Akzessorietät des Strafrechts zu den betreuungsrechtlichen (Verfahrens-)Regelungen die Patientenverfügung betreffend (§§ 1901a ff. BGB) [1 ed.] 9783428548170, 9783428148172

Nach dem betreuungsrechtlichen Konzept der §§ 1901a ff. BGB obliegt die Auslegung einer Patientenverfügung dem Betreuer

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Akzessorietät des Strafrechts zu den betreuungsrechtlichen (Verfahrens-)Regelungen die Patientenverfügung betreffend (§§ 1901a ff. BGB) [1 ed.]
 9783428548170, 9783428148172

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Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 267

Akzessorietät des Strafrechts zu den betreuungsrechtlichen (Verfahrens-)Regelungen die Patientenverfügung betreffend (§§ 1901a ff. BGB) Von

Lisa Borrmann

Duncker & Humblot · Berlin

LISA BORRMANN

Akzessorietät des Strafrechts zu den betreuungsrechtlichen (Verfahrens-)Regelungen die Patientenverfügung betreffend (§§ 1901a ff. BGB)

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg

Herausgegeben von Dr. Dres. h. c. Friedrich-Christian Schroeder em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg

und Dr. Andreas Hoyer ord. Prof. der Rechte an der Universität Kiel

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 267

Akzessorietät des Strafrechts zu den betreuungsrechtlichen (Verfahrens-)Regelungen die Patientenverfügung betreffend (§§ 1901a ff. BGB)

Von

Lisa Borrmann

Duncker & Humblot · Berlin

Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Andreas Hoyer, Kiel Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat diese Arbeit im Jahre 2015 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 978-3-428-14817-2 (Print) ISBN 978-3-428-54817-0 (E-Book) ISBN 978-3-428-84817-1 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2015 an der Juristischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität Kiel als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung habe ich bis einschließlich Februar 2015 berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Andreas Hoyer, der mir im Sinne der Wissenschaftsfreiheit jede Möglichkeit der Entfaltung gewährte. Gleichzeitig bedeutete sein Lehrstuhl, an dem ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig sein durfte, dank des kollegialen Miteinanders für mich sehr viel mehr als nur ein Arbeitsplatz. Herrn Prof. Dr. Dennis Bock danke ich nicht nur für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Herzlicher Dank gebührt schließlich meiner Familie sowie meinen Freunden, die mich in der Zeit meiner Promotion begleitet und auf ihre jeweils eigene Art unterstützt haben. Hervorheben möchte ich an dieser Stelle meine Eltern, die mir diesen Weg überhaupt erst ermöglicht haben, und meinen Mann Max – ihr Rückhalt hat wesentlich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Kiel, im Oktober 2015

Lisa Borrmann

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. In Betracht kommende Strafbarkeit im Zusammenhang mit einer Patientenverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sterbehilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tradierte Dogmatik der Sterbehilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aktive Sterbehilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Passive Sterbehilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Indirekte Sterbehilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Problemfall des tätigen Behandlungsabbruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtfertigung des Behandlungsabbruchs seit BGHSt 55, 191 ff. . . . . . a) Darstellung der Entscheidung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Reaktionen in der Literatur auf BGHSt 55, 191 ff. . . . . . . . . . . . . . . . c) Konsequenzen für die folgende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mögliche Straflosigkeit bei Handeln im Zusammenhang mit Patientenverfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Patientenverfügung als antizipierte Einwilligung? . . . . . . . . . . . . . . . . aa) „Klassische“ Einwilligungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Tatsächliche Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Mutmaßliche Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Hypothetische Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Überblick über eine mögliche Einordnung der Patientenverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) § 1901a Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) § 1901a Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Möglichkeit einer Rechtfertigung durch Einwilligung trotz § 216 StGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorrang des Selbstbestimmungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Teleologische Reduktion des § 216 StGB durch die §§ 1901a ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erweiterung der Einwilligung anhand der §§ 1901a ff. BGB . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Körperverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ärztlicher Eingriff als tatbestandsmäßige Körperverletzung . . . . . . . . . . 2. Unterlassen einer ärztlichen Behandlung: vom Behandlungsvertrag abhängige Garantenpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis III. Nötigung (§ 240 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 IV. Unterlassene Hilfeleistung (§ 323c StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 V. Konsequenzen für die Beurteilung der Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

C. Szenarien, in denen der Frage nach der Akzessorietät Relevanz zukommt . I. Verfahrensrechtliche Vorgaben zur Patientenverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 1901a Abs. 1 S. 1 a. E., 2 BGB – Prüfung durch den Patientenvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 1901b Abs. 1 BGB – dialogischer Prozess zwischen Arzt und Patientenvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. § 1901b Abs. 2 BGB – Möglichkeit zur Äußerung für Dritte . . . . . . . . . . 4. § 1904 BGB – Konfliktmodell bezüglich des Erfordernisses einer betreuungsgerichtlichen Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergänzung durch Regelungen im FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Gesamtbewertung: System von „checks and balances“ . . . . . . . . . . . . . . . II. Entsprechende denkbare Fallkonstellationen und ihre grundsätzliche strafrechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Szenario 1 – Konsens unter Einhaltung der §§ 1901a ff. BGB . . . . . . . . . a) In Übereinstimmung mit dem Patientenwillen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entgegen dem Patientenwillen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bewusstes Abweichen vom Patientenwillen . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unbewusstes Abweichen vom Patientenwillen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Szenario 2 – Dissens unter Einhaltung der §§ 1901a ff. BGB . . . . . . . . . 3. Szenario 3 – künstlicher Dissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Szenario 4 – eigenmächtiges Handeln des Arztes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Szenario 5 – keine Gelegenheit zur Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Gesamtbetrachtung der möglichen Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Grundsätzliches Verhältnis zwischen Straf- und Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . I. Einordnung der §§ 1901a ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Normenhierarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einheit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorrang nur des Verfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Selbstbestimmungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit . . . . . . . . . . . . . c) Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gedanke der Akzessorietät des Strafrechts zum Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . 1. Geschichtlicher Hintergrund: Befreiung des Strafrechts vom zivilistischen Denken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aktueller Diskussionsstand bezüglich des Verhältnisses zwischen Strafund Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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a) Betonung der Autonomie des Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Strafrecht als „sekundäre Normenordnung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bereits existente Abhängigkeit des Strafrechts vom Zivilrecht . . . . . 3. Mögliche Probleme bei einer Zivilrechtsakzessorietät des Strafrechts . . a) Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Analogieverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rückwirkungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Strafrecht als ultima ratio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB . . . . . . . . . . I. Auswertung aktueller Entscheidungen des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. BGH v. 25.6.2010 (BGHSt 55, 191 ff.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. BGH v. 10.11.2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Stimmungsbild in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Literaturstimmen für eine Akzessorietät zu den §§ 1901a ff. BGB . . . . 2. Literaturstimmen gegen eine Akzessorietät zu den §§ 1901a ff. BGB . . 3. Differenzierende Ansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zivilrechtsakzessorische Rechtfertigung im Hinblick auf prozedurale Vorgaben der §§ 1901a ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Hintergründe einer Legitimierung durch Einhaltung von Verfahrensvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundrechtstheoretischer Hintergrund: Grundrechtsschutz durch Verfahrensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Prozeduralisierungstheorien der Rechtssoziologie und -philosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Prozeduralisierung unter rechtssoziologischer Perspektive . . (2) Prozeduralisierung unter rechtsphilosophischer Perspektive cc) Konsequenz für die folgende Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) §§ 1901a ff. BGB als prozedurale Legitimierung? . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Funktionsweise einer strafrechtlichen Rechtfertigung kraft Einhaltung der Verfahrensvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Enge vs. weite Auslegung der Prozeduralisierung . . . . . . . . . (2) Straftatsystematische Einordnung der Legitimation durch Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kennzeichen einer prozeduralen Rechtfertigung . . . . . . . . . . (a) Entstehungsbedingungen für eine prozedurale Rechtfertigung nach Hassemer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Ex ante-Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Exklusivität der Rechtmäßigkeitsprüfung durch die Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis (d) Rechtstechnische Instrumente einer Prozeduralisierung nach Eicker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Erweiterung zu intradisziplinärem Recht . . . . . . . . . . . . . (f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Prozeduralisierungsfeindlichkeit des Strafrechts? . . . . . . . . . . . . . (1) Strafrecht als Rechtsgüterschutz unter ex post-Sichtweise . . (2) Strafrecht als ultima ratio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Anspruch des Strafverfahrens auf materielle Wahrheit . . . . . cc) Gleichwohl existierende Umsetzungen des Prozeduralisierungsgedankens im Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) §§ 218a Abs. 1, 219 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) §§ 3–5, 8 Abs. 3 S. 2 i.V. m. 19, 20 TPG . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) §§ 5–7 KastrG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) § 96 Nr. 10, 11, § 97 Abs. 2 Nr. 9 i.V. m. § 40 AMG . . . . . . (5) §§ 324, 325 Abs. 1, 327 Abs. 1, 328 Abs. 1 StGB . . . . . . . . . dd) Vergleich zum Grad der Prozeduralisierung im Rahmen der §§ 1901a ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausblick de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vergleich zu hypothetischem prozedural betreuungsrechtskonformen Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zivilrechtsakzessorische Rechtfertigung im Hinblick auf prozedurale und materielle Vorgaben der §§ 1901a ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wortlaut und Systematik der §§ 1901a ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Teleologische Auslegung der §§ 1901a ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die dem 3. BtÄndG zu Grunde liegenden Gesetzeszwecke . . . . . bb) Einzelne Schutzzwecke der §§ 1901a ff. BGB und deren Einschlägigkeit bei rein prozeduralem Unrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtssicherheit für die Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Höheres Maß an Entscheidungsrationalität . . . . . . . . . . . . . . . (3) Stärkung der Patientenautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vergleich mit betroffenen Straftatbeständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kompatibilität einer Strafbewehrung der §§ 1901a ff. BGB auch in nur prozeduraler Hinsicht mit der Einordnung des § 216 StGB als abstraktem Gefährdungsdelikt . . . . . . . . . . . . (2) Fehlende Kongruenz mit möglichen Legitimitätsbegründungen abstrakter Gefährdungsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Parallele zu der formalen Schadensbeurteilung der Rechtsprechung beim Abrechnungsbetrug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Grad des verwirklichten Unrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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231 234 238 239 240 243

Inhaltsverzeichnis c) Historischer Hintergrund der §§ 1901a ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Rechtsprechungswandel hinsichtlich der rechtlichen Bewertung eines Behandlungsabbruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Reformbestrebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gesetzentwürfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rückschluss aus dem Volljährigkeitserfordernis in § 1901a Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis zur strafrechtlichen Legitimation der Umsetzung einer Patientenverfügung bzw. eines -wunsches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 248 248 253 255 258 260

F. Anwendung und Konkretisierung des Ergebnisses in Bezug auf noch offene Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 G. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vereinbarkeit mit § 216 StGB als Vorfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tragweite des Untersuchungsgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Grundsätzliches Verhältnis zwischen den betroffenen Rechtsgebieten . . . . . 1. Normenhierarchische Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Spezifika zivilrechtsakzessorischen Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Keine betreuungsrechtliche prozedurale Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hintergründe einer Legitimierung durch Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prozedurale Rechtfertigung im Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Keine Legitimation durch Überstimmung mit hypothetischem prozedural betreuungsrechtskonformen Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Keine gemischt materiell-prozedurale Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

264 265 265 266 266 267 267 267 269 269 270

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 Internetadressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315

A. Einleitung Im Bereich der medizinischen Versorgung am Lebensende hat sich in den letzten Jahren rechtsgebietsübergreifend ein Wandel zu mehr Selbstbestimmung des Patienten über den eigenen Körper und damit auch über sein Lebensende abgezeichnet. Die zunehmende Betonung des Selbstbestimmungsrechts1, welches die medizinische Versorgung dem „Primat des Patientenwillens“ 2 unterwirft, stellt dabei die Grundvoraussetzung auf Ebene der Grundrechte dar. Diese Entwicklung mag auch durch die vielerorts herangezogene zunehmende Alterung der Gesellschaft3 und die damit einhergehende Tendenz zur „Enttabuisierung“ der Sterbephase bedingt sein.4 Die daraus im Zivilrecht gezogene Konsequenz stellt das 3. Betreuungsrechtsänderungsgesetz (3. BtÄndG) dar, welches die nähere Ausgestaltung des Rechtsinstituts der Patientenverfügung enthält, weshalb das Gesetz auch Patientenverfügungsgesetz (PatVG) genannt wird. Vor dieser gesetzlichen Regelung herrschte große Unsicherheit über die – auch Patiententestamente genannten – Verfügungen eines Patienten, in denen „ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festgelegt [hat], ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt“, vgl. § 1901a Abs. 1 S. 1 BGB der am 1.9.2009 in Kraft getretenen Neuregelung. Insofern hat das Gesetz grundsätzlich Rechtssicherheit und -klarheit geschaffen,5 insbesondere wurde die Frage der zivilrechtlichen Verbindlichkeit einer Patientenverfügung positiv beantwortet, vgl. § 1901a Abs. 1 S. 2 BGB. Die Neuregelung der §§ 1901a ff. BGB wiederum diente dem 2. Strafsenat des BGH zu einer Rechtsprechungsänderung im Bereich des Behandlungsabbruchs. Bis dahin war es auch von der Rechtsprechung als Unterlassen durch Tun gewertet worden, wenn eine zur Lebenserhaltung eingesetzte Maschine, beispielsweise ein Respirator oder eine PEG-Sonde, abgeschaltet wurde. In seiner neuen Entscheidung vom 25.6.2010 – 2 StR 454/09 gab der BGH diese normative Korrektur auf Ebene des Tatbestands auf und verlagerte die Legitimierung auf die 1

Coeppicus FPR 2007, 63. Stoffers, S. 540. 3 Dazu und zu den „Bedingungen des Sterbens im 21. Jahrhundert“ vgl. MüllerBusch in v. Honnefelder/Sturma (Hrsg.), Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik 2010, S. 193 (196 ff.). 4 MK-StGB2 /Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 94. 5 Coeppicus NJW 2011, 2085. 2

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A. Einleitung

Rechtswidrigkeitsebene: So sei der Behandlungsabbruch durch den auf diesen gerichteten Patientenwillen trotz § 216 StGB unter bestimmten Voraussetzungen gerechtfertigt. Bei dieser neuen Einordnung bezog sich der erkennende Senat ausdrücklich auf die neuen zivilrechtlichen Regelungen über die Patientenverfügung und nutzte damit die erstmalige Gelegenheit seit Inkrafttreten der §§ 1901a ff. BGB, die neue betreuungsrechtliche Regelung auf einen strafrechtlichen Fall zu übertragen6 – durch die zivilrechtliche Neuregelung war er nicht an frühere Entscheidungen gebunden, d. h. er konnte ohne Einberufung des Großen Senats (vgl. § 132 GVG) von der alten Rechtsprechung abweichen.7 Nimmt man solch eine grundsätzliche Übertragbarkeit der zivilrechtlichen Regelungen der §§ 1901a ff. BGB auf die strafrechtliche Bewertung eines Handelns entsprechend einer Patientenverfügung an, stellt sich aber die Frage nach der Reichweite dieser Übertragung: Ist die zivilrechtliche Neuregelung lediglich argumentativ für die strafrechtliche Legitimation der mit der Umsetzung einer Patientenverfügung einhergehenden Rechtsgutsbeeinträchtigungen heranzuziehen, indem nur deren grundsätzliche Wertung für die Zulässigkeit eines entsprechenden Verhaltens übertragen wird, oder hat die strafrechtliche Bewertung streng akzessorisch zu den betreuungsrechtlichen Regelungen der Patientenverfügung, insbesondere zu den gestellten Anforderungen an den Ablauf der Entscheidungsfindung zwischen Patientenvertreter (Betreuer bzw. durch Betreuungsvollmacht Bevollmächtigtem) und Arzt bzw. Betreuungsgericht unter Beteiligung von Angehörigen, zu erfolgen, sodass eine Legitimation nur bei Einhaltung sämtlicher zivilrechtlicher (Verfahrens-)Vorgaben in Betracht käme? Die Beantwortung dieser Frage ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Dabei ist das Augenmerk zunächst auf die in Betracht kommende Strafbarkeit der Beteiligten – Arzt, Betreuer, Bevollmächtigter, Betreuungsrichter und Angehörige – zu richten. Nach einer genaueren Auseinandersetzung mit den verfahrensrechtlichen Vorgaben der §§ 1901a ff. BGB sind anschließend die problematischen Fallgruppen herauszuarbeiten. Dabei gilt es zu untersuchen, in welchen möglichen Szenarien es für die strafrechtliche Beurteilung überhaupt auf eine strenge Akzessorietät zu den zivilrechtlichen Verfahrensvorgaben ankommen kann. Schließlich soll im Hauptteil der Arbeit untersucht werden, ob es de lege lata allein wegen eines verfahrensrechtlichen Verstoßes gegen die §§ 1901a ff. BGB zu einer Strafbarkeit kommt. Dabei ist insbesondere die Rechtfertigungswirkung einer Patientenverfügung genauer zu untersuchen – in diesem Rahmen hat eine Einordnung in das System der „klassischen“ Einwilligungsformen zu erfolgen. 6

So auch Eidam GA 2011, 232 (236). Darauf hinweisend auch Eidam GA 2011, 232 (239); Hirsch JR 2011, 37 (39); ebenfalls mit Hinweis auf die fehlende Bindung durch vorige Gerichtsentscheidungen Bosch JA 2010, 908 (910). 7

A. Einleitung

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Als Grundlage für diese Betrachtung ist zuvor aber noch eine Auseinandersetzung mit dem grundsätzlichen Verhältnis von Straf- und Zivilrecht erforderlich. Das Bedürfnis nach Klärung der hier behandelten Frage bezüglich der „Folgen eines Verstoßes gegen das nunmehr vom Gesetz vorgeschriebene Verfahren bei der Umsetzung des in einer Patientenverfügung oder in einem Behandlungswunsch geäußerten Willens“ formulierte A. Albrecht ganz treffend: „Es bleibt der Wissenschaft und der Rechtsprechung überlassen, hier für die dringend erforderliche systematische Klarheit zu sorgen.“ 8

Dazu einen kleinen Beitrag zu leisten, ist Ziel der vorliegenden Arbeit.

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A. Albrecht DNotZ 2011, 40 (42).

B. In Betracht kommende Strafbarkeit im Zusammenhang mit einer Patientenverfügung Bei einem Handeln der Beteiligten im Zusammenhang mit einer Patientenverfügung kommt eine Strafbarkeit nach einer ganzen Reihe von Delikten in Betracht, wobei als maßgebliche Situation stets von der medizinischen Behandlung eines aktuell nicht entscheidungsfähigen Patienten bzw. vom Unterlassen/Abbruch einer entsprechenden Behandlung auszugehen ist. Die Behandlung durch den Arzt stellt nach h. M. auch bei lege artis durchgeführten Eingriffen eine rechtfertigungsbedürftige Körperverletzung dar1, vgl. § 223 Abs. 1 StGB, während die Verweigerung von gebotener ärztlicher Behandlung gegebenenfalls die entsprechende Unterlassungsstrafbarkeit gem. §§ 223 Abs.1, 13 Abs. 1 StGB begründet. Stirbt der Patient auf Grund der erfolgten oder unterlassenen Behandlung, kommt eine Strafbarkeit wegen Totschlags gem. § 212 Abs.1 StGB, gegebenenfalls auch wegen Mordes gem. § 211 Abs. 1 (Var. 3) StGB oder wegen Tötung auf Verlangen gem. § 216 Abs. 1 StGB, bei Unterlassung i.V. m. § 13 StGB, bei bloß fahrlässigem Verhalten wegen fahrlässiger Tötung gem. § 222 StGB in Betracht; auf Ebene der Strafzumessung erscheint eine Milderung nach § 213 Alt. 2 StGB möglich. Die aufgezwungene Behandlung oder Nichtbehandlung könnte des Weiteren eine Nötigung gem. § 240 StGB darstellen, jedes pflichtwidrige Unterlassen zugleich eine unterlassene Hilfeleistung gem. § 323c StGB. Betreuer bzw. Bevollmächtigter, Betreuungsrichter und Angehörige können durch die nach §§ 1901b, 1904 BGB vorgeschriebene Beteiligung im Rahmen des Verfahrens ebenso kausal werden für den entsprechenden Körperverletzungs-, Tötungs- oder Nötigungserfolg. Dabei kommt bei Sonderwissen bezüglich der Patientenverfügung eine mittelbare Täterschaft in Betracht, im Übrigen Teilnahme in Form von Beihilfe oder Anstiftung und bei fahrlässiger Begehung Täterschaft. 1 So schon RGSt 25, 375 (378 f.); vgl. auch RGSt 74, 91 (95 f.); BGHSt 11, 111 (112); 12, 379 (383); 16, 309 (310); 35, 246 (250); 43, 306 (308 f.); 45, 219 (221); BGHZ 29, 33 (35); 106, 391 (394); BGH NJW 1978, 1206; BGH NJW 2006, 2108; BVerfGE 52, 131 (174 f.); J. Baumann NJW 1958, 2092 f.; R. Beckmann MedR 2009, 582; Bottke in Deutsche Sektion der Internationalen Juristen-Kommission (Hrsg.), Lebensverlängerung aus medizinischer, ethischer und rechtlicher Sicht, S. 35 (103, 122); Jäger JuS 2000, 31 (34 f.); Kargl GA 2001, 538 (553); Krey/Esser AT5 Rn. 667; Schwalm in FS Bockelmann, S. 539 f.; Silberg HFR 2010, 104 (105); Sternberg-Lieben in FS Lenckner, S. 349 (352); ders. in FS Eser, S. 1185; ders. NJW 1985, 2734 (2738); Uhlenbruck in Madea u. a. (Hrsg.), Innere Medizin und Recht, S. 167 (169); Lipp in Laufs/Katzenmeier/Lipp (Hrsg.), ArztR6, VI. Rn. 94.

I. Sterbehilfe

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I. Sterbehilfe Die Strafbarkeit wegen Tötungsdelikts bemisst sich dabei nach den für die Sterbehilfe entwickelten Grundsätzen, weshalb an dieser Stelle in gebotener Kürze ein grober Überblick über die in diesem Bereich vertretenen Ansichten gegeben werden soll. Die Sterbehilfe – die sich insgesamt auf alle medizinischen Maßnahmen am Ende des Lebens bezieht2 – ist im Strafgesetzbuch nicht ausdrücklich geregelt;3 lediglich das Verbot einer Tötung auf Verlangen gem. § 216 StGB gibt Anhaltspunkte für die gesetzliche Einordnung,4 wobei auch insoweit „Ausnahmen“ durch Literatur und Rechtsprechung – im Bereich der indirekten und der passiven Sterbehilfe – entwickelt worden sind.5 Insgesamt zeichnet sich das weite Gebiet der Sterbehilfe durch starke Uneinigkeit aus, weshalb die gesetzlichen Regelungen oft als reformbedürftig eingeordnet werden.6 1. Tradierte Dogmatik der Sterbehilfe Herkömmlich wurde für die Strafbarkeit der Sterbehilfe nach Verhaltensqualität des Täters unterschieden – der fakultative Strafmilderungsgrund des § 13 Abs. 2 i.V. m. § 49 Abs. 2 StGB zeigt den mit dieser Unterscheidung gegebenenfalls einhergehenden Unterschied hinsichtlich des verwirklichten Unrechts auf.7 Von den so zu unterscheidenden Formen der aktiven und passiven Sterbehilfe wird die indirekte Sterbehilfe abgespalten,8 welche die Herbeiführung einer Le-

2 Erlinger/Bock in Widmaier (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, § 49 Rn. 98. 3 MK-StGB2 /Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 103; Bottke in Deutsche Sektion der Internationalen Juristen-Kommission (Hrsg.), Lebensverlängerung aus medizinischer, ethischer und rechtlicher Sicht, S. 35 (94); Roxin in Roxin/Schroth (Hrsg.), Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (83). 4 MK-StGB2 /Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 103. 5 MK-StGB2 /Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 103. 6 Z. B. MK-StGB2 /Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 103: Uneinigkeiten in Literatur und Rechtsprechung auf dem Gebiet der Sterbehilfe zeigen, „dass die herkömmlichen strafrechtlichen Programmsätze und Rechtsinstitute zur systemgerechten, dogmatisch friktionslosen Bewältigung des Phänomens der Sterbehilfe nicht recht taugen“. 7 C. Schneider, S. 50; Ulsenheimer in Laufs/Kern (Hrsg.), ArztR4, § 149 Rn. 10. 8 Richtigerweise müsste die indirekte Sterbehilfe bei einem Festhalten an der Unterscheidung zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe wohl angesichts der sich als aktives Tun darstellenden Medikamentenverabreichung als Spezialform der aktiven Sterbehilfe darstellen. Die Abgrenzung innerhalb der aktiven Sterbehilfe hätte danach zu erfolgen, ob die Mittelverabreichung objektiv eine medizinisch indizierte Schmerzbekämpfung darstellt (dann straflose indirekte Sterbehilfe), oder ob der Schmerz nur durch Vorverlagerung des Todes verkürzt wird (dann strafbare direkte Sterbehilfe, hier als aktive Sterbehilfe bezeichnet).

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B. In Betracht kommende Strafbarkeit

bensverkürzung9 durch die Verabreichung von schmerzlindernden Medikamenten erfasst. a) Aktive Sterbehilfe Die aktive Sterbehilfe umfasst aktives Tun, das zu einer Verkürzung des Lebens führt, sodass sich im Erfolg des Todes letztlich nicht nur das in der Krankheit liegende, sondern auch das durch die Handlung in Bezug auf das Rechtsgut Leben gesetzte Risiko niederschlägt.10 Sie ist ausnahmslos11 gem. §§ 212, 216 StGB strafbar, da eine Abwägung von „schmerzfreie[m] Nichtleben“ und „schmerzvolle[m] Leben“ 12 auf Grund der unmöglichen Einstufung eines Lebens als unwert zugunsten des schmerzvollen Lebens ausfällt.13 Insoweit ist eine legitimierende Wirkung durch den in einer Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachten Patientenwillen ausgeschlossen, zumal die Verfügung nach § 134 BGB i.V. m. § 216 StGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot zivilrechtlich unwirksam ist.14 9 Wenn die Medikation nur hypothetisch zu einer Lebensverkürzung hätte führen können, kommt eine entsprechende Versuchsstrafbarkeit in Betracht. 10 Andere Abgrenzung zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe nach Quaas/Zuck MedR3 § 68 Rn. 188: Bei der aktiven Sterbehilfe könne der Sterbewillige sich noch selbst in einem Dialog mit den Beteiligten äußern, bei der passiven Sterbehilfe müsse stattdessen eine Orientierung an dem mutmaßlichen Willen oder dem Wohl des Patienten erfolgen. Dieser Ansatz zur Abgrenzung anhand der Form der Willensäußerung erscheint insofern ungeeignet, als er im Hinblick auf § 216 StGB keine passende Differenzierung trifft. Stattdessen sollte die Art der Willensbekundung erst im Rahmen der Rechtfertigung durch (mutmaßliche) Einwilligung Berücksichtigung finden. 11 Teilweise wird in extremen Ausnahmefällen die Strafbarkeit abgelehnt, sei es über § 34 StGB (NK-StGB4 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 Rn. 139; MK-StGB2 /Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn 100: solch extrem gelagerte Ausnahmefälle umfassen aber keine Fälle ärztlicher Heilbehandlung; Chatzikostas, S. 320 ff.; Kutzer Patientenautonomie, S. 15; R. Merkel JZ 1996, 1145 (1148); ders. in FS Schroeder, S. 297 (308 ff.); Neumann in FS Herzberg, S. 575 ff.; Otto Jura 1999, 434 (441); ders. NJW 2006, 2217 (2222); so bezüglich Extremfällen auch LK-StGB12 /Rönnau Vor § 32 Rn. 354; Herzberg NJW 1996, 3043 (3047 ff.) nimmt hingegen ausdrücklich Abstand von seiner früheren (Herzberg NJW 1986, 1635 (1639 ff.); ders. JZ 1988, 182 (186)), an § 34 StGB orientierten Ansicht), einen übergesetzlichen entschuldigenden Notstand (Hirsch in FS Lackner, S. 597 (614 ff.); Langer in Kruse/Wagner (Hrsg.), Sterbende brauchen Solidarität, S. 101 (121 ff.); Lenckner in Forster (Hrsg.), Praxis der Rechtsmedizin, S. 569 (604); Tröndle ZStW 99 (1987), 25 (41 f.)) oder durch Absehen von Strafe (zumindest de lege ferenda; in diese Richtung etwa Sch/Sch28 /Eser Vor §§ 211 ff. Rn. 25; Dölling MedR 1987, 6 (8, 11 f.); Engisch in FS Bockelmann, S. 519 (536 f.); Lüderssen JZ 2006, 689 ff.; Roxin in Blaha u. a. (Hrsg.), Schutz des Lebens – Recht auf Tod, S. 85 (93 f.); Wassermann in Winau/Rosemeier (Hrsg.), Tod und Sterben, S. 401 ff.). 12 Nach Hoyer in Igl/Welti (Hrsg.), Gesundheitsrecht2, Rn. 1329. 13 Hoyer in Igl/Welti (Hrsg.), Gesundheitsrecht2, Rn. 1329: „Befreiung von Schmerzen erst im Tod und durch den Tod“. 14 Lipp in Laufs/Katzenmeier/Lipp (Hrsg.), ArztR6, VI. Rn. 135; ebenso kann eine Patientenverfügung keinen Anspruch auf eine nicht indizierte ärztliche Maßnahme be-

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Wenn sich das Handeln des Sterbehelfers hingegen auf eine bloße Teilnahme am Suizid beschränkt, entfällt mangels rechtswidriger Haupttat eine entsprechende Strafbarkeit (vgl. § 27 StGB).15 Die erforderliche Abgrenzung erfolgt nach der Herrschaft über den todbringenden Moment16, der als „Feuerprobe“ 17 des Sterbewunsches eingestuft wird. Bestrebungen der Bundesregierung Merkel II und III, die gewerbliche Suizidbeihilfe („gewerbsmäßige Förderung der Selbsttötung“) in einem § 217 StGB-E unter Strafe zu stellen,18 blieben erfolglos. b) Passive Sterbehilfe Die passive Sterbehilfe bezog sich nach der tradierten Sterbehilfedogmatik demgegenüber auf das Unterlassen einer möglichen Verhinderung des Todes durch Absehen von der Aufnahme oder durch Einstellung einer lebenserhaltenden Behandlung.19 Freilich kommt auch hier eine Strafbarkeit wegen Tötung durch Unterlassen gem. §§ 216, 13 StGB bzw. wegen unterlassener Hilfeleistung gem. § 323c StGB in Betracht, diese wurde aber einhellig abgelehnt:20 Zwar wird die Garantenstellung des Arztes (und anderer Betreuungspersonen) durch Aufnahme der medizinischen Behandlung begründet, sodass diese Personen21 grundsätzlich dazu verpflichtet sind, alles ihnen Mögliche zu unternehmen, um die Interessen des Patienten bestmöglich zu wahren.22 Doch trotz Garantenstellung bedürfen sie weiterhin einer tatsächlichen, mutmaßlichen oder hypothetigründen (§§ 134, 138 BGB), s. Lipp in Laufs/Katzenmeier/Lipp (Hrsg.), ArztR6, VI. Rn. 135; wohl auch Laufs NJW 1996, 763. 15 So jedenfalls die h. M., s. etwa NK-StGB4 /Neumann Vor § 211 Rn. 47; Roxin in Roxin/Schroth (Hrsg.), Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (104 f.); ders. in FS Dreher, S. 331 (332 ff.); a. A. Lüderssen, S. 168; unabhängig davon kommt eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung gem. § 323c StGB in Betracht, vgl. dazu unter B. IV. 16 Herzberg JuS 1988, 771 (772); R. Hohmann/König NStZ 1989, 304; Jakobs AT2, S. 626; Kühl JR 1988, 338 (339 f.); Otto in FS Tröndle, S. 157 ff.; Roxin NStZ 1987, 345 (347); Schroeder ZStW 106 (1994), 565 (579); Wessels/Hettinger BT 137 Rn. 162 ff. 17 Hoyer in Igl/Welti (Hrsg.), Gesundheitsrecht2, Rn. 1332. 18 BT-Drs. 17/11126; Plenarprotokoll 18/66, S. 6116 ff. 19 MK-StGB2 /Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 101. Die Verpflichtung zu palliativ-medizinischen Maßnahmen bleibt davon jedoch unberührt, Heyers, S. 23. 20 BGHSt 40, 257 (262); Achenbach Jura 2002, 542 (545 f.); Fröschle JZ 2000, 72 (73 f.); Höfling JuS 2000, 111 (116); Hufen NJW 2001, 849 (851); Roxin in Roxin/ Schroth (Hrsg.), Handbuch des Medizinstrafrechts2, S. 93 (101); ders. NStZ 1987, 345 (350); Taupitz 63. DJT, A 18 f. 21 Für das aus § 323c StGB abzuleitende Verhaltensgebot an sonstige Personen gelten die im Folgenden dargestellten Einschränkungen entsprechend. 22 Sch/Sch29 /Eser/Sternberg-Lieben Vor §§ 211 ff. Rn. 27; MK-StGB2 /Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 115; v. Dellingshausen, S. 365 ff.; Otto 56. DJT, D 34 f.

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B. In Betracht kommende Strafbarkeit

schen Einwilligung des Patienten für jeden Heileingriff, welche die tatbestandsmäßige Körperverletzung zu rechtfertigen vermag – insofern begrenzt der Patientenwille den Kreis zulässiger Behandlung23 und damit nach der bisherigen herrschenden Meinung die Garantenpflichten24 bzw. die Erforderlichkeit der Hilfeleistung im Rahmen des § 323c StGB. Dies müsse, so bereits vor dem 3. BtÄndG die wohl h. M., angesichts des verfassungsrechtlich verankerten Selbstbestimmungsrechts des Patienten (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG)25 auch dann gelten, wenn nur durch diese Behandlung der Todeseintritt hinausgezögert werden kann, also wenn durch Einstellung der Behandlung der Tod mit Sicherheit eintritt,26 da sonst eine Pflicht des Arztes27 zur Zwangsbehandlung eingeführt würde.28 Eine solche Zwangsbehandlung sei aber (außerhalb des Strafvollzugs und ggf. der Rettung eines Suizidenten29) gerade nur bei Einwilligungsunfähigen 23 BGHSt 11, 111 (112 ff.); Fischer62 Vor §§ 211–216 Rn. 40 f.; LK-StGB11 /Jähnke Vor § 211 Rn. 13; Lackner/Kühl28 /Kühl Vor § 211 Rn. 8; NK-StGB4 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 Rn. 107, 109; MK-StGB2 /Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 115: Einwilligung als „Dreh- und Angelpunkt des Arzt-Patienten-Verhältnisses“; Beckert, S. 290 f.; Bottke in Deutsche Sektion der Internationalen JuristenKommission (Hrsg.), Lebensverlängerung aus medizinischer, ethischer und rechtlicher Sicht, S. 35 (95 ff., 118); Chatzikostas, S. 83 ff.; v. Dellingshausen, S. 41 ff., 358 ff.; Höfling JuS 2000, 111 (114); Kutzer MedR 2001, 77; Rengier BT II15 § 7 Rn. 6; Otto 56. DJT, D 37 ff.; Schreiber NStZ 1986, 337 (341); Verrel JZ 1996, 224 (227). 24 D. Albrecht in FS Schreiber, 551 (575 f.); Hirsch in FS Lackner, S. 597 (602); Hörr, S. 123. 25 Die Straflosigkeit der passiven Sterbehilfe stellt gewissermaßen die „Kehrseite des Selbstbestimmungsrechts des Patienten“ dar, so Lipp in Laufs/Katzenmeier/Lipp (Hrsg.), ArztR6, VI. Rn. 103 mit Verweis auf NK-StGB4 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 Rn. 109; Geilen Euthanasie und Selbstbestimmung, S. 8 ff.; Hufen NJW 2001, 849 (851); Lipp FamRZ 2004, 317 (319); Lorenz JZ 2009, 57 (61). 26 Fischer62 Vor §§ 211–216 Rn. 42; Lackner/Kühl28 /Kühl Vor § 211 Rn. 8; NKStGB4 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 Rn. 108; MK-StGB2 /Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 115; Achenbach Jura 2002, 542 (545 f.); Ankermann MedR 1999, 387 (388); Fröschle JZ 2000, 72 (73 f.); Hirsch in FS Lackner, S. 597 (600); Hufen NJW 2001, 849 (851); Otto 56. DJT, D 40; Rengier BT II15 § 7 Rn. 5; Roxin NStZ 1987, 345 (350); nach Lipp in Laufs/Katzenmeier/Lipp (Hrsg.), ArztR6, VI. Rn. 104 ergibt sich nur die Zulässigkeit der passiven Sterbehilfe außerhalb der Sterbephase aus dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten, während sich die Legitimation der passiven Sterbehilfe in der Sterbephase aus dem Wegfall der medizinischen Indikation ergibt, sodass insoweit gar kein entsprechender Patientenwille erforderlich ist; so auch Ulsenheimer in Laufs/Kern (Hrsg.), ArztR4, § 149 Rn. 14 f. 27 Solch eine Pflicht wäre im Übrigen auch für den Arzt unzumutbar, s. Sch/Sch29 / Eser/Sternberg-Lieben Vor §§ 211 ff. Rn. 28. 28 Sch/Sch29 /Eser/Sternberg-Lieben Vor §§ 211 ff. Rn. 28 mit Verweis auf Arth. Kaufmann in FS Roxin, S. 841 (849); in diese Richtung auch Ast ZStW 124 (2012), 612 (626); Hufen ZRP 2003, 248 (252); Lipp in Laufs/Katzenmeier/Lipp (Hrsg.), ArztR6, VI. Rn. 106. 29 Zwar wird die Unbeachtlichkeit des Patientenwillens auch bezüglich der Rettung eines Suizidenten diskutiert (vgl. dazu ausführlich Ulsenheimer in Laufs/Kern (Hrsg.), ArztR4, § 149 Rn. 23 ff.), insbesondere wenn der Suizident bewusstlos ist: Die von der Rechtsprechung (BGHSt 32, 373 (378); zustimmend Kutzer in Wolfslast/Schmidt

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als zulässig anerkannt,30 da diese Personen auf Grund ihrer Erkrankung die Behandlung nicht überblicken und daher keine eigenverantwortliche Entscheidung über sie treffen können, sodass die Entscheidungsbefugnis auf Dritte übergehen muss – auch dann hat der Betreuer die Entscheidung aber am (mutmaßlichen) Willen des Betreuten auszurichten. Insofern begrenze der Patientenwille die Zulässigkeit lebenserhaltender Maßnahmen und damit auch die Strafbarkeit der passiven Sterbehilfe wegen Unterlassens dieser Maßnahmen gem. §§ 216, 13 bzw. § 323c StGB – Ausgangspunkt der Betrachtung müsse folglich nicht die Unterlassung von lebenserhaltenden Maßnahmen, sondern die fehlende Berechtigung zum Ergreifen bzw. Fortführen der medizinischen Maßnahmen mangels Einwilligung des Patienten31 bilden.32 Mithin sollte eine Strafbarkeit des passiven Sterbehelfers durch Wegfall der Garantenpflicht bzw. mangels Erforderlichkeit der Hilfeleistung im Rahmen des § 323c StGB ausscheiden, die Garantenpflicht der Pflegekräfte bezüglich einer Basispflege und -versorgung33, die vom (mutmaßlichen) Patientenwillen gedeckt wird,34 davon aber unberührt bleiben.35 (Hrsg.), Suizid und Suizidversuch, S. 181 (188 ff.)) ausnahmsweise angenommene Strafbarkeit des rettungsfähigen Sterbehelfers beruht auf der Erwägung, dass das Opfer nach Verlust des Bewusstseins den todbringenden Moment selbst nicht mehr beherrschen könne und die Tatherrschaft daher auf den anwesenden und zur Rettung fähigen Sterbehelfer übergehe, während es sich demgegenüber nur um eine straflose Beihilfe zum Suizid handelt, wenn das Opfer bis zum Schluss bei Bewusstsein bleibt und den todbringenden Moment daher selbst beherrschen kann. Dieses vom BGH eingeführte Konstrukt ist aber überwiegend auf Ablehnung gestoßen (so OLG München JA 1987, 579 (584); Sch/Sch29 /Eser/Sternberg-Lieben Vor §§ 211 ff. Rn. 41 ff. m.w. N.; Eser MedR 1985, 6 (15); Roxin in Roxin/Schroth (Hrsg.), Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (108); ders. NStZ 1987, 345 (346); ebenfalls krit. StA München NStZ 2011, 345 (346)) und stellt auch nicht den Anwendungsfall der hier näher zu betrachtenden Konstellationen dar. 30 BeckOK-BGB/Müller § 1904 (Ed. 27) Rn. 13; Möllering, S. 66; R. Merkel Früheuthanasie, S. 242: Sonstige Zwangsbehandlung rechtswidrig nach den §§ 223, 240. 31 Hörr, S. 103: „negative Einwilligung“. 32 MK-StGB2 /Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 115, 123, 134; Fröschle JZ 2000, 72 (73 f.); Höfling JuS 2000, 111 (116); Hufen NJW 2001, 849 (853); R. Merkel ZStW 107 (1995), 545 (559 ff.); Roxin in Roxin/Schroth (Hrsg.), Handbuch des Medizinstrafrechts2, S. 93 (107 f.); Schöch in FS Hirsch, S. 693 (703); Taupitz 63. DJT, A 18 f. 33 Es entfällt also lediglich die Pflicht zu kurativen, also auf Heilung gerichteten Maßnahmen (lat. curare – heilen) sowie ggf. die Pflicht zur Substitution, also der Ersetzung von physiologischen Vorgängen, die der Patient bzw. dessen Körper nicht mehr alleine leisten kann (bspw. Zuführung von Nahrung und Flüssigkeit, künstliche Beatmung). Palliative Maßnahmen, die auf Begleitung in der Sterbephase durch Schmerzlinderung und pflegerischen Beistand gerichtet sind (lat. pallium – Mantel), werden hingegen in der Regel dem Patientenwillen entsprechen. Vgl. zu dieser Aufteilung medizinscher Maßnahmen Putz/Steldinger5, S. 157 ff. 34 NK-StGB4 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 Rn. 125; R. Merkel Früheuthanasie, S. 252 ff.; Otto Jura 1999, 434 (437); Roxin in Roxin/Schroth (Hrsg.), Handbuch des Medizinstrafrechts3, S. 313 (339 f.); Saliger JuS 1999, 16 (20); C. Schneider, S. 176:

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B. In Betracht kommende Strafbarkeit

c) Indirekte Sterbehilfe Auch die indirekte Sterbehilfe durch Schmerzmittelverabreichung wurde nach herkömmlicher Dogmatik einheitlich als straflos eingeordnet,36 wenn auch wiederum auf unterschiedliche Weise37 und mit Abweichungen im Hinblick auf den für die Straflosigkeit erforderlichen Vorsatz des Täters38. Außerdem wurde teilontologische Zufälligkeiten; Weimer, S. 132 ff.; insbesondere kein Recht zur „Zwangsernährung“ nach NK-StGB4 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 Rn. 125; Otto NJW 2006, 2217 (2219); Taupitz 63. DJT, A 48; für die Pflicht zur Basispflege und -versorgung auch unabhängig vom Patientenwillen hingegen Hufen NJW 2001, 853; Opderbecke/Weißauer MedR 1998, 395 (398); Weißauer/Opderbecke MedR 1995, 456 (461); wohl auch R. Merkel ZStW 107 (1995), 545 (563). 35 Sch/Sch29 /Eser/Sternberg-Lieben Vor §§ 211 ff. Rn. 31; NK-StGB4 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 Rn. 125; BÄK NJW 1998, 3406 (3407); Chatzikostas, S. 85; Ingelfinger, S. 329 ff. 36 Sch/Sch29 /Eser/Sternberg-Lieben Vor §§ 211 ff. Rn. 26; Fischer62 Vor §§ 211– 216 Rn. 55; LK-StGB11 /Jähnke Vor § 211 Rn. 15; NK-StGB4 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 Rn. 99 ff.; Chatzikostas, S. 327 f.; v. Dellingshausen, S. 185 ff.; Dölling JR 1998, 160 f.; Geilen Euthanasie und Selbstbestimmung, S. 22 f.; Herzberg NJW 1996, 3043 ff.; Schöch NStZ 1997, 409 ff.; Tröndle ZStW 99 (1987), 25 (29 f.); Verrel MedR 1997, 248 ff.; Wessels/Hettinger BT 137 Rn. 31 f.; a. A. zunächst Gössel BT 11 § 2 Rn. 30 ff., der zunächst für eine Strafbarkeit plädierte, nun aber wie hier Gössel/Dölling BT 12 § 2 Rn. 41. 37 Mögliche Wege stellen die Verneinung der objektiven Zurechnung über die Erlaubtheit des Risikos (v. Dellingshausen, S. 111 ff.) oder über die Sozialadäquanz des Risikos (Herzberg NJW 1996, 3043 (3048 f.) dar, wenngleich Herzberg das sozialadäquate Verhalten nicht explizit bei der objektiven Zurechnung verortet; ähnlich ordnet Engisch in FS Bockelmann, S. 519 (532) ein solches Verhalten als erlaubtes Risiko ein, verzichtet auf deren genauere dogmatische Einordnung aber ausdrücklich. Schließlich wird auf Tatbestandsebene noch ein Tatbestandsausschluss auf Grund des sozialen Sinnund Bedeutungsgehalts der Handlung vertreten (Gesamtsinn der ärztlichen Behandlung sei nicht auf eine Tötung gerichtet, so Wessels/Hettinger BT 144 Rn. 33; in eine ähnliche Richtung Ingelfinger, S. 270 ff.). Auf Ebene der Rechtswidrigkeit wird teilweise seitens des Patienten eine tatsächliche bzw. mutmaßlichen Einwilligung angenommen (Roxin in Roxin/Schroth (Hrsg.), Handbuch des Medizinstrafrechts3, S. 313 (324); Verrel JZ 1996, 224 (226 f.)), der rechtfertigende Notstand gem. § 34 StGB als einschlägig erachtet (NK-StGB4 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 Rn. 103; Sch/Sch29 /Eser/Sternberg-Lieben Vor §§ 211 ff. Rn. 26; MK-StGB2 /Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 108; Beckert, S. 318, 324 ff.; Buschendorf in Valentin (Hrsg.), Die Euthanasie, S. 43 (55 ff.); Geilen JZ 1996, 1145 (1148); Möllering, S. 33; Otto NJW 2006, 2217 (2221); Rickmann, S. 84 f.; Roxin in Roxin/Schroth (Hrsg.), Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (87); Schreiber NStZ 1986, 337 (340 f.); Dölling in FS Gössel, S. 209 (212): Kombination mit Elementen der Einwilligung) oder eine Pflichtenkollision befürwortet (Leonardy DRiZ 1986, 281 (287); Pelzl KJ 1994, 179 (190)). 38 Teilweise wird gefordert, dass der Sterbehelfer lediglich dolus eventualis bezüglich der Lebensverkürzung aufweisen dürfe (SK-StGB6 /Horn § 212 Rn. 26e; Duttge GA 2006, 573 (578 f.); Kutzer NStZ 1994, 110 (115); Schöch NStZ 1997, 409 (411)), andere fordern dolus directus 1. Grades bezüglich der Schmerzlinderung bei dolus eventualis oder directus 2. Grades bezüglich der Lebensverkürzung (Schöch/Verrel GA 2005, 553 (575 f.; ähnlich Schroth GA 2006, 549 (566)) und schließlich werden beide Formen des direkten Vorsatzes bezüglich der Schmerzlinderung für ausreichend erachtet, wobei die Vorsatzform bezüglich der Lebensverkürzung unbeachtlich sei (BGHSt 46, 279

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weise vorausgesetzt, dass der Sterbevorgang bereits eingesetzt haben muss,39 das Grundleiden des Patienten (ab diesem Zeitpunkt als „Sterbender“ bezeichnet) also nach ärztlicher Überzeugung unumkehrbar sein, einen tödlichen Verlauf angenommen haben und der Tod in kurzer Zeit eintreten muss.40 Mit diesem Zeitpunkt geht auch der Wegfall der medizinischen Indikation lebenserhaltender Maßnahmen einher.41 d) Problemfall des tätigen Behandlungsabbruchs Die so getroffene Differenzierung führte zu Problemen in Bezug auf den (technischen) Behandlungsabbruch, bei dem der Arzt von einer bereits begonnenen medizinischen Behandlung des Patienten Abstand nimmt, damit der Krankheit ihren freien Lauf lässt und so den Todeszeitpunkt gegenüber einer weiteren Behandlung vorverlagert: Es entscheiden oft Zufälligkeiten darüber, ob sich diese Abstandnahme vom äußeren Erscheinungsbild her als Tun oder als Unterlassen darstellt, selbst die genaue Bauart der für lebensverlängernde Maßnahmen eingesetzten Maschine kann dabei entscheidend sein.42 Angesichts der mit der Einordnung der Verhaltensqualität als Tun oder Unterlassen einhergehenden eklatant (284 f.); NK-StGB4 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 Rn. 99; Hoyer in Igl/Welti (Hrsg.), Gesundheitsrecht2, Rn. 1328; R. Merkel in FS Schroeder, S. 297 (316); Roxin in Roxin/Schroth (Hrsg.), Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (90 f.); Saliger KritV 2001, 382 (437); Otto NJW 2006, 2217 (2221)). Dieser Fragestellung kommt in der Praxis wohl nur wenig Bedeutung zu, da die Schmerztherapie dank ihrer medizinischen Fortentwicklung wohl nur selten sicher mit einer Lebensverkürzung verbunden ist (so auch Sch/Sch29 /Eser/Sternberg-Lieben Vor §§ 211 ff. Rn. 26; Barosio 66. DJT, N 55 (58 f.); Roxin in Roxin/Schroth (Hrsg.), Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (90); Schöch NStZ 1997, 409 (410 f.)). 39 BGHSt 42, 301 (305); nach a. A. bereits bei tödlich Kranken (BGHSt 40, 257: Personen, die zwar an einer tödlichen Krankheit irreversibel erkrankt sind, dieses Sterben aber noch nicht unmittelbar bevor steht) zulässig, so Roxin in Roxin/Schroth (Hrsg.), Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (89); wohl auch in diese Richtung MK-StGB2 /Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 104; Schreiber NStZ 2006, 473 (476); vgl. zum Streitstand auch Hoyer in Igl/Welti (Hrsg.), Gesundheitsrecht2, Rn. 1327. 40 BGHSt 40, 257 (259 f.); MK-StGB2 /Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 102; Heyers, S. 23 f.; Knopp MedR 2003, 379 (380); G. Rieger, S. 23; Rosenau in FS Rissing-van Saan, S. 547 (5518). 41 Rosenau in FS Rissing-van Saan, S. 547 (550). 42 So ist es bspw. denkbar, dass der Arzt den Respirator aktiv ausschaltet oder aber dass die Beatmungsmaschine von vornherein mit einem Mechanismus ausgestattet ist, der eine Bestätigung der Behandlung in bestimmten zeitlichen Abständen fordert und sich sonst selbst abschaltet – in diesem Fall könnte der Arzt allein durch Unterlassen dieser „Bestätigung“ die Behandlung abbrechen; s. dazu Sch/Sch29 /Stree/Bosch Vor §§ 13 ff. Rn. 160; Hörr, S. 71; R. Merkel Früheuthanasie, S. 244; vgl. auch SSW-StGB2 / Momsen Vor §§ 211 ff. Rn. 28; Philipps, S. 140 ff.; Schünemann Grund und Grenzen, S. 283; Welp, S. 114 f.; zur daraus folgenden Unsicherheit in der Praxis vgl. Czerner JZ 2005, 94.

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unterschiedlichen Rechtsfolgen galt die Abgrenzung nach natürlicher Betrachtungsweise nach einhelliger Auffassung als unbillig.43 Bricht der Arzt die von ihm eingeleitete technische Behandlung wieder ab, dürfe die vorläufige Aufnahme der Behandlung wertungsmäßig nicht zu einer Strafverschärfung gegenüber dem Unterlassen einer Behandlung von vornherein führen44 – sonst würde für den Arzt ein Anreiz gesetzt, die Behandlung gar nicht erst aufzunehmen.45 Außerdem stellte sich das Verhalten bei Wegdenken der technischen Gerätschaften selbst bei naturalistischer Betrachtungsweise als Unterlassen weiterer Rettungshandlungen dar,46 z. B. Unterlassen weiterer Herzdruckmassage o. ä.; allein die (oft zufällig) unterschiedliche Durchführung der gleichen Behandlung (z. B. Beatmung) sollte aber nicht zu einer unterschiedlichen strafrechtlichen Bewertung führen.47 Zwar wurden zur Lösung dieses Dilemmas recht unterschiedliche Wege eingeschlagen: Teilweise wurde eine Lösung auf Tatbestandsebene präferiert, mittels der vor allem durch Roxin geprägten normativen Betrachtung des natürlichen Tuns als Unterlassen,48 der Differenzierung nach Organisationskreisen von Arzt

43 R. Beckmann DRiZ 2005, 252 (254); Otto 56. DJT, D 37, 42 ff.; Popp ZStW 118 (2006), 639 (645 f.); Roxin in Roxin/Schroth (Hrsg.), Handbuch des Medizinstrafrechts2, S. 93 (102); Verrel JZ 1996, 224 (227). 44 Hoyer in Igl/Welti (Hrsg.), Gesundheitsrecht2, Rn. 1342. Interessant ist der Zusammenhang dieses Abgrenzungsgedankens mit dem gesetzlichen „Verhaltensbefehl“, dargestellt bei Ast ZStW 124 (212), 612 (622 ff.): Eine normative Umbewertung sei erforderlich bei komplementären Normen, das heißt bei Handlungsge- und -verboten, die zueinander in einem Akzessorietätsverhältnis stehen, also zwingend durch den entgegen gesetzten Verhaltensbefehl (Ge- oder Verbot) vollständig ausgedrückt sind (Ast ZStW 124 (2012), 612 (619)). Dafür müsse es teleologisch sinnlos erscheinen, den einen Verhaltensbefehl ohne den entgegengesetzten Verhaltensbefehl anzunehmen (Ast ZStW 124 (2012), 612 (622)). Dies sei auch der Fall beim Behandlungsabbruch: „Das Verbot des Abschaltens [des Respirators] ist teleologisch notwendig mit einem unbedingten Gebot der Fortführung der Behandlung verbunden, und es ist akzessorisch zu diesem Gebot.“ (Ast ZStW 124 (2012), 612 (623)). Damit sei auch das Abschalten eines Respirators als Unterlassen zu werten, selbst wenn im Einzelfall Ge- und Verbot z. B. mangels medizinischer Indikation wegfallen (Ast ZStW 124 (2012), 612 (624)). 45 Stoffers MDR 1992, 621 (625 Fn. 57). 46 Insofern wird die verwendete Maschine auch als „verlängerter Arm“ des Arztes bezeichnet“, MK-StGB2 /Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 119; Geilen FamRZ 1968, 121 (126 Fn. 35); ders. Euthanasie und Selbstbestimmung, S. 22; Ulsenheimer Arztstrafrecht in der Praxis4, S. 340; dem Arzt sei die Leistung des Respirators als eigene Leistung i. S. v. Handlungen zuzurechnen, so Ast ZStW 124 (2012), 612 (623); Frister in FS Samson (2010), S. 19 ff.; Saati, S. 73 f. 47 MK-StGB2 /Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 119 mit ausführlichem Praxisbeispiel; Geilen FamRZ 1968, 121 (126 Fn. 35); ders. JZ 1968, 145 (151); C. Schneider, S. 176; Volk in FS Tröndle, S. 219 (225). 48 So zuerst Roxin in FS Engisch, S. 380 (395 ff.); Roxin NStZ 1987, 345 (349). Ihm folgend Eser in Auer/Menzel/Eser, Zwischen Heilauftrag und Sterbehilfe, S. 75 (140); Helgerth JR 1976, 45 (47); Herzberg JA 1985, 177 (182); ders. JZ 1988, 182 (186); Hörr, S. 73; Jakobs AT2, S. 216; Sowada Jura 1985, 75 (80).

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und Patient,49 der Abgrenzung nach „Erwartung der Rechtsordnung“,50 der Ablehnung der Einschlägigkeit des Schutzzwecks der Tötungsvorschriften51 oder der Einordnung als zulässiger Abbruch eines rettenden Kausalverlaufs52, teilweise ein Ausscheiden auf Ebene der Rechtswidrigkeit über eine Rechtfertigung wegen Notstands gem. § 34 StGB53 oder eine sonstige Rechtfertigung.54 Letztlich bestand aber weitgehend55 Einigkeit darüber, dass das Selbstbestimmungs-

49 Für diese Einordnung ist eine wertende Betrachtung erforderlich: Die lebensverlängernde Maßnahme sei dann nicht dem Organisationskreis des Arztes sondern des Patienten selbst zuzuordnen, wenn der Organisationskreis des Patienten durch ein auf Dauer vom Arzt unabhängiges Bestandselement wieder eigenständig funktioniere. Diese Abgrenzung habe nach einem beweglichen System von Faktoren zu erfolgen, die vor allem auf die Ähnlichkeit des sozialen Umgangs mit der funktionierenden Apparatur Abstellten, vgl. im Einzelnen Jakobs in FS Schewe, S. 72 (76); in diese Richtung auch R. Merkel Früheuthanasie, S. 245 f.: Die Abgrenzung zwischen Tun und Unterlassen habe danach zu erfolgen, „ob eine tödliche Außenwirkung des Systems Klinik produziert [werde] oder nur dessen lebenserhaltende Außenwirkung durch eine systeminterne Handlung aktiv unterbunden worden ist“; ähnlich außerdem Führ Jura 2006, 265 (269), der Tun und Unterlassen danach abgrenzen möchte, ob eine neue Schadensquelle gesetzt wird oder einer bereits vorhandenen Schadensquelle sein freier Lauf gelassen wird. 50 C. Schneider, S. 175: In der Situation, die dem Behandlungsabbruch zu Grunde liegt, erwarte die Rechtsordnung vom Täter die Weiterbehandlung, welche, naturalistisch betrachtet, als aktives Tun einzuordnen ist. Wenn der Täter nun dieser Erwartung nicht gerecht wird, die Weiterbehandlung also nicht leistet, sei dies – ein der Erwartung entgegengesetztes Verhalten – als Unterlassen zu werten. 51 Sax JZ 1976, 429 (438): Situation, „in der das Recht das Leben als Rechtsgut zu schützen nicht mehr verpflichtet, ja nicht einmal mehr berechtigt war“; wohl auch Möllering, S. 67: Der Arzt stelle „sein Handeln in den Prozeß des Lebens“; Samson in FS Welzel, S. 579 (601). 52 Mit Erlöschen der Rechtspflicht zur Vornahme eines rettenden Kausalverlaufs durch Wegfall der medizinischen Indikation gehe die Erlaubnis einher, die vorherigen Bemühungen (als rettenden Kausalverlauf) rückgängig zu machen, so Hirsch in FS Lackner, S. 597 (605 f.); Küpper BT 13 § 1 Rn. 22; Stoffers MDR 1992, 621. Dies gelte nicht nur für den Arzt selbst, sondern auch für Dritte, da mit Wegfall der Rechtspflicht zur Vornahme von Rettungshandlungen auch die Pflicht entfalle, einen Abbruch fremder Rettungshandlungen zu unterlassen, vgl. Dölling MedR 1987, 6 (10); Hirsch in FS Lackner, S. 597 (605 f.); Küpper BT 13 § 1 Rn. 22; ders. Strafrechtsdogmatik, S. 81 f.; Stoffers MDR 1992, 621 (628 f.); im Ergebnis ebenso LG Ravensburg NStZ 1987, 229; Brammsen GA 2002, 193 (210). 53 Chatzikostas, S. 333; Gropp AT3 § 11 Rn. 70; R. Merkel ZStW 107 (1995), 545 (568 ff.); C. Schneider, S. 225, 242 ff.; bezüglich des durch einen Dritten herbeigeführten Behandlungsabbruchs Herzberg JZ 1988, 182 (186 f.); MK-StGB2 /Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 122; § 34 analog nach R. Merkel ZStW 107 (1995), 545 (569). 54 Rechtfertigung, weil „die verfassungsrechtlich gebotene ,Behandlungsfreiheit‘ hergestellt wird“ nach Otto 56. DJT, D 46; Rechtfertigung schlichtweg kraft „passive[r] Sterbehilfe“ nach Stratenwerth SchwZStr Bd. 95 (1978), 60 (67). 55 Während die Straflosigkeit des Arztes bei einem tätigen Behandlungsabbruch ganz herrschende Meinung ist, ist die Straflosigkeit eines die Behandlung abbrechenden Dritten nicht annähernd so einhellig anerkannt.

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B. In Betracht kommende Strafbarkeit

recht des Patienten für die Strafbarkeit entscheidend ist56 und der Arzt daher bei einem tätigen Behandlungsabbruch entsprechend dem Patientenwillen57 nicht bestraft werden sollte. 2. Rechtfertigung des Behandlungsabbruchs seit BGHSt 55, 191 ff. Frischen Wind in die Diskussion um den Behandlungsabbruch brachte der BGH mit seiner Entscheidung vom 25.6.2010 (sog. Fuldaer Entscheidung), in der er sich zwar grundsätzlich der auch zuvor vertretenen Linie der Rechtfertigung angeschlossen, im Konkreten aber einen neuen Weg beschritten hat: So sei selbst eine zur Betreuung oder Behandlung hinzugezogene Hilfsperson58 bei einem Behandlungsabbruch bezüglich einer im Wachkoma befindlichen Patientin durch Einwilligung gerechtfertigt, ohne dass es überhaupt auf eine Unterscheidung zwischen aktivem und passivem Verhalten ankomme.59 Damit löst sich der BGH bezüglich des Behandlungsabbruchs völlig von der bisherigen Sterbehilfedogmatik und stellt neue Anforderungen an diese „spezielle“ Rechtfertigung der bisherigen indirekten und passiven Sterbehilfe inklusive des tätigen Behandlungsabbruchs auf: Statt der Verhaltensqualität des Täters60 sei es bezüglich des Unterlassens, Begrenzens oder Beendens einer am lebensbedrohlich erkrankten Patienten begonnenen medizinischen Behandlung61 entscheidend, dass dieser Abbruch der Behandlung dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen gem. § 1901a BGB entspricht62 und dazu dient, einem ohne Behandlung zum Tode führenden Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen63. Sch/Sch28 /Eser/Sternberg-Lieben Vor §§ 211 ff. Rn. 31; NK-StGB4 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 Rn. 127; MK-StGB2 /Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 118; Fröschle JZ 2000, 72 (74); Tröndle in FS Göppinger, S. 595 (600); Volk in FS Tröndle, S. 219 (223, 225); die Ausrichtung an dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten wird nicht durchgängig anerkannt von Roxin in Roxin/Schroth (Hrsg.), Handbuch des Medizinstrafrechts2, S. 93 (106), der ein bewusst- und empfindungsloses Weiterexistieren nicht als einen zu berücksichtigenden und eine entsprechende Entscheidung des Patienten stützenden Wert anerkennen will, hiergegen ausdrücklich MKStGB/Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 119. 57 Dazu ausführlich C. Schneider, S. 238 ff.: Die Straflosigkeit des tätigen Behandlungsabbruchs sei „zwangsweise vorgegeben“ durch das aus den §§ 239, 240 bzw. §§ 223 ff. StGB folgende Gebot zum Abbruch einer Behandlung bei einem Behandlungsveto des Patienten, damit werde der Patientenwille „zum entscheidenden Bewertungsfaktor“ bei der Frage nach der Strafbarkeit der Beteiligten. 58 BGHSt 55, 191 (205 f. Rn. 39). 59 BGHSt 55, 191 (203 f. Rn. 32, 205 Rn. 36). 60 BGHSt 55, 191 (201 f. Rn. 28 ff.). 61 BGHSt 55, 191 (204 Rn. 33). 62 BGHSt 55, 191 (205 Rn. 38). 63 BGHSt 55, 191 (204 f. Rn. 35); für die Unterscheidung von Strafbarkeit und Straflosigkeit danach, ob einer bereits vorhandenen Schadensquelle sein freier Lauf gelassen wird oder aber eine neue Schadensquelle gesetzt wird schon Führ Jura 2006, 265 (269), allerdings im Rahmen der Abgrenzung zwischen Tun und Unterlassen. 56

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a) Darstellung der Entscheidung des BGH In dem zu Grunde liegenden Fall ging es um eine 76-jährige Patientin, die seit fünf Jahren im Wachkoma lag, eine Besserung ihres Zustands war nicht zu erwarten.64 Kurz vor der zum Koma führenden Hirnblutung hatte sie ihren Kindern gegenüber geäußert, dass sie keine Lebensverlängerung mittels künstlicher Ernährung und Beatmung wünsche, sollte sie sich einmal im dauerhaften Zustand der Bewusstlosigkeit befinden – sie wolle nicht an irgendwelche „Schläuche“ angeschlossen werden.65 Der Hausarzt und die zu Betreuern bestellten Kinder der Patientin entschieden sich einvernehmlich für die Einstellung der künstlichen Ernährung.66 Nachdem die Tochter dies umgesetzt hatte, nahm das Altenheim, in dem die Patientin gepflegt wurde, die Ernährung jedoch am nächsten Tag wieder auf. Daraufhin durchschnitt die Tochter nach Beratung durch den Rechtsanwalt Putz den Schlauch der zur Ernährung gelegten PEGSonde. Der Patientin wurde allerdings anschließend auf Anordnung der Staatsanwaltschaft im Krankenhaus eine neue Sonde gelegt und schließlich starb sie eines natürlichen Todes.67 Das LG Fulda sprach zwar die Tochter auf Grund eines unvermeidbaren Erlaubnisirrtums gem. § 17 S. 1 StGB frei,68 verurteilte jedoch den Rechtsanwalt, der ihr zu ihrem Handeln geraten hatte und sich im vermeidbaren Erlaubnisirrtum befand, wegen mittäterschaftlich begangenen versuchten Totschlags gem. §§ 212, 22, 25 Abs. 2 StGB.69 Der BGH hingegen sprach in seiner Entscheidung vom 25.6.2010 auch Putz frei.70 In seiner Begründung bestätigt der BGH die Entscheidung des LG insoweit, als er eine Rechtfertigung durch Notwehr gegen die Wiederaufnahme der künstlichen Ernährung als rechtswidrigen Angriff auf die körperliche Integrität und Selbstbestimmung ablehnt, da Notwehr nur zu einem Eingriff in Rechtsgüter des Angreifers, nicht des Angegriffenen berechtige.71 Außerdem teilt er die Ansicht des LG, dass § 34 StGB mangels einer Kollision von Interessen verschiedener Personen nicht eingreift.72

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BGHSt 55, 191 (192 Rn. 4). BGHSt 55, 191 (192 Rn. 5). 66 BGHSt 55, 191 (193 Rn. 7). 67 BGHSt 55, 191 (193 Rn. 8). 68 BGHSt 55, 191 (194 Rn. 10). 69 BGHSt 55, 191 (194 Rn. 9). 70 BGHSt 55, 191 (194 Rn. 12). 71 BGHSt 55, 191 (197 Rn. 19); a. A. hingegen Mandla NStZ 2010, 698 f., der eine Rechtfertigung durch Nothilfe eingreifen lassen möchte und daher die vom BGH eingeführte Rechtsfigur des Behandlungsabbruch als überflüssig erachtet. 72 BGHSt 55, 191 (197 f. Rn. 20). 65

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B. In Betracht kommende Strafbarkeit

Während das LG aber noch das Durchschneiden des Schlauchs als aktives Handeln und damit als strafbare aktive Sterbehilfe eingeordnet hatte,73 sagt sich der BGH ausdrücklich von der Unterscheidung von Tun und Unterlassen74 im Bereich des Behandlungsabbruchs los:75 Stattdessen komme es bei der „Sterbehilfe durch Behandlungsunterlassung, -begrenzung oder -abbruch“ darauf an, dass der jeweilige Patient lebensbedrohlich76 erkrankt und die jeweilige Behandlung zur Erhaltung bzw. Verlängerung des Lebens geeignet sei;77 dann stehe weder § 216 StGB noch § 228 StGB einer rechtfertigenden Einwilligung durch Behandlungsveto des Patienten entgegen.78 Allerdings müsse die Einwilligung unmittelbar auf eine solche medizinische Behandlung, also auf Unterlassen oder Abbruch einer lebensverlängernden Maßnahme bzw. auf Handlungen der „indirekten Sterbehilfe“ bezogen sein.79 Zudem müsse sich der Behandlungsabbruch darauf beschränken, der Krankheit ihren Lauf zu lassen, sodass das Leben des Patienten durch den Krankheitsprozess und nicht durch einen davon abgekoppelten gezielten Eingriff beendet wird.80 Diese Kriterien leitet der BGH nach eigener Aussage aus dem „Begriff des Behandlungsabbruchs“ ab, dem diese Vorgaben immanent seien.81 73 BGHSt 55, 191 (200 f. Rn. 26); hiergegen wendet Wolfslast/Weinrich StV 2011, 286 ein, dass nach der bisherigen Begriffsbildung auch eine Einordnung als „passive“ Sterbehilfe im vorliegenden Fall einfach möglich gewesen wäre. 74 Der BGH macht deutlich, dass eine natürliche Betrachtungsweise sowohl ein Tun als auch ein Unterlassen vorgibt, indem er von einer „Vielzahl von aktiven und passiven Handlungen“ spricht, BGHSt 55, 191 (202 f. Rn. 31), diese Ausdrucksweise kritisiert Ast, S. 83 ff. 75 BGHSt 55, 191 (201 f. Rn. 28): „An diesem an den äußeren Erscheinungsformen von Tun und Unterlassen orientierten Kriterium für die Abgrenzung zwischen gerechtfertigter und rechtswidriger Herbeiführung des Todes [. . .] hält der Senat nicht fest.“ In diesem Zusammenhang äußert der 2. Strafsenat sich sogar dahingehend, dass die bisherige Abgrenzung „zu Recht auf Kritik gestoßen und als dogmatisch unzulässiger ,Kunstgriff‘“ bezeichnet wurde, BGHSt 55, 191 (202 Rn. 30). Inwieweit sich das auf die Verhaltensqualität eines Behandlungsabbruchs auswirken soll, ist umstritten: Für eine Differenzierung zwischen Tun und Unterlassen weiterhin, die aber ohne Einfluss auf die Frage der Strafbarkeit ist, Rissing-van Saan ZIS 2011, 544 (547); Verrel NStZ 2010, 671 (674); hingegen zieht Ast ZStW 124 (2012), 612 (627) die Konsequenz, dass damit eigentlich die Formel vom Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit ganz aufgegeben werden müsste, so „dass bei jedem Verursachen durch (tatbestandlich) verbotenes Handeln nur ein Begehungsdelikt in Betracht komme“. 76 A. Albrecht DNotZ 2011, 40 (41) zieht aus dieser Formulierung des BGH den Rückschluss, dass die lebensbedrohliche Erkrankung aber nicht irreversibel sein müsse; ebenso Verrel NStZ 2010, 671 (673). 77 BGHSt 55, 191 (204 Rn. 33). 78 BGHSt 55, 191 (204 Rn. 33). 79 BGHSt 55, 191 (204 Rn. 34). 80 BGHSt 55, 191 (204 f. Rn. 35); für eine Abgrenzung danach, ob einer bereits vorhandenen Schadensquelle freier Lauf gelassen wird oder eine neue Schadensquelle gesetzt wird schon Führ Jura 2006, 265 (269), damals aber noch als Unterscheidung zwischen Tun und Unterlassen.

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Der BGH erstreckt die Legitimationswirkung ausdrücklich auch auf die indirekte Sterbehilfe.82 Zwar war die indirekte Sterbehilfe eigentlich nicht Gegenstand der genannten Entscheidung, sodass es sich insoweit um ein obiter dictum handelt,83 eine solche Einordnung ist aber mangels Bindungswirkung der Entscheidungen außerhalb der Bundesverfassungsgerichtsbarkeit ohnehin – außer für die Erforderlichkeit der Einberufung des Großen Senats gem. § 132 GVG – nicht von Belang. Gegen die Rechtfertigung durch Einwilligung wurde stets das absolute Tötungsverbot angeführt,84 welches in dem Verbot einer Tötung auf Verlangen gem. § 216 StGB zum Ausdruck kommt.85 Es erscheint aber möglich, dass das Tötungsverbot im Bereich der Sterbehilfe zugunsten Kranker angesichts der Neuregelung der §§ 1901a ff. BGB nicht mehr absolut gilt86 – diese Neuregelung hatte den BGH wohl überhaupt erst zu der Rechtsprechungsänderung veranlasst,87 obgleich er (etwas irreführend88) davon spricht, dass „die Regelungen der §§ 212, 216 StGB von den Vorschriften des Betreuungsrechts unberührt“ bleiben.89 In seiner Begründung verhält sich der BGH, das sei an dieser Stelle bereits angemerkt, zumindest nicht ausdrücklich zu den Folgen eines Verstoßes gegen die verfahrensrechtlichen Vorgaben der §§ 1901a ff. BGB – diese Frage war angesichts des Konsenses zwischen dem Hausarzt und den Betreuern auch nicht

81 BGHSt 55, 191 (205 Rn. 36); freilich hätte es an dieser Stelle einer genaueren Begründung bedurft – schließlich gehen diese Kriterien nicht so eindeutig mit dem auch zuvor in der wissenschaftlichen Diskussion verwendeten Begriff des Behandlungsabbruchs einher, als dass sie vor der Entscheidung des BGH in dieser Kombination vertreten wurden, geschweige denn einheitlich anerkannt waren. 82 BGHSt 55, 191 (204 Rn. 34): „[E]ine durch Einwilligung gerechtfertigte Handlung der Sterbehilfe [umfasst auch] Handlungen in der Form der so genannten ,indirekten Sterbehilfe‘“; auf diese Entscheidung verweist auch Hörr, S. 33 im Rahmen der indirekten Sterbehilfe; andere Strafsenate hatten sich zuvor für eine Lösung über § 34 StGB ausgesprochen, vgl. BGHSt 42, 301 (305); 46, 279 (285). 83 Wolfslast/Weinrich StV 2011, 286 (287). 84 NK-StGB4 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 Rn. 103; MK-StGB2 /Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 100; Dölling JR 1998, 160 (161); Dreier JZ 2007, 317 (322); Neumann in FS Herzberg, S. 575 (578); Rosenau in FS Roxin, S. 577 (583); krit. F. Müller, S. 96 Fn. 283. 85 Duttge GA 2006, 573 (578 f.) will § 216 StGB bei nur bedingtem Tötungsvorsatz nicht anwenden, weil der Täter dann nicht zur Tötung „bestimmt“ worden sei – mit Nichteingreifen der Privilegierung des § 216 StGB wäre der Täter dann aber sogar wegen Totschlags gem. § 212 StGB zu bestrafen, vgl. z. B. MK-StGB2 /Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. 109 Fn. 386; Neumann in FS Herzberg, S. 575 (579 f.). 86 Siehe dazu unter B. I. 3. b) bb). 87 Eidam GA 2011, 232 (236). 88 Verrel NStZ 2010, 671 (674): „auf das [. . .] Hin und Her seiner Ausführungen [. . .] kann man sich nur schwer einen Reim machen“. 89 BGHSt 55, 191 (199 Rn. 25).

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B. In Betracht kommende Strafbarkeit

Prüfungsgegenstand.90 Immerhin erwähnt er aber die „Verfahrensregeln der §§ 1901a ff. BGB, insbesondere das zwingend erforderliche Zusammenwirken von Betreuer oder Bevollmächtigtem und Arzt sowie gegebenenfalls die Mitwirkung des Betreuungsgerichts“, welche sicherstellten, dass die an die Feststellung des Patientenwillens zu stellenden strengen Maßstäbe beachtet und eingehalten würden.91 Bezüglich dieser Äußerung wird teilweise die Mutmaßung angestellt, dass der BGH die Einhaltung der Verfahrensvorschriften zu einer (notwendigen) Voraussetzung für eine Rechtfertigung erklären wollte92 – jedenfalls aber hat der BGH damit u. a. das Erfordernis der gerichtlichen Genehmigung am Rande angesprochen93 und die Diskussion um die genaue Reichweite dieser Bezugnahme eröffnet. b) Reaktionen in der Literatur auf BGHSt 55, 191 ff. Die Reaktionen in der Literatur auf diese Grundsatzentscheidung94 des BGH reichen – entsprechend dem breiten Meinungsspektrum auf diesem Gebiet auch schon vor der Entscheidung – von uneingeschränkter Zustimmung bis hin zu scharfer Kritik:95 Einerseits wird dem 2. Strafsenat von Teilen der Literatur attestiert, „das einzig Richtige“ getan zu haben,96 indem er mittels einer „dogmatisch überzeugende[n] Begründung“ 97 „die erforderliche Konkordanz zwischen zivilrechtlichen Regelungen und strafrechtlichen Wertungen her[gestellt]“ 98 habe und so zu einem „Durchbruch ohne Dammbruch“ 99 gelangt sei, der als „wichtige[r] Meilenstein“ 100 „in begrüßenswerter Weise Rechtsklarheit“ 101 schaffe. Andererseits wird insbesondere die Begründung der Entscheidung angegriffen: Der BGH befinde sich zwar „auf dem richtigen Weg“ 102, habe „aber noch kein hinreichend 90

Rosenau in FS Rissing-van Saan, S. 547 (562 f.). BGHSt 55, 191 (205 Rn. 38). 92 Verrel NStZ 2011, 276 (277); ähnlich Dölling ZIS 2011, 345 (348); Walter ZIS 2011, 76 (79 f.); ausdrücklich dagegen Rissing-van Saan ZIS 2011, 544 (548) – als Vorsitzende Richterin in dieser Entscheidung wird Rissing-van Saan den Willen des Gerichts wohl am besten kennen. 93 Eidam GA 2011, 232 (243). 94 Duttge MedR 2011, 36; He. Schneider MittBayNot 2011, 102. 95 Fischer in FS Roxin, S. 557: „Ob diese Entscheidung nur Selbstverständliches klargestellt, Rechtssicherheit geschaffen, eine zutreffende oder unzutreffende Verschiebung von Grenzen vorgenommen oder die Schwelle zur Sterbehilfe wesentlich gesenkt hat, ist, wie beinahe alles auf diesem Gebiet, umstritten.“ 96 Verrel NStZ 2010, 671 (672). 97 Hecker JuS 2010, 1027 (1030). 98 Fischer in FS Roxin, S. 557 (572). 99 Gaede NJW 2010, 2925 ff.; zustimmend He. Schneider MittBayNot 2011, 102. 100 Lipp FamRZ 2010, 1555 (1556). 101 Bergmann/Wever MedR 2010, 635. 102 Bosch JA 2010, 908 (911). 91

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verlässliches Leitprinzip aufgezeigt“ 103; er habe „eine große Chance zur Klärung der Rechtslage und Befriedung der alltäglichen Konflikte in der medizinischen Praxis vertan“ 104, indem „die Urteilsgründe [. . .] mit ihren z. T. erheblichen Ungereimtheiten selbst den geneigten Leser ratlos zurück“ 105 ließen und „zu vielen ungeklärten Folgeproblemen“ 106 führten.107 Hauptkritikpunkt ist der in der Urteilsbegründung nicht ausreichend aufgelöste Konflikt mit § 216 StGB,108 der Einwilligungssperre im Hinblick auf eine vorsätzliche Tötung. So spricht der BGH zum einen davon, dass die §§ 212, 216 StGB durch die §§ 1901a ff. BGB n. F. „unberührt“ blieben109 und über die Strafbarkeit „im Grundsatz autonom nach materiell strafrechtlichen Kriterien“ zu entscheiden sei110 – zum anderen sieht er sich durch die Neuregelung aber nicht an frühere Entscheidungen gebunden111 und formuliert unter dem Aspekt der Einheit der Rechtsordnung sogar ausdrücklich: „Diese Neuregelung entfaltet auch für das Strafrecht Wirkung.“ 112 Insofern bleibt unklar, wieso § 216 StGB im Fall des Behandlungsabbruchs einer rechtfertigenden Einwilligung nicht entgegensteht, zumal der BGH § 216 StGB auch auf eine Tötung durch Unterlassen anwenden will;113 vor allem aber widerspricht sich der 2. Strafsenat mit diesen gegensätzlichen Formulierungen im Grunde selbst.114 Die angesprochenen Folgeprobleme liegen neben der aufgeworfenen Frage nach der Akzessorietät der strafrechtlichen Beurteilung zu den verfahrensrechtlichen Vorgaben der §§ 1901a ff. BGB unter anderem darin, wie bzw. ob eine 103

Bosch JA 2010, 908 (911). Duttge MedR 2011, 36. 105 Duttge MedR 2011, 36, dies geht einher mit einer Kritik an der dogmatischen Konstruktion einer „methodisch ,freischöpferisch‘ – gezogenen Begrenzung“, so ders. MedR 2011, 36 (38). 106 Eidam GA 2011, 232 (241). 107 Aber auch gemäßigtere Stimmen in der Literatur sollen nicht unerwähnt bleiben: Mandla NStZ 2010, 698 (699): „Im Ergebnis ist dem BGH zuzustimmen. Die Begründung vermag aber nicht in allen Punkten zu überzeugen.“; Engländer JZ 2011, 513: Der Entscheidung des BGH „ist im Ansatz zuzustimmen, doch überzeugt die Begründung nicht vollständig“; Rosenau in FS Rissing-van Saan, S. 547 (548): „Dem Urteil ist angesichts des herrschenden Tabus bei Fragen der aktiven Sterbehilfe für seinen Mut Anerkennung zu zollen. Offene Fragen, die bleiben, erscheinen demgegenüber zweitrangig.“; Roxin GA 2013, 313 (316): „Das Urteil des BGH hat [. . .] im Wesentlichen Zustimmung gefunden und wird die künftige Rechtsprechung bestimmen.“ 108 Duttge MedR 2011, 36 (37 f.); Hörr, S. 115. 109 BGHSt 55, 191 (199 Rn. 25, 205 Rn. 37). 110 BGHSt 55, 191 (200 Rn. 25). 111 BGHSt 55, 191 (206 Rn. 40). 112 BGHSt 55, 191 (199 Rn. 25). 113 BGHSt 55, 191 (202 Rn. 29); 13, 162 (166); 32, 367 (371). 114 So kritisieren Verrel NStZ 2010, 671 (674): „auf das [. . .] Hin und Her seiner Ausführungen [. . .] kann man sich nur schwer einen Reim machen“; ähnlich auch Eidam GA 2011, 232 (237): „kein klares Bild“; Hirsch JR 2011, 37 (39): „unscharf“. 104

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Rechtfertigung des Behandlungsabbruchs bei einem nicht betreuten Patienten zu erfolgen hat115 und wie weit die Erweiterung der Rechtfertigungswirkung auf Dritte116 tatsächlich reichen soll, um einen geordneten Klinikablauf nicht zu gefährden.117 All diese Kritikpunkte führen für einige Stimmen in der Literatur dazu, auch weiterhin an der Einordnung eines Behandlungsabbruchs als Unterlassen durch Tun festzuhalten:118 So sei eine mit § 216 StGB in Einklang stehende Lösung nur bei der Annahme eines Unterlassens möglich,119 auf dieses finde § 216 StGB entgegen der Ansicht des BGH nämlich keine Anwendung.120 Zudem wäre dann die erlaubte Sterbehilfe anstatt für jeden beliebigen Dritten nur für Garantenpflichtige eröffnet.121 c) Konsequenzen für die folgende Betrachtung Es würde an dieser Stelle zu weit führen, die vom BGH entwickelte Rechtfertigungslösung grundsätzlich zu hinterfragen, da es die Auseinandersetzung mit der „richtigen“ Einordnung des Behandlungsabbruchs erforderlich machte. Zudem sind ausführliche Darstellungen dazu bereits in Vielzahl vorhanden, auf welche an dieser Stelle verwiesen sei.122 Stattdessen bildet in dieser Arbeit die Entscheidung des BGH den Ausgangspunkt für die Frage nach der Beachtlichkeit der Verfahrensvorgaben der §§ 1901a ff. BGB für die strafrechtliche Bewertung, um auf ihrer Grundlage eine möglichst schlüssige Lösung zu entwickeln. Daher sind – statt dieses von der 115

Hörr, S. 115: Insoweit führe die Einwilligungslösung zu Lücken. Nach He. Schneider MittBayNot 2011, 102 (105) lasse sich entgegen der Ansicht des BGH allein aus dem Begriff des Behandlungsabbruchs eine Erweiterung der Rechtfertigung auf Dritte nicht ableiten – die Argumentation des BGH sei insoweit „dogmatisch anfechtbar und auch im Ergebnis fragwürdig“. 117 He. Schneider MittBayNot 2011, 102 (106): „Die Lösung des BGH [. . .] legitimiert auch Übergriffe in die Arbeitsabläufe von Krankenhäusern, Pflegeheimen und Hospizen, die für die Mitarbeiter dieser Einrichtungen nicht zumutbar sind. So ist es [. . .] denkbar, dass durch Bevollmächtigte oder Betreuer [. . .] Schläuche abgeschnitten, elektrische Kabel durchtrennt, Stecker gezogen oder Venenzugänge entfernt werden.“; vgl. auch Kubiciel ZJS 2010, 656 (661), der aus diesem Grund die Einführung eines „Sterbehilfe-Begleitgesetz[es]“ fordert. 118 Ast ZStW 124 (2012), 612 (627 f.); Hörr, S. 117 f.; Walter ZIS 2011, 76 (78). 119 Duttge MedR 2011, 36 (37). 120 Sch/Sch29 /Eser/Sternberg-Lieben § 216 StGB Rn. 10; Fischer62 § 216 Rn. 6; LK-StGB11 /Jähnke § 216 Rn. 9; SSW-StGB2 /Momsen § 216 Rn. 11; Hörr, S. 104; Arth. Kaufmann in FS Roxin, S. 841 (849). 121 Duttge MedR 2011, 36 (38); Hörr, S. 116. 122 Insbesondere findet sich eine Betrachtung der Akzessorietätsproblematik von einem „Unterlassen durch Tun“ ausgehend und damit der bisherigen herrschenden Meinung zur Einordnung des Behandlungsabbruchs folgend bereits bei Hörr Passive Sterbehilfe und betreuungsgerichtliche Kontrolle, Baden-Baden 2011. 116

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Literatur teilweise geforderten Ausweichens auf die ebenfalls mit nicht unerheblicher Kritik gewürdigte Konstruktion des Unterlassens durch Tun123 – die einzelnen Kritikpunkte bei der Frage nach der Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB zu berücksichtigen: So wird die Rechtsnatur der Patientenverfügung als „Einwilligung“ in ihrem Verhältnis zu § 216 StGB genauer betrachtet werden müssen – insbesondere gilt es dabei herauszuarbeiten, ob angesichts der Neuregelungen der §§ 1901a ff. BGB überhaupt ein unüberwindbarer Konflikt mit § 216 StGB besteht. Die Befürchtung eventuell entstehender Regelungsbzw. Rechtfertigungslücken bezüglich eines Behandlungsabbruchs am nicht betreuten Patienten ist im Rahmen einer argumentativen Auseinandersetzung mit einer strengen (und damit abschließenden) Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB als damit einhergehender Nachteil zu berücksichtigen. Schließlich ist auch das Verhalten des Bevollmächtigten bzw. Betreuers, die vorstehend als „Dritte“ bezeichnet wurden, genauer ins Auge zu fassen – schließlich stellen die §§ 1901a ff. BGB auch an deren Verhalten besondere Verfahrensanforderungen, die bei einer strengen Akzessorietät auch im Strafrecht zu beachten wären. 3. Mögliche Straflosigkeit bei Handeln im Zusammenhang mit Patientenverfügungen Der BGH bezeichnet die Legitimationswirkung der Patientenverfügung als „Einwilligung“ 124 und stellt damit die Verbindung zu dem klassischen Rechtfertigungsgrund her. Offen bleibt aber mangels präziserer Bezeichnung die genaue Einordnung der Patientenverfügung in das System bislang anerkannter Einwilligungsformen.125 Diese Einordnung kann zwar auch an dieser Stelle noch nicht 123

Die Umdeutung des nach natürlichem Erscheinungsbild als aktives Tun einzuordnenen Verhaltens vermenge Verhalten (aktiv/passiv) mit dem Verhaltensziel (keine Weiterbehandlung), so LK1111 /Jähnke Vor § 211 Rn. 18; Czerner JR 2005, 94 (98) kritisiert die Konstruktion des Unterlassens durch Tun insofern als dogmatisch fragwürdig („Umetikettierungsversuche“ mit „unzureichende[r] dogmatische[r] Fundierung“) und fordert zur Klarstellung zumindest eine Umbenennung in „Unterlassen trotz Tun“. Zudem führt diese Konstruktion bei einem Behandlungsabbruch durch Dritte entweder zu einer fragwürdigen Zurechnung (LK1111 /Jähnke Vor § 211 Rn. 18; v. Dellingshausen, S. 470 f.) oder zu unbefriedigenden, weil uneinheitlichen Ergebnissen – für die mit der medizinischen Betreuung Verantwortlichen wäre der Tatbestand ausgeschlossen, für Dritte hingegen wäre nur ggf. ein Ausschluss auf anderer Ebene möglich. 124 BGHSt 55, 191 (204 Rn. 34). 125 Dies kritisierend Eidam GA 2011, 232 (240); Gaede NJW 2010, 2925 (2927); in Bezug auf eine frühere Entscheidung des BGH (BGHSt 40, 257 ff.) wurde andererseits auch die genaue Bezeichnung der Patientenverfügung als „mutmaßliche Einwilligung“ kritisiert von Popp ZStW 118 (2006), 639 (643): „Der damit unternommene Versuch, die Patientenautonomie bei Behandlungsabbruch innerhalb der Kategorien der tatsächlich erteilten oder nur mutmaßlichen Einwilligung zu erfassen, wird freilich den hier denkbaren Fallgestaltungen nur unzureichend gerecht.“; die schlichte Einordnung der Patientenverfügung als eine Form der bisher anerkannten Einwilligungen greift wohl in der Tat etwas zu kurz, da auf diese Weise unklar bleibt, ob trotzdem spezielle Anforde-

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erfolgen, da sich die Frage nach der Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB auf die genauere Einordnung auswirken könnte: Wäre letztere zu bejahen, käme die Einordnung der Patientenverfügung als spezielle, die anderen möglichen Einwilligungsformen verdrängende Einwilligung oder als abschließende Konkretisierung einer „normalen“ Einwilligungsform in Betracht; diese beiden Varianten wären hingegen bei Ablehnung einer strengen Akzessorietät zu den §§ 1901a ff. BGB ausgeschlossen. Doch sollen an dieser Stelle die verschiedenen Möglichkeiten, eine Willensäußerung im Sinne des § 1901a BGB in das System der verschiedenen Einwilligungsformen einzuordnen, zwecks eines Überblicks aufgezeigt werden. a) Patientenverfügung als antizipierte Einwilligung? Wenn die Patientenverfügung als „antizipierte Einwilligung“ 126 bezeichnet wird, sagt dies indes nicht zwingend etwas über die genauere Einordnung aus,127 sondern stellt nur den besonderen Zeitpunkt der Einwilligungserteilung in den Vordergrund: Die tatsächliche Einwilligung wird typischerweise zeitnah vor dem Rechtsgutseingriff erteilt,128 da die erteilte Einwilligung für ihre Wirksamkeit auch noch dem aktuellen tatsächlichen Willen entsprechen muss; bei der für die mutmaßliche und die hypothetische Einwilligung erforderlichen hypothetischen Betrachtung wird auf denselben Zeitpunkt abgestellt. Zwischen der Patientenverfügung und dem Behandlungsabbruch kann hingegen auch ein sehr langer Zeitraum liegen.129 Meist wird eine Patientenverfügung wohl sogar in erheblichem rungen zu stellen sind (so bei einer Konkretisierung einer bisherigen Einwilligungsform) oder ob die allgemein für diese Einwilligungsform geltenden Maßstäbe Anwendung finden – insofern muss die Einordnung das Ergebnis einer genaueren Auseinandersetzung mit den Anforderungen an eine Rechtfertigung durch Patientenverfügung darstellen. 126 So bspw. Deutsch NJW 1979, 1905; Eidam GA 2011, 232 (240); Gaede NJW 2010, 2925 (2927); Hoyer in Igl/Welti (Hrsg.), Gesundheitsrecht2, Rn. 1345: „antezipierte Einwilligung“. 127 Gleichwohl legt die Formulierung die Einordnung als spezielle Art der Einwilligung nahe. 128 Für die zeitliche Nähe als zwingende Voraussetzung Roth JZ 2004, 494 (496); Conradi, S. 129 empfiehlt eine zeitliche Nähe für den Regelfall; jedenfalls muss die Einwilligung immer im Vorfeld der Rechtsgutsverletzung erteilt werden, RGSt 25, 375 (383); BGHSt 17, 359 (360); BeckOK-StGB/Eschelbach § 228 Rn. 17; Lackner/ Kühl28 /Kühl § 228 Rn. 4; A. Ehlers, S. 61. 129 Der niedergelegte Wille wirkt auch nach Eintritt der Einwilligungsunfähigkeit entsprechend § 130 Abs. 2 BGB fort, s. dazu BGHZ 154, 205 (210 f.); LG WaldshutTiengen NJW 2006, 2270 (2271); MK-BGB6 /D. Schwab § 1904 Rn. 18; Ulsenheimer in FS Eser, S. 1225 (1230 f.); Hahne FamRZ 2003, 1619 (1620); dies. DRiZ 2005, 244 (245); Hillgruber ZfL 2006, 70 (78); Höfling/Rixen JZ 2003, 884 (890); Langenfeld ZEV 2003, 449 (451); Otto NJW 2006, 2217 (2219); Renner NotBZ 2003, 245 (249); Seichter KritV 2004, 451 (461); Sternberg-Lieben in FS Eser, S. 1185 (1197); Stoffers, S. 69 ff.; Taupitz 63. DJT, A 41; Milzer NJW 2004, 2277 f.: kein Rechtsgeschäft mit

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zeitlichem Abstand zum Eintritt der Einwilligungsunfähigkeit verfasst worden sein, sodass der Adressatenkreis bei Abfassung noch unbestimmt ist.130 Ob weitere Unterschiede zu den herkömmlichen Formen der Einwilligung bestehen und ob dieser vorstehende zeitliche Unterschied im Rahmen der Anforderungen an die Wirksamkeit der Einwilligung zu berücksichtigen ist, bleibt im Folgenden näher zu untersuchen. aa) „Klassische“ Einwilligungsformen Um die möglichen Einordnungen einer Willensäußerung nach § 1901a BGB aufzuzeigen, bedarf es aber zunächst einer groben Betrachtung der einzelnen, bisher mehr oder weniger anerkannten Einwilligungsformen. (1) Tatsächliche Einwilligung Die Rechtfertigung auf Grund tatsächlicher Einwilligung131 hat im Strafrecht bezüglich einer Körperverletzung in § 228 StGB Niederschlag gefunden,132 im Übrigen handelt es sich um einen (fast) allgemein gewohnheitsrechtlich anerkannten ungeschriebenen Rechtfertigungsgrund;133 für das Zivilrecht besteht inzwischen sogar eine ausdrückliche gesetzliche Regelung der Einwilligung im Rahmen eines Behandlungsvertrags, s. § 630d BGB. Angesichts des zu Grunde liegenden Gedankens der Autonomie des Einzelnen134 ist für die Wirksamkeit der Einwilligung die Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Einwilligenden erforderlich, dieser muss also nach seiner geistigen und sittlichen Entwicklung in der Lage sein, die Bedeutung des Eingriffs in seine Rechte und seines Verzichts auf „ablaufendem Haltbarkeitsdatum“; vgl. auch Lipp in May/Geißendörfer/Simon/Strätling (Hrsg.), Passive Sterbehilfe: Besteht gesetzlicher Regelungsbedarf?, S. 37 (43). 130 Lipp FamRZ 2004, 317 (320); Roth JZ 2004, 494 (496); vgl. auch Olzen/ F. Schneider MedR 2010, 745 (746): jeder an Behandlung und Pflege Beteiligter sei möglicher Adressat. 131 Die rechtfertigende Einwilligung ist von dem tatbestandsausschließenden Einverständnis abzugrenzen – kann der Verletzte die Tathandlung selber begehen, ist der Tatbestand einwilligungsfähig und nicht bereits durch ein tatbestandsausschließendes Einverständnis ausgeschlossen, s. Kindhäuser in FS Rudolphi, S. 135 ff. 132 Unter anderem deshalb ist auch die Mindermeinung (so z. B. MK-StGB2 /Schlehofer Vorbemerkung zu den §§ 32 ff. Rn. 126 ff.; Jäger Zurechnung, S. 22 f.; Kühne JZ 1979, 241 f.; Roxin AT I4 § 13 Rn. 11 ff. m.w. N.) abzulehnen, nach der die Einwilligung als Rechtfertigungsgrund neben einem tatbestandsausschließenden Einverständnis nicht anzuerkennen ist. 133 Statt vieler Sch/Sch29 /Lenckner/Sternberg-Lieben Vor §§ 32 ff. Rn. 33; Heinrich AT4 Rn. 453; Sowada NStZ 2012, 1 (4). 134 Göbel, S. 19 ff.; Rönnau Jura 2002, 595 ff.; Stefanopoulou ZStW 124 (2012), 689 (702); insofern wird die Einwilligung auf folgenden Grundsatz zurückgeführt: „Volenti non fit iniuria“ – „dem, der es so haben will, geschieht kein Unrecht“, s. Heinrich AT4 Rn. 453 mit Verweis auf die geschichtliche Betrachtung dieses Grundsatzes bei Jescheck/Weigend AT5 § 34 II 1; Roxin AT I4 § 13 Rn. 1.

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Rechtsschutz zu überschauen.135 Zudem darf der Einwilligende keinen beachtlichen136 Willensmängeln unterliegen,137 sodass bei ärztlichen Heileingriffen eine Aufklärung erforderlich ist, die dem Einwilligenden eine autonome Entscheidung ermöglicht;138 durch die Aufklärung soll der Patient in die Lage versetzt werden, Art, Chancen sowie die Risiken der vorgesehenen Maßnahme einschätzen zu können.139 Wenn sich dann die Einwilligung bei Erfolgsdelikten140 nicht nur auf die Handlung,141 sondern auch auf den tatbestandsmäßigen Erfolg bezieht142 und das betroffene Rechtsgut zur Disposition des Einwilligenden steht,143 führt diese Zustimmung bezüglich der davon erfassten Rechtsgutsverletzung zu einer Rechtfertigung. Die Disponibilität des Rechtsguts fehlt bei Rechtsgütern der Allgemeinheit144 und im Anwendungsbereich von § 216 StGB (Tötung auf Verlangen) und § 228 StGB (Körperverletzung entgegen den guten Sitten145). (2) Mutmaßliche Einwilligung Konnte eine tatsächliche Einwilligung nicht rechtzeitig eingeholt werden, klassischerweise bei einer lebensrettenden Notoperation eines bewusstlosen Unfallopfers,146 kommt eine Rechtfertigung durch mutmaßliche Einwilligung in Be135 Krey/Esser AT5 Rn. 660; Kühl AT7 § 9 Rn. 33; Stratenwerth/Kuhlen AT6 § 9 Rn. 24 f.; Wessels/Beulke/Satzger AT44 Rn. 374 f. 136 Willensmängel i. S. d. § 240 StGB sind beachtlich, reine Motivirrtümer hingegen unbeachtlich, vgl. Heinrich AT4 Rn. 461, 468 ff.; Krey/Esser AT5 Rn. 661. 137 Krey/Esser AT5 Rn. 661. 138 Krey/Esser AT5 Rn. 669a. 139 BVerfG NJW 1979, 1925 (1929 ff.); BGHZ 29, 46 (51); 29, 176 (180); BGH NJW 1956, 1106 ff.; Fischer62 § 228 Rn. 13; Krey/Esser AT5 Rn. 669a. 140 Bei Fahrlässigkeitsdelikten bestehen ggf. andere Schwierigkeiten, vgl. insb. zur Problematik der Einwilligung in eine fahrlässige Tötung und die diesbezüglich vertretene sog. Einwilligungslehre Stefanopoulou ZStW 124 (2012), 689 ff. 141 BeckOK-StGB/Eschelbach § 228 (Ed. 28) Rn. 17; Fischer62 § 228 Rn. 5. 142 Krey/Esser AT5 Rn. 669a; Preuß, S. 137 ff.; Roxin AT I4 § 13 Rn. 78, § 24 Rn. 108; a. A. OLG Düsseldorf JuS 1998, 274 (275); Schaffstein in FS Welzel (1974), S. 557 (563 ff.). 143 Duttge Jura 2006, 15; Heinrich AT4 Rn. 455; Kindhäuser AT6 § 12 Rn. 10; Otto Jura 2004, 679 (680); Rönnau Jura 2002, 665 (667); ders. JuS 2007, 18 (19); Roxin AT I4 § 13 Rn. 33 ff.; Wessels/Beulke/Satzger AT44 Rn. 372; dafür muss es sich bei dem Einwilligenden um den Rechtsgutsinhaber bzw. einen von diesem zur Einwilligung Ermächtigten handeln (Krey/Esser AT5 Rn. 665) und das betroffene Rechtsgut disponibel sein. 144 Krey/Esser AT5 Rn. 663. 145 § 228 StGB sperrt die rechtfertigende Einwilligung, wenn die entsprechende Körperverletzung nach einer Gesamtbeurteilung ex ante gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, wobei auf Art und Gewicht des Körperverletzungserfolgs sowie den Grad der möglichen Lebensgefahr abzustellen ist, vgl. Krey/Esser AT5 Rn. 664. 146 Kühl AT7 § 9 Rn. 46; Sowada NStZ 2012, 1 (4).

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tracht: Dafür muss davon auszugehen sein, dass der Patient wirksam eingewilligt hätte, wenn eine Einholung der Einwilligung zeitlich möglich gewesen wäre.147 Zwar ist ihre genauere rechtliche Einordnung umstritten – neben der Einstufung als Unterfall von § 34 StGB148 oder der zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag149 wird die mutmaßliche Einwilligung teilweise auch als eigenständiger Rechtfertigungsgrund150 eingeordnet –, doch ist auch sie jedenfalls als gewohnheitsrechtlicher Rechtfertigungsgrund anerkannt151 und wurde im Zivilrecht durch das Patientenrechtegesetz gesetzlich geregelt (§ 630d Abs. 1 S. 4 BGB).152 Die h. M. geht dabei davon aus, dass der entscheidende Maßstab eine hypothetische Betrachtung des individuellen Willens des Rechtsgutsinhabers ist, also eine subjektive Sichtweise entscheidet; nur dann erscheint auch die Einordnung der mutmaßlichen Einwilligung als „Einwilligungssurrogat“ passend.153 Die mutmaßliche Einwilligung ersetzt die tatsächliche Einwilligung vollwertig: Stellt sich im Nachhinein heraus, dass der angenommene mutmaßliche Wille nicht dem wirklichen Willen des Rechtsgutsinhabers entsprach, bleibt die Tat gerechtfertigt.154 Auf Grund dieses Risikos der Fehleinschätzung155 darf auf das Einwilligungssurrogat156 der mutmaßlichen Einwilligung nur subsidiär, also nur wenn die Einholung der tatsächlichen Einwilligung nicht möglich ist,157 zurückgegriffen werden.158 147 Sch/Sch29 /Lenckner/Sternberg-Lieben Vor §§ 32 ff. Rn. 54; Yoshida in FS Roxin, 401 (402). 148 Damit Maßgeblichkeit einer objektiven Interessenbewertung im Rahmen der Güterabwägung; so Otto AT7 § 8 Rn. 131; Welzel, S. 92: Unterfall des übergesetzlichen Notstands. 149 Dies bedeutete, dass objektive und subjektive Kriterien zu berücksichtigen sind; so Heyers, S. 100 f. 150 In diesem Fall wäre wohl nur auf den hypothetischen Patientenwillen und damit eine subjektive Sichtweise abzustellen; so Fischer62 Vor § 32 Rn. 4; Lackner/Kühl28 / Kühl Vor § 32 Rn. 21; Sch/Sch29 /Lenckner/Sternberg-Lieben Vor §§ 32 ff., Rn. 56; LK-StGB12 /Rönnau Vor § 32 Rn. 217; Rengier AT6 § 23 Rn. 58 ff.; Sowada NStZ 2012, 1 (5); Thias, S. 144. 151 BGHSt 35, 246 (249); 40, 257 (263); NK-StGB4 /Paeffgen Vorbemerkungen zu den §§ 32 ff. Rn. 157; Roxin AT I4 § 18 Rn. 8. 152 Zu dieser Regelung vgl. Spickhoff ZRP 2012, 65 (67 f.). 153 Sch/Sch29 /Lenckner/Sternberg-Lieben Vor §§ 32 ff., Rn. 54; Mitsch in Baumann/ Weber/Mitsch AT11 § 17 Rn. 115; Rengier AT6 § 23 Rn. 49; Sowada NStZ 2012, 1 (4). 154 BayObLG JZ 1983, 268; Geppert JZ 1988, 1024 (1026); Heinrich AT4 Rn. 477; Rengier AT6 § 23 Rn. 51; Rudolphi in GS Schröder, S. 73 (86 ff.); Sowada NStZ 2012, 1 (5); a. A. Frister AT6 Kap. 15 Rn. 32; für das Vorliegen eines Erlaubnistatbestandsirrtums BGHSt 11, 111 (114); 35, 246 (250); Schroth in Roxin/Schroth (Hrsg.), Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 21 (41). 155 Sowada NStZ 2012, 1 (5). 156 Sch/Sch29 /Lenckner/Sternberg-Lieben Vor §§ 32 ff. Rn. 54; Mitsch in Baumann/ Weber/Mitsch AT11 § 17 Rn. 115; Rengier AT6 § 23 Rn. 49; Sowada NStZ 2012, 1 (4). 157 Es reicht wohl bereits aus, wenn die Einholung der tatsächlichen Einwilligung „völlig unvernünftig wäre“, Schroth in Roxin/Schroth (Hrsg.), Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 21 (40).

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(3) Hypothetische Einwilligung Das Eingreifen einer hypothetischen Einwilligung kommt hingegen sogar in jedem Fall einer fehlenden wirksamen tatsächlichen Einwilligung in Betracht – sei es, dass keine tatsächliche Einwilligung eingeholt wurde (selbst bei Möglichkeit ihrer Einholung) oder dass die eingeholte tatsächliche Einwilligung auf Grund unzureichender (ärztlicher) Aufklärung im Vorfeld unwirksam ist. Hätte der Patient dem Eingriff auch nach ordnungsgemäßer Aufklärung zugestimmt,159 entfällt bei Anerkennung der hypothetischen Einwilligung der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen Aufklärung und Erfolg.160 Wie bei der mutmaßlichen Einwilligung entscheiden also auch bei der hypothetischen Einwilligung bloße Mutmaßungen über die Rechtswidrigkeit der Rechtsgutsverletzung161 – anders als die mutmaßliche greift die hypothetische Einwilligung aber gerade in den Fällen, in denen ausreichend Zeit für die Einholung einer wirksamen tatsächlichen Einwilligung gewesen wäre,162 sodass für sie der Grundsatz der Subsidiarität gerade nicht gilt, obwohl sie mit den gleichen Unsicherheiten behaftet ist. Unter anderem163 deshalb, und weil die hypothetische Einwilligung das Erfordernis der ärztlichen Aufklärung in für das Selbstbestimmungsrecht des Patienten bedenklicher Weise aushöhlt,164 kann sie strafrechtlich nicht als allgemein anerkannte Rechtsfigur eingeordnet werden. Im Zivilrecht entspricht die hypothetische Einwilligung hingegen als Beweislastregel165 der ständigen Rechtsprechung166 und wurde durch das Patientenrechtegesetz in § 630h Abs. 2 S. 2 BGB einer gesetzlichen Regelung zugeführt.167 158 LK-StGB12 /Rönnau Vor § 32 Rn. 222; Kühl AT6 § 9 Rn. 46; Roxin AT I4 § 18 Rn. 10 ff.; Sowada NStZ 2012, 1 (5). 159 Jahn JuS 2011, 468 (469); Krey/Esser AT5 Rn. 669a; Rönnau JuS 2014, 882 (883). 160 Hoyer in Igl/Welti (Hrsg.), Gesundheitsrecht2, Rn. 1369; Ulsenheimer Arztstrafrecht in der Praxis4, S. 179. 161 Sowada NStZ 2012, 1 (5). 162 Sowada NStZ 2012, 1 (5). 163 Eine umfassendere Darstellung der Kritik findet sich z. B. bei Sowada NStZ 2012, 1 (6 ff.). 164 Riedelmeier, S. 82 ff., 86; Sowada NStZ 2012, 1 (7). 165 Der Arzt ist im Zivilprozess im Hinblick auf die Einhaltung der Aufklärungspflichten darlegungs- und beweispflichtig. Da dies im Einzelfall schwer fallen kann, wird dem Arzt die Möglichkeit eröffnet, sich durch den Beweis zu entlasten, dass der Patient jedenfalls bei ordnungsgemäßer Aufklärung eingewilligt hätte. Siehe dazu G. Merkel JZ 2013, 975; bereits aus der Einordnung als Beweislastregel zieht Puppe AT2 § 11 Rn. 22 Fn. 23 die Konsequenz, die Übertragbarkeit auf das Strafrecht abzulehnen, schließlich sei ein Heileingriff bei fehlender Aufklärung auch zivilrechtlich rechtswidrig. 166 BGH NJW 1991, 1543 f.; BGHZ 90, 103 ff.; BGH VersR 1980, 428 ff. 167 Vgl. dazu G. Merkel JZ 2013, 975 ff.; zu den Auswirkungen der zivilrechtlichen Normierung vgl. Conrad/Koranyi JuS 2013, 979 ff.

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bb) Überblick über eine mögliche Einordnung der Patientenverfügung (1) § 1901a Abs. 1 BGB Die schriftliche Festlegung „ein[es] einwilligungsfähige[n] Volljährige[n] für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit [. . .], ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt“ – so die Legaldefinition der Patientenverfügung in § 1901a Abs. 1 S. 1 BGB –, scheint auf den ersten Blick, abgesehen vom typischerweise unterschiedlichen Zeitpunkt ihrer Abgabe, der tatsächlichen Einwilligung zu entsprechen: Der Rechtsgutsinhaber disponiert über seine körperliche Unversehrtheit, ggf. auch über sein Leben. Auch der Wortlaut („einwilligt“) legt diesen Schluss nahe. Allerdings spricht der Wortlaut von keiner erforderlichen ärztlichen Aufklärung im Vorfeld der Patientenverfügung168 – bei der gewohnheitsrechtlich ausgestalteten tatsächlichen Einwilligung ist diese hingegen grundsätzlich erforderlich,169 muss also durch diesbezüglichen Verzicht abbedungen werden; freilich könnte in der Abfassung einer Patientenverfügung ein solcher konkludenter Aufklärungsverzicht gesehen werden. Außerdem müssen in einer Patientenverfügung zwar „bestimmte“ Untersuchungen beschrieben werden, die auf die „aktuelle Lebensund Behandlungssituation zutreffen“ (§ 1901a Abs. 1 S. 1 a. E.), diese stehen aber zum Zeitpunkt der Abfassung noch gar nicht unmittelbar bevor, sodass es möglich erscheint, dass sich die Einschätzung des Patienten beim Eintritt der Behand168 Das Erfordernis einer ärztlichen Aufklärung war vor Erlass des 3. BtÄndG von einigen Stimmen in der Literatur gefordert worden (Heyers, S. 120; Taupitz 63. DJT, A 113), insbesondere weil ein gesunder Patient die Situation des eigenen Sterbens nicht richtig erfassen könne, schließlich ändere sich die Einstellung vieler Patienten zugunsten eines Weiterlebens in Angesicht des näher rückenden Todes (Heyers, S. 109; Schöllhammer, S. 101; Thias, S. 108). Zwar spricht bspw. der Aspekt, dass Patienten sonst evtl. von der Abfassung einer Patientenverfügung abgeschreckt würden (Mohr Die Ersatzkasse 2009, 24 (25); Strätling/Fieber/Bartmann/Sedemund-Adib/Scharf/Schmucker MedR 2005, 579 (588); Tamm VuR 2009, 449 (454)), gegen das Erfordernis einer ärztlichen Aufklärung, doch hat der Gesetzgeber nach Einschätzung von Spickhoff FamRZ 2009, 1949 (1952) seine Ansicht – nämlich den Verzicht auf eine vorherige Aufklärung (BT-Drs. 16/13314, S. 21) – nicht ausreichend begründet. Nach Röthel AcP 211 (2011), 196 (201, 206) ergeben sich aus dieser „Formfreiheit“ für antizipative (leidensfreie, noch nicht auf eine Leidenserfahrung aufbauende) Patientenerklärungen große Freiheitsverluste. Sie fordert daher das Erfordernis einer ärztlichen Aufklärung ein, AcP 211 (2011, 196 (213); ebenfalls Kritik am Verzicht auf eine verpflichtende ärztliche Beratung üben Höfling NJW 2009, 2849 (2852); Probst FF 2010, 144 (147). In der Gesetzesbegründung zu den §§ 1901a ff. BGB ordnet der Gesetzgeber „[e]ine Verknüpfung von Beratung [. . .] mit der Wirksamkeit oder der Verbindlichkeit einer Patientenverfügung“ ausdrücklich als „nicht gerechtfertigt“ ein; stattdessen sei die Ablehnung einer ärztlichen Maßnahme ohnehin auch ohne vorangegangene Aufklärung wirksam, bei Einwilligung in eine ärztliche Maßnahme habe der Patient einen Aufklärungsverzicht zu erklären und trüge damit selbst das Risiko nicht hinreichend konkreter Formulierungen, BT-Drs. 16/8442, S. 14. 169 Krey/Esser AT5 Rn. 669a.

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lungssituation geändert hat, er aber auf Grund des Verlusts der Einwilligungsfähigkeit an die frühere Verfügung gebunden ist.170 Insofern würden, wenn in Bezug auf die (rechtfertigende) Einwilligung in Form einer Patientenverfügung keine zusätzlichen speziellen Anforderungen gestellt würden, im Vergleich zu der tatsächlichen Einwilligung geringere formelle Anforderungen gestellt, obwohl eine stärkere Bindungswirkung besteht. Folglich erscheint der Ausgleich dieses Missverhältnisses durch zusätzliche spezielle Anforderungen an die Wirksamkeit und Bindungswirkung der Patientenverfügung und damit an die Rechtfertigung des auf ihrer Grundlage vorgenommenen Rechtsgutseingriffs – insbesondere durch Akzessorietät zu den in §§ 1901a ff. BGB formulierten Verfahrensvorgaben – vor dem Hintergrund der bereits anerkannten Einwilligungsformen ein durchaus gangbarer Weg zu sein, wenngleich das Erfordernis zusätzlicher Anforderungen und die Angemessenheit der im Betreuungsrecht aufgestellten Anforderungen noch darzulegen wären. Bei der Annahme (im Vergleich zur tatsächlichen Einwilligung) besonderer Anforderungen an die Rechtfertigung durch eine Patientenverfügung sind verschiedene dogmatische Konstruktionen denkbar171: Zum einen könnte die Patientenverfügung strafrechtlich gesehen als spezielle Rechtfertigung172 eingeordnet werden, die durch das Zivilrecht (§§ 1901a ff. BGB) – ähnlich wie auch die Rechtfertigungsgründe der §§ 228, 904 BGB – näher ausgestaltet wird; damit beanspruchten sämtliche Verfahrensanforderungen der §§ 1901a ff. BGB auch für die strafrechtliche Beurteilung eines Handelns gemäß einer Patientenverfügung Geltung. Diese spezielle Rechtfertigung könnte wiederum entweder – als lex specialis – gegenüber den herkömmlichen Einwilligungsformen abschließend sein oder sie könnte – im Sinne einer „Zweispurigkeit“ möglicher Rechtfertigung173 – bei Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift der §§ 1901a ff. BGB den Rückgriff auf die mutmaßliche Einwilligung zulassen.174 Auch eine strafrechts170 NK-StGB3 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 Rn. 110: Der Patient darf nicht „Gefangener seiner früheren schriftlichen Verfügung werden“. 171 Siehe dazu auch unter E. III. 172 So wohl Eidam GA 2011, 232 (240); Gaede NJW 2010, 2925 (2927): antizipierte Einwilligung; Hoyer in Igl/Welti (Hrsg.), Gesundheitsrecht2, Rn. 1345; Spickhoff FamRZ 2009, 1949 (1950). 173 Popp ZStW 118 (2006), 639 (680). 174 Auch nach der alten Rechtslage war umstritten, inwiefern neben der mit einer Genehmigung des Vormundschaftsgerichts (heute: Betreuungsgericht) gem. § 1904 BGB a. F. einhergehenden Patientenverfügung der Rückgriff auf eine andere Rechtfertigung zulässig ist – mangels strikter Bindungswirkung der Patientenverfügung wurde neben der speziellen Rechtfertigung damals noch eine mutmaßliche statt einer tatsächlichen Einwilligung diskutiert: Teilweise wurde angenommen, dass im Sinne der grundsätzlich freien Konkurrenz von Rechtfertigungsgründen eine genehmigte Einwilligung des Betreuers und eine mutmaßliche Einwilligung des Patienten als „eigenständige und unabhängig nebeneinander stehende Rechtfertigungsgründe“ (Stoffers, S. 522) existieren (LG Kempten v. 17.5.1995 – 2 Ks 13 Js 13155/93; vgl. auch OLG Schleswig

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autonome – also von den Verfahrensanforderungen der §§ 1901a ff. BGB unabhängige – spezielle Rechtfertigung anhand der vom BGH für den Behandlungsabbruch entwickelten sonstigen Kriterien wäre denkbar: Demnach wäre ein Handeln gemäß einer Patientenverfügung auch bei zivilrechtlichem Verfahrensunrecht strafrechtlich gerechtfertigt. Andererseits könnten die §§ 1901a ff. BGB die „klassischen Einwilligungsformen“, bei einer Patientenverfügung im Sinne von § 1901a Abs. 1 BGB im Besonderen die tatsächliche Einwilligung175, konkretisieren. Dabei wäre näher zu NJW-RR 2003, 435 (436 f.); LG München I NJW 1999, 1788 (1789); Coeppicus NJW 1998, 3381 (3382 f.); Holzhauer 57. DJT, B 80; Saliger KritV 1998, 118 (140 ff.); ders. JuS 1999, 16 (19 Fn. 44); Stoffers, S. 541 f.; Winkler-Wilfurth, S. 71; differenzierend Verrel JZ 1996, 224 (229); ders. JR 1999, 5 (8); ders. MedR 1999, 547 (550 i.V. m. Fn. 45); ders. KritV 2001, 440 (451 f. i.V. m. Fn. 65); vgl. auch Sternberg-Lieben in FS Lenckner, S. 349 (371 f. i.V. m. Fn. 107), s. zudem Ankermann MedR 1999, 387 (391); Otto Jura 1999, 434 (439); ders. ZfL 2002, 42 (46 f.); Saliger in FS Hassemer, S. 599 (613); i. E. auch BGHSt 40, 257 (262 ff.); zustimmend auch MK-StGB/Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 129: Zwar sei ein Rückgriff auf die mutmaßliche Einwilligung bei Verstoß gegen die verfahrensrechtlichen Vorgaben „strafrechtsdogmatisch anrüchig“, führe aber „letztendlich zu überzeugenden Ergebnissen“). Nach anderer Ansicht sollte die Genehmigung des Gerichts nach § 1904 BGB a. F. nur Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen sichern, sodass die Gerichtsentscheidung als rein deklaratorisch eingeordnet wurde und sich die rechtfertigende Wirkung allein aus dem Patientenwillen über das Institut der mutmaßlichen Einwilligung ergeben sollte (SK-StGB6 / Horn § 212 Rn. 24; Deichmann MDR 1995, 983 (984); Knauf, S. 149; vgl. in diese Richtung auch Dodegge/Fritsche NJ 2001, 176 (179); Stalinski BtPrax 1999, 86 (87 f.)). Schließlich wurde vertreten, dass die gerichtliche Genehmigung als Außengenehmigung bzw. ihre Versagung bezüglich einer Rechtfertigung auf Grund des mutmaßlichen Patientenwillens eine Sperrwirkung entfaltet, sodass nur die genehmigte Einwilligung Rechtfertigungswirkung entfaltet (Bienwald FamRZ 2002, 577 (578); Kutzer NStZ 1994, 110 (114); ders. ZRP 2000, 402 (403); Lipp DRiZ 2000, 231 (238 f.); Lipp in May/Geißendörfer/Simon/Strätling (Hrsg.), Passive Sterbehilfe: Besteht gesetzlicher Regelungsbedarf?, S. 37 (54 f.); Nagel, S. 88 f.; Opderbecke/Weißauer MedR 1998, 395 (396); G. Rieger, S. 127 f.; Schöch NStZ 1995, 153 (155 f.); Schöch in FS Hirsch, S. 693 (708 f.); Tolmein KJ 1996, 510 (522, 524); Vogel MDR 1995, 337 (338); Weißauer/Opderbecke MedR 1995, 456 (459 f.); vgl. auch Kuhlmann, S. 193; Lilie in Wienke/Lippert (Hrsg.), S. 75 (82); eine solche Exklusivität nimmt Popp ZStW 118 (2006), 639 (677 ff.) nur im Allgemeinen, nicht aber für den Betreuer an, trotz der mit dieser „Zweispurigkeit“ (Stoffers, S. 541) einhergehenden Rechtsunsicherheit; vgl. auch Bernsmann ZRP 1996, 87 (89 f.); s. zudem W. Baumann/Hartmann DNotZ 2000, 594 (600); Gründel NJW 1999, 3391 (3392); Helgerth JR 1995, 338 (340); Kutzer ZRP 1997, 117 (118); ders. MedR 2001, 77; Kutzer in May/Geißendörfer/Simon/Strätling (Hrsg.), Passive Sterbehilfe: Besteht gesetzlicher Regelungsbedarf?, S. 19 (21); Lipp BtPrax 2002, 47 (51); Lipp FamRZ 2004, 317 (320, 322 i.V. m. Fn. 85); Stolz FamRZ 1993, 642 (644); Taupitz 63. DJT, A 71; Tolmein MedR 1997, 534 (536). 175 Dabei geht es trotz der nach § 1901a Abs. 1 S. 1 a. E. BGB angeordneten notwendigen Beteiligung des Patientenvertreters um eine Einwilligung des Patienten selbst, da der Wortlaut des § 1901a Abs. 1 S. 1 BGB darauf Abstellt, dass der Patient „einwilligt“; demgegenüber willigt nach dem Wortlaut des § 1901a Abs. 2 BGB bei einem Handeln entsprechend des mutmaßlichen Patientenwillens der Patientenvertreter in die Heilbehandlung ein oder untersagt sie. Vgl. auch BT-Drs. 16/8442 S. 14: „[E]ine Einwilligung des Betreuers in die anstehende ärztliche Behandlung [ist] nicht erforderlich, da der Be-

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untersuchen, welche Vorgaben der §§ 1901a ff. BGB im Einzelnen für die strafrechtliche Rechtfertigung als notwendige Voraussetzung anzulegen sind; jedenfalls wäre bei Verstoß gegen diese Vorgaben auf Grund ihrer Subsidiarität kein Rückgriff auf die mutmaßliche Einwilligung möglich. Die dogmatische Einordnung der Rechtfertigungswirkung korreliert mit der zivilrechtlichen Rechtsnatur der Patientenverfügung, welche auch nach dem die Verbindlichkeit der Patientenverfügung festlegenden 3. BtÄndG176 weiterhin umstritten ist. Bis zu der gesetzlichen Neuregelung, die am 1.9.2009 in Kraft trat, war sogar die Verbindlichkeit der Patientenverfügung noch umstritten – das vertretene Spektrum reichte von weitgehender Unverbindlichkeit177 über die Stellung als Indiz im Rahmen der Ermittlung des mutmaßlichen Patientenwillens178 bis hin zu einer strikten und strafbewehrten Bindungswirkung;179 als sich jedoch die Stimmen in der Literatur, die eine Verbindlichkeit der Patientenverfügung forderten180 (insb. 63. DJT181), mehrten und auch der 12. Zivilsenat des BGH die Patientenverfügung als den Betreuer bindend anerkannt hatte, wurde durch die §§ 1901a ff. BGB n. F. immerhin eine ausdrückliche Regelung der Patientenvertreute diese Entscheidung bereits selbst getroffen hat und diese für den Betreuer bindend ist.“; vgl. dazu ausführlicher unter E. III. 3. a). 176 Patientenverfügungsgesetz in der Fassung des 3. Betreuungsrechtsänderungsgesetzes vom 29.7.2009, BGBl. I 2286. 177 Conradi, S. 602 ff.; Möllering, S. 52 f.; Spann MedR 1984, 13 (14). 178 Fröschle JZ 2000, 72 (76); Laufs NJW 1998, 3399 (3400); H.-J. Rieger DMW 1988, 999; Schreiber in FS Deutsch, S. 773 (782); Spickhoff NJW 2000, 2297 (2302); ders. JZ 2003, 739 (740); Verrel MedR 1999, 547 (548 f.). 179 NK-StGB3 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 Rn. 104 f., 108 ff.; Eisenbart, S. 181; Landwehr, S. 219; Scheffen ZRP 2000, 313 (316); Schöllhammer, S. 152; Sternberg-Lieben NJW 1985, 2734 (2738 f.); Uhlenbruck NJW 1978, 566 (569). 180 MK-StGB/Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 124 ff.; Eisenbart, S. 177 ff.; Koch in Zentrum für Medizinische Ethik (Hrsg.), Patientenverfügung und stellvertretende Entscheidung in rechtlicher, medizinischer und ethischer Sicht, S. 20 (31); Lipp DRiZ 2000, 231 (234); Otto NJW 2006, 2217 (2219); Saliger KritV 1998, 118 (137 f.); Schöllhammer, S. 152; Schroth GA 2006, 549 (552 ff.); Sternberg-Lieben NJW 1985, 2734 (2738); ders. in FS Eser, S. 1185 (1192 ff.); Uhlenbruck, S. 308 ff. Entsprechende konkrete Reformanregungen erfolgten durch den Referentenentwurf des BMJ vom 1.11.2004 (vgl. § 1901a BGB-E, abrufbar unter http://www.gesmat.bundes gerichtshof.de/gesetzesmaterialien/15_wp/betrraendg_3/refe_04-11-01.pdf); Arbeitsgruppe „Patientenautonomie am Lebensende“ in ihrem Bericht vom 10.6.2004 (S. 16 ff., 45 ff., abrufbar unter http://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/pdfs/ Patientenautonomie_am_Lebensende.pdf?__blob=publicationFile); Zwischenbericht der Enquête-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ vom 13.9.2004 (BTDrs. 15/3700, S. 17 ff., 37 ff.); „Alternativ-Entwurf Sterbehilfe“ (vgl. Schöch/Verrel GA 2005, 553 (563 ff.)); Stellungnahme des Nationalen Ethikrats „Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende“ (abrufbar unter www.ethikrat.org/stellungnahmen/pdf/ Stellungnahme_Patientenverfuegung.pdf.); auch alle vorgelegten Gesetzentwürfe ordneten die Patientenverfügung als verbindlich ein: BT-Drs. 16/8442 (Stünker), 16/11360 (Bosbach), 16/11493 (Zöller). 181 Taupitz 63. DJT, A 105 ff., 129 f.

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fügung geschaffen, die insbesondere in § 1901a Abs. 1 BGB einer auf die konkrete Behandlungssituation passenden, hinreichend bestimmten Patientenverfügung bindende Wirkung zuerkennt.182 Ist die Patientenverfügung hingegen nicht hinreichend bestimmt, sondern enthält eher allgemeiner gehaltene Richtlinien o. ä., ist sie bei Ermittlung des mutmaßlichen Willens im Rahmen des § 1901a Abs. 2 BGB zu berücksichtigen, insofern entscheidet der verfügende Patient durch den Grad an Bestimmtheit der Patientenverfügung selbst über die Reichweite ihrer Bindungswirkung.183 Selbst wenn einhellig von einer „Bindungswirkung“ der Patientenverfügung gesprochen wird, wird deren genauer Inhalt und damit die Rechtsnatur der Patientenverfügung auch nach der neuen Gesetzeslage unterschiedlich beurteilt: Während teilweise angenommen wird, dass die Patientenverfügung erst mit der Umsetzungsentscheidung durch den Patientenvertreter nach § 1901a Abs. 1 S. 1 a. E. BGB wirksam wird184 – dies bedeutete eine konstitutive Wirkung der Vertreterentscheidung,185 ohne die der Arzt außer in Notfällen186 nicht tätig werden dürfte187 –, nehmen andere an, dass die Patientenverfügung aus sich heraus inter omnes (Bindungs-)Wirkung entfaltet,188 teilweise 182

Vgl. dazu grundlegend BT-Drs. 16/8442, S. 14 f. So auch schon nach altem Recht Lipp in Laufs/Katzenmeier/Lipp (Hrsg.), ArztR6, VI. Rn. 150. 184 E. Albrecht/A. Albrecht MittBayNot 2009, 426 (433); dies. Rn. 39, 112 ff., 124 ff.; Diehn/Rebhan NJW 2010, 326 (327); G. Müller DNotZ 2010, 169 (174); Olzen/Metzmacher JR 2011, 318; Tamm VuR 2009, 449 (456); tendenziell auch BeckOKBGB/Müller § 1901a (Ed. 25) Rn. 19; Bühler/Stolz BtPrax 2009, 261 (266); Ihrig DNotZ 2011, 583 (585) zieht dies auch als Konsequenz aus der Entscheidung des BGH vom 10.11.2010; entsprechend bereits nach alter Rechtslage BGHZ 154, 205 ff.; E. Albrecht/A. Albrecht MittBayNot 2003, 348 (354); BÄK DÄBl. 2004, A 1298 (A 1299); Heyers, S. 371; Ingelfinger, S. 325; Lipp in Duttge (Hrsg.), Perspektiven des Medizinrechts im 21. Jahrhundert, S. 79 (88); Spickhoff JZ 2003, 739 (741). 185 Die angesprochene „Bindungswirkung“ bedeutete in diesem Fall die Bindung des Patientenvertreters an den in der Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachten Patientenwillen – eine „Bindungswirkung“ inter omnes träte hingegen erst durch die Entscheidung des Patientenvertreters ein. 186 Nach G. Müller DNotZ 2010, 169 (178) sei dann auch auf Basis der Patientenverfügung zu entscheiden (inkl. damit einhergehendem Risiko der Fehleinschätzung). Coeppicus Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Sterbehilfe, S. 14 f., 66 eröffnet den Anwendungsbereich der Verfahrensvorgaben der §§ 1901a ff. BGB hingegen anscheinend erst ab Bestellung eines Vertreters, sodass vorher (wie nach alter Rechtslage) ein Rückgriff auf den mutmaßlichen Willen erfolgen müsse. Auch Diehn/Rebhan NJW 2010, 326 (331) wollen auf den mutmaßlichen Willen abstellen. Nach Olzen/F. Schneider MedR 2010, 745 (746 f.) ist selbst im Falle einer solchen besonderen Eilbedürftigkeit das Verfahren nach §§ 1901a ff. BGB einzuhalten. 187 Bühler/Stolz BtPrax 2009, 261 (265 f.); Diehn/Rebhan NJW 2010, 326 (327 ff.): „Die rechtfertigende Kraft der Patientenverfügung selbst hat der Gesetzgeber abgelehnt“; Ihrig DNotR 2011, 583 (586). 188 So auch noch nach §§ 1901a ff. BGB n. F. Palandt73 /Götz § 1901a Rn. 16; Lackner/Kühl28 /Kühl Vor § 211 Rn. 8; Brosey BtPrax 2009, 175; Coeppicus NJW 2011, 2085 (2086); Jürgens BetreuungsR4 § 1901 a Rn. 15; Lipp in Lipp (Hrsg.), Handbuch der Vorsorgeverfügungen, § 17 Rn 51; G. Müller DNotZ 2010, 169 (177 f.); Olzen JR 183

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unter der Einschränkung, dass keinerlei Auslegungsbedarf bestehen darf für eine direkte Wirkung.189 In ersterem Fall müsste es sich – um auf die Einordnung der Patientenverfügung in das System der verschiedenen Einwilligungsformen zurückzukommen – strafrechtlich betrachtet um eine spezielle190, an den §§ 1901a ff. BGB orientierte und gegenüber sonstigen Arten der Einwilligung abschließende Form der Rechtfertigung handeln, in letzterem müsste eine Rechtfertigung auch bei Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften der §§ 1901a ff. BGB möglich sein, solange das Handeln im Einklang mit dem in der Patientenverfügung ausgedrückten Willen steht; um der durch die Patientenverfügung ausgedrückten tatsächlichen Willensbildung seitens des Patienten Rechnung zu tragen, wäre es konsequenter, eine auf die Patientenverfügung zugeschnittene Rechtfertigung zu Grunde zu legen, die kein Einhalten der §§ 1901a ff. BGB verlangt, anstatt bei Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften nur den Rückgriff auf die mutmaßliche Einwilligung zuzulassen.191 (2) § 1901a Abs. 2 BGB Wurden die von § 1901a Abs. 1 BGB für eine bindende Patientenverfügung aufgestellten Anforderungen – Schriftform, ausreichende Bestimmtheit192 und 2009, 354 (358); Reus JZ 2010, 80 (83); Schumacher FPR 2010, 474 (477); Spickhoff FamRZ 2009, 1949 (1953); BÄK DÄBl. 2010, A 877 (879), DÄBl. 2011, A 346 (347 f.); wohl auch Kierig/Behlau, S. 24 Rn. 100, die eine Bindung jedoch nur insoweit annehmen, als der Patientenwille für Arzt und Betreuer hinreichend deutlich geworden; wohl auch Klöpperpieper FPR 2010, 260 (266); nur direkte Rechtfertigung des Betreuers nach Popp ZStW 118 (2006), 639 (678 f.); zur alten Rechtslage bereits LG Essen NJW 2008, 1170 ff.; AG Frankfurt a. M. BtPrax 2002, 223 (224); Anderheiden ARSP-Beiheft 75, 149 (162 f.); Bienwald FamRZ 2002, 577 (578); Duttge/Fantaziu/ Kling/Schwabenbauer2, S. 48, 73; Landwehr, S. 42 f.; Schork, S. 119; Taupitz 63. DJT, A 113, 120; Verrel 66. DJT, C 81, 98; Vossler ZRP 2002, 295 (296). 189 So wohl MK-StGB/Ha. Schneider Vor § 211 Rn. 127; in diese Richtung auch schon nach alter Rechtslage Lipp/Klein FPR 2007, 56 (58); Verrel KritV 2001, 440 (454 f.). 190 Die Einstufung als Konkretisierung der „tatsächlichen Einwilligung“ erschiene in diesem Fall deshalb inkonsequent, als die Bindungswirkung erst durch die Vertreterentscheidung hervorgerufen wird, insofern der Einwilligende mangels alleiniger Dispositionsbefugnis auch nicht selbst alleine einwilligt. 191 Rechtfertigende Wirkung bereits durch eine Einwilligung des Patienten selbst nach Palandt73 /Götz § 1901a Rn. 22; Brosey BtPrax 2009, 175; Lipp in Lipp (Hrsg.), Handbuch der Vorsorgeverfügungen, § 17 Rn 51; Olzen JR 2009, 354 (358); Reus JZ 2010, 80 (83). 192 Der Grad der erforderlichen Bestimmtheit wird uneinheitlich beurteilt. E. Albrecht/A. Albrecht MittBayNot 2009, 426 (428) plädieren für eine enge Interpretation dahingehend, dass der gleiche Grad an Bestimmtheit erforderlich ist, wie wenn ein Einwilligungsfähiger im Vorfeld einer konkreten ärztlichen Maßnahme seine tatsächliche Einwilligung erteilt; krit. in Bezug auf die Verwendung von vorgegebenen Katalogen G. Rieger FamRZ 2010, 1601 (1603); mit dem Argument der Zweckmäßigkeit und zur Vermeidung von ausufernden Patientenverfügungen für eine weite Interpretation Pa-

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Einwilligungsfähigkeit des verfügenden Volljährigen193 – nicht eingehalten oder passt die Verfügung nicht auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation, können die „Behandlungswünsche“ bzw. der „mutmaßliche Wille“ 194 des Patienten trotzdem über § 1901a Abs. 2 BGB Berücksichtigung finden, wenn die dort aufgestellten Kriterien195 zur Ermittlung des mutmaßlichen Willens196 eingehalten werden. Zwar wird diesbezüglich teilweise kritisiert, dass bei einer irreversiblen Bewusstlosigkeit des Patienten eine Basis für die Mutmaßung über den Patientenwillen fehle,197 aus dem Wortlaut des § 1901a Abs. 2 BGB geht aber klar hervor, dass die Willensermittlung anhand von früheren Äußerungen zu erfolgen hat, auch wenn Bezugspunkt der mutmaßliche aktuelle Wille bleibt.198 Auch dass der Patient aktuell gar nicht zu einer Willensbildung fähig ist, schadet nicht: Zwar handelt es sich bei dem Institut der mutmaßlichen Einwilligung nicht um eine Fiktion im engeren Sinn, doch werden – so sagt es bereits der Name – Mutmaßungen über den Willen angestellt, indem danach gefragt wird, wie der Betroffene sich entscheiden würde, könnte man ihn befragen. Dabei kann es keinen Unterschied machen, wieso sich der Patient gerade aktuell nicht zu seiner Meinung äußern kann; die zu Grunde liegenden Situationen – irreversible Bewusstlosigkeit auf der einen, beispielsweise reversible Bewusstlosigkeit des Unfallopfers auf der anderen Seite – unterschieden sich nur dahingehend, dass in ersterem Fall sicher feststeht, dass der Patient nie seinen Willen vor dem entsprechenden Eingriff wird bilden können, während im zweiten Fall wegen der Dringlichkeit des Eingriffs auf das Abwarten einer tatsächlichen Einwilligung verzichtet wird. In beiden Fällen kann der Patient aber aktuell keinen Willen bilden, sodass anhand früherer Äußerungen etc. auf hypothetische Erwägungen einer tatsächlichen Einwilligung abgestellt werden muss. Damit ist auch im Fall der irreversiblen Bewusstlosigkeit der Weg für eine Rechtfertigung anhand des mutmaßlichen Willens eröffnet, doch auch hier ergeben sich mehrere Möglichkeiten, die Willensermittlung nach § 1901a Abs. 2 BGB in das System der Einwilligungen einzuordnen: Einerseits ist es möglich, landt73 /Götz § 1901a Rn. 5; BeckOK-BGB/Müller § 1901a (Ed. 25) Rn. 7; G. Müller DNotZ 2010, 169 (181). 193 Zu der Problematik, dass § 1901a Abs. 1 BGB neben der Einwilligungsfähigkeit auch Volljährigkeit verlangt, vgl. ausführlich Sternberg-Lieben/Reichmann NJW 2012, 257 ff. 194 Zwischen diesen beiden Varianten ausdrücklich unterscheidend BGH v. 17.9. 2014, Az. XII ZB 202/13 Rn. 25 f. 195 § 1901a Abs. 2 S. 2, 3 BGB: „Der mutmaßliche Wille ist auf Grund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln. Zu berücksichtigen sind insbesondere frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten“. 196 NK-StGB4 /Neumann Vor § 211 Rn. 117. 197 R. Merkel ZStW 107 (1995), 559 (565). 198 NK-StGB4 /Neumann Vor § 211 Rn. 120.

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dass durch die zivilrechtliche Regelung die Feststellung des mutmaßlichen Willens als eine Voraussetzung der mutmaßlichen Einwilligung modifiziert wird;199 damit wäre jedenfalls kein subsidiärer Rückgriff auf die Rechtfertigung durch mutmaßliche Einwilligung nach „normalen“ Maßstäben möglich. Andererseits kann der „mutmaßliche Wille“ nach Abs. 2 aber auch die Grundlage für eine spezielle Form der Rechtfertigung200 bilden, sodass ein Rückgriff auf die mutmaßliche Einwilligung möglich bliebe, wenn die Rechtfertigung nach § 1901a Abs. 2 BGB nicht als lex specialis abschließend wäre. Für die Annahme einer speziellen Rechtfertigung spricht insbesondere der Aspekt, dass § 1901a Abs. 2 S. 1 BGB davon spricht, dass der Patientenvertreter zu entscheiden hat, „ob er in eine ärztliche Maßnahme [. . .] einwilligt oder sie untersagt“, insofern eine „eigene Entscheidung des Patientenvertreters“ 201 den Anknüpfungspunkt für die Rechtfertigung zu bilden scheint202 – dann müsste dieser verfahrensrechtliche Schritt zwingende Voraussetzung einer Rechtfertigung sein. Schließlich wäre es angesichts des letztgenannten Verfahrenserfordernisses auch möglich, die Rechtfertigung in einer tatsächlichen Einwilligung durch den ausnahmsweise dispositionsbefugten Patientenvertreter zu sehen, wie die teilweise verwendete Formulierung der „stellvertretenden Einwilligung“ 203 durch den Patientenvertreter vermuten lassen könnte. Eine solche Lösung könnte sich aber deshalb als problematisch herausstellen, weil sie die Legitimation des Rechtsgutverzichts nicht mehr unmittelbar auf einen Verzicht des Rechtsgutträgers zurückführt, auch wenn der Patientenvertreter natürlich mittelbar an den mutmaßlichen Patientenwillen gebunden bleibt und nicht etwa nach eigenen oder objektiven Maßstäben über den Eingriff in Rechtsgüter des Patienten entscheidet.204 b) Möglichkeit einer Rechtfertigung durch Einwilligung trotz § 216 StGB? Bei all diesen aufgezeigten Möglichkeiten der Rechtfertigung des Behandlungsabbruchs durch eine Art Einwilligung stellt sich der bereits an einigen Stel199 R. Beckmann MedR 2009, 582 (584); Rosenau in FS Rissing-van Saan, S. 547 (552); zu Schwierigkeiten bei der Ermittlung eines mutmaßlichen Willens im Falle der Sterbehilfe vgl. Anderheiden ARSP-Beiheft 75, 149 (160 ff.). 200 Angesichts des Betreuervorbehalts verwendeter Terminus: „stellvertretende Einwilligung“, so z. B. Hörr, S. 144 ff.; Hoyer in Igl/Welti (Hrsg.), Gesundheitsrecht2, Rn. 1349. 201 R. Beckmann FPR 2010, 278 (279). 202 So spricht bspw. Olzen JR 2009, 354 (358) in Anknüpfung an den Wortlaut des Gesetzes davon, dass eine „Einwilligung“ des Patientenvertreters erforderlich sei. 203 So etwa E. Albrecht/A. Albrecht Rn. 38 ff.; Hörr, S. 144 ff. 204 Geppert JZ 1988, 1024 (1026); Roxin in FS Welzel, S. 447 (451 f.); Rudolphi in GS Schröder, S. 73 (87); es darf also nicht zu einer „Bevormundung durch ungebetene Nothelfer“ kommen, wie Sternberg-Lieben in FS Lenckner, S. 349 (354) es formuliert; parallel zu den Maßstäben einer mutmaßlichen Einwilligung Jescheck/Weigend AT5 § 34 VII 2.

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len angemerkte Konflikt mit § 216 StGB205, dem Verbot einer Tötung auf Verlangen, den insbesondere auch der BGH in seiner Entscheidung vom 25.6. 2010206 nicht aufzulösen vermocht hat:207 § 216 StGB privilegiert den Täter, der durch ein ausdrückliches Tötungsverlangen zu seiner Tat bestimmt wurde, und macht damit deutlich, dass eine rechtfertigende Einwilligung in eine Tötung eigentlich nicht möglich ist – schließlich ist ein Tötungsverlangen im Sinne des § 216 StGB zumindest mit einer Einwilligung gleichzustellen,208 wenn nicht sogar höhere Anforderungen an die Privilegierung anzusetzen sind,209 sodass bei einer Tötung auf Grund einer nicht den Anforderungen des § 216 StGB genügenden Einwilligung210 sogar die Tötungsvorschriften der §§ 212, 211 StGB griffen. Hinzu kommt, dass eine auf eine Tötung im Sinne des § 216 StGB gerichtete Patientenverfügung nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot zivilrechtlich unwirksam ist.211 Nach der früher vorherrschenden Tatbestandslösung zum Behandlungsabbruch212, die das Handeln des Arztes normativ als ein Unterlassen bewertete, wurde die sich aus der vielfach kritisierten213 ausnahmslosen Strafbarkeit einer Tötung auf Verlangen ergebende Sperrwirkung214 des § 216 StGB in Bezug auf 205 Kutzer in FS Rissing-van Saan, S. 337 (345 f.): „[N]ach dem PatVfG bleibt unklar, welche Grenzen die Strafvorschrift des § 216 StGB über die Tötung auf Verlangen dem Betreuer bei der Ausführung einer Patientenverfügung setzt“. 206 BGHSt 55, 191 ff. 207 Siehe bereits zu den diesbezüglichen Widersprüchen in der Urteilsbegründung und der Kritik hieran den Überblick unter B. I. 2. a) und b). 208 MK-StGB2 /Ha. Schneider § 216 Rn. 12: „Sonderfall der Einwilligung“; in diese Richtung auch Arzt in Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf BT2 § 3 Rn. 13; M.-K. Meyer, S. 223 f. 209 Sch/Sch29 /Eser/Sternberg-Lieben § 216 Rn. 5; Fischer62 § 216 Rn. 7a; LKStGB11 /Jähnke § 216 Rn 4; Lackner/Kühl28 /Kühl § 216 Rn. 2; NK-StGB4 /Neumann § 216 Rn. 10: „eine zielgerichtete Einwirkung des Opfers auf den Willen des Täters“; SK-StGB/Sinn § 216 (133. Lfg.) Rn. 5; Rengier BT II15 § 6 Rn 6. 210 Der Sache nach bestünden hingegen kaum nennenswerten Unterschiede, so MKStGB2 /Ha. Schneider § 216 Rn. 12, zumal da weder ein wirksames Tötungsverlangen noch eine Einwilligung zwingend an einen bestimmten Täter gerichtet sein müsse. Siehe dazu Mitsch in FS Weber, S. 49 (59) und Sch/Sch29 /Eser/Sternberg-Lieben § 216 Rn. 6 sowie zur Einwilligung Sch/Sch29 /Lenckner/Sternberg-Lieben Vor §§ 32 ff. Rn. 43. 211 Lipp in Laufs/Katzenmeier/Lipp (Hrsg.), ArztR6, VI. Rn. 135; ebenso kann eine Patientenverfügung keinen Anspruch auf eine nicht indizierte ärztliche Maßnahme begründen (§§ 134, 138 BGB), s. Laufs NJW 1996, 763; Lipp in Laufs/Katzenmeier/Lipp (Hrsg.), ArztR6, VI. Rn. 135. 212 Siehe oben unter B. I. 1. d). 213 Statt vieler Czerner, S. 11; von Hirsch/Neumann GA 2007, 671 ff.; Schmitt in FS Maurach, S. 113 (117); Wolfslast in FS Schreiber, S. 913. 214 § 216 StGB wird folglich als „Einwilligungssperre“ bezeichnet, s. bspw. BeckOK-StGB/Eschelbach § 216 (Ed. 23) Rn. 14; Sch/Sch29 /Eser/Sternberg-Lieben § 216 Rn. 10; MK-StGB2 /Ha. Schneider § 216 Rn. 56 f.; Tolmein, S. 112.

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Dispositionen über das Rechtsgut Leben215 durch Teile der Literatur umgangen, indem § 216 StGB nur auf ein aktives Tun angewendet wurde: Eine Tötung auf Verlangen könne nicht durch Unterlassen verwirklicht werden, außer wenn die Tötungshandlung durch einen Dritten vorgenommen werde.216 So lasse im Fall des Behandlungsabbruchs – wie beim eigenhändig durchgeführten Suizid217 – der auf diesen gerichtete Wille des Patienten die Garantenpflicht des Arztes entfallen. Diese Argumentation kann jedoch auf die Rechtfertigungslösung des BGH keine Anwendung finden, da die Unterscheidung zwischen Tun und Unterlassen ja gerade als unerheblich für die Strafbarkeit des Behandlungsabbruchs eingeordnet wurde und damit eine von diesen Kategorien unabhängige Lösung bezüglich § 216 StGB zu finden ist – ganz abgesehen davon hat die Rechtsprechung die Anwendung des § 216 StGB auch nicht auf aktives Tun beschränkt.218 In der Gesetzesbegründung219 zu den §§ 1901a ff. BGB heißt es: Von einer Tötung auf Verlangen „strikt zu unterscheiden ist die Ablehnung einer medizinischen Maßnahme oder die Untersagung ihrer Fortführung in einer Patientenverfügung. Die Achtung dieses Willens in Form des Unterlassens einer Behandlung, einschließlich ihres Abbruchs, ist in diesen Fällen weder verboten noch ethisch zu missbilligen, weil die einen Eingriff legitimierende Einwilligung des Betroffenen gerade fehlt.“ 220 Damit bezieht sich der Gesetzgeber auf die doppelte Bedeutung221 der Einwilligung des Betroffenen: Sie ist zum einen von Bedeutung für die Tötung durch Behandlungsabbruch, zum anderen aber auch für die Körperverletzung durch unberechtigte Weiterbehandlung; äußert der Patient den Wunsch nach einem Behandlungsabbruch, kann darin also nicht nur die Einwilligung in den Behandlungsabbruch gesehen werden, sondern auch der Wegfall der Einwilligung in die ärztliche Behandlung222, welche zumindest den Tatbestand des § 223 StGB verwirklicht. Da der Arzt kein Recht zur Lebenserhaltung um jeden Preis inne hat,223 sondern stets auf eine Einwilligung des Patienten in die 215 Eingehend zur Indisponibilität des Rechtsguts Leben Chatzikostas, S. 209 ff.; Kubiciel JZ 2009, 601 ff.; Maatsch, S. 57 ff.; R. Merkel Früheuthanasie, S. 395 ff. 216 MK-StGB2 /Ha. Schneider § 216 Rn. 66 f. 217 NK-StGB4 /Neumann § 216 Rn. 9; Sch/Sch29 /Eser/Sternberg-Lieben § 216 Rn. 10; SK-StGB/Sinn § 216 (133. Lfg.) Rn. 17; Wessels/Hettinger BT 144 Rn. 161. 218 BGHSt 13, 162 (166); 32, 367 (371); 55, 191 (202 Rn. 29). 219 Der von dem AGE-BMJ vorgeschlagenen klarstellenden Ergänzung des § 216 StGB um einen dritten Absatz wurde indes nicht gefolgt, vgl. Kutzer in FS Rissing-van Saan, S. 337 (346). 220 BT-Drs. 16/8442, S. 9. 221 Stackmann MedR 2003, 490 (492). 222 Die Patientenautonomie gewährt bezüglich der lebensverlängernden Maßnahmen also ein Abwehrrecht, s. LG Karlsruhe NJW 1992, 756; Sch/Sch29 /Eser/Sternberg-Lieben Vor §§ 211 ff. Rn. 29h; Verrel JZ 1996, 224 (226). 223 BGHSt 32, 367 (379 f.); 37, 376 (378); NK-StGB4 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 Rn. 105; MK-StGB2 /Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 95;

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Behandlung angewiesen ist,224 darf das Verbot der Tötung auf Verlangen nach § 216 StGB nicht dazu führen, dass der Betroffene zur Duldung fremder lebensverlängernder Maßnahmen gezwungen wird;225 stattdessen muss es dem Patienten frei stehen, auf ärztliche Behandlung zu verzichten, und dies darf sich nicht danach unterscheiden, ob er sich bereits in Behandlung gegeben hat, sich dieser aber wieder entzieht, oder aber ob er sich von vornherein gegen eine Behandlung entscheidet.226 aa) Vorrang des Selbstbestimmungsrechts Zwar stellt der BGH diesen Bezug nicht ausdrücklich her, doch letztlich zielt die von ihm geschaffene unverzichtbare Voraussetzung des gerechtfertigten Behandlungsabbruchs, dass letztlich der eigentlichen Krankheit ihr Lauf gelassen werden muss227, auf genau diesen Blickwinkel für die ausschlaggebende Einwilligung ab, wenn er ausdrücklich als Begründung anführt, dass „[d]as aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG abgeleitete Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen [. . .] die Person zur Abwehr gegen nicht gewollte Eingriffe in ihre körperliche Unversehrtheit und in den unbeeinflussten Fortgang ihres Lebens und Sterbens [legitimiert]“.228 Bei der zu einem Behandlungsabbruch führenden Patientenverfügung handelt es sich also nicht um eine „Einwilligung in den eigenen Tod“ 229, sondern um das Unterlassen einer Einwilligung in die medizinisch indizierten Maßnahmen. Der Schutzzweck des § 216 StGB liegt, wie Popp treffend erläutert, nicht darin, „dem riskanten, aber eigenverantwortlichen Umgang mit dem eigenen Leben [. . .] entgegenzutreten“;230 stattdessen wird ein Suizident darauf verwiesen, seinem Todeswunsch selbst Taten folgen zu lassen, damit er bei einem SinnesGeilen Euthanasie und Selbstbestimmung, S. 8 ff.; Ulsenheimer in Laufs/Kern (Hrsg.), ArztR4, § 149 Rn. 3. 224 MK-StGB/Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 115: Die „medizinische Technologie [ist daher] nicht um ihrer puren, rein biologistisch begriffenen lebensverlängernden Wirkung Willen einzusetzen [. . .], sondern als Hilfe zur personalen Selbstverwirklichung“. 225 BGHSt 46, 279 (285 f.); Sch/Sch29 /Eser/Sternberg-Lieben Vor §§ 211 ff. Rn. 28; NK-StGB4 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 Rn. 107. 226 Popp ZStW 118 (2006), 639 (647). 227 BGHSt 55, 191 (204 f. Rn. 35): „Eine Rechtfertigung [. . .] kommt daher nur in Betracht, wenn sich das Handeln darauf beschränkt, einen Zustand (wieder-)herzustellen, der einem bereits begonnenen Krankheitsprozess seinen Lauf lässt [. . .]. Nicht erfasst sind dagegen Fälle eines gezielten Eingriffs, der die Beendigung des Lebens vom Krankheitsprozess abkoppelt“; in diese Richtung wohl auch Duttge MedR 2011, 36 (37), wobei er darauf hinweist, dass die Rechtsprechung eine solche Grenzziehung wohl nicht tätigen könne, solange sie ein Eingreifen des § 216 StGB auch bei Unterlassungsdelikten zulässt. 228 BGHSt 55, 191 (204 Rn. 35). 229 Popp ZStW 118 (2006), 639 (646). 230 Popp ZStW 118 (2006), 639 (647).

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wandel im Zeitpunkt des todbringenden Moments von dem Suizid Abstand nehmen kann. Der Verweis auf einen eigenhändigen Suizid erscheint aber angesichts des grundrechtlichen Selbstbestimmungsrechts zumindest dann unbegründet, wenn der Patient zur Tatzeit selbst irreversibel suizidunfähig ist,231 weshalb dies als zusätzliche notwendige Voraussetzung für die Rechtfertigung eines Behandlungsabbruchs durch Einwilligung zu fordern ist.232 Als Teil der durch die Grundrechte abgebildeten „objektiven Wertordnung“ 233 könnte das verfassungsrechtlich verbürgte Selbstbestimmungsrecht des Patienten sogar insgesamt zur Zulässigkeit eines von ihm gewünschten Behandlungsabbruchs führen, ohne dass das Verbot des § 216 StGB entgegensteht – freilich wäre dafür eine genauere Auseinandersetzung mit den verfassungsrechtlichen Wertungen erforderlich. Eine solche von der zivilrechtlichen Neuregelung unabhängige Lösung führte dazu, dass sich gar nicht mehr die Frage nach einer Akzessorietät der strafrechtlichen Bewertung zu den §§ 1901a ff. BGB stellte, da die Grundrechte als Grund für die Durchbrechung der Einwilligungssperre des § 216 StGB auch dessen Reichweite und damit die Voraussetzungen für die Straflosigkeit des Behandlungsabbruchs bestimmten. Allerdings verbleibt selbst die anerkannte Komponente der Patientenautonomie als Teil des Selbstbestimmungsrechts so abstrakt, dass ihr Gehalt ohnehin nur das „ob“ der Straflosigkeit eines Behandlungsabbruchs vorgeben, nicht aber das „wie“ regeln kann – diese Ausgestaltung ist stattdessen dem einfachen Gesetzgeber aufgegeben: Die Zulässigkeit eines Behandlungsabbruchs schränkt die mit dem Selbstbestimmungsrecht in praktische Konkordanz zu bringende Schutzpflicht234 des Staates bezüglich des Lebens gem. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ein, sodass die Verfassung dem einfachen Gesetzgeber den im Zusammenhang mit Schutzpflichten zu gewährenden weiten Einschätzungsspielraum235 zuerkennt.236 Diesen Beurteilungsspielraum hat der für Zivil- und Strafrecht einheitliche Gesetzgeber237 bereits durch die zi231 Kutzer in FS Rissing-van Saan, S. 337 (347 f.) hält dieses Argument hingegen dann nicht für ausreichend, wenn die medizinische Behandlung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Genesung des Patienten führen würde – eine entsprechende Patientenverfügung habe hinter der Verpflichtung des Betreuers gem. § 1901 Abs. 3 S. 1 BGB, dem Wohl des Patienten entsprechend zu handeln, zurückzutreten. 232 Hoyer in Igl/Welti (Hrsg.), Gesundheitsrecht2, Rn. 1344. 233 BVerfGE 7, 198 (205). 234 Staatliche Schutzpflichten setzen keine Dreieckskonstellation voraus, sondern können den Staat auch zum Schutz eines Bürgers vor sich selbst verpflichten, vgl. BVerfGE 58, 207 (224); VG Karlsruhe NJW 1988, 1536 (1537); BeckOK-GG/Lang Art. 2 (Ed. 23) Rn. 75. 235 Maunz/Dürig/Herdegen Art. 1 Abs. 3 GG (44. Lfg.) Rn. 23; Hermes in Alexy/ Kunig/Heun/Hermes (Hrsg.), Verfassungsrecht und einfaches Recht – Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichtsbarkeit, S. 119 (136); Ruffert, S. 201 ff. 236 Freilich muss der Gesetzgeber dabei dem sog. Untermaßverbot gerecht werden, vgl. BVerfGE 39, 1 (45); 56, 54 (80 ff.); 77, 170 (214 f.); 79, 174 (202); 88, 203 (262 f.); MK-StGB2 /Radtke Vorbemerkung zu den §§ 32 ff. Rn. 7.

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vilrechtliche Regelung der §§ 1901a ff. BGB wohl in verfassungsgemäßer Weise238 auszufüllen begonnen, sodass allenfalls diese als dem Bestimmtheitsgebot des Strafrechts239 besser gerecht werdende Regelungen einen tauglichen Anknüpfungspunkt für die Grenzziehung zwischen straflosem Behandlungsabbruch und strafbarer Tötung auf Verlangen bilden. Ohnehin hätten die in der Fuldaer Entscheidung angelegten Maßstäbe für einen gerechtfertigten Behandlungsabbruch bereits zuvor vom BGH angelegt werden müssen, wenn sich diese aus der Verfassung ergäben. Stattdessen hielt der BGH aber bis zuletzt an der Tatbestandslösung fest.240 Zwar ist auch der Gehalt der Grundrechte einem gewissen Wandel unterworfen, der den Wandel der Wertungen in der Gesellschaft widerspiegelt,241 sodass es grundsätzlich möglich erscheint, dass die in der Fuldaer Entscheidung angeführten Vorgaben zum straffreien Behandlungsabbruch erst mit zunehmender Stärkung des Selbstbestimmungsrechts in der Verfassung verankert wurden, also noch nicht in dem Maße in der Verfassung angelegt waren, als der BGH noch an der Tatbestandslösung festhielt; doch vollzieht sich ein solcher grundrechtlicher Wertungswandel langsam und stetig, während die zivilrechtliche Anerkennung einer bindenden Patientenverfügung einigermaßen zeitgleich mit dem Wechsel der strafrechtlichen Rechtsprechung von der Tatbestands- zur Rechtfertigungslösung und damit der Wertungswandel im einfachen Recht relativ abrupt erfolgte. Zwar könnte argumentiert werden, dass beide – die §§ 1901a ff. BGB wie auch die neue strafgerichtliche Dogmatik – nur eine Umsetzung des bereits abgeschlossenen Wandels in der Gesellschaft und damit auch in der grundrechtlichen Wertung darstellen; dagegen sprechen aber die kontroversen Diskussionen bei Einführung der §§ 1901a ff. BGB und die noch immer nicht überwundene Tabuisierung von Sterbehilfe. 237 Hörr, S. 335: „Der Strafgesetzgeber des Zivilrechtes ist auch der des Strafrechtes. Gibt er Regelungen zum Behandlungsabbruch vor, so greifen diese auch auf das Strafrecht durch“. 238 Die durch das 3. BtÄndG eingeführten §§ 1901a ff. BGB stellen zwar einen Eingriff in das verfassungsrechtlich verbürgte Selbstbestimmungsrecht dar, indem sie für dessen Ausübung in Bezug auf Behandlungswünsche sowohl eine bestimmte Form als auch ein bestimmtes Verfahren anordnen, doch ist dieser Eingriff zum Schutz der richtigen Umsetzung der Patientenwünsche und damit im Interesse des Selbstbestimmungsrechts des Patienten selbst sowie zum Schutz der Rechtsgüter Leben bzw. körperlicher Unversehrtheit grundsätzlich gerechtfertigt, Zweifel könnten allerdings hinsichtlich des Volljährigkeitserfordernisses von § 1901a Abs. 1 BGB bestehen, so jedenfalls Sternberg-Lieben/Reichmann NJW 2012, 257 (260 ff.); auf eine detailliertere grundrechtliche Betrachtung muss an dieser Stelle aus Platzgründen leider verzichtet werden. 239 Siehe dazu ausführlicher unter D. III. 3. a). 240 Freilich wurde vom BVerfG nie über die Verfassungsmäßigkeit der Tatbestandslösung entschieden. 241 Zu den durch neue gesellschaftliche, wirtschaftliche und technische Herausforderungen veranlassten Änderungen und Entwicklungen im Grundrechtsbereich vor allem durch sich wandelnde Verfassungsauslegung vgl. Hufen NJW 1999, 1504 (1507).

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Auch in Anbetracht der rechtlichen Einordnung des Behandlungsabbruchs in der Vergangenheit kann folglich eine Einschränkung der Einwilligungssperre des § 216 StGB für diese Fälle nicht direkt aus dem verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrecht abgeleitet werden. bb) Teleologische Reduktion des § 216 StGB durch die §§ 1901a ff. BGB Wenn aber die §§ 1901a ff. BGB als Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Wertungen durch den einfachen Gesetzgeber aufzufassen sind, wäre es möglich, den § 216 StGB anhand der §§ 1901a ff. BGB teleologisch zu reduzieren242 – was durch das Zivilrecht in §§ 1901a ff. BGB erlaubt sei, nämlich der Abbruch243 einer medizinischen Maßnahme auf Grund eines entsprechenden Patientenwillens, könne nicht durch das Strafrecht in § 216 StGB verboten werden. Passend dazu formulierte der 2. Senat in der hier besprochenen Entscheidung auch bezüglich des 3. BtÄndG: „Diese Neuregelung entfaltet auch für das Strafrecht Wirkung.“ 244 Freilich gelangt Walter über die von ihm vertretene Lösung einer teleologischen Reduktion bereits zur Verneinung der Tatbestandsmäßigkeit, sodass seine Lösung aus diesem Grund wohl nicht kompatibel sein kann mit der Rechtfertigungslösung des BGH. Eine teleologische Reduktion setzt voraus, dass ein Gesetzestext – hier § 216 StGB – entgegen dem Willen des Gesetzgebers so weit gefasst ist, dass er sich auf einen Fall erstreckt – den Behandlungsabbruch unter den genannten Voraussetzungen –, den er nicht betreffen soll, weil das dem Sinn und Zweck der Vorschrift widerspricht. Nach dem Wortlaut von § 216 StGB (i.V. m. § 212 StGB) ist jedes Verhalten, das den Tod kausal und objektiv zurechenbar hervorgerufen hat und zu dem der Täter durch ein ausdrückliches und ernstliches Verlangen bestimmt wurde, erfasst – zwar stirbt bei einem die genannten Voraussetzungen einhaltenden Behandlungsabbruch der Patient letztlich an der Krankheit und nicht an der äußeren Einwirkung des Arztes, doch hat der Arzt durch sein Handeln die Einwirkung der Krankheit überhaupt erst wieder ermöglicht, sodass dies auch zu dem von ihm geschaffenen rechtlichen Risiko zu zählen ist.245 Der Tatbestand des § 216 StGB griffe dem Wortlaut nach also ein, obwohl der Gesetzgeber in 242 Bartsch in FS Achenbach, S. 13 (27); Gaede NJW 2010, 2925 (2927); Pawlik in FS Wolter, S. 627 (631); Trück, S. 121, 163 f.; Walter ZIS 2011, 76 (81 f.); wohl auch Frisch in Leipold (Hrsg.), Selbstbestimmung in der modernen Gesellschaft aus deutscher und japanischer Sicht, S. 103 (106). 243 Die teleologische Reduktion ist nach Walter nur bezüglich des tätigen Behandlungsabbruchs erforderlich – da er weiter an der Unterscheidung zwischen Tun und Unterlassen festhält, entfällt bei einem bei natürlicher Betrachtungsweise als Unterlassen erscheinenden Verhalten die Garantenpflicht bzw. die Erforderlichkeit im Rahmen des § 323c StGB, s. Walter ZIS 2011, 76 (80 f.). 244 BGHSt 55, 191 (199 Rn. 25). 245 Lipp in Laufs/Katzenmeier/Lipp (Hrsg.), ArztR6, VI. Rn. 98.

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seiner Begründung zu den §§ 1901a ff. BGB davon ausging, dass ein tätiger Behandlungsabbruch Gegenstand einer Patientenverfügung sein könne246 und folglich – da die entsprechende Patientenverfügung sonst gem. § 134 BGB nichtig wäre – nicht durch § 216 StGB gesperrt wird. Ebenso differenzierte der BGH in seiner Fuldaer Entscheidung zwischen einem Behandlungsabbruch und einer Tötung auf Verlangen im Sinne des § 216 StGB, sodass auch er den sich nach dem Wortlaut ergebenden Anwendungsbereich des § 216 StGB als zu weit gefasst eingeordnet haben muss. Trotzdem kann daraus noch nicht auf das Bedürfnis nach einer entsprechenden Rechtsfortbildung geschlossen werden – erst wenn die §§ 1901a ff. BGB und § 216 StGB nicht allein durch teleologische Auslegung miteinander in Einklang gebracht werden könnten, weil eine entsprechende Auslegung die Wortlautgrenze überschritte247, darf eine Lösung contra legem gesucht werden. Zwar ist es richtig, dass auf tatbestandlicher Ebene der Wortlaut eindeutig die Umsetzung einer Patientenverfügung erfasst und dies auch angesichts des insofern klaren Wortlauts nicht durch teleologische Auslegung umgangen werden kann. Doch ist damit noch nicht abschließend über die Strafbarkeit des entsprechenden Verhaltens entschieden – schließlich könnte das Verhalten durch Einwilligung gerechtfertigt sein. Die in § 216 StGB verwurzelte Einwilligungssperre, die gegen diese Rechtfertigungsmöglichkeit ins Feld geführt wird, ist nämlich nicht im Wortlaut des § 216 StGB verankert, sondern wird nur als Umkehrschluss aus der grundsätzlichen Strafbarkeit einer Tötung auf Verlangen gefolgert248. Insofern erscheint eine Eingrenzung der Einwilligungssperre durch teleologische Auslegung anhand der §§ 1901a ff. BGB möglich. Diese Lösung stellt nicht nur auf Grund der Nachrangigkeit von Rechtsfortbildung249 die vorzugswürdige Lösung dar, sondern steht auch im Einklang mit der vom BGH favorisierten Lösung auf Rechtfertigungsebene. Von diesem ausschlaggebenden Argument gegen eine teleologische Reduktion abgesehen, müsste für deren Zulässigkeit des Weiteren die Subsumtion eines Behandlungsabbruchs gemäß den §§ 1901a ff. BGB250 unter § 216 StGB dessen 246

BGHSt 55, 191 (204 Rn. 33). Zur Bindung der Auslegungsmethoden an die Wortlautgrenze vgl. NK-StGB4 / Hassemer/Kargl § 1 Rn. 122. 248 Statt einer solchen Differenzierung zwischen eindeutigem Wortlaut hinsichtlich der Tatbestandsmäßigkeit und der nur als Umkehrschluss daraus gezogenen Einwilligungssperre finden sich in der Literatur nur Formulierungen wie „die in § 216 StGB verankerte Dispositionsschranke“ (Rönnau, S. 163). Mangels klarer Differenzierung wird das bezüglich der Einwilligungssperre bestehende Auslegungspotenzial (ohne Verstoß gegen den sich auf den Tatbestand beziehenden Wortlaut) denn auch nicht als solches wahrgenommen, so bspw. Rönnau, S. 164. 249 Rüthers NJW 2011, 1856 f. 250 Gemeint ist damit ein formell und materiell betreuungsrechtskonformes Umsetzen des auf einen Behandlungsabbruch gerichteten Patientenwunsches; zu der Einschlägigkeit der Schutzzwecke des § 216 StGB bei formell betreuungsrechtswidrigem Verhalten vgl. unter E. III. 3. b) cc). 247

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Zwecken widersprechen,251 die allerdings in der Literatur unterschiedlich interpretiert werden: Auf der einen Seite werden als Allgemeininteresse die Tabuisierung fremden Menschenlebens252 zur Vermeidung eines Dammbruchs253 und von Beweisschwierigkeiten254, auf der anderen Seite als individuelles Interesse der Schutz vor einer übereilten Beendigung des eigenen Lebens255 ins Feld geführt. Letzterer Zweck könnte bei einem Behandlungsabbruch eines irreversibel Suizidunfähigen ohnehin nicht einschlägig sein – der Patient kann nämlich nicht zum Schutz vor einer übereilten Lebensbeendigung auf einen Suizid verwiesen werden, bei dem er den todbringenden Moment beherrscht und daher bis zum Schluss bei einem Sinneswandel von seinem ursprünglichen Plan Abstand nehmen kann, daher bedarf diese Alternative keines Schutzes; außerdem reicht die Legitimation durch das sonst bestehende Risiko eines übereilten Tötungsverlangens angesichts des von der Einwilligungssperre bewirkten Eingriffs in die Selbstbestimmung des Patienten nicht über den Verweis auf die mögliche Selbsttötung hinaus.256 Zwar erscheint es möglich, dass die Delegation der Tötung an einen Dritten gegebenenfalls schneller erfolgt bzw. leichter fällt als eine eigenhändige Selbsttötung257, doch wird dieser Zeitfaktor dadurch ausgeglichen, dass bei einer fremdhändigen Tötung der Mindestzeitaufwand allein auf Grund der Arbeitsteilung und der damit einhergehenden Mehrstufigkeit einer Tötung auf Verlangen erhöht ist und damit dem Suizidenten ggf. mehr Gelegenheit zu einem Sinneswandel gibt258 als beispielsweise ein im Affekt eigenhändig durchgeführter

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Walter ZIS 2011, 76 (81). Dölling GA 1984, 71 (85 f.); Engisch in FS Mayer, S. 399 (415); Hirsch in FS Lackner, S. 597 (612); Otto 56. DJT, D 54. Hiergegen Ingelfinger, S. 186 ff.; Kubiciel JZ 2009, 600 (601 f.) und Schroeder ZStW 106 (1994), 565 (567) mit dem Hinweis, die Tabu-These könne die Straflosigkeit der Suizidteilnahme nicht erklären. Krit. zur Absolutheit des Lebensschutzes Chatzikostas, S. 238 ff. 253 Giesen JZ 1990, 929 (935); Hirsch in FS Lackner, S. 597 (613); tendenziell zustimmend Beckert, S. 262; krit. Chatzikostas, S. 247 ff.; Ingelfinger, S. 191 ff.; R. Merkel Früheuthanasie, S. 595 ff.; ders. in Fateh-Moghadam/Sellmaier/Vossenkuhl (Hrsg.), Grenzen des Paternalismus, S. 285 (290 ff.); F. Müller, S. 76 ff.; Mosbacher, S. 171 ff. 254 Arzt ZStW 83 (1971), 1 (36); Tröndle ZStW 99 (1987), 25 (38); a. A. Ingelfinger, S. 189 ff.; Mosbacher, S. 148 f.; F. Müller, S. 62 ff.; Rönnau, S. 164; Schroeder ZStW 106 (1994), 565 (570). 255 SK-StGB/Sinn § 216 (133. Lfg.) Rn. 2; MK-StGB2 /Ha. Schneider § 216 Rn. 8; ähnlich Jakobs in FS Arth. Kaufmann, S. 459 (467 f.); ders. Tötung auf Verlangen, S. 21 ff. 256 Murmann, S. 499; Walter ZIS 2011, 76 (81); in eine zumindest ähnliche Richtung auch R. Merkel Früheuthanasie, S. 427, der die Rechtfertigung einer Tötung auf Verlangen nach § 34 StGB dann für zulässig erachtet, wenn der Betroffene sein Sterbeinteresse nicht eigenhändig umsetzen kann – bei der Möglichkeit der Selbsttötung hingegen ist ein legitimes Interesse an der Tötung durch einen Dritten nachzuweisen. 257 Murmann, S. 498. 258 Maatsch, S. 51. 252

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Sprung von der Brücke.259 Freilich ist die Handlungsweise bei einem Behandlungsabbruch letztlich identisch, die oft herangezogene Betätigung des Schalters wird nur durch eine andere Hand vollzogen. Doch erscheint es auch in dieser Situation als naheliegend, dass die mit dem Tötungsverlangen konfrontierte Person dem Verlangen nicht völlig widerspruchslos und unverzüglich nachkommt, sondern zunächst Erkundigungen einzieht, um den Todeswillen abzusichern. Vor allem aber ist bei einem Handeln gemäß einer Patientenverfügung der Patient ohnehin irreversibel nicht mehr einwilligungsfähig, sodass ein Sinneswandel gar nicht mehr möglich ist und damit für diesen auch kein Zeitraum gewährt werden muss. Auch ein paternalistischer Schutz des potentiell subjektiv260 lebenswerten Lebens261 ist im Fall des Behandlungsabbruchs abzulehnen, da statt einer Fiktion eines potentiellen Überlebensinteresses der aktuelle bzw. bei irreversibler Bewusstlosigkeit der in der Patientenverfügung zum Ausdruck gekommene oder der anhand von Behandlungswünschen oder sonstigen Wertvorstellungen ermittelte Wille des Rechtsgutsträgers für den strafrechtlichen Schutz des Rechtsguts entscheidend ist;262 bei einem Behandlungsabbruch auf Grund einer Patientenverfügung kommt überdies hinzu, dass den Patienten zumindest in den typischen Fällen bei Weiterbehandlung ein durch die Krankheit sehr stark gezeichnetes Leben erwartet. Bei den dem § 216 StGB gegebenenfalls zu Grunde liegenden Allgemeininteressen sei zunächst auf die Tabufunktion als Selbstzweck eingegangen. Zwar ging der historische Gesetzgeber bei Erlass des § 216 StGB von einer absoluten materiellen Indisponibilität des Lebens aus263, angesichts der Zulässigkeit fremdhändiger Tötung im Rahmen von Notwehr und Nothilfe ist jedenfalls heute kein ab-

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F. Müller, S. 112. Die Bezugnahme auf die eigene Interessenperspektive des Rechtsgutsträgers wird als „weicher“ Paternalismus bezeichnet; demgegenüber stellt der „harte“ Paternalismus auf objektive Werte, in diesem Fall also das Leben als abstrakten Wert ab. Vgl. zu den genaueren Hintergründen R. Merkel Früheuthanasie, S. 409 ff. 261 So aber R. Merkel Früheuthanasie, S. 411. 262 F. Müller, S. 87: „[D]as Interesse an einem Rechtsgut [lässt] sich nicht von der Existenz seines Trägers lösen“; vgl. auch Maatsch, S. 47 f. Allein aus diesem Grund ist auch die von R. Merkel Früheuthanasie, S. 417 ff. vertretene Kombination aus paternalistischem Schutz des Lebens und einer hilfsweisen Aufrechterhaltung des Tötungstabus abzulehnen; freilich wird dort eine Rechtfertigung über § 34 StGB zugelassen, wenn im Einzelfall nur das Tötungstabu als Schutzzweck des § 216 StGB eingreift. 263 Siehe die Berufung des Gesetzgebers auf „das unbestrittene Sittengesetz: daß das Leben ein nicht veräußerliches Gut ist“ in den Motiven zum 2. Entwurf eines Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund, der letztlich gesetzlich umgesetzt wurde, zur Begründung des damals noch in § 211 des Entwurfs enthaltenen Verbots einer Tötung auf Verlangen, nachzulesen bei Schubert (Hrsg.), Quellen zum Strafgesetzbuch von 1870, Bd. 2, S. 70; ausführlich zu der Begründung des Gesetzgebers F. Müller, S. 33. 260

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solutes Tabu der fremdhändigen Tötung mehr existent264. Mit Durchbrechung eines Tabus, und sei es nur in geringem Maße, wird das Tabu insgesamt aufgegeben und das Festhalten an ihm in unveränderter Form265 illegitim.266 Freilich bedeutet dies nicht, dass die an ein Fremdtötungstabu anknüpfenden Argumentationen allein durch die Aufgabe des Tabus zwingend gegenstandslos werden – schließlich kann das Verbot einer Fremdtötung weiterhin als grundsätzliches Prinzip aufrecht erhalten werden, wenngleich es mangels Absolutheit in bestimmten Bezugnahmen an Argumentationskraft verliert; die Ausweitung der zulässigen Fremdtötung kann etwa trotzdem zu einem Dammbruch führen, die Existenz von bestehenden Ausnahmen widerlegt aber bereits die mit einem Tabu verbundene Unverletzlichkeit des Verbots. Im Übrigen sprechen auch inhaltliche Gründe gegen eine Tabuisierung der fremdhändigen Tötung: Nach F. Müller gebietet § 17 StGB „eine strenge Kongruenz von materiell freiheitswidrigem und positiv verbotenem Verhalten“ 267 – wenn dem Normadressaten durch § 17 StGB die Last des Risikos auferlegt wird, ein Verhalten fälschlicherweise als nicht strafbar eingeordnet zu haben, obwohl ihm die Möglichkeit zur Vermeidung des Rechtsirrtums offen gestanden hätte, dann muss er „auch die Früchte des sich darin manifestierenden Zutrauens in seine Leistungsfähigkeit genießen“ 268; soll heißen, dass das präventive Verbot jeglicher Fremdtötung nicht damit begründet werden kann, dass eine Durchbrechung des Tabus dazu führen würde, dass der Normadressat dies als „Freibrief“ 269 für jegliche Fremdtötung auffassen würde. Außerdem sind strafrechtliche Ge- oder Verbote nur insoweit legitimiert, als sie dem Rechtsgüterschutz dienen; ein solcher Bezug ist allein bei der Zwecksetzung, das Fremdtötungstabu aufrecht zu erhalten, nicht hergestellt.270 Vor allem aber hat der Gesetzgeber bei Einführung der §§ 1901a ff. BGB einen Behand264 Chatzikostas, S. 241 ff.; Göbel, S. 38 Fn. 75; Herzberg NJW 1986, 1635 (1644); ders. NJW 1996, 3043 (3045); Hoerster NJW 1986, 1786 (1791); F. Müller, S. 66; Pawlik in FS Wolter, S. 627 (637); Tenthoff, S. 165. 265 Freilich kann ein Tabu trotz Durchbrechung partiell aufrecht erhalten werden, wenn sein Anwendungsbereich auf einen Bestandteil des zuvor geltenden Tabus beschränkt wird, der nicht von der Durchbrechung umfasst wird – so ließe sich angesichts der Zulässigkeit fremdhändiger Tötung im Rahmen von Notwehr oder Nothilfe das Fremdtötungstabu bspw. auf ein Tabu fremdhändiger Tötung ungefährlicher Opfer beschränken. Ist das ursprüngliche Tabu allerdings erst einmal angetastet worden, mildert dies gleichzeitig die Unantastbarkeit des bestehen bleibenden Tabus ab. 266 F. Müller, S. 66 Fn. 190. 267 F. Müller, S. 71. 268 F. Müller, S. 70. 269 F. Müller, S. 69. 270 F. Müller, S. 71 Fn. 203 warnt vor einer zu weiten Interpretation des Rechtsguts, wie er sie Hirsch in FS Welzel, S. 775 (780 ff.) und wohl auch im Folgenden (S. 73 ff.) Göbel, S. 39 ff. vorwirft, weil damit das Problem nur verlagert würde – allein ein sozialer Zweck (bei Göbel: Verstoß gegen gesellschaftliche Moralvorstellungen) könne nicht als legitimer Zweck für die Beschränkung der Handlungsfreiheit des Normadressaten eingeordnet werden.

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lungsabbruch unter bestimmten Voraussetzungen ermöglichen wollen und damit in diesem Bereich das grundsätzliche Verbot einer Fremdtötung durchbrochen,271 von einem Fremdtötungstabu kann im Zusammenhang mit einem Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen also jedenfalls nicht mehr gesprochen werden. Die mit einer Tabuisierung der Fremdtötung eng verknüpfte Befürchtung eines Dammbruchs bei Durchbrechung des Verbots begegnet wiederum ganz grundsätzlichen Bedenken: Ein Dammbruch kann nur zum einen in der Art befürchtet werden, als die Praxis bei Aufweichen des Verbots dieses und damit die gesetzlichen Grenzen des Erlaubten (bzw. des Verbotenen) ignorieren könnte – dem ist aber mit Mitteln der Durchsetzung des Rechts und nicht mit Verhaltensnormen entgegenzuwirken.272 Zum anderen soll mit dem Argument wohl die Rücknahme unverzichtbaren strafrechtlichen Schutzes auf Grund gesellschaftlichen Drucks vermieden werden – auch insoweit stellt eine Tabuisierung der Fremdtötung allerdings das falsche Mittel dar, denn die Einhaltung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrags gem. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG wird bereits durch andere Instrumentarien gewährleistet;273 außerdem würde eine solche Argumentation den Normadressaten in einer gegen Art. 1 GG verstoßenden Weise zu einem Objekt staatlicher Gewalt degradieren, da er als Mittel dazu missbraucht würde, dass der Gesetzgeber sich vor dem Erlass rechts- oder verfassungswidriger Gesetze bewahrt274. Auch in Bezug auf den Behandlungsabbruch im Speziellen ist die Befürchtung eines Dammbruchs auf Grund der Neuregelung der §§ 1901 a ff. BGB unangebracht, schließlich lenkt der Gesetzgeber mit der zivilrechtlichen Regelung die Zulässigkeit des Behandlungsabbruchs in geregelte Bahnen, die einer Aufweichung des Lebensschutzes im Vergleich zu der vorher bestehenden Unsicherheit bezüglich der Beachtung einer Patientenverfügung gerade entgegenwirken: Der Damm war also auch zuvor schon durchlässig, durch die §§ 1901a ff. BGB wird aber das durchfließende Wasser in geordnete Bahnen gelenkt. Schließlich wird auch die Vermeidung von Beweisschwierigkeiten als dem § 216 StGB zu Grunde liegender Schutzzweck in der Literatur kritisiert – so könne die Beweisfunktion jedenfalls keinen hinreichenden Schutzzweck darstellen,275 da im Strafrecht Prävention als Selbstzweck nicht zulässig sei,276 sondern 271 Walter ZIS 2011, 76 (82): Die Tabufunktion bezüglich der Tötung eines anderen wird angesichts der §§ 1901a ff. BGB „nicht mehr mit derselben Radikalität verfolgt wie [durch] die Schöpfer der § 216 StGB“. 272 F. Müller, S. 77. 273 F. Müller, S. 78; Murmann, S. 281. 274 Maatsch, S. 41; F. Müller, S. 78; ebenfalls in diese Richtung, allerdings ohne Bezugnahme auf die Menschenwürde R. Merkel Früheuthanasie, S. 424 f. 275 F. Müller, S. 62; Schroeder in FS Deutsch, S. 505 (509): „unzulässig, Feststellungsschwierigkeiten hinsichtlich eines Tatbestandsmerkmals in einem abstrakten Gefährdungsdelikt aufzufangen“. 276 F. Müller, S. 64.

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stets neben dem repressiven Gehalt stehen müsse. So ist unter Zugrundelegung dieses Schutzzwecks die nach § 216 StGB zu verhängende Strafe dann nicht schuldangemessen, wenn eine mangelfreie Einwilligung des Opfers vorliegt, da das Berufen des Täters auf ein Tötungsverlangen des Opfers dann keine – schwer als unwahr zu beweisende – Schutzbehauptung des Täters darstellt. Über diese grundsätzlichen Bedenken hinaus bestehen bei einem Behandlungsabbruch auf Grund einer Patientenverfügung gar keine Beweisschwierigkeiten in dem Maße, dass sie alleine die Strafbarkeit begründen könnten: Die befürchteten Schwierigkeiten bei der Beweisführung in Bezug auf etwaige Schutzbehauptungen liegen darin begründet, dass die zur Verifizierung des wirksamen Tötungsverlangens zu ermittelnden Umstände hauptsächlich im Inneren des Opfers begründet sind,277 beim Behandlungsabbruch auf Grund einer Patientenverfügung hat der Patient die von ihm angestellten Erwägungen aber gerade schriftlich festgehalten. Zwar bedürfen auch diese der Interpretation und können trotz der weiteren Verfahrensvorgaben keinen lückenlosen Schutz gewährleisten, doch ergibt sich auf Grund der §§ 1901a ff. BGB ein bestmöglicher Schutz vor missbräuchlichem Berufen auf den Patientenwillen278 – eine Akzessorietät des Strafrechts zu den betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben würde diesen Effekt gegebenenfalls verstärken. Zurückgehend auf Jakobs279 wird an den Gedanken der Beweisfunktion des § 216 StGB anknüpfend teilweise die Sicherstellung der „subjektiven Vollzugsreife“ als Schutzzweck der Tötung auf Verlangen angesehen, da bei einer Fremdtötung im Gegensatz zu einer Selbsttötung stets das Risiko bestehe, dass der die Tötung Verlangende noch einer Bestätigung seines Verlangens bedarf oder der die Tötung Ausführende gar noch den Zweckzusammenhang im Sinne einer Begründung des Todeswunsches zu ergänzen habe. Um einen solchen Mangel auszuschließen, sei § 216 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt in Bezug auf die subjektive Vollzugsreife ausgestaltet.280 Allerdings ist fraglich, ob allein die Überlassung der Zwecksetzung beispielsweise durch Äußerung eines Behandlungswunsches mit Wertungsspielraum dazu führt, dass dem die Tötung Ausführenden die Verantwortung für die Tötung zukommt – schließlich lässt sich auch außerhalb der Tötung auf Verlangen an Fälle denken, in denen ein Dritter den Suizidenten durch Aufzeigen einer möglichen Zwecksetzung zu einer Selbsttötung anstiftet,281 mangels tauglicher Haupttat aber nicht bestraft wird. Stattdessen hat der Suizident selbst die Möglichkeit der fremdbestimmten Zwecksetzung eröffnet, sodass ihm diese auch zuzurechnen ist. Zudem ist dem Recht eine For277

F. Müller, S. 122; Murmann, S. 489. Walter ZIS 2011, 76 (81). 279 Jakobs Tötung auf Verlangen, S. 22. 280 Jakobs Tötung auf Verlangen, S. 23. 281 F. Müller, S. 117 mit dem Beispiel einer möglichen Äußerung: „Ich an deiner Stelle würde mich umbringen!“. 278

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derung „bestimmte[r] formale[r] oder inhaltliche[r] Anforderungen an [. . .] Begründungszusammenhänge“ 282 eigentlich fremd und es bedürfte zumindest einer genaueren Begründung, wieso im Bereich des Behandlungsabbruchs die im Übrigen ausreichende Mangelfreiheit bestehender Begründungszusammenhänge nicht genügt. Jakobs’ Verständnis des § 216 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt kann damit nicht überzeugen; allerdings ist damit noch nicht der Ausformung des § 216 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt283 an sich eine Absage erteilt. Nach F. Müller schützt § 216 StGB vor der abstrakten Gefahr, dass ein eventuell defizitäres Tötungsverlangen umgesetzt wird284 – die Einwilligung in eine Tötung sei besonders fehleranfällig, da sich die für ihre Wirksamkeit erforderlichen Umstände überwiegend aus dem Inneren des oft psychisch angegriffenen285 Opfers ergeben.286 Zum einen besteht auch bei anderen Rechtsgütern das Risiko einer defizitären Einwilligung; ob allein die besonders einschneidende, weil irreversible Verletzung des Rechtsguts Leben287 die unterschiedliche Bewertung von Verfügungen über die eigenen Rechtsgüter zwingend fordert, erscheint fraglich. Vor allem aber setzt im Speziellen die Abfassung einer schriftlichen Patientenverfügung zumindest ein Mindestmaß an Reflexion des eigenen Wunsches eines Behandlungsabbruchs voraus; überdies stellt das Zivilrecht in den §§ 1901a ff. BGB verfahrensrechtliche Absicherungen bereit, die der Überprüfung der Einwilligungsfähigkeit bei Abfassung der Patientenverfügung zuträglich sind. Zwar stellt die Prüfung der Patientenverfügung durch Patientenvertreter und Arzt erst im Nachhinein, nämlich erst bei Entscheidung über den Behandlungsabbruch und nicht bereits bei Abfassung der Patientenverfügung, nicht den idealen Schutz vor einer defizitären Einwilligung des Patienten dar, doch hat der Gesetzgeber mit der Einführung der §§ 1901a ff. BGB diese Prüfung als ausreichend bewertet. Folglich ist auch der von F. Müller favorisierte Schutzzweck des § 216 StGB im Falle eines Behandlungsabbruchs auf Grundlage einer Patientenverfügung nicht einschlägig. Mithin werden die dem § 216 StGB zu Grunde liegenden Schutzzwecke bei einem sich im Rahmen der §§ 1901a ff. BGB haltenden Behandlungsabbruch 282

F. Müller, S. 106. Die Einstufung des § 216 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt vertrüge sich im Gegensatz zu der Einordnung des § 216 StGB als Verletzungsdelikt besser mit einer Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB, da diese auf eine Strafbarkeit der abstrakten Gefahr einer falschen Ermittlung des Patientenwillen hinausliefe; vgl. dazu später unter E. III. 3. b) cc). 284 F. Müller, S. 122. 285 Aus diesem Grund vertritt Bringewat ZStW 87 (1975), 623 (632 ff.) gar die Auffassung, dass (fast) jeder Sterbewille pathologisch induziert und damit unbeachtlich sei; eine solche generelle Aussage zu recht ablehnend F. Müller, S. 124; Schmitt in FS Maurach, S. 113 (118). 286 F. Müller, S. 122; Murmann, S. 489. 287 F. Müller, S. 125; Murmann, S. 493 f. 283

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nicht betroffen,288 sodass – abgesehen von der vorzugswürdigen Lösung über eine Einschränkung der Einwilligungssperre mittels einer teleologisch einschränkenden Auslegung und damit dem fehlenden Bedürfnis für eine Rechtsfortbildung – grundsätzlich der Weg zu einer teleologischen Reduktion offen stünde. Bei diesem Ergebnis bedürfte allerdings die Frage nach der Akzessorietät des Strafrechts zu den betreuungsrechtlichen Vorgaben der §§ 1901a ff. BGB keiner näheren Betrachtung, da die teleologische Reduktion der Einwilligungssperre des § 216 StGB nur so weit reichen kann, wie die zivilrechtlichen Regelungen auch tatsächlich greifen, und hierdurch ein Widerspruch zu den möglichen Schutzzwecken des § 216 StGB grundsätzlich ausgeschlossen werden kann;289 sollte die strafrechtliche Sanktion eines zivilrechtlichen Verfahrensverstoßes aus anderen Gründen abzulehnen sein, könnten diese bei der Konstruktion einer teleologischen Reduktion anhand der §§ 1901a ff. BGB keine Berücksichtigung finden. Dass dies nicht im Sinne des Gesetzgebers gewesen sein kann, zeigt die – in der Tat missglückte – Formulierung der Gesetzesbegründung: „Die gesetzliche Regelung der Patientenverfügung verschiebt diese Grenze [des § 216 StGB] nicht, sondern klärt die Beachtung des Selbstbestimmungsrechts bei solchen Verfügungen“;290 ganz ähnlich formulierte der BGH in der (wenn auch insoweit widersprüchlichen291) Fuldaer Entscheidung: „Allerdings bleiben die Regelungen der §§ 212, 216 StGB von den Vorschriften des Betreuungsrechts unberührt“.292 Angesichts des durch die Einführung der §§ 1901 a ff. BGB hervorgerufenen Widerspruchs zu § 216 StGB kann die betreuungsrechtliche Regelung aber aus systematischen Erwägungen nicht völlig ohne Einfluss auf die strafrechtliche Einwilligungssperre bezüglich eines Behandlungsabbruchs sein.293 Gleichwohl sollte die Äußerung des Gesetzgebers nicht als gänzlich verfehlt unberücksichtigt bleiben, sondern die Betonung des Selbstbestimmungsrechts derart verstanden werden, dass die gesetzliche Regelung der §§ 1901a ff. BGB nicht unmittelbar die Grenze des § 216 StGB als privilegiertem Straftatbestand verschiebt – der folglich weiterhin den anzuwendenden Tatbestand bildet –, sondern mittelbar über eine Erweiterung der strafrechtlichen Einwilligung.

288

A. A. Joerden in FS Roxin, S. 593 (595 ff.). Walter ZIS 2011, 76 (82). 290 BT-Drs. 16/8442, S. 9; Hörr, S. 115 geht mit Verweis auf BT-Drs. 16/8442, S. 7 f. sogar so weit, dass der Gesetzgeber mit dem Patientenverfügungsgesetz den § 216 StGB sogar ausdrücklich bestätigt habe. 291 Vgl. dazu die bereits kurz zuvor genannte Formulierung („Diese Neuregelung entfaltet auch für das Strafrecht Wirkung“, s. BGHSt 55, 191 (199 Rn. 25)), die im Urteil sogar direkt vor dem hier angeführten Satz steht. 292 BGHSt 55, 191 (199 Rn. 25); diese Aussage des BGH hält Gaede NJW 2010, 2925 (2927) als unvereinbar mit der auch von ihm favorisierten Lösung über eine teleologische Reduktion. 293 Walter ZIS 2011, 76 (82) mit Verweis auf BT-Drs. 16/8442 S. 9, 12, 16 f., 18. 289

I. Sterbehilfe

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cc) Erweiterung der Einwilligung anhand der §§ 1901a ff. BGB Demnach hat die Einwilligung in eine Tötung ausnahmsweise doch rechtfertigende Wirkung, wenn sie sich im Rahmen des Selbstbestimmungsrechts hält, das auch im neuen Betreuungsrecht Eingang gefunden hat.294 Dabei ist die zivilrechtliche Regelung durchaus Anlass für diese Erweiterung der strafrechtlichen Einwilligung, doch erfolgt die Anknüpfung an die §§ 1901a ff. BGB nur indirekt über die mit der Reform des Betreuungsrechts vorgenommene Stärkung des Selbstbestimmungsrechts in Form der Patientenautonomie, die eine eigene Entscheidung des Patienten für oder wider einen Behandlungsabbruch akzeptiert.295 Die in § 216 StGB hineingelesene Einwilligungssperre ist anhand der §§ 1901a ff. BGB durch eine teleologische Auslegung einzuschränken, wobei die vorgenannten Erläuterungen, dass die dem § 216 StGB zu Grunde liegenden Zwecke bei der Umsetzung von Patientenverfügungen gem. §§ 1901a ff. BGB nicht einschlägig sind, zu übertragen sind. Diese Lösung – die wohl im Einklang mit der in der Literatur vertretenen Annahme eines „de facto-Dispens[es]“ 296 von der Einwilligungssperre des § 216 StGB steht297 – ist ergebnisoffen im Hinblick auf die Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB. Damit trägt sie der Forderung des BGH nach einer strafrechtsautonomen Lösung insoweit Rechnung, als dass die Akzessorietät zu den betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben nicht als Automatismus betrachtet wird – wie es im Falle einer teleologischen Reduktion des § 216 StGB anhand der §§ 1901a ff. BGB der Fall gewesen wäre –, sondern die Sinnhaftigkeit einer strafrechtlichen Bewehrung der zivilrechtlichen Vorgaben hinterfragt. Auch wenn die Anwendung von § 216 StGB bei gleichzeitiger Akzeptanz einer Entscheidung des Patienten gegen eine Weiterbehandlung und damit für einen Behandlungsabbruch auf den ersten Blick widersinnig erscheinen mag, findet nur so der Umstand ausreichend Berücksichtigung, dass die Einwilligung das im Hinblick auf die Selbstbestimmung des Patienten entscheidende Institut ist.298 Schließlich stellen bereits die §§ 1901a ff. BGB die Verbindung zu der rechtfertigenden Einwilligung her, wenn sie bezüglich der Fähigkeit zur Abfassung einer die Entscheidung für oder wider einen Behandlungsabbruch enthaltenden Patientenverfügung auf die Einwilligungsfähigkeit abstellen. Überdies stellt die Lösung über einen Erlaubnissatz, der ein

294

Gaede NJW 2010, 2925 (2926 f.); Joerden in FS Roxin, S. 593 (595). Symptomatisch dafür ist das Berufen des BGH in der sog. Fuldaer Entscheidung auf die §§ 1901a ff. BGB, obwohl es sich angesichts des Tatzeitpunkts im Jahr 2007 eigentlich noch um einen Altfall handelte. Zu der Behandlung von solchen Altfällen, also von Behandlungsabbrüchen vor Geltung des 3. BtÄndG, ausführlich Sch/Sch29 / Eser/Sternberg-Lieben Vor §§ 211 ff. Rn. 28c f. 296 Saliger KritV 1998, 118 (127). 297 Zustimmend Eidam GA 2011, 232 (241); ähnlich Duttge MedR 2011, 36 (37 f.). 298 Becker-Schwarze FPR 2007, 52 (53). 295

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B. In Betracht kommende Strafbarkeit

bestimmtes Verhalten nur ausnahmsweise um einer anderen Zielsetzung wegen erlaubt,299 angesichts der von § 216 StGB weiterhin herausgestellten Problematik einer Einwilligung in eine irreversible Verletzung des Rechtsguts Leben eine sachgemäßere Lösung dar als die Rücknahme des Verbots an sich durch eine teleologische Reduktion. Freilich wäre es wünschenswert gewesen, dass der BGH den von ihm eingeschlagenen dogmatischen Weg deutlich macht, anstatt davon zu sprechen, dass „[d]ie tatbestandlichen Grenzen des § 216 StGB [. . .] [durch die Neuregelung der §§ 1901a ff. BGB] unberührt [bleiben]“, auch wenn diese Aussage immerhin eine Auflösung des Konflikts zu § 216 StGB auf tatbestandlicher Ebene und damit eine teleologische Reduktion gerade ausschließt. Jedenfalls steht die hier als vorzugswürdig betrachtete dogmatische Konstruktion einer Erweiterung der strafrechtlichen Einwilligung anhand der in §§ 1901a ff. BGB zum Ausdruck gekommenen Stärkung des Selbstbestimmungsrechts auch bezüglich Entscheidungen am Lebensende im Einklang mit der vom BGH entwickelten Rechtfertigungslösung und lässt die Frage nach der Akzessorietät des Strafrechts zu den betreuungsrechtlichen Regelungen unbeantwortet, sodass Raum für eine argumentative Auseinandersetzung mit dem Für und Wider bezüglich der Akzessorietät verbleibt. 4. Zwischenergebnis Folglich ist die Umsetzung einer Patientenverfügung mit Blick auf das Rechtsgut Leben in jedem Fall gem. §§ 212, 216 StGB strafbar, wenn sie die Voraussetzungen einer aktiven Sterbehilfe erfüllt. Beschränkt sie sich jedoch auf die vormals als indirekte oder passive Sterbehilfe eingeordneten Verhaltensweisen, kommt nach der vom BGH in der sog. Fuldaer Entscheidung entwickelten Lösung – die hier aus Platzgründen nicht grundsätzlich hinterfragt werden kann, sondern als Ausgangspunkt für die Untersuchung zu Grunde gelegt wird – eine Rechtfertigung in Betracht, bezüglich derer sich die Frage nach der Akzessorietät des Strafrechts zu den Verfahrensvorgaben der §§ 1901a ff. BGB stellt. Allein das Spannungsverhältnis zu § 216 StGB liefert darauf keine Antwort, schließlich wirken die durch das 3. BtÄndG eingeführten Normen nur mittelbar als Einschränkung der in § 216 StGB enthaltenen Einwilligungssperre auf das Strafrecht ein, sodass eine strafrechtsautonome und damit von den betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben unabhängige Bewertung anhand der rechtfertigenden Einwilligung bzw. bei einem Patientenwunsch gem. § 1901a Abs. 2 BGB anhand der mutmaßlichen Einwilligung nicht ausgeschlossen wird.

299

Rudolphi in GS Arm. Kaufmann, S. 371.

II. Körperverletzung

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II. Körperverletzung Neben der Strafbarkeit wegen Tötungsdelikts kommt im Zusammenhang mit dem Handeln gemäß einer Patientenverfügung die Strafbarkeit wegen Körperverletzungsdelikts in Betracht. 1. Ärztlicher Eingriff als tatbestandsmäßige Körperverletzung Wie eingangs bereits erwähnt, stellt jede Behandlung durch einen Arzt nach h. M.300 auch bei lege artis durchgeführten Eingriffen eine rechtfertigungsbedürftige Körperverletzung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB dar (vgl. auch § 630d Abs. 1 S. 1 BGB), weshalb der Einwilligung des Patienten die angesprochene doppelte Bedeutung zukommt, die damit die einzig legale Handlungsrichtung des Arztes bestimmt.301 Da diese Einwilligung entsprechend dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten für ihre Wirksamkeit als „informed consent“ erfolgen muss,302 wird der Arzt zu einer sorgfältigen Aufklärung des Patienten gezwungen; die Ansicht, nach der bereits der Tatbestand der Körperverletzung bei einem Heileingriff nicht erfüllt ist,303 trägt hingegen dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten nicht ausreichend Rechnung.304 Diesem Grundrecht entsprechend muss es dem Patienten stets frei stehen, medizinische Maßnahmen abzulehnen305; er unterliegt keiner Pflicht zur Lebens-

300 So schon RGSt 25, 375 (378 f.); vgl. auch RGSt 74, 91 (95 f.); BGHSt 11, 111 (112); 12, 379 (383); 16, 309 (310); 35, 246 (250); 43, 306 (308 f.); 45, 219 (221); BGHZ 29, 33 (35); 106, 391 (394); BGH NJW 1978, 1206; BGH NJW 2006, 2108 ff.; BVerfGE 52, 131 (174 f.); J. Baumann NJW 1958, 2092 f.; R. Beckmann MedR 2009, 582; Bottke in Deutsche Sektion der Internationalen Juristen-Kommission (Hrsg.), Lebensverlängerung aus medizinischer, ethischer und rechtlicher Sicht, S. 35 (103, 122); Jäger JuS 2000, 31 (34 f.); Kargl GA 2001, 538 (553); Krey/Esser AT5 Rn. 667; Lipp in Laufs/Katzenmeier/Lipp (Hrsg.), ArztR6, VI. Rn. 94; Schwalm in FS Bockelmann, S. 539 f.; Silberg HFR 2010, 104 (105); Sternberg-Lieben in FS Lenckner, S. 349 (352); ders. in FS Eser, S. 1185; ders. NJW 1985, 2734 (2738); Uhlenbruck in Madea u. a. (Hrsg.), Innere Medizin und Recht, S. 167 (169). 301 Stackmann MedR 2003, 490 (492); eingehend zu der doppelten Wirkung des Patientenwillens auch R. Merkel ZStW 107 (1995), 545 (559 ff.), der ein Modell von zu fordernden Wahrscheinlichkeiten für beide Richtungen des ärztlichen Verhaltens entwickelt, um die damals vom BGH aufgestellte Forderung nach „hohen Anforderungen“ an den mutmaßlichen Willen bezüglich eines Behandlungsabbruchs abzulehnen; zu einer Lösung des Konflikts anhand des erlaubten Risikos G. Rieger, S. 107. 302 Heyers, S. 55. 303 Vgl. etwa Sch/Sch28 /Eser § 223 Rn. 32 f.; Lackner/Kühl28 /Kühl § 223 Rn. 8; LK-StGB11 /Lilie Vor § 223 Rn. 1 und 3 ff.; Bockelmann NJW 1961, 945 (946 f.); Maurach/Schroeder/Maiwald BT 110 § 8 Rn. 24; Reus JZ 2010, 80 (81). 304 Böcker JZ 2005, 925 (926). 305 Eine Durchführung lebensverlängernder Maßnahmen entgegen dem in der Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachten Willen ist also als Körperverletzung strafbar,

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B. In Betracht kommende Strafbarkeit

erhaltung,306 selbst wenn die unmittelbare Disposition über die körperliche Integrität eine mittelbare Disposition307 über das eigene Leben darstellt – § 216 StGB steht aus den genannten Gründen nicht entgegen. In dem der Rechtsprechungsänderung zu Grunde liegenden Sachverhalt wurde die künstliche Ernährung der Patientin unterbrochen, die über eine PEG-Sonde erfolgte. Dabei handelte es sich um eine parentale, also durch die Bauchdecke gelegte Ernährungssonde, deren Legen – genau wie das der enteralen Ernährungssonde durch die Speiseröhre308– bereits einen den Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB erfüllenden Eingriff in die körperliche Integrität darstellt:309 Zwar erfolgt der Eingriff zur Ermöglichung der Nahrungsaufnahme und damit als Pflegemaßnahme,310 doch schafft das Legen der Sonde einen pathologischen Zustand, weil, wie Höfling und Rixen es formulieren, „die Bauchdecke eines Menschen normalerweise nicht durchlöchert ist“;311 vielmehr wird zielgerichtet eine Wunde herbeigeführt, die ggf. ärztlicher Versorgung bedarf.312 Auch das Beibehalten dieser Sonde stellt dann einen fortdauernden Eingriff dar,313 der einer Legitimation durch den Patientenwillen bedarf 314 – damit wäre wieder der oben NK-StGB4 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 Rn. 116; Bottke in Deutsche Sektion der Internationalen Juristen-Kommission (Hrsg.), Lebensverlängerung aus medizinischer, ethischer und rechtlicher Sicht, S. 35 (103, 122); Sternberg-Lieben NJW 1985, 2734 (2738); ders. in FS Lenckner, S. 349 (362 m.w. N.); a. A. Schöch in FS Hirsch, S. 693 (706): Strafverfahren gegen den Arzt als „praktisch ungeeignetes Mittel“. 306 BGHSt 37, 376 (378); 40, 257 (260); LK-StGB11 /Jähnke Vor § 211 Rn. 13; Geilen Euthanasie und Selbstbestimmung, S. 11; Hufen NJW 2001, 849 (850); ders. ZRP 2003, 248 (250); Knopp MedR 2003, 379 (384); Sternberg-Lieben, S. 39 f., 54, 108 ff.; ders. in FS Eser, S. 1185 f. 307 Vgl. zur Zulässigkeit von mittelbaren Dispositionen über das Rechtsgut Leben auch die mögliche Einwilligung in die Gefährdung des Lebens, s. Fröschle JZ 2000, 72 (73). 308 A. A. als Teil der Pflege stets geboten und daher nicht einwilligungsbedürftig: Laufs NJW 1998, 3399 (3400); Nagel, S. 54 ff.; Opderbecke/Weißauer MedR 1998, 395; P. Schmidt/Madea MedR 1998, 406 (408); Weißauer/Opderbecke MedR 1995, 456 (461); so auch Eibach MedR 2000, 10 (15); anders aber anscheinend ders. MedR 2002, 123 (129). 309 BGHZ 154, 205 (210); D. Albrecht in FS Schreiber, S. 551 (559); Stoffers, S. 61; anders noch Grundsätze der BÄK zur ärztlichen Sterbebegleitung vom 11.9.1998, NJW 1998, 3406 (3407), die selbst die Ernährung über eine PEG-Sonde als pflegerische Grundversorgung einordneten. 310 Höfling/Rixen JZ 2003, 884 (888 f.); Stoffers, S. 64 f.; der Abbruch der künstlichen Ernährung bedeutet in der Regel kein zusätzliches Leiden für die Patienten, sodass die Therapiebegrenzung insoweit zulässig sein kann, so D. Albrecht in FS Schreiber, S. 551 (559). 311 Höfling/Rixen JZ 2003, 884 (889). 312 Stoffers, S. 65. 313 Hufen NJW 2001, 849 (853 f.); Taupitz 63. DJT, A 48. BGHZ 154, 205 (210) und BGHZ 163, 195 (197) differenzieren zwar nicht ausdrücklich, bewerten das Legen und das Beibehalten der Sonde aber einheitlich; vgl. auch OLG Frankfurt a. M. NJW 2002, 689 (690); OLG Karlsruhe NJW 2002, 685; LG Duisburg NJW 1999, 2744.

II. Körperverletzung

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bereits herausgearbeitete entscheidende Ansatzpunkt für die rechtfertigende Einwilligung des Patienten angesprochen, der gerade nicht in der Beendigung des Lebens zu sehen ist, um „die Legitimationslast für eine ärztliche Behandlung [nicht]in ihr Gegenteil [zu verkehren]“ 315. 2. Unterlassen einer ärztlichen Behandlung: vom Behandlungsvertrag abhängige Garantenpflicht Aber auch die Verweigerung einer medizinisch indizierten316 und damit gebotenen ärztlichen Behandlung führt bei einer entsprechenden Garantenpflicht zu einer Körperverletzungsstrafbarkeit317 (§§ 223 Abs.1, 13 Abs. 1 StGB), insbesondere auch das Unterlassen einer effektiven Schmerztherapie.318 Dabei haben alle Beteiligten – Patientenvertreter, Arzt und Angehörige – eine Garantenstellung bezüglich des Patienteninne:319 Der Arzt ist Garant kraft Übernahme320 bei entsprechendem Behandlungsauftrag,321 durch konkrete Behandlungswünsche kann der Patient dieses Garanten314 Sch/Sch29 /Eser/Sternberg-Lieben Vor §§ 211 ff. Rn. 28; Coeppicus NJW 2011, 3749 (3750); Lipp in Laufs/Katzenmeier/Lipp (Hrsg.), ArztR6, VI. Rn. 94; SternbergLieben in FS Roxin, S. 537 (539). 315 Lipp in Laufs/Katzenmeier/Lipp (Hrsg.), ArztR6, VI. Rn. 94. 316 Sternberg-Lieben in FS Eser, S. 1185 (1189 Fn. 17); Ulsenheimer in Laufs/Kern (Hrsg.), ArztR4, § 149 Rn. 7; BGHZ 154, 205 (224) „Die medizinische Indikation [. . .] begrenzt insoweit den Inhalt des ärztlichen Heilauftrags“. 317 Wenn die unterlassene Schmerzbehandlung sogar zu einer Lebensverkürzung führt, macht sich der Arzt wegen Tötungsdelikts gem. §§ 212, 13 StGB bzw. §§ 222, 13 StGB strafbar; s. auch Sch/Sch29 /Eser/Sternberg-Lieben Vor §§ 211 ff. Rn. 23; Langer in Kruse/Wagner (Hrsg.), Sterbende brauchen Solidarität, S. 101 (136 f.). 318 BGH NJW 1995, 3194; Sch/Sch29 /Eser/Sternberg-Lieben Vor § 211 ff. Rn. 23; MK-StGB2 /Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 99; Bottke in Deutsche Sektion der Internationalen Juristen-Kommission (Hrsg.), Lebensverlängerung aus medizinischer, ethischer und rechtlicher Sicht, S. 35 (114); Coeppicus FPR 2007, 63 (64); Kutzer in FS Salger, S. 663 (669); G. Rieger, S. 18 f.; Roxin in Roxin/Schroth (Hrsg.), Handbuch des Medizinstrafrechts4, S. 75 (86); Saliger KritV 2001, 382 (397); B. Schröder, S. 207. 319 Unter Bezugnahme auf das Rechtsgut Leben Tamm VuR 2009, 449 (457). 320 BGH NJW 1979, 1258; Sch/Sch29 /Eser/Sternberg-Lieben Vor §§ 211 ff. Rn. 27; Klöpperpieper FPR 2010, 260 (262); Lenckner in Forster (Hrsg.), Praxis der Rechtsmedizin, S. 569 (573); Popp ZStW 118 (2006), 639 (643). Die Verpflichtung zu dieser Übernahme kann sich insbesondere aus dem Bereitschaftsdienst des Arztes ergeben, s. dazu Sch/Sch29 /Eser/Sternberg-Lieben Vor § 211 ff. Rn. 27; Bockelmann, S. 19 ff.; Klöpperpieper FPR 2010, 260 (262); Kreuzer in Mergen (Hrsg.), Die juristische Problematik in der Medizin II, S. 217 (221 ff.). 321 Der Behandlungsvertrag bildet zwar die Grundlage ärztlichen Handelns, ein Tätigwerden des Arztes setzt darüber hinaus aber auch eine medizinischen Indikation und eine (mutmaßliche) Einwilligung des Patienten voraus, vgl. Lipp in Laufs/Katzenmeier/ Lipp (Hrsg.), ArztR6, VI. Rn. 93. Insofern begründet alleine die Garantenstellung noch kein Eingriffsrecht, Sternberg-Lieben in FS Eser, S. 1185 (1187).

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B. In Betracht kommende Strafbarkeit

verhältnis modifizieren.322 Als eine solche Modifikation lässt eine auf Behandlungsabbruch gerichtete Patientenverfügung zwar die grundsätzliche Garantenstellung bestehen, auf Grund der Einwilligung entfällt aber die Garantenpflicht323 und damit die Rechtswidrigkeit des Unterlassens ärztlicher Behandlung. Auf diese Weise gestaltet sich die strafrechtliche Bewertung in Bezug auf die Legitimation, wie vom BGH gefordert324, unabhängig von der Einordnung als Tun oder Unterlassen.325 Entfällt die medizinische Indikation326 lebensverlängernder Maßnahmen, weil der Patient unmittelbar im Sterben liegt,327 begrenzt sich die Handlungspflicht des Arztes auf eine „Hilfe im Sterben“ 328, ohne dass es eines Widerspruchs des Patienten gegen eine lebensverlängernde Maßnahme bedarf.329 Der Arzt muss

322

Popp ZStW 118 (2006), 639 (645): „neue und schärfere Definition des Behandlungsverhältnisses“; vgl. auch Schork, S. 133; D. Albrecht in FS Schreiber, S. 551 (562): Behandlungsauftrag als Grenze der Garantenstellung. 323 Für eine Abhängigkeit der Garantenpflichten von dem Patientenwillen Arzt JR 1986, 309 (311); Bosch JA 2010, 908 (909); Deichmann MDR 1995, 983; Ingelfinger JZ 2006, 821 (830); Popp ZStW 118 (2006), 639 (645); Sternberg-Lieben in FS Lenckner, S. 349 (355); ablehnend Schwedler, S. 83. 324 BGHSt 55, 191 (203 f. Rn. 32): „Da eine Differenzierung nach aktivem und passivem Handeln nach äußerlichen Kriterien nicht geeignet ist, sachgerecht und mit dem Anspruch auf Einzelfallgerechtigkeit die Grenzen zu bestimmen, innerhalb derer eine Rechtfertigung des Handelns durch den auf das Unterlassen oder den Abbruch der medizinischen Behandlung gerichteten Willen des Patienten anzuerkennen ist, müssen andere Kriterien gelten“. 325 Auch wenn die Legitimation eines vom Patientenwillen gedeckten Behandlungsabbruchs damit für aktives und passives Verhalten parallel verläuft, erscheinen angesichts des vermindert eindringlichen Gebotsappells aus Garantenhaftung (Hörr, S. 348) Zweifel in Bezug auf die völlige Aufgabe der Differenzierung zwischen Tun und Unterlassen beim Behandlungsabbruch angebracht. Wirkung entfaltet die Beibehaltung dieser Differenzierung schließlich weiterhin bei falscher und damit nicht gerechtfertigter Umsetzung des vermeintlichen Patientenwillens, da bei Einordnung des Verhaltens als Unterlassen die Anwendung des fakultativen Strafmilderungsgrunds des § 13 Abs. 2 i.V. m. § 49 Abs. 2 StGB in Betracht kommt. 326 Vgl. zu den verschiedenen Indikationsstufen die Aufstellung bei Silberg HFR 2010, 104 (111) mit Verweis auf Pschyrembel Klinisches Wörterbuch259 „Indikation“. 327 BÄK DÄBl. 2004, A 1298; LK-StGB11 /Jähnke Vor § 211 Rn. 17; Lipp in Laufs/ Katzenmeier/Lipp (Hrsg.), ArztR6, VI. Rn. 102; Opderbecke/Weißauer MedR 1998, 395 (397); Saliger KritV 2001, 382 (400 ff.). 328 BGHSt 40, 257 (260); Lipp in Laufs/Katzenmeier/Lipp (Hrsg.), ArztR6, VI. Rn. 102. 329 LK-StGB11 /Jähnke Vor § 211 Rn. 16 f.; Ankermann MedR 1999, 387 (389); Lipp in Laufs/Katzenmeier/Lipp (Hrsg.), ArztR6, VI. Rn. 102; ders. FamRZ 2004, 317 (318 f.); Roxin in Roxin/Schroth (Hrsg.), Handbuch des Medizinstrafrechts3, S. 313 (333). Insoweit ist umstritten, ob die Garantenstellung des Arztes in diesem Stadium gänzlich wegfällt (D. Albrecht in FS Schreiber (2003), S. 551 (562 f.); Sternberg-Lieben in FS Roxin, S. 537 (555 Fn. 102)), oder ob sie auf Grund der Verpflichtung des Arztes zu einer Schmerztherapie etc. bis zum Tod des Patienten weiterbesteht (BGHSt 32, 367 (377)).

II. Körperverletzung

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eine sonstige Behandlung also gar nicht erst anbieten,330 sodass es auf die Einwilligung des Patienten in Form der Patientenverfügung gar nicht erst ankommt331 (vgl. auch den Wortlaut des § 1901b Abs. 1 S. 1 BGB).332 Bei der Garantenstellung des Patientenvertreters ist zwischen Betreuer und Bevollmächtigtem333 zu unterscheiden: Der Betreuer ist Garant kraft gesetzlicher Pflichtenstellung, da das Betreuungsrecht ihm – im Rahmen seines Aufgabenkreises – die Abwendung von Schäden für den Betreuten auferlegt334 (vgl. § 1901 BGB). Für den Bevollmächtigten ergibt sich die Garantenstellung aus der Vorsorgevollmacht und damit regelmäßig aus einem Auftragsverhältnis im Sinne der §§ 662 ff. BGB,335 das die näheren Pflichten vertraglich ausgestaltet. Schließlich haben auch die Angehörigen und die sonstigen Vertrauenspersonen, die bei dem Handeln gemäß einer Patientenverfügung nach § 1901b Abs. 2 BGB zum Patientenwillen befragt werden sollen, in der Regel eine Beschützergarantenstellung inne, die sich bei engen Verwandten aus natürlicher Verbundenheit,336 bei den sonstigen Vertrauenspersonen aus einer engen Lebensgemeinschaft oder der tatsächlichen Übernahme einer Schutzfunktion ergibt bzw. ergeben kann.

330 BT-Drs. 16/8442, S. 7; mit Einsetzen des Sterbevorgangs und dem damit einhergehendem Wegfall der medizinischen Indikation „wandelt sich der Arzt [. . .] vom Lebensretter zum Sterbebegleiter“,so Popp ZStW 118 (2006), 639 (644). Die Grundsätze der BÄK zur ärztlichen Sterbebegleitung (DÄBl. 2011, A 346) konkretisieren die genauen Pflichten des Arztes: „Die Hilfe besteht in palliativ-medizinischer Versorgung und damit auch in Beistand und Sorge für die Basisbetreuung. Dazu gehören nicht immer Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr, da sie für Sterbende eine schwere Belastung darstellen können. Jedoch müssen Hunger und Durst als subjektive Empfindungen gestillt werden“. 331 E. Albrecht/A. Albrecht MittBayNot 2009, 426 (431): medizinische Indikation als „Vorfrage schlechthin zur Patientenverfügung“; R. Beckmann MedR 2009, 582: „entscheidende Weichenstellung“; Probst FF 2010, 144 (145): „allein über derartige [. . .] Maßnahmen ist überhaupt noch zu diskutieren“; nach BGHZ 154, 205 (224) „begrenzt [die medizinische Indikation] insoweit den Inhalt des ärztlichen Heilauftrags“; zur Rechtsunsicherheit bezüglich der gesetzlich nicht geregelten medizinischen Indikation Coeppicus NJW 2011, 2085 (2088 f.); stoppt der Arzt die sinnlose, weil medizinisch nicht mehr indizierte Weiterbehandlung einseitig, wird von einem einseitigen Behandlungsabbruch gesprochen, vgl. zum Begriff Sch/Sch29 /Eser/Sternberg-Lieben Vor §§ 211 ff. Rn. 29; ausführlich zu übermäßigen Behandlungswünschen des Patienten Sternberg-Lieben in FS Seebode, S. 401 (406 ff.). 332 „Der behandelnde Arzt prüft, welche ärztliche Maßnahme im Hinblick auf den Gesamtzustand und die Prognose des Patienten indiziert ist“. 333 Die entsprechende Anwendbarkeit der §§ 1901a ff. BGB auf den Bevollmächtigten ist jeweils ausdrücklich angeordnet (§§ 1901a Abs. 5, 1901b Abs. 3, 1904 Abs. 5 BGB). 334 Bernau/Rau/Zschieschack NJW 2008, 3756 (3760). 335 Kropp FPR 2012, 9 (10 f.). 336 Sch/Sch29 /Eser/Sternberg-Lieben Vor §§ 211 ff. Rn. 27; Klöpperpieper FPR 2010, 260 (262).

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B. In Betracht kommende Strafbarkeit

Einziger Beteiligter an dem Verfahren gem. §§ 1901a ff. BGB, der nur eingeschränkt wegen unechten Unterlassungsdelikts strafbar ist, ist der Betreuungsrichter, dessen Genehmigung unter Umständen für das rechtmäßige Handeln gemäß einer Patientenverfügung erforderlich ist: Auf Grund des Richterprivilegs haftet ein Richter für etwaige Amtspflichtverletzungen bei innerem funktionalem Zusammenhang337 erst ab der Schwelle einer Rechtsbeugung gem. § 339 StGB338 – deshalb erscheint zwar bei Verstoß gegen die sich aus den Amtspflichten ergebenden Garantenpflichten,339 wie beispielsweise beim Unterlassen aufklärender Fragen,340 eine Strafbarkeit (dann auch wegen Körperverletzung durch Unterlassen) möglich, dafür muss aber die Schwere der §§ 339, 13 StGB erreicht sein.341

III. Nötigung (§ 240 StGB) Der Vollständigkeit halber sei auch – in gebotener Kürze – auf die restlichen Delikte eingegangen, die bei dem Handeln bzw. Unterlassen im Zusammenhang mit einer Patientenverfügung eingreifen könnten. Da die Patientenverfügung eine Willensäußerung darstellt, ist bei einem Handeln entgegen dem darin zum Ausdruck gebrachten Patientenwillen das durch § 240 StGB geschützte Rechtsgut der Willensentschließung und -betätigung342 betroffen; die Behandlung oder Nichtbehandlung des Patienten entgegen dessen (in der Patientenverfügung geäußertem) Willen stellt grundsätzlich die Ausübung einer physischen Zwangswirkung in Form von vis absoluta343 dar, zu deren Duldung der Patient genötigt wird. Allerdings ist der Patient in den Fällen, in denen auf eine Patientenverfü337

OLG Naumburg NStZ 2013, 533 (535). Zu dieser Sperrwirkung des § 339 StGB S. BGH MDR 1952, 693 (695); BGHSt 10, 294 (298); seitdem ständige Rspr., vgl. BGH NJW 1971, 571 (574); BGHSt 41, 247 (255); 41, 317 (321); OLG Düsseldorf NStZ 1990, 284 f.; OLG Karlsruhe NJW 2004, 1469 ff.; Fischer62 § 339 Rn. 48; Sch/Sch29 /Heine/Hecker § 339 Rn. 10a; LK12 /Hilgendorf § 339 Rn. 144; Lackner/Kühl28 /Heger § 339 Rn. 11; SSW-StGB2 /Kudlich § 339 Rn. 33; MK-StGB2 /Uebele § 339 Rn. 71; BeckOK-StGB/Witteck/Bange § 339 (Ed. 24) Rn. 28; Maurach/Schroeder/Maiwald BT 210 § 77 Rn. 21; Rengier BT II15 § 61 Rn. 21; Wessels/Hettinger BT 144 Rn. 1143. 339 Sch/Sch29 /Heine/Hecker § 339 Rn. 7. 340 Vgl. RGSt 69, 213 (216). 341 Der BGH scheint zu einer engen Auslegung der Sperrwirkung zu tendieren, vgl. BGH NStZ 2013, 655 (657). 342 BGHSt 34, 71 (77); BGH NStZ 1991, 582; RGSt 48, 346 (347); BayObLG JZ 1986, 404 (405); OLG Düsseldorf NJW 1996, 2245; Sch/Sch29 /Eser/Eisele § 240 Rn. 1; Lackner/Kühl28 /Heger § 240 Rn. 1; SSW-StGB2 /Schluckebier § 240 Rn. 1; MKStGB2 /Sinn § 240 Rn. 2; NK-StGB4 /Toepel § 240 Rn. 13; LK-StGB11 /Träger/Altvater § 240 Rn. 1; BeckOK-StGB/Valerius § 240 (Ed. 24) Rn. 1; Eisele JA 2009, 698; Geppert Jura 2006, 31; Roxin JuS 1964, 373 (374); Scholz NStZ 1995, 417 (420). 343 Vgl. MK-StGB2 /Sinn § 240 Rn. 29; speziell eine Einordnung von invasiven Maßnahmen gegen den Patientenwillen als Nötigung bei Merkel Früheuthanasie, S. 418. 338

IV. Unterlassene Hilfeleistung (§ 323c StGB)

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gung zurückgegriffen werden muss, aktuell oft nicht mehr willensfähig, typischerweise sogar im Wachkoma,344 sodass allenfalls eine Versuchsstrafbarkeit in Betracht käme345. Und auch wenn der Patient noch bei Bewusstsein ist und damit die für eine Nötigung erforderliche Fähigkeit zur Willensbildung und -betätigung aufweist, verwirklichen die Beteiligten bei richtiger Umsetzung der Patientenverfügung den Tatbestand des § 240 StGB nicht, da zwar angesichts der grundrechtlich verwurzelten Patientenautonomie das Mittel – das im Übrigen stets auch den Tatbestand des § 223 StGB verwirklicht – als verwerflich einzuordnen ist, der Tatbestand aber auf Grund eines Einverständnisses entfällt.346

IV. Unterlassene Hilfeleistung (§ 323c StGB) Schließlich ist bezüglich eines Behandlungsabbruchs noch die Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung gem. § 323c StGB zu nennen, die zum Tragen kommt, wenn der jeweilige Unterlassende keine Garantenstellung inne hat: Das Nichtergreifen von lebensverlängernden Maßnahmen kann zwar durch einen diesbezüglichen, in einer Patientenverfügung formulierten Patientenwillen gerechtfertigt werden,347 grundsätzlich stellt es bei gegebener medizinischer Indikation aber eine unterlassene Hilfeleistung dar, wenn der jeweilige Unterlassende trotz der dafür erforderlichen medizinischen Fähigkeiten solche Maßnahmen nicht ergreift bzw. sich bei Fehlen eigener Fähigkeiten nicht um eine medizinische Versorgung durch sachkundige Dritte bemüht348. 344 Keine (vollendete) Nötigung von Ohnmächtigen oder in gleicher Weise Weggetretenen (bspw. Komapatienten) möglich, vgl. NK-StGB4 /Toepel § 240 Rn. 31. 345 Für eine solche Versuchsstrafbarkeit müsste der Arzt allerdings davon ausgehen, dass der Patient noch willensfähig sei – in einer solchen Lage dürfte der Arzt, wenn er von einer Einwilligungsfähigkeit des Patienten ausgeht, ohnehin nicht auf die Patientenverfügung zugreifen, sondern müsste eine aktuelle Einwilligung einholen. Geht er lediglich von einer natürlichen Einsichtsfähigkeit des Patienten aus, unterläge er bei Annahme eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses einem Erlaubnistatbestandsirrtum. 346 Zum tatbestandsausschließenden Einverständnis bei § 240 StGB SSW-StGB2 / Schluckebier § 240 Rn. 14; MK-StGB2 /Sinn § 240 Rn. 104; NK-StGB4 /Toepel § 240 Rn 129; Kargl in FS Roxin, S. 905 (915); für ein Eingreifen des § 240 StGB bei falscher Umsetzung einer Patientenverfügung eines Patienten bei Bewusstsein Arzt in GS Wolf, S. 609 (622). 347 BeckOK-StGB/von Heintschel-Heinegg § 323c (Ed. 22) Rn. 15: Es „entfällt die Rechtswidrigkeit“, selbst wenn ein lebensgefährlich Erkrankter ärztliche Hilfe ablehnt; in diese Richtung auch SK-StGB/Stein/Rudolphi § 323c Rn. 24a; § 216 StGB steht dem aus den bereits genannten Gründen nicht entgegen; nach Walter ZIS 2011, 76 (81) entfällt in diesem Fall die Zumutbarkeit der Hilfeleistung, sodass bereits der Tatbestand des § 323c StGB nicht verwirklicht wäre. 348 Vgl. zur erforderlichen Hilfeleistung bei fehlender eigener Sachkunde BeckOKStGB/von Heintschel-Heinegg § 323c (Ed. 22) Rn. 15.

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B. In Betracht kommende Strafbarkeit

V. Konsequenzen für die Beurteilung der Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB Insgesamt verwirklicht damit ein Verhalten im Zusammenhang mit einer Patientenverfügung – insbesondere das Ergreifen von lebensverlängernden Maßnahmen oder deren Abbruch bzw. Unterlassen – zahlreiche Tatbestände, wobei die doppelte Wirkrichtung des Patientenwillens den einzig durch „Einwilligung“ gerechtfertigten Weg für die Beteiligten aufzeigt. Fraglich bleibt jedoch auch angesichts der bereits festgestellten Möglichkeit einer Legitimation anhand des in der Patientenverfügung geäußerten Willens, welche genauen Anforderungen für die Rechtfertigung des letztlich eingeschlagenen Wegs erfüllt sein müssen – dies richtet sich in erster Linie danach, ob sich die vom BGH als „Einwilligung“ bezeichnete Legitimation durch eine Patientenverfügung im Sinne von § 1901a Abs. 1 BGB bzw. einen Behandlungswunsch nach § 1901a Abs. 2 BGB an den bereits anerkannten Formen der Einwilligung orientiert oder ob die §§ 1901a ff. BGB eine spezielle Rechtfertigung einführen. Bei Annahme letzterer wäre es wiederum entscheidend, ob diese spezielle Rechtfertigung zwingend die Einhaltung der Verfahrensvorschriften voraussetzt, und wenn ja, ob diese spezielle Rechtfertigungsform als lex specialis bei einem Verstoß gegen die Verfahrensvorschrifteneinen Rückgriff auf die „klassischen“ Einwilligungsformen zulässt oder verbietet, sodass wiederum eine Straffreiheit nur ggf. in Irrtumskonstellationen oder durch andere Strafausschlussgründe erreicht werden könnte. Zur Beantwortung dieser Frage sind die einzelnen möglichen Konstruktionen einer rechtfertigenden „Einwilligung“ durch eine Verfügung im Sinne des § 1901a BGB vor allem dahingehend zu untersuchen, ob sie sich in die bestehende Rechtsordnung einfügen lassen (namentlich ob sie mit einem strafrechtlichen Normenkonzept und den der betreuungsrechtlichen Regelung der Patientenverfügung zu Grunde liegenden Wertungen vereinbar sind) und ob sie – in Ansehung der durch das Betreuungsrecht geregelten Verfahrensvorgaben und deren Zwecken – im Hinblick auf die Strafbarkeit der Beteiligten zu angemessenen Ergebnissen führen. Diese Betrachtung stellt automatisch auch eine Abwägung der Gründe für und gegen eine Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB dar, weil die genauere Einordnung der Rechtfertigungswirkung mit der Reichweite einer Akzessorietät des Strafrechts zum Zivilrecht in diesem Bereich korreliert.349

349 Die strafrechtlichen Bewertungen nach den unterschiedlichen dogmatischen Konstruktionen der „Einwilligung“ unterscheiden sich im Ergebnis nur im Hinblick auf die verschiedene Reichweite der Akzessorietät, weshalb diese beiden Fragestellungen so eng miteinander zusammenhängen. Siehe dazu bereits oben unter B. I. 3.

C. Szenarien, in denen der Frage nach der Akzessorietät Relevanz zukommt Um sich die Auswirkungen der verschiedenen dogmatischen Konstruktionen der „Einwilligung“ durch eine Verfügung im Sinne des § 1901a BGB zu verdeutlichen, sollen die Fallgruppen unterschieden werden, die im Zusammenhang mit dieser Verfügung relevant sind. Da sich die dargestellten möglichen Konstruktionen einer „Einwilligung“ vom Ergebnis her nur im Hinblick auf die verschiedene Reichweite der Akzessorietät zu den §§ 1901a ff. BGB unterscheiden, gibt die Zusammenstellung der Fallgruppen auch einen Überblick über die Konstellationen, in denen sich die Frage nach der Akzessorietät überhaupt stellt. Grundvoraussetzung für eine solche Betrachtung ist aber zunächst ein Überblick über die §§ 1901a ff. BGB, also die verfahrensrechtlichen Vorgaben zur Patientenverfügung durch das Betreuungsrecht.

I. Verfahrensrechtliche Vorgaben zur Patientenverfügung Durch das „Dritte Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts“ hat der Gesetzgeber neben dem die Patientenverfügung selbst normierenden § 1901a BGB auch noch mit diesem korrespondierende Regelungen des zugehörigen Verfahrens in den darauf folgenden Paragraphen (§§ 1901b bis 1904 BGB) sowie im FamFG eingefügt. Wenn die Patientenverfügung allerdings, wie teilweise1 angenommen, selbst die „unmittelbare Legitimationsgrundlage“ 2 für die medizinische Versorgung bzw. Nichtversorgung darstellte, könnte es fraglich erscheinen, ob für die Anwendung besonderer Verfahrensvorgaben überhaupt ein zulässiger Anknüpfungspunkt gegeben ist.3 Daher ist im Folgenden bei Betrachtung dieser Verfahrensvorgaben insbesondere zu untersuchen, ob sie – zivilrechtlich betrachtet – ohnehin nur für Behandlungswünsche i. S. v. § 1901a Abs. 2 BGB oder auch für bindende Patientenverfügungen i. S. v. § 1901a Abs. 1 BGB gelten;4 schließlich 1 Dies ist freilich nur möglich, wenn die Rechtsnatur der Patientenverfügung als bindend auch ohne Umsetzungsentscheidung des Patientenvertreters eingeordnet würde, vgl. dazu oben unter B. I. 3. a) bb) (1). 2 So Sternberg-Lieben in FS Roxin, S. 537 (544). 3 Kein Raum für ein Verfahren vor dem Vormundschaftsgericht nach Renner ZNotP 2009, 371 (375 f.); Schumacher FPR 2010, 474 (477); in diese Richtung, aber nach alter Rechtslage Coeppicus RPfleger 2004, 262 (266); Keilbach FamRZ 2003, 969 (975); vgl. auch Strätling/Sedemund-Adib/Scharf/Schmucker ZRP 2003, 289 (290). 4 Siehe dazu unter C. I. 2. bzw. 4.; Hörr, S. 136 verneint die Anwendbarkeit der Verfahrensvorgaben auf Verfügungen i. S. v. § 1901a Abs. 1 BGB insgesamt.

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C. Szenarien, in denen der Akzessorietät Relevanz zukommt

ist das zivilrechtliche Erfordernis der Einhaltung bestimmter Verfahrensschritte Grundvoraussetzung für eine Akzessorietät des Strafrechts zu diesen Regelungen. Allerdings ist es keinesfalls zwingend, dass für die Anwendung besonderer Verfahrensvorgaben nur Raum verbleibt, wenn nicht die Patientenverfügung selbst, sondern erst ihre Umsetzungsentscheidung des Patientenvertreters5 die Legitimationsgrundlage für die letztliche Umsetzung der Patientenverfügung darstellt, da die Verfahrensvorgaben gerade sicherstellen, dass der Inhalt einer Patientenverfügung sorgfältig ermittelt wird; daraus ergibt sich eine Einordnung des Verfahrens als Hilfsmittel zur inhaltlichen Bestimmung der Legitimation, die bereits eine ausreichende Berechtigung für die Existenz eines solchen Verfahrens bieten kann. 1. § 1901a Abs. 1 S. 1 a. E., 2 BGB – Prüfung durch den Patientenvertreter Die erste Verfahrensanforderung nennt das Betreuungsrecht in unmittelbarem Zusammenhang zu den einzelnen Verfügungsarten des § 1901a BGB: Bei einer Patientenverfügung im Sinne von § 1901a Abs. 1 BGB hat der Betreuer bzw. i.V. m. Abs. 5 der Bevollmächtigte die Verfügung dahingehend zu überprüfen, „ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen“ 6; gelangt er zu einem positiven Ergebnis, hat er „dem Willen des Betreuten Ausdruck und Geltung zu verschaffen.“ 7 Der exakte Umfang der daraus folgenden Pflichten ergibt sich wiederum aus dem genaueren Inhalt der Verfügung und steht damit zur Disposition des Verfügenden, wobei über den erforderlichen Bestimmtheitsgrad einer Verfügung nach § 1901a Abs. 1 BGB Uneinigkeit herrscht.8 Als direkt auf die Patientenverfügung gerichtete Verfahrensvorgabe ist die zivilrechtliche Pflicht zu solch einer Prüfung klar9; sie bietet aber auch einen Anknüpfungspunkt für die Frage nach der Akzessorietät des Strafrechts zu dieser 5 Gemeint ist die nach § 1901a Abs. 1 BGB erfolgende Entscheidung des Patientenvertreters, wie er die Patientenverfügung versteht – und auf welche Umsetzung er folglich hinwirkt. 6 § 1901a Abs. 1 S. 1 BGB. 7 § 1901a Abs. 1 S. 2 BGB. 8 So wird teils eine möglichst sehr genaue Bezeichnung von Situation und gewünschter Behandlung gefordert (E. Albrecht/A. Albrecht MittBayNot 2009, 426 (428)), die mit einer eher geringeren Entscheidungsbefugnis des Patientenvertreters einherginge, teilweise nur eine allgemeiner gehaltene Verfügung als wirksam erachtet (Palandt73 / Götz § 1901a Rn. 5; BeckOK-BGB/Müller § 1901a (Ed. 25) Rn. 7; G. Müller DNotZ 2010, 169 (181)), welche dem Patientenvertreter wesentlich mehr Spielraum und damit eine größere Entscheidungsbefugnis zubilligte. 9 Allerdings ordnet Coeppicus NJW 2013, 2939 (2942) die Erwähnung des Vertreters in § 1901a BGB nur als eine Regelung für das Verhalten des Vertreters ein, wenn ein solcher überhaupt vorhanden ist – dementsprechend ordnet er die Bestellung eines Betreuers zur Umsetzung einer Patientenverfügung als überflüssig ein, NJW 2013, 2939 (2940).

I. Verfahrensrechtliche Vorgaben zur Patientenverfügung

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Regelung: So sprechen beispielsweise E. und A. Albrecht auf Grund der über eine Botenschaft hinausgehenden, den Entscheidungsumfang eines Stellvertreters erreichenden10 Patientenvertreterentscheidung von einer „stellvertretenden Einwilligung“,11 wodurch die Legitimationswirkung erst der Patientenvertreterentscheidung und nicht bereits der Patientenverfügung an sich zukomme.12 Sollte die Legitimation durch den Patientenwillen tatsächlich erst über den Umweg einer Vertreterentscheidung zum Tragen kommen, könnte auch strafrechtlich gesehen die Rechtfertigungswirkung wohl erst bei vollständigem Vorhandensein dieser Legitimation eingreifen,13 insofern wird bei genauerer Betrachtung der Frage nach der Akzessorietät auf diesen Aspekt noch näher einzugehen sein. Bei einer Verfügung im Sinne von § 1901a Abs. 2 BGB ist dem Patientenvertreter ein genaueres Prüfprogramm aufgegeben, anhand dessen der mutmaßliche Patientenwille zu ermitteln ist: Zu berücksichtigen sind „frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten“, wobei die Aufzählung durch das vorangestellte Wort „insbesondere“ nicht abschließend ist. Anhand des ermittelten Patientenwillens („auf dieser Grundlage“) muss der Patientenvertreter entscheiden, „ob er in eine ärztliche Maßnahme [. . .] einwilligt oder sie untersagt“ – die Annahme einer stellvertretenden Einwilligung seitens des Patientenvertreters liegt beim Wortlaut des § 1901a Abs. 2 BGB recht nahe, doch bleibt es fraglich, ob dadurch die Legitimationswirkung zwingend auf die Vertreterentscheidung beschränkt werden muss; auch darauf wird an späterer Stelle noch näher einzugehen sein.14 Teilweise wird die Erforderlichkeit einer Betreuerbestellung im Sinne des § 1896 Abs. 2 BGB bei einer eindeutigen Patientenverfügung verneint,15 da der Betreuer dann nur als Vollstrecker der vom Patienten bereits getroffenen Entscheidung tätig würde,16 was solche Patientenverfügungen vom Anwendungsbereich der betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben ausschlösse17 – solch eine

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E. Albrecht/A. Albrecht Rn. 38 ff. E. Albrecht/A. Albrecht Rn. 38 ff.; ähnlich dies. MittBayNot 2009, 426 (433). 12 Siehe dazu schon unter B. 3. a) bb) (1). 13 Siehe E. III. 3. 14 Siehe E. III. 3. a). 15 Coeppicus NJW 2013, 2939 (2940); ders. NJW 2011, 2085 (2087); Höfling/Rixen JZ 2003, 884 (891); Hörr, S. 139 f.; Kutzer in v. Honnefelder/Sturma (Hrsg.), Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik 2010, S. 143 (150); ders. MedR 2010, 531 (532); Lipp FamRZ 2004, 317 (320); Meyer-Götz NJ 2009, 363 (365); wohl auch Otto Jura 1999, 434 (439); u. a. BÄK DÄBl. 2013, A 1580 (1582) unterstellen diese Rechtsauffassung auch dem Gesetzgeber. 16 Coeppicus NJW 2013, 2939 (2940). 17 Dementsprechend schätzt MK/Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 128 das Vorgehen in der Praxis so ein, dass „regelmäßig die behandelnden Ärzte 11

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C. Szenarien, in denen der Akzessorietät Relevanz zukommt

Einordnung ist überhaupt erst möglich, wenn die Legitimationsgrundlage für das Verhalten aller Beteiligten in der Patientenverfügung selbst und nicht erst in einer Umsetzungsentscheidung des Patientenvertreters gesehen wird. Jedoch entfällt die Erforderlichkeit der Betreuerbestellung nicht schon deshalb, weil keine „Einwilligung“ seitens des Betreuers erforderlich ist,18 denn auch die reine Kontrollfunktion gegenüber dem Arzt stellt ein ausreichendes Bedürfnis nach der Existenz eines Betreuers dar19 – die §§ 1901a ff. BGB enthalten ein Konzept der gegenseitigen Kontrolle zwischen Arzt und Patientenvertreter, das die sorgfältige Ermittlung des Patientenwillens im Sinne der Patientenautonomie schützen soll, deren Schutz vor einseitigem Missbrauch aber nur bei einem lückenlosen Nebeneinander der Auslegung der Patientenverfügung von Arzt und Patientenvertreter effektiv funktioniert. Darüber hinaus entstünden Abgrenzungsprobleme, wann eine Patientenverfügung als eindeutig einzuordnen ist, zumal diese stets der Auslegung20 und Übertragung auf den Einzelfall bedarf. Außerdem müssen Fälle des Widerrufs der Patientenverfügung21 oder Fälschungen ausgeschlossen werden, was einem vorrangig mit medizinischen Aspekten in Berührung kommenden und auch nur in diesem Bereich ausgebildeten Arzt angesichts der Zeitknappheit im klinischen Alltag wohl kaum mit einer solchen Sicherheit möglich ist, dass auf die Kontrolle durch einen Betreuer verzichtet werden könnte. Schließlich steht auch die Bezugnahme des § 630d Abs. 1 S. 2 BGB auf § 1901a Abs. 1 S. 1 BGB nicht entgegen,22 da dieser Verweis zwar die Umsetzung durch den Patientenvertreter nach § 1901a Abs. 1 S. 2 BGB nicht ausdrücklich mit umfasst, § 630d Abs. 1 S. 3 BGB aber klarstellt, dass „[w]eitergehende Anforderungen an die Einwilligung aus anderen Vorschriften [. . .] unberührt“ blieben und die sonstigen die Patientenverfügung betreffenden Vorschriften einschließlich § 1901a Abs. 1 S. 2 BGB von diesem Vorbehalt erfasst werden.23 Folglich ist die zivilrechtliche in Kooperation und Übereinstimmung mit Angehörigen“ entscheiden, mit Verweis auf G. Rieger, S. 125 f. 18 So mutet es allerdings an bei Coeppicus NJW 2011, 2085 (2087 Fn. 29), der zur Begründung, dass die Erforderlichkeit der Betreuerbestellung bei einer eindeutigen Patientenverfügung entfalle, auf die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/8442 S. 14) verweist, die nur darauf abstellt, dass eine Einwilligung des Betreuers nicht erforderlich sei. 19 A. A. wohl, wenngleich noch zur alten Rechtslage, Roth BtPrax 2003, 215 (216) mit dem Hinweis darauf, dass die Betreuung eine „rechtliche Betreuung“ darstelle. 20 So auch Lipp in Laufs/Katzenmeier/Lipp (Hrsg.), ArztR6, VI. Rn. 136, nach dem die Eindeutigkeit einer Patientenverfügung erst Ergebnis der Auslegung sein könne; vgl. dazu auch Staudinger-BGB15 /Singer § 133 Rn. 9. 21 Auch Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (147) leitet daraus einen ausreichenden Prüfungsbedarf ab. 22 A. A. Empfehlungen der BÄK und der ZEKO zum Umgang mit Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung in der ärztlichen Praxis, DÄBl. 2013, A 1580 (1582). 23 So nimmt die Gesetzesbegründung zum Patientenrechtegesetz zwar bezüglich dieses Vorbehalts nicht ausdrücklich auf § 1901a Abs. 1 S. 2 BGB Bezug, wohl aber in einer beispielhaften Aufzählung auf § 1904 BGB, vgl. BT-Drs. 17/10488 S. 23.

I. Verfahrensrechtliche Vorgaben zur Patientenverfügung

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Vorgabe einer Prüfung der Patientenverfügung durch einen Patientenvertreter auch auf „eindeutige“ Verfügungen eines bisher nicht unter Betreuung stehenden Patienten anzuwenden;24 freilich ist damit noch nicht über die Strafbarkeit des Arztes entschieden, der die Patientenverfügung dem Willen des Patienten entsprechend eigenmächtig umsetzt25, schließlich bedürfte es dazu einer Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB. 2. § 1901b Abs. 1 BGB – dialogischer Prozess zwischen Arzt und Patientenvertreter Als Basis für diese vom Patientenvertreter zu treffende Entscheidung im Sinne des § 1901a Abs. 1 BGB schreibt § 1901b Abs. 1 BGB dem behandelnden Arzt sowie dem jeweiligen Patientenvertreter26 einen „dialogischen Prozess“ 27 vor, in welchem die beiden Parteien auf Grundlage der gemäß den jeweiligen Verantwortungsbereichen28 gewonnenen Ergebnisseim Idealfall zu einem Konsens über die weitere Vorgehensweise gelangen sollen. Der Verantwortungsbereich des Arztes erstreckt sich dabei auf Grund seines Fachwissens vor allem auf die Feststellung der medizinisch indizierten Maßnahme29, welche nach § 1901b Abs. 1 S. 1 Schwedler MedR 2013, 652 (653) will entgegen der hier vertretenen Ansicht aus dem Verweis des § 630d Abs. 1 S. 2 BGB auf eine Patientenverfügung gem. § 1901a Abs. 1 BGB schließen, dass der Arzt unmittelbar auf die in der Patientenverfügung enthaltene Einwilligung oder Verweigerung der Einwilligung durchgreifen könne, der Gesetzgeber also mit Einführung des § 630d Abs. 1 S. 2 BGB den Streit um die Erforderlichkeit einer Betreuerbestellung bei eindeutigen Patientenverfügungen zu Gunsten der die Erforderlichkeit ablehnenden Stimmen entschieden habe. Dabei will sie den Widerspruch zu dem Hinweis in § 630d Abs. 1 S. 3 BGB, dass weitergehende Anforderungen an die Wirksamkeit der Einwilligung aus anderweitigen Vorschriften unberührt blieben, dadurch auflösen, dass sie diesen Zusatz nur auf die „zusätzlichen Voraussetzungen an die Einwilligung“, nicht aber auf die Frage erstrecken will, „wer die Einwilligung grundsätzlich zu erteilen hat“ – eine solche Einschränkung ist § 630d Abs. 1 S. 3 BGB aber nicht zu entnehmen. Über den damit verbleibenden Widerspruch zu § 630d Abs. 1 S. 3 BGB hinaus ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber, wenn er den Streit um die Erforderlichkeit der Betreuerbestellung entscheiden wollte, in der Gesetzesbegründung einen entsprechenden Hinweis gegeben hätte, dort findet sich jedoch keine Bezugnahme auf diese Problematik. 24 So auch Bühler/Stolz BtPrax 2009, 261 (265 f.), die ebenfalls auf die im Gesetzgebungsverfahren angestellten Überlegungen zur gegenseitigen Kontrolle der Beteiligten verweisen; i. E. ebenso Kraatz Rn. 189. 25 Siehe dazu Szenario 4 unter C. II. 4. 26 Nach Beermann FPR 2010, 252 (254) ist es problematisch, dass das Pflegepersonal in diesen Prozess nicht einbezogen ist, obwohl dieses oft einen engeren Kontakt zum Patienten hat. 27 BT-Drs. 16/13314, S. 20. 28 Vgl. Diehn/Rebhan NJW 2010, 326 (328). 29 Kierig/Behlau, S. 19 Rn. 79: Der Arzt erbringt eine „auf seinem ärztlichen Wissen und seiner Erfahrung basierende Einschätzung des gesundheitlichen Zustands des Patienten und [. . .] Prognose über den Krankheitsverlauf“.

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C. Szenarien, in denen der Akzessorietät Relevanz zukommt

BGB dem Arzt ausdrücklich alleine30 zugewiesen ist. Nach dem Wortlaut des § 1901b Abs. 1 S. 2 BGB ist ihm zusätzlich aber, wie auch dem Patientenvertreter, die „Berücksichtigung“ des Patientenwillens bei der Erörterung, die als Grundlage für die nach § 1901a BGB zu treffende Entscheidung über die Art und Weise, wie die Patientenverfügung im konkreten Fall umzusetzen ist, dient, überantwortet. Ob die „Berücksichtigung“ des Patientenwillens aber seitens des Arztes auch die Ermittlung des Patientenwillens – und damit insbesondere auch die Prüfung, ob die Patientenverfügung auf die aktuelle Situation passt – mit einschließt,31 bleibt nach dem Wortlaut des Gesetzes unklar. Einerseits ist insbesondere bei der Bestimmung eines mutmaßlichen Patientenwillens ein immenser Zeitaufwand sowie eine Auseinandersetzung mit den Wertvorstellungen des Patienten auch in noch gesunden Zeiten notwendig,32 die seitens eines Arztes, insbesondere bei Erstkontakt zum Patienten bei Einlieferung ins Krankenhaus wegen akuter Lebensbedrohlichkeit, kaum geleistet werden kann.33 Ganz anders ist die Lage häufig bei einem Patientenvertreter – ein Bevollmächtigter ist von dem Patienten selbst für eine solche Entscheidung ausgewählt worden und es liegen häufig verwandtschaftliche oder freundschaftliche Beziehungen vor, die mit gewissen Vorkenntnissen bezüglich des Patienten einhergehen. Und auch ein Betreuer ist zumindest bei älteren Patienten häufig schon vorher einmal in Kontakt zu dem Patienten getreten. Insofern scheint der Patientenvertreter für die Ermittlung des Patientenwillens geeigneter als der Arzt, sodass diese Aufgabe nur ersterem aufgegeben sein könnte.34 Dafür spricht auch die bei einer solchen Lösung für den Arzt verbleibende Möglichkeit, gem. §§ 1908i Abs. 1 S. 1, 1837 BGB i.V. m. §§ 24, 26 FamFG ein Einschreiten des Betreuungsgerichts anzuregen.35 Andererseits erfolgt die Aufgabenzuweisung nach § 1901b Abs. 1 S. 2

30 Gleichwohl kann in Zweifelsfällen bereits in Bezug auf die Feststellung der medizinischen Indikation ein Gespräch mit dem Patientenvertreter und den Angehörigen angebracht erscheinen, s. dazu Kutzer MedR 2010, 531 f. 31 Dagegen Olzen/Metzmacher JR 2011, 318 mit Verweis auf BT-Drs. 16/8442 S. 11; BT-Drs. 16/13314 S. 6; wohl ebenfalls ablehnend BGH NJW 2011, 161 (162 Rn. 14). 32 Heyers, S. 300 f. 33 Vgl. Heyers, S. 300 f.; Uhlenbruck, S. 28 f.; zum Kommunikationsproblem zwischen Arzt und Patient bzw. dessen Angehörigen E. Albrecht/A. Albrecht Rn. 3 ff. 34 Vgl. zu einer insoweit einseitigen Aufgabenverteilung Höfling NJW 2009, 2849 (2850). Holzhauer FamRZ 2006, 518 (528) hingegen möchte die Verantwortung des Arztes nur bezüglich einer Feststellung des mutmaßlichen Patientenwillens beschränken; freilich muss die Aufgabenzuweisung bezüglich der Ermittlung des Patientenwillens allein an den Patientenvertreter nicht bedeuten, dass der Arzt sich überhaupt keine Gedanken über die Interpretation der Patientenverfügung machen muss – so geht bspw. Silberg HFR 2010, 104 (116) von einer Garantenpflicht des Arztes dahingehend aus, dass dieser Irrtümer des Vertreters zu beseitigen hat, die er auf Grund seiner medizinischen Sachkenntnisse als solche identifizieren kann. 35 BeckOK-BGB/Müller § 1901b (Ed. 25) Rn. 3; Lipp in Laufs/Katzenmeier/Lipp (Hrsg.), ArztR6, VI. Rn. 144.

I. Verfahrensrechtliche Vorgaben zur Patientenverfügung

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BGB aber für Arzt und Patientenvertreter einheitlich, sodass sie auch parallel auszulegen und damit die Ermittlung des Patientenwillens in den Aufgabenkreis mit einzubeziehen ist.36 Nur auf diese Weise37 kann die der Regelung des § 1901b Abs. 1 BGB zugrunde liegende Ratio der gegenseitigen Kontrolle verwirklicht werden, wobei es bei der gemeinsamen Erörterung entsprechend zu würdigen ist, wenn der Arzt sich in seiner Einschätzung unsicher ist, da er den Patienten nicht persönlich kennt. Verweigert der Arzt eine solch weitgehende Kontrolle, sei diese „Nichtäußerung“ einem offenkundigen Dissens gleichzustellen, so das AG Nordenham.38 Auf Grund der Bezugnahme des § 1901b Abs. 1 S. 2 BGB auf § 1901a BGB insgesamt und nicht nur auf einen bestimmten Absatz legt der Wortlaut nahe, dass diese Verfahrensvorgabe sowohl für die Ermittlung des mutmaßlichen Patientenwillens nach § 1901a Abs. 2 BGB als auch für die Patientenverfügung nach Abs. 1 BGB gilt. Angesichts des im Unterschied dazu zwischen beiden Absätzen des § 1901a BGB differenzierenden Wortlauts des § 1901b Abs. 2 BGB ist davon auszugehen, dass die ungenaue Bezugnahme in § 1901b Abs. 1 BGB auf den § 1901a BGB insgesamt wohl auch kein Versehen des Gesetzgebers darstellt. Darüber hinaus erscheint die Kontrolle der Auslegung durch den Arzt zur Reduzierung der „Fehlerwahrscheinlichkeit bei der Auslegung“ 39 angesichts der Irreversibilität eines Behandlungsabbruchs teleologisch betrachtet auch bei einer Patientenverfügung (§ 1901a Abs. 1 BGB) angezeigt.40

36 In diesem Sinne für eine Zuweisung der Ermittlung des Patientenwillens an Arzt und Patientenvertreter Bühler/Stolz BtPrax 2009, 261 (263, 265 f.); Jürgens BetreuungsR4 § 1901b Rn. 1; Reus JZ 2010, 80 (82); wohl auch Verrel in Verrel/Simon (Hrsg.), S. 13 (37): Aufgabe des Arztes „im Falle einer Patientenverfügung deren Verbindlichkeitsvoraussetzungen eigenständig neben dem Betreuer/Bevollmächtigten zu prüfen“. 37 Einen Mittelweg wählt hingegen Boemke NJW 2013, 1412 (1413): Der behandelnde Arzt werde in die Bewertung des Patientenwillens nur einbezogen, wenn der Patientenvertreter nach seiner Auslegung davon ausgeht, dass der Patientenwille auf einen Behandlungsabbruch gerichtet ist; erklärt der behandelnde Arzt hingegen, dass der Patient nach seiner Verfügung in die anstehende medizinische Maßnahme einwillige, erfolgt mangels Endgültigkeit der Entscheidung keine Kontrolle durch den Arzt, sondern in diesem Fall bleibe es bei der alleinigen Beurteilung durch den Patientenvertreter. Einem solchen Verständnis steht indes entgegen, dass § 1904 Abs. 4 BGB für den erforderlichen Konsens zwischen Arzt und Patientenvertreter auch die „Erteilung [. . .] der Einwilligung“ aufzählt und diese daher wie die „Nichterteilung oder de[n] Widerruf der Einwilligung“ behandelt wissen will. 38 AG Nordenham v. 20.03.2011 – 9 XVII 8/00, Rn. 14. 39 Hörr, S. 135. 40 Olzen/F. Schneider MedR 2010, 745 (746); so auch Hörr, S. 138, der aber gleichzeitig darauf hinweist, dass § 1901b BGB zwar zivilrechtlich gefordert, ein diesbezüglicher Verstoß aber strafrechtlich nicht bewehrt sei, da die Patientenverfügung aus sich heraus die erforderliche Legitimierungswirkung entfaltet.

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C. Szenarien, in denen der Akzessorietät Relevanz zukommt

3. § 1901b Abs. 2 BGB – Möglichkeit zur Äußerung für Dritte Des Weiteren „soll“ Angehörigen (Ehegatten, Lebenspartnern, Eltern, Kindern)41 sowie sonstigen Vertrauenspersonen (u. U. auch Pflegepersonal)42 Gelegenheit zu einer Stellungnahme bezüglich einer Verlautbarung des Patientenwillens i. S. v. § 1901a BGB gegeben werden – vgl. § 1901b Abs. 2 BGB, der sich ausdrücklich auch auf § 1901a Abs. 1 BGB bezieht. Diese Form der „soziale[n] Kontrolle“ 43 soll eine informierte Entscheidung seitens des Arztes und des Patientenvertreters sicherstellen44 – insofern richtet sich die Vorschrift auch an beide Entscheidungsträger.45 Dabei geht dieses Gebot insbesondere an den Arzt gleich in mehrerlei Hinsicht wohl häufig an der Lebenswirklichkeit vorbei: Zum einen könnte der Arzt in seiner Befragung der Angehörigen dadurch beschränkt werden, dass er die der Schweigepflicht unterliegenden Informationen über den Gesundheitszustand des Patienten nicht preis geben darf, wenn er hierfür nicht durch den Betreuer von seiner ärztlichen Schweigepflicht entbunden wurde.46 Inwieweit Auskünfte der Vertrauenspersonen dann überhaupt zu einer breiteren Entscheidungsgrundlage führen könnten, erscheint fraglich. Mit Verfassung einer Patientenverfügung hat aber wohl bereits der Patient selbst den Arzt insoweit von der Schweigepflicht konkludent befreit, da er damit auch die Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrensschritte anerkennt.47 Zum anderen stellt sich erneut die Frage, inwieweit ein Arzt im Klinikalltag angesichts des hohen Arbeitspensums den erforderlichen Zeitaufwand überhaupt erbringen kann,48 zumal der Krankenhausalltag im Schichtdienst abläuft und die Angehörigen und der Patientenvertreter womöglich nicht zu jeder beliebigen Zeit für ein Gespräch zur Verfügung stehen. Während der ursprüngliche Gesetzentwurf 49 die Beteiligung von Angehörigen und Vertrauenspersonen noch nur in Bezug auf eine Verfügung im Sinne von § 1901a Abs. 2 BGB vorsah (§ 1901a Abs. 2 S. 4 BGB-E), empfahl der Rechtsausschuss die Ausgliederung der Regelung in § 1901b Abs. 2 BGB, durch die der 41

BT-Drs. 16/13314 S. 20. BeckOK-BGB/Müller § 1901b (Ed. 25) Rn. 6. 43 R. Beckmann MedR 2009, 582 (583). 44 BeckOK-BGB/Müller § 1901b (Ed. 25) Rn. 5. 45 BeckOK-BGB/Müller § 1901b (Ed. 25) Rn. 5. 46 Kierig/Behlau, S. 20 Rn. 83; der Patientenvertreter hingegen unterliegt keiner solchen Schweigepflicht, vgl. dies., S. 20 Rn. 85. 47 I. E. ebenso Diehn/Rebhan NJW 2010, 326 (327); vgl. auch BT-Drs. 16/13314 S. 21: „Sowohl der Arzt als auch der Betreuer haben bei Beratungen mit Dritten auch den Willen des Patienten zur Weitergabe persönlicher krankheitsrelevanter Daten zu achten“. 48 Heyers, S. 301; Uhlenbruck, S. 83; ders. ZRP 1986, 209 (210); vgl. auch MKStGB/Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 128. 49 BT-Drs. 16/8442. 42

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Anwendungsbereich gleichzeitig auf Patientenverfügungen im Sinne des § 1901a Abs. 1 BGB erweitert werden sollte.50 Durch die gesetzliche Umsetzung dieser Empfehlung ist, wie in der Beschlussempfehlung des Rechtausschusses gefordert, auch in Bezug auf Patientenverfügungen „die Entscheidungspraxis für den Betreuer und den behandelnden Arzt auf eine fundierte Grundlage gestellt“.51 4. § 1904 BGB – Konfliktmodell bezüglich des Erfordernisses einer betreuungsgerichtlichen Entscheidung Schließlich hat in Fällen einer gesundheitsgefährdenden ärztlichen Behandlung („wenn die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute auf Grund der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet“ 52) grundsätzlich eine gerichtliche Kontrolle der Betreuerentscheidung zu erfolgen.53 Zwar stellen § 1904 Abs. 1 und Abs. 2 BGB die Erforderlichkeit einer gerichtlichen Entscheidung als gesetzlichen Regelfall dar, doch werden in der Praxis wohl eher die Ausnahmen von diesem Grundsatz den Regelfall darstellen54: Nach § 1904 Abs. 1 S. 2 BGB kann bei Eilbedürftigkeit auf eine gerichtliche Entscheidung verzichtet werden, also wenn der Aufschub einer verbindlichen Betreuerentscheidung mit einer Gefahr für Leib und Leben des betroffenen Patienten verbunden ist55 – naturgemäß kann eine solche Eilbedürftigkeit nicht gegeben sein, wenn es um den Abbruch einer Behandlung geht, so50

BT-Drs. 16/13314 S. 11. BT-Drs. 16/13314 S. 20. 52 § 1904 Abs. 2 S. 1 a. E. 53 Die Kritik an einer betreuungsgerichtlichen Entscheidung mit dem Argument, dass die Rechtsordnung keinen „Richter über Leben und Tod“ kenne (so zuerst AG Hanau BtPrax 1997, 82 f.; in diesem Sinne auch Deichmann MDR 1995, 983 (984); Nickel MedR 1998, 520 (521); wohl auch Dodegge NJW 1997, 2425 (2432); Fröschle JZ 2000, 72 (79); Stalinski BtPrax 1999, 86 (89); vgl. auch Ludyga FPR 2010, 266 (268), der diesen Gedanken aber selbst entkräftet; Laufs NJW 1998, 3399 (3400 f.); Alberts NJW 1999, 835 (836) weist darauf hin, dass dann unter Umständen sogar ein Richter auf Probe über Leben und Tod entscheiden müsse; besondere Schlagkraft könnte die Formel des „Richters über Leben und Tod“ auf Grund der rechtshistorischen Belastung durch das Euthanasie-Programm zur NS-Zeit entfalten.), ist schon deshalb nicht berechtigt, weil das Gericht diese Entscheidung gerade nicht selber anhand eigener Wertmaßstäbe trifft, sondern nur die Umsetzung des Willens des Betreuten kontrolliert und damit auch an den Patientenwillen gebunden ist, vgl. § 1904 Abs. 3 BGB. Mithin schützt eine gerichtliche Kontrollentscheidung gerade das Selbstbestimmungsrecht des Patienten und beschränkt es nicht. Damit ist ein Vergleich mit dem Euthanasie-Programm der NS-Zeit auf Grund der entgegengesetzten Zielrichtung verfehlt, so zutreffend Heyers, S. 290; Hufen NJW 2001, 849 (856); Saliger KritV 1998, 118 (133); Vollmert, S. 19. 54 So jedenfalls Eicker, S. 219. 55 „[W]enn die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute auf Grund der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet“; dazu BeckOK-BGB/Müller § 1904 (Ed. 25) Rn. 27; D. Schwab FamRZ 1990, 681 (686). 51

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dass eine entsprechende Regelung in § 1904 Abs. 2 BGB fehlt56. Vor allem aber erklärt § 1904 Abs. 4 BGB eine gerichtliche Entscheidung dann für entbehrlich, wenn die Entscheidung des Betreuers über Einwilligung, Nichteinwilligung bzw. Widerruf einer Einwilligung auch nach Einschätzung des behandelnden Arztes57 im Einklang mit dem gem. § 1901a BGB zum Ausdruck gebrachten Patientenwillen steht.58 Dieses sog. „Konfliktmodell“ 59 soll die auch in § 1901b BGB zum Ausdruck gekommene wechselseitige Kontrolle zwischen Arzt und Patientenvertreter sichern60 und erklärt diese wechselseitige Kontrolle61 dann aber auch als ausreichenden Schutzmechanismus62, da ausweislich der Gesetzesbegründung für einen „generalisierenden Missbrauchsverdacht gegen Arzt und Betreuer“ kein Anlass bestehe.63 Gleichwohl ist in solchen Fällen nicht jegliche gerichtliche Kontrolle ausgeschlossen, da jeder Dritte auf Grund des Amtsermittlungsgrundsatzes eine gerichtliche Kontrolle in Gang setzen kann (vgl. §§ 24, 26 FamFG).64 Ob der Patientenvertreter selbst aber im Fall des Konsenses65 mit dem Arzt seine Entscheidung durch das Betreuungsgericht überprüfen lassen kann (sog.

MK-BGB6 /D. Schwab § 1904 Rn. 34. Bei mehreren behandelnden Ärzten ist – auch mit Blick auf BVerfG FamRZ 2007, 2046 f.) – ein Einvernehmen mit allen Ärzten erforderlich, so auch Hörr, S. 164 f.; Spickhoff FamRZ 2009, 1949 (1957). 58 So vor der gesetzlichen Regelung auch schon vielfach in der Literatur gefordert: Deutsch NJW 2003, 1567; Hufen ZRP 2003, 248 (251 f.); Kutzer ZRP 2003, 213 (214); Lipp FamRZ 2003, 756; Lipp BtPrax 2004, 18 (20 f.); ders. FamRZ 2004, 317 (323 f.); Seichter KritV 2004, 451 (466); vgl. auch Barosio/Putz/Eisenmenger DÄBl. 2003, A 2062 (2064); Hahne FamRZ 2003, 1619 (1621 f.); Kutzer FPR 2004, 683 (688). 59 NK-StGB4 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 Rn. 135. 60 BT-Drs. 16/8442, S. 19; die Wirksamkeit dieser „wechselseitigen Kontrolle“ anzweifelnd Beermann FPR 2010, 252 (254); ders. ZFE 2009, 333 (337). 61 Hörr, S. 162 bezeichnet daher das Einvernehmen zwischen Arzt und Betreuer passend als „Surrogat“ zur betreuungsgerichtlichen Genehmigung. 62 LG Kleve NJW 2010, 2666 f. 63 BT-Drs. 16/8442, S. 19. 64 Vgl. Probst FF 2010, 144 (146); anders noch Coeppicus FPR 2007, 63 (65) mit Verweis auf LG Berlin NJW 2006, 3014: nur Anrufung des Gerichts in Konfliktfällen möglich. Vor Neufassung des § 1904 BGB wurde mit Hinweis auf die Möglichkeit der Einholung gerichtlichen Rates nach § 1908i Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 1837 Abs. 1 S. 1 BGB die Notwendigkeit eines Genehmigungsverfahrens teilweise abgelehnt, so AG Schwabach Zw. Hilpoltstein v. 30.3.2000 – XII 0052/96; wohl ebenfalls AG Ravensburg v. 20.4.2000 – XVII 32/00 (jeweils zitiert nach Vollmert, S. 28 Fn. 155); Uhlenbruck, S. 123; Wiebach/Kreyßig/Peters/Wächter/Winterstein BtPrax 1997, 48 (49); a. A., da eine Beratung nicht zu einem gleichwertigen Rechtsgüterschutz wie ein Genehmigungsverfahren führen könne: Heyers, S. 284 f. mit Verweis auf BT-Drs. 11/4528, S. 209; Saliger KritV 1998, 118 (136). 65 Ein solcher Konsens könne, so Hörr, S. 163 f., bereits an leichten einseitigen Zweifeln bezüglich des Patientenwillens scheitern, da solche bereits als „abweichende Auffassung“ einzustufen seien. 56 57

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„Negativattest“ 66), erscheint fraglich. So hat das LG Kleve in einem entsprechend gelagerten Fall67 zwar nur das Fehlen einer Genehmigungspflicht angesprochen, gleichwohl aber eine Vertretbarkeitskontrolle (und damals auch noch eine Reichweitenüberprüfung) durchgeführt.68 Diese Entscheidung wurde einerseits von Stimmen in der Literatur kritisiert, da durch das Gericht letztlich doch eine inhaltliche Kontrolle durchgeführt worden sei, obgleich ein obligatorisches Genehmigungsverfahren im Gesetzgebungsverfahren als Verstoß gegen die Privatautonomie69 und auf Grund der hinreichenden Kontrolle durch das Verfahren nach § 1901b BGB im Gesetzgebungsverfahren gerade ausdrücklich verworfen70 worden sei:71 Der Gesetzgeber musste einen optimalen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen finden, also zwischen dem Interesse an einer möglichst schnellen Umsetzung des Patientenwillens und dem Bedürfnis nach Richtigkeitsgewähr der Umsetzung mittels Kontrollmechanismen – die letztlich durch die §§ 1901a ff. BGB getroffene Einschätzung des Gesetzgebers sei durch die rechtsprechende Gewalt zu respektieren.72 Andererseits gewährt die Entschei66

BGH v. 17.9.2014, Az. XII ZB 202/13 Rn. 20; Doering-Striening FamFR 2010,

341. 67 Der Betreuer beantragte im Fall des LG Kleve eine Genehmigung nach § 1904 BGB, ebenso wäre wohl ein Antrag nach §§ 24, 26 FamFG denkbar gewesen. 68 LG Kleve NJW 2010, 2666 f. Inzwischen hat der BGH ausdrücklich Stellung bezogen: Selbst bei einem Einvernehmen zwischen Arzt und Patientenvertreter sei die Prüfungskompetenz des Betreuungsgerichts eröffnet, wenn die Beteiligten angesichts eigener Zweifel einen entsprechenden Genehmigungsantrag stellen, s. BGH v. 17.9. 2014, Az. XII ZB 202/13 Rn. 19 f. 69 Vgl. auch Schork, S. 120 bezüglich eindeutiger Patientenverfügung (heute im Sinne von § 1901a BGB): „Es widerspricht der Patientenautonomie, wenn dem Willen nicht unverzüglich Geltung verschafft wird, sondern erst ein Verfahren vor dem Vormundschaftsgericht angestrebt werden muss. Es würde der Verbindlichkeit der Patientenverfügung widersprechen, wenn sie zwar als verbindlich angesehen wird, dann aber durch ein Vormundschaftsgericht kontrolliert werden würde“; in diesem Sinne auch Hufen ZRP 2003, 248 (251 f.); Lipp FamRZ 2003, 756; ders. LMK 2003, 104; ders. BtPrax 2004, 18 (20 f.); ders. FamRZ 2004, 317 (323); vgl. auch Roth JZ 2004, 494 (502). Hieraus zieht B. Schmitz FamFR 2009, 64 (65) einen zweifelhaften Schluss: Die Errichtung einer Patientenverfügung finde ihren primären Sinn- und Anwendungsbereich darin, eine Beteiligung des Betreuungsgerichts gerade zu vermeiden, was sowohl im Interesse der Beteiligten als auch im Interesse der an Personalmangel leidenden Justiz sei. 70 Dieser Verzicht auf eine obligatorische Genehmigung wurde und wird immer noch von Teilen der Literatur scharf kritisiert. So wird ein Einvernehmen zwischen Arzt und Betreuer als unzureichender Kontrollmechanismus eingeordnet, da der Arzt ggf. einem Kostensenkungsdruck unterliegt und deshalb geneigt sein könnte, im Zweifel das Unterlassen von lebensverlängernden Maßnahmen zu wählen, bei Privatpatienten hingegen den Gewinn für den Klinikträger durch eine möglichst lange Behandlung zu steigern, so jedenfalls Spickhoff FamRZ 2009, 1949 (1957). Fröschle JZ 2000, 72 (74) gibt auch die Gefahr von die eine objektive Beurteilung erschwerenden Eigeninteressen auf Seite der als Patientenvertreter eingesetzten Angehörigen zu bedenken. 71 Vgl. Doering-Striening FamFR 2010, 341 (343). 72 Doering-Striening FamFR 2010, 341 (342 f.).

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dung dem Antragsteller die angestrebte Entlastung von der hohen Verantwortung, die mit der endgültigen Entscheidung über einen Behandlungsabbruch einhergeht, und stellt ihn frei von der Gefahr, im Nachhinein doch noch auf Grund falscher Beurteilung der Patientenverfügung strafrechtlich belangt zu werden – schließlich wird ihm selbst eine falsche Interpretation nicht vorzuwerfen sein, wenn der Betreuungsrichter demselben Irrtum erlag, sodass sich der Erlaubnistatbestandsirrtum als unvermeidbar darstellt und ein Fahrlässigkeitsvorwurf entfällt73. Zwar bezieht sich der Wortlaut des § 1904 Abs. 4 BGB, wie schon der des § 1901b Abs. 1 BGB, auf § 1901a BGB, ohne eine nähere Spezifizierung auf einen bestimmten Absatz vorzunehmen; insofern liegt die Anwendung des Konfliktmodells auch auf eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Abs. 1 BGB eigentlich nahe. Doch wird vielfach – in Anknüpfung an einen entsprechenden Streit zur Anwendbarkeit des § 1904 BGB nach alter Rechtslage74 – der Raum 73 Siehe zu einem unbewussten Abweichen vom Patientenwillen näher unter C. II. 1. b) bb). 74 Vor dem 3. BtÄndG wurde die Frage nach einer gerichtlichen Genehmigung des Handelns gemäß einer Patientenverfügung dadurch verschärft, dass nicht nur keine rechtliche Regelung die Verbindlichkeit der Patientenverfügung feststellte, sondern zudem § 1904 BGB nur die Einwilligung, nicht aber deren Widerruf und die Nichteinwilligung erfasste. Der 12. Zivilsenat des BGH nahm für diese von § 1904 BGB nicht erfassten Fälle in seiner Entscheidung vom 17.3.2003 (BGHZ 154, 205 ff.) die Erforderlichkeit einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung in richterlicher Rechtsfortbildung an, wenn der Betreuer es verweigerte, in eine medizinisch indizierte Behandlung einzuwilligen – ob der BGH damit auch eine Genehmigung forderte, wenn der Betreuer auf Grundlage einer Patientenverfügung die Behandlungseinstellung verlangte, wurde in der Literatur uneinheitlich beurteilt (eine Genehmigung fordernde Entscheidung des BGH bejahend Hufen ZRP 2003, 248 (251 f.); Kutzer ZRP 2003, 213 (214); Oduncu MedR 2005, 437 (441); Rossbruch PflR 2003, 254 ff.; Saliger MedR 2004, 237 (240); verneinend Lipp FamRZ 2004, 317 (323 f.), anders hingegen noch in FamRZ 2003, 756; Verrel 66. DJT, C 47 Fn. 197). Diese Entscheidung löste eine breite Diskussion um die Erforderlichkeit einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung im Fall des Behandlungsabbruchs auf der Grundlage einer Patientenverfügung aus (vgl. z. B. Alberts BtPrax 2003, 139 ff.; E. Albrecht/A. Albrecht MittBayNot 2003, 348 ff.; Bienwald MDR 2003, 694 f.; Czerner KritV 2004, 182 ff.; Deutsch NJW 2003, 1567 f.; Gerhardt DRiZ 2003, 256; Hahne FamRZ 2003, 1619 ff.; Heyers JuS 2004, 100 ff.; Höfling/Rixen JZ 2003, 884 ff.; Holzhauer FamRZ 2003, 991 ff.; Hufen ZRP 2003, 248 ff.; Kutzer ZRP 2003, 213 ff.; Lipp FamRZ 2003, 756; Paehler BtPrax 2003, 141 ff.; Perau RNotZ 2003, 263 ff.; Roth BtPrax 2003, 215 ff.; Saliger MedR 2004, 237 ff.; Spickhoff JZ 2003, 739 ff.; Stackmann NJW 2003, 1568 ff.; Stoffers DNotZ 2003, 855 ff.; Verrel NStZ 2003, 449 ff.). Im Zentrum standen dabei die Erwägungen, dass dogmatisch gesehen nur bei Notwendigkeit einer Vertreterentscheidung eine gerichtliche Genehmigungszuständigkeit gegeben wäre, ob eine solche aber bei Vorliegen einer Patientenverfügung gegeben ist, wurde unterschiedlich beantwortet (aus diesem Grund gegen eine gerichtliche Genehmigung G. Müller ZEV 2008, 583 (587); insoweit sieht auch Ingelfinger JZ 2006, 821 (830) „Raum, auf eine Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht zu verzichten“ mit Verweis auf den Vorschlag von Verrel 66. DJT, C 96; nach a. A. wurde zwar die Entscheidung über Behandlung bzw. Nichtbehandlungbereits durch den Patienten getroffen, gleichwohl sei aber noch eine gerichtli-

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für eine gerichtliche Prüfung bei einem durch eine Patientenverfügung festgelegten Patientenwillen verneint:75 Das Gericht könne nur eine Entscheidung des Betreuers, nicht aber eine Entscheidung des Patienten in Form der Patientenverfügung genehmigen.76 Bestätigung könnte diese Argumentation darin finden, dass in § 1904 BGB wiederholt von einer „Einwilligung des Betreuers“ die Rede ist; diese Formulierung erinnert an den Wortlaut des § 1901a Abs. 2 BGB, nach welchem der Patientenvertreter zu entscheiden hat, ob er in eine medizinische Behandlung einwilligt oder sie untersagt. Im Unterschied dazu hat der Betreuer oder Bevollmächtigte bei einer Patientenverfügung im Sinne von § 1901a Abs. 1 BGB „dem Willen des Betreuten [nur] Ausdruck und Geltung zu verschaffen“, was durchaus die Interpretationsmöglichkeit zulässt, dass es sich bei einer Patientenverfügung um eine Einwilligung des Patienten selbst handelt. Allerdings erscheint es nicht einleuchtend, dass dadurch kein Raum für eine Genehmigung des Betreuungsgerichts bleiben soll.77 Sinn und Zweck des § 1904 BGB ist eine Kontrolle der Aufgabenwahrnehmung durch den Patientenvertreter78 – selbst wenn die Patientenverfügung die Einwilligung oder Nichteinwilligung bereits enthält, ist es doch weiterhin die Aufgabe des Patientenvertreters, diese vom Patienten getroffene Entscheidung zu interpretieren und das Interpretationsergebnis den übrigen Beteiligten, vor allem dem behandelnden Arzt, mitzuteilen (vgl. § 1901a Abs. 1 S. 2 BGB). Insbesondere bei gerade noch den erforderlichen Bestimmtheitsgrad erfüllenden Patientenverfügungen erscheint ein gewisser Interpretationsspielraum möglich, dessen Ausfüllung eine überprüfbare

che Überprüfung möglich, da diese nur das Verhalten des Betreuers auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüft und keine eigene Entscheidung über den Behandlungsabbruch trifft, sondern nur über die Wirksamkeit und den Inhalt der Patientenverfügung befinde, so Coeppicus FPR 2007, 63 (65); Fröschle JZ 2000, 72 (74); Hahne FamRZ 2003, 1619 (1622); ders. DRiZ 2005, 244 (247); Langenfeld ZEV 2003, 449 (451); Meier FGPrax 2003, 167 (168); Renner NotBZ 2003, 245 (246 f.); Stoffers, S. 203). Ausführlich zu der Bedeutung der Genehmigung nach § 1904 BGB a. F. Stoffers Behandlungsabbruch zwischen Betreuungsrecht und Strafrecht, Frankfurt a. M. u. a. 2011. 75 Hörr, S. 140; Renner ZNotP 2009, 371 (375 f.); Schumacher FPR 2010, 474 (477); auch der 12. Zivilsenat des BGH (Beschl. v. 17.9.2014, Az. XII ZB 202/13 Rn. 11, 13) verneinte jüngst die Erforderlichkeit einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung, wenn mit einer Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Abs. 1 BGB bereits ein bindender Patientenwille feststehe und damit keine Einwilligung des Betreuers erforderlich sei; den Raum für eine gerichtliche Genehmigung bereits nach alter Rechtslage ablehnend Coeppicus RPfleger 2004, 262 (266); Keilbach FamRZ 2003, 969 (97); Strätling/Sedemund-Adib/Scharf/Schmucker ZRP 2003, 289 (290). 76 Schork, S. 130. 77 Nach Alberts BtPrax 2003, 139 (140); Lipp FamRZ 2003, 756 würde eine Prüfungszuständigkeit des Gerichts der Patientenverfügung die eigenständige Bedeutung als Instrument der Patientenautonomie nehmen. 78 BT-Drs. 16/8442, S. 3: „Der Schutz des Betroffenen wird durch verfahrensrechtliche Regelungen sichergestellt“.

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Entscheidung darstellen sollte,79 schließlich ist das Gericht in seiner Entscheidung wie bereits der Patientenvertreter an den in der Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachten Patientenwillen gebunden und entscheidet nicht nach eigenem Gutdünken, sondern überprüft lediglich die Rechtmäßigkeit des Patientenvertreterhandelns.80 Zudem greift die gerichtliche Kontrolle ohnehin nur in Konfliktfällen ein: Das Vorliegen des Konflikts über die Interpretation des Patientenwillens zeigt gerade, dass der Interpretation entscheidende Bedeutung zukommt – zum Schutze des Patienten vor einer willkürlichen Entscheidung des Patientenvertreters sollte diese deshalb überprüfbar ausgestaltet sein.81 Darüber hinaus scheinen, neben dem unter Umständen bestehenden Spielraum bei der Interpretation, auch Unsicherheiten über den umstrittenen erforderlichen Grad an Bestimmtheit sowie über das Vorliegen eines Widerrufs, der nicht an eine bestimmte Form gebunden ist,82 möglich – diese Problematiken erweitern das Feld der im Interesse der Sicherung einer richtigen Umsetzung des Patientenwillens überprüfbar auszugestaltenden Fragestellungen. Zwar erschiene es auch möglich, den Arzt bei Zweifeln an der Interpretation des Patientenwillens durch den Patientenvertreter darauf zu verweisen, wie ein Dritter nach §§ 24, 26 FamFG ein Verfahren einzuleiten. Angesichts dessen, dass er den Patientenwillen aber umsetzen muss und im Rahmen des § 1901b Abs. 1 BGB zu einem Gespräch mit dem Patientenvertreter über den Patientenwillen verpflichtet ist und zudem eine auf die Situation eines Dissenses zwischen Arzt und Patient über den Patientenwillen zugeschnittene Regelung in § 1904 BGB existiert, erscheint dieser „Umweg“ unangemessen. Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers: Der dem 3. BtÄndG zu Grunde liegende sog. „Stünker-Entwurf“ 83 weist in seiner Begründung darauf hin, dass der BGH schon nach § 1904 Abs. 1 BGB a. F. eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bezüglich der Beendigung lebensverlängernder Maßnahmen als erforderlich erachtet habe, vor deren Erteilung das

79 In diese Richtung auch schon BGHZ 154, 205 (218) zur alten Rechtslage: „Ein vormundschaftsgerichtliches Verfahren böte nicht nur den Rahmen für eine Prüfung, ob der Beteiligte den Willen des Betroffenen mit der Vorlage der von diesem getroffenen Verfügung erschöpfend ermittelt hat oder ob die Umstände des Einzelfalles weitere Erkundungen geboten erscheinen lassen. Sie eröffnete auch die Möglichkeit, für alle Beteiligten verbindlich festzustellen, daß die vom Beteiligten gewünschte Einstellung der Behandlung in der nunmehr vorliegenden Situation dem in der Verfügung zum Ausdruck gelangten Willen des Betroffenen entspricht“. 80 Stoffers, S. 203. 81 Im Ergebnis ebenfalls für die Anwendbarkeit des § 1904 BGB auf eine Patientenverfügung i. S. v. § 1901a Abs. 1 BGB E. Albrecht/A. Albrecht Rn. 270; R. Beckmann MedR 2009, 582 (584); Bühler/Stolz BtPrax 2009, 261 (263); Diehn/Rebhan NJW 2010, 326 (329); B. Hoffmann BtPrax 2009, 7 (9); Spickhoff FamRZ 2009, 1949 (1956). 82 § 1901a Abs. 1 S. 3 BGB. 83 BT-Drs. 16/8442.

I. Verfahrensrechtliche Vorgaben zur Patientenverfügung

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Gericht kontrolliere, „ob der Betreuer den in der Patientenverfügung geäußerten Willen des Betroffenen erschöpfend ermittelt hat“.84 Indem die Unterzeichner diese Aussage des BGHs wiedergeben, ohne sich von ihr abzugrenzen, machen sie sich ihren Inhalt zu Eigen. Dass diese Einschätzung des alten Rechts auch für die § 1904 BGB n. F., sogar in auf die Nichteinwilligung und den Widerruf einer Einwilligung erweiterter Form, fortgelten soll, bringen sie folgendermaßen zum Ausdruck: „Der Entwurf erweitert das gesetzliche Genehmigungserfordernis auf solche [den Abbruch oder das Nichtergreifen einer medizinischen Maßnahme betreffende] Entscheidungen des Betreuers, wenn zwischen behandelndem Arzt und Betreuer unterschiedliche Auffassungen über den Patientenwillen bestehen.“ 85 Nicht nur die Einordnung als Erweiterung des Genehmigungserfordernisses,86 sondern auch die Bezugnahme auf den „Patientenwillen“ stützt das Genehmigungserfordernis bei Umsetzung einer Patientenverfügung im Konfliktfall: Diese allgemein gehaltene Formulierung des Gesetzentwurfs beschränkt die Anwendbarkeit nicht auf den von § 1901a Abs. 2 BGB in Bezug genommenen „mutmaßlichen Willen des Betreuten“, sondern erfasst auch den durch eine Patientenverfügung wiedergegebenen „Willen des Betreuten“ (vgl. § 1901a Abs. 1 S. 2 BGB). Auch in der den Stünker-Entwurf vor der gesetzlichen Umsetzung noch modifizierenden Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses87 findet sich kein entgegengesetzter Anhaltspunkt: Vielmehr wurde § 1904 Abs. 4 BGB durch den Zusatz ergänzt, dass für den Konsens zwischen Arzt und Betreuer die Einschätzung des „nach § 1901a festgestellten“ Patientenwillens entscheidend sei – neben der bereits hervorgehobenen Bezugnahme auf den gesamten § 1901a BGB zielt das verwendete Verb auf die Ermittlung des Patientenwillens durch die dazu berechtigten Beteiligten ab und schließt damit nicht den bereits durch eine Patientenverfügung bindend festgelegten Patientenwillen aus, da auch Feststehendes noch in Erfahrung gebracht und damit ermittelt werden kann. Allerdings könnte die Bezugnahme auf die Patientenverfügung im Rahmen des Patientenrechtegesetzes dagegen sprechen: § 630d Abs. 1 S. 2 BGB verweist für die eine Bindungswirkung entfaltende und damit rechtfertigende Einwilligung mittels Patientenverfügung nur auf § 1901a Abs. 1 S. 1 BGB und nicht auf § 1904 BGB. Dies ist jedoch unschädlich angesichts dessen, dass § 630d Abs. 1 S. 3 BGB formuliert, dass „[w]eitergehende Anforderungen an die Einwilligung aus anderen Vorschriften [. . .] unberührt [bleiben]“.88 84

BT-Drs. 16/8442, S. 10. BT-Drs. 16/8442, S. 12. 86 So auch erneut an späterer Stelle, BT-Drs. 16/8442, S. 18: „Der Anwendungsbereich [des Genehmigungserfordernisses] wird erweitert“. 87 BT-Drs. 16/13314. 88 Zudem nimmt § 630d Abs. 1 S. 2 BGB auch auf die sonstigen Verfahrensvorgaben keinen Bezug, obwohl sie teilweise völlig unstrittig auch für § 1901a Abs. 1 BGB Anwendung finden (z. B. § 1901b Abs. 2 BGB). 85

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C. Szenarien, in denen der Akzessorietät Relevanz zukommt

Somit erstreckt sich der Anwendungsbereich des § 1904 BGB und damit das Erfordernis einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung im Falle eines Konflikts zwischen Patientenvertreter und behandelndem Arzt in Bezug auf den Patientenwillen nach hier vertretener Ansicht auch auf eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Abs. 1 BGB. 5. Ergänzung durch Regelungen im FamFG Das nach § 1904 BGB ggf. durchzuführende Verfahren vor dem Betreuungsgericht wird genauer präzisiert durch Regelungen im FamFG. So sind gem. § 298 Abs. 1 FamFG89 der Betroffene, sonstige Beteiligte und auf Verlangen des Betroffenen auch die ihm nahestehenden Personen anzuhören,90 wobei das Anhörungsrecht insbesondere kein Recht zur Einsichtnahme in die Krankenakten für die Angehörigen begründet.91 Des Weiteren ist regelmäßig ein Sachverständigengutachten einzuholen92 und dem Betroffenen ein Verfahrenspfleger zu bestellen.93 Schließlich wird der Beschluss des Betreuungsgerichts zur Ermöglichung eines effektiven Rechtsschutzes für die am Verfahren Beteiligten erst zwei Wochen nach Bekanntgabe wirksam (287 Abs. 3 FamFG). 6. Gesamtbewertung: System von „checks and balances“ Dem Gesamtkonzept der Verfahrensvorgaben liegt die Erwägung zu Grunde, dass eine sorgfältige Ermittlung des Patientenwillens sicherzustellen ist, um eine möglichst hohe Übereinstimmung des ärztlichen Handelns mit dem Patientenwillen zu gewährleisten.94 Nur auf diese Weise kann der Verzicht auf andere Schutzmechanismen, wie etwa eine obligatorische ärztliche Beratung oder eine Reichweitenbegrenzung, kompensiert werden.95 Um dieses Ziel zu erreichen, wird keine einseitige Entscheidungskompetenz zugewiesen, sondern die Beteiligten – Arzt, Betreuer und ggf. Betreuungsrichter – stehen gemeinsam in einer „Verant89

Eicker, S. 218: „Möglichkeit zur Partizipation einer ,internen Öffentlichkeit‘“. Das Anhörungsrecht bezüglich der nahe stehenden Personen ist aber durch die zeitliche Dringlichkeit beschränkt: Die Anhörung hat nur zu erfolgen, wenn sie ohne erhebliche zeitliche Verzögerung möglich ist, § 298 Abs. 1 FamFG. Bei der Anhörung sind die Anforderungen des § 34 FamFG zu beachten. 91 Probst FF 2010, 144 (147). 92 In Eilfällen kann auch der behandelnde Arzt als medizinischer Gutachter herangezogen werden, da es sich insoweit bei § 298 Abs. 3 FamFG um eine bloße „soll“-Vorschrift handelt, vgl. Kierig/Behlau, S. 25 Rn. 112. 93 Im Fall einer Genehmigung i. S. v. § 1904 Abs. 2 BGB ist immer ein Verfahrenspfleger zu bestellen, insoweit besteht kein gerichtliches Ermessen, vgl. Kierig/Behlau, S. 25 Rn. 111. 94 E. Albrecht/A. Albrecht Rn. 271; dies. MittBayNot 2009, 426 (433); SternbergLieben in FS Roxin, S. 537 (545). 95 E. Albrecht/A. Albrecht MittBayNot 2009, 426 (433). 90

I. Verfahrensrechtliche Vorgaben zur Patientenverfügung

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wortungspartnerschaft“ 96 (Konfliktmodell), die zudem von außen durch Dritte (§ 1901b BGB; § 298 FamFG) kontrolliert wird. Insgesamt ergibt sich damit, wie Sternberg-Lieben treffend formuliert, ein „System von checks and balances zum Schutze des Selbstbestimmungsrechts des Patienten“.97 Diese Verlagerung des Schutzes auf verfahrensrechtliche Vorgaben führt jedoch nicht nur zu einer Stärkung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten, sondern gleichzeitig wird mit jeder Beteiligung eines Dritten die eigentliche Entscheidung zeitlich immer weiter hinausgezögert und damit letztlich das Selbstbestimmungsrecht wieder eingeschränkt98 – insofern bedarf es bei einer solchen „Prozeduralisierung“ stets des rechten Maßes. Folglich bestünde bei Annahme einer strengen Akzessorietät des Strafrechts zu den zivilrechtlichen Verfahrensvorgaben die Gefahr, dass im Einzelfall eine Verletzung der Verfahrensvorschriften strafbar wäre, obwohl dem Patientenwillen gerade besser entsprochen wurde, als wenn die Verfahrensvorgaben eingehalten worden wären. Als außerstrafrechtliche Sanktion greift bei pflichtwidrigem Verstoß gegen die Verfahrensvorgaben des Betreuungsrechts seitens des Betreuers der Entzug der Betreuung gem. §§ 1908b, 1908l, 1837 Abs. 2 BGB,99 doch dürfte diese Reaktionsmöglichkeit bei einem Behandlungsabbruch ins Leere laufen, weil der Betreute bereits verstorben ist. Ist der Verstoß seitens des Arztes als standesrechtlicher Verstoß gegen die Berufsordnungen der Landesärztekammern zu klassifizieren, kann er abgekoppelt von einer strafrechtlichen Anklage in einem berufsrechtlichen Verfahren festgestellt und mit Warnungen, Verweisen, Geldbußen bis hin zu einer Feststellung der Unwürdigkeit zur Ausübung des Arztberufes und damit de facto einem Approbationsentzug durch die zuständige Behörde geahndet werden.100 Neben diesen berufsrechtlichen Folgen wird zum einen die allgemeine zivilrechtliche Haftung gem. §§ 823 ff., 842 ff. BGB, zum anderen das Risiko einer Strafbarkeit bei Fehleinschätzung des Patientenwillens vor einem Verstoß gegen das betreuungsrechtlich angeordnete Verfahren schützen. Insbesondere bei einem vermeintlich auf Behandlungsabbruch gerichteten Patientenwillen ist das Strafbarkeitsrisiko groß, da eine Verfahrensverletzung für die Beteiligten die Gefahr birgt, sich wegen fahrlässiger Tötung strafbar zu machen. NK-StGB4 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 Rn. 135. Sternberg-Lieben in FS Roxin, S. 537 (545); ähnlich Sch/Sch29 /Eser/SternbergLieben Vor §§ 211 ff. Rn. 28g. 98 Schork, S. 121. 99 Knauf, S. 150. 100 Vgl. § 58 HBKG SH; § 64 HeilBerG M-V; § 3 Gesetz über Berufsgerichtsbarkeit der Heilberufe HH; § 65 HeilBerG BR; § 63 HKG NI; § 59 HeilBerG BB; § 17 KammerG BE; § 48 KGHB-LSA; § 55 SächsHKaG; § 60 HeilBerG NW; § 48 ThürHeilBG; § 50 HeilBG HE; § 44 HeilBG RP; § 33 Abs. 2 SHKG; § 58 HeilB-KG BW; Art. 67 HKaG BY; s. dazu auch Gerst/Hibbeler DÄBl. 108 (2011), A 499 ff.; Osmialowski OUP 2012, 464 ff. 96 97

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C. Szenarien, in denen der Akzessorietät Relevanz zukommt

Trotzdem fehlt es an einer speziellen, direkt von dem Verstoß gegen die das Selbstbestimmungsrecht des Patienten präventiv schützenden Verfahrensvorgaben abschreckenden, und damit das Selbstbestimmungsrecht wiederum stärkenden Sanktion – eine solche könnte durchaus in der Strafbarkeit der bloßen Verletzung von Verfahrensvorgaben gesehen werden.

II. Entsprechende denkbare Fallkonstellationen und ihre grundsätzliche strafrechtliche Bewertung Um die Auswirkungen einer Strafbewehrung der betreuungsrechtlichen Verfahrensvorschriften genauer beurteilen zu können, soll eine Ermittlung und Systematisierung möglicher Fallkonstellationen im Zusammenhang mit der Umsetzung von Patientenverfügungen erfolgen. Dabei gilt es vorwiegend, das jeweils verwirklichte Unrecht herauszustellen, um das Bedürfnis nach einer an das Betreuungsrecht angelehnten Strafbarkeit zu hinterfragen und mögliche Strafbewehrungen im Hinblick auf ihre Einzelfallgerechtigkeit zu untersuchen. 1. Szenario 1 – Konsens unter Einhaltung der §§ 1901a ff. BGB Zunächst ist auch ein Einhalten der betreuungsrechtlichen Verfahrensvorschriften seitens der Beteiligten zu betrachten – die Verwirklichung prozessualen Unrechts101 scheidet dann zwar denknotwendig aus, die Verwirklichung materiellen Unrechts scheitert jedoch nicht zwangsweise an der Einhaltung verfahrensrechtlicher Vorschriften. Auf Grund der verschiedenen möglichen Wege bis zu einer bindenden Entscheidung des Patientenvertreters soll zunächst ein Konsens zwischen Arzt und Patientenvertreter genauer in den Blick genommen werden: In diesem Fall kommen Arzt und Patientenvertreter – ggf. im Anschluss an eine Befragung der Vertrauenspersonen des Patienten gem. § 1901b Abs. 2 BGB – im Rahmen der Beratung gem. § 1901b Abs. 1 BGB zu einem einheitlichen Ergebnis bezüglich der Auslegung der Patientenverfügung, sodass der Arzt gem. § 1904 Abs. 4 BGB auch ohne betreuungsgerichtliche Entscheidung die entsprechenden medizinischen Maßnahmen einleiten kann. a) In Übereinstimmung mit dem Patientenwillen Bei einem Konsens in Übereinstimmung mit dem Patientenwillen ist die strafrechtliche Bewertung eines entsprechenden Folgeverhaltens – Weiterbehandlung bzw. Behandlungsabbruch – im Hinblick auf die Patientenverfügung bzw. eine 101 Der Unrechtsbezug eines Verstoßes gegen die in §§ 1901a ff. BGB enthaltenen Verfahrensvorgaben besteht darin, dass ihre Einhaltung dem Schutz des Selbstbestimmungsrechts des Patienten dient.

II. Entsprechende denkbare Fallkonstellationen

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mutmaßliche Einwilligung i. S. v. § 1901a Abs. 2 BGB als straflos inzwischen anerkannt,102 zuletzt auch durch den BGH103: Das Handeln von Arzt und Patientenvertreter ist durch die antizipierte bzw. mutmaßliche Einwilligung des Patienten gem. § 1901a Abs. 1 bzw. Abs. 2 gerechtfertigt. Ein Rückgriff auf die einzelnen verfahrensrechtlichen Anforderungen könnte zwar zur Grenzziehung der Rechtfertigungswirkung der Patientenverfügung erforderlich sein, würde sich aber nur in der strafrechtlichen Bewertung der von der hier untersuchten Fallgruppe abzugrenzenden Fälle niederschlagen. b) Entgegen dem Patientenwillen Komplizierter stellt sich die Lage bei einem Konsens entgegen dem Patientenwillen dar, also wenn Arzt und Patientenvertreter sich zwar bezüglich der Auslegung der Patientenverfügung einig sind, sie diese aber gerade einheitlich falsch auslegen. aa) Bewusstes Abweichen vom Patientenwillen Bei der strafrechtlichen Bewertung ist zu unterscheiden zwischen einem bewussten und einem unbewussten Abweichen vom Patientenwillen. Legen Arzt und Patientenvertreter die Patientenverfügung bewusst (d. h. vorsätzlich) falsch aus, so sind sie angesichts des verwirklichten Handlungs- und Erfolgsunrechts bezüglich des entsprechenden Folgeverhaltens gem. § 212 bzw. § 223 StGB, ggf. i.V. m. § 13 StGB, strafbar, eine Milderung der Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Tötung nach § 216 StGB kommt (mangels Handelns in Übereinstimmung und auf Grund eines Tötungsverlangens des Patienten) nicht in Betracht. bb) Unbewusstes Abweichen vom Patientenwillen Nicht ganz so eindeutig stellt sich die strafrechtliche Bewertung eines unbewussten (d. h. jedenfalls nicht vorsätzlichen) Abweichens vom Patientenwillen durch Arzt und Patientenvertreter dar. Eine Strafbarkeit gem. § 212 bzw. § 223 StGB scheitert daran, dass der Handelnde von einem entgegengesetzten Inhalt der Patientenverfügung ausging, er also irrig Umstände annahm, die – hätten sie tatsächlich vorgelegen – zu einer Rechtfertigung seines Verhaltens geführt hätten 102 Zwar besteht auch nach der Entscheidung des BGH in der Literatur keine Einigkeit über die strafrechtliche Bewertung eines Behandlungsabbruchs, doch wird das beschriebene Handeln der Beteiligten einheitlich als straflos eingeordnet – sei es weiterhin über die Einordnung als Unterlassen durch Tun (He. Schneider MittBayNot 2011, 102 (106); Walter ZIS 2011, 76 (77 f.)) oder über die Konstruktion des BGH (statt vieler Bergmann/Wever MedR 2010, 635; Fischer in FS Roxin, S. 557 (572); Hecker JuS 2010, 1027 (1030); Verrel NStZ 2010, 671 (672)). 103 BGHSt 55, 191 ff., vgl. unter B. I. 2.

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C. Szenarien, in denen der Akzessorietät Relevanz zukommt

und er demzufolge einem Erlaubnistatbestandsirrtum unterlag104. Die genauere strafrechtliche Bewertung des Erlaubnistatbestandsirrtums ist im Einzelnen umstritten und der Streit würde sich vorliegend auch insoweit auswirken, als dass nach der heute kaum noch vertretenen strengen Schuldtheorie105 bei Vermeidbarkeit des Irrtums sogar aus vorsätzlichem Delikt bestraft würde,106 während nach den anderen und heute auch herrschenden Ansichten107 eine Vorsatzstrafbarkeit unabhängig von der Vermeidbarkeit des Irrtums am Vorsatz bzw. an der Vorsatzschuld scheitert, bei vermeidbarem Irrtum also aus fahrlässigem Delikt zu bestrafen ist. Da eine Bestrafung aus Vorsatzdelikt nach der strengen Schuldtheorie im Fall eines Erlaubnistatbestandsirrtums, sei er auch vermeidbar, nicht angemessen ist,108 ist hier mit der herrschenden Meinung die strenge Schuldtheorie außer Acht zu lassen. Folglich kommt bei dieser Fallkonstellation nur eine Strafbarkeit wegen Fahrlässigkeitsdelikts in Betracht, wenn Arzt bzw. Patientenvertreter bei der Auslegung der Patientenverfügung nicht die im Verkehr erforderliche Sorg-

104 Freilich können sich Arzt und Patientenvertreter nur dann auf einen Erlaubnistatbestandsirrtum berufen, wenn sie ihre Entscheidung auf eine ausreichende Tatsachenbasis gestellt haben; bei lediglich vagen Anhaltspunkten für den Patientenwillen bleibt ihnen diese Entlastung verwehrt, so Verrel NStZ 2010, 671 (675). 105 Vgl. daher fast nur recht alte Nachweise: LK-StGB11 /Hirsch Vor § 32 Rn. 8; Bockelmann NJW 1950, 830 (831); Dornseifer JuS 1982, 761 (765); Gössel JR 1978, 292 (293); Hartung NJW 1951, 209 (212); Heitzer NJW 1953, 210; Heuchemer, S. 201 ff., 345 f.; Arm. Kaufmann JZ 1955, 37 ff.; Warda JR 1950, 546 f.; Welzel, S. 169; vgl. auch NK-StGB4 /Paeffgen Vorbemerkungen zu den §§ 32 ff. Rn 108 ff. 106 In der an dieser Stelle betrachteten Konstellation haben die Beteiligten die Verfahrensvorgaben durch das Betreuungsrecht beachtet, sodass sich die Vermeidbarkeit des Erlaubnistatbestandsirrtums nur aus sonstigen Umständen ergeben könnte, die im Einzelnen nachgewiesen werden müssten. Gleichwohl sei an dieser Stelle schon darauf hingewiesen, dass ein Verstoß gegen die §§ 1901a ff. BGB, sei er auch rein prozessualer Natur, wohl bereits zu einer Vermeidbarkeit des Irrtums führen würde, ohne dass es auf eine strenge Akzessorietät des Strafrechts zu diesen Regelungen ankäme. 107 Dies sind namentlich die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen (Arth. Kaufmann JZ 1954, 653 ff.; ders. in FS Lackner, S. 185 (187); Roxin Offene Tatbestände, S. 132; Schaffstein MDR 1951, 196 ff.; ders. in FS OLG Celle, S. 175 (182 ff.); Schroth in FS Arth. Kaufmann, S. 595 (597 ff.); Schroth, S. 116 ff.; Schünemann GA 1985, 341 (349); von Weber JZ 1951, 260 ff.; ders. in FS Mezger, S. 183 f.; ähnlich Frisch in Eser/Perron (Hrsg.), Rechtfertigung und Entschuldigung III, S. 217 (247 ff.); siehe auch Hirsch S. 220 ff.; vgl. ausführlich Roxin AT I4 § 10 Rn. 13 ff.), die rechtsfolgenverweisende Schuldtheorie (Börker JR 1960, 168 f.; Dreher in FS Heinitz, S. 207 (223 ff.); ders. MDR 1962, 592 f.; Gallas in FS Bockelmann, S. 155 (170); Fischer62 § 16 Rn. 22d; Jescheck/Weigend AT5 § 41IV 1 d; Maurach/Zipf AT 18 § 37 Rn. 43; Wessels/Beulke/SatzgerAT44Rn 478 f.), die Vorsatztheorie (vgl. Geerds Jura 1990, 421 (429 f.); Langer GA 1976, 193 (213); Otto AT7 § 7 Rn. 62 ff., § 15 Rn. 4 ff.; ders. Jura 1990, 645 (647); Schmidhäuser in FS Mayer, S. 317 ff.; ders. JZ 1979, 361 ff.; Herzberg in FS Otto, S. 265 (268 ff.)), sowie einzelne von diesen im Detail abweichende Lösungen in der Literatur, bspw. Herzberg JA 1989, 294 (295 f.); Hirsch in FS Schroeder, S. 223 (231 ff.). Vgl. zur Übersicht MK-StGB2 /Joecks § 16 Rn. 121 ff. 108 MK-StGB2 /Joecks § 16 Rn. 131.

II. Entsprechende denkbare Fallkonstellationen

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falt aufgebracht109 und damit das entsprechende Erfolgsunrecht verwirklicht haben. Lehnte man eine Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB ab, käme bei einem Handeln entgegen dem Patientenwillen keine anderweitige Rechtfertigung in Betracht, selbst wenn man die in der Patientenverfügung liegende Willensbekundung nicht als abschließend betrachtete.110 Bei einer Bejahung der Akzessorietät wäre das fahrlässige Verhalten nur unter Zugrundelegung einer prozeduralen Rechtfertigung straflos, die stets bei Einhaltung der §§ 1901a ff. BGB eingriffe ohne Rücksicht darauf, ob das Verhalten letztlich dem Patientenwillen entsprochen hat; lediglich Fälle des kollusiven Zusammenwirkens zwischen Arzt und Patientenvertreter würden als Missbrauch von der Rechtfertigungswirkung ausgenommen. Dementsprechend wäre in der hier betrachteten Fallkonstellation trotz des gegebenen materiellen Erfolgsunrechts selbst die Fahrlässigkeitstat prozedural gerechtfertigt. Statt einer prozeduralen Rechtfertigung käme aber auch die Konstruktion einer (abschließenden) Rechtfertigung in Betracht, die zwar akzessorisch zu den §§ 1901a ff. BGB nur bei Einhaltung dieser Verfahrensvorgaben eingreift, kumulativ dazu aber die Berücksichtigung materieller Vorgaben verlangt, insbesondere Anwendung der verkehrsüblichen Sorgfalt bei Auslegung der Patientenverfügung. Bei einer solchen kombinierten Rechtfertigungskonstruktion wäre die Strafbarkeit wegen Fahrlässigkeitsdelikts gegeben. Die bei einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit zu berücksichtigenden Sorgfaltsanforderungen beinhalten jedenfalls die Einhaltung der betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben,111 deren Einhaltung auf der anderen Seite aber unter Umständen auch den Fahrlässigkeitsvorwurf entfallen lassen kann. So weist Hörr richtigerweise112 darauf hin, dass sich der Arzt bei einem Einvernehmen mit dem Patientenvertreter regelmäßig durch die übereinstimmende Beurteilung seitens des Patientenvertreters wird entlasten können – zwar sei der Arzt in den Entscheidungsprozess einbezogen, unterliege aber keiner umfänglichen Untersuchungspflicht;113 dennoch verbleibt auch bei einem Einvernehmen mit dem Patienten-

109 Auch Spickhoff FamRZ 2009, 1949 (1953) kommt zu einer Strafbarkeit aus bloß fahrlässigem Delikt, wertet die Fehlinterpretation der Patientenverfügung aber lediglich als falsche Parallelwertung in der Laiensphäre, sodass der Vorsatz entfalle. Wie genau er zu der Annahme eines normativen Tatbestandsmerkmals kommt, bleibt allerdings unklar. 110 Entgegen der grundsätzlichen Subsidiarität der mutmaßlichen Einwilligung wird zur Ermöglichung eines Rückgriffs auf sonstige Einwilligungsformen auf die grundsätzliche freie Konkurrenz von Rechtfertigungsgründen rekurriert, so etwa Stoffers, S. 537; vgl. zur Konkurrenz von Rechtfertigungsgründen allgemein Roxin AT I4 § 14 Rn. 45 ff. m.w. N. 111 Knauf, S. 150; vgl. auch Verrel NStZ 2003, 449 (452 f.). 112 Diese Ausführungen beziehen sich bei Hörr ausdrücklich nur auf die stellvertretende Einwilligung des Patientenvertreters nach § 1901a Abs. 2 BGB. 113 Hörr, S. 370.

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C. Szenarien, in denen der Akzessorietät Relevanz zukommt

vertreter ein Anwendungsbereich für eine Fahrlässigkeitshaftung des Arztes infolge von Ermittlungsfehlern.114 Der Patientenvertreter hafte hingegen auf Grund seines gegenüber dem Arzt verschärften Prüfungsmaßstabs sowohl für pflichtwidrige Mängel in der Willenserforschung als auch in der Abwägung.115 2. Szenario 2 – Dissens unter Einhaltung der §§ 1901a ff. BGB Des Weiteren ist ein Dissens zwischen Arzt und Patientenvertreter bezüglich der Auslegung und Anwendung der Patientenverfügung im Rahmen der Beratung nach § 1901b Abs. 1 BGB bei Einhaltung der betreuungsrechtlichen Verfahrensvorschriften zu betrachten – als zusätzlicher Beteiligter wird dann bezüglich einer gesundheitsgefährdenden ärztlichen Behandlung oder Nichtbehandlung der Betreuungsrichter tätig, § 1904 BGB. Die bis zu der gerichtlichen Entscheidung zum Lebenserhalt erforderliche Weiterbehandlung des Patienten sollte durch die betreuungsgerichtlichen Vorschriften gerechtfertigt sein, die einer Kontrolle von Arzt und Patientenvertreter und damit letztlich der Umsetzung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten dienen.116 Im Übrigen bestehen hinsichtlich des verwirklichten Unrechts kaum Unterschiede zu Szenario 1: Bei Handeln entsprechend dem Patientenwillen ist weder materielles noch prozessuales Unrecht verwirklicht, bei bewusstem Handeln entgegen dem Patientenwillen materielles strafbares Handlungs- und Erfolgsunrecht, bei unbewusstem Handeln entgegen dem Patientenwillen unterliegt der Handelnde einem Erlaubnistatbestandsirrtum, der die bei einem Fahrlässigkeitsvorwurf in Betracht kommende Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung bzw. Körperverletzung unberührt lässt. Die Besonderheit gegenüber dem vorigen Szenario besteht allerdings darin, dass die Strafbarkeit der Beteiligten auf Grund des Dissenses nicht einheitlich zu beurteilen ist und sich damit auch die Frage nach über die §§ 1901a ff. BGB hinausgehenden Handlungspflichten stellt, um eine Falschbeurteilung durch die andere Partei zu vermeiden – ist z. B. die vor dem Betreuungsgericht unterliegende Partei zur Beschreitung des Rechtsweges gegen die betreuungsgerichtliche Entscheidung verpflichtet? Betreuungsrechtlich gesehen ist der Rechtsweg möglich, aber nicht verpflichtend – eine strenge Akzessorietät zu den betreuungsrechtlichen Verfah114

Hörr, S. 193, 371. Hörr, S. 369 f. 116 Sternberg-Lieben in FS Roxin, S. 537 (556 Fn. 103): „Die betreuungsrechtlichen Vorschriften dürften insoweit solange rechtfertigend wirken, als es zum Schutze des Patienten um die Feststellung seines Willens geht. [. . .] Diese Rechtfertigung tritt auch dann ein, wenn sich am Ende des Verfahrens herausstellen sollte, dass der Patientenwille von Anfang an einer Behandlung entgegenstand“; Lipp in Laufs/Katzenmeier/ Lipp (Hrsg.), ArztR6, VI. Rn. 126; bereits vor dem 3. BtÄndG für eine entsprechende „Rechtfertigung durch Verfahren“ Popp ZStW 2006, 639 (680), mit der Begründung, „dass eine auch den übrigen Beteiligten zumutbare Lösung ohne eine geordnete Prüfung des Patientenwillens nicht auskommt“. 115

II. Entsprechende denkbare Fallkonstellationen

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rensvorgaben würde in dieser Konstellation den Verzicht auf Rechtsmittel straflos stellen. Neben dem möglichen Erfordernis, den Rechtsweg zu beschreiten, kann sich auch im Übrigen selbst bei betreuungsgerichtlicher Genehmigung ein bei einem Erlaubnistatbestandsirrtum zum Tragen kommender Fahrlässigkeitsvorwurf ergeben: Jedenfalls wenn man der betreuungsgerichtlichen Genehmigung im Hinblick auf die Rechtfertigungswirkung lediglich einen deklaratorischen Charakter zuerkennt,117 ist trotz übereinstimmender Beurteilung durch das fachkundige Gericht der Vorwurf einer fahrlässig fehlerhaften tatsächlichen Aufklärung theoretisch möglich, schließlich wird die Einwilligung durch das Gericht nur bestätigt und nicht ersetzt. Dem Patientenvertreter wird aber regelmäßig keine Pflichtverletzung vorzuwerfen sein, zumal wenn sogar der nach § 303 Abs. 3 FamFG beschwerdeberechtigte Verfahrenspfleger als dritte Person dieselbe Entscheidung favorisiert.118 Hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung werden sich Arzt und Patientenvertreter – unter Umständen beide juristische Laien – aber wohl auf die rechtliche Bewertung seitens des Betreuungsrichters verlassen dürfen.119 3. Szenario 3 – künstlicher Dissens Keinen direkten Verstoß gegen die verfahrensrechtlichen Vorschriften des Betreuungsrechts stellt ein „künstlicher Dissens“ 120 dar, bei dem sich Arzt und Patientenvertreter zwar eigentlich einig sind bezüglich der Auslegung der Patientenäußerung, sie sich aber diese Interpretation durch eine gerichtliche Genehmigung absichern lassen, indem sie künstlich einen Dissens herbeiführen; dieses Vorgehen wird den Beteiligten in der Literatur teilweise als juristische Absicherung ihres Handelns empfohlen.121 Damit ist zwar die nach § 1904 Abs. 1 BGB grundsätzlich erforderliche Genehmigung nicht mehr nach § 1904 Abs. 4 BGB entbehrlich und damit formell gesehen kein Verstoß gegen die betreuungsrechtlichen Verfahrensvorschriften gegeben. Doch stellt ein solches Verfahren eine Umgehung der zuvor beschriebenen Problematik eines sog. „Negativattests“ dar,122 sodass die Einwände gegen die Zulassung eines „Negativattests“ auf die Konstellation eines künstlichen Dissenses zu übertragen sind: Auf Grund der Durchfüh117

So bspw. Hörr, S. 365. Hörr, S. 366 f. 119 Hörr, S. 367: Hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung, insbesondere des erforderlichen Abwägungsvorgangs, sei dem Patientenvertreter bei übereinstimmender Bewertung durch das Gericht hingegen kein Vorwurf zu machen. 120 Z. B. Spickhoff FamRZ 2009, 1949 (1953). 121 Spickhoff in Schreiber/Lilie/Rosenau/Tadaki/Pak (Hrsg.), Globalisierung der Biopolitik, des Biorechts und der Bioethik, S. 185 (193); ders. FamRZ 2009, 1949 (1952 f.). 122 Vgl. oben C. I. 4. 118

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C. Szenarien, in denen der Akzessorietät Relevanz zukommt

rung eines nach der gesetzlichen Konzeption nicht vorgesehenen gerichtlichen Genehmigungsverfahrens wird die Umsetzung des Patientenwillens verzögert, sodass bezüglich der Weiterbehandlung bis zu der nicht benötigten gerichtlichen Entscheidung eine Strafbarkeit gem. § 223 StGB möglich erscheint. Insoweit käme ein Rückgriff auf die betreuungsrechtliche Vorschrift des § 1904 Abs. 4 BGB in Betracht, wobei jedoch näher zu untersuchen wäre, ob das Streben nach einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung bei eigentlichem Konsens von Arzt und Patientenvertreter nach § 1904 Abs. 4 BGB nicht nur „nicht erforderlich“, sondern sogar verboten ist. Zudem ist zu beachten, dass es sich bei der Umgehung des § 1904 Abs. 4 BGB zunächst um rein prozessuales Unrecht handelt, bezüglich dessen ein Durchschlagen der Betreuungsrechtswidrigkeit auf die Beurteilung der Strafbarkeit nicht selbstverständlich ist – anders nur bei strenger Akzessorietät des Strafrechts zu den betreuungsrechtlichen Regelungen bezüglich der Patientenverfügung. Selbst bei Annahme dieser Akzessorietät käme außerdem zum einen eine Entschuldigung der Beteiligten wegen Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens in Frage, wenn Arzt bzw. Patientenvertreter sich individuell nicht in der Lage sahen, eine endgültige Entscheidung über Leben und Tod des Patienten zu treffen. Zum anderen erscheint es möglich, dass die Beteiligten meinten, für das Eingreifen der Rechtfertigung eine Genehmigung einholen zu müssen, sodass sie von einem Eingreifen der sich aus den betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben ergebenden Rechtfertigung bezüglich der vorübergehenden Weiterbehandlung ausgingen123, was als Erlaubnisirrtum gem. § 17 StGB zu behandeln ist – und dementsprechend bei Unvermeidbarkeit des Irrtums zu einer Entschuldigung (§ 17 S. 1 StGB), bei Vermeidbarkeit zu einer Strafmilderung (§§ 17 S. 2, 49 StGB) führt.124 Wenn zumindest der Arzt seinen Irrtum nicht schon bei gehöriger Gewissensanspannung hätte vermeiden können, so hätten beide Beteiligte ihn durch Einholung eines Rechtsrats125 beispielsweise durch Rücksprache mit dem Betreuungsgericht oder der Rechtsabteilung der Klinik vermeiden können, sodass – zumindest in der Regel – nur ein vermeidbarer Erlaubnisirrtum vorliegt.126 Materielles Handlungs- und Erfolgsunrecht ist dann verwirklicht, wenn die (vorübergehende) Weiterbehandlung dem Patientenwillen widerspricht, also wenn dieser auf einen Behandlungsabbruch gerichtet ist.127 In einem solchen Fall 123

Siehe C. II. 2. So entsprechend bezüglich eines Irrtums über das tatsächlich bestehende Genehmigungserfordernis Hörr, S. 358 f. 125 Zur Pflicht des Arztes Rechtsrat einzuholen vgl. BGHSt 40, 257 (264 f.). 126 So auch Hörr, S. 359 f. 127 Ausnahmsweise kann auch bei einem auf Weiterbehandlung gerichteten Patientenwillen materielles Unrecht (durch Unterlassen) gegeben sein, wenn die eigentlich erforderliche ärztliche Behandlung bis zu einer endgültigen Entscheidung durch das Gericht herausgeschoben wird und bis dahin nur der Garantenpflicht des Arztes nicht gerecht werdende vorübergehende medizinische Maßnahmen ergriffen werden. 124

II. Entsprechende denkbare Fallkonstellationen

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wäre auch ohne strenge Akzessorietät des Strafrechts eine Strafbarkeit gem. § 223 StGB128 gegeben, wenn die nur vorübergehende Weiterbehandlung bereits als strafwürdig einzuordnen ist – an dieser Stelle käme eine Bezugnahme auf das dem § 1904 Abs. 4 BGB zu Grunde liegende Interesse an einer schnellen Umsetzung des Patientenwillens in Betracht, das mit dem entgegengesetzten Interesse an einem Schutz des Patientenwillens durch Verfahren in Einklang zu bringen ist. Auch bezüglich des materiellen Unrechts käme wiederum eine Entschuldigung der Beteiligten in Betracht, wenn ihnen die Entscheidung ohne Bestätigung seitens des Betreuungsgerichts unzumutbar war. 4. Szenario 4 – eigenmächtiges Handeln des Arztes Ein weiteres denkbares Szenario ist, dass der behandelnde Arzt129 die Patientenverfügung ohne weitere Rücksprache mit dem Patientenvertreter oder trotz Dissenses bzw. Verweigerung der Genehmigung seitens des Betreuungsgerichts130 in die Tat umsetzt, beispielsweise131 weil er den in der Patientenverfügung formulierten Patientenwillen als eindeutig betrachtet132 oder selber einen Behandlungsabbruch ablehnt133. Ein solch eigenmächtiges Handeln des Arztes 128 Wenn der Patientenwille zwar tatsächlich auf eine Weiterbehandlung gerichtet ist, der Arzt aber von dem Gegenteil ausgeht, käme die entsprechende Versuchsstrafbarkeit in Betracht. 129 Handelt eine sonstige Person eigenmächtig, ergibt sich für diese Person die gleiche Strafbarkeit wie hier für den Arzt herausgearbeitet, sodass diese Konstellation keiner Aufstellung in einem gesonderten Szenario bedarf. Da bei diesen Personen mangels der im Übrigen erforderlichen medizinischen Möglichkeiten wohl sogar nur ein Handeln in Richtung auf einen Behandlungsabbruch durch Abschalten der lebenserhaltenden Geräte wie auch im Fall Putz in Betracht kommt, wurde hier zur Vereinfachung nur auf ein eigenständiges Handeln des Arztes abgestellt, der daneben auch in Richtung einer Lebensverlängerung eigenmächtig handeln kann. 130 Stoffers, S. 521 weist darauf hin, dass es nicht nur problematisch sei, wenn die Beteiligten es unterlassen, das Betreuungsgericht anzurufen, sondern – wie vielfach gar nicht bedacht – auch das Handeln entgegen der durch Verweigerung der Genehmigung zum Ausdruck gebrachten Auffassung des Gerichts zu berücksichtigen sei. 131 Silberg HFR 2010, 104 (115) weist außerdem auf die mögliche Konstellation hin, dass der Arzt fälschlicherweise (in Unkenntnis von § 1901a Abs. 2 BGB) davon ausgeht, dass die Patientenverfügung auf Grund Formmangels unbeachtlich sei – bei einem solchen Rechtsirrtum entfalle analog § 17 StGB bei Unvermeidbarkeit des Irrtums die Schuld. Da aber die Regelung der Patientenverfügung für den Berufskreis bedeutsam und damit der Arzt zu Erkundigungen angehalten sei, sei der diesbezügliche Irrtum wohl stets vermeidbar. 132 So war zumindest nach alter Rechtslage diskutiert worden, ob in absolut eindeutigen Fällen auch ein Vorgehen ohne Einschaltung eines Betreuers und Betreuungsgerichts zulässig sein kann, vgl. MK/Ha. Schneider Vor § 211 Rn. 127 (Fn. 452 m.w. N.). 133 Erkennt der den Behandlungsabbruch ablehnende Arzt den auf einen solchen gerichteten Willen des Patienten hingegen richtig, stellt sich die Frage, ob er dann zu einer Vornahme des Behandlungsabbruchs verpflichtet ist, oder ob ihm auch die Alternative bleibt, den Behandlungsvertrag zu beenden. Letzteres sollte dem Arzt auch straf-

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C. Szenarien, in denen der Akzessorietät Relevanz zukommt

widerspricht sowohl den verfahrensrechtlichen Vorgaben des § 1901b als auch denen des § 1904 BGB. Dementsprechend wäre bei Akzessorietät des Strafrechts zu den betreuungsrechtlichen Regelungen jedenfalls prozessuales Unrecht gegeben, materielles Unrecht käme bei einem Handeln entgegen dem Patientenwillen hinzu. Dadurch ergäbe sich zumindest eine Strafbarkeit gem. § 212 bzw. § 223 StGB bei bewusstem Verstoß gegen den Patientenwillen und eine Strafbarkeit gem. § 222 bzw. § 229 StGB bei fahrlässigem Verstoß gegen den Patientenwillen – dem Vorwurf der Fahrlässigkeit sähe sich der Arzt in jedem Fall ausgesetzt, wenn er das Verfahren der §§ 1901a ff. BGB nicht eingehalten hat,134 da diese Verfahrensvorschriften die erforderlichen Sorgfaltsmaßstäbe mitbestimmen:135 Die Verfahrensvorgaben zielen auch gerade auf die Kontrolle der Interpretation der Patientenverfügung seitens des Arztes hin, sodass sich das durch Missachtung der Verfahrensvorschriften gesetzte Risiko auch im Erfolg verwirklichte.136 Bei Handeln gemäß dem Patientenwillen wäre entscheidend, ob das allein durch Verstoß gegen die verfahrensrechtlichen Regelungen des Betreuungsrechts verwirklichte (also rein prozessuale) Unrecht bereits zu einer Strafbarkeit führt, obwohl es die Umsetzung des Patientenwillens eigentlich beschleunigt hat – insoweit stellt sich die Frage nach der Abhängigkeit des Strafrechts von diesen Regelungen als entscheidend dar. Eine nur leicht abweichende Variante wäre, dass der Arzt in Kenntnis einer Patientenverfügung den Patienten entsprechend behandelt, ohne dass ein Betreuer überhaupt bestellt worden ist. Auch dies stellt bei Handeln dem Patientenwillen entsprechend rein prozessuales Unrecht dar – die Aufgabenzuweisung an den Betreuer durch die §§ 1901a ff. BGB für den Fall, dass kein Bevollmächtigter vorhanden ist, macht deutlich, dass die Bestellung eines Betreuers durch die rechtlich zuzuerkennen sein, wenn die medizinische Behandlung durch einen anderen Arzt sichergestellt ist und damit seine zivilrechtliche Pflicht erfüllt ist, vgl. § 630b i.V. m. § 627 Abs. 2 S. 1 BGB. Ein „zur Unzeit“ berechtigender wichtiger Kündigungsgrund im Sinne des § 627 Abs. 2 S. 2 BGB ist allein durch die der persönlichen Auffassung des Arztes widersprechende Ablehnung einer Weiterbehandlung nicht gegeben. Zur Anwendung des § 627 BGB auf den Behandlungsvertrag Katzenmeier NJW 2013, 817 (818). 134 In diese Richtung ist wohl auch Coeppicus NJW 2013, 2939 (2941) in Bezug auf das sog. Kölner Urteil des BGH v. 10.11.2010 zu verstehen: „[D]ie Ausführungen des BGH [können] nur dahin verstanden werden, dass sie grundsätzliche Hinweise an die Beteiligten eines Behandlungsabbruchs sind, was von ihnen an Ermittlungen (Beweiserhebungen) mindestens durchzuführen ist, um den Patientenwillen sicher festzustellen“. 135 Insofern handelt es sich bei den §§ 1901a ff. BGB um Sondernormen, die als einfachgesetzliche Verfahrensvorgaben den Sorgfaltsmaßstab mitbestimmen; vgl. zu solchen Sondernormen im Allgemeinen bspw. Kühl AT7 § 17 Rn. 23. 136 Dies zeigt aber auch, dass bei einem Handeln entgegen dem Patientenwillen der Erlaubnistatbestandsirrtum des Arztes wohl in jedem Fall vermeidbar war, nämlich durch Einhaltung der Verfahrensvorgaben. Damit würde der Arzt nach der strengen Schuldtheorie sogar wegen vollendeten vorsätzlichen Delikts bestraft.

II. Entsprechende denkbare Fallkonstellationen

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Errichtung einer Patientenverfügung nicht etwa entbehrlich gemacht wird.137 In seiner strafrechtlichen Beurteilung weicht dieses Szenario nicht von einem eigenmächtigen Handeln des Arztes bei Vorhandensein eines Betreuers ab: Für die Strafbarkeit ist entscheidend, ob sich das Strafrecht streng akzessorisch nach den betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben richtet. Irrt der Arzt über die verfahrensrechtlichen Anforderungen, hält er also einen Konsens mit dem Betreuer bzw. eine betreuungsgerichtliche Genehmigung für rechtlich entbehrlich, greift wiederum die Strafmilderung gem. §§ 17 S. 2, 49 StGB.138 Parallel zu einem eigenmächtigen Handeln des Arztes stellt sich ein eigenmächtiges Handeln einer vom Arzt hinzugezogenen Hilfsperson dar. Auch wenn der Wortlaut der §§ 1901a ff. BGB stets nur auf den „Arzt“ bezogen ist, ist dies in lebensnaher Auslegung anhand der in Krankenhäusern üblichen Verfahrensabläufe auf alle behandelnden Ärzte sowie auf die deren Weisungen unterliegenden Hilfspersonen auszuweiten.139 5. Szenario 5 – keine Gelegenheit zur Stellungnahme Schließlich erscheint es denkbar, dass zwar Arzt und Patientenvertreter untereinander ein Gespräch zur Ermittlung des Patientenwillens im Sinne von § 1901b Abs. 1 BGB führen, sie dabei jedoch den Vertrauenspersonen des Patienten keine Gelegenheit zur Stellungnahme geben, wie aber von § 1901b Abs. 2 BGB gefordert. Bei letzterer handelt es sich um eine bloße „Soll“-Vorschrift, deren genauere rechtliche Einordnung näherer Betrachtung bedarf. Zum einen wäre es möglich, § 1901b Abs. 2 BGB als bloße Ordnungsvorschrift einzuordnen, sodass ein Zuwiderhandeln ohne Konsequenz bliebe: Stellte der Verstoß gegen die Vorschrift schon kein zivilrechtliches Unrecht dar, so wäre erst recht kein strafrechtlich zu sanktionierendes Unrecht verwirklicht.140 Zum anderen ist es auch möglich, die Vorschrift als Anordnung einer intendierten Ermessensentscheidung zu 137 Lipp in Laufs/Katzenmeier/Lipp (Hrsg.), ArztR6, VI. Rn. 147; ders. BtPrax 2002, 47 (51 f.). Dies bedeutet jedoch nicht, dass auch eine Betreuerentscheidung im Sinne einer Einwilligung in die medizinische Behandlung erforderlich ist (vgl. dazu B. I. 3. a) bb) (1)) – diese Fragen sind, wie Lipp in Laufs/Katzenmeier/Lipp (Hrsg.), ArztR6, VI. Rn. 148 richtig aufzeigt, voneinander zu trennen. 138 So auch Hörr, S. 359 f.; a. A. wohl Ihrig DNotZ 2011, 583 (587), der angesichts des ärztlichen Standesrechts, das eine direkte Umsetzung der Patientenverfügung fordere (mit Verweis auf BÄK DÄBl. 2010, A 877 (A 881 f.); DÄBl. 2011, A 346 (A 347); im Übrigen hält die BÄK diese Rechtsauffassung nach wie vor aufrecht, s. BÄK DÄBl. 2013, A 1580 (1582)), wenn kein Patientenvertreter vorhanden sei, einen „strafrechtlichen Vorwurf“ verneint. 139 Vgl. BGHSt 55, 191 (206 Rn. 39). 140 In diese Richtung MK-BGB6 /D. Schwab § 1901b Rn. 9, der die Wirksamkeit der Einwilligung bzw. ihrer Verweigerung sowie deren Rechtfertigungswirkung von der bloßen „Soll“-Vorschrift des § 1901b Abs. 2 BGB abkoppeln will.

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C. Szenarien, in denen der Akzessorietät Relevanz zukommt

interpretieren, wie es insbesondere im Öffentlichen Recht bei der Verwendung des Modalverbs „sollen“ meist der Fall ist141; demnach müssten Arzt und Patientenvertreter den Vertrauenspersonen des Patienten nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich Gelegenheit zur Stellungnahme geben und dürften hiervon nur im atypischen Fall – von § 1901b Abs. 2 a. E. BGB auf den Fall der besonderen Eilbedürftigkeit präzisiert142 – absehen.143 Nur bei Annahme eines solchen Regelungsgehalts käme der Frage nach der Akzessorietät der strafrechtlichen Beurteilung zu der zivilrechtlichen Regelung des § 1901b Abs. 2 BGB damit überhaupt Bedeutung zu. Um die verschiedenen Arten von „Soll“-Vorschriften144 voneinander abzugrenzen, ist es erforderlich, auf den der Regelung zu Grunde liegenden Schutzzweck abzustellen – wird dieser ggf. auch bei Verstoß gegen die Regelung erreicht, liegt es nahe, eine bloße Ordnungsvorschrift anzunehmen. Die Beteiligung von Angehörigen und Vertrauenspersonen des Betroffenen soll dazu dienen, der endgültigen Entscheidung von Patientenvertreter und behandelndem Arzt eine „fundierte Grundlage“ 145 zu bieten, sie dient also letztlich der richtigen Ermittlung des Patientenwillens unter Ausschöpfung möglichst vieler Informationsquellen: Die Übertragung der in der Patientenverfügung geäußerten Vorstellungen auf die konkrete Behandlungssituation kann unter Umständen eine genauere Kenntnis der Person des Betroffenen erfordern, um dessen Äußerungen in seinem Sinne auszulegen; der behandelnde Arzt und ggf. auch der Patientenvertreter werden solche Kenntnisse womöglich aber – eventuell anders als Angehörige oder sonstige Vertrauenspersonen – gar nicht aufweisen. Infolgedessen kann die Beteiligung der dem Patienten nahestehenden Personen dem Patientenvertreter und dem Arzt gegebenenfalls überhaupt erst die richtige Ermittlung des Patientenwillens ermöglichen. Freilich erscheint es im Einzelfall denkbar, dass weder Angehörige noch Vertrauenspersonen die Gelegenheit zur Stellungnahme ergreifen wollen oder mangels Kenntnis der Vorstellungen des Betroffenen ergreifen können oder es gar keine (ggf. weiteren neben dem Patientenvertreter) entsprechenden Personen gibt – gleichwohl hat der Gesetzgeber, auch durch seine Benennung des Ausnahmefalls, für den Regelfall bestimmt, dass die sich durch die Beteiligung von dem Patienten nahestehenden Personen ergebende Zeitverzögerung im Interesse der Richtigkeit der Patientenwillensumsetzung angesichts der Endgültigkeit eines Behandlungsabbruchs hinzunehmen ist. Somit erscheint es näherliegend, dass der 141

Ein Ermessensspielraum verbleibt damit nur im Ausnahmefall. § 1901b Abs. 2 a. E.: „sofern dies ohne erhebliche Verzögerung möglich ist“. 143 Vgl. Ipsen Allg. VwR8 Rn. 527 ff.; Maurer Allg. VwR17 § 7 Rn. 11; wohl für eine solche Auslegung R. Beckmann MedR 2009, 582 (583). 144 Vgl. ausführlich zu der Bedeutung des Modalworts „sollen“ im juristischen Bereich Höhmann in Ehler/Heller (Hrsg.), Studien zur Rechtskommunikation, S. 153 ff. 145 BT-Drs. 16/13314, S. 20. 142

II. Entsprechende denkbare Fallkonstellationen

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Gesetzgeber die Beteiligung von Angehörigen und Vertrauenspersonen des Patienten für den Regelfall als verbindlich einordnen wollte und es sich damit bei § 1901b Abs. 2 BGB um die Anordnung einer intendierten Ermessensentscheidung handelt. Dies steht auch im Einklang mit dem Hinweis des BGH vom 10.11.2010146, dass bei Beurteilung eines Behandlungsabbruchs im Sinne der Entscheidung vom 25.6.2010 (Fall Putz) künftig „die Voraussetzungen der §§ 1901a, 1901b BGB“ zu beachten seien:147 Da keine Präzisierung auf § 1901b Abs. 1, 3 BGB erfolgt, nimmt der BGH auch auf die Regelung des § 1901b Abs. 2 BGB Bezug und geht damit anscheinend ebenfalls davon aus, dass es sich nicht um eine bloße Ordnungsvorschrift handelt. Mithin unterscheidet sich dieses Szenario hinsichtlich der strafrechtlichen Bewertung nicht von dem einvernehmlichen Verstoß von Arzt und Patientenvertreter gegen die anderen verfahrensrechtlichen Vorgaben der §§ 1901a ff. BGB: Bei einem Verhalten entgegen dem Patientenwillen greift auf Grund des Verfahrensverstoßes zumindest die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit gem. §§ 222, 229 StGB; bei einem Handeln gemäß dem Patientenwillen ist die Frage nach der Akzessorietät zu den §§ 1901a ff. BGB für die Strafbarkeit der Beteiligten gem. §§ 212, 216, 222, 223, 229 StGB essentiell. In beiden Fallgruppen erscheint ein Erlaubnisirrtum der Beteiligten über die Erforderlichkeit der Gelegenheit zur Stellungnahme möglich, der gem. §§ 17 S. 2, 49 StGB zu eine Strafmilderung führen kann. 6. Gesamtbetrachtung der möglichen Konstellationen Natürlich ist noch eine Vielzahl weiterer Szenarien denkbar, in denen andere einzelne Verfahrensvorgaben (vgl. oben148) missachtet werden, jedoch kann hier schon allein aus Platzgründen nur eine beispielhafte Darstellung erfolgen. Auch wäre eine abstrakte Behandlung der Problemlage einer einheitlichen Lösung zuträglicher, wenn sich denn aus den vorangestellten Konstellationen schon gewisse Parallelen ergäben, die überhaupt Anknüpfungspunkt für eine abstrakte Behandlung bieten können. Als problematisch bezüglich der Akzessorietät des Strafrechts zu den betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben haben sich einheitlich vor allem die Fälle herausgestellt, in denen nur prozessuales Unrecht verwirklicht wird, materielles Unrecht hingegen nicht – mithin die Fälle, in denen die Beteiligten zwar gegen die Verfahrensvorgaben verstoßen, sich letztlich aber im Sinne des Patientenwillens verhalten. 146 147 148

BGH v. 10.11.2020 – 2 StR 320/10, NJW 2011, 161–163. BGH NJW 2011, 161 (162 Rn. 12). Siehe C. I.

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C. Szenarien, in denen der Akzessorietät Relevanz zukommt

Zudem ist dem Gedanken der prozeduralen Rechtfertigung näher nachzugehen, nach dem ein Verhalten der Beteiligten entsprechend den Verfahrensvorgaben, also prozessual rechtmäßiges Handeln, stets gerechtfertigt würde, selbst wenn sie damit letztlich entgegen dem Patientenwillen und damit materiell unrechtmäßig handeln. Neben diesen einheitlichen Fragestellungen ergeben sich noch weitere Unklarheiten, die sich auf einzelne Verfahrensvorgaben beschränken – so bezüglich des Verzichts auf Rechtsmittel der vor dem Betreuungsgericht unterliegenden Partei149, bei reinen „Soll“-Vorschriften150 und bezüglich § 1904 Abs. 4 BGB in Zusammenhang mit einem künstlichen Dissens151. Diese Einzelprobleme stellen sich aber überhaupt erst dann, wenn von einer strikten Akzessorietät des Strafrechts zu den betreuungsrechtlichen Verfahrensvorschriften ausgegangen wird – wenn nämlich schon ausdrückliche Verstöße gegen zwingende Vorschriften des Betreuungsrechts zu keiner Strafbarkeit führen, dann müsste dies erst recht für mangelndes Zivilunrecht gelten. Mithin gilt es zunächst, die Frage nach der Akzessorietät zu klären.

III. Zwischenergebnis Die Betrachtung der Szenarien, in denen die Frage nach der Akzessorietät der strafrechtlichen Bewertung zu den verfahrensrechtlichen Regelungen des Betreuungsrechts bezüglich Patientenverfügungen relevant werden könnte, hat das Hauptaugenmerk also auf zwei Konstellationen gelenkt, die jeweils dadurch geprägt sind, dass von den Beteiligten entweder nur materielles oder nur prozessuales Unrecht verwirklicht wurde: Entweder wurde unter Einhaltung der verfahrensrechtlichen Vorgaben gegen den Patientenwillen verstoßen oder unter Verstoß gegen die verfahrensrechtlichen Vorgaben der Patientenwille eingehalten. Im ersten Fall würde bei Nachweis von Fahrlässigkeit,152 insbesondere bei Vermeidbarkeit eines Erlaubnistatbestandsirrtums, grundsätzlich eine entsprechende Strafbarkeit eingreifen – es käme aber auch eine prozedurale Rechtfertigung des fahrlässigen Verhaltens durch Einhaltung der Verfahrensvorgaben in Betracht. Im 149

Vgl. Szenario 2. Vgl. Szenario 5 – keine Gelegenheit zur Stellungnahme für Vertrauenspersonen; Problematik übertragbar auf weitere „Soll“-Vorschriften: § 298 Abs. 1 S. 2 FamFG – Anhörung der sonstigen Beteiligten, § 298 Abs. 3 S. 2 FamFG – Keine Personenidentität zwischen Sachverständigem und behandelndem Arzt. 151 Vgl. Szenario 3 – Unklarheit darüber, ob der Wortlaut des § 1904 Abs. 4 BGB („Genehmigung . . . nicht erforderlich“) dazu führt, dass eine Genehmigung nicht erfolgen darf. 152 Da die Verfahrensvorgaben des Betreuungsrechts gerade eingehalten wurden, muss der Fahrlässigkeitsvorwurf an eine Sorgfaltspflichtverletzung abseits von den Verfahrensvorgaben anknüpfen. Erst recht ist eine Strafbarkeit natürlich bei Nachweis von Vorsatz gegeben. 150

III. Zwischenergebnis

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zweiten Fall ist fraglich, ob allein die Nichteinhaltung des Verfahrens, welches die Ermittlung des richtigen Patientenwillens sichern soll, überhaupt einen Strafbarkeitsvorwurf begründen kann, wenn die Beteiligten letztlich auch ohne Einhaltung der Verfahrensvorgaben den Patientenwillen richtig ermittelt und umgesetzt haben. Wären die zivilrechtlichen Vorgaben für eine Rechtfertigung zu beachten, dann käme eine Strafbarkeit gem. §§ 211, 212, 216 StGB bzw. § 223 StGB in Betracht, wobei die Strafe gegebenenfalls gem. §§ 17 S. 2, 49 StGB zu mildern wäre. Haben die Beteiligten sich hingegen an die Verfahrensvorgaben der §§ 1901a ff. BGB gehalten und entsprechend dem Patientenwillen gehandelt, sind sie unabhängig von der Frage nach der Akzessorietät gerechtfertigt; haben sie entgegen dem Patientenwillen gehandelt und gegen (einzelne) Verfahrensvorgaben verstoßen, greift auf alle Fälle eine Strafbarkeit wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Tötung bei Behandlungsabbruch, bei Weiterbehandlung wegen Körperverletzung.

D. Grundsätzliches Verhältnis zwischen Straf- und Zivilrecht Bevor allerdings diesen Fragestellungen im Einzelnen näher nachgegangen werden kann, bedarf es als Grundvoraussetzung einer Betrachtung des grundsätzlichen Verhältnisses zwischen den einschlägigen Normen des StGB und des BGB – schließlich könnte sich daraus bereits eine Antwort auf das „ob“ eines Rückgriffs auf das BGB für die strafrechtliche Bewertung ergeben: Wäre ein solcher Rückgriff ohnehin ausgeschlossen, bedürfte das „wie“ des Rückgriffs gar keiner weiteren Vertiefung; wäre der Rückgriff schon im Allgemeinen aus dem Verhältnis von Straf- und Zivilrechtsnormen untereinander geboten, bedürfte im Folgenden nur noch das „wie“ des Rückgriffs auf das Zivilrecht näherer Untersuchung.

I. Einordnung der §§ 1901a ff. BGB Diese Fragestellung nimmt allerdings die Bewertung vorweg, dass die §§ 1901a ff. BGB überhaupt als zivilrechtliche Normen einzuordnen sind. Zwar scheint der Standort im Bürgerlichen Gesetzbuch, das mit dem bürgerlichen Recht das allgemeine Privatrecht regelt, diese Einordnung vorzugeben, doch könnten angesichts des prozeduralen Gehalts der §§ 1901a ff. BGB, insbesondere des Erfordernisses einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung, Zweifel angebracht sein, schließlich sind die Prozessgesetze gerade nicht Teil des Privatrechts, sondern des Öffentlichen Rechts.1 Zudem ist die Natur eines Rechtsverhältnisses nicht allein aus dem Standort der zugrunde liegenden Norm ableitbar, schließlich enthält gerade das BGB auch öffentlich-rechtliche Regelungen.2 Für die Abgrenzung zwischen öffentlichrechtlichen und zivilrechtlichen Normen, die insbesondere für die Bestimmung des einschlägigen Rechtswegs von Bedeutung ist3, werden verschiedene Lösungswege vertreten. Nach der sog. Subordinationstheorie4 stehen sich die Parteien im Öffentlichen Recht in einem Über-/Unterordnungsverhältnis gegenüber, während sie im Zivilrecht gleichgeBrox/Walker BGB AT37 Rn. 12. MK-ZPO4 /Zimmermann § 13 GVG Rn. 5 mit Verweis auf BVerwG NJW 1985, 2436 zu § 812 BGB; BGHZ 33, 251; 65, 348; VGH Mannheim NJW 1977, 1843 zu §§ 677 ff. BGB. 3 Vgl. § 13 GVG; § 40 Abs. 1 S. 2 VwGO. 4 Siehe etwa BGHZ 14, 222 (226 f.); 35, 175 (177); 67, 81 (86); BVerwGE 14, 1 (4); 29, 159 (161 f.); 37, 243 (245); Kissel/Mayer7 § 13 GVG Rn. 15; Obermayer3 S. 15. 1 2

II. Normenhierarchie

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ordnet sind, was bezüglich der §§ 1901a ff. BGB bei einem Konsens zwischen Arzt und Patientenvertreter zu einer Einordnung in das Zivilrecht führt, bei einem Dissens und damit dem Erfordernis einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung zu einer Verortung im Öffentlichen Recht führen könnte, schließlich entscheidet das Gericht, wie Arzt und Patientenvertreter die Patientenverfügung „richtig“ umsetzen. Andererseits ist das Gericht dabei an den in der Patientenverfügung zum Ausdruck gekommenen Patientenwillen gebunden, sodass inhaltlich gesehen letztlich der Patient durch seine antizipierte Verfügung über das zulässige Verhalten von Arzt und Patientenvertreter entscheidet. Nach der sog. Interessentheorie5 dienen Normen des Öffentlichen Rechts überwiegend dem Allgemeininteresse, wohingegen im Zivilrecht der Schutz von Individualinteressen im Vordergrund steht. Da den §§ 1901a ff. BGB vornehmlich der Schutz des Patientenwillens und dessen richtige Umsetzung zu Grunde liegt, wären die Normen nach dieser Herangehensweise dem Zivilrecht zuzuordnen. Nach der sog. modifizierten Subjektstheorie6 schließlich sind Normen dann öffentlichrechtlicher Natur, wenn sie einen Hoheitsträger als solchen berechtigen oder verpflichten – eine solche Zuweisung findet sich wiederum nur in dem Genehmigungserfordernis, das die Judikative zu einer gerichtlichen Entscheidung ermächtigt, Arzt und Patientenvertreter handeln hingegen nicht hoheitlich. Auf Grund dieses Genehmigungserfordernisses spricht Arzt bezüglich der §§ 1901a ff. BGB auch von „öffentliche[m] Recht in privatrechtlicher Einkleidung“ 7. Selbst unter Annahme einer solchen Doppelnatur liegt aber der Schwerpunkt bei dem zivilrechtlichen Gehalt der §§ 1901a ff. BGB, schließlich entfällt eine Beteiligung des Betreuungsgerichts bei einem Konsens zwischen Arzt und Patientenvertreter. Da die Übernahme einer zivilrechtlichen Regelung für das Strafrecht, das sich als Teilbereich des Öffentlichen Rechts darstellt, wesentlich mehr Konfliktpotenzial bietet, soll sich die Darstellung im Folgenden daher auf den zivilrechtlichen Schwerpunkt der §§ 1901a ff. BGB beschränken.

II. Normenhierarchie Zwar besteht für das Verhältnis zwischen Straf- und Zivilrecht keine klare Kollisionsregel, doch müssen sich die Normen beider Rechtsgebiete in einer dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung entsprechenden Weise in das gesamte Normengefüge einpassen, sodass Widersprüche zwischen den Rechtsgebieten zu 5 Vgl. etwa BVerfGE 58, 300 (344); BVerwGE 13, 47 (49 f.); 35, 103 (106); 38, 205 (206); 47, 229 (230); 47, 247 (250); Broß VerwArch 79 (1988), 97 (100). 6 Schoch/Schneider/Bier/D. Ehlers § 40 (26. EL) Rn. 235; Kopp/Schenke20 § 40 VwGO Rn. 11; Redeker/von Oertzen15 /von Nicolai § 40 VwGO, Rn. 8; D. Ehlers Die Verwaltung 20 (1987), 373 (379); grundlegend bereits Bettermann NJW 1977, 513 (516). 7 Arzt in GS Wolf, S. 609 (617).

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D. Grundsätzliches Verhältnis zwischen Straf- und Zivilrecht

vermeiden sind;8 insbesondere im Bereich der Sterbehilfe erfolgten in der Vergangenheit viele Anstöße über die zivilrechtliche Rechtsprechung.9 Bei dem Bemühen um eine Widerspruchsfreiheit zwischen Straf- und Zivilrecht sind die verfassungsrechtlichen Vorgaben für das einfache Recht von entscheidender Bedeutung, da das StGB und das BGB (unter Berücksichtigung der mittelbaren Drittwirkung) als einfachgesetzliche Regelungswerke dem Vorrang des Verfassungsrechts unterliegen und sich daher die von der Verfassung getroffenen Wertentscheidungen auf beide – unmittelbar oder mittelbar – auswirken. Insofern ist, wie Hufen es formuliert, die Diskussion um den Behandlungsabbruch „nur im Zusammenwirken von Zivilrecht, Strafrecht und Verfassungsrecht“ zu führen.10 1. Einheit der Rechtsordnung Auch der BGH bezog sich in seiner Entscheidung zum Behandlungsabbruch vom 25.6.2010 auf die Einheit11 der Rechtsordnung: So seien die §§ 1901a ff. BGB „unter dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit der Rechtsordnung [. . .] bei der Bestimmung der Grenze einer möglichen Rechtfertigung von kausal lebensbeendenden Handlungen“ zu berücksichtigen.12 Damit bedient sich der BGH einer inzwischen recht gängigen Argumentationsfigur,13 die ursprünglich auf den gleichnamigen Titel eines Werkes von Engisch aus dem Jahr 1935 zurückgeht.14 So sehr die Formel von der Einheit der Rechtsordnung15 aber auch verbreitet ist, 8 Vgl. Engisch, S. 68; Felix, S. 143; Günther, S. 94 ff.; Hellmann, S. 93; Knauf, S. 159; Kruis NVwZ 2012, 797 (799); Ohly, S. 119; Schmidt in ders. (Hrsg.), Vielfalt des Rechts – Einheit der Rechtsordnung?, S. 9 (10 f.); dabei ist allerdings eine „Überkorrektur“ zu vermeiden, so treffend Felix, S. 402. 9 Eidam GA 2011, 232 (237); Neumann/Saliger HRRS 2006, 280 (284). 10 Hufen NJW 2001, 849 (850); ähnlich auch Eidam GA 2011, 232 (237): „der isolierte Blick auf die rein zivilrechtliche Regelungsmaterie der §§ 1901a ff. BGB [ist] zu beschränkt“. 11 Teilweise wird auch spezieller von der „Einheitlichkeit“ der Rechtsordnung gesprochen, die wiederum von der „Einheit“ der Rechtsordnung abhängig sei, s. Rudorf, S. 4. 12 BGHSt 55, 191 (200). Die Einheit der Rechtsordnung war bereits bei der Diskussion um eine Änderung des Betreuungsrechts für eine einheitliche rechtsgebietsübergreifende Regelung der Sterbehilfe ins Feld geführt worden, so bspw. Verrel 66. DJT, C 57: „[I]solierte, nicht mit einer ,kompatiblen‘ Ausgestaltung des Strafgesetzes einhergehende Ergänzungen des Betreuungsrechts“ verfehlen das Regelungsziel von Rechtssicherheit auf dem Gebiet der Sterbehilfe und „widerstreiten dem Gebot der einheitlichen Rechtsordnung“; ähnlich auch Riedel EthikMed 2005, 28 (31). 13 Felix, S. 2. 14 Engisch Die Einheit der Rechtsordnung, Heidelberg 1935; es handelt sich dabei um eine erweiterte Fassung seiner Heidelberger Antrittsvorlesung, vgl. Vorwort a. a. O. 15 Vgl. zur Einheit der Rechtsordnung allgemein Baldus, Die Einheit der Rechtsordnung, Berlin 1995; Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, Heidelberg 1935; Felix, Einheit der Rechtsordnung, Tübingen 1998; Schmidt (Hrsg.), Vielfalt des Rechts – Einheit der Rechtsordnung?, Berlin 1994.

II. Normenhierarchie

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so häufig wird deren Heranziehung ohne Auseinandersetzung mit dem dahinter stehenden Sinngehalt kritisiert16 – auch der BGH beschäftigt sich in der Entscheidung nicht eingehender mit dem Inhalt und damit der Argumentationskraft der Einheit der Rechtsordnung. Selbst wenn teilweise behauptet wird, dass zumindest die Einheit der Rechtsordnung nicht an sich, sondern nur deren exakter Inhalt umstritten sei,17 finden sich auch Stimmen in der Literatur, die der Forderung nach Einheit der Rechtsordnung überhaupt nicht nachkommen wollen.18 Gleichwohl soll hier im Folgenden von der Anerkennung dieses Grundsatzes ausgegangen werden, um zu untersuchen, welche Auswirkungen er auf die Frage nach der Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB haben könnte – nur wenn die Einheit der Rechtsordnung sich auf die Akzessorietätsfrage auswirkte, bedürfte die Berechtigung des Grundsatzes einer näheren Betrachtung. Mit einer „Einheit“ wird gemeinhin eine „in sich geschlossene Ganzheit“ bezeichnet, die sich durch ihre „innere Zusammengehörigkeit“ auszeichnet.19 Dementsprechend besagt die Einheit der Rechtsordnung, dass die Einzelgebiete der Rechtsordnung als Teilbereiche der gesamten Rechtsordnung zu betrachten sind, eines in sich geschlossenen, möglichst harmonischen20 und widerspruchsfreien Systems;21 das Ziel22 von Widerspruchsfreiheit wird auch als „Einheitlichkeit“ der Rechtsordnung bezeichnet.23 Hergeleitet hat Engisch diesen Grundsatz aus einer der Rechtsordnung zu Grunde liegenden anerkannten Grundnorm „im Sinne einer die höchsten zur Rechtsschöpfung berufenen Instanzen legitimierenden Regel“ 24, von welcher die einzelnen Normen ihre Legitimation ableiteten

16 Baldus, S. 13; Canaris2, S. 16; Felix, S. 5; Michel JuS 1961, 274 (275 f.); Peine NJW 1990, 2442 (2446); Scheele, S. 58. 17 So bspw. Knauf, S. 159. 18 Peine NJW 1990, 2442 (2446); zumindest mit einem Verzicht auf die Rechtsfigur sympathisierend Felix, S. 404; Günther, S. 98: Die Einheit der Rechtsordnung „verbietet, daß Wertungswidersprüche entstehen. Aber sie beantwortet nicht, ob das der Fall ist“. 19 Siehe die 1. Bedeutung des Wortes „Einheit“ auf http://www.duden.de/recht schreibung/Einheit. 20 Felix, S. 399. 21 Engisch, S. 68; Felix, S. 143; Günther, S. 94 ff.; Hellmann, S. 93; Knauf, S. 159; Kruis NVwZ 2012, 797 (799); Ohly, S. 119; Schmidt in ders. (Hrsg.), Vielfalt des Rechts – Einheit der Rechtsordnung?, S. 9 (10 f.). 22 Rüthers/Fischer/Birk Rechtstheorie 7 Rn. 278 betonen, dass eine Einheit der Rechtsordnung im Sinne einer Widerspruchsfreiheit aus sich heraus als „Illusion“ einzuordnen sei, vielmehr bedürfe es stets einer entsprechenden Rechtsanwendung, um bestehende Widersprüche zu überwinden – insofern werde die Einheit der Rechtsordnung erst bei der Rechtsanwendung „hergestellt“. 23 Rudorf, S. 4. 24 Engisch, S. 11.

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und die infolgedessen die Rechtsordnung zu einer Einheit zusammenhalte;25 heute wird der Grundsatz vorwiegend auf das Rechtsstaatsprinzip gestützt,26 vgl. Art. 20 Abs. 3 GG. Doch diese möglichen Wurzeln geben keinen Hinweis auf den erforderlichen Grad der Widerspruchsfreiheit, der wiederum in der Literatur unterschiedlich angesiedelt wird – während teilweise von einer Unmöglichkeit von Widersprüchen ausgegangen wird27, wird an anderer Stelle vor einer „rigorose[n] ,Gleichschaltung‘“ der verschiedenen Rechtskomplexe gewarnt.28 Für letztere Einordnung spricht vor allem die Vielfalt der den unterschiedlichen Rechtsbereichen zu Grunde liegenden Zielsetzungen,29 die eine Ausdifferenzierung der Gesamtrechtsordnung ermöglicht und damit die Aufteilung in verschiedene Rechtsgebiete überhaupt erst legitimiert; insofern gilt, wie Felix es formuliert, dass „[d]ie Vorstellung der Einheit der Rechtsordnung [. . .] begrenzt [wird] durch die Verschiedenheit der Zwecke der Rechtsnormen“.30 Insbesondere der für das Strafrecht geltende ultima ratio-Grundsatz,31 der mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts einhergeht,32 ist in diesem Zusammenhang für das Verhältnis zwischen Straf- und Zivilrecht von Bedeutung: Deshalb gilt zwar auf der einen Seite, dass eine zivilgesetzlich erlaubte Verhaltensweise strafrechtlich nicht sanktioniert werden darf,33 der ultima ratio-Grundsatz beschränkt die 25

Engisch, S. 12 Fn. 1. Breuer DÖV 1987, 169 (178); Hallwaß, S. 81; Hansmann NVwZ 1989, 913 (914); Lappe WRP 1995, 170 (177); Schall NJW 1990, 1263 (1265); Schilling, S. 377; W. Schmidt NVwZ 1985, 167 (169); a. A. Peine NJW 1990, 2442 (2446); Degenhart, S. 97: „Begriff der Einheit der Rechtsordnung hat nicht Verfassungsrang“. 27 So etwa Rudorf, S. 64. Freilich bedeutet die im Folgenden dargelegte Einschränkung der Einheit der Rechtsordnung nicht zwangsläufig, dass es zu „Widersprüchen“ zwischen Straf- und Zivilrecht kommt, schließlich lässt sich die Straflosigkeit bei Zivilrechtswidrigkeit durch den ultima ratio-Charakter des Strafrechts begründen, sodass die abweichende Bewertung zwischen Straf- und Zivilrecht damit keineswegs „widersprüchlich“ erscheint. 28 Felix, S. 399; ähnlich K. Schmidt in ders. (Hrsg.), Vielfalt des Rechts – Einheit der Rechtsordnung?, S. 9 (14): „Folgt ein Rechtsgebiet blindlings dem anderen, so muß dies keine Garantie, kann vielmehr auch eine Gefahr für die Einheit der Rechtsordnung bedeuten“. 29 Kirchhof, S. 37; Selmer, S. 11; Wieacker in Simon (Hrsg.), Ausgewählte Schriften, Band 2, S. 121 (133). 30 Felix, S. 404; Schumann JZ 1973, 484 (489): „So viel Eigenständigkeit wie teleologisch nötig; so viel Bewahrung des Prozeßsystems wie möglich“. 31 BVerfGE 39, 1 (47); 88, 203 (258). 32 Das Strafrecht regelt nur die Mindestbedingungen eines geordneten Zusammenlebens, weshalb auch von der „Subsidiarität des Strafrechts“ gesprochen wird, BVerfGE 39, 1 (47); Zipf Kriminalpolitik2, S. 52 f.; die Beschreibung des Strafrechts als „fragmentarisch“ geht zurück auf Binding BT 12, S. 20: nicht alles, was rechtswidrig sei, müsse strafbar sein; vgl. hierzu auch Walter JZ 2012, 1110 (1116). 33 BT-Drs. 16/11360, S. 15; bezogen auf das Betreuungsrecht Putz FPR 2012, 13 (14); im Kontext des verwaltungsakzessorischen Umweltstrafrechts Felix, S. 401: „die aus anderen Rechtsgebieten stammenden Erlaubnisse [schlagen] gleichsam automatisch in das Strafrecht [durch]“. 26

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Einheit der Rechtsordnung aber insofern, dass auf der anderen Seite nicht von einem Verstoß gegen das Zivilrecht auf eine strafrechtliche Sanktion geschlossen werden kann.34 Bezogen auf die Frage nach der Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB könnte dies zum einen bedeuten, dass ein Verhalten im Zusammenhang mit einer Patientenverfügung durch die Einhaltung des betreuungsrechtlich vorgegebenen Verfahrens auch strafrechtlich legitimiert wird.35 Allein der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung vermag diesen Schluss wenigstens dann zu stützen, wenn neben der Einhaltung des Verfahrens auch der Patientenwille getroffen wird, da die §§ 1901a ff. BGB den Beteiligten stets auch die Umsetzung des Patientenwillens entsprechend der Patientenverfügung auferlegen; insofern stellt die betreuungsrechtliche Regelung jedenfalls die Mindestanforderung an den auch im Rahmen der strafrechtlichen Fahrlässigkeitsprüfung anzulegenden Sorgfaltsmaßstab. Ob das Verfahren darüber hinaus auch für sich gesehen legitimierende Wirkung im Sinne einer prozeduralen Rechtfertigung entfaltet, bedarf einer genaueren Untersuchung der §§ 1901a ff. BGB36 – eine solche Rechtfertigung könnte dann wiederum über den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung einheitlich für Zivil- und Strafrecht Wirkung entfalten, auch37 weil oftmals die Einheit der Rechtsordnung zu einer Einheit der Rechtswidrigkeit38 fortgeführt wird.39 Letztgenannter Grundsatz ist insbesondere im Hinblick auf die Be34 Felix, S. 297 f.; Günther ZStW 102 (1990), 269 (279); Saliger KritV 1998, 118 (140); a. A. wohl Rudorf, S. 64. 35 So spricht etwa Eidam GA 2011, 232 (237) davon, dass die §§ 1901a ff. BGB die Strafbarkeit beschränkten, weshalb an die §§ 1901a ff. BGB kein „eigene[r] strafrechtliche[r] Wertungsfilter mit der Option einer möglichen Kriminalisierung zivilrechtskonformen Verhaltens“ anzulegen sei. 36 Siehe dazu ausführlich, gerade auch im Hinblick auf die grundrechtliche Relevanz als Grundrechtsschutz durch Verfahren, unter E. III. 37 Nach Knauf, S. 170 ergibt sich die einheitliche Bewertung der Rechtswidrigkeit eines identischen Bewertungsgegenstandes in identischem Kontext bereits aus der Einheit der Rechtsordnung und deren Ziel von Widerspruchsfreiheit, ohne dass die Einheit der Rechtswidrigkeit als solche anerkannt werden müsse: „Aber auch bei einer Deutung als Postulat der Widerspruchsfreiheit der einzelnen Rechtsgebiete, das bei unterschiedlichen Rechtswidrigkeitsbeurteilungen auf Grund verschiedener Interessenlagen, Zwecke und Zielsetzungen nicht gefährdet ist, unterstützt der Gedanke der Einheit der Rechtsordnung das vorliegende Konzept: Im Umkehrschluss dürfen daher Rechtswidrigkeiten in Teilrechtsgebieten nicht unterschiedlich ausfallen, wenn es – wie bei der mutmaßlichen Einwilligung in Körperverletzungen – um identische Bewertungsgegenstände in identischem Kontext geht“. 38 Diesen Grundsatz definiert Felix, S. 234 folgendermaßen: „Erwartung, daß die Rechtsordnung ein und denselben realen Vorgang stets als entweder rechtmäßig oder aber rechtswidrig bewerten und es nicht zu einer Rechtskonkurrenz in dem Sinne kommen wird, daß mehrere Aussagen der einheitlichen Rechtsordnung denselben Vorgang unterschiedlich beurteilen“. 39 Dies forderte bereits v. Liszt, S. 8 vor dem Hintergrund, „daß alle Theile der Rechtswissenschaft zu einem großen Ganzen gehören“; s. auch Rudorf, S. 77: „Die Auf-

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deutung von strafrechtlichen Rechtfertigungsgründen bei polizeirechtswidrigem Handeln40 und auf den Konflikt zwischen verwaltungsrechtlicher (Il-)Legalität und zivilrechtlichem Nachbarrecht41 umstritten, wird teilweise aber auch gänzlich angezweifelt42; da es in dieser Konstellation allerdings um die Übertragung eines zivilrechtlichen Rechtfertigungsgrunds43 auf das Strafrecht geht, könnte bereits der ultima ratio-Gedanke die einheitliche Berücksichtigung der Rechtfertigung tragen, ohne dass es auf den umstritteneren Grundsatz der Einheit der Rechtswidrigkeit ankäme.44 Zum anderen erlaubt der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung nicht den Schluss von einem Verstoß gegen §§ 1901a ff. BGB auf eine Strafbarkeit, da das Strafrecht nur als ultima ratio eingreift45 und daher nicht jede Zivilrechtswidrigkeit strafrechtliche Sanktionen nach sich zieht; stattdessen müssen Strafwürdigkeit und -bedürftigkeit eines solchen Verstoßes auf anderem Weg,46 also anders als mit Akzessorietätserwägungen begründet werden. Schließlich sei in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass entsprechend der Einheit der Rechtsordnung47 eine Patientenverfügung nur dann Wirksamkeit entfaltet, wenn sie sich auf eine rechtlich zulässige Verhaltensweise richtet48 – das Verlangen einer strafrechtlich sanktionierten Verhaltensweise ist gem. §§ 134, 138 BGB unwirksam.49

teilung des Rechts in einzelne Teile läßt seine Eigenart der Einzigkeit unberührt [. . .]. Rechtswidrigkeit ist der Gegensatz von Recht; ist das Recht naturnotwendig eine Einheit, so kann für das Unrecht nichts anderes gelten.“; auf Grund des fragmentarischen Charakters des Strafrechts eine Einheit der Rechtswidrigkeit anzweifelnd Günther, S. 37; zu den unterschiedlichen Verständnissen von Rechtswidrigkeit Engisch, S. 55 ff. 40 Vgl. Felix, S. 57 ff. 41 Vgl. Felix, S. 106 ff. 42 So etwa SK-StGB/Hoyer Vor § 32 ff. (130 Lfg.), Rn. 7 ff.; Hellmann, S. 115 ff., 134 ff., 157 ff. 43 H.M. bezüglich §§ 228, 904 BGB, statt vieler Sch/Sch29 /Lenckner/Sternberg-Lieben Vor §§ 32 ff. Rn. 68 f.; LK-StGB12 /Rönnau Vor § 32 Rn. 21; a. A. auch insoweit SK-StGB/Hoyer Vor § 32 ff. (130 Lfg.), Rn. 13; Hellmann, S. 101. 44 Siehe genauer unter D. III. 3. d); ausführlich zu dem Spannungsverhältnis zwischen der Einheit der Rechtsordnung und dem Verbot rechtsgebietsübergreifender Analogieschlüsse gerade in Bezug auf Rechtfertigungsgründe Troxler Die Universalität von Rechtfertigungsgründen im Verhältnis von Straf- und Zivilrecht, Basel 2014. 45 BVerfGE 39, 1 (47); 88, 203 (258). 46 Vgl. zu der erforderlichen historischen, teleologischen und systematischen Auslegung der §§ 1901a ff. BGB unter E. 47 Dazu BT-Drs. 16/8442, S. 8: „Die Rechtsordnung bildet in ihren Teilbereichen Zivil- und Strafrecht eine Einheit, bei der die Teilbereiche aufeinander einwirken“. 48 BGHZ 154, 205 (215); G. Müller ZEV 2008, 583 (586); Putz FPR 2012, 13 (14). 49 BT-Drs. 16/8442, S. 3, 7 f.; 16/11360, S. 3; 16/11493, S. 8 f.; Lipp in Laufs/Katzenmeier/Lipp (Hrsg.), ArztR6, VI. Rn. 135.

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2. Vorrang nur des Verfassungsrechts Anders als das Zivilrecht ist das Verfassungsrecht dem Strafrecht übergeordnet50 – das Strafrecht darf sich also nicht über verfassungsrechtliche Gebote hinwegsetzen.51 So binden die Grundrechte als subjektiv öffentliche Rechte auf Grund des Rechtsstaatsprinzips52 alle drei Staatsgewalten, also sowohl den Gesetzgeber53 als auch das Gericht,54 das anders als der Gesetzgeber überdies auch insgesamt an „Gesetz und Recht“ gebunden ist, Art. 20 Abs. 3 GG; über die mittelbare Drittwirkung entfalten die Grundrechte über die „Einfallstore“ von unbestimmten Rechtsbegriffen sogar zwischen Privaten Geltung. Vorliegend könnte sich eine Bindung aus Artt. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG ergeben, da die §§ 1901a ff. BGB als „einfach-rechtliche Umsetzungen der verfassungsrechtlich verbürgten Privatautonomie“ 55 einzuordnen sind. Stellten die betreuungsrechtlichen Regelungen die einzig richtige Ausfüllung des verfassungsrechtlichen Spielraums dar, begründete sich die Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB damit aus der Normenhierarchie. In diese Richtung argumentieren auch Höfling und Rixen in Bezug auf eine frühere Entscheidung des 12. Zivilsenats56 zu § 1904 BGB a. F.: Das Strafrecht stelle eine „akzessorische Folgeordnung“ dar, die den „Vorgaben des privatrechtlich ausgeformten Verfassungsrechts“ folgen müsse57. Diese Aussage bedarf aber der Präzisierung dahingehend, dass eine volle Akzessorietät auf Grund der Normenhierarchie nur dann angezeigt ist, wenn die verfassungsrechtlichen Vorgaben bei der einfachrechtlichen Umsetzung keinen Spielraum lassen und daher die privatrechtliche Ausformung des Verfassungsrechts die einzig zulässige darstellt; dafür müsste vorliegend die Einhaltung eines (des

50 Albers MedR 2009, 138 (144); die Ausstrahlungswirkung der Grundrechte entsteht dadurch, dass in Streitfällen letztlich ein staatlicher Richter entscheidet, der die Grundrechte zu berücksichtigen hat, vgl. Hufen NJW 2001, 849 (850). 51 Eidam GA 2011, 232 (237). 52 Art. 20 Abs. 3 GG: Vorrang der Verfassung vor den einfachen Gesetzen. 53 Maunz/Dürig/Herzog/Grzeszick Art. 20 GG (69. EL) Rn. 17. 54 Maunz/Dürig/Herzog/Grzeszick Art. 20 GG (69. EL) Rn. 19, im Idealfall sei die Verfassungsbindung der Judikative aber bereits über die Verfassungsbindung der Legislative gesetzesmediatisiert, Rn. 23. 55 So Eidam GA 2011, 232 (237) mit Verweis auf BT-Drs. 16/8442, S. 2 f., 7 ff.; BGHSt 46, 279 (285); Olzen JR 2009, 354 (355); zum grundrechtlich geprägten Schutzzweck auch Rosenau in FS Rissing-van Saan, S. 547 (563). 56 BGHZ 154, 205 ff., sog. Lübecker Entscheidung; das angeführte Zitat von Höfling/Rixen erfolgt als Kritik an BGHZ 154, 205 (215): „die Zivilrechtsordnung kann nicht erlauben, was das Strafrecht verbietet“; dem BGH zustimmend Kutzer FPR 2007, 59 (60). 57 Höfling/Rixen JZ 2003, 884 (891 f.); weiter führen sie aus: „[D]er 12. Zivilsenat [meint] die in der betreuungsrechtlichen Beschränkung zulässiger Sterbehilfe [. . .] implizit liegende Beschränkung der verfassungsrechtlich geschützten Patientenautonomie mit Verweis auf Ausführungen des 1. Strafsenats [. . .] legitimieren zu können, obgleich diese doch vorgängig am Maßstab der Verfassung gerechtfertigt sein müssen“.

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in §§ 1901a ff. BGB geregelten) Verfahrens für die Rechtfertigungswirkung grundrechtlich betrachtet unverzichtbar sein. Im Übrigen stehen BGB und StGB als einfache Gesetze auf gleicher Stufe, sodass es im Sinne der Einheit der Rechtsordnung bereits ausreicht, dass Widersprüche zwischen den Rechtsgebieten vermieden werden; auf Grund der ultima ratio-Funktion des Strafrechts ist es dabei zulässig, dass der strafrechtliche hinter dem zivilrechtlichen Schutz zurückbleibt. Auf diese Einschränkung Bezug nehmend ordnet Verrel, ebenfalls noch vor dem 3. BtÄndG, die zivilrechtliche Ausformung der betroffenen Grundrechte anders als Höfling/Rixen nicht als bindend ein, da das Verfassungsrecht insoweit keine genauen Vorgaben enthalte, sodass ein weiter Spielraum bei Ausfüllung durch das einfache Gesetz verbleibe.58 Für eine Einschätzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben und der von ihnen belassenen Spielräume bei der Umsetzung durch das einfache Recht bedarf es eines Blicks auf die durch ein Verhalten im Zusammenhang mit einer Patientenverfügung tangierten Grundrechte. a) Selbstbestimmungsrecht Im Zentrum der Thematik steht das Selbstbestimmungsrecht des Patienten gem. Artt. 2 Abs. 1 i.V. m. 1 Abs. 1 GG, zu dessen Kernbereich die Selbstbestimmung über den eigenen Körper zählt.59 Dies führt für ärztliche Behandlung oder Nichtbehandlung zu einem „Primat des Patientenwillens“:60 Ein Behandlungsrecht des Arztes kann sich also weder aus dem ärztlichen Heilauftrag noch aus der Krankheit des Patienten61 ergeben,62 so dass eine gegen den Patientenwillen erfolgende Behandlung bzw. Nichtbehandlung trotz medizinischer Indikation zu sanktionieren und umgekehrt eine nicht mit anderen Grundrechten kollidierende, zivilrechtskonforme Umsetzung des Patientenwillens zu ermöglichen ist. Auch der Gesetzgeber bezog sich in seiner Gesetzesbegründung auf diese verfassungs58

Verrel 66. DJT, C 58 Fn. 245. Hufen NJW 2001, 849 (851). 60 Stoffers, S. 540. Folglich darf eine ärztliche Behandlung gegen den Willen des Patienten grundsätzlich weder eingeleitet noch fortgesetzt werden, vgl. BGHSt 32, 367 (379); 35, 246 (249); 37, 376 (378 f.); 40, 257 (262). Zur Problematik der medizinischen Selbstbestimmung bei Demenz des Patienten vgl. Magnus NStZ 2013, 1 ff.; Steenbreker MedR 2012, 725 ff. 61 Nach BT-Drs. 16/8442, S. 7 ist es ständige Rechtsprechung des für das Arzthaftungsrecht zuständigen 6. Zivilsenats des BGH, dass eine Beurteilung der Erforderlichkeit einer Maßnahme aus ärztlicher oder objektiver Sicht nicht zu einer Einschränkung der persönlichen Entscheidungsfreiheit des Patienten führen darf, so z. B. BGH NJW 2003, 1862 f. Zustimmend Gstöttner, S. 118 f.; Günther in Koslowski (Hrsg.), Maximen in der Medizin, S. 124 (128); Lenckner, S. 99 f.; ders. in Forster (Hrsg.), Praxis der Rechtsmedizin, S. 575 (596); Sternberg-Lieben in FS Lenckner, S. 349 (352 f.). 62 BT-Drs. 16/8442, S. 7; vgl. auch Hahne FamRZ 2003, 1619 (1620); Lipp FamRZ 2004, 317 (318); Sternberg-Lieben in FS Lenckner, S. 349 (354 f.). 59

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rechtliche Vorgabe, indem er den „Respekt vor der Autonomie des Patienten [. . .] als zentrales medizinethisches Prinzip“ hervorhob63. Den betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben im Speziellen liegt der Zweck zu Grunde, eine sorgfältige Ermittlung des Patientenwillens abzusichern, damit dienen sie ebenfalls dem Schutz des Selbstbestimmungsrechts des Patienten.64 Insoweit erschöpft sich der Zweck der Verfahrensvorgaben aber in einer rein flankierenden Funktion – sie unterstützen die Einhaltung der materiellen Vorgabe, den Patientenwillen zu berücksichtigen, erfüllen für sich gesehen jedoch keinen Selbstzweck:65 In den Fällen, in denen die Frage nach einer eigenständigen Strafbarkeit des prozessualen Unrechts nämlich zum Tragen kommt, ist gerade kein materielles Unrecht verwirklicht, sondern der Patientenwille richtig umgesetzt und damit das Selbstbestimmungsrecht des Patienten gewahrt worden. Mithin enthalten die Artt. 2 Abs. 1 i.V. m. 1 Abs. 1 GG keine zwingende verfassungsrechtliche Vorgabe für die verfahrensrechtliche Absicherung der Patientenverfügung, sondern lassen ausreichend Spielraum für die einfachrechtliche Umsetzung, der die Strafbarkeit eines Verfahrensverstoßes offen lässt. b) Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit Neben dem Selbstbestimmungsrecht ist bei einem Verhalten im Zusammenhang mit einer Patientenverfügung das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gem. Art. 2 Abs. 2 GG berührt, im Falle eines Behandlungsabbruchs66 kommt der zum Selbstbestimmungsrecht in einem Spannungsverhältnis stehenden67 staatlichen Schutzpflicht für das Leben auf Grund der irreversiblen Entscheidung sogar existenzielle Bedeutung zu.68 Damit das Freiheitsrecht der 63

BT-Drs. 16/8442, S. 9. So auch Ludyga FPR 2010, 266 (268). 65 Zu dem möglichen Selbstzweck eines Grundrechtsschutzes durch Verfahren in Form einer prozeduralen Rechtfertigung ausführlich unter E. III. 1. 66 Die Schutzpflicht des Staates für das Leben wiegt geringer bei infauster Prognose, also bei „Sterbenlassen von Sterbenden“ („Sterbenlassen“ bedeutet für den Arzt nicht zwingend Passivität, sondern dem Patienten muss nach Änderung des Therapieziels weiter alle Fürsorge und Pflege zukommen, vgl. Wolfslast/Weinrich StV 2011, 286 (287). Als „Sterbender“ wird ein Patient bezeichnet, wenn mindestens eine seiner vitalen Funktionen unumkehrbar versagt hat und der Eintritt des Todes innerhalb eines kurzen Zeitraums zu erwarten ist, so Coeppicus FPR 2007, 63. Solange alle Organfunktionen stabil sind, führe also selbst eine dauernde und unumkehrbare Bewusstlosigkeit nicht zum Status als „Sterbender“.) als wenn eine Heilung durch medizinische Maßnahmen möglich erscheint („Lebensbeendigung bei Lebenden“, so BT-Drs. 16/11360, S. 12, 15; „Lebensbeendigung“ suggeriert ein aktives Handeln, indes darf insoweit nur von passiver Sterbehilfe die Rede sein.). 67 Dreier-GG3 /Schulze-Fielitz Art. 2 Abs. 2 Rn. 65. 68 BT-Drs. 16/11360, S. 23; als „vitale Basis“ aller übrigen Grundrechte ist das Leben innerhalb der verfassungsrechtlichen Ordnung als „Höchstwert“ einzuordnen, so BVerfGE 39, 1 (42); vgl. auch BVerfGE 46, 160 (164); 49, 24 (53); 53, 30 (57); 56, 54 64

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Selbstbestimmung allerdings durch die Schutzpflicht verstärkt und nicht verkürzt wird69, greift die staatliche Schutzpflicht nur bei Angriffen durch Dritte und damit nur bei einem Verhalten seitens Arzt, Patientenvertreter und sonstigem Beteiligten, das nicht vom Patientenwillen gedeckt ist70. Auch dieses Grundrecht begründet keine verfassungsrechtlich zwingende Vorgabe eines den §§ 1901a ff. BGB entsprechenden, zu sanktionierenden Verfahrens: Unabhängig davon, ob der Patientenwille auf einen Behandlungsabbruch gerichtet ist, kann die staatliche Schutzpflicht nur insoweit eine Schranke71 für das Selbstbestimmungsrecht des Patienten bilden, als dass die sorgfältige Ermittlung des Patientenwillens sicher gestellt wird, schließlich umfasst die Schutzpflicht auch den Schutz der „körperliche[n] und seelische[n] Integrität vor einem nicht konsentierten oder mutmaßlich nicht gewollten ärztlichen Eingriff“ 72. Insofern findet das Verfahren zwar grundsätzlich auch in der Schutzpflicht des Staates eine Stütze, jedoch gilt es auch in diesem Zusammenhang wieder zu bedenken, dass eine eigenständige Strafbarkeit eines Verfahrensverstoßes nur für die Fälle Relevanz entfaltete, in denen der Patientenwille letztlich durch das Verhalten der Beteiligten getroffen wurde73, was dann nicht mehr als ein Angriff durch Dritte einzuordnen wäre – schließlich verhelfen die Beteiligten dem Patienten nur zu einer Umsetzung seines Selbstbestimmungsrechts, die ihm selbst nicht (mehr) eigenständig gelingt.74 Mangels Angriffs seitens eines Dritten griffe die

(73); BeckOK-GG/Hillgruber Art. 1 (Ed. 18) Rn. 18; Hufen NJW 2001, 849 (852); daraus ziehen Francke, S. 164 und Gstöttner, S. 111 noch – allerdings nach alter Rechtslage – den Schluss, dass zur Sicherung der vitalen Grundlage jeglicher Selbstbestimmung im Wege der praktischen Konkordanz in der Regel das Selbstbestimmungsrecht hinter den Lebensschutz zurückzutreten habe, wenn der Patient auf Grund seines Zustands nicht mehr zu selbstbestimmten Entscheidungen fähig ist; gegen einen verabsolutierten Lebensschutz auf Grund des Eingriffsvorbehalts in Art. 2 Abs. 2 GG Duttge ZfL 2004, 30 (32 f.); Höfling JuS 2000, 111 (114); Hufen NJW 2001, 849 (850); Knopp MedR 2003, 379 (383); Verrel 66. DJT, C 73. 69 Sternberg-Lieben in FS Lenckner, S. 349 (353): „Anderenfalls würde sein [. . .] Freiheitsrecht durch die staatliche Schutzpflicht nicht verstärkt, sondern freiheitsverkürzend in sein Gegenteil verkehrt“; ähnlich ders. in FS Eser, S. 1185 (1186): keine „freiheitsfeindliche [. . .] Umkehrung der dem Grundrechtsträger dienenden Funktion der Grundrechte“; allgemein zu der freiheitssichernden Funktion der Grundrechte BVerfGE 7, 198 (205); 50, 290 (337); speziell in Bezug auf die Umsetzung einer Patientenverfügung s. auch Dreier JZ 2007, 317 (325). 70 Freilich bedarf es des Weiteren der Einhaltung der sonstigen Rechtfertigungsvoraussetzungen, die der BGH gerade auch im Blick auf die betroffenen Grundrechte festlegte. 71 Hufen NJW 2001, 849 (855); vgl. auch BT-Drs. 16/11360, S. 11. 72 Hufen NJW 2001, 849 (852). 73 Wurde der Patientenwille nicht getroffen, steht eine Strafbarkeit wegen Tötung bzw. Körperverletzung außer Frage. 74 Vgl. zur Voraussetzung der irreversiblen Suizidunfähigkeit des Patienten für die Rechtfertigung des Behandlungsabbruchs oben unter B. I. 3. b) aa).

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staatliche Schutzpflicht in diesen Fällen demgemäß gar nicht durch,75 sodass auch Art. 2 Abs. 2 GG keine strafrechtliche Absicherung der §§ 1901a ff. BGB fordert. c) Menschenwürde Schließlich kann auch dem Grundrecht auf Menschenwürde keine zwingende Vorgabe für die verfahrensrechtliche Absicherung der Patientenverfügung entnommen werden76, sodass die Frage nach einer strafrechtlichen Bewehrung der §§ 1901a ff. BGB auch vor dem Hintergrund des Art. 1 Abs. 1 GG zugunsten einer freien einfachrechtlichen Ausgestaltung verfassungsrechtlich unbeantwortet bleibt. Die Menschenwürde als wichtigster Wert77 des Grundgesetzes verbietet es im Fall der medizinischen Behandlung am Lebensende, den Patienten zu einem Objekt zu degradieren78, stattdessen muss der Patient stets Subjekt der ärztlichen Behandlung bleiben.79 Demgemäß ist ein Würdeverstoß anzunehmen, wenn ein Patient gegen seinen Willen in einer Art und Weise medizinisch behandelt bzw. nicht behandelt wird, die „er selbst [als] nicht seiner Würde gemäß ansieht“ 80; stattdessen ist die von dem betroffenen Patienten eigenverantwortlich in Form einer Patientenverfügung getroffene Entscheidung über die Nicht-/Behandlung auch noch nach Verlust der Einwilligungsfähigkeit zu respektieren.81 Mithin muss sich das Verhalten der Beteiligten auch angesichts der Menschenwürde des Patienten an dessen Willen ausrichten82; insoweit stützt das Grundrecht auf Menschenwürde die aus dem Selbstbestimmungsrecht resultierenden Vorgaben, ohne

75 Das Selbstbestimmungsrecht ist als Abwehrrecht vorrangig gegenüber dem Lebensgrundrecht und dem entsprechenden Schutzauftrag, so auch Hufen NJW 2001, 849 (851, 856); Sternberg-Lieben in FS Eser, S. 1185 (1194); Taupitz 63. DJT, A 13; Verrel 66. DJT, C 71; vgl. auch Duttge ZfL 2004, 30 (31 ff.). 76 Nach Verrel 66. DJT, C 73 können dem Art. 1 Abs. 1 GG überhaupt „keine zwingenden Vorgaben für die rechtlichen Ausgestaltung der Sterbebegleitung entnommen werden“; vgl. auch Storr MedR 2002, 436 (437); Hahne DRiZ 2005, 244 (245): Menschenwürde und Lebensschutz als „zwei gleichwertige Schutzgüter“. 77 BeckOK-GG/Hillgruber Art. 1 (Ed. 18) Rn. 1. 78 Hufen NJW 2001, 849 (851): Ein Menschenwürdeverstoß ist gegeben, wenn der Patient „zum willenlosen, passiven Objekt der Intensivmedizin gemacht wird“. 79 Giesen JZ 1990, 929 (930 f.); Sternberg-Lieben in FS Lenckner, S. 349 (352). 80 Rosenau in FS Rissing-van Saan, S. 547 (554). 81 BGHZ 154, 205 (217); anders wohl noch der Bosbach-Entwurf, BT-Drs. 16/ 11360, S. 10: „Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten [. . .] kann in der Situation der Entscheidungsunfähigkeit nicht in jeder Hinsicht gleichwertig durch antizipierte Willensäußerungen ersetzt werden. Diese stehen nämlich unter Umständen in Konkurrenz mit einem geänderten aktuellen (mutmaßlichen) Willen des Patienten.“. 82 Hufen NJW 2001, 849 (851): Der gewünschte Therapieabbruch, die Verweigerung der Nahrungsaufnahme, das Verlangen nach Schmerzmitteln und ggf. nach Höherdosierung stellten sich als „Ausdruck menschenwürdiger Selbstbestimmung“ dar.

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D. Grundsätzliches Verhältnis zwischen Straf- und Zivilrecht

über sie hinauszureichen, und teilt folglich auch dessen Eigenheit, als rein flankierender Schutz die Strafbarkeit eines Verstoßes gegen die betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben nicht zwingend für das einfache Recht vorzugeben. Insgesamt enthält also die Verfassung, deren Aussagen auf Grund des Vorrangs gegenüber dem einfachen Recht im Strafrecht zwingend Berücksichtigung finden müssten, keine Vorgabe bezüglich einer strafrechtlich bewehrten verfahrensrechtlichen Absicherung einer Patientenverfügung, sodass sich die Frage nach der Akzessorietät des Strafrechts zu den betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben der §§ 1901a ff. BGB nicht aus der Normenhierarchie begründen lässt.

III. Gedanke der Akzessorietät des Strafrechts zum Zivilrecht Auch wenn Straf- und Zivilrecht nach der Normenhierarchie auf gleicher Stufe und damit ohne Kollisionsregelnebeneinander stehen, bilden sie dennoch keine voneinander völlig isolierten Rechtsgebiete; vielmehr stellen rechtsgebietsübergreifende Verweisungen und Rechtfertigungsgründe Verbindungen zwischen den beiden Rechtsgebieten her, zudem bedarf es zur Ausfüllung normativer Tatbestandsmerkmale des StGB häufig eines Rückgriffs auf zivilrechtliche Vorschriften. 1. Geschichtlicher Hintergrund: Befreiung des Strafrechts vom zivilistischen Denken Diese Abhängigkeit des Strafrechts vom Zivilrecht wurde jedoch nicht immer respektiert,83 so fordert Bruns 1938 mit seiner „bahnbrechenden“ 84 Habilitationsschrift die „Befreiung des Strafrechts vom zivilistischen Denken“ 85: Über die „Emanzipation“ 86 des Strafrechts hin zu einer „spezifisch strafrechtliche[n] Begriffsbildungs- und Auslegungsmethodik“ 87 versucht er, das Strafrecht von der „Fessel“ der zivilrechtlichen Begrifflichkeiten zu erlösen.88 Bruns’ Kritik richtet

83 1908 forderte Binding Eigentumserwerb, S. 44 gar umgekehrt eine Abhängigkeit des Zivilrechts vom Strafrecht. 84 Cadus, S. 17: „[M]it dieser ,bahnbrechenden‘ Schrift aus dem Jahre 1938 markierte Bruns den eigenständigen Stellenwert des Strafrechts als einer bislang ,nur‘ akzessorischen Rechtsmaterie“. 85 Bruns Die Befreiung des Strafrechts vom zivilistischen Denken, Berlin 1938. 86 Bruns, S. 171; ähnlich zuvor schon Rühl JW 1930, 1973 f.: „Tendenz [im Strafrecht] zur fortschreitenden Loslösung vom Zivilrecht“; anders Lobe, S. 7: Strafgesetze „der Privatrechtsordnung [. . .] accessorisch [. . .]“. 87 Bruns, S. 7. 88 Bruns, S. 6; S. 12: „[D]ie teleologische Begriffsbildung und Auslegung im Strafrecht [kann] erst nach der Befreiung aus den zivilrechtlichen Fesseln den Anschluß an das gefundene Volksempfinden erreichen“.

III. Gedanke der Akzessorietät des Strafrechts zum Zivilrecht

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sich in erster Linie gegen die Tendenz zur Gleichsetzung von Einheit der Rechtsordnung und „Einheitlichkeit der Rechtsbegriffe“ 89 sowie gegen die Einordnung des Strafrechts als „bloß akzessorische[m] Schutzrecht“, dessen Schutzgüter durch andere Rechtsgebiete bestimmt und ausgeformt würden.90 Im Rahmen seiner Arbeit untersucht er die Auslegung für einzelne Tatbestandsmerkmale gesondert anhand von den in der Lehre91 und vom Reichsgericht92 vertretenen Auffassungen, wobei er im Sinne eines möglichst effektiven „Kampf[es] gegen den Verbrecher“ 93 eine zivilrechtsakzessorische Auslegung durch die Lehre einheitlich zugunsten der „gerichtliche[n] Praxis der Anwendungsoptimierung des Strafrechts“ 94 ablehnt95: Die Übertragung von zivilrechtlichen Rechtsbegriffen und Denkweisen auf das Strafrecht sei zu Gunsten einer eigenständigen strafrechtlichen Auslegung aufzugeben, wobei letztere anhand des natürlichen Sprachgebrauchs, des „gesunde[n] Volksempfinden[s]“ sowie der unterschiedlichen Strafzwecke zu erfolgen habe.96 Die Sichtweise Bruns’ wird gemeinhin mit dem Nationalsozialismus und dessen „Umgehungsinkrimination“ 97 in Verbindung gebracht98, auch wenn Bruns selbst sich in einer aktuelleren Publikation gegen diese Einordnung wehrt.99 Angesichts der Orientierung am „gesunde[n] Volksempfinden“ 100 zur Ausweitung der Strafbarkeit, dem Erscheinen im Jahr 1938 sowie der (mittels eines Vorspruchs sogar hervorgehobenen) Zitierung des NS-Juristen und mehrjährigen Präsidenten des Volksgerichtshofes Freisler101, zu dessen Auffassung im Übrigen

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Bruns, S. 51. Bruns, S. 52. 91 Dazu Bruns, S. 22 ff. 92 Dazu Bruns, S. 167 ff. 93 Bruns, S. 6. 94 So Pauli, S. 113 über die Einordnung der herangezogenen Reichsgerichtsentscheidungen. Die von Bruns für die Legitimierung dieser Entscheidungen aufgestellte Methode benennt Pauli, S. 114 als „Faktizitätstheorie“, da sie die Begriffe ins Tatsächliche ausweite (ähnlich Tiedemann Wirtschaftsrecht und Wirtschaftskriminalität, S. 176 f.: „Tatsächlichkeitstheorie“ bzw. „tatsächliche Betrachtungsweise“). Näher zu dieser Methode Cadus Die faktische Betrachtungsweise, Berlin 1984. 95 Bruns, S. 332: „verfehlte [. . .] Lehre von der akzessorischen Natur des Strafrechts“. 96 Bruns, S. 332. 97 Tiedemann Wirtschaftsrecht und Wirtschaftskriminalität, S. 177. 98 Hoyer in FS Kreutz, S. 691; Tiedemann Wirtschaftsrecht und Wirtschaftskriminalität, S. 177. 99 Bruns JR 1984, 133 (141). 100 Bruns, S. 332. 101 So zitiert Bruns, S. 2 das Dictum von Freisler DJ 1936, 1568 (1571): Das Strafrecht müsse von dem „Joche zivilistischen Denkens“ befreit werden, „wenn es wieder volkstümlich werden wollte.“ 90

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D. Grundsätzliches Verhältnis zwischen Straf- und Zivilrecht

auch inhaltliche Nähe besteht102, liegt diese Einordnung allerdings nicht ganz fern.103 2. Aktueller Diskussionsstand bezüglich des Verhältnisses zwischen Straf- und Zivilrecht a) Betonung der Autonomie des Strafrechts Dennoch wurde der Ansatz Bruns’ nach dem Ende des nationalsozialistischen Regimes als „faktische Betrachtungsweise“ auch von anderen Autoren weiterverfolgt,104 die in § 14 Abs. 3 StGB die gesetzliche Anerkennung dieser Vorgehensweise zu erkennen meinen,105 sodass die „strafrechtliche Eigenbegriffsbildung“ teilweise gar „als gefestigtes Allgemeingut“ eingeordnet wird.106 Für die konkrete Frage nach der Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB bringt der Gedanke der faktischen Betrachtungsweise allerdings keinen Gewinn, bezieht sich die Argumentation doch nur auf den unterschiedlichen Gehalt von gleichen Begrifflichkeiten in den verschiedenen Rechtsgebieten und damit nur auf einen Teilbereich der Korrespondenz zwischen Straf- und Zivilrecht – so ist nach der faktischen Betrachtungsweise beispielsweise für die Subsumtion unter den Begriff eines Pfandleihers im Sinne von § 290 StGB nicht erforderlich, dass der Betroffene eine Konzession besitzt, er muss das Gewerbe nur faktisch ausüben107; des Weiteren ergibt sich eine Garantenstellung aus Vertrag bereits auf Grund der Übernahme einer faktischen Pflichtenstellung, ohne dass es auf die zivilrechtliche Wirksamkeit des zu Grunde liegenden Vertrags ankäme.108 Zu dem Verhalten entsprechend einer Patientenverfügung gibt es jedoch keine strafrechtlichen Regelungen, sodass sich auch nicht die Frage nach deren Auslegung – zivilrechtsakzessorisch oder faktisch – stellt; eine direkte Anwendung der faktischen Betrachtungsweise, die sich auf die Auslegung derselben Begrifflichkeiten in Zivil- und Strafrecht bezieht, ist damit nicht möglich. Einzig denkbar wäre es,

102 Auch Freisler DJ 1936, 1568 (1574) strebte bereits eine „Befreiung aus den Ketten der überkommenen zivilistisch ausgerichteten Denkweise“ an, zu diesem Hintergrund Hoyer in FS Kreutz, S. 691. 103 Pauli, S. 113 ordnet die politische Zielrichtung des 1938 erschienenen Werkes als „national-konservativ“ ein; ähnlich auch Tiedemann Wirtschaftsrecht und Wirtschaftskriminalität, S. 177. 104 LK-StGB10 /Roxin § 14 Rn. 2, 4, 6; Cadus Die faktische Betrachtungsweise, Berlin 1984; Dreher GA 1969, 56 (57 ff.); Schünemann Unternehmenskriminalität, S. 129 f. 105 Bruns GA 1982, 1 (12 f.); Tiedemann Wirtschaftsrecht und Wirtschaftskriminalität, S. 177. 106 Cadus, S. 19 mit Verweis auf Dreher GA 1969, 56 ff.; Schünemann Unternehmenskriminalität, S. 129. 107 RGSt 8, 269 ff.; Cadus, S. 21. 108 Cadus, S. 22 f.

III. Gedanke der Akzessorietät des Strafrechts zum Zivilrecht

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auf das gesetzlich nicht geregelte Institut der Einwilligung abzustellen und damit eine Inkorporation der §§ 1901a ff. BGB in die Einwilligungsdogmatik vorzunehmen: Zivilrechtlich müssen bei der Umsetzung einer Patientenverfügung die betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben eingehalten werden, strafrechtlich könnte die Patientenverfügung als Form der Einwilligung hingegen bereits bei Übereinstimmung mit dem in der Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachten Patientenwillen Wirksamkeit entfalten, ohne Rücksicht darauf, ob das zivilrechtliche Verfahren eingehalten wurde. Damit legte man zwar in gewisser Weise109 einen faktischen Maßstab an, doch enthält diese Einordnung keine weitergehende Aussage als die, dass an die eine Einwilligung enthaltende Patientenverfügung für die strafrechtliche Rechtfertigung geringere Anforderungen gestellt werden könnten als an die zivilrechtliche Beurteilung der Umsetzung einer Patientenverfügung110; eine Begründung für diese Betrachtungsweise indes liefert alleine die Betitelung als faktische Betrachtungsweise nicht. Vielmehr fehlen der Idee einer faktischen Betrachtungsweise konkrete Vorgaben zur inhaltlichen Ausfüllung111 und vor allem eine Begründung, was abstrakt gegen eine zivilrechtsakzessorische Auslegung spricht – auch wenn sich im Einzelfall Begründungen gegen eine zivilrechtsakzessorische Ausgestaltung des Strafrechts finden lassen mögen, wie etwa die unterschiedlichen Zwecke der Rechtsgebiete112, gelten sie nicht absolut. Die faktische Betrachtungsweise enthält damit keinen allgemeinen Grundsatz zur strafrechtsautonomen Auslegung, sondern kann richtigerweise nur zur Systematisierung der strafrechtsautonomen Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale

109 Ob diese Weise der faktischen Betrachtungsweise entspricht, bleibt unklar, denn „[b]ereits der Begriff ,faktische Betrachtungsweise‘ ist viel zu weit und unscharf, als daß er inhaltliche Kriterien angeben könnte, mit denen ein abstraktes Tatbestandsmerkmal bzw. eine Norm konkretisiert werden kann“, so Cadus, S. 99. 110 Dabei ist zu betonen, dass es nicht um eine Übertragung der zivilrechtlichen Rechtfertigung auf das Strafrecht gehen kann, da sonst wohl zwingend eine zivilrechtliche Auslegung erforderlich wäre, vgl. §§ 228, 904 BGB; stattdessen ließe sich der Gedanke der faktischen Betrachtungsweise nur so umsetzen, dass der Anknüpfungspunkt für die strafrechtliche (und damit autonome) rechtfertigende Einwilligung, nämlich die Patientenverfügung, den Schnittpunkt für die Diskussion um Zivilrechtsakzessorietät vs. Autonomie des Strafrechts darstellt. 111 Cadus, S. 57 f.: „Der völlig abstrakte und in seiner Bedeutung weite (möglicherweise gar nichtssagende) Begriffsinhalt der faktischen Betrachtungsweise läßt es nicht zu, Angaben darüber zu machen, welche Aspekte beachtet werden müssen oder dürfen und in welcher Richtung bzw. auf welches Ziel hin der Auslegungsvorgang vonstatten geht“; S. 99: „Es ist jedoch weder der Rechtsprechung noch den Protagonisten der faktischen Betrachtungsweise in der Literatur gelungen, im Rahmen einer methodischen bzw. dogmatischen Ableitung den Nachweis darüber zu führen, welche bestimmten Tatbestandsmerkmale es sind, die abweichend vom Zivilrecht mittels der faktischen Betrachtungsweise ausgelegt werden müssen.“ 112 Die ultima ratio-Funktion, die in engem Zusammenhang zu dem Zweck des Strafrechts steht, griffe bspw. bei den zur faktischen Betrachtungsweise genannten Beispielen gar nicht durch.

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D. Grundsätzliches Verhältnis zwischen Straf- und Zivilrecht

dienen113; damit entbehrt sie eines Erkenntnisgewinns für die Frage nach der Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB. Neben der faktischen Betrachtungsweise finden sich in der aktuellen Diskussion teilweise auch weitere Tendenzen zur Betonung der Autonomie des Strafrechts gerade auch in Bezug auf das Verhalten im Zusammenhang mit einer Patientenverfügung. So formuliert der BGH in der sog. Fuldaer Entscheidung: Ob der Behandlungsabbruch durch eine Einwilligung gedeckt ist, sei „eine strafrechtsspezifische Frage, über die [. . .] im Grundsatz autonom nach materiell strafrechtlichen Kriterien zu entscheiden sei“ 114; die Aussagekraft dieser Formulierung ist allerdings angesichts der bereits kritisierten Widersprüchlichkeit115 innerhalb des Urteils herabgesetzt. In die gleiche Richtung tendieren die Forderungen nach einer strafrechtlichen Regelung des Behandlungsabbruchs in der Diskussion vor dem 3. BtÄndG,116 schließlich wird damit der Legitimation durch ein rein zivilrechtliches Institut und damit der uneingeschränkten Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB eine Absage erteilt. Auch in anderen Bereichen, insbesondere im Wirtschaftsstrafrecht, wird die Diskussion um Autonomie versus Akzessorietät des Strafrechts geführt; Tiedemann etwa warnt davor, dass das Strafrecht „infolge seiner autonomen Begriffsbildung und eigenständigen Zwecke jedenfalls nicht schlechthin zum ,Nachläufer‘ zivil-[. . .]rechtlicher Konstruktionen werden“ dürfe.117 Dieser Appell richtet sich jedoch nicht absolut gegen die Abhängigkeit des Strafrechts vom Zivilrecht, sondern mahnt im Einzelfall eine Überprüfung anhand der unterschiedlichen Normzwecke an; eine vollständige Abkoppelung des Strafrechts vom Zivilrecht wird angesichts der als Argumentationsfigur anerkannten118 Einheitlichkeit der Rechtsordnung heute hingegen wohl nicht mehr vertreten. b) Strafrecht als „sekundäre Normenordnung“ Stattdessen herrscht nach der Abkehr vom Nationalsozialismus wohl eher eine stärkere Tendenz zur Betonung der Einheitlichkeit der Rechtsordnung vor.119 Ins-

113 Nach Cadus, S. 100 ist „[d]ie faktische Betrachtungsweise [. . .] damit nicht nur überflüssig, sondern versperrt [. . .] den Weg zu den eigentlichen materialen Lösungsgesichtspunkten des Einzelfalles“. 114 BGHSt 55, 191 (200 Rn. 25). 115 Unter B. I. 2. b). 116 Schöch/Verrel GA 2005, 533 (564): „Fragestellung des Strafrechts“, die daher auch durch eine strafrechtliche Regelung im StGB zu klären sei; Verrel 66. DJT, C 57 ff. spricht von einer „Regelungszuständigkeit des Strafrechts“, fordert aber eine mit dem Betreuungsrecht „kompatible“ strafrechtliche Regelung, die damit nicht zwingend gänzlich autonom hätte ausgestaltet werden müssen. 117 Tiedemann Wirtschaftsrecht und Wirtschaftskriminalität, S. 174. 118 Vgl. oben unter D. II. 1.

III. Gedanke der Akzessorietät des Strafrechts zum Zivilrecht

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besondere im Bereich des Wirtschafts- und Vermögensstrafrechts wird eine Koppelung des Strafrechts an das Zivilrecht befürwortet,120 wobei dem Strafrecht die Funktion einer „sekundäre[n] Normenordnung“ 121 zugesprochen wird, welche die Einhaltung der auf alle Rechtsgebiete verteilten Verhaltensnormen sichert. Dementsprechend könnte aus einer Verletzung der §§ 1901a ff. BGB – wenn diese als Verhaltensnormen aufzufassen wären – das Eingreifen der strafrechtlichen Sanktionsnormen folgen, welche wiederum für die Beurteilung strafbaren Verhaltens an die auf Verhaltensnormebene relevanten Bewertungen gebunden wären.122 Eine pauschale Anbindung des Strafrechts an jegliche zivilrechtliche Verhaltensnorm widerspräche aber der ultima ratio-Funktion des Strafrechts und seinem damit einhergehenden fragmentarischen Charakter. Zwar setzt jede Sanktionsnorm zwingend eine Verhaltensnorm voraus, damit der Täter durch verhaltensnormkonformes Verhalten einer Sanktion entgehen kann – eine Verhaltensnorm setzt aber eben keine Sanktionsnorm voraus und zieht sie ebenso wenig notwendig nach sich.123 Stattdessen ist es Aufgabe des Strafrechts zu regeln, „auf welche Verhaltensnormverstöße unter welchen weiteren Voraussetzungen strafrechtlich reagiert werden soll“ 124 – damit erscheint die Anbindung der strafrechtlichen Beurteilung an die betreuungsrechtliche Regelung bezüglich der Beachtung einer Patientenverfügung plausibel, über das Eingreifen einer Sanktion bei Verstoß gegen diese Verhaltensnormen ist gleichwohl strafrechtsautonom zu entscheiden; folglich ergibt sich allein aus der Einordnung der Strafnormen als sekundäre Sanktionsnormen kein Rückschluss auf die Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB.125

119 Hoyer in FS Kreutz, S. 691: Abkehr von nationalsozialistischer „Befreiung des Strafrechts vom zivilistischen Denken“. 120 Hoyer in FS Kreutz, S. 691 ff. 121 Freund AT2, S. 6: „sekundäre[r] oder genauer noch: [. . .] akzessorische[r] Charakter“; Höfling/Rixen JZ 2003, 884 (892); „sekundäre Sanktionsordnung“; Hoyer in FS Kreutz, S. 691 (692): „sekundäre[r] Schutzwall“; Binding Handbuch, S. 9 f.: Strafrecht als „ein grosser accessorischer Rechtsteil“ dessen Schutzgüter „auf allen Rechtsgebieten zerstreut“ lägen, mit Verweis auf Heinze 8 f.; siehe dazu vertiefend Frisch Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 112 ff.; Schünemann, Grund und Grenzen, S. 221 ff. 122 Vgl. zu dieser abstrakten Bindung ausführlich Freund AT2, S. 33 ff.; s. auch Freund/Heubel MedR 1995, 194 (197); Reus JZ 2010, 80 (83). 123 Hoyer in FS Kreutz, S. 691 (692): Der „sekundäre Schutzwall“ aus Sanktionsnormen umhege nur „die wichtigsten zivil[. . .]rechtlich vorgeformten Rechtsinstitute und -normen mit einer zusätzlichen Strafbewehrung“. 124 Freund AT2, S. 6. 125 Sternberg-Lieben in FS Roxin, S. 537 (554 f.) will das Strafrecht hingegen nur insoweit als sekundäre Normenordnung einordnen, als dass „einem außerhalb des Strafrechts strukturierten Rechtsgut Schutz gewährt werden soll“, wie dies insbesondere bei Eigentums- und Vermögensdelikten der Fall sei, aber nicht bezüglich der von einem Behandlungsabbruch betroffenen höchstpersönlichen Rechtsgüter; bezüglich der Frage nach der Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB macht diese Einordnung keinen Unterschied zu der hier gewählten.

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D. Grundsätzliches Verhältnis zwischen Straf- und Zivilrecht

c) Bereits existente Abhängigkeit des Strafrechts vom Zivilrecht Eine allgemeingültige Aussage über die Korrespondenz von Zivil- und Strafrecht lässt sich anhand einer abstrakten grundsätzlichen Betrachtung folglich nicht treffen. Stattdessen soll der Blick im Folgenden auf die Schauplätze gelenkt werden, auf denen nach aktuellem Diskussionsstand eine Akzessorietät zu anderen Normen angenommen wird; gegebenenfalls zeigen diese konkreten Beispiele allgemeingültige Muster auf, die auf das Verhalten im Zusammenhang mit einer Patientenverfügung übertragen werden können. Recht unproblematisch gestaltet sich die Abhängigkeit von einer anderen Norm bei ausdrücklichen Verweisungen, wenn also ein Gesetzestext explizit auf eine andere Norm oder Normengruppe Bezug nimmt und sich infolgedessen erst bei Hinzuziehung dieser Norm als „Vollvorschrift“ darstellt.126 Solche vor allem im Nebenstrafrecht vorzufindenden127 Verweisungen können als Binnenverweisungen (z. B. § 96 Abs. 1 Nr. 1 AMG; § 29 Abs. 1 Nr. 2, 5, 6 BtMG) innerhalb desselben Gesetzes oder als Außenverweisungen auf andere Regelungswerke (z. B. § 315a Abs. 1 Nr. 2 StGB; § 81 Abs. 1 Nr. 1, 2 GWB) und damit auch auf zivilrechtliche Normenausgestaltet sein.128 Im Kernstrafrecht weitaus häufiger vorhanden sind normative Tatbestandsmerkmale als konkludente Verweisungen, beispielsweise das Merkmal der Fremdheit in §§ 242, 246, 249 StGB.129 Deren Ausfüllung erfolgt streng akzessorisch anhand des in Bezug genommenen Rechtsgebiets,130 sodass es einer Abgrenzung zu Blankettvorschriften131 bedarf, deren Auslegung strafrechtsautonom erfolgt; auch auf die Bewertung eines Irrtums hat die Einordnung Auswirkung.132 Diese Grenzziehung ist allerdings umstritten;133 doch kommt es in diesem Zusammenhang gar nicht auf die Einzelheiten an, da sich bezüglich der Patientenverfügung ohnehin in den Strafnormen weder eine ausdrückliche noch eine konkludente Verweisung auf das Institut der Patientenverfügung oder gar auf die betreuungsrechtlichen Regeln der §§ 1901a ff. BGB finden lässt. Stattdessen legt die ExisKK-OWiG3 /Rogall Vorbemerkungen Rn. 15. KK-OWiG3 /Rogall Vorbemerkungen Rn. 15. 128 O. Hohmann ZIS 2007, 38 f. mit diesen und weiteren Beispielen. 129 Weitere normative Tatbestandsmerkmale finden sich etwa in §§ 154, 264 Abs. 1 Nr. 2, 292, 298 StGB, §§ 399 Abs. 1 Nr. 1, 2, 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG, §§ 82 Abs. 1 Nr. 1, 2, 84 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG. 130 O. Hohmann ZIS 2007, 38 (40). 131 Der Begriff eines Blanketttatbestands geht zurück auf Binding Handbuch, S. 180, 228; ders. Normen I4, S. 161. 132 Bei normativen Tatbestandsmerkmalen fehlt dem Täter der Vorsatz, wenn er keine Parallelwertung in der Laiensphäre vollzogen hat; demgegenüber betrifft ein entsprechender Irrtum bei Blankettnormen nur das Unrechtsbewusstsein, statt § 16 greift § 17 StGB ein; s. dazu O. Hohmann ZIS 2007, 38 (41). 133 Vgl. dazu ausführlich etwa O. Hohmann ZIS 2007, 38 (40 ff.). 126 127

III. Gedanke der Akzessorietät des Strafrechts zum Zivilrecht

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tenz von solchen Verweisungen in anderen Bereichen den Rückschluss nahe, dass der Gesetzgeber, indem er auf eine ausdrückliche Änderung der strafrechtlichen Regelungen durch Einfügung einer Verweisung verzichtete, die Regelungswirkung der §§ 1901a ff. BGB nicht direkt auf das Strafrecht übertragen wollte. Mehr Aussagekraft im Hinblick auf die Patientenverfügung könnte von dem teilweise angenommenen rechtsgebietsübergreifenden Charakter134 von Rechtfertigungsgründen ausgehen, der darauf zurückgeführt wird, dass Rechtswidrigkeit als Widerspruch gegen das Recht und damit gegen die Gesamtrechtsordnung zu verstehen sei.135 Selbst bei einem grundsätzlichen Anerkennen dieses Grundsatzes einer Einheit der Rechtswidrigkeit können durch den fragmentarischen Charakter des Strafrechts insoweit Abweichungen136 entstehen, dass das Strafrecht für ein beispielsweise zivilrechtlich rechtswidriges Verhalten keinen passenden Straftatbestand zur Verfügung stellt und die strafrechtliche Prüfung daher gar nicht auf der Ebene der Rechtswidrigkeit angelangt.137 Erfüllt ein zivilrechtlich138 gerechtfertigtes Verhalten hingegen einen Straftatbestand, wäre der zivilrechtliche Rechtfertigungsgrund nach diesem Grundsatz auch vor dem Hintergrund der ultima ratio-Funktion des Strafrechts auf dieses zu übertragen, so beispielsweise §§ 228; 904; 229; 859 Abs. 2 BGB. Somit wird die allgemeine Handlungsfreiheit des Täters vollumfänglich wieder hergestellt, indem durch die Rechtfertigung des straftatbestandsmäßigen Verhaltens ein Anknüpfungspunkt für eine Sanktion fehlt.139 Auch die im Zivilrecht wohl anerkannte und inzwischen gesetzlich geregelte (wenn auch kritisierte140) hypothetische Einwilligung durchbricht diesen Grundsatz der einheitlichen Rechtswidrigkeit nicht zwingend, obwohl die Rechtfertigung im Strafrecht durch eine hypothetische Einwilligung höchst umstritten ist: Für das Zivilrecht stellt die hypothetische Einwilligung nämlich keinen Rechtfertigungsgrund dar,141 wie er im Strafrecht unter dem 134 Rudolphi in GS Arm. Kaufmann, S. 371: Die Rechtfertigungsgründe entfalten „Gültigkeit für alle rechtlichen Verbote und Gebote“. 135 Heinrich AT4 Rn. 328; vgl. dazu bereits oben unter D. II. 1. 136 Zudem sind Abweichungen bezüglich des personellen Anwendungsbereichs möglich, vgl. Rudolphi in GS Arm. Kaufmann, S. 371, die an dieser Stelle aber nicht weiter relevant sind. 137 Heinrich AT4 Rn. 308, 479. 138 Die Rechtfertigungsgründe sind aus allen Rechtsgebieten auf das Strafrecht übertragbar, vgl. RGSt 59, 404 (406); 61, 242 (247); 63, 215 (218); BGHSt 11, 241 (244 f.); NK-StGB4 /Paeffgen Vorbemerkungen zu den §§ 32 ff. Rn. 56; Jescheck/Weigend AT5 § 31 III 1. 139 Rudolphi in GS Arm. Kaufmann, S. 371. 140 So kritisiert G. Merkel JZ 2013, 975 (979) die zivilrechtliche Regelung in § 630 Abs. 2 S. 2 BGB als unangemessene Beeinträchtigung der verfassungsrechtlich garantierten Patientenautonomie; ganz grundsätzliche Kritik zu der hypothetischen Einwilligung bspw. bei Jäger in FS Jung, S. 345 (353); Riedelmeier, S. 82 ff., 86; Sowada NStZ 2012, 1 (7); Sternberg-Lieben StV 2008, 190 (191). 141 Stoffers, S. 539 f.

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D. Grundsätzliches Verhältnis zwischen Straf- und Zivilrecht

Stichwort der hypothetischen Einwilligung diskutiert wird, sondern eine Beweiserleichterung für den Arzt auf Tatbestandsebene142 im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität – anstatt des Nachweises einer ordnungsgemäßen Aufklärung kann der Arzt sich durch den Nachweis, dass der Patient bei ordnungsgemäßer Aufklärung eingewilligt hätte, entlasten143; immerhin werden aber durch die Annahme einer solchen „Einwilligung“ die zivilrechtlichen Ansprüche ausgeschlossen, was in Anbetracht des ultima ratio-Grundsatzes im Strafrecht und der Ablehnung einer Rechtfertigung dort bedenklich erscheint.144 Auch wenn insofern die hypothetische Einwilligung den Grundsatz einer einheitlichen Rechtswidrigkeit nicht infrage zu stellen vermag, kann er sich aus anderen Gründen als untauglich erweisen. So weist Günther darauf hin, dass sich eine strafrechtliche Rechtfertigung bereits binnenstrafrechtlich nur auf einen Teil der verwirklichten Straftatbestände auswirken kann, sodass dies erst recht bezüglich Tatbeständen unterschiedlicher Rechtsbereiche gelten müsse.145 Daher wird von Teilen der Lehre nicht nur eine wechselseitige Rechtfertigungswirkung, sondern sogar eine einseitige Übertragung beispielsweise der zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründe auf das Strafrecht im Grundsatz abgelehnt.146 Doch schließt dies nicht automatisch die Akzessorietät des Strafrechts zu einem zivilrechtlichen Rechtfertigungsgrund aus; vielmehr bedarf die rechtsgebietsübergreifende Übertragung eines Rechtfertigungssatzes einer Begründung anhand eines Vergleichs der durch den Straftatbestand und den Erlaubnissatz geschützten Interessen im Hinblick auf deren Wertigkeit.147 Es bedürfte also einer vergleichenden Gewichtung der dem etwaigen Erlaubnissatz des § 1901a BGB zur Umsetzung 142

Böcker JZ 2005, 925 (926 f., 931). G. Merkel JZ 2013, 975. 144 Böcker JZ 2005, 925 (928 f.) versucht diesen Widerspruch aufzulösen, indem er eine „Rückwirkung auf das Zivilrecht“ in der Form annimmt, dass durch die nicht gerechtfertigte Verletzung eines Straftatbestands ein entsprechender Schadensersatzanspruch aus versuchter Verletzung eines Schutzgesetzes entsteht gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. §§ 223 Abs. 2, 22, 23 StGB, wobei als Schadensposition „Schmerzensgeld wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts“ anzusetzen sei; nach Sowada NStZ 2012, 1 (8 f.) hilft das Verbot einer Rückwirkung im Strafrecht, die mit der zivilrechtlichen hypothetischen Einwilligung einherginge, über den fehlenden Gleichlauf mit dem Zivilrecht hinweg. 145 Günther, S. 106 ff.; ders. in FS Spendel, S. 191 f.; ihm folgend SK-StGB/Hoyer Vor § 32 ff. (130 Lfg.), Rn. 7. 146 Hellmann, S. 91; ihm folgend SK-StGB/Hoyer Vor § 32 ff. (130 Lfg.), Rn. 8; a. A. SK-StGB/Günther Vor § 32 ff. (28. Lfg.), Rn. 39 ff., der angesichts der ultima ratio-Funktion des Strafrechts zwischen solchen strafrechtlichen Rechtfertigungsgründen unterscheiden will, die nur strafrechtliche Tatbestände ausschließen, und universell auf alle Rechtsgebiete anwendbaren Rechtfertigungsgründen, die jedes Unrecht ausschließen; ebenfalls für eine ausnahmslose Übertragung von zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründen auf das Strafrecht LK-StGB12 /Rönnau Vor § 32 Rn. 21; Roxin AT I4 § 14 Rn. 32 a. E. 147 Vgl. SK-StGB/Hoyer Vor § 32 ff. (130 Lfg.), Rn. 10; Hellmann, S. 104. 143

III. Gedanke der Akzessorietät des Strafrechts zum Zivilrecht

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einer Patientenverfügung zu Grunde liegenden Gesetzeszwecke mit den Schutzgütern der in Betracht kommenden Straftatbestände, namentlich bei den Tötungsdelikten dem Rechtsgut Leben und bei den Körperverletzungsdelikten der körperlichen Unversehrtheit. Diese Gewichtung fiele zugunsten der Umsetzung der Patientenverfügung aus, schließlich tritt in dem allgemein anerkannten strafrechtlichen Rechtfertigungsgrund einer Einwilligung der Vorrang des Selbstbestimmungsrechts gegenüber der körperlichen Unversehrtheit offen zu Tage und angesichts der Erweiterung der Einwilligungsmöglichkeit trotz § 216 StGB anhand der §§ 1901a ff. BGB wäre dieser Vorrang wohl auch in Bezug auf das Rechtsgut Leben begründbar. Sollten die §§ 1901a ff. BGB also eine zivilrechtliche Rechtfertigung bereit halten, käme im Sinne der Einheit der Rechtswidrigkeit bzw. auf Grund der sachlich mit der strafrechtlich anerkannten Einwilligung übereinstimmenden grundsätzlichen Wertung eine Übertragung auf das Strafrecht inklusive all ihrer Rechtfertigungsvoraussetzungen in Betracht; dies wäre insbesondere denkbar bei einer Einordnung der betreuungsrechtlichen Regelung als prozeduraler Rechtfertigung. Beschränken sich die Normen allerdings auf eine rein verfahrensrechtliche Anordnung bezüglich des Handelns gemäß einer Patientenverfügung, ist das Strafrecht auf eine autonome Form der Rechtfertigung angewiesen. Allerdings werden nicht nur Rechtfertigungsgründe aus dem Zivilrecht für die strafrechtliche Bewertung herangezogen, sondern mit § 241a BGB auch eine Vorschrift, die zivilrechtlich betrachtet einen Ausschluss von Ansprüchen regelt. Um diesen Schutzzweck nicht zu torpedieren, indem das Strafrecht einen bestimmter Umgang mit der unbestellt zugesendeten Sache vorgibt, wird teilweise § 241a BGB für die entsprechenden Straftatbestände als Rechtfertigungsgrund herangezogen.148 Wenn man diesen Gedanken auf die §§ 1901a ff. BGB übertrüge, könnten diese also, auch ohne zivilrechtlich als Rechtfertigungsgrund ausgestaltet zu sein, gegebenenfalls aus Schutzzweckerwägungen als strafrechtliche Rechtfertigung herangezogen werden. 3. Mögliche Probleme bei einer Zivilrechtsakzessorietät des Strafrechts Selbst wenn es in einigen Bereichen also eine Anbindung des Strafrechts an das Zivilrecht gibt, die hinsichtlich des rechtsgebietsübergreifenden Charakters von Rechtfertigungsgründen gegebenenfalls auch auf die §§ 1901a ff. BGB übertragbar ist, betont der BGH in der Fuldaer Entscheidung berechtigterweise die grundsätzliche Autonomie des Strafrechts149 – nicht ohne Grund ist eine ZivilNK-StGB4 /Paeffgen Vorbemerkungen zu den §§ 32 ff. Rn. 206a; Matzky NStZ 2002, 458 (460): „Tangiert ist damit das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung. Dieses geht von der Grundthese aus, dass ein zivilrechtlich erlaubtes Verhalten nicht zu strafrechtlichen Sanktionen führen kann“. 149 BGHSt 55, 191 (200 Rn. 25). 148

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rechtsakzessorietät des Strafrechts im Einzelfall zu begründen und nicht als Grundsatz vorauszusetzen: Den beiden Rechtsgebieten liegen unterschiedliche Normkonzepte zu Grunde,150 mangels einheitlicher Zwecksetzung bedarf es bei einer Anbindung des einen an das andere Rechtsgebiet also stets einer Überprüfung dahingehend, ob die in Bezug genommenen Normen (hier gegebenenfalls die §§ 1901a ff. BGB) den für das Bezug nehmende Rechtsgebiet geltenden Grundsätzen entsprechen. Während das Zivilrecht die Rechtsbeziehungen der Bürger untereinander regelt, steht im Strafrecht als Teil des Öffentlichen Rechts151 der Bürger dem Staat gegenüber, der im Interesse der staatlichen Gemeinschaft an der Sicherung ihrer Grundwerte152 und des Rechtsfriedens sozialschädliche Verhaltensweisen153 verbietet154 und so die Mindestbedingungen menschlichen Zusammenlebens sichert.155 Dementsprechend unterscheiden sich die Rechtsgebiete nicht nur im Prozess angesichts des zivilrechtlichen Verhandlungsgrundsatzes auf der einen und des im Strafrecht anwendbaren Amtsermittlungsgrundsatzes auf der anderen Seite, sondern auch im materiellen Strafrecht ergeben sich ganz andere, verfassungsrechtlich gesicherte Anforderungen an die gesetzlichen Vorschriften auf Grund des wesentlich stärkeren Grundrechtseingriffs156 durch Strafandrohung im öffentlichen Interesse an repressiver Vergeltung und präventiver Einwirkung auf den Täter und die Allgemeinheit157: Das in Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB, Art. 7 Abs. 1 EMRK geregelte Gesetzlichkeitsprinzip unterwirft strafrechtliche Normen dem Bestimmtheitsgrundsatz sowie dem Analogie- und Rückwirkungsverbot.158 150

Felix, S. 404. Wessels/Beulke/Satzger AT44 Rn. 4. 152 Darunter wird gemeinhin ein Schutz von Rechtsgütern vor Verletzungen und Gefährdungen gefasst, auch wenn der materiale Gehalt des Rechtguts unterschiedlich definiert wird, vgl. MK-StGB2 /Joecks Einleitung Rn. 34; nach Welzel, S. 4 ist der Rechtsgüterschutz hingegen nur Reflex des vordergründigen Schutzes „der elementaren sozialethischen Gesinnungs-(Handlungs-)Werte“. 153 MK-StGB2 /Joecks Einleitung Rn. 26: „Verbrechenskontrolle“. 154 Wessels/Beulke/Satzger AT44 Rn. 4. 155 Amelung, S. 1 ff., 350 ff.; dem Strafrecht kommt folglich die Funktion eines „subsidiäre[n] Rechtsgüterschutz[es]“ (Roxin AT I4 § 2 Rn. 1) zu, sodass es im Einzelfall durchaus auch nur dazu dienen kann, eine Verhaltenspflicht eines Privatrechtssubjekts gegenüber einer anderen Privatrechtsperson zu stärken, doch lässt sich auch in solchen Fällen das Strafrecht gegenüber dem Zivilrecht durch das Subordinationsverhältnis in Form einer Strafandrohung durch den Staat gegenüber einem Bürger abgrenzen. 156 MK-StGB2 /Radtke Vorbemerkung zu den §§ 38 ff. Rn. 2: Eine strafrechtliche Sanktion greift „als Mittel zur Aufgabenerfüllung regelmäßig gravierender in die Rechtsposition des unrecht handelnden Bürgers“ ein, zumal mit ihr ein „sozial-ethische[r] Tadel“ einhergeht; O. Hohmann ZIS 2007, 38 (43); zu dem die Menschenwürde des Verurteilten berührenden, in einer strafrechtlichen Verurteilung enthaltenen sozialethischen Unwerturteil BVerfGE 96, 245 (249). 157 Knauf, S. 163; Schenke, S. 11; diese Vereinigung von absoluten und relativen Strafzwecktheorien ist in § 46 StGB gesetzlich festgelegt, s. dazu bspw. Wessels/Beulke/Satzger AT44 Rn. 12. 151

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a) Bestimmtheitsgrundsatz Das Bestimmtheitsgebot159 verlangt von dem Strafgesetzgeber, die Voraussetzungen für eine Bestrafung und die Strafdrohungen so präzise wie möglich unter Beibehaltung einer gewissen Flexibilität160 im Gesetz zu benennen,161 sodass die Grenze zwischen Straffreiheit und Strafbarkeit für den Betroffenen eindeutig erkennbar wird.162 Auf diese Weise soll unter anderem ein die Gewaltenteilung durchbrechendes163 strafbegründendes oder -schärfendes Richterrecht vermieden werden,164 auch wenn der Gesetzgeber den Gerichten gewisse Beurteilungsspielräume offen lassen muss, damit diese dem Einzelfall gerecht werden können.165 Zwar findet der Bestimmtheitsgrundsatz auf Normen mit täterbegünstigender Wirkung zumindest nicht mit der gleichen Striktheit Anwendung,166 da die Einführung einer neuen Legitimationsmöglichkeit über die §§ 1901a ff. BGB bei strenger Zivilrechtsakzessorietät jedoch, wenn sie die Straflosigkeit von Umsetzungen einer Patientenverfügung abschließend regelte, unter Umständen als lex specialis die zuvor bestehenden Möglichkeiten der Legitimation ausschlösse167, ist an dieser Stelle gleichwohl die Einhaltung des Bestimmtheitsgebots zu untersuchen.

Wessels/Beulke/Satzger AT44 Rn. 44 ff. Nullum crimen sine lege certa. 160 MK-StGB2 /Schmitz § 1 Rn. 19: „Verbindung von Präzision und Flexibilität“; Rüthers/Fischer/Birk Rechtstheorie7 Rn. 185: „kalkulierte Unbestimmtheit“; vgl. auch Hassemer, S. 240. 161 NK-StGB4 /Hassemer/Kargl § 1 Rn. 14; P. A. Albrecht Kriminologie4, S. 116; Dannecker in FS Roxin, S. 285 (287). 162 Vgl. BVerfGE 25, 269 (285); 32, 346 (362). 163 BVerfGE 14, 174 (185); 105, 135 (153); BVerfG NJW 2007, 1666; BGH NStZ 2005, 105 (106); BeckOK-StGB/von Heintschel-Heinegg § 1 (Ed. 23) Rn. 9: strenger Gesetzesvorbehalt; MK-StGB2 /Schmitz § 1 Rn. 39. 164 NK-StGB4 /Hassemer/Kargl § 1 Rn. 17; Radbruch Rechtsphilosophie2 S. 84: „Für den Richter ist es Berufspflicht, den Gesetzeswillen des Gesetzes zur Geltung zu bringen“. 165 Zu dieser Arbeitsteilung zwischen Gesetzgeber und Rechtsprechung BVerfG NJW 2010, 3209 (3210 f.); Kramer Methodenlehre3 S. 40, 270; Roxin AT I4 § 5 Rn. 28, 31; Voßkuhle AöR 105 (2000), 177 (194). 166 NK-StGB4 /Radtke Vorbemerkungen zu den §§ 32 ff. Rn. 58 ff., 68; gegen die Anwendbarkeit von Art. 103 Abs. 2 GG auf Rechtfertigungsgründe Roxin AT I4 § 5 Rn. 42; ausdrücklich dagegen MK-StGB2 /Schmitz § 1 Rn. 13, 64; Erb ZStW 108 (1996), 266 (296 f.); Ransiek S. 100 ff., 112 f.; Sch/Sch29 /Lenckner/Eser/Stree/Eisele/ Heine/Perron/Sternberg-Lieben § 1 Rn. 14; Welzel, S. 21. 167 Die Verdrängung allgemeiner durch spezielle Rechtfertigungsgründe als anerkannte Ausnahme vom Grundsatz der freien Konkurrenz nimmt diesem Grundsatz seine Aussagekraft im Hinblick auf die Frage, ob bei einer speziellen Rechtfertigung anhand der §§ 1901a ff. BGB der Rückgriff auf die mutmaßliche Einwilligung möglich erscheint; allgemein gegen die Aussagekraft dieses Grundsatzes Sch/Sch29 /Perron § 34 Rn. 6. 158 159

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Nimmt das Strafrecht nun bezüglich der Strafbarkeitsvoraussetzungen oder der Strafdrohung Bezug auf Normen anderer Rechtsgebiete, müssen auch diese dem Gebot genügen,168 obwohl die Beachtung des Bestimmtheitsgrundsatzes unter Umständen bei Erlass des strafrechtsexternen Gesetzes gar nicht bewusst berücksichtigt wurde169 – eine Verletzung ist etwa bei Blankettstrafgesetzen ohne diese ausfüllenden Normen anzunehmen.170 Gleichwohl ist das Bestimmtheitsgebot auch bei Einbeziehung von Vorschriften anderer Rechtsgebiete nicht verletzt, wenn diese Normen zu einer genauen Regelung von Strafbarkeitsvoraussetzungen und Strafdrohung beitragen. Während sich die Rechtsprechung zur Bewertung eines Handelns gemäß einer Patientenverfügung vor Erlass der §§ 1901a ff. BGB mit der Schwerpunktformel behelfen musste, die in der Literatur als nicht überprüfbar kritisiert wurde,171 stellen die zivilrechtlichen Vorgaben nun konkretere Vorgaben zur Verfügung, die einer richterlichen Berücksichtigung des Einzelfalls noch nicht entgegenstehen. Folglich wäre das Bestimmtheitsgebot bei Annahme einer Akzessorietät des Strafrechts zu den betreuungsrechtlichen Vorgaben gewahrt. b) Analogieverbot Das Analogieverbot172 schließt eine Anwendung des Strafrechts aus, die über dessen Inhalt hinausgeht173 – dabei bildet der Wortlaut einer Strafnorm die Grenze zwischen einer zulässigen Auslegung und einer verbotenen Analogie.174 Insofern stellt das sich an den Richter als Anwender eines Gesetzes wendende175 So in Bezug auf Blankettnormen MK-StGB2 /Schmitz § 1 Rn. 53. O. Hohmann ZIS 2007, 38 (43): „. . . bei Straftatbeständen ist [der Grad rechtsstaatlich gebotener Bestimmtheit], schon im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG, höher als in Bereichen, die die Grundrechtsausübung weniger tangieren“; vgl. auch BVerfG NJW 1998, 669 (670). 170 BVerfG NJW 2006, 2684; BGHSt 41, 127; Fischer62 § 1 Rn. 13; NK-StGB4 /Hassemer/Kargl § 1 Rn. 22; Jescheck/Weigend AT5 § 12 III 2; zu den sich durch das Bestimmtheitsgebot ergebenden Anforderungen an normative Tatbestandsmerkmale MKStGB2 /Schmitz § 1 Rn. 43. 171 MK-StGB2 /Freund § 13 Rn. 5; NK-StGB4 /Wohlers/Gaede § 13 Rn. 7; Brammsen GA 2002, 193 (198 f.); Freund/Timm HRRS 2012, 223 (226 f.); Kühl AT7 § 18 Rn. 14; Nepomuck StraFo 2004, 9 (10 f.); Otto Jura 2000, 549 f.; Otto/Brammsen Jura 1985, 530 (531); Roxin AT II § 31 Rn. 79 ff.; Stoffers JuS 1993, 23, 27 ff.; Struensee in FS Stree/Wessels, S. 133 (137 ff.); Welp, S. 106. 172 Nullum crimen sine lege stricta. 173 BVerfG NJW 1995, 3050 (3051); BeckOK-GG/Radtke/Hagemeier Art. 103 (Ed. 18) Rn. 38. 174 BVerfGE 71, 108 (115); 73, 206 (235); 92, 1 (12); BVerfG JR 2009, 206 (208); BGHSt 26, 95 (96); 28, 224 (230); 29, 129 (133); 35, 390 (395); NK-StGB4 /Hassemer/ Kargl § 1 Rn. 78 ff.; BeckOK-GG/Radtke/Hagemeier Art. 103 (Ed. 18) Rn. 38; Weber in Baumann/Weber/Mitsch AT11 § 9 Rn. 84; Schmitt in FS Jescheck, S. 223 (233); vgl. zur Präzisierung der Wortlautgrenze Depenheuer Der Wortlaut als Grenze, Heidelberg 1988. 168 169

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Analogieverbot die „Verlängerung“ 176 des sich an den Gesetzgeber wendenden Bestimmtheitsgrundsatzes dar. Allerdings greift das Verbot nur bei Übertragungen zu Ungunsten des Täters, sodass eine Analogie bezüglich Rechtfertigungsgründen – wie es bei einer Heranziehung der §§ 1901a ff. BGB auf Rechtfertigungsebene in Rede stünde – zulässig wäre.177 Hingegen muss das Analogieverbot einer Übertragung der zivilrechtlichen Wertungen auf das Strafrecht im Rahmen eines Rechtfertigungsgrunds dann entgegenstehen, wenn die so gebildete Rechtfertigung als speziellere Regelung eine strafrechtsautonome Rechtfertigung sperrt, die sonst eingegriffen hätte, die zivilrechtlich gebildete Rechtfertigung im Einzelfall aber gar nicht durchgreift – die Analogie wirkte dann, anders als es grundsätzlich bei der Übertragung von Rechtfertigungsgründen der Fall ist, zu Lasten des Täters. Zur Abmilderung dieser sich unter Umständen ergebenden Problematik sei darauf hingewiesen, dass die Rechtsprechung teilweise trotz des Analogieverbots recht wortlautferne Auslegungen wählt178 – insbesondere als Reaktion auf einen sozialen Wandel oder die technische Fortentwicklung seit Erlass der entsprechenden Strafnorm auf dem jeweiligen Gebiet179; auch im Bereich der lebensverlängernden Behandlung haben sich die Möglichkeiten durch Fortschritte in der Intensivmedizin stark erweitert,180 seit § 216 StGB im Jahr 1975 zum letzten Mal geändert wurde. Stellt man allerdings als allgemeineren strafrechtsautonomen Rechtfertigungsgrund auf die Einwilligung ab in ihren verschiedenen Ausformungen einer tatsächlichen, mutmaßlichen oder hypothetischen Einwilligung, so erscheint die Konkretisierung der Voraussetzungen durch ein Heranziehen der §§ 1901a ff. BGB bzw. ein Verdrängen dieser allgemeineren Einwilligungsformen durch eine spezielle Einwilligung mittels einer Patientenverfügung unproblematisch: Mangels gesetzlicher Regelung dieses Rechtfertigungsgrunds181 greift der Schutz vor Abweichungen durch das Analogieverbot nicht, da Gewohnheitsrecht an sich schon auf Grund des Analogieverbots nur zu Gunsten des Täters möglich ist.182 175 BVerfGE 73, 206 (235); 92, 1 (12); BVerfG NStZ 2009, 560 (561); BVerfG NJW 2010, 3209; NK-StGB4 /Hassemer/Kargl § 1 Rn. 70; Maurach/Zipf AT 18 § 10 Rn. 22; Marinucci in FS Tiedemann, S. 189 (191). 176 NK-StGB4 /Hassemer/Kargl § 1 Rn. 70. 177 BGHSt 11, 241 (244 f.); BeckOK-GG/Radtke/Hagemeier Art. 103 (Ed. 18) Rn. 39; Maunz/Dürig/Schmidt-Aßmann Art. 103 (63. EL) Rn. 231; Dreier-GG2 /SchulzeFielitz Art. 103 II Rn. 47; Heinrich AT4 Rn. 327 f.; Roxin AT I4 § 14 Rn. 31 f.; Wessels/ Beulke/Satzger AT44 Rn. 274. 178 Zusammenstellungen bei Sch/Sch29 /Lenckner/Eser/Stree/Eisele/Heine/Perron/ Sternberg-Lieben § 1 Rn. 55; NK-StGB4 /Hassemer/Kargl § 1 Rn. 92; SK-StGB/Rudolphi/Jäger § 1 (144. Lfg.) Rn. 35a; Neumann in Neumann/Rahlf/v. Savigny (Hrsg.), Juristische Dogmatik und Wissenschaftstheorie, S. 42 ff.; Roxin AT I4 § 5 Rn. 29. 179 NK-StGB4 /Hassemer/Kargl § 1 Rn. 93; Schulz in FS Roxin, S. 305 (306). 180 Olzen/Metzmacher FPR 2010, 249. 181 Siehe dazu oben unter B. I. 3. a). 182 Maunz/Dürig/Schmidt-Aßmann Art. 103 (63. EL) Rn. 222.

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c) Rückwirkungsverbot Das Rückwirkungsverbot183 verbietet dem Gesetzgeber, die Wirkung von Gesetzen auf bereits abgeschlossene Vorgänge zu erstrecken: Die Betroffenen sollen in ihrem Vertrauen auf die Gesetzeslage und die sich daraus ergebenden Grenzen für staatliche Eingriffe geschützt werden.184 Nur wenn den Betroffenen eine solche Rechtssicherheit185 gewährt wird, kann von ihnen verlangt werden, dass sie ihr Handeln an der geltenden Rechtslage ausrichten. Eine Zivilrechtsakzessorietät des Strafrechts kann sich deshalb angesichts der im Vergleich zum Strafrecht hohen Geschwindigkeit und Flexibilität der zivilrechtlichen Gesetzgebung als problematisch herausstellen, sodass etwa dynamische Verweisungen im Strafrecht teilweise als unzulässig eingeordnet werden.186 Das verfassungsrechtlich verankerte Rückwirkungsverbot ist allerdings im Hinblick auf eine mögliche Abhängigkeit des Strafrechts von den zivilrechtlichen Regeln der Patientenverfügung unproblematisch, solange § 2 StGB beachtet wird.187 Zwar ist der Grundsatz, dass die Beurteilung der Strafbarkeit bereits im Tatzeitpunkt feststehen muss,188 von dem verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot zu unterscheiden, doch steht er immerhin in einem sachlichen Zusammenhang dazu. Nach diesem Grundsatz darf die im Zivilrecht im Rahmen von Rückwirkungsfiktionen angeordnete ex tunc-Wirkung nicht auf das Strafrecht übertragen werden. Diese Rückwirkungsfeindlichkeit des Strafrechts kommt insbesondere zum Tragen bei der Nichtberücksichtigung einer nachträglichen Genehmigung des Rechtsgutsinhabers189 (vgl. § 184 BGB) und der Beurteilung der

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Nullum crimen sine lege praevia. BVerfGE 13, 261 (271); 18, 429 (439); 25, 269 (290); 95, 96 (131); BGHSt 28, 72 (73 f.); 39, 1 (29); NK-StGB4 /Hassemer/Kargl § 1 Rn. 46; SK-StGB/Rudolphi/Jäger § 1 (144. Lfg.) Rn. 7; MK-StGB2 /Schmitz § 1 Rn. 9; Krey/Esser AT5 Rn. 52; Müller-Dietz in FS Maurach, S. 41 (45). 185 Rechtssicherheit als Ratio für das Rückwirkungsverbot, s. z. B. Sch/Sch29 /Lenckner/Eser/Stree/Eisele/Heine/Perron/Sternberg-Lieben § 2 Rn. 1; NK-StGB4 /Hassemer/ Kargl § 1 Rn. 46; Jescheck/Weigend AT5 § 15 IV 1; nach Weber in Baumann/Weber/ Mitsch AT11 § 9 Rn. 24 dient das Rückwirkungsverbot zudem der materiellen Gerechtigkeit der Einzelfallentscheidung. 186 Siehe bspw. O. Hohmann ZIS 2007, 38 (45), beachte aber auch BVerfG NJW 1993, 1909 (1910). 187 Dafür darf die zivilrechtsakzessorische Ausgestaltung der Rechtfertigung, falls sie sich für die Beteiligten als nachteilig herausstellt, nicht auf Altfälle, also auf Umsetzungen einer Patientenverfügung vor Inkrafttreten des 3. BtÄndG, erstreckt werden. 188 Eisele BT II2 Rn. 22; Mitsch, BT 2/12 § 1 Rn. 32; Rengier BT I16 § 2 Rn. 8; Wessels/Hillenkamp, BT 236 Rn. 81; Brennenstuhl, S. 6 weist zum einen darauf hin, dass – als Ausnahme von diesem Grundsatz – der Tathandlung zeitlich nachfolgende Ereignisse auf den Unwertgehalt einer Handlung zurückwirken, sofern sie kausal von dieser hervorgerufen wurden; zum anderen relativiert er auch den Grundsatz an sich, vgl. Brennenstuhl, S. 132 f.; den Grundsatz auf den objektiven Straftatbestand beschränkend Schubert, S. 50. 184

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Fremdheit einer Sache unabhängig von §§ 142; 1953 BGB, das rückwirkende Entfallen des Gewahrsams eines Bewusstlosen mit Eintritt seines Todes ist hingegen umstritten.190 Im Hinblick auf die Umsetzung einer Patientenverfügung könnte dieser Grundsatz für die Orientierung der Strafbarkeit an den §§ 1901a ff. BGB im Sinne einer prozeduralen Rechtfertigung sprechen, die den Beteiligten die bestmögliche Handlungssicherheit bietet, da nur das Einhalten bestimmter Verfahrensschritte für die Rechtfertigung entscheidend wäre. Damit stünde die Strafbarkeit der Beteiligten bereits zu dem Zeitpunkt offensichtlich fest, in dem sie die Patientenverfügung umsetzen; forderte man hingegen auch oder nur materiell die richtige Auslegung der Patientenverfügung für die Rechtfertigung, entschiede erst das Gericht im Nachhinein darüber, ob die Beteiligten die richtige Auslegung gewählt haben. Allerdings ergibt sich nicht allein aus dieser Entscheidungsbefugnis des Gerichts im Nachhinein bereits ein Verstoß gegen die Rückwirkungsfeindlichkeit des Strafrechts; stattdessen liegt es in der Natur der Sache eines Strafverfahrens, dass das Gericht die Strafbarkeit im Nachhinein feststellt – anders als bei der hypothetischen Einwilligung können sich auch in dem Gerichtsverfahren keine neuen Erkenntnisse durch Befragung des Einwilligenden ergeben191, sondern allein entscheidend bleibt die den Beteiligten zum Zeitpunkt der Umsetzung vorliegende Patientenverfügung. Folglich ist der Aspekt einer Rückwirkung in diesem Zusammenhang irrelevant. d) Strafrecht als ultima ratio Neben den durch Art. 103 Abs. 2 GG postulierten Garantiefunktionen des Strafgesetzes bedarf bezüglich der unterschiedlichen Normkonzepte der beiden Rechtsgebiete die Berücksichtigung der ultima ratio-Funktion bei einer Zivilrechtsakzessorietät des Strafrechts einer näheren Betrachtung. Wörtlich übersetzt bedeutet der ultima ratio-Grundsatz, dass der Gesetzgeber nur „im äußersten Fall das äußerste Mittel“ 192 des Strafrechts wählt, er auf Rechtsgutsverletzungen also erst ab einer gewissen Intensität mit einer strafrechtlichen Sanktion reagiert.193 Unterhalb dieser Grenze wird der Bürger auf Mittel Sowada NStZ 2012, 1 (9 Fn. 107); LK-StGB12 /Rönnau Vor § 32 Rn. 171; Sch/ Sch /Lenckner/Sternberg-Lieben Vor §§ 32 ff. Rn. 44; vgl. bspw. zu § 267 MKStGB2 /Erb § 267 Rn. 146. 190 Für einen potentiellen Gewahrsamswillen auch eines Bewusstlosen BGHSt 4, 210 (211); anders bei unmittelbarem Übergang von der Bewusstlosigkeit in den Tod BayObLG JR 1961, 188 mit krit. Anm. H. Schröder; dagegen BGH NJW 1985, 1911; vgl. zur Rückwirkungsproblematik auch Seelmann/Pfohl JuS 1987, 199 ff. 191 Schließlich ist ein Rückgriff auf die Patientenverfügung ja gerade deshalb erforderlich, weil eine Einwilligungsfähigkeit des Patienten nicht mehr gegeben ist. 192 Naucke StrafR10 § 1 Rn. 166. 193 Heinrich AT4 Rn. 11. 189 29

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D. Grundsätzliches Verhältnis zwischen Straf- und Zivilrecht

der anderen Rechtsgebiete verwiesen, die einen geringeren Eingriff in die Grundrechte des Täters194 darstellen.195 Insofern hat der Gesetzgeber vor dem grundrechtlichen Hintergrund die strafrechtliche Sanktion quantitativ auf die schwereren Delikte zu beschränken und damit nur die wichtigsten Rechtsinstitute anderer Rechtsgebiete „mit einer zusätzlichen Strafbewehrung zu umhegen“ 196, um eine angemessene Zweck-Mittel-Relation 197 zu wahren198 – und verstößt damit auch nicht gegen die Einheit der Rechtsordnung.199 Aus dem ultima ratio-Grundsatz ergibt sich der fragmentarische Charakter des Strafrechts200, der nach ursprünglicher Auffassung Bindings nur empirisch zum Ausdruck bringt, dass das StGB nicht jedes strafwürdige Verhalten erfasst, sondern die Straftatbestände auf einen Teil begrenzt;201 nach anderer Auffassung enthält der Begriff zusätzlich die dem ultima ratio-Grundsatz eigene Wertung, dass nur die besonders gefährlichen und verwerflichen Verhaltensweisen unter Strafe zu stellen sind.202 Teilweise wird synonym dazu das Strafrecht als subsi-

194 Breuer DÖV 1987, 169 (177): Strafrecht als das „schärfste Schwert der Rechtsordnung“; Felix, S. 299: „Die Bestrafung ist die stärkste Form staatlicher Verhaltensmißbilligung“; Vogler ZStW 90 (1978), 132 (141). Zwar kann eine zivilrechtliche Sanktion im Einzelfall einen höheren Schweregrad aufweisen, doch hat die strafrechtliche Sanktion auch dann erhöhtes Gewicht, weil sie zu den Sanktionen aus den sonstigen Rechtsgebieten hinzutritt und mit einer gewissen Verrufswirkung (BGHSt 11, 263 (264 f.); Günther JuS 1978, 8 (13); auf die damit einhergehende Stigmatisierung des Täters hinweisend ders., S. 161 f.) einhergeht (Felix, S. 299). 195 Wessels/Beulke/Satzger AT44 Rn. 9; als „Ergänzung der Rechtsordnung“ nur einzusetzen, „wenn andere Mittel der Lösung sozialer Probleme versagen“, so Felix, S. 299. 196 Hoyer in FS Kreutz, S. 691 (692). 197 Der staatliche Eingriff durch die strafrechtliche Sanktion muss den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahren und ist daher, so BVerfGE 39, 1 (47), nur „zurückhaltend“ einzusetzen; vgl. auch Felix, S. 299. 198 Nach Prittwitz in Institut für Kriminalwissenschaften Frankfurt a. M. (Hrsg.), Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387 (398) kann dies nur notwendige, nicht aber hinreichende Begründung für eine Strafrechtsbegrenzung darstellen; weitere Gründe könnten sein, dass das „scharfe Schwert der Strafe“ nicht abgenützt werden dürfe durch die Sanktionierung von vergleichsweise harmlosen Straftaten (S. 402 f.) und dem Staat nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung stehen (S. 401 f.). 199 Dazu bereits oben unter D. II. 1. 200 So zuerst Binding BT 12, S. 20, allerdings noch mit einem etwas anderen Verständnis, vgl. dazu Felix, S. 297; Hirsch in FS Tröndle, S. 19 (38); Maiwald in FS Maurach, S. 9 ff.; Prittwitz in Institut für Kriminalwissenschaften Frankfurt a. M. (Hrsg.), Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387 (388 f.). 201 Binding BT 12, S. 20; in diese Richtung auch Prittwitz in Institut für Kriminalwissenschaften Frankfurt a. M. (Hrsg.), Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387 (389). 202 So Jescheck/Weigend AT5 § 7 II 1; ähnlich Naucke StrafR10 § 2 Rn. 13, der aus dem Begriff die Schlussfolgerung zieht, dass der Gesetzgeber „möglichst wenige“ Strafgesetze zu schaffen habe.

III. Gedanke der Akzessorietät des Strafrechts zum Zivilrecht

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diär bezeichnet203, andere ergänzen den Gehalt der Subsidiarität um eine positive Komponente im Sinne einer Schutzpflicht des Staates gegenüber dem Bürger.204 Angewendet auf die Frage nach einer Akzessorietät des Strafrechts zu den betreuungsrechtlichen Verfahrensregelungen der §§ 1901a ff. BGB bedeutet diese grundsätzliche Zurückhaltung einer strafrechtlichen Sanktionierung, dass das Bedürfnis nach einem strafrechtlichen Schutz der zivilrechtlichen Regelung positiv nachgewiesen werden muss, da ein Verzicht auf die strafrechtliche Absicherung im Einklang mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts steht. Für einen solchen Nachweis wäre es erforderlich, dass das Mittel der strafrechtlichen Sanktionierung in einem angemessenen Verhältnis zu dem Zweck, die der betreuungsrechtlichen Regelung zu Grunde liegende Ratio abzusichern, steht und der rein zivilrechtliche Schutz dieser Ratio durch die §§ 1901a ff. BGB nicht ausreichend ist. Die Existenz des § 216 StGB zeigt auf, dass die Disposition des Rechtsgutsträgers über sein Leben grundsätzlich als ein derart diffiziler Bereich aufgefasst wird, dass er angesichts seiner weitreichenden, irreversiblen Folgen nicht allein durch das Zivilrecht geregelt werden kann, schließlich sind manche Tötungskonstellationen gar nur deshalb zivilrechtswidrig, weil die Tötung gegen § 216 StGB verstößt. Insofern ist an dieser Stelle nicht die Straflosigkeit des Behandlungsabbruchs an sich in den Fokus zu rücken, sondern die Frage, inwiefern die Verwirklichung reinen zivilrechtlichen Unrechts einer Strafbarkeit bedarf. Wie die Betrachtung der einzelnen denkbaren Fallkonstellationen gezeigt hat,205 ist die Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB nämlich nur insoweit relevant, als die Beteiligten letztlich im Sinne des Patienten gehandelt, jedoch das durch das Betreuungsrecht zum Schutz der ordnungsgemäßen Ermittlung des Patientenwillens vorgegebene Verfahren nicht eingehalten haben. Dieses rein prozedurale Unrecht wiegt prinzipiell leichter als materielles Unrecht,206 wie es im Übrigen auch in allen sonstigen, dem § 216 StGB unterfallenden Konstellationen verwirklicht wird207, sodass die für eine strafrechtliche Reaktion erforderliche Mindestintensität des verwirklichten Unrechts eventuell gar nicht gegeben ist. Auch wenn das ultima ratio-Prinzip dem Gesetzgeber die Grundlinie einer 203 MK-StGB2 /Radtke Vorbemerkung zu den §§ 32 ff. Rn. 3: „subsidiäre[r] Rechtsgüterschutz“; Hoyer in FS Kreutz, S. 691 (692): „bloß sekundäre[r] Schutzwall“. 204 Arth. Kaufmann in FS Henkel, S. 89 (90): Für den Einzelnen „soviel Freiheit wie möglich und soviel Staat wie nötig“; näher zu dem unterschiedlichen Verständnis der Subsidiarität des Strafrechts vgl. Prittwitz in Institut für Kriminalwissenschaften Frankfurt a. M. (Hrsg.), Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387 (390 f.). 205 Siehe dazu unter C. II. 206 Saliger in FS Hassemer, S. 599 (614). 207 Abseits vom Behandlungsabbruch greift die Einschränkung der Einwilligungssperre nicht, sodass jede sonstige Tötung auf Verlangen materielles Tötungsunrecht darstellt, bezüglich dessen eine Legitimation durch den Willen des Suizidenten nicht möglich ist.

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D. Grundsätzliches Verhältnis zwischen Straf- und Zivilrecht

zurückhaltenden Strafgesetzgebung vorgibt,208 verbleibt ihm indes noch ein gewisser Einschätzungsspielraum. Angesichts der mit einer Verurteilung einhergehenden Verrufswirkung,209 die bei einem Zusammenhang zwischen Straftat und Beruf mit besonders verheerenden Folgen verbunden sein kann, ist der Gesetzgeber gleichwohl im unteren Bereich der Unrechtsintensität gehalten, nur dort zivilrechtlichen Normen durch strafrechtliche Sanktion zu Wirksamkeit zu verhelfen, wo der zivilrechtliche Rechtsgüterschutz (noch) nicht effektiv gelingt. Bei einem Handeln im Zusammenhang mit einer Patientenverfügung ist aber wohl davon auszugehen, dass die Beteiligten, allein um bei Fehlinterpretation der Patientenverfügung einem Fahrlässigkeitsvorwurf und den damit drohenden haftungsrechtlichen und strafrechtlichen Folgen zu entgehen,210 die (sich mithin als effektiv erweisenden) Verfahrensvorgaben der §§ 1901a ff. BGB berücksichtigen, um Handlungssicherheit zu erhalten und damit die sorgfältige Ermittlung des Patientenwillens bereits durch die zivilrechtliche Regelung sichergestellt wird – gleichwohl wäre ein empirischer Beleg in diese Richtung wünschenswert. Folglich spricht der ultima ratio-Grundsatz nicht nur gegen eine pauschale Übertragung der zivilrechtlichen Bewertung auf das Strafrecht, sondern auch im Speziellen gegen eine Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB. Freilich wäre eine genauere Auseinandersetzung mit der Angemessenheit der gegebenenfalls unter Annahme einer Akzessorietät drohenden Strafandrohung erforderlich – schließlich bildet die Wahrung einer angemessenen Zweck-MittelRelation den Ausgangspunkt für die Subsidiarität des Strafrechts – doch soll diese erst im Rahmen einer Betrachtung der möglichen Ausgestaltung einer Akzessorietät erfolgen.211

IV. Zwischenergebnis Insgesamt hat die Betrachtung des Verhältnisses zwischen Straf- und Zivilrecht ergeben, dass aus der Normenhierarchie kein Gleichlauf von Straf- und Zivilrecht begründet werden kann, stattdessen sind nur im Sinne einer Einheit der Rechtsordnung und der einheitlichen Bindung an das Verfassungsrecht Widersprüche zu vermeiden. 208 Prittwitz in Institut für Kriminalwissenschaften Frankfurt a. M. (Hrsg.), Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 387 (393). 209 BGHSt 11, 263 (264 f.); Günther JuS 1978, 8 (13); auf die damit einhergehende Stigmatisierung des Täters hinweisend Günther, S. 161 f. 210 Ausreichend faktischer Druck zur Befolgung des § 1904 BGB auch ohne strafrechtliche Bewehrung eines Verfahrensverstoßes nach Choi, S. 266 f.; Saliger KritV 1998, 118 (143); ders. in FS Hassemer, S. 599 (612 f.); Schork, S. 204; a. A. MKStGB/Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 129 (Fn. 460); Kuhlmann, S. 193: § 1904 BGB ohne strafrechtliche Bewehrung nur „rechtlich wie generalpräventiv [. . .] stumpfes Schwert“. 211 Siehe dazu und zu dem Grad des bei reinem Verfahrensverstoß verwirklichten Unrechts unter E. III. 3. b) ee).

IV. Zwischenergebnis

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Die Entscheidung für oder gegen die strafrechtliche Sanktionierung eines betreuungsrechtlichen Verfahrensverstoßes wird dadurch nicht berührt.212 Gleichwohl sind im Strafrecht bereits Abhängigkeiten vom Zivilrecht vorhanden, und insbesondere die einheitliche Bewertung der Rechtswidrigkeit würde einerseits für das Versagen einer Rechtfertigung auch bei einem rein verfahrensrechtlichen Verstoß gegen die §§ 1901a ff. BGB sprechen. Andererseits sind die Unterschiede zwischen dem straf- und dem zivilrechtlichen Normkonzept und dabei vor allem der für das Strafrecht geltende ultima ratio-Grundsatz zu beachten, mit dem eine Strafbewehrung des in Rede stehenden reinen Verfahrensverstoßes wohl nur schwer in Einklang zu bringen wäre. Summa summarum war der vorstehenden abstrakten Betrachtung keine eindeutige Antwort auf die Frage nach dem „ob“ einer Akzessorietät des Strafrechts zu entnehmen, sodass im Folgenden die mögliche Konstruktion einer solchen Akzessorietät („wie“) in den Blick zu nehmen und in diesem Rahmen im Detail die Einhaltung der in diesem Abschnitt genannten, bei einer Akzessorietät zu berücksichtigenden Aspekte zu überprüfen ist. Zwar ist die Bejahung der Frage nach dem „ob“ eigentlich Grundbedingung für das „wie“ der Zivilrechtsakzessorietät, doch ließe sich bei Ablehnung aller möglichen Ausgestaltungen einer solchen Akzessorietät auch umgekehrt ein Rückschluss auf die generelle Ablehnung der Akzessorietät ziehen. Anders herum ist aber angesichts der Einheit der Rechtsordnung in Zusammenschau mit dem ultima ratio-Grundsatz des Strafrechts eine strafrechtliche Sanktion bei einer zivilgesetzlich erlaubten Verhaltensweise ausgeschlossen, sodass beispielsweise bei der vorübergehenden Weiterbehandlung zwecks sorgfältiger Feststellung des Patientenwillens gemäß den §§ 1901a ff. BGB eine Rechtfertigung anzunehmen ist.213

212 Sternberg-Lieben in FS Roxin, S. 537 (553): keine Lösung über die Einheit der Rechtsordnung. 213 Sternberg-Lieben in FS Roxin, S. 537 (556 Fn. 103).

E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB I. Auswertung aktueller Entscheidungen des BGH Der BGH hat in seinen aktuellen Entscheidungen – also seit er den Behandlungsabbruch auf der Rechtfertigungs- anstatt auf der Tatbestandsebene straflos stellt – zur Relevanz der Verfahrensvorgaben des Betreuungsrechts bezüglich der Umsetzung einer Patientenverfügung keine klare Stellung bezogen. Dies mag daran liegen, dass die den Urteilen zu Grunde liegenden Sachverhalte keinen Anlass dazu boten,1 da die Verfahrensvorgaben entweder berücksichtigt wurden2 oder der Behandlungsabbruch ohnehin nicht von der Patientenverfügung gedeckt war3 und darüber hinaus das 3. BtÄndG zu dem der ersten Entscheidung zu Grunde liegenden Tatzeitpunkt noch gar nicht in Kraft getreten war4 – auch wenn der BGH die Verfahrensvorgaben trotzdem in Bezug nahm und dadurch für Verwirrung bezüglich seiner Auffassung zur Akzessorietätsproblematik sorgte5. Darüber hinaus unterließ es der BGH aber auch, die Einwilligung mittels Patientenverfügung in dem System der bisher anerkannten Einwilligungsformen zu verorten6. 1. BGH v. 25.6.2010 (BGHSt 55, 191 ff.) Die sog. Fuldaer Entscheidung führte im Hinblick auf die Beachtlichkeit der §§ 1901a ff. BGB für die strafrechtliche Bewertung in der Literatur zu Verwir1 Rosenau in FS Rissing-van Saan, S. 547 (562 f.); trotzdem insoweit krit. Verrel NStZ 2010, 671 (674). 2 BGH v. 25.6.2010: Einvernehmen zwischen den Betreuern und dem Hausarzt. 3 BGH v. 10.11.2010: Der Angeklagte handelte zwar in Kenntnis einer Patientenverfügung, aber ohne sich mit dessen Inhalt – der im konkreten Fall entgegen dem Handeln des Angeklagten einen Behandlungsabbruch abgelehnt hätte – auseinander zu setzen; dementsprechend berief er sich im Verfahren auch gar nicht darauf, dass er den Patientenwillen umgesetzt habe. 4 Dies hervorhebend auch Hirsch JR 2011, 37 (39). 5 So gingen die Einschätzungen in der Literatur, wie sich der BGH zu den Auswirkungen der betreuungsrechtlichen Vorgaben auf die strafrechtliche Bewertung verhalten habe, auseinander, vgl. für die Einhaltung der Verfahrensvorschriften als notwendige Voraussetzung einer Rechtfertigung Verrel NStZ 2011, 274 (277); ähnlich Dölling ZIS 2011, 345 (348); Walter ZIS 2011, 76 (79 f.); ausdrücklich dagegen Rissing-van Saan ZIS 2011, 544 (548). 6 BGHSt 55, 191 (204 Rn. 34): „Einwilligung“ ohne nähere Konkretisierung.

I. Auswertung aktueller Entscheidungen des BGH

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rung und Kritik: Die wohl überwiegenden Stimmen7 werten die Aussagen des BGH übereinstimmend dahingehend, dass die Beachtung der Verfahrensvorschriften der §§ 1901a, b BGB als zwingende Voraussetzung für eine Rechtfertigung eingeordnet wurde, wobei Walter zwar auf die zurückhaltende Formulierung des BGH verweist, die aber „höchstwahrscheinlich“ in dem dargestellten Sinn gemeint sei.8 Eine mögliche Ursache dafür, dass der BGH die Akzessorietät zu den betreuungsrechtlichen Regelungen nicht ausdrücklich herausstellt, sieht er in der „Abneigung“ des erkennenden Strafsenats gegen ein Anrufen der Vereinigten Großen Senate.9 Andere Stimmen kritisieren die Ausführungen des BGH bezüglich des Verhältnisses von Strafrecht und Betreuungsrecht noch deutlicher: Nach Verrel könne man sich auf das „Hin und Her“ der diesbezüglichen Ausführungen „nur schwer einen Reim machen“ 10 und Rosenau wirft dem Strafsenat vor, dass er bei der Inbezugnahme des PatVG „selbst in Konflikt [gerät]“ 11 und seine Ausführungen einen Rückschritt in alte Zeiten des Streits zwischen Zivilund Strafrechtlern um die „Vorherrschaft bei der Sterbehilfe“ darstellten.12 Die gesamte sog. Fuldaer Entscheidung ist dadurch geprägt, dass der BGH einen Ausgleich zwischen der Einheit der Rechtsordnung und der Autonomie des Strafrechts zu finden sucht. Während er also einerseits hervorhebt, dass die gesetzliche Neuregelung durch das 3. BtÄndG inklusive der darin enthaltenen „Verfahrensregeln zur Ermittlung des wirklichen oder mutmaßlichen Willens des Betreuten“ auch für das Strafrecht Wirkung entfalte13, stellt er andererseits im direkt folgenden Satz der Urteilsbegründung heraus, dass „die Regelungen der §§ 212, 216 StGB von den Vorschriften des Betreuungsrechts unberührt [bleiben]“ 14. Dieser Vorgabe wird die vom BGH letztlich verfolgte Rechtfertigungslösung aber bei einer wortlautnahen Auslegung nur zum Teil gerecht: Zwar bleiben die §§ 212, 216 StGB als Straftatbestände in der Tat unberührt, da sich die Vorschriften des Betreuungsrechts erst auf der Rechtfertigungsebene auswirken. Indes muss die bezüglich § 216 StGB anscheinend getroffene, zu dem Urteil im Übrigen in Widerspruch stehende Aussage insoweit eingeschränkt werden, als dass die darin enthaltene Einwilligungssperre durch einen gerechtfertigten Be-

7 So etwa Sch/Sch29 /Eser/Sternberg-Lieben Vor §§ 211 ff. Rn. 28g; Dölling ZIS 2011, 345 (348); Frister/Lindemann/Peters, S. 106; Leonhard RdLH 2011, 95; Walter ZIS 2011, 76 (79 f.); ebenfalls Jäger JA 2011, 309 (310 f.), allerdings mit Hinweis auf die „nicht hinreichend[e] [D]eutlich[keit]“. 8 Walter ZIS 2011, 76 (79 f. Fn. 29), gleichzeitig beschreibt er im Widerspruch dazu die Stellungnahme des BGH aber als „dankenswert deutlich“. 9 Walter ZIS 2011, 76 (80). 10 Verrel NStZ 201 (674). 11 Rosenau in FS Rissing-van Saan, S. 547 (558). 12 Rosenau in FS Rissing-van Saan, S. 547 (559). 13 BGHSt 55, 191 (199 Rn. 24 f.). 14 BGHSt 55, 191 (199 Rn. 25).

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

handlungsabbruch auf der Grundlage einer Patientenverfügung eingeschränkt wird15 – und dies gerade anhand der §§ 1901a ff. BGB. Diese einschränkende Auslegung der Aussage des BGH, welche die völlige Unabhängigkeit des Strafrechts von den betreuungsrechtlichen Regelungen auf die tatbestandliche Reichweite der §§ 212, 216 StGB beschränkt, stellt den Einklang zu der vorgenannten Passage her. Ein noch direkterer Bezug zu dem hier behandelten Problem der Abhängigkeit des Strafrechts von den betreuungsrechtlichen Vorgaben zur Umsetzung einer Patientenverfügung findet sich kurz darauf in der Urteilsbegründung: Die Rechtfertigung eines zur Tötung des Patienten führenden Verhaltens sei „nicht nur als zivilrechtsakzessorisches Problem“, sondern als „strafrechtsspezifische Frage“ zu behandeln.16 Diese sich wiederum auf die Autonomie des Strafrechts gründende Aussage wäre nur dann mit dem Erfordernis einer zwingenden Einhaltung der Verfahrensvorgaben für die strafrechtliche Rechtfertigung in Einklang zu bringen, wenn die Befolgung der §§ 1901a ff. BGB nur eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Bedingung für die Rechtfertigung darstellte – eine in Anbetracht des im Strafrecht geltenden ultima ratio-Prinzips nicht ganz unproblematische Sichtweise. Insofern spricht diese Aussage gegen eine betreuungsrechtsakzessorische Beurteilung des auf Umsetzung einer Patientenverfügung gerichteten Verhaltens. Allerdings relativiert der Strafsenat die Aussagekraft dieser Äußerung bereits selbst zu einer Phrase der Machterhaltung für das Strafrecht17 durch die darauffolgende Argumentation: „Die §§ 1901a ff. BGB enthalten aber auch eine verfahrensrechtliche Absicherung für die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts von Patienten, die [. . .] unter dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit der Rechtsordnung [. . .] bei der Bestimmung der Grenze einer möglichen Rechtfertigung von kausal lebensbeendenden Handlungen berücksichtigt werden [muss]“.18 Dabei würden „beweismäßig strenge Maßstäbe“ für „die Feststellung des behandlungsbezogenen Patientenwillens“ gelten, deren Beachtung und Einhaltung durch die Verfahrensregeln der §§ 1901a ff. BGB „insbesondere [durch] das zwingend erforderliche Zusammenwirken von Betreuer oder Bevollmächtigtem und Arzt sowie gegebenenfalls die Mitwirkung des Betreuungsgerichts“ sichergestellt würden.19 Die Vorgabe einer Berücksichtigung der §§ 1901a ff. BGB für das Eingreifen der strafrechtlichen Rechtfertigung lässt dabei Spielraum für unterschied-

15

Vgl. dazu unter B. I. 3. b). BGHSt 55, 191 (200 Rn. 25). 17 In eine ähnliche Richtung kritisiert Rosenau in FS Rissing-van Saan, S. 547 (559) die Entscheidung des BGH als Rückschritt in alte Zeiten des Streits zwischen Zivil- und Strafrechtlern um die „Vorherrschaft bei der Sterbehilfe“. 18 BGHSt 55, 191 (200 Rn. 25). 19 BGHSt 55, 191 (205 Rn. 38). 16

I. Auswertung aktueller Entscheidungen des BGH

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liche Auslegungen:20 Zum einen könnte mit „Berücksichtigung“ die strenge Befolgung der §§ 1901a ff. BGB gemeint sein, zum anderen könnte die Vorgabe unter Zugrundelegung einer sehr einschränkenden Auslegung auch lediglich bedeuten, dass diese Vorschriften bei der Frage nach einer Rechtfertigung in die Überlegungen einzubeziehen sind – bereits die Beachtung im Rahmen der Fahrlässigkeitsbeurteilung bei einer Fehlinterpretation des Patientenwillens könnte insoweit aber ein ausreichendes Maß darstellen, sodass sich alleine aus dem ersten Teil dieser Argumentation nicht sicher auf die Bejahung der Akzessorietät seitens des Strafsenats schließen lässt. Allerdings könnte der BGH bei Zusammenschau mit dem zweiten Teil die „Feststellung“ des Patientenwillens durch die nach Betreuungsrecht dazu Befugten als konstitutiv21 für die rechtfertigende Wirkung der Patientenverfügung erachten, wenn man von der an den Wortlaut des § 1901b Abs. 2 BGB anknüpfenden Formulierung einer „Feststellung“ einen Vergleich zu der abschließenden Beantwortung einer bestimmten Frage durch eine Feststellungsklage oder einen feststellenden Verwaltungsakt zieht: Eine Feststellungsklage wird zur Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben, vgl. § 43 VwGO, § 256 ZPO, § 41 FGO, § 55 SGG; das in der Sache ergehende Urteil entfaltet insoweit inter partes eine Bindungswirkung, sodass Gerichte in einem darauf aufbauenden Gerichtsstreit an diese Feststellung gebunden sind und die Tatsachen nicht neu würdigen können. Auch die Feststellungswirkung eines Verwaltungsakts führt dazu, dass bei entsprechender gesetzlicher Anordnung22 (z. B. § 15 Abs. 1 S. 4 BVFG) nicht nur die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung in Bestandskraft erwächst, sondern auch die der Regelung zu Grunde liegenden tragenden Feststellungen tatsächlicher oder rechtlicher Art.23 Handelte es sich bei der Feststellung des Patientenwillens im Rahmen der §§ 1901a ff. BGB um eine vergleichbare konstitutive Entscheidung, wäre auch das Strafgericht bei Beurteilung der Umsetzung der Patientenverfügung an diese gebunden – fehlte der entsprechende Verfahrensschritt im betreuungsrechtlichen Verfahren, schiede die dadurch betreuungsrechtsakzessorisch ausgestaltete Rechtfertigung aus. Ein solcher Wert kann der Feststellung des Patientenwillens nur dann zukommen, wenn der Patientenverfügung ihre Bindungswirkung inter omnes erst durch diese Umsetzungsentscheidung zukommt; damit korreliert die Einordnung der Feststellung des Patientenwillens – im Sinne der Entscheidung des BGH und im Sinne des § 1901b Abs. 2 BGB – mit der Rechtsnatur der Patientenverfügung.24 Gegen eine konstitutive Feststellung25 an sich 20 Walter ZIS 2011, 76 (79 f. Fn. 29) mahnt aus diesem Grund zur Verwendung des „treffenden Wort[es]“. 21 Zu dem Streit um die Rechtsnatur der Patientenverfügung und ihrer Umsetzungsentscheidung durch den Patientenvertreter bereits unter B. I. 3. a) bb) (1). 22 BVerwGE 15, 332 (334 f.). 23 BeckOK-VwVfG/Schemmer § 43 (Ed. 21) Rn. 36 f.; vgl. zu weiteren Feststellungswirkungen z. B. § 252 AktG; § 178 InsO. 24 Vgl. dazu bereits unter B. I. 3. a) bb) (1).

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

spricht, dass – abgesehen von dem Betreuungsgericht im Fall eines Dissenses26 – die feststellungsbefugten Personen nach dem Betreuungsrecht (Arzt und Patientenvertreter) nicht wie bei anderen feststellenden Entscheidungen staatliche Stellen sind; unter Beachtung dieses Aspekts ist die vom BGH unter „beweismäßig strenge Maßstäbe“ gestellte Feststellung wie auch an anderer Stelle im Gesetz27 im Sinne des herkömmlichen Sprachgebrauchs als Ermittlung des Patientenwillens zu verstehen. Folglich hängt die Aussage des BGH von der Auslegung der „Berücksichtigung“ der §§ 1901a ff. BGB ab – bei einschränkender Auslegung stünde ein reiner Fahrlässigkeitsvorwurf bei Fehlinterpretation und mithin die Ablehnung der Strafbarkeit eines reinen Verfahrensverstoßes bei der Ermittlung des Patientenwillens im Einklang mit der Aussage des BGH, bei einer weiten Auslegung die Annahme einer Zivilrechtsakzessorietät. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die sog. Fuldaer Entscheidung des 2. Strafsenats keine klare Aussage bezüglich der Frage nach der Betreuungsrechtsakzessorietät der strafrechtlichen Beurteilung im Zusammenhang mit Patientenverfügungen enthält – zwar umfasst die Urteilsbegründung in die Richtung dieser Problematik tendierende Passagen, diese widersprechen sich aber untereinander und heben somit ihre Aussagekraft gegenseitig so gut wie auf, es könnte allenfalls eine Tendenz in Richtung Bejahung einer Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB zu erkennen sein. Diese Tendenz wird bestätigt durch einen Beitrag Rissing-van Saans, der Vorsitzenden des urteilenden Senats, in dem sie sich zu einer solchen ablehnenden Haltung bekennt28 und im Hinblick auf die Fuldaer Entscheidung die Erkennbarkeit einer entgegengesetzten Auffassung „ausweislich der Entscheidungsbegründungen“ ablehnt.29 Der ebenfalls im 2. Strafsenat beteiligte Richter Fischer unterlässt hingegen eine solche Klarstellung in seiner Kommentierung der Tötungsdelikte, indem er die Frage nach einer Akzessorietät zu den §§ 1901a ff. BGB gar nicht erst aufwirft.30

25 Gegen die Einordnung der betreuungsgerichtlichen Genehmigung als ein das Strafrecht bindendes Präjudiz vgl. unter E. III. 1. b) bb) (3). 26 Bezüglich der Entscheidung des Betreuungsgerichts, auch in Form eines sog. Negativattests, spricht aber Coeppicus, S. 88 von einer amtlichen Feststellung. 27 So etwa bei § 142 StGB: Feststellung der für einen zivilrechtlichen Anspruch erforderlichen Daten zur Beweissicherung. 28 Rissing-van Saan ZIS 2011, 544 (548): „Dass eine Strafbarkeit allein wegen Verstoßes gegen die Verfahrensregelungen der §§ 1901a ff. BGB nicht in Betracht kommen kann, versteht sich ohne entsprechende gesetzliche Regelung von selbst“. 29 Rissing-van Saan ZIS 2011, 544 (548). 30 Fischer62 Vor §§ 211–216 Rn. 63 erwähnt die Regelung in §§ 1901a ff. BGB lediglich unter dem Blickwinkel, dass diese in Zusammenschau mit der neuen Rechtsprechung zu einer Bekämpfung der auf diesem Gebiet bestehenden Rechtsunsicherheit beiträgt; im Übrigen beschränkt er sich darauf, dass – insoweit sehr an den Wortlaut des Urteils angelehnt – an die Feststellung des Patientenwillens strenge Anforderungen zu stellen seien, s. Rn. 67.

I. Auswertung aktueller Entscheidungen des BGH

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2. BGH v. 10.11.2010 Ebenfalls auf unterschiedliche Interpretationen sind in der Literatur die Ausführungen des BGH in seinem sog. Kölner Urteil vom 10.11.201031 gestoßen, der zweiten Entscheidung zu der Rechtfertigungslösung bei einem Behandlungsabbruch. In dieser Entscheidung behandelte das Gericht vordergründig die formelle Seite des Verfahrens,32 auch wenn es sich in dem zu Grunde liegenden Fall um einen „klaren Fall eines eigenmächtigen Behandlungsabbruchs“ 33 handelte und sich daher die Ausführungen bezüglich des Verhältnisses zwischen Strafund Betreuungsrecht nur als ein obiter dictum darstellen.34 Das Opfer, die 82-jährige Schwiegermutter des Angeklagten, war am 26.6. 2009 mit Verdacht auf Lungenentzündung und Herzinsuffizienz bei Bewusstsein ins Krankenhaus eingeliefert worden; dort erklärte sie sich mit einer Behandlung einverstanden, auch mit der Verlegung auf die Intensivstation im Notfall. Als sich ihr Zustand auf Grund einer durch die Lungenentzündung hervorgerufenen Sepsis stark verschlechterte, wurde sie auf die Intensivstation verlegt, wo sie sediert, ins künstliche Koma und an medizinische Geräte angeschlossen wurde. Durch diese Behandlung war ihr Zustand nicht hoffnungslos, während sie ohne die Behandlung in einen unmittelbar zum Tode führenden Zustand geraten wäre. Da die Tochter des Opfers unabkömmlich war, kam statt ihrer der Angeklagte ins Krankenhaus und wirkte von Beginn an auf einen Behandlungsabbruch hin – und dies auch noch nach Rücksprache mit seiner Frau, die zwar mitteilte, dass ihre Mutter in ihrer Patientenverfügung lebensverlängernde Maßnahmen abgelehnt habe, doch war dem Angeklagten die Beschränkung auf eine gesundheitlich aussichtslose Lage bewusst. Die Ärzte weigerten sich, diesen angeblichen Patientenwunsch ohne ausführliche Prüfung der Patientenverfügung umzusetzen, sodass der Angeklagte schließlich eigenmächtig die Perfusoren abschaltete, die jedoch vom Krankenhauspersonal recht zeitnah wieder eingeschaltet wurden; eine Abschaltung des Beatmungsgeräts gelang dem Angeklagten auf Grund Dazwischentretens eines Pflegers nicht. Eine Ursächlichkeit des kurzfristigen Abschaltens der Perfusoren für den durch einen septischen Schock herbeigeführten Tod der Patientin am selben Abend war nicht nachweisbar.35 Der BGH bestätigte die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Totschlags gem. §§ 212, 22 StGB,36 da eine Rechtfertigung auf Grund des Behandlungsabbruchs mangels eines auf diesen gerichteten tatsächlichen oder mutmaß31 32 33 34 35 36

BGH v. 10.11.2020 – 2 StR 320/10, NJW 2011, 161–163. Ihrig DNotZ 2011, 583. Verrel NStZ 2011, 276. Verrel NStZ 2011, 276 (277). Vgl. Sachverhaltsdarstellungen des Urteils. BGH v. 10.11.2020 – 2 StR 320/10, NJW 2011, 161 (162 Rn. 8).

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

lichen Patientenwillens nicht in Betracht kam.37 In diesem Zusammenhang wies der erkennende 2. Strafsenat darauf hin, dass bei der Beurteilung eines Behandlungsabbruchs im Sinne der Entscheidung vom 25.6.2010 künftig die Voraussetzungen der §§ 1901a, 1901b BGB zu beachten seien; diese verfahrensrechtlichen Absicherungen, die der Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten und dem Schutz des menschlichen Lebens dienten und den Beteiligten bei der Umsetzung einer Patientenverfügung Rechts- und Verhaltenssicherheit bieten sollten, würden bei der Bestimmung der Grenze einer möglichen Rechtfertigung bezüglich kausal lebensbeendender Maßnahmen auch Wirkung für das Strafrecht entfalten.38 Abschließend stellt der 2. Strafsenat das betreuungsrechtlich angeordnete Verfahren in seinen Einzelheiten vor. Unklar bleibt, wieso sich der BGH bei der Bezugnahme auf die Verfahrensvorgaben des Betreuungsrechts auf die Vorschriften der §§ 1901a, b BGB beschränkt und § 1904 BGB, der das Erfordernis einer betreuungsrechtlichen Genehmigung alternativ zu einem Konsens zwischen Arzt und Patientenvertreter über den Patientenwillen aufstellt, nicht nennt.39 Aber auch in Bezug auf die genannten Vorgaben entbehren die Ausführungen einer klaren Einordnung des Verhältnisses zwischen Straf- und Betreuungsrecht, was insbesondere durch die wiederholten Verweise auf die ebenfalls insoweit unklare Fuldaer Entscheidung verstärkt wird: Die Vorschriften entfalteten als „die notwendigen strengen Beweisanforderungen an die Feststellung eines behandlungsbezogenen Patientenwillens verfahrensrechtlich absichern[de]“ Maßgaben „bei der Bestimmung der Grenze einer möglichen Rechtfertigung von kausal lebensbeendenden Maßnahmen auch für das Strafrecht Wirkung“ und seien daher „zu beachten“.40 Der Wortlaut dieser Ausführungen lässt vermuten, dass der BGH die Wichtigkeit eines betreuungsrechtskonformen Verfahrens durch eine Akzessorietät des Strafrechts zu diesen Regelungen stärken wollte, und steht damit wiederum im Widerspruch zu dem Beitrag Rissing-van Saans, dessen Fokus zwar auf dem Fuldaer Urteil liegt, doch auch hier zur Auslegung herangezogen werden kann: Als sie die in der Literatur vorhandene Auslegung der Entscheidung vom 25.6.2010 ablehnt, die darin die Annahme einer Akzessorietät zu den §§ 1901a ff. BGB seitens des BGH erkennen will, schlägt die auch in der Entscheidung vom 10.11.2010 als Vorsitzende Richterin an der Urteilsfindung Beteiligte die Brücke zu diesem „Nachfolgebeschluss“.41 Insofern sind auch die im Kölner Urteil enthaltenen Hinweise auf eine betreuungsrechtlich angeordnete „prozedurale Absicherung der schwierigen 37

BGH v. 10.11.2020 – 2 StR 320/10, NJW 2011, 161 (162 Rn. 10). BGH v. 10.11.2020 – 2 StR 320/10, NJW 2011, 161 (162 Rn. 12) mit Verweis auf die sog. Fuldaer Entscheidung. 39 Auch Ihrig DNotZ 2011, 583 (587) weist darauf hin, dass auch § 1904 BGB zu den „für den BGH wichtigen Verfahrensvorschriften“ zu zählen sein wird. 40 BGH v. 10.11.2020 – 2 StR 320/10, NJW 2011, 161 (162 Rn. 12). 41 Rissing-van Saan ZIS 2011, 544 (548). 38

I. Auswertung aktueller Entscheidungen des BGH

141

und der Gefahr von Manipulationen ausgesetzten Feststellung des Patientenwillens“ 42 nicht als Anordnung einer Akzessorietät der strafrechtlichen Beurteilungen zu den §§ 1901a ff. BGB aufzufassen. Allerdings scheint dies, zumindest in der von Rissing-van Saan dargelegten Klarheit, nicht einmal allgemeiner Konsens innerhalb des erkennenden Senats gewesen zu sein: Die Kommentierung des ebenfalls an der Urteilsfindung beteiligten Richters Eschelbach lässt nämlich eine solche Klarstellung in Bezug auf das Urteil vermissen; stattdessen erweckt seine am Wortlaut der Entscheidung orientierte Darstellung wiederum den umgekehrten Eindruck.43 Auf Grund dieser unklaren44 Formulierungen wurden die Aussagen des BGH auch in der Literatur wieder unterschiedlich interpretiert: So gehen beispielsweise Wolfslast und Weinrich davon aus, dass der 2. Strafsenat sich auch in dem sog. Kölner Urteil nicht zu den strafrechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen die verfahrensrechtlichen Regelungen der §§ 1901a ff. BGB verhält45; nach Verrel und Jäger ist der BGH so zu verstehen, dass eine Einhaltung der Verfahrensvorschriften notwendige Bedingung für einen gerechtfertigten Behandlungsabbruch darstellt,46 und Coeppicus will die Ausführungen des Gerichts als „grundsätzliche Hinweise an die Beteiligten eines Behandlungsabbruchs [verstehen], was von ihnen an Ermittlungen (Beweiserhebungen) mindestens durchzuführen ist, um den Patientenwillen sicher festzustellen.“ 47 Folglich bieten beide Entscheidungen des BGH zur Rechtfertigungslösung beim Behandlungsabbruch keine klaren Antworten bezüglich der Frage nach 42

Rissing-van Saan ZIS 2011, 544 (548). Beck-OK/Eschelbach § 216 StGB Rn. 4: „Die indirekte [. . .] und die passive Sterbehilfe durch Abbruch sinnlos gewordener lebensverlängernder Maßnahmen bleiben dagegen in Fällen eines irreversiblen Krankheitszustands und des nahen Todes auf Grund einer Beachtung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten [. . .] straflos, wenn der Patientenwille das Unterlassen oder den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen einschließt und – nach der Gesetzesnovelle im Allgemeinen auch – das Verfahren nach § 1901a BGB, § 1901b BGB eingehalten wird“. 44 Fateh-Moghadam/Kohake ZJS 2012, 98 (105): „nicht ganz eindeutig [. . .]“; Schroeder FamRZ 2014, 1745 (1750): „reichlich unklare [. . .] Ausführungen“. 45 Wolfslast/Weinrich StV 2011, 286 (288). 46 Verrel NStZ 2011, 276 (277): „offenbar angenommene [. . .] Betreuungsrechtsakzessorietät des Strafrechts“; auch Jäger JA 2011, 309 (311) stellt fest, „dass die Beachtung der Voraussetzungen der §§ 1901a und 1901b BGB offenbar zu einer echten Wirksamkeitsvoraussetzung für die Einwilligung in den Behandlungsabbruch erhoben werden soll“. 47 Coeppicus NJW 2013, 2939 (2941) wendet sich zudem ausdrücklich gegen ein Verständnis des sog. Kölner Urteils dahingehend, dass die Einhaltung der betreuungsrechtlichen Vorgaben als für die Rechtmäßigkeit eines Behandlungsabbruchs erforderlich erachtet worden sei, schließlich habe der BGH in dieser Entscheidung die bisherige Rechtsprechung weder beanstandet noch korrigiert und damit einen Behandlungsabbruch auch ohne Mitwirkung eines Betreuers oder des Betreuungsgerichts (wie nach bisheriger Rechtsprechung) gebilligt. 43

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

dem Verhältnis zwischen Straf- und Betreuungsrecht, was sich nicht zuletzt in den widersprüchlichen Interpretationen der Entscheidungen durch die Literatur widerspiegelt.

II. Stimmungsbild in der Literatur Auch zur abstrakten Frage nach der Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB sind die Auffassungen in der Literatur geteilt, auch wenn die Auseinandersetzung mit der Problematik zumeist recht knapp ausfällt: Während Diehn und Rebhan, Dölling, Ihrig, Walter sowie wohl auch Bartsch und nach Einschätzung Coeppicus’ auch Boemke die Einhaltung der betreuungsrechtlichen Vorgaben als notwendige Bedingung einer Rechtfertigung durch die Patientenverfügung einordnen, lehnen die überwiegenden Stimmen, insbesondere Coeppicus, Engländer, Eser, Fischer, Hirsch, Ingelfinger, Neumann, Putz, Rengier, Rissing-van Saan, Rosenau, Schneider, Schork, Sternberg-Lieben, Stoffers, Verrel sowie Wolfslast und Weinrich eine solche Akzessorietät ab; Hörr und Popp vertreten jeweils eine differenzierende Ansicht. 1. Literaturstimmen für eine Akzessorietät zu den §§ 1901a ff. BGB Diehn und Rebhan begründen ihre betreuungsrechtsakzessorische Sichtweise auf die Strafbarkeit der Beteiligten damit, dass der Gesetzgeber sich gegen eine rechtfertigende Wirkung der Patientenverfügung an sich entschieden habe. Stattdessen stelle erst die aus dem gem. §§ 1901a f. BGB durchzuführenden Verfahren erwachsende Entscheidung des Patientenvertreters eine taugliche Legitimationsgrundlage für einen Behandlungsabbruch durch den Arzt dar, der damit konstitutive Wirkung zukomme, folglich sei die Durchführung des Verfahrens „Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Einwilligung selbst“.48 Dölling bekennt sich zwar nicht ausdrücklich zu einer Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB, hebt aber als Vorteil dieser angeblich vom BGH gewählten Lösung hervor, dass die erforderliche Sorgfalt bei Feststellung des Patientenwillens gesichert würde und daher die durch das PatVG eingeführten Vorschriften auch für die strafrechtliche Beurteilung einer Patientenverfügungsumsetzung „erhebliche Bedeutung“ entfalteten.49 Dabei lässt er unberücksichtigt, dass die sorgfältige Feststellung des Patientenwillens bereits durch Zivil- und Standesrecht sowie das Eingreifen eines Fahrlässigkeitsvorwurfs bei Verstoß gegen die §§ 1901a ff. BGB gefördert wird, bezüglich derer für die zwingende Akzessorietät des Strafrechts erst ein Mangel an Effektivität aufgezeigt werden müsste. 48 49

Diehn/Rebhan NJW 2010, 326 (329). Dölling ZIS 2011, 345 (348).

II. Stimmungsbild in der Literatur

143

Ihrig formuliert seine Auffassung sehr deutlich, dass das betreuungsrechtlich angeordnete Verfahren „zwingend durchgeführt werden [muss], damit der ermittelte Wille und seine Umsetzung rechtfertigende Wirkung für die zum Tode führende Handlung entfalten können“;50 die Durchführung dieses Verfahrens allein könne andererseits aber auch nicht zum Ausschluss einer Strafbarkeit führen,51 insofern lehnt er die Konstruktion einer prozeduralen Rechtfertigung ab. Auch wenn er folglich eine Legitimationswirkung direkt aus der Patientenverfügung für den Arzt verneint,52 weist er auf den Widerspruch zum ärztlichen Standesrecht hin, das von einer unmittelbaren Wirkung der Patientenverfügung für den Arzt ausgeht,53 sodass dem Arzt bei direkter Umsetzung der Patientenverfügung eigentlich kein „strafrechtliche[r] Vorwurf“ gemacht werden könne.54 Zudem kritisiert er, dass der Gesetzgeber auf eine zwingende betreuungsgerichtliche Genehmigung verzichtet hat, die gem. § 1907 BGB selbst bei einer Kündigung des Mietverhältnisses des Betreuten erforderlich ist55 – eine solche, von ihm geforderte zwingende Genehmigung schlüge im Fall der betreuungsrechtlichen Umsetzung wiederum auf das Strafrecht durch. Nach Walter ist die Einhaltung der betreuungsrechtlichen Verfahrensregeln bereits deshalb erforderlich, weil er anstatt einer Rechtfertigung durch Einwilligung die Straflosigkeit des Behandlungsabbruchs auf eine teleologische Reduktion des § 216 StGB stützen möchte und diese teleologische Reduktion auf Grund der §§ 1901a ff. BGB nicht über die Reichweite der betreuungsrechtlichen Regelungen hinausgehen dürfe.56 Zwar ist dieses Argument angesichts der hier gewählten Erweiterung der Einwilligungsmöglichkeit anhand der §§ 1901a ff. BGB nicht direkt einschlägig, doch ließe es sich insofern auf die Rechtfertigungsebene übertragen, als dass die Erweiterung der Einwilligung auf Grund der §§ 1901a ff. BGB nicht über diese Regelungen hinausgehen darf. Allerdings ist die Wertung der §§ 1901a ff. BGB bezüglich der Umsetzung einer auf einen Behandlungsabbruch gerichteten Patientenverfügung nur deshalb von Einfluss auf die strafrechtliche Einwilligungsmöglichkeit, weil sie den diesbezüglichen Wandel in der Einschätzung seitens des Gesetzgebers widerspiegelt. Diese vom Gesetzgeber vollzogene Veränderung muss sich aber nicht notwendig auf die Reichweite der 50

Ihrig DNotZ 2011, 583 (586). Ihrig DNotZ 2011, 583 (588). 52 Stattdessen ordnet er die Patientenverfügung zunächst im Innenverhältnis zwischen Patient und Patientenvertreter als Unterfall der Betreuungsverfügung bzw. als Anweisung im Rahmen eines Auftragsverhältnisses ein, s. Ihrig DNotZ 2011, 583 (585). 53 Ihrig DNotZ 2011, 583 (585); BÄK DÄBl. 2010, A 877 (A 879), DÄBl. 2011, A 346 (A 347). 54 Ihrig DNotZ 2011, 583 (587). 55 Ihrig DNotZ 2011, 583 (589). 56 Laut Walter ZIS 2011, 76 (82) „liegt es methodisch und dogmatisch fern, die Sterbehilfe auch in Fällen straflos zu lassen, in denen sie [insb. bei Nichtbeachtung der Verfahrensvorschriften] nach betreuungsrechtlichen Regeln verboten ist“. 51

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

zivilrechtlichen Regelung beschränken, sondern kann auch über sie hinausgehen – die §§ 1901a ff. BGB stellten sich damit nur als Symptom des weiterreichenden Wertewandels dar.57 Daneben stützt Walter sein Ergebnis darauf, dass sich die Verhaltensregeln der §§ 1901a ff. BGB, die es „als Ergebnis eines mühsamst ausgehandelten Kompromisses und breitester gesellschaftlicher Debatte“ umzusetzen gelte58, wirksam nur mit dem Strafrecht absichern ließen.59 Allerdings berücksichtigt auch Walter wiederum nicht, dass auch bei Verneinung einer Akzessorietät für die Beteiligten bereits dadurch ausreichend faktischer Druck zu einer Einhaltung der §§ 1901a ff. BGB bestehen könnte, dass sie einem bei Fehlinterpretation des Patientenwillens unter Verstoß gegen diese Vorgaben aufkommenden Fahrlässigkeitsvorwurf entgehen wollen60 und auch standesrechtliche Konsequenzen und zivilrechtliche Ersatzansprüche bereits zu einem effektivem Schutz der §§ 1901a ff. BGB führen können.61 Bartsch62 hält eine Rechtfertigung der Beteiligten bei Verstoß gegen die §§ 1901a ff. BGB für fraglich, ohne diese Auffassung zu begründen. Auch Boemke63 erweckt laut Coeppicus den Eindruck, dass die Einhaltung der §§ 1901a ff. BGB für die rechtfertigende Wirkung der Patientenverfügung erforderlich wäre.64 Jedoch gibt Boemke vor besagten Ausführungen selbst an, „eine praxistaugliche Handlungsanleitung zur Verfügung stellen“ zu wollen,65 insofern bedeuten seine sich an den Verfahrensvorgaben der §§ 1901a ff. BGB orientierenden Empfehlungen nicht zwangsläufig, dass bei Verstoß eine Strafbarkeit greift. Bei seiner Betrachtung aus dem Blickwinkel eines Zivilrechtlers liegt stattdessen wohl nicht nur ein strafloses, sondern auch ein zivilrechtskonformes Verhalten im Fokus, welches letztlich durch Vermeidung eines Fahrlässigkeitsvorwurfs auch auf ein sicher strafloses Verhalten gerichtet ist. Auf die konkrete Frage, ob die betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben auch für die strafrechtliche Bewertung von Bedeutung sind, geht er hingegen überhaupt nicht ein. 57 Vgl. dazu bereits unter B. I. 3. b) cc): Durch Erweiterung der Einwilligung anhand der §§ 1901a ff. BGB anstatt einer teleologischen Reduktion des § 216 StGB ist die Akzessorietät der strafrechtlichen Bewertung zu den betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben gerade kein Automatismus. 58 Walter ZIS 2011, 76 (81). 59 Walter ZIS 2011, 76 (81). 60 Ausreichend faktischer Druck zur Befolgung des § 1904 BGB auch ohne strafrechtliche Bewehrung eines Verfahrensverstoßes nach Choi, S. 266 f.; Saliger KritV 1998, 118 (143); ders. in FS Hassemer, S. 599 (612 f.); Schork, S. 204; a. A. MKStGB/Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 129 (Fn. 460); Kuhlmann, S. 193: § 1904 BGB ohne strafrechtliche Bewehrung nur „rechtlich wie generalpräventiv [. . .] stumpfes Schwert“. 61 So bspw. Hörr, S. 139. 62 Bartsch in FS Achenbach, S. 13 (25). 63 Boemke NJW 2013, 1412. 64 Coeppicus NJW 2013, 2939. 65 Boemke NJW 2013, 1412.

II. Stimmungsbild in der Literatur

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2. Literaturstimmen gegen eine Akzessorietät zu den §§ 1901a ff. BGB Coeppicus selbst geht von einer direkten Bindung aller Beteiligten durch eine eindeutige Patientenverfügung aus, die nach dem Wortlaut des § 1901a Abs. 1 BGB eine Entscheidung des Patienten selbst darstelle.66 Da auch sonstige Verweigerungen medizinischer Maßnahmen eines Einwilligungsfähigen ohne Mitwirkung eines Vertreters Wirkung entfalteten, müsse dies auch für die im Voraus getätigte Willensäußerung gelten,67 die Ablehnung einer solchen unmittelbaren Wirkung der Patientenverfügung verstieße zudem gegen das Selbstbestimmungsrecht des Patienten in Form der Patientenautonomie. 68 Dementsprechend leitet er die Legitimationswirkung direkt und alleine aus dem erklärten oder mutmaßlichen Patientenwillen ab,69 sodass zum einen eine Rechtfertigung auch bei Nichtbeachtung der betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben70 in Betracht kommt,71 zum anderen aber selbst bei Einhaltung der durch §§ 1901a ff. BGB getroffenen Verfahrensanforderungen eine Strafbarkeit möglich erscheint, beispielsweise wenn die Patientenverfügung gefälscht wurde.72 Auch der nach § 1904 BGB gegebenenfalls zivilrechtlich erforderliche Genehmigung des Betreuungsgerichts spricht Coeppicus ausdrücklich eine feststellende Wirkung bezüglich des Patientenwillens ab,73 stattdessen diene das justizförmige Verfahren vor dem Betreuungsgericht durch die möglichst umfangreiche Ermittlung des Patientenwillens nur dazu, das Risiko einer abweichenden strafrechtlichen ex-post Beurteilung zu minimieren.74

66

Coeppicus NJW 2011, 2085 (2087). Coeppicus NJW 2011, 2085 (2086); ders. NJW 2013, 2939: „Es wäre grotesk, wenn der Patientenwille keine unmittelbare Geltung hätte“. 68 Coeppicus NJW 2011, 2085 (2087). 69 Coeppicus NJW 2013, 2939 ff. 70 Darüber hinaus erachtet Coeppicus (NJW 2011, 2085 (2087); NJW 2013, 2939 (2940)) die Bestellung eines Betreuers bei einer „eindeutigen“ Patientenverfügung gar zivilrechtlich als nicht erforderlich und damit unzulässig, s. zur Ablehnung dieser Anwendungsbeschränkung der §§ 1901a ff. BGB bereits unter C. I. 1. 71 Coeppicus NJW 2013, 2939 (2940 f.); ders. NJW 2011, 2085 (2087) mit Verweis auf Roth BtPrax 2003, 215 (216), der a. a. O. den Willen des Betreuten als das entscheidende Kriterium für ein rechtmäßiges Verhalten der sonstigen Beteiligten herausstellte, dabei aber – entsprechend der alten Rechtslage – noch von einer reinen Berücksichtigung des Patiententestamentsbei Ermittlung des Patientenwillens ausging. 72 Coeppicus NJW 2011, 2085 (2087). 73 Coeppicus NJW 2011, 2085 (2088). 74 Coeppicus NJW 2011, 2085 (2088) spricht zwar davon, dass der Betreuer durch das Genehmigungsverfahren sogar vor einer abweichenden strafrechtlichen ex post-Beurteilung „zu schützen“ ist – wenn er aber davon ausgeht, dass eine Strafbarkeit der Beteiligten auch bei Genehmigung möglich erscheint, kann das justizförmige Verfahren das Risiko einer abweichenden strafrechtlichen Beurteilung richtigerweise nur reduzieren. 67

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

Ähnlich argumentiert Engländer, der einem reinen Verfahrensverstoß vorwerfbares Erfolgsunrecht abspricht, schließlich führe allein die Übereinstimmung mit dem Patientenwillen zur Legitimation.75 Deshalb komme nur dann eine Strafbarkeit in Betracht, wenn bei entsprechendem Sanktionsbedürfnis ein spezieller, an § 218b Abs. 1 StGB angelehnter Straftatbestand geschaffen würde.76 Auch Eser betrachtet den materiellen Rechtsgutsverstoß als durch den Patientenwillen legitimiert.77 Damit konkretisiert er das vorwerfbare Unrecht auf den formellen Verfahrensverstoß, der jedoch nicht durch Tötungs- oder Körperverletzungsdelikte erfasst werden dürfe, da sonst eine „Rechtsgutsvertauschung“ stattfinde.78 Hirsch lehnt die Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB aus demselben Grund ab: Die in Betracht kommenden Straftatbestände pönalisierten Tötungsunrecht, bei einem Verstoß gegen die betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben liege aber lediglich Unrecht in Form einer „Kompetenzanmaßung“ vor mittels „Eingriff[s] in die gesetzliche Zuständigkeit von Medizinalpersonen und des Betreuungsgerichts.“ 79 Ein solches Hinwegsetzen über formelle Anforderungen könne nur durch spezielle Strafbestimmungen wie beispielsweise § 218b Abs. 1 StGB80 geregelt, nicht aber durch einen Rückgriff auf die Tötungsdelikte kompensiert werden.81 Ingelfinger begründet seine ablehnende Haltung bezüglich der Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB damit, dass eine Bestrafung des lediglich verfahrenswidrig handelnden Arztes wegen Tötungsdelikts „unverhältnismäßig“ erscheine.82 Zwar mag dies im Ergebnis zutreffen, doch bleibt Ingelfinger die zu diesem Ergebnis führende Abwägung schuldig. Auch die Begründung Rengiers fällt recht knapp aus, dürfte jedoch mit dem bereits genannten Vorwurf des Rechtsgutsaustauschs bei Annahme von Akzessorietät übereinstimmen.83 Rissing-van Saan bleibt zwar zunächst eine genauere Begründung für die Ablehnung einer Akzessorietät schuldig, da sie davon ausgeht, dass es sich „von 75

Engländer JZ 2011, 513 (519). Engländer JZ 2011, 513 (519). 77 Sch/Sch29 /Eser/Sternberg-Lieben Vor §§ 211 ff. Rn. 28g. 78 Sch/Sch29 /Eser/Sternberg-Lieben Vor §§ 211 ff. Rn. 28g. 79 Hirsch JR 2011, 37 (39). 80 Lackner NJW 1976, 1233 (1241): § 219 StGB a. F. (entspricht § 218b Abs. 1 StGB n. F.) wende sich „nicht unmittelbar gegen die Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs, sondern nur gegen die Mißachtung des für die Zulassung des Eingriffs vorgeschriebenen Verfahrens“; ihm folgend Sch/Sch29 /Eser § 218b Rn. 1; Hirsch JR 2011, 37 (39). 81 Hirsch JR 2011, 37 (39). 82 Ingelfinger, S. 325. 83 Vgl. Rengier BT II15 § 7 Rn. 8b. 76

II. Stimmungsbild in der Literatur

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selbst“ auch ohne einen entsprechenden gesetzlichen Hinweis verstehe, dass ein rein verfahrensrechtlicher Verstoß nicht strafbar sei;84 im Zuge dessen zeigt sie aber auch auf, dass ein solcher Verstoß kein dem Tötungsunrecht entsprechendes „gewichtiges und strafwürdiges Fehlverhalten“ darstelle.85 Zudem weist sie auf die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit als Konsequenz eines vermeidbaren Irrtums hin, wenn sich das Risiko der Fehleinschätzung des Patientenwillens bei Verzicht auf die betreuungsrechtlich vorgegebenen Verfahrensstufen niederschlägt.86 Ähnlich argumentiert Rosenau, der bei einem rein verfahrensrechtlichen Verstoß gegen die §§ 1901a ff. BGB neben den Verfahrensvorgaben an sich kein Rechtsgut verletzt sieht, das der verfahrensrechtlichen Absicherung zu Grunde liegt: Beschränkt sich das verwirklichte Unrecht auf ein rein formelles, seien der Wille des Patienten und damit dessen Grundrechte auf Leben und Selbstbestimmung, die zu schützen die Verfahrensvorgaben geschaffen wurden, nicht verletzt worden.87 Allein das auf die Missachtung der betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben zurückzuführende Unrecht sei demgegenüber „allenfalls bußgeldwürdig“, sodass die Einführung einer entsprechenden Ordnungswidrigkeit, nicht aber die Strafbarkeit wegen Tötungsdelikts in Betracht käme.88 Schneider begründet seine ablehnende Haltung gegenüber einer Akzessorietät des Strafrechts zu den Verfahrensvorgaben der §§ 1901a ff. BGB recht ausführlich: Zum einen sei dem die Patientenverfügung Umsetzenden angesichts der Übereinstimmung mit dem Patientenwillen und auch dem Anstreben dieses rechtmäßigen Zustands weder ein Erfolgs- noch ein Handlungsunrecht vorzuwerfen.89 Zum anderen beschränke sich die Funktion der betreuungsrechtlichen Verfahrensvorschriften, welche „die Feststellung des Patientenwillens als materiellen Fixpunkt der strafrechtlichen Bewertung von Behandlungsabbrüchen durch rein formelle Verfahrensregeln zu optimieren“ versuchten, auf eine Ergänzung, aber keine Ersetzung des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes.90 Schließlich führt auch er die Bedenken einer Rechtsgutsvertauschung ins Feld.91 Schork ordnete die betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben bereits nach alter Rechtslage als fakultativ ein – die Legitimation würde letztlich durch den mutmaßlichen Patientenwillen92 vermittelt, sodass die Auswirkungen des Betreu84

Rissing-van Saan ZIS 2011, 544 (548). Rissing-van Saan ZIS 2011, 544 (548). 86 Rissing-van Saan ZIS 2011, 544 (548). 87 Rosenau in FS Rissing-van Saan, S. 547 (563). 88 Rosenau in FS Rissing-van Saan, S. 547 (563). 89 MK-StGB3 /Schneider Rn. 179. 90 MK-StGB3 /Schneider Rn. 179. 91 MK-StGB3 /Schneider Rn. 179. 92 Nach alter Rechtslage diente die Patientenverfügung mangels Bindungswirkung nur als Indiz bei der Ermittlung des mutmaßlichen Patientenwillens. 85

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

ungsrechts auf das Strafrecht auf „mittelbar[e]“ Konsequenzen beschränkt seien.93 Zudem stelle die Bestrafung allein auf Grund der Missachtung von Verfahrensvorschriften bei mit dem Patientenwillen übereinstimmender Umsetzung der Patientenverfügung Gesinnungsstrafrecht dar, wenn die hinter den Verfahrensvorgaben stehenden Wertungen gar nicht berührt würden.94 Auch nach Sternberg-Lieben greift die Legitimation durch den Patientenwillen ohne Rücksicht auf die Einhaltung der zivilrechtlichen Verfahrensvorschriften. Diese Unabhängigkeit der strafrechtlichen Bewertung liege darin begründet, dass die Verfahrensvorgaben des Betreuungsrechts den strafrechtlichen Rechtsgüterschutz nur ergänzten, aber nicht ersetzten, schließlich vermöge die Einhaltung der Verfahrensvorgaben auch umgekehrt bei Verstoß gegen den Patientenwillen diesen nicht zu legitimieren.95 Stoffers stellt bei seiner Betrachtung der Problematik – wie Schork noch zu der alten Rechtslage – das im Strafrecht geltende Primat des Patientenwillens heraus: Da der Patientenwille den entscheidenden Gesichtspunkt für die Legitimation eines Behandlungsabbruchs darstelle, dessen Beachtung durch das Verfahren geschützt werden soll, könne das vormundschaftsgerichtliche Zustimmungserfordernis keine Ausschlusswirkung gegenüber einer anderen, auf dem Patientenwillen basierenden Rechtfertigung entfalten.96 Demnach geht Stoffers von einem Nebeneinander einer speziellen, die Einhaltung der Verfahrensvorgaben voraussetzenden Legitimation und der allgemeinen Rechtfertigung kraft mutmaßlichen Patientenwillens,97 die in dieser Konstellation ausnahmsweise nicht dem Grundsatz der Subsidiarität unterliege, aus. Dieses Ergebnis – die Legitimation bei richtiger Umsetzung des Patientenwillens auch bei Verstoß gegen die Verfahrensvorgaben – begründet er unter anderem damit, dass allein die Nichteinhaltung einer „Förmlichkeit“ keinen strafrechtlichen Vorwurf zu begründen vermöge.98 Folglich ergebe sich aus den betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben nur eine mittelbare Bedeutung für die strafrechtliche Bewertung auf Ebene der Unvermeidbarkeit eines Irrtums über den Patientenwillen und auf Ebene des Fahrlässigkeitsvorwurfs.99 Verrel will dem Verstoß gegen die betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben zwar die Bedeutung einräumen, den Anfangsverdacht eines Tötungsdelikts begründen zu können, die Akzessorietät der letztlichen strafrechtlichen Beurteilung

93 94 95 96 97 98 99

Schork, S. 203. Schork, S. 204. Sternberg-Lieben in FS Roxin, S. 537 (552 f.). Stoffers, S. 540. Stoffers, S. 535 ff. Stoffers, S. 540. Stoffers, S. 542 ff.

II. Stimmungsbild in der Literatur

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zum Betreuungsrecht hält er aber für „unhaltbar [. . .]“ 100: Eine Rechtfertigung kraft Einwilligung könne nur auf den Patientenwillen als relevantes Kriterium abstellen, die Einhaltung eines Verfahrens sei insofern weder legitimationsbegründend noch der Verstoß strafbarkeitsbegründend.101 Wolfslast und Weinrich halten bei reinem Verfahrensunrecht eine Verurteilung wegen versuchten Tötungsdelikts zwar für denkbar, vor dem Hintergrund, dass dafür die „Strafbarkeit wegen eines Kapitalverbrechens auf die Verletzung zivilrechtlicher Bezugsnormen gestützt werden“ müsste, aber für „mehr als zweifelhaft“.102 Fischer103, Neumann104 und Putz105 lehnen eine Akzessorietät des Strafrechts zu den betreuungsrechtlichen Verfahrensregeln die Patientenverfügung betreffend zwar deutlich ab, begründen ihre Position aber nicht. 3. Differenzierende Ansichten Zwar sieht auch Hörr in einer Patientenverfügung nach § 1901a Abs. 1 BGB bereits die unmittelbare Legitimationsgrundlage für deren Umsetzung, sodass es für die Straflosigkeit nicht zwingend der Einhaltung der Verfahrensvorgaben bedürfe;106 lediglich bei einem Irrtum über den Patientenwillen 107 entscheide sich darüber die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit – eine bei Ablehnung der Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB unstrittige Wirkung der betreuungsrechtlichen Regelung.108 Doch gestaltet sich die Rechtslage nach seiner Auffassung anders bei einer „stellvertretenden Einwilligung“ des Patientenvertreters109: Auch wenn der Patientenvertreter diese Einwilligung nach § 1901a Abs. 2 BGB an dem mutmaßlichen Willen des Patienten auszurichten habe, bilde erst die von 100

Verrel NStZ 2011, 276 (277). Verrel NStZ 2011, 276 (277); ders. NStZ 2010, 671 (674); ders. NStZ 2003, 449 (452); ders. KritV 2001, 440 (451); ders. C 99. 102 Wolfslast/Weinrich StV 2011, 286 (288). 103 Fischer62 Vor §§ 211–216 Rn. 53a. 104 NK4 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 Rn. 133. 105 Putz FPR 2012, 113 (16). 106 Hörr, S. 138. 107 Da Hörr, S. 78 auch nach Änderung der Rechtsprechung an der Tatbestandslösung festhalten möchte, werden Arzt und Vertreter bei fehlender Übereinstimmung ihres Verhaltens mit dem in der Patientenverfügung ausgedrückten Patientenwillen nicht aus ihrer Garantenhaftung befreit und haften wegen Fahrlässigkeitsdelikts. 108 Siehe dazu die detaillierte Darstellung der möglichen Fallkonstellationen bei Verstoß gegen den Patientenwillen unter C. II. 109 Die Formulierung einer „stellvertretenden Einwilligung“ steht im Einklang mit der Gesetzesbegründung zu den §§ 1901a ff. BGB, in der der Gesetzgeber dem Betreuer die Einwilligungsbefugnis als gesetzlichem Vertreter zuerkennt, wenn der Patient nicht einwilligungsfähig ist, BT-Drs. 16/8442, S. 10. 101

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

ihm getroffene Entscheidung die Legitimationsgrundlage für den Arzt,110 und diese Entscheidung sei in ihrer Wirksamkeit von einem Einvernehmen oder einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung abhängig.111 Nur auf diese Weise, also wenn sich die Beteiligten bei einem Verstoß gegen die Verfahrensvorgaben bezüglich einer stellvertretenden Einwilligung strafbar machen, könne sich die Schutzfunktion der gegenseitigen Kontrolle entfalten;112 auch ein Rückgriff auf eine mutmaßliche Einwilligung sei dann auf Grund ihrer Subsidiarität bei der Möglichkeit einer stellvertretenden Einwilligung gesperrt.113 Insofern gestaltet sich nach Hörr die strafrechtliche Beurteilung einer stellvertretenden Einwilligung akzessorisch zu den betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben, die Rechtfertigung eines mit dem Patientenwillen übereinstimmenden Verhaltens ist damit von der Einhaltung der Verfahrensvorgaben abhängig. Wieso aber der Schutz durch eine gegenseitige Kontrolle bei einer Verfügung im Sinne des § 1901a Abs. 2 BGB, nicht aber bei einer auslegungsbedürftigen Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Abs. 1 BGB einer strafrechtlichen Absicherung bedarf, vermag nicht einzuleuchten; der Wortlaut alleine trägt diese Differenzierung jedenfalls nicht.114 Insbesondere angesichts der Uneinigkeit über den für eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Abs. 1 BGB erforderlichen Grad der Bestimmtheit und den daraus folgenden Streitigkeiten über die Grenzziehung zwischen § 1901a Abs. 1 und Abs. 2 BGB115 erscheint das Auseinanderfallen zwischen einer vollständigen Akzessorietät der strafrechtlichen Bewertung in Bezug auf eine Verfügung im Sinne des § 1901a Abs. 2 BGB einerseits und einer (außerhalb der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit) strafrechtlichen Unbeachtlichkeit der betreuungsrechtlich angeordneten Verfahrensschritte bezüglich einer Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Abs. 1 BGB andererseits auch wenig interessengerecht und im Hinblick auf die für die Beteiligten wünschenswerte Rechtssicherheit ungeeignet.

110 Hörr, S. 144 ff., der sich indes nur mit einer stellvertretenden Einwilligung des Betreuers befasst; für Bevollmächtigte gelten die Vorschriften jedoch entsprechend. 111 Hörr, S. 356. 112 Hörr, S. 355. 113 Damit beschränke sich, so Hörr, S. 243, der Anwendungsbereich der mutmaßlichen Einwilligung auf die vorübergehende Weiterbehandlung des Patienten, bis der Patientenvertreter die Entscheidung über den mutmaßlichen Willen des Patienten getroffen hat. 114 Siehe dazu ausführlich unter E. III. 3. a). 115 Der Grad der erforderlichen Bestimmtheit wird uneinheitlich beurteilt. E. Albrecht/A. Albrecht MittBayNot 2009, 426 (428) plädieren für eine enge Interpretation dahingehend, dass der gleiche Grad an Bestimmtheit erforderlich ist, wie wenn ein Einwilligungsfähiger im Vorfeld einer konkreten ärztlichen Maßnahme seine tatsächliche Einwilligung erteilt; im Sinne von Zweckmäßigkeit und zur Vermeidung von ausufernden Patientenverfügungen für eine weite Interpretation Palandt73 /Götz § 1901a Rn. 5; BeckOK-BGB/Müller § 1901a (Ed. 25) Rn. 7; G. Müller DNotZ 2010, 169 (181).

II. Stimmungsbild in der Literatur

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Auch bei der Umsetzung einer Patientenverfügung rät Hörr den Beteiligten zu einer Einhaltung des Verfahrens; zwar führe allein die Einhaltung des Verfahrens nicht zu einer (prozeduralen) Rechtfertigung,116 doch lasse sie unter Umständen den Fahrlässigkeitsvorwurf entfallen,117 da dem Arzt bei einem Einvernehmen mit dem Patientenvertreter und beiden Beteiligten bei einer Genehmigung durch das Betreuungsgericht zumindest bezüglich der rechtlichen, aber meist auch hinsichtlich der tatsächlichen Bewertung des Patientenwillens in der Regel kein Sorgfaltsvorwurf zu machen sein wird.118 Diese fallgruppenorientierte Betrachtung Hörrs zeigt auf, wie sich die Einhaltung der Verfahrensvorgaben bei Ablehnung einer prozeduralen Rechtfertigung auf die Feststellung und Beurteilung einer Pflichtwidrigkeit der Beteiligten auswirkte, wenn die Strafbarkeit wegen Vorsatzdelikts auf Grund eines Erlaubnistatbestandsirrtums ausscheidet.119 Diese Konsequenzen bezüglich eines Fahrlässigkeitsvorwurfs sind sowohl bei Ablehnung als auch bei Bejahung einer Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB zu berücksichtigen, entfielen aber bei der Annahme einer prozeduralen Rechtfertigung. Auch Popp vertritt eine differenzierende Ansicht bezüglich der zwingenden Einhaltung der betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben, wenngleich zu beachten ist, dass der von ihm verfasste Beitrag noch zur alten Rechtslage120 hinsichtlich der Frage nach einer auf Rechtsfortbildung beruhenden121 Anwendung des Genehmigungsvorbehalts auf eine auf Behandlungsabbruch gerichtete Einwilligung des Betreuers erfolgte. Mangels einer anerkannten Bindungswirkung der Patientenverfügung selbst beschränkt sich seine Darstellung daher auch auf die eine Patientenverfügung umsetzende Einwilligung durch den Betreuer. Da Popp dieser Einwilligung für den Arzt oder sonstigen Dritten erst Außenwirksamkeit mit Einvernehmen bzw. damals vormundschaftsgerichtlicher Zustimmung zuerkennt, stelle diese „vormundschaftsgerichtliche [. . .] Lösung“ die einzige Möglichkeit einer Legitimation durch den Patientenwillen dar.122 Für den Betreuer existiere hingegen eine „Zweispurigkeit“ der Legitimation derart, dass der Patientenwille selbst unmittelbar zur Legitimation herangezogen werden kann, wenn der Betreuer zwar auf das Verfahren verzichtet und damit eine Fehleinschätzung des Patientenwillens riskiert, sich diese Gefahr der Fehleinschätzung

116

Hörr, S. 201. Siehe dazu bereits unter C. II. 1. b) bb) und 2. 118 Hörr, S. 364 ff. 119 Vgl. zum Ausscheiden eines Vorsatzdelikts die hier erfolgte Fallgruppenbetrachtung unter C. II. 120 Dadurch argumentiert Popp ZStW 118 (2006), 639 (643 ff.) auch noch auf Grundlage der Tatbestandslösung. 121 Vgl. sog. Lübecker Entscheidung des 12. Zivilsenats, BGHZ 154, 205 (227). 122 Popp ZStW 118 (2006), 639 (679). 117

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

letztlich aber nicht realisiert.123 Popp begründet diesen möglichen direkten Rückgriff auf den Patientenwillen für den Betreuer damit, dass Zweck des Verfahrens die Entlastung der Beteiligten sei,124 insofern sollen sie nicht durch die Möglichkeit einer Legalisierung durch das Verfahren benachteiligt werden; wieso dies aber anscheinend nur für den Betreuer und nicht für den im Rahmen eines Einvernehmens in den Entscheidungsprozess einbezogenen Arzt gelten soll, ist nicht ersichtlich. Allein der Hinweis auf § 1902 BGB,125 der dem Betreuer die Vertretung des Patienten überträgt, vermag diese Differenzierung nicht zu tragen.

III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB Die Wirkung der in der Literatur vorgetragenen, in ganz verschiedene Richtungen weisenden Argumente hängt insbesondere davon ab, wie die Rechtfertigung durch den in einer Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachten Patientenwillen dogmatisch konstruiert wird. Handelte es sich bei den §§ 1901a ff. BGB um die Normierung einer eigenständigen Rechtfertigung sui generis126, wären die darin enthaltenen Verfahrensvorgaben zwingende, je nach Ausgestaltung der Rechtfertigung auch hinreichende Voraussetzungen dieser Rechtfertigung. Die Frage nach der Akzessorietät des Strafrechts zu den betreuungsrechtlichen Regelungen betreffend die Patientenverfügung konzentrierte sich in diesem Fall darauf, ob solch eine spezielle Rechtfertigung den Rückgriff auf eine herkömmliche Einwilligungsform zuließe. Stellte die Rechtfertigung durch eine Patientenverfügung allerdings von vornherein eine im Strafrecht allgemein anerkannte, wenn auch leicht abgewandelte Einwilligungsform dar, so wäre Ausgangspunkt für die Legitimation mit den „klassischen“ Einwilligungsformen ein strafrechtsautonomer. Die Frage nach der Akzessorietät des Strafrechts zu den Verfahrensvorgaben der §§ 1901a ff. BGB stellte sich mithin bei dieser dogmatischen Konstruktion bei der Betrachtung, inwieweit sich die betreuungsrechtlichen Regelungen konkretisierend auf die strafrechtsautonomen „herkömmlichen“ Einwilligungsformen auswirken. Diese Konkretisierung gegenüber einer herkömmlichen Einwilligung fußte darauf, dass die betreuungsrechtlichen Regelungen speziell auf die Situation einer vor Verlust der Einwilligungsfähigkeit verfassten und damit teilweise in weitem zeitlichen Abstand und ohne unmittelbaren Kontakt zwischen Arzt und Patienten zu Stande gekommenen Einwilligung oder ihrer Verweigerung zugeschnitten sind.

123

Popp ZStW 118 (2006), 639 (678). Popp ZStW 118 (2006), 639 (678). 125 So bei Popp ZStW 118 (2006), 639 (679). 126 Ausdrücklich dagegen Arzt in GS Wolf, S. 609 (615): „Ich vermisse die klare Aussage, dass das BGB keinen Rechtfertigungsgrund für vorsätzliche Tötungen schaffen wollte“. 124

III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB

153

Unabhängig von der dogmatischen Konstruktion sind unterschiedliche Koppelungen der strafrechtlichen Bewertung an das Zivilrecht denkbar, die allesamt dem seit 2001 teilweise in Europa vorzufindenden Trend hin zu einer Prozeduralisierung der Sterbehilfe127 folgten: So könnte die Einhaltung der im Mittelpunkt der betreuungsrechtlichen Regelung stehenden Verfahrensvorgaben, die nach dem zivilrechtlichen Schutzkonzept die sorgfältige Ermittlung und Umsetzung des in der Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachten Patientenwillens sicherstellen, bereits hinreichende Voraussetzung für eine Rechtfertigung darstellen. Legte man den Schwerpunkt auf den Niederschlag des durch den Verzicht auf das betreuungsrechtlich angeordnete Verfahren erhöhten Risikos, dass der Patientenwille nicht sorgfältig genug ermittelt wird, im Erfolg, so begrenzte sich die Strafbarkeit auf die Fälle, in denen ein hypothetisch zu betrachtendes betreuungsrechtskonformes Verfahren zu einer anderen Auslegung und folglich einer entgegengesetzten Anwendung des Patientenwillens geführt hätte, als es tatsächlich geschehen ist. Schließlich könnte die Einhaltung der betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben auch bloß notwendige, nicht aber hinreichende Voraussetzung einer Rechtfertigung darstellen, wenn zusätzlich aus der von § 1901a Abs. 1 BGB geforderten Umsetzung „des Willen[s] des Betreuten“ das materielle Erfordernis der „richtigen“ Auslegung in dem Sinne gefolgert würde, dass die Auslegung durch die Beteiligten einer strafgerichtlichen ex post-Überprüfung standhalten muss, eine Rechtfertigung also nur bei formeller und materieller Betreuungsrechtskonformität griffe. Sollten all diese möglichen Ausgestaltungen einer Akzessorietät der strafrechtlichen Bewertung zu den §§ 1901a ff. BGB zu keinen befriedigenden Ergebnissen führen, ergäbe sich zwangsläufig eine strafrechtsautonome Lösung, die zwar im Rahmen einer Einwilligung die gleichen materiellen Anforderungen stellt wie das Betreuungsrecht, für die es aber angesichts der anerkannten Orientierung am Opferwillen im Rahmen der herkömmlichen Rechtfertigung durch Einwilligung keiner unmittelbaren Anbindung an die §§ 1901a ff. BGB bedarf. 1. Zivilrechtsakzessorische Rechtfertigung im Hinblick auf prozedurale Vorgaben der §§ 1901a ff. BGB Zunächst sei an dieser Stelle untersucht, ob die §§ 1901a ff. BGB für die Beteiligten eine prozedurale Legitimierung derart bereithalten, dass allein formell betreuungsrechtskonformes Verhalten eine hinreichende Voraussetzung für eine strafrechtliche Legitimierung des zur Umsetzung einer Patientenverfügung erforderlichen Verhaltens darstellt. Zwar handelt es sich dabei thematisch um eine ganz andere als die der Arbeit zu Grunde liegende Frage danach, ob die Einhaltung der betreuungsrechtlich geforderten Verfahrensschritte erforderlich ist, doch 127 NK3 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 Rn. 142 ff., insbesondere mit Hinweis auf die Rechtslage in den Niederlanden, Belgien und der Schweiz.

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

ist ihre Beantwortung auch für diese Frage elementar: Hielten die §§ 1901a ff. BGB eine Legitimierung durch Einhaltung der prozeduralen Vorgaben bereit und hätte sie zugleich abschließenden Charakter gegenüber sonstiger am Patientenwillen orientierter Rechtfertigung, wäre die Frage nach der Erforderlichkeit von formal betreuungsrechtskonformem Verhalten automatisch ebenfalls zu bejahen. Auf Grund der damit angenommenen Akzessorietät der strafrechtlichen Beurteilung zu den §§ 1901a ff. BGB wären die Beteiligten wegen Tötungs- bzw. Körperverletzungsdelikts zu bestrafen, selbst wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass ihr Verhalten dem in der Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachten Patientenwillen entsprach. Eine solche Lesart der §§ 1901a ff. BGB wird in der aktuellen Literatur nur vereinzelt diskutiert und stets abgelehnt,128 auch wenn die betreuungsrechtlichen Normen häufiger als „prozedurale“ Regelungen bezeichnet werden. a) Hintergründe einer Legitimierung durch Einhaltung von Verfahrensvorgaben Zwar ist es untypisch, bei Beurteilung der materiellen Strafbarkeit Verfahrensanforderungen anzulegen, eine Grundlage dafür findet sich aber im dem einfachen Recht und damit auch dem Strafrecht vorrangigen129 Verfassungsrecht. aa) Grundrechtstheoretischer Hintergrund: Grundrechtsschutz durch Verfahrensschutz Zwecks Effektivität des Grundrechtsschutzes wird die Verwirklichung und Sicherung von Grundrechten nicht nur über einen materiellen Schutz, sondern – letzteren flankierend – auch durch Organisation und Verfahren130 sichergestellt131. Nachdem das BVerfG diese Grundrechtsfunktion erstmals 1968 als „dem Grundrecht wesensmäßig zugehörige[n] Rechtsschutz [. . .]“ 132 erkannt hatte, setzte sie sich auch in der Wissenschaft nach und nach immer weiter 128 Ausführliche Auseinandersetzung aber bspw. bei Sternberg-Lieben in FS Roxin, S. 537 (548 ff.); weitere ablehnende Stimmen NK4 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 Rn. 133; MK-StGB2 /Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 129; Coeppicus NJW 2011, 2085 (2087); Engländer JZ 2011, 513 (519); Hirsch JR 2011, 37 (39); Ihrig DNotZ 2011, 583 (588); Rissing-van Saan ZIS 2011, 544 (548); Saliger in FS Hassemer, S. 599 (612 f.); Stoffers, S. 682; Stratenwerth in FS Hassemer, S. 639 (640); Verrel NStZ 2011, 276 (277). 129 Dazu bereits unter D. II. 2. 130 Näher zum Grundrechtsschutz durch Verfahren s. bspw. Amelung/Brauer JR 1985, 474 ff.; Lenz ZStW 106 (1994), 676 (680); Saliger KritV 1998, 118 (145 ff.). 131 Zum weiten Begriff des Verfahrens in dieser Terminologie Alexy, S. 431, der das Verfahren in diesem Sinne als „Systeme von Regeln und/oder Prinzipien zur Erzeugung eines Ergebnisses“ beschreibt, deren Einhaltung das so gewonnene Ergebnis „auf eine positive Weise aus[. . .]zeichnet“. 132 BVerfGE 24, 367 (401).

III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB

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durch,133 sodass Ansprüche des Einzelnen gegen den Staat darauf, dass bestimmte Grundrechte durch Verfahren näher ausgestaltet und geschützt werden,134 heute allgemein anerkannt sind. Das Bedürfnis nach einem solchen prozeduralen Schutz besteht dort, wo der materiellen Schutzfunktion sonst nur unzureichend genügt werden kann,135 etwa weil das entsprechende Grundrecht normativ zu unbestimmt ist, um für sämtliches hoheitliches Handeln die genauen materiellen Voraussetzungen zu regeln.136 Außerdem kann sich ein „materielle[s] Schutzdefizit“ 137 daraus ergeben, dass bei Umsetzung des materiellen Grundrechtsgehalts die Beantwortung von komplexen Fragen erforderlich ist, die der Kommunikation im Rahmen eines rechtsförmigen Verfahrens bedürfen,138 oder eine materielle Entscheidung erst zu einem zu späten Zeitpunkt, nämlich nach irreversibler Grundrechtsverletzung, möglich wäre.139 In all diesen Fällen kann ein effektiver Grundrechtsschutz auf rein materiellem Weg nicht erreicht werden, sodass ein Ausweichen auf den prozeduralen Schutz unerlässlich erscheint.140 Im Fall der Umsetzung einer Patientenverfügung sind die beiden letztgenannten Fallgruppen einschlägig, sodass auch der Rechtsausschuss bei Schaffung der §§ 1901a ff. BGB ausdrücklich einen Grundrechtsschutz durch Verfahren intendierte.141 Zum einen ist der primär im medizinischen Bereich ausgebildete142 behandelnde Arzt insbesondere bei Erstkontakt zum Patienten143 kaum in der Lage, 133 Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (104): „stürmische Karriere“, dessen „Siegeszug [. . .] unvermindert“ anhielte; er verweist beispielhaft auf Häberle VVDStRL 30 (1972), 43 (86 ff.); Hesse EuGRZ 1978, 427 (434 f.) formuliert, dass „sich Organisation oder Verfahren oft als – möglicherweise sogar einzige – Mittel [erweisen], ein grundrechtsgemäßes Ergebnis herbeizuführen und damit Grundrechte auch angesichts [der] modernen Problematik wirksam zu sichern“. 134 Huber, S. 65 ff.; Ossenbühl in FS Eichenberger, S. 183 ff.; Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (103). 135 Zu den folgenden Fallgruppen s. Saliger ARSP-Beiheft 75, 105 f.; ders. FS Hassemer, S. 599 (605) mit Verweis auf BVerfGE 33, 303 (341); 53, 30 (76 f.); 90, 60 (96); Goerlich, S. 58 ff.; R. Hoffmann, S. 44 f., 50 f. 136 BVerfGE 33, 303 (341); 53, 30 (75); 90, 60 (96); Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (105): normatives Regelungsdefizit. 137 Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (105). 138 BVerfGE 53, 30 (76 f.); Fröhler in FS Ule, S. 55 (64 ff.); Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (105): kognitives Regelungsdefizit. 139 BVerfGE 90, 60 (96); Goerlich, S. 58 ff.; Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (105): zeitliches Regelungsdefizit. 140 BVerfGE 33, 303 (341); 53, 30 (64 f., 75, 77 ff., 94 f.); 84, 59 (73); BVerfGE 90, 60 (96); Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (106). 141 BT-Drs. 16/11493, S. 10. 142 Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (140) hält die Ärzteschaft für „zu wenig sensibilisiert“ bezüglich Fragen des Behandlungsabbruchs; dazu bereits Uhlenbruck ZRP 1986,

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

sich bei Ermittlung des mutmaßlichen Willens ausführlich mit den Wertvorstellungen des Patienten auseinanderzusetzen oder einen Widerruf einer Patientenverfügung sicher auszuschließen, nicht zuletzt angesichts des unter Umständen immensen Zeitaufwands. Der Patientenvertreter steht demgegenüber entweder als Bevollmächtigter ohnehin regelmäßig in einem persönlichen Näheverhältnis zu dem Patienten oder ist als Betreuer zumindest bei älteren Patienten regelmäßig schon zuvor in Kontakt zu dem Patienten getreten und verfügt daher bereits über gewisse Vorkenntnisse, die ihm eine Entscheidung bei der Umsetzung einer Patientenverfügung erleichtern. Folglich erhöht die Beteiligung des Patientenvertreters neben dem Arzt in der Regel die Erkenntnismöglichkeiten bei der Umsetzungsentscheidung. Zum anderen ist eine materielle Entscheidung zum Zeitpunkt der Umsetzungsentscheidung erschwert – bezüglich der Verfügungen und Äußerungen des Patienten vor Eintritt der Einwilligungsunfähigkeit kann dieser auf Grund seiner Einwilligungsunfähigkeit nicht mehr befragt werden, gleichzeitig stellen diese aber die entscheidenden Maßstäbe dar. Insofern sind die Auslegung und Interpretation sowie die Annahme bzw. Ablehnung eines Widerrufs immer mit gewissen Unsicherheiten behaftet. Auch eine gerichtliche Entscheidung kann den Patientenwillen nicht mit Sicherheit feststellen, die strafgerichtliche Prüfung nach der irreversiblen Grundrechtsverletzung bei Durchführung eines Behandlungsabbruchs kann aber immerhin die Vertretbarkeit der Umsetzungsentscheidung verbindlich überprüfen, sodass Handlungssicherheit für die Beteiligten erst im Nachhinein festgestellt würde. Neben der zentralen „Rechtsverwirklichungs- bzw. -erzeugungsfunktion“ 144 des prozeduralen Grundrechtsschutzes weist das zur Effektivität des materiellen Grundrechtsschutzes eingeführte Verfahren zwei weitere Funktionen auf, die mit sämtlichen rechtlich angeordneten Verfahren einhergehen: Die Formalisierung des Verfahrens führt dazu, dass der Prozess der Rechtsgewinnung rationalisiert und dadurch Rechtssicherheit hergestellt wird,145 und durch die etwaige Etablierung von Teilhaberechten der Betroffenen im Rahmen einer Kommunikation mit den Entscheidungsträgern steigt die Akzeptanz der letztlich getroffenen Entscheidung und damit deren Legitimität146. Nicht nur die letztgenannte, sondern alle drei Funktionen begründen „je für sich originäre prozedurale Legitimationsleis209 (210 ff.); allerdings dürfte sich die Lage inzwischen angesichts der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Diskussionen um die Sterbehilfe gebessert haben. 143 Zu dieser Problemlage bereits oben unter C. I. 2. 144 Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (105); vgl. auch ders. in FS Hassemer, S. 599 (605). 145 Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (105): „Rechtssicherheitsfunktion“; vgl. auch ders. in FS Hassemer, S. 599 (605). 146 Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (105): „Legitimationsfunktion“; vgl. auch ders. in FS Hassemer, S. 599 (605 f.).

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tungen“ 147; es verwundert also nicht, dass der Grundrechtschutz durch Verfahren als Anknüpfungspunkt für „rechtssoziologisch/rechtstheoretische [. . .]“ und „moralphilosophisch/rechtsphilosophische [. . .]“ Prozeduralisierungsideen148 dient. bb) Prozeduralisierungstheorien der Rechtssoziologie und -philosophie (1) Prozeduralisierung unter rechtssoziologischer Perspektive In der rechtssoziologischen Theorie wird die Prozeduralisierung und die damit einhergehende Idee einer „neuartige[n] Richtigkeitsvorstellung positiven Rechts“ 149 als Chance zur Bewältigung der zunehmend komplexen Rechtsfragen begriffen, deren Regelung durch allgemeine Rechtssätze – „substantielles Recht“ – nicht mehr möglich erscheine.150 Diese Rücknahme staatlicher Steuerung ergibt sich nach dem rechtssoziologischen Modell als letzte von drei Stufen151: Während das Recht eines Rechtsstaats ursprünglich nur formal den groben Rahmen des Zusammenlebens vorgibt, indem es subjektive Handlungsfreiheiten verbietet (formales Recht als erste Stufe), wird es zugunsten sozialer Zwecke152 zunehmend ergänzt (materielles Recht als zweite Stufe), bis diese materiellen Ergänzungen sich schließlich zu einem Regelungsübermaß verdichten und so letztlich zu „Ineffizienz, Vollzugsdefizite[n], Systemdestabilisierungen [. . .] und Freiheitseinschränkungen“ führen.153 Die Lösung dieses Dilemmas wird in der Einführung eines prozeduralen, bzw. in der Terminologie von Teubner/Willke reflexiven Rechts als dritter Stufe der Rechtsentwicklung gesehen: Es sei ein selbst lernendes Recht154 in dem Sinne zu schaffen, dass Regelungsinhalte sich als „Folge (nicht als Prämisse) von Problembewältigungen“ ergeben155 und die Rechtsregeln sich demzufolge statt mit dem materiellen Gehalt eines Grundrechts reflexiv156 mit den „Bedingungen der Möglichkeit [. . .] solcher [materiellen] Gewährleistungen und Gewährungen“ auseinandersetzen.157 Der Gesetzgeber habe 147

Saliger in FS Hassemer, S. 599 (606). Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (106). 149 Wiethölter in Brüggemeier/Joerges (Hrsg.), Workshop zu Konzepten des postinterventionistischen Rechts, ZERP Mat 4, 1984, 25 (61). 150 Ladeur ZfRsoz 7 (1986), 265 (269). 151 Zum „Drei-Stufen-Modell der modernen Rechtsentwicklung“ vgl. Saliger ARSPBeiheft 75, 101 (108 f.). 152 Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (108 f.) konkretisiert: „[D]as materiale Recht [. . .] [verfolgt] als Recht des Sozialstaats, des Wohlfahrtstaates bzw. der Arbeitsgesellschaft [. . .] direkt politische Zweckprogramme“. 153 Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (109). 154 Ladeur ZfRsoz 7 (1986), 265 (269): „Selbsttranszendierung des Rechts“. 155 Wiethölter JbfRsozRth 8 (1982), 38 (43). 156 Teubner ARSP 68 (1982), 13 (17): „,reflexive‘ Orientierung des Rechts“. 157 Wiethölter JbfRsozRth 8 (1982), 38 (43). 148

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eine „rechtliche Selbst-Beschränkung“ 158 auf die indirekte Steuerung der Entscheidungsprozesse vorzunehmen, indem er zwar die prozeduralen Entscheidungsstrukturen vorgibt, nicht aber deren inhaltliche Programmierung, die sich vielmehr autonom aus der regulierten Entscheidungsfindung zu ergeben habe.159 In den Prozess der Entscheidungsfindung, der den „Regeln argumentativer Auseinandersetzung“ folge,160 seien die Beteiligten einzubinden,161 sodass zum einen das Rechtssystem näheren Bezug zu der tatsächlichen Lebenswelt erhält, zum anderen die Autorität das Staates in einer „Streitgesellschaft“ 162 neu gegründet wird. Insgesamt ergäbe sich dadurch bei der Prozeduralisierung des Rechts ein Modell, nach dem das „Recht als Konfliktlösung“ 163 angesehen wird, wobei die normativen Auseinandersetzungen im Sinne eines Diskurses als für die Reproduktion des Rechts konstitutiv angesehen werden und daher diese einer institutionalisierenden rechtlichen Regelung bedürften. Mit der Prozeduralisierung unter rechtssoziologisch-rechtstheoretischer Sicht haben sich insbesondere Wiethölter164, Teubner/Willke165, Ladeur166 und Eder167 vertieft auseinandergesetzt, wobei deren Untersuchungen168 zwar in ihrer Schwerpunktsetzung differieren, letztlich aber ihre Zielsetzung gemein haben, die klassische Steuerungsfunktion des Rechts mittels Ge- und Verboten durch „die Förderung der Problemlösungskapazitäten der gesellschaftlichen Teilbereiche selbst“ zu ersetzen.169 So beschreibt denn auch Saliger prozedurales Recht 158

Teubner ARSP 68 (1982), 13 (48). Teubner ARSP 68 (1982), 13 (48). 160 Eder ZfRsoz 7 (1986), 1 (27). 161 Eder in Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 155 (157) fordert für die Akteure „Interventionschancen in laufende Diskussions- und Entscheidungsprozesse“. 162 Eder in Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 155 (168, 170). 163 Eder in Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 155 (172). 164 Wiethölter JbfRsozRth 8 (1982), 38 (42 f.), allerdings nur in Bezug auf Privatund Verwaltungsrecht; ders. in Brüggemeier/Joerges (Hrsg.), Workshop zu Konzepten des postinterventionistischen Rechts, ZERP Mat 4, 1984, 25 ff. 165 Teubner ARSP 68 (1982), 13 ff.; ders./Willke ZfRsoz 6 (1984), 4 ff.; ders. in Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 115 ff. 166 Ladeur ZfRsoz 7 (1986), 265 ff.; ders. KJ 1994, 42 ff.; ders. in Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 187 ff.; ders. Postmoderne Rechtstheorie2; zu den unterschiedlichen Konzepten von Teubner/Wilke und Ladeur vor dem Hintergrund von Luhmanns Thesen s. Maus KJ 1986, 390 ff. 167 Eder in Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, S. 155 ff.; ders. ZfRsoz 7 (1986), 1 ff.; ders. ZfRsoz 8 (1987), 193 ff. 168 Vertiefende und differenzierte Darstellung der einzelnen Ansichten bei Eicker, S. 86 ff. 169 Eicker, S. 105. 159

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nach diesen Prozeduralisierungstheorien als das „Recht des offenen Verfassungsstaates bzw. der pluralistischen Kommunikationsgesellschaft [. . .], das sich in primär reflexiver Orientierung auf die indirekten und lernfähigen und insoweit abstrakteren Steuerungsformen von Organisation und Verfahren zurückzieht“.170 Die Umsetzung der Patientenverfügung nach §§ 1901a ff. BGB lässt eine Nähe zu diesem rechtssoziologischen Konzept nur bedingt erkennen: Schon die Ausgangslage für das etwaige Bedürfnis nach einer prozeduralen Regelung besteht auf dem Gebiet der Sterbehilfe durch Behandlungsabbruch nicht in einem Regelungsübermaß; stattdessen fehlte eine ausdrückliche rechtlich bindende Regelung zur Umsetzung einer Patientenverfügung bis zum 3. BtÄndG ganz, da sich die 1992 eingeführte rechtliche Regelung der Patientenverfügung darauf beschränkte, die Ablieferung der Patientenverfügung beim Vormundschaftsgericht anzuordnen, und das Strafrecht selbst – wie auch heute noch – nur eine Regelung der gegebenenfalls einschlägigen herkömmlichen Tötungs- und Körperverletzungsdelikte bereithielt. Die rechtliche Lage standdaher eher als Regelungsuntermaß in der Kritik.171 Folglich bestand auf diesem Gebiet nach dem 3-Stufen-Modell der Rechtsentwicklung eigentlich kein Anlass zum Wechsel von der zweiten Stufe (materielles Recht) zur dritten (prozedurales Recht). Freilich ist das 3-Stufen-Modell aber wohl nicht als derart bindend zu verstehen, dass das Regelungsübermaß tatsächlich bestanden haben muss, damit ein Stufenwechsel angezeigt erscheint. Stattdessen dürfte es bereits ausreichend sein, wenn der derzeitige materielle Stand nur einen unbefriedigenden Rechtsschutz bietet, eine hypothetische Optimierung auf materieller Ebene aber zu einem Regelungsübermaß führen würde – so insbesondere möglicherweise bezüglich der Umsetzung einer Patientenverfügung vor dem 3. BtÄndG: Indem Auslegung und Interpretation einer Patientenverfügung mit den dargestellten Unsicherheiten belastet sind, könnte es für die Erhöhung des Schutzniveaus allein auf materieller Ebene als erforderlich erachtet werden, beispielsweise einen gesetzlichen Katalog von in einer Patientenverfügung zulässigen Anordnungen zu erstellen, deren Bedeutung und Reichweite dann gesetzlich festgeschrieben wäre. Ein solcher abgeschlossener Katalog könnte aber weder der Vielzahl an möglichen Krankheiten und an möglichen medizinisch indizierten Maßnahmen noch dem freiheitlichen Charakter des zu schützenden Selbstbestimmungsrechts gerecht werden – das als Gefahr des materiellen Rechts eingeordnete Regelungsübermaß wäre demnach gegeben und damit der Wechsel zu einer prozeduralen Regelung angezeigt. Außerdem geht das 3-Stufen-Modell der Rechtsentwicklung aber von einer Ersetzung der materiellen durch prozedurale Vorgaben aus unter Verzicht auf in170

Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (109). Ausdrücklich ein Tätigwerden des Gesetzgebers fordern etwa Alberts NJW 1999, 835 (836); Knieper NJW 1998, 2720 (2721); Kutzer MedR 2001, 77 (79); Schlund JR 2000, 65. 171

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haltliche Beeinflussung der Entscheidungsfindung, während die §§ 1901a ff. BGB auf Grund des wiederholten Abstellens auf den Patientenwillen als einem materiellen Kriterium dem Wortlaut nach die Einhaltung der prozeduralen Vorgaben eventuell gar nicht als hinreichend erachten – eine solche Ergänzung der materiellen um prozedurale Vorgaben stellte, wenn schon keine Prozeduralisierung nach rechtssoziologischem Modell, so doch einen diesem zu Grunde liegenden Grundrechtsschutz durch Verfahren dar. Auf Grund der nach rechtssoziologischem Modell anvisierten Ersetzung der materiellen Kriterien für die Entscheidungsfindung bedürften die prozeduralen Vorgaben überdies einer gewissen Qualität, die eine richtige Entscheidungsfindung überhaupt gewährleisten – ob dies allein durch eine als solche ungeregelte Prüfung des Patientenwillens seitens der Beteiligten und das Bemühen um einen Konsens sicher gestellt wird, erscheint angesichts der nicht bestehenden bundesrechtlichen Dokumentationspflichten172 in Zusammenschau mit der ggf. bestehenden Befangenheit der Entscheidungsträger zweifelhaft: Bei der Person des Arztes erscheint es möglich, dass er einem Druck zur Gewinnmaximierung unterliegt und deshalb bei einem gesetzlich versicherten Patienten geneigt sein könnte, im Zweifel das Unterlassen von lebensverlängernden Maßnahmen zu wählen, bei Privatpatienten hingegen den Gewinn für den Klinikträger durch eine möglichst lange Behandlung zu steigern versucht.173 Darüber hinaus ist der Arzt unter Umständen in seiner Entscheidung dadurch beeinflusst, dass er zur Vermittlung von Patienten von dem Pflegeheim des Patienten abhängig ist und diese Zusammenarbeit nicht gefährden will,174 bei dem Heim wiederum besteht angesichts der geringeren Pflege- und damit Kostenintensität eines komatösen Patienten, dessen Kosten für den Pflegeplatz nicht an den tatsächlichen Aufwand angepasst werden, ein finanzielles Interesse an der Lebensverlängerung.175 Schließlich besteht seitens der Ärzte unter Umständen eine „emotionale Ablehnung, Menschen sterben zu lassen“ solange medizinische Hilfe möglich ist.176 Auf Seiten des Patientenvertreters, der als Betreuer nach gesetzlicher Präferenz (§ 1897 Abs. 4 BGB) und als Bevollmächtigter nach der vom Patienten getroffenen Wahl in der Regel in einem persönlichen Näheverhältnis zu dem Patienten steht, kann eine objektive Beurteilung durch 172 Kritik am Verzicht auf eine betreuungsgerichtliche Kontrolle bei Konsens von Arzt und Patientenvertreter ohne Kompensation durch bestimmte Dokumentationspflichten üben Schöch/Verrel GA 2005, 553 (571), die im Sterbebegleitungsgesetz des AE-StGB 2005 daher bußgeldbewehrte Dokumentationspflichten installieren wollen. Der Gesetzgeber verwies in der Gesetzesbegründung lediglich auf die nach ärztlichem Berufsrecht bestehende allgemeine Dokumentationspflicht gem. § 10 der Musterberufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte, vgl. BT-Drs. 16/8442, S. 19. 173 Spickhoff FamRZ 2009, 1949 (1957). 174 Putz/Steldinger5, S. 73. 175 Putz/Steldinger5, S. 15. 176 Putz/Steldinger5, S. 131; vgl. dazu insbesondere auch den sich gegen (aktive) Sterbehilfe wendenden hippokratischen Eid, dazu Ulsenheimer in FS Eser, S. 1225 (1238 f.).

III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB

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Eigeninteressen gefährdet werden,177 die sich zum einen durch Verlustängste o. ä. zugunsten einer Lebensverlängerung178, zum anderen durch das Streben nach einem Erhalt der Erbmasse zugunsten eines Behandlungsabbruchs auswirken können. Angesichts dieser Missbrauchsgefahren wird eine richtige Entscheidung allein durch die äußere Einhaltung der Verfahrensschritte (Prüfung der Patientenverfügung, Konsensgespräch) wohl nicht sicher gewährleistet. Zudem hat der Gesetzgeber den Konflikt der widerstreitenden Interessen im Fall eines Behandlungsabbruchs außerhalb einer aktiven Sterbehilfe mit den §§ 1901a ff. BGB bereits zu Gunsten des Selbstbestimmungsrechts des Patienten entschieden. Insofern ist die Entscheidung derart inhaltlich beeinflusst, dass es nicht um die Konfliktlösung widerstreitender Interessen und damit nicht um das bessere „Streiten“ in diesem Konflikt geht, sondern lediglich um die Auslegung und Anwendung des Patientenwillens durch Patientenvertreter und Arzt sowie ggf. Betreuungsgericht, bei der persönliche Ansichten der Beteiligten – anders wohl als nach der von der Rechtssoziologie angesteuerten „Streitgesellschaft“ – keine Rolle spielen. Folglich stimmen die in §§ 1901a ff. BGB getroffenen Regelungen selbst dann nicht mit der Prozeduralisierungstheorie der Rechtssoziologie überein, wenn die Einhaltung der prozeduralen Anforderungen als hinreichend für eine Rechtfertigung eingeordnet würde, sodass die Prozeduralisierungstheorie der rechtssoziologischen Rechtstheorie mangels Parallelität keine Folgerungen für die betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben zulässt. (2) Prozeduralisierung unter rechtsphilosophischer Perspektive Moral- und rechtsphilosophisch lässt sich der Gedanke eines Grundrechtsschutzes durch Verfahren mit prozeduralen Gerechtigkeitstheorien, insbesondere der Diskurstheorie, verknüpfen.179 Im Zusammenhang mit der Diskussion um eine prozedurale Rechtfertigung wird dabei, beispielsweise von Saliger180 und Popp181, die Diskursethik Habermas’ ins Zentrum der Betrachtung gestellt, da diese sogar ausdrücklich auf ein „prozeduralistisches“ Rechtsparadigma Bezug 177 Fröschle JZ 2000, 72 (74) weist allerdings auch darauf hin, dass zumindest die Betreuerbestellung bei massiven Eigeninteressen nach § 1897 Abs. 5 BGB zu unterbleiben habe bzw. ein Entzug der Vertretungsmacht für diese Angelegenheiten gem. §§ 1908i Abs. 1 S. 1, 1796 BGB angezeigt erscheine. Jedenfalls für einen Bevollmächtigten greifen diese Einschränkungen jedoch nicht. 178 Nach Putz/Steldinger5, S. 78 sind die Angehörigen unter Umständen unfähig, zugunsten eines Behandlungsabbruchs zu entscheiden, wenn sie emotional nicht „loslassen“ können. 179 Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (112 f.). 180 Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (112 f.). 181 Popp ZStW 118 (2006), 639 (666).

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nimmt182 und den Grundrechtsschutz durch Verfahren ausdrücklich als „verfassungsrechtlichen Schlüsselbegriff“ bezeichnet183, wenngleich Habermas vornehmlich die Begründung von Recht thematisiert und die hier interessierende Anwendung184 von Recht nur ansatzweise behandelt. Habermas185, dessen Prozeduralisierungsidee der Frankfurter Schule zugerechnet wird186, führt unparteiliche Regeln des Zusammenlebens und damit Gerechtigkeit auf den vorangegangenen Argumentationsprozess zurück, sodass es für die Gültigkeit einer Norm deren Akzeptanz in einem freien, fairen und rationalen Diskurs187 aller188 potentiell Betroffenen bedarf: „Der Diskursethik zufolge darf eine Norm nur dann Geltung beanspruchen, wenn alle von ihr möglicherweise Betroffenen als Teilnehmer eines praktischen Diskurses Einverständnis darüber erzielen (bzw. erzielen würden), daß diese Norm gilt.“ 189 Kann der Betroffene selbst nicht an dem realen190 Diskurs teilhaben, ist ein Ausgleich durch einen advokatorisch geführten Diskurs erforderlich.191 Gleichzeitig erkennt Habermas aber auch, zumindest in der Modifikation der Konsensustheorie192, dass

182 Habermas Faktizität und Geltung4, S. 22, 468 ff., 493 ff., 516 ff.; s. dazu Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (113). 183 Habermas Faktizität und Geltung4, S. 303 mit Verweis auf Denninger, S. 162. 184 Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (144 f.) bezeichnet die Anwendung von prozeduralisiertem Recht in Anlehnung an Denninger in Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts V, § 113 Rn. 7 als „Ausübungskontrolle“, da die Ausübung eines Grundrechts im konkreten Fall voraussetzt, dass das rechtlich angeordnete Verfahren erfolgreich durchlaufen wurde. 185 Darstellung orientiert an Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (112 ff.). 186 So bspw. wohl Popp ZStW 118 (2006), 639 (666); Waschkuhn Kritische Theorie, S. 147 ff. 187 Habermas bezieht sich, anders als Rawls, folglich nur auf die intersubjektive Kommunikation, vgl. Habermas in ders. (Hrsg.), Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln, S. 53 (76). 188 In dieser Orientierung an der Akzeptanz durch alle Betroffenen erkennt Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (114) eine „dialogische Weiterentwicklung des kategorischen Imperativs von Kant“. 189 Habermas Diskursethik – Notizen zu einem Begründungsprogramm, in ders., Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln, S. 53 (76); ähnlich auch Habermas Faktizität und Geltung4, S. 138 f. 190 Habermas in ders. (Hrsg.), Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln, S. 53 (76). 191 Habermas in ders. (Hrsg.), Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln, S. 53 (104); ders. Erläuterungen zur Diskursethik4, S. 156. 192 Ursprünglich ging Habermas davon aus, dass der Diskurs in der idealen Sprechsituation im Sinne eines vollkommenen Verfahrens die Wahrheit hervorbringt, s. Habermas in FS W. Schulz, S. 211 (239 ff., 252 ff.); später distanzierte er sich von dem Begriff der idealen Sprechsituation aber zunehmend (Habermas in ders. (Hrsg.), Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln, S. 53 (97 ff.); ders. Faktizität und Geltung4, S. 47 ff.), bis er ihn schließlich aufgab, Habermas DZPhil 46 (1998), 179 (190); s. dazu Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (115 Fn. 85).

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durch die Entscheidungsfindung im Diskurs selbst bei hoher Qualität des einzelnen Diskurses nicht zwingend richtige Ergebnisse erzielt werden, sondern mangels einer unbedingten „,Wahrheitsfähigkeit‘ praktischer Fragen“ 193 nur rationale Ergebnisse gefördert werden können, es sich also um ein imperfektes194 Verfahren handelt.195 Angesichts der Tatsache, dass die verfahrensförmige Institutionalisierung196 des Diskurses diesen bereits unabhängig davon in zeitlicher, sozialer und sachlicher Hinsicht beschränken muss,197 sei die Imperfektheit des Verfahrens aber ohnehin vorgegeben.198 Habermas ordnet dieses prozeduralistische Rechtsparadigma als letzte Stufe der schon im Rahmen der rechtssoziologisch-rechtstheoretischen Betrachtung festgestellten 3-stufigen Rechtsentwicklung ein,199 die durch Institutionalisierung der Diskurse ihr Augenmerk nicht wie die vorangegangenen Rechtsparadigmen nur auf die private Autonomie richtet, sondern das Gleichgewicht zwischen privater und öffentlicher Autonomie der Bürger herstellt.200 Auch wenn Saliger zur alten Rechtslage anhand der Prozeduralisierungsidee Habermas’ das Bedürfnis nach einer prozeduralen Lösung der Sterbehilfe bejaht,201 sprechen ungefähr die gleichen Gründe wie bezüglich der rechtssoziologischen Modelle gegen eine direkte Übertragung der Diskursethik auf die §§ 1901a ff. BGB: Habermas formuliert als Diskursregel und damit als konstitu-

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Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (114). Damit nimmt Habermas Faktizität und Geltung4, S. 219 f. auf den Begriff der fast-reinen Verfahrensgerechtigkeit Rawls’ Bezug, s. Rawls, S. 229, 398 f. Anderheiden ARSP-Beiheft 75, 149 (156) weist darauf hin, dass im Bereich der Sterbehilfe „immer nur unvollkommene Verfahren“ und dadurch „immer auch nur unvollkommen gerechte Ergebnisse“ herbeigeführt werden können; da ein Strafprozess allerdings stets ein unvollkommenes Verfahren darstellt, worauf Anderheiden in dem Zusammenhang sogar selbst hinweist, kann dies als Argument gegen einen Grundrechtsschutz durch Verfahren nicht durchgreifen. 195 Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (115). 196 Die „Einbettung von Diskursen in Rechtsverfahren“ erfordert nach Habermas für eine „Verschränkung des institutionalisierenden Rechtsverfahrens mit einem Argumentationsprozeß“, dass die für Argumentation offenen Spielräume durch Verfahrensnormen definiert, geschützt und strukturiert werden, während sich die „Binnenstruktur“ des Diskurses einer rechtlichen Institutionalisierung entzieht, Habermas Faktizität und Geltung4, S. 219. Folglich regelt das Verfahrensrecht nach Habermas Faktizität und Geltung4, S. 288 „nicht die normativ-rechtliche Argumentation als solche, aber es sichert in zeitlicher, sozialer und sachlicher Hinsicht den institutionellen Rahmen für freigesetzte Kommunikationsabläufe, die der Logik von Anwendungsdiskursen gehorchen“. 197 Habermas Faktizität und Geltung4, S. 219. 198 Habermas Die Einbeziehung des Anderen, S. 343; dazu auch Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (115). 199 Wenngleich er die ersten Stufen davon abweichend als liberales (erste Stufe) und sozialstaatliches (zweite Stufe) Rechtsparadigma bezeichnet. 200 Habermas Faktizität und Geltung4, S. 499, 503, 515, 532 f. 201 Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (142 ff.). 194

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tive Verfahrensregel für den Universalisierungsgrundsatz,202 dass jeder jede Behauptung in den Diskurs einführen dürfe.203 Entgegen dieser Präsupposition eines rationalen Diskurses fordert das Betreuungsrecht lediglich die Auslegung und Anwendung der Patientenverfügung von Arzt und Patientenvertreter und nur im Sinne des darin zum Ausdruck kommenden Patientenwillens. Folglich ist der Diskurs zum einen auf wenige Personen beschränkt – zwar „soll“ nach § 1901b Abs. 2 BGB auch „nahen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen des Betreuten Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden“, doch sind diese Personen nicht annähernd mit den gleichen Rechten bezüglich der Ermittlung des Patientenwillens ausgestattet wie Arzt und Patientenvertreter, während die Diskursregeln Habermas’ von einer vollständigen Gleichstellung aller Diskursteilnehmer ausgehen204. Zum anderen ist nicht die Konfliktlösung widerstreitender Interessen Gegenstand des Verfahrens nach §§ 1901a ff. BGB, sondern die Ermittlung und Umsetzung des Patientenwillens, dessen inhaltlichen Vorrang gegenüber anderen betroffenen Rechtsgütern der Gesetzgeber bereits entschieden hat und auch, entgegen dem der Diskursethik zu Grunde liegenden Konzept eines sich selbst fortentwickelnden Rechts, im Verfahren nach §§ 1901a ff. BGB nicht zur Disposition stellt; von „freigesetzt[en] Kommunikationsabläufen“ 205 zwischen den Beteiligten kann also nicht gesprochen werden. Außerdem erscheint es fraglich, ob der für den rationalen Diskurs zu schaffende verfahrensrechtliche Rahmen durch die §§ 1901a ff. BGB gewährleistet wird: Soll die Wahrscheinlichkeit für eine rationale Entscheidung, in diesem Fall für die korrekte Umsetzung der Patientenverfügung, auf das höchstmögliche Maß gehoben werden, erfordert die verfahrensrechtliche Einbettung des Diskurses den sicheren Ausschluss von strategischem Handeln der Beteiligten.206 Angesichts der dargestellten erheblichen Missbrauchsgefahren bei Umsetzung der Patientenverfügung durch Arzt und Bevollmächtigten oder Betreuer vermag alleine eine als solche ungeregelte Prüfung des Patientenwillens und Herstellung eines diesbezüglichen Konsenses dies wohl nicht sicherzustellen. Neben der nach hier vertretener Ansicht nicht auf §§ 1901a ff. BGB anwendbaren Diskursethik Habermas’ sei noch der „rechtsfreie Raum“ Arthur Kauf202 Habermas in ders. (Hrsg.), Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln, S. 53 (75 f.): „So muß jede gültige Norm der Bedingung genügen, [. . .] daß die Folgen und Nebenwirkungen, die sich jeweils aus ihrer allgemeinen Befolgung für die Befriedigung der Interessen eines jeden Einzelnen (voraussichtlich) ergeben, von allen Betroffenen akzeptiert (und den Auswirkungen der bekannten alternativen Regelungsmöglichkeiten vorgezogen) werden können“. 203 Habermas in ders. (Hrsg.), Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln, S. 53 (99). 204 Habermas in ders. (Hrsg.), Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln, S. 53 (99). 205 Habermas Faktizität und Geltung4, S. 288. 206 Vgl. Habermas Vorstudien, S. 576.

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manns genannt, der von Hassemer in einen Zusammenhang mit der Prozeduralisierung gebracht wird: Der „rechtsfreie Raum“ ist dadurch gekennzeichnet, dass die Rechtsordnung die richtige Entscheidung nicht zu erkennen vermag und der Einzelne deshalb auf diesem Gebiet eigenverantwortlich eine Entscheidung über sein Handeln treffen soll, die dann durch die Rechtsordnung akzeptiert wird.207 Hassemer möchte den Raum für eine von der Rechtsordnung garantiert akzeptierte Entscheidung des Handelnden durch prozedurale Vorgaben näher präzisieren, diese prozedurale Flankierung des vom Gesetzgeber „straf(rechts)frei“ gehaltenen Raumes würde das Modell Kaufmanns nicht verfälschen.208 Demgegenüber lehnen Popp und Saliger einen solchen Zusammenhang zur prozeduralen Rechtfertigung, also zur prozeduralen Legitimierung auf Rechtswidrigkeitsebene, ab: Die Rechtfertigung eines Handelns bedeute „präferierendes Bewerten“, während im „rechtsfreien Raum“ Arth. Kaufmanns und auch bei der „reinen“ Verfahrensgerechtigkeit Luhmanns209 gerade auf eine Wertung verzichtet würde.210 Jedenfalls aber liegt, worauf Sternberg-Lieben treffend hinweist, in der den §§ 1901a ff. BGB zu Grunde liegenden Situation ohnehin keine Unentscheidbarkeit im Sinne eines „rechtsfreien Raumes“ vor, da nach der Grundrechtslage und entsprechend der gesetzgeberischen Entscheidung dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten der Vorzug zu geben ist.211 Zwar wird mangels einer situativen Entscheidung des Patienten und den damit einhergehenden Unsicherheiten bezüglich eines etwaigen Widerrufs der Patientenverfügung und bezüglich ihrer Auslegung in Bezug auf die konkrete Behandlungssituation eine absolute Sicherheit dahingehend, dass die Umsetzung der Patientenverfügung mit dem tatsächlichen Patientenwillen übereinstimmt, nie herzustellen sein, doch betrifft diese Unsicherheit die tatsächliche und nicht die rechtliche Ebene. Deshalb sind mit Sternberg-Lieben die letztgenannten Theorien für die §§ 1901a ff. BGB unbeachtlich unabhängig davon, ob sie grundsätzlich mit einer Prozeduralisierung kombinierbar sind. cc) Konsequenz für die folgende Betrachtung Insgesamt hat sich damit herausgestellt, dass ein (auch) prozeduraler Schutz des in der Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachten Patientenwillens im 207

Arth. Kaufmann in FS Maurach, S. 327 (330, 332, 341). Hassemer in FS Mahrenholz, S. 731 (740) mit Verweis auf die Äußerung Arth. Kaufmanns in FS Maurach, S. 327 (335 f.), dass der Gesetzgeber die Voraussetzungen für den Wegfall des Rechtswidrigkeitsurteils im Gesetz nennen solle. 209 Luhmann, S. 11 ff. 210 In Bezug auf den „rechtsfreien Raum“ Arth. Kaufmanns Popp ZStW 118 (2006), 639 (668 f.); bezüglich der „reinen“ Verfahrensgerechtigkeit Luhmanns s. Popp ZStW 118 (2006), 639 (664); Saliger in FS Hassemer, S. 599 (605); ders. in Bernat/Kröll (Hrsg.), Recht und Ethik der Arzneimittelforschung, S. 124 (164 Fn. 196); ders. ARSPBeiheft 75, S. 101 (120). 211 Sternberg-Lieben in FS Roxin, S. 537 (551). 208

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Sinne eines Grundrechtsschutzes durch Verfahren angezeigt erscheint, wodurch die Bedeutung der in §§ 1901a ff. BGB enthaltenen verfahrensrechtlichen Vorgaben aufgezeigt wird. Gleichwohl stimmt nach hier vertretener Ansicht die Regelung der §§ 1901a ff. BGB weder mit den dargestellten Prozeduralisierungsmodellen der Rechtssoziologie noch mit denen der Rechtsphilosophie überein. Im Folgenden bleibt aber zu untersuchen, ob die §§ 1901a ff. BGB trotzdem eine prozedurale Legitimierung im strafrechtlichen Sinn bereithalten, die nicht gezwungenermaßen im Detail mit den theoretischen Modellen zur Herstellung von Gerechtigkeit durch Prozeduralisierung übereinstimmen muss. Zwar findet die Idee einer Prozeduralisierung im Strafrecht letztlich in diesen Modellen insofern ihren Ursprung, als diese aufzeigen und begründen, dass auch bei einer gesetzgeberischen Selbstbeschränkung auf rein verfahrensrechtliche Regelungen Gerechtigkeit gesichert werden kann, doch folgt daraus nicht notwendig, dass der Gedanke einer Schaffung von Gerechtigkeit durch prozedurale Anforderungen nur über die speziellen, den Modellen zu Grunde liegenden Prozeduralisierungen funktioniert und sie daher in der Praxis unverändert umzusetzen sind. Stattdessen erscheint eine praxistaugliche Anpassung grundsätzlich zulässig, wie bereits der Gedanke Habermas’ aufzeigt, dass der Diskurs bei einer verfahrensförmigen Institutionalisierung zwingend auf ein imperfektes Verfahren zu beschränken sei.212 b) §§ 1901a ff. BGB als prozedurale Legitimierung? Angesichts der Irreversibilität einer Entscheidung zugunsten eines Behandlungsabbruchs kann die ex post-Perspektive des Strafrechts bezüglich Rechtsgüterschutz und Rechtssicherheit der Beteiligten in der Tat unbefriedigend wirken.213 Folglich wurde in der dem 3. BtÄndG vorangegangenen Debatte um eine gesetzliche Regelung der Sterbehilfe eine Prozeduralisierung in der Literatur des Öfteren thematisiert214 und teilweise auch deren Umsetzung gefordert;215 Arzt ordnete die „Bürokratisierung der Sterbehilfe“ gar als „unausweichlich“ 216 ein. Die letztlich Gesetz gewordene betreuungsrechtliche Regelung wird zwar als eine Verlagerung des Schutzes auf die Verfahrensebene wahrgenommen,217 je212 Habermas Die Einbeziehung des Anderen, S. 343; dazu auch Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (115). 213 Eicker, S. 206 f. 214 Drowatzky, S. 26 ff.; Lautenschläger, S. 21 ff.; Popp ZStW 2006, 239 ff.; Schöch/Verrel GA 2005, 553 (569). 215 Kämpfer, S. 404 f.; Saliger ARSP-Beiheft 75 (2000), S. 101 (142 f.); Tag, S. 331 f.; a. A. Ingelfinger, S. 325; Sternberg-Lieben in FS Lenckner, S. 349 (372 f. Fn. 107); Verrel 66. DJT, C 99. 216 Arzt in FS Schreiber, S. 583 (591) war dieser Entwicklung jedoch nicht durchweg positiv gesinnt, da er eine Prozeduralisierung der Sterbehilfe als Belastung der Beteiligten ohne nennenswerten Beitrag zum Schutz des Lebens einschätzt. 217 E. Albrecht/A. Albrecht Rn. 36: „Der Lebensschutz [. . .] wurde [. . .] vom materiellen in den formellen Bereich verschoben“.

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doch nur vereinzelt als Prozeduralisierung bezeichnet;218 die überwiegenden Stimmen, die sich überhaupt mit dieser Möglichkeit befassen, sind hingegen ablehnend.219 aa) Funktionsweise einer strafrechtlichen Rechtfertigung kraft Einhaltung der Verfahrensvorgaben Dabei ist eine prozedurale Legitimierung zwar untypisch für das Strafrecht, doch angesichts vereinzelter Umsetzungen der Prozeduralisierungsidee (§§ 218a Abs. 1, 219 StGB; §§ 3–5, 8 Abs. 3 S. 2 i.V. m. 19, 20 TPG; §§ 5–7 KastrG; §§ 96 Nr. 10, 11 und 97 Abs. 2 Nr. 9 i.V. m. § 40 AMG; §§ 324, 325 Abs. 1, 327 Abs. 1, 328 Abs. 1 StGB220) und des die Installation von prozeduralem Grundrechtsschutz in allen Rechtsgebieten grundsätzlich abdeckenden Einschätzungs-, Wertungs- und Beurteilungsspielraums des Gesetzgebers insbesondere bei der Erfüllung von Schutzpflichten221 lässt sich eine Einordnung der §§ 1901a ff. BGB als prozedurale Rechtfertigung nicht pauschal mit einem Hinweis auf die Prozeduralisierungsfeindlichkeit des Strafrechts ablehnen. Bevor letztere Behauptung näher untersucht wird, soll aber zunächst konkret herausgearbeitet werden, was genau unter prozeduraler Legitimierung im hier verwendeten Sinn allgemein und bezogen auf die §§ 1901a ff. BGB verstanden werden soll, denn Prozeduralität ist „ein wenig bestimmter Begriff“.222 (1) Enge vs. weite Auslegung der Prozeduralisierung Saliger definiert Prozeduralisierung223 als „die von der Einhaltung spezifischer Verfahren abhängende Straffreiheit entsprechender rechtsgutsverletzender bzw. -tangierender Handlungen“ 224. Mit anderen Worten muss der potentielle 218

Eicker, S. 214 ff.; Hörr, S. 198 ff. Nach Verrel NStZ 2011, 276 (277) kann allein die Einhaltung des Verfahrens nicht legitimationsbegründend wirken, vgl. auch ders. NStZ 2010, 671 (674); ders. NStZ 2003, 449 (452); ders. KritV 2001, 440 (451); ders. C 99. Ebenso ablehnend NKStGB4 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 Rn. 133; MK-StGB2 /Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 129; Coeppicus NJW 2011, 2085 (2087); Engländer JZ 2011, 513 (519); Hirsch JR 2011, 37 (39); Rissing-van Saan ZIS 2011, 544 (548); Saliger in FS Hassemer, S. 599 (612 f.); Stoffers, S. 682; Stratenwerth in FS Hassemer, S. 639 (640); wohl auch ablehnend Sch/Sch29 /Eser/Sternberg-Lieben Vor §§ 211 ff. Rn. 28g. 220 Dazu näher unter E. III. 1. b) cc). 221 Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (127 f.). 222 Stratenwerth in FS Hassemer, S. 639. 223 Ausführlich zur Prozeduralisierung im Strafrecht Eicker, Die Prozeduralisierung des Strafrechts, 2010. 224 Saliger KritV 1998, 118 (145); sehr ähnlich Sternberg-Lieben in FS Roxin, S. 537 (549): „die von der Einhaltung spezifischer Verhaltensnormen abhängende Straflosigkeit rechtsgutstangierender Handlungen“. 219

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Täter bestimmten Verfahrensanforderungen genügen, damit sein Verhalten trotz Rechtsgutsbezugs strafrechtlich nicht geahndet wird. Welche Anforderungen an die Verfahrensvorgaben zu stellen sind und ob bereits deren Einhaltung als solche für die Straffreiheit ausreichen soll, ist davon abhängig, welches Maß an Prozeduralisierung zur Legitimation gefordert wird: Zum einen kommt eine enge Auslegung in dem Sinne in Betracht, dass nur diskursive Verfahren225 und nicht jegliche Einhaltung formaler Erfordernisse226 als Prozeduralisierung eingeordnet werden. Begründet wird diese Beschränkung damit, dass sich aus der Durchführung eines diskursiven Verfahrens eine höhere Legalisierungswirkung ergibt, als wenn beispielsweise nur reine Formerfordernisse erfüllt werden227 – umgekehrt weicht eine prozedural rechtswidrige Handlung im Sinne des Verstoßes gegen das vorgeschriebene diskursive Verfahren bezüglich des verwirklichten Unrechts auch weniger von dem durch eine materiell rechtswidrige Handlung verwirklichten Unrecht ab228 als eine formal rechtswidrige Handlung.229 Da die §§ 1901a ff. BGB eine konsensuale Entscheidung zwischen mehreren Beteiligten fordern, versperrt auch eine in diesem Sinn enge Auslegung nicht die Annahme einer prozeduralen Rechtfertigung. Zum anderen weist Stratenwerth darauf hin, dass Prozeduralisierung in dem Sinne weit verstanden werden kann, dass die Geltung einer rechtlichen Feststellung allein durch Einhaltung eines bestimmten Verfahrens anerkannt wird, beispielsweise wäre jeder durch Prozessordnung geregelte Abschluss davon erfasst.230 Als Gründe für die Installation einer solchen Prozeduralisierung führt er Ungewissheit über die „wirkliche“ Sachlage oder besonders heikle Eingriffe in persönliche Rechtsgüter an.231 Unter Anwendung dieses weiten Verständnisses wäre bereits jegliche Ergänzung des materiellen Rechts um (zwingend) einzuhaltende Prozeduren als Prozeduralisierung zu titulieren.232 Demgegenüber forderte ein enges Verständnis die zumindest teilweise Ersetzung der materiellen Regelung233 durch die prozeduralen Vorgaben, die darauf beruht, dass eine rein

225 Lenz ZStW 106 (1994), 676 (680); Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (127); ders. in Bernat/Kröll (Hrsg.), Recht und Ethik der Arzneimittelforschung, S. 125 (166 Fn. 205); ders. in FS Hassemer, S. 599 (603). 226 So aber SK-StGB6 /Günther Vor § 32 Rn. 78; Amelung/Brauer JR 1985, 474; Hassemer in FS Mahrenholz, S. 731 (744); Popp ZStW 118 (2006), 639 (665). 227 Saliger in FS Hassemer, S. 599 (603). 228 Saliger in FS Hassemer, S. 599 (603). 229 Günther JR 1985, 268 (270); Kern ZStW 64 (1952), 255 (264 ff.); Noll ZStW 77 (1965), 1 (18). 230 Stratenwerth in FS Hassemer, S. 639. 231 Stratenwerth in FS Hassemer, S. 639 f. 232 Stratenwerth in FS Hassemer, S. 639 (640). 233 Stratenwerth in FS Hassemer, S. 639 (640).

III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB

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materielle Regelung auf Grund ihrer Unflexibilität zumindest unsachgemäß erschiene.234 Bei der an dieser Stelle betrachteten rein prozeduralen Legitimierung wären materielle vollständig durch prozedurale Vorgaben ersetzt, sodass auch bezüglich dieser Differenzierung ein enges Verständnis der Prozeduralisierung angezeigt erscheint. In diesem Sinne ist prozedurale Legitimierung mit Sternberg-Lieben als die „Ersetzung inhaltlicher Entscheidungskriterien durch das bloße Einhalten eines bestimmten Verfahrens, das Grundrechtsschutz durch Verfahrensgestaltung sichern soll“ 235, zu verstehen. Ganz ähnlich stellte auch schon Hassemer, der sich 1994 als Erster systematisch mit der prozeduralen Rechtfertigung auseinandersetzte,236 deren Eigenschaften fest: „Trotz der Defizite an konstitutivem Wissen wird auf das Vorhaben nicht verzichtet; die Suche nach Wahrheit oder Gerechtigkeit wird durch Prozeduren gesichert; jegliches prozedural ordentlich erlangte Ergebnis wird akzeptiert.“ 237 Letztlich handelt es sich demnach bei jedem Strafverfahren um eine Prozeduralisierung, schließlich stellt der dem abschließenden Urteil zu Grunde gelegte Sachverhalt nur das im Strafprozess ordentlich erlangte Ergebnis dar. Ob dieses Ergebnis mit dem wahren Sachverhalt deckungsgleich ist, lässt sich im Nachhinein nie mit absoluter Sicherheit sagen; insofern wird die Wahrheit des Sachverhalts im Grunde genommen nur unwiderleglich vermutet. (2) Straftatsystematische Einordnung der Legitimation durch Verfahren Die Idee einer prozeduralen Legitimierung ist zwar in der Literatur überwiegend auf Zustimmung gestoßen, wurde aber nicht nur im Hinblick auf ihre Reichweite, sondern auch bezüglich der straftatsystematischen Einordnung unterschiedlich interpretiert238: Während teilweise, an die Position Hassemers anknüpfend, die ausdrückliche Einordnung als Rechtfertigungsgrund erfolgt239, findet sich unpräziser auch die Umschreibung als „prozedurale Legalisierung“ 240. Auch hinsichtlich der einzelnen prozeduralen Vorgaben des geltenden Rechts241 ist die

234 Stratenwerth in FS Hassemer, S. 639 (641) weist an dieser Stelle darauf hin, dass bspw. eine fachkundige oder ethische Bewertung erforderlich sei. Zu der zu Grunde liegenden sog. „Steuerungskrise des Rechts“ ausführlich Calliess, S. 73 ff. 235 Sternberg-Lieben in FS Eser, S. 1185 (1200). 236 Saliger in FS Hassemer, S. 599; ders. KritV 1998, 118 (145 Fn. 170). 237 Hassemer in FS Mahrenholz, S. 731 (749). 238 Saliger in FS Hassemer, S. 599 (600). 239 Wolter GA 1996, 207 (227 Fn. 85): „Rechtfertigungsgrund [. . .] sui generis“; Eser KritV-Sonderheft 2000, 43 (48): „,prozedural-funktionale [. . .]‘ Rechtfertigung“. 240 Saliger KritV 1998, 118 (145 Fn. 171) lässt die genauere Einordnung bewusst offen. 241 Saliger FS Hassemer, S. 599 (609) betitelt die geltende Rechtslage bezüglich prozeduraler Legitimierungen als „bunten Strauß an systematischen Verortungen“.

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genaue Einordnung umstritten – sowohl in Bezug auf §§ 2, 3, 5 KastrG242 als auch in Bezug auf die Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts243 schwanken die Einordnungen der prozeduralen Legitimierung zwischen einem Ausschluss auf Tatbestands- und auf Rechtswidrigkeitsebene. Bezüglich eines Schwangerschaftsabbruchs hatte das BVerfG das erste Beratungsmodell, das eine Rechtfertigung vorsah, als verfassungswidrig verworfen244 – nach dem jetzigen zweiten Beratungsmodell ist unter bestimmten Voraussetzungen „der Tatbestand des § 218 StGB [. . .] nicht verwirklicht“ 245, d. h. es handelt sich u. a. bei der Beratung durch einen Arzt nach gesetzlicher Konzeption um ein negatives Tatbestandsmerkmal.246 Trotz dieser gesetzlich eindeutigen und vom BVerfG vorgegebenen Einstufung finden sich in der Literatur Forderungen nach einer Einordnung als Rechtfertigung,247 verbunden mit der Forderung nach einer einheitlichen Zuordnung von Prozeduralisierung auf einer straftatsystematischen Ebene248. Für die Einordnung der §§ 1901a ff. BGB bedarf es freilich keines diesbezüglichen Streitentscheids: Da die §§ 1901a ff. BGB an die in der Patien242 Nach dem Wortlaut des § 2 KastrG ist die Kastration unter den genannten Voraussetzungen „nicht als Körperverletzung strafbar“. Saliger FS Hassemer, S. 599 (607) erblickt darin einen Ausschluss des Tatbestands, während NK-KastrG/Golbs § 2 Rn. 3 den prozeduralen Vorgaben auf Grund der Anknüpfung an eine „Einwilligung“ rechtfertigenden Charakter zuschreibt, so auch Schwalm in Mergen (Hrsg.), Die juristische Problematik in der Medizin III, S. 200 (215, 230). Der Gesetzgeber wollte bei Regelung des KastrG die straftatsystematische Einordnung wohl offen lassen, so jedenfalls Saliger FS Hassemer, S. 599 (609) mit Hinweis auf BT-Drs. 5/3702, S. 12. 243 Zwar werden die prozeduralen Vorgaben der §§ 326 Abs. 2, 327, 328 Abs. 1, 329 StGB einheitlich als Tatbestandsausschluss gewertet (BT-Drs. 8/2382, S. 16; NKStGB4 /Ransiek Vorbemerkungen zu §§ 324 ff. Rn. 10; MK-StGB2 /Schmitz Vorbemerkung zu den §§ 324 ff. Rn. 52; Saliger FS Hassemer, S. 599 (609)), doch begründet eine behördliche Genehmigung nach der sog. Differenzierungstheorie (Sch/Sch29 / Heine/Hecker Vor §§ 324 ff. Rn. 14, § 324 Rn. 11, § 326 Rn. 16; SK-StGB/Schall Vor § 324 (132. Lfg.) Rn. 18 ff., 61; a. A. NK-StGB4 /Ransiek Vorbemerkungen zu §§ 324 ff. Rn. 11, § 324 Rn. 22, § 326 Rn. 38) bei §§ 324, 326 Abs. 1 StGB demgegenüber bloß eine Rechtfertigung, da es sich insoweit um ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt handele. 244 BVerfGE 88, 203 (273 f.). 245 § 218a Abs. 1 StGB. 246 Hoyer in Igl/Welti (Hrsg.), Gesundheitsrecht2, Rn. 1287. 247 Eser KritV-Sonderheft 2000, 43 (48 f.); Hassemer in FS Mahrenholz, S. 731 (733 ff.); Wolter GA 1996, 207 (227 Fn. 85). Die Kritik beruht im Wesentlichen darauf, dass sich der Staat zu sich selbst in Widerspruch setze, wenn er ein von ihm selbst institutionalisiertes Verfahren (Beratungslösung) als rechtswidrig einordnet. Auch stelle es ein „strafrechtliches Paradoxon“ (BeckOK-StGB/von Heintschell-Heinegg § 218 Vor Rn. 1) dar, wenn der Schwangerschaftsabbruch zum einen vom Tatbestand des § 218 StGB ausgenommen, zum anderen aber weiterhin als rechtswidrig eingeordnet wird. 248 Ablehnend gegenüber einer solchen Aberkennung des Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers Saliger in FS Hassemer, S. 599 (611). Stattdessen gelte zur Differenzierung zwischen Einordnung auf Tatbestands- oder Rechtswidrigkeitsebene: Je intensiver sich die Kompensation von Bestimmungsunsicherheiten den Zweck der Prozeduralisierung darstelle, desto eher sei bereits ein Tatbestandsausschluss anzunehmen.

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tenverfügung enthaltene (rechtfertigende) Einwilligung bzw. ihre Verweigerung anknüpfen, erscheint ohnehin eine Verortung auf Rechtfertigungsebene angezeigt,249 sodass selbst die in Bezug auf manch andere Fallgruppen unter Umständen zu enge Bezeichnung als prozedurale Rechtfertigung passend erscheint. (3) Kennzeichen einer prozeduralen Rechtfertigung Klar ist damit, dass prozedurale Rechtfertigung im hier untersuchten Sinn eine rechtfertigende Wirkung allein durch Einhaltung prozeduraler Anforderungen meint, die sich auf ein diskursives Verfahren beziehen. Damit sind die Kennzeichen der prozeduralen Rechtfertigung aber keinesfalls umfassend beschrieben. Als Proprium der prozeduralen Rechtfertigung wird zum einen die strafrechtsuntypische ex ante-Perspektive bei Beurteilung einer Rechtsgutsverletzung, zum anderen die Zuerkennung von Bewertungsmacht an die im Verfahren unmittelbar Beteiligten gesehen.250 Beide Sichtweisen versuchen für die Verlagerung des einfachrechtlichen Grundrechtsschutzes von der materiellen auf die prozedurale Ebene Legitimitätsbegründungen zu liefern, die deshalb erforderlich sind, weil Prozeduralisierungen keinen Selbstzweck erfüllen. Stattdessen stellt sich jede Verfahrensvorgabe als Eingriff zumindest in die allgemeine Handlungsfreiheit der von den Verfahrensvorschriften Betroffenen dar. Daher muss sie zum materiellen Grundrechtsschutz geeignet251 und stets auf den durch die Prozeduralisierung indirekt anvisierten materiellen Grundrechtsschutz zurückzuführen sein, schließlich fungiert der materielle Grundrechtsschutz als „Grund und Grenze“ von Grundrechtsschutz durch Verfahren.252 (a) Entstehungsbedingungen für eine prozedurale Rechtfertigung nach Hassemer Das Bedürfnis nach exklusiver Rechtmäßigkeitsbeurteilung aus ex ante-Sicht und damit die Überlegungen zu einer prozeduralen Rechtfertigung gehen aus dem Dilemma hervor, dass sich unter Umständen eine Entscheidung unter „spezifischem Nichtwissen“ als unausweichlich darstellt.253 In einem solchen Fall kann der Inhalt der Entscheidung selbst nicht Gegenstand eines Rechtsbefehls

249

Siehe zu den Gründen der Rechtfertigungslösung bereits unter B. I. 3. b). Zu dieser Zweiteilung Saliger in FS Hassemer, S. 599 (601). 251 Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (121); BVerfGE 83, 130 (152); 63, 131 (143): „Erfüllt das vom Gesetzgeber geschaffene Verfahrensrecht seine Aufgabe nicht oder setzt es der Rechtsausübung so hohe Hindernisse entgegen, daß die Gefahr einer Entwertung der materiellen Grundrechtsposition entsteht, dann ist es mit dem Grundrecht, dessen Schutz es bewirken soll, unvereinbar.“ 252 Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (121); ders. in FS Hassemer, S. 599 (605). 253 Hassemer in FS Mahrenholz, S. 731 (745); ähnlich Kirchhof, S. 20 f. 250

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sein, sodass stattdessen das Befolgen einer bestimmten Prozedur verlangt wird, welche „eine dem richtigen Recht entsprechende Entscheidung sicher[stellt]“.254 Dementsprechend formuliert schon Hassemer die Entstehungsbedingungen für prozedurale Rechtfertigung als „[s]pezifisches Nichtwissen hinsichtlich bestimmter Inhalte, deren Kenntnis für ein bestimmtes Vorhaben konstitutiv ist.“ 255 Zudem attestiert er gerade dem Bereich der Sterbehilfe, für Prozeduralisierung geschaffen zu sein:256 Der Gesetzgeber sei auf Grund seiner Pflicht zum Rechtsgüterschutz zu einer einigermaßen schnellen Lösung durch Weiterbehandlung oder Behandlungsabbruch verpflichtet, auf Grund der als spezifisches Nichtwissen einzuordnenden Unsicherheiten bezüglich der ethischen Bewertung könne eine materielle Lösung jedoch nicht vorgegeben werden.257 Angesichts der damals noch sehr zurückhaltenden deutschen Gesetzeslage verweist er auf die Umsetzung in den Niederlanden, wo mittels Übertragung der Entscheidung an Ärzte und Kommissionen letztlich die „substantielle Leere [. . .] durch prozeduralen Eifer gefüllt“ worden sei.258 Demgegenüber lehnt Sternberg-Lieben eine Unentscheidbarkeit bei der Umsetzung von Patientenverfügungen ab,259 und tatsächlich greifen immerhin die Bedenken Hassemers bezüglich der unsicheren rechtlichen Bewertung wohl heute nicht mehr durch: Bei der Umsetzung des Patientenwillens ist der grundrechtliche Konflikt zwischen Lebensschutz und Selbstbestimmungsrecht des Patienten zugunsten von letzterem entschieden – sowohl seitens des Gesetzgebers durch das 3. BtÄndG als auch seitens der Rechtsprechung durch die Schaffung der Fallgruppe einer gerechtfertigten Sterbehilfe durch Behandlungsabbruch. Folglich besteht hinsichtlich der rechtlichen Bewertung kein „spezifisches Nichtwissen“. Anders sieht es allerdings auf tatsächlicher Ebene aus: Bei der Umsetzung einer Patientenverfügung können Unsicherheiten bezüglich Auslegung und Anwendung der Verfügung auf die Behandlungssituation sowie bezüglich eines etwaigen, keinen Formvorgaben unterliegenden Widerrufs der Patientenverfügung vorliegen; freilich wird deren Ausmaß je nach Fallgestaltung differieren. Sind die Voraussetzungen einer verbindlichen Patientenverfügung nach § 1901a Abs. 1 BGB nicht gegeben, bestehen bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens nach

254

Hassemer FS Mahrenholz, S. 731 (746 f.). Hassemer FS Mahrenholz, S. 731 (749). 256 Hassemer in Pieth/Seelmann (Hrsg.), Prozessuales Denken als Innovationsanreiz für das materielle Strafrecht, S. 9 (13 f.). 257 Hassemer in Pieth/Seelmann (Hrsg.), Prozessuales Denken als Innovationsanreiz für das materielle Strafrecht, S. 9 (13 f.). 258 Hassemer in Pieth/Seelmann (Hrsg.), Prozessuales Denken als Innovationsanreiz für das materielle Strafrecht, S. 9 (14); vgl. zur Lage in den Niederlanden auch Eicker, S. 207; Schreiber in FS Rudolphi, S. 543 ff. 259 Sternberg-Lieben in FS Roxin, S. 547 (550). 255

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§ 1901a Abs. 2 BGB noch weit darüber hinausreichende Unsicherheiten. Für die Umsetzung des Patientenwillens, der das ausschlaggebende Kriterium für oder gegen einen Behandlungsabbruch bzw. eine Weiterbehandlung darstellt, ist dessen Kenntnis essentiell und das Ausräumen der Unsicherheiten kann bei unwiderruflicher Einwilligungsunfähigkeit auch nicht durch Zeitablauf erfolgen. Diese tatsächlichen Unsicherheiten bezüglich des Patientenwillens könnten als „spezifisches Nichtwissen“ im Sinne Hassemers eingeordnet werden, der gerade auch „das Innere von Menschen“ als prädestiniert für ein solches Nichtwissen einordnet.260 Gleichzeitig ist das Besondere einer Patientenverfügung und sogar eines Patientenwunsches im Sinne von § 1901a Abs. 2 BGB aber, dass der Patient seinen Willen vor Verlust der Einwilligungsfähigkeit bewusst geäußert hat und ihm insofern nicht „hinter die Stirn [ge]sehen“ werden muss,261 dementsprechend bildet zumindest bei § 1901a Abs. 1 BGB auch nur der in der Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachte Wille den Gegenstand der Auslegung. Bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens nach § 1901a Abs. 2 BGB sind hingegen auch sonstige Wertvorstellungen des Patienten zu berücksichtigen, sodass insoweit ein „Schleier [. . .] über der Stirn des anderen Menschen“ 262 verbleibt und eine sicher richtige Einschätzung des (mutmaßlichen) Patientenwillens unmöglich macht. Folglich kann die Einschätzung Hassemers im Hinblick auf die Umsetzung einer Patientenverfügung letztlich doch bestätigt werden, wenn auch mit abgewandelter Begründung: Statt auf rechtlicher Ebene können (nur) in tatsächlicher Hinsicht bei Feststellung des Patientenwillens solche Unsicherheiten auftreten, dass insbesondere für die Umsetzung eines Patientenwunsches nach § 1901a Abs. 2 BGB, aber wohl auch in im Einzelfall besonders schwierig gelagerten Fällen der Umsetzung einer Patientenverfügung nach § 1901a Abs. 1 BGB das für prozedurale Rechtfertigungen typische Dilemma angenommen werden kann. So betont auch Saliger, der ebenfalls angesichts der Anwendungsprobleme das Bedürfnis nach einem Grundrechtsschutz durch Verfahren bejahte263, zur alten Rechtslage: „[D]as Strafrecht [kann], sofern es weiterhin ausschließlich materiell denkt [. . .], das Rechtssicherheitsproblem bei der Sterbehilfe nicht lösen“.264 Anlässlich der hier erfolgten genaueren Auseinandersetzung mit der Theorie Hassemers sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass Hassemer – wie auch 260

Hassemer in FS Mahrenholz, S. 731 (746). Hassemer in FS Mahrenholz, S. 731 (746). 262 Hassemer in FS Mahrenholz, S. 731 (746). 263 Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (143): Der Bereich der Sterbehilfe weise „Anwendungsprobleme“ auf, die angesichts der existentiellen Entscheidung mit irreversiblen Folgen besonders verheerend ausfielen, sodass eine präventive Kompensation des nur ungenügenden Schutzes im Nachhinein erforderlich sei um Abgrenzungsprobleme abzumildern, den Betroffenen mehr Rechtsgüterschutz und den Beteiligten mehr Rechtssicherheit zu gewähren, zudem führe der offene Diskurs zu einer Enttabuisierung. 264 Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (142). 261

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schon die rechtssoziologischen und rechtsphilosophischen Prozeduralisierungstheorien – verfahrensrechtliche Anforderungen in dem Maße fordert, dass sie „eine dem richtigen Recht entsprechende Entscheidung sicherzustellen“ vermögen.265 Dass die durch das 3. BtÄndG eingeführten verfahrensrechtlichen Vorschriften diesen Anforderungen genügen, erscheint angesichts der Beschränkung auf recht äußerliche Verfahrensvorgaben äußerst zweifelhaft.266 Auch ein Vergleich zu den von Hassemer genannten Beispielen einer prozeduralen Rechtfertigung – „Zuständigkeiten einhalten; vorhandene Faktoren unterschiedlich intensiv erheben und unterschiedlich intensiv prüfen; Grade an Wissen unterscheiden und einsetzen; bestimmte Indikatoren feststellen und (auf eine bestimmte Weise) verarbeiten; die unter Nichtwissen getroffene Entscheidung nach einer bestimmten Prozedur (Fristen, Zuständigkeiten, mögliche Inhalte der Entscheidung nach Prüfung etc.) nachprüfen usw.“ 267 – stützt diese Einschätzung, schließlich zeugen diese Beispiele von einer möglichst detaillierten Entscheidungsfindung abgestuft nach Kenntnisständen, während die §§ 1901a ff. BGB zwar ebenfalls die Zuständigkeit von Arzt und Patientenvertreter regeln, darüber hinaus aber keine den Unterschieden in den möglichen Fallgestaltungen Rechnung tragende Regelung treffen; dem Willen des Betreuten ist schlicht nach gegenseitiger Erörterung „Ausdruck und Geltung zu verschaffen“. (b) Ex ante-Perspektive Indem die Entscheidung über die Rechtfertigung des Verhaltens bei prozeduraler Rechtfertigung entgegen der prinzipiellen ex post-Prüfperspektive im Strafrecht ex ante durch die handelnde Person selbst erfolgt268 und dadurch präventives Recht geschaffen wird,269 wird dem Handelnden ein großes Maß an Rechtssicherheit eingeräumt, schließlich muss er bei Maßgeblichkeit der ex postPerspektive stets eine abweichende Beurteilung im Nachhinein durch das Strafgericht fürchten, bei der eine Entlastung nur nach den Grundsätzen des Erlaubnistatbestandsirrtums in Betracht kommt. Auf Grund dieses Zugewinns an Rechtssicherheit wird die Forderung nach einem Perspektivwechsel der strafrechtlichen Bewertung auch außerhalb einer prozeduralen Rechtfertigung gestellt – insbesondere hinsichtlich der Erforderlichkeit einer Notwehrhandlung ist die ex ante-

265

Hassemer in FS Mahrenholz, S. 731 (746 f.). So auch schon ausführlicher behandelt bezüglich der Prozeduralisierungstheorien von Rechtssoziologie und Rechtsphilosophie, s. unter E. III. 1. a) aa) bzw. bb). 267 Hassemer in FS Mahrenholz, S. 731 (746). 268 Sternberg-Lieben in FS Roxin, S. 537 (549 f.); Saliger in FS Hassemer, S. 599 (610); ders. KritV 1998, 118 (146); ders. in Bernat/Kröll (Hrsg.), Recht und Ethik der Arzneimittelforschung, S. 124 (169 f.); NK-StGB4 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 Rn. 143. 269 Saliger in FS Hassemer, S. 599 (610). 266

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Sichtweise sogar allgemein anerkannt, wenngleich teilweise die Beschränkung auf die Verteidigerperspektive abgelehnt und dadurch die Rechtssicherheitsvorteile für den Handelnden wieder erheblich eingeschränkt werden.270 Über § 32 StGB hinaus wird zum Teil sogar ganz grundsätzlich gefordert, sämtliche objektive Rechtfertigungsvoraussetzungen aus der ex ante-Sicht zu beurteilen,271 da Verhaltensnormen ihre Steuerungswirkung nur im Vorwege der Rechtsgutsverletzung entfalteten:272 Wenn der Handelnde ein bestimmtes Verhaltensge- oder -verbot nicht vor seinem Tätigwerden zu erkennen vermag, könne er sein Verhalten auch nicht an diesem ausrichten. Gegen eine solch einheitliche Einführung des ex ante-Maßstabs spricht allerdings, dass die Rechtfertigung des Täters gleichzeitig eine Beschränkung der Rechte des Opfers bedeutet, der sich – wird er von dem sich nach ex post-Sichtweiseim Erlaubnistatbestandsirrtum befindlichen Täter angegriffen – nicht seinerseits auf § 32 StGB berufen kann.273 Zudem ist das nur aus ex ante-Sicht gerechtfertigte und damit auf Grund unvermeidbar irriger Annahme einer Rechtfertigungslage ausgeübte Verhalten objektiv betrachtet intolerabel, bedarf also einer Neutralisierung mittels Verweis auf seine subjektive Unvermeidbarkeit.274 Mithin ist der Grundsatz einer Bewertung der objektiven Rechtfertigungsvoraussetzungen aus ex post-Sicht beizubehalten, sodass die bei prozeduraler Rechtfertigung angelegte ex ante-Sichtweise berechtigterweise als ein „Proprium“ prozeduraler Rechtfertigung eingeordnet wird.275 Bei einer Einordnung der §§ 1901a ff. BGB als prozedurale Rechtfertigung wäre dementsprechend der mögliche Kenntnisstand bezüglich des in der Patientenverfügung zum Ausdruck gekommenen Patientenwillens vor dem in Frage stehenden Verhalten der Beteiligten maßgeblich,276 sodass beispielsweise ein erst nach Behandlungsabbruch aufgefundenes Schriftstück, in dem der Patient die Patientenverfügung widerruft, die prozedurale Rechtfertigung nicht im Nachhinein entfallen ließe.

MK-StGB2 /Erb § 32 Rn. 130 ff. m.w. N. Frisch Vorsatz und Risiko, S. 424; Rudolphi in GS Arm. Kaufmann, S. 377 (396 f.). 272 Rudolphi in GS Arm. Kaufmann, S. 377 (396 f.). 273 Jakobs AT2, S. 353 f. 274 Jakobs AT2, S. 353 f. 275 Saliger in FS Hassemer, S. 599 (601); vgl. auch die sonstigen bisher gesetzlich umgesetzten Prozeduralisierungen, so liegen bspw. auch § 8 Abs. 1 Nr. 1 c), Nr. 2 TPG („voraussichtlich“, „nach ärztlicher Beurteilung“; s. auch BT-Drucks. 13/4355, S. 20; Schroth/König/Gutmann/Oduncu/Gutmann § 8 TPG Rn. 12; MK-StGB2 /Hardtung § 228 Rn. 27) und § 2 Abs. 2 Nr. 4 KastrG (MK-StGB2 /Hardtung § 228 Rn. 27) eine ex ante-Betrachtung zu Grunde. 276 Für eine Durchsetzung des Patientenwillens mittels einer ex ante-Betrachtung bereits Fröschle JZ 2000, 72 (79 f.); Knieper NJW 1998, 2720; Meier FGPrax 2002, 28 (29); Verrel MedR 1999, 547; in diese Richtung auch LG Duisburg NJW 1999, 2744 f.; Bauer BtPrax 2002, 60 (62). 270 271

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(c) Exklusivität der Rechtmäßigkeitsprüfung durch die Beteiligten Die „Exklusivität“ der Rechtmäßigkeitsprüfung277 als weiteres Proprium278 der prozeduralen Rechtfertigung meint, dass den unmittelbar Beteiligten in begrenztem Maß Bewertungsmacht zuerkannt wird.279 Bezogen auf die §§ 1901a ff. BGB bedeutete das,280 dass die von Arzt und Patientenvertreter getroffene Feststellung bezüglich des Patientenwillens für alle anderen verbindlich und selbst für das Gericht im Nachhinein nicht überprüfbar wäre, stattdessen müsste das von den Beteiligten verfahrenskonform gewonnene Ergebnis in seiner „Vorläufigkeit“ akzeptiert werden.281 Gleichzeitig bedeutete diese Zuständigkeit Privater „zur Feststellung rechtfertigender Voraussetzungen im Einzelfall [. . .], [dass] die Definitionsherrschaft des staatlichen Strafrechts über die Geltungsgrenzen dieses Strafrechts“ beseitigt würde.282 Gegenüber der ex ante-Sichtweise ist dieses Zugeständnis von endgültiger Entscheidungsbefugnis sogar mit noch weitergehender Rechtssicherheit für die Beteiligten verbunden, schließlich reduziert erstere nur den Prüfungsmaßstab bei einer grundsätzlich zulässigen inhaltlichen Überprüfung des Verhaltens der Beteiligten, während letztere die inhaltliche Überprüfung des Patientenwillens ganz ausschlösse. Zwar vermag dieses Zugeständnis von Entscheidungsspielräumen die Beteiligten handlungsfähig zu machen in einer Situation, in der ihnen sonst das „richtige“ Verhalten selbst bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nicht sicher deutlich ist,283 doch gebietet dieser weitreichende Kompetenzverlust bei der Feststellung von rechtfertigenden Umständen dem zum Grundrechtsschutz verpflichteten Gesetzgeber Zurückhal277

Popp ZStW 118 (2006), 639 (667). Nach Saliger in FS Hassemer, S. 599 (610) handele es sich um „kein Spezifikum von Prozeduralisierung“, da die Beurteilungskompetenz stets dann an Dritte weitergegeben werde, wenn die Strafbarkeit an außerstrafrechtliche Pflichtverletzungen anknüpfe und daher die strafrechtliche Unrechtshöhe nur unter Zuhilfenahme der betroffenen Verkehrskreise bestimmbar sei. Die von ihm als Beispiel herangezogene Berücksichtigung der business judgement rule im Rahmen der Untreue bestätigt zwar, dass die Rechtmäßigkeitsprüfung insoweit delegiert wird, doch erfolgt die Delegation – anders als bei der prozeduralen Rechtfertigung – im Nachhinein bezüglich einer bestimmten Frage an nicht an der Rechtsgutsverletzung Beteiligte. Folglich kann Saliger insoweit Recht gegeben werden, dass die Exklusivität der Rechtmäßigkeitsprüfung isoliert gesehen noch keine prozedurale Rechtfertigung auszeichnet, sondern nur in Zusammenschau damit, dass die Bewertungsmacht den unmittelbar Beteiligten zuerkannt wird. 279 Popp ZStW 118 (2006), 639 (665). 280 Statt von „Rechtmäßigkeitsprüfung“ sollte dann aber besser davon gesprochen werden, dass die Beteiligten die tatsächlichen Voraussetzungen des Rechtfertigungsgrundes abschließend prüfen. 281 Popp ZStW 118 (2006), 639 (666); ähnlich Hassemer in FS Mahrenholz, S. 731 (743). 282 Hassemer in FS Mahrenholz, S. 731 (743); vgl. auch Hassemer in Pieth/Seelmann (Hrsg.), Prozessuales Denken als Innovationsanreiz für das materielle Strafrecht, S. 9 (16). 283 Popp ZStW 118 (2006), 639 (666 f.). 278

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tung bezüglich der Einführung von prozeduraler Rechtfertigung – insbesondere ist Sorge dafür zu tragen, dass den Entscheidungsbefugten ein Missbrauch weitestgehend unmöglich ist; mithin tritt wiederum das (durch die §§ 1901a ff. BGB wohl nicht befriedigte) Bedürfnis nach einer gewissen Qualität der verfahrensrechtlichen Absicherungen zu Tage. Demgegenüber lehnt Saliger auch bei einer prozeduralen Rechtfertigung den völligen Ausschluss einer nachträglichen Überprüfung durch das Strafgericht ab, „vor allem“ 284 hinsichtlich der Einhaltung der prozeduralen Vorgaben bleibe die Entscheidung überprüfbar.285 Eine solche Überprüfbarkeit steht aber entgegen der Einschätzung Saligers gar nicht im Widerspruch zu der Annahme einer exklusiven Rechtmäßigkeitsprüfung, die nur dazu führt, dass die Feststellung des Patientenwillens durch die entscheidungsbefugten Beteiligten inhaltlich nicht überprüft werden kann. Eine rein formelle Überprüfung, ob die prozeduralen Vorgaben eingehalten und damit die Voraussetzung für das Eingreifen einer prozeduralen Rechtfertigung erfüllt worden sind, erscheint nicht nur zulässig, sondern sogar angezeigt. Aus der Exklusivität der Rechtmäßigkeitsprüfung folgert Popp die Einordnung des durch prozedurale Vorgaben geregelten Verfahrens als abduktiv:286 Während bei einem deduktiven287 Verfahren die am Ende des Verfahrens stehende Entscheidung nur kognitive Ungewissheit beseitige, ergebe sich bei einem abduktiven288 Verfahren eine neue Information, die sich als „Produkt der am Verfahren Beteiligten“ darstelle.289 Bezogen auf die Ermittlung des in der Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachten Patientenwillens finden sich unterschiedliche Einordnungen in dieses System der Verfahrensbedeutung, so wird den Beteiligten beispielsweise von Hufen im Sinne eines deduktiven Verfahrens keine Entscheidungs-, sondern eine bloße „Ermittlungskompetenz“ zugesprochen.290 Die dies284 Neben der Überprüfung im Hinblick auf die Einhaltung der prozeduralen Vorgaben käme eine Missbrauchskontrolle in Betracht: Parallel zur teilweise im Rahmen der Absichtsprovokation vorgebrachten Argumentation (s. z. B. Sch/Sch29 /Perron § 32 Rn. 57) könnte die prozedurale Rechtfertigung aufgrund Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen sein, wenn der Täter die Legitimationsmöglichkeit bewusst für seine Zwecke missbraucht. Die Rechtmäßigkeitsprüfung bzw. im Speziellen die Auslegung und Anwendung des Patientenwillens verbliebe dabei weiterhin exklusiv bei Arzt und Patientenvertreter, schließlich beschränkte sich die Missbrauchskontrolle darauf, ein Vorgehen der Beteiligten wider besseres Wissen auszuschließen. Auf diese Weise könnten nur Fälle der Evidenz oder Kollusion von der Legitimationswirkung ausgeschlossen werden, um nicht durch die „Hintertür“ doch wieder materielle Voraussetzungen für die Legitimation einzuführen. 285 Saliger in FS Hassemer, S. 599 (610). 286 Popp ZStW 118 (2006), 639 (662). 287 Von lat. deductio (Abführen, Fortführen, Ableitung). 288 Von lat. abductio (Wegführung, Entführung). 289 Nach Popp ZStW 118 (2006), 639 (662). 290 Hufen NJW 2001, 849 (855); ähnlich Landau ZRP 2005, 50 (53).

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

bezügliche Einordnung des Verfahrens korrespondiert mit der Annahme oder Ablehnung einer prozeduralen Rechtfertigung – sollten die §§ 1901a ff. BGB als prozedurale Rechtfertigung konzipiert sein, so erscheint eine Einordnung des Verfahrens als abduktiv zwingend, wie von Popp treffend festgestellt: Schließlich soll den Beteiligten gerade für die Fälle Handlungssicherheit gewährt werden, in denen eine Gewissheit bezüglich des „,wahren Willen[s]‘ des Patienten“ nicht möglich ist und stattdessen die von den entscheidungsbefugten Beteiligten getroffene Deutung in ihrer Exklusivität andere mögliche Deutungen verdrängt.291 (d) Rechtstechnische Instrumente einer Prozeduralisierung nach Eicker Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Prozeduralisierung im Strafrecht findet sich bei Eicker,292 der sich insbesondere auch mit den rechtstechnischen Instrumenten einer Prozeduralisierung im Bereich der Sterbehilfe beschäftigt.293 Auch wenn die Betrachtung Eickers sich noch auf die §§ 1901a ff. BGB a. F. bezieht, kann sie als Ausgangspunkt dafür dienen, die von ihm herausgearbeiteten Instrumente von prozeduralem Recht in den §§ 1901a ff. BGB n. F. zu identifizieren, zumal Eicker bereits auf verschiedene Reformvorschläge eingeht. Indem gem. §§ 1901a, 1901b, 1904 BGB der Arzt, der Patientenvertreter und ggf. das Betreuungsgericht an der Umsetzungsentscheidung beteiligt werden, enthalten die Verfahrensvorgaben eine für eine Prozeduralisierung typische „Partizipation“ Dritter.294 Sie ist auf die Vorverlagerung des Rechtsgüterschutzes gerichtet,295 die ihrerseits zu Rechtssicherheit für die Beteiligten führt, indem eine abweichende strafgerichtliche Beurteilung im Nachhinein vermieden wird,296 sowie zu einer Erhöhung der Entscheidungsrationalität beiträgt.297 Eine Umsetzung der für prozedurale Vorgaben typischen „Wissensakkumulation“ 298 findet sich darüber hinaus in der Beteiligung der Angehörigen nach § 1901b Abs. 2 BGB. Die weiteren von Eicker herausgearbeiteten Instrumente von prozeduralem Recht – „Evaluation und Gesetzesrevision“ im Sinne einer Selbstüberprüfung des (neuen) Rechts299 sowie „experimentelle Gesetzgebung“ im Sinne von Zeit- oder

291

Popp ZStW 118 (2006), 639 (662). Eicker Die Prozeduralisierung des Strafrechts, Bern 2010. 293 Eicker, S. 203 ff. 294 Eicker, S. 216; bezüglich der Beteiligung des Betreuungsgerichts als „Form der Prozeduralisierung“ des Rechts Lautenschläger, S. 26. 295 Eicker, S. 218; Popp ZStW 118 (2006), 639 (678). 296 Eicker, S. 218; Popp ZStW 118 (2006), 639 (667). 297 Drowatzky, S. 36 f.; Eicker, S. 218. 298 Eicker, S. 220. 299 Eicker, S. 221 f. 292

III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB

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Erprobungsgesetzen300 – haben in den §§ 1901a ff. BGB keinen Niederschlag gefunden: Ersteres ist immerhin im Rahmen der Reformüberlegungen diskutiert worden, so wurde beispielsweise die „Etablierung einer Begleitforschung zur Evaluation des Umgangs mit Patientenverfügungen“ gefordert301; letzteres erscheine im Strafrecht302 ohnehin gerade bezüglich des Rechtsguts Leben „unmöglich“.303 (e) Erweiterung zu intradisziplinärem Recht Schließlich wird als weiteres Kennzeichen von Prozeduralisierung die Erweiterung zu einem intradisziplinären Recht genannt,304 wobei die Verlagerung einer Problematik vom Strafrecht auch auf die „strukturell freiheitsfreundlicher[en]“ Gebiete des an der Privatautonomie orientierten Zivilrechts und des an Grundrechten orientierten Öffentlichen Rechts tendenziell mit einer Liberalisierung einhergeht.305 Gerade im Bereich der Sterbehilfe wurde eine rein strafrechtliche Regelung in neuerer Zeit als unzureichend kritisiert, was sich insbesondere in den zahlreichen wissenschaftlichen Abhandlungen auf diesem Gebiet im Zivilrecht306 und im Öffentlichen Recht307 widerspiegelt, und damit der Bedarf nach Intradisziplinarität erkannt.308 Konkret in Bezug auf die Umsetzung von Patientenverfügungen tritt die Intradisziplinarität angesichts der strafrechtsexternen Regelung von Verfahrensanforderungen im Zivilrecht offen zu Tage und auch die Entscheidungsgründe der aktuellen Rechtsprechung des BGH beziehen sich ausdrücklich auf diese zivilrechtlichen verfahrensrechtlichen Vorgaben sowie auf die zu Grunde liegende Grundrechtslage.309 300

Eicker, S. 222 f. Neitzke/Charbonnier/Diemer/May/Wernstedt EthikMed 2006, 192 (194); Strätling/Scharf/Wedel/Oehmichen/Eisenbart MedR 2001, 385 (388). 302 Eicker, S. 222 f. 303 Eicker, S. 222 f., so sei bspw. die Einrichtung von Kontrollgruppen, die von der Strafbarkeit ausgenommen werden, als nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung undenkbar, s. dazu ausführlich Eicker, S. 276 ff.; ebenfalls ablehnend bezüglich der Integration von experimenteller Gesetzgebung in das Strafrecht Marxen GA 1985, 533 (548 ff.); Stächelin, S. 158 ff.; s. dazu auch Hoffmann-Holland, S. 111 ff. 304 NK-StGB4 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 Rn. 143; Saliger KritV 2001, 382 (388 f., 436 f.); ders. KritV 1998, 118 (148 ff.). 305 NK-StGB4 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 Rn. 143. 306 Bspw. Lipp Freiheit und Fürsorge, S. 164 ff., 216 ff.; ders. DRiZ 2000, 231 ff.; ders. in Wolter/Riedel/Taupitz (Hrsg.), Einwirkungen der Grundrechte auf das Zivilrecht, Öffentliche Recht und Strafrecht, S. 75 ff.; Spickhoff NJW 2000, 2297 ff.; Taupitz in Taupitz (Hrsg.), Zivilrechtliche Regelungen zur Absicherung der Patientenautonomie am Ende des Lebens, 273 ff. 307 Bspw. Czerner MedR 2001, 354 (355); Höfling JuS 2000, 111 ff.; Hufen NJW 2001, 849 ff.; Koppernock Das Grundrecht auf bioethische Selbstbestimmung. 308 Saliger KritV 2001, 382 (388 f., 436 f.); ders. KritV 1998, 118 (148 ff.). 309 BGHSt 55, 191 (199 Rn. 24 f.); BGH NJW 2011, 161 (162 Rn. 12). 301

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

(f) Zwischenergebnis Insgesamt weisen die §§ 1901a ff. BGB damit in gewissem Maß die Kennzeichen einer prozeduralen Rechtfertigung auf: In Bezug auf die Auslegung einer Patientenverfügung und das Bestehen eines Widerrufs können tatsächliche Unsicherheiten in je nach Fallgestaltung verschiedenem Maß bestehen, die das Bedürfnis nach Rechtssicherheit für die Beteiligten aufwerfen, welches insbesondere durch eine die prozedurale Rechtfertigung kennzeichnende exklusive Rechtmäßigkeitsprüfung ex ante durch die Beteiligten befriedigt werden könnte. Die Verfahrensvorgaben der §§ 1901a ff. BGB ließen sich auch im Sinne einer solchen Zuerkennung von Bewertungsmacht an Arzt, Patientenvertreter und ggf. Betreuungsgericht auslegen, sie enthalten die für eine Prozeduralisierung typischen rechtstechnischen Instrumente einer Partizipation Dritter sowie einer Wissensakkumulation, und auch ihre Intradisziplinarität mag für diese Auslegung sprechen. Gleichwohl erscheint es fraglich, ob die betreuungsrechtlich angeordneten verfahrensrechtlichen Absicherungen angesichts des in Rede stehenden Rechtsguts Leben und der Irreversibilität eines Behandlungsabbruchs ausreichen, um einen materiell orientierten Rechtsgüterschutz zu ersetzen, schließlich muss die Missbrauchsmöglichkeit der im Rahmen einer prozeduralen Rechtfertigung zugewiesenen Bewertungsmacht tauglich ausgeschlossen werden. Um diese Bedenken in ihrer Reichweite besser einschätzen zu können, bedarf es im Folgenden zum einen eines Überblicks über die sich bei einer Einführung von prozeduraler Rechtfertigung im Strafrecht stellenden Schwierigkeiten, zum anderen einer näheren Betrachtung der gleichwohl in diesem Rechtsgebiet existierenden Prozeduralisierungen, um mittels eines Vergleichs mit den §§ 1901a ff. BGB deren Tauglichkeit als prozedurale Rechtfertigung zu bestimmen. bb) Prozeduralisierungsfeindlichkeit des Strafrechts? Auch wenn einer Prozeduralisierung teilweise eine „wachsende Rolle [. . .] in der Gestaltung und Handhabung des Strafrechts“ 310 attestiert wird, überwiegt in der Literatur wohl die Abneigung gegenüber dieser Verlagerung des Rechtsgüterschutzes auf die prozedurale Ebene: Während Stratenwerth seine Skepsis insoweit zum Ausdruck bringt, als „noch keineswegs hinreichend geklärt [. . .] [sei], ob und inwieweit prozedurale Regelungen für die Umgrenzung oder den Ausschluss von Strafbarkeit von Bedeutung sind“ 311, und Hassemer prozeduralen Regelungen „auf absehbare Zeit eine[n] Ausnahme[charakter]“ prognostiziert312, 310

Eser KritV-Sonderheft 2000, 43. Stratenwerth in FS Hassemer, S. 639. 312 Hassemer in Pieth/Sellmann (Hrsg.), Prozessuales Denken als Innovationsanreiz für das materielle Strafrecht, S. 9 (30). 311

III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB

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finden Eser und Sternberg-Lieben deutlichere Worte – Prozeduralisierung „wirk[e] im Strafrecht [. . .] wie ein Fremdkörper“ 313, der den Rechtsgüterschutz zu Gunsten einer Absicherung von Prozeduralien aufgebe314 und damit für das Strafrecht einen Verlust an Wertgehalt und letztlich auch an Gewicht hervorrufe.315 (1) Strafrecht als Rechtsgüterschutz unter ex post-Sichtweise Der deutlichste Konflikt zwischen dem Strafrecht und dem Prozeduralisierungsgedanken ist bereits im Rahmen der Betrachtung von Kennzeichen einer prozeduralen Rechtfertigung zu Tage getreten: Während das Strafrecht ein Verhalten sanktioniert, das sich ex post als rechtswidrige Beeinträchtigung strafrechtsrelevanter Rechtsgüter darstellt,316 könnten die mit entsprechenden Kompetenzen ausgestatteten Beteiligten bei Einordnung der §§ 1901a ff. BGB als prozedurale Rechtfertigung bereits ex ante durch Einhaltung der formellen Verfahrensschritte über das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der Rechtfertigung abschließend entscheiden; damit griffe die Rechtfertigung unabhängig davon, ob die Strafrichter im Nachhinein die inhaltliche Übereinstimmung des Verhaltens mit dem in der Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachten Patientenwillen bestätigen oder widerlegen. Prozedurale Rechtfertigung ist auf prospektive Prävention gerichtet, indem die Einhaltung eines bestimmten Prozedere vorgeschrieben wird, welches das Ausbleiben einer strafwürdigen Rechtsgutsverletzung garantieren soll – das Strafrecht verspreche sich „[p]rospektive Prävention [. . .] [hingegen] allein von der Steuerungswirkung seiner strafbewehrten Verbotsnormen“.317 Die retrospektive Ausrichtung des Strafrechts gilt allerdings nicht absolut. Zum einen wird ausdrücklich eine ex ante-Perspektive beispielsweise im Rahmen der Erforderlichkeit einer Notwehrhandlung anerkannt318, zum anderen gewinnt der auch im Strafrecht vorhandene Präventionsgedanke mittels Steuerungswirkung durch Verbotsnormen dann an Bedeutung, wenn er sich (mit) als ausschlag-

313

Sternberg-Lieben in FS Roxin, S. 537 (550). Eser in Frisch (Hrsg.), Gegenwartsfragen des Medizinstrafrechts, S. 1 (27) befürchtet, dass „mit jeder Mediatisierung von Rechtsgütern auch das Strafrecht an Wertgehalt verliert und dadurch auch an Gewichtigkeit einbüßen kann“. 315 Sternberg-Lieben in FS Roxin, S. 537 (550) mit Verweis auf Arzt in FS Schreiber, S. 583 (591). 316 Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (142): Strafrecht bietet Rechtsgüterschutz unter ex post-Sichtweise; ausführlich zur Legitimation des Strafrechts als Rechtsgüterschutz, insbesondere den Ursprüngen in den Ideen von Birnbaum, Binding und Liszt vgl. Jakobs Rechtsgüterschutz, S. 13 ff. 317 Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (142). 318 Dazu bereits näher unter E. III. 1. b) aa) (3) (b). 314

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

gebend für die Sanktionierung eines bestimmten Verhaltens darstellt.319 Dies ist im Grunde bei jeder Vorfeldstrafbarkeit, ja sogar bei jeder Vorverlagerung der Strafbarkeit gegenüber einem vollendeten Verletzungsdelikt durch Versuchsstrafbarkeit oder Gefährdungsdelikte der Fall: Indem der Gesetzgeber die Strafbarkeit schon vor dem Eintritt eines bestimmten Verletzungserfolgs eingreifen lässt, versucht er, bereits das mit gewisser Wahrscheinlichkeit zu diesem Verletzungserfolg führende Verhalten zu vermeiden. Parallel dazu stellen die §§ 1901a ff. BGB den Versuch dar, die Beteiligten zur Einhaltung der bei Einordnung als prozedurale Rechtfertigung strafbewehrten Verfahrensvorgaben im Vorfeld zu motivieren und dadurch eine falsche Umsetzung einer Patientenverfügung auszuschließen. Allerdings verdeutlicht dieser Vergleich auch nochmals das Bedürfnis nach einer gewissen Qualität der Verfahrensvorgaben, wenn sie als prozedurale Rechtfertigung ausgelegt werden sollen – schließlich ist bei sonstiger Vorverlagerung der Strafbarkeit das unter Strafe gestellte Vorfeldstadium stets notwendig in der letztlich zu vermeidenden Verletzung enthalten,320 und nur dadurch kann die Vorverlagerung der Strafbarkeit eigentlich legitimiert werden. Hingegen scheint, entsprechend den bereits genannten Qualitätsbedenken bezüglich der §§ 1901a ff. BGB, eine falsche Umsetzung der Patientenverfügung auch bei einer Einhaltung der Verfahrensvorgaben der §§ 1901a ff. BGB nicht ausgeschlossen. Hinzu kommt, dass die u. a. zur Vermeidung eines späteren Verletzungserfolgs eingeführte Vorfeldstrafbarkeit aus Verhältnismäßigkeitserwägungen vom Strafmaß (regelmäßig) hinter dem des vermiedenen Verletzungserfolgs zurückbleibt – bei einer Einordnung der §§ 1901a ff. BGB als prozedurale Rechtfertigung führten ein reiner Verfahrensverstoß im Vorwege und ein entsprechender Behandlungsabbruch bzw. eine entsprechende Weiterbehandlung entgegen dem Patientenwillen aber sogar zum gleichen Strafrahmen.

319 So in Bezug auf Versuchs- (freilich nach der im Gesetz Niederschlag gefundenen gemischt subjektiv-objektiven Strafgrundtheorie nur in abgeschwächter Form, vgl. z. B. Radtke JuS 1996, 878 (880 f.); Roxin in FS Nishihara, S. 157 (168); ders. JuS 1979, 1; Safferling ZStW 118 (2006), 682 (700 f.)) und Gefährdungsstrafbarkeit (anstatt vieler Wessels/Beulke/Satzger AT44 Rn. 27 ff.). 320 Das vollendete Verletzungsdelikt enthält notwendig das entsprechende Versuchsdelikt als Durchgangsstadium, abzulesen an dem Streit um das konkurrenzrechtliche Verhältnis zwischen Versuchs- und Verletzungsdelikt (für Spezialität NK-StGB4 /Puppe Vorbemerkung zu § 52 Rn. 10; für Subsidiarität Fischer62 Vor § 52 Rn. 41; Lackner/ Kühl28 /Heger Vor § 52 Rn. 26; LK-StGB12 /Rissing-van Saan Vor § 52 Rn. 132; Sch/ Sch29 /Sternberg-Lieben/Bosch Vor §§ 52 ff. Rn. 110). Zudem ist das verletzte Rechtsgut zuvor erst abstrakt und schließlich konkret gefährdet worden, unter Umständen können diese Angriffsintensitäten auch zeitlich zusammenfallen; vgl. auch hier die Konkurrenzen: Verletzungsdelikte verdrängen grundsätzlich schutzrichtungsgleiche Gefährdungsdelikte auf Grund von Subsidiarität, s. dazu RGSt 70, 400 (401); BGHSt 8, 243 (244); SK-StGB/Jäger Vor § 52 (136. Lfg.) Rn. 87; LK-StGB12 /Rissing-van Saan Vor § 52 Rn. 130; Sch/Sch29 /Sternberg-Lieben/Bosch Vor §§ 52 ff. Rn. 116.

III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB

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(2) Strafrecht als ultima ratio Außerdem ist zu befürchten, dass die Einführung einer prozeduralen Rechtfertigung mit dem ultima ratio-Grundsatz321 in Konflikt gerät. Zwar mögen diese Bedenken bezüglich einer Rechtfertigung, die zu Gunsten des Täters bereits durch Einhaltung bloßer Verfahrensvorgaben eingreift, auf den ersten Blick überflüssig erscheinen, doch könnte eine solche spezielle Rechtfertigung den Rückgriff auf materiell am Patientenwillen orientierte Rechtfertigungsmöglichkeiten versperren. Damit entfiele bereits bei einem Verstoß gegen die prozeduralen Vorgaben die Möglichkeit einer Rechtfertigung, selbst wenn das zu beurteilende Verhalten materiell im Einklang mit dem Patientenwillen steht. Vor diesem Hintergrund verstieße die Einordnung der §§ 1901a ff. BGB als prozedurale Rechtfertigung nur dann nicht gegen den ultima ratio-Grundsatz des Strafrechts, wenn das durch Verletzung der prozeduralen Vorgaben verwirklichte Zivilverfahrensunrecht ein Unrecht von solcher Intensität darstellte, dass der Gesetzgeber mit einer strafrechtlichen Sanktion angemessen reagierte,322 wobei ihm ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzuerkennen ist. Angesichts der mit einem strafrechtlichen Urteil einhergehenden Beeinträchtigung des auf die Menschenwürde zurückzuführenden Wert- und Achtungsanspruchs des Verurteilten fordert bereits Hassemer die Beschränkung von Prozeduralisierung auf Ausnahmefälle, in denen „Wahrheit und Gerechtigkeit [. . .] nicht hergestellt werden können“ und daher das „den Massstäben von Wahrheit und Gerechtigkeit möglichst nahe komm[ende]“, in einer Prozedur gefundene Ergebnis an die Stelle einer substantiellen Suche nach Wahrheit treten darf.323 (3) Anspruch des Strafverfahrens auf materielle Wahrheit Damit ist auch das mögliche Spannungsverhältnis324 einer prozeduralen Rechtfertigung zu dem Anspruch des Strafverfahrens auf materielle Wahrheit325 aufgezeigt, das sich im Untersuchungsgrundsatz gem. §§ 244 Abs. 2, 155 Abs. 2 321 Ausführlich zum Grundsatz, dass Strafrecht nur als ultima ratio eingreift, bereits unter D. III. 3. d). 322 Siehe zu der Angemessenheit der entsprechenden Strafdrohung unter E. III. 3. b) ee). 323 Hassemer in Pieth/Sellmann (Hrsg.), Prozessuales Denken als Innovationsanreiz für das materielle Strafrecht, S. 9 (12). 324 Popp ZStW 118 (2006), 639 (667) führt diesen Gedanken zwar nicht weiter aus, befürchtet aber, dass dieser Anspruch des Strafverfahrens „[i]n Frage gestellt werden“ könnte. 325 BVerfGE 57, 250 (275); 63, 45 (61); BVerfG NJW 2003, 2444 ff.: Gebot bestmöglicher Sachverhaltsaufklärung; KK-StPO7 /Krehl § 244 Rn. 28; s. ferner BVerfGE 86, 288 (317); 107, 104 (118 f.); 115, 166 (192); 118, 212 (230 f.); 122, 248 (270); BVerfG NJW 2012, 907 (909); zum prozessualen Wahrheitsbegriff Kühne GA 2008, 361 ff.; zur Ableitung der Wahrheitserforschungspflicht aus der Verfassung Radtke GA 2012, 187 (189 f.).

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

StPO widerspiegelt. Indem das Strafverfahren die Frage nach der Rechtfertigung nicht selbstständig beantwortet, sondern bei Einhaltung der zu einer prozeduralen Rechtfertigung führenden Vorgaben das Ergebnis dieses Prozedere übernimmt, unterlässt es in Bezug auf diese Frage die eigene Suche nach materieller Wahrheit. Dies könnte sich aber dann als unproblematisch erweisen, wenn die Erlangung der materiellen Wahrheit bereits durch das vom Strafrecht in Bezug genommene außerstrafrechtlich geregelte Prozedere, in diesem Fall durch die §§ 1901a ff. BGB, gewährleistet würde, sodass sich eine (wiederholte) Suche nach materieller Wahrheit seitens des Strafgerichts als obsolet herausstellte. Dafür dürfte die betreuungsrechtlich vorgegebene Prozedur nicht nur an die Stelle einer Suche nach Wahrheit treten, sondern müsste sich als prozedurale Suche nach der materiellen Wahrheit selbst darstellen. Gem. §§ 1901a Abs. 1, 1901b Abs. 1 BGB sind Arzt und Patientenvertreter zur Umsetzung des in der Patientenverfügung tatsächlich zum Ausdruck gekommenen Patientenwillens verpflichtet, insofern richtet sich bereits die ihnen aufgegebene Ermittlung des Patientenwillens auf die materielle Wahrheit. Auch wenn Arzt und Patientenvertreter folglich dazu verpflichtet sind, die materielle Wahrheit anzustreben, kann diese Vorgabe die tatsächliche Erlangung der materiellen Wahrheit nicht ebenso gut wie ein strafgerichtliches Verfahren, das dem Amtsermittlungsgrundsatz unterliegt, gewährleisten: Die potentielle persönliche oder zumindest berufliche Betroffenheit von Arzt und Patientenvertreter birgt die Gefahr, die Suche nach der materiellen Wahrheit bewusst oder unbewusst zugunsten der eigenen Interessen oder Befindlichkeiten zu vernachlässigen. Das sich so ergebende Missbrauchspotenzial326 müsste durch weitere Sicherungsrechte wie beispielsweise Dokumentationspflichten327 oder eine Kontrolle durch unbeteiligte Dritte ausgeschlossen werden, um der Ermittlung der materiellen Wahrheit im strafgerichtlichen Verfahren gleichzukommen. Allein das Einvernehmen zwischen Arzt und Patientenvertreter gewährleistet die Einhaltung der materiellen Wahrheit aber nicht. Auch das Erfordernis eines zivilgerichtlichen Beschlusses, wie er von § 1904 BGB im Konfliktfall zwischen Arzt und Patientenvertreter vorgesehen ist, scheint die materielle Wahrheit nicht zwingend zu gewährleisten, nimmt man die im übrigen Strafverfahren angenommene Unabhängigkeit der strafrechtlichen Bewertung von einer zivilgerichtlichen Entscheidung außerhalb von Statusverfahren328 in Betracht: So wird beispielsweise329 im Rahmen des § 170 StGB die 326

Siehe dazu bereits ausführlicher unter E. III. 1. a) bb) (1). Der Gesetzgeber verweist insoweit nur auf die für Ärzte bestehende standesrechtliche allgemeine Dokumentationspflicht, vgl. BT-Drs. 16/8442, S. 19. 328 Bzgl. Ehescheidungs-, Ehewidrigkeits- und Eheaufhebungsverfahren sowie Ehelichkeitsanfechtungs- und Vaterschaftsanerkennungsverfahren ist das zivilgerichtliche Urteil auch für die strafrechtliche Bewertung auf Grund der Statuswirkung bindend, s. LK-StGB12 /Dippel § 170 Rn. 28; MK-StGB2 /Ritscher § 170 Rn. 31. Während der BGH 327

III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB

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Frage nach dem Umfang330 der Unterhaltspflicht unabhängig von diesbezüglichen zivilgerichtlichen Entscheidungen beantwortet,331 da die Strafbarkeit insbesondere nicht auf der Grundlage von einem nach der Dispositionsmaxime ermittelten Sachverhalt beurteilt werden solle.332 Zum einen ist aber den Beteiligten in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gem. § 26 FamFG ohnehin die Dispositionsbefugnis bezüglich Beginn, Ende und vor allem Inhalt des Verfahrens entzogen – an die Stelle der im Zivilprozess grundsätzlich geltenden Dispositionsmaxime tritt auf Grund des rechtsfürsorgenden Charakters des Verfahrens, zumindest im Grundsatz333, das Offizialprinzip334 und i.V. m. § 29 Abs. 1 S. 2 FamFG335 an die Stelle des Beibringungs- der Untersuchungsgrundsatz.336 Dain früheren Entscheidungen selbst Statusurteilen keine Bindungswirkung zuerkennen wollte (BGHSt 5, 106; BGH FamRZ 1954, 170), ist eine Bindungswirkung insoweit heute allgemein anerkannt, s. BGHSt 26, 111 (113); OLG Hamm NJW 1973, 2306; OLG Stuttgart NJW 1973, 2305 (2306); LK-StGB12 /Dippel § 170 Rn. 28 Fn. 111 m.w. N.; Fischer62 § 170 Rn. 5; Lackner/Kühl28 /Heger § 170 Rn. 3; Büttner ZZP 71 (1958), 1 (40); Heimann-Trosien JR 1976, 235 (236); Kaiser NJW 1972, 1847 f.; Maurach/Schroeder/Maiwald BT 210 § 63 Rn. 33; Schroth BT5 13.2; K. H. Schwab NJW 1960, 2169 (2173). 329 Des Weiteren verneinte der BGH bspw. im Rahmen des § 4 GewSchG eine Bindungswirkung des Strafgerichts an die Entscheidung des Familiengerichts bezüglich der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Anordnung nach § 1 GewSchG, BGH v. 28.11. 2013 – 3 StR 40/13. 330 Die Frage nach dem eine grundsätzliche Unterhaltspflicht begründenden Statusverhältnis wird hingegen durch die rechtskräftige zivilrechtliche Verurteilung zur Unterhaltsleistung zwingend beantwortet, s. LK-StGB12 /Dippel § 170 Rn. 28; Sch/Sch29 / Lenckner/Bosch § 170 Rn. 13; MK-StGB2 /Ritscher § 170 Rn. 31. 331 BGHSt 5, 106; BayObLGSt 2002, 71 (74); Fischer62 § 170 Rn. 5; MK-StGB2 / Ritscher § 170 Rn. 31; Popp ZStW 118 (2006), 639 (667); LK-StGB12 /Dippel § 170 Rn. 28 und Sch/Sch29 /Lenckner/Bosch § 170 Rn. 13 möchten abweisende Unterhaltsurteile davon ausnehmen. 332 MK-StGB2 /Ritscher § 170 Rn. 31 ordnet die strukturellen und teleologischen Unterschiede in Zivil- und Strafrecht als „selbstverständliche Begründung“ ein, wobei er insbesondere dem im Zivilrecht vorherrschenden „Parteiverfahren [. . .]“ keinen Einfluss auf das Strafrecht zuerkennen will. 333 Gem. § 113 Abs. 1 S. 1 FamFG sind Ehe- und Familienstreitsachen von der Ermittlung von Amts wegen ausgeschlossen. Zudem wird auch im Bereich der übrigen freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Durchbrechung des Grundsatzes vom Offizialprinzip zu Gunsten einer eingeschränkten Dispositionsmaxime für echte Streitsachen diskutiert, s. dazu näher Bork/Jacoby/Schwab2 /Jacoby § 26 FamFG Rn. 13 f.; Musielak/Borth4 / Borth § 26 FamFG Rn. 5; BeckOK-FamFG/Burschel § 26 (Ed. 10) Rn. 32; Kemper/ Schreiber2 /Schreiber § 26 FamFG Rn. 8 ff.; Keidel18 /Sternal § 26 FamFG Rn. 8 f.; ablehnend Bassenge/Roth12 § 26 FamFG Rn. 4; Bumiller/Harders10 § 26 FamFG Rn. 5; Jansen3 /Briesemeister § 12 FGG Rn. 5; Schlegelberger6 § 12 FGG Rn. 7; MK-FamFG2 / Ulrici § 26 Rn. 5. 334 Musielak/Borth4 /Borth § 26 FamFG Rn. 3; BeckOK-FamFG/Burschel § 26 (Ed. 10) Rn. 31; Haußleiter/Gomille § 26 FamFG Rn. 2; Kretz in Jürgens (Hrsg.), Betreuungsrecht4, § 26 FamFG Rn. 1; Keidel18 /Sternal § 26 FamFG Rn. 7. 335 § 29 Abs. 1 S. 2 FamFG hat insoweit lediglich klarstellende Wirkung, da sich die Geltung des Untersuchungsgrundsatzes bereits aus § 26 FamFG ergibt, s. BT-Drs. 16/ 6308, S. 188; Haußleiter/Gomille § 29 FamFG Rn. 4.

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

durch werde, so Ulrici, gerade „die materielle Richtigkeit der Entscheidung gesichert“,337 sodass eine Übertragung der zivilgerichtlichen Entscheidung auf das Strafrecht in dieser Hinsicht weniger bedenklich erscheint. Zum anderen liegen auch dem Genehmigungsverfahren nach § 1904 BGB im Speziellen nicht nur die von Arzt und Patientenvertreter vorgetragenen Sachverhaltsdarstellungen zu Grunde, sondern das Gericht hat gem. § 298 Abs. 3 FamFG zusätzlich ein Sachverständigengutachten einzuholen338, gem. §§ 298 Abs. 2, 274 FamFG die sonstigen Beteiligten zu hören und gem. § 298 Abs. 3 FamFG einen Verfahrenspfleger zu bestellen. Insgesamt stehen damit die der nach § 1904 BGB erfolgenden gerichtlichen Entscheidung zu Grunde liegenden Tatsachen nicht zur Disposition von Arzt und Patientenvertreter, wie es in anderen Bereichen bei zivilrechtlichen Urteilen vor allem in echten Streitsachen der Fall sein mag. Kommt es hingegen in dem Genehmigungsverfahren gar nicht erst zu einer inhaltlichen Überprüfung und Entscheidung des Gerichts, etwa weil Arzt und Patientenvertreter sich im Hinblick auf Auslegung und Umsetzung des Patientenwillens einig sind und das Gericht dementsprechend das Genehmigungsverfahren als unzulässig abweist (und gerade kein sog. Negativattest erteilt339), ist der Suche nach materieller Wahrheit – anders als bei einem echten Dissens zwischen Arzt und Patientenvertreter, der bei Anrufung des Gerichts eine inhaltliche Kontrolle zur Folge hat – nicht bereits durch das zivilrechtliche Prozedere genüge getan. Folglich kann die sich auch aus dem Anspruch des Strafverfahrens auf materielle Wahrheit ergebende grundsätzliche Prozeduralisierungsfeindlichkeit des Strafrechts im Hinblick auf die §§ 1901a ff. BGB nur bezüglich eines Konsenses von Arzt und Patientenvertreter, nicht aber in Bezug auf eine betreuungsgerichtliche Genehmigung nach § 1904 BGB bestätigt werden. cc) Gleichwohl existierende Umsetzungen des Prozeduralisierungsgedankens im Strafrecht Trotz der insgesamt festgestellten Prozeduralisierungsfeindlichkeit des Strafrechts finden sich im geltenden Strafrecht vereinzelte Umsetzungen des Prozedu336 Musielak/Borth4 /Borth/Grandel § 29 FamFG Rn. 4; BeckOK-FamFG/Burschel § 29 (Ed. 10) Rn. 6; Keidel18 /Sternal § 26 FamFG Rn. 10; Lindacher JuS 1978, 577 (580). 337 MK-FamFG2 /Ulrici § 26 Rn. 5 mit Verweis auf BayObLG BayVBl. 1972, 502 (503); Jansen3 /Briesemeister § 12 FGG Rn. 40; Schlegelberger6 § 12 FGG Rn. 6. 338 Die Objektivierung durch ein Sachverständigengutachten wird freilich dann konterkariert, wenn auf Grund zeitlichen Drucks die „soll“-Vorschrift des § 298 Abs. 3 S. 2 FamFG, die auf Personenverschiedenheit von Sachverständigem und behandelndem Arzt hinwirkt, nicht greift; für ein zwingendes Verbot der Personenidentität, da bei zeitlichem Druck gem. § 1904 Abs. 1 S. 2 BGB ohnehin keine betreuungsgerichtliche Genehmigung erforderlich sei, MK-FamFG2 /Schmidt-Recla § 298 Rn. 7. 339 Siehe dazu bereits unter C. I. 3.

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ralisierungsgedankens, in die sich eine Übertragung der verfahrensrechtlichen Vorgaben der §§ 1901a ff. BGB auf das Strafrecht einreihen könnte. Hat der Gesetzgeber in anderen Bereichen des Strafrechts über die grundsätzliche Prozeduralisierungsfeindlichkeit hinweggesehen, bietet das einen Vergleichsmaßstab für die erforderlichen Vorzüge einer Prozeduralisierung, ob sie die – wohl auch in unterschiedlichem Maß bestehenden – Diskrepanzen zu den strafrechtlichen Grundsätzen aufwiegen können. Um einen solchen Vergleich gerade im Hinblick auf eine Legitimation kraft der Verfahrensvorgaben anstellen zu können, müsste es sich bei den anderen Prozeduralisierungen aber (auch) um eine prozedurale Rechtfertigung handeln. (1) §§ 218a Abs. 1, 219 StGB Zentrale Prozeduralisierung im StGB ist die sog. Beratungslösung beim Schwangerschaftsabbruch gem. §§ 218a Abs. 1, 219 StGB, die allerdings bereits auf Grund ihrer (vielfach kritisierten340) Rechtsfolge – bei Einhaltung der aufgestellten Voraussetzungen ist nach dem Normtext „[d]er Tatbestand des § 218 StGB [. . .] nicht verwirklicht“ – nicht als prozedurale Rechtfertigung341, sondern höchstens als prozedurale Legitimierung eingeordnet werden könnte.342 Das 1992 an die Stelle der sog. Indikationenlösung tretende 1. Beratungsmodell343 ordnete demgegenüber noch eine Rechtfertigung des Schwangerschaftsabbruchs an, doch erklärte das BVerfG dieses Rechtswidrigkeitsmodell für verfassungswidrig.344 In Anknüpfung an die zu diesem Urteil ergangene abweichende Mei340 LK-StGB27 /Kühl Vor § 218 Rn. 16; Eser KritV-Sonderheft 2000, 43 (48 f.); Langer ZfL 1999, 47; Wessels/Hettinger BT 144 Rn. 236 f.; Wolter GA 1996, 207 (223 ff.). Die Kritik beruht im Wesentlichen darauf, dass sich der Staat zu sich selbst in Widerspruch setze, wenn er ein von ihm selbst institutionalisiertes Verfahren (Beratungslösung) als rechtswidrig einordnet. Auch stelle es ein „strafrechtliches Paradoxon“ (BeckOK-StGB/von Heintschell-Heinegg § 218 Vor Rn. 1) dar, wenn der Schwangerschaftsabbruch zum einen vom Tatbestand des § 218 StGB ausgenommen wird, zum anderen aber weiterhin als rechtswidrig eingeordnet wird. 341 Gleichwohl wird eine prozedurale Rechtfertigung von einigen als der einzig vertretbare Strafbarkeitsausschluss durch Beratung eingeordnet, so zuerst Hassemer in FS Mahrenholz, S. 731 (736); ihm folgend Eser in FS Süssmuth, S. 117 (132): „Sonderfall prozeduraler Rechtfertigung“; Wolter GA 1996, 207 (226 ff.), der den Schwangerschaftsabbruch nach Beratung auch ausdrücklich straftatsystematisch weiterhin als Rechtfertigungsgrund einordnen will, da die Annahme einer anderen Deliktssystemstufe verfehlt sei, S. 227 Fn. 85. 342 Zumindest in eine ähnliche Richtung weist die Formulierung von Saliger ARSPBeiheft 75, 101 (131): „Legalisierung“ der zum Schwangerschaftsabbruch führenden Handlung, die strafrechtlich geschützte Rechtsgüter verletzt. 343 Eingeführt durch das Gesetz zum Schutz des vorgeburtlichen/werdenden Lebens, zur Förderung einer kinderfreundlichen Gesellschaft, für Hilfen im Schwangerschaftskonflikt und zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs (Schwangeren- und Familienhilfegesetz, SFHG) vom 27.7.1992, BGBl. I, S. 1398. 344 BVerfG v. 28.5.1993 – 2 BvF 2/90, BVerfGE 88, 203 ff.

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nung der Richter Mahrenholz und Sommer345, die für das Festhalten an der Rechtfertigung kraft Beratung der Schwangeren plädierten, brachte Hassemer den Schwangerschaftsabbruch nach der Beratungslösung erstmals mit der Idee einer „prozedurale[n] Rechtfertigung“ in Verbindung.346 Der Tatbestandsausschluss in Bezug auf eine Strafbarkeit nach § 218 StGB, der sich für die Beteiligten von der vorigen Gesetzesfassung praktisch gesehen im Hinblick auf die nicht geschuldete Finanzierung des Schwangerschaftsabbruchs seitens der gesetzlichen Krankenversicherung347 unterscheidet, greift, wenn der Schwangerschaftsabbruch kumulativ durch einen Arzt, innerhalb von 12 Wochen ab der Empfängnis, nach einer von § 219 StGB i.V. m. dem SchKG geregelten, ordnungsgemäßen348 Beratung und infolge eines entsprechenden Verlangens der Schwangeren erfolgt. Damit stellen diese Voraussetzungen negative Tatbestandsmerkmale des § 218 StGB dar.349 Die den Kern350 des Tatbestandsausschlusses bildende Beratung der Schwangeren durch eine nach § 21 Abs. 3 S. 1 SchKG zuständige Beratungsstelle soll gewährleisten, dass die Schwangere eine materiell selbstverantwortliche Entscheidung trifft,351 und so den Verzicht auf eine materielle Entscheidung von außen in Bezug auf die erforderlichen Gründe für die Zulässigkeit eines Schwangerschaftsabbruchs kompensieren.352 Mit dieser Verschiebung des strafrechtlichen Schutzes von einer materiellen auf eine verfahrensrechtliche Vorgabe – nämlich Anordnung eines ex ante durchzuführenden Verfahrens – ist der Gesetzgeber nach Einschätzung des BVerfG auch innerhalb seines Einschätzungs- und Beurteilungsspielraums geblieben, da er dieses Schutzkonzept vertretbar für effektiver halte als eine außerhalb der Indikationen von § 218a Abs. 2, 3 StGB ausnahmslose Strafbewehrung des Schwanger-

345 BVerfGE 88, 203 (338 ff.). Nach Mahrenholz und Sommer ist die Rechtfertigung eines nach einer Beratung erfolgenden Schwangerschaftsabbruchs „der unentbehrliche Schlußstein der Beratungsregelung“ und greift unabhängig davon, ob „ein Dritter festgestellt hat, daß die Fortsetzung der Schwangerschaft unzumutbar ist“, da die Entscheidung der Schwangeren „als verantwortungsvolle Entscheidung [. . .] von der Rechtsordnung anerkannt [. . .] [werden muss], wenn die Beratung die ihr zugedachte lebensschützende Wirkung entfalten soll“ (S. 348 f.). 346 Hassemer in FS Mahrenholz, S. 731 (735). 347 BVerfGE 88, 203 (S. 314 ff.). 348 Dabei begründet nicht jeder Verstoß gegen die einzelnen Verfahrensvorgaben bereits den Wegfall der Strafbefreiung nach § 218a Abs. 1 StGB. Stattdessen fehlt es erst dann an einer strafbefreienden Beratung, wenn eine Beratung überhaupt nicht stattgefunden hat, zwischen Beratung und Abtreibung keine drei Tage liegen oder die Beratungsstelle nicht staatlich als solche anerkannt ist, Sch/Sch29 /Eser § 219 StGB Rn. 23; MK-StGB2 /Gropp § 219 Rn. 33; Eser JZ 1994, 503 (508 f.). 349 NK-StGB4 /R. Merkel § 218a Rn. 66. 350 Spickhoff/Knauer/Brose § 218 StGB Rn. 16. 351 BVerfGE 88, 203 (247); Wolter GA 1996, 207 (226). 352 Nach Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (131) gar „Legalisierung“ der strafrechtlich geschützte Rechtsgüter verletzenden Handlung.

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schaftsabbruchs.353 Im Rahmen der Wiedergabe einer Äußerung der Bayerischen Staatsregierung spricht das BVerfG dann auch ausdrücklich davon, dass „[a]n die Stelle objektivierter Kontrolle [. . .] prozedurale Einwirkungen auf den nicht kontrollierbaren Entscheidungsprozeß [träten]“ 354, wenngleich das Gericht selbst diese Wertung nicht ausdrücklich übernimmt. Auf den ersten Blick erscheint eine Einordnung des § 218a Abs. 1 StGB als prozedurale Legitimation daher einleuchtend: Die Schwangere „entscheidet“ durch Inanspruchnahme eines Beratungsgesprächs und anschließendes Verlangen des Schwangerschaftsabbruchs im Vorhinein über dessen Rechtmäßigkeit.355 Außerdem wird auf Grund der prozeduralen auf eine materielle Regelung der Unzumutbarkeit eines Schwangerschaftsabbruchs, deren effektive Ausgestaltung durch erhebliche Unsicherheiten im Hinblick auf die Abgrenzung der kollidierenden Grundrechte von Mutter und Ungeborenem erschwert würde,356 verzichtet357, sodass es sich nach der Differenzierung Stratenwerths sogar um eine Prozeduralisierung im engeren Sinn handelte. Damit lassen sich die §§ 218a Abs. 1, 219 StGB auch unter gängige Definitionen der prozeduralen Legitimierung subsumieren, da die fachkundige Beratung als Verfahrensvorgabe inhaltliche Entscheidungskriterien ersetzen und die Einhaltung dieses Verfahrens der Schwangeren ihre Verantwortung bezüglich des ungeborenen Lebens vor Augen führen358 und auf diese Weise letztlich den grundrechtlichen Lebensschutz im Hinblick auf das Ungeborene sichern soll.359 Daraus ergäbe sich auch der für eine prozedurale Legitimierung typische nur noch mittelbare Rechtsgüterschutz durch das Strafrecht, welches unmittelbar die auf Schutz des Rechtsguts ausgerichtete Verfahrensvorgabe absichert.360 Ein genauerer Blick auf die Funktionen prozeduraler Vorgaben deckt aber auf, dass die durch das Beratungsmodell installierte Prozeduralisierung gleichwohl nicht sämtliche Kennzeichen einer prozeduralen Legitimierung aufweist: Zum 353

BVerfGE 88, 203 (247). BVerfGE 88, 203 (278). 355 Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (131): Legalisierung einer strafrechtlich geschützte Rechtsgüter verletzenden Handlung durch Einhaltung eines Verfahrens ex ante. 356 BVerfGE 88, 203 (253): „Zweiheit in Einheit“; Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (130). 357 Hassemer in FS Mahrenholz, S. 731 (737). 358 BVerfGE 88, 203 (282). 359 Vgl. die bereits eingangs erwähnte Definition Sternberg-Liebens in FS Eser, S. 1185 (1200): „Ersetzung inhaltlicher Entscheidungskriterien durch das bloße Einhalten eines bestimmten Verfahrens, das Grundrechtsschutz durch Verfahrensgestaltung sichern soll“. 360 Hassemer in FS Mahrenholz, S. 731 (737). Brauer, S. 56 ff. erkennt in diesem Zweck der Strafandrohung, die Einhaltung des Verfahrens zu garantieren, eine Regelmäßigkeit, die zwingend mit einer Strafbarkeit auch der formellen Illegalität einhergehen müsse, da der entsprechende mildere Strafrahmen von hier § 219 StGB (und parallel auch § 7 KastrG) unrechtsangemessen sei. 354

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einen rührt die Verschiebung des Beurteilungszeitpunkts für eine prozedurale Legitimierung auf die ex ante-Perspektive daher, dass die Entscheidung für die handelnde Person im Vorwege mit Unsicherheiten belastet ist, ihr das diesbezügliche Risiko einer Fehlentscheidung aber nicht auferlegt werden soll. Diese Unsicherheiten361 bestehen für die im Fall eines Schwangerschaftsabbruchs entscheidende Schwangere nicht, schließlich hat sie ihre eigenen Wertvorstellungen zu Grunde zu legen – die durch Dritte festgestellte Fehlentscheidung ist daher denknotwendig ausgeschlossen. So führt auch Stratenwerth aus, dass sich die Legitimierung durch Einhaltung der Vorgaben der Beratungslösung nicht auf das spezifische Nichtwissen, sondern auf die Wertentscheidung der Schwangeren höchstpersönlicher Natur gründe.362 Vor allem aber ergibt sich der Inhalt der letztlich von der Schwangeren getroffenen Entscheidung nicht zwangsweise aus dem Verfahren: Zwar hat die Beratungsstelle im Gespräch auf bestimmte Dinge einzugehen (vgl. im Einzelnen § 5 SchKG), ihr obliegt aber keine Entscheidungsbefugnis. Die Partizipation Dritter363 beschränkt sich damit auf das Verfahren, das aber nicht einmal mit Sicherheit von Einfluss auf die letztlich von der Schwangeren getroffene Entscheidung für oder wider einen Schwangerschaftsabbruch ist. Stattdessen kann die Schwangere, entgegen der teilweise an die prozedurale Legitimierung gestellten Anforderung eines diskursiven Verfahrens364, an dem Beratungsgespräch sogar rein passiv teilhaben.365 Es erscheint folglich möglich, dass die Schwangere den letztlich umgesetzten Entschluss zum Schwangerschaftsabbruch bereits vor der Beratung gefasst hat, ohne dass dies zum Nichteingreifen des Tatbestandsausschlusses nach § 218 Abs. 1 StGB führte; damit wird die Entscheidung der Schwangeren also nicht deshalb anerkannt, „weil eine bestimmte Prozedur sie hervorgebracht hat“, sondern weil das Recht die (materielle) Entscheidung der Schwangeren als richtig anerkennt,366 die Rechtfertigung erfolgt damit materiell.

361 Zwar kann auch die Entscheidung der Schwangeren über den Schwangerschaftsabbruch mit Unsicherheiten belastet sein, doch handelt es sich insoweit um inhaltliche Unsicherheiten bei dem Treffen einer eigenen Wertentscheidung und nicht um Unsicherheiten bei der Ermittlung einer fremden Wertentscheidung. Soll der mutmaßliche Wille des einwilligungsunfähigen Patienten in Bezug auf einen Behandlungsabbruch ermittelt werden, treten diese Unsicherheitsfaktoren kumulativ auf. 362 Stratenwerth in FS Hassemer, S. 639 (644); diese Argumentationslinie macht bereits deutlich, dass es, wenn der Schwangerschaftsabbruch nach dem Beratungsmodell nicht prozedural zu legitimieren ist, freilich einer anderen Herleitung der Legitimierung bedarf, die an dieser Stelle aber zu weit führte. 363 Vgl. zu diesem rechtstechnischen Instrument der prozeduralen Rechtfertigung Eicker, S. 216. 364 Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (127); ders. in Bernat/Kröll (Hrsg.), Recht und Ethik der Arzneimittelforschung, S. 122 (166 Fn. 205); ders. in FS Hassemer, S. 599 (603). 365 Eser JZ 1994, 503 (509); Tröndle NJW 1995, 3009 (3017). 366 Stratenwerth in FS Hassemer, S. 639 (645 f.).

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Auch wenn die durch die Beratungslösung beim Schwangerschaftsabbruch eingeführte Prozeduralisierung aus den genannten Gründen mangels Legitimationswirkung nicht als prozedurale Legitimierung einzuordnen ist, so durchbricht sie gleichwohl den aufgestellten Grundsatz der Prozeduralisierungsfeindlichkeit des Strafrechts. Ein Rückschluss auf die Interpretation der §§ 1901a ff. BGB als prozedurale Rechtfertigung ist allerdings nur dann möglich, wenn die zur grundsätzlichen Prozeduralisierungsfeindlichkeit des Strafrechts führenden Prinzipien auch dem Beratungsmodell nach §§ 218a Abs. 1, 219 StGB entgegenstehen, die zur Einführung der Beratungslösung führenden Gründe die hervorgerufenen Konflikte zu den strafrechtlichen Grundsätzen aber aufzuwiegen vermögen. Sollten die Prinzipien, dass das Strafrecht grundsätzlich als ultima ratio einen Rechtsgüterschutz unter ex post-Sichtweise bietet, dessen Verfahren der Anspruch auf materielle Wahrheit zu Grunde liegt, dem Beratungsmodell aber gar nicht erst entgegenstehen, könnte keine Parallele zu den §§ 1901a ff. BGB gebildet werden, die bei Interpretation als prozedurale Rechtfertigung in Konflikt mit diesen Prinzipien geraten.367 Wenn die Legitimierung des Schwangerschaftsabbruchs nach dem Beratungskonzept auf die vor dem Hintergrund der grundrechtlichen Konfliktlage gesetzlich zuerkannte Entscheidungsbefugnis der Schwangeren dahingehend zurückgeführt wird, dass ein Austragen des Kindes ihr unzumutbar ist,368 erscheint eine strafrechtstypische ex post-Entscheidung über die Legitimität des Schwangerschaftsabbruchs durch das Strafgericht denknotwendig ausgeschlossen. Auch die Beurteilung durch die Schwangere kann nicht erst ex post erfolgen: Damit das Beratungsverfahren seine Lebensschutzwirkung in Bezug auf das Ungeborene entfalten kann, muss das die Verantwortung einer Schwangerschaft verdeutlichende Beratungsgespräch bereits vor dem Eingriff erfolgen. Zudem ist der Arzt in seiner Straflosstellung bezüglich des Schwangerschaftsabbruchs von der „Entscheidung“ der Schwangeren abhängig, sodass Handlungssicherheit für den Arzt nur durch eine ex ante-Beurteilung erreicht werden kann. Insgesamt ließe sich das Legitimationskonzept der §§ 218a Abs. 1, 219 StGB daher unter Anlegung einer ex post-Sichtweise gar nicht umsetzen. Parallel dazu steht die Beratungslösung des Schwangerschaftsabbruchs auch nicht im Konflikt zum Anspruch des Verfahrens auf materielle Wahrheit: Da die Legitimität des Schwangerschaftsabbruchs auf die Entscheidungsbefugnis der Schwangeren gestützt wird, liegt die materielle Wahrheit gerade in der Einschätzung durch die Schwangere nach Durchlaufen des Beratungsverfahrens. Die §§ 218a Abs. 1, 219 StGB stehen auch nicht im Konflikt zum ultima ratioGrundsatz, schließlich verkleinert die Straflosstellung das Eingreifen strafrecht-

367 368

Siehe E. III. 1. b) bb). BVerfGE 88, 203 (284).

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licher Sanktionen und entfaltet insbesondere keine Sperrwirkung im Hinblick auf anderweitige Rechtfertigungsmöglichkeiten eines Schwangerschaftsabbruchs. Mangels eines Konflikts zu den strafrechtlichen Grundsätzen, die die grundsätzliche Prozeduralisierungsfeindlichkeit des Strafrechts begründen, können die §§ 218a Abs. 1, 219 StGB somit keinen Aufschluss darüber geben, welche Erwägungen einen solchen Konflikt hinnehmbar erscheinen ließen. (2) §§ 3–5, 8 Abs. 3 S. 2 i.V. m. 19, 20 TPG Eine weitere Umsetzung der Prozeduralisierungsidee im Strafrecht findet sich in den verfahrensrechtlichen Anforderungen an eine Organspende, §§ 3–5, 8 i.V. m. 19, 20 TPG. Wiederum wird eine strafrechtlich relevante Handlung – neben der speziellen Strafbarkeit gem. § 19 TPG stellt die prämortale Entnahme von nicht lebenswichtigen Organen eine (schwere) Körperverletzung369, die postmortale Entnahme allerdings höchstens eine Störung der Totenruhe370 dar – durch ein im Vorwege durchzuführendes Verfahren legalisiert.371 Für die Entnahme von Organen und Geweben toter Spender bedarf es gem. § 3 Abs. 1 TPG der Einwilligung des Organ- oder Gewebespenders bzw. der Zustimmung anderer gem. §§ 4 f. TPG verfügungsberechtigter Personen, einer Feststellung des Todes des Organ- oder Gewebespenders nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft grundsätzlich durch zwei unabhängig voneinander untersuchende Ärzte und der Entnahme durch einen Arzt. Für die Lebendspende Heberer (Hrsg.), 2.5.4; Ulsenheimer Arztstrafrecht in der Praxis4, S. 367. Der Tatbestand einer Sachbeschädigung (§ 303 StGB) ist nicht verwirklicht, da es sich bei einer Leiche zwar um eine Sache handelt, diese aber für den Täter mangels Verkehrsfähigkeit nicht „fremd“ ist, Pluisch/Heifer NJW 1994, 2377 (2379); Rüping GA 1977, 299 (301); Ulsenheimer Arztstrafrecht in der Praxis4, S. 372. Auch die Störung der Totenruhe (§ 168 StGB) soll nach Teilen der Lehre nicht verwirklicht sein, da sich der Leichnam in der tatsächlichen Obhut des transplantierenden Arztes befinde und er somit nicht in den Gewahrsam der Angehörigen eingreife, Geilen JZ 1971, 41 (44); Ulsenheimer Arztstrafrecht in der Praxis4, S. 372. Nach anderer Ansicht ist das Pietätsgefühl der Angehörigen in den Gewahrsamsbegriff mit einzubeziehen, sodass die Organentnahme § 168 StGB verwirkliche, so von Bubnoff GA 1968, 65 (73); Hanack DÄBl. 1969, 1320 (1330). Da die Legalisierung durch das im Vorwege durchzuführende Verfahren aber sogar durch eine Sanktionsnorm (§ 19 TPG) ergänzt wird, die bei Verstoß gegen bestimmte Verfahrensanforderungen als spezielle Regelung eingreift, kommt es letztlich auf das Eingreifen von § 168 StGB gar nicht an, schließlich verdrängt § 19 TPG als lex specialis die allgemeinen Delikte (Schroth JZ 1997, 1149 (1152)). 371 Saliger ARSP-Beiheft 75, 101 (131), der wohl in seiner nur sehr knappen Äußerung in Bezug auf das TPG die Interpretation als prozedurale Legitimierung favorisiert. Allerdings bezieht er sich in seinem Verweis auf das TPG auch ausdrücklich auf die Kommissionsregelung in § 8 Abs. 3 S. 2 TPG, die in der Tat prozedurale Elemente aufweist, aber mangels Strafbewehrung keine Legitimationswirkung zu entfalten vermag, s. dazu im Folgenden. 369 370

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ist neben der Einwilligung durch den volljährigen, einwilligungsfähigen und aufgeklärten Spender bzw. die nach §§ 8a f. TPG verfügungsberechtigten Personen unter anderem eine besondere persönliche Verbundenheit zwischen Spender und Empfänger sowie die Vornahme des Eingriffs durch einen Arzt vorgeschrieben. Diese wichtigsten372 (auch) verfahrensrechtlichen Anforderungen werden durch den auch373 prozedurales Unrecht erfassenden § 19 Abs. 1, 2 TPG strafrechtlich abgesichert. Die Begründung der Strafbewehrung durch den Gesetzgeber fällt recht knapp aus: Das Selbstbestimmungsrecht des Organspenders sei zu schützen374 und die sanktionierten Verstöße „bedürfen [. . .] einer strafrechtlichen Bewehrung“ 375 bzw. trügen „strafrechtlichen Unrechtscharakter“ 376. Zentrales Ziel der Regelung wird folglich die Absicherung einer autonomen Entscheidung des Organspenders gewesen sein, wobei die Sanktionsnorm an Dritte (die Ärzte) adressiert ist und Interessen schützt, die aus der Perspektive des potentiellen Selbstschädigers als schützenswert erscheinen,377 sodass es sich um einen indirekten, weichen Paternalismus handelt.378 Als prozedurale Rechtfertigung379 können die genannten Vorschriften des TPG dennoch nicht gewertet werden,380 da die eigentlichen Prozeduralisierungen nicht 372 Weitere Verfahrensvoraussetzungen werden zwar aufgestellt, aber nicht strafrechtlich abgesichert, so hat bspw. eine Lebendspende erst nach positiver ärztlicher Prognose hinsichtlich der Geeignetheit des Spenderorgans zu erfolgen und nur wenn kein entsprechendes Organ von einem toten Spender erlangt werden kann. Eine empirische Untersuchung „zur Implementierung prozeduraler Modelle der Absicherung von Autonomiebedingungen im Transplantationswesen“ am Beispiel der Lebendspendekommissionen s. Fateh-Moghadam/Schroth/Gross/Gutmann MedR 2004, 19 ff., 82 ff. 373 Rein prozedurales Unrecht ist eigentlich nur insoweit strafbewehrt, als der Tod nicht durch zwei unabhängig voneinander agierende Ärzte festgestellt wurde oder der Eingriff nicht durch einen Arzt vorgenommen wurde. Fehlt hingegen sogar die (wirksame) Einwilligung des Lebendspenders in die Organentnahme, ist auch materielles Unrecht verwirklicht. Insbesondere wenn man eine Rechtfertigung kraft des mutmaßlichen Willens zulassen möchte (für eine Erweiterung auf die mutmaßliche Einwilligung Schroth JZ 1997, 1149 (1152)), wird der materielle Gehalt dieser Vorgabe deutlich. Außerdem stellt auch die persönliche Verbundenheit zwischen Spender und Empfänger eine materielle Anforderung dar. 374 BT-Drs. 13/4355, S. 31. 375 BT-Drs. 13/4355, S. 31. 376 BT-Drs. 13/4355, S. 31. 377 Weicher Paternalismus als Schutz von Interessen „für und gegen“ dessen Inhaber nach R. Merkel in Hegselmann/Merkel (Hrsg.), Zur Debatte über Euthanasie, S. 71 (83). 378 Schroth JZ 1997, 1149 (1154). 379 Ohnehin erscheint fraglich, ob statt einer prozeduralen Rechtfertigung wiederum nur eine prozedurale Legitimation bereits auf Tatbestandsebene in Betracht kommt, schließlich erscheint selbst die Einwilligung des Spenders vom Wortlaut her als Straftatbestandsmerkmal des § 19 TPG. So wird die Vorgabe einer Einwilligung unter Zugrundelegung eines weiten liberalen Rechtsgutsverständnisses, das bei Einverständnis und Einwilligung nicht zwischen den Rechtswirkungen unterscheidet (so Schroth/König/ Gutmann/Oduncu/Schroth § 19 TPG Rn. 52; Roxin AT I4 § 13 Rn. 11), als tatbestandsausschließende Einwilligung interpretiert (Schroth/König/Gutmann/Oduncu/Schroth

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von der Strafbewehrung gem. §§ 19, 20 TPG umfasst sind und damit im Umkehrschluss auch keine Legitimationswirkung entfalten können; die von §§ 19, 20 TPG umfassten Teile des TPG enthalten wiederum nur zum Teil verfahrensrechtliche Anforderungen und auch insoweit keine Verlagerung der Rechtmäßigkeitsprüfung auf eine abschließende Bewertung ex ante: Von § 19 TPG umfasst ist insbesondere die Einwilligung des aufgeklärten Spenders. Diese von § 19 Abs. 1 Nr. 1 i.V. m. § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a) TPG geforderte Einwilligung prüft das Strafgericht (wie im Übrigen jede Einwilligung in eine Körperverletzung) erst im Nachhinein auf ihre Wirksamkeit und ist in seiner Beurteilung, anders als für eine prozedurale Legitimation typisch, weder an die Bewertung seitens der Ärzte noch an das Urteil der Kommission über die Freiwilligkeit der Einwilligung381 nach § 8 Abs. 3 S. 2 TPG gebunden. Zwar trägt das TPG durch prozedurale Anforderungen Sorge dafür, dass das Strafgericht die Einwilligung übereinstimmend mit den Beteiligten interpretiert – so ist der Inhalt der vorzunehmenden Aufklärung detailliert vorgegeben (§ 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 1–6 TPG), die Aufklärung hat in Anwesenheit eines weiteren Arztes stattzufinden (§ 8 Abs. 2 S. 3 TPG) und Inhalt der Aufklärung sowie die Einwilligungserklärung des Spenders sind aufzuzeichnen, wobei die Niederschrift von der Aufklärungsperson, dem weiteren Arzt und dem Spender zu unterschreiben ist (§ 8 Abs. 2 S. 4 TPG) – doch sind über die Bezugnahme des § 8 Abs. 1 Nr. 1b) TPG auf § 8 Abs. 2 S. 1, 2 TPG nur die Vorschriften bezüglich des Ablaufs der Aufklärung in die Strafbewehrung einbezogen. Zwar garantiert eine vollumfängliche Aufklärung noch keine wirksame Einwilligung, doch werden die Dokumentationspflichten bezüglich der Einwilligung nicht in Bezug genommen. Die Möglichkeit einer von den Beteiligten für wirksam gehaltenen, vom Gericht aber schließlich als unwirksam gewerteten Einwilligung hätte nur dann § 19 TPG Rn. 52). Will man allerdings die grundsätzliche Unterscheidung zwischen einem tatbestandsausschließendem Einverständnis und einer rechtfertigenden Einwilligung aufrecht erhalten, so ist die Vorgabe des TPG als Rechtfertigung einzuordnen, da die an ein tatbestandsausschließendes Einverständnis gestellten Anforderungen für die Organentnahme angesichts der Schwere des Eingriffs und der Missbrauchsanfälligkeit nicht ausreichen können, schließlich würde sonst bereits ein entsprechender innerer Wille des Spenders für eine Legitimation ausreichen (Schroth/König/Gutmann/ Oduncu/Schroth § 19 TPG Rn. 50), die Konzeption des TPG geht aber von dem Erfordernis einer entsprechenden Erklärung des Spenders aus. 380 Anders sei nach englischem Recht Section 33 HAT Act 2004 einzuordnen, dabei handele es sich, so Fateh-Moghadam, S. 286, um eine „prozedurale Legitimation [. . .] im Sinne eines verwaltungsakzessorischen Strafrechts“, schließlich sei die Strafbarkeit nicht anhand materieller Kriterien zu bestimmen, sondern sei „– verwaltungsakzessorisch – an die jeweils geltenden Bestimmungen der Verordnung des Gesundheitsministers und die Entscheidung der Behörde“ gebunden. 381 Fateh-Moghadam, S. 240: „[D]ie gutachtliche Feststellung von Anhaltspunkten für die Unfreiwilligkeit der Organspende [führt] nicht eo ipso bzw. verwaltungsakzessorisch zur materiellen Unwirksamkeit der Einwilligung – und damit zur Strafbarkeit gemäß § 19 I i.V. m. § 8 I Nr. 1b TPG“.

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vollends beseitigt werden können, wenn alle prozeduralen Anforderungen des § 8 Abs. 2 TPG382 anstelle von dem Erfordernis einer Einwilligung nebst umfänglicher Aufklärung gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1b) TPG in Bezug genommen worden wären, denn damit hätte die dokumentierte Einwilligung mit einem bindenden Charakter ausgestattet werden können. Bei der Bezugnahme nur auf § 8 Abs. 1 Nr. 1b) TPG handelt es sich wohl auch um kein redaktionelles Versehen, schließlich stellte der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung gerade auf den strafrechtlichen Unrechtscharakter bestimmter Verstöße ab.383 Folglich handelt es sich um eine materielle Vorgabe, wie sie im Bereich der Körperverletzung durch einen ärztlichen Heileingriff typisch ist. Neben dieser materiellen Vorgabe, die den strafrechtstypischen Rechtsgüterschutz unter ex post-Sichtweise und damit auch den Anspruch des Strafverfahrens auf materielle Wahrheit aufrechterhält, können auch die verfahrensrechtlichen Anforderungen, dass der Eingriff durch den Arzt vorgenommen wird und bei einem toten Spender der Tod durch zwei unabhängig voneinander untersuchende Ärzte festgestellt werden muss, keine prozedurale Legitimation mehr installieren, schließlich stellt die Einhaltung dieser Vorgaben keine hinreichende Voraussetzung für eine Straflosigkeit dar. Einen weiteren tauglichen Ansatzpunkt für eine Verlagerung der Rechtmäßigkeitsbeurteilung auf die ex ante-Sichtweise (neben der Bindungswirkung der niedergeschriebenen Einwilligung) hätte die in § 8 Abs. 3 S. 2 TPG angeordnete Stellungnahme einer Kommission384 zur Freiwilligkeit der Einwilligung geboten, schließlich stellt eine solche Stellungnahme385 mit der Partizipation Dritter und dadurch erfolgender Wissensakkumulation ein typisches rechtstechnisches Instrument einer Prozeduralisierung dar.386 Der Gesetzgeber hat jedoch durch seinen Verzicht auf eine Strafbewehrung diese Legitimationsmöglichkeit ausgeschlossen. Folglich enthält das TPG keine prozedurale Legitimierung und kann damit keinen Anhaltspunkt dafür bieten, welche Gründe für die Einführung einer Pro-

382 Auch Fateh-Moghadam, S. 238 lehnt mangels Strafbewehrung von § 8 Abs. 2 S. 3, 4 TPG die Einordnung als „echte prozedurale Strafnorm im Sinne einer selbständigen strafrechtlichen Absicherung bloßer Form- und Verfahrensvorschriften“ ab. 383 BT-Drs. 13/4355 S. 31; Nomos-BR-Erläuterungen/Baumann/Kügele § 19 TPG Rn. 1: Der Gesetzgeber hat gerade nur die tragenden Vorschriften und nicht alle Regelungen des TPG in die Strafbewehrung einbezogen. 384 Zusammensetzung und genaueres Verfahren der Kommission werden landesrechtlich konkretisiert: § 5a HBKG; Art. 1 ff. AGTPG BY; § 4 d ÄuaKammerG BE; § 130 HeilBerG BB; § 11b HeilBerG BR; § 10 HmbKGH; § 2 HAGTPG; § 1 f. TPGAG M-V; § 1 f. AG-TPG NW; § 2 f. AGTPG RP; § 2 AG TPG SL; § 2 SH-A-TPG; § 17h ThürHeilBG. 385 Nach Fateh-Moghadam, S. 240 ist die Entscheidung der Kommission nicht als förmlicher Verwaltungsakt einzuordnen; a. A. Engst GesR 2002, 79 (86). 386 Fateh-Moghadam/Schroth/Gross/Gutmann MedR 2004, 19: „Modell der prozeduralen Absicherung von Autonomiebedingungen“.

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

zeduralisierung die grundsätzliche Prozeduralisierungsfeindlichkeit des Strafrechts aufzuwiegen vermöchten. (3) §§ 5–7 KastrG Eine weitere Umsetzung des Prozeduralisierungsgedankens könnte sich im KastrG finden: Nach § 5 KastrG bedarf es für eine Kastration neben der in §§ 2 f. KastrG geregelten Einwilligung des zu Kastrierenden einer Bestätigung durch eine Gutachterstelle, dass die Einwilligungsvoraussetzungen vorliegen (Nr. 2), sowie einer Untersuchung und Aufklärung des Betroffenen durch ein ärztliches Mitglied der Gutachterstelle (Nr. 1). Gem. § 6 KastrG ist außerdem bei Einwilligungsunfähigkeit des Betroffenen nach § 3 Abs. 3, 4 oder § 4 Abs. 2 KastrG eine Genehmigung des Betreuungsgerichts einzuholen. Diese verfahrensrechtlichen Absicherungen einer wirksamen Einwilligung, die zum einen den Betroffenen selbst schützen, zum anderen den behandelnden Arzt entlasten sollen,387 entfalten selbst allerdings keine Legitimationswirkung in Bezug auf die Strafbarkeit der Kastration nach den §§ 223 ff. StGB, weil sie nicht die Wirksamkeit der Einwilligung unwiderleglich vermuten. Stattdessen hat der Gesetzgeber das bei Verstoß gegen die §§ 5 f. KastrG verwirklichte rein prozedurale Unrecht mit § 7 KastrG eigenständig durch eine deutlich mildere388 Strafnorm als die der Körperverletzungsdelikte pönalisiert,389 da ihm das Eingreifen der §§ 223 ff. StGB bei rein prozeduralem Unrecht als zu streng erschien.390 Im Umkehrschluss aus der Eigenschaft von § 7 KastrG als die allgemeinen Körperverletzungsdelikte verdrängender lex specialis391 sind für den Ausschluss einer Strafbarkeit nach den §§ 223 ff. StGB nur die materiellen Voraussetzungen von §§ 2, 3 KastrG zu erfüllen. In Bezug auf die Strafnorm des § 7 KastrG könnten die §§ 5 f. KastrG allerdings eine prozedurale Legitimationswirkung entfalten, schließlich stellt die Einhaltung der Verfahrensvorgaben insofern eine hinreichende Voraussetzung der Straflosigkeit dar. Außerdem stellen sowohl die Bestätigung durch die Gutachterstelle als auch die Genehmigung durch das Betreuungsgericht nach persönlicher 387

Vgl. BT-Drs. 5/3702, S. 21. Eine Verletzung des § 7 KastrG ist nur mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe zu ahnden, während bereits der Körperverletzungsgrundtatbestand mit einem Strafrahmen von bis zu 5 Jahren bedroht ist. 389 Siehe Horstkotte Protokolle V, 125. Sitzung des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, S. 2553 f. 390 BT-Drs. 5/3702, S. 22; vgl. auch Saliger in Bernat/Kröll (Hrsg.), Recht und Ethik der Arzneimittelforschung, S. 124 (136 f.). 391 BT-Drs. 5/3702, S. 6, 22; Horstkotte Protokolle V, 125. Sitzung des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, S. 2553 f.; Saliger in FS Hassemer, S. 599 (612); Schwalm in Mergen (Hrsg.), Die juristische Problematik in der Medizin III, S. 200 (230). 388

III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB

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Anhörung des Betroffenen die für eine prozedurale Legitimation typische Beteiligung von Dritten zur Wissensakkumulation dar, wobei die Dritten über Fachwissen verfügen: Die Gutachterstelle muss nach allen landesrechtlichen Regelungen aus mindestens zwei Ärzten392 bestehen, obwohl aus der bundesrechtlichen Regelung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 KastrG) nur das Erfordernis eines Arztes hervorgeht, und davon muss mindestens einer Facharzt für Psychiatrie sein.393 Außerdem fordern fast394 alle landesrechtlichen Regelungen für die weitere Besetzung der Gutachterstelle eine zum Richteramt oder zumindest eine zum höheren Verwaltungsdienst befähigte Person.395 Auch der Betreuungsrichter verfügt über juristische Kenntnisse und Erfahrung gerade mit Einwilligungsunfähigen. Dennoch erscheint es fraglich, ob von einer prozeduralen Legitimation gesprochen werden kann, wenn das durchzuführende Verfahren gerade nicht an die Stelle der materiellen Prüfung tritt, sondern die materielle Prüfung nur ergänzt. Schließlich bleibt eine Kastration ohne die wirksame Einwilligung des Betroffenen mangels Eingreifens des § 2 KastrG nach den §§ 223 ff. StGB strafbar, die Wirksamkeit der Einwilligung ist also unabhängig von der Einhaltung des Verfahrens nach §§ 5, 6 KastrG zu beurteilen – damit fehlt die für eine prozedurale Legitimation erforderliche Legitimationswirkung in Bezug auf ein strafrechtlich geschütztes Rechtsgut. Durch die Einführung des speziellen Straftatbestands des § 7 KastrG im Zuge der Einführung der verfahrensrechtlichen Vorgaben selbst wurde daher eher die Möglichkeit eines prozeduralen Unrechts geschaffen („prozedurale Strafbegründung“ 396), anstatt die Straflosstellung eines materiellen Unrechts durch prozedurale Legitimation zu ermöglichen. Folglich stellen auch die §§ 5–7 KastrG keine prozedurale Rechtfertigung dar, wenngleich die Regelung als klares Anerkenntnis der Strafwürdigkeit von rein prozeduralem Unrecht397, das nach der Gesetzesbegründung zu § 7 KastrG und dessen Strafrahmen von der Schwere des verwirklichten Unrechts her deutlich 392 Einzige Ausnahme bildet das KastrVO M-V, das gem. § 2 anstatt eines Facharztes für Psychiatrie auch einen psychologischen Psychotherapeuten ausreichen lässt. 393 § 2 KastrGutachtStG BW; § 2 GutachtStG BY; § 2 GutachtStG BE; § 116 HeilBerG; § 2 KastrGutachtStG BR; § 2 GutachtStG HA; § 2 GutachtStG HE; § 2 KastrVO M-V; § 3 ÄKammerGAG NW; § 2 AGKastrG; § 2 GutachtStG SL; § 2 GutAKastrG SH. 394 Nach § 2 GutachtStG BY ist zwar neben den beiden Ärzten eine weitere Person in der Gutachterstelle gefordert, dies wird aber nicht weiter konkretisiert. 395 Eine zum Richteramt befähigte Person wird gefordert durch § 2 KastrGutachtStG BW; § 2 GutachtStG BE; § 2 KastrGutachtStG BR; § 2 GutachtStG HA; § 2 GutachtStG HE; § 2 KastrVO M-V; § 2 GutachtStG SL; § 2 GutAKastrG SH; auch eine zum Höheren Verwaltungsdienst befähigte Person zugelassen nach § 116 HeilBerG; § 3 ÄKammerGAG NW; § 2 AGKastrG. 396 Fateh-Moghadam, S. 240, allerdings diskutiert er diesen Begriff nur in Bezug auf die Prozeduralisierungen des TPG. 397 Hörr, S. 331; Saliger KritV 1998, 118 (142 f.).

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

gegenüber dem materiellen Unrecht abfällt, noch für die folgende Betrachtung der §§ 1901a ff. BGB von Bedeutung sein wird. (4) § 96 Nr. 10, 11, § 97 Abs. 2 Nr. 9 i.V. m. § 40 AMG Eine weitere nebenstrafrechtliche Prozeduralisierung findet sich im AMG in Bezug auf die klinische Prüfung eines neuen Arzneimittels am Menschen. Für eine solche stellt § 40 Abs. 1 AMG verschiedene Anforderungen auf, die durch § 96 Nr. 10, 11 und § 97 Abs. 2 Nr. 9 AMG straf- bzw. bußgeldbewehrt werden,398 wobei nicht alle in Bezug genommenen Anforderungen verfahrensrechtlicher Art sind. Einzelne verfahrensrechtliche Vorgaben wie beispielsweise die Durchführung einer pharmakologisch-toxikologischen Prüfung des Arzneimittels im Vorwege (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 AMG) und die Informierung eines jeden Prüfers über deren Ergebnis (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 AMG), eine zustimmende Bewertung der zuständigen Ethik-Kommission (§ 40 Abs. 1 S. 2 i.V. m. § 42 Abs. 1 AMG) sowie eine Genehmigung der zuständigen Bundesbehörde (§ 40 Abs. 1 S. 2 i.V. m. § 42 Abs. 2 AMG) stellen wiederum typische rechtstechnische Instrumente für eine Prozeduralisierung dar,399 und deren Strafbewehrung durch § 96 Nr. 10, 11 AMG bzw. Bußgeldbewehrung durch § 97 Abs. 2 Nr. 9 AMG ist nur auf prozedurales Unrecht gerichtet. Darüber hinaus wird insbesondere die Zustimmung der Ethik-Kommission und das darin enthaltene Ergebnis der ethischen Vertretbarkeit der Arzneimittelprüfung inhaltlich vom Strafgericht nicht nachgeprüft, sodass die durch die Kommission ex ante durchgeführte Prüfung abschließend über diesen Teilaspekt einer zulässigen Arzneimittelprüfung entscheidet: An die Stelle eines möglichen entsprechenden materiellen Kriteriums der ethischen Vertretbarkeit tritt deren verfahrensrechtliche Absicherung. Trotzdem handelt es sich auch bei den im AMG enthaltenen Prozeduralisierungen um keine prozedurale Legitimation, da die Einhaltung der Verfahrensvorgaben keine hinreichende Voraussetzung für die Straffreiheit einer klinischen Prüfung darstellt,400 sondern daneben die Einhaltung materieller Vorgaben, wie beispielsweise gem. § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 AMG eine wirksame Einwilligung des Betroffenen, erforderlich ist. Zwar erhält diese Voraussetzung einen verfahrensrechtlichen Einschlag dadurch, dass die Einwilligung in einer bestimmten

398 Durch die Ausgestaltung der §§ 96, 97 AMG als Blankettnormen ergibt sich insoweit eine Verwaltungsakzessorietät des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts, Graf/Jäger/Wittig/Eschelbach Vor §§ 95 ff. Rn. 4; Fateh-Moghadam, S. 240 Fn. 1180. 399 In der Form einer Partizipation Dritter zur Wissensakkumulation; s. dazu vertieft bereits unter E. III. 1. b) aa) (3) (d). 400 Stattdessen stellt umgekehrt die Verletzung einer von § 96 Nr. 10, 11 AMG in Bezug genommenen Vorgaben bereits eine hinreichende Voraussetzung für die Strafbarkeit dar.

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Form zu erfolgen hat,401 doch ergänzt dies nur den materiellen Gehalt der Vorgabe, anstatt ihn zu ersetzen; zudem enthält § 40 AMG noch weitere materielle Vorgaben. Da die Durchführung einer klinischen Studie nur bei kumulativer Erfüllung der von § 40 Abs. 1 S. 2, S. 3 Nr. 2, 2a a), 3–6, 8 AMG formulierten Anforderungen nicht strafbar ist, bedarf es für eine Legitimation auch der Einhaltung materieller Vorgaben. Auch zu der im AMG enthaltenen Prozeduralisierung kann also in Bezug auf eine prozedurale Rechtfertigung keine Parallele gezogen werden. (5) §§ 324, 325 Abs. 1, 327 Abs. 1, 328 Abs. 1 StGB Des Weiteren ist eine Prozeduralisierung strafrechtlicher Normen in der verwaltungsakzessorischen402 Ausgestaltung des Umweltstrafrechts zu finden: Die Strafbarkeit wegen diverser Umweltdelikte (§§ 324; 325 Abs. 1; 327 Abs. 1, 328 Abs. 1 StGB) entfällt, wenn eine behördliche Genehmigung das entsprechende Verhalten abdeckt – teilweise entfällt bereits der Tatbestand, teilweise greift die Genehmigung als Rechtfertigungsgrund.403 Insofern wiegt die im Vorhinein erteilte behördliche Genehmigung zumindest in Bezug auf §§ 324; 325 StGB404 das eigentlich angesichts der geschützten Rechtsgüter verwirklichte materielle Unrecht auf – bei § 324 StGB bezüglich des Gewässers als elementare Lebens401

§ 40 Abs. 1, S. 3 Nr. 3 b) AMG verweist auf die Schriftform (§ 126 BGB). Weitere Ausprägungen der Verwaltungsakzessorietät des Strafrechts: u. a. §§ 33, 34 AWG (nach Graf/Jäger/Wittig/Cornelius § 33 AWG Rn. 14 ist bloße Genehmigungsfähigkeit nicht ausreichend für die Legitimationswirkung); § 29 Abs. 1 Nr. 1 i.V. m. § 3 BtMG; ausführlich zur Verwaltungsakzessorietät Frisch Verwaltungsakzessorietät, S. 5 ff.; Ries, S. 3 ff.; Scheele, S. 19 ff. 403 Die Einordnung der einzelnen Delikte ist allerdings umstritten; nach Graf/Jäger/ Wittig/Bock Vor §§ 324 ff. StGB Rn. 23 ist auf Grund einer am Wortlaut orientierten Auslegung die Genehmigung als Tatbestandsmerkmal bei § 325 Abs. 1 StGB („unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten“) und § 327 Abs. 1 StGB („ohne die erforderliche Genehmigung“), als Rechtfertigungsgrund bei § 324 StGB („unbefugt“) einzuordnen; nach BeckOK-StGB/Witteck § 324 (Ed. 23) Rn. 28.1 und Maurach/Schroeder/ Maiwald BT/210 § 58 Rn. 8 als Rechtfertigungsgrund bei §§ 324; 326 StGB und auf Grund der Erhebung des behördlichen Kontrollinteresses zum Schutzgut bereits Tatbestandsausschluss bei § 327 StGB; auf Grund der uneinheitlichen Verortung ist jedenfalls im Folgenden nur die Einordnung als prozedurale Legitimation zu behandeln. 404 Schutzgut des § 327 StGB stellt hingegen direkt die behördliche Prüfungs- und Entscheidungskompetenz bei der Zulassung und Überwachung potentiell umweltgefährdender Anlagen dar (OLG Braunschweig NStZ-RR 1998, 175 (177); NK-StGB4 /Ransiek § 327 Rn 3; Breuer NJW 1988, 2072 (2083); Dölling in FS Kohlmann, S. 111 (115); Horn NJW 1988, 2335 (2337); Kindhäuser in FS Helmrich, S. 967 (982); Rengier NJW 1990, 2506 (2513); Witteck, S. 194 f.), sodass die Einhaltung der Verfahrensvorgabe keinen anderen materiellen Rechtgutsverstoß zu rechtfertigen vermag. Statt der Einführung einer Legitimationsmöglichkeit wurde (wie bereits parallel zu § 7 KastrG festgestellt) durch § 327 StGB eine weitere Möglichkeit geschaffen, strafrechtlich sanktioniertes prozedurales Unrecht zu verwirklichen. 402

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grundlage mit all seinen Funktionen für Mensch und Umwelt in der konkreten Beschaffenheit405, bei § 325 StGB hinsichtlich der Reinheit der Luft als status quo sowie in ihrer Funktion für die menschliche Gesundheit und die Umwelt406. Die Einhaltung des mit der behördlichen Genehmigung vorgeschriebenen Verfahrens vermag also materielles Unrecht zu legitimieren, wobei es abgesehen von der Einschränkung des § 330d Abs. 1 Nr. 5 StGB in Bezug auf Genehmigungen, die durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkt oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichen wurden,407 nur auf das tatsächliche Vorliegen einer wirksamen behördlichen Genehmigung ankommt. Die übrige Rechtswidrigkeit einer Genehmigung schadet angesichts der Regelungswirkung des bestandskräftigen Verwaltungsaktes nicht,408 sodass die genaueren Vorgaben der Prozeduralisierung, wie beispielsweise die Vorgaben des UVPG zum Ablauf des Genehmigungsverfahrens, für die Legitimation nicht eingehalten werden müssen. Stattdessen geht – angesichts der Ausgestaltung dieser umweltstrafrechtlichen Verbote als präventiver Verbote mit Erlaubnisvorbehalt – die Legitimationswirkung allein von der Genehmigungsentscheidung der zuständigen Behörde aus, die zum einen über Fachkenntnis bezüglich des einschlägigen Umweltschutzbereichs verfügt, sodass ihre Beteiligung zu einer prozeduralisierungstypischen Wissensakkumulation führt. Zum anderen wird der Behörde im Rahmen ihrer Ermessensspielräume eine abschließende Dispositionsbefugnis409 zuerkannt, schließlich kann das Ermessen nur durch den bei der Behörde beschäftigten Amtsträger ausgeübt410 und gerichtlich gem. § 114 VwGO nur im Hinblick auf Ermessensfehler nachgeprüft werden; darin ist die für die prozedurale Legitimation charakteristische exklusive Rechtmäßigkeitsprüfung wieder-

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BGH NStZ 1987, 323 (324) mit zustimmenden Anm. Rudolphi; OLG Frankfurt a. M. NJW 1987, 2753; OLG Stuttgart NStZ 1994, 590; BeckOK-StGB/Witteck § 324 (Ed. 23) Rn. 3; Sch/Sch29 /Heine/Hecker § 324 Rn. 1 m.w. N.; Saliger Umweltstrafrecht Rn. 338. 406 BeckOK-StGB/Witteck § 325 (Ed. 23) Rn. 3; NK-StGB4 /Ransiek § 325 Rn 3; Hecker ZStW 115 (2003), 880 (883). 407 Daneben wird in einigen Entscheidungen die Berufung auf eine materiell unrechtmäßige behördliche Genehmigung wegen Rechtsmissbrauchs versagt, wenn sie zu unverhältnismäßigen Schäden führen würde, StA Mannheim NJW 1976, 585 (586); LG Bonn NStZ 1987, 461. Schall NStZ 1992, 209 (213) will diese Rechtsprechung jedoch ausdrücklich nicht als „gefestigt“ einordnen. 408 Statt inhaltlicher Richtigkeit entscheidet also grundsätzlich die Bestandskraft der konkreten Genehmigung oder ihrer Verweigerung, OLG Celle ZfW 1987, 126 (127 f.); LG Bonn NStZ 1987, 461; LG Hanau NStZ 1988, 179 (180); GenStA Zweibrücken NStZ 1984, 554 (555); BeckOK-StGB/Witteck § 324 (Ed. 23) Rn. 32.2; Keller JR 1988, 172 (174); vgl. zu abweichenden Ansichten Schall NStZ 1992, 209 (213). 409 Saliger in FS Hassemer, S. 599 (608) verweist auf die Begründung in der „besonderen Bewirtschaftungskompetenz“ der Behörde; LK-StGB12 /Rönnau Vor § 32 Rn. 273; Heghmanns, S. 183 f. 410 BeckOK-VwGO/Decker § 114 (Ed. 28) Rn. 26.

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zuerkennen. Die Einordnung des verwaltungsakzessorischen Umweltstrafrechts als „Prozeduralisierung“ findet sich daher in der Literatur sogar ausdrücklich.411 Durch den Gesetzestext unbeantwortet bleibt allerdings die Frage, ob die mit der behördlichen Genehmigung verbundene Legitimationswirkung bereits bei bloßer Genehmigungsfähigkeit eintritt: Sollte die Strafbarkeit bereits bei formeller Illegalität eingreifen, wäre die Genehmigung als notwendige und hinreichende Voraussetzung für die Legitimation einzuordnen und könnte im Vergleich zu den §§ 1901a ff. BGB Aufschluss über deren mögliche Einordnung als prozeduraler Rechtfertigung bieten. Griffe die Legitimationswirkung hingegen bereits bei bloßer Genehmigungsfähigkeit, läge die Legitimation statt in prozeduralen in materiellen Erwägungen begründet. Diese Frage wird in Literatur und Rechtsprechung uneinheitlich beantwortet: Während die Legitimationswirkung der bloßen Genehmigungsfähigkeit teilweise uneingeschränkt abgelehnt412 oder befürwortet413 wird, finden sich Differenzierungen nach Tatbeständen – die (wenn auch nur durch einen Strafaufhebungsgrund hervorgerufene) Straffreiheit bei bloßer Genehmigungsfähigkeit beschränke sich auf den allein die Verletzung der präventiven Kontrollbefugnis der Behörde sanktionierenden § 327 StGB414, nach anderer Ansicht bildet die Genehmigungsfähigkeit gerade umgekehrt in Bezug auf §§ 324, 326, nicht aber in Bezug auf § 327 StGB einen Strafaufhebungsgrund415 – oder nach Ergebnisoffenheit der behördlichen Entscheidung – die Strafbarkeit soll demnach nur bei einer gebundenen bewilligenden Entscheidung der Behörde über die Genehmigung entfallen;416 dabei ist jeweils zu beachten, dass die Einordnung als Strafaufhebungsgrund der Genehmigungsfähigkeit keine Legitimationswirkung attestiert, sondern das durch Verstoß gegen die GenehmigungsbeSK-StGB6 /Günther Vor § 32 Rn. 78; Saliger in FS Hassemer, S. 599 (608). BGHSt 37, 21 (28 f.); OLG Köln wistra 1991, 74 (75); OLG Frankfurt a. M. NJW 1987, 2753 (2755); MK-StGB2 /Alt § 324 Rn. 122; Graf/Jäger/Wittig/Bock Vor §§ 324 ff. StGB Rn. 33; Sch/Sch29 /Heine/Hecker Vor §§ 324 ff. Rn. 19; Fischer62 Vor § 324 Rn. 10; Lackner/Kühl28 /Heger § 324 Rn. 10b; LK-StGB12 /Rönnau Vor § 32 Rn. 290 f.; Breuer DÖV 1987, 169 (181); Dölling JZ 1985, 461 (468); Heghmanns, S. 237; Hundt, S. 119; Möhrenschlager NStZ 1982, 165 (166); Rengier ZStW 101 (1989), 874 (902 ff.); Tiedemann Die Neuordnung des Umweltstrafrechts, S. 39; Zeitler, S. 36 ff. 413 Brauer, S. 64, 118; Otto Jura 1995, 134 (141). 414 BeckOK-StGB/Witteck § 324 (Ed. 28) Rn. 32.1: Strafaufhebung. 415 Winkelbauer, S. 62, 64 ff. 416 SSW-StGB2 /Saliger Vor §§ 324 ff. Rn. 34: Strafausschluss bei sog. Genehmigungspflichtigkeit, also wenn die Behörde materiell zur Erteilung der Genehmigung verpflichtet ist; auch NK-StGB4 /Ransiek § 324 Rn. 28; Bloy ZStW 100 (1988), 485 (507); Frisch Verwaltungsakzessorietät, S. 52 f. plädieren für einen Tatbestandsausschluss; für eine Rechtfertigung MK-StGB2 /Schmitz Vorbemerkung zu den §§ 324 ff. Rn. 93; Marx Genehmigung, S. 173, 180; Rudolphi ZfW 1982, 197 (208); ders. NStZ 1984, 193 (197 f.); für die Einordnung als Strafaufhebungsgrund Sch/Sch29 /Heine/ Hecker Vor §§ 324 ff. Rn. 19, 21; Lenckner in FS Pfeiffer, S. 27 (39 ff.); vgl. auch R. Schmitz, S. 3. 411 412

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dürftigkeit begangene Unrecht aufrechterhält und lediglich das Ergebnis der Strafbarkeit als unbillig korrigiert. Im Gesetzgebungsverfahren wurde die Nichteinholung der umweltrechtlichen Genehmigung als „gravierend“ eingestuft417 und dementsprechend die Genehmigung in § 327 StGB als direktes Schutzgut aufgefasst. Zwar stellt sie trotzdem keinen Selbstzweck dar,418 doch wird ihr damit eine zentrale Bedeutung für den indirekt anvisierten Umweltschutz zuerkannt. Zudem beschränkt sich die Kontrollfunktion der Genehmigung nicht nur auf die materielle Seite, also die präventive Überprüfung der materiell-rechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens419, sondern dient in formaler Hinsicht der Information der Behörde und dem Schutz ihrer behördlichen Dispositionsbefugnis.420 Nur durch die Einhaltung der Entscheidungsprärogative421 der demokratisch legitimierten Verwaltung,422 insbesondere auch in Bezug auf den ggf. bestehenden behördlichen Ermessensspielraum,423 kann die staatliche Gestaltungskompetenz gewahrt424 und ein effektiver Umweltschutz erzielt werden.425 Auch wenn die rein formelle Illegalität eines umweltrechtlich relevanten Vorhabens einen erheblich geringeren Unrechtsgehalt

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BT-Drs. 8/3633, S. 30; dazu Dölling JZ 1985, 461 (462 f.). NK-StGB4 /Ransiek Vorbemerkungen zu den §§ 324 ff. Rn. 10; Dölling JZ 1985, 461 (463); Maurach/Schroeder/Maiwald BT/210 § 58 Rn. 8; Marx Genehmigung, S. 192: Genehmigung als „indirekte Verhaltenssteuerung privaten Handelns durch administrative Kontrolle“, die „den lückenlosen, präventiven Schutz gefährdeter Rechtsgüter Dritter und der Allgemeinheit, die exekutive Gestaltung der sozialen und technischen Realität nach gesetzlichen Zielvorgaben sowie die Konkretisierung und Formalisierung des gesetzlichen Verhaltensappells auf den Einzelfall mit der Folge der Befreiung des Genehmigungsadressaten von Sorgfaltslasten, Irrtums- und Veränderungsrisiken“ gewährleiste. 419 Zentrale Bedeutung kommt dabei den Auswirkungen bezüglich der jeweiligen Schutzgüter zu; zu dieser materiellen Kontrollfunktion Sch/Sch29 /Lenckner/SternbergLieben Vor §§ 32 ff. Rn. 62c; Dölling JZ 1985, 461 (462 f.); Jedwab, S. 125; Rengier ZStW 101 (1989), 874 (877); Rudolphi NStZ 1984, 193 (198). 420 Rengier ZStW 101 (1989), 874 (875 f.). 421 Heinz NStZ 1981, 253 (255 f.); Jedwab, S. 127 mit Verweis auf den Gedanken der Subsidiarität privater Selbsthilfe (dazu genauer Ossenbühl DVBl. 1990, 963 (973); Rengier ZStW 101 (1989), 874 (903)). 422 Graf/Jäger/Wittig/Bock Vor §§ 324 ff. StGB Rn. 34, 11; Maurach/Schroeder/ Maiwald BT 210 § 58 Rn. 22. 423 Nur im Hinblick auf die Exklusivität der Ermessensentscheidung Bloy ZStW 100 (1988), 485 (507). 424 Zum sog. administrativen Rechtsgutsaspekt NK-StGB4 /Ransiek Vorbemerkungen zu den §§ 324 ff. Rn. 9 ff.; Horn NuR 1988, 63 (64); Rengier BT II15 § 47 Rn. 11. 425 OLG Köln wistra 1991, 74 (75); Jedwab, S. 125 f.; Otto Jura 1991, 308 (312 f.); Rudolphi NStZ 1984, 248 (253); Winkelbauer, S. 48 ff.; ders. NStZ 1988, 201 (203). Die Wirksamkeit des umweltrechtlichen Rechtsgüterschutzes würde ansonsten auch dadurch geschmälert, dass dem Normadressaten keine klare Grenze des strafbaren Verhaltens aufgezeigt würde, Jedwab, S. 125; vgl. auch insoweit OLG Köln wistra 1991, 74 (75). 418

III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB

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aufweist als ein materiell illegales Vorhaben,426 ist daher die rechtswirksame Genehmigung der Behörde für ein Eingreifen der mit der Genehmigungsentscheidung verbundenen Legitimationswirkung zwingend erforderlich,427 schließlich kann der geringere Unrechtsgehalt ausreichend auf Ebene der Strafzumessung Berücksichtigung finden.428 Schließlich sei noch darauf verwiesen, dass der Gesetzgeber an anderer Stelle ausdrücklich bereits der Genehmigungsfähigkeit Legitimationswirkung zuerkennt, indem er es gem. § 331 Abs. 3 StGB ausreichen lässt, wenn ein Amtsträger eine behördliche Genehmigung in Bezug auf eine Vorteilsannahme erst im Nachhinein einholt; im Umkehrschluss kommt es in Bezug auf die Strafbarkeit nach den genannten umweltrechtlichen Straftatbeständen gerade auf die präventive Genehmigung an. Folglich stellt sich das Genehmigungserfordernis der §§ 324, 325 Abs. 1 StGB als prozedurale Legitimation dar, sodass es für eine Parallele zu den §§ 1901a ff. BGB als möglicher prozeduraler Rechtfertigung dienen könnte – ein etwaiger Gleichlauf führte unter anderem dazu, dass die Legitimationswirkung nicht bereits bei Konsens- bzw. Genehmigungsfähigkeit, also mutmaßlichem Konsens zwischen Patientenvertreter und Arzt bzw. mutmaßlicher Genehmigung429 durch das Betreuungsgericht, einträte. Die Möglichkeit einer solchen Parallele wird in der Literatur zu §§ 1901a ff. BGB nur selten erörtert430 und dann nur im umgekehrten Sinn, dass die im Bereich des Umweltstrafrechts diskutierte Legitimation bereits durch Genehmigungsfähigkeit übertragen werden könnte, die aber nach hier vertretener Ansicht ohnehin nicht anzuerkennen ist. Sternberg-Lieben lehnt eine Übertragung der für die Prozeduralisierung im Umweltstrafrecht geltenden Grundsätze ab, da die Interessenlagen nicht verVgl. SSW-StGB2 /Saliger Vor §§ 324 ff. Rn. 34. Für eine detailliertere Beschäftigung mit dem für und wider einer Legitimation bereits bei Genehmigungsfähigkeit, die an dieser Stelle zu weit führen würde, sei stattdessen auf die umfangreiche entsprechende Fachliteratur verwiesen, z. B. Brauer Die strafrechtliche Behandlung genehmigungsfähigen, aber nicht genehmigten Verhaltens, Berlin 1988; Frisch Verwaltungsakzessorietät und Tatbestandsverständnis im Umweltstrafrecht, Heidelberg 1993; Winkelbauer Zur Verwaltungsakzessorietät des Strafrechts, Berlin 1985; Zeitler Die strafrechtliche Haftung für Verwaltungsentscheidungen nach dem neuen Umweltstrafrecht, Tübingen 1982. 428 BGHSt 37, 21 (28 f.); OLG Frankfurt a. M. NJW 1987, 2753 (2755 f.); LG Bremen NStZ 1982, 163 (164); Graf/Jäger/Wittig/Bock Vor §§ 324 ff. StGB Rn. 34; Maurach/Schroeder/Maiwald BT 210 § 58 Rn. 8; nach a. A. kommt allein der formellen Illegalität nicht die erforderliche und „tatbestandlich vorausgesetzte typische Gefährlichkeit der Handlung“ zu, Bloy JuS 1997, 577 (586). 429 Hundt, S. 117 lehnt die Legitimationswirkung der umweltbehördlichen Genehmigungsfähigkeit deshalb ab, weil er es als Strukturprinzip einer mutmaßlichen Einwilligung für unverzichtbar hält, dass die tatsächliche Einwilligung nicht eingeholt werden konnte – das Einleiten eines umweltbehördlichen Genehmigungsverfahrens sei jedoch stets möglich. 430 Wohl zuerst angerissen bei Bernsmann ZRP 1996, 87 (89 f.), wenngleich er sich nicht näher mit dieser Frage auseinandersetzt. 426 427

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

gleichbar seien: Die behördliche Genehmigung im Umweltstrafrecht erfolge kraft der besonderen Rechtsmacht staatlicher Stellen, die treuhänderisch über das betroffene überindividuelle Rechtsgut walten.431 Bei der Umsetzung einer Patientenverfügung sei das Vormundschaftsgericht hingegen nicht dispositionsbefugt, sondern auf eine rein kontrollierende Funktion dahingehend beschränkt, ob die richtungsweisenden Vorgaben des Rechtsgutsinhabers eingehalten wurden.432 Auch Hörr argumentiert bezüglich § 1901a Abs. 2 BGB mit diesem Kompetenzgefälle, wobei seiner Argumentation die Annahme einer stellvertretenden Einwilligung durch den Patientenvertreter zu Grunde liegt, sodass sich die gerichtliche Genehmigung nur als Wirksamkeitsbedingung der Disposition durch den Betreuer darstellt.433 In der Tat findet sich bei den §§ 1901a ff. BGB keine Entsprechung zu der im Umweltstrafrecht richtungsweisenden Entscheidungsprärogative der Verwaltung: Während die umweltrechtliche behördliche Genehmigung einen Verzicht des Staates auf den strafrechtlichen Schutz eines öffentlichen Interesses zu Gunsten des die Genehmigung Beantragenden darstellt,434 soll der Konsens mit dem Arzt bzw. die Genehmigung des Betreuungsgerichts sicherstellen, dass der Verzicht auf strafrechtlichen Schutz des Rechtsguts Leben bei Behandlungsabbruch, des Rechtsguts körperliche Unversehrtheit bei Weiterbehandlung durch den Patientenwillen gedeckt ist und sich folglich die Rücknahme des strafrechtlichen Schutzes als Freiheitserweiterung für den Patienten darstellt.435 Damit erfolgt diese Entscheidung nicht nur zum Schutz, sondern auch immer im Interesse des Patienten, während der Genehmigungsempfänger (Patientenvertreter), anders als der Empfänger einer umweltrechtlichen behördlichen Genehmigung, von der Entscheidung grundsätzlich436 in seinen eigenen Rechtsgütern nicht direkt betroffen ist. Insofern stehen sich der Verzicht auf ein öffentliches Interesse zugunsten eines Einzelnen und der Verzicht auf den Schutz eines Individualrechtsguts zugunsten eines anderen Individualrechtsguts desselben Rechtsgutsträgers und auf Grund einer von diesem selbst getroffenen Interessenabwägung437 gegenüber. Da hinsichtlich der §§ 324 f. StGB gerade die Dispositionsbefugnis der Behörde in 431

Sternberg-Lieben in FS Roxin, S. 537 (547). Sternberg-Lieben in FS Lenckner, S. 349 (371 f. Fn. 107). 433 Hörr, S. 330. 434 Vgl. Gänßle, S. 55. 435 Gänßle, S. 55: individuelle Einwilligung als freiheitserweiternd einzustufen; vgl. auch Amelung/Eymann JuS 2001, 937 (938 f.); Amelung ZStW 104 (1992), 525 (544 ff.). 436 Freilich sind Eigeninteressen des Patientenvertreters nicht zwangsweise ausgeschlossen, sondern werden angesichts der oft persönlichen Nähebeziehung zu dem Patienten bzw. der Stellung als Erbe in der Praxis durchaus eine Rolle spielen; diese Interessen werden von der betreuungsrechtlichen Genehmigung aber nur mittelbar betroffen. 437 Ludyga FPR 2010, 266 (268); Hufen NJW 2001, 849 (855). 432

III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB

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Bezug auf das öffentliche Interesse und ihre darin inbegriffene administrative Gestaltungskompetenz dazu geführt hat, bereits die formelle Illegalität des Vorhabens für einen Strafbarkeitsvorwurf ausreichen zu lassen, betrifft die mangelnde Vergleichbarkeit der Interessenlage die ausschlaggebende Eigenheit, sodass aus der Einordnung der §§ 324 f. StGB als prozeduraler Legitimation keine Parallele zu den §§ 1901a ff. BGB gezogen werden kann; stattdessen könnte gar ein Umkehrschluss wider die Einordnung der §§ 1901a ff. BGB als prozedurale Rechtfertigung möglich sein. dd) Vergleich zum Grad der Prozeduralisierung im Rahmen der §§ 1901a ff. BGB Insgesamt hat sich der Grundsatz des prozeduralisierungsfeindlichen Strafrechts insofern bestätigt, als dass zwar in all den genannten Beispielen verfahrensrechtliche Anforderungen für die Straflosigkeit zu erfüllen sind, diese aber nur im absoluten Ausnahmefall bereits allein eine Legitimation zu vermitteln vermögen: Einzig das umweltstrafrechtliche Genehmigungserfordernis in §§ 324, 325 Abs. 1 StGB hat sich als prozedurale Legitimation herausgestellt, das mangels vergleichbarer Interessenlage aber keine Parallele zu den §§ 1901a ff. BGB zulässt. Stattdessen können aber die dargestellten Prozeduralisierungen einen Anhaltspunkt dafür bieten, welchen Grad die Verfahrensvorgaben erreichen müssen, damit sie für die Legitimation relevant sind – wenn die §§ 1901a ff. BGB schon nicht einen vergleichbaren Grad an Prozeduralisierung enthalten wie die sonstigen im Strafrecht existenten und für die Legitimation mitentscheidenden Verfahrensvorgaben, dann ist erst recht nicht der für eine rein prozedurale Legitimation erforderliche Grad gegeben. Dabei sind neben den für die Legitimation direkt anzuwendenden, weil strafbewehrten Vorgaben auch jene Anordnungen zu berücksichtigen, die zwar nicht an einen strafrechtlichen Vorwurf gekoppelt sind, wohl aber das Verfahren in geordnete Bahnen lenken. Anlass für diesen Vergleich bieten die schon zuvor438 angedeuteten Zweifel, ob die in den §§ 1901a ff. BGB erfolgten Absicherungen tatsächlich zu einem Ausschluss von Missbrauch geeignet sind und damit für die Ersetzung eines materiell orientierten Rechtsgüterschutzes durch eine Zuweisung an Bewertungsmacht taugen, bei dem die Entscheidungsträger nur bezüglich der Einhaltung des prozeduralen Rahmens kontrolliert werden können – schließlich ist insbesondere der nach § 1904 Abs. 4 BGB eine richterliche Entscheidung ersetzende Konsens zwischen Arzt und Patientenvertreter nicht näher ausgestaltet: Das Gesetz schreibt den beiden Parteien nur die Führung eines Gesprächs vor, in dem die ärztlichen Maßnahmen unter Berücksichtigung des Patientenwillens gemeinsam 438

Siehe etwa schon unter E. III. 1. a) bb) (1).

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

zu erörtern sind, ohne aber Einzelheiten wie den notwendigen Umfang dieses Gesprächs oder Dokumentationspflichten bezüglich des Gesprächsinhaltes vorzugeben. Allein die standesrechtliche Vorgabe auf Seiten der Ärzte, „über die in Ausübung ihres Berufes gemachten Feststellungen und getroffenen Maßnahmen die erforderlichen Aufzeichnungen zu machen“,439 vermag in ihrer Allgemeinheit und vor allem ihrer Abstraktheit im Hinblick auf die strafrechtliche Bewertung440 nicht darüber hinwegzuhelfen. Auch bei der behördlichen Genehmigung im Umweltstrafrecht stellen die Strafvorschriften keine detaillierten Anforderungen an das Genehmigungsverfahren, sondern verweisen lediglich auf die spezialgesetzlichen Regelungen; dementsprechend knüpft die Legitimationswirkung an das tatsächliche Vorliegen einer behördlichen Genehmigung an, wobei nur durch Drohung, Bestechung oder Kollusion erwirkte oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichene Genehmigungen davon ausgenommen werden. Trotzdem sind die spezialgesetzlich, beispielsweise im UVPG, detailliert geregelten Anforderungen an das Genehmigungsverfahren bezüglich beizubringender Unterlagen, Antragsinhalt, Beteiligung der Öffentlichkeit oder anderer Behörden usw. nicht völlig unbeachtlich für die strafrechtliche Bewertung, schließlich ist deren Einhaltung bereits dadurch sichergestellt, dass die umweltrechtliche Behörde einen Antrag auf Genehmigung bei entsprechender Verfahrensverletzung ggf. als unzulässig abweisen wird – damit ergibt sich ein wesentlich höherer Prozeduralisierungsgrad als bei den §§ 1901a ff. BGB. Ebenfalls spezialgesetzlich ist die im Vorwege eines Schwangerschaftsabbruchs nach §§ 218a Abs. 1, 219 StGB vorzunehmende Beratung geregelt. Die Anordnungen des SchKG beinhalten neben den – der Regelung des § 1901b BGB entsprechenden – Vorgaben bezüglich des zwingenden Inhalts des Beratungsgesprächs (§ 5 Abs. 2 SchKG) auch Vorschriften über die Hinzuziehung sonstiger Personen (§ 6 Abs. 3 SchKG), das Ausstellen einer Beratungsbescheinigung (§ 7 SchKG) und Dokumentationspflichten insoweit, als dass über jedes Beratungsgespräch Aufzeichnungen bezüglich des wesentlichen Gesprächsinhalts und der angebotenen Hilfsmaßnahmen zu erstellen sind (§ 10 Abs. 2 SchKG). Trotz der Ablehnung einer prozeduralen Legitimation gehen die Vorgaben damit über die der §§ 1901a ff. BGB hinaus. 439 So § 10 Abs. 1 S. 1 der MBO-Ä 1997 auch noch in der aktuellen Fassung der Beschlüsse des 114. Deutschen Ärztetages 2011 in Kiel, der zwar als Empfehlung an die Landesärztekammer keine unmittelbare Wirkung entfaltet, in die einzelnen Berufsordnungen der Landesärztekammern aber wortgleich bzw. ohne inhaltliche Änderung übernommen wurde (BO der Ärztekammer Sachsen: „zu fertigen“). 440 Verstöße gegen Berufsordnungen der Landesärztekammern werden abgekoppelt von einer strafrechtlichen Anklage in berufsrechtlichen Verfahren festgestellt und können mit Warnungen, Verweisen, Geldbußen bin hin zu einer Feststellung der Unwürdigkeit zur Ausübung des Arztberufes und damit de facto einem Approbationsentzug durch die zuständige Behörde geahndet werden.

III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB

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Das TPG trifft bezüglich der wirksamen Einwilligung durch einen Lebendspender detaillierte Vorgaben, nicht nur bezüglich des Inhalts (§ 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 1–6 TPG), sondern zusätzlich hat die Aufklärung unter Anwesenheit eines weiteren Arztes stattzufinden (§ 8 Abs. 2 S. 3 TPG) und Inhalt der Aufklärung sowie die Einwilligungserklärung des Spenders sind aufzuzeichnen, wobei die Niederschrift von der Aufklärungsperson, dem weiteren Arzt und dem Spender zu unterschreiben ist (§ 8 Abs. 2 S. 4 TPG). Bezüglich der Organspende eines Toten sind die Hürden geringer, auch441 angesichts des etwaigen niedrigeren Unrechtsgehalts:442 Prozedural wird nur die Feststellung des Todes durch zwei unabhängig voneinander untersuchende Ärzte angeordnet (§ 5 Abs. 1 TPG), die Umsetzung nur wirksamer Einwilligungen wird hingegen nicht verfahrensrechtlich abgesichert. Folglich kann eine Herabsenkung des Prozeduralisierungsgrades in den §§ 1901a ff. BGB nur gegenüber der Lebendspende, nicht aber bezüglich der Organspende eines Toten festgestellt werden – letztere stellt aber einen wesentlich geringeren etwaigen Unrechtsgehalt als der Behandlungsabbruch oder die Weiterbehandlung entgegen dem Patientenwillen dar, sodass diese Fallgruppe keinen Vergleich zu tragen vermag. Das KastrG selbst enthält bezüglich der Beteiligung der Gutachterstelle keine näheren verfahrensrechtlichen Vorgaben, sondern weist ihr nur die Aufgaben einer Untersuchung und Aufklärung des Betroffenen sowie der Bestätigung, dass die Voraussetzungen der §§ 2, 3 KastrG vorliegen, zu. Stattdessen findet sich aber in § 5 Abs. 3 KastrG ein Verweis auf diesbezügliche landesrechtliche Vorschriften, die sowohl die Einrichtung als auch das Verfahren der Gutachterstellen näher ausgestalten. Teilweise regeln bereits die entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften das Verfahren detailliert,443 teilweise enthalten sie direkt nur die Anordnung einer Beschlussfassung durch Stimmenmehrheit,444 ermächtigen aber die entsprechenden Landesministerien zum Erlass von Rechtsverordnungen445 bzw. die Ärztekammer zu entsprechenden, durch das Sozialministerium zu genehmigenden Geschäftsordnungen,446 insbesondere bezüglich der im Verfahren erforderlichen Aufklärungen und Ermittlungen. Folglich übersteigt auch das (mittelbare) Prozeduralisierungsmaß der §§ 5 ff. KastrG das der §§ 1901a ff. BGB.

441 Außerdem sind entsprechende Aufklärungspflichten gegenüber einem toten Spender denknotwendig nicht mehr einzuholen. 442 Vgl. dazu die unterschiedlichen Strafrahmen von § 18 Abs. 1 (bis zu fünf Jahren) und Abs. 2 StGB (bis zu 3 Jahren). 443 §§ 8 ff. GutachtStG BE; §§ 123 ff. HeilBerG; §§ 9 ff. KastrGutachtStG BR; §§ 9 ff. GutachtStG HA; §§ 9 ff. GutachtStG HE; §§ 10 ff. ÄKammerGAG NW; §§ 9 ff. AGKastrG; §§ 8 ff. GutachtStG SL; §§ 8 ff. GutAKastrG SH. 444 § 9 Abs. 1 KastrGutachtStG BW; Art. 5 Abs. 1 S. 2 GutachtStG BY. 445 Art. 7 S. 2 Nr. 3 GutachtStG BY. 446 § 12 KastrGutachtStG BW; § 2 Abs. 2 Nr. 7 KastrVO M-V.

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

Schließlich enthalten auch die Vorschriften bezüglich der klinischen Prüfung eines neuen Arzneimittels insbesondere bezüglich des Verfahrens der EthikKommission detaillierte Regelungen (§ 42 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 AMG i.V. m. § 7 ff. GCP-V) und übersteigen damit den bezüglich des Einvernehmens von Arzt und Patientenvertreter in den §§ 1901a ff. BGB enthaltenen Prozeduralisierungsgrad. Mithin enthalten fast alle betrachteten Umsetzungen des Prozeduralisierungsgedanken im Strafrecht ausdifferenziertere Verfahrensvorgaben als die §§ 1901a ff. BGB, selbst wenn von den dargestellten verfahrensrechtlichen Vorgaben nicht einmal legitimierende Wirkung ausgeht, sie für die Straflosigkeit also nicht zwingend eingehalten werden müssen. Einzig das Verfahren bei Entnahme von Organen eines toten Spenders ist im Vergleich zu den §§ 1901a ff. BGB und insbesondere zu dem Konsens zwischen Arzt und Patientenvertreter ähnlich lückenhaft geregelt, doch taugt es mangels eines gleich schwer wiegenden, durch die Prozeduralisierung gegebenenfalls zu rechtfertigenden Grundrechtseingriffs zu keinem Vergleich. Damit haben sich die bereits zuvor angemerkten Zweifel an der Tauglichkeit der §§ 1901a ff. BGB zum Ausschluss von Missbrauch allein durch prozedurale Vorgaben bestätigt: Der Konsens zwischen Arzt und Patientenvertreter, der nach dem gesetzlichen Konzept eine betreuungsgerichtliche Kontrolle zu ersetzen vermag, ist gerade auch im Vergleich zu dem Grad der sonstigen strafrechtlichen Prozeduralisierungen nicht ausreichend detailliert geregelt – die gegenseitige Kontrolle von Arzt und Patientenvertreter hätte durch zusätzliche Dokumentationspflichten bezüglich des Gesprächsinhaltes o. ä. abgesichert werden müssen, damit allein die Einhaltung der Verfahrensvorgaben ein materiell mit dem Patientenwillen übereinstimmendes Verhalten zu gewährleisten vermöchte und dadurch an die Stelle materieller Vorgaben treten dürfte. Angesichts der von ihm installierten nur geringen Regelungsdichte in Bezug auf das Verfahren wird der Gesetzgeber mit den §§ 1901 ff. BGB keine prozedurale Rechtfertigung statuiert haben wollen. Außerdem zeigt der Vergleich mit den sonstigen Prozeduralisierungen, dass ausdrückliche Anordnungen bezüglich der Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit von formeller Illegalität existieren, um die Einhaltung des Verfahrens zu garantieren. Dadurch liegt statt einer Parallele zu diesen Fällen der Gegenschluss nahe, dass mangels ausdrücklicher Strafandrohung447 ein rein formales Unrecht nicht 447 Freilich wird von einigen Stimmen in der Literatur die Schaffung eines entsprechenden Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestands gefordert, so Engländer JZ 2011, 513 (519); Hirsch JR 2011, 37 (39); Hörr, S. 354 f.; Verrel NStZ 2011, 276 (277); a. A. mit Hinweis auf den ausreichenden faktischen Druck Saliger KritV 1998, 118 (143); Schork, S. 204. Mögliche Vorbilder für eine solche speziell auf das bei Verstoß gegen die §§ 1901a ff. BGB verwirklichte Verfahrensunrecht zugeschnittene Norm finden sich in § 7 KastrG; § 218b StGB und dem Gesetzesvorschlag Höflings im Rahmen der dem 3. BtÄndG vorangegangenen Reformdiskussion. Letzterer Entwurf eines Patientenautonomie- und Integritätsschutzgesetzes (Höfling MedR 2006, 25 (27, 31)) sieht in § 4 eine Strafvorschrift vor, die bei Verletzung der dem Arzt und dem Betreuer gemeinsam

III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB

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strafbewehrt ist,448 wie es im Übrigen auch im Sinne des Gesetzlichkeitsprinzips zu unterstellen wäre449, und die §§ 1901a ff. BGB auch aus diesem Grund nicht als prozedurale Legitimation eingeordnet werden können. ee) Zwischenergebnis Insgesamt haben damit sowohl der Vergleich zu den Hintergründen und der Funktionsweise von prozeduraler Legitimation als auch zu den im Strafrecht existenten Prozeduralisierungen ergeben, dass die §§ 1901a ff. BGB die grundsätzliche Prozeduralisierungsfeindlichkeit des Strafrechts nicht zu durchbrechen vermögen – die im Vergleich nur wenig umfangreichen Verfahrensvorgaben können nicht als prozedurale Rechtfertigung interpretiert werden: Die Verfahrensvorschriften der §§ 1901a ff. BGB „ergänzen die Regelungen des materiellen Rechts und sichern ihre Durchsetzung; sie ersetzen sie aber nicht“.450 Weiterhin unbeantwortet bleibt zum einen die Frage nach der Strafbarkeit eines reinen Verfahrensverstoßes, da die verbleibenden Interpretationsmöglichkeiten noch beide Ergebnisse zulassen, zum anderen ist für den umgekehrten Fall der Einhaltung der Verfahrensvorgaben die Möglichkeit einer Strafbarkeit eröffnet, schließlich rechtfertigen der Konsens zwischen Arzt und Patientenvertreter bzw. die Geneh-

auferlegten Prüfpflicht zu einer Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder einer Geldstrafe ermächtigt, und in § 5 einen Bußgeldtatbestand, der für den Verstoß gegen die ebenfalls im Entwurf explizit angeordnete Pflicht zur Anfertigung einer Niederschrift und dessen Aufbewahrung (vgl. § 3 Abs. 4) die Verhängung einer Geldbuße bis zu 5000 bzw. bis zu 3000 A eröffnet. Neben dieser möglichen Differenzierung nach Wichtigkeitsgrad der verletzten Verfahrensvorschrift erschiene es überdies vorstellbar, nach den unterschiedlichen Verhaltensrichtungen – also einer abstrakten Gefährdung von Leben und Selbstbestimmungsrecht des Patienten bei einem Behandlungsabbruch, von Leib und Selbstbestimmungsrecht bei Weiterbehandlung – zu unterscheiden. Da die Verfassung, wie bereits festgestellt, allerdings keine zwingende Vorgabe in Bezug auf die Strafbarkeit oder Straflosigkeit eines entsprechenden Verfahrensverstoßes gibt, fällt die Entscheidung über die Inkriminierung dieser Verhaltensweise in den zur Findung einer politischen Entscheidung (vgl. NK-StGB4 /Hassemer/Neumann Vorbemerkung zu § 1 Rn. 65, 85 ff.; Appel, S. 204 ff.; vgl. auch BVerfGE 4, 7 (18); 30, 292 (332 f.); 36, 321 (330 ff.); 109, 133 (157); BVerfG NStZ 1989, 478) zuerkannten Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers. Nur ihm obliegt das zu treffende „Werturteil“, dass der zu Bestrafende die Strafe angesichts seines Verhaltens „zu Recht“ erhält (vgl. Deckert ZIS 2013, 266 (269)), und „diese Entscheidung kann ihm niemand abnehmen“ (NK-StGB4 /Hassemer/ Neumann Vorbemerkung zu § 1 Rn. 88). Statt eine konkrete Regelung vorzuschlagen wird es an dieser Stelle deshalb vorgezogen, den Wunsch nach einer gesetzgeberischen Entscheidung über das Bedürfnis nach einer auf das Verfahrensunrecht zugeschnittenen speziellen Straf- oder Bußgeldnorm zu formulieren. 448 Sternberg-Lieben in FS Roxin, S. 537 (553). 449 Fateh-Moghadam/Kohake ZJS 2012, 98 (105): Der Gesetzgeber muss die Strafdrohung nach dem Gesetzlichkeitsprinzip explizit und hinreichend bestimmt ausführen. 450 Sternberg-Lieben in FS Roxin, S. 537 (553) mit Verweis auf Stratenwerth in FS Hassemer, S. 639 (640).

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

migung des Betreuungsgerichts die Umsetzung der Patientenverfügung nicht aus sich heraus.451 c) Ausblick de lege ferenda Auch eine Fortentwicklung der §§ 1901a ff. BGB452 de lege ferenda zu einer prozeduralen Legitimation stellt sich als unwahrscheinlich dar: Dafür müssten die Verfahrensanforderungen an die Umsetzung einer Patientenverfügung deutlich heraufgestuft werden, schließlich fällt die Regelungsdichte zum einen bereits gegenüber in anderen Bereichen installierten Prozeduralisierungen, die nicht einmal legitimierend wirken, ab. Zum anderen kann effektiver Grundrechtsschutz durch Verfahren nur bei effektiver Ausgestaltung dieses Verfahrens erreicht werden. Solange die aufgestellten Verfahrensanforderungen jedoch nicht sicherstellen, dass die die Verlagerung des Grundrechtsschutzes auf eine prozedurale Ebene legitimierende Kommunikation in rechtsförmigen Verfahren auch tatsächlich stattfindet, muss es beim materiellen Grundrechtsschutz und damit einer sich nur an materiellen Erwägungen ausrichtenden Strafbarkeit bleiben. Die Aufstellung abstrakter Anforderungen an eine sorgfältige Ermittlung und Überprüfung des in einer Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachten Patientenwillens gestaltet sich angesichts der Diversität möglicher Anordnungen in einer Patientenverfügung jedoch als schwierig, gerade weil es sich im Unterschied zu der de lege lata bereits bestehenden prozeduralen Legitimation durch das Genehmigungserfordernis in §§ 324, 325 Abs. 1 StGB nicht um die Abwägung objektiver Umstände, sondern um die Ermittlung eines subjektiven Willens handelt, auch wenn dieser nur insoweit zu ermitteln ist, als er in der Patientenverfügung zum Ausdruck gekommen ist. Während bei der umweltrechtlichen Genehmigung eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, die sich an bestimmten Aspekten eines Vorhabens orientiert, bezüglich derer der Antragsteller die erforderlichen Unterlagen beizubringen hat,453 sind Patientenvertreter und Arzt bei ihrer Entscheidung darauf verwiesen, sich die Informationen neben der eigentlichen Patientenverfügung insbesondere bezüglich eines möglichen Widerrufs der Verfügung selbst durch Gespräche mit Angehörigen oder sonstigen Vertrauenspersonen zu beschaffen, vgl. § 1901 b Abs. 2 BGB, und das Gericht hat bei einer

451

Wie soeben hier i. E. auch Coeppicus NJW 2011, 2085 (2088). Freilich wäre für eine solche Fortentwicklung eine strafgesetzliche Ergänzung zur Klarstellung anstatt einer rein zivilrechtlichen Regelung wünschenswert. 453 Vgl. im Einzelnen die Regelungen des UVPG; § 6 Abs. 4 UVPG konkretisiert die zu untersuchenden Aspekte bei der Umweltverträglichkeitsprüfung durch Regelung der beizubringenden Unterlagen, die insbesondere eine „Beschreibung von Art und Umfang der zu erwartenden Emissionen, der Abfälle, des Anfalls von Abwasser, der Nutzung und Gestaltung von Wasser, Boden, Natur und Landschaft sowie Angaben zu sonstigen Folgen des Vorhabens, die zu erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen führen können“, enthalten müssen. 452

III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB

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Entscheidung nach § 1904 BGB mangels eigener medizinischer Kenntnisse einen medizinischen Sachverständigen hinzuzuziehen, vgl. § 298 Abs. 3 FamFG. Allein die Einführung einer Dokumentationspflicht im Hinblick auf das gem. § 1901b Abs. 1 BGB durchzuführende Gespräch zwischen Arzt und Patientenvertreter, in dem die medizinisch indizierten Maßnahmen unter Berücksichtigung des Patientenwillens zu diskutieren sind, vermag die sorgfältige Ermittlung des Patientenwillens nicht sicherzustellen, auch nicht bei einer konkreteren Formulierung als der standesrechtlich angeordneten Dokumentationspflicht454, schließlich ist die bisherige gesetzliche inhaltliche Vorgabe bezüglich dieses Gesprächs auf die möglichen medizinischen Maßnahmen „unter Berücksichtigung des Patientenwillens“ beschränkt. Ob der Patient als juristischer und medizinischer Laie die Patientenverfügung aber tatsächlich in dem Sinn verstanden wissen wollte, wie eine grammatische Auslegung der Verfügung den Anschein hat, und ob sich der Patient nach Abfassung der Verfügung wieder formlos von dieser distanziert hat, ist nicht als Prüfprogramm vorgegeben. Ein solches Prüfprogramm ließe sich allgemeingültig nur sehr abstrakt und damit wenig zielführend formulieren, weil bereits eine oberflächliche und damit materiell ungenügende Untersuchung der Patientenverfügung diesen Vorgaben formal gerecht würde,455 genauer lassen sich die Vorgaben aber angesichts der inhaltlich völlig freien Gestaltung einer Patientenverfügung nicht treffen. Folglich erschiene einzig eine Rückkoppelung an die Befragung des sozialen Umfelds des Patienten als Steigerung des Prozeduralisierungsgrades denkbar, solange die Möglichkeit einer inhaltlich und auch formal sehr freien Patientenverfügung456 und eines formlosen Widerrufs457 unangetastet bleiben sollen –

454 Bezüglich § 10 Abs. 1 S. 1 der BO der Landesärztekammern ist ohnehin fraglich, ob das Gespräch nach § 1901b BGB überhaupt eine zum Eingreifen der Dokumentationspflicht erforderliche „Feststellung“ oder „getroffene Maßnahme“ des Arztes darstellt. 455 Eben diese Kritik muss sich auch der im Rahmen der dem 3. BtÄndG vorangegangenen Reformbestrebungen entwickelte „Alternativ-Entwurf Sterbebegleitung“ (AEStB), s. Schöch/Verrel GA 2005, 553 (586) gefallen lassen, der dem Arzt bei einem Behandlungsabbruch die Pflicht auferlegt „die Gründe hierfür schriftlich zu dokumentieren“ – eine solche Vorgabe bleibt viel zu abstrakt, um die sorgfältige Ermittlung des Patientenwillens tauglich sicherzustellen. Entsprechendes gilt für den im Auftrag der Deutschen Hospiz-Stiftung erarbeiteten Vorschlag eines „Gesetz[es] zur Sicherung der Autonomie und Integrität von Patienten am Lebensende (Patientenautonomie- und Integritätsschutzgesetz)“, vgl. Höfling MedR 2006, 25 ff. 456 Bei den dem 3. BtÄndG vorangegangenen Reformüberlegungen war insbesondere die zwingende rechtliche und ärztliche Beratung, notarielle Beurkundung sowie der Verfall der Patientenverfügung nach Fristablauf ohne erneute Bestätigung diskutiert worden, all diese Vorgaben waren sogar als Anforderungen an eine sog. „qualifizierte“ und damit auch außerhalb der irreversiblen Bewusstlosigkeit und einer unheilbaren, tödlich verlaufenden Krankheit bindende Patientenverfügung Teil des „Bosbach“-Gesetzentwurfs, vgl. BT-Drs. 16/11360, S. 14. Diesem Entwurf wurde aber gemeinsam mit

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

angesichts der negativen Auswirkungen auf die Bereitschaft zum Erlass einer Patientenverfügung bei Abänderung dieser den Verfügenden einschränkenden Komponenten haben sich diese zu Recht im Gesetzgebungsverfahren zu den §§ 1901a ff. BGB als unverrückbar herausgestellt. Für eine solche Rückkoppelung könnten Arzt und Patientenvertreter dazu verpflichtet werden, eine Aufstellung der nahen Angehörigen bzw. Vertrauenspersonen und deren Einschätzung hinsichtlich der Einwilligungsfähigkeit des Patienten bei Abfassung der Patientenverfügung, einem etwaigen Widerruf und der den Patienten zu seiner Verfügung bewegenden Motivation und den damit möglicherweise einhergehenden Einschränkungen oder Konkretisierungen des in der Patientenverfügung allein nach dem Wortlaut zum Ausdruck gebrachten Patientenwillens beim Betreuungsgericht einzureichen.458 Diese Regelung ginge nicht nur über die bisherige Ausgestaltung des die Beteiligung von Angehörigen anordnenden § 1901b Abs. 2 BGB als „soll“-Vorschrift hinaus, sondern würde den Beteiligten auch inhaltlich eine genaue Auseinandersetzung mit einem möglichen Widerruf oder einer möglichen Diskrepanz zwischen Wortlaut der Patientenverfügung und dem Willen des Patienten bei Abfassung der Patientenverfügung vorschreiben. Doch haben zum einen bereits die den geltenden §§ 1901a ff. BGB vorangegangenen kontrovers geführten Diskussionen um die zivilrechtlich erforderlichen Absicherungen der richtigen Umsetzung des Patientenwillens aufgezeigt, dass ein Konsens bezüglich weitergehender Regelungen, deren Umsetzung immer auch eine weitere zeitliche Hinauszögerung der Umsetzung einer Patientenverfügung bedeutet, dem „Zöller“-Entwurf zugunsten des „Stünker“-Entwurfs mit 318 zu 232 Stimmen eine Absage erteilt, vgl. Plenarprotokoll 16/227, S. 25124. 457 So wäre es bspw. denkbar gewesen, den Widerruf aus Beweisgründen nicht formlos zuzulassen, sondern ihn an die gleiche Form wie die Patientenverfügung selbst oder eine Form entsprechend der Vernichtung eines Testaments gem. § 2255 BGB zu binden. Ein solches Formerfordernis für den Widerruf einer Patientenverfügung führte allerdings zu einer erheblich stärkeren Bindungswirkung, vor allem da es dem Patienten bei sich über einen längeren Zeitraum fortentwickelnden Krankheit evtl. nicht mehr möglich ist, bspw. der Form einer notariellen Beurkundung zu genügen, obwohl er in noch einwilligungsfähigem Zustand von der Patientenverfügung Abstand nehmen möchte. Diese Befürchtung einer zu starken Bindungswirkung stellt eine zentrale Besorgnis in der Diskussion um Patientenverfügungen dar, sodass eine Umsetzung angesichts der bereits bei Einführung der §§ 1901a ff. BGB geführten Diskussionen und dem wohl schwindenden Rückhalt in der Bevölkerung unrealistisch erschien, so waren sich insbesondere alle zur Abstimmung gelangten Gesetzentwürfe zum 3. BtÄndG darin einig, dass ein Widerruf jederzeit und formlos möglich sein müsse, s. BT-Drs. 16/8442, S. 13; 16/11360, S. 2; 16/11493, S. 8. 458 Zumindest in die gleiche Richtung wies der im Auftrag der Deutschen HospizStiftung erarbeitete Vorschlag eines „Gesetz[es] zur Sicherung der Autonomie und Integrität von Patienten am Lebensende (Patientenautonomie- und Integritätsschutzgesetz)“, der in Bezug auf die Ermittlung eines mutmaßlichen Patientenwillens „eine auf die wesentlichen Angaben beschränkte Niederschrift“ in Bezug auf „die Gespräche mit nahestehenden Personen und sonstigen Personen, die an der Ermittlung des mutmaßlichen Willens mitwirken“ (§ 3 Abs. 4, S. 1 des Entwurfs), forderte, s. Höfling MedR 2006, 25 (26).

III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB

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wohl nicht zu erreichen wäre. Zum anderen eröffnete insbesondere die Kopplung an die zwingende Befragung der Vertrauenspersonen weitere Missbrauchsfelder, schließlich steigt das Risiko der Verunsicherung oder Beeinflussung von Arzt und Patientenvertreter durch die Befragten mit deren Anzahl. Darüber hinaus konterkarierte diese Schwerpunktsetzung auf Befragung der Vertrauenspersonen den Sinn einer Patientenverfügung, dass der Patient direkt bestimmte Maßnahmen anordnen oder untersagen möchte, und liefe leer, wenn keine Vertrauenspersonen des Patienten existieren. Schließlich erscheint eine solche gesetzliche Regelung auch deshalb unrealistisch, weil der zeitliche Mehraufwand nicht nur die Umsetzung des Patientenwillens verzögert, sondern auch mit der Berufspraxis von Arzt und Betreuer nicht in Einklang zu bringen wäre. Die Beteiligung der Angehörigen und sonstiger Vertrauenspersonen wurde vom Gesetzgeber also nicht umsonst als bloße „soll“-Vorschrift ausgestaltet. Alles in allem erscheint eine Ausgestaltung der Umsetzung von Patientenverfügungen als prozedurale Legitimation auch für die Zukunft nicht sinnvoll möglich. 2. Vergleich zu hypothetischem prozedural betreuungsrechtskonformen Verhalten Wenn schon einer prozeduralen Legitimation angesichts der zu geringen Verfahrensanforderungen eine Absage erteilt wird, dann muss dies erst recht für eine Überwindung der eigentlich rechtswidrigen Umsetzung einer Patientenverfügung gelten, die nicht einmal – wie die prozedurale Legitimation – an das tatsächlich durchgeführte betreuungsrechtskonforme Verhalten anknüpft, sondern es ausreichen ließe, dass ein betreuungsrechtskonformes Verfahren zu keinem anderen Ergebnis geführt hätte: Bei der prozeduralen Legitimation würde die materielle Rechtswidrigkeit der Umsetzung einer Patientenverfügung, also ein dem in der Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachten Patientenwillen entgegengesetztes Verhalten durch die Übereinstimmung mit dem Ergebnis eines formal betreuungsrechtskonformen Verhaltens legitimiert. Ließe man nun stattdessen sogar die Übereinstimmung mit einem hypothetischen prozedural betreuungsrechtskonformen Verhalten ausreichen, so könnte neben der materiellen auch die formale Rechtswidrigkeit der Umsetzung einer Patientenverfügung geheilt werden, solange sich der Verfahrensfehler nicht auf das Ergebnis bei Ermittlung des Patientenwillen auswirkte: Das durch den Verfahrensfehler geschaffene Risiko einer Fehlinterpretation des Patientenwillens hätte sich nicht im Erfolg der falschen Umsetzung der Patientenverfügung realisiert.459 Eine solche Konstruktion erinnert an die gerade auch im Bereich des Medizinstrafrechts diskutierte hypotheti459 Zur Übertragung der objektiven Zurechnung auf die Rechtfertigungsebene bei der hypothetischen Einwilligung vgl. SSW-StGB2 /Rosenau Vor §§ 32 ff. Rn. 52; Eisele JA 2005, 252 (253).

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sche Einwilligung, die einen Aufklärungsmangel nicht auf die rechtfertigende Einwilligung durchschlagen lässt, wenn der Patient die Einwilligung auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung erteilt hätte.460 Insofern müssen die bezüglich einer hypothetischen Einwilligung vorgebrachten Einwände auch hier Anwendung finden, insbesondere das zentrale Bedenken, dass der Arzt durch die Rechtfertigung auch bei Verfahrensverstößen zum Absehen von einem ordnungsgemäßen Verfahren motiviert461 und damit das Selbstbestimmungsrecht des Patienten geschwächt werden könnte.462 Hinzu kommt, dass die bereits bei einer hypothetischen Einwilligung kritisierten Unsicherheiten dadurch, dass bloße Mutmaßungen über die Rechtswidrigkeit der Rechtsgutsverletzung entscheiden,463 bei einem hypothetisch betreuungsrechtskonformen Verhalten entsprechend den §§ 1901a, 1901b, 1904 BGB i.V. m. § 298 FamFG sich noch dadurch verschärfen, dass ein bestimmtes Verhalten Dritter hinzugedacht werden muss, über das Unklarheit besteht – so ist durch das Nebeneinander von Konsens zwischen Arzt und Patientenvertreter und Dissens der Beteiligten unter Hinzuziehung des Betreuungsgerichts kein eindeutiger Bezugspunkt für die hypothetische Betrachtung gegeben. Um die hypothetische Betrachtung handhabbar zu machen, wäre zu überlegen, den restlichen Beteiligten ein Handeln entsprechend dem ex post durch das Strafgericht festgestellten, in der Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachten Patientenwillen zu unterstellen: So wäre beispielsweise bei einer falschen und eigenmächtigen Umsetzung der Patientenverfügung durch den Arzt davon auszugehen, dass der Patientenvertreter den Patientenwillen richtig erkannt hätte, es zu einem Dissens gekommen wäre und folglich das Betreuungsgericht die Auslegung durch den Patientenvertreter bestätigt hätte – bei einer solchen Ausführung der hypothetischen Betrachtung führte diese jedoch bei materieller Rechtswidrigkeit der Umsetzung einer Patientenverfügung nie zu einer Rechtfertigung. Folglich darf die hypothetische Betrachtungsweise nicht so starr durchgeführt werden, sondern es müssten Mutmaßungen darüber angestellt werden, wie sich die anderen zu Beteiligenden verhalten hätten, wären sie beteiligt worden – nur so kann der Sinn der hypothetischen Betrachtungsweise abgebildet werden. Dieses Hinzudenken eines Verhaltens Dritter, im genannten Beispiel der Zustimmung des Patientenvertreters bzw. der Genehmigung durch das Gericht464 stellte 460

Vgl. bereits ausführlicher zur hypothetischen Einwilligung unter B. I. 3. a) aa) (2). So zur hypothetischen Einwilligung Duttge in FS Schroeder, S. 179 (188); Otto Jura 2004, 679 (683); Puppe AT2 § 11 Rn. 20; dies. GA 2003, 764 (769). 462 So zur hypothetischen Einwilligung Puppe AT2 § 11 Rn. 27; Riedelmeier, S. 82 ff., 86; Sowada NStZ 2012, 1 (7). 463 Sowada NStZ 2012, 1 (5). 464 Dieses Beispiel findet sich auch bei Sternberg-Lieben in FS Roxin, S. 537 (547 f.); zur Unzulässigkeit des Hinzudenkens eines außerhalb des konkreten Tatgeschehens liegenden Verlaufs verweist er auf Duttge in FS Schroeder, S. 179 (186 f.); Eisele in FS Strätz, S. 163 (181); Gropp in FS Schroeder, S. 197 (206); Jäger in FS Jung, S. 345 (350 f.). 461

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– so Sternberg-Lieben und Hörr465 zutreffend – einen Verstoß gegen den im Strafrecht466 geltenden Grundsatz, dass die Beurteilung der Strafbarkeit bereits im Tatzeitpunkt feststehen muss, und damit eine unzulässige Rückwirkungsfiktion dar.467 Dieser Grundsatz ist, anders als das Rückwirkungsverbot, nicht auf Auswirkungen zu Lasten des Täters beschränkt.468 Darüber hinaus macht Hörr bezüglich des Abstellens auf das rechtmäßige Alternativverhalten geltend, dass insbesondere die Einholung einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung als hypothetisches betreuungsrechtskonformes Verhalten im Ergebnis nie mit dem prozedural rechtswidrigen Verzicht auf die Genehmigung übereinstimmen könne, da das gerichtliche Verfahren zu einer zeitlichen Verzögerung führe, demgegenüber der sofortige Behandlungsabbruch stets eine erhebliche Lebensverkürzung darstelle – somit verwirkliche sich stets auch das durch die prozedurale Rechtswidrigkeit geschaffene Risiko.469 Dabei lässt Hörr allerdings den im Rahmen der objektiven Zurechnung470 zu beachtenden Schutzzweckzusammenhang außer Acht: Da die Verfahrensvorgaben der §§ 1901a ff. BGB nicht dazu geschaffen sind, den Behandlungsabbruch zeitlich zu verzögern und somit das Leben des Patienten vorübergehend zu erhalten, sondern eine richtige Umsetzung des Patientenwillens bezwecken, entspricht das durch zeitliche Vorverlagerung des Behandlungsabbruchs verwirklichte Risiko nicht dem Schutzzweck der §§ 1901a ff. BGB. Stattdessen wird die sofortige Umsetzung eines auf Behandlungsabbruch gerichteten Patientenwillens diesem sogar besser gerecht als eine Umsetzung erst nach Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens.471 465 Hörr, S. 321: Statt einem im Rahmen der objektiven Zurechnung zulässig zu prüfenden „rechtmäßige[n] Alternativverhalten“ des Täters handele es sich bei dem hypothetisch betreuungsrechtskonformen Verhalten um das unzulässige Hinzudenken eines das Handeln eines Dritten beinhaltenden „Alternativverlauf[s]“. 466 „Der den Täter leitende Appell der Strafrechtsnorm [muss] zur Zeit der Tat vorliegen“, so Sternberg-Lieben in FS Roxin, S. 537 (548). 467 Sternberg-Lieben in FS Roxin, S. 537 (548). 468 Vgl. dazu die unter D. III. 3. c) genannten Auswirkungen des Grundsatzes – so wirkte sich beispielsweise die Berücksichtigung einer nachträglichen Genehmigung des Rechtsgutsinhabers entsprechend der zivilrechtlichen Rückwirkung (§ 184 BGB) ebenfalls zugunsten des Täters aus, wird aber als unzulässige Rückwirkungsfiktion abgelehnt (Sowada NStZ 2012, 1 (9 Fn. 107); LK-StGB12 /Rönnau Vor § 32 Rn. 171; Sch/ Sch29 /Lenckner/Sternberg-Lieben Vor §§ 32 ff. Rn. 44; vgl. bspw. zu § 267 MKStGB2 /Erb § 267 Rn. 146). 469 Hörr, S. 322. 470 Zur Übertragung der objektiven Zurechnung auf die Rechtfertigungsebene bei der hypothetischen Einwilligung vgl. SSW-StGB2 /Rosenau Vor §§ 32 ff. Rn. 52. 471 Überdies verneint Hörr die Vergleichbarkeit von hypothetischer Einwilligung und betreuungsrechtswidrig nicht genehmigter Einwilligung angesichts der strukturellen Unterschiede – während bei einer Einwilligung des Patienten trotz Aufklärungsmangels immerhin eine teilweise wirksame Einwilligung vorliege, sei die ungenehmigte Betreuereinwilligung mangels entsprechender Einwilligungsbefugnis im Ganzen unwirksam, s.

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Insgesamt spricht damit nicht nur ein erst-recht-Schluss im Hinblick auf die Ablehnung der prozeduralen Legitimation gegen einen legitimierenden Vergleich zu einem hypothetischen prozedural betreuungsrechtskonformen Verhalten, sondern ein solcher Vergleich wäre auch nicht praktikabel und verstieße gegen strafrechtliche Grundsätze, sodass auch eine Anbindung der strafrechtliche Bewertung an die §§ 1901a ff. BGB in Form einer solchen hypothetischen Betrachtung abzulehnen ist. 3. Zivilrechtsakzessorische Rechtfertigung im Hinblick auf prozedurale und materielle Vorgaben der §§ 1901a ff. BGB Die Akzessorietät der strafrechtlichen Bewertung zu den §§ 1901a ff. BGB ist damit jedoch noch nicht endgültig ausgeschlossen – schließlich könnten die §§ 1901a ff. BGB auch eine Legitimation bereithalten, die sich aus der Einhaltung von Vorgaben prozeduraler und materieller Art ergibt, womit die Einhaltung der zivilrechtlichen Verfahrensvorgaben nur eine notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung darstellte. Für eine solche kombinierte spezielle Rechtfertigung spricht sich in der Literatur insbesondere Ihrig472 – freilich ohne nähere Erläuterungen – aus, während Neumann473 seine entsprechende Rechtsauffassung wohl inzwischen aufgegeben hat. Nach Hörr ist nur bei einem Patientenwunsch gem. § 1901a Abs. 2 BGB die sog. stellvertretende Einwilligung des Patientenvertreters in ihrer Wirksamkeit von Vorgaben prozeduraler und materieller Art abhängig.474 Dafür müsste die in § 1901a Abs. 1 BGB getroffene Vorgabe475 an den Patientenvertreter, dem Willen des Patienten Ausdruck und Geltung zu verschaffen, als Hörr, S. 327. Diese Argumentation greift allerdings nur bei der Einordnung des § 1901a Abs. 1 BGB als Eröffnung einer stellvertretenden Einwilligungsmöglichkeit. Da diese Konstruktion nach hier vertretener Ansicht abzulehnen ist (vgl. E. III. 3. b)), soll an dieser Stelle eine vertiefte Auseinandersetzung mit diesem Argument unterbleiben, da es auf dieses Argument angesichts der bereits deutlich überwiegenden Argumente gegen einen Vergleich zu einem hypothetischen betreuungsrechtskonformen Verhaltens nicht ankommt. 472 Ihrig DNotZ 2011, 583 (587 f.): Für die Legitimation der Umsetzung einer Patientenverfügung sei die Einhaltung der Verfahrensvorgaben neben weiteren materiellen Voraussetzungen erforderlich. 473 NK4 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 Rn. 133: „Definitiv entscheiden über die strafrechtliche Bewertung nicht prozedurale Kriterien, sondern die materiellen Strafbarkeitsvoraussetzungen“; anders hingegen noch NK3 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 Rn. 130: „Zulässigkeit von Sterbehilfe [ist] auch von verfahrensmäßigen, formellen Kautelen abhängig“. 474 Hörr, S. 177 f., wobei er die materielle Vorgabe derart präzisiert, dass das Handeln des Patientenvertreters mit dem Ergebnis eines nach den Vorgaben des Betreuungsrechts abwägenden Betreuers abzugleichen sei (S. 178), für eine etwaige Abweichung und damit für einen Irrtum hafte der Patientenvertreter bei Erkennbarkeit, welche durch Nachforschungspflichten modifiziert werden könne (S. 184).

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materielle Vorgabe in dem Sinne verstanden werden, dass die Interpretation und Umsetzung der Patientenverfügung auch inhaltlich einer strafgerichtlichen ex post-Überprüfung standhalten muss. Eine absolute Richtigkeit der Interpretation des Patientenwillens kann hingegen nicht verlangt werden und wäre auch nicht überprüfbar, schließlich kann der in der Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachte Patientenwille im Nachhinein nur möglichst sorgfältig ausgelegt werden, eine Verifizierung durch Befragung des Patienten ist aber kraft Natur der Sache ausgeschlossen. Dogmatisch wäre wohl eine Konstruktion dieser Rechtfertigung als eine betreuungsrechtliche Rechtfertigung sui generis vorzugswürdig, die eine Umsetzung von Patientenverfügungen oder Patientenwünschen als lex specialis abschließend regelt, also sonstige Einwilligungsformen verdrängt. Gerade in Anbetracht der in § 1901a BGB verwendeten Terminologie („einwilligt“, „mutmaßlicher Patientenwille“) und der Formulierung des BGH in der sog. Putz-Entscheidung („Einwilligung“)476 liegt zwar auch die Ausformung als Konkretisierung der herkömmlichen Einwilligungsformen nahe – eine Patientenverfügung nach § 1901a Abs. 1 BGB präzisierte die tatsächliche Einwilligung, § 1901a Abs. 2 BGB erfasste entweder eine Konkretisierung der mutmaßlichen Einwilligung des Patienten oder bei Ausformung als stellvertretende Einwilligung eine tatsächliche Einwilligung des Patientenvertreters477 –, doch erweckte eine solche dogmatische Konstruktion den Anschein einer strafrechtsautonomen Rechtfertigung und täuschte damit über die Akzessorietät zu den §§ 1901a ff. BGB hinweg. Dementsprechend verweist Walter darauf, dass die Zivilrechtsakzessorietät in den Voraussetzungen der rechtfertigenden (mutmaßlichen) Einwilligung „nun einmal nicht vor(komme)“.478 Zwar unterfällt die Einwilligung als ungeschriebener, gewohnheitsrechtlich ausgeformter Rechtfertigungsgrund nicht dem Analogieverbot gem. § 1 StGB,479 sodass die Modifizierung der Einwilligungsvoraussetzungen grundsätzlich möglich erschiene, doch stellte sich die Verschärfung der Rechtfertigungsanforderungen durch dasselbe Rechtsinstitut nur für bestimmte Fälle als unübersichtlich und inkonsequent dar. Doch auch unabhängig von der genaueren dogmatischen Ausformung sprechen entscheidende Gründe 475 Entsprechendes gilt für den in § 1901a Abs. 2 BGB geregelten „mutmaßlichen Willen“ eines einwilligungsunfähigen Volljährigen in Bezug auf eine ärztliche Behandlung: Auch diese Anforderung könnte eine inhaltliche Vorgabe der „richtigen“ Interpretation und Umsetzung darstellen in dem Sinne, dass sie einer strafrechtlichen ex postKontrolle inhaltlich standhält. 476 BGHSt 55, 191 (204 Rn. 34). 477 So Hörr, S. 144 ff.: Legitimierung durch die stellvertretende Einwilligung des Betreuers (also tatsächliche Einwilligung durch dispositionsbefugten Patientenvertreter), die wiederum erst durch Bestätigung des Arztes (Einvernehmen) bzw. des Betreuungsgerichts (Genehmigung) Wirkung entfaltet. 478 Walter ZIS 2011, 76 (80). 479 NK-StGB4 /Hassemer/Kargl § 1 Rn. 67a.

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gegen eine strafrechtliche Rechtfertigung, die sich an den Vorgaben prozeduraler und materieller Art der §§ 1901a ff. BGB ausrichtet, wie sich im Folgenden zeigen wird. a) Wortlaut und Systematik der §§ 1901a ff. BGB Zunächst ist dabei der Blick auf den Wortlaut und die Systematik der betreuungsrechtlichen Regelung zu lenken, die ausdrücklich nur zivilrechtliche Verfahrensanforderungen erfassen; Auswirkungen auf das Strafrecht sind hingegen nicht direkter Regelungsgegenstand.480 Trotzdem könnte die Gesetzesformulierung einen Hinweis darauf geben, ob die – im Hinblick auf die strafrechtliche Bewertung interessierende – Legitimationswirkung einer Patientenverfügung bzw. eines Patientenwunsches nach § 1901a Abs. 2 BGB an die Einhaltung aller betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben gebunden werden sollte, was für eine Akzessorietät der strafrechtlichen Bewertung zur betreuungsrechtlichen Regelung spräche. Nach § 1901a Abs. 1 BGB legt der Verfügende in einer Patientenverfügung fest, „ob er in bestimmte [. . .] ärztliche Eingriffe einwilligt“, während die Rolle des Patientenvertreters auf eine reine Überprüfung hinsichtlich der Einschlägigkeit in der konkreten Situation beschränkt ist. Der Wortlaut ordnet die Legitimationswirkung damit dem Patientenwillen zu. Da dem Patienten als Rechtsgutsinhaber – im Gegensatz zum Patientenvertreter – auch ohne betreuungsrechtliche Zuweisung die Entscheidungsbefugnis bezüglich ärztlicher Maßnahmen zukommt, ist die betreuungsrechtliche Regelung einschließlich der enthaltenen Verfahrensvorgaben nicht legitimationsbegründend, sondern insoweit rein deskriptiv, sodass der Wortlaut von § 1901a Abs. 1 BGB nicht auf eine über das Betreuungsrecht hinausgehende Reichweite der verfahrensrechtlichen Regelungen hindeutet. Demgegenüber soll der Betreuer nach § 1901a Abs. 2 BGB entscheiden, ob „er“ in eine ärztliche Maßnahme einwilligt. Bezugspunkt für diese persönliche Einwilligungszuständigkeit scheint nach dem Wortlaut der Betreuer zu sein481 – eine solche Legitimation durch eine Entscheidung des Betreuers bedeutete, dass die Legitimationswirkung auf den durch das Betreuungsrecht abgesteckten Umfang beschränkt bliebe, schließlich wird die Entscheidungsbefugnis des Betreuers erst durch das Betreuungsrecht begründet. Für eine solche Auslegung der Einwilligungszuständigkeit spricht zum einen, dass die Behandlungswünsche mangels Bestimmtheit keine Einwilligung darstellen, der Patient selbst also gar nicht durch die Behandlungswünsche direkt einzuwilligen vermag; seine Behandlungswünsche könnten höchstens den Ausgangspunkt für eine mutmaßliche Einwilli480

Silberg HFR 2010, 104. So ausdrücklich E. Albrecht/A. Albrecht Rn. 38, die eine anderweitige Interpretation gar nicht erst thematisieren. 481

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gung bilden. Wenn an dieser Stelle aber auf eine mutmaßliche Einwilligung des Betreuten hätte abgestellt werden sollen, dann hätte der Konjunktiv verwendet werden müssen.482 Für diese Auslegung könnte zum anderen auch die Formulierung sprechen, dass der Betreuer im Unterschied zu § 1901a Abs. 1 BGB nicht nur „prüft“, sondern „entscheide[t]“, also womöglich nicht nur als „Vollstrecker der bereits vom Patienten getroffenen Entscheidung“ 483 tätig wird, sondern im Rahmen seiner Vertretungsmacht eine eigene Entscheidung trifft. Demensprechend spricht auch § 1904 Abs. 1 BGB von einer „Einwilligung des Betreuers“. Gegen eine solche – von Hörr vertretene – Aufspaltung in Legitimation einerseits durch den Patientenwillen bei § 1901a Abs. 1 BGB und andererseits durch eine betreuungsrechtskonforme, weil nur so mit Vertretungsbefugnis getroffene Stellvertreterentscheidung nach § 1901a Abs. 2 BGB484 spricht aber, dass die genannte Formulierung in § 1904 Abs. 1 BGB nach hier vertretener Auslegung485 auch auf eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Abs. 1 BGB zu beziehen ist, für welche die Legitimation gerade nicht aus einer stellvertretenden Einwilligung abgeleitet wird. Wenn schon die vom Wortlaut eigentlich eindeutige Betitelung als „Einwilligung des Betreuers“ auch die in Form einer Patientenverfügung erteilte Einwilligung des Patienten, die der Betreuer nur auf ihre Einschlägigkeit überprüft, erfasst, so kann aus der in Bezug auf die einwilligende Person leicht missverständlichen Formulierung des § 1901a Abs. 2 BGB erst recht nicht auf die Legitimation durch eine stellvertretende Einwilligungsentscheidung des Patienten geschlossen werden. Gleiches gilt auch für die angeführte Formulierung, dass der Patientenvertreter im Rahmen von § 1901a Abs. 2 BGB „entscheide[t]“: § 1901b Abs. 1 BGB spricht von einer „Entscheidung“ des Betreuers, ist aber ebenfalls auf Grund seines Zwecks nach hier vertretener Ansicht486 auch auf § 1901a Abs. 1 BGB anwendbar, obschon § 1901a Abs. 1 BGB die Legitimation ja gerade nicht in einer Betreuerentscheidung sucht. 482 Etwa: Liegt keine Patientenverfügung vor [. . .], hat der Betreuer die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob er – der Betreute – in eine ärztliche Maßnahme nach Absatz 1 eingewilligt oder sie untersagt hätte. 483 Coeppicus NJW 2011, 2085 (2087); auch Probst FF 2010, 144 (145) ordnet die Stellung des Patientenvertreters bei § 1901a Abs. 1 BGB mangels Entscheidungsspielraums bei Umsetzung der Patientenverfügung als Bote und nicht als Stellvertreter ein; Sternberg-Lieben in FS Lenckner, S. 349 (361) zieht, allerdings vor Schaffung des § 1901a BGB, einen Vergleich zum Wegfall der Vertretungsmacht des Betreuers im Falle der doch bestehenden Einwilligungsfähigkeit: Durch die Patientenverfügung könne der Betreute auch im einwilligungsunfähigen Zustand durch die vorher im einwilligungsfähigen Zustand verfasste Patientenverfügung selber wirksam entscheiden, sodass der Vorrang einer eigenen Entscheidung des Betreuten gegenüber einer Entscheidung des Betreuers eingreife. 484 Hörr, S. 144 ff. 485 Siehe C. I. 4. 486 Siehe C. I. 2.

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Mithin ist auch die Einwilligungszuständigkeit nach § 1901a Abs. 2 BGB nicht zwingend auf den Patientenvertreter zu beziehen, eine Bezugnahme auf den Patienten selbst wäre vielmehr auch noch vom Wortlaut gedeckt.487 Dadurch entfiele die mit einer in Bezug auf die Legitimation konstitutiven Entscheidung des Patientenvertreters verbundene zwingende Bindung an das betreuungsrechtlich vorgegebene Verfahren, schließlich ist eine Orientierung an den Patientenwünschen bereits strafrechtsautonom (mutmaßliche Einwilligung) zu begründen, sodass auch der Wortlaut von § 1901a Abs. 2 BGB die Einhaltung der betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben nicht zwingend für die Legitimation fordert. E. und A. Albrecht sprechen hingegen sowohl in Bezug auf § 1901a Abs. 1 als auch Abs. 2 BGB von einer „stellvertretenden Einwilligung“ 488, was die Einhaltung der Verfahrensvorgaben für die Legitimation in beiden Alternativen erforderlich machte. Für eine solche Auslegung des Betreuungsrechts könnte sprechen, dass nach dem Wortlaut die Existenz eines Patientenvertreters für das durch Patientenverfügung gerechtfertigte Verhalten zwingend erforderlich sein könnte,489 welcher ggf. im Eilverfahren zu benennen ist.490 Außerdem wird für das zwingende Erfordernis einer Umsetzungsentscheidung seitens des Patientenvertreters vorgebracht, dass stets eine Auslegung der Patientenverfügung nach § 133 BGB erforderlich sei,491 insbesondere da die Patientenverfügung in der Regel von medizinischen Laien verfasst werde492 – zwar sind auch sonstige Wil487 Für eine solche Auslegung spricht insbesondere auch die weitgehend parallel laufende Formulierung des § 1901a Abs. 1 BGB, bei dem sich die Zuweisung der Einwilligungszuständigkeit („ob er [. . .] einwilligt“) eindeutig auf den Patienten selbst beziehen lässt. 488 E. Albrecht/A. Albrecht Rn. 39; vgl. auch dies. MittBayNot 2009, 426 (433). 489 Nach §§ 1896, 1904 Abs. 1 BGB ist ein Betreuer zu bestellen, wenn die selbstbestimmte Wahrnehmung eigener Interessen nicht mehr möglich ist – dies sei, so Tamm VuR 2009, 449 (456), gerade der Fall der Patientenverfügung. Nach a. A. entfällt die Erforderlichkeit bei Vorliegen einer Patientenverfügung, da der Patient durch diese bindende Anordnung die Wahrnehmung seiner Interessen auch für den Fall der eigenen Einwilligungsunfähigkeit sichergestellt hat, so bspw. Coeppicus NJW 2013, 2939 (2940); Hörr, S. 139 f. 490 Olzen JR 2009, 354 (358). 491 Palandt73 /Götz § 1904 Rn. 14; MK-StGB2 /Ha. Schneider Vor §§ 211 ff. StGB Rn. 146; NK-StGB4 /Neumann Vorbemerkung zu § 211 StGB Rn. 115; B. Hoffmann BtPrax 2009, 7 (8 f.); Lipp Patientenautonomie, S. 24 f.; ders. in Laufs/Katzenmeier/ Lipp (Hrsg.), ArztR6, VI. Rn. 136; Röver, S. 162; Roth JZ 2004, 494 (498 f.). Grund dafür sei, dass bspw. die Eindeutigkeit einer Patientenverfügung erst Ergebnis der Auslegung sein könne, vgl. dazu Staudinger-BGB15 /Singer § 133 Rn. 9; Lipp in Laufs/Katzenmeier/Lipp (Hrsg.), ArztR6, VI. Rn. 136; dies erkennt auch Coeppicus im Rahmen einer anderen Fragestellung, überträgt dies aber nicht auf die Erforderlichkeit einer Vertreterentscheidung, NJW 2011, 2085 (2090, 2086); ähnlich auch schon vor dem 3. BtÄndG von Dewitz/Kirchner MedR 2005, 134 (137 f.); Simon in Verrel/Simon (Hrsg.), S. 59 (85 f.); Roth JZ 2004, 494 (498): besonders problematisch bei vorformulierten Patientenverfügungen; nach BeckOK-BGB/Müller § 1901a (Ed. 25) Rn. 19 nur „selten“ kein Subsumtions- oder Auslegungsbedarf.

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lenserklärungen nach § 133 BGB stets auslegungsbedürftig, doch sei in Abgrenzung dazu bei einer Patientenverfügung nur ein bestimmter Personenkreis493 zu dieser Auslegung ermächtigt. All diese Argumente sprechen allerdings nur für die – auch hier vertretene – grundsätzliche Anwendung der betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben auch auf eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Abs. 1 BGB, sagen aber über die Begründung einer Legitimation nichts aus.494 Argument für eine auch bei § 1901a Abs. 1 BGB in der Umsetzungsentscheidung des Patientenvertreters begründete Legitimation könnte lediglich der von Olzen und Metzmacher vorgebrachte Gedanke sein, dass es zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten eines möglichst zuverlässigen Verfahrens zur Ermittlung des Patientenwillens bedürfe, sodass es sich bei der Umsetzungsentscheidung des Patientenvertreters nicht um einen „bloße[n] Rechtsformalismus“ handele, sondern diese „der richtigen Entscheidung in einer äußerst schwierigen Situation durch ein geordnetes Verfahren“ diene.495 Andererseits fordert das Selbstbestimmungsrecht des Patienten aber auch eine möglichst unverzügliche Umsetzung des Patientenwillens, sodass sich der zeitliche Aufschub der Umsetzung zwecks verfahrensrechtlicher Absicherung – wie Arzt es formuliert – durch „,vorläufige [. . .]‘ Ignorierung des Patientenwillens“ als „endgültige und nicht wieder gut zu machende Missachtung“ des Patientenwillens darstellt, da durch die Weiterbehandlung beim Patienten bereits nach einer „auf fast Null reduzierten Zeitspanne“ irreparable Schäden einträten.496 Diese die Patientenautonomie betreffenden Erwägungen gehen jedoch über den Wortlaut der Regelung hinaus, da sie einen der Zwecke der betreuungsrechtlichen Neuregelung in den Mittelpunkt stellen, die im Folgenden einer näheren Auseinandersetzung bedürfen. Vorher sei aber festgehalten, dass der Wortlaut des § 1901a Abs. 1 BGB zwar von der Existenz eines Patientenvertreters ausgeht, dies allein aber nicht für die Begründung einer stellvertretenden Einwilligung durch den Patientenvertreter und damit der zwingenden Einhaltung der §§ 1901a ff. BGB auch für die strafrechtliche Legitimation ausreicht; stattdessen lässt der Wortlaut der §§ 1901a ff. BGB die Frage nach der Akzessorietät der strafrechtlichen Bewertung offen.

492 Bereits Roth JZ 2004, 494 (498): „jeder medizinische Laie [versteht] unter denselben Worten etwas anderes“. 493 Insoweit ist strittig, ob die Auslegungsbefugnis hinsichtlich des Patientenwillens nur dem Patientenvertreter oder auch dem Arzt zukommt, vgl. dazu unter C. I. 2. (bezogen auf den dialogischen Prozess zwischen Arzt und Patientenvertreter). 494 Demgegenüber halten E. Albrecht/A. Albrecht MittBayNot 2009, 426 (433) die betreuungsrechtliche Anordnung bestimmter Verfahrensschritte für sinnlos, wenn bereits die Patientenverfügung selbst den Legitimationsgrund bilden sollte. 495 Olzen/Metzmacher JR 2011, 318 (319); in diese Richtung auch Diehn/Rebhan NJW 2010, 326 (327); krit. insoweit Arzt in GS Wolf, S. 609 (614 ff.); BeckOK-BGB/ Müller § 1901a (Ed. 25) Rn. 19: „nur eine verfahrensrechtliche Bedeutung hinsichtlich der Ermittlung und Durchsetzung des Patientenwillens“. 496 Arzt in GS Wolf, S. 609 (618).

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

b) Teleologische Auslegung der §§ 1901a ff. BGB aa) Die dem 3. BtÄndG zu Grunde liegenden Gesetzeszwecke Zentraler Zweck der betreuungsrechtlichen Neuregelung durch das 3. BtÄndG ist es, das Selbstbestimmungsrecht des Patienten zu stärken497. Während zuvor die Verbindlichkeit des in einer Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachten Patientenwillens teilweise angezweifelt wurde, sollen die §§ 1901a ff. BGB n. F. die Befolgung des Patientenwillens sicherstellen.498 Auf diesen Zweck gründet sich nicht nur die materielle Bindungswirkung der Patientenverfügung, sondern auch die prozedurale Absicherung der richtigen Ermittlung und Umsetzung des Patientenwillens: Durch die gegenseitige Kontrolle zwischen Arzt und Betreuer bzw. durch die betreuungsgerichtliche Kontrolle bei fehlendem Einvernehmen wird das Potenzial eines Machtmissbrauchs durch eine der zu einer Entscheidung berufenen Personen sowie die Gefahr einer vorschnellen Umsetzung des in einer Patientenverfügung geforderten Verhaltens499 auszuschalten versucht – auch dieser prozedurale Schutz vor einer falschen Umsetzung des Patientenwillens lässt sich auf den Willen zur Stärkung des Patientenwillens zurückführen.500 Darüber hinaus führen die prozeduralen Absicherungen für die Beteiligten zu mehr Rechtssicherheit:501 Arzt und Patientenvertreter müssen nicht alleine über die oft schwierige502 Auslegung des Patientenwillens entscheiden und ihnen ist mit der Erweiterung des § 1904 BGB auf die Nichteinwilligung in eine ärztliche Maßnahme eine klare Vorgabe erteilt, wann die Genehmigung des Betreuungsgerichts eingeholt werden muss.503 Zudem wird durch die Erweiterung auf mindestens zwei Entscheidungsträger (Arzt und Patientenvertreter) sowie vor allem durch die Beteiligung der dem Patienten nahe stehenden Personen die letztendliche Umsetzungsentscheidung „auf eine umfassendere Grundlage gestellt“ und so die Entscheidungsrationalität erhöht.504 Es erscheint allerdings fraglich, ob diese der betreuungsrechtlichen Regelung zu Grunde liegenden Zwecke auch eine Strafbarkeit in allen Konstellationen, ins497

BT-Drs. 16/8442, S. 3. BT-Drs. 16/8442, S. 2 f. 499 So wird sich bspw. ein Hinweis auf einen formfreien Widerruf der Patientenverfügung oft erst im Gespräch mit den Angehörigen ergeben. 500 BT-Drs. 16/8442, S. 9: „Vielmehr gewährleisten der Dialog zwischen den an der Behandlung Beteiligten und im Konfliktfall das vormundschaftsgerichtliche Verfahren, dass der Patientenwille sorgfältig ermittelt wird“. 501 BT-Drs. 16/8442, S. 3. 502 Wenngleich die Gesetzesbegründung auch darauf verweist, dass „[k]eine gesetzliche Regelung [. . .] den Beteiligten die im Einzelfall sehr schwer zu treffenden Entscheidungen [wird] abnehmen können“, BT-Drs. 16/8442, S. 12. 503 Zum Bedürfnis der Beteiligten nach Klarheit im Umgang mit Patientenverfügungen BT-Drs. 16/8442, S. 7. 504 BT-Drs. 16/8442, S. 16. 498

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besondere der eines nur verwirklichten prozeduralen Unrechts, zu begründen vermögen. bb) Einzelne Schutzzwecke der §§ 1901a ff. BGB und deren Einschlägigkeit bei rein prozeduralem Unrecht (1) Rechtssicherheit für die Beteiligten Wenn der Gesetzgeber zur Begründung der im Betreuungsrecht eingeführten Verfahrensschritte unter anderem die Rechtssicherheit505 für die Beteiligten anführt, so ist dies auf eine Entlastung der Beteiligten ausgelegt: Statt einer alleinigen Entscheidungspflicht, die mit der Zuweisung einer alleinigen Entscheidungsbefugnis einhergeht, wird Arzt und Patientenvertreter der jeweils andere bei der Entscheidung zur psychischen Entlastung506 an die Seite gestellt,507 unter Umständen wird ihnen die Letztentscheidung gar durch den Betreuungsrichter abgenommen, dessen Hinzuziehung durch § 1904 BGB n. F. klar für den Fall eines Dissenses vorgegeben ist. Vor allem aber sollen die Beteiligten bei sorgfältiger Ermittlung und Umsetzung des Patientenwillens vor einer abweichenden ex postBeurteilung des Patientenwillens durch das Strafgericht bewahrt werden.508 In der Literatur509 wird allerdings darauf hingewiesen, dass diese durch die Regelung bezweckte Entlastung der Beteiligten gerade in Fällen rein prozeduralen Unrechts in ihr Gegenteil verkehrt würde: Haben die Beteiligten das betreuungsrechtlich vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten, so bliebe ihnen angesichts der Sperrwirkung einer als lex specialis einzuordnenden Rechtfertigung anhand der §§ 1901a ff. BGB die sonstige Rechtfertigung durch den Patientenwillen verwehrt, selbst wenn sie den Patientenwillen inhaltlich getroffen haben, sich der Erfolg also gerade als nicht missbilligenswert herausgestellt hat.510 Grundvoraussetzung für diese auf rein prozedurales Unrecht beschränkte Be-

505 Arzt in GS Wolf, S. 609 (619) kritisiert hingegen die Legitimierung der §§ 1901a ff. BGB durch die bezweckte Rechtssicherheit – es handele sich um eine „rechtspolitische [. . .] Überschätzung der durch Verfahren erzielbaren Rechtssicherheit“. 506 So bereits zu einer analogen Anwendung von § 1904 BGB a. F. ZRP 1996, 87 (92); Saliger KritV 1998, 118 (126). 507 Verrel NStZ 2011, 276 (277): Psychologische Sicherheit als „zentrale Voraussetzung für ethisch verantwortliche Behandlungsentscheidungen“. 508 BGHZ 154, 205 (227); Coeppicus NJW 2011, 2085 (2088); ders. FPR 2007, 63 (66); Hahne FamRZ 2003, 1619 (1621 f.); Ludyga FPR 2010, 266 (268); Rosenau in FS Rissing-van Saan, S. 547 (563); Saliger MedR 2004, 237 (239): „Schutz- und Fürsorgefunktion des Richtervorbehalts für den Betreuer“; entsprechend zu § 1904 BGB a. F.: LG Duisburg NJW 1999, 2744; Heyers, S. 273; Saliger JuS 1999, 16 (21); Verrel JR 1999, 5 (8); ders. JZ 1996, 224 (229); § 1904 BGB a. F. als Schutz vor Haftungsrisiken: Saliger KritV 1998, 118 (126). 509 Popp ZStW 118 (2006), 639 (678); Sternberg-Lieben in FS Roxin, S. 537 (552). 510 Sternberg-Lieben in FS Roxin, S. 537 (552).

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statt Entlastung511 der Beteiligten ist zwar die Annahme einer rein prozeduralen Rechtfertigung, schließlich ergibt sich nur dann eine Rechtfertigung der Beteiligten allein durch Einhaltung der prozeduralen Vorgaben, selbst wenn sich der Erfolg hinterher als „,eigentlich‘ missbilligt“ 512 herausstellt. Doch muss dies erst recht für die hier betrachtete Möglichkeit einer zivilrechtsakzessorischen Rechtfertigung im Hinblick auf prozedurale und materielle Vorgaben gelten, bei der die bezweckte Entlastung der Beteiligten in keinem Falle einträte, schließlich würden die Voraussetzungen einer Rechtfertigung bei Annahme einer materiellprozeduralen Rechtfertigung durch die §§ 1901a ff. BGB insgesamt verschärft: Für eine Entlastung der Beteiligten hätte die nach alter Rechtslage für das Eingreifen der Rechtfertigungsvoraussetzung angelegte Voraussetzung, dass die Beteiligten nach strafgerichtlicher ex post-Kontrolle den Patientenwillen richtig getroffen haben, angesichts der insoweit bestehenden Unsicherheiten für die Beteiligten ersetzt werden müssen; stattdessen wurden die Anforderungen an eine Rechtfertigung durch die zusätzlichen prozeduralen Anforderungen verschärft. Unter Zugrundelegung einer kombiniert materiell-prozeduralen Rechtfertigung würden die Beteiligten also keinesfalls durch zusätzliche Rechtssicherheit entlastet, sondern in jedem Fall durch Einführung zusätzlicher Haftung unter Beibehaltung der bestehenden Rechtsunsicherheit belastet. Parallel dazu werden auch die sonstigen auf Rechtssicherheit gerichteten Gesetzesänderungen ihrem Zweck nicht gerecht: Indem Arzt und Patientenvertreter trotzdem voll für ihre Entscheidung haften, kann die Beteiligung eines weiteren Entscheidungsträgers sie nicht von ihrer Verantwortung befreien. Auch die klare Vorgabe des gerichtlichen Genehmigungserfordernisses eröffnet unter Zugrundelegung einer materiell-prozeduralen Rechtfertigung primär eine zusätzliche Haftung für Verfahrensfehler. Der Schutzzweck von Rechtssicherheit für die Beteiligten würde damit bei Interpretation der §§ 1901a ff. BGB als materiell-prozeduraler Rechtfertigung sogar insgesamt verfehlt. (2) Höheres Maß an Entscheidungsrationalität Ein weiterer dem 3. BtÄndG zu Grunde liegender Zweck ist die Erhöhung der Entscheidungsrationalität, wobei die Gesetzesbegründung insbesondere die Beteiligung der dem Patienten nahe stehenden Personen gem. § 1901b Abs. 2 BGB hervorhebt, welche die Entscheidung über die richtige Umsetzung einer Patientenverfügung „auf eine umfassendere Grundlage [. . .] stellt“.513 Wenn auch nicht mit einem solchen ausdrücklichen Hinweis des Gesetzgebers versehen, so zielen 511 Choi, S. 266 sieht demgegenüber bereits in der „strafrechtlich vergleichsweise verlässliche[n] Handlungsbasis“ eine Entlastung der Beteiligten; vgl. auch Bernsmann ZRP 1996, 87 (89 f.). 512 Popp ZStW 118 (2006), 639 (678). 513 BT-Drs. 16/8442, S. 16.

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doch auch die weiteren prozeduralen Vorgaben auf eine Steigerung der Entscheidungsrationalität ab: Die Beteiligten werden vor der überstürzten Umsetzung einer auf den ersten Blick eindeutig erscheinenden Patientenverfügung bewahrt,514 indem zum einen allein durch die Verfahrensschritte eine zeitliche Verzögerung und damit eine längere Bedenkzeit eintritt,515 zum anderen durch die Beteiligung mehrerer Entscheidungsträger der Rechtfertigungsdruck steigt und dadurch Arzt und Patientenvertreter ggf. veranlasst werden, Auslegung und Anwendung einer Patientenverfügung gründlicher zu bedenken und ausführlicher zu begründen.516 Außerdem minimiert die Erweiterung auf mindestens zwei Entscheidungsträger in einem geordneten Verfahren angesichts der dadurch hervorgerufenen gegenseitigen Kontrolle die Missbrauchsmöglichkeiten517 und wirkt der Gefahr entgegen, „dass über die Beendigung lebenserhaltende[r] Maßnahmen im Wege des ,Faustrechts am Krankenbett‘ entschieden wird“,518 schließlich übergeht das Zusammenwirken der Beteiligten nicht den Patientenwillen, sondern „formalisiert“ die Ausrichtung an ihm.519 Darüber hinaus wird angeführt, dass die Verfahrensvorgaben eine neutrale Bewertung einer Patientenverfügung garantierten.520 Angesichts der nicht notwendigen Beteiligung des unabhängigen521 und gutachterlich 514

Ludyga FPR 2010, 266 (268). Nach Schätzung von Meyer-Götz FPR 2010, 270 f. können bis zur Rechtskraft der Entscheidung in 1. Instanz 2–3 Monate, bei Beschreitung des Rechtswegs auch über 6 Monate vergehen. 516 Heyers, S. 284 f.; Ludyga FPR 2010, 266 (268); Spickhoff NJW 2000, 2297 (2301); Taupitz ARSP-Beiheft 84, 83 (125 f.); nach D. Albrecht MedR 2000, 431 (432) besteht auch ohne gerichtliche Genehmigung bereits dadurch genügend Rechtfertigungsdruck, dass die Beteiligten einer Strafbarkeit in die eine Richtung (§§ 216, 13 StGB) wie auch in die andere Richtung (§ 223 StGB) zu entgehen versuchen; nach anderer Einschätzung ebenfalls noch zu einer analogen Anwendung von § 1904 BGB a. F. wähnt sich medizinisches Personal tendenziell eher auf der „sicheren Seite“, wenn alles technisch Mögliche zur Lebensverlängerung unternommen wird (wenngleich damit u. U. der Patientenwille missachtet wird), so Helgerth JR 1995, 338; Heyers, S. 304 f.: sog. „Rechtfertigungsmedizin“; Schreiber in FS Hanack, S. 735 (737); vgl. zur Gefahr der Übertherapie auch Ankermann MedR 1999, 387 (388); Heyers, S. 306 f.; Kutzer/ Weber DMW 2002, 2689 (2691); Molitor DÄBl. 1998, A 1756 f.; Saliger JuS 1999, 16 (18). Teilweise wird auch aus dem hippokratischen Eid, nach welchem der Arzt ausschließlich dem Leben zu dienen habe, die Pflicht zum Ergreifen aller möglichen Maßnahmen zur Lebensverlängerung gezogen – nach Ulsenheimer Laufs/Kern (Hrsg.), ArztR4, § 149 Rn. 3 darf der hippokratische Eid aber nicht mehr in dieser Striktheit gelten; ähnlich Hiersche in Hiersche (Hrsg.), Euthanasie, S. 212 (217 f.); die Pflicht zur Verlängerung des Lebens findet jedoch ihre Grenze in der ärztlichen Pflicht zu Heilung und Linderung von Schmerzen, vgl. Núñez Paz in FS Roxin, S. 609 (617). 517 Saliger KritV 1998, 118 (133 f.). 518 Dölling 2011, 345 (348). 519 Popp ZStW 118 (2006), 639 (640). 520 E. Albrecht/A. Albrecht MittBayNot 2009, 426 (433) mit Verweis auf BT-Drs. 16/ 8442, S. 19. 521 Der Betreuungsrichter ermittelt von Amts wegen, § 26 FamFG, und entscheidet auf Grund seiner freien Überzeugung, § 37 FamFG; s. auch MK/Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 128: „hohes Maß an patientenzentrierter Objektivität 515

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beratenen Betreuungsrichters, der auf die Willensermittlung von nicht mehr geschäftsfähigen und damit oft auch nicht mehr einwilligungsfähigen Personen spezialisiert ist und angesichts seiner alltäglichen Arbeit die einzuholenden medizinischen Gutachten versteht,522 bedarf dies allerdings der Einschränkung:523 Kommt es zwischen Arzt und Patientenvertreter bereits zu einem Konsens im Hinblick auf Auslegung und Anwendung der Patientenverfügung, beschränkt sich die verfahrensrechtlich hervorgerufene Neutralitätssteigerung gegenüber einer Alleinentscheidung eines der Beteiligten auf deren gegenseitige Kontrolle. Diese kann zwar unter Umständen zu einer objektiven Entscheidung über Anwendung und Auslegung einer Patientenverfügung führen, insbesondere wenn die Beteiligten ihre eigenen Interessen und eigenen Moralvorstellungen zurückstellen oder sich die Voreingenommenheit der Parteien ausgleicht: So ist auf Seiten des Arztes vor allem eine Tendenz zur Lebensverlängerung zu befürchten, auf Seiten eines ggf. um sein Erbe fürchtenden Betreuers die umgekehrte Tendenz, wobei es anders herum den Angehörigen auch schwer fallen kann, den Patienten „gehen zu lassen“.524 In letzterem Fall besteht daher die erhöhte Gefahr, dass eine gegenseitige Kontrolle mit einem ebenfalls zu Gunsten einer Lebensverlängerung voreingenommenen Arzt ins Leere läuft.525 Insofern bezwecken die §§ 1901a ff. BGB zwar insgesamt mit ggf. stattfindender betreuungsgerichtlicher Überprüfung und jedenfalls gegenseitiger Kontrolle von Arzt und Patientenvertreter eine neutrale Bewertung von Patientenverfügungen, in Bezug auf einen Konsens von Arzt und Patientenvertreter verzichtet das Betreuungsrecht (zugunsten einer schnelleren Umsetzung des Patientenwillens) allerdings auf den besseren Missbrauchsschutz durch eine gerichtliche Kontrolle. Nichtsdestotrotz stellen die verfahrensrechtlichen Vorgaben ein hohes Maß an Missbrauchsschutz bereit. Arzt kritisiert dieses Bestreben nach „totale[r] Unterdrückung“ der falschen Auslegung und Interpretation einer Patientenverfügung als Ausfluss der „Entwicklung hin zu einer illusorischen Sicherheit durch immer mehr Aufpasser“ 526 – dabei würden andere Gefahren, insbesondere die Herbeiund Rationalität der Abbruchentscheidung“ des Vormundschaftsgerichts gegenüber der „unmittelbare[n] Betroffenheit der entscheidungsverantwortlichen Ärzte und Angehörige [, welche] die Gefahr des (unbewussten) Einfließens fremdgesteuerter subjektiver Wertungen“ in sich berge; Saliger KritV 1998, 118 (134): Vorteil „liegt in der größeren Neutralität und Distanz des Gerichts“ durch richterliche Objektivität; Sternberg-Lieben in FS Eser, S. 1185 (1200): „neutrale Instanz zur Sicherstellung des Patientenwillens“. 522 Knieper NJW 1998, 2720. 523 Stoffers, S. 240 im Zusammenhang mit einer möglichen Analogie zu § 1904 BGB a. F., mit Verweis auf OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 488 (491). 524 Siehe zu der möglichen Befangenheit von Arzt und Patientenvertreter ausführlich unter E. III. 1. a) bb) (1). 525 Die Wirksamkeit der „wechselseitigen Kontrolle“ ebenfalls anzweifelnd z. B. Beermann FPR 2010, 252 (254); nach BT-Drs. 16/8442, S. 19 besteht hingegen kein Anlass für einen „generalisierenden Missbrauchsverdacht gegen Arzt und Betreuer“. 526 Arzt in GS Wolf, S. 609 (619).

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führung irreparabler Schäden durch eine gegen den Patientenwillen erfolgende vorübergehende Weiterbehandlung527 hervorgerufen, die der Gesetzgeber in seiner „naiv[en]“ „Sehnsucht nach ,Eindeutigkeit‘“ der vom Patienten verfassten Verfügung ignoriere.528 Eine solche Argumentation vermag allerdings lediglich das Gewicht des Gesetzeszwecks einer erhöhten Entscheidungsrationalität zu verringern, ihn aber nicht gänzlich auszusondern, schließlich erscheint die vorübergehende Weiterbehandlung gegen den Patientenwillen zumindest dann gerechtfertigt, wenn im Einzelfall gerade die Prozeduralisierung vor einer Fehlinterpretation der Patientenverfügung bewahrt.529 Damit wird die zwingende Berücksichtigung der betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben für die strafrechtliche Rechtfertigung, und sei es nur als Voraussetzung neben weiteren materiellen Anforderungen, grundsätzlich durch den Gesetzeszweck, die Entscheidungsrationalität bei Auslegung und Umsetzung einer Patientenverfügung zu steigern, gestützt. Beschränkt sich das durch die Beteiligten verwirklichte Unrecht auf die Missachtung der Verfahrensvorgaben, haben Arzt bzw. Patientenvertreter die gesetzlich vorgegebenen Erkenntnisquellen bezüglich der richtigen Auslegung der Patientenverfügung nicht ausgenutzt und damit die Umsetzungsentscheidung nicht auf die gesetzlich vorgeschriebene Grundlage von Anhaltspunkten gestützt – der Schutzzweck ist damit auch bei reinem Verfahrensunrecht einschlägig. Zwar hat sich das durch die Beteiligten erhöhte Risiko einer falschen Interpretation der Patientenverfügung, dann nicht im Erfolg ausgewirkt – im Gegenteil wurde der Patientenwille richtig und gegenüber dem zivilrechtlich vorgeschriebenen Weg sogar schneller umgesetzt. Doch ist es dem Gesetzgeber unbenommen, im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative die abstrakte Gefahr einer Fehlinterpretation von Patientenverfügungen als so wesentlich einzustufen, dass er die Einhaltung der Verfahrensvorgaben zur Fundierung der Umsetzungsentscheidung als unabdingbar einstuft.530 Freilich ist es dem Gesetzgeber ebenso unbenommen, die durch Verletzung der Verfahrensvorgaben geschaffene abstrakte Gefahr der Fehlinterpretation der Patientenverfügung nicht für eine Strafbarkeit ausreichen zu lassen. Ohne eine entsprechende Positionierung des Gesetzgebers lässt sich aus dem Schutzzweck der Steigerung der Entscheidungsrationalität daher weder auf die Strafbarkeit noch auf die Straflosigkeit eines reinen Verfahrensverstoßes schließen. 527 Arzt in GS Wolf, S. 609 (620): „Bei der Einwilligung und Patientenverfügung muss die ,absolute‘ Verhinderung des Risikos einer Tötung vielleicht Urteilsunfähiger (bei einer Restunklarheit bezüglich der Urteilsfähigkeit) mit Sicherheit um den Preis schwerster Rechtsgutseinbußen erkauft werden“. 528 Arzt in GS Wolf, S. 609 (619 f.). 529 Insbesondere bei einem Dissens zwischen Arzt und Patientenvertreter bezüglich der Auslegung einer Patientenverfügung hätte der jeweils falsch interpretierende Teil ohne Prozeduralisierung die Patientenverfügung endgültig falsch umgesetzt. 530 Verrel NStZ 2010, 671 (675): Es ist „Sache des Gesetzgebers, über eine mögliche Strafbewehrung des betreuungsrechtlichen Verfahrens zu entscheiden“.

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(3) Stärkung der Patientenautonomie Zentraler Schutzzweck der §§ 1901a ff. BGB ist schließlich die Stärkung der Patientenautonomie 531 durch Ausrichtung der medizinischen Behandlung an dem in einer Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachten Patientenwillen, wobei einerseits die richtige, andererseits die schnelle Umsetzung des Patientenwillens garantiert werden soll: Eine Legitimation der letztlichen Umsetzungsentscheidung durch den Patientenwillen ist nur ab einer gewissen Richtigkeitsgewähr der Interpretation des Patientenwillens möglich, während sich die unter Umständen im Gegensatz zum Patientenwillen stehende vorübergehende Weiterbehandlung bis zur letztlich getroffenen Umsetzungsentscheidung nur solange rechtfertigen lässt, wie die Verzögerung zur Steigerung der Richtigkeitsgewähr erforderlich ist; der am Patientenwillen ausgerichtete Schutzzweck weist damit in gegenläufige Richtungen, was einen Ausgleich der Interessen im Gesetzgebungsverfahren erheblich erschwert hat. Der letztlich gesetzlich umgesetzte Stünker-Entwurf beruft sich in seiner Begründung auf die Auffassung des BGH, nach der das vormundschaftsgerichtliche Verfahren nach § 1904 BGB „einen geeigneten Rahmen“ dafür biete, die erschöpfende Ermittlung des in der Patientenverfügung zum Ausdruck gebrachten Patientenwillens zu kontrollieren.532 Weil die Umsetzung des Patientenwillens allerdings durch ein solches Verfahren „erheblich verzögert oder gar unmöglich gemacht [würde], da für die Dauer des Verfahrens die in Rede stehenden Maßnahmen in der Regel zunächst nicht eingeleitet werden können oder eingeleitet oder fortgeführt werden müssten und damit massiv in das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen eingegriffen würde“, sei auf die Belastung der Umsetzung eines Patientenwillens mit einem gerichtlichen, sich ggf. auf mehrere Instanzen ausweitenden Verfahren bei Einigkeit zwischen Arzt und Patientenvertreter ohne Missbrauchsverdacht zu verzichten.533 Haben die Beteiligten den Patientenwillen zwar inhaltlich richtig umgesetzt, dabei aber zu Gunsten einer schnelleren Umsetzung auf die Einhaltung der Verfahrensvorgaben der §§ 1901a ff. BGB verzichtet, griffe eine kombiniert materiell-prozedurale Rechtfertigung nicht ein, obwohl dem Patientenwillen letztlich optimal Genüge getan wurde: Die schnelle Umsetzung vermeidet den durch die vorübergehende Weiterbehandlung erforderlichen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, der bei einem ordnungsgemäßen Verfahren erforderlich gewesen wäre.534 Die richtige Umsetzung des in der Patientenverfügung 531 Bereits bei Einführung des § 1904 BGB a. F. erkannte der Gesetzgeber die größtmögliche Wahrung der Autonomie des Betreuten als Hauptziel des Betreuungsrechts an (BT-Drs. 11/4528, S. 1, 49 f., 52), sodass auch der gerichtliche Genehmigungsvorbehalt im Speziellen auf die Sicherung der Selbstbestimmung des Betreuten gerichtet war (BTDrs. 11/4528, S. 72, 140). 532 BT-Drs. 16/8442, S. 10 f. 533 BT-Drs. 16/8442, S. 19.

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zum Ausdruck gebrachten Patientenwillens war zwar abstrakt durch die gegenüber dem ordnungsgemäßen Verfahren zügigere Vorgehensweise gefährdet, diese Gefahr hat sich aber nicht im Erfolg realisiert. Da der Gesetzgeber nur für das Betreuungsrecht die Schaffung dieser abstrakten Gefahr untersagt, seinen Einschätzungsspielraum in Bezug auf die strafrechtliche Bewertung also nicht ausdrücklich ausfüllt, wäre wiederum die Begründung für eine strafrechtliche Sanktionierung bzw. eine Verweigerung der Legitimationswirkung des Patientenwillens bei formell betreuungsrechtswidriger Umsetzung erforderlich, die sich mangels einer klaren Aussage des Gesetzgebers an den Wertungen der betroffenen Strafnormen orientieren muss. Dabei würde die strafrechtliche Sanktionierung der Umgehung der Verfahrensvorgaben zwar einerseits eine strikte Umsetzung der §§ 1901a ff. BGB, die sich angesichts des Bedürfnisses nach einem möglichst zuverlässigen Verfahren zur Ermittlung des Patientenwillens nicht als „bloße[r] Rechtsformalismus“ 535, sondern als Normen mit eigenständiger Schutzrelevanz darstellen,536 gewährleisten.537 Andererseits ist in Bezug auf den hier behandelten Schutzzweck zu bedenken, dass wegen dessen konträrer Schutzrichtungen durch die schnellere Umsetzung ein gewisser Ausgleich des mit der Schaffung einer abstrakten Gefahr in Bezug auf die richtige Umsetzung einhergehenden Unrechts stattfindet. cc) Vergleich mit betroffenen Straftatbeständen Mit Blick auf die den §§ 1901a ff. BGB zu Grunde liegenden Schutzzwecke müsste die Legitimation der Umsetzung einer Patientenverfügung durch den Patientenwillen bereits bei abstrakter Gefährdung der inhaltlich richtigen Umset534 Ein zeitlicher Aufschub der Umsetzung einer Patientenverfügung zwecks verfahrensrechtlicher Absicherung durch „,vorläufige [. . .]‘ Ignorierung des Patientenwillens“ stellt sich nach Arzt in GS Wolf, S. 609 (618) als „endgültige und nicht wieder gut zu machende Missachtung“ des Patientenwillens dar, schließlich träten durch die Weiterbehandlung beim Patienten bereits nach einer „auf fast Null reduzierten Zeitspanne“ irreparable Schäden ein. 535 Ablehnend ebenfalls Olzen/Metzmacher JR 2011, 318 (319); in diese Richtung auch Diehn/Rebhan NJW 2010, 326 (327); krit. insoweit Arzt in GS Wolf, S. 609 (614 ff.); BeckOK-BGB/Müller § 1901a (Ed. 25) Rn. 19: „nur eine verfahrensrechtliche Bedeutung hinsichtlich der Ermittlung und Durchsetzung des Patientenwillens“. 536 Zur Wichtigkeit einer strikten Umsetzung des gesetzlich vorgegebenen Verfahrens bei Einordnung als Normen mit eigenständiger Schutzrelevanz Kuhlmann, S. 193; Tolmein KJ 1996, 510 (524 Fn. 96); vgl. zur Funktion des § 1904 BGB immerhin auch Saliger KritV 1998, 118 (141): „Der richterliche Genehmigungsvorbehalt markiert jenen zentralen Schutz- und Kontrollmechanismus im Bereich der Heilbehandlung, mit dem der Schutz des körperlichen Wohls und der Autonomie der Betreuten steht und fällt.“; vgl. zur Methodik der Bestimmung der strafrechtlichen Wertigkeit anhand des Schutzkonzepts LK-StGB11 /Hirsch Vor § 32 Rn. 46; Warda in FS Maurach, S. 143 (166). 537 Saliger KritV 1998, 118 (139); krit. insoweit Bernsmann ZRP 1996, 87 (89 f.); Tolmein KJ 1996, 510 (524 Fn. 96); Weißauer/Opderbecke MedR 1995, 456 (459 f.).

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zung, konkretisiert durch eine formelle Rechtswidrigkeit im Hinblick auf die §§ 1901a ff. BGB, entfallen, wollte man die zivilrechtsakzessorische Rechtfertigung kumulativ materiell und prozedural konstruieren. Dadurch griffe die Strafbarkeit wegen Tötungs- oder Körperverletzungsdelikts bereits bei reinem Verfahrensunrecht durch, weshalb in der Literatur die Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB mit der Begründung abgelehnt wird, dass die entsprechenden Straftatbestände sonst zu Verfahrensschutzvorschriften verkehrt würden:538 An die Stelle einer für die Strafbarkeit erforderlichen materiellen Rechtsgutsverletzung träte die Verletzung formeller Vorgaben, die materiell nur mit der abstrakten Gefährdung des Schutzguts einhergeht.539 Zwar ändert die Frage nach der Abhängigkeit der strafrechtlichen Bewertung von den betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben nach hier vertretener Einordnung in den Deliktsaufbau nichts an der Tatbestandsmäßigkeit des entsprechenden Verhaltens, schließlich ist diese von dem Willen des Patienten unabhängig. Stattdessen würde sich die Legitimationswirkung des Patientenwillens in Bezug auf die durch die Verbotsnormen geschützten Rechtsgüter auf betreuungsrechtlich verfahrenskonforme Umsetzungen einer Patientenverfügung beschränken, sodass die entsprechenden Tatbestände aber immerhin – entgegen dem in der Literatur vorgebrachten Argument nur – mittelbar über die Reichweite des Erlaubnissatzes zu Verfahrensschutzvorschriften ausgestaltet würden. Dieses Argument gegen die Aufnahme prozeduraler Anforderungen in die Legitimationsvoraussetzungen griffe allerdings nur dann durch, wenn die entsprechenden Strafnormen materiell nicht ohnehin auf den Schutz vor abstrakten Ge538 Sch/Sch29 /Eser/Sternberg-Lieben Vor §§ 211 ff. Rn. 28g: Die Bestrafung allein auf Grund des Verstoßes gegen Verfahrensvorgaben bedeutete eine „Rechtsgutsvertauschung“; Fateh-Moghadam/Kohake ZJS 2012, 98 (105); Hoyer in Igl/Welti (Hrsg.), Gesundheitsrecht, Rn. 1351: Tötungsdelikte würden in reine Verfahrensschutzvorschriften umgedeutet, also „von Verletzungs- zu abstrakten Gefährdungsdelikten denaturiert“; Jäger JA 2011, 309 (312): bei Strafbarkeit eines Verfahrensverstoßes würde „das materielle Strafrecht zu einem bloßen zivilverfahrensrechtlichen Vollstreckungshelfer [. . .] degradier[t]“; Rosenau in FS Rissing-van-Saan, S. 547 (563); Verrel NStZ 2010, 675: „Zu einer Umwertung der Tötungsdelikte in Verfahrensschutzvorschriften war der BGH jedenfalls nicht befugt“; ders. NStZ 2011, 276 (277 f.): „das berechtigte Anliegen der ,Legitimation durch Verfahren‘ [darf] nicht zu einer Umdefinition des Unrechtsgehalts der Tötungsdelikte führen“, keine „Umdeutung der Tötungsdelikte in Verfahrensschutzvorschriften“. 539 Wolfslast/Weinrich StV 2011, 286 (288 f.) wollen demgegenüber aus der fehlenden Verletzung der strafrechtlich geschützten Rechtsgüter mangels Erfolgsunrechts allenfalls zu einer Versuchsstrafbarkeit kommen. Zwar bilden abstrakte Gefährdungsdelikte und der Versuch angesichts des fehlenden Erfolgsunrechts den gleichen Normtyp (Kratzsch JA 1983, 420 (428)), doch passt auf die vorliegende Konstellation die Konstruktion als Versuchsstrafbarkeit nicht, schließlich wird der die Patientenverfügung Umsetzende keinen Tatentschluss bezüglich eines Verstoßes gegen den Patientenwillen aufweisen; so auch MK-StGB3 /Schneider Rn. 179: Da der Täter „bei Umsetzung des auf Abbruch gerichteten Patientenwillens die Herbeiführung eben dieses rechtmäßigen [weil mit dem Patientenwillen übereinstimmenden] Zustands anstrebt, liegt bei rechtsgutsbezogener Betrachtung auch kein strafrechtlich relevantes Handlungsunrecht vor“.

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fahren für das Schutzgut gerichtet wären – in Bezug auf § 216 StGB eine nicht so unproblematische Annahme, wie von den sich auf die Verkehrung der Straftatbestände in Verfahrensschutzvorschriften berufenden Stimmen in der Literatur suggeriert wird. Stattdessen wollen Teile der Literatur § 216 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt einordnen, wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen. Bezüglich der sonstigen unter Umständen betroffenen Straftatbestände (§§ 212; 223 ff. StGB) ist die Einordnung als Verletzungsdelikt allerdings unstreitig, sodass die nach hier vertretener Ansicht richtige und entscheidende Argumentation insoweit jedenfalls durchgreift, schließlich handelt es sich bei der Einordnung als Verletzungs- oder abstraktes Gefährdungsdelikt um keine bloße Förmlichkeit. Stattdessen ist die Einordnung für die Legitimation der Strafandrohung von Bedeutung: Bei einem abstrakten Gefährdungsdelikt ist der Eingriff in die Handlungsfreiheit potenzieller Täter von höherem Gewicht als bei einer Strafbewehrung der Verletzung des Schutzguts540, sodass die sich auf eine abstrakte Gefahr stützende Strafbarkeit gewichtigerer Gründe bedarf als bei einem Verletzungsdelikt, das erst bei Realisierung der geschaffenen Gefahr im Erfolg eingreift. Insofern kommt dem Argument, dass durch eine betreuungsrechtliche Akzessorietät die entsprechenden Verletzungsdelikte im Hinblick auf das eigentliche Schutzgut zu abstrakten Gefährdungsdelikten verkehrt würden, hohe Relevanz zu. (1) Kompatibilität einer Strafbewehrung der §§ 1901a ff. BGB auch in nur prozeduraler Hinsicht mit der Einordnung des § 216 StGB als abstraktem Gefährdungsdelikt Die für die Durchschlagskraft des genannten Arguments in Bezug auf § 216 StGB anscheinend maßgebliche Frage, ob § 216 StGB grundsätzlich als abstraktes Gefährdungsdelikt einzuordnen ist, könnte allerdings dahinstehen, wenn eine solche Einordnung des § 216 StGB ohnehin nicht mit der Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB und infolgedessen der Maßgeblichkeit der prozeduralen Vorgaben in Bezug auf das von § 216 StGB pönalisierte Unrecht in Einklang zu bringen wäre. So erscheint es fraglich, ob die betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben überhaupt zur Erreichung des von § 216 StGB verfolgten Schutzzwecks taugen, ob sie also die pönalisierte abstrakte Gefahr für das Schutzgut tatsächlich auszuschließen vermögen. Die bei Einordnung des § 216 StGB als abstraktem Gefährdungsdelikt existierenden Interpretationen541 des Schutzzwecks lassen sich 540 Bei der Verwirklichung eines abstrakten Gefährdungsdelikts wird „die Stellung des einzelnen, welche die eines autonomen Subjekts sein sollte, unterwandert [. . .], indem Verhaltensweisen ohne Einschätzungsspielraum auf Kosten der Freiheit des einzelnen aufgestellt werden“, so Zieschang, S. 378. 541 Aus Platzgründen bedurfte es im Folgenden einer Beschränkung auf die vorherrschenden Interpretationslinien.

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unterteilen in am Allgemeininteresse und am individuellen Interesse orientierte Schutzrichtungen. Die zur ersten Gruppe gehörigen diskutierten, bereits an anderer Stelle kritisierten542 Schutzzwecke – die Vermeidung eines Dammbruchs543, die Tabuisierung fremden Menschenlebens544 und die Vermeidung von Beweisschwierigkeiten545 – sind bei dieser Betrachtung bereits außen vor zu lassen, weil die Heranziehung der §§ 1901a ff. BGB im Rahmen des § 216 StGB angesichts deren anders gelagerter Schutzzwecke nicht in Betracht kommt: Wenn auf Ebene des Tatbestands die fehlende Übereinstimmung zwischen Schutzzweck der Strafnorm und Schutzzweck der übertretenen Sorgfaltsanforderung mangels Schutzzweckzusammenhangs die objektive Zurechnung entfallen lässt,546 muss Entsprechendes auf Ebene der Rechtfertigung gelten.547 Die Beschränkung der Legitimationswirkung des Patientenwillens auf die Einhaltung bestimmter Verfahrensschritte kann also nur mit am Schutzzweck des § 216 StGB orientierten Sorgfaltsanforderungen begründet werden, also bei einem am Allgemeininteresse orientierten Schutzzweck nicht mit den auf die Absicherung einer richtigen Umsetzung des individuellen Patientenwillens gerichteten §§ 1901a ff. BGB. Bei einer Ausrichtung des Schutzzwecks von § 216 StGB am Allgemeininteresse ist eine Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB mangels Schutzzweckzusammenhangs also schon von vornherein abzulehnen.548 Demgegenüber sind die meisten am individuellen Interesse orientierten Schutzzweckinterpretationen mit der Schutzrichtung der §§ 1901a ff. BGB grundsätzlich zu vereinbaren: Der Schutz vor einer übereilten Beendigung des

542

Siehe bereits unter B. I. 3. b) bb). Giesen JZ 1990, 929 (935); Hirsch in FS Lackner, S. 597 (613); tendenziell zustimmend Beckert, S. 262; krit. Chatzikostas, S. 247 ff.; Ingelfinger, S. 191 ff.; R. Merkel Früheuthanasie, S. 595 ff.; ders. in Fateh-Moghadam/Sellmaier/Vossenkuhl (Hrsg.), Grenzen des Paternalismus, S. 285 (290 ff.); F. Müller, S. 76 ff.; Mosbacher, S. 171 ff. 544 Dölling GA 1984, 71 (85 f.); Engisch in FS Mayer, S. 399 (415); Hirsch in FS Lackner, S. 597 (612); Otto, 56. DJT, D 54; a. A. Ingelfinger, S. 186 ff.; Kubiciel JZ 2009, 600 (601 f.); Schroeder ZStW 106 (1994), 565 (567); krit. zur Absolutheit des Lebensschutzes Chatzikostas, S. 238 ff. 545 Arzt ZStW 83 (1971), 1 (36); Tröndle ZStW 99 (1987), 25 (38); a. A. Ingelfinger, S. 189 ff.; Mosbacher, S. 148 f.; F. Müller, S. 62 ff.; Rönnau, S. 164; Schroeder ZStW 106 (1994), 565 (570). 546 Vgl. Puppe Erfolgszurechnung, S. 191. 547 Also ist gewissermaßen im Rahmen der Rechtfertigung ein Schutzzweck- oder Pflichtwidrigkeitszusammenhang zu verlangen; vgl. dazu etwa die hypothetische Einwilligung, die gerade eingreift, wenn sich das durch eine fehlerhafte Aufklärung geschaffene Risiko nicht im Erfolg im Sinne einer Operation entgegen dem Patientenwillen realisiert. 548 Hörr, S. 314 ff. sieht den Schutzzweckzusammenhang zwischen den Tötungsdelikten und den Verfahrensvorschriften zwar als gegeben an, differenziert aber in Bezug auf § 216 StGB nicht zwischen verschiedenen möglichen Schutzzwecken, sondern reduziert die Tötungsdelikte auf das enthaltene „Lebenserhaltungsgebot“. 543

III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB

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eigenen Lebens549, die Sicherstellung der „subjektiven Vollzugsreife“ des Todeswunsches550 sowie ein Schutz vor Umsetzung eines eventuell defizitären Tötungsverlangens551 richten sich alle übertragen auf den Behandlungsabbruch gegen die falsche Umsetzung des Patientenwillens; lediglich ein paternalistischer Schutz des potentiell subjektiv lebenswerten Lebens552 läuft dazu konträr, ist also nicht kompatibel mit einer Heranziehung der §§ 1901a ff. BGB. Folglich wäre die Maßgeblichkeit der §§ 1901a ff. BGB für die Strafbarkeit gemäß § 216 StGB bei den genannten Interpretationen als abstraktes Gefährdungsdelikt grundsätzlich möglich. Allerdings erscheint es fraglich, ob die betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben überhaupt zum Ausschluss der abstrakten Gefahr einer Weiterbehandlung bzw. eines Behandlungsabbruchs entgegen dem Patientenwillen taugen, schließlich hat sich im Rahmen der Diskussion einer prozeduralen Rechtfertigung gezeigt, dass die Verfahrensvorgaben in der jetzigen Form den Missbrauch der Bewertungsmacht durch die Beteiligten nicht auszuschließen vermögen, solange die eigentliche Prüfung des Patientenwillens und der Konsens zwischen Arzt und Patientenvertreter nicht näher ausgestaltet werden.553 Die Verfahrensvorgaben bieten also keine scharfe Trennung zwischen Bestehen und Ausschluss der abstrakten Gefahr.554 Allerdings werden die Vorgaben der §§ 1901a ff. BGB wohl jedenfalls dazu geeignet sein, die Gefahr einer falschen Umsetzung einer Patientenverfügung zu verringern – bei einer Rechtfertigung des mit der Strafdrohung verbundenen Grundrechtseingriffs ist es dem Gesetzgeber grundsätzlich unbenommen, bereits die Verringerung einer abstrakten Gefahr als Rechtsbefehl zu formulieren und die Einhaltung dieser Forderung strafrechtlich abzusichern.555 Dabei schadet es entgegen der Auffassung Maatschs556 auch nicht, dass kein seMK-StGB2 /Ha. Schneider § 216 Rn. 8; SK-StGB/Sinn § 216 (133. Lfg.) Rn. 2; ähnlich Jakobs in FS Arth. Kaufmann, S. 459 (467 f.); ders. Tötung auf Verlangen, S. 21 ff. 550 Jakobs Tötung auf Verlangen, S. 22; krit. dazu bereits unter B. I. 3. b) bb). 551 F. Müller, S. 122; ähnlich Dreier JZ 2007, 317 (320). 552 So R. Merkel Früheuthanasie, S. 411. 553 Vgl. unter E. III. 1. a) bb) (1) und b) dd). 554 Böten die Verfahrensvorgaben eine solche scharfe Trennung des abstrakt gefährlichen und ungefährlichen Verhaltens, so wäre im Übrigen eine rein prozedurale Rechtfertigung schon ausreichend, weil die materielle Vorgabe der hier diskutierten materiellprozeduralen Rechtfertigung bei Einhaltung der Verfahrensvorgaben zwingend gegeben wäre. 555 Vgl. bspw. die in § 326 Abs. 1 StGB normierten Gefährdungsdelikte, deren Schutzgut unter anderem (in Nr. 1) in der menschlichen Gesundheit zu sehen ist. Der Gesetzgeber hat den Anwendungsbereich des Verbots auf besonders gesundheitsgefährdende Stoffe beschränkt, obgleich die abstrakte Gefahr für die menschliche Gesundheit durch den Umgang mit Abfällen auch unterhalb dieser Schwelle besteht, folglich ist auch hier die Grenze der strafrechtlichen Sanktionierung nicht deckungsgleich mit der Grenze der abstrakten Gefährlichkeit in Bezug auf das Schutzgut. 556 Maatsch, S. 53. 549

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

parater Verletzungstatbestand in Bezug auf die falsche Umsetzung des Patientenwillens existiert – schließlich ergäbe sich bei der Konstruktion einer kombiniert materiell-prozeduralen Rechtfertigung nur dieselbe Strafbarkeit bei materiell falscher Umsetzung des Patientenwillens wie bei bloß formell betreuungsrechtswidriger Umsetzung –, da beispielsweise auch mit den §§ 153 ff. StGB bereits abstrakt gefährliche Verhaltensweisen ohne die Existenz eines entsprechenden Verletzungsdelikts unter Strafe gestellt werden.557 Auch bedarf es bezüglich der vom abstrakten Gefährdungsdelikt erfassten Verhaltensweisen keiner Beschränkung auf die tatsächliche Gefährlichkeit im Einzelfall. Zwar wird grundsätzlich eine entsprechende Einschränkung von abstrakten Gefährdungsdelikten diskutiert,558 dies aber nur in Bezug auf Verhaltensweisen, bei denen der Täter die Ungefährlichkeit im Einzelfall sichergestellt hat; ein solches Bemühen ist bei Verstoß gegen die betreuungsrechtlich vorgesehenen Verfahrensschritte aber gerade nicht gegeben. Freilich hat sich der Verstoß gegen die Verfahrensvorgaben, wenn auch vielleicht nur zufällig, letztlich in Bezug auf das materielle Schutzgut als ungefährlich herausgestellt, doch würde eine solche Argumentation wiederum das abstrakte Gefährdungsdelikt in ein Verletzungsdelikt umdeuten. (2) Fehlende Kongruenz mit möglichen Legitimitätsbegründungen abstrakter Gefährdungsdelikte Selbst wenn bei einer entsprechenden Interpretation des § 216 StGB die Kompatibilität mit den §§ 1901a ff. BGB also grundsätzlich gegeben wäre, erscheint die Legitimität dieser Strafbarkeit wegen abstrakten Gefährdungsdelikts bei reinem Verfahrensunrecht fraglich. Die Beantwortung dieser Frage wird dadurch erschwert, dass nicht nur die Legitimität von abstrakten Gefährdungsdelikten an sich559, sondern auch bei grundsätzlicher Anerkennung dieser Deliktsgruppe zum effizienten Schutz bedeutsamer Rechtsgüter560 deren genaue Legitimitätsbegründung umstritten ist.561 Einig557

F. Müller, S. 108 Fn. 316. Zieschang, S. 349 f. m.w. N.; beispielhaft sei die Diskussion um eine Tatbestandsbeschränkung in Bezug auf § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB angeführt, wenn der Täter sich bei Tatbegehung bei einem mit einem Blick überschaubaren Objekt der Abwesenheit anderer Menschen vergewissert hat, vgl. dazu BGHSt 26, 121 (125). 559 Krit. etwa Hassemer NStZ 1989, 553 (558); Herzog, S. 73: „ein Gefährdungsstrafrecht, das notwendigerweise alsbald von seinen eigenen Vollzugsdefiziten eingeholt wird, [gerät] zu einer Veranstaltung, die das Strafrecht insgesamt diskreditiert“; MüllerTuckfeld in Institut für Kriminalwissenschaften Frankfurt a. M. (Hrsg.), Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 461 (464 f.). 560 Vgl. SK-StGB/Rudolphi Vor § 1 (144. Lfg.) Rn. 21. 561 J. Schmidt, S. 3: „Das dogmatische Grundproblem der abstrakten Gefährdungsdelikte ist ein normentheoretisches Legitimationsproblem im Hinblick auf die Aufgabe des Strafrechts, Rechtsgüter zu schützen“. 558

III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB

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keit besteht nur darin, dass letztlich eine Rückbindung562 an den das Strafrecht prägenden materiellen Rechtsgüterschutz zu erfolgen hat.563 Die folgende Darstellung zu möglichen Legitimitätserwägungen in Bezug auf abstrakte Gefährdungsdelikte war aus Platzgründen auf die in der Diskussion, insbesondere um die Eingrenzung dieser Delikte,564 als grundlegend einzuordnenden Konzeptionen zu beschränken. Nach der sog. Präsumtionstheorie wird bei dem von den abstrakten Gefährdungsdelikten erfassten Verhalten die Vermutung aufgestellt, dass es mit einer strafwürdigen Verletzung oder konkreten Gefährdung des geschützten Rechtsguts einhergeht,565 wobei die Vermutung heute nur noch von den wenigsten Vertretern als unwiderleglich (praesumtio iuris et de iure) eingeordnet wird.566 Die Übertragung auf § 216 StGB i.V. m. §§ 1901a ff. BGB weist jedoch bei Annahme einer widerleglichen Vermutung (praesumtio iuris) eine entscheidende Schwäche auf: Da die Einhaltung des Patientenwillens Grundvoraussetzung für eine Rechtfertigung der Umsetzung einer Patientenverfügung wäre, läge stets der Gegenbeweis zu der mit dem Verfahrensverstoß verbundenen Vermutung einer nachfolgenden Verletzung vor – eine Strafbarkeit allein wegen Verfahrensunrechts wäre damit nach diesem Konzept ausgeschlossen, sodass nach der Ansicht, die die Legitimation von abstrakten Gefährdungsdelikten in der widerleglichen Vermutung einer nachfolgenden Rechtsgutsbeeinträchtigung verortet, eine Akzessorietät der strafrechtlichen Bewertung zu den betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben ausscheidet. Nach der sog. Theorie der generellen Gefahr leiten abstrakte Gefährdungsdelikte ihre Legitimität daraus ab, dass die Gruppe von tatbestandlich umschriebenen Verhaltensweisen nach allgemeiner Erfahrung besonders häufig zu Rechts-

562 Nach Kindhäuser Gefährdung, S. 226 kann der Rechtsgüterschutz allerdings nicht unmittelbares Schutzgut von abstrakten Gefährdungsdelikten darstellen, stattdessen bedürfe es eines Zwischenziels mit eigenem Unwertgehalt zur Legitimierung des Verbots, schließlich sei das den Tatbestand eines abstrakten Gefährdungsdelikt verwirklichende Verhalten „nur dann als Widerspruch zu einer Norm strafbar [. . .], wenn es den Zweck dieser Norm nicht verfehlt, weil sich anderenfalls die Strafbarkeit nach einem anderen Delikt richtet“ (im konkreten Beispiel: § 316 formell subsidiär gegenüber § 315c StGB); nach a. A. ist ein unmittelbarer Rechtsgüterschutz erforderlich, so Bohnert JuS 1984, 182 (183); P. Cramer, S. 67 ff.; Kratzsch GA 1989, 49 (67); H. Schröder ZStW 81 (1969), 7 (14 ff.); Schünemann JA 1975, 787 (797); Wolter, S. 296 f. 563 Kindhäuser Gefährdung, S. 225; J. Schmidt, S. 14; Tiedemann Tatbestandsfunktion, S. 117. 564 Wenn diese Erwägungen die Reichweite von abstrakten Gefährdungsdelikten zu beschränken vermögen, so können sie die Legitimität eines abstrakten Gefährdungsdelikts auch grundsätzlich in Frage stellen. 565 Backmann JuS 1977, 444 (448); Michels, S. 72 f.; Pütz, S. 36 f.; Rabl, S. 20 ff.; H. Schröder ZStW 81 (1969), 7 (14 ff.); Siebenhaar ZStW 4 (1884), 245 (248 f.). 566 So etwa Baumann DAR 1962, 93 (99); Michels, S. 72 f.; Weber in Baumann/Weber/Mitsch AT11 § 8 Rn. 43.

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gutsverletzungen führt, also generell gefährlich ist und folglich statistisch betrachtet eine erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Rechtsgutsverletzung aufweist.567 Diese Verlagerung der Strafbarkeit auf das Vorfeld der Rechtsgutsverletzung sei immer dort erforderlich, wo die aus dem Verhalten folgenden Gefahren nicht im Einzelnen absehbar sind,568 sodass der Staat in seiner Ordnungsfunktion zu einer Regelung aufgerufen sei.569Jakobs unterteilt die Gebotenheit von Standardisierung durch die Inkriminierung einer abstrakten Gefahr in verschiedene Fallgruppen, wovon bei § 216 StGB i.V. m. §§ 1901a ff. BGB die Konstellation einschlägig sein könnte, dass angesichts „der Kompliziertheit des Bereichs nicht zu erwarten ist, die sich darin bewegenden Personen würden sich selbst so steuern, daß Schäden ausbleiben“.570 Als Vergleichsbeispiel führt er die §§ 153 ff. StGB an, bei denen seitens des Zeugen keine Beurteilung über die Relevanz der Aussage zu erwarten sei. Deshalb werden präventiv nicht nur die Falschaussagen unter Strafe gestellt, die sich letztlich als relevant für den Strafprozess erweisen, sondern alle Falschaussagen. Parallel könnten auch alle Verstöße gegen die Verfahrensvorgaben der §§ 1901a ff. BGB unabhängig davon sanktioniert werden, ob sie sich letztlich in einer falschen Umsetzung des Patientenwillens als „Schaden“ niederschlagen. Dazu müsste den Beteiligten allerdings auch parallel die Unfähigkeit zur richtigen Einschätzung des Patientenwillens unterstellt werden. Dies stünde jedoch im Widerspruch zu dem Konzept der §§ 1901a ff. BGB: Anstatt Arzt und Patientenvertreter die Last der inhaltlichen Ermittlung und Umsetzung des Patientenwillens zu nehmen, werden sie insoweit gerade als (allein) zuständig erklärt. Mit einer solchen Zuweisung geht auch die Erwartung einher, dass die Beteiligten die zugewiesene Aufgabe zu erfüllen vermögen, und diese Erwartung der materiell richtigen Umsetzung würde über eine kombiniert materiell-prozedurale Rechtfertigung auch auf das Strafrecht übertragen. Angesichts dieser Diskrepanz lässt sich auch mit der Theorie der generellen Gefahr die Abhängigkeit der strafrechtlichen Bewertung gem. § 216 StGB von den betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben nicht legitimieren. Nach Kindhäuser ziehen abstrakte Gefährdungsdelikte ihre Legitimation aus dem Bedürfnis nach Schutz vor „Beeinträchtigung[en] der für eine rationale Ver567 BGHSt 20, 342 (348); 26, 121 (123); BayObLG NJW 1954, 42; Sch/Sch29 / Heine/Bosch Vor §§ 306 ff. Rn. 4; Bockelmann/Volk AT4, S. 151; Bohnert JuS 1984, 182 (183); Franzheim NJW 1979, 2014 (2016); Geppert Jura 1989, 417 (418); ders. NStZ 1985, 264; Hoyer JA 1990, 183 (186); Jakobs AT2, S. 172; Jescheck/Weigend AT5 § 26 II 2; Kratzsch, S. 110 ff.; ders. GA 1989, 94 (67 ff.); ders. JA 1983, 420 (428); Maurach/Schroeder/Maiwald BT 210 § 50 Rn. 36; Rotering GA 31 (1883), 266 (268); Stratenwerth/Kuhlen AT6 § 8 Rn. 14; Ha. Schneider Jura 1988, 460 (461). 568 Bohnert JuS 1984, 182 (183 ff.); Hoyer JA 1990, 183 (186); H. Schröder ZStW 81 (1969), 7 (16). 569 Nach Binding Normen I4, S. 397 ff. sind abstrakte Gefährdungsdelikte angesichts der verfolgten Ordnungsinteressen als „Polizeidelikte“ (S. 401) einzuordnen. 570 Jakobs AT2, S. 172 f.

III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB

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fügung über Güter erforderlichen Sicherheit“.571 Konkret bezogen auf das von ihm angeführte Fallbeispiel § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB kompensiere das strafrechtliche Verbot „die Unfähigkeit des Bewohners [, also des Opfers,] zur Schadensvorsorge normativ“ 572. Dementsprechend könnte das mögliche Verbot des § 216 StGB i.V. m. §§ 1901a ff. BGB, das die Umsetzung einer Patientenverfügung ohne Einhaltung der betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben untersagte, seine Legitimation aus der Unfähigkeit des Patienten zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Willensermittlung ableiten – indem nämlich die Umsetzungsentscheidung bezüglich der Patientenverfügung in einen prozeduralen Rahmen eingegliedert wird, soll dem Patienten die Überzeugung ermöglicht werden, dass „schadensrelevante Bedingungen“ 573 im Sinne der Nichtberücksichtigung oder Fehlinterpretation der Patientenverfügung ausbleiben. Im Unterschied zu dem von Kindhäuser angeführten Beispiel des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB wird die Gefahr bei einem an dem Normbefehl des abstrakten Gefährdungsdelikts (§ 216 StGB i.V. m. §§ 1901a ff. BGB) ausgerichteten Verhalten allerdings nicht zwangsweise beseitigt574, da die betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben den Missbrauch von Bewertungsmacht nicht auszuschließen vermögen, eine effektive „Schadensvorsorge“ als nach Auffassung Kindhäusers575 Wesensmerkmal abstrakter Gefährdungsdelikte ist damit nicht eröffnet. Insgesamt hat sich damit gezeigt, dass die für eine Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB unter Zugrundelegung einer materiell-prozeduralen Rechtfertigung erforderliche Aufladung des § 216 StGB mit den gängigen Literaturmeinungen zur Legitimität von abstrakten Gefährdungsdelikten nicht zu vereinbaren ist. Folglich lässt sich § 216 StGB zwar als abstraktes Gefährdungsdelikt einordnen, so dass insoweit die Akzessorietät des Strafrechts zu den betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben nicht zu einer Verkehrung von Verletzungs- zu abstrakten Gefährdungsdelikten führte, doch scheitert die Konstruktion einer materiell-prozeduralen Rechtfertigung insoweit an der Legitimitätsbegrün571

Kindhäuser Gefährdung, S. 281. Kindhäuser Gefährdung, S. 296 f. 573 Kindhäuser Gefährdung, S. 282: Der Begriff der Sicherheit meine „die Gewißheit künftiger Gefahrlosigkeit im Sinne einer für eine rationale Verfügung über Güter ausreichenden Überzeugung vom Ausbleiben gegebenenfalls nicht gezielt abschirmbarer schadensrelevanter Bedingungen und die auf dieser Gewißheit basierende Sorgelosigkeit“. 574 Zwar verringert ein an den §§ 1901a ff. BGB ausgerichtetes Verhalten der Beteiligten immerhin die Gefahr einer falschen Umsetzung von Patientenverfügungen, aber vor dem Hintergrund des bereits dargestellten Missbrauchspotenzials in nur unzureichendem Maß: Weder kann die Einhaltung der betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben – wie von Kindhäuser Gefährdung, S. 282 gefordert – sicherstellen, „daß eine unter üblichen Rahmenbedingungen möglicherweise nicht gezielt abschirmbare schadensrelevante Bedingung eintritt“, noch „soll für den Fall des Eintretens einer schadensrelevanten Bedingung das zur Schadensabwehr notwendige Handeln ermöglicht werden“. 575 Kindhäuser Gefährdung, S. 280. 572

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dung eines entsprechend aufgeladenen § 216 StGB. Nebenbei bemerkt erscheint es bei dem Vergleich zu den sonstigen, stets auf eine Gefahr auf objektiver Ebene gerichteten abstrakten Gefährdungsdelikten auch zweifelhaft, ob bei § 216 StGB als ausnahmsweise subjektiv geprägter Norm die Heranziehung objektiver Vorgaben über die §§ 1901a ff. BGB überhaupt passt. (3) Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs Selbst wenn das dargestellte Legitimitätsdefizit bezüglich § 216 StGB als abstraktem Gefährdungsdelikt unter Annahme einer materiell-prozeduralen Rechtfertigung nicht überzeugen sollte, so kann allein die Einordnung des § 216 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt das angeführte Argument, eine Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB deutete Verletzungs- in abstrakte Gefährdungsdelikte um, auch aus anderem Grund nicht entkräften – es verkehrte die als Privilegierung des Täters konstruierte Norm des § 216 StGB in ihr Gegenteil: Alle sonstigen in Bezug auf die Umsetzung einer Patientenverfügung in Betracht kommenden Straftatbestände sind als Verletzungsdelikt ausgestaltet; wurde der den Behandlungsabbruch Durchführende dazu nicht durch den Patientenwillen bestimmt, beispielsweise weil er bereits vor Kenntnis der Patientenverfügung zum Behandlungsabbruch entschlossen war576, so greift § 212 StGB, unter Umständen sogar § 211 StGB, als Verletzungsdelikt ein. Bei der umgekehrten Konstellation, wenn der umgesetzte Patientenwille auf Weiterbehandlung gerichtet ist, kommen mit den Körperverletzungsdelikten von vornherein nur Verletzungsdelikte in Betracht. In Bezug auf all diese Tatbestände lässt sich gegen die Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB einwenden, dass dadurch Verletzungs- in abstrakte Gefährdungsdelikte umgedeutet würden; für die Sanktionierung gem. § 216 StGB gilt dies nicht. Wenn also die Verkehrung von Verletzungs- in Gefährdungsdelikte vermieden werden soll, könnte ein reiner Verfahrensverstoß nur über § 216 StGB erfasst werden. Damit würde nur der Täter bestraft, der durch den Patientenwillen zu dem Behandlungsabbruch bestimmt wurde (§ 216 StGB), nicht aber der Täter, der den Behandlungsabbruch auch ohne Kenntnis des diesbezüglichen Patientenwillens durchführen wollte und damit eigentlich ein schwereres Unrecht verwirklicht hat (§§ 211 f. StGB). Dass die Bestimmung durch den Opferwillen zu einer Herabsetzung des verwirklichten Unrechts führt, spiegelt sich in § 216 StGB wider, der einen solchen Täter gegenüber sonstigen Tötungsdelikten privilegiert. Erfasste man nun ein rein prozedurales Unrecht nur über § 216 StGB, würde sich die Privilegierung in ihr Gegenteil verkehren: Strafbar machte sich nur derjenige, der durch den Patientenwillen zum Behandlungsabbruch bestimmt wurde.

576

Vgl. MK-StGB2 /Ha. Schneider § 216 Rn. 25.

III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB

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Innerhalb der Tötungsdelikte ließe sich dieser Wertungswiderspruch immerhin dadurch auflösen, dass § 216 StGB in Bezug auf einen reinen Verfahrensverstoß eine Sperrwirkung entfaltet: Beschränkte sich das verwirklichte Unrecht auf prozedurales Recht, wäre – in Anlehnung an die Sperrwirkung des § 216 StGB in Bezug auf eine schwere Körperverletzung bei einer im Versuchsstadium gescheiterten Tötung auf Verlangen577 oder in Bezug auf mitverwirklichte Mordmerkmale578 – lediglich die Rechtsfolge des auf die Vermeidung einer abstrakten Gefahr gerichteten § 216 StGB anwendbar. Zwar wären damit immerhin die beschriebenen Konstellationen von der Rechtsfolge gleichgestellt, doch wird die für den durch den Willen des Opfers zur Tötung bestimmten Täter beabsichtigte Privilegierung durch § 216 StGB nicht erreicht. Darüber hinaus erscheint diese Lösung dogmatisch fragwürdig, schließlich sind die Tatbestandsmerkmale des § 216 StGB gerade nicht erfüllt.579 Vor allem böte eine solche Sperrwirkung des § 216 StGB keine Lösung in Bezug auf die bei Weiterbehandlung des Patienten in Betracht kommenden Körperverletzungsdelikte, die ein ganz anderes Rechtsgut als § 216 StGB schützen, so dass die Umsetzung einer Patientenverfügung nicht einheitlich beurteilt werden könnte. Schließlich würde durch die Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 216 StGB als abstraktem Gefährdungsdelikt die Grenze zwischen repressivem Strafrecht580 und präventivem Rechtsgüterschutz weiter verwischt.581 (4) Zwischenergebnis Alles in allem hat damit der Vergleich der Schutzzwecke der §§ 1901a ff. BGB mit den betroffenen Straftatbeständen aufgezeigt, dass eine Integration der be577 Siehe dazu BeckOK-StGB/Eschelbach § 216 (Ed. 23) Rn. 21; NK-StGB4 /Neumann § 216 Rn. 24; MK-StGB2 /Ha. Schneider § 216 Rn. 73; Gerhold JuS 2010, 113 (115 f.). 578 Auch wenn im Ergebnis Einigkeit bezüglich der Nichtanwendung des Strafmaßes von § 211 StGB herrscht, werden dazu unterschiedliche Begründungen angeführt, vgl. etwa BGHSt 2, 258 f.; 13, 162 (165); Sch/Sch29 /Eser/Sternberg-Lieben § 216 Rn. 2; LK-StGB11 /Jähnke § 216 Rn. 2; Lackner/Kühl28 /Kühl § 216 Rn. 1; SSW-StGB2 /Momsen § 216 Rn. 3; NK-StGB4 /Neumann § 216 Rn. 24; MK-StGB2 /Ha. Schneider § 216 Rn. 73; SK-StGB/Sinn § 216 (133. Lfg.) Rn. 2, 20; Bornemann, S. 148 f.; Gössel/Dölling BT 12 § 1 Rn 8; Maurach/Schroeder/Maiwald BT 110 § 2 Rn 61; Welzel, S. 285. 579 Kritik an einer „Sperrwirkung“ des § 216 StGB in Bezug auf die bisher anerkannten Anwendungen üben bspw. Bernsmann JZ 1983, 45 (48 f.); Herzberg JZ 2000, 1093 (1094 ff.). 580 F. Müller, S. 11: Strafrecht als „repressives Mittel zur Abwehr besonders schwerer Störungen des Rechtsfriedens“. 581 Vgl. dazu, allerdings in Bezug auf die allgemeine Legitimation abstrakter Gefährdungsdelikte, F. Müller, S. 167; vgl. auch Freund AT2, S. 5 ff. Nach Amelung, S. 330 ff., 389 ff. ist hingegen die Legitimation abstrakter Gefährdungsdelikte auf den „Gedanken der Sozialschädlichkeit“ zu stützen und damit unmittelbar am Rechtsgüterschutz orientiert.

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

treuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben in die strafrechtliche Rechtfertigung die entsprechenden Strafnormen von Verletzungs- in abstrakte Gefährdungsdelikte verkehrte bzw. eine solche Integration bei dem möglicherweise ohnehin als abstraktes Gefährdungsdelikt einzuordnenden § 216 StGB nicht mit den herkömmlichen Legitimationsbegründungen in Bezug auf abstrakte Gefährdungsdelikte in Einklang zu bringen wäre. Die Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB in Form einer formell und materiell geprägten Rechtfertigung ist damit sowohl in Bezug auf die Umsetzung einer Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Abs. 1 BGB als auch in Bezug auf einen Patientenwunsch im Sinne des § 1901a Abs. 2 BGB aus teleologischen Erwägungen abzulehnen. dd) Parallele zu der formalen Schadensbeurteilung der Rechtsprechung beim Abrechnungsbetrug Auch eine Parallele zu dem formalen Schadensbegriff, insbesondere der Rechtsprechung, beim Abrechnungsbetrug582 vermag dieses Ergebnis nicht zu erschüttern. Dieser auf den ersten Blick etwas fernliegende Vergleich zieht seine Berechtigung daraus, dass die Rechtsprechung § 263 StGB bereits bei einem „lediglich formalen Verstoß“ 583 anwendet: Der Schaden im Rahmen des § 263 StGB sei akzessorisch zu den Normen der GOÄ zu interpretieren, und da ärztliche Leistungen nach ebendiesem Regelungswerk, das die Entgeltansprüche für diese Leistungen „ausschließlich und abschließend“ 584 regelt, nicht erstattungsfähig sind, sobald sie in Teilbereichen nicht den gestellten Anforderungen genügen,585 bestehe bei einer Verletzung der GOÄ kein Entgeltanspruch, sodass ein Vermögensschaden586 i. S. d. § 263 StGB zu bejahen sei.587 Dann kritisiert den formalen Schadensbegriff daher auch als „normative Reduzierung des Vermö-

582 Überblick über mögliche Fallkonstellationen bei Kondziela Kriminalistik 2004, 377 ff. 583 Hellmann/Herffs Rn. 205. 584 BGHSt 57, 95 (109 Rn. 63). 585 Vgl. BSGE 39, 288 (290). 586 Ist der Patient gesetzlich krankenversichert und die Abrechnung erfolgt über die Kassenärztliche Vereinigung, so tritt der etwaige Schaden bei den übrigen Vertragsärzten ein, die einen der Gesamtvergütung entsprechend geringeren Betrag erhalten, so Hellmann/Herffs Rn. 164 ff.; Ulsenheimer Arztstrafrecht in der Praxis4, S. 543; ders. in Laufs/Kern (Hrsg.), ArztR4, § 151 Rn. 18; Schroth in Roxin/Schroth (Hrsg.), Handbuch des Medizinstrafrechts3, S. 127 (135); a. A. Stein MedR 2001, 124 (130). 587 BGHSt 57, 95 (115 ff. Rn. 79 ff.) m. insoweit abl. Anm. Brand/Wostry StV 2012, 619; Dann NJW 2012, 2001 ff.; Geiger/Schneider GesR 2013, 7 (10 f.); BGH NStZ 1995, 85 (86); BGH NJW 2003, 1198 (1200); OLG Koblenz MedR 2001, 144 (145); BGH NStZ 1994, 484 f. mit zustimmenden Anm. Hellmann NStZ 1995, 232 f.; zustimmend Kölbel NStZ 2011, 195 (198 f.); zustimmend in Bezug auf kassenärztliche Abrechnungen MK-StGB2 /Hefendehl § 263 Rn. 582; so auch Singelnstein wistra 2012, 417 (420 f.).

III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB

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gensschadens auf eine GOÄ-akzessorische Abrechenbarkeitsklausel“.588 Mit seiner Kritik steht er nicht alleine da: Nach wohl herrschender Ansicht in der Lehre vermag die erbrachte Leistung unter Umständen die eingetretene Vermögensminderung zu kompensieren589, schließlich erlischt bei erfolgter medizinischer Behandlung gegebenenfalls, auch wenn über sie eine GOÄ-widrige Rechnung ausgestellt wurde, der Anspruch des Patienten auf Übernahme der Heilungskosten gem. § 27 Abs. 1 SGB V.590 Entscheidend sei, wie auch für den Wegfall des Anspruchs des versicherten Patienten, ob die vom Arzt erbrachte Leistung für den Patienten als Empfänger brauchbar oder wegen verfehlten Zwecks subjektiv wertlos sei, mithin entscheide der persönliche Schadenseinschlag.591 Die Rechtsprechung lehnt die Berücksichtigung des sonst erforderlichen Bezugs der Leistung von einem anderen Arzt demgegenüber als hypothetische Reserveursache ab,592 was von der Literatur mit einem, auch hier bezüglich der Akzessorietät des Straf588 Dann NJW 2012, 2001 (2003); Volk NJW 2000, 3385 (3386) befürwortet zwar ebenfalls eine mögliche Schadenskompensation, räumt dem Strafrecht aber gleichwohl grundsätzlich ein, „sich den Begriffsbildungen der jeweiligen betrugsrelevanten Regelungsmaterie anzuschließen, wenn und soweit das dem geschützten strafrechtlichen Rechtsgut und den genuin strafrechtlichen Zwecken entspricht“. 589 Nach Volk NJW 2000, 3385 (3386 ff.) ist eine vollständige Kompensation nur bei einer Täuschung über nicht leistungsbezogene Umstände möglich, bspw. bei einer Täuschung über die Eigenschaft als „freier Arzt“ (insoweit auch Zweifel in der Rechtsprechung bezüglich des Vermögensschadens, vgl. BGH NJW 2003, 1198 (1200); zustimmend Beckemper/Wegner NStZ 2003, 315 (316); ablehnend Sch/Sch29 /Perron, § 263 Rn. 112; Ellbogen/Wichmann MedR 2007, 10 (15); Grunst NStZ 2004, 533 ff.; Idler JuS 2004, 1037 (1041 f.); krit. auch Wasserburg NStZ 2003, 353 (357); vgl. auch LG Lübeck GesR 2006, 176 ff.), da bei leistungsbezogenen Täuschungen der tatsächliche Wert der Leistung bei vermögensrechtlicher Bewertung niedriger anzusiedeln sei (vgl. zur Ausbildung des Arztes als wertbildendem Faktor der von ihm erbrachten Leistung BGH NStZ 1994, 236 (237)). Auch nach Ulsenheimer in Laufs/Kern (Hrsg.), ArztR4, § 151 Rn. 20 ist die Frage einer Kompensation nur dann entscheidend, wenn die Abrechnungsfähigkeit an der Einhaltung „formale[r] Bestimmungen des Vertragsarztrechts“ scheitert; ähnlich Gaidzik wistra 1998, 329 (334); Stein MedR 2001, (131). 590 BeckOK-StGB/Beukelmann § 263 (Ed. 23) Rn. 132; BayLSG, Beschl. v 2.9.2007 – KA ER, BeckRS 2009, 51390: „Was die von der Antragsgegnerin (Kassenärztliche Vereinigung Bayern; der Unterzeichner) zu wahrenden Interessen betrifft, ist es kein tragfähiges Argument, dass im Falle der Vergütung von Leistungen, die wegen des vorläufigen Berufsverbots nicht hätten erbracht werden dürfen, dies den Honorartopf der betroffenen Arztgruppe schmälern würde. Denn in Wirklichkeit wird dieser Effekt dadurch neutralisiert, dass dann, wenn der Antragsteller diese Leistungen nicht erbracht, sondern die Patienten abgewiesen hätte, diese dieselben Untersuchungen bei einem anderen Arzt hätten vornehmen lassen müssen, was zu den gleichen Honoraransprüchen und damit ebenfalls zu einer Belastung des Honorartopfs geführt hätte.“; Forkel PharmR 2011, (191); Gaidzik wistra 1998, 329 (332); Herffs wistra 2004, (286); Idler JuS 2004, 1037 (1041 f.); Sievert, S. 188 ff.; Stein MedR 2001, (131). 591 So noch BGH NStZ 2010, 700; zustimmend Dann NJW 2012, 2001 (2002); Wimmer in AG Medizinrecht im DAV/IMR (Hrsg.), Brennpunkte des Arztstrafrechts, S. 51 (57). Hierzu auch Hellmann/Herffs Rn. 383, die jedoch letztlich mangels Unmittelbarkeit eine Schadenskompensation durch den abrechnenden Arzt verneinen. 592 BGHSt 57, 95 (118 f. Rn. 97).

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rechts zu den §§ 1901a ff. BGB erfolgten Vergleich593 zu der hypothetischen Einwilligung abgetan wird.594 Zentraler Kritikpunkt an der formalen Betrachtungsweise der Rechtsprechung ist – wie auch in Bezug auf die Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB festgestellt – der Austausch des strafrechtlichen Schutzguts: § 263 StGB schützt eigentlich nur das Vermögen, in Abhängigkeit von den Vorschriften der GOÄ würden aber auch sonstige Belange wie die Lenkungsfunktionen der Sozialversicherung, standes- und sozialpolitische Interessen595 sowie die Dispositionsfreiheit596 in den Schutzbereich einbezogen.597 Darüber hinaus stellt die Auslegung des Vermögensschadens nach der Rechtsprechung einen Verstoß gegen das Verschleifungsverbot598 dar, schließlich würde die Täuschung ihrer Bedeutung als eigenständiges Tatbestandsmerkmal neben dem Vermögensschaden beraubt.599 Der formale Schadensbegriff im Rahmen des § 263 StGB zeigt zwar auf, dass teilweise trotz der Kritik an dem Austausch des Schutzguts eine Akzessorietät zu außerstrafrechtlichen Normen anerkannt wird. Dies vermag das Gewicht der teleologischen Argumentation, die nach hier vertretener Ansicht in Bezug auf die Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB als mitentscheidend einzuordnen ist, jedoch nicht zu schmälern. Zum einen sieht sich die GOÄ-akzessorische Ausgestaltung des § 263 StGB überzeugender Kritik ausgesetzt, sodass sie mangels allgemeiner Anerkennung nicht für eine Parallele zur Erweiterung der Strafbarkeit in anderen Bereichen taugt. Zum anderen fehlt die für die Ziehung einer Parallele erforderliche Vergleichbarkeit der Interessenlage: Während der formale Schadensbegriff das Rechtsgut Vermögen um weitere Aspekte ergänzt, stehen bei der Umsetzung einer Patientenverfügung höchstpersönliche Rechtsgüter des Patienten in Frage, deren Aufladung mit ordnungspolitischen Zwecken weitaus widersprüchlicher erscheint, steht bei höchstpersönlichen Rechtsgütern doch die Entfaltung der Persönlichkeit im Vordergrund.600 Darüber hinaus ent593

Siehe dazu unter E. III. 2. Dann NJW 2012, 2001 (2003). 595 Sch/Sch29 /Perron § 263 Rn. 112; Dannecker/Bülte NZWiSt 2012, 81 (83); Ellbogen/Wichmann MedR 2007, 10 (14); AnwK-StGB2 /Gaede § 263 Rn. 143; Gaidzik wistra 1998, 329 (331 ff.); Grunst NStZ 2004, 533 (537); Rönnau in FS Rissing-van Saan, S. 517 (525 ff., 541); Volk NJW 2000, 3385 (3388). 596 Dann NJW 2012, 2001 (2003). 597 Volk NJW 2000, 3385: „Solange aber der Gesetzgeber einen derartigen Straftatbestand des ,Sozialversicherungsbetrugs‘ nicht geschaffen hat, darf er nicht durch eine verfehlte Auslegung dem geltenden Recht untergeschoben werden.“ 598 Vgl. allgemein zum Verschleifungsverbot BVerfGE 126, 170 ff.; in Bezug auf § 263 StGB BVerfG, Beschl. v. 7. 12. 2011 – BVerfG 2 BvR 2500/09, 2 BvR 1857/10, BeckRS 2012, 45610 Rn. 175 ff. 599 Dann NJW 2012, 2001 (2003): Täuschung und Vermögensschaden erschöpften sich in der fehlenden Abrechenbarkeit der Leistung. 600 Vgl. etwa die mögliche Einwilligung in höchstpersönliche Rechtsgüter bereits bei natürlicher Einsichtsfähigkeit. 594

III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB

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halten die möglicherweise durch das Strafrecht in Bezug zu nehmenden außerstrafrechtlichen Normen unterschiedliche Regelungsgehalte: Die GOÄ beinhaltet zwingende Vorgaben für den Vergütungsanspruch des Arztes, sodass die einzelnen Voraussetzungen unmittelbaren Einfluss auf die Vermögenslage haben – die Anbindung des strafrechtlichen Vermögensschutzes an diese Vorgaben erscheint folglich nicht allzu fernliegend. Der Rechtsgutsbezug der §§ 1901a ff. BGB beschränkt sich hingegen darauf, die richtige Umsetzung des Patientenwillens durch das angeordnete Verfahren abzusichern, die strafrechtlich geschützten höchstpersönlichen Rechtsgüter sind von diesem Verfahren aber nicht zwangsläufig betroffen; stattdessen ist zum einen unklar, ob das betreuungsrechtliche Verfahren eine solche Absicherung überhaupt zu leisten vermag, zum anderen verhalten sich die Beteiligten bei Verletzung des Verfahrens nicht notwendigerweise zum Nachteil des geschützten Rechtsguts. Damit bleibt festzuhalten, dass selbst unter Anerkennung des fragwürdigen formalen Schadensbegriffs im Rahmen eines ärztlichen Abrechnungsbetrugs der dort vorgenommene Austausch des strafrechtlichen Schutzguts nicht auf eine Verzerrung des strafrechtlichen Schutzgehalts durch eine Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB übertragen werden kann. ee) Grad des verwirklichten Unrechts Das so gefundene Ergebnis – die Ablehnung einer kombiniert materiell-prozeduralen Rechtfertigung anhand der §§ 1901a ff. BGB und die infolgedessen bestehende Nichtakzessorietät des Strafrechts zu den betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben – müsste sich schließlich in das Unrechtssystem der betroffenen Straftatbestände einfügen, das Nichteingreifen der Tötungs- und Körperverletzungsdelikte bei lediglich verwirklichtem prozeduralen Unrecht müsste also im Einklang mit dem von diesen Delikten erfassten Unrecht stehen, indem der Grad des verwirklichten Unrechts bei einem bloßen Verfahrensverstoß deutlich abfällt gegenüber dem nach den §§ 211 ff. bzw. §§ 223 ff. StGB im Übrigen als strafbar eingeordneten Verhalten. Sollte sich die Strafandrohung bei bloßem Verfahrensunrecht insgesamt oder zumindest der Strafrahmen der in Betracht kommenden Kapitaldelikte gar als unverhältnismäßig herausstellen,601 so erführe das gefundene Ergebnis überdies zusätzliche Bestätigung. Eine grundsätzliche Strafbewehrtheit des formellen Unrechts bei Verstoß gegen die Verfahrensvorgaben der §§ 1901a ff. BGB begegnet keinen Bedenken im Hinblick auf deren Verhältnismäßigkeit. Wie bereits festgestellt, lassen die 601 Einordnung der Strafbarkeit des bloßen Verfahrensunrechts wegen Tötungsdelikts als unverhältnismäßig bei Ingelfinger, S. 325; Thias, S. 281 f.; Saliger KritV 1998, 118 (142) verweist darauf, dass formelles Handlungs- und Erfolgsunrecht grundsätzlich von geringerem Gewicht seien als materielles Strafunrecht, s. auch Choi, S. 265; Saliger in FS Hassemer, S. 599 (612); i. E. ebenso Deichmann MDR 1995, 983 (984).

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

Grundrechte ausreichend Spielraum für die einfachrechtliche Ausgestaltung einer Sicherung der Patientenautonomie602 – dem Strafgesetzgeber steht es frei, die sorgfältige Ermittlung des Patientenwillens durch eine strafrechtliche Absicherung der betreuungsrechtlich angeordneten Verfahrensschritte zu schützen.603 Dass die Strafbewehrung von formellem Unrecht den Straftäter nicht ungerechtfertigt in seinen Grundrechten berührt, der Gesetzgeber also grundsätzlich zu einer Inkriminierung reinen Verfahrensunrechts befugt ist,604 zeigt die Existenz von entsprechenden Straftatbeständen605, die – wie beispielsweise § 7 KastrG sowie in Bezug auf bestimmte Verfahrensverstöße § 19 TPG, §§ 96 Nr. 10, 11, 97 Abs. 2 Nr. 9 AMG und die genehmigungsfähigen Umweltdelikte606 – teilweise sogar ausdrücklich nur auf den Verstoß gegen verfahrensrechtliche Vorgaben gerichtet sind.607 In Bezug auf die Proportionalität der mit den entsprechenden Körperverletzungs- bzw. Tötungsdelikten einhergehenden Strafdrohungen sind hingegen Zweifel angebracht. So wird die Abhängigkeit des Strafrechts von den §§ 1901a ff. BGB in der Literatur häufig gerade mit dem Argument abgelehnt, dass alleine der Verstoß gegen Verfahrensvorschriften „nicht als Tötungsdelikt strafwürdig [erscheine]“,608 der Unrechtsgehalt eines Tötungsdelikts im Sinne eines „gewichtige[n] und strafwürdige[n] Fehlverhalten[s]“ 609 bei reiner Verfahrensverletzung also nicht gegeben sei.610 Auch an dieser Stelle spielen wiederum Schutzzweckerwägungen eine bedeutende Rolle: Der betreuungsrechtliche Genehmigungsvorbehalt solle präventiven Rechtsschutz bieten, die Beteiligten hätten aber gerade im Sinne des zu schützenden Patientenwillens gehandelt,611 sodass man602

Dazu bereits unter D. II. 2. So auch Hörr, S. 335. 604 Hörr, S. 336. 605 Hirsch JR 2011, 37 (39) möchte aus der Existenz dieser speziellen Strafbestimmungen schließen, dass außerhalb solcher Spezialregelungen die Kompensation durch Rückgriff auf materielle Strafnormen, wie hier die Tötungsdelikte, ausgeschlossen ist. 606 Siehe dazu ausführlich unter E. III. 1. b) cc). 607 Insofern kann der von Jäger JA 2011, 309 (312) vorgebrachte Vergleich zu BGHSt 35, 337 allein nicht den Grundsatz begründen, dass „die Wirksamkeit eines Einverständnisses nicht von der Wahrung der Formen abhängen dürfe“. 608 MK/Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 129; vgl. dazu auch Saliger KritV 1998, 118 (142); Sternberg-Lieben in FS Lenckner, S. 349 (371 f. Fn. 107); Stoffers, S. 540: allein die Nichteinhaltung einer „Förmlichkeit“ vermag keinen strafrechtlichen Vorwurf zu begründen; Hirsch JR 2011, 37 (39): lediglich Unrecht in Form einer „Kompetenzanmaßung“ mittels „Eingriff[s] in die gesetzliche Zuständigkeit von Medizinalpersonen und des Betreuungsgerichts“, das nicht durch einen Rückgriff auf die Tötungsdelikte erfasst werden dürfe; a. A. Hörr, S. 352; Wiebe ZfL 2010, 130 (132). 609 Rissing-van Saan ZIS 2011, 544 (548). 610 Koch in Holderegger (Hrsg.), Das medizinisch assistierte Sterben, S. 297 (315). 611 Sternberg-Lieben in FS Lenckner, S. 349 (371 f. i.V. m. Fn. 107); Stoffers, S. 536 f. 603

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gels schützenswerten Rechtsguts das für die entsprechende Strafbarkeit erforderliche Unrecht nicht verwirklicht sei612 – allein der Verstoß gegen das betreuungsrechtliche Verfahren dürfe also nicht zur Strafbarkeit gem. §§ 211 ff. StGB führen,613 da die Bestrafung sonst einem Gesinnungsstrafrecht gleichkomme.614 Stattdessen sei das verwirklichte Unrecht „allenfalls bußgeldwürdig“.615 Um die Verhältnismäßigkeit des bei Bejahung der Akzessorietät in Betracht kommenden Strafrahmens616 beurteilen zu können, ist zunächst die tatsächlich mögliche Strafhöhe genauer in den Blick zu nehmen. Hörr, der selbst die bei Einordnung als Tötungsdelikt in Betracht kommende Strafandrohung für nicht unverhältnismäßig hält,617 setzt sich mit möglichen Strafmilderungsgründen auseinander. Über die Anwendung von §§ 213 S. 2;618 13 Abs. 2, 49;619 17 S. 2, 49620 StGB621 gelangt er selbst in Bezug auf den Behandlungsabbruch auf die mögliche622 Absenkung des Strafrahmens auf 1 Monat bis zu 6 Jahren und 8 Monaten;623 im Vergleich zu den von vornherein lediglich auf Verfahrensunrecht gerichteten Straftatbeständen, beispielsweise § 7 KastrG (bis zu 1 Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe) und § 19 TPG (bis zu 5 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe), deren Verfahrensanforderungen darüber hinaus dem Schutze geringwertiger Rechtsgüter dienen, eine grundsätzlich nicht unverhältnismäßige Freiheitsstrafandrohung. Auch allein der Umstand, dass bei Annahme einer Akzessorietät 612

Rosenau in FS Rissing-van Saan, S. 547 (563). Verrel 66. DJT, C 99 mit Verweis auf MK/Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 129; vgl. auch Verrel NStZ 2003, 449 (452); ders. KritV 2001, 440 (451); ders. NStZ 2010, 671 (674); ders. NStZ 2011, 276 (277). 614 Schork, S. 204. 615 Rosenau in FS Rissing-van Saan, S. 547 (563). 616 BVerfGE 120, 224 (241): Es „folgt aus dem Schuldprinzip und aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Schwere einer Straftat und das Verschulden des Täters zu der Strafe in einem gerechten Verhältnis stehen müssen“ vgl. zur verfassungsrechtlichen Notwendigkeit eines gerechten Strafmaßes auch Noltenius HRRS 2009, 499 (505 ff.), welche allerdings den Maßstab dafür nicht im Verhältnismäßigkeitsprinzip, sondern in dem Unrecht der Tat und dem Verschulden des Täters verortet, außerdem sei der Gesetzgeber zu „in sich konsistente[n] und widerspruchsfreie[n] Straftatbestände[n]“ verpflichtet (S. 506). 617 Hörr, S. 336. 618 Hörr, S. 345: Eine Gesamtbetrachtung bringe zu tage, dass der Täter zum vermeintlich Besten des Opfers handele. 619 Hörr, S. 348 stützt sich dabei auf den vermindert eindringlichen Gebotsappell aus der Garantenhaftung. 620 Hörr, S. 349. 621 Darüber hinaus untersucht Hörr, S. 341 f. die Strafmilderung über eine Analogie zu strafmaßreduzierten Straftatbeständen, lehnt diese aber richtigerweise ab. Zu der fehlenden Vergleichbarkeit vgl. hier bereits unter E. III. b) cc) und dd). 622 Hörr, S. 351: Regelmäßig wohl mangels Einschlägigkeit des §§ 17, S. 2, 49 StGB wohl Strafrahmen von 3 Monaten bis 7 Jahren 6 Monaten, bei Verwirklichung von Mordmerkmalen ergäbe sich eine Mindeststrafe von 3 Jahren. 623 Hörr, S. 351. 613

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des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB in Bezug auf formelles Unrecht grundsätzlich624 der gleiche Strafrahmen eingreift wie bei der Verwirklichung materiellen Unrechts durch Verstoß gegen den Patientenwillen, führt nicht per se zur Unverhältnismäßigkeit der Strafandrohung: Zwar ist formelles Handlungs- und Erfolgsunrecht grundsätzlich von geringerem Gewicht als materielles Strafunrecht625; dies lässt sich beispielsweise ablesen in der abgesenkten Strafandrohung des § 7 KastrG bei rein formellem Unrecht gegenüber der bei materiellem Unrecht eingreifenden Körperverletzungsstrafbarkeit – während ersteres Unrecht mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe geahndet werden kann, beläuft sich die bei letzterer Verurteilung gem. § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu verhängende Freiheitsstrafe auf ein (bei absichtlichem Handeln von drei) bis zu zehn Jahren. Doch findet eine solche Strafrahmenabsenkung nicht ausnahmslos in Bezug auf jedes rein formelle Unrecht statt: So enthält beispielsweise das TPG zwar in § 20 einen Bußgeldtatbestand in Bezug auf reine Verfahrensverletzungen (Geldbuße bis zu 30 000 A), die Strafnorm des § 19 TPG (Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahre oder Geldstrafe626) ist jedoch nicht nur auf materielles Strafunrecht gerichtet, sondern greift auch bei bestimmtem rein formellen Unrecht.627 Insofern hat der Gesetzgeber auch in anderen Bereichen besonders wichtige, weil für den materiellen Rechtsgüterschutz elementare Verfahrensvorgaben mit der gleich hohen Strafandrohung wie das materielle Schutzgut selbst abgesichert und dies ließe sich auf die in den §§ 1901a ff. BGB enthaltenen Vorgaben übertragen. Nichtsdestotrotz unterschiede sich das Eingreifen der Tötungsdelikte, die mit dem Mindeststrafmaß von einem Jahr bedroht sind628, bei rein prozeduralem Unrecht von den genannten Vergleichsbeispielen darin, dass es sich trotz der möglichen Strafmilderungen gem. § 12 Abs. 3 StGB um die Verurteilung wegen eines Verbrechens handelt und folglich weder eine Einstellung des Verfahrens gem. §§ 153 ff. StPO noch ein Strafbefehlsverfahren gem. § 407 Abs. 1 S. 1 StPO möglich ist.629 Damit wird die durch eine entsprechende Verurteilung wegen Tö624 Bei Verwirklichung materiellen Strafunrechts werden in der Regel aber wohl weniger Strafmilderungsgründe einschlägig sein. 625 SK-StGB6 /Günther Vor § 32 Rn. 78: „das Fehlen von Ordnungselementen (Zuständigkeits-, Form-, Verfahrenshindernissen) [beeinflusst] den Rechtfertigungsgehalt der Tat am geringsten“; Choi, S. 265; Saliger KritV 1998, 118 (142); ders. in FS Hassemer, S. 599 (612). 626 Die höchstmögliche Geldstrafe beläuft sich, je nach Höhe des Tagessatzes, auf 360 bis 10,8 Mio. A, ist also auch deutlich erhöht im Vergleich zu der höchstmöglichen Geldbuße nach § 20 TPG. 627 Nämlich wenn der Eingriff nicht durch einen Arzt vorgenommen wurde oder der Tod des Organspenders vor der Entnahme nicht von zwei voneinander unabhängigen Ärzten bestätigt wurde, s. dazu E. III. b) cc) (2). 628 § 216 StGB sieht keine für die Einordnung als Verbrechen ausreichende Mindeststrafe vor und da § 12 Abs. 3 StGB insoweit nicht eingreift, handelt es sich um ein bloßes Vergehen (s. auch BeckOK-StGB/Eschelbach § 216 (Ed. 23) Rn. 22), sodass die im Folgenden genannten Zweifel auf § 216 StGB keine Anwendung finden. 629 Hörr, S. 351.

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tungsdelikts630 hervorgerufene Verrufswirkung begünstigt, breitet sich doch bei Durchführung einer öffentlichen Hauptverhandlung, die bei einem Strafbefehlsverfahren zugunsten einer Entlastung der Rechtspflege durch Verfahrensbeschleunigung631 umgangen wird und auch bei einer Einstellung des Verfahrens bereits im Ermittlungsverfahren nicht mehr erforderlich ist, der Tatvorwurf über diesbezügliche Medienberichterstattung bzw. die Vernehmung von Zeugen aus dem Umfeld des Angeklagten weiter aus.632 Angesichts der Berufsfelder der Betroffenen als Arzt oder ggf. als Berufsbetreuer kommt dieser Verrufswirkung praktisch eine hohe Bedeutung zu, insbesondere wenn es zu einer Verurteilung gem. §§ 211 ff. StGB kommt, bei der eine Verhängung einer Geldstrafe auch dann nicht in Betracht kommt, wenn die Beteiligten bloß formelles Unrecht verwirklicht haben.633 Eine – bei Bestrafung wegen Verbrechens ebenfalls nicht mögliche – Verfahrenseinstellung gem. §§ 153 ff. StPO ist darüber hinaus für den Beschuldigten mit dem Vorteil verbunden, dass kein Schuldspruch ergeht,634 also weder Eintragungen im Bundeszentralregister erfolgen, noch die Anordnung eines Berufsverbots gem. § 70 StGB möglich erscheint; der Beschuldigte gilt vielmehr als unschuldig unabhängig von der Stärke des verbleibenden Tatverdachts.635 All diese sich aus dem Eingreifen eines Verbrechenstatbestands ergebenden Konsequenzen wirken, darin ist Hörr beizupflichten, mit Rücksicht auf das lediglich verwirklichte formelle Unrecht unbillig, gerade auch im Vergleich zu den sonstigen (Vergehens-)Strafbarkeiten von Verfahrensunrecht.636 Mithin spricht auch das Ungleichgewicht zwischen dem geringen verwirklichten Unrecht bei einem reinen Verfahrensverstoß und den Strafbarkeitsfolgen bei Verurteilung wegen Tötungsdelikts gegen deren Eingreifen, die Akzessorietät des Strafrechts zu den betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben passte sich also nicht in das Unrechtsniveau dieser Tatbestände ein.

630 Ein Schuldspruch in Bezug auf den Totschlag einer anderen Person, wenn auch durch Unterlassen, weckt die Assoziation der materiellen Rechtsgutsverletzung und führt folglich auch zu der entsprechenden Verrufswirkung. 631 Nobis in Widmaier (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, § 10 Rn. 82. 632 Zu diesen negativen Folgen einer Hauptverhandlung für den Angeklagten s. Nobis in Widmaier (Hrsg.), Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, 2006, § 10 Rn. 125. 633 Hörr, S. 355. 634 KK-StPO7 /Diemer § 153a Rn. 1; S. Cramer wistra 1999, 414; Wabnitz/Janovsky Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts4, 29. Kap. Rn. 78. 635 Wabnitz/Janovsky Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts 4, 29. Kap. Rn. 78; vgl. auch BVerfG MDR 1991, 891 f.; Meyer-Goßner/Schmitt57 /Schmitt § 153a Rn. 2; Fezer ZStW 106 (1994), 1 (33). 636 Hörr, S. 355 ordnet die Strafe zwar nicht als unverhältnismäßig ein, sieht aber angesichts der übrigen Folgen einer Einordnung als Verbrechen den Gesetzgeber dazu berufen, „das Strafbarkeitsrisiko der Beteiligten zu begrenzen“.

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

c) Historischer Hintergrund der §§ 1901a ff. BGB Um zu überprüfen, ob die hier gefundene Auslegung der Nichtakzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB mit der Intention des Gesetzgebers in Einklang zu bringen ist, bedarf es eines Rückblicks auf die alte Gesetzeslage und deren Fortentwicklung durch die Rechtsprechung, welche den Reformbedarf in Bezug auf die gesetzliche Regelung nach und nach stärker hervortreten ließ und den Gesetzgeber zuletzt sogar ausdrücklich zu einer Neuregelung aufforderte.637 Bei der letztlich erfolgten Neuregelung übernahm der Gesetzgeber sogar teilweise Formulierungen aus zuvor ergangenen Grundsatzentscheidungen, sodass der Wille des Gesetzgebers nur mit Blick auf die vorangegangene Entwicklung sicher zu bestimmen ist. aa) Der Rechtsprechungswandel hinsichtlich der rechtlichen Bewertung eines Behandlungsabbruchs Die Reihe von Entscheidungen zum Behandlungsabbruch eröffnete der BGH 1991 mit dem sog. Wuppertaler Fall, in dem der 3. Strafsenat die Ausrichtung am (mutmaßlichen) Patientenwillen bei Vornahme eines Behandlungsabbruchs vorgab, das Ermessen von Ärzten und Krankenschwestern, dem Patienten schwerstes Leid zu ersparen, sei hingegen irrelevant.638 1994 dann schlug der 1. Strafsenat in der sog. Kemptener Entscheidung die „Brücke [. . .] zwischen Sterbehilfe und Betreuungsrecht“ 639, als er erstmals auf die damals gesetzlich noch ungeregelte Patientenverfügung Bezug nahm. Diese stelle, so der BGH, keine eigenständige Grundlage zur Legitimation dar, sondern lediglich ein Indiz für den mutmaßlichen Willen,640 sei also ebenfalls in den vom BGH in der Entscheidung aufgestellten Kriterienkatalog für die Ermittlung des mutmaßlichen Patientenwillens einzubeziehen,641 wobei insgesamt strenge Anforderungen an die Feststellung des mutmaßlichen Patientenwillens zu stellen seien.642 In prozeduraler Hinsicht zog das Gericht eine Analogie zu § 1904 BGB a. F. mit der Folge, dass nicht nur eine Einwilligung des Betreuers in lebensverlängernde Maßnahmen, sondern auch deren Verweigerung zwingend der Geneh637

So bspw. OLG Frankfurt NJW 2002, 689 (691). BGHSt 37, 376 (378). 639 Saliger KritV 1998, 118 (120). 640 BGHSt 40, 257 (263); ebenso Dölling MedR 1987, 6 (9); G. Rieger, S. 93; Spickhoff JZ 2003, 739 (740); krit. Bernat ZfME 1996 (104), 1 (7 f.), der eine entsprechende eindeutige Patientenverfügung wie einen aktuellen Behandlungsverzicht behandeln will. 641 Ausführlich zu einem solchen Kriterienkatalog G. Rieger, S. 94 ff.; Thias, S. 150 ff.; Trück, S. 130 ff. 642 BGHSt 40, 257 (263); diese strengen Beweisanforderungen gelten im Übrigen unabhängig davon, ob der Tod des Patienten unmittelbar bevorsteht, s. BGH v. 17.9. 2014, Az. XII ZB 202/13 Rn. 36 ff. 638

III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB

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migung des Vormundschaftsgerichts643 bedurften,644 teilweise wurde der Entscheidung insoweit aber als obiter dictum die Bindungswirkung aberkannt.645 Für die Bewertung der Patientenverfügung als Indiz bezüglich des mutmaßlichen Patientenwillens entfaltete diese verfahrensrechtliche Vorgabe indes keine Wirkung, da der Strafsenat angesichts der im konkreten Fall fehlenden Genehmigung des Vormundschaftsgerichts lediglich eine tatsächliche Einwilligung ablehnte646, eine Rechtfertigung durch mutmaßliche Einwilligung des Patienten aber trotz der grundsätzlichen Subsidiarität einer mutmaßlichen Einwilligung nicht sperrte. Stattdessen scheint er aus strafrechtlicher Sicht von einem Nebeneinander von tatsächlicher Einwilligung des Betreuers mit vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung analog § 1904 BGB und der mutmaßlichen Einwilligung des Patienten selbst, für die wiederum die Patientenverfügung ein Indiz unter mehreren darstellt, auszugehen.647 Soweit sie also den mutmaßlichen Patientenwillen vorgibt, sollte die Patientenverfügung nach Auffassung des Gerichts ihre rechtfertigende Wirkung auch ohne Einhaltung des vormundschaftsgerichtlichen Prozedere entfalten.648

643 Diese Abteilung des Amtsgerichts heißt seit Inkrafttreten des FamFG am 1.9. 2009 Betreuungsgericht, vgl. § 23c GVG. 644 BGHSt 40, 257 (262); zustimmend OLG Frankfurt a. M. NJW 1998, 2747; OLG Frankfurt a. M. FamRZ 2002, 575; OLG Karlsruhe NJW 2002, 685 f.; Schöch NStZ 1995, 153 (156); zur analogen Anwendung des § 1904 BGB Vogel/Hocke Jura 2005, 709 (714). Weitere Entscheidungen unterer Gerichte LG Duisburg NJW 1999, 2744 f.; LG Augsburg NJW 2000, 2363 f.; OLG Düsseldorf NJW 2001, 2807 f.; weitere Nachweise bei Vollmert, S. 17 Fn. 78 f. 645 So Alberts NJW 1999, 835; Kutzer ZRP 2000, 402 (403); Lipp in May/Geißendörfer/Simon/Strätling (Hrsg.), Passive Sterbehilfe: Besteht gesetzlicher Regelungsbedarf?, S. 37 (38); Nickel MedR 1998, 520; Wagenitz/Engers FamRZ 1998, 1256. Nach a. A. als tragende Erwägung kein obiter dictum und damit bindend, so OLG Karlsruhe NJW 2002, 685 f.; OLG Schleswig NJW-RR 2003, 435 (436). 646 Nach Stoffers, S. 525 wäre der BGH bei Vorliegen einer gerichtlichen Genehmigung wohl von einer Rechtfertigung auf Grund gerichtlich genehmigter Einwilligung des Betreuers ausgegangen. So ordnete in Anknüpfung an die höchstrichterliche Rechtsprechung auch das LG Kempten am 17.5.1995 – 2 Ks 13 Js 12155/93 die gerichtlich genehmigte Einwilligung des Betreuers als auch für das Strafrecht geltenden zivilrechtlichen Rechtfertigungsgrund ein, vgl. dazu Stalinski BtPrax 1999, 86 ff.; Stoffers, S. 525. 647 So wird die Entscheidung ebenfalls verstanden durch MK/Ha. Schneider Vorbemerkung zu den §§ 211 ff. Rn. 129; Coeppicus NJW 1998, 3381 (3382); Opderbecke/ Weißauer MedR 1998, 395 (396); Verrel JR 1999, 5; andere kritisieren die Unklarheit der Entscheidung in Bezug auf die strafrechtlichen Konsequenzen bei betreuungsrechtlichem Verfahrensfehler, so etwa Nagel, S. 88 f.; G. Rieger, S. 127 Fn. 608; Schöch NStZ 1995, 153 (156 f.); Taupitz 63. DJT, A 39 Fn. 163; Verrel 66. DJT, C 28; Vogel MDR 1995, 337 (338); Weißauer/Opderbecke MedR 1995, 456 (459 f.); eine unmittelbare Strafbarkeitsrelevanz der Analogie zu § 1904 BGB ablehnend Knauf, S. 150; Verrel NStZ 2003, 449 (452). 648 So auch Stoffers, S. 531.

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

Auf die teils scharfe Kritik der Literatur649 reagierend, lehnte 2003 der 12. Zivilsenat in einer vom OLG Schleswig gem. § 28 Abs. 2 FGG zur Entscheidung vorgelegten650 erweiterten Beschwerde651 die Analogie zu § 1904 BGB bei einem Behandlungsabbruch ab,652 leitete die Genehmigungsbedürftigkeit einer Einwilligung des Betreuers in einen Behandlungsabbruch stattdessen aber „aus einer Gesamtschau des Betreuungsrechts“ ab.653 Auch diese sog. Lübecker Entscheidung654 stieß in der Literatur nicht nur auf Zustimmung,655 stattdessen wurde die Herleitung der Genehmigungsbedürftigkeit als „methodisch zweifelhaft“ kritisiert656, zudem führe die Abweichung von der Rechtsprechung des 1. Strafsenats zu einer „verwirrende[n] Divergenz“.657 Auch herrschte Uneinig649 Alberts, NJW 1999, 835; Ankermann MedR 1999, 387; Bienwald FamRZ 1998, 1138; Deichmann MDR 1995, 983 (985); Dodegge, NJW 1999, 2709 (2714); Eberbach, MedR 2000, 267 (269); Jürgens BtPrax 1998, 159; Kutzer MedR 2001, 77 (78); Laufs NJW 1998, 3399; Müller-Freienfels JZ 1998, 1123 (1125); Nickel MedR 1998, 520; Paehler BtPrax 2000, 21; Schlund JR 2000, 65 f.; Seitz ZRP 1998, 417 (420); Stalinski BtPrax 1999, 86; Wagenitz/Engers FamRZ 1998, 1256. Im Übrigen war auch ein Teil der Rechtsprechung bereits von der Analogie zu § 1904 BGB abgerückt, so bspw. LG Augsburg NJW 2000, 2363 f. 650 Das OLG Schleswig sah sich in seiner Entscheidung durch die sog. Kemptener Entscheidung des Strafsenats und die darauffolgenden Entscheidungen des OLG Karlsruhe NJW 2002, 685 und des OLG Frankfurt a. M., NJW 2002, 689 gebunden. 651 OLG Schleswig FamRZ 2003, 554 ff. 652 Nach Auffassung des Zivilsenats ist die Situation eines Behandlungsabbruchs mit der dem § 1904 BGB zu Grunde liegenden Situation nicht vergleichbar (BGHZ 154, 205 (220); OLG Schleswig FamRZ 2003, 554 (556): „aliud“ anstatt „minus“). Das OLG Schleswig hatte zuvor außerdem eine planwidrige Regelungslücke verneint, schließlich habe der Gesetzgeber trotz Kenntnis der Problematik auf eine Regelung verzichtet (OLG Schleswig FamRZ 2003, 554 (555) mit Verweis auf BT-Drs. 11/4528, S. 142) und angesichts der möglichen Rechtfertigung über eine mutmaßliche Einwilligung bestehe auch keine Lücke (OLG Schleswig FamRZ 2003, 554 (556)). 653 BGHZ 154, 205 (221); erste Umsetzung durch LG Ellwangen v. 7.5.2003 – 1 Z 33/03 (zitiert nach Vollmert, S. 77 Fn. 464, dort auch ausführliche Darstellung dieser Entscheidung). 654 Jäger JA 2011, 309 (312) weist darauf hin, dass der 12. Zivilsenat des BGH in dieser Entscheidung zudem die Eigenständigkeit des Strafrechts betont habe, sodass der 2. Strafsenat mit der sog. Fuldaer Entscheidung in einen „offenen Widerspruch“ zu dieser Entscheidung trete. 655 Insbesondere führte auch die vom BGH scheinbar angenommene Reichweitenbegrenzung zu Kritik: Teilweise wird sie als „unbewusste“ Abweichung und damit als fälschlicherweise zu eng interpretierte Grenze der zulässigen Sterbehilfe eingeordnet (Hufen ZRP 2003, 248 (249); Kutzer ZRP 2003, 213; Lipp FamRZ 2004, 317 (319); Lipp/Nagel FF 2005, 83 (84); G. Müller ZEV 2008, 583 (584)), teilweise als Fehlinterpretation der sog. Kemptener Entscheidung durch den Zivilsenat (BT-Drs. 16/8442, S. 16 m.w. N.; Verrel 66. DJT, C 21, 45; vgl. ausführlich Stoffers, S. 129 ff.). Nach a. A. ist der Entscheidung des Zivilsenats gar keine Reichweitenbegrenzung zu entnehmen (BT-Drs. 16/11493, S. 9). 656 Verrel 66. DJT, C 46; vgl. auch Heyers JuS 2004, 100 (104 f.); Höfling/Rixen JZ 2003, 884 (893); Hufen ZRP 2003, 248 (249); Verrel NStZ 2003, 449 (450). 657 Rosenau in FS Rissing-van Saan, S. 547 (553).

III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB

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keit darüber, ob und wie der Zivilsenat sich zu dem für eine Rechtfertigung zwingenden Erfordernis einer gerichtlich genehmigten Einwilligung des Betreuers verhält, wenn er formuliert:658 „Ist – wie hier – für den einwilligungsunfähigen Patienten ein Betreuer bestellt und erreichbar, vermag der mutmaßliche Patientenwille allein einen Eingriff in die persönliche Integrität des Patienten nicht länger zu rechtfertigen“ 659. Auch wenn sich diese Aussage auf das Aufrechterhalten der medizinischen Behandlung und nicht den Abbruch derselben bezieht, so hat es doch den Anschein, als wollte der Zivilsenat Eingriffe in die Rechtsgüter des Patienten bei Existenz eines Betreuers660 nicht mehr direkt durch den mutmaßlichen Willen rechtfertigen, sondern nur bei einer entsprechenden Umsetzung durch den Betreuer.661 Damit hätte sich der Zivilsenat entgegen der zuvor vom Strafsenat vertretenen Auffassung, aber entsprechend der damals in der Literatur im Vordringen befindlichen Auffassung662 gegen die Zulässigkeit eines Rück658 Eine Genehmigung fordernde Entscheidung des BGH bejahend Hufen ZRP 2003, 248 (251 f.); Kutzer ZRP 2003, 213 (214); Oduncu MedR 2005, 437 (441); Saliger MedR 2004, 237 (240); verneinend Lipp FamRZ 2004, 317 (323 f.) (anders hingegen noch in FamRZ 2003, 756); Verrel 66. DJT, C 47 Fn. 197; nach Popp ZStW 118 (2006), 639 (674) verhält sich der BGH überhaupt nicht zu der strafrechtlichen Beurteilung bei Nichteinhaltung der betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben. 659 BGHZ 154, 205 (211). 660 Die Notwendigkeit einer Betreuerbestellung bei Vorliegen einer Patientenverfügung bleibt indes ungeklärt, so auch Höfling/Rixen JZ 2003, 884 (890); Verrel 66. DJT, C 46; verneint wurde ein Betreuungserfordernis u. a. von Heyers JuS 2004, 100 (103); Höfling/Rixen JZ 2003, 884 (890 f.); Lipp FamRZ 2004, 317 (321); Sternberg-Lieben in FS Eser, S. 1185 (1196); ausführlich zur Erforderlichkeit einer Betreuerbestellung Schwedler, S. 92 ff.; zum Erfordernis der Betreuerbestellung nach §§ 1901a ff. BGB n. F. vgl. C. I. 1. 661 So auch Stoffers, S. 533, der in anderen Passagen der Entscheidungen aber auch entgegengesetzte Hinweise sieht; den Rückgriff auf den mutmaßlichen Willen mit Blick auf die Entscheidung des Zivilsenats ebenfalls verneinend E. Albrecht/A. Albrecht MittBayNot 2003, 348 (350), so sei es vor dem Hintergrund dieser BGH-Entscheidung nicht mehr haltbar, trotz bestehender Betreuung des Patienten unmittelbar auf die Patientenverfügung durchzugreifen, da eine fortwirkende eigene Einwilligung des Patienten insbesondere in Form einer Patientenverfügung nicht mehr bestehe, sondern durch die Möglichkeit einer vormundschaftsgerichtlich genehmigten Einwilligung des Betreuers verdrängt werde; Coeppicus RPfleger 2004, 262 (266) ordnet die Entscheidung des 12. Zivilsenats zwar ebenfalls entsprechend ein, möchte insoweit aber gleichwohl an der Rechtsprechung des Strafsenats festhalten und weiterhin eine Rechtfertigung allein durch den mutmaßlichen Willen des Patienten rechtfertigen, der einen Durchgriff auf die Patientenverfügung auch ohne gerichtlich genehmigte Einwilligung des Betreuers zulasse. 662 Lipp in May/Geißendörfer/Simon/Strätling (Hrsg.), Passive Sterbehilfe: Besteht gesetzlicher Regelungsbedarf?, S. 37 (54 f.); Koch in Holderegger (Hrsg.), Das medizinisch assistierte Sterben, S. 297 (312 ff.); Kuhlmann, S. 193; Lipp DRiZ 2000, 231 (238 f.); Nagel, S. 88 f.; Opderbecke/Weißauer MedR 1998, 395 (396); G. Rieger, S. 127 f.; Schöch in FS Hirsch, S. 693 (708 f.); ders. NStZ 1995, 153 (155 f.); Tolmein KJ 1996, 510 (522, 524); Vogel MDR 1995, 337 (338); Weißauer/Opderbecke MedR 1995, 456 (459 f.); vgl. auch W. Baumann/Hartmann DNotZ 2000, 594 (600); Bernsmann ZRP 1996, 87 (89 f.); Gründel NJW 1999, 3391 (3393); Helgerth JR 1995, 338

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

griffs auf den mutmaßlichen Willen des Patienten entschieden, wenn eine Rechtfertigung durch Einwilligung des Betreuers möglich gewesen wäre663, auf Grund prozeduraler Mängel aber nicht durchgreift. Folglich wäre die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Vorgaben im Betreuungsrecht nach Auffassung des Gerichts wohl auch für die strafrechtliche Rechtfertigung der Umsetzung einer Patientenverfügung zumindest bei Existenz eines Betreuers zwingend erforderlich. Darüber hinaus sieht ein Teil der Literatur in der Entscheidung des Zivilsenats die erstmalige Verankerung des später in den §§ 1901a ff. BGB n. F. umgesetzten „Konfliktmodell[s]“ 664 bezüglich der gerichtlichen Genehmigungsbedürftigkeit.665 Tatsächlich formuliert der BGH, dass Vormundschaftsgerichte „nur in Konfliktlagen angerufen werden“ können,666 konkretisiert dies aber auf die Fälle, in denen von ärztlicher Seite ein „[A]ngebot [. . .]“ zur Weiterbehandlung erfolgt, der Betreuer aber keine Einwilligung erteilt. Da dem Arzt jedoch nach dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Konzept667 ohnehin keine Prüfungszuständigkeit bezüglich des Patientenwillens zukam, ist damit noch nicht die letztlich in § 1904 Abs. 4 BGB n. F.668 umgesetzte Lösung aufgekommen, nach der die Genehmigungsbedürftigkeit nur bei einem Dissens zwischen Arzt und Patientenvertreter hinsichtlich der Auslegung des Patientenwillens besteht: In der Terminologie des BGH bezeichnete ein „Konflikt“ nicht im Sinne der §§ 1901a ff. BGB die unterschiedliche Auslegung des Patientenwillens durch Arzt und Patientenvertreter, sondern das Abweichen des durch Auslegung seitens des Patientenvertreters ermittelten Patientenwillens von der seitens des Arztes festgestellten medizinischen Gebotenheit einer Behandlung. Damit bedeutet die Formulierung des Zivilsenats gar keine Neuerung gegenüber der vorigen Rechtsprechung, schließlich war auch zuvor die vom Arzt festgestellte medizinische Indikation hinsichtlich

(340); Kutzer ZRP 1997, 117 (118); Lipp BtPrax 2002, 47 (51); ders. FamRZ 2004, 317 (320, 322 i.V. m. Fn. 85); Taupitz 63. DJT, A 71; Tolmein MedR 1997, 534 (536). 663 Popp ZStW 118 (2006), 639 (656) verweist bezüglich der Verpflichtung des Betreuers zur Orientierung am mutmaßlichen Patientenwillen auf die Verbindlichkeit der Wünsche des Betreuten für den Betreuer gem. § 1901 Abs. 3 BGB; auch der BGH verweist auf die eingeschränkte, weil „an rechtliche Vorgaben gebunden[e]“ Entscheidungsmacht des Betreuers (BGHZ 154, 205 (215)). 664 Verrel 66. DJT, C 46. 665 Diese angenommene Beschränkung vom BGH kritisierend Stackmann NJW 2003, 1568 f.; Verrel NStZ 2003, 449 (450); missverständlich Holzhauer FamRZ 2003, 991 (992). 666 BGHZ 154, 205 (227). 667 Anders als nach den §§ 1901a ff. BGB n. F. nach hier vertretener Auffassung, s. C. I. 2. 668 Die fehlende Genehmigungsbedürftigkeit außerhalb eines Dissenses zwischen Arzt und Patientenvertreter kritisierend im Hinblick auf einen Vergleich zu der Aufklärungspflicht des Arztes bei alternativ möglichem ärztlichen Verhalten (vgl. AnwKBGB/Katzenmeier § 823 BGB Rn. 391 f.; MK-BGB6 /Wagner § 823 BGB Rn. 819 ff.) bei Spickhoff FamRZ 2009, 1949 (1955 f.).

III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB

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der Weiterbehandlung Grundvoraussetzung dafür, dass die Einwilligung oder Nichteinwilligung des Patienten überhaupt Relevanz entfaltet.669 Entsprechend ist auch die sog. Traunsteiner Entscheidung des 12. Zivilsenats aus dem Jahr 2005 einzuordnen, in der der Senat unter Bezugnahme auf seine frühere sog. Lübecker Entscheidung einen „die Kontrollzuständigkeit des Vormundschaftsgerichts auslösende[n] Konflikt“ ablehnte, da ärztliche Empfehlung und Betreueranordnung im zu Grunde liegenden Fall übereinstimmten.670 bb) Reformbestrebungen Angesichts dieser Unklarheiten mehrten sich die Stimmen, die eine Reform der §§ 1901 ff. BGB a. F. forderten, insbesondere in Bezug auf die Verbindlichkeit einer Patientenverfügung und die gerichtliche Genehmigungsbedürftigkeit einer Umsetzungsentscheidung des Patientenvertreters. Während sich die Reformvorschläge in Bezug auf ersteres einig waren, gingen die Forderungen im Übrigen in unterschiedliche Richtungen: Nach Ansicht der Bioethik-Kommission des Landes Rheinland-Pfalz 2004671, der interdisziplinären Expertenarbeitsgruppe des BMJ „ Patientenautonomie am Lebensende“ 672 und nach dem im Auftrag der Deutschen Hospiz-Stiftung von Höfling erarbeiteten Vorschlag eines „Gesetz[es] zur Sicherung der Autonomie und Integrität von Patienten am Lebensende (Patientenautonomie- und Integritätsschutzgesetz)“ 673 sollte sich die Genehmigungspflicht auf Konfliktfälle beschränken, also bei einem Einvernehmen von Patientenvertreter und Arzt hinsichtlich einer Übereinstimmung von dem anvisierten ärztlichen Verhalten und dem (mutmaßlichen) Patientenwillen entfallen. Der „Alternativ-Entwurf Sterbebegleitung“ 674 plädierte darüber hinaus für das 669

Ebenfalls krit. und daher einschränkend in Bezug auf die vom BGH verwendete Formulierung Saliger MedR 2004, 237 (242). 670 BGHZ 163, 195 (198 f.): Ein solcher „Konflikt“ erfordere, dass der „behandelnde Arzt eine lebenserhaltende oder -verlängernde Maßnahme für medizinisch geboten oder vertretbar erachtet und sie deshalb ,anbietet‘ “, der Betreuer diese Behandlung aber verweigert. Das ärztliche Angebot lässt angesichts des aufgegebenen Prüfprogramms unter nur medizinischer Sichtweise den Patientenwillen (noch) außer Acht. 671 Abschlussbericht Bioethik-Kommission „Sterbehilfe und Sterbebegleitung: Ethische, rechtliche und medizinische Bewertung des Spannungsverhältnisses zwischen ärztlicher Lebenserhaltungspflicht und Selbstbestimmung des Patienten“ vom 23.4. 2004, abrufbar unter http://www.mjv.rlp.de/Ministerium/Bioethik/, S. 56. 672 BMJ-Arbeitsgruppe, Abschlussbericht vom 10.6.2004, abrufbar unter http://www. bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/pdfs/Patientenautonomie_am_Lebensende.pdf?__ blob=publicationFile; vgl. dazu Kutzer BtPrax 2005, 50 ff.; May EthikMed 2005, 152 (155). 673 Vgl. § 3 Abs. 5 des Entwurfs, nachzulesen bei Höfling MedR 2006, 25 ff. 674 Alternativ-Entwurf Sterbebegleitung Schöch/Verrel GA 2005, 553 (571); der Entwurf basiert auf dem Alternativentwurf eines Gesetzes über Sterbehilfe, erstellt durch einen Arbeitskreis von Professoren des Strafrechts und der Medizin sowie ihrer Mitarbeiter, vorgelegt durch J. Baumann u. a., Stuttgart/New York 1986.

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

Entfallen der Genehmigungspflicht, wenn der Patient durch einen Bevollmächtigten anstatt eines Betreuers vertreten wird675, der Nationale Ethikrat befürwortete eine gerichtliche Kontrolle des Bevollmächtigten nur bei Anhaltspunkten für eine missbräuchliche Verwendung der Patientenverfügung.676 Die Enquête-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ forderte hingegen in ihrem Zwischenbericht677 ein umfassendes Genehmigungserfordernis für jegliche Umsetzungsentscheidung eines Patientenvertreters. Nach dem Referentenentwurf des BMJ678 schließlich sollte das Genehmigungserfordernis bei Vorliegen einer Patientenverfügung entfallen679 und sich darüber hinaus auch bezüglich der Ermittlung des mutmaßlichen Patientenwillens auf die Einwilligung eines Betreuers beschränken.680 Erstere Forderung bekräftigte Verrel in seinem Reformvorschlag im Rahmen des Gutachtens für den 66. DJT.681 In Bezug auf die Auswirkung der verfahrensrechtlichen Vorgaben für die Ermittlung des Patientenwillens auf die strafrechtliche Bewertung der Umsetzung des Patientenwillens fanden sich jedoch nur vereinzelte Vorschläge. Indem Verrel die Möglichkeit eines subsidiären Rückgriffs auf den mutmaßlichen Patientenwillen bei Verfahrensverstoß eröffnet682, möchte er wohl die vom Strafsenat des BGH angenommene Zweispurigkeit der möglichen Rechtfertigung beibehalten, sodass über die mutmaßliche Einwilligung eine strafrechtsautonome Bewertung erfolgen könnte. Demgegenüber enthält der im Auftrag der Deutschen HospizStiftung erarbeitete Vorschlag eines „Gesetz[es] zur Sicherung der Autonomie und Integrität von Patienten am Lebensende (Patientenautonomie- und Integritätsschutzgesetz)“ 683 eine separate Strafvorschrift in Bezug auf Verfahrensfehler, deren Strafmaß mit maximal 5 Jahren deutlich unter dem der Tötungsdelikte 675 Dazu Neumann/Saliger HRRS 2006, 280 (284): „,gebremste‘ Prozeduralisierung“; ausdrücklich gegen eine Privilegierung von Bevollmächtigten v. Dewitz/Kirchner MedR 2005, 134 (143); Geißendörfer/Tietze/Simon BtPrax 2004, 43 (46); Taupitz 63. DJT, A 98 f. 676 Stellungnahme des Nationalen Ethikrats zum Thema „Patientenverfügung – Ein Instrument der Selbstbestimmung“, abrufbar unter www.ethikrat.org/stellungnahmen/ pdf/Stellungnahme_Patientenverfuegung.pdf, S. 32; in diese Richtung auch schon Strätling/Lipp/May/Kutzer/Glogner/Schlaudraff/Neumann/Simon MedR 2003, 483 (489). 677 Zwischenbericht der Enquête-Kommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ vom 13.9.2004, BT-Drs. 15/3700, S. 44 f.; vgl. dazu Riedel BtPrax 2005, 45 ff. 678 Entwurf eines 3. Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts, abrufbar unter http://www.gesmat.bundesgerichtshof.de/gesetzesmaterialien/15_wp/betrraendg_3/refe_ 04-11-01.pdf; dazu Kutzer BtPrax 2005, 50 (52): Vermeidung von „bürokratische[r] Überregulierung“. 679 RefE BMJ, S. 18. 680 RefE BMJ, S. 4. 681 Verrel 66. DJT, C 96 f.: „unangebrachte[s] Misstrauen gegenüber Ärzten und Patientenvertretern“; vgl. zur Kritik eines solchen Misstrauens auch Strätling/Lipp/May/ Kutzer/Glogner/Schlaudraff/Neumann/Simon MedR 2003, 483 (488). 682 Verrel 66. DJT, C 89. 683 Vgl. Höfling MedR 2006, 25 ff.

III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB

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liegt684; geringe Verfahrensfehler in Form von Verstößen gegen die Dokumentationspflicht sollen nach dem Entwurf wie auch nach dem „Alternativ-Entwurf Sterbebegleitung“ nur als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.685 Im Übrigen beschränkten sich die Reformvorschläge darauf, wenn sie denn überhaupt auf die strafrechtliche Seite eingehen, klare Strafbarkeitsgrenzen zu fordern.686 cc) Gesetzentwürfe Die letztlich in den Bundestag eingebrachten Gesetzentwürfe zur Patientenverfügung und ihrer Umsetzung – der sog. Bosbach-Entwurf,687 der sog. Zöller-Entwurf 688 und der sog. Stünker-Entwurf 689 – beschränkten sich allesamt auf eine Regelung im Betreuungsrecht, wohl da eine strafrechtliche Begleitregelung eine gesetzgeberisch nur schwer durchsetzbare Gesamtregelung der Strafbarkeit von Sterbehilfe erforderlich gemacht hätte.690 Folglich ist direkter Regelungsgegenstand nur das zivilrechtliche Verhältnis zwischen Betreuer und Betreutem bzw. Bevollmächtigtem und Vollmachtgeber, nicht aber dessen Auswirkungen auf das Strafrecht.691 Einig waren sich alle Gesetzentwürfe in Bezug auf die Verbindlichkeit einer Patientenverfügung für den Patientenvertreter, wobei nach dem sog. BosbachEntwurf die volle Verbindlichkeit nur durch eine qualifizierte Patientenverfügung hervorgerufen werden sollte,692 sowie die jederzeitige Möglichkeit eines form684 Höfling MedR 2006, 25 (31): Das Strafmaß des § 4 orientiert sich an dem der Körperverletzungs- und Tötungsdelikte, da die §§ 2, 3 dem Schutz von Leib und Leben sowie dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten dienen. 685 Höfling MedR 2006, 25 (31): Gem. § 5 ist bei Verstoß gegen die Pflicht zur Anfertigung bzw. Aufhebung von Niederschriften eine Geldbuße bis 5000 A zu verhängen, wobei sich diese Bußgeldbestimmung an entsprechenden Normen des TPG orientiert; auch der „Alternativ-Entwurf Sterbebegleitung“ (Entwurf eines 3. Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts, abrufbar unter http://www.gesmat.bundesgerichtshof.de/ge setzesmaterialien/15_wp/betrraendg_3/refe_04-11-01.pdf) enthält in § 3 i.V. m. § 2 Abs. 1, 3 eine – wenngleich mit bis zu 25 000 A weitaus höher angesetzte – bußgeldbewehrte Dokumentationspflicht bezüglich eines Konsenses zwischen Arzt und Betreuer, vgl. Schöch/Verrel GA 2005 553 (571). 686 So etwa die interdisziplinäre Expertenarbeitsgruppe des BMJ „Patientenautonomie am Lebensende“, vgl. May EthikMed 2005, 152 (155 f.). 687 BT-Drs. 16/11360; neben Bosbach (CDU) u. a. eingebracht von Göring-Eckardt (Grüne), Röspel (SPD), Fricke (FDP). 688 BT-Drs. 16/11493; neben Zöller (CSU) u. a. von Faust (CDU), Däubler-Gmelin (SPD) und Knoche (Linke) vorgelegt. 689 BT-Drs. 16/8442; neben Stünker (SPD) u. a. von Bahr (FDP), Gysi (Linke), Lafontaine (SPD) und Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) unterstützt. 690 Vgl. G. Müller ZEV 2008, 583 (586); dies. DNotZ 2010, 169; Putz FPR 2012, 13 (14). 691 Silberg HFR 2010, 104. 692 BT-Drs. 16/11360, S. 14: Für die Abfassung einer qualifizierten Form der Patientenverfügung bedarf es einer umfassenden rechtlichen und ärztlichen Beratung sowie

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

freien Widerrufs der Patientenverfügung.693 Nach allen Entwürfen hat der Betreuer der Patientenverfügung „Ausdruck und Geltung“ zu verschaffen694 und die Erforderlichkeit einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung beschränkte sich ebenfalls einheitlich auf den Konfliktfall, wenn also zwischen Arzt und Betreuer kein Einvernehmen darüber besteht, dass eine Einwilligung bzw. ihr Widerruf in eine ärztliche Behandlung dem Patientenwillen entspricht.695 In Bezug auf das Erfordernis einer Betreuerbestellung bei Vorliegen einer Patientenverfügung und Nichtexistenz eines Vorsorgebevollmächtigten – das vor dem Hintergrund der vom 12. Zivilsenat des BGH in der sog. Lübecker Entscheidung entwickelten Sperrwirkung durch die Existenz bzw. Bestellbarkeit eines Betreuers im Hinblick auf den möglichen Rückgriff auf eine mutmaßliche Einwilligung696 besondere Bedeutung erlangt – wird in den Gesetzentwürfen keine deutliche Stellung bezogen. Einzig der sog. Bosbach-Entwurf möchte § 1896 Abs. 2 BGB durch den Zusatz ergänzen: „Das Vorliegen einer Patientenverfügung schließt die Erforderlichkeit der Betreuerbestellung nicht aus.“ 697 Auch diese Regelung lässt aber nicht den Umkehrschluss zu, dass die Betreuerbestellung in jedem Fall der Umsetzung einer Patientenverfügung erforderlich ist, schließlich könnte beispielsweise bei Eindeutigkeit einer Patientenverfügung der Patient selbst trotz aktueller Einwilligungsunfähigkeit dazu in der Lage sein, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen.698 Nach hier vertretener Ansicht ist aber auch ohne ausdrückliche Regelung in den Gesetzentwürfen für die Umsetzung einer Patientenverfügung stets die Existenz eines Patientenvertreters erforderlich, da

einer notariellen Beurkundung. Gleichwohl entfällt die gesteigerte Bindungswirkung mit Ablauf von 5 Jahren, außer die Verfügung ist durch eine erneute ärztliche Beratung bestätigt worden oder eine erneute Bestätigung ist durch Verlust der Einwilligungsfähigkeit unmöglich geworden – dieses „Verfallsdatum“ steht nach G. Müller ZEV 2008, 583 (588) im Widerspruch zu dem übrigen Rechtssystem, nach welchem Willenserklärungen solange wirksam bleiben, bis sie durch einen Widerruf aus der Welt geschafft werden. Bei der einfachen Patientenverfügung gem. § 1901b Abs. 3 BGB-E ist die Anordnung eines Behandlungsabbruchs hingegen nur verbindlich, „wenn eine unheilbare, tödlich verlaufende Krankheit oder eine Situation vorliegt, in der der Patient mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ – dies beurteilt sich nach einer Einschätzung aus ärztlicher Sicht und tritt je nach Erkrankung zwischen einem halben und einem ganzen Jahr ab Beginn des Wachkomas ein, vgl. BT-Drs. 16/11360, S. 21 – „trotz Ausschöpfung aller medizinischen Möglichkeiten das Bewusstsein niemals wieder erlangen wird“, so BT-Drs. 16/11360, S. 3. 693 BT-Drs. 16/8442, S. 13; 16/11360, S. 2; 16/11493, S. 8. 694 BT-Drs. 16/8442, S. 4; 16/11493, S. 5; nach BT-Drs. 16/11360, S. 4 nur „Geltung“ zu verschaffen. 695 BT-Drs. 16/8442, S. 4; 16/11360, S. 5; 16/11493, S. 5. 696 BGHZ 154, 205 (211). 697 BT-Drs. 16/11360, S. 4. 698 So in Bezug auf die letztlich Gesetz gewordene Regelung bspw. Coeppicus NJW 2013, 2939 (2940); Hörr, S. 139 f.; dazu bereits ausführlich unter C. I. 1.

III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB

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allen Entwürfen das Schutzprinzip der gegenseitigen Kontrolle zwischen Arzt und Patientenvertreter zu Grunde liegt, das nur bei tatsächlicher Existenz beider Parteien Wirksamkeit entfalten kann. Demnach wäre nach allen Gesetzentwürfen der in der Lübecker Entscheidung aufgestellte Grundsatz, dass der Rückgriff auf die mutmaßliche Einwilligung bei Existenz699 bzw. Bestellbarkeit eines Betreuers gesperrt ist, auf sämtliche Fälle einer Patientenverfügung auszuweiten – sofern man den Grundsatz denn anerkennen möchte700. Auch zu den Auswirkungen des betreuungsrechtlich angeordneten Verfahrens701 auf die strafrechtliche Bewertung äußert sich wiederum nur der BosbachEntwurf ansatzweise: „Durch die zivilrechtlichen Regeln über die Nichteinwilligung oder den Widerruf der Einwilligung in eine lebenserhaltende Behandlung (§ 1901b Abs. 2 und 3, § 1904 Abs. 2 und 3, § 1904a BGB) wird die Anwendung der strafgesetzlichen Bestimmungen zum Schutz des Lebens (§ 211 ff. StGB) beeinflusst. Bei deren Anwendung sind die Vorschriften des PatVG zu beachten, weil diese zulässige Einwirkungen auf das Leben definieren und damit den Sanktionsregelungen von § 211 ff. StGB den Bezugspunkt einer Sanktion nehmen, soweit die Regeln des Gesetzes eingehalten werden (vgl. Höfling, MedR 2006, S. 25 [28])“ 702 Diese Passage erweckt dem Wortlaut nach zwar den Anschein, als sollte eine Strafbarkeit nach den §§ 211 ff. StGB nur bei Einhaltung aller Vorgaben des PatVG, also auch der Verfahrensvorgaben, ausscheiden. Zu berücksichtigen ist aber, dass sie nahezu wortgleich von dem „Patientenautonomie- und Integritätsschutzgesetz“-Entwurf Höflings703 übernommen wurde: Dieser Gesetzentwurf enthält aber für die Verwirklichung reinen Verfahrensunrechts spezielle Straf- und Ordnungswidrigkeitenvorschriften (§ 4 bzw. § 5 Patientenautonomieund Integritätsschutzgesetz), sodass ebendieses Unrecht im Umkehrschluss nicht nach den §§ 211 ff. StGB strafbar sein sollte – angesichts der ausdrücklichen Bezugnahme des Bosbach-Entwurfs auf den Entwurf Höflings ist diese Einordnung zu übernehmen, auch wenn der Bosbach-Entwurf selbst keine spezielle Strafoder Bußgeldregelung enthält.

699 Nach alter Rechtslage war die Existenz eines Patientenvertreters zur Umsetzung einer Patientenverfügung nicht bereits mit dem soeben angeführten Argument zwingend erforderlich, da das Schutzkonzept einer gegenseitigen Kontrolle zwischen Arzt und Patientenvertreter damals noch keinen Eingang in das Gesetz gefunden hatte. 700 Wegen der Änderung der Rechtslage durch das 3. BtÄndG wäre allerdings auch bei Abweichung von dieser Rechtsprechung die Einberufung des Großen Senats nach § 132 GVG nicht erforderlich. 701 In den anderen Entwürfen findet sich nur ein nicht auf die Verfahrensvorgaben beschränkter Hinweis darauf, dass die Grenze des § 216 StGB durch die §§ 1901a ff. BGB n. F. nicht verschoben werden soll, s. BT-Drs. 16/8442, S. 7, 9; 16/11493, S. 7. 702 BT-Drs. 16/11360, S. 15. 703 Höfling erarbeitete den Gesetzentwurf, nachzulesen in MedR 2006, 25 ff., im Auftrag der Deutschen Hospiz-Stiftung.

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

Letztlich hat der Bundestag am 18. Juni 2009 mit 318 Stimmen, 232 Gegenstimmen sowie 5 Enthaltungen704 das „Dritte Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts“ auf der Basis des Stünker-Entwurfs verabschiedet.705 Auch vor dem Hintergrund der vorangegangenen Reformbestrebungen in Rechtsprechung und Literatur steht der darin zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers der Ablehnung einer Akzessorietät des Strafrechts zu den verfahrensrechtlichen Vorgaben des Betreuungsrechts zur Umsetzung einer Patientenverfügung nicht entgegen, wenngleich er ihn auch nicht zusätzlich stützt. d) Rückschluss aus dem Volljährigkeitserfordernis in § 1901a Abs. 1 BGB Zusätzliche Stütze könnte die Ablehnung einer Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB aber durch das in § 1901a Abs. 1 BGB enthaltene Volljährigkeitserfordernis erfahren – wäre die Umsetzung des Patientenwillens nur in Bezug auf im Erwachsenenalter Verfügende betreuungsrechtlich an die Einhaltung des Verfahrens gebunden, könnte sich unter Annahme einer Akzessorietät eine nicht zu rechtfertigende Zweiteilung der Strafbarkeit bei sofortiger Umsetzung des Patientenwillens ergeben: Der Behandlungsabbruch im Hinblick auf einen volljährigen Patienten wäre wegen Verstoßes gegen das betreuungsrechtlich vorgeschriebene Verfahren gem. §§ 211 ff. StGB strafbar, der Behandlungsabbruch an einem Minderjährigen wäre hingegen bei der Möglichkeit eines unmittelbaren Rückgriffs auf den Patientenwillen706 durch diesen gerechtfertigt. Freilich wäre für dieses zweifelhafte Ergebnis über die Akzessorietät hinaus erforderlich, dass die §§ 1901a ff. BGB einen Rückgriff auf den Patientenwillen des Minderjährigen nicht sperren. Angesichts der sogar gesteigerten Schutzbedürftigkeit Minderjähriger wird solch ein Rückgriff aber selbst unter Annahme einer Akzessorietät nicht zulässig sein – stattdessen sind Verfügungen eines Minderjährigen wohl über § 1901a Abs. 2 BGB zu erfassen,707 um dem medizinischen Selbstbestimmungsrecht ab Einwilligungsfähigkeit ausreichend Rechnung zu tragen. 704

Plenarprotokoll 16/227, S. 25124. G. Müller ZEV 2008, 583 (585): „Stünker II“; nach Überweisung an den Rechtsausschuss zur federführenden Beratung sowie an den Finanzausschuss, den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Ausschuss für Gesundheit und an den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zur Mitberatung waren einige Änderungen an den Gesetzentwürfen vorgenommen worden, vgl. BT-Drs. 16/13314, S. 9 ff. 706 Für die Möglichkeit eines solchen unmittelbaren Rückgriffs auf den Willen des minderjährig Verfügenden Sternberg-Lieben/Reichmann NJW 2012, 257 (262), die sich allerdings wohl insgesamt gegen die Maßgeblichkeit des betreuungsrechtlichen Verfahrens für die strafrechtliche Bewertung aussprechen. 707 So auch G. Müller DNotZ 2010, 169 (182 Fn. 62); Spickhoff FamRZ 2009, 1949 (1951); Taupitz in v. Honnefelder/Sturma (Hrsg.), Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik 2010, S. 155 (161). 705

III. Legitimationsmöglichkeiten durch §§ 1901a ff. BGB

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Das einzig vom Stünker-Entwurf vorgesehene Volljährigkeitskriterium war bereits im Vorfeld kritisiert worden,708 gleichwohl lieferten weder die Gesetzesbegründung noch die vorangegangenen Rechtsausschuss- und Plenardebatten eine Erklärung dafür, wieso entgegen der sonstigen Einwilligungsmöglichkeit Minderjähriger in medizinische Maßnahmen709 neben der Einwilligungsfähigkeit auch die Volljährigkeit des Verfügenden Voraussetzung für eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Abs. 1 BGB sein soll.710 Auch der Standort im nur auf Volljährige anwendbaren Betreuungsrecht vermag die Eingrenzung auf die Verfügung Volljähriger nicht zu erklären, schließlich ist das Betreuungsrecht eigentlich auch nur auf Betreute anwendbar, während der eine Patientenverfügung Abfassende gerade noch einwilligungsfähig sein muss und damit eigentlich ebenfalls aus dem Anwendungsbereich des Betreuungsrechts herausfällt711 – der Standort könnte deshalb allenfalls ein an das Alter bei Erforderlichkeit der Betreuung, nicht aber ein an das Alter bei Abfassung der Patientenverfügung anknüpfendes Kriterium begründen. Weder eine staatliche Schutzpflicht712 noch das elterliche Personensorgerecht713 vermögen schließlich den Eingriff in das auch dem einwilligungsfähigen Minderjährigen zustehende medizinische Selbstbestimmungsrecht714 zu begründen, sodass sich die Unwirksamkeit einer Verfügung durch einen minderjährigen Patienten nicht nur als „aus ethischer Sicht sehr problematisch“,715 sondern auch verfassungsrechtlich als Verletzung des Selbstbestimmungsrechts und des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes716 darstellt.717 Zwar ist auf Grund des klaren Wortlauts keine verfassungskonforme Auslegung des § 1901a Abs. 1 BGB möglich,718 und angesichts der Eigenschaft einer Pa708 Lange ZEV 2009, 537 (539); Spickhoff FamRZ 2009, 1949 (1951); ders. AcP 208 (2008), 345 (389 f.). 709 Einigkeit besteht zumindest in Bezug auf ein Veto-Recht des Minderjährigen (BGH NJW 2007, 217 (218); Sch/Sch29 /Lenckner/Sternberg-Lieben Vor §§ 32 ff. Rn. 40; Sch/Sch29 /Eser § 223 Rn. 38a; Golbs, S. 87 ff. Heyers, S. 88; s. Müller MedR 2011, 339 (344); Nebendahl MedR 2009, 197 ff.; Reichmann/Ufer JR 2009, 485 (486)), das aber jedenfalls eine auf Behandlungsabbruch gerichtete Verfügung abdeckte. 710 Sternberg-Lieben/Reichmann NJW 2012, 257 (258) mit Verweis auf BT-Drs. 16/ 8442, S. 19; Taupitz in v. Honnefelder/Sturma (Hrsg.), Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik 2010, S. 155 (159). 711 Coester-Waltjen MedR 2012, 553 (556). 712 Sternberg-Lieben/Reichmann NJW 2012, 257 (260). 713 Sternberg-Lieben/Reichmann NJW 2012, 257 (259). 714 Sternberg-Lieben/Reichmann NJW 2012, 257 (259). 715 J. P. Beckmann in v. Honnefelder/Sturma (Hrsg.), Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik 2010, S. 221 (230): „aus ethischer Sicht sehr problematisch“. 716 BeckOK-BGB/G. Müller § 1901a Rn. 13; dies. DNotZ 2010, 169 (182); Taupitz in v. Honnefelder/Sturma (Hrsg.), Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik 2010, S. 155 (161); krit. auch Lange ZEV 2009, 537 (539); Renner ZAP Fach 11, 1075 (1078). 717 A. A. anscheinend Roglmeier/Lenz ZErb 2009, 236 (238), die Patientenverfügungen Minderjähriger für unbeachtlich erklären. 718 Sternberg-Lieben/Reichmann NJW 2012, 257 (261).

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E. Einordnung der Rechtfertigungswirkung der §§ 1901a ff. BGB

tientenverfügung als höchstpersönliche Entscheidung kann die Selbstbestimmung des minderjährigen Patienten auch nicht über eine Stellvertretung durch seine Eltern überwunden werden.719 Doch kann die fehlende Volljährigkeit des Verfügenden wie andere Wirksamkeitsdefizite einer Patientenverfügung durch § 1901a Abs. 2 BGB aufgefangen werden,720 was nach hier vertretener Ansicht zu derselben verfahrensrechtlichen Absicherung einer sorgfältigen Ermittlung und Umsetzung des Patientenwillens führt wie bei einer Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Abs. 1 BGB. Mangels Beschränkung des durch die §§ 1901a ff. BGB angeordneten Verfahrens auf Verfügungen Volljähriger sind aus dem Volljährigkeitserfordernis in § 1901a Abs. 1 BGB also keine Rückschlüsse für oder wider die Akzessorietät des Strafrechts zu diesen Verfahrensvorgaben möglich. 4. Ergebnis zur strafrechtlichen Legitimation der Umsetzung einer Patientenverfügung bzw. eines -wunsches Alles in allem ist die Umsetzung einer Patientenverfügung nach hier vertretener Ansicht strafrechtlich autonom zu bewerten, die Einhaltung der betreuungsrechtlich vorgegebenen Verfahrensschritte wirkt sich also nur in Bezug auf einen Fahrlässigkeitsvorwurf bei Verstoß gegen den Patientenwillen aus. Die Beteiligten können ihr Verhalten nicht allein durch diese Verfahrensschritte prozedural legitimieren, erst recht erfolgt keine Rechtfertigung allein auf Grund der Übereinstimmung der Umsetzung mit einem hypothetisch prozedural betreuungsrechtskonformen Verhalten. Schließlich war auch die Konstruktion einer speziellen, gemischt materiell-prozeduralen Rechtfertigung abzulehnen, vor allem weil sie Verletzungs- in abstrakte Gefährdungsdelikte verkehrte bzw. im Hinblick auf § 216 StGB eine entsprechende Aufladung als abstraktes Gefährdungsdelikt nicht zu legitimieren wäre. Folglich bilden die herkömmlichen Einwilligungsformen – in Bezug auf eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Abs. 1 BGB die tatsächliche, in Bezug auf einen Behandlungswunsch im Sinne des § 1901a Abs. 2 BGB die mutmaßliche Einwilligung – den Ausgangspunkt einer Rechtfertigung, sind aber durch die im Übrigen aufgestellten materiellen Anforderungen des BGH zur möglichen Überwindung der Einwilligungssperre des § 216 StGB zu konkretisieren; die in den §§ 1901a ff. BGB enthaltenen Verfahrensvorgaben werden hingegen nicht zur Konkretisierung herangezogen.

719 BeckOK-BGB/G. Müller § 1901a Rn. 13; Sternberg-Lieben/Reichmann NJW 2012, 257 (261). 720 So auch G. Müller DNotZ 2010, 169 (182 Fn. 62); Spickhoff FamRZ 2009, 1949 (1951); Taupitz in v. Honnefelder/Sturma (Hrsg.), Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik 2010, S. 155 (161); a. A. Sternberg-Lieben/Reichmann NJW 2012, 257 (261): „wenig plausibel“, stattdessen sei der Minderjährige auf die Vorsorgevollmacht zu verweisen.

F. Anwendung und Konkretisierung des Ergebnisses in Bezug auf noch offene Fragestellungen Das bedeutet für die im Zusammenhang mit der Diskussion um die Akzessorietät aufgetauchte Frage nach der Rechtsnatur der betreuungsgerichtlichen Genehmigung, dass sie – wie auch die Umsetzungsentscheidung des Patientenvertreters – als rein deklaratorisch einzuordnen ist, schließlich geht die Legitimationswirkung nach dem hier erarbeiteten Ergebnis allein von dem als direkt bindend einzuordnenden(mutmaßlichen) Patientenwillen und den sonstigen vom BGH aufgestellten Anforderungen an die Einwilligung aus. Auch in Bezug auf die noch nach alter Rechtslage von der Rechtsprechung teilweise angenommene, aber umstrittene Möglichkeit eines Rückgriffs auf die mutmaßliche Einwilligung, wenn die Legitimationsanforderungen durch eine Patientenverfügung nicht erfüllt sind, bedeutet die Ablehnung einer Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB eine klare Lösung: Da die herkömmlichen Einwilligungsformen die Basis für eine Legitimation „durch Patientenverfügung“ bilden, findet auch die Subsidiarität der mutmaßlichen Einwilligung Anwendung. Stellt die Patientenverfügung also eine tatsächliche Einwilligung dar, ist ein entsprechendes Verhalten zwar auch ohne Einhaltung der betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben strafrechtlich legitimiert, ein der tatsächlichen Einwilligung zuwiderlaufendes Verhalten kann aber nicht durch Erwägungen in Bezug auf den mutmaßlichen Willen gerechtfertigt werden. Ohnehin bedeutete der Rückgriff auf die mutmaßliche Einwilligung für die Beteiligten keine Legitimationserleichterung, da auch sie durch § 1901a Abs. 2 BGB eine Konkretisierung mit denselben Anforderungen erfährt. Damit findet § 1901a Abs. 2 BGB nur Anwendung, wenn es an einer Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Abs. 1 BGB fehlt. Schließlich gilt es noch, einzelne Detailfragen zu klären, die sich im Rahmen der denkbaren Fallkonstellationen gestellt haben. Indem nicht einmal die Verletzung der zwingenden Verfahrensvorschriften zu einer Strafbarkeit führt, hindert erst recht nicht die Verletzung reiner „Soll“-Vorschriften1 die Legitimation durch

1 Vgl. Szenario 5 (keine Gelegenheit zur Stellungnahme für Vertrauenspersonen) unter C. II. 5. Die dort aufgetauchte Problematik könnte übertragbar sein auf weitere „Soll“-Vorschriften: § 298 Abs. 1, S. 2 FamFG – Anhörung der sonstigen Beteiligten, § 298 Abs. 3, S. 2 FamFG – keine Personenidentität zwischen Sachverständigem und behandelndem Arzt. Beide Vorgaben richten sich jedoch nur an den Betreuungsrichter, dessen Strafbarkeit erst ab der Schwere einer Rechtsbeugung im Sinne des § 339 StGB

262

F. Anwendung und Konkretisierung des Ergebnisses

den Patientenwillen; dies gilt auch, wenn die verletzte Vorschrift wie § 1901b Abs. 2 BGB den Beteiligten eine intendierte Ermessensentscheidung vorgibt. Auch der Verzicht auf Rechtsmittel seitens der vor dem Betreuungsgericht unterliegenden Partei2 hat dementsprechend keinen unmittelbaren Einfluss auf die Strafbarkeit. Beiden Fragestellungen kommt jedoch mittelbare Bedeutung auch für das Strafrecht zu, wenn die Beteiligten den Patientenwillen unbewusst inhaltlich falsch umgesetzt haben und dementsprechend eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit zu prüfen ist. Damit den Beteiligten die Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt attestiert werden kann, müssen sie nicht nur die zwingenden Verfahrensvorschriften eingehalten haben, sondern auch in Bezug auf die Beteiligung der Vertrauenspersonen des Patienten ihr Ermessen entsprechend der vorgegebenen intendierten Ermessensentscheidung fehlerfrei ausgeübt haben. Das Ergreifen von Rechtsmitteln gegen die betreuungsgerichtliche Entscheidung ist ihnen indes nur bei evidenten Fehlern des Betreuungsrichters in der Urteilsfindung abzuverlangen, im Übrigen dürfen die Beteiligten parallel zu der Unvermeidbarkeit eines Verbotsirrtums bei Einholung von Rechtsrat3 auf das Urteil des rechtskundigen Betreuungsrichters vertrauen. Auf den Verstoß gegen die Verfahrensvorgaben mittels der Herbeiführung eines künstlichen Dissenses4 kann die gefundene Rechtfertigungslösung allerdings nicht ausgeweitet werden.5 Während bei den sonstigen Verfahrensverstößen nur prozedurales Unrecht verwirklicht wird, da der Patientenwille schneller als nach Durchführung des betreuungsrechtlich vorgesehenen Verfahrens umgesetzt wird, geht die Herbeiführung eines künstlichen Dissenses mit der Verwirklichung materiellen Unrechts einher: Die unter Umständen mit irreparablen Schäden einhergehende6 vorübergehende Weiterbehandlung bis zu einer endgültigen Umsetzungsentscheidung kann nicht direkt mit dem Patientenwillen begründet werden, schließlich läuft sie bei einem auf Behandlungsabbruch gerichteten Patientenwillen konträr zu diesem, und auch bei einem auf Weiterbehandlung gerichteten Patientenwillen können die getroffenen medizinischen Maßnahmen unter Umständen von den mit Blick auf den Patientenwillen gebotenen Maßnahmen abweichen, schließlich ist die vorübergehende Weiterbehandlung anstatt auf die optimale Krankheitsbekämpfung auf den Erhalt des Lebens durch möglichst wenig in Betracht kommt, sodass die letztgenannten „Soll“-Vorschriften an dieser Stelle außer Betracht gelassen werden können. 2 Vgl. Szenario 2 unter C. II. 2. 3 Vgl. dazu bspw. Sch/Sch29 /Sternberg-Lieben/Schuster § 17 Rn. 18 m.w. N. 4 Vgl. Szenario 3 unter C. II. 3. 5 Demgegenüber erklärt der BGH v. 17.9.2014, Az. XII ZB 202/13 Rn. 19 f., ein Negativattest ausdrücklich für zulässig, sodass demnach auch ein künstlicher Dissens schon ein zivilrechtliches Unrecht verwirklichte und daher erst recht nicht zu einem strafrechtlichen Vorwurf führen könnte. 6 Deshalb krit. bezüglich des betreuungsrechtlichen Verfahrens Arzt in GS Wolf, S. 609 (620).

F. Anwendung und Konkretisierung des Ergebnisses

263

in die körperliche Integrität des Patienten eingreifende Maßnahmen gerichtet. Einzig mit Blick auf die betreuungsrechtlich angeordnete verfahrensrechtliche Absicherung der richtigen Umsetzung des Patientenwillens kann die den Tatbestand der Körperverletzung (bei einem auf die Weiterbehandlung gerichteten Patientenwillen unter Umständen den Tatbestand der Körperverletzung durch Unterlassen der medizinisch gebotenen Behandlung) erfüllende vorübergehende Weiterbehandlung legitimiert werden – was betreuungsrechtlich gefordert wird, kann nicht strafrechtlich verboten sein.7 Diese Legitimation reicht aber nur so weit, wie die Verzögerung der Umsetzung des Patientenwillens nach dem betreuungsrechtlichen Schutzkonzept zur Steigerung der Richtigkeitsgewähr „erforderlich“ ist – nach § 1904 Abs. 4 BGB fehlt ebendiese Erforderlichkeit einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung aber bei einem Konsens, wobei auch ein künstlich herbeigeführter Dissens ausweislich der Gesetzesbegründung8 unter diesen Konsensbegriff zu fassen ist.

7 Sternberg-Lieben in FS Roxin, S. 537 (556 Fn. 103); s. dazu bereits D. IV. unter Bezugnahme auf die Einheit der Rechtsordnung und den ultima ratio-Grundsatz des Strafrechts. 8 BT-Drs. 16/8442, S. 12: Genehmigung des Betreuungsgericht ist nur dann erforderlich, wenn „zwischen behandelndem Arzt und dem Betreuer unterschiedliche Auffassungen über den Patientenwillen bestehen“.

G. Zusammenfassung Die vorliegende Arbeit untersucht den Einfluss der betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben in Bezug auf die Umsetzung von Patientenverfügungen auf die strafrechtliche Bewertung des entsprechenden Verhaltens – letztlich bilden die Verfahrensvorgaben nach hier vertretener Ansicht nur den im Rahmen eines Fahrlässigkeitsvorwurfs anzulegenden Sorgfaltsmaßstab aus, im Übrigen ist das Verhalten der Beteiligten jedoch strafrechtlich autonom zu bewerten. Den Ausgangspunkt der Untersuchung bildet die sog. Fuldaer Entscheidung des BGH vom 25.6.2010 (BGHSt 55, 191 ff.) einschließlich der darin für den Behandlungsabbruch entwickelten Rechtfertigungslösung, nach der es für die Grenzziehung strafloser (passiver) Sterbehilfe nicht länger auf die Unterscheidung zwischen Tun und Unterlassen, sondern vor allem auf die auch antizipiert in Form einer Patientenverfügung erteilbare Verweigerung einer Einwilligung des Patienten in die Vornahme lebensverlängernder Maßnahmen ankommt: Die doppelte Wirkrichtung des Patientenwillens zeigt den einzig durch „Einwilligung“ gerechtfertigten Weg für die Beteiligten auf. Betreuungsrechtlich sind die Beteiligten gleichwohl gehalten, den genauen Inhalt und die Einschlägigkeit der entsprechenden Patientenäußerung, das Vorliegen von Einwilligungsfähigkeit bei Erteilung der Verfügung sowie das Fehlen eines (formfreien) Widerrufs verfahrensrechtlich abzusichern – nach hier vertretener Ansicht unabhängig davon, ob die Äußerung des Patienten den Anforderungen des § 1901a Abs. 1 BGB genügt oder nur als Patientenwunsch bzw. mutmaßlicher Patientenwille im Sinne des § 1901a Abs. 2 BGB Berücksichtigung finden kann.1 Zwar hat der 2. Strafsenat des BGH im sog. Kölner Fall vom 10.11.2010 diese betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben zumindest teilweise ausdrücklich in Bezug genommen, angesichts einer späteren Stellungnahme der Vorsitzenden Richterin Rissing-van Saan darf die Entscheidung wohl dennoch nicht als ein Bekenntnis zur Akzessorietät des Strafrechts zu den betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben verstanden werden. Auch BGHSt 55, 191 ff. trifft angesichts der Widersprüchlichkeit der Begründung in Bezug auf das Verhältnis des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB insoweit keine Entscheidung, zumal sich die Äußerungen nicht einmal ausdrücklich auf die verfahrensrechtliche Komponente der betreuungsrechtlichen Vorschriften beziehen.

1

Siehe C. I. 1., 2. und 4.

II. Tragweite des Untersuchungsgegenstands

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I. Vereinbarkeit mit § 216 StGB als Vorfrage Die Rechtfertigungslösung des BGH lässt die Frage, ob die betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben für eine strafrechtliche Legitimation zwingend einzuhalten sind, nach hier vertretener Ansicht auch trotz des Spannungsverhältnisses zu § 216 StGB offen. Entgegen teilweise vertretener Ansicht in der Literatur ist dieses Spannungsverhältnis nämlich nicht über eine teleologische Reduktion des § 216 StGB anhand der §§ 1901a ff. BGB vorzunehmen, was eine Beschränkung der Legitimation auf die tatsächliche Reichweite der §§ 1901a ff. BGB nahe legte, sondern durch Einschränkung der in § 216 StGB hineingelesenen Einwilligungssperre mittels teleologischer Auslegung: Demnach hat die Einwilligung in eine Tötung ausnahmsweise doch rechtfertigende Wirkung, wenn sie sich im Rahmen des Selbstbestimmungsrechts hält, das auch in das neue Betreuungsrecht Eingang gefunden hat. Dabei ist die zivilrechtliche Regelung durchaus Anlass für diese Erweiterung der strafrechtlichen Einwilligung, doch erfolgt die Anknüpfung an die §§ 1901a ff. BGB nur indirekt über die mit der Reform des Betreuungsrechts vorgenommene Stärkung des Selbstbestimmungsrechts in Form der Patientenautonomie, die eine eigene Entscheidung des Patienten für oder wider einen Behandlungsabbruch akzeptiert.2

II. Tragweite des Untersuchungsgegenstands Nach positiver Beantwortung dieser Vorfrage war zunächst die Tragweite der zu Grunde liegenden Fragestellung zu klären. Die Betrachtung denkbarer Fallkonstellationen3 im Zusammenhang mit der Umsetzung von Patientenverfügungen, die im konkreten Fall entweder das Ergreifen bzw. Fortführen lebensverlängernder Maßnahmen oder den Abbruch der Behandlung fordern, hat das Hauptaugenmerk dabei auf die Konstellationen gelenkt, in denen die Beteiligten – Arzt und/oder Betreuer bzw. Vorsorgebevollmächtigter – entweder nur materielles oder nur prozessuales Unrecht verwirklicht haben: Entweder wurde unter Einhaltung der verfahrensrechtlichen Vorgaben gegen den Patientenwillen verstoßen oder unter Verstoß gegen die zwingenden oder als „soll“-Vorschrift ausgestalteten verfahrensrechtlichen Vorgaben der Patientenwille eingehalten. Im ersten Fall würde bei Nachweis von Fahrlässigkeit, insbesondere bei Vermeidbarkeit eines Erlaubnistatbestandsirrtums, grundsätzlich eine entsprechende Strafbarkeit eingreifen, wenn nicht die Einhaltung der betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben im Hinblick auf den strafrechtlichen Vorwurf eine prozedurale Legitimationswirkung entfaltete. Im zweiten Fall ist entscheidend, ob allein die Nichteinhaltung des Verfahrens, welches die Ermittlung des richtigen Patientenwillens sichern soll, überhaupt einen Strafbarkeitsvorwurf gem. §§ 211, 212, 216 StGB 2 3

Siehe B. I. 3. b). Siehe C. II.

266

G. Zusammenfassung

bzw. § 223 StGB zu begründen vermag, wenn die Beteiligten letztlich auch ohne Einhaltung der Verfahrensvorgaben den Patientenwillen richtig ermittelt und umgesetzt haben. Haben die Beteiligten sich hingegen an die Verfahrensvorgaben der §§ 1901a ff. BGB gehalten und entsprechend dem Patientenwillen gehandelt, sind sie unabhängig von der Frage nach der Akzessorietät gerechtfertigt; haben sie entgegen dem Patientenwillen gehandelt und gegen (einzelne) Verfahrensvorgaben verstoßen, greift auf alle Fälle eine Strafbarkeit wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Tötung bei Behandlungsabbruch, bei Weiterbehandlung wegen Körperverletzung.

III. Grundsätzliches Verhältnis zwischen den betroffenen Rechtsgebieten Insbesondere da der BGH in der sog. Fuldaer Entscheidung die Einheitlichkeit der Rechtsordnung zur Bestimmung der Grenze einer möglichen Rechtfertigung lebensbeendender Handlungen herangezogen hat, erschien es angebracht, zunächst das grundsätzliche Verhältnis zwischen Straf- und Zivilrecht auf Hinweise für oder wider die Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB zu untersuchen. 1. Normenhierarchische Vorgaben Dabei stellte sich ebendiese Bezugnahme des BGH als Leerformel heraus, da die Rechtsordnung zwar als in sich geschlossene Ganzheit widerspruchsfrei zu bleiben hat und damit eine zivilgesetzlich erlaubte Verhaltensweise strafrechtlich nicht sanktioniert werden darf, jedoch angesichts des ultima ratio-Grundsatzes des Strafrechts nicht von einem Verstoß gegen des Zivilrecht auf eine strafrechtliche Sanktion geschlossen werden kann.4 Folglich stellt die betreuungsrechtliche Regelung zwar angesichts der Einheit der Rechtsordnung die Mindestanforderungen an den im Rahmen der strafrechtlichen Fahrlässigkeitsprüfung anzulegenden Sorgfaltsmaßstab, die Grenze der Rechtfertigung ist aber nicht zwingend auf betreuungsrechtskonformes Verhalten zu beschränken. Auch aus dem einzigen dem Strafrecht übergeordneten Rechtsgebiet – dem Verfassungsrecht – lassen sich keine Rückschlüsse auf die Frage nach dem Einfluss der §§ 1901a ff. BGB auf das Strafrecht ziehen, da die betroffenen Grundrechte keine Vorgabe bezüglich einer strafrechtlich bewehrten verfahrensrechtlichen Absicherung einer Patientenverfügung treffen.5

4 5

Siehe D. II. 1. Siehe D. II. 2.

IV. Keine betreuungsrechtliche prozedurale Rechtfertigung

267

2. Spezifika zivilrechtsakzessorischen Strafrechts Nachdem insbesondere durch Bruns die „Befreiung des Strafrecht vom zivilistischen Denken“ propagiert wurde, bilden Straf- und Zivilrecht heute keine voneinander völlig isolierten Rechtsgebiete. Bereits existierende Abhängigkeiten beispielsweise durch rechtsgebietsübergreifende Verweisungen und Rechtfertigungsgründe sowie das Verständnis des Strafrechts als sekundäre Normenordnung zeigen die grundsätzliche Offenheit des Strafrechts gegenüber einer Zivilrechtsakzessorietät auf, entbehren jedoch – ebenso wie die gegenläufig auf Stärkung der Autonomie des Strafrechts gerichtete sog. faktische Betrachtungsweise – eines Erkenntnisgewinns in Bezug auf die Entscheidung über die Abhängigkeit des Strafrechts im konkreten Fall.6 Auch wenn Straf- und Zivilrecht als einfaches Recht auf gleicher hierarchischer Stufe stehen, gelten für ersteres strengere verfassungsrechtlich begründete Maßstäbe, die bei zivilrechtsakzessorischer Ausgestaltung des Strafrechts auch auf die in Bezug genommenen Zivilrechtsnormen Anwendung finden.7 Auch insoweit ist aber kein zwingender Rückschluss für bzw. wider die Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB möglich, da der Bestimmtheitsgrundsatz, das Analogie- und das Rückwirkungsverbot einer solchen Bezugnahme auf das Zivilrecht nicht entgegenstehen. Einzig der ultima ratio-Grundsatz des Strafrechts könnte Bedenken gegenüber einer Strafbarkeit reinen Verfahrensunrechts schüren, doch vermag der Grundsatz dem Gesetzgeber nur die Grundlinie einer zurückhaltenden Strafgesetzgebung vorzugeben, nicht aber den Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers so weit zu verengen, dass die Pönalisierung formellen Unrechts ausscheidet.

IV. Keine betreuungsrechtliche prozedurale Rechtfertigung Folglich war die Legitimationswirkung durch betreuungsrechtskonformes Verhalten bzw. die Frage nach einem Legitimationsdefizit bei Verstoß gegen die verfahrensrechtlichen Vorgaben der §§ 1901a ff. BGB im Konkreten näher in den Blick zu nehmen. Ausgangspunkt für die Suche nach dem richtigen Bezugspunkt der Legitimation bei Umsetzung einer Patientenverfügung bildete die prozedurale Rechtfertigung. 1. Hintergründe einer Legitimierung durch Verfahren Diese mögliche, wenn auch letztlich abgelehnte Einordnung der §§ 1901a ff. BGB ist in der bisherigen Auseinandersetzung der Literatur mit dem Untersu6 7

Siehe D. III. 1. und 2. Siehe D. III. 3.

268

G. Zusammenfassung

chungsgegenstand nahezu unbeachtet geblieben, obwohl die verfassungsrechtliche Grundlage für die Beachtlichkeit von Verfahrensvorgaben für die Legitimation bestimmter Verhaltensweisen – der Grundrechtsschutz von Verfahren8 – gerade auch die Ersetzung materieller durch prozedurelle Vorgaben anheimstellt. Die inhaltliche Nähe der §§ 1901a ff. BGB zu dieser Grundrechtsfunktion ist nicht nur deshalb gegeben, weil die zu Grundrechtsschutz durch Verfahren veranlassenden Problemlagen bei der Umsetzung von Patientenverfügungen und vor allem von Patientenwünschen im Sinne des § 1901a Abs. 2 BGB einschlägig sind, sondern auch weil der Rechtsausschuss mit den §§ 1901a ff. BGB ausdrücklich Grundrechtsschutz durch Verfahren intendierte. Genauere Modelle einer prozeduralen Legitimation wurden durch die Rechtssoziologie und -philosophie entwickelt,9 sind allerdings jeweils zumindest nicht unmittelbar mit den §§ 1901a ff. BGB zu vereinbaren. Um den Verzicht auf materielle Vorgaben zu kompensieren, stellt das rechtssoziologische Modell gewisse Qualitätsanforderungen an die Verfahrensvorgaben, welche die §§ 1901a ff. BGB nicht zu erfüllen vermögen, schließlich ist durch die Einhaltung der betreuungsrechtlichen Verfahrensvorgaben ein Ausschluss der bestehenden Missbrauchsgefahren nicht ausreichend sicher gewährleistet. Ähnliche Zweifel ergeben sich in Bezug auf die Vereinbarkeit der §§ 1901a ff. BGB mit dem von Habermas geprägten Modell eines rationales Diskurses. Entgegen dessen Universalisierungsgrundsatz, nach dem jeder jede Behauptung in den Diskurs einführen dürfe, fordert das Betreuungsrecht lediglich die Auslegung und Anwendung der Patientenverfügung durch Arzt und Patientenvertreter und nur im Sinne des darin zum Ausdruck kommenden Patientenwillens. Folglich ist der Diskurs zum einen auf wenige Personen beschränkt – zwar „soll“ nach § 1901b Abs. 2 BGB auch „nahen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen des Betreuten Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden“, doch sind diese Personen nicht annähernd mit den gleichen Rechten bezüglich der Ermittlung des Patientenwillens ausgestattet wie Arzt und Patientenvertreter, obschon die Diskursregeln Habermas’ des Weiteren von einer vollständigen Gleichstellung aller Diskursteilnehmer ausgehen. Zum anderen ist nicht die Konfliktlösung widerstreitender Interessen Gegenstand des Verfahrens nach §§ 1901a ff. BGB, sondern die Ermittlung und Umsetzung des Patientenwillens, dessen inhaltlichen Vorrang gegenüber anderen betroffenen Rechtsgütern der Gesetzgeber bereits entschieden hat und auch, entgegen dem der Diskursethik zu Grunde liegenden Konzept eines sich selbst fortentwickelnden Rechts, im Verfahren nach §§ 1901a ff. BGB nicht zur Disposition stellt.

8 9

Siehe E. III. 1. a) aa). Siehe E. III. 1. a) bb).

V. Keine Legitimation durch Überstimmung

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2. Prozedurale Rechtfertigung im Strafrecht Insgesamt weisen die §§ 1901a ff. BGB zwar in gewissem Maß die Kennzeichen einer prozeduralen Rechtfertigung auf:10 In Bezug auf die Auslegung einer Patientenverfügung und das Bestehen eines Widerrufs können tatsächliche Unsicherheiten in je nach Fallgestaltung verschiedenem Maß bestehen, die das Bedürfnis nach Rechtssicherheit für die Beteiligten aufwerfen, welches insbesondere durch eine die prozedurale Rechtfertigung kennzeichnende exklusive Rechtmäßigkeitsprüfung ex ante durch die Beteiligten befriedigt werden könnte. Die Verfahrensvorgaben der §§ 1901a ff. BGB ließen sich auch im Sinne einer solchen Zuerkennung von Bewertungsmacht an Arzt, Patientenvertreter und ggf. Betreuungsgericht auslegen – sie enthalten die für eine Prozeduralisierung typischen rechtstechnischen Instrumente einer Partizipation Dritter sowie einer Wissensakkumulation, und auch ihre Intradisziplinarität mag für diese Auslegung sprechen. Doch reichen die betreuungsrechtlich angeordneten verfahrensrechtlichen Absicherungen angesichts des in Rede stehenden Rechtsguts Leben und der Irreversibilität eines Behandlungsabbruchs nicht aus, um einen materiell orientierten Rechtsgüterschutz zu ersetzen, auch im Vergleich zu den im Strafrecht trotz dessen grundsätzlicher Prozeduralisierungsfeindlichkeit11 existierenden Umsetzungen des Prozeduralisierungsgedankens: Sowohl für das umweltstrafrechtliche Genehmigungserfordernis in §§ 324, 325 Abs. 1 StGB als prozedurale Legitimation im hier verstandenen Sinn als auch für die sonstigen Prozeduralisierungen (§§ 218a Abs. 1, 219 StGB; §§ 3–5, 8 Abs. 3 S. 2 i.V. m. 19, 20 TPG; §§ 5–7 KastrG; § 96 Nr. 10, 11, § 97 Abs. 2 Nr. 9 i.V. m. § 40 AMG)12 gelten strengere Anforderungen als nach den §§ 1901a ff. BGB,13 auch wenn die genauere Ausgestaltung teils erst spezialgesetzlich erfolgt (z. B. durch das UVPG; SchKG). Wenn die §§ 1901a ff. BGB schon nicht einen vergleichbaren Grad an Prozeduralisierung enthalten wie die sonstigen im Strafrecht existenten und für die Legitimation mitentscheidenden Verfahrensvorgaben, dann ist erst recht nicht der für eine rein prozedurale Legitimation erforderliche Grad gegeben.

V. Keine Legitimation durch Überstimmung mit hypothetischem prozedural betreuungsrechtskonformen Verhalten Damit scheidet auch eine an der hypothetischen Einwilligung orientierte Legitimation aus, die es ausreichen ließe, dass ein betreuungsrechtskonformes Ver10 11 12 13

Siehe E. III. 1. b) aa) (3). Siehe E. III. 1. b) bb). Siehe E. III. 1. b) cc). Siehe E. III. 1. b) dd).

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G. Zusammenfassung

fahren zu keinem anderen Ergebnis geführt hätte. Eine solche Rechtfertigungslösung entwertete überdies das Selbstbestimmungsrecht des Patienten über Gebühr und enthielte mit dem Hinzudenken eines Verhaltens Dritter eine unzulässige Rückwirkungsfiktion.14

VI. Keine gemischt materiell-prozedurale Rechtfertigung Schließlich vermag nach hier vertretener Ansicht und in Übereinstimmung mit der wohl h. M. auch die Ergänzung des materiellen Rechtfertigungserfordernisses, der Übereinstimmung mit dem Patientenwillen, durch die prozeduralen Vorgaben der §§ 1901a ff. BGB nicht zu überzeugen. Der Wortlaut15 von § 1901a Abs. 1 BGB ordnet die Legitimationswirkung dem Patientenwillen zu. Da dem Patienten als Rechtsgutsinhaber – im Gegensatz zum Patientenvertreter – auch ohne betreuungsrechtliche Zuweisung die Entscheidungsbefugnis bezüglich ärztlicher Maßnahmen zukommt, ist die betreuungsrechtliche Regelung einschließlich der enthaltenen Verfahrensvorgaben nicht legitimationsbegründend, sondern insoweit rein deskriptiv, die Erweiterung der strafrechtlichen Bewertung um die betreuungsrechtlichen Vorgaben damit nicht erforderlich. Zwar lassen demgegenüber der Wortlaut von § 1901a Abs. 2 und § 1904 BGB auf den ersten Blick eine Einwilligungszuständigkeit des Patientenvertreters vermuten, sodass auch die strafrechtliche Legitimation einer Umsetzungsentscheidung im Sinne einer „stellvertretenden Einwilligung“ bedurfte. Doch auf den zweiten Blick ist die Einwilligungszuständigkeit nach § 1901a Abs. 2 BGB nicht zwingend auf den Patientenvertreter zu beziehen, eine Bezugnahme auf den Patienten selbst wäre vielmehr auch noch vom Wortlaut gedeckt. Außerdem erfasst das Genehmigungserfordernis des § 1904 BGB nach hier vertretener Auffassung auch eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Abs. 1 BGB, für die ohnehin eine direkte Legitimation möglich erscheint. Entscheidend gegen eine materiell-prozedurale Rechtfertigung sprechen teleologische Erwägungen: Den §§ 1901a ff. BGB liegen im Wesentlichen drei Schutzzwecke zu Grunde – Rechtssicherheit für die Beteiligten, Steigerung der Entscheidungsrationalität und Stärkung der Patientenautonomie. 16 Unter Zugrundelegung einer materiell-prozeduralen Rechtfertigung würde erstgenannter Schutzzweck verfehlt, da die Beteiligten nicht durch die Mitwirkung eines weiteren Entscheidungsträgers von ihrer Verantwortung befreit, sondern durch Einführung zusätzlicher Haftung unter Beibehaltung der bestehenden Rechtsunsicherheit belastet würden. Die beiden anderen Schutzzwecke sind zwar auch bei 14 15 16

Siehe E. III. 2. Siehe E. III. 3. a). Siehe E. III. 3. b) aa) und bb).

VI. Keine gemischt materiell-prozedurale Rechtfertigung

271

reinem Verfahrensunrecht einschlägig – beschränkt sich das durch die Beteiligten verwirklichte Unrecht auf die Missachtung der Verfahrensvorgaben, haben Arzt bzw. Patientenvertreter die gesetzlich vorgegebenen Erkenntnisquellen bezüglich der richtigen Auslegung der Patientenverfügung nicht ausgenutzt und damit die Umsetzungsentscheidung nicht auf die zur Wahrung der Patientenautonomie gesetzlich vorgeschriebene Grundlage an Anhaltspunkten gestützt. Doch würde die Erfassung dieses Unrechts durch die eingangs genannten Tötungs- bzw. Körperverletzungsdelikte die entsprechenden Strafnormen von Verletzungs- in abstrakte Gefährdungsdelikte verkehren,17 indem statt der Verletzung des Schutzguts bereits dessen abstrakte Gefährdung (bzw. die abstrakte Gefahr einer nicht legitimierbaren Rechtsgutsverletzung) durch Verletzung von verfahrensrechtlichen Schutzvorschriften zu einem Strafbarkeitsvorwurf führte. In Bezug auf § 216 StGB, der möglicherweise ohnehin als abstraktes Gefährdungsdelikt einzuordnen ist, erfolgte schließlich durch eine materiell-prozedurale Rechtfertigung eine Aufladung, die nicht mit den herkömmlichen Legitimationsbegründungen in Bezug auf abstrakte Gefährdungsdelikte in Einklang zu bringen wäre.18 Zwar zeigt eine Parallele zu dem formalen Schadensbegriff im Rahmen des § 263 StGB19 auf, dass teilweise trotz der Kritik an dem Austausch des Schutzguts eine Akzessorietät zu außerstrafrechtlichen Normen anerkannt wird. Dies vermag das Gewicht der teleologischen Argumentation, die nach hier vertretener Ansicht in Bezug auf die Akzessorietät des Strafrechts zu den §§ 1901a ff. BGB als mitentscheidend einzuordnen ist, jedoch nicht zu schmälern. Zum einen sieht sich die GOÄ-akzessorische Ausgestaltung des § 263 StGB überzeugender Kritik ausgesetzt, sodass sie mangels allgemeiner Anerkennung nicht für eine Parallele zur Erweiterung der Strafbarkeit in anderen Bereichen taugt, zum anderen fehlt die für die Ziehung einer Parallele erforderliche Vergleichbarkeit der Interessenlage. Das so gefundene Ergebnis findet zusätzliche Stütze in einem Vergleich zu bereits existierenden, auf formales Unrecht abzielenden Strafandrohungen:20 Auch wenn sowohl die grundsätzliche Strafbewehrtheit des formellen Unrechts bei Verstoß gegen die Verfahrensvorgaben der §§ 1901a ff. BGB als auch die letztliche Freiheitsstrafandrohung mit Blick auf mögliche Strafmilderungsgründe nicht unverhältnismäßig erscheinen, so wirken die mit dem Eingreifen eines Verbrechenstatbestands einhergehenden sonstigen Konsequenzen mit Rücksicht auf das lediglich verwirklichte formelle Unrecht unbillig, gerade auch im Vergleich zu den anderen (Vergehens-)Strafbarkeiten von Verfahrensunrecht.

17 18 19 20

Siehe E. III. 3. b) cc) (1). Siehe E. III. 3. b) cc) (2). Siehe E. III. 3. b) dd). Siehe E. III. 3. b) ee).

272

G. Zusammenfassung

Schließlich und endlich ist die Ablehnung einer materiell-prozeduralen Rechtfertigung auch mit den historischen Hintergründen der §§ 1901a ff. BGB21 und dem für eine Patientenverfügung im Sinne des § 1901a Abs. 1 BGB aufgestellten Volljährigkeitserfordernis zu vereinbaren.22

21 22

Siehe E. III. 3. c). Siehe E. III. 3. d).

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Sachwortverzeichnis § 1904 BGB a. F. 40, 74 Akzessorietät des Strafrechts zum Zivilrecht 120 AMG 198 Analogieverbot 126 Aufklärung 36, 39 Autonomie des Strafrechts 116 Befangenheit 160 Befreiung des Strafrechts vom zivilistischen Denken 114 Behandlungsabbruch – Einseitiger 67 – Tätiger 23 Behandlungswunsch 44 Berufsrechtliche Folgen 87 Bestimmtheitsgrundsatz 125 Betreuer 67, 73, 76 Betreuungsrechtsänderungsgesetz 71, 84, 166, 222, 255 Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers 50, 109, 132, 209 Bevollmächtigter 67, 76 Beweisschwierigkeiten 57 Bewusstlosigkeit, irreversible 45 Dammbruch 57 De lege ferenda 210 Dialogischer Prozess 75, 77 Diskustheorie 161 Dissens 92 – Künstlicher 93, 262 Dokumentationspflichten 160, 208, 211 Drei-Stufen-Modell der modernen Rechtsentwicklung 157

Eilbedürftigkeit 79 Einheit der Rechtsordnung 104 Einheit der Rechtswidrigkeit 107, 121 Einwilligung – Antizipierte 34 – Defizitäre 59 – Eindeutige 73, 95 – Hypothetische 38, 121, 214 – Mutmaßliche 36 – Stellvertretende 46, 73, 149, 219 – Tatsächliche 35 Einwilligungssperre 29, 31, 46, 53, 61 Entscheidungsrationalität 224 Erlaubnistatbestandsirrtum 90 Ex ante-Perspektive 174, 181 Exklusivität der Rechtmäßigkeitsprüfung 176 Faktische Betrachtungsweise 116 FamFG 86, 185 Formaler Schadensbegriff 240 Fuldaer Entscheidung 27, 61, 134 Garantenpflichten 65 Gefährdungsdelikt, abstraktes 231 Genehmigung, betreuungsgerichtliche 79, 261 Grundnorm 105 Grundrechtsschutz durch Verfahrensschutz 154 Heileingriff, ärztlicher 63 Hilfe im Sterben 66 Historischer Hintergrund 248 Hypothetisch prozedural betreuungsrechtskonformes Verhalten 213

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Sachwortverzeichnis

Intradisziplinäres Recht 179 KastrG 196, 207 Kemptener Entscheidung 248 Kollusion 91 Kölner Entscheidung 139 Konfliktmodell 79, 86 Konsens 80, 88 Leben, Grundrecht auf 111 Lübecker Entscheidung 250 Menschenwürde 113 Missbrauchsgefahr 160, 225 Missbrauchskontrolle 177 Negativattest 81 Nötigung 68 Normenhierarchie 103 Organisationskreise 25, 75 Paternalismus 55 Patientenautonomie 228 Patientenrechtegesetz 38, 74, 85 Patientenverfügung – Berücksichtigung 76, 137 – Genehmigungserfordernis 82 – Prüfung durch Patientenvertreter 72 – Rechtsnatur 43, 137 – Verbindlichkeit 42 – Wirksamkeitsanforderungen 39 PEG-Sonde 64 Prozedurale Legitimation – Entstehungsbedingungen 171 – Straftatsystematische Einordnung 169 – Rechtstechnische Instrumente 178 Prozeduralisierung – Begriff 167 – Im Strafrecht 180, 187 – Rechtsphilosophischer Hintergrund 161

– Rechtssoziologischer Hintergrund 157 Rechtsfreier Raum 164 Rechtsgutsvertauschung 230 Rechtsmittel, Verzicht auf 262 Rechtssicherheit 223 Reformbestrebungen 253 Rückwirkungsverbot 128 Schwangerschaftsabbruch 187, 206 Sekundäre Normenordnung 118 Selbstbestimmungsrecht 49, 61, 110, 228 Soll-Vorschrift 98, 261 Sorgfaltsmaßstab 96 Sterbehilfe – Aktive 18 – Durch Behandlungsabbruch 28 – Indirekte 22 – Passive 19 – Sterbender 23, 66, 111 Suizidunfähigkeit, irreversible 50 Tatbestandslösung 24, 47 Teleologische Reduktion 52 Tötung auf Verlangen 231 Tötungsverbot, absolutes 29, 31, 46, 54, 56 TPG 192, 207 Traunsteiner Entscheidung 253 Ultima ratio-Grundsatz 106, 108, 119, 129, 183 Umweltstrafrecht 199 Unterlassen durch Tun 24, 32 Unterlassene Hilfeleistung 69 Verfahrensschutzvorschriften 230 Verfassungsrecht, Vorrang des 109 Vertrauenspersonen 78, 97 Verwaltungsakzessorietät 199 Volljährigkeitserfordernis 258

Sachwortverzeichnis Vollzugsreife, subjektive 58 Vorfeldstrafbarkeit 182

Wertungswandel 51 Wuppertaler Fall 248

Wahrheit, materielle 183

Zwangsbehandlung 20, 49

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