Die halbzwingenden Vorschriften des VVG: Ihre Missachtung und ihr Verhältnis zur Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F [1 ed.] 9783428514137, 9783428114139

Das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) enthält zahlreiche sog. "halbzwingende Vorschriften". Eine vertragliche

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Die halbzwingenden Vorschriften des VVG: Ihre Missachtung und ihr Verhältnis zur Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F [1 ed.]
 9783428514137, 9783428114139

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Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 299

Die halbzwingenden Vorschriften des VVG Ihre Missachtung und ihr Verhältnis zur Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F.

Von Dominik Klimke

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

DOMINIK KLIMKE

Die halbzwingenden Vorschriften des VVG

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 299

Die halbzwingenden Vorschriften des VVG Ihre Missachtung und ihr Verhältnis zur Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F.

Von Dominik Klimke

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2003 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

D 188 Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-11413-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Diese Untersuchung wurde im Sommersemester 2003 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin als Dissertation angenommen. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Jürgen Prölss. Während meiner Assistententätigkeit an seinem Lehrstuhl war er mir stets ein engagierter Gesprächspartner, der den Fortgang der Arbeit mit vielen wertvollen Anregungen begleitet und mich in schwierigen Phasen ermuntert hat. Herrn Professor Dr. Helmut Schirmer danke ich herzlich für sein Zweitgutachten. Die Arbeit befindet sich auf dem Stand vom 15. Dezember 2003. Berlin, im Dezember 2003

Dominik Klimke

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

1. Teil Allgemeine Grundsätze

28

1. Abschnitt Abweichung zum Nachteil des Versicherungsnehmers oder anderer geschützter Personen

28

A. Für den Versicherungsnehmer nachteilige Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

I. Objektive Verschlechterung der Rechtsposition des Versicherungsnehmers . . . . .

28

II. Begrenzungen des Verbotes nachteiliger Abweichungen im Hinblick auf die Situation bei Abschluss der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

III. Saldierung der Vor- und Nachteile einer Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

IV. Ermittlung des Inhaltes der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 B. Einseitige Rechtsgeschäfte des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 I. Der einseitige Verzicht des Versicherungsnehmers auf ein Gestaltungsrecht . . . . 105 II. Insbesondere: Der Verzicht auf das Widerspruchsrecht aus § 5a VVG vor Ablauf der Widerspruchsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 C. Abweichungen zum Nachteil anderer Personen als des Versicherungsnehmers 108 I. Erwerber (§ 72 VVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 II. Hypothekengläubiger (§§ 100 ff. VVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Abschnitt Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Verbot nachteiliger Abweichungen

110

A. Wahlrecht des Versicherungsnehmers oder endgültige Unwirksamkeit . . . . . . . . . 110 I. Nachteilige Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 II. Nachteilige einseitige Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

8

Inhaltsübersicht

B. Die von den Verstoßfolgen des VVG erfasste nachteilige „Vereinbarung“ . . . . . . . 116 I. Der Mindestinhalt der nachteiligen Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 II. Die Einbeziehung von für den Versicherungsnehmer günstigen Regelungen in die Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 III. Die Einbeziehung von für den Versicherungsnehmer belastenden Regelungen in die Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 C. Die Berufung des Versicherungsnehmers auf die Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 I. Die Notwendigkeit einer Berufung auf die Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 II. Die Rechtsnatur und Rechtsfolgen einer Berufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 III. Die Berufungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 IV. Ausschluss der Berufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 D. Teilweise Aufrechterhaltung der Vereinbarung durch ergänzende Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 E. Die Folgen einer Abweichung zum Nachteil des Versicherungsnehmers im Verhältnis zu Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 F. Die Verstoßfolgen bei Abweichungen zum Nachteil anderer Personen als des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 I. Abweichungen zu Lasten des Erwerbers der versicherten Sache (§ 72 VVG) . . . 156 II. Abweichungen von den §§ 100 ff. VVG zu Lasten des Hypothekengläubigers 157

3. Abschnitt Das Verhältnis des Verbotes nachteiliger Abweichungen zur Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F.

157

A. Die Kontrolle von Vereinbarungen nach den §§ 305 ff. BGB n. F., die nicht gegen das Verbot nachteiliger Abweichungen verstoßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 I. Von Vorschriften des VVG abweichende, für den Versicherungsnehmer aber nicht überwiegend nachteilige Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 II. Vereinbarungen, die keine Abweichungen vom VVG enthalten . . . . . . . . . . . . . . . . 164 B. Gegen das Verbot nachteiliger Abweichungen verstoßende Vereinbarungen . . . . 167 I. Verstoß gegen die §§ 305 ff. BGB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 II. Das Verhältnis der Verstoßfolgen des VVG zu den Verstoßfolgen der §§ 307 ff. BGB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

Inhaltsübersicht

9

2. Teil Einzelne Anwendungsfälle

170

1. Abschnitt Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

171

A. Prämienerhöhung bei nachträglicher Aufdeckung eines gefahrerheblichen Umstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 I. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 II. Abweichung von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 III. Nachteiligkeit der Abweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 IV. Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 V. Beurteilung auf der Grundlage des Zwischenberichtes der Reformkommission 204 B. Vertragsstrafe bei nachträglicher Aufdeckung eines gefahrerheblichen Umstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 I. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 II. Nachteilige Abweichung von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 III. Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 IV. Beurteilung auf der Grundlage des Zwischenberichtes der Reformkommission 213 C. Risikoausschlüsse, die an das Vorliegen bestimmter Umstände bei Vertragsschluss bzw. bei Versicherungsbeginn anknüpfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 I. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 II. Zeitlich nicht befristete Risikoausschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 III. Zeitlich befristete Risikoausschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 IV. Risikoausschlüsse in Verträgen über vorläufigen Deckungsschutz . . . . . . . . . . . . . 242 V. Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 VI. Beurteilung auf der Grundlage des Zwischenberichtes der Reformkommission 245 2. Abschnitt Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

246

A. Prämienerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 I. Individuelle Gefahrerhöhungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 II. Generelle Gefahrerhöhungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281

10

Inhaltsübersicht III. Veränderungen nach Vertragsschluss, die keine Gefahrerhöhung i. S. d. § 23 Abs. 1 VVG mit sich bringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 IV. Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 V. Beurteilung auf der Grundlage des Zwischenberichtes der Reformkommission 298

B. Vertragsstrafe für die Verletzung von Anzeige- und Nachweispflichten . . . . . . . . . 301 I. Nicht- oder Falschanzeige tatsächlich eingetretener Gefahrerhöhungen . . . . . . . . 301 II. Nicht- oder Falschanzeige der Veränderung von Umständen, die für eine Gefahrerhöhung lediglich indizierend sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 III. Sanktionen für die Verletzung von Anzeige- und Nachweisobliegenheiten ohne Veränderung der bei Vertragsschluss gegebenen Gefahrenlage bzw. dafür indizierender Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 IV. Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 V. Beurteilung auf der Grundlage des Zwischenberichtes der Reformkommission 310 C. Bedingungsänderung bei Eintritt einer generellen Gefahrerhöhung . . . . . . . . . . . . 313 I. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 II. Abweichung von den §§ 23 ff. VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 III. Nachteiligkeit der Abweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 IV. Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 V. Beurteilung auf der Grundlage des Zwischenberichtes der Reformkommission 327 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

1. Teil Allgemeine Grundsätze

28

1. Abschnitt Abweichung zum Nachteil des Versicherungsnehmers oder anderer geschützter Personen

28

A. Für den Versicherungsnehmer nachteilige Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

I. Objektive Verschlechterung der Rechtsposition des Versicherungsnehmers . . . . .

28

1. Verschlechterung der in einer halbzwingenden Vorschrift ausdrücklich angeordneten Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

a) Keine Abweichung bei Vereinbarung einer Bedingung? . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

b) Beabsichtigte Abweichung von halbzwingenden Vorschriften? . . . . . . . . . .

32

2. Vereinbarung von für den Versicherungsnehmer ungünstigen Rechtsfolgen für im Gesetz nicht ausdrücklich mit Rechtsfolgen versehene Tatbestände . . .

34

a) Die Reichweite des Abweichungsverbotes bei analoger Anwendung halbzwingender Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

b) Bestimmung der Reichweite des Abweichungsverbotes im Hinblick auf den Zweck der halbzwingenden Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

3. Veränderung der gesetzlichen Beweislastverteilung zu Lasten des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

4. Vereinbarungen zu Lasten des Versicherten bzw. des Bezugsberechtigten . . .

41

II. Begrenzungen des Verbotes nachteiliger Abweichungen im Hinblick auf die Situation bei Abschluss der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

1. Bisher vertretene Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

a) Die Auslegung des VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

b) Die Auslegung von halbzwingenden Vorschriften außerhalb des VVG . . .

44

12

Inhaltsverzeichnis 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

a) Der Wortlaut des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

b) Der Zweck des Verbotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

aa) Keine Wahrung objektiver, vom Schutz des Versicherungsnehmers unabhängiger Belange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

bb) Der Schutz des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Fehlende Überschaubarkeit der Auswirkungen einer Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Unsicherheiten bei der Bewertung der Folgen einer Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Vom Verbot nachteiliger Abweichungen nicht erfasste Unsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Unsicherheiten, die das VVG dem Versicherungsnehmer auch an anderer Stelle zumutet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Nicht spezifisch versicherungsvertragliche Einschätzungsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Fehlende Kenntnis des Versicherungsnehmers von der gesetzlichen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Berücksichtigung der individuellen Fähigkeiten des Versicherungsnehmers? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46 47 47 49 50 50 51 52

(2) Schutz des Versicherungsnehmers im Hinblick auf seine wirtschaftliche Unterlegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

(3) Schutz vor einseitig vom Versicherer vorformulierten Abweichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

III. Saldierung der Vor- und Nachteile einer Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

1. Die Zulässigkeit einer Saldierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

aa) Die Auslegung des VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die herrschende Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57 57

(2) Einwände gegen eine Saldierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

(3) RGZ 162, 238 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

bb) Die Auslegung von halbzwingenden Vorschriften außerhalb des VVG

60

b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

aa) Wortlaut und Systematik des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

bb) Unmöglichkeit einer Saldierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

cc) Der Zweck des Gesetzes: Garantie eines in allen Einzelheiten unabdingbaren Mindestschutzes oder eines Gesamtniveaus? . . . . . . . . . . . . . (1) Die Interessen des Versicherers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63 63

(2) Garantie eines Mindestschutzes im Hinblick auf die Komplexität der gesetzlichen Regelung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Das Interesse des Versicherungsnehmers an einer Saldierung . . .

66 67

(4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

Inhaltsverzeichnis

13

2. Methodische Grundsätze der Saldierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

a) Die bei der Saldierung zu berücksichtigenden Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

aa) Verbesserungen der Rechtsstellung des Versicherungsnehmers, die sich nach Vertragsschluss unmittelbar aus dem Vertrag ergeben . . . . .

69

(1) Kausalität des Nachteils für den Vorteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Fehlender sachlicher Zusammenhang von Vor- und Nachteil (b) Sachlicher Zusammenhang von Vor- und Nachteil . . . . . . . . . .

70 71 71

(2) Zusammentreffen von Vor- und Nachteilen in einem Anwendungsfall der Vereinbarung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Rechtsunsicherheit als Folge einer Einzelbetrachtung? (bb) Die Interessen des Versicherers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Die Interessen des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . . ) Berücksichtigung potentieller Vorteile . . . . . . . . . . . . . ) Keine Saldierung von Gruppeninteressen . . . . . . . . . . (c) Ergebnis zu (2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74 74 76 76 77 77 78 79 81

(3) Vor- und Nachteile als Folge der Regelung desselben rechtlichen Tatbestandes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

bb) Durch eine Entscheidung des Versicherers nach Vertragsschluss vermittelte Verbesserungen der Rechtsstellung des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

(1) OLG Hamm NJW-RR 1992, 1510 f. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

(2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

cc) Vereinbarung eines Prämiennachlasses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

(1) Grundsätzliche Unbeachtlichkeit einer geringeren Prämie . . . . . .

88

(2) Tarifwahl, atypische Fallgestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

dd) Vertragsschluss als Vorteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

b) Die in die Saldierung einzustellenden Belastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

c) Die Saldierung der Vor- und Nachteile im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

aa) Vorrang gesetzlicher Bewertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

bb) Beurteilungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

(1) Objektive Interessenbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

(2) Bewertung aus Sicht des Vertragsschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

(3) Typisierende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

cc) Die Abschätzung des Verhaltens des Versicherers . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

dd) Entscheidung in Zweifelsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 IV. Ermittlung des Inhaltes der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

14

Inhaltsverzeichnis

B. Einseitige Rechtsgeschäfte des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 I. Der einseitige Verzicht des Versicherungsnehmers auf ein Gestaltungsrecht . . . . 105 II. Insbesondere: Der Verzicht auf das Widerspruchsrecht aus § 5a VVG vor Ablauf der Widerspruchsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 C. Abweichungen zum Nachteil anderer Personen als des Versicherungsnehmers 108 I. Erwerber (§ 72 VVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 II. Hypothekengläubiger (§§ 100 ff. VVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

2. Abschnitt Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Verbot nachteiliger Abweichungen

110

A. Wahlrecht des Versicherungsnehmers oder endgültige Unwirksamkeit . . . . . . . . . 110 I. Nachteilige Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 a) Wortlaut und Systematik des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Der Zweck des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 II. Nachteilige einseitige Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 B. Die von den Verstoßfolgen des VVG erfasste nachteilige „Vereinbarung“ . . . . . . . 116 I. Der Mindestinhalt der nachteiligen Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 II. Die Einbeziehung von für den Versicherungsnehmer günstigen Regelungen in die Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 1. Begünstigungen, die ausschließlich im Hinblick auf zu der Vereinbarung gehörende Belastungen vereinbart wurden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 aa) Die Auslegung des VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 bb) Das Parallelproblem bei Verstößen gegen die §§ 307 – 309 BGB n. F. 123 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 aa) Der Wortlaut des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 bb) Ausdehnung der Verstoßfolgen gemäß § 139 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

Inhaltsverzeichnis

15

cc) § 306 BGB n. F.(§ 6 Abs. 1 AGBG a. F.) analog? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 dd) Der Zweck des VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (1) Schutz vor überwiegend nachteiligen Abweichungen . . . . . . . . . . . 128 (2) Widersprüchliches Verhalten des Versicherers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (3) Prävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (4) Keine einseitige Wahrnehmung der Interessen des Versicherers 130 (5) Kein schutzwürdiges Vertrauen des Versicherungsnehmers . . . . . 132 ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 2. Begünstigungen, die (auch) im Hinblick auf nicht zu der Vereinbarung gehörende Belastungen vereinbart wurden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 III. Die Einbeziehung von für den Versicherungsnehmer belastenden Regelungen in die Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 1. Für den Versicherungsnehmer ausschließlich belastende Regelungen . . . . . . . 134 a) Regelungen in AVB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 b) Individualvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2. Belastungen, die mit einem Vorteil verknüpft sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 a) Interesse des Versicherers an einer Begrenzung der Reichweite der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 b) Interesse des Versicherers an einer Einbeziehung in die Vereinbarung . . . 143 C. Die Berufung des Versicherungsnehmers auf die Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 I. Die Notwendigkeit einer Berufung auf die Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 II. Die Rechtsnatur und Rechtsfolgen einer Berufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 1. Begrenzung der Rechtsfolgen auf einen Anwendungsfall der Vereinbarung 145 2. Rückwirkung der Berufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 III. Die Berufungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 1. Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Empfangsbedürftigkeit der Berufungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 IV. Ausschluss der Berufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 1. Verzicht des Versicherungsnehmers auf sein Wahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 2. Nichtausübung des Wahlrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 a) Analoge Anwendung der §§ 108 Abs. 2, 177 Abs. 2 BGB? . . . . . . . . . . . . . . 152 b) § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

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Inhaltsverzeichnis

D. Teilweise Aufrechterhaltung der Vereinbarung durch ergänzende Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 E. Die Folgen einer Abweichung zum Nachteil des Versicherungsnehmers im Verhältnis zu Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 F. Die Verstoßfolgen bei Abweichungen zum Nachteil anderer Personen als des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 I. Abweichungen zu Lasten des Erwerbers der versicherten Sache (§ 72 VVG) . . . 156 II. Abweichungen von den §§ 100 ff. VVG zu Lasten des Hypothekengläubigers 157

3. Abschnitt Das Verhältnis des Verbotes nachteiliger Abweichungen zur Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F.

157

A. Die Kontrolle von Vereinbarungen nach den §§ 305 ff. BGB n. F., die nicht gegen das Verbot nachteiliger Abweichungen verstoßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 I. Von Vorschriften des VVG abweichende, für den Versicherungsnehmer aber nicht überwiegend nachteilige Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1. § 305c Abs. 1 BGB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2. Kontrolle nach den §§ 307 – 309 BGB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 a) § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 b) Anwendbarkeit der §§ 308 f. BGB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 c) Berücksichtigung des Ergebnisses der Saldierung bei der Inhaltskontrolle 161 aa) § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 bb) § 308 BGB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 II. Vereinbarungen, die keine Abweichungen vom VVG enthalten . . . . . . . . . . . . . . . . 164 1. Wiederholung einer halbzwingenden Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Die Vereinbarung hinreichend überschaubarer Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 3. Vereinbarungen, die sich innerhalb eines durch das VVG eingeräumten Spielraumes halten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 B. Gegen das Verbot nachteiliger Abweichungen verstoßende Vereinbarungen . . . . 167 I. Verstoß gegen die §§ 305 ff. BGB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 II. Das Verhältnis der Verstoßfolgen des VVG zu den Verstoßfolgen der §§ 307 ff. BGB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

Inhaltsverzeichnis

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2. Teil Einzelne Anwendungsfälle

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1. Abschnitt Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

171

A. Prämienerhöhung bei nachträglicher Aufdeckung eines gefahrerheblichen Umstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 I. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 II. Abweichung von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 1. § 41 Abs. 1 VVG entsprechende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 a) Fehlen eines Rücktritts- oder Anfechtungsrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 aa) Analoge Anwendung des § 41 Abs. 1 VVG, wenn sich aus den §§ 16 ff. VVG, 123 BGB kein Rücktritts- bzw. Anfechtungsrecht ergibt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 bb) Analoge Anwendung des § 41 Abs. 1 VVG bei Nichtausübung oder vertraglichem Ausschluss des gesetzlichen Rücktritts- bzw. Anfechtungsrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (1) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (a) Keine Analogie bei nachträglichem Verzicht bzw. faktischer Nichtausübung des Rücktritts- bzw. Anfechtungsrechtes . . . . 176 (b) Vorab-Verzicht des Versicherers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 b) Angemessenheit der Prämienerhöhung mit Rücksicht auf die höhere Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 c) Umfang und Geltendmachung der Prämienerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2. Nicht lediglich § 41 Abs. 1 VVG entsprechende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . 182 a) Abweichung i. S. d. § 42 VVG von § 41 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 aa) Verschärfung der gesetzlichen Rechtsfolgen im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 41 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 bb) Verschärfung der gesetzlichen Rechtsfolgen im analogen Anwendungsbereich des § 41 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 (1) Analogie zu § 42 VVG bei Fehlen eines gesetzlichen Anfechtungs- oder Rücktrittsrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 (2) Analogie zu § 42 VVG bei Verzicht auf das gesetzliche Anfechtungs- und Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 cc) Vereinbarung einer Prämienerhöhung für nicht von § 41 VVG erfasste Tatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 b) Abweichung i. S. d. § 34a VVG von den §§ 16 – 22 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . 184 2 Klimke

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Inhaltsverzeichnis III. Nachteiligkeit der Abweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Prämienerhöhungsregelungen, die Rechte des Versicherers aus den §§ 16 ff. VVG, 123 BGB ausschließen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 a) Arglistige Anzeigepflichtverletzungen des Versicherungsnehmers, die ein Anfechtungsrecht auslösen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 aa) In die Saldierung einzustellende Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 (1) Ausschluss des Anfechtungsrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 (2) Kündigungsrecht aus § 31 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 bb) In die Saldierung einzustellende Belastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 cc) Saldierung der Vor- und Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 (1) Die Bewertung des Versicherungsschutzes aus Sicht des Versicherungsnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 (a) Der Zeitraum zwischen Vertragsschluss und Anfechtung . . . 190 (b) Die Zeit nach einer Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (2) Saldierung mit der Prämienbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 b) Fahrlässige Anzeigepflichtverletzungen des Versicherungsnehmers, die ein Rücktrittsrecht auslösen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 aa) In die Saldierung einzustellende Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 bb) In die Saldierung einzustellende Belastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 cc) Saldierung der Vor- und Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 (1) Umstände, die i. S. d. § 21 VVG Einfluss auf einen Versicherungsfall haben können . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 (2) Bloß indizierende Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 c) Fehlen einer (schuldhaften) Anzeigepflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 d) Regelung der Fallgruppen a) – c) in einer Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 2. Prämienerhöhungsregelungen, die die Rechte des Versicherers aus den §§ 16 ff. VVG, 123 BGB nicht ausschließen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 IV. Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 V. Beurteilung auf der Grundlage des Zwischenberichtes der Reformkommission 204 1. Anknüpfung an dem Versicherungsnehmer bekannte Gefahrumstände . . . . . . 204 2. Anknüpfung an dem Versicherungsnehmer unbekannte Gefahrumstände . . . . 204

B. Vertragsstrafe bei nachträglicher Aufdeckung eines gefahrerheblichen Umstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 I. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 II. Nachteilige Abweichung von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 1. Arglistige Anzeigepflichtverletzungen, die ein Anfechtungsrecht auslösen . . 208

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2. Fahrlässige Anzeigepflichtverletzungen des Versicherungsnehmers, die ein Rücktrittsrecht auslösen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 3. Fehlen einer schuldhaften Anzeigepflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 4. Regelung der unter 1. – 3. besprochenen Fallgruppen in einer Vereinbarung 212 III. Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 IV. Beurteilung auf der Grundlage des Zwischenberichtes der Reformkommission 213 1. Anzeigepflichtverletzungen, die ein Anfechtungsrecht des Versicherungsnehmers auslösen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 2. Anzeigepflichtverletzungen, die kein Anfechtungsrecht des Versicherers auslösen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 C. Risikoausschlüsse, die an das Vorliegen bestimmter Umstände bei Vertragsschluss bzw. bei Versicherungsbeginn anknüpfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 I. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 1. Die Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 2. Schrifttum und obergerichtliche Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 II. Zeitlich nicht befristete Risikoausschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 1. Abweichung von den §§ 16 ff. VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 a) Abweichung nur bei gefahrerheblichen Umständen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 b) Kein genereller Schutz vor kenntnis- und verschuldensunabhängigen Einschränkungen des Versicherungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 c) Schutz des Versicherungsnehmers vor einer Intransparenz des Versicherungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 aa) Ausschluss von Risiken aus dem Versicherungsnehmer unbekannten Umständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (1) Geringere Transparenz des Versicherungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . 223 (2) Gesetzliche Gewährleistung einer bestimmten Transparenz des Versicherungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 bb) Ausschluss von Risiken aus dem Versicherungsnehmer bekannten Umständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vom Schutzzweck der §§ 16 ff. VVG nicht erfasste Unsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Schlechtere Abgrenzbarkeit des versicherten Risikos nach Vertragsschluss? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Keine Bindung des Risikoausschlusses an die formalen Voraussetzungen des § 20 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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d) Ergebnis zu 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 2*

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Inhaltsverzeichnis 2. Nachteiligkeit der Abweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 a) In die Saldierung einzustellende Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 aa) Verzicht auf die vorvertragliche Risikoprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 bb) Ausschluss der gesetzlichen Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 b) Mit dem Ausbleiben der Risikoprüfung verbundene Einschränkungen des Versicherungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 c) Saldierung der Vor- und Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 d) Ergebnis zu 2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 III. Zeitlich befristete Risikoausschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 1. Abweichung von den §§ 16 ff. VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 2. Nachteiligkeit der Abweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 a) Vorteile für den Versicherungsnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 b) In die Saldierung einzustellende Belastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 c) Saldierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 IV. Risikoausschlüsse in Verträgen über vorläufigen Deckungsschutz . . . . . . . . . . . . . 242 1. Abweichung von den §§ 16 ff. VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 2. Nachteiligkeit der Abweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 V. Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 VI. Beurteilung auf der Grundlage des Zwischenberichtes der Reformkommission 245 2. Abschnitt Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

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A. Prämienerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 I. Individuelle Gefahrerhöhungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 a) Anknüpfung an Gefahrerhöhungen i. S. d. § 23 Abs. 1 VVG . . . . . . . . . . . . . 246 b) Für den Versicherungsnehmer günstige Abreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 2. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 a) Bedenken an der Vereinbarkeit mit § 34a VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 b) Die herrschende Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 3. Abweichung von den §§ 23 ff., 41 f. VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 a) Abweichung von den §§ 23 ff. VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 aa) Prämienerhöhung analog § 41 VVG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

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bb) Kein Konflikt mit § 34a VVG bei vollständigem Ausschluss der gesetzlichen Rechte des Versicherers? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 cc) Einordnung als Obliegenheit i. S. d. § 32 VVG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 dd) Ergebnis zu a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 b) Abweichung von den §§ 41 f. VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 4. Die Nachteiligkeit der Abweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 a) In die Saldierung einzustellende Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 aa) Ausschluss von Kündigungsrecht und Leistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . 259 bb) Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers nach § 31 VVG . . . . . . . . 260 (1) Prämienerhöhung ohne Änderung des Deckungsumfanges . . . . . . 260 (2) Erhöhung durch den Versicherer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 (3) Rechtsfolgen nach Ausübung des Kündigungsrechtes . . . . . . . . . . . 263 (a) Rückwirkende Abwendung der Prämienerhöhung . . . . . . . . . . 263 (b) Beschränkung der Kündigungswirkungen auf die Prämienerhöhung ohne Änderung des Deckungsumfanges . . . . . . . . . . 265 cc) Die Vereinbarung einer Prämienermäßigung bei einer Verringerung der Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 b) In die Saldierung einzustellende Belastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 c) Saldierung der Vor- und Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 aa) Prämienanpassungsregelungen, die die Rechte des Versicherers aus den §§ 23 ff. VVG ausschließen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 (1) Vom Versicherungsnehmer schuldhaft veranlasste Gefahrerhöhungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 (a) Die Bewertung des Zuwachses an Versicherungsschutz . . . . . 268 (b) Saldierung mit der Prämienbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 (2) Vom Versicherungsnehmer nicht oder nicht schuldhaft veranlasste Gefahrerhöhungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Der Zeitraum zwischen dem Eintritt der Gefahrerhöhung und einer Kündigung des Versicherers bzw. dem Eintritt der Leistungsfreiheit nach den §§ 25 Abs. 2 Satz 2, 28 VVG . . . . (b) Der Zeitraum, in dem der Versicherer nach §§ 25 Abs. 2 Satz 2 bzw. 28 VVG leistungsfrei wäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Der Zeitraum nach einer Kündigung des Versicherers . . . . . . . (aa) Die Bewertung der Fortsetzung des Versicherungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ) Drohende Lücke im Versicherungsschutz? . . . . . . . . . ) Keine generelle Vorzugswürdigkeit einer Vertragsanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

) Die Möglichkeit einer anderweitigen günstigeren Weiterversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Die Bedeutung des Kündigungsrechtes aus § 31 VVG (cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis (d) Saldierung der sich in den unter (a) bis (c) behandelten Zeiträumen ergebenden Vor- und Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 (e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 bb) Prämienanpassungsregelungen, die die Rechte des Versicherers aus den §§ 23 ff. VVG nicht (vollständig) ausschließen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 II. Generelle Gefahrerhöhungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 2. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 3. Abweichung von den §§ 23 ff., 41 f. VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 4. Nachteiligkeit der Abweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 a) Kompensation der Nachteile durch den Ausschluss der §§ 23 ff. VVG . . . 284 aa) Anpassung der Prämie an die im Neugeschäft verlangte Prämie . . . . . 285 bb) Anpassung der Prämie an die gestiegenen Schadenskosten . . . . . . . . . . 286 cc) Nicht limitierte Prämienerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 b) Kompensation durch die Vereinbarung einer Prämienermäßigung . . . . . . . 287 III. Veränderungen nach Vertragsschluss, die keine Gefahrerhöhung i. S. d. § 23 Abs. 1 VVG mit sich bringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 1. Gefahrsteigerungen, die keine Gefahrerhöhungen i. S. d. § 23 VVG darstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 a) Änderung der individuellen Verhältnisse des Versicherungsnehmers . . . . . 288 b) Änderung genereller Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 aa) Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 bb) Nachteilige Abweichung von den §§ 23 ff., 29 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . 291 2. Änderung indizierender Umständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 a) Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 b) Nachteilige Abweichung von den §§ 23 ff. VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 3. Fehlender Nachweis bzw. fehlende Erklärung des Versicherungsnehmers über für das Nichtvorliegen einer Gefahrerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 IV. Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 V. Beurteilung auf der Grundlage des Zwischenberichtes der Reformkommission 298 1. Individuelle Gefahrerhöhungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 2. Generelle Gefahrerhöhungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 3. Veränderungen nach Vertragsschluss, die keine Gefahrerhöhung i. S. d. § 23 Abs. 1 VVG mit sich bringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 a) Gefahrsteigerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299

Inhaltsverzeichnis

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b) Änderung indizierender Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 c) Fehlender Nachweis bzw. fehlende Erklärung des Versicherungsnehmers über das Nichtvorliegen einer Gefahrerhöhung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 B. Vertragsstrafe für die Verletzung von Anzeige- und Nachweispflichten . . . . . . . . . 301 I. Nicht- oder Falschanzeige tatsächlich eingetretener Gefahrerhöhungen . . . . . . . . 301 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 2. Abweichung von den §§ 23 ff. VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 3. Nachteiligkeit der Abweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 a) In die Saldierung einzustellende Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 b) In die Saldierung einzustellende Belastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 c) Saldierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 aa) Vom Versicherungsnehmer schuldhaft veranlasste Gefahrerhöhungen 305 (1) Vereinbarung einer Anzeigeobliegenheit i. e. S. . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 (2) Vereinbarung einer echten Rechtspflicht zur Anzeige . . . . . . . . . . . 306 bb) Vom Versicherungsnehmer nicht oder nicht schuldhaft veranlasste Gefahrerhöhungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 cc) Einheitliche Regelung der Fallgruppen aa) und bb) . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 II. Nicht- oder Falschanzeige der Veränderung von Umständen, die für eine Gefahrerhöhung lediglich indizierend sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 III. Sanktionen für die Verletzung von Anzeige- und Nachweisobliegenheiten ohne Veränderung der bei Vertragsschluss gegebenen Gefahrenlage bzw. dafür indizierender Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 IV. Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 V. Beurteilung auf der Grundlage des Zwischenberichtes der Reformkommission 310 1. Nicht- oder Falschanzeige tatsächlich eingetretener Gefahrerhöhungen . . . . . 310 a) Vom Versicherungsnehmer grob fahrlässig oder vorsätzlich veranlasste Gefahrerhöhungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 b) Sonstige Gefahrerhöhungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 2. Nicht- oder Falschanzeige indizierender Umstände; Verletzung von Anzeigeund Nachweisobliegenheiten bei bloß vermeintlich eingetretenen Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 C. Bedingungsänderung bei Eintritt einer generellen Gefahrerhöhung . . . . . . . . . . . . 313 I. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313

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Inhaltsverzeichnis II. Abweichung von den §§ 23 ff. VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 1. Anknüpfung einer Bedingungsänderung an den Eintritt einer Gefahrerhöhung i. S. d. §§ 23 ff. VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 a) Die Unwirksamkeit von Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 b) Die Änderung von Gesetzen, auf denen die Vorschriften des Versicherungsvertrages beruhen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 c) Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 d) Änderung der Verwaltungspraxis des Bundesaufsichtsamtes oder der Kartellbehörden, Abwendung aufsichtsbehördlicher Beanstandungen . . . . . . . 318 2. Änderungsanlässe, die keine Gefahrerhöhungen i. S. d. §§ 23 ff. VVG darstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 3. Ergebnis zu II. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 III. Nachteiligkeit der Abweichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 1. In die Saldierung einzustellende Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 a) Ausschluss der gesetzlichen Rechte des Versicherers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 b) Kündigungsrecht aus § 31 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 (aa) Änderungen durch einen Änderungsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 (bb) Änderung durch Zustimmungsfiktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 c) Einräumung von über § 31 VVG hinausgehenden Abwendungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 2. In die Saldierung einzustellende Belastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 3. Saldierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 a) Änderungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 b) Zustimmungsfiktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 4. Ergebnis zu III. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 IV. Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 V. Beurteilung auf der Grundlage des Zwischenberichtes der Reformkommission 327

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342

Einleitung Gegenstand der vorliegenden Untersuchung sind die halbzwingenden Vorschriften des VVG. Darunter sind diejenigen Normen des VVG zu verstehen, von denen nicht „zum Nachteil“ des Versicherungsnehmers1 oder bestimmter anderer geschützter Personen (nämlich insbesondere des Erwerbers der versicherten Sache2 oder des Hypothekengläubigers3) abgewichen werden darf. Das Gesetz ordnet dabei jeweils an, dass sich der Versicherer auf eine zum Nachteil der geschützten Person abweichende Vereinbarung „nicht berufen“ kann4. Die halbzwingenden Vorschriften weisen damit im Vergleich zu den zwingenden Vorschriften des VVG zwei Besonderheiten auf: Zum einen sind die Voraussetzungen für einen Verstoß enger, weil Abweichungen nicht schlechthin (d. h. auch zugunsten des Versicherungsnehmers5) verboten werden. Zum anderen ist die Verstoßfolge anders formuliert: Bei einem Verstoß gegen zwingende Vorschriften ordnet das Gesetz entweder die „Unwirksamkeit“6 oder die „Nichtigkeit“7 abweichender Vereinbarungen an. Die Voraussetzungen und Folgen eines Verstoßes gegen halbzwingende Vorschriften des VVG spielen für eine ganze Reihe von in der Praxis verwendeten Vereinbarungen eine Rolle. Sie sind aber – abgesehen von einem Aufsatz von Sasse8 1 Vgl. die Aufzählung solcher Vorschriften in den §§ 15a, 34a, 42, 68a, 115a, 158a, 158o, 178 Abs. 1 Satz 1, 178o VVG. Eine Besonderheit findet sich in § 33 Abs. 2 VVG: Dort wird nur eine bestimmte für den Versicherungsnehmer ungünstige Vereinbarung erfasst und die Berufung des Versicherers darauf ausgeschlossen. 2 Dies bestimmt § 72 Satz 1 VVG für die §§ 69 – 71 VVG. Für die Hagelversicherung hinsichtlich des Erwerbers von Bodenerzeugnissen bzw. des Erwerbers von Nutzungsrechten daran vgl. § 115a VVG. 3 Dass von den §§ 100 ff. VVG nicht zum Nachteil des Hypothekengläubigers abgewichen werden darf, wird durch das VVG nicht ausdrücklich ausgesprochen. Nach allgemeiner Meinung ergibt sich aber aus dem Zweck dieser Vorschriften deren halbzwingender Charakter, vgl. Prölss, in: Prölss / Martin Vorb. I Rn. 4; Sasse VersR 1959, 407 und im 1. Teil im 1. Abschnitt unter C. II. (S. 109). 4 Für die §§ 100 ff. VVG fehlt (s. Fußnote 3) eine solche ausdrückliche gesetzliche Rechtsfolgenanordnung allerdings; vgl. zu der insoweit geltenden Verstoßfolge im 1. Teil im 2. Abschnitt unter F. II. (S. 157). 5 Zu dieser Folge des Verstoßes gegen zwingende Vorschriften vgl. Prölss, in: Prölss / Martin Vorb.I Rn. 3. 6 So z. B. die §§ 5 Abs. 4, 6 Abs. 4, 11 Abs. 4, 39 Abs. 1 Satz 3 VVG. 7 So z. B. die §§ 8 Abs. 1, 64 Abs. 3, 81 Abs. 3 Satz 1, 87 Satz 2 VVG. 8 VersArch 1956, 163 ff.

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Einleitung

aus dem Jahr 1956 – in neuerer Zeit nicht Gegenstand einer eigenständigen Untersuchung gewesen. Stellungnahmen zu den mit der Feststellung und den Folgen eines Verstoßes gegen halbzwingende Vorschriften verbundenen allgemeinen Problemen finden sich vielmehr nur inzident im Zusammenhang mit der Prüfung von Verstößen gegen konkrete halbzwingende Vorschriften des VVG. Halbzwingende Vorschriften, die nur Abweichungen zu Lasten einer Vertragspartei verbieten, finden sich allerdings auch außerhalb des VVG. So werden im BGB insbesondere Abweichungen zum Nachteil des Verbrauchers von bestimmten verbraucherschützenden Vorschriften9 sowie Abweichungen zu Lasten des Mieters bei Mietverträgen über Wohnraum untersagt10. Ein weiteres Beispiel ist § 4 Abs. 3 TVG. Danach sind von einem Tarifvertrag abweichende Abmachungen, soweit sie sich nicht durch den Tarifvertrag gestattet sind, nur zugunsten des Arbeitnehmers zulässig11. In einzelnen Fällen entspricht bei diesen Vorschriften auch die Formulierung der Verstoßfolge derjenigen des VVG: So schließt etwa § 475 Abs. 1 Satz 1 BGB n. F. beim Verbrauchsgüterkauf ausdrücklich die Berufung des Verkäufers auf Vereinbarungen aus, die zum Nachteil eines Verbrauchers von bestimmten Vorschriften des Kaufrechts abweichen12. Soweit sich bei der Auslegung dieser Vorschriften Parallelen zur Auslegung des VVG anbieten, werden im folgenden auch Schrifttum und Rechtsprechung zu diesen Normen berücksichtigt und auf ihre Übertragbarkeit überprüft. Um die Bedeutung der halbzwingenden Vorschriften des VVG richtig bestimmen zu können, bedarf schließlich noch ihr Verhältnis zur Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F. einer näheren Betrachtung. Abweichungen vom VVG finden sich regelmäßig in AVB und damit in AGB i. S. d. § 305 Abs. 1 BGB n. F. Sie unterliegen daher insbesondere der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 – 309 BGB n. F. Welche praktische Bedeutung die Bestimmung der Verstoßvoraussetzungen des VVG hat, hängt deshalb insbesondere davon ab, ob und in welchen Fällen eine Vereinbarung, die mit halbzwingenden Vorschriften des VVG im Einklang steht, auch mit den §§ 307 ff. BGB n. F. vereinbar ist. Umgekehrt kommt bei einer nachteiligen Abweichung vom VVG regelmäßig auch ein Verstoß gegen die §§ 307 – 309 BGB n. F. in Betracht. Es stellt sich daher die Frage, ob die Verstoßfolgen 9 Vgl. z. B. § 312f BGB n. F. (§ 5 Abs. 1 FernAG a. F. und § 5 Abs. 4 HWiG a. F.) für Fernabsatzverträge und Haustürgeschäfte; § 475 Abs. 1 Satz 1 BGB n. F. für den Verbrauchsgüterkauf; § 487 Satz 1 BGB n. F. (§ 9 Abs. 1 Teilzeit-WohnrechteG) für TeilzeitWohnrechteverträge; § 506 Satz 1 BGB n. F. (18 Satz 1 VerbrKG a. F.) für Verbraucherdarlehensverträge. Entsprechend für Abweichungen zum Nachteil des Reisenden von den Vorschriften des Reisevertragsrechts § 651m BGB n. F. (§ 651 l BGB a. F.). Beispiele für halbzwingende Vorschriften außerhalb des VVG: § 90a HGB, §§ 1 Abs. 4 Satz 2, 6 Abs. 2, 27 Abs. 2 und 32 Abs. 2 ErbbRVO. 10 Vgl. z. B. die §§ 536 Abs. 4, 547 Abs. 2 BGB sowie zahlreiche Vorschriften der §§ 549 – 577a BGB. 11 Weitere Beispiele aus dem Arbeitsrecht: §§ 12 EFZG; 22 Abs. 1 TzBfG; § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG. 12 Weitere Beispiele: § 1 Abs. 4 Satz 2 ErbbRVO; § 572 Abs. 2 BGB n. F.

Einleitung

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des VVG durch diejenigen der §§ 305 ff. BGB n. F. modifiziert werden. Schließlich spielen die §§ 305 ff. BGB n. F. für die Auslegung des VVG auch insoweit eine Rolle, als sie – unabhängig von der Frage, ob eine Vereinbarung der Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle standhält – allgemeine Regeln für die Behandlung Allgemeiner Geschäftsbedingungen (insbesondere für deren Auslegung, vgl. § 305c BGB n. F. oder die Folgen der Unwirksamkeit einzelner Bedingungen, vgl. § 306 Abs. 1 BGB n. F.) enthalten. Diese Regeln – sowie Rechtsprechung und Schrifttum dazu – sind bereits bei der Prüfung der Frage zu berücksichtigen, ob bei Vereinbarungen in AGB ein Verstoß gegen das VVG vorliegt und wie er sich auswirkt13. Im folgenden werden zunächst im 1. Teil die allgemeinen Grundsätze, die im Zusammenhang mit Verstößen gegen das VVG und dem Verhältnis dieser Vorschriften zu den §§ 305 ff. BGB n. F. gelten, herausgearbeitet. Im zweiten Teil werden die dabei entwickelten Regeln auf einige ausgewählte Beispiele angewendet, bei denen ein Verstoß gegen das VVG problematisch ist. Dabei werden auch die Vorschläge des Zwischenberichtes der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 30. Mai 2002 berücksichtigt.

13 Vgl. dazu z. B. im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. IV. (S. 100 ff.) sowie im 2. Abschnitt unter B. II. 1. a) bb) (S. 123 ff.) und B. III. 1. a) (S. 135 f.)

1. Teil

Allgemeine Grundsätze 1. Abschnitt

Abweichung zum Nachteil des Versicherungsnehmers oder anderer geschützter Personen Im folgenden wird zunächst untersucht, unter welchen Voraussetzungen Vereinbarungen zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer zum Nachteil des Versicherungsnehmers von halbzwingenden Vorschriften des VVG abweichen (dazu A.). Ob und welche Besonderheiten sich für einseitige Rechtsgeschäfte des Versicherungsnehmers sowie für Abweichungen zum Nachteil anderer Personen als des Versicherungsnehmers ergeben können, wird im Anschluss daran geprüft (dazu B. und C.).

A. Für den Versicherungsnehmer nachteilige Vereinbarungen I. Objektive Verschlechterung der Rechtsposition des Versicherungsnehmers Eine nachteilige Abweichung von halbzwingenden Vorschriften setzt mindestens voraus, dass eine Vereinbarung den Versicherungsnehmer in irgendeiner Hinsicht schlechter stellt als das Gesetz. Dazu muss ihm eine Rechtsposition entzogen werden, die ihm durch die halbzwingende gesetzliche Regelung eingeräumt werden soll. Da der Anknüpfungspunkt für die gesetzlichen Sanktion eine Abweichung vom Gesetz ist, wird der Versicherungsnehmer nur vor der Entziehung oder Beschränkung derjenigen Rechtsposition geschützt, die ihm nach der gesetzlichen Regelung gerade zugewiesen ist. Die Schmälerung einer rein tatsächlichen, gesetzlich nicht geschützten Stellung genügt dagegen nicht1. Beispiel: Das Recht des Versicherers, nach Eintritt einer Gefahrerhöhung zu kündigen (§§ 24 Abs. 1, 27 Abs. 1 VVG), wird vertraglich ausgeschlossen. Durch eine solche Regelung verliert der Versicherungsnehmer zwar die Aussicht, dass er 1

Ebenso Sasse VersArch 1956, 163, 165.

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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nach einer Kündigung durch den Versicherer aus seiner vertraglichen Bindung entlassen wird und sich danach anderweitig (je nach Marktlage zum Zeitpunkt der Kündigung möglicherweise sogar günstiger) versichern oder aber ganz auf Versicherungsschutz verzichten kann. Diese Möglichkeit, sich anderweitig billigeren Versicherungsschutz zu suchen, ist aber kein dem Versicherungsnehmer vom Gesetz zugewiesener Vorteil: Das Kündigungsrecht nach den §§ 24 Abs. 1, 27 VVG dient allein den Interessen des Versicherers, der nicht ohne weiteres zur Versicherung der erhöhten Gefahr zu der bisherige Prämie verpflichtet sein soll. Ob er von dem Kündigungsrecht Gebrauch macht oder nicht, steht in seinem Belieben. Dass sich die Kündigung für den Versicherungsnehmer im Einzelfall einmal vorteilhaft auswirken kann, ist daher nur ein Reflex dieser gesetzlichen Regelung2. Der Ausschluss des Kündigungsrechtes für sich gesehen begründet deshalb auch keinen Nachteil i. S. d. § 34a VVG3. Wann eine Verschlechterung der dem Versicherungsnehmer durch das Gesetz zugewiesenen Rechtsposition vorliegt, ist durch Auslegung der jeweiligen halbzwingenden Vorschrift zu klären. Dabei lassen sich folgende Fallgruppen unterscheiden:

1. Verschlechterung der in einer halbzwingenden Vorschrift ausdrücklich angeordneten Rechtsfolgen Eine nachteilige Abweichung kommt zum einen in Betracht, wenn eine halbzwingende Vorschrift ausdrücklich anordnet, dass bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen eine bestimmte Rechtsfolge eintreten soll. Von einer solchen Regelung weicht eine Vereinbarung zum Nachteil des Versicherungsnehmers ab, die für den Eintritt derselben Voraussetzungen eine für den Versicherungsnehmer ungünstigere als die im Gesetz genannte Rechtsfolge vorsieht. Umgekehrt läuft 2 Ähnlich Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 790, die die möglichen, für den Versicherungsnehmer günstigen Folgen einer Kündigung allerdings zudem auch nicht in eine Saldierung der Vor- und Nachteile eines an eine Gefahrerhöhung anknüpfenden Rabattwegfalles einstellen wollen, vgl. dazu auch unten unter III. 2. b) (S. 91). 3 Damit ist allerdings noch nicht gesagt, dass die möglichen Folgen einer Kündigung des Versicherers nicht in eine Saldierung der Vor- und Nachteile einer Vereinbarung (z. B. einer an eine Gefahrerhöhung anknüpfenden Prämienerhöhungs- oder Bedingungsanpassungsklausel) eingestellt werden können, die die dem Versicherungsnehmer durch die §§ 23 ff. VVG zugewiesene Rechtsposition in anderer Hinsicht verschlechtert, vgl. dazu unten III. 2. b) (S. 91). Um diese Frage – und nicht um die Bejahung einer eigenständigen „Abweichung“ i. S. d. § 34a VVG bei einer bloßen Abbedingung des Kündigungsrechtes – geht es wohl auch den Stimmen im Schrifttum, die im Zusammenhang mit Prämienerhöhungsregelungen hervorheben, dass der Versicherer bei einer Fortsetzung des Vertrages zu einer höheren Prämie die nach einer Kündigung bestehende Möglichkeit verliere, sich anderweitig zu versichern oder das Risiko ganz unversichert zu lassen (vgl. Martin, SVR, N IV 3 und Prölss, in: Prölss / Martin § 27 Rn. 3). – Zu einem weiteren Beispiel für eine unerhebliche bloß tatsächliche Schlechterstellung vgl. Sasse VersArch 1956, 163, 167 f.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

die Vereinbarung einer für den Versicherungsnehmer günstigeren als der gesetzlichen Rechtsfolge in solchen Fällen nicht dem Verbot nachteiliger Abweichungen zuwider4. Wenn das Gesetz also eine den Versicherungsnehmer belastende Rechtsfolge anordnet, so ist eine Verschärfung dieser Rechtsfolge für den Versicherungsnehmer nachteilig5. Eine Schlechterstellung des Versicherungsnehmers wird daher z. B. bewirkt, wenn als Rechtsfolge einer vom Versicherungsnehmer schuldhaft vorgenommenen Gefahrerhöhung i. S. d. § 23 Abs. 1 VVG eine über § 25 Abs. 3 2. Hs. VVG hinausgehende Leistungsfreiheit für nicht von der Gefahrerhöhung beeinflusste Versicherungsfälle vereinbart wird, oder wenn eine Vereinbarung bestimmt, dass in den Fällen des § 41 VVG eine höhere als eine angemessene Prämiensteigerung eintreten soll6. Wenn eine halbzwingende Vorschrift eine für den Versicherungsnehmer günstige Rechtsfolge enthält, wie etwa die §§ 31, 41a VVG, so verschlechtert umgekehrt eine Vereinbarung, die diese Rechtsfolgen einschränkt (also z. B. das Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers nach § 31 VVG ausschließt oder beschränkt), die gesetzliche Rechtsstellung des Versicherungsnehmers.

a) Keine Abweichung bei Vereinbarung einer Bedingung? Im Schrifttum wird eine Abweichung von halbzwingenden Vorschriften allerdings zum Teil in Abrede gestellt, wenn für den Eintritt eines in halbzwingenden Vorschriften geregelten Tatbestandes nicht lediglich eine im Gesetz nicht vorgesehene (und möglicherweise über die gesetzliche Rechtsfolge hinausgehende) Belastung vereinbart, sondern umgekehrt der Fortbestand eines bei Vertragsschluss gewährten Vorteils, den der Versicherer nicht hätte einräumen müssen, davon abhängig gemacht wird, dass der betreffende Tatbestand nicht eintritt. Begründet wird dies damit, dass die Gewährung des Vorteils in solchen Fällen nur unter einer Be4 Zu der Frage, wie genau zu bestimmen ist, wann eine Rechtsfolge für den Versicherungsnehmer ungünstiger ist als die gesetzliche Rechtsfolge – ob also insbesondere jede in irgendeiner Hinsicht ungünstigere Auswirkung ausreicht oder ob eine Saldierung durchzuführen ist – vgl. unten unter III. (S. 56 ff.). 5 So insbesondere für die §§ 23 ff., 34a VVG Martin, SVR, N IV 2. Ob eine vereinbarte Rechtsfolge „schärfer“ ist als das Gesetz hängt dabei wiederum von der in Fn. 4 angesprochenen – hier zunächst ausgeklammerten – Wertung ab. 6 Für das Vorliegen eines Nachteils macht es dabei keinen Unterschied, ob sich die Verschlechterung der Rechtsposition des Versicherungsnehmers unmittelbar aus der Vereinbarung ergibt oder ob es noch einer Handlung des Versicherers bedarf, damit sich die nachteilige Auswirkung verwirklicht. Es genügt vielmehr, wenn die Herbeiführung des Nachteils in das Belieben des Versicherers gestellt ist. In solchen Fällen ist davon auszugehen, dass der Versicherer die für den Versicherungsnehmer ungünstige Gestaltungsmöglichkeit gegebenenfalls auch nutzen wird. Es spielt daher z. B. keine Rolle, ob eine über § 41 VVG hinausgehende Prämiensteigerung schon vorab vereinbart wird oder ob sich der Versicherer lediglich ein nicht der Höhe nach begrenztes Recht einräumt, die Prämie zu erhöhen.

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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dingung erfolgt sei7. Vertreten wird dies insbesondere für Vereinbarungen, die für den Fall einer Gefahrerhöhung i. S. d. § 23 VVG den Wegfall eines bei Vertragsschluss gewährten Prämienrabatts anordnen. Eine derartige Vereinbarung soll nicht an § 34a VVG zu messen sein, weil der Rabatt nur unter einer Bedingung gewährt worden sei8. Diese Einschränkung überzeugt indes nicht. Allein die konstruktive Einordnung als Bedingung kann der Qualifizierung als Abweichung von halbzwingenden Vorschriften nicht entgegenstehen. Wenn eine halbzwingende Vorschrift – wie dies bei einer Vielzahl von Normen der Fall ist – an ein (aus Sicht des Vertragsschlusses) zukünftiges ungewisses Ereignis (z. B. den Versicherungsfall oder eine Gefahrerhöhung) anknüpft, so erfolgt die Vereinbarung einer für den Versicherungsnehmer belastenden Rechtsfolge, die durch den Eintritt dieses Ereignisses ausgelöst wird, stets unter einer (aufschiebenden) Bedingung. Dies gilt zum Beispiel auch für den Fall, dass für den Eintritt einer Gefahrerhöhung eine nachträgliche Erhöhung der Prämie oder eine Vertragsstrafe vereinbart wird. Das Verbot nachteiliger Abweichungen wäre daher praktisch gegenstandslos, wenn man bedingte Belastungen des Versicherungsnehmers aus seinem Anwendungsbereich ausnehmen würde. Es kann auch nicht darauf ankommen, ob der Eintritt einer bestimmten Belastung (z. B. einer Prämienerhöhung) vereinbart wird oder ob bei Eintritt eines in halbzwingenden Vorschriften ausdrücklich geregelten Tatbestandes eine vorab gewährte Begünstigung (z. B. ein Prämienrabatt) wegfallen soll. Eine solche Vereinbarung könnte man zwar nicht nur als aufschiebend bedingte Belastung, sondern auch als auflösend bedingte Vereinbarung einer Begünstigung verstehen. Dies ändert aber nichts daran, dass der Versicherungsnehmer nach Eintritt des in der halbzwingenden Vorschrift geregelten Tatbestandes schlechter steht, als er ohne die Vereinbarung einer auflösend bedingten Belastung stünde, wenn nur die gesetzliche Regelung zur Anwendung käme. Die Belastung für den Versicherungsnehmer ist unabhängig von der Einordnung als aufschiebende oder als auflösende Bedingung die gleiche (in dem obigen Beispiel etwa kommt es für die Prämienbelastung des Versicherungsnehmers nicht darauf an, ob eine Prämienerhöhung oder ein Rabattwegfall vereinbart wurde). Es hat auch keinen Einfluss auf das Vorliegen einer Abweichung, ob der Versicherer die (auflösend bedingte) Begünstigung bei Vertragsschluss gewähren musste (daran fehlt es zum Beispiel bei einem vorab gewährten Prämienrabatt, da 7 Knappmann, VersR 1996, 401, 408; ders., in: Prölss / Martin § 41 VVG Rn. 1 a. E.; tendenziell auch Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 784, 787. 8 Knappmann, VersR 1996, 401, 408; Entsprechendes soll nach Knappmann, in: Prölss / Martin § 41 VVG Rn. 1 für Vereinbarungen gelten, die bei nachträglicher Aufdeckung eines vorvertraglichen Gefahrumstandes einen Rabattwegfall vorsehen. Bei solchen Vereinbarungen lässt sich aber schon bezweifeln, ob es sich überhaupt um eine „Bedingung“ i. S. d. § 158 BGB handelt, weil ja schon bei Vertragsschluss feststeht, ob ein gefahrerheblicher Umstand vorliegt oder nicht, vgl. dazu unten im 2. Teil Fußnote 51.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

der Versicherer grundsätzlich frei entscheiden kann, welche Prämie er bei Vertragsschluss verlangt). Daraus, dass der Versicherer unabhängig von dem Eintritt eines in halbzwingenden Vorschriften geregelten Tatbestandes bereits bei Vertragsschluss eine bestimmte Belastung des Versicherungsnehmers hätte vereinbaren können, lässt sich nicht schließen, dass er dieselbe Belastung ohne weiteres (d. h. auch dann, wenn der Versicherungsnehmer dadurch mehr belastet wird als durch die gesetzliche Regelung) auch an den Eintritt des gesetzlichen Tatbestandes koppeln kann. Aus Sicht des Versicherungsnehmers macht es einen Unterschied, ob schon bei Vertragsschluss feststeht, dass ihn eine bestimmte Belastung (z. B. eine Prämie in bestimmter Höhe) trifft, oder ob dies noch von zukünftigen Entwicklungen (z. B. dem Eintritt einer Gefahrerhöhung) abhängt, die er bei Vertragsschluss noch nicht abschließend überblicken kann. Wenn die genaue Belastung des Versicherungsnehmers bei Vertragsschluss noch nicht feststeht, ist es eher gerechtfertigt, ihn vor über den gesetzlichen Umfang hinausgehenden Belastungen zu schützen. Der Zweck des Verbotes nachteiliger Abweichungen ist daher, insbesondere wenn halbzwingende Vorschriften an ein in der Zukunft liegendes Ereignis anknüpfen, jedenfalls auch darin zu sehen, dass der Versicherungsnehmer vor solchen Belastungen geschützt werden soll, deren „Ob“ und „Wie“ für ihn bei Vertragsschluss noch nicht überschaubar ist9. Dass der Versicherer bei Vertragsschluss eine höhere Prämie hätte verlangen können, bedeutet daher z. B. nicht, dass eine an den Eintritt einer Gefahrerhöhung gekoppelte Prämienerhöhung nicht an § 34a VVG zu messen wäre.

b) Beabsichtigte Abweichung von halbzwingenden Vorschriften? Vereinzelt wird im Schrifttum ein Konflikt mit halbzwingenden Vorschriften abgelehnt, wenn eine Vereinbarung zwar auch den Anwendungsbereich einer halbzwingenden Vorschrift betrifft und insoweit eine für den Versicherungsnehmer ungünstigere als die gesetzliche Rechtsfolge vorsieht, dies aber nicht gerade das Ziel der Vereinbarung ist, weil eine allgemeine, vor allem außerhalb des Anwendungsbereiches der halbzwingenden Vorschrift bedeutsame Regelung getroffen werden soll10. Darum soll es etwa gehen, wenn eine vertragliche Regelung – wie § 7 MB / KK 94 – bestimmt, dass der Versicherungsschutz auch für schwebende Versicherungsfälle mit der Beendigung des Versicherungsverhältnisses endet. Nach ihrem Wortlaut erfasst eine solche Bestimmung auch den Fall, dass der Versicherer nach der Entdeckung eines vorvertraglichen gefahrerheblichen Umstandes gemäß §§ 16, 9 s. dazu und zu den Grenzen, die sich daraus für das Verbot nachteiliger Abweichungen ergeben, ausführlich unter II. (S. 41 ff.). 10 Neeße VersR 1972, 213, 217.

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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17 VVG zurücktritt oder den Vertrag nach § 41 Abs. 2 VVG kündigt. In beiden Fällen bliebe der Versicherer nach h. M. im Hinblick auf bereits vor dem Rücktritt bzw. der Kündigung eingetretene, danach aber noch andauernde Versicherungsfälle auch über den Zeitpunkt der Vertragsbeendigung hinaus zur Leistung verpflichtet. Dies soll sich für den Rücktritt aus § 21 VVG11 und für die Kündigung aus einer an § 21 VVG orientierten Auslegung des § 41 Abs. 2 VVG12 ergeben. Wenn man dem folgt, müsste man eigentlich in § 7 MB / KK 94, soweit dadurch die Folgen des Rücktritts bzw. der Kündigung nach § 41 Abs. 2 VVG geregelt werden, eine nachteilige Abweichung i. S. d. §§ 34a, 42 VVG erblicken, da dadurch die Leistungspflicht des Versicherers auch für bereits eingetretene Versicherungsfälle auf die Zeit vor Beendigung des Versicherungsverhältnisses beschränkt wird13. Die zuvor geschilderte Ansicht verneint demgegenüber eine Abweichung von halbzwingenden Vorschriften mit der Begründung, dass es sich bei Regelungen wie § 7 MB / KK lediglich um allgemeine, die Folgen einer Vertragsbeendigung schlechthin umreißende Bestimmungen handele, die die halbzwingenden Vorschriften des VVG nur mittelbar berührten. Der halbzwingende Charakter schließe solche mittelbaren Beeinträchtigungen des Versicherungsnehmers nicht aus, vielmehr sei lediglich ein unmittelbarer Eingriff in die geschützten Vorschriften unzulässig14. Dies überzeugt nicht. Für eine Abweichung kann es nicht darauf ankommen, ob eine Vereinbarung ausschließlich von einer halbzwingenden Vorschrift abweicht oder ob davon auch andere Fallgestaltungen erfasst werden. Unerheblich ist auch, ob es gerade das Ziel des Versicherers ist, eine von halbzwingenden Vorschriften abweichende Regelung zu treffen. Entscheidend ist vielmehr allein, ob eine Vereinbarung zumindest auch die durch eine halbzwingende Vorschrift eingeräumte Rechtsstellung des Versicherungsnehmer betrifft. Wenn eine Vereinbarung eine Verschlechterung dieser Rechtsstellung mit sich bringt, so läuft ihre Gültigkeit dem Schutzzweck des Verbotes nachteiliger Abweichungen zuwider. Dass eine Vereinbarung nur in wenigen Anwendungsfällen zu einer Abweichung führen kann, kann allenfalls bei ihrer Auslegung berücksichtigt werden: Wenn sich der Anwendungsbereich einer Vereinbarung nur in ungewöhnlichen Fallgestaltungen mit dem Anwendungsbereich halbzwingender Vorschriften überschneidet, so kommt eine einschränkende Auslegung in Betracht, nach der die Vereinbarung auf die mit dem VVG vereinbaren Anwendungsfälle zu beschränken ist. Davon ist 11 BGH VersR 1971, 810, 811; Möller, in: Bruck / Möller § 21 VVG Anm. 13; a. A. Neeße VersR 1972, 213, 214 ff.; Prölss in: Prölss / Martin § 21 VVG Rn. 10 m. w. N.; Moser, in: Bach / Moser § 7 MB / KK Rn. 3 ff.; Wilmer, in: Bach / Moser § 2 MB / KK Rn. 52. 12 BGH VersR 1971, 810, 811 f.; Möller, in: Bruck / Möller § 21 VVG Anm. 20; BK / Riedler § 41 VVG Rn. 18. 13 Diese Konsequenz aus der h. M. zieht für § 34a VVG ausdrücklich Prölss, in: Prölss / Martin § 7 MB / KK 94 Rn. 2. 14 Neeße VersR 1972, 213, 217.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

allerdings, insbesondere bei Vereinbarungen in AVB, nur bei ganz atypischen, von den Parteien offensichtlich nicht bedachten Fallgestaltungen auszugehen15. Darum geht es in dem angeführten Beispiel nicht. Die Beendigung des Vertrages infolge der Verkennung eines bei Vertragsschluss vorliegenden gefahrerheblichen Umstandes ist kein besonders ungewöhnlicher Grund für die Beendigung des Versicherungsverhältnisses. Wenn man der herrschenden Auslegung der §§ 21, 41 Abs. 2 VVG folgt, muss man daher bei § 7 MB / KK einen Verstoß gegen die §§ 34a, 42 VVG annehmen16.

2. Vereinbarung von für den Versicherungsnehmer ungünstigen Rechtsfolgen für im Gesetz nicht ausdrücklich mit Rechtsfolgen versehene Tatbestände Eine nachteilige Abweichung von einer halbzwingenden Vorschriften ist auch dann möglich, wenn eine Vereinbarung einen Tatbestand regelt, für den halbzwingende Vorschriften keine ausdrückliche positive Rechtsfolgenanordnung enthalten. Auch in solchen Fällen kann sich aus halbzwingenden Vorschriften i. V. m. dem Verbot nachteiliger Abweichungen ergeben, dass bestimmte für den Versicherungsnehmer ungünstige Rechtsfolgen nicht vereinbart werden dürfen.

a) Die Reichweite des Abweichungsverbotes bei analoger Anwendung halbzwingender Vorschriften Eine ausdrückliche Anordnung einer Rechtsfolge fehlt zum einen dann, wenn eine halbzwingende Vorschrift auf einen bestimmten Tatbestand nicht unmittelbar, sondern nur analog anzuwenden ist. Es stellt sich dann die Frage, ob auch die Rechtsstellung, die der Versicherungsnehmer durch die Analogie erhält, vor Verschlechterungen geschützt sein soll, ob also das Verbot nachteiliger Abweichungen ebenfalls analog Anwendung finden soll. Dies ist zu bejahen, wenn der Versicherungsnehmer in dem analogen Anwendungsbereich der halbzwingenden Vorschrift ebenso schutzbedürftig ist wie in ihrem unmittelbaren Geltungsbereich17. Dafür kommt es darauf an, ob es sich um eine Analogie zu einer den Versicherungsnehmer begünstigenden oder belastenden Vorschrift handelt: Bei einer Analogie zu einer den Versicherungsnehmer begünstigenden Vorschrift (z. B. also einer Analogie zu § 31 VVG, durch die dem Versicherungsnehmer auch bei einer Leistungseinschränkung ohne gleichzeitige Prämienermäßigung ein Kün15 So die h. M. zur sog. geltungserhaltenden Auslegung von AGB: Palandt / Heinrichs Vorb. vor § 307 BGB Rn. 9; Schmidt, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 6 AGBG Rn. 15; Ulmer, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 5 AGBG Rn. 26, 41 m. w. N.; ähnlich BGHZ 91, 55, 61; tendenziell auch BGH NJW 1993, 657, 658 (zu § 5 AGBG a. F.). 16 Ebenso hinsichtlich § 34a VVG Prölss, in: Prölss / Martin § 7 MB / KK Rn. 2. 17 Sieg, in: Bruck / Möller / Sieg, § 68 VVG Anm. 111.

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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digungsrecht gegeben wird18) ist dies stets der Fall. Eine Analogie zu einer solchen Vorschrift lässt sich nur dann rechtfertigen, wenn der von der Norm intendierte Schutz des Versicherungsnehmers es erfordert, dass ihm auch in einer von der Norm nicht unmittelbar erfassten Konstellation die im Gesetz vorgesehene Begünstigung zugute kommt. Auch eine Einschränkung der durch die Analogie begründeten Rechtsposition des Versicherungsnehmers liefe daher dem Schutzzweck der jeweiligen halbzwingenden Vorschrift zuwider. Eine darauf gerichtete Vereinbarung muss daher vom Verbot nachteiliger Abweichungen erfasst werden. Daher liegt z. B. eine nachteilige Abweichung i. S. d. § 34a VVG vor, wenn ein dem Versicherungsnehmer in Analogie zu § 31 VVG eingeräumtes Kündigungsrecht durch eine Vereinbarung ausgeschlossen wird. Auch bei einer Analogie zu einer den Versicherungsnehmer belastenden Vorschrift19 ist im Regelfall davon auszugehen, dass der Schutzzweck der halbzwingenden Vorschrift einer Abweichung zu Lasten des Versicherungsnehmers im analogen Anwendungsbereich entgegensteht. Wenn die Interessenlage der Parteien in einem Analogiefall der den unmittelbaren gesetzlichen Anwendungsfällen zugrunde liegenden Interessenlage soweit ähnelt, dass eine analoge Anwendung der den Versicherungsnehmer belastenden Regelung gerechtfertigt ist, dann erfordert es der Zweck des Gesetzes typischerweise zugleich, die im unmittelbaren Anwendungsbereich geltende Limitierung der Belastung des Versicherungsnehmers (und damit das Verbot nachteiliger Abweichungen) zu übernehmen. Beispiel: Der Versicherer kann nach verbreiteter Ansicht analog § 41 Abs. 1 VVG eine Prämienverbesserung verlangen, wenn der Versicherungsnehmer einen ihm bekannten gefahrerheblichen Umstand zwar rechtzeitig angezeigt hat und dies dem Versicherer auch vor Vertragsschluss zur Kenntnis gelangt ist, der Versicherer bei Kenntniserlangung aber nicht mehr in der Lage war (etwa weil die Annahme bereits abgesandt wurde und auch ein rechtzeitiger Widerruf nach § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht mehr möglich war), den Vertragsschluss zu verhindern20. BeZu dieser Frage vgl. unten im 2. Teil im 2. Abschnitt unter C. III. 1. b) (S. 321 f.). Eine Analogie zu einer den Versicherungsnehmer belastenden halbzwingenden Vorschrift ist nicht etwa schon wegen ihres halbzwingenden Charakters von vornherein ausgeschlossen (Sieg, in: Bruck / Möller / Sieg § 68 VVG Anm. 111; Neeße VersR 1972, 213, 217 f.; speziell für §§ 41, 42 VVG auch Knappmann, in: Prölss / Martin § 41 VVG Rn. 1, der im Hinblick auf § 42 VVG eine Analogie zu § 41 VVG aber nur in engen Grenzen zulassen will; a. A. aber Magnusson, Betriebsunterbrecherversicherung, S. 124 für die §§ 68 ff. VVG). Das Verbot nachteiliger Abweichungen erfasst nur rechtsgeschäftliche Regelungen. Eine Analogie im Rahmen der Gesetzesauslegung wird dadurch nicht ausgeschlossen. Sie scheidet auch nicht deshalb von vornherein aus, weil eine halbzwingende Norm ausschließlich den Interessen des Versicherungsnehmers dienen müsste und der Gesetzeszweck deshalb stets einer Analogie zu Lasten des Versicherungsnehmers entgegenstünde. Wenn eine halbzwingende Vorschrift eine für den Versicherungsnehmer belastende Rechtsfolge anordnet, so dient dies zumindest auch den Interessen des Versicherers. 20 Möller, in: Bruck / Möller § 41 VVG Anm. 6; Knappmann, in: Prölss / Martin § 41 VVG Rn. 1; BK / Riedler § 41 VVG Rn. 9. 18 19

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

gründen lässt sich dies damit, dass dem Versicherer in diesem Falle wie bei den im Gesetz ausdrücklich geregelten Fallgestaltungen, in denen eine Anzeige des Versicherungsnehmers ganz unterblieben ist, ein Festhalten an dem Vertrag ohne Ausgleich nicht zugemutet werden kann. Umgekehrt ist die Interessenlage derjenigen in den gesetzlich geregelten Fällen aber auch im Hinblick auf den Schutz des Versicherungsnehmers vergleichbar. Dass ein Versicherungsnehmer, der seine Anzeigepflicht ordnungsgemäß erfüllt hat, eine höhere Belastung hinnehmen muss als ein Versicherungsnehmer, der einen Umstand schuldlos nicht angezeigt hat (und der durch § 42 VVG vor Beeinträchtigungen geschützt wird, die über § 41 Abs. 1 VVG hinausgehen), lässt sich nicht begründen. Auch in dem genannten analogen Anwendungsbereich des § 41 VVG gilt deshalb das Verbot nachteiliger Abweichungen aus § 42 VVG. Allerdings ist es bei einer Analogie zu einer den Versicherungsnehmer belastenden halbzwingenden Vorschrift im Einzelfall auch denkbar, dass die analoge Anwendung dem Versicherer lediglich ein bestimmtes Mindestmaß an Vorteilen – nämlich die im Gesetz für eine ähnliche Konstellation vorgesehene, für den Versicherer günstige Rechtsposition – garantieren soll, ohne ihn auf dieses Mindestmaß zu beschränken. Die Interessenlage in den Analogiefällen entspricht der gesetzlichen Intereressenkonstellation in solchen Fällen nur, soweit es um die Begünstigung des Versicherers geht. Eine weitergehende Belastung des Versicherungsnehmers durch eine über die Analogie hinausgehende Regelung wird dagegen nicht ausgeschlossen21. Beispiel:22 Auf diese Weise kann man etwa argumentieren, wenn man mit einer im Schrifttum vertretenen Ansicht § 41 VVG bei schuldhaften Anzeigepflichtverletzungen des Versicherungsnehmers analog anwendet, sofern der Versicherer auf sein Rücktritts- bzw. Anfechtungsrecht (§§ 16 Abs. 2, 22 VVG, 123 BGB) verzichtet hat23. Für eine solche Analogie wird angeführt, dass dem Versicherer, wenn er schon bei einem schuldlosen Verhalten des Versicherungsnehmers eine Prämienverbesserung verlangen könne, bei einer schuldhaften Anzeigepflichtverletzung erst recht ein solches Recht zustehen müsse24. Die analoge Anwendung wird also damit vor allem gerechtfertigt, dass der Versicherer sich in einer mit der gesetzlichen Regelung vergleichbaren Situation befindet. Der schuldhaft handelnde VerÄhnlich Sieg, in: Bruck / Möller / Sieg § 68 VVG Anm. 111. Zu einem weiteren Beispiel vgl. Sieg, in: Bruck / Möller / Sieg § 68 VVG Anm. 115, 111: Kein Verbot einer über § 68 Abs. 2 VVG hinausgehenden Prämienbelastung des Versicherungsnehmers, wenn man dem Versicherer auch bei einem (nicht durch den Fortfall des Interesses) auflösend bedingten Versicherungsverhältnis bei Eintritt der Bedingung einen Anspruch analog § 68 Abs. 2 VVG gibt. 23 So z. B. Schirmer / Marlow VersR 97, 782, 784 f.; Johannsen, in: Bruck / Möller / Johannsen, Kraftfahrtversicherung, Anm. E6; Röhr, Anzeigepflicht, S. 199 f. m. w. N. Zur Begründung und Reichweite einer solchen Analogie vgl. im 2. Teil im 1. Abschnitt unter A. II. 1. a) bb) (S. 175 ff.). 24 Schirmer / Marlow VersR 1997, 782 ff., 785; BK / Riedler § 41VVG Rn. 9. 21 22

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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sicherungsnehmer wird dagegen als weniger schutzwürdig als im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 41 VVG angesehen. Wenn man die Analogie auf diese Weise begründet, so unterliegt eine abweichende Vereinbarung (d. h. die Vereinbarung einer über § 41 VVG hinausgehenden Prämienbelastung oder einer zu § 41 VVG hinzutretenden Vertragsstrafe) nicht dem Verbot des § 42 VVG: Der Zweck des § 41 VVG erfordert es dann zwar, dem Versicherer mindestens die in § 41 VVG genannten Rechte zu geben. Eine Begrenzung der Rechte des Versicherers auf den in § 41 VVG genannten Umfang, d. h. eine Analogie zu § 42 VVG, verlangt der Zweck des Gesetzes dagegen nicht25.

b) Bestimmung der Reichweite des Abweichungsverbotes im Hinblick auf den Zweck der halbzwingenden Vorschrift Auch wenn eine halbzwingende Vorschrift auf einen von ihr nicht ausdrücklich mit Rechtsfolgen versehenen Tatbestand nicht analog anzuwenden ist, können Vereinbarungen, die einen solchen Tatbestand betreffen, von dem Verbot nachteiliger Abweichungen erfasst werden. Der Zweck der jeweiligen Norm kann es erfordern, dass der Versicherungsnehmer auch insoweit vor belastenden Rechtsfolgen geschützt wird. Zu der dem Versicherungsnehmer vom Gesetz eingeräumten, vom Verbot nachteiliger Abweichungen geschützten Rechtsposition des Versicherungsnehmers gehört dann auch die Freiheit von solchen Belastungen. Darum geht es zunächst dann, wenn das Gesetz die an einen Tatbestand geknüpften Rechtsfolgen zwar nicht positiv benennt, dafür aber ausdrücklich sagt, dass eine bestimmte für den Versicherungsnehmer belastende Rechtsfolge gerade nicht eintreten soll. Beispiele für solche Regelungen sind die §§ 21, 25 Abs. 2 Satz 1, 25 Dieser Frage kommt nicht etwa deshalb nur eine theoretische Bedeutung zu, weil es sich bei der Vereinbarung einer Prämienerhöhung für schuldhafte Anzeigepflichtverletzungen ohnehin (jedenfalls auch) um eine an § 34a VVG zu messende Abweichung von den §§ 16 – 22 VVG handelt [vgl. dazu im 2. Teil im 1. Abschnitt unter A. II. 2. b)] (S. 184). Wenn man § 41 VVG auch dann, wenn er bei einem vorab vereinbarten Ausschluss des Anfechtungs- bzw. Rücktrittsrechtes analog Anwendung findet, halbzwingende Wirkung zuerkennen würde, wären insoweit über § 41 VVG hinaus gehende Prämienerhöhungen stets nachteilig i. S. d. § 42 VVG und damit für den Versicherungsnehmer unverbindlich. Im Rahmen einer Saldierung nach § 42 VVG könnte der Belastung mit der erhöhten Prämienzahlungspflicht nämlich nicht entgegengehalten werden, dass der vertragliche Ausschluss des gesetzlichen Anfechtungs- und Rücktrittsrechtes für den Versicherungsnehmer mit Vorteilen verbunden ist. Vielmehr wäre den §§ 41, 42 VVG zu entnehmen, dass den Versicherungsnehmer auch dann, wenn das Anfechtungs- und Rücktrittsrecht vertraglich ausgeschlossen worden ist (und der Versicherungsnehmer in den Genuss der damit verbundenen Vorteile kommt), keine über § 41 VVG hinausgehende Prämienbelastung treffen darf. Die Vorteile aus dem Ausschluss der Gestaltungsrechte des Versicherers würden also von dem Verbot halbzwingender Abweichungen bereits berücksichtigt und wären daher auch bei einer Saldierung nicht geeignet, die Nachteile aus der Belastung mit einer höheren Prämienzahlungspflicht auszugleichen [vgl. zum Vorrang solcher gesetzlicher Wertungen bei der Saldierung auch unten unter III. 2. c) aa)] (S. 92).

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

28 Abs. 2 Satz 1 VVG, die ausdrücklich anordnen, dass eine nach anderen Vorschriften an sich bestehende Leistungsfreiheit des Versicherers unter bestimmten Voraussetzungen nicht eintreten soll. Auch § 29 VVG gehört hierher: Indem bestimmte Gefahrveränderungen ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Gefahrerhöhungsvorschriften ausgenommen werden, wird zugleich bestimmt, dass die gesetzlichen Rechtsfolgen einer Gefahrerhöhung nicht an solche Gefahränderungen geknüpft werden dürfen. Von derartigen Vorschriften weichen jedenfalls diejenigen vertragliche Bestimmungen zu Lasten des Versicherungsnehmers ab, durch die die im Gesetz ausdrücklich ausgeschlossene oder eine noch schärfere Rechtsfolge vereinbart werden. Daher ist es für den Versicherungsnehmer z. B. nachteilig i. S. d. §§ 29, 34a VVG, wenn sich der Versicherer auch bei einer bloß unerheblichen Gefahrerhöhung ein § 25 VVG entsprechendes oder sogar ein weitergehendes Kündigungsrecht einräumt26. Zudem kann die Auslegung der gesetzlichen Regelung ergeben, dass auch eine Rechtsfolge, die für den Versicherungsnehmer weniger belastend ist als die im Gesetz ausdrücklich ausgeschlossene Rechtsfolge, unzulässig sein soll. In diesem Fall bedeutet auch die Vereinbarung einer solchen Rechtsfolge eine Verschlechterung der gesetzlichen Rechtsposition des Versicherungsnehmers. So ist etwa im Falle des § 29 VVG durch Auslegung des Gesetzes zu ermitteln, ob sich aus dem Ausschluss der gesetzlichen Rechtsfolgen einer Gefahrerhöhung auch entnehmen lässt, dass das Gesetz generell verhindern will, dass an eine unerhebliche bzw. nach § 29 Satz 2 VVG mitversicherte Gefahrerhöhung irgendwelche für den Versicherungsnehmer belastenden Rechtsfolgen geknüpft werden27. Entsprechende Probleme ergeben sich, wenn das Gesetz gar keine ausdrückliche – also auch keine negative – Aussage zu den Rechtsfolgen trifft, die an einen Tatbestand geknüpft sein sollen. Wenn man z. B. die Veränderung von Umständen, die für das bei dem konkreten Versicherungsnehmer gegebenen Gefahrniveau nur indizierend sind, nicht als Gefahrerhöhung i. S. d. §§ 23 ff. VVG ansieht28, so enthält das VVG keine unmittelbare Aussage über die Rechtsfolgen einer solchen Änderung. Dennoch stellt sich die Frage, ob nicht der Zweck der §§ 23 ff. VVG i. V. m. § 34a VVG Vereinbarungen Grenzen setzt, die an die Änderung von Indiztatsachen für den Versicherungsnehmer belastende Rechtsfolgen knüpfen. Dies ist z. B. zu bejahen, wenn man die Beschränkung der §§ 23 ff. VVG auf nicht bloß indizierende Veränderungen damit begründet, dass der Versicherungsnehmer ansonsten durch das Kündigungsrecht des Versicherers zu stark belastet würde29. In diesem Fall weicht eine Vereinbarung, durch die der Versicherer bei 26 So wohl auch Martin SVR N IV 20; a. A. – nur die Vereinbarung ungünstigerer Rechtsfolgen wird ausgeschlossen – etwa Kisch II S. 571 f. 27 Zu dieser Frage vgl. ausführlich im 2. Teil im 2. Abschnitt unter A. III. 1. b) bb) (S. 291 ff.). 28 So z. B. Röhr, Anzeigepflicht, S. 201 m. w. N.; Prölss NVersZ 2000, 153, 156 und ausführlich im 2. Teil im 2. Abschnitt unter A. I. 1. a) (S. 249 ff.). 29 Zu dieser Begründung siehe unten im 2. Teil im 2. Abschnitt unter A. I. 1. a) (S. 249 ff.).

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Eintritt bestimmter für ein erhöhtes Gefahrniveau indizierender Umstände ein Kündigungsrecht erhält, zum Nachteil des Versicherungsnehmers von § 34a VVG ab. Zudem kann man daran denken, auch für andere Vereinbarungen (z. B. Prämienanpassungs- und Vertragsstraferegelungen) aus § 34a VVG Grenzen abzuleiten30. Aus dem Umstand allein, dass das Gesetz keine ausdrückliche Regelung eines bestimmten Tatbestandes enthält, ergibt sich also noch kein zwingender Schluss auf die Zulässigkeit von Vereinbarungen, die diesen Tatbestand betreffen. Vielmehr ist jeweils zu prüfen, ob nach dem Zweck der halbzwingenden Norm auch Vereinbarungen im Hinblick auf nicht ausdrücklich geregelte Sachverhalte nur eingeschränkt zulässig sein sollen31.

3. Veränderung der gesetzlichen Beweislastverteilung zu Lasten des Versicherungsnehmers Im Schrifttum ist vereinzelt die Änderung der in halbzwingenden Vorschriften vorgesehenen Beweislastverteilung nicht als nachteilige Abweichung von diesen Vorschriften angesehen worden32. Dies überzeugt nicht. Wenn sich aus einer halbzwingenden Vorschrift eine bestimmte Beweislastverteilung ergibt, so muss der Versicherungsnehmer auch gegen nachteilige Veränderungen seiner sich daraus ergebenden Beweisposition geschützt sein. Einer ungünstigeren Beweislastverteilung kann im praktischen Ergebnis dieselbe Bedeutung zukommen wie der Verkürzung der materiellen Rechtsstellung des Versicherungsnehmers33. Problematisch kann allerdings sein, ob sich die Beweislastverteilung aus einer halbzwingenden Norm des VVG oder (ausschließlich) aus allgemeinen Vorschriften ergibt. Wenn sich dem VVG keine Entscheidung für eine bestimmte Beweislastverteilung entnehmen lässt, kann diese auch nicht durch das VVG gegen nachteilige Abweichungen abgesichert sein. Allerdings ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Gesetzgeber des VVG, wenn er auf allgemeine Vorschriften bzw. auf darin geregelte Gegenstände Bezug nimmt, auch eine positive Entscheidung für die nach allgemeinen Regeln geltende Beweislastverteilung getroffen hat und diese sich damit jedenfalls auch aus dem VVG ergibt. 30 Vgl. dazu ausführlich im 2. Teil im 2. Abschnitt unter A. III. 2. b) (S. 294 f.) und B. III. (S. 309). 31 Problematisch ist es deshalb z. B. auch, die Vereinbarkeit mit § 34a VVG bei Risikoausschlüssen, die nur Risiken aus bei Vertragsschluss bereits vorliegenden Umständen erfassen, lediglich damit zu begründen, dass die §§ 16 ff. VVG sich nur mit den Folgen der Nichtanzeige gefahrerheblicher Umstände befassen, vgl. dazu unten im 2. Teil im 1. Abschnitt unter C. II. 1. a) (S. 220). 32 Voosen VersR 1977, 895, 898. 33 Baumgärtel / Prölss § 42 VVG Rn. 1; § 39 VVG Rn. 8. m. w. N.; BK / Riedler § 42 VVG Rn. 5.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

Beispiel: Diskutiert wird in Rechtsprechung und Schrifttum insbesondere der Fall, dass in AVB für den Nachweis des Zuganges einer Fristsetzung des Versicherers nach § 39 Abs. 1 VVG ein Aktenvermerk über die Absendung für ausreichend erklärt wird. Ein Verstoß solcher Regelungen gegen die §§ 39, 42 VVG wird im Schrifttum zum Teil mit der Begründung abgelehnt, dass sich nicht aus § 39 VVG, sondern aus § 130 BGB ergebe, dass der Absender den Nachweis für den Zugang einer Willenserklärung tragen müsse34. Ein entsprechendes Problem stellt sich immer dann, wenn eine halbzwingende Vorschrift für den Eintritt bestimmter für den Versicherungsnehmer belastender Rechtsfolgen eine Willenserklärung des Versicherers (z. B. eine Kündigungs- oder eine Rücktrittserklärung) voraussetzt, ohne eine ausdrückliche Anordnung über die Beweislast für den Zugang dieser Erklärung zu treffen. In all diesen Fällen könnte sich die Beweislastverteilung allein aus § 130 BGB ergeben35. Die ausschließliche Herleitung der Beweislastverteilung aus § 130 BGB überzeugt jedoch nicht. Dass VVG sagt zwar nur, dass eine Fristsetzung erforderlich ist, ohne die Beweislast für deren Zugang ausdrücklich zu regeln. Insoweit ist ein Rückgriff auf die allgemeine Regelung des § 130 BGB möglich. Daraus lässt sich aber nicht folgern, dass dem VVG keine eigene Entscheidung für eine § 130 BGB entsprechende Beweislastverteilung zu entnehmen wäre. Eine solche Entscheidung ergibt sich vielmehr daraus, dass das VVG eine Willenserklärung des Versicherer fordert, ohne die nach allgemeinen Regeln geltenden Beweislastverteilung zu ändern. Dass diese Beweislastverteilung nicht nochmals ausdrücklich hervorgehoben wird, lässt sich ohne weiteres damit erklären, dass der Gesetzgeber die allgemeinen Regeln voraussetzen konnte, ohne darauf eigens hinzuweisen36. 34 Hansen VersR 1988, 1110, 1115; Surminski VersR 1970, 603; a. A. Knappmann, in: Prölss / Martin § 39 VVG Rn. 10; offen gelassen von OLG Hamburg VersR 1981, 125, 126. 35 Dieses Problem ist für AVB nicht schon etwa deshalb von vornherein bedeutungslos, weil eine abweichende Beweislastverteilung in jedem Falle nach § 309 Nr. 12 BGB n. F. (§ 11 Nr. 15 AGBG a. F.) bzw. nach § 308 Nr. 6 BGB n. F. (§ 10 Nr. 6 AGBG a. F.) unwirksam wäre (so aber OLG Hamburg VersR 81, 125, 126). Folgt man nämlich der wohl h. M., so ist eine Inhaltskontrolle nach den §§ 308, 309 BGB n. F. ausgeschlossen, soweit eine halbzwingende Vorschrift eingreift und einer Regelung nicht entgegensteht [vgl. unten im 3. Abschnitt unter A. I. 2. b)] (S. 160) und dort die Nachweise in den Fußnoten 432 und 433). Wenn man die Beweislastverteilung bei §§ 39, 42 VVG ansiedelt, ist zudem nicht in jedem Falle ein Verstoß gegen diese Vorschrift zu bejahen, wenn man mit der ganz h. M. eine Saldierung von Vor- und Nachteilen einer Vereinbarung für möglich hält [vgl. unten unter III. 1. (S. 57 ff.)]. Es ist dann nämlich denkbar, dass Beweisnachteile für den Versicherungsnehmer durch Vorteile an anderer Stelle (z. B. Beweisvorteile in anderer Hinsicht oder stärkere formale Anforderungen an das Mahnverfahren) wieder ausgeglichen werden. Wenn sich die Beweislastverteilung (auch) aus dem VVG ergibt, kann man daher in manchen Konstellationen dazu kommen, dass weder ein Verstoß gegen das VVG noch gegen die §§ 308, 309 BGB n. F. vorliegt. 36 Nichts anderes gilt im übrigen, soweit eine halbzwingende Vorschrift eine empfangsbedürftige Willenserklärung des Versicherers (z. B. eine Kündigungserklärung) fordert und dabei die materiellen Anforderungen für die Wirksamkeit einer solchen Willenserklärung,

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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4. Vereinbarungen zu Lasten des Versicherten bzw. des Bezugsberechtigten Eine Abweichung zum Nachteil des Versicherungsnehmers kommt schließlich auch in Betracht, wenn in der unter 1. bis 3. beschriebenen Weise zu Lasten von Personen, deren Schutz das Ziel des Versicherungsvertrages ist und im Interesse des Versicherungsnehmers liegt, von einer halbzwingenden Vorschrift abgewichen wird37. Darum geht es bei dem Versicherten bzw. beim Bezugsberechtigten in der Lebensversicherung. Die Begünstigung solcher Personen ist gerade Teil der Leistung des Versicherers, die sich der Versicherungsnehmer mit seiner Prämienzahlung erkaufen will. Die durch halbzwingende Vorschriften eingeräumte Rechtsposition des Versicherungsnehmers wird daher auch dann verschlechtert, wenn solche Personen schlechter gestellt werden, als es eine halbzwingende Vorschrift vorsieht38.

II. Begrenzungen des Verbotes nachteiliger Abweichungen im Hinblick auf die Situation bei Abschluss der Vereinbarung Problematisch ist, ob jede Vereinbarung, die die Rechtsstellung des Versicherungsnehmers im Vergleich zu halbzwingenden Vorschriften verschlechtert, unter das Verbot nachteiliger Abweichungen fällt, oder ob es darauf ankommt, in welcher Situation oder unter welchen Umständen eine Vereinbarung geschlossen wurde. 1. Bisher vertretene Ansätze a) Die Auslegung des VVG Im Schrifttum werden insoweit zum Teil Begrenzungen des Verbotes nachteiliger Abweichungen vertreten. So wird für verschiedene halbzwingende Vorschrifdie sich aus dem BGB ergeben (z. B. deren Abgabe und Zugang), voraussetzt. Die Entscheidung, dass die Kündigungserklärung diesen materiellen Erfordernissen genügen muss, folgt nicht lediglich aus dem BGB. Eine Abbedingung dieser Erfordernisse stellt daher nach der unter 2 b) (S. 37 f.) entwickelten Regel eine Abweichung dar, weil die Rechtsfolgen der Kündigung an einen im Gesetz nicht mit dieser Rechtsfolge versehenen Sachverhalt geknüpft werden. 37 Möller, in: Bruck / Möller § 15a VVG Anm. 4; Sieg, in: Bruck / Möller / Sieg § 68 VVG Anm. 112. 38 Etwas ungenau Möller, in: Bruck / Möller § 34a VVG Anm. 4, der andere Personen als den Versicherungsnehmer als durch § 34a VVG geschützt ansieht, soweit sie durch die Obliegenheiten der §§ 16 Abs. 1 Satz 1, 23, 27 Abs. 2, 33 Abs. 1, 34 Abs. 2 VVG belastet werden; daher soll auch die Auferlegung bzw. Ausdehnung von Obliegenheiten auf Dritte eine nachteilige Abweichung begründen (vgl. z. B. Möller, in: Bruck / Möller § 16 VVG Anm. 59). Auch in einer solchen Ausdehung der gesetzlichen Obliegenheiten ist aus den im Text genannten Gründen eine Abweichung zum Nachteil des Versicherungsnehmers zu erblicken.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

ten angenommen, dass das Verbot nur vor dem Versicherungsfall geschlossene Vereinbarungen erfasse; nach dem Versicherungsfall sollen dem Versicherungsnehmer ungünstige Abweichungen dagegen wirksam vereinbart werden können. Begründet wird dies damit, dass die belastenden Auswirkungen einer Vereinbarung für den Versicherungsnehmer nach Eintritt des Versicherungsfalles hinreichend überschaubar seien. So soll etwa § 15a VVG der Wirksamkeit einer nach Eintritt des Versicherungsfalles abgeschlossenen Vereinbarung, durch die der Versicherungsnehmer auf den ihm durch die in dieser Vorschrift genannten halbzwingenden Vorschriften gewährten Schutz (z. B. auf das Kündigungserfordernis des § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG39) verzichtet, nicht entgegenstehen, weil der Versicherungsnehmer nach Eintritt des Versicherungsfalles genau wisse, was er tue40. Er könne sich daher von der Vereinbarung auch Vorteile versprechen, die zwar deren benachteiligenden Charakter nicht beseitigten, für ihn aber gleichwohl bedeutsam seien41. Ähnlich wird für den Fall einer nach Eintritt des Versicherungsfalles ad hoc vereinbarten Abtretung eines Ersatzanspruches des Versicherungsnehmers gegen einen mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen an den Versicherer argumentiert. Obwohl den §§ 67 Abs. 2, 68a VVG von der h. M. auch ein Abtretungsverbot entnommen wird42, soll dies die Wirksamkeit einer nach dem Versicherungsfall vereinbarten Abtretung nicht hindern, weil der Versicherungsnehmer in der konkreten Situation „sehenden Auges“ auf seinen Schutz verzichten könne43. Für § 68a VVG wird zudem vertreten, dass der Versicherungsnehmer allgemein nach Eintritt des Tatbestandes, den die dort genannten halbzwingenden Normen 39 Nach der – im folgenden zugrunde gelegten – ständigen Rechtsprechung und wohl h. M. muss der Versicherer nach § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG auch dann kündigen, wenn er von der Obliegenheitsverletzung weniger als einen Monat vor Eintritt des Versicherungsfalles oder auch erst danach Kenntnis erlangt hat, vgl. BGHZ 4, 369, 374 f.; BGH VersR 1997, 443, 444; BK / Schwintowski § 6 Rn. 89 m. w. N. Vgl. zur Kritik an dieser Auffassung Prölss, in Prölss /Martin § 6 Rn. 109; ders. BGH-FG S. 615 f. 40 Prölss, in: Prölss / Martin § 15a Rn. 1; Martin SVR M II Rn. 52 ff. 41 Prölss, in: Prölss / Martin § 15a Rn. 1. Ähnlich (das Kündigungserfordernis wird im Schutzinteresse des Versicherungsnehmers beseitigt) BK / Schwintowski § 6 Rn. 92. Mit der Überschaubarkeit der Rechtsfolgen für den Versicherungsnehmer argumentiert auch – allerdings im Hinblick auf die Möglichkeit des Versicherungsnehmers, sich auf eine bereits geschlossene Vereinbarung zu berufen – Sasse VersArch 1956, 163, 172; vgl. dazu ausführlich im 2. Abschnitt unter C. II. 1. (S. 145 f.). 42 BGHZ 52, 350, 352; BK / Baumann § 67 VVG Rn. 190. 43 Prölss, in:Prölss / Martin § 67 VVG Rn. 51; ähnlich Bayer VersR 1989, 1123, 1124, der eine „freiwillige“ (d. h. nicht von der Zahlung der Versicherungsleistung abhängige) Abtretung des Ersatzanspruches nach Eintritt des Versicherungsfalles zulassen will. – Zu einem weiteren Beispiel für eine entsprechende Argumentation bei einem einseitigen Rechtsgeschäft des Versicherungsnehmers vgl. Schirmer / Höhne DAR 96, 477, 483 f.; Prölss, in: Prölss / Martin § 5a Rn. 56 und ausführlich unten unter B. II. (S. 106 ff.).

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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regelten, wirksam auf seine gesetzlichen Rechte verzichten könne. Der Sinn des § 68a VVG liege nur darin, den Versicherungsnehmer vor einer Bindung an einen Verzicht auf seine gesetzliche Rechtsstellung zu schützen, soweit sich dieser Verzicht auf die Zukunft beziehe44. Die Rechtsprechung hat sich diesen Eingrenzungen des Verbotes nachteiliger Abweichungen bislang überwiegend nicht angeschlossen. Vielmehr ist in einigen der im Schrifttum diskutierten Konstellationen ein Verstoß gegen das VVG bejaht worden. So wurde bei einem nach dem Versicherungsfall vereinbarten Verzicht des Versicherungsnehmers auf das Kündigungserfordernis des § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG ein Verstoß gegen § 15a VVG45, bei einer nach dem Versicherungsfall vereinbarten Abtretung eines Ersatzanspruches gegen einen Familienangehörigen i. S. d. § 67 Abs. 2 VVG eine Abweichung gemäß § 68a VVG angenommen46. Dies hat zum Teil auch im Schrifttum Zustimmung erfahren47. Zur Begründung wurde dabei zum einen angeführt, dass die Sanktionsnormen des VVG nicht danach differenzierten, zu welchem Zeitpunkt eine Vereinbarung geschlossen worden sei48. Zum anderen wurde der Zweck der jeweils konkret betroffenen halbzwingenden Norm herangezogen. So hält der BGH die Abbedingung des Kündigungserfordernisses des § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG nach Eintritt des Versicherungsfalles für mit § 15a VVG unvereinbar, weil der Zweck des § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG (auch) darin bestehe, sicherzustellen, dass der Versicherer sich nur dann auf die Leistungsfreiheit berufe, wenn er den Obliegenheitsverstoß als so schwerwiegend ansehe, dass er sich zu einer endgültigen Beendigung des Versicherungsverhältnisses entschließe49. Der damit beabsichtigte Schutz des Versicherungsnehmers werde insbesondere durch eine abweichende Vereinbarung vor Regulierung des Versicherungsfalles in Frage gestellt, da der Versicherungsnehmer zu diesem Zeitpunkt geneigt sein werde, dem Versicherer entgegenzukommen50. Dass eine Abtretung einer Ersatzforderung gegen einen Familienangehörigen i. S. d. § 67 Abs. 2 VVG auch nach dem Versicherungsfall gegen §§ 67, 68a VVG verstößt, wird von der Rechtsprechung daraus abgeleitet, dass der Versicherungs44 Sieg, in: Bruck / Möller § 68a Anm. 3; BK / Beckmann § 68a Rn. 2. Für Vorschriften, die die Folgen eines bereits eingetretenen Versicherungsfalles regeln – wie etwa § 67 VVG – läuft diese Ansicht in vielen Fällen auch (wie die zuvor geschilderten Ansätze) darauf hinaus, den Eintritt des Versicherungsfalles als die für die Zulässigkeit einer Vereinbarung maßgebliche zeitliche Grenze anzusehen. 45 BGH VersR 1988, 1013 f.; OLG Hamm NJW-RR 1992, 1510 f. 46 OLG Frankfurt VersR 1984, 254, 255; OLG Saarbrücken VersR 1988, 1038; OLG Hamburg VersR 1992, 685, 686 f.; a. A. aber OLG Köln VersR 1960, 894, 895. 47 So für § 67 Abs. 2 BK / Baumann § 67 Rn. 191. 48 So OLG Hamm NJW-RR 1992, 1510 f. für § 6 Abs. 1 Satz 3; BK / Baumann § 67 Rn. 191 für § 67 Abs. 2 VVG. 49 BGH VersR 1988, 1013, 1014. 50 BGH VersR 1988, 1013, 1014.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

nehmer nicht mittelbar durch eine Inanspruchnahme des Schädigers mitbelastet werden dürfe51. Zudem wird im Schrifttum zum Teil darauf verwiesen, dass das Familienprivileg auch der Erhaltung des „Familienfriedens“ diene. Der Versicherungsnehmer könne daher nicht einseitig auf den Schutz des § 67 Abs. 2 VVG verzichten52. Schließlich wird zum Teil gefordert, der Versicherungsnehmer müsse jedenfalls von der Existenz des Familienprivileges wissen, um „sehenden Auges“ darauf verzichten zu können53.

b) Die Auslegung von halbzwingenden Vorschriften außerhalb des VVG Auch im Hinblick auf halbzwingende Vorschriften außerhalb des VVG ist umstritten, welche zeitliche Reichweite das Verbot von Abweichungen zum Nachteil der jeweils geschützten Vertragspartei hat. So wird § 312f Satz 1 BGB n. F. (§§ 5 Abs. 4 HWiG, 5 FernAG) verbreitet entnommen, dass das Verbot nachteiliger Abweichungen bis zur restlosen Abwicklung des Vertrages gelte54. Ein Verzicht des Verbrauchers auf seine Rechte soll danach auch nach Vertragsschluss grundsätzlich unzulässig sein, weil auch dadurch der vom Gesetz angestrebte Mindeststandard unterlaufen werde55. Lediglich ein (Prozess-)Vergleich des Verbrauchers mit dem Unternehmer soll unter bestimmten Voraussetzungen möglich sein56. Allerdings finden sich auch Stimmen, die eine nach Vertragschluss vom Verbraucher in freier Entscheidung und Kenntnis seiner Rechtsposition getroffene Vereinbarung für möglich halten57. Ähnliche Auslegungsprobleme ergeben sich bei einigen arbeitsrechtlichen halbzwingenden Vorschriften. So soll nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes ein Verzicht des Arbeitnehmers auf bereits entstandene Ansprüche nach dem LFZG (heute: EFZG) während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses nach § 6 LFZG (§ 12 EFZG) unwirksam sein. Begründet wird dies damit, dass vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses von einer fortdauernden Abhängigkeit des Arbeitnehmers auszugehen sei. Diese Abhängigkeit sei aber gerade der Grund für das gesetzliche Verbot58. Nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses soll dagegen ein OLG Saarbrücken VersR 1988, 1038; OLG Frankfurt VersR 1984, 254, 255. BK / Baumann § 67 Rn. 191. 53 OLG Hamburg VersR 1992, 685, 687. 54 Palandt / Heinrichs § 312f Rn. 1; MünchKomm / Wendehorst § 312f Rn. 11; ähnlich für § 5 Abs. 4 HWiG Soergel / Wolf § 5 HWiG Rn. 7: Es komme nicht darauf an, ob eine Vereinbarung zu Lasten des Kunden vor, während oder nach Abschluss des Vertrages geschlossen worden sei. 55 MünchKomm / Wendehorst § 312f Rn. 11; Palandt / Heinrichs § 312f Rn. 1. 56 MünchKomm / Wendehorst § 312f Rn. 11; Palandt / Heinrichs § 312f Rn. 1. 57 So Fuchs AcP 196 (1996), 313, 354 insbesondere im Hinblick auf einen Verzicht auf das Widerrufsrecht nach dem VerbrKG (vgl. §§ 495, 506 Satz 1 BGB n. F.). 58 BAG AP Nr. 10 zu § 6 LFZG.; BAG NJW 1977, 1213, 1214. 51 52

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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Verzicht auf bereits entstandene Ansprüche möglich sein59. Dieser Differenzierung wird im Schrifttum verbreitet entgegengehalten, dass der Arbeitnehmer auf andere Entgeltansprüche auch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses verzichten kann60. Ein Verzicht auf Urlaubsansprüche nach dem BUrlG wird dagegen überwiegend mit Hinweis auf die fehlende Einschränkung des § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG für unwirksam gehalten61. 2. Stellungnahme a) Der Wortlaut des Gesetzes Aus dem Wortlaut des Gesetzes lässt sich die Reichweite des Verbotes nachteiliger Abweichungen nicht eindeutig herleiten. Das VVG unterscheidet zwar nicht ausdrücklich danach, zu welchem Zeitpunkt eine Abweichung vereinbart wurde oder in welchem Maße ihre Auswirkungen bei ihrem Abschluss absehbar waren. Daraus lässt sich aber nicht zwingend ableiten, dass uneingeschränkt alle Vereinbarungen unabhängig von dem Zeitpunkt und den Umständen ihres Zustandekommens unzulässig sein sollen62. In welchen Fällen eine Abweichung „zum Nachteil“ des Versicherungsnehmers vorliegt, wird durch das Gesetz nicht näher bestimmt und bedarf daher einer Konkretisierung durch Auslegung. Dass ausnahmslos jede objektive Verschlechterung der Rechtsstellung des Versicherungsnehmers als für den Versicherungsnehmer „nachteilig“ bewertet werden müsste, verlangt der Gesetzeswortlaut nicht. b) Der Zweck des Verbotes Die Reichweite des Verbotes ist daher im Hinblick auf den Zweck des Gesetzes zu bestimmen. BAG NJW 1977, 1213, 1214. Vgl. z. B. Schmitt, EFZG, § 12 EFZG Rn. 19 m. w. N. 61 BAG AP Nr. 2 zu § 7 BUrlG Abgeltung; BAG AP Nr. 5, 13 zu § 13 BUrlG Unabdingbarkeit; Neumann / Fenski, BUrlG, § 13 BUrlG Rn. 54. 62 Allerdings lässt sich der Wortlaut des Gesetzes umgekehrt auch dann nicht als Anhaltspunkt für eine Eingrenzung des Verbotes anführen, wenn eine halbzwingende Vorschrift ausdrücklich eine bereits bei Vertragsschluss getroffene Vereinbarung voraussetzt und daran bestimmte Rechtsfolgen knüpft. Darum geht es insbesondere bei § 6 Abs. 1 VVG, der voraussetzt, dass bereits „im Vertrag bestimmt“ ist, dass der Versicherer bei der Verletzung einer Obliegenheit leistungsfrei sein soll. Aus einer solchen Formulierung lässt sich nicht entnehmen, dass sich das Verbot nachteiliger Abweichungen – im Falle des § 6 Abs. 1 VVG also § 15a VVG – nicht gegen nachträglich, insbesondere nach dem Versicherungsfall, abgeschlossene Vereinbarungen richtet (so aber BK / Schwintowski § 6 Rn. 92). Bei der Bestimmung, die bereits im Vertrag selbst getroffen sein muss, geht es ja gerade nicht um eine Vereinbarung, durch die i. S. d. § 15a VVG von § 6 VVG abweichende Regelungen getroffenen werden. Über die Zulässigkeit einer den Versicherungsnehmer im Vergleich zu § 6 VVG belastenden Vereinbarung besagt der Wortlaut des § 6 VVG daher nichts. 59 60

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

aa) Keine Wahrung objektiver, vom Schutz des Versicherungsnehmers unabhängiger Belange Der Zweck des Gesetzes kann nicht in der Wahrung objektiver, vom Schutz des Versicherungsnehmers unabhängiger Belange liegen. Da der Bezugspunkt für das Verbot abweichender Vereinbarungen nur die Schlechterstellung des Versicherungsnehmers ist, geht es ausschließlich um den Schutz seiner Interessen. Dass eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung unabhängig von dem Zeitpunkt und den Umständen ihrer Vereinbarung in jedem Falle unzulässig ist, lässt sich deshalb – wenn überhaupt – nur mit den Interessen des Versicherungsnehmers begründen. Nicht überzeugend ist es daher zum Beispiel, den Zweck des Familienprivilegs des § 67 Abs. 2 VVG in der Erhaltung eines, auch gegen Eingriffe des Versicherungsnehmers schlechthin geschützten, Familienfriedens zu sehen63. Man kann § 67 Abs. 2 VVG zwar – außer mit der Vermeidung einer mittelbaren Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers64 – auch damit erklären, dass Streitigkeiten zwischen den Familiengehörigen über die Verantwortung für die Schadenszufügung vermieden werden sollen65. Dabei kann es aber nicht darum gehen, den Familienfrieden um seiner selbst willen zu schützen. Andernfalls ließe sich der bloß halbzwingende Charakter des § 67 Abs. 2 VVG nicht erklären. Ziel des Gesetzes kann es vielmehr nur sein, dem Versicherungsnehmer ausschließlich im eigenen Interesse Auseinandersetzungen mit seinem Angehörigen zu ersparen66. Die Abtretung einer Forderung gegen den Familienangehörigen kann dem Versicherungsnehmer daher nach Eintritt des Versicherungsfalles nicht allein deshalb versagt sein, weil der Familienfrieden durch das VVG auch gegen Beeinträchtigungen durch den Versicherungsnehmer selbst geschützt sein müsste. bb) Der Schutz des Versicherungsnehmers Der Zweck des Verbotes nachteiliger Abweichungen ist damit allein der Schutz der Belange des Versicherungsnehmers. Allerdings kann es dabei nicht darum gehen, den Versicherungsnehmer schlechthin vor dem wirtschaftlichen Ergebnis einer Abweichung zu bewahren. Dass die möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen einer Abweichung so untragbar wären, dass sie uneingeschränkt der Disposition des Versicherungsnehmers entzogen sein müssten, lässt sich nicht sagen67. So aber wohl BK / Baumann § 67 VVG Rn. 191 und 150. BGHZ 30, 40, 45; BGHZ 41, 79, 83; BGHZ 102, 257, 259 f.; BK / Baumann § 67 VVG Rn. 150 m. w. N. 65 BGHZ 41, 79, 83; BGH VersR 1971, 902, 903; BGHZ 102, 257, 259 f. 66 Ähnlich Ebel VersR 1978, 1083, 1084: § 68a VVG dient allein dem Schutz des Versicherungsnehmers und nicht dem Schutz der Familie als solcher. Auch nach Prölss, in: Prölss / Martin § 67 VVG Rn. 36 geht es um das Interesse des Versicherungsnehmers an der Erhaltung des Familienfriedens. 63 64

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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Davon geht auch die ganz herrschende Auslegung der gesetzlichen Verstoßfolge aus, nach der auch bei einem Verstoß gegen das Verbot nachteiliger Abweichungen eine Berufung des Versicherungsnehmers auf die nachteilige Vereinbarung im Einzelfall möglich bleibt68. Wenn man diese Ansicht zugrunde legt, kann der Versicherungsnehmer eine nachteilige Vereinbarung auch dann als wirksam für sich in Anspruch nehmen, wenn sie sich in dem konkreten Fall, in dem die Berufung erfolgt, objektiv (auch) zu seinem Nachteil auswirkt. Dies setzt aber voraus, dass der Versicherungsnehmer jedenfalls in bestimmten Konstellationen selbst entscheiden kann, ob er eine an sich objektiv zu seinem Nachteil von halbzwingenden Vorschriften abweichende – und damit zunächst für ihn unverbindliche – Vereinbarung gelten lassen will oder nicht. Insoweit unterscheiden sich die Vorschriften des VVG auch von den halbzwingenden Vorschriften außerhalb des VVG, die regelmäßig die (endgültige) Unwirksamkeit abweichender Vereinbarungen anordnen69. Der Zweck des VVG kann es daher nur sein, den Versicherungsnehmer im Hinblick auf die Umstände des Zustandekommens der Vereinbarung zu schützen. Mit seinem Schutz lässt sich die in dem gesetzlichen Verbot liegende Beschränkung der Vertragsfreiheit rechtfertigen, wenn seine Zustimmung zu einer nachteiligen Vereinbarung in einer Situation erfolgte, in der jedenfalls typischerweise Zweifel daran bestehen, dass er seine Interessen sachgerecht d. h. überhaupt oder zumindest ebenso gut wie der Versicherer, wahrnehmen konnte70. (1) Fehlende Überschaubarkeit der Auswirkungen einer Vereinbarung (a) Unsicherheiten bei der Bewertung der Folgen einer Vereinbarung Eine besondere Schutzbedürftigkeit des Versicherungsnehmers kann sich daraus ergeben, dass er nicht in der Lage ist, die Folgen einer für ihn nachteiligen Abweichung bei Abschluss der Vereinbarung zu überschauen. Dass er nie dazu imstande wäre, lässt sich indes nicht sagen. Ein Hindernis dafür kann zwar sein, dass ihm typischerweise versicherungsrechtliche und -technische 67 Dies gilt selbst für die für den Versicherungsnehmer einschneidendste Rechtsfolge einer nachteiligen Abweichung, die Ausweitung der Leistungsfreiheit des Versicherers im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung und der damit verbundene Verlust des Anspruchs auf die Versicherungsleistung. Wenn man nicht eine – gegebenenfalls auch unentgeltliche – Verfügung des Versicherungsnehmers über einen solchen Anspruch für gänzlich ausgeschlossen halten will, kann auch der Verlust oder eine Begrenzung dieses Anspruches nicht schlechthin untragbar sein. 68 BGH NJW 1951, 231,232; Prölss, in: Vorb.I Rn. 4; a. A. Martin, SVR, N IV 1; K I 57; BK / Riedler § 42 Rn. 4. Vgl. zu weiteren Nachweisen sowie den Gründen, aus denen dieser Ansicht zu folgen ist, unten im 2. Abschnitt unter A. I. (S. 110 ff.). 69 Vgl. zu den Unterschieden zwischen der Verstoßfolge des VVG und der endgültigen Unwirksamkeit einer Vereinbarung im 2. Abschnitt unter A. I. (S. 110 ff.) und unter C. (S. 144 ff.). 70 Ähnlich argumentiert Fuchs AcP 196, 313, 353 für halbseitig zwingende Verbraucherschutznormen.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

Kenntnisse fehlen. Jedenfalls wenn ihm die Folgen einer Vereinbarung in einem konkreten Fall unmittelbar vor Augen stehen, wirkt sich dies aber nicht aus. Soweit die von einer Vereinbarung erfassten Sachverhalte noch in der Zukunft liegen, ist die Abschätzung der Auswirkungen einer nachteiligen Abweichung für den Versicherungsnehmer allerdings mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Wenn der Anwendungsbereich der Vereinbarung nur abstrakt umschrieben ist, etwa nur allgemein Gefahrerhöhungen oder Obliegenheitsverletzungen mit bestimmten Rechtsfolgen versehen werden, wird es dem Versicherungsnehmer oftmals schon an den notwendigen Kenntnissen fehlen, um sich die denkbaren Anwendungsfälle der Vereinbarung hinreichend genau vorstellen zu können71. Aber auch wenn der Anwendungsbereich konkreter eingegrenzt wird, z. B. eine Sanktion für eine konkret im Vertrag aufgeführte Obliegenheitsverletzung oder Gefahrerhöhung vereinbart wird, bleiben für den Versicherungsnehmer noch erhebliche Unsicherheiten bestehen. Ob und welche Auswirkungen die Vereinbarung für ihn haben wird, hängt dann noch von der Prognose zukünftiger Entwicklungen ab. Insbesondere kommt es regelmäßig auf die Entwicklung des Risikos des Versicherungsnehmers an, also z. B. darauf, ob eine Gefahrerhöhung eintritt oder ob es zu einem Versicherungsfall kommt oder nicht. Die Prognose und sachgerechte Einschätzung dieser Entwicklungen wird den Versicherungsnehmer oftmals überfordern. Jedenfalls wird dafür regelmäßig ein Aufwand erforderlich sein (z. B. die Berücksichtigung von statistischen Überlegungen zur Prognose der eigenen Risikoentwicklung, die Aneignung von versicherungsrechtlichen Kenntnissen zur Eingrenzung der Sachverhalte, auf die die Vereinbarung Anwendung finden kann), den ein typischer Versicherungsnehmer vernünftigerweise nicht treiben will und kann. Es besteht daher insbesondere die Gefahr, dass er sich nur deshalb auf eine nachteilige Vereinbarung einlässt, weil er die damit verbundenen Risiken unterschätzt. Das Schutzbedürfnis des Versicherungsnehmers ist insoweit auch größer als das der Gläubiger bei Vertragstypen, die nur einen einmaligen Austausch von Leistung und Gegenleistung betreffen und nicht, wie der Versicherungsvertrag, gerade die Vorsorge gegenüber künftigen ungewissen Entwicklungen zum Gegenstand haben. Schließlich lässt sich mit den beschriebenen Unsicherheiten auch erklären, dass das Verbot nachteiliger Abweichungen nur zugunsten des Versicherungsnehmers wirkt, während Abweichungen zu Lasten des Versicherers uneingeschränkt zulässig sind: Der Versicherer kann zwar auch nicht mit Sicherheit sagen, wie sich eine vom VVG abweichende Vereinbarung im Verhältnis zu einem einzelnen Versiche71 Die Verwendung von versicherungsrechtlichen Fachausdrücken führt auch in AVB nicht zur Intransparenz der Regelung. Rechtsprechung (BGHZ 5, 365, 367; BGH VersR 1995, 951, 952; BGH NJW 2000, 2103, 2104) und h. M. (statt aller: Prölss, in: Prölss / Martin Vorb.III Rn. 7 m. w. N.) legen solche Begriffe, da dem verständigen Versicherungsnehmer klar sein müsse, dass diese Begriffe nicht in ihrer etwaigen umgangssprachlichen Bedeutung verwendet würden, in der ihnen in der juristischen Fachsprache zukommenden Bedeutung aus.

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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rungsnehmer konkret auswirken wird. Aufgrund seiner besonderen Kenntnisse kann er dies aber weit besser als der typische Versicherungsnehmer abschätzen. Zudem kommt es für den Versicherer auch gar nicht entscheidend auf die tatsächliche Entwicklung bei dem konkreten Versicherungsnehmer, sondern darauf an, dass er die voraussichtliche Entwicklung bei der Gesamtheit der Versicherungsnehmer statistisch erfassen kann. Der Zweck des Verbotes nachteiliger Abweichungen ist es daher jedenfalls auch, den Versicherungsnehmer vor den Unsicherheiten bei der Abschätzung der Folgen einer Vereinbarung zu schützen. Von dem Verbot nachteiliger Abweichungen werden deshalb grundsätzlich alle Vereinbarungen erfasst, bei deren Abschluss, insbesondere weil ihre möglichen Anwendungsfälle zu diesem Zeitpunkt noch in der Zukunft liegen, noch ungewiss ist, ob bzw. in welcher Weise sich die Vereinbarung für den Versicherungsnehmer konkret auswirken wird. Die Berufung des Versicherers auf eine dem Versicherungsnehmer ungünstige Vereinbarung ist daher ausgeschlossen, wenn sie geschlossen wurde, bevor sich der von einer halbzwingenden Vorschrift geregelte Tatbestand verwirklicht hat72. Soweit eine halbzwingende Vorschrift z. B. die Folgen eines Versicherungsfalles regelt, darf daher vor Eintritt des Versicherungsfalles keine für den Versicherungsnehmer im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung ungünstige Vereinbarung geschlossen werden. Auch in den oben angesprochenen Beispielen – Abbedingung des § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG, Abtretung eines Ersatzanspruches gegen einen Familienangehörigen i. S. d. § 67 Abs. 2 VVG – ist dies der Fall. Allerdings ist der Versicherungsfall nicht für alle halbzwingenden Vorschriften der entscheidende Zeitpunkt. Wenn eine halbzwingende Vorschrift an andere Umstände als an den Eintritt des Versicherungsfalles, z. B. den Eintritt einer Gefahrerhöhung, anknüpft und dafür bestimmte Rechtsfolgen (wie z. B. § 27 VVG ein befristetes Kündigungsrecht des Versicherers bei objektiven Gefahrerhöhungen) vorsieht, die nicht in Zusammenhang mit dem Eintritt des Versicherungsfalles stehen, kann vor Verwirklichung dieser Umstände keine Abweichung zu Lasten des Versicherungsnehmers vereinbart werden. (b) Vom Verbot nachteiliger Abweichungen nicht erfasste Unsicherheiten Die geschilderte gesetzliche Zielsetzung greift allerdings nicht, wenn sich eine für den Versicherungsnehmer ungünstige Vereinbarung ausschließlich auf einen konkreten, bereits eingetretenen Anwendungsfall einer halbzwingenden gesetzlichen Regelung bezieht und der Versicherungsnehmer die Nachteile, die die Vereinbarung in diesem Fall für ihn mit sich bringt, bei ihrem Abschluss bereits im einzelnen überschauen kann. Die mit der Prognose der möglichen zukünftigen Auswirkungen der Vereinbarung verbundenen Unsicherheiten bestehen dann nicht. 72 Entsprechend Sieg, in: Bruck / Möller § 68a VVG Anm. 3 für § 68a (siehe bereits oben bei Fußnote 44).

4 Klimke

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

Andere Unsicherheiten, die sich bei der Bewertung der Auswirkungen einer Vereinbarung ergeben können, genügen jedoch nicht, um die Erstreckung des gesetzlichen Verbotes auf nach den genannten Zeitpunkt geschlossene Vereinbarungen zu rechtfertigen. (aa) Unsicherheiten, die das VVG dem Versicherungsnehmer auch an anderer Stelle zumutet Dies gilt zunächst für Unsicherheiten, die auch einer nicht vom VVG abweichenden Vereinbarung innewohnen würden und deren eigenverantwortliche Abschätzung das VVG dem Versicherungsnehmer daher auch in anderem Zusammenhang zumutet. Wenn etwa nach Eintritt einer Gefahrerhöhung das Kündigungsrecht des Versicherers ausgeschlossen, zugleich aber auch eine Fortsetzung des Vertrages zu geänderten (allerdings nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers vom VVG abweichenden) Bedingungen (z. B. unter Ausschluss der Risiken aus der erhöhten Gefahr) vereinbart wird, so kann der Versicherungsnehmer zwar aufgrund seiner fehlenden Sachkunde die Auswirkungen einer solchen Bedingungsänderung unter Umständen nicht im einzelnen übersehen. Insoweit ist er aber keiner größeren Unsicherheit ausgesetzt als bei jeder anderen, nicht mit einer nachteiligen Abweichung von der gesetzlichen Regelung verbundenen – und daher mit dem VVG vereinbaren – Vertragsänderung oder als bei einem erstmaligen Abschluss eines Versicherungsvertrages. Allein mit der fehlenden Überschaubarkeit der Folgen einer Bedingungsänderung lässt sich daher auch dann keine Abweichung zum Nachteil des Versicherungsnehmers (in dem Beispiel also kein Verstoß gegen die §§ 23 ff., 34a VVG) begründen, wenn die Fortsetzung des Vertrages zu den geänderten Konditionen für den Versicherungsnehmer objektiv ungünstig ist. (bb) Nicht spezifisch versicherungsvertragliche Einschätzungsrisiken Zum anderen kann sich das gesetzliche Verbot auch nicht gegen Unsicherheiten bei der Bewertung von Vereinbarungen richten, die nicht mit den geschilderten spezifischen versicherungsvertraglichen Bewertungsschwierigkeiten – und damit mit den Besonderheiten halbzwingender Vorschriften – zusammenhängen, sondern auch bei anderen Vertragsarten auftreten könnten. An einer gerade auf der geringeren Sachkunde des Versicherungsnehmers beruhenden Unsicherheit fehlt es etwa, wenn zwar klar ist, dass ein Versicherungsfall eingetreten ist, zum Zeitpunkt der Vereinbarung aber die weitere Schadensentwicklung und damit die endgültige Höhe des Schadens noch unsicher ist. Von der Höhe des Schadens hängt zwar auch ab, wie sich eine Vereinbarung für den Versicherungsnehmer auswirkt, die an den Versicherungsfall bestimmte für den Versicherungsnehmer belastende Folgen knüpft. Es handelt sich dabei aber um eine Unsicherheit, die unabhängig von den fehlenden spezifisch versicherungsrechtlichen Kenntnissen des Versicherungsnehmers besteht. Entsprechende Schwierigkeiten entstehen vielmehr immer, wenn ein Geschädigter nach Eintritt des Schadens über seinen Schadensersatzanspruch ver-

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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fügen will. Zudem wird eine Prognose der Schadensentwicklung dem Versicherer regelmäßig nicht leichter fallen als dem – sachnäheren – Versicherungsnehmer. Es wäre daher nicht plausibel, weshalb das Gesetz insoweit nur gerade den Versicherungsnehmer vor den drohenden Prognoseschwierigkeiten schützen sollte. (cc) Fehlende Kenntnis des Versicherungsnehmers von der gesetzlichen Regelung Insbesondere für die Abtretung eines Ersatzanspruches des Versicherungsnehmer gegen einen mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen nach Eintritt des Versicherungsfalles wird – wie gezeigt – vertreten, dass der Versicherungsnehmer bei Abschluss der Vereinbarung den Inhalt der einschlägigen gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird (d. h. also das Abtretungsverbot aus § 67 VVG), kennen müsse73. Man könnte daran denken, diesen Gedanken zu verallgemeinern und für die Zulässigkeit abweichender Vereinbarungen stets eine entsprechende Kenntnis des Versicherungsnehmers zu fordern. Da regelmäßig nicht davon ausgegangen werden kann, dass dem Versicherungsnehmer die gesetzliche Regelung bei Abschluss der Vereinbarung bekannt ist, würde dieses Erfordernis praktisch auch nach Eintritt eines konkreten Anwendungsfalles für eine halbzwingende Regelung auf eine Aufklärungsobliegenheit des Versicherers hinauslaufen. Dies überzeugt indes nicht. Um sachgerecht über seine Zustimmung zu einer Vereinbarung entscheiden zu können, muss der Versicherungsnehmer nur den Inhalt der Vereinbarung und die davon ausgehenden Rechtsfolgen kennen. Wenn er sich gar keine Vorstellungen von dem Inhalt der gesetzlichen Regelung macht, so genügt dies zur Abschätzung der Auswirkungen der Vereinbarung. Die von der Vereinbarung ausgehenden möglichen Belastungen sind dem Versicherungsnehmer dann ja, unabhängig von seinen Rechtskenntnissen, bekannt. So reicht es etwa bei der Abtretung einer Ersatzforderung gegen einen Familienangehörigen i. S. d. § 67 Abs. 2 VVG, wenn der Versicherungsnehmer weiß, dass die Forderung infolge der Abtretung auf den Versicherer übergeht. Von der Möglichkeit eines Forderungsüberganges nach § 67 Abs. 1 VVG und der Ausnahme, die § 67 Abs. 2 VVG davon macht, braucht er dagegen keine Kenntnis zu haben74. Die fehlenden Rechtskenntnisse des Versicherungsnehmers können sich nur dann auswirken, wenn er sich falsche Vorstellungen von dem Inhalt der gesetzlichen Regelung macht, von der abgewichen wird, und deshalb den Regelungsgehalt der Vereinbarung verkennt. Darum geht es etwa, wenn der Versicherungsnehmer glaubt, dass der Inhalt der Vereinbarung nicht oder nur ausschließlich zu seinen Gunsten von der gesetzlichen Regelung abweicht, oder wenn er sich irrtümlich zum Abschluss der Vereinbarung für verpflichtet hält. So ist es etwa denkbar, dass 73 74

4*

OLG Hamburg VersR 1992, 686, 687; a. A. Prölss, in: Prölss / Martin § 67 VVG Rn. 51. Ebenso Prölss, in: Prölss / Martin § 67 VVG Rn. 51.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

sich der Versicherungsnehmer auf eine Abtretung eines Ersatzanspruches gegen seinen Familienangehörigen nur einlässt, weil er glaubt, dass die Forderung mit der Auszahlung der Versicherungsleistung ohnehin auf den Versicherer übergehe. Soweit eine solche Fehleinschätzung nicht – etwa weil dem Versicherungsnehmer das Erklärungsbewusstsein fehlt75 – zur Anfechtbarkeit der Vereinbarung führt, muss der Versicherungsnehmer davor allerdings nicht geschützt werden. Wenn er sich nämlich überhaupt eine Vorstellung von dem Inhalt des Gesetzes macht, so ist es ihm auch zuzumuten, sich zutreffend über die gesetzliche Regelung zu informieren. Da von der Vereinbarung jeweils nur ein konkreter Anwendungsfall der gesetzlichen Regelung betroffen sein kann, erfordert dies für ihn keinen zu großen Aufwand. Wenn er eine entsprechende Erkundigung unterlässt, rechtfertigt es auch eine daraus resultierende Unterlegenheit bei der Abschätzung der Folgen einer Vereinbarung im Vergleich zum Versicherer nicht, seine Bindung an die Vereinbarung zu lockern. (c) Berücksichtigung der individuellen Fähigkeiten des Versicherungsnehmers? Die unter (a) beschriebenen Unsicherheiten bei der Einschätzung der Folgen einer Vereinbarung treffen nicht alle Versicherungsnehmer gleichermaßen. Manche Versicherungsnehmer werden aufgrund ihrer besonderen Kenntnisse oder ihrer Geschäftserfahrung eher in der Lage sein, die Folgen einer Vereinbarung – soweit dies möglich ist – zutreffend zu bewerten. Man könnte daran denken, die Anforderungen an das Verbot nachteiliger Abweichungen für solche Versicherungsnehmer zu lockern (d. h. geringere Anforderungen an die Überschaubarkeit der Vereinbarung zu stellen76) oder mit Hilfe einer teleologischen Reduktion Vereinbarungen mit solchen Versicherungsnehmern ganz von dem Verbot auszunehmen. Dies ist indes abzulehnen. Eine Berücksichtigung der individuellen Fähigkeiten des konkreten Versicherungsnehmers im Einzelfall scheidet von vornherein aus. Dies würde der vom Gesetz offensichtlich gewollten Typisierung zuwider laufen. Man könnte nur daran denken, zumindest bei denjenigen Gruppen von Versicherungsnehmern, bei denen die Rechtsordnung auch an anderer Stelle ein größeres Maß an geschäftlicher Erfahrung voraussetzt und die deshalb in geringerem Maße geschützt werden – also insbesondere bei Kaufleuten und Unternehmern77 – bei der Beurteilung der Nachteiligkeit einer Abweichung einen milderen Maßstab anzulegen. Auch dies lässt sich jedoch nicht rechtfertigen. Auch bei grundsätzlich geschäftlich erfahrenen Versicherungsnehmern können nicht ohne weiteres versiche75 Zu den Rechtsfolgen fehlenden Erklärungsbewusstseins vgl. BGHZ 91, 324, 327; BGHZ 109, 171, 177; Palandt / Heinrichs Einf. vor § 116 BGB Rn. 17 m. w. N. 76 Beispiel: Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe für die Herbeiführung einer konkret im Vertrag umschriebenen Gefahrerhöhung könnte z. B. für einen Unternehmer auch dann hinreichend überschaubar sein, wenn sie für die Zukunft vereinbart wird. 77 Vgl. z. B. § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB n. F.

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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rungsrechtliche und -technische Spezialkenntnisse vorausgesetzt werden. Vor allem aber hat das VVG mit § 187 VVG bereits eine Regelung getroffen, durch die der geringeren Schutzbedürftigkeit bestimmter Gruppen von Versicherungsnehmern Rechnung getragen wird. Dass bestimmte Großrisiken durch diese Vorschrift von den Beschränkungen der Vertragsfreiheit insbesondere auch durch halbzwingende Vorschriften ausgenommen werden, rechtfertigt sich damit, dass es sich um Versicherungszweige handelt, bei denen der Versicherungsnehmer typischerweise hinreichend geschäftskundig ist und deshalb für seine Interessen selbst sorgen kann78. Im Umkehrschluss lässt sich daraus folgern, dass es außerhalb der in § 187 VVG genannten Versicherungszweige nicht auf die Geschäftskundigkeit der Versicherungsnehmer ankommen soll. (2) Schutz des Versicherungsnehmers im Hinblick auf seine wirtschaftliche Unterlegenheit Zweifel daran, dass der Versicherungsnehmer seine Interessen ebenso gut wahrnehmen kann wie der Versicherer, ergeben sich möglicherweise auch aus seiner generell oder zumindest in bestimmten Situationen bestehenden wirtschaftlichen Unterlegenheit. Wenn man das Verbot nachteiliger Abweichungen auch mit dieser Unterlegenheit begründet, könnte eine im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung für den Versicherungsnehmer ungünstige Vereinbarung auch unabhängig von der Überschaubarkeit ihrer Auswirkungen unzulässig sein. Allerdings rechtfertigt die wirtschaftliche Unterlegenheit noch keine generelle Unzulässigkeit von für den Versicherungsnehmer ungünstigen Vereinbarungen. Man kann zwar in der Regel beim Versicherer eine größere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unterstellen. Dass sich aber eine wirtschaftlich weniger leistungsfähige Partei typischerweise eher auf eine für sie nachteilige Vereinbarung einlassen wird, lässt sich nicht allgemein sagen und vermag daher für sich gesehen ebenso wenig wie bei anderen Vertragstypen eine generelle, zeitlich unbegrenzte Einschränkung der Vertragsfreiheit zu begründen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Versicherungsnehmer regelmäßig auch nach der Vereinbarung noch Vertragspartner des Versicherers bleibt. Die Abhängigkeit des Versicherungsnehmers vom Versicherer ist insoweit nicht derjenigen des Arbeitnehmers von seinem Arbeitgeber vergleichbar, die nach der Rechtsprechung des BAG die Rechtfertigung die Rechtfertigung dafür ist, dass der Arbeitnehmer während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses nicht über den ihm durch halbzwingende Vorschriften des Arbeitsrechtes eingeräumten Schutz disponieren darf79. Dies schließt es allerdings nicht aus, in bestimmten Konstellationen dennoch eine besondere Schutzbedürftigkeit des Versicherungsnehmers als des wirtschaftlich schwächeren Teiles anzunehmen. Ein solches besonderes Schutzbedürfnis des 78 79

Kollhosser, in: Prölss / Martin § 187 Rn. 2. Vgl. dazu oben bei Fußnote 58.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

Versicherungsnehmers könnte insbesondere nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehen. Der Versicherungsnehmer kann in einem solchen Fall ein besonderes Interesse daran haben, dass der Versicherer die Versicherungsleistung möglichst zügig auszahlt. Er kann deshalb dazu neigen, sich auf Zugeständnisse an den Versicherer (d. h. auf für ihn nachteilige Vereinbarungen) einzulassen, die er ansonsten nicht gemacht hätte, um diesen zur raschen Regulierung des Schadens zu veranlassen. In diese Richtung lässt sich auch das Argument des BGH verstehen, der Versicherungsnehmer werde vor Regulierung des Schadens eher geneigt sein, auf einen Vorschlag des Versicherers einzugehen, das Kündigungserfordernis des § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG abzubedingen80. Allerdings besteht eine solche Abhängigkeit nicht stets und nicht uneingeschränkt nach Eintritt eines Versicherungsfalles. Sie fehlt insbesondere, wenn der Versicherer den Schaden bereits reguliert hat. In diesem Falle besteht kein Grund anzunehmen, dass der Versicherungsnehmer nicht unbeeinflusst über seine Zustimmung zu einer vom Gesetz abweichenden Vereinbarung entscheiden könnte. Daher lässt sich z. B. jedenfalls nach Regulierung des Schadens aus einer etwaigen wirtschaftlichen Unterlegenheit des Versicherungsnehmers nicht auf die Unzulässigkeit der Abtretung einer Ersatzforderung des Versicherungsnehmer gegen einen Familienangehörigen i. S. d. § 67 Abs. 2 VVG an den Versicherer schließen. Eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Versicherungsnehmers droht nach Eintritt eines Versicherungsfalles zudem auch dann nicht, wenn klar ist, dass der Versicherer den Schaden auch bei Abschluss einer Vereinbarung nicht regulieren wird. In diesem Fall kann der Versicherungsnehmer ohnehin nicht annehmen, dass seine Bereitschaft zu einer für ihn belastenden Vereinbarung Einfluss auf das Verhalten des Versicherers haben wird. Um eine solche Konstellation geht es etwa, wenn der Versicherer bereits vor der Vereinbarung (etwa im Zusammenhang mit der Kündigung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 VVG wegen einer Obliegenheitsverletzung) endgültig die Zahlung der Versicherungsleistung verweigert hat oder wenn die Leistungsfreiheit des Versicherers gerade die Rechtsfolge der für den Versicherungsnehmer ungünstigen Vereinbarung ist81. Allerdings verbleiben immer noch Fälle, in denen das Ausstehen der Versicherungsleistung noch einen Einfluss auf die Willensbildung des Versicherungsnehmers haben kann. Auch in solchen Fällen überzeugt es jedoch nicht, eine für den Versicherungsnehmer in ihren Auswirkungen hinreichend überschaubare Vereinbarung allein im Hinblick auf diesen möglichen Einfluss dem Verbot nachteiliger Abweichungen zu unterwerfen. Die Interessenlage beim Versicherungsvertrag ist insoweit nicht grundsätzlich anders als bei anderen Vertragstypen. Die vertragsgemäße Leistung des Versicherers kann (muss aber auch nicht notwendigerweise) für den Versicherungsnehmer zwar in manchen Fällen von großer wirtschaftlicher 80 81

BGH VersR 1988, 1013, 1014. So war es aber in dem von BGH VersR 1988, 1013 f. entschiedenen Fall.

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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Bedeutung sein. Eine solche Bedeutung kann die Erfüllung aber für den Gläubiger – je nach Bedeutung des Geschäftes – auch bei anderen Vertragstypen haben, ohne dass dies zur generellen Unverbindlichkeit einer nach Fälligkeit der Leistung geschlossenen, für den Gläubiger ungünstigen Vereinbarungen führen würde. Auch bei dem Versicherungsnehmer ist daher davon auszugehen, dass er seine Interessen, soweit er die Auswirkungen einer Vereinbarung hinreichend deutlich überschauen kann, selbst wahrnehmen kann. Im übrigen wird er auch durch die ihm gegen den Versicherer bei einer schuldhaften Verzögerung der Auszahlung der Versicherungsleistung zustehenden Schadensersatzansprüche hinreichend geschützt. Eine etwaige wirtschaftliche Unterlegenheit des Versicherungsnehmers spielt daher für die Bestimmung der Reichweite des Verbotes nachteiliger Abweichungen keine Rolle. (3) Schutz vor einseitig vom Versicherer vorformulierten Abweichungen Eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Versicherungsnehmers, vor der das VVG den Versicherungsnehmer bewahren will, ist möglicherweise auch dann anzunehmen, wenn eine für den Versicherungsnehmer ungünstige Vereinbarung von dem Versicherer einseitig vorformuliert wurde, wenn sie sich also insbesondere in AGB i. S. d. § 305 BGB n. F. findet. Da die in AVB bei Vertragsschluss vereinbarten Abweichungen in aller Regel für den Versicherungsnehmer nicht hinreichend überschaubar und damit für ihn nach dem unter (1) Gesagten ohnehin den Versicherungsnehmer nicht verbindlich sind, kann dieser Gesichtspunkt insbesondere dann von Bedeutung sein, wenn die von dem Versicherer vorformulierte Vereinbarung zu einem Zeitpunkt geschlossen wird, in dem ihre Auswirkungen für den Versicherungsnehmer bereits hinreichend klar sind (also insbesondere nach dem Versicherungsfall, s. o.). So ist es etwa denkbar, dass der Ausschluss des Kündigungserfordernisses des § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG durch eine von dem Versicherer nach Eintritt des Versicherungsfalles vorformulierte Vereinbarung erfolgt82. Die Schutzwürdigkeit des Versicherungsnehmers könnte man bei einer vom Versicherer einseitig vorformulierten Vereinbarung mit denselben Erwägungen rechtfertigen, die auch der Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F. zugrunde liegen. Bei vom Versicherer einseitig gestellten Abreden besteht das Risiko, dass der Versicherer seine faktische Vertragsgestaltungsfreiheit einseitig zu Lasten des Versicherungsnehmers ausnutzt, weil dieser den vorformulierten Inhalt der Vereinbarung nicht im einzelnen zur Kenntnis nimmt und seine eigenen Interessen deshalb nicht sachgerecht einbringt83. Darum ging es z. B. in dem Fall des OLG Hamm NJW-RR 1992, 1510 f. Zu dieser allgemeinen Rechtfertigung der Inhaltskontrolle von AGB statt aller BGHZ 126, 326, 332; Palandt / Heinrichs Einführung zum AGBG Rn. 3; Ulmer, in: Ulmer / Brandner / Hensen Einl. Rn. 29 m. w. N. 82 83

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine Gefahr, vor der das VVG den Versicherungsnehmer schützen will. Dies ergibt sich daraus, dass das VVG gar nicht danach differenziert, wer den Inhalt einer Vereinbarung vorformuliert hat. Von dem Verbot nachteiliger Abweichungen erfasst werden vielmehr AGB im Sinne des § 305 BGB n. F. und Individualvereinbarungen gleichermaßen. Dass der Gesetzgeber gerade einer Benachteiligung durch einseitig vorformulierte Vereinbarungen entgegenwirken wollte, kann daher nicht angenommen werden. Auch der Schutz des Versicherungsnehmers erfordert eine solche Auslegung nicht. Den besonderen Gefahren, die sich daraus ergeben, dass der Inhalt einer Vereinbarung einseitig vom Versicherer gestellt wurde, tragen bereits die §§ 305 ff. BGB n. F. ausreichend Rechnung. Auch wenn man das Verbot nachteiliger Abweichungen des VVG nicht auf alle vom Versicherer vorformulierten Vereinbarungen erstreckt, die die Rechtsstellung des Versicherungsnehmers im Vergleich zum Gesetz verschlechtern, wird der Versicherungsnehmer daher vor solchen Vereinbarungen durch die §§ 305 ff. BGB n. F. hinreichend – nämlich ebenso wie bei dispositiven Vorschriften84 – geschützt.

III. Saldierung der Vor- und Nachteile einer Vereinbarung Schwierigkeiten bereitet die Feststellung einer nachteiligen Abweichung, wenn eine vertragliche Regelung für den Versicherungsnehmer im Vergleich zur gesetzlichen Regelung nicht ausschließlich ungünstig ist, sondern auch Vorteile mit sich bringt. Darum geht es insbesondere dann, wenn eine für den Versicherungsnehmer in einer Hinsicht belastende halbzwingende Vorschrift abbedungen und durch eine vertragliche Regelung ersetzt wird, die den Versicherungsnehmer auf andere Weise belastet. Beispiele dafür sind Regelungen in AVB, die die gesetzlichen Rechtsfolgen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung (also das Rücktritts- bzw. Anfechtungsrecht des Versicherers, vgl. §§ 16 ff. VVG, 123 BGB) durch eine Vertragsstraferegelung ersetzen, oder Vereinbarungen, die für den Fall einer Gefahrerhöhung anstelle der gesetzlichen Rechtsfolgen (Kündigungsrecht und Leistungsfreiheit des Versicherers, vgl. §§ 23 ff. VVG) eine Prämien- oder eine Bedingungsänderung vorsehen85. In solchen Konstellationen stellt sich die Frage, ob bei der Prüfung der „Nachteiligkeit“ einer Vereinbarung eine Saldierung ihrer Vor- und Nachteile86 vor84 Zur Kontrolle solcher Vereinbarungen nach den §§ 307 – 309 BGB n. F. im einzelnen unten im 3. Abschnitt unter A. II. 2. (S. 165 f.). 85 Vgl. zu diesen Fallgruppen im 2. Teil im 1. Abschnitt unter B. (S. 206 ff.) sowie im 2. Abschnitt unter A. – C. (S. 246 ff.). 86 Aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung werden im folgenden die in die Saldierung einzustellenden, für den Versicherungsnehmer ungünstigen Abweichungen auch dann als „Nachteile“ bezeichnet, wenn sie (insbesondere weil sie durch Vorteile ausgeglichen werden können) für sich gesehen nicht in jedem Falle ausreichen, um eine Abweichung „zum Nachteil“ des Versicherungsnehmers i. S. d. der Sanktionsnormen des VVG zu begründen.

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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zunehmen ist, eine für den Versicherungsnehmer im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung ungünstige Abweichung also durch von der Vereinbarung ausgehende Vorteile ausgeglichen werden kann. 1. Die Zulässigkeit einer Saldierung a) Meinungsstand aa) Die Auslegung des VVG (1) Die herrschende Meinung Nach h. M. ist eine Saldierung der Vor- und Nachteile einer Vereinbarung grundsätzlich möglich87. Umstritten ist innerhalb dieser Ansicht lediglich, nach welchen Grundsätzen die Saldierung im einzelnen durchzuführen ist, insbesondere welche Vorteile genau in die Saldierung einzubeziehen sind88. Eine Begründung für die grundsätzliche Zulässigkeit einer Saldierung findet sich insbesondere bei Sasse89: Für eine Gesamtschau der Vor- und Nachteile soll danach sprechen, dass es sich – jedenfalls dann, wenn Vor- und Nachteile aus der Regelung desselben rechtlichen Tatbestandes flössen und wenn sie Inhalt der Vereinbarung seien – um einen einheitlichen Vorgang handele, der sich nicht auseinander reißen lasse. Andernfalls drohe das unbillige Ergebnis, dass der Versicherungsnehmer die Vorteile der Vereinbarung stets für sich nutzen könne, ohne deren Nachteile gegen sich gelten lassen zu müssen90. Auch eine auf den Gesamtvorgang abstellende Betrachtung komme den wohlverstandenen Interessen des Versicherungsnehmers zudem ausreichend entgegen. Dass das VVG eine Saldierung von Vor- und Nachteilen nicht ausschließen wolle, zeige sich schließlich daran, dass anders als in dem interessemäßig ähnlichen Fall des § 107 BGB nicht nur „lediglich“ vorteilhafte Abweichungen zugelassen würden91. (2) Einwände gegen eine Saldierung Vereinzelt wird demgegenüber eine Saldierung der Vor- und Nachteile einer Vereinbarung abgelehnt92. Begründet wird dies mit dem Zweck der gesetzlichen 87 Sasse VersArch 1956, 163, 168 ff.; Martin VersR 1971, 189, 191; Knappmann, in: Prölss / Martin § 42 Rn. 1; BK / Gruber § 15a Rn. 2; BK / Riedler § 42 Rn. 2; OLG Hamm NJW-RR 1992, 1058 f. Vorausgesetzt wird die Zulässigkeit einer Saldierung z. B. von Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 785 ff.; Knappmann VersR 1996, 401, 407; Prölss VersR 1988, 347, 348. 88 Vgl. dazu insb. unten unter 2. a) aa) (2) (S. 74 f.) und (3) (S. 82). 89 VersArch 1956, 163, 170 f. 90 Sasse VersArch 1956, 163, 171; BK / Riedler § 42 Rn. 2. 91 Sasse VersArch 1956, 163, 171. 92 Sieg, in: Bruck / Möller § 68 VVG Anm. 119 und wohl auch Möller, in: Bruck / Möller Einl Anm. 49 unter Berufung auf RGZ 162, 238 ff. (siehe dazu aber sogleich im Text) sowie

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

Regelung. Dem Versicherer solle durch die halbzwingende Ausgestaltung nur die Gelegenheit gegeben werden, auf seine gesetzlichen Rechte zugunsten des Versicherungsnehmers zu verzichten93. Der Gesetzgeber habe durch die differenzierte Ausgestaltung der Pflichten des Versicherungsnehmers einerseits und der Rechte des Versicherers andererseits zum Ausdruck gebracht, dass er eine abschließende Regelung anstrebe. Es sei daher kaum anzunehmen, dass er dem Versicherer grundsätzlich die Möglichkeit offen lassen wollte, das Beziehungsgeflecht der gesetzlichen Vorschriften durch eine abweichende Regelung zu ersetzen94. Eine Saldierung führe schließlich zu einer zu weit gehenden Rechtsunsicherheit, da oft schwer zu sagen sei, ob eine Regelung insgesamt mehr Vor- oder Nachteile für den Versicherungsnehmer mit sich bringe, insbesondere weil die Vor- und Nachteile häufig zu heterogen seien, um miteinander verglichen zu werden95. (3) RGZ 162, 238 ff. Auch einer Entscheidung des RG96 wird im Schrifttum zum Teil die generelle Ablehnung einer Saldierung von Vor- und Nachteilen entnommen97. In dem vom RG entschiedenen Fall ging es darum, dass in einem Haftpflichtversicherungsvertrag die Leistungsfreiheit des Versicherers bei qualifiziertem Prämienzahlungsverzug des Versicherungsnehmers (§ 39 Abs. 1 VVG) abweichend von § 39 Abs. 2 VVG nicht an den Verzug des Versicherungsnehmers bei Eintritt des Versicherungsfalles (der nach den AVB in Einklang mit der Rechtsprechung des RG98 erst mit der Anspruchserhebung durch den Geschädigten gegeben sein sollte), sondern an den Verzug bei Eintritt des Kausalereignisses geknüpft wurde. Nachdem der Versicherungsnehmer in Verzug mit der Zahlung einer Folgeprämie geraten war, kam es zu einer haftungsbegründenden Handlung gegenüber einem Dritten (= Kausalereignis). In der Folgezeit holte der Versicherungsnehmer die Zahlung der Folgeprämie nach. Erst danach wurde er von dem Geschädigten auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Für die Entscheidung kam es auf die Verbindlichkeit der § 39 Abs. 2 VVG abändernden vertraglichen Regelung an. Auf der Grundlage dieser Vereinbarung wäre der Versicherer leistungsfrei gewesen, weil sich der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt des Kausalereignisses in qualifiziertem Prämienzahlungsverzug für § 34a VVG, aber mit nicht nur diese Vorschrift betreffenden Argumenten Michaelis, DAR 1997, 433, 434 f.; Gebauer, NVersZ 2000, 7, 13. Kritisch auch BK / Beckmann § 68a VVG Rn. 4, der die Nachteiligkeit einer Vereinbarung für jede Vereinbarung gesondert beurteilen und die Auswirkungen verschiedener Vereinbarungen nicht gegeneinander aufwiegen will. 93 Michaelis, DAR 1997, 433, 435; Gebauer, NVersZ 2000, 7, 13. 94 Gebauer, NVersZ 2000, 7, 13. 95 Sieg, in: Bruck / Möller § 68 Anm. 119; Michaelis, DAR 1997, 433, 434 f. 96 RGZ 162, 238 ff. 97 Sasse, VersArch 1956, 163, 170; Möller, in: Bruck / Möller Einl. Anm. 49. 98 Z. B. RGZ 114, 117, 119; RGZ 152, 235, 239.

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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befand. Wenn sich der Versicherer dagegen gemäß § 42 VVG nicht auf die Vereinbarung berufen konnte, wäre der Versicherungsnehmer aufgrund des dann uneingeschränkt anzuwendenden § 39 Abs. 2 VVG nicht leistungsfrei gewesen, da der Versicherungsfall erst nach Nachholung der Prämienzahlung eingetreten war. Eine Saldierung von Vor- und Nachteilen der Vereinbarung kam allerdings deshalb in Betracht, weil sich die Abweichung von § 39 VVG in anderen Konstellationen auch zugunsten des Versicherungsnehmers hätte auswirken können. Wenn nämlich der Versicherungsfall in den Zeitraum der Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 39 Abs. 2, 3 VVG gefallen wäre, das Kausalereignis hingegen nicht, dann wäre die nach § 39 Abs. 2 VVG eigentlich bestehende Leistungsfreiheit des Versicherers durch die Vereinbarung ausgeschlossen worden99. Das RG bejahte trotz dieser möglichen Vorteile einen Verstoß der Vereinbarung gegen § 39 Abs. 2, 42 VVG. Ob der Versicherungsnehmer durch eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung benachteiligt werde, könne nur nach Lage des Einzelfalles beurteilt werden. Eine Vereinbarung sei daher für den Versicherungsnehmer unverbindlich, wenn er sie sich im Einzelfall zu seinem Nachteil auswirke100. Da die von § 39 VVG abweichende Vereinbarung im konkreten Fall für den Versicherungsnehmer ausschließlich nachteilig war (nämlich anders als das Gesetz zur Leistungsfreiheit des Versicherers führte), sah das RG eine Berufung des Versicherers darauf als ausgeschlossen an. Aus dieser Entscheidung folgt keine generelle Ablehnung einer Saldierung. Durch die vom RG vorgenommene Einzelfallbetrachtung wird ein Ausgleich von Vor- und Nachteilen zwar für Fallgestaltungen ausgeschlossen, in denen sich eine Vereinbarung – wie in dem entschiedenen Fall – in einem Teil ihrer denkbaren Anwendungsfälle ausschließlich zugunsten, in einem anderen Teil dagegen ausschließlich zu Lasten des Versicherungsnehmers auswirkt. In diesen Fällen verhindert die Lösung des RG einen Ausgleich von Vor- und Nachteilen, da Vor- und Nachteile nie in einem Anwendungsfall zusammentreffen können101. Zu der Frage, ob eine Saldierung auch dann ausgeschlossen ist, wenn die Vor- und Nachteile einer Vereinbarung in jedem oder jedenfalls in manchen Anwendungsfällen gleichzeitig eintreten, weil sie an denselben Lebenssachverhalt anknüpfen (Beispiel: Ausschluss des Kündigungsrechtes wegen Gefahrerhöhung und an die Gefahrerhöhung geknüpfte Prämienerhöhung), äußert sich das RG dagegen nicht. Dazu hätte es einer – im vom RG entschiedenen Fall nicht erforderlichen – genaueren Bestimmung der Kriterien bedurft, nach denen im jeweiligen konkreten Anwendungsfall die „Nachteiligkeit“ einer Abweichung zu bestimmen ist. Vgl. zu diesen Auswirkungen der Vereinbarung insb. Sasse VersArch 1956, 163, 171. RGZ 162, 238, 242 f. 101 Auch Prölss VersR 1988, 347, 348 behandelt die Entscheidung des RG zutreffend daher nur im Zusammenhang mit der Frage, ob Nachteile in einer Gruppe von Anwendungsfällen durch Vorteile in einer anderen Gruppe von Anwendungsfällen der Klausel kompensiert werden. 99

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

Die Entscheidung des RG lässt sich daher nicht für eine generelle Ablehnung einer Saldierung heranziehen. Es kommt daher für die grundsätzliche Zulässigkeit einer Saldierung auch nicht darauf an, ob die vom RG vertretene Einzelfallbetrachtung überzeugt oder nicht102. bb) Die Auslegung von halbzwingenden Vorschriften außerhalb des VVG Für die halbzwingenden Vorschriften des allgemeinen Zivilrechtes, die Abweichungen zum Nachteil der geschützten Vertragspartei (also insbesondere von Verbrauchern) untersagen, wird – soweit sich überhaupt Stellungnahmen zu dieser Frage finden – ganz überwiegend ein Saldierungsverbot angenommen. Ob eine Abweichung zum Nachteil des geschützten Vertragsteiles vorliegt, soll nicht aufgrund einer Gesamtwürdigung des Vertrages, sondern nur anhand eines Vergleichs der Vertragsbestimmungen mit der jeweiligen Einzelnorm des Gesetzes, von der abgewichen wird, entschieden werden. Dies wird insbesondere für § 312f BGB n. F. (§ 5 Abs. 1 FernAG a. F. und § 5 Abs. 4 HWiG a. F.)103, § 506 Satz 1 BGB n. F. (18 Satz 1 VerbrKG a. F.)104 und § 651m BGB n. F. (651 l BGB a. F.)105 vertreten. Soweit sich eine Begründung für dieses Ergebnis findet, wird vor allem auf den Schutzzweck der jeweiligen Normen verwiesen, der einer Umgehung der einzelnen Schutzvorschriften durch die Vereinbarung „gleichwertiger“ abweichender Regelungen entgegenstehe106. Entsprechend werden auch § 12 EFZG107 und § 13 BUrlG108 verstanden. Zu § 4 Abs. 3 TVG ist umstritten, ob eine nachteilige Abweichungen von tarifvertraglichen Normen in einem Arbeitsvertrag durch die gleichzeitige Gewährung übertariflicher Vorteile ausgeglichen werden kann. Die h. M. hält eine Saldierung für zulässig109; eine Ansicht im Schrifttum spricht sich dagegen aus110. Dabei wird die Diskussion mit ganz ähnlichen Argumenten wie bei der Auslegung des VVG geführt. Gegen eine isolierte Betrachtung der nachteiligen Auswirkungen einer Zu dieser Frage vgl. ausführlich unten unter 2. a) aa) (2) (S. 74). MünchKomm / Wendenhorst § 312f Rn. 13; Härting, Fernabsatzgesetz, § 5 Rn. 11 m. w. N.; Erman / Saenger § 5 HWiG Rn. 6. 104 MünchKomm / Habersack, 3. Auflage, § 18 VerbrKG Rn. 3; Bülow, Verbraucherkreditrecht, § 506 BGB Rn. 3; a. A. aber wohl Palandt / Putzo § 506 Rn. 2: Zulässig soll danach auch eine „gleich günstige“ oder „gleich ungünstige“ Abweichung sein. 105 Erman / Seiler § 651l BGB Rn. 3. 106 Erman / Saenger § 5 HWiG Rn. 6. 107 So die ganz h. M., vgl. z. B. Schmitt, EFZG, § 16 EFZG Rn. 25 m. w. N. 108 Vgl. z. B. Neumann / Fenski , BUrlG, § 13 BUrlG Rn. 15, 36 ff. m. w. N. 109 BAGE 7, 149, 151; BAG AP Nr. 1 zu § 6 ArbKrankhG; BAG AP Nr. 1 zu § 4 TVG Sozialzulage; BAGE 91, 210, 230 ff.; Wiedemann / Wank § 4 Rn. 467 ff., 470 m. w. N.; Hueck / Nipperdey, Arbeitsrecht II 1, S. 610; Schmidt, Günstigkeitsprinzip, S. 118 ff. m. w. N. 110 Belling, Günstigkeitsprinzip, S. 177 ff.; 181 ff.; Linnenkohl / Rauschenberg / Reh BB 1990, 628, 629. 102 103

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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von einer einzelnen Tarifvertragsbestimmung abweichenden Regelung des Arbeitsvertrages soll sprechen, dass dadurch die Regelungen des Arbeitsvertrages aus ihrem Regelungszusammenhang gerissen und nach Art einer „Rosinentheorie“ im Ergebnis günstige Arbeitsbedingungen hervorgebracht würden, die weder von den Tarifvertragsparteien noch von den Arbeitsvertragsparteien gewollt seien111. Der Tarifvertrag begründe daher nicht eine bestimmte Menge von unabdingbaren Einzelpositionen. Vielmehr bildeten die Normen eine Einheit, die dem Arbeitnehmer eine bestimmte arbeitsrechtliche Gesamtposition verschaffe, die insgesamt nicht verschlechtert werden dürfe. Jedenfalls soweit die einzelvertraglichen Abweichungen zu Gunsten und zu Lasten des Arbeitnehmers in innerem Zusammenhang mit bestimmten Gruppen von Bestimmungen des Tarifvertrages stehen, soll daher eine einheitliche Beurteilung von Vor- und Nachteilen vorzunehmen sein112. Nach der Gegenansicht ergibt sich aus der Schutz- und Ordnungsfunktion des Tarifvertrages, dass die Tarifnormen eine Kette konkreter Schutzpositionen enthalten, von denen in keinem Falle abgewichen werden dürfe113. Zudem soll eine Saldierung der Vorund Nachteile daran scheitern, dass es nicht möglich sei, einen sicheren Beurteilungsmaßstab dafür zu finden114. Dies soll auch dann gelten, wenn Vor- und Nachteile in einem objektiven Zusammenhang stehen115. Schließlich wird auch im Rahmen der Prüfung der Unangemessenheit einer für den Kunden nachteiligen Abweichung vom dispositiven Recht nach § 307 Abs. 1 BGB n. F. allgemein angenommen, dass für den Kunden vorteilhafte vertragliche Regelungen grundsätzlich geeignet sind, eine bei isolierter Betrachtung unangemessene Benachteiligung auszugleichen116. Allerdings erlaubt dies angesichts des vom VVG abweichenden Zulässigkeitsmaßstabes des § 307 BGB n. F. keine Rückschlüsse für die Auslegung des VVG: § 307 BGB n. F. setzt – da nicht jede nachteilige, sondern nur eine den Kunden unangemessen benachteiligende Abweichung vom dispositiven Recht unzulässig sein soll – jedenfalls eine zusätzliche Bewertung eines Nachteils für den Kunden voraus. Dass in diese Bewertung auch Vorteile für den Kunden einzubeziehen sind, liegt noch erheblich näher, als wenn es nur – wie beim VVG – um die „Nachteiligkeit“ einer vertraglichen Regelung ginge.

111 Hueck / Nipperdey, Arbeitsrecht II 1, S. 610; Schmidt, Günstigkeitsprinzip, S. 118 f. m. w. N. 112 Vgl. z. B. Schmidt, Günstigkeitsprinzip, S. 121 f. m. w. N. Welche Kriterien im einzelnen bei diesem sog. Gruppenvergleich anzulegen sein sollen, ist allerdings streitig, vgl. dazu z .B. Wiedemann / Wank § 4 TVG Rn. 471 ff. m. w. N. sowie Schliemann NZA 2003, 122 ff. 113 Belling, Günstigkeitsprinzip, S. 183; Linnenkohl / Rauschenberg / Reh BB 1990, 628, 629. 114 Belling, Günstigkeitsprinzip S. 183 f. 115 Belling, Günstigkeitsprinzip S. 184, der sich außerdem zur Begründung auf die durch Art. 9 GG gewährleistete Tarifautonomie stützt; insoweit ist die Begründung allerdings von vornherein nicht auf das VVG übertragbar. 116 Umstritten ist nur, welche Vorteile zu berücksichtigen sind – siehe dazu unten Fußnoten 141 bis 143.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

b) Stellungnahme aa) Wortlaut und Systematik des Gesetzes Dem Wortlaut des VVG lässt sich keine eindeutige Entscheidung für oder gegen eine Saldierung entnehmen. Eine Abweichung „zum Nachteil“ des Versicherungsnehmers liegt zwar jedenfalls dann vor, wenn die Nachteile aus einer Vereinbarung die Vorteile daraus überwiegen. Bei unbefangenem Verständnis des Wortlautes setzt dies der Begriff des „Nachteils“ – da sich im Gesetz keine ausdrückliche Beschränkung auf ausschließlich nachteilige Abweichungen findet – mindestens voraus. Darüber hinaus gibt die gesetzliche Formulierung aber keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Lösung des Problems her. Anders als in § 107 BGB werden zwar nicht nur „lediglich“ vorteilhafte Abweichungen zugelassen. Dies deutet aber nicht zwingend auf die Zulässigkeit einer Saldierung hin117. Ebenso vertretbar ist ein Verständnis, nach dem jede mit einer Vereinbarung verbundene ungünstige Abweichung bereits einen „Nachteil“ begründet. Dass auch eine solche Auslegung vom Wortlaut des Gesetzes abgedeckt wird, zeigt sich im übrigen auch daran, dass die identischen Formulierungen in halbzwingenden Vorschriften des allgemeinen Zivilrechtes ganz überwiegend in dieser Weise verstanden werden118. Auch die Systematik des Gesetzes führt nicht weiter. Dass die Sanktionsnormen des VVG regelmäßig nur pauschal ganze Gruppen von Vorschriften für halbzwingend erklären – und nicht, wie etwa die Mieterschutzvorschriften des BGB, in jeder Vorschrift gesondert feststellen, dass nachteilige Abweichungen unzulässig sind – könnte zwar darauf hinweisen, dass die Nachteiligkeit einer Abweichung jeweils bezogen auf eine Normengruppe als Ganzes ermittelt werden soll. Eine solche „Gruppenbetrachtung“ würde eine Saldierung voraussetzen. Jedoch hängen die in den einzelnen Sanktionsnormen aufgeführten Vorschriften oft gar nicht soweit sachlich zusammen, dass es nahe läge, etwaige vor- und nachteilige Abweichungen gerade von diesen Gruppen von Vorschriften im Zusammenhang zu betrachten119. Umgekehrt werden sachlich zusammenhängende Regelungen zum Teil in unterschiedlichen Sanktionsnormen des VVG für halbzwingend erklärt120. Insgesamt ergibt sich somit aus der Systematik des Gesetzes kein Argument für – allerdings auch keines gegen121 – eine Saldierung.

117 Als – allerdings wohl auch nicht entscheidendes – Argument für die Zulässigkeit einer Saldierung sieht dies allerdings Sasse, VersArch 1956, 163, 171 an. 118 s. dazu die oben in den Fußnoten 103 bis 106 zitierten Stimmen. 119 Dies gilt etwa für die in § 34a VVG aufgeführten Gruppen von Vorschriften. 120 Die Folgen von Gefahrerhöhungen z. B. werden einerseits in den nach § 34a VVG halbzwingenden §§ 23 ff. VVG, andererseits – soweit es um das Schicksal der Prämie geht – in dem nach § 42 VVG halbzwingenden § 40 VVG geregelt. 121 Selbst wenn man wegen der genannten Einwände gegen einen Gruppenvergleich nur auf die Abweichung von der jeweiligen Einzelnorm abstellt, bleibt eine Saldierung möglich, wenn die Abweichung sowohl Vor- als auch Nachteile für den Versicherungsnehmer mit sich

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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bb) Unmöglichkeit einer Saldierung? Eine Saldierung scheitert nicht daran, dass es von vornherein unmöglich wäre, Vor- und Nachteile für den Versicherungsnehmer zueinander ins Verhältnis zu setzen122. Eine Saldierung setzt zwar eine Bewertung der Interessen des Versicherungsnehmers voraus. Dass eine solche Bewertung stets ausgeschlossen wäre, lässt sich aber nicht sagen. Vielmehr setzt die Rechtsordnung auch an anderer Stelle ähnliche, zum Teil noch komplexere Interessenbewertungen voraus. Dies zeigt etwa ein Vergleich mit der Inhaltskontrolle von AGB nach § 307 BGB. Für die Beurteilung der Angemessenheit einer Abweichung vom dispositiven Recht kommt es danach nicht nur – wie dies bei der Saldierung im Rahmen des VVG allein in Betracht kommt – auf die Interessen der geschützten Vertragspartei, also des Kunden, an. Darüber hinaus sind auch die schutzwürdigen Belange des Verwenders der AGB zu berücksichtigen und mit den Interessen des Kunden abzuwägen123. Auch dass sich bei der Saldierung der Vor- und Nachteile einer Vereinbarung Zweifelsfälle ergeben können – etwa weil die Vor- und Nachteile zu verschiedenartig oder ihre Auswirkungen nicht hinreichend kalkulierbar sind – kann nicht dazu führen, dass eine Bewertung schlechthin unmöglich und deswegen ausgeschlossen sein muss. Etwaige Rechtsunsicherheiten lassen sich vielmehr dadurch vermeiden, dass man Regeln für die Entscheidung von Zweifelsfällen aufstellt124. cc) Der Zweck des Gesetzes: Garantie eines in allen Einzelheiten unabdingbaren Mindestschutzes oder eines Gesamtniveaus? Für die Zulässigkeit einer Saldierung kommt es daher darauf an, ob dem Versicherungsnehmer nach dem Zweck der gesetzlichen Regelung ein in jedem Detail der Disposition der Parteien entzogener Mindestschutz garantiert oder ob lediglich sichergestellt werden soll, dass der Vertrag ein gewisses Gesamtniveau nicht unterschreitet. (1) Die Interessen des Versicherers Dass es dem Gesetz nur um die Sicherung eines der gesetzlichen Regelung entsprechenden Gesamtniveaus des Vertrages geht, lässt sich nicht allein mit den Interessen des Versicherers rechtfertigen. bringt (Beispiel: Verlängerung der in einer halbzwingenden Vorschrift vorgesehenen Kündigungsfrist bei gleichzeitiger Verschärfung der formalen Anforderungen an die Kündigung). 122 So aber Sieg, in: Bruck / Möller § 68 Anm. 119; Michaelis, DAR 1997, 433, 434 f.; entsprechend für § 4 Abs. 3 TVG Belling, Günstigkeitsprinzip, S. 183 f. 123 Zu diesem Maßstab bei § 307 BGB n. F. statt aller Brandner, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 9 AGBG Rn. 71 f. m. w. N. 124 Vgl. dazu unten unter 2. c) dd) (S. 100). Ähnlich zu § 4 TVG Schmidt, Günstigkeitsprinzip, S. 118 ff. m. w. N.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

Der Versicherer kann zwar ein Interesse daran haben, vom Gesetz zu Lasten des Versicherungsnehmers abweichende Regelungen zu vereinbaren. Dieses Interesse kann für die Auslegung des gesetzlichen Verbotes aber nicht entscheidend sein. Das Verbot nachteiliger Abweichungen dient allein den Interessen des Versicherungsnehmers. Dass es für die Bestimmung der Reichweite des Verbotes darauf ankommen soll, ob dem Versicherer eine möglichst große Gestaltungsmöglichkeit verbleibt, ist daher nicht anzunehmen. Auch der Schutz der Vertragsfreiheit des Versicherers zwingt nicht zu einem solchen Verständnis. Selbst der weitgehende Eingriff in die Vertragsfreiheit, der sich ergibt, wenn man jede in irgendeiner Hinsicht für den Versicherungsnehmer ungünstige Abweichung für unzulässig erachtet, ließe sich noch mit dem Schutz des Versicherungsnehmers vor den unter II. 2. beschriebenen Unsicherheiten rechtfertigen. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob nach der vertraglichen Vereinbarung erkennbar eine einheitliche Regelung der Vor- und Nachteile getroffen werden sollte125. Dass sich der Versicherungsnehmer damit möglicherweise objektiv mit einer Verknüpfung der Vor- und Nachteile einverstanden erklärt hat, ist, wenn ein das Verbot rechtfertigende Defizit an Erkenntnismöglichkeiten beim Versicherungsnehmer vorliegt, von vornherein unbeachtlich. Die Einheitlichkeit einer Vereinbarung könnte daher allenfalls deshalb für die Zulässigkeit einer Saldierung sprechen, weil darin der Wille des Versicherers zum Ausdruck kommt, einen Zusammenhang von Vor- und Nachteil herzustellen. Dies genügt aber, da das Interesse des Versicherers an einer Saldierung für die Bestimmung der Reichweite des Verbotes gerade nicht maßgeblich ist, nicht126. Auch aus etwaigen von der gesetzlichen Sanktion für nachteilige Abweichungen ausgehenden Belastungen des Versicherers lässt sich die Zulässigkeit einer Saldierung nicht herleiten127. Wenn man bei einer für den Versicherungsnehmer teils vorteilhaften, teils nachteiligen Vereinbarung eine nachteilige Abweichung von halbzwingenden Vorschriften bejaht, so kann dies zwar – wenn man mit der h. M. eine Berufung des Versicherungsnehmers auf die Vereinbarung für zulässig hält128 – zur Folge haben, dass der Versicherungsnehmer wahlweise isoliert die Vorteile des Gesetzes oder diejenigen der Vereinbarung für sich in Anspruch nehmen kann, ohne zugleich die Nachteile, die damit jeweils verbunden sein könnten, in Kauf nehmen zu müssen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich in einem Teil der denkbaren Anwendungsfälle einer vertraglichen Regelung die vom Gesetz abwei125 Die „Einheitlichkeit“ als Argument für eine Saldierung nennt aber Sasse, VersArch 1956, 163, 171; BK / Riedler § 42 Rn. 2. 126 Allerdings ist es eine notwendige Voraussetzung für die Einbeziehung eines Vorteiles in die Saldierung, dass der Versicherer ihn gerade im Hinblick auf den Nachteil vereinbart hat, vgl. dazu unter 2. a) aa) (1) (S. 70). 127 So argumentiert aber Sasse VersArch 1956, 163, 171, wenn er das im folgenden im Text beschriebene Ergebnis für „unbillig“ hält. Ähnlich für § 4 Abs. 3 TVG die in Fußnote 111 Genannten. 128 Vgl. dazu unten im 2. Abschnitt unter A. I. 1. (S. 110 ff.).

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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chende Vereinbarung, in einem anderen Teil der Anwendungsfälle (in denen die Vereinbarung für den Versicherungsnehmer im Vergleich zum Gesetz ungünstiger wäre) aber die gesetzliche Regelung für den Versicherungsnehmer ausschließlich günstig auswirkt. In einem solchen Fall kann sich der Versicherungsnehmer auf die Vereinbarung berufen, wenn sie sich zu seinen Gunsten auswirkt, es aber dann, wenn das Gesetz ihm günstig ist, bei der gesetzlichen Regelung belassen. Im Ergebnis steht er dadurch aber, wenn man die aus Sicht des Vertragsschlusses denkbaren Anwendungsfälle der Vereinbarung betrachtet, besser, als wenn entweder nur das Gesetz zur Anwendung käme oder aber die Vereinbarung uneingeschränkt wirksam wäre129. Ein Beispiel für eine solche Konstellation ist die der oben angesprochenen Entscheidung RGZ 162, 238 ff.130 zugrunde liegende Gestaltung, dass die Leistungsfreiheit nach § 39 Abs. 2 VVG an ein vor dem Versicherungsfall liegendes, für diesen ursächlichen Ereignis anknüpft. Je nachdem, zu welchem Zeitpunkt bei einer solchen Vereinbarung das Kausalereignis bzw. der Versicherungsfall eintritt, kann der Versicherungsnehmer eine Leistungsfreiheit des Versicherers entweder mit Hilfe der gesetzlichen Regelung oder durch Berufung auf die davon abweichende Vereinbarung abwenden. Dadurch wird er aber bezogen auf die Gesamtheit aller denkbaren Verzugsfälle besser gestellt, als er sowohl nach der gesetzlichen Regelung als auch bei Wirksamkeit der Vereinbarung stünde131. Allerdings lässt sich die geschilderte Begünstigung des Versicherungsnehmers – und die damit verbundene Belastung des Versicherers – durch die Zulassung einer Saldierung nur zum Teil vermeiden. Auch wenn man eine Saldierung zulässt, müsste man ja, wenn die Vorteile die Nachteile nicht ausgleichen, einen Verstoß gegen das VVG annehmen. Dann greifen aber dieselben Rechtsfolgen ein, die sich auch ohne eine Saldierung ergeben hätten und die zu der geschilderten Begünstigung des Versicherungsnehmers führen132. Eine Besserstellung des Versiche129 Das gleiche Problem kann sich auch stellen, wenn Vor- und Nachteil zwar in einem Anwendungsfall zusammentreffen, sich aber jeweils unterschiedlich auswirken, weil in manchen Fällen die Vorteile, in manchen dagegen die Nachteile überwiegen. 130 s. dazu oben unter a) aa) (3) (S. 58). 131 Wenn das Kausalereignis in die Zeit des Prämienzahlungsverzuges fällt, der Versicherungsfall aber erst nach Ende des Verzuges eintritt, kann er auf die gesetzliche Regelung verweisen, nach der der Versicherungsfall während des Verzuges eingetreten sein muss, damit der Versicherer leistungsfrei ist. Wenn dagegen der Versicherungsfall während des Prämienzahlungsverzuges eintritt, das Kausalereignis aber schon vorher eingetreten ist, kann er eine Leistungsfreiheit durch Berufung auf die abweichende Vereinbarung abwenden. Der Versicherer ist damit im Ergebnis lediglich dann leistungsfrei, wenn das Kausalereignis und der Versicherungsfall während des Prämienzahlungsverzuges eintreten oder aber der Versicherer zuvor gekündigt hat. 132 Wenn man etwa in der RGZ 162, 238 ff. zugrunde liegenden Konstellation dazu käme, dass die Nachteile aus der Vereinbarung nicht durch die Vorteile ausgeglichen werden (für eine solche Kompensation allerdings Sasse VersArch 1956, 163, 170 f. mit der Begründung, dass die Vereinbarung sich für den Versicherungsnehmer statistisch in ebenso vielen Fällen

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

rungsnehmers wird daher nicht schlechthin, sondern nur in den Fällen verhindert, in denen die Vorteile die Nachteile kompensieren und man deshalb bei Zulassung einer Saldierung einen Verstoß gegen das VVG ablehnen müsste. Zudem hat es der Versicherer aufgrund seiner versicherungsrechtlichen Kenntnisse in aller Regel in der Hand, eine Abweichung ganz zu vermeiden, indem er keine auch nur in irgendeiner Hinsicht für den Versicherungsnehmer im Vergleich zu halbzwingenden Vorschriften ungünstigen Regelungen in den Vertrag aufnimmt133. Dass es schlechthin unbillig wäre, ihn den gesetzlichen Verstoßfolgen auch dann auszusetzen, wenn eine Vereinbarung für den Versicherungsnehmer nicht überwiegend nachteilig ist, lässt sich daher nicht sagen. (2) Garantie eines Mindestschutzes im Hinblick auf die Komplexität der gesetzlichen Regelung? Dass es dem Gesetz um einen in allen Einzelheiten unabdingbaren Mindestschutz des Versicherungsnehmers geht, lässt sich umgekehrt auch nicht daraus folgern, dass zahlreiche halbzwingende Vorschriften (etwa die §§ 16 ff., 23 ff., 40 ff. VVG) besonders differenzierte Regelungen enthalten134. Die Differenziertheit halbzwingender Vorschriften ist vor allem die notwendige Folge der Komplexität der von diesen Normen geregelten Fragestellungen. Sie erlaubt daher keinen zwingenden Schluss darauf, dass der Gesetzgeber jedes Detail seiner Regelung als für den Versicherungsnehmer unabdingbaren Mindeststandard angesehen hätte. Die Komplexität der von halbzwingenden Vorschriften geregelten Sachbereiche spricht vielmehr im Gegenteil dafür, dass es sich bei der gesetzlichen Regelung nicht um die einzige interessengerechte Lösung handelt. Gerade bei besonders differenzierten Regelungen ist davon auszugehen, dass es eine Vielzahl denkbarer alternativer vertraglicher Gestaltungen gäbe, die den Interessen des Versicherungsnehmers zwar im Ergebnis genauso Rechnung tragen würden wie die gesetzliche Regelung. Diese alternativen Gestaltungen können vom Gesetzgeber aber nicht im einzelnen vorhergesehen und abschließend aufgezählt werden. Dass das Gesetz ohne nähere Eingrenzung Abweichungen zum Nachteil des Versicherungsnehmers verbietet, lässt sich daher auch als Zulassung solcher insgesamt nicht ungünstigeren Alternativgestaltungen verstehen. Zahlreiche halbzwingende Vorschriften des VVG ähneln insoweit eher tarifvertraglichen Regelungen, die nach der herrschengünstig wie ungünstig auswirken kann), dann müsste man auch bei Zulassung einer Saldierung einen Verstoß gegen § 42 VVG bejahen. Für den Versicherungsnehmer ergäben sich dann die oben geschilderten Vorteile. 133 Im Einzelfall kann zwar schon problematisch sein, ob überhaupt eine Abweichung vorliegt. Dies ist etwa bei den im 2. Teil im 1. Abschnitt unter C. (S. 215 ff.) besprochenen Risikoausschlüssen der Fall. Allerdings ist für den Versicherer auch in solchen Fällen erkennbar, dass eine Abweichung von halbzwingenden Vorschriften zumindest in Betracht kommt. 134 So aber Gebauer NVersZ 2000, 7, 13.

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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den Auslegung des § 4 Abs. 3 TVG nur ein gewisses Gesamtniveau sichern sollen, als verbraucherschützenden Normierungen wie etwa den §§ 312 ff. BGB n. F. (HWiG a. F. bzw. FernAG a. F.), die nur einen überschaubaren Kreis von Rechtsfolgen (insbesondere die Voraussetzungen und Folgen eines Widerrufsrechtes) regeln und bei denen daher ohnehin nur wenig Spielraum für alternative Gestaltungen besteht. (3) Das Interesse des Versicherungsnehmers an einer Saldierung Entscheidend für die Zulässigkeit einer Saldierung spricht zudem, dass auch der Versicherungsnehmer ein Interesse daran haben kann, dass im Vertrag zu seinen Gunsten von halbzwingenden Vorschriften abgewichen wird. Ein solches Interesse besteht nicht nur an ausschließlich günstigen Abweichungen. Es ist vielmehr auch möglich, dass ein Versicherungsnehmer – abweichend von der im Gesetz für den Regelfall vorgesehenen Interessenbewertung – an einem im Gesetz nicht vorgesehenen Vorteil (z. B. dem Ausschluss der Kündigungsmöglichkeit und Leistungsfreiheit des Versicherers bei subjektiven Gefahrerhöhungen) besonders interessiert ist und dafür auch im Gesetz nicht vorgesehene Nachteile (z. B. eine Prämienerhöhung) in Kauf zu nehmen bereit ist. Ohne die Zulassung einer Saldierung wäre aber praktisch nicht zu erwarten, dass überhaupt in irgendeiner Hinsicht für den Versicherungsnehmer günstige Abweichungen vereinbart würden. Dass sich der Versicherer ohne jede Kompensation auf eine Abweichung ausschließlich zugunsten des Versicherungsnehmers einlassen würde, ist nicht anzunehmen. Denkbar ist allenfalls, dass er, soweit sich ein Zusammenhang zwischen Prämie und Abweichung herstellen lässt, als Ausgleich eine höhere Prämie verlangen würde. Auch dies ist aber unwahrscheinlich, da es im Wettbewerb für die Mehrzahl der Versicherungsnehmer – die den Inhalt der AVB vorab typischerweise gar nicht im einzelnen zur Kenntnis nimmt135 – nicht auf die Ausgestaltung der Bedingungen, sondern auf die Höhe der Prämie ankommt. Die Vereinbarung einer ausschließlich günstigen Abweichung von der gesetzlichen Regelung bei gleichzeitiger Erhöhung der Prämie wäre daher, da der Mehrheit der Versicherungsnehmer die Bedeutung der für sie günstigen Abweichung verborgen bliebe, im Ergebnis ein Wettbewerbsnachteil. Die Möglichkeit einer Saldierung schafft damit erst die Voraussetzungen dafür, dass von der gesetzlichen Regelung abweichende Vereinbarungen überhaupt am Markt angeboten werden. Dies kommt den Bedürfnissen derjenigen Versicherungsnehmer entgegen, die an einer vom Gesetz abweichenden Vertragsgestaltung interessiert sind und zudem den erforderlichen Aufwand treiben können und wollen, um die Folgen der Abweichung zu bewerten. Dass dies typischerweise nur eine Minderheit der Versicherungsnehmer – nämlich diejenigen, die den Inhalt der Ver135 Vgl. zu diesem Effekt bei der Verwendung von AGB z. B. Palandt / Heinrichs Überbl vor § 305 Rn. 6; MünchKomm / Basedow Vor § 305 BGB Rn. 5.

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tragsbedingungen bereits bei Vertragsschluss würdigen und vergleichen möchten – sein wird, spricht dabei nicht gegen die Zulässigkeit einer Saldierung. Dem Schutz der Mehrheit der Versicherungsnehmer, die der Gestaltung der Bedingungen vor Vertragsschluss keine Aufmerksamkeit schenken, wird dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass man nur solche für den Versicherungsnehmer ungünstigen Abweichungen zulässt, die durch mit der Vereinbarung für den einzelnen Versicherungsnehmer verbundene Vorteile bei objektiver Bewertung zumindest ausgeglichen werden. Der einzelne Versicherungsnehmer ist dann, wenn er nicht gerade eine bestimmte Gestaltung wünscht, sondern nur insgesamt nicht schlechter als nach der gesetzlichen Regelung stehen will, nicht gezwungen, die möglichen Auswirkungen einer Abweichung bereits bei Vertragsschluss abzuschätzen. Dass die Vorteile die Nachteile überwiegen, ist dagegen nicht erforderlich. Auch bei einer im Saldo ausgeglichenen Vereinbarung ist der notwendige Mindestschutz des Versicherungsnehmers gewährleistet. (4) Ergebnis Der Zweck des Verbotes nachteiliger Abweichungen ist daher nicht in der Garantie eines in allen Einzelheiten unabdingbaren Mindeststandards, sondern in der Sicherung eines bestimmten Gesamtniveaus zu sehen. Es ist daher grundsätzlich möglich, Vor- und Nachteile einer Vereinbarung zu saldieren. Eine Vereinbarung enthält daher keine nachteilige Abweichung i. S. d. Sanktionsnormen des VVG, wenn die von ihr ausgehenden Vorteile die Nachteile zumindest kompensieren. 2. Methodische Grundsätze der Saldierung Bei der Saldierung der Vor- und Nachteile einer Vereinbarung handelt es sich um eine rechtliche Wertung. Die bei dieser Wertung zu berücksichtigenden Gesichtpunkte entziehen sich wegen der Vielzahl der denkbaren Abweichungen von halbzwingenden Vorschriften einer abschließenden Aufzählung. Im folgenden werden daher nur die grundlegenden methodischen Regeln für die Durchführung der Saldierung entwickelt. Dabei wird zunächst untersucht, welche Vorteile [dazu a)] und welche Belastungen [dazu b)] für den Versicherungsnehmer in die Saldierung einzubeziehen sind. Im Anschluss daran wird geprüft, wie die diese Vor- und Nachteilen zueinander ins Verhältnis zu setzen sind [dazu c)]. Eine ausführliche Anwendung dieser Grundsätze auf ausgewählte Probleme bleibt dem zweiten Teil der Arbeit vorbehalten.

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a) Die bei der Saldierung zu berücksichtigenden Vorteile aa) Verbesserungen der Rechtsstellung des Versicherungsnehmers, die sich nach Vertragsschluss unmittelbar aus dem Vertrag ergeben Um einen im Rahmen der Saldierung zu berücksichtigenden Vorteil kann es sich zunächst dann handeln, wenn die Rechtsstellung des Versicherungsnehmers für den Fall, dass sich nach Vertragsschluss ein bestimmter Tatbestand verwirklicht, durch eine vertragliche Vereinbarung unmittelbar, d. h. ohne dass es für den Eintritt der Besserstellung einer weiteren Handlung des Versicherers bedarf, verbessert wird. Dies ist etwa der Fall, wenn im Gesetz vorgesehene Beschränkungen der Leistungspflicht des Versicherers abbedungen werden, wenn also z. B. Vorschriften des VVG, nach denen der Versicherer unter bestimmten Voraussetzungen leistungsfrei sein soll, durch eine Vereinbarung ausgeschlossen werden. Eine Verbesserung der Rechtsstellung des Versicherungsnehmers bringt auch ein Ausschluss von gesetzlichen Gestaltungsrechten (etwa Kündigungs- oder Rücktrittsrechten) des Versicherers mit sich, mit deren Hilfe der Versicherer eine den Versicherungsnehmer belastende Rechtsfolge (insbesondere die Beendigung des Versicherungsverhältnisses) herbeiführen kann. Durch eine solche Regelung wird dem Versicherungsnehmer die Freiheit von der Gestaltungswirkung (bei Ausschluss des Kündigungsrechtes also: der unveränderte Fortbestand seines Versicherungsschutzes) auch in den Fällen garantiert, in denen der Versicherer bei uneingeschränkter Geltung der gesetzlichen Regelung von seinem Gestaltungsrecht Gebrauch gemacht hätte136. Eine Verbesserung der Rechtsstellung des Versicherungsnehmers tritt schließlich auch ein, wenn er eine eigene zusätzliche Gestaltungsmöglichkeit, insbesondere ein im Gesetz nicht vorgesehenes Kündigungsrecht, erhält. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Vereinbarung selbst das Gestaltungsrecht einräumt oder ob das Gesetz an eine Vereinbarung mit dem betreffenden Inhalt ein solches Recht knüpft, da auch in letzterem Fall die Vereinbarung unmittelbar die Besserstellung des Versicherungsnehmers nach sich zieht. Wenn also z. B. bei Eintritt bestimmter Umstände abweichend von einer halbzwingenden Vorschrift eine automatische Erhöhung der Prämie vereinbart wird, so ist das durch die Prämienerhöhung ausgelöste Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers aus § 31 VVG ein bei der Saldierung zu berücksichtigender Vorteil137. 136 Vgl. zu der Frage, nach welchen Regeln abzuschätzen ist, ob und wie oft der Versicherer von einem gesetzlichen Gestaltungsrecht Gebrauch gemacht hätte, unten unter c) cc) (S. 97). 137 Hier wird zunächst nur der Fall betrachtet, dass die – nach bestimmten, aus der Klausel ableitbaren Kriterien berechnete – Prämienerhöhung automatisch eintritt, ohne dass es einer Handlung des Versicherers, d. h. eines Prämienerhöhungsverlangens, bedarf [dazu, dass § 31 VVG auch in einem solchen Fall gilt, vgl. im 2. Teil im 2. Abschnitt unter A. I. 4. a) bb) (2)] (S. 262). Zu der Frage, ob ein Vorteil auch dann zu berücksichtigen ist, wenn sein Eintritt von einer zusätzlichen Entscheidung des Versicherers abhängt, vgl. unten unter bb) (S. 82).

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

Dass eine vertragliche Regelung eine solche unmittelbare Verbesserung der Rechtsstellung des Versicherungsnehmers nach sich zieht, genügt allerdings noch nicht zur Berücksichtigung dieser Besserstellung bei der Saldierung. Vielmehr kommen in verschiedener Hinsicht Einschränkungen des Kreises der in die Saldierung einzustellenden Vorteile in Betracht. (1) Kausalität des Nachteils für den Vorteil In die Saldierung sind nur diejenigen Vorteile einzubeziehen, die der Versicherer nicht auch ohne die Abweichung zu Lasten des Versicherungsnehmers gewährt hätte. Der Vorteil muss also gerade im Hinblick auf die Verschlechterung der Rechtsstellung des Versicherungsnehmers vereinbart worden sein. Dafür spricht schon der Wortlaut des Gesetzes. Danach kommt es auf die Nachteiligkeit der vom Gesetz abweichenden „Vereinbarung“ an. Damit kann nicht der Vertrag als Ganzes gemeint sein. Es können daher nicht alle Verbesserungen der Rechtsstellung des Versicherungsnehmers, die ihm an irgendeiner Stelle des Vertrages gewährt werden, bei der Saldierung zu berücksichtigen sein138. Zudem rechtfertigt sich die Zulassung einer Saldierung gerade damit, dass dem Versicherungsnehmer dadurch Vorteile eröffnet werden, zu deren Vereinbarung der Versicherer ohne eine Kompensation in Gestalt einer ungünstigen Abweichung von halbzwingenden Vorschriften nicht bereit wäre139. Daran fehlt es, wenn der Versicherer einer vorteilhaften vertraglichen Regelung auch ohne die Vereinbarung eine Nachteils zugestimmt hätte. Dass auch solche Vorteile einer ansonsten im Vergleich zu einer halbzwingenden Regelung nachteiligen Vereinbarung entgegengesetzt werden können, lässt sich daher nicht mit den – für die Zulässigkeit einer Saldierung ausschlaggebenden – Interessen des Versicherungsnehmers begründen. Entsprechende Anforderungen werden von der h. M. auch an die Berücksichtigung von Vorteilen bei der Angemessenheitskontrolle von AGB nach § 9 AGBG a. F. (§ 307 BGB n. F.) gestellt. Ein Vorteil ist danach nur dann zur Kompensation einer Abweichung vom dispositiven Recht, die den Kunden für sich gesehen unangemessen benachteiligen würde, geeignet, wenn Vor- und Nachteil wechselseitig aufeinander bezogen sind140. In der Rechtsprechung des BGH wurde diese Einschränkung allerdings bislang noch nicht ausdrücklich vertreten, vielmehr wird im Ansatz der gesamten Vertragsinhalt zur Kompensation herangezogen141. Dies könnte man dahin verstehen, dass es nicht auf einen Kausalzusammenhang zwischen Knappmann, in: Prölss / Martin § 42 VVG Rn. 1; BK / Riedler § 42 VVG Rn. 2. Vgl. oben unter 1. b) cc) (3) (S. 67). 140 Vgl. Brandner, in: Ulmer / Brandner / Hensen, § 9 AGBG Rn. 85; Staudinger / Coester § 9 Rn. 91; Palandt / Heinrichs § 307 Rn. 10; ähnlich Fastrich § 10 III 1 b („funktionale Vergleichbarkeit“). 141 BGHZ 82, 238, 240 f.; 101, 357, 366; 116, 1, 4. 138 139

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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Nachteil und Vorteil ankommen soll142. Für die Auslegung des VVG lässt sich diese Rechtsprechung allerdings auch bei einem solchen Verständnis nicht heranziehen: Ein Verzicht auf die Kausalität zwischen Nachteil und Vorteil lässt sich für die Kontrolle nach § 307 BGB n. F. allenfalls damit rechtfertigen, dass § 307 BGB n. F. mit der Anknüpfung an die „Unangemessenheit“ einer Benachteiligung eine umfassende beiderseitige Interessenabwägung – und damit die Würdigung des gesamten Vertragsinhaltes – voraussetzt143. Um eine solche umfassende Angemessenheitsprüfung geht es beim VVG aber nicht, da es allein auf die Beurteilung einer Vereinbarung anhand der Interessenlage des Versicherungsnehmers ankommt. (a) Fehlender sachlicher Zusammenhang von Vor- und Nachteil Wenn – wie insbesondere bei AVB – nicht im einzelnen zwischen den Vertragsparteien ausgehandelt wurde, dass ein bestimmter Vorteil gerade im Hinblick auf einen Nachteil gewährt werden soll, ist für die Beurteilung des erforderlichen Zusammenhanges die typischen Interessenlage des Versicherers entscheidend. An der notwendige Verknüpfung von Vor- und Nachteil fehlt es daher, wenn kein sachlicher Zusammenhang zwischen der nachteiligen und der für den Versicherungsnehmer günstigen Regelung besteht. Dass der Versicherer eine Begünstigung an einer mit dem Nachteil in keinem sachlichen Zusammenhang stehenden Stelle des Vertrages gerade als Ausgleich für den Nachteil einräumen wollte, ist typischerweise nicht anzunehmen144. (b) Sachlicher Zusammenhang von Vor- und Nachteil Anders sind Fälle zu beurteilen, in denen ein sachlicher Zusammenhang zwischen einem Vorteil und einem Nachteil besteht. Darum geht es insbesondere dann, wenn die Rechtsfolgen eines Tatbestandes oder mehrerer Tatbestände geregelt wer142 v. Hoyningen-Huene § 9 AGBG Rn. 172 f. versteht den BGH jedenfalls dahin, dass kein sachlicher Zusammenhang zwischen Vor- und Nachteil bestehen muss (z. T. anders allerdings Palandt / Heinrichs § 307 AGBG Rn. 10). Ohne einen sachlichen Zusammenhang fehlt aber jedenfalls im Regelfall auch ein Kausalzusammenhang, vgl. dazu sogleich im Text. 143 So v. Hoyningen-Huene § 9 AGBG Rn. 173. 144 Man könnte allerdings überlegen, ob der Versicherer nicht auch bei im einzelnen nicht ausgehandelten Vertragsbedingungen, insbesondere also in AVB, eine ausdrückliche Verknüpfung zwischen einem bestimmten Nachteil und einem sachlich nicht damit zusammenhängenden Vorteil herstellen könnte, indem er ausdrücklich darauf hinweist, dass der Vorteil gerade den Ausgleich für den Nachteil darstellen soll. Dies ist aber zu abzulehnen: Der bloße Hinweis im Vertrag lässt für sich gesehen keinen Schluss darauf zu, dass der Versicherer den Vorteil tatsächlich gerade im Hinblick auf den Nachteil gewährt hat. Dass der Versicherungsnehmer die Verknüpfung von Vor- und Nachteil anhand des Inhaltes erkennen kann, reicht für die Einbeziehung eines Vorteils in die Saldierung aber nicht aus, da sich die Saldierung allein mit dem tatsächlichen Vorhandensein eines Kausalzusammenhanges rechtfertigten lässt.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

den, die im VVG eine zusammenhängende Regelung erfahren haben, wie etwa die Folgen vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzungen (§§ 16 ff. VVG) oder von Gefahrerhöhungen nach Vertragsschluss (§§ 23 ff. VVG). In solchen Fällen sind Vorund Nachteil jedenfalls dann miteinander verknüpft, wenn der Versicherer an der vorteilhaften Regelung ohne die Vereinbarung der nachteiligen Abweichung gar kein vernünftiges eigenes Interesse haben kann. Da nicht anzunehmen ist, dass der Versicherer auf einen Vorteil ohne jede Kompensation verzichtet, ist ohne ein solches Interesse regelmäßig davon auszugehen, dass der Grund für die Vereinbarung des Vorteils die Vereinbarung des Nachteils ist. Der notwendige Zusammenhang von Vor- und Nachteil ist daher insbesondere gegeben, wenn Vor- und Nachteil an denselben rechtlichen Tatbestand anknüpfen, wenn also eine für den Versicherungsnehmer in einer Hinsicht belastende gesetzliche Rechtsfolge abbedungen (= Vorteil für den Versicherungsnehmer) und zugleich für den Eintritt desselben Tatbestandes eine für den Versicherungsnehmer in anderer Hinsicht belastende Rechtsfolge vereinbart wird (= Nachteil für den Versicherungsnehmer). An der isolierten Abbedingung der gesetzlichen Rechtsfolge hat der Versicherer bei einer solchen Gestaltung ersichtlich kein eigenes Interesse. Ein Beispiel dafür sind AVB-Klauseln, die dem Versicherungsnehmer bei einer schuldhaften (jedoch nicht arglistigen) Verletzung seiner vorvertraglichen Anzeigepflicht aus den §§ 16 ff. VVG eine Vertragsstrafe auferlegen, dabei aber zugleich das Rücktrittsrecht des Versicherers aus den §§ 16 Abs. 2 Satz 1, 17 Abs. 1 VVG ausschließen145. Da ein isolierter Ausschluss des Rücktrittsrechtes aus Sicht des Versicherers ohne die Vertragsstrafe wirtschaftlich sinnlos wäre, ist die Kausalität der Vertragsstrafevereinbarung für die Abbedingung der §§ 16, 17 VVG zu unterstellen. Problematischer ist die Beurteilung, wenn im Vertrag die Rechtsfolgen mehrerer verschiedener Tatbestände geregelt werden, die zwar sachlich zusammenhängen, aber nicht notwendig zusammenfallen. In solchen Fällen wird sich die vertragliche Regelung oftmals in mehrere Teile zerlegen lassen, die jeder für sich gesehen für den Versicherungsnehmer sowohl mit Vor- als auch mit Nachteilen verbunden sind. Um eine solche Konstellation handelt es sich etwa, wenn in dem vorstehenden Beispiel auch für eine arglistige Verletzung der Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers eine Vertragsstrafe vereinbart und zugleich das Anfechtungsrecht des Versicherers wegen arglistiger Täuschung (§§ 123 BGB, 22 VVG) ausgeschlossen wird146. Die Regelung der Arglistfälle steht dann zwar in einem sachlichen Zusammenhang mit der Regelung bloß fahrlässiger Anzeigepflichtverletzungen. Jede der beiden Fallgruppen hätte aber auch isoliert in gleicher Weise geregelt werden kön-

145 Vgl. zu solchen Regelungen – die sich z. B. in Nr. 17 Abs. 2 der Tarifbestimmungen für die Kraftfahrtversicherung (TB) finden (dort wird allerdings auch arglistiges Verhalten mitgeregelt, vgl. dazu sogleich im Text) – ausführlich im 2. Teil im 1. Abschnitt unter B. (S. 206). 146 Eine solche Regelung ist auch in Nr. 17 Abs. 2 TB enthalten.

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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nen. Die vertraglichen Regelungen wären dann jeweils für sich betrachtet für den Versicherungsnehmer sowohl mit Vorteilen (= dem Ausschluss der jeweiligen gesetzlichen Rechte des Versicherers) als auch mit Nachteilen (= der Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe) verbunden. Bei einer solchen Fallgestaltung ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Versicherer an der isolierten Vereinbarung einer der teils vorteilhaften, teils nachteiligen Teilregelungen ein eigenständiges Interesse hat. Wenn aber ein solches eigenständiges Interesse besteht, ist zu vermuten, dass er die mit dieser Teilregelung verbundenen Vorteile auch dann in gleicher Form vereinbart hätte, wenn nur die mit diesen Vorteilen zusammenfallenden Nachteile als Ausgleich vereinbart worden wären. So ist es etwa in dem Beispiel denkbar, dass der Versicherer an der isolierten Regelung der Arglistfälle ein eigenständiges Interesse hat, weil er die Erhebung der vereinbarten Vertragsstrafe für arglistiges Verhalten einer Anfechtung vorzieht. In diesem Falle ist davon auszugehen, dass die vom Gesetz abweichende Vereinbarung im Hinblick auf arglistige Anzeigepflichtverletzungen auch ohne die Vereinbarung vom Gesetz abweichender Rechtsfolgen für nicht-arglistiges Verhalten zustande gekommen wäre. Die Vorteile aus der Regelung der Arglistfälle (= den Ausschluss des Anfechtungsrechtes) kann man dann in einer Saldierung nicht den Nachteilen entgegensetzen, die für den Versicherungsnehmer in den Fällen nicht-arglistigen Verhaltens eintreten (also der Vertragsstrafe für nichtarglistiges Verhalten). Vielmehr können die Vor- und Nachteile nur innerhalb der jeweiligen Fallgruppen miteinander saldiert werden. Für die Saldierung ist dies insbesondere von Bedeutung, wenn die Regelung der Arglistfälle für den Versicherungsnehmer überwiegend vorteilhaft, die Regelung der anderen Anzeigepflichtverletzungen dagegen überwiegend nachteilig ist147: Die Nachteile in der letztgenannten könnten dann in jedem Falle nicht durch die „überschießenden“ Vorteile aus der ersten Fallgruppe ausgeglichen werden. Allerdings ergibt sich daraus, dass sich eine sachlich im Zusammenhang stehende vertragliche Regelung in der beschriebenen Weise zerlegen lässt, noch nicht ohne weiteres, dass ein eigenständiges Interesse des Versicherers an jeder Teilregelung besteht und deshalb eine Saldierung der Vor- und Nachteile der einzelnen Teilregelungen ausgeschlossen ist. Im Zweifel ist vielmehr davon auszugehen, dass der Versicherer sachlich zusammenhängende Fragen auch in seiner Kalkulation als Einheit betrachtet und daher eine Frage nur deshalb in für den Versicherungsnehmer günstiger Weise regelt, weil er in einem anderen Teilbereich eine für den Versicherungsnehmer ungünstige Regelung vereinbart hat. Nur wenn besondere Anhaltspunkte – etwa die Vereinbarung unterschiedlicher Rechtsfolgen für an sich sachlich zusammenhängende Fragen – dafür vorliegen, dass der Versicherer voneinander unabhängige Regelungen anstrebte, ist daher der notwendige Kausalzusammenhang zu verneinen. 147 Dazu, dass dies ein mögliches Ergebnis der Saldierung ist, vgl. im 2. Teil im 1. Abschnitt unter B. II. (S. 208 ff.).

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

Auch in dem vorstehenden Beispiel ist daher grundsätzlich zu unterstellen, dass der Versicherer eine einheitliche Regelung vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzungen gleich welchen Verschuldensgrades anstrebt und daher die Vor- und Nachteile beider Fallgruppen aufeinander bezogen sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Vereinbarung nicht nach dem Verschuldensgrad des Versicherungsnehmers differenziert und auch die Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe davon unabhängig ist. Da die ausgeschlossenen gesetzlichen Rechte des Versicherers jeweils (je nachdem, ob der Versicherungsnehmer arglistig gehandelt hat oder nicht) einen unterschiedlichen Umfang haben, spricht schon die Vereinbarung einer einheitlichen Vertragsstrafe dafür, dass der Versicherer in den Arglistfällen nur deshalb eine Vertragsstrafe in der vereinbarten Höhe vorgesehen hat, weil bei einem nichtarglistigen Verhalten eine genauso hohe Vertragsstrafe vereinbart wurde. Anders ist dagegen zu entscheiden, wenn in den AVB je nach Verschuldensgrad eine unterschiedlich hohe Vertragsstrafe (also insbesondere für Arglist eine höhere Vertragsstrafe als für bloß fahrlässiges Verhalten) angeordnet wird. Bei einer solchen Gestaltung ist davon auszugehen, dass der Versicherer die Besonderheiten der jeweiligen Fallgruppen und die dabei von ihm als angemessen erachteten Rechtsfolgen jeweils isoliert berücksichtigt hat und deshalb jeden Teilbereich auch ohne den anderen in gleicher Weise geregelt hätte148. (2) Zusammentreffen von Vor- und Nachteilen in einem Anwendungsfall der Vereinbarung? Ausgehend von der oben149 geschilderten Entscheidung RGZ 162, 238 ff. wird im Schrifttum diskutiert, ob bei der Abwägung der Vor- und Nachteile einer Vereinbarung nur solche Auswirkungen miteinander verglichen werden dürfen, die in einem konkreten Anwendungsfall150 der Vereinbarung zusammentreffen, oder ob Vorteile in einer Gruppe von Anwendungsfällen der Vereinbarung geeignet sind, Nachteile in anderen Anwendungsfällen zu kompensieren. (a) Meinungsstand Die h. M. tritt für eine Gesamtbetrachtung aller Vor- und Nachteile ein. Man könne die vorteiligen und nachteiligen Wirkungen einer Abrede nicht voneinander isolieren, wenn Vor- und Nachteile aufeinander bezogen und daher Inhalt einer ein148 Weitere Beispiele für die Ermittlung des notwendigen Kausalzusammenhanges vgl. im 2. Teil im 1. Abschnitt unter B. II. 1. (S. 208) und C. II. 2. a) aa) (S. 232 f.) sowie im 2. Abschnitt unter unter B. I. 3. a) (S. 303 f.). 149 Vgl. unter 1. a) aa) (3) (S. 58). 150 Unter einem „Anwendungsfall“ der Vereinbarung wird im folgenden ein konkreter Lebenssachverhalt verstanden, an den eine Vereinbarung Rechtsfolgen knüpft, z. B. eine Gefahrerhöhung oder die Verkennung eines bestimmten gefahrerheblichen Umstandes bei Vertragsschluss.

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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heitlichen Regelung seien151. Zudem wird gegen eine Einzelfallbetrachtung eingewandt, dass die grundsätzliche Verbindlichkeit der betroffenen vertraglichen Regelung nicht dauerhaft in der Schwebe bleiben dürfe152. Das RG hat dagegen in der bereits erwähnten Entscheidung zu § 39 VVG auf eine Bewertung jedes Einzelfalles abgestellt153. Nur wenn sich eine Vereinbarung im Einzelfall zugunsten des Versicherungsnehmers auswirke, sei sie in diesem Fall verbindlich. Ein Schwebezustand entstehe schon deshalb nicht, weil die Gültigkeit der Vereinbarung an sich nicht in Frage stehe; vielmehr sei dem Versicherer nur in bestimmten Fällen die Berufung auf die Vereinbarung versagt154. Im Schrifttum hat diese Entscheidung zum Teil Zustimmung gefunden155. Die halbzwingenden Vorschriften wollten nur den einzelnen Versicherungsnehmer schützen, nicht die Versichertengemeinschaft als Gruppe. Dem Versicherungsnehmer, der sich gegen eine bestimmte Vertragsbestimmung wende, könne deshalb nicht entgegengehalten werden, dass sich diese zwar im konkreten Fall gegen ihn auswirke, dafür aber für andere Versicherungsnehmer einen Vorteil gegenüber dem Gesetz bedeute156. Das Problem stellt sich etwa in dem unter (1) (b) geschilderten Beispiel, dass für die schuldhafte Verletzung einer vorvertraglichen Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers eine Vertragsstrafe vereinbart wird, dabei aber zugleich die Rechte des Versicherers aus den §§ 16 – 22 VVG, 123 BGB ausgeschlossen werden. Eine solche Regelung kann sich je nach Lage des konkreten Einzelfalles unterschiedlich auswirken. Zunächst kommt es darauf an, welcher Verschuldensgrad dem Versicherungsnehmer zur Last fällt, da davon der Umfang der gesetzlichen Rechte des Versicherers (und damit auch der Vorteil, den ihr Ausschluss für den Versicherungsnehmer mit sich bringt) abhängt. Für die Auswirkungen einer möglichen Anfechtung bzw. eines Rücktrittes des Versicherers ist zudem entscheidend, ob in der Zeit bis zu einer möglichen Ausübung des Gestaltungsrechtes ein Versicherungsfall eingetreten ist und ob dieser Versicherungsfall von dem Umstand beeinflusst wurde, in Ansehung dessen die Anzeigepflicht verletzt wurde (vgl. § 21 VVG). Schließlich hängt von dem Zeitpunkt innerhalb der Versicherungsperiode, in dem der Versicherer von der Anzeigepflichtverletzung Kenntnis erlangt, ab, wie lang der Zeitraum ist, in dem der Versicherungsnehmer gemäß § 40 Abs. 1 VVG bei einem Rücktritt bzw. einer Anfechtung zur Prämienzahlung verpflichtet bleibt, ohne dafür Versicherungsschutz zu erhalten. 151 Sasse VersArch 1956, 163, 171; Prölss VersR 1988, 347, 348; BK / Riedler § 42 Rn. 2; Martin VersR 1971, 189, 191. 152 KG JRPV 1939, 106, 107. 153 RGZ 162, 238, 242 f. 154 RGZ 162, 238, 242 f. 155 Sieg, in: Bruck / Möller / Sieg § 68a Anm. 5 und wohl auch (allerdings ohne ausdrückliche Bezugnahme auf RGZ 162, 238 ff.) BK / Gruber § 15a Rn. 2. 156 Sieg, in: Bruck / Möller / Sieg § 68a Anm. 5; BK / Beckmann § 68a Rn. 4. Ähnlich BK / Gruber § 15a Rn. 2, der die generelle Vorteilhaftigkeit einer Vereinbarung für unerheblich hält.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

Wenn man bei einer Saldierung nur die Vor- und Nachteile berücksichtigt, die in einem konkreten Anwendungsfall der Vereinbarung zusammentreffen, so kommt es für die Beurteilung der Zulässigkeit der Vereinbarung jeweils nicht darauf an, dass der Versicherungsnehmer bei einer anderen Entwicklung weniger belastet worden wäre. So wäre es z. B. ausgeschlossen, die Vorteile aus dem Ausschluss der §§ 16 ff. VVG bei einem arglistigen Verhalten des Versicherungsnehmers den Nachteilen entgegenzuhalten, die sich bei einem bloß fahrlässigen Verhalten des Versicherungsnehmers ergeben hätten. Ebenso könnte man in einem Fall, in dem kein Versicherungsfall eingetreten ist und auch ein Rücktritt des Versicherers deshalb nicht zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen würde, nicht einwenden, dass ein von dem nicht angezeigten Umstand beeinflusster Versicherungsfall hätte eintreten können. Schließlich wäre für die Bewertung des Vorteils, den der mit dem Ausschluss des Rücktrittsrechtes zugleich verbundenen Ausschluss des § 40 Abs. 1 VVG mit sich bringt, nur die Höhe der Zahlungspflicht nach § 40 VVG maßgeblich, die sich im konkreten Fall ergibt. Dass der Versicherer auch früher von der Anzeigepflichtverletzung hätte Kenntnis erlangen können und der Versicherungsnehmer in diesem Falle nach einem Rücktritt eine höhere Prämie nach § 40 Abs. 1 VVG ohne Gegenleistung geschuldet hätte, wäre dagegen unerheblich. Wenn man dagegen bei der Saldierung eine Gesamtbetrachtung der verschiedenen denkbaren Anwendungsfälle der Vereinbarung durchführt, ist eine Berücksichtigung der genannten Auswirkungen jeweils – sofern die Kausalität der Vereinbarung des Nachteils für einen Vorteil zu bejahen ist – möglich. (b) Stellungnahme (aa) Rechtsunsicherheit als Folge einer Einzelbetrachtung? Für eine umfassende Saldierung aller Vor- und Nachteile lässt sich nicht eine ansonsten drohende Rechtsunsicherheit anführen157. Bedenken bestünden insoweit nur, wenn sich vorab nicht nach abstrakt-generellen Kriterien feststellen ließe, in welchen Fällen die gesetzliche Verstoßfolge eingreift. Die Parteien, insbesondere auch ein rechtlich beratener Versicherungsnehmer158, könnten dann vorab nie sicher sagen, in welchen Anwendungsfällen die Vereinbarung und in welchen das Gesetz gilt. Ein solcher Schwebezustand droht indes bei einer Einzelfallbetrachtung nicht, wenn die für die Saldierung im Einzelfall maßgeblichen rechtlichen Maßstäbe bereits bei Vertragsschluss feststehen159. In diesem Fall kann man bereits Dafür aber KG JRPV 1939, 106, 107. Ob eine etwaige Unsicherheit für den Versicherer ausreichen würde, lässt sich im Hinblick darauf bezweifeln, dass er eine Abweichung ohne weiteres vermeiden könnte. 159 Anders könnte es nur in dem praktisch kaum denkbaren Fall sein, dass sich die für die Saldierung maßgeblichen rechtlichen Maßstäbe während der Vertragslaufzeit ändern. Einer davon ausgehenden Unsicherheit lässt sich indes dadurch entgehen, dass man – ebenso wie bei dem entsprechenden Problem im Rahmen der §§ 307 – 309 BGB n. F., 138 BGB (vgl. 157 158

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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bei Vertragsschluss sicher sagen, bei welchen denkbaren Fallgestaltungen eine Berufung des Versicherers auf die Vereinbarung ausgeschlossen ist und bei welchen nicht. Unsicher bleibt dann zwar – wenn man mit der h. M. eine Berufung des Versicherungsnehmers auf eine nachteilige Vereinbarung zulässt160 – noch, ob sich der Versicherungsnehmer im Einzelfall auf eine überwiegend nachteilige Vereinbarung berufen wird. Diese Unsicherheit ist aber in der gesetzlichen Verstoßfolge bereits angelegt und ließe sich im übrigen auch durch eine Gesamtbetrachtung aller Vor- und Nachteile nicht vermeiden, da auch dann, wenn eine Vereinbarung bei Würdigung aller Vor- und Nachteile überwiegend nachteilig ist, eine Berufung des Versicherungsnehmers darauf im Einzelfall möglich bliebe. (bb) Die Interessen des Versicherers Die Begründung der h. M., eine Gesamtbetrachtung aller Vor- und Nachteile sei erforderlich, weil eine einheitliche Vereinbarung nicht auseinander gerissen werde dürfe161, überzeugt aus den bereits oben bei der Diskussion der generellen Zulässigkeit einer Saldierung angeführten Gründen nicht. Dass dem Versicherungsnehmer bei Unzulässigkeit einer Vereinbarung unter Umständen allein die für ihn günstigen Teile zugute kommen, lässt sich durch eine umfassendere Saldierung überhaupt nur in den Fällen vermeiden, in denen die Vorteile die Nachteile zumindest ausgleichen. Auch in diesen Fällen bedeutet die Unzulässigkeit der Vereinbarung aber keine schlechthin unzumutbare Belastung des Versicherers, da er es selbst in der Hand hat, jegliche Abweichung von der gesetzlichen Regelung zu vermeiden162. Schließlich kann es auch nicht darauf ankommen, ob der Versicherer eine einheitliche Regelung treffen wollte, da die Reichweite des Verbotes nachteiliger Abweichungen und damit auch der Umfang der zulässigen Saldierung der Disposition der Parteien entzogen ist. (cc) Die Interessen des Versicherungsnehmers Das Interesse des Versicherungsnehmers an einer teils günstigen, teils ungünstigen Vereinbarung, das oben für die grundsätzliche Zulässigkeit einer Saldierung angeführt wurde, kann auch dann bestehen, wenn Vor- und Nachteile nicht notwendig in einem Fall zusammentreffen bzw. wenn die Vorteile die Nachteile nicht in jedem einzelnen Anwendungsfall, sondern nur bei einer Gesamtbetrachtung ausgleichen. Wenn dem Versicherungsnehmer an einem Vorteil besonders gelegen ist, der nur in bestimmten Konstellationen eintritt, kann er auch bereit sein, als Ausgleich für diesen Vorteil einen insgesamt nicht größeren Nachteil in anderen denkPalandt / Heinrichs § 138 Rn. 9 f. m. w. N.; § 307 Rn. 3) – solche Veränderungen für die Beurteilung der Verbindlichkeit der Vereinbarung außer Betracht lässt. 160 Vgl. dazu im 2. Abschnitt unter A. I. (S. 110 ff.). 161 So insb. Sasse VersArch 1956, 163, 171 und die oben in Fußnote 151 Genannten. 162 s. dazu bereits oben unter 1. b) cc) (1) (S. 66).

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

baren Anwendungsfällen der Vereinbarung in Kauf zu nehmen163. Es wird auch in vielen Fällen gar nicht möglich sein, einen Ausgleich für eine dem Versicherungsnehmer günstige Regelung gerade genau in den Anwendungsfällen einer Vereinbarung zu schaffen, in denen sich auch der Nachteil verwirklicht. Für den Ausschluss einer nach dem Gesetz eigentlich eintretenden Leistungsfreiheit etwa wird sich kaum eine Kompensationsmöglichkeit finden lassen, die den Versicherungsnehmer einerseits nicht auch in Fällen belastet, in denen kein Versicherungsfall eingetreten ist, andererseits aber nach Eintritt des Versicherungsfalles nicht genauso belastend ist wie die Leistungsfreiheit selbst. Eine auf den jeweiligen Einzelfall beschränkte Saldierung würde daher praktisch verhindern, dass bestimmte Vorteile überhaupt vereinbart würden. Allerdings lässt sich eine Saldierung von Vor- und Nachteilen in unterschiedlichen Anwendungsfällen einer Vereinbarung nur rechtfertigen, wenn dem Schutz derjenigen Versicherungsnehmer, die sich über den Inhalt des Vertrages bei Vertragsschluss keine Gedanken machen oder die nicht in der Lage sind, die Bedeutung einer Abweichung zutreffend abzuschätzen, ausreichend Rechnung getragen wird. Die Vor- und Nachteile im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung müssen daher für jeden einzelnen Versicherungsnehmer zumindest ausgeglichen sein. Bei der Saldierung können deshalb nur die Vor- und Nachteile aus verschiedenen Anwendungsfällen einer Vereinbarung berücksichtigt werden, die sich gerade für den einzelnen Versicherungsnehmer ergeben. Eine Schlechterstellung eines Versicherungsnehmers kann daher nicht mit Vorteilen gerechtfertigt werden, die sich für andere Versicherungsnehmer ergeben. Dass eine Vereinbarung die Stellung der Versicherungsnehmer als Gruppe nicht verschlechtert, reicht nicht aus164. ) Berücksichtigung potentieller Vorteile Daraus folgt aber nicht, dass nur diejenigen Auswirkungen einer Vereinbarung saldiert werden dürften, die sich bei einem konkreten Versicherungsnehmer während der Laufzeit des Vertrages im Einzelfall tatsächlich ergeben haben165. Die Individualinteressen des Versicherungsnehmers werden vielmehr auch dann ge163 Darum geht es z. B. bei einem Ausschluss der nach einer gesetzlichen Regelung, etwa infolge eines Rücktritts wegen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung, eigentlich eintretenden Leistungsfreiheit. Ein solcher Ausschluss wirkt sich – ex post betrachtet – nur dann günstig für den Versicherungsnehmer aus, wenn ein Versicherungsfall eingetreten ist. Da der Versicherungsnehmer aber gerade an der Absicherung gegen eine solche Leistungsfreiheit interessiert sein kann, kann er auch bereit sein, dafür in anderen Fällen, z. B. eine vom Eintritt des Versicherungsfalles unabhängige Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe bei jeder vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung, eine Belastung in Kauf zu nehmen. 164 Entsprechend im Ansatz Sieg, in: Bruck / Möller / Sieg § 68a Anm. 5; BK / Beckmann § 68a Rn. 4. 165 A. A. offenbar Sieg, in: Bruck / Möller / Sieg § 68a Anm. 5, der damit die generelle Unzulässigkeit einer Saldierung der Vor- und Nachteile aus verschiedenen Anwendungsfällen einer Vereinbarung rechtfertigt.

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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schützt, wenn auch diejenigen Folgen einer Vereinbarung in die Saldierung einbezogen werden, die aus Sicht des Vertragsschlusses hätten eintreten können. Auch die Absicherung gegen Entwicklungen, die bei Vertragsschluss noch ungewiss sind, liegt im Interesse des Versicherungsnehmers (und ist, soweit es – wie in der Regel – um Entwicklungen des versicherten Risikos geht, auch gerade das Ziel des Versicherungsvertrages). Deutlich wird dies insbesondere, wenn die Folgen einer Vereinbarung im konkreten Einzelfall davon abhängen, ob ein Versicherungsfall eintritt oder nicht. Da zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht feststeht, ob ein Versicherungsfall eintreten wird oder nicht, haben bei Vertragsschluss auch diejenigen Versicherungsnehmer, bei denen während der Vertragslaufzeit tatsächlich kein Versicherungsfall eintritt, ein eigenes Interesse daran, vor einer möglichen Leistungsfreiheit des Versicherers geschützt zu werden. Wenn man die potentiellen Vorteile für den Versicherungsnehmer in die Saldierung einbezieht, hält man ihm daher nicht lediglich entgegen, dass andere Versicherungsnehmer durch die Vereinbarung besser gestellt werden. Vielmehr handelt es sich auch dabei um Vorteile für den konkreten Versicherungsnehmer166. ) Keine Saldierung von Gruppeninteressen Nicht mehr um eine Saldierung der Vor- und Nachteile für den einzelnen Versicherungsnehmer, sondern um eine Saldierung der Auswirkungen für verschiedene Gruppen von Versicherungsnehmern untereinander geht es dagegen, wenn sich schon bei Vertragsschluss sicher sagen lässt, dass eine bestimmte günstige Regelung bei einem Versicherungsnehmer nie zur Anwendung kommen kann, und dies auch für diesen zumindest erkennbar ist167. Für den einzelnen Versicherungsnehmer bleibt dann als Vorteil noch nicht einmal mehr die theoretische Möglichkeit, dass sich eine vertragliche Regelung zu seinen Gunsten auswirken kann. Vielmehr würde, wenn man einem solchen Versicherungsnehmer die günstigen Folgen der Vereinbarung entgegenhielte, nur mit den Vorteilen für andere Versicherungsnehmer argumentiert. Die Berücksichtigung solcher Vorteile bei der Saldierung scheidet aber aus. Ein solcher Fall liegt z. B. vor, wenn sich die vom Versicherungsnehmer zu zahlende Prämie nach der Zuordnung zu einer bestimmten Gefahrenklasse richtet und vereinbart wird, dass der Versicherungsnehmer bei einer Steigerung des Gefahrniveaus, durch die die Voraussetzungen einer höheren Gefahrenklasse geschaffen erfüllt werden, eine höhere Prämie, bei einer Senkung des Gefahrniveaus, die die Einordnung in eine niedrigere Gefahrenklasse rechtfertigt, dagegen eine niedrigere 166 Ähnlich argumentiert auch Sasse VersArch 1956, 163, 169 für den von RGZ 162, 238 ff. entschiedenen Fall. 167 Wenn für den Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss nicht erkennbar ist, ob ein Vorteil ihm etwas nützt oder nicht, so besteht aus seiner Sicht dasselbe Bedürfnis nach einer Absicherung wie bei zukünftigen ungewissen Entwicklungen.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

Prämie zahlen muss. Soweit sie eine Prämienerhöhung mit sich bringt, kann man in einer solchen Vereinbarung eine Verschlechterung der Rechtsposition sehen, die dem Versicherungsnehmer durch die §§ 23 ff. VVG eingeräumt wird168. Man könnte daran denken, einen vollständigen Ausgleich für diese Belastung – unabhängig von einer etwaigen Abbedingung der gesetzlichen Rechtsfolgen der Gefahrerhöhung – schon in der Vereinbarung einer Prämiensenkung für den Fall einer Gefahrverringerung zu erblicken. Dagegen spricht aber, dass die Möglichkeit einer Prämiensenkung nur für diejenigen Versicherungsnehmer von Vorteil ist, die nicht schon von vornherein der niedrigsten Gefahrenklasse zugeordnet sind. Für die Versicherungsnehmer, die von Anfang an die günstigste Prämie zahlen, kann sich das Gefahrniveau nur erhöhen; die Prämie kann für sie daher nur steigen169. Dass die Vereinbarung einer Prämiensenkung für den Fall einer Gefahrverringerung für diese Gruppe von Versicherungsnehmern keinen Vorteil mit sich bringt, steht daher schon bei Vertragsschluss fest. Bei einem Versicherungsnehmer, der bei Vertragsschluss einer günstigeren Gefahrenklasse zugeordnet ist, kann den Nachteilen aus der Prämienerhöhungsregelung daher nicht entgegengehalten werden, dass sich die Prämie auch verringern könnte. Da eine Regelung aber nach dem Gesagten nur dann mit dem VVG vereinbar ist, wenn sie für jeden einzelnen Versicherungsnehmer nicht überwiegend nachteilig ist, reicht die Möglichkeit einer Prämiensenkung daher nicht aus, um die Belastung mit der erhöhten Prämie auszugleichen. Ein entsprechendes Problem ergibt sich bei den oben170 angesprochenen Vereinbarungen, durch die die Folgen einer schuldhaften vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung im Hinblick auf einen bestimmten gefahrerheblichen Umstand abweichend von den §§ 16 ff. VVG geregelt werden. Welcher Grad an Verschulden den Versicherungsnehmer im Hinblick auf die Anzeigepflichtverletzung trifft, steht bereits bei Vertragsschluss objektiv fest. Wenn dem Versicherungsnehmer keine Arglist zur Last fällt, können ihn zudem, da der Versicherer die Beweislast für ein arglistiges Handeln des Versicherungsnehmers trägt171, die im Gesetz dafür angeordneten Rechtsfolgen (Anfechtung des Versicherers, nicht durch § 21 VVG eingeschränkte Leistungsfreiheit) nicht treffen. Dies ist auch aus Sicht des Versicherungsnehmers klar, da er bei Vertragsschluss jedenfalls weiß, ob er den Versicherer vorsätzlich getäuscht hat. Die Abbedingung der Folgen einer arglistigen Anzeigepflichtverletzung bringt daher für einen Versicherungsnehmer, der den gefahrerheblichen Umstand lediglich fahrlässig nicht angezeigt hat, noch nicht einmal s. zu dieser Frage ausführlich im 2. Teil im 2. Abschnitt unter A. I. 3. a) (S. 255 ff.). Die Möglichkeit, dass Gefahr und Prämie während der Vertragslaufzeit wieder sinken, nachdem sie zunächst gestiegen sind, bringt für den Versicherungsnehmer keine Besserstellung im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung mit sich; vielmehr wird dadurch nur die zeitliche Wirkung der Prämienerhöhung limitiert. 170 s. unter (1) (b) (S. 72). 171 Prölss, in: Prölss / Martin § 22 Rn. 5 m. w. N. 168 169

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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einen potentiellen Vorteil mit sich172. Die Vorteile, die sich bei einem arglistigen Verhalten des Versicherungsnehmers ergeben, können den Nachteilen, die sich für einen bloß fahrlässig handelnden Versicherungsnehmer (z. B. aus einer Vertragsstraferegelung) ergeben, daher nicht entgegengesetzt werden173. Der Begrenzung der Saldierung auf Vorteile, deren Eintritt beim einzelnen Versicherungsnehmer aus Sicht des Vertragsschlusses zumindest möglich ist, steht es auch nicht entgegen, wenn man bei der Saldierung einen typisierenden Maßstab und damit die Interessenlage eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers zugrunde legt174. Auch eine Bewertung anhand der „durchschnittlichen“ Interessenlage darf nicht dazu führen, dass Versicherungsnehmern, die sich bereits bei Vertragsschluss einer Gruppe von Versicherungsnehmern mit jeweils bestimmten Interessen zuordnen lassen, günstige Auswirkungen entgegengehalten werden können, die nur Angehörigen anderer Gruppen von Versicherungsnehmer zugute kommen können175. (c) Ergebnis zu (2) Vorteile, die zwar nicht in jedem einzelnen Anwendungsfall einer Vereinbarung mit den Nachteilen zusammentreffen, deren Eintritt aber bei dem einzelnen Versicherungsnehmer zumindest aus dessen Sicht bei Vertragsschluss möglich ist, sind daher bei der Saldierung zu berücksichtigen. 172 Komplizierter ist die Beurteilung, wenn eine vertragliche Vereinbarung nicht nur die Folgen der Nichtanzeige eines bestimmten gefahrerheblichen Umstandes regelt, sondern die Rechtsfolgen der §§ 16 ff. VVG im Hinblick auf mehrere gefahrerhebliche Umstände abändert. Bei einer solchen Gestaltung können arglistige und fahrlässige Anzeigepflichtverletzungen auch bei einem Versicherungsnehmer zusammentreffen. Für einen Versicherungsnehmer, der einen gefahrerheblichen Umstand arglistig, einen anderen dagegen bloß fahrlässig nicht angezeigt hat, bringt daher auch die Regelung der Arglistfälle Vorteile mit sich. Allerdings ändert dies nichts daran, dass eine günstige Regelung für den Fall arglistigen Handelns für die Gruppe von Versicherungsnehmern, die nur einen Gefahrumstand fahrlässig nicht angezeigt hat, nicht mit Vorteilen verbunden ist. 173 Anders ist es im umgekehrten Fall, dass der Versicherungsnehmer arglistig getäuscht hat und ihm die Vorteile entgegengehalten werden sollen, die aus der Abbedingung der Rechtsfolgen fahrlässigen Handelns folgen. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist noch unsicher, ob dem Versicherer der Nachweis glückt, dass der Versicherungsnehmer arglistig gehandelt hat. Der Ausschluss der Folgen fahrlässigen Verhaltens ist daher für einen arglistig täuschenden Versicherungsnehmer nicht von vornherein nutzlos. 174 s. dazu unten unter c) bb) (3) (S. 95). 175 Allerdings können bei der Einteilung der Versicherungsnehmer in Gruppen keine ganz atypischen Sonderinteressen einzelner Versicherungsnehmer berücksichtigt werden; dies würde dem Interesse nach einer gleichförmigen Gestaltung der Versicherungsverträge zuwiderlaufen. Diese Gefahr droht indes nicht, wenn der Versicherer selbst (wie in dem ersten Beispiel durch die Einteilung in Gefahrenklassen) oder das Gesetz (wie dies in der Differenzierung der Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung angelegt ist) eine Einteilung der Versicherungsnehmer in Gruppen vornimmt. Zu einem weiteren Beispiel für die im Text beschriebene Saldierungsregel vgl. im 2. Teil im 1. Abschnitt unter C. II. 2. a) aa) (S. 234).

6 Klimke

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

(3) Vor- und Nachteile als Folge der Regelung desselben rechtlichen Tatbestandes? Vereinzelt wird vertreten, dass sich die in die Saldierung einzustellenden Vorund Nachteile aus der Regelung desselben rechtlichen Tatbestandes ergeben müssen. Der Versicherer könne die Wirksamkeit einer Regelung nicht mit Rechtsvorteilen anderer Art erkaufen176. Ein solcher Zusammenhang fehlt z. B. zwischen vertraglichen Regelungen über die Rechtsfolgen objektiver und subjektiver Gefahrerhöhungen sowie zwischen Vereinbarungen über die Folgen fahrlässiger und arglistiger vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzungen177. Soweit eine Saldierung nicht schon durch die unter (1) und (2) beschriebenen Einschränkungen ausgeschlossen wird178, ist diese Beschränkung indes abzulehnen: Sie lässt sich mit der Begründung für die grundsätzliche Zulässigkeit einer Saldierung ebenso wenig in Einklang bringen wie eine generelle Beschränkung der Saldierung auf Vor- und Nachteile aus demselben Anwendungsfall einer Vereinbarung. Aus Sicht des Versicherungsnehmers macht es keinen Unterschied, ob sich im Gesetz nicht vorgesehene (und gerade im Hinblick auf den Nachteil gewährte) Vorteile aus der Regelung eines einheitlichen oder der Regelung mehrerer verschiedener rechtlicher Tatbestände ergeben. Der Versicherungsnehmer kann vielmehr auch bereit sein, Nachteile im Hinblick auf einen rechtlichen Tatbestand, z. B. von ihm nicht schuldhaft veranlasste Gefahrerhöhungen, hinzunehmen, wenn er dafür bei Verwirklichung anderer rechtlicher Tatbestände, z. B. bei schuldhaft vorgenommenen Gefahrerhöhungen, besser gestellt wird. Dass die Auswirkungen einer mehrere rechtliche Tatbestände umfassenden Vereinbarung unter Umständen nicht leicht zueinander ins Verhältnis zu setzen sind, steht einer umfassenden Saldierung nicht schlechthin entgegen, sondern ist nur bei der Bewertung der einzelnen Vor- und Nachteile zu berücksichtigen179. bb) Durch eine Entscheidung des Versicherers nach Vertragsschluss vermittelte Verbesserungen der Rechtsstellung des Versicherungsnehmers Problematisch ist ferner, ob auch Besserstellungen des Versicherungsnehmers in die Saldierung einzubeziehen sind, die sich nicht unmittelbar aus dem Vertrag oder aus einer durch das Gesetz an eine vertragliche Regelung geknüpften Rechtsfolge, sondern erst aus einem zusätzlichen Verhalten des Versicherers nach Vertragsschluss180 ergeben, auf das der Versicherungsnehmer keinen Anspruch hat. Sasse VersArch 1956, 163, 171; BK / Riedler § 42 Rn. 2. Ebenso subsumiert Prölss VersR 1988, 347, 348 für den letztgenannten Fall unter die genannte Ansicht. 178 Dies ist etwa in dem unter (2) angesprochenen Beispiel der Fall, soweit die Saldierung der Vor- und Nachteile arglistiger und bloß fahrlässiger Anzeigepflichtverletzungen untereinander ausgeschlossen ist. 179 Vgl. dazu unten unter c) dd) (S. 100). 176 177

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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(1) OLG Hamm NJW-RR 1992, 1510 f. Das OLG Hamm hat in einer Entscheidung zu den §§ 15a, 6 Abs. 1 Satz 3 VVG die Berücksichtigung eines solchen mittelbaren Vorteils bei der Saldierung abgelehnt181. In dem entschiedenen Fall hatte der Versicherungsnehmer nach Eintritt des Versicherungsfalles durch Vereinbarung mit dem Versicherer auf die Einhaltung des Kündigungserfordernisses des § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG für einen konkreten Versicherungsfall verzichtet, ohne dass zugleich das Kündigungsrecht des Versicherers aus § 6 Abs. 1 Satz 2 VVG ausgeschlossen wurde. Das OLG Hamm sah in der Freistellung des Versicherers von dem Kündigungserfordernis eine für den Versicherungsnehmer ungünstige Abweichung von der gesetzlichen Regelung. Eine Saldierung dieses Nachteils mit Vorteilen, die sich für den Versicherungsnehmer bei Ausbleiben der Kündigung aus einer Fortsetzung des Vertrages ergeben könnten, lehnte das Gericht ab. In die Saldierung seien nur solche Vorteile einzubeziehen, die sich aus der vertraglichen Vereinbarung selbst ergäben. Daran fehle es im Hinblick auf mögliche Vorteile aus einer Vertragsfortsetzung, weil der Versicherer nicht bindend auf sein Kündigungsrecht aus § 6 Abs. 1 Satz 2 VVG verzichtet habe. Ein Fortbestand des Versicherungsvertrages werde durch die Vereinbarung daher nicht gewährleistet182. Nach der hier vertretenen Lösung steht der Annahme einer nachteiligen Abweichung i. S. d. §§ 15a VVG von § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG in dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall schon entgegen, dass die Folgen der Vereinbarung für den Versicherungsnehmer hinreichend deutlich überschaubar waren183. Das vom OLG angesprochene Problem würde sich jedoch auch dann stellen, wenn die genannte Vereinbarung bereits vor Eintritt des Versicherungsfalles geschlossen worden wäre. Zudem lässt sich die Begründung des OLG Hamm auch auf andere Fälle übertragen, in denen der Eintritt des Vorteils noch von einem Verhalten des Versicherers abhängt. Darum geht es insbesondere, wenn dem Versicherer in Fällen, in denen ihm das Gesetz ein Recht zur Lösung vom Vertrag (z. B. ein Kündigungsrecht wegen Gefahrerhöhung, vgl. §§ 24, 27 VVG, oder ein Rücktrittsrecht bei einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung, vgl. §§ 16, 17 VVG) gibt, zusätzlich (z. B. durch ein Recht zur Bedingungsänderung für den Fall einer generellen Gefahrerhöhung184 oder durch eine automatische Erhöhung der Prämie für den Fall, dass der Versicherer von seinem Lösungsrecht keinen Gebrauch macht185) die Möglichkeit eingeräumt wird, sich für eine Fortsetzung des Vertrages zu geänderten Konditio180 Nicht hierher gehören Vorteile, die sich aus einer notwendig schon vor Abschluss des Vertrages feststehenden Verhalten des Versicherers, z. B. dem Verzicht auf eine vorvertragliche Risikoprüfung, ergeben, vgl. dazu unten unter dd) (S. 90). 181 OLG Hamm NJW-RR 1992, 1510 f. 182 OLG Hamm NJW-RR 1992, 1510, 1511. 183 Vgl. dazu oben unter II. 2. (S. 45 ff.). 184 Vgl. dazu im 2. Teil im 2. Abschnitt unter C. (S. 313 ff.). 185 Vgl. dazu im 2. Teil im 2. Abschnitt unter unter A. (S. 246 ff.).

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

nen zu entscheiden. Auch in solchen Fällen könnte man argumentieren, dass sich die Vorteile aus der Fortsetzung des Vertrages nicht schon aus der Vereinbarung selbst, sondern erst aus der Entscheidung des Versicherers für die Fortsetzung des Vertrages ergeben. (2) Stellungnahme Die Bedenken an der Einbeziehung solcher Vorteile in die Saldierung sind gerechtfertigt, wenn es an dem notwendigen Kausalzusammenhang zwischen der Vereinbarung des Nachteils und dem Eintritt des Vorteils fehlt oder dieser Zusammenhang notwendigerweise zu ungewiss ist, um darüber im Rahmen der Saldierung eine Aussage treffen zu können. Darum geht es indes nicht, soweit der Eintritt des Nachteils notwendig mit einer Verbesserung der Rechtsstellung des Versicherungsnehmers verbunden ist, weil die nachteilige Wirkung von derselben Entscheidung des Versicherers abhängt wie die für den Versicherungsnehmer günstige Rechtsfolge. Ein solcher Zusammenhang besteht etwa zwischen einem für den Versicherungsnehmer nachteiligen Recht des Versicherers zur Vertragsanpassung und einem dadurch ausgelösten Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers aus § 31 VVG186. Die für den Versicherungsnehmer nachteilige Entscheidung des Versicherers, z. B. eine Leistungseinschränkung, hat dann stets auch ein Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers zur Folge. Ein solcher notwendiger Zusammenhang zwischen Vor- und Nachteil fehlt allerdings in den unter (1) geschilderten Beispielen, soweit es um die Vorteile aus der Fortsetzung des Vertrages geht. Die Nachteile (höhere Prämie, geänderte Bedingungen) treten dort zwar jeweils nur ein, wenn der Versicherer nicht kündigt bzw. zurücktritt, sondern der Vertrag fortgesetzt wird. Dies bedeutet jedoch nicht notwendigerweise, dass die Fortsetzung des Vertrages gerade die Folge der Vereinbarung des Nachteils ist. Dafür kommt es vielmehr darauf an, wie sich der Versicherer verhalten hätte, wenn die gesetzliche Regelung uneingeschränkt Anwendung gefunden hätte (d. h. wenn ihm keine Alternative zu einer Lösung vom Vertrag zu Gebote gestanden hätte). Wenn der Versicherer von seinem Lösungsrecht auch ohne eine Abweichung vom Gesetz keinen Gebrauch gemacht hätte, handelt es sich bei der Fortsetzung des Vertrages nicht um einen durch die Vereinbarung ausgelösten Vorteil. Dies bedeutet allerdings nicht, dass sich ein Kausalzusammenhang zwischen Vor- und Nachteil in diesen Fällen nie feststellen ließe. Der Versicherer kann nämlich durch die Vereinbarung eines Nachteiles faktisch dazu veranlasst werden, eine 186 Dazu, dass auch eine Bedingungsänderung zur Kündigung berechtigen kann, vgl, unten unter im 2. Teil im 2. Abschnitt unter C. III. 1. b) (1) (S. 321). – Gemeint ist hier nicht eine automatische Anpassung des Vertrages, z. B. durch eine automatische Prämienerhöhung. Das durch eine automatischen Vertragsanpassung ausgelöste Kündigungsrecht aus § 31 VVG geht nicht auf eine zusätzliche Entscheidung des Versicherers nach Vertragsschluss zurück, vgl, oben Fußnote 137.

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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für den Versicherungsnehmer vorteilhafte Entscheidung zu treffen, die er ohne eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung nicht getroffen hätte: In dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall etwa führt die Abbedingung des § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG dazu, dass der Versicherer die Entscheidung über die Ausübung seines Kündigungsrechtes unabhängig von der Frage treffen kann, ob ein Versicherungsfall eingetreten ist oder nicht. Da er oftmals nur deshalb von seinem Kündigungsrecht aus § 6 Abs. 1 Satz 2 VVG Gebrauch machen wird, um nach § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG leistungsfrei zu sein, kann er daher gerade durch den Ausschluss des Kündigungserfordernisses dazu gebracht werden, den Vertrag auch in den Fällen fortzusetzen, in denen er bei uneingeschränkter Geltung der gesetzlichen Regelung gekündigt hätte187. Entsprechendes gilt, wenn dem Versicherer zusätzlich zu einem gesetzlichen Lösungsrecht eine Möglichkeit zur Vertragsanpassung gegeben wird. Wenn der Versicherer z. B. nach einer generellen Gefahrerhöhung nicht nur kündigen, sondern auch seinen Leistungsumfang einschränken kann188, so kann er gerade dadurch dazu veranlasst werden, den Vertrag auch in Konstellationen fortzusetzen, in denen er nach der gesetzlichen Regelung von seinem gesetzlichen Kündigungsrecht Gebrauch gemacht hätte, um der durch die Gefahrerhöhung ausgelösten Verschiebung des Äquivalenzverhältnisses zu entgehen. Ob ein Kausalzusammenhang zwischen Vor- und Nachteil vorliegt, hängt also von einer Abschätzung des (hypothetischen) Verhaltens des Versicherers ab. Dass eine solche Abschätzung im Rahmen der Saldierung von vornherein ausgeschlossen wäre, lässt sich aber nicht sagen. Wenn man z. B. bei der Saldierung davon ausgeht, dass der Versicherer typischerweise ein zu Lasten des Versicherungsnehmers bestehendes gesetzliches Gestaltungsrecht auch ausüben und daher ohne eine Abweichung vom Gesetz von einem gesetzlichen Kündigungs- oder Rücktrittsrecht Gebrauch machen würde189, ist vielmehr, wenn der Versicherer den Vertrag fortsetzt, auch stets zu unterstellen, dass dies gerade die Folge der Vereinbarung ist190. 187 Dies gilt allerdings nur, wenn man das oben in Fußnote 39 beschriebene Verständnis der h. M. von § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG zugrunde legt. 188 Vgl. dazu unten im 2. Teil unter im 2. Abschnitt unter C. (S. 313 f.). 189 Vgl. dazu unten unter c) cc) (S. 97 ff.). 190 Die Feststellung der Kausalität der Vereinbarung für den Eintritt des Vorteils wirft in solchen Fällen im übrigen auch nicht mehr Probleme auf als in Fällen, in denen das Kündigungsrecht des Versicherers ausdrücklich ausgeschlossen wird. Auch bei einer Abbedingung des Kündigungsrechtes kommt es für die Saldierung darauf an, ob und in wieviel Fällen der Versicherer ohne die Vereinbarung gekündigt hätte, da nur in diesen Fällen der Ausschluss für den Versicherungsnehmer im Ergebnis einen Vorteil mit sich bringt. Wenn man – wie dies von der h. M. z. B. bei einer mit einem Ausschluss des Kündigungsrechtes des Versicherers aus den §§ 24, 27 VVG verbundenen Prämienerhöhung getan wird – unterstellt, dass der Versicherer regelmäßig von seinem Kündigungsrecht Gebrauch machen wird und deshalb nur prüft, ob die Prämienerhöhung für den Versicherungsnehmer günstiger ist als eine Kündigung des Versicherers (so z. B. Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 790), so muss man von dieser Annahme auch ausgehen, wenn eine Prämienerhöhung nicht mit einem Ausschluss des Kündigungsrechtes einhergeht.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

Es besteht deshalb auch kein Grund, durch eine Entscheidung des Versicherers vermittelte Vorteile generell von der Saldierung auszunehmen. Dass es auf eine Abschätzung des (hypothetischen) Verhaltens des Versicherers ankommt, ist vielmehr bei der Bewertung dieser Vorteile zu berücksichtigen191. Zudem ist zu beachten, dass sich gerade bei solchen Vorteilen oftmals schon aus dem Gesetz die Entscheidung entnehmen lässt, dass ein bestimmter Vorteil einen Nachteil nicht ausgleicht192. cc) Vereinbarung eines Prämiennachlasses Problematisch ist, ob eine für den Versicherungsnehmer ungünstige Abweichung von halbzwingenden Vorschriften dadurch ausgeglichen werden kann, dass der Versicherungsnehmer infolge der Abweichung nur eine geringere Prämie zahlen muss. Beispiel: Wenn man in dem Ausschluss von Risiken aus bei Vertragsschluss bereits vorhandenen Umständen, etwa in dem Ausschluss von akut behandlungsbedürftigen Gesundheitsstörungen in der Reisekrankenversicherung, eine Abweichung von den §§ 16 ff. VVG erblickt193, stellt sich die Frage, ob dies dadurch kompensiert werden kann, dass der Versicherer im Hinblick auf diesen Risikoausschluss eine geringere Prämie verlangt. Für Abweichungen von halbzwingenden Vorschriften des VVG ist eine solche Kompensationsmöglichkeit bislang noch nicht diskutiert worden. Stellungnahmen finden sich allerdings zum Parallelproblem bei der Inhaltskontrolle von AGB nach den §§ 307 – 309 BGB n. F. Im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB n. F.(§ 9 AGBG a. F.) wird es allgemein für unzulässig gehalten, eine ansonsten vorliegende unangemessene Benachteiligung damit zu rechtfertigen, dass der Kunde einen geringeren Preis zahlen muss194. Dies wird zum einen mit der dazu notwendigen umfassenden Überprüfung des Äquivalenzverhältnisses begründet, die den Richter zur Ermittlung des „gerechten“ Preises zwingen würde195. Zudem soll die Berücksichtigung des Preises wegen der fehlenden objektiven Nachprüfbarkeit des Preisvorteils ausgeschlossen sein196. Sofern die Möglichkeit einer Preissenkung bei einer Abweichung von einer dispositiven Vorschrift – wie etwa Vgl. dazu unten unter c) cc) (S. 97 ff.). Vgl. dazu unten unter c) aa) (S. 92 ff.). 193 So – jedenfalls soweit die von dem Ausschluss erfassten Risiken dem Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss unbekannt sind – der BGH und die wohl h. M., vgl. dazu unten im 2. Teil im 1. Abschnitt unter C. I. (S. 216 ff.). 194 BGHZ 22, 90, 98; BGHZ 77, 126, 131; BGHZ 120, 216, 226; Brandner, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 9 AGBG Rn. 109; Staudinger / Coester § 9 AGBG Rn. 94 m. w. N. 195 Pflug, Kontrakt und Status, S. 90; Staudinger / Coester § 9 AGBG Rn. 94; MünchKomm / Basedow § 307 BGB Rn. 40. 196 Brandner, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 9 AGBG Rn. 110; Wolf, in: Wolf / Horn / Lindacher § 9 AGBG Rn. 137. 191 192

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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bei den gesetzlichen Gewährleistungsvorschriften – besonders nahe liege, sei im übrigen schon dem Gesetz eine Entscheidung für die darin getroffene inhaltliche Regelung zu entnehmen, die durch eine bloße Preissenkung nicht in Frage gestellt werden dürfe197. Schließlich wird auf den bei Berücksichtigung der Preisgestaltung des Verwenders drohenden Wettbewerb „nach unten“ verwiesen, der dem Zweck der §§ 305 ff. BGB n. F. zuwider laufe. Da der Wettbewerb um Kunden vorwiegend anhand des Preises erfolge, würden bei Beachtlichkeit von Preisnachlässen im Ergebnis diejenigen Verwender begünstigt, die besonders belastende AGB mit besonders niedrigen Preisen kombinierten198. Nur in Ausnahmefällen soll die Höhe des Preises Einfluss auf die Zulässigkeit einer Vereinbarung haben können. Dies soll zunächst für die Fälle der sog. „Tarifwahl“ gelten, d. h. wenn der Preis in einer konkreten Beziehung zu einer bestimmten Vertragsregelung steht und der Kunde zwischen einer ungünstigen Gestaltung zu niedrigerem und einer günstigeren zu höherem Preis frei wählen kann199. Begründet wird dies teils mit der in diesem Falle gegebenen angemessenen Interessenausgleich200, teils damit, dass bei Bestehen einer echten Wahlmöglichkeit des Kunden eine Individualvereinbarung über die für den Kunden ungünstige Regelung zustande komme, die der Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F. entzogen sei201. Ferner soll die Preisgestaltung dann Berücksichtigung finden, wenn lediglich eine untypische Fallgestaltung zum Nachteil des Kunden geregelt wird, soweit dadurch Preissenkungen für die Mehrzahl der Kunden ermöglicht werden und dem einzelnen Kunden eine Absicherung gegen die Risiken aus der nachteiligen Regelung möglich ist202.

Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 303 f. Staudinger / Coester § 9 AGBG Rn. 94; Fastrich LM § 9 AGBG (Bc) Nr. 6 Bl.14. In diese Richtung geht auch das Argument, dass sich mit einem niedrigeren Preis praktisch jede materielle Benachteiligung rechtfertigen lasse, vgl. Brandner in: Ulmer / Brandner / Hensen § 9 AGBG Rn. 110. 199 Z. B. BGHZ 77, 126, 134; Brandner, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 9 AGBG Rn. 112; Staudinger / Coester § 9 AGBG Rn. 97; speziell versicherungsrechtlich z. B. Prölss in: Prölss / Martin Vorb.I Rn. 64. 200 Z. B. Brandner, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 9 AGBG Rn. 112. 201 Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 305; Staudinger / Coester § 9 AGBG Rn. 97. 202 BGHZ 64, 355, 356 f.; BGHZ 138, 118, 132 f.; Brandner, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 9 AGBG Rn. 113 m. w. N. Eine weitere Ausnahme wird für den Fall diskutiert, dass nicht Risiken auf den Kunden abgewälzt werden, sondern Kosten, die ohnehin entstehen würden, so dass sich im Hinblick darauf nur die Frage stellt, ob der Kunde diese Kosten unmittelbar bei Vertragsschluss selbst übernimmt oder ob er einen höheren Preis bezahlt (Beispiel: Überwälzung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter, vgl. dazu Fastrich, Inhaltskontrolle, § 10 III 1, S. 304). Dieser Fall wird bei der Abweichung von halbzwingenden Vorschriften des VVG kaum relevant werden, da diese typischerweise Fallgestaltungen regeln, deren genaue Auswirkungen für den einzelnen Versicherungsnehmer im Moment des Vertragsschlusses noch gar nicht absehbar sind. 197 198

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

(1) Grundsätzliche Unbeachtlichkeit einer geringeren Prämie Die zu § 307 BGB n. F. vorgebrachten Argumente sprechen im Ergebnis auch gegen die Berücksichtigung eines Prämiennachlasses bei der Saldierung im Rahmen des VVG. Dabei kann offen bleiben, ob eine niedrigere Prämie schon deshalb nicht bei der Saldierung zu berücksichtigen ist, weil zur Beurteilung der Frage, ob eine Abweichung ausgeglichen wird, stets die der Abweichung abstrakt entsprechende, „gerechte“ Prämie ermittelt werden müsste. Auf die Höhe der „gerechten“ Prämie kommt es nämlich nicht an, wenn man es für eine Kompensation schon ausreichen lässt, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer für die Abweichung einen Prämiennachlass gewährt, der mindestens dem Betrag entspricht, der nach den Marktbedingungen zum Zeitpunkt der Vereinbarung zusätzlich für einen nicht vom Gesetz abweichenden Versicherungsschutz gezahlt werden müsste. In solchen Fällen könnte man die Abweichung wirtschaftlich als ausgeglichen ansehen203. Wie bei der Abwägung nach § 307 Abs. 1 BGB n. F. liegt das Problem aber auch bei Abweichungen von halbzwingenden Vorschriften des VVG zunächst darin, dass sich, wenn der Versicherer überhaupt nur eine, von einer halbzwingenden Vorschrift abweichende Vertragsgestaltung anbietet (also kein Fall einer Tarifwahl vorliegt), nicht feststellen lassen wird, ob er eine bestimmte (niedrigere) Prämie gerade deshalb verlangt, weil er vom Gesetz abweicht. Es fehlt daher an der nötigen Kausalität von Abweichung und Prämienhöhe. Dies gilt auch dann, wenn sich – wie dies etwa bei Risikoausschlüssen der Fall sein kann – genau ermitteln lässt, welcher Kostenaufwand dem Versicherer durch die Abweichung von halbzwingenden Vorschriften erspart bleibt. Auch in einer solchen Konstellation lässt sich nicht hinreichend sicher sagen, ob die Prämie ohne die Abweichung um genau diesen Betrag höher wäre. Denkbar ist es insbesondere, dass der Versicherer aufgrund des – vorwiegend an der Höhe der Prämie orientierten -Wettbewerbsdruckes auch bei einer dem VVG entsprechenden Gestaltung des Vertrages seine höheren Kosten nicht oder jedenfalls nicht in voller Höhe an den Versicherungsnehmer weitergegeben, sondern lediglich seinen Gewinnanteil entsprechend gekürzt hätte204. Vor allem aber droht, wenn sich Abweichungen auch mit einem Prämiennachlass rechtfertigen lassen, gerade bei Versicherungsverträgen ein „Wettbewerb nach unten“, da der Bezugspunkt für den Wettbewerb der Versicherer in erster Linie die Höhe der Prämie und nicht die genaue Ausgestaltung der AVB ist. Die damit zu befürchtende weitgehende Abbedingung der halbzwingenden Vorschriften entspricht nicht dem Zweck des VVG. Die im VVG getroffenen inhaltlichen Regelungen wären im Ergebnis praktisch gegenstandslos, wenn allein ein Prämiennachlass 203 Dass sich ein solcher „Marktpreis“ für eine Abweichung ermitteln lässt, ist nicht schlechthin ausgeschlossen. Bei der Beurteilung nach dem VVG ist eine Orientierung am gerade aktuellen Marktpreis zudem eher möglich als bei der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB n. F., da es nur um die Vorteilhaftigkeit der Abweichung aus Sicht des Versicherungsnehmers und nicht wie bei § 307 BGB n. F. um die Angemessenheit einer Bestimmung geht. 204 So für die Kontrolle nach dem AGBG insbesondere die in Fußnote 196 Genannten.

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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eine Abweichung rechtfertigen könnte. Die Zulässigkeit einer solchen Kompensation folgt auch nicht daraus, dass eine Saldierung von Vor- und Nachteilen überhaupt möglich ist. Auch wenn man die in den halbzwingenden Vorschriften des VVG getroffenen inhaltlichen Regelungen damit nicht als einen in jeder Hinsicht unabdingbaren Mindeststandard behandelt, lässt sich daraus nicht schließen, dass der Versicherungsnehmer sich den Schutz durch halbzwingende Vorschriften ohne weiteres „abkaufen“ lassen kann. Dies gilt insbesondere deshalb, weil es sich bei dem Ausgleich einer inhaltlichen Benachteiligung des Versicherungsnehmers durch einen Prämiennachlass um eine besonders nahe liegende Möglichkeit handelt. Es ist daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die möglichen Auswirkungen der den Versicherungsnehmer begünstigenden halbzwingenden Regelungen auf die Höhe der Prämie bereits berücksichtigt hat. Die Schaffung einer bestimmten inhaltlichen Regelung ist daher als Entscheidung dafür zu verstehen, dass eine Prämiensenkung eine zu Ungunsten des Versicherungsnehmers abweichende vertragliche Vereinbarung nicht zu kompensieren vermag205. Das Gesetz hätte, wenn es eine solche Kompensation grundsätzlich hätte zulassen wollen, ausdrücklich auf deren Zulässigkeit hinweisen können. Die für die Zulässigkeit einer Saldierung von Vor- und Nachteilen sprechende Schwierigkeit, alle denkbaren Kompensationsmöglichkeiten im Gesetz selbst aufzuzählen206, besteht insoweit nicht. Abweichungen von halbzwingenden Vorschriften zu Lasten des Versicherungsnehmers können daher grundsätzlich nicht durch eine geringere Prämie kompensiert werden. (2) Tarifwahl, atypische Fallgestaltungen Die im Rahmen des § 307 BGB n. F. diskutierten Ausnahmen von der grundsätzlichen Unbeachtlichkeit einer günstigeren Prämie sind dagegen nicht auf die Saldierung nach dem VVG übertragbar. Dies gilt zum einen für die Fälle, in denen der Versicherer dem Versicherungsnehmer eine Tarifwahl ermöglicht. Darum geht es etwa in dem oben genannten Beispiel, wenn der Versicherer zwei Tarife mit unterschiedlichen Prämien anbietet, von denen der eine bei Vertragsschluss bestehende Krankheiten abdeckt, der andere – mit entsprechend niedrigerer Prämie – dagegen nicht. Die grundsätzlichen Einwände gegen die Erheblichkeit eines Abschlages von der Prämie greifen auch in diesem Falle. Die Möglichkeit einer Tarifwahl mag zwar dazu führen, dass davon ausgegangen werden kann, dass der Versicherer die Prämie gerade wegen der Abweichung gesenkt hat207. Daran, dass bei einer Berücksichtigung eines Prä205 Vgl. zu diesem Argument im Zusammenhang mit der Kontrolle nach dem AGBG a. F. Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 303 f. 206 Vgl. dazu oben unter 1. b) cc) (2) (S. 66). 207 Auch dies ist indes nicht unproblematisch. Zu Zweifeln im Hinblick auf die Inhaltskontrolle nach dem AGBG (§§ 307 ff. BGB n. F.) vgl. insoweit insbesondere Staudinger / Coester § 9 AGBG Rn. 94.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

miennachlasses eine Entwertung des durch die halbzwingenden Vorschriften gewährleisteten Schutzes drohen würde, die – da es sich dabei um eine besonders naheliegende Möglichkeit handelt – nicht dem Zweck des VVG entspricht, ändert eine Wahlmöglichkeit des Versicherungsnehmers indes nichts. Das entscheidende Argument gegen die Berücksichtigung der Höhe der Prämie bei der Saldierung wird also durch eine Tarifwahl nicht berührt. Anders als im Rahmen der §§ 307 – 309 BGB n. F. lässt sich auch dann keine andere Beurteilung zu rechtfertigen, wenn man bei Einräumung einer Tarifwahl von einer Individualvereinbarung ausgeht208. Das Verbot nachteiliger Abweichungen vom VVG richtet sich ja auch gegen Individualvereinbarungen. Eine Abweichung von halbzwingenden Normen lässt sich schließlich auch in atypischen Fallgestaltungen, in denen nur wenige Versicherungsnehmer von der Abweichung betroffen sind, dafür aber alle von der geringeren Prämie profitieren, nicht rechtfertigen. Um eine solche Fallgestaltung handelt es sich zwar auch in dem oben angeführten Beispiel, soweit der Risikoausschluss Gesundheitsstörungen erfasst, die dem Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss nicht bekannt waren. Eine behandlungsbedürftige Gesundheitsstörung, die bei Vertragsschluss bereits vorliegt, wird dem Versicherungsnehmer nur in seltenen Fällen unbekannt sein, von der durch die Kostenersparnis des Versicherers möglichen Prämiensenkung profitiert er aber in jedem Falle. Die gegen die Berücksichtigung einer niedrigeren Prämie sprechenden Überlegungen greifen aber auch hier. Wenn man auch dann, wenn sich eine Vereinbarung nur in seltenen Fällen zu Ungunsten des Versicherungsnehmers auswirkt, eine Abweichung von einer halbzwingenden Vorschrift bejaht, dann kann dem Versicherungsnehmer die ihm dadurch vermittelte Rechtsstellung nicht ohne weiteres durch eine Senkung der Prämie „abgekauft“ werden. dd) Vertragsschluss als Vorteil Ein in die Saldierung einzustellender Vorteil kann sich auch daraus ergeben, dass es nur im Hinblick auf die Vereinbarung einer für den Versicherungsnehmer ungünstigen Abweichung vom VVG zum Vertragsschluss gekommen ist und der Versicherungsnehmer infolgedessen Versicherungsschutz genießt. Allerdings genügt es dafür nicht, dass der Versicherer überhaupt nur unter Abweichung vom VVG zum Abschluss des Vertrages bereit war. Andernfalls stünde die Beachtung halbzwingender Vorschriften zur Disposition des Versicherers. Darum geht jedoch nicht, wenn der Versicherer im Hinblick auf die Abweichung vor Vertragsschluss auf Nachforschungen, insbesondere eine vorvertragliche Risikoprüfung, verzichtet hat, die nach dem Gesetz an sich zulässig sind und die Einfluss auf seine Entscheidung über den Vertragsschluss haben können. Wenn der Vertrag 208 Entsprechend für § 9 ABGB a. F. Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 305; Staudinger / Coester § 9 AGBG Rn. 94, die die Zulässigkeit einer AGB-Klausel bei Einräumung einer Tarifwahl deshalb auch nur mit dem Charakter als Individualvereinbarung begründen.

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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bei Durchführung dieser Nachforschungen nicht zustande gekommen wäre, etwa weil der Versicherer ein besonders gravierendes Risiko beim Versicherungsnehmer aufgedeckt hätte, so ist der Vertragsschluss nicht einfach nur die Folge der fehlenden Bereitschaft des Versicherers, die durch das VVG gezogenen Grenzen zu respektieren. Vielmehr geht er auf eine zusätzliche, dem Versicherungsnehmer günstige Entscheidung des Versicherers vor Vertragsschluss zurück. Die Berücksichtigung eines durch eine solche Entscheidung vermittelten Vorteiles bei der Saldierung ist aber nicht zu beanstanden209.

b) Die in die Saldierung einzustellenden Belastungen Den geschilderten Vorteilen ist bei der Saldierung zunächst diejenige Belastung des Versicherungsnehmers gegenüberzustellen, die eine Verschlechterung seiner Rechtsposition und damit eine relevante Abweichung von einer halbzwingenden Vorschrift begründet. Wenn sich im Vertrag mehrere solche Abweichungen finden (z. B. für den Fall einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung eine Prämienanpassungs- und eine Vertragsstraferegelung) und die Vorteile (z. B. ein Ausschluss des gesetzlichen Kündigungsrechtes) im Hinblick auf alle diese Abweichungen vereinbart wurden, so sind die von diesen Abweichungen ausgehenden Belastungen insgesamt mit den Vorteilen zu saldieren. Darüber hinaus sind auch diejenigen für den Versicherungsnehmer belastenden Regelungen in die Saldierung einzubeziehen, die zwar für sich gesehen keine relevante Abweichung von der gesetzlichen Regelung begründen könnten, dafür aber notwendig mit dem Eintritt eines in die Saldierung einzustellenden Vorteils verbunden sind. Die Bedeutung eines Vorteils für den Versicherungsnehmer ließe sich ohne die Berücksichtigung solcher Belastungen nicht zutreffend beurteilen. Dasselbe gilt, soweit sich der Versicherer ohne eine für sich gesehen nicht zu beanstandende Belastung nicht zur Vereinbarung eines Vorteiles bereitgefunden hätte. Beispiel: Soweit sich ein Vorteil für den Versicherungsnehmer daraus ergibt, dass die Abbedingung eines gesetzlichen Kündigungsrechtes die Fortsetzung des Vertrages und damit den Fortbestand der vertraglichen Ansprüche des Versicherungsnehmers zur Folge hat, ist bei einer Saldierung dieses Vorteils mit einem Nachteil (z. B. einer an die Stelle der Kündigung tretenden Prämienerhöhungsoder Vertragsstraferegelung) auch zu berücksichtigen, wenn der Versicherungsnehmer bei einer Fortsetzung des Vertrages anders als nach einer Kündigung210 zur Zahlung der Prämie in der bisherigen Höhe verpflichtet bleibt. Dies gilt unabhän209 Dies setzt auch Prölss VersR 1994, 1216, 1217 f.; ders. BGH-FG S. 570 voraus, der solche Risikoausschlüsse gerade im Hinblick auf die unterbliebene Risikoprüfung für überwiegend vorteilhaft hält; vgl. dazu im 2. Teil im 1. Abschnitt unter C. I. 2. (S. 218). 210 Keine Belastung des Versicherungsnehmers im Vergleich zu der Situation nach einer Kündigung stellt die Pflicht zur Zahlung der bisherigen Prämie natürlich dar, soweit sich eine solche Zahlungspflicht auch nach einer Kündigung aus § 40 VVG ergibt.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

gig davon, dass diese Verpflichtung für sich gesehen keine nachteilige Abweichung von der gesetzlichen Regelung begründen könnte (also ein Ausschluss des Kündigungsrechtes des Versicherers für sich gesehen nicht nachteilig i. S. d. der Sanktionsnormen des VVG wäre, vgl. oben I.). c) Die Saldierung der Vor- und Nachteile im Einzelnen aa) Vorrang gesetzlicher Bewertungen Bei der Saldierung der geschilderten Vor- und Nachteile ist zunächst danach zu fragen, ob das Ergebnis der Saldierung durch eine gesetzliche Bewertung vorgegeben ist. Wenn sich einer gesetzlichen Vorschrift die Wertung entnehmen lässt, dass ein bestimmter Vorteil nicht zum Ausgleich eines bestimmten Nachteils ausreicht bzw. dass der Vorteil umgekehrt als größer zu bewerten ist, bindet dies auch bei der Saldierung. Eine solche Bewertung ergibt sich insbesondere dann aus dem Gesetz, wenn eine halbzwingende Vorschrift, die den Versicherungsnehmer begünstigen soll, typischerweise zugleich einen für den Versicherungsnehmer ungünstigen Einfluss auf Entscheidungen des Versicherers ausübt. Da davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber die regelmäßig mit einer gesetzlichen Vorschrift verbundenen Folgen bedacht hat, ist aus einer solchen Regelung zu entnehmen, dass das Gesetz die möglichen (mittelbaren) Nachteile als weniger bedeutend bewertet als den Vorteil für den Versicherungsnehmer. Umgekehrt bedeutet dies, dass die mittelbaren Vorteile, die sich aus einer Abbedingung der gesetzlichen Regelung ergeben können, nicht ausreichen können, um die Nachteile aus dem Ausschluss der gesetzlichen Begünstigung auszugleichen. Ein Beispiel für eine solche Vorschrift ist § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG: Durch das Kündigungserfordernis wird die Geltendmachung der Leistungsfreiheit durch den Versicherer – jedenfalls nach h. M.211 – an eine zusätzliche Voraussetzung geknüpft und damit erschwert. Dass diese Besserstellung des Versicherungsnehmers auch dazu führen kann, dass der Versicherer den Vertrag nur deshalb kündigt, weil er sich auf seine Leistungsfreiheit berufen möchte, liegt auf der Hand. Offensichtlich bewertet das Gesetz diesen Einfluss des § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG aber als weniger gravierend als die von dem Kündigungserfordernis ausgehenden Vorteile für den Versicherungsnehmer. Umgekehrt kann der mögliche günstige Einfluss einer Abbedingung des § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG auf die Entscheidung des Versicherers über eine Fortsetzung des Vertrages daher auch nicht ausreichen, um die Nachteile aus der Abbedingung des Gesetzes zu kompensieren. Eine für die Saldierung bindende Bewertung ergibt sich auch dann, wenn einer halbzwingenden Vorschrift im Umkehrschluss zu entnehmen ist, dass eine be211 Vgl. zur herrschenden Auslegung des § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG und zu abweichenden Stimmen bereits oben Fußnote 39.

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stimmte, teils vorteilhafte, teils nachteilige Rechtsfolge vom Gesetz gerade nicht gewollt ist212. In einem solchen Fall folgt aus dem Gesetz eine Entscheidung gegen eine auf diese Rechtsfolge gerichtete Vereinbarung. Damit werden aber auch die mit einer solchen Vereinbarung verbundenen Vorteile als nicht ausreichend bewertet, um die Nachteile auszugleichen. Wenn man z. B. den §§ 41 f. VVG im Umkehrschluss entnimmt, dass dem Versicherer nach einer Gefahrerhöhung nicht noch alternativ zu seinen gesetzlichen Rechten die Möglichkeit einer Prämienerhöhung offen stehen soll213, so ergibt sich daraus zugleich eine Entscheidung des Gesetzes gegen die Vereinbarung einer Prämienerhöhung ohne Ausschluss des gesetzlichen Kündigungsrechtes. Allein mit den Vorteilen, die notwendig mit den Nachteilen aus einer derartigen Vereinbarung verbunden sind, lässt sich daher ein Ausgleich der höheren Prämienbelastung nicht begründen. Dies betrifft insbesondere auch den (mittelbaren) Vorteil, der sich daraus ergeben kann, dass der Versicherer faktisch durch die Möglichkeit einer Prämienerhöhung von einer Kündigung des Vertrages abgehalten wird214. bb) Beurteilungsmaßstab (1) Objektive Interessenbewertung Bei der Saldierung ist ein objektiver Maßstab zugrunde zu legen. Da es dem Gesetz gerade darum geht, den Versicherungsnehmer davor zu schützen, dass er die Folgen einer Vereinbarung typischerweise nicht hinreichend überschauen kann, kann es auch nicht darauf ankommen, wie der konkrete Versicherungsnehmer die Auswirkungen einer Vereinbarung bewertet. Vielmehr ist entscheidend, wie die Auswirkungen der Vereinbarung objektiv, d. h. aus Sicht eines vernünftig kalkulierenden, verständigen Versicherungsnehmers zu beurteilen sind. Bei der Saldierung ist daher von einer wirtschaftlichen Betrachtung auszugehen215: Aus Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers wird eine nachteilige Abweichung von der gesetzlichen Regelung regelmäßig durch Vorteile aus der Vereinbarung ausgeglichen, wenn er durch die Vereinbarung wirtschaftlich nicht schlechter gestellt wird als durch das Gesetz. Die mit der Vereinbarung verbundenen Vor- und Nachteile sind 212 Dafür reicht allerdings die allgemeine Entscheidung gegen „nachteilige“ Abweichungen nicht aus, vielmehr muss dem Gesetz gerade eine Entscheidung gegen eine bestimmte Abweichung zu entnehmen sein. 213 s. dazu im 2. Teil im 2. Abschnitt unter A. I. 3. a) aa) (S. 256). 214 Ein weiteres Beispiel für eine solche gesetzliche Wertentscheidung findet sich im 2. Teil im 1. Abschnitt unter A. III. 2. (S. 202). 215 Ein rein „rechtlicher“ Vergleich von Vor- und Nachteil in dem Sinne, dass der Nachteil in dem ein „Minus“ zu dem Vorteil sein muss, kommt nicht in Betracht. Wenn der Nachteil in dem Vorteil „enthalten“ ist, wird die Rechtsstellung des Versicherungsnehmers im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung nicht verschlechtert, auf eine Saldierung kommt es daher gar nicht an. (Beispiel: Die Vereinbarung eines Kündigungsrechtes des Versicherers unter strengeren als den in einer halbzwingenden Vorschrift vorgesehenen Voraussetzungen weicht schon nicht zu Lasten des Versicherungsnehmers von der gesetzlichen Kündigungsregelung ab).

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

daher soweit wie möglich wirtschaftlich zu bewerten und zueinander ins Verhältnis zu setzen. (2) Bewertung aus Sicht des Vertragsschlusses Für die Saldierung kommt es zudem auf die ex ante, d. h. bei Abschluss des Vertrages bzw. der Vereinbarung zu erwartenden Auswirkungen an. Eine ex post – Bewertung der Auswirkungen der Vereinbarung in dem Sinne, dass in die Saldierung nur diejenigen Vor- und Nachteile einzubeziehen sind, die in einem konkreten Anwendungsfall der Klausel tatsächlich eingetreten sind, scheidet aus den oben216 genannten Gründen aus. Wenn sich eine Vereinbarung nicht in jedem denkbaren Anwendungsfall in gleicher Weise, sondern in manchen Fällen wirtschaftlich vorteilhaft, in anderen dagegen nachteilig auswirkt, kommt es daher darauf an, ob Vor- und Nachteile im Durchschnitt aller denkbaren Anwendungsfälle ausgeglichen sind217. Wenn dem Versicherungsnehmer durch eine der oben218 angesprochene Vertragsstrafevereinbarungen für vorvertragliche Anzeigepflichtverletzungen in einigen Fällen eine niedrigere, in anderen dagegen eine höhere Zahlungspflicht als nach der gesetzlichen Regelung auferlegt wird, ist daher die durchschnittliche Höhe der Belastung in allen denkbaren Anwendungsfällen entscheidend219. Dabei ist auch das zahlenmäßige Verhältnis der günstigen zu den ungünstigen Anwendungsfällen von Bedeutung. Es ist allerdings nicht allein ausschlaggebend, ob die Vereinbarung in mindestens der Hälfte der Fälle überwiegend günstig oder ungünstig ist220: So kann z. B. eine besonders große Belastung in einer kleinen Zahl von Fällen dazu führen, dass die Nachteile im Durchschnitt der Fällen überwiegen. Umgekehrt können besonders große Vorteile in einzelnen Fällen (z. B. bei Eintritt eines Versicherungsfalles) eine geringe Belastung (z. B. eine Prämienerhöhung) in der Mehrzahl der Fälle ausgleichen221. Die durchschnittliche Betrachtung ist allerdings nicht allein entscheidend. Nachteile in einzelnen Anwendungsfällen der Vereinbarung können aus Sicht eines verständig kalkulierenden Versicherungsnehmers als so gravierend zu bewerten sein, s. unter a) aa) (2) (b) (S. 76 ff.). Prölss VersR 1988, 347, 348. 218 s. unter a) aa) (1) (b) (S. 72 f.). 219 Daher kommt es z. B. für die Höhe des Vorteiles, der dem Versicherungsnehmer aus dem Ausschluss des Rücktrittsrechtes erwächst, insbesondere auf die durchschnittliche Höhe der nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG ohne Gegenleistung zu zahlenden Prämie an, vgl. dazu Prölss VersR 1988, 347, 348 sowie unten im 2. Teil im 1. Abschnitt unter A. III. 1. b) cc) (2) (S. 197). 220 Dagegen auch Ehrenzweig, Versicherungsvertragsrecht, S. 21 Fn. 5; vgl. aber auch Prölss VersR 1988, 347, 348. 221 Vgl. zu Beispielen im 2. Teil im 1. Abschnitt unter A. III. 1. (S. 187 ff.) sowie im 2. Abschnitt unter A. I. 4. c) (S. 268 ff.). 216 217

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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dass sie auch durch einen bei durchschnittlicher Bewertung aller denkbaren Anwendungsfälle gleich hohen Vorteil nicht ausgeglichen werden können. Wenn etwa eine nachträgliche Einschränkung des Umfanges des Versicherungsschutzes von einer halbzwingenden Vorschrift abweicht, so könnte man daran denken, zum Ausgleich dieser Belastung eine der Leistungseinschränkung proportionale nachträgliche Prämiensenkung ausreichen zu lassen, weil der Versicherungsnehmer dadurch im Durchschnitt der möglichen Anwendungsfälle der Vereinbarung nicht schlechter steht: Einem großen Nachteil in seltenen Fällen steht dann in entsprechend mehr Fällen ein kleiner Vorteil gegenüber. Wenn der geänderte Umfang des Versicherungsschutzes dem Interesse des Versicherungsnehmers zuwiderläuft, genügt dies aber nicht ohne weiteres zum Ausgleich des Nachteiles. Ein Versicherungsvertrag, der dem Versicherungsnehmer keine seinen Interessen entsprechende Risikoabsicherung gewährleistet, kann für diesen auch dann wirtschaftlich sinnlos sein, wenn er lediglich eine dem Umfang des Versicherungsschutzes entsprechende Prämie zahlen muss222. (3) Typisierende Betrachtung Wenn die Abweichung von halbzwingenden Vorschriften in einer Individualvereinbarung enthalten ist, so kommt es darauf an, ob die Vereinbarung aus Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers bei Berücksichtigung seiner konkreten Interessenlage für diesen wenigstens genauso günstig ist wie die gesetzliche Regelung223. Problematisch ist jedoch, ob der Saldierung ein überindividuell-generalisierender Maßstab zugrunde zu legen ist, wenn sich eine Vereinbarung in AVB findet oder in anderer Form von dem Versicherer einseitig vorformuliert wurde. Die wohl h. M. befürwortet dies224. Im Schrifttum finden sich allerdings auch kritische Stimmen225. Für die erste Möglichkeit spricht, dass es auch bei der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB n. F. – allerdings eingeschränkt durch § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB n. F. – auf eine typisierende Betrachtungsweise ankommt226. Dieser Maßstab wird vor allem mit der Rationalisierungsfunktion von AGB begründet227. Der Verwender habe ein grundsätzlich anzuerkennendes Interesse daran, standardisierte Vertragsbedingungen zu verwenden. Eine effektive Vorformulierung von Bedingungen für Zu einem Beispiel siehe im 2. Teil im 2. Abschnitt unter C. III. 3. (S. 324 ff.). Knappmann, in: Prölss / Martin § 42 Rn. 1; BK / Riedler § 42 Rn. 2; Langheid, in: Römer / Langheid § 34a Rn. 1. 224 BK / Riedler § 42 Rn. 2; zudem wird dies z. B. von Knappmann VersR 1996, 401, 407; Prölss VersR 1988, 247, 248 vorausgesetzt. 225 BK / Gruber § 15a Rn. 2, der allerdings wohl der oben abgelehnten ex-post Betrachtung des RG folgt. 226 Allgemeine Meinung, z. B. BGHZ 98, 303, 308; BGHZ 110, 241, 244 sowie Brandner, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 9 Rn. 78 m. w. N. 227 Brandner, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 9 AGBG Rn. 78, 117. 222 223

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

eine Vielzahl von Verträgen sei aber nur aufgrund einer von Einzelfallumständen absehenden, nur die typischen Interessen der Kunden berücksichtigenden Regelungstechnik möglich228. Diese Überlegung passt auch für Verstöße gegen halbzwingende Vorschriften des VVG, die sich aus Vereinbarungen in AVB ergeben. Gerade bei der Vorformulierung von AVB ist der Versicherer auf eine möglichst gleichförmige Gestaltung der AVB angewiesen. Dies dient zudem der effektiven Organisation des Versicherungsgeschäftes und damit auch dem Interesse der Versicherungsnehmer229. Wenn der Versicherer bei der Gestaltung von AVB-Klauseln, die von halbzwingenden Vorschriften des VVG abweichen, stets auch die Interes- sen jedes einzelnen Versicherungsnehmers gewichten müsste, so würde eine gleichförmige Gestaltung aller Versicherungsverhältnisse praktisch ausgeschlossen. Für die Inhaltskontrolle nach den §§ 307 – 309 BGB n. F. sieht allerdings § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB n. F. eine Ausnahme von der grundsätzlich vorzunehmenden typisierenden Interessenbewertung vor. Danach sind bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach den § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen. Zu diesen Umständen zählen neben der konkreten Abschlusssituation auch die persönlichen Umstände sowie untypische Sonderinteressen des Verbrauchers230. Man könnte überlegen, ob dieser Regelung nicht die allgemeine – auch bei auf AVB bezogenen Interessenbewertungen im Rahmen des VVG zu beachtende – Wertung zu entnehmen ist, dass das Rationalisierungsinteresse bei der Verwendung von AGB in Verbraucherverträgen stets hinter der Berücksichtigung der in § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB n. F. genannten Umstände zurücktreten muss231. Dies überzeugt indes nicht. Jedenfalls für AVB lässt sich der in § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB n. F. enthaltene Bewertungsmaßstab nicht auf Interessenbewertungen außerhalb der §§ 307 – 309 BGB n. F. übertragen. Die Berücksichtigung der in § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB n. F. aufgeführten Einzelfallumstände läuft den geschilderten besonderen Erfordernissen des Versicherungsgeschäftes, insbesondere dem Interesse beider Vertragsparteien an einer gleichförmigen Gestaltung der Bedingungen, zuwider. Die Geltung des § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB n. F. ist daher schon im Rahmen der Inhaltskontrolle von AVB nur schwer zu rechtfertigen232. Jedenfalls überzeugt es nicht, dem § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB n. F. für AVB eine über seinen unmittelbaren Anwendungsbereich hinausgehende Aussage zu entnehmen. Auch der Schutz des Versicherungsnehmers erfordert dies nicht. Eine Berücksichtung Brandner, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 9 AGBG Rn. 78. Prölss, in: Prölss / Martin Vorb. I Rn. 64. 230 Brandner, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 9 AGBG Rn. 179. 231 Brandner, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 9 AGBG Rn. 185, der für die §§ 307 – 309 BGB n. F. eine Ausstrahlungswirkung auf die Inhaltskontrolle von Nicht-Verbraucherverträgen diskutiert. 232 Prölss, in: Prölss / Martin Vorb. I Rn. 66. 228 229

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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der in § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB n. F. genannten Umstände des jeweiligen Einzelfalles im Rahmen einer Saldierung könnte nämlich – ebenso wie bei der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 – 309 BGB n. F.233 – auch dazu führen, dass eine bei typisierender Betrachtung als überwiegend nachteilige Vereinbarung als nicht nachteilig für den konkreten Versicherungsnehmer und damit als wirksam anzusehen ist234. Auch bei Verbraucherverträgen ist daher bei der Saldierung im Rahmen des VVG ein überindividuell-generalisierender Maßstab zugrunde zu legen. cc) Die Abschätzung des Verhaltens des Versicherers Bei der Saldierung kann in verschiedenen Zusammenhängen von Bedeutung sein, wie sich der Versicherer voraussichtlich verhalten wird bzw. wie er sich ohne eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung verhalten hätte. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob und in welchen Fällen der Versicherer von einem durch das Gesetz oder eine Vereinbarung eingeräumten Gestaltungsrecht Gebrauch gemacht hätte bzw. Gebrauch machen wird. Dieses Problem taucht insbesondere auf, wenn ein gesetzliches Gestaltungsrecht des Versicherers (z. B. ein Kündigungs- oder Rücktrittsrecht) ausgeschlossen und dafür eine andersartige Belastung des Versicherungsnehmers (z. B. eine Prämienoder Bedingungsänderung oder eine Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe) vereinbart wird. Für die Frage, ob und wie oft der Ausschluss des gesetzlichen Gestaltungsrechtes kausal für die mit dem Ausbleiben der Gestaltungswirkung verbundenen Vorteile (insbesondere die Fortsetzung des Vertrages) ist, kommt es darauf an, in wie vielen Fällen der Versicherer ohne die Abbedingung von seinem gesetzlichen Gestaltungsrecht Gebrauch gemacht hätte. Nur insoweit können die Vorteile in die Saldierung einfließen. Eine Vereinbarung, die statt eines in einer halbzwingenden Vorschrift vorgesehenen Kündigungsrechtes des Versicherers die Fortsetzung des Vertrages zu schlechteren als den bisherigen Konditionen (z. B. unter Leistungseinschränkungen oder zu einer höheren Prämie) anordnet, ist z. B. für den Versicherungsnehmer in den Fällen ausschließlich nachteilig, in denen davon auszugehen ist, dass der Versicherer auch bei uneingeschränkter Geltung des Gesetzes nicht gekündigt, sondern den Vertrag zu den bisherigen Konditionen fortgesetzt hätte. Soweit dagegen unterstellt werden kann, dass der Versicherer ohne die Vereinbarung von seinem Kündigungs233 So jedenfalls die h. M. zu § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB n. F., vgl. z. B. Heinrichs NJW 1996, 2190, 2194; Brandner, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 9 AGBG Rn. 180. 234 Die Frage des Maßstabes im Rahmen der Saldierung nach dem VVG ist daher auch nicht schon deshalb ohne praktische Bedeutung, weil AVB ohnehin zusätzlich einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307 – 309 BGB n. F. unterworfen sind und jedenfalls dort der Maßstab des § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB n. F. zu beachten ist. Der typisierende Maßstab im Rahmen des VVG kann nämlich in Fällen zur Unwirksamkeit führen, in denen die Klausel nach den §§ 307 – 309 BGB n. F. nicht zu beanstanden wäre.

7 Klimke

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

recht Gebrauch gemacht hätte, kommt es darauf an, ob der Versicherungsnehmer nach einer Kündigung besser stünde als bei einer Fortsetzung des Vertrages zu den veränderten Konditionen. Zusätzlich kann es in solchen Konstellationen von Bedeutung sein, wie schnell der Versicherer sein gesetzliches Gestaltungsrecht ausgeübt hätte. Bei fristgebundenen Gestaltungsrechten hängt davon insbesondere die Rechtzeitigkeit der Ausübung des Rechtes ab. Um eine Prognose des voraussichtlichen Verhaltens des Versicherers geht es, wenn dem Versicherer zusätzlich zu einem (nicht vertraglich ausgeschlossenen) gesetzlichen Gestaltungsrecht eine den Versicherungsnehmer in anderer Hinsicht belastende Gestaltungsmöglichkeit eingeräumt wird, also z. B. neben einem Kündigungs- oder Rücktrittsrecht ein Recht zur Prämienerhöhung235 oder zur Bedingungsänderung. In solchen Fällen stellt sich – neben dem Problem, wie sich der Versicherer ohne die Vereinbarung verhalten hätte – die Frage, ob sich prognostizieren lässt, in welchen Fällen der Versicherer das eine und in welchen das andere Gestaltungsrecht ausüben wird. Wenn sich nämlich in manchen denkbaren Anwendungsfällen das gesetzliche, in anderen dagegen das vertragliche Gestaltungsrecht für den Versicherungsnehmer günstiger auswirkt, kann das Ergebnis der Saldierung von der zu erwartenden Entscheidung des Versicherers abhängen. Das Schrifttum hat sich bislang ausdrücklich nur mit der Frage beschäftigt, ob bei der Saldierung unterstellt werden kann, dass der Versicherer von einem gesetzlichen Kündigungsrecht Gebrauch gemacht hätte. So wird bei der Saldierung der Vor- und Nachteile einer Prämienerhöhung für den Fall einer Gefahrerhöhung zum Teil mit der Aussicht argumentiert, dass der Versicherer ohne die Prämienerhöhung faktisch von seinem gesetzlichen Kündigungsrecht keinen Gebrauch machen würde, und unter anderem daraus die Nachteiligkeit einer derartigen Vereinbarung abgeleitet236. Demgegenüber hält ein anderer Teil des Schrifttums die Möglichkeit, dass der Versicherer nicht kündigt, für zu vage, um sie bei der Saldierung zu berücksichtigen237. Auch die h. M. geht wohl allgemein (ohne dies allerdings ausdrücklich zu begründen) davon aus, dass im Regelfall unterstellt werden kann, dass der Versicherer ein gesetzliches Gestaltungsrecht auch ausgeübt hätte: Dies ergibt sich daraus, dass bei der Prüfung der Nachteiligkeit von Prämienerhöhungs- bzw. Vertragsstraferegelungen, die an die Stelle der gesetzlichen Rücktritts- bzw. Anfechtungsrechte nach den §§ 16 ff. VVG, 123 BGB oder der Kündigungsrechte nach §§ 24, 27 VVG treten, die Auswirkungen der Vereinbarung nur mit den Folgen verglichen werden, die sich für den Versicherungsnehmer nach einer Ausübung des gesetzlichen Gestaltungsrechtes ergeben würden238. 235 Vgl. dazu, dass sich bei einer Prämienerhöhung wegen Gefahrerhöhung bereits aus dem Gesetz eine auch die Saldierung bindende Bewertung ergeben kann, allerdings schon oben unter aa) (S. 92 f.) sowie im 2. Teil im 2. Abschnitt unter A. I. 3. a) aa) (S. 255 f.). 236 Martin SVR N IV 3. 237 Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 790. 238 Z. B. Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 790 (zu den §§ 23 ff. VVG); Prölss VersR 1988, 347, 348 (zu den §§ 16 ff. VVG).

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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Die Lösung des Problems lässt sich nicht mit Hinweis darauf finden, dass das Verhalten des Versicherers nicht prognostizierbar sei und deshalb im Zweifel dasjenige Verhalten des Versicherers zugrunde gelegt werden müsse, bei dem die Vereinbarung im Ergebnis überwiegend nachteilig ist. Das zu erwartende Verhalten des Versicherers lässt sich näher eingrenzen: Der Versicherungsnehmer kann nicht davon ausgehen, dass der Versicherer sich bei der Entscheidung über die Ausübung eines Gestaltungsrechtes von den Interessen des Versicherungsnehmers leiten lässt. Vielmehr muss er, da die Interessen beider Vertragsteile regelmäßig nicht gleichlaufen, seiner Kalkulation die jeweils für ihn ungünstigere Entscheidungsmöglichkeit zugrunde legen. Dies ist auch für die Saldierung maßgeblich. Für die oben geschilderten Fragestellungen ergibt sich damit folgendes: Wenn dem Versicherer durch das Gesetz ein Gestaltungsrecht eingeräumt ist, das sich typischerweise zu Lasten des Versicherungsnehmers auswirkt, insbesondere also ein Recht zur Lösung vom Vertrag, muss der Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss davon ausgehen, dass der Versicherer von diesem Recht auch Gebrauch machen wird. Es ist zwar möglich, dass der Versicherer im Einzelfall davon absieht, z. B. also nach einer Gefahrerhöhung nicht kündigt, weil er den Versicherungsnehmer nicht als Kunden verlieren möchte. Diese Aussicht aber zu vage, als dass ein verständiger Versicherungsnehmer sie seiner Kalkulation zugrunde legen könnte. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil der Versicherer in der Regel – wie sich schon daran zeigt, dass das Gesetz ihm überhaupt eine Gestaltungsmöglichkeit einräumt – ein größeres Interesse an dem Eintritt der Gestaltungsmöglichkeit als an deren Ausbleiben haben wird. Auch bei der Saldierung ist daher zu unterstellen, dass der Versicherer von einer ihm nach dem Gesetz zustehenden Gestaltungsmöglichkeit bei uneingeschränkter Geltung der gesetzlichen Regelung Gebrauch gemacht hätte. Zudem ist davon auszugehen, dass der Versicherer dies auch unverzüglich nach Entstehen des Gestaltungsrechtes, insbesondere also innerhalb einer etwaigen gesetzlichen Frist, getan hätte. Der Versicherungsnehmer kann nicht damit rechnen, dass der Versicherer sich bei seiner Entscheidung Zeit lässt oder aus Unachtsamkeit die gesetzliche Frist versäumt. Soweit es um die Entscheidung zwischen zwei Gestaltungsrechten geht, ist davon auszugehen, dass der Versicherer unter den Entscheidungsmöglichkeiten diejenige auswählen wird, die den Interessen des Versicherungsnehmers am wenigstens (und damit im Regelfall: seinen eigenen Interessen am meisten) entspricht. Wenn der Versicherer z. B. die Wahl zwischen einem Rücktritt nach den §§ 16 ff. VVG und einer Fortsetzung des Vertrages unter (rückwirkender) Anpassung der Prämie hat, wird er typischerweise von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch machen, wenn er dadurch im Ergebnis besser steht, insbesondere also nach Eintritt eines Versicherungsfalles, im Hinblick auf den er nach § 21 VVG leistungsfrei wäre. Wenn dagegen kein Versicherungsfall eingetreten ist und der Versicherungsnehmer im Einzelfall keinen der Prämienerhöhung entsprechenden Vorteil erhält, wird der Versicherer sich für eine Fortsetzung des Vertrages entscheiden. 7*

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

Für die Saldierung ergibt sich daher in solchen Konstellationen folgende Besonderheit: Damit sich Vor- und Nachteile ausgleichen, genügt es nicht, wenn die Ausübung des vertraglichen Gestaltungsrechtes für den Versicherungsnehmer im Durchschnitt aller denkbaren Anwendungsfälle nicht nachteiliger als die Ausübung des gesetzlichen Gestaltungsrechtes ist. Vielmehr ist zu unterstellen, dass der Versicherer gerade in den Fällen, in denen das vertragliche Gestaltungsrecht für den Versicherungsnehmer vorteilhafter (und damit für den Versicherer: ungünstiger) wäre, von seinem gesetzlichen Recht Gebrauch machen wird. Damit der Versicherungsnehmer im Saldo nicht schlechter steht, muss das vertragliche Gestaltungsrecht daher in jedem seiner denkbaren Anwendungsfälle mindestens ebenso günstig oder ungünstig sein wie die gesetzliche Regelung. Daran wird es regelmäßig fehlen. dd) Entscheidung in Zweifelsfällen Soweit auch bei Berücksichtigung der vorstehenden Regeln noch Unsicherheiten darüber bestehen, ob die Vorteile zum Ausgleich der Nachteile ausreichen, so gehen diese zu Lasten des Versicherers239. Der Schutz des Versicherungsnehmers wird nur dann hinreichend gewährleistet, wenn sich zumindest sicher sagen lässt, dass die vom Gesetz abweichende Vereinbarung für den Versicherungsnehmer im Ergebnis nicht ungünstiger ist als die gesetzliche Regelung. Soweit sich die Vereinbarung daher z. B. in einzelnen Anwendungsfällen günstig, in anderen dagegen nachteilig auswirkt, und sich nicht sagen lässt, wie sich beide Gruppen von Anwendungsfällen zahlenmäßig zueinander verhalten, ist davon auszugehen, dass die Vorteile nicht zur Kompensation ausreichen. Dies wird regelmäßig der Fall sein, wenn kein sachlicher Zusammenhang zwischen Vor- und Nachteil besteht: Eine dem Versicherungsnehmer günstige Regelung für den Fall einer vorvertraglichen Obliegenheitsverletzung z. B. wird sich kaum mit einer nachteiligen Regelung der Rechtsfolgen einer Gefahrerhöhung ins Verhältnis setzen lassen.

IV. Ermittlung des Inhaltes der Vereinbarung Ob eine Vereinbarung eine Verschlechterung der Rechtsstellung des Versicherungsnehmers mit sich bringt, ist bei Individualvereinbarungen nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen, also unter Berücksichtigung des individuellen Verständnisses beider Parteien, zu entscheiden. Bei Vereinbarungen in vom Versicherer gestellten AGB i. S. d. § 305 Abs. 1 BGB n. F., also insbesondere in AVB, gelten dagegen die für die Auslegung von AGB maßgeblichen Grundsätze. Die betroffene Klausel ist daher objektiv, d. h. auf der Grundlage der Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse unter Abwägung 239

Prölss VersR 1988, 347, 348.

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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der Interessen der typischerweise beteiligten Kreise, auszulegen240. Wenn eine Klausel auch nach einer solchen Auslegung noch objektiv mehrdeutig ist, greift § 305c Abs. 2 BGB n. F. (§ 5 AGBG a. F.). Zweifel gehen daher zu Lasten des Versicherers. Für die Frage, ob eine nachteilige Abweichung vorliegt, erlangt dies Bedeutung, wenn bei objektiver Auslegung sowohl ein Verständnis einer Vereinbarung vertretbar ist, nach dem eine Abweichung zum Nachteil des Versicherungsnehmers vorliegt, als auch eine Auslegung möglich erscheint, die keine solche Abweichung mit sich bringt. Darum geht es zum einen dann, wenn objektiv unklar ist, ob überhaupt eine Abweichung zu Lasten des Versicherungsnehmers vorliegt. Dieses Problem kann z. B. bei einem Risikoausschluss entstehen, der daran anknüpft, dass ein bestimmter, für den Versicherungsfall ursächlicher Umstand (z. B. eine Krankheit in der Restschuldlebens- oder Reisekrankenversicherung241) gerade bei bzw. vor Vertragsschluss vorhanden war. Die h. M. nimmt an, dass ein solcher Risikoausschluss i. S. d. § 34a VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den §§ 16 ff. VVG abweicht, soweit er dem Versicherungsnehmer unbekannte Umstände erfasst242. Im Hinblick auf Risiken aus dem Versicherungsnehmer bekannten Umständen soll dagegen keine Abweichung von den §§ 16 ff. VVG vorliegen. Wenn daher bei einem Risikoausschluss sowohl eine Auslegung vertretbar ist, nach der die von dem Ausschluss erfassten Umstände dem Versicherungsnehmer bekannt sein müssen, als auch eine Auslegung, nach der es auf die Kenntnis des Versicherungsnehmers nicht ankommt243, so handelt es sich um einen von § 305c Abs. 2 BGB n. F. erfassten Fall. Z. B. BGHZ 84, 268, 272; BGHZ 123, 83, 85; Prölss, in: Prölss / Martin Vorb. III Rn. 2. Vgl. dazu ausführlich im 2. Teil im 1. Abschnitt unter C. (S. 215). 242 s. dazu die Nachweise im 2. Teil im 1. Abschnitt unter C. I. (S. 216 ff.). 243 Eine solche Mehrdeutigkeit nimmt etwa BGH VersR 1994, 549, 551 unter 1. d) a. E. für die im 2. Teil im 1. Abschnitt unter C. (S. 215) besprochene Klausel in der Reisekrankenversicherung an, die Krankheiten, die auf einer bei Versicherungsbeginn bereits akut behandlungsbedürftigen Gesundheitsstörung beruhen, von der Leistungspflicht des Versicherers ausnimmt. Eine Auslegung einer solchen Klausel, nach der es nicht auf die Kenntnis bzw. des Versicherungsnehmers von der Gesundheitsstörung ankommt, kommt nach Ansicht des BGH „ernsthaft in Betracht“ und soll deshalb im Verbandsklageverfahren nach § 13 AGBG a. F. (§ 1 UKlaG) maßgeblich sein. Auch eine andere – gesetzeskonforme – Auslegung der genannten Klausel ist daher aus Sicht des Gerichtes wohl noch vertretbar. Zu einer entsprechenden Mehrdeutigkeit kann man auch in dem vom OLG Düsseldorf NVersZ 2001, 264 f. entschiedenen Fall kommen. Dort war in einem Lebensversicherungsvertrag ein Ausschluss für Risiken aus vorvertraglichen Gesundheitsstörungen der jeweils versicherten Person, die dieser bekannt sind und die sie auch in den letzten zwölf Monaten vor Beginn des Versicherungsschutzes hatte, vereinbart worden. Nach Ansicht des OLG wurde durch diese Klausel für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer der Eindruck erweckt, als würden sämtliche ihm einmal bekannt gewordenen Erkrankungen unabhängig davon, ob er sich bei gehöriger Gedächtnisanstrengung an sie erinnern kann oder nicht, von dem Ausschluss erfasst (NVersZ 2001, 264). Ob dieser Auslegung zu folgen ist, ist zweifelhaft; dagegen spricht der Wortlaut der Klausel, nachdem es um Gesundheitsstörungen geht, die der versicherten Person bekannt sind (und nicht bloß: dies irgendwann einmal waren). In jedem Falle handelt es sich aber 240 241

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

Zum anderen kann unklar sein, ob zugunsten des Versicherungsnehmers ein Vorteil vereinbart worden ist, der ausreichen würde, um den Nachteil auszugleichen. So ist es etwa denkbar, dass sich aus der Vereinbarung einer Prämienerhöhung für den Fall einer Gefahrerhöhung oder einer Vertragsstraferegelung für den Fall einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung nicht eindeutig ergibt, ob die Rechte des Versicherers aus den §§ 23 ff. VVG bzw. den §§ 16 ff. VVG ausgeschlossen sein sollen oder nicht244. Ohne eine solche Abbedingung der gesetzlichen Regelung wären solche Regelungen nachteilig i. S. d. § 34a VVG245, bei Ausschluss der §§ 23 ff. bzw. der §§ 16 ff. VVG dagegen nach h. M. nicht, weil die Belastung mit der Pflicht zur Zahlung einer höheren Prämie bzw. der Vertragsstrafe (jedenfalls, soweit sie eine bestimmte Höhe nicht überschreitet) dann dadurch kompensiert würde246. Im folgenden wird zunächst unterstellt, dass die h. M. zutrifft. Soweit man zu dem Ergebnis kommt, dass aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers beide Auslegungen vertretbar sind, kommt es dann für die Verbindlichkeit der Vereinbarung auf § 305c Abs. 2 BGB n. F. an. Die Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB n. F. hat in solchen Konstellationen allerdings nicht ohne weiteres zur Folge, dass derjenige Auslegung der Vorzug zu geben ist, die eine nachteilige Abweichung von halbzwingenden Vorschriften vermeidet. Soweit es um Verstöße gegen die §§ 307 – 309 BGB n. F. geht, wird von der h. M. nicht diejenige Auslegung als für den Kunden am günstigsten i. S. d. § 305c Abs. 2 BGB angesehen, die für ihn am vorteilhaftesten wäre, wenn die Vereinbarung in jeder ihrer vertretbaren Auslegungen wirksam wäre. Vielmehr soll sowohl im Verbandsprozess247 als auch im Individualprozess248 zunächst zu prüfen sein, ob eine Klausel bei kundenfeindlichster Auslegung der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 – 309 BGB n. F. standhält. Wenn dies nicht der Fall ist, soll diese Auslegung maßgeblich und die Klausel damit unwirksam sein. Begründet wird dies für nicht um die einzig vertretbare Auslegung; ein verständiger Versicherungsnehmer kann die Formulierung jedenfalls auch so verstehen, dass es nur auf die Kenntnisse bei Antragstellung bzw. bei Vertragsschluss ankommt. Wenn man daher die Auslegung des OLG für möglich hält, geht es um eine von § 305c Abs. 2 BGB n. F. erfasste Konstellation. 244 Vgl. zu solchen Auslegungsproblemen z. B. Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 785. 245 Vgl. dazu unten im 2. Teil im 1. Abschnitt unter A. III. 2. (S. 202) sowie Fußnote 110 im 2. Teil. 246 Vgl. dazu ausführlich unten im 2. Teil im 1. Abschnitt unter B. (S. 206 ff.) sowie im 2. Abschnitt unter A. I. (S. 246 ff.). 247 Z. B. BGHZ 95, 350, 353; BGHZ 119, 152, 172; Palandt / Heinrichs § 305c BGB n. F. Rn. 19; Ulmer, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 5 Rn. 33. 248 So die h. M. Ulmer, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 5 AGBG Rn. 31; Lindacher, in: Wolf / Horn / Lindacher § 5 AGBG Rn. 31 ff.; tendenziell auch BGH NJW 1992, 1097, 1099; BGH NJW 1994, 1798, 1799. Etwas abweichend wohl Prölss, in: Prölss / Martin Vorb.III Rn. 17, der nicht mit einer Auslegung des § 305c Abs. 2 BGB n. F. argumentiert, sondern § 305c Abs. 2 BGB erst anwenden will, wenn eine Klausel der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 – 309 BGB n. F. nicht standgehalten hat. Im Ergebnis würde man aber wohl auch bei Zugrundelegung dieser Ansicht zu keinem anderen als dem im Text vertretenen Ergebnis kommen.

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

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den Verbandsprozess damit, dass der Rechtsverkehr vor der Gefahr geschützt werden müsse, dass der Kunde die Klausel auch in ihrer unzulässigen Fassung hinnehme, weil eine ihrer vertretbaren Auslegungen sich dafür anführen lasse249. Für den Individualprozess wird die „umgekehrte“ Anwendung des § 305c Abs. 2 BGB n. F. mit der Angleichung an den Verbandsprozess250 sowie damit begründet, dass die Unwirksamkeit einer belastenden Klausel für den Kunden im Ergebnis günstiger sei als ihre Aufrechterhaltung mit einem für ihn im Vergleich zu anderen vertretbaren Auslegungen zwar weniger, aber immer noch belastenden Inhalt. Es entspreche aber nicht dem Zweck des § 305c Abs. 2 BGB n. F., wenn die Unklarheitenregel zur Aufrechterhaltung mehrdeutiger Klauseln beitrage und damit nicht dem Kunden, sondern dem Verwender nütze251. Diese Überlegungen passen zum Teil auch dann, wenn es um die Frage geht, ob eine Vereinbarung in AGB gegen das Verbot nachteiliger Abweichungen verstößt. Zum einen lassen sich, wenn man in unmittelbarer252 oder analoger253 Anwendung des § 1 UKlaG auch bei Verletzung einer halbzwingenden Vorschrift des VVG eine Verbandsklage zulässt, die für eine „kundenfeindliche“ Auslegung im Verbandsprozess angeführten Argumente übertragen. Es besteht stets die Gefahr, dass sich der Versicherungsnehmer an der im Vergleich zum VVG überwiegend nachteiligen Auslegungsmöglichkeit festhalten lässt. Daher ist im Verbandsklageverfahren stets die dem Versicherungsnehmer objektiv ungünstigste noch vertretbare Auslegung – und damit die Auslegung, nach der ein Verstoß gegen das VVG zu bejahen wäre – zugrunde zu legen. Für den Individualprozess gilt dies indes nicht uneingeschränkt. Soweit es – wie in dem ersten oben geschilderten Beispiel – um die Entscheidung zwischen einer für den Versicherungsnehmer im Vergleich zum VVG nachteiligen und einer für ihn zwar ebenfalls belastenden, aber nicht vom VVG abweichenden Auslegung geht, kann allerdings die objektiv „versicherungsnehmerfeindlichste“ Auslegung für den Versicherungsnehmer im Ergebnis günstiger sein. Diese Auslegung kann nämlich – zusammen mit den Grundsätzen über das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion von AGB – dazu führen, dass der Versicherungsnehmer auch vor einer (an sich mit dem VVG vereinbaren) Belastung bewahrt wird, die ihn bei Zugrundelegung der kundenfreundlicheren Auslegung treffen würde: In dem oben geschilderten Beispiel etwa kann eine Auslegung, nach der auch Risiken aus vorvertraglichen Umständen ausgeschlossen werden, die dem Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss unbekannt waren, eine Unverbindlichkeit des gesamten RisikoHensen, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 13 AGBG Rn. 5. Ulmer, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 5 AGBG Rn. 31. Auch BGH NJW 1992, 1097, 1099 hebt dieses Argument hervor, ohne jedoch eine abschließende Entscheidung zu treffen. 251 Ulmer, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 5 AGBG Rn. 30. 252 Vgl. z. B. BGH VersR 1988, 1281, 1282 f.; Hensen, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 13 AGBG Rn. 5. 253 Lindacher, in: Wolf / Horn / Lindacher § 13 AGBG Rn. 40. 249 250

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

ausschlusses – also auch soweit er dem Versicherungsnehmer bekannte Umstände erfasst – nach sich ziehen254. In solchen Fällen spricht die geschilderte Zwecksetzung des § 305c Abs. 2 BGB n. F. dafür, bei der Prüfung der Vereinbarkeit mit dem VVG diejenige Auslegung zugrunde zu legen, die gegen das Verbot nachteiliger Abweichungen verstößt. Anders ist dagegen zu entscheiden, wenn eine Vereinbarung – wie in dem zweiten Beispiel – nach einer vertretbaren Auslegung überwiegend oder ausschließlich nachteilig, nach einer anderen dagegen überwiegend vorteilhaft bzw. jedenfalls nicht überwiegend nachteilig ist. In solchen Fällen lässt sich nämlich nicht sagen, dass die Unverbindlichkeit der Vereinbarung in ihrer „versicherungsnehmerfeindlicheren“ Auslegung eher im Interesse des Versicherungsnehmers liegt als die Wirksamkeit der „versicherungsnehmerfreundlicheren“ Fassung: Wenn man die überwiegend nachteilige Auslegung zugrunde legt (in dem oben geschilderten zweiten Beispiel also: von einem Prämienerhöhungsrecht ohne Ausschluss der §§ 23 ff. VVG ausgeht), bleibt der Versicherungsnehmer zwar von der für sich gesehen nicht mit dem VVG vereinbaren Belastung verschont, da sich der Versicherer auf eine Vereinbarung mit diesem Inhalt nicht berufen kann. Andererseits kommt der Versicherungsnehmer aber auch nicht – wie bei Zugrundelegung der noch mit dem VVG vereinbaren Auslegung – in den Genuss des den Nachteil ausgleichenden bzw. sogar übersteigenden Vorteiles (in dem Beispiel also: des Ausschlusses des Rechte des Versicherers aus den §§ 23 ff. VVG). Dass dies für ihn günstiger ist als die Geltung der teils vorteilhaften, teils nachteiligen Regelung, die noch mit dem VVG vereinbar wäre (in dem Beispiel also: des Prämienerhöhungsrechtes unter Ausschluss der §§ 23 ff. VVG), lässt sich nicht ohne weiteres sagen. Wenn die noch zulässige Vereinbarung für den Versicherungsnehmer im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung überwiegend vorteilhaft ist, steht er im Gegenteil bei deren Geltung noch besser als nach der gesetzlichen Regelung. Dass die zu einem Verstoß gegen das VVG führende Auslegung die i. S. d. § 305c Abs. 2 BGB n. F. kundengünstigste wäre, lässt sich daher nicht sagen. In solchen Fällen ist daher im Individualprozess diejenige Auslegung zugrunde zu legen, die im Falle der Wirksamkeit der Vereinbarung für den Versicherungsnehmer am günstigsten wäre255.

254 Dies ist bei fehlender sprachlicher Teilbarkeit des Risikoausschlusses der Fall, vgl. dazu unten im 2. Abschnitt unter B. III. 1. a) (S. 135 f.). 255 Bei der geschilderten Auslegung des§ 305c BGB n. F. handelt es sich nicht um eine Besonderheit, die nur bei der Ermittlung von Verstößen gegen das VVG auftreten könnte. Vielmehr ergeben sich dieselben Probleme, soweit es (ausschließlich) um Verstöße gegen die §§ 305 – 307 BGB n. F. geht und eine Kompensation einer Abweichung von einer halbzwingenden Vorschrift durch eine für den Kunden vorteilhafte Regelung im Raume steht. Allerdings sind solche Konstellationen außerhalb des VVG wohl noch seltener; jedenfalls beschränken sich die Ausführungen im Schrifttum zum AGBG a. F. (§§ 305 ff. BGB n. F.) auf die zuerst geschilderte Konstellation, dass zwei den Kunden in unterschiedlichem Grade belastende Auslegungen vertretbar sind.

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

105

B. Einseitige Rechtsgeschäfte des Versicherungsnehmers Das Verbot nachteiliger Abweichungen gilt nach seinem Wortlaut nur für nachteilige „Vereinbarungen“. Nicht ausdrücklich von dieser Formulierung erfasst werden einseitige Rechtsgeschäfte des Versicherungsnehmers, durch die er sich einer Rechtsposition begibt, die ihm durch eine halbzwingende Vorschrift eingeräumt wird. Solche einseitigen Rechtsgeschäfte kommen vor allem im Hinblick auf Gestaltungsrechte in Betracht, die dem Versicherungsnehmer nach halbzwingenden Vorschriften zustehen (z. B. die Widerspruchrechte aus §§ 5 Abs. 1, 5a Abs. 1 VVG, das Widerrufsrecht aus § 8 Abs. 4 VVG oder das Kündigungsrecht aus 31 VVG). Unproblematisch ist zunächst, dass die Ausübung eines Gestaltungsrechtes (also etwa die Kündigung des Vertrages nach § 31 VVG) keinen Nachteil für den Versicherungsnehmer begründen kann. Der Versicherungsnehmer gibt dadurch keine ihm durch das Gesetz eingeräumte Rechtsposition auf. Dass er von seiner Gestaltungsmöglichkeit auch Gebrauch machen kann, ist vielmehr gerade das Ziel des Gesetzes256. I. Der einseitige Verzicht des Versicherungsnehmers auf ein Gestaltungsrecht Anders ist dagegen ein einseitiger Verzicht des Versicherungsnehmers auf ein Gestaltungsrecht zu beurteilen257. Ein solcher Verzicht unterscheidet sich in seinen Wirkungen nicht von einer Vereinbarung mit dem Versicherer, durch die das Gestaltungsrecht ausgeschlossen wird. Der Versicherungsnehmer verliert auch durch den Verzicht die ihm gerade durch das Gesetz eingeräumte Möglichkeit zur Entscheidung für die Ausübung des Gestaltungsrechtes. Vor den Folgen eines einseitigen Verzichtes muss er daher in gleichem Umfang geschützt werden wie vor den Folgen einer Vereinbarung. Das Verbot nachteiliger Abweichungen gilt daher auch für derartige einseitige Rechtsgeschäfte258. Die für Vereinbarungen entwickelten Begrenzungen des Verbotes nachteiliger Abweichungen gelten allerdings auch für einseitige Rechtsgeschäfte. Der Versicherungsnehmer muss im Hinblick auf von ihm einseitig herbeigeführte Rechtsnachteile nicht mehr geschützt werden als vor den Folgen einer belastenden Vereinbarung mit dem Versicherer. Ein einseitiges Rechtsgeschäft ist für den Versicherungsnehmer daher insbesondere dann nicht nachteilig i. S. d. Sanktionsnormen des VVG, wenn es in einer Situation vorgenommen wird, in der seine AuswirkunSasse VersArch 1956, 162, 164. Ein solcher Verzicht ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, vgl. Palandt / Heinrichs § 397 Rn. 1; Jauernig / Jauernig § 397 Rn. 1. 258 So im Ansatz auch Sasse VersR 1956, 163, 164. Entsprechend wird auch für verbraucherschützende Vorschriften außerhalb des VVG argumentiert, vgl. insb. Fuchs AcP 1996, 312, 355 ff.; MünchKomm / Wendehorst § 312f Rn. 9; Palandt / Heinrichs § 312f BGB Rn. 1. 256 257

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

gen für den Versicherungsnehmer bereits hinreichend überschaubar sind, weil sich die das Verbot rechtfertigenden geringeren Erkenntnismöglichkeiten des Versicherungsnehmers nicht auswirken259. Ein einseitiger Verzicht auf ein durch halbzwingende Vorschriften eingeräumtes Gestaltungsrecht ist daher zwar in jedem Fall nachteilig für den Versicherungsnehmer, wenn er vor Entstehung des Gestaltungsrechtes erfolgt und die Abweichung auch nicht durch vom Versicherer im Hinblick auf den Verzicht gewährte Vorteile kompensiert wird. Vor Entstehung des Gestaltungsrechtes kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Versicherungsnehmer die Auswirkungen des Verlustes der Gestaltungsmöglichkeit hinreichend klar vor Augen hat. Nach der Entstehung des Gestaltungsrechtes kommt es dagegen wie bei zweiseitigen Vereinbarungen darauf an, ob für den Versicherungsnehmer bei der Entscheidung über einen Verzicht auf das Gestaltungsrecht noch eine Unsicherheit fortbesteht, vor der er durch das Verbot nachteiliger Abweichungen geschützt werden muss.

II. Insbesondere: Der Verzicht auf das Widerspruchsrecht aus § 5a VVG vor Ablauf der Widerspruchsfrist Um dieses Problem geht es bei der im Schrifttum diskutierten Frage, ob der Versicherungsnehmer vor Ablauf der Widerspruchsfrist des § 5a VVG einseitig durch eine ausdrückliche Erklärung auf sein Widerspruchsrecht verzichten kann. Zum Teil wird dies mit der Begründung bejaht, dass der Anwendungsbereich des § 15a VVG nicht berührt sei, wenn der Versicherungsnehmer der Fiktion seiner Zustimmung „zuvorkomme“260. Zum Teil wird ein Konflikt mit § 15a VVG demgegenüber nur für den Fall abgelehnt, dass der Versicherungsfall bereits eingetreten ist. Nach Eintritt des Versicherungsfalles könne man den Verzicht auf das Widerspruchsrecht als vorteilhaft ansehen, weil der eingetretene Schaden sofort (und nicht erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist261) reguliert werden müsse262. Zudem sei nicht ersichtlich, welche qualifizierten Überlegungen der Versicherungsnehmer noch nach Eintritt des Versicherungsfalles innerhalb der Widerspruchsfrist anstellen könne; die bei Vertragsschluss bestehende Unklarheit, ob und wann es zu einem Versicherungsfall kommen werde, bestehe dann nicht mehr263. Bei der Entscheidung dieser Frage ist zu differenzieren: Wenn dem Versicherungsnehmer die in § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG genannten Unterlagen (also die VerVgl. zu dieser Einschränkung des Verbotes oben unter A. II. 2. b) bb) (1) (b) (S. 49 ff.). Prölss, in: Prölss / Martin § 5a Rn. 56. 261 Bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist ist der Vertrag nach h. M. schwebend unwirksam, vgl. z. B. BK / Schwintowski § 5a VVG Rn. 78; Römer, in: Römer / Langheid § 5a VVG Rn. 25, 35; Schirmer VersR 1996, 1045, 1052. 262 Schirmer / Höhne DAR 1996, 477, 483. 263 Schirmer / Höhne DAR 1996, 477, 483 f. 259 260

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

107

sicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen) vollständig vorliegen, kann er vor Ablauf der Widerspruchsfrist auf sein Widerspruchsrecht verzichten. Die §§ 5a, 15a VVG sollen den Versicherungsnehmer nicht vor dem Risiko einer Fehleinschätzung schützen, die sich für ihn daraus ergeben kann, dass er sich nach Überlassung der Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen schnell – d. h. ohne eine der Widerspruchsfrist entsprechende Überlegungsfrist – für einen Vertrag entscheidet. Dies zeigt sich daran, dass der Versicherungsnehmer ohne Einschränkungen an seinen Antrag gebunden ist, wenn ihm die Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen bereits vor Antragstellung überlassen wurden. Wie schnell sich der Versicherungsnehmer nach der Überlassung für den Antrag entschieden hat, spielt dagegen keine Rolle. Dies gilt auch dann, wenn dem Versicherungsnehmer zwar die in § 5a VVG genannten Unterlagen vorliegen, er aber nicht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG über sein Widerspruchsrecht belehrt wurde. Die durch das Fehlen einer Belehrung ausgelöste Unsicherheit über das Bestehen eines Widerspruchsrechtes kann keinen Einfluss auf die Entscheidung des Versicherungsnehmers für einen Verzicht auf sein Widerspruchsrecht haben264. Wenn dem Versicherungsnehmer dagegen die in § 5a VVG genannten Unterlagen nicht vorliegen, so besteht die Unsicherheit, die maßgeblich für die Einräumung eines Widerspruchsrechtes und dessen Unabdingbarkeit zum Nachteil des Versicherungsnehmers ist, grundsätzlich fort: Dem Versicherungsnehmer fehlen dann nämlich die Informationen, die er nach der Konzeption des Gesetzes haben muss, um bindend über seine Zustimmung zu dem Versicherungsvertrag entscheiden zu können. Der Versicherungsnehmer kann ohne die Unterlagen keinen bindenden (d. h. kein Widerspruchsrecht auslösenden) Antrag abgeben. Dann kann er aber auch nicht in der Lage sein, sich nach Abschluss des Vertrages ohne weiteres durch eine einseitige Erklärung an den Vertrag zu binden. Dass der Versicherungsnehmer sich während des Laufs der Widerspruchsfrist bereits bindend gegen den Vertrag entscheiden kann, bedeutet nicht, dass er der Gesetzgeber ihm auch die endgültige Entscheidung für den Vertrag überlassen will. Auch dass das Gesetz nach Ablauf der Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 die Wirksamkeit des Vertrages eintreten lässt und damit eine Genehmigung des Versicherungsnehmers fingiert, bedeutet nicht, dass der Versicherungsnehmer zuvor ohne weiteres über sein Widerspruchsrecht disponieren könnte. Die Frist lässt sich vielmehr mit dem Interesse an Rechtssicherheit erklären. Ohne die Überlassung der Unterlagen nach § 5a Abs. 1 VVG verstößt ein vor Ablauf der Widerspruchsfrist erklärter Verzicht auf das Widerspruchsrecht daher gegen § 15a VVG.

264 Allerdings sind bei einer fehlenden Belehrung strengere Anforderungen an das Vorliegen eines Verzichtes zu stellen. Insbesondere können Handlungen und Erklärungen des Versicherungsnehmers, die bloß auf die Durchführung des Vertrages gerichtet sind, nicht ohne weiteres als Verzicht gewertet werden, da sich daraus nach dem Empfängerhorizont kein Schluss auf einen Verzichtswillen des Versicherungsnehmers ziehen lässt.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

Anders ist lediglich dann zu entscheiden, wenn vor Ablauf der Widerspruchsfrist ein von dem vereinbarten Versicherungsschutz abgedeckter Versicherungsfall eintritt und der Versicherungsnehmer, um die Versicherungsleistung nicht erst nach Ablauf der Jahresfrist zu erhalten, auf sein Widerspruchsrecht verzichtet. Die Entscheidung des Versicherungsnehmers für den Vertrag hängt dann nicht mehr vorrangig von den – anhand der Informationen nach § 5a VVG abzuschätzenden – Auswirkungen des Vertrages in der Zukunft, sondern vor allem davon ab, ob der Versicherungsnehmer den eingetretenen Schaden selbst tragen oder gegen Zahlung der Prämie vom Versicherer ersetzt haben will. Die wesentlichen Konsequenzen des Verzichtes auf das Widerspruchsrecht sind für den Versicherungsnehmer daher auch schon vor Überlassung der Informationen nach § 5a Abs. 1 VVG hinreichend deutlich überschaubar. § 15a VVG steht daher einem Verzicht auf das Widerspruchsrecht nicht entgegen, wenn dieser nach Eintritt des Versicherungsfalles erklärt wird265.

C. Abweichungen zum Nachteil anderer Personen als des Versicherungsnehmers I. Erwerber (§ 72 VVG) § 72 Satz 1 VVG ordnet an, dass sich der Versicherer auf eine Bestimmung des Versicherungsvertrages nicht berufen kann, durch die zum Nachteil des Erwerbers von den Vorschriften der §§ 69 bis 71 VVG abgewichen wird. Trotz der weitgehend identischen Formulierung verfolgt diese Vorschrift einen anderen Zweck als das Verbot von Abweichungen zum Nachteil des Versicherungsnehmers. Der Erwerber der versicherten Sache soll durch § 72 VVG nicht davor geschützt werden, dass er die Folgen einer von ihm selbst vereinbarten Abweichung nicht hinreichend überblicken kann. Vielmehr handelt es sich um eine Ausprägung des Verbotes von Verträgen zu Lasten Dritter266. Versicherer und Versicherungsnehmer sollen die dem Schutz des Erwerbers dienenden Vorschriften des VVG nicht ohne dessen Zustimmung zu dessen Lasten verändern dürfen. Aus dieser andersartigen gesetzlichen Zielsetzung ergeben sich Modifikationen der für nachteilige Abweichungen zu Lasten des Versicherungsnehmers entwickelten Regeln: Da es nur um den Schutz des Erwerbers vor Vereinbarungen zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer geht, werden nachteilige Vereinbarungen mit dem Erwerber selbst von dem gesetzlichen Verbot nicht berührt267. Andererseits kommt es für die Zulässigkeit einer Vereinbarung zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer auch nicht darauf an, ob ihre Folgen für den 265 266 267

So im Ergebnis auch die in Fußnote 262 Genannten. Kollhosser, in: Prölss / Martin § 72 Rn. 2. Sieg, in: Bruck / Möller § 72 Anm. 17 m. w. N.; BK / Dörner § 72 Rn. 8.

1. Abschnitt: Die Voraussetzungen einer nachteiligen Abweichung

109

Versicherungsnehmer hinreichend überschaubar sind. Eine nachteilige Vereinbarung ohne Beteiligung des Erwerbers ist vielmehr schlechthin unzulässig. Schließlich ist auch keine Kompensation von Nachteilen für den Erwerber mit etwaigen Vorteilen aus der Vereinbarung möglich: Ein Interesse des Erwerbers der versicherten Sache an der Schaffung vom Gesetz abweichender Vertragsgestaltungen, das eine Saldierung rechtfertigen könnte, besteht nicht. Wenn der Erwerber an einer Vereinbarung nicht beteiligt ist, wird seine Wahlfreiheit dadurch nicht vergrößert268.

II. Hypothekengläubiger (§§ 100 ff. VVG) Nach h. M. sind auch die §§ 100 ff. VVG, die keine ausdrückliche Aussage über ihre Abdingbarkeit enthalten, zugunsten des Hypothekengläubigers halbzwingend269. Wie im Falle des § 72 VVG lässt sich dies nicht mit dem Schutz des Hypothekengläubigers vor den Folgen der von ihm selbst geschlossenen Vereinbarungen, sondern mit der Unzulässigkeit von Verträgen zu Lasten Dritter begründen. Die zu § 72 VVG entwickelten Regeln gelten daher auch hier: Vereinbarungen zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer, die die Rechtsstellung des Hypothekengläubigers auch nur in einer Hinsicht im Vergleich zu den §§ 100 ff. VVG verschlechtern, sind daher stets unverbindlich. Vereinbarungen des Hypothekengläubigers selbst sind dagegen wirksam270.

268 269 270

Vgl. zu dieser Begründung der Saldierung oben unter A. III. 1. b) cc) (3) (S. 67 f.). Prölss, in: Prölss / Martin Vorb. I Rn. 4 m. w. N. Sasse VersR 1959, 407.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

2. Abschnitt

Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Verbot nachteiliger Abweichungen A. Wahlrecht des Versicherungsnehmers oder endgültige Unwirksamkeit I. Nachteilige Vereinbarungen 1. Meinungsstand Nach der gesetzlichen Regelung kann sich der Versicherer nicht auf eine Vereinbarung berufen, die zum Nachteil des Versicherungsnehmers von einer halbzwingenden Vorschrift abweicht. Ob damit lediglich die endgültige Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit271 der Vereinbarung umschrieben werden soll (und damit für die Bestimmung der Rechtsfolgen eines Verstoßes ohne weiteres auf die dafür anerkannten Regeln zurückgegriffen werden kann) oder ob es sich um eine davon zu unterscheidende Verstoßfolge handelt, ist umstritten. Nach h. M. hat ein Verstoß gegen halbzwingende Vorschriften des VVG nicht die Unwirksamkeit der nachteiligen Vereinbarung zur Folge. Vielmehr soll – entsprechend der gesetzlichen Formulierung – nur die Berufung des Versicherers auf die Vereinbarung ausgeschlossen sein. Dem Versicherungsnehmer soll dagegen ein Wahlrecht zwischen der Geltung der Vereinbarung und derjenigen des Gesetzes zustehen; er soll sich auf die Vereinbarung berufen können272. Im Schrifttum wird demgegenüber vereinzelt – allerdings ohne nähere Begründung – die Ansicht vertreten, eine zum Nachteil des Versicherungsnehmers von halbzwingenden Vorschriften abweichende Vereinbarung sei endgültig unwirk271 Die endgültige Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäftes, d. h. die Unwirksamkeit ohne vorhergehenden Schwebezustand, während dessen eine Seite bzw. ein Dritter über die Wirksamkeit des Geschäftes entscheiden kann, wird verbreitet – im Gegensatz zur schwebenden „Unwirksamkeit“ – als „Nichtigkeit“ bezeichnet, vgl. Larenz AT § 23 I S. 454 ff. Im VVG – und im übrigen auch nicht durchweg im BGB (vgl. zur uneinheitlichen Terminologie des BGB Flume II, § 30 / 1 S. 548 f.) – wird diese terminolgische Unterscheidung indes nicht durchgehalten. Auch die Vorschriften des VVG, die eine „Unwirksamkeit“ einer Vereinbarung anordnen, meinen damit nicht bloß eine schwebende, sondern die endgültige Unwirksamkeit. Im folgenden wird die „endgültige“ Unwirksamkeit als Gegenbegriff zu der bei Einräumung einer Wahlmöglichkeit geltenden Rechtsfolge – die insbesondere unter C. näher beschrieben wird – verwendet. 272 BGH NJW 1951, 231, 232; Prölss, in: Vorb. I Rn. 4; Möller, in: Bruck / Möller Einl. Anm. 49; BK / Dörner § 34a Rn. 2; Schirmer, in: Symposion 80 Jahre VVG, S. 273; Hofmann, Privatversicherungsrecht, § 3 Rn. 23; Sasse VersArch 1956, 163, 173; Weyers / Wandt, Privatversicherungsrecht, Rn. 141; vgl. auch OLG Karlsruhe NVersZ 2002, 455 f. zu § 178g Abs. 1, 178o VVG.

2. Abschnitt: Die Rechtsfolgen eines Verstoßes

111

sam273. Eine Berufung des Versicherungsnehmers auf die Vereinbarung wird von dieser Ansicht z. T. ausdrücklich ausgeschlossen274. Ebenso werden zum Teil auch Normen außerhalb des VVG ausgelegt, die für den Fall, dass gegen eine dem Schutz einer Vertragspartei dienende Regelung verstoßen wird, die Berufung des nicht geschützten Vertragsteiles auf die Vereinbarung ausschließen. So wird etwa die Formulierung in den §§ 444, 475 BGB n. F., dass der Verkäufer sich auf bestimmte dem Käufer ungünstige Vereinbarungen nicht „berufen“ kann, allgemein mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien nur als Anordnung einer partiellen Unwirksamkeit, die eine Anwendung des § 139 BGB ausschließen solle, verstanden275.

2. Stellungnahme a) Wortlaut und Systematik des Gesetzes Für das Verständnis der h. M. spricht der Wortlaut des Gesetzes, der lediglich eine Berufung des Versicherers auf eine nachteilige Vereinbarung ausschließt, den Versicherungsnehmer aber nicht erwähnt. Für die Verletzung zwingender Vorschriften ordnet das VVG zudem jeweils ausdrücklich die „Nichtigkeit“ bzw. „Unwirksamkeit“276 abweichender Vereinbarungen an. Dabei wird zum Teil sogar innerhalb einer Vorschrift zwischen unwirksamen Vereinbarungen und Vereinbarungen, auf die sich der Versicherungsnehmer nicht berufen kann, unterschieden277. Dass mit dem Ausschluss der Berufung des Versicherungsnehmers lediglich deren Unwirksamkeit umschrieben werden soll, ist daher nicht plausibel. b) Der Zweck des Gesetzes Der Zweck des Verbotes nachteiliger Abweichungen steht einer Wahlmöglichkeit des Versicherungsnehmers nicht entgegen. Das VVG will den Versicherungsnehmer lediglich vor Abweichungen schützen, die für ihn in ihren Auswirkungen 273 Martin, SVR, N IV 1; K I 57; BK / Riedler § 42 Rn. 4. Auch die Rechtsprechung spricht zum Teil von „Unwirksamkeit“ als Folge eines Verstoßes, z. B. BGH VersR 1988, 1281, 1282 und OLG Hamm VersR 2002, 1139. Allerdings ging es dabei um Fälle, in denen der Versicherungsnehmer sich nicht auf die Vereinbarung berufen, sondern die gesetzliche Regelung für sich in Anspruch genommen hatte bzw. sein Begehren dies voraussetzte. Dass die genannten Urteile ein Wahlrecht des Versicherungsnehmers ganz ausschließen wollen, ist daher nicht anzunehmen. 274 So ausdrücklich Martin, SVR, N IV 1; K I 57. 275 Bündenbender, in: Dauner / Lieb § 444 BGB n. F. Rn. 1; § 475 BGB n. F. Rn. 10; Palandt / Putzo § 475 Rn. 3, 5. Entsprechend wird verbreitet § 1 Abs. 4 Satz 2 ErbbRVO ausgelegt: Der Ausschluss der Berufung des Grundstückseigentümers auf die in dieser Vorschrift genannten Vereinbarungen soll danach lediglich klarstellen, dass der Bestand des Erbbaurechtes nicht in Frage gestellt wird (vgl. Erman / Hagen § 1 ErbbVO Rn. 23). 276 s. dazu die Beispiele in den Fußnoten 6 und 7 in der Einleitung. 277 Vgl. § 8 Abs. 1 VVG einerseits und §§ 8 Abs. 2 bis 4, 15a VVG andererseits.

112

1. Teil: Allgemeine Grundsätze

bei Abschluss einer Vereinbarung bzw. bei Vornahme eines einseitigen Rechtsgeschäftes nicht überschaubar sind278. Abweichungen von halbzwingenden Vorschriften werden daher nicht schlechthin seiner Disposition entzogen. Da es dem Gesetz um den Schutz des Versicherungsnehmers geht, liegt es vielmehr nahe, dass auch die Verstoßfolge seinen Interessen entgegenkommen soll. Für den Versicherungsnehmer ist eine Wahlmöglichkeit aber jedenfalls dann günstiger als die Unwirksamkeit der nachteiligen Vereinbarung, wenn zu der Vereinbarung auch zu seinen Gunsten vom Gesetz abweichende Regelungen gehören279. Auch wenn die Nachteile die Vorteile im Durchschnitt der möglichen Anwendungsfälle der Vereinbarung überwiegen, kann der Versicherungsnehmer im Einzelfall – insbesondere weil die Vorteile ausnahmsweise größer als die Nachteile sind oder weil er bereit ist, einen objektiv größeren Nachteil um eines bestimmten Vorteiles willen in Kauf zu nehmen – an der Geltung der Vereinbarung interessiert sein. Der Versicherer wird durch eine Wahlmöglichkeit des Versicherungsnehmers auch nicht zu stark belastet. Wenn der Versicherungsnehmer die Vereinbarung für sich in Anspruch nimmt, kommt damit nur der Vertragsinhalt zur Anwendung, der ursprünglich vereinbart und typischerweise gerade vom Versicherer veranlasst wurde. Es wäre widersprüchlich, wenn der Versicherer sich an der von ihm selbst vereinbarten, jedenfalls im Durchschnitt der möglichen Anwendungsfälle für ihn vorteilhaften Regelung nicht festhalten lassen würde, wenn sie sich im Einzelfall zu seinen Lasten auswirkt bzw. wenn der Versicherungsnehmer die übrigen Nachteile um der Vorteile im konkreten Fall willen hinzunehmen bereit ist. s. dazu oben im 1. Abschnitt unter A. II. 2. b) bb) (1) (S. 46 ff.). Die Bedeutung der besonderen gesetzlichen Verstoßfolge für teils vorteilhafte Vereinbarungen betont auch Möller, in: Bruck / Möller Einl. Anm. 49. Zu der Frage, ob und welche für den Versicherungsnehmer günstigen Vertragsbestimmungen Bestandteil der nachteiligen Vereinbarung sind, vgl. ausführlich unten unter B. – Wenn man für den Versicherungsnehmer günstige Regelungen stets aus der Vereinbarung ausnähme, wäre die Unterscheidung zwischen der endgültigen Unwirksamkeit und der Einräumung eines Wahlrechtes für den Versicherungsnehmer allerdings nicht von großer praktischer Bedeutung, da der Versicherer regelmäßig kein Interesse an einer Inanspruchnahme der Vereinbarung hätte und sie daher auch dann, wenn man eine Berufung des Versicherungsnehmers darauf für zulässig hält, ohnehin meist endgültig unwirksam würde. Es blieben dann nur Fälle übrig, in denen sich eine günstige Wirkung der Vereinbarung nicht von einer nachteiligen abtrennen lässt. Wenn sich etwa der Versicherer ein in halbzwingenden gesetzlichen Vorschriften nicht vorgesehenes Kündigungsrecht, etwa für den Eintritt einer unerheblichen Gefahrerhöhungen i. S. d. § 29 Satz 1 VVG, einräumt, so ist dies für den Versicherungsnehmer zwar nachteilig. Allerdings wird der Versicherungsnehmer bei Ausübung des Kündigungsrechtes auch von seiner eigenen vertraglichen Bindung, insbesondere von seiner Verpflichtung zur Prämienzahlung, befreit. Wenn dem Versicherungsnehmer im Einzelfall ohnehin an einer Beendigung des Vertrages gelegen ist, kann er es daher vorziehen, die Kündigung und damit auch die Vereinbarung, aus der sich das Kündigungsrecht ergibt, gegen sich gelten zu lassen. Dass er dieses Ergebnis auch einseitig durch Ausübung seines Wahlrechtes herbeiführen kann, ist für ihn von Interesse, wenn der Versicherer später wieder von der Kündigung Abstand nehmen will und dazu auf die Unverbindlichkeit der vom Gesetz abweichenden Vereinbarung verweist. (Allerdings wird ein solches Verhalten des Versicherers regelmäßig treuwidrig sein). 278 279

2. Abschnitt: Die Rechtsfolgen eines Verstoßes

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Die Wahlmöglichkeit des Versicherungsnehmers kann zwar zur Folge haben, dass der Versicherungsnehmer, wenn man den Durchschnitt aller möglichen Anwendungsfälle der Vereinbarung bzw. der sie ersetzenden gesetzlichen Regelung betrachtet, besser (und damit der Versicherer umgekehrt schlechter) steht, als er sowohl bei ausschließlicher Anwendung des Gesetzes als auch bei uneingeschränkter Geltung des Vertrages stünde280: Wenn sich in manchen Fällen die Vereinbarung, in manchen dagegen das Gesetz für den Versicherungsnehmer günstiger auswirkt, kann der Versicherungsnehmer je nach Lage des konkret eingetretenen Falles durch die Ausübung seines Wahlrechtes die Geltung der jeweils günstigeren Regelung herbeiführen. Sofern während der Vertragslaufzeit mehrere Anwendungsfälle eintreten und man dem Versicherungsnehmer für jeden dieser Fälle ein gesondertes Wahlrecht einräumt281, kann sich eine Besserstellung des Versicherungsnehmers darüber hinaus auch im Hinblick auf die tatsächlich bei ihm eingetretenen Anwendungsfälle ergeben. Diese Auswirkung des Wahlrechtes muss der Versicherer aber hinnehmen. Es besteht stets die Möglichkeit, dass der Versicherungsnehmer die Unverbindlichkeit der überwiegend nachteiligen Regelung verkennt und deshalb ihre Anwendung auch in den Fällen akzeptiert, in denen sie sich zu seinen Lasten auswirkt. Im Hinblick auf diese Aussicht ist es dem Versicherer umgekehrt auch zumutbar, dass der Versicherungsnehmer durch eine geschickte Ausübung seines Wahlrechtes besser stehen kann, als er nach der gesetzlichen Regelung stünde. Dem Schutz des Versicherers wird jedenfalls dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass in jedem einzelnen Anwendungsfall entweder nur das Gesetz oder aber die von ihm selbst vereinbarte Regelung zur Anwendung kommen kann282. Bei gesetzlichen Verboten, die dem Schutz einer Vertragspartei zu dienen bestimmt sind, als Rechtsfolge jedoch die Unwirksamkeit einer abweichenden Vereinbarung anordnen, wird eine ähnliche Belastung des durch das Verbot nicht geschützten Teils ebenfalls mit dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens bzw. dem schutzwürdigen Vertrauen283 des geschützten Teils gerechtfertigt. Insbesondere bei Verstößen gegen die §§ 307 – 309 BGB n. F. wird in Rechtsprechung und Schrift280 Zu dieser Auswirkung der Verstoßfolge und zu Beispielen vgl. bereits im 1. Abschnitt unter A. III. 1. b) cc) (1) (S. 64 f.). 281 Vgl. dazu unten unter C. II. 1. (S. 145 f.). 282 Die Einräumung einer solchen Wahlmöglichkeit läuft auch nicht auf die oben im 1. Abschnitt unter A. III. 2. a) aa) (2) (S. 74 ff.) abgelehnte Auffassung des RG hinaus. Dort ging es um die Frage, ob ein Nachteil durch Vorteile in anderen möglichen Anwendungsfällen kompensiert und die Vereinbarung dadurch in allen ihren Anwendungsfällen uneingeschränkt wirksam werden kann. Hier wird dagegen die Verstoßfolge in Fällen untersucht, in denen Vorteile aus anderen Anwendungsfällen nicht zur Kompensation ausreichen und die Vereinbarung deshalb auch auf der Grundlage der hier vertretenen weiter gehenden Zulassung einer Saldierung unverbindlich ist. 283 So v. Bernuth BB 1999, 1284, 1286; Moritz WuB IV C. § 9 AGBG 12 S. 1036; ähnlich Prölss, in: Prölss / Martin Vorb.I Rn. 102 a. E., der ebenfalls mit dem Vertrauen des Versicherungsnehmers argumentiert.

8 Klimke

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

tum verbreitet eine Berufung des Verwenders auf die Unwirksamkeit der betroffenen AGB-Bestimmung als treuwidrig angesehen284. Der Kunde soll daher die jeweilige Klausel als wirksam für sich in Anspruch nehmen können. In der Verstoßfolge des VVG lässt sich eine Ausprägung dieses allgemeinen Rechtsgedankens erblicken. Der Unterschied zu einer Beschränkung der Unwirksamkeit nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) liegt dabei darin, dass nach dem VVG ein Wahlrecht des Versicherungsnehmers die regelmäßige gesetzliche Rechtsfolge ist, während es im Rahmen des § 242 BGB auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles und einer umfassenden Würdigung der Interessen der Parteien ankommt285. So werden für das AGBG a. F. (§§ 305 ff. BGB n. F.) verschiedene Umstände – etwa das Fehlen von Vertrauensdispositionen des geschützten Vertragsteiles oder die (z. B. aufgrund einer Rechtsprechungsänderung) fehlende Erkennbarkeit eines Verstoßes für den Verwender – diskutiert, die die Treuwidrigkeit der Berufung auf die Unwirksamkeit einer Klausel ausschließen können286. Solche Umstände spielen für das Wahlrecht des Versicherungsnehmers nach dem VVG grundsätzlich keine Rolle287. Es ist schließlich auch nicht plausibel, den Zweck der gesetzlichen Formulierung der Verstoßfolge wie etwa bei den §§ 444, 475 BGB n. F. allein in einem Ausschluss der Gesamtnichtigkeit des Vertrages nach § 139 BGB zu sehen. Zum einen wäre ein solcher Ausschluss überflüssig. § 139 BGB findet nach h. M. keine Anwendung, wenn der Zweck der Verbotsnorm die Gültigkeit des Rechtsgeschäftes im übrigen erfordert288. Auch wenn die Verstoßfolge des Gesetzes bei einer nachteiligen Abweichung von einer halbzwingenden Vorschrift die endgültige Unwirksamkeit der Vereinbarung wäre, würde man daher zur Wirksamkeit des restlichen 284 BGHZ 94, 44, 47.; BGH NJW 1987, 2506, 2507; v. Bernuth BB 1999, 1284, 1286. – Zum Teil wird auch vertreten, dass die Unwirksamkeitsfolge sich von vornherein auf die für den Kunden ungünstigen Teile einer Regelung beschränkt, vgl. dazu ausführlich unter B. II. 1. a) bb) (S. 123). Da die Belastung für den Verwender bei einer solchen Lösung aber noch größer wäre, da der Kunde die Begünstigung ganz unabhängig von den Nachteilen in Anspruch nehmen könnte, wäre die im Text diskutierte Belastung des Versicherers bei Zugrundelegung dieser Auffassung erst recht gerechtfertigt. 285 Statt aller: Palandt / Heinrichs § 242 Rn. 38 m. w. N. 286 Moritz WuB IV C. § 9 AGBG 12 S. 1036; v. Bernuth BB 1999, 1284, 1286. 287 Eine andere Frage ist es, ob nicht auch das gesetzliche Wahlrecht des Versicherungsnehmers wiederum nach Treu und Glauben ausgeschlossen sein kann: Dies ist an sich möglich, allerdings müssen dafür besondere Umstände vorliegen, die ein Abweichen von der grundsätzlichen gesetzlichen Entscheidung für ein Wahlrecht rechtfertigen, vgl. dazu unten unter C. IV.2. b) (S. 152). Dass es sich bei dem Wahlrecht um eine im Gesetz vorgesehene Rechtsfolge handelt, hat daher eine Veränderung der Begründungslast für die Zulässigkeit einer Inanspruchnahme der Vereinbarung als wirksam zur Folge. 288 Z. B. BGH NJW 2000, 1333, 1335; Palandt / Heinrichs § 139 Rn. 18 m. w. N.; Larenz AT § 23 II d S. 463 f., der dieses Ergebnis auf eine teleologische Reduktion des § 139 BGB stützt. Anders – der Schutzzweck der Norm ist nur ein, wenn auch im Ergebnis der ausschlaggebende, Gesichtspunkt bei einer im Rahmen des § 139 BGB durchzuführenden Abwägung – Hager, Auslegung, § 14 III 3 mit Fußnote 50.

2. Abschnitt: Die Rechtsfolgen eines Verstoßes

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Vertrages im übrigen kommen: Die Unverbindlichkeit der nachteiligen Vereinbarung soll den Versicherungsnehmer vor deren Folgen schützen und ihm die Geltung der gesetzlichen Regelung garantieren. Diesem Zweck würde es zuwiderlaufen, wenn die Abweichung von halbzwingenden Vorschriften zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrages führen könnte289. Zum anderen ließe sich, wenn die gesetzliche Formulierung bei halbzwingenden Vorschriften nur dem Ausschluss des § 139 BGB diente, auch nicht erklären, wieso das VVG bei zwingenden Vorschriften eine andere Formulierung gewählt hat und ausdrücklich die Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit als Verstoßfolge anordnet. Auch ein Verstoß gegen eine zwingenden Vorschrift des VVG kann nämlich, da auch diese Vorschriften regelmäßig lediglich dem Schutz des Versicherungsnehmers dienen, nicht über § 139 BGB zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages führen290.

3. Ergebnis Das durch Wortlaut und Systematik nahegelegte Verständnis der gesetzlichen Verstoßfolge lässt sich daher mit der vom Gesetz angestrebten Begünstigung des Versicherungsnehmers erklären. Mit der h. M. ist daher davon auszugehen, dass die Rechtsfolge einer nachteiligen Abweichung von halbzwingenden Vorschriften nicht die endgültige Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit der Vereinbarung ist. Vielmehr steht dem Versicherungsnehmer ein Wahlrecht zwischen der Vereinbarung und der gesetzlichen Regelung, von der durch die Vereinbarung abgewichen wird, zu. II. Nachteilige einseitige Rechtsgeschäfte Wenn ein einseitiges Rechtsgeschäft des Versicherungsnehmers gegen das Verbot nachteiliger Abweichungen verstößt, insbesondere weil es zu einem Zeitpunkt vorgenommen wird, in dem der Versicherungsnehmer seine Auswirkungen noch nicht überschauen kann291, so ist dieses Rechtsgeschäft nichtig292. Dem Versicherer ist die mit einer nachträglichen Wahlmöglichkeit des Versicherungsnehmers 289 Gegen eine Anwendung des § 139 BGB bei Verstößen gegen halbzwingende Vorschriften auch Sieg, in: Bruck / Möller § 68a VVG Anm. 4; BK / Beckmann § 68a VVG Rn. 5; vgl. auch BK / Riedler § 42 Rn. 4. 290 Etwas anderes gilt natürlich, wenn das Gesetz ausdrücklich die Gesamtnichtigkeit des Vertrages anordnet, vgl. z. B. §§ 51 Abs. 3, 59 Abs. 3 VVG. 291 Vgl. zu diesem Kriterium im einzelnen 1. Abschnitt unter A. II. 2. b) bb) (1) (S. 47 ff.). 292 Praktische Bedeutung hat diese Frage allerdings nur in seltenen Fällen: Zu denken ist etwa daran, dass der Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalles auf sein Widerspruchsrecht aus § 5a VVG verzichtet, dann dennoch seinen Widerspruch erklärt und anschließend – weil zwischenzeitlich ein Versicherungsfall eingetreten ist – wieder unter Berufung auf den Verzicht von dem Widerspruch abrücken möchte.

8*

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

verbundene Rechtsunsicherheit, die regelmäßig nicht von ihm geschaffen wurde, nicht zumutbar293.

B. Die von den Verstoßfolgen des VVG erfasste nachteilige „Vereinbarung“ Die Sanktionsnormen des VVG schließen nur eine Berufung des Versicherers auf die nachteilige „Vereinbarung“ aus. Gegenstand der unter A. beschriebenen Verstoßfolge – also des Wahlrechtes des Versicherungsnehmers – sind daher nur diejenigen Teile des Vertrages, die zu dieser nachteiligen „Vereinbarung“ gehören. Die Abgrenzung dieses Teils des Vertrages von dem Vertragsrest, der nicht der Verstoßfolge des VVG unterworfen ist, ist dabei in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: Zum einen kommt es darauf an, welche für den Versicherungsnehmer belastenden vertraglichen Regelungen Bestandteil der „Vereinbarung“ sind. Wenn eine Belastung zu der nachteiligen „Vereinbarung“ gehört, so ist sie für den Versicherungsnehmer unverbindlich. Ist sie dagegen Teil des nicht zu der „Vereinbarung“ zählenden Vertragsrestes, so muss der Versicherungsnehmer sie hinnehmen, da die Wirksamkeit des Vertrages insoweit nicht durch die nachteilige Abweichung berührt wird. Von Bedeutung ist dies insbesondere dann, wenn eine Vertragsbestimmung sowohl Belastungen für den Versicherungsnehmer enthält, die von einer halbzwingenden Vorschrift abweichen, als auch solche, bei denen dies nicht Fall ist. Ein Beispiel für eine solche Bestimmung ist der bereits oben294 angesprochene § 7 MB / KK. Soweit diese Regelung die Leistungspflicht des Versicherers für Versicherungsfälle ausschließt, die zum Zeitpunkt einer Kündigung nach § 41 Abs. 2 VVG oder eines Rücktritts nach § 20 VVG noch nicht beendet sind, enthält sie – jedenfalls nach h. M.295 – eine nachteilige Abweichung i. S. d. § 42 VVG bzw. i. S. d. 34a VVG von diesen Vorschriften. Im Hinblick auf andere Beendigungsgründe ist sie dagegen für den Versicherungsnehmer zwar belastend, weil der Umfang der Leistungspflicht des Versicherers begrenzt wird. Eine Abweichung von halbzwingenden Vorschriften bringt sie aber insoweit nicht mit sich. Es stellt sich daher die Frage, ob auch diese an sich gesetzeskonformen (Teil-)Regelungen zu 293 Dass einseitige Rechtsgeschäfte, die bereits bei ihrer Vornahme an einem Defekt leiden, im Hinblick auf die damit für den Geschäftsgegner verbundene Rechtsunsicherheit grundsätzlich nicht nachträglich wirsam werden können, kommt auch in § 111 Satz 1 BGB zum Ausdruck. Um eine § 180 Satz 2 BGB vergleichbare Situation geht es in den hier interessierenden Konstellationen nicht, da – anders als bei einem Vertreter ohne Vertretungsmacht – bei Vornahme des Rechtsgeschäftes von vornherein feststeht, dass die Wirksamkeitsvoraussetzungen zu diesem Zeitpunkt (mangels Überschaubarkeit der Nachteile) nicht vorliegen können. 294 Vgl. im 1. Abschnitt unter A. I. 1. b) (S. 32 f.). 295 Vgl. bereits oben Fußnoten 11 und 12.

2. Abschnitt: Die Rechtsfolgen eines Verstoßes

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der nachteiligen „Vereinbarung“ i. S. d. §§ 34a, 42 VVG gehören und damit für den Versicherungsnehmer unverbindlich sind oder ob sich die Verstoßfolge des VVG auf die Regelung der Rechtsfolgen einer Kündigung nach § 41 Abs. 2 VVG bzw. eines Rücktritts nach § 20 VVG beschränkt. Zum anderen hängt die Geltung von für den Versicherungsnehmer begünstigenden vertraglichen Regelungen von der Reichweite der nachteiligen Vereinbarung ab: Begünstigungen, die nicht Teil der Vereinbarung sind, sind unabhängig von einer Berufung des Versicherungsnehmers auf die nachteilige Vereinbarung uneingeschränkt wirksam296. Ist eine Begünstigung dagegen Teil der nachteiligen Vereinbarung, so ist sie mit den zu der Vereinbarung zählenden Belastungen, insbesondere mit dem den Verstoß gegen das VVG begründenden Nachteil, verknüpft. Jedenfalls soweit die Vor- und Nachteile der Vereinbarung in einem Anwendungsfall zusammentreffen297, kann der Versicherungsnehmer die begünstigende Wirkung der Vereinbarung nur für sich in Anspruch nehmen, wenn er in diesem konkreten Anwendungsfall zugleich auch die Nachteile in Kauf nimmt298. Der Versicherungsnehmer kann sich nur insgesamt auf die nachteilige „Vereinbarung“ berufen, andernfalls muss er es bei der gesetzlichen Regelung belassen299. 296 Dazu, dass der Vertrag nicht nach § 139 BGB insgesamt unverbindlich ist, vgl. bereits oben unter A. I. 2. b) (S. 114 f.). 297 Zu dem Sonderproblem, inwieweit der Versicherungsnehmer sich auf eine Vereinbarung berufen kann, wenn sie sich während der Laufzeit des Versicherungsvertrages in mehreren Anwendungsfällen auswirkt, vgl. unten unter C. II. 1. (S. 145 f.). 298 Keine praktische Bedeutung hat die Frage der Zugehörigkeit einer den Versicherungsnehmer begünstigenden Regelung zu der Vereinbarung allerdings, wenn die Vor- und Nachteile nicht in einem Anwendungsfall zusammentreffen (dies ist etwa in oben im 1. Abschnitt unter A. III. 1. a) aa) (3) (S. 58) geschilderten Entscheidung RGZ 162, 238 ff. der Fall) und die Vereinbarung während der Vertragslaufzeit nur einmal zur Anwendung kommt. Sofern sich in einem Anwendungsfall nämlich auschließlich die Vorteile verwirklichen, macht es keinen Unterschied, ob die vorteilige Regelung uneingeschränkt wirksam ist oder ob es zu ihrer Wirksamkeit (weil sie Teil der nachteiligen Vereinbarung ist) einer Berufung des Versicherungsnehmers darauf bedarf. Auch in letzterem Falle könnte der Versicherungsnehmer die Vorteile isoliert in Anspruch nehmen. 299 Zu einem anderen Ergebnis könnte man nur gelangen, wenn man eine isolierte Berufung des Versicherungsnehmers auf die begünstigenden Teile einer nachteiligen Vereinbarung für zulässig hielte. Die Anerkennung einer solchen „Teilberufung“ liegt nach dem Wortlaut des Gesetzes allerdings nicht sehr nahe. Sie würde dazu nötigen, die Reichweite der „Vereinbarung“, auf die sich der Versicherer nicht berufen kann, anders zu bestimmen als die Reichweite der „Vereinbarung“, die der Versicherungsnehmer für sich als wirksam in Anspruch nehmen kann. Zudem ließe sich eine generelle Möglichkeit des Versicherungsnehmers, sich isoliert auf die Vorteile aus einer Vereinbarung zu berufen, nur mit denselben Überlegungen rechtfertigen bzw. zurückweisen, die im folgenden für oder gegen eine Einbeziehung der Vorteile in die nachteilige Vereinbarung angeführt werden. Im Ergebnis würde daher – zumal auch davon auszugehen ist, dass der Versicherungsnehmer faktisch stets von einer „isolierten“ Berufungsmöglichkeit Gebrauch machen würde und die ausschließlich günstigen Teile der Vereinbarung daher ohnehin stets (endgültig) wirksam wären – nur der dogmatische Aufhänger für die folgenden Ausführungen ausgetauscht.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

Dies kann sich z. B. in dem bereits oben300 angesprochenen Fall auswirken, dass als Sanktion für eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung eine Vertragsstrafe vereinbart und zugleich das Rücktritts- und Anfechtungsrecht des Versicherers aus den §§ 16 ff. VVG, 123 BGB ausgeschlossen wird. Wenn man bei einer Saldierung dazu kommt, dass die Vorteile aus dem Ausschluss der Rechte des Versicherers die Belastung mit der Vertragsstrafe nicht kompensieren, stellt sich insbesondere die Frage, ob nur die Vertragsstraferegelung Bestandteil der nachteiligen Vereinbarung i. S. d. § 34a VVG ist oder ob dazu auch der dem Versicherungsnehmer günstige Ausschluss der §§ 16 ff. VVG, 123 BGB gehört. Im ersten Fall kann der Versicherungsnehmer den Ausschluss unabhängig von der Vertragsstraferegelung geltend machen. Wenn man den Ausschluss dagegen zu der nachteiligen „Vereinbarung“ zählt, kann er einen Rücktritt nur dann durch eine Berufung auf den Ausschluss abwenden, wenn er zugleich die Vertragsstrafe akzeptiert. Welche dem Versicherungsnehmer vorteilhaften Regelungen in die Vereinbarung einzubeziehen sind, ergibt sich dabei nicht schon ohne weiteres aus den Überlegungen, die oben301 zur Einbeziehung von Vorteilen in die Saldierung angestellt wurden. Dort ging es nur um die Frage, wann ein Vorteil dazu geeignet ist, eine Verschlechterung der Rechtsposition des Versicherungsnehmers auszugleichen. Damit ist aber noch nicht entschieden, dass solche Vorteile auch dann, wenn sie nicht zur Kompensation eines Nachteils ausreichen, Bestandteil der nachteiligen Vereinbarung sein müssten302. Die Begründung für die Zulässigkeit einer Saldierung lässt sich auf diese Fragestellung nicht übertragen. Dass bestimmte Vor- und Nachteile saldiert werden können, rechtfertigt sich – wie gezeigt – damit, dass auch der Versicherungsnehmer ein Interesse an der Schaffung von vom Gesetz abweichenden, nicht überwiegend nachteiligen Gestaltungen haben kann, ein Saldierungsverbot aber zur Folge hätte, dass solche Alternativen zur gesetzlichen Regelung nicht vereinbart würden303. Dieses Argument passt bei der Bestimmung der gesetzlichen Verstoßfolge nicht. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass einzelne Versicherungsnehmer– insbesondere wenn sich die Nachteiligkeit der Vereinbarung nur daraus ergibt, dass die Nachteile die Vorteile bei anderen Versicherungsnehmern bzw. anderen Gruppen von Versicherungsnehmer überwiegen – ein Interesse an der Vereinbarung überwiegend nachteiliger Abweichungen haben und es deshalb auch in ihrem Interesse läge, wenn nur eine aus Sicht des Versicherers möglichst milde (und damit möglichst wenig abschreckende) Sanktion eingreift. Die Berücksichtigung dieses Interesses bei der Bestimmung der gesetzlichen VerVgl. oben im 1. Abschnitt unter A. III. 2. a) aa) (1) (b) (S. 72 f.). Vgl. im 1. Abschnitt unter A. III. 1. b) cc) (S. 63 ff.). 302 Ähnlich Schmidt, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 6 AGBG Rn. 12 für das Verhältnis der Art und Weise der Inhaltskontrolle nach dem AGBG (§§ 307 – 309 BGB n. F.), d. h. der Ermittlung der Teile des Vertrages, die bei der Prüfung der Unangemessenheit der Benachteiligung in die Betrachtung einzubeziehen sind, zu der Ermittlung des Gegenstandes (= der Bestimmung in AGB, die von der Verstoßfolge erfasst wird) der Verstoßfolge. 303 Vgl. oben im 1. Abschnitt unter A. III. 1. b) cc) (S. 67 f.). 300 301

2. Abschnitt: Die Rechtsfolgen eines Verstoßes

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stoßfolge würde aber dem Zweck der gesetzlichen Sanktion zuwiderlaufen, da die gesetzliche Verstoßfolge – zum Schutz derjenigen Versicherungsnehmer, bei denen die Vorteile die Nachteile nicht ausgleichen – gerade die Vereinbarung von Nachteilen verhindern soll, denen keine gleich großen Vorteile gegenüberstehen.

I. Der Mindestinhalt der nachteiligen Vereinbarung Bestandteil der nachteiligen Vereinbarung ist zum einen mindestens die die nachteilige Abweichung vom VVG begründende, für den Versicherungsnehmer belastende vertragliche Regelung, soweit sie nicht durch Vorteile kompensiert wird304. Zum anderen gehören zu der Vereinbarung jedenfalls diejenigen Vertragsbestimmungen, die sich gedanklich nicht von dieser nachteiligen Regelung abtrennen lassen, ohne objektiv gegenstandslos zu werden305. Die Aufrechterhaltung einer Teilregelung, die bei Unverbindlichkeit der für den Versicherungsnehmer nachteiligen Abweichung keinen sinnvollen Anwendungsbereich mehr hätte, scheidet von vornherein aus306. Umgekehrt kann es sich bei der von der Verstoßfolge erfassten „Vereinbarung“ immer nur um einen Teil des ursprünglichen Versicherungsvertrages oder um eine nachträglich geschlossene ergänzende Abrede, nicht dagegen um den Vertrag insgesamt handeln. Darauf deutet schon die gesetzliche Formulierung hin. Zudem würde es auch dem Zweck des Verbotes nachteiliger Abweichungen zuwiderlaufen, wenn dem Versicherungsnehmer nur die Wahl zwischen der Geltung des Vertrages insgesamt (einschließlich der nachteiligen Abweichung) oder einem gänzlichen Verlust des Versicherungsschutzes gelassen würde.

304 Zu der Frage, welche belastenden Regelungen darüber hinaus zu der Vereinbarung gehören, wenn ein (teilbarer) Nachteil zum Teil durch Vorteile ausgeglichen wird, vgl. sogleich unter III. 2. a) (S. 139). 305 Darum geht es etwa, wenn ein für den Versicherungsnehmer nachteiliges Gestaltungsrecht des Versicherers, z. B. ein Recht zur Bedingungsänderung bei Eintritt einer objektiven Gefahrerhöhung [vgl. dazu im 2. Teil im 2. Abschnitt unter C. (S. 313)] oder ein Rücktrittsrecht bei subjektiven Gefahrerhöhungen (vgl. BGH NJW 1951, 231 ff.), an formale Beschränkungen (z. B. eine Frist oder eine bestimmte Form der Geltendmachung) gebunden wird, die bei Unverbindlichkeit der Gestaltungsmöglichkeit keine eigenständige Bedeutung mehr haben können. Dasselbe gilt, wenn die Ausübung eines solchen nachteiligen Gestaltungsrechtes zur Voraussetzung der Geltendmachung einer nach dem Gesetz unabhängig davon eintretenden Leistungsfreiheit (z. B. der Rücktritt zur Voraussetzung für eine Leistungsfreiheit nach § 25 VVG, vgl. BGH NJW 1951, 231 ff.) gemacht wird. 306 Dass die gedankliche Teilbarkeit eines Rechtsgeschäftes die Voraussetzung für seine teilweise Aufrechterhaltung ist, ist auch für § 139 BGB und Verstöße gegen andere Verbotsnormen anerkannt, vgl. Palandt / Heinrichs § 139 BGB Rn. 10.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

II. Die Einbeziehung von für den Versicherungsnehmer günstigen Regelungen in die Vereinbarung Über diesen Mindestinhalt hinaus sind möglicherweise auch für den Versicherungsnehmer günstige vertragliche Regelungen, die sich von dem Nachteil gedanklich abtrennen lassen, zu der Vereinbarung zu rechnen. Einer näheren Betrachtung bedürfen dabei allerdings nur diejenigen vorteilhaften vertraglichen Regelungen, die gerade im Hinblick auf den die nachteilige Abweichung begründenden Nachteil oder eine andere, zu der Vereinbarung gehörende Belastung307 des Versicherungsnehmers vereinbart wurden. Wenn eine Begünstigung auch ohne eine Belastung des Versicherungsnehmers in gleicher Form vereinbart worden wäre, also auch der Versicherer damit einverstanden gewesen wäre308, so scheidet eine Einbeziehung in die Vereinbarung in jedem Falle aus: Die Geltung einer solchen vorteilhaften Regelung kann nicht davon abhängen, dass der Versicherungsnehmer im Einzelfall auch den Nachteil in Kauf nimmt, da der Versicherer andernfalls allein infolge der Vereinbarung des Nachteiles besser stünde309. Dasselbe gilt, wenn ein Vorteil allein im Hinblick auf eine nicht zu der Vereinbarung gehörende – und damit uneingeschränkt wirksame – Belastung des Versicherungsnehmers vereinbart wurde.

307 Im folgenden wird zunächst unterstellt, dass über den unter I. beschriebenen Mindestinhalt hinaus auch andere den Versicherungsnehmer belastende Regelungen (z. B. Belastungen, die nicht vom VVG abweichen oder von dem die nachteilige Abweichung begründenden Nachteil abtrennbare Nachteile, die – für sich betrachtet – durch die Vorteile aus dem Vertrag kompensiert werden) Bestandteil der nachteiligen Vereinbarung sein können. Welche belastenden Regelungen dies sind, hängt seinerseits von dem Schicksal der auf diese Nachteile bezogenen Vorteile ab und wird unter III. erörtert. 308 Vgl. zu solchen Vorteilen und den Regeln, nach denen zu ermitteln ist, ob ein Vorteil gerade im Hinblick auf einen Nachteil ermittelt wurde, im 1. Abschnitt unter A. III. 2. a) aa) (1) (S. 70 ff.). 309 Dies gilt auch dann, wenn zur Aufrechterhaltung des Vorteils eine sprachliche Umgestaltung einer Vertragsbestimmung notwendig sein sollte. Ein Verbot der geltungserhaltenden Reduktion zugunsten des Versicherungsnehmers gibt es insoweit nicht, vgl. zum entsprechenden Problem bei Verstößen gegen das AGBG a. F. Canaris NJW 1988, 1243 f. – Große praktische Bedeutung hat die Frage der Einbeziehung solcher Vorteile in die Vereinbarung indes nicht, da der Versicherer kaum je eine für den Versicherungsnehmer ausschließlich vorteilhafte Regelung ohne einen Bezug zu einem Nachteil vereinbaren wird; jedenfalls wird es sich dabei regelmäßig nicht um eine mit dem Nachteil sachlich zusammenhängende Regelung [vgl. zu diesem Kriterium als Voraussetzung für eine Einbeziehung in die Saldierung im 1. Abschnitt unter A. III. 2. a) aa) (1) (S. 71 f.)] handeln. Bei fehlendem sachlichem Zusammenhang werden Vor- und Nachteil aber in aller Regel nicht in einem Anwendungsfall der Vereinbarung zusammentreffen; auf die Reichweite der Vereinbarung kommt es dann – vgl. Fußnote 298 – praktisch nicht an.

2. Abschnitt: Die Rechtsfolgen eines Verstoßes

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1. Begünstigungen, die ausschließlich im Hinblick auf zu der Vereinbarung gehörende Belastungen vereinbart wurden Denkbar ist es zunächst, dass eine für den Versicherungsnehmer günstige Regelung ausschließlich im Hinblick auf eine oder mehrere zu der nachteiligen Vereinbarung gehörende – und damit für den Versicherungsnehmer unverbindliche – Belastungen vereinbart wurde, weil davon auszugehen ist, dass es ohne Vereinbarung dieser Belastungen nicht zu der Vereinbarung des Vorteiles gekommen wäre. Darum geht es z. B., wenn dem Versicherer für den Fall einer (generellen) Gefahrerhöhung ein Recht zur Bedingungsänderung, insbesondere zur Einschränkung seiner Leistungspflicht, eingeräumt worden ist, zugleich aber auch ein Ausschluss des Kündigungsrechtes des Versicherers vereinbart wurde310. Eine solche Regelung ist für den Versicherungsnehmer überwiegend nachteilig311. Mindestens der Änderungsvorbehalt ist daher Bestandteil der nachteiligen Vereinbarung. Problematisch ist aber, ob auch der Kündigungsausschluss (der ohne den Änderungsvorbehalt nicht vereinbart worden wäre) dazu gehört. Von Bedeutung ist dies für die Frage, ob der Versicherungsnehmer eine Kündigung des Versicherers mit Hinweis auf den Ausschluss des Kündigungsrechtes zurückweisen kann, ohne eine Bedingungsänderung hinnehmen zu müssen.

a) Meinungsstand aa) Die Auslegung des VVG Das Schrifttum zum VVG behandelt zum Teil für den Versicherungsnehmer günstige Vertragsbestimmungen auch dann als wirksam, wenn sie gerade im Hinblick auf eine für den Versicherungsnehmer nachteilige Regelung, auf die sich der Versicherer wegen Verstoßes gegen das VVG nicht berufen kann, vereinbart wurden. Vertreten wird dies insbesondere – allerdings ohne nähere Begründung – für den oben geschilderten Fall, dass die Vereinbarung einer (zu hohen)312 Vertragsstrafe für eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung mit einem Ausschluss des Rücktrittsrechtes des Versicherers aus den §§ 16 ff. VVG kombiniert wird313. Obwohl diese Stimmen die Vertragsstraferegelung in vollem Umfange (und nicht nur, soweit die Vertragsstrafe zu hoch ist, um durch den Ausschluss des Rücktritts310 Dazu, dass in solchen Fällen in der Regel davon auszugehen ist, dass der Ausschluss gerade im Hinblick auf die Änderungsmöglichkeit vereinbart wurde, vgl. oben im 1. Abschnitt unter A. III. 2. a) aa) (1) (b) (S. 71). 311 Dazu, dass solche Regelungen überwiegend nachteilig für den Versicherungsnehmer sind, vgl. im 2. Teil im 2. Abschnitt unter C. (S. 313 ff.). 312 Vgl. zur zulässigen Höhe der Vertragsstrafe in solchen Fällen im 2. Teil im 1. Abschnitt unter B. II. (S. 208 ff.). 313 Johannsen, in: Bruck / Möller / Johannsen, Kraftfahrtversicherung, Anm. F3; Knappmann VersR 1996, 401, 407.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

rechtes kompensiert zu werden) für unverbindlich halten, soll der dem Versicherungsnehmer günstige Ausschluss der §§ 16 ff. VVG unabhängig davon Bestand haben314. Auch der BGH hat in seiner bereits oben315 angesprochenen Entscheidung zur Unzulässigkeit der Abbedingung des Kündigungserfordernisses aus § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG316 der Sache nach – allerdings ohne dies zu problematisieren – eine Aufspaltung aufeinander bezogener Vor- und Nachteile vorgenommen. In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Versicherer nach einer Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers das Versicherungsverhältnis gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 VVG gekündigt und seine Eintrittspflicht im Hinblick auf einen auf der Obliegenheitsverletzung beruhenden Versicherungsfall abgelehnt. In der Folgezeit vereinbarten die Parteien die Aufhebung der Kündigung unter gleichzeitiger Abbedingung des Kündigungserfordernisses des § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG317. Der BGH erblickte in der Abbedingung des Kündigungserfordernisses mit der oben geschilderten Begründung einen Verstoß gegen die §§ 6 Abs. 1 Satz 3, 15a VVG und bejahte unter Hinweis darauf eine Eintrittspflicht des Versicherers. Dieser Schluss des BGH von einem Verstoß gegen § 15a VVG auf eine Eintrittspflicht des Versicherers setzt voraus, dass man die nach der Kündigung getroffene Abrede aufspaltet und den für den Versicherungsnehmer ungünstigen Ausschluss des Kündigungserfordernisses des § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG als unverbindlich, die für ihn günstige318 – und nur im Hinblick auf die Abbedingung des § 6 Abs. 1 314 In den von den genannten Literaturstimmen besprochenen Fällen trifft die Vertragsstraferegelung allerdings in der Regel zusätzlich mit der Vereinbarung einer (rückwirkenden) Anpassung der Prämie an den Betrag zusammen, den der Versicherungsnehmer bei Berücksichtigung des nicht angezeigten Umstandes hätte bezahlen müssen (dies ist etwa bei den im 2. Teil im 1. Abschnitt unter B. (S. 206) besprochenen Regelungen in der Kraftfahrtversicherung der Fall). Der Ausschluss des Rücktrittsrechtes ist also in diesen Fällen auf zwei Nachteile bezogen, von denen man einen – die Prämienanpassung – u.U. aus der Vereinbarung ausnehmen könnte, weil er durch die Vorteile aufgewogen wird. In diesem Falle wäre der Ausschluss des Rücktrittsrechtes aber nicht ausschließlich auf eine Belastung bezogen, die zu der nachteiligen Vereinbarung gehört. Allerdings ist es zumindest denkbar, dass auch die Prämienanpassungsregelung – insbesondere weil Prämienanpassung und Vertragsstrafe sprachlich nicht voneinander zu trennen sind und deshalb das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion eingreift [vgl. dazu unten III. 2. (S. 138)] oder weil sie nicht durch die Vorteile aus dem Ausschluss der §§ 16 ff. VVG kompensiert wird [vgl. dazu im 2. Teil im 1. Abschnitt unter A. III. 1. b) und c) (S. 194 ff.)] – Bestandteil der nachteiligen Vereinbarung und damit unverbindlich ist. Auch in diesem Fall würde die geschilderte Ansicht – die auf den Zusammenhang mit der Prämienerhöhung nicht eingeht – aber wohl den Ausschluss des Rücktrittsrechtes für wirksam halten. 315 s. dazu im 1. Abschnitt unter A. II. 1. a) (S. 43). 316 BGH VersR 1988, 1013 ff. 317 Dass auch letzteres vereinbart wurde, ergibt sich aus der vom BGH unter II. 1. der Gründe wiedergegebenen Auslegung des Berufungsgerichtes. 318 Man könnte höchstens darüber streiten, ob die Aufhebung der Kündigung für den Versicherungsnehmer ausschließlich günstig oder – weil er dadurch auch zur Zahlung der Prämie

2. Abschnitt: Die Rechtsfolgen eines Verstoßes

123

Satz 3 VVG vereinbarte – rückwirkende Aufhebung der Kündigung dagegen als wirksam behandelt. Bei einem solchen Verständnis scheitert eine Leistungsfreiheit des Versicherers daran, dass weder dem Kündigungserfordernis des § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG genügt noch dieses Erfordernis wirksam abbedungen wurde. Wenn man dagegen die ganze nach der Kündigung getroffene Abrede als einheitliche „Vereinbarung“ behandelt und entweder insgesamt als unverbindlich oder – wenn sich der Versicherungsnehmer auf sie beruft – als wirksam behandelt, wäre der Versicherer ungeachtet des Verstoßes gegen § 15a VVG leistungsfrei: Bei Unwirksamkeit der gesamten Vereinbarung wäre auch die Aufhebung der Kündigung unwirksam. Damit lägen aber die Voraussetzungen für eine Leistungsfreiheit des Versicherers aus § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG vor. Wenn die Vereinbarung dagegen insgesamt wirksam ist, müsste der Versicherungsnehmer auch den Ausschluss des § 6 Abs. 1 Satz 3 VVG gegen sich gelten lassen. Die fehlende Beendigung des Versicherungsverhältnisses stünde dann der Berufung des Versicherers auf die Leistungsfreiheit nicht entgegen. Auch der BGH geht in dieser Entscheidung damit im Ergebnis von einer isolierten Wirksamkeit des für den Versicherungsnehmer günstigen Teiles der Abrede aus, obwohl dieser ausschließlich im Hinblick auf die für den Versicherungsnehmer unverbindliche Belastung – den Ausschluss des Kündigungsrechtes – vereinbart wurde319. bb) Das Parallelproblem bei Verstößen gegen die §§ 307 – 309 BGB n. F. Ein entsprechendes Problem stellt sich bei der Inhaltskontrolle von Regelungen in AGB i. S. d. § 305 BGB n. F. (§ 1 AGBG a. F.), die für den Kunden im Vergleich zu dispositivem Gesetzesrecht neben Nachteilen auch Vorteile mit sich bringen. Solche Regelungen verstoßen gegen § 307 BGB n. F., wenn die Vorteile nicht ausreichen, um eine unangemessene Benachteiligung des Kunden abzuwenden320. Auch in solchen Konstellationen stellt sich die Frage, ob der für den Kunden ausschließlich günstige Regelungsteil Teil der unwirksamen „Bestimmung“ i. S. d. §§ 307 ff. BGB n. F. ist oder nicht.

verpflichtet bleibt – auch teilweise nachteilig. Letzteres überzeugt indes nicht: Da die Wirksamkeit der Kündigung nach dem Gesetz Voraussetzung für die Geltendmachung der Leistungsfreiheit ist, ist die Beseitigung einer bereits ausgesprochenen Kündigung, durch die die Leistungsfreiheit des Versicherers beseitigt wird, für den Versicherungsnehmer ausschließlich vorteilhaft. 319 Keine eindeutigen Rückschlüsse für das vorliegende Problem lässt die Entscheidung BGH NJW 1951, 231 ff. zu. Der BGH spricht sich in dieser Entscheidung zwar dafür aus, dass sich der Versicherungsnehmer auf die Vereinbarung berufen und Rechte aus ihr herleiten könne, auch wenn sie Abweichungen enthalte, die ihn benachteiligten. In dem konkret entschiedenen Fall ging es indes nur um einen Vorteil, der sich gedanklich gar nicht von dem Nachteil trennen ließ, vgl. dazu bereits oben Fußnote 305. 320 Vgl. allgemein zur Möglichkeit einer solchen Kompensation Brandner, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 9 AGBG Rn. 85 f. m. w. N. sowie die in Fußnote 140 Zitierten.

124

1. Teil: Allgemeine Grundsätze

Teile des Schrifttums und der obergerichtlichen Rechtsprechung nehmen für den Kunden günstige Regelungen in AGB von den Verstoßfolgen der §§ 305 ff. BGB n. F. (AGBG a. F.) aus. Teils vorteilhafte, teils nachteilige Regelungen in AGB sollen danach hinsichtlich des den Kunden benachteiligenden Inhaltes unwirksam, bezüglich der zu dessen Gunsten bestehenden Beschränkungen der Rechtsstellung des Verwenders dagegen wirksam sein321. Für diese als „personale Teilunwirksamkeit“322 bezeichnete Rechtsfolge werden dabei in einer Entscheidung des Kammergerichtes ausdrücklich die halbzwingenden Vorschriften des VVG als Modell herangezogen und damit unterstellt, dass auch dem VVG eine entsprechende Verstoßfolge zu entnehmen ist323. Begründet wird dies mit dem Schutzzweck der §§ 305 ff. BGB n. F.: Es sei nicht das Ziel dieser Vorschriften, den Verwender vor den für ihn nachteiligen Folgen seiner eigenen Vertragsbedingungen zu schützen324. 321 So ausdrücklich KG VVGE § 61 Nr. 20 S. 3; Schmidt, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 6 VVG Rn. 16; Erman / Hefermehl / Werner § 6 AGBG Rn. 13; Roth, Vertragsänderung, S. 48 m. w. N.; differenzierend Lindacher, in: Wolf / Horn / Lindacher § 6 VVG Rn. 46. 322 Ganz einheitlich ist die Terminologie insoweit nicht; z. T. wird als personale Teilunwirksamkeit wohl nur der Fall verstanden, dass eine nach ihrem Wortlaut für beide Vertragsparteien geltende Regelung, z. B. eine Vertragsstraferegelung, die für Pflichtverletzungen des Kunden wie des Verwenders gleichermaßen gilt, hinsichtlich ihres auf den Verwender bezogenen Teils eine unangemessene Benachteiligung des Kunden enthält. Eine solche Klausel soll nur insoweit („personal“) unwirksam sein, als sie dem Verwender Rechte gibt (nur mit diesem Fall beschäftigen sich z. B. Schmidt, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 6 VVG Rn. 16; Roth, Vertragsänderung, S. 48). Zum Teil wird allerdings auch eine sachliche Teilung nur den Kunden belastender AGB-Regelungen als „personale Teilunwirksamkeit“ bezeichnet, vgl. z. B. von Bernuth BB 1999, 1284, 1285; zu dieser Differenzierung vgl. auch Ungeheuer, WuB IV C. § 6 AGBG 1.98, S. 728. 323 KG VVGE § 61 Nr. 20 S. 4 f. 324 Schmidt, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 6 Rn. 16; Erman / Hefermehl / Werner § 6 Rn. 13. Ob nach dieser Ansicht tatsächlich eine Teilunwirksamkeit der ausschließlich nachteiligen Teile eintreten soll, ist allerdings nicht ganz unproblematisch: Dafür spricht zwar die geschilderte einschränkungslose Umschreibung der Teilunwirksamkeit. Ganz zweifelsfrei ist diese Interpretation der geschilderten Auffassung indes nicht. Fraglich ist insbesondere, ob dem Kunden auch in den Fällen, in denen eine Klausel in einem konkreten Anwendungsfall für den Kunden sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich bringt, eine isolierte Inanspruchnahme der Vorteile ermöglicht werden soll oder ob nur eine Berufung auf die Klausel insgesamt (also mit allen Vor- und Nachteilen) zugelassen werden und damit lediglich eine Rechtsfolge eintreten soll, die das VVG in jedem Falle (d. h. auch dann, wenn man die günstigen Teilregelungen als Bestandteil der nachteiligen „Vereinbarung“ ansieht) vorsieht. Für das letztgenannte Verständnis spricht insbesondere, dass zum Teil auf die Rechtsprechung des BGH, die den Ausschluss der Berufung des Versicherungsnehmers auf § 242 BGB stützt, verwiesen wird (so insbesondere das KG VVGE § 61 Nr. 20 S. 4 f.). Wenn man den Ausschluss des Verwenders auf die Unwirksamkeit aus § 242 BGB herleitet, lässt sich nämlich regelmäßig nicht begründen, dass der Kunde die Vorteile aus der Klausel isoliert in Anspruch nehmen kann, ohne die damit im konkreten Einzelfall zugleich auch verbundenen Nachteile in Kauf zu nehmen: Wenn der Versicherer darauf besteht, dass die Vereinbarung entweder ganz oder gar nicht zur Anwendung kommt, setzt er sich nicht in Widerspruch zu seinem früheren Verhalten, vgl. dazu unter b) dd) (2) (S. 128). Auch die zitierte Entscheidung des KG betraf nur

2. Abschnitt: Die Rechtsfolgen eines Verstoßes

125

Die Gegenansicht lehnt eine teilweise Aufrechterhaltung ersichtlich in Zusammenhang stehender Regelungen in AGB ab325. Argumentiert wird dabei vor allem damit, dass der Verwender die Besserstellung des Kunden erkennbar mit der für den Kunden nachteiligen Regelung habe verknüpfen wollen. Im Hinblick auf diesen Zusammenhang müsse die Unwirksamkeit beide Regelungen erfassen326. Eine Bestrafung des Verwenders sei nicht das Ziel der §§ 305 ff. BGB n. F.327. Zur Begründung der Erheblichkeit des Verwenderwillens wird zudem zum Teil § 139 BGB herangezogen328. Je nach Lage des Einzelfalles soll lediglich eine Berufung des Versicherers auf die Unwirksamkeit treuwidrig (und damit eine Inanspruchnahme der Bestimmung durch den Kunden zulässig) sein können329. Auch nach Ansicht des BGH kann sich der Verwender von AGB nicht auf die Unwirksamkeit der von ihm selbst formulierten Vertragsbedingungen berufen330. Ob die für den Kunden günstigen Teile einer Klausel isoliert aufrechterhalten werden sollen oder ob dem Kunden lediglich die Möglichkeit gegeben werden soll, sich auf Vor- und Nachteile insgesamt zu berufen, ergibt sich aus den bisher ergangenen Entscheidungen allerdings nicht eindeutig331.

einen Fall, in dem die unwirksame Vereinbarung insgesamt zur Anwendung kam. Ausdrücklich Stellungnahmen zu dieser Differenzierung finden sich bei den genannten Stimmen im Schrifttum allerdings nicht (anders nur Lindacher, in: Wolf / Horn / Lindacher § 6 Rn. 46, der darauf abstellt, ob sich bei einer für beide Teile gleichermaßen geltenden Regelung nach der konkreten Regelungssituation sowohl die Vor- als auch die Nachteile für den Versicherungsnehmer auswirken). 325 Soergel / Stein § 6 AGBG Rn. 12; v.Bernuth BB 1284, 1285 f.; Feiber NJW 1980, 1148; Koch / Stübing § 11 Nr. 1 Rn. 24. 326 Soergel / Stein § 6 AGBG Rn. 12. 327 Ungeheuer WuB IV C. § 6 AGBG 1.98 S. 728. 328 Feiber NJW 1980, 1148; auch von Canaris NJW 1988, 1243, 1244 wird vorausgesetzt, dass eine dem Kunden günstige Regelung in AGB, die nur einen unselbständiger Teil einer insgesamt nachteiligen Regelung ist, nach § 139 BGB an der Unwirksamkeit der Gesamtregelung teilhaben kann. 329 Vgl. v.Bernuth BB 1999, 1284, 1286. 330 BGHZ 94, 44, 47.; BGH NJW 1987, 2506, 2507; BGH NJW-RR 1998, 594, 595. 331 Für die letztgenannte Auslegung spricht, dass BGHZ 94, 44, 47 und BGH NJW 1987, 2506, 2507 ausdrücklich mit § 242 BGB argumentieren. BGH NJW-RR 1998, 594, 595 verzichtet auf eine ausdrückliche dogmatische Einordnung seines Ergebnisses, bezieht sich aber zur Begründung auf die Entscheidungen, die die Treuwidrigkeit der Berufung des Verwenders auf die Unwirksamkeit hervorheben. Die vom BGH entschiedenen Fälle betrafen dabei allerdings jeweils Sachverhalte, in denen sich mit der beanstandeten Regelung verbundenen Nachteile im konkreten Fall gar nicht auswirkten und es daher auf die Unterschiede zwischen einer Teilwirksamkeit und einer Anwendung des § 242 BGB nicht ankam.

126

1. Teil: Allgemeine Grundsätze

b) Stellungnahme aa) Der Wortlaut des Gesetzes Aus dem Wortlaut des VVG ergibt sich keine eindeutigen Lösung des Problems. Das Gesetz schließt nur die Berufung des Versicherers auf die für den Versicherungsnehmer nachteilige Vereinbarung aus, ohne zu sagen, welche Teile des Vertrages dazu gehören. Die durch die gesetzliche Formulierung eingeräumte Wahlmöglichkeit für den Versicherungsnehmer spricht allerdings eher dafür, dass auch vorteilhafte vertragliche Regelungen Bestandteil der nachteiligen „Vereinbarung“ sein können, da ein Wahlrecht des Versicherungsnehmers im Hinblick auf eine ausschließlich nachteilige Regelung regelmäßig überflüssig wäre332. bb) Ausdehnung der Verstoßfolgen gemäß § 139 BGB? Es ist davon auszugehen, dass der Versicherer, wenn er von der Unzulässigkeit der nachteiligen Abweichung gewusst hätte, nicht mit einer isolierten Wirksamkeit der für den Versicherungsnehmer günstigen Regelung einverstanden gewesen wäre. Ein hypothetischer, auf die Aufrechterhaltung gerichteter Parteiwille lässt sich daher nicht feststellen. Daraus kann man aber nicht ohne weiteres (d. h. ohne weitere Auslegung des VVG) den Schluss ziehen, dass die Verstoßfolge des VVG gemäß § 139 BGB auch auf diesen Teil der ursprünglichen vertraglichen Regelung zu erstrecken ist. § 139 BGB ist für die Auslegung des Begriffes der „Vereinbarung“ schon deshalb keine Aussage zu entnehmen, weil diese Vorschrift die teilweise Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes – bei Anwendung auf Verstöße gegen halbzwingende Vorschriften des VVG also den Ausschluss der Berufung des Versicherers auf einen Teil des Versicherungsvertrages333 – lediglich voraussetzt, ohne selbst eine Entscheidung darüber zu treffen, welche Teile bei Anwendung der jeweiligen materiellen Verbotsnorm der Verstoßfolge unterliegen. In welchen Fällen sich eine sachlich zusammenhängende vertragliche Regelung weiter zerlegen lässt, kann daher nicht mit Hilfe des § 139 BGB, sondern nur durch Auslegung der einschlägigen Sanktionsnorm, hier also des VVG, entschieden werden334. Man könnte § 139 BGB allenfalls den allgemeinen – auch bei der Auslegung der jeweiligen Verbotsnorm zu berücksichtigenden – Rechtsgedanken entnehmen, 332 Vgl. zu der geringen praktischen Bedeutung des Wahlrechtes, wenn die Vereinbarung ausschließlich nachteilig ist, bereits oben in Fußnote 298. 333 Dass die Folge eines Verstoßes gegen das VVG nicht die Nichtigkeit des Vereinbarung ist, würde die Anwendung des § 139 BGB nicht von vornherein hindern, da § 139 BGB auch auf schwebend unwirksame Vereinbarungen Anwendung findet (Palandt / Heinrichs § 139 Rn. 2); der Ausschluss der Berufung des Versicherers auf die Vereinbarung ähnelt aber dieser Rechtsfolge, vgl. dazu unter C. I. 2. (S. 146 f.). 334 Vgl. z. B. H.Schmidt, Vertragsfolgen, S. 133 m. w. N.; Ulmer NJW 1981, 2025, 2028; Hager, Auslegung, S. 147 f.

2. Abschnitt: Die Rechtsfolgen eines Verstoßes

127

dass auch der (hypothetische) Parteiwille für die Reichweite der Sanktion von Bedeutung ist335. Damit allein – d. h. ohne Rückgriff auf die sonstige Zwecksetzung des Gesetzes – kann man allerdings keine Erstreckung der Verstoßfolge auf für den Versicherungsnehmer günstigen (und damit an sich gesetzeskonformen) Vertragsteile begründen, da § 139 BGB – wie gezeigt336 – nicht greift, wenn der Zweck der Verbotsnorm die Gültigkeit des Rechtsgeschäftes im übrigen erfordert. cc) § 306 BGB n. F. (§ 6 Abs. 1 AGBG a. F.) analog? Umgekehrt lässt sich das vorliegende Problem, soweit es um in AVB enthaltene Vereinbarungen geht, auch nicht ohne Rückgriff auf den hypothetischen Parteiwillen und den Zweck des VVG mit einer Analogie zu § 306 BGB n. F. lösen. § 306 Abs. 1 BGB n. F. kann nach ganz h. M. zwar analog Anwendung finden, wenn sich die Unwirksamkeit von AGB nicht (nur) aus den §§ 307 – 309 BGB n. F., sondern aus anderen Verbotsnormen ergibt337. Zudem wird § 306 Abs. 1 BGB n. F. auch für unabdingbar gehalten, so dass ein entgegenstehender Parteiwille insoweit unerheblich wäre338. § 306 Abs. 1 BGB n. F. setzt aber ebenso wie § 139 BGB voraus, dass die Unwirksamkeit nur einen bestimmten Teil des Vertrages erfasst. Für die Frage, ob eine in AGB enthaltene Bestimmung ganz oder teilweise unwirksam ist, lassen sich der Vorschrift daher keine Maßstäbe entnehmen339. Zudem wird die Analogie zu § 306 Abs. 1 BGB n. F. gerade darauf gestützt, dass die davon erfassten Normen ebenso dem Schutz des Kunden dienten wie die §§ 305 ff. BGB n. F. und daher wie bei den §§ 305 ff. BGB ein Bedürfnis nach teilweiser Aufrechterhaltung bestehe340. Die Analogie setzt damit ebenso wie die Anwendung des § 139 BGB eine Auslegung der materiellen Verbotsnorm voraus341.

So wohl Feiber NJW 1980, 1148. s. oben A. I. 2. b) (S. 114). 337 BGHZ 129, 297, 306; BGH NJW 1992, 886, 887 m. w. N.; Roth, Vertragsänderung, S. 17, Palandt / Heinrichs § 306 BGB n. F. Rn. 3. 338 Dass § 306 BGB n. F. die teilweise Unwirksamkeit von Bedingungen regelt, steht einer analogen Anwendung auf Verstöße gegen halbzwingende Vorschriften des VVG ebensowenig entgegen wie im Falle des § 139 BGB. 339 H.Schmidt, Vertragsfolgen, S. 142; Ulmer NJW 1981, 2025, 2028. 340 Roth, Vertragsänderung, S. 17. Auch der BGH (z. B. BGHZ 84, 109, 115 ff.) behandelt die Frage der geltungserhaltenden Reduktion bei Verstößen gegen das AGBG als Problem der Auslegung der §§ 9 – 11 AGBG. 341 Eine Analogie zu § 306 BGB n. F. führt damit zu keinem anderen Ergebnis, als wenn man allein § 139 BGB anwendet, diese Vorschrift aber im Hinblick auf den Schutzzweck des Verbotsgesetzes teleologisch reduziert, vgl. Roth, Vertragsänderung, S. 17. 335 336

128

1. Teil: Allgemeine Grundsätze

dd) Der Zweck des VVG Entscheidend ist demnach, welche Reichweite der nachteiligen Vereinbarung dem Zweck des VVG entspricht. Die isolierte Wirksamkeit einer für den Versicherungsnehmer günstigen, auf den für ihn unverbindlichen Nachteil bezogenen Regelung führt dazu, dass der Versicherungsnehmer auch in den Fällen, in denen sich Vor- und Nachteil gleichzeitig auswirken, in den Genuss des Vorteils kommt, ohne den Nachteil gegen sich gelten lassen zu müssen. Dadurch wird der Versicherer einer noch weitergehenden Belastung ausgesetzt, als sie ohnehin mit dem Wahlrecht des Versicherungsnehmers verbunden ist. Der Versicherungsnehmer kann dadurch auch in den einzelnen Anwendungsfällen der Vereinbarung für sich betrachtet besser stehen, als er sowohl bei Anwendung der gesetzlichen Regelung als auch bei uneingeschränkter Wirksamkeit des ursprünglichen Vertragsinhaltes stünde. Dass der Gesetzgeber eine solche Rechtsfolge und die damit verbundene Beschränkung der Vertragsfreiheit des Versicherers anstrebt, ist – mangels ausdrücklicher Anhaltspunkte im Wortlaut – nur anzunehmen, wenn sich dies durch eine besondere Zwecksetzung rechtfertigen lässt. (1) Schutz vor überwiegend nachteiligen Abweichungen Das VVG will verhindern, dass der Versicherungsnehmer an eine überwiegend nachteilige Abweichung ohne eine eigene Entscheidungsmöglichkeit gebunden ist. Dieses Ziel kann zwar schon dadurch erreicht werden, dass lediglich der für den Versicherungsnehmer nachteilige Teil für diesen unverbindlich ist. Andererseits ergibt sich aus dieser Zwecksetzung aber nicht, dass ein auf den unverbindlichen Nachteil bezogener, für den Versicherungsnehmer günstiger Vertragsteil isoliert aufrechterhalten werden müsste. Auch wenn man Vor- und Nachteile als einheitliche Vereinbarung betrachtete, würde der Versicherungsnehmer dadurch vor der nachteiligen Abweichung geschützt, dass er sich auch für die Geltung der gesetzlichen Regelung entscheiden kann. Mit dem Schutz des Versicherungsnehmers lässt sich daher eine Beschränkung der Vereinbarung auf die für den Versicherungsnehmer nachteilige Regelung nicht rechtfertigen. (2) Widersprüchliches Verhalten des Versicherers Die beschriebene Belastung des Versicherers lässt sich auch nicht, wie die Möglichkeit des Versicherungsnehmers, sich im Einzelfall auf Vor- und Nachteile insgesamt zu berufen, damit rechtfertigen, dass sich der Versicherer an dem von ihm selbst vereinbarten Vertragsinhalt festhalten lassen muss. Der Versicherer setzt sich zu seinem früheren Verhalten nicht in Widerspruch, wenn er verlangt, dass auf einen Sachverhalt die dafür einschlägige vertragliche Regelung entweder insgesamt oder aber gar nicht zur Anwendung kommt.

2. Abschnitt: Die Rechtsfolgen eines Verstoßes

129

(3) Prävention Man könnte daran denken, eine Beschränkung der Verstoßfolgen des VVG auf die für den Versicherungsnehmer belastende Regelung damit zu begründen, dass der Versicherer von der Vereinbarung nachteiliger Abweichungen von halbzwingenden Vorschriften abgeschreckt werden müsse. Verbotsnormen, die dem Schutz einer Vertragspartei dienen sollen, als Verstoßfolge aber die Unwirksamkeit abweichender Vereinbarungen vorsehen, wird zum Teil eine solche präventive Zielsetzung beigemessen342. Insbesondere für Verstöße gegen die §§ 307 ff. BGB n. F. wird das Verbot einer geltungserhaltenden Reduktion unwirksamer AGB-Klauseln auf ihren gerade noch zulässigen, für den Kunden aber immer noch belastenden „Kern“, das von Rechtsprechung343 und h. M.344 vertreten wird, unter anderem damit begründet, dass trotz der Unwirksamkeit einer gegen die §§ 307 ff. BGB n. F. verstoßenden Klausel die Gefahr bestehe, dass der Kunde die Unzulässigkeit nicht erkenne und deshalb im Streitfall die unwirksame AGB-Regelung akzeptiere. Daher dürfe der Verwender nicht die Grenzen des Zulässigen überschreiten können, ohne ein über die Reduktion der Klausel auf ihren gesetzeskonformen Kern hinausgehendes Risiko – nämlich die Gefahr einer vollständigen Unwirksamkeit der zu weit gehenden Klausel – einzugehen345. Auch wenn man diese Argumentation auf das VVG überträgt und ihm eine entsprechende präventive Zielsetzung entnimmt346, kann dieses Ziel in den hier interessierenden Fällen indes keine isolierte Wirksamkeit eines auf den Nachteil bezogenen Vorteils rechtfertigen. Die isolierte Wirksamkeit der für den Versicherungsnehmer günstigen Abweichungen von der gesetzlichen Regelung ist zwar besser zur Abschreckung des Versicherers geeignet, als dies eine Wahlmöglichkeit des Versicherungsnehmers zwischen dem Gesetz und der Geltung der gesamten, teils vorteilhaften, teils nachteiligen Regelung wäre, da der Versicherer dadurch stärker belastet wird. Gegen eine teilweise Aufrechterhaltung spricht aber, dass dadurch ein Versicherer, der neben ungünstigen Abweichungen auch Vorteile für den Versicherungsnehmer im Vergleich zu den halbzwingenden Vorschriften des VVG vorsieht, einem größeren Risiko ausgesetzt wäre als ein Versicherer, der ausschließlich zu Lasten des Versicherungsnehmers vom Gesetz abweicht. Letzterer muss nur befürchten, dass an die Stelle der ursprünglichen vertraglichen Regelung die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften treten, während ersterer darüber hinaus 342 Dies gilt insbesondere für § 138 BGB, vgl. BGHZ 68, 204, 207; BGH NJW 2001, 815, 817; Canaris FS Steindorff, 519, 520 ff. 343 Z. B. BGHZ 84, 109, 115 ff.; BGHZ 120, 108, 122 ff. 344 H.Schmidt, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 6 AGBG Rn. 14; Lindacher, in: Wolf / Horn / Lindacher § 6 AGBG Rn. 31 ff.; Palandt / Heinrichs Vorb. § 8 AGBG Rn. 19. Zweifelnd im Hinblick auf AVB Schirmer ZVersWiss 1986, 509, 571; Prölss Vorb.I Rn. 103. 345 Vgl. grundlegend BGHZ 84, 109, 116 und die in Fußnote 344 Genannten; kritisch zu diesem Argument z. B. Hager JZ 1996, 175, 177. 346 s. dazu unten unter III. 1. (S. 134 ff.).

9 Klimke

130

1. Teil: Allgemeine Grundsätze

der Geltung einer für ihn in jedem Einzelfall noch ungünstigeren Ersatzregelung ausgesetzt sein kann347. Diese Unterscheidung lässt sich nicht begründen. Ein größeres Bedürfnis nach Prävention besteht bei einer nicht ausschließlich nachteiligen Abweichung grundsätzlich nicht. Im Gegenteil kann bei einer Kombination von für den Versicherungsnehmer ungünstigen Regelungen mit im Gesetz nicht vorgesehenen Vorteilen eher davon ausgegangen werden, dass der Versicherer die Unzulässigkeit der Regelung verkannt hat (und deshalb ein jedenfalls weniger geeigneter Adressat für abschreckende Sanktionen ist), als dies bei einer ausschließlich nachteiligen Abweichung der Fall wäre348. Zu einer anderen Beurteilung kann man allenfalls dann kommen, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer gerade durch die Gewährung besonderer Vorteile dazu gebracht hat, sich auf eine nachteilige Abweichung vom VVG einzulassen. Dies kann jedoch insbesondere bei Abweichungen in AVB nicht als Regelfall angesehen werden, da über deren Inhalt typischerweise gar nicht im einzelnen gesprochen wird. Eine generelle Bestimmung der Verstoßfolgen des VVG lässt sich daher nicht allein im Hinblick darauf begründen. Wenn der Versicherer im Einzelfall eine Besserstellung im Vergleich zur gesetzlichen Regelung als „Lockmittel“ eingesetzt und dadurch den Zusammenhang mit dem Nachteil verschleiert hat, so ist dies vielmehr dadurch zu berücksichtigen, dass man dem Versicherungsnehmer in solchen Fällen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausnahmsweise eine isolierte (d. h. von den Nachteilen unabhängige) Berufung auf diese Vorteile gestattet. (4) Keine einseitige Wahrnehmung der Interessen des Versicherers Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion bei Verstößen gegen die §§ 307 ff. BGB n. F. wird von der h. M. außer mit den geschilderten präventiven Erwägungen auch mit der bei einer geltungserhaltenden Reduktion drohenden einseitigen Wahrnehmung der Interessen des Verwenders begründet: Es sei nicht die Aufgabe des Richters, diejenige gerade noch zulässige Fassung einer Klausel zu finden, die den Interessen des Verwenders maximal Rechnung trage349. Den Ver347 Diese Argumentation steht nicht im Widerspruch zu der generellen Rechtfertigung einer Wahlmöglichkeit des Versicherungsnehmers unter A. I. 2. (S. 111 ff.). Das Wahlrecht des Versicherungsnehmers wurde dort nicht mit präventiven Überlegungen, sondern – außer mit dem Wortlaut des Gesetzes – damit gerechtfertigt, dass sich der Versicherer ansonsten zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch setzen würde; die drohende Verkennung der Unverbindlichkeit der Vereinbarung durch den Versicherungsnehmer diente nur als Argument für die Zumutbarkeit der Belastung für den Versicherer. 348 Bei einer ausschließlich nachteiligen Abweichung müsste der Versicherer schon das Vorliegen einer Abweichung überhaupt verkannt haben, um gutgläubig zu sein. Dies ist zwar nicht ganz auszuschließen, weil auch das „Ob“ einer Abweichung umstritten sein kann [zu einem Beispiel vgl. im 2. Teil im 1. Abschnitt unter C. (S. 215 ff.)], die Regel wird dies indes nicht sein. 349 Z. B. BGHZ 84, 109, 115 f.; BGHZ 96, 18, 25 f.

2. Abschnitt: Die Rechtsfolgen eines Verstoßes

131

wender einseitig vorformulierter Vertragsbedingungen treffe vielmehr eine besondere Formulierungsverantwortung. Eine Reduktion einer Klausel mit Hilfe einer sprachlichen Umgestaltung soll daher nicht zulässig sein350. Man könnte daran denken, bei der Auslegung des Begriffs der nachteiligen „Vereinbarung“ i. S. d. VVG (jedenfalls, soweit es um Abweichungen in AGB geht351) entsprechend zu argumentieren. Eine Bestimmung der Reichweite der Vereinbarung, die – wie die Einbeziehung einer Begünstigung in die Vereinbarung – den Interessen des Versicherers entspricht, könnte daher unzulässig sein, soweit dazu eine sprachliche Umgestaltung der Bedingungen notwendig ist. Ein Vorteil würde in diesem Falle nur dann zusammen mit dem Nachteil eine einheitliche Vereinbarung bilden, wenn er sich ohne sprachliche Umgestaltung von dem übrigen Vertragsinhalt abtrennen lässt. Dies überzeugt indes nicht. Die Interessenlage ist derjenigen in den Fällen einer geltungserhaltenden Reduktion nicht vergleichbar. Durch die Einbeziehung der Begünstigung in die Vereinbarung wird nicht einem gerade noch zulässiger „Kern“ der ursprünglichen Vereinbarung zur Wirksamkeit verholfen. Vielmehr wird damit verhindert, dass der Vertrag mit einem Inhalt bestehen bleibt, der in dieser Form nicht vereinbart worden wäre. Dem Versicherer werden auch nicht die Risiken abgenommen, die notwendig mit der gesetzlichen Verstoßfolge (= einem Wahlrecht des Versicherungsnehmers) verbunden sind. Im Gegenteil würde ihm durch eine Beschränkung der Verstoßfolge noch ein darüber hinausgehendes Risiko zugewiesen. Dass der Versicherer dies hinnehmen muss, lässt sich nicht allein damit rechtfertigen, dass zur Einbeziehung der Begünstigung in die Vereinbarung unter Umständen eine sprachliche Umgestaltung des Vertrages erforderlich ist. Abgesehen davon ließe sich auch mit dem beschriebenen Kriterium in den hier untersuchten Fällen in aller Regel keine isolierte Wirksamkeit der vorteilhaften, auf den Nachteil bezogenen Regelung begründen. Dies gilt zum einen dann, wenn die vorteilhafte Regelung sprachlich bereits mit dem Nachteil verknüpft ist (Beispiel: Der ausdrücklichen Vereinbarung einer Prämienerhöhung für den Fall einer Gefahrerhöhung ist lediglich konkludent ein Ausschluss des gesetzlichen Kündigungsrechtes des Versicherers zu entnehmen352). In diesem Falle setzt nicht die Einbeziehung des Vorteils in die Vereinbarung, sondern im Gegenteil seine Abtrennung davon eine sprachliche Umgestaltung voraus. Aber auch soweit der Vorteil sprachlich von dem Nachteil getrennt ist (z. B. das Kündigungsrecht ausdrücklich ausgeschlossen wird), lässt er sich typischerweise – da er ja gerade mit dem Nach350 Zu der Frage, welche Anforderungen an die sprachliche Teilbarkeit zu stellen sind, vgl. unten Fußnote 369. Zu einem Sonderfall, in dem trotz sprachlicher Teilbarkeit eine Gesamtunwirksamkeit vorliegt, vgl. BGH NJW 2003, 2192 f. 351 Zum Verbot der geltungserhaltenden Reduktion bei gegen das VVG verstoßenden Individualvereinbarungen vgl. unten unter III. 1. b) (S. 137). 352 Vgl. zu einer solchen Auslegung im 2. Teil Fußnote 242.

9*

132

1. Teil: Allgemeine Grundsätze

teil (und nur mit diesem) sachlich in Zusammenhang steht – sprachlich von dem übrigen, nicht zu der Vereinbarung zählenden Vertragsteilen trennen. (5) Kein schutzwürdiges Vertrauen des Versicherungsnehmers Die isolierte Wirksamkeit einer auf den Nachteil bezogenen vorteilhaften Regelung lässt sich schließlich auch nicht mit einem schutzwürdigen Vertrauen des Versicherungsnehmers begründen. Der Vertrag gibt keine Grundlage für die Erwartung her, dass ein vertraglich vereinbarter Vorteil, der an den Eintritt eines bestimmten Sachverhaltes (z. B. eine Gefahrerhöhung oder eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung) geknüpft ist, unabhängig von einem für den Eintritt desselben Tatbestandes vereinbarten Nachteil sein soll. Der Versicherungsnehmer kann daher grundsätzlich nicht von der isolierten Wirksamkeit der für ihn günstigen Regelung ausgehen353. ee) Ergebnis Es gibt daher keine gesetzliche Zielsetzung, die es rechtfertigen könnte, dass eine ausschließlich auf den Nachteil bezogene begünstigende Regelung nicht Teil der nachteiligen „Vereinbarung“ i. S. d. VVG ist. Derartige Regelungen sind daher in die Vereinbarung einzubeziehen.

2. Begünstigungen, die (auch) im Hinblick auf nicht zu der Vereinbarung gehörende Belastungen vereinbart wurden Anders ist zu entscheiden, wenn eine für den Versicherungsnehmer günstige Regelung nicht ausschließlich im Hinblick auf die in der nachteiligen Vereinbarung enthaltenen Belastungen, sondern auch auf belastende Regelungen vereinbart wurde, die nicht zu der nachteiligen Vereinbarung gehören und deshalb uneingeschränkt wirksam sind. Eine solche Konstellation kann sich insbesondere ergeben, wenn ein Vorteil im Hinblick auf mehrere gedanklich voneinander abtrennbare Regelungen vereinbart wurde, die jeweils für sich gesehen die in einer halbzwingenden Vorschrift eingeräumte Rechtsstellung des Versicherungsnehmers verschlechtern. In solchen Fällen reicht der Vorteil mitunter zwar zur Kompensation eines dieser Nachteile aus, ist aber nicht groß genug, um die Gesamtbelastung des Versicherungsnehmers auszugleichen. 353 Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn durch die Gestaltung insbesondere der AVB (etwa weil Vor- und Nachteil an ganz verschiedenen Stellen der Bedingungen geregelt werden) der Eindruck erweckt wird, dass die Vorteile unabhängig von bestimmten Nachteilen Bestand haben werden. Eine sprachliche Trennung der Vor- und der Nachteile allein – etwa die Vereinbarung von Vertragsstraferegelung und Ausschluss des Rücktrittsrechtes in zwei aufeinanderfolgenden Sätzen, genügt dafür allerdings nicht.

2. Abschnitt: Die Rechtsfolgen eines Verstoßes

133

Darum geht es z. B. bei den oben354 angesprochenen Vertragsstraferegelungen, wenn zusätzlich zu der Vertragsstrafe und dem Ausschluss der §§ 16 ff. VVG noch eine Anpassung der Prämie an den bei Berücksichtigung des gefahrerheblichen Umstandes zu zahlenden Betrag vereinbart wird. Die Prämienerhöhung wird dann zwar oftmals durch den Ausschluss des Rücktrittsrechtes kompensiert355. Für den Ausgleich der Vertragsstraferegelung genügt der Vorteil, wenn die Vertragsstrafe eine bestimmte Höhe überschreitet, aber nicht356. Wenn man in einer solchen Konstellation den kleineren, für sich gesehen durch den Vorteil kompensierten Nachteil aus der Vereinbarung ausnimmt357, muss dasselbe auch für den Vorteil gelten, da sich nur so eine von dem Nachteil abtrennbare gesetzeskonforme Regelung ergibt. Wenn man also in dem Beispiel nur die Vertragsstraferegelung, nicht dagegen die Prämienanpassungsregelung als Bestandteil der nachteiligen „Vereinbarung“ ansieht, muss auch der Ausschluss des Rücktrittsrechtes uneingeschränkt wirksam sein, da der in der Belastung mit der höheren Prämie liegende Nachteil ansonsten nicht kompensiert würde und daher nicht wirksam sein könnte358. Der Vorteil teilt also in einem solchen Falle jeweils das Schicksal der von ihm kompensierten Belastung.

s. dort im 1. Abschnitt unter A. III. 2. a) aa) (1) (b) (S. 72 f.). Vgl. dazu unten im 2. Teil im 1. Abschnitt unter unter A. III. 1. b) cc) (S. 195 ff.). 356 Vgl. dazu im einzelnen im 2. Teil im 1. Abschnitt unter B. II. (S. 208 ff.). – Weitere Beispiele für eine teilweise Kompensation von Nachteilen werden unter III. 2. (S. 138 ff.) besprochen. 357 Zu den Voraussetzungen, unter denen eine solche Aufspaltung vorzunehmen ist, vgl. unten unter III. 2. (S. 138 ff.). 358 Zu demselben Ergebnis kommt man in dem theoretisch denkbaren Fall, dass eine Begünstigung auf eine Belastung bezogen ist, die gar nicht vom VVG abweicht. Um eine solche Gestaltung handelt es sich etwa, wenn man mit der im 1. Abschnitt unter A. I. 1. a) (S. 30 f.) abgelehnten Ansicht bei Vereinbarung einer Prämienerhöhung in Form eines Rabattwegfalles gar keine Abweichung von den §§ 16 ff. VVG annimmt (dies wird z. B. von Knappmann, in: Prölss / Martin § 41 VVG Rn. 1 vertreten) und die Prämienerhöhung wie in dem im Text geschilderten Beispiel sowohl mit einer Vertragsstraferegelung als auch mit einem Ausschluss des gesetzlichen Rücktrittsrechtes kombiniert ist. Wenn man in einem solchen Fall die Prämienerhöhungsregelung nicht als Bestandteil der nachteiligen Vereinbarung ansieht und für wirksam hält, setzt dies zwar nicht notwendig auch die Wirksamkeit des Ausschlusses des Rücktrittsrechtes voraus, da eine Prämienerhöhung nach der geschilderten Ansicht ohne Kompensation mit dem VVG vereinbar wäre. Dass in diesem Fall auch der Ausschluss der §§ 16 ff. VVG wirksam sein muss, ergibt sich aber daraus, dass sich nicht sagen lässt, ob der Versicherungsnehmer der isolierten Vereinbarung einer Prämienerhöhung überhaupt zugestimmt hätte, da diese Regelung nicht einfach ein weniger belastendes „Minus“ zu der ursprünglichen Regelung darstellt. Ein Verstoß gegen eine halbzwingende Vorschrift darf aber nicht dazu führen, dass dem Versicherungsnehmer an einen im Vergleich zu der ursprünglichen Regelung belastenderen Vertragsrest gebunden wird. 354 355

134

1. Teil: Allgemeine Grundsätze

III. Die Einbeziehung von für den Versicherungsnehmer belastenden Regelungen in die Vereinbarung Bislang wurde noch nicht erörtert, welche für den Versicherungsnehmer belastenden vertraglichen Regelungen, die von dem den Verstoß gegen das VVG begründenden Nachteil gedanklich abtrennbar und entweder für sich betrachtet oder zusammen mit einem Vorteil gesetzeskonform sind, zu der nachteiligen „Vereinbarung“ i. S. d. VVG gehören.

1. Für den Versicherungsnehmer ausschließlich belastende Regelungen Für eine Einbeziehung in die Vereinbarung kommen zunächst für den Versicherungsnehmer ausschließlich belastende, d. h. nicht mit einem gerade im Hinblick auf die Belastung vereinbarten Vorteil verknüpfte, Abreden in Betracht. Gesetzeskonform kann eine solche Regelung nur sein, wenn die mit ihr verbundene Belastung für sich gesehen keine Abweichung von halbzwingenden Vorschriften des VVG mit sich bringt359. Ein Beispiel für eine solche Gestaltung sind neben dem oben unter B. angesprochenen Fall des § 7 MB / KK Risikoausschlüsse, die daran anknüpfen, dass ein für den Versicherungsfall ursächlicher Umstand (z. B. eine Krankheit in der Restschuldlebensversicherung360) gerade bei bzw. vor Vertragsschluss vorhanden war. Wie bereits oben361 dargestellt wurde, nimmt die h. M. an, dass solche Risikoausschlüsse i. S. d. § 34a VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den §§ 16 ff. VVG abweichen, soweit sie dem Versicherungsnehmer unbekannte Umstände erfassen. Im Hinblick auf Risiken aus dem Versicherungsnehmer bekannten Umständen soll dagegen keine Abweichung von den §§ 16 ff. VVG vorliegen362. Wenn man dieser Differenzierung folgt, so stellt sich die Frage, ob auch die an sich gesetzeskonforme Regelung im Hinblick auf dem Versicherungsnehmer bekannte Umstände Teil der nachteiligen Vereinbarung und damit für den Versicherungsnehmer unverbindlich ist. Wie weit die nachteilige „Vereinbarung“ i. S. d. VVG in solchen Konstellationen reicht, ist bislang in Rechtsprechung und Schrifttum noch nicht ausdrücklich problematisiert worden. Die Rechtsprechung hat den in dem vorstehenden Beispiel 359 Wenn eine für den Versicherungsnehmer belastende, von einer nachteiligen Abweichung gedanklich abtrennbare vertragliche Regelung selbst zum Nachteil für den Versicherungsnehmer von einer halbzwingenden Vorschrift abweicht, so kommt es nicht darauf an, ob eine einheitliche nachteilige „Vereinbarung“ vorliegt, da in diesem Falle ohnehin beide Regelungen für den Versicherungsnehmer unverbindlich sind. 360 Vgl. dazu ausführlich im 2. Teil im 1. Abschnitt unter unter C. (S. 215 ff.). 361 s. dazu im 1. Abschnitt unter A. IV. (S. 100 f.). 362 Vgl. auch unten im 2. Teil unter C. I. 1. (S. 216 ff.).

2. Abschnitt: Die Rechtsfolgen eines Verstoßes

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geschilderten Risikoausschluss allerdings in Fällen insgesamt für unverbindlich gehalten, in denen eine sprachliche Differenzierung zwischen dem Ausschluss bekannter und unbekannter Umstände fehlte. Begründet wurde dies jedoch nicht mit einer Auslegung des VVG, sondern mit einem – allerdings unter anderem aus der Abweichung von den §§ 16 ff. VVG hergeleiteten – Verstoß gegen § 307 BGB n. F. und dem dafür geltenden Verbot der geltungserhaltenden Reduktion363.

a) Regelungen in AVB Dass die Parteien eine für den Versicherungsnehmer ausschließlich belastende Regelung der beschriebenen Art auch isoliert vereinbart hätten, ist regelmäßig zu unterstellen, da dies einerseits im Interesse des Versicherers liegt und der Versicherungsnehmer andererseits sogar der weitergehenden Belastung zugestimmt hat. Man könnte deshalb daran denken, die Belastung entsprechend diesem hypothetischen Parteiwillen aus der Vereinbarung auszunehmen. Dagegen sprechen jedoch, jedenfalls soweit sich die nachteilige Abweichung in AGB (insbesondere also in AVB) findet, die von Rechtsprechung und Schrifttum zu den §§ 305 ff. BGB n. F. (AGBG a. F.) entwickelten Grundsätze über das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. Wie bereits erwähnt, können Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen – und damit auch in AVB364 –, die gegen die §§ 307 – 309 BGB n. F. (§§ 9 – 11 AGBG a. F.) verstoßen, nach h. M. nicht durch Umformulierung auf ihren gerade noch zulässigen, für den Kunden aber immer noch belastenden Inhalt zurückgeführt werden365. Vielmehr soll eine sprachlich zusammenhängende Regelung eine einheitliche „Bestimmung“ i. S. d. §§ 9 – 11 AGBG a. F. (307 BGB n. F.) bilden und damit insgesamt unwirksam sein. Dies wird zum einen mit der notwendigen Abschreckung des Versicherers, zum anderen mit der bei einer Umformulierung durch das Gericht drohenden einseitigen Wahrnehmung der Interessen des Verwenders begründet. Beide Argumente lassen sich nicht nur dann anführen, wenn eine AGB-Klausel gegen die §§ 307 – 309 BGB n. F. (§§ 9 – 11 AGBG a. F.) verstößt. Die Begründung des Verbotes der geltungserhaltenden Reduktion von AGB knüpft nicht gerade an Besonderheiten der Unwirksamkeitsgründe der §§ 307 – 309 BGB n. F., sondern an die besondere Interessenlage an, die allgemein bei der Verwendung von AGB i. S. d. § 305 BGB besteht. Sie passt daher auch, wenn gegen ein gesetzliches Verbot außerhalb der §§ 307 – 309 BGB n. F. verstoßen wird, das – wie die halbzwingenden 363 So der Sache nach BGH VersR 1994, 549, 551 ff.; BGH VersR 1996, 486, 488. Für § 7 MB / KK 94 auch Prölss, in: Prölss / Martin § 7 MB / KK Rn. 2. 364 Vgl. zu den z. T. vertretenen Einschränkungen dieses Verbotes im Hinblick auf AVB die Nachweise oben in Fußnote 344. 365 Vgl. die Nachweise oben in den Fußnote 343 und 344.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

Vorschriften des VVG – dem Schutz des Kunden dienen soll366. Auch bei solchen Abreden besteht die von der einseitigen Vorformulierung durch den Verwender ausgehende Gefahr, dass der Kunde eine eigentlich unzulässige Regelung hinnimmt und damit einer Belastung ausgesetzt ist, vor der ihn das gesetzliche Verbot bewahren will. Das Bedürfnis nach Abschreckung ist daher mindestens ebenso hoch wie bei Verstößen gegen die §§ 307 – 309 BGB n. F. Zudem läuft eine sprachliche Umgestaltung, durch die einer für den Kunden belastenden Regelung zur Wirksamkeit verholfen wird, auch bei einem Verstoß gegen andere kundenschützende Gesetze auf eine einseitige Wahrnehmung der Interessen des Verwenders hinaus. Dies gilt auch dann, wenn sich die Nachteiligkeit einer Vereinbarung nur daraus ergibt, dass sie für eine bestimmten Gruppe von Versicherungsnehmern, von denen sich schon bei Vertragsschluss sicher sagen lässt, dass ihnen bestimmte Vorteile nicht zugute kommen können, (überwiegend) nachteilig ist, während sie im Hinblick auf andere von ihr betroffene Gruppen von Versicherungsnehmern nicht zu beanstanden ist367. Bei den Versicherungsnehmern, die sich einer der letztgenannten Gruppen zuordnen lassen, besteht zwar nicht die Gefahr, dass sie eine nicht mit VVG vereinbare Regelung akzeptieren. Ein Bedürfnis nach Abschreckung des Versicherers von der Verwendung solcher Vereinbarungen ergibt sich aber daraus, dass diejenigen Versicherungsnehmer, für die die Vereinbarung überwiegend nachteilig ist, deren Unverbindlichkeit verkennen könnten. Zudem würde eine sprachliche Umgestaltung einer einheitlichen Vereinbarung für verschiedene Gruppen von Versicherungsnehmern wiederum eine einseitige Wahrnehmung der Interessen des Versicherers mit sich bringen368. Wenn man das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion für Verstöße gegen die §§ 307 – 309 BGB n. F. (§§ 9 – 11 AGBG a. F.) akzeptiert, kann ein sprachlich mit einer nachteiligen Abweichung zusammenhängender, für den Versicherungsnehmer belastender Vertragsteil daher in jedem Falle nicht durch eine sprachliche Umgestaltung369 aus der nachteiligen „Vereinbarung“ ausgenommen und damit 366 Entsprechend wird auch zu § 6 AGBG a. F. argumentiert – H. Schmidt in:Ulmer / Brandner / Hensen § 6 AGBG Rn. 2. 367 Ein Beispiel ist der oben unter im 1. Abschnitt unter A. III. 2. a) aa) (1) (b) (S. 72 f.) besprochene Fall, dass arglistige und bloß fahrlässige vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung in einer einheitlichen (Vertragsstrafe)Vereinbarung geregelt werden und diese Regelung im Hinblick auf die Fälle arglistigen Verhaltens überwiegend nachteilig ist. 368 Beispiele für die Anwendung dieser Regel finden sich im 2. Teil im 1. Abschnitt unter A. III. 1. d) (S. 201) sowie im 1. Abschnitt unter B. II. 4. (S. 212). 369 In welchen Fällen eine sprachliche Aufteilung einer Klausel in AGB zulässig ist, ist umstritten. Die h. M. geht von dem sog. „blue pencil“-Test aus, d. h. die unwirksame Bestimmung muss sich einfach wegstreichen lassen können (Palandt / Heinrichs Vor § 8 AGBG Rn. 11 m. w. N.; BGH NJW 1982, 178, 179, 181; BGHZ 93, 29, 37, 48). Die Einzelheiten sind allerdings streitig. Dieser Frage kann jedoch im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht nachgegangen werden. In dem vorstehend angesprochenen Beispiel eines Risikoausschlusses fehlt es jedenfalls an der sprachlichen Teilbarkeit der Vereinbarung, wenn nicht danach diffe-

2. Abschnitt: Die Rechtsfolgen eines Verstoßes

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aufrechterhalten werden. Vielmehr sind sprachlich nicht von der nachteiligen Abweichung abtrennbare Belastungen des Versicherungsnehmers Teil der „nachteiligen“ Vereinbarung i. S. d. VVG und damit den Verstoßfolgen des VVG unterworfen370. Eine Berufung des Versicherers darauf ist daher ausgeschlossen. Auch in dem angeführten Beispiel ist daher eine Berufung des Versicherers auf den Risikoausschluss auch insoweit ausgeschlossen, als er sich auf Risiken aus Umständen erstreckt, die dem Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss noch unbekannt waren371. Soweit sich die gesetzeskonforme belastende Regelung allerdings ohne sprachliche Umgestaltung von der nachteiligen Abweichung isolieren lässt, ist sie nicht Teil der „Vereinbarung“ i. S. d. VVG. Eine Erstreckung der nachteiligen Vereinbarung auf die Belastung lässt sich in diesem Fall weder mit dem Schutz des Versicherungsnehmers vor nachteiligen Abweichungen noch mit den für das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion maßgeblichen Überlegungen rechtfertigen.

b) Individualvereinbarungen In dem praktisch selteneren Fall, dass sich eine nachteilige Abweichung nicht in AVB, sondern in einer Individualvereinbarung findet, lässt sich die beschriebene Ausdehnung der von der Verstoßfolge erfassten Vereinbarung auf sprachlich mit dem Nachteil verbundene Belastungen nicht schon mit der einseitigen Vorformulierung der Abweichung durch den Versicherer begründen. Die besondere Interessenlage bei Abweichungen vom VVG spricht aber dafür, auch bei solchen Vereinbarungen ein Verbot der geltungserhaltenden Reduktion anzunehmen: Da beim Versicherungsnehmer keine versicherungsrechtlichen Kenntnisse vorausgesetzt werden können, besteht auch bei Individualvereinbarungen eine besondere Gefahr, dass er nach Vertragsschluss die Unverbindlichkeit einer nachteiligen Abweichung verkennt und sie deshalb hinnimmt. Die das Verbot einer geltungserhaltenden Reduktion rechtfertigenden präventiven Überlegungen lassen sich deshalb auch hier renziert wird, ob dem Versicherungsnehmer ein Umstand bekannt ist oder nicht. Dasselbe gilt im Falle von § 7 MB / KK (vgl. Prölss, in: Prölss / Martin § 7 MB / KK Rn. 2). 370 Dass die Verstoßfolge des VVG nicht – wie bei Verstößen gegen die §§ 307 – 309 BGB n. F. – die Unwirksamkeit der Vereinbarung, sondern der Ausschluss der Berufung des Versicherers ist, steht diesem Ergebnis schon deshalb nicht entgegen, weil bei für den Versicherungsnehmer ausschließlich belastenden Regelungen praktisch kein Bedürfnis des Versicherungsnehmers besteht, die Vereinbarung als wirksam für sich in Anspruch zu nehmen. Ein Ausschluss der Berufung läuft also in solchen Fällen im Ergebnis auf eine Unwirksamkeit der Vereinbarung hinaus; jedenfalls wird der Versicherer dadurch nicht stärker belastet als durch eine Gesamtunwirksamkeit, so dass eine etwaige zuweit gehende Abschreckungswirkung nicht zu befürchten ist. 371 Die Auslegung des VVG ist allerdings im Ergebnis ohne praktische Bedeutung, wenn man – siehe unten im 3. Abschnitt unter B. I. (S. 167 f.) – bereits bei jeder nachteiligen Abweichung von halbzwingenden Vorschriften des VVG eine unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 BGB n. F. bejaht.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

anführen. Umgekehrt kann der Versicherer die Nachteiligkeit einer Abweichung bei Vertragsschluss jedenfalls eher als der Versicherungsnehmer erkennen und – da die genaue Ausgestaltung des Vertrages regelmäßig in seiner Hand liegt – vermeiden. Ihn trifft daher auch bei Individualvereinbarungen eine besondere „Formulierungsverantwortung“. Bei einer Umformulierung einer solchen Regelung droht deshalb eine einseitige Wahrnehmung der Interessen des Versicherers, die derjenigen bei einer einseitigen Vorformulierung der Abweichung gleichkommt. Die zu Abweichungen in AVB entwickelten Grundsätze gelten daher auch hier. Sprachlich nicht ohne weiteres abtrennbare Belastungen sind daher Bestandteil der von der Verstoßfolge erfassten nachteiligen „Vereinbarung“372.

2. Belastungen, die mit einem Vorteil verknüpft sind Eine Belastung, die sich von dem die nachteilige Abweichung begründenden Nachteil gedanklich abtrennen lässt, kann ihrerseits mit einem Vorteil verknüpft sein und zusammen mit diesem eine gesetzeskonforme Regelung ergeben. Beispiel:373 Eine Vertragsstraferegelung für vorvertragliche Anzeigepflichtverletzungen trifft mit einem Ausschluss der Rechte des Versicherers aus den §§ 16 ff. VVG zusammen. Wenn man eine Vertragsstrafe als Sanktion für eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung nicht schlechthin, sondern nur ab einer bestimmten Höhe für unzulässig hält, so lässt sich die Vertragsstraferegelung gedanklich in einen gesetzeskonformen und in einen nicht mit dem VVG vereinbaren Teil aufteilen: Von der gegen § 34a VVG verstoßenden Belastung des Versicherungsnehmers mit einer „zu hohen“ Vertragsstrafe lässt sich die Belastung mit der Vertragsstrafe isolieren, die durch den Ausschluss des Rücktrittsrechtes aufgewogen wird. In solchen Fällen ergibt sich eine etwas andere Interessenlage als in den unter 1. behandelten Konstellationen. Wie unter II. 1. und 2. beschrieben, teilt der Vorteil (= in dem Beispiel der Ausschluss der Rechte aus den §§ 16 ff. VVG) das Schicksal der gedanklich abtrennbaren Belastung (= der Vertragsstrafe in der gerade noch zulässigen Höhe): Wenn die belastende Regelung Bestandteil der nachteiligen Vereinbarung ist, so gilt dies auch für den Vorteil (vgl. II. 1.). Wenn die Belastung dagegen uneingeschränkt wirksam ist, so ist auch die zu seiner Kompensation notwendige vorteilhafte Regelung wirksam (vgl. II. 2.). Es stellt sich daher jeweils nur die Frage, ob die für den Versicherungsnehmer teils vorteilhafte, teils nach372 Auch für Verstöße gegen andere Verbotsnormen, insb. § 138 BGB, wird z. T. ein Verbot der geltungserhaltenden Reduktion auch im Hinblick auf Individualvereinbarungen angenommen, vgl. dazu bereits Fußnote 342. 373 Vgl. dazu bereits oben im 1. Abschnitt unter A. III. 2. a) aa) (1) (b) (S. 72 f.). Weitere Beispiele sogleich im Text; dort insbesondere auch zu der Frage, wie zu entscheiden ist, wenn sich die Vertragsstraferegelung ihrerseits gedanklich in einen gesetzeskonformen und einen nachteiligen Teil aufteilen lässt.

2. Abschnitt: Die Rechtsfolgen eines Verstoßes

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teilige Regelung (in dem Beispiel also die Vertragsstraferegelung in der gerade noch zulässigen Höhe und der Ausschluss der §§ 16 ff. VVG) insgesamt zu der nachteiligen Vereinbarung gehören soll oder nicht. Bei der Lösung dieser Frage ist danach zu unterscheiden, ob eine solche Einbeziehung in die Vereinbarung im Interesse des Versicherers liegt oder nicht:

a) Interesse des Versicherers an einer Begrenzung der Reichweite der Vereinbarung In vielen Fällen ist es im Interesse des Versicherers, wenn eine teils vorteilhafte, teils nachteilige Teilregelung der beschriebenen Art nicht Bestandteil der Vereinbarung ist. Die damit verbundene Wirksamkeit der teils vorteilhaften, teils nachteiligen Regelung ist für den Versicherer zwar ungünstiger als die ursprünglich vereinbarte, für den Versicherungsnehmer noch nachteiligere vertragliche Regelung, weil dabei die mit dieser Regelung verbundenen Vorteile für den Versicherungsnehmer unangetastet bleiben, die Nachteile für ihn (die zugleich Vorteile für den Versicherer bedeuten) dagegen geringer sind. Es lässt sich daher nicht ohne weiteres sagen, dass der Versicherer, wenn er bei Vertragsschluss die Wahl zwischen der gesetzeskonformen Teilregelung und der gesetzlichen Regelung gehabt hätte, die erstere vorgezogen hätte. Dass er den Vorteil im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung zunächst mit einem größeren Nachteil verknüpft hat, spricht eher gegen diese Annahme374. Auch in dem geschilderten Beispiel kann man daher bezweifeln, ob der Versicherer von vornherein eine reduzierte Vertragsstrafe vereinbart hätte, wenn er die Unzulässigkeit der weitergehenden Vertragsstraferegelung gekannt hätte. Da die reduzierte Regelung für ihn im Saldo schlechter ist als die ursprünglich vereinbarte, ist es ebenso denkbar, dass er es bei der gesetzlichen Regelung belassen hätte. Wenn die Folge eines Verstoßes die (endgültige) Unwirksamkeit der Vereinbarung wäre, läge eine Wirksamkeit des gesetzeskonformen Kerns daher nicht im Interesse des Versicherers. Im Hinblick auf die besondere Verstoßfolge des VVG ist die Interessenlage indes anders. Die Wirksamkeit des gesetzeskonformen Kerns ist für den Versicherer nämlich in vielen Fällen günstiger als ein Wahlrecht des Versicherungsnehmers zwischen der überwiegend nachteiligen (Gesamt-)Regelung und dem Gesetz. Das zeigt sich auch in dem Beispiel: Die Wirksamkeit der reduzierten Vertragsstraferegelung ist für den Versicherer im Durchschnitt aller mög374 Insoweit besteht eine andere Interessenlage als in den oben diskutierten Fällen einer einer für den Versicherungsnehmer ausschließlich nachteilige Regelung auf eine gesetzeskonforme, für den Versicherungsnehmer aber immer noch ausschließlich belastenden Teilregelung. Dass der Versicherer mit einer solchen Reduktion der ursprünglichen Regelung einverstanden gewesen wäre, liegt auf der Hand, da auch diese eingeschränkte Regelung für ihn immer noch günstiger ist als ihre vollständige Unverbindlichkeit.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

lichen Anwendungsfälle der Regelung günstiger als ein Wahlrecht des Versicherungsnehmers zwischen der zu weit gehenden Vertragsstraferegelung (inklusive Ausschluss des Rücktrittsrechtes) und dem Gesetz. Auch die überwiegend nachteilige Vertragsstraferegelung wirkt sich nämlich nicht in allen ihren denkbaren Anwendungsfällen überwiegend nachteilig für den Versicherungsnehmer aus. Sie kann vielmehr im Einzelfall auch überwiegend vorteilhaft sein. Dies ist insbesondere der Fall, wenn zwischenzeitlich ein Versicherungsfall eingetreten ist, im Hinblick auf den der Versicherer nach einem Rücktritt leistungsfrei wäre (vgl. § 21 VVG) und bei dem die Höhe des Schadens die Vertragsstrafe übersteigt. Wenn der Versicherungsnehmer eine Wahlmöglichkeit hat, wird er daher in solchen Fällen auf der Anwendung der zu weit gehenden Vereinbarung bestehen. Dann steht er aber besser als nach der gesetzlichen Regelung. In den übrigen Fällen wird er es dagegen bei der gesetzlichen Regelung belassen. Insgesamt steht er damit, wenn man den Durchschnitt aller möglichen Anwendungsfälle betrachtet, besser, als wenn nur das Gesetz zur Anwendung käme. Damit steht er aber auch besser – und der Versicherer umgekehrt schlechter – als bei uneingeschränkter Wirksamkeit der gesetzeskonformen, gerade noch zulässigen Vertragsstraferegelung, da diese für ihn im Saldo weder vor- noch nachteilig im Vergleich zur gesetzlichen Regelung ist. Ein entsprechendes Problem ergibt sich, wenn eine Vertragsstraferegelung nicht nur an bloß fahrlässige, sondern auch an arglistige vorvertragliche Anzeigepflichtverletzungen anknüpft, dafür aber neben dem Rücktrittsrecht auch das Anfechtungsrecht des Versicherers aus § 123 BGB ausschließt. In einem solchen Fall kann man dazu kommen, dass die Vertragsregelung im Hinblick auf die Regelung der Arglistfälle überwiegend vorteilhaft, im Hinblick auf die Fälle bloß fahrlässiger Anzeigepflichtverletzungen dagegen überwiegend nachteilig ist375. Zudem sind die Vorteile aus dem Ausschluss des Anfechtungsrechtes aus den auf S. 80 f. genannten Gründen nicht geeignet, die mit der Vertragsstrafe für bloß fahrlässige Anzeigepflichtverletzungen verbundenen Belastungen auszugleichen. Wenn man die Regelung fahrlässiger Anzeigepflichtverletzungen insgesamt (also einschließlich des Ausschlusses des Rücktrittsrechtes) als Teil der nachteiligen Vereinbarung i. S. d. § 34a VVG ansieht (insbesondere weil man eine Reduktion der Vertragsstrafe auf die gerade noch zulässige Höhe ablehnt), stellt sich die Frage, ob auch die Vertragsstrafe für arglistiges Verhalten zusammen mit dem darauf bezogenen Ausschluss des Anfechtungsrechtes dazu gehört und damit für den Versicherungsnehmer unverbindlich ist. Auch in diesem Beispiel lässt sich zwar nicht sagen, dass der Versicherer die – für den Versicherungsnehmer ja überwiegend vorteilhafte – Regelung im Hinblick auf die Arglistfälle ohne die Vertragsstrafe für bloß fahrlässiges Verhalten genauso vereinbart hätte. Dennoch liegt die Wirksamkeit dieser Teilregelung in seinem Interesse, weil der Versicherungsnehmer, wenn er auch bei eigenem arg375

s. dazu unten im 2. Teil im 1. Abschnitt unter B. II. (S. 208 f.).

2. Abschnitt: Die Rechtsfolgen eines Verstoßes

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listigen Verhalten wählen könnte, im Durchschnitt ihrer möglichen Anwendungsfälle wiederum besser stünde376. Wenn die Wirksamkeit der nicht überwiegend nachteiligen Teilregelung aber, wie in den geschilderten Beispielen, im Interesse des Versicherers ist, entspricht die Interessenlage derjenigen in den unter 1. besprochenen Fällen. Durch eine Beschränkung der nachteiligen Vereinbarung auf den „überschießenden“, nicht durch Vorteile kompensierten Nachteil wird einer (gerade noch) gesetzeskonformen Fassung der Vereinbarung zur Wirksamkeit verholfen. Die von dem gesetzlichen Verbot – und der gesetzlichen Verstoßfolge – ausgehende Abschreckungswirkung würde daher verringert. Insbesondere bei einer Reduktion auf eine für den Versicherungsnehmer im Vergleich zum Gesetz weder vor- noch nachteilige Regelung (wie in dem ersten Beispiel einer Reduktion der Vertragsstrafe) würde der Versicherer bei einer Beschränkung der Verstoßfolgen auf die „überschießenden“, nicht durch die Vorteile kompensierten Nachteile auch bei Überschreitung des durch das VVG gezogenen Rahmens im Ergebnis gar kein Risiko eingehen. Im schlimmsten Fall würde ja nur eine Regelung gelten, die für ihn im Durchschnitt aller Fälle genauso günstig oder ungünstig ist wie die gesetzliche Regelung. Aber auch wenn die aufrechterhaltene gesetzeskonforme Regelung für den Versicherungsnehmer – wie in dem zweiten Beispiel die Regelung der Arglistfälle – überwiegend vorteilhaft ist, wird das von einer Missachtung des gesetzlichen Verbotes ausgehende Risiko für den Versicherer, dass die ganze sachlich zusammenhängende Regelung der Verstoßfolge unterliegt, jedenfalls verringert. Die oben gegen eine Beschränkung der Reichweite der Vereinbarung angeführten präventiven Überlegungen gelten daher auch hier. Zudem droht, wenn sich die gesetzeskonforme Fassung nur durch eine sprachlichen Umgestaltung ermitteln lässt, eine einseitige Wahrnehmung der Interessen des Versicherers. Ein Unterschied zu dem oben behandelten Fall einer geltungserhaltenden Reduktion auf einen für den Versicherungsnehmer ausschließlich belastenden Kern liegt zwar darin, dass der gesetzeskonforme Teil der ursprünglichen Regelung, der bei einer Beschränkung der nachteiligen Vereinbarung auf den überschießenden Nachteil uneingeschränkt wirksam wäre, sich für den Versicherungsnehmer im Saldo nicht nachteiliger auswirken kann als die gesetzliche Regelung, von der abgewichen wird. Dies rechtfertigt es indes nicht, eine geltungserhaltende Reduktion 376 Dies ergibt sich daraus, dass die Vertragsstraferegelung in diesen Fällen nicht immer, sondern nur manchmal (nämlich insbesondere dann, wenn ein Versicherungsfall eintritt) günstiger ist als das Gesetz, in manchen dagegen (insbesondere, wenn kein Versicherungsfall eintritt) schlechter. Durch geschickte Ausübung seines Wahlrechtes kann der Versicherungsnehmer dadurch – wenn man den Durchschnitt aller möglichen Anwendungsfälle der Vereinbarung betrachtet – noch besser stehen, als er bei uneingeschränkter Wirksamkeit der Vertragsstraferegelung im Hinblick auf die Arglistfälle stünde. Dass zu der nachteiligen Vereinbarung, die der Versicherungsnehmer in Anspruch nehmen muss, auch die Regelung der Fälle bloß fahrlässigen Verhaltens gehört, ändert an diesem Ergebnis nichts, da damit keine zusätzlichen nachteiligen Rechtsfolgen verbunden sind, die der Versicherungsnehmer bei einer Berufung auf den Ausschluss des Anfechtungsrechtes in Kauf nehmen müsste.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

zuzulassen und als nachteilige Vereinbarung i. S. d. VVG nur den überschießenden Nachteil anzusehen: Die Begründung des Verbotes der geltungserhaltenden Reduktion stellt gerade nicht auf die verbleibende Belastung des Versicherungsnehmers ab – auch in den im Rahmen der §§ 307 ff. BGB n. F. diskutierten Fällen würde der gesetzeskonforme Kern den Kunden nicht unangemessen belasten. Entscheidend ist vielmehr die bei einer geltungserhaltenden Reduktion fehlende Abschreckung sowie die einseitige Formulierungshilfe für den Verwender, die bei einer Abmilderung der gesetzlichen Verstoßfolgen eintreten würde. Wenn man daher in der oben besprochenen Fallgruppe eine geltungserhaltende Reduktion, d. h. eine Beschränkung der von den Verstoßfolgen erfassten „Vereinbarung“ auf die nicht gesetzeskonformen Regelungsteile, ablehnt, dann muss man hier genauso entscheiden. Die unter 1. entwickelten Regeln gelten damit auch hier: Eine Beschränkung der Reichweite der nachteiligen „Vereinbarung“ – und damit der Verstoßfolgen des VVG – auf den nicht durch Vorteile kompensierten, überschießenden „Nachteil“ ist abzulehnen, soweit dazu eine sprachliche Umgestaltung des Vertrages erforderlich ist. Dies gilt auch in den Beispielen: Da eine zu hohe Vertragsstrafe nur durch eine Umformulierung der jeweiligen Vertragsstraferegelung herabgesetzt werden könnte, scheidet eine solche Reduktion in dem ersten oben besprochen Beispiel in jedem Falle aus. Die gesamte Vertragsstraferegelung gehört dann also zu der nachteiligen Vereinbarung. In dem zweiten Beispiel kommt es insbesondere darauf an, ob sich die Vertragsstraferegelung für arglistiges und für fahrlässiges Verhalten ohne weiteres sprachlich trennen lässt. Ist dies nicht der Fall, etwa weil die Vertragsstraferegelung nicht ausdrücklich nach dem Grad des Verschuldens differenziert, scheitert eine Aufspaltung auch hier; auch die Regelung der Arglistfälle ist dann Teil der nachteiligen Vereinbarung377. 377 Diese Überlegungen sprechen auch gegen eine weitere theoretisch denkbare Möglichkeit, die Reichweite der Vereinbarung zu bestimmen: Wenn eine überwiegend nachteilige vertragliche Regelung nicht in jedem ihrer denkbaren Anwendungsfälle überwiegend nachteilig, sondern in manchen Fällen überwiegend vorteilhaft oder zumindest weder vor- noch nachteilig im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung ist, könnte man daran denken, zu der nachteiligen „Vereinbarung“ nur die Regelung derjenigen Einzelfälle zu rechnen, in denen sich der Vertrag jeweils überwiegend nachteilig im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung auswirkt. Uneingeschränkt wirksam wäre die vertragliche Regelung in diesem Falle, soweit sie sich im Einzelfall nicht überwiegend nachteilig auswirkt. In den Beispielen wäre die Vertragsstraferegelung bei einer solchen Betrachtung nur in den Fällen unverbindlich, in denen der Versicherungsnehmer durch die Vertragsstrafe stärker belastet würde als durch die gesetzliche Regelung, in allen übrigen Fällen wäre sie dagegen wirksam. Eine solche Aufteilung nimmt der Sache nach RGZ 162, 238 ff. vor; allerdings ging es dort um eine Vereinbarung, die sich im Einzelfall jeweils nur ausschließlich günstig oder ungünstig für den Versicherungsnehmer auswirken konnte (s. o. im 1. Abschnitt unter A. III. 1. a) aa) (3) (S. 58 ff.) – Da in einer solchen Konstellation kein Zweifel daran besteht, wie sich der Versicherungsnehmer entscheiden wird, kam es im praktischen Ergebnis auf die Reichweite der Vereinbarung nicht an). Eine derartige Aufteilung ist – wenn sie nicht praktisch zu demselben Ergebnis führt wie ein weiteres Verständnis der nachteiligen Vereinbarung, weil der Versicherungsnehmer ohnehin die für ihn günstigere Regelung wählen wird – im Interesse des Versicherers, da dadurch die mit einem Wahlrecht des Versicherungsnehmers verbundenen Unsicherheiten vermieden

2. Abschnitt: Die Rechtsfolgen eines Verstoßes

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b) Interesse des Versicherers an einer Einbeziehung in die Vereinbarung In bestimmten Fällen kann der Versicherer allerdings auch daran interessiert sein, dass eine mit einem Vorteil verknüpfte Belastung des Versicherungsnehmers zusammen mit diesem Bestandteil der nachteiligen Vereinbarung und damit unverbindlich ist. Dies kann z. B. in dem unter II. 2. angesprochenen Beispiel (Kombination von Ausschluss des Rücktrittsrechtes aus den §§ 16 ff. VVG mit einer Vertragsstrafe- und einer Prämienanpassungsregelung) der Fall sein. Dass der Versicherer die Prämienerhöhung und den Ausschluss des Rücktrittsrechtes ohne eine Vertragsstraferegelung vereinbart hätte, ist nicht anzunehmen. Wenn man davon ausgeht, dass eine Anpassung der Prämie unter Ausschluss des gesetzlichen Rücktrittsrechtes für den Versicherungsnehmer in jedem einzelnen möglichen Anwendungsfall günstiger ist als die gesetzliche Regelung, steht der Versicherungsnehmer zudem bei isolierter Wirksamkeit dieser Teilregelung besser, als wenn sie zusammen mit der Vertragsstrafe eine einheitliche nachteilige Vereinbarung i. S. d. § 34a VVG bilden würde. In letzterem Falle kann er sich ja nur zwischen der Geltung der – ungünstigeren – gesetzlichen Regelung und der mit den gleichen Vorteilen, aber auch größeren Nachteilen (nämlich der Verpflichtung zur Zahlung der Vertragsstrafe) verbundenen Vertragsstraferegelung entscheiden. Umgekehrt ist daher auch für den Versicherer die Einbeziehung von Prämienanpassungsregelung und Ausschluss des Rücktrittsrechtes in die Vereinbarung günstiger als deren isolierte Wirksamkeit378. In solchen Fällen sprechen die oben unter II. 1. angeführten Überlegungen dafür, die Verstoßfolgen des VVG auch auf die gesetzeskonforme Teilregelung auszudehnen und auch diese als Teil der nachteiligen Vereinbarung anzusehen. Andernfalls würde dem Versicherer wiederum eine Regelung aufgedrängt, die er in dieser Form nicht vereinbart hätte. Wenn der Zweck des VVG aber schon keine Aufrechterhaltung von dem Versicherungsnehmer ausschließlich günstigen Vertragsteilen rechtfertigt, dann kann für gesetzeskonforme Teilregelungen, die für den Versicherungsnehmer auch mit Nachteilen verbunden sind, nichts anderes gelten. In dem Beispiel bildet daher die Vertragsstraferegelung zusammen mit der Prämienanpassungswerden. Andererseits verliert der Versicherungsnehmer dadurch die Möglichkeit, sich im Einzelfall auch um eines kleineren Vorteils willen für die Geltung einer an sich überwiegend nachteiligen Regelung zu entscheiden. Da sich die gesetzeskonforme Teilregelung praktisch nie ohne eine sprachliche Umgestaltung isolieren lassen wird, ist ihre Aufrechterhaltung daher abzulehnen. 378 Zu einem anderen Ergebnis kann man nur kommen, wenn man die Möglichkeit berücksichtigt, dass der Versicherer die Unverbindlichkeit der Vereinbarung verkennt und deshalb nicht innerhalb der Frist von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch macht. In solchen Fällen wäre für den Versicherer die isolierte Wirksamkeit von Prämienerhöhung und Ausschluss des Rücktrittsrechtes (der sich dann ja faktisch gar nicht auswirkt) günstiger als die der Gesamtregelung. Dass der Versicherer die Unzulässigkeit der Vereinbarung dauerhaft verkennt, ist jedoch im Regelfall nicht anzunehmen.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

regelung und dem Ausschluss des Rücktrittsrechtes eine einheitliche nachteilige Vereinbarung i. S. d. § 34a VVG.

C. Die Berufung des Versicherungsnehmers auf die Vereinbarung I. Die Notwendigkeit einer Berufung auf die Vereinbarung Unter A. wurde dargelegt, dass dem Versicherungsnehmer ein Wahlrecht zwischen der Geltung der nachteiligen Vereinbarung und der Anwendung der halbzwingenden Vorschrift, von der abgewichen wurde, zusteht. Dies bedeutet indes nicht, dass er der Geltung der nachteiligen Vereinbarung widersprechen muss, um ihre Anwendung zu verhindern. Die Auferlegung einer solchen Widerspruchslast würde dem Schutzzweck des VVG zuwiderlaufen. Der Versicherungsnehmer ist regelmäßig nicht mit der gesetzlichen Regelung vertraut und deshalb nicht in der Lage, die Unzulässigkeit einer nachteiligen Abweichung zu erkennen und sich durch einen eigenen Widerspruch effektiv davor zu schützen. Solange er nicht zu erkennen gegeben hat, dass er die Vereinbarung in Geltung setzen will, kann sie deshalb auch nicht als wirksam behandelt werden379. Bei der Nachteiligkeit einer Vereinbarung handelt es sich daher nicht um eine Einrede, vielmehr ist sie von Amts wegen zu berücksichtigen380. Damit die Vereinbarung zur Anwendung kommen kann, ist es also erforderlich, dass sich der Versicherungsnehmer darauf beruft381.

II. Die Rechtsnatur und Rechtsfolgen einer Berufung Diese Berufung des Versicherungsnehmers auf die Vereinbarung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft382: Er führt damit einseitig die Wirksamkeit der Vereinbarung herbei. Diese allgemeine Bestimmung der Rechtsfolgen bedarf indes noch der Präzisierung.

379 Es kann daher auch nicht – wie Sasse VersArch 1956, 163, 173 f. offenbar meint (im Ergebnis geht aber wohl auch Sasse von dem im Text vertretenen Ergebnis aus, vgl. die folgenden Fußnoten) – offen gelassen werden, ob die Vereinbarung vor einer Berufung des Versicherungsnehmers wirksam ist oder nicht. 380 Möller, in: Bruck / Möller Einl. Anm. 49; Ehrenzweig, Versicherungsvertragsrecht, S. 20. 381 So wohl auch die oben in Fußnote 272 zitierte h. M., die bloß eine Möglichkeit – und keine Pflicht – des Versicherungsnehmers annimmt, sich auf die Vereinbarung zu berufen. 382 Sasse VersArch 1956, 163, 173.

2. Abschnitt: Die Rechtsfolgen eines Verstoßes

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1. Begrenzung der Rechtsfolgen auf einen Anwendungsfall der Vereinbarung Die Berufung des Versicherungsnehmers auf eine Vereinbarung kann keine Rechtsfolgen haben, die der Versicherungsnehmer nicht auch durch eine Einigung mit dem Versicherer herbeiführen könnte. Wenn eine Vereinbarung zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer, durch die eine bereits zuvor abgeschlossene nachteilige Vereinbarung in Geltung gesetzt werden soll, wiederum gegen das Verbot nachteiliger Abweichungen verstoßen würde, dann liefe auch eine Möglichkeit des Versicherungsnehmers, dieselben Rechtsfolgen einseitig zu setzen, dem Zweck des gesetzlichen Verbotes zuwider. Der Versicherungsnehmer muss vor den Folgen einseitiger Rechtsgeschäfte ebenso geschützt werden wie vor denjenigen einer Vereinbarung383. Eine Berufung des Versicherungsnehmers auf eine nachteilige Vereinbarung kann deshalb nicht dazu führen, dass diese Vereinbarung auch für zukünftige, zum Zeitpunkt der Berufung in ihren Auswirkungen für den Versicherungsnehmer noch nicht überschaubare Anwendungsfälle wirksam wird. Das Verbot nachteiliger Abweichungen schließt auch die Vereinbarung solcher für den Versicherungsnehmer nicht überschaubarer nachteiliger Rechtsfolgen aus. Bevor sich ein konkreter Anwendungsfall für die Vereinbarung ergeben hat, kann der Versicherungsnehmer daher nicht durch eine einseitige Erklärung die Wirksamkeit der Vereinbarung herbeiführen384. Eine auf dieses Ziel gerichtete „Berufung“ des Versicherungsnehmers wäre wegen eines Verstoßes gegen das Verbot nachteiliger Abweichungen unwirksam385. Vor Eintritt einer Gefahrerhöhung kann sich der Versicherungsnehmer daher z. B. nicht einseitig mit einer Vereinbarung einverstanden erklären, die im Vergleich zu den §§ 23 ff. VVG für ihn nachteilige Rechtsfolgen vorsieht. Zudem kann der Versicherungsnehmer, wenn bereits ein konkreter Anwendungsfall der Vereinbarung eingetreten ist und er sich für diesen Fall auf die Vereinbarung beruft, an diese Berufung nicht auch in weiteren Anwendungsfällen, die sich während der Vertragslaufzeit ergeben können, gebunden sein. Wenn er also etwa eine von den §§ 23 ff. VVG abweichende Regelung bei der ersten nach Vertragsschluss eintretenden Gefahrerhöhung für sich in Anspruch genommen hat, wird die Vereinbarung dadurch nicht auch für zukünftige Gefahrerhöhungen wirksam; vielmehr behält der Versicherungsnehmer insoweit sein Wahlrecht386. Vgl. dazu oben im 1. Abschnitt unter B. (S. 105). Im Ergebnis genauso Sasse VersArch 1956, 163, 172 f., der allerdings noch weitergehende Einschränkungen der Bindung an die Berufung annehmen will, vgl. dazu sogleich im Text. 385 Vgl. zu den Verstoßfolgen im Hinblick auf einseitige Rechtsgechäfte des Versicherungsnehmers oben unter A. II. (S. 115 f.). 386 Dies gilt auch für den Fall, dass zum Zeitpunkt der Berufung bereits mehrere Anwendungsfälle der Vereinbarung (also etwa mehrere nacheinander eingetretene Gefahrerhöhungen o. ä.) überschaubar sind. Man könnte zwar daran denken, dem Versicherungsnehmer im 383 384

10 Klimke

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

Eine Berufung des Versicherungsnehmers auf die Vereinbarung kann sich daher immer nur für einen bereits eingetretenen und hinreichend überschaubaren Anwendungsfall der Vereinbarung auswirken. Sobald ein konkreter Anwendungsfall für die Vereinbarung eingetreten ist und sich der Versicherungsnehmer für diesen Anwendungsfall auf die Vereinbarung beruft, ist er allerdings auch an diese Entscheidung gebunden. Nach Ansicht von Sasse387 soll eine Berufung des Versicherungsnehmers auf die Vereinbarung zwar in Fällen, in denen sich die nachteilige Abweichung daraus ergibt, dass dem Versicherungsnehmer eine im Gesetz nicht vorgesehene Verpflichtung auferlegt wird, erst verbindlich sein, wenn der Versicherungsnehmer diese Verbindlichkeit bereits erfüllt hat388. Diese Einschränkung ist indes abzulehnen: Der Schutzzweck des VVG erfordert es nicht, dem Versicherungsnehmer bis zu dem beschriebenen Zeitpunkt eine Möglichkeit zur Abänderung seiner Entscheidung zu geben. Da die Folgen seiner Entscheidung für ihn hinreichend überschaubar sind, könnte er dasselbe Ergebnis auch durch eine zweiseitige Vereinbarung mit dem Versicherungsnehmer herbeiführen. Wenn der Versicherungsnehmer eine Entscheidung für die Geltung der Vereinbarung getroffen hat, muss sich zudem auch der Versicherer darauf einrichten können. Der Versicherungsnehmer wird die Unverbindlichkeit der Vereinbarung zwar oftmals nicht erkennen. Dieser Unkenntnis lässt sich aber dadurch hinreichend Rechnung tragen, dass man – soweit eine Wirksamkeit der Vereinbarung für den Versicherungsnehmer im Einzelfall nicht ausschließlich vorteilhaft ist – strenge Anforderungen an das Vorliegen einer Berufungserklärung stellt389. 2. Rückwirkung der Berufung Die Berufung des Versicherungsnehmers auf die Vereinbarung führt nicht nur dazu, dass die Vereinbarung nur von dem Zeitpunkt an, in dem sich der Versicherungsnehmer darauf beruft, wirksam wird. Das Hindernis für die Wirksamkeit der Hinblick auf diese Fälle nur ein einheitliches Wahlrecht einzuräumen. Es wäre jedoch nicht sachgerecht, die Reichweite seines Wahlrechtes davon abhängig zu machen, ob in der Zeit bis zu einer Entscheidung über einen Anwendungsfall ein weiterer Anwendungsfall eingetreten ist. Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Zeitpunkt der Ausübung des Wahlrechtes von dem – vom Versicherungsnehmer nicht ohne weiteres zu beeinflussenden – Zeitpunkt abhängt, in dem er von der Unverbindlichkeit der Vereinbarung erfährt. 387 VersArch 1956, 163, 172 f. 388 Darum geht es z. B., wenn in einer Vereinbarung für eine vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung eine zu hohe Vertragsstrafe vereinbart und dies mit einem Ausschluss der §§ 16 ff. VVG verknüpft wird. Nach der im Text vertretenen Auffassung käme eine bindende Berufung des Versicherungsnehmers auf die Vereinbarung – unabhängig davon, ob er die Vertragsstrafe bezahlt hat oder nicht – bereits in Betracht, wenn die Anzeigepflichtverletzung nach Vertragsschluss vom Versicherer aufgedeckt wird und er dies z. B. für einen Rücktritt nutzt. Folgt man Sasse, so wäre der Versicherungsnehmer dagegen erst nach Bezahlung der Vertragsstrafe gebunden. 389 s. dazu sogleich unter III. 1.

2. Abschnitt: Die Rechtsfolgen eines Verstoßes

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Vereinbarung liegt allein in der Sphäre des Versicherers. Dem Versicherungsnehmer darf daher kein Nachteil daraus erwachsen, dass die Vereinbarung zunächst unverbindlich ist. Wenn er sich deshalb für einen Anwendungsfall auf die Vereinbarung beruft, müssen ihm die Vorteile daraus so zugute kommen, als ob die Vereinbarung bereits in dem Zeitpunkt wirksam gewesen wäre, in dem der konkrete Tatbestand eingetreten ist, auf den die Vereinbarung Anwendung finden soll. Die Berufung wirkt also zurück: Wenn z. B. ein nach dem Gesetz an sich zulässiger Rücktritt des Versicherers durch die Vereinbarung ausgeschlossen ist, der Versicherer aber im Hinblick auf die Unverbindlichkeit der Vereinbarung dennoch vorsorglich zurücktritt, so hat eine spätere Berufung des Versicherungsnehmers auf die Vereinbarung zur Folge, dass der Ausschluss des Rücktrittsrechtes rückwirkend als wirksam zu behandeln ist. Der Rücktritt ist daher von Anfang an unwirksam. Im Ergebnis wirkt die Berufung damit wie die Genehmigung eines schwebend unwirksamen Rechtsgeschäftes durch einen Dritten (vgl. § 184 BGB).

III. Die Berufungserklärung 1. Tatbestand Voraussetzung für eine Berufung ist zunächst eine Willenserklärung, durch die der Versicherungsnehmer zum Ausdruck bringt, dass er die Wirksamkeit der Vereinbarung herbeiführen will390. Allerdings wird der Versicherungsnehmer in den seltensten Fällen ausdrücklich sagen, dass er die Unverbindlichkeit der Vereinbarung beseitigen möchte. Statt dessen wird er vielmehr in der Regel, soweit es in einem konkreten Fall auf die Vereinbarung ankommt, auf deren Anwendung (bzw. auf der Anwendung ihrer für ihn günstigen Teile) bestehen oder aber der Anwendung der Vereinbarung zumindest nicht widersprechen. Es stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen in solchen Fällen eine konkludente Berufungserklärung vorliegt. Soweit sich die Vereinbarung in dem konkret eingetretenen Anwendungsfall ausschließlich zugunsten des Versicherungsnehmers auswirkt, z. B. weil er daraus einen Anspruch auf die Versicherungsleistung herleiten kann, der ihm nach dem Gesetz versagt wäre391, sind an die Bejahung einer konkludenten Berufung des 390 Ebenfalls eine Willenserklärung fordert Sasse VersArch 1956, 163, 173. Wenn man die Berufungserklärung mit der hier vertretenen, sogleich unter III. 2. begründeten Ansicht für empfangsbedürftig hält, kommt es für die Auslegung auf den Empfängerhorizont des Versicherers, ansonsten auf eine objektiv erkennbare Willensbetätigung des Versicherungsnehmers an (vgl. zu letzterem Erfordernis bei nicht empfangsbedürftigen Annahmerklärungen Palandt / Heinrichs § 151 Rn. 2 m. w. N.). Praktisch unterscheiden sich beide Auslegungsmaßstäbe allerdings wohl nicht (vgl. Jauernig / Jauernig § 151 BGB Rn. 1 für die Annahmeerklärung). 391 Dazu kann man etwa in dem Fall BGH NJW 1951, 231 ff. (s. o. Fußnote 305) kommen, in dem die Ausübung eines (für sich betrachtet nachteiligen und deshalb nicht wirksam ver-

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

Versicherungsnehmers auf die Vereinbarung geringe Anforderungen zu stellen. Es genügt jedenfalls, wenn er ein Begehren äußert, z. B. eine Versicherungsleistung in bestimmter Höhe verlangt, das nur durch eine Anwendung der Vereinbarung gerechtfertigt sein kann. Dass er ausdrücklich auf die Vereinbarung Bezug nimmt, ist nicht erforderlich. Wenn der Versicherer die Vereinbarung selbst als wirksam behandelt, also z. B. die auf der Grundlage der Vereinbarung geschuldete Versicherungsleistung auszahlt, ist es zudem auch schon als stillschweigende Berufung auf die ihm günstige Regelung auszulegen, wenn er der Abwicklung auf der Grundlage der Vereinbarung nicht widerspricht. Wenn sich die Vereinbarung in dem konkret eingetretenen Anwendungsfall teils günstig, teils nachteilig (Beispiel: Ausschluss des Rücktrittsrechtes nach den §§ 16, 17 VVG bei gleichzeitiger Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe) oder sogar ausschließlich nachteilig auswirkt, ist dagegen ein strengerer Maßstab anzulegen. In einem solchen Fall reicht es jedenfalls nicht aus, wenn der Versicherungsnehmer die Abwicklung auf der Grundlage der Vereinbarung einfach nur hinnimmt. Darüber hinaus kann auch in einer Inanspruchnahme der vorteilhaften Rechtsfolgen allein noch keine Berufung auf die Regelung insgesamt erblickt werden. Dass der Versicherungsnehmer die Vorteile in Anspruch nehmen will (also z. B. auf den vertraglichen Ausschluss des Rücktrittsrechtes verweist), lässt für sich gesehen noch keinen hinreichend sicheren Schluss darauf zu, dass er dies auch um den Preis tun will, dass er den Nachteil in Kauf nehmen (also z. B. die Vertragsstrafe zahlen) muss. Schließlich genügt es für die Annahme einer Berufungserklärung in solchen Fällen auch nicht ohne weiteres, wenn der Versicherungsnehmer erkennbar mit der Anwendung der gesamten Vereinbarung einverstanden ist, wenn er also etwa gegenüber einer Rücktrittserklärung des Versicherers auf den Ausschluss des Rücktrittsrechtes verweist und zugleich zu erkennen gibt, dass er zur Zahlung der im Vertrag festgesetzten Vertragsstrafe bereit ist. Für eine Berufung reicht es nicht aus, wenn der Versicherungsnehmer lediglich zum Ausdruck bringt, dass er die Vereinbarung für wirksam hält und deshalb deren Anwendung wünscht. Daraus lässt sich noch nicht entnehmen, dass er die Vereinbarung in Geltung setzen und damit die mit einer Berufung verbundene Rechtsfolge herbeiführen will. Aus dem Verhalten des Versicherungsnehmers muss sich vielmehr ergeben, dass er zumindest Zweifel an der Verbindlichkeit der Vereinbarung hat und auch für diesen Fall deren Geltung wünscht392. Solche Zweifel lassen sich aber allein aus einem Vereinbarten) vertraglichen Rücktrittsrechtes wegen Gefahrerhöhung zur Voraussetzung für eine Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 25 VVG gemacht wurde: Wenn der Versicherer nicht (fristgerecht) zurückgetreten ist, ist eine solche Vereinbarung für den Versicherungsnehmer im konkreten Fall ausschließlich vorteilhaft, weil er aus ihr einen Anspruch auf die Versicherungsleistung herleiten kann, der sich aus dem Gesetz nicht ergäbe. 392 Ähnlich Sasse VersArch 1956, 163, 173; allerdings unter Hinweis auf die Ähnlichkeit zwischen Berufung und – nicht empfangsbedürftiger – Bestätigung eines Rechtsgeschäftes nach § 144 BGB; dazu, dass dieser Vergleich nicht passt, siehe sogleich im Text.

2. Abschnitt: Die Rechtsfolgen eines Verstoßes

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weis auf die gesamte Vereinbarung einschließlich ihrer Vor- und Nachteile noch nicht entnehmen. Dass der Versicherungsnehmer auf der Anwendung der Vereinbarung besteht, lässt sich angesichts der typischerweise fehlenden Rechtskenntnisse des Versicherungsnehmers mindestens ebenso plausibel damit erklären, dass er an die Gültigkeit der Vereinbarung glaubt und daher nur ein vertragstreues Verhalten des Versicherers einfordern will. Wenn der Versicherungsnehmer nicht ausdrücklich sagt, dass er die Vereinbarung in Geltung setzen will, liegt daher praktisch nur dann eine Berufungserklärung vor, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer zuvor auf die Unverbindlichkeit der Vereinbarung hingewiesen hat. Ein Hinweis des Versicherers kann zwar nicht dazu führen, dass eine bloße Hinnahme der Anwendung der Vereinbarung als Berufungserklärung auszulegen ist. Wenn der Versicherungsnehmer darüber aufgeklärt wurde, dass die Vereinbarung für ihn unverbindlich ist, er sich aber auf die Vereinbarung insgesamt, d. h. auf die dazu gehörenden vor- und nachteiligen Regelungen, berufen kann, so ändert dies aber den Bedeutungsgehalt einer darauffolgenden aktiven Inanspruchnahme der Vereinbarung. Nach einem entsprechenden Hinweis des Versicherers ist zu unterstellen, dass der Versicherungsnehmer die Unverbindlichkeit der Vereinbarung kennt. Wenn er danach dennoch darauf besteht, dass die Vereinbarung bzw. ihr für ihn günstiger Teil zur Anwendung kommt, ist dies daher als konkludente Berufungserklärung auszulegen. Wenn der Versicherer also in dem oben angesprochenen Beispiel nach einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers ungeachtet des vereinbarten Ausschlusses des Rücktrittsrechtes innerhalb der gesetzlichen Frist zurücktritt, den Versicherungsnehmer dabei aber darauf hinweist, dass er sich auch auf den Ausschluss des Rücktrittsrechtes berufen könne, für diesen Fall aber auch die Vertragsstrafe zahlen müsse, so ist eine spätere Erklärung des Versicherungsnehmers, mit der er den Rücktritt zurückweist, als Berufung auf die Vereinbarung auszulegen. 2. Empfangsbedürftigkeit der Berufungserklärung Im Schrifttum wird die Berufungserklärung des Versicherungsnehmers zum Teil als nicht empfangsbedürftig angesehen. Begründet wird dies mit der Ähnlichkeit zwischen der Berufung und der Bestätigung anfechtbarer Rechtsgeschäfte (§ 144 Abs. 1 BGB), zu deren Wirksamkeit auch kein Zugang der Bestätigungserklärung erforderlich sei393. 393 Sasse VersArch 1956, 163, 173 geht von der Nichtempfangsbedürftigkeit der Berufung aus und stützt sich dabei auf die Entscheidung RGZ 68, 398, 399, die die Bestätigung eines anfechtbaren Rechtsgeschäftes nach § 144 BGB zum Gegenstand hat. – Von Bedeutung kann diese Frage z. B. sein, wenn sich der Versicherungsnehmer gegenüber einem Versicherungsvermittler auf die Vereinbarung beruft, der nach den AVB nicht zur Entgegennahme von Erklärungen befugt ist, die das Versicherungsverhältnis betreffen. Eine solche Einschränkung

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

Dies überzeugt indes nicht. Es trifft zwar zu, dass die Bestätigungserklärung nach § 144 BGB nach wohl h. M. nicht empfangsbedürftig ist394. Dies wird – außer mit der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift395 – damit begründet, dass bei Erklärungen, die einseitig einen Schwebezustand beenden, im Interesse der schnellstmöglichen Klärung der Rechtslage Abgabe und Zugang der Erklärung entbehrlich seien, wenn die Erklärung „konservativen“ Charakter habe396. Eine Erklärung soll deshalb nicht empfangsbedürftig sein, wenn sie – wie die Bestätigung nach § 144 Abs. 1 BGB, die im Ergebnis einem Verzicht des Anfechtungsberechtigten auf sein Anfechtungsrecht gleichkomme – lediglich die Möglichkeit beseitige, ein ohnehin bereits geltendes Rechtsgeschäft zu Fall zu bringen. Um eine empfangsbedürftige Erklärungen soll es sich dagegen handeln, wenn die Erklärung – wie etwa die Zustimmung nach § 182 BGB – ein Rechtsgeschäft überhaupt erst zur Geltung bringt397. Es lässt sich aber schon bezweifeln, ob dieser Auslegung des § 144 BGB zu folgen ist. Dagegen spricht insbesondere, dass der andere Teil auch bei Erklärungen, die nur eine Möglichkeit zur Änderung der bereits bestehenden Rechtslage beseitigen, ein Interesse daran hat, von der Entscheidung des Erklärenden zu erfahren398. Jedenfalls lässt sich ihre Begründung nicht auf die hier interessierende Fragestellung übertragen: Da die nachteilige Vereinbarung bis zu einer Entscheidung des Versicherungsnehmers gerade nicht wirksam, sondern zunächst unwirksam ist, ähnelt die Berufung nicht der Bestätigung nach § 144 BGB, sondern – wie gezeigt – einer Genehmigung. Die Berufungserklärung hat daher gar keinen „konservativen“ Charakter. Die für eine Entbehrlichkeit von Abgabe und Zugang der Bestätigungserklärung angeführten Überlegungen greifen deshalb bei ihr nicht. Die Berufungserklärung ist daher empfangsbedürftig.

IV. Ausschluss der Berufung Eine Berufung des Versicherungsnehmers auf die Vereinbarung ist möglicherweise ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer in einem konkreten Fall auf der Anwendung der gesetzlichen Regelung bestanden oder einer Abwicklung auf der Grundlage der gesetzlichen Regelung zumindest nicht widersprochen hat. der Empfangsvollmacht des Versicherungsvermittlers für nachvertragliche Mitteilungen und Erklärungen ist nach der Rechtsprechung des BGH zulässig, vgl. BGH VersR 1999, 565, 566 ff. Von der Empfangsbedürftigkeit der Berufung hängt dann ab, ob der Versicherungsnehmer bereits an diese Erklärung gebunden ist, bevor sie dem Versicherer selbst zugeht. 394 RGZ 68, 398, 399 f.; Jauernig / Jauernig § 144 Rn. 2; Soergel / Hefermehl § 144 Rn. 3. 395 RGZ 68, 398, 399 f. 396 Vgl. Flume II § 11 / 4 S. 140; allgemein zu dieser Begründung Windel AcP 199 (1999), 420, 443 m. w. N. 397 Flume II § 11 / 4 S. 140. 398 Larenz AT § 23 V b) S. 480; Medicus AT Rn. 534.

2. Abschnitt: Die Rechtsfolgen eines Verstoßes

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1. Verzicht des Versicherungsnehmers auf sein Wahlrecht In Betracht kommt zunächst ein Verzicht des Versicherungsnehmers auf sein Wahlrecht. Da das Berufungsrecht dem Versicherungsnehmer ein einseitiges Gestaltungsrecht gibt, kann er darauf auch einseitig verzichten399. Allerdings sind an einen einseitigen Verzicht des Versicherungsnehmers strenge Anforderungen zu stellen. Er muss dazu zum Ausdruck bringen, dass er von seiner Berufungsmöglichkeit keinen Gebrauch machen will und statt dessen die Anwendung der gesetzlichen Regelung wünscht. Insbesondere muss sein Verhalten darauf schließen lassen, dass ihm die eigene Möglichkeit bewusst ist, sich auf die Vereinbarung zu berufen. Da die Kenntnis der gesetzlichen Verstoßfolge beim Versicherungsnehmer nicht vorausgesetzt werden kann, genügt es daher für einen Verzicht nicht, dass er eine Anwendung der Vereinbarung (oder sogar nur der für ihn ungünstigen Teile davon) ablehnt und dazu deren Wirksamkeit abstreitet. In der Regel kommt ein Verzicht daher nur nach einer Belehrung des Versicherungsnehmers durch den Versicherer über seine Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht. Wenn der Versicherer also etwa einen Rücktritt wie in dem unter III. 1. angesprochenen Beispiel mit einem Hinweis auf die Wahlmöglichkeit des Versicherungsnehmers verbindet, ist eine ausdrückliche Erklärung, dass er mit der Beendigung des Vertrages einverstanden sei, als Verzicht des Versicherungsnehmers auf sein Wahlrecht auszulegen400.

2. Nichtausübung des Wahlrechtes Wenn der Versicherungsnehmer die Anwendung der vertraglichen Regelung nicht aktiv zurückweist, sondern sich entweder gar nicht zu der Ausübung des Wahlrechtes äußert oder stillschweigend eine Abwicklung auf der Grundlage der gesetzlichen Regelung hinnimmt, liegt kein Verzicht auf das Berufungsrecht vor. Allerdings kann in solchen Fällen ein Interesse des Versicherers daran bestehen, Klarheit darüber herbeizuführen, ob der Versicherungsnehmer noch von seiner 399 Dass Gestaltungsrechte einseitig verzichtbar sind, ist allgemein anerkannt, vgl. bereits Fußnote 257. 400 Ein Verzicht auf das Berufungsrecht ist dabei nicht nur – wie die Berufung – mit Wirkung für bereits konkret überschaubare Anwendungsfälle der Vereinbarung möglich. Das Verbot nachteiliger Abweichungen steht einem weitergehenden Verzicht des Versicherungsnehmers nicht entgegen: Eine Bindung des Versicherungsnehmers an den Verzicht hat ja nur zur Folge, dass die Vereinbarung endgültig unwirksam ist und damit die gesetzliche Regelung zur Anwendung kommt. Eine darauf gerichtete Vereinbarung mit dem Versicherer – also eine Einigung darüber, dass statt einer für den Versicherungsnehmer nachteiligen Vereinbarung in Zukunft die gesetzliche Regelung gelten soll – wäre deshalb zulässig. Der Versicherungsnehmer kann deshalb auch einseitig vorab auf sein Berufungsrecht verzichten. Allerdings ist einem für einen konkreten Fall erklärten Verzicht in der Regel kein solch umfassender Verzicht zu entnehmen.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

Berufungsmöglichkeit Gebrauch machen wird. Wenn etwa eine nachteilige Vereinbarung ein gesetzliches Rücktrittsrecht des Versicherers ausschließt, kommt es für die Wirksamkeit eines dennoch erklärten Rücktritts auf die Entscheidung des Versicherungsnehmers an. Für den Versicherer hängt davon die Entscheidung ab, ob er vorsorglich innerhalb der gesetzlichen Frist von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch machen soll. Zudem bleibt ohne eine Ausübung des Wahlrechtes durch den Versicherungsnehmer auch nach einem solchen Rücktritt in der Schwebe, ob der Vertrag fortdauert und der Versicherer deshalb zur Gewährung von Versicherungsschutz verpflichtet bleibt.

a) Analoge Anwendung der §§ 108 Abs. 2, 177 Abs. 2 BGB? Man könnte überlegen, ob diesem Interesse nicht durch eine Analogie zu den §§ 108 Abs. 2, 177 Abs. 2 BGB Rechnung zu tragen ist. Eine Berufung des Versicherungsnehmers auf die Vereinbarung wäre in diesem Falle ausgeschlossen, wenn er auf eine – gegebenenfalls mit einer Belehrung über das Berufungsrecht verbundene – Aufforderung des Versicherers, sein Wahlrecht auszuüben, nicht innerhalb von zwei Wochen reagiert. Eine solche Analogie ist indes abzulehnen. Die Interessenlage in den von den §§ 108 Abs. 2, 177 Abs. 2 BGB geregelten Fällen ist nicht mit der in der hier untersuchten Konstellationen vergleichbar. Der Geschäftspartner eines beschränkt Geschäftsfähigen bzw. derjenige, der mit einem Vertreter ohne Vertretungsmacht kontrahiert, ist nicht oder jedenfalls nicht allein für den Defekt des schwebend unwirksamen Geschäftes verantwortlich401. Es ist daher sachgerecht, ihm die Möglichkeit einer schnellen Beendigung des Schwebezustandes zu geben und dazu die Entscheidungsmöglichkeit des zur Genehmigung Berechtigten zeitlich zu begrenzen. Im Gegensatz dazu hat der Versicherer die mit dem Wahlrecht des Versicherungsnehmers verbundene Rechtsunsicherheit selbst durch die – für ihn vermeidbare – nachteilige Abweichung ausgelöst. Sein Interesse an der schnellen Schaffung von Rechtssicherheit ist daher weniger schutzwürdig und rechtfertigt eine Beschränkung des Wahlrechtes des Versicherungsnehmers jedenfalls nicht stets in dem in den §§ 108 Abs. 2, 177 Abs. 2 BGB vorgesehenen Umfange.

b) § 242 BGB Die Nichtausübung des gesetzlichen Wahlrechtes kann daher nur im Einzelfall dazu führen, dass eine Berufung des Versicherungsnehmers auf die Vereinbarung treuwidrig (§ 242 BGB) ist. 401 Auch wenn er den Defekt bei Vertragsschluss kennt, trifft ihn jedenfalls nur eine Mitverantwortung dafür.

2. Abschnitt: Die Rechtsfolgen eines Verstoßes

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Dafür genügt es allerdings nicht, wenn der Versicherungsnehmer lediglich auf eine Aufforderung des Versicherers nicht reagiert. Dass er sich bei der Ausübung seiner gesetzlichen Wahlmöglichkeit Zeit lässt, ist für sich gesehen noch nicht zu beanstanden. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, die sein Abwarten als treuwidrig erscheinen lassen. Dass von der Wahl des Versicherungsnehmers die Ausübung eines durch die Vereinbarung ausgeschlossenen gesetzlichen Gestaltungsrechtes (insbesondere eines Kündigungs- oder Rücktrittsrechtes) abhängt, ist allerdings für sich allein kein solcher Umstand. Es ist dem Versicherer zuzumuten, für den Fall, dass der Versicherungsnehmer sich nicht auf die Vereinbarung beruft und es deshalb bei der gesetzlichen Regelung verbleibt, vorsorglich – d. h. für den Fall, dass sich der Versicherungsnehmer nicht auf die Vereinbarung beruft402 – von seinem Gestaltungsrecht Gebrauch zu machen. Problematisch ist es allerdings, wenn der Versicherungsnehmer auch nach einer solchen vorsorglichen Ausübung des Lösungsrechtes durch den Versicherer durch ein Hinauszögern seiner Wahl faktisch das ganze Versicherungsverhältnis auf unbestimmte Zeit in der Schwebe halten – und sich je nachdem, ob ein Versicherungsfall eintritt oder nicht, auf die Vereinbarung berufen – könnte. Der Versicherungsnehmer verhält sich treuwidrig, wenn er keine Entscheidung über die Fortsetzung des Vertrages trifft, obwohl er um die Bedeutung seiner Wahl weiß und von dem Versicherer auch zur Ausübung seines Wahlrechtes aufgefordert wurde. Jedenfalls nach Verstreichen einer angemessenen Entscheidungsfrist kann er daher von seinem Recht zur Berufung auf die Vereinbarung keinen Gebrauch mehr machen, sondern muss sich nach der gesetzlichen Regelung behandeln lassen. Bei der Bestimmung der Länge dieser Frist bietet sich dabei – da es um eine Entscheidung von ähnlicher Bedeutung geht, die vom Versicherungsnehmer ebenfalls auf Veranlassung des Versicherers zu treffen ist – eine Anlehnung an die Länge der Frist an, die in der Rechtsprechung für die Entscheidung über einen Widerspruch gegen eine einseitige Bedingungsänderung durch den Versicherer als angemessen angesehen wird403.

D. Teilweise Aufrechterhaltung der Vereinbarung durch ergänzende Vertragsauslegung Wenn sich der Versicherungsnehmer – etwa weil eine Vereinbarung sich für ihn im Einzelfall ausschließlich belastend auswirkt – nicht auf eine nachteilige Vereinbarung beruft und es deshalb bei deren Unverbindlichkeit verbleibt, stellt sich die 402 Zur Zulässigkeit solcher Potestativbedingungen vgl. Palandt / Heinrichs Einf. vor § 158 BGB Rn. 10 m. w. N. 403 Vgl. BGHZ 141, 153, 158; eine Frist von einem Monat ist danach zu kurz bemessen; als ausreichend anzusehen ist aber wohl eine Frist von sechs Wochen, vgl. Wandt, Änderungsklauseln, Rn. 191 f.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

Frage, ob nicht eine Vertragsergänzung mit Hilfe einer ergänzenden Vertragsauslegung möglich ist. Eine solche Vertragsergänzung kommt vor allem in Betracht, wenn Teile der nachteiligen Vereinbarung für sich betrachtet nicht gegen das VVG verstoßen würden, im Hinblick auf das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (vgl. oben B. III. 1.) aber dennoch in die Vereinbarung einzubeziehen und deshalb unverbindlich sind. Darum geht es insbesondere bei den bereits angesprochenen Risikoausschlüssen, die Risiken aus bestimmten Umständen ausschließen, soweit diese schon bei Vertragsschluss vorhanden waren. Auch wenn man bei solchen Risikoausschlüssen nur insoweit eine Abweichung von den §§ 16 ff. VVG annimmt, als es um Umstände geht, die dem Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss bekannt waren, können solche Ausschlüsse – wie unter B. III. 1. dargelegt – dennoch eine einheitliche nachteilige Vereinbarung i. S. d. § 34a VVG darstellen. Da sich ein Versicherungsnehmer, dem von dem Ausschluss erfasste Umstände bei Vertragsschluss bereits bekannt waren, kaum je auf den Ausschluss berufen wird, ist dieser daher eigentlich auch im Hinblick auf Risiken aus diesen Umständen unverbindlich. Man könnte aber daran denken, den Ausschluss im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung aufrechtzuerhalten, soweit er dem Versicherungsnehmer bekannte Umstände betrifft. Der BGH lässt eine ergänzende Auslegung des Vertrages, soweit es um Verstöße gegen das AGBG a. F. (§§ 305 ff. BGB n. F.) geht, allerdings nur in engen Grenzen zu. Sie kommt danach nur in Betracht, wenn zur Ergänzung geeignetes dispositives Gesetzesrecht fehlt und die ersatzlose Streichung einer Klausel keine angemessene, den typischen Interessen des Klauselverwenders und des Kunden Rechnung tragende Lösung bietet404. Zur Lückenfüllung geeigneten materiell-rechtlichen Normen kommt damit der Vorrang vor der ergänzenden Vertragsauslegung zu. Begründet wird dies mit einer Auslegung des § 6 Abs. 2 AGBG a. F. (§ 306 Abs. 2 BGB n. F.)405. Da diese Vorschrift für Verstöße gegen das VVG, jedenfalls soweit es um Vereinbarungen in AVB geht, analog anzuwenden ist406, sind für eine ergänzende Auslegung in den hier interessierenden Fällen dieselben Schranken anzunehmen. Eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet daher in den hier untersuchten Fällen oftmals schon deshalb aus, weil die halbzwingenden Vorschriften, von denen in einer nachteiligen Vereinbarung abgewichen wird, an die Stelle der Vereinbarung treten können. In dem geschilderten Beispiel lässt sich dies indes nicht ohne weiteres sagen. Da die beschriebenen Risikoausschlüsse im Hinblick auf dem Versicherungsnehmer bekannte Umstände deren Gefahrerheblichkeit beseitigen, wird dadurch zugleich auch die vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsneh404 BGHZ 90, 69, 75 f.; BGH VersR 1992, 477, 479; zustimmend die h. M. im Schrifttum, z. B. H.Schmidt, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 6 Rn. 33 ff. m. w. N. 405 BGH VersR 1992, 477, 478 f.; H.Schmidt, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 6 Rn. 34. 406 Vgl. oben unter B. II. 1. b) cc) (S. 127).

2. Abschnitt: Die Rechtsfolgen eines Verstoßes

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mers ausgeschlossen407. Die durch die Unverbindlichkeit des Ausschlusses entstandene Lücke kann daher durch die §§ 16 ff. VVG, 123 BGB nicht ohne Probleme geschlossen werden, da dem Versicherer die in diesen Vorschriften vorgesehenen Möglichkeiten zur Lösung vom Vertrag (und damit zur Beseitigung der Äquivalenzstörung, die von der anfänglichen Verkennung eines Umstandes ausgeht) nicht zu Gebote stehen408. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist daher zum Teil unter Bezugnahme auf die angeführten Kriterien des BGH eine Aufrechterhaltung der genannten Risikoausschlüsse im Hinblick auf Umstände, die dem Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss bekannt waren, bejaht worden409. Der BGH hat dies aber mit Hinweis auf die Geltung der §§ 16 ff. VVG abgelehnt. Wenn der Versicherer auf eine Risikoprüfung verzichte, stehe ihm auch kein Rücktritts- und Leistungsverweigerungsrecht zu. Die Frage einer ergänzenden Vertragsauslegung stelle sich daher nicht410. Im Ergebnis werden die §§ 16 ff. VVG damit auch insoweit als interessengerechte (Ergänzungs-)Lösung angesehen, als sie dem Versicherer im konkreten Fall keine Lösungsrecht geben411. Dem ist jedenfalls dann zuzustimmen, wenn dem Versicherer eine vorvertragliche Risikoprüfung nach der Art des konkreten Vertrages ohne weiteres zumutbar war, insbesondere weil der Aufwand für eine solche Prüfung nicht außer Verhältnis zu der Prämie gestanden hätte.

E. Die Folgen einer Abweichung zum Nachteil des Versicherungsnehmers im Verhältnis zu Dritten Wenn sich der Versicherungsnehmer nicht auf eine nachteilige Vereinbarung beruft, ist sie jedermann gegenüber – und nicht nur relativ im Verhältnis zum Versicherer – unverbindlich. Eine Inanspruchnahme der Vereinbarung durch Dritte würde regelmäßig dazu führen, dass der Versicherungsnehmer den Nachteilen ausgesetzt wäre, vor denen ihn das Gesetz gerade schützen will412. Besonderheiten ergeben sich nur im Hinblick auf den Versicherten. Soweit der Versicherte über seine Rechte aus dem Versicherungsvertrag ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers verfügen bzw. sie gerichtlich geltend machen kann (vgl. § 75 Abs. 2 VVG), ist ihm auch eine Berufung auf eine Vereinbarung möglich, die zum Nachteil des Versicherungsnehmers von einer halbzwingenden Vorschrift Vgl. dazu unten im 2. Teil im 1. Abschnitt unter unter C. II. 2. a) bb) (S. 235). Ebenso OLG Hamm VersR 1995, 649, 650; OLG Köln VersR 1996, 1399, 1400; a. A. Wriede VersR 1996, 1473, 1474. 409 OLG Hamm VersR 1995, 649, 650; OLG Köln VersR 1996, 1399, 1400. 410 BGH VersR 1996, 487, 488 unter 4. 411 Ebenso Wriede VersR 1996, 1473, 1474; kritisch zu einer ergänzenden Vertragsauslegung auch BK / Voit § 16 VVG Rn. 18, der allerdings Risikoausschlüsse auch im Hinblick auf dem Versicherungsnehmer bekannte Umstände für nicht mit § 34a VVG vereinbar hält. 412 A. A. – allerdings ohne Begründung – Möller, in: Bruck / Möller § 15a VVG Anm. 4. 407 408

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

abweicht. Dies kommt in Betracht, wenn sich die Abweichung gerade aus einer Verschlechterung der Rechtsstellung des Versicherten im Vergleich zu einer halbzwingenden Vorschrift ergibt413. Allerdings muss die Vereinbarung in dem Einzelfall, für den die Berufung erfolgt, ausschließlich von der Verfügungsbefugnis des Versicherten erfasste Rechte betreffen. Darum geht es etwa, wenn sich eine Vereinbarung lediglich auf das Bestehen oder die Höhe des Anspruches des Versicherten gegen den Versicherer auswirkt414. Wenn die Wirksamkeit einer Vereinbarung im Einzelfall Rechtsfolgen hätte, die allein der Disposition des Versicherungsnehmers unterliegen, scheidet eine Berufung des Versicherten darauf aus415. Nicht möglich ist daher z. B. die Berufung auf eine Vereinbarung, deren Wirksamkeit sich auf die Fortsetzung des Vertrages (z. B. die Wirksamkeit eines Rücktritts oder einer Kündigung des Versicherers) oder die sich daraus für den Versicherungsnehmer ergebenden Pflichten (z. B. die Verpflichtung zur Zahlung einer höheren Prämie oder einer Vertragsstrafe) auswirken würde. Soweit eine Berufung des Versicherten möglich ist, gelten die unter C. entwickelten Regeln entsprechend.

F. Die Verstoßfolgen bei Abweichungen zum Nachteil anderer Personen als des Versicherungsnehmers I. Abweichungen zu Lasten des Erwerbers der versicherten Sache (§ 72 VVG) Soweit eine Vereinbarung zum Nachteil des Erwerbers der versicherten Sache von den in § 72 Satz 1 VVG genannten Vorschriften abweicht, gelten die unter A. für den Versicherungsnehmer entwickelten Regeln entsprechend: Die gesetzliche Formulierung ist als Einräumung eines Wahlrechtes für den Erwerber zu verstehen416. Der Erwerber kann daher die nachteilige Vereinbarung einseitig für sich in Anspruch nehmen. Die Möglichkeit der Berufung auf die Vereinbarung wird dabei allerdings nicht durch die unter C. II. 1. entwickelten Schranken begrenzt. Da es auch für das Verbot nachteiliger Abweichungen zu Lasten des Erwerbers nicht auf die Überschaubarkeit der Folgen der Vereinbarung ankommt, kann auch für die Berufung des Erwerbers nichts anderes gelten. Allerdings wird der Erwerber, da Vereinbarungen zu seinen Lasten zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer in Vgl. dazu oben im 1. Abschnitt unter A. I. 4. (S. 41). Beispiel: Eine Vereinbarung gibt dem Versicherten in einzelnen Fällen einen Anspruch, der ihm nach dem Gesetz nicht zustünde, ist für ihn aber im Saldo der denkbaren Anwendungsfälle aber ungünstiger, weil ihm in der Mehrzahl der Fälle nur geringere Ansprüche als nach der gesetzlichen Regelung eingeräumt werden. In ersterem Fall hat der Versicherte ein Interesse an der Berufung auf die Vereinbarung. 415 A. A. wiederum Möller, in: Bruck / Möller § 15a VVG Anm. 4, der nur eine Berufung des Versicherers oder seiner Rechtsnachfolger für ausgeschlossen hält. 416 BK / Dörner § 72 VVG Rn. 2. 413 414

3. Abschnitt: Das Verhältnis zu den §§ 305 ff. BGB n. F.

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der Regel nicht zugleich für ihn vorteilhafte Regelungen enthalten werden, typischerweise kein Interesse an einer Berufung auf die Vereinbarung haben.

II. Abweichungen von den §§ 100 ff. VVG zu Lasten des Hypothekengläubigers Das unter I. Gesagte gilt entsprechend für Vereinbarungen zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer, die zu Lasten des Hypothekengläubigers von den §§ 100 ff. VVG abweichen. Das Gesetz nennt für solche Vereinbarungen zwar keine Sanktion. Die Interessenlage des Hypothekengläubigers entspricht aber im Hinblick auf die Verbindlichkeit solcher Vereinbarungen derjenigen des Erwerbers. Die Verstoßfolgen des § 72 Satz 1 VVG sind daher auch hier anzuwenden.

3. Abschnitt

Das Verhältnis des Verbotes nachteiliger Abweichungen zur Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F. Die meisten Vereinbarungen, die mit dem Regelungsbereich halbzwingender Vorschriften des VVG in Zusammenhang stehen und daher in Konflikt mit dem Verbot nachteiliger Abweichungen geraten können, finden sich in AGB i. S. d. § 305 Abs. 1 BGB n. F. Dies gilt insbesondere für Bestimmungen in AVB, aber auch für Vereinbarungen nach Vertragsschluss, die vom Versicherer einseitig vorformuliert wurden. In diesen Fällen kommt zusätzlich zu der Überprüfung anhand des VVG eine Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F. in Betracht. Im folgenden wird untersucht, ob und inwieweit sich diese beiden Kontrollmaßstäbe und ihre Verstoßfolgen wechselseitig beeinflussen.

A. Die Kontrolle von Vereinbarungen nach den §§ 305 ff. BGB n. F., die nicht gegen das Verbot nachteiliger Abweichungen verstoßen Zunächst stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang AGB-Klauseln, die zwar den von halbzwingenden Vorschriften geregelten Sachbereich betreffen, dabei jedoch nicht gegen das VVG verstoßen, der Kontrolle nach den §§ 305c Abs. 1417, 307 – 309 BGB n. F. unterliegen. 417 Die Einbeziehungskontrolle nach § 305 Abs. 2 BGB n. F. (§ 2 AGBG a. F.) bereitet, soweit sie neben § 5a VVG überhaupt von Bedeutung ist (dazu Prölss, in: Prölss / Martin Vorb.I Rn. 22), keine besonderen Probleme: Unabhängig von ihrem Inhalt werden AGB bei Nichtbeachtung des § 305 Abs. 2 BGB n. F. nicht Vertragsbestandteil.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

I. Von Vorschriften des VVG abweichende, für den Versicherungsnehmer aber nicht überwiegend nachteilige Vereinbarungen Um dieses Problem geht es zunächst dann, wenn eine Klausel zwar in einer Hinsicht zu Lasten des Versicherungsnehmers von einer halbzwingenden Vorschrift abweicht, diese Abweichung aber im Rahmen der nach dem VVG vorzunehmenden Saldierung durch zugleich vereinbarte Vorteile kompensiert wird. 1. § 305c Abs. 1 BGB n. F. Eine (Einbeziehungs-)Kontrolle einer solchen Klausel nach § 305c Abs. 1 BGB n. F. (§ 3 AGBG a. F.) ist ungeachtet des Ergebnisses der Saldierung uneingeschränkt möglich. Dass die Vorteile einen bestimmten Nachteil ausgleichen können, bedeutet nicht, dass die Vereinbarung des Nachteils, insbesondere im Hinblick auf die besonderen Umstände, unter denen der Vertrag geschlossen wurde, nicht ungewöhnlich i. S. d. § 305c Abs. 1 BGB n. F. sein könnte. Wenn man daher z. B. die Vereinbarung einer Vertragsstrafe als Sanktion für die Nichtanzeige einer Gefahrerhöhung für überraschend i. S. d. § 305c Abs. 1 BGB n. F. hält418, wird sie auch dann nicht in den Vertrag einbezogen, wenn man eine zugleich vereinbarte Abbedingung der Rechte des Versicherers aus den §§ 23 ff. VVG für ausreichend hält, um die Belastung mit der Vertragsstrafe auszugleichen419. 2. Kontrolle nach den §§ 307 – 309 BGB n. F. a) § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB n. F. Nicht überwiegend nachteilige Klauseln sind aber möglicherweise durch § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB n. F. von der Kontrolle nach den §§ 307 Abs. 1 Satz 1; Abs. 2; 308 f. BGB n. F. ausgenommen. Das VVG eröffnet dadurch, dass nur für den Versicherungsnehmer überwiegend nachteilige Vereinbarungen verboten werden, einen Spielraum für abweichende Vereinbarungen: Nicht überwiegend nachteilige Vereinbarungen werden damit indirekt zugelassen. Welche Bedeutung eine derartige gesetzliche Erlaubnis für § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB n. F. hat, ist problematisch. Nach Ansicht der Rechtsprechung420 und der h. M.421 im Schrifttum sind auch AGB-Klauseln, die sich innerhalb eines durch eine Erlaubnisnorm eröffneten 418

So Johannsen, in: Bruck / Möller, Kraftfahrtversicherung, Anm. E 13 (zu § 3 AGBG

a. F.). 419 Vgl. zu der Saldierung in diesen Fällen im 2. Teil im 2. Abschnitt unter B. I. 3. (S. 303 ff.). 420 BGHZ 100, 157,179; 106, 42, 45 f.; BGH VersR 2001, 841, 843.

3. Abschnitt: Das Verhältnis zu den §§ 305 ff. BGB n. F.

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Spielraumes halten, nach § 8 AGBG a. F. (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB n. F.) kontrollfähig, sofern sie nicht lediglich rein deklaratorisch den Inhalt einer ohnehin geltenden gesetzlichen Regelung wiederholen: Es soll sich dabei um Rechtsvorschriften „ergänzende“ Bestimmungen i. S. d. § 8, 2. Alt. AGBG a. F. (§ 307 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. BGB n. F.) handeln422. Dass eine spezielle gesetzliche Vorschrift existiert, die einen Spielraum für die jeweilige Gestaltung eröffnet, soll lediglich im Rahmen der Beurteilung der Unangemessenheit der Benachteiligung des Kunden zu berücksichtigen sein423. Auch die hier untersuchten Vereinbarungen würden damit ohne weiteres von § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB n. F. erfasst. Nach einer anderen Ansicht im Schrifttum sind dagegen Bestimmungen in AGB, die sich im Rahmen eines von einer speziellen gesetzlichen Regelung eingeräumten Spielraumes halten, in bestimmten Fällen nicht kontrollfähig. § 8 AGBG a. F. (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB n. F.) soll nach dieser Auffassung teleologisch zu reduzieren sein, soweit im Rahmen der Inhaltskontrolle eine richterliche Überprüfung der Angemessenheit der gesetzlichen Erlaubnisnorm droht, da diese Gefahr durch § 8 AGBG a. F. (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB n. F.) gerade ausgeschlossen werden solle424. Allerdings soll auch nach dieser Ansicht nicht jede (Verbots-)Norm, aus der sich im Umkehrschluss425 auf die Zulässigkeit von vom Gesetz abweichenden Gestaltungen schließen lässt, eine die Inhaltskontrolle ausschließende Erlaubnisnorm sein. Vielmehr werden insoweit unterschiedliche Kriterien diskutiert: Zum Teil wird gefordert, dass der Inhalt der Erlaubnis in der gesetzlichen Regelung tatbestandlich klar fixiert worden ist426. Daran fehlt es in den hier untersuchten Fällen, da das VVG die im einzelnen zulässigen Abweichungen nicht konkret benennt (bzw. sich solche durch einen Umkehrschluss erschließen lassen), sondern nur eine durch ein allgemeines Wertungskriterium abstrakt umschriebene Vielzahl vertraglicher Regelungen zulässt. Allerdings lässt es sich vom Ausgangspunkt der geschilderten Ansicht aus nicht ohne weiteres begründen, dass es einer tatbestandlichen Fixierung bedarf: Eine richterliche Angemessenheitskontrolle der betreffenden gesetzlichen Vorschrift droht auch dann, wenn man einer Norm – wie in den hier untersuchten Fällen dem VVG – nur im Wege der Auslegung entnehmen kann, welche Vereinbarungen zulässig sein sollen, ohne dass diese in der Vorschrift 421 Brandner, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 8 Rn. 33 f. m. w. N.; speziell für das Verhältnis zum VVG Hansen VersR 1988, 1110, 1111. 422 BGHZ 100, 157,179; 106, 42, 45 f.; BGH VersR 2001, 841, 843. 423 BGHZ 106, 42, 48; Palandt / Heinrichs § 8 AGBG a. F. Rn. 21. 424 Canaris NJW 1987, 609, 610 ff.; ders. NJW 1987, 2407 ff.; Dylla-Krebs , Schranken, S. 95 ff., 97 ff.; tendenziell auch Wolf, in: Wolf / Horn / Lindacher § 8 AGBG Rn. 27. Canaris NJW 1987, 609, 610 ff. will § 8 AGBG a. F. analog anwenden, zur Kritik an diesem methodischen Weg vgl. Dylla-Krebs , Schranken, S. 90, 27. 425 Dass sich die Erlaubnis nur im Umkehrschluss aus einer Norm herleiten lässt, soll ihrer Qualifizierung als Erlaubnisnorm nicht entgegenstehen, vgl Canaris NJW 1987, 609, 612. 426 Canaris NJW 1987, 609, 611.

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

selbst bereits im einzelnen aufgeführt sind. Die Berechtigung dieses Erfordernisses wird daher zum Teil in Zweifel gezogen427. Einigkeit besteht indes darüber, dass es sich nur dann um eine die Kontrollfähigkeit einer Vereinbarung ausschließende Erlaubnisnorm handeln kann, wenn durch eine Vorschrift gerade auch Vereinbarungen in AGB zugelassen werden428. Die gesetzliche Vorschrift muss also auch die von der einseitigen Vorformulierung einer Vereinbarung durch den Verwender ausgehenden Gefahren berücksichtigt haben. Daran fehlt es hier: Wie bereits oben429 begründet wurde, trägt das VVG nicht gerade den von der einseitigen Vorformulierung einer Vorschrift ausgehenden Gefahren Rechnung430. Eine Inhaltskontrolle nach den §§ 307 – 309 BGB n. F. wird daher nicht durch § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB n. F. ausgeschlossen.

b) Anwendbarkeit der §§ 308 f. BGB n. F. Auch soweit § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB n. F. eine Inhaltskontrolle zulässt, stellt sich allerdings die Frage, ob die §§ 307 – 309 BGB n. F. in vollem Umfang anzuwenden sind, wenn eine Vereinbarung in AGB sich innerhalb eines durch das VVG vorgegebenen Rahmens hält. Dies ist im Schrifttum umstritten431. Einigkeit herrscht zwar darüber, dass solche Klauseln an § 9 AGBG (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB n. F.) zu messen sind432. Eine Kontrolle anhand der Verbotskataloge der §§ 10, 11 AGBG (§§ 308 f. BGB n. F.) wird dagegen zum Teil abgelehnt, weil es nicht Zweck dieser Vorschriften sein könne, die Anforderungen spezieller Vorschriften für bestimmte Vertragsarten zu verschärfen433. Andere Stimmen im Schrifttum wollen nur § 10 AGBG (§ 308 BGB n. F.), nicht dagegen § 11 AGBG (§ 309 BGB n. F.) anwenden. Begründet wird dies damit, dass den Besonderheiten des Versicherungsrechtes nur im Rahmen der §§ 9, 10 AGBG (§§ 307, 308 BGB Dylla-Krebs, Schranken, S. 95 f.; Wolf, in: Wolf / Horn / Lindacher § 8 AGBG Rn. 27. Canaris, NJW 1987, 2407, 2408; Dylla-Krebs, Schranken, S. 96 f.; Wolf, in: Wolf / Horn / Lindacher § 8 AGBG Rn. 27. 429 s. im 1. Abschnitt unter A. II. 2. b) bb) (3) (S. 55). 430 Dass sich eine Erlaubnis sich gerade auch auf AGB bezieht, wird allerdings von Canaris NJW 1987, 609, 611 schon dann angenommen, wenn von ihr sinnvollerweise nur in AGB Gebrauch gemacht wird; darum geht es regelmäßig auch in den hier interessierenden Fällen. Dagegen zu Recht Dylla-Krebs S. 104; Wolf in Wolf / Horn / Lindacher § 8 AGBG a. F. Rn. 27. 431 Diskutiert wird allerdings nicht speziell die Frage, wie nicht überwiegend nachteilige Abweichungen von halbzwingenden Vorschriften zu beurteilen sind; vielmehr geht es allgemein um die Inhaltskontrolle von Vereinbarungen, für die das VVG einen Rahmen vorgibt [z. B. § 6 VVG im Hinblick auf die Vereinbarung von Obliegenheiten, vgl. auch unten unter II. 3. (S. 166)]. 432 Z. B. Horn, in: Wolf / Horn / Lindacher § 23 Rn. 465; Ulmer, in: Ulmer / Brandner /Hensen § 23 Rn. 39; Winter, in: Bruck / Möller / Winter, Lebensversicherung, Anm. A 83. 433 Brandner, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 8 Rn. 39; Winter, in: Bruck / Möller / Winter, Lebensversicherung, Anm. A 83. 427 428

3. Abschnitt: Das Verhältnis zu den §§ 305 ff. BGB n. F.

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n. F.) Rechnung getragen werden könne, nicht dagegen bei den Verboten ohne Wertungsmöglichkeit nach § 11 AGBG (§ 309 BGB n. F.). Bei einer Anwendung des § 11 AGBG (§ 309 BGB n. F.) müsse es daher zu einer Kollision mit der jeweiligen Erlaubnisnorm des VVG kommen434. Diese Einschränkungen der Inhaltskontrolle überzeugen für die hier interessierenden Fälle nicht. Da sich dem VVG keine Erlaubnis entnehmen lässt, für den Versicherungsnehmer nicht überwiegend nachteilige Abweichungen gerade auch in AGB zu vereinbaren, ergibt sich daraus auch keine Wertung, die einer Anwendung der Klauselverbote der §§ 308 f. BGB n. F. entgegenstünde. Das VVG hat die besonderen Gefahren, die von der Verwendung von vorformulierten Vertragsbedingungen ausgehen, nicht abschließend berücksichtigt. Die §§ 308 f. BGB n. F. enthalten daher eine speziellere Wertung: Daraus, dass § 309 BGB n. F. bestimmte für den Kunden belastende Regelungen ohne Wertungsmöglichkeit für unzulässig erklärt, ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber eine solche Regelung in AGB für so gefährlich gehalten hat, dass eine Kompensation durch zugleich gewährte Vorteile nicht möglich sein soll435. Entsprechendes gilt im Falle des § 308 BGB n. F., soweit auch bei Ausfüllung der durch diese Vorschrift eröffneten Wertungsspielräume Vorteile für den Versicherungsnehmer keine Berücksichtigung finden können436. Diese Entscheidungen der §§ 308 f. BGB n. F. werden durch das VVG nicht in Frage gestellt. Die hier untersuchten Vereinbarungen sind daher auch der Kontrolle nach den §§ 308, 309 BGB n. F. unterworfen.

c) Berücksichtigung des Ergebnisses der Saldierung bei der Inhaltskontrolle Das heißt indes nicht, dass es für die Inhaltskontrolle keine Bedeutung hat, wenn eine Klausel bei Saldierung ihrer Vor- und Nachteile nach den im Rahmen des VVG maßgeblichen Regeln nicht überwiegend nachteilig für den Versicherungsnehmer ist. Wenn eine solche Klausel einen der Verbotstatbestände des Prölss, in: Prölss / Martin Vorb. I Rn. 53; Hansen VersR 1988, 1110, 1111. Zu denken ist etwa an eine Veränderung der Beweislast zu Lasten des Versicherungsnehmers, die wegen einer zugleich gewährten Beweiserleichterung für ihn zwar nach dem VVG zulässig ist, in AVB aber an § 309 Nr. 12 BGB n. F. scheitert. 436 Beispiel: § 308 Nr. 5 BGB n. F. eröffnet bei Vereinbarung einer Erklärungsfiktion nur hinsichtlich der „Angemessenheit“ der Frist für eine ausdrückliche Erklärung einen Wertungsspielraum. Wenn daher z. B. eine von den §§ 23 ff. VVG zu Lasten des Versicherungsnehmers abweichende Erklärungsfiktion, etwa die Fiktion einer Zustimmung zu einer Leistungseinschränkung als Folge einer generellen Gefahrerhöhung [vgl. zu solchen Klauseln unten im 2. Teil unter C. (S. 313 ff.)], vereinbart wird, und diese Vereinbarung nicht den formalen Erfordernissen des § 308 Nr. 5 b) BGB n. F. entspricht, so ist sie auch dann nach § 308 BGB n. F. unwirksam, wenn die im Hinblick auf die Fiktion vereinbarten Vorteile im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung, insbesondere eine Abbedingung der Rechte des Versicherers aus den §§ 23 ff. VVG, im Rahmen einer Saldierung geeignet sein sollten, den Nachteil auszugleichen. 434 435

11 Klimke

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

§ 309 BGB n. F. erfüllt, ist sie zwar unabhängig von etwaigen mit ihr verbundenen Vorteilen unwirksam. Das Ergebnis der Saldierung kann sich aber im Rahmen der §§ 307, 308 BGB n. F. auswirken. aa) § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB n. F. Ohne Bedeutung ist das Ergebnis der Saldierung allerdings bei der Kontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB n. F. Daraus, dass eine Vereinbarung nicht überwiegend nachteilig für den Versicherungsnehmer ist, lässt sich nicht folgern, dass sie für den Versicherungsnehmer auch hinreichend transparent ist. Wenn eine Vereinbarung in AGB nicht überwiegend nachteilig für den Versicherungsnehmer ist, scheidet aber regelmäßig ein Verstoß gegen die § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB n. F. aus. Eine Benachteiligung i. S. d. § 307 BGB n. F. könnte sich vor allem aus der für den Versicherungsnehmer zum Teil nachteiligen Abweichung vom VVG ergeben. Allerdings sind Vorteile für den Kunden, die sich aus den AGB ergeben, grundsätzlich auch bei der Prüfung der Unangemessenheit nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB n. F. zu berücksichtigen. Der Nachteil für den Versicherungsnehmer wird daher durch die Vorteile aus der Vereinbarung jedenfalls in der Regel ebenso wie im Rahmen der Saldierung nach dem VVG kompensiert: Die Ergebnisse der Angemessenheitsprüfung und der Saldierung nach dem VVG könnten sich nur dann unterscheiden, wenn nicht alle Vorteile, die nach dem VVG in die Saldierung einzustellen sind, auch bei der für § 307 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB notwendigen Interessenbewertung zu berücksichtigen wären. Ein solcher Unterschied besteht indes nicht, wenn man die bereits oben437 angesprochene Rechtsprechung zugrunde legt. Nach dieser Rechtsprechung sind im Rahmen des § 307 BGB n. F. eher mehr Vorteile – nämlich auch solche, die nicht gerade im Hinblick auf einen bestimmten Nachteil vereinbart wurden – von Bedeutung. Im Schrifttum werden zwar verschiedene Eingrenzungen des Kreises der vorteilhaften AGB-Regelungen, die die Unangemessenheit einer Benachteiligung beseitigen können, diskutiert. So wird zum Teil eine „Wechselbezüglichkeit“438 der Vor- und Nachteile, zum Teil ihre „funktionale Vergleichbarkeit“439 gefordert. Auch diese Einschränkungen gehen aber entweder nicht über die oben bei der Auslegung des VVG entwickelten hinaus440 oder führen jedenfalls nicht dazu, dass die Angemessenheitsprüfung ein anderes Ergebnis haben kann als die Saldierung nach dem VVG441. Vgl. im 1. Abschnitt unter A. III. 2. a) aa) (1) (S. 70). Brandner, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 9 Rn. 85; Staudinger / Coester § 9 AGBG Rn. 91. 439 Fastrich, Inhaltskontrolle, S. 301 ff. 440 Das Kriterium der „Wechselbezüglichkeit“ etwa entspricht dem im 1. Abschnitt unter A. III. 2. a) aa) (1) (S. 70 ff.) entwickelten Kausalitätserfordernis. 437 438

3. Abschnitt: Das Verhältnis zu den §§ 305 ff. BGB n. F.

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Ein Unterschied zwischen dem Ergebnis der Angemessenheitsprüfung und dem der Saldierung nach dem VVG kann sich allenfalls im Hinblick auf § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB n. F. ergeben. Bei der Saldierung nach dem VVG ist – wie gezeigt – ein typisierender Maßstab anzulegen. Wenn man § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB n. F. auch bei der Inhaltskontrolle von AVB anwendet442, kommt es dagegen für § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB n. F. auch auf die den Vertragsschluss begleitenden Umstände an. Es ist daher jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass im Hinblick auf die besondere Interessenlage des konkreten Versicherungsnehmers bei Vertragsschluss Vorteile, die bei typisierender Betrachtung zur Kompensation des Nachteils ausreichen, im Rahmen des § 307 BGB n. F. geringer zu bewerten sind. Auch in einem solchen Fall liegt allerdings nicht notwendig eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers vor. Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Saldierung nach dem VVG und der Prüfung der Unangemessenheit einer Benachteiligung nach § 307 BGB n. F. liegt darin, dass bei letzterer nicht nur die Interessen des Kunden, sondern auch das Interesse des Verwenders an einer Abweichung von Bedeutung sind443. Der Bewertungsmaßstab des § 307 BGB n. F. ist insoweit also weniger streng als der des VVG, da nach dem VVG allein die Interessen des Versicherungsnehmer zu betrachten sind. Auch wenn man daher im Einzelfall dazu kommt, dass die Vorteile für den Versicherungsnehmer die Nachteile nach den bei § 307 BGB n. F. geltenden Regeln nicht vollständig ausgleichen, kann die Vereinbarung daher noch im Hinblick auf die Interessen des Versicherers angemessen sein. bb) § 308 BGB n. F. Dass Nachteile für den Versicherungsnehmer im Vergleich zum VVG durch Vorteile ausgeglichen werden, kann auch bei den im Rahmen des § 308 BGB n. F. zu treffenden Wertungen eine Rolle spielen. Darum geht es, wenn eines der speziellen Verbote des § 308 BGB an eine zu Lasten des Versicherungsnehmers vom VVG abweichende Regelung anknüpft und dabei einen Wertungsspielraum eröffnet, innerhalb dessen auch etwaige Vorteile für den Kunden zu berücksichtigen sind. Wenn man etwa eine Bedingungsänderungsklausel in AVB, die den Versicherer für den Fall einer generellen Gefahrerhöhung zu einer Leistungseinschränkung ermächtigt, im Hinblick auf den zugleich vereinbarten Ausschluss der §§ 23 ff. VVG für mit dem VVG vereinbar hält444, so kann man regelmäßig445 auch nicht zur 441 Ein funktional nicht vergleichbarer Vorteil wird sich regelmäßig nicht mit der für eine Saldierung nach dem VVG erforderlichen Genauigkeit mit dem Nachteil ins Verhältnis setzen lassen. 442 Kritisch dazu Prölss, in: Prölss / Martin Vorb.I Rn. 66. 443 Zu diesem Maßstab bei § 307 BGB n. F. statt aller Brandner, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 9 AGBG Rn. 71 f. m. w. N. 444 So wohl die h. M., die solche Änderungsklauseln nicht nach § 34a VVG (und wohl auch nicht grundsätzlich nach § 307 BGB n. F.) beanstandet, soweit sie an die Änderung von

11*

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

Unzulässigkeit einer solchen Vereinbarung nach § 308 Nr. 4 BGB n. F. kommen: Eine Änderungsklausel ist dem Versicherungsnehmer jedenfalls dann zumutbar i. S. d. § 308 Nr. 4 BGB n. F., wenn sie bei isolierter Würdigung seiner Interessen nicht nachteiliger ist als die an denselben Änderungsanlass anknüpfende gesetzliche Regelung, an deren Stelle sie tritt.

II. Vereinbarungen, die keine Abweichungen vom VVG enthalten 1. Wiederholung einer halbzwingenden Vorschrift Auch Bestimmungen in AGB, die lediglich deklaratorisch den Inhalt einer halbzwingender Vorschrift wiederholen, verstoßen – mangels Abweichung von den Vorschriften des VVG – nicht gegen das Verbot nachteiliger Abweichungen. Sie unterliegen nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB n. F. auch nicht der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB n. F. Dies wird im Schrifttum zwar vereinzelt bestritten446. Zur Begründung wird angeführt, dass diese Vorschrift die Inhaltskontrolle von AVB, die mit gesetzlichen Vorschriften übereinstimmten, nur insoweit verbiete, als diese modellhafte, die Interessen beider Parteien zu einem gerechten Ausgleich bringende Regeln seien. Dies sei bei den halbzwingenden Vorschriften des VVG aber nicht der Fall, da sie nur äußerste Schranken für den Inhalt einer Vereinbarung setzten und lediglich die Grenzen wiedergäben, die bei Erlass des VVG herrschten. Als Referenzmaßstab der Vertragsgerechtigkeit seien sie daher ungeeignet447. Dies überzeugt indes nicht448. Eine AVB-Klausel, die den Inhalt einer halbzwingenden Vorschrift wiederholt, gibt nur das wieder, was auch ohne ihre Aufnahme in den Vertrag gelten würde. Dass eine solche Klausel nicht der Inhaltskontrolle unterliegen kann, ergibt sich aus § 306 Abs. 2 BGB n. F. (§ 6 AGBG a. F.). Die Gesetzen oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung (und damit an generelle Gefahrerhöhungen) anknüpfen, vgl. dazu im 2. Teil im 2. Abschnitt unter C. I. (S. 313 ff.). 445 Wenn man § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB n. F. auch für die im Rahmen des § 308 BGB n. F. zu treffenden Wertungen anwendet – dafür spricht, dass es sich bei § 308 BGB n. F. nur um eine spezielle Ausprägung des § 307 BGB n. F. handelt – gilt dies nur vorbehaltlich sich sich aus § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB n. F. ergebender Bewertungsunterschiede. 446 Gärtner, Prämienzahlungsverzug, S. 27 ff. für Klauseln, die die gesetzlichen Folgen des Prämienzahlungsverzuges festschreiben; wohl auch MünchKomm / Basedow § 307 BGB n. F. Rn. 184 f. (vgl. aber auch Rn. 6). 447 MünchKomm / Basedow § 307 BGB n. F. Rn. 184 f. Auch Brandner, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 9 AGBG Rn. 41 hebt hervor, dass es sich bei halbzwingenden Vorschriften nur um äußerste Schranken der Vertragsgerechtigkeit handelt, meint damit aber offenbar nur nur Vereinbarungen, die sich innerhalb eines durch halbzwingende Vorschriften eröffneten Rahmens halten, zu diesen oben unter I. (S. 158 ff.) und unten unter II. 3. (S. 166). 448 van der Loo, Schranken, S. 43 ff.; Schirmer, in: Symposion 80 Jahre VVG, S. 296; ders. ZversWiss 1986, 509, 563.

3. Abschnitt: Das Verhältnis zu den §§ 305 ff. BGB n. F.

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Unwirksamkeit einer gesetzeswiederholenden Klausel hätte nach § 306 Abs. 2 BGB n. F. keinerlei Auswirkungen, da die Verwerfung der Klausel nur zur Folge hätte, dass wiederum die halbzwingende Vorschrift zur Anwendung kommt, die durch die unwirksame Klausel wiederholt wurde449. Dies entspricht für Klauseln, die dispositivem Gesetzesrecht außerhalb des VVG entsprechen, auch der allgemeinen Meinung450. Dass die Wiederholung halbzwingender Vorschriften des VVG anders zu behandeln ist, lässt sich nicht begründen. Wenn man die halbzwingenden Vorschriften nicht mehr als angemessenes Modell für Versicherungsverträge betrachtet, so kann man dies nur auf der Ebene der Gesetzesauslegung berücksichtigen. Wenn eine solche Gesetzesauslegung ausscheidet, so muss die Entscheidung des VVG hingenommen werden. Eine Inhaltskontrolle nach den §§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2; 308, 309 BGB n. F. scheitert daher an § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB n. F. Problematisch kann allerdings im Einzelfall sein, ob das VVG selbst eine Regelung trifft oder ob es lediglich einen Spielraum für abweichende Vereinbarungen eröffnet; in letzterem Falle gelten die oben unter I. 2. und unten unter 3. entwickelten Regeln. Auch diese Frage ist im Wege der Gesetzesauslegung zu klären451. Zudem bleibt eine Inhaltskontrolle anhand des Transparenzgebotes (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB n. F.) gemäß § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB n. F. möglich. Von Bedeutung ist dies insbesondere, wenn die gesetzlichen Rechtsfolgen unklar wiedergegeben werden.

2. Die Vereinbarung hinreichend überschaubarer Nachteile Mit dem VVG vereinbar sind nach dem oben452 Gesagten schließlich auch Vereinbarungen in AGB, die zwar eine für den Versicherungsnehmer im Vergleich zu den in einer halbzwingenden Vorschrift enthaltenen Rechtsfolgen (gegebenenfalls auch überwiegend oder ausschließlich) ungünstige Regelung treffen, dafür aber zu einem Zeitpunkt geschlossen werden, in dem die Auswirkungen dieser Vereinbarung für den Versicherungsnehmer bereits hinreichend überschaubar sind453. Van der Loo, Schranken, S. 41. BGHZ 91, 55, 57; BGH VersR 2001, 839, 840; Brandner, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 8 Rn. 30 m. w. N. 451 Vgl. z. B. BGH VersR 2001, 841, 843 zu §§ 174, 176 VVG sowie zu § 6 VVG van der Loo § 79 f. m. w. N. 452 Vgl. im 1. Abschnitt unter A. II. 2. (S. 45 ff.). 453 Oftmals wird es sich bei solchen Vereinbarungen um Individualvereinbarungen handeln – so war es wohl in dem der im 2. Abschnitt unter B. II. 1. a) aa) (S. 122) besprochenen Entscheidung BGH VersR 1988, 1018 f. zugrundeliegenden Sachverhalt. Es ist aber auch denkbar, dass der Versicherer solche Vereinbarungen einseitig vorformuliert und damit die Voraussetzungen des § 305 BGB n. F. erfüllt sind. Darum ging es z. B. in dem vom OLG Hamm NJW-RR 1992, 1510 f. [siehe dazu im 1. Abschnitt unter A. III. 2. a) bb) (1) (S. 83)] entschiedenen Fall. 449 450

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1. Teil: Allgemeine Grundsätze

Solche Vereinbarungen sind nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB n. F. kontrollfähig und damit – außer an den §§ 305c Abs. 1, 307 Abs. 1 Satz 1 BGB n. F.454 – auch an den §§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 308, 309 BGB n. F. zu messen. Dass das Verbot nachteiliger Abweichungen solche Vereinbarungen nicht erfasst, bedeutet nicht, dass das VVG die Vereinbarung jeglicher abweichender Rechtsfolgen – insbesondere auch in AGB – positiv zulassen wollte. Die Annahme einer solchen gesetzlichen Erlaubnis liegt noch ferner als im Hinblick auf nicht überwiegend nachteilige Vereinbarungen: Dem Gesetz lässt sich noch nicht einmal ein Rahmen für mögliche zulässige Abweichungen entnehmen. Zudem wird es sich bei Vereinbarungen, die erst nach Eintritt eines von einer halbzwingenden Vorschrift erfassten Sachverhaltes geschlossen werden, oftmals um Individualvereinbarungen handeln. Dass der Gesetzgeber gerade den besonderen Gefahren Rechnung tragen wollte, die von der einseitigen Vorformulierung solcher Vereinbarungen durch den Versicherer ausgehen, ist daher nicht anzunehmen. Dass das Verbot nachteiliger Abweichungen nicht gilt, hat vielmehr nur zur Folge, dass die jeweiligen halbzwingenden Vorschriften dispositiv sind. Eine Vereinbarung, die diese Dispositionsmöglichkeit zu Lasten des Versicherungsnehmers ausschöpft, weicht daher i. S. d. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB n. F. von gesetzlichen Regelungen ab. Allerdings bedeutet dies nicht, dass eine solche Vereinbarung den Versicherungsnehmer stets i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB n. F. unangemessen benachteiligen muss, wenn sie für ihn im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung überwiegend nachteilig für ihn ist (bzw. sich dies nicht hinreichend sicher sagen lässt). Vielmehr kann ein berechtigtes Interesse des Versicherers an einer Abweichung unter Umständen dazu führen, dass auch eine solche Regelung nicht unangemessen nachteilig für den Versicherungsnehmer ist.

3. Vereinbarungen, die sich innerhalb eines durch das VVG eingeräumten Spielraumes halten In manchen Fällen ergibt sich aus halbzwingenden Vorschriften in Verbindung mit dem Verbot nachteiliger Abweichungen nur eine bestimmte (Ober-)Grenze für Vereinbarungen, die den Versicherungsnehmer belasten. Vereinbarungen, die sich innerhalb dieser Grenzen halten, weichen in solchen Konstellationen gar nicht vom VVG ab. Darum geht es z. B. bei den oben455 angesprochenen Vereinbarungen, die die Rechtsfolgen von i. S. d. § 29 Satz VVG unerheblichen oder mitversicherten Gefahrsteigerungen regeln (also für solche Fälle z. B. eine Prämienanpassung vorsehen). Wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass die §§ 29, 34a VVG nur der Vereinbarung derselben oder noch schärferer Rechtsfolgen entgegensteht, als dies bei Vorliegen einer erheblichen Gefahrerhöhung i. S. d. 454 455

Vgl. dazu oben unter I. 1. (S. 158) und 2. c) aa) (S. 162). Vgl. oben im 1. Abschnitt unter A. I. 2. b) (S. 38).

3. Abschnitt: Das Verhältnis zu den §§ 305 ff. BGB n. F.

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§ 23 Abs. 1 VVG noch mit § 34a VVG vereinbar wäre, so weichen Vereinbarungen, die für den Versicherungsnehmer günstigere (wenn auch für sich betrachtet immer noch belastende) Regelungen zum Gegenstand haben, schon – ohne dass es auf eine Saldierung mit etwaigen Vorteilen ankäme – nicht zu Lasten des Versicherungsnehmers von § 29 VVG ab456. Für solche Vereinbarungen gilt das unter 2. Gesagte entsprechend: Die Vereinbarkeit mit dem VVG steht weder nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB n. F. einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2; 308 f. BGB n. F. entgegen, noch wird das Ergebnis etwaiger im Rahmen dieser Vorschriften vorzunehmender Wertungen – wie in den Fällen, in denen sich die Vereinbarkeit mit dem VVG aus einer Saldierung der Vor- und Nachteile ergibt – präjudiziert. Wenn man daher z. B. bei Vereinbarung einer Prämienerhöhung als Folge einer unerheblichen Gefahrsteigerung keine Abweichung von § 29 VVG annimmt, weil es sich dabei nicht um eine schärfere als die gesetzliche Rechtsfolge handelt, so ist eine Inhaltskontrolle einer solchen Vereinbarung insbesondere nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB n. F. uneingeschränkt möglich. Eine Klausel kann daher z. B. auch deshalb verworfen werden, weil sie dem berechtigten Interesse des Versicherungsnehmers an einer Erhaltung des bisherigen Äquivalenzverhältnisses nicht ausreichend Rechnung trägt oder weil der Versicherer kein berechtigtes Interesse an einer Anpassung hat457.

B. Gegen das Verbot nachteiliger Abweichungen verstoßende Vereinbarungen I. Verstoß gegen die §§ 305 ff. BGB n. F. Die Rechtsprechung nimmt an, dass eine Bestimmung in AGB, die gegen eine halbzwingende Vorschrift des VVG verstößt, zugleich auch eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers i. S. d. § 9 AGBG a. F. (§ 307 BGB n. F.) mit sich bringt458. Dem ist zuzustimmen. Bei einem Verstoß gegen das VVG lässt sich stets eine Abweichung von den wesentlichen Grundgedanken des VVG (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB n. F.) bejahen. Zudem dienen die halbzwingenden Vorschriften des VVG gerade dem Schutz des Versicherungsnehmers vor bestimmten Benachteiligungen. Es ist auch nicht anzunehmen, dass das VVG die 456 Ein weiteres Beispiel für eine solche „Rahmenregelung“ ist § 6 VVG: Die Vereinbarung einer Obliegenheit weicht nur dann von dieser Vorschrift ab, wenn sie die gesetzlich vorausgesetzten Mindestvoraussetzungen für eine Leistungsfreiheit missachtet, vgl. dazu Schirmer ZVersWiss 1986, 509, 521 f. 457 Vgl. auch im 2. Teil im 2. Abschnitt unter unter A. IV (S. 297 f.). 458 BGH VersR 1988, 1281, 1282 f.; zustimmend wohl Hensen, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 13 Rn. 5; vgl. auch Schirmer, in: Symposion 80 Jahre VVG, S. 273.

168

1. Teil: Allgemeine Grundsätze

Geltung der – für den Versicherungsnehmer unter Umständen günstigeren459 – §§ 305 ff. BGB n. F. insgesamt von vornherein ausschließen will. Bei einer für den Versicherungsnehmer (überwiegend) nachteiligen Abweichung von einer halbzwingenden Vorschrift des VVG liegt daher stets auch ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB n. F. vor.

II. Das Verhältnis der Verstoßfolgen des VVG zu den Verstoßfolgen der §§ 307 ff. BGB n. F. Soweit das VVG und die §§ 307 ff. BGB n. F. an den Verstoß unterschiedliche Rechtsfolgen knüpfen, stellt sich die Frage, welcher der beiden Normierungen die Verstoßfolge zu entnehmen ist. Das BGB sieht als Verstoßfolge die (endgültige) Unwirksamkeit der betroffenen Bestimmung vor, das VVG räumt dem Versicherungsnehmer dagegen im Einzelfall eine Wahlmöglichkeit ein. Letzteres ist für den Versicherungsnehmer – wie gezeigt – günstiger: Der Versicherungsnehmer könnte sich zwar auch bei Unwirksamkeit einer Vereinbarung im Einzelfall nach § 242 BGB auf die Vereinbarung berufen. Ein von den Umständen des Einzelfalles unabhängiges Wahlrecht stünde ihm aber grundsätzlich nicht zu460. Dafür, dem Versicherungsnehmer eine solche Wahlmöglichkeit zu geben, spricht, dass die §§ 305 ff. BGB n. F. die Stellung des Kunden im Vergleich zu anderen kundenschützenden Vorschriften verbessern wollen. Allein der zusätzliche Verstoß gegen die §§ 307 – 309 BGB n. F. kann daher nicht dazu führen, dass die für den Kunden günstigeren Verstoßfolgen anderer Verbotsnormen nicht eingreifen. Auch der von den §§ 305 ff. BGB n. F. angestrebte Schutz des Versicherungsnehmers erfordert nicht die (endgültige) Unwirksamkeit: Der Versicherungsnehmer wird durch die §§ 305 ff. BGB n. F. nicht an der individualvertraglichen Vereinbarung einer Benachteiligung gehindert. Die Herbeiführung einer solchen Rechtsfolge wird also nicht schlechthin seiner Disposition entzogen. Die Möglichkeit des Versicherungsnehmers, sich auf eine überwiegend nachteilige Vereinbarung im Einzelfall zu berufen, wird daher durch den zusätzlichen Verstoß gegen die §§ 307 – 309 BGB n. F. nicht berührt. Ein weiterer Unterschied zwischen den Verstoßfolgen des VVG und denen der §§ 305 ff. BGB n. F. kann sich bei teils nachteiligen, teils vorteilhaften Vereinbarungen allerdings ergeben, wenn man die Reichweite der von den Verstoßfolgen des BGB erfassten AGB-„Bestimmung“ anders bestimmt als die der nachteiligen 459 Insbesondere wird dadurch der Weg für eine unmittelbare Anwendung des Verbandsklageverfahrens (§ 1 UKlG) eröffnet, vgl. Hensen, in: Ulmer / Brandner / Hensen § 13 AGBG a. F. Rn. 5. – kritisch zur Prüfung der §§ 9 ff. AGBG a. F. im Rahmen des § 13 AGBG a. F. Lindacher, in: Wolf / Horn / Lindacher § 13 AGBG Rn. 38 m. w. N., der eine Analogie zu § 13 AGBG a. F. befürwortet. 460 Vgl. dazu bereits oben im 2. Abschnitt unter A. I. (S. 110 ff.).

3. Abschnitt: Das Verhältnis zu den §§ 305 ff. BGB n. F.

169

„Vereinbarung“ i. S. d. VVG: Wenn man der oben461 beschriebenen Auslegung der §§ 307 ff. BGB n. F. folgt und die für den Versicherungsnehmer ausschließlich günstigen Regelungen in AGB nicht zu der nach § 307 Abs. 1 BGB n. F. unwirksamen „Bestimmung“ rechnet (also eine sog. „personale Teilunwirksamkeit“ von AGB für möglich hält), ergäbe sich bei isolierter Anwendung der §§ 307 ff. BGB eine für den Versicherungsnehmer günstigere Rechtsfolge als nach dem VVG, da die für den Versicherungsnehmer vorteilhaften Regelungen anders als nach dem VVG unabhängig von der Hinnahme der Nachteile uneingeschränkt wirksam wären. Allerdings ist zweifelhaft, ob man in diesem Falle die §§ 307 ff. BGB n. F. für die Bestimmung der Verstoßfolge heranziehen kann. Wenn die Auslegung des VVG dazu führt, dass bestimmte Teile des Vertrages nur eingeschränkt wirksam sind, kann allein der zusätzliche Verstoß gegen die §§ 307 ff. BGB n. F. nicht ohne weiteres zur Wirksamkeit dieser Vertragsteile führen. Im Ergebnis bedarf diese Frage allerdings keiner Entscheidung: Gegen die Beschränkung der Verstoßfolgen des BGB auf die für den Kunden ungünstigen Teile einer teils vorteilhaften, teils nachteiligen Vereinbarung sprechen dieselben Überlegungen, die oben bei der Auslegung des VVG gegen eine entsprechende Beschränkung der Reichweite der nachteiligen „Vereinbarung“ angeführt wurden462. Wenn ein Vorteil damit gerade im Hinblick auf einen Nachteil vereinbart wurde und zudem mit dem Nachteil in einem Anwendungsfall zusammentrifft, lässt es sich nicht rechtfertigen, wenn der Kunde in den Genuss des Vorteils kommt, ohne den Nachteil hinnehmen zu müssen. Hinsichtlich der Reichweite der Verstoßfolgen des VVG und der §§ 305 ff. BGB n. F. bestehen daher keine Unterschiede. Im Ergebnis ergeben sich aus dem zusätzlichen Verstoß gegen die §§ 307 ff. BGB n. F. daher keine Modifikationen der Verstoßfolgen des VVG.

461 462

Vgl. im 2. Abschnitt unter B. II. 1. a) bb) (S. 123 ff.). Vgl. dazu oben im 2. Abschnitt unter B. II. 1. b) (S. 126 ff.).

2. Teil

Einzelne Anwendungsfälle Im folgenden werden die im 1. Teil entwickelten Regeln auf konkrete Vereinbarungen angewendet, bei denen ein Verstoß gegen das Verbot nachteiliger Abweichungen in Betracht kommt. Die Erörterung muss sich dabei notwendigerweise auf eine Auswahl beschränken. Dazu werden zwei besonders bedeutsame Gruppen von halbzwingenden Vorschriften, nämlich die das Vorliegen gefahrerheblicher Umstände bei Vertragsschluss betreffenden §§ 16 ff., 40 ff. VVG sowie die die Rechtsfolgen von Gefahränderungen nach Vertragsschluss regelnden §§ 23 ff., 40 ff. VVG, herausgegriffen. Angesichts der Vielzahl möglicher Gestaltungen können allerdings auch im Hinblick auf diese Vorschriften nicht alle denkbaren oder in der Praxis verwendeten Vereinbarungen, bei denen eine nachteilige Abweichung in Betracht kommt, untersucht werden. Vielmehr werden auch insoweit nur ausgewählte Beispiele betrachtet. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt auf der Prüfung der Frage, welche Vereinbarungen gegen die genannten halbzwingenden Vorschriften verstoßen, und damit auf der Anwendung der im 1. Abschnitt des 1. Teils entwickelten Regeln. Im Mittelpunkt stehen dabei die unter A. I. und III. erörterten Fragestellungen: Zunächst wird jeweils geprüft, ob überhaupt eine „Abweichung“ zu Lasten des Versicherungsnehmers, d. h. eine (teilweise) Verschlechterung seiner ihm durch halbzwingende Vorschriften eingeräumten Rechtsposition, vorliegt. Soweit dies der Fall ist, wird in einem zweiten Schritt die „Nachteiligkeit“ der Abweichung untersucht: Dabei geht es um die Frage, ob etwaige mit der Vereinbarung verbundene Vorteile ausreichen, um die mit der Abweichung verbundenen Belastungen zu kompensieren. Die Prüfung dieser Fragen setzt jeweils die genaue Ermittlung der gesetzlichen Rechtsfolgen voraus, die ohne die Vereinbarung gelten würden. Soweit dazu nicht auf eine gesicherte Auslegung der einschlägigen Vorschriften durch Rechtsprechung und Schrifttum zurückgegriffen werden kann, werden daher auch solche „Vorfragen“ der Gesetzesauslegung erörtert, die die Anwendung der im 1. Teil entwickelten Regeln zur Voraussetzung hat. Soweit eine Vereinbarung in AVB im Ergebnis nach dem VVG nicht zu beanstanden ist, wird außerdem – unter Anwendung der im 3. Abschnitt des 1. Teils unter A. entwickelten Regeln – untersucht, welcher Raum noch für eine Kontrolle solcher Vereinbarungen nach den §§ 305 ff. BGB n. F. verbleibt. Allerdings kann

1. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

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dabei keine umfassende Prüfung der Zulässigkeit solcher Klauseln nach den §§ 305 ff. BGB n. F. vorgenommen werden. Vielmehr beschränkt sich die Darstellung auf die Frage, welche Gesichtspunkte grundsätzlich geeignet sind, ein von der Kontrolle nach dem VVG abweichendes Ergebnis, d. h. die Unwirksamkeit der jeweiligen Klausel, zu begründen. Schließlich wird jeweils noch kurz erörtert, ob und welche Änderungen sich für die Beurteilung nach dem VVG ergeben, wenn man die im Zwischenbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 30. Mai 2002 enthaltenen Reformvorschläge zugrunde legt.

1. Abschnitt

Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG Die – nach §§ 34a, 42 VVG halbzwingenden – §§ 16 – 22, 40 ff. VVG regeln die Folgen des Vorliegens von für die Übernahme der Gefahr erheblichen Umständen bei Vertragsschluss. Die Vereinbarkeit von Vereinbarungen in AVB mit diesen Vorschriften ist in neuerer Zeit vor allem für zwei Fallgruppen diskutiert worden. Zum einen gibt es Vereinbarungen, die für den Fall, dass nachträglich ein bei Vertragsschluss bereits vorliegender gefahrerheblicher Umstand aufgedeckt wird, den der Versicherer bei Vertragsschluss verkannt und deshalb nicht bei der Prämienberechnung berücksichtigt hat, eine über die zunächst vereinbarte Prämie hinausgehende Zahlungspflicht des Versicherungsnehmers vorsehen. Dies kann entweder eine Anpassung der Prämie (dazu A.) oder eine Vertragsstrafe (dazu B.) sein. Zum anderen wird ein Verstoß gegen § 34a VVG zum Teil bei Risikoausschlüssen angenommen, die bestimmte Risiken gerade deshalb vom Versicherungsschutz ausnehmen, weil die sie begründenden Umstände bereits bei Vertragsschluss vorlagen (dazu C.).

A. Prämienerhöhung bei nachträglicher Aufdeckung eines gefahrerheblichen Umstandes Ein Konflikt mit den §§ 34a, 42 VVG kommt zunächst für Vereinbarungen in Betracht, die bei nachträglicher Aufdeckung eines bei Vertragsschluss bereits gegebenen Umstandes eine – gegebenenfalls auch rückwirkende – Anpassung an diejenige Prämie vorsehen, die bei Berücksichtigung des Umstandes nach dem Tarif des Versicherers zu zahlen gewesen wäre1. 1 Darüber hinausgehende – etwa nicht an den Tarif des Versicherers gebundene, der Höhe nach nicht limitierte Prämienerhöhungen – Regelungen wurden – soweit ersichtlich – in der Praxis bislang nicht verwendet und bleiben hier außer Betracht. Zuschläge zur Prämie, die

172

2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

I. Übersicht Solche Vereinbarungen finden sich vor allem in der Kraftfahrtversicherung. So sieht etwa Nr. 10 Abs. 1 n. F. der Tarifbestimmungen für die Kraftfahrtversicherung (TB)2 vor, dass die Zuordnung zu den – für die Höhe der Prämie maßgeblichen – Regionalklassen und Tarifgruppen in der Kraftfahrzeug-Haftpflicht- und Fahrzeugversicherung erfolgt, sobald und solange deren Voraussetzungen erfüllt sind (also der Versicherungsnehmer z. B. die in § 9a TB aufgeführten persönlichen Merkmale aufweist, etwa weil er Beamter i. S. d. Nr. 9b Abs. 1 Nr. 7 TB ist). Damit wird auch dann, wenn sich nachträglich herausstellt, dass bei Vertragsschluss ein Umstand vorlag, der bei seiner Berücksichtigung zu einer Zuordnung zu einer Tarifgruppe mit einer höheren Prämienzahlungspflicht geführt hätte3, eine rückwirkende Erhöhung der Prämie vom Beginn des Vertrages an ermöglicht4. Entsprechende Regelungen enthalten Rabattvereinbarungen, die einen Abschlag von der Prämie von dem Vorliegen bestimmter Umstände bei Vertragsschluss abhängig machen und für den Fall des anfänglichen Nichtvorliegens der Rabattvoraussetzung einen rückwirkenden Wegfall des Rabattes anordnen. Solche Rabatte sind in der Kraftfahrtversicherung etwa für das Vorliegen bestimmter persönlicher Merkmale (z. B. für das Vorhandensein bzw. die regelmäßige Nutzung einer Garage5, für Familienväter, für Erstbesitzer eines Kfz oder für Eigenheimbesitzer) oder in Abhängigkeit von bestimmten Eigenschaften des versicherten Kfz (z. B. Fahrzeugalter) angeboten worden6. Die Vereinbarkeit derartiger Prämienerhöhungsregelungen mit den §§ 16 ff., 34a, 41 f. VVG wird im Schrifttum – allerdings mit unterschiedlicher Begründung – allgemein bejaht. Für den Fall, dass die Gewährung eines Rabatts von dem Druck auf den Versicherungsnehmer ausüben sollen und damit als Vertragsstrafen zu qualifizieren sind, werden unter B. (S. 206 ff.) erörtert. 2 Berücksichtigt werden im folgenden die unverbindlichen Empfehlungen des GDV i. d. F. vom 15. 11. 2002. 3 Darum geht es z. B., wenn das Fehlen eines Merkmals i. S. d. Nr. 9b TB erst nachträglich vom Versicherer aufgedeckt wird. Da die Zuordnung zu einer Tarifgruppe nach Nr. 10 Abs. 3 Satz 1 TB erst nach dem schriftlichen Nachweis der Voraussetzungen dafür erfolgt, ist dies allerdings regelmäßig nur denkbar, wenn der Versicherungsnehmer unrichtige Nachweise vorlegt. 4 Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 784. 5 Vgl. Nr. 12a Abs. 1, Abs. 4 Satz 3 TB. 6 Vgl. die Beispiele bei Schirmer / Marlow VersR 1997, 782 ff. – Ein Konflikt mit den §§ 16 ff. VVG ist allerdings nur möglich, wenn es sich um zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits feststehende Merkmale handelt – für die meisten der sog. weichen Tarifmerkmale in der Kraftfahrtversicherung, die zum Anknüpfungspunkt für Rabattvereinbarungen gemacht werden (z. B. Rabatte in Abhängigkeit von einer bestimmten Jahreslaufleistung oder für eine Garagenbenutzung während der Vertragslaufzeit) gilt dies nicht, vgl. Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 784. Hier kommt nur ein Konflikt mit den Vorschriften über die Gefahrerhöhung in Betracht – vgl. dazu ausführlich unten im 2. Abschnitt unter A. (S. 246 ff.).

1. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

173

Vorliegen bestimmter Umstände bei Vertragsschluss abhängig gemacht wird, wird zum Teil schon eine Abweichung von den §§ 16 ff. VVG mit Hinweis darauf abgelehnt, die Rabattgewährung erfolge lediglich unter einer Bedingung7. Darüber hinaus wird ein Konflikt mit den §§ 16 ff. VVG zum Teil in Zweifel gezogen, weil es sich bei den Rabattvoraussetzungen auch lediglich um Prämienparameter, die ausschließlich der Ermittlung der richtigen Prämie dienten, und nicht um gefahrerhebliche Umstände i. S. d. §§ 16 ff. VVG handeln könne8. Zudem wird darauf verwiesen, dass sich regelmäßig bereits aus § 41 Abs. 1 VVG ein Anspruch des Versicherers auf eine erhöhte Prämie ergebe, der den beschriebenen Vereinbarungen entspreche. § 41 VVG soll danach insbesondere auch bei schuldhaften Anzeigepflichtverletzungen des Versicherungsnehmers anzuwenden sein, sofern der Versicherer auf sein Rücktritts- bzw. Anfechtungsrecht aus den §§ 16 Abs. 1 VVG, 22 VVG, 123 BGB verzichtet hat9. Schließlich soll eine Prämienanpassung jedenfalls bei saldierender Betrachtung nicht als nachteilig i. S. d. § 34a VVG anzusehen sein, weil die Vorteile aus einem – mit den betreffenden Vereinbarungen regelmäßig zumindest konkludent verbundenen10 – Verzicht des Versicherers auf das Rücktritts- bzw. Anfechtungsrecht die Nachteile der Prämienerhöhung regelmäßig ausglichen11.

II. Abweichung von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG 1. § 41 Abs. 1 VVG entsprechende Vereinbarungen Mit Konstellationen, in denen der Versicherer einen bei Vertragsschluss bereits vorliegenden gefahrerheblichen Umstand verkennt und deshalb eine niedrigere Prämie berechnet, als nach seinem Tarif eigentlich zu zahlen wäre, befasst sich auch § 41 VVG: Nach dieser Vorschrift steht dem Versicherer in bestimmten Fällen ein Anspruch auf eine höhere Prämie zu12. Eine Abweichung i. S. d. §§ 34a, 7 So Knappmann in Prölss / Martin § 41 Rn. 1; ders. VersR 1996, 401, 408 (dort allerdings vorrangig zum Verhältnis zu den §§ 23 ff. VVG); tendenziell zustimmend Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 788, der allerdings zur weiteren Begründung seines Ergebnisses noch eine Saldierung der Vor- und Nachteile der Regelungen durchführt. 8 Schirmer / Marlow VersR 1997, 782 ff., 784. 9 Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 784 f. 10 Wenn der Versicherer eine Anpassung der Prämie vorsieht, ist daraus regelmäßig – jedenfalls über § 305c Abs. 2 BGB n. F. – zu entnehmen, dass er auf die Geltendmachung seiner gesetzlichen Rechte verzichtet, vgl. dazu im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. IV. (S. 100). 11 Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 785; Prölss, in: Prölss / Martin §§ 16, 17 Rn. 44. 12 Ob sich aus § 41 unmittelbar ein Anspruch auf eine höhere Prämie ergibt, dessen Geltendmachung von einem Erhöhungsverlangen nach § 41 Abs. 3 VVG abhängt (dafür z. B. Schmidt-Tüngler ZversWiss 1942, 190, 194) oder ob ein Anspruch erst mit dem Erhöhungsverlangen entsteht (so Möller, in: Bruck / Möller § 41 VVG Anm. 9; Röhr, Anzeigepflicht, S. 197 f. m. w. N.), ist zwar streitig, kann im vorliegenden Zusammenhang aber dahinstehen.

174

2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

42 VVG scheidet daher von vornherein aus, soweit § 41 VVG dem Versicherer einen Anspruch auf Prämienverbesserung einräumt und eine Vereinbarung lediglich eine § 41 VVG entsprechende Erhöhung mit sich bringt13. In diesem Falle gibt die Vereinbarung nur die Rechtsstellung des Versicherers wieder, die sich ohnehin schon aus dem VVG ergibt. Der genaue Anwendungsbereich und die Reichweite des § 41 VVG bedürfen daher für die vorliegende Fragestellung einer näheren Bestimmung.

a) Fehlen eines Rücktritts- oder Anfechtungsrechtes § 41 Abs. 1 VVG erfasst unmittelbar nur Fallgestaltungen, in denen den Versicherungsnehmer entweder mangels Kenntnis von dem gefahrerheblichen Umstand schon keine Anzeigepflicht traf (§§ 41 Abs. 1 Satz 2, 16 Abs. 1 Satz 1 VVG) oder in denen er eine an sich bestehende Anzeigepflicht schuldlos verletzt hat und deshalb ein Rücktritt des Versicherers ausgeschlossen ist (§§ 41 Abs. 1 Satz 1, 16 Abs. 3, 2. Alt. VVG). Darüber hinaus wird für verschiedene Konstellationen eine Analogie zu § 41 Abs. 1 VVG vertreten, in denen ein Rücktritts- und Anfechtungsrecht des Versicherers entweder von vornherein nicht besteht oder jedenfalls vom Versicherer faktisch nicht ausgeübt wird. aa) Analoge Anwendung des § 41 Abs. 1 VVG, wenn sich aus den §§ 16 ff. VVG, 123 BGB kein Rücktritts- bzw. Anfechtungsrecht ergibt § 41 Abs. 1 VVG findet nach zutreffender ganz h. M. immer dann entsprechende Anwendung, wenn dem Versicherer ein gefahrerheblicher Umstand bei Vertragsschluss nicht bekannt war, er aber dennoch durch das Gesetz an dem Vertrag festgehalten wird, obwohl das von ihm übernommene Risiko nicht den der Prämienbemessung zugrunde gelegten Umständen entspricht14. § 41 VVG gilt danach insbesondere dann analog, wenn der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht zwar durch rechtzeitige Absendung der Anzeige erfüllt hat (und damit kein Rücktrittsoder Anfechtungsrecht des Versicherers besteht), der Versicherer davon aber vor Vertragsschluss nicht oder nicht so rechtzeitig Kenntnis erlangt hat, dass er dies noch berücksichtigen konnte, oder wenn ein Rücktritt des Versicherers nach 13 Eine solche Vereinbarung weicht insbesondere auch nicht i. S. d. § 34a VVG von den §§ 16 – 22 VVG ab. Die §§ 16 – 22 VVG sehen zwar keinen Anspruch des Versicherers auf eine Prämienerhöhung vor. Soweit sich aus § 41 VVG ein solches Recht auch für die in den §§ 16 ff. VVG geregelten Sachverhalte ergibt, kann die Freiheit von einer erhöhten Prämienzahlungspflicht jedoch nicht zu der dem Versicherungsnehmer durch die §§ 16 – 22 VVG eingeräumten Rechtsstellung gehören und eine § 41 VVG entsprechende Vereinbarung daher auch keine Abweichung i. S. d. § 34a VVG begründen. 14 BK / Riedler § 41 VVG Rn. 9; Möller, in: Bruck / Möller § 41 VVG Anm. 6; Römer, in: Römer / Langheid § 41 Rn. 1; Knappmann, in: Prölss / Martin § 41 VVG Rn. 1.

1. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

175

§ 18 VVG ausgeschlossen ist15. Der Versicherer hat in diesen Fällen dasselbe Interesse an einem Ausgleich der durch seine Fehleinschätzung bei Vertragsschluss entstandenen Äquivalenzstörung wie im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 41 Abs. 1 VVG. bb) Analoge Anwendung des § 41 Abs. 1 VVG bei Nichtausübung oder vertraglichem Ausschluss des gesetzlichen Rücktritts- bzw. Anfechtungsrechtes Problematisch ist, ob § 41 VVG auch dann analog anzuwenden ist, wenn der Versicherungsnehmer seine vorvertragliche Anzeigepflicht schuldhaft verletzt hat und dem Versicherer deshalb ein Rücktritts- bzw. ein Anfechtungsrecht zusteht, er aber auf die Geltendmachung dieser Rechte durch Vereinbarung verzichtet hat bzw. davon zumindest faktisch keinen Gebrauch macht. Dieser Analogie kommt für die bisher in der Kraftfahrtversicherung verwendeten Rabattvereinbarungen eine besondere Bedeutung zu, da es sich bei den dort verwendeten Tarifmerkmalen (bzw. deren Fehlen) regelmäßig um Umstände handelt, die dem Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss bekannt sind und deren Nicht- oder Falschanzeige typischerweise ein Verschulden des Versicherungsnehmers zugrunde liegt16. (1) Meinungsstand Eine neuere Ansicht im Schrifttum spricht sich für eine solche Analogie zu § 41 Abs. 1 VVG aus. Begründet wird dies vor allem mit einem Erst-RechtSchluss. Da das Gesetz auch dem schuldlos handelnden Versicherungsnehmer eine Prämienerhöhung zumute, müsse diese Rechtsfolge erst recht gegenüber einem Versicherungsnehmer eingreifen, der seine Anzeigepflicht schuldhaft verletzt habe17. Zudem bestehe zwischen einem Rücktritt des Versicherers und einer Prämienerhöhung nach § 41 VVG ein Stufenverhältnis, das es dem Versicherer gestatte, stets an Stelle des Rücktrittsrechtes auf die für den Versicherungsnehmer mildere Prämienerhöhung zurückzugreifen18. Der genaue Umfang der Analogie wird dabei – allerdings jeweils ohne nähere Begründung – unterschiedlich bestimmt. 15 Vgl. dazu im einzelnen Möller, in: Bruck / Möller § 41 VVG Anm. 6 und § 18 VVG Anm. 9 sowie Röhr, Anzeigepflicht S. 158 f. und S. 170 f. A. A. im Hinblick auf die Fälle des § 18 VVG Martin, Sachversicherungsrecht N III 7: Es sei Sache des Versicherers, nach allen für seine Prämienberechung maßgeblichen Umständen zu fragen. 16 Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 784 sowie Johannsen, in: Bruck / Möller / Johannsen, Kraftfahrtversicherung, Anm. E6, der allerdings in Anm. E7 bestimmte Vertragsstraferegelungen gerade im Hinblick auf die Möglichkeit fehlenden Verschuldens des Versicherungsnehmers verwerfen will. 17 Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 784; BK / Riedler § 41 Rn. 9; Johannsen, in: Bruck / Möller / Johannsen, Kraftfahrtversicherung, Anm. E6; Röhr, Anzeigepflicht, S. 199 m. w. N. 18 Röhr, Anzeigepflicht, S. 199.

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

Zum Teil wird dem Versicherer schon dann ein Anspruch auf eine höhere Prämie gegeben, wenn er von seinem Rücktrittsrecht faktisch keinen Gebrauch macht und statt dessen eine Anpassung der Prämie verlangt19. Andere Stimmen ziehen eine analoge Anwendung des § 41 VVG dagegen nur dann in Erwägung, wenn der Versicherer vorab vertraglich auf sein Rücktrittsrecht verzichtet hat20. Die Gegenansicht lehnt eine Analogie zu § 41 VVG in den genannten Fällen generell ab. Dem Versicherer werde durch das Gesetz gerade kein Wahlrecht zwischen einem Rücktritt bzw. einer Anfechtung des Vertrages und dem Prämienerhöhungsverlangen nach § 41 VVG eingeräumt21. Es stehe ihm daher nicht frei, den schuldhaft handelnden Versicherungsnehmer als schuldlosen zu behandeln22. Zudem müsse eine Prämienerhöhung für den Versicherungsnehmer auch nicht immer das mildere Mittel im Vergleich zu einer Vertragsbeendigung sein23. (2) Stellungnahme (a) Keine Analogie bei nachträglichem Verzicht bzw. faktischer Nichtausübung des Rücktritts- bzw. Anfechtungsrechtes Eine Analogie zu § 41 Abs. 1 VVG ist abzulehnen, soweit der Versicherer erst nachträglich, d. h. nachdem er Kenntnis von einer Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers erlangt hat, auf sein Rücktritts- bzw. Anfechtungsrecht verzichtet bzw. davon nach Vereinbarung einer Prämienerhöhung faktisch keinen Gebrauch macht. Eine analoge Anwendung des § 41 Abs. 1 VVG darf nicht dazu führen, dass der Versicherer im Ergebnis besser steht als im unmittelbaren Anwendungsbereich der Norm. Eine Ausdehnung des Anwendungsbereiches, die dem Versicherer einen über den Umfang des § 41 Abs. 1 VVG hinausgehenden Ausgleich für die durch die Nichtanzeige eines gefahrerheblichen Umstandes eingetretene Äquivalenzstörung verschafft, ist vom Zweck der Norm nicht mehr gedeckt. Wenn man dem Versicherer analog § 41 VVG auch dann ein Recht zur Prämienerhöhung gibt, wenn er bereits Kenntnis von einer Anzeigepflichtverletzung erlangt hat und damit sein Rücktritts- bzw. Anfechtungsrecht ausüben könnte, so hat dies aber eine solche Besserstellung des Versicherers zur Folge. Dem Versicherer Johannsen, in: Bruck / Möller E6; Röhr, Anzeigepflicht, S. 199. So Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 784; BK / Riedler § 41 VVG Rn. 9. 21 Knappmann, in: Prölss / Martin § 41 VVG Rn. 1; Möller, in: Bruck / Möller § 41 VVG Anm. 4; Kisch II S. 358 f. 22 Möller in Bruck / Möller § 41 VVG Anm. 4 – die entsprechende Formulierung in BGH VersR 1971, 810 betrifft die anders gelagerte Frage, ob der Versicherer durch eine Kündigung nach § 41 Abs. 2 VVG besser stehen (nämlich auch für bereits eingetretene, aber zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung noch fortdauernde Versicherungsfälle leistungsfrei sein) kann, als er bei einem Rücktritt nach Maßgabe des § 21 VVG stünde. 23 Knappmann, in: Prölss / Martin § 41 Rn. 1. 19 20

1. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

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stünde dann ein Wahlrecht zwischen einer rückwirkenden Beendigung des Vertrages und einer Fortsetzung zu einer erhöhten Prämie zu. Durch dessen Ausübung könnte er sich die Vorteile des jeweils günstigeren Gestaltungsrechtes sichern. Insbesondere könnte er, sofern vor Ablauf der Rücktritts- bzw. Anfechtungsfrist ein Versicherungsfall eingetreten ist, für den er nach einer Anfechtung bzw. nach einem Rücktritt (weil es sich um einen von dem nicht angezeigten Umstand i. S. d. § 21 VVG beeinflussten Versicherungsfall handelt) nicht eintreten müsste, von seinem rückwirkenden Lösungsrecht Gebrauch machen24 und damit jedenfalls verhindern, dass er für die Risiken aus dem nicht angezeigten Gefahrumstand eintreten muss. Wenn noch kein Versicherungsfall eingetreten ist, könnte er dagegen die Prämie erhöhen und damit nach § 41 VVG auch für die laufende Versicherungsperiode – und damit für einen Zeitraum, in dem er wegen seines Rücktrittsbzw. Anfechtungsrechtes die Gefahr faktisch gar nicht oder nur in eingeschränktem Umfang getragen hat, eine erhöhte Prämie verlangen, die dem entspricht, was er nach seinen Tarifgrundsätzen für die volle Tragung des Risikos verlangen könnte25. Damit erhielte er aber im Durchschnitt aller denkbaren Gestaltungen, in denen ihm ein Wahlrecht zusteht, einen weiter gehenden Ausgleich als im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 41 VVG. Eine Analogie zu § 41a VVG ohne einen vorab vereinbarten Ausschluss des Anfechtungs- bzw. Rücktrittsrechtes scheidet daher aus. Im Gegenteil ist aus der ausführlichen Regelung des Prämienschicksals bei Fehlen einer Lösungsmöglichkeit des Versicherers im Umkehrschluss zu entnehmen, dass in den Fällen, in denen dem Versicherer ein gesetzliches Recht zur Lösung vom Vertrag zusteht, nicht noch alternativ dazu ein Anspruch des Versicherers auf Prämienverbesserung bestehen soll.

24 Etwas anderes gilt nur in den Sonderfällen, in denen der Versicherungsfall zwar schon eingetreten ist, dies dem Versicherer aber bei Ablauf der Rücktrittsfrist noch nicht bekannt war. 25 Diese Überlegung lässt sich für den Fall eines Rücktritts wegen eines bloß indizierenden Umstandes, der selbst keinen Einfluss auf das Risiko haben kann, allerdings nicht anführen, da eine Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 21 VVG insoweit nicht in Betracht kommt (siehe zu solchen Umständen sogleich im Text). Jedoch könnte sich der Versicherer auch in diesem Falle durch die Ausübung seines Wahlrechtes zwischen Prämienerhöhung und Rücktritt Vorteile verschaffen, die er im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 41 Abs. 1 VVG nicht hätte: Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Versicherer nach § 40 Abs. 1 VVG je nachdem, in welchem Zeitpunkt er von der Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers Kenntnis erlangt, nach einem Rücktritt für einen unterschiedlich langen Zeitraum eine Prämienzahlung vom Versicherungsnehmer verlangen kann, ohne dafür eine Gegenleistung erbringen zu müssen. Dieser Betrag kann u.U. höher sein als das, was der Versicherer nach § 41 Abs. 1 VVG als Erhöhungsbetrag verlangen könnte. Auch insoweit kann der Versicherer daher durch eine geschickte Ausübung seines Wahlrechtes besser stehen, als er nach § 41 VVG stünde [zu der Frage, ob § 41 VVG im Hinblick auf bloß indizierende Umstände überhaupt eingreift, vgl. sogleich unter b)].

12 Klimke

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

(b) Vorab-Verzicht des Versicherers Anders ist dagegen zu entscheiden, wenn der Versicherer bereits vor Kenntnis von einer Anzeigepflichtverletzung, also insbesondere schon bei Vertragsschluss, auf sein Rücktritts- und Anfechtungsrecht verzichtet hat. Ein Wahlrecht des Versicherers besteht dann nicht. Damit droht auch keine Besserstellung im Vergleich zum unmittelbaren Anwendungsbereich des § 41 VVG. Vielmehr hat der Versicherer infolge des vertraglichen Ausschlusses seiner gesetzlichen Gestaltungsrechte dasselbe Bedürfnis nach einer Korrektur der durch seine Fehleinschätzung bei Vertragsschluss bewirkten Äquivalenzstörung wie in den unmittelbar im Gesetz geregelten Fällen. Andererseits ist der Versicherungsnehmer, wenn er die Fehleinschätzung des Versicherers durch eine schuldhafte Anzeigepflichtverletzung herbeigeführt hat, weit weniger schutzwürdig als in den unmittelbar von § 41 Abs. 1 VVG abgedeckten Fällen. Es ist daher sachgerecht, dem Versicherer bei einem vorab vereinbarten Verzicht auf sein Rücktritts- bzw. Anfechtungsrecht mindestens denselben Ausgleich zu geben wie bei einem gesetzlichen Ausschluss dieser Rechte. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass eine Prämienerhöhung nicht notwendig das mildere Mittel im Vergleich zu einem Rücktritt sein muss26. Selbst wenn es sich bei einer Prämienerhöhung um eine für den Versicherungsnehmer teilweise belastendere Rechtsfolge handelt, lässt sich doch nicht begründen, wieso diese Belastung – da sie das Gesetz dem Versicherungsnehmer auch ohne Verschulden auferlegt – einem schuldhaft handelnden Versicherungsnehmer nicht zuzumuten sein sollte27. § 41 Abs. 1 VVG ist daher bei einem vor Kenntnis des Versicherers von einer Anzeigepflichtverletzung vereinbarten Verzicht auf das Anfechtungsbzw. Rücktrittsrecht analog anzuwenden. b) Angemessenheit der Prämienerhöhung mit Rücksicht auf die höhere Gefahr § 41 Abs. 1 VVG gibt dem Versicherer allerdings nur einen Anspruch auf eine höhere Prämie, wenn dies mit Rücksicht auf „die höhere Gefahr“ angemessen ist. Daraus wird zum Teil gefolgert, dass ein Anspruch auf Prämienverbesserung nur dann besteht, wenn das Vorliegen eines gefahrerheblichen Umstandes tatsächlich zu einer Gefahrerhöhung führt. Insbesondere bei bloß indizierenden gefahrerheblichen Umständen, die nicht selbst kausal für den Versicherungsfall sein können, sondern nur einen gewissen Rückschluss darauf zulassen, wie die Gefahrenlage beim konkreten Versicherungsnehmer tatsächlich beschaffen ist28, soll deshalb eine Prämienerhöhung ausgeschlossen sein29. So aber insbesondere Knappmann, in: Prölss / Martin § 41 Rn. 1. Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 784; BK / Riedler § 41 Rn. 9; Röhr, Anzeigepflicht, S. 199 m. w. N. 28 Dazu, dass auch solche bloß indizierenden Umstände gefahrerhebliche Umstände i. S. d. §§ 16 ff. VVG sein können, vgl. BGH VersR 1980, 762; Prölss, in: Prölss / Martin §§ 16, 26 27

1. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

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Wenn man diese Ansicht zugrunde legt, wäre § 41 VVG bei den bislang in der Kraftfahrtversicherung verwendeten Regelungen regelmäßig nicht einschlägig. Diese Vereinbarungen knüpfen nämlich zumeist an bloß indizierende Umstände an. Die dort verwendeten Tarifmerkmale bzw. deren Fehlen können regelmäßig selbst keinen Einfluss auf das versicherte Risiko haben, erlauben aber unter Umständen Rückschlüsse auf die bei dem konkreten Versicherungsnehmer bestehende Gefahrenlage. Der Umstand allein, dass ein Versicherungsnehmer keiner der in Nr. 9b TB genannten Personengruppen angehört (also etwa nicht Angehöriger des öffentlichen Dienstes ist), kann z. B. nicht kausal für einen Haftpflichtschaden sein. Das Fehlen einer solchen Rabattvoraussetzung kann jedoch – etwa weil Angehörige der begünstigten Personengruppen durchschnittlich weniger Unfälle verursachen als die übrigen Versicherungsnehmer – ein Indiz für das Vorliegen bestimmter risikobeeinflussender Umstände – z. B. für ein bestimmtes, unvorsichtigeres Fahrverhalten – sein. Von den Stimmen im Schrifttum, die § 41 Abs. 1 VVG zur Begründung der Zulässigkeit der geschilderten, an indizierenden Umständen orientierten Prämienerhöhungsregelungen in der Kraftfahrtversicherung heranziehen, wird diese Vorschrift allerdings offenbar anders verstanden30. Zudem lässt sich bezweifeln, ob alle Vertreter der engeren Auslegung des § 41 VVG dem Versicherer auch dann keinen Anspruch auf eine höhere Prämie geben würden, wenn er seine Tarife an bloß indizierenden Umständen orientiert. Dass der ähnlich wie § 41 VVG formu17 VVG Rn. 2. Allgemein zur Unterscheidung von indizierenden und kausalen Gefahrumständen, die im folgenden im Text vorausgesetzt wird, Möller, in: Bruck / Möller § 16 VVG Anm. 16. Die Abgrenzung beider Arten von Gefahrumständen kann im Einzelfall Probleme bereiten; insbesondere nimmt die h. M. an, ein nicht angezeigter gefahrerheblicher Umstand könne schon dann i. S. d. § 21 VVG Einfluss auf den Eintritt oder den Umfang des Versicherungsfalles haben, wenn er zwar selbst nicht ursächlich sein kann, bei seiner Anzeige aber die Aufdeckung einer möglichen Ursache geführt hätte (Prölss, in: Prölss / Martin § 21 VVG Rn. 2 m. w. N.; Langheid, in: Römer / Langheid §§ 16, 17 VVG Rn. 19; a. A. Röhr S. 241 f.). Diese insbesondere für die Krankenversicherung (für die Nichtanzeige von Krankheitssymptomen, deren Kenntnis durch den Versicherer zur Ermittlung des Vorliegens einer Krankheit und damit einer möglichen Ursache für den Versicherungsfall geführt hätte) bedeutsame Auffassung spielt indes für hier interessierenden, bislang in der Praxis verwendeten Prämienanpassungsregelungen keine Rolle. Dort geht es nämlich durchweg um indizierende Umstände, mit deren Hilfe sich nie sicher ermitteln läßt, ob bei dem konkreten Versicherungsnehmer tatsächliche eine zusätzliche potentielle Ursache für den Versicherungsfall vorliegt. Beispiel: Aus den Vorschäden eines Fahrzeuges oder der fehlenden Beamteneigeschaft des Versicherungsnehmers lässt sich nie sicher ableiten, dass es sich bei ihm um einen weniger vorsichtigen Fahrer handelt. 29 Vgl. Röhr S. 201; Kisch II S. 360 f.; Schmidt-Tüngler ZversWiss 190, 196; nicht ganz eindeutig Möller, in: Bruck / Möller § 41 Anm. 8, der zwar als Beispiel für von § 41 VVG nicht erfasste Umstände ein Gefahrindiz (Vorschäden) nennt, dies aber nur mit dessen fehlenden Prämieneinfluss begründet. 30 So insbesondere wohl Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 784 f., der sich auch mit Beispielen beschäftigt, in denen es um bloß indizierende vorvertragliche Umstände, z. B. das Mindestalter des Fahrers oder die Zulassung eines Pkw auf den Versicherungsnehmer, geht. 12*

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

lierte § 41a VVG die Veränderung von kausalen Gefahrumständen voraussetzt, wird nämlich zum Teil damit begründet, dass bei Vorliegen bloß indizierender Umstände bloß typischerweise keine höhere Prämie vereinbart werde31. Die Auslegung des Wortlauts des Gesetzes ergibt keine eindeutige Lösung des Problems. Wenn man als „Gefahrerhöhung“ i. S. d. § 23 Abs. 1 nur den nachträglichen Eintritt von Umständen, die für den Versicherungsfall kausal sein können – und nicht auch den Eintritt von bloß indizierenden Umständen – ansieht32, könnte man allerdings daran denken, unter „höherer Gefahr“ i. S. d. § 41 Abs. 1 VVG dasselbe zu verstehen. Zwingend ist diese Auslegung indes nicht. Dagegen spricht die gesetzliche Formulierung, nach der eine Prämienerhöhung zulässig ist, falls dies mit Rücksicht auf „die“ erhöhte Gefahr angemessen ist. Daraus könnte man folgern, dass das Gesetz den Eintritt einer Gefahrerhöhung nicht als zusätzliche Voraussetzung für eine Prämienerhöhung ansieht, sondern schlicht voraussetzt, dass bei jeder Verletzung einer Anzeigepflicht, d. h. bei jeder anfänglicher Verkennung eines gefahrerheblichen Umstandes i. S. d. § 16 VVG, eine „höhere Gefahr“ i. S. d. § 41 VVG vorliegt, die an sich (insbesondere wenn sie nach den Tarifgrundsätzen des Versicherers bei der Prämienberechnung zu berücksichtigen ist33) geeignet sein kann, eine Prämienerhöhung zu rechtfertigen. Zudem ist es auch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass das Gesetz mit dem Begriff der „höheren Gefahr“ in verschiedenen Zusammenhängen eine unterschiedliche Bedeutung verbindet34. Für die weite Auslegung des § 41 VVG spricht indes der Zweck des Gesetzes. § 41 VVG will dem Versicherer einen Ausgleich für eine Fehlkalkulation der Prämie geben, die sich aus der anfänglichen Verkennung eines gefahrerheblichen Umstandes ergibt. Eine solche Fehlkalkulation droht aber auch bei Verkennung eines bloß indizierenden gefahrerheblichen Umstandes, sofern der Versicherer seine Prämienkalkulation von vornherein an solchen Umständen ausrichtet, indem er von bestimmten Gruppen von Versicherungsnehmern mit bestimmten indizierenden Merkmalen eine höhere Prämie verlangt. Wenn nämlich einige Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss nicht die Prämie zahlen, die sie aufgrund der bei ihnen Möller, in: Bruck / Möller § 41a VVG Anm. 7. Dies ist allerdings streitig, vgl. dazu unten im 2. Abschnitt unter A. I. 1. a) (S. 249 f.). Allerdings wollen auch die Stimmen im Schrifttum, die bei einer Veränderung indizierender Umstände an sich eine Gefahrerhöhung für möglich halten, bei Hinzutreten von bloß „schwach“ indizierenden Umständen keine Gefahrerhöhung bejahen, vgl. Möller, in: Bruck / Möller § 29 Anm. 6. Um eine solch nur in geringem Umfang indizierenden Umstände geht es aber bei vielen der zuvor geschilderten Prämienerhöhungsregelungen, siehe dazu auch unten unter 2. b) (S. 185 f.). 33 Dies ist nach allgemeiner Ansicht die Voraussetzung für die Angemessenheit einer Prämienerhöhung, vgl. Knappmann, in: Prölss / Martin § 41 VVG Rn. 4; Römer, in: Römer / Langheid § 41 VVG Rn. 3. 34 Auch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes ist nicht eindeutig. Nach den Motiven zum VVG (S. 113) soll eine Anpassung möglich sein, wenn der Versicherer seine Tarife an bestimmten Gefahrenklassen orientiert hat; an welcher Art von Gefahrumständen sich die Einteilung in Gefahrenklassen dabei orientieren muss, wird nicht erörtert. 31 32

1. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

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gegebenen Indiztatsachen eigentlich zahlen müssten, erhält er von der Gesamtheit der Versicherungsnehmer im Ergebnis nicht die Prämie, die er nach seiner Kalkulation zur Abdeckung des (Gesamt-)Schadensbedarfes benötigt. Insoweit droht daher auch in solchen Fällen eine Störung des vom Versicherer vorausgesetzten Äquivalenzverhältnisses von Leistung und Gegenleistung. An einer an bloß indizierenden Gefahrumständen ausgerichteten Prämienkalkulation kann der Versicherer zudem auch ein anerkennenswertes Interesse haben. Oftmals wird eine an der tatsächlich bei dem konkreten Versicherungsnehmer bestehenden Gefahrenlage (d. h. an den bei ihm vorliegenden potentiellen Ursachen für einen Versicherungsfall) orientierte Prämiengestaltung entweder gar nicht oder nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich sein. Ob ein Versicherungsnehmer z. B. in der Kraftfahrt- oder Sachversicherung mit der versicherten Sache sorgfältiger umgeht als andere Versicherungsnehmer, lässt sich regelmäßig nicht direkt, sondern nur anhand von Indizien wie der Zugehörigkeit zu einer Gruppe von Versicherungsnehmern, die im Durchschnitt weniger Schadensfälle aufweist, erschließen. Eine Prämienberechnung, die sich an indizierenden Umständen orientiert, erlaubt daher oftmals eine „genauere“ Prämienkalkulation. Dass dem Versicherer, wenn er sich für ein solches Vorgehen entscheidet, durch § 41 VVG gar kein Ausgleich für eine mögliche anfängliche Fehleinschätzung eine gefahrerheblichen Umstandes gegeben werden soll, ist daher nicht anzunehmen. Der Versicherer hat daher auch dann aus § 41 Abs. 1 VVG einen Anspruch auf eine höhere Prämie, wenn er das Vorliegen eines bloß indizierenden Umstandes verkannt hat. c) Umfang und Geltendmachung der Prämienerhöhung § 41 Abs. 1 VVG gibt dem Versicherer – soweit die unter a) und b) genannten Voraussetzungen für eine Prämienverbesserung dem Grunde nach gegeben sind, vom Beginn der zum Zeitpunkt seines Erhöhungsverlangens laufenden Versicherungsperiode an einen Anspruch auf eine angemessene erhöhte Prämie. Dies ist grundsätzlich die Prämie, die nach den Tarifgrundsätzen des konkreten Versicherers bei Berücksichtigung des gefahrerheblichen Umstandes zu zahlen ist35. Nach § 41 Abs. 3 VVG muss der Versicherer den Anspruch auf die höhere Prämie zudem innerhalb eines Monats geltend machen, nachdem er von dem gefahrerheblichen Umstand Kenntnis erlangt hat. Da sich mit einer Analogie zu § 41 VVG nur eine § 41 VVG entsprechende Belastung des Versicherungsnehmers rechtfertigen lässt, gelten diese Begrenzungen des Umfanges der Erhöhung sowie die formalen Anforderungen des § 41 Abs. 3 VVG auch im analogen Anwendungsbereich der Norm36. s. oben Fußnote 33. A. A. für § 41 Abs. 3 VVG – allerdings ohne Begründung – Johannsen, in: Bruck / Möller / Johannsen, Kraftfahrtversicherung, E6 a. E. Eine Analogie zu § 41 Abs. 2 VVG scheidet in den hier interessierenden Fällen von vornherein aus, da es bei Vereinbarung einer Prämien35 36

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

2. Nicht lediglich § 41 Abs. 1 VVG entsprechende Vereinbarungen Eine Abweichung von den §§ 16 ff., 41 VVG kommt daher in Betracht, soweit eine Prämienerhöhungsregelung über die unter 1. beschriebene Erhöhungsmöglichkeiten nach § 41 VVG hinausgeht. So kann etwa an einen Tatbestand angeknüpft werden, für den § 41 VVG weder unmittelbar noch in seinem analogen Anwendungsbereich eine Erhöhung vorsieht. Darum geht es bei einer Anknüpfung an schuldhafte Anzeigepflichtverletzungen, wenn kein Ausschluss der §§ 16 ff. VVG vereinbart wird. Außerdem kann eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung vorliegen, wenn eine Vereinbarung über eine an sich von § 41 VVG eröffnete Erhöhungsmöglichkeit hinausgeht. Dies ist der Fall, wenn eine Prämienanpassungsregelung – etwa durch Vereinbarung eines Rabattwegfalles, der auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurückwirken soll37 – auch für frühere als die zum Zeitpunkt des Erhöhungsverlangens laufende Versicherungsperioden zugelassen wird oder wenn die Erhöhung nicht an die formalen Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 VVG gebunden ist38.

a) Abweichung i. S. d. § 42 VVG von § 41 VVG Bei den beschriebenen Vereinbarungen kann sich zunächst ein Konflikt mit § 42 VVG ergeben. aa) Verschärfung der gesetzlichen Rechtsfolgen im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 41 VVG Keine Probleme bereitet die Beurteilung von Vereinbarungen, die für einen der von § 41 Abs. 1 VVG unmittelbar erfassten Fälle eine nicht bloß § 41 VVG entsprechende Prämienanpassung vorsehen. Solche Vereinbarungen verändern die Rechtsfolgen dieser Vorschrift zu Lasten des Versicherungsnehmers. Sie weichen daher i. S. d. § 42 VVG von § 41 VVG ab.

erhöhung im Hinblick auf bestimmte gefahrerhebliche Umstände stets um Gefahrerhöhungen geht, die vom Versicherer gegen höhere Prämie abgesichert werden. 37 Anders ist es nur, wenn der Vertrag von vornherein nur für eine Versicherungsperiode abgeschlossen wird. Wenn allerdings vereinbart wurde, dass sich der Vertrag automatisch ohne neue Risikoprüfung verlängert, wenn keine Seite kündigt (vgl. § 8 Abs. 1 VVG), liegt eine Abweichung vor, da die Anpassung in diesen Fällen auch zu einer rückwirkenden Erhöhung für mehr als eine Versicherungsperiode führen kann. 38 Da es im vorliegenden Zusammenhang nur um eine Anpassung an den Tarif des Versicherers geht, der auch für die Angemessenheit der Prämienerhöhung i. S. d. § 41 Abs. 1 VVG maßgeblich ist, kommt eine Abweichung von § 42 VVG durch eine der Höhe nach unangemessene Prämiensteigerung nicht in Betracht.

1. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

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bb) Verschärfung der gesetzlichen Rechtsfolgen im analogen Anwendungsbereich des § 41 VVG Soweit eine Vereinbarung im analogen Anwendungsbereich des § 41 VVG zugunsten des Versicherers über die Rechtsfolgen dieser Vorschrift hinausgeht, kommt es für das Vorliegen einer Abweichung i. S. d. § 42 VVG darauf an, ob das Verbot nachteiliger Abweichungen ebenfalls analog anzuwenden ist. Dabei ist – wie bereits im 1. Teil dargelegt39 – zu unterscheiden: (1) Analogie zu § 42 VVG bei Fehlen eines gesetzlichen Anfechtungs- oder Rücktrittsrechtes Soweit § 41 VVG auf Fälle analog anzuwenden ist, in denen ein gesetzliches Rücktritts- oder Anfechtungsrecht des Versicherers (mangels Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers oder nach § 18 VVG) von vornherein fehlt, gilt auch § 42 VVG entsprechend. Dies ergibt sich daraus, dass der Versicherungsnehmer in diesen Fallgestaltungen nicht weniger schutzwürdig ist als im unmittelbaren Geltungsbereich des § 41 VVG. Für die Fälle einer fehlenden Anzeigepflichtverletzung wurde dies bereits begründet40. Aber auch dann, wenn der Versicherungsnehmer in den Fällen des § 18 VVG seine Anzeigepflicht zwar schuldhaft, aber nicht arglistig verletzt hat, lässt sich kein anderes Ergebnis rechtfertigen: Dass das Gesetz ein Rücktrittsrecht des Versicherers ausgeschlossen hat, zeigt, dass der Versicherungsnehmer insoweit trotz seines Verschuldens genauso vor Belastungen geschützt werden soll wie ein schuldlos handelnder Versicherungsnehmer. Eine über § 41 VVG hinausgehende Belastung ist daher auch dann, wenn das Rücktrittsrecht nur nach § 18 VVG ausgeschlossen ist, an § 42 VVG zu messen. (2) Analogie zu § 42 VVG bei Verzicht auf das gesetzliche Anfechtungs- und Rücktrittsrecht Soweit § 41 VVG analog anzuwenden ist, weil der Versicherer vorab auf sein – nach den §§ 16 ff. VVG, 123 BGB an sich bestehendes – Rücktritts- bzw. Anfechtungsrecht verzichtet hat, gilt § 42 VVG dagegen nicht analog. Die Analogie zu § 41 VVG rechtfertigt sich insoweit allein mit der vergleichbaren Interessenlage des Versicherers. Dagegen erfordert es der Zweck des § 41 VVG nicht, einen schuldhaft handelnden Versicherungsnehmer vor im Vergleich zu der Rechtsfolge des § 41 VVG nachteiligen Vereinbarungen zu bewahren. § 41 VVG ist daher insoweit dispositiv. Eine mit einem Ausschluss des Rücktritts- und Anfechtungsrechtes verknüpfte Vereinbarung weicht demnach nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von § 41 VVG ab41. 39 40

Vgl. dort im 1. Abschnitt unter A. I. 2. a) (S. 34 ff.). s. oben im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. I. 2. a) (S. 35 f.).

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

cc) Vereinbarung einer Prämienerhöhung für nicht von § 41 VVG erfasste Tatbestände Eine Vereinbarung, die dem Versicherer als Alternative zu seinem gesetzlichen Rücktritts- oder Anfechtungsrecht ein Recht zur Prämienerhöhung einräumt, weicht dagegen zu Lasten des Versicherungsnehmers von § 41 VVG ab. § 41 VVG knüpft an eine schuldhafte Verletzung der Anzeigepflicht zwar keine Rechtsfolgen. Aus der Beschränkung der gesetzlichen Möglichkeit der Prämienverbesserung auf Fälle, in denen dem Versicherer kein Recht zur Lösung vom Vertrag zusteht, lässt sich aber – wie gezeigt42 – im Umkehrschluss entnehmen, dass dem Versicherer kein Wahlrecht zwischen einer Prämienanpassung und einer Lösung vom Vertrag zustehen soll. Auch die Freiheit von einer solchen Belastung gehört daher zu der von § 42 VVG gegen nachteilige Abweichungen geschützten Rechtstellung des Versicherungsnehmers43.

b) Abweichung i. S. d. § 34a VVG von den §§ 16 – 22 VVG Vereinbarungen, die bei einer nachträglichen Aufdeckung eines vom Versicherungsnehmer schuldhaft nicht angezeigten gefahrerheblichen Umstandes eine Erhöhung der ursprünglich (d. h. ohne Berücksichtigung dieser Anpassungsregelung berechneten) vereinbarten Prämie vorsehen, knüpfen an den Eintritt eines in den §§ 16 ff. VVG geregelten Tatbestandes an: Die §§ 16 ff. VVG regeln gerade die Folgen der anfänglichen Verkennung eines gefahrerheblichen Umstandes durch den Versicherer, soweit diese Verkennung auf eine schuldhafte Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers zurückgeht. Wenn an eine solche Fehleinschätzung des Versicherers bei Vertragsschluss (bzw. an ihre nachträgliche Aufdeckung) eine im Gesetz nicht vorgesehene Zahlungspflicht des Versicherungsnehmers geknüpft wird, werden die gesetzlichen Rechtsfolgen daher teilweise zum Nachteil des Versicherungsnehmers verändert. Soweit dies nicht durch § 41 VVG gedeckt ist, liegt daher eine Abweichung i. S. d. § 34a VVG vor44. 41 Vgl. dazu ebenfalls bereits im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. I. 2. a) (S. 36 f.) sowie dort in Fußnote 25 zur praktischen Bedeutung der Abweichung i. S. d. § 42 neben derjenigen von den §§ 16 ff. VVG. 42 Vgl. oben unter 1. a) bb) (2) (aa) (S. 177). 43 Vgl. zu den für die Feststellung einer Abweichung in solchen Fällen maßgeblichen Kriterien im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. I. 2. b) (S. 37). 44 Dass § 41 Abs. 1 VVG, soweit er bei Ausschluss des Rücktritts- bzw. Anfechtungsrechtes analog Anwendung findet, nicht halbzwingend ist [vgl. dazu soeben unter a) bb) (2)], hindert eine Abweichung von den §§ 16 ff. VVG nicht. Dem Gesetz lässt sich zwar nicht entnehmen, dass eine über § 41 VVG hinausgehende Prämienerhöhung schlechthin unzulässig sein soll. Daraus folgt aber nicht, dass eine solche Prämienerhöhung auch dann zulässig ist, wenn sie im Vergleich zu den Rechtsfolgen der §§ 16 ff. VVG für den Versicherungsnehmer überwiegend nachteilig ist. – Von nur theoretischem Interesse ist die Frage, ob eine über § 41 VVG hinausgehende Prämienerhöhung auch dann von den §§ 16 ff. VVG abweicht, wenn das

1. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

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Dies gilt auch, soweit durch eine Vereinbarung die Folgen einer arglistigen Täuschung über Gefahrumstände geregelt werden. Das Anfechtungsrecht des Versicherers ergibt sich in solchen Fällen zwar nicht aus dem VVG, sondern aus § 123 BGB. § 22 VVG zeigt jedoch, dass das VVG auch die Rechtsfolgen einer Anfechtung regeln will. Dass diese Vorschrift, die eigentlich nur auf die bürgerlich-rechtliche Anfechtungsregeln verweist, gemäß § 34a VVG halbzwingend ist, lässt sich nur damit erklären, dass auch eine Abweichung von § 123 BGB zum Nachteil des Versicherungsnehmer unzulässig sein soll45. Dass es sich bei dem Umstand, dessen Vorliegen zum Anknüpfungspunkt für eine Prämienerhöhung gemacht wird, um einen für die Berechnung der Prämie relevanten Faktor handelt, steht einer Abweichung nicht entgegen46. Die §§ 16 ff. VVG unterscheiden nicht danach, ob es sich um einen prämienrelevanten Umstand handelt oder nicht. Ausgangspunkt für die gesetzliche Regelung ist vielmehr allein die Gefahrerheblichkeit eines Umstandes (die sich im übrigen typischerweise in der Prämie niederschlagen wird). Unabhängig von dem Einfluss, den ein Umstand auf die Höhe der Prämie hat, kommt eine Abweichung i. S. d. §§ 34a, 42 VVG daher immer dann in Betracht, wenn die Vereinbarung einer Prämienerhöhung an das Vorliegen eines i. S. d. § 16 Abs. 1 VVG gefahrerheblichen Umstandes bei Vertragsschluss anknüpft47. Man könnte höchstens überlegen, ob nicht bei vorvertraglichen Umständen, die bloß in geringem Umfang indizierend für die tatsächlich beim Versicherungsnehmer gegebene Gefahrenlage sind48, die Funktion als Prämienparameter überwiegt und deshalb kein Konflikt mit den §§ 16 ff. VVG droht. Eine solche Differenzierung ist indes nicht in den §§ 16 ff. VVG angelegt. Für die Einordnung als gefahrerheblicher Umstand §§ 16 ff. VVG kommt es nicht darauf an, einen wie sicheren Rückschluss auf die Gefahrenlage der indizierende Umstand zulässt. Da es nach Rücktritts- bzw. Anfechtungsrecht des Versicherers von vornherein gesetzlich ausgeschlossen ist (also insbesondere bei fehlendem Verschulden). Dafür könnte sprechen, dass den §§ 16 – 22 VVG möglicherweise im Umkehrschluss zu entnehmen ist, dass auch für diese Fälle keine für den Versicherungsnehmer nachteiligere Rechtsfolge als bei einer Anzeigepflichtverletzung vereinbart werden darf. Im Ergebnis kommt es darauf aber nicht an, da – vgl. soeben unter a) aa) – in jedem Falle eine Abweichung von § 41 VVG vorliegt. 45 So im Ergebnis auch Möller, in: Bruck / Möller § 22 Anm. 30. 46 Zweifelnd insoweit Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 784. 47 Eine Abweichung i. S. d. §§ 34a, 42 VVG käme nach dem im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. I. 2. b) (S. 37 f.) Gesagten zudem auch im Hinblick auf nicht gefahrerhebliche Umstände in Betracht, wenn sich bei Auslegung der §§ 16 – 22, 41 VVG ergäbe, dass dem Versicherungsnehmer gerade auch im Hinblick auf solche Umstände eine Prämienerhöhung erspart bleiben soll. Die bisher verwendeten Regelungen knüpfen allerdings – vgl. sogleich im Text – durchweg an gefahrerhebliche Umstände i. S. d. § 16 VVG an. 48 Darum geht es oftmals bei den in der Praxis verwendeten Regelungen: Ob etwa die Eigenschaft als Eigenheimbesitzer in der Kraftfahrtversicherung objektiv mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Rückschluss auf das Fahrverhalten des Versicherungsnehmers zulässt, lässt sich bezweifeln.

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

§ 16 VVG nur auf die Eignung eines Umstandes ankommt, die Entscheidung des konkreten Versicherers über den Vertragsschluss zu beeinflussen, ist vielmehr allein entscheidend, ob ein bestimmter Umstand nach Auffassung des Versicherers ein hinreichendes Indiz darstellt49. Dies ist im Zweifel zu unterstellen, wenn der Versicherer eine Indiztatsache zum Anknüpfungspunkt für eine Ausdifferenzierung der Prämie gemacht hat. Eine Abweichung von den §§ 16 ff., 40 ff. VVG scheidet daher lediglich dann aus, wenn ein Umstand auch nach Einschätzung des Versicherers ersichtlich keinen Rückschluss auf die Gefahrenlage zulassen kann, insbesondere also etwa bei Umständen, die allein für die Zahlungsbereitschaft des Versicherungsnehmers von Bedeutung sein können (sog. prämiengefahrerhebliche Umstände)50. Wie bereits im 1. Teil dargelegt, steht schließlich auch die Einordnung eines Prämienrabattes als „Bedingung“51 der Bejahung einer für den Versicherungsnehmer nachteiligen Abweichung von halbzwingenden Vorschriften nicht entgegen52. Im Ergebnis liegt daher bei einer Prämienanpassung, die an die nachträgliche Aufdeckung schuldhaft nicht angezeigter gefahrerheblicher Umstände anknüpft und dabei über die sich aus § 41 VVG ergebenden Erhöhungsmöglichkeiten hinausgeht, für sich betrachtet (d. h. ohne die Berücksichtigung etwaiger Vorteile) stets eine Abweichung von den §§ 16 – 22 VVG zu Lasten des Versicherungsnehmers vor.

Prölss NVersZ 2000, 153, 155. Vgl. dazu Prölss, in: Prölss / Martin §§ 16, 17 VVG Rn. 4 m. w. N. Prämiengefahrerheblichen Umstände sind aber in der Praxis bislang – soweit ersichtlich – noch nicht zum Anknüpfungspunkt für Prämienerhöhungsregelungen der hier besprochenen Art gemacht worden. Die §§ 16 ff., 40 ff. VVG lassen auch keine Rückschlüsse auf die Zulässigkeit von Prämienerhöhungsregeln im Hinblick auf nicht gefahrerhebliche Umstände zu; vielmehr gelten für solche Umstände die allgemeinen zivilrechtlichen Regeln (vgl. Prölss, in: Prölss / Martin §§ 16, 17 VVG Rn. 47 m. w. N.). 51 Ob es sich bei einer Anknüpfung an einen bei Vertragsschluss bereits gegebenen Umstand um die Vereinbarung einer „Bedingung“ i. S. d. §§ 158 ff. BGB handelt, lässt sich bezweifeln, weil der Fortbestand der Prämienermäßigung damit nicht von einem zukünftigen ungewissen Ereignis, sondern von einem bei Abschluss der Vereinbarung bereits objektiv feststehenden, nur aus Sicht der Parteien ungewissen Umstand abhängig gemacht wird (vgl. zu solchen Umständen allgemein Palandt / Heinrichs § 158 Rn. 6). Man könnte den Anspruch des Versicherers auf eine Prämiennachzahlung daher höchstens in entsprechender Anwendung der §§ 158 ff. BGB als aufschiebend bedingt ansehen, etwa weil zumindest die spätere Aufdeckung der bei Vertragsschluss bestehenden Gefahrenlage bei Vertragsschluss noch objektiv ungewiss ist. 52 A. A. Knappmann, in: Prölss / Martin § 41 Rn. 1 a. E. 49 50

1. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

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III. Nachteiligkeit der Abweichung 1. Prämienerhöhungsregelungen, die Rechte des Versicherers aus den §§ 16 ff. VVG, 123 BGB ausschließen Bei der Prüfung der Nachteiligkeit einer von den §§ 16 ff. VVG bzw. von § 41 VVG abweichenden Vereinbarung, die die Rechte des Versicherers aus den §§ 16 ff. VVG, 123 BGB ausschließt, ist danach zu unterscheiden, welche Rechte (Anfechtungs-, Rücktritts- oder Prämienerhöhungsrecht nach § 41 VVG) dem Versicherer nach der gesetzlichen Regelung statt der Prämienerhöhung zustehen würden. Dabei wird im folgenden zunächst für jede dieser drei Fallgruppen isoliert untersucht, ob die Vorteile aus der Vereinbarung die Nachteile überwiegen [dazu a) bis c)]. Im Anschluss daran wird geprüft, ob eine Saldierung der Vor- und Nachteile dieser Fallgruppen untereinander zu einem anderen Ergebnis führt [dazu d)]. a) Arglistige Anzeigepflichtverletzungen des Versicherungsnehmers, die ein Anfechtungsrecht auslösen Soweit die Prämienerhöhung einen Umstand betrifft, den der Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss arglistig nicht bzw. falsch angezeigt hat, tritt sie an die Stelle einer Anfechtung durch den Versicherer nach §§ 123 BGB, 22 VVG. aa) In die Saldierung einzustellende Vorteile (1) Ausschluss des Anfechtungsrechtes Bei der Saldierung ist davon auszugehen, dass der Versicherer bei uneingeschränkter Geltung der gesetzlichen Regelung (fristgerecht) von seinem Anfechtungsrecht Gebrauch gemacht hätte53. Ein Ausschluss der Rechte des Versicherers aus den §§ 16 ff. VVG, 123 BGB54 bringt daher für den Versicherungsnehmer stets den Vorteil mit sich, dass der Vertrag wirksam bleibt und er damit (rückwirkend) seinen Versicherungsschutz behält55. (2) Kündigungsrecht aus § 31 VVG Eine Prämienanpassungsregelung, die an das Vorliegen eines bei Vertragsschluss arglistig nicht angezeigten Gefahrumstandes anknüpft, löst dagegen kein – die s. dazu oben im 1. Teil im 1. Abschnitt unter III. 2. c) cc) (S. 99). Wenn – wie etwa in Nr. 17 Abs. 2 Satz 2 TB – ausdrücklich nur die §§ 16 – 22 VVG ausgeschlossen werden, so ist dies, da § 22 VVG ausdrücklich auf das Anfechtungsrecht des Versicherers verweist, auch als Ausschluss des § 123 BGB auszulegen. 55 OLG Nürnberg NVersZ 2000, 264 ff. will die Anfechtungswirkungen allerdings beschränken, dagegen aber zu Recht die h. M., z. B. Langheid, in: Römer / Langheid § 22 Rn. 19 m. w. N. 53 54

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

Rechtsstellung des Versicherungsnehmers zusätzlich verbesserndes – Kündigungsrecht nach § 31 VVG aus. Nach dem Wortlaut des § 31 VVG steht dem Versicherungsnehmer nur dann ein Kündigungsrecht zu, wenn der Versicherer die Prämie aufgrund einer Anpassungsklausel erhöht. Die hier interessierenden Fälle werden von dieser Formulierung nicht unmittelbar erfasst, da die Erhöhung automatisch, d. h. ohne eine zusätzliche Entscheidung des Versicherers nach Vertragsschluss, eintritt. In Betracht kommt daher nur eine analoge Anwendung. Eine solche scheitert aber daran, dass der Zweck des § 31 VVG der Einräumung eines Kündigungsrechtes in den hier untersuchten Fällen nicht deckt56. Das Kündigungsrecht aus § 31 VVG lässt sich damit begründen, dass der Versicherungsnehmer das „Ob“ und „Wie“ einer nachträglichen Änderung des bei Vertragsschluss vereinbarten Preis-Leistungs-Verhältnisses regelmäßig vorab nicht hinreichend überblicken kann. Seiner Zustimmung zu einem Vertrag, der eine an eine zukünftige Veränderung anknüpfende Prämienerhöhungsregelung enthält, liegt daher noch keine ausreichend informierte Entscheidung für die jeweilige Prämienerhöhung zugrunde, vielmehr wird ihm eine solche Entscheidung im konkreten Einzelfall erst durch § 31 VVG ermöglicht. Ein solcher Bedürfnis nach einer (erneuten) Entscheidung besteht aber nicht, wenn die Prämie in Abhängigkeit von bei Vertragsschluss bereits vorliegenden Gefahrumständen berechnet wird, die der Versicherungsnehmer – wie dies bei Gefahrumständen, über die er den Versicherer arglistig täuscht, stets der Fall ist – bei Vertragsschluss kannte. In einem solchen Fall kann der Versicherungsnehmer die Auswirkungen der vertraglichen Prämienberechnungsregelung bereits bei Vertragsschluss hinreichend klar überschauen: Die Höhe der nach der vertraglichen Regelung zu zahlenden Prämie ist für ihn dann zumindest erkennbar. Der Einräumung einer zusätzlichen Entscheidungsmöglichkeit in dem Zeitpunkt, in dem das Vorliegen eines vorvertraglichen Gefahrumstandes dem Versicherer zur Kenntnis gelangt und zur Grundlage einer Prämiennachforderung gemacht wird, bedarf es deshalb nicht. § 31 VVG gilt insoweit daher nicht. bb) In die Saldierung einzustellende Belastungen In die Saldierung ist zunächst die Belastung des Versicherungsnehmers mit der Verpflichtung zur Zahlung einer höheren als der ursprünglich vereinbarten Prämie 56 Vgl. zu Fällen, in denen eine Analogie zu § 31 VVG zu befürworten ist, ausführlich im 2. Abschnitt unter A. I. 4. a) bb) (S. 260 ff.). – Dass § 31 VVG nicht eingreift, soweit sich ein im Umfang hinter der vereinbarten Prämienerhöhung zurückbleibender Anspruch auf Prämienerhöhung bereits aus einer Analogie zu § 41 Abs. 1 VVG ergibt, folgt nicht schon ohne weiteres daraus, dass es sich um eine Prämienerhöhung kraft Gesetzes handelte, die kein Kündigungsrecht aus § 31 VVG auslöst (dazu, dass bei einer Erhöhung nach § 41 VVG kein Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers besteht, z. B. Römer, in: Römer / Langheid § 41 Rn. 4). Eine über § 41 Abs. 1 VVG hinausgehende Prämienerhöhung geht ja gerade auf die Vereinbarung zurück.

1. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

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einzustellen. Dies gilt zum einen, soweit die Prämienerhöhung über die durch § 41 VVG vorgesehene Erhöhung hinausgeht, also insbesondere auch die Zeit vor der zum Zeitpunkt des Prämienerhöhungsverlangens des Versicherers laufenden Versicherungsperiode betrifft. Aus dieser Belastung ergibt sich ja überhaupt erst die Abweichung von der gesetzlichen Regelung. Zum anderen ist bei einem vorab vereinbarten Ausschluss des Anfechtungsrechtes auch der § 41 Abs. 1 VVG entsprechende Erhöhungsbetrag (d. h. die Prämienmehrbelastung in der laufenden und den darauf folgenden Versicherungsperioden) zu berücksichtigen. Dabei handelt es sich um eine notwendig mit den Vorteilen aus dem Ausschluss des Anfechtungsrechtes verbundene Belastung57: Da § 41 VVG nur bei einem Verzicht des Versicherers auf sein Anfechtungsrecht analog gilt, müsste der Versicherungsnehmer nach einer Anfechtung, d. h. ohne einen solchen Verzicht, nach der gesetzlichen Regelung gar keine Prämienerhöhung hinnehmen58. Zudem ist für die Zeit nach Ablauf der für § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG maßgeblichen Versicherungsperiode auch die Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur Zahlung der bisherigen Prämie (d. h. in der ursprünglich vereinbarten Höhe ohne den auf den nicht berücksichtigten Gefahrumstand entfallenden Erhöhungsbetrag) in die Saldierung einzustellen. Nach einer Anfechtung des Vertrages wäre der Versicherungsnehmer in diesem Zeitraum nicht mehr zur Prämienzahlung verpflichtet gewesen. Für die Zeit davor (d. h. zwischen Vertragsschluss und dem Ablauf der für § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG maßgeblichen Versicherungsperiode) gilt dies indes nicht, da § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG dem Versicherer in diesem Zeitraum auch nach einer Anfechtung den Anspruch auf die Prämie in der bisherigen Höhe belässt59. 57 Zur Einbeziehung solcher notwendig mit einem Vorteil verbundener Belastungen vgl. im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. III. 2. b) (S. 91). 58 Die Saldierung kann sich also, wenn sich analog § 41 VVG ein Anspruch auf eine erhöhte Prämie von der in § 41 Abs. 1 VVG genannten Versicherungsperiode an ergäbe, nicht allein darauf beschränken, die Vorteile für den Versicherungsnehmer in dem davor liegenden Zeitraum mit der in diesem Zeitraum anfallenden Prämienmehrbelastung zu vergleichen. – Keine Rolle spielt es bei der Saldierung, wenn die Möglichkeit der Geltendmachung der Prämienerhöhung nicht an die Frist des § 124 BGB gebunden ist. Der Versicherer wird – schon im Eigeninteresse – die Prämienerhöhung so schnell wie möglich geltend machen. Dass er länger als ein Jahr zögert, ist kaum anzunehmen. 59 Zu einem anderen Ergebnis käme man nur, wenn man § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG, soweit er die Rechtsfolgen einer Anfechtung regelt, wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG (Ungleichbehandlung von Versicherer und Versicherungsnehmer sowie der Versicherungsnehmer untereinander) nicht für verfassungsgemäß hält, und dem Versicherer für den vor der Anfechtung liegenden Zeitraum nur einen Anspruch auf eine angemessene Geschäftsgebühr bzw. auf eine Abrechnung nach Kurztarif analog § 68 Abs. 2 VVG gibt (vgl. dazu Prölss, in: Prölss / Martin § 40 Rn. 8 ff. m. w. N. sowie Sieg BB 1987, 2249 ff.). Allerdings haben das BVerfG (VersR 1999, 1221 f.) und der BGH (BGHZ 115, 347 ff.) die in § 40 Abs. 2 Satz 1 VVG enthaltene Regelung der Folgen des Prämienzahlungsverzuges für verfassungsgemäß gehalten. Das BVerfG rechtfertigte die mit § 40 Abs. 2 Satz 1 VVG verbundene Ungleichbehandlung (s. o.) dabei insbesondere damit, dass es sich um eine verhaltensbezogene Differenzierung handele und dass der absolute Umfang der Ungleichbehandlung relativ gering sei. Wenn man diese Argumentation zugrunde legt, ist auch bei § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG, soweit er die

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

cc) Saldierung der Vor- und Nachteile (1) Die Bewertung des Versicherungsschutzes aus Sicht des Versicherungsnehmers Für die Saldierung kommt es zunächst darauf an, wie der Vorteil für den Versicherungsnehmer, d. h. der Versicherungsschutz, den er infolge des Ausschlusses des Anfechtungsrechtes erhält, aus seiner Sicht zu bewerten ist. (a) Der Zeitraum zwischen Vertragsschluss und Anfechtung Zunächst soll der Zeitraum zwischen dem Vertragsschluss und dem Zeitpunkt, in dem der Versicherer den Vertrag bei Geltung der gesetzlichen Regelung angefochten hätte (bzw., wenn die Anfechtung erst nach einer anderweitigen Beendigung des Vertrages erfolgt, dem Zeitpunkt der Beendigung des Vertrages) betrachtet werden. Man könnte daran denken, den Versicherungsschutz, den der Versicherungsnehmer durch den Ausschluss des Anfechtungsrechtes in dieser Zeit erhält, mit dem Betrag zu bewerten, der am Markt für entsprechenden Versicherungsschutz – sei es durchschnittlich, sei es bei einem besonders günstigen anderen Anbieter – aufgewendet werden müsste, auch wenn dieser Betrag niedriger ist als die nach dem Tarif des bisherigen Versicherers dafür zu zahlende Prämie. Dagegen spricht allerdings, dass der Versicherungsnehmer sich realistischerweise rückwirkend gar nicht anderweitig absichern könnte60. Er hätte daher bis zu einer Anfechtung keine Alternative zu einer Versicherung seines Risikos bei seinem bisherigen Versicherer61. Auf etwaige anderweitige Versicherungsmöglichkeiten kann es daher nicht ankommen. Der Vorteil für den Versicherungsnehmer in der Zeit vor einer Anfechtung ist daher mindestens mit dem Betrag zu bewerten, den er dafür nach dem Tarif seines konkreten Versicherers bei ordnungsgemäßer Anzeige des Gefahrumstandes hätte zahlen müssen – also in Höhe der bisherigen Prämie zuzüglich des auf den nicht angezeigten Umstand entfallenden Zuschlages.

Folgen einer Anfechtung des Versicherers regelt, ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG abzulehnen. Der Versicherungsnehmer hat es in der Hand, eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung und damit die Rechtsfolgen des § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG zu vermeiden. Es handelt sich daher wie bei § 40 Abs. 2 Satz 1 VVG um eine verhaltensbezogene Differenzierung. 60 Eine erst nach der Anfechtung abgeschlossene Rückwärtsversicherung könnte den Versicherungsnehmer nur vor Versicherungsfällen schützen, die ihm bis zu diesem Zeitpunkt unbekannt geblieben sind, vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 VVG. Auch dass sich der Versicherungsnehmer – wenn er überhaupt die Anfechtbarkeit erkennt und eine anderweitige Absicherung versucht – in der Schwebezeit vor der Anfechtung anderweitigen Versicherungsschutz verschaffen kann, ist kaum zu erwarten; zudem hilft ihm auch diese Möglichkeit nur für die Zukunft weiter und deckt damit nicht den gesamten von der Anfechtung umfassten Zeitraum ab. 61 Dass er für die Zeit bis zu einer Anfechtung gar keinen Versicherungsschutz wünscht, ist nicht anzunehmen, da er in dieser Zeit für den Eintritt eines Versicherungsfalles auch nicht anderweitig Vorsorge treffen könnte, vgl. dazu auch sogleich unter (b).

1. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

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Darüber hinaus könnte sich aus der fehlenden anderweitigen Absicherungsmöglichkeit ergeben, dass als Äquivalent für den Ausschluss der rückwirkenden Leistungsfreiheit ein noch höherer Betrag als die ohne die Anzeigepflichtverletzung nach dem Tarif des Versicherers dafür zu zahlende Prämie anzusetzen ist62. Allerdings fehlen für eine Bezifferung eines solchen weitergehenden Vorteils hinreichend genaue Bewertungsmaßstäbe. Der Versicherungsnehmer erhält durch den Ausschluss der Leistungsfreiheit des Versicherers zwar einen Vorteil, der für ihn im Einzelfall – wenn nämlich ein Versicherungsfall eintritt – weit höher zu bewerten sein kann als die dafür zu zahlende Prämie. Andererseits hat er in der Mehrzahl der Fälle, in denen kein Versicherungsfall eintritt, gar keine Zahlungsansprüche gegen den Versicherer. Wie sich der mit dem Versicherungsschutz insgesamt verbundene Zugewinn an Planungssicherheit aus Sicht des Versicherungsnehmers im Durchschnitt anders bewerten ließe als anhand der Prämie, die der konkrete Versicherer üblicherweise dafür fordert, lässt sich aber nicht mit der im Rahmen der Saldierung erforderlichen Genauigkeit sagen63. (b) Die Zeit nach einer Anfechtung Für den Zeitraum nach einer Anfechtung des Versicherers ist der Vorteil für den Versicherungsnehmer möglicherweise anders zu bewerten. Nach einer Anfechtung des Vertrages kann der Versicherungsnehmer neu über die weitere Absicherung seines Risikos entscheiden: Er kann entweder versuchen, sich bei einem anderen Versicherer günstigeren Versicherungsschutz zu verschaffen, oder er kann sein Risiko ganz unversichert lassen64. Wenn eine dieser Möglichkeiten aus seiner Sicht typischerweise einer Fortsetzung des Vertrages vorzuziehen ist, müsste für die Bewertung der Fortsetzung des Versicherungsschutzes zumindest ein geringerer Betrag angesetzt werden als die Prämie, die dafür nach dem Tarif des bisherigen Versicherers zu zahlen ist65. Dies ist indes nicht der Fall. Es ist davon auszugehen, dass ein verständiger Versicherungsnehmer auch für die Zeit nach einer Anfechtung des Vertrages das ge62 Eine solche Wirkung nehmen im Ergebnis diejenigen Stimmen an, die dem Vorteil „Ausschluss der Leistungsfreiheit“ im Hinblick auf Prämienanpassungsregelungen, die an Gefahrerhöhungen anknüpfen, eine über den Ausgleich der Prämienerhöhung für den von der Leistungsfreiheit erfassten Zeitraum hinausgehende Kompensationswirkung zusprechen, vgl. dazu im 2. Abschnitt unter A. I. 2. b) (S. 254). 63 Zu dieser Zweifelsregelung vgl. im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. III. 2. c) dd) (S. 100). 64 Diese beiden Gesichtspunkte heben – im Hinblick auf die Folgen einer Kündigung wegen Gefahrerhöhung – auch Martin SVR N IV 3; Prölss, in: Prölss / Martin § 27 Rn. 3 hervor. 65 So im Hinblick auf Prämienerhöhungsregelungen, die an den Eintritt einer Gefahrerhöhung anknüpfen, der Sache nach Martin SVR N IV 3 ff., der solche Regelungen im Hinblick auf die geschilderten Aussichten für überwiegend nachteilig i. S. d. § 34a VVG hält (siehe dazu unten im 2. Abschnitt unter A. I. 2. a) (S. 253 f.).

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

samte Risiko, das von dem Vertrag ohne die Anzeigepflichtverletzung abgedeckt würde, versichern möchte. Aus dem Abschluss des Vertrages lässt sich schließen, dass er jedenfalls für die Zeit bis zu seiner nächsten ordentlichen Kündigungsmöglichkeit eine Absicherung mit Hilfe einer Versicherung wünscht und davon auch bei seiner Verhaltensplanung ausgeht. Dass dieses Interesse allein deshalb wegfällt, weil eine Weiterversicherung nur gegen eine höhere Prämie möglich ist (zu der Möglichkeit einer günstigeren anderweitigen Versicherung siehe sogleich im Text), könnte man allenfalls dann unterstellen, wenn dem Versicherungsnehmer nach einer Anfechtung typischerweise eine andere Möglichkeit offen stände, gegen den Eintritt eines Schadens Vorsorge zu treffen – etwa indem er selbst Rücklagen bildet oder das risikoträchtige Verhalten unterlässt, das Anlass für den Abschluss des Versicherungsvertrages war. Davon ist aber nicht auszugehen. Es ist kaum anzunehmen, dass dem Versicherungsnehmer nach einer fristlosen Beendigung des Vertrages, wie sie mit einer Anfechtung verbunden ist, eine sofortige Umstellung seiner Planung und damit ein völliger Verzicht auf Versicherungsschutz möglich wäre. Dafür ist vielmehr regelmäßig eine längere Übergangsfrist erforderlich. Ein verständig planender Versicherungsnehmer wird daher auch an einer Fortsetzung des Versicherungsschutzes interessiert sein. Auch eine etwaige Möglichkeit einer anderweitigen günstigeren Weiterversicherung ist nicht geeignet, eine niedrigere Bewertung der Vorteile für den Versicherungsnehmer zu begründen. Es kann zwar unterstellt werden, dass der Versicherungsnehmer grundsätzlich eine Absicherung seines Risikos zu einer niedrigeren Prämie bei einem anderen Versicherer einer Versicherung bei seinem bisherigen Versicherer vorziehen würde66. Im Durchschnitt der möglichen Anwendungsfälle der Prämienerhöhungsregelung ist aber davon auszugehen, dass er eine solche günstigere Versicherung nach einer Anfechtung gar nicht finden würde. Dabei kann offen bleiben, ob überhaupt im Regelfall die Existenz einer anderen, günstigeren Versicherungsmöglichkeit unterstellt werden kann67. Jedenfalls ist nicht zu erwarten, dass der Versicherungsnehmer eine etwaige günstigere Möglichkeit so schnell ermitteln und nutzen wird, dass keine vorübergehende Lücke in seinem Versicherungsschutz entsteht68. Dies ergibt sich wiederum daraus, dass er nach einer Anfechtung keine Übergangsfrist hat, innerhalb derer er sich um anderweitigen Versicherungsschutz bemühen könnte. Um einen kontinuierlichen Versicherungsschutz zu gewährleisten, wird er sich daher in vielen Fällen – wenn er über66 Ein etwaiges Interesse des Versicherungsnehmers, gerade bei seinem bisherigen Versicherer Versicherungsschutz zu erlangen (etwa im Hinblick auf dessen persönliche Eigenschaften, etwa eine besondere Kulanz o. ä.), lässt sich nicht mit der für eine Saldierung notwendigen Genauigkeit bewerten und bleibt daher hier außer Betracht. 67 Zu dieser Frage ausführlich unten im 2. Abschnitt unter A. I. 4. c) aa) (2) (c) ) (S. 274). 68 Diesen Aspekt betonen – allerdings für das Kündigungsrecht wegen Gefahrerhöhung, das (bei nicht oder nicht schuldhaft vom Versicherungsnehmer veranlassten Gefahrerhöhungen) zum Teil nicht zur sofortigen Aufhebung des Vertrages führt, vgl. §§ 24 Abs. 1 Satz 2, 27 Abs. 1 Satz 1 VVG, – Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 790.

1. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

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haupt so schnell einen neuen Versicherer findet69 – mit einer höheren Prämie abfinden müssen. Jedenfalls kann der Versicherungsnehmer nicht damit rechnen, dass ihm häufiger eine günstigere als eine ungünstigere Weiterversicherung gelingt. Es entspräche auch nicht seinem Interesse an einer kontinuierlichen Absicherung seines Risikos, eine vorübergehende Lücke im Versicherungsschutz hinzunehmen, um in dieser Zeit eine etwaige anderweitige günstige Versicherungsmöglichkeit zu ermitteln. Umgekehrt lässt sich mit den Schwierigkeiten, die sich aus der Verschaffung neuen, kontinuierlichen Versicherungsschutzes für den Versicherungsnehmer ergeben können, allerdings auch keine konkrete höhere Bewertung der Vorteile aus der Fortsetzung des Versicherungsschutzes rechtfertigen. Auch wenn man einen gewissen „Mehrwert“ der Vertragsfortsetzung im Vergleich zu einer Beendigung des Vertrages unter Befreiung von der Prämienzahlungspflicht annimmt, lässt sich dieser jedenfalls nicht beziffern: Dafür fehlt wiederum ein hinreichend genauer Maßstab – welcher Aufschlag auf die ohne die Anzeigepflichtverletzung zu zahlende Prämie sich damit genau rechtfertigen ließe, lässt sich nicht sagen70. Für die Bewertung des Versicherungsschutzes kommt es daher auch für den Zeitraum nach einer möglichen Anfechtung darauf an, welche Prämie dafür nach dem Tarif des konkreten Versicherers zu zahlen ist. (2) Saldierung mit der Prämienbelastung Für die Saldierung der Vor- und Nachteile ergibt sich damit folgendes: In der Zeit zwischen Vertragsschluss und dem Ende der für § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG maßgeblichen Versicherungsperiode steht einem Vorteil, der in Höhe der bisherigen Prämie zuzüglich des Betrages, um den sich die Prämie bei Berücksichtigung des nicht angezeigten Umstandes erhöht, zu bewerten ist, lediglich eine Belastung mit der Pflicht zur Zahlung des Erhöhungsbetrages gegenüber. Die Vereinbarung ist für den Versicherungsnehmer daher in diesem Zeitraum überwiegend vorteilhaft. Im Saldo ergibt sich für ihn ein „Überschuss“ in Höhe der in dieser Zeit ohne Berücksichtigung des nicht angezeigten Umstandes zu zahlenden Prämie. In der Zeit nach dem Ende der Prämienzahlungspflicht nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG halten sich Vor- und Nachteile dagegen die Waage, da der Versicherungsnehmer insoweit für die Fortsetzung des Versicherungsschutzes genau die Prämie aufwenden muss, die dem Wert der Versicherung für ihn entspricht. Insgesamt ist die Vereinbarung 69 Soweit in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung ein Abschlusszwang (vgl. § 5 Abs. 2 PflVersG) besteht, besteht insoweit allerdings kein Bedenken. – Bei einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung besteht zudem die Gefahr, dass ein neuer Versicherer, wenn der Versicherungsnehmer ihm seine Vorversicherung anzeigt, von der Täuschung erfährt und deshalb nicht zum Vertragsschluss bereit ist. 70 Die fehlende Konkretisierbarkeit des Vorteils steht allerdings nicht entgegen, z. B. die Vereinbarung einer im Gesetz nicht vorgesehenen fristlosen Kündigungsmöglichkeit des Versicherers für nachteilig zu halten, obwohl die Prämienzahlungspflicht des Versicherungsnehmers nach einer Kündigung wegfällt.

13 Klimke

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

einer rückwirkenden Anpassung der Prämie an die Prämie, die bei anfänglicher Berücksichtigung des arglistig verschwiegenen Gefahrumstandes nach dem Tarif des Versicherers zusätzlich zu zahlen gewesen wäre, für den Versicherungsnehmer überwiegend vorteilhaft und daher mit § 34a VVG vereinbar.

b) Fahrlässige Anzeigepflichtverletzungen des Versicherungsnehmers, die ein Rücktrittsrecht auslösen Da davon auszugehen ist, dass der Versicherer bei einer fahrlässigen Verletzung der Anzeigepflicht von seinem Rücktrittsrecht aus den §§ 16, 17 VVG fristgerecht Gebrauch machen wird71, kommt es für die Saldierung in solchen Gestaltungen auf einen Vergleich der Situation nach einem Rücktritt des Versicherers mit derjenigen nach einer Prämienerhöhung an. aa) In die Saldierung einzustellende Vorteile Durch den Rücktritt des Versicherers verliert der Versicherungsnehmer gemäß § 21 VVG rückwirkend seinen Versicherungsschutz für diejenigen Versicherungsfälle, deren Eintritt oder Umfang von dem nicht angezeigten Gefahrumstand beeinflusst wurden. Sofern es sich um einen Umstand handelt, der i. S. d. § 21 VVG Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalles haben kann (und nicht bloß um einen indizierenden Umstand), bringt ein Ausschluss des Rücktrittsrechtes daher für den Versicherungsnehmer eine Erweiterung des Umfanges des Versicherungsschutzes mit sich. Zudem hat die Fortsetzung des Vertrages zur Folge, dass er seinen Versicherungsschutz auch in der Zeit nach einem möglichen Rücktritt behält. Weitere Vorteile ergeben sich für den Versicherungsnehmer aus der Vereinbarung nicht. Insbesondere löst die Prämienerhöhung auch bei nicht arglistigen Anzeigepflichtverletzungen kein Kündigungsrecht nach § 31 VVG aus. Da eine den Versicherer zum Rücktritt berechtigende Anzeigepflichtverletzung nur im Hinblick auf dem Versicherungsnehmer bekannte Umstände in Betracht kommt, ist dem Versicherungsnehmer die Höhe der nach dem Vertrag zu zahlenden Prämie bereits bei Vertragsschluss zumindest erkennbar. Einer Möglichkeit zur Entscheidung über die Prämienerhöhung nach Vertragsschluss bedarf es daher auch insoweit nicht72. bb) In die Saldierung einzustellende Belastungen In die Saldierung ist zum einen einzustellen, dass der Versicherungsnehmer rückwirkend vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses an eine höhere Prämie zahlen 71 72

Vgl. zu dieser Regel allgemein im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. III. 2. c) cc) (S. 99). Vgl. dazu bereits oben unter a) aa) (2) (S. 187 f.).

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muss. Dabei ist aus den oben unter a) bb) genannten Gründen auch die Erhöhung zu berücksichtigen, die sich aus der Analogie zu § 41 VVG bei Ausschluss des Rücktrittsrechtes ergibt. Zum anderen ist für die Zeit nach dem Ablauf der für § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG maßgeblichen Versicherungsperiode auch die Pflicht zur Fortzahlung der Prämie in der bisherigen Höhe zu berücksichtigen. Für die Zeit davor steht der Versicherungsnehmer dagegen durch die Belastung mit der Pflicht zur Zahlung der bisherigen Prämie nicht schlechter als nach einem Rücktritt, da er insoweit nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG auch nach einem Rücktritt zur Prämienzahlung verpflichtet wäre73. cc) Saldierung der Vor- und Nachteile Für die Bewertung des Zuwachses an Versicherungsschutz, den der Versicherungsnehmer infolge des Ausschlusses des Rücktrittsrechtes erhält, gelten die für arglistige Anzeigepflichtverletzungen entwickelten Grundsätze entsprechend. Die Ausweitung des Versicherungsschutzes ist also für den Versicherungsnehmer mindestens soviel wert, wie er dafür bei seinem konkreten Versicherer bei ordnungsgemäßer Anzeige hätte bezahlen müssen. Die Interessenlage nach einem Rücktritt entspricht derjenigen nach einer Anfechtung: Für die Zeit vor einem Rücktritt hätte der Versicherungsnehmer gar keine Alternative zu einer Absicherung seines Risikos bei dem bisherigen Versicherer, für die Zeit danach kann er wegen der übergangslosen Beendigung des Versicherungsverhältnisses nicht damit rechnen, eine anderweitige günstigere Versicherungsmöglichkeit so schnell zu finden, dass keine Lücke im Versicherungsschutz entsteht. Für die Zeit nach dem Zeitpunkt, in dem der Vertrag durch einen Rücktritt des Versicherers beendet worden wäre, ist die Fortsetzung des Vertrages daher aus Sicht des Versicherungsnehmers in Höhe der Prämie zu bewerten, die bei ordnungsgemäßer Berücksichtigung des nicht angezeigten Umstandes nach dem Tarif des Versicherers zu zahlen ist. Für die Zeit davor ist der Zuwachs an Versicherungsschutz, der sich aus dem Ausschluss der Leistungsfreiheit nach § 21 VVG ergibt, für den Versicherungsnehmer mindestens soviel wert wie der Betrag, um den die Prämie bei ordnungsgemäßer Anzeige höher gewesen wäre als die tatsächlich gezahlte Prämie. Allerdings ist damit der sich aus dem Ausschluss des § 21 VVG ergebende Vorteil für den Versicherungsnehmer noch nicht abschließend beschrieben. Der Betrag, um den sich die Prämie bei Berücksichtigung eines gefahrerheblichen Umstandes erhöht, richtet sich regelmäßig nach der dadurch tatsächlich herbeigeführten Gefahrerhöhung. Die Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 21 VVG geht 73 Zu den Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG vgl. bereits oben in Fußnote 59. Die dort genannten Argumente des BVerfG (VersR 1999, 1221 f.) passen auch für fahrlässige Anzeigepflichtverletzungen, die ein Rücktrittsrecht auslösen, da es auch hier um ein vom Versicherungsnehmer steuerbares Verhalten geht.

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

aber darüber hinaus: Der Versicherer ist nach § 21 VVG nicht nur insoweit leistungsfrei, als der gefahrerhebliche Umstand tatsächlich Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalles und den eingetretenen Schaden hat. Vielmehr werden auch solche Versicherungsfälle vollständig vom Versicherungsschutz ausgenommen, bei denen der nicht angezeigte Umstand nur Einfluss auf den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers hat. Der Versicherungsnehmer erhält damit durch die Abbedingung des Alles-oder-nichts-Prinzips des § 21 VVG einen größeren Zuwachs an Versicherungsschutz, als es der Erhöhung der Gefahr durch diesen Umstand entspricht, die in der Prämienerhöhung zum Ausdruck kommt. Soweit sich dieser Zuwachs an Versicherungsschutz hinreichend genau beziffern lässt, kann er auch in die Saldierung einbezogen werden. Dazu ist zu ermitteln, welcher Anteil der ohne Berücksichtigung des gefahrerheblichen Umstandes zu zahlenden Prämie auf Risiken aus Versicherungsfällen entfällt, die zwar bei einem Rücktritt von § 21 VVG erfasst würden, aber nicht gerade auf die durch den gefahrerheblichen Umstand ausgelöste Gefahrerhöhung zurückgehen. Sofern dies möglich ist, ist dieser Betrag bei der Bewertung des Zuwachses an Versicherungsschutz zu der Prämienerhöhung hinzuzurechnen, ansonsten ist der Zuwachs allerdings im Zweifel – da er sich nicht genau genug bewerten lässt – außer Betracht zu lassen74. (1) Umstände, die i. S. d. § 21 VVG Einfluss auf einen Versicherungsfall haben können Soweit die Prämienerhöhung an Umstände anknüpft, die i. S. d. § 21 VVG im Einzelfall Einfluss auf den Eintritt eines Versicherungsfalles oder den Umfang der Ersatzpflicht des Versicherers haben können, ergibt sich damit für die Saldierung folgendes: In der Zeit zwischen dem Vertragsschluss und dem Zeitpunkt, in dem der Vertrag bei einem Rücktritt des Versicherers beendet worden wäre, sind die Vor- und Nachteile mindestens ausgeglichen: Der Prämiensteigerung steht ein mindestens in gleicher Höhe zu bewertender Vorteil gegenüber. Wenn sich zudem die zuvor geschilderten weitergehenden Vorteile aus dem Ausschluss des § 21 VVG hinreichend genau beziffern lassen, ergibt sich außerdem ein Überschuss in Höhe dieser Vorteile. Für die Zeit zwischen Rücktritt und dem Ende der laufenden Versicherungsperiode ergibt sich ein Überschuss in Höhe der auf diesen Zeitraum entfallenden bisherigen Prämie: Der Versicherungsnehmer erhält insoweit als Vorteil Versicherungsschutz in vollem Umfang; als gerade von der Vereinbarung ausgehende zusätzliche Belastung trifft ihn aber in dieser Zeit nur die Pflicht zur Zahlung des Betrages, um den sich die Prämie erhöht. Für die Zeit nach dem Ende der in § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG genannten Versicherungsperiode schließlich halten sich Vor- und Nachteile wiederum die Waage. 74 Allerdings genügt es für die Saldierung, wenn sich der Betrag zumindest in seinen Grenzen fassen lässt.

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Insgesamt ist die Vereinbarung einer Prämienerhöhung daher im Hinblick auf Gefahrumstände, die (mit)ursächlich für den Versicherungsfall sein können, überwiegend vorteilhaft für den Versicherungsnehmer, der Überschuss für den Versicherungsnehmer entspricht der Summe der für die beiden erstgenannten Zeitabschnitte genannten Beträge. (2) Bloß indizierende Umstände Schwieriger sind Prämienerhöhungsregelungen zu beurteilen, die an bloß indizierende Gefahrumstände (z. B. die fehlende Beamteneigenschaft des Versicherungsnehmers) anknüpfen, die keinen Einfluss auf den Versicherungsfall haben können. Solche Vereinbarungen bringen für den Versicherungsnehmer für die Zeit vor einem möglichen Rücktritt keinen Zuwachs an Versicherungsschutz mit sich, da eine Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 21 VVG ausscheidet. In diesem Zeitraum ist die Prämienerhöhung daher für den Versicherungsnehmer ausschließlich nachteilig, weil der Verpflichtung zur Zahlung der höheren Prämie kein entsprechender Vorteil gegenübersteht. Allerdings ergibt sich in der Zeit zwischen dem Rücktritt und dem Ende der für § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG maßgeblichen Versicherungsperiode auch bei bloß indizierenden Umständen ein „Überschuss“ für den Versicherungsnehmer in Höhe der ursprünglich für diesen Zeitraum zu zahlenden Prämie. Dieser „überschießende“ Vorteil für den Versicherungsnehmer – die Ersparnis der Prämienzahlung in der bisherigen Höhe – beläuft sich durchschnittlich auf die Hälfte der in einer Versicherungsperiode geschuldeten Prämie75, da unterstellt werden kann, dass der Zeitpunkt, in dem der Versicherer Kenntnis von der Obliegenheitsverletzung erlangt, gleichmäßig über die Versicherungsperiode verteilt sein und der Versicherer außerdem sofort nach Kenntniserlangung von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch machen wird76. Eine Prämienerhöhung ist daher auch bei bloß indizierenden Umständen nicht überwiegend nachteilig für den Versicherungsnehmer, soweit die Prämienmehrbelastung vor einem möglichen Rücktritt durchschnittlich nicht höher ist als die Hälfte der in einer Versicherungsperiode zu zahlenden Prämie. Ob dies der Fall ist, lässt sich nicht für alle denkbaren Erhöhungsregelungen einheitlich beurteilen. Es kommt vielmehr auf den konkreten Erhöhungsbetrag, der bei ordnungsgemäßer Anzeige des gefahrerheblichen Umstandes zu zahlen gewesen wäre, auf die Höhe der bisherigen Prämie sowie darauf an, nach welcher Zeit (d. h. insbesondere in der wievielten Versicherungsperiode nach Vertragsschluss) eine Obliegenheitsverletzung typischerweise entdeckt werden wird. Da unterstellt werden kann, dass sich die Kenntniserlangung des Versicherers von der AnzeigepflichtPrölss VersR 1988, 347, 348. Vgl. zu dieser der Saldierung zugrunde zu legenden Annahme oben im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. III. 2. c) cc) (S. 99). 75 76

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verletzung – und damit der Rücktritt – gleichmäßig über die Laufzeit des Vertrages verteilt, richtet sich die letztgenannte Frage nach der Laufzeit des Vertrages. Bei auf ein Jahr befristeten Verträgen ist daher z. B. davon auszugehen, dass der Versicherer durchschnittlich nach der Hälfte der ersten Versicherungsperiode (vgl. § 9 VVG) zurücktreten wird. Vor- und Nachteile sind in diesem Falle ausgeglichen, wenn sich die ursprünglich zu zahlende Prämie nicht mehr als verdoppelt77. Soweit sich nicht eindeutig entscheiden lässt, ob die Mehrbelastung für den Versicherungsnehmer in der Zeit vor dem Rücktritt durchschnittlich nicht höher ist als die Hälfte einer Prämie für eine Versicherungsperiode, genügt die Ersparnis der nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG nutzlos aufzuwendenden Prämie für sich gesehen nicht, um die Nachteile für den Versicherungsnehmer in dem Zeitraum vor dem Rücktritt zu kompensieren. Man könnte allenfalls überlegen, ob nicht auch dann, wenn die Prämienmehrbelastung in der Zeit vor einem möglichen Rücktritt durchschnittlich höher ist als die Ersparnis der nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG nutzlos aufzuwendenden Prämie, dieser Nachteil aus Sicht des Versicherungsnehmers im Ergebnis dadurch ausgeglichen wird, dass er infolge des Ausschlusses des Rücktrittsrechtes kontinuierlichen Versicherungsschutz genießt und deshalb keine Lücke im Versicherungsschutz befürchten muss, wenn er sich nicht schnell genug anderweitig versichert. Allerdings ist dieser Umstand bereits in die Bewertung des Vorteils eingeflossen, der mit der Fortsetzung des Versicherungsschutzes in der Zeit nach einem Rücktritt verbunden ist. Ein etwaiger darüber hinausgehender Vorteil lässt sich nicht mit der für eine Saldierung erforderlichen Genauigkeit bewerten: Welche zusätzliche Prämiensteigerung aus Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers im Hinblick auf die Kontinuität des Versicherungsschutzes noch hinnehmbar wäre, lässt sich nicht hinreichend sicher sagen. Im Ergebnis sind daher Prämienerhöhungsregelungen, die an die fahrlässige Nichtanzeige bloß indizierender Gefahrumstände anknüpfen, für sich betrachtet überwiegend nachteilig i. S. d. § 34a VVG, wenn nicht hinreichend sicher festgestellt werden kann, dass die Prämienmehrbelastung des Versicherungsnehmers in dem Zeitraum vor einem möglichen Rücktritt des Versicherers im Durchschnitt nicht höher ist als die Prämie, die der Versicherungsnehmer nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG nutzlos aufwenden müsste.

c) Fehlen einer (schuldhaften) Anzeigepflichtverletzung Soweit dem Versicherungsnehmer keine oder keine schuldhafte Anzeigepflichtverletzung zur Last fällt, ist eine über § 41 Abs. 1 VVG hinausgehende Prämien77 Der Nachteil für den Versicherungsnehmer in der Zeit vor dem Rücktritt beträgt bei einer Verdoppelung durchschnittlich 1/2 Jahresprämie und entspricht damit dem Vorteil in der Zeit bis zum Ende der ersten Versicherungsperiode. (Dies gilt allerdings nicht, soweit sich der Vertrag automatisch verlängert und die Erhöhung auch vor der Verlängerung liegende Zeiträume erfassen kann, vgl. dazu oben Fußnote 37).

1. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

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erhöhung, d. h. insbesondere eine Erhöhung, die auch für frühere als die laufende Versicherungsperioden eintreten soll, für den Versicherungsnehmer jedenfalls überwiegend nachteilig. Eine Ausweitung des Versicherungsschutzes ist mit einer solchen Vereinbarung nicht verbunden. Ob die Prämienerhöhung ein Kündigungsrecht nach § 31 VVG auslöst, kann dahinstehen78. Ein solches Kündigungsrecht könnte, selbst wenn es dem Versicherungsnehmer die rückwirkende Abwendung der Prämienerhöhung ermöglichen würde, für sich gesehen nicht die höhere Prämienbelastung ausgleichen, da der Versicherungsnehmer jedenfalls bei einer – nicht von vornherein auszuschließenden – Versäumung der Kündigungsfrist schlechter stünde als nach dem Gesetz. Zudem ist § 41 VVG im Umkehrschluss zu entnehmen, dass eine über diese Vorschrift hinausgehende Prämienerhöhung bei einer fehlenden Anzeigepflichtverletzung nicht zulässig sein soll. Vorteile, die – wie das Kündigungsrecht aus § 31 VVG – die notwendige Folge der Erhöhung wären, können daher nach der den §§ 41, 42 VVG zugrunde liegenden Wertung nicht ausreichen, um die Nachteile zu kompensieren79. Eine Prämienerhöhungsregelung, die (ausschließlich) Fälle betrifft, in denen der Versicherer nicht anfechten oder zurücktreten könnte, läuft daher den §§ 41, 42 VVG zuwider. d) Regelung der Fallgruppen a) – c) in einer Vereinbarung Die in der Praxis verwendeten Prämienerhöhungsregelungen differenzieren regelmäßig nicht ausdrücklich danach, ob und welche Art von Verschulden des Versicherungsnehmers der Nichtanzeige eines gefahrerheblichen Umstandes zugrunde liegt. Allerdings kann die Auslegung einer solchen Regelung ergeben, dass sie, auch wenn sie nicht ausdrücklich ein Verschulden des Versicherungsnehmers als Voraussetzung für die Prämienerhöhung nennt, nur im Falle einer schuldhaften Anzeigepflichtverletzung gelten soll. Davon ist auszugehen, wenn es nach der Art des gefahrerheblichen Umstandes, an den die Prämienerhöhung anknüpft, nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen an einem Verschulden fehlen kann80. Eine solche Gestaltung liegt etwa vor, wenn ein gefahrerheblicher Umstand dem Versicherungsnehmer typischerweise bekannt sein wird und ein Rabatt nur auf die ausdrückliche Versicherung des Versicherungsnehmers (bzw. auf die Vorlage von Nachweisen) hin, dass dieser Umstand bei ihm nicht vorliegt (bzw. dass ein eine geringere Gefahr indizierender Umstand bei ihm gegeben ist), gewährt wird81. 78 Gegen das Bestehen eines solchen Kündigungsrechtes lässt sich jedenfalls dann, wenn der Versicherungsnehmer den Umstand, an den die Prämienberechung anknüpft, bei Vertragsschluss nicht kannte, nicht die oben unter a) aa) (2) geschilderte Überlegung anführen, dass der Versicherungsnehmer schon bei Vertragsschluss über die Prämienerhöhung entscheiden konnte. 79 Zu der allgemeinen Bedeutung gesetzlicher Wertungen für die Saldierung vgl. im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. III. 2. c) aa) (S. 92 f.). 80 Vgl. zu diesem Kriterium im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. I. 1. b) (S. 33 f.).

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

Soweit die Prämienerhöhungsregelung auch nach einer solchen einschränkenden Auslegung nicht nur Fallgruppen betrifft, für die sich nach dem unter a) und b) Gesagten bei der Saldierung ein Überschuss zugunsten des Versicherungsnehmers ergibt, stellt sich die Frage, ob die Vor- und Nachteile der einzelnen Fallgruppen untereinander saldiert werden können. Dabei geht es vor allem darum, ob die überwiegenden Nachteile, die sich bei isolierter Betrachtung einer Prämienerhöhung im Hinblick auf vom Versicherungsnehmer schuldlos nicht angezeigte Umstände bzw. im Hinblick auf fahrlässig nicht angezeigte bloß indizierende Umstände ergeben können, durch etwaige „überschießende“ Vorteile der übrigen von der Prämienerhöhungsregelung erfassten Fallgestaltungen kompensiert werden. Dies ist nicht der Fall: Ausgeschlossen ist es aus den im 1. Teil82 genannten Gründen zunächst, den Nachteilen, die den Versicherungsnehmer im Hinblick auf einen Umstand treffen können, den er nicht arglistig verschwiegen hat, die Vorteile entgegenzuhalten, die ihm zugute kämen, wenn ihm im Hinblick auf denselben Umstand Arglist zur Last fiele. Ob der Versicherungsnehmer arglistig gehandelt hat oder nicht, steht schon bei Vertragsschluss – auch aus seiner Sicht – fest. Ein Versicherungsnehmer, der einen bestimmten Umstand nicht arglistig verschwiegen bzw. falsch angezeigt hat, hat daher von vornherein kein Interesse daran, vor den Folgen einer Anfechtung geschützt zu werden, die auf eine Täuschung über gerade diesen Umstand gestützt wird. Möglich wäre es allerdings, einem Versicherungsnehmer, dem im Hinblick auf einen Umstand keine Arglist zur Last fällt, im Hinblick auf einen anderen dagegen schon, die Vorteile aus dem Ausschluss des Anfechtungsrechtes entgegenzusetzen. Eine solche Konstellation (Verkennung von zwei vorvertraglichen gefahrerheblichen Umständen durch den Versicherer) ist aber nur im Ausnahmefall zu erwarten. Zudem würde eine etwaige Kompensation der Nachteile in solchen Fällen auch nichts an dem Überwiegen der Nachteile bei einem Versicherungsnehmer, dem gar keine Arglist zur Last fällt, ändern. Die für den Versicherungsnehmer günstige Regelung der Arglistfälle ist daher von vornherein nicht in der Lage, etwaige Nachteile in den anderen Fallgruppen auszugleichen. Überwiegend nachteilig ist somit in jedem Falle eine über § 41 VVG hinausgehende Prämienanpassungsregelung, die an bloß indizierende Gefahrumstände (gleich, ob ihre Nichtberücksichtigung bei Vertragsschluss auf Arglist oder lediglich auf Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers beruhte) anknüpft, und 81 Darum geht es etwa bei den in Nr. 9a, 9b, 10 Abs. 1 TB genannten Tarifmerkmalen. Auch Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 784 halten eine schuldlose Nichtanzeige durch den Versicherungsnehmer im Hinblick auf die in der Kraftfahrtversicherung verwendeten Rabattmerkmale kaum für denkbar. Nach Johannsen, in: Bruck / Möller, Kraftfahrtversicherung, Anm. E 7 soll allerdings eine Vertragsstraferegelungen für die Nichtanzeige einer Vorversicherung ohne ausdrückliche Einschränkung auch Fälle schuldlosen Verhaltens erfassen; für Prämienanpassungsregelungen müsste dann entsprechendes gelten. 82 Vgl. dort im 1. Abschnitt unter A. III. 2. a) aa) (2) (b) (cc) ) (S. 79 ff.).

1. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

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dabei die Fälle bloß fahrlässiger Anzeigepflichtverletzungen – isoliert betrachtet – für den Versicherungsnehmer überwiegend nachteilig regelt83. Dass eine solche Regelung für den Versicherungsnehmer bei eigener Arglist ganz überwiegend vorteilhaft ist, vermag die Nachteile in den anderen Fällen nicht auszugleichen. Darüber hinaus können einem Versicherungsnehmer, dem im Hinblick auf einen Umstand, der zum Anknüpfungspunkt für eine Prämienerhöhung gemacht wird, keine (schuldhafte) Anzeigepflichtverletzung zur Last fällt, auch nicht die Vorteile entgegengehalten werden, die sich für ihn bei einer fahrlässigen Anzeigepflichtverletzung ergeben hätten. Ob der Versicherungsnehmer einen ihm bekannten Umstand korrekt angezeigt hat, kann er anhand seiner Antworten auf die Antragsfragen und seiner eigenen Kenntnisse schon bei Vertragsschluss sicher feststellen. Ein Versicherungsnehmer, dem danach keine Pflichtverletzung zur Last fällt, hat daher keinen Nutzen davon, wenn vertraglich die Folgen einer etwaigen fahrlässigen Anzeigepflichtverletzung im Hinblick auf diesen Umstand ausgeschlossen werden. Dass er unter Umständen noch einen weiteren Gefahrumstand schuldhaft nicht angezeigt hat, reicht aber wiederum nicht zur Kompensation der Nachteile aus. Auch eine über § 41 VVG hinausgehende Prämienanpassungsregelung, die (auch) an die nachträgliche Aufdeckung von Umständen anknüpft, im Hinblick auf die dem Versicherungsnehmer keine schuldhafte Anzeigepflichtverletzung zur Last fällt, ist daher in jedem Falle überwiegend nachteilig: Etwaige überschießende Nachteile aus der gleichzeitigen Regelung schuldhaften Verhaltens können die mit einer solchen Regelung verbundenen Nachteile nicht aufwiegen. Auch wenn einige der unter a) – c) besprochenen Fallgruppen in einer Prämienerhöhungsregelung zusammengefasst werden, ändert dies daher nichts an dem Ergebnis der Saldierung. Die überwiegend nachteiligen Teilregelungen werden dadurch nicht zulässig. Im Gegenteil ist jeweils zu prüfen, ob sich der Versicherer bei einer sprachlichen Zusammenfassung der einzelnen Regelungen nicht infolge des Verbotes geltungserhaltender Reduktion auch nicht auf die an sich überwiegend vorteilhaften Prämienanpassungsregelungen berufen kann84. Vgl. dazu im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. III. 2. a) aa) (2) (cc) ) (S. 79 ff.). Vgl. dazu im 1. Teil im 2. Abschnitt unter B. III. 1. a) (S. 136). – Nach der dort entwickelten Regel ist bei fehlender sprachlicher Teilbarkeit der einzelnen Erhöhungstatbestände (also insbesondere bei fehlender Differenzierung nach dem Grad des Verschuldens) die Berufung des Versicherers auf die gesamte Prämienerhöhungsregelung (also insbesondere auch in den Arglistfällen) ausgeschlossen. Problematisch ist allerdings, ob in solchen Fällen auch ein Ausschluss der §§ 16 – 22 VVG von den Verstoßfolgen des VVG erfasst wird, ob also der Versicherungsnehmer sich (insbesondere gegenüber einer Rücktrittserklärung des Versicherers) auf den Ausschluss berufen kann, ohne die Prämienerhöhung hinnehmen zu müssen. Man könnte daran denken, dies im Hinblick auf die im 1. Teil entwickelten Grundsätze zu bejahen, nach denen für den Versicherungsnehmer ausschließlich günstige Regelungen, die gerade im Hinblick auf einen Nachteil vereinbart wurden, nicht isoliert wirksam sein können. Darum geht es bei dem Ausschluss des Rücktritts- bzw. Anfechtungsrechtes des Versicherers indes nicht. Dieser Ausschluss löst ja zugleich auch die Analogie zu § 41 VVG aus. Der Versicherer hat infolge des Ausschlusses daher zumindest einen Anspruch auf eine 83 84

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

2. Prämienerhöhungsregelungen, die die Rechte des Versicherers aus den §§ 16 ff. VVG, 123 BGB nicht ausschließen Eine Vereinbarung, die die Rechtsfolgen der §§ 16 ff. VVG, 123 BGB gar nicht ausschließt, bei der also die Möglichkeit einer Prämienerhöhung neben die gesetzlichen Möglichkeiten des Versicherers tritt, weicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den §§ 16 – 22, 41 VVG ab85. Der Vorteil, dass der Vertrag fortgesetzt wird, tritt zwar auch ein, wenn der Versicherer gerade infolge der Prämienerhöhungsregelung von seinem Rücktritts- oder Anfechtungsrecht faktisch keinen Gebrauch macht. Dass ein solcher Kausalzusammenhang zwischen der Prämienerhöhungsmöglichkeit und der Fortsetzung des Vertrages besteht, ist aber bei der Saldierung – da davon auszugehen ist, dass der Versicherer ohne die Möglichkeit einer Prämienerhöhung von einem zu Lasten des Versicherungsnehmers bestehenden gesetzlichen Gestaltungsrecht auch Gebrauch gemacht hätte86 – zu unterstellen. Die Berücksichtigung der Vorteile aus der Vertragsfortsetzung kommt daher an sich in Betracht87. Diese Vorteile genügen aber nicht, um die mit der Vereinbarung verbundenen Nachteile zu kompensieren. Zum einen ist den §§ 41, 42 VVG – wie gezeigt – im Umkehrschluss die Wertung zu entnehmen, dass dem Versicherer nicht noch alternativ zu seinen gesetzlichen Rechten die Möglichkeit einer Prämienerhöhung offen stehen soll88. Aus dem Gesetz folgt damit eine Entscheidung gegen die Zulässigkeit einer solchen Gestaltung. Allein mit den Vorteilen, die notwendig mit den Nachteilen aus einer derartigen Vereinbarung verbunden sind, lässt sich ein Ausgleich der höheren Prämienbelastung daher nicht begründen89. Zum anderen ist höhere Prämie in dem durch § 41 VVG beschriebenen Umfang. Wenn auch der Ausschluss Teil der nachteiligen Vereinbarung wäre, wäre dies für den Versicherer daher, sofern er von seinem Rücktrittsrecht nicht in jedem Falle vorsorglich Gebrauch machen möchte, im Ergebnis ungünstiger. Wenn nämlich der Versicherungsnehmer nach Ablauf der Rücktrittsfrist eine Prämienerhöhung in dem vereinbarten Umfang zurückweisen würde, könnte der Versicherer – da damit auch der Ausschluss des Rücktrittsrechtes unverbindlich wäre – noch nicht einmal auf der nach § 41 Abs. 1 VVG geschuldeten Prämienerhöhung bestehen, da auch die Voraussetzung für eine Analogie zu dieser Vorschrift fehlen würde. Der Versicherer hat daher in der hier geschilderten Konstellation ein Interesse an der isolierten Aufrechterhaltung des Ausschlusses der §§ 16 – 22 VVG. Wenn der Ausschluss sich sprachlich ohne weiteres von der Prämienerhöhungsregelung abtrennen lässt, ist er daher nicht Bestandteil der nachteiligen Vereinbarung i. S. d. § 34a VVG. 85 Aus den im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. IV. (S. 100 f.) angeführten Gründen ist aber, wenn eine Auslegung objektiv vertretbar ist, nach der die §§ 16 ff. VVG ausgeschlossen sind, nach § 305c Abs. 2 BGB n. F. im Zweifel von einem solchen Ausschluss auszugehen. 86 s. dazu im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. III. 2. c) cc) (S. 99). 87 s. dazu oben im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. III. 2. a) bb) (S. 82 ff.). 88 s. dazu oben unter II. 1. a) bb) (2) (a) (S. 177). 89 Vgl. zu dieser Argumentation oben im 1. Teil im 1. Abschnitt unter unter A. III. 2. c) aa) (S. 92 f.).

1. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

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eine rückwirkende Prämienanpassung auch nicht – wie dies nach der im 1. Teil90 entwickelten Regel nötig wäre – in jedem denkbaren Anwendungsfall der Vereinbarung günstiger als eine Lösung des Versicherers vom Vertrag. Insbesondere wenn kein Versicherungsfall eingetreten ist, die nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG nutzlos zu zahlende Prämie sehr gering ist und die Verschaffung anderweitigen Versicherungsschutzes keine besonderen Probleme bereitet, kann eine Prämienerhöhung für den Versicherungsnehmer ungünstiger sein. Der Zulässigkeit einer Prämienanpassungsregelung steht es allerdings nicht entgegen, wenn die Prämienerhöhung – wie regelmäßig bei den in der Praxis verwendeten Regelungen – nur im Hinblick auf einzelne oder eine Gruppe von gefahrerheblichen Umständen vereinbart wird und die §§ 16 ff. VVG deshalb nicht insgesamt, sondern nur im Hinblick auf diese Umstände ausgeschlossen werden. Die Belastung mit einer Prämienerhöhung bei nachträglicher Aufdeckung eines bestimmten gefahrerheblichen Umstandes wird allein schon durch die Vorteile ausgeglichen, die sich aus dem Ausschluss der §§ 16 ff. VVG gerade im Hinblick auf diesen Umstand ergeben. Für die Zulässigkeit der Prämienanpassung ist es daher ohne Bedeutung, ob die §§ 16 ff. VVG auch noch im Hinblick auf andere Gefahrumstände ausgeschlossen werden91.

IV. Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F. Eine Prämienerhöhungsregelung in AVB, die bei einer Saldierung der Vor- und Nachteile im Vergleich zu den §§ 23 ff., 41 f. VVG nicht überwiegend nachteilig für den Versicherungsnehmer ist, hält auch der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB n. F. stand. Die §§ 308 f. BGB n. F. enthalten kein spezielles Klauselverbot für Prämienerhöhungen in Versicherungsverträgen: § 309 Nr. 1 BGB n. F. erfasst Prämienerhöhungen in Versicherungsverträgen regelmäßig nicht, § 308 Nr. 4 BGB n. F. gilt nur für Leistungsänderungen des Versicherers92. Ein Verstoß gegen § 307 BGB n. F. scheidet aber in aller Regel aus, da eine Klausel, die dem Versicherungsnehmer im Saldo nicht mehr zumutet als das Gesetz, den Versicherungsnehmer typischerweise nicht unangemessen benachteiligen kann93.

Vgl. dort im 1. Abschnitt unter A. III. 2. c) cc) (S. 100). Bei Vertragsstraferegelungen im Zusammenhang mit Gefahrerhöhungen wird z. T. eine „weitgehende“ Abbedingung der §§ 23 ff. VVG gefordert (Knappmann VersR 1996, 401, 407 f., dagegen allerdings Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 791), vgl. dazu auch unten im 2. Abschnitt unter B. I. 1. (S. 302). 92 So die h. M., z. B. BGH NJW 1986, 3134, 3135; v. Westphalen, in: Löwe / v. Westphalen / Trinkner § 10 Nr. 4 AGBG Rn. 16; a. A. Wolf, in: Wolf / Horn / Lindacher § 10 Nr. 4 AGBG Rn. 7. 93 s. dazu oben im 1. Teil im 3. Abschnitt unter A. I. 2. c) aa) (S. 162 f.). 90 91

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V. Beurteilung auf der Grundlage des Zwischenberichtes der Reformkommission Die Vorschläge der Reformkommission sehen für die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht andere Rechtsfolgen als bisher vor94. § 41 VVG fällt danach weg. Dafür gilt der Versicherungsvertrag, wenn der Versicherer den Vertrag auch bei Kenntnis der wirklichen Gefahrumstände geschlossen hätte, als mit dem Inhalt abgeschlossen, wie ihn der Versicherer in Kenntnis der nicht angegebenen Umstände nach seinen Geschäftsgrundsätzen abgeschlossen hätte (§ 16 Abs. 2 Satz 2 VVG-E). Auf ein Verschulden des Versicherungsnehmers kommt es dabei nicht an (§ 16 Abs. 5 Satz 1 VVG-E). Bei den gefahrerheblichen Umständen, an die die hier untersuchten Anpassungsklauseln anknüpfen, hat dies eine rückwirkende Prämienanpassung zur Folge. Der Versicherer hätte den Vertrag bei anfänglicher Kenntnis eines solchen gefahrerheblichen Umstandes ja von Anfang an mit der „richtigen“, d. h. mit der in seinem Tarif für diesen Fall vorgesehenen, Prämie abgeschlossen.

1. Anknüpfung an dem Versicherungsnehmer bekannte Gefahrumstände Im Hinblick auf Umstände, die dem Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss bekannt waren, entspricht die vorgeschlagene Neuregelung daher dem Inhalt der in der Praxis verwendeten Anpassungsklauseln. Soweit eine Prämienanpassungsklausel nur an solche Umstände anknüpft, weicht sie deshalb schon nicht von der gesetzlichen Regelung ab. Auf die unter III. durchgeführte Saldierung kommt es also bei Zugrundelegung der Reformvorschläge nicht mehr an. Insbesondere ist für die Zulässigkeit einer Anpassungsregelung also auch kein Ausschluss des Rücktritts- und Anfechtungsrechtes des Versicherers mehr erforderlich95.

2. Anknüpfung an dem Versicherungsnehmer unbekannte Gefahrumstände Problematisch bleiben Vereinbarungen, die eine Prämienanpassung bei nachträglicher Aufdeckung eines gefahrerheblichen Umstandes anordnen, der dem Ver94 Dass auch die Voraussetzungen für das Entstehen der Pflicht verändert werden, weil (außer bei Arglist) nur Umstände angezeigt werden müssen, nach denen der Versicherer schriftlich gefragt hat (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 VVG-E), spielt für die vorliegende Untersuchung keine Rolle. Nach den für die Prämienbemessung maßgeblichen Umständen wird vom Versicherer stets ausdrücklich gefragt. 95 Allerdings bleiben die zur Bewertung der Vorteile aus dem Ausschluss dieser Rechte angestellten Überlegungen für die Beurteilung der Zulässigkeit von Vertragsstraferegelungen von Bedeutung, vgl. dazu unten unter B. IV. (S. 213 f.).

1. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

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sicherungsnehmer bei Vertragsschluss nicht bekannt war. Die Vorschläge der Reformkommission sehen für diesen Fall, anders als § 41 Abs. 1 Satz 2 VVG, keine Anpassungsmöglichkeit – auch nicht für die Zukunft – mehr vor96. Die vertragliche Anpassungsregelung weicht daher auch dann von der vorgeschlagenen Neuregelung ab, wenn sie entsprechend dem bisherigen § 41 Abs. 1 Satz 2 VVG nur eine Prämienerhöhung für die Zukunft vorsieht. Für die Saldierung der Vorund Nachteile solcher Vereinbarungen gelten die Ausführungen zu Anpassungsregelungen, die keine schuldhafte Anzeigepflichtverletzung voraussetzen, entsprechend: Insbesondere ist ein Ausschluss des gesetzlichen Rücktritts- und Anfechtungsrechtes für den Fall einer schuldhaften Anzeigepflichtverletzung nicht geeignet, die Belastung mit einer höheren Prämienzahlungspflicht auszugleichen97. Es handelt sich daher um eine nachteilige Abweichung i. S. d. § 34a VVG. Bei den bislang in der Praxis verwendeten Anpassungsregelungen werden dem Versicherungsnehmer die für die Prämienkalkulation maßgeblichen Umstände allerdings typischerweise nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen bei Vertragsschluss unbekannt sein. Auch wenn eine ausdrückliche Beschränkung der Anpassungsregelung auf Umstände, die der Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss kannte, fehlt, ergibt in diesem Falle die Auslegung eine solche Einschränkung98.

96 Man könnte höchstens daran denken, die Regelung für schuldlose Anzeigepflichtverletzungen (§ 16 Abs. 2 Satz 2, Abs. 5 Satz 1 VVG-E) auf die Nichtanzeige unbekannter Umstände analog anzuwenden. Dagegen spricht jedoch, dass es angesichts der bisherigen ausdrücklichen Regelung durch § 41 Abs. 1 Satz 2 VVG nahe gelegen hätte, auch in den Reformvorschlägen eine Prämienanpassung vorzusehen. Dass eine dahingehende Vorschrift fehlt, lässt auf eine bewusste Entscheidung gegen eine Anpassungsmöglichkeit schließen. Zudem ist die Interessenlage bei einer (schuldlosen) Nichtanzeige eines dem Versicherungsnehmer bekannten Umstandes anders als bei Nichtanzeige eines unbekannten Umstandes. Wenn dem Versicherungsnehmer ein Umstand bekannt ist, der für die Prämienberechnung von Bedeutung ist, so hat er – auch wenn die Anzeige ohne Verschulden unterbleibt – zumindest einen Anhaltspunkt dafür, dass der ohne Berücksichtigung des Umstandes geschlossene Vertrag nicht mit den Geschäftsgrundsätzen des Versicherers in Einklang steht. Sein Vertrauen darin, dass der Vertrag mit der ursprünglich vereinbarten Prämie Bestand hat, ist deshalb weniger schutzwürdig als in dem Fall, dass er von einem prämienrelevanten Umstand bei Vertragsschluss gar nichts weiß. Dass er im Nachhinein einer rückwirkenden Prämienerhöhung ausgesetzt ist, lässt sich bei Kenntnis des Versicherungsnehmers von einem Gefahrumstand daher leichter rechtfertigen. 97 s. oben unter III. 1. d) (S. 199 ff.). 98 s. oben unter III. 1. d) (S. 199 f.).

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

B. Vertragsstrafe bei nachträglicher Aufdeckung eines gefahrerheblichen Umstandes I. Übersicht Vertragliche Bestimmungen, die dem Versicherungsnehmer bei Nichtanzeige eines gefahrerheblichen Umstandes eine Vertragsstrafe99 auferlegen, finden sich wiederum vor allem in der Kraftfahrtversicherung. Ein Beispiel für eine solche Regelung ist insbesondere Nr. 17 Abs. 2 TB. Danach ist der Versicherer, wenn der Versicherungsnehmer in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung das Bestehen einer Vorversicherung verschwiegen hat und der Versicherungsvertrag nach Auskunft des Vorversicherers in die Schadensklassen S oder M hätte eingestuft werden müssen, berechtigt, einen Zuschlag100 auf den Beitrag zu erheben, der bei richtiger Einstufung hätte erhoben werden müssen. Zudem werden insoweit die Rechte des Versicherers nach den §§ 16 – 22 VVG ausdrücklich ausgeschlossen101. Ähnliche Regelungen sind in Rabattvereinbarungen in der Kraftfahrtversicherung enthalten, die bei unrichtigen Angaben des Versicherungsnehmers über bei Vertragsschluss vorliegende Rabattvoraussetzungen eine Verpflichtung zur Zahlung eines Aufschlages unterschiedlicher Höhe (in der Praxis vereinbart wurden Zuschläge, die sich zwischen einem Drittel und dem Doppelten einer Jahresprämie bewegten) vorsehen102. Die Vertragsstrafe tritt dabei jeweils neben die unter A. besprochene Prämienanpassung bzw. einen Rabattwegfall. Die Vereinbarkeit solcher Regelungen mit den §§ 16 – 22, 34a VVG ist umstritten. Für die Nr. 17 Abs. 2 TB im wesentlichen entsprechende Regelung des Nr. 20 Abs. 2 TB a. F. wird im Schrifttum verbreitet ein Zuschlag in Höhe von 100 % auf die erste Jahresprämie als überwiegend nachteilig i. S. d. § 34a VVG erachtet103: 99 Wenn dem Versicherungsnehmer eine einmalige, über die bei Berücksichtigung des nicht angezeigten Umstandes hinausgehende Zahlungspflicht auferlegt wird, handelt es sich dabei (jedenfalls vorrangig) um ein Druckmittel, durch dass der Versicherungsnehmer zu vertragsgemäßem Verhalten, d. h. zur Erfüllung seiner Anzeigeobliegenheit, angehalten werden soll, und nicht lediglich um eine Schadenspauschalierung; vgl. zu dieser Abgrenzung allgemein Palandt / Heinrichs Vorb. v. § 339 Rn. 1. 100 In der Praxis vereinbart wurde z. B. eine Verdoppelung der Prämie im ersten Versicherungsjahr, vgl. z. B. LG München I VersR 1988, 347. 101 Bei einer Kombination mit einer Prämienanpassungsregelung ist ein solcher Verzicht allerdings regelmäßig anzunehmen, vgl. oben Fußnote 10 und im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. IV. (S. 100 ff.). 102 Knappmann VersR 1996, 401, 408; Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 783. – Oftmals geht es dabei wiederum nur um für die Gefahr bloß indizierende Umstände, z. T. wird aber auch die Nichtanzeige von vorvertraglichen Umständen, die für den Eintritt des Versicherungsfalles ursächlich sein können, zum Anknüpfungspunkt für die Vertragsstrafe gemacht (Beispiel: Vorhandensein und regelmäßige Nutzung einer Garage bei Vertragsschluss, Nr. 12a Abs. 1 und 4 TB). 103 Prölss VersR 1988, 347, 348; Johannsen, in: Bruck / Möller / Johannsen, Kraftfahrtversicherung, Anm. E 7; Asmus, Kraftfahrtversicherung, S. 162. Michaelis DAR 1997, 433 ff.

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Im Hinblick auf die Fälle, in denen dem Versicherungsnehmer eine arglistige Anzeigepflichtverletzung zur Last fällt, wird zwar überwiegend ein Verstoß gegen § 34a VVG abgelehnt104. Im Vergleich zu der Situation nach einem Rücktritt des Versicherers stelle die Vertragsstrafe den Versicherungsnehmer aber eindeutig schlechter. Die Prämie, die er aufzuwenden hätte, um trotz des Rücktritts des Versicherers durchgehenden Versicherungsschutz zu genießen, sei auch unter Berücksichtigung des Zeitraumes, für den ohne die Abweichung vom Gesetz wegen § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG eine Mehrbelastung des Versicherungsnehmer in Betracht käme, niedriger als das Doppelte der „richtigen“ (d. h. der bei richtiger Einstufung des Versicherungsnehmers in eine Schadensklasse zu zahlenden) Jahresprämie105. Auch der Ausschluss einer Anfechtung des Versicherers wegen arglistiger Täuschung sei nicht geeignet, diesen Nachteil zu kompensieren. Dies gelte selbst dann, wenn man davon ausgehe, dass ein gut beratener Versicherungsnehmer einen Versicherungsschutz im Falle der Arglist trotz der dafür in Gestalt der Vertragsstrafe entstehenden Kosten einer Anfechtung vorziehen würde und man diesen Vorteil mit den Nachteilen saldiere, die sich in den Rücktrittsfällen ergäben. Insgesamt überwögen nämlich auch dann die Nachteile, weil der Versicherer dem Versicherungsnehmer kaum in der Hälfte der Fälle Arglist nachweisen könne106. Nach der Gegenansicht bringt der Ausschluss der §§ 16 – 22 VVG eine so weitgehende Stärkung der Rechte des Versicherungsnehmers mit sich, dass dadurch auch eine Verdoppelung der Prämie ausgeglichen wird. Zudem soll dem Versicherungsnehmer in den von Nr. 20 Abs. 2 TB a. F. erfassten Fällen regelmäßig Arglist nachzuweisen sein107. Für die geschilderten besonderen Rabattvereinbarungen in der Kraftfahrtversicherung wird schließlich vertreten, dass bei einem rechnerischen Vergleich der Vor- und Nachteile eine Vertragsstrafe, die unter Einschluss der nicht mehr rabattierten Prämie über die Grenze von eineinhalb Jahresprämien nicht hinausgehe, mit § 34a VVG vereinbar sei, soweit es sich um Umstände handele, die nicht kausal für einen späteren Versicherungsfall sein könnten108. Darüber hinaus lasse sich unter Umständen eine noch höhere Vertragsstrafe rechtfertigen, wenn man bei der Saldierung noch die generelle abstrakte Gefahr einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung berücksichtige109. und Gebauer NVersZ 2000, 7, 12 ff. halten Vertragsstrafen im Hinblick auf § 34a VVG ganz für unzulässig, stützen sich zur Begründung allerdings darauf, dass eine Saldierung von Vorund Nachteilen einer Vereinbarung generell ausgeschlossen sei, vgl. dazu bereits im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. III. 1. a) aa) (2) (S. 57 f.). 104 Johannsen, in: Bruck / Möller / Johannsen, Kraftfahrtversicherung, Anm. E 7; Asmus, Kraftfahrtversicherung, S. 162; wohl auch Prölss VersR 1988, 347, 348. 105 Prölss VersR 1988, 347, 348. 106 Prölss VersR 1988, 347, 348. 107 Conradt / Golz / Hoenen Nr. 20 TB Rn. 22. Keine Bedenken an der Zulässigkeit äußert auch LG München I VersR 1988, 347. 108 Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 786. 109 Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 786 f.

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

II. Nachteilige Abweichung von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG Bei der Prüfung der Zulässigkeit der geschilderten Vertragsstraferegelungen ist wie bei Prämienanpassungsregelungen zunächst danach zu unterscheiden, welche Rechte dem Versicherer nach der gesetzlichen Regelung zustehen würden. Die Saldierung der Vor- und Nachteile dieser Fallgruppen untereinander wird im Anschluss daran untersucht.

1. Arglistige Anzeigepflichtverletzungen, die ein Anfechtungsrecht auslösen Eine Vereinbarung, durch die eine arglistige Verletzung der Anzeigepflicht mit einer Vertragsstrafe belegt wird, weicht – da die §§ 16 ff. VVG eine solche Belastung nicht vorsehen – i. S. d. § 34a VVG von den §§ 16 ff. VVG ab. Wenn zusätzlich zu der Vertragsstrafevereinbarung – wie etwa ausdrücklich bei Nr. 17 Abs. 2 Satz 2 TB – die Rechte des Versicherers aus den §§ 16 –22 VVG (und damit auch sein Anfechtungsrecht nach §§ 123 BGB, 22 VVG) ausgeschlossen werden, ist dies allerdings mit der unter A. III. 1. a) beschriebenen Ausweitung des Versicherungsschutzes verbunden110. Es ist davon auszugehen, dass der Ausschluss der Rechte des Versicherers regelmäßig gerade auch im Hinblick auf die Vereinbarung der Vertragsstrafe erfolgt. Dies gilt auch dann, wenn der Versicherer neben der Vertragsstrafe auch rückwirkend diejenige (erhöhte) Prämie fordern kann, die bei ordnungsgemäßer Anzeige des gefahrerheblichen Umstandes zu zahlen gewesen wäre. Auch dann ist zu unterstellen, dass der Versicherer seine Rechte aus den §§ 16 ff. VVG nicht ohne die zusätzliche abschreckende Wirkung einer Vertragsstrafe aus der Hand gegeben hätte111. In die Saldierung dieses Vorteils mit der Belastung durch die Vertragsstrafe ist dabei die erhöhte Prämienbelastung des Versicherungsnehmers einzustellen, die sich aus dem Ausschluss des Anfechtungsrechtes ergibt. Wie bereits oben dargelegt, ist dies die Belastung mit einer Pflicht zur Zahlung einer erhöhten Prämie für die Zeit nach Ablauf der für § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG maßgeblichen Versicherungsperiode sowie die sich aus der analogen Anwendung des § 41 Abs. 1 Satz 1 VVG bei einem vorab vereinbarten Ausschluss des Anfechtungsrechtes ergebende Erhöhung der Prämie. Soweit zusätzlich zu der Vertragsstrafe auch eine – über § 41 Abs. 1 VVG hinausgehende – Erhöhung der Prämie vereinbart wird, ist schließlich auch dies in die Saldierung einzubeziehen 112. 110 Da bei fehlendem Ausschluss der §§ 16 ff. VVG, 123 BGB auch eine Prämienanpassungsregelung überwiegend nachteilig für den Versicherungsnehmer und damit unzulässig wäre [vgl. unter A. III. 2. (S. 202 f.)], gilt dies erst recht für die zusätzliche Vereinbarung einer Vertragsstrafe. Im folgenden wird daher nur noch auf solche Vereinbarungen eingegangen. 111 Zu den bei der Feststellung des notwendigen Zusammenhanges von Vor- und Nachteil geltenden Regeln vgl. im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. III. 2. a) aa) (1) (S. 70 ff.). 112 s. im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. III. 1. a) bb) (S. 188 ff.).

1. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

209

Bei Kombination einer Vertragsstraferegelung mit einer rückwirkenden Anpassung der Prämie entspricht die zulässige Höhe der Vertragsstrafe damit mindestens dem Betrag, der sich oben unter A. III. 1. a) bei der Saldierung der Vor- und Nachteile einer Prämienanpassungsregelung als „Überschuss“ zugunsten des Versicherungsnehmers ergeben hatte. Mit § 34a VVG vereinbar ist daher eine Vertragsstrafe in Höhe der Prämie, die für die Zeit bis zum Ablauf der für § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG maßgeblichen Versicherungsperiode ohne Berücksichtigung des nicht angezeigten Umstandes zu zahlen gewesen wäre. Zulässig ist also eine rückwirkende Verdoppelung der bis zum Ablauf der Versicherungsperiode, in der der Versicherer von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat, zu zahlenden Prämie; mindestens also die Verdoppelung der für eine Versicherungsperiode zu zahlenden bisherigen Prämie113. Dabei handelt es sich allerdings zugleich um die Obergrenze für die Vertragsstrafe. Die Zulässigkeit einer noch höhere Vertragsstrafe lässt sich nicht mit Hinweis darauf rechtfertigen, dass dem Versicherungsnehmer bei einer Anfechtung eine rückwirkende Leistungsfreiheit des Versicherers sowie für die Zeit nach der Anfechtung eine Lücke im Versicherungsschutz droht. Wie bereits im Zusammenhang mit Prämienanpassungsregelungen dargelegt, lässt sich ein solcher etwaiger Vorteil für den Versicherungsnehmer nicht so genau bewerten, dass sich damit eine bestimmte Belastung des Versicherungsnehmers rechtfertigen ließe. Besondere Probleme bereitet die Beurteilung von Vereinbarungen, die die Vertragsstrafe an der Höhe der „richtigen“, d. h. bei Berücksichtigung des nicht angezeigten Umstandes zu zahlenden, Prämie für eine Versicherungsperiode orientieren und zusätzlich eine rückwirkenden Anpassung der Prämie vorsehen. Für die Zulässigkeit einer solchen Regelung kommt es darauf an, in welchem Zeitpunkt der Versicherer von der Anzeigepflichtverletzung Kenntnis erlangt: Wenn die Anzeigepflichtverletzung in der ersten Versicherungsperiode entdeckt wird, ist die Vertragsstrafe in Verbindung mit der Prämienerhöhung für den Versicherungsnehmer überwiegend nachteilig. Einem in Höhe der „richtigen“ Prämie für eine Versicherungsperiode zu bewertenden Zuwachs an Versicherungsschutz steht dann eine Belastung des Versicherungsnehmers in Höhe dieser Prämie zuzüglich des auf den nicht angezeigten Umstand entfallenden Erhöhungsbetrages gegenüber. Wenn die Anzeigepflichtverletzung dagegen erst in einer späteren Versicherungsperiode entdeckt wird, so ist eine Vertragsstrafe in Form einer Verdoppelung der „richtigen“ Prämie für eine Versicherungsperiode in der Regel überwiegend vorteilhaft. Mit wachsendem Abstand vom Vertragsschluss wächst ja auch der „Überschuss“, der sich für den Versicherungsnehmer bei einer Saldierung der Vor- und Nachteile einer Prämienanpassung unter Ausschluss der §§ 16 ff. VVG, 123 BGB ergibt. Bei einer Entdeckung der Täuschung in der zweiten Versicherungsperiode etwa entspricht dieser Vorteil für den Versicherungsnehmer schon der 113

Vgl. zur Höhe des Überschusses oben unter A. III. 1. a) cc) (2) (S. 193 f.).

14 Klimke

210

2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

für zwei Versicherungsperioden zu zahlenden bisherigen Prämie; eine Vertragsstrafe in Höhe der „richtigen“ Prämie für eine Versicherungsperiode ist daher in diesem Falle schon dann nicht überwiegend nachteilig, wenn sich die bisherige Prämie bei Berücksichtigung des nicht angezeigten gefahrerheblichen Umstandes nicht mehr als verdoppelt. Typischerweise wird die beschriebene Vertragsstraferegelung für den Versicherungsnehmer daher sogar überwiegend vorteilhaft sein. Bei einer noch späteren Aufdeckung der Täuschung steigt dieser Vorteil noch deutlich an. Bei Verträgen, die auf einen längeren Zeitraum als eine Versicherungsperiode angelegt sind, sind auch diese Vorteile bei der Saldierung zu berücksichtigen114. Jedenfalls wenn sich die Prämie – wie im Regelfall – bei Berücksichtigung des gefahrerheblichen Umstandes nur relativ geringfügig erhöht, sind derartige Vertragsstraferegelungen daher im Saldo nicht überwiegend nachteilig115.

2. Fahrlässige Anzeigepflichtverletzungen des Versicherungsnehmers, die ein Rücktrittsrecht auslösen Für Vertragsstraferegelungen, die an eine fahrlässige Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers anknüpfen und dabei mit einer (rückwirkenden) Prämienanpassung einhergehen, gilt das unter 1. zur Abweichung von den §§ 16 ff. VVG und zur Saldierung Gesagte entsprechend: Solche Regelungen weichen zu Lasten des Versicherungsnehmers von den §§ 16 – 22 VVG ab. Sie sind aber für den Versicherungsnehmer nicht überwiegend nachteilig, wenn die Vertragsstrafe nicht höher ist als der „Überschuss“, der sich für den Versicherungsnehmer bei der Saldierung der Vor- und Nachteile der Prämienanpassungsregelung ergibt. Dabei ist wie bei der Beurteilung der Prämienanpassungsregelung danach zu differenzieren, ob die Vertragsstraferegelung an die Nichtanzeige von Gefahrumständen anknüpft, die für den Versicherungsfall kausal sein können, oder ob es lediglich um indizierende Umstände geht: 114 Problematisch ist, ob dies auch bei Jahresverträgen gilt, die sich ohne eine Kündigung automatisch verlängern. Bei solchen Verträgen ist entscheidend, ob bei der Saldierung davon ausgegangen werden kann, dass der Versicherer von seinem ordentlichen Kündigungsrecht bereits nach einem Jahr Gebrauch machen wird. Die im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. III. 2. c) cc) (S. 99 f.) entwickelte Regel, nach der der Versicherer von einem gesetzlichen Gestaltungsrecht in der Regel zu Lasten des Versicherungsnehmers Gebrauch machen wird, hilft insoweit nicht weiter, da sich nicht sagen lässt, ob bei einer ordentlichen Kündigung die Kündigung (auf deren möglichen Zeitpunkt sich der Versicherungsnehmer anders als bei gesetzlichen Gestaltungsrechten einstellen kann) ungünstiger wäre als die Fortsetzung des Vertrages. Zieht man das Interesse des Versicherers in Betracht, den Versicherungsnehmer als Kunden zu behalten, so kann man in der Regel davon ausgehen, dass der Versicherer nur im Ausnahmefall kündigen wird. Dann ist aber auch bei solchen Verträgen von einer durchschnittlich längeren Laufzeit auszugehen. 115 Das genaue Ergebnis der Saldierung hängt indes von dem Verhältnis des Erhöhungsbetrages zu der bisherigen Prämie ab.

1. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

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Wenn die Vertragsstrafe die Nichtanzeige nicht lediglich indizierender gefahrerheblicher Umstände betrifft, entspricht ihre zulässige Höhe mindestens der Prämie, die der Versicherungsnehmer nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG im Durchschnitt aufwenden müsste, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten. Zulässig ist daher eine Vertragsstrafe in Höhe der Hälfte der ursprünglich für eine Versicherungsperiode zu zahlenden Prämie. Soweit sich zusätzlich der Vorteil für den Versicherungsnehmer, der sich aus dem Ausschluss des Alles-oder-nichts-Prinzips des § 21 VVG ergibt, hinreichend genau beziffern lässt, kommt dieser Betrag noch hinzu116. Wenn die Vertragsstraferegelung an lediglich indizierende Umstände anknüpft, so dürfen die Vertragsstrafe und der Betrag, den der Versicherer infolge der Prämienanpassung für die Zeit vor einem möglichen Rücktritt, d. h. vor der Kenntniserlangung des Versicherers von der Anzeigepflichtverletzung, zahlen muss, zusammengerechnet nicht höher sein als die Prämie, die der Versicherungsnehmer nach einem Rücktritt des Versicherers gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG nutzlos aufwenden müsste. Bei einer lediglich für die Zukunft vereinbarten Prämienanpassung wäre daher eine Vertragsstrafe in Höhe der Hälfte der ursprünglich für eine Versicherungsperiode zu zahlenden Prämie zulässig. Bei einer Anpassung auch für die Vergangenheit müsste noch die für die Vergangenheit zu zahlende Prämienerhöhung davon abgezogen werden. Wenn eine derartige Limitierung nicht in der Vertragsstrafevereinbarung vorgesehen ist, ist sie daher nicht mit den §§ 16 ff., 34a VVG vereinbar.

3. Fehlen einer schuldhaften Anzeigepflichtverletzung Soweit eine Vertragsstrafe auch für den Fall vereinbart wird, dass dem Versicherungsnehmer im Hinblick auf einen Gefahrumstand keine schuldhafte Anzeigepflichtverletzung zur Last fällt, so handelt es sich um eine nachteilige Abweichung i. S. d. § 42 VVG von § 41 VVG. Aus § 41 VVG ergibt sich insoweit ein Verbot von über die dort zugelassene Prämienerhöhung hinausgehenden Belastungen des Versicherungsnehmers. Eine Kompensation für diese Belastung fehlt aber ebenso wie schon bei einer über § 41 VVG hinausgehenden Prämienanpassung117. Allerdings ist bei Vertragsstraferegelungen, die an die Nichtanzeige von Umständen anknüpfen, die der Versicherungsnehmer nur in ganz außergewöhnlichen Ausnahmefällen schuldlos nicht angezeigt haben wird, regelmäßig wiederum davon auszugehen, dass die Vertragsstrafe nur bei Verschulden zu zahlen ist118.

Vgl. dazu oben unter A. III. 1. b) cc) (S. 195 f.). s. dazu oben unter A. III. 1. c) (S. 184). 118 s. dazu schon oben unter A. III. 1. d) (S. 199). Zu Beispielen, in denen auch eine Anknüpfung an schuldloses Handeln des Versicherungsnehmers in Betracht kommt, vgl. Johannsen, in: Bruck / Möller, Kraftfahrtversicherung, Anm. E 7. 116 117

14*

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

4. Regelung der unter 1. – 3. besprochenen Fallgruppen in einer Vereinbarung Auch wenn die unter 1. bis 3. erörterten Fallgruppen gleichzeitig geregelt werden, ändert sich aus den bei der Erörterung von Prämienanpassungsregelungen besprochenen Gründen nichts an dem Ergebnis der Saldierung. Insbesondere können etwaige „überschießende“ Vorteile, die sich aus der Vereinbarung einer geringeren Vertragsstrafe, als nach dem Gesagten im Falle einer arglistigen Täuschung noch mit § 34a VVG vereinbar wäre, im Hinblick auf diese Arglistfälle ergeben können, nicht etwaigen überwiegenden Nachteilen in den anderen Fällen entgegengesetzt werden119. Auch die unter I. beschriebene Regelung des Nr. 17 Abs. 2 TB ist daher, soweit dort eine Verdoppelung der Prämie auch für bloß fahrlässige Anzeigepflichtverletzungen vorgesehen wird, für den Versicherungsnehmer überwiegend nachteilig i. S. d. 34a VVG120. Der Verstoß dieses Regelungsteiles zieht dabei, wenn sich die Regelung der Arglistfälle nicht sprachlich von der Vertragsstrafe für bloß fahrlässiges Verhalten abtrennen lässt, die Unverbindlichkeit der gesamten Vertragsstraferegelung nach sich121. Entsprechendes gilt, wenn einer Vereinbarung auch eine Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe bei schuldlosem Handeln des Versicherungsnehmers zu entnehmen ist122.

III. Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F. Eine Vereinbarung in AGB i. S. d. § 305 BGB n. F., die nach dem Gesagten nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den §§ 16 ff., 41 VVG abweicht, hält auch der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 – 309 BGB n. F. stand. Das spezielle Klauselverbot des § 309 Nr. 6 BGB n. F. erfasst die hier interessierenden Vereinbarungen nicht123. Eine Vertragsstrafe, die den Versicherungsnehmer im Saldo nicht mehr belastet als die gesetzliche Regelung, kann zudem nicht unangemessen hoch sein124. 119 Anders die Stimmen im Schrifttum, die solche Vertragsstraferegelungen gerade im Hinblick auf die Möglichkeit einer Anfechtung für zulässig halten (Conradt / Golz / Hoenen Nr. 20 TB Rn. 22) bzw. den Ausschluss der Anfechtung in die Saldierung einstellen (Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 786 f.; Prölss VersR 1988, 347, 348). 120 Im Ergebnis ebenso, aber mit Hinweis auf die geringere Wahrscheinlichkeit, dass dem Versicherungsnehmer Arglist nachgewiesen wird, Prölss VersR 1988, 347, 348. 121 Vgl. zu dieser Verstoßfolge im einzelnen im 1. Teil im 1. Abschnitt unter unter B. III. 1. a) (S. 136). 122 So für Nr. 20 TB a. F. auch Johannsen, in: Bruck / Möller, Kraftfahrtversicherung, Anm. E 7. 123 Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 787. 124 Dies wird offen gelassen von Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 787. Da eine Vertragsstrafe, die kein Verschulden des Versicherungsnehmers voraussetzt, zudem in jedem Falle nicht mit § 42 VVG vereinbar ist, kommt es nicht darauf an, dass eine Vertragsstrafe ohne

1. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

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IV. Beurteilung auf der Grundlage des Zwischenberichtes der Reformkommission 1. Anzeigepflichtverletzungen, die ein Anfechtungsrecht des Versicherungsnehmers auslösen Nach den Vorschlägen der Reformkommission soll bei arglistigen Anzeigepflichtverletzungen weiterhin eine Anfechtung nach §§ 123 BGB, 22 VVG möglich sein. Deren Folgen für die Prämienzahlungspflicht des Versicherungsnehmers werden jedoch anders geregelt als bisher. § 40 VVG soll durch eine allgemeine Vorschrift ersetzt werden, nach der dem Versicherer nur derjenige Teil der Prämie gebührt, welcher dem anteilig getragenen Risiko entspricht125. Da die Leistungspflicht des Versicherers durch eine Anfechtung rückwirkend vollständig beseitigt wird und er damit im Ergebnis gar kein Risiko getragen hat, gibt diese Regelung dem Versicherer keinen Anspruch auf Prämienzahlung. Es bleibt daher bei den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Rechtsfolgen der Anfechtung. Die Nichtigkeit des Vertrages (§ 142 Abs. 1 BGB) zieht also auch den vollständigen rückwirkenden Wegfall der Prämienzahlungspflicht des Versicherungsnehmers nach sich. Auf der Grundlage dieses Reformvorschlages sind die hier untersuchten Vertragsstraferegelungen anders zu beurteilen als bisher. Ebenso wie nach dem geltenden VVG handelt es sich zwar um eine Abweichung von halbzwingenden Vorschriften, da eine in den §§ 16 – 22 VVG für arglistige Anzeigepflichtverletzungen für den Fall einer Anfechtung nicht vorgesehene Zahlungspflicht vereinbart wird126. Die Saldierung der Vor- und Nachteile führt aber zu anderen Ergebnissen: Die Vorteile aus dem Ausschluss des Anfechtungsrechtes bleiben zwar gleich. Der Versicherungsnehmer erhält dadurch rückwirkend vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses an Versicherungsschutz. Die Nachteile für den Versicherungsnehmer sind bei einer Kombination der Vertragsstrafe- mit einer Prämienanpassungsregelung aber im Vergleich zu der Situation nach einer Anfechtung größer. Da er nach einer Anfechtung gar keine Prämie – auch nicht in der Höhe, die bei ordnungsgemäßer Anzeige vereinbart worden wäre – zahlen muss, ist nicht nur die Prämienerhöhung, sondern auch die Prämienzahlungspflicht in der ursprünglich vereinbarten Höhe eine in die Saldierung einzustellende Belastung. Damit ist eine neben eine Prämienerhöhungsregelung tretende Vertragsstrafevereinbarung im Saldo überwiegend nachteilig für den Versicherungsnehmer: Der Vorteil aus dem Erhalt des Versicherungsschutzes ist entsprechend den im Zusammenhang mit Prämienanpassungsklauseln entwickelten Grundsätzen mit dem BeVerschulden den Versicherungsnehmer unabhängig davon stets i. S. d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB n. F. grundsätzlich unangemessen benachteiligen würde (vgl. z. B. BGHZ 72, 174, 178 f.; BGHZ 141, 391, 397). 125 Zwischenbericht S. 74. 126 Vgl. oben unter II. 2. b) (S. 185).

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

trag zu bewerten, der nach dem Tarif des Versicherers bei Berücksichtigung des verschwiegenen Gefahrumstandes zu zahlen gewesen wäre127. Diesem Vorteil steht in Gestalt des Fortbestandes der Prämienzahlungspflicht und der rückwirkenden Prämienerhöhung eine Belastung in gleicher Höhe gegenüber. Wenn man die Auswirkungen der Prämienanpassung mit denen der Anfechtung vergleicht, halten sich Vor- und Nachteile daher nur noch die Waage. Ein Überschuss zugunsten des Versicherungsnehmers, der – wie bisher – die zusätzliche Belastung mit einer Vertragsstrafe kompensieren könnte, ergibt sich damit nicht. Eine Vertragsstrafevereinbarung ist daher auch bei einer arglistigen Anzeigepflichtverletzung nachteilig i. S. d. § 34a VVG.

2. Anzeigepflichtverletzungen, die kein Anfechtungsrecht des Versicherers auslösen Nach den Reformvorschlägen steht dem Versicherer bei fehlender Arglist des Versicherungsnehmers nur noch dann ein Rücktrittsrecht zu, wenn er bei Kenntnis der wirklichen Gefahrumstände keinen Vertrag geschlossen hätte (§ 16 Abs. 2 Satz 1 VVG-E). Diese Voraussetzung ist bei den hier untersuchten Fallgestaltungen nicht erfüllt, da der Versicherer – wie die Vereinbarung der Prämienanpassungsklausel zeigt – einen Vertragsschluss bei ordnungsgemäßer Anzeige nicht ganz abgelehnt, sondern nur eine höhere Prämie verlangt hätte. Wenn dem Versicherungsnehmer lediglich Fahrlässigkeit zur Last fällt oder wenn er schuldlos gehandelt hat, bleibt der Versicherer daher auf die gesetzliche Prämienanpassungsmöglichkeit (§ 16 Abs. 2 Satz 2, Abs. 5 Satz 1 VVG-E) verwiesen. Der Ausschluss des Rücktrittsrechtes nützt dem Versicherungsnehmer daher nichts. Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe zusätzlich zu einer Prämienanpassung weicht damit ausschließlich zu Lasten des Versicherungsnehmer von der gesetzlichen Regelung ab.

3. Ergebnis Bei Zugrundelegung des Zwischenberichtes der Reformkommission sind Vertragsstraferegelungen, die an die nachträgliche Aufdeckung gefahrerheblicher Umstände anknüpfen, für den Versicherungsnehmer stets überwiegend nachteilig.

127

Vgl. oben unter III. 1. a) cc) (1) (S. 190 ff.).

1. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

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C. Risikoausschlüsse, die an das Vorliegen bestimmter Umstände bei Vertragsschluss bzw. bei Versicherungsbeginn anknüpfen Eine nachteilige Abweichung von den §§ 16 ff. VVG wird auch für Risikoausschlüsse in AVB diskutiert, die daran anknüpfen, dass ein bestimmter Umstand gerade bei Vertragsschluss bzw. bei Versicherungsbeginn vorhanden war. Darum geht es insbesondere bei Risikoausschlüssen in der Reisekranken- und Lebensversicherung, die bei Beginn des Versicherungsschutzes bzw. bei Vertragsschluss bereits vorliegende Krankheiten oder Krankheitsursachen pauschal aus dem Versicherungsschutz ausnehmen. Ein Beispiel für eine solche Gestaltung sind Klauseln in der Reisekrankenversicherung, durch die eine Leistungspflicht des Versicherers für alle Krankheiten und Unfallfolgen ausgeschlossen wird, die bereits vor Beginn des Versicherungsschutzes akut behandlungsbedürftig waren128. Probleme im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit § 34a VVG bereiten auch Klauseln in der Restschuldlebensversicherung, die Gesundheitsstörungen, die die versicherte Person in den letzten zwölf Monaten vor Beginn des Versicherungsschutzes hatte, vom Versicherungsschutz ausnehmen, sofern der Versicherungsfall in den ersten 24 Monaten nach Versicherungsbeginn eintritt und in ursächlichem Zusammenhang mit der Gesundheitsstörung steht129. In solchen Klauseln wird zum Teil nicht danach differenziert, ob die Gesundheitsstörung dem Versicherungsnehmer bzw. der versicherten Person bei Vertragsschluss bekannt war, zum Teil wird aber auch ausdrücklich eine vorvertragliche Kenntnis vorausgesetzt130. Schließlich hat sich die Rechtsprechung mehrfach mit § 4 Abs. 1 der Musterbedingungen für den vorläufigen Versicherungsschutz in der Lebensversicherung (ABVV) auseinandergesetzt131. Nach dieser Bestimmung ist die Leistungspflicht des Versicherers im Rahmen vorläufigen Deckungsschutzes ausgeschlossen für Versicherungsfälle aufgrund von Ursachen, die vor Unterzeichnung des Antrages auf endgültigen Versicherungsschutz erkennbar geworden sind, auch wenn diese im Antrag angegeben wurden132. 128 Zu einer solchen Klausel vgl. BGH VersR 1994, 449, 550; vgl. allgemein zu den in der (Auslands-)Reisekrankenversicherung verwendeten Klauseln Nies NVersZ 2001, S. 535 ff. 129 Um eine solche Klausel mit Wartezeit ging es etwa in der Entscheidungen BGH VersR 1996, 486 ff. 130 Vgl. zu einer solchen Klausel OLG Düsseldorf NVersZ 2001, 264 f. Zu der dortigen – problematischen – Auslegung der Klausel vgl. oben im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. IV. bei Fußnote 243. 131 BGH NVersZ 2001, 262 ff., OLG Saarbrücken NVersZ 2001, 506; OLG Hamm NVersZ 2000, 517. Im Text wird § 4 ABVV in der zum Zeitpunkt der Entscheidung des BGH verwendeten Fassung besprochen. Die aktuellen Empfehlungen des GDV (Stand: November 2003) sehen einen Risikoausschluss nur noch im Hinblick auf Ursachen vor, die nicht bloß mitursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalles waren, nach denen im Antrag ausdrücklich gefragt wurde und von denen der Versicherungsnehmer bei Antragstellung Kenntnis hatte.

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

I. Meinungsstand 1. Die Rechtsprechung des BGH Der BGH hat sich in neuerer Zeit mit einigen der geschilderten Risikoausschlüssen beschäftigt und diese jeweils – mit unterschiedlichen Begründungen – für unzulässig erachtet: Hinsichtlich der Ausschlussklausel in der Reisekrankenversicherung nahm er einen Verstoß gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AGBG a. F. (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB n. F.) in Verbindung mit den §§ 16 ff. VVG an133. Der Versicherer dürfe sich nicht über den von den §§ 16 ff. VVG gezogenen Rahmen hinaus mit Hilfe von Risikoausschlüssen Leistungsfreiheit ausbedingen. Die von §§ 16 ff. VVG zugelassene vorvertragliche Risikoprüfung diene dazu, zu verhindern, dass der Versicherungsnehmer gegen den Willen des Versicherers einen Wissensvorsprung erhalte. Aus diesem Grunde sei auch die Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers – und damit die Möglichkeit des Versicherers, sich bei schuldhaften Verletzungen der Anzeigepflicht auf Leistungsfreiheit zu berufen – auf dem Versicherungsnehmer bekannte Umstände beschränkt. Das Risiko einer beiderseitigen Fehleinschätzung über das Vorliegen gefahrerheblicher Umstände sei damit nach der gesetzlichen Konzeption dem Versicherer zugewiesen. Davon könne dieser sich nicht ohne eine Abweichung von den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG a. F.) bzw. eine Gefährdung des Vertragszweckes (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG a. F.) entlasten134. Einen Risikoausschluss in der Restschuldlebensversicherung, der nicht auf die Kenntnis des Versicherungsnehmers von der Gesundheitsstörung abstellte, hielt der BGH, ohne einen Verstoß gegen § 9 AGBG a. F. zu prüfen, im Hinblick auf § 34a VVG für wirkungslos, weil damit zuungunsten des Versicherungsnehmers von den §§ 16 ff. VVG abgewichen werde. Unter Hinweis auf seine Entscheidung zur Reisekrankenversicherung leitete das Gericht dies zum einen aus der fehlenden Differenzierung zwischen dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung bekannten und unbekannten Gefahrumständen her. Zum anderen verfehle der Versicherer den 132 Außer Betracht bleiben im folgenden Klauseln, die – wie etwa § 3 AUB 88 – die Versicherbarkeit bestimmter (z. B. dauernd pflegebedürftiger) Personen oder Risiken generell ausschließen und auch für den nachträglichen Wegfall der Versicherbarkeit ein Erlöschen des Versicherungsschutzes anordnen. Derartige Leistungsausschlüsse knüpfen nicht gerade an den Zeitpunkt des Vorliegens bestimmter Umstände an. Vgl. zu der Frage, ob solche Ausschlüsse in Konflikt mit den §§ 16 ff. VVG geraten können, Langheid, in: Römer / Langheid §§ 16,17 VVG Rn. 2 a. E. – Nach der im folgenden entwickelten Ansicht weichen solche Ausschlüsse schon deshalb nicht von den §§ 16 ff. VVG ab, weil der Versicherungsnehmer vor Vertragsschluss keine Ermittlungen anstellen muss, um erkennen zu können, welche Risiken vom Versicherungsschutz umfasst sind, vgl. dazu im einzelnen unter II. 1. (S. 220 ff.). 133 BGH VersR 1994, 549, 551. 134 BGH VersR 1994, 549, 551 f.

1. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

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Zweck der Risikoprüfung, wenn er erst nachträglich eine Prüfung des ihm angetragenen Risikos vornehmen wolle135. Die gesetzliche Regelung gebe aber nur demjenigen Versicherer die Möglichkeit, sich nachträglich auf Leistungsfreiheit zu berufen, der bei Schließung des Vertrages versucht habe, für den korrekt handelnden Versicherungsnehmer einen voraussehbar bestandskräftigen Versicherungsschutz zu begründen136. Dass nach der Klausel im Einzelfall ein Versicherungsnehmer Versicherungsschutz erhalten oder behalten könne, den er bei Anwendung der §§ 16 ff. VVG nicht erhalten würde, sei nicht geeignet, die Benachteiligung des Versicherungsnehmers zu beseitigen137. Bei § 4 ABVV schließlich bejahte der BGH einen Verstoß gegen § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG a. F. (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB n. F.), ohne eine nachteilige Abweichung von den §§ 16 ff. VVG anzusprechen138. Dabei ließ das Gericht offen, ob sich eine weitgehende Aushöhlung des Leistungsversprechens des Versicherers schon daraus ergebe, dass eine Leistungsfreiheit bei Auslegung der Klausel aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers auch dann eintreten könne, wenn eine „Ursache“ für den Versicherungsfall vor Vertragsschluss nicht für den Versicherungsnehmer, sondern nur für Dritte erkennbar gewesen sei. Auch wenn man auf die Erkennbarkeit für den Versicherungsnehmer abstelle, ergebe sich ein Verstoß gegen § 9 Abs. 2 Nr. 2 AGBG a. F. (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB n. F.) daraus, dass unter „Ursachen“ i. S. d. § 4 ABVV auch für den Versicherungsfall nur mitursächliche Umstände zu verstehen seien139. Mit der Gewährung vorläufigen Deckungsschutzes bis zum Abschluss des Lebensversicherungsvertrages bzw. bis zur Ablehnung des darauf gerichteten Antrages verzichte der Versicherer auf die ihm nach den §§ 16 ff. VVG zustehenden Möglichkeiten. Die Rechte des Versicherungsnehmers aus dem Vertrag über vorläufige Deckung würden daher in vertragszweckgefährdender Weise eingeschränkt, wenn sich der Versicherer über eine Ausschlussklausel Leistungsfreiheit in einem Umfang ausbedinge, der den nach Durchführung einer Risikoprüfung noch überschreite. Dies sei aber der Fall, weil die Sanktion der Leistungsfreiheit eingreife, ohne dass dem Versicherer vom Versicherungsnehmer etwas vorenthalten worden sei. Schließlich führe die Ausschlussklausel im Ergebnis zu einer Aushöhlung des Versicherungsschutzes, weil zum Tode führende Krankheitsgeschehen häufig mehrstufig seien und deshalb regelmäßig von dem Ausschluss erfasst würden140.

135 136 137 138 139 140

BGH VersR 1996, 486, 487 unter 3 a). BGH VersR 1996, 486, 488 unter 3 b). BGH VersR 1996, 486, 488 unter 3 b) a. E. BGH VersR 2001, 488 ff. BGH VersR 2001, 489, 490 f. BGH VersR 2001, 489, 491.

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

2. Schrifttum und obergerichtliche Rechtsprechung Diese Entscheidungen sind im Schrifttum in der Begründung und teilweise auch im Ergebnis auf Kritik gestoßen. So wird zum Teil bestritten, dass überhaupt eine Abweichung von den §§ 16 ff. VVG vorliege141. Dies wird damit begründet, dass sich die §§ 16 ff. VVG nur mit der Information über gefahrerhebliche Umstände befassten. Was gefahrerheblich sei, bestimme sich aber danach, welche Risiken der Versicherer zu übernehmen bereit sei. Wenn der Versicherer die Risiken aus bei Versicherungsbeginn bereits vorliegenden Umständen gerade nicht übernehmen wolle, könne es daher nicht zu einem Konflikt mit der gesetzlichen Regelung kommen142. Die Zulässigkeit von Risikoausschlüssen sei daher allein anhand des § 307 BGB n. F. (§ 9 AGBG a. F.) unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Versicherers zu ermitteln143. Andere Stimmen verweisen darauf, dass ein dem Versicherungsnehmer unbekannter Umstand auch bei einer ordnungsgemäßen Risikoprüfung nicht ermittelt und in die Annahmeentscheidung des Versicherers einbezogen werden könne. Ein Ausschluss im Hinblick auf solche Umstände könne daher nicht gegen die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Risikoprüfung verstoßen144. Zudem sei ein Ausschluss bekannter Umstände nicht zu beanstanden, da es keinen Unterschied machen könne, ob der Versicherer solche Umstände nach einer Anzeige oder generell ausschließe145. Selbst wenn man eine dem Versicherungsnehmer ungünstige Abweichung von den §§ 16 ff. VVG dem Grunde nach bejahe, würden die Nachteile jedenfalls bei Klauseln, die Versicherungsfälle infolge vorvertraglicher Umstände nur insoweit ausschließen, als sich der Versicherungsfall innerhalb einer bestimmten Wartezeit ereignet (also etwa bei dem genannten Risikoausschluss in der Restschuldlebensversicherung), durch die damit zugleich verbundenen Vorteile kompensiert146. Dies ergebe sich daraus, dass bei Durchführung einer Risikoprüfung häufig vorvertragliche Gefahrumstände an den Tag kommen und dann dauernd vom Versicherungsschutz ausgenommen würden. Insbesondere werde nach Ablauf der Wartezeit ja auch dann Versicherungsschutz gewährt, wenn dem Versicherungsnehmer ein

141 So insbesondere Prölss BGH-FG S. 567 ff.; ders. VersR 1994, 1216, 1217; Langheid, in: Römer / Langheid §§ 16, 17 Rn. 54 ff.; Büsken VersR 1991, 534; OLG Nürnberg VersR 1991, 799 f. 142 Prölss BGH-FG S. 567; ders. VersR 1994, 1216, 1217 f.; Büsken VersR 1991, 534. 143 Prölss BGH-FG S. 568 f.: Einschlägig sollen danach § 9 Abs. 2 Satz 1 und § 9 Abs. 1 AGBG a. F. sein; im Ergebnis wird ein Verstoß gegen diese Vorschrift nur bejaht, soweit auch dem Versicherungsnehmer unbekannte Umstände ohne Wartezeit ausgeschlossen werden. Ebenfalls nur an § 9 AGBG a. F. misst Präve, Versicherungsbedingungen, Rn. 549 derartige Risikoausschlüsse; Langheid in Römer / Langheid §§ 16, 17 Rn. 54 hält Vorerkrankungsausschlüsse auch für mit § 307 BGB n. F. vereinbar. 144 Langheid in Römer / Langheid §§ 16, 17 Rn. 54. 145 Langheid in Römer / Langheid §§ 16, 17 Rn. 55. 146 Prölss BGH-FG S. 570.

1. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

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Umstand bei Vertragsschluss bekannt gewesen sei. Demgegenüber sei das zeitweise Hinausschieben des Versicherungsschutzes für den Versicherungsnehmer das kleinere Übel147. Im übrigen stehe die Verwerfung solcher Klauseln im Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH zu Wartezeitklauseln, die den Beginn des gesamten Versicherungsschutzes hinausschieben148. Speziell für Verträge über vorläufigen Deckungsschutz in der Lebensversicherung schließlich hält es das OLG Hamm für mit § 34a VVG vereinbar, wenn der Versicherer in einem Risikoausschluss auf das Vorliegen von Umständen abstelle, die dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung zwar unbekannt waren, bei der Risikoprüfung im Hinblick auf den endgültigen Versicherungsschutz aber zu Tage getreten wären149. Andere Stimmen teilen zwar den Ausgangspunkt des BGH und bejahen jedenfalls in bestimmten Fällen eine Abweichung von den §§ 16 ff. VVG150. Abgelehnt wird aber die Differenzierung zwischen dem Versicherungsnehmer bekannten und unbekannten vorvertraglichen Umständen, die der Argumentation des BGH zugrunde liege151. Eine dem Versicherungsnehmer nachteilige Abweichung wird vielmehr zum Teil auch bzw. nur dann bejaht, soweit ein Risikoausschluss dem Versicherungsnehmer bekannte Umstände erfasst152. Gerade insoweit liege eine gegen § 34a VVG verstoßende Verschärfung der gesetzlichen Rechtsfolgen vor, da damit entgegen § 16 Abs. 3 VVG verschuldensunabhängige Rechtsnachteile vorgesehen würden153. Zudem sei die Abgrenzung des gedeckten von dem nicht gedeckten Risiko für den Versicherungsnehmer schwerer als bei Anwendung des gesetzlichen Modells. Daher sei auch das Interesse an Transparenz und Rechtsklarheit beeinträchtigt, das – wie die Befristung des Rücktrittsrechtes in § 20 VVG zeige – auch vom Gesetzgeber anerkannt werde154. Außerdem müsse die Geltendmachung der Leistungsfreiheit an die Monatsfrist des § 20 VVG gekoppelt werden155. Eine Kompensation dieser Nachteile durch die sich aus dem Verzicht auf eine Risikoprüfung ergebenden Vorteile scheide aus, weil ein aus wirtschaftlichen Gründen erfolgender Verzicht auf eine Risikoprüfung den Versicherer nicht be147 Prölss BGH-FG S. 570; ähnlich OLG Hamm NJW-RR 1992, 1058 f.; OLG Düsseldorf VersR 1992, 948 f.; OLG Köln VersR 1996, 1399, 1340. 148 Prölss BGH-FG S. 569 f. 149 OLG Hamm NVersZ 2000, 517; zustimmend Langheid in Römer / Langheid §§ 16, 17 Rn. 57. 150 Wriede, in: Bruck / Möller / Wriede Anm.F37; ders. VersR 1990, 1001; BK / Voit § 16 VVG Rn. 114; Schwintowski VuR 1998, 414, 415 sowie aus dem älteren Schrifttum Gruneke, Versicherte Gefahr, S. 136 ff. und Kisch II S. 412 ff. 151 Anders versteht den BGH allerdings das AG Bochum NJWE-VHR 1998, 2; zur Auslegung von BGH VersR 1996, 486 ff. vgl. auch unten in Fußnote 170. 152 BK / Voit § 16 VVG Rn. 114; Wriede VersR 1996, 1473, 1474 (letzterer will nur bei bekannten Umständen eine Abweichung annehmen). 153 BK / Voit § 16 VVG Rn. 114. 154 BK / Voit § 16 VVG Rn. 114. 155 Wriede, VersR 1996, 1473.

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

rechtigen könne, für den Versicherungsnehmer belastende Abweichungen vom Leitbild der §§ 16 ff. VVG vorzusehen156.

II. Zeitlich nicht befristete Risikoausschlüsse Im folgenden soll zunächst der Vereinbarkeit von Risikoausschlüssen mit den §§ 16 ff. VVG nachgegangen werden, die – wie die genannte Klausel in der Reisekrankenversicherung oder § 4 ABVV – bei Vertragsschluss bzw. bei Versicherungsbeginn157 vorhandene Umstände zeitlich unbeschränkt, d. h. ohne eine Wartezeit vorzusehen, vom Versicherungsschutz ausnehmen. Ausgeklammert werden dabei die Besonderheiten, die sich bei Risikoausschlüssen, die mit einer Wartezeit verbunden sind, sowie bei Risikoausschlüssen in Verträgen über vorläufigen Deckungsschutz ergeben können. Darauf wird gesondert (vgl. III. und IV.) eingegangen. 1. Abweichung von den §§ 16 ff. VVG a) Abweichung nur bei gefahrerheblichen Umständen? Allein mit der formalen Überlegung, dass die §§ 16 ff. VVG die Gefahrerheblichkeit eines Umstandes voraussetzen und deshalb über die Zulässigkeit von Risikoausschlüssen nichts aussagen158, lässt sich eine nachteilige Abweichung nicht ablehnen. Das Gesetz regelt zwar ausdrücklich nur die Folgen des Vorliegens gefahrerheblicher Umstände. Ein Risikoausschluss stellt daher, da durch ihn die Gefahrerheblichkeit der von ihm erfassten Umstände ausgeschlossen wird, keine Verschärfung der Rechtsfolgen der §§ 16 ff. VVG dar159. Wie bereits im 1. Teil160 dargelegt wurde, kann sich eine nachteilige Abweichung aber nicht nur aus einer Verschärfung der in halbzwingenden Vorschriften vorgesehenen Rechtsfolgen ergeben. Der Zweck der Norm kann vielmehr auch einer Vereinbarung entgegenstehen, BK / Voit § 16 VVG Rn. 114. Die bislang verwendeten Ausschlüsse knüpfen (s. o. unter I.) z. T. an das Vorliegen von Umständen bei Vertragsschluss bzw. bei Antragstellung, z. T. bei Versicherungsbeginn an. Praktisch ist diese Unterscheidung nur von Bedeutung, wenn beide Zeitpunkte auseinanderfallen. Rechtlich ergibt sich indes kein Unterschied für die Beurteilung solcher Vereinbarungen anhand der §§ 16 ff. VVG, da es dafür – wie im folgenden gezeigt wird – in jedem Falle nur auf die Kenntnis des Versicherungsnehmers von dem jeweiligen Umstand bei Vertragsschluss bzw. bei Antragstellung ankommt. Aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung wird im folgenden daher nur noch von einer Anknüpfung an bei Vertragsschluss vorliegende Umstände gesprochen; die Ausführungen gelten aber für an das Vorliegen bei Versicherungsbeginn anknüpfende Vereinbarungen entsprechend. 158 So im Ansatz allerdings Prölss BGH-FG, S. 567, der aber zudem mit dem Zweck des Gesetzes argumentiert. 159 Deshalb unzutreffend der Einwand von BK / Voit § 16 VVG Rn. 114. 160 Vgl. dort im 1. Abschnitt unter A. I. 2. b) (S. 37 ff.). 156 157

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die an einen Sachverhalt für den Versicherungsnehmer belastende Rechtsfolgen knüpft, für den das VVG keine Rechtsfolgen vorsieht. Zur Bestimmung der Reichweite des in den §§ 16 ff., 34a VVG enthaltenen Verbotes muss daher untersucht werden, ob nicht der Zweck des Gesetzes auch der Zulässigkeit von Risikoausschlüssen entgegensteht, durch die der Kreis der gefahrerheblichen Umstände und damit der Anwendungsbereich der §§ 16 ff. VVG eingeschränkt wird161.

b) Kein genereller Schutz vor kenntnis- und verschuldensunabhängigen Einschränkungen des Versicherungsschutzes Es kann allerdings nicht der Zweck der §§ 16 ff. VVG sein, dem Versicherungsnehmer einen bestimmten inhaltlichen Umfang des Versicherungsschutzes, insbesondere den Einschluss bei Vertragsschluss bereits „angelegter“ Risiken um ihrer selbst willen, zu garantieren. Aus den §§ 16 ff. VVG ergeben sich keine inhaltlichen Maßstäbe dafür, welche Risiken Gegenstand der Versicherung sein müssen. Ob etwa eine bestimmte Krankheit in einer Reisekranken- oder in einer Lebensversicherung „an sich“ vom Versicherungsschutz abgedeckt sein muss oder nicht, lässt sich mit Hilfe der §§ 16 ff. VVG nicht entscheiden. Die Festlegung des Umfanges des Versicherungsschutzes wird vielmehr von diesen Vorschriften vorausgesetzt und damit grundsätzlich den Parteien überlassen162. Risikoausschlüsse, die ein mit bestimmten Umständen verbundenes Risiko unabhängig davon ausschließen, ob diese Umstände bei Vertragsschluss bzw. bei Versicherungsbeginn vorliegen oder nicht (z. B. bestimmte Krankheiten generell vom Versicherungsschutz ausnehmen), weichen daher in jedem Falle nicht von den §§ 16 ff. VVG ab163. Dies gilt auch dann, wenn diese Umstände objektiv schon bei Vertragsschluss vorhanden sind, dies den Parteien aber nicht bekannt ist. Dass Risikoausschlüsse der hier interessierenden Art von den §§ 16 ff. VVG abweichen, lässt sich daher nicht damit begründen, dass dem Versicherungsnehmer durch das Gesetz schlechthin Versicherungsschutz für ein bei Vertragsschluss bereits „angelegtes“ Risiko garantiert werden soll, wenn ihm im Hinblick auf die das Risiko begründenden Umstände keine schuldhafte Anzeigepflichtverletzung zur Last fällt (wenn er also diese Umstände entweder nicht kannte oder aber schuldlos nicht angezeigt hat). Auf die Annahme einer solchen Zielsetzung läuft die Argumentation im Schrifttum hinaus, die den §§ 16 ff., 34a VVG ein generelles Verbot 161 Es handelt sich um ein ähnliches Problem wie bei Risikoausschlüssen, die an den Eintritt gefahrerhöhender Umstände nach Vertragsschluss anknüpfen. Solche Risikoausschlüsse werden von der h. M. wegen der drohenden Umgehung der §§ 23 ff. VVG (also im Hinblick auf den Zweck der §§ 23 ff. VVG) an § 34a VVG gemessen (vgl. Prölss, in: Prölss / Martin § 23 VVG Rn. 44 m. w. N.), obwohl der Risikoausschluss bereits den gefahrerhöhenden Charakter der Veränderung beseitigt. 162 Prölss VersR 1994, 1216, 1217. 163 Dies entspricht der wohl allgemeinen Ansicht – ansonsten müsste man derartige Risikoausschlüsse regelmäßig wegen Verstoßes gegen § 34a VVG verwerfen.

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

entnimmt, dem Versicherungsnehmer verschuldensunabhängige Rechtsnachteile aufzuerlegen164. Auch das Argument des BGH, der Versicherer gehe über die §§ 16 ff. VVG hinaus, wenn er Leistungsfreiheit auch für Fälle vereinbare, in denen ihm der Versicherungsnehmer nichts vorenthalten habe, könnte man in diese Richtung verstehen165. Dasselbe gilt für die Überlegung, es laufe den Grundgedanken der §§ 16 ff. VVG zuwider, wenn der Versicherer mehr Risiken ausschließe, als er bei einer ordnungsgemäßen Risikoprüfung hätte aufdecken können166. All diese Argumente lassen sich nicht mit der – auch von den genannten Stimmen nicht in Frage gestellten – Zulässigkeit von Risikoausschlüssen vereinbaren, die nicht danach differenzieren, ob ein Risiko bereits bei Vertragsschluss „angelegt“ war oder nicht, und damit auch dem Versicherungsnehmer unbekannte oder von ihm korrekt angezeigte Risiken erfassen.

c) Schutz des Versicherungsnehmers vor einer Intransparenz des Versicherungsschutzes Die inhaltliche Beschränkung des Umfanges des Versicherungsschutzes, die mit Risikoausschlüssen der hier untersuchten Art einhergeht, kann daher für sich gesehen keine Abweichung von den §§ 16 ff. VVG begründen. Ein Konflikt mit § 34a VVG könnte sich allerdings aus der Art und Weise ergeben, in der solche Risikoausschlüsse die vom Versicherungsschutz umfassten von den ausgeschlossenen Risiken abgrenzen. Im Vergleich zu Risikoausschlüssen, die bestimmte Schadensursachen ganz vom Versicherungsschutz ausnehmen, wird bei der Risikoumschreibung an eine zusätzliche Voraussetzung – nämlich das Vorliegen bestimmter Umstände bei Vertragsschluss – angeknüpft. Dadurch wird möglicherweise ein geringerer Grad an Transparenz des Versicherungsschutzes erreicht, als dies durch die §§ 16 ff. VVG garantiert werden soll. aa) Ausschluss von Risiken aus dem Versicherungsnehmer unbekannten Umständen Die Abgrenzung des versicherten vom nichtversicherten Risiko kann für den Versicherungsnehmer besonders dann mit Schwierigkeiten verbunden sein, wenn ihm die Umstände, an deren Vorliegen der Risikoausschluss zur Bezeichnung der ausgeschlossenen Risiken anknüpft, bei Vertragsschluss bzw. bei Antragstel164 Ein Verbot der Vereinbarung verschuldensunabhängiger Rechtsnachteile entnehmen zwar BK / Voit § 16 VVG Rn. 114; Wriede VersR 1990, 1001 den §§ 16 ff. VVG, ohne daraus allerdings Rückschlüsse auf die Zulässigkeit eines Risikoausschlusses zu ziehen, der nicht nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Ursachen für die ausgeschlossenen Risiken differenziert. 165 Allerdings verwendet der BGH dieses Argument nur im Hinblick auf § 9 AGBG a. F. 166 OLG Hamm NVersZ 2000, 517 f.

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lung167 nicht bekannt sind. Ob ein Risikoausschluss, der (jedenfalls auch) auf solche Umstände Bezug nimmt, von den §§ 16 ff. VVG abweicht, soll daher zunächst untersucht werden. (1) Geringere Transparenz des Versicherungsschutzes Der Versicherungsnehmer kann anhand eines solchen Risikoausschlusses schwerer als nach der gesetzlichen Regelung erkennen, welchen Umfang sein Versicherungsschutz hat: Wenn es der Versicherer bei der Regelung der §§ 16 ff. VVG belässt (also eine vorvertragliche Risikoprüfung durchführt und gegebenenfalls – wenn er ein Risiko bei dem Versicherungsnehmer entdeckt – spezielle Risikoausschlüsse in den Vertrag aufnimmt), so kann der Versicherungsnehmer den Kreis der Risiken, die vom Versicherungsschutz umfasst sind, allein mit Hilfe der Umschreibung des Risikos im Vertrag sowie seiner Kenntnisse bei Vertragsschluss beurteilen. Nach einer vorvertraglichen Risikoprüfung kann ein von der primären Risikobeschreibung umfasstes Risiko nur dann vom Versicherungsschutz ausgenommen sein, wenn es entweder von einem speziellen Risikoausschluss erfasst wird (der z. B. bestimmte Krankheiten vom Versicherungsschutz ausschließt) oder wenn dem Versicherungsnehmer im Hinblick auf einen gefahrerheblichen Umstand, den er bei Vertragsschluss kennt, eine schuldhafte Anzeigepflichtverletzung zur Last fällt und der Versicherer deshalb den Versicherungsschutz durch einen Rücktritt bzw. eine Anfechtung rückwirkend ganz oder teilweise (vgl. § 21 VVG) in Frage stellen kann. Um sicher zu sein, dass ein Risiko vom Versicherungsschutz umfasst wird, genügt für den Versicherungsnehmer daher die Lektüre des (nach den Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers auszulegenden) Vertrages und – in dem regelmäßig gegebenen Fall, dass der Versicherer ausdrückliche Fragen stellt – ein Vergleich seiner Antworten auf die Antragsfragen des Versicherers mit seinen eigenen Kenntnissen bei Vertragsschluss168. Er kann daher den Umfang seines Versicherungsschutzes überschauen, ohne weitere eigene Ermittlungen über 167 Da dem Versicherungsnehmer die Kenntnis von einem Umstand nur dann etwas nützen kann, wenn er sie noch bei der Entscheidung für oder gegen den Vertrag berücksichtigen kann, kommt es entscheidend auf den Zeitpunkt an, in dem er bereits an seine in den Vertrag eingehende Willenserklärung gebunden ist. Wenn Antragstellung und Vertragsschluss nicht zusammenfallen, kann dieser Zeitpunkt vor dem Zeitpunkt liegen, in dem der Vertrag zustande kommt. Allerdings wird dies gerade in den hier interessierenden Fällen, in denen eine vorvertragliche Risikoprüfung gerade nicht durchgeführt wird, oftmals nicht der Fall sein. Im folgenden wird aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung nur von der Kenntnis des Versicherungsnehmers vor bzw. bei „Vertragsschluss“ gesprochen. Soweit dem Vertragsschluss ein Antrag des Versicherungsnehmers vorausgeht, ist allerdings der Zeitpunkt der Antragstellung ausschlaggebend, insoweit gelten die Ausführungen im Text entsprechend. 168 Auch soweit es um eine spontane Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers geht, gilt nichts anderes, da der Versicherungsnehmer den anzuzeigenden Umstand kennen muss und Kenntnis von der Gefahrerheblichkeit besitzen muss.

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die bei ihm zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehende Gefahrenlage anstellen zu müssen. Im Vergleich dazu ist der Umfang des Versicherungsschutzes für den Versicherungsnehmer schwerer zu überschauen, wenn der Vertrag einen Risikoausschluss enthält, der zur Bezeichnung der ausgeschlossenen Risiken auf das Vorliegen von Umständen Bezug nimmt, die ihm bei Vertragsschluss unbekannt sind. Um anhand eines solchen Risikoausschlusses beurteilen zu können, welche Risiken versichert sind, kann er sich nicht allein auf seine Kenntnisse bei Vertragsschluss verlassen. Vielmehr muss er dazu vor Vertragsschluss weitere Ermittlungen anstellen (etwa eigene Untersuchungen veranlassen), ohne dabei jedoch sicher sein zu können, alle bereits latent vorhandenen – und damit von dem Ausschluss erfassten – Risiken zu entdecken169. (2) Gesetzliche Gewährleistung einer bestimmten Transparenz des Versicherungsschutzes Eine nachteilige Abweichung von den §§ 16 ff. VVG lässt sich aus diesem Unterschied allerdings nur herleiten, wenn es gerade das Ziel des Gesetzes ist, den Versicherungsnehmer von derartigen Ermittlungen vor Vertragsschluss zu entlasten und ihm die damit verbundene größere Transparenz des Versicherungsschutzes zu garantieren. Der BGH geht offenbar von einer solchen gesetzlichen Gewährleistung aus, wenn er im Hinblick auf dem Versicherungsnehmer unbekannte Umstände eine Abweichung von den §§ 16 ff. VVG damit begründet, dass der Zweck der gesetzlichen Regelung verfehlt werde, wenn der Versicherer nicht versuche, für den korrekt handelnden Versicherungsnehmer „voraussehbar bestandskräftigen“ Versicherungsschutz zu begründen170. Für eine solche gesetzliche Zielsetzung spricht, dass der Versicherungsnehmer durch die ausdrückliche Beschränkung der Anzeigepflicht auf dem Versicherungsnehmer bekannte Umstände besser gestellt wird, als er nach allgemeinen Regeln des Zivilrechts stünde. Ohne die Regelung der §§ 16 ff. VVG müsste der Versicherungsnehmer nämlich unter Umständen auch dann eine nachträgliche Einschrän169 Diesen Gesichtspunkt betont – allerdings im Hinblick auf § 9 AGBG a. F. – auch Prölss VersR 1994, 1216, 1217 f. 170 Ob BGH VersR 1996, 486, 488 damit nur die beschriebene, von dem Ausschluss unbekannter Umstände ausgehende Intransparenz meint, ist nicht ganz zweifelsfrei. Der BGH sieht dies unter 3. b ausdrücklich als zusätzliches Argument an zu der bereits vorher unter 3. a) gerügten fehlenden Differenzierung danach, ob der Versicherungsnehmer den Umstand bei Vertragsschluss kannte oder nicht. Allerdings wird der Entscheidung des BGH im Schrifttum überwiegend entnommen, dass der BGH gegen den Ausschluss bekannter Umstände nichts einzuwenden habe (vgl. Wriede VersR 1996, 1473, 1474; BK / Voit § 16 VVG Rn. 114; Prölss BGH-FG S. 568 f.). Wenn man den BGH anders verstünde, würden sich die im Text unter bb) geschilderten Überlegungen dagegen anführen lassen. – Dass es gerade der Zweck der §§ 16 ff. VVG ist, den Versicherungsnehmer von eigenen Ermittlungen zu entlasten, wird im übrigen auch von Prölss VersR 1994, 1216, 1217 angenommen.

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kung seines Versicherungsschutzes befürchten, wenn er auf ausdrückliche Fragen des Versicherers nach gefahrerheblichen Umständen nur deshalb nicht oder nicht zutreffend antwortet, weil er keine eigenen Ermittlungen über ihm zur Zeit der Frage unbekannte Umstände angestellt hat. In solchen Fällen käme nach allgemeinen Regeln zum einen ein Anspruch des Versicherers aus § 280 Abs. 1 Satz 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB n. F. auf Befreiung von der in Unkenntnis des gefahrerheblichen Umstandes eingegangenen Verbindlichkeit, zum anderen eine Anfechtung des Versicherers nach § 119 Abs. 2 BGB in Betracht. Beide Möglichkeiten werden durch die §§ 16 ff. VVG ausgeschlossen171. Dieser Unterschied lässt sich – wie gezeigt – nicht damit rechtfertigen, dass dem Versicherungsnehmer schlechthin ein bestimmter materieller Umfang des Versicherungsschutzes (insbesondere eine Absicherung von Risiken aus dem Versicherungsnehmer unbekannten, bei Vertragsschluss aber schon vorliegenden Umständen) gewährleistet werden soll. Der Versicherer könnte ja auch dem Versicherungsnehmer unbekannte Umstände, von denen er auf andere Weise Kenntnis erlangt hat oder deren Vorliegen er nicht ausschließen kann, einzeln benennen und Risiken daraus uneingeschränkt vom Versicherungsschutz ausnehmen. Dem Gesetz geht es aber offenbar darum, dem Versicherungsnehmer eine Abschätzung des Umfanges des Versicherungsschutzes allein anhand seiner Kenntnisse bei Vertragsschluss zu ermöglichen. Diese Möglichkeit ist für den Versicherungsnehmer zum einen für seine Entscheidung für oder gegen den Versicherungsvertrag von Bedeutung. Zum anderen hängen oftmals auch seine weiteren Dispositionen von dem Umfang des Versicherungsschutzes ab, bei der Restschuldlebensversicherung etwa der Abschluss eines Darlehensvertrages oder bei der Reisekrankenversicherung der Antritt einer Reise172. Die Beschränkung auf bekannte Umstände bewahrt ihn vor „bösen Überraschungen“ nach Vertragsschluss, die auch dem redlichen Versicherungsnehmer – der nie ganz sicher ausschließen könnte, dass er einzelne Umstände nicht richtig ermittelt hat – drohen können. Dass der Versicherer den Versicherungsschutz materiell durch die Aufnahme eines speziellen Risikoausschlusses noch stärker einschränken könnte, steht der Annahme einer solchen gesetzlichen Zielsetzung nicht entgegen. Ein solcher spezieller Risikoausschluss würde den Versicherungsnehmer nicht zu den beschriebenen vorvertraglichen Ermittlungen zwingen und wäre daher für ihn transparenter. Schließlich lässt sich auch dann, wenn man gerade in Bezug auf bei Antragstellung bereits „angelegte“ Risiken ein anerkennenswertes Interesse des Versicherers annimmt, die Risikoübernahme auf den Zeitpunkt ab seiner Haftungsübernahme zu beschränken173, keine andere Auslegung des Gesetzes rechtfertigen. Daraus, dass Prölss, in: Prölss / Martin §§ 16,17 VVG Rn. 47 m. w. N. Vgl. zu dieser Auswirkung der Intransparenz im Rahmen der Saldierung unten unter 2. c) (S. 236 ff.). 173 BGHZ 141, 137, 141; Langheid, in: Römer / Langheid §§ 16, 17 VVG Rn. 2; Prölss BGH-FG S. 568. 171 172

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das Gesetz dem Versicherungsnehmer keine Anzeigepflicht für ihm bei Vertragsschluss unbekannte Umstände auferlegt, lässt sich zugleich entnehmen, dass es dem Interesse des Versicherers an der Berücksichtigung solcher Umstände keinen Vorrang vor der Entlastung des Versicherungsnehmers von eigenen Ermittlungen einräumt. Im Ergebnis weichen daher Risikoausschlüsse, die zur Abgrenzung des versicherten vom nichtversicherten Risikos an Umstände anknüpfen, die dem Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss bzw. bei Antragstellung unbekannt sind, von den §§ 16 ff. VVG ab, weil dadurch der vom Gesetz gewährleistete Grad an Transparenz des Versicherungsschutzes unterschritten wird. bb) Ausschluss von Risiken aus dem Versicherungsnehmer bekannten Umständen Wenn ein Risikoausschluss zur Bezeichnung der von ihm erfassten Risiken an Umstände anknüpft, die der Versicherungsnehmer i. S. d. § 16 VVG kennt174, drohen ihm die unter aa) beschriebenen Einbußen an Transparenz nicht. Um bei Vertragsschluss den Umfang des Versicherungsschutzes zu bestimmen, muss er dann keine eigenen Ermittlungen über die bei ihm zu diesem Zeitpunkt bestehende Gefahrenlage anstellen. Vielmehr muss er den Risikoausschluss lediglich mit Hilfe seiner präsenten Kenntnisse ausfüllen. Damit muss er aber auch nicht mehr Aufwand treiben als nach der gesetzlichen Regelung. Dem Versicherungsnehmer wird im Gegenteil eher weniger zugemutet, da er nach der gesetzlichen Regelung seine Kenntnisse auch noch dem Versicherer anzeigen müsste. Etwas anderes gilt allerdings für Risikoausschlüsse, die unmittelbar zwar nur an dem Versicherungsnehmer bekannte Umstände anknüpfen, ihm aber zur Bestimmung der von dem Ausschluss abgedeckten Risiken doch wieder die Ermittlung von ihm unbekannten Umständen abverlangen. Darum geht es, wenn ein Risikoausschluss auf für ein bestimmtes Risiko bloß indizierende Umstände Bezug nimmt, und diejenigen Versicherungsfälle vom Versicherungsschutz ausnimmt, die – sofern das durch die Umstände indizierte Risiko bei dem konkreten Versicherungsnehmer tatsächlich vorliegt – auf diesem Risiko beruhen. So ist es etwa denkbar, dass ein Ausschluss in der Lebensversicherung nicht (nur) an das Vorliegen von dem Versicherungsnehmer bekannten Krankheiten, die selbst zumindest mittelbare Ursachen für einen Versicherungsfall sein können, sondern an das Vorhandensein von Krankheitssymptomen anknüpft, und den Versicherungsschutz dabei für Versicherungsfälle ausschließt, die auf der – dem Versicherungsnehmer unbekannten – Krankheit beruhen, die diese Symptome ausgelöst hat. Eine derartige Auslegung wurde von der obergerichtlichen Rechtsprechung auch für einige der hier untersuchten Ausschlüsse zumindest als vertretbar angesehen175. Bei einem 174 Zu den an die Kenntnis eines Umstandes im Rahmen der §§ 16 ff. VVG zu stellenden Anforderungen vgl. Prölss, in: Prölss / Martin §§ 16, 17 VVG Rn. 20.

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solchen Ausschluss muss der Versicherungsnehmer, um zu erkennen, welches Risiko konkret ausgeschlossen wird, weitere Ermittlungen zu der bei ihm zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gegebenen Gefahrenlage anstellen: Um herauszufinden, welche Krankheitsrisiken im einzelnen vom Versicherungsschutz ausgenommen sind, muss er nämlich ermitteln, ob und welche Krankheiten den ihm bekannten Symptomen zugrunde liegen. Der Sache nach knüpft ein solcher Risikoausschluss daher an dem Versicherungsnehmer unbekannte Umstände an und setzt diesen daher der Unsicherheit aus, vor der er durch die Beschränkung seiner Anzeigepflicht auf bekannte Umstände gerade geschützt werden soll. Abgesehen von diesen besonderen Konstellationen lässt sich aber eine Abweichung bei einer Anknüpfung an bekannte Umstände nicht mit den unter aa) angeführten Überlegungen rechtfertigen. Es stellt sich daher die Frage, ob solche Ausschlüsse in anderer Hinsicht mit dem Zweck der §§ 16 ff. VVG in Konflikt geraten können. (1) Vom Schutzzweck der §§ 16 ff. VVG nicht erfasste Unsicherheiten Auch ein Risikoausschluss, der die ausgeschlossenen Risiken mit Hilfe von dem Versicherungsnehmer bekannten Umständen umschreibt, muss nicht in jeder Hinsicht für den Versicherungsnehmer transparent sein. So können insbesondere die Umstände, auf die sich Kenntnis des Versicherungsnehmers beziehen muss, in dem Ausschluss so unklar bezeichnet sein, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer nicht erkennen kann, welche Kenntnisse er in den Ausschluss einsetzen muss. Eine solche Unklarheit ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung etwa für den Ausschluss von Risiken aus vorvertraglichen „Gesundheitsstörungen“176 sowie für den Ausschluss von Versicherungsfällen aufgrund von vorvertraglichen „Ursachen“177 bejaht worden. Außerdem kann der Zusammenhang zwischen den ausgeschlossenen Risiken und den dem Versicherungsnehmer bekannten Umständen zu undeutlich umschrieben sein178. 175 Beispiele: OLG Düsseldorf, NVersZ 2001, 264: Eine „Gesundheitsstörung“ kann auch ein bloß subjektives Unwohlsein sein; OLG Hamm NVersZ 2000, 517, 518: „Ursachen“ i. S. d. § 4 Abs. 1 ABVV können auch bloße Beschwerden sein. – Ob eine solche Auslegung noch vertretbar ist, wenn der Risikoausschluss – wie auch in den von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen – gerade die Ursächlichkeit der Umstände, die der Versicherungsnehmer kennen muss, für den Versicherungsfall fordert, ist allerdings wohl eher zweifelhaft, vgl. dazu OLG Saarbrücken NVersZ 2001, 506, 508. 176 OLG Düsseldorf NVersZ 2001, 264, 265. 177 OLG Saarbrücken NVersZ 2001, 506, 507. 178 Beispiel: Wenn man etwa annimmt, dass in der Lebensversicherung ein Ausschluss für Versicherungsfälle aus vorvertraglichen „Ursachen“ auch alle Gesundheitsstörungen erfasst, die zwar für sich gesehen nicht tödlich sein können, aber auch geeignet sind, gefährlichere Folgeerkrankungen und damit den Versicherungsfall zumindest (mit) zu verursachen (so die Auslegung von BGH VersR 2001, 489, 490 f. zu § 4 ABVV, darum geht es z. B. bei Bluthochdruck – vgl. OLG Saarbrücken NVersZ 2001, 506, 507), so wird für den Versicherungs-

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

Damit lässt sich allerdings jeweils keine Abweichung von den §§ 16 ff. VVG begründen. Die §§ 16 ff. VVG schützen den Versicherungsnehmer nicht vor jeder Intransparenz des Versicherungsschutzes. Dass die Voraussetzungen eines Risikoausschlusses nicht hinreichend transparent umschrieben werden, ist stets möglich und ganz unabhängig davon, ob ein Ausschluss gerade an das Vorliegen eines Umstandes bei Vertragsschluss anknüpft oder nicht. Eine solche allgemeine Intransparenz ist daher ausschließlich an § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB n. F. zu messen. Der Versicherungsnehmer wird durch die §§ 16 ff. VVG zudem auch nicht vor den Unsicherheiten geschützt, die sich daraus ergeben können, dass er auch dann, wenn er den Kreis der von dem Ausschluss umfassten Risiken anhand seiner Kenntnisse bei Vertragsschluss ermitteln kann, nicht sicher sagen kann, ob diese Risiken später zu einem Schaden führen (ob also etwa ein bei Vertragsschluss bereits vorhandenes Herzleiden zur Berufsunfähigkeit führt179). Dabei handelt es sich um ein mit jedem Risikoausschluss verbundenes Einschätzungsrisiko, dass sich nicht gerade daraus ergibt, dass ein Risikoausschluss auf die Beschaffenheit der bei Vertragsschluss gegebenen Gefahrenlage abstellt. Bei einer Beschränkung des Risikoausschlusses auf dem Versicherungsnehmer bekannte, bei Vertragsschluss bereits vorhandene Umstände hat der Versicherungsnehmer im Gegenteil sogar einen konkreteren Ansatzpunkt für eine Prognose, als wenn z. B. nur eine Krankheit generell (und damit auch dann, wenn der Versicherungsnehmer sie erst später bekommt) ausgeschlossen wird. (2) Schlechtere Abgrenzbarkeit des versicherten Risikos nach Vertragsschluss? Eine Intransparenz, vor der die §§ 16 ff. VVG den Versicherungsnehmer schützen wollen, folgt aber möglicherweise aus einer schlechteren Abgrenzbarkeit des Versicherungsschutzes nach Vertragsschluss180. Zusätzliche Abgrenzungsschwierigkeiten könnten sich für den Versicherungsnehmer insoweit daraus ergeben, dass er mit wachsendem zeitlichen Abstand vom Vertragsschluss immer schwerer ermitteln kann, ob die Voraussetzungen des Risikoausschlusses gegeben sind. Insnehmer in vielen Fällen- weil ihm nicht klar sein wird, für welche Folgererkrankungen eine ganz unspezifische Vorerkrankung mitursächlich sein kann – bei Vertragsschluss nicht überschaubar sein, welche Risiken im einzelnen ausgeschlossen sind. (Dazu, dass die inhaltliche Einschränkung des Versicherungsschutzes, die mit einem derartigen Ausschluss einhergeht, für sich gesehen keine Abweichung von den §§ 16 ff. VVG begründen kann, weil das Gesetz keinen bestimmten Umfang des Versicherungsschutzes garantiert, vgl. bereits oben unter b); dieser Gesichtspunkt ist aber im Rahmen des § 307 BGB n. F. zu berücksichtigen, s. dazu unten V.). 179 Vgl. den Sachverhalt von OLG Hamm VersR 1995, 648 ff. (zur Restschuldlebensversicherung). 180 In diese Richtung lässt sich das Argument von BK / Voit § 16 VVG Rn. 114 verstehen, dass Klauseln der hier besprochenen Art den Zustand der Rechtsunsicherheit perpetuierten, weil auf Dauer ungewiss sei, ob eine Erkrankung gedeckt sei oder unter den Ausschluss falle.

1. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

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besondere wird er nachträglich nicht mehr ohne weiteres sagen können, welche Kenntnisse er schon bei Vertragsschluss hatte. Mit diesen Abgrenzungsschwierigkeiten lässt sich allerdings keine Abweichung von den §§ 16 ff. VVG begründen. Der Versicherungsnehmer kann den Umfang des versicherten Risikos zwar anhand eines Risikoausschlusses, für den es auf die Situation, insbesondere seine eigenen Kenntnisse bei Vertragsschluss ankommt, unter Umständen im Nachhinein nur schwerer abgrenzen als bei einem aufgrund einer vorvertraglichen Risikoprüfung für einzelne konkret bezeichnete Risiken in den Vertrag aufgenommenen Risikoausschluss (der z. B. bestimmte Krankheiten ausdrücklich aufführt)181. Für die Entscheidung der Frage, ob ein Risikoausschluss der hier untersuchten Art eine Einbuße an Transparenz im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung mit sich bringt, sind Risikoausschlüsse, die bestimmte einzeln benannte Risiken generell vom Versicherungsschutz ausnehmen, aber nicht das richtige Vergleichsobjekt. Da es für den Versicherungsnehmer nach Vertragsschluss darum geht, den Umfang einer etwaigen Einstandspflicht des Versicherers abzuschätzen bzw. (nach Eintritt eines Schadens) die Berechtigung der Leistungsablehnung des Versicherers zu überprüfen, ist vielmehr allein entscheidend, unter welchen Voraussetzungen der Versicherer nach dem Gesetz leistungsfrei wäre. Da auch ein Rücktritt bzw. eine Anfechtung des Versicherers zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen kann, ist deshalb zu prüfen, ob dem Versicherungsnehmer die Nachprüfung der gesetzlichen Voraussetzungen des Rücktrittsrechtes leichter möglich ist als die Nachprüfung der Voraussetzungen eines Risikoausschlusses der hier besprochenen Art. Dies ist nicht der Fall. Wenn der Versicherungsnehmer sich Klarheit über das Bestehen eines Rücktrittsrechtes des Versicherers verschaffen will, muss er ebenso wie bei einem Risikoausschluss der hier interessierenden Art Ermittlungen über die Situation bei Vertragsschluss (d. h. über die zu diesem Zeitpunkt bereits vorliegenden gefahrerheblichen Umstände sowie über seine Kenntnisse davon bei Vertragsschluss) anstellen. Dies ist für ihn mit denselben Schwierigkeiten verbunden wie die Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen eines Risikoausschlusses gegeben sind, der nur bei Vertragsschluss bereits „angelegte“ und ihm auch bekannte Risiken erfasst182. Bei der Nachprüfung der Voraussetzungen für den Rücktritt muss der Versicherungsnehmer im Gegenteil, um ein etwaiges Prozessrisiko abschätzen zu können, Dies betont BK / Voit § 16 VVG Rn. 114. Dass ein redlicher Versicherungsnehmer stets sicher sein kann, dass er seine Anzeigepflicht nicht schuldhaft verletzt hat, lässt sich nicht sagen. Auch ein solcher Versicherungsnehmer muss im Nachhinein mit einem eigenen Versehen rechnen. Er kann zwar bei Vertragsschluss durch einen Vergleich seiner Kenntnisse zu diesem Zeitpunkt mit seinen Antworten auf die Antragsfragen Gewissheit darüber verschaffen, ob der Versicherer seinen Versicherungsschutz nachträglich in Frage stellen kann. Die zur Herstellung dieser Gewissheit erforderlichen Kenntnisse schwinden aber mit wachsendem Abstand vom Vertragsschluss genauso wie die Kenntnisse, die zur Ausfüllung des Risikoausschlusses erforderlich sind. 181 182

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

einen höheren Grad an Sicherheit erlangen als bei einem Risikoausschluss. Dies ergibt sich daraus, dass er bei einem Rücktritt des Versicherers nach § 20 VVG die Beweislast für die fehlende Kausalität eines gefahrerheblichen Umstandes für den Versicherungsfall trägt183, dies bei einem Risikoausschluss dagegen vom Versicherer zu beweisen ist184. Um die Berechtigung einer auf einen Risikoausschluss gestützten Leistungsverweigerung des Versicherers nachzuprüfen, genügt es daher, wenn der Versicherungsnehmer zwar nicht ermitteln kann, ob dessen Voraussetzungen gegeben sind, dafür aber sicher ist, dass deren Beweis dem Versicherer nicht gelingen wird. (3) Keine Bindung des Risikoausschlusses an die formalen Voraussetzungen des § 20 VVG Dass der Versicherungsnehmer durch das Gesetz vor den während der Vertragslaufzeit auftretenden Abgrenzungsschwierigkeiten auch im Hinblick auf ihm bekannte vorvertragliche Umstände geschützt werden soll, wird zum Teil auch aus § 20 VVG hergeleitet185. Dafür könnte man anführen, dass ein Risikoausschluss, der die Geltendmachung der Leistungsfreiheit nicht an die in § 20 VVG für die Ausübung des Rücktrittsrechtes vorgesehenen formalen Voraussetzungen, also an eine Erklärung des Versicherers innerhalb der in § 20 VVG vorgesehenen Frist, knüpft, die Abgrenzungsschwierigkeiten für den Versicherungsnehmer verlängert186: Diese können dann während der gesamten Vertragslaufzeit auftreten, während nach der gesetzlichen Regelung nach einem ungenutzten Verstreichen der Rücktrittsfrist keine Abgrenzungsprobleme mehr drohen. Man könnte daher daran denken, die Geltendmachung der Leistungsfreiheit an die formalen Voraussetzungen des § 20 VVG zu binden187. Dies überzeugt indes nicht. Es ist nicht der Zweck der Befristung des Rücktritts, den Versicherungsnehmer vor den genannten Abgrenzungsschwierigkeiten zu bewahren. Dagegen spricht schon, dass der Rücktritt nicht schlechthin nach einer bestimmten Zeit nach Vertragsschluss ausgeschlossen wird, sondern die Rücktrittsfrist an die Kenntnis des Versicherers von der Anzeigepflichtverletzung anknüpft. Der Versicherer wird typischerweise erst nach Eintritt eines Versicherungsfalles, wenn er weitere eigene Nachforschungen anstellt, von einer Anzeigepflichtverletzung Kenntnis erlangen. Die Frist ist deshalb regelmäßig nicht geeignet, den Versicherungsnehmer generell vor den bei Eintritt eines Versicherungsfalles und BGH VersR 1990, 297; Prölss, in: Prölss / Martin § 21 Rn. 8 m. w. N. Statt aller: Baumgärtel / Prölss § 49 VVG Rn. 37 m. w. N. 185 BK / Voit § 16 VVG Rn. 114. 186 In diese Richtung BK / Voit § 16 VVG Rn. 114. 187 Dafür ausdrücklich Wriede VersR 1996, 1473. Da ein Risikoausschluss keine Anzeigepflichtverletzung voraussetzt, könnte die Frist für die Geltendmachung allerdings nicht mit der Kenntnis davon, sondern nur mit der Kenntnis vom Vorliegen eines vorvertraglichen Umstandes zu laufen beginnen. 183 184

1. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

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einem anschließenden Rücktritt des Versicherers auftauchenden Abgrenzungsproblemen zu bewahren. Diesen Effekt hat die Frist nur, wenn der Versicherer die Rücktrittsfrist ungenutzt verstreichen lässt und danach noch ein Versicherungsfall eintritt. Durch die Rücktrittsfrist soll vielmehr verhindert werden, dass der Versicherer, wenn er von einem Rücktrittsgrund erfahren hat, den Fortbestand des Versicherungsschutzes zeitlich unbegrenzt in der Schwebe halten und ihn – je nachdem, ob ein Versicherungsfall eintritt oder nicht – dem Versicherungsnehmer rückwirkend wieder entziehen kann. Eine solche Wahlmöglichkeit des Versicherers besteht aber nicht, wenn Risiken aus bei Vertragsschluss bereits vorliegenden Umständen von vornherein ganz aus dem Versicherungsschutz ausgenommen werden. Die Entscheidung, dass der Versicherer für ein solches Risiko nicht eintreten will, ist dann schon in dem Ausschluss selbst enthalten. Insoweit droht also keine Abweichung von den §§ 16 ff. VVG. Zudem muss der Versicherungsnehmer vor allem deshalb vor einem zeitlich unbegrenzten Schwebezustand geschützt werden, weil er bei einem Rücktritt nicht nur fürchten muss, den Versicherungsschutz hinsichtlich der ihm bekannten und schuldhaft nicht angezeigten Umstände zu verlieren188, sondern sein Versicherungsschutz auch im übrigen in Frage gestellt wird. Da ihn insbesondere für die fehlende Kausalität eines nicht angezeigten Umstandes für den Versicherungsfall nach § 21 VVG die Beweislast trifft189, droht ihm bei einem Rücktritt wegen der möglichen Beweisschwierigkeiten (die sich mit wachsendem zeitlichen Abstand zum Vertragsschluss tendenziell vergrößern werden) auch insoweit ein Verlust seines Versicherungsschutzes. Diese Gefahr besteht bei einem Risikoausschluss wegen der abweichenden Beweislastverteilung aber nicht.

d) Ergebnis zu 1. Risikoausschlüsse, die nur Risiken aus bei Vertragsschluss bzw. bei Versicherungsbeginn bereits vorhandenen Umständen vom Versicherungsschutz ausnehmen, weichen von den §§ 16 ff. VVG ab, soweit sie auch Umstände erfassen, die der Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss bzw. bei Antragstellung nicht i. S. d. § 16 VVG kannte. Soweit dagegen nur auf dem Versicherungsnehmer 188 Insoweit ist der Versicherungsnehmer nur eingeschränkt schutzwürdig, weil er mit einer Begrenzung des Versicherungsschutzes von vornherein rechnen muss. Zudem kann er nicht davon ausgehen, dass er die Risiken aus solchen Umständen ohne weiteres nach Beendigung des Vertrages bei korrekter Anzeige bei einem anderen Versicherer versichern könnte. Er könnte sich also bei einem frühzeitigen Rücktritt insoweit gar nicht anderweitig absichern. Schließlich wird der Versicherungsnehmer typischerweise auch nicht wissen, in welchem Zeitpunkt der Versicherer von der Verletzung der Anzeigepflicht Kenntnis erlangt hat. Er kann daher regelmäßig nicht darauf vertrauen, infolge Zeitablaufes von einem Rücktritt des Versicherers verschont zu bleiben. 189 Vgl. bereits den Nachweis in Fußnote 183.

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

bekannte Umstände Bezug genommen wird, liegt keine Abweichung von den §§ 16 ff. VVG vor. 2. Nachteiligkeit der Abweichung Der Frage, ob die geschilderte Abweichung vom VVG durch Vorteile ausgeglichen wird, wird im folgenden anhand von Risikoausschlüssen nachgegangen, die – wie die von der Rechtsprechung wegen Abweichung von den §§ 16 ff. VVG verworfenen Risikoausschlüsse – dem Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss bzw. bei Antragstellung bekannte und unbekannte Umstände gleichermaßen erfassen. a) In die Saldierung einzustellende Vorteile aa) Verzicht auf die vorvertragliche Risikoprüfung Vorteile für den Versicherungsnehmer können sich aus der Vereinbarung eines solchen Risikoausschlusses ergeben, wenn der Versicherer gerade im Hinblick auf den Ausschluss auf eine vorvertragliche Risikoprüfung verzichtet, also z. B. keine Gesundheitsfragen stellt und auch keine eigenen Ermittlungen zu dem Versicherungsnehmer unbekannten Umständen (z. B. durch Nachfragen bei behandelnden Ärzten o. ä.) anstellt. Zum einen wird es infolge des Unterbleibens der Risikoprüfung oftmals schneller zu einem Vertragsschluss kommen. Zum anderen ist es denkbar, dass bei einer Risikoprüfung ein Umstand (etwa eine besonders gravierende Krankheit) ermittelt worden wäre, der nicht nur zur Aufnahme eines speziellen Risikoausschlusses, sondern darüber hinaus zur Ablehnung des Vertrages insgesamt geführt hätte. In einer solchen Konstellation steht der Versicherungsnehmer aber bei Abschluss eines Vertrages mit einem generellen Risikoausschluss insoweit besser, als er dadurch zumindest für die von dem Ausschluss nicht erfassten (also die bei Vertragsschluss noch nicht „angelegten“) Risiken Versicherungsschutz erhält190. Diese Vorteile sind allerdings nur dann in die Saldierung einzustellen, wenn der Verzicht auf die Risikoprüfung gerade die Folge der von den §§ 16 ff. VVG abweichenden Vereinbarung, d. h. des Risikoausschlusses im Hinblick auf dem Versicherungsnehmer unbekannte Umstände, ist191. 190 Soweit eine vorvertragliche Prüfung des Risikos dagegen nur zur Aufnahme spezieller Risikoausschlüsse für bei der Prüfung aufgedeckte Risiken, also etwa für einzelne bereits bei Vertragsschluss vorhandene Krankheiten, geführt hätte, steht der Versicherungsnehmer nicht besser als bei einen Risikoausschluss der hier untersuchten Art, da solche Risiken ohnehin schon von dem Risikoausschluss für alle Risiken aus bei Vertragsschluss vorhandenen Umständen erfasst wird. – Zu der Frage, warum der Abschluss des Vertrages überhaupt in die Saldierung eingestellt werden kann, siehe im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. III. 2. a) dd) (S. 90). 191 Vgl. zu dieser Voraussetzung im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. III. 2. a) aa) (1) (S. 70 ff.).

1. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

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Ein solcher Kausalzusammenhang fehlt nicht schon deshalb, weil der Verzicht auf die Risikoprüfung für den Versicherer mit einer Kostenersparnis verbunden ist. Daraus lässt sich nicht folgern, dass der Versicherer auch ohne jeglichen Risikoausschluss (sei es im Hinblick auf ihm bekannte, sei es im Hinblick auf ihm unbekannte Umstände) auf eine Risikoprüfung verzichtet hätte192. Dass der Versicherer ohne jede Kompensation bereit wäre, auch alle bei Vertragsschluss bereits angelegten Risiken zu versichern, ist nicht plausibel. Auch dass er – statt eine Risikoprüfung durchzuführen – anstelle des Risikoausschlusses eine dem größeren Risiko entsprechende Prämie verlangen würde, ist nicht anzunehmen. Dies würde zu einer erheblich höheren Steigerung der Prämie führen als eine Umlegung der Kosten einer Risikoprüfung. Die Wettbewerbsposition des Versicherers würde dies im Zweifel mehr beeinträchtigen als die Durchführung der im Gesetz vorgesehenen Risikoprüfung. Wenn ein Risikoausschluss auch im Hinblick auf dem Versicherungsnehmer bekannte Umstände vereinbart wird, stellt sich allerdings die Frage, ob der Versicherer nicht auch dann auf die Risikoprüfung verzichtet hätte, wenn nur die Risiken aus solchen Umständen ausgeschlossen worden wären. Auch in diesem Falle würde es an dem notwendigen Zusammenhang zwischen der Abweichung von den §§ 16 ff. VVG (d. h. dem Ausschluss von Risiken aus dem Versicherungsnehmer unbekannten Umständen) und den geschilderten Vorteilen fehlen. Bei der Beantwortung dieser Frage ist zu unterscheiden: Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass nur der Risikoausschluss insgesamt an die Stelle der gesetzlichen Regelung treten soll. Dies gilt insbesondere deshalb, weil sich der Versicherer gerade durch den Ausschluss unbekannter Umstände von dem Risiko entlastet, dass sich diese Umstände mit Hilfe einer Risikoprüfung nicht aufdecken lassen. Dass er diesen Vorteil aufgeben würde, ohne zugleich die Vorteile einer Risikoprüfung (nämlich die Möglichkeit, einen Vertragsschluss je nach Ergebnis der Prüfung, gegebenenfalls auch „auf Verdacht“, ganz abzulehnen) zu nutzen, kann nicht ohne weiteres unterstellt werden. An einer hinreichenden Verknüpfung von Vor- und Nachteil fehlt es aber, wenn es dem Versicherer mit dem Risikoausschluss ersichtlich vor allem darum geht, den Aufwand einer Risikoprüfung zu vermeiden. Davon ist auszugehen, wenn eine Prüfung des Risikos jedes einzelnen Versicherungsnehmers nach der Art der Versicherung einen unverhältnismäßigen Kosten- und Zeitaufwand erfordern würde und der Ausschluss zudem vorrangig an Umstände anknüpft, die dem Versiche192 In diese Richtung könnte man allerdings das Argument von BK / Voit § 16 Rn. 115 verstehen, die Vorteile aus dem Verzicht auf eine Risikoprüfung könnten die Nachteile nicht kompensieren, weil der Versicherer aus wirtschaftlichen Gründen auf eine Risikoprüfung verzichte. (Sofern man dieser Argumentation die generelle Ablehnung einer Saldierung mit auf einer wirtschaftlichen Entscheidung beruhenden Vorteilen entnehmen würde, müsste man – was offensichtlich auch Voit nicht vertritt – eine Saldierung ganz ablehnen, weil die Entscheidung des Versicherers, dem Versicherungsnehmer einen im Gesetz nicht vorgesehenen Vorteil einzuräumen, immer auf wirtschaftlichen Erwägungen beruht.)

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

rungsnehmer zwar nicht notwendigerweise, aber doch in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle bekannt sein werden. Darum geht es bei dem geschilderten Ausschluss in der Reisekrankenversicherung, der vorvertragliche akut behandlungsbedürftige Krankheiten vom Versicherungsschutz ausnimmt. Ein solcher Ausschluss erfasst nur im Ausnahmefall dem Versicherungsnehmer unbekannte Risiken193. Es kann daher nicht angenommen werden, dass es dem Versicherer vor allem darum ging, vor Vertragsschluss nicht ermittelbare Umstände auszuschließen. Vielmehr ist das ausschlaggebende Motiv für das Unterlassen der Risikoprüfung in der Vermeidung des damit verbundenen Aufwandes zu erblicken. Es ist daher davon auszugehen, dass der Versicherer die Risikoprüfung auch dann nicht durchgeführt hätte, wenn nur die dem Versicherungsnehmer bekannten Umstände ausgeschlossen – und damit nicht vom VVG abgewichen worden – wäre. Die Vorteile aus dem Ausbleiben einer Risikoprüfung können daher in einem solchen Fall nicht in die Saldierung eingestellt werden. Zudem ist zu beachten, dass Vorteile, die dem Versicherungsnehmer nur dann zugute kommen, wenn ihm ein Umstand bei Vertragsschluss bekannt war, nicht ohne weiteres Nachteilen entgegengesetzt werden können, die ihn bei Unkenntnis des Vorliegens eines gefahrerheblichen Umstandes treffen. Vorteile, von denen sich schon bei Vertragsschluss (auch aus Sicht des Versicherungsnehmers) sicher sagen lässt, dass sie nur eine bestimmte Gruppe von Versicherungsnehmer betreffen, können nicht den Nachteilen für andere Gruppen von Versicherungsnehmern entgegengesetzt werden194. Darum geht es auch hier. Ob ein Versicherungsnehmer einen von dem Ausschluss umfassten Umstand kennt oder nicht, steht schon bei Vertragsschluss fest. Für einen Versicherungsnehmer, dem bei Vertragsschluss ein Umstand bekannt ist, den er bei Durchführung einer Risikoprüfung hätte anzeigen müssen und der in diesem Falle zur Ablehnung des Versicherungsschutzes geführt hätte, ist der Verzicht auf eine Risikoprüfung daher zwar unter Umständen von besonderem Interesse, weil er dadurch die Möglichkeit erhält, sich (bewusst) für eine Versicherung der übrigen Risiken zu entscheiden. Dieser Vorteil nützt indes einem Versicherungsnehmer nichts, bei dem ein von dem Ausschluss erfasster Umstand bei Vertragsschluss vorliegt, ohne dass ihm dies bekannt ist. Etwaigen Nachteilen für letzteren [siehe dazu sogleich unter b)] kann dieser Vorteil daher nicht entgegengehalten werden195.

Prölss VersR 1994, 1216, 1218. Vgl. dazu im 1. Teil im 1. Abschnitt unter 2. a) aa) (2) (b) (cc) ) (S. 79 ff.). 195 Möglich bleibt eine Saldierung lediglich, soweit Vor- und Nachteile in einer Person zusammentreffen. Soweit z. B. einem Versicherungsnehmer ein Umstand der beschriebenen Art bekannt ist, können die Vorteile für ihn mit den Nachteilen saldiert werden, die sich für ihn daraus ergeben, dass er manche von dem Ausschluss umfasste Umstände bei Vertragsschluss nicht kennt. 193 194

1. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

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bb) Ausschluss der gesetzlichen Anzeigepflicht Soweit der notwendige Zusammenhang zwischen dem von den §§ 16 ff. VVG abweichenden Ausschluss im Hinblick auf unbekannte Umstände und dem Unterbleiben der Risikoprüfung besteht, ist zudem auch die Entlastung des Versicherungsnehmers von der Anzeigeobliegenheit in die Saldierung einzustellen. Da nicht anzunehmen ist, dass der Versicherer sowohl eine Risikoprüfung durchgeführt als auch einen Ausschluss im Hinblick auf dem Versicherungsnehmer bekannte Umstände vereinbart hätte196, ist auch dieser – an sich nicht von den §§ 16 ff. VVG abweichende – Risikoausschluss in diesen Fällen gerade die Folge der Abweichung von den §§ 16 ff. VVG. Durch diesen Ausschluss wird aber zugleich auch die Gefahrerheblichkeit der dem Versicherungsnehmer bekannten Umstände und damit auch dessen (spontane) Anzeigepflicht ausgeschlossen. Der Versicherungsnehmer wird daher von den Folgen – also einem Rücktritt oder einer Anfechtung des Versicherers – freigestellt, die ihn bei einer Verletzung dieser Anzeigepflicht getroffen hätten. Vorteile bringt dies für ihn allerdings im wesentlichen nur im Hinblick auf arglistige Anzeigepflichtverletzungen mit sich, da der Versicherer in diesem Fall den Versicherungsschutz durch eine Anfechtung insgesamt – und nicht nur im Hinblick auf die ohnehin von dem Risikoausschluss erfassten Risiken197 – rückwirkend 196 Ein solcher Ausschluss hätte mindestens zur Folge, dass der Versicherer keine Konsequenzen aus einer etwaigen Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers ziehen könnte, weil er (s. sogleich im Text) die Gefahrerheblichkeit und damit eine Anzeigepflicht ausschließen würde. Schon dies läge aber nicht im Interesse des Versicherers. Wenn man – etwa über § 305c Abs. 2 BGB n. F. – dem Ausschluss im Hinblick auf die zuvor durchgeführte Risikoprüfung keinen Ausschluss der Gefahrerheblichkeit der von ihm erfassten Umstände entnähme, würde zudem auch der Ausschluss im Hinblick auf dem Versicherungsnehmer bekannte Umstände zu dessen Nachteil von den §§ 16 ff. VVG abweichen. An das Vorliegen eines gefahrerheblichen Umstandes bei Vertragsschluss würden dann nämlich schärfere Rechtsfolgen geknüpft, als dies das Gesetz vorsieht: Neben die (verschuldensabhängige) Rücktritts- bzw. Anfechtungsmöglichkeit träte in diesem Fall eine verschuldensunabhängige Leistungsfreiheit, vgl. dazu auch LG Berlin VersR 1991, 577, 578. Die sich daraus ergebende Unverbindlichkeit des Ausschlusses für den Versicherungsnehmer wäre aber erst recht nicht im Interesse des Versicherers. 197 Der Ausschluss des Rücktrittsrechtes kann sich nur insoweit zugunsten des Versicherungsnehmers auswirken, als es um Risiken geht, von denen sich nicht sicher sagen lässt, ob sie auf einen bei Vertragsschluss bereits vorhandenen Umstand zurückgehen oder nicht. Wenn feststeht, dass ein Risiko auf einem bei Vertragsschluss bereits vorliegenden Umstand beruht, so ist der Versicherer bei Vereinbarung eines Risikoausschlusses ebensowenig zur Leistung verpflichtet wie nach einem Rücktritt. Er steht durch den Ausschluss des Rücktrittsrechtes daher nicht besser. Umgekehrt wäre der Versicherer, wenn feststeht, dass ein Risiko nicht schon bei Vertragsschluss „angelegt“ war, auch nach einem Rücktritt zur Leistung verpflichtet (§ 21 VVG). Nur dann, wenn sich die Kausalität eines von einem Risikoausschluss erfassten Umstandes für ein Risiko nicht feststellen lässt, sind die Folgen des Rücktritts im Hinblick auf dieses Risiko für den Versicherungsnehmer ungünstiger als die Auswirkungen eines Risikoausschlusses (und der Ausschluss der Rücktrittsmöglichkeit damit für den Versicherungsnehmer mit Vorteilen verbunden). Wegen der unterschiedlichen Verteilung der Beweislast wäre der Versicherer in einem solchen Fall nämlich nach § 21 VVG leistungsfrei, auf der Grundlage eines Risikoausschlusses dagegen nicht.

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

in Frage stellen könnte. Zudem nützt dieser Vorteil wiederum nur denjenigen Versicherungsnehmern etwas, denen ein von dem Ausschluss erfasster Umstand bereits bei Vertragsschluss bekannt war.

b) Mit dem Ausbleiben der Risikoprüfung verbundene Einschränkungen des Versicherungsschutzes Der Risikoausschluss kann umgekehrt auch dazu führen, dass der Versicherungsnehmer weniger Versicherungsschutz erhält, als er bei Durchführung einer Risikoprüfung bekommen hätte. Soweit ein Risiko bei Vertragsschluss bereits „angelegt“ war, bei einer Risikoprüfung aber nicht aufgedeckt worden wäre und nach dem Inhalt des Vertrages zudem an sich, d. h. bei erstmaligem Auftreten der das Risiko begründenden Umstände nach Vertragsschluss, vom Versicherungsschutz umfasst ist, hätte der Versicherungsnehmer dafür ohne den Risikoausschluss uneingeschränkten Versicherungsschutz erhalten. Diese mit dem Risikoausschluss verbundene materielle Beschränkung des Versicherungsschutzes ist – neben der Intransparenz des Versicherungsschutz im Vergleich zu den §§ 16 ff. VVG, durch die eine Abweichung überhaupt erst begründet wird – ebenfalls in die Saldierung einzustellen. Sie stellt zwar – wie gezeigt198 – für sich gesehen keine Abweichung von den §§ 16 ff. VVG dar. Wenn man aber die mit dem Verzicht auf eine Risikoprüfung verbundenen Ausweitungen des Versicherungsschutzes berücksichtigt, muss man in die Saldierung auch einstellen, dass sich durch den Risikoausschluss auch Einschränkungen des Versicherungsschutzes ergeben können, die bei Durchführung einer Risikoprüfung nicht eingetreten wären199.

c) Saldierung der Vor- und Nachteile Auch soweit die unter a) geschilderten Vorteile in die Saldierung einzustellen sind, reichen sie nicht aus, um die Belastungen für den Versicherungsnehmer auszugleichen. Es lässt sich schon nicht hinreichend sicher sagen, dass der Versicherungsnehmer infolge des Unterbleibens der Risikoprüfung im Durchschnitt in größerem Umfang Versicherungsschutz erhält, als dies nach einer Risikoprüfung der Fall wäre. Wie sich die Fälle, in denen eine Risikoprüfung zur Aufdeckung eines Umstandes geführt hätte, der die vollständige Ablehnung des Versicherungsschutzes zur Folge gehabt hätte, zahlenmäßig zu den Fällen verhalten, in denen ein später für einen Versicherungsfall ursächlicher Umstand gar nicht aufgedeckt und damit mitversichert worden wäre, lässt sich nicht ohne weiteres vorhersagen. s.o. unter II 1 b) (S. 221). Vgl. zur Berücksichtigung von Nachteilen, die die Folge von in die Saldierung einzustellenden Vorteilen sind, im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. III. 2. b) (S. 91). 198 199

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Soweit dem Versicherungsnehmer die von dem Risikoausschluss erfassten Umstände bei Vertragsschluss nicht bekannt waren, überwiegen sogar typischerweise die mit dem Ausschluss verbundenen Einschränkungen des Versicherungsschutzes. Dass ein Umstand, der dem Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss unbekannt ist, bei einer Risikoprüfung ermittelt worden wäre und dann zur Ablehnung des Vertragsschlusses insgesamt geführt hätte, ist zwar denkbar, wird jedoch eher der Ausnahmefall sein. Weit bedeutsamer ist demgegenüber die Möglichkeit, dass Risiken aus solchen Umstände bei einer Risikoprüfung nicht aufgedeckt und daher mitversichert worden wären. Dass der Versicherungsnehmer bei Kenntnis der Umstände möglicherweise größere Vorteile gehabt hätte, kann diesen Nachteil aber – wie gezeigt200 – nicht ausgleichen. Dasselbe gilt auch für die Entlastung des Versicherungsnehmers von der Anzeigeobliegenheit. Schließlich fällt auch die – im Vergleich zu der Gesamtlaufzeit des Vertrages regelmäßig nur sehr geringfügige – zeitliche Vorverlegung des Versicherungsschutzes infolge des Verzichtes auf eine Risikoprüfung nicht ins Gewicht201. Im Zweifel ist daher davon auszugehen, dass der Versicherungsnehmer durchschnittlich schon nicht mehr Versicherungsschutz als nach der gesetzlichen Regelung erhält. Zudem ist der Versicherungsschutz, den der Versicherungsnehmer infolge des Ausschlusses bei Vorliegen eines eigentlich zur Ablehnung des gesamten Vertragsschlusses führenden Umstandes erhält, für ihn in vielen Fällen gar nicht von Interesse. Zu einer Ablehnung des Versicherungsschutzes insgesamt wäre es regelmäßig nur bei Vorliegen besonders gravierender Risiken (etwa besonders risikoträchtigen Krankheiten, die zu einer Vielzahl von Folgeschäden führen können) gekommen. Die Absicherung der davon unabhängigen Risiken wird daneben oftmals aus Sicht des Versicherungsnehmers nicht ins Gewicht fallen. Selbst wenn man unterstellt, dass mit dem Verzicht auf die Risikoprüfung im Durchschnitt ein Zuwachs an Versicherungsschutz verbunden ist, mit dem der Versicherungsnehmer an sich – d. h. abgesehen von der Intransparenz seines Umfanges – etwas anfangen kann, so genügt dies jedenfalls bei den Versicherungsarten, bei denen solche Ausschlüsse bislang verwendet wurden, nicht, um die Einbuße an Transparenz im Vergleich zu den §§ 16 ff. VVG auszugleichen. Es handelt sich dabei nämlich jeweils um Versicherungen, durch die der Versicherungsnehmer gegen die Risiken einer Situation (Abschluss eines Darlehensvertrages, Auslandsreise) abgesichert werden soll, in die er sich nicht notwendigerweise begeben muss. In diesen Fällen ist die Abschätzung des Umfanges des Versicherungsschutzes nicht nur für die Entscheidung für oder gegen den Vertrag von Bedeutung202. VielVgl. Oben unter a) aa) (S. 234). Ebenso ist bei Verträgen zu entscheiden, die – wie z. B. eine Reisekrankenversicherung – zwar nur eine relativ kurze Laufzeit haben, bei denen aber der Anlass für den Versicherungsschutz – die Reise – über längere Zeit vorweg planbar ist. – Zu der Bedeutung der zeitlichen Vorverlegung des Versicherungsschutzes bei Verträgen über vorläufigen Deckungsschutz vgl. unten unter IV. 200 201

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mehr kommt es darauf auch für die Entscheidung des Versicherungsnehmers darüber an, ob er sich überhaupt in die mit besonderen Risiken verbundene Situation begibt (ob er also etwa eine Reise antritt oder einen Darlehensvertrag abschließt). Der unklare Umfang des Versicherungsschutzes kann daher nicht nur dazu führen, dass der Versicherungsnehmer einen Vertrag abschließt, den er bei Kenntnis der ausgeschlossenen Risiken nicht abgeschlossen hätte, und deshalb die Prämie im Ergebnis aus seiner Sicht nutzlos aufwenden muss. Vielmehr kann die Intransparenz des Versicherungsschutzes gerade zur Folge haben, dass sich der Versicherungsnehmer überhaupt erst in eine gefahrenträchtige Situation zu begibt, in der er auf Versicherungsschutz angewiesen ist. Die Intransparenz schafft damit mittelbar selbst das Risiko einer Schadensentstehung. Der Zweck des Vertrages wird damit in sein Gegenteil verkehrt. Dies kann auch durch eine (geringfügige) Ausweitung des Versicherungsschutzes nicht ausgeglichen werden203.

d) Ergebnis zu 2. Ein Ausschluss von Risiken aus dem Versicherungsnehmer unbekannten Umständen, der nicht zeitlich befristet ist und auch nicht bloß in einem Vertrag über vorläufigen Deckungsschutz vereinbart wird, weicht daher zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den §§ 16 ff. VVG ab.

III. Zeitlich befristete Risikoausschlüsse Die Zulässigkeit eines Risikoausschlusses ist möglicherweise anders zu beurteilen, wenn – wie bei den angeführten Klauseln in der Restschuldlebensversicherung – Risiken aus vor Vertragsschluss bzw. Versicherungsbeginn vorliegenden Umständen nicht vollständig, sondern nur während eines bestimmten Zeitraumes danach ausgeschlossen werden.

202 Im Hinblick auf das Risiko, dass der Versicherungsnehmer sich infolge der Intransparenz im Einzelfall für einen Vertrag entscheidet, den er bei Kenntnis des wirklichen Umfanges des Risikos nicht abgeschlossen hätte, wäre es immerhin denkbar, dass ein in anderen Fällen über das bei einer Risikoprüfung zu erwartende Maß hinausgehender Umfang des Versicherungsschutzes zur Kompensation ausreicht. Der Nachteil für den Versicherungsnehmer liegt in ersterem Falle lediglich darin, dass er die Prämie nutzlos aufwendet. Dass dieser Nachteil aus Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers durch die Aussicht auf einen größeren Umfang an Versicherungsschutz ausgeglichen werden kann, ist nicht von vornherein ausgeschlossen. 203 Die Gefahr einer Fehlentscheidung hebt auch Prölss VersR 1994, 1216, 1217 ff. bei der Beurteilung nach § 9 AGBG a. F. hervor.

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1. Abweichung von den §§ 16 ff. VVG Eine Abweichung von den §§ 16 ff. VVG lässt sich auch bei solchen Klauseln mit der geringeren Transparenz des Risikoausschlusses im Vergleich zu der Situation nach einer vorvertraglichen Risikoprüfung begründen. Für den Zeitraum bis zum Ablauf der in dem Risikoausschluss gesetzten Frist besteht für den Versicherungsnehmer, soweit es um ihm unbekannte Umstände geht, bei Vertragsschluss die gleiche Unsicherheit über den genauen Umfang des Versicherungsschutzes wie bei einem uneingeschränkten Risikoausschluss. Wenn man in dieser geringeren Vorhersehbarkeit bei Risikoausschlüssen ohne Wartezeit eine Abweichung von den §§ 16 ff. VVG erblickt, dann muss man dies auch bei auf einen bestimmten Zeitraum nach Vertragsschluss beschränkten Risikoausschlüssen tun. Umgekehrt weichen solche Risikoausschlüsse insoweit nicht von den §§ 16 ff. VVG ab, als es um dem Versicherungsnehmer bekannte Umstände geht. Die Bejahung einer Abweichung von den §§ 16 ff. VVG steht nicht im Widerspruch zu der Rechtsprechung des BGH zu Wartezeitklauseln, durch die der Beginn des Versicherungsschutzes insgesamt herausgeschoben wird204. Der BGH hat solche Klauseln für vereinbar mit § 9 AGBG a. F. (§ 307 BGB n. F.) gehalten, weil der Versicherer ein berechtigtes Interesse daran habe, sich vor bei Vertragsschluss bereits angelegten Schadensfällen zu schützen und die Wartezeit zum Ansparen zukünftiger Versicherungsleistungen zu nutzen. Die Einschränkung des Versicherungsschutzes sei für den Versicherungsnehmer zudem hinreichend klar erkennbar205. Eine Abweichung von den §§ 16 ff. VVG wurde von dem Gericht dabei nicht ausdrücklich in Erwägung gezogen. Aus der Zulässigkeit einer Wartezeit für den gesamten Versicherungsschutz lässt sich nicht folgern, dass Wartezeiten, die nur für bei Vertragsschluss bereits vorhandene Umstände gelten, als für den Versicherungsnehmer weniger gravierende Beschränkungen erst recht mit den §§ 16 ff. vereinbar sein müssten206. Der Umfang der Einschränkung des Versicherungsschutzes ist für das Vorliegen einer Abweichung von den §§ 16 ff. VVG nicht erheblich, da dem Gesetz – wie gezeigt – keine Gewährleistung eines bestimmten Umfanges des Versicherungsschutzes, sondern nur einer bestimmten Transparenz des Versicherungsschutzes entnommen werden kann. Eine generelle Wartezeit bringt aber für den Versicherungsnehmer im Unterschied zu den hier besprochenen Klauseln keine besonderen Schwierigkeiten bei der Beurteilung des Umfanges des Versicherungsschutzes mit sich, da er klar überschauen kann, dass er vor Ablauf der Wartezeit gar keinen Versicherungsschutz genießen wird207. Eine Differenzierung zwischen den hier besprochenen und 204 Vgl. BGHZ 141, 137, 144 ff. (Private Arbeitslosigkeitsversicherung). Einen Widerspruch zwischen dieser Entscheidung des BGH und der Verwerfung der hier besprochenen Klausel in der Restschuldlebensversicherung sieht insbesondere Prölss BGH-FG S. 570 f. 205 BGHZ 141, 137, 146. 206 So argumentiert – aber wohl auf § 9 AGBG bezogen – Prölss BGH-FG S. 569 f.

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

generellen Wartezeitklauseln lässt sich daher im Hinblick auf die §§ 16 ff. VVG rechtfertigen208. 2. Nachteiligkeit der Abweichung a) Vorteile für den Versicherungsnehmer Zeitlich befristete Risikoausschlüsse sind für den Versicherungsnehmer zunächst mit den unter II. 2. a) dargestellten Vorteilen verbunden. Außerdem steht der Versicherungsnehmer im Vergleich zu nicht auf eine Wartezeit beschränkten Risikoausschlüssen besser, weil er nach Ablauf der Wartezeit auch für Risiken aus bei Vertragsschluss bereits vorliegenden Umständen uneingeschränkten Versicherungsschutz erhält. Dies bedeutet für ihn einen zusätzlichen Vorteil, soweit es um Umstände geht, die bei einer vorvertraglichen Risikoprüfung erkannt worden wären und zur Aufnahme eines Risikoausschlusses geführt hätten209. Allerdings ist wiederum zu beachten, dass es an der notwendigen Verknüpfung der Vorteile mit der Abweichung von den §§ 16 ff. VVG fehlt, wenn davon auszugehen ist, dass der Versicherer sich auch mit einem Ausschluss von Risiken aus Umständen begnügt hätte, die dem Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss bekannt waren. Zudem können die Vorteile, die sich für den Versicherungsnehmer daraus ergeben, dass er auch für Risiken aus ihm bei Vertragsschluss bekannten Umstände nach Ablauf der Wartezeit uneingeschränkten Versicherungsschutz erhält, nicht mit den Nachteilen für diejenigen Versicherungsnehmer saldiert werden, die keinen solchen Umstand kennen210.

207 Vgl. auch BGHZ 141, 137, 146. Die notwendige Prognose, ob der Versicherungsfall innerhalb der Wartezeit eintritt oder nicht, ist keine Unsicherheit, vor der er durch die §§ 16 ff. VVG geschützt wird, s. o. II. 1. c) bb) (1) (S. 228). 208 Eine generelle Wartezeit verhält sich zu einer nur für vorvertraglich bereits vorhandene Umstände geltenden Wartezeit also wie ein Risikoausschluss, der einen bestimmten Umstand generell ausschließt, zu einem Risikoausschluss, der nur an das Vorliegen des Umstandes bei Vertragsschluss anknüpft. Ebensowenig wie sich aus der Zulässigkeit eines „generellen“ Risikoausschlusses auf die Zulässigkeit der hier interessierenden Ausschlüsse schließen lässt, folgt aus der Zulässigkeit einer „generellen“ Wartezeit, dass ein zeitlich befristeter Risikoausschluss mit den §§ 16 ff. VVG vereinbar sein muss. 209 Zu noch weitergehenden Vorteilen käme man, wenn man unterstellte, dass der Versicherer ohne den Risikoausschluss nur unter Vereinbarung einer Wartezeit für den gesamten Vertrag zum Vertragsschluss bereit gewesen wäre. In diesem Falle wäre es immer auch gerade die Folge des Risikoausschlusses, dass der Versicherungsnehmer vor Ablauf der Wartezeit überhaupt Versicherungsschutz – also auch hinsichtlich der nicht von dem Ausschluss erfassten Risiken – erhält. Dass der Versicherer nur mit einem Vertrag mit einer generellen Wartezeit einverstanden gewesen wäre, lässt sich jedoch nicht hinreichend sicher sagen. Dazu ist zu unsicher, ob er eine solche Gestaltung am Markt hätte durchsetzen können. 210 Vgl. oben II. 2. a) aa) a. E. (S. 234).

1. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

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b) In die Saldierung einzustellende Belastungen Diesen Vorteilen steht – neben der Intransparenz des Versicherungsschutzes während der Wartezeit – wiederum die durch den Ausschluss bewirkte materielle Einschränkung des Versicherungsschutzes gegenüber, die sich im Hinblick auf bei Vertragsschluss bereits „angelegte“ Risiken ergibt, die bei einer vorvertraglichen Risikoprüfung nicht aufgedeckt und deshalb uneingeschränkt mitversichert worden wären. Allerdings ist diese Einschränkung geringer als bei Ausschlüssen ohne Wartezeit, da sie sich nur auswirkt, wenn innerhalb der Wartezeit ein Versicherungsfall eintritt, der auf solche vorvertraglichen Umstände zurückgeht. c) Saldierung Die unter a) und b) geschilderten Unterschiede rechtfertigen kein anderes Ergebnis der Saldierung als bei Risikoausschlüssen ohne Wartezeit. Für einen Versicherungsnehmer, der bei Vertragsschluss keinen von dem Ausschluss erfassten Umstand kannte, ist wiederum typischerweise keine entscheidende Ausweitung des Versicherungsschutzes zu erwarten: Dass ein ihm unbekanntes Risiko bei einer Risikoprüfung ermittelt worden wäre, ist wiederum unwahrscheinlicher als dessen Verkennung (und damit seine einschränkungslose, d. h. zeitlich nicht beschränkte Einbeziehung in den Versicherungsschutz). Die unter Umständen nicht unerheblichen Vorteile für einen Versicherungsnehmer, dem ein Umstand bekannt ist und der deshalb nur mit Hilfe des Ausschlusses überhaupt für die daraus folgenden Risiken Versicherungsschutz erhält, können diesen Nachteilen – wie gezeigt – nicht entgegengesetzt werden. Zudem wird die Wartezeit regelmäßig (schon damit sie aus Sicht des Versicherers ihren Zweck erfüllt) so bemessen sein, dass sich jedenfalls ein erheblicher Teil der Risiken, die bei Vertragsschluss bereits so konkret angelegt waren, dass sie bei ihrer Aufdeckung vor Vertragsschluss zur Aufnahme spezieller Risikoausschlüsse geführt hätten, typischerweise bereits in der Wartezeit realisiert211. Die zusätzlichen Vorteile, die sich nach Ablauf der Wartezeit für den Versicherungsnehmer im Vergleich zu den unter II. besprochenen Klauseln ergeben, sind daher ohnehin nur relativ geringfügig. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil es für den Versicherer mit wachsendem zeitlichen Abstand vom Vertragsschluss immer schwerer würde, die Voraussetzungen eines Risikoausschlusses, vor allem das Vorliegen eines für den Versicherungsfall ursächlichen Umstandes bei Vertragsschluss, zu beweisen. Nach Ablauf der Wartezeit würde dem Versicherer dieser Nachweis daher oft nicht mehr glücken. Umgekehrt werden sich auch viele Risiken, die bei einer Risikoprüfung nicht entdeckt worden wären, bereits innerhalb der Wartezeit zeigen. Auch die mit dem Ausschluss verbundenen Nachteile sind daher nicht ent211 Auch bei der in der Restschuldversicherung vereinbarten Wartezeit von 24 Monaten kann man dies unterstellen.

16 Klimke

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

scheidend geringer zu bewerten. Wenn die Wartezeit nicht besonders kurz ist, lässt sich daher wiederum bezweifeln, ob der Verzicht auf eine Risikoprüfung im Vergleich zu der Vereinbarung eines Risikoausschlusses überhaupt eine nennenswerte Ausdehnung des materiellen Umfanges des Versicherungsschutzes mit sich bringt. Im Zweifel ist dies zu verneinen212. Wenn schließlich – wie in der Restschuldlebensversicherung – von dem Bestehen des Versicherungsschutzes abhängt, ob sich der Versicherungsnehmer bereits während der Wartezeit in eine bestimmte gefahrenträchtige Situation begibt, ist zudem auch ein etwaiger nach Ablauf der Wartezeit zu erwartender (jedenfalls im Saldo nur relativ geringfügiger) Zuwachs an Versicherungsschutz wegen der drohenden Folgen einer Fehleinschätzung des Versicherungsnehmers nicht geeignet, die Intransparenz des Versicherungsschutzes im Vergleich zu den §§ 16 ff. VVG auszugleichen213. Auch zeitlich befristete Risikoausschlüsse sind daher nicht mit den §§ 16 ff., 34a VVG vereinbar.

IV. Risikoausschlüsse in Verträgen über vorläufigen Deckungsschutz 1. Abweichung von den §§ 16 ff. VVG Auch bei einem Risikoausschluss in Verträgen über vorläufigen Deckungsschutz liegt eine Abweichung von den §§ 16 ff. VVG vor, soweit der Ausschluss an dem Versicherungsnehmer unbekannte Umstände anknüpft. Die §§ 16 ff. VVG gelten auch im Hinblick auf solche Verträge214. Der Versicherungsnehmer wird daher auch insoweit vor einer Intransparenz geschützt215. An dieser Beurteilung ändert sich auch dann nichts, wenn sich der Ausschluss nur auf Risiken erstreckt, die bei einer vorvertraglichen Risikoprüfung entdeckt worden wären und nach den Risikoprüfungsgrundsätzen des Versicherers zu einem Risikoausschluss oder zur gänzlichen Ablehnung des Versicherungsschutzes geführt hätten216. Hinsichtlich des Umfanges seines Versicherungsschutzes stünde der Versicherungsnehmer dann zwar nicht schlechter, als er nach der gesetzlichen Regelung stünde. Da sich ein Konflikt mit den §§ 16 ff. VVG aber gerade nicht 212 A. A. Prölss VersR 1994, 1216, 1218, der nur dann genauso wie bei Risikoausschlüssen ohne Wartezeit entscheiden will, wenn die Zeit des Ausschlusses so lang ist, dass nach ihrem Ablauf kaum noch Schäden denkbar sind, die als Folge von bei Versicherungsbeginn vorhandenen Umständen eintreten könnten. 213 Anders Prölss VersR 1994, 1216, 1218. 214 Prölss, in: Prölss / Martin Zusatz zu § 1 Rn. 3; OLG Hamm VersR 1951, 38; OLG Hamm RuS 1987, 91; zweifelnd OLG Köln RuS 1997, 212. 215 Eine Abweichung von den §§ 16 ff. VVG nimmt auch OLG Hamm NVersZ 2000, 517 an. 216 In dieser Weise legte etwa die Vorinstanz zu BGH VersR 2001, 488 ff. den Risikoausschluss in § 4 ABVV aus.

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aus der inhaltlichen Eingrenzung des Versicherungsschutzes, sondern aus der geringeren Transparenz des Umfanges des Versicherungsschutzes ergibt, kommt es darauf für das Vorliegen einer Abweichung jedoch nicht an.

2. Nachteiligkeit der Abweichung Bei Verträgen über vorläufigen Deckungsschutz führt die Saldierung allerdings zu einem anderen Ergebnis als bei den unter II. und III. besprochenen Klauseln. Der Vorteil, der sich für den Versicherungsnehmer daraus ergibt, dass er infolge des Unterbleibens einer Risikoprüfung früher Versicherungsschutz erhält, wirkt sich bei solchen Verträgen weit stärker aus. Der vorläufige Deckungsschutz dient insbesondere dazu, dem Versicherungsnehmer für die Zeit Versicherungsschutz zu verschaffen, die die Durchführung der Risikoprüfung im Hinblick auf den in Aussicht genommenen Versicherungsvertrag erfordert. Ohne einen Verzicht auf eine Risikoprüfung im Hinblick auf den Vertrag über die vorläufige Deckung würde der Versicherungsnehmer daher typischerweise gar keinen vorläufigen Deckungsschutz bekommen. In solchen Fällen ist aber der gesamte Versicherungsschutz, den der Versicherungsnehmer durch den Vertrag über vorläufige Deckung im Hinblick auf die nicht von dem Ausschluss erfassten Risiken erhält, unabhängig von den möglichen Ergebnissen einer Risikoprüfung gerade die Folge des Risikoausschlusses. Umgekehrt besteht deshalb auch nicht die Möglichkeit, dass der vorläufige Deckungsschutz bei Durchführung einer Risikoprüfung einen weiteren Umfang gehabt hätte, weil bestimmte Risiken nicht ermittelt worden wären. Im Saldo erhält der Versicherungsnehmer daher stets mehr Versicherungsschutz, als er ohne den Risikoausschluss bekommen hätte217. Andererseits ist die Intransparenz, die von einem von den §§ 16 ff. VVG abweichenden Risikoausschluss bei Verträgen über vorläufigen Deckungsschutz ausgeht, für den Versicherungsnehmer regelmäßig nicht von ebenso großer Bedeutung wie beim Abschluss des (endgültigen) Versicherungsvertrages. Da der vorläufige Deckungsschutz ohnehin nur für eine Übergangszeit gewährt wird und das Zustandekommen eines endgültigen Vertrages noch ungewiss ist, spielt er als Entscheidungsgrundlage für etwaige risikoträchtige Entscheidungen für den Versicherungsnehmer typischerweise nur eine geringere Rolle. Die mögliche Fehleinschätzung des Umfanges des Versicherungsschutzes kann daher vor allem dazu führen, dass der Versicherungsnehmer sich für einen Versicherungsschutz entscheidet, den er bei einer Aufzählung der einzelnen ausgeschlossenen Risiken nicht gewollt hätte, und deshalb die darauf entfallende Prämie unnütz aufwendet218. 217 Vgl. zur Berücksichtigungsfähigkeit dieses Vorteils bei der Saldierung im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. III. 2. a) dd) (S. 90). 218 Auch dies gilt allerdings nur eingeschränkt, wenn der Versicherungsschutz, wie im Falle der ABVV, für den Versicherungsnehmer unentgeltlich ist, soweit es nicht zu Leistungen aufgrund des vorläufigen Versicherungsschutzes kommt, vgl. § 5 ABVV.

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

Auch diese Unsicherheit wird allerdings durch den Zuwachs an Versicherungsschutz, den der Versicherungsnehmer gerade infolge des Ausschlusses erhält, kompensiert, wenn davon ausgegangen werden kann, dass der Versicherungsnehmer typischerweise an dem vorläufigen Versicherungsschutz in dem Umfang, der ihm trotz des Risikoausschlusses verbleibt, interessiert sein wird. Dieses Erfordernis ist erfüllt, wenn der Risikoausschluss nur solche Risiken erfasst, die bei einer Risikoprüfung zu Tage getreten und deshalb nicht versichert worden wären. Ein verständiger Versicherungsnehmer kann sich von dem vorläufigen Deckungsschutz keinen größeren Umfang an Versicherungsschutz erwarten, als er nach Durchführung der Risikoprüfung beim späteren Abschluss des Versicherungsvertrages erhalten kann. Ein vorläufiger Deckungsschutz in diesem Umfange entspricht daher typischerweise seinem Interesse. Wenn eine entsprechende Begrenzung in einem Risikoausschluss enthalten ist, wird die Intransparenz, die sich für den Versicherungsnehmer aus der Anknüpfung an für ihn unbekannte Umstände ergibt, daher durch die mit dem Ausschluss verbundene Erweiterung des Versicherungsschutzes aufgewogen219. Ohne die geschilderte Einschränkung genügen die Vorteile indes wiederum nicht zur Kompensation der Nachteile. Welcher hinter dem möglichen Ergebnis einer Risikoprüfung zurückbleibende Umfang an Versicherungsschutz typischerweise noch im Interesse des Versicherungsnehmers liegt, lässt sich nicht mit der für eine Saldierung erforderlichen Genauigkeit sagen220.

V. Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F. Für die Kontrolle von Klauseln, die nach den unter II.-IV. entwickelten Regeln keine nachteilige Abweichung von den §§ 16 ff. VVG begründen, gilt folgendes: Soweit ein Ausschluss gar nicht von den §§ 16 ff. VVG abweicht, weil er nur an dem Versicherungsnehmer bekannte Umstände anknüpft, kann eine unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB n. F. nicht daraus hergeleitet werden, dass gerade infolge der Anknüpfung an den Zeitpunkt des Vorliegens eines Gefahrumstandes ein geringeres Maß an Transparenz des Versicherungsschutzes erreicht würde, als dies die §§ 16 ff. VVG garantierten. Abgesehen davon ergeben sich aus den §§ 16 ff. VVG aber keine Folgerungen für die Inhaltskontrolle. Ein Risikoausschluss kann daher insbesondere unwirksam sein, weil er die Voraussetzungen des Ausschlusses nicht transparent genug umschreibt (vgl. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB n. F.). Zudem kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch aus einer zu weit gehenden materiellen Beschränkung des Versicherungsschutzes ergeben. So kann ein Risikoausschluss, der ausschließlich an dem So im Ergebnis auch OLG Hamm NVersZ 2000, 517 f. Ob § 4 ABVV die beschriebene Einschränkung entnommen werden kann, ist problematisch. Ablehnend BGH VersR 2001, 489, 490 f. 219 220

1. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 16 – 22, 40 ff. VVG

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Versicherungsnehmer bekannte Umstände anknüpft, z. B. dazu führen, dass dem Versicherungsnehmer im Ergebnis gar kein sinnvoller Versicherungsschutz mehr verbleibt. Darum geht es etwa, wenn alle Risiken ausgeschlossen werden, für die bei Vertragsschluss bereits vorliegende, dem Versicherungsnehmer zwar bekannte, aber u.U. nur ganz geringfügige Gesundheitsstörungen auch nur mitursächlich sein können221. Soweit ein Risikoausschluss Risiken aus dem Versicherungsnehmer unbekannten Umständen umfasst, dies aber – wie dies bei Verträgen über vorläufigen Deckungsschutz in Betracht kommt – durch mit dem Verzicht auf die Risikoprüfung verbundene Vorteile aufgewogen wird, kann ein Verstoß gegen § 307 BGB n. F. ebenfalls nicht mit der im Vergleich zu den §§ 16 ff. VVG geringeren Transparenz begründet werden, da diese Belastung ja gerade kompensiert wird. Möglich bleibt aber auch hier eine Unwirksamkeit des Ausschlusses nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB n. F. im Hinblick auf seine intransparente Formulierung sowie theoretisch auch im Hinblick auf eine zu weit gehende materielle Beschränkung des Versicherungsschutzes. Letzteres wird allerdings kaum je der Fall sein, da die Zulässigkeit eines Ausschlusses bei Verträgen über vorläufigen Deckungsschutz voraussetzt, dass der Versicherungsnehmer mindestens denselben Versicherungsschutz erhält, den er auch bei Durchführung einer vorvertraglichen Risikoprüfung erhalten hätte. Eine derartige Bestimmung des Umfanges des vorläufigen Deckungsschutzes trägt den Interessen beider Parteien aber angemessen Rechnung.

VI. Beurteilung auf der Grundlage des Zwischenberichtes der Reformkommission Aus den Vorschlägen der Reformkommission ergeben sich keine Änderungen bei der Beurteilung der hier untersuchten Risikoausschlüsse. Die vorvertragliche Anzeigepflicht knüpft weiterhin an die Kenntnis des Versicherungsnehmers von einem Gefahrumstand an (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 1 VVG-E). Daraus ist wie nach bisherigem Recht zu folgern, dass der Versicherungsnehmer von eigenen Ermittlungen entlastet werden soll, um ihm ein bestimmtes Maß an Transparenz zu sichern. Umgekehrt ändert sich auch nichts daran, dass der Versicherungsnehmer den Umfang seines Versicherungsschutzes bei Anknüpfung an ihm bekannte Gefahrumstände hinreichend klar erkennen kann.

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So argumentiert BGH VersR 2001, 489, 490 f. im Falle von § 4 ABVV.

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

2. Abschnitt

Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG Ein Konflikt mit den Regelungen über Gefahrerhöhungen (d. h. den §§ 23 ff., 34a und den das Prämienschicksal nach einer Gefahränderung regelnden 40 ff., 42 VVG) kommt bei einer Reihe von in AVB enthaltenen Vereinbarungen in Betracht. Dabei geht es vor allem um Regelungen, die an den Eintritt von Veränderungen nach Vertragsschluss Rechtsfolgen knüpfen, die das VVG entweder gar nicht oder jedenfalls nicht als Folge einer solchen Veränderung vorsieht. So finden sich in AVB Regelungen über Prämienerhöhungen (dazu A.), über Vertragsstrafen als Sanktion für die Verletzung von Anzeige- und Nachweispflichten (dazu B.) sowie über die Änderung von Bedingungen (dazu C.), die den Eintritt bestimmter Veränderungen nach Vertragsschluss zur Voraussetzung haben.

A. Prämienerhöhung Im folgenden werden zunächst Vereinbarungen untersucht, die eine Veränderung nach Vertragsschluss zum Anlass für eine Prämiensteigerung nehmen, die ohne eine ausdrückliche vertragliche Regelung eine nicht i. S. d. § 29 Satz 1 unerhebliche und auch nicht nach § 29 Satz 2 VVG als mitversichert anzusehende Gefahrerhöhung i. S. d. § 23 Abs. 1 VVG darstellen würde (dazu I. und II.). Vereinbarungen, die an andere Veränderungen anknüpfen, werden im Anschluss daran erörtert (dazu III.). I. Individuelle Gefahrerhöhungen Eine Prämienerhöhungsregelung kann zunächst an eine durch eine Veränderung der individuellen Verhältnisse des Versicherungsnehmers bewirkte Gefahrerhöhung i. S. d. § 23 Abs. 1 VVG anknüpfen. 1. Übersicht a) Anknüpfung an Gefahrerhöhungen i. S. d. § 23 Abs. 1 VVG Solche an individuelle Gefahrerhöhungen anknüpfende Prämienerhöhungsregelungen finden sich in der Praxis recht häufig. So ändert sich etwa nach § 11 Nr. 3 VHB 84 / VHB 92 bzw. § 10 Nr. 4 VHB 2000 in der Hausratversicherung nach einem Wohnungswechsel die Prämie, wenn die neue Wohnung des Versicherungsnehmers an einem Ort liegt, für den der Tarif des Versicherers einen anderen Prämiensatz vorsieht. Damit wird eine Prämienerhöhung insbesondere für

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den Fall einer Gefahrerhöhung i. S. d. § 23 VVG zugelassen, da ein Wohnungswechsel wegen der damit unter Umständen verbundenen Erhöhung der Diebstahlsgefahr den Eintritt des Versicherungsfalles wahrscheinlicher machen kann222. An eine Gefahrerhöhung knüpfen auch § 10 Nr. 3 c) VGB 88, § 22 Nr. 1 d), Nr. 4 VGB 2000 und § 6 Nr. 4 AFB an, die dem Versicherer bei Aufnahme eines Gewerbebetriebes durch den Versicherungsnehmer vom Tag der Aufnahme an einen Anspruch auf die aus einem etwa erforderlichen höheren Prämiensatz errechnete Prämie geben. Ein weiteres Beispiel ist § 8 Abs. 2 AHB. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 AHB hat der Versicherungsnehmer Änderungen in dem versicherten Risiko gegenüber den zum Zwecke der Prämienbemessung gemachten Angaben anzuzeigen. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 AHB wird die Prämie auf Grund der Änderungsanzeige oder sonstiger Feststellungen entsprechend dem Zeitpunkt der Veränderung richtiggestellt. Diese Regelung kann auch im Falle von Gefahrerhöhungen eine Erhöhung der Prämie zur Folge haben223. Ähnliche Anpassungsregelungen enthalten die §§ 9 Abs. 1 ARB 75, 11 Abs. 1 ARB 94 / ARB 2000224. Zugelassen wird in den genannten Bestimmungen dabei jeweils eine Anpassung an den nach dem Tarif des Versicherers für die erhöhte Gefahr zu zahlenden Betrag225. Eine ausdrückliche Begrenzung der Prämienhöhe auf die von dem Versicherer im Neugeschäft geforderte Prämie findet sich regelmäßig nicht226. Vgl. Knappmann, in: Prölss / Martin § 11 VHB Rn. 5. Eine anzeigepflichtige und nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 AHB zu Prämienerhöhungen berechtigende „Änderung in dem versicherten Risiko“ soll zwar nach einer verbreiteten Ansicht grundsätzlich nur bei (quantitativen) Erweiterungen des versicherten Risikos i. S. d. § 1 Abs. 2 Nr. 2 b AHB, nicht dagegen bei (qualitativen) Gefahrerhöhungen i. S. d. § 1 Nr. 2 b AHB vorliegen (z. B. Späte, AHB, § 8 AHB Rn. 14 m. w. N.; Wussow, AHB, § 8 AHB Anm. 16). Auch wenn man dieser – nach dem Wortlaut der Klausel wohl nicht zwingenden – (kritisch dazu Littbarski, AHB, § 8 AHB Rn. 29; auch bei Voit, in: Prölss / Martin § 8 AHB Rn. 2; § 1 AHB Rn. 23 findet sich diese Differenzierung z. B. nicht) – Auslegung folgt, knüpft § 8 Abs. 2 AHB aber jedenfalls in manchen Fallgestaltungen an eine Gefahrerhöhung an, die ohne eine besondere vertragliche Regelung (d. h. insbesondere ohne den in § 1 Nr. 2 b liegenden Ausschluss der §§ 23 ff. VVG, vgl. dazu unten bei Fußnote 241) den §§ 23 ff. VVG unterfallen würde. Denn zum einen kann auch nach der genannten Auffassung bei Gefahrerhöhungen, die nicht zugleich eine Gefahrerweiterung darstellen, im Einzelfall eine Beitragserhöhung gerechtfertigt sein (Späte, AHB, § 8 AHB Rn. 14 m. w. N.). Zum anderen können auch quantitative „Erweiterungen“ des Risikos eine Gefahrerhöhung i. S. d. §§ 23 ff. VVG mit sich bringen. 224 Weitere Beispiele bei Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 789. 225 Für die hier geprüfte Veränderungen der individuellen Verhältnisse des Versicherungsnehmers wäre eine nicht am Tarif des Versicherers orientierte dauerhafte Prämienerhöhung auch kaum praktikabel. Diese Möglichkeit bleibt daher im folgenden außer Betracht. Vereinbarungen, die dem Versicherungsnehmer für den Fall eine höhere Prämienzahlungspflicht auferlegen, dass er das Nichtvorliegen einer Gefahrerhöhung nicht nachweist, werden unter III. 3. (S. 295 ff.) besprochen. 226 Soweit – wie dies etwa bei § 8 AHB der Fall ist – in den AVB zusätzlich zu der Erhöhungsregelung wegen Gefahrerhöhungen auch eine Prämienerhöhung wegen einer Veränderung des allgemeinen Schadenskostenbedarfes enthalten ist und die danach eintretenden Veränderungen der Prämie bei der Anpassung an die erhöhte Gefahr berücksichtigt werden 222 223

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

Um eine Prämienerhöhung, die an den Eintritt einer Gefahrerhöhung anknüpft, geht es auch dann, wenn ein bei Vertragsschluss vereinbarter Prämienrabatt wegfallen soll, sobald bestimmte gefahrerhöhende Umstände eintreten. Solche Rabattvereinbarungen finden sich in der Kraftfahrtversicherung. Ein Beispiel dafür sind sog. Garagentarife in der Kraftfahrzeug-Kaskoversicherung, die den Fortbestand eines bei Vertragsschluss gewährten Rabatts von der regelmäßigen Nutzung einer Garage abhängig machen (vgl. z. B. Nr. 12a TB). Da durch die nicht mehr regelmäßige Nutzung einer Garage eine Erhöhung der (Diebstahls-)Gefahr bewirkt wird, ist die in dem davon ausgelösten Rabattwegfall liegende Prämienerhöhung damit die Rechtsfolge einer Gefahrerhöhung i. S. d. § 23 Abs. 1 VVG227. Problematisch ist, ob es sich auch dann um eine Anknüpfung an eine Gefahrerhöhung i. S. d. § 23 Abs. 1 VVG handelt, wenn nicht an den Eintritt bzw. die Veränderung von gefahrerheblichen Umständen, die für einen Versicherungsfall kausal sein können, sondern an eine Veränderung, die für ein erhöhtes Gefahrniveau lediglich indizierend ist, angeknüpft wird. Solche Regelungen sind etwa in den schon im Zusammenhang mit Abweichungen von den §§ 16 ff. VVG angesprochenen Tarifregelungen in der Kraftfahrtversicherung228 enthalten. So wird die Einstufung in eine bestimmte Tarifgruppe in den TB von dem Vorliegen bzw. (§ 8 Abs. 3 AHB), wird die Anpassung regelmäßig die im Neugeschäft geforderte Prämie aber jedenfalls faktisch nicht überschreiten. 227 Als weitere Beispiele für Rabattvereinbarungen, die an den Eintritt einer Gefahrerhöhung anknüpfen, werden sog. Wenigfahrertarife diskutiert. Die Rabattgewährung wird bei solchen Vereinbarungen davon abhängig gemacht, dass das versicherte Fahrzeug nur eine bestimmte Zahl von Kilometern im Jahr gefahren wird. Ein Rabattwegfall tritt dabei bei Überschreitung der vereinbarten Jahreslaufleistung ein (vgl. z. B. Nr. 12b TB). Ob es sich bei dieser Voraussetzung für einen Rabattwegfall um eine Gefahrerhöhung i. S. d. §§ 23 ff. VVG handelt, ist allerdings problematisch: Eine Gefahrerhöhung setzt voraus, dass die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts von einem bestimmten Zeitpunkt nach Vertragsschluss an höher ist als zuvor. Darum geht es in diesen Fällen aber nicht. Der Eintritt eines Versicherungsfalles ist weder in der Kasko- noch in der KH-Versicherung vom Zeitpunkt der Überschreitung einer bestimmten Jahreslaufleistung an höher. Dass der Versicherungsnehmer auf dem 10.001. Kilometer einen Unfall erleidet, ist nicht wahrscheinlicher, als dass dies auf dem 9.999. oder dem 1. Kilometer geschieht. Das Gefahrniveau steigt daher nicht von einem bestimmten Zeitpunkt an. Dass bei einem Versicherungsnehmer mit mehr gefahrenen Kilometern eine höheres Risiko bestand, lässt sich vielmehr nur rückblickend sagen, wenn man die Risiken zusammenrechnet, die auf den bislang gefahrenen Kilometern bestanden. Klauseln der besprochenen Art knüpfen daher nicht an die Veränderung eines bestimmten Gefahrniveaus an, sondern limitieren lediglich die „Gefahrmenge“, die der Versicherer für eine bestimmte Prämie während einer bestimmten Zeiteinheit zu tragen bereit ist. Für solche Fälle passen die §§ 23 ff. VVG von vornherein nicht; um eine Abweichung von diesen Vorschriften handelt es sich daher nicht (a. A. allerdings wohl Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 789, die eine Parallele zum Leerstehenlassen einer Wohnung über mehr als 60 Tage ziehen, das in der Hausratversicherung als Gefahrerhöhung verstanden wird, vgl. § 13 Nr. 3b VHB 84 / 92. Dieser Fall unterscheidet sich allerdings dadurch von einer Überschreitung der Jahreslaufleistung, dass mit der Länge des Zeitraums, den eine Wohnung unbewohnt ist, auch die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts steigt). 228 Vgl. im 1. Abschnitt unter A. I. (S. 172).

2. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

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Nichtvorliegen bestimmter Umstände abhängig gemacht, die jedenfalls zum Teil für das beim Versicherungsnehmer gegebene Gefahrniveau bloß indizierend sind229. Bei Veränderungen solcher für die Prämienberechnung maßgeblicher Umstände wird dabei eine Anpassung der Prämie vorgesehen (Nr. 10 Abs. 1 TB). Entsprechendes gilt für spezielle Rabattvereinbarungen in der Kraftfahrtversicherung, die an für ein bestimmtes niedrigeres Gefahrniveau bloß indizierende Umstände anknüpfen und bei Wegfall eines solchen Umstandes auch einen Rabattwegfall anordnen230. Ob es sich bei einer für ein höheres Gefahrniveau bloß indizierenden Veränderung nach Vertragsschluss um eine Gefahrerhöhung handeln kann, ist umstritten. Zum Teil wird dies im Schrifttum grundsätzlich bejaht231 und nur dann, wenn die Veränderung lediglich schwach indizierend wirkt, eine bloß unerhebliche Gefahrsteigerung i. S. d. § 29 Satz 1 VVG angenommen232. Andere Stimmen gehen dagegen davon aus, dass die Veränderung bloß indizierender Umstände keine Gefahrerhöhung mit sich bringe, weil sie keinen Einfluss auf das versicherte Risiko habe233. Die letztgenannte Ansicht verdient den Vorzug. Die für den Versicherungsnehmer belastenden Rechtsfolgen der §§ 23 ff. VVG, insbesondere das Kündigungsrecht des Versicherers, lassen sich nur rechtfertigen, wenn feststeht, dass sich bei dem konkreten Versicherungsnehmer das bei Vertragsschluss gegebene Gefahrniveau tatsächlich erhöht hat. Dies gilt vor allem im Hinblick auf die fristlose Kündigungsmöglichkeit des Versicherers bei schuldhafter Herbeiführung einer Gefahrerhöhung (vgl. § 24 VVG). Es ist nicht sachgerecht, den Versicherungsnehmer dieser Sanktion schon dann auszusetzen, wenn er nur gewisse Indizien für eine erhöhte Schadenseintritts- oder Schadensauswirkungswahrscheinlichkeit geschaffen hat, ohne dass tatsächlich mehr mögliche Schadensursachen bestehen234. Zudem Beispiel: Wegfall der Beamteneigenschaft, vgl. Nr. 9b Nr. 6 TB. Beispiel: Rabatte für Eigenheimbesitzer. 231 Möller, in: Bruck / Möller § 23 Anm. 8. Davon, dass es sich um eine Gefahrerhöhung handelt, gehen wohl auch Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 789 und Knappmann VersR 1986, 401, 407 aus, die die Rechtsfolgen auch solcher Prämienerhöhungsregelungen mit den ansonsten für einschlägig gehaltenen Rechtsfolgen der §§ 23 ff. VVG vergleichen. 232 Möller, in: Bruck / Möller § 29 Anm. 6. 233 So ausdrücklich Prölss, NVersZ 2000, 153, 156 (nicht ganz deutlich dagegen Prölss, in: Prölss / Martin § 23 Rn. 6, der grundsätzlich den Eintritt von i. S. d. § 16 VVG gefahrerheblichen Umständen ausreichen lässt und damit auch indizierende Umstände einzubeziehen scheint) sowie der Sache nach OLG Karlsruhe NVersZ 1999, 226 (bei Drohungen Dritter mit der Herbeiführung des Versicherungsfalles könne nicht die Drohung selbst, sondern nur der Entschluss des Dritten, die Drohung wahrzumachen, eine Gefahrerhöhung darstellen). Auch die im 1. Abschnitt unter A. II. 1. b) (S. 178) geschilderte Auslegung des § 41 Abs. 1 VVG, die bei Veränderungen von Indiztatsachen keinen Anspruch auf Prämienverbesserung gibt, setzt dies voraus. 234 Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein Indiz mit so überwiegender Wahrscheinlichkeit einen Schluss auf das Vorliegen einer neuen potentiellen Schadensursache zulässt, dass es 229 230

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

würde die gesetzliche Sanktion der Leistungsfreiheit, die den Versicherungsnehmer zum Unterlassen von Gefahrerhöhungen bzw. zu deren Anzeige anhalten soll, bei bloß indizierenden Veränderungen von vornherein ins Leere gehen, da der Versicherungsfall auf solchen Veränderungen nicht beruhen kann. Wenn der Versicherer seine Prämienkalkulation an bloß indizierenden Umständen ausgerichtet hat, erhält er allerdings von denjenigen Versicherungsnehmern, bei denen nach Vertragsschluss solche indizierenden Umstände neu hinzugekommen sind, nicht die seiner Kalkulation entsprechende Prämie. Andererseits kann aber auch der Versicherungsnehmer bei einer nachträglichen Veränderung indizierender Umstände zu seinen Gunsten nicht ohne weiteres eine Prämiensenkung verlangen: Ob § 41a Abs. 1 VVG auch die Änderung solcher Umstände erfasst, lässt sich zumindest bezweifeln, da diese Vorschrift – die insoweit anders formuliert ist als § 41 VVG235 – ausdrücklich vom Wegfall von „die Gefahr erhöhenden“ Umständen spricht. Wenn man als Gefahrerhöhung i. S. d. § 23 VVG nur die Änderung von kausalen Gefahrumständen ansieht, kann man daher daran denken, auch § 41a VVG auf die Änderung solcher Umstände zu beschränken236. Aber selbst wenn § 41a VVG – insbesondere im Hinblick auf die oben237 geschilderte Auslegung des § 41 VVG -weiter versteht und auch auf bloß indizierende Veränderungen anwendet, wird der Versicherer durch das Fehlen einer Kündigungsmöglichkeit nach den §§ 24, 27 VVG nicht zu stark belastet. Die Erhöhungsmöglichkeit nach § 41a VVG wirkt sich nur auf ein ausdrückliches Verlangen des Versicherungsnehmers hin und nur für zukünftige Versicherungsperioden aus238. Der Versicherer erhält daher bei einer für den Versicherungsnehmer günstigen, eigentlich eine niedrigere Prämie rechtfertigenden Veränderung zumindest für eine Übergangszeit (wenn der Versicherungsnehmer es versäumt, eine Herabsetzung der Prämie zu verlangen, sogar noch länger) die bisherige (und damit eigentlich „zu hohe“) Prämie. Im Hinblick auf die oftmals bestehende Möglichkeit des Versicherers, den Folgen einer eine höhere Gefahr indizierenden Veränderung für seine Prämienkalkulation für zukünftige Versicherungsperioden zu entgehen, indem er den Vertrag zum nächstmöglichen Termin ordentlich kündigt, besteht daher kein gravierendes Ungleichgewicht zwischen den Möglichkeiten des Versicherers und

praktisch wie das Vorliegen eines Kausalumstandes wirkt. In einem solchen Fall müsste man es auch für den Nachweis der Gefahrerhöhung durch den Versicherer ausreichen lassen, wenn er das Vorliegen des Indizes nachweist. Um eine derart starke Indizwirkung geht es bei den in der Praxis verwendeten Regelungen indes nicht. 235 Zur Bedeutung des Wortlautes des § 41 VVG für die Frage, ob der Versicherer auch bei anfänglicher Verkennung indizierender Umstände eine Prämienerhöhung verlangen kann, vgl. oben unter im 1. Abschnitt unter A. II. 1. b) (S. 180 f.). 236 So legt z. B. Röhr, Anzeigepflicht, S. 267 m. w. N. § 41a VVG aus (allerdings vertritt Röhr auch die oben im 1. Abschnitt unter A. II. 1. b) (S. 178 ff.) abgelehnte Beschränkung des § 41 VVG auf nicht bloß indzierende Umstände). 237 Vgl. im 1. Abschnitt unter A. II. 1. b) (S. 178 ff.). 238 Vgl. zu dieser zeitlichen Begrenzung Knappmann, in: Prölss / Martin § 41a VVG Rn. 6.

2. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

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denen des Versicherungsnehmers. Jedenfalls lässt sich eine Kündigungsmöglichkeit nach den §§ 24, 27 VVG bei bloß indizierenden Veränderungen damit nicht rechtfertigen. Schließlich steht diese Lösung auch nicht im Widerspruch dazu, dass dem Versicherer bei anfänglicher Verkennung bloß indizierender Umstände ein Rücktritt bzw. eine Anfechtung und damit eine übergangslose Beendigung des Vertrages möglich ist. Diese Lösungsmöglichkeiten rechtfertigen sich mit dem unredlichen Verhalten des Versicherungsnehmers, das der Anzeigepflichtverletzung zugrunde liegt239. Das Kündigungsrecht nach den §§ 23 ff. VVG besteht dagegen unabhängig von einer solchen Pflichtverletzung. Auch wenn daher z. B. annimmt, dass die Eigenschaft als Beamter oder als Eigenheimbesitzer in der Kraftfahrzeug-Kaskoversicherung Rückschlüsse darauf zulässt, dass der Versicherungsnehmer sorgfältiger mit dem versicherten Kraftfahrzeug umgehen wird als der Durchschnitt der Versicherungsnehmer, und deshalb dem Wegfall einer solchen Eigenschaft indizierende Wirkung für ein erhöhtes Gefahrniveau zuspricht, rechtfertigt dies nicht die Anwendung der §§ 23 ff. VVG. Denn jedenfalls werden nicht alle (und wahrscheinlich noch nicht einmal der überwiegende Teil) der Versicherungsnehmer, die während der Versicherungszeit ihren Beamtenstatus oder ihr Eigenheim verlieren, mit dem versicherten Kraftfahrzeug weniger sorgfältig umgehen als vorher. Diesen Versicherungsnehmern gegenüber wäre die Einräumung einer (bei schuldhafter Beseitigung des für eine geringere Gefahr indizierenden Merkmales, also etwa bei freiwilligem Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis240, nach § 25 VVG sogar fristlosen) Kündigungsmöglichkeit für den Versicherer aber nicht zu begründen. Eine Veränderung nach Vertragsschluss, die für eine Änderung der Gefahrenlage beim Versicherungsnehmer bloß indizierend ist, stellt daher keine Gefahrerhöhung i. S. d. § 23 Abs. 1 VVG dar. Auf die an eine solche Regelungen anknüpfenden Regelungen wird daher erst unter III. eingegangen.

b) Für den Versicherungsnehmer günstige Abreden Die geschilderten, an Gefahrerhöhungen i. S. d. § 23 VVG anknüpfenden Anpassungsregelungen werden zum Teil mit für den Versicherungsnehmer günstigen Abreden verbunden. So werden die Rechte des Versicherers aus den §§ 23 ff. VVG mitunter ausgeschlossen. Dies ist etwa in den AHB der Fall. Nach § 1 Nr. 2 b) AHB erstreckt sich der Versicherungsschutz auch auf die gesetzliche Haftpflicht aus Erhöhungen des versicherten Risikos; nur für Erhöhungen der übernommeRöhr, Anzeigepflicht, S. 223 f. Dass es sich um eine aus beruflicher oder privater Sicht des Versicherungsnehmers vernünftige Maßnahme handelt, steht der Bejahung einer Gefahrerhöhung und einem Verschulden regelmäßig nicht entgegen, vgl. Prölss, in: Prölss / Martin § 23 Rn. 17, 41. 239 240

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

nen Gefahr durch die Änderung von Rechtsnormen wird auf die Geltung der §§ 27 bis 29 VVG verwiesen. Daraus lässt sich ein Ausschluss der §§ 23 ff. VVG für alle anderen Gefahrerhöhungen entnehmen241. Auch die §§ 9 ARB 75, 11 ARB 94 stehen – obwohl eine § 1 AHB entsprechende ausdrückliche Bestimmung fehlt – nach h. M. einem Rückgriff auf die Rechtsfolgen der §§ 23 ff. VVG entgegen242. Allerdings finden sich in beiden Bedingungswerken Regelungen, nach denen eine Kündigung durch den Versicherer möglich bleibt, wenn die höhere Gefahr auch nach dem Tarif des Versicherers auch gegen einen höheren Beitrag nicht übernommen wird (vgl. §§ 9 Abs. 2 ARB 75; 11 Abs. 1 Satz 2 ARB 94 / ARB 2000). Bei den §§ 11 VHB 84, 10 VGB 88 und 6 AFB ist es zumindest zweifelhaft, ob die Rechtsfolgen der §§ 23 ff. VVG ausgeschlossen werden sollen, da an anderer Stelle des jeweiligen Bedingungswerkes gerade für die Gefahrerhöhungen, bei deren Eintritt denen der Versicherer eine erhöhte Prämie verlangen kann, jeweils ausdrücklich auf die Geltung der §§ 23 – 30 VVG verwiesen wird (vgl. §§ 13 Nr. 2 und 3a VHB 84 / 92; 10 Nr. 2 und 3c VGB; 6 Nr. 3 Satz 2 AFB)243. Einige der genannten Regelungen sehen zudem bei Änderungen der bei Vertragsschluss bestehenden Risikolage nicht nur eine Prämienerhöhung, sondern bei einer Verringerung der Gefahr auch eine Prämiensenkung vor (so die § 8 Abs. 2 Nr. 2 AHB, 9 Abs. 3 ARB 75, 11 Abs. 2 ARB 94 / ARB 2000 , § 11 Nr. 3 VHB244). §§ 11 Nr. 4 VHB 84 / § 10 Nr. 4 VHB 2000 schließlich räumen dem Versicherungsnehmer nach einer Prämienerhöhung aufgrund eines Wohnungswechsels das Recht zur Kündigung innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zugang der Mitteilung 241 Voit, in: Prölss / Martin § 1 AHB Rn. 24 m. w. N.; Späte, AHB, § 1 AHB Rn. 231; OLG Hamm VersR 1981, 1122, 1123. 242 Prölss, in: Prölss / Martin § 9 ARB 75 Rn. 1 und § 11 ARB 94 Rn. 1; Harbauer, ARB, § 9 ARB 75 Rn. 2. Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 789 (auch zum entsprechenden Problem bei den AHB-Vermögen, vgl. dazu zudem Johannsen, in: Bruck / Möller / Johannsen, Allg.Haftpflichtversicherung, Anm. E19 und G115). – Allgemein lässt sich der Vereinbarung einer Anpassung der Prämie an die zum Zeitpunkt der Gefahrerhöhung geltenden Tarife des Versicherers im Zweifel (jedenfalls über § 305c Abs. 2 BGB n. F., vgl. dazu im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. IV. [S. 100 ff.)] ein Ausschluss dieser gesetzlichen Rechte entnehmen. In diesem Fall ist – auch aus Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers – davon auszugehen, dass der Versicherer schon vorab eine Entscheidung darüber getroffen hat, wie er auf die von Gefahrerhöhung ausgehende Störung des Äquivalenzverhältnisses reagieren will. Dass er daneben noch – wenn er sich dies nicht ausdrücklich vorbehält – von seinen demselben Zweck dienenden gesetzlichen Möglichkeiten Gebrauch machen will, kann jedenfalls im Regelfall nicht unterstellt werden. 243 Auch Johannsen, in: Bruck / Möller / Sieg / Johannsen, Feuerversicherung, Anm. G 67 entnimmt den §§ 6 AFB, 10 VGB, dass der Versicherer nicht auf sein Kündigungsrecht verzichten will. Anders geregelt ist die Frage aber z. B. in den §§ 24 Nr. 4 VHB 2000, 22 Nr. 4 VGB (Wohnfläche), die eine Prämienanpassung „anstelle“ des Kündigungsrechtes vorsehen. 244 Dies ergibt sich aus der Koppelung der Prämie an den jeweiligen – möglicherweise auch günstigeren – Tarif.

2. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

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über die erhöhte Prämie ein, wobei die Kündigung einen Monat nach Zugang wirksam werden soll. 2. Meinungsstand a) Bedenken an der Vereinbarkeit mit § 34a VVG Bedenken an der Vereinbarkeit von Prämienanpassungsklauseln der beschriebenen Art mit § 34a VVG hat vor allem Martin245 geäußert. Abreden, nach denen anstelle der gesetzlichen Rechtsfolgen eine Prämienerhöhung eintrete, weichen danach von den gesetzlichen Rechtsfolgen sowohl zugunsten wie zuungunsten des Versicherungsnehmers ab. Dies ergebe sich daraus, dass der Versicherungsnehmer nach dem Gesetz entweder durch eine Kündigung des Versicherers die Möglichkeit erhalte, das Risiko unversichert zu lassen bzw. es bei einem anderen Versicherer zu einer günstigeren Prämie unterzubringen, oder aber nach ungenutztem Ablauf der Kündigungsfrist Versicherungsschutz trotz erhöhter Gefahr zu unveränderter Prämie behalte246. Beide Möglichkeiten bestünden nach einer Prämienerhöhung nicht. Aus den §§ 41, 41a VVG sei vielmehr im Umkehrschluss zu entnehmen, dass das Gesetz eine Prämienverbesserung als Äquivalent für eine zusätzliche Gefahr nicht vorsehe247. Auch ein vertraglich eingeräumtes Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers wie in § 11 Nr. 4 VHB 84 schließe einen Verstoß gegen § 34a VVG nicht aus, da es für den Versicherungsnehmer günstiger sei, wenn der Versicherer kündigen müsse, um eine Prämienerhöhung durchzusetzen, als wenn die Last der Kündigung und auch das Risiko, dass die Kündigungsfrist versäumt werde, auf den Versicherungsnehmer verlagert werde248. Die zugleich vereinbarte Möglichkeit einer Prämiensenkung sei jedenfalls dann nicht geeignet, die Nachteile im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung auszugleichen, wenn der Versicherungsnehmer – wie dies bei § 11 Nr. 3 VHB 84 bei einem Umzug in ein gefahrgünstigeres Tarifgebiet der Fall sei – schon nach § 41a VVG eine Herabsetzung der Prämie verlangen könne249. Schließlich komme in jedem Falle nur eine „angemessene“ Prämiensteigerung in Betracht. Die Prämie dürfe danach prozentual nicht stärker steigen als die Gefahr. Auch insoweit sollen allerdings noch Bedenken bestehen, weil eine solche Erhöhung zu einer Gewinnsteigerung des Versicherers führen könne250.

245 SVR, N IV 3 ff.; zweifelnd zu § 11 VHB 84 auch Knappmann, in: Prölss / Martin § 12 VHB 84 Rn. 5. 246 Martin, SVR, N IV 3. 247 Martin, SVR, N III 5. 248 Martin, SVR, N IV 16. 249 Martin, SVR, N IV 17. 250 Martin, SVR, N IV 3.

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

b) Die herrschende Meinung Die h. M. hält die Vereinbarung einer Prämienerhöhung für den Fall einer Gefahrerhöhung dagegen für mit § 34a VVG vereinbar251. Dabei wird zum Teil bereits eine Abweichung von den §§ 23 ff. VVG verneint. Gegen Prämienanpassungsklauseln sollen danach schon deshalb keine Bedenken bestehen, weil mit ihnen gleichzeitig die erforderliche Einwilligung des Versicherers in die Gefahrerhöhung erteilt werde252. Zudem wird für Rabattvereinbarungen eine Abweichung von den §§ 23 ff. VVG zum Teil verneint, weil die Beitragsermäßigung nur unter einer Bedingung erfolge253. Jedenfalls soll eine Prämienerhöhung bei saldierender Betrachtung für den Versicherungsnehmer nicht nachteilig i. S. d. § 34a VVG sein. Dies wird zum Teil pauschal damit begründet, dass eine Mitversicherung von Gefahrerhöhungen unter Abbedingung der §§ 23 ff. VVG – wie etwa durch § 1 Nr. 2b AHB – für den Versicherungsnehmer günstiger sei, weil sein Versicherungsschutz dadurch im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung wesentlich verbessert werde254. Dies wird zum Teil auch für Fälle vertreten, in denen die Rechte des Versicherers aus den §§ 23 ff. VVG – wie bei § 6 Nr. 4 AFB 84 – nicht abbedungen wurden255. Zudem wird darauf verwiesen, dass die Fortsetzung des Vertrages unter gleichzeitiger Prämienerhöhung nach den Grundsätzen der Geschäftsgrundlagendoktrin das mildere Mittel im Vergleich zu einer völligen Zerschlagung des Vertrages darstelle256. Zum Teil wird bei der Begründung danach unterschieden, ob es sich um eine subjektive (d. h. vom Versicherungsnehmer schuldhaft veranlasste) oder um eine objektive Gefahrerhöhung handelt. Prämienanpassungsklauseln im Hinblick auf subjektive Gefahrerhöhungen sollen von vornherein unbedenklich sein, weil der Versicherungsnehmer dadurch vor der Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 25 VVG bewahrt werde257. Im Hinblick auf objektive Gefahrerhöhungen soll die Vereitelung der Möglichkeit des Versicherers, sich anderweitig günstiger zu ver251 Z. B. Möller, in: Bruck / Möller § 23 VVG Anm. 39; Johannsen, in: Bruck / Möller / Sieg / Johannsen, Feuerversicherung, Anm. G67; Prölss, in: Prölss / Martin § 27 VVG Rn. 3; Langheid, in: Römer / Langheid §§ 23 – 25 VVG Rn. 41; Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 789; Knappmann VersR 1996, 401, 406 ff.; Wussow VersR 2001, 678, 683; Gebauer NVersZ 2000, 7, 8. Auch die Rechtsprechung (z. B. BGH VersR 1959, 13, 14 für § 8 AHB) hat an solchen Klauseln bislang noch keine Bedenken im Hinblick auf § 34a VVG geäußert. 252 Langheid, in: Römer / Langheid §§ 23 – 25 VVG Rn. 41; Gebauer NVersZ 2000, 7,8; ähnlich Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 789 für § 8 AHB. 253 Knappmann VersR 1996, 401, 408; tendenziell zustimmend Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 788, der allerdings zur weiteren Begründung seines Ergebnisses noch eine Saldierung der Vor- und Nachteile der Regelungen durchführt. 254 Johannsen, in: Bruck / Möller / Johannsen, Allg. Haftpflichtversicherung, Anm. G 115. 255 Johannsen, in: Bruck / Möller / Sieg / Johannsen, Feuerversicherung, Anm. G 67. 256 Werber VersR 1976, 897, 900; ders. VP 1983, 39, 40. 257 Prölss, in: Prölss / Martin § 27 VVG Rn. 3; Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 790; Wussow VersR 2001, 678, 683.

2. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

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sichern oder aber angesichts der erhöhten Prämie ganz auf Versicherungsschutz zu verzichten, durch das Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers aus § 31 VVG ausgeglichen werden258. Unabhängig von dieser Überlegung wird zudem zum Teil bezweifelt, ob die genannten Entscheidungsmöglichkeiten des Versicherungsnehmers nach einer Kündigung des Versicherers überhaupt bei der Saldierung zu berücksichtigen sind259. Dagegen wird eingewandt, dass das Kündigungsrecht des Versicherers nur diesen begünstigen solle. Zudem lasse sich bereits aus der Versicherung des geringeren Risikos entnehmen, dass der Versicherungsnehmer im Zweifel auch das erhöhte Risiko versichern (und dieses damit auch nicht unversichert lassen) wolle. Schließlich bestehe auch keine gesicherte Wahrscheinlichkeit, dass der Versicherungsnehmer nach einer Kündigung durch den Versicherer anderweitig günstigeren Versicherungsschutz erhalten könne260.

3. Abweichung von den §§ 23 ff., 41 f. VVG a) Abweichung von den §§ 23 ff. VVG Die Vereinbarung einer Prämienerhöhung erlegt dem Versicherungsnehmer eine in den §§ 23 ff. VVG nicht – weder nach einer Kündigung durch den Versicherer noch bei einer Fortsetzung des Vertrages unter Einschluss der erhöhten Gefahr – vorgesehene Zahlungspflicht auf. Soweit diese Belastung an eine Erhöhung des bei Vertragsschluss bestehenden tatsächlichen Gefahrniveaus anknüpft, kann darin eine Verschlechterung der dem Versicherungsnehmer durch die §§ 23 ff. VVG zugewiesenen Rechtsposition und damit eine Abweichung i. S. d. § 34a VVG zu sehen sein261. aa) Prämienerhöhung analog § 41 VVG? Eine nachteilige Abweichung von den §§ 23 ff. VVG kommt allerdings nicht in Betracht, soweit sich ein Anspruch des Versicherers auf Prämienverbesserung be258 Prölss, in: Prölss / Martin § 27 VVG Rn. 3; Langheid, in: Römer / Langheid §§ 23 – 25 VVG Rn. 42. 259 Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 790. 260 Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 790. 261 Die mit der Vereinbarung einer Prämienerhöhung verbundene Vereitelung der Aussicht des Versicherungsnehmers, dass das Versicherungsverhältnis unter Einschluss der erhöhten Gefahr zu der bisherigen Prämie fortgesetzt wird, weil der Versicherer von seinem Kündigungsrecht nicht oder nicht rechtzeitig Gebrauch macht (diesen Gesichtspunkt hebt Martin, SVR , N IV 3 als für den Versicherungsnehmer ungünstige Folge einer Prämienerhöhung hervor), ist mit diesem Nachteil identisch. Bei der Saldierung ist allerdings aus den im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. III. 2. c) cc) (S. 99) genannten Gründen davon auszugehen, dass der Versicherer von seinem gesetzlichen Kündigungsrecht Gebrauch gemacht hätte.

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

reits aus einer Analogie zu § 41 VVG ergibt und eine Vereinbarung lediglich eine dieser Vorschrift entsprechende Erhöhung zum Gegenstand hat. Eine analoge Anwendung des § 41 VVG bei nachträglichen Gefahrerhöhungen wird jedoch im Schrifttum allgemein abgelehnt262. Zu Recht: Ausgeschlossen ist eine Analogie zunächst jedenfalls dann, wenn die Rechte des Versicherers aus den §§ 23 ff. VVG, insbesondere das Kündigungsrecht nach den §§ 24, 27 VVG, nicht vorab abbedungen wurden. Aus § 41 VVG lässt sich nicht entnehmen, dass der Versicherer wahlweise auch dann eine Prämienerhöhung verlangen kann, wenn er eine Äquivalenzstörung durch eine Lösung von dem Vertrag abwenden könnte. Die in § 41 VVG ausdrücklich geregelten Fälle betreffen vielmehr nur Konstellationen, in denen eine solche Lösungsmöglichkeit des Versicherers von vornherein fehlt263. Zudem trifft das Gesetz in § 41a VVG eine ausdrückliche Regelung des Prämienschicksals für den Fall einer Verringerung des ursprünglichen Gefahrniveaus nach Vertragsschluss. Daraus – sowie aus der ausführlichen Regelung des Prämienschicksals bei anfänglicher Fehleinschätzung des bei dem Versicherungsnehmer bestehenden Gefahrniveaus durch § 41 VVG – lässt sich im Umkehrschluss entnehmen, dass das Gesetz dem Versicherer bei Gefahrerhöhungen bewusst nicht noch zusätzlich zu den gesetzlichen Rechten die Möglichkeit eingeräumt hat, eine höhere Prämie zu verlangen264. Man könnte höchstens überlegen, ob § 41 VVG nicht – ähnlich wie bei einem Ausschluss des gesetzlichen Anfechtungs- oder Rücktrittsrechtes wegen schuldhafter Anzeigepflichtverletzung – zumindest dann analog anzuwenden ist, wenn das gesetzliche Kündigungsrecht des Versicherers aus den §§ 24, 27 VVG vorab vertraglich ausgeschlossen wurde. Auch eine solche Analogie ist indes abzulehnen. Die Interessenlage nach einer Gefahrerhöhung unterscheidet sich wesentlich von derjenigen bei anfänglicher Verkennung eines gefahrerheblichen Umstandes. Der bei anfänglicher Verkennung der bei Vertragsschluss vorliegenden Gefahrumstände mögliche Erst-Recht-Schluss von der gesetzlichen Regelung schuldlosen Verhaltens auf die nach dem Gesetz zulässige Behandlung schuldhafter Anzeigepflichtverletzungen265 lässt sich nicht auf Gefahrerhöhungen übertragen. Dass § 41 VVG eine allgemeine Wertung zu entnehmen ist, nach der auch im Falle einer Gefahrerhöhung eine § 41 VVG entsprechende Prämienerhöhung als angemessener Interessenausgleich zu bewerten ist, ist aber nicht anzunehmen. Eine Abweichung von den §§ 23 ff. VVG scheitert daher nicht an einer Analogie zu § 41 VVG.

262 Knappmann, in: Prölss / Martin § 41 VVG Rn. 2; Römer, in: Römer / Langheid § 41 VVG Rn. 2.; Martin SVR N III 7; offen lassend Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 789. 263 Vgl. dazu bereits oben im 1. Abschnitt unter unter A. II. 1. a) (S. 174). 264 Für einen Umkehrschluss aus den §§ 41 f. VVG – entgegen der im folgenden im Text vertretenen Auffassung allerdings wohl auch dann, wenn die §§ 23 ff. VVG vertraglich ausgeschlossen wurden – auch Martin, SVR, N III 5. 265 Vgl. dazu im 1. Abschnitt unter A. II. 1. a) bb) (2) (b) (S. 178).

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bb) Kein Konflikt mit § 34a VVG bei vollständigem Ausschluss der gesetzlichen Rechte des Versicherers? Ein Konflikt mit § 34a VVG scheidet auch nicht schon dann von vornherein (d. h. ohne dass es auf eine Saldierung ankäme) aus, wenn die §§ 23 ff. VVG (wie etwa durch §§ 1 Nr. 2b, 8 AHB), insgesamt abbedungen werden. Die Abbedingung der §§ 23 ff. VVG allein kann nicht die Vereinbarung von für den Versicherungsnehmer im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung überwiegend nachteiligen Rechtsfolgen rechtfertigen. Andernfalls ständen die Folgen einer nachträglichen Veränderungen des bei Vertragsschluss bestehenden Gefahrniveaus entgegen § 34a VVG im Ergebnis uneingeschränkt zur Disposition der Parteien. Etwas anderes ergibt sich auch für vom Versicherungsnehmer veranlasste Gefahrerhöhungen nicht daraus, dass in der Vereinbarung einer Prämienerhöhung jedenfalls dann, wenn sie mit einem Ausschluss der Rechte des Versicherers aus den §§ 23 ff. VVG verbunden wird, eine Einwilligung i. S. d. § 23 Abs. 1 VVG in die Vornahme der Gefahrerhöhung zu erblicken ist266. Dass das Gesetz mit Einwilligung des Versicherers vorgenommene Gefahrerhöhungen nicht den Rechtsfolgen der §§ 23 ff. VVG unterwirft, bedeutet nicht, dass der Versicherer sich durch die Erteilung seiner Zustimmung den Begrenzungen des § 34a VVG entziehen kann. Vielmehr ist es ihm auch nach einer Einwilligung in die Gefahrerhöhung untersagt, für eine nachträgliche Erhöhung der Gefahr Rechtsfolgen zu vereinbaren, die für den Versicherungsnehmer im Saldo schärfer sind als die ohne seine Einwilligung eintretenden gesetzlichen Rechtsfolgen. cc) Einordnung als Obliegenheit i. S. d. § 32 VVG? Ein Konflikt mit den §§ 23 ff. VVG wird schließlich auch nicht durch § 32 VVG ausgeschlossen. Obliegenheiten der in den § 32 VVG genannten Art sind zwar von den einengenden Vorschriften der §§ 23 – 30 VVG befreit267. Die Vereinbarung einer solchen Obliegenheit ist daher auch nicht an § 34a VVG zu messen268. Darum geht es bei der Vereinbarung einer Prämienerhöhung als Rechtsfolge des Eintritts einer Gefahrerhöhung indes nicht. Um eine Obliegenheit i. S. d. § 32 VVG kann es sich zum einen nur handeln, wenn die Erhöhung gerade an ein bestimmtes Verhalten – das auch in der Unterlassung einer konkret bezeichneten Gefahrerhöhung bestehen kann269 – des Versicherungsnehmers anknüpft270. Daran fehlt es bei einer bloß allgemeinen Anknüpfung an den Eintritt einer nicht näher umschriebenen Gefahrerhöhung (wie sie etwa in Klauseln wie § 8 Abs. 2 AHB oder § 11 ARB 266 So aber Gebauer NVersZ 2000, 7, 8; Langheid, in: Römer / Langheid §§ 23 – 25 VVG Rn. 42. 267 Prölss, in: Prölss / Martin § 32 VVG Rn. 1. 268 Möller, in: Bruck / Möller § 32 VVG Anm. 3. 269 Prölss, in: Prölss / Martin § 32 VVG Rn. 1. 270 Möller, in: Bruck / Möller § 32 VVG Anm. 5.

17 Klimke

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

94 enthalten ist). Eine Obliegenheitsvereinbarung kommt daher nur bei Vereinbarung spezieller Prämienerhöhungstatbestände, die vom Versicherungsnehmer veranlasste Gefahrerhöhungen zum Gegenstand haben, in Betracht (also z. B. bei Vereinbarung eines Rabattwegfalles in der Kaskoversicherung bei nicht mehr regelmäßiger Nutzung der Garage durch den Versicherungsnehmer). Zum anderen setzt das Vorliegen einer „Obliegenheit“ i. S. d. § 32 VVG voraus, dass der Versicherungsnehmer durch die Vereinbarung gerade zu einem bestimmten gefahrverhütenden Verhalten angehalten werden soll. § 32 VVG soll dem Versicherer die Möglichkeit geben, dem Versicherungsnehmer im Interesse der Gefahrengemeinschaft besondere, über die in den §§ 23 ff. VVG hinausgehende Verhaltenspflichten aufzuerlegen271. Darum geht es nur, wenn das die Gefahrerhöhung verursachende Verhalten mit einer Sanktion versehen wird, die geeignet ist, ihn von der Veranlassung der Gefahrerhöhung abzuschrecken. Daran fehlt es, wenn die Herbeiführung der Gefahrerhöhung lediglich eine Anpassung der Prämie an den Betrag zur Folge hat, der nach dem Tarif des Versicherers für die erhöhte Gefahr zu zahlen ist. Die damit verbundenen Nachteile für den Versicherungsnehmer sind (auch wenn sie ihn im Saldo schlechter stellen sollten als die §§ 23 ff. VVG), da er für die Prämie eine entsprechende Ausweitung des Versicherungsschutzes erhält, nicht so gravierend, dass sie geeignet wären, den Versicherungsnehmer von der Herbeiführung der Gefahrerhöhung abzuhalten. Dies gilt auch dann, wenn man davon ausgeht, dass der Versicherungsnehmer die erhöhte Gefahr bei einem anderen Versicherer günstiger versichern könnte272. § 32 VVG steht einer Beurteilung der hier interessierenden Vereinbarung anhand des § 34a VVG daher nicht entgegen273. dd) Ergebnis zu a) Die Vereinbarung einer Prämienerhöhung, die an eine – erhebliche oder unerhebliche – Gefahrerhöhung anknüpft, weicht daher i. S. d. § 34a VVG zu Lasten des Versicherungsnehmers von den §§ 23 ff. VVG ab. b) Abweichung von den §§ 41 f. VVG Eine Vereinbarung, die eine Prämienerhöhung vorsieht, ohne die Rechte des Versicherers aus den §§ 23 ff. VVG auszuschließen, weicht zudem i. S. d. § 42 VVG von den §§ 41 f. VVG ab274. Wie bereits oben dargelegt, lässt sich aus den Möller, in: Bruck / Möller § 32 Anm. 3. s. zu dieser Frage unten unter 4. c) aa) (1) (a) (S. 268 f.) und (2) (c) (S. 272 ff.). 273 Gegen die Einordnung von Vereinbarungen über einen Rabattwegfall als Obliegenheitsvereinbarungen – allerdings im Hinblick auf einen möglichen Verstoß gegen die §§ 6, 15a VVG, nicht auf § 32 VVG – mit entsprechender Begründung Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 788. Vgl. auch Gebauer NVersZ 2000, 7, 8. 274 Zu der Frage, ob sich aus den §§ 41 f. VVG ein Schluss auf die Vorteilhaftigkeit einer Vertragsfortsetzung ziehen lässt, vgl. unten unter 4. c) bb) (S. 279 f.). Eine Abweichung 271 272

2. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

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§§ 41, 41a VVG im Umkehrschluss entnehmen, dass der Versicherer bei Gefahrerhöhungen nach Vertragsschluss nicht zusätzlich zu den gesetzlichen Rechten aus den §§ 23 ff. VVG eine Möglichkeit zur Erhöhung der Prämie haben soll. Die Freiheit von einer solchen Belastung gehört daher auch zu der von § 42 VVG gegen nachteilige Abweichungen geschützten Rechtsposition des Versicherungsnehmers. Soweit eine Prämienerhöhungsregelung mit einer Abbedingung der §§ 23 ff. VVG verbunden wird, gilt dies indes nicht. Die §§ 41, 41a VVG setzen die gesetzlichen Reaktionsmöglichkeiten des Versicherers im Falle einer Gefahrerhöhung voraus. Nicht geregelt wird dagegen der Fall, dass diese Möglichkeiten von vornherein ausgeschlossen wurden. Dass in der gesetzlichen Regelung auch für diese Konstellation bereits eine Entscheidung für die Unzulässigkeit einer Prämienerhöhung enthalten ist, ist daher nicht anzunehmen. Vielmehr muss sich eine solche Vereinbarung allein an den §§ 23 ff., 34a VVG messen lassen275.

4. Die Nachteiligkeit der Abweichung a) In die Saldierung einzustellende Vorteile aa) Ausschluss von Kündigungsrecht und Leistungsfreiheit Nach der gesetzlichen Regelung ist der Versicherer in allen Fällen einer Gefahrerhöhung zur Kündigung des Versicherungsverhältnisses berechtigt (§§ 24 Abs. 1 Satz 1, 27 Abs. 1 Satz 1 VVG). Außerdem ist er bei vom Versicherungsnehmer schuldhaft veranlassten Gefahrerhöhungen stets, in den übrigen Fällen einer Gefahrerhöhung nur, wenn dem Versicherungsnehmer eine Anzeigepflichtverletzung zur Last fällt, im Hinblick auf von der Gefahrerhöhung beeinflusste Versicherungsfälle leistungsfrei (§§ 25 Abs. 2 Satz 2, 28 Abs. 1 VVG). Ein Ausschluss des Kündigungsrechtes und der Leistungsfreiheit des Versicherers führt daher zu einer Ausweitung des Versicherungsschutzes: Für die Zeit nach einer möglichen Kündigung des Versicherers behält der Versicherungsnehmer durch den Ausschluss der Kündigung seinen bisherigen Versicherungsschutz unter Einschluss der erhöhten Gefahr. Da bei der Saldierung zu unterstellen ist, dass der Versicherer bei uneingeschränkter Geltung der gesetzlichen Regelung von seinem Kündigungsrecht Gebrauch gei. S. d. § 42 VVG wird offenbar von Prölss, in: Prölss / Martin § 27 Rn. 3 für möglich gehalten, im Hinblick auf das Kündigungsrecht des Versicherers aber im Ergebnis abgelehnt. Auch Martin SVR N III 5 argumentiert mit den §§ 41 f. VVG, stützt seine Bedenken an der Zulässigkeit einer Prämienerhöhung dabei aber nicht auf § 42 VVG, sondern auf § 34a VVG. 275 Diese Frage ist nicht nur von theoretischem Interesse. Wenn man den §§ 41 f. , 42 VVG entnähme, dass auch bei Ausschluss der gesetzlichen Rechte aus den §§ 23 ff. VVG eine Abweichung vorliegt, dann würde aus diesen Vorschriften die – auch im Rahmen der Saldierung zu beachtende (vgl. dazu im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. III. 2. c) aa) [S. 92 f.]) – Wertung folgen, dass die Vorteile aus dem Ausschluss der gesetzlichen Regelung nicht geeignet sind, die Nachteile zu kompensieren; vgl. zu einem entsprechenden Problem schon oben im 1. Teil in Fußnote 25. 17*

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

macht hätte, ist dies stets gerade die Folge des Ausschlusses276. Für die Zeit davor erweitert sich der Umfang seines Versicherungsschutzes, da er für von der Gefahrerhöhung beeinflusste Versicherungsfälle auch in den Fällen der §§ 25, 28 VVG Versicherungsschutz erhält. Den erstgenannten Vorteil bringt auch eine Prämienanpassungsregelung mit sich, die die §§ 23 ff. VVG nicht ausdrücklich ausschließt, soweit der Versicherer faktisch nicht von seinem Kündigungsrecht Gebrauch macht, weil er die Prämie erhöhen kann277. bb) Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers nach § 31 VVG Ein Vorteil im Vergleich zu den §§ 23 ff. VVG ergibt sich für den Versicherungsnehmer auch, soweit ihm infolge der Prämienerhöhung ein Kündigungsrecht aus § 31 VVG zusteht. In diesem Falle hat er es – anders als nach den §§ 23 ff. VVG, die nur eine Lösungsmöglichkeit des Versicherers kennen – selbst in der Hand, nach einer Gefahrerhöhung die Beendigung des Vertrages und damit seine Entlassung aus der vertraglichen Bindung herbeizuführen. (1) Prämienerhöhung ohne Änderung des Deckungsumfanges § 31 VVG setzt zunächst voraus, dass es sich um eine Prämienerhöhung ohne eine Änderung des Umfanges des Versicherungsschutzes handelt. Diese Voraussetzung ist nach einer verbreiteten Ansicht auch dann erfüllt, wenn für den Fall einer Gefahrerhöhung eine Prämienanpassung vorgesehen wird278. Dass der Versicherungsschutz bei einer solchen Gestaltung auch die Risiken aus der erhöhten Gefahr abdeckt, soll danach nicht zu einer Erweiterung des Deckungsumfanges führen279. Dies ist überzeugend, soweit die Prämienerhöhung Zeiträume betrifft, während derer der Versicherer nach der gesetzlichen Regelung die erhöhte Gefahr ohne Mehrprämie versichern müsste: Für diese Zeiträume bringt die Versicherung der Risiken aus der erhöhten Gefahr keine Ausweitung des ohne die Prämienerhöhungsregelung bestehenden Deckungsumfanges mit sich. Um eine Prämienerhöhung ohne eine Änderung des Umfanges des Versicherungsschutzes handelt es sich daher zum einen dann, wenn die Prämie bei vom Versicherungsnehmer nicht oder nicht schuldhaft veranlassten Gefahrerhöhungen, die von ihm ordnungsgemäß angezeigt wurden, schon für die Zeit vor dem Zeitpunkt erhöht wird, in dem der Versicherer den Vertrag durch seine eigene Kündigung hätte beenden können. Für diesen Zeitraum ist der Versicherer nach der gesetzlichen Regelung zur Versicherung der erhöhten Gefahr verpflichtet, ohne dafür Vgl. dazu im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. III. 2. c) cc) (S. 97). Zur Berücksichtigung solcher Vorteile bei der Saldierung vgl. im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. III. 2. a) bb) (S. 82 ff.). 278 Prölss, in: Prölss / Martin § 31 VVG Rn. 1 (a. A. noch Vorauflage § 31 Anm. 1); BK / Harrer § 31 VVG Rn. 5. 279 Prölss, in: Prölss / Martin § 31 VVG Rn. 1. 276 277

2. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

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eine Mehrprämie verlangen zu können (eine Leistungsfreiheit kommt insoweit nur bei einer Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers in Betracht, vgl. im einzelnen §§ 25 Abs. 2; 28 Abs. 2 VVG). Zum anderen muss der Versicherer, unabhängig von der Art der Gefahrerhöhung, die Risiken aus der erhöhten Gefahr nach der gesetzlichen Regelung auch – sofern er von seinem Kündigungsrecht Gebrauch macht – in der Zeit nach Ablauf der gesetzlichen Ausschlussfrist für seine Kündigung (also einen Monat nach Kenntnis von der Gefahrerhöhung, vgl. §§ 24, 27 VVG) tragen, da eine Leistungsfreiheit des Versicherers ausgeschlossen ist, sobald diese Frist ungenutzt verstrichen ist (vgl. §§ 25 Abs. 3, 28 Abs. 2 Satz 2 VVG). Einer Prämienerhöhung steht daher auch für diesen Zeitraum keine Erweiterung des Deckungsumfanges gegenüber. Dem steht nicht entgegen, dass der Versicherer nach der gesetzlichen Regelung auch hätte kündigen können. Der Versicherungsschutz wäre zwar nach einer solchen Kündigung ganz weggefallen. Dies rechtfertigt es aber nicht, die Fortsetzung des Vertrages als „Änderung des Deckungsumfanges“ i. S. d. § 31 VVG anzusehen. § 31 VVG soll verhindern, dass der Versicherungsnehmer ohne eine eigene neue Entscheidungsmöglichkeit an einen Vertrag gebunden wird, dem ein ungünstigeres als das ursprünglich vereinbarte Preis- / Leistungsverhältnis zugrunde liegt280. Diese Gefahr einer ungewollten Bindung des Versicherungsnehmers besteht aber auch dann, wenn der Versicherer auch hätte kündigen können. Der Zweck des § 31 VVG erfordert es daher, dem Versicherungsnehmer auch in einem solchen Fall die Gelegenheit zu geben, erneut über seine Bindung an den Vertrag zu entscheiden. Bedenken an der Geltung des § 31 VVG bestehen allerdings insoweit, als die Erhöhung für Zeiträume vorgesehen wird, in denen der Versicherer nach der gesetzlichen Regelung im Hinblick auf die Risiken aus der erhöhten Gefahr leistungsfrei wäre – bei vom Versicherungsnehmer schuldhaft veranlassten Gefahrerhöhungen also für den Zeitraum zwischen dem Eintritt der Gefahrerhöhung und dem Ablauf der Kündigungsfrist des Versicherers, bei nicht oder nicht schuldhaft veranlassten Gefahrerhöhungen von dem in den §§ 25 Abs. 2 Satz 2, 28 Abs. 2 VVG bezeichneten Zeitpunkt an bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Wenn der Versicherer für diese Zeiträume Versicherungsschutz auch für die Risiken aus der erhöhten Gefahr gewährt, erweitert er damit den Deckungsumfang im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung. Wenn sich die Prämienerhöhung auf diese Zeiträume beschränkt, besteht daher kein Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers aus § 31 VVG281. Die in der Praxis verwendeten Prämienerhöhungsregelungen sehen 280 Vgl. zu dieser Zwecksetzung des Gesetzes bereits oben im 1. Abschnitt unter unter A. III. 1. a) aa) (2) (S. 188). 281 Bei der – hier allein interessierenden – Anpassung an den Tarif des Versicherers handelt es sich auch um eine proportionale Prämiensteigerung. Da § 31 VVG dem Versicherungsnehmer bei Veränderungen des bei Vertragsschluss bestehenden Äquivalenzverhältnisses eine Entscheidungsmöglichkeit einräumen soll, muss er zwar auch dann kündigen können, wenn die Prämienerhöhung mit einer Erweiterung des Deckungsumfanges verbunden wird, die Prämie im Vergleich dazu aber überproportional steigt. In diesem Fall handelt es sich um eine verdeck-

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

allerdings eine Prämienerhöhung jeweils unabhängig davon vor, ob der Versicherer nach der gesetzlichen Regelung leistungsfrei wäre oder nicht282. Es handelt sich daher – insbesondere soweit es um vom Versicherungsnehmer schuldhaft veranlasste Gefahrerhöhungen geht – um eine Kombination von Prämiensteigerungen mit und ohne Änderung des Deckungsumfanges. Auch eine solche Prämienerhöhung wird aber von § 31 VVG erfasst. Dies ergibt sich aus der mit ihr verbundenen (teilweisen) Änderung des ursprünglichen Äquivalenzverhältnisses. Das von § 31 VVG vorausgesetzte Bedürfnis nach einer erneuten Entscheidung des Versicherungsnehmers besteht daher auch hier. Dass die Prämienerhöhung an eine Gefahrerhöhung anknüpft, steht daher einem Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers aus § 31 VVG in den hier interessierenden Fällen nicht entgegen283. (2) Erhöhung durch den Versicherer Bedenken an der Anwendbarkeit des § 31 VVG könnten sich allerdings daraus ergeben, dass die hier untersuchten Prämienanpassungsregelungen regelmäßig eine automatische Prämienerhöhung vorsehen. Die Prämie erhöht sich danach vom Zeitpunkt der Gefahrerhöhung an, ohne dass es einer zusätzlichen Entscheidung des Versicherers bedarf. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist es dagegen erforderlich, dass „der Versicherer“ die Prämie „aufgrund einer Anpassungsklausel“ erhöht. Dies könnte man dahin verstehen, dass ein Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers nur bei Prämienerhöhungen bestehen soll, die auf einer nach Vertragsschluss getroffenen Entscheidung des Versicherers beruhen284. Allerdings geht, da jedenfalls bei AVB die Gestaltung der Prämienanpassungsregelung in der Hand des Versicherers liegt, die Erhöhung auch bei einer automatischen Anpassung praktisch auf den Versicherer zurück. Zudem spricht auch der Zweck des § 31 VVG für die Einräumung eines Kündigungsrechtes. Ein Interesse des Versicherungsnehmers daran, über eine durch eine Prämienerhöhung eingetretene Änte Prämienerhöhung ohne Erweiterung des Deckungsumfanges, für die § 31 VVG gilt, vgl. Prölss, in: Prölss / Martin § 31 VVG Rn. 1; Langheid, in: Römer / Langheid § 31 Rn. 4. Wenn die Prämie für Zeiträume, innerhalb derer der Versicherer leistungsfrei wäre, an den Tarif des Versicherers angepasst wird, erhält der Versicherungsnehmer aber mit der Ausweitung des Versicherungsschutzes bei seinem Versicherer, zu der für ihn gar keine Alternative bestünde, einen mindestens gleichwertigen Vorteil, vgl. dazu oben im 1. Abschnitt unter unter A. III. 1. a) cc) (1) (a) (S. 190) und unten unter c) aa) (1) (a) (S. 268 ff.) und c) aa) (2) (b) (S. 272). 282 An einer isolierten Prämienerhöhung nur für den Zeitraum, in dem der Versicherer leistungsfrei wäre, besteht auch kein Interesse des Versicherers, dem es regelmäßig vor allem darum gehen wird, für die Zukunft, d. h. für den Zeitraum nach Ablauf seiner Kündigungsfrist, eine Prämienerhöhung durchzusetzen. 283 Zur Frage, welche Wirkungen die Ausübung des Kündigungsrechtes hat, vgl. unten (3). 284 So aber offenbar Feyock, in: Feyock / Jacobsen / Lemor vor § 1 PflVG Rn. 40 f., der dem Versicherungsnehmer bei einer Preisänderung ohne zusätzliche rechtsgeschäftliche Willenserklärung des Versicherers kein Kündigungsrecht nach § 31 VVG geben will. – Zu der Notwendigkeit einer Analogie in diesen Fällen vgl. bereits oben im 1. Abschnitt unter unter A. III. 1. a) aa) (2) (S. 188).

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derung des ursprünglichen Äquivalenzverhältnisses zu entscheiden, besteht nicht nur dann, wenn die Prämienerhöhung auf einer nach Vertragsschluss getroffenen Entscheidung des Versicherers beruht. Ein Bedürfnis nach einer erneuten Entscheidung des Versicherungsnehmers ist vielmehr grundsätzlich auch dann anzuerkennen, wenn sich die Prämie bei Eintritt bestimmter Umstände automatisch in einem dem Versicherungsnehmer vorab nicht im einzelnen absehbarem Umfang erhöht. § 31 VVG ist daher in solchen Fällen analog anzuwenden. Dem Versicherungsnehmer muss nur dann keine Gelegenheit zur Entscheidung und zur Abwendung der Prämienerhöhung gegeben werden, wenn er sich bereits vorab im einzelnen darauf einstellen konnte. Dies setzt voraus, dass er sich mit dem Versicherer bereits so konkret über die Erhöhung der Prämie geeinigt hat, dass von seiner antizipierten Zustimmung zu der konkreten Prämienerhöhung auszugehen ist285. Dies könnte insbesondere bei speziellen Rabattvereinbarungen der Fall sein, bei denen an den Wegfall einer bestimmten gefahrsenkenden Rabattvoraussetzung (z. B. die regelmäßige Nutzung einer Garage in der Kraftfahrtversicherung) der Wegfall eines der Höhe schon bei Vertragsschluss konkret bezeichneten Rabattes geknüpft wird. Auch bei solchen Vereinbarungen ist allerdings zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch unsicher, ob es überhaupt zu der Gefahrerhöhung kommen wird (anders wäre es etwa bei einer Vereinbarung, nach der die Prämie sich zu einem bestimmten Termin, z. B. jährlich, um einen bestimmten Betrag erhöhen soll). Es besteht daher die stets Gefahr, dass der Versicherungsnehmer die Wahrscheinlichkeit des Eintrittes einer Gefahrerhöhung zu gering einschätzt und deshalb auch die Folgen der Prämienerhöhungsregelung bei Vertragsschluss falsch bewertet. Auch bei einer solchen Gestaltung kann daher nicht von einer vorweggenommenen Willensbildung des Versicherungsnehmers ausgegangen werden, die ein Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers nach § 31 VVG entbehrlich machen würde. Dass die Prämienerhöhung automatisch eintritt, steht daher der Anwendung des § 31 VVG nicht entgegen. (3) Rechtsfolgen nach Ausübung des Kündigungsrechtes Für die genaue Bestimmung des mit dem Kündigungsrecht aus § 31 VVG verbundenen Vorteils für den Versicherungsnehmer kommt es darauf an, in welchem Umfange er die Prämienerhöhung durch seine Kündigung abwenden kann. (a) Rückwirkende Abwendung der Prämienerhöhung Problematisch sind zunächst die zeitlichen Wirkungen des Kündigungsrechtes. Klar ist allerdings, dass der Versicherungsnehmer immer die Möglichkeit hat, mit 285 Vgl. dazu bereits oben im 1. Abschnitt unter A. III. 1. a) aa) (2) (S. 187 f.) sowie zu einer ähnlichen Problematik im Rahmen des § 10 Nr. 5 AGBG a. F. Prölss VersR 1996, 145 ff., der eine besondere Schutzbedürftigkeit des Kunden bei nicht vorweg konkret vereinbarten Vertragsänderungen annimmt.

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

sofortiger Wirkung zu kündigen und eine Prämienerhöhung ohne Erweiterung des Deckungsumfanges damit für die Zukunft abzuwenden. Fraglich ist jedoch, ob er die Prämienerhöhung auch abwenden kann, soweit sie einen Zeitraum betrifft, der vor der Mitteilung des Versicherers über die Prämienerhöhung liegt. Diese Frage wird in den hier interessierenden Fällen regelmäßig auftauchen: Wenn die Prämie sich automatisch bei Eintritt der Gefahrerhöhung erhöht, so wird die Erhöhung typischerweise wirksam, bevor der Versicherer dem Versicherungsnehmer eine Mitteilung über die Prämienerhöhung nach § 31 VVG zukommen lassen kann. Ob und in welchem Umfang einer Kündigung Rückwirkung zukommt, wenn die Prämienerhöhung vor dem Ablauf der Kündigungsfrist wirksam wird, ist im Schrifttum umstritten. Zum Teil wird vertreten, dass dem Versicherungsnehmer nach § 31 VVG ein Wahlrecht zustehe: Er könne entweder mit sofortiger Wirkung kündigen oder aber das Versicherungsverhältnis rückwirkend zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Erhöhung auflösen286. Nach einer anderen Ansicht kann der Versicherungsnehmer zwar nur mit sofortiger Wirkung kündigen. Für den Zeitraum bis zum Eintritt der Kündigungswirkungen soll der Versicherungsnehmer aber keine erhöhte Prämie für die Vergangenheit schulden. Begründet wird dies unter Hinweis auf § 242 BGB bzw. einen Schadensersatzanspruch des Versicherungsnehmers287. Ob dieser Ansatz auch in den hier untersuchten Fällen weiterhilft, ist allerdings fraglich: Wenn der Versicherer selbst erst nachträglich von der Gefahrerhöhung erfährt, so liegt bei einer unverzüglich nach der Kenntnisnahme erfolgenden Mitteilung an den Versicherungsnehmer kein Verstoß gegen Treu und Glauben vor. Auch etwaige Hinweispflichten des Versicherer sind dann nicht verletzt. Für eine Beschränkung der Kündigungswirkungen auf die Zukunft könnte der Wortlaut des § 31 VVG sprechen. Danach ist eine Kündigung des Versicherungsnehmers nach Eingang einer Mitteilung des Versicherers mit sofortiger Wirkung, frühestens „jedoch“ zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Erhöhung möglich. Dies könnte man dahin verstehen, dass die Kündigung des Versicherungsnehmers nicht vor dem Eingang der Mitteilung des Versicherers wirksam werden kann288. Gegen diese Auslegung spricht jedoch der Zweck des § 31 VVG. Der Versicherungsnehmer soll ja gerade entscheiden können, ob er mit der durch Prämienerhöhung ausgelösten Veränderung des ursprünglichen Äquivalenzverhältnisses einverstanden ist oder nicht. Dieses Ziel wird nur erreicht, wenn der Versicherungsnehmer die Prämienerhöhung insgesamt, d. h. gegebenenfalls auch rückwirkend, abwenden kann289. Der Versicherer darf dies nicht dadurch vereiteln können, dass er für das Wirksamwerden einer Prämienerhöhung einen Anknüpfungspunkt wählt, der regelmäßig vor einer Mitteilung der Prämienerhöhung an den Versicherungsnehmer liegt. Eine rückwirkende Kündigung des Versicherungsnehmers muss daher grundsätzlich möglich sein. 286 Prölss, in: Prölss / Martin § 31 VVG Rn. 3; Langheid, in: Römer / Langheid § 31 Rn. 31; a. A. Präve ZfV 94, 227, 235. 287 BK / Harrer § 31 VVG Rn. 43. 288 BK / Harrer § 31 VVG Rn. 1,43. 289 Vgl. Prölss, in: Prölss / Martin § 31 VVG Rn. 3.

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Problematisch ist allerdings, ob eine solche rückwirkende Kündigung auch rückwirkend zur vollständigen Beendigung des Versicherungsverhältnisses führt oder ob sich die Kündigungswirkungen für die Vergangenheit290 auf die Abwendung der in der Vergangenheit bereits eingetretenen Prämienerhöhung beschränken. Für eine Beschränkung der Kündigungswirkungen auf die Abwendung der Prämienerhöhung spricht, dass der Versicherungsnehmer nur vor einer Erhöhung der Prämie ohne vorherige Entscheidungsmöglichkeit geschützt werden muss. Dazu muss er sich nicht rückwirkend von dem Vertrag insgesamt lösen können. Wenn er den Vertrag bei einer rückwirkenden Kündigung vollständig beenden muss, wird er zudem sachwidrig in seiner Entscheidung beeinträchtigt, sofern zwischenzeitlich ein Versicherungsfall eingetreten ist, für den er an sich, d. h. ohne die Prämienerhöhung, Versicherungsschutz genießen würde. Er wird dann nämlich auch dann von einer rückwirkenden Abwendung der Prämienerhöhung absehen, wenn er eigentlich nicht mit der Prämienerhöhung für den bisherigen Deckungsumfang einverstanden ist. Die Möglichkeit einer rückwirkenden Auflösung des Versicherungsverhältnisses wäre schließlich auch nicht im Interesse des Versicherers: Der Versicherer muss davon ausgehen, dass der Versicherungsnehmer, wenn er mit der höheren Prämie nicht einverstanden ist, immer dann von seinem rückwirkenden Kündigungsrecht Gebrauch machen wird, wenn in der Zeit zwischen dem Eintritt der Prämienerhöhung und der Kündigung kein Versicherungsfall eingetreten ist. Bei zwischenzeitlichem Eintritt eines Versicherungsfalles wird der Versicherungsnehmer dagegen nur mit Wirkung für die Zukunft kündigen, um seinen Versicherungsschutz nicht rückwirkend zu verlieren. Der Versicherer müsste daher in der Zeit bis zur Kündigung des Versicherungsnehmers im Ergebnis das Risiko uneingeschränkt tragen, würde dafür aber nur in den Fällen, in denen tatsächlich ein Versicherungsfall eintritt, die entsprechende (erhöhte) Prämie erhalten. Im Vergleich dazu ist eine Beschränkung der Kündigungswirkungen auf die rückwirkende Abwendung der Prämienerhöhung die sachgerechtere Lösung. (b) Beschränkung der Kündigungswirkungen auf die Prämienerhöhung ohne Änderung des Deckungsumfanges Der Versicherungsnehmer kann durch die Kündigung allerdings nur eine Prämienerhöhung ohne Änderung des Umfanges des Versicherungsschutzes abwenden. Soweit die Prämie proportional zu einer Erweiterung des Deckungsumfanges steigt, ändert sich das ursprüngliche Äquivalenzverhältnis nicht. Einer erneuten Entscheidungsmöglichkeit des Versicherungsnehmers bedarf es dann nicht. Wenn sich die Prämienerhöhung – wie in einigen der hier interessierenden Konstellationen – zeitlich in eine Prämienerhöhung mit und eine solche ohne Änderung des Deckungsumfanges aufteilen lässt, hat dies zur Folge, dass sich die Kündigungswirkung auf diejenigen Zeiträume beschränkt, in denen sich die Prämie ohne 290 Dass die Kündigung das Versicherungsverhältnis mit Wirkung für die Zukunft beendet, wurde bereits gesagt.

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

eine Änderung des Deckungsumfanges erhöht. Für die übrigen Zeiträume entfaltet sie dagegen keine Wirkung. Für die hier untersuchten Prämienerhöhungen bedeutet dies folgendes: Wenn die Prämienerhöhung für eine von dem Versicherungsnehmer schuldhaft veranlasste Gefahrerhöhung vorgesehen wird, kann der Versicherungsnehmer den Vertrag nur mit Wirkung von dem Zeitpunkt an kündigen, in dem die Kündigungsfrist des Versicherers nach § 24 Abs. 2 VVG abgelaufen wäre (also einen Monat nach Kenntnis des Versicherers von der Gefahrerhöhung). Da der Versicherer vor diesem Zeitpunkt leistungsfrei gewesen wäre, handelt es sich erst von diesem Zeitpunkt an um eine Prämienerhöhung ohne Änderung des Deckungsumfanges. Wenn die Prämienerhöhung dagegen an eine vom Versicherungsnehmer nicht oder nicht schuldhaft veranlasste Gefahrerhöhung anknüpft, entfaltet die Kündigung nur für diejenigen Zeiträume keine Wirkung, in denen der Versicherer nach den §§ 25, 28 VVG leistungsfrei wäre. Wenn der Versicherungsnehmer die Gefahrerhöhung also ordnungsgemäß angezeigt hat, so kann der Versicherungsnehmer das Versicherungsverhältnis mit sofortiger Wirkung auflösen und dadurch auch gegebenenfalls rückwirkend zum Zeitpunkt des Eintritts der Gefahrerhöhung die Erhöhung der Prämie vollständig abwenden (zur Zahlung der bisherigen Prämie bleibt er insoweit allerdings verpflichtet)291. cc) Die Vereinbarung einer Prämienermäßigung bei einer Verringerung der Gefahr Ein Vorteil im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung kann sich für den Versicherungsnehmer auch daraus ergeben, dass für den Fall einer Verringerung der Gefahr eine Prämienermäßigung vereinbart wird292. Allerdings muss dazu die Prämienermäßigung über die sich aus § 41a VVG ergebende gesetzliche Möglichkeit der Prämienverringerung beim Wegfall gefahrerhöhender Umstände hinausgehen293. § 41a VVG gibt dem Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Herabsetzung der Prämie von der auf ein Herabsetzungsverlangen folgenden Versicherungsperiode an, wenn für bestimmte, die Gefahr erhöhende Umstände eine höhere Prämie vereinbart ist und diese Umstände nach Vertragsschluss wegfallen. Dies setzt voraus, dass der Versicherer den betreffenden Umstand in seiner internen Prämienkalkulation bei Vertragsschluss ausdrücklich berücksichtigt hat294. Wenn sich eine vertraglich vereinbarte Prämienermäßigung nur auf Gefahrverringerungen erstreckt, die nach dem Tarif des Versicherers eine niedrigere Prämie rechtfertigen (Beispiel: § 11 Abs. 2 ARB), handelt es sich daher immer zugleich auch um VeränVgl. oben unter (1). Vgl. die Beispiele oben unter 1. b). 293 Ebenso Martin SVR N IV 17. 294 Eine Offenlegung der Prämienberechnung gegenüber dem Versicherungsnehmer ist indes nicht erforderlich, vgl. BGH VersR 1981,622, 623 f. 291 292

2. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

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derungen, die ohnehin unter § 41a VVG fallen: Von einer solchen Vereinbarung wird nur die Veränderung von Umständen erfasst, die bei der ursprünglichen Kalkulation des Versicherers eigenständig berücksichtigt worden sind295. Der Vorteil für den Versicherungsnehmer liegt bei einer derartigen Gestaltung daher nicht darin, dass der Versicherungsnehmer überhaupt eine Herabsetzung der Prämie verlangen kann. Vorteilhaft für ihn ist es vielmehr nur, wenn die Prämienermäßigung nicht an sein Herabsetzungsverlangen gebunden ist und wenn sie nicht erst in einer späteren Versicherungsperiode, sondern sofort mit dem Eintritt des Umstandes oder dessen Anzeige durch den Versicherungsnehmer eintritt296. Zudem ist zu beachten, dass die Vorteile, die sich aus der Möglichkeit einer Prämienermäßigung ergeben, nach dem im 1. Teil297. Gesagten nicht den Nachteilen entgegengehalten werden dürfen, die den Versicherungsnehmern entstehen, die schon bei Vertragsschluss der günstigsten Gefahrenklasse zugeordnet sind und daher von einer Prämienermäßigung nicht profitieren können. b) In die Saldierung einzustellende Belastungen In die Saldierung ist zunächst die – die Abweichung von den §§ 23 ff. VVG begründende – Belastung des Versicherungsnehmers mit der Pflicht zur Zahlung einer höheren Prämie als bisher einzustellen. Darüber hinaus ist für die Zeit zwischen Vertragsbeendigung und Ablauf der Versicherungsperiode, in der der Versicherer von der Gefahrerhöhung Kenntnis erlangt hat (bzw., wenn die Kündigung erst nach Ablauf dieser Versicherungsperiode wirksam wird, für die Zeit nach Wirksamwerden der Kündigung, vgl. § 40 Abs. 1 Satz 2 VVG), auch die Verpflichtung zur Zahlung der Prämie in der bisherigen Höhe zu berücksichtigen, da der Versicherungsnehmer von dieser Verpflichtung nach einer Kündigung des Versicherers in jedem Falle frei wäre. In dem Zeitraum, in dem der Versicherungsnehmer nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG auch nach Ende des Versicherungsschutzes zur Prämienzahlung verpflichtet ist298, ist die Belastung mit der Pflicht zur Zahlung 295 Eine derartige Regelung entnimmt etwa Prölss, in: Prölss / Martin § 11 ARB 94 Rn. 3 § 11 ARB 94. 296 Vgl. z. B. § 8 Abs. 2 AHB. Möller, in: Bruck / Möller § 41a Anm. 19 entnimmt zudem § 8 Abs. 2 AHB eine Erweiterung des Kreises der Tatbestände, die im Vergleich zu § 41a VVG eine Prämienermäßigung auslösen. Ob dieser Auslegung zu folgen ist, ist allerdings fraglich, da unter „Richtigstellung“ der Prämie wohl nur eine Anpassung an das, was der Versicherer als Tarif zugrunde gelegt hat, zu verstehen ist. 297 Vgl. dort im 1. Abschnitt unter A. III. 2. a) aa) (2) (b) (cc) (S. 79 f.). 298 Zu den Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift vgl. oben in Fußnote 59. Soweit es sich um vom Versicherungsnehmer schuldhaft veranlasste Gefahrerhöhungen handelt, lässt sich die von § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG ausgehende Ungleichbehandlung wiederum damit rechtfertigen, dass es der Versicherungsnehmer in der Hand hat, den Grund für die Beendigung des Versicherungsverhältnisses (d. h. die Gefahrerhöhung) abzuwenden. Für vom Versicherungsnehmer nicht oder nicht schuldhaft veranlasste Gefahrerhöhungen gilt dies indes nicht. Die Bedenken im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG sind insoweit auch dann, wenn

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

der Prämie in der bisherigen Höhe dagegen keine in die Saldierung einzustellende Belastung. Diese Pflicht ist keine Folge der vom Gesetz abweichenden Vereinbarung, da den Versicherungsnehmer die gleiche Verpflichtung auch nach einer Kündigung des Versicherers träfe.

c) Saldierung der Vor- und Nachteile aa) Prämienanpassungsregelungen, die die Rechte des Versicherers aus den §§ 23 ff. VVG ausschließen Bei der Saldierung ist danach zu unterscheiden, ob es sich um eine vom Versicherungsnehmer schuldhaft veranlasste Gefahrerhöhung handelt oder nicht. (1) Vom Versicherungsnehmer schuldhaft veranlasste Gefahrerhöhungen (a) Die Bewertung des Zuwachses an Versicherungsschutz Für die Bewertung des Zuwachses an Versicherungsschutz, den der Versicherungsnehmer bei von ihm schuldhaft veranlassten Gefahrerhöhungen infolge des Ausschlusses von Kündigungsrecht und Leistungsfreiheit erlangt, gilt das oben299 für den Fall des Ausschlusses des Rücktrittsrechtes aus den §§ 16, 17 VVG bei schuldhaften Anzeigepflichtverletzungen Gesagte entsprechend: In dem Zeitraum zwischen dem Eintritt der Gefahrerhöhung und dem Zeitpunkt, in dem der Vertrag bei uneingeschränkter Geltung der gesetzlichen Regelung durch eine Kündigung des Versicherers beendet worden wäre, hat der Versicherungsnehmer keine Alternative zu einer Absicherung seines Risikos bei dem bisherigen Versicherer. Der Zuwachs an Versicherungsschutz, der sich aus dem Ausschluss der Leistungsfreiheit nach § 25 Abs. 1 VVG ergibt, ist deshalb mindestens mit dem Betrag zu bewerten, der nach dem Tarif seines Versicherers für die erhöhte Gefahr als Prämie zu zahlen ist. Da die Leistungsfreiheit nach § 25 Abs. 1 VVG – ähnlich wie im Falle des § 21 VVG bei einem Rücktritt wegen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung – zudem auch Versicherungsfälle erfasst, bei denen nur der Umfang des eingetretenen Schadens von der Gefahrerhöhung beeinflusst wurde, ist zu diesem Betrag noch derjenige Teil der unabhängig von der Gefahrerhöhung man der Rechtsprechung des BGH und des BVerfG folgt, nicht ohne weiteres auszuräumen. Die Ungleichbehandlung von Versicherungsnehmer und Versicherer, die auch das BVerfG annimmt, lässt sich nämlich bei objektiven Gefahrerhöhungen nicht mit dem größeren Spielraum des Gesetzgebers bei verhaltensbezogenen Differenzierungen rechtfertigen, da der Versicherungsnehmer den Eintritt einer solchen Gefahrerhöhung nicht steuern kann. Eine eingehende Erörterung dieser Frage würde allerdings den Rahmen der vorliegenden Untersuchung sprengen. Trotz der geschilderten Bedenken wird daher die Verfassungsmäßigkeit des § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG, auch soweit er die Rechtsfolgen objektiver Gefahrerhöhungen regelt, unterstellt. 299 Vgl. im 1. Abschnitt unter A. III. 1. b) (S. 194 ff.).

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zu zahlenden Prämie hinzuzurechnen, der sich dem durch § 25 VVG von der Leistungspflicht des Versicherers ausgenommenen, jedoch nicht auf der Gefahrerhöhung zurückgehenden, erhöhten Schadensbedarf des Versicherers zuordnen lässt300. In der Zeit danach ist die Fortdauer des Versicherungsschutzes in Höhe der Prämie zu bewerten, die nach dem Tarif des Versicherers für Versicherungsschutz unter Einschluss der erhöhten Gefahr zu zahlen ist. Dagegen lässt sich nicht einwenden, dass es der Versicherungsnehmer nach einer Kündigung durch den Versicherer auch vorziehen kann, das Risiko ganz unversichert zu lassen oder aber eine anderweitige günstigere Versicherung abzuschließen301. Es ist davon auszugehen, dass der Versicherungsnehmer auch nach dem Eintritt einer Gefahrerhöhung daran interessiert ist, gegen die Risiken aus der erhöhten Gefahr – sei es durch Abschluss eines Versicherungsvertrages, sei es auf andere Weise – Vorsorge zu treffen. Mit dem Anstieg der Gefahr steigt insoweit auch sein Bedürfnis nach Absicherung302. Ebenso wie bei einem Rücktritt bzw. einer Anfechtung wegen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung bleibt dem Versicherungsnehmer aber bei einer fristlosen Kündigung des Versicherungsverhältnisses keine Übergangsfrist, innerhalb derer er anders als durch eine Versicherung Vorsorge treffen könnte. Ein verständiger Versicherungsnehmer wird deshalb an sich an einer Weiterversicherung seines Risikos interessiert sein. Zudem kann auch dann, wenn man an sich davon ausgeht, dass derselbe Versicherungsschutz am Markt von anderen Versicherern günstiger angeboten wird, nicht unterstellt werden, dass der Versicherungsnehmer eine solche Möglichkeit bei einer fristlosen Beendigung des Vertrages so schnell findet, dass eine Lücke im Versicherungsschutz vermieden wird303. Auch eine Bewertung des Versicherungsschutzes mit einem höheren Betrag als der vom Versicherer verlangten Prämie scheidet aus den im 1. Abschnitt genannten Gründen aus. Schließlich spielt es für die Bewertung des Versicherungsschutzes aus Sicht des Versicherungsnehmers auch keine Rolle, ob sich die nach dem Tarif des Versicherers auf die erhöhte Gefahr entfallende Erhöhung der Prämie auf einen Ausgleich des durch die erhöhten Gefahr ausgelösten erhöhten Schadensbedarfes des Versicherers beschränkt oder ob damit auch eine Gewinnsteigerung verbunden ist. Für die Frage, ob dem Versicherungsnehmer nach einer Kündigung eine anderweitige Absicherung seines Risikos möglich wäre, kommt es darauf nicht an304. Ebenso 300 s. dazu bereits oben im 1. Abschnitt unter A. III. 1. b) cc) (S. 195 f.). Wenn eine Bezifferung dieses Betrages nicht möglich ist, scheidet eine Berücksichtigung allerdings aus. Da es für den Eintritt einer Gefahrerhöhung nicht ausreicht, wenn für ein erhöhtes Gefahrniveau lediglich indizierende Umstände hinzutreten, sondern darüber hinaus das Hinzutreten neuer potentieller Schadensursachen erforderlich ist, kommt eine Leistungsfreiheit des Versicherers stets in Betracht; ihr Ausschluss ist daher stets bei der Saldierung zu berücksichtigen, vgl. oben I. 1. a). 301 In diese Richtung aber Martin, SVR, N IV 3. 302 Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 790. 303 Vgl. dazu oben im 1. Abschnitt unter A. III. 1. a) (1) (b) (S. 191 ff.). 304 A. A. Martin, SVR, N IV 3.

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wenig ist es von Bedeutung, ob – wenn der Versicherer von seinen Neu- und seinen Bestandskunden für entsprechende Versicherungsleistungen unterschiedliche Prämien fordert – die vom Versicherer im Neugeschäft verlangte Prämie niedriger ist als die nach dem vereinbarten Tarif zu zahlende Prämie. Nach einer fristlosen Kündigung wegen Gefahrerhöhung könnte der Versicherungsnehmer ebenso wenig wie bei einer Anfechtung oder einem Rücktritt davon ausgehen, dass der Versicherer sofort zum Neuabschluss eines Vertrages zu der im Neugeschäft verlangten Prämie bereit wäre. Auch wenn die Prämie im Neugeschäft geringer ist, wäre dies für den Versicherungsnehmer daher keine realistische anderweitige Versicherungsmöglichkeit305. (b) Saldierung mit der Prämienbelastung Bei der Saldierung ergibt sich damit, auch ohne dass es auf das Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers aus § 31 VVG oder die Vereinbarung einer Prämienermäßigung bei einer Gefahrverringerung ankommt, ein Überschuss zugunsten des Versicherungsnehmers: In der Zeit zwischen der Gefahrerhöhung und einer Kündigung des Versicherers wird die Belastung mit der Prämienerhöhung durch den mindestens in gleicher Höhe zu bewertenden Zuwachs an Versicherungsschutz ausgeglichen306. Im Zeitraum zwischen Kündigung und Ablauf der für § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG maßgeblichen Versicherungsperiode ergibt sich mindestens ein Überschuss zugunsten des Versicherungsnehmers in Höhe der in diesem Zeitraum ohne die Gefahrerhöhung zu zahlenden Prämie307. Für die Zeit nach Ablauf der für § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG maßgeblichen Versicherungsperiode halten sich Vor- und Nachteile für den Versicherungsnehmer wiederum die Waage, da der Versicherungsschutz, den der Versicherungsnehmer infolge des Kündigungsausschlusses erhält, mit dem gleichen Betrag wie die mit der Fortsetzung des Vertrages verbundene Prämienmehrbelastung zu bewerten ist. Insgesamt handelt es sich daher um eine überwiegend vorteilhafte Regelung. (2) Vom Versicherungsnehmer nicht oder nicht schuldhaft veranlasste Gefahrerhöhungen Die Beurteilung von Prämienerhöhungen im Hinblick auf nicht oder nicht schuldhaft vom Versicherungsnehmer veranlasste Gefahrerhöhungen ist mit mehr 305 Vgl. zu dem ähnlichen Problem im Hinblick auf eine Anfechtung des Versicherers bereits oben im 1. Abschnitt unter A. III. 1. a) cc) (1) (b) (S. 191 f.). 306 Soweit sich der Vorteil beziffern lässt, der sich aus dem Ausschluss des Alles-odernichts-Prinzips des § 25 VVG ergibt, ergibt sich in dieser Höhe sogar ein Überschuss zugunsten des Versicherungsnehmers. 307 Da von einer gleichmäßigen Verteilung des Zeitpunkts der Kenntniserlangung des Versicherers von der Gefahrerhöhung über die Versicherungsperiode auszugehen ist, entspricht dies durchschnittlich der für eine halbe Versicherungsperiode zu zahlenden Prämie.

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Schwierigkeiten verbunden. Je nachdem, wie sich die gesetzliche Regelung für den Versicherungsnehmer ohne die Vereinbarung auswirken würde, lassen sich dabei bei der Saldierung der Vor- und Nachteile drei Zeiträume unterscheiden, die zunächst gesondert untersucht werden [dazu (a) bis (c)]. Eine Saldierung der sich für die jeweiligen Zeiträume im Saldo ergebenden Vor- oder Nachteile untereinander wird im Anschluss daran durchgeführt [dazu (d)]. (a) Der Zeitraum zwischen dem Eintritt der Gefahrerhöhung und einer Kündigung des Versicherers bzw. dem Eintritt der Leistungsfreiheit nach den §§ 25 Abs. 2 Satz 2, 28 VVG Soweit die Prämienerhöhung den Zeitraum betrifft, in dem der Versicherer nach der gesetzlichen Regelung an den Vertrag gebunden wäre, ohne im Hinblick auf durch die Gefahrerhöhung ausgelöste Versicherungsfälle leistungsfrei zu sein – also bis zum Wirksamwerden der Kündigung bzw. nach einer Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers bis zum Ablauf der in den §§ 25 Abs. 2 Satz 2, 28 Abs. 1 VVG genannten Frist – ist die Prämienerhöhung überwiegend nachteilig für den Versicherungsnehmer. Der Belastung mit einer erhöhten Prämie steht in diesem Zeitabschnitt kein Zuwachs an Versicherungsschutz gegenüber. Das Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers aus § 31 VVG ist, auch wenn man daraus mit der hier vertretenen Ansicht die Möglichkeit zur rückwirkenden Abwendung der Prämienerhöhung herleitet308, nicht geeignet, die Belastung mit der Prämienerhöhung vollständig auszugleichen. Der Versicherungsnehmer kann durch seine Kündigung zwar einen der Situation nach einer Kündigung des Versicherers entsprechenden Zustand herstellen. In diesem Fall steht er in dem hier betrachteten Zeitraum weder besser noch schlechter als nach der gesetzlichen Regelung. Zudem ist die Regelung für ihn auch nicht nachteilig, wenn er sich im Einzelfall bewusst – etwa weil er um der Fortsetzung des Vertrages willen bereit ist, die Nachteile hinzunehmen – gegen eine Kündigung entscheidet. Da er in diesem Falle die Auswirkungen der Vereinbarung ebenso wie bei einem Neuabschluss des Vertrages vor Augen hat, greift der Zweck des Verbotes nachteiliger Abweichungen insoweit nicht. Allerdings wird er mit der Initiativlast für die Abwendung der Prämienerhöhung belastet. Es besteht daher stets die Gefahr, dass er aus Unachtsamkeit die Kündigungsfrist versäumt und dann im Ergebnis schlechter steht als nach der gesetzlichen Regelung. Die Nachteile in solchen Fällen – deren Eintritt ein verständiger Versicherungsnehmer nie ganz sicher ausschließen kann – werden durch die Abwendungsmöglichkeit allein nicht kompensiert. Im Saldo ergibt sich daher ein überwiegender Nachteil für den Versicherungsnehmer.

308

s. dazu bereits oben unter a) bb) (3) (a) (S. 263 ff.).

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

(b) Der Zeitraum, in dem der Versicherer nach §§ 25 Abs. 2 Satz 2 bzw. 28 VVG leistungsfrei wäre Für den Zeitraum vor einer Kündigung nach § 27 VVG, in dem der Versicherer wegen einer vorangegangenen Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers nach §§ 25 Abs. 2 Satz 2, 28 VVG leistungsfrei wäre, ist eine Anpassung der Prämie an die nach den Tarifgrundsätzen des Versicherers maßgeblichen Betrag dagegen überwiegend vorteilhaft. Für die Bewertung des Zuwachses an Versicherungsschutz, der sich aus dem Ausschluss des §§ 25 Abs. 2 Satz 2, 28 VVG ergibt, gelten die bereits zum Ausschluss des § 25 Abs. 1 VVG entwickelten Regeln: Der Zuwachs an Versicherungsschutz ist daher mindestens mit dem Betrag zu bewerten, der nach dem Tarif des Versicherers für die erhöhte Gefahr zu zahlen wäre. Eine Erhöhung der Prämie in dieser Höhe wird dadurch also ausgeglichen. Zudem erhält der Versicherungsnehmer, weil durch die §§ 25 Abs. 2 Satz 2, 28 VVG auch von der Gefahrerhöhung nur zum Teil beeinflusste Versicherungsfälle in vollem Umfange aus dem Versicherungsschutz ausgenommen werden, einen noch darüber hinausgehenden Vorteil. Soweit sich der Anteil der Prämie beziffern lässt, der gerade den nicht durch die Gefahrerhöhung verursachten Schadensbedarf des Versicherers zuzuordnen ist, entspricht der „Überschuss“ für den Versicherungsnehmer diesem Betrag. (c) Der Zeitraum nach einer Kündigung des Versicherers (aa) Die Bewertung der Fortsetzung des Versicherungsschutzes ) Drohende Lücke im Versicherungsschutz? Anders als bei vom Versicherungsnehmer schuldhaft herbeigeführten Gefahrerhöhungen kann der Versicherer den Vertrag bei nicht oder nicht schuldhaft herbeigeführten Gefahrerhöhungen nicht fristlos beenden, vielmehr ist eine Kündigungsfrist von einem Monat einzuhalten (§§ 27 Abs. 1 Satz 1, 24 Abs. 1 Satz 2 VVG). Die Überlegungen, die bei schuldhaften Gefahrerhöhungen für eine Bewertung der Fortdauer des Versicherungsschutzes mit dem nach dem Tarif des Versicherers dafür zu zahlenden Betrag sprechen, lassen sich daher nicht übertragen. Insbesondere ist wegen der dem Versicherungsnehmer eingeräumten Übergangsfrist im Regelfall zu unterstellen, dass er eine anderweitige (wenn auch nicht notwendig günstigere, siehe zu dieser Frage sogleich unter ) Versicherungsmöglichkeit nach einer Kündigung des Versicherers schnell genug finden würde, um eine Lücke im Versicherungsschutz zu vermeiden309. Auch das Gesetz geht offenbar davon aus, dass die 309 Zweifelhaft ist allerdings, ob dem Versicherungsnehmer eine Umstellung seiner Verhaltensplanung innerhalb eines Monats möglich sein und er deshalb auf Versicherungsschutz ganz verzichten kann – a. A. wohl Martin, SVR, N IV 3. – Auch dass es eine anderweitige Versicherungsmöglichkeit am Markt überhaupt gibt, ist zu unterstellen; dafür spricht in den hier interessierenden Konstellationen insbesondere, dass auch der bisherige Versicherer solchen Versicherungsschutz anbietet.

2. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

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Kündigungsfrist ausreichend bemessen ist, um dem Versicherungsnehmer eine anderweitige Absicherung zu ermöglichen. Die gesetzliche Frist ist zwar auch das Ergebnis eines Interessenausgleichs zwischen Versicherer (der nicht unbegrenzt zur Mitversicherung der erhöhten Gefahr zu der bisherigen Prämie verpflichtet sein soll) und Versicherungsnehmer. Dennoch lässt sich daraus entnehmen, dass der Gesetzgeber darin auch eine dem typischen (Mindest-)Sicherungsinteresse des Versicherungsnehmers – nämlich dem Interesse daran, sich anderweitig Versicherungsschutz suchen zu können – ausreichend Rechnung tragende Lösung gesehen hat. Mit einer drohenden Lücke im Versicherungsschutz lässt sich daher nicht begründen, dass die Fortsetzung des Vertrages für den Versicherungsnehmer ebensoviel wert ist wie die dafür nach dem Tarif des Versicherers zu zahlende Prämie. ) Keine generelle Vorzugswürdigkeit einer Vertragsanpassung Eine solche Bewertung der Fortsetzung des Versicherungsschutzes lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass eine Vertragsanpassung aus Sicht des Versicherungsnehmers schlechthin einer Kündigung vorzuziehen wäre: Aus den allgemeinen Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (nunmehr: § 313 BGB n. F.) ergibt sich ein solches Verhältnis von Vertragsanpassung und Vertragsbeendigung nicht310. Zum einen würde sich mit diesen Grundsätzen nicht in jedem Falle eine Anpassung gerade an den Tarif des Versicherers begründen lassen, da damit auch eine – nicht von § 313 BGB n. F. gedeckte – Gewinnsteigerung des Versicherers verbunden sein kann311. Vor allem aber ergeben sich aus § 313 BGB n. F. keine Folgerungen für die im Rahmen des § 34a VVG allein entscheidende Frage, wie die Fortsetzung des Vertrages aus Sicht des Versicherungsnehmers, d. h. bei alleiniger Berücksichtigung seiner Interessen, zu bewerten ist. Bei einem Wegfall der Geschäftsgrundlage ist das betroffene Schuldverhältnis zwar in erster Linie an die veränderten Umstände anzupassen (§ 313 Abs. 1 BGB n. F.), nur wenn eine Anpassung nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar ist, ist eine Beendigung durch Rücktritt bzw. (im Falle von Dauerschuldverhältnissen wie auch dem Versicherungsverhältnis) durch Kündigung möglich (§ 313 Abs. 3 BGB n. F.). Daraus folgt aber nicht, dass das Interesse des nicht durch die Veränderung benachteiligten Teiles (in den hier interessierenden Fällen also: des Versicherungsnehmers) nach der Vorstellung des Gesetzgebers stets vorrangig auf eine Anpassung des Vertrages gerichtet wäre. Dass das Gesetz in erster Linie eine Anpassung des Vertrages vorsieht, ist vielmehr das Ergebnis einer Bewertung der typischen Interessen beider Seiten312. Die Anpassung ist also nicht 310 Für einen solchen allgemeinen Vorrang Werber VersR 1976, 897, 900; ders. VP 1983, 39, 40. 311 s. dazu bereits oben unter (1) (a). 312 Dies entspricht auch den allgemeinen Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, die durch § 313 kodifiziert werden sollten, vgl. Palandt / Heinrichs § 313 BGB n. F., Rn. 28, 1.

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etwa gerade deshalb vorrangig, weil sie eher im Interesse des nicht benachteiligten Vertragsteiles liegt, sondern weil auch der benachteiligte Vertragsteil (hier also: der Versicherer) ein anerkennenswertes Interesse an der Fortsetzung des Vertrages hat und eine Anpassung daher einen angemessenen Kompromiss darstellt. Auch daraus, dass der Versicherungsnehmer dem Abschluss des Vertrages zu der ursprünglichen Prämie zugestimmt hat, lässt sich nicht entnehmen, dass er nach einer Gefahrerhöhung typischerweise eine Fortsetzung des Vertrages zu der nach dem Tarif des Versicherers für die Versicherung der erhöhten Gefahr zu zahlende Prämie einer Kündigung des Versicherers vorziehen würde. Dass der Versicherungsnehmer das geringere Gefahrniveau zu einer niedrigeren Prämie bei dem konkreten Versicherer abgesichert hat, bedeutet nicht, dass er auch nach einer Erhöhung der Gefahr noch eine Versicherung bei diesem Versicherer vorziehen wird. Vielmehr ist davon auszugehen, dass er typischerweise – soweit dies möglich ist – eine günstigere Weiterversicherung bei einem anderen Versicherer einer Fortsetzung des bisherigen Vertrages vorziehen wird. Dass der Versicherungsnehmer nach einer Kündigung – anders als bei einer Vertragsanpassung – selbst aktiv werden muss, um sich anderweitig zu versichern, ändert nichts an dieser Beurteilung. Ein verständig kalkulierender Versicherungsnehmer wird nicht allein aus diesem Grund eine höhere Prämie hinzunehmen bereit sein.

) Die Möglichkeit einer anderweitigen günstigeren Weiterversicherung Ob eine Fortsetzung des Vertrages unter Erhöhung der Prämie für den Versicherungsnehmer genauso günstig – und damit der Versicherungsschutz mindestens in Höhe der nach dem Tarif des Versicherers dafür zu zahlenden Prämie zu bewerten – ist wie eine Beendigung des Versicherungsverhältnisses, hängt daher davon ab, ob er nach einer Kündigung eine realistische Aussicht hätte, sich anderweitig wirtschaftlich günstiger (oder jedenfalls: häufiger günstiger als ungünstiger) weiter zu versichern. Für diese Frage kommt es darauf an, wie sich die nach dem Tarif des Versicherers für die erhöhte Gefahr zu zahlende Prämie im Zeitpunkt der Gefahrerhöhung voraussichtlich zu der am Markt für entsprechenden Versicherungsschutz geforderten Prämie verhalten wird. Erforderlich ist also eine Prognose der Marktentwicklung. Eine solche Prognose hängt indes von einer Reihe von Unbekannten ab; unter anderem müsste man dazu die allgemeine Preisentwicklung, die Kostenentwicklung der anderen Versicherer im Vergleich zu dem konkreten Versicherer sowie die zum Zeitpunkt der Kündigung voraussichtlich geltenden Wettbewerbsverhältnisse vorhersagen. Man könnte daher die Grundlage für eine solche Vorhersage von vornherein als zu unsicher ansehen und daraus – da Zweifel bei der Saldierung zu Lasten des Versicherers gehen313 – ohne weiteres den Schluss ziehen, dass dem Versicherungsnehmer nach einer Kündigung des Versicherers in mehr Fällen eine günstigere als eine ungünstigere Versicherungsmöglichkeit gelingen würde. 313

Vgl. oben im 1. Teil im 1. Abschnitt unter unter A. III. 2. c) dd) (S. 100).

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Eine Eingrenzung der Vorhersage ist allerdings möglich, wenn man von einem funktionierenden (Prämien-)Wettbewerb zwischen den Versicherern ausgeht. In diesem Fall kann unterstellt werden, dass die nach dem Tarif des Versicherers für die erhöhte Gefahr zu zahlende Prämie dem Betrag entsprechen wird, der durchschnittlich am Markt für entsprechenden Versicherungsschutz verlangt wird. Dass der Versicherer im Vergleich zu anderen Anbietern gerade besonders teuer ist, ist dann angesichts des Wettbewerbsdruckes nicht zu erwarten. Andererseits ist es auch nicht wahrscheinlich, dass der Versicherer günstiger ist als seine Wettbewerber (und dem Versicherungsnehmer deshalb nach einer Kündigung des Versicherers eine günstige Weiterversicherung gar nicht oder nur unter Schwierigkeiten wäre); jedenfalls sind beide (Extrem-)Fälle in gleicher Häufigkeit zu erwarten und gleichen sich daher bei der Bewertung gegenseitig aus. Dies gilt zum einen dann, wenn die nach dem vereinbarten Tarif des Versicherers für die erhöhte Gefahr zu zahlende Prämie der Prämie entspricht, die der Versicherer im Neugeschäft für entsprechenden Versicherungsschutz verlangt, da dann die Prämie im Neugeschäft uneingeschränkt dem Wettbewerb unterliegt. Aber auch dann, wenn sich die Prämienerhöhung an dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Tarifen orientiert, ist nicht anders zu entscheiden. In diesem Fall besteht zwar die Möglichkeit, dass die an den (alten) Tarif angepasste Prämie über die im Neugeschäft verlangte Prämie hinausgeht. Mindestens ebenso wahrscheinlich ist es aber, dass die Prämie, weil im Neugeschäft auch die allgemeine Kostenentwicklung Berücksichtigung findet, hinter der im Neugeschäft verlangten Prämie zurückbleibt. Auch wenn die vom Versicherer verlangte der durchschnittlich am Markt verlangten Prämie entspricht, kommt man aber im Ergebnis dazu, dass dem Versicherungsnehmer häufiger eine günstigere als eine ungünstigere Weiterversicherung glücken wird: Einerseits wird es dem Versicherungsnehmer dann in aller Regel keine Schwierigkeiten bereiten, sich nach einer Kündigung des Versicherers zu einer gleich hohen Prämie weiter zu versichern. Er läuft also typischerweise nach einer Kündigung nicht Gefahr, wirtschaftlich schlechter gestellt zu werden als bei einer Fortsetzung des Vertrages. Umgekehrt hat er aber zumindest dann, wenn er einen gewissen Aufwand bei der Ermittlung eines günstigeren Versicherers treibt, eine nicht unrealistische Aussicht, eine noch günstigere Versicherungsmöglichkeit zu finden: Aufgrund der unterschiedlichen Kostenstruktur der einzelnen Versicherer wird es regelmäßig auch bei einem funktionierenden Wettbewerb unterschiedlich hohe Prämien für identische Versicherungsleistungen geben. In vielen Fällen wird daher Versicherungsschutz auch für eine niedrigere als die durchschnittlich am Markt verlangte Prämie zu erlangen sein. Der Versicherungsnehmer kann zwar nicht in jedem Falle damit rechnen, eine derartige günstigere Möglichkeit innerhalb der Monatsfrist zu ermitteln. Insgesamt steht er damit aber nach einer Kündigung des Versicherers im Saldo besser als bei einer Fortsetzung zu der nach dem Tarif des Versicherers zu zahlenden Prämie, da einerseits eine wirtschaftliche Einbuße als Folge einer ungünstigeren Weiterver18*

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sicherung sehr unwahrscheinlich ist, andererseits aber eine im Vergleich dazu größere Chance besteht, eine anderweitige günstigere Versicherungsmöglichkeit zu finden. Damit ist aber der Vorteil aus der Fortsetzung des Vertrages unter Einschluss der erhöhten Gefahr niedriger zu bewerten als die nach dem Tarif des Versicherers dafür zu zahlenden Prämie314. (bb) Die Bedeutung des Kündigungsrechtes aus § 31 VVG Dass der Vertrag fortgesetzt wird, reicht daher allein noch nicht aus, um eine Belastung mit der nach dem Tarif des Versicherers für die erhöhte Gefahr zu zahlende Prämie auszugleichen; jedenfalls in der Zeit nach Ablauf der für § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG maßgeblichen Versicherungsperiode für sich betrachtet werden deshalb allein durch den Ausschluss des Kündigungsrechtes des Versicherers noch nicht alle Belastungen für den Versicherungsnehmer aufgewogen. Allerdings bewirkt die Kündigungsmöglichkeit des Versicherungsnehmers aus § 31 VVG einen solchen Ausgleich. Der Versicherungsnehmer ist durch die Ausübung seines Kündigungsrechtes selbst in der Lage, den Vertrag zu beenden und sich um anderweitigen günstigeren Versicherungsschutz zu bemühen. Soweit er von seinem Kündigungsrecht Gebrauch macht, ergeben sich daher für ihn keine Nachteile im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung. Er steht im Gegenteil besser, weil er nach einer eigenen Kündigung nicht nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG zur Prämienzahlung verpflichtet bleibt, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten. Allerdings muss er dazu selbst die Initiative ergreifen; es besteht daher stets die Möglichkeit, dass er aus Unachtsamkeit nicht kündigt, obwohl es eigentlich eine anderweitige günstigere Versicherungsmöglichkeit gegeben hätte. Dies steht einer Kompensation der Nachteile aber nicht entgegen. Bei einem Versicherungsnehmer, der aus Unachtsamkeit nicht innerhalb der Monatsfrist des § 31 VVG von seinem Kündigungsrecht Gebrauch macht, ist nämlich auch nicht zu erwarten, dass er nach einer Kündigung des Versicherers eine anderweitige günstigere Versicherungsmöglichkeit so schnell gefunden hätte, dass keine Lücke im Versicherungsschutz entstanden wäre315. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die Ermittlung einer solchen Gelegenheit in jedem Falle einen gewissen Aufwand erfordert, wenn die vom Versicherer geforderte Prämie der durchschnittlich am Markt für entsprechenden Versicherungsschutz geforderten Prämie entspricht316. Dass der Versiche314 Da sich nicht konkret sagen lässt, in wieviel Fällen der Versicherungsnehmer einen günstigeren Versicherer finden wird und um welchen Betrag ein solcher Versicherer günstiger sein wird, lässt sich die Differenz allerdings nicht konkret zu beziffern. 315 Es kann auch nicht unterstellt werden, dass ein unachtsamer Versicherungsnehmer nach einer Kündigung durch den Versicherer mehr Aufwand treiben wird nach einer Mitteilung über eine Prämienerhöhung. 316 Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn man das Kündigungsrecht aus § 31 VVG für formal nicht ausreichend abgesichert ansieht, weil entweder die Kündigungsfrist zu kurz ist oder aber nicht damit zu rechnen ist, dass der Versicherungsnehmer von der Existenz seines Kündigungsrechtes weiß. Das ist jedoch nicht der Fall. Das Gesetz bewertet die Kün-

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rungsnehmer die Kündigungsmöglichkeit versäumt, ist daher nur gerade in den Konstellationen zu erwarten, in denen er auch nach einer Kündigung durch den Versicherer faktisch gar keine andere günstigere (sondern typischerweise nur eine gleich günstige) Versicherungsmöglichkeit gefunden hätte. In solchen Fällen ist die Vertragsanpassung für ihn aber gar nicht nachteilig, weil es ohnehin für ihn praktisch keine günstigere Alternative zu einer Fortsetzung des Vertrages gegeben hätte. Das Kündigungsrecht aus § 31 VVG gleicht daher die Nachteile aus, die sich daraus ergeben, dass es bei einer am Tarif des Versicherers orientierten Prämienanpassung am Markt noch eine anderweitige günstigere Versicherungsmöglichkeit geben kann317. (cc) Ergebnis Für die Saldierung ergibt sich damit in der Zeit nach einer Kündigung des Versicherers folgendes: Der Ausschluss des Kündigungsrechtes des Versicherers kompensiert zusammen mit dem Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers aus § 31 VVG eine Belastung des Versicherungsnehmers in Höhe der nach dem Tarif des Versicherers für die erhöhte Gefahr zu zahlenden Prämie (also: in Höhe der vor der Gefahrerhöhung zu zahlenden Prämie zuzüglich des auf die Gefahrerhöhung entfallenden Zuschlages). Es ergibt sich damit ein Überschuss in Höhe der Prämie, die ohne die Gefahrerhöhung in der Zeit zwischen der Kündigung und dem Ende der für § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG maßgeblichen Versicherungsperiode zu zahlen gedigungsfrist des § 31 VVG offensichtlich als hinreichend lang für den Versicherungsnehmer, um über die Prämienerhöhung – und damit notwendigerweise auch über mögliche Alternativen – zu entscheiden. Zudem ist der Versicherer verpflichtet, den Versicherungsnehmer bei Bekanntgabe der Prämienerhöhung über das Bestehen des Kündigungsrechtes zu belehren. § 31 VVG sieht zwar keine Belehrung durch den Versicherer vor. Eine solche Pflicht folgt aber jedenfalls aus § 242 BGB (BK / Harrer § 31 VVG Rn. 38): Beim Versicherungsnehmer kann, anders als beim Versicherer, regelmäßig nicht vorausgesetzt werden, dass er ohne weiteres von seinem Kündigungsrecht weiß. Dem Versicherer ist ein Hinweis darauf demgegenüber ohne weiteres möglich, da § 31 VVG ohnehin voraussetzt, dass er – damit die Kündigungsfrist zu laufen beginnt – den Versicherungsnehmer von der Prämienerhöhung in Kenntnis setzt. Da nicht unterstellt werden kann, dass der Versicherungsnehmer eine Belehrung in den AVB bei Erhöhung der Prämie noch im Kopf hat, ist der Versicherer daher jedenfalls auch bei Bekanntgabe der Prämienerhöhung zum Hinweis auf das Kündigunsrecht verpflichtet. Die Verletzung dieser Hinweispflicht muss dabei – wenn der Versicherungsnehmer sein Kündigungsrecht nicht kennt – mindestens zur Folge haben, dass sich die Kündigungsfrist verlängert. (Offen bleiben kann im vorliegenden Zusammenhang, ob eine Belehrung bzw. eine Verpflichtung dazu auch schon in der Änderungsklausel selbst enthalten sein muss und ob eine fehlende Belehrung zur vollständigen Unwirksamkeit der Prämienerhöhung oder nur zur Verlängerung der Kündigungsfrist führt; vgl. dazu einerseits Wandt, Änderungsklauseln, Rn. 203 und andererseits BK / Harrer § 31 Rn. 38.) 317 So im Ergebnis auch die Stimmen im Schrifttum, die Prämienerhöhungsklauseln bei objektiven Gefahrerhöhungen mit Hinweis auf § 31 VVG für zulässig halten, z. B. Prölss, in: Prölss / Martin § 27 Rn. 3; Langheid, in: Römer / Langheid §§ 23 – 25 VVG Rn. 41.

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wesen wäre. Im Durchschnitt entspricht dieser Überschuss der Hälfte der Prämie, die für eine Versicherungsperiode abzüglich eines Monats zu zahlen gewesen wäre318. (d) Saldierung der sich in den unter (a) bis (c) behandelten Zeiträumen ergebenden Vor- und Nachteile Für die Zulässigkeit einer an dem Tarif des Versicherers orientierten Prämiensteigerung kommt es darauf an, ob die Nachteile in dem Zeitraum, in dem der Versicherer nach der gesetzlichen Regelung zur Versicherung der erhöhten Gefahr ohne Prämienerhöhung verpflichtet wäre (also in der unter (a) behandelten Zeit), durch die Vorteile in den späteren Zeitabschnitten [vgl. (b) und (c)] ausgeglichen werden. Dies ist zu bejahen. Die Vorteile in dem unter (b) besprochenen Zeitraum genügen allerdings noch nicht, um für sich gesehen die Nachteile vollständig zu kompensieren. Nachteile für den Versicherungsnehmer ergeben sich in dem unter (a) untersuchten Zeitraum nur dann, wenn er aus Unachtsamkeit nicht von seinem Kündigungsrecht aus § 31 VVG Gebrauch macht, die unter (b) beschriebenen Vorteile haben dagegen eine schuldhafte Anzeigepflichtverletzung des Versicherungsnehmers zur Voraussetzung. Wie sich beide Fälle zahlenmäßig zueinander verhalten, lässt sich angesichts dieser heterogenen Anknüpfungspunkte kaum sagen. Zudem wird der „überschießende“ Vorteil für den Versicherungsnehmer, der sich bei einer Anzeigepflichtverletzung aus dem Ausschluss der Leistungsfreiheit nach den §§ 25 Abs. 2 Satz 1, 28 VVG ergibt (also: der Anteil der Prämie, der auf Schäden entfällt, die zwar bei einem durch die Gefahrerhöhung beeinflussten Versicherungsfall eintreten, jedoch auch ohne die Gefahrerhöhung entstanden wären), sofern er sich überhaupt beziffern lässt, auch pro Zeiteinheit der Höhe nach geringer sein als der Betrag, um den sich die Prämie infolge der Gefahrerhöhung erhöht. Allerdings werden die Nachteile für den Versicherungsnehmer jedenfalls durch die Vorteile in dem unter (c) behandelten Zeitraum aufgewogen. Zum einen wird der Zeitraum, während dessen der Versicherungsnehmer nach der gesetzlichen Regelung zur Versicherung der erhöhten Gefahr verpflichtet ist, ohne sich von dem Vertrag lösen zu können, in der Regel eher kürzer sein als der Zeitraum, für den der Versicherungsnehmer nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG ohne Gegenleistung Prämie zahlen muss: Insbesondere wird der Versicherungsnehmer regelmäßig recht schnell von einer gerade ihn betreffenden Gefahrerhöhung erfahren und dann zur Anzeige verpflichtet sein, so dass der Versicherer entweder von seinem Kündigungsrecht Gebrauch machen kann oder aber nach den §§ 25 Abs. 1 Satz 1, 28 VVG nach einem Monat von seiner Leistungspflicht frei wird. Dass der Zeitraum bis dahin im Durchschnitt länger ist als der von § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG 318 Die Differenz zu dem bei einer fristlosen Kündigung anzusetzenden Betrag ergibt sich aus der Frist von einem Monat bis zum Wirksamwerden der Kündigung.

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erfasste Zeitraum von durchschnittlich fast einer halben Versicherungsperiode319, ist nicht anzunehmen. Zum anderen wird der Betrag, um den sich die Prämie infolge der Gefahrerhöhung erhöht, auch regelmäßig pro Zeiteinheit nicht höher sein als die unabhängig von der Gefahrerhöhung zu zahlende Prämie (andernfalls müsste sich die Prämie mehr als verdoppeln). In vielen Fallgestaltungen ist deshalb schon davon auszugehen, dass die Prämienerhöhung im Zeitraum (a) bei pauschalierter Betrachtung schon der absoluten Höhe nach geringer sein wird als die nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG nutzlos aufzuwendende Prämie. Schließlich tritt der unter (c) beschriebene Vorteil – die Ersparnis der nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG nutzlos aufzuwendenden Prämie – in jedem Falle ein, während der Nachteil den Versicherungsnehmer nur trifft, wenn er eine Kündigung nach § 31 VVG versäumt. Insgesamt handelt es sich daher um eine überwiegend vorteilhafte Regelung. (e) Ergebnis Auch bei vom Versicherungsnehmer nicht oder nicht schuldhaft veranlassten Gefahrerhöhungen ist daher im Ergebnis eine am Tarif des Versicherers orientierte Prämienanpassung, die mit einem Ausschluss der Rechte des Versicherers aus den §§ 23 ff. VVG verbunden wird, mit § 34a VVG vereinbar. bb) Prämienanpassungsregelungen, die die Rechte des Versicherers aus den §§ 23 ff. VVG nicht (vollständig) ausschließen Eine Vereinbarung, die die Rechtsfolgen der §§ 23 ff. VVG gar nicht ausschließt, und zugleich auch keine anderen für den Versicherungsnehmer günstige Regelungen trifft, bei der also die Möglichkeit einer Prämienerhöhung neben die gesetzlichen Möglichkeiten des Versicherers tritt, weicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von § 34a VVG ab. Der Vorteil, dass der Vertrag infolge der Prämienanpassungsregelung faktisch fortgesetzt wird, genügt auch zusammen mit dem Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers aus § 31 VVG nicht, um die mit der Vereinbarung verbundenen Nachteile zu kompensieren. Zum einen ist den §§ 41 f. VVG – wie gezeigt – im Umkehrschluss die Wertung zu entnehmen, dass dem Versicherer nicht noch alternativ zu seinen gesetzlichen Rechten die Möglichkeit einer Prämienerhöhung offen stehen soll320. Aus dem Gesetz folgt damit schon die Entscheidung, dass die notwendig mit einer solchen Gestaltung verbundenen Vorteile nicht ausreichen, um die Nachteile daraus zu kompensieren321. Zum anderen ist eine Prämienanpassung ohne einen Ausschluss der §§ 23 ff. VVG für den Fall einer Gefahrerhöhung auch s. zur genauen Länge dieses Zeitraumes oben unter (c) (cc). s. dazu oben unter 3. a) aa) (S. 256). 321 Vgl. zu dieser Argumentation oben im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. III. 2. c) aa) (S. 92 f.). 319 320

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

nicht – wie dies nach der im 1. Teil322 entwickelten Regel nötig wäre – in jedem denkbaren Anwendungsfall der Vereinbarung günstiger als eine Lösung des Versicherers vom Vertrag323. Auch die gleichzeitige Vereinbarung einer Prämienermäßigung für den Fall einer Gefahrminderung ändert an diesem Ergebnis nichts. Dies gilt auch dann, wenn man annimmt, dass der damit im Vergleich zu § 41a VVG verbundene Vorteil bei Versicherungsnehmern, die nicht schon bei Vertragsschluss in der niedrigsten Gefahrenklasse sind und deshalb von der Möglichkeit einer Prämiensenkung profitieren können, ausreicht, um die Nachteile aus der Prämienanpassung auszugleichen. Die Nachteile für diejenigen Versicherungsnehmer, bei denen die Gefahr nur steigen kann, werden dadurch aus den bereits im 1. Teil324 besprochenen Gründen nicht kompensiert. Der Zulässigkeit einer Prämienanpassungsregelung steht es allerdings nicht entgegen, wenn die Prämienerhöhung nur für einzelne oder eine Gruppe von Gefahrerhöhungen vereinbart wird und die §§ 23 ff. VVG deshalb nicht insgesamt, sondern nur im Hinblick auf diese Gefahrerhöhungen ausgeschlossen werden. Darum geht es etwa bei den speziellen Rabattvereinbarungen in der Kraftfahrtversicherung. Die Belastung mit einer Prämienerhöhung bei Eintritt einer bestimmten Gefahrerhöhung wird allein schon durch die Vorteile ausgeglichen, die sich aus dem Ausschluss der §§ 23 ff. VVG (i. V. m. dem Kündigungsrecht aus § 31 VVG) gerade im Hinblick auf diese Gefahrerhöhung ergeben. Für die Zulässigkeit der Prämienanpassung ist es daher ohne Bedeutung, ob die §§ 23 ff. VVG auch noch im Hinblick auf andere Gefahrerhöhungen ausgeschlossen werden325. Dies gilt immer dann, wenn die von der Prämienerhöhung und dem Ausschluss der §§ 23 ff. VVG erfassten Gefahrerhöhungen vorab nach objektiven (d. h. von einer nachträglichen Entscheidung des Versicherers unabhängigen) Kriterien bestimmt werden. Mit § 34a VVG vereinbar ist es daher insbesondere auch, wenn die Anpassungsregelung für den Fall, dass die erhöhte Gefahr nach dem Tarif des Versicherers auch für einen höheren Beitrag nicht übernommen wird, statt einer Prämienerhöhung eine Kündigung des Versicherers vorsieht (so z. B. § 11 Abs. 1 Satz 2 ARB 94). Eine solche Regelung schließt die §§ 23 ff. VVG für alle von der Prämienerhöhung erfassten Gefahrerhöhungen – nämlich für die Gefahrerhöhungen, für die der Tarif des Versicherers eine höhere Prämie vorsieht – in vollem Umfange aus. Für den Ausgleich der insoweit von der Prämienerhöhung ausgehenden Belastungen kommt es nicht darauf an, dass es der Versicherer für die nicht von seinem Tarif erfassten Gefahrerhöhungen (für die der Vertrag mangels einer Vgl. dort im 1. Abschnitt unter A. III. 2. c) cc) (S. 99 f.). s. dazu oben unter aa). 324 Vgl. dort im 1. Abschnitt unter A. III. 2. a) bb) (2) (b) (cc) ) (S. 79 f.). 325 Gegen die Notwendigkeit einer generellen Abbedingung im Zusammenhang mit Vertragsstraferegelungen auch Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 791; dafür Knappmann VersR 1996, 401, 407. 322 323

2. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

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Berechnungsgrundlage gerade keine Prämienerhöhung vorsieht) in Gestalt des Kündigungsrechtes zum Teil bei der gesetzlichen Regelung belassen hat.

II. Generelle Gefahrerhöhungen 1. Übersicht In AVB wird eine Erhöhung der Prämie zum Teil auch beim Eintritt einer generellen Gefahrerhöhung zugelassen. So bestimmt etwa § 9c Abs. 1 AKB, dass der Versicherer, wenn er aufgrund eines Gesetzes oder einer Verordnung verpflichtet ist, den Leistungsumfang zu verändern, berechtigt ist, den Beitrag von dem Zeitpunkt an zu erhöhen, von dem an der geänderte Leistungsumfang gilt. Von dieser Regelung wird – neben Änderungen des PflVersG oder der KfzPFlVV, die sich unmittelbar auf den Inhalt des Versicherungsvertrages auswirken und daher keine Gefahrerhöhungen darstellen326 – auch die Änderung haftungsbegründender Normen erfasst, die sich unmittelbar auf den Leistungsumfang auswirken327. Bei der Änderung von Gesetzen, an denen Umfang und Voraussetzungen der Versicherungsleistung unmittelbar orientiert sind, handelt es sich nach h. M. aber um generelle Gefahrerhöhungen i. S. d. §§ 23 Abs. 1, 25 VVG328. Derartigen VereinZur Begründung siehe unten unter C. II. 1. a) (S. 315). Knappmann, in: Prölss / Martin § 9c AKB Rn. 2; Jacobsen, in: Feyock / Jacobsen / Lemor § 9c AKB Rn. 5. Ob diese Auslegung zutrifft, könnte man allerdings im Hinblick auf § 9d Abs. 1 1. Spiegelstrich AKB (der allerdings in der aktuellen Empfehlung des GDV vom 15. 11. 2002 nicht mehr enthalten ist) in Zweifel ziehen, der eine Bedingungsänderung für den Fall der Änderung von Gesetzen zulässt, auf denen die Bestimmungen des Versicherungsvertrages beruhen. Davon werden ebenfalls Gesetzesänderungen erfasst, die zu einer generellen Gefahrerhöhung führen (vgl. dazu unten unter C. II. 1. b) (S. 316). Man könnte daher daran denken, § 9c AKB auf Gesetzesänderungen zu beschränken, die unmittelbar in den Vertrag eingreifen. 328 Vgl. Prölss, in: Prölss / Martin § 23 VVG Rn. 9; Werber VersR 1976, 897, 898 ff.; ders. VersR 1991, 522, 523 f.; Rittner NJW 1976, 1529, 1531; speziell für die Änderung von Haftpflichtnormen in der Haftpflichtversicherung Johannsen, in: Bruck / Möller / Johannsen, Allg.Haftpflichtversicherung, Anm.G 118; OLG Köln VA 1912 Anh.Nr. 694; für Änderungen von Kostengesetzen in der Rechtsschutzversicherung geht wohl auch BVerwG NJW 1976, 1549 f. von einer (allerdings nicht von § 9 ARB a. F. erfassten) Gefahrerhöhung aus; zweifelnd allerdings Suppes VersR 1977, 396, 397; Möller, in: Bruck / Möller § 23 VVG Anm. 8; § 27 VVG Anm. 6. Für eine Einordnung als Gefahrerhöhung spricht, dass die Änderung solcher Gesetze zu einer Erhöhung der Schadenseintritts- oder der Schadensauswirkungswahrscheinlichkeit führen kann. So kann eine Ausweitung der Haftung des Versicherungsnehmers durch die Einführung neuer Haftpflichtnormen z. B. die Wahrscheinlichkeit eines Versicherungsfalles in der Haftpflichtversicherung erhöhen. Man könnte höchstens überlegen, ob es sich bei der Änderung genereller Umstände nicht lediglich um unerhebliche Gefahrerhöhungen i. S. d. § 29 Satz 1 VVG handelt. Dafür wird zum Teil angeführt, dass die gesetzlichen Rechtsfolgen einer Gefahrerhöhung – insbesondere die Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers – nur auf Änderungen gerade der individuellen Verhältnisse des betroffenen Versicherungsnehmers zugeschnitten seien (Suppes VersR 1977, 396 f.). Daraus lässt sich allerdings 326 327

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

barungen ist dabei im Zweifel ein konkludenter Ausschluss der §§ 23 ff. VVG im Hinblick auf die von ihnen erfassten Gefahrerhöhungen zu entnehmen329. Der Unterschied zu Prämienerhöhungsregelungen, die die Veränderung individueller Umstände des Versicherungsnehmers zum Gegenstand haben, liegt bei solchen Vereinbarungen vor allem in der unterschiedlichen Bestimmung des Erhöhungsbetrages: Da eine Veränderung der generellen Verhältnisse bei Vertragsschluss noch nicht berücksichtigt werden kann, gibt es keinen unabhängig von der Gefahrerhöhung existierenden Tarif des Versicherers, an den die Prämie angepasst werden könnte. Es muss daher ein anderer Maßstab für die Erhöhung gefunden werden. Die geschilderte AKB-Klausel orientiert sich dazu an dem Betrag, der zum Ausgleich des gestiegenen Schadensmehrbedarfes erforderlich ist330. Denkbar ist es zudem, den Anstieg (sofern der Versicherer denselben Versicherungsschutz im Neu- und Altgeschäft zu unterschiedlicher Prämie anbietet) auf den im Neugeschäft geforderten Betrag zu begrenzen oder aber in der Klausel gar keine Grenzen für die Erhöhung vorzugeben (und damit praktisch unbegrenzte Steigerung zuzulassen). 2. Meinungsstand Die Vereinbarkeit von Anpassungsklauseln, die an generelle Gefahrerhöhungen anknüpfen, mit den §§ 23 ff., 34a VVG wird im Schrifttum mit den bereits oben auf den S. 253 ff. geschilderten Argumenten diskutiert331. Diejenigen Stimmen, die die Zulässigkeit solcher Regelungen mit Hinweis auf die allgemeinen Grundnicht ableiten, dass Veränderungen genereller Umstände ganz aus dem Anwendungsbereich der §§ 27 ff. VVG auszunehmen wären. Es trifft zwar zu, dass eine Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer bei einer generellen Gefahrerhöhung in aller Regel nicht sachgerecht ist, weil der Versicherer typischerweise viel schneller und besser von einer Veränderung genereller Umstände Kenntnis erlangen kann. Dieser besonderen Interessenlage lässt sich aber bei der Auslegung der §§ 27 Abs. 2, 28 VVG Rechnung tragen (dazu sogleich unter 4. a) bei Fußnote 343). Die vom Gesetz außerdem vorgesehene Kündigungsmöglichkeit des Versicherers dagegen hat aber auch bei generellen Gefahrerhöhungen ihre Berechtigung. Die Kündigungsmöglichkeit soll den Versicherer – im Interesse einer möglichst genauen Prämienkalkulation – davon entlasten, schon bei Vertragsschluss alle denkbaren Veränderungen der bestehenden Risikolage abschätzen zu müssen(Prölss, FS Larenz, S. 487, 497 f.). Dieser Zweck greift auch bei einer Veränderung genereller Umstände ein (Prölss, in: Prölss / Martin § 23 VVG Rn. 2). 329 Es ist nämlich regelmäßig davon auszugehen, dass sich der Versicherer keine anderen Reaktionsmöglichkeiten vorbehalten will, vgl. bereits oben Fußnote 242. 330 Knappmann, in: Prölss / Martin § 9c AKB Rn. 4; Jacobsen, in: Feyock / Jacobsen / Lemor § 9c AKB Rn. 8; ähnlich Stiefel / Hofmann §§ 9a – d AKB Rn. 7, der eine Neukalkulation der Prämie ausschließt. 331 In der Regel findet sich in den Stellungnahmen keine Differenzierung zwischen individuellen und generellen Gefahrerhöhungen (vgl. z. B. Prölss, in: Prölss / Martin § 27 Rn. 3; Langheid, in: Römer / Langheid §§ 23 – 25 Rn. 41; ausdrücklich mit generellen Gefahrerhöhungen befasst sich Werber VersR 1976, 897, 900.

2. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

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sätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage bejahen, gehen dabei von der Zulässigkeit einer an dem gestiegenen Schadenskostenbedarf orientierten Prämienerhöhung aus332. Ausführliche Stellungnahmen zur Zulässigkeit von Prämienerhöhungen als Reaktion auf generelle Veränderungen nach Vertragsschluss, insbesondere einen gestiegenen Schadenskostenbedarf, finden sich im Zusammenhang mit der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB n. F.333. Die dabei entwickelten Lösungen werden dabei allerdings jeweils – wie es dem Maßstab des § 307 BGB n. F. entspricht – jeweils mit den Interessen beider Seiten (insbesondere auch: dem Interesse des Versicherers an einer Anpassung) begründet. Die Argumente lassen sich daher regelmäßig nicht auf die Saldierung im Rahmen des § 34a VVG übertragen334. Ein auch im vorliegenden Zusammenhang zu berücksichtigender Ansatz findet sich allerdings bei Wandt335. Wandt bejaht im Hinblick auf § 9 AGBG a. F. (§ 307 BGB n. F.) die Zulässigkeit von nicht der Höhe nach (insbesondere auch nicht auf die im Neugeschäft verlangte Prämie) limitierten Prämienerhöhungen, sofern die Erhöhung nur einen Zeitraum betrifft, vor dessen Beginn sich der Versicherer durch Kündigung von dem Vertrag lösen könnte und der Versicherungsnehmer zudem eine formal ausreichend abgesicherte Möglichkeit hat, sich vom Vertrag zu lösen336: Der Versicherungsnehmer werde bei einer solchen Gestaltung lediglich dadurch belastet, dass er zur Abwendung der Prämienerhöhung aktiv werden müsse. Dies sei aber angesichts des Interesses an einer möglichst unkomplizierten und kostengünstigen Vertragsfortsetzung nicht unangemessen337. Der Versicherer habe zwar kein berechtigtes Interesse an einer beliebigen Prämiensteigerung, insbesondere an einer ungleichen Prämie für Neu- und Bestandskunden bei ansonsten gleichen Vertragsbedingungen338. Da der Versicherungsnehmer aber die Möglichkeit zu einer Lösung vom Vertrag und – bei funktionierendem Wettbewerb – zu einer anderweitigen Weiterversicherung habe, sei auch eine solche Prämienerhöhung als zulässig anzusehen339. Im Ergebnis wird damit – da ein berechtigtes Interesse des Versicherers an einer unbegrenzten Prämiensteigerung ja gerade verneint wird – allein mit den InteWerber VersR 1976, 897, 900; ders. VP 1983, 38, 40. Vgl. z. B. BK / Harrer § 31 Rn. 28 ff.; Prölss, in: Prölss / Martin § 31 VVG Rn. 7 ff.; Beckmann VersR 1996, 540 ff. m. w. N. 334 s. zu diesem Unterschied oben im 1. Teil im 3. Abschnitt unter A. I. 2. c) aa) (S. 163). 335 Wandt, Änderungsklauseln, Rn. 253 ff. 336 Wandt, Änderungsklauseln, Rn. 253 ff. Noch weitergehend will Marlow, FS Baumann, S. 209, 219 ff. das Kündigungsrecht aus § 31 VVG allgemein zur Kompensation der Prämienerhöhung ausreichen lassen. 337 Wandt, Änderungsklauseln, Rn. 252. 338 Wandt, Änderungsklauseln, Rn. 257. 339 Wandt, Änderungsklauseln, Rn. 259. 332 333

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

ressen des Versicherungsnehmers argumentiert340. Das Interesse des Versicherungsnehmers an einer Vertragsfortsetzung wird also generell höher bewertet als die Gefahr, dass er seine Lösungsmöglichkeit nicht wahrnimmt und deshalb an einen wirtschaftlich ungünstigen Vertrag gebunden bleibt. Man könnte daher daran denken, diese Bewertung auf die Saldierung im Rahmen des § 34a VVG zu übertragen. 3. Abweichung von den §§ 23 ff., 41 f. VVG Prämienerhöhungsregelungen, die – wie § 9c AKB – unmittelbar tatbestandlich an den Eintritt einer generellen Gefahrerhöhung anknüpfen, weichen ebenso wie die unter I. untersuchten Klauseln von den §§ 23 ff., 27 f. VVG ab. Sofern derartige Regelungen nicht mit einem Ausschluss der §§ 23 ff. VVG einhergehen, handelt es sich zudem aus den bereits für individuelle Gefahrerhöhungen dargelegten Gründen341 um eine Abweichung von den §§ 41 f. VVG.

4. Nachteiligkeit der Abweichung Dass die Vereinbarung einer Prämienerhöhung für den Fall einer generellen Gefahrerhöhung für den Versicherungsnehmer nicht überwiegend nachteilig ist, folgt nicht schon aus der Vorteilhaftigkeit einer Prämienanpassung für den Fall einer individuellen Gefahrerhöhung. Da sich die Erhöhung der Prämie an einem anderen Maßstab orientiert, muss vielmehr noch untersucht werden, welcher Umfang der Prämienerhöhung mit § 34a VVG vereinbar ist. a) Kompensation der Nachteile durch den Ausschluss der §§ 23 ff. VVG Die erhöhte Prämienbelastung kann zunächst durch einen Ausschluss der §§ 23 ff. VVG kompensiert werden. Ein solcher Ausschluss bringt für den Versicherungsnehmer – wie bei einer Anknüpfung an individuelle Gefahrerhöhungen – den Vorteil mit sich, dass der Vertrag trotz der Gefahrerhöhung fortgesetzt wird. Außerdem löst die Prämienerhöhung ein Kündigungsrecht aus § 31 VVG aus, durch das er die Erhöhung (gegebenenfalls rückwirkend) vom Eintritt der Gefahrerhöhung an abwenden kann342. Die Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 28 VVG hat indes für generelle Gefahrerhöhungen, da sie dem Versicherer in 340 Wandt spricht zwar in Rn. 250 von dem Interesse beider Parteien an einer Vertragsfortsetzung. Für die Frage der Höhe der Prämienerhöhung kommt es aber, da dem Versicherer ein berechtigtes Interesse insoweit ganz abgesprochen wird, nach seiner Argumentation praktisch nur auf die Interessen des Versicherungsnehmer an. 341 Vgl. dazu unter A. I. 3. b) (S. 258 f.). 342 s. zum Umfang des Kündigungsrechtes oben unter I. 4. a) bb) (S. 260 ff.).

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aller Regel nicht später zur Kenntnis kommen werden als dem Versicherungsnehmer, praktisch keine Bedeutung (vgl. § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG)343. Diesen Vorteilen steht – wie bei individuellen Gefahrerhöhungen – für die Zeit vor Ablauf der für § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG maßgeblichen Versicherungsperiode344 die Verpflichtung zur Zahlung des Betrages, um den sich die Prämie erhöht, sowie für die Zeit danach auch die Verpflichtung zur Zahlung der Prämie in der bisherigen Höhe gegenüber345. aa) Anpassung der Prämie an die im Neugeschäft verlangte Prämie Überwiegend vorteilhaft ist zunächst eine Anpassung an die Prämie, die der Versicherer für entsprechenden Versicherungsschutz im Neugeschäft verlangt. Bei einer solchen Erhöhung kann – angesichts des im Neugeschäft auf die Prämie einwirkenden Wettbewerbsdruckes – unterstellt werden, dass die vom Versicherer verlangte Prämie der durchschnittlich am Markt für die Versicherung der erhöhten Gefahr geforderten Prämie entspricht. Die oben346 angeführten Überlegungen passen daher auch hier: Die Fortsetzung des Vertrages kann für den Versicherungsnehmer angesichts seiner eigenen Kündigungsmöglichkeit aus § 31 VVG nur dann ungünstiger sein als die Kündigung durch den Versicherer, wenn er aus Unachtsamkeit nicht von seinem Kündigungsrecht Gebrauch macht. Auch in diesem Falle ergibt sich bei einer Anpassung an das Neugeschäft aber für den Versicherungsnehmer im Ergebnis kein Nachteil, weil bei einem Versicherungsnehmer, der die Kündigungsfrist versäumt, auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass er nach einer Kündigung des Versicherers eine günstigere als die durchschnittlich am Markt angebotene Versicherungsmöglichkeit finden würde. Die Prämienmehrbelastung wird daher durch die Fortsetzung des Versicherungsschutzes ausgeglichen. Im Saldo ergibt sich bei einer am Neugeschäft orientierten Prämienerhöhung daher für die Zeit, in der der Vertrag nach der gesetzlichen Regelung beendet worden wäre, ein „Überschuss“ für den Versicherungsnehmer in Höhe der nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG nutzlos aufzuwendenden Prämie. Dieser Vorteil reicht aus, um die Nachteile in dem Zeitraum, in dem der Versicherer nach der gesetzlichen Regelung trotz der Gefahrerhöhung an den Vertrag gebunden wäre, auszugleichen. 343 Selbst wenn der Versicherungsnehmer im Einzelfall einmal vorher von der Erhöhung Kenntnis erlangt, darf er zudem regelmäßig davon ausgehen, dass der Versicherer bereits davon weiß. Ohne besondere Anhaltspunkte für eine Unkenntnis des Versicherers zögert er daher nicht schuldhaft – und verletzt damit auch nicht seine Pflicht zur „unverzüglichen“ Anzeige (vgl. § 121 BGB) – wenn er den Versicherer nicht von der generellen Gefahrerhöhung verständigt. – Nach Möller, in: Bruck / Möller § 23 VVG Anm. 8 soll den Versicherungsnehmer bei generellen Gefahrerhöhungen unabhängig von diesen Erwägung nie eine Anzeigepflicht treffen. 344 Zu den Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit des § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG im Hinblick auf objektive Gefahrerhöhungen vgl. oben Fußnote 298. 345 s. dazu oben unter I. 4. b) (S. 267 f.). 346 s. unter I. 4. c) aa) (2) (S. 270 ff.).

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

Da bei generellen Gefahrerhöhungen, insbesondere bei der Änderung von Gesetzen, in aller Regel unterstellt werden kann, dass der Versicherer bereits vor Eintritt der Gefahrerhöhung von dieser Kenntnis erlangt und dies zum Anlass für eine Kündigung genommen hätte, wird dieser Zeitraum regelmäßig noch weniger ins Gewicht fallen als bei individuellen Gefahrerhöhungen347. bb) Anpassung der Prämie an die gestiegenen Schadenskosten Unbedenklich ist auch eine Anpassung der Prämie an den infolge der Gefahrerhöhung zu erwartenden höheren Schadenskostenbedarf (wie sie etwa § 9c AKB vorsieht). Eine solche Erhöhung wird, auch wenn der Versicherer bei seinen Neuund seinen Bestandskunden für dieselbe Versicherungsleistung unterschiedliche Prämien fordert, jedenfalls im Durchschnitt nicht öfter über den im Neugeschäft geforderten Betrag hinausgehen, als sie dahinter zurückbleibt. Die für eine am Neugeschäft orientierte Erhöhung angeführten Überlegungen gelten daher, auch wenn es an einer ausdrücklichen Beschränkung der Erhöhung auf den im Neugeschäft geforderten Betrag fehlt, auch hier. cc) Nicht limitierte Prämienerhöhung Anders ist es dagegen, wenn eine Prämienerhöhungsregelung einen unbegrenzten, d. h. weder am Neugeschäft noch am gestiegenen Schadenskostenbedarf orientierten, Anstieg der Prämie zulässt348. Bei einer solchen Gestaltung kann nicht unterstellt werden, dass der Versicherer allein deshalb faktisch nur eine den Marktverhältnissen bei Eintritt der Gefahrerhöhung entsprechende Prämie verlangen wird, weil er ansonsten mit einer Kündigung des Versicherungsnehmers nach § 31 VVG rechnen müsste349. Wenn das Erhöhungsrecht des Versicherers nicht beschränkt ist, ist vielmehr davon auszugehen, dass der Versicherer – insbesondere weil er mit der fehlenden faktischen Kündigungsbereitschaft vieler Versicherungsnehmer rechnet – davon auch in weiter gehendem Umfang Gebrauch machen wird. Bei einer solchen Erhöhung ist aber die Fortsetzung des Vertrages für den Versicherungsnehmer in jedem Falle ungünstiger als dessen Beendigung, da ihm auch dann, wenn er keinen besonderen Aufwand treibt, eine anderweitige günstigere Weiterversicherung ohne weiteres möglich sein wird. In den Fällen, in denen er seine eigene Kündigungsmöglichkeit aus § 31 VVG versäumt, droht ihm daher ein unkalkulierbar hoher Nachteil in Gestalt einer Prämienmehrbelastung. Dieser Nachteil wird auch nicht durch die Ersparnis der nutzlosen Prämienzahlung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG aufgewogen. Ein unbegrenztes Recht zur Prämiensteigerung ist daher für den Vgl. zu diesen Überlegungen bereits oben unter I. 4. c) aa) (2) (d) (S. 278). Andere mögliche Limitierungen der Prämiensteigerung sind bislang nicht verwendet oder auch nur diskutiert worden und bleiben daher hier außer Betracht. 349 In diese Richtung Wandt, Änderungsklauseln, Rn. 257. 347 348

2. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

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Versicherungsnehmer überwiegend nachteilig und deshalb nicht mit § 34a VVG vereinbar.

b) Kompensation durch die Vereinbarung einer Prämienermäßigung Soweit eine Prämienerhöhungsregelung nicht mit einem Ausschluss der §§ 23 ff. VVG verbunden wird, ergibt sich wiederum im Umkehrschluss aus den §§ 41 f. VVG, dass es der Vereinbarung besonderer (d. h. über die notwendig mit der Fortsetzung des Vertrages hinausgehender) Vorteile bedarf, um einen Verstoß gegen § 42 VVG zu vermeiden. Ein solcher Vorteil könnte sich aus der Vereinbarung einer Prämiensenkung für den Fall einer Verringerung des generellen Gefahrniveaus ergeben. Eine solche Vereinbarung bringt für den Versicherungsnehmer bei generellen Gefahrerhöhungen größere Vorteile mit sich als bei einer gefahrsenkenden Veränderung der individuellen Verhältnisse des Versicherungsnehmers, weil § 41a VVG dem Versicherungsnehmer nur beim Wegfall individueller gefahrerhöhender Umstände einen Anspruch auf Senkung der Prämie gibt350. Zudem gelten für seine Berücksichtigung bei der Saldierung auch nicht die oben351 geschilderten Beschränkungen, da sich von keinem Versicherungsnehmer bereits bei Vertragsschluss sicher sagen lässt, dass er von einer Senkung des generellen Gefahrniveaus (und damit von einer daran anknüpfenden Prämiensenkung) nicht profitieren kann. Allerdings reicht die Vereinbarung einer Prämiensenkung nur zum Ausgleich der Nachteile aus, wenn der Eintritt einer generellen Gefahrverminderung ebenso wahrscheinlich und durchschnittlich in derselben Höhe zu erwarten ist wie eine generelle Gefahrerhöhung. Dies lässt sich bei generellen Gefahrerhöhungen jedoch nicht in jedem Falle sagen. Bei bestimmten generellen Veränderungen ist zwar der Eintritt einer Gefahrsteigerung nicht von vornherein wahrscheinlicher als eine Verminderung der Gefahr. Dass etwa die Änderung der Haftungsvoraussetzungen in Haftpflichtnormen häufiger zu einer Verschärfung der Haftung des Versicherungsnehmers (und damit in der Haftpflichtversicherung häufiger zu einer Gefahrerhöhung) führen wird als zu einer Lockerung der Haftung, ist nicht von vornherein zu erwarten. Andererseits bildet sich in generellen Gefahrerhöhungen oftmals die allgemeine Preisentwicklung ab, etwa bei der Änderung von Kostengesetzen in der Rechtsschutzversicherung oder von Haftungshöchstgrenzen für die Haftung des Versicherungsnehmers in der Haftpflichtversicherung. Da ein Preisanstieg wahr350 Bei dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden generellen Gefahrniveau handelt es sich nicht um einen „bestimmten Umstand“ für den eine höhere Prämie vereinbart wird. Zudem zeigt auch § 41a Abs. 2 VVG, dass es dem Gesetz nur um die nachträgliche Veränderung von Umständen geht, die der Versicherungsnehmer dem Versicherer bei Vertragsschluss anzeigen muss; darum geht es bei dem generellen Gefahrniveau bei Vertragsschluss aber nicht. 351 Vgl. im 1. Abschnitt unter A. III. 1. d) (S. 199 ff.).

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

scheinlicher ist als sinkende Preise, sind derartige generelle Gefahrerhöhungen aber durchschnittlich öfter zu erwarten als entsprechende Gefahrsenkungen. Sofern eine Erhöhungsregelung (auch) an derartige Erhöhungen anknüpft, lässt sich daher nicht mit der für die Saldierung erforderlichen Genauigkeit sagen, dass die Aussicht auf eine Prämiensenkung ausreicht, um die Nachteile zu kompensieren. Ohne einen Ausschluss der §§ 23 ff. VVG ist daher auch eine mit der Vereinbarung einer Prämiensenkung einhergehende Erhöhungsregelung unzulässig.

III. Veränderungen nach Vertragsschluss, die keine Gefahrerhöhung i. S. d. § 23 Abs. 1 VVG mit sich bringen 1. Gefahrsteigerungen, die keine Gefahrerhöhungen i. S. d. § 23 VVG darstellen Eine Abweichung i. S. d. § 34a VVG kommt auch in Betracht, wenn eine Prämienerhöhung an eine Veränderung anknüpft, die zwar zu einer Steigerung der Schadenseintritts- bzw. Schadensauswirkungswahrscheinlichkeit führt, jedoch nicht die Rechtsfolgen der §§ 23 ff. VVG auslösen würde. Darum geht es insbesondere bei Gefahrsteigerungen, die auch ohne eine Prämienanpassungsregelung und eine Abbedingung der §§ 23 ff. VVG nicht die Rechtsfolgen der §§ 23 ff. VVG auslösen würden, weil sie nach § 29 VVG entweder nur unerheblich oder aber als mitversichert anzusehen sind. Bei der Prüfung solcher Vereinbarungen ist wie bei Gefahrerhöhungen zwischen der Änderung der individuellen Verhältnisse des Versicherungsnehmers [dazu a)] und der von generellen Umständen [dazu b)] zu unterscheiden. a) Änderung der individuellen Verhältnisse des Versicherungsnehmers Vereinbarungen, die die Änderung der bei dem einzelnen Versicherungsnehmer bestehenden Gefahrensituation zum Gegenstand haben, sind in der Praxis für den Fall getroffen worden, dass ein bestimmtes Verhalten des Versicherungsnehmers zu einer nicht dauerhaften Erhöhung des Gefahrniveaus führt352. Darum geht es insbesondere bei Vereinbarungen über sog. Garagentarife in der Kraftfahrzeug- Kaskoversicherung, die den Wegfall eines bei Vertragsschluss gewährten Prämienrabattes bereits für den Fall vorsehen, dass der Versicherungsnehmer sein Fahrzeug 352 Dass eine Prämienerhöhungsregelung an eine dauerhafte Veränderung der individuellen Verhältnisse anknüpft, die ohne die Vereinbarung der Anpassung unter § 29 VVG fiele, lässt sich kaum denken, da schon aus dem Umstand, dass nach dem Tarif des Versicherers eine höhere Prämie zu zahlen ist, regelmäßig zu schließen ist, dass die dauerhafte Veränderung nicht unerheblich und auch nicht als mitversichert anzusehen ist. Auch Regelungen, die an eine nicht auf ein Verhalten des Versicherungsnehmers zurückgehende, nicht dauerhafte Veränderung anknüpfen, sind in der Praxis bislang – soweit ersichtlich – nicht verwendet worden und bleiben daher im folgenden außer Betracht.

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ein einzelnes Mal nicht in seiner Garage abstellt353. Die Gefahr eines Schadenseintritts, insbesondere eines Diebstahls, wird zwar durch ein solches Verhalten objektiv gesteigert. Wenn der Versicherungsnehmer aber nicht die Absicht hatte, sein Fahrzeug regelmäßig außerhalb der Garage abzustellen, wird dadurch keine Gefahrerhöhung i. S. d. § 23 VVG bewirkt, weil es an dem dafür erforderlichen „Dauermoment“ fehlt. Es handelt sich vielmehr jedenfalls nach h. M. um eine unerhebliche Gefahrerhöhung i. S. d. § 29 Satz 1 VVG354. Im Schrifttum werden die §§ 23 ff., 34a VVG zum Teil mit Hinweis auf dieses fehlende Dauermoment nicht als einschlägiger Prüfungsmaßstab angesehen355. Dies überzeugt indes nicht ohne weiteres: Daraus, dass die §§ 23 ff. VVG gerade nur für solche gefahrrelevanten Veränderungen für den Versicherungsnehmer belastende Rechtsfolgen vorsehen, denen ein gewisses Dauermoment innewohnt, könnte man schließen, dass es das Gesetz dem Versicherer gerade untersagen will, aus einer solchen Entwicklung für den Versicherungsnehmer belastende (oder zumindest im Vergleich zu den §§ 23 ff. VVG belastendere) Folgerungen zu ziehen. Wenn man den Ausschluss solcher Veränderungen an § 29 VVG festmacht, lässt sich dafür auch schon der halbzwingende Charakter dieser Vorschrift anführen356. Im Ergebnis kann diese Frage hier indes offen bleiben. Einer Abweichung i. S. d. §§ 23 ff., 34a VVG steht nämlich in den hier untersuchten Fällen § 32 VVG entgegen. Wenn bereits ein einmaliges gefahrsteigerndes Verhalten des Versicherungsnehmers dazu führt, dass ein Prämienrabatt wegfällt, so ist dies als Vereinbarung einer Obliegenheit i. S. d. § 32 VVG zu verstehen. Das bei Prämienerhöhungen, die an (dauernde) Gefahrerhöhungen i. S. d. §§ 23 ff. VVG anknüpfen, angeführte Argument, dass die Erhöhung der Prämie nicht geeignet ist, den Versicherungsnehmer von der Herbeiführung einer Gefahrerhöhung abzuschrecken357, greift bei einer Anknüpfung an ein nicht dauerhaft gefahrerhöhendes Verhalten nicht: Der Erhöhung der Prämie (bzw. der Wegfall des Rabattes) steht in diesem Falle keine der beim Versicherungsnehmer tatsächlich bestehenden Gefahrenlage entsprechende Ausweitung des Versicherungsschutzes gegenüber. Vielmehr trifft den Versicherungsnehmer eine überproportionale Zahlungspflicht, da er durch den Rabattwegfall so gestellt wird, als ob bei ihm ein höheres Gefahrniveau vorgelegen Dazu und zu weiteren Beispielen vgl. Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 788 f. Die wohl h. M. macht das Fehlen eines Dauermomentes an § 29 Satz 1 fest, vgl. Möller, in: Bruck / Möller § 29 VVG Anm. 6; BGH VersR 1992, 606, 608; BGH RuS 1993, 623. Die Grundsatzentscheidung BGHZ 7, 311, 316 ff. nennt § 29 dagegen nicht ausdrücklich. Man könnte daher auch daran denken, die Dauer der Gefahrsteigerung (nur) im Rahmen der Auslegung des § 23 VVG zu berücksichtigen; Unterschiede ergeben daraus für die vorliegende Fragestellung indes nicht. – Zu der Kritik am Dauererfordernis vg. Prölss, in: Prölss / Martin § 23 Rn. 10 m. w. N. 355 Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 788 f. 356 Vgl. Martin N IV 20 zu §§ 29, 34a sowie sogleich im Zusammenhang mit der Änderung genereller Umstände. 357 Vgl. dazu oben unter I. 3. a) cc) (S. 257 f.). 353 354

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hätte, als dies tatsächlich der Fall war. Ein vernünftig kalkulierender Versicherungsnehmer wird daher das den Rabattwegfall auslösende Verhalten nach Möglichkeit vermeiden, wenn er nicht eine generelle Änderung seiner Verhaltensplanung (z. B. den dauerhaften Verzicht auf eine Garagennutzung) vornehmen möchte. Auch der Zweck des § 32 VVG spricht für die Einordnung solcher Regelungen als Obliegenheitsvereinbarungen: § 32 VVG soll im Interesse der Gefahrengemeinschaft die Auferlegung spezieller, über die allgemeine Gefahrstandspflicht hinausgehender Verhaltensnormen ermöglichen358. Die Gefahrengemeinschaft hat aber nicht nur ein Interesse daran, dass dauerhafte Gefahrsteigerungen ohne Ausgleich unterbleiben. Vielmehr besteht auch ein Interesse an der Vermeidung bloß vorübergehender Gefahrsteigerungen und damit an der Vereinbarung von Sanktionen, die von dem Eintritt einer Gefahrerhöhung unabhängig sind. Die Freistellung von den Einschränkungen des § 34a VVG ist daher gerade für Vereinbarungen von Bedeutung, die ein gefahrrelevantes Verhalten betreffen, das keine dauerhafte Änderung der Gefahrenlage bewirkt359. Vereinbarungen der beschriebenen Art weichen daher nicht von den §§ 29, 34a VVG ab360. b) Änderung genereller Umstände aa) Übersicht Soweit die Veränderung genereller Umstände nach Vertragsschluss zwar zu einer Steigerung der Schadenseintritts- oder der Schadensauswirkungswahrscheinlichkeit führt, diese Änderung aber nur Ausdruck des allgemeinen Änderungsrisikos ist (Beispiel: Der allgemeine Preisanstieg lässt die Kosten pro Schadensfall ansteigen), handelt es sich ebenfalls nicht um Gefahrerhöhungen i. S. d. §§ 23, 27 VVG. Vielmehr ist eine solche Gefahrsteigerung jedenfalls nach § 29 Satz 2 VVG als mitversichert anzusehen361. Regelungen, die an solche Veränderungen anknüpfen, finden sich z. B. in § 8 Abs. 3 AHB und § 10 B ARB 94. Dort wird jeweils eine Erhöhung der Prämie für den Fall eines Anstieges der allgemeinen Schadenskosten zugelassen.

Möller, in: Bruck / Möller § 32 Anm. 3. Auch nach Prölss, in: Prölss / Martin § 32 Rn. 1 kommt § 32 VVG gerade für solche Fälle eine eigenständige Bedeutung gegenüber den §§ 23 ff. VVG zu. 360 Als Prüfungsmaßstab aus dem VVG kommen vielmehr nur die §§ 6, 15a VVG in Betracht. Allerdings lässt sich bezweifeln, ob diese Vorschriften auch Obliegenheiten betreffen, die andere Sanktionen als Leistungsfreiheit vorsehen (dagegen auch Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 788). Unmittelbar geregelt werden in § 6 VVG ja nur die besonderen Anforderungen, die an die Geltendmachung der Leistungsfreiheit im Falle einer Obliegenheitsverletzung zu stellen sind. Dass § 6 VVG darüber hinaus auch den Kreis der unabhängig von einer Leistungsfreiheit zulässigen Sanktionen vorgeben wollte, ist nicht anzunehmen. 361 Vgl. Prölss, in: Prölss / Martin § 23 VVG Rn. 9, 7. 358 359

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Die Vereinbarkeit derartiger Vereinbarungen mit den §§ 23 ff., 29, 34a VVG wird im Schrifttum nicht ausdrücklich erörtert. Im Hinblick auf § 9 AGBG a. F. (§ 307 BGB n. F.) wird jedoch vertreten, dass es zur Zulässigkeit einer Prämienerhöhung bei Änderung der allgemeinen Verhältnisse nicht darauf ankomme, ob der Prämienerhöhung eine fassbare generelle Gefahrerhöhung zugrunde liege362. Andere Stimmen nehmen mit Hinweis auf § 29 Satz 2 VVG einen Verstoß gegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG a. F. (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB n. F.) an363. Zudem soll es nach einer im Schrifttum vertretenen Ansicht eine nachteilige Abweichung von § 29 VVG mit sich bringen, wenn an eine nach dieser Vorschrift unbeachtliche Gefahrsteigerung für den Versicherungsnehmer schärfere als die gesetzlichen Rechtsfolgen geknüpft werden364. Auf der Grundlage dieser Auffassung müsste man wohl die geschilderten Erhöhungsregelungen an § 34a VVG messen. bb) Nachteilige Abweichung von den §§ 23 ff., 29 VVG Ob eine Abweichung zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den §§ 23 ff., 29 VVG vorliegt, hängt davon ab, welche Aussagen dem Gesetz über die zulässigen Rechtsfolgen von nach § 29 VVG unbeachtlichen Gefahrsteigerungen entnommen werden können. § 29 VVG sagt ausdrücklich nur, dass die Rechtsfolgen einer Gefahrerhöhung bei mitversicherten Gefahrsteigerungen nicht eingreifen. Daraus lässt sich in Verbindung mit § 34a VVG entnehmen, dass dem Versicherungsnehmer durch eine Vereinbarung nicht einfach, d. h. ohne eine Kompensation durch mit Vereinbarung verbundene Vorteile, genau dieselben Rechtsfolgen auferlegt werden dürfen wie bei Gefahrerhöhungen. Andernfalls ließe sich nicht erklären, dass nach § 34a VVG auch § 29 VVG halbzwingenden Charakter hat. Außerdem stehen die §§ 29, 34a VVG auch der Vereinbarung von Rechtsfolgen entgegen, die für den Versicherungsnehmer belastender sind als die Rechtsfolgen, die im Falle einer Gefahrerhöhung vereinbart werden könnten365. Wenn solche Rechtsfolgen schon für vom Gesetz als beachtlich angesehene Gefahrerhöhungen nicht vereinbart werden können, dann kann dies erst recht nicht bei den vom Gesetz als weniger gravierend bewerteten Gefahrsteigerungen i. S. d. § 29 VVG zulässig sein. Die Vereinbarung von Kündigung und Leistungsfreiheit oder einer noch belastenderen Rechtsfolge scheidet deshalb aus. Auch die Einräumung eines nicht der Höhe nach limitierten Erhöhungsrechtes ist daher bei Anknüpfung an eine Erhöhung der allgemeinen Schadenskosten unzulässig. Prölss, in: Prölss / Martin § 31 Rn. 8. So Wriede VersR 1992, 420, 421 für steigende Krankheitskosten in der Krankenversicherung (allerdings vor Inkrafttreten des § 178g VVG). 364 Martin SVR N IV 20. 365 s. dazu bereits oben im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. I. 2. b) (S. 38 f.). 362 363

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

Problematisch ist, ob sich darüber hinaus aus den §§ 29, 34a VVG ableiten lässt, dass bei mitversicherten oder unerheblichen Gefahrsteigerungen auch nicht dieselben Rechtsfolgen vereinbart werden dürfen, die bei einer Gefahrerhöhung i. S. d. § 23 VVG zulässigerweise an die Stelle der gesetzlichen Regelung gesetzt werden könnten. Wenn man dem Gesetz eine solche Aussage entnähme, würden auch Prämienerhöhungsregelungen, die nach dem oben Gesagten für den Versicherungsnehmer insgesamt günstiger sind als die gesetzlichen Rechtsfolgen (also insbesondere: eine Anpassung an den erhöhten Schadenskostenbedarf oder an das Neugeschäft), eine Abweichung von § 29 VVG begründen. Sie wären daher nur zulässig, wenn die Belastung mit der Prämienerhöhung durch einen im Gesetz nicht vorgesehenen Vorteil (der nicht in der Abbedingung der §§ 23 ff. VVG bestehen könnte, da diese in den Fällen des § 29 VVG gerade keine für den Versicherungsnehmer belastenden Rechtsfolgen vorsehen) kompensiert würde366. Der Zweck der §§ 23 ff. VVG spricht aber dagegen, dass § 29 VVG die Vereinbarung jeglicher für den Versicherungsnehmer belastender Rechtsfolgen verbieten will: Die Gefahr, dass der Versicherer bei Vertragsschluss im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen einen Sicherheitszuschlag in die Prämie einkalkuliert, der aufgrund der bei Vertragsschluss bestehenden Gefahrenlage eigentlich nicht erforderlich wäre367, besteht nicht nur bei Gefahrerhöhungen i. S. d. §§ 23, 27 VVG, sondern auch bei Gefahrsteigerungen i. S. d. § 29 VVG. Wenn der Versicherer auf einen durch eine Veränderung der allgemeinen Verhältnisse ausgelösten Anstieg der Schadenskosten nach Vertragsschluss nicht mehr reagieren kann, muss er die voraussichtliche Entwicklung von vornherein in die Prämie einkalkulieren. Dies führt aber zu einer „ungenaueren“ anfänglichen Prämienkalkulation, als dies bei Bestehen einer späteren Anpassungsmöglichkeit der Fall wäre. Es ist deshalb nicht anzunehmen, dass das Gesetz dem Versicherer jede den Versicherungsnehmer belastende Reaktion auf eine Gefahrsteigerung i. S. d. § 29 VVG untersagen wollte. Den §§ 29, 34a VVG lässt sich vielmehr nur die Entscheidung des Gesetzgebers entnehmen, dass die Kontinuität und der Umfang des Versiche366 Im Ergebnis würde eine solche Kompensation aber wohl regelmäßig scheitern. Insbesondere ist zweifelhaft, ob die Vereinbarung einer Prämienermäßigung für den Fall des Absinkens der allgemeinen Schadenskosten, wie sie die geschilderten AVB-Regelungen regelmäßig enthalten, zum Ausgleich der Prämienbelastung ausreicht. Ein Absinken der allgemeinen Schadenskosten ist, da darin stets die allgemeine Preisentwicklung (und das heißt praktisch: der allgemeine Preisanstieg) Eingang findet, in der Regel deutlich unwahrscheinlicher als ein Anstieg. Die Möglichkeit einer Prämiensenkung wiegt die Möglichkeit einer Prämienerhöhung daher nicht ohne weiteres auf. (Anders ist es nur, wenn die Prämienerhöhung erst zu einem Termin wirksam wird, zu dem dem Versicherer bei Bekanntgabe der Prämienerhöhung ohnehin ordentlich hätte kündigen können. In einem solchen Fall gilt dasselbe wie bei Ersetzung des gesetzlichen Kündigungsrechtes wegen Gefahrerhöhung durch eine Prämienerhöhungsregelung: Die Fortsetzung des Vertrages zu einer höheren Prämie ist dann – zusammen mit dem Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers aus § 31 VVG – nicht ungünstiger als dessen Beendigung [vgl. oben unter I. 4. c) aa) (S. 268 ff.)]. 367 Vgl. zu dieser Zwecksetzung Prölss, FS Larenz, S. 487, 497 f.

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rungsschutzes bei solchen Gefahrsteigerungen nicht in Frage gestellt und der Versicherungsnehmer auch nicht stärker belastet werden darf, als dies bei Gefahrerhöhung i. S. d. §§ 23, 27 VVG zulässig wäre. Prämienanpassungsregelungen, die sich im Rahmen dessen halten, was auch bei einer generellen Gefahrerhöhung zulässigerweise vereinbart werden könnte, weichen daher nicht i. S. d. § 34a VVG von den §§ 23 ff., 29 VVG ab. Auch die in der Praxis verwendeten Erhöhungsregelungen, die eine Anpassung an den allgemeinen Schadenskostenbedarf vorsehen, sind daher mit den §§ 29, 34a VVG vereinbar.

2. Änderung indizierender Umständen a) Übersicht Ein Konflikt mit den §§ 23 ff., 34a VVG ergibt sich möglicherweise auch dann, wenn nicht eine Gefahrerhöhung, sondern die Veränderung von Umständen, die für eine Erhöhung des ursprünglichen Gefahrniveaus beim Versicherungsnehmer bloß indizierend sind, zum Anknüpfungspunkt für eine Prämieanpassungsregelung gemacht wird. Solche Regelungen finden sich etwa in den schon im Zusammenhang mit Abweichungen von den §§ 16 ff. VVG angesprochenen Tarifregelungen in der Kraftfahrtversicherung. So wird die Einstufung in eine bestimmte Tarifgruppe in den TB von dem Vorliegen bzw. Nichtvorliegen bestimmter Umstände abhängig gemacht, die für das beim Versicherungsnehmer gegebene Gefahrniveau bloß indizierend sind (Beispiel: Eigenschaft als Beamter, vgl. Nr. 9b Abs. 1 Nr. 6 TB). Bei Veränderungen solcher für die Prämienberechnung maßgeblicher Umstände wird dabei – vom Zeitpunkt der Veränderung an – eine Anpassung der Prämie vorgesehen (Nr. 10 Abs. 1 TB). Entsprechendes gilt für spezielle Rabattvereinbarungen in der Kraftfahrtversicherung, die an für ein bestimmtes niedrigeres Gefahrniveau bloß indizierende Umstände anknüpfen und für den Fall des Wegfalles eines solchen Umstandes einen Rabattwegfall anordnen368. Im Schrifttum wird bei der Prüfung der Frage, ob sich aus den §§ 23 ff. VVG überhaupt Grenzen für die Zulässigkeit von Prämienerhöhungsregelungen ergeben können, nicht danach differenziert, ob an eine Gefahrerhöhung oder an einen bloß indizierenden Umstand angeknüpft wird. Vielmehr werden verbreitet – wohl weil unausgesprochen die oben369 abgelehnte Auslegung des Begriffs der Gefahrerhöhung zugrunde gelegt wird – auch Vereinbarungen wie Nr. 10 TB, die an bloße Indiztatsachen anknüpfen, sowie die im Zusammenhang damit vereinbarten Vertragsstraferegelungen an den §§ 23 ff., 34a VVG gemessen370. Allerdings wird die Zulässigkeit solcher Prämienanpassungsregelungen jedenfalls bei saldierender Betrachtung ihrer Vor- und Nachteile allgemein bejaht371. 368 369 370

Zu Beispielen vgl. bereits oben unter A. I. 1. a) (S. 248 f.). A. I. 1. a) (S. 249 ff.). Z. B. Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 789 f.

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

b) Nachteilige Abweichung von den §§ 23 ff. VVG Da es sich bei der Veränderung bloß indizierender Umstände nach der hier vertretenen Auffassung372 nicht um Gefahrerhöhungen i. S. d. §§ 23 ff. VVG handelt, lässt sich eine Abweichung i. S. d. § 34a VVG nicht daraus herleiten, dass ein im Gesetz ausdrücklich geregelter Sachverhalt mit schärferen Rechtsfolgen versehen würde. Es kommt vielmehr darauf an, ob sich aus dem Zweck der gesetzlichen Regelung auch Grenzen für die Vereinbarung von Rechtsfolgen für die Änderung indizierender Umstände ergeben. Dass bloß indizierende Veränderungen keine Gefahrerhöhungen i. S. d. §§ 23 ff. VVG darstellen, ergibt sich – wie gezeigt – insbesondere daraus, dass der Versicherungsnehmer in diesen Fällen durch das im Gesetz vorgesehene Kündigungsrecht des Versicherers zu stark belastet würde. Die Vereinbarung eines Kündigungsrechtes des Versicherers als Folge der Änderung indizierender Umstände würde daher dem Zweck der gesetzlichen Regelung zuwiderlaufen und damit gegen § 34a VVG verstoßen373. Dies bedeutet indes nicht, dass auch eine Prämienanpassungsregelung, die an bloß indizierende Umstände anknüpft und dabei – wie die in der Praxis verwendeten Regelungen – eine Anpassung an die nach dem Tarif des Versicherers für die jeweiligen indizierenden Umstände vorgesehene Prämie anordnet, nicht mit § 34a VVG vereinbar ist. Wie bereits bei der Auslegung des § 41 VVG dargelegt wurde, wird durch eine Prämiengestaltung, die sich an indizierenden Umständen orientiert, oftmals eine „genauere“ Prämienkalkulation ermöglicht als bei einer Ausrichtung an den bei dem konkreten Versicherungsnehmer tatsächlich vorhandenen potentiellen Schadensursachen. Eine derartige Prämiengestaltung dient daher demselben Ziel wie die gesetzlichen Reaktionsmöglichkeiten des Versicherers im Falle einer Gefahrerhöhung. Dass die §§ 23 ff., 34a VVG eine grundsätzliche Ent-

371 Vgl. die in Fußnote 251 Genannten. Eine Saldierung würde allerdings, wenn man auch die Veränderung bloß indizierender Umstände den §§ 23 ff. VVG unterstellt, nicht zu demselben Ergebnissen (vgl. oben A. I. und II.) führen wie bei nachträglichem Hinzutreten neuer potentieller Schadensursachen. Der Ausschluss der Leistungsfreiheit aus §§ 25, 28 VVG könnte dann nämlich – auch bei schuldhafter Herbeiführung eines indizierenden Umstandes – nicht als Vorteil in die Saldierung eingestellt werden. Vor dem Zeitpunkt, in dem der Vertrag bei uneingeschränkter Geltung der gesetzlichen Regelung durch eine Kündigung des Versicherers beendet worden wäre, wäre eine Prämienerhöhung daher auch bei Verschulden des Versicherungsnehmers bzw. im Falle der schuldhaften Nichtanzeige einer Veränderung überwiegend nachteilig. Da die Verletzung der gesetzlichen Anzeigeobliegenheit praktisch sanktionslos bliebe, lässt sich auch nicht ohne weiteres sagen, dass dieser Zeitraum typischerweise besonders kurz sein wird. Die oben unter I. 4. c) aa) (2) (d) (S. 278 f.) angeführten Überlegungen lassen sich daher nur eingeschränkt übertragen; es ist daher problematisch, ob eine an den Zeitpunkt des Eintritts einer Veränderung anknüpfende Prämienanpassungsregelung zulässig wäre. 372 s. dazu bereits unter A. I. 1. a) (S. 249 ff.). 373 Vgl. dazu schon im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. I. 2. b) (S. 38 f.).

2. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

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scheidung gegen die Zulässigkeit solcher Vereinbarungen treffen wollen, ist deshalb nicht anzunehmen. Es ließe sich zwar nicht rechtfertigen, wenn der Versicherungsnehmer bei Eintritt einer für eine erhöhte Gefahr bloß indizierenden Situation noch belastenderen Rechtsfolgen ausgesetzt werden könnte, als dies bei tatsächlichem Vorliegen der durch die Umstände indizierten Gefahrerhöhung zulässig wäre. Darum geht es bei der Anpassung an den Tarif des Versicherers indes nicht: Eine solche Anpassung wäre auch bei einem an dem tatsächlich beim konkreten Versicherungsnehmer gegebenen Gefahrniveau orientierten Tarifsystem zulässig374. Es ist auch nicht anzunehmen, dass der Versicherungsnehmer bei einer an Indiztatsachen ausgerichteten Prämienkalkulation durch eine Erhöhung im Durchschnitt stärker belastet würde. Insbesondere steht ihm auch bei einer Erhöhung wegen der Veränderung indizierender Umstände, da es sich um eine Erhöhung ohne eine Änderung des Deckungsumfanges handelt, ein Kündigungsrecht nach § 31 VVG zu375. Vereinbarungen, die an die Veränderung von für eine höhere Gefahr bloß indizierenden Umständen anknüpfen und für diesen Fall eine Anpassung der Prämie an den dafür nach dem Tarif des Versicherers zu zahlenden Betrag vorsehen, weichen daher nicht zu Lasten des Versicherungsnehmers von den §§ 23 ff. VVG ab.

3. Fehlender Nachweis bzw. fehlende Erklärung des Versicherungsnehmers über für das Nichtvorliegen einer Gefahrerhöhung Eine Prämienanpassung wird schließlich in der Praxis zum Teil auch für den Fall vereinbart, dass der Versicherungsnehmer – auch ohne dass tatsächlich eine Gefahrerhöhung oder eine diese indizierende Veränderung eingetreten ist – sich nicht oder nicht rechtzeitig über das (Nicht-)Vorliegen einer solchen Veränderung erklärt bzw. keine Nachweise über das Fortbestehen eines eine geringere Prämie rechtfertigenden Gefahrniveaus erbringt. Solche Vereinbarungen finden sich etwa im Zusammenhang mit Rabattvereinbarungen in der Kraftfahrtversicherung; dort kann z. B. der fehlende (rechtzeitige) Nachweis über das Fortbestehen einer Rabattvoraussetzung zu einem Wegfall des ursprünglich vertraglich vereinbarten Rabattes führen376. Vgl. oben I. 4. c) aa) (S. 268 ff.). Vgl. zu der Frage, ob automatische Anpassung unter § 31 VVG fällt, bereits oben unter I. 4. a) bb) (2) (S. 262 f.); a. A. insoweit Feyock, in: Feyock / Jacobsen / Lemor vor § 1 PflVG Rn. 41. 376 Beispiel: Nr. 12a TB (regelmäßige Nutzung einer Garage); zu weiteren Beispielen vgl. Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 783, 792. Eine ähnliche Regelung findet sich in § 8 Abs. 2 Nr. 3 AHB, der sich allerdings auch als Vertragsstrafevereinbarung verstehen lässt (Voit, in: Prölss / Martin § 8 AHB Rn. 5), soweit er zu einer Prämienerhöhung ermächtigt, die auch bei einer Gefahrerhöhung höchstens gezahlt werden müsste; zudem kann man § 8 AHB auch dahin verstehen, dass die Prämienerhöhung stets zur Voraussetzung hat, dass 374 375

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

Soweit solchen Prämienerhöhungen tatsächlich eine dem Prämienanstieg entsprechende Gefahrerhöhung (bzw. eine Veränderung indizierender Umstände) zugrunde liegt, gelten die unter I. und III. 2. entwickelten Regeln entsprechend; eine Anpassung der Prämie an den Tarif des Versicherers ist daher zulässig. Einer näheren Betrachtung bedarf deshalb nur noch der Fall, dass in Wahrheit keine oder nur eine geringfügigere Veränderung eingetreten ist. Eine Abweichung von den §§ 23 ff. VVG wird im Schrifttum für diesen Fall zum Teil mit Hinweis auf das Fehlen einer Gefahrerhöhung abgelehnt377. Dem ist zunächst insoweit zuzustimmen, als es sich nicht um eine Verschärfung der Rechtsfolgen der §§ 23 ff. VVG handeln kann, da die §§ 23 ff. VVG gerade an das Vorliegen einer Gefahrerhöhung anknüpfen. Allerdings wird durch derartige Regelungen im Ergebnis der Eintritt einer Gefahrerhöhung vermutet und daran die für solche Erhöhungen geltende vertragliche Rechtsfolge geknüpft378. Da nach der gesetzlichen Regelung der Versicherer den Eintritt einer Gefahrerhöhung beweisen muss379, könnte man daran denken, darin eine Veränderung der gesetzlichen Beweislastverteilung zum Nachteil des Versicherungsnehmers zu erblicken380. Im Ergebnis überzeugt dieser Einwand indes nicht: Unmittelbar betrifft die gesetzliche Beweislastverteilung nur die Frage, wer die Voraussetzungen für die gesetzlichen Rechtsfolgen beweisen muss. Im Sinne des § 34a VVG nachteilig wäre daher eine Regelung, nach der das Fehlen eines Nachweises ein Kündigungsrecht sowie die Leistungsfreiheit des Versicherers zur Folge hat. Darüber hinaus kann die Vermutung einer Gefahrerhöhung erst recht nicht dazu führen, dass Rechtsfolgen eintreten, die auch bei tatsächlichem Vorliegen einer Gefahrerhöhung nicht mit § 34a VVG vereinbar wären. Dass der Versicherer sich bei einer bloß angenommenen Veränderung weitergehende Rechte einräumen darf als bei deren wirklichem Vorliegen, lässt sich nicht begründen. Um solche Rechtsfolgen geht es indes bei einer Anpassung an den bei einer Gefahrerhöhung geltenden Tarif des Versicherers bzw. einem Rabattwegfall nicht. Engere Grenzen für die Vereinbarung von Beweislastregelungen lassen sich aus § 34a VVG aber auch im Hinblick auf den Zweck der §§ 23 ff. VVG nicht rechtfertigen. Wenn der Versicherer seine Tarife an Voraussetzungen orientiert, deren Vorliegen mit Hilfe einer Anzeige bzw. eines Nachweises des Versicherungsnehmers zumindest leichter nachprüfbar ist, besteht ein anerkennenswertes Interesse daran, dem Versicherungsnehmer die Beweislast für das Vorliegen bzw. das Forteine Gefahränderung – wenn auch möglicherweise in geringerem Umfang, als dies der tatsächlichen Gefahrsteigerung entspricht – eingetreten ist. 377 Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 792. 378 So für § 8 Abs. 2 Nr. 3 AHB Voit, in: Prölss / Martin § 8 AHB Rn. 6. 379 Zu dieser Beweislastverteilung vgl. BK / Harrer § 23 Rn. 14; Langheid, in: Römer / Langheid §§ 23 – 25 Rn. 28. 380 Vgl. dazu, dass solche Veränderungen an sich zur Begründung einer Abweichung geeignet sind, im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. I. 3. (S. 39 ff.).

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bestehen von Rabattvoraussetzungen zuzuweisen. Dass die §§ 23 ff., 34a VVG solche Vereinbarungen schlechthin verhindern wollen, ist nicht anzunehmen. Auch für eine über den beschriebenen Umfang hinausgehende Begrenzung der Zulässigkeit solcher Regelungen finden sich im Gesetz keine Anhaltspunkte. Die Anpassung an den für eine Gefahrerhöhung bzw. eine indizierende Veränderung geltenden höheren Tarif des Versicherers ist daher auch zulässig, wenn diese lediglich einen fehlenden Nachweis bzw. eine fehlende Erklärung des Versicherungsnehmers über das Fortbestehen der bisherigen Gefahrensituation zur Voraussetzung hat.

IV. Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F. Die unter I. und II. erörterten, für den Versicherungsnehmer nicht überwiegend nachteiligen Prämienanpassungsregelungen für Gefahrerhöhungen i. S. d. § 23 Abs. 1 VVG halten auch der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2; 308 f. BGB n. F. stand. Spezielle Klauselverbote, insbesondere § 309 Nr. 1 BGB n. F. und § 308 Nr. 4 BGB n. F., sind insoweit nicht einschlägig. Bedenken im Hinblick auf § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB n. F. bestehen an der Zulässigkeit aber regelmäßig nicht, da die von der Prämienerhöhung ausgehende Belastung durch die Vorteile für den Versicherungsnehmer ausgeglichen wird; auf ein etwaiges berechtigtes Interesse des Versicherers an der Vereinbarung kommt es nicht an381. Die Vereinbarkeit solcher Regelungen mit den §§ 307 ff. BGB setzt daher insbesondere auch nicht voraus, dass neben der Prämienerhöhungsmöglichkeit auch die Möglichkeit einer Prämiensenkung vereinbart wird382. Die unter III. besprochenen Regelungen weichen dagegen, soweit sie nur Rechtsfolgen vorsehen, die zulässigerweise auch bei Vorliegen einer Gefahrerhöhung vereinbart werden könnten, schon gar nicht zu Lasten des Versicherungsnehmers von den §§ 23 ff. VVG ab. Die Vereinbarkeit mit dem VVG ist daher nicht die Folge einer – auch für die Bewertung nach § 307 BGB n. F. maßgeblichen – Saldierung der Prämienbelastung mit Vorteilen im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung. Das Ergebnis der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB n. F. wird daher dadurch nicht vorgeprägt383. Insbesondere kann die Belastung des VersicherungsnehVgl. dazu im 1. Teil im 3. Abschnitt unter A. I. 2. c) aa) (S. 162). Allerdings ist dem Versicherungsnehmer, wenn im Hinblick auf eine Gefahrerhöhung eine Prämienerhöhung eingetreten ist, bei einem späteren Wegfall dieser Gefahrerhöhung analog § 41a VVG die Möglichkeit zu geben, eine Prämienermäßigung zu verlangen. Ob bestimmte Umstände bereits bei Vertragsschluss zur Vereinbarung einer höheren Prämie geführt haben oder ob dies erst später aufgrund einer bei Vertragsschluss vereinbarten Anpassungsklausel geschieht, kann keinen Unterschied machen. 383 Allerdings lässt sich – da von der gesetzlichen Regelung ja gerade nicht abgewichen wird – eine Unwirksamkeit auch bei den unter III. 3. besprochenen Regelungen nicht mit einer Veränderung der gesetzlichen Beweislastverteilung (§ 309 Nr. 12 BGB n. F.) begründen. 381 382

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

mers mit der erhöhten Prämie daher daran scheitern, dass der Versicherer dadurch zu stark begünstigt wird oder kein berechtigtes Interesse an der Prämienanhebung hat. Nicht durch die für die Zulässigkeit der Vereinbarung nach dem VVG sprechenden Überlegungen ausgeschlossen wird es deshalb z. B., für die Zulässigkeit einer Prämienanpassung die Vereinbarung einer spiegelbildlichen Prämienermäßigung zu fordern oder aber die Höhe der Prämiensteigerung strenger zu limitieren, als dies das VVG im Falle einer Gefahrerhöhung tut (z. B. also bei einer Steigerung der allgemeinen Schadenskosten eine Begrenzung der Höhe auf den tatsächlichen Anstieg der Schadenskosten zu fordern und damit eine am Neugeschäft orientierte Steigerung auszuschließen384).

V. Beurteilung auf der Grundlage des Zwischenberichtes der Reformkommission 1. Individuelle Gefahrerhöhungen Nach den Vorschlägen der Reformkommission kann der Versicherer auf eine individuelle Gefahrerhöhung nicht mehr nur mit einer Kündigung reagieren. Vielmehr kann er statt dessen auch ab dem Zeitpunkt der Gefahrerhöhung eine seinen Geschäftsgrundsätzen für dieses höhere Risiko entsprechende Prämie verlangen (§ 25 Abs. 1 Satz 1 VVG-E). Die Vereinbarung einer rückwirkenden Prämienanpassung erlegt dem Versicherungsnehmer somit keine höhere Zahlungspflicht auf als das Gesetz und weicht davon nicht mehr zu seinen Lasten ab385.

2. Generelle Gefahrerhöhungen Für den Fall einer generellen Gefahrerhöhung gibt die geplante Neuregelung dem Versicherer keinen Anspruch auf eine höhere Prämie. § 25 Abs. 1 Satz 1 VVG-E setzt voraus, dass es eine Prämie gibt, die nach den Geschäftsgrundsätzen des Versicherers für das konkrete höhere Risiko zu zahlen ist. Dabei sind diejenigen 384 Vgl. dazu BK / Harrer § 31 VVG Rn. 29; Beckmann VersR 1996, 540, 544 ff.; BVerwG VersR 1981, 221. 385 Eine Abweichung zu Lasten des VN ergibt sich nur dann, wenn die Geltendmachung der Prämienerhöhung – wie bei den bisher in der Praxis verwendeten Regelungen – nicht an die formalen Voraussetzungen der § 25 Abs. 1 Satz 2 VVG-E i.V.m. § 24 Abs. 3 VVG-E (insbesondere die Monatsfrist) gebunden wird. Diese Abweichung wird aber ausgeglichen, wenn das Kündigungsrecht des Versicherers vorab ausgeschlossen wird. Die fehlende zeitliche Limitierung des Anpassungsrechtes ist für den Versicherungsnehmer belastend, weil er unter Umständen erst nach längerer Zeit erfährt, in welcher Höhe er Prämie nachzahlen muss. Diese – geringfügige – Einbuße an Planungssicherheit wird jedoch durch den Zuwachs an Sicherheit wettgemacht, der sich daraus ergibt, dass er infolge des Ausschlusses des Kündigungsrechtes seinen Versicherungsschutz in jedem Falle behält und sich nicht kurzfristig anderweitig versichern muss.

2. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

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Geschäftsgrundsätze maßgeblich, die galten, bevor die Gefahrerhöhung eintrat bzw. bevor sie für den Versicherer absehbar war. Wenn der Versicherer erst anlässlich der Gefahrerhöhung (also etwa in dem Zeitpunkt, in dem eine gefahrerhöhende Gesetzesänderung bereits beschlossen, aber noch nicht in Kraft getreten ist) entscheiden könnte, welche Prämie für das erhöhte Risiko zu zahlen ist, stünde ihm praktisch ein willkürliches Erhöhungsrecht zu. Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 Satz 1 VVG-E sind daher vor Eintritt einer generellen Gefahrerhöhung praktisch nie erfüllt: Bevor sich eine solche Gefahrerhöhung zumindest absehen lässt, kann es noch keine Geschäftsgrundsätze des Versicherers geben, anhand derer sich eine bestimmte dem höheren Risiko entsprechende Prämie berechnen lässt. Die Vereinbarung einer Prämienerhöhung weicht daher wie bisher zu Lasten des Versicherungsnehmers vom Gesetz ab. Soweit dem Versicherungsnehmer auch nach einer Neuregelung ein dem bisherigen § 31 VVG entsprechendes Kündigungsrecht zusteht386, kann diese Belastung aber wie auf der Grundlage des geltenden Rechts durch einen Ausschluss des Kündigungsrechtes des Versicherers ausgeglichen werden. Nicht überwiegend nachteilig ist daher eine am Neugeschäft oder an den gestiegenen Schadenskosten orientierte Prämienerhöhung387.

3. Veränderungen nach Vertragsschluss, die keine Gefahrerhöhung i. S. d. § 23 Abs. 1 VVG mit sich bringen a) Gefahrsteigerungen An der Beurteilung von Gefahrsteigerungen, die keine Gefahrerhöhungen i. S. d. § 23 VVG darstellen, ändert sich durch die von der Reformkommission vorgeschlagene Neuregelung nichts. Bei der Änderung individueller Umstände fehlt es wegen § 32 VVG – der von den Vorschlägen des Zwischenberichts nicht berührt wird – weiterhin an einer Abweichung von den §§ 23 ff. VVG. Auch Prämienanpassungsregelungen, die an die Änderung genereller Umstände anknüpfen, bleiben – da sich auch an den Rechtsfolgen einer generellen Gefahrerhöhung nichts ändert – im gleichen Umfang zulässig wie bisher388.

b) Änderung indizierender Umstände Die Veränderung indizierender Umstände stellt auch auf der Grundlage des Reformvorschlages keine Gefahrerhöhung dar. § 23 Abs. 1 VVG-E enthält keine neue Definition der Gefahrerhöhung. Da dem Versicherer wie bisher bei jeder GefahrDer Zwischenbericht sieht insoweit keine Änderung des § 31 VVG vor. Vgl. oben unter II. 4. a) (S. 284 ff.). 388 Zulässig ist also eine am Neugeschäft oder an dem erhöhten Schadenskostenbedarf orientierte Erhöhung, vgl. oben unter III. 1. b) (S. 391 ff.). 386 387

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

erhöhung ein Kündigungsrecht zusteht, würde der Versicherungsnehmer zudem auch nach den Reformvorschlägen zu stark belastet, wenn man bloß indizierende Veränderungen den §§ 23 ff. VVG-E unterstellen würde389. Bei solchen Veränderungen steht dem Versicherer damit auch kein Prämienanpassungsrecht nach § 25 VVG-E zu. Eine Abweichung scheitert daher – wie nach geltendem Recht – nicht schon daran, dass lediglich die gesetzliche Regelung wiederholt würde. Allerdings passen die oben390 gegen eine Abweichung vorgebrachten Argumente auch hier: Die Beschränkung der Gefahrerhöhungsvorschriften auf nicht bloß indizierende Änderungen soll den Versicherungsnehmer lediglich vor einer Vertragsbeendigung schützen. Dass eine an indizierenden Umständen ausgerichtete, „genauere“ Prämienkalkulation schlechthin ausgeschlossen werden soll, ist nicht anzunehmen. Die oben unter III. 2. besprochenen Anpassungsregelungen sind daher auch bei Zugrundelegung der Reformvorschläge zulässig.

c) Fehlender Nachweis bzw. fehlende Erklärung des Versicherungsnehmers über das Nichtvorliegen einer Gefahrerhöhung Probleme bereitet die Beurteilung von Anpassungsregelungen, die an den fehlenden Nachweis bzw. die fehlende Erklärung des Versicherungsnehmers über das Nichtvorliegen einer Gefahrerhöhung anknüpfen391. Dass es sich bei solchen Vereinbarungen nicht um eine Veränderung der gesetzlichen Beweislastverteilung zu Lasten des Versicherungsnehmers handelt, lässt sich nach geltendem Recht damit begründen, dass die §§ 23 ff. VVG nur die Beweislast für die Voraussetzungen der gesetzlichen Rechtsfolgen einer Gefahrerhöhung – und damit nur für Kündigungsrecht und Leistungsfreiheit – regeln392. Da § 25 VVG-E nunmehr auch ein Recht zur Prämienanpassung vorsieht, greift dieses Argument nicht mehr. Vielmehr regelt das Gesetz die Beweislast für die Gefahrerhöhung auch insoweit, als diese Voraussetzung für eine Prämienerhöhung ist. Wenn eine Anpassungsregelung eine Gefahrerhöhung vermutet, weicht sie daher zu Lasten des Versicherungsnehmer von den §§ 23 ff. VVG-E ab. Zulässig sind derartige Vereinbarungen daher nur, wenn die Vorteile aus dem Ausschluss von Kündigungsrecht und Leitungsfreiheit ausreichen, um die Belastung des Versicherungsnehmers in den Fällen auszugleichen, in denen in Wirklichkeit keine Gefahrerhöhung vorliegt. Dazu muss sich – in den Fällen, in denen tatsächlich eine Gefahrerhöhung vorliegt – bei einem Vergleich der Auswirkungen von Kündigungsrecht und Leistungsfreiheit mit denen einer Prämienerhöhung ein 389 390 391 392

s. oben unter I. 1. a) (S. 249 ff.). Unter III. 2. b) (S. 294 f.). s. bereits oben unter III.3 (S. 295). s. oben unter III. 3. (S. 295 f.).

2. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

301

(bezifferbarer) Überschuss ergeben, der im Durchschnitt ebenso hoch ist wie die Belastung des Versicherungsnehmers. Dies ist aber angesichts der vorgeschlagenen weiteren Veränderungen der Rechtsfolgen einer Gefahrerhöhung zweifelhaft (vgl. dazu ausführlich unten unter B. V. 1)393.

B. Vertragsstrafe für die Verletzung von Anzeigeund Nachweispflichten I. Nicht- oder Falschanzeige tatsächlich eingetretener Gefahrerhöhungen 1. Übersicht Prämienanpassungsklauseln, die an eine individuelle Gefahrerhöhung i. S. d. § 23 VVG anknüpfen, werden häufig mit Regelungen über Anzeigeobliegenheiten verbunden. Dem Versicherungsnehmer wird dabei vertraglich die Pflicht auferlegt, eine nach Vertragsschluss eingetretene Gefahränderung entweder spontan oder auf eine Aufforderung des Versicherers hin anzuzeigen. Die Nicht- oder Falschanzeige einer Änderung wird dabei regelmäßig mit einer Vertragsstrafe394 belegt, die zusätzlich zu der höheren Prämie zu zahlen ist. Ein Beispiel für eine solche Gestaltung ist etwa § 8 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AHB. Danach muss der Versicherungsnehmer dem Versicherer auf ausdrückliche Aufforderung hin innerhalb eines Monats mitteilen, ob und welche Änderung in dem versicherten Risiko gegenüber den zum Zwecke der Prämienbemessung gemachten Angaben eingetreten ist. Schuldhaft unrichtige Angaben zum Nachteil des Versicherers berechtigen diesen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 AHB zur Erhebung einer Vertragsstrafe in dreifacher Höhe des festgestellten Prämienunterschiedes. Ähnliche Vertragsstraferegelungen finden sich auch in der Kraftfahrtversicherung, insbesondere im Zusammenhang mit den bereits erwähnten speziellen Rabattvereinbarungen. Der Wegfall von bei Vertragsschluss vorliegenden Rabattmerkmalen muss danach vom Versicherungsnehmer angezeigt werden, wobei die Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers im Unterschied zu den AHB nicht erst auf Verlangen des Versicherers, sondern auch spontan entstehen kann395. Soweit der Wegfall eines Rabattmerkmales zu einem Anstieg des Gefahrniveaus bei dem 393 Ein Überschuss muss sich selbst dann ergeben, wenn das Eingreifen der Vermutung an so strenge Anforderungen (etwa eine mehrmalige erfolglose Aufforderung des Versicherungsnehmers, sich über das Nichtvorliegen einer Gefahrerhöhung zu erklären, vgl. § 8 AHB) geknüpft ist, dass der Vermutung in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle auch tatsächlich eine Gefahrerhöhung zugrunde liegt. 394 s. zur Abgrenzung von Vertragsstrafe und Prämienerhöhung bereits oben in Fußnote 99. 395 Vgl. z. B. Nr. 12a TB und Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 791 sowie Knappmann VersR 1996, 401, 407.

302

2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

konkreten Versicherungsnehmer führt, wird damit an eine Gefahrerhöhung angeknüpft396. Die Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe ist dabei unterschiedlich, sie schwankt bei den bisher verwendeten Regelungen zwischen 30 % und 100 % eines Jahresbeitrages397. Die Regelungen fordern regelmäßig eine schuldhafte Pflichtverletzung des Versicherungsnehmers (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 1 Satz 4 AHB; 12a Abs. 4 TB). Im Schrifttum werden die im Hinblick auf die §§ 23 ff., 34a VVG an solche Vertragsstrafenregelungen zu stellenden Anforderungen verbreitet davon abhängig gemacht, ob die Anzeigepflicht als echte, erzwingbare Rechtspflicht oder als Obliegenheit i.e.S. ausgestaltet ist. Soweit es sich um eine echte Rechtspflicht handelt, soll ein Konflikt mit den §§ 23 ff., 34a VVG von vornherein ausscheiden, weil es dann nicht um eine besondere Regelung der Pflicht zur Gefahrstandsanzeige gehe398. Indizien für die Einordnung als echte Rechtspflicht sollen dabei insbesondere ein vollständiger Ausschluss der §§ 23 ff. VVG sowie eine fehlende Pflicht zur spontanen Anzeige sein399. Daher wird insbesondere die Vertragsstrafenregelung in § 8 Abs. 2 Nr. 1 AHB als echte Rechtspflicht eingestuft und für mit § 34a VVG für vereinbar gehalten, ohne dass dabei eine Saldierung der Vor- und Nachteile dieser Regelung für den Versicherungsnehmer vorgenommen würde400. Soweit eine Anzeigeobliegenheit i.e.S. vereinbart wurde, werden Vertragsstrafen, die entsprechend § 8 Abs. 2 AHB ausgestaltet sind, zudem verbreitet im Hinblick auf den damit zumindest konkludent verbundenen Ausschluss der §§ 23 ff. VVG für zulässig angesehen401. Teilweise wird für die Vereinbarkeit mit § 34a VVG dabei allerdings ein „weitgehender“ Ausschluss der §§ 23 ff. VVG für notwendig erachtet. Bedenken sollen daher gegen Regelungen bestehen, die nur für die von der Anzeigepflicht erfassten Tatbestände einen Ausschluss der gesetzlichen Rechte des Versicherers enthalten402. Ein Zuschlag von 30% auf die ohne die Anzeigepflichtverletzung zu zahlende Prämie soll aber in solchen Fällen auch nach dieser Ansicht noch mit § 34a VVG vereinbar sein403.

396 In Betracht kommt dies z. B. in der Kaskoversicherung, wenn ein Rabatt an die regelmäßige Nutzung einer abschließbaren Garage gekoppelt wird, vgl. Nr. 12a TB. 397 Vgl. Knappmann VersR 1996, 401, 408. 398 Knappmann VersR 1996, 401, 407; Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 793. Ähnlich argumentiert für vorvertragliche Anzeigepflichten schon Kisch II S. 399: Durch die Schaffung einer echten Rechtspflicht werde ein außerhalb des gesetzlich geregelten Gebietes liegendes Rechtsverhältnis begründet. 399 Knappmann VersR 1996, 401, 407. 400 Zur Einordnung der Anzeigepflicht aus § 8 Abs. 2 AHB als echte Rechtspflicht statt aller Littbarski, AHB, § 8 AHB Rn. 25 m. w. N. 401 Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 791 f. 402 Knappmann VersR 1996, 401, 407; dagegen aber Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 791. 403 Knappmann VersR 1996, 401, 408.; zum Teil beziehen sich die genannten Stellungnahmen allerdings (auch) auf die Veränderung indizierender Umstände, siehe dazu unter II.

2. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

303

2. Abweichung von den §§ 23 ff. VVG Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe als Sanktion für die Verletzung einer Obliegenheit i.e.S. zur Anzeige einer Gefahrerhöhung i. S. d. §§ 23 Abs. 1, 27 VVG weicht zu Lasten des Versicherungsnehmers von den §§ 23 ff. VVG ab: An die Verletzung der gesetzlichen Anzeigeobliegenheit des Versicherungsnehmers wird dadurch eine nicht im Gesetz vorgesehene, für ihn belastende Rechtsfolge geknüpft. Nichts anderes gilt, wenn die Anzeigepflicht als echte, erzwingbare Rechtspflicht ausgestaltet ist. Eine echte Rechtspflicht zur Anzeige belastet den Versicherungsnehmer – wenn man mit der h. M. überhaupt einen Unterschied zwischen den gesetzlichen Obliegenheiten und echten Rechtspflichten anerkennt404 – potentiell stärker als eine Obliegenheit. Außer aus der selbständigen Erzwingbarkeit der Auskunft ergibt sich dies daraus, dass der Versicherungsnehmer nicht nur für das Verschulden seines Repräsentanten, sondern auch für das seiner Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB einstehen muss405. Außerdem kommen bei einer Pflichtverletzung Schadensersatzansprüche und über die gesetzlichen Kündigungsrechte hinausgehende Lösungsmöglichkeiten des Versicherers in Betracht; diese Rechtsfolgen sind indes in der Regel durch die Vereinbarung einer Vertragsstrafe konkludent abbedungen406. Wenn man daher die Vereinbarung einer mit einer Vertragsstrafe bewehrten Obliegenheit i.e.S. an § 34a VVG misst, muss man dies erst recht bei einer Ausgestaltung als echte Rechtspflicht tun.

3. Nachteiligkeit der Abweichung a) In die Saldierung einzustellende Vorteile Wenn eine Vertragsstraferegelung an eine erhebliche, nicht mitversicherte Gefahrerhöhung anknüpft, liegt ein Vorteil für den Versicherungsnehmer zunächst in der Abbedingung der für die Verletzung der gesetzlichen Anzeigeobliegenheit vorgesehenen Rechtsfolgen. Bei vom Versicherungsnehmer nicht oder nicht schuldhaft veranlassten Gefahrerhöhungen ist dies die bei einer Anzeigepflichtverletzung nach § 28 VVG drohende Leistungsfreiheit. Bei vom Versicherungsnehmer schuldhaft veranlassten Gefahrerhöhungen gibt es dagegen keine gerade durch eine Anzeigepflichtverletzung ausgelösten, für den Versicherungsnehmer belastenden gesetzlichen Rechtsfolgen, deren Abbedingung für den VersicherungsKritisch dazu Prölss, in: Prölss / Martin § 6 VVG Rn. 31. Johannsen, in: Bruck / Möller / Johannsen, Allg Haftpflichtversicherung, Anm. E 22. 406 So für § 8 AHB Voit in Prölss / Martin § 8 AHB Anm. 2; a. A. allerdings Späte, AHB, § 8 AHB Rn. 17 m. w. N. – Wenn der Versicherer eine Vertragsstrafe vereinbart, muss der Versicherungsnehmer regelmäßig nicht damit rechnen, dass der Versicherer noch andere Konsequenzen aus der Anzeigepflichtverletzung ziehen wird. 404 405

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

nehmer einen Vorteil bedeuten könnte, da der Versicherer bei solchen Gefahrerhöhungen schon allein aufgrund der schuldhaften Herbeiführung der Gefahrerhöhung leistungsfrei ist. Darüber hinaus sind auch die Vorteile, die sich aus der Abbedingung der sonstigen Rechtsfolgen einer Gefahrerhöhung (Kündigungsrecht, Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 25 Abs. 1 VVG) für den Versicherungsnehmer ergeben, mit der vertraglichen Regelung der Folgen einer Anzeigepflichtverletzung verknüpft. Die vereinbarten Sanktionen für eine Anzeigepflichtverletzung sollen sicherstellen, dass der Versicherer seinen Anspruch auf Prämienerhöhung, der durch die vertragliche Vereinbarung an die Stelle der Rechtsfolgen der §§ 23 ff. VVG gesetzt worden ist, durchsetzen kann. An einer solchen Sicherung hat der Versicherer gerade infolge der Abbedingung der gesetzlichen Rechtsfolgen der Gefahrerhöhung, die eine Störung des Äquivalenzverhältnisses zu seinen Lasten verhindern sollen, ein besonderes Interesse. Es ist daher davon auszugehen, dass der Versicherer die Abbedingung der §§ 23 ff. VVG ohne die Vereinbarung von Sanktionen für eine Anzeigepflichtverletzung nicht vereinbart hätte. Auch die mit dem Ausschluss der §§ 23 ff. VVG verbundenen Vorteile407 sind daher in die Saldierung einzubeziehen. Schließlich ist auch das durch die (ebenfalls als Belastung in die Saldierung einzustellende, siehe dazu sogleich) Prämienerhöhung ausgelöste Kündigungsrecht aus § 31 VVG zu berücksichtigen408.

b) In die Saldierung einzustellende Belastungen Da die (auch) mit der Prämienerhöhung verknüpften Vorteile in die Saldierung einzubeziehen sind, gilt dies auch für die damit verbundenen Belastungen [vgl. oben unter A. I.4. b)]. Wenn die Anzeigepflicht als echte, erzwingbare Rechtspflicht ausgestaltet ist, sind zudem die damit verbundenen Verschärfungen der Anzeigepflicht zu berücksichtigen. c) Saldierung Bei der Saldierung ist zunächst danach zu unterscheiden, ob es sich um eine vom Versicherungsnehmer schuldhaft veranlasste Gefahrerhöhung handelt [dazu a)] oder nicht [dazu b)]. Der – regelmäßig gegebene – Fall, dass die Regelung beider Fallgruppen zusammentrifft, wird im Anschluss daran behandelt [dazu c)].

s. zu dem Umfang dieser Vorteile im einzelnen oben unter A. I. 4. a) (S. 259 ff.). Die Verpflichtung zur Zahlung der Vertragsstrafe kann der Versicherungsnehmer allerdings – da es insoweit nicht um ein Äquivalent für den Versicherungsschutz und damit auch nicht um eine Erhöhung der Prämie geht – nicht nach § 31 VVG abwenden. 407 408

2. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

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aa) Vom Versicherungsnehmer schuldhaft veranlasste Gefahrerhöhungen (1) Vereinbarung einer Anzeigeobliegenheit i. e. S. Soweit es um die Vereinbarung einer (Anzeige-)Obliegenheit i. e. S. geht, ist die Vereinbarung einer Vertragsstrafe mindestens in Höhe des (bezifferbaren) „Überschusses“ zulässig, der sich oben bei der Saldierung der Vor- und Nachteile einer Prämienanpassungsregelung im Hinblick auf subjektive Gefahrerhöhungen zugunsten des Versicherungsnehmers ergeben hatte: In dem Zeitraum nach dem Zeitpunkt, in dem der Vertrag durch eine Kündigung des Versicherers beendet worden wäre, entspricht dieser Überschuss der nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG nutzlos aufzuwendenden Prämie, durchschnittlich also der Prämie für eine halbe Versicherungsperiode409. In der Zeit davor steht der Versicherungsnehmer durch den Ausschluss der Leistungsfreiheit im Saldo besser als nach der gesetzlichen Regelung, weil die Leistungsfreiheit des Versicherers nach § 25 VVG nicht nur die auf die Gefahrerhöhung zurückgehenden Schäden erfasst. Soweit sich der Anteil der Prämie fassen lässt, der sich dem durch § 25 VVG von der Leistungspflicht des Versicherers ausgenommenen, von der Gefahrerhöhung jedoch unbeeinflussten Schadensbedarf zuordnen lässt, ergibt sich zugunsten des Versicherungsnehmer ein weiterer bezifferbarer Überschuss410. Zudem ist zu berücksichtigen, dass dem Versicherungsnehmer dieser „überschießende“ Vorteil allein unter der Voraussetzung zugute kommt, dass es sich um eine schuldhafte Gefahrerhöhung handelt. Der Nachteil der Belastung mit einer Vertragsstrafe tritt dagegen nur unter engeren Voraussetzungen, nämlich bei einer Verletzung der Anzeigeobliegenheit, ein. Für die zulässige Höhe der Vertragsstrafe kommt es daher darauf an, in wie viel Fällen typischerweise mit einer Verletzung der Anzeigepflicht durch den Versicherungsnehmer zu rechnen ist. Wenn z. B. in der Hälfte der Fälle von einer Anzeigepflichtverletzung auszugehen ist, so ist eine Vertragsstrafe in Höhe des Doppelten des beschriebenen Überschusses, insbesondere also der Prämie, die nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG nutzlos aufzuwenden gewesen wäre (also in Höhe der für eine Versicherungsperiode ohne Berücksichtigung der Gefahrerhöhung zu zahlenden Prämie), zulässig. Dass der Versicherungsnehmer eine Gefahrerhöhung nicht anzeigt, ist zwar nicht ausgeschlossen. Es kann indes auch nicht unterstellt werden, dass dies im Regelfall geschehen wird. Vielmehr ist selbst dann, wenn eine spontane Pflicht zur Anzeige von Gefahrerhöhungen besteht, anzunehmen, dass es deutlich in weniger als der Hälfte der Fälle zu einer Anzeigepflichtverletzung kommen wird. Zulässig ist daher eine deutlich über eine Verdoppelung der ohne die Gefahrerhöhung zu zahlenden Prämie hinausgehende Prämienerhöhung. Auch wenn man in Rechnung stellt, dass bei der Saldierung im Zweifel zu Lasten des Versicherers zu entscheiden ist, ist daher regelmäßig (d. h. je nach Verhältnis des Erhöhungsbetrages zu der bislang 409 410

s. dazu bereits Fußnote 307. s. dazu oben unter A. I. 4. c) aa) (1) (S. 268 f.).

20 Klimke

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

zu zahlenden Prämie) eine Vertragsstrafe in Höhe der für eine Versicherungsperiode unter Berücksichtigung der erhöhten Gefahr zu zahlenden Prämie noch zulässig. Soweit es sich nicht um eine spontane Anzeigepflicht handelt, sondern der Versicherungsnehmer nach der Vereinbarung nur auf besondere Aufforderung des Versicherers hin zur Anzeige verpflichtet ist (etwa im Falle des § 8 AHB), ist – je nachdem, wie deutlich die Aufforderung zu erfolgen hat411 – zudem in noch weniger Fällen mit einer Anzeigepflichtverletzung zu rechnen, da der Versicherungsnehmer sich dazu über die ausdrückliche Aufforderung des Versicherers hinwegsetzen müsste. Dasselbe gilt, wenn eine Vertragsstrafe nicht bei einem bloßen Unterlassen, sondern nur bei einer Falschanzeige zu zahlen ist. Bei einer derartigen Ausgestaltung der Klausel ist daher eine noch höhere Vertragsstrafe zulässig. Wenn man vorsichtig ist und davon ausgeht, dass es höchstens noch in einem Viertel der Fälle zu einer Anzeigepflichtverletzung kommen wird, ist jedenfalls eine Vertragsstrafe in Höhe des Doppelten der bisherigen Prämie noch mit § 34a VVG vereinbar. (2) Vereinbarung einer echten Rechtspflicht zur Anzeige Soweit man bei nicht spontan zu erfüllenden Anzeigepflichten davon ausgeht, dass die Pflicht zur Anzeige als echte Rechtspflicht ausgestaltet ist, sind bei der Saldierung zudem noch die oben beschriebenen Verschärfungen im Vergleich zu der gesetzlichen Anzeigeobliegenheit zu berücksichtigen. Diese relativ geringfügigen Belastungen werden aber jedenfalls durch die Vorteile ausgeglichen, die mit dem Ausschluss einer spontanen Anzeigepflicht verbunden sind. Eine Vertragsstrafe ist daher auch bei einer Ausgestaltung als echte Rechtspflicht mindestens in dem Umfang zulässig, der oben für die Sanktionierung spontaner Anzeigepflichten ermittelt wurde, d. h. in Höhe des Doppelten der für eine Versicherungsperiode zu zahlenden Prämie. bb) Vom Versicherungsnehmer nicht oder nicht schuldhaft veranlasste Gefahrerhöhungen Bei vom Versicherungsnehmer nicht oder nicht schuldhaft veranlassten Gefahrerhöhungen ist der Überschuss, der sich bei der Saldierung der Vor- und Nachteile der Prämienerhöhungsregelung ergibt, geringer. Der Vorteil in Höhe der Prämie, die der Versicherungsnehmer nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG nutzlos hätte aufwenden müssen, wird – wie gezeigt412 – zum Teil durch die Nachteile aufgebraucht, die sich für den Versicherungsnehmer in der Zeit vor einer möglichen Kündigung 411 Eher am unteren Ende der denkbaren Gestaltungen liegt z. B. § 8 AHB, der eine Aufforderung auf der Prämienrechung genügen lässt; hier ist der Unterschied zu einer spontanen Anzeigepflicht nicht allzu groß. 412 Vgl. oben unter A. I. 4. c) aa) (2) (d) (S. 278 f.).

2. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

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des Versicherers ergeben, wenn er von seinem Kündigungsrecht aus § 31 VVG aus Unachtsamkeit keinen Gebrauch macht. Wenn man davon ausgeht, dass der Versicherungsnehmer in durchschnittlich nicht mehr als der Hälfte der Fälle eine Kündigung versäumt und außerdem annimmt, dass der Nachteil für den Versicherungsnehmer in diesen Fällen durchschnittlich nicht größer ist als der Vorteil413, so entspricht der Überschuss für den Versicherungsnehmer, der sich unabhängig von der Anzeigepflichtverletzung ergibt, der Hälfte der nach § 40 Abs. 1 VVG nutzlos aufzuwendenden Prämie. Zudem ist wiederum in Rechnung zu stellen, dass die Vertragsstrafe den Versicherungsnehmer nur dann belastet, wenn er seine Anzeigepflicht verletzt, während der Vorteil unabhängig von dieser Voraussetzung eintritt. Die zulässige Höhe der Vertragsstrafe richtet sich daher wie bei schuldhaften Gefahrerhöhungen danach, wie sich die Fälle, in denen der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht verletzt, zahlenmäßig zu den Fällen verhalten, in denen es an einer Pflichtverletzung fehlt. Wenn man daher wiederum davon ausgeht, dass der Versicherungsnehmer seine spontane Anzeigepflicht in deutlich weniger als der Hälfte der Fälle verletzt, entspricht die zulässige Höhe einem Betrag, der größer ist als die nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG ohne Gegenleistung zu zahlende Prämie; zulässig ist daher in der Regel eine Vertragsstrafe in Höhe der Hälfte der für eine Versicherungsperiode zu zahlenden Prämie414. Bei einem an eine Aufforderung geknüpften oder von einer Falschanzeige abhängigen Vertragsstrafe ist ein entsprechend höherer Betrag anzusetzen, in der Regel zulässig ist eine Vertragsstrafe in Höhe des Doppelten der nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG nutzlos aufzuwendenden Prämie. cc) Einheitliche Regelung der Fallgruppen aa) und bb) Wenn – wie in der Regel – in einer Vertragsstraferegelung nicht danach unterschieden wird, ob es sich um die Nichtanzeige einer schuldhaft vorgenommenen oder einer anderen Gefahrerhöhung handelt, gelten folgende Regeln: Da davon auszugehen ist, dass der Versicherer mit einer isolierten Vereinbarung einer der beiden Regelungen in gleicher Form nicht einverstanden gewesen wäre, können etwaige überwiegende Vorteile in einer dieser Fallgruppen überwiegende Nachteile in der anderen ausgleichen. Wenn daher z. B. für den Fall einer schuldhaften Gefahrerhöhung eine niedrigere Vertragsstrafe vereinbart wird, als dies eigentlich zulässig wäre, so können die „überschießenden“ Vorteile in diesen Fällen die NachVgl. dazu unter A. I. 4. c) aa) (2) (d) (S. 278f.). Die nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG nutzlos aufzuwendende Prämie ist zwar – da die Kündigung nach § 27 VVG erst nach einem Monat wirksam wird – durchschnittlich geringer als die Hälfte der für eine Versicherungsperiode zu zahlende Prämie. Wenn man annimmt, dass dieser Vorteil dem Versicherungsnehmer in deutlich mehr als der Hälfte der Fälle zugute kommt, lässt sich aber auch eine Vertragsstrafe in Höhe von mehr als dem Doppelten des in jedem Falle eintretenden Vorteils (der – siehe im Text – die Hälfte der nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG nach Beendigung des Vertrages zu zu zahlenden Prämie beträgt) rechtfertigen. 413 414

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

teile ausgleichen, die sich aus der Vereinbarung einer für sich betrachtet nicht mit § 34a VVG vereinbaren Vertragsstrafe für nicht schuldhaft veranlasste Gefahrerhöhungen ergeben. Für die zulässige Höhe der Vertragsstrafe kommt es daher auf das zahlenmäßige Verhältnis beider Fallgruppen an. Sofern die Art der konkreten von der Vertragsstraferegelung erfassten Gefahrerhöhung keine Rückschlüsse darauf zulässt, ist zu unterstellen, dass sich beide Fallgruppen in etwa die Waage halten: Zulässig ist dann z. B. bei einer Sanktion für die Verletzung einer spontanen Anzeigepflicht entsprechend den unter aa) und bb) entwickelten Regeln eine Vertragstrafe in Höhe von 3/4 der für eine Versicherungsperiode bei Berücksichtigung der Gefahrerhöhung zu zahlenden Prämie.

II. Nicht- oder Falschanzeige der Veränderung von Umständen, die für eine Gefahrerhöhung lediglich indizierend sind Die unter A. III. 2. besprochenen Prämienanpassungsregelungen, die an bloß indizierende Umstände anknüpfen, werden oftmals ebenfalls mit der Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall verbunden, dass der Versicherungsnehmer eine für die Prämienberechnung maßgebliche Änderung nicht oder nicht richtig anzeigt (z. B. Nr. 10 Abs. 3 Satz 4 TB). Die Höhe der Vertragsstrafe entspricht dabei derjenigen bei den unter I. besprochenen Regelungen. Solche Vereinbarungen werden – ohne dass allerdings der lediglich indizierende Charakter der Veränderung ausdrücklich problematisiert wird – im Schrifttum unter denselben Voraussetzungen für mit § 34a VVG für vereinbar gehalten wie die unter I. besprochenen Regelungen415. Eine Abweichung von den §§ 23 ff. VVG lässt sich, da die Anzeigepflicht jeweils nicht an eine Gefahrerhöhung i. S. d. §§ 23 ff. VVG anknüpft, wie bei den unter A. III. 2. besprochenen Regelungen nicht mit einer Verschärfung der gesetzlichen Rechtsfolgen begründen. Auch dass Vertragsstrafen für die Nichtanzeige bloß indizierender Umstände generell dem Zweck der §§ 23 ff. VVG zuwiderlaufen, lässt sich nicht sagen: Wenn man ein Interesse an einer an indizierenden Umständen ausgerichteten Prämienkalkulation anerkennt, dann kann es dem Versicherer durch § 34a VVG auch nicht grundsätzlich versagt sein, Sanktionen zu vereinbaren, die sicherstellen, dass jeder Versicherungsnehmer die nach den bei ihm gegebenen Indizien zu zahlende Prämie zahlt. Allerdings dürfen diese Sanktionen den Versicherungsnehmer aus den unter III. 2. genannten Gründen nicht stärker belasten als die Sanktionen, die bei der Nicht- oder Falschanzeige einer Gefahrerhöhung im Hinblick auf § 34a VVG zulässigerweise vereinbart werden könnten: Es wäre widersprüchlich, wenn § 34a 415 Vgl. die bereits in den Fußnoten 401 und 403 Genannten. Dass es sich um indizierende Veränderungen handelt, spielt für diese Stimmen nur bei der Gewichtung des Ausschlusses der Leistungsfreiheit im Rahmen der Saldierung eine Rolle.

2. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

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VVG dem Versicherungsnehmer bei Veränderungen, die eine Änderung der tatsächlich bei dem Versicherungsnehmer gegebenen Gefahrenlage bloß indizieren und damit lediglich den „Verdacht“ einer Gefahrerhöhung begründen, stärkere Belastungen zumuten als bei tatsächlichem Vorliegen einer Gefahrerhöhung. Vereinbarungen, die sich innerhalb der für Gefahrerhöhung entwickelten Grenzen halten, weichen indes nicht von § 34a VVG ab: Unterhalb der für Gefahrerhöhung maßgeblichen Schwelle liegende Grenzen lassen sich aus den §§ 23 ff. VVG nicht ableiten. Da sich darüber, ob die von bestimmten Umständen indizierte Gefahrerhöhung vom Versicherungsnehmer schuldhaft veranlasst wurde oder nicht, regelmäßig anhand der Indizien keine Aussage treffen lässt, sind dabei im Zweifel die für objektive Gefahrerhöhungen geltenden Grenzen (s. o. unter I.) maßgeblich.

III. Sanktionen für die Verletzung von Anzeige- und Nachweisobliegenheiten ohne Veränderung der bei Vertragsschluss gegebenen Gefahrenlage bzw. dafür indizierender Umstände Schließlich wird zum Teil auch für den Fall, dass der Versicherungsnehmer sich nicht über das Fehlen einer Gefahrerhöhung (bzw. dafür indizierender Umstände) erklärt bzw. er keine Nachweise für das Fortbestehen der bisherigen Situation beibringt, eine über die unter A. III. 3. besprochenen Anpassung der Prämie (bzw. einen Rabattwegfall) hinausgehende Zahlungspflicht vereinbart, ohne dass dabei das tatsächliche Vorliegen einer Veränderung zur Voraussetzung gemacht wird416. Damit wird die oben beschriebene Vermutung für das Vorliegen einer Gefahrerhöhung (bzw. einer diese indizierende Veränderung) auf die Voraussetzungen einer Anzeigepflichtverletzung ausgedehnt. Auch für solche Vereinbarungen gelten die aus § 34a VVG für Gefahrerhöhungen hergeleiteten Grenzen entsprechend: Einerseits lässt sich aus den §§ 23 ff. VVG kein generelles Verbot von Veränderungen der Beweislast für das Vorliegen einer Gefahrerhöhung (und damit auch: für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Anzeigepflichtverletzung) herleiten (s. o. A. III. 3.). Andererseits können aber im Hinblick auf eine bloß vermutete Anzeigepflichtverletzung auch keine strengeren Sanktionen mit § 34a VVG vereinbar sein, als dies bei Zutreffen der Vermutung der Fall wäre. Die Vereinbarung einer höheren Vertragsstrafe, als dies bei Vorliegen der vermuteten Gefahrerhöhung der Fall wäre, weicht daher zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den §§ 23 ff. VVG ab. Wenn sich die Vertragsstrafe innerhalb dieser Grenzen hält, liegt dagegen keine Abweichung vor.

416

Zu solchen Klauseln vgl. Schirmer / Marlow VersR 1997, 782, 793.

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

IV. Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F. Soweit eine der unter I. besprochenen Vertragsstraferegelungen mit § 34a VVG vereinbar ist, liegt auch kein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB n. F. vor, da das Ergebnis der Saldierung insoweit auch die Bewertung nach dem BGB n. F. vorwegnimmt. Bei den unter II. und III. erörterten Klauseln liegt indes – wie bei den entsprechenden Prämienanpassungsklauseln (vgl. A. IV.) – schon keine Abweichung vom VVG vor, soweit sie nicht über den durch § 34a VVG für die Nichtanzeige von Gefahrerhöhungen gesetzten Rahmen hinausgehen. Eine Kontrolle der Angemessenheit dieser Vertragsstraferegelungen nach § 307 Abs. 1 BGB n. F. wird daher nicht durch die Vereinbarkeit mit dem VVG präjudiziert.

V. Beurteilung auf der Grundlage des Zwischenberichtes der Reformkommission 1. Nicht- oder Falschanzeige tatsächlich eingetretener Gefahrerhöhungen Neben der bereits geschilderten Prämienanpassungsmöglichkeit417 sehen die Vorschläge der Reformkommission eine Reihe weiterer Neuerungen vor. Eine Leistungsfreiheit des Versicherers setzt danach eine grob fahrlässige oder vorsätzliche Obliegenheitsverletzung voraus. Dies gilt sowohl für die Gefahrstands- als auch für die Anzeigepflicht. Bei grob fahrlässigem Handeln tritt an die Stelle der vollständigen Leistungsfreiheit im Hinblick auf die von der Gefahrerhöhung beeinflussten Versicherungsfälle eine Quotelung entsprechend der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers418. Auch zu einer fristlosen Kündigung soll der Versicherer nur noch berechtigt sein, wenn der Versicherungsnehmer die Gefahrerhöhung mindestens grob fahrlässig herbeigeführt hat; in den übrigen Fällen muss er eine Frist von einem Monat einhalten. Die Folgen der Kündigung für den Prämienanspruch des Versicherers werden anders geregelt als bisher. Dem Versicherer gebührt – anders als nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG – nur noch derjenige Teil der Prämie, der dem anteilig getragenen Risiko entspricht. Da seine Leistungspflicht mit der Kündigung wegfällt, kann er daher nur noch für die Zeit davor Prämie verlangen419.

s. oben unter A. V. 1. (S. 298 f.). Zwischenbericht S. 43. Zur Kritik an dieser Quotelung z. B. Armbrüster VersR 2003, 675, 676 ff; Prölss VersR 2003, 669, 670 f., 674. 419 Schließlich kann der Versicherungsnehmer, wenn sich der Versicherer für eine Prämienanpassung entscheidet, nicht in jedem Falle, sondern nur dann kündigen, wenn sich die Prämie um einen bestimmten Prozentsatz erhöht (§ 25 Abs. 2 VVG-E). Zur Bedeutung dieser Änderung vgl. unten Fußnote 425. 417 418

2. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

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a) Vom Versicherungsnehmer grob fahrlässig oder vorsätzlich veranlasste Gefahrerhöhungen Auf der Grundlage dieser Vorschläge sind Vertragsstraferegelungen, die mit einer (rückwirkenden) Prämienanpassung und einem Ausschluss von Kündigungsrecht und Leistungsfreiheit des Versicherers kombiniert werden, anders zu beurteilen als nach geltendem Recht. Dies gilt zunächst bei einer Anknüpfung an Gefahrerhöhungen, die der Versicherungsnehmer mindestens grob fahrlässig veranlasst hat: In diesen Fällen bringt die Abbedingung der Leistungsfreiheit für den Versicherungsnehmer wegen der Einschränkung des Alles-oder-nichts-Prinzips nur geringere Vorteile mit sich als bisher. Wenn dem Versicherungsnehmer grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, kann der Versicherer für die Zeit bis zu einer Kündigung des Vertrages – je nach dem Grad des Verschuldens des Versicherungsnehmers – ja dazu verpflichtet sein, einen Teil des erhöhten Risikos zu tragen420. Der Vorteil aus dem Ausschluss der Leistungsfreiheit kann daher nicht mehr ohne weiteres mit dem Betrag bewertet werden, der nach dem Tarif des Versicherers für die Mitversicherung der erhöhten Gefahr zu bezahlen wäre. Vielmehr ist im Zweifel ein geringerer Betrag anzusetzen, der sich zudem oftmals nicht mit der für die Saldierung erforderlichen Genauigkeit beziffern lassen wird421. Zudem sind die in die Saldierung einzustellenden Belastungen des Versicherungsnehmers größer. Für die Zeit zwischen dem Eintritt der Gefahrerhöhung und dem Zeitpunkt, in dem der Versicherer gekündigt hätte, ist zwar weiterhin die Mehrbelastung durch die Prämienerhöhung zu berücksichtigen, da der Versicherungsnehmer für diesen Zeitraum vorübergehend noch zur Zahlung der Prämie in der bisherigen Höhe verpflichtet wäre422. Für die Zeit danach führt die Abschaffung des § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG aber dazu, dass in dem Zeitraum bis zum Ende der laufenden Versicherungsperiode nunmehr auch die Pflicht zur Fortzahlung der Prämie in ihrer bisherigen Höhe in die Saldierung einzustellen ist. 420 Vgl. dazu, dass die Quotelung auch dazu führen kann, dass der Versicherer in vollem Umfang zur Leistung verpflichtet bleibt, sowie allgemein zu den Schwierigkeiten einer Quotelung Armbrüster, Alles-oder-nichts-Prinzip, Rn. 155 ff. 421 Welcher Betrag genau anzusetzen ist, hängt insbesondere von der – unter Umständen schwer zu entscheidenden – Frage ab, welche Quote sich im Durchschnitt bei grober Fahrlässigkeit ergeben wird und wie sich die Fälle vorsätzlicher Herbeiführung der Gefahrerhöhung (in denen es bei der geltenden Alles-oder-nichts-Regelung bleibt) zahlenmäßig zu den Fällen verhalten, in denen der Versicherungsnehmer grob fahrlässig handelt. 422 Anders wäre es nur dann, wenn der Versicherer Leistungsfreiheit und Prämienerhöhung kombinieren und für die Zeit bis zur Kündigung trotz der Leistungsfreiheit nach § 26 VVG-E gemäß § 25 VVG-E eine höhere Prämie verlangen könnte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Neuregelung schließt eine derartige Kombination zwar nicht ausdrücklich aus. Dass der Versicherer auch für einen Zeitraum eine höhere Prämie verlangen können soll, während dessen er das erhöhte Risiko gar nicht oder – wegen der Quotelung im Falle grober Fahrlässigkeit – nur zum Teil getragen hat, ist aber nicht anzunehmen.

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

Für die Saldierung ergibt sich damit folgendes: In der Zeit nach dem Zeitpunkt, in dem der Versicherer den Vertrag ohne die Abbedingung des Kündigungsrechtes gekündigt hätte, genügt der Vorteil aus der Fortsetzung des Versicherungsschutzes (der – entsprechend den im Zusammenhang mit der Beurteilung von Prämienanpassungsklauseln entwickelten Regeln – mit dem Betrag zu bewerten ist, der nach dem Tarif des Versicherers für die erhöhte Gefahr zu zahlen ist423) nur noch, um die Verpflichtung des Versicherungsnehmers zur (Fort-)Zahlung der erhöhten Prämie in diesem Zeitraum auszugleichen. Ein Überschuss zugunsten des Versicherungsnehmers, der die zusätzliche Belastung mit einer Vertragsstrafe rechtfertigen könnte, ergibt sich in dieser Zeit nicht. Auch in der Zeit zwischen dem Eintritt der Gefahrerhöhung und der (hypothetischen) Kündigung des Versicherers ist eine Prämienanpassung unter Abbedingung der Leistungsfreiheit nicht (mehr) überwiegend vorteilhaft für den Versicherer, weil der Zuwachs an Versicherungsschutz infolge der Quotelung im Zweifel geringer zu bewerten ist als der Unterschiedsbetrag zwischen der bisherigen und der erhöhten Prämie. Die Belastung mit einer Vertragsstrafe zusätzlich zu einer Prämienanpassung wird daher bei mindestens grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles nicht durch die Vorteile aus dem Ausschluss von Kündigungsrecht und Leistungsfreiheit des Versicherers ausgeglichen424. Sie ist daher für den Versicherungsnehmer überwiegend nachteilig. b) Sonstige Gefahrerhöhungen Bei Gefahrerhöhungen, die vom Versicherungsnehmer nicht, nicht schuldhaft oder nur mit einfacher Fahrlässigkeit herbeigeführt wurden, bringt der Ausschluss von Kündigungsrecht und Leistungsfreiheit für den Versicherungsnehmer noch geringere Vorteile mit sich als in den unter a) besprochenen Fällen425. Zudem sind bei einer Kombination von Vertragsstrafe und Prämienerhöhung wiederum mehr Belastungen für den Versicherungsnehmer in die Saldierung einzustellen als nach geltendem Recht. Insbesondere führt die Abschaffung des § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG s. oben unter A. I. 4. c) (1) (a) (S. 268 ff.). Zu diesem Ergebnis gelangt man schon dann, wenn man die Folgen der Vertragsstraferegelung mit den Folgen vergleicht, die bei einer Kündigung (und Leistungsfreiheit) des Versicherers eintreten. Offen bleiben kann daher, wie es sich auf die Saldierung auswirkt, dass der Versicherer, anstatt zu kündigen, nach der geplanten Neuregelung auch rückwirkend die Prämie erhöhen kann. (Da eine zusätzliche Vertragsstraferegelung für den Versicherungsnehmer in den Fällen, in denen der Versicherer bei uneingeschränkter Geltung der gesetzlichen Regelung von seinem Prämienerhöhungsrecht Gebrauch gemacht hätte, ausschließlich nachteilig ist, müsste ein etwaiger Überschuss in den Fällen, in denen der Versicherer gekündigt hätte, auch diesen Nachteil ausgleichen können). 425 Zudem kann der Vorteil aus der Fortsetzung des Vertrages, da dem Versicherungsnehmer nur noch ein hinter § 31 VVG zurückbleibendes Kündigungsrecht (s. Fußnote 419) zusteht, nicht mehr ohne weiteres mit der nach dem Tarif des Versicherers für das erhöhte Risiko zu zahlenden Prämie bewertet werden. 423 424

2. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

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dazu, dass in der Zeit nach dem Zeitpunkt, in dem der Vertrag bei einer Kündigung des Versicherers beendet worden wäre, die Pflicht zur Fortzahlung der Prämie in vollem Umfange als Belastung zu berücksichtigen ist. Die Vereinbarung einer zusätzlich zu der erhöhten Prämie zu zahlenden Vertragsstrafe ist daher auch dann überwiegend nachteilig, wenn dem Versicherungsnehmer weder grobe Fahrlässigkeit noch Vorsatz zur Last fällt.

2. Nicht- oder Falschanzeige indizierender Umstände; Verletzung von Anzeige- und Nachweisobliegenheiten bei bloß vermeintlich eingetretenen Veränderungen Überwiegend nachteilig für den Versicherungsnehmer sind schließlich auch Vertragsstraferegelungen, die an die Nicht- oder Falschanzeige indizierender Umstände anknüpfen (siehe oben unter II.) oder die das Vorliegen einer Anzeigepflichtverletzung bei einem fehlenden Nachweis bzw. einer fehlenden Erklärung des Versicherungsnehmers über das Nichtvorliegen einer Gefahrerhöhung vermuten (siehe oben unter III.). Rechtsfolgen, die schon bei Vorliegen einer Gefahrerhöhung nicht mit § 34a VVG vereinbar wären, dürfen bei einer indizierenden oder vermeintlichen Veränderung erst recht nicht vereinbart werden.

C. Bedingungsänderung bei Eintritt einer generellen Gefahrerhöhung I. Übersicht In AVB finden sich zum Teil Vereinbarungen, die bei Eintritt bestimmter Umstände eine einseitige Änderung der Vertragsbedingungen durch den Versicherer zulassen bzw. das Einverständnis des Versicherungsnehmers zu einer Änderung fingieren. Dabei geht es jeweils darum, einer nach Vertragsschluss eingetretenen – in der Regel alle oder eine Vielzahl von Versicherungsnehmern betreffenden426 – Entwicklung, die Einfluss auf das bei Vertragsschluss zugrunde gelegte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung hat (z. B. die Aufdeckung der Nichtigkeit von Bedingungen oder die Änderung von Gesetzen, an denen sich Voraussetzungen und Umfang der Versicherungsleistung orientieren), durch eine Änderung der Bedingungen zu Lasten des Versicherungsnehmers zu begegnen. Zugelassen werden dabei insbesondere Leistungseinschränkungen, durch die der Versicherungsschutz 426 Die in der Praxis verwendeten Regelungen betreffen ausschließlich solche generellen Änderungsanlässe. Wegen des Interesses an einer möglichst gleichförmigen Gestaltung der einzelnen Verträge wäre eine Bedingungsänderung bei einer Änderung der Verhältnisse gerade eines konkreten Versicherungsnehmers auch praktisch kein geeignetes Reaktionsinstrument.

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

auf den Umfang beschränkt wird, der ohne die Veränderung (z. B. ohne eine Gesetzesänderung) bestehen würde. Ein Beispiel für eine solche Regelung ist § 10 A ARB 94, der für verschiedene einzeln aufgeführte Änderungsanlässe ein Recht des Versicherers vorsieht, einzelne Bedingungen mit Wirkung für bestehende Verträge zu ergänzen oder zu ersetzen, und dabei die Zustimmung des Versicherungsnehmers zu der Änderung fingiert, wenn er nicht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Änderung widerspricht (vgl. § 10 A Abs. 1 und 2 ARB 94)427. Die Zulässigkeit solcher Regelungen wird in Rechtsprechung und Schrifttum vor allem im Hinblick auf die §§ 307 – 309 BGB n. F. (§§ 9 – 11 AGBG) diskutiert. Im Falle des § 10 A ARB 94 nahm der BGH428 in verschiedener Hinsicht einen Verstoß gegen § 9 AGBG (§ 307 BGB n. F.) an, ließ dabei aber auch erkennen, dass nach seiner Auffassung eine Änderungsmöglichkeit in bestimmten Fällen – insbesondere wenn eine Äquivalenzstörung auf die Änderung von Gesetzen oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung zurückgeht – nicht notwendig mit den §§ 307 – 309 BGB n. F. unvereinbar sein muss. Die Klausel wurde nämlich insoweit vor allem wegen des zu weit gehenden Umfanges der Änderungsmöglichkeit verworfen: Der BGH begründete die Unzulässigkeit der Klausel im Hinblick auf die beiden genannten Änderungsanlässe ausschließlich mit der Überlegung, § 10 A ARB 94 ermächtige den Versicherer auch zu einer Änderung anderer als der konkret von dem Änderungsanlass betroffenen Bedingungen sowie zu einer über den Ausgleich der Äquivalenzstörung hinausgehenden Änderung429. Eine die Änderungsmöglichkeit stärker limitierende Änderungsklausel würde das Gericht daher wohl für mit den §§ 305 ff. BGB n. F. vereinbar halten430. Ein Verstoß gegen die §§ 23 ff., 34a VVG wurde dagegen bislang in der Rechtsprechung noch nicht in Erwägung gezogen. Auch im Schrifttum wird in der Regel kein Zusammenhang mit den §§ 23 ff. VVG hergestellt431. Eine solche nachteilige Abweichung von den §§ 23 ff. VVG kommt jedoch für verschiedene der in Rechtsprechung und Schrifttum erörterten Änderungsanlässe in Betracht. Die Vereinbarkeit von Bedingungsänderungsklauseln mit § 34a VVG wird daher im folgenden, insbesondere am Beispiel der in § 10 A ARB 94 aufgeführten Änderungsanlässe, untersucht. Neben dem in § 10 A ARB 94 vorgesehenen Änderungsmechanismus – der Fiktion einer Zustimmung des Versicherungsnehmers – wird dabei auch die 427 Ein weiteres Beispiel ist § 9d AKB (der in der aktuellen Empfehlung des GDV vom 15. 11. 2002 allerdings nicht mehr enthalten ist), der dieselben Änderungsanlässe enthält wie § 10 A ARB 94, dem Versicherungsnehmer aber statt eines Widerspruchsrechtes nur ein Kündigungsrecht gibt. 428 BGHZ 141, 153 ff. 429 BGHZ 141, 153, 156 f. (unter 1b), 158 f. (unter 2b). 430 Auch im Schrifttum wird der BGH in dieser Weise verstanden, z. B. Präve VersR 1999, 699, 700 f.; Fricke VersR 2000, 257, 261. 431 Anders nur Johannsen DZWiR 1998, 115, 116 im Hinblick auf Gesetzesänderungen, ohne sich allerdings im Ergebnis für oder gegen die Zulässigkeit einer solchen Klausel zu entscheiden.

2. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

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Möglichkeit berücksichtigt, dass sich der Versicherer ein Änderungsrecht ohne Widerspruchsmöglichkeit des Versicherungsnehmers (aber gegebenenfalls verbunden mit der ausdrücklichen Gewährung eines Kündigungsrechtes) einräumt (sog. Änderungsvorbehalt)432.

II. Abweichung von den §§ 23 ff. VVG 1. Anknüpfung einer Bedingungsänderung an den Eintritt einer Gefahrerhöhung i. S. d. §§ 23 ff. VVG Eine Änderungsregelung weicht jedenfalls dann von den §§ 23 ff. VVG ab, wenn sie an den Eintritt einer Gefahrerhöhung i. S. d. §§ 23 Abs. 1, 27 Abs. 1 VVG anknüpft. Die Fortsetzung des Vertrages zu geänderten Konditionen, insbesondere unter Einschränkung der Leistungspflicht des Versicherers, ist für den Versicherungsnehmer im Vergleich zu den im Gesetz vorgesehenen Rechtsfolgen solcher Gefahränderungen jeweils zumindest auch rechtlich nachteilig: Infolge dieser Regelung bleibt er auch in der Zeit nach Ablauf der für § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG maßgeblichen Versicherungsperiode zur Zahlung der Prämie verpflichtet, erhält dafür aber nur einen geringeren als den ursprünglich vereinbarten Umfang an Versicherungsschutz. Für das Vorliegen einer an § 34a VVG zu messenden Abweichung macht es dabei keinen Unterschied, ob der Versicherer die Änderung einseitig herbeiführen kann oder ob dem Versicherungsnehmer ein Kündigungsoder (wie bei § 10 A ARB 94) ein Widerspruchsrecht zusteht. Auch in letzterem Fall wird er mit der – rechtlich nachteiligen – Initiativlast für die Abwendung der Änderung belastet. Im folgenden wird untersucht, welche der in Rechtsprechung und Schrifttum diskutierten Änderungsanlässe zugleich eine Gefahrerhöhung i. S. d. §§ 23 Abs. 1, 27 Abs. 1 VVG darstellen.

a) Die Unwirksamkeit von Bedingungen Bei dem in Rechtsprechung und Schrifttum wohl am meisten diskutierten Änderungsanlass, der Unwirksamkeit von Bedingungen (vgl. § 10 A Abs. 1 3. Spiegelstrich ARB 94), handelt es sich nicht um eine Gefahrerhöhung. Auch wenn die Unwirksamkeit einer Bedingung (etwa ein Verstoß gegen die §§ 307 ff. BGB n. F.) erst nach Vertragsschluss offenbar wird (etwa weil sich die Rechtsprechung ändert oder weil sie erstmals über die Zulässigkeit einer bestimmten Regelung entscheidet), erhöht sich dadurch nicht die Wahrscheinlichkeit, dass der Versicherer auf Erbringung der Versicherungsleistung in dem vertraglich vereinbarten Umfang in Anspruch genommen wird. Die Unwirksamkeit einer Bedingung – etwa eines Risi432

Ein Beispiel für eine solche Regelung enthält § 9d AKB (s. bereits Fußnote 427).

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

koausschlusses – beeinflusst vielmehr schon den Inhalt der vertraglich geschuldeten Versicherungsleistung selbst. Der Versicherer schuldet infolge der Unwirksamkeit eine andere (umfangreichere) Leistung, als er dies (wenn er die Unwirksamkeit bei Vertragsschluss nicht erkannt hat) seiner Kalkulation zugrunde gelegt hat433. Es geht daher nicht um eine Änderung des ursprünglichen Gefahrniveaus.

b) Die Änderung von Gesetzen, auf denen die Vorschriften des Versicherungsvertrages beruhen Eine Anknüpfung an den Eintritt einer Gefahrerhöhung enthalten aber Anpassungsregelungen, die – wie etwa § 10 A Abs. 1 1.Spiegelstrich ARB 94 – eine Bedingungsänderung durch den Versicherer für den Fall gestatten, dass sich Gesetze ändern, auf denen die Bestimmungen des Versicherungsvertrages „beruhen“. Eine solche Klausel regelt zwar auch den Fall, dass eine Gesetzesänderung – insbesondere die Einführung eines Verbotsgesetzes – zur Nichtigkeit einer Bedingung führt434. Insoweit geht aus den unter a) genannten Gründen nicht um eine Erhöhung des ursprünglichen Gefahrniveaus. Daneben wird von einer solchen Klausel aber auch die Änderung von Gesetzen erfasst, an denen die Voraussetzungen oder der Umfang der Versicherungsleistung unmittelbar orientiert sind (in der Rechtsschutzversicherung also insbesondere die Änderung von Kostengesetzen). Dies kann nach h. M. eine nach §§ 27 f. VVG zu beurteilende Gefahrerhöhung sein435. Eine Änderungsregelung der genannten Art weicht deshalb teilweise zu Ungunsten des Versicherungsnehmers von den §§ 23 ff., 27f VVG ab436.

433 Soweit sich die Unwirksamkeit – wie etwa bei einem Verstoß gegen die §§ 305 – 307 BGB n. F. – aus einer Norm ergibt, die dem Schutz des Versicherungsnehmers dienen soll, würde es im übrigen auch dem Schutzzweck eines solchen Gesetzes zuwiderlaufen, wenn der Versicherer nach § 27 VVG zur Kündigung des Versicherungsverhältnisses berechtigt wäre und sich auf diese Weise den Folgen der Unwirksamkeit entziehen könnte; es könnte sich daher allenfalls um eine unerhebliche Gefahrerhöhung i. S. d. § 29 VVG handeln. 434 Der durch die Einführung oder Änderung eines Verbotsgesetzes eingetretenen Störung des Äquivalenzverhältnisses wird zudem ohnehin regelmäßig nicht durch eine Bedingungsänderung begegnet werden können. Damit die Gesetzesänderung Einfluss auf bereits abgeschlossene Verträge hat, muss die geänderten Vorschrift rückwirkend gelten. Wenn der Gesetzgeber aber die Rückwirkung einer Vorschrift anordnet, wird sich daraus oftmals auch ein Verbot herleiten lassen, die Äquivalenzstörung durch eine Ersetzung der betroffenen Bedingung (etwa durch die Einfügung ihres zulässigen Kerns) zu beseitigen. 435 s. dazu bereits oben Fußnote 328 im Zusammenhang mit Prämienerhöhungsregelungen, die an generelle Gefahrerhöhungen anknüpfen. 436 Von einer solchen Abweichung geht wohl auch Johannsen DZWiR 1998, 115, 116 aus.

2. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

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c) Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung Um eine Anknüpfung an eine Änderung des ursprünglichen Gefahrniveaus kann es sich zudem auch handeln, wenn eine Bedingungsänderung für den Fall einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugelassen wird. Eine solche Regelung enthält § 10 A Abs. 1 3. Spiegelstrich 1. Alt. ARB 94. Nach dieser Bestimmung besteht ein Änderungsrecht des Versicherers bei unmittelbar den Versicherungsvertrag betreffenden Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Darunter lassen sich zwar zum einen wiederum Konstellationen subsumieren, in denen eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Unwirksamkeit einer Bestimmung in AVB führt und in denen damit keine Gefahrerhöhung vorliegt. Darüber hinaus werden davon aber auch Rechtsprechungsänderungen erfasst, die zu einer veränderten Auslegung von Gesetzen führen, an die der Versicherungsvertrag unmittelbar anknüpft437. Eine solche Änderung der Gesetzesauslegung kann aber ebenso wie die Änderung der ausgelegten Gesetze selbst zu einer Erhöhung der Schadensauswirkungsoder der Schadenseintrittswahrscheinlichkeit führen. Wenn etwa eine Haftpflichtnorm durch die Rechtsprechung eine andere, für den Versicherungsnehmer ungünstigere Auslegung erfährt, als dies noch bei Vertragsschluss der Fall war, so wird dadurch eine Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers durch Dritte in einer größeren Zahl von Fällen bzw. in größerem Umfang möglich. Damit steigt aber auch die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme des Haftpflichtversicherers438. Auch bei einer veränderten Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung handelt es sich daher um eine von den §§ 23 ff., 29 VVG erfasste Gefahränderung439. Dem steht nicht entgegen, dass eine veränderte Auslegung gesetzlicher Normen auch auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zurückwirken kann, weil von der neuen Auslegung auch Tatbestände betroffen sein können, die sich in der Zeit zwi437 Im Falle des § 10 Abs. 1 A ARB 94 lässt sich dies außer mit dem Wortlaut auch mit der Systematik der Regelung begründen, da die Unwirksamkeit von Bedingungen dort ausdrücklich als eigener Änderungsanlass genannt wird; dies spricht dagegen, nur eine zur Unwirksamkeit einer Bedingung führende Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung als erfasst anzusehen. 438 Auch eine geänderte Auslegung durch die h. M. im Schrifttum oder die obergerichtliche Rechtsprechung kann theoretisch, da sie Einfluss auf die – letztlich entscheidende – höchstrichterliche Rechtsprechung haben kann, zu einem solchen Ergebnis führen. Allerdings lässt sich typischerweise schon nicht sicher feststellen, ob sich die Auslegung überhaupt geändert hat; auch ihr voraussichtlicher Einfluss auf die höchstrichterliche Rechtsprechung lässt sich kaum sicher abschätzen. Ihr Einfluss auf das generelle Gefahrniveau ist daher nicht so hinreichend fassbar, dass man von einer Gefahrerhöhung sprechen könnte. In der Praxis wurden zudem Regelungen, die an eine geänderte Auslegung im Schrifttum anknüpfen, auch noch nicht verwendet; sie bleiben daher im folgenden außer Betracht. 439 Erwogen wird die Einordnung einer Rechtsprechungsänderung als Gefahrerhöhung i. S. d. § 27 VVG auch von Möller, in: Bruck / Möller § 23 Anm. 8, der allerdings offen lässt, ob generelle Gefahränderungen überhaupt als Gefahrerhöhungen einzuordnen sind.

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

schen dem Vertragsschluss und der Veränderung der Auslegung verwirklicht haben (Beispiel: Eine geänderte Auslegung von Haftpflichtnormen kann dazu führen, dass der Versicherungsnehmer – und damit auch der Haftpflichtversicherer – auch für Schadensereignisse, die vor der Rechtsprechungsänderung eingetreten sind, über deren Folgen aber noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist, in größerem Umfange in Anspruch genommen werden kann)440. Diese Rückwirkung ändert nichts daran, dass die Wahrscheinlichkeit einer größeren Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers erst von der Rechtsprechungsänderung an steigt. Aus Sicht des Vertragsschlusses handelt es sich daher ebenso um eine nachträgliche Erhöhung des Gefahrniveaus wie bei einer Änderung des ausgelegten Gesetzes selbst441. d) Änderung der Verwaltungspraxis des Bundesaufsichtsamtes oder der Kartellbehörden, Abwendung aufsichtsbehördlicher Beanstandungen In § 10 A Abs. 1 ARB 94 finden sich schließlich noch Anknüpfungen an die Verwaltungspraxis bzw. an Entscheidungen des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen sowie der Kartellbehörden. So führt § 10 A Abs. 1 2. Spiegelstrich 2. und 3. Alt. ARB 94 die unmittelbar den Versicherungsvertrag betreffende Änderung der Verwaltungspraxis des BAV und der Kartellbehörden, § 10 A Abs. 1 4. Spiegelstrich ARB 94 die Abwendung einer kartell- oder aufsichtsbehördlichen Beanstandung als Änderungsanlässe auf. Dass diese Änderungsanlässe Gefahrerhöhungen i. S. d. §§ 23 Abs. 1, 27 Abs. 1 VVG darstellen, ist jedoch kaum denkbar. Die Verwaltungspraxis bzw. drohende Beanstandungen dieser Behörden werden sich in aller Regel nicht auf die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts auswirken, sondern wieder nur den Inhalt der vom Versicherer verwendeten Bedingungen selbst betreffen (Beispiel: Beanstandung einer gegen die §§ 307 ff. n. F. verstoßenden AVB-Klausel).

440 Bei Gesetzesänderungen ist dies typischerweise anders, weil eine Rückwirkung bei Gesetzesänderung aufgrund der verfassungsrechtlichen Grenzen nicht die Regel sein wird. Für Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung gilt dies indes nicht. 441 Man könnte allenfalls bezweifeln, ob es sich bei der Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung um eine Gefahrerhöhung i. S. d. § 27 VVG handelt oder ob sie nach § 29 Satz 2 VVG als mitversichert gilt. Wenn man mit der h. M. bei Gesetzesänderungen eine Gefahrerhöhung i. S. d. § 27 VVG bejaht, so muss man dies allerdings konsequenterweise auch bei der Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung tun. Der höchstrichterlichen Rechtsprechung kommt für die Auslegung der Gesetze praktisch die gleiche Bedeutung zu wie der gesetzlichen Regelung selbst. Zudem sind die Möglichkeiten für den Versicherer, eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorherzusehen und in seine Kalkulation bei Vertragsschluss einzubeziehen, jedenfalls nicht größer als im Falle einer Gesetzesänderung. Die Einräumung eines Kündigungsrechtes ist daher ebenso sachgerecht wie im Falle einer Gesetzesänderung.

2. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

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2. Änderungsanlässe, die keine Gefahrerhöhungen i. S. d. §§ 23 ff. VVG darstellen Im Hinblick auf die vorstehend erörterten Änderungsanlässe, die keinen Bezug zu einer Änderung des ursprünglichen Gefahrniveaus aufweisen, liegt keine an § 34a VVG zu messende Abweichung von den Vorschriften über Gefahrerhöhungen vor. Um eine Verschärfung der gesetzlichen Rechtsfolgen kann es sich insoweit von vornherein nicht handeln. Eine Abweichung könnte man daher nur bejahen, wenn man den §§ 23 ff. VVG Folgerungen auch für Äquivalenzstörungen entnähme, die keinen Bezug zur Entwicklung der versicherten Gefahr aufweisen442. Dazu müsste man dem Gesetz die allgemeine Wertung entnehmen, dass der Versicherer aus nach Vertragsschluss eintretenden Ereignissen, die die Richtigkeit seiner ursprünglichen Prämienkalkulation in Frage stellen (also insbesondere etwa: der nachträglichen Aufdeckung der Unwirksamkeit von Bedingungen) nur dann für den Versicherungsnehmer ungünstige Folgerungen ziehen darf, wenn es um eine nachträgliche Erhöhung des bei Vertragsschluss bestehenden Gefahrniveaus geht. Einen so weitreichenden Regelungsgehalt kann man den §§ 23 ff. VVG allerdings nicht entnehmen. Das Gesetz regelt in diesen Vorschriften nur einen kleinen Ausschnitt der denkbaren Entwicklungen, die nach Vertragsschluss Einfluss auf die Richtigkeit der anfänglichen Prämienkalkulation des Versicherers haben können. Dass mit dieser partiellen Regelung eine generelle Aussage für alle möglichen Äquivalenzstörungen zu Lasten des Versicherers getroffen werden sollte, ist nicht anzunehmen. 3. Ergebnis zu II. Um eine Abweichung von den §§ 23 ff. VVG zu Lasten des Versicherungsnehmers handelt es sich daher in den unter 1. b) und c) genannten Fällen, also bei einer Anknüpfung an die Änderung von Gesetzen, an denen das „Ob“ oder „Wie“ der Versicherungsleistung unmittelbar orientiert ist, sowie bei der Änderung der Auslegung solcher Gesetze durch die höchstrichterliche Rechtsprechung.

III. Nachteiligkeit der Abweichung Es wurde bereits erwähnt, dass der BGH die beiden hier noch interessierenden Änderungsanlässe „Gesetzesänderung“ und „Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung“ bei § 10 A ARB 94 im Rahmen der Kontrolle nach § 9 AGBG a. F. (§ 307 BGB n. F.) nur beanstandet hat, soweit der Versicherer auch zu einer Änderung anderer als der von dem Änderungsanlass betroffenen Bedingungen sowie zu einer über den Ausgleich der Äquivalenzstörung hinausgehenden Änderung er442 Zu dieser Unterscheidung bei der Feststellung einer nachteiligen Abweichung vgl. im 1. Teil im 1. Abschnitt unter A. I. 2. b) (S. 37 f.).

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

mächtigt wurde443. Es ist daher zu erwarten, dass diese Änderungsanlässe in der Praxis nur noch zur Grundlage für beschränktere Änderungsmöglichkeiten gemacht werden, die dieser Rechtsprechung Rechnung tragen, indem sie sich auf einen Ausgleich der infolge der Gefahrerhöhung eingetretenen Äquivalenzstörung und eine Änderung der davon betroffenen Vertragsteile beschränken. Bei einer Gefahrerhöhung durch die Änderung von Gesetzen oder durch eine geänderte Gesetzesauslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ist dies insbesondere dadurch möglich, dass die Leistungspflicht des Versicherers auf den Umfang beschränkt wird, der ohne diese Änderungen bestehen würde444. Auch im folgenden wird daher zunächst nur die Nachteiligkeit von Änderungsklauseln untersucht, die sich auf solche Änderungen beschränken. Dabei wird zudem unterstellt, dass die Rechte des Versicherers aus den §§ 23 ff. VVG vertraglich ausgeschlossen sind445. Soweit schon eine solche Änderungsmöglichkeit nicht mit § 34a VVG vereinbar ist, ist bei einer darüber hinaus gehende Änderungsregelung bzw. einer Anpassungsregelung ohne Ausschluss der § 23 ff. VVG erst recht ein Verstoß zu bejahen. 1. In die Saldierung einzustellende Vorteile a) Ausschluss der gesetzlichen Rechte des Versicherers Wenn die Möglichkeit einer Bedingungsänderung mit einem Ausschluss der gesetzlichen Rechte des Versicherers aus den §§ 23 ff. VVG verbunden wird, ergibt sich daraus für den Versicherungsnehmer – da eine Leistungsfreiheit nach § 28 VVG praktisch ausscheidet446 – der Vorteil, dass Vertrag auch über den Zeitpunkt hinaus fortgesetzt wird, in dem der Versicherer nach § 27 VVG gekündigt hätte. Er behält daher einen Anspruch auf die Versicherungsleistung, wenn auch BGHZ 141, 153, 156 f., 158. Beispiel: In der Rechtsschutzversicherung wird nach einer Änderung der Kostengesetze die Leistungspflicht des Versicherers auf denjenigen Aufwand des Versicherungsnehmers beschränkt, der ohne diese Änderung entstehen würde. 445 Ob einer Anpassungsregelung, die – wie § 10 A ARB 94 – eine Änderung im Wege einer Zustimmungsfiktion vorsieht oder dem Versicherer ein einseitiges Änderungsrecht einräumt, ohne dabei die §§ 23 ff. VVG zu erwähnen, ein Ausschluss der §§ 23 ff. VVG zu entnehmen ist, ist allerdings problematisch. Dagegen spricht, dass eine Änderung des Vertrages bei einer solchen Gestaltung nicht automatisch eintritt, sondern einer Konkretisierung durch den Versicherer bedarf. Der Versicherer behält sich daher die Entscheidung darüber vor, ob und wie er im Einzelfall auf die Äquivalenzstörung reagieren soll. Aus der Anpassungsregelung ergibt sich daher nicht – wie bei einer Erhöhung der Prämie, die ohne weiteres vom Zeitpunkt der Gefahrerhöhung eintritt und für deren Höhe dem Versicherer kein Ermessen eingeräumt ist – dass der Versicherer den Vertrag nach der Gefahrerhöhung in jedem Falle (wenn auch zu geänderten Konditionen) fortsetzen will. Daher ist ohne ausdrückliche Abbedingung der §§ 23 ff. VVG im Zweifel davon auszugehen, dass das Recht zur Bedingungsänderung neben die gesetzlichen Rechte des Versicherungsnehmers treten soll. 446 Vgl. dazu oben unter A. II.4. a) bei Fußnote 343. 443 444

2. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

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infolge der Bedingungsänderung beschränkt auf die unabhängig von der Gefahrerhöhung bestehenden Risiken. b) Kündigungsrecht aus § 31 VVG aa) Änderungen durch einen Änderungsvorbehalt Ein weiterer Vorteil für den Versicherungsnehmer ergibt sich, wenn die Bedingungsänderung ein Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers auslöst. Ein solches Kündigungsrecht folgt möglicherweise auch ohne ausdrückliche Einräumung in der Änderungsklausel schon aus § 31 VVG. Unmittelbar erfasst § 31 VVG jedoch nur eine Prämienerhöhung durch den Versicherer. Allerdings wird § 31 VVG verbreitet auch bei Leistungseinschränkungen durch den Versicherer analog angewendet, die nicht mit einer Prämiensenkung einhergehen447. Begründet wird dies damit, dass eine Leistungsminderung wirtschaftlich einer Prämienerhöhung ohne Änderung des Deckungsumfanges gleichkomme448. Zudem wird auf § 178h Abs. 4 VVG verwiesen, der für die Krankenversicherung bei Leistungseinschränkungen ausdrücklich ein Kündigungsrecht des Versicherers vorsehe449. Dieser Auffassung ist zuzustimmen: Für eine Analogie zu § 31 VVG spricht die einer Prämienerhöhung vergleichbare Interessenlage. Wenn der Versicherungsnehmer schon eine für ihn nachteilige Veränderung des Äquivalenzverhältnisses durch eine Prämienerhöhung nicht ohne eine Abwendungsmöglichkeit in Gestalt eines Kündigungsrechtes hinnehmen muss, dann muss er erst recht eine einseitige Leistungseinschränkung durch den Versicherer abwenden können. Eine Leistungseinschränkung kann für den Versicherungsnehmer mit erheblich größeren und weniger kalkulierbaren Belastungen verbunden sein als eine bloße Prämienerhöhung, insbesondere wenn der Versicherungsfall eintritt und sich die Leistungseinschränkung (etwa ein neu aufgenommener oder erweiterter Risikoausschluss) dabei auf die Leistungspflicht des Versicherers auswirkt. Zweifel daran, dass eine Analogie zu § 31 VVG den Interessen des Versicherungsnehmers angemessen Rechnung trägt, könnten sich höchstens aus der relativ kurz bemessenen Kündigungsfrist von einem Monat ergeben. Eine Monatsfrist wird für die Abwendung einer Bedingungsänderung in neuerer Zeit von Rechtsprechung und Schrifttum (im Hinblick auf § 307 BGB n. F.) zum Teil als nicht ausreichend angesehen450. Auch wenn man sich diesen Bedenken anschließt451, 447 Wandt, Änderungsklauseln, Rn. 173; Schwintowski VuR 1998,128. Vgl. auch Prölss, in: Prölss / Martin Vorb.I Rn. 29 (dort wird allerdings nicht ganz deutlich, ob § 31 VVG analog anzuwenden sein soll oder ob aus § 10 Nr. 4 AGBG a. F. abgeleitet wird, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer ein § 31 VVG entsprechendes Kündigungsrecht einräumen muss); Langheid, in: Römer / Langheid § 31 Rz. 3 f. 448 Wandt, Änderungsklauseln, Rn. 173. 449 Wandt, Änderungsklauseln, Rn. 173. 450 BGHZ 141, 153, 158 f.; zustimmend z. B. Dörner WuB IV.C. § 9 AGBG 8.99.

21 Klimke

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

und deshalb für die Vereinbarkeit einer Bedingungsänderungsregelung mit den §§ 308 Nr. 4; 307 BGB n. F. (§§ 10 Nr. 4, 9 AGBG a. F.) verlangt, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer vertraglich eine längere Frist einräumt, spricht dies nicht dagegen, dem Versicherungsnehmer unabhängig davon ein Kündigungsrecht analog § 31 VVG zu geben. Für den Versicherungsnehmer kann es stets von Nutzen sein, wenn er den Vertrag zumindest in den Fristen des § 31 VVG beenden kann. Auch bei einer wegen Verstoß gegen die §§ 307 f. BGB n. F. unwirksamen Änderungsklausel (und einem infolgedessen unwirksamem Änderungsverlangen des Versicherers) hat er ein schutzwürdiges Interesse an einer Lösung von dem Vertrag, da er dadurch etwaigen Streitigkeiten über die Zulässigkeit der Änderung entgehen kann. Wenn ihm nur bei Wirksamkeit der Änderung eine Lösung möglich wäre, müsste er, um Klarheit darüber zu gewinnen, ob und mit welchem Inhalt der Vertrag fortgesetzt wird, zunächst in jedem Falle die Berechtigung des Änderungsverlangens prüfen. Das damit verbundene Risiko von Fehleinschätzungen 452 ist ihm, da der Versicherer durch sein Änderungsverlangen die Ursache dafür geschaffen hat, nicht zuzumuten453. Damit steht dem Versicherungsnehmer bei einer Bedingungsänderung, die – wie in den hier interessierenden Fällen – eine Leistungseinschränkung zur Folge hat, analog § 31 VVG ein Kündigungsrecht zu. bb) Änderung durch Zustimmungsfiktionen Wenn eine Klausel, wie § 10 A ARB 94, keinen Änderungsvorbehalt enthält, sondern die Zustimmung des Versicherungsnehmers für den Fall fingiert, dass er nicht innerhalb einer bestimmten Frist widerspricht, so ist § 31 VVG nicht (analog) anwendbar. § 31 VVG erfasst nur einseitige Änderungen durch den Versicherer, nicht die ad hoc erfolgte Einigung der Parteien über eine Fortsetzung des Vertrages zu geänderten Bedingungen. Um eine solche einverständliche Vertragsänderung geht es aber bei einer mit einem Widerspruchsrecht verbundenen Zustimmungsfiktion. Auch der Zweck des § 31 VVG erfordert es nicht, dem Versicherungsnehmer in einem solchen Fall ein Kündigungsrecht einzuräumen. Der Versicherungsnehmer bedarf keines Kündigungsrechtes, um die Änderung abzuwenden, da er dazu schon durch Ausübung seines Widerspruchsrechtes in der Lage ist454. Kritisch insoweit z. B. Präve VersR 1999, 699, 700. So kann er etwa, wenn er eine Änderung zu Unrecht für unberechtigt hält, z. B. – mit den Folgen des § 39 VVG – in Verzug mit der Prämienzahlung geraten oder bei einer Bedingungsänderung zu Unrecht auf den Fortbestand der Leistungspflicht des Versicherers in dem bisherigen Umfang vertrauen. 453 Konstruktiv lässt sich dieses Ergebnis auch damit begründen, dass eine Berufung des Versicherers auf die Unwirksamkeit der Änderungsklausel nach den §§ 307 f. BGB n. F. jedenfalls regelmäßig nach § 242 BGB ausgeschlossen ist. Der Versicherungsnehmer kann daher auch das Änderungsrecht des Versicherers akzeptieren (mit der Folge, dass die Änderung ohne eine eigene Kündigung wirksam würde) und damit die Voraussetzungen für eine Kündigung nach § 31 VVG schaffen. 451 452

2. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

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c) Einräumung von über § 31 VVG hinausgehenden Abwendungsmöglichkeiten Die Rechtsstellung des Versicherungsnehmers wird im Vergleich zu den §§ 23 ff. VVG auch verbessert, wenn ihm der Versicherer eine über das Kündigungsrecht aus § 31 VVG hinausgehende Möglichkeit zur Abwendung der Bedingungsänderung einräumt. Dies ist zum einen der Fall, wenn ihm eine längere Kündigungsfrist eingeräumt wird. Zum anderen steht der Versicherungsnehmer besser als nach § 31 VVG, wenn er den Eintritt der Änderung – wie im Falle des § 10 A Abs. 2 ARB 94 – durch seinen Widerspruch vollständig abwenden und damit die Fortsetzung des Vertrages zu den bisherigen Konditionen erzwingen kann.

2. In die Saldierung einzustellende Belastungen Da bei der Saldierung ist davon auszugehen ist, dass der Versicherer bei uneingeschränkter Geltung der gesetzlichen Regelung von seinem Kündigungsrecht unverzüglich von seinem Kündigungsrecht aus § 27 VVG Gebrauch gemacht hätte455, ist zu unterstellen, dass der Versicherer seine Änderungsmöglichkeit frühestens in demselben Zeitpunkt ausübt, in dem er nach der gesetzlichen Regelung den Vertrag gekündigt hätte. Wenn die Bedingungsänderung – wie die Kündigung nach § 27 VVG – erst nach Ablauf einer Frist von einem Monat wirksam wird (so – allerdings für den Fall einer Zustimmungsfiktion – § 10 A Abs. 1 ARB 94), liegt der Nachteil für den Versicherungsnehmer im Vergleich zu der gesetzlichen Regelung daher nicht in der Einschränkung des Versicherungsschutzes: Nach der Beendigung des Vertrages entfiele sein Versicherungsschutz ja in vollem Umfange456. Nachteilig ist für ihn vielmehr allein die Belastung mit der Pflicht zur Fortzahlung der Prämie für den Zeitraum nach Ablauf der für § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG maßgeblichen Versicherungsperiode.

454 Nur dann, wenn das Widerspruchsrecht formal so unzureichend abgesichert ist, dass die Zustimmungsfiktion im Ergebnis – mangels tatsächlicher Möglichkeit des Versicherungsnehmers, von seinem Widerspruchrecht Gebrauch zu machen – einem einseitigen Änderungsrecht des Versicherers gleichkommt, ist § 31 VVG anzuwenden. Darum geht es etwa, wenn die Widerspruchsfrist so kurz ist, dass dem Versicherungsnehmer faktisch kein rechtzeitiger Widerspruch möglich ist. 455 Vgl. dazu im 1. Teil unter A. III. 2. c) cc) (S. 99). 456 Anders wäre es nur, wenn die Bedingungsänderung vor Ablauf einer § 27 VVG entsprechenden Frist, also insbesondere sofort mit dem Änderungsverlangen, wirksam würde. Dann läge ein zusätzlicher Nachteil für den Versicherungsnehmer in der Einschränkung des Versicherungsschutzes während der Monatsfrist, die nach der gesetzlichen Regelung bis zum Wirksamwerden der Kündigung vergehen würde. Eine solche Gestaltung wird im folgenden im Text jedoch außer Betracht gelassen.

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

3. Saldierung Bei der Saldierung ist danach zu unterscheiden, ob es sich um einen Änderungsvorbehalt handelt oder ob die Änderung im Wege einer Zustimmungsfiktion durchgesetzt werden soll. a) Änderungsvorbehalte Ein Änderungsvorbehalt ist für den Versicherungsnehmer in den Fällen vorteilhaft, in denen er von seinem gesetzlichen Kündigungsrecht analog § 31 VVG (bzw. von einem vertraglich eingeräumten Kündigungsrecht) Gebrauch macht: Nach einer Kündigung ist er ebenso wenig wie nach einer Kündigung des Versicherers an den Vertrag gebunden. Darüber hinaus bleibt ihm eine nutzlose Prämienzahlung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG erspart. Problematisch sind daher nur die Fälle, in denen der Versicherungsnehmer – insbesondere aus Unachtsamkeit – nicht kündigt. Wenn man die Kündigungsfrist des § 31 VVG nicht für ausreichend hält, um über die Änderung zu entscheiden, muss man dies als Regelfall unterstellen, da es dann an einer zumutbaren (und damit vom Versicherungsnehmer voraussichtlich genutzten) Möglichkeit zur Abwendung der Bedingungsänderung fehlt. Aber auch wenn man die Monatsfrist für lang genug hält oder wenn dem Versicherungsnehmer ausdrücklich eine längere Frist eingeräumt wurde, lässt sich die Möglichkeit der Versäumung der Kündigungsfrist nicht von der Hand weisen. Man könnte allerdings daran denken, auch bei Versäumung der Kündigungsfrist mit den oben457 zur Zulässigkeit von Prämienerhöhungen angestellten Überlegungen eine Kompensation der Nachteile für den Versicherungsnehmer zu bejahen: Der Versicherungsnehmer erhält für die Prämie, die er infolge der Bedingungsanpassung im Zeitraum nach Ablauf der für § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG maßgeblichen Versicherungsperiode zahlen muss, ja eine Gegenleistung in Gestalt des – wenn auch eingeschränkten – Versicherungsschutzes. Diese Gegenleistung reicht möglicherweise – weil der Versicherungsnehmer dann ja für seine Prämie ein marktgerecht bewertetes Äquivalent erhält – schon dann zur Kompensation aus, wenn der Versicherungsnehmer nach einer Kündigung des Versicherers gar keine realistische Aussicht gehabt hätte, bei einem anderen Versicherer entsprechenden – d. h. auf die ohne die Gefahrerhöhung bestehenden Risiken beschränkten – Versicherungsschutz zu einer günstigeren Prämie zu finden. Dass eine solche Aussicht bestanden hätte, müsste man wohl mit den oben458 geschilderten Überlegungen verneinen, da ein Versicherungsnehmer, der aus Unachtsamkeit nicht von seinem Kündigungsrecht aus § 31 VVG Gebrauch macht, auch nicht damit rechnen könnte, nach einer Kündigung des Versicherers eine günstigere anderweitige – eingeschränkte – Versicherungsmöglichkeit noch innerhalb der Monatsfrist des § 27, 457 458

Vgl. A. II.4. a) (S. 284 ff.) und A. I. 4. c) aa) (1) (S. 268 ff.). Vgl. A. I. 4. c) aa) (2) (c) (bb) (S. 276 f.).

2. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

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25 VVG zu finden459. Wenn man ebenso argumentierte wie für Prämienanpassungsregelungen, ergäbe sich daher im Saldo sogar ein Überschuss für den Versicherungsnehmer in Höhe der von ihm im von § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG erfassten Zeitraum ohne Gegenleistung zahlenden Prämie. Diese Argumentation überzeugt für Bedingungsänderungsklauseln indes nicht. Die Fortsetzung des Vertrages zu geänderten Bedingungen, in den hier interessierenden Fällen also unter Ausschluss der Risiken aus der erhöhten Gefahr, läuft typischerweise den Interessen des Versicherungsnehmers zuwider: Da – wie gezeigt460 – davon auszugehen ist, dass er sich gegen die bisher vom Versicherungsschutz abgedeckten Risiken auch nach einer Erhöhung des Gefahrniveaus absichern möchte, trägt ein nachträglicher Ausschluss der auf der erhöhten Gefahr beruhenden Risiken typischerweise seinem Sicherungsbedürfnis nicht ausreichend Rechnung. Der eingeschränkte Versicherungsschutz ist daher für ihn typischerweise gar nicht von Interesse461. Unabhängig davon, welche Prämie er dafür entrichten muss und ob diese im Vergleich zu anderweitigen Versicherungsmöglichkeiten günstig oder ungünstig ist, ist die Fortsetzung des Vertrages zu geänderten Bedingungen daher für den Versicherungsnehmer nachteiliger als eine Kündigung des Versicherers. In den Fällen, in denen der Versicherungsnehmer aus Unachtsamkeit von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht, wirkt sich ein Änderungsvorbehalt daher für ihn überwiegend nachteilig aus. Daran ändert auch die Ersparnis der nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VVG nutzlos aufzuwendenden Prämie nichts. Der drohende dauerhafte Verlust des Versicherungsschutzes für Risiken, die der Versicherungsnehmer an sich versichern möchte, ist aus Sicht des Versicherungsnehmers als gravierender zu bewerten. Ein einseitiges Recht des Versicherers, seine Bedingungen bei einer generellen Gefahrerhöhung, die als Folge einer Gesetzesänderung oder einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Lasten des Versicherungsnehmers eintritt, abzuändern, ist daher nicht mit § 34a VVG vereinbar. Dies gilt auch dann, wenn die Rechte des Versicherers aus den §§ 27 f. VVG ausgeschlossen werden und der Versicherer dem Versicherungsnehmer ein über § 31 VVG hinausgehendes Kündigungsrecht einräumt.

459 Bedenken an der Übertragbarkeit der Argumentation zur Zulässigkeit von Prämienerhöhungen könnten sich höchstens dann ergeben, wenn man die Frist des § 31 VVG als zu kurz ansieht, um sachgerecht über den Abschluss einer neuen Versicherung zu entscheiden; dann müsste man diese Frist aber wohl auch als zu kurz ansehen, um sich anderweitigen günstigeren Versicherungsschutz zu verschaffen. 460 s. oben unter A. I. 4. c) aa) (1) (a) (S. 269). 461 Eine isolierte Absicherung der Risiken aus der erhöhten Gefahr bei anderem Versicherer wird dem Versicherungsnehmer praktisch kaum möglich und zudem typischerweise teurer sein.

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2. Teil: Einzelne Anwendungsfälle

b) Zustimmungsfiktionen Anders ist möglicherweise zu entscheiden, wenn die Zustimmung des Versicherungsnehmers zu einer Änderung fingiert und ihm dabei die Möglichkeit eingeräumt wird, die Änderung durch seinen Widerspruch abzuwenden. Wenn er von seinem Widerspruchrecht aus Unachtsamkeit keinen Gebrauch macht, drohen ihm dann zwar dieselben Nachteile wie nach einer Versäumung der Kündigungsmöglichkeit nach einer einseitigen Bedingungsänderung. Dafür kann er sich aber durch seinen Widerspruch einen größeren Vorteil als durch seine Kündigung sichern, da der Vertrag danach unter Einschluss der erhöhten Gefahr, also ohne eine Korrektur der durch die Gefahrerhöhung eingetretenen Äquivalenzstörung, fortgesetzt wird. Auch dieser weitergehende Vorteil ändert indes nichts am Ergebnis der Saldierung. Zum einen lässt sich oftmals schon bezweifeln, ob die Ausweitung des Versicherungsschutzes ohne Kompensation dem Versicherungsnehmer überhaupt dauerhaft zugute kommen wird. Wenn nämlich zusätzlich zu der Bedingungsänderungsmöglichkeit noch eine an Veränderungen des allgemeinen Schadensbedarfes des Versicherers anknüpfende Prämienanpassungsregelung vereinbart wurde, ist damit zu rechnen, dass der Mehrbedarf des Versicherers, der durch den Widerspruch der Versicherungsnehmer ausgelöst wird, im Ergebnis durch eine Prämienerhöhung auf diese umgelegt wird462. Von dem Vorteil für den Versicherungsnehmer bleibt dann nicht viel übrig. Abgesehen davon ist aber auch der nach einem Widerspruch eintretende Vorteil, also die mögliche Prämienersparnis, nicht groß genug, damit dadurch der Nachteil einer dauerhaften, den Interessen des Versicherungsnehmers zuwider laufenden Einschränkung des Versicherungsschutzes ausgeglichen werden könnte, die ihm bei einer Versäumung der Widerspruchsfrist droht. Auch eine Bedingungsänderung in Form einer Zustimmungsfiktion ist für den Versicherungsnehmer daher überwiegend nachteilig.

4. Ergebnis zu III. Vereinbarungen, die für den Fall einer generellen Gefahrerhöhung die Möglichkeit einer Bedingungsänderung, d. h. insbesondere einer Beschränkung des Versicherungsschutzes auf die Risiken, die ohne die erhöhte Gefahr bestehen würden, vorsehen, sind daher nicht mit § 34a VVG vereinbar463. Vgl. zu dieser Wirkung einer Zustimmungsfiktion Wandt, Änderungsklauseln, Rn. 199. Dass solche Vereinbarungen nicht mit halbzwingenden Vorschriften vereinbar sind, folgt allerdings darüber hinaus nicht auch aus den §§ 178g Abs. 3, 178o VVG. § 178g stellt eine Sonderregelung für die Krankenversicherung dar, aus der sich nicht im Umkehrschluss entnehmen lässt, dass Bedingungsanpassungsregelungen – insbesondere auch solche, die an Gefahrerhöhungen anknüpfen – in anderen Versicherungszweigen schlechthin unzulässig wären (vgl. auch BGHZ 141, 153, 155 f.; Baumann JZ 1999, 881, 882). 462 463

2. Abschnitt: Nachteilige Abweichungen von den §§ 23 ff., 40 ff. VVG

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IV. Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB n. F. Die hier untersuchten Änderungsklauseln weichen nur in den Fällen nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmer vom VVG ab, in denen der Anlass für eine Änderung – wie insbesondere bei der Ersetzung nichtiger Bedingungen – keine Gefahrerhöhung i. S. d. §§ 23 ff. VVG darstellt. In diesen Fällen ergeben sich mangels einer Abweichung von halbzwingenden Vorschriften keine Folgerungen für die Kontrolle nach den §§ 307 f. BGB n. F.

V. Beurteilung auf der Grundlage des Zwischenberichtes der Reformkommission Die Reformvorschläge sehen für den Fall einer generellen Gefahrerhöhung kein Recht des Versicherers zur Bedingungsanpassung vor464. An der Beurteilung der hier untersuchten Klauseln ändert sich daher nichts.

464 Erörtert wird nur eine Ersetzung unwirksamer Bedingung in einem Treuhänderverfahren entsprechend den Regelungen in der Kranken- und Lebensversicherung, vgl. Zwischenbericht S. 66.

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse 1. Teil 1. Abschnitt 1. Eine nachteilige Abweichung von einer halbzwingenden Vorschrift setzt eine Verschlechterung der Rechtsposition des Versicherungsnehmers voraus. Eine solche kommt in folgenden Fallgruppen in Betracht: a) Nachteilig ist die Vereinbarung ungünstigerer als der gesetzlichen Rechtsfolgen für einen im Gesetz ausdrücklich mit Rechtsfolgen versehenen Tatbestand (A. I. 1.). b) Wenn eine halbzwingende Vorschrift auf einen Tatbestand analog Anwendung findet, gilt regelmäßig auch das Verbot nachteiliger Abweichungen analog [A. I. 2. a)]. c) Aus dem Zweck einer halbzwingenden Vorschrift können sich auch Grenzen für die Vereinbarung von Rechtsfolgen für Tatbestände ergeben, für die das Gesetz keine bestimmten Rechtsfolgen anordnet [A. I. 2. b)]. 2. Das Verbot nachteiliger Abweichungen steht nur Vereinbarungen zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer entgegen, die zu einem Zeitpunkt geschlossen werden, in dem die Folgen der Abweichung für den Versicherungsnehmer noch nicht hinreichend überschaubar sind. Nicht zu beanstanden sind daher Vereinbarungen, die lediglich die Folgen eines bereits eingetretenen konkreten Anwendungsfalles der gesetzlichen Vorschrift, von der abgewichen wird, regeln (A. II.). 3. Bei der Prüfung der Nachteiligkeit einer Vereinbarung sind die damit verbundenen Nachteile mit den von der Vereinbarung ausgehenden Vorteilen zu saldieren (A. III. 1). a) Für die bei dieser Saldierung zu berücksichtigenden Vorteile gelten folgende Regeln: aa) Der Vorteil muss gerade die Folge der Abweichung zu Lasten des Versicherungsnehmers sein [A. III. 2. a) aa) (1)]. bb) Es muss sich um Vorteile handeln, deren Eintritt bei dem konkreten Versicherungsnehmer aus Sicht des Vertragsschlusses zumindest möglich ist. Nicht erforderlich ist allerdings, dass Vor- und Nachteile tatsächlich in einem konkreten

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Anwendungsfall der Vereinbarung zusammentreffen oder dass sie sich aus der Regelung desselben rechtlichen Tatbestandes ergeben [A. III. 2. a) aa) (2) und (3)]. cc) Durch eine Entscheidung des Versicherers vermittelte Vorteile sind nicht von vornherein von der Saldierung ausgeschlossen [A. III. 2. a) bb)]. dd) Ein im Hinblick auf die Abweichung bei Vertragsschluss eingeräumter Prämiennachlass ist nicht als Vorteil bei der Saldierung zu berücksichtigen [A. III. 2. a) cc)]. b) In die Saldierung sind die eine Verschlechterung der gesetzlichen Rechtsstellung begründenden sowie die mit einem in die Saldierung einzustellenden Vorteil verbundenen Belastungen einzustellen [A. III. 2. b)]. c) Für die Saldierung der Vor- und Nachteile gelten folgende Regeln: Eine Vereinbarung ist – vorbehaltlich vorrangiger gesetzlicher Wertungen – nur dann nicht nachteilig, wenn die Vorteile die Nachteile bei einer objektiven Beurteilung aus Sicht des Vertragsschlusses ausgleichen. Dabei ist bei Vereinbarungen in AGB i. S. d. § 305 Abs. 1 BGB n. F. ein überindividuell-generalisierender Maßstab anzulegen [A. III. 2. c) aa) und bb)]. Soweit es für die Saldierung auf eine (hypothetische oder in der Zukunft liegende) Entscheidung des Versicherers ankommt, ist davon auszugehen, dass der Versicherer jeweils die für den Versicherungsnehmer ungünstigste Entscheidungsmöglichkeit ausgewählt hätte bzw. auswählen wird [A. III. 2. c) cc)]. Zweifel bei der Bewertung der Vor- und Nachteile gehen zu Lasten des Versicherers [A. III. 2. c) dd)]. 4. Auch einseitige Rechtsgeschäfte des Versicherungsnehmers unterliegen dem Verbot nachteiliger Abweichungen. Dabei gelten die für Vereinbarungen entwickelten Grenzen des Verbotes entsprechend (B.). 5. Für Vereinbarungen zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer, die zum Nachteil des Erwerbers der versicherten Sache oder des Hypothekengläubigers von halbzwingenden Vorschriften abweichen, gelten die unter 2. geschilderten Grenzen des Verbotes nicht. Zudem ist auch keine Saldierung der Nachteile mit etwaigen Vorteilen aus der Vereinbarung zulässig (C.). 2. Abschnitt 1. Wenn eine Vereinbarung zum Nachteil des Versicherungsnehmers von einer halbzwingenden Vorschrift des VVG abweicht, so hat dies nicht ihre endgültige Unwirksamkeit zur Folge. Vielmehr steht dem Versicherungsnehmer ein Wahlrecht zwischen der Geltung der Vereinbarung und ihrer Unwirksamkeit zu. Nachteilige einseitige Rechtsgeschäfte des Versicherungsnehmers sind dagegen (endgültig) unwirksam (A.). 2. Für die Bestimmung der Reichweite der vom Wahlrecht des Versicherungsnehmers erfassten nachteiligen Vereinbarung gilt folgendes:

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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

a) Zu der Vereinbarung gehört mindestens die die nachteilige Abweichung begründende, den Versicherungsnehmer belastende vertragliche Regelung, soweit sie nicht durch Vorteile ausgeglichen wird (B. I.). b) Für die Einbeziehung darüber hinausgehender Vertragsteile in die nachteilige Vereinbarung gelten folgende Regeln: aa) Zu der Vereinbarung sind auch diejenigen Vertragsteile zu rechnen, die für Versicherungsnehmer zwar für sich gesehen lediglich vorteilhaft sind, jedoch ausschließlich im Hinblick auf eine (oder mehrere) nachteilige Regelungen vereinbart wurden, die zu der Vereinbarung gehören (B. II.1.). bb) Für den Versicherungsnehmer ausschließlich belastende Vertragsteile, die für sich betrachtet nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von halbzwingenden Vorschriften des VVG abweichen, sind Teil der Vereinbarung, wenn sie sich nicht ohne sprachliche Umgestaltung von dem Nachteil abtrennen lassen (B. III. 1.). cc) Wenn sich von der die nachteilige Abweichung begründenden Regelung eine belastende Regelung gedanklich abtrennen lässt, die mit einem Vorteil verknüpft und jedenfalls zusammen mit diesem für den Versicherungsnehmer nicht überwiegend nachteilig ist, so ist zu unterscheiden: Wenn es im Interesse des Versicherers liegt, die teils vorteilhafte, teils nachteilige Regelung, die sich aus der Belastung und dem im Hinblick darauf vereinbarten Vorteil ergibt, aus der Vereinbarung auszunehmen, kommt es ebenfalls auf sprachliche Abtrennbarkeit der gesetzeskonformen Belastung von dem nicht kompensierten Nachteil an. Wenn es daran fehlt, ist sie Bestandteil der nachteiligen Vereinbarung [B. III. 2. a)]. Die teils vorteilhafte, teils nachteilige Regelung ist jedoch stets in die Vereinbarung einzubeziehen, wenn dies im Interesse des Versicherers liegt [B. III. 2. b)]. 3. Eine nachteilige Vereinbarung wird erst dann (rückwirkend) wirksam, wenn sich der Versicherungsnehmer auf sie beruft. Eine bindende Berufung ist dabei nur im Hinblick auf einen konkreten, bereits eingetretenen Anwendungsfall der Vereinbarung möglich. Sie setzt eine empfangsbedürftige Willenserklärung voraus (C.).

3. Abschnitt Für das Verhältnis zur Kontrolle nach den §§ 305 BGB n. F. gelten folgende Regeln: 1. Vereinbarungen, die keine überwiegend nachteiligen Abweichungen von halbzwingenden Vorschriften des VVG enthalten, sind nur dann nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB n. F. von der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 308 f. BGB n. F. ausgenommen, wenn sie lediglich den Inhalt einer halbzwingenden Vorschrift wiedergeben [A. I. 1. a) und A. II.].

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2. Eine für den Versicherungsnehmer im Vergleich zu halbzwingenden Vorschriften teils nachteilige, teils aber auch vorteilhafte Vereinbarung, die insgesamt nicht überwiegend nachteilig ist, benachteiligt den Versicherungsnehmer in der Regel nicht unangemessen i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB n. F. Allerdings kann eine solche Vereinbarung wegen Verstoßes gegen die §§ 308, 309 BGB n. F. unwirksam sein (A. I. 2.). 3. Eine Vereinbarung, die zum Nachteil des Versicherungsnehmers von einer halbzwingenden Vorschrift des VVG abweicht, verstößt zugleich immer auch gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB n. F. Daraus ergeben sich allerdings keine Modifikationen der Verstoßfolgen des VVG (B.). 2. Teil 1. Abschnitt 1. a) Vereinbarungen, durch die für den Fall der nachträglichen Aufdeckung eines bei Vertragsschluss bereits vorliegenden gefahrerheblichen Umstandes eine Anpassung der Prämie an den Tarif des Versicherers angeordnet wird, weichen nicht von halbzwingenden Vorschriften des VVG ab, soweit lediglich eine § 41 VVG entsprechende Erhöhungsmöglichkeit vorgesehen wird. § 41 VVG ist insbesondere bei schuldhaften Anzeigepflichtverletzungen des Versicherungsnehmers analog anzuwenden, wenn der Versicherer bereits vorab auf sein Rücktritts- bzw. Anfechtungsrecht verzichtet hat. Die Vereinbarung einer an die formalen Erfordernisse des § 41 Abs. 3 VVG gebundenen Prämienanpassung für die Zeit vom Beginn der zum Zeitpunkt eines Erhöhungsverlangens des Versicherers laufenden Versicherungsperiode an weicht daher in diesem Falle nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den §§ 16 – 22 VVG ab. Dies gilt auch, soweit es sich um lediglich indizierende gefahrerhebliche Umstände handelt (A. II. 1.). b) Für Prämienanpassungsregelungen der unter a) beschriebenen Art, die über § 41 VVG hinausgehen, gilt folgendes: aa) Soweit dem Versicherungsnehmer im Hinblick auf den Gefahrumstand, der zum Anknüpfungspunkt für die Prämienerhöhung gemacht wird, eine schuldhafte Anzeigepflichtverletzung zur Last fällt, die den Versicherer zum Rücktritt oder zur Anfechtung des Vertrages berechtigen würde, liegt eine Abweichung zu Lasten des Versicherungsnehmers von den §§ 16 – 22 VVG vor. Wenn das Rücktritts- und Anfechtungsrecht des Versicherers allerdings vertraglich ausgeschlossen wurde, ist eine Prämienanpassung für den Versicherungsnehmer überwiegend vorteilhaft, soweit es um arglistige Anzeigepflichtverletzungen geht. Bei einer fahrlässigen Anzeigepflichtverletzung ist zu differenzieren: Im Hinblick auf Umstände, die i. S. d. § 21 VVG Einfluss auf den Versicherungsfall haben können, überwiegen ebenfalls stets die Vorteile. Soweit es um bloß indizierende Umstände geht, gilt dies nur, wenn die Gesamtbelastung des Versicherungsnehmers durch die höhere Prämie

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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

nicht größer ist als die Hälfte der ohne Berücksichtigung des nicht angezeigten Umstandes für eine Versicherungsperiode zu zahlenden Prämie [A. II. 2 b) sowie A. III. 1. a) und b)]. bb) Wenn dem Versicherer im Hinblick auf den gefahrerheblichen Umstand, der zum Anknüpfungspunkt für die Prämienerhöhung gemacht wird, kein Anfechtungs- oder Rücktrittsrecht zusteht, liegt eine nachteilige Abweichung i. S. d. § 42 VVG von § 41 VVG vor [A. II. 2. a) und A. III. 1. c)] cc) Die überwiegenden Vorteile in den Fällen arglistiger Anzeigepflichtverletzungen sind nicht geeignet, überwiegende Nachteile auszugleichen, die sich in den anderen unter aa) und bb) beschriebenen Fallgruppen ergeben [A. III. 1. d)]. 2. Für Vereinbarungen, die dem Versicherungsnehmer bei einer schuldhaften vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung zusätzlich zu einer rückwirkenden Prämienanpassung eine Vertragsstrafe auferlegen, ergeben sich, wenn die Rechte des Versicherers aus den §§ 16 – 22 VVG, 123 BGB ausgeschlossen wurden, aus § 34a VVG folgende Grenzen: a) Bei arglistigen Anzeigepflichtverletzungen, die den Versicherer zur Anfechtung berechtigen würden, ist eine Vertragsstrafe mindestens in Höhe der für eine Versicherungsperiode ohne Berücksichtigung des nicht angezeigten Umstandes zu zahlenden Prämie zulässig (B. II. 1). b) Bei fahrlässigen Anzeigepflichtverletzungen, die ein Rücktrittsrecht auslösen, kommt es darauf an, ob es um einen Umstand geht, der i. S. d. § 21 VVG Einfluss auf den Versicherungsfall haben kann. Wenn dies der Fall ist, ist mindestens eine Vertragsstrafe in Höhe der Hälfte der ohne Berücksichtigung des nicht angezeigten Umstandes für eine Versicherungsperiode zu zahlenden Prämie zulässig. Bei Anknüpfung an bloß indizierende Umstände ist eine Vertragsstrafe dagegen nur zulässig, wenn die Gesamtbelastung aus Prämienanpassung und Vertragsstrafe nicht höher ist als dieser Betrag. Darüber hinausgehende Vertragsstraferegelungen weichen zum Nachteil des Versicherungsnehmers von § 34a VVG ab, ohne dass es auf eine etwaige überwiegend vorteilhafte Regelung der Fälle arglistigen Verhaltens ankommt (B. II. 2). 3. Risikoausschlüsse, die daran anknüpfen, dass ein bestimmter Umstand für den Versicherungsfall ursächlicher Umstand gerade bei Vertragsschluss bzw. bei Versicherungsbeginn vorhanden war, weichen nicht zu Lasten des Versicherungsnehmers von den §§ 16 – 22 VVG ab, soweit es um Umstände geht, die dem Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss bzw. bei Antragstellung bekannt waren. Bei einer Anknüpfung an dem Versicherungsnehmer unbekannte Umstände liegt dagegen eine Abweichung vor (C. II. 1.). Diese ist regelmäßig überwiegend nachteilig i. S. d. § 34a VVG. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Ausschluss zeitlich befristet ist (C. II. 2 und C. III.). Etwas anderes gilt nur für Risikoausschlüsse in Verträgen über vorläufigen Deckungsschutz, sofern sie sich auf den Ausschluss von Risiken beschränken, die bei der Risikoprüfung im Hinblick auf

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den endgültigen Vertrag zu Tage getreten und deshalb nicht versichert worden wären (C. IV.). 2. Abschnitt 1. Vereinbarungen, die für den Fall einer individuellen Gefahrerhöhung beim Versicherungsnehmer eine Anpassung der Prämie an den dafür geltenden Tarif des Versicherers vorsehen, sind nicht überwiegend nachteilig für den Versicherungsnehmer und daher mit den §§ 23 ff., 34a VVG vereinbar (A. I.). 2. Vereinbarungen, die für den Fall einer generellen Gefahrerhöhung eine Erhöhung der Prämie vorsehen, sind mit § 34a VVG vereinbar, wenn eine Anpassung der Prämie an die im Neugeschäft verlangte Prämie oder an den erhöhten Schadenskostenbedarf des Versicherers vorgesehen wird. Eine nicht limitierte Möglichkeit zur Prämienerhöhung ist dagegen überwiegend nachteilig für den Versicherungsnehmer (A. II.). Dasselbe gilt für die Vereinbarungen, die an eine Veränderung des allgemeinen Änderungsrisikos anknüpfen [A. III. 1 b)]. 3. Vereinbarungen, die für den Fall der Veränderung von für eine Gefahrerhöhung bloß indizierenden Umständen eine Anpassung an die dafür nach dem Tarif des Versicherers zu zahlende Prämie vorsehen, weichen nicht von den §§ 23 ff. VVG ab. Dasselbe gilt für Vereinbarungen, die für den Fall einer fehlenden Anzeige bzw. Nachweises des Versicherungsnehmers eine Gefahrerhöhung bzw. eine Veränderung indizierender Umstände vermuten und daran eine Prämienanpassung knüpfen (A. III. 2. und 3.). 4. Wenn für den Eintritt einer Gefahrerhöhung neben einer Prämienanpassung eine Vertragsstrafe für den Fall der schuldhaften Nichtanzeige der Gefahrerhöhung vereinbart wird, so gilt für die zulässige Höhe der Vertragsstrafe im Hinblick auf § 34a VVG folgendes [B. I. 3. c)]: a) Soweit es um vom Versicherungsnehmer schuldhaft veranlasste Gefahrerhöhungen geht, ist regelmäßig eine Vertragsstrafe in Höhe der für eine Versicherungsperiode unter Berücksichtigung der erhöhten Gefahr zu zahlenden Prämie für den Versicherungsnehmer nicht überwiegend nachteilig. b) Soweit es um vom Versicherungsnehmer nicht oder nicht schuldhaft veranlasste Gefahrerhöhungen geht, ist regelmäßig eine Vertragsstrafe in Höhe der Hälfte der für eine Versicherungsperiode unter Berücksichtigung der erhöhten Gefahr zu zahlenden Prämie für den Versicherungsnehmer nicht überwiegend nachteilig. 5. Vereinbarungen, die für die Nichtanzeige bloß indizierender Umstände eine Vertragsstrafe vorsehen, weichen nicht von den §§ 23 ff. VVG ab, wenn sie nur eine Vertragsstrafe zum Gegenstand haben, die nach den unter 4. entwickelten Regeln auch als Folge einer Gefahrerhöhung vereinbart werden könnte. Dasselbe gilt

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Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

für die Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall des Fehlens einer Erklärung über das Fehlen einer Gefahrerhöhung oder einer indizierenden Veränderung bzw. der Nichtererbringung eines Nachweises über das Fehlen einer solchen Veränderung (B. II. und III.). 6. Vereinbarungen, die dem Versicherer für den Fall einer generellen Gefahrerhöhung eine Möglichkeit zur Bedingungsänderung einräumen, weichen zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den §§ 23 ff. VVG ab. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um einen Änderungsvorbehalt handelt oder ob die Zustimmung des Versicherungsnehmers zu einer Änderung fingiert wird (C.)

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Sachwortverzeichnis Abweichung, nachteilige – maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt 41 ff. – Änderung gesetzlicher Beweislastverteilung 39 ff. – bei analoger Anwendung einer halbzwingenden Vorschrift 34 ff. – zu Lasten des Erwerbers 108 f. – zu Lasten des Hypothekengläubigers 109 – zu Lasten des Versicherten 41 s. im übrigen die einschlägigen Stichworte zu speziellen Klauseln Allgemeine Geschäftsbedingungen – ergänzende Vertragsauslegung 153 ff. – Kontrolle nach den §§ 308 f. BGB n. F. 160 f., 163 f., 203, 212, 297 – Kontrolle nach § 307 BGB n. F. 162 f., 203, 244 f., 297 f., 310, 327 – personale Teilunwirksamkeit 123 ff. – Transparenzgebot 162, 228, 245 – überraschende Klauseln 158 – Unklarheitenregel 100 ff. – Verbot der geltungserhaltenden Reduktion 103, 129 ff., 135 ff., 154, 201 – Verhältnis der §§ 307 ff. BGB zu den Verstoßfolgen des VVG 168 f. Angehörigenprivileg (§ 67 Abs. 2 VVG) 43 f., 46, 49, 51, 54 Bedingungsänderungsklauseln 50, 83, 121, 163, 313 ff. Berufung des Versicherungsnehmers auf eine nachteilige Vereinbarung – Anforderungen an die Berufungserklärung 147 ff. – Ausschluss 150 ff. – Empfangsbedürftigkeit 149 f. – Reichweite 145 f. – Teilweise Berufung 117 (Fn. 299) – Zulässigkeit 110 ff.

Einseitige Rechtsgeschäfte 105 ff., 115 f. Ergänzende Vertragsauslegung 153 ff. Erwerber der versicherten Sache 108 f., 156 f. Gefahrerhöhung – bei Änderung von Gesetzen 316 – bei Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung 317 f. – bei Änderung indizierender Umstände 38 f., 248 ff. – unerhebliche 38, 288 ff., 290 ff. – generelle 281 ff., 315 ff. Geltungserhaltende Auslegung 33 f., 199 f., 211 Geltungserhaltende Reduktion 103, 129 ff., 135 ff., 154, 201 Haftpflichtversicherung 247, 254, 257, 290, 301 f. Hypothekengläubiger 109, 157 Indizierende Gefahrumstände – Begriff 178 (Fn. 28) – und Gefahrerhöhung 38 f., 248 ff. – und Prämienerhöhung nach § 41 VVG 178 ff. Kraftfahrtversicherung – Garagentarife 248, 258, 288 f. – Rabattvereinbarungen 172, 248, 293 – Vertragsstrafeklauseln 72 (Fn. 145), 206 ff., 301 ff., 308 f. – Wenigfahrertarife 248 (Fn. 227) Krankenversicherung (insb. MB / KK) 32 f., 116, 134, 136 (Fn. 369), 326 (Fn. 463) Kündigungserfordernis (§ 6 Abs. 1 Satz 3 VVG) 42 f., 49, 54 f., 83 ff., 92, 122 f.

Sachwortverzeichnis Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers nach § 31 VVG – Bedeutung für die Saldierung 276 ff. – und Gefahrerhöhung 260 f. – bei Leistungseinschränkungen 321 f. – bei automatischer Prämienanpassung 188, 262 f. – Rückwirkung der Kündigung 263 ff. Nachteilige Abweichung s. Abweichung, nachteilige Personale Teilunwirksamkeit 123 ff. Prämienerhöhungsregelungen – nachträgliche Aufdeckung eines gefahrerheblichen Umstandes 171 ff. – Gefahrerhöhung 246 ff., 281 ff., 298 f. – Änderung indizierender Umstände 293 ff., 299 – unerhebliche Gefahrsteigerungen 288 ff., 299 Prämienerhöhung nach § 41 VVG – bei rechtzeitiger Anzeige 35 f., 174 f. – bei schuldhafter Anzeigepflichtverletzung 36 f., 175 ff. – bei Gefahrerhöhung 255 f. – und indizierende Umstände 178 ff. Rechtsschutzversicherung 247, 252, 313 ff. Reisekrankenversicherung 86, 101 (Fn. 243), 215 f. Restschuldlebensversicherung 101, 215 ff. Risikoausschluss – für bekannte vorvertragliche Risiken 215 ff., 226 ff. – für unbekannte vorvertragliche Risiken 86, 90, 101, 222 ff. – für Risiken aus einer Gefahrerhöhung 221 (Fn. 161) – ergänzende Vertragsauslegung bei Unverbindlichkeit 153 ff. – vorläufige Deckung 215 ff., 242 ff. – für Wartezeit 218 f., 238 ff.

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Saldierung – Abschätzung des Verhaltens des Versicherers 85 f., 97 ff. – einzubeziehende Vorteile 69 ff. – einzubeziehende Nachteile 81 f. – Gesamtbetrachtung 74 ff. – Kausalzusammenhang von Vor- und Nachteil 70 ff., 84 ff. – maßgeblicher Zeitpunkt 93 ff. – objektiver Maßstab 93 f. – Prämiennachlass als Vorteil 86 ff. – typisierende Betrachtung 95 ff. – bei der Unangemessenheitsprüfung nach den §§ 307 ff. BGB 61, 162 – Zulässigkeit 57 ff. – Zweifelsregel 100 ff. Transparenzgebot 162, 228 Unklarheitenregel 100 ff. Verbandsklage 103 Verbot der geltungserhaltenden Reduktion 103, 129 ff., 135 ff., 154, 201 Vertragsstrafevereinbarungen – Nichtanzeige gefahrerheblicher Umstände 72, 75 f., 102 f., 138 ff., 206 ff. – Nichtanzeige einer Gefahrerhöhung 301 ff. – Nichtanzeige indizierender Umstände 308 ff. – Verletzung von Nachweisobliegenheiten 309 ff. – zulässige Höhe der Vertragsstrafe 209 f., 211, 305 ff. Vorläufige Deckung 215 ff., 242 ff. Widerspruchsrecht aus § 5a VVG 106 ff. Zustimmungsfiktion 326 Zwischenbericht der Reformkommission 204 f., 213 f., 245, 298 ff., 310 ff., 327