧuhaina für den Sultan. 1775 Ibid. 1776 Wie oben, im Ḫurāsān-Kapitel, zu bedenken gegeben. Auf der Ebene der Regionalherrschaften hatte beispielsweise der Emir-Gouverneur Zangī auch in der Hauptstadt des von ihm regierten selǧuqischen Vizekönigreiches, nämlich in Mosul, einen Statthalter.

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den sich durchaus Hinweise auf einen Emir-Gouverneur, wie man ihn aus der „Haushaltszone“ kennt, und ob Sanǧars immenser Reichtum primär auf den Steuereinnahmen aus der relativ kleinen Hauptstadt-Provinz basierte, ist doch fraglich. Womöglich ließen sich auch Hamadān oder Samarqand als „imperiale Oasen“ charakterisieren (statt von einem Zentrum wäre, wie gesagt, eher von Zentren zu sprechen). Dass die Grenze zwischen Haushalts- und Vasallenzone unscharf ist, sagt Paul selbst. Auch im Teilreich der Irak-Selǧuqen herrschten ja Verwandte, und Provinzen unter (mamlūkischen) Gouverneuren gab es ohnehin überall. Zudem handelt es sich doch ebenso bei den in Rayy oder Gurgān – also innerhalb der Haushaltszone – installierten (und, wie gesagt, von Emir-Gouverneuren unterscheidbaren) mulūk um Vasallen. Die zur äußeren Zone gerechnete Regionalherrschaft von Nīmrūz wiederum kann geradezu als ein innerer Pfeiler des Sanǧar-Reiches gelten. Als äußere Zone würde ich nicht die Gebiete zusammenfassen, wo Vasallen regierten, sondern jene, in denen Sanǧars Rolle hauptsächlich die eines fernen Oberherrn war, dessen Name es (auf Grund übertragener Suzeränität) in ḫuṭba und sikka zu nennen galt. Hieran schloss sich eine dynamische Zone an, deren Herrscher (beispielsweise die ʿAbbāsiden oder die Bāvandiden) von Sanǧars Macht(projektionen) und Einflussnahme schon deutlich unmittelbarer betroffen waren und etwa auch direkte Anweisungen vom Großsultan erhielten. Territorien, in die Sanǧar sogar persönlich Feldzüge unternahm, kann man schließlich als eine dritte Zone außerhalb des ḫurāsānischen Kerngebiets ansehen. Wie geschildert, stieß das Reichsoberhaupt, wenn nötig, im Westen über Rayy bis Hamadān vor und im Osten bis nach Ḫvārazm, Samarqand und Ġazna. Die drei Einflusszonen gingen von einer zentralen Ost-West-Achse aus, deren Verästelungen beispielsweise über Harāt nach Sīstān, von Hamadān nach Bagdad, von Ġazna nach Lahore und von Samarqand bis ins Farġāna-Tal verliefen. Die im Folgenden zu sehende schematische Karte zeigt diese Achsen und Hauptverbindungen zwischen den wichtigsten Provinzen/Ländern und ihren urbanen Zentren, wobei die ungefähren Grenzzonen zwischen den großen Teilreichen orange markiert und jene Netzabschnitte, auf denen Sanǧar höchstselbst unterwegs war, violett hervorgehoben sind. (Graue Teile des Plans bedeuten, dass die Einbindung dieser peripheren Gebiete in Sanǧars imperiale Ordnung zumindest nicht sicher belegt ist.)

Damaskus

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ĀQ L A AB R ʿA

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ḪŪZISTĀN

LURISTĀN

Hamadān

Šīrāz

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Rayy

MĀZAN- GURGĀN DARĀN Āmul Sārī

DIHISTĀN

Nīšāpūr

HV Ā

Gurgānǧ

ZM

Buḫārā

Zaranǧ

NĪM RŪZ

Harāt

ḪURĀSĀN

Marv

RA

Bust

ĠŪR

Balḫ

Tirmiḏ

Samarqand

Schaubild 7  Schematische Karte des großselǧuqischen Reiches unter Sultan Sanǧar.

Bagdad Ḥilla

Takrīt

Mosul

Marāġa

Ardabīl

Šammāḫī N ŠIRVĀN Ā R R A

Ganǧa AI Tabrīz RB AN E H AS SC D

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Arzan arRūm

ǦAZĪRA

DIYĀR BAKR

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S



Aleppo

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Sīvās

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I EN XAN TRA NSO

Darband

FARĠĀNA

Ġazna

TTA L

Tiflīs

ḪU

Ǧand

Kāšġar

Lahore

ĀB PAN Ǧ

344 Das imperiale Gefüge

Herrschaftsebenen und -zonen

345

Einen Überblick, für welche Machthaber sich in den diversen Regionen eine Anerkennung Sanǧars numismatisch nachweisen ließ – oder eben nicht –, bietet die folgende Tabelle. Die Zusammenstellung ist an der Behandlung der einzelnen Reichsteile mit ihren Dynastien und Herrscherlinien, wie sie in dieser Arbeit erfolgte, orientiert. Ein Häkchen ohne Klammern bedeutet, dass Sanǧar (soweit bekannt) auf allen relevanten Prägungen des jeweiligen Machthabers aufgeführt ist, ein Häkchen in Klammern, dass ebendies nicht auf allen relevanten Münzen der Fall ist, es also ebenso (einige) Prägungen gibt, die entgegen dem imperialen Anspruch des Großsultans dessen Nennung vermissen lassen – teils als klarer Ausdruck der Auflehnung gegen ihn. Ein Querstrich steht dafür, dass Sanǧar auf gar keiner Prägung des jeweiligen Herrschers aufgeführt ist. Dasselbe gilt für einen eingeklammerten Querstrich, nur muss die Nichtnennung in diesen Fällen nichts oder nicht viel bedeuten, weil etwa die Datierung (oder überhaupt die Zuordnung) der Prägungen unklar oder unsicher ist (eventuell zu früh oder zu spät) oder es sich lediglich um Æ-Münzen handelt, von denen gar keine Wiedergabe der Herrscherhierarchie zu erwarten ist. In der Tabelle sind auch solche Dynastien enthalten, von denen (bislang) keine Münzen bekannt sind.

Transoxanien: östliche Qaraḫaniden (Kāšġar)

Transoxanien: Qaraḫaniden von Farġāna (Özkend?), unabhängig von westlichen Qaraḫaniden

* keine sikka-Nennung der Burhāniden

Transoxanien: westliche Qaraḫaniden (Samarqand, Münzprägung auch in Buḫārā*, Aḫsīkat, …)

Sīstān: Naṣriden (Zaranǧ)

Ḫvārazmšāhs: Anūšteginiden (Gurgānǧ)

Region: Dynastie/Herrscherreihe (Hauptstadt, Münzstätten)

(–) – (–)

Maḥmūd b. Ḥusain Aḥmad b. Muḥ. Ḥusain b. Ḥasan

wohl keine Münzen bekannt? wohl keine Münzen bekannt

Aḥmad b. Hārūn/Ḥasan Ibrāhīm b. Aḥmad

wohl ohne, doch Bestimmung der Münzen unsicher (und überhaupt unklar, inwieweit Ḥusains von den westlichen Qaraḫaniden unabhängige Herrschaft numismatisch dokumentiert ist)

Es käme (wenn überhaupt) wohl nur eine kurze Zeit in Frage (551–552 H.?) und die wenigen bislang bekannten Münzen Maḥmūds mögen erst nach Sanǧars Tod geprägt worden sein.

nicht auf allen Münzen, teils Nennung des Gür-Ḫāns der Qara-Ḫitai

(✓)

auf den meisten Münzen aus Farġāna

Ibrāhīm b. Muḥ.

(✓)

Ḥasan b. ʿAlī (in Farġāna: Ḥusain)

nicht auf allen Münzen, dafür aber auf einigen aus Buḫārā Nennung Sanǧars ohne Muḥammad

auf allen oder den meisten Münzen, abhängig von unklarer Pahlavān-aš-Šarq-Identifikation

(✓)

Muḥ. b. Sulaimān (in Farġāna: Aḥmad)





Naṣr II.

bereits als malik al-mašriq!

Maḥmūd b. Muḥ.



Ḫalaf

Es kämen nur die Jahre 551 und 552 H. infrage, Il-Arslans bekannte Münzen dürften aber alle aus späteren Jahren stammen.

keine Münzen bekannt, Existenz des Qaraḫaniden zweifelhaft

(–)

Il-Arslan

Erhebung gegen Sanǧar numismatisch dokumentiert; vorübergehend auch nur Nennung des Irak-Selǧuqen!

Nennung Sanǧars in sikka?

„Ibrāhīm b. Sulaimān“

(✓)

Atsı̊ z

Herrscher

346 Das imperiale Gefüge

arab. Irak: ʿAbbāsiden (Bagdad)

* in Rayy: selǧuqischer malik

Irak-Selǧuqen (Sultane) mit ihren Gouverneuren im Kernland (Hamadān, Iṣfahān, Rayy*, …)

Ġūriden

(✓) ✓

al-Muqtafī

(✓)

al-Mustaršid ar-Rāšid



Sulaimān-Šāh



Muḥammad II.



Dāwūd ✓



Toġrı̊ l II.





Maḥmūd II.

Masʿūd

(–)

Masʿūd (Bāmiyān)

Malik-Šāh III.

(✓)

Ḥusain II. (Fīrūzkūh, Münzprägung auch in Ġazna und Harāt)

Sām I.

Sūrī

Ḥusain I.

Ḫusrau-Šāh (?)

erst + Subsultan, dann ohne diesen

meist ohne Subsultan

meist + Subsultan

erst + Subsultan, dann ohne diesen

(s. auch Ḫūzistān: Selǧuqen)

(s. auch Ḫūzistān: Selǧuqen)

Vermutlich wurden alle Münzen Masʿūds erst nach Sanǧars Tod geprägt; der Ġūriden-Sultan von Fīrūzkūh ist darauf auch nicht genannt.

Erhebung gegen Sanǧar nachweisbar

(bislang noch) keine Münzen bekannt (doch dürften unter Sultan Sūrī welche geprägt worden sein)

keine Münzen bekannt



Ḫusrau-Šāh

Makrān: mulūk

auch schon als malik al-mašriq!



Bahrām-Šāh

Ġaznaviden (Ġazna, Münzprägung auch in Lahore) Ḥasan (?)

nur Münzen Farruḫ-Šāhs aus der Zeit nach Sanǧar bekannt

Farruḫ-Šāh

Ḫuttal(ān): mulūk

Herrschaftsebenen und -zonen

347

Ǧazīra: ʿUqailiden von ʿĀna und al-Ḥadīṯa

(als Gouverneure der Zangiden)

Ǧazīra: Begteginiden

Ǧazīra: Zangiden (Mosul)

Ǧazīra: Dyn. des Abū ’l-Haiǧāʾ al-Haḏbānī (Irbil)

Ǧazīra: Aqsonquriden

selǧuqischer malik al-maġrib (unter Kontrolle nichtdynastischer Atabeg-Gouverneure von Mosul)

arab. Irak (Baṭīḥa): Ibn-Abī-’l-Ǧabr-Dyn.

arab. Irak: Mazyadiden (Ḥilla)

Dubais II.

(–)



… b. Sulaimān

Sulaimān

ʿAlī Küčük



Ġāzī I. Maudūd

keine Münzen bekannt

keine Münzen bekannt

anfangs noch + selǧuqischer malik

+ selǧuqischer malik + Subsultan

+ selǧuqischer malik + Subsultan

Zangī I.



keine Münzen bekannt



ʿIzz ad-Dīn Masʿūd

nur Prägungen (Mzst. unsicher) aus der Zeit vor Sanǧars Sultanat bekannt

Aq-Sonqur al-Borsuqī

ohne, nur Nennung des irakischen Sultans, genaue Datierung – möglicherweise war Sanǧar noch nicht Großsultan – und Verortung (wohl eher Aserbaidschan) der bekannten Prägungen aber unklar

Infrage kämen nur die Jahre 513 und 514 H. (Atabeg: Čaʾuš-Beg), bislang sind jedoch nur Prägungen aus der Zeit vor Sanǧars Sultanat (und auch nur aus Aserbaidschan) bekannt.

keine Münzen bekannt

keine Münzen bekannt

Masʿūd b. Muḥammad

Badr

al-Muẓaffar

Naṣr

ʿAlī

Muḥammad

Ṣadaqa II.

348 Das imperiale Gefüge

Anatolien: Salduqiden (Arzan ar-Rūm)

Anatolien: Mengüčekiden

Anatolien: Dānišmandiden (Sīvās, Malaṭya, …)

Ǧazīra: Marwāniden (al-Hattāḫ)

(keine sikka-Nennung der Nīsāniden)

Ǧazīra: I̊ naliden (Āmid)

(Arzan und Bidlīs)

Ǧazīra: Dilmačiden

Ǧazīra: Artuqiden von Ḥiṣn Kaifā (und Ḫartpert)

Maiyāfāriqīn

Ǧazīra: Artuqiden von Mardīn und

(–)

(–) (–)

Ġāzī Salduq II.

Sulaimān I. (Divrīgī)

Dāwūd I. (Kemāḫ, Arzinǧān)

(–)

(–)

Yaġı̊ basan (Sīvās) Ismāʿīl (Malaṭya)

(–)

Ḏū ’n-Nūn (Qaiṣarīya)

Ḏū ’l-Qarnain (Malaṭya)

(–) (–)

Muḥammad

(–)

(–)

(–)

Gümüš-Tegin

ʿĪsā

Maḥmūd

Il-Aldı̊

Daulat-Šāh

Qurtı̊

Toġan-Arslan

Qara-Arslan

Dāwūd

(–) (–)

Alpı̊

wohl ohne, nur Verweis auf Subsultan, jedoch lediglich Æ-Münzen bekannt

keine Münzen bekannt

nur Æ-Münzen bekannt

keine Münzen bekannt

nur Gegenstempel (auf byzantin. Münzen) und nicht sicher bestimmte Æ-Münzen bekannt

Zuweisung des BI-Münztyps unsicher

keine Münzen bekannt

nur Æ-Münzen bekannt

keine Münzen bekannt

nur Æ-Münzen bekannt

nur Æ-Münzen bekannt

keine Münzen bekannt

Sulaimān Temür-Taš

keine Münzen bekannt (vgl. aber Syrien: Artuqiden)

Il-Ġāzī I.

Herrschaftsebenen und -zonen

349



Balı̊ k-Ġāzī



Maḥmūd

Sulṭān b. ʿAlī Qayı̊ r-Ḫan

Syrien: Banū Qarača (Ḥimṣ)

Mālik II.

ʿAlī

Badrān

Mālik I.

Sālim



Zangī

keine Münzen bekannt

keine Münzen bekannt

keine Münzen bekannt

+ Subsultan

+ selǧuqischer malik + Subsultan, auf anderen Dirhams (BI) hingegen wohl keine Selǧuqen-Nennung

keine Münzen bekannt (+ Zangide) + Subsultan

+ Subsultan





Maḥmūd

nur Æ-Münzen bekannt

Abaq



Muḥammad

(–)

Böri Ismāʿīl

nur Prägungen aus der Zeit vor Sanǧars Sultanat bekannt



Il-Ġāzī I. Tuġ-Tegin

(nur Æ-Münzen bekannt) (Nennung des syrischen Selǧuqenkönigs Sulṭān-Šāh)

(–)

Masʿūd I.

Syrien: Munqiḏiden (Šaizar)

Syrien: ʿUqailiden von Qalʿat Ǧaʿbar

Syrien: Zangiden (Aleppo, Münzprägung auch in Baʿlabakk)

Syrien: Böriden (Damaskus, Münzprägung auch in Baʿlabakk)

Syrien: Artuqiden in Aleppo

Rūm-Selǧuqen (Qūniya)

350 Das imperiale Gefüge

Aserbaidschan/Arrān: selǧuqische mulūk

Širvān: Sulamiden (Darband)

Širvān-Šāhs: Yazīdiden (Šammāḫī)

Georgien: Bagratiden (Tiflis)

Armenien: Šaddādiden (Ānī)

Sökmen II.

Armenien: Sökmeniden (Aḫlāṭ)

eventuell nur Nennung des Subsultans (?), jedoch lediglich Æ-Münzen (aus Dvin?) bekannt

Dāwūd b. Maḥmūd

(–)

keine Münzen bekannt (vgl. aber Gurgān: selǧuqischer malik)

Masʿūd b. Muḥ. (Ganǧa)

nur Verweis auf Subsultan, genaue Prägezeit jedoch unklar keine Münzen bekannt (Ein Dinartyp, auf dem Toġrı̊ l tatsächlich als malik genannt ist, stammt noch aus einer Mzst. der nördlichen Ǧibāl-Provinz und der Zeit, als Sanǧar noch nicht Sultan war.)

(–)

Muẓaffar

Nur eine Münze lässt sich sicher in Sanǧars Zeit datieren, doch ist der Sultansname nicht zu lesen; vielleicht wird nur der irakische Sultan genannt.

(aber noch Kalifennennung)

keine Münzen bekannt

aber Nennung des Subsultans (Æ-Münzen)

aber Nennung des Subsultans (Æ-Münzen)

keine Münzen bekannt

keine Münzen bekannt

(Verweis auf den Großmeister in Alamūt und Nennung der Böriden Tuġ-Tegin und Böri)

Toġrı̊ l b. Muḥ.

?

Minūčihr III.

Giorgi III.



(–)

David V.

(–)

David IV.



Demetre I.

Fażl(ūn) IV.

Šaddād

Maḥmūd

Ḫūščihr

Fażl(ūn) IV.

Šāvūr II.

Bahrām

Syrien: Nizāriten (Mzst. Bāniyās)

Herrschaftsebenen und -zonen

351

✓ ✓

Mengü-Bars Boz-Aba

+ Subsultan



Borsuq III.

und *Alāštar)

Ḥamza

nur Münztyp (Mzst. al-Ahwāz) aus der Zeit vor Sanǧars Sultanat bekannt

Aq-Böri

Ḫūzistān/Lūristān: Borsuqiden (Šūštar, Münzprägung in ʿAskar Mukram

keine Münzen bekannt

Abū Ṭāhir

Lūristān: Hazāraspiden (Īḏaǧ)

keine Münzen bekannt

keine Münzen bekannt

Garšāsp II.

Fārs: Kākūyiden (Yazd)

keine Münzen (aus Sanǧars Zeit) bekannt

keine Münzen bekannt

+ selǧuqischer malik, anfangs auch noch + Subsultan

+ selǧuqischer malik + Subsultan

+ selǧuqischer malik + Subsultan

+ selǧuqischer malik + Subsultan

+ Subsultan oder ohne diesen, auf einigen BI-Dirhams aber auch nur Nennung des Subsultans

?

Ḥasan (?)





Qarača

Sonqur

(✓)

Eldigüz

keine Münzen bekannt + Subsultan, Zuordnung der Münzen zu Arslan-Aba aber unsicher



Arslan-Aba

nicht auf allen Münzen: auf einigen BI-Dirhams auch nur Nennung des Subsultans

Beg-Arslan, aka Ḫāṣṣ-Beg Aq-Sonqur I.

keine Münzen bekannt (✓)

+ Subsultan



ʿAbd ar-Raḥmān

Čavlı̊

+ Subsultan



Qara-Sonqur

+ Subsultan



Bulaq

Fārs (Kīš): Banū Qaiṣar

Fārs: Šabānkāra (Ǧūšnābād)

Fārs: Salġuriden (Šīrāz)

Fārs: Atabegs, nichtdynastisch (Šīrāz, Münzprägung auch in Fasā)

Aserbaidschan/Arrān: Eldigüziden (Münzprägung in Urmiya und Salmās)

Aserbaidschan: Aḥmadīlī-Atabegs (Marāġa)

Aserbaidschan/Arrān: Emire-Gouverneure, nichtdynastisch (Ardabīl, Münzprägung auch in Urmiya)

wohl nur Nennung des irakischen Sultans, Datierung der Prägungen aber unklar, möglicherweise war Sanǧar noch nicht Großsultan

(–)

Kün-Toġdı̊

352 Das imperiale Gefüge



Malik-Šāh III. als Sultan

Garšāsp Farāmurz

Gurgān: Dyn. von Gulpāyagān

Gurgān: Dyn. von Langarūd

Dailamān/Gīlān: Zaiditen (Hausam, Lāhīǧān, …)

Qūmis: Emir-Gouverneure, nichtdynastisch (Dāmġān)

Gurgān: Bāvandiden (Ǧuhaina?) ✓

Aq-Sonqur …





‫? طعىه‬

Mardāvīǧ

Masʿūd b. Muḥ.

Rustam

Gurgān: Kabūd-Ǧāma-Dyn.

Gurgān: selǧuqischer malik (Gurgān)

Naṣr?

Rustam



(–)

Bahrām ʿAlī



Ḫumar-Tegin?

Il-Doġdı̊





Muḥ. b. Maḥmūd als malik

Māzandarān: Bādūspāniden (Kuǧū)

Māzandarān: Bāvandiden (Sārī)

Māzandarān: Emir-Gouverneure, nichtdynastisch (Āmul)

Ḫūzistān: Banū Šumla

Ḫūzistān: Selǧuqen (Münzprägung in ʿAskar Mukram)

Dāwūd b. Maḥmūd als Sultan

keine zaiditischen Münzen aus Sanǧars Zeit bekannt

keine Münzen bekannt

keine Münzen bekannt

keine Münzen bekannt

keine Münzen bekannt

wohl nur Münzen (Bestimmung unsicher) aus der Zeit vor Sanǧars Sultanat bekannt

keine Münzen bekannt

nur ein Dinar von 512 H. bekannt, als Māzandarān noch nicht Sanǧar unterstand

nur Münztyp aus der Zeit nach Sanǧar bekannt

+ Subsultan

Herrschaftsebenen und -zonen

353

Wolga-Bulgaren (Bulġār)

Kirmān-Selǧuqen (Bardasīr)

Jemen: Naǧāḥiden (Zabīd)

Jemen: Zuraiʿiden (Aden)

Hedschas: ḥusainidische (Banū Muhannā) Scherifen von Medina

Hedschas: ḥasanidische (Hawāšim) Scherifen von Mekka

Quhistān: Nizāriten (u. a. Gīlakī-Dyn.)

Dailamān: Nizāriten (Alamūt)

aber Anerkennung des ʿAbbāsiden-Kalifen al-Mustaršid aber Anerkennung des ʿAbbāsiden-Kalifen al-Muqtafī

– ‒ – ?

ʿImrān b. Muḥ.

al-Fātik II. al-Fātik III. Arslan-Šāh I.

*Anbal?

keine wolgabulgarischen Münzen aus Sanǧars Zeit bekannt

Es kämen nur die Jahre 551–552 infrage, aus denen bislang aber keine Münzen Toġrı̊ l-Šāhs bekannt sind.

Toġrı̊ l-Šāh *Šamgun?

keine Münzen bekannt

Muḥammad

noch nicht abschließend geklärt

(posthume Nennung des Ṣulaiḥiden al-Mukarram Aḥmad und des Fātimidenkalifen al-Āmir)





keine Münzen bekannt

keine Münzen bekannt

Muḥ. b. Sabaʾ

ʿAlī b. Sanaʾ

?

al-Qāsim II.

Hāšim

Fulaita

al-Qāsim I.

keine Münzen bekannt (vielleicht aber Nennung des Emirs Ismāʿīl b. Muḥ. Gīlakī von Ṭabas auf einem Nīšāpūrī-Dinar des maliks Sanǧar)

(Nennung des Imams Nizār)

?

keine Münzen bekannt (s. aber Syrien: Nizāriten) –

Buzurg-Umīd Muḥammad I.

354 Das imperiale Gefüge

Die Macht des Großsultans

355

V.2 Die Macht des Großsultans Die Ausprägung von Einflusszonen oder „Abstufungen von Macht“ innerhalb des Reiches1777 ist ebenso imperiumstypisch wie dessen (ungleichmäßige) Zusammensetzung aus einer „Vielzahl von Einheiten“, deren Autonomien eben in entsprechend unterschiedlichen Graden begrenzt sind.1778 Auch darüber, in welcher Form und auf welche Weise Sanǧar insbesondere Oberherrschaft (Suzeränität) beanspruchte und so all die Reichsteile an sich band und zusammenhielt, soll im Folgenden noch ein gedrängter Überblick gegeben werden. „Though most 20th century historians do not have a particularly high opinion of Sanjar, his sultanate is viewed in the Muslim sources as a Golden Age.“1779 Dazu, in Sanǧar eher einen schwachen, nicht sonderlich fähigen, scheiternden Herrscher zu sehen, wird nach wie vor geneigt, doch passiert es leicht, die Umstände seiner Zeit zu verkennen und die Realpolitik, welche es brauchte, um überhaupt die imperiale Ebene so lange zu bewahren, mit mangelnder Durchsetzungskraft zu verwechseln. Dies betrifft etwa die Belassung Maḥmūds II. als Sultan oder den Umgang mit Atsı̊ z. Natürlich hatte die Macht des Sultans ihre Grenzen und oft ging es schlicht um Symbolik, da­ rum, das politische Gesicht zu wahren, Kompromisse wie Zeichen von Großzügigkeit, Souveränität und Erhabenheit wirken zu lassen. Aber genau hieraus konnte Sanǧar ja wieder Stärke ziehen, denn für die Aufrechterhaltung seiner imperialen Ordnung waren Prestige und Image, Symbolik und Inszenierung von ganz entscheidender Bedeutung. Jeder Sieg, auch die knappen, eher zweifelhaften, und jeder Herrscher, der ihm irgendwie huldigte oder dank seiner Gnade – mitunter eigentlich: mangels realistischer Alternativen – weiterregieren durfte, trug letztlich zu Sanǧars Ansehen und Weltherrscher-Nimbus bei und verlieh ihm politisches Gewicht. Worauf es ankam, war offenbar eine besondere Mischung aus Milde und Härte. Mit dieser Realpolitik war Sanǧar insgesamt gesehen erfolgreich und Sultan Masʿūd scheint sich den Regierungsstil seines Onkels zum Vorbild genommen zu haben. Als Reichsoberhaupt musste Sanǧar der überregionale politische Mittel-, Bezugsund Orientierungspunkt sein – sein Hof, wie es in einem Dokument so schön heißt, „die qibla der Könige des Landes und der See, die Kaaba der Sultane in Ost und West“ (dargāh-i ḫudāvand-i ʿālam […] ki qibla-yi mulūk-i barr va baḥr va kaʿba-yi salāṭīn-i šarq va ġarb).1780 Die Rolle des imperialen Herrschers ist ja nicht zuletzt die eines Schiedsrichters, wenn sich andere, kleinere Angehörige seiner politischen Ordnung um ihre

1777 D. h. nicht erst ganz an den Rändern. Solche Abstufungen kennzeichnen nach Münkler (Imperien, S. 16) ja imperiale Grenzen im Unterschied zu staatlichen. 1778 In Anlehnung an die Imperiumsdefinition des Historikers Dieter Langewiesche, s. Gehler/Rollinger, Imperien und Reiche, S. 3. 1779 Deborah G. Tor, EIr-Artikel „Sanjar, Aḥmad b. Malekšāh“. 1780 Aḥkām, f. 123v/Barthold, Turkestan – Teksti, S. 39.

356

Das imperiale Gefüge

Plätze in einer der nachgeordneten Reihen streiten.1781 Obwohl auch Sanǧar selbst herausgefordert wurde – von der Koalition um al-Mustaršid und Masʿūd 1132, vom Ḫvārazmšāh Atsı̊ z und dem Ġūriden Ḥusain II. –, war seine Stellung an der Spitze alles in allem stabil, nicht zuletzt dank der Strategie, welche Norbert Elias unter dem Begriff „Königsmechanismus“ beschrieb.1782 Die diversen, teils auch horizontal vernetzten Eliten (an denen vertikal regionale Hierarchien hingen)1783 in das imperiale Projekt zu integrieren, war natürlich ebenfalls ein wichtiger Faktor für dessen dauerhaften Erfolg – und aufwändig, da ein fortlaufender Prozess.1784 Als Integrationsinstrument dienten insbesondere ḫidma-Beziehungen, welche Paul zufolge auch die berechtigte Erwartung an den übergeordneten Herrscher (das integrative Zentrum) einbegriffen, dass dieser sich für ihm vorbildlich geleistete Dienste mit „Wohltaten“ erkenntlich zeigt.1785 Denn um sich als Teil des Reiches zu verstehen, mussten die Eliten auf irgendeine Weise von der imperialen Ordnung profitieren. Dabei ist absolut zutreffend, dass die „relations, called khidma […] linked the sultan not only to the leading emirs, but also [to] family members and „subdued kings“ or vassal kings.“1786 Auf alle Fälle mussten Sanǧars Oberherrschaft und das verbindliche Bekenntnis dazu öffentlich dargestellt, die akzeptierte Unterordnung unter ihn bekundet und für jeden ersichtlich zum Ausdruck gebracht werden. Dies erfolgte über eine Vielzahl von Statussymbolen und Privilegien, protokollarischen Regeln des sozialen Umgangs und zeremoniellen Ritualen: Wer zu wem kommen musste, an welcher Stelle genannt und über welche Entfernung eskortiert wurde, wie oft jemand eine Militärkapelle spielen lassen durfte, wie viele Tage für jemanden Trauersitzungen abgehalten wurden und an wen der Kopf eines getöteten Feindes geschickt wurde – all das diente dazu, sich der Gültigkeit und Stabilität der politischen Ordnung, der Hierarchie und ihres Bestandes zu versichern. Wie Barbara Stollberg-Rilinger für das römisch-deutsche Reich überzeugend herausgearbeitet hat, waren solche Rituale und symbolisch-zeremoniellen Inszenierungen („von Ordnung, Recht, Stand, Rang, Ehre, Konsens“) angesichts „der Abwesenheit einer systematischen kodifizierten Verfassung“ „von substantieller

1781 S. Münkler, Imperien, S. 67. 1782 S. Neckel, „Teile und herrsche – und werde unentbehrlich“. Der Begriff stammt aus Elias’ Werk Die höfische Gesellschaft – Untersuchungen zur Soziologie des Königtums und der höfischen Aristokratie (Frankfurt am Main 1983) und meint die Strategie eines Monarchen, gefährlich starke Gruppen unter seiner Herrschaft so gegeneinander auszuspielen, dass sie sich, bei Aufrechterhaltung der Spannung, in einem Machtgleichgewicht befinden und dauerhaft auf ihn angewiesen bleiben. Der Monarch kann seine zentrale Position auf diese Weise festigen und sein Ansehen mehren. 1783 In Anlehnung an Ernest Gellner, s. Hall, „Imperial universalism“, S. 306. 1784 Hall, „Imperial universalism“, S. 307, spricht von „[empires], constantly engaged in negotiation and compromise. One striking way in which this can be seen is in the varied mechanisms the empires used when trying to integrate elites into their core.“. 1785 Paul spricht hier von „Pflichten des Herrn“ (gegenüber seinem Gefolgsmann), s. dazu Lokale und imperiale Herrschaft, S. 375 f. (und zur „Aristokraten“-Integration durch ḫidma etwa S. 444 f.). 1786 Paul, „Administrative Legacy“, S. 5.

Die Macht des Großsultans

357

Bedeutung für das Funktionieren des Reichsverbands als Handlungsgeflecht und Orientierungssystem“.1787 Die imperiale Ordnung wurde in ihnen manifestiert und durch sie immer wieder neu konstituiert, sodass in den symbolisch-rituellen Akten gar „ein vormodernes Äquivalent für die geschriebene Verfassung der Moderne gesehen werden kann – ein Äquivalent allerdings, das einer anderen, eigenen Logik folgte“.1788 Je komplizierter die Verhältnisse und komplexer die Herrschaftsstrukturen, desto komplexer wurde dabei auch das Titulatursystem, weshalb sich an den Titeln und Ehrennamen (fundamental und charakteristisch für die Selǧuqen: sulṭān und alqāb auf ad-dunyā wa-’d-dīn) viel ablesen lässt. Indem sie die politische Ordnung widerspiegeln, erlauben die Titulaturen in gewisser Weise sogar Rückschlüsse auf den Zustand des Reiches hinsichtlich der Machtverhältnisse, bedenkt man einen nicht untypischen Zyklus: Fungiert eine bestimmte Titel- oder alqāb-Sorte bei ihrem Aufkommen noch als exklusives Machtzeichen, findet mit der Zeit wohl oder übel eine Öffnung und Verbreitung statt, die schließlich einen Wertverfall bewirkt (infolgedessen wieder neue Varianten und Formen als Distinktionszeichen in Mode kommen). Beachtung verdient in diesem Zusammenhang auch, dass die gezielte Inflationierung von alqāb, also deren absichtliche Abwertung, bisweilen quasi als ein Mittel der nichtmilitärischen Kriegsführung zur Untergrabung einer politischen Ordnung eingesetzt wurde (man könnte also von „Titel-Kriegen“ sprechen). Die Anzeige und Ablesbarkeit von Oberherrschaft sind natürlich nur deren eine Seite. Die andere ist die der konkreten Interventionen und Kontrollmechanismen, der materiellen Anrechte beziehungsweise Verpflichtungen, die der Inanspruchnahme vasallitischer Dienstbarkeit. Wie erklärt, war die Herrschaft des letzten Großselǧuqen ja nicht weniger imperial als die seiner Vorgänger; sie war nie nur eine Hegemonie (oder nur regional) und um sie adäquat zu erfassen, muss der Selbstdarstellung des imperialen Zentrums ebenso Interesse geschenkt werden wie es nötig ist, die Architektur des imperialen Gewölbes aus den einzelnen Regionen heraus zu analysieren. Diese bottom-up-Perspektive offenbart eine Pluralität an (individuellen) Beziehungen; dem heterogenen Reichscharakter entsprechend äußerte sich die Macht des Großsultans nicht immer und überall auf die gleiche Weise: „Behind the idea of world rule were imperial conglomerates comprising a vast variety of relationships and degrees of submission, from directly controlled territories, to client kings and tribal chieftains, as well as distant kingdoms that might occasionally send an embassy bringing gifts symbolically to confirm their allegiance or recognition of the emperor, the highest tributary lord.“1789

1787 Stollberg-Rilinger, „Die zeremonielle Inszenierung“, S. 243 f., 246. 1788 Stollberg-Rilinger, Des Kaisers alte Kleider, S. 14. 1789 Bang/Kołodziejczyk, „Elephant of India“, S. 11 f.

358

Das imperiale Gefüge

Nun lässt sich an gelegentlichen Gesandtschaften mit Geschenken allein sicherlich keine Oberherrschaft und (damit) Reichszugehörigkeit festmachen und bei Tributen erscheint es sinnvoll, danach zu differenzieren, wie regelmäßig diese entrichtet werden und inwieweit vom Empfänger vorgegeben ist, wann was und wieviel entrichtet wird. Nur weil jemand (einmalig oder ab und an, im eigenen Interesse, aus eigenem Kalkül) Tribut leistet, konstituiert dies noch nicht gleich ein Vasallitätsverhältnis im Sinne einer Souveränitätsbeschneidung1790 – die Position des Tributempfängers im Machtbereich des Tributleistenden ist deshalb also noch nicht die eines imperialen Herrschers. Vielmehr wäre ein solcher Gelegenheitstribut ähnlich einzustufen wie die Akzeptanz einer Hegemonialstellung (welche ja auch enge Bündnisse mit dem Hegemonen einschließt). Die Grenze zur Oberherrschaft mag dann als überschritten gelten, wenn Tribute zwar noch Pauschalzahlungen sind, aber regelmäßig entrichtet werden müssen, der tributpflichtige Herrscher als solcher (urkundlich) bestätigt oder eingesetzt wird (auch mit Einfluss auf die Titulatur) und die Anerkennung des Suzeräns unter anderem durch dessen Nennung in der ḫuṭba (und sikka) erfolgt. Auf der nächsten Stufe handelt es sich dann nicht mehr nur um pauschale Tributforderungen, sondern um direkte Eingriffe in die Finanzen der untergeordneten Macht: Es werden ganz bestimmte Einnahmen (anteilig oder vollständig) beansprucht und umgewidmet (wobei die Abführung dieser Gelder durch imperiales Personal überwacht wird). Ebenso erfolgen bei stärkerer Intensität der Oberherrschaft weitere Eingriffe in die Innenpolitik, etwa in Zusammenhang mit der Besetzung von Ämtern, und kommen weitere Verpflichtungen wie die zur Heeresfolge (oder zur Stellung politischer Geiseln) hinzu. So hatte Sanǧar grundsätzlich das Recht, in die Teilreiche seines Imperiums hineinzuregieren. Wie sich zeigte, bewirkte er im irakischen Subsultanat mehrfach Ernennungen (auch Wiedereinsetzungen) und Entlassungen, wovon in erster Linie Wesire betroffen waren, aber auch Gouverneure. Außerdem gab der Großsultan dem Junior­ sultan oder auch direkt dessen Gouverneuren konkrete Handlungsvorgaben (Angriffe auf Bagdad, Berufung eines Gremiums zur Kalifenwahl, Verstoßung ar-Rāšids), ordnete die Freilassung inhaftierter Personen an und befahl Exekutionen. Im Normalfall scheint dies so abgelaufen zu sein, dass die Ernennungen etc. nicht am Subsultan vorbei erfolgten, sondern dieser entsprechende Anweisungen erhielt. In bestimmten Fällen wurde Sanǧars Entscheidung auch aus dem Subsultanat heraus erbeten. Da wir über die interne Geschichte des ġaznavidischen und des qaraḫanidischen Teilreiches wesentlich schlechter unterrichtet sind, lässt sich nur annehmen, dass Sanǧar auch hier wenig Hemmungen hatte, sich wiederholt einzumischen. Hinweise sind die Ernennungen, welche er in Buḫārā vornahm, die Betrauung eines seiner Ex-Wesire mit der Finanzaufsicht in einem (ja wahrscheinlich transoxanischen) Gebiet 1790 Mit einer Tributzahlung ließ sich die Unterwerfung unter jemandes Oberherrschaft eventuell sogar noch abwenden; auch konnte eine solche Zahlung im Sinne einer Reparation einen Krieg beschließen.

Die Macht des Großsultans

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der bilād-i Turk und die Beschäftigung eines ʿāmil aus Sanǧars dīvān in Ġazna. Was die Thronfolge in den Vasallendynastien angeht, so konnten die unterworfenen Herrscher zwar zunächst selbst einen valī-ʿahd bestimmen, nur lag es am Großsultan, diesen letztlich auch zu bestätigen oder stattdessen einen eigenen Kandidaten einzusetzen. Sanǧar respektierte also prinzipiell die Erblichkeit, hatte als Suzerän aber überall das letzte Wort.1791 Unter seiner Oberhoheit hatte bereits Naṣr II. (just nach einem Aufenthalt beim malik al-mašriq) den eigenen Vater vom Zaranǧer Thron verdrängt und erfolgte zuletzt noch die Thronbesteigung des Ġaznaviden Ḫusrau-Šāh. Dazwischen versuchte Sanǧar zweimal ohne Erfolg, den regierenden Bāvandiden durch einen anderen zu ersetzen; bei der Wahl eines neuen Kalifen galt es, sehr behutsam vorzugehen und nicht einfach selbst ein willenloses Kind zu bestimmen (das dann von niemandem anerkannt worden wäre). Dass der irakische Juniorsultan von seinem Onkel (ebenso wie besagte Bāvandiden) eine Bestallungsurkunde erhielt, wissen wir von Ibn al-Aṯīr; daneben hat sich sogar der Text eines Ernennungsschreibens für einen Ḫaqan erhalten. Eng verbunden mit dem Anspruch, in die Thronfolge einzugreifen, ist die Forderung des Oberherrn, dass aus den Vasallendynastien je ein Prinz (möglichst der Kronprinz) für eine Weile an seinem Hof leben und, zum Zeichen der Unterwerfung, in seinen Dienst treten sollte. Auf diese Weise wollte man den Nachwuchs zum einen früh an die übergeordnete Macht binden und entsprechend erziehen, in der Hoffnung, später auf seine Loyalität zählen zu können. Zum anderen handelte es sich quasi um politische Geiseln, um ein Druckmittel, und zwar auch in der Hinsicht, dass der Oberherr jemanden hatte, der sich, falls erforderlich, als Gegenkandidat zum regierenden (aber ungehorsamen) Vertreter der Vasallendynastie aufstellen ließ. Der übergeordnete Herrscher verfügte gewissermaßen über ein Reservoir an Prinzen und anderen Verwandten bedeutender Machthaber, um daraus jederzeit Positionen neu besetzen zu können, mit Männern, die er kannte und die ihm zum Dank verpflichtet waren. Dieses Reservoir füllten ebenso Vertreter von Vasallendynastien, welche zu Sanǧar geflohen oder von diesem, weil sie störten, einstweilen aus dem Herrschaftsbereich ihrer Familie entfernt worden waren, um sie am imperialen Hof besser unter Kontrolle zu haben. Zweifelsohne muss so ein interessanter, bunter Haufen zusammengekommen sein, wobei untereinander vermutlich erste (freundschaftliche) Kontakte geknüpft (oder Antipathien entwickelt) wurden, die später, als manche der Geiseln, Gegenkönige auf Abruf und Thronanwärter Herrscher waren, noch eine Rolle spielten. Wohlgemerkt gilt das Gesagte nicht allein für den Hof des Großsultans: Auch an Höfen auf den Ebenen der Teilreiche und Regionalherrschaften mussten sich Prinzen abhängiger Machthaber einfinden. Überhaupt war Präsenz ein zentraler Punkt: Es reichte nicht, immer nur einen Prinzen zu schicken – auch der Vasallenherrscher selbst hatte (zumindest, wenn er dazu

1791 Auch Paul kommt zu diesem Schluss, s. Lokale und imperiale Herrschaft, S. 220.

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Das imperiale Gefüge

aufgefordert wurde) vor seinem Oberherrn zu erscheinen. Letzterer wollte sich bei solchen Treffen vergewissern, dass ihm der untergeordnete Herrscher immer noch ergeben war, und ließ in den Inszenierungen dieser Begegnungen gewissermaßen die Reichsordnung öffentlich in Erscheinung treten.1792 Wenn der Vasall einbestellt wurde, konnte dies auch ein Aufruf zur Heeresfolge sein, allerdings scheint es meist gereicht zu haben, dem Oberherrn Truppen zu stellen, ohne diese als Herrscher persönlich anzuführen (hiermit wurde manchmal ein Prinz beauftragt). Auf welche regionalen Truppen sich Sanǧar bei seinen großen Feldzügen stützen konnte, zeigt folgende Übersicht:1793 – Irak-Feldzug von 1119: Sanǧar + Qumač (Balḫ) + Öner (Nīšāpūr?) + Ḫvārazmšāh Muḥammad I. + Kākūyide Garšāsp II. (Yazd) + Sohn Naṣrs II. (Sīstān) + Truppen des Ġaznaviden Bahrām-Šāh + Truppen aus Ġūr + Truppen des westlichen Qaraḫaniden (Samarqand) – Irak-Feldzug von 1132: Sanǧar + Toġrı̊ l II. + Qumač (Balḫ) + Amīr-i Amīrān (Harāt?) + Ḫvārazmšāh Atsı̊ z + Bāvandidenprinz Rustam b. ʿAlī – Ḫvārazm-Feldzug von 1138: Sanǧar + ḫurāsānische Emire + Truppen aus Sīstān + Truppen aus dem Irak + Truppen aus Māzandarān – Transoxanien-Feldzug von 1141: Sanǧar + westlicher Qaraḫanide Maḥmūd (Samarqand) + Qumač (Balḫ) + Naṣr II. (Sīstān) + Burhānide ʿUmar I. (Buḫārā) + Kākūyide Garšāsp II. (Yazd) + Truppen des Ġaznaviden Bahrām-Šāh + Truppen aus Ġūr + Truppen aus Māzandarān + Truppen aus dem Irak Der Vorteil des imperialen Herrschers war natürlich der, besonders viele Truppen sammeln zu können; selbst wenn sich ein einzelner Vasall (wie der iṣfahbad oder auch der Fürst von Ḫuttal) weigerte, kam ein großes Heer zusammen. Anscheinend konnte Sanǧar so insgesamt bis zu 100 000 Mann ins Feld führen. Von so zentraler Bedeutung wie die Heeresfolge waren auch die finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Oberherrn. Paul schreibt: „Materielle Verpflichtungen, etwa in Form von Tributleistungen, werden nicht berichtet. Ebenso wenig hatte Sanǧar und sein dīvān das Recht, in den unterworfenen Königreichen Positionen zu besetzen.“1794 Zu letzterem Punkt wurde bereits angemerkt, dass Sanǧar auch in der „Vasallenzone“ definitiv Posten besetzte; über Tributzahlungen lesen wir zum Beispiel, dass der Ġaznavidensultan Jahr für Jahr (mindestens) eine Viertelmillion Dinar aus dem Steueraufkommen der Kapitale an seinen selǧuqischen Suzerän abzuführen hat-

1792 Regelmäßige „Aufführungen“, d. h. Sichtbarmachungen, der Ordnungsstrukturen „vor einer qualifizierten Öffentlichkeit“ waren für den Erhalt der Ordnung notwendig, s. dazu (und überhaupt zur Präsenzkultur) Stollberg-Rilinger, Des Kaisers alte Kleider, S. 11 und ead., „Die zeremonielle Inszenierung“, S. 238 f. 1793 Ich beschränke mich auf Feldzüge, zu denen in den Quellen wenigstens einige Teilnehmer aufgezählt werden; Anspruch auf Vollständigkeit besteht nicht. 1794 Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 221.

Die Macht des Großsultans

361

te.1795 Regelmäßige Tributleistungen konnten aber auch, wie im Falle der Ġūriden, aus speziellen, landestypischen Produkten bestehen oder, wenn es sich um nomadische Machthaber handelte, aus einer bestimmten Stückzahl an Vieh. Im Teilreich des westlichen Subsultans war der Großsultan gewissermaßen muqṭaʿ, hatte er doch eine ganze Reihe spezieller Einnahmen sich selbst statt Maḥmūd II. zugesprochen, ohne deshalb auch die Regierung der betroffenen Gebiete an sich zu ziehen. Nach einer Quelle gingen an Sanǧars dīvān aus dem irakischen Subsultanat so jährlich 300 000 Dinar (in diesem Falle natürlich statt gesonderter Tributzahlungen). Wie Vizekönige und Provinzgouverneure mit den Finanzen in ihren Territorien verfuhren, ist nicht einfach zu durchschauen. Grundsätzlich scheint es angebracht, doch zwischen politischen Ämtern wie dem des vālī (oder šiḥna) und der Stellung als muqṭaʿ zu differenzieren. Das iqṭāʿ1796 ist eine allgemeine Form der finanziellen Zuwendung, mit der der Herrscher praktisch jeden bedenken konnte:1797 seine Militärs und Beamten, seine Frauen und Höflinge. So konnte man wohlgemerkt ein Gebiet als Lehen innehaben, das heißt die hier zu erhebenden Steuern (ganz oder teilweise) für sich einziehen, ohne gleichzeitig als Gouverneur über ebendieses Gebiet zu regieren.1798 Andersherum war es genauso möglich, dass man der Gouverneur eines Gebiets war, sein(e) Lehen jedoch nicht an diesem Ort, sondern ganz woanders hatte. Der vālī einer Stadt war daher nicht zwingend deren muqṭaʿ. Praktischerweise dürfte es aber oftmals durchaus so gewesen sein, dass man als Gouverneur Steuern aus jenem Gebiet für sich behalten durfte, über das man auch herrschte.1799 Dabei hatte ein Provinzgouverneur jedoch wohl nicht einfach Anspruch auf sämtliche Einnahmen. Denn zum einen war er nicht der einzige muqṭaʿ des Territoriums, das er regierte, sondern vielmehr in seiner Eigenschaft als vālī für eine bunte Vielzahl – ihm untergeordneter – lokaler Lehensinhaber verantwortlich.1800 Zum anderen flossen wohl die Einnahmen aus jenen Teilen der Provinz, welche nicht als Lehen vergeben waren, (nach Abzug der Gehälter für Provinzbeamte etc.) an den dīvān des Sultans, wofür der vālī Sorge

1795 Im Übrigen soll der Herrscher von Ġazna wohl schon einmal, Mitte des 11. Jh., für kurze Zeit einen (nicht für die Bezahlung der eigenen Truppen) benötigten Teil der Grundsteuereinnahmen (ḫarāǧ al-bilād) an die Selǧuqen abgeführt haben, s. Ḥusainī, Aḫbār, S. 15. 1796 Ich kann und will die iqṭāʿ-Problematik hier nicht eingehend diskutieren; das Thema wurde zuletzt ausführlich von Jürgen Paul behandelt, s. Lokale und imperiale Herrschaft, S. 378 ff. 1797 Horst, Staatsverwaltung, S. 62 f. 1798 Für ein Beispiel s. Ibn al-Aṯīr, al-Kāmil, Bd. IX, S. 172. 1799 S. Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 74–80 (Urkunde für einen Gouverneur und šiḥna von Balḫ). 1800 Im arabischen Irak etwa war Bihrūz als šiḥna der Militärgouverneur. Auf dem von ihm regierten Territorium um Bagdad hielten unter anderem der Kalif, ʿIṣmat-Ḫatun und der Wesir des Juniorsultans Lehen; er selbst war hier muqṭaʿ von Takrīt, hatte aber ebenso Besitzungen in Transkaukasien (wo er nicht Gouverneur war). Weiter südlich wurden die Baṭāʾiḥ von einem Lokalherrn regiert, welcher jährlich einen festgelegten Teil der Steuereinnahmen an den Juniorsultan abzuführen hatte. Dieser vergab besagten Teil wiederum als iqṭāʿ an einen seiner Höflinge.

362

Das imperiale Gefüge

zu tragen hatte.1801 Wenn, wie im westlichen Subsultanat, fast alles als iqṭāʿ verteilt und dem Sultan kein ḫāṣṣ-Land mehr geblieben war, gab es für die Finanzbeamten des sultanischen dīvāns folglich kaum noch Arbeit,1802 weil die diversen Lehensinhaber für die Einziehung der ihnen zugesprochenen Gelder selbst zuständig waren (d. h. eigene Steuereintreiber beschäftigten). Darüber, dass sich jeder muqṭaʿ nur so viel nahm, wie ihm zustand, wachte der Gouverneur, vor dessen fiskalischem Zugriff die Lehensinhaber ihrerseits geschützt sein sollten. Wenn eine Provinz einem Vizekönig unterstellt wurde,1803 scheint der Sultan sie finanziell ganz dem malik und dessen dīvān überlassen zu haben, ohne dass hier noch Beamte mit der Erhebung oder Weiterleitung irgendwelcher Steueranteile für seinen eigenen (obersten) dīvān befasst waren. Gewissermaßen ging also die Provinz insgesamt als iqṭāʿ auf regionaler Ebene an den Vizekönig, einschließlich der darin bestehenden (und zu respektierenden) Einzellehen. Auch für letztere wurde der malik zuständig und über alle Einnahmen, die nicht schon einzeln als iqṭāʿāt vergeben waren, konnte er (anders als ein normaler Emir-Gouverneur) eigenverantwortlich verfügen und daraus wohl sogar selbst (neue) Lehen verteilen (Unterbelehnung1804). Ein malik wäre demnach immer (der primäre) muqṭaʿ des seiner Herrschaft unterstellten Gebiets gewesen1805 und vielleicht lediglich zu einer pauschalen Tributzahlung an den Sultan verpflichtet. Jedenfalls soll etwa Masʿūd b. Muḥammad regelmäßig ḥaml (ḥumūl – wohl im Unterschied zu dīvān-Steuern, wie sie ein Gouverneur weiterzuleiten hatte) aus den Vizekönigreichen von Fārs und Mosul sowie aus anderen aṭrāf erhalten haben.1806 Ein Vizekönigreich würde somit dem am nächsten kommen, wofür Lambton die Bezeichnung „administratives iqṭāʿ“ prägte: einem Lehensgebiet, das auch von seinem Inhaber regiert wurde.1807 Allerdings ging Lambton von einer Deckungsgleichheit von 1801 S. Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 69–74 (Urkunde für einen Gouverneur von Rayy). Zu den in den Urkunden häufig erwähnten amvāl-i dīvān s. Horst, Staatsverwaltung, S. 76 f. 1802 Bundārī, Zubda, 135. In der Folge rief der Wesir des Juniorsultans einmal alle Emire dazu auf, einen Teil der Territorien, die sie sich (als iqṭāʿāt) angeeignet hatten, wieder dem Sultan als Kronland (ḥāṣṣ) zu überlassen und den (sultanischen) dīvān-Gebieten hinzuzufügen (id., op. cit., S. 245). Krongüter besaßen zum Beispiel auch die Kalifen. Wahrscheinlich wurde damals nicht mehr genau zwischen Kron- und „Staatsland“ unterschieden; die Sultane vergaben Lehen sowohl aus dem einen als auch aus dem anderen. 1803 S. z. B. Ǧuvainī, ʿAtaba, S. 16–21 (Urkunde für den malik von Gurgān); bei Horst (Staatsverwaltung, S. 114 f.) ist dieser Text nicht den „Urkunden für das Amt des Vizekönigs (malik)“ zugeordnet, sondern den „Urkunden für das Amt des Gouverneurs (wālī)“. 1804 S. dazu auch Paul, Lokale und imperiale Herrschaft, S. 413–418. 1805 Die Einrichtung eines Teilfürstentums mag also der Vergabe einer ganzen Provinz als iqṭāʿ entsprochen haben, wohingegen ein normaler Emir-Gouverneur wohl nicht einfach das gesamte Territorium, für das er politisch zuständig war, als Lehen erhielt und damit vergleichbar selbstständig wurde, sondern unabhängig von der iqṭāʿ-Frage regierte. 1806 Ḥusainī, Aḫbār, S. 164 (s. auch Bundārī, Zubda, S. 121 für den Pl. ḥumūl); Nīšāpūrī, Salǧūq-nāma, S. 74. Die ḥumūl mussten wohl keine Geldzahlungen sein, sondern wurden (auch) in (Luxus-) Waren entrichtet. 1807 Lambton unterscheidet fünf iqṭāʿ-Arten, s. Continuity and Change, S. 103 ff.

Die Macht des Großsultans

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Gouverneursposten und muqṭaʿ-Stellung aus, die es so kaum gab, weil eben aus mehreren Gründen weder ein malik noch ein Emir-Gouverneur in der von ihm regierten Provinz der alleinige muqṭaʿ sein musste. Provinzgouverneure standen über all den (übrigen) lokalen Lehensinhabern; man konnte gleich diversen anderen Personen nur einen bestimmten Teil des einem administrativ unterstellten Gebiets als iqṭāʿ oder (weitere) Lehen woanders innehaben; ein malik durfte zudem wohl unterbelehnen. Der Begriff des administrativen iqṭāʿ ist daher eigentlich nicht hilfreich; die entscheidende Frage ist im Grunde, wieviel von den Steuereinkünften in einer Provinz trotz iqṭāʿāt noch an den zentralen dīvān ging. Hier ist weitere Forschung nötig. Paul sieht unter Sanǧar einen „change from a centralized imperial administration to a mixed one in which centralized administrative routines continued to have their ­place, but another very different style dominated, personal relationships being ever more important, with institutionalized forms relegated to the status of residues.“1808 Richtig ist sicherlich, dass „personal relations of the khidma type were paramount even if the empire was still able to tax agricultural lands to a large degree and therefore also could pay the army in cash.“1809 Die Kontrastierung des auf persönlichen Beziehungen und „politics of land“ gründenden Reiches auf der einen Seite mit einem zentralistischen, bürokratisch-institutionellen, steuerbasierten Reich auf der anderen mag aber zu stark sein.1810 Eigentlich waren persönliche, von Vertrauen und Treue geprägte Beziehungen in vorneuzeitlichen Herrschaftsgebilden (wo Entfernungen der Kontrolle noch Grenzen setzten) ja immer das Entscheidende und ebenso in Reichen wie dem der frühen ʿAbbāsiden das, was etwa die Erhebung und Weiterleitung von Steuern an die Zentrale erst ermöglichte und Institutionen funktionieren ließ. Man könnte es also auch so sehen, dass die Reichsverwaltung vor den Selǧuqen auch schon „a mixed one“ und dies überhaupt der Normalfall war. Vielleicht geht es mehr um den (gewachsenen) Grad der Delegierung von Autorität und darum, wie offiziell (und damit besonders sichtbar) die ḫidma-Beziehungen unter Sanǧar waren. Vor dem Hintergrund, dass zwischen persönlichen und institutionellen Beziehungen nicht scharf zu trennen ist, sollen abschließend noch die Heiratsverbindungen als ein weiteres wichtiges Mittel angesprochen werden, mit dem Sanǧar die imperiale Ebene behauptete und das Reich zusammenhielt. Wie verteilte der „allergrößte“ Sultan seine Töchter und Schwestern und in welchem Umfang konnte er dies tun? Die folgende Tabelle bietet eine Übersicht.

1808 Paul, „Administrative Legacy“, S. 2. 1809 Paul, „Administrative Legacy“, S. 1; Paul meint, der (zentrale) dīvān hätte noch die Steuern aus der „imperialen Oase“ erhoben, wovon dann die ġilmān des Sultans bezahlt worden seien. 1810 Ob man, wie Paul denkt, unter den Selǧuqen tatsächlich nicht mehr genau über Einnahmen und Ausgaben Buch führte und statt zu zählen eher schätzte und mit Pauschalen arbeitete (s. „Administrative Legacy“, S. 18), ist schwer zu beurteilen.

Sanǧars Töchter

Sanǧars Schwestern

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Das imperiale Gefüge

Name

Ehegatte(n)

Anmerkungen

ʿIṣmat-Ḫatun

1. al-Mustaẓhir bi-’llāh, ʿAbbāsidenkalif 2. ein Kirmān-Selǧuqe

ʿIṣmat-Ḫatun verblieb nach

Šāh-Ḫatun Ṣafiyya

Naṣr (II.) b. Ḫalaf, naṣridischer Herrscher von Nīmrūz

Sitāra-Ḫatun

Garšāsp (II.) b. ʿAlī, kākūyidischer Herrscher von Yazd

?

ʿAbd al-ʿAzīz b. ʿUmar Māza, burhānidischer ṣadr von Buḫārā

Gauhar-Ḫatun / Gauhar-i Mulk, genannt mahd-i ʿIrāq

1. Masʿūd (III.) b. Ibrāhīm, Sultan der Ġaznaviden 2. Muḥammad b. Sulaimān, Großḫan der westlichen Qaraḫaniden

Zāhida-Ḫatun ‫سلقم‬

1. Qārin b. Šahriyār, bāvandidischer iṣfahbad 2. ʿAlī b. Šahriyār, bāvandidischer iṣfahbad

?

Mardāvīǧ b. ʿAlī, bāvandidischer iṣfahbad

Mah-i-Mulk-Ḫatun

Maḥmūd (II.) b. Muḥammad, selǧuqischer Subsultan des Westens

?

al-Mustaršid bi-’llāh, ʿAbbāsidenkalif

Die Überführung der Prinzessin nach Bagdad kam wohl nie zustande.

Amīr-Sittī-Ḫatun (mahd-i maimūn)

Maḥmūd (II.) b. Muḥammad, selǧuqischer Subsultan des Westens

Amīr-Sittī-Ḫatun hinterließ eine Tochter namens Gauhar-i Nasab

(Gauhar-Ḫatun

Masʿūd b. Muḥammad, selǧuqischer Subsultan des Westens

Existenz sehr fraglich)

(Tāǧ-*Bega = Tāǧ-Ḫatun?

*Anbal, Sohn des *Kolyn, König der Wolga-Bulgaren

Existenz fraglich)

dem Tod ihres Mannes im Bagdader Kalifenpalast.

Sitāra-Ḫatun wurde laut einer Quelle die „Großmutter der Könige von Yazd“.

Der Sohn der mahd-i ʿIrāq mit dem Samarqander Großḫan, Maḥmūd b. Muḥammad, beerbte Sanǧar als Sultan in Ḫurāsān.

Wie man auch ohne Berücksichtigung von Sanǧars Nichten, Großnichten und Enkelinnen erkennt, waren aus der Perspektive des Großsultans an fast allen wichtigen Fürstenhöfen Prinzessinnen aus dem Hause Selǧuq positioniert, nur in Ġazna und Ġūr residierte während Sanǧars Zeit als Reichsoberhaupt wohl keine solche Dame (mehr). Hierbei ist zu bedenken, dass eine innerselǧuqische Heiratsverbindung mit dem westlichen Juniorsultan sicherlich Vorrang (vor einer mit Bahrām-Šāh) hatte, wobei Sanǧar in diesem Fall aber offenbar die Töchter ausgingen. In Hinblick auf die

Die Macht des Großsultans

365

ʿAbbāsiden war es wiederum so, dass eine erneute Heirat nicht eilte, da ʿIṣmat-Ḫatun

auch als Witwe ihren Zweck erfüllte. Besonders treue Vasallen des Großsultans, der Naṣride und der Kākūyide, waren zugleich auch dessen Schwäger und wahrscheinlich sollte ebenso die ansonsten etwas erstaunliche Verschwägerung mit dem ṣadr der besonders festen Anbindung Buḫārās dienen. Zumindest Zāhida-Ḫatun scheint für ihren Bruder hingegen keine Hilfe bei der Kontrolle Māzandarāns gewesen zu sein. Generell gilt aber, dass die weiblichen Verwandten eine wichtige Rolle bei der Interessenvertretung des Selǧuqenoberhauptes spielten, indem sie quasi als ständige Botschafterinnen fungierten, während die eigentlichen Gesandten eigens für eine bestimmte Mission ernannte Richter, Beamte oder religiöse Würdenträger waren, die nach wenigen der langen, beschwerlichen Reisen wechselten. Berufsdiplomaten gab es nicht. Die Schwestern und Töchter des Sultans nahmen eine manchmal heikle Mittlerstellung zwischen der Dynastie, aus der sie kamen, und jener, in die sie verheiratet wurden, ein, was vor allem in Konfliktsituationen zum Tragen kam. Die Bedeutung und Prestigeträchtigkeit einer ehelichen Verbindung mit der Sultansdynastie machte die Damen natürlich für beide Seiten äußerst wertvoll – viel zu wertvoll, um sie nicht noch als Witwen weiterzuverheiraten. Sie wurden wie auf einem Schachbrett gezielt über das Reich verteilt, während parallel Prinzen aus unterschiedlichen Vasallendynastien am Hof des „Sultans der Sultane“ zusammenkamen. In Yazd soll Sanǧar sogar den Schritt gegangen sein, die Regierung der Stadt zwei Frauen zu überlassen, vermutlich weil die Damen seine Nichten waren. Dazu, ob der letzte Großselǧuqe über seine eigenen Töchter und die Enkelin Gauhar-i Nasab bt. Maḥmūd weitere Nachkommen hatte, liefern die Quellen keine Belege. Interessant ist, dass später zumindest die mulūk von Harāt aus der Dynastie der Kartiden (reg. 1245–1389) eine Abstammung von Sanǧar beanspruchten,1811 doch führt dies schon weit in die Zeit nach dem dramatischen Untergang des Sanǧar-Reiches, als bereits jene Mächte, die unter Begründung neuer, postselǧuqischer Ordnungen das Erbe des „allergrößten“ Sultans angetreten hatten, ihrerseits Geschichte geworden waren. Dabei hatte noch Atsı̊ z’ Urenkel Muḥammad b. Tekiš (reg. 1200–1220) gehofft, seine imperiale Herrschaft nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich in einem ähnlich grandiosen Ausmaß wie einst Sanǧar behaupten zu können, und sich quasi als Talisman den Beinamen Sanǧar zugelegt,1812 siehe Abb. 15. Einer der alqāb des Bāvandiden Ardašīr b. Ḥasan (reg. 1173–1206), welcher ein Enkel von Sanǧars Feind Rustam b. ʿAlī war, lautete gar ġabṭ-i Kisrā va Sanǧar („der Ḫusrau und Sanǧar Nachstrebende“).1813 1811 S. dazu Ṣadīqī, „āl-e Kart“, S. 10; Golombek, „Turbat-i Shaikh Jām“, S. 31, 44. 1812 Ǧuvainī, Tārīḫ-i ǧahāngušāy, Bd. II, S. 78 f. 1813 Ibn Isfandiyār, Tārīḫ-i Ṭabaristān, Bd. I, S. 118 (Antwortschreiben aus Māzandarān an den Gāhaḍavāla-Maharadscha Jayaccandra von Kannauj und Varanasi). Ġabaṭa bedeutet, jemanden ohne Missgunst zu beneiden, ihm (in dem Wunsch, so wie er zu sein) nachzueifern. Sehr bemerkens-

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Das imperiale Gefüge

Abb. 15  Unter dem Anūšteginiden Muḥammad II. in einer ostḫurāsānischen Münzstätte geprägter Dirham mit der Titulatur (Av.-Umschrift:) as-sulṭ[ān al-aʿ]ẓam ʿAlāʾ adDunyā wa-’d-Dīn Sanǧar Abū ’l-Fatḥ (Av.-Feld:) Muḥammad / b. (Rev.-Feld:) as-sulṭā / n; man beachte, dass Sanǧar vor der kunya stehend als laqab fungiert (FINT 1992-13-41).

wert ist auch die Paarung der Namen Kisrā und Sanǧar – der letzte Großselǧuqe (und nicht etwa Alp-Arslan oder Malik-Šāh I.) gilt hier bereits als ruhmreicher, imperialer Monarch schlechthin (s. dazu o., S. 21, Anm. 41).

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384

Quellen- und Literaturverzeichnis

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3. Internet-Datenbanken MANTIS-Datenbank zur Sammlung der American Numismatic Society (ANS): http://numismatics.org/search/department/Islamic Datenbank zur Sammlung in der Ägyptischen Nationalbibliothek, Dār al-Kutub: http://enl.numismatics.org Thesaurus d’Épigraphie Islamique (TEI): http://www.epigraphie-islamique.org/epi/search.php ZENO.RU – Oriental Coins Database: http://www.zeno.ru

Genealogische Tafeln

385

Anmerkungen zu den genealogischen Tafeln Die drei Tafeln zeigen längst nicht alle Zweige der selǧuqischen Familie und auch nicht immer alle Personen innerhalb einer Generation (z. B. wurden lediglich ausgewählte Geschwister der Sultane Alp-Arslan und Malik-Šāh I. aufgenommen). Grundsätzlich gilt, dass vor allem jene Personen Berücksichtigung fanden, welche in vorliegender Arbeit, d. h. in Hinblick auf Sultan Sanǧar, eine Rolle spielen. Besonderer Wert wurde dabei sowohl auf innerdynastische Ehen gelegt als auch auf Heiratsverbindungen der Selǧuqen mit anderen Dynastien (wie den Ġaznaviden). Hierfür war es natürlich erforderlich, auch die Frauen und deren familiäre Hintergründe gleichberechtigt einzubeziehen, auch wenn dies die Komplexität der Darstellung erhöhte und sich in der Folge an einer Stelle (Tafel I, Nachkommenschaft von Yāqūtī b. Čaġrı̊ -Beg) eine Linien-Überscheidung ( ¦ ) nicht verhindern ließ (Yāqūtī ist der Vater Ismāʿīls und Zubaidas, Alp-Arslan u. a. der Vater Arslan-Šāhs und vielleicht auch der ersten Gemahlin des Ġaznaviden Masʿūd III.). Nachkommen einer Person können über die Tafeln verteilt sein und nicht nur Sanǧar findet sich (auch zur leichteren Orientierung) auf mehr als einer Tafel. Vertreter einer Generation sind nicht zwingend auf einer Ebene angeordnet. Linien mit Pfeilen deuten die Fortsetzung einer Dynastie an; gepunktete Linien zeigen sexuelle und/oder eheliche (⚭) Verbindungen, wobei sukzessive Ehen entsprechend nummeriert sind. Die Symbole für Mann und Frau stehen für Personen, deren Namen unbekannt oder unklar sind. zu Tafel I

Entsprechend positionierte Fragezeichen markieren, dass ein verwandtschaftliches Verhältnis ungewiss ist (z. B. kann die Zugehörigkeit des sīstānischen Emirs Abū ’l-ʿAbbās zur Naṣriden-Dynastie nicht als sicher gelten). Die gestrichelte Linie zeigt dabei zudem die Möglichkeit, dass jene Selǧuqin, mit der der Ġaznavide Masʿūd III. verheiratet war, keine Tochter Čaġrı̊ -Begs, sondern Alp-Arslans war. * Sultan Malik-Šāh II. war bei seiner Absetzung 1105 wohl nur etwa 5 Jahre alt. Er wurde von Muḥammad I. damals zwar geblendet und weggesperrt, zeugte später aber offenbar (mindestens) einen Sohn, welcher Rāvandīs Selǧuqen-Übersicht zufolge Berkyaruq hieß (also wie sein Großvater). Ibn Funduq (Tārīḫ-i Baihaq, S. 73) kennt hingegen einen Dāwūd b. Malik-Šāh al-masmūl b. Berkyaruq. ** Böri-Tegin ist der Name, der sich für den oder einen Sohn Tekišs in der Selǧuqen-Übersicht bei Rāvandī findet. Sultan Berkyaruq soll 1094 nicht nur Tekiš getötet haben, sondern auch dessen Sohn. Zu unterscheiden wäre folglich ein weiterer Sohn Tekišs, der 1102 von Mosul nach Bagdad kam und eine Tochter des Emirs Il-Ġāzī b. Artuq heiratete. Der Aḥmad, welchen Zambaur Tekiš irrtümlich als Sohn zuordnet (s. Manuel, genealog. Tafel R, hors texte), ist in Wahrheit der Sohn Sultan Malik-Šāhs I.

386

Genealogische Tafeln

zu Tafel II ♂ alles Jungen, die schon sehr früh (als Säuglinge oder Kleinkinder) verstarben. zu Tafel III Alp-Arġu ist der Name, den Arslan-Arġus Sohn laut Ibn Funduq trug (Tārīḫ-i Baihaq, S. 72). Alp-Arġu wurde geblendet, hatte aber selbst noch Nachkommen in Marv. In Rāvandīs Selǧuqen-Übersicht heißt der (oder ein) Sohn Arslan-Arġus hingegen ‫كى ارغون‬. ** Die Mutter dieser Prinzessin war offenbar eine der selǧuqischen Gemahlinnen Rustams. *



Für mögliche weitere (weniger gut belegte) Ispahbadiyya-Bāvandiden s. Rabino, „Les dynasties du Māzandarān“, S. 422 ff.

387

Tafel I

Genealogische Tafeln

2.

1.

Maḥmūd

Čaġrı˚

˚ ČaġrıŠāh



Dāwūd

Malik-Šāh

Toġrıl˚ II.

Berkyaruq

Masʿūd

Toġrıl˚ III.

Alp-Malik

Tafel II

Alp-Arslan



ʿABBĀSIDEN

al-Muqtag

Sar-i Ǧahān / Nīst-andar-Ǧahān

Masʿūd

Gauhar2. Ḫatun

1.

Alp-Arslan

FāṭimaḪatun

Muḥammad I.

Arslan-Šāh

Muḥammad

Malik-Šāh

Sanǧar

Dāwūd

SelǧuqŠāh

Aḥmad SulaimānŠāh

Muḥammad II.

AlpArslan

Maḥmūd II.



FarruḫŠāh

Malik-Šāh III.

ZainabḪatun

GauharNasab

Amīr-SiiḪatun

Mah-iMulkḪatun

Sanǧar

Safariyya-Ḫatun

ar-Rāšid

Malik-Šāh

Abū ’l-Ḥasan

ʿIṣmatḪatun

Sufrā

Badrān

Ibrāhīm

Manṣūr

al-Mustaršid

al-Mustaẓhir

ʿABBĀSIDEN

Malik-Šāh I.

SELǦUQEN

Ṣadaqa II.

Dubais II.

Muḥammad

Baraka

Ṣadaqa I.

ʿAlī II.

Muḥammad

Maḥmūd I. MAZYADIDEN

Aḥmad

Dāwūd

Terken-Ḫatun

Ibrāhīm

QARAḪANIDEN

388 Genealogische Tafeln





Garšāsp II.

Atā-Ḫan

ʿAṭā-Ḫatun

ʿAlī

Farāmurz

KĀKŪYIDEN

Sām

Atabegs von Yazd

Langar

Vardānrūz (?)

ʿAṭā-Ḫan



Maḥmūd II.

Muḥammad I.

2.

1.

ZāhidaḪatun 2.

1.

Toġan-Šāh

Tafel III



Sitāra-Ḫatun

TerkenḪatun

Sanǧar

Malik-Šāh I.

Arslan-Arġu Alp-Arġu*

Alp-Arslan

Arslan-Ḫatun Ḫadīǧa

˚ Čaġrı-Beg

SELǦUQEN



Qārin

Rustam

Gird(a)-Bāzū

Mardāvīǧ

Rustam

Qārin

Rustam

Ardašīr

Ḥasan

Rustam

ʿAlī

Šahriyār

BĀVANDIDEN

ʿAlī

ʿAlī

Rustam

Yazdigird

Šahriyār

Farāmurz

Ḥasan

Šarag

Bahram



**



Dārā

BĀVANDIDEN

Kīnḫvār

Rustam

Šahriyār

Dārā

Bahman

Kīnḫvār

Yazdigird

Genealogische Tafeln

389

Verzeichnis der Abbildungen und Schaubilder Abb. 1: Dinar des Ḫvārazmšāhs Atsı̊ z, geprägt 538 H. in Gurgānǧ Abb. 2: Dirhams des Naṣriden Ḫalaf b. Naṣr, geprägt in der Hauptstadt Sīstāns Abb. 3: Dinar Sultan Sanǧars, geprägt 513 H. in Hamadān Schaubild 1: Verschiebung des imperialen Schwerpunktes 1118/1119 Schaubild 2: Sanǧars Netzwerk um Juniorsultan und Kalif ca. 1123 Abb. 4: Dinar Sultan Toġrı̊ ls II., geprägt 527 H. in Iṣfahān Abb. 5: Dinar Sultan Masʿūds, geprägt 527 H. (in Hamadān?) Schaubild 3: Stammtafel der (Kāšī- und) Darguzīnī-Wesire Abb. 6: Dinar Sultan Malik-Šāhs III., geprägt 548 H. in ʿAskar Mukram Schaubild 4: Selǧuqische Vizekönigreiche beim Tode Muḥammads I. Abb. 7: Dirham des Artuqiden Balı̊ k-Ġāzī, geprägt 518 H. in Aleppo Abb. 8: Dirham des Atabegs Zangī b. Aq-Sonqur, geprägt 534 H. in Baʿlabakk Abb. 9: Dirham des Atabegs Qara-Sonqur, geprägt 53x H. in Ardabīl Abb. 10: Dirham des Atabegs Qarača, geprägt 518 H. (in Šīrāz?) Abb. 11: Dinar des Atabegs Mengü-Bars, geprägt 530 H. in Šīrāz Abb. 12: Dinar eines Atabegs („ǧabuġa“) von Fārs, geprägt 531 H. in Šīrāz Schaubild 5: Stammtafel zur Borsuqiden-Dynastie Abb. 13: Dinar Sultan Maḥmūds II., geprägt 514 H. in Rayy Abb. 14: Dinar des maliks Masʿūd b. Muḥammad, geprägt in Gurgān (?) Schaubild 6: Teilreiche innerhalb des Sanǧar-Reichs Schaubild 7: Schematische Karte des Sanǧar-Reichs Abb. 15: ostḫurāsānischer Dirham des Ḫvārazmšāhs Muḥammad b. Tekiš

Indices 1. Toponyme Āba ➝ Āva Abarqūh  290, 292 ʿAbbādān 191 Abessinien  62 f. Abhar  59, 131, 279, 296 Aden  113, 289 f., 327 al-Aǧama 187 Ägypten  203, 213, 250, 327, 331 Aḫlāṭ  250, 266 f. Aḫsīkat 97 Ahvāz  136, 280 f., 283 Alamūt  59, 73, 227, 324–326 Alāštar/Alīštar ➝ Līštar Alborz ➝ Elburs Aleppo  50, 214, 216, 223 f., 227–232, 239, 241 f. Almalı̊ q 98 Āmid  245 f., 249 Amudarja  20, 65, 67, 88, 97, 249 Āmul (in Māzandarān)  308–310, 314 f., 318 Āmūya/Āmul (am Amudarja)  88 ʿĀna 215 Anatolien  48–50, 228, 243–250, 267, 280, 329 Andarūn-Tamīša 311, ➝ Māzandarān Ānī 252 al-ʿAqr 215 Arabischer Irak ➝ ʿIrāq al-ʿArab Āram 308 Aras  250, 266 Arbīl ➝ Irbil Ardabīl  250, 258–263 al-ʿArīš 213 Armenien  48, 171, 250, 252, 257, 262, 266– 268, 338

Arōr 113 Arrān  48 f., 59, 146, 149 f., 171, 250–252, 254, 256–259, 261–263, 266, 338 Arzan  245, 267 Arzinǧān 248 Asadābād  148, 160, 205, 212 Aschgabat 21 Aserbaidschan (hist. Region)  48 f., 146 f., 150, 153, 210–213, 250–252, 256–268, 296, 313, 338 Ašib  215, 217 Askalon 227 ʿAskar Mukram  163, 281 f., 284 f. ʿAsqalān ➝ Askalon Astarābād  313, 317, 319, 321 f. Äthiopien ➝ Abessinien Auba  119 f. Āva  131, 141, 295 f. Bāb al-Azaǧ (in Bagdad)  176, 186 Bāb al-Bušrā (in Bagdad)  178 Bāb al-Ġaraba (in Bagdad)  175 Bāb al-Marātib (in Bagdad)  186 Bāb an-Nūbī (in Bagdad)  175 f., 178, 218 Bābil, bilād ~ 203 Bāġ-i Pīrūzī/Fīrūzī ➝ Fīrūzī-Garten Bagdad  32, 48, 57, 70, 127 f., 132 f., 136 f., 141 f., 147 f., 150, 153, 155 f., 164–193, 200 f., 206, 209, 213 f., 216, 221, 230, 237, 241, 246, 265, 272, 276, 385 Bahār  167 f. Baihaq  68, 332 Bakimzā ➝ Schlacht v. ~ Bāl(a)man 318–321

392

Indices

Baʿlabakk  227, 231, 239 f. Balāsāġūn  97 f. Balḫ  48, 52, 54 f., 57–61, 76 f., 79, 91, 99, 109 f., 119 f., 122, 128, 168 Bālis 241 Bāmiyān  109, 122, 127 Bandanīǧīn/Bandanīgān 191 Bānkur/Bāykur ➝ Bātikrū Bān(i)yās  231, 351 Barūnǧ 77 al-Baṣra  59, 131, 191–193, 199 f., 208, 285 al-Baṭīḥa/al-Baṭāʾiḥ  193–198, 206 f. Bātikrū/Bātikru/Bātikur 65 Bayil, Festung v. (Bayıl qalası)  255 Belutschistan ➝ Makrān Bidlīs 245 bilād aš-Šām ➝ Großsyrien al-Bīra 214 Bīrūn-Tamīša  311, 319, ➝ Gurgān Bisṭām  295, 307, 317, 319 f., 323 Bitlis ➝ Bidlīs Bosra ➝ Buṣrā Buchara ➝ Buḫārā Buḫārā  22, 87–89, 92–95, 100 f., 341 Bukkur 113 Bulġār  49, 331 f. Burūǧird  164, 192, 280 f. Buṣrā  208, 227, 231 Bust  76, 106, 109, 118, 122 Buzāʿa  214, 229 Čāč 97 Čaġāniyān 48 China  20, 50, 96, 101, ➝ Kāšġar Chinesisches Meer  50 Choresm(ien) ➝ Ḫvārazm Čulāb/Ǧulāb/Šulāb (in Māzandarān)  314 Dabīl ➝ Dvin Dailam(ān)  59, 73, 296, 315, 324–327 Dām(a)ġān  54, 184, 295, 308, 317, 323 Damaskus  221, 227, 230, 235–241 Damāvand  295, 301 Dār al-Āḫira (in Marv) ➝ Sanǧar-Mausoleum Dār al-Amān (Festung v. Īg)  288 dār aḍ-ḍarb ➝ Münze in Bagdad Dār Ḫātūn/Dargāh-i Ḫātūn (in Bagdad)  175–179 Dār al-Ḫilāfa (in Bagdad) ➝ Kalifenpalast

Dār al-Mamlaka (in Bagdad) ➝ Sultanspalast Dār ar-Raiḥānīyīn (in Bagdad)  175 f. Dār as-Salṭana (in Bagdad) ➝ Sultanspalast Dārā (Festung in Māzandarān)  310 Dārābǧird  136, 286 f. Darb Hārūn  218 Darb Zubaida  207, 328 Darband  250, 255 f. ad-Dārūm 227 Darūn-Tamīša 311, ➝ Māzandarān Dašt-i Kar  120 Dāy-Marǧ 148, ➝ Schlacht v. ~ Difrigī 248 Dihistān (am Kaspischen Meer)  208, 317, 319, 322–324 Dīnavar  148, 281 Divriği ➝ Difrigī Diyār Bakr  48 (➝ Anatolien, ➝ al-Ǧazīra) Diyār Rabīʿa  48 (230, ➝ al-Ǧazīra) „Dreieck v. Nāb“  120 Dvin  171, 250, 257, 267 f. Edessa (Gft. v.)  214, 224, 246 Elburs-Gebirge  251, 296, 308, 310 f., 314, 318 f., 324 Erzincan ➝ Arzinǧān Farab(r) 97 Farāh 81 Farġāna  89, 92 f., 95, 97 f., 341 Farrazīn/Farraǧīn/Barraǧīn  128, 203 Fārs  103, 128, 136, 139 f., 150, 211, 269–279, 286–294, 325, 338, 341, 362 Fasā  272, 286–288 Fir(r)īm 308 Fīrūzī-Garten (in Ġazna)  107 f. Fīrūzkūh (in Ġūr)  115–118, 121, 124–127 Fūman 327 Furǧ 286 Fustaǧān 287 Ǧāǧarm 312 Ǧaiḥūn ➝ Amudarja Ǧallā(d)ǧān ➝ Ḫalādḫān Ǧand  67, 71, 98 f. Gandumān  276 f. Ganǧa  146, 149 f., 250, 254, 256, 258 f., 262 f., 266 Ġarčistān 122 al-Ġarrāf  193, 195–197

Toponyme

Gāvmāsā/Gāvmāhā 131 Gaza-Streifen 227 al-Ǧazīra (Nordmesopotamien)  20, 48, 182–184, 192, 200 f., 204, 210–226, 228–234, 241, 243–246, 248 f., 267, 342, 338, 362 al-Ǧazīratain 230 Ǧazīrat Ibn ʿUmar  211, 214 Ġazna  48, 61, 99, 102, 105–112, 115–119, 122–125, 129 f., 132 f., 172 Georgien  252–254, 259, 263 al-Ǧibāl ➝ ʿIrāq al-ʿAǧam Gīlān  296, 312, 315, 326 f. Girdkūh  54, 318, 325 Ǧīruft 331 Großsyrien ➝ Syrien Gudscharat 113 Ǧuhaina/Ǧuhīna  311, 313, 318 f., 321, 342 Gulpāyagān/Ǧulfādaqān (in Gurgān)  307, 311, 318 f., 321 Ġūr  55, 114–127, 130 Gurgān  54, 67, 129, 306–309, 311–313, 316– 324, 338, 341 f. Gurgānǧ  66 f., 69–75 Ǧūšnābād  287 f. Ḫābūr-Gebiet 214 Ḥadīṯa 215 Haftād-Pūlān 131 Ḥaǧǧārīn-Moschee (in Aleppo)  224 Hāla 197 Ḫalādḫān 325 Ḫalḫāl  184, 262 Hamadān  48, 130–132, 136, 138, 142, 145–148, 150–153, 159–161, 163 f., 173, 184, 212, 225 f., 251, 258, 275, 278, 280 f., 283, 285, 295, 297, 313, 343 Ḥamāh  227, 231, 234 Ḥanafiten-Medrese in Iṣfahān ➝ Medrese der ʿIṣmat-Ḫatun Ḫānlanǧān 325 Harāt  34, 53–55, 57, 76 f., 115, 119–121, 126, 149, 343, 365 Ḥarrān  211, 214, 228, 234 Ḫartpert/Harput  228, 243 f. Hasankeyf ➝ Ḥiṣn Kaifā al-Hattāḫ 246 Hausam  326 f. Hazārasp ➝ Schlacht bei ~

393

Hedschas  48 f., 195, 327 f. Herāt ➝ Harāt Hermon 227 al-Ḥiǧāz ➝ Hedschas Ḫilāṭ ➝ Aḫlāt al-Ḥilla  141, 143, 191–193, 198–208 Ḥimṣ  227, 31, 234 f., 239, 241 Ḥiṣn Kaifā  243 f. Hīt 199 Homs ➝ Ḥimṣ Hormuz 290 Ḥulwān 191 Ḫurāsān  16, 19 f., 23, 26, 32, 45, 48, 53–65, 67, 71, 76–78, 86, 88 f., 92, 94, 96, 114, 120, 126 f., 129, 137 f., 141 f., 149, 156 f., 160– 162, 180 f., 184, 200, 211, 242, 247, 252 f., 265, 280, 294, 296, 299–301, 303, 312, 332, 335, 340–343, ➝ Marv, ➝ Nīšāpūr, ➝ Balḫ, ➝ Harāt(, ➝ Zābulistān/ Ġazna, …) Hurmuz ➝ Hormuz Ḫurramābād ➝ Šāpūr-Ḫvāst Ḫusrauǧird, Moschee v.  332 Ḫuttal(ān) 99 Ḫuvār 301 al-Ḥuwaiza/Ḥawīza 184 Ḫūy  295 f. Ḫūzistān  136, 152, 162 f., 184 f., 193, 269, 276, 279–285, 325, 338 Ḫvārazm  50, 55, 66–75, 87, 92, 129, 169, 303, 338, 341 f., 360 Ḫvāsta-Rūd 319 Īḏaǧ 286 Īg/Īǧ 288 Īlāq 97 al-ʿImādīya ➝ Ašib Imam-Reżā-Schrein (in Mašhad)  139 Indien  50, 108–110, 112–114, 116, 140, 249, ➝ Pandschab, ➝ Sind Indusgebiet ➝ Sind Irak ➝ al-ʿIrāqain, ➝ ʿIrāq al-ʿArab, ➝ ʿIrāq al-ʿAǧam Īrān  53, 82, 127 ʿIrāq al-ʿAǧam  24, 129–131, 136 f., 140, 145 f., 148–153, 159–161, 164, 167, 169, 172, 184, 191, 203, 210 f., 226, 251 f., 256, 276, 279, 290, 294, 296 f., 300, 338, 343, 360 u. passim

394

Indices

(➝ Hamadān, ➝ Iṣfahān, ➝ Rayy, …), ➝ al-ʿIrāqain ʿIrāq al-ʿArab  24, 140, 148, 164 f., 170 f., 173, 176, 190–197, 199 f., 212, 236 f., 279, 361, ➝ Bagdad, ➝ al-Baṭīḥa, ➝ al-Ḥilla, ➝ Takrīt, ➝ al-ʿIrāqain al-ʿIrāqain  16, 24, 48, 50, 117, 129, 137, 140, 144 f., 149, 160 f., 164 f., 210 f., 216, 223, 247, 279, 294, 297, 331 u. passim (➝ ʿIrāq alʿAǧam, ➝ ʿIrāq al-ʿArab) Irbil  217 f., 226 Iṣfahān  48, 101, 127, 128, 131–133, 136, 138 f., 140, 145 f., 150–152, 161, 171, 176 ,179, 184, 192, 271 f., 276, 278, 290, 295 f., 305, 310 Isfīd Diz  275 Iṣṭihbān(ān) 288 Istiya 116 Jaxartes ➝ Syrdarja Jemen  49, 113, 289 f., 327 f. Jerusalem, Kgr. v.  213, 227, 231, 233, 240, 242 Kabūd-Ǧāma  67, 307, 311, 318 f., 321 Kabul 116 Kalifenpalast in Bagdad  173, 175–179, 187 Kalon-Minarett (in Buḫārā) 95 Kanbāyat ➝ Khambhat Kangāvar 148 Karaǧ (Abī Dulaf)  128, 134, 203 Kāšān  295, 303 Kāšġar  49 f., 98 Kawāšī 215 Kāzirūn  286, 288 Kemāḫ 248 Khambhat 113 Kilikien  227, 249 Kirmān  48, 179, 286, 290 f., 329–331 Kirmānšāh(ān)  146, 167 Kīš (Qais)  288–290 Kīz/Kīǧ 113 Kleinasien ➝ Anatolien al-Kūfa  191, 199, 208 Kuǧū  314 f. Kūh-Gīlūya 286 Kūh-i Qārin  308 Kūhistān ➝ Quhistān Kūmiš ➝ Qūmis Kundūz ➝ Valvāliǧ Kura  250, 256

Kurdistan  167 f. Kūršanba ➝ Panǧ Angušt Kyz-Bibi-Mausoleum (in Marv)  86 al-Lāḏiqīya 222 Lafūr 312 Lāhīǧān 326 Lahore  48, 108–110, 112 f., 116, 119, 123 Langarūd (in Gurgān)  307, 311, 318–321 Lāriǧān  310 f., 314 Levante ➝ Großsyrien al-Liḥf  191, 205 Līštar  152, 280–285 Luristān  152, 280–286, 325 Mā warāʾa ’n-nahr ➝ Transoxanien Madīnat as-Salām ➝ Bagdad Madrasa ➝ Medrese al-Maġraqa 184 al-Māhkī 191 Maiyāfāriqīn  243, 249 Mākisīn 224 Makrān  49, 113 f. Malaṭya 247 Manāzgird/Malāzgird 267 Manbiǧ  214, 229 Manqı̊ šlaq  67, 324 Manzikert ➝ Manāzgird Mārabād 119 Marāġa  154, 184, 250, 252, 257 f., 261, 263, 266 Mārdīn  204, 243–245 Marschland im Südirak ➝ al-Baṭīḥa Marv ar-Rūd  53 f., 174 Marv (aš-Šāhiǧān)  13, 20, 23, 30, 48, 53–55, 57, 59, 65–67, 79, 86–88, 103, 105 f., 109, 133, 167, 200, 311 f., 326, 342 f., 386 Mašhad 139 Mašhad-i Miṣriyān 323, ➝ Dihistān Mā warāʾa ’n-nahr ➝ Transoxanien Māzandarān  48, 74, 129, 152, 295 f., 301 f., 304–315, 318–320, 341 Medina (al-M. al-munauwara)  48, 327 f. Medrese der Ḫatun Mahd-i ʿIrāq (in Nīšāpūr)  92 Medrese der ʿIṣmat-Ḫatun (in Iṣfahān) 176, 179 Mekka  48 f., 195, 327 f. Mesopotamien ➝ ʿIrāq al-ʿArab, ➝ al-Ǧazīra

Toponyme

Messing-Burg ➝ Rūʾīn Diz Mīl-e Qāsemābād ➝ Qāsemābād Mittelasien ➝ Transoxanien Mittelmeer(küste)  50, 213, 227, 230 Mosul  48, 148, 182–184, 192, 200 f., 204, 211–226, 229, 342 al-Muǧāhidīya 171 Münze (dār aḍ-ḍarb) in Bagdad 32, 169 Mūqān/Mūġān  250, 313 al-Muṯammana (in Bagdad)  172 f. Nāb  119 f. Naǧd 328 Naḫčivān  251, 263 f. Nahrawān(-Kanal)  171, 178 Naisābūr ➝ Nīšāpūr Nasā  54, 67 Naṣībīn  184, 214 Naušaǧān ➝ Schlacht bei ~ Nih 77 Nihāvand  145, 148 an-Nīl (im Irak)  199 Nīmrūz ➝ Sīstān Nīšāpūr  26, 35, 53–57, 65, 68, 74, 92, 101, 106, 137, 144, 152, 170, 174, 200, 307, 310, 342 Niẓāmīya-Medrese in Bagdad  169, 172 f. Nubisches Tor (in Bagdad) ➝ Bāb an-Nūbī Nusaybin ➝ Naṣībīn Nūšī 215 Oktagon (in Bagdad) ➝ al-Muṯammana Oman  49, 290, 327 f., 330 Ostanatolien ➝ Anatolien Oxus ➝ Amudarja Özkend 97 Palmyra ➝ Tadmur Pandschab  48, 108–110, 112 f., 116, 119, 123, 341 Panǧ Angušt ➝ Schlacht v. ~ Panǧdih  88, 115 Persischer Golf  192, 288–290 Persischer Irak ➝ ʿIrāq al-ʿAǧam Pīrūzī-Garten ➝ Fīrūzī-Garten Qais ➝ Kīš al-Qalʿa al-Baiḍāʾ ➝ Isfīd Diz Qalʿa-yi Isfīd/Safīd ➝ Isfīd Diz Qalʿat Ǧaʿbar  220, 231–233 Qalhāt 290 Qandahār ➝ Teginābād Qara-Čāi 131

395

Qara-Tegin ➝ Schlacht v. ~ Qāšān ➝ Kāšān Qāsemābād, Minarett v.  83 f. Qaṭvān ➝ Schlacht v. ~ Qayalı̊ q 98 Qazvīn  21, 59, 74, 145, 279, 296 Quhistān  56, 76 f., 82, 85, 294, 325, 327 Qum 295 Qūmis  54, 184, 295 f., 301, 307 f., 312, 316 f., 319 f., 323, 325 Quṣdār 113 ar-Raḥba  214, 219 Ranba 286 ar-Raqqa  224, 231 f. Rayy  32, 48, 63, 117, 120 f., 129, 134 f., 142 f., 147, 150, 152, 159–161, 257, 280 f., 283, 295– 304, 309, 313, 338, 341 f. Ribāṭ Bihrūz (in Bagdad)  171 Ribāṭ al-Ġaznawī (in Bagdad)  176 Ribāṭ al-Ḫādim ➝ Ribāṭ Bihrūz Ribāṭ-i Šaraf  52, 86, 136 Rūdbār 59 Rūḏrāvar 145 ar-Ruhā ➝ Edessa Ruḫḫāǧ  109, 118, 122 f. Rūʾīn Diz  261 Rūm ➝ Kleinasien Rūyān  314 f. Sabayil-Festung (Səbayıl qalası) ➝ Bayil Sabzavār, Moschee v.  332 Ṣaʿda 327 Šahrābād 106 Šahrazūr  224 f. Šahriyār(a)-Kūh 308 Šaiḫ-Muḥassin-Mausoleum (in Aleppo)  223 Saiḥūn ➝ Syrdarja Šaila 120 Šaizar  227, 231, 233 f. Ṣalḫad ➝ Ṣarḫad Salmās  264 f. aš-Šām ➝ Großsyrien Sāmān 296 Samarqand  48, 86–95, 100 f., 343 Šamīrān (Festung in Ḫūrāsān) 77 Šamīrān (Festung in Ṭārum) 251 Šammāḫī  250, 253, 256 Sanga 117

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Indices

Sangān/Sanǧān  83 f. Sanǧar-Mausoleum (in Marv)  21, 23, 53 Sang-i Sūrāḫ 116 Šāpūr-Ḫvāst  152, 281 f., 285 Saraḫs  53 f., 161, 200, 312 Sarǧahān 251 Ṣarḫad  201, 227, 231 Sārī 305–314 Ṣarīfain 218 Sarūǧ 214 Sāruq/Sārūq 296 Šāš ➝ Čāč Sasun 267 Sāva  32, 131, 141, 295 f., 301 Siǧistān  48, 77 f. (➝ Sīstān) Simnān  295, 301, 307 Sinai  213, 227 Sind  113, 289 Sinǧār  20, 184, 211, 214 f., 220, 224 Sīrāf  288 f. Šīrāz  139, 269–278, 287 Širvān  250, 253–256 Sīstān  48, 53, 76–85, 105 f., 109, 118, 122, 290, 341, 343 Sitte-Melik-Türbe (in Difrigī)  273 Sīvās 247 Sīvistān 113 Ṣuḥār 290 Sultansmoschee in Bagdad  171, 175 Sultanspalast in Bagdad  138, 171, 173, 175, 186, 188, 200 Sumairam  150, 272 Sümpfe im Südirak ➝ al-Baṭīḥa Ṣūr ➝ Tyros Šūš 215 Šūštar  136, 193, 279, 281–284 Syrdarja  67, 97 f., 100, 273 Syrien  48, 50, 200 f., 208, 210, 213 f., 218, 221 f., 224, 227–242, 249, 331, 338 Ṭabaristān  48, 295, 307, 317 f., 320, ➝ Māzandarān Ṭabas(-i Gīlakī)  56, 76 f., 325 Tabrīz  147, 250, 253, 258, 261–263, 266 f. Tadmur  227, 235 Tāǧ-Palast (in Bagdad) ➝ Kalifenpalast Ṭāʾif 49

Takrīt  128, 170–172, 182, 191, 199, 204, 206, 222 Ṭālaqān (in al-Ǧibāl)  296, 315, 325 Tam(m)īša  308, 311 Ṭāq (in Sīstān)  79 Ṭarāz  97 f. Ṭarum/Tārum (in al-Ǧibāl/Dailam)  59, 251, 315, 325 Tarum/Ṭārum (in Fārs)  287 Teginābād  109, 123 Tiflis 252–254 Tikrīt ➝ Takrīt Tirmiḏ  53, 65, 77, 92, 99, 182 Tīz 113 Transoxanien  44, 48–50, 61, 65, 67, 85–101, 129, 132 f., 149 f., 249, 322, 341 Ṭuḫāristān  99, 122, ➝ Balḫ, ➝ Valvāliǧ Tūlak  115, 122 Ṭūrān (in Belutschistan)  113 f. Tūrān (Transoxanien)  82, 93, 98 (➝ Trans­ oxanien) Turkistān/bilād-i Turk  44, 50, 61, 89–91, 97 f., 140, 149, 249 (➝ Transoxanien, ➝ Tūrān) Turkmenistan 21 Tustar ➝ Šūštar Tyros 227 Učč(h) 113 Umaiyaden-Moschee in Damaskus  33 Ur(ū)miya  211, 263–265 Ušrūsana 97 Ūzkand ➝ Özkend Valvāliǧ/Valvalīǧ/Valvalīz/Varvālīz  53 f., 57 Varšād 115 Vuǧīristān 118 Wādī Taim  227 Wāsiṭ  175, 191–196, 198–200, 267, 272 Weiße Burg ➝ Isfīd Diz Wolgaregion ➝ Bulġār Yazd  128, 290–294, 365 Zābulistān  80 f., 116, 118 ➝ Ġazna Zādiyān, Minarett v.  57 Zāhedān, Minarett v. ➝ Qāsemābād Zamīn-Dāvar  114, 118, 122 Zanǧān  32, 59, 131, 141, 261, 296 Zaranǧ  48, 76–81, 83–85 Zentralasien ➝ Transoxanien

Anthroponyme

397

2. Anthroponyme Personen sind in der Regel unter ihrem ism zu finden – so dieser bekannt ist. Eine Ausnahme bilden Kalifen, welche stets unter ihrem Thronnamen aufgenommen wurden. Abaq b. Muḥ. (Böride)  240 f. ʿAbbās (Emir v. Rayy)  159 f., 276, 297, 299–302, 310, 315 ʿAbd Allāh b. al-Mustaẓhir, Abū ’l-Ḥasan (ʿAbbāside) ➝ ʿAlī b. al-Mustaẓhir ʿAbd al-ʿAzīz (I.) b. ʿUmar Māza (Burhānide)  87, 364 f. ʿAbd al-ʿAzīz al-Ḥāmidī al-Ḫurāsānī, Ẓahīr ad-Dīn 149 ʿAbd al-Muʾmin (Qaraḫanide) 90 ʿAbd ar-Raḥmān b. al-Ḥusain, Ibn aṭ-Ṭabarī, Abū Muḥ. 169 ʿAbd ar-Raḥmān b. Toġa-Yürek, Faḫr ad-Dīn  184, 262 f., 268, 275 f. ʿAbd ar-Rašīd (Ġaznavide)  113 ʿAbd ar-Razzāq b. ʿAbd Allah, Šihāb al-Islām Niẓām al-Mulk Abū ’l-Maḥāsin 134 ʿAbd al-Wāḥid b. ʿAbd al-ʿAzīz Ibn Salama ad-Darguzīnī, ʿImād ad-Dīn Abū ’l-Barakāt  157–159 ʿAbd al-Wāḥid b. al-Ḥasan, Ibn al-Bāqarḥī, Abū ’l-Fatḥ 172 Abū ʿAlī b. Abī ’l-Haiǧāʾ al-Haḏbānī 217 Abū ʿAlī, Yamīn ad-Dīn al-Makīn  160 f., 297 Abū Bakr b. Masʿūd (amīr-i dād in Panǧdih)  88, 115 Abū ’l-Barakāt, ʿImād ad-Dīn ➝ ʿAbd alWāḥid b. ʿAbd al-ʿAzīz Abū ’l-Faḫr Qummī, Makīn ad-Dīn  303 Abū ’l-Fażl ad-Darguzīnī, Ǧalāl ad-Dīn ➝ Ǧalāl ad-Dīn Abū ’l-Fażl Abū Ǧaʿfar, Ṯiqat ad-Dīn (kadḫudā „alMuqarrab“ Ǧauhars)  63 f. Abū ’l-Haiǧāʾ b. Mūsak al-Haḏbānī 217 Abū ’l-Karam (Polizeichef v. Bagdad)  178 f. Abū Naṣr b. al-Haiṯam aṣ-Ṣalīq 193 Abū ’l-Qāsim (Ǧāt-Herrscher v. Sīrāf)  289 Abū Saʿd (b.) Muḥ. b. Mammā (Šabānkāra-Fürst) 288 Abū Ṭāhir (b. ʿAlī) b. Muḥammad (Atabeg v. Groß-Luristān)  286 f.

Abū Ṭāhir b. Muʿīn ad-Dīn al-Kāšī, Faḫr ad-Dīn ➝ Ismāʿīl b. Muʿīn ad-Dīn Abū ’l-Wafāʾ, Muʾaiyid ad-Daula wa-’d-Dīn I̊ na[n]č Bilge Ṣawā[b?]-Beg (vālī v. Māzandarān) 309 Adam (erster Mensch)  52, 287, 305 ʿAḍud ad-Dīn (vālī v. Gurgān) ➝ Arslan, ʿAḍud ad-Dīn Afrāsiyāb (König d. iran. Mythologie) ➝ Afrāsiyābiden Afrīdūn (Farīdūn) b. Farīburz (Širvānšāh)  254 f. Afrīdūn (Farīdūn) b. Minūčihr (Širvānšāh)  254 f. Aḥmad, Šaraf ad-Dīn (Ibn-Abī-’l-Ǧabr-Dyn.)  197 Aḥmad-i Ǧām, Žanda-Pīl  106 Aḥmad b. al-ʿAbbās, Tāǧ ad-Dīn Abū ’lMakārim 309 Aḥmad (I.) b. ʿAbd al-ʿAzīz (Burhānide)  92 Aḥmad b. al-Fażl al-Kāšī, Muʿīn ad-Dīn (I.) Muḫtaṣṣ al-Mulk Abū Naṣr  158, 172, 299 f. Aḥmad b. Ḥāmid al-Iṣfahānī al-Mustaufī, ʿAzīz ad-Dīn Abū Naṣr  138, 172 Aḥmad b. Ismāʿīl al-Kāšī, Muʿīn ad-Dīn (II.) Abū Naṣr 158 Aḥmad b. Malik-Šāh (Selǧuqe) 54 Aḥmad b. Muḥ. (Qaraḫanide)  89, 91, 93–95, 97, 150 Aḥmad b. Muḥ. (Selǧuqe)  299, 305 Aḥmad b. Niẓām al-Mulk (I.), Qiwām ad-Dīn Ḍiyāʾ al-Mulk/Niẓām al-Mulk (II.) Abū Naṣr  172 f. Aḥmad b. Šabīb aš-Šabībī, Abū Saʿīd 31 Aḥmad as-Saʿīd b. Muḥ., Muhaḏḏab adDaula Abū ’l-ʿAbbās (Ibn-Abī-’l-ǦabrDyn.)  193–195, 197 f. Aḫsatān (I.) b. Minūčihr (Širvānšāh)  254 Aḫsatān (II.) b. Farīburz (Širvānšāh)  255 ʿAin ad-Daula (Anūšteginide) ➝ Atlı̊ ġ ʿAin ad-Daula b. Qayı̊ r-Ḫan 234

398

Indices

Ai-Toġdı̊ ➝ Il-Doġdı̊ Aiyūb b. Šāḏī (Eponym d. Aiyūbiden)  171 f., 231 Alexander d. Große (Argeade)  40 f., 52, 249, 309 ʿAlī b. Aḥmad Ǧuvainī, Muntaǧab ad-Dīn  25, 35, 90 f., 322, 324 ʿAlī b. Aḥmad as-Sumairamī, Niẓām adDīn Kamāl al-Mulk Abū ’l-Ḥasan/Abū Ṭālib  134 f. ʿAlī (II.) b. Dubais (Mazyadide)  205 ʿAlī b. Farāmurz (Kākūyide)  291 f. ʿAlī b. Farāmurz Langarūdī  321 ʿAlī b. al-Ḥasan al-Baihaqī, Šaraf ad-Dīn Abū ’l-Ḥasan  300 f. ʿAlī b. al-Ḥusain al-Ġaznavī, Burhān ad-Dīn Abū ’l-Ḥasan  144, 176 f. ʿAlī b. al-Ḥusain az-Zainabī, Abū ’l-Qāsim  173, 186, 218 ʿAlī b. Maḥmūd, Šams ad-Dīn Abū ’l-Ḥasan  65 ʿAlī b. Mālik (ʿUqailide) 232 ʿAlī b. Masʿūd (Ġaznavide)  103 ʿAlī b. al-Mustaẓhir (ʿAbbāside), Abū ’lḤasan 175 ʿAlī b. Naṣr, Muhaḏḏab ad-Daula Abū ’lḤasan 34 ʿAlī b. Niẓām al-Mulk (I.), Niẓām ad-Dīn Faḫr al-Mulk Abū ’l-Fatḥ/Abū ’lMuẓaffar 57–59 ʿAlī b. Rāfiʿ b. Ḫalīfa aš-Šaibānī  92 ʿAlī b. aṣ-Ṣāḥib, Zain ad-Daula Abū ’l-Qāsim  178 ʿAlī b. Šahriyār (Bāvandide)  148, 152, 203, 305–311, 313 f., 318, 364 ʿAlī b. Sālim (ʿUqailide)  232 f. ʿAlī b. Ṭirād az-Zainabī, Šaraf ad-Dīn Abū ’l-Qāsim  155, 145, 174 f., 185–188 ʿAlī b. ʿUmar, Saif ad-Dīn  129 f., 134, 281, 306 ʿAlī Čatrī b. Sebük-Tegin, Falak ad-Dīn  55 f., 64 f., 115, 120 f., 126, 161, 301 ʿAlī Küčük, Zain ad-Dīn Abū ’l-Ḥasan (Begteginide)  217 f., 220, 225 f. Alp-Arġu b. Arslan-Arġu (Selǧuqe) 386 Alp-Arġu b. Yarı̊ n-Quš, Muẓaffar ad-Dīn  279 Alp-Arslan b. Čaġri̊ -Beg Dāwūd (Selǧuqe)  32, 36, 48, 54, 78, 93, 99, 103

Alp-Arslan b. Maḥmūd (Selǧuqe) 147, 219–226, 229, 236 f., 239–240, 338 Alp-Arslan b. Toġrı̊ l (Selǧuqe)  272, 279, 338 Alp-Lačin-Beg, Nuṣrat ad-Dīn  136, 146 Alp-Qara-Ḫan (vālī v. Gurgān) ➝ Arslan, ʿAḍud ad-Dīn Alp-Quš as-Silāḥī  146, 150, 170, 192 f., 271 f., 284 Alp-Sonqur-Beg al-Buḫārī, ʿIzz ad-Dīn  131, 145 ʿAmʿaq Buḫārī, Šihāb ad-Dīn Abū ’n-Naǧīb  138 Amīrān b. Il-Doġdı̊ /Šumla, Šaraf ad-Dīn  285 Amīr-Ġāzī b. Dānišmand, Gümüš-Tegin (Dānišmandide)  246 f. Amīr-Ḫan (isfahsālār der Ġūriden)  118 f. Amīr-i Amīrān, Quṭb ad-Dīn Šams ad-Daula  114 f., 149, 311, 360 Amīr-Sittī-Ḫatun bt. Sanǧar, mahd-i maimūn (Selǧuqin)  138 f., 143 f., 203, 364 Anbal (Wolga-Bulgare)  332, 364 ʿAntar b. Abī ’l-ʿAskar al-Ǧāwānī 206 Anūširvān b. Ḫālid, Šaraf ad-Dīn Abū Naṣr  128, 157 f., 185, 287, 295, 306 Anūš-Tegin Ġarčaʾī (šiḥna v. Ḫvārazm, Eponym d. Anūšteginiden)  66 Anūš-Tegin Šīrgīr ➝ Šīrgīr Aq-Böri b. Borsuq (Borsuqide)  280–284 Aq-Quš, Nāṣir ad-Dīn  164 Aq-Sonqur (auf Münzen aus Dāmġān genannt) 323 Aq-Sonqur al-Aḥmadīlī (Atabeg v. Marāġa)  146, 150, 252 f., 257 f., 261, 268, 282 Aq-Sonqur al-Borsuqī, Saif ad-Dīn  170, 192, 211–214, 220, 282 Aq-Sonqur Fīrūzkūhī  302 f., 323 ʿArab-Ḫatun ➝ Sufrā bt. Dubais Ardašīr I. (Sāsānide)  33, 40 f. Ardašīr b. Ḥasan (Bāvandide)  365 Arġaš/Arġuš/Boz-Quš/Barġaš? (vālī v. Dāmġān)  308 f., 317 f. Arslan, ʿAḍud ad-Dīn ʿImād al-Islām Alp-Qara-Ḫan (vālī v. Gurgān)  322 Arslan-Aba b. Aq-Sonqur (Atabeg v. Marāġa)  258, 261–263, 265 f., 268, 273 Arslan-Arġu(n) b. Alp-Arslan (Selǧuqe)  53 f.

Anthroponyme

Arslan-Ḫan (Herr v. Ǧand) ➝ Maḥmūd, Kamāl ad-Dīn Abū ’l-Qāsim Arslan-Ḫan (Qaraḫanide) ➝ Muḥ. b. Sulaimān Arslan-Ḫatun ➝ Ḫadīǧa bt. Čaġrı̊ -Beg Arslan-Šāh (I.) b. Kirmān-Šāh (Kirmān-Selǧuqe)  114, 157, 179, 291–293, 329–331 Arslan-Šāh b. Alp-Arslan (Selǧuqe) 103 Arslan-Šāh b. Masʿūd (Ġaznavide) ➝ Malik-Arslan Arslan-Šāh b. Toġrı̊ l (Selǧuqe)  266, 293 Arslan-Tegin (? auf Münzen aus Dvin genannt) 268 Asʿad b. Abī Naṣr al-Mīhanī, Maǧd ad-Dīn Abū ’l-Fatḥ 169 Asʿad b. Ṣāʿid, Abū ’l-Maʿālī an-Naisābūrī al-Ḥanafī 174 al-Aṣamm ad-Darguzīnī, Šams ad-Dīn Abū ’n-Naǧīb  158, 160 al-Ašraf b. Muḥ. b. Abī Šuǧāʿ al-ʿAlawī asSamarqandī 88 Ašraf b. Zaid Ḥasanī (Imam in Gīlān)  326 ʿAṭā-Ḫan b. Muḥ. (Selǧuqe) 291–293 Atā-Ḫan b. Sām, ʿAlāʾ ad-Daula  293 f. ʿAṭā-Ḫatun bt. ʿAlī (Kākūyidin)  291 Atı̊ m-Tegin/Alp-Tegin (Anūšteginide)  92 ʿAtīq az-Zanǧānī, ʿAzīz ad-Dīn  53 Atlı̊ ġ b. Atsı̊ z (Anūšteginide)  73 f., 91, 154, 184 Atsı̊ z b. Muḥ. (Anūšteginide)  30, 35, 44, 66–75, 81, 86, 89, 92 f., 98 f., 109 f., 124, 130, 148 f., 161, 279, 302, 312, 324, 339, 355 f., 360 Ayāz, Toġrı̊ l-Tegin (Atabeg in Transkaukasien)  257 f., 262, 265 f. Ayyūb ➝ Aiyūb Badr b. al-Muẓaffar (Ibn-Abī-’l-Ǧabr-Dyn.)  196 f. Badrān b. Ḥusain (ʿUqailide) 232 Badrān b. Mālik (ʿUqailide) 232 Badrān b. Ṣadaqa (Mazyadide)  198, 203 Bahrām b. Šahriyār (Bāvandide)  305–307, 314 Bahrām-Gūr (Sāsānide)  99 Bahrām-Šāh (Ġaznavide)  81, 104–119, 122 f., 130, 330, 341, 360 Bahrām-Šāh b. Böri (Böride)  236 Balı̊ k-Ġāzī b. Bahrām (Artuqide)  228 f. Baraka b. Ṣadaqa (Mazyadide)  203

399

Beg-Aba al-Muḥammadī  170, 192 Beg-Arslan b. Palang-Eri ➝ Ḫāṣṣ-Beg Benjamin v. Tudela  49, 227 Berkyaruq b. Malik-Šāh (Selǧuqe)  19, 32, 53 f., 56–59, 68, 85 f., 103, 139 f., 166, 190 Bihrūz b. ʿAbd Allāh al-Ġiyāṯī, Muǧāhid adDīn Abū ’l-Ḥasan  128, 143 f., 169–172, 182, 192, 203, 361 Bišr b. Karīm al-Ǧazarī, Abū Bakr  221 f., 236 f. Bohemund II. (v. Antiochia)  246 Böri b. Tuġ-Tegin (Eponym d. Böriden)  201, 230 f., 235 Borsuq I. (šiḥna v. Bagdad, Eponym d. Borsuqiden)  280, 284 Borsuq II. b. Borsuq (Borsuqide)  280 f., 284 Borsuq III. b. Borsuq (Borsuqide)  154, 281–284 Boz-Aba (Emir v. Fārs)  184, 204, 263, 273– 277, 279, 283, 302 Boz-Quš (vālī v. Harāt)  76 f. Bulaq, Šaraf ad-Dīn  260 Čaġrı̊ b. Muḥ. (Selǧuqe)  269, 287, 292 Čaġri̊ -Beg b. Mīkāʾīl (Selǧuqe)  48, 53 f., 78, 102–104 Čaġrı̊ -Šāh b. Maḥmūd (Selǧuqe)  262, 265 Čaʾuš-Beg ➝ Öz-Aba Čavlı̊ (šiḥna v. Rayy u. Āmul)  300, 308, 310, 314, 320 Čavlı̊ al-Ǧāndār, Ǧamāl ad-Dīn  261–263, 268 Čavlı̊ al-Qasīmī (šiḥna v. Bagdad)  170 Čavlı̊ Saqqāʾū, Faḫr ad-Dīn  269, 284, 286– 288, 292 aḍ-Ḍaḥḥāk b. Ǧandal 227 Daulat-Šāh b. Bahrām-Šāh (Ġaznavide)  109, 122 Daulat-Šāh b. Toġan-Arslan (Dilmačide)  245 David IV. (Bagratide)  252 f. Dāwūd b. Ibrāhīm (Qaraḫanide) 90 Dāwūd b. Maḥmūd (Selǧuqe)  146–148, 150– 153, 156, 183 f., 193, 196, 217 f., 221, 236–238, 257–259, 262, 267 f., 274, 283, 338 Dāwūd b. Mīkāʾīl (Selǧuqe) ➝ Čaġri̊ -Beg Dāwūd b. Muḥ. (Selǧuqe) 266 Dāwūd b. Sökmen (Artuqide)  243–245 Demetre I. (Bagratide)  253 f.

400 Ḏū ’l-Qarnain ➝ Alexander d. Große Dubais (II.) b. Ṣadaqa (Mazyadide)  141–

Indices

144, 148, 152–154, 174, 195, 198–204, 207– 209, 212, 215 f., 252, 297, 328 Ekinči b. Qočqar  68 Eldigüz (Eponym d. Eldigüziden)  170, 254, 262–266, 268 Eroġlı̊ b. Il-Begi (Borsuqide)  281, 284 Er-Quš (vālī v. Harāt) ➝ Boz-Quš Faḍl b. Abī ’l-Haiǧāʾ al-Haḏbānī 217 Faḍl(awaih) b. ʿAlī (Šabānkāra-Fürst) ➝ Fażlūya Farāmurz b. Mardāvīǧ Langarūdī, ʿImād ad-Daula  307 f., 319–321 Farāmurz b. Muḥ. (Kākūyide)  101 Farāmurz b. Rustam (Bāvandide)  305 f., 320 Farḫundā-Ḫatun bt. Riḍwān (Selǧuqin) 224 Farīburz (I.) b. Sallār (Širvānšāh)  254 f. Farīburz (III.) b. Garšāsp (Širvānšāh)  255 Farīd ad-Dīn al-Kātib/Farīd-i Dabīr  117 Farīdūn ➝ Afrīdūn Farruḫ-Šāh (al-Ḫafāǧī) b. Maḥmūd (Selǧuqe)  203, 219 f., 225, 232 Farruḫ-Šāh (malik v. Ḫuttalān) 99 Farruḫ-Šāh (Emir in Ḫurāsān/Sīstān) 77 Farruḫ-Zād b. Masʿūd (Ġaznavide)  102 Fāṭima-Ḫatun bt. Muḥ. (Selǧuqin) 179 Fażl(ūn) (IV.) b. Šāvur (Šaddādide)  252 Fażl(ūya) b. ʿAlī, Abū ’l-ʿAbbās (Šabānkāra-Fürst) 287 Ǧahān-Pahlavān (Eldigüzide) ➝ Muḥ. b. Eldigüz Ǧalāl ad-Dīn Abū ’l-Fażl b. Qiwām ad-Dīn (I.) Abū ’l-Qāsim ad-Darguzīnī  158 Ǧamāl ad-Dīn (šiḥna v. Dihistān)  323 f. Ǧamšīd (malik v. Qais)  288 Ǧaqar, Naṣīr ad-Dīn  220 Garšāsp (II.) b. ʿAlī (Kākūyide)  128, 130, 290–294, 360, 364 f. Garšāsp b. Ǧahšiyār Gulpāyagānī, Faḫr adDaula  307, 319, 321 Ǧauhar at-Tāǧī, Iḫtiyār ad-Dīn  62–65, 109 f., 159, 297, 299–301 Gauhar-Āʾīn, Saʿd ad-Daula  193 f. Gauhar-Ḫatun bt. Il-Ġāzī (Artuqidin)  204, 209 Gauhar-Ḫatun bt. Ismāʿīl (Selǧuqin) 128

Gauhar-Ḫatun/Gauhar-i Mulk bt. Malik-Šāh, mahd-i ʿIrāq (Selǧuqin)  86 f., 91 f., 103– 106, 364 Gauhar-Ḫatun bt. Masʿūd (Selǧuqin)  156 f. Gauhar-Ḫatun bt. Sanǧar (Selǧuqin)  156 f., 364 Gauhar-i Mulk ➝ Gauhar-Ḫatun bt. Malik-Šāh Gauhar-i Nasab bt. Maḥmūd (Selǧuqin)  139, 285, 365 al-Ġazālī, Abū Ḥāmid Muḥ. b. Muḥ. 22, 35, 335 Ġāzī b. Salduq (Salduqide)  248 Ġāzī (I.) b. Zangī (Zangide)  219, 224–226, 241, 244 Ǧibrāʾīl b. ʿUmar (Qaraḫanide)  76, 86, 97 Giorgi III. (Bagratide)  253 Gird-Bāzū b. Rustam (Bāvandide)  312 Gird-Bāzū, Šaraf ad-Dīn al-Muwaffaq  160 Gümüš-Tegin b. Dānišmand ➝ Amīr Ġāzī Gümüš-Tegin, Amīn ad-Daula  231 Gümüš-Tegin, Faḫr ad-Daula  231 Ǧuyūš-Beg ➝ Čaʾuš-Beg Ḥabašī b. Altun-Taq  54, 56, 76 Ḫadīǧa bt. Čaġrı̊ -Beg, Arslan-Ḫatun (Selǧuqin) 291 Ḥaidar b. Šīrgīr  279 Ḥaiṣa Baiṣa, Šihāb ad-Dīn Abū ʼl-Fawāris Saʿd b. Muḥ. aṣ-Ṣaifī at-Tamīmī  143, 200 Ḫalaf b. Naṣr (Naṣride) 76–79 Ḥamza b. ʿAlī, Ibn al-Baqšalāmī, Kamāl adDīn Abū ’l-Futūḥ  155, 187 Ḥamza b. Borsuq (Borsuqide)  284 Ḥammād b. al-Muẓaffar (Ibn-Abī-’l-ǦabrDyn.)  194 f., 198 Hārūn = Ǧibrāʾīl b. ʿUmar? (Qaraḫanide) 86 Hārūn b. al-Muqtadī (ʿAbbāside) 155 Ḥasan (malik v. Makrān)  114 Ḥasan/Ḥas(an)ūya (Šabānkāra-Fürst)  287 f. al-Ḥasan b. ʿAlī aṭ-Ṭūsī, Niẓām al-Mulk (I.) Abū ʿAlī  15, 31, 35 f., 39, 41, 58 f., 107, 149 al-Ḥasan/Ḥasan-Tegin b. ʿAlī (Qaraḫanide)  90 f., 95–97 Ḥasan b. Muḥ. Yol-Aba (vālī v. Gurgān)  316 al-Ḥasan Ibn Ṣadaqa, Ǧalāl ad-Dīn ʿAmīd ad-Daula Abū ʿAlī  141 f., 168 f. Ḥasan-i Ǧāndār, Faḫr ad-Dīn  303 Ḥasan Ǧurǧānī (ʿalidischer Machthaber in Gīlān) 326

Anthroponyme

Ḥasan al-Mu(ḍ)ṭ(a)rib (Mazyadide)  205 Ḥasan-i Ṣabbāḥ 106

Hāšim b. (Abī) Fulaita (Scherif v. Mekka)  328 Ḫāṣṣ-Beg, ʿIzz ad-Dīn Beg-Arslan b. PalangEri  160–164, 263–266, 268, 276, 285, 297 Ḫatun al-Mustaẓhirīya ➝ ʿIṣmat-Ḫatun Hazārasp, ʿIzz ad-Daula (Bādūspānide)  315 Hazārasp, Saif ad-Dīn (Šabānkāra-Fürst)  288 Hibat-Allāh b. al-Faḍl, Abū ’l-Qāsim alBaġdādī ➝ Ibn al-Qaṭṭān Hindu b. Zangī (Borsuqide)  281, 284 Hormuz/Hormizd (Sohn Yazdgirds III., Sāsānide) 287 Ḥuḏaifa b. al-Yamān  20 Ḫumar-Tegin (Machthaber in Āmul)  309 Ḫumar-Tegin, Rukn ad-Daula (vālī v. Fārs)  288 f. Ḫuršīd, Šuǧāʿ ad-Dīn (Atabeg v. KleinLuristān) 285 al-Ḥusain b. ʿAlī al-Aṣamm, Muʿīn ad-Dīn  249 al-Ḥusain b. ʿAlī aṭ-Ṭabarī, Abū ʿAbd Allāh  169 al-Ḥusain b. ʿAlī aṭ-Ṭuġrāʾī, Muʾaiyid ad-Dīn Abū Ismāʿīl 212 al-Ḥusain b. al-Ḥasan (Qaraḫanide) 97 al-Ḥusain (I.) b. al-Ḥasan (Ġūride)  93, 114 f. al-Ḥusain (II.) b. al-Ḥusain (Ġūride)  114, 118–126, 356 al-Ḥusain b. Mulāʿib, Ǧanāḥ ad-Daula  234 Ḫusrau I. (Sāsānide)  365 f. Ḫusrau-Malik b. Ḫusrau-Šāh (Ġaznavide)  123 Ḫusrau-Šāh b. Bahrām-Šāh (Ġaznavide)  122 f., 240, 359 Ḫusrau-Šāh, Abū ’l-Makārim (malik v. Makrān) 114 Ibn al-Anbārī ➝ Muḥ. b. ʿAbd al-Karīm Ibn al-Bāqarḥī ➝ ʿAbd al-Wāḥid b. al-Ḥasan Ibn al-Baqšalāmī ➝ Ḥamza b. ʿAlī Ibn Bišr ➝ Bišr b. Karīm Ibn al-Haiṯam (Herr d. Baṭīḥa) ➝ Abū Naṣr b. al-Haiṯam Ibn al-Muʿallim, Naǧm ad-Dīn Abū ’lĠanāʾim Muḥ. b.ʿAlī  191 f., 197

401

Ibn Rāʾiq ➝ Muḥ. b. Rāʾiq Ibn al-Qaṭṭān, Abū ’l-Qāsim Hibat-Allāh b. al-Faḍl al-Baġdādī  182 Ibn Ṣāʿid (ḫaṭīb) ➝ Asʿad b. Ṣāʿid Ibn aṭ-Ṭabarī ➝ ʿAbd ar-Raḥmān b. al-Ḥusain Ibrāhīm b. Ismāʿīl az-Zāhid aṣ-Ṣaffār al-Buḫārī al-Ḥanafī, Abū Isḥāq 87 Ibrāhīm b. Masʿūd (Ġaznavide)  102 f., 113– 115 Ibrāhīm b. Muḥ. (Qaraḫanide)  91 f., 100 f. Ibrāhīm b. Muḥ., Abū Isḥāq (Wolga-Bulgare)  332 Ibrāhīm b. al-Mustaẓhir, Abū Isḥāq (ʿAbbāside) 175 Ibrāhīm b. Naṣr (Qaraḫanide) 96 Ibrāhīm b. Sulaimān (Qaraḫanide)  90 f., 96, 100 Il-Aldi̊ b. Ibrāhīm (I̊ nalide)  245 f. Il-Arslan b. Atsı̊ z (Anūšteginide)  68, 74, 90 Il-Begi b. Borsuq (Borsuqide)  280, 284 Ildegiz/Ildeñiz ➝ Eldigüz Il-Doġdı̊ (Šumla) b. Quš-Toġan, Ḥusām adDīn 285 Il-Ġāzī (I.) b. Artuq (Artuqide)  228, 243, 252 I̊ l-Toġan (šiḥna v. Gurgān)  323 Il-Toġdı̊ ➝ Il-Doġdı̊ ʿImādī Šahriyārī  320 f. I̊ nal-Tegin b. Muḥ. (Anūšteginide)  74 I̊ na[n]č Bilge Ṣawā[b?]-Beg (vālī v. Māzandarān) ➝ Abū ’l-Wafāʾ I̊ nanč Bilge Uluġ Ǧāndār Beg (šiḥna v. Gurgān) ➝ Uluġ Ǧāndār Beg I̊ nanč Qutluġ Bilge Ḫvāǧa Beg Abū ’l-Fażāʾil al-Muẓaffar b. Anūširvān, Qiwām ad-Dīn Muʿīn al-Islām wa-’l-Muslimīn  303 f. I̊ nanč-Sonqur, Ḥusām ad-Dīn  303 f., 313 Iqbāl al-Mustaršidī, Ǧamāl ad-Daula  203 f., 209 ʿĪsā b. Aḥmad (Marwānide)  246 Isfandiyār Damāvandī  106 Ismāʿīl (auf Nīšāpūrī-Dinaren genannter Emir) 56 Ismāʿīl, Nāṣiḥ al-Mulūk ʿAzīz al-Ḥaḍra Abū Ṭāhir al-Kāšī  59, 158 Ismāʿīl b. Böri (Böride)  231, 235 Ismāʿīl b. Muḥ. Gīlakī, Ḥusām ad-Dīn Abū ’l-Muẓaffar 56

402

Indices

Ismāʿīl b. Muʿīn ad-Dīn (I.) al-Kāšī, Faḫr adDīn Abū Ṭāhir  158, 303 Ismāʿīl b. Yāqūtī (Selǧuqe) 139 ʿIṣmat-Ḫatun bt. Malik-Šāh (Selǧuqin) 144, 175–179, 209, 361, 364 f. Jayaccandra (Gāhaḍavāla-Dyn.) 365 Johannes II. Komnenos  233, 242, 249 Kai-Kāvūs b. Hazārasp (Bādūspānide)  315 Kai-Qubād (I.) b. Kai-Ḫusrau (RūmSelǧuqe) 23 Kamāl ad-Dīn (b.) Arslan-Ḫan Maḥmūd (Herr v. Ǧand)  98 f. Kamāl ad-Dīn Ibn al-Baqšalāmī ➝ Ḥamza b. ʿAlī Kisrā ➝ Ḫusrau I. (Sāsānide) Kiyā Buzurg ar-Riḍā b. al-Hādī  326 f. Kiyā Buzurg-Um(m)īd  73, 173, 325 Kiyā Ǧurǧānī, Abū Hāšim  326 Kök-Saġun/-Saġı̊ r (Qaraḫanide)  88, 90 Kolyn (Wolga-Bulgare)  332 Kün-Toġdı̊ , Muʾayyid ad-Dīn (Emir in Transkaukasien)  251 f. Kün-Toġdı̊ /Kündigüz (Emir in Ḫurāsān) 76 Langar b. Vardānrūz (Atabeg v. Yazd)  294 Laškarsitān b. Ḏakī, Naṣīr ad-Daula Abū Dulaf 34 Maʿadd b. ʿAdnān 193 mahd-i ʿIrāq ➝ Gauhar-Ḫatun bt. Malik-Šāh mahd-i maimūn ➝ Amīr-Sittī-Ḫatun Mahdī, Abū Isḥāq (Herr v. Lafūr)  312 Mah-i-Mulk-Ḫatun bt. Sanǧar (Selǧuqin)  137 f., 364 Maḥmūd, ʿImād ad-Daula Abū ’l-Qāsim (Qaraḫanide) 86 Maḥmūd, Kamāl ad-Dīn Abū ’l-Qāsim (Herr v. Ǧand)  98 f. Maḥmūd al-Kāšānī, Niẓām ad-Dīn Abū ’l-Qāsim  55, 310, 318 Maḥmūd Ibn Abī Tauba al-Marwazī, Naṣīr adDīn Abū ’l-Qāsim  61–65, 142, 169, 177 Maḥmūd b. Böri (Böride)  235 f., 238 f. Maḥmūd b. Il-Aldi̊ (I̊ nalide)  245 f. Maḥmūd (I.) b. Malik-Šāh (Selǧuqe) 59, 139, 291 Maḥmūd (II.) b. Muḥ. (Selǧuqe)  22, 127– 146, 169 f., 172, 174 f., 194, 199–203, 212–215, 220, 227, 229 f., 243, 246, 248, 251–253,

256–258, 270, 279, 281–283, 291, 295–299, 305 f., 314 f., 329, 364 Maḥmūd b. Muḥ. (Qaraḫanide)  20, 83, 86, 91 f., 95 f., 98, 162, 302, 360, 364 Maḥmūd b. Qarača, Šihāb ad-Dīn  234 Maḥmūd b. Sebük-Tegin (Ġaznavide)  30, 76, 104, 107 f., 111, 332, Maḥmūd b. Zangī (Zangide)  224, 232 f., 240–242 al-Makīn Abū ʿAlī, Yamīn ad-Dīn ➝ Abū ʿAlī, Yamīn ad-Dīn al-Makīn Mālik (I.) b. Sālim (ʿUqailide) 232 Mālik (II.) b. ʿAlī (ʿUqailide) 233 Malik-Arslan b. Masʿūd (Ġaznavide)  104– 109 Malik-Šāh (I.) b. Alp-Arslan (Selǧuqe) 15, 32 f., 36, 53, 78, 93, 96, 103, 107, 118, 232, 289, 310, 327, 329, 335 Malik-Šāh (II.) b. Berkyaruq (Selǧuqe) 385 Malik-Šāh (III.) b. Maḥmūd (Selǧuqe)  139 f., 162–164, 264, 266, 272–277, 279, 285, 338 Malik-Šāh b. Masʿūd (Selǧuqe)  157, 161 f., 261 f. Maʾmūn b. Abī ’l-ʿAbbās (Emir in Ḫurāsān/ Sīstān) 77 Manṣūr b. Naṣr (Marwānide)  246 Manṣūr b. Ṣadaqa (Mazyadide)  203 Manūčihr ➝ Minūčihr Mardāvīǧ b. ʿAlī (Bāvandide)  311–313, 315, 321, 364 Mardāvīǧ b. Garšāsp (Gulpāyagānī?)  308, 319 Masʿūd b. Aq-Sonqur, ʿIzz ad-Dīn  214, 282 Masʿūd al-Bilālī, Faḫr ad-Dīn  165, 191, 196, 206 Masʿūd b. al-Ḥusain (Ġūride)  122, 127 Masʿūd (III.) b. Ibrāhīm (Ġaznavide)  103– 105, 113 f., 364 Masʿūd (II.) b. Maudūd (Ġaznavide)  103 Masʿūd b. Muḥ. (Selǧuqe)  50, 72–74, 117, 142, 146–163, 166, 175, 178–181, 183-189, 193, 202, 204 f., 209–213, 216–219, 221, 223, 226, 237–242, 248, 253 f., 256, 258–265, 267 f., 271–278, 283 f., 297, 299–303, 307–309, 316 f., 338, 362, 364 Masʿūd (I.) b. Qı̊ lı̊ č-Arslan (Rūm-Selǧuqe)  248, 329

Anthroponyme

Maudūd (Salġuride)  276 f., 279 Maudūd b. Altun-Tegin, Šaraf ad-Dīn  211 Maudūd b. Masʿūd (Ġaznavide)  103 Maudūd b. Zangī (Zangide)  225 f. Mengü-Bars (Emir v. Fārs)  184, 272–274, 278 f. Mengü-Bars, ʿImād ad-Dīn  130, 146, 169 f. Minūčihr (König d. iran. Mythologie)  287, 305 Minūčihr (marzubān v. Lāriǧān)  310 f. Minūčihr (III.) b. Afrīdūn (Širvānšāh)  253– 256 Minūčihr (II.) b. Farīburz (Širvānšāh)  255 al-Muʾayyad bi-’llāh ➝ Yaḥyā b. Aḥmad Muʾaiyid ad-Daula wa-’d-Dīn (vālī v. Māzandarān) ➝ Abū ’l-Wafāʾ Muḥ. b. ʿAbd Allāh aš-Šahrazūrī, Kamāl adDīn Abū ’l-Faḍl 218 Muḥ. b. ʿAbd Allāh, Abū ’l-Qāsim (der Prophet)  20 f., 35, 44, 156 Muḥ. b. ʿAbd al-Karīm, Ibn al-Anbārī, Muʾaiyid ad-Dīn Sadīd ad-Daula Abū ʿAbd Allāh  155, 173, 178, 180–182, 186, 201 Muḥ. b. ʿAlī al-Iṣfahānī, Ǧamāl ad-Dīn Abū Ǧaʿfar  225 f. Muḥ. b. ʿAlī Šaibānī  109, 117 Muḥ. b. ʿAlī, Naǧm ad-Dīn Abū ’l-Ġanāʾim ➝ Ibn al-Muʿallim Muḥ. b. Amīr-Ġāzī (Dānišmandide)  247 Muḥ. (I.) b. Anūš-Tegin (Anūšteginide)  66–69, 74, 88, 93, 130, 360 Muḥ. (I.) b. Arslan-Šāh (Kirmān-Selǧuqe)  331 Muḥ. b. Böri (Böride)  231, 239 Muḥ. b. Dubais (Mazyadide)  204 f., 209 Muḥ. b. Eldigüz, Ǧahān-Pahlavān (Eldigüzide) 42 Muḥ. b. Faḫr al-Mulk, Ṣadr ad-Dīn Qiwām alMulk Abū Ǧaʿfar  57 f., 60 f., 106, 108 Muḥ. b. Ǧaʿfar Ibn Abī Hāšim, Abū Hāšim (Scherif v. Mekka)  327 Muḥ. b. Ḫaṭīb, Abū Yaḥyā 113 Muḥ. b. al-Ḥusain (Ġūride)  115 f. Muḥ. b. al-Ḥusain/ʿAlī al-Ḫāzin ar-Rāzī, Kamāl ad-Dīn Abū Šuǧāʿ  158 f., 259, 299 f. Muḥ. (II.) b. Maḥmūd (Selǧuqe)  74, 139, 156, 162, 164, 166 f., 185, 189, 196 f., 255, 264– 266, 275 f., 284 f., 313

403

Muḥ. b. Maḥmūd an-Naisābūrī al-Ġaznavī, Abū ’l-ʿAlāʾ  109, 200 Muḥ. (I.) b. Malik-Šāh (Selǧuqe)  19, 32, 47, 78, 105–107, 112, 127, 129, 131, 138, 140, 166, 171, 190, 194, 199, 210 f., 219, 230, 251, 269, 281, 291, 299, 305, 307, 310, 385 Muḥ. b. Mammā (Šabānkāra-Fürst)  288 Muḥ. b. Masʿūd (Ġūride)  121 f. Muḥ. b. Masʿūd al-Muḫtār, Šihāb ad-Dīn  299–301 Muḥ. b. Muḥ. al-Ġazālī, Abū Ḥāmid ➝ al-Ġazālī Muḥ. b. Naṣr al-Haravī, Zain al-Islām Abū Saʿd  144, 169, 173, 175 Muḥ. b. Qara-Sonqur  275 Muḥ. b. Rāʾiq, Abū Bakr  40 Muḥ. b. Šuʿaiṯ (Qaraḫanide) 87 Muḥ. b. Sulaimān (Qaraḫanide) 86–91, 93–95, 364 Muḥ. b. Sulaimān al-Kāšġarī, Niẓām ad-Dīn Toġan-Beg  60 f., 97 Muḥ. b. Sulṭān (Munqiḏide) 233 Muḥ. (II.) b. Tekiš (Anūšteginide)  177, 365 f. Muḥ. b. Ṭirād az-Zainabī, Abū ’l-Ḥasan  186 f. Muḥ. b. Toġrı̊ l (Selǧuqe)  277 f. Muḥ. b. ʿUṯmān b. Yūsuf as-Samarqandī  21 Muḥ. Tapar ➝ Muḥ. (I.) b. Malik-Šāh Muḥ. Yol-Aba (vālī v. Gurgān)  316 Muhalhil b. Abī ’l-ʿAskar al-Ǧāwānī, Ḍiyāʾ ad-Dīn  205 f. Muʿīn ad-Dīn Yamīn al-Islām (ṣadr-i Tūrān)  93 Muʿīn-i Aṣamm ➝ al-Ḥusain b. ʿAlī alAṣamm al-Muqtadī bi-Amr Allāh (ʿAbbāside)  33, 172 al-Muqtafī li-Amr Allāh (ʿAbbāside)  71, 73, 111, 155 f., 162, 164 f., 175 f., 178 f., 183–189, 191, 195–197, 206, 218, 222, 224, 238, 241, 253, 260, 273–275 Muraǧǧā b. Battāh al-Baṭāʾiḥī, aṣ-Ṣārim 195 Musaiyib b. Mālik (ʿUqailide) 232 al-Mustanǧid bi-’llāh b. al-Muqtafī (ʿAbbāside)  164, 206 al-Mustanǧid bi-’llāh b. al-Mustaẓhir ➝ ʿAlī b. al-Mustaẓhir (ʿAbbāside) al-Mustaršid bi-’llāh (ʿAbbāside)  33, 70 f., 127 f., 132, 136, 141 f., 144, 147 f., 150 f.,

404

Indices

153–156, 161, 165 f., 168 f., 172–178, 180–183, 185, 189 f., 199–204, 216, 221, 235–237, 246, 271–273, 356, 364 al-Mustaẓhir bi-’llāh (ʿAbbāside)  57, 112, 127–129, 132, 168, 175, 207, 364 al-Muẓaffar b. Anūširvān, Abū ’l-Fażāʾil ➝ I̊ nanč Qutluġ Bilge Ḫvāǧa Beg al-Muẓaffar b. Ardašīr al-ʿAbbādī al-Marwazī, Quṭb ad-Dīn Abū Manṣūr  184 f. al-Muẓaffar b. Ḥammād (Ibn-Abī-’l-ǦabrDyn.) 194–198 al-Muẓaffar b. Ismāʿīl (Ibn-Abī-’l-Ǧabr-Dyn.)  194 Muẓaffar b. Muḥ. b. Ḫalīfa as-Sulamī  256 Muẓaffar b. Niẓām al-Mulk (I.), Faḫr al-Mulk Abū ’l-Fatḥ ➝ ʿAlī b. Niẓām al-Mulk an-Nafīs b. Aḥmad (Ibn-Abī-’l-Ǧabr-Dyn.)  194 f., 198 an-Nafīs b. Naṣr (Ibn-Abī-’l-Ǧabr-Dyn.) 196 an-Nāṣir li-’d-Dīn Allāh (ʿAbbāside) 177 Nāṣir b. ʿAlī ad-Darguzīnī, Qiwām ad-Dīn (I.) Abū ’l-Qāsim  63, 128 f., 134, 138, 142–144, 146 f., 149, 152, 158, 172, 258, 287, 297, 306 Naṣr (I.) b. Aḥmad (Naṣride)  48, 76, 78 Naṣr (II.) b. Ḫalaf (Naṣride)  76–85, 106, 120, 123, 339, 359, 360, 364 f. Naṣr b. Ibrāhīm (Ġaznavide)  103 Naṣr b. Ibrāhīm (Qaraḫanide)  32, 101 Naṣr b. Muḥ. (Qaraḫanide) 88 Naṣr b. an-Nafīs (Ibn-Abī-’l-Ǧabr-Dyn.)  194–196 Naṣr b. Šahrīvaš (Bādūspānide)  315 Naẓar b. ʿAbd Allāh al-Ǧuyūšī, Abū ’l-Ḥasan  173, 328 Nīst-andar-Ǧahān ➝ Sar-i Ǧahān Nūḥ (II.) b. Manṣūr (Sāmānide)  30 Nuṣrat al-Ḥaqq wa-’d-Dīn Pahlavān aš-Šarq (Qaraḫanide?) 95 Oġul-Beg, Šams ad-Dīn  149 Oġuzoġlı̊ (Atabeg Maḥmūds II.?)  130 f. Oġuzoġlı̊ as-Silāḥī (Atabeg Selǧuq-Šāhs)  267, 275, 279 Öner (Emir in Ḫurāsān)  60, 106 f., 129 f., 307, 360 Öner, Muʿīn ad-Dīn (Emir v. Damaskus)  240 Öz-Aba, Čaʾuš-Beg  211–213, 252 f.

Pahlavān aš-Šarq (Qaraḫanide?) ➝ Nuṣrat al-Ḥaqq Panā-Ḫusrau (ustād ʿamīd, vālī v. Āmul)  308 Porsuk ➝ Borsuq Qadı̊ r-Ḫan (Qaraḫanide) ➝ Aḥmad b. Muḥ. al-Qāʾim bi-Amr Allāh b. al-Qādir (ʿAbbāside)  31 f., 35, 43, 102, 169 Qaimaz al-Arǧawānī (amīr al-ḥāǧǧ)  328 Qaimaz, kaǧ-kulāh  60 f. Qaiṣar (Emir in al-Ǧibāl) 128 Qara-Arslan b. Dāwūd (Artuqide)  244 Qarača al-Ǧanāḥī 234 Qarača as-Sāqī, ʿIzz ad-Dīn  128, 130, 147– 149, 269–271, 279 Qarača-Beg (Machthaber in Buḫārā) 101 Qara-Sonqur (Emir in Transkaukasien)  159, 256–262, 267 f., 275 Qārin b. Šahriyār (Bāvandide)  305, 364 Qavurd u. Ibn Qavurd (Selǧuqen, 12. Jh.)  157, 179 Qayı̊ r-Ḫan b. Qarača, Ṣamṣām ad-Dīn  234 Qı̊ pčaq (Emir v. Šahrazūr)  224 Qiwām ad-Dīn (I.) Abū ’l-Qāsim ad-Darguzīnī ➝ Nāṣir b. ʿAlī Qiwām ad-Dīn (II.) b. Qiwām ad-Dīn (I.) Abū ’l-Qāsim ad-Darguzīnī  158 Qı̊ zı̊ l (amīr-i āḫur, šiḥna v. Bagdad)  149, 154, 170, 192 Qı̊ zı̊ l-Sarı̊ g 76 Qumač (ḥāǧib u. Sanǧars Atabeg)  58 f. Qumač, ʿImād ad-Dīn  55 f., 58–64, 68 f., 79– 81, 88, 99 f., 114, 116, 119, 121, 149, 301, 309, 360 Qumač al-Mustaršidī  59 Qurtı̊ b. Toġan-Arslan (Dilmačide)  245 Quš-Temür (Emir in Māzandarān)  311 Qutalmı̊ š/Qutlumuš (Emir in Ḫūrāsān/ Sīstān) 79 Quwaidān, Faḫr ad-Dīn  206 Raiḥān Maḥkūya/Maḥkawaih 194 ar-Rāšid bi-’llāh (ʿAbbāside)  161, 178 f., 183 f., 189, 196, 217 f., 221, 238, 255, 260, 273 f., 300 Rašīd al-Ġiyāṯī, Naǧm ad-Dīn  146 Rašīd, Sābiq ad-Dīn  154 Ravādī (valī v. Ganǧa) 263 Rustam (Kabūd-Ǧāma) 318 Rustam b. ʿAlī, Šāh-Ġāzī (Bāvandide)  148, 306, 309, 311–313, 315, 321, 360

Anthroponyme

Rustam b. Qārin (Bāvandide)  305 Rusudan (Bagratidin)  254 Saʿd b. ʿAlī al-Qummī, Šaraf ad-Dīn Waǧīh al-Mulk Abū Ṭāhir  133, 143 Saʿd b. Muḥ., Šihāb ad-Dīn Abū ʼl-Fawāris ➝ Ḥaiṣa Baiṣa Ṣadaqa (I.) b. Manṣūr (Mazyadide)  194, 198 f., 202, 207, 209 Ṣadaqa (II.) b. Dubais (Mazyadide)  203 f., 206, 209 Safariyya-Ḫatun, Tāǧ ad-Dunyā wa-’d-Dīn  62, 133, 135, 138, 295, 297 Ṣafiyya bt. Malik-Šāh, Šāh-Ḫatun (Selǧuqin)  79, 81, 364 Saġun-/Saġı̊ r-Beg (Qaraḫanide)  87 f., 90 Šahanšāh (Burgherr v. Dārā)  310 Šāhānšāh b. Sulaimān (Mengüčekide)  273 Šāh-Ġāzī (Bāvandide) ➝ Rustam b. ʿAlī Šāh-Ḫatun ➝ Ṣafiyya bt. Malik-Šāh Šahrīvaš b. Hazārasp (Bādūspānide)  315 Saʿīd b. Ḥamīd al-ʿUmarī 199 Sal(l)ār (Emir v. Ḥilla)  205 f. Salduq (II.) b. ʿAlī (Salduqide)  248 Sālim b. Mālik (ʿUqailide)  232 f. Sām (I.) b. al-Ḥusain (Ġūride)  117 f. Sām b. Vardānrūz (Atabeg v. Yazd)  293 f. Šamgun (Wolga-Bulgare)  332 Šams al-Milla (šiḥna v. Gurgān) ➝ Uluġ Ǧāndār Beg Šaraf ad-Daula (Araberprinz im Muṣībatnāma) 79 Šaraf-Ḫatun bt. ʿAmīd ad-Daula Ibn Ǧahīr  209 Sar-i Ǧahān/Nīst-andar-Ǧahān  146, 212 Savār b. Ai-Tegin, Saif ad-Dīn  231 Sävinč b. Böri (Böride)  231, 234 Šāvūr (II.) b. Minūčihr (Šaddādide)  252 Ṣawā[b?]-Beg, Ina[n]č Bilge (vālī v. Māzandarān) ➝ Abū ’l-Wafāʾ Sebük-Tegin b. Qara-Bečkem (Ġaznavide)  30, 34 Selǧuq-Šāh b. Muḥ. (Selǧuqe)  79, 147 f., 192 f., 210, 216, 259, 267, 269–272, 275, 279, 338 Sirāǧ ad-Dīn Naǧm al-Islām (iṣfahbad)  312 Šīr-Bārīk Maudūd b. ʿAlī (Artuqide)  244 Šīrgīr, Anūš-Tegin  131, 143 f., 149, 251, 256, 279, 296

405

Šīrkūh b. Šāḏī (Aiyūbide)  172 Šīrzād b. Masʿūd (Ġaznavide)  105 Sitāra-Ḫatun bt. Malik-Šāh (Selǧuqin) 291, 294, 364 Sökmen (II.) b. Ibrāhīm (Sökmenide)  265– 267 Sonqur al-ʿAzīzī 161 Sonqur al-Buḫārī  130 f. Sonqur al-Ḫumār-Tegin, Nūr ad-Daula  146 Sonqur b. Maudūd (Salġuride)  276–279, 286 f. Sübashi̊ (ḥāǧib Masʿūds I. v. Ġazna)  29 Sufrā bt. Dubais, ʿArab-Ḫatun (Mazyadidin)  157, 162, 209 Sulaimān b. Dāwūd (Artuqide)  245 Sulaimān b. Dāwūd (Qaraḫanide) 86 Sulaimān b. Il-Ġāzī (Artuqide)  243 Sulaimān-Šāh b. Muḥ. (Selǧuqe)  67 f., 162, 164, 167, 181, 210, 225 f., 254 f., 266, 269, 299–303, 309, 313, 322, 338 Sulaimān-Šāh, Šihāb ad-Dīn (Ivä-/Yı̊ vaFürst)  167 f. Sulṭān b. ʿAlī (Munqiḏide) 233 Sulṭān-Šāh b. Dubbāǧ (Isḥāqī-Dyn.) 327 Sulṭān-Šāh b. Riḍwān (Selǧuqe v. Syrien)  228 Šumla ➝ Il-Doġdı̊ Surḫāb b. ʿAnnāz (ʿAnnāzide)  285 f. Surḫāb b. Kai-Ḫusrau, Abū Dulaf  296 Sūrī b. al-Ḥusain (Ġūride)  115–117 Ṯābit b. Muḥ. al-Qummī at-Tamīmī, Kamāl ad-Dīn/Bahāʾ ad-Dīn  159 Tāǧ-Bega = Tāǧ-Ḫatun? (Selǧuqin?)  332, 364 Ṭāhir al-Ḫāzin (Bruder d. Ġaznaviden Malik-Arslan) 107 Ṭāhir b. Muḥ. al-Burūǧirdī, Maǧd ad-Dīn ʿIzz al-Mulk Abū ’l-ʿIzz  158 f., 187 Ṭāhir b. Naṣr (Naṣride) 78 Tapar (Selǧuqe) ➝ Muḥ. (I.) b. Malik-Šāh Tekiš b. Alp-Arslan (Selǧuqe)  53 f., 86, 385 Temür-Taš b. Il-Ġāzī (Artuqide)  243 f., 245 f. Terken-Ḫatun bt. Arslan-Ḫan Muḥ. (Gemahlin Sanǧars)  80 f., 86, 93 Terken-Ḫatun bt. Muḥ. Tapar (Selǧuqin)  291 Terken-Ḫatun bt. Tabġač-Ḫan Ibrāhīm (Gemahlin Malik-Šāhs I.)  133, 139

406

Indices

Ṯiqat ad-Dīn Abū Ǧaʿfar ➝ Abū Ǧaʿfar, Ṯiqat

ad-Dīn Toġan-Arslan (Dilmačide)  245, 252 Toġan-Beg ➝ Muḥ. b. Sulaimān al-Kāšġarī Toġan-Ḫan (Qaraḫanide) ➝ Ǧibrāʾīl b. ʿUmar Toġan-Šāh b. Alp-Arslan (Selǧuqe)  53, 78 Toġrı̊ l b. Daulat-Šāh (Dilmačide)  245 Toġri̊ l-Beg b. Mīkāʾīl (Selǧuqe)  30, 34–36, 43, 48, 101 f., 290, 296 Toġrı̊ l (II.) b. Muḥ. (Selǧuqe)  74, 131, 141– 144, 147–153, 181, 201, 210, 216, 251–253, 256–258, 272, 283, 295–297, 300, 309, 338, 360 Toġrı̊ l-Ḫan (Qaraḫanide) ➝ al-Ḥusain b. al-Ḥasan Toġrı̊ l-Tegin (Herr v. Tirmiḏ) 92 Torun-Tai (Emir v. Wāsiṭ) 195 Tuġ-Tegin (Stammvater d. Böriden)  230, 234 f. Tūrān-Šāh (I.) b. Qavurd (Kirmān-Selǧuqe)  329 Turšuk (mamlūk al-Muqtafīs)  186 Tutuš b. Alp-Arslan (Selǧuqe v. Syrien)  32 f. Uluġ Ǧāndār Beg, Šams al-Milla I̊ nanč Bilge (šiḥna v. Gurgān)  323 f. ʿUmar (Qaraḫanide) 87 ʿUmar (I.) b. ʿAbd al-ʿAzīz (Burhānide)  92, 360 ʿUmar b. Šīrgīr, Šaraf ad-Daula  144 ʿUṯmān b. Niẓām al-Mulk (I.), Šams al-Mulk  143, 172 f. Vardān-Šāh b. Farāmurz Langarūdī  321 Yabġū-Beg ➝ Toġan-Beg Yaġan-Beg ➝ Toġan-Beg Yaḥyā (al-aḫīr) b. Aḥmad al-Hārūnī, Abū Ṭālib al-Muʾayyad bi-’llāh  327 Yaḥyā b. Muqbil (Ibn-Abī-’l-Ǧabr-Dyn.) 197

Yāqūt-Arslan b. Toġan-Arslan (Dilmačide)  245 Yāqūtī b. Čaġrı̊ -Beg Dāwūd (Selǧuqe) 139 Yarı̊ n-Quš al-Bāzdār, Muẓaffar ad-Dīn  73 f., 145, 149, 153 f., 170, 279 Yarı̊ n-Quš Harīva  121, 161 Yarı̊ n-Quš al-Qārī/Qurʾān-Ḫvān/al-Faḫrī  154 f. Yarı̊ n-Quš az-Zakawī, Saʿd ad-Daula  141 f., 145 f., 170, 178 Yazd(i)gird III. (Sāsānide)  287 Yazdan b. Qumač  59 Yelü Daši (Qara-Ḫitai/Liao-Dyn.)  80, 92, 95 f., 100 Yol-Aba, Muḥ. ➝ Muḥ. Yol-Aba Yumn al-ʿIrāq(ī) al-Ḫādim  156, 218, 238 f., 328 Yürüñ-Quš ➝ Yarı̊ n-Quš Yūsuf Čaʾuš 149 Yūsuf b. Muḥ. (Anūšteginide)  74, 302, 322 Zāhida-Ḫatun ‫ سلقم‬bt. Malik-Šāh (Selǧuqin)  305 f., 310, 364 f. Zangī al-Ǧāndār 266 Zangī [b.] ʿAlī (vālī v. Buḫārā)  92, 99 Zangī b. (ʿAlī b.) Ḫalīfa aš-Šaibānī  92, 99 Zangī b. Aq-Sonqur (Eponym d. Zangiden)  143 f., 148, 178, 183 f., 192, 200 f., 204, 211, 213–224, 229–237, 239 f., 242 f., 245, 250 f., 339 Zangī b. Ayāz, I̊ nanč Yabġu  145 Zangī b. Borsuq (Borsuqide)  280 f., 284 Zubaida bt. al-Muqtafī (ʿAbbāsidin) 180 Zubaida-Ḫatun bt. Berkyaruq (Selǧuqin)  157, 258, 283 Zumurrud-Ḫatun bt. Čavlı̊ , Ṣafwat al-Mulk  235, 239

Dynastien, Stämme, Völker, Religionsgruppen

407

3. Dynastien, Stämme, Völker, Religionsgruppen ʿAbbāsiden  29–35, 42–44, 57, 70 f., 73, 102,

111 f., 127–129, 132, 136, 141 f., 144, 147 f., 150 f., 153–156, 161 f., 164–166, 168–191, 195–197, 199–204, 206 f., 216–218, 221 f., 224, 235–238, 241, 246, 253, 255, 260, 271–275, 300, 327 f., 343, 356, 364 f. Abessinier  62 f., 191 Abū-Ḥalīm-Šaibānī-Dyn.  109, 117 Afrāsiyābiden  29, 86, 93, 107 ʿAǧam  21, 52, 81 f., 209 Aḥmadīlī-Atabegs  146, 150, 252 f., 257 f., 261–263, 265 f., 268, 273, 282 Aiyūbiden  32, 171 f., 231, 245 ʿAliden  88, 174, 326 f., ➝ Hawāšim, ➝ Banū Muhannā ʿAnnāziden  285 f. Anūšteginiden  30, 35, 40, 44, 66–75, 81, 85, 88 f., 92 f., 98 f., 124 f., 130, 148 f., 153 f., 161, 177, 184, 207, 210, 224, 256, 266, 279, 301 f., 312, 322, 324, 339, 341, 355 f., 360, 365 f. Aqsonquriden  170, 192, 211–214, 220, 282 Araber  52, 79, 82, 157, 193, 199, 206–209, 216, 227, 233, 250, 288, 328 (➝ Banū …, ➝ Mazyadiden, ➝ Ibn-Abī-’l-Ǧabr-Dyn., ➝ ʿUqailiden, ➝ Munqiḏiden, ➝ Hawāšim) Armenier  169, 171, 186, 250, 266 f. Artuqiden  183, 204, 209, 228 f., 243–246, 252 Asaditen ➝ Banū Asad Ašʿariten 176 Assassinen ➝ Nizāriten Atabegs v. Damaskus ➝ Böriden Atabegs v. Fārs (Dyn.) ➝ Salġuriden Atabegs v. Groß-Luristān ➝ Hazāraspiden Atabegs v. Klein-Luristān ➝ Ḫuršīdiden Atabegs v. Marāġa ➝ Aḥmadīlī-Atabegs Atabegs v. Yazd  293 f., 364 Ayyūbiden ➝ Aiyūbiden Bādūspāniden  314 f., 327 Bagratiden  252–254, 259 Banū ’d-Dāya  234 Banū al-Muntafiq  208 Banū Asad  199, 205–207 Banū ʿAuf 206 Banū Borsuq ➝ Borsuqiden

Banū Ġuzaiya  328 Banū Ḫafāǧa  208, 220 Banū Ibn Abī ’l-Ǧabr ➝ Ibn-Abī-’l-Ǧabr-Dyn. Banū Kināna  193 Banū Laiṯ 193 Banū Muhannā v. Medina  328 Banū Munqiḏ ➝ Munqiḏiden Banū Numair  232 Banū Qaiṣar 288–290 Banū Qarača  231, 234 f. Banū Rabīʿa 227 Banū Ṭayy(iʾ) 227 Banū ʿUbāda 208 Banū ʿUqail ➝ ʿUqailiden Bāṭiniten ➝ Ismāʿīliten Bāvandiden  37, 74, 85, 105 f., 131, 148, 152, 203, 305–316, 318–321, 327, 338, 342 f., 359 f., 364 f. Begteginiden  217 f., 220, 225 f. Böriden  201, 230 f., 234–241, 268 Borsuqiden  130, 146, 154, 279–284 Burhāniden  87 f., 92, 94, 360, 364 f. Būyiden  31–34, 36, 42, 199, 288, 325 Byzantiner  219, 233, 242, 249 Christen  233, 249, 324 (➝ Bagratiden, ➝ Byzantiner, ➝ Kreuzfahrer) Dailamiten  32 f., 296, 326 (➝ Būyiden, ➝ Kākūyiden) Dānišmandiden  184, 246 f., 249 Dilmačiden  245, 252, 267 Drusen 227 Eldigüziden  42, 170, 254, 262–266, 268 Ildegiziden/Ildeñiziden ➝ Eldigüziden Eymür 285 Fāṭimiden  30, 42, 203, 213, 227, 230, 290, 327 f. Fünfer-Schiiten ➝ Zaiditen Gāhaḍavāla-Dyn. 365 Ǧarrāḥiden 227 Ǧāt 289 Ġaznaviden  29 f., 34, 57, 61, 76, 80 f., 102–126, 130, 140, 165, 240, 330, 332, 334, 341, 359 f., 364, 385 Georgier ➝ Bagratiden Gīlakī-Dyn.  56, 325 Ġūriden  40, 93, 114–127, 165, 334, 341, 356, 361 Ġuzz ➝ Oġuz

408

Indices

Haḏbānī-Kurden 217 Hakkārī-Kurden  215, 217 Ḥanafiten  25, 87, 176 Ḥasaniden ➝ Hawāšim, ➝ ʿAliden Hawāšim-Dyn.  327 f. Hazāraspiden  286 f. Ḫuǧandiden 88 Ḥumaidī-Kurden 215 Ḫuršīdiden  285 f. Ḥusainiden ➝ Banū Muhannā, ➝ ʿAliden Ḫvārazmšāhs ➝ Anūšteginiden Ibn-Abī-’l-Ǧabr-Dyn.  193–198, 361 I̊ naliden  245 f. Irak-Selǧuqen passim Isḥāqī-Dyn. 327 Ismāʿīliten  56, 73 f., 76, 82, 85, 106, 130, 152, 154, 173, 184, 227, 230, 258, 262, 280, 312, 315, 318, 324–327, 333, ➝ Fāṭimiden Ispahbadiyya ➝ Bāvandiden Ivä (Yı̊ va)  167 f. Kabūd-Ǧāma-Dyn.  307, 311, 318 f., 321 Kākūyiden  92, 101, 128, 130, 290–294, 313, 360, 364 f. Kartiden 365 Kasrāniden 255 Kayāniden 305 Kirmān-Selǧuqen  47 f., 113 f., 157, 179, 286, 290–293, 328–331, 364 Kreuzfahrer(staaten)  211, 213 f., 222, 224, 227 f., 230 f., 233, 240, 242, 246, 281 Kurden  141 f., 167, 205, 208, 214 f., 217, 246, 250, 285 f., ➝ Šabānkāra Langarūdī-Dyn.  307 f., 311, 318–321 Maḥmūdiyān  107 Maʿadd  193, 216 Marwāniden 246 Mazyadiden  55, 132, 141–144, 148, 152–154, 157, 162, 174, 193–195, 198–210, 212, 215 f., 220, 232, 252, 294, 297, 328 Mengüčekiden  248, 273 Mihrabāniden 82 Mihrānī-Kurden 215 Munqiḏiden  223, 231, 233–234 Naǧāḥiden 354 Naṣriden  48, 76–85, 106, 120, 123, 130, 339, 342, 359, 360, 364 f. Nīsāniden 246

Nizāriten ➝ Ismāʿīliten Oġuz(en)  20, 45, 59, 75, 99–101, 116, 119–123, 162 f., 166 f., 242, 273, 285, 287, 303, 312, Perser ➝ ʿAǧam Pīšdādiden 305 Porsukoğulları ➝ Borsuqiden Qaraḫaniden  20, 31 f., 76, 83, 85–98, 100 f., 107, 130, 140, 150, 154, 162, 249, 332, 334, 341, 360, 364 Qara-Ḫitai  20, 67, 80, 82, 85, 91 f., 95–101, 161, 184, 188, 292 f., 301, 332 Qāriniden 312 Qarluqen  89, 99 Qı̊ pčaqen  68, 253 Rassiden 327 Rūm-Selǧuqen  23, 40, 47, 184, 329 f. Šabānkāra 286–288 Šaddādiden  250, 252 Salduqiden  248, 267 Salġuriden  276–279, 286–288 Sāmāniden  30 f., 34 Šansabāniden ➝ Ġūriden Sāsāniden  31, 33, 40 f., 99, 287, 305, 314 Scherifen v. Medina ➝ Banū Muhannā Scherifen v. Mekka ➝ Hawāšim Schiiten  176 f., 193, 199, 203, 207, 231, 305, 313, 332, ➝ Ismāʿīliten, ➝ Zaiditen Sebükteginiden ➝ Ġaznaviden Selǧuqen v. Syrien  32 f., 47, 224, 228, 230 Selǧuqen v. Rūm ➝ Rūm-Selǧuqen Selǧuqen v. Kirmān ➝ Kirmān-Selǧuqen Siebener-Schiiten ➝ Ismāʿīliten Sīmǧūriden 325 Širvānšāhs  250, 253–256, 338 Sökmeniden  250, 265–268 Sufis  44, 106, 171 Sulamiden 256 Šūlen 286 Šumla-Dyn. 285 Sūmrā-Dyn. 113 syrische Selǧuqen ➝ Selǧuqen v. Syrien Ṯāʾiriden 326 Türkmenen  15, 20, 67, 99 f., 120, 208, 224, 276, 323 f. ʿUqailiden  203, 215, 219 f., 231–233 Wolga-Bulgaren  331 f., 364 Yazīdiden ➝ Širvānšāhs

Ausgewählte Begriffe und Titel, Dinge und Themen

Yı̊ va ➝ Ivä Zaiditen  315, 326–328, 333 Zangiden  143 f., 148, 178, 183 f., 192, 200 f., 204, 211, 213–226, 229–237, 239–245, 250 f., 267 f., 278, 282, 339, 342

409

Zuṭṭ ➝ Ǧāt Zwölfer-Schiiten ➝ Schiiten

4. Ausgewählte Begriffe und Titel, Dinge und Themen Abdankungen 79, 311 Abgesandte  105 f., 109 f., 132, 134, 143, 147, 154–156, 169, 171, 173–175, 179–181, 184 f., 187, 201, 216, 218, 221 f., 236 f., 326, 328, 331 f., 357 f., 365 Absetzungen/Entthronungen  61, 65, 79, 89, 128, 143, 158–160, 164, 172, 177, 183–186, 213, 218, 228, 271, 358, 385 Abstammung  31, 44, 68, 93, 96, 99, 104, 193, 287, 294, 305, 365 Abstammung v. Sanǧar 365, ➝ Kinder Sanǧars Adelsmarschall ➝ naqīb administratives iqṭāʿ  362 f. Aḥkām dīwān salāṭīn māḍīya  25, 35, 55, 67, 74, 80–83, 86, 90, 116, 121, 123, 149, 171 ʿalāma  31, 63, 149, 172, 298 f. Alexander, zweiter ➝ „zweiter Alexander“ Alkoholkonsum  53, 60, 157, 179, 225 Allianzen  56, 67, 120, 122, 141 f., 147 f., 150, 153 f., 183 f., 195, 204 f., 218, 221, 237, 240, 252, 276, 356 ʿamal  41, 50, 54, 61, 133, 204, 300 f. (➝ ʿāmil) ʿamīd  290, 308, 310 ʿāmil  54, 108, 113, 186, 296, 359, 362 amīr-i āḫūr  170 amīr al-ʿArab  208 amīr-i bār / bār-beg  55, 129 amīr-i dād / dād-beg  54, 88, 115 amīr al-ḥāǧǧ  173, 328 amīr al-umarāʾ  40, 43, 54, 56, 58, 82, 223 Amīrī-Dinare (Bagdad)  169 Amīrī-Dinare (Yazd)  292 Ämterkauf ➝ Bestechung Amtsenthebung ➝ Absetzungen Analphabetismus ➝ Lese- u. Schreibfähigkeit Apologie (Sanǧars)  180, 182

Armreif 204 Arrest ➝ Gefangenschaft Asyl ➝ Zuflucht Atabeg  58 f., 68, 110, 130 f., 143–146, 162, 192, 204–206, 210–213, 219–226, 230, 234, 236 f., 251 f., 256 f., 259, 261–263, 265–267, 269–277, 293 f., 300, 339 f. Attentate  44, 60 f., 74, 88 f., 106, 139, 152, 154 f., 173, 184, 196, 202, 214, 226, 232, 235, 239, 258, 262 f., 280, 301, 307, 312, 325, ➝ Giftmorde Auslieferung (v. Personen)  73, 106, 109, 143, 193, 201 f., 203, 216, 218, 306 Aussteuer ➝ Mitgift Auswurfmünzen  164, 204, 209 Badehäuser  196, 312 baiʿa  155 f., 178, 183, 193, 218, 238 f., 287 Banner  51, 53, 135, 161, 175, 202, 247 bār-beg ➝ amīr-i bār Bauinschriften ➝ Inschriften Bauprojekte  53, 55, 57, 86, 94, 116, 118, 131, 170–172, 175 f. Beduinen  207 f., 227, 328 Behörden ➝ dīvān Belagerungen  101, 119, 147, 167, 184, 193, 221, 232–236, 239 f., 244, 252, 258, 261, 263, 266, 283, 286, 318 Beschlagnahmungen  141 f., 176, 204, 295 f. Bestallungen ➝ Einsetzungen Bestechung u. Ämterkauf  61, 64, 106, 169, 201, 215, 221, 289, 327 Bibliotheken  53, 92, 326 bilge/bilgä  86, 303, 309, 323 Blendung  203, 385 f. Boote ➝ Schifffahrt Boten u. Botschafter ➝ Abgesandte Brautgeld 179

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Indices

Brief Sanǧars an das Kalifat (v. 1133)  22, 35, 41, 44, 77, 98, 130, 143, 148, 165 f., 171, 174, 180 f., 190, 202, 326 Brief Sanǧars an den byzantin. Kaiser  91, 248–250, 331 Briefe ➝ Korrespondenz „Bruder“, Bezeichnung als  55, 80–82, 84, 86, 93, 108, 166, 322 f. Bündnisse ➝ Allianzen burda  44, 156 Burgen  65, 77, 79, 86, 107, 115, 118, 122, 128, 171, 182, 191, 203, 215, 217, 220, 225, 227, 231–234, 246, 251, 255, 261 f., 275, 286–288, 302, 304, 310 f., 318–321, 324 f. čatr  55, 80, 123, 212 dād-beg ➝ amīr-i dād dār aḍ-ḍarb ➝ Münze dār al-mulk ➝ Hauptstädte Dareios, dritter ➝ „dritter Dareios“ daula-Begriff  28–33, 38, 53, 79, 166, 177, 185, 334 (➝ daula-alqāb) daula-alqāb  30–37, 82, 69, 111, 197 f. ad-daula-wa-’d-dīn-alqāb  69 f., 83, 98, 121 f., 127, 254, 302, 309, 320 Designation ➝ valī-ʿahd Dichter u. Dichtung ➝ Gedichte dīn-alqāb  34–37, 56 f., 69, 197 f., 207, 248 ad-dīn-wa-’d-daula-alqāb  30, 34, 96, 245, 253 f., 280, 282 Dinar v. Nīšāpūr ➝ Nīšāpūrī-Dinar Diplomaten u. ihre Missionen ➝ Abgesandte Diplome ➝ Urkunden dirham aswad  26, 83–85, 210 f., 228 f., 235, 238–240, 263 f. dīvān-i aʿlā  54, 97, 108, 147, 191, 296, 342, 359–363, ➝ dīvān-Steuern dīvān-i ʿārż  160 dīvān-i inšāʾ ➝ Kanzlei, ➝ inšāʾ dīvān-i išrāf ➝ mušrif dīvān-i istīfāʾ ➝ mustaufī dīvān-i iyālat  54 dīvān d. Großḫans 93 dīvān d. Sultans ➝ dīvān-i aʿlā dīvān d. Sultansmutter  133 dīvāne v. Vizekönigen  258, 314, 316, 322, 340, 362 dīvān-Steuern  63, 304, 362

dīvān i. S. d. Amtsgebäudes (in Bagdad)  209 dizdār  171 f. dominierende Emire Sanǧars ➝ führende Emire Doppel-alqāb ➝ ad-dunyā-wa-’d-dīn-alqāb, ➝ ad-daula-wa-’d-dīn-alqāb, ➝ ad-dīn-wa’d-daula-alqāb, ➝ al-milla-wa-’d-dīn-alqāb Doppelherrschaft 139 „dritter Dareios“  52 Dschihad  44, 77, 82, 85, 211, 224, 242, 246, 281, 324 f., 339 Ḏū ’l-Qarnain aṯ-ṯānī ➝ „zweiter Alexander“ ad-dunyā-wa-’d-dīn-alqāb  36 f., 68–72, 79, 83, 96 f., 111 f., 121, 126, 129, 133, 136, 139, 163–165, 169, 224, 247, 258, 283 f., 329, 357 Dynastiegründungen ➝ Herrschaftsvererbung Dynastielinien  16, 47, 49, 86, 98, 122, 194, 215, 228, 230 f., 243, 248, 329 Eheschließungen ➝ Heiraten Ehreneskorte ➝ Ehrengeleit Ehrengeleit  135, 180–182, 330, 356 Ehrenkleider ➝ ḫilʿa Eide 202, ➝ baiʿa Einfälle in Sanǧars Kernland Ḫurāsān 20, 67 f., 76, 86, 119–121, 129, 301 Einsetzungen  19, 59, 66–68, 73, 76, 86 f., 90, 92, 135 f., 138, 142 f., 149 f., 155, 157–159, 169 f., 172 f., 185, 193 f., 199, 204, 211, 214, 217, 229 f., 243, 246 f., 262 f., 272, 286, 299, 302 f., 306, 309, 316, 319, 322–324, 327, 358 f., ➝ nišāndagān (➝ Urkunden, ➝ Thronerhebungen, ➝ ḫilʿa) Elefanten  106–108, 130–132, 135, 138, 149 Enthauptungen u. Kopf-Versand  60, 91, 117, 143 f., 148 f., 164, 202, 246, 276, 302, 356 Entlassungen/Entthronungen ➝ Absetzungen Erbe, das (i. S. v. Nachlass)  62, 138, 310 Erbe, der ➝ Thronerbe Erdbeben  233, 259, 310 Erhebungen ➝ Rebellionen Ernennungen ➝ Einsetzungen Ernennungsschreiben ➝ Urkunden Eskorte ➝ Ehrengeleit Eunuchen  62 f., 110, 128, 169–173, 191, 194, 203 f., 218, 297, 328 Exil  74, 86, 174, 183 f., 203, 217 f., 305

Ausgewählte Begriffe und Titel, Dinge und Themen

Fahnen ➝ Banner Familienmotiv  103 f., 133 f., 141, 165 f., 336, ➝ „Bruder“, ➝ „Sohn“ Familienoberhaupt  105, 116 f., 129, 134, 194, 282, ➝ Familienmotiv Familientreffen  142, 299, 316 faqīh ➝ Rechtsgelehrte Farben  20, 62 f., 71, 123, 131, 134 f., 247 fatḥ-nāma  55, 67, 99, 116, 127, 279, 330 Favoriten (ḫawāṣṣ)  22, 60, 62, 160 f., 263, 265, 304 Feldzüge Sanǧars  20, 54, 67 f., 70, 72, 74, 86, 88 f., 92 f., 106 f., 109 f., 114, 119 f., 129–134, 147 f., 296 f., 303, 309 f., 322, 343, 360 Festungen ➝ Burgen Finanzbeamte ➝ ʿāmil, ➝ mustaufī, ➝ mušrif, (➝ Schatzmeister, ➝ Steuern) Finanzrat ➝ mustaufī Finanzverwaltung ➝ Steuern u. ~ Flaggen ➝ Banner Flucht  20, 76, 79–80, 86, 105, 108–110, 119, 128, 131, 148, 152, 178 f., 192, 199, 203 f., 206, 212, 225, 253, 281, 285, 302, 309, 318, 321, 359, ➝ Zuflucht(sorte) Frauen  22, 36, 64, 68, 79–81, 86, 88, 100, 103 f., 106, 128, 132 f., 135, 137–139, 144, 146, 156 f., 169, 172 f., 175–179, 188, 198, 203, 209, 235, 283, 291, 293 f., 305 f., 321, 361, 364 f., 385, ➝ Mütter, ➝ Heirat(sverbindungen) Freitagsgebet ➝ ḫuṭba Freundschaft(en)  98, 117, 135, 201 f., 253, 309, 359 (➝ Favoriten) Friedensschlüsse  79, 87 f., 102 f., 115, 132–135, 142, 174, 195, 198, 203, 212, 235 f., 254, 262, 266, 310, 326 führende, größte Emire Sanǧars (in dessen Kernland)  56, 60, 62 f., 76, 109, 121, 301 Fürsprache  61, 74, 88, 114, 132, 134, 148, 174, 187, 200 f., 243 ǧabuġa  273–275, 277 (➝ yabġu) ǧahān-pahlavān ➝ pahlavān-i ǧahān Gazellen 170 ġāzī  82–85, 108, 248 (➝ Dschihad) Gebietszuweisungen  81, 102, 140, 159, 166, 196, 203, 210, 213, 227, 229 f., 243, 256, 258, 261 f., 267, 279, 290, 295 f., 301, 316 f., 321, 329, 338 u. passim (➝ iqṭāʿ)

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Gedichte u. Dichter  16, 21, 30, 50, 55 f., 63–65, 73, 79 f., 82, 97 f., 104 f., 113 f., 117, 120, 123, 133, 138, 140, 143, 149, 162, 170, 182, 191 f., 194 f., 197, 200, 213, 253, 320 f., 332 Gefangenenauslieferung ➝ Auslieferung Gefangenenaustausch  201, 231 Gefangenschaft  20 f., 65, 80 f., 98, 106 f., 109, 114, 121 f., 128, 143, 154 f., 159, 162, 170, 172, 174, 177–179, 185, 191, 198, 201, 203, 216, 225 f., 228, 231, 234, 242, 249, 262, 267, 275, 285, 299, 302, 385, ➝ Geiseln Gegenkalifate  175, 177–179, 183 f., 217 f., 227, 238, 273 f., 327 Gegensultan(at)e  32, 129, 132, 135, 148, 150 f., 153, 163–165, 183, 212, 217 f., 221, 236–238, 258 f., 273–276, 283, 285, 313 Geiseln  77, 109, 122, 198, 203, 219, 226, 234, 252, 266, 306, 308, 312, 321, 358 f. Geleit ➝ Ehrengeleit Gesandtschaften ➝ Abgesandte Geschenke  64, 67, 106, 115, 117, 129, 132, 135, 161, 169, 173–175, 181, 188, 201, 212, 215 f., 218, 221, 233, 272, 289, 308, 332, 357 f., ➝ ḫilʿa Geschenkmünzen  36, 102, ➝ Auswurf­ münzen Giftmord(versuch)e  116, 130, 172, 285, 305 ǧihād ➝ Dschihad ġilmān ➝ Sklaven Glück  28–30, 62, 165 f., 171 Gottesgnadentum / repräsentative Theo­ kratie  29, 31, 35, 42–44, 102 Gouverneure ➝ vālī Gräber  23, 53 f., 65, 86, 97, 171, 179, 188, 231, 296, 310 Grenzen u. Grenzgebiete, Peripherie  39, 49 f., 67, 74, 97–99, 105, 113, 115, 118, 213, 227, 233, 238, 246, 250, 286, 294, 296, 304, 308, 311, 324–332, 337 f., 341, 343 f. Großatabeg  275, 277, 42 Großkönig ➝ šāhānšāh, ➝ malik al-mulūk Großsultan ➝ as-sulṭān al-aʿẓam ġulām ➝ Sklaven Gürtel  50, 199, 202 ḫādim ➝ Eunuchen Hadithe  20 f. Haft ➝ Gefangenschaft ḥaǧǧ  105, 173, 328

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Indices

ḥāǧib  55, 58 f., 114, 129, 144, 162, 178 f., 186, 262 f., 266, 280, 300 ḫalīfa  35 f., 132/168 ḫallada Allāh mulkahū  126 Halsketten  51, 86, 175, 181, 202, 204, 247 ḥaml ➝ Tribut Hammam ➝ Badehäuser Handel  192, 288–290, ➝ Märkte al-ḫaqan al-aʿẓam  86, 95, 97, 100 f. Häretiker ➝ Ketzer ḥāṣṣ ➝ Favoriten, ➝ Krongüter ḫaṭīb ➝ Prediger Hauptstädte  20, 53–55, 66, 71, 76, 87 f., 106–108, 110, 113, 115–118, 127 f., 140, 145 f., 189 f., 214, 224 f., 230 f., 235, 241, 247 f., 250, 252 f., 269, 275, 285, 295 f., 308, 314, 317, 340, 342 f. Heere(sstärken) ➝ Truppenstärken Heeresflügel u. -aufstellung ➝ Schlacht­ ordnung Heeresfolge  70, 80, 92 f., 99, 108, 120, 130, 148, 159, 196, 198, 243 f., 292, 306 f., 309–311, 323, 358, 360 Heeresmünzstätte  135 f. Heeresverwaltungsbehörde ➝ dīvān-i ʿārż Hegemonie  330, 336 f., 357 f. Heiden ➝ Ungläubige Heirat(sverbindungen)  67 f., 79, 86 f., 91–93, 103, 108, 115, 122, 137–139, 146, 156 f., 172 f., 175, 179 f., 185, 198, 209, 224, 239, 251, 254, 266, 276, 291, 293 f., 305, 313, 315, 321, 332, 363–365, 385 Herrschaftslegitimation  31–35, 37, 43 f., 51, 73, 127, 129, 153, 217, 220 f., 225, 227 f., 235, 243, 247, 277 Herrschaftsteilung (i. S. v. Herrschafts­ spaltung)  13, 47 f., 102, 116, 129, 135, 137, 140, 165, 217, 224, 247, 280, 335 (➝ Gegensultanate) Herrschaftsvererbung/Dynastiegründungen  55 f., 66 f., 76, 157 f., 193 f., 214, 217, 224, 230, 234 f., 243, 252, 261, 264, 279 f., 285 f., 293 f., 302 f., 316, 339 f., 359 Heterogenität/Pluralität  49, 51, 336, 357 ḫidma  50 f., 56, 79, 81, 135, 147, 171, 186, 243, 245, 258, 311, 331, 356, 359, 363, ➝ Unter­ werfung, öffentliche (ḫidma-Zeremonie)

ḫilʿa  68, 71, 73, 132, 135, 149, 153, 160, 164, 173 f., 180–182, 202, 204, 209, 212, 216, 226, 236, 243 Hilfegesuche  77, 87–89, 91–93, 105, 109, 119, 128, 147, 184, 203, 216, 219, 221, 233, 236, 244, 249, 252 f., 330 Hinrichtungen  60 f., 65, 74, 88, 92, 99, 105, 116, 121, 128, 130, 143 f., 146, 149, 152, 157, 159, 172, 179, 195, 204, 206, 212, 220, 225, 253, 262 f., 271, 273, 275 f., 284, 299, 313, 326, 358, 385, ➝ Enthauptungen Hochzeiten ➝ Heiraten Hofämter ➝ ḥāǧib, ➝ amīr-i bār ➝ Mundschenk, ➝ amīr-i āḫūr, ➝ ṭašt-dār, ➝ wakīl ad-dār, ➝ čatr, 323 Homosexualität  22, 60 Huldigung ➝ baiʿa ḥumūl ➝ Tribut Hunde 11 ḫusrau (v. Īrān u./od. Tūrān od. v. Nīmrūz) / Ḫusrauen (akāsira)  51, 82, 98, 127, 140 ḫuṭba  25, 39 f., 42, 48–50, 56, 67 f., 71, 81, 101, 107 f., 113, 119, 127, 132, 136, 147 f., 150, 152, 164, 168–170, 174, 183 f., 188 f., 195, 204, 209, 212, 216–218, 221, 236–238, 240, 243–245, 253 f., 275, 313, 327, 335, 340, 343, 358 Ḫvārazmšāh  66, 68, 70, 73 f., 82, 184, 207 f., 300, 302 Imam(at)  31, 33, 36, 42 f., 87, 109, 126, 227, 239, 241, 313, 317, 326 f. (➝ Kalifat) imārat al-istīlāʾ 33 Innsbruck plate 245 inšāʾ-Dokumente ➝ Urkunden, ➝ Korrespondenz inšāʾ-Rhetorik  25, 36, 40, 50–52, 82, 117, 165 f., 171, 182 f., 249, 265, 309, 317, 322, 340 (➝ „Bruder“, ➝ „Sohn“) Inschriften (ohne Münzen)  33, 36, 52, 57, 83 f., 86, 95, 97, 136, 208, 223 f., 231, 244–246, 254 f., 282, 293, 296 Insignien ➝ Prophetenmantel u. -stab, ➝ čatr, ➝ ḫilʿa, ➝ nauba, ➝ ḥuṭba, ➝ sikka, ➝ Banner, ➝ Ehrengeleit, ➝ laqab, ➝ Titel, ➝ Kopf-Versand, ➝ Kronen, ➝ Zepter, … Inthronisierungen ➝ Thronerhebungen (➝ Einsetzungen)

Ausgewählte Begriffe und Titel, Dinge und Themen

Investitur ➝ Einsetzungen iqṭāʿ  22, 54, 56, 59, 63, 128, 131, 144, 146, 169, 176 f., 191 f., 194, 200, 204–206, 209, 218, 245, 261, 267, 279, 281, 295, 297, 300, 303, 311 f., 322 f., 340, 361–363 iṣfahbad  305, 311 f. isfahsālār (sipah-sālār, sipah-dār)  55, 58, 69, 76 f., 82, 106, 114, 118, 121, 143, 149, 211, 223 f., 231, 244–246, 280, 282, 302, 309, 312, 322 f., 339 Islam  25, 29, 31, 33–36, 41–44, 50, 87 f., 133, 176, 227, 313, 326, 332 f., ➝ Schiiten, ➝ ḥaǧǧ, ➝ Prediger, ➝ Dschihad, ➝ ġāzī, ➝ Muslime u. Christen (➝ Kalifat/Imamat) Islām-alqāb, Träger v.  32, 53 f., 57, 80, 82, 90, 92 f., 112, 134, 173, 185, 208, 282, 303, 312, 314, ➝ malik al-Islām ispahbad ➝ iṣfahbad iyālat (u. vilāyat  41,)  35, 54 f., 309, 323 Juniorsultanat ➝ Subsultanat kadḫudā  59, 63, 68, 129, 133, 138, 159 f., 259, 276, 340 Kadi ➝ Richter Kalif(at)  18, 29–33, 37 f., 40–44, 63, 70 f., 73, 102, 123 f., 127 f., 132, 141 f., 144, 147 f., 150, 153–156, 164 f., 168–191, 196 f., 202, 206, 213, 217 f., 227, 236 f., 253, 327 (➝ Gegenkalifate, ➝ Kalifenwahl, ➝ Imamat, ➝ ḫalīfa) Kalifenwahl  155, 179, 185 f., 358 f. Kamele 108 Kammerherr ➝ ḥāǧib Kanzelgebet ➝ ḫuṭba Kanzlei(chef)  25, 35, 90 f., 155, 180, 182, 249, 322, 324, 339 Kassiden ➝ Gedichte Kastellan ➝ dizdār kātib al-inšāʾ ➝ Kanzleichef Kavallerie ➝ Reiterei Ketten ➝ Halsketten Ketzer  77, 82, 312 Kinder  53, 127, 129, 133-135, 137 f., 139, 141, 162, 202–205, 210–214, 237, 269, 287, 299, 306, 316, 338 f., 385 f. Kinder u. Kindeskinder Sanǧars 137–139, 156 f., 172 f., 332, 364, ➝ Abstammung v. Sanǧar

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kisrā ➝ ḫusrau Kleidung  22, 71, 159, 202, 216, 249, 323, ➝ ḫilʿa, ➝ Kopfbedeckungen, ➝ Prophetenmantel Koalitionen ➝ Allianzen Kondolenz(schreiben)  86, 162, 149 „König der Emire“ ➝ malik al-umarāʾ „König des Ostens“ ➝ malik al-mašriq, ➝ malik aš-šarq „König des Westens“ ➝ malik al-maġrib Königsmechanismus  356, 65 f. Kopfbedeckungen  60, 202, 216, ➝ Kronen Kopf-Versand  91, 117, 143 f., 246, 276, 302, 356 Koran(zitate)  57, 64, 139, 187 Korrespondenz  31, 35 f., 57, 73 f., 79–82, 86, 90, 93, 108, 112, 117, 119, 121, 123, 125, 129, 141, 147, 155, 161 f., 169, 172 f., 175, 177, 181, 184 f., 198, 213, 221, 241 f., 254, 256, 289, 365, ➝ fatḥ-nāma, ➝ Brief Sanǧars an das Kalifat, ➝ Brief Sanǧars an den byzantin. Kaiser Korruption ➝ Bestechung Kriegselefanten ➝ Elefanten Kronen  108, 181 Krongüter (ḫāṣṣ-Land)  191, 218, 295, 304, 362 Kronprinzen ➝ Thronfolge Krönungen ➝ Thronerhebungen kuffār ➝ Ungläubige Küsse  135, 181 f., 187, 212 laqab-Verleihung  30 f., 34 f., 57, 164, 183, 185, 204, 207, 224, 231, 246 f. laqab-Wechsel  32, 34 f., 53 f., 57, 69, 129, 136, 139, 164, 172, 207, 282 Legitimation ➝ Herrschaftslegitimation Lehen ➝ iqṭāʿ Lese- u. Schreibfähigkeit  22, 179 Listen (i. S. v. Tricks) u. Intrigen  60–65, 88, 144, 153, 155, 197, 224 f., 232, 234 (➝ Verleumdung) Lobgedichte ➝ Gedichte Lokalherren  87, 122, 128, 193, 195, 197, 214 f., 217, 219, 231– 235, 245 f., 252, 256, 290, 294, 296, 307 f., 310 f., 318–321, 325 f., 338, 342 Lösegeld  80 f., 109, 121 f., 182, 233 Machtsorten/Machtquellen  43 f., 46 maġrib  50, 117, 210, 229 f., 235, 249, 331

414

Indices

malik, Aufstieg (vom Emir) zum  31, 68–72, 75, 81 f., 197, 208–210, 223–225, 241, 244– 247, 291, 338–340 malik „der nördlichen Gebiete“  246 f. malik al-ʿArab  199, 204, 206–209 al-malik al-aʿẓam  71 f., 75, 125 f. malik al-barr al-baḥr  290 malik bilād ar-Rūm 247 malik-i Dailamān  327 malik (mulūk) al-ǧibāl  115 f., 125, 127, 207, 305 malik al-Islām  32 f., 77, 101 f. malik al-maġrib  210–213, 222, 230 malik al-mašriq  54, 57, 78, 96, 101, 107, 124 f., 127, 129, 210 f., 316, 330 malik al-mašriq wa-’l-maġrib  102 malik al-mulūk  53, 253, 312 (➝ šāhānšāh) malik-i Nīmrūz  80–82, 84 f., 207 f. malik v. Romanien u. Anatolien  247 malik al-umarāʾ  222–225, 239 f., 244, 259 f., 262–265, 270, 275, 277, 339 malik aš-šarq  125, 127 malika  86, 122 mamlaka u. mamālik  39–41, 51, 116, 166, 173, 181 Mamlūken ➝ Sklaven manšūr ➝ Urkunden Marionettenkönige  220 f., 236, 239, 241, 269–271, 287, 338 f. Märkte  53, 170, 176, 262, 296 marzubān  310–312 Militärführung ➝ führende Emire (➝ Triumvirat, ➝ malik al-umarāʾ), ➝ isfahsālār Militärkapelle ➝ nauba al-milla-wa-’d-dīn-alqāb  82 f., 87, 96, 110 minbar-Inschrift 293 Minderjährige ➝ Kinder miṯāl ➝ Urkunden Mitgift  138 f., 239, 254 Mord(anschläg)e ➝ Attentate Moscheen  33, 81, 171, 175, 187, 224, 332 muḥtašam  325 mulk(-alqāb)  28–33, 36–39, 53 f., 62 f., 75, 82, 88, 93, 102, 107 f., 116, 125, 142, 166, 229, 235, 289, ➝ ḫallada Allāh mulkahū mulūk, selǧuqische ➝ Vizekönigtümer Mundschenk  128, 130, 269 Münze (dār aḍ-ḍarb) 32, 169

muqṭaʿ ➝ iqṭāʿ Muslime u. Christen  233, 249, 252–254 mušrif  65 mustaufī  54, 65, 138, 159, 172 Mütter u. Großmütter  62, 68, 79, 86, 92, 103 f., 128, 133, 135, 138 f., 146, 157, 162, 204, 209, 212, 220, 235, 239, 266, 291, 294 f., 321, 364 Nachkommen Sanǧars ➝ Kinder Sanǧars, ➝ Abstammung v. Sanǧar Nachlässe ➝ Erbe nāʾib  35, 56, 59 f., 80, 90 f., 133, 150, 170, 192, 194, 209, 277, 297, 302, 319, 323, 308, 331, 340, ➝ Vizewesir naqīb (an-nuqabāʾ)  174, 187 nauba  134, 175, 181 f., 187, 212, 218, 247, 356 nettipattam  131 Niedergang/Zerfall d. Selǧuqenreiches (, angeblicher)  14, 20 f., 45–47, 92, 165, 188, 242, 335 (➝ Subsultanat d. Westens, Unabhängigkeit vom) nišānda(gān)  50 f., 98 Nīšāpūrī-Dinar  26, 61, 311 f. Nomaden  15, 20, 56, 67, 98–100, 120, 124, 276, 323 f., 361, ➝ Beduinen Oberemir ➝ amīr al-umarāʾ Oberherrnwechsel  72 f., 113 f., 155, 161, 327 Ost u. West  16, 51 f., 82, 102, 129, 137, 149, 173, 185, 210 f., 224 f., 296, 335, 343, 355 Ost-Reich  13, 48, 53 f., 242, 335, ➝ malik al-mašriq pahlavān-i ǧahān / ǧahān-pahlavān  82, 149, 259, 262 Paläste  21, 74, 108, 138, 171–173, 175 f., 178, 186 f., 200 Panegyrik ➝ Gedichte Periodisierung d. Selǧuqenherrschaft  13, 16, 43, 45–48 (➝ Niedergang d. Selǧuqenreiches) Peripherie ➝ Grenzen u. Grenzgebiete Pferde  108, 131, 135, 142, 161, 175 f., 177, 181, 199, 202, 216 Pilgerfahrt ➝ ḥaǧǧ Poesie ➝ Gedichte Polo 161 Präfekt ➝ šiḥna Präsenz bei Hofe  66, 100, 128, 142, 160 f., 230, 287, 296 f., 305–308, 359 f. (➝ Geiseln)

Ausgewählte Begriffe und Titel, Dinge und Themen

Prediger  71, 174, 176, 184, 322 Prinzen u. Prinzessinnen ➝ Kinder, ➝ Kronprinzen Prophetenmantel u. -stab ➝ burda, ➝ qaḍīb Prophezeiungen  20 f., 106 Proskynese ➝ Küsse qāḍī (’l-quḍāt) ➝ Kadi qaḍīb  44, 156 qaṣīda ➝ Kassiden raʾīs  55, 88, 236, 309, 317, 319, 340 Randgebiete ➝ Grenzen u. Grenzgebiete Rebellionen  25, 50, 65, 53, 67 f., 71–76, 79, 88 f., 91, 97, 109, 116–121, 124, 141, 148, 153 f., 194, 199, 205, 212 f., 220, 251 f., 259, 275, 276, 283, 287, 301, 312, 316, 318, ➝ Gegensultanate Rechnungsrat ➝ mušrif Rechtsgelehrte ➝ Religions- u. ~ Regionalherrschertitel  68, 81 f., 84, 124, 207 f., 266, 338 (➝ malik-i Nīmrūz, ➝ malik al-ʿArab, ➝ Ḫvārazmšāh, ➝ šāh-i Arman, ➝ Širvānšāhs, ➝ malik al-ǧibāl, „König des Ostens/Westens“, ...) Reichsteilung ➝ Herrschaftsteilung Reiseausrüstung 141 Reiter(ei)  20, 106 f., 128, 130 f., 135, 161, 171, 204, 283 Religions- u. Rechtsgelehrte  21, 36, 42 f., 44, 61, 87 f., 109, 169, 172, 176, ➝ Richter Residenzstädte ➝ Hauptstädte Richter  35 f., 109, 173, 179, 186, 200, 218, 319, 322, 365 Rituale ➝ Zeremonien u. ~ ṣadr  57, 87 f., 92 f., 185 šāhānšāh 33, 43, 84, 136, 248, 298, 309, 312, 322 (➝ malik al-mulūk) šāh-i Arman  250, 265–267 šāh-i ġāzī ➝ ġāzī ṣāḥib-i dīvān-i inšāʾ ➝ Kanzleichef ṣāḥib-qirān  29, 63 šahriyār  82, 273 Sanǧar als laqab/Beiname  365 f. Sängerinnen 64 sāqī ➝ Mundschenk šār  122 sarāparda  135 Sättel  135, 181, 202

415

Schabracken 131 „Schatten Gottes“  35 Schätze und Reichtümer  53, 61, 67 f., 106– 108, 138 f., 147, 179 f., 188, 199, 215 f., 251, 310 (➝ Brautgeld, ➝ Lösegeld) Schatzmeister  149, 155, 158, 187 Schifffahrt  114, 186, 195 f., 288–290 Schirme u. Schirmträger ➝ čatr Schlacht bei Asadābād  212 f. Schlacht bei Auba  120 f. Schlacht v. Bakimzā  196, 206 Schlacht v. Dāy-Marǧ  154, 243, 283 Schlacht am Didgori  252 Schlacht bei Dīnavar  70, 148 f., 177, 180, 216, 271, 297 Schlacht bei Hazārasp  55, 279, 360 Schlacht bei Naušaǧān  54, 76 Schlacht v. Panǧ Angušt  184, 204, 273 Schlacht v. Qara-Tegin  263, 276 f., 302 Schlacht v. Qaṭvān  20 f., 55, 67, 80, 85, 92, 108, 154, 161, 265, 292 f., 301, 310, 322, 324, 360 Schlacht bei Sāva  130–132, 281, 297, 360 Schlachtordnung  55, 76, 80, 106 f., 130 f., 149 Schmuck(stücke), Juwelen ➝ Halsketten, ➝ Kronen, ➝ Armreif, 61, 108, 135, 179 schwarze Dirhams ➝ dirham aswad Schwerter ➝ Waffen Seehandel ➝ Handel Seemacht 288–290 Seniorsultan ➝ as-sulṭān al-aʿẓam Siegel  60, 68 šiḥna  56, 66, 128, 141–146, 165, 169–171, 178, 191–194, 203–206, 208, 213 f., 252, 280, 284, 300 f., 308, 310, 319, 323, 340, 361 sikka(-Recht)  25–27, 39, 48, 56, 58, 68–72, 77 f., 93–95, 100 f., 108, 112 f., 124, 127, 132, 136, 145, 150–152, 161, 168 f., 174, 183, 188 f., 222 f., 225 f., 228, 238–241, 253 f., 259, 264 f., 268, 270, 272–274, 277 f., 283 f., 292, 298– 300, 313 f., 329, 335, 340, 343, 358 sipah-sālār, sipah-dār ➝ isfahsālār Sklaven  22, 56, 59 f., 62, 64, 66, 68 f., 130, 133, 148, 152, 169, 182 f., 186, 199, 206, 216, 234, 251, 261, 265, 297, 303, 342 „Sohn“, Bezeichnung als  80 f., 90, 108, 117, 149, 155, 165 f., 249, 251, 331, 336

416

Indices

Staatsschatz ➝ Schätze Stallmeister ➝ amīr-i āḫūr Stellvertreter ➝ nāʾib Steuern u. Finanzverwaltung  54, 61, 63, 66 f., 97, 108, 128, 170, 176, 191, 194, 196, 198 f., 230, 244, 269, 289, 296, 301, 304, 314, 325 f., 343, 358, 361–363, ➝ ʿāmil, ➝ mustaufī, ➝ mušrif, ➝ iqṭāʿ, ➝ Krongüter (➝ ʿamal, ➝ Tribut) Stoffe ➝ Textilien Subgouverneure  192, 199, 211, 214, 219, 231, 322, 339 f. Subsultanat d. Ostens ➝ Ġaznaviden Subsultanat d. Westens / d. Irak-Selǧuqen, Begründung  133–137, 140 Subsultanat d. Westens, Unabhängigkeit vom  165, 188, 226, 278, 300, 306, 314, 329 f. Sultan, Annahme u. Verbreitung d. Titels  101 f., 107, 116, 124 f., 127, 129, 135–137, 139 f., 165, 329, ➝ Gegensultanate as-sulṭān al-aʿẓam  38, 72–74, 94, 102, 107, 111, 117 f., 124, 136 f., 139 f., 166, 228, 270, 341 sulṭān al-ʿIrāq 164 sulṭān al-mašriq  101, 124 f., 127 sulṭān aš-šarq  101, 236 sulṭān al-umarāʾ 204 surādiq  135 Symbolik ➝ Zeremonien u. Rituale, ➝ Insignien, ➝ Farben, ➝ Familienmotiv, ➝ Vorbilder, 296 tamġa  48, 285 ṭašt-dār  66 tauqīʿ ➝ Urkunden Teilfürsten(tümer), selǧuqische ➝ Vizekönigtümer Teilreiche  94, 107, 137, 140, 329, 335, 341–344, 358 Textilien  22, 135, 169, 188, 216 (➝ Kleidung, ➝ Banner, ➝ Zelte) Theokratie ➝ Gottesgnadentum Theologen ➝ Religionsgelehrte Thronbesteigungen ➝ Thronerhebungen Throne  22, 30, 53, 67, 107 f., 169, 181, 187, 212 Thronerbe ➝ Thronfolge Thronerhebungen u. -wechsel, Krönungen  20, 30, 67, 79, 86, 90, 102, 105, 107, 123, 127, 146, 149 f., 153 f., 162–164, 225, 247, 266,

276, 285, 305, 311, 313, 332, 359 (➝ Einsetzungen) Thronfolge(regelung) ➝ valī-ʿahd ṭirāz  68 Titel, imperiale  40, 52, 102, ➝ „Schatten Gottes“, ➝ „zweiter Alexander“, ➝ as-sulṭān al-aʿẓam Titulatur Sanǧars als malik  54, 56 f. Titulatur Sanǧars als Sultan  57, 129, 136, 52 Toġrı̊ l-Tegin  222 f., 225, 257, 265, 282 Trauer  133, 138, 197, 356 Treueeid ➝ baiʿa Tribut  67, 93, 97, 99, 108–110, 115, 120, 196 f., 199, 233, 252 f., 278, 295, 323, 357 f., 360–362 Triumvirat 276 Trommeln ➝ nauba Truppenstärken  41, 64, 89, 106, 120 f., 124, 130, 148, 171, 204, 283, 360 Türkisch (Sprache)  20, 28, 86 f., 92, 101, 129, 133, 149, 212, 223, 234, 261, 273–275, 281, 285, 303, 306, 309, 323 ʿulamāʾ ➝ Religionsgelehrte uluġ atabeg ➝ Großatabeg Unabhängigkeit  31, 44, 67–69, 73, 89, 97, 107, 113, 140, 142, 145, 174, 190, 227, 231 f., 253 f., 286, 311, 324–327, 329–331, ➝ Subsultanat d. Westens, Unabhängigkeit vom Ungläubige  44, 82, 130, 324, 339 Unterwerfung, öffentliche / ḫidma-Zeremonie  88, 107, 110, 134 f., 146, 160, 212, 230, 236, 252, 306, 360 (➝ Präsenz bei Hofe) Urkunden  25, 35, 50, 53–55, 59, 63, 68 f., 71, 73, 81 f., 90 f., 140, 149, 166, 169, 172 f., 204, 209, 227, 229 f., 235, 243, 299, 302–304, 306, 309, 312, 316 f., 319, 322–324, 329, 340, 359, 362 ustundār  314 f. vakīl-dār ➝ wakīl ad-dār vālī  54–56, 146, 178, 340, 361–363 u. passim valī-ʿahd  54, 80, 105, 134, 136–138, 146, 148, 150–152, 156, 161–168, 175, 217 f., 221, 261 f., 271, 276, 284 f., 306, 308, 312, 321, 359 Vergebung  88, 109 f., 114, 121, 135, 154, 187, 205, 212, 252, 271, 275 f., 281, 318, 283 Verleumdung  65, 106, 116, 158, 171 Versetzungen  61, 92, 99, 200, 213 f., 262, 267 Vieh(märkte)  100, 170, 361

Ausgewählte Begriffe und Titel, Dinge und Themen

Vize-… ➝ nāʾib Vizekönigtümer / Teilfürstentümer, selǧuqische  338–340, 53, 103, 139, 192 f., 210–213, 217, 219–221, 251 f., 257 f., 262, 267, 269–273, 275 f., 279, 284 f., 295 f., 299 f., 302, 305, 309, 316 f., 322, 362 Vizewesir/Vertretungswesir  149, 160, 182, 185 f. Vorbilder  32, 36, 53 f., 66 f., 93, 111 f., 121, 123, 126, 129, 166, 210, 212, 335, 355, 365 vulture empire  67 Waffen u. anderes Kriegsgerät  48, 61, 94, 115, 124, 126, 142, 175, 264, 202, 222, 288, ➝ Kriegselefanten wāʿiẓ ➝ Prediger wakīl ad-dār 180 wālī ➝ vālī Weltherrschaft  35, 50–52, 55, 102, 335 f., 355 „Weltverbrenner“  83, 118 Wesire/Wesirat  31, 57 f., 60–66, 68, 97, 106, 116, 128, 134, 138, 141–144, 149, 152, 155,

417

157–160, 164, 168 f., 172 f., 177, 179, 185–187, 191, 212, 225 f., 231, 256, 276, 297, 299 f., 303, 339 f., 358 Wesirstitel  31, 57, 164, 185 Witwen  68, 103, 128, 146, 157, 175 f., 251, 266, 294, 305, 321, 364 f. yabġu  60, 145, 273 (➝ ǧabuġa) Zelte  135, 142, 154, 181 Zepter 247 Zeremonien u. Rituale  102, 107, 134 f., 150, 180–182, 187, 202, 209, 212, 342 f., 355–357, 360, ➝ Unterwerfung (ḫidma-Zeremonie), ➝ baiʿa, ➝ nauba, ➝ Ehrengeleit, ➝ Kopf-Versand (➝ ḫilʿa) ẓill Allāh ➝ „Schatten Gottes“ Zuflucht(sorte), Asyl  73 f., 86, 105, 110, 119, 128, 141, 150, 152, 175, 178, 183 f., 186–188, 195 f., 198, 202, 232 f., 244, 247, 253, 272, 292, 297, 302, 304 f., 310, 315, 327, 330 „zweiter Alexander“  52, 249, 309

Stephan Freund (Hg.)

Institutionalisierung und Wandel von Herrschaft Organisation, Strukturen und Zentralisierung haMBURGER STUDIEN - BaND 25 2023. 166 Seiten. € 39,– 978-3-515-13471-2 kaRToNIERT 978-3-515-13472-9 E-Book

Fragen der Institutionalisierung und des Wandels von Herrschaft zählen zu zentralen Anliegen historischer Forschung sowie der Rechtsund Verfassungsgeschichte. Die Überlieferung gestattet es, unterschiedliche Ausprägungen der Organisation menschlicher Gemeinschaften bis in hellenistische Zeit zurückzuverfolgen. Vor diesem Hintergrund befassen sich die Beiträge des Bandes exemplarisch mit Regelungsmechanismen. Der Achäische Bund wird ebenso thematisiert wie die Entstehung der Isonomie und der attische Seebund. Gefragt wird nach der Sicht auf die Tyrannis bei Aristoteles, nach entsprechenden Formen der Erinnerung, nach Regelungen zur Konfliktregulierung sowie nach politischen Zentren des bundesstaatlichen Gemeinwesens im antiken Griechenland. In einem Exkurs erfolgt ein Sprung ins Mittelalter, um die Herrschaftsstrukturen in karolingischer und ottonischer Zeit zu vergleichen. Die Bei-

träge nehmen damit zugleich Bezug auf Fragen zwischenstaatlicher Beziehungen in der Antike, einem der zentralen Forschungsinteressen von Martin Dreher, dem langjährigen Inhaber des Lehrstuhls für Alte Geschichte an der Otto-vonGuericke-Universität, dem der Band gewidmet ist. DER hERaUSGEBER Stephan Freund ist Inhaber des Lehrstuhls für Mittelalterliche Geschichte an der Otto-vonGuericke-Universität Magdeburg. MIT BEITRäGEN voN Gerhard Thür |Charlotte Schubert | Alberto Maffi | † Wolfgang Schuller | Kostas Buraselis | Gunnar Seelentag| Yves Löbel | Stephan Freund

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Justine Diemke (Hg.)

Forschungen zur Gewalt in der römischen Antike hamburger studien – band 24 2023. 284 Seiten € 54,– 978-3-515-13431-6 kartoniert 978-3-515-13433-0 e-book

Dem facettenreichen Phänomen der antiken Gewalt nähern sich zehn Beiträge deutsch- und englischsprachiger Autoren aus verschiedenen Perspektiven an. Die Texte basieren auf Vorträgen einer interdisziplinären Tagung zur antiken Gewalt, die im Wintersemester 2020 an der Universität Hamburg stattfand. Die Einleitung gibt einen konzisen Überblick über die unterschiedlichen „turns“ (emotional, sensory, temporal und spatial turn) mit gleichzeitiger Prüfung ihrer Anschlussfähigkeit an die Gewaltforschung. Das Spektrum der Einzelbeiträge reicht von grundlegenden definitorischen Bestimmungen von Gewalt, über die Herausarbeitung neuer Topoi bis hin zu Einbindung von Teildisziplinen wie den Gender-Studies und der Militärforschung. Zudem wird ein Bogen gespannt von bislang wenig oder noch nicht beachteten Gewalträumen wie der arabischen Wüste bis hin zu vernachlässigten Formen der Gewalt, wie psychischer/verbaler Gewalt.

Der militärischen Gewalt und dem Gewaltverhalten von Soldaten widmen sich die letzten Beiträge dieses Bandes. die herausgeberin Justine Diemke ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Alte Geschichte an der Universität Hamburg. Sie studierte Geschichte und Klassische Archäologie. Nach ihrem Studium war sie für einen Forschungsaufenthalt an der Universität Oxford. Derzeit promoviert sie an der Universität Hamburg zu dem Thema „Depressionen“ in der Antike. Neben ihrem Dissertationsprojekt forscht sie im Rahmen eines Drittmittelprojektes zu Duftstoffen in der Antike. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen ebenso die sensory studies, Emotionen sowie die antike Gewaltforschung.

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Friederike Hoyer

Der Blick nach Byzanz Die griechisch-orthodoxe Kirche in der lateineuropäischen Kirchengeschichtsschreibung der Frühen Neuzeit HAMBURGER STUDIEN ZU GESELLSCHAFTEN UND KULTUREN DER VORMODERNE — BAND 23 2022. 246 Seiten. € 50,– 978-3-515-13367-8 KARTONIERT 978-3-515-13368-5 E-BOOK

Eine zentrale Frage der konfessionellen Debatten des 16./17. Jahrhunderts war, ob die protestantische oder die katholische Lehre in der Tradition des apostolisch legitimierten frühen Christentums stand. Auf der Suche nach Antworten wuchs das Interesse an der Kirchengeschichte. Ab Mitte des 16. Jahrhunderts versuchten Autoren umfangreicher kirchenhistorischer Werke nachzuweisen, dass ihre Lehre keinerlei Neuerungen enthalte. So rückte die byzantinische Kirchengeschichte in den Fokus und damit die Kirche, die das Neue Testament immer im griechischen Original gelesen hat. Friederike Hoyer untersucht exemplarisch, wie sich die konfessionell bedingten Argumentationslinien auf die Rekonstruktion der Vergangenheit

der Orthodoxie auswirkten. Es wird deutlich, dass deren Einbeziehung in den interkonfessionellen Diskurs das Interesse an byzantinischer Literatur und Geschichte nördlich der Alpen entfachte. Jedoch zeigt sich, dass dies nicht zu einer Verdrängung von Stereotypen und nicht verifizierten, aus dem Mittelalter tradierten Informationen führte. DIE AUTORIN Friederike Hoyer studierte Klassische Philologie und Byzantinistik an der Universität Leipzig. Sie war als wissenschaftliche Mitarbeiterin am DFGGraduiertenkolleg „Interkonfessionalität in der Frühen Neuzeit“ der Universität Hamburg tätig, wo sie 2021 im Fach Byzantinistik promoviert wurde.

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Kaum ein Sultan herrschte so lange wie der Selǧuqe Sanǧar. Mit seinem Tod im Jahre 1157 endete eine Ära – auch weil Sanǧar als letzter seiner Dynastie noch Oberhaupt eines Reiches war, das sich von Mittelasien bis in die Levante erstreckte. Die Grandiosität seiner Herrschaft wird in mittelalterlichen Berichten stets herausgestellt, wohingegen moderne Historiker Sanǧars Sultanat mit Machtniedergang und Reichszerfall verbinden. Doch was bedeutete damals imperiale Herrschaft? Wie äußerte sie sich in den diversen Reichsteilen und auf welcher Grundlage gehörte ein Gebiet überhaupt zu Sanǧars Reich? Wie war dieses zusammengesetzt und dank

ISBN 978-3-515-13147-6

9 783515 131476

welcher Strukturen und Mechanismen gelang es dem „Sultan der Sultane“, auch abseits der Kernländer seine Anerkennung zu behaupten? Sebastian Hanstein geht diesen und weiteren Fragen Region für Region, Vasallenfürstentum für Vasallenfürstentum en detail nach, indem er eine Vielzahl an Quellen – darunter nicht zuletzt Münzen – auswertet und Herrschaftsebenen und Teilreiche bestimmt. So bietet sich ein facettenreiches Panorama, welches die politische Kultur (nicht nur) des großselǧuqischen Reiches in ihren faszinierenden Feinheiten und ihrer eigenen Logik besser verständlich macht.

www.steiner-verlag.de Franz Steiner Verlag