Die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung (§ 370a AO) - ein Schreckensinstrument des Gesetzgebers? [1 ed.] 9783428522927, 9783428122929

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Die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung (§ 370a AO) - ein Schreckensinstrument des Gesetzgebers? [1 ed.]
 9783428522927, 9783428122929

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SUSANNE SCHNEIDER Die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung (§ 370a AO) ein Schreckensinstrument des Gesetzgebers?

Strafrechtliche Abhandlungen • Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (f) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg

Herausgegeben von Dr. Dr. h. c. (Breslau) Friedrich-Christian Schroeder ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 182

Die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung (§ 370a AO) ein Schreckensinstrument des Gesetzgebers?

Von

Susanne Schneider

Duncker & Humblot • Berlin

Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Werner Beulke, Passau Die Juristische Fakultät der Universität Passau hat diese Arbeit im Wintersemester 2005/2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 739 Alle Rechte vorbehalten © 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 3-428-12292-5 978-3-428-12292-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 @

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Diese Arbeit entstand während meiner Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Passau, wo sie im Wintersemester 2005 / 06 als Dissertation angenommen wurde. Literatur und Rechtsprechung konnte ich bis einschließlich September 2005 berücksichtigen. Nicht in die Untersuchung einarbeiten konnte ich daher insbesondere die im Januar 2006 erschienene Dissertation von Georg Wirtz: Das „Al Capone"-Prinzip, welche sich inhaltlich teilweise mit meiner deckt. Überschneidungen sind hauptsächlich im Bereich der Tatbestandsvoraussetzungen des § 370a AO gegeben. Wirtz' Untersuchungsschwerpunkt bildet jedoch - wie der Titel der Arbeit sagt die Zulässigkeit des „Al Capone"-Prinzips. Selbstverständlich stellt dieses dem § 370a AO zugrundeliegende Prinzip, welches die Unzulänglichkeiten des Strafrechts mittels des Steuerrechts kompensieren und eine Gewinnabschöpfung durch Besteuerung ermöglichen will, auch einen Bestandteil meiner Untersuchung dar. Sie ist aber nicht allein darauf zugeschnitten, sondern versteht sich als umfassende Untersuchung der Probleme im Zusammenhang mit der Vorschrift der gewerbsoder bandenmäßigen Steuerhinterziehung. Einen Schwerpunkt meiner Arbeit bilden daher desgleichen die Folgeprobleme, die § 370a AO im Bereich der Geldwäsche nach sich zieht. Sehr herzlich bedanken möchte ich mich bei meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Werner Beulke. Hilfreiche Anregungen gab er im Hinblick auf meine Wahl des höchst interessanten Themas. Während der eigentlichen Entstehung der Arbeit und meiner eigenen Meinungsfindung ließ er mir alle wissenschaftliche Freiheit, die sich ein Doktorand wünschen kann. Ebenfalls danken möchte ich Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Martin Fincke für die schnelle und großzügige Erstellung des Zweitgutachtens. Ein großes Dankeschön möchte ich auch an Herrn Prof. Dr. Hartmut Söhn richten, an dessen Lehrstuhl für Verwaltungs-, insbesondere Steuerrecht, ich während der Entstehung meiner Dissertation als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig war. Dort konnte ich tiefere Einblicke in steuerrechtliche Fragestellungen gewinnen und die Arbeit an einem Lehrstuhl näher kennenlernen. Nicht zu vergessen ist selbstverständlich an dieser Stelle meine Familie. Ich bin ihr unendlich dankbar für all die Unterstützung, die sie mir nicht nur während meiner Zeit als Doktorandin, sondern ununterbrochen zukommen ließ und lässt -

Vorwort

8

angefangen bei der finanziellen und moralischen Hilfe, dem Verständnis, den Verwöhntagen zu Hause bis hin zu tatkräftigen großen Kleinigkeiten, ohne die das Leben so viel schwerer wäre. Nürnberg, im Juli 2006

Susanne Schneider

Inhaltsverzeichnis 1. Teil Einleitung

17

A. Entstehungsgeschichte

17

B. Gesetzgeberische Zielsetzung, Motive und Hintergründe

23

C. Bedeutung der Vorschrift und Problematik

26

I. Gewerbsmäßige Begehung

27

II. Bandenmäßige Begehung

28

III. „In großem Ausmaß"

29

IV. Konsequenzen und Folgeprobleme

31

V. Verfassungskonformität

33

D. Kritik an der Vorschrift des § 370a AO

34

E. Begrifflichkeiten

37

F. Ziel der Arbeit

39 2. Teil Anwendungsbereich und Tatbestand

A. Sachlicher Anwendungsbereich I. Das Drei-Stufen-Modell

41 41 43

1. Darstellung

43

2. Kritik und Stellungnahme

44

II. Geltung nur für Umsatzsteuerhinterziehung

45

1. Darstellung

45

2. Kritik

46

3. Stellungnahme

46

10

Inhaltsverzeichnis III. Beschränkung auf die Organisierte Kriminalität

47

1. Darstellung

47

2. Kritik und Stellungnahme

48

IV. Zusammenfassung B. Tatbestand I. Die gewerbsmäßige Steuerhinterziehung

49 49 50

1. Die herkömmliche Interpretation der Gewerbsmäßigkeit

50

2. Die Besonderheit im Fall der gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung

52

3. Die Lösungsvorschläge

56

a) Gewerbsmäßigkeit nur in Fällen von „einigem Umfang" aa) Darstellung

56 56

bb) Kritik

57

cc) Stellungnahme

58

b) Einschränkung der Gewerbsmäßigkeit über ihr zeitliches Moment

59

aa) Darstellung

59

bb) Kritik

60

cc) Stellungnahme

60

c) Abgrenzung zur gewohnheitsmäßigen Begehung

61

aa) Darstellung

61

bb) Kritik

62

cc) Stellungnahme

62

d) Einnahme nur bei einem Zufluss von Vermögenswerten aa) Darstellung

63 63

bb) Kritik

64

cc) Stellungnahme

66

e) Steuerhinterziehung „als Gewerbe"

68

aa) Darstellung

68

bb) Kritik

69

cc) Stellungnahme

69

f) Gesamtschau der „Gewerbsmäßigkeit" und der Steuerhinterziehung in „großem Ausmaß" aa) Darstellung bb) Stellungnahme

69 69 70

g) Gewerbsmäßigkeit im Sinne der allgemein strafrechtlichen Definition ....

71

h) Abschließende Stellungnahme und eigene Ansicht

71

4. Zusammenfassung

75

Inhaltsverzeichnis II. Die bandenmäßige Begehung

75

1. Der hergebrachte Bandenbegriff

75

2. Der Bandenbegriff im Fall des § 370a AO

77

3. Die Lösungsvorschläge

85

a) Bandenmäßigkeit nur bei gewisser Schwere b) Orientierung am Karussellgeschäft

85 86

aa) Darstellung

86

bb) Kritik

87

cc) Stellungnahme

87

c) Keine Familienbande

88

aa) Darstellung

88

bb) Stellungnahme

89

d) Einschränkung über die Figur der notwendigen Teilnahme

90

aa) Darstellung

90

bb) Stellungnahme

90

e) Hauptzweck aa) Darstellung

93 93

bb) Kritik

93

cc) Stellungnahme

93

f) Bandenabrede aa) Darstellung

95 95

bb) Kritik

96

cc) Stellungnahme und eigene Ansicht

97

4. Vorläufige Lösung der Fälle unter Zugrundelegung der eigenen Ansicht

99

5. Zusammenfassung

101

III. „In großem Ausmaß"

101

1. Qualitative oder quantitative Bestimmung a) Rein quantitative Bestimmung aa) Orientierung an den Vorschriften des Kernstrafrechts

103 103 104

bb) Quantitative Bestimmung ohne Anlehnung an Vorschriften des Kernstrafrechts 105 cc) Orientierung an § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO bezüglich des geforderten Hinterziehungsbetrags 107 dd) Kritik b) Berücksichtigung qualitativer Aspekte

107 108

aa) Das Erfordernis „in großem Ausmaß" in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO 109

12

Inhaltsverzeichnis bb) Übertragung auf § 370a AO

110

cc) Verdoppelung der Beträge

111

dd) Entsprechende Lösung losgelöst von § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO ... ee) Kritik

112 113

c) Stellungnahme

113

2. Großes Ausmaß der einzelnen Steuerhinterziehung oder Gesamtumfang mehrerer Taten a) Differenzierung nach dem Konkurrenzverhältnis

119 119

b) Maßgeblichkeit des Gesamtumfangs aller gewerbs- oder bandenmäßiger Steuerhinterziehungen 120 c) Einzelfallabhängiger Anknüpfungspunkt

120

d Kritik an der Zusammenfassung

121

e) Maßgeblichkeit allein der einzelnen Steuerhinterziehung

122

f) Stellungnahme

123

3. Hinterziehungsbetrag oder Steuerschaden

128

4. Begangene oder auch geplante Taten

129

a) Streitstand

129

b) Stellungnahme

130

5. Autonomes Merkmal oder Ausstrahlung der Gewerbs- und Bandenmäßigkeit

131

a) Darstellung

131

b) Kritik und Stellungnahme

132

6. Ergebnis und Bewertung des Merkmals IV. Abschließende Lösung der Beispielsfälle unter Zugrundelegung der hier vertretenen Ansicht

133

136

3. Teil Strafzumessung

140

A. Die Regelung des § 370a Satz 2 AO im Einzelnen

141

B. Minder schwerer Fall bei Selbstanzeige, § 370a Satz 3 AO

146

I. Leerlauf

147

1. Darstellung

147

2. Kritik

148

Inhaltsverzeichnis II. Gesetzliches Indiz

149

1. Darstellung

149

2. Kritik

149

III. Abschließende und zwingende Regelung der Selbstanzeige in § 370a Satz 3 AO

150

IV. Stellungnahme und Behandlung einiger Problemfälle

150

V. Bewertung der Regelung

153

1. Dogmatische und systematische Streit-und Kritikpunkte

153

2. Fragen der praktischen Funktionsfähigkeit

155

3. Eigene Wertung

157

C. Zusammenfassung

159

4. Teil Konkurrenzen und Rechtsfolgen sowie Auswirkungen und Problem des § 370a AO im Bereich der Geldwäsche A.Konkurrenzen

161 161

I. Verhältnis des § 370a AO zu § 370 AO

161

II. Verhältnis des § 370a AO zu § 373 AO

162

1. Vorrang des § 370a AO

163

2. Vorrang des § 373 AO

165

3. Stellungnahme

165

4. Lösung der Beispielsfälle unter Zugrundelegung der eigenen Ansicht

168

III. Verhältnis des § 370a AO zu §§ 26b, 26c UStG 1. Möglichkeit von Überschneidungen zwischen § 370a AO und §§ 26b, 26c UStG? a) Keine Kollision zwischen § 370a AO und §§ 26b, 26c UStG

169 170 170

aa) Teleologische Reduktion der §§ 26b, 26c UStG

171

bb) Analogieschluss zu § 240 Abs. 1 Satz 3 AO

172

b) Möglichkeit von Überschneidungen

172

c) Stellungnahme

173

2. Lösung des Konkurrenzproblems a) Vorrang der §§ 26b, 26c UStG

174 174

14

Inhaltsverzeichnis b) Vorrang des § 370a AO

175

aa) Lösung über § 21 OWiG

175

bb) Konsumtion bei Handlungsmehrheit

176

cc) Handlungseinheit

176

c) Idealkonkurrenz

178

d) Stellungnahme

178

IV. Zusammenfassung B. Reichweite und Folgeprobleme des § 370a AO im Bereich der Geldwäsche

180 180

I. Einschätzung der Vortateigenschaft der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung 183 1. Befürworter der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung als tauglicher Geldwäschevortat 183 2. Gegner der Vortateigenschaft und Kritik an der Ausgestaltung

185

3. Stellungnahme

187

II. Der Geldwäschegegenstand im Fall der bloßen Ersparnis von Steuern

189

1. Der Gegenstandsbegriff des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB in der Fassung des Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetzes 191 a) Bemakelung des gesamten Vermögens des Steuerhinterziehers

192

b) Beschränkung der Bemakelung auf betroffene Konten

194

c) Bemakelung des Jahreseinkommens

194

d) Abgrenzung nach Steuer- und Einkunftsarten

195

e) Bemakelung nur der aus dem jeweiligen Geschäfts Vorfall stammenden Einnahmen 196 f) Begrenzung auf die Höhe der Steuerersparnis

196

g) Stellungnahme

197

III. Der Gegenstandsbegriff des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB in der Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen 202 a) Gegenstandslosigkeit des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB b) Bemakelung des Gesamtvermögens

204 205

c) Geldwäsche nur, wenn das verbleibende Vermögen kleiner ist als die Steuerersparnis 206 d) Bemakelung der konkret verschwiegenen Einkünfte

207

e) Erfassung der konkret verschwiegenen Einnahmen in Höhe der Steuerersparnis 208

Inhaltsverzeichnis f) Stellungnahme

208

g) Lösung der Beispielsfälle

214

III. Im Besonderen: Das Honorar von Rechtsanwälten und Steuerberatern im Rahmen der Geldwäsche 216 1. Darstellung

216

2. Stellungnahme

219

IV. Verfassungskonformität des § 261 StGB in Verbindung mit § 370a AO

222

1. Die Einwände Oberloskamps

223

2. Verstoß gegen das Willkürverbot, Art. 3 GG

226

3. Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip

228

V. Zusammenfassung

229

C. Rechtsfolgen

232

I. Das Ermittlungsverfahren wegen Taten im Sinne des § 370a AO II. Das Verfahren vor Gericht

233 236

III. Aus der Eigenschaft als Geldwäschevortat entstehende Rechtsfolgen

237

1. Überwachung der Telekommunikation

238

2. Weitere prozessuale Auswirkungen

242

3. Anzeige- und Meldepflichten

243

IV. Bewertung und Zusammenfassung

246

5. Teil Verfassungskonformität des § 370a AO A. Formelle Verfassungsgemäßheit des § 370a AO n. F. I. Verstoß gegen Art. 77 GG II. Erfüllung der Anforderungen des Art. 77 GG

249 250 250 251

III. Kritik und Stellungnahme

252

B. Materielle Verfassungskonformität

255

I. Der Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG

256

16

Inhaltsverzeichnis II. Der Nemo-tenetur-Grundsatz

257

1. Rechtsgrundlage und Inhalt

257

2. Die Problematik im Hinblick auf § 370a AO

259

3. Stellungnahme

261

III. Rechtsstaatsprinzip, Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Schuldprinzip

264

1. Rechtsgrundlage und Inhalt

264

2. Die Beanstandungen hinsichtlich § 370a AO

265

3. Stellungnahme

268

a) Die mit § 370a AO verfolgten Zwecke

268

b) Geeignetheit

270

c) Erforderlichkeit

271

d) Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, Schuldproportionalität

272

IV. Das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot, Art. 103 Abs. 2 GG 1. Rechtsgrundlage und Inhalt

276 276

2. Mangelnde Bestimmtheit des Merkmals „in großem Ausmaß" - Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG 279 a) Feststellung eines Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot

279

b) Unmöglichkeit der Behebung des Verstoßes

284

3. Verneinung der Verletzung von Art. 103 Abs. 2 GG

286

4. Stellungnahme

288

5. Mangelnde Bestimmtheit des § 370a Sätze 2, 3 AO wegen unklarer Abgrenzung von § 370 Abs. 3 AO 295 a) Darstellung

295

b) Stellungnahme

295

V. Zusammenfassung

297 6. Teil Zusammenfassung und Ausblick

300

A. Die wichtigsten Ergebnisse

300

B. Fazit und Ausblick

306

Literaturverzeichnis

310

Sachwortverzeichnis

327

7. Teil

Einleitung Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit den Problemen und Streitfragen, die im Zusammenhang mit der Vorschrift der gewerbsmäßigen oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung, § 370a AO, aufgetreten sind. Die Regelung, die die effektivere Bekämpfung der Organisierten Kriminalität bezweckt,1 wurde während der weltweiten Bemühungen des Vorgehens gegen den internationalen Terrorismus nach den Anschlägen vom 11. September 2001 durch das Gesetz zur Bekämpfung von Steuerverkürzungen bei der Umsatzsteuer und zur Änderung anderer Steuergesetze2 (Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz, abgekürzt StVBG) vom 19. 12. 20013 in einer teilweise als „Nacht-und-Nebel-Aktion" bezeichneten Art und Weise eingeführt. 4 Die Gesetzesnovelle war jedoch von heftiger Kritik und einer „Flut von Veröffentlichungen" begleitet.5 Daraufhin wurde die Vorschrift schon wenige Monate später durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des SteuerbeamtenAusbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen6 „nachgebessert", was trotz der heutigen „schnelllebigen" Gesetzgebung „außergewöhnlich" erscheint.7 Auch nach der Gesetzesnovelle begegnet die Vorschrift jedoch in vielfacher Hinsicht erheblichen Auslegungsschwierigkeiten sowie verfassungsrechtlichen Bedenken.

A. Entstehungsgeschichte Das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz beruht auf einem Entwurf der Bundesregierung vom 10. 09. 2001, dessen „Problem und Ziel" der Schutz steuerehr1 Vgl. den Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 14/7471, 9. Ob dem wirklich so ist, wird von einigen Autoren bezweifelt und ist noch genauer zu untersuchen. 2 In dem Entwurf der Bundesregierung hatte das Gesetz noch den Namen „Gesetz zur Bekämpfung von Steuerverkürzungen bei der Umsatzsteuer und anderen Steuern", vgl. BTDrucks. 14/6883, 1. Die Namensänderung wurde vom Finanzausschuss vorgeschlagen, vgl. BT-Drucks. 14/7470,4. 3 BGBl. 12001, 3922 ff. 4 Pestke / Motte, Stbg 2002, 493 möchten die Vorgehensweise des Gesetzgebers nahezu eine solche nennen. 5 Weyand, INF 2003, 115, 116 erwähnt 60 Veröffentlichungen in der juristischen Datenbank juris bereits im Dezember 2002. 6 BGBl. I 2002, 2715 ff.

i So Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 1, Stand Dezember 2002. 2 Schneider

18

1. Teil: Einleitung

licher Unternehmer vor Wettbewerbsverzerrungen war, die ihren Ursprung i m gezielten Missbrauch des Vorsteuerabzugs, insbesondere in Form so genannter Karussellgeschäfte haben. Der Verfolgungsdruck auf organisierte Umsatzsteuerbetrüger sollte zur Sicherung legaler Arbeitsplätze und der Steuergrundlage in der Bundesrepublik verstärkt werden sowie das Umsatzsteueraufkommen als eine der bedeutendsten Einnahmequellen des Fiskus geschützt werden. 8 Zur Gewährleistung eines wettbewerbsneutralen Umsatzsteuersystems, der Sicherung des Steueraufkommens, Wahrung der Steuergerechtigkeit und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit 9 schlug die Bundesregierung als „Lösung" in ihrem Gesetzentwurf die Optimierung des Kontroll- und Sicherungssystems i m Umsatzsteuerrecht v o r . 1 0 Die Einführung von § 370a A O war selbst in der ersten Lesung des Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz noch nicht vorgesehen 11 und wurde erstmals - wohl auch unter dem Eindruck der Terroranschläge vom 11. September 2001 1 2 - in der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Bundestags vom 20. 11. 2001 vorgeschlagen. 13 Die Koalitionsfraktionen von SPD und Grünen setzten sich zusammen mit der PDS gegen C D U / C S U und F D P 1 4 auch bezüglich der Mindeststrafe von einem Jahr für die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung durch. Somit wurde die qualifizierte Steuerhinterziehung zum ersten M a l ein Verbrechen 15 und infolge8 BT-Drucks. 14/6883, 1, 7. Die Umsatzsteuer betrug im Jahr 2000 etwa 275,5 Milliarden DM, also mehr als 30% der gesamten Steuereinnahmen, welche sich auf 913,9 Mrd. DM beliefen, vgl. BT-Drucks. 14/6883, 7. Angesichts der hohen Ausfälle durch Umsatzsteuerbetrug mahnte der Bundesrechnungshof wiederholt gesetzgeberische Aktivitäten an, vgl. BTDrucks. 14/4226, 30 f.; BT-Drucks. 15/1495, 3 ff. Die Steuerausfälle durch Umsatzsteuerhinterziehungen in Deutschland wurden für das Jahr 2001 auf 18 Milliarden Euro geschätzt, vgl. Mittlen UR 2004, 1, 2; Widmann, DB 2002, 166. 9 BT-Drucks. 14/6883,7. 10 BT-Drucks. 14/6883, 1. Im Einzelnen wurden die Beschleunigung des Informationsflusses, der Prüfungsabläufe sowie der zwischenstaatlichen Amtshilfe, die Einführung einer Verpflichtung zur Sicherheitsleistung, eines Haftungstatbestandes für Karussellgeschäfte sowie einer allgemeinen Nachschau und die Verbreiterung der Informationsbasis durch Schaffung einer zentralen Auswertungsstelle genannt, sämtlich steuerrechtliche Maßnahmen, vgl. Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 2. Nieskens, UR 2002, 53, 70 findet es „bemerkenswert", dass die Maßnahmen allein den Umsatzsteuerbetrug auf der Ausgangsseite betreffen, während bezüglich des weitgehend bekannten Betrugs auf der Eingangsseite keinerlei Regelungen getroffen wurden. 11 Vgl. BT-Drucks. 14/6883. 12 Vgl. Höche, Bank 2002, 196; Rüping, FS Kohlmann, 499, 505. Demgegenüber führt Hetzer, ZfZ 2003, 221, 224 die nun mögliche Einführung des Verbrechenstatbestandes der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung, während in vorangegangenen Legislaturperioden entsprechende Vorhaben eindeutig gescheitert waren, nicht auf die Terroranschläge, sondern auf die geänderten Mehrheitsverhältnisse in der 14. Legislaturperiode im Bundestag zurück. Vgl. zu gescheiterten Vorhaben Meyer/ Hetzer, ZRP 1997, 13 ff. 13 BT-Drucks. 14/7470, 2. 14 BT-Drucks. 14/7471,6. 15 Verkannt wird dies von Kruhl, BB 2002,1018, 1020, der die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung für einen weiteren besonders schweren Fall des § 370 Abs. 3 AO hält.

A. Entstehungsgeschichte

19

dessen gem. § 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB ohne Weiteres taugliche Vortat der Geldwäsche. CDU /CSU befürchteten - in Anlehnung an eine Stellungnahme des Deutschen Anwaltsvereins 16 und unter Hinweis auf die neue Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs 17 - eine gravierende Begrenzung der Rechtsberatung in Steuer- und Steuerstrafsachen, da der Berater durch Annahme seines Honorars bereits bei leichtfertigem Verkennen der kriminellen Herkunft eine Geldwäsche verwirkliche, was die Mehrheit aber nicht umstimmen konnte.18 Die zweite und dritte Lesung im Bundestag erfolgten am 27. 11. 2001. Der Bundesrat stimmte am 30. 11.2001 ohne Beteiligung des Rechtsausschusses zu, 19 so dass nach Art. 9 Abs. 1 StVBG die Einführung des in Art. 2 Nr. 5 StVBG geregelten § 370a AO bereits am Tag nach der am 27. 01. 2001 stattgefundenen Verkündung in Kraft treten konnte. 20 § 370a AO lautete danach folgendermaßen: „§ 370a - Gewerbsmäßige oder bandenmäßige Steuerhinterziehung. Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt."

In diesem Zusammenhang wurde auch der Geldwäschetatbestand dahingehend geändert, dass der Gegenstandsbegriff in § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB an § 370a AO als neue Vortat angepasst und dadurch ein umfassendes Instrumentarium für Ermittlungen zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität eröffnet wurde. 21 Schon bald, teilweise bereits vor der Verkündung, 22 wurden diese Änderungen sowohl in der Literatur 23 als auch durch die Standesvertreter und Interessensverbände der rechts- und steuerberatenden Berufe 24 sowie deren Berufs verbände 25 16 Abgedr. in AnwBl. 2002, 27 ff. 17 BGHSt 47, 68 ff.; m. Anm. Katholnigg, JR 2002, 30 ff.; siehe dazu ferner Ambos, JZ 2002, 70 ff.; Bernsmann, StrafFo 2001, 344 ff.; Götzens/Schneider, wistra 2002, 121 ff. 18 BT-Drucks. 14/7471,6. 19 BR-Drucks. 892/01. 20 BGBl. I 2001, 3922, 3925. Als Grund für das verfrühte In-Kraft-Treten des § 370a AO vermutet Fahl, ZStW 2002, 794, 795, dass bereits die zum Jahresende abgegebenen Steuererklärungen erfasst werden sollten. 21 Harms, FS Kohlmann, 413, 418. 22 Vgl. etwa Joecks, DStR 2001, 2184, 2187 f.; Spatscheck/ Wulf, DB 2001, 2572 ff. 23 Vgl. nur Burger, wistra 2002, 1 ff.; Schiffer, BB 2002, 1174 ff.; ders., StuB 2002, 341 ff.; Spatscheck/ Wulf, DB 2002, 392 ff. 24 Eingabe der Bundessteuerberater-, Bundesrechtsanwalts- und Wirtschaftsprüferkammer an die Landesfinanzminister, DStR-KR 2002, 19. In der Pressemitteilung der Bundessteuerberaterkammer v. 15. 02. 2002, abrufbar unter http://www.bstbk.de wird die Vorschrift als „Irrweg" bezeichnet. In seiner Rede auf dem Deutschen Steuerberaterkongress 2002 in Hamburg stellte der Präsident der Bundessteuerberaterkammer Fasolt fest, dass die Vorschrift „mehr Schaden als Nutzen" angerichtet habe, vgl. Pressemitteilung der Bundessteuerberaterkammer v. 13. 05. 2002, abrufbar unter http://www.bstbk.de. Siehe auch Bundessteuerbera2*

20

1. Teil: Einleitung

heftig kritisiert. Diese in Umfang und Nachdruck wohl beispiellose Kritik nahm den Platz der fehlenden parlamentarischen Debatte ein. 26 Haupteinwand war, dass unter die Variante der gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung aufgrund des bei den meisten Steuern geltenden Periodizitätsprinzips auch der Großteil der „gewöhnlichen" Steuerhinterzieher - sogar bei „Kleinstdelikten" - falle, was im „völligen Gegensatz" zu dem Verbrechenscharakter der Norm stehe27 und den Unrechtsgehalt einer Vielzahl von Taten nicht korrekt erfasse. 28 Die Regelung schieße somit weit über ihr Ziel der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität hinaus und führe zu einer unangemessenen Kriminalisierung. 29 Verschärft werde dieses Problem durch die unflexible Rechtsfolge. 30 Beanstandet wurden zudem31 der Ausschluss der Selbstanzeige, da dies sowohl aus kriminologischer als auch aus fiskalischer Sicht „kontraproduktiv" sei; 32 die Inkompatibilität mit den besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 3 A O 3 3 und insbesondere das Fehlen eines minder schweren Falles, den selbst die Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 Abs. 2 StGB) oder der Raub (§ 249 Abs. 2 StGB) vorsehen. 34 Der in der Hektik des Gesetzgebungsverfahrens 35 viel zu weit geratene Tatbestand habe auch prozessrechtlich und im Bereich der Geldwäsche unverhältnismäßige Folgen. 36 Nur mit dem „Rückenwind" der Ereignisse vom 11. September 2001 terkammer, DStR-KR 2002, 10 f.; Bundessteuerberaterkammer, DStR-KR 2002, 17; Schreiben des Präsidenten der Bundesrechtsanwaltskammer Dombek an die Bundesministerin der Justiz, BRAK-Mitt. 2002, 178 f. 25 Stellungnahme des Strafrechtsausschusses des DeutschenAnwaltVereins (DAV), AnwBl. 2002, 27 ff.; Eingabe des Deutschen Steuerberaterverbandes an die Vorsitzende des Finanzausschusses vom 18. 03. 2002 n. v., zitiert nach Burchert, INF 2002, 532 Fn. 6. 26 Rüping, FS Kohlmann, 499, 506. 27 Pestke / Motte, Stbg 2002, 493; ebenso Burger, wistra 2002, 1, 2. 28 Heerspink, AO-StB 2002, 132, 136; Lührs, BuW 2002, 711. 29 Pressemitteilung der Bundessteuerberaterkammer v. 15. 02. 2002, abrufbar unter http:// www.bstbk.de; Schiffer, PStR 2002, 136 f. 30 Heerspink, AO-StB 2002, 132, 136. 31 Kritisiert wurde auch die fehlende Beschreibung der Begehungshandlungen, Spatscheck/Wulf DB 2002, 392. Hetzer, Kriminalistik 2002, 642, 650 f. verstand hingegen die Aufregung nicht. Insbesondere würden die etablierten Merkmale der „Banden- und Gewerbsmäßigkeit" in der Praxis regelmäßig nicht zu der „Sammlung von ,peanuts' eingesetzt". 32 Heerspink, AO-StB 2002, 88, 92; Lührs, BuW 2002, 711, 713 f.; Schiffer, StuB 2002, 341; Spatscheck, Stbg 02/2002, M 1 (Editorial); Spatscheck/ Wulf DB 2002, 392, 395; a. A. Meyer in Hund/Johnigk/Wollburg, DStR 2002, 879, 884, der den Ausschluss mit der erhöhten Sozialschädlichkeit der schweren Steuerhinterziehung begründete. 33 Burger, wistra 2002, 1, 3. 34 Bundessteuerberaterkammer, DStR-KR 2002, 10, 11; Bender, ZfZ 2002, 146, 147 f.; Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 3, Stand Dezember 2002; Lührs, BuW 2002, 711; Salditt, StV 2002, 214; Weyand, INF 2002, 183, 186. 35 Joecks, wistra 2002, 201, 204, Fn. 29. 36 Bender, ZfZ 2002, 146 ff.; Burger, wistra 2002, 1 ff.; Schiffer, PStR 2002, 136; Seer, BB 2002, 1677 ff.; Spatscheck/ Wulf DB 2001, 2572, 2573 ff.; dies., DB 2002, 392, 394.

A. Entstehungsgeschichte

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habe § 370a A O kurzfristig mit „auffälliger" Eile des Gesetzgebers 37 „durch die Hintertür" eingeführt werden können, ohne dass in dem „Hauruckverfahren" 3 8 Zeit und Möglichkeit gewesen wäre, dagegen vorzugehen. 39 Dieser gesetzgeberische Schnellschuss sei „überhastet und schlecht durchdacht". 4 0 Die Verfassungsmäßigkeit wurde sowohl i m Hinblick auf das Übermaß verbot, 4 1 das Willkürverbot, 4 2 als auch das Schuldprinzip 4 3 bezweifelt. Die Vorschrift komme in ihren Auswirkungen einem „Erdbeben in der bisherigen Landschaft des Steuerstrafrechts" gleich. 4 4 Das Bundesfinanzministerium wollte schon bald ein Rundschreiben an die Finanzbehörden verschicken, um Bagatellfälle aus dem Anwendungsbereich des § 370a A O auszunehmen. 45 Gänzlich positiv aufgenommen wurden die Änderungen - soweit ersichtlich - allein von Hetzer, der dem Gleichheitsgrundsatz, dem Gebot der Steuergerechtigkeit sowie der wirksamen Strafverfolgung Genüge getan sah. 4 6 Auch i m politischen Lager forderten laute Stimmen eine Reform. 4 7 Während des Gesetzgebungsverfahrens

zum Fünften Gesetz zur Änderung des Steuer-

beamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen (abgekürzt S t B A G ) 4 8 verlangte die C D U / CSU-Fraktion, die Variante der gewerbsmäßig 37 Kohlmann, § 370a AO Rn. 2, Stand Okt. 2002. Hetzer, ZfZ 2003, 221, 224 hält hingegen nicht den Druck der Terrorismusbekämpfung ausschlaggebend für die Einführung der Vorschrift, sondern die Änderung der Mehrheitsverhältnisse zwischen der 13. und 14. Legislaturperiode. 38 Park, wistra 2003, 328. 39 Götzens in Wannemacher, Rn. 1791. 40 Weyand, INF 2002, 183, 186. 41 Joecks, wistra 2001, 201, 204 f. 42 Oberloskamp, StV 2002, 611, 614. 43 Oberloskamp, StV 2002, 611,616. 44 Quedenfeld/ Füllsack, Rn. 212. 45 Vgl. Meyer in Hund/Johnigk/Wollburg, DStR 2002, 879, 881. Götzens in Wannemacher, Rn. 2922 bezweifelt die Effektivität eines solchen Rundschreibens, welches i. Ü. bislang noch nicht ergangen ist. 46 Die bisherige Passivität sei allein durch den Umstand erklärbar, dass die Organisierte Kriminalität und die bürgerliche (Erfolgs-)Gesellschaft das Interesse an Gewinnmaximierung und Minimierung der Steuerlast gemeinsam hätten, Hetzer, ZfZ 2002, 38, 43 f. Burger, wistra 2002, 1, 2 hält den gesetzgeberischen Ansatz für sinnvoll, aber durch eine „Reihe von Unklarheiten relativiert". 47 Hetzer, Kriminalistik 2002, 642, 651 meint, dass sich die Einigkeit hinsichtlich der Reformbedürftigkeit nicht auf die rechtlichen Aspekte erstreckte, sondern allein von der Besorgnis geleitet war, dass sich die Vorschrift negativ auf die steuerliche Einnahmeentwicklung auswirken könne. H ist aber zu entgegnen, dass die Begründungen der Änderungsanträge in eine andere Richtung deuten. 48 Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Bundesregierung hatte ausschließlich Inhalte und Abläufe der Steuerbeamtenaus- und -fortbildung und die Harmonisierung dienstrechtlicher Bundes- mit Landesvorschriften enthalten, vgl. BT-Drucks. 14/8286. Während des Gesetzgebungsverfahrens wurde er durch Änderungen von elf Steuergesetzen ergänzt, BT-Drucks. 14/8887. Die Zusammenhanglosigkeit zwischen dem ursprünglichen Gesetzentwurf und den

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1. Teil: Einleitung

begangenen Steuerhinterziehung zu streichen. 49 Die FDP-Fraktion beantragte die Streichung der gesamten Norm und Herabstufung der bandenmäßigen Begehung zu einem Regelbeispiel im Rahmen des § 370 Abs. 3 AO. 5 0 Diese Anträge konnten sich im Finanzausschuss des Bundestages allerdings nicht durchsetzen.51 Die Bundesregierung, der sich die Fraktion der SPD anschloss,52 sah es nach intensiver Prüfung der Kritik durch die herkömmliche Definition der Gewerbsmäßigkeit sichergestellt, dass Bagatellfälle nicht in den Anwendungsbereich der Norm fielen und wollte eine Verständigung mit den Ländern auf eine „äußerst restriktiv(e)" Anwendung der Norm suchen, um den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren und dabei auch die Selbstanzeigemöglichkeit zu erhalten. 53 Wohl auch als Reaktion auf die massive Kritik im Schrifttum sowie seitens des politischen Lagers 54 verlangte sodann der Bundesrat am 31. 05. 2002, zurückgehend auf eine Initiative des federführenden Finanzausschusses sowie des Wirtschaftsausschusses im so genannten zweiten Durchgang des GesetzgebungsVerfahrens zu dem gem. Art. 105 Abs. 3, 108 Abs. 2, 5 GG zustimmungspflichtigen Gesetz55 - ohne inhaltliche Debatte56 die Anrufung des Vermittlungsausschusses.57 Dieser sollte „die Anwendung des § 370a AO im Falle der Gewerbsmäßigkeit auf die besonders schweren Fälle ( . . . ) beschränken" und „eine strafbefreiende Selbstanzeigemöglichkeit nach § 371 AO ( . . . ) ermöglichen 4'.58 Die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses enthielt daraufhin eine Ergänzung des Gesetzes durch eine zuvor in keiner Weise vorgesehene Neufassung des § 370a AO. 5 9 Dieser Einigungsvorschlag wurde am „aufgesattelten" Regelungen wurde von der PDS kritisiert, vgl. BT-Drucks. 14/8887, 22. Die Fraktion der CDU/CSU kritisierte den Titel des Gesetzes, weil er den Schwerpunkt der Gesetzesvorlage, der auf der Änderung von elf Steuergesetzen liege, nicht veranschauliche. Die Bundesregierung widersprach mit Hinweis auf die korrekte Wiedergabe des Inhalts der Vorlage durch den Titel, vgl. BT-Drucks. 14/8887, 22. 49 BT-Drucks. 14/8887,2. so BT-Drucks. 14/8887, 2, 23 f. 51 BT-Drucks. 14/8887,2. 52 BT-Drucks. 14/8887, 24; die SPD wollte vor einem erneuten Tätigwerden des Gesetzgebers im Interesse der Bekämpfung des schweren Steuerbetrugs praktische Erfahrungen mit der Vorschrift sammeln. 53 BT-Drucks. 14/8887, 24; das Protokoll der Vereinbarung sollte veröffentlicht werden. Gast-de Haan, DStR 2003, 12, 13 hielt eine derartige „Verwaltungsanweisung" im Strafrecht für äußerst bemerkenswert und auch CDU/CSU und FDP hielten sie für unzureichend, vgl. BT-Drucks. 14/8887, 24. 54 So Rüping, DStR 2002, 1417, 1418; anders Hetzer, ZfZ 2003, 221, 225, der die angeregten Änderungen nicht auf dogmatische und rechtliche Erwägungen zurückführt, sondern „einzig und allein" auf die Befürchtung einer negativen Entwicklung der steuerlichen Einnahmeentwicklung. 55 Vgl. auch BR-Drucks. 351/1/02; Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 4. 56 Vgl. stenografischer Bericht der 776. Sitzung des Bundesrates v. 31. 05. 2002, S. 278. 5v BR-Drucks. 351/1/02, 2 ff. 58 BT-Drucks. 14/9343, 2; BR-Drucks. 351/02. 59 BT-Drucks. 14/9631,2.

B. Gesetzgeberische Zielsetzung, Motive und Hintergründe

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28. 06. 2002 vom Bundestag ohne Aussprache verabschiedet,60 der Bundesrat stimmte ebenfalls ohne Beratung am 12. 07. 2002 zu. 61 Die Verkündung erfolgte am 26. 07. 2002, am 27. 07. 2002 trat die Änderung gem. Art. 17 Abs. 1 StBAG in Kraft. 62 Seitdem hat § 370a AO gem. Art. 7 StBAG 63 folgenden Wortlaut: 64 „Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird betraft, wer in den Fällen des §370 1. gewerbsmäßig oder 2. als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Ein minder schwerer Fall liegt insbesondere vor, wenn die Voraussetzungen des § 371 AO erfüllt sind."

Wesentliche Unterschiede zur ursprünglichen Fassung liegen damit in der Einfügung des Merkmals „in großem Ausmaß", der Schaffung eines minder schweren Falles und der Ermöglichung der Selbstanzeige mit strafmildernder Wirkung. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Gesetzgebungsverfahren sowohl bei Einführung als auch bei der Änderung des § 370a AO - denkbar schnell verliefen. Die Vorschrift wurde in beide Versionen erst „in letzter Minute" eingefügt, so dass kaum Zeit für eine Erörterung der Probleme blieb. Dass der Gesetzgeber auch im Änderungsverfahren, aus dem zudem in formeller Hinsicht verfassungsrechtliche Bedenken erwachsen, „mit der heißen Nadel gestrickt" 65 und die möglichen Konsequenzen seines Handelns nicht wirklich durchdacht hat, zeigt die anhaltende Kontroverse um die Vorschrift.

B. Gesetzgeberische Zielsetzung, Motive und Hintergründe Die Intention des Gesetzgebers, die er mit der Einführung der Vorschrift verfolgte, ist nicht leicht feststellbar, da die Vorschrift so kurzfristig und nahezu ohne Begründung geschaffen wurde. Eine Begründung der novellierten Fassung wurde 60 Plenarprotokoll 14/246 der 246. Sitzung vom 28. 06. 2002, S. 24855 f. A. 61 Vgl. Plenarprotokoll der 778. Sitzung des Bundesrates, S. 393. 62 BGBl. I 2002, 2715 ff. Entgegen Quedenfeld/ Füllsack, Rn. 212 trat nur die Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes rückwirkend zum 1. 07. 2002 in Kraft, Art. 17 Abs. 2 StBAG. 63 Kritik an der Verortung des geänderten § 370a AO im Steuerbeamten-Ausbildungsgesetz übt Sauren, ZEV 2002, 404. 64

Hervorhebungen durch die Verfasserin, sie kennzeichnen die Neuerungen. 65 So Schiffer, BB 2002, 1174, 1176.

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1. Teil: Einleitung

- wie regelmäßig bei im Vermittlungsausschuss zustande gekommenen Gesetzen nicht veröffentlicht. 66 Aus dem Bericht des Finanzausschusses, der den Anstoß zur Schaffung der Vorschrift gab, geht hervor, dass eine verbesserte Bekämpfung der Organisierten Kriminalität angestrebt war. § 370a AO trage dem nachweisbaren Umstand Rechnung, dass Verdächtige und Täter, die sich im Bereich der Organisierten Kriminalität bewegen, grundsätzlich ihre steuerlichen Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllen, berücksichtige aber gleichzeitig, dass nicht jede Art der Steuerhinterziehung der Organisierten Kriminalität zugerechnet werden könne. Die systematisch betriebene Steuerhinterziehung sei hingegen schon wegen der Entdeckungsgefahr bei kriminellen Vorgehensweisen notwendiger Bestandteil der Organisierten Kriminalität und zudem Folge des außerordentlich „hemmungslosen Bereicherungsstrebens 4' in diesem Umfeld. Die hinterzogenen Steuern vergrößerten die Finanzmacht und damit die ohnedies schon bestehende extreme Gefährlichkeit der Organisierten Kriminalität. 67 Ob die Bekämpfung von Steuerhinterziehungen im Rahmen der Organisierten Kriminalität der wirkliche Zweck des gesetzgeberischen Tätigwerdens war, wird allerdings bezweifelt. Denn § 370a AO schließe keine Strafbarkeitslücken und werde nicht zur Ermöglichung einer angemessenen Strafzumessung benötigt, zumal in den besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung schon zuvor - wie auch vom Gesetzgeber erkannt 68 - gem. § 370 Abs. 3 AO ebenso hohe Strafen verhängt werden konnten.69 Dass diese Sanktionsmöglichkeiten ausreichten, werde daraus deutlich, dass § 370 Abs. 3 AO in der Praxis nur selten angewandt worden sei. 70 Auch die Behauptung, dass die systematisch betriebene Steuerhinterziehung zum Funktionsmodus der Organisierten Kriminalität gehöre, sei nicht richtig, da für die illegale Einfuhr von Betäubungsmitteln, einem „klassischen" Fall Organisierter Kriminalität, schon keine Steuerschuld entstehe. Des Weiteren stehe der Begriff der Gewerbsmäßigkeit im Grunde nicht in Beziehung zur Organisierten Kriminalität. 71 Als vorrangiger Zweck wird daher nicht die direkte Bekämpfung der Steuerhinterziehungen im Rahmen Organisierter Kriminalität vermutet, sondern - wie auch in der Begründung des Finanzausschusses angeführt, allerdings 66 Vgl. BT-Drucks. 14/9631, Götzens in Wannemacher, Rn. 1797. 67 BT-Drucks. 14/7471, 6, 9; der Finanzausschuss ist der 7. Ausschuss.; Tröndle/Fischer, 51. Aufl., § 261 StGB Rn. 8 nennt diese Argumentation zirkelschlüssig, da sich § 370a AO nicht gegen die Hinterziehung von Steuern aus Organisierter Kriminalität richte, sondern die Steuerhinterziehung selbst als Organisierte Kriminalität definiere. Konsequent seien unter diesem Aspekt Hetzer, WM 1999, 1306, 1316 f.; ders., ZRP 1999, 245, 246; MeyerIHetzer, ZRP 1997, 13. 68

Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 14/7471, 6, 9. 69 Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 5 ff., Stand August 2002; Spatscheck/Wulf, DB 2002, 392, 394. 70 Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 46, Stand Dezember 2002. Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 8, Stand August 2002; Hellmann meint jedoch, dass der Begriff faktisch vorrangig derartige Fallgestaltungen erfasse. Dies ist freilich nicht richtig, wie noch dargelegt wird.

B. Gesetzgeberische Zielsetzung, Motive und Hintergründe

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nicht als das primäre Ziel 7 2 - die Ausweitung der Geldwäschestrafbarkeit durch Ausgestaltung des § 370a AO als Verbrechenstatbestand und somit gem. § 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB tauglicher Geldwäschevortat.73 Da dadurch die Befugnisse der Ermittlungsbehörden und die Mitteilungspflichten nach dem Geldwäschegesetz wesentlich erweitert werden, sei die Vorschrift als „Fahndungsansatz" konzipiert. 74 Dass dies die vorrangigen Gründe waren, wurde von Prof. Dr. Jürgen Meyer, MdB, 7 5 „spiritus rector" 76 der Vorschrift, in einem Interview bestätigt, in welchem er darlegte, dass „Hauptmotiv" der Neuschaffung eine effektive Gewinnabschöpfung mittels des Steuerrechts war. Denn bei Einleitung eines Strafverfahrens wegen Geldwäsche oder einer Geldwäschevortat sind die Strafverfolgungsbehörden gem. § 10 Abs. 2 GwG verpflichtet, das Finanzamt in Kenntnis zu setzen. Somit kann parallel zum Strafverfahren ein Besteuerungsverfahren durchgeführt werden. Und wohingegen im Strafverfahren der Nachweis von Delikten sowie der deliktischen Herkunft von Geldern wegen der hohen rechtsstaatlichen Beweishürden, wie etwa der Unschuldsvermutung, der vollen Beweislast des Staates sowie des Rechts zu schweigen, häufig misslingt, bietet das Steuerrecht weitergehende Eingriffsmöglichkeiten. 77 So solle das „uralte ethische Ziel" erreicht werden, dass sich Straftaten nicht lohnen dürfen. 78 Außerdem sollte die Organisierte Kriminalität nach dem so genannten „Al-Capone-Prinzip", einer alten Idee des Max-PlanckInstituts, maßgeblich geschwächt werden. Inhalt des Prinzips ist, dass insbesondere Angehörige der Organisierten Kriminalität zumindest wegen Steuerhinterziehung bestraft werden, da die Überführung wegen anderer Straftaten häufig misslingt. 79 Die scharfe Strafe wegen Steuerhinterziehung nimmt sozusagen den Platz der nicht nachweisbaren Strafe wegen Auftragsmord, Menschenhandel, Förderung der Prostitution oder ähnlichen Delikten ein. 80 Die Strafdrohung solle zudem in Hinblick auf Banken und Versicherungen präventiv wirken. Eine besonders schwere Form der Steuerhinterziehung werde neu bewertet und dadurch der hohe Schaden aus Steuerausfällen verringert, was der Steuergerechtigkeit diene. Die schwere Steuer72 BT-Drucks. 14/7471, 9. Auf die daran anknüpfenden Mitteilungspflichten wird nicht eingegangen. 73 Rüping, AO-StB 2004, 376. 74 Tröndle/ Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 8a. 75 Prof. Dr. Jürgen Meyer war zur Zeit der Schaffung der Vorschrift Mitglied des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages und stellvertretender rechtspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. 76 So Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 3.

77 Beispielsweise ist nach § 162 AO eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen möglich und bestehen umfassende Mitwirkungspflichten der am Steuerverfahren Beteiligten nach § 90 AO. 78 Meyer in Hund/Johnigk/Wollburg, DStR 2002, 879. 79 Meyer in Hund/Johnigk/Wollburg, DStR 2002, 879, 880. so Bender, ZfZ 2002, 146, 148.

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1. Teil: Einleitung

hinterziehung dürfe nicht länger als „Kavaliersdelikt" bewertet werden. 81 Ziel der Einführung des § 370a AO war somit die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, wobei als Ansatzpunkt die Nichterfüllung steuerlicher Pflichten diente.82

C. Bedeutung der Vorschrift und Problematik Mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe 83 stellt § 370a AO als Verbrechenstatbestand im Sinne des § 12 Abs. 1 StGB ein steuerstrafrechtliches Novum dar 84 und wird als „Quantensprung4' im Steuerstrafrecht gewertet. 85 Zwar konnte die Novellierung des § 370a AO einigen Problemen ihre Brisanz nehmen, allerdings hat sie bei weitem nicht alle Zweifelsfragen geklärt und nicht alle gegen § 370a AO a. F. vorgebrachten Einwände umgesetzt, so dass sich die Vorschrift weiterhin heftiger Kritik ausgesetzt sieht. Dem Gesetzgeber wird vorgeworfen, dass die kurzfristige Einführung und ebenso kurzfristige Änderung des § 370a AO und die mit ihm aufgetretenen, wenig durchdachten Probleme vermuten ließen, dass er das Strafrecht als „Experimentierfeld" ansehe,86 in dem das Gesetz von „trial und error" herrsche. 87 Unverändert bestehe eine „Vielzahl von Auslegungsproblemen" 88 und gingen die Anwendungsbereiche des § 370a AO und auch des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB ihrem Wortlaut nach weit über die Organisierte Kriminalität hinaus. Denn die Tatbestandsmerkmale der Gewerbs- und Bandenmäßigkeit erfassten zu sehr großen Teilen auch die tagtäglichen Erscheinungsformen der Steuerhinterziehung. 89 Diese und die darüber hinaus bestehenden Schwierigkeiten, die sich vornehmlich im Bereich der Auslegung des neuen Tatbestandsmerkmals „in großem Ausmaß", der Frage der Verfassungskonformität der Vorschrift sowie als Folge81 Meyer in Hund /Johnigk/ Wollburg, DStR 2002, 879, 880; zustimmend diesbezüglich Scherp, WM 2003, 1254. 82 BT-Drucks. 14/7471. 83 Nach § 41 StGB kann das Gericht neben der Freiheitsstrafe auch eine Geldstrafe verhängen, wenn der Täter sich durch die Tat bereichert oder zu bereichern versucht hat; vgl. auch Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 37. Bei mehreren in Tatmehrheit im Sinne des § 53 StGB verwirklichten gewerbs-oder bandemäßig begangenen Steuerhinterziehungen kann als Gesamtstrafe nach § 54 Abs. 1, 2 StGB eine Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren verhängt werden. 84 Mit Ausnahme von Tatbeständen beispielsweise des BtMG, die als Bannbruch Verbrechensqualität haben, vgl. Bender ZfZ 2002, 146, 147. 85 Hetzer, DStZ 2002, 175; Kohlmann, Vorwort zu der Neukommentierung im November 2002, S. II; zustimmend Harms, Stbg 2005, 12, 17. 86 Seer, BB 2002, 1677, 1680; sehr kritisch auch Bender, ZfZ 2002, 366. 8v Fahl, ZStW 2002, 794, 797. 88 Kohlmann, § 370a AO Rn. 4, Stand Okt. 2002. 89 BGH, NJW-Spezial 2004, 185; Harms, FS Kohlmann, 413, 421 ff.

C Bedeutung der Vorschrift und Problematik

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Probleme auf dem Gebiet der Geldwäsche befinden, sollen im Folgenden kurz umrissen werden.

I. Gewerbsmäßige Begehung Die Schwerpunkte der Problematik, die sowohl hinsichtlich der Gewerbs- als auch hinsichtlich der Bandenmäßigkeit aus dem Konflikt zwischen den Besonderheiten des Steuerrechts und der strafrechtlichen Prägung beider Tatvarianten erwachsen, sollen anhand von in der Literatur diskutierten kleinen Beispielsfällen veranschaulicht werden. Der Steuerpflichtige A hat vor drei Jahren beschlossen, dass sein Gehalt zu niedrig, die von ihm zu entrichtenden Steuern hingegen viel zu hoch seien, und er daher der Gerechtigkeit ein wenig auf die Sprünge helfen müsse. Daher gibt er seit drei Jahren in seiner Einkommensteuererklärung den Weg zur Arbeitsstätte um einige Kilometer länger an als er wirklich ist 9 0 und macht Aufwendungen für ein Arbeitszimmer geltend, obwohl das Zimmer neben der von ihm erledigten Büroarbeit auch seiner Ehefrau zum Bügeln dient und seine Söhne dort ihre Modelleisenbahn aufgebaut haben.91

Indem A die unrichtige Steuererklärung einreicht und dadurch eine zu niedrige Steuerfestsetzung bewirkt, verwirklicht er den Grundtatbestand der Steuerhinterziehung. Für das gem. § 370a AO qualifizierende Merkmal der gewerbsmäßigen Begehung genügt nach der allgemein strafrechtlichen Definition die Absicht, sich durch die wiederholte Begehung von Straftaten eine Einnahmequelle von einiger Dauer und gewissem Umfang zu verschaffen. 92 Dies ist bei A, der mit der Absicht handelt, jedes Jahr die entsprechenden Werbungskosten geltend zu machen und dadurch seine Steuerlast zu mindern, erfüllt. Problematisch erscheint, dass viele wichtige Steuerarten, insbesondere die Einkommen- und Umsatzsteuer der Abschnittsbesteuerung unterliegen, aufgrund derer steuerrechtliche Mitwirkungspflichten in Form von periodisch nach Maßgabe der Steuergesetze abzugebenden Steuererklärungen bestehen (§ 149 Abs. 1 Satz 1 AO). Dadurch wird die Häufigkeit der Begehung einer Steuerhinterziehung in gewisser Weise vorgegeben. In Verbindung mit der weiten Definition der Gewerbsmäßigkeit führt dies dazu, dass nahezu jede Steuerhinterziehung gewerbsmäßig begangen wird. 93 Hinzu kommt, dass sich A nach der ersten Falschdeklaration in einer gewissen Zwangslage befindet. Würde er plötzlich das Arbeitszimmer nicht mehr geltend machen oder die Länge des Arbeitsweges korrigieren, würde er damit selbst eine Spur zu den von ihm begangenen Steuerhinterziehungen legen. Es ist denkbar, dass er mittlerweile gern die Steuerhinterziehungen einstellen und in die Legalität zurückkehren würde, sich dies aber nicht traut. Die Wiederholung im Steuerstrafrecht kann somit - an90 Pestke / Motte, Stbg 2002, 493. 91 Bender, ZfZ 2002, 146, 147. 92 BGHSt 1, 383; Voß in FGJ, § 373 Rn. 11. 93 Stahl, Selbstanzeige, Rn. 362.

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1. Teil: Einleitung

ders als im Kernstrafrecht - eher von Schwäche und Angst vor Entdeckung zeugen als von besonders hoher krimineller Energie. Aufgrund der steuerrechtlichen Besonderheiten zeichnet die Gewerbsmäßigkeit im Fall des § 370a AO daher nicht nur die kriminalpolitisch strafwürdigen Fälle aus, sondern erfasst den Großteil aller Steuerhinterziehungen, eingeschlossen „Bagatellfälle". 94 Um solch weniger schwerwiegende Fälle von der Verbrechensstrafbarkeit auszunehmen, gibt es verschiedene Vorschläge, den Anwendungsbereich des § 370a AO generell zu beschränken. Wie im Folgenden gezeigt wird, begegnen diesen Meinungen allerdings schwerwiegende Bedenken und sind abzulehnen. Die Mehrzahl der eine Restriktion vorschlagenden Autoren befürwortet hingegen eine Einschränkung nicht des Anwendungsbereiches generell, sondern der einzelnen Tatbestandsmerkmale. So gibt es diverse Ansätze, um den Begriff der Gewerbsmäßigkeit einzuschränken. Die Untersuchung wird aber erweisen, dass auch diese Restriktionsansätze nicht überzeugen können. Die Weite der Tatvariante der gewerbsmäßigen Begehung kann somit allenfalls mittels des neu eingefügten Merkmals der Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß" eingeschränkt werden.

II. Bandenmäßige Begehung Ein Zweifelsfall bezüglich der Variante der bandenmäßigen Begehung ist beispielsweise die Konstellation eines Ehepaares, welches auf Empfehlung eines Bankangestellten zwecks Hinterziehung der Kapitaleinkünftesteuer Geld im Ausland anlegt. Des Weiteren nennt etwa Döpfer eine Fahrgemeinschaft dreier Arbeitskollegen zur Arbeitsstelle, bei der jeder der drei ohne Wissen der anderen in seiner Steuererklärung geltend macht, die Strecke mit dem eigenen Auto gefahren zu sein.95 Auch der Handwerksmeister, der illegal zwei Ausländer beschäftigt und im Einverständnis mit ihnen Lohnsteuer hinterzieht, um dem Konkurrenzdruck standhalten zu können, wurde, jedenfalls vor Einführung des Merkmals „in großem Ausmaß", als problematisch angesehen.96 Diese Beispiele verdeutlichen die Schwierigkeit der bandenmäßigen Steuerhinterziehung, welche darin liegt, dass an der Abgabe der Steuererklärung häufig mehrere Personen beteiligt sind, so dass die gemeinsame Begehung - wiederum im Gegensatz zum Kernstrafrecht - keine Besonderheit darstellt. 97 Insbesondere im Unternehmensbereich wird daher eine bandenmäßige Begehung des Öfteren nahe liegen. 98 94 Kohlmann, § 370a AO Rn. 13, Stand Oktober 2002; Schiffer, PStR 2002, 167, 169; a. A., aber nicht überzeugend Senge in Erbs / Kohlhaas, A 24, § 370a AO Rn. 3, Stand Juni 2004. 95 Döpfer, PStR, 2002, 149, 151. 96 Bender, ZfZ 2002, 146, 148. 97 Harms, Stbg 2005, 12, 17. 98 So auch Tröndle /Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 16b.

C. Bedeutung der Vorschrift und Problematik

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Auch zu dem Begriff der Bande im Sinne des § 370a AO werden daher diverse Einschränkungen vertreten. Problematisch an ihnen ist jedoch, dass sie teilweise nicht mit bislang anerkannten Figuren und Grundsätzen des Strafrechts oder mit anderen Vorschriften des Steuerstrafrechts in Einklang stehen. Burger nennt die Frage, ob ein Steuerpflichtiger, sein Steuerberater und Buchhalter eine Bande bilden können, eine rhetorische." Darüber, dass derartige Konstellationen regelmäßig nicht als Verbrechen eingestuft werden sollten, herrscht weitgehend Einigkeit. Es genügt aber nicht, dies ohne nähere Begründung als „rhetorische Frage" zu klassifizieren. 100 Eine überzeugende und stringente Lösung aufzuzeigen, die die nicht erhöht strafwürdigen Fälle aus dem Anwendungsbereich des Verbrechenstatbestandes ausscheidet und praxistaugliche Abgrenzungen ermöglicht, ist Ziel der vorliegenden Arbeit.

III. „In großem Ausmaß" Die Einfügung des zusätzlichen Tatbestandsmerkmals der Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß" sollte die weniger strafwürdigen Fälle, insbesondere Bagatellfälle von dem Anwendungsbereich des § 370a AO ausnehmen.101 Ob die zusätzliche Voraussetzung tatsächlich zu einer wesentlichen Einschränkung geführt hat, ist fraglich und umstritten. Während Wannemacher/Meyer meinen, dass dieses Kriterium nur der Klarstellung diene und keine Rechtsänderung bedeute,102 vertreten andere Autoren, dass die wortgetreue Anwendung der Vorschrift in mancher Hinsicht unverändert „untragbare" Resultate habe, so dass auch nach der Gesetzesnovelle eine restriktive Auslegung sowohl der Gewerbs- als auch der Bandenmäßigkeit erforderlich sei. 103 Kemper befürchtet, dass das Erfordernis in der Praxis zur Festlegung einer bestimmten Wertgrenze führen werde, was zur Folge hätte, dass auch weiterhin solche Steuerhinterziehungen von § 370a AO erfasst würden, die bislang nicht einmal besonders schwere Fälle im Sinne des § 370 Abs. 3 AO darstellten. 104 Rüping demgegenüber meint, dass durch die Einfügung Versuche einer restriktiven Auslegung der gewerbs- und bandenmäßigen Steuerhinterziehung zwar nicht dogmatisch, jedoch praktisch weitgehend entbehrlich würden. 105 Hunsmann geht noch weiter, indem er schreibt, dass infolge der Neu99 Burger, wistra2002, 1, 2. 100

Ebenso Lührs, BuW 2002, 711, 712, der durchaus ein erhöhtes Strafbarkeitsrisiko für gegeben hält. 101 Dies hatte unter anderen die Bundessteuerberaterkammer gefordert, DStR-KR 9 / 2002,

10, 11.

!02 WannemacherIMeyer in Beermann, § 370a AO Rn. 11, Stand Dezember 2002; dem stimmt im Prinzip auch Fahl, ZStW 2002, 794, 813 zu. 103 So beispielsweise Kemper in Dietz/ Cratz/ Rolletschke, § 370a AO Rn. 5 f., Stand Dezember 2002. >04 Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 19, Stand Dezember 2002. los Rüping, DStR 2002, 1417, 1418.

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1. Teil: Einleitung

fassung jegliche Restriktionsansätze ihrer inneren Rechtfertigung entbehrten. 106 In ähnlicher Weise kommentierte Fahl die Neufassung mit dem berühmten Satz Julius Hermann von Kirchmanns (1802-1884): „Drei berichtigende Worte des Gesetzgebers und ganze Bibliotheken werden zu Makulatur." 107 Inwieweit es tatsächlich gelungen ist, die nicht erhöht strafwürdigen Konstellationen auszugrenzen, hängt entscheidend von der inhaltlichen Konkretisierung des Merkmals ab. Gerade hier liegt jedoch der Hauptproblempunkt und bestehen große Unsicherheiten. Es ist nämlich in vielerlei Hinsicht unklar, wie der Begriff auszulegen ist. So ist umstritten, ob das große Ausmaß qualitativ oder quantitativ zu bestimmen ist und ob auf die einzelne Steuerhinterziehung oder auf zusammenzufassende Taten abzustellen ist. Sollte tatsächlich die Gesamtsumme der Taten maßgeblich sein, stellt sich als nächstes Problem, dass die Verjährungsfrist doppelt so lange beträgt wie im Rahmen des § 370 AO, was sich dann insbesondere auf das Tatbestandsmerkmal des großen Ausmaßes auswirken würde. Auch dies gibt der Befürchtung Nahrung, dass § 370a AO zum Regelfall der Steuerhinterziehung werden wird. 1 0 8 Beispielsweise behauptete Hunsmann, dass ab einem für das große Ausmaß vorausgesetzten Mindestbetrag von 500 000 Euro der weitaus überwiegende Anteil „einfacher" Steuerhinterziehungen aus dem Anwendungsbereich herausfalle und belegt dies mit dem Beispiel eines „Luxemburg-Falles", bei dem der Steuerpflichtige, der dem Spitzensteuersatz von 50 % unterfalle, einen Betrag von 10 Millionen Euro transferiert haben müsse, um bei einem Zinssatz von 10% 500 000 Euro Steuern verkürzen zu können. 109 Bei diesem Beispiel geht Hunsmann freilich davon aus, dass auf die Einzeltat abzustellen und die in verschiedenen Zeiträumen begangenen Steuerhinterziehungen nicht zusammenzufassen sind. Dies ist aber keineswegs geklärt, vielmehr wollen namhafte Autoren, ebenso wie mittlerweile auch Hunsmann selbst, 110 die Gesamtsumme für maßgeblich erachten, um Zufälligkeiten zu vermeiden. Tut man dies, und geht davon aus, dass der Steuerpflichtige das Geld nicht nur ein Jahr, sondern über mehrere Jahre hinweg entsprechend angelegt hat, so wäre in Anbetracht der zehnjährigen Verjährungsfrist bei Berücksichtigung des Zinseszinseffektes nicht einmal ein Zehntel des von Hunsmann genannten Betrags notwendig, so dass der Ausschluss des Großteils einfacher Steuerhinterziehungen nicht mehr derart offensichtlich, sondern vielmehr zweifelhaft erscheint. 106 Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1159. 107 Fahl, ZStW 2002, 794, 817. ios So Sommer! Füllsack, Stbg 2002, 355, 364. Die durch die lange Verjährungsfrist erhöhte Hinterziehungssumme würde zudem die Strafzumessung erheblich beeinflussen, Müller, DStR 2002, 1641, 1647. Müller befürchtet zudem, dass eine Verlängerung der steuerlichen FestsetzungsVerjährung gem. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO die Folge sein könne, da deren Ablauf nach § 171 Abs. 7 AO bis zum Ende der strafrechtlichen VerfolgungsVerjährung gehemmt ist. Dabei übersieht er freilich, dass die strafrechtliche Verjährungsfrist im Fall des § 370a AO der Festsetzungsfrist entspricht. 109 Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1156. no Vgl. Hunsmann, NStZ 2005, 72, 74.

C. Bedeutung der Vorschrift und Problematik

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Ungeklärt ist bei der Auslegung des großen Ausmaßes zudem, ob die Hinterziehungssumme oder der tatsächliche Steuerschaden entscheidet, was insbesondere bei der durch eine Umsatzsteuervoranmeldung regelmäßig nur verwirklichten Steuerhinterziehung auf Zeit, bei der im Rahmen der Strafzumessung zu § 370 AO nur der Zinsschaden berücksichtigt wird, entscheidende Unterschiede zur Folge haben kann. Fraglich ist weiterhin, ob nur die bereits begangenen oder auch geplante Taten beachtlich sind und ob das Merkmal autonom zu sehen ist oder die gewerbs- oder bandenmäßige Begehung eine gewisse Ausstrahlungswirkung entfaltet. Die Meinungen zu diesen Fragen variieren mitunter stark. Die hier vorgeschlagene Lösung wird insbesondere berücksichtigen, dass das Merkmal entscheidend für die Strafbarkeit nach einem Verbrechen ist, so dass ausreichend hohe Anforderungen zu stellen sind, und dass die Auslegung nicht zu praktischen Unsicherheiten und unüberwindbaren dogmatischen Problemen führen darf.

IV. Konsequenzen und Folgeprobleme Sowohl auf materieller als auch auf prozessualer Ebene sind die Folgen des Verbrechenstatbestandes tief greifend. Beispielsweise kann das Ermittlungsverfahren wegen gewerbs- oder bandenmäßiger Steuerhinterziehung nicht im Wege der Verständigung abgeschlossen werden, da sämtliche Möglichkeiten der Verfahrenseinstellung bei einem Verbrechen verschlossen sind. Des Weiteren können etwa verdeckte Ermittler eingesetzt werden. Abgesehen von den in der Arbeit zu erläuternden schwerwiegenden Änderungen, die dies in der Praxis, insbesondere in der Ermittlungspraxis, nach sich ziehen wird, sind auf rechtlicher Ebene wichtige Fragen noch ungeklärt. Vollkommen ungewiss ist beispielsweise - wie bereits vom Bundesgerichtshof bemängelt - in welchem Konkurrenzverhältnis § 370a AO zu dem gewerbsmäßigen, gewaltsamen und bandenmäßigen Schmuggel, § 373 AO, sowie zu den Vorschriften über die Schädigung des Umsatzsteueraufkommens, §§ 26b, c UStG, steht. Die Auslegung des § 370a AO ist überdies insofern von maßgeblicher Bedeutung, als die Vorschrift als Vortat der Geldwäsche unmittelbare Auswirkung auf deren Reichweite und damit auch auf die Reichweite der auf der Geldwäsche aufbauenden weiten prozessualen Befugnisse, wie die Überwachung der Telekommunikation, hat. Teilweise wird die Tatsache, dass § 370a AO taugliche Geldwäschevortat ist, bereits deswegen kritisiert, weil die Tatbestände der Geldwäsche und der Steuerhinterziehung strukturell verschieden seien.111 Hauptkritik- und -problempunkt ist jedoch die Bestimmung des Geldwäschegegenstandes, wenn als Taterfolg der vorangegangenen gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung in Kohlmann, § 370a AO Rn. 37, Stand Oktober 2002; Spatscheck/ Wulf, DB 2001, 2572, 2573; Stellungnahme des Strafrechtsausschusses des DAV, AnwBl. 2002, 27; a. A. Kruhl, BB

2002, 1018, 1021.

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1. Teil: Einleitung

lediglich Steuern erspart wurden. Fraglich ist bereits, ob die Steuerersparnis überhaupt ein taugliches Tatobjekt darstellen kann, da sie nicht aus der Tat herrührt, sondern sich bereits vorher im Tätervermögen befand. 112 Um die Ersparnis dennoch erfassen zu können, wurde die Vorschrift des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB durch das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz geändert, indem auch die Vermögensbestandteile als Geldwäschegegenstand erfasst wurden, hinsichtlich derer Abgaben hinterzogen worden sind. Übersehen wurde bei dieser Änderung jedoch, dass nach der Gesetzesformulierung das gesamte Vermögen des Steuerhinterziehers bemakelt sein konnte, was eine sehr weitreichende Geldwäschestrafbarkeit derjenigen zur Folge hatte, die von einem Steuerhinterzieher Geld annahmen. Dies wiederum zog eine unverhältnismäßige totale Isolation des Steuerhinterziehers trotz Geltung der Unschuldsvermutung nach sich. Zur Veranschaulichung ein kleiner Beispielsfall: Gegen den Prominenten B wurde ein Ermittlungsverfahren wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung eingeleitet. Dies ist durch die Medien an die Öffentlichkeit gelangt, so dass nun die Allgemeinheit bösgläubig ist. Selbst der Einzelhändler, der B für seine Familie Lebensmittel verkaufen würde, beginge im Fall einer Kontamination des gesamten Vermögens des B durch Annahme des Geldes für die Lebensmittel eine Geldwäsche. B könnte daher nicht einmal normale Alltagsgeschäfte tätigen. Insbesondere die Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe setzten sich durch Annahme ihres Honorars der immanenten Gefahr der Strafbarkeit wegen Geldwäsche aus. Die einschneidenden Auswirkungen der Vorschrift wurden von vielen Autoren wegen UnVerhältnismäßigkeit sowie wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot und die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG als verfassungswidrig angesehen.113 Um der Kontamination des Gesamtvermögens entgegenzuwirken, wurde § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des SteuerbeamtenAusbildungsgesetzes und zur Änderung anderer Steuergesetze abgewandelt. Ob diese Korrektur den gewünschten Erfolg tatsächlich erzielt hat oder ob das Problem der zu weiten Infizierung unverändert fortbesteht, ist zweifelhaft und umstritten. Zwar wurde der Geld Wäschegegenstand betragsmäßig korrekt in Höhe der Ersparnis festgelegt, problematisch bleibt aber seine Abgrenzung vom restlichen Vermögen des Steuerhinterziehers. Denn die Steuerforderung richtet sich gegen das ganze Vermögen, die Aufwendungen werden folglich aus dem gesamten Vermögen erspart. Konsequenterweise wäre daher unverändert das Gesamtvermögen kontaminiert. Auch dieser wichtige Punkt wird daher im Rahmen der Arbeit genauer zu untersuchen sein.

•12 Kohlmann, § 370a AO Rn. 37, Stand Oktober 2002; Spatscheck / Wulf, 2573. ii3 Kohlmann, § 370a AO Rn. 37 m. w. N., Stand Oktober 2002.

DB 2001, 2572,

C. Bedeutung der Vorschrift und Problematik

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V. Verfassungskonformität Die grundlegende Streitfrage im Zusammenhang mit der Vorschrift der gewerbsoder bandenmäßigen Steuerhinterziehung ist, ob sie überhaupt verfassungsrechtlichen Vorgaben standhält oder vielmehr aufgrund eines entsprechenden Verstoßes nichtig ist. Der Klärung bedarf zunächst die Frage, ob § 370a AO n. F. wegen Verletzung des Art. 77 GG formell verfassungswidrig ist. Insbesondere Gast-de Haan bejaht dies, weil die Diskussion über die Neufassung nicht im Plenum des Bundestages, sondern nur im Finanzausschuss stattfand. 114 Noch schwerwiegender sind die Zweifel hinsichtlich der materiellen Verfassungskonformität der Norm. Die Möglichkeit einer Unvereinbarkeit des § 370a AO mit materiell verfassungsrechtlichen Anforderungen besteht gleich unter mehreren Gesichtspunkten. Problematisch ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Schuldunangemessenheit der Strafe, da die Strafbarkeit nach einem Verbrechen mit seinen schwerwiegenden Folgen auf die erhöht strafwürdigen Konstellationen beschränkt sein muss, was im Rahmen des § 370a AO teilweise nicht als gewährleistet erachtet wird. Hinzu kommt, dass auch in minder schweren Fällen einer gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung der Verbrechenscharakter unberührt bleibt. Ob dies gerechtfertigt werden kann, erscheint in der Tat fraglich. Maßgeblich wird bei der Untersuchung sein, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des § 370a AO gewichtige Ziele verfolgte, insbesondere die Bekämpfung schwerer Kriminalität, die Förderung der verfassungsrechtlich verankerten Steuergerechtigkeit und den Schutz des für das Gemeinwohl wesentlichen Steueraufkommens. Ob der Tatbestand zur Erreichung dieser Ziele geeignet und erforderlich ist, ist unter Beachtung des gesetzgeberischen Beurteilungsspielsraums zu beantworten. Des Weiteren werden der Nemo-tenetur-Grundsatz, das Gleichheitsgebot und die Berufsausübungsfreiheit als verletzt oder ihre Einhaltung zumindest als problematisch erachtet. Die gewichtigsten Bedenken bestehen jedoch bezüglich der ausreichenden Bestimmtheit des Tatbestandsmerkmals der Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß". Aufgrund der bereits erwähnten Vielzahl offener Anknüpfungpunkte für die Auslegung dieser Voraussetzung, die im Ergebnis zu erheblichen Unterschieden führen, und wegen des Fehlens jeglichen Anhaltspunktes im Gesetz, halten bedeutende Stimmen, so auch der Bundesgerichtshof, das Merkmal für zu unbestimmt, um das Unrecht eines Verbrechenstatbestandes zu erfassen. 115 Die Möglichkeit einer verfassungskonformen, einschränkenden Auslegung sei zweifelhaft, weil der Gesetzgeber seine Pflicht, den Gerichten für die Auslegung eindeutige Vorgaben zu machen, verletzt 114 Gast-de Haan, DStR 2003, 12 ff. 115 BGH NJW 2004, 1885, 1886; BGH NJW 2004, 2990 ff.; Harms, FS Kohlmann, 413, 423 ff. Positionspapier der Bundessteuerberaterkammer, abrufbar unter http://www. bstbk.de. 3 Schneider

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1. Teil: Einleitung

habe. 116 Die Frage der ausreichenden Bestimmtheit wird eines der zentralen Probleme der Arbeit sein.

D. Kritik an der Vorschrift des § 370a A O Auch wenn die Einschränkung des „uferlosen Tatbestandes"117 des § 370a AO durch die zusätzlich eingefügte Voraussetzung „in großem Ausmaß" von vielen Seiten begrüßt wurde, 118 birgt die derzeit geltende Fassung weiterhin eine Fülle von Problemen. 119 In der Literatur wird angemerkt, dass nur die „schlimmsten Missstände" beseitigt worden seien. 120 Kritisiert werden zunächst die einschneidenden materiellrechtlichen Folgen der Regelung. Die aus dem weiten Tatbestand und dem Verbrechenscharakter folgende übermäßige Kriminalisierung großer Teile der Bevölkerung 121 führe auch nach der Gesetzesnovelle zu „unlösbaren Wertungswidersprüchen" im strafrechtlichen Sanktionensystem,122 insbesondere zumal sämtliche Wirtschaftsstraftaten des Strafgesetzbuchs Vergehen seien. 123 Da die Tatbestands Voraussetzungen der Gewerbs- und Bandenmäßigkeit in einem „kaum lösbaren Spannungsverhältnis" zu steuerrechtlichen Besonderheiten stünden und die Auslegung des Erfordernisses „in großem Ausmaß" ungeklärt sei, stelle § 370a AO ein kaum kalkulierbares Risiko dar. 124 Der Gesetzgeber halte mit dieser umfassenden Norm „gleich einer Schrotflinte mit ,breiter Streuung' ,voll drauf 4, einige Terroristen und Geldwäscher werden schon dabei sein". 125 Es handele sich um Gesetzgebung nach der „Rasenmähermethode". 126 Die Vorschrift sei bereits „im Grundsatz verfehlt". 127 116 Dies könne auch ein Rundschreiben des BMF an die Finanzbehörden nicht beheben, Kohlmann, § 370a AO Rn. 5, Stand Oktober 2002; a. A. Meyer in Hund / Johnigk / Wollburg, DStR 2002, 879, 881. U7 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 9.

HS Vgl. etwa Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 9; Lührs, BuW 2002, 711,716; Rüping, FS Kohlmann, 499, 507; Sauren, ZEV 2002, 404, 405. 119 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 9. 120 Bender, ZfZ 2002, 366. 121 Harms, Stbg 2005, 12, 17; Kohlmann, § 370a AO Rn. 4, Stand Oktober 2002; a.A. Heerspink, AO-StB 2002, 392, der den Anwendungsbereich nach der Neufassung nur noch in den „seltensten Fällen" eröffnet sieht. 122 BGH NJW 2004, 2990, 2991 unter Hinweis auf BGH NJW 2003, 3068 Kuhn, NJWSpezial 2004, 279; Reiß, Stbg 2004, 113, 115; Seer, NWB Fach 13, 1079, 1080. 123 Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 4, Stand Dezember 2002; jedoch hält Kemper, UR 2005, 1 den möglichen Strafrahmen für Umsatzsteuerbetrug in Anbetracht der Schäden eher harmlos. 124 Harms, Stbg 2005, 12, 17; Streck, Vortrag auf dem 5. IWW-Kongress „Praxis Steuerstrafrecht", zitiert nach Krieger, PStR 2003, 250, 252. 125 Quedenfeld/Füllsack, Rn. 227; Sommer/ Füllsack, Stbg 2002, 355, 364; zustimmend Rüping, FS Kohlmann, 499, 511.

D. Kritik an der Vorschrift des § 370a AO

35

Kritisiert wird auch, dass die Regelung des minder schweren Falles den Verbrechenscharakter und die mit ihm verbundenen prozessualen Folgen unberührt lässt. 128 Da trotz Selbstanzeige immer noch eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren verhängt werden könne, sei sie „faktisch wertlos". 129 In systematischer Hinsicht sei es verfehlt, dass die Selbstanzeige bei einem besonders schweren Fall im Sinne des § 370 Abs. 3 AO strafbefreiend wirke, während das bei § 370a AO selbst dann nicht der Fall sei, wenn die Hinterziehungssumme weit niedriger ist. 1 3 0 Bedenklich seien die tief greifenden Konsequenzen des Verbrechenstatbestandes zudem in prozessualer Hinsicht 131 und im Hinblick auf die Vortateigenschaft für die Geldwäsche, die noch gravierendere Folgen prozessualer Art nach sich ziehe. 132 Da die Erledigung von Verfahren betreffend ein Verbrechen nicht in einvernehmlicher Weise erfolgen kann (vgl. §§ 153, 153a StPO, § 398 AO), entstehe außerdem ein „unverhältnismäßiger neuer Ermittlungsaufwand". 133 Die schwerwiegenden Folgen der Norm seien umso problematischer, als der Gesetzeswortlaut nicht eindeutig sei. Dies habe Anwendungsprobleme zur Folge und gefährde das gesetzgeberische Ziel der effektiven Bekämpfung der Organisierten Kriminalität. 134 Andere Autoren merken an, dass es der Vorschrift nicht zur Schließung einer Strafbarkeitslücke bedurft habe, sie daher überflüssig sei. 135 Für die Bestrafung schwerer Steuerhinterziehungen habe es bereits zuvor über § 370 Abs. 3 AO die Möglichkeit der Verhängung einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren gegeben. 136 Um eine Erweiterung des Strafrahmens zu erreichen, hätte es genügt, die Voraussetzungen dieser Vorschrift herabzusetzen, beispielsweise durch Streichung des Erfordernisses „aus grobem Eigennutz". 137 Zur Schließung der Strafbarkeits126

So die CDU/CSU und die FDP während des Gesetzgebungsverfahrens im Finanzausschuss, vgl. BT-Drucks. 14/7471, 5 f., Anlage 2. 127 Salditt, Harms, Rüsken, Joecks im Rahmen eines Workshops auf dem 18. Dt. Richterund Staatsanwaltstag, vgl. Seibel, AO-StB 2004, 109, 112. i 2 « Rüping, DStR 2002, 1417, 1418. Dies verkennt die AG Klimatagung in Wo, WPKMitt. 2003, 130, 132. 129 AG Klimatagung in Wo, WPK-Mitt. 2003, 130, 131. 130 Kohlmann, § 370a AO Rn. 27, Stand Oktober 2002; ebenso Schmitz, StB 2004, 212, 213. 131 Rüping, FS Kohlmann, 499, 508; Positionspapier der Bundessteuerberaterkammer, abrufbar unter http: // www.bstbk.de. 1 32 Leitner, AnwBl. 2003, 675, 677. 1 33 Kohlmann, § 370a AO Rn. 4, Stand Oktober 2002. 134 AG Klimatagung in Wo, WPK-Mitt. 2003, 130. 135 Harms, Stbg 2005, 12; Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 6, Stand August 2002; Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 7; Kohlmann, § 370a AO Rn. 4, Stand Okt. 2002; Salditt, Harms, Rüsken, Joecks auf dem 18. Dt. Richter- und Staatsanwaltstag, vgl. Seibel, AO-StB 2004, 109, 112.

136 Hellmann in HHSp., § 370a AO Rn. 6, Stand August 2002; Kohlmann, § 370a AO Rn. 4, Stand Oktober 2002. 137 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 7. 3*

1. Teil: Einleitung

36

lücke, die für den so genannten „missing trader" 138 bestanden habe, genüge die Schaffung des § 26c UStG. 139 Ohnehin könne ein neuer Straftatbestand die Probleme der Umsatzsteuerbetrügereien nicht lösen, da das eigentliche Problem im europäischen Umsatzsteuerrecht liege und die Hintermänner regelmäßig aus dem Ausland agierten. 140 Im Übrigen sei die mangelnde Abschreckungswirkung weniger durch die Höhe der abstrakten Strafandrohungen des Steuerstrafrechts bedingt, als vielmehr durch die relativ geringe Aufdeckungsgefahr. 141 Es wäre Vorzugs würdig gewesen, anstelle der Einfügung des § 370a AO das Steuersystem zu reformieren. 142 Um die Geldwäsche stärker bekämpfen zu können, hätte eine Aufnahme des Vergehens Steuerhinterziehung in den Vortatenkatalog ausgereicht. 143 So würden unter dem Vorwand der Geldwäschebekämpfung ein weiteres Mal die doppelfunktionalen Befugnisse der Steuerbehörden zweckmissbraucht, um das Besteuerungsverfahren zur Gewinnabschöpfung zu nutzen. Diese Vorgehensweise sei aufgrund des im Besteuerungsverfahren nicht erforderlichen Nachweises eines Deliktes oder der kriminellen Herkunft von Geldern verfassungsrechtlich bedenklich. Ziel der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Geldwäsche sei allein, die Finanzbehörden über Geldtransaktionen in Kenntnis zu setzen, damit diese dann das Besteuerungsverfahren durchführten, während nicht wirklich mit einer Verurteilung wegen Geldwäsche gerechnet werde. 144 Durch das „Al-Capone-Prinzip" 138

Dies ist ein Scheinunternehmer, der im Rahmen eines Umsatzsteuerkarussells dem Import der Ware aus dem EU-Ausland vorgeschaltet ist. In der Regel meldet er die anfallende Umsatzsteuer korrekt an, führt sie jedoch nicht ab. Alternativ sind „missing trader" steuerlich gar nicht erfasst, geben keine Umsatzsteuervoranmeldungen ab oder machen in gefälschten Umsatzsteuervoranmeldungen hohe Erstattungsbeträge geltend, Traub in Wannemacher, Rn. 1333. „Missing trader" sind in der Regel durch einer kurze wirtschaftlichen Existenz, etwa einige Monaten gekennzeichnet, während derer sie hohe Umsätze erzielen, Kemper, UR 2005, 1, 2 f. In der Regel verschwinden sie dann vom Markt und werden durch einen neuen „missing trader" ersetzt. 139 Kohlmann, § 370a AO Rn. 4, Stand Okt. 2002; Traub in Wannemacher, Rn. 1353 sieht es sogar als „sehr fraglich" an, ob bei Umsatzsteuerkarussellen überhaupt eine Regelungslücke bestand, da der „missing trader" an den Steuerhinterziehungen der Unternehmer, die Vörsteuer aus den von ihm erstellten Rechnungen geltend machen, teilnehme. Dazu ist anzumerken, dass dies zwar richtig sein mag, in der Praxis diesbezüglich jedoch gravierende Beweisprobleme bestehen, die regelmäßig eine entsprechende Bestrafung des missing trader verhindern. Zweifelnd hinsichtlich der Effektivität der §§ 26b, c UStG Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 5, Stand August 2002. 140 Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 16, Stand Dezember 2002. 141 Harms, Stbg 2005, 12. 142 Kohlmann, § 370a AO Rn. 4, Stand Oktober 2002; so auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum StVBGE, BT-Drucks. 14/7085, 1; vgl. auch Mittler, UR 2004, 1, 2. 143 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 7; Kohlmann, § 370a AO Rn. 4, Stand Oktober 2002. Dies war in der Literatur bereits seit langem namentlich von Hetzer gefordert worden, vgl. Hetzer, NJW 1993, 3298, 3299; ders., WM 1999, 1306, 1307; ders., ZRP 1999, 245; ders., ZRP 2001,266, 270. 144 Kohlmann, § 370a AO Rn. 4, Stand Oktober 2002; als Beleg stützt sich Kohlmann auf die geringe Zahl der Verurteilungen wegen Geldwäsche nach den Statistiken des Bundes-

E. Begrifflichkeiten

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würden das Steuerrecht „überstrapaziert" und grundlegende verfassungsrechtliche Prinzipien aufgegeben. § 370a AO und § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB zeichneten eine Verletzung des Steuergeheimnisses und Datenmissbrauch geradezu vor. 145 Noch weiter gehen einige Autoren, wenn sie dem Gesetzgeber aufgrund des viel zu weiten Anwendungsbereiches vorwerfen, dass die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität lediglich der „Deckmantel" gewesen sei, während die Vorschrift in Wahrheit auf die Verunsicherung der vielen kleinen und mittleren Steuerhinterzieher sowie die Ermöglichung des Einsatzes erweiterter Ermittlungsmethoden auch in diesem Bereich ziele. Der eigentliche Zweck der Vorschrift sei die Unterbindung der einfachen Steuerhinterziehung, 146 um Steuermehreinnahmen zu erzielen. 147 Ob dies der Fall ist und inwiefern die umfassende und heftige Kritik an den gesetzgeberischen Neuerungen berechtigt ist, wird im Lauf der Untersuchung aufgezeigt.

E. Begrifflichkeiten In der politischen wie auch der rechtlichen Diskussion trifft man immer wieder auf den Begriff des Steuerbetrugs. Es stellt sich daher die Frage, ob sich der „Steuerbetrug" in rechtlicher Hinsicht von der „Steuerhinterziehung" unterscheidet. Dazu ist festzustellen, dass die Tatbestandsmerkmale der Steuerhinterziehung, § 370 AO, weitgehend denen des Betrugs, § 263 Abs. 1 StGB, 148 entsprechen 149 und sich die Delikte zudem in ihrem sozialethischen Unwertgehalt und kriminologisch weitgehend gleichen. 150 Jedoch gelten bei der Steuerhinterziehung einige Besonderheiten, weswegen § 370 AO grundsätzlich eine abschließende Sonderregelung ist, die § 263 StGB verdrängt. 151 Die Steuerhinterziehung ist gegenüber dem Betrug exklusiv, so dass bezüglich Steuern grundsätzlich schon tatbestandlich innenministeriums zu der Wirtschaftskriminalität sowie auf auf die dies bestätigende Äußerung Meyers in Hund/Johnigk/Wollburg, DStR 2002, 879. •45 Kohlmann, § 370a AO Rn. 4, Stand Okt. 2002. •46 Schmitz,, StB 2004, 212, 213; Sommer/Füllsack, Stbg 2002, 355, 356; Stahl, KÖSDI 2002, 13390, 13395; vgl. auch Dorn, BuW 2002, 1024, 1030. 147 Kuhn, NJW-Spezial 2004, 279 f. '48 Vgl. dazu beispielsweise WesselsIHillenkamp, Rn. 488 ff. 149 Strittig ist, ob bei § 370 AO vorausgesetzt ist, dass sich der Finanzbeamte täuscht.; verneinend Borchers, wistra 1987, 86, 89; a. A. Gössel, wistra 1985, 125, 133. 150 Lührs, BuW 2002, 711, 713. 151 BGHSt 36, 100, 101; mit Anm. Kratzsch, JR 1990, 248 ff.; BGHSt 40, 109, 111; BGH wistra 1994, 194, 195; BGH wistra 2003, 20, 21; LK-Tiedemann, § 264 Rn. 162; Tröndle/ Fischer, 52. Aufl., § 263 StGB Rn. 137; anders noch die ältere Rechtsprechung, vgl. etwa BGH wistra 1986, 172; BGH wistra 1987, 177. Zur Abgrenzung Betrug-Steuervorteilserlangung siehe Fuhrhop, NJW 1980, 1261 ff.

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1. Teil: Einleitung

kein Betrug begangen werden kann. 152 Allein, wenn der Täter neben dem Steuervorteil einen sonstigen Vorteil erschleichen wollte, kann § 263 StGB neben § 370 AO zur Anwendung kommen. 153 Aber auch in derartigen Konstellationen bleibt § 370 AO erfüllt. 154 Selbst in Fällen, in denen der Steuervorgang einzig zu Täuschungszwecken erfunden wurde, ist die Tat als Steuerhinterziehung, nicht als Betrug einzuordnen. 155 Die Bezeichnung „Steuerbetrug" ist somit kein terminus technicus, 156 Existiert - wie im Fall der §§ 370 ff. AO - eine eindeutige gesetzliche Terminologie, sollte an dieser festgehalten werden. Zwischenzeitlich hat sich allerdings insbesondere der Begriff „Umsatzsteuerbetrug" auch in der rechtlichen Debatte weitgehend durchgesetzt. 157 Durch diese Bezeichnung soll einerseits verdeutlicht werden, dass die entsprechenden Begehungsformen, zu denen namentlich die so genannten Karussellgeschäfte zählen, in ihrem Unrechtsgehalt und dem durch sie verursachten Schaden erheblich über die „normalen" Umsatzsteuerhinterziehungen hinausgehen, und andererseits eine Angleichung an die international verwendete Terminologie erreicht werden. 158 Was genau diesen „Umsatzsteuerbetrug" von der „normalen" Umsatzsteuerhinterziehung unterscheidet, ist jedoch nicht hinreichend geklärt. Solange diese Kategorie im Gesetz keinen Einzug gefunden hat, mag es in der politischen Debatte weiterhelfen, die besonders schweren Fälle schlagwortartig mit einem eigenen Terminus zu kennzeichnen, für die rechtliche Bewertung führt dies hingegen bei gleichbleibender Rechtslage nicht weiter und sollte daher grundsätzlich unterbleiben.

152 RGSt 63, 139, 142; BGH ZfZ 1953, 381; BGHR AO § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 2; BGH MDR 1975, 947; Felix, NJW 1968, 1219, 1220 m. w. N. Joecks in FGJ, § 370 Rn. 87; Gleiches gilt für § 264 StGB, vgl. FGJ -Joecks, § 370 Rn. 87. 153 RGSt 63, 139, 142; Joecks in FGJ, § 370 AO, Rn. 318; Tröndle/Fischer, 52. Aufl, § 263 StGB Rn. 137. 154 Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 263 StGB Rn. 137. 155 BGHSt 40, 109 ff. (Änderung der Rechtsprechung); BGH wistra 1990, 58; Kratzsch, JR 1990, 248, 251; Müller, NJW 1977, 746 f.; anders noch BGH wistra 1986, 172; BGH wistra 1987, 177 ff. 156 Anders ist dies in der Schweiz, wo der Straftatbestand des Steuerbetrugs eine qualifizierte Form der Steuerhinterziehung ist, die lediglich eine Ordnungswidrigkeit darstellt. Gem. Art. 272 StG hat der Steuerbetrug zur Voraussetzung, dass zum Zweck der versuchten oder vollendeten Steuerhinterziehung gefälschte, verfälschte oder inhaltlich unwahre Urkunden zur Täuschung der Steuerbehörden verwendet werden. 157 Siehe z. B. BT-Drucks. 14/6883; BT-Drucks. 14/7470; Kemper, UR 2005, 1 ff.; Widmann, UR 2005, 14. 158 Kemper, UR 2005, 1 will den Begriff „Umsatzsteuerkarussell" durch die Bezeichnung „Umsatzsteuerbetrug" ersetzen, da die so genannten Karusselle mittlerweile ganz andere Formen angenommen hätten und diese Bezeichnung daher irreführend sei. Eine „normale" Umsatzsteuerhinterziehung sei demgegenüber beispielsweise dann gegeben, wenn im Rahmen der Hinterziehung von Ertragsteuern notwendigerweise auch Umsatzsteuern hinterzogen würden.

F. Ziel der Arbeit

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F. Ziel der Arbeit Die angefühlten Beispielsfälle zeigen, dass die Auslegung des § 370a AO wegen der Besonderheiten des Steuerrechts erhebliche Bedeutung für einen Großteil der Steuerhinterzieher hat. Nach einer Schätzung der Deutschen Steuergewerkschaft entstehen den öffentlichen Haushalten durch Steuerhinterziehung jährlich 60-70 Milliarden Euro Mindereinnahmen. 159 Die Steuerhinterziehung wird gemeinhin lediglich als Kavaliersdelikt gewertet, 160 manche Kommentatoren sprechen sogar von einem „Volkssport". 161 Wenn § 370a AO somit erhebliche Bedeutung für einen Großteil der Steuerhinterzieher hat, hat er auch erhebliche Bedeutung für einen Großteil der Deutschen.162 Oberloskamp schreibt sogar, dass der Gesetzgeber durch die Schaffung des § 370a AO „das ganze Volk und alle Steuerzahler von Gesetzes wegen als Verbrecher" einstufe. 163 Die Streitfragen bedürfen daher sowohl aufgrund ihrer Wichtigkeit als auch aufgrund ihrer Brisanz und Schwere der Folgen dringender Klärung. Zu dieser Klärung soll diese Arbeit im Wege einer eingehenden Untersuchung der einschlägigen Problempunkte und Zweifelsfragen und kritische Hinterfragung der vertretenen Restriktionsansätze beitragen, um eine überzeugende und konsequente Auslegung des § 370a AO zu finden, die sodann die praktische Handhabung der Vorschrift erleichtern wird. Im Ergebnis wird die Untersuchung aufzeigen, dass die Norm zwar eine Vielzahl von Zweifelsfragen birgt und erhebliche Schwierigkeiten hervorgerufen hat, diese jedoch durch - unter Umständen verfassungskonforme - Auslegung gelöst werden können. Es wird sich erweisen, dass die Vorschrift durchaus problematisch und in vielerlei Hinsicht auch unzweckmäßig, jedoch nicht wegen Verfassungswidrigkeit nichtig ist. Entscheidend für die Bestimmung der Reichweite eines Tatbestandes sind zunächst sein genereller Anwendungsbereich und sodann die Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale. Gerade diese Auslegung ist im Rahmen des § 370a AO für jede seiner qualifizierenden Voraussetzungen umstritten und unklar. Im Folgenden soll daher zunächst auf diese Fragen eingegangen und die dazu vertretenen Interpretationsmöglichkeiten auf ihre Schlüssigkeit überprüft werden (2. Teil). Als Einschränkungskriterien für den Anwendungsbereich des § 370a AO werden mehr159

Vgl. Pressemitteilung der Partei der Grünen Niedersachsen vom 19. 11. 2004, http:// www.gruene-niedersachsen.de /aktuell_pressemitteilung.php3?id=4306, abgerufen am 20. 12. 2004. Demgegenüber beträgt der durch Eigentums- und Vermögenskriminalität entstehende Schaden weniger als 5 Milliarden Euro jährlich, Meyer in Hund / Johnigk / Wollburg, DStR 2002,879,880. 160 Meyer in Hund / Johnigk / Wollburg, DStR 2002, 879, 880. 161 Bilsdorfer, NJW 2003, 2281, 2282; Schiffer, BB 2002, 1174 spricht von dem „Massenphänomen Steuerhinterziehung". 162 Übertrieben erscheint hingegen die Aussage Oberloskamps, StV 2002, 611, 614, dass von § 370a AO a. F. „das ganze Volk und alle Steuerzahler ( . . . ) als Verbrecher eingestuft" würden. 163 Oberloskamp, StV 2002, 611, 614.

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1. Teil: Einleitung

fach solche gewählt, die sich aus der Entstehungsgeschichte und der gesetzgeberischen Zielsetzung ergeben. Auch aus diesem Grund wurden diese gleich zu Beginn der Arbeit erläutert. 164 Der Entstehungsgeschichte kommt desgleichen maßgebliche Bedeutung für die später zu prüfende formelle Verfassungsgemäßheit der Vorschrift zu. Im Anschluss an die Erörterung des Tatbestandes des § 370a Satz 1 AO wird auf die Strafzumessung bei gewerbs- oder bandenmäßiger Steuerhinterziehung einzugehen sein (3. Teil). Näher zu untersuchen sind unter diesem Aspekt die nachträglich eingefügten Regelungen in § 370a Sätze 2, 3 AO, welche die Annahme eines minder schweren Falles ermöglichen, der insbesondere bei Erstattung einer Selbstanzeige anzunehmen ist. Da unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten insbesondere hinsichtlich des Bestimmtheitsgebots Bedenken bestehen, dessen Anforderungen auch von der Schwere der mit der Tat verbundenen rechtlichen Konsequenzen abhängen, soll erst nach Darstellung der Folgen und Folgeprobleme des § 370a AO (4. Teil) auf die Frage seiner Verfassungswidrigkeit eingegangen werden. Von entscheidender Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die Auswirkungen, die § 370a AO als Vortat der Geldwäsche hat. Diese sollen daher eingehend behandelt werden. Den Abschluss der Untersuchung bildet die entscheidende Frage, ob die Vorschrift bei verständiger und sachgerechter Auslegung überhaupt verfassungsrechtlichen Vorgaben stand hält (5. Teil). Auf die schwerwiegenden Zweifel bezüglich der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift hat der Bundesgerichtshof bereits einige Male hingewiesen, aber jedes Mal von einer Richtervorlage gem. Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG abgesehen, da die Norm nicht entscheidungsrelevant war. 165

•64 Vgl. 1. Teil, A. 165 BGH, NJW 2004, 1885, 1886; BGH, NJW 2004, 2990, 2991; BGH NJW 2005, 374, 375 f.

2. Teil

Anwendungsbereich und Tatbestand A. Sachlicher Anwendungsbereich Der sachliche Anwendungsbereich 1 einer Norm wird in der Regel durch die Gesamtheit ihrer Tatbestandsmerkmale umrissen. I m Rahmen des § 370a A O erachten es jedoch mehrere Seiten als Problem, dass nach dem Gesetzeswortlaut viele Steuerhinterziehungen unter § 370a A O zu subsumieren seien, die nicht die Strafwürdigkeit eines Verbrechens aufwiesen, und ein Großteil dieser Fälle bislang nicht einmal als besonders schwere Fälle i m Sinne des § 370 Abs. 3 A O eingestuft worden sei. Zweifelhaft mute die hohe Strafrahmenuntergrenze ferner bei einem Vergleich mit anderen Straftatbeständen an, in denen eine gewerbs- oder bandenmäßige Begehung sanktioniert wird. So seien die gewerbs- oder bandenmäßige Hehlerei gem. § 260 StGB und die gewerbs- oder bandenmäßige Urkundenfälschung gem. § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB, der Bandendiebstahl gem. § 244 StGB und der gewerbs1 Der zeitliche Anwendungsbereich eines Gesetzes ist in § 2 StGB geregelt. Gem. § 2 Abs. 1 StGB bestimmen sich Strafe und Nebenfolgen nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt. Der gem. Art. 9 Abs. 1 StVBG am 28. 12. 2001 in Kraft getretene § 370a AO findet folglich Anwendung auf Steuerhinterziehungen, die nach diesem Zeitpunkt begangen wurden. Vor In-Kraft-Treten des § 370a AO begangene Steuerhinterziehungen können jedoch im Rahmen der Beurteilung der Gewerbsmäßigkeit bereits als Indiz für die zukünftige Absicht der wiederholten Tatbegehung relevant sein, ebenso Bender, ZfZ 2002, 366, 369; Müller, DStR 2002, 1641, 1647; a. A. Dorn, BuW 2002, 1024, 1030. Für Steuerhinterziehungen, die nach In-Kraft-Treten des § 370a AO a. F., aber vor In-Kraft-Treten der Neufassung am 27. 07. 2002 begangen wurden, ist nach dem Meistbegünstigungsprivileg des § 2 Abs. 3 StGB, im Regelfall trotzdem § 370a AO n. F. als das - aufgrund der neu vorgesehenen Selbstanzeigemöglichkeit und des zusätzlichen Erfordernisses des großen Ausmaßes - mildere Gesetz anzuwenden, Müller, DStR 2002, 1641, 1647; Wannemacher/Meyer in Beermann, § 370a Rn. 11, Stand Dezember 2002. Dies ist aber nicht zwingend der Fall. Denn für die Feststellung, welche Fassung milder ist, sind die in dem jeweiligen Einzelfall vorherrschenden besonderen Umstände und der gesamte Rechtszustand auf dem Gebiet des materiellen Rechts entscheidend, es ist ein „Gesamtvergleich" vorzunehmen, BGH NJW 2003, 3068, 3069; BGHSt 20, 74, 75; Tröndle /Fischer, 52. Aufl., § 2 StGB Rn. 8 ff. Zu beachten ist dabei beispielsweise auch das Verhältnis des § 370a AO zu § 373 AO, BGH NJW 2003, 3068, 3069; dies übersehen Götzens in Wannemacher, Rn. 1785; Heerspink, AO-StB 2002, 426; Kemper in Dietz/Cratz/Rolletschke, § 370a AO Rn. 7, 63, Stand Dezember 2002; Pestke/ Motte, Stbg 2002, 493, 494. Zum zeitlichen Anwendungsbereich vgl. auch BGH wistra 2005, 145 ff.; BGH wistra 2005, 147 f.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

mäßige Diebstahl gem. § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB nur Vergehen, wobei im Fall des gewerbsmäßigen Diebstahls einer geringwertigen Sache gem. § 243 Abs. 2 StGB noch nicht einmal ein besonders schwerer Fall angenommen werden könne. Im Gegensatz zu § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 AO führe die Selbstanzeige bei § 370a AO nicht zur Straffreiheit. Wertungswidersprüchlich sei insbesondere ein Vergleich mit der Regelung des Betrugs, da die Steuerhinterziehung letztlich ein Spezialfall des Betrugs sei und die Grundtatbestände der Steuerhinterziehung und des Betrugs der gleichen Strafdrohung unterlägen.2 Im Gegensatz zum Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB, dessen Voraussetzungen dem des § 370a AO weitgehend glichen, habe § 370a AO eine höhere Strafrahmengrenze, sei ein Verbrechen und die Gewerbsmäßigkeit nicht lediglich ein Indiz für die Erfüllung der Vorschrift. 3 Erstaunlich sei hier zudem, dass der Strafrahmen des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB erst durch das Sechste Strafrechtsreformgesetz aus Gründen der Strafrahmenkohärenz herabgesetzt wurde. 4 Allein § 263 Abs. 5 StGB enthalte eine dem § 370a AO vergleichbare Rechtsfolge, verlange aber Gewerbs- und Bandenmäßigkeit kumulativ, nicht nur alternativ.5 Sogar die besonders gefährliche Begehensweise des bewaffneten Schmuggels werde gem. § 373 Abs. 2 Nr. 2 AO milder bestraft und der ebenfalls an die Gewerbs- und Bandenmäßigkeit anknüpfende § 26c UStG, der wie § 370a AO durch das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz eingeführt wurde, sei Vergehen.6 „Besonders eklatant" sei die Systemwidrigkeit des § 370a AO bei einem Vergleich mit dem weit milder bestraften gewerbs- oder bandenmäßigen Subventionsbetrug, § 264 Abs. 3 StGB, da zwischen beiden Tatbeständen eine deutliche Parallelität bestehe, weil der eine die Einnahme-, der andere die Ausgabeseite der fiskalischen Interessen des Staates schütze und sie dogmatisch und strukturell entsprechend ausgestaltet seien.7 Bis zur Einführung des § 370a AO habe es keinen Straftatbestand gegeben, bei dem allein die gewerbsoder bandenmäßige Begehung eine Heraufstufung zum Verbrechen nach sich gezogen habe.8 Daher wurde konstatiert, dass § 370a AO die in den Strafrahmen ent2 3 4 5 6 7

Heerspink, AO-StB 2002, 132, 134. Lührs, BuW 2002, 711, 713. Vgl. BT-Drucks. 13/8587, 1, 10, 18 f., 22. Joecks, wistra 2002, 201, 204. Burger, wistra 2002, 1, 3; Fahl, ZStW 2002, 794, 805 f. Lührs, BuW 2002, 711, 713.

8 Fahl, ZStW 2002, 794, 805; zu einem anderen Ergebnis kommen Pestke / Motte, Stbg 2002, 493, 498, nach denen die Gewerbsmäßigkeit in 7 Fällen eine Heraufstufung zum Verbrechen nach sich ziehe. Richtig ist jedoch die Feststellung Fahls. Zwar gibt es Verbrechenstatbestände, die gewerbsmäßiges Handeln voraussetzen, etwa §§ 180a Abs. 1, 263 Abs. 5 StGB jedoch ist die Gewerbsmäßigkeit in diesen Vorschriften nicht die einzige Voraussetzung. In § 152b Abs. 2 StGB hingegen ist die Gewerbs- oder Bandenmäßigkeit die einizige straferhöhend wirkende Voraussetzung, jedoch ist bereits der Grundtatbestand des § 152b Abs. 1 StGB ein Verbrechen, so dass auch in diesem Fall keine Heraufstufung zum Verbrechen allein durch die Gewerbsmäßigkeit bewirkt wird. In § 253 Abs. 4 Satz 1 StGB wiederum eröffnet zwar allein die Gewerbsmäßigkeit den Verbrechsstrafrahmen, jedoch handelt es sich um ein Regelbeispiel des Vergehens, kein Verbrechen.

A. Sachlicher Anwendungsbereich

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haltene „unsichtbare Schwereskala" durchbreche, an die auch der Gesetzgeber wegen des verfassungsrechtlichen Schuldgrundsatzes gebunden sei.9 Die Freiheitsstrafe von einem Jahr als unterster Strafrahmengrenze bedeute eine „tiefe Zäsur" und einen „absoluten Fremdkörper" im Strafrahmengefiige des Steuerstrafrechts. Außerdem stelle der Verbrechenstatbestand die Einheit des Besonderen Teils des StGB in Frage. 10 Aus diesen Gründen wurden verschiedene Versuche unternommen, den Anwendungsbereich des § 370a AO zu begrenzen.

I. Das Drei-Stufen-Modell 1. Darstellung Salditt war für die Altfassung des § 370a AO der Ansicht, dass § 370 Abs. 1, § 370 Abs. 3 und § 370a AO drei aufeinander aufbauende Stufen bilden. Diesem Drei-Stufen-Modell sind auch für § 370a AO jetziger Fassung namhafte Autoren gefolgt. 11 Danach stelle § 370 Abs. 1 AO die erste, § 370 Abs. 3 AO die zweite und § 370a AO die dritte Stufe dar. Jede Stufe müsse die Merkmale aller vorherigen enthalten, so dass zwar eine Verschiebung von § 370 Abs. 3 AO, nicht aber von § 370 Abs. 1 AO zu § 370a AO erfolge. Andernfalls bestehe ein Wertungskonflikt zwischen § 370a AO und dem besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 AO. Dem Wortlaut gemäß wäre nämlich eine einmalige Steuerhinterziehung in Höhe eines Millionenbetrags lediglich Vergehen gem. § 370 AO, während gewerbsmäßig begangene Hinterziehungen schon bei wesentlich geringeren Summen unter § 370a AO fallen könnten. Das Drei-Stufen-Modell werde auch durch die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses gestützt, denn für diesen habe in Anbetracht der bestehenden Regelung des § 370 Abs. 3 AO lediglich die erhöhte Mindeststrafe eine Neuregelung dargestellt. Des Weiteren bestätigten die Systematik des Gesetzes und das „beredte Schweigen der Bundestagsdrucksachen" diese Auslegung,12 die dem Gesetzeszweck - Bekämpfung der organisierten Steuerkriminalität - entspreche13 und außerdem Rechtssicherheit gewährleiste. 14 Die Lösung vermeide einen Verstoß gegen das ansonsten problematische Schuldprinzip, nach dem die Strafe verhältnismäßig zur Schwere einer Straftat und zum Verschulden des Täters sein muss. Ohne dieses Modell könnten die Fälle der § 370 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 4 AO 9 Vgl. Fahl, ZStW 2002, 794, 806. 10 Burger, wistra 2002, 1, 2 f.; Quedenfeld/Füllsack,

Rn. 218.

11 Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 71, Stand Dez. 2002; Seer, BB 2002, 1677, 1678. 12 Salditt, StV 2002, 214, 215. 13 Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 71, Stand Dez. 2002. 14 Salditt, StV 2002, 214, 215.

2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

44

regelmäßig auch unter den Tatbestand des § 370a AO subsumiert werden und würden so automatisch zum Verbrechen. 15 Etwas abweichend vertritt Heerspink, dass für § 370a AO nicht die Erfüllung sämtlicher Voraussetzungen des § 370 Abs. 3 AO gefordert sei. Das Fehlen des in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO vorausgesetzten Merkmals „aus grobem Eigennutz" in § 370a AO müsse vielmehr durch erhöhte Anforderungen an das große Ausmaß in dieser Vorschrift kompensiert werden. Das Stufenverhältnis beziehe sich nämlich auf den Unrechtsgehalt der § 370 Abs. 1, Abs. 3, § 370a Satz 1 AO, der derart abgestuft sein müsse.16 2. Kritik und Stellungnahme Zuzugeben ist, dass durch das Stufenverhältnis im Einzelfall tatsächlich eine Beschränkung des § 370a AO auf die erhöht strafwürdigen Fälle erreicht werden kann. Nach dem Drei-Stufen-Modell fielen die oben angefühlten Beispielsfälle der Falschdeklaration hinsichtlich des Arbeitswegs und des Arbeitszimmers unproblematisch aus dem Anwendungsbereich des § 370a AO heraus, da sie keine besonders schweren Fälle im Sinne des § 370 Abs. 3 AO sind, geschweige denn darüber hinausgehen. Auch der Handwerksmeister, der die Lohnsteuerhinterziehung nur begeht, um dem Konkurrenzdruck standhalten zu können, handelt nicht grob eigennützig17 im Sinne des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO und beginge somit keine bandenmäßige Steuerhinterziehung. Je nach Fallkonstellation könnten das Ehepaar und sein Steuerberater beziehungsweise der Bankkunde mit Filialleiter und Anlageberater erfasst sein, in der Vielzahl der Fälle wäre dies indessen auszuschließen. Das Drei-Stufen-Modell findet jedoch keinerlei Stütze in den Gesetzesmaterialien. Warum nämlich „das beredte Schweigen" für das Stufenverhältnis sprechen soll, ist nicht ersichtlich. 18 Spatscheck / Wulf halten ihm zudem entgegen, dass das Modell wegen der Unbestimmtheit der Regelbeispiele des § 370 Abs. 3 AO keine verlässliche Auslegung biete. 19 Entscheidendes Argument für seine Ablehnung ist mit Bittmann, dass die Lösung jedenfalls auf die novellierte Fassung des § 370a AO nicht übertragbar ist, da der Gesetzgeber trotz Kenntnis der in systematischer 15 Joecks, wistra 2002, 201, 204; so auch Wannemacher/Meyer in Beermann, § 370a Rn. 16 ff., Stand Dezember 2002; vgl. auch die Entscheidung des BVerfG zur Vermögensstrafe, wistra 2002, 175, in der das Übermaß an staatlicher Sanktion als ein Problem des Schuldprinzips erörtert wird. 16 Heerspink, AO-StB 2002, 426, 427. 17

Dafür müsste er sich in besonders anstößigem Maße von dem Streben nach eigenem Vorteil leiten lassen, vgl. BGH wistra 1985, 228. 18 So auch Fahl, ZStW 2002, 794, 811; zustimmend Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1158, Fn. 54. 19 Spatscheck/Wulf, NJW 2002, 2983, 2986.

A. Sachlicher Anwendungsbereich

45

Hinsicht erhobenen Bedenken ausdrücklich auf den gesamten § 370 AO Bezug genommen hat. 20 So halten auch andere Autoren dem Drei-Stufen-Modell entgegen, dass es sowohl für § 370a AO a. F. als auch für § 370a AO n. F. in einem Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers stehe.21 Jedenfalls für die neue Fassung der Vorschrift sei dies deshalb sicher, weil der Gesetzgeber sowohl in § 370a AO als auch in § 370 Abs. 3 AO das Merkmal der Steuerhinterziehung in großem Ausmaß gebraucht. 22 Salditts Drei-Stufen-Modell kann folglich keine überzeugende Eingrenzung des Anwendungsbereichs leisten. Das von Heerspink angeführte Stufen Verhältnis im Unrechtsgehalt ergibt sich bereits aus den unterschiedlich hohen Strafdrohungen der Straftatbestände sowie ihrem Verbrechens- beziehungsweise Vergehenscharakter. Dieser Abstufung ist aber auch seiner Ansicht nach im Rahmen der Auslegung des Tatbestandsmerkmals „in großem Ausmaß" Rechnung zu tragen. Auf diesen Aspekt wird daher bei der Interpretation dieses Tatbestandsmerkmals näher einzugehen sein. Er führt nicht zu einer generellen Beschränkung des Anwendungsbereichs.

II. Geltung nur für Umsatzsteuerhinterziehung 1. Darstellung Wegner sprach sich jedenfalls hinsichtlich der Altfassung des § 370a AO für eine Beschränkung auf Fälle der Umsatzsteuerhinterziehung aus, weil das gesamte Gesetzgebungsverfahren allein vor diesem Hintergrund geführt worden sei. Zur Begründung verwies er außerdem auf den Namen des Gesetzes „Gesetz zur Bekämpfung von Steuerverkürzungen bei der Umsatzsteuer und zur Änderung anderer Steuergesetze", insbesondere da dieser erst nach Einfügung des § 370a AO gewählt worden sei. 23 Weil nur der Wortlaut des § 370a AO für einen weiteren Anwendungsbereich spreche, handele es sich - zivilrechtlich gesehen - um einen Fall des Inhaltsirrtums im Sinne des § 119 Abs. 1 Var. 1 BGB, der mangels verfassungsrechtlicher Regelung de lege lata nur durch eine teleologische Reduktion gelöst werden könne.24

20 Bittmann, wistra 2003, 161, 162. 21 Götzens in Wannemacher, Rn. 1826. 22 Burchert, INF 2002, 532, 535. 23

Wegner, wistra 2002, 205, 207 f.; in diese Richtung deutend auch GötzensI Wegner, PStR 2002, 32, 36. 24 Wegner, wistra 2002, 205, 207.

46

2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

2. Kritik „Kühn, aber untauglich" nennt Fischer den Ansatz Wegners. 25 Inhaltlich wird gegen eine solche Beschränkung auf Fälle der Umsatzsteuerhinterziehung vorgebracht, dass sie nicht sachgerecht sei, da in anderen Fällen als Karussellgeschäften kein größeres Schutzinteresse an der Umsatzsteuer als an Ertragsteuern oder Zöllen erkannt werden könne. 26 Zudem seien in den Phasen des Berichts des Finanzausschusses, die sich mit der Schaffung des § 370a AO befassen, die Begriffe „Umsatzsteuerbetrug" und „Karussellgeschäfte" nicht enthalten, wohingegen sie im Rest des Berichts sehr häufig verwendet würden. 27 Wenn Wegners Einengung richtig wäre, hätte der Gesetzgeber einen Großteil der vehementen Kritik an den einschneidenden Folgen des § 370a AO durch Erwähnung des auf die Umsatzsteuer beschränkten Anwendungsbereich entkräften können, zumal als problematische Beispiele vorrangig die Hinterziehung von Zinseinkünften oder unrichtige Angaben hinsichtlich Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte angeführt worden seien. Eine solche Klarstellung seitens des Gesetzgebers sei jedoch nie erfolgt. 28 Die systematische Umsatzsteuerhinterziehung sei zwar Auslöser für das gesetzgeberische Tätigwerden gewesen, im Finanzausschuss habe aber eine wesentliche Erweiterung der steuerrechtlichen um die davon zu trennende strafrechtliche Dimension stattgefunden, nach der die Organisierte Kriminalität ganz allgemein, nicht nur Umsatzsteuerhinterzieher bekämpft werden solle. 29 Auch der Titel des Gesetzes trage Wegners Einschätzung nicht. 30

3. Stellungnahme Mit der vorgeschlagenen Reduktion auf die Umsatzsteuer könnte in der Tat der Ausschluss der großen Mehrheit problematischer Fälle, so auch aller einleitend genannten Beispiele31 erreicht werden. Entscheidend gegen Wegners Ansatz spricht jedoch, dass er nach den herkömmlichen Methoden der Gesetzesauslegung nicht überzeugen kann. Die Auslegung einer Gesetzesvorschrift hat sich nach dem in Wortlaut und Sinnzusammenhang zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers zu richten.32 § 370a AO ist nicht im Umsatzsteuergesetz ver25 Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 8b; i.E. ablehnend auch Senge in Erbs/ Kohlhaas, A 24, § 370a AO Rn. 1, Stand Juni 2004. 26 Spatscheck/Wulf, NJW 2002, 2983, 2986. 27 Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 14, Stand August 2002; vgl. auch BT-Drucks. 14/7471, v. a. 6, 9. 28 Pestke/Motte, Stbg 2002, 493, 495. 29 Harms, FS Kohlmann, 413,420; Rolletschke, Steuerhinterziehung, Rn. 213. 30 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 13. 31 Siehe unter 1. Teil, C. I., II. 32 BVerfGE 1, 299; BVerfGE 11, 126, 131 f.; BVerfGE 105, 135, 157.

A. Sachlicher Anwendungsbereich

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ortet worden, was insbesondere im Hinblick darauf, dass durch dasselbe Gesetz, welches die Vorschrift schuf, das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz, § 26c UStG als Straftatbestand in das Umsatzsteuergesetz aufgenommen wurde, um die gewerbs- und bandenmäßige Umsatzsteuerhinterziehung zu sanktionieren, darauf schließen lässt, dass - abgesehen von systematischen Bedenken - eine derartige Einschränkung auch nicht dem Willen des Gesetzgebers entspricht. 33 Die Beschränkung auf Umsatzsteuerhinterziehungen steht auch im Widerspruch zum klaren Wortlaut der Norm, der keinerlei derartigen Anhaltspunkt liefert. 34 Das für Straftatvoraussetzungen strenge Anforderungen stellende Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG erfordert jedoch, dass der Anwendungsbereich aus dem Gesetz selbst erkennbar ist. 35 Diese Ungereimtheiten anerkennt letztlich auch Wegner, der eine sprachliche Klarstellung und Verortung im Umsatzsteuergesetz für ratsam erachtet. 36 Jedenfalls ist durch die Neufassung klargestellt, dass eine Beschränkung auf die Umsatzsteuer nicht möglich ist. Denn § 370a AO n. F. nimmt allgemein auf die Fälle des § 370 AO Bezug, der anerkanntermaßen sämtliche Steuerarten erfasst. 37

III. Beschränkung auf die Organisierte Kriminalität 1. Darstellung Vogelberg plädiert für eine Beschränkung der Vorschrift auf Fälle der Organisierten Kriminalität, da durch die Einführung des § 370a AO eine effektivere Bekämpfung eben dieser erreicht werden sollte. Die Zurechnung des Täters zur Organisierten Kriminalität sei ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 370a AO. 3 8 Kohlmann gelangt durch restriktive Auslegung in Orientierung am gesetzgeberischen Anlass und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ebenfalls zu dem Ergebnis eines auf Fälle organisierten Steuerbetrugs beschränkten Anwendungsbereichs.39 Erfasst würden somit insbesondere Karussellgeschäfte und die so 33 So auch Bittmann, wistra 2003, 161, 162; Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1155. 34 Zutreffend Harms, FS Kohlmann, 413, 420; Rolletschke, Steuerhinterziehung, Rn. 213. Pestke / Motte, Stbg 2002, 493, 495 verneinen aufgrund des Wortlauts und der Stellung der Vorschrift in der AO, dass bei einem Abstellen auf den Empfängerhorizont das Ergebnis Wegners gewonnen werden kann. 35 BVerfGE 85, 69, 73; BVerfGE 87, 209, 223 f.; BVerfGE 105, 135, 157; BVerfG wistra 2002, 175, 178; BVerfG NJW 2004, 1305, 1306; Harms, FS Kohlmann, 413, 420. 36 Wegner, wistra 2002, 205, 208. 37 So auch Harms, FS Kohlmann, 413, 420 f.; Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1155; Kohlmann, § 370a AO Rn. 10, Stand Oktober 2002. 38 Vogelberg, PStR 2002, 227, 228. 39 Kohlmann, § 370a AO Rn. 7, Stand Oktober 2002; ebenso Wannemacher/Meyer in Beermann, § 370a AO Rn. 16, Stand Dez. 2002; in diese Richtung gehend auch Stahl,

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

genannte Baumafia. Sonst kämen Zoll- und Verbrauchsteuerdelikte in Betracht, etwa der Alkohol-, Zigaretten- und Mineralölschmuggel, sowie Korruptionsdelikte, wenn entsprechende Vereinbarungen getroffen wurden und fortlaufende Geschäftbeziehungen angestrebt sind. 40 Ob Kohlmann dies als generelle Begrenzung des Anwendungsbereiches verstanden haben will oder vielmehr mittels restriktiver Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale erreichen will, wird in seinen Ausführungen allerdings nicht klar. Eine solche Interpretation der einzelnen Tatbestandsmerkmale, die zu einer Begrenzung des Anwendungsbereichs auf die organisierte Steuerkriminalität führt, hält Kemper wegen des sonst eintretenden Widerspruch zum Sanktionensystem des allgemeinen Strafrechts für notwendig. Der „einfache" Steuerhinterzieher könne nicht einem Räuber oder jemandem gleichgestellt werden, der eine Körperverletzung mit Todesfolge begangen hat. 41

2. Kritik und Stellungnahme Die entscheidende Schwachstelle des Lösungsansatzes ist, dass der kriminologische Begriff „Organisierte Kriminalität" bislang nicht hinreichend bestimmt definiert werden konnte, 42 so dass eine Beschränkung der Vorschrift auf diese Fälle an der mangelnden Justiziabilität scheitern muss. Wie Bittmann richtig schreibt, ist es zwar möglich, eindeutige Beispielsfälle, wie Umsatzsteuerkarusselle oder die Baumafia, zu nennen. Wo aber genau die Grenzziehung verlaufen soll, konnte noch nicht überzeugend dargelegt werden. Aus dem gleichen Grund konnten sich bereits entsprechende Forderungen für den Geldwäschetatbestand des § 261 StGB nicht durchsetzen.43 Ebenso hielt das Bundesverfassungsgericht diesen Aspekt für KÖSDI 2002, 13204, 13210; Hentschel, NJW 2002, 1703, 1704 der davon ausgeht, dass die Finanzämter aufgrund des offenkundigen Hintergrundes der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität leichtere Fälle nicht als Verbrechen nach § 370a AO verfolgen werden. An dieser Erwartungshaltung werden allerdings von Pestke /Motte, Stbg 2002, 493, 495 Zweifel geäußert, insbesondere zumal die neu durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz eingeführte Anzeigepflicht gem. § 31b AO, zur Folge haben könne, dass die Finanzämter alles, was einen Zusammenhang zu der Geldwäsche haben könnte, offenbaren und auch der Richter und Staatsanwalt die einmal in Gang gesetzte Kette nicht unbedingt anhalten werde. 40 Kohlmann, § 370a AO Rn. 20 f., Stand Okt. 2002. 41 Kemper in Dietz/ Cratz/ Rolletschke, § 370a AO Rn. 13 f., Stand Dezember 2002. 42 Vgl. nur einige der vielen Versuche: Gemeinsame Richtlinien der Jusitzminister/ -Senatoren und der Innenminister/-Senatoren der Länder über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei bei der Verfolgung der Organisierten Kriminalität, in RiStBV, Anlage E; kritisiert u. a. von Weigand/ Büchler, Kriminalistik 2002, 661, 662; weitere Definitionen: ad hoc-Ausschuss des Arbeitskreises II „öffentliche Sicherheit und Ordnung" der Arbeitsgemeinschaft der IMK, StV 1984, 350; Fachkommission Organisierte Kriminalität, in Gemmer, Kriminalistik 1974, 529, 530; Kollmar, Kriminalistik 1974, 1, 7; Kube, Kriminalistik 1990, 629; MeyerIHetzer, ZRP 1997, 13, 15; Rohe, S. 210; Sielaff, Kriminalistik 1983, 417, 418; ders., Kriminalistik 1989, 141; Steinte, Kriminalistik 1982, 78, 98; Stümper, Kriminalistik 1985, 8, 10; Werner, Kriminalistik 1982, 131. 43 Bittmann, wistra 2003, 161, 162.

B. Tatbestand

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die Auslegung der früheren Vorschrift über die Vermögensstrafe „angesichts der Weichheit des Begriffs" für nicht weiterführend. 44 Ob die von Kemper geforderte einschränkende Auslegung der Tatbestandsmerkmale gelingen kann, wird jeweils im Rahmen der einzelnen Voraussetzungen zu überprüfen sein. Jedenfalls die allgemeine Begrenzung auf Fälle Organisierter Kriminalität ist aus vorgenannten Gründen abzulehnen.

IV. Zusammenfassung Die vorgeschlagenen Einschränkungen des Anwendungsbereichs der Vorschrift sind abzulehnen. Salditts Drei-Stufen-Modell vermag jedenfalls für § 370a AO n. F. nicht zu überzeugen, da der Gesetzgeber trotz Kenntnis der in systematischer Hinsicht erhobenen Bedenken ausdrücklich auf den gesamten § 370 AO Bezug genommen hat. 45 Eine Beschränkung auf die Umsatzsteuer widerspricht nicht nur dem Wortlaut des § 370a AO und der Verortung der Vorschrift in der Abgabenordnung. Seit der Novellierung ist sie auch durch die Bezugnahme des § 370a AO auf alle Fälle des § 370 AO sicher ausgeschlossen. Mangels überzeugender Definition des Begriffs „Organisierte Kriminalität" ist des Weiteren die generelle Beschränkung des Anwendungsbereichs auf derartige Fälle abzulehnen. Die Ausgrenzung nicht erhöht strafwürdiger Fälle kann folglich allenfalls im Rahmen der Auslegung der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen erreicht werden. Ob und wie dies möglich ist, wird im Folgenden untersucht.

B. Tatbestand Da § 370a AO n. F. nach seinem eindeutigen Wortlaut Qualifikation zu § 370 AO ist, 46 gelten zunächst dessen Voraussetzungen.47 Der Täter muss durch eine der in § 370 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AO genannten Tathandlungen Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt haben. Zu den Anforderungen des Grundtatbestandes kommen als qualifizierende Merkmale die gewerbs- oder bandenmäßige Begehung sowie das große Ausmaß der Steuerhinterziehung hinzu. Die Merkmale der Gewerbs- und Bandenmäßigkeit tauchen im allgemein strafrechtlichen Bereich in mehreren Vorschriften auf, im Steuerstrafrecht jedoch nur beim gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggel gem. § 373 AO, auf den auch § 374 AO Bezug nimmt. § 369 Abs. 2 AO bringt zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber 44 BVerfG wistra 2002, 175, 180. 45 Bittmann, wistra 2003, 161, 162. 46 Müller, DStR 2002, 1641, 1643. 47 Für § 370a AO a. F., wo der Verweis auf § 370 AO fehlte, war dies strittig, wurde aber von der herrschenden Meinung bejaht, siehe Spatscheck / Wulf, DB 2002, 392. 4 Schneider

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

eine Verzahnung des Steuerstrafrechts zum Kernbereich des Strafrechts angestrebt hat. Aus diesem Grund und wegen der Einheitlichkeit der Rechtsordnung sind gleiche Tatbestandsmerkmale verschiedener Normen grundsätzlich übereinstimmend auszulegen. Etwas anderes gilt nur, wenn die Besonderheiten des Nebenstrafrechts eine Abweichung von der allgemein strafrechtlichen Definition erfordern. 48 Zweifelhaft ist, ob die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung derartige Besonderheiten aufweist. Soweit dies bejaht wird, da der Tatbestand des § 370a AO auch nach der Novellierung infolge steuerrechtlicher Besonderheiten zu weit sei, 49 ist umstritten, in welcher Form eine einschränkende Auslegung erfolgen soll. Ebenso zweifelhaft und kontrovers ist die Interpretation des Erfordernisses „in großem Ausmaß".

I. Die gewerbsmäßige Steuerhinterziehung 1. Die herkömmliche Interpretation der Gewerbsmäßigkeit Das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit wird in einer Vielzahl von Normen des Strafgesetzbuchs 50 als auch des Nebenstrafrechts 51 gebraucht, so auch im Bereich des Steuerstrafrechts in § 373 AO, dem Straftatbestand des gewerbsmäßigen Schmuggels. Bis zur Einführung des § 370a AO bestand Einigkeit darüber, dass der Begriff tatbestandsübergreifend einheitlich rein subjektiv als die Absicht des Täters definiert ist, sich durch wiederholte Begehung von Straftaten eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. 52 Dabei ist nicht erforderlich, dass es sich um die einzige oder überwiegende Erwerbsquelle des Täters handelt, dass der Täter ein „kriminelles Gewerbe" betreibt oder sonst in Ausübung eines Berufs handelt.53 Es genügt die Absicht einer relativ kurzen zeitlichen Betätigung.54 Ein Nebeneinkommen ist ausreichend,55 auch ein nicht ständig fließendes. 56 Hat ein Straßenhändler innerhalb von drei Jahren vier Mal illegalen Zigarettenhandel betrieben und dadurch einen Steuerschaden von 48 Harms, FS Kohlmann, 413, 415. 49 Statt vieler: Sommer I Füllsack, Stbg 2002, 355, 356; Spatscheck/ Wulf, DB 2002, 392. so Siehe etwa § 180a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 181a Abs. 2, § 243 Abs. 1 Nr. 3, § 260 Abs. 1 Nr. 1, § 292 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 302a Abs. 2 Satz 2 StGB. 51 Siehe z. B. § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG. 52 BGHSt 1, 383; BGHSt 26, 4, 8; BGH wistra 1987, 30, 31; Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 30; Spatscheck/ Wulf, DB 2002, 392; Stree in Sch/Sch, Vorbem. §§ 52 ff. StGB Rz. 95; Tröndle /Fischer, 52. Aufl., Vor §§ 52 StGB Rn. 37; Voß in FGJ, § 373 AO Rn. 11; kritisch Kohlmann, § 373 AO Rn. 14, Stand Sept. 2001. 53 Voß in FGJ, § 373 Rn. 12 m. w. N.; Stree in Sch/Sch, § 260 StGB Rn. 2; Vorbem. §§ 52 ff. StGB Rn. 95; Wisser in Klein, § 373 AO Rn. 5. 54 BGHSt 19,63,77. 55 BGH GA 1955, 212; BGHSt 42, 219, 225. 56 Voß in FGJ, § 373 AO Rn. 12.

B. Tatbestand

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insgesamt 500 Euro verursacht, kann er folglich den Tatbestand der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei verwirklicht haben.57 Selbst wenn Tatmotiv lediglich eine Sammelleidenschaft ist, steht dies der Annahme von Gewerbsmäßigkeit nicht entSR

gegen. Nicht dauerhaft und umfangreich genug ist jedoch beispielsweise die Annahme unverzollter und unversteuerter Zigaretten als Gegenleistung für gelegentliches Waschen des Autos. 59 Es muss sich vielmehr um eine auf Erwerb gerichtete berufsmäßige Tätigkeit handeln, was nach dem Gesamtbild beurteilt wird. 60 Allerdings muss der Vorteil nicht erheblich sein.61 Von einigen Ausnahmen abgesehen ließ die Rechtsprechung bislang jeden vom Täter erzielten Vermögens vorteil als Einnahme genügen, auch wenn er mittelbar über Dritte erlangt werden soll. 62 So wurde die Erlangung von Schmuggel-63 oder Hehlerware 64 zum Eigenverbrauch und die dadurch ersparten notwendigen Ausgaben als ausreichend erachtet, 65 nach einer neueren Entscheidung jedoch nur, wenn der Täter die Ware andernfalls für einen höheren Preis erworben hätte.66 In einer anderen vor einigen Jahren ergangenen Entscheidung legte der Bundesgerichtshof im Kontext der mittelbaren Einnahmeerzielung dar, dass erst der Gewinn aus dem Verkauf der Ware, nicht bereits der Erwerb der Ware als Einnahme bewertet werden könne. 67 Gewerbsmäßigkeit setzt eigennütziges Handeln voraus, ansonsten kommt nur Beihilfe in Betracht. Da lediglich die Absicht des Täters entscheidend ist, kann Gewerbsmäßigkeit, die besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB ist, 68 bereits bei der ersten Einzelhandlung zu bejahen sein, sofern der Täter mit Wiederholungsabsicht handelt.69

57 58 59 60

Bittmann, wistra2003, 161, 163. BGHSt 42, 219, 225. BayObLG ZfZ 1952, 249, 251. BGHSt 29, 187, 189.

61 Voß in FGJ, § 373 Rn. 12 m. w. N.; a. A. Kohlmann, § 373 AO Rn. 15, Stand September 2001. 62 BGH, NStZ 1998, 622, 623; BGH wistra 1994, 230, 232; Harms, FS Kohlmann, 413, 422. 63 OLG Köln ZfZ 1952, 373, 374. 64 RGSt, 54, 184 f.; OLG Stuttgart, wistra 2002, 33 f. 65 So auch Wisser in Klein, § 373 AO Rn. 5; Voß in FGJ, § 373 AO Rn. 12. 66 OLG Stuttgart, wistra 2003, 33; Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 31. 67 BGH wistra 1999, 465; ebenso OLG Karlsruhe ZfZ 1975, 210, 213. 68 BGHSt 6, 260, 261; BGH wistra 1987, 30, 31; Kohlmann, § 370a AO Rn. 22, Stand Oktober 2002; Voß in FGJ, § 373 AO Rn. 14. 69 RGSt 54, 230; BGH NStZ 1995, 85; Stree in Sch/Sch, §§ 52 ff. StGB Rn. 95 m. w. N. 4*

52

2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

2. Die Besonderheit im Fall der gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung Grundsätzlich ist gem. § 369 Abs. 2 AO die durch die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs festgelegte, recht weite 70 Definition der Gewerbsmäßigkeit auch für das Steuerstrafrecht maßgeblich.71 Da die Steuerhinterziehung jedoch einige Besonderheiten aufweist, ist fraglich, ob in diesem Fall von der allgemeinen Definition abgewichen werden sollte. Die erste Eigenheit der Steuerhinterziehung ist - wie bereits erwähnt - durch das steuerrechtliche Periodizitätsprinzip bedingt.72 Bei den wichtigsten Steuerarten bestehen steuerrechtliche Mitwirkungspflichten in Form von periodisch nach Maßgabe der Steuergesetze abzugebenden Steuererklärungen, § 149 Abs. 1 Satz 1 AO, so genannte Abschnittsbesteuerung.73 Dadurch wird die Häufigkeit der Begehung einer Steuerhinterziehung begrenzt. Während bei anderen Delikten, welche Gewerbsmäßigkeit voraussetzen, die wiederholte Tatbegehung regelmäßig mit einer gewissen Häufigkeit und Zeitnähe erfolgt, ist dies bei der Steuerhinterziehung oft nicht der Fall. 74 Gleichzeitig wird die Häufigkeit der Begehung einer Steuerhinterziehung durch das Prinzip der Abschnittsbesteuerung aber auch vorgegeben. Denn der erstrebte Steuerspareffekt tritt erst dann wirklich ein, wenn der Hinterzieher plant, die Einnahmen wiederholt falsch anzugeben. Das Delikt ist geprägt durch eine „serielle Begehungsweise", erstreckt sich typischerweise über längere Zeitäume und ist auf Wiederholung angelegt.75 Daher wird im Steuerstrafrecht die Wiederholungsabsicht eher unterstellt werden können als im allgemeinen Strafrecht. 76 Außerdem haben die periodisch abzugebenden Steuererklärungen zur Folge, dass das Element der Dauer bei Steuerhinterziehungen unschwer nachzuweisen ist. 77 Da Steuern grundsätzlich hinterzogen werden, um dadurch Einnahmen zu erzielen, und bei fortgesetzter Steuerhinterziehung die 70 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 31. 71 BGHSt 17, 399, 403; BGH NJW 2004, 2990, 2991; Hübner in HHSp, § 369 AO Rn. 31, StandJuni 1983. 72 Grundlage dieses Prinzips ist die Reinvermögenszugangstheorie, Tipkt/Lang, § 9, Rn. 44. Näher zum Periodizitätsprinzip Schmidlin; Kirchhof in Kirchhof / Söhn / Meilinghoff, § 2 EStG, A Rn. 50; kritisch Tipkel Lang, § 4 Rn. 119 ff. 73 Z. B. wird das Periodizitätsprinzip bei der Einkommensteuer durch das Jahresprinzip, § 2 Abs. 7 Satz 1 EStG, konkretisiert, vgl. Tipktl Lang, § 9 Rn. 44. Auch bei der Umsatzsteuer ist Besteuerungszeitraum das Kalenderjahr, § 16 Abs. 1 Satz 2 UStG, jedoch sind neben der Jahreserklärung grundsätzlich monatliche Voranmeldungen abzugeben, § 18 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 UStG. 74 Zutreffend Wannemacher/Meyer in Beermann, § 370a Rn. 26, Stand Dez. 2002. 75 So BGH, NJW 2004, 2990, 2991; Harms, Stbg 2005, 12, 17; Klein, StV 2005, 459, 462; Rüping, AO-StB 2004, 376; Sauren, ZEV 2002, 223. 76 Ebenso AG Klimatagung in Wo, WPK-Mitt. 2003, 130, 131; Bundessteuerberaterkammer, DStR-KR 2002, 10, 11. 77 So auch Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1156.

B. Tatbestand

53

Beträge in der Regel einigen Umfang haben,78 könnten allein die nur einmalig zu erhebenden Verkehrsteuern, wie Erb-, Schenkung- und Grunderwerbsteuern nicht gewerbsmäßig hinterzogen werden. 79 Nach der allgemeinen Definition der Gewerbsmäßigkeit wird somit fast jede Steuerhinterziehung gewerbsmäßig be80

gangen. Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass sich derjenige, der einmal eine Steuerhinterziehung begangen hat, aufgrund der Pflicht zur regelmäßigen Abgabe von Steuererklärungen in einem gewissen Fortsetzungszwang befindet. Denn der Täter würde bei richtigen Angaben in späteren Steuererklärungen, welche im Widerspruch zu den in früheren Besteuerungszeiträumen gemachten falschen Angaben stehen, selbst den Verdacht für vorangegangene Steuerhinterziehungen liefern. 81 Der Nemo-tenetur-Grundsatz rechtfertigt dennoch weder die Nichtabgabe noch die Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung in einem Veranlagungszeitraum, welcher dem, in dem die Steuerhinterziehung begangen wurde, nachfolgt. 82 Der Steuerhinterzieher muss also die falschen Angaben in der Folgeerklärung wiederholen, um sich nicht selbst der Steuerhinterziehung zu überführen. Hinzu kommt, dass Steuern auch durch Unterlassen hinterzogen werden können. 83 Denn derjenige, der eine Steuererklärung abzugeben hat, ist jedenfalls garantenpflichtig. 84 Wohingegen bei anderen Delikten die besondere Gefährlichkeit des Täters durch die in der Wiederholungsabsicht zum Ausdruck kommende verstärkte Bereitschaft krimineller Betätigung deutlich wird und somit Grund der Strafschärfung ist, 85 zeugt die Wiederholung im Steuerstrafrecht oftmals eher von Schwäche und Angst vor Entdeckung einer in der Vergangenheit begangenen Steuerhinterziehung. Aufgrund der „Zwangslage", in der sich der Steuerhinterzieher wegen der Entdeckungsgefahr und seiner Pflicht zur Abgabe richtiger Steuererklärungen befindet, fehlt bei vielen Steuerhinterziehern - im Gegensatz 78 Zu der Bejahung einigen Umfangs reichen im Rahmen der Gewerbsmäßigkeit bereits einige tausend Euro, Steuerhinterziehungsbeträge von 10 000 bis 20 000 Euro sind jedoch nichts Besonderes, Vgl. Kemper in Dietz/Cratz/Rolletschke, § 370a AO Rn. 24, Stand Dezember 2002. 79 Zutreffend Spatscheck/ Wulf, DB 2002, 392 f.; zustimmend Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1156; Sauren, ZEV 2002, 223.

so Vgl. statt vieler Henseler, AW-Praxis 2003, 97, 98; Kemper in Dietz /Cratz/ Rolletschke, § 370a AO Rn. 26, Stand Dezember 2002; Rolletschke, Steuerhinterziehung, Rz. 217. 81 Vgl. dazu AG Klimatagung in Wo, WPK-Mitt. 2003, 130, 131; Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1156; Sauren, ZEV 2002, 223. 82 BGHSt 47, 8, 12 ff.; BGH JZ 2002, 615 f., BGH JZ 2002, 616 f. mit Anm. Hellmann, JZ 2002, 617 ff.; BGH StV 2002, 203, 204; BGH NJW 2002, 1733, 1734; BGH NJW 2005, 763 f.; Fahl, ZStW 2002, 794, 799. 83 Darauf weist Ott, PStR 2002, 41, 43 hin. 84 Zanzinger in Schöll / Leopold / Madie, § 370a AO Rn. 7, Stand September 2002. 85 Kohlmann, § 373 Abs. 1 AO, Rn. 6, Stand Sept. 2001.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

zu anderen gewerbsmäßig handelnden Tätern - der außerordentlich gefährliche Wille 8 6 und somit auch der erhöhte Unrechtsgehalt der Tat. 87 Das allgemeine Verständnis der Gewerbsmäßigkeit wird somit den Besonderheiten der Steuerhinterziehung nicht gerecht. Die Voraussetzungen der Gewerbsmäßigkeit nach ihrer herkömmlichen Definition sind der Steuerhinterziehung aufgrund der regelmäßigen Erklärungspflichten immanent.88 Daher wird in der Literatur kritisiert, dass bei Anwendung der üblichen Begriffsbestimmung keine ausreichend hohe Strafbarkeitsschwelle bestünde und eine unangemessene Kriminalisierung einer Vielzahl von Steuerpflichtigen in erheblichem Umfang erfolge. 89 Kohlmann ist sogar der Meinung, dass durch die Schaffung des § 370a AO fast jede „gewöhnliche" Steuerhinterziehung zu einem Verbrechen werde und der Grundtatbestand der Steuerhinterziehung nur ausnahmsweise zur Anwendung komme. 90 Das Verhältnis des § 370a AO gegenüber § 370 Abs. 3 AO sei nicht mehr erklärbar. 91 Andere Autoren führen an, dass bei Zugrundelegung der üblichen Definition der Gewerbsmäßigkeit der Gesetzeszweck des § 370a AO verfehlt werde, vorrangig Fälle Organisierter Kriminalität zu erfassen 9 2 Für das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit existiert aus diesen Gründen eine Fülle von Ansätzen einer restriktiven Auslegung. Eine solche sei trotz Einfügung des Merkmals „in großem Ausmaß" unverändert notwendig, da die Feststellung der Begehungsart von der Feststellung des Taterfolges zu unterscheiden sei. Insbesondere im Hinblick auf die weithin beklagte Unbestimmtheit der Voraussetzung des großen Ausmaßes sei die Reichweite der Gewerbsmäßigkeit auch weiterhin von entscheidender Bedeutung.93 Der Verdeutlichung sollen folgende Beispielsfälle dienen, die an späterer Stelle auf der Grundlage der hier vertretenen Ansicht gelöst werden, wodurch diese auch praktisch unter Beweis gestellt werden soll. Fall 1: Gastwirt C hat vor acht Jahren beschlossen, endlich etwas für seine „private Altersvorsorge" tun zu müssen und daher 30 % seiner Bareinnahmen nicht mehr gegenüber dem Finanzamt anzugeben, um die hinterzogenen Beträge auf sein Schwarzgeldkonto zur Alterssicherung einzahlen zu können. Der Hinterziehungsbetrag aus Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer beträgt jährlich insgesamt etwa 60 000 Euro. Außerdem hat C in demselben Zeitraum Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht vollständig deklariert, 86 87 88 89 90

Ebenso Salditt, StV 2002, 214, 215. So auch Spatscheck / Wulf, DB 2002, 392. So Harms, Stbg 2005, 12, 17. Burger, wistra 2002, 1, 2; Heerspink, AO-StB 2002, 132, 134. Kohlmann, § 370a AO Rn. 11, Stand Oktober 2002.

91 Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 28, Stand Dezember 2002. 92 Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1156 f; Sommer/Füllsack, Stbg 2002, 355, 364; Spatscheck/Wulf, DB 2002, 392, 394. 93 Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 28, Stand Dezember 2002.

B. Tatbestand

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wodurch er jährlich 3 000 Euro Steuern hinterzogen hat. Der gesamte Hinterziehungsbetrag beläuft sich in den acht Jahren somit auf 504 000 Euro. All diese Taten sind Steuerhinterziehungen gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO. Fraglich ist, ob sich C auch wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung strafbar gemacht hat, wobei unterstellt werden soll, dass der Fall dem zeitlichen Anwendungsbereich des § 370a AO n. F. unterfällt. Fall 2 (so genannter Banken-/Luxemburg-Fall):

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Der Steuerpflichtige D hat neben einem durch Erbschaft erlangten stattlichen Vermögen ein gutes eigenes Einkommen und unterliegt demzufolge dem Spitzensteuersatz. Er verschweigt gegenüber dem Finanzamt über einen Zeitraum von 10 Jahren Zinseinkünfte aus einer Kapitalanlage in Luxemburg, wodurch er jährlich Einkommensteuer in Höhe von etwa 50 000 Euro hinterzieht. Dadurch erfüllt er jedenfalls den Grundtatbestand der Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO. Problematisch sind wiederum die qualifizierenden Merkmale des § 370a Satz 1 AO, wobei auch hier der zeitliche Anwendungsbereich des § 370a AO n.F. unterstellt werden soll. Fall 3:95 E ist Geschäftsführer der gemeinnützigen „Pro Seniore Gesundsheitsdienste GmbH", die Dienste der Alten- und Krankenpflege anbietet. Bereits seit Jahren arbeitet E mit folgendem System der „Zwischenfinanzierung": Um kurzfristige Zahlungsschwierigkeiten zu beheben, reicht er bei dem zuständigen Finanzamt im Rahmen der Lohnsteueranmeldung so genannte „Nullmeldungen" ein. Später korrigiert er die falschen Angaben und zahlt die ausstehenden Beträge unverzüglich nach. Entsprechend geht E auch in den Monaten Juni bis Dezember 2002 vor, in denen sich die nicht angemeldete Lohnsteuer insgesamt auf mehr als fünf Millionen Euro beläuft. 900 000 Euro davon entfallen auf den Monat Dezember, je 600 000 Euro auf die Monate Juni bis November. Im Januar 2003 ist die GmbH wieder liquide, woraufhin E Selbstanzeige erstattet. Der Arbeitgeber ist gem. § 41a Abs. 1, 2 EStG verpflichtet, grundsätzlich monatlich Lohnsteueranmeldungen abzugeben und die insgesamt einbehaltene und übernommene Lohnsteuer abzuführen. Indem E bewusst falsche Lohnsteueranmeldungen einreichte, hat er eine Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 A O begangen, denn die Lohnsteueranmeldung stellt gem. § 168 A O eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung dar. 9 6 In Anbetracht der Regelung des § 370a Satz 3 A O ist zweifelhaft, ob E durch die Selbstanzeige Straffreiheit erlangen konnte. Dies ist nach der seit dem 28.01.2001 geltenden Rechtslage nur dann der Fall, wenn die von ihm begangenen Steuerhinterziehungen nicht den Tatbestand des § 370a A O erfüllen. Es könnte sich jedoch um gewerbsmäßig begangene Steuerhinterziehungen großen Ausmaßes i m Sinne dieser Vorschrift handeln.

94 Siehe dazu insbesondere Hillmann-Stadtfeld, NStZ 2002, 242 ff.; Schiffer, BB 2002, 1174, 1177. 95 Angelehnt an den wohl ersten Fall zu § 370a AO, Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Saarbrücken, Aktenzeichen 5 Js 41 /02, PStR 2002, 283. 96 Vgl. dazu BayObLG DB 1964, 1142; Seipl in Wannemacher, Rn. 1071; Spatscheck/ Wulf/Fraedrich, DStR 2005, 129, 133.

2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

56 Fall 4 (Autohandel):

91

F und G haben über einen Zeitraum von Februar bis August 2003 Umsatzsteuerhinterziehungen begangen, indem sie Exporte hochwertiger Kraftfahrzeuge an im EU-Ausland ansässige Scheinerwerber vortäuschten. Diesen gem. §§ 4 Nr. lb, 6a Abs. 1 Satz 1 UStG umsatzsteuerfreien Exporten standen hohe Vorsteuerbeträge (§ 15 UStG) aus dem Einkauf der Fahrzeuge im Inland gegenüber, so dass F und G in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen hohe Erstattungsbeträge geltend machten, die dem Ankauf neuer Fahrzeuge dienten. F und G hatten geplant, ihr Vorgehen noch bis Jahresende fortzusetzen, bevor sie ohne Einreichung einer korrekten Umsatzsteuerjahreserklärung „abtauchen" wollten. Jedoch wurden zuvor die Finanzbehörden auf sie aufmerksam, die den Fall alsbald an die Staatsanwaltschaft abgaben. Die sechs von F und G eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen führten zu Hinterziehungsbeträgen in Höhe von monatlich circa 800 000 Euro.

Durch jede unrichtige Umsatzsteuervoranmeldung, die fälschlicherweise zu einer Erstattung von Umsatzsteuer führte, haben F und G eine Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 25 Abs. 2 StGB begangen. Dies könnte auch gewerbsmäßig und in großem Ausmaß erfolgt sein.

3. Die Lösungsvorschläge a) Gewerbsmäßigkeit

nur in Fällen von „einigem Umfang" aa) Darstellung

Die Einfügung einer Mindestgrenze von 50 000 Euro oder eines zusätzlichen Tatbestandsmerkmals „in großem Umfang" für die Variante der gewerbsmäßigen Begehung in § 370a AO früherer Fassung hat der Bundestagsabgeordnete und teilweise als „personifizierter Gesetzgeber" bezeichnete98 Meyer in Anbetracht des außerordentlich hohen Strafrahmens bereits im Gesetzgebungsverfahren zum Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz vorgeschlagen. Da jedoch beides nicht in die endgültige Gesetzesfassung aufgenommen wurde, konzedierte Meyer, dass die Vorschrift ihrem Wortlaut nach zu weit ging, weswegen er auf eine restriktive Handhabung durch die Gerichte hoffte. Diese sah er sowohl durch die historische als auch durch die systematische Gesetzesauslegung gerechtfertigt. Denn § 370a AO a. F. sei der einzige Fall, bei dem ein Vergehen nur wegen gewerbsmäßiger Begehung zum Verbrechen hochgestuft wurde, weshalb bei einer verfassungskonformen Auslegung der Grundsatz der Schuldangemessenheit der Strafe berücksichtigt werden müsse.99 Außerdem wirke das objektive Merkmal der Häufigkeit 9v Vgl. den ähnlichen Fall bei Füllsack/Sommer, Stbg 2003, 461, 466. 98 Rüping, DStR 2002, 1417, 1418. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich Meyer als einziger Bundestagsabgeordneter jahrelang um die Einführung des § 370a AO und die entsprechende Änderung des § 261 StGB bemüht hatte, vgl. Hetzer, ZfZ 2002, 38, 39; s. bereits oben 1. Teil, B. 99 Meyer in Hund / Johnigk / Wollburg, DStR 2002, 879, 881; auch Fahl, ZStW 2002, 794, 813 meint, dass man § 370a AO a. F. eine inhaltliche Beschränkung auf Fälle großen Aus-

B. Tatbestand

57

der Tatbegehung im allgemeinen Strafrecht bei der Beurteilung der Gewerbsmäßigkeit berichtigend und tatbestandsbegrenzend, wohingegen es diese Funktion im Steuerstrafrecht entbehre. Im Kernstrafrecht werde von dem objektiven Befund der Häufigkeit der Tatbegehung auf die subjektive Absicht der Gewerbsmäßigkeit geschlossen, im Steuerstrafrecht sei demgegenüber letztlich einzig die subjektive Tatbestandsseite maßgeblich. Wegen des Periodizitätsprinzips sei dies aber nicht zulässig. Deshalb dürfe die allgemein strafrechtliche Definition der Gewerbsmäßigkeit nicht auf das Steuerstrafrecht übertragen werden. 100 Zudem manifestiere sich die Schuld bei der Steuerhinterziehung vorrangig in der Höhe des Schadens, nicht in der Begehungsweise.101 Nur bei dem Erfordernis von Einnahmen einigen Umfangs sei verbürgt, dass wirklich ein Unrechtsunterschied zu dem Vergehen der einfachen Steuerhinterziehung bestehe und eine angemessene Reaktion auf das steuerliche Unrecht stattfinde. 102 Während Meyer 50 000 Euro für eine angemessene ungeschriebene Mindestgrenze hielt, sah Burger - unter Hinweis auf den bei dem Betrug in einem besonders schweren Fall gem. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB vorausgesetzten Betrag bereits mindestens 10 000 Euro als ausreichend an. 1 0 3 Heerspink erachtete 150 000 Euro für sachgerecht, da die Überschreitung dieser Hinterziehungsgrenze nach den Strafmaßtabellen aller Oberfinanzdirektionen die Verhängung von 360 Tagessätzen zur Folge habe, was gem. §§40 Abs. 1, 43 StGB einem Jahr Freiheitsstrafe entspreche. 104 bb) Kritik Den Vorschlag in Höhe von 10 000 Euro kritisierten Sommer/Füllsack als abwegig, weil sich dieser Betrag nur geringfügig über den Grenzen befinde, die für die Einstellung bei geringer Schuld gem. § 153a StPO gelten. Auch Meyers Forderung von 50 000 Euro wurde aus Gleichheitsgründen abgelehnt, da bei einer Hinterziehungssumme in entsprechender Größenordnung bis zur Einführung des § 370a AO häufig nur Strafbefehle von 90 Tagessätzen ergangen seien, wohingegen derartige Fälle nunmehr ein Verbrechen darstellen würden. 105 Abgesehen von den zu niedrig veranschlagten Untergrenzen wurde bemängelt, dass eine entsprechende summenmäßige Voraussetzung wegen des Bestimmtheitsgrundsatzes im Gesetz verankert werden müsse und nicht im Wege der Auslegung maßes unterstellen konnte, da dies mangels überzeugender restriktiver Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale die einzig verbleibende Erklärung für den hohen Strafrahmen sei. 100 Döpfer, PStR 2002, 149, 150; in diesem Sinne auch Burgen wistra 2002, 1, 2. 101 FaÄ/,ZStW 2002, 794, 813. 102 Heerspink, AO-StB 2002, 132, 134. i° 3 Burger, wistra 2002, 1, 2, Fn. 19. Alle im Haupttext der Arbeit enthaltenen Beträge wurden zwecks Übersichtlichkeit gerundet in Euro umgerechnet. 104 Heerspink, AO-StB 2002, 132, 134. 105 Sommer! Füllsack, Stbg 2002, 355, 359.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

gewonnen werden könne. 106 Die Rechtsprechung sei auch nicht an die Vorstellungen des „personifizierten historischen Gesetzgebers" gebunden, da diese im Gesetzeswortlaut keinen Ausdruck gefunden hätten. 107 Ferner seien jegliche Versuche, die Gewerbsmäßigkeit erst ab einem bestimmten Umfang anzunehmen, „äußerst fragwürdig", da das Ausmaß des Taterfolgs keine zwingenden Rückschlüsse auf die subjektive Absicht des Täters zulasse, die Gewerbsmäßigkeit aber eben durch diese Absicht definiert sei. 108 cc) Stellungnahme Es erscheint in der Tat sehr zweifelhaft, ob die recht niedrig angedachten Beträge die Strafbarkeit nach einem Verbrechenstatbestand rechtfertigen konnten. Gerade bei Personen, die dem Spitzensteuersatz unterliegen, wären die genannten Summen relativ schnell überschritten. Außerdem hinge die Strafbarkeit von Umständen ab, die außerhalb des Einflussbereichs des Steuerpflichtigen liegen, wie insbesondere von seinem individuellen Steuersatz. Derartige Umstände ließen jedoch keinen Rückschluss auf die Gefährlichkeit des Täters zu, welche Strafschärfungsgrund der Gewerbsmäßigkeit ist. 1 0 9 Dessen ungeachtet dürfte den Forderungen nach Einführung einer Betragsgrenze mit der Neufassung des § 370a AO und der Ergänzung durch das Erfordernis der Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß" Genüge getan sein. 110 Teilweise wird vertreten, dass mit der Einfügung des zusätzlichen Merkmals auch generell die Notwendigkeit entfallen sei, das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit restriktiv zu interpretieren, da die Gefahr einer unangemessenen Kriminalisierung abgewendet worden sei. 111 Dem ist jedenfalls zuzugeben, dass die zusätzliche Voraussetzung „in großem Ausmaß" bei Bagatellfällen nicht erfüllt sein wird, diese also nicht von dem Verbrechenstatbestand erfasst werden. Es ist davon auszugehen, dass in der praktischen Handhabung des § 370a AO die Auslegung des 106 Pressemitteilung der Bundessteuerberaterkammer v. 15. 02. 2002, abrufbar unter http: // www.bstbk.de. 107 Rüping, FS Kohlmann, 499, 507 unter Bezug auf BVerfG NJW 2002, 1779, 1781, 1784. los Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1158. 109 Vgl. zutreffend Kohlmann, § 373 AO Rn. 6, Stand September 2001; Salditt, StV 2002, 214,215. ho So auch Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 31. Die Kritik von Kohlmann, § 370a AO Rn. 6, Stand Oktober 2002, dass die von Meyer vorgeschlagene systematische Auslegung versagen muss, da die gewerbsmäßige Begehung in anderen Vorschriften nicht zu einer Hochstufung zum Verbrechen führt, ist hingegen nicht durchschlagend. Denn Meyer erkennt dies und zieht gerade aus dieser Tatsachen das Argument, dass die Gewerbsmäßigkeit im Rahmen des § 370a AO nur schwerwiegendere Fälle erfasst. in So Bittmann, wistra 2003, 161, 164; Burchert, INF 2002, 532, 535; Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1158; Scheurmann-Kettner, NWB Fach 2, 7963; 7966.

B. Tatbestand

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Begriffs „Gewerbsmäßigkeit" in den Hintergrund treten wird und die Probleme bei der Konkretisierung des großen Ausmaßes angesiedelt sein werden. 112 Viele Autoren sind gleichwohl der Ansicht, dass sich die Probleme, die der Begriff der Gewerbsmäßigkeit vor der Änderung des § 370a AO aufwarf, in dogmatischer Hinsicht durch die Neufassung nicht geändert haben. Dies liegt insofern nahe, als eben der Begriff der Gewerbsmäßigkeit unverändert beibehalten wurde. Aus diesem Grund werden auch weiterhin verschiedene Einschränkungen des Begriffs vertreten.

b) Einschränkung der Gewerbsmäßigkeit

über ihr zeitliches Moment

aa) Darstellung Teilweise wird im Anschluss an Joecks vertreten, dass die Gewerbsmäßigkeit nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine gewisse Häufigkeit der Betätigung erfordere. Werde nur einmal jährlich eine falsche Steuererklärung abgegeben, weiche dies so stark von dem üblichen Bild der Gewerbsmäßigkeit ab, dass es sich „nicht aufdränge", diese Taten unter § 370a AO zu fassen. 113 Die nur einmal jährlich erfolgende Tatbegehung sei nicht „wiederholt" im Sinne eines Gewerbes, denn auch Gewerbetreibende seien regelmäßig häufiger als einmal jährlich tätig, um ihrem Gewerbe nachzukommen.114 Zweifelhaft sei, ob die Gewerbsmäßigkeit in Fällen des Zigarettenschmuggel, der Korruption mit unversteuerten Schmiergeldern und der so genannten Baumafia erfüllt sei, die systematisch Lohn- und Umsatzsteuer mittels Abdeckrechnungen inexistenter Subunternehmer hinterziehe. Der Handwerker oder Gastwirt, der monatliche unrichtige Lohnsteuer- oder Umsatzsteuererklärungen abgebe, sei jedoch nicht erfasst. 115 Dies müsse schon deswegen gelten, weil die regelmäßige Abgabe von Steuererklärungen die Pflicht jedes Bürgers sei und daher die wiederholte Abgabe falscher Steuererklärungen zur Qualifizierung der Gewerbsmäßigkeit nicht ausreichen könne. 116 Wegen der Besonderheit des steuerrechtlichen Periodizitätsprinzips, sei nur bei einer gewissen Häufigkeit der Tatbegehung sichergestellt, dass der Täter wirklich eine erhöhte kriminelle Energie aufweise. Dass bei einer Begrenzung der Gewerbsmäßigkeit auf derartige Sachverhalte mitunter auch Fälle Organisierter Kriminalität nicht erfasst würden, sei hinzunehmen.117 112 So auch Rüping, DStR 2002, 1417, 1418; ders., FS Kohlmann, 499, 507 f. 113 Für § 370a AO a.F.: Heerspink, AO-StB 2002, 132, 134; Joecks, DStR 2001, 2184, 2187 f.; auch für § 370a AO n.F.: Stahl, KÖSDI 2002, 13390, 13391; ders., Selbstanzeige, Rn. 365. 114 Heerspink, AO-StB 2002, 132, 134. 115 Stahl, Selbstanzeige, Rn. 365; wohl auch Joecks, DStR 2001, 2184, 2187 f., Stahl, KÖSDI 2002, 13390, 13391. 116 Stahl, Selbstanzeige, Rn. 365. 117 Müller, DStR 2002, 1641, 1644.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

bb) Kritik Entgegen der Annahme Stahls 118 besteht in der Literatur keinesfalls Einigkeit über eine solche Einschränkung der Gewerbsmäßigkeit über ihr zeitliches Moment. Gegen die Auffassung wird vorgebracht, dass der Gesetzgeber den Tatbestand der gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung geschaffen habe und die Steuerhinterziehung naturgemäß auch die Fälle der lediglich einmal jährlich abzugebenden Steuererklärungen erfasse. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber derartige Fälle ausschließen wollte. Gerade dann, wenn über Jahre hinweg falsche Erklärungen abgegeben werden, könne besonders leicht nachgewiesen werden, dass der Betreffende sich durch die Steuerhinterziehungen eine Zusatzeinnahmequelle schaffen wollte. 119 Die Folgen des Ansatzes seien außerdem zu unbestimmt und zufällig. 120 Warum die jährliche Einkommensteuerhinterziehung nicht gewerbsmäßig begangen werden können soll, die monatliche Hinterziehung der Umsatzsteuer aber doch, obwohl wegen der gesetzlich festgeschriebenen Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen in dieser Häufigkeit gar keine andere Möglichkeit bestehe, sei nicht verständlich. 121 Hillmann-Stadtfeld erachtet jedenfalls die monatlichen Erklärungen für häufig genug und die Bedenken bezüglich lediglich einmal jährlich abzugebender Steuererklärungen für keinesfalls zwingend. 122 cc) Stellungnahme Entscheidend gegen Joecks' Ansatz spricht, dass die Gewerbsmäßigkeit ein rein subjektives Tatbestandsmerkmal ist. Für ihre Bejahung ist allein die Absicht entscheidend, sich durch die Begehung von Steuerhinterziehungen eine Einnahmequelle von gewissem Umfang und Dauer zu verschaffen. Beabsichtigt der Täter dies, kann bereits die erste Hinterziehung gewerbsmäßig erfolgen, selbst wenn es zu keinen weiteren Begehungen kommen sollte. 123 Häufigkeit und Zeitabstände der Gesetzes verstoße sind daher für die Bejahung der Gewerbsmäßigkeit nicht vorrangig entscheidend.124 Ein entsprechendes Erfordernis kann auch nicht mit einem Vergleich mit dem Gewerbe begründet werden. Denn Gewerbsmäßigkeit ist gerade nicht gleichbedeutend mit Gewerblichkeit. 125 Hinzu kommt, dass bei einer solchen Begrenzung selbst Angehörige der Organisierten Kriminalität gar nicht die Möglichkeit hätten, gewerbsmäßig zu handeln, •18 Stahl Selbstanzeige, Rn. 365. 119 Dorn, BuW 2002, 1024, 1029. 120 Spatscheck/Wulf, NJW 2002, 2983, 2986. 121 Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1157. 122 Hillmann-Stadtfeld, DStR 2002, 434, 436; dies., NStZ 2002, 242, 243. 123 RGSt 54, 230; BGH NStZ 1995, 85; Stree in Sch/Sch, Vorbem. §§ 52 ff. StGB Rn. 95. 124 Ebenso Hillmann-Stadtfeld, NStZ 2002, 242, 243. 125 Tröndle/ Fischer, 52. Aufl., Vor § 52 Rn. 37.

B. Tatbestand

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nur weil sie Steuerhinterziehungen nicht öfter begehen können als dies die Steuergesetze vorschreiben (vgl. § 149 Abs. 1 Satz 1 AO). Sogar wenn feststünde, dass sie weit öfter Steuern hinterziehen würden, wenn sie denn könnten, wäre ihr Handeln nicht gewerbsmäßig. Sollte Joecks wirklich sogar die monatlich abzugebenden Erklärungen ausschließen wollen, wäre fraglich, welche Steuerart dann überhaupt gewerbsmäßig hinterzogen werden könnte. Nicht einmal im Rahmen von Umsatzsteuerkarussellen, eigentlich einer der wenigen unstreitigen Fälle, die dem § 370a AO unterfallen sollen, würden gewerbsmäßige Steuerhinterziehungen begangen. Ein solches Ergebnis erscheint mehr als fragwürdig. Ein Beispiel, in dem häufiger als monatlich eine Steuerhinterziehung begangen wird, ist sehr schwer vorstellbar. Dass etwa jemand plant, bei seinen in vierzehntätigem Abstand anfallenden Erbschaften die Erbschaftsteuer zu hinterziehen, dürfte wohl praktisch kaum vorkommen und auch sonst sind keine realitätsnahen Fälle denkbar, für die nach dieser Meinung die Gewerbsmäßigkeit zu bejahen wäre. Die Variante der gewerbsmäßigen Begehung liefe praktisch leer. Dies kann nicht überzeugen und ist daher abzulehnen. Auch Joecks hat nunmehr, wegen der Einfügung der Regelung über den minder schweren Fall, die Einschränkung der Gewerbsmäßigkeit über ihr zeitliches Moment aufgegeben. 126

c) Abgrenzung zur gewohnheitsmäßigen Begehung aa) Darstellung Hillmann-Stadtfeld schlug vor, eine Einschränkung der Tatvariante der Gewerbsmäßigkeit negativ über eine Abgrenzung zur gewohnheitsmäßigen Begehung zu erreichen. Diese zeichne sich durch einen - dem Täter möglicherweise unbewussten - Hang zur wiederholten Tat aus, der aufgrund mindestens zweimaliger Begehung erzeugt worden sei und nun selbstständig fortwirke. Der Gesetzesverstoß müsse für den Täter eine Gewohnheit geworden sein, mit der er sich nicht mehr näher befasse und die keine sittlichen Zweifel mehr in ihm aufsteigen lasse. Wenn hingegen andere Umstände als der Hang des Täters Anlass zu der Tat geben, handele es sich nicht um eine gewohnheitsmäßige Begehung. So liege es regelmäßig in den so genannten Bankenfällen. In diesen sei Motiv für die erneute Steuerhinterziehung die Verdeckungsabsicht bezüglich vergangener Taten. Diese Intention sei eine neue Sachlage, die sich jedes Jahr auf die zuvor begangenen Taten beziehe, so dass die Täter gewerbsmäßig handelten. Daraus folge, dass die Variante der bandenmäßigen Begehung die Karussellgeschäfte erfassen solle, wohingegen die gewerbsmäßige Steuerhinterziehung auch von anderen Tätern erfüllt werden könne, die Strafbarkeitsschwelle bei dieser Tatvariante folglich niedriger liege als bei der Bandenmäßigkeit.127 •26 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 33. 127 Hillmann-Stadtfeld, NStZ 2002, 242, 243.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

bb) Kritik Nicht viele Autoren gehen auf diese vereinzelt gebliebene Ansicht ein. Fahl lehnt die Meinung ab, weil sie nicht wirklich zu der Lösung des Problems beitrage. Sie vollbringe nicht mehr als die Ersetzung des Merkmals der Gewerbsmäßigkeit durch das der Gewohnheitsmäßigkeit.128 Statt einer Klärung der Streitfrage zu erreichen, führe dies zu einer unerwünschten unterschiedlichen Auslegung desselben Begriffs innerhalb desselben Regelungszusammenhangs.129 cc) Stellungnahme Der Lösungsansatz Hillmann-Stadtfelds birgt auf der einen Seite erhebliche Unsicherheiten im Rahmen der Beantwortung der Frage, ob die Tat für den Täter schon zu einer Gewohnheit geworden ist. Andererseits führt er nicht zu einer wesentlichen Einschränkung, da in vielen Fällen die Steuerhinterziehung zumindest auch begangen wird, um keinen Verdacht auf frühere Hinterziehungen aufkommen zu lassen. Letztlich hält Hillmann-Stadtfeld eine Einschränkung aber auch nicht für notwendig. Ihrer Meinung nach folgt allein aus dem ursprünglichen gesetzgeberischen Motiv der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität noch nicht, dass an die Gewerbsmäßigkeit strengere Anforderungen zu stellen seien als in anderen Normen. Vielmehr zeige gerade die Einführung des § 370a AO, dass letztlich eine Verschärfung der Strafrechtssituation bezweckt war. 1 3 0 Dessen ungeachtet ist die Meinung Hillmann-Stadtfelds nicht schlüssig. Denn nach ihren Ausführungen stellt die gewohnheitsmäßige Begehung immer ein aliud gegenüber der gewerbsmäßigen Tatbegehung dar. Warum aber aus dieser allgemein geltenden Unterscheidung speziell in den Fällen der Steuerhinterziehung eine Einschränkung der Gewerbsmäßigkeit gewonnen werden soll, wird nicht deutlich. Wesentlich gegen ihren Ansatz spricht, dass es sich bei der Gewohnheits- und der Gewerbsmäßigkeit - entgegen Hillmann-Stadtfeld - nicht um zwei sich gegenseitig ausschließende Begehungsarten handelt. In den praktischen Fällen liegt in der Regel bei gewohnheitsmäßigem Handeln zugleich Gewerbsmäßigkeit vor. 1 3 1 Auch in der einzigen Norm des Kernstrafrechts, die die gewohnheitsmäßige Begehung sanktioniert, dem besonders schweren Fall der Jagdwilderei, § 292 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB, ist die Variante der Gewohnheitsmäßigkeit mit der gewerbsmäßigen Verwirklichung auf eine Stufe gestellt. Wie die regelmäßig gleichzeitig mit der Gewerbsmäßigkeit erfüllte Gewohnheitsmäßigkeit zu einer Einschränkung Ersterer nutzbar gemacht werden soll, ist nicht nachvollziehbar. Aus genannten Gründen stellt dieser Ansatz keine befriedigende Lösung dar. 128 Fahl, ZStW 2002, 794, 801. 129 Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1157. 130 Hillmann-Stadlfeld, NStZ 2002, 242, 243. 131 Corves, JZ 70, 156, 158; Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 46 StGB, Rn. 89.

B. Tatbestand

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d) Einnahme nur bei einem Zufluss von Vermögenswerten aa) Darstellung Eine gewichtige Literaturmeinung folgt Spatscheck/Wulf, die die Gewerbsmäßigkeit über ihr Merkmal der „Absicht zur Schaffung einer Einnahmequelle'4 einschränken. Als Einnahmequelle sollen bei § 370a AO nicht jegliche geldwerte Vermögensvorteile ausreichen, sondern die Gewerbsmäßigkeit im Sinne dieser Vorschrift erfordere eine Einnahme im engeren Sinne, also - gemäß der gängigen Definition der Einnahme - einen tatsächlichen Zufluss vermögenswerter Vorteile. 132 Eine gewerbsmäßige Steuerhinterziehung setze also die Absicht voraus, Steuervergütungen oder -erstattungen zu erlangen. 133 Andernfalls koinzidiere die Erfüllung des § 370a AO im Regelfall mit der des Grundtatbestandes, § 370 AO, da die Absicht zur Erzielung von Vermögensvorteilen grundsätzlich bei jeder Steuerhinterziehung gegeben sei. Auch die nach der Rechtsprechung ausreichende mittelbare Erlangung von Einnahmen aus der Tat, 1 3 4 also wenn der Täter anstrebte, durch die Steuerersparnis den Gewinn aus der eigentlichen Einnahmequelle zu erhöhen, erfasse den Großteil aller Einkommen- und Umsatzsteuerhinterziehungen, weil steuerbare Vorgänge sowohl nach dem Einkommensteuergesetz als auch nach dem Umsatzsteuergesetz Einnahmeerzielungsabsicht voraussetzten. Eine weitgehende Identität der Qualifikation mit dem Grundtatbestand sei aber gesetzessystematisch unhaltbar. Nur das Erfordernis eines tatsächlichen Zuflusses stelle sicher, dass es sich bei § 370a AO wahrhaftig um eine Qualifikation handele. Danach werde der Normalfall der Steuerhinterziehung, wenn lediglich entstandene Steueransprüche nicht festgesetzt und somit nur Abgaben erspart wurden, abschließend von § 370 AO erfasst. Der materielle Unrechtsgehalt bestehe hier einzig in einer unterlassenen Vermögensmehrung des Staates. § 370a Satz 1 Nr. 1 AO finde hingegen allein bei der planmäßigen Abgabe unrichtiger Steuererklärungen zur nachhaltigen Einnahmeerzielung durch die Erlangung von Steuererstattungen Anwendung. 135 Die Qualifikation unterscheide sich dadurch deutlich von dem Grundtatbestand, wodurch die systematische Beziehung des § 370 AO zu § 370a AO geklärt sei und der erhöhte Strafrahmen verständlich werde. 136 132 Spatscheck/Wulf, DB 2002, 392 ff.; dies., NJW 2002, 2983, 2986, ebenso Hellmann in HHSp § 370a AO Rn. 18 ff., Stand August 2002; Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 28 ff., Stand Dezember 2002; Müller, DStR 2002, 1641, 1644 f.; Schiffer, BB 2002, 1174, 1176; ders., StuB 2002, 341, 342; ders., PStR 2002, 136, 137; ders., PStR 2002, 167, 169; Seer t BB 2002, 1677, 1678; unklar Sauren, ZEV 2002, 223 f. 133 Müller, DStR 2002, 1641, 1645. 134 BGH wistra 1999, 465 m. w. N. 135 Spatscheck/Wulf DB 2002, 392 ff.; dies., NJW 2002, 2983, 2986, ebenso Hellmann in HHSp § 370a AO Rn. 18 ff., Stand August 2002; Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 28 ff., Stand Dezember 2002; Müller, DStR 2002, 1641, 1644 f.; Schiffer, BB 2002, 1174, 1176; Seen BB 2002, 1677, 1678; unklar Sauren, ZEV 2002, 223 f. 136 Schiffen BB 2002, 1174, 1176; ders., StuB 2002, 341, 342.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

Auf diese Weise sei verbürgt, dass nur die erhöht strafwürdigen Konstellationen, insbesondere Umsatzsteuerkarusselle, von § 370a AO erfasst würden, deren Unrechtsgehalt dem anderer gewerbsmäßig begangener Taten entspreche. 137 In Fällen, in denen ein Gewinn angestrebt wird, werde die Steuerhinterziehung zum Inhalt des Gewerbes des Täters, so dass die „Verwerflichkeit" weit bedeutender sei als bei einer bloßen Ersparnis. 138 Vorteil dieser Meinung sei also, dass die Abgrenzung zwischen Grundtatbestand und Qualifikation mit Hilfe eines materiellen Unterschieds im Unrechtscharakter vorgenommen werde. 139 Dadurch werde dem Übermaßverbot Rechnung getragen, insbesondere indem die „gewaltigen" prozessualen Folgen des § 370a AO auf schwerwiegende Fälle beschränkt würden. 140 Das Ergebnis sei auch deswegen richtig, weil bei einer Abgabenhinterziehung die Ersparnis schon gar nicht durch die Tat veranlasst sei, da der Täter die Einnahme bereits vor Begehung der Steuerhinterziehung durch den Erwerb erzielt habe. 141 Der Begriff Gewerbsmäßigkeit verbinde zudem seiner Wortbedeutung nach stets die Idee eines Gewinns, was auch § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG verdeutliche, der die Gewinnerzielungsabsicht als Voraussetzung eines Gewerbebetriebs statuiert. 142 Weiterhin spreche § 11 EStG von einem Zufluss der Einnahmen, ein Zufluss einer Steuerersparnis sei hingegen nicht vorstellbar. 143 Während somit keine gänzlich neue Definition der Gewerbsmäßigkeit für das Steuerrecht geschaffen werde, was aufgrund der ausdrücklichen Übernahme des Begriffs aus dem Strafrecht durch den Gesetzgeber auch nicht zulässig sei, trage die Lösung dennoch der Entstehungsgeschichte sowie dem Zweck der Vorschrift - Bekämpfung der organisierten Steuerkriminalität - Rechnung und sei folglich auch Ergebnis einer historischen Auslegung. 144 bb) Kritik Bittmann hält dem Erfordernis eines tatsächlichen Zuflusses entgegen, dass es schon deswegen nicht zu überzeugen vermöge, weil nach dem Gesetzeswortlaut die Steuerverkürzung gleichberechtigt neben der Erlangung nicht gerechtfertigter 137 Hellmann in HHSp, § 379a AO Rn. 18 ff., Stand August 2002. 138 Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 30, Stand Dez. 2002; Schiffer, StuB 2002, 341, 342; ders. BB 2002, 1174, 1177. 139 Spatscheck/Wulf NJW 2002, 2983, 2986. 140 Kemper in Dietz/Cratz/Rolletschke, § 370a AO Rn. 30, Stand Dezember 2002; Schiffer, BB 2002, 1174, 1176; ders., StuB 2002, 341, 342; Spatscheck/ Wulf, DB 2002, 392 ff. 141 Spatscheck/Wulf, DB 2002, 392 f., ebenso Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 18 ff., Stand August 2002. 142 Müller, DStR 2002, 1641, 1644 f. 143 Schiffen BB 2002, 1174, 1176; ders., StuB 2002, 341, 342. 144 Kemper in Dietz/Cratz/ Rolletschke, § 370a AO Rn. 28 ff., Stand Dezember 2002.

B. Tatbestand

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Steuervorteile stehe, während die Steuerverkürzung nach Spatscheck / Wulf im Fall der gewerbsmäßigen Begehung praktisch keinen Anwendungsbereich habe. 145 Zudem wird gefragt, ob die Voraussetzung eines tatsächlichen Zuflusses nicht allzu viele Fälle aus dem Anwendungsbereich ausklammere und welche Konstellationen überhaupt noch für § 370a AO übrig blieben. Der Begrenzung auf Fälle, in denen der Täter etwa ein Scheinunternehmen gründet, um Vorsteuererstattungen zu erschleichen, stehe entgegen, dass Gewerbsmäßigkeit gerade weder das Betreiben eines „kriminellen Gewerbes" noch das Handeln in Ausübung eines Berufs voraussetze noch, dass es sich um die einzige oder überwiegende Erwerbsquelle handelt. Eine Wahrung des Zusammenhangs mit der Bekämpfung der so genannten Karussellgeschäfte sei überdies nicht notwendig, da eine solche Verknüpfung spätestens durch die Schaffung von § 26c UStG aufgehoben worden sei. Auch der Wortlaut des § 370a AO lasse keine Beschränkung auf diese Konstellationen zu. 1 4 6 Gast-de Haan nennt das Zuflusserfordernis deswegen „zweifelhaft", weil auch die Erzielung von Ersparnissen aus einer planmäßigen Steuerverkürzung als Gewerbe betrieben werden könne. 147 Der Unrechtsgehalt einer wiederholten, auf erhebliche Zusatzgewinne abzielenden Hinterziehung von Ertragsteuern sei ebenso hoch wie die Absicht der Erlangung eines tatsächlichen Zuflusses. 148 Auch wenn der Ansicht insoweit zuzustimmen sei, als sich der Steuerpflichtige bei der bloßen Steuerersparnis in der Tat grundsätzlich Einkünfte aus legalen Einkunftsquellen verschaffe, führe dies nicht zu einer anderen Bewertung. 149 Denn gegen das Erfordernis eines tatsächlichen Zuflusses spreche ein Vergleich mit der Konstellation des gewerbsmäßigen Schmuggels gem. § 373 AO. Dieser werde durch die Abgabe falscher zollrechtlicher Anmeldungen begangen, obwohl nicht die falschen zollrechtlichen Anmeldungen zu einer Einnahme führen, sondern erst der gewinnbringende Verkauf der von Eingangsabgaben unbelasteten Schmuggelware. Der mittelbare geldwerte Vorteil werde jedoch als ausreichend angesehen. Dabei sei § 373 AO nach der Rechtsprechung selbst dann erfüllt, wenn der Täter die Schmuggelware nicht veräußert und damit Einnahmen erzielt, sondern die Ware selbst konsumiert. 150 Entsprechend werde durch die Abgabe der falschen Steuererklärung ein mittelbarer Vorteil dadurch erzielt, dass die anteilige Steuerersparnis ungeschmälert im Tätervermögen verbleibe, auch wenn durch die Abgabe einer falschen Steuererklärung, in der bereits zugeflossene Einnahmen verschwiegen werden, keine zusätzlichen Einnahmen erzielt würden. Warum die gleiche Konstellation im Rahmen des § 373 AO gewerbsmäßig sein soll, bei § 370a 145 Bittmann, wistra2003, 161, 163. 146 Fahl, ZStW 2002, 794, 799 f.; ablehnend auch Hild/Albrecht,

NJW 2005, 336, 337.

147 Gast-de Haan in Klein, § 370a AO Rn. 12. 148 Tröndle /Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 16b. 149 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 34. 150 OLG Stuttgart, wistra 2003, 33; BGH, wistra 1994, 230, 232; BGH, NStZ 1998, 622, 623. 5 Schneider

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

AO dagegen nicht, sei nicht einzusehen.151 Für einen identischen Anwendungsbereich der §§ 373, 370a AO a.F. hat sich auch der Bundesgerichtshof ausgesprochen. 152 cc) Stellungnahme Das Erfordernis eines tatsächlichen Zuflusses kann nicht überzeugen. Es steht in klarem Widerspruch zur bisherigen Definition der Gewerbsmäßigkeit, nach der jedweder geldwerter Vermögensvorteil als Einnahme ausreicht, somit auch die bloße Ersparnis. 153 Mit Wannemacher/Meyer ist der Ansicht von Spatscheck/Wulf insbesondere auch zu entgegnen, dass sie in Fällen, in denen nur aufgrund hoher Steuervorauszahlungen oder einbehaltener Lohn- oder Zinsabschlagsteuern eine Steuererstattung erfolgt, nicht zu sachgerechten Ergebnissen führt. Die Verwirklichung von § 370a AO hinge nur von der Höhe der Vorauszahlung oder der einbehaltenen Summe ab. 1 5 4 Entsprechendes gilt, wenn in Fällen der Umsatzsteuerhinterziehung nur deshalb keine Erstattung erfolgt, weil der Täter Schein-Vorsteuern mit Umsatzsteuerbeträgen saldiert, die aus tatsächlich ausgeführten Umsätzen entstanden sind und deren Summe die angefallene Vorsteuer übersteigt. 155 Hat der Täter mit Umsatzsteuer belastete Ausgangsumsätze getätigt, für die höhere Umsatzsteuerbeträge an ihn gezahlt wurden als die angeblich von ihm geleisteten Vörsteuerbeträge, wäre seine Steuerhinterziehung nach Spatscheck/Wulf nicht gewerbsmäßig. Erreichen hingegen die von ihm ausgeführten steuerbaren Umsätze dieses Volumen nicht, wäre Gewerbsmäßigkeit zu bejahen. Eine derartige Differenzierung erscheint willkürlich und wenig überzeugend. Wollten Spatscheck/Wulf, die das Problem allerdings gar nicht ansprechen, das Kompensationsverbot des § 370 Abs. 4 Satz 3 AO beachten, wie die herrschende Meinung es auch sonst auf Tatbestandsebene tut, 1 5 6 und daher eine Saldierung der auf der Eingangsseite anfallenden Vorsteuern verbieten, müssten sie mitunter einen Zufluss fingieren, obwohl ein solcher wegen der tatsächlich angefallenen hohen Vorsteuern auf der Eingangsseite in Wirklichkeit gar nicht erfolgt ist. Kemper, der ebenfalls einen tatsächlichen Zufluss fordert, hat die Problematik erkannt und schlägt deshalb vor, den Fall der Lohnsteuererstattung gesondert zu behandeln, da die Lohnsteuer vom Steuerpflichtigen gezahlt wurde und ihm in keinem Fall mehr erstattet werde als er vorher abgeführt hat. 1 5 7 Diese 151 Harms, FS Kohlmann, 413, 422; Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 36; Rolletschke, Steuerhinterziehung, Rn. 218. 152 BGH NJW 2003,3068, 3069. 153 Vgl. etwa Wisser in Klein, § 373 AO, Rn. 5; ebenso Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1157. 154 Wannemacher/Meyer in Beermann, § 370a Rn. 29, Stand Dez. 2002; Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 35. 155 Zutreffend Rolletschke, Steuerhinterziehung, Rn. 218; ders., DStZ 2004, 763, 764. 156 Vgl. BGH wistra 1985, 225; Rolletschke, wistra 2002, 332, 333; Joecks in FGJ, § 370 Rn. 64 ff. 157 Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 33, Stand Dez. 2002.

B. Tatbestand

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eine Ausnahme genügt aber nicht, um alle Bedenken zu entkräften, zumal Kemper auf die ähnliche Schwierigkeit bei der Umsatzsteuer nicht eingeht. Man könnte jedoch erwägen, generell die Vorauszahlungen, einbehaltenen Summen, Umsatzsteuerbeträge und sonstige vergleichbare Posten von dem letztlich erstatteten Steuerbetrag zu subtrahieren und zu prüfen, ob es bei Ausklammerung dieser Beträge zu einem tatsächlichen Zufluss gekommen wäre. Allerdings ist nicht ersichtlich, wie eine derartige Auslegung mit dem Bestimmtheitsgebot in Einklang gebracht werden könnte, zumal diese „vergleichbaren Posten" unterschiedlicher Natur sind und das Bestimmtheitsgebot insbesondere bei den Tatbestandsmerkmalen eines Verbrechenstatbestandes verlangt, dass sie durch Auslegung aus dem Gesetz selbst gewonnen werden können. 158 Die Ansicht kann daher - auch mit einer derartigen Einschränkung - nicht überzeugen. Für sie kann auch nicht der Vergleich mit § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG, der die Gewinnerzielungsabsicht als Voraussetzung eines Gewerbebetriebs statuiert, angeführt werden, da Gewerbsmäßigkeit gerade nicht gleichbedeutend mit Gewerblichkeit ist. 1 5 9 Zwar hängt der Einwand Bittmanns, dass die Steuerverkürzung bei einem Erfordernis des tatsächlichen Zuflusses im Fall der gewerbsmäßigen Begehung praktisch keinen Anwendungsbereich hätte, 160 von der umstrittenen und unklaren Abgrenzung der Steuerverkürzung von der Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile ab und ist in dieser Form nicht überzeugend. Zum Beispiel wird teilweise die erschlichene Herabsetzung einer Einkommensteuervorauszahlung, bei der kein Zufluss erfolgt, als Verschaffung eines ungerechtfertigten Steuervorteils erachtet. 1 6 1 Andererseits ist nach herrschender Meinung etwa eine Steuererstattung kein Steuervorteil, sondern fällt unter die Variante der Steuerverkürzung, wenn die Entscheidung über den Erstattungsanspruch zusammen mit der Steuerfestsetzung getroffen wird. 1 6 2 In solch einem Fall findet sodann ein tatsächlicher Zufluss statt, obwohl es sich um eine Steuerverkürzung handelt. Die Variante der Steuerverkürzung hätte somit auch bei dem Erfordernis eines tatsächlichen Zuflusses einen Anwendungsbereich. Auch für die Vorsteuererstattung bei der Umsatzsteuer ist umstritten, ob es sich um die Bewirkung einer Steuerverkürzung 163 oder die Erlangung eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils handelt. 164 Eine Befassung mit 158 BVerfGE 85, 69, 73; BVerfGE 87, 209, 223 f.; BVerfGE 105, 135, 157; BVerfG wistra 2002, 175, 178; BVerfG NJW 2004, 1305, 1306; Harms, FS für Günter Kohlmann, 413, 420. 159 OLG Stuttgart, NStZ 2003, 40, 41; Tröndle/ Fischer, 52. Aufl., Vor § 52 StGB Rn. 37 m. w. N. 160 Bittmann, wistra 2003, 161, 163. 161 OLG Stuttgart, wistra 1987, 263; Kohlmann, § 370 Rn. 178, Stand September 1997; a. A. Hellmann in HHSp,§ 370 AO Rn. 122, Stand August 2002. 162 Hellmann in HHSp, § 370 AO Rn. 119 f., Stand August 2002; Joecks in FGJ, § 370 Rn. 99; Rolletschke in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370 Rn. 112, Stand Dezember 2002; ders., Steuerhinterziehung, Rn. 80. 163 So Rolletschke, Steuerhinterziehung, Rn. 155 m. w. N. 164 So BGHSt 36, 100 ff.; BGHSt 40, 109 ff.; Gast-de Haan in Klein, § 370 Rn. 56; Kohlmann, § 370 AO Rn. 178, Stand September 1997. 5*

2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

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diesem Meinungsstreit würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Richtig ist aber jedenfalls, dass das Erfordernis eines tatsächlichen Zuflusses in Konflikt zum Gesetzeswortlaut steht. Denn § 370a AO setzt entweder die Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile oder eine Steuerverkürzung voraus, so dass nach dem Gesetz auch eine bloße Ersparnis genügt. 165

e) Steuerhinterziehung

„als Gewerbe"

aa) Darstellung Nach einer weit verbreiteten, von Joecks ausgehenden Ansicht werden von § 370a AO nur die Fälle erfasst, in denen Steuern nicht nur im Gewerbe, sondern „als Gewerbe" hinterzogen werden, 166 was auch in der Variante der Steuerverkürzung der Fall sein könne. 167 Diese Auslegung habe den Vorteil, dass der Anwendungsbereich der gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung nur in schwerwiegenden Fällen eröffnet sei, beispielsweise wenn eine größere Personengruppe planvoll Umsatzsteuerkarusselle betreibt oder jemand vom Handel mit Scheinrechnungen lebt. Dadurch werde dem gesetzgeberischen Willen entsprochen, die Organisierte Kriminalität zu bekämpfen. 168 Zwar komme diese Zielsetzung des Gesetzgebers im Gesetz nicht zum Ausdruck, die einschränkende Interpretation sei jedoch schon aus verfassungsrechtlichen Erwägungen geboten.169 Allein durch sie könne sichergestellt werden, dass der gegenüber § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 AO zu fordernde erhöhte Unrechtsgehalt auch wirklich gegeben sei und das rechtsstaatliche Schuldprinzip nicht verletzt werde. Bei § 370a AO müsse es sich um Fälle handeln, bei denen der Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO nicht ausreicht, um das Unrecht der Tat zu veranschaulichen. Der Unrechtsgehalt der gewerbsmäßigen Begehung gem. § 370a AO müsse weit über dem der Tatbegehung aus grobem Eigennutz nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO liegen, 170 welcher erfüllt sei, wenn sich der Täter in besonders anstößigem Maße von dem Streben nach eigenem Vorteil leiten lasse.171

165 Ebenso Hetzer, ZfZ 2003, 221, 224; Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1157. 166 Joecks, wistra 2002, 201, 204; zustimmend Gast-de Haan in Klein, § 370a AO Rn. 12; Seer, BB 2002, 1677, 1678; Stahl, KÖSDI 2002, 13390, 13391 f.; ders., Selbstanzeige, Rn. 363; Wannemacher/Meyer in Beermann, § 370a AO Rn. 30 f., Stand Dezember 2002. 167 Gast-de Haan in Klein, § 370a AO Rn. 12. 168 Joecks, wistra 2002, 201, 204; zustimmend Gast-de Haan in Klein, § 370a AO Rn. 12; Seer, BB 2002, 1677, 1678; Wannemacher/Meyer in Beermann, § 370a AO Rn. 30 f., Stand Dezember 2002. 169 Gast-de Haan in Klein, § 370a AO Rn. 12. 170 Stahl, KÖSDI 2002, 13390, 13391 f.; ders., Selbstanzeige, Rn. 363. 17

1 Dabei sind insbesondere seine kriminelle Energie, Art und Häufigkeit der Begehung und der Grad der zu Tage getretenen Gewinnsucht bedeutsam, RGSt 75, 237, 240; BGH wistra 1984, 227; BGH wistra 1985, 228; BGH NStZ 1985, 459; Kohlmann, § 370 Rn. 330, Stand Nov. 2004 m. w. N.

B. Tatbestand

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bb) Kritik Der Ansicht wird entgegengehalten, dass es nach der allgemeinen Definition der Gewerbsmäßigkeit gerade nicht erforderlich sei, dass der Täter die Ausweitung auf ein „kriminelles Gewerbe" plant. 172 Die Auffassung führe somit zu einer unterschiedlichen Definition desselben Begriffes in demselben Regelungszusammenhang, was aus Gründen der Rechtssicherheit nur in absoluten Ausnahmefällen akzeptiert werden könne. Ein solcher sei hier aber nicht gegeben.173 Bittmann entgegnet dieser, wie auch allen anderen einschränkenden Meinungen, zudem, dass die Entscheidung des Gesetzgebers, allein auf die Beschränkung „in großem Ausmaß" abzustellen, verbindlich sei und anderen Begrenzungsmöglichkeiten die Grundlage entzogen habe. 174 cc) Stellungnahme Joecks' Lösung ist zuzugeben, dass sie der überzeugendste aller Restriktionsversuche ist. Insbesondere tendiert sie in die gleiche Richtung wie die Meinung, die einen tatsächlichen Zufluss voraussetzt, 175 hat jedoch gegenüber dieser Ansicht den Vorteil, dass die Frage, ob Steuern „als Gewerbe" hinterzogen werden, im Wege einer Gesamtbetrachtung festzustellen wäre. Eine hohe Steuervorauszahlung, eine hohe einbehaltene Summe oder andere vergleichbare Faktoren sind somit nicht ausschlaggebend für die Einschätzung. Auch der gegen das Erfordernis eines Zuflusses eingewandte Widerspruch zum Gesetzes Wortlaut tritt bei Joecks' Lösung jedenfalls nicht in dem Maße zutage. Jedoch ist mit ihr - wie von den Kritikern richtig bemängelt - das große Problem verbunden, dass sie in klarem Widerspruch zu der bislang gängigen Definition der Gewerbsmäßigkeit steht und die unterschiedliche Auslegung gleich lautender Begriffe möglichst zu vermeiden ist.

f) Gesamtschau der „ Gewerbsmäßigkeit" und der Steuerhinterziehung in „großem Ausmaß " aa) Darstellung Mangels überzeugender restriktiver Lösung will Hunsmann im Rahmen des § 370a AO die herkömmliche Interpretation der Gewerbsmäßigkeit zugrunde legen. Gleichzeitig soll jedoch eine Gesamtschau der Merkmale „Gewerbsmäßigkeit" und „in großem Ausmaß" erfolgen, da sich der Verbrechenscharakter der Vorschrift nunmehr erst aus der Kombination beider Voraussetzungen ergebe und nur 172 Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1157. 173 Bittmann, wistra 2003, 161, 163. 174 Bittmann, wistra 2003, 161, 162. 175 Müllers Ansicht vermischt sogar Elemente beider Lösungen, DStR 2002, 1641, 1645.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

eine derartige Gesamtschau dem Verfassungsgrundsatz der Schuldangemessenheit Rechnung tragen könne. Erfasst werden dürften nur Fälle besonderer Quantität und besonderer Qualität. Gewerbsmäßig im Sinne des § 370a AO seien allein Steuerhinterziehungen, die einen „Qualitätssprung" gegenüber den Fällen des § 370 Abs. 1 und Abs. 3 AO aufwiesen. 176 bb) Stellungnahme Soweit ersichtlich ist auf diesen Ansatz Hunsmanns kein Autor eingegangen. Zwar sprechen sich auch andere Stimmen für eine Gesamtschau der Merkmals „gewerbsmäßig" und „in großem Ausmaß" aus, jedoch nicht bei der Auslegung der Gewerbsmäßigkeit, sondern im Rahmen der Interpretation des großen Ausmaßes.177 Hunsmann will durch die Gesamtbetrachtung erreichen, dass in jedem Einzelfall sowohl ein erheblicher quantitativer als auch qualitativer Unterschied gegenüber allen Fällen des § 370 AO besteht. Jedoch kann - wie bereits dargelegt - das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit im Sinne seiner allgemeinen Definition, an der ja auch Hunsmann festhalten will, bedingt durch die Besonderheiten des Steuerrechts, zur Gewährleistung dieses Abstands gerade nicht viel beitragen. Eben aus diesem Grund wurde die zusätzliche Anforderung „in großem Ausmaß" eingefügt, die eine Einschränkung insbesondere der Tatvariante der gewerbsmäßigen Begehung herbeiführen sollte. Es handelt sich dabei jedoch um eine zusätzliche Voraussetzung, die sowohl für die erste Variante des § 370a AO als auch für die der bandenmäßigen Begehung gilt. Daher ist es nicht überzeugend, wenn Hunsmann die Gesamtschau nur im Rahmen der Auslegung der Gewerbsmäßigkeit vornehmen will, nicht hingegen bei der Beurteilung der Bandenmäßigkeit.178 Die Gewerbsmäßigkeit im Sinne der herkömmlichen Auslegung ist - jedenfalls im Bereich des Steuerstrafrechts - schon bei einer relativ geringen Strafbarkeitsschwelle erreicht. Diese wird auch nicht durch das Erfordernis des großen Ausmaßes angehoben. Möglicherweise kann das große Ausmaß eine Einschränkung auch der gewerbsmäßig begangenen Steuerhinterziehung leisten, jedoch nicht durch Erhöhung der Anforderungen im Rahmen der Auslegung des Begriffs der Gewerbsmäßigkeit, sondern durch getrennt von der Gewerbsmäßigkeit zu beurteilende und kumulativ dazu 179 geltende Anforderungen. Ob dies der Fall ist, wird jedoch im Rahmen der Untersuchung des großen Ausmaßes zu prüfen sein. Eine Gesamtschau zur Feststellung des Vorliegens der Gewerbsmäßigkeit ist abzulehnen.

176 177 178 179

Hunsmann, DStR2004, 1154, 1158. So Bittmann, wistra 2003, 161, 164; Fahl, ZStW 2002, 794, 813. Vgl. Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1158 f. Dies konstatiert an früherer Stelle auch Hunsmann, vgl. DStR 2002, 1154, 1155.

B. Tatbestand

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g) Gewerbsmäßigkeit im Sinn der allgemein strafrechtlichen Definition Ein Großteil der Autoren spricht sich mangels überzeugenden Restriktionsansatzes dafür aus, die Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 370a AO in gleicher Weise wie in allen sonstigen strafrechtlichen Vorschriften auszulegen.180 Dafür streite ferner der Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung. 181 Denn es sei mehr als zweifelhaft und daher abzulehnen, besondere Definitionen für Begriffe einzuführen, die auch in anderen Straftatbeständen verwendet werden. 182 Aufgrund der Verwendung des Begriffs in anderen Vorschriften hätte eine restriktive Auslegung außerdem „Rück- und unerwünschte Nebenwirkungen". 183 Senge hingegen erachtet die Variante der gewerbsmäßig begangenen Steuerhinterziehung nicht für problematisch, da nicht jeder Täter einer Steuerhinterziehung eine Wiederholung der Tat beabsichtige. Jegliche restriktive Auslegung der Gewerbsmäßigkeit entbehre daher einer sachlichen Berechtigung. 184

h) Abschließende Stellungnahme und eigene Ansicht Wie bereits einleitend ausgeführt, ist die Variante der gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung - entgegen Senge - durchaus problematisch. Dennoch kann eine Lösung nur unter Beachtung der allgemeinen Auslegungsregeln erfolgen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat sich die Auslegung einer Gesetzesnorm maßgeblich an dem in der Vorschrift zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers zu orientieren, wie er sich aus dem Gesetzeswortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Regelung hineingestellt wurde. 185 Die maßgeblichen Kriterien sind daher Wortsinn und Bedeutungszusammenhang des Gesetzes, Regelungsabsicht, Zwecke und Normvorstellungen des historischen Gesetzegebers sowie objektiv-teleologische Gesichtspunkte. 1 8 6 Zu den üblichen Methoden der Gesetzesauslegung gehört auch die Berücksichtigung anderer Vorschriften desselben Gesetzes, des Normzusammenhangs und einer gefestigten Rechtsprechung. 187 •so Dorn, BuW 2002, 1024, 1029; Fahl, ZStW 2002, 794, 810; Harms, FS Kohlmann, 413, 421; Henseler, AW-Praxis 2003, 97, 98; Hild/Hild, S. 59; Höche, Bank 2002, 196, 199; Kuhn, NJW-Spezial 2004, 279; Maier/Weigl, WPg 2002, 461, 463; Rolletschke, Steuerhinterziehung, Rn. 213; Schmitz, StB 2004, 212, 213 f.; Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 16b; Weyand, INF 2003, 115, 177. •81 Schmitz, StB 2004, 212, 213. 182 Weyand, INF 2003, 115, 177. 183 Fahl, ZStW 2002, 794, 810. 184 Senge in Erbs / Kohlhaas, A 24, § 370a AO Rn. 3, Stand Juni 2004. 185 BVerfGE 1, 299, 312; BVerfG wistra 2002, 175, 178. •86 Larenz, 320 ff.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

Angewandt auf den Begriff der Gewerbsmäßigkeit in § 370a AO führt dies zu folgendem Ergebnis: Zwar handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Wortsinn erst durch Interpretation zu ermitteln ist. Anstelle der von der Rechtsprechung gewählten Definition gibt es gewiss auch andere, die mit dem Wortsinn in Einklang stehen. Allerdings bietet der bloße Wortlaut keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Wortbedeutung von der des Begriffs „Gewerbsmäßigkeit" in anderen Strafnormen abweichen sollte. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein durch ständige höchstrichterliche Rechtsprechung festgeschriebener Begriff auch in anderen Vorschriften in diesem Sinne verwendet wird. 1 8 8 Der Bedeutungszusammenhang des § 370a AO führt zu demselben Ergebnis. Dazu führt nicht nur der in § 369 Abs. 2 AO zum Ausdruck kommende Gedanke der Übertragbarkeit der Auslegung des Strafgesetzbuchs auf entsprechende Begriffe des Steuerstrafrechts, 189 sondern desgleichen der enge systematische Zusammenhang mit der - wie § 370a AO - eine Qualifizierung zu § 370 AO darstellenden, unselbstständigen Norm des § 373 A O , 1 9 0 in der die Gewerbsmäßigkeit nach dem allgemein strafrechtlichen Verständnis verstanden wird. 1 9 1 So ging auch der Bundesgerichtshof von einer einheitlichen Wortbedeutung der Gewerbsmäßigkeit in § 373 und § 370a AO aus. 192 Schon bei § 370a AO a.F. konnte folglich davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber den durch ständige Rechtsprechung und Literatur klar definierten Begriff im Rahmen des § 370a AO nicht anders verstanden haben wollte. Jedenfalls seit der Neufassung des § 370a AO ist eine Auslegung, die von der allgemeinen Bestimmung abweicht, nicht mehr möglich. Denn der Gesetzgeber hat in voller Kenntnis der hergebrachten Interpretation und der daraus folgenden problematischen Reichweite des Tatbestandes das Merkmal unverändert beibehalten, woraus zu schließen ist, dass eine anders lautende Interpretation seinem Willen nicht entspricht. 193 Harms schreibt, dass durch die Neufassung die eindeutige bisherige Rechtsprechung in § 370a AO „inkorporiert" worden sei. 194 Die historische 187 BVerfGE 45, 363, 372; BVerfGE 48, 48, 56 f.; BVerfGE 57, 29, 35, 37; BVerfGE 57, 250, 262; Gribbohm in LK, § 1 StGB Rn. 84. 188 BGH NJW 2004, 2990, 2991. 189 BGHSt 17, 399, 403; BGH NJW 2004, 2990, 2991; Hübner in HHSp, § 369 Rn. 31, Stand Juni 1983. 190 H.M. BGHSt 32, 95, 96; BGH wistra 1987, 30, 31; Kohlmann § 373 AO Rn. 5, Stand Sept. 2001; a.A. Seelig, ZfZ 1981, 7, 9. 191 Kohlmann, § 373 AO Rn. 14, Stand Sept. 2001; Voß in FGJ, § 373 AO Rn. 11. 192

Vgl. BGH NJW 2003, 3068, 3069, wo er von einem identischen Anwendungsbereich der Vorschriften hinsichtlich der gewerbs- und bandenmäßigen Begehung ausgeht. Kritisch Klein, StV 2005,459,462, da den §§ 373, 374 AO gerade die serielle Begehungsweise fehlten. 193 Vgl. insbesondere die Diskussion über die Reichweite der herkömmlichen Definition der Gewerbsmäßigkeit in BT-Drucks. 14/8887, 23 f. In Anbetracht dieser Diskussion ist der Einwand von Klein, StV 2005, 459, 462, dass ein gesetzgeberischer Wille nicht erkennbar sei, unzutreffend. 194 Harms, FS Kohlmann, 413, 422; ebenso Götzens in Wannemacher, Rn. 1825.

B. Tatbestand

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Auslegung führt daher zu dem Ergebnis, dass keine abweichende Begriffsbestimmung erfolgen sollte. Die bisher erörterten Kriterien ergeben somit ein eindeutiges Ergebnis. Auf objektiv-teleologische Gesichtspunkte ist folglich nicht mehr abzustellen.195 Zudem kann aus Gründen der Rechtssicherheit eine unterschiedliche Interpretation desselben Begriffs in demselben Regelungszusammenhang, noch dazu, wenn er seit Jahrzehnten tatbestandsübergreifend einheitlich ausgelegt wurde, nur in absoluten Ausnahmefällen akzeptiert werden. 196 Möglicherweise besteht ein derartiger Ausnahmefall vorliegend darin, dass eine verfassungskonforme Auslegung erforderlich ist. Denkbar erscheint nämlich eine Verletzung des Übermaßverbots aufgrund einer zu weitgehenden Kriminalisierung durch § 370a Satz 1 Nr. 1 AO. Die Grenze der Auslegung ist jedoch wegen der Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht gem. Art. 20 Abs. 3 GG erreicht, wenn ihr der Gesetzeswortlaut eindeutig entgegensteht oder ein entgegengesetzter gesetzgeberischer Wille klar und objektiviert erkennbar ist. 1 9 7 Fraglich ist, ob dies hier der Fall ist. Gaede verneint es unter Hinweis auf die mangelnde Qualität der Gesetzgebung, aufgrund derer davon auszugehen sei, dass der Gesetzgeber die Probleme und Konsequenzen nicht wirklich erkannt habe. 198 Dem kann aber nicht zugestimmt werden. Die Entstehungsgeschichte hat gezeigt, dass ein von der generellen Auslegung abweichendes Verständnis für den Begriff der Gewerbsmäßigkeit im Rahmen des § 370a AO vom Gesetzgeber ersichtlich nicht gewollt war. Im Rahmen der Novellierung wurde der Begriff trotz vehementer öffentlicher Kritik unverändert beibehalten.199 Beispielsweise hat der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) noch während des Änderungsverfahrens dem Vermittlungsausschuss eine Eingabe übersandt, in der er nochmals deutlich auf die weit gefasste Definition für gewerbsmäßiges Handeln und die damit verbundenen negativen Folgen aufmerksam machte. 200 Während des Änderungsverfahrens machten auch die Fraktionen von CDU/CSU und FDP auf die Problematik aufmerksam, woraufhin die Bundesregierung und die sich ihr anschließende Fraktion der SPD die Bedenken zurückwiesen und erwiderten, dass eine Einschränkung nicht erforderlich sei. 201 Aus dem Anrufungsbegehren des Bundesrates und dem daraufhin verabschiedeten Änderungsvorschlag des Vermittlungsausschusses ergibt sich, dass der Gesetzgeber die Einfügung der neuen Voraussetzung „in großem Ausmaß" für die Restriktion des 195 Larenz, 333. 196 Bittmann, wistra 2003, 161, 163. 197 BVerfGE 8, 28, 34 f.; BVerfGE 18, 97, 111; BVerfGE 71, 81, 105; BVerfGE 90, 263, 275; Eser in Sch/Sch, Vorbem. § 1 StGB, Rn. 30; Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 1 StGB, Rn. 11. 198 Gaede, HRRS 2004, 318, 319 Fn. 11. 199 So auch BGH NJW 2004, 2990, 2991; Harms, FS Kohlmann, 413, 421; Reiß, Stbg 2004, 113, 117. 200 Eingabe S 14 v. 11. 06. 2002, DStV-Forum, Stbg 2002, 338. 201 BT-Drucks. 14/8887, 23 f.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

Tatbestandes als ausreichend erachtete. 202 Der gesetzgeberische Wille steht folglich einer anderweitigen Auslegung eindeutig entgegen. Eine Verletzung des Übermaßverbots kann nur durch entsprechend hohe Anforderungen an die Voraussetzung „in großem Ausmaß" abgewendet werden. Die Gewerbsmäßigkeit kann nicht aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden. Problematisch an einer einengenden Auslegung wäre auch, dass sie zur Unbestimmtheit des Tatbestandes führen würde. 203 Denn die Verwendung des unbestimmten, wertausfüllungsbedürftigen Begriffs „gewerbsmäßig" ist wegen der gefestigten Rechtsprechung hinsichtlich seiner üblichen Definition unbedenklich.204 Dies würde sich aber bei einer abweichenden, inhaltlich noch unklaren und streitigen Interpretation ändern. Denn nach dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG ist erforderlich, dass der Gesetzgeber bei Einführung eines neuen, noch nicht durch die Rechtsprechung geklärten Begriffs klare Vorgaben im Gesetz macht. 205 Gewerbsmäßig im Sinne des § 370a AO handelt demnach, wer Steuern in der Absicht hinterzieht, sich durch die wiederholte Begehung von Steuerhinterziehungen eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Dies ist sowohl bei dem Gastwirt aus Fall 7, 2 0 6 bei dem Steuern auf Kapitaleinkünfte hinterziehenden D aus Fall 2, bei dem das System der „Zwischenfinanzierung" nutzenden E aus Fall 3 als auch bei den Autohändlern F und G aus Fall 4 zu bejahen. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, dass all diese Personen sich wegen § 370a AO strafbar gemacht haben. Eine abschließende Entscheidung ist erst nach Untersuchung aller Tatbestandsmerkmale möglich. Gleiches gilt für den einleitend erwähnten A, der zu Unrecht ein Arbeitszimmer sowie einen zu langen Arbeitsweg geltend macht. Die entscheidende Frage wird somit in all diesen Fällen sein, ob es sich um Hinterziehungen großen Ausmaßes handelt. Auch in dem von Bender angeführten Beispiel eines Hannoveraners, der seinem vor Jahren gefassten Plan gemäß regelmäßig zu Messezeiten alle Zimmer seiner Wohnung an Messegäste vermietet, während er und seine Familie im Keller wohnen, und die dadurch erzielten Mieteinnahmen verschweigt, ist die Gewerbsmäßigkeit zu bejahen. Die Hannoveraner deshalb als „ein Volk von Verbrechern" einzustufen, wie Bender es überspitzt formuliert, 207 geht hingegen doch etwas weit, da in solch einem Fall der Hinterziehung einiger Hundert Euro das große Ausmaß - wie später noch näher erläutert wird - eindeutig zu verneinen ist. Entsprechend 202 BR-Drucks. 351/1/02, S. 3. 203 Reiß, Stbg 2004, 113, 117; vgl. auch Pestke /Motte, Stbg 2002,493,498. 204 BVerfG, JZ 1969, 800; Schulze-Fielitz in Dreier, Art. 103 Abs. 2 Rn. 35; Tröndle/ Fischer, 52. Aufl., § 1 StGB Rn. 5b; krit. Schmitz in MüKo, § 1 StGB Rn. 46; Schweden JZ 1969, 775, 778. 205 Vgl. BGH wistra 2002, 175, 180. 206 Fälle 1 - 4 sind zu finden unter 2. Teil, B. I. 2.

207 Bender, ZfZ 2002, 146, 147.

B. Tatbestand

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ist in dem von Burger herangezogenen Beispiel 208 des jährlich unverzollte Zigaretten einführenden Urlaubers, der dadurch Einfuhrabgaben 209 in Höhe von etwa 100 Euro hinterzieht, die Gewerbsmäßigkeit zu bejahen. Auch in diesem Fall handelt es sich aber sicher nicht um eine Hinterziehung großen Ausmaßes.

4. Zusammenfassung Das Problem, dass das strafrechtlich geprägte Merkmal der Gewerbsmäßigkeit die steuerrechtlichen Besonderheiten nicht ausreichend berücksichtigt, kann nicht im Wege einer restriktiven Auslegung dieser Voraussetzung behoben werden. Abgesehen davon, dass jegliche Einschränkung zu einer grundsätzlich unerwünschten divergierenden Auslegung des Begriffs innerhalb desselben Regelungszusammenhangs führen würde, sprechen gegen die einzelnen Ansätze jeweils gewichtige Argumente und seit der Neufassung der Vorschrift auch der klar erkennbare Wille des Gesetzgebers, an dem sich jede Auslegung zu orientieren hat. Gewerbsmäßig im Sinne des § 370a AO handelt, wer Steuern in der Absicht hinterzieht, sich durch die wiederholte Begehung von Steuerhinterziehungen eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Dass damit die Eigenheiten des Steuerstrafrechts unverändert mit diesem Tatbestandsmerkmal kollidieren, ist zwar zu bedauern, entspricht aber der gesetzgeberischen Intention und kann somit nur durch den Gesetzgeber behoben werden. Empfehlenswert wäre die schlichte Streichung der Variante der gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung, da sie - wie aufgezeigt - regelmäßig gerade keinen erhöhten Unwertgehalt kennzeichnet, der die Bestrafung nach einem Verbrechen rechtfertigen könnte. Solange die Vorschrift jedoch unverändert ist, muss ein möglicher Verstoß gegen das Übermaßverbot mit Hilfe des eigens dazu eingefügten Merkmals „in großem Ausmaß" vermieden werden. Ob und wie dies möglich ist, wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch zu untersuchen sein.

II. Die bandenmäßige Begehung 1. Der hergebrachte Bandenbegriff Seit der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen vom 22. 03. 2001 2 1 0 wird die Bande definiert als ein Zusammenschluss von mindestens drei Perso208 Vgl. Burger, wistra 2002, 1, 3. 209 Dies sind gem. § 1 Abs. 1 Satz 3 Zollverwaltungsgesetz (ZollVG) i.V.m. Art. 4 Nr. 10 Zollkodex (ZK): Zölle, Abgaben mit gleicher Wirkung, bei der Einfuhr erhobene Abgaben, Einfuhrumsatzsteuer und andere für eingeführte Waren zu erhebende Verbrauchsteuern; vgl. dazu Zimmermann in Rüsken, § 1 ZollVG Rn. 38 ff., Stand Mai 2004. 210 BGHSt 46, 321 ff.; dazu Altenhain, Jura 2001, 836 ff.; Erb, NStZ 2001, 561 ff.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

nen, 211 die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen.212 Entscheidend sind somit zwei Komponenten die Vereinigung mindestens dreier Personen und die Bandenabrede. Die Bandenabrede muss nicht ausdrücklich erfolgt sein, es genügt die konkludente Übereinkunft, gemeinsam vorzugehen. 213 Sie kann auch erst während der Tatbegehung zustande kommen. 214 Nach herrschender Meinung muss es sich um eine offene Abrede handeln, die sich nicht nur auf eine bestimmte Anzahl von Straftaten beschränkt. 215 Die Begehung mehrerer gleichartiger Taten aus jeweils neuem Entschluss216 oder das Handeln im Rahmen eines eingespielten Deliktssystems genügen nicht. 217 Weitere Voraussetzungen gibt es nicht, insbesondere bedarf es keiner festen Organisation, wie sie für eine kriminellen Vereinigung im Sinne des § 129 StGB gefordert ist, 2 1 8 sowie keines gefestigten Banden willens oder Tätig werdens im übergeordneten Bandeninteresse.219 Dennoch ergibt sich aus dem bandenmäßigen Zusammenschluss eine erhöhte Organisationsgefahr und wohnt der bandenmäßi211 Durch die Anhebung der Mindestmitgliederzahl soll eine klare Abgrenzung zur Mittäterschaft und dadurch Rechtssicherheit gewährleistet werden. Außerdem werde der Tatsache Rechnung getragen, dass die Bindung der Mitglieder durch eine kriminogene Gruppendynamik die bandenmäßige Begehung so gefährlich macht, da die Mehrheit die Minderheit majorisieren könne, da die Willensbildung in einem gruppendynamischen Prozess erfolge. Auch hänge erst ab dieser Anzahl die Bandenabrede nicht vom Aus- oder Beitritt einzelner Mitglieder ab. Vgl. BGHSt, 46, 321, 326 ff.; Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 21 m. w. N., Stand August 2002; Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 24. 212 BGHSt 46, 321 ff., ergangen zu § 244 StGB; übernommen für andere Bandendelikte: BGH wistra 2001, 431; BGH wistra 2002, 21; BGH wistra 2002, 57; vgl. auch RGSt 56, 90 f.; Kindshofer in Wannemacher Rn. 2029; Kohlmann, § 370a AO Rn. 14, Stand Okt. 2002; Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 36, Stand Dez. 2002; Tröndle / Fischer, 52. Aufl., § 244 StGB, Rn. 18 m. w. N.; a. A. Wessels/Hillenkamp, Rn. 271a. Vgl. zu der früheren hM, die zwei Mitglieder ausreichen ließ, dafür aber einen auf Dauer angelegten und verbindlichen Gesamtwille forderte, aufgrund dessen die Bandenmitglieder im übergeordneten Bandeninteresse tätig werden mussten: st. Rspr. seit BGHSt 23, 239 ff.; BGHSt 42, 255, 259; BGH StV 1997, 592; Schmitz in MK, 2003, § 244 StGB Rn. 37 m. w. N.; Sya, NJW 2001, 343 ff.; Voß in FGJ, § 373 AO, Rn. 33; sowie die daran geübte Kritik Dreher NJW 1970, 1802 ff.; Tröndle, GA 1973, 321, 328; Tröndle/Fischer, 51. Aufl., § 244 StGB Rn. 17b; vgl. auch Schmitz in MK, § 244 StGB Rn. 38.

213 BGHSt 6, 260, 262; BGH 5 StR 416/66 bei Dallinger, MDR 1967, 368, 369; Kohlmann, § 373 AO Rn. 36, Stand Sept. 2001. 214 RGSt 54, 246; Kohlmann, § 373 AO Rn. 36, Stand September 2001; nach Voß in FGJ, § 373 AO Rn. 35 ist ein stillschweigendes Zusammenwirken bei einer Tat nicht ausreichend. 215 Schmitz in MK, § 244 StGB Rn. 35, 39, 42; Wessels!Hillenkamp, Rn. 271. 216 BGH StV 1996, 99; BGH NStZ 1996, 442; Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 244 StGB, Rn. 19. 217 Tröndle /Fischer, 52. Aufl., § 244 StGB, Rn. 19. 218 BGHSt 46, 321, 329. 219 BGHSt 46, 321, 329; BGH NJW 2002, 1662 f.; Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 25; ders., StGB, § 244 StGB Rn. 23; a. A. Wessels/Hillenkamp, Rn. 271.

B. Tatbestand

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gen Begehung eine gesteigerte Ausführungsgefahr inne. 220 Straferhöhungsgrund ist die mit dem Zusammenwirken verbundene Effizienzsteigerung und Gefahrerhöhung für das geschützte Rechtsgut sowie der durch den Zusammenschluss bewirkte, ständige Anreiz zur Fortsetzung der kriminellen Tätigkeit. 2 2 1 Da die Bande kein „Mehr", sondern ein „aliud" zur Mittäterschaft ist, kann auch ein bloßer Gehilfe und nach herrschender Meinung auch ein Anstifter Bandenmitglied sein. Eine gewisse hierarchische Struktur einer Bande ist sogar der Regelfall. 224

2. Der Bandenbegriff im Fall des § 370a AO Auch der auf der Grundlage der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs festgeschriebene Bandenbegriff ist über § 369 Abs. 2 AO grundsätzlich im Steuerstrafrecht maßgeblich.225 Anders als bei § 373 Abs. 2 Nr. 3 AO, wo die Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds gesetzlich festgelegte Voraussetzung ist, kann der Täter die Steuerhinterziehung auch allein - ohne Unterstützung durch ein anderes Bandenmitglied - sei es als Täter, sei es als Teilnehmer, vornehmen, solange er sie nur „als Mitglied" der Bande begeht, die Tat also inhaltlich mit der Bandenabrede zusammenhängt.226 Die Bandenmitglieder müssen sich zur fortgesetzten Begehung verbunden haben, womit allerdings nicht eine fortgesetzte Tat im technischen Sinn gemeint ist, sondern die Begehung mehrerer selbstständiger Taten. 227 Besteht eine entsprechende Übereinkunft, so ist bereits die erste Tat bandenmäßig begangen, wenn sie auf dieser Verbindung beruht. 228 Kohlmann will hingegen im Rahmen des § 370a AO auf die Rechtsprechung zu § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AO zurückgreifen, 220 BGHSt 46, 321,336. 221 BGHSt 46, 321, 326, 334; BGH NJW 2002, 1662; Ott, PStR 2002, 41, 43; Wessels/ Hillenkamp, Rn. 270; Vgl. auch Burger, wistra 2002, 1, 2; Quedenfeld/Füllsack, Rn. 214; Sommer/ Füllsack, Stbg 2002, 355, 360. 222 Vorausgesetzt, seine Tatbeiträge sind nicht gänzlich untergeordneter Natur und der Gehilfe ist organisatorisch eingebunden, BGHSt 47, 214, 216 ff. mit krit. Anm. Erb, JR 02, 338 ff.; BGHSt 46, 321, 338; BGH wistra 04, 105, 108; Kohlmann, § 370a AO Rn. 16, 30. Lfg., Okt. 2002; Tröndle/ Fischer, 52. Aufl., § 244 StGB Rn. 18; krit. Wessels/Hillenkamp, Rn. 271c. 223 Bejahend Kohlmann, § 373 Rn. 34 m. w. N., Stand Sept. 2001; a. A. Voß in FGJ, § 373 AO Rn. 40. 224 BGH NJW 2002, 1662, 1663. 225 BGH, NJW 2004, 2990, 2991. 226 Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 25, Stand August 2002; Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 27 f.; vgl. auch Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 263 StGB Rn. 120; a. A. scheinbar Höche, Bank 2002, 196, 200. 227 Tröndle / Fischer, § 244 StGB Rn. 20, 52. Aufl. 228 Eser in Sch/Sch, § 244 Rn. 25, 26. Aufl.; Schmitz in MK, § 244 StGB Rn. 44, 1. Aufl. 2003; Senge in Erbs/Kohlhaas, A 24, § 370a AO Rn. 5, Stand Juni 2004.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

die mindestens zwei Steuerverkürzungen voraussetzt. 229 Seine Ausführungen diesbezüglich sind nicht eindeutig. Setzt er voraus, dass sich die Beteiligten zusammengeschlossen haben, um mindestens zwei Steuerhinterziehungen zu begehen, kollidiert dies mit dem Erfordernis einer offenen Abrede. Setzt er hingegen voraus, dass - wie im Fall des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AO - tatsächlich mindestens zwei Steuerhinterziehungen begangen wurden, übersieht er, dass die fortgesetzte Begehung in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AO gesetzlich vorausgesetzt wird, während in § 370a Satz 1 AO lediglich gefordert ist, dass sich die potentiellen Bandenmitglieder zur fortgesetzten Begehung zusammengeschlossen haben müssen. Dass wirklich eine fortgesetzte Begehung erfolgt ist, ist nach dem klaren Gesetzes Wortlaut gerade nicht notwendig. Sie muss nur geplant sein. Auch hinsichtlich des Bandenbegriffs erscheint es allerdings fraglich, ob die allgemein strafrechtliche Definition unbesehen auf § 370a AO übertragen werden kann. Teilweise wird diese Tatvariante für relativ unproblematisch gehalten, da für die bandenmäßige Begehung durch das Erfordernis eines koordinierten und auf Dauer angelegten Zusammenwirkens mehrerer Personen zum Zwecke effizienter Hinterziehung von Steuern eine recht hohe Strafbarkeitsschwelle überschritten werden müsse. 230 Diese Sichtweise wird jedoch nicht allseits geteilt. Vielmehr wird es als problematisch erachtet, dass die Steuerhinterziehung in geradezu typischer Weise durch die Einbeziehung mehrerer Personen in ein komplexes Geschehen gekennzeichnet sei. 231 Vor allem im Unternehmensbereich stelle dies eine immanente Schwierigkeit dar. 232 Oft hänge es von Zufälligkeiten ab, ob die Vorraussetzungen der Bande erfüllt würden. 233 Es fehle bei der bandenmäßig - wie bei der gewerbsmäßig begangenen Steuerhinterziehung ein korrigierendes Merkmal zur Tatbestandsbegrenzung. 234 Eine weite Fassung der bandenmäßigen Steuerhinterziehung erscheine zudem in Anbetracht des § 30 StGB bedenklich, wonach infolge der Verbrechensqualität bestimmte Vorbereitungshandlungen, wie beispielsweise die versuchte Anstiftung, § 30 Abs. 1 Satz 1 StGB, mit Strafe bedroht sind. Zwar sei der Versuchsbeginn im Rahmen des § 370a AO genauso zu bestimmen wie bei der Steuerhinterziehung nach § 370 AO - der Täter müsse gem. § 22 StGB unmittelbar zur Verwirklichung der Steuerhinterziehung angesetzt haben. Durch den Zusammenschluss zur Bande erfolge keine Vorverlagerung der Versuchsstrafbarkeit, da dies lediglich eine Vorbereitungshandlung der Steuerhinterziehung darstelle. 235 229 Kohlmann, § 370a AO Rn. 14, Stand Okt. 2002. 230 Burger, wistra 2002, 1, 2.; Sommer/Füllsack, Stbg 2002, 355, 360. 231 BGH NJW 2004, 2990, 2991, Klein, StV 2005, 459, 462. 232 Tröndle / Fischer, 52. Aufl., § 261 Rn. 16b. 233 Klein, StV 2005, 459, 462 f. 234 Döpfer, PStR, 2002, 149, 150. 235 Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 32, Stand August 2002; Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 47.

B. Tatbestand

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Jedoch könne namentlich der Zusammenschluss zu einer Bande mit der Verabredung gewisser Einzelheiten der Planung als Verabredung einer bandenmäßigen Steuerhinterziehung unter § 30 Abs. 2 StGB fallen. 236 Sollte bereits jegliches Zusammenwirken an der Steuerhinterziehung für die bandenmäßige Begehung genügen, so wäre die Vorverlagerung der Strafbarkeit in das Stadium vor dem Versuch durchaus prekär. Während einige Autoren der Ansicht sind, dass die Entscheidung des Gesetzgebers, allein auf die Beschränkung „in großem Ausmaß" abzustellen, verbindlich sei und allen anderen Begrenzungsmöglichkeiten die Grundlage entzogen habe, 237 werden von einem Großteil der Autoren auch hinsichtlich des Bandenbegriffs des § 370a AO verschiedene Einschränkungen vertreten. Der besseren Veranschaulichung sollen wiederum einige Fälle dienen, die im weiteren Verlauf der Arbeit zu lösen sein werden, wobei die hier vertretene Lösung demonstriert und auf Überzeugungskraft überprüft wird. Fall 5: Der verheiratete H ist seit zehn Jahren Alleinbetreiber eines Lokals. Bereits zu Zeiten der Eröffnung der Gaststätte hat er beschlossen, einen Teil der Einnahmen nicht zu verbuchen und hat dadurch Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuern in Höhe von jährlich insgesamt etwa 50 000 Euro hinterzogen. Diese Vörgehensweise hatte H mit seinem Steuerberater abgesprochen, der ihn über all die Jahre mit Hinweisen und Ratschlägen aktiv unterstützt hat. H's Ehefrau ist über dessen Tun informiert. Dennoch hat sie immer anstandslos die im Rahmen der Zusammenveranlagung abzugebende gemeinsame Steuererklärung unterschrieben. Es soll wiederum unterstellt werden, dass das Vorgehen dem zeitlichen Anwendungsbereich des § 370a AO unterfällt.

Nach allen Ansichten kann § 370a AO in der Tatvariante der bandenmäßigen Begehung auch dann erfüllt sein, wenn der Täter nur die Verringerung seines Vermögens durch die Steuerschuld verhindern, nicht aber einen tatsächlichen Zufluss erzielen will, da Einnahmeerzielungsabsicht keine Voraussetzung des Bandenbegriffs ist 2 3 8 H, seine Frau und sein Steuerberater könnten somit sowohl durch die Umsatzsteuerhinterziehungen als auch mit der Einkommen- und Gewerbesteuerhinterziehung § 370a Satz 1 Nr. 2 AO verwirklicht haben. Voraussetzung ist, dass das Ehepaar und sein Steuerberater eine Bande bilden. Fall 6 (Abwandlung): Die Ehefrau des H, der das Lokal allein betreibt, war weitaus aktiver als im Ausgangsfall. Nach Absprache mit H war sie es, die vor Eröffnung des Restaurants gemeinsam mit H ihren Steuerberater in das Vorhaben einbezog. Auch im weiteren Verlauf hat sie das Vorgehen mit dem Steuerberater geplant und sodann die praktische Umsetzung durch H und den Steuerberater aktiv vorangetrieben.

236 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 47. 237 So etwa Bittmann, wistra2003, 161, 162. 238 Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 26, Stand August 2002.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

Fall 7: J, K, und L bilden den Vorstand einer im Jahr 2002 gegründeten Kapitalgesellschaft. Sie begehen planvoll Steuerhinterziehungen durch unrichtige Verbuchung von Geschäftsvorfällen, wodurch sie, neben hier nicht weiter zu untersuchenden Gewerbe- und Umsatzsteuerhinterziehungen, in den drei Jahren seit Bestehen der Gesellschaft jährlich Körperschaftsteuer in Höhe von 200 000 Euro hinterzogen haben. Fall 8 (so genannte Baumafia):

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Bei der so genannten Baumafia handelt es sich um weit verzweigte Banden, die mit Hilfe von Scheinfirmen und Schwarzarbeiterkolonnen Lohn- und Umsatzsteuer hinterziehen sowie Sozialversicherungsbetrug begehen.240 Ein vereinfachtes Beispiel: M betreibt ein Bauunternehmen mit wenigen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern. Er verabredet mit Subl und Sub2, dass diese jeweils zum Schein ein Subunternehmen gründen. M lässt die Arbeitsleistungen gegenüber seinen Auftraggebern größtenteils durch die bei ihm teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer erbringen, die weit über ihre offiziell angemeldeten Stunden hinaus tätig sind sowie durch Arbeitnehmer, die gar nicht zur Lohnsteuer und Sozialversicherung angemeldet sind. Die Arbeiter zahlt er bar aus und verschleiert die Barzahlungen in der Buchhaltung durch Abdeckrechnungen, die von Subl und Sub2 zu diesem Zweck über angeblich von ihnen an M erbrachte Leistungen gestellt wurden. Sub2 stellt zusätzlich derartige Scheinrechnungen an das Unternehmen des Subl. Nur durch die Beschäftigung der Arbeiter ohne Abführung von Steuern und Sozialabgaben kann M die Bauarbeiten kostengünstig erbringen, was ihm einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil verschafft und die Einkommen aller Beteiligten maßgeblich erhöht. Außerdem machen M und Subl aus den Scheinrechnungen Vörsteuer geltend. Der Vörsteuerabzug setzt gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass in einer Rechnung i m Sinne des § 14 UStG ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen geschuldet ist, die ein anderer Unternehmer i m Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG für das Unternehmen erbracht hat. Durch Geltendmachung der Vorsteuer aus Scheinrechnungen, denen kein tatsächlicher Leistungsaustausch zugrunde lag, folglich die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG nicht erfüllt waren, haben M und Subl § 370 Abs. 1 Nr. 1 A O verwirklicht. I m Jahr 2004 hat M durch die falschen Umsatzsteuervoranmeldungen insgesamt 700 000 Euro, Subl nahezu 300 000 Euro hinterzogen, wobei sie in den Umsatzsteuerjahreserklärungen die unrichtigen Angaben wiederholten. A n den Steuerhinterziehungen des M durch Geltendmachung der Vorsteuer aus den Scheinrechnungen waren Subl und Sub2 durch die Rechnungsstellung als Gehilfen beteiligt. 2 4 1 Außerdem haben 239 Angelehnt an Füllsack/ Sommer, Stbg 2003, 461, 466 ff; siehe dazu auch Kohlmann, § 370a AO Rn. 20, Stand Oktober 2002. 240 Vgl. dazu BT-Drucks. 15/1495, 10 ff.; Kohlmann, § 370a AO Rn. 20, Stand Okt 2002. Zu beachten ist auch das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, BGBl. I 2004, 1842 ff.; vgl. dazu Spatscheck/ Wulf/Fraedrich, DStR 2005, 129 ff.; Weyand, INF 2004, 838 ff. 241 Vgl. Traub in Wannemacher, Rn. 1342. Mitunter kann auch eine Mittäterschaft anzunehmen sein, dies ist einzelfallabhängig. Zur Abgrenzung Mittäterschaft und Beihilfe vgl. z. B. Tröndle/ Fischer, 52. Aufl., § 25 StGB Rn. 5a, § 27 StGB Rn. 2. Hentschel, StBp 2000, 260, 263 hält diese Teilnahme im Fall der zusätzlich begangenen täterschaftlichen Steuerhinterziehung aufgrund von § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG für eine mitbestrafte Nachtat.

B. Tatbestand

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sie durch die Nichtdeklaration der Umsatzsteuer eigene Steuerhinterziehungen gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 A O begangen. 2 4 2 Denn als Aussteller von Scheinrechnungen waren sie Schuldner der in diesen Rechnungen ausgewiesenen Steuerbeträge gem. § 14c Abs. 2 Satz 2 Var. 1 UStG und nach § 18 Abs. 4b, 4a UStG zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen und -jahreserklärung verpflichtet. 2 4 3 A n diesen Steuerhinterziehungen von Subl und Sub2 hat M hingegen nicht teilgenommen, da es sich für ihn um bloße Vorbereitungshandlungen zu den von ihm selbst begangenen Steuerhinterziehungen handelte. 2 4 4 Entsprechendes gilt für die Rechnungsstellung des Sub2 an Subl. Überdies hat M , indem er entgegen § 41a EStG zu niedrige Lohnsteueranmeldungen einreichte, i m Jahr 2004 monatlich 100 000 Euro Lohnsteuer hinterzogen. 2 4 5 Durch Erstellen der Abdeckrechnungen leisteten Subl und Sub2 auch dazu Beihilfe. Fraglich ist somit, ob M , Subl und Sub2 eine Bande bilden und die von ihnen begangenen Steuerhinterziehungen unter § 370a A O zu subsumieren sind. Fall 9 (Umsatzsteuerkarussell):

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Der in Deutschland ansässige Unternehmer U1 liefert umsatzsteuerfrei gem. § 4 Nr. lb, § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG an den im EU-Ausland ansässigen Unternehmer U2, mit dem er das gesamte Vorgehen im Vorhinein abgesprochen hat. Der Erwerb der Ware durch U2 belastet diesen im Ergebnis nicht mit Umsatzsteuer, da dem Besteuerungstatbestand (dem ausländischen Äquivalent zu § 1 Abs. 1 Nr. 5, § la UStG) ein Vorsteuererstattungsanspruch in entsprechender Höhe (gemäß der ausländischen Entsprechung zu § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG) gegenübersteht. Nun liefert U2 wiederum im Rahmen einer umsatzsteuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung an den in Deutschland ansässigen steuerlich geführten 247 242 Vgl. BGH wistra 1998,225 f.; Traub in Wannemacher, Rn. 1343; vgl. zur Begehung einer Steuerhinterziehung durch den Aussteller von Scheinrechnungen BGH NStZ-RR 1998,185 f. 243 in der Ausstellung einer Scheinrechnung liegt in der Regel auch eine Urkundenfälschung gem. § 267 StGB, vgl. Hentschel, UR 1999, 476, 480. Wurde die Steuerhinterziehung tateinheitlich mit der Urkundenfälschung begangen, greift das Verwertungsverbot des § 393 Abs. 2 Satz 1 AO nicht ein, da die Vorlage unechter Urkunden gerade nicht in Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten erfolgt. Denn diese erfordern gem. § 90 Abs. 1 Satz 2, § 150 Abs. 2 Satz 1 AO Vollständigkeit und Wahrheit der Angaben. Auch der Nemo-tenetur-Grundsatz führt zu keinem anderen Ergebnis, BGH wistra 2003, 429, 430; siehe dazu auch BGH NJW 2002, 1134; Harms/Jäger, NStZ 2004, 191, 194. 244 Vgl. BGH NJW 2003, 2924, 2925; Traub in Wannemacher, Rn. 1342 f. In Betracht kommt des Weiteren eine Steuerhinterziehung des Rechnungsverwenders nach § 379 AO i.V.m. § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG. Dies muss vorliegend jedoch nicht näher untersucht werden, da es sich jedenfalls um eine mitbestrafte Nachtat handeln würde, vgl. Hentschel, StBp 2000, 260, 264. 245 Daneben beging er einen hier nicht weiter relevanten Sozialversicherungsbetrug gem. § 266a StGB. 246 Siehe dazu BT-Drucks. 14/7470, 1; Füllsack/Sommer, StBG 2003, 461, 462 ff; Harms, FS Kohlmann, 413, 417; Kohlmann, § 370a AO Rn. 19, Stand Okt. 2002; Merk, UR 2001, 97 f.; Rolletschke in Dietz/Cratz/Rolletschke, § 370 AO Rn. 235, Stand Dezember 2002; Traub in Wannemacher, Rn. 1328 ff. 247 N u r einem steuerlich geführten Unternehmen wird eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt, § 27a UStG, die Voraussetzung dafür ist, dass ein EU-Ausländer umsatz6 Schneider

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

Scheinunternehmer B, den so genannten „missing trader", der die Ware umsatzsteuerpflichtig an U1 zurückliefert. Die Lieferungen werden zwar formell über B abgewickelt, jedoch nur nach Vorfinanzierung und auf Anweisung des U l . B stellt U1 eine Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis, aus der U l die Vorsteuer geltend macht. Absprachegemäß meldet B die Umsatzsteuer zwar ordnungsgemäß an, um beim Finanzamt nicht als prüfungsbedürftig klassifiziert zu werden, entrichtet sie jedoch nicht. Für seine Dienste erhält B von U l eine geringe Entlohnung. In den hier allein zu betrachtenden Monaten Oktober bis Dezember 2004 betrug die von U l zu Unrecht geltend gemachte Vorsteuer jeweils zwischen 500 000 und 800 000 Euro. Die entsprechenden unrichtigen Angaben wiederholte er in seiner Umsatzsteuerjahreserklärung.

Quelle: BT-Drucks. 15/1495 (Bericht nach § 99 BHO über die Steuerausfälle bei der Umsatzsteuer durch Steuerbetrug und Steuervermeidung - Vorschläge an den Gesetzgeber -).

Der von U l geltend gemachte Vorsteuerabzug setzt gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG unter anderem voraus, dass die Steuer für Lieferungen geschuldet ist, die ein Unternehmer i m Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG erbracht hat, also jemand, der eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Dies ist grundsätzlich derjenige, der nach außen als Leistender auftritt und aus dem Rechtssteuerfrei an den „missing trader" liefern kann. Nach einem Beschluss des Hessischen FG, EFG 2003, 890 ff. sowie des FG Münster, DStRE 2004, 651 vermittelt die Zuteilung einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sogar dann Gutglaubensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG, wenn der Abnehmer nachweislich ein Strohmann oder Scheinunternehmen ist. Vgl. dazu auch Rolletschke, Steuerhinterziehung, Rn. 160.

B. Tatbestand

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Verhältnis berechtigt und verpflichtet wird. B erfüllt diese Erfordernisse jedoch nicht. Denn er hatte weder ein Kapital- noch ein Abnahmerisiko zu tragen und trat dem Gesamtbild nach nicht „wie ein Händler" auf. 248 B war nur als Hilfsperson dem Lager des U1 zuzuordnen und handelte einzig in dessen Interesse. 249 B war also Scheinunternehmer und erfüllt somit die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UStG nicht. 2 5 0 Durch Geltendmachung der Vorsteuer aus den von dem Scheinunternehmer B ausgestellten Rechnungen begeht U1 eine Umsatzsteuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO. B und U2 sind Teilnehmer an der Tat. 251 Untersucht werden soll, ob die Steuerhinterziehung des U1 § 370a AO unterfällt. Nicht näher nachgegangen werden soll hingegen der zusätzlich von B als Aussteller von Scheinrechnungen durch die Nichtdeklaration der Umsatzsteuer wegen § 14c Abs. 2 Satz 2 Var. 1, § 18 Abs. 4b, 4a UStG begangenen Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 A O 2 5 2 und den von B zudem verwirklichten §§ 26b, 26c UStG. 253 Der Fall ist ein sehr einfaches Beispiel eines so genannten Umsatzsteuerkarussells. Die mit der Schaffung des innergemeinschaftlichen Binnenmarktes am 1. 01. 1993 und dem Wegfall der Einfuhrumsatzsteuer bei Lieferungen zwischen Mitgliedstaaten 254 entstandenen Umsatzsteuerkarusselle waren der eigentliche Anlass des Gesetzgebers für den Erlass des Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetzes. 255 Es handelt sich um bestens informierte, organisierte und ausgerüstete Zusammenschlüsse von Personen, die innerhalb eines im europäischen Binnenmarkt erfolgenden Warenkreislaufs die Vorsteuererstattung in Anspruch nehmen und gleichzeitig die fällige Umsatzsteuer der Lieferanten hinterzie248 Vgl. dazu auch BFH, BStBl. II 1985, 173, 176; BFH BStBl. II 1987, 752 f.; BGH NJW 2003, 2924, 2925; Meyer in Offerhaus/ Söhn/Lange, § 2 UStG Rn. 19, Stand Januar 2004; Stadie in Rau /Dürrwächter, § 2 UStG Rn. 303. 249 Vgl. auch BGH NJW 2003, 2924, 2925. 250 Vgl. BFH DStR 2002, 762, 764; BGH NJW 2003, 2924, 2925.; Klenk, in Solch /Ringleb, § 2 Rn. 225 f., Stand Januar 2000; Meyer in Offerhaus / Söhn/Lange, § 2 UStG Rn. 41, Stand Januar 2004; siehe auch Harms/Jäger, NStZ 2004, 191, 193. 251 Vgl. oben Fall 8; Außerdem kann die Bildung einer kriminellen Vereinigung gem. § 129 StGB erfüllt sein, vgl. BGH wistra 2004, 229; Füllsack / Sommer, Stbg 2003, 461, 463 ff.; Traub in Wannemacher, Rn. 1343 f. 252 Vgl. Fall 8, BGH wistra 1998, 225 f.; Traub in Wannemacher, Rn. 1342. 253 im Bereich der Strafzumessung wird nach der Rechtsprechung des BGH eine auf das einzelne Scheinrechnungsverhältnis beschränkte Betrachtungsweise dem Gesamtunrechtsgehalt nicht gerecht, da der insgesamt durch das Karussell bewirkte deliktische Schaden der Tat ihr eigentliches Gepräge gibt. Soweit der Betreffende in das Geschehen eingeweiht war, sind deshalb die verschuldeten Auswirkungen der Tat i. S. d. § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB anhand des aus dem gesamten Karussell erwachsenden Schadens zu ermitteln, BGH StV 2002, 549, 552; Traub in Wannemacher, Rn. 1343. 254 Vgl. die Bekanntmachung der Neufassung des UStG vom 27. 04. 1993 in BStBl. I 1993, 345 ff. 255 Vgl. BT-Drucks. 14/6883, insbes. 7. *

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

hen. 256 Immer häufiger wird allerdings gar keine Ware mehr bewegt, sondern werden die Lieferungen nur vorgetäuscht. 257 Möglich ist diese Vorgehensweise wegen der Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen und Auslandslieferungen gem. § 4 Nr. la, b, § 6, § 6a UStG nach dem so genannten Bestimmungslandprinzip sowie wegen der Schwächen des geltenden Allphasennettomehrwertsteuersystems 258 mit einem „sehr großzügig" 259 ausgestalteten Vorsteuerabzug, bei dem die Umsatzsteuer immer anfällt, wenn die Ware ihren Besitzer wechselt 260 und die Vorsteuer durch das Finanzamt unabhängig davon erstattet wird, ob die vom Lieferanten zu zahlende Umsatzsteuer tatsächlich abgeführt wurde. 261 Hinzu kommt das Fehlen zeitnaher Kontrollmechanismen. 262 In der Vergangenheit dienten die Umsatzsteuerkarusselle vor allem der Vergrößerung des Marktanteils des Unternehmens, die dadurch erreicht wurde, dass die von dem Unternehmen verkaufte Ware um die hinterzogene Umsatzsteuer verbilligt wurde. Die Ware wurde tatsächlich geliefert, bei ihrem Import aus dem EU-Ausland wurde jedoch ein so genannter „missing trader" vorgeschaltet, also ein Scheinunternehmer, der die Umsatzsteuer anmeldete, aber nicht abführte. Dadurch wurden steuerehrliche Unternehmer über vermeintliche Niedrigpreise vom Markt verdrängt. 263 In der Regel durchlief die Ware das Karussell mehrmals, um möglichst hohe Vörsteuererstattungen zu erlangen. Mittlerweile haben die Umsatzsteuerkarusselle allerdings eine ganz andere Dimension erreicht. Es agieren so genannte „Broker" oder „Trader", deren alleiniger Zweck darin besteht, Umsatzsteuererstattungen aus Vorsteuerüberhängen zu erschleichen, ohne dass tatsäch256 Vgl. BT-Drucks. 14/6883, 7; zu Umsatzsteuerkarussellen siehe unter vielen auch Nieuwenhuis, UR 2005, 177 ff.; Rolletschke, Steuerhinterziehung, Rn. 159 ff. 257 Daher kritisiert Kemper, UR 2005, 1 den Begriff „Umsatzsteuerkarussell" und will ihn durch „Umsatzsteuerbetrug" ersetzen. 258 Bei Einführung des geltenden Umsatzsteuersystems am 1.01. 1968 ging man noch davon aus, dass es praktikabel und selbst kontrollierend sei, was sich jedoch inzwischen als „vollkommener Trugschluss" erwiesen hat, Mittler, UR 2004, 1. 259 Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 14/7471, 1. 2 60 Vgl. § 15 UStG, Kohlmann, § 370a AO Rn. 19, Stand, Okt. 2002. 2 61 Hentschel, NJW 2002, 1703, 1704; Kruhl, BB 2002, 1018, Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist das Europäische Umsatzsteuerrecht durch die Grundsätze der wirtschaftlichen Neutralität der Unternehmerkette, nach der allein der Endverbrauch besteuert wird, und des Vorsteuersofortabzugs geprägt: Der Unternehmer hat im Zeitpunkt der Eingangsleistung einen endgültigen Anspruch auf Vörsteuerabzug, Art. 17 Abs. 2 der 6. EGRichtlinie, und darf nicht mit nicht oder verspätet abziehbarer Vörsteuer in seinem Unternehmen belastet werden, EuGH UR 2000, 336 m. Anm. Widman, UR 2000, 341 f.; EuGH UR 2000, 329, 330 m. Anm. Widman, UR 2000, 335 f.; dem EuGH folgend BFH UR 2001, 550, 551; Nieskens, UR 2001, 473, 474. 2 2 * Harms, FS Kohlmann, 413, 417. 2 63 Vgl. BT-Drucks. 14/6883, 7. Außerdem können Umsatzsteuerkarusselle den Zweck haben, Umsatzvolumen vorzutäuschen und so die Attraktivität des Unternehmens zu steigern, Traub in Wannemacher, Rn. 1330 f.; siehe auch Kemper in Dietz/Cratz/Rolletschke, § 370a AO Rn. 15, Stand Dezember 2002.

B. Tatbestand

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liehe Warenbewegungen264 stattfinden: Die Steuererstattung dient einzig als aufzuteilender „Gewinn" zwischen den Beteiligten. 265 Die Fallgestaltungen von Umsatzsteuerkarussellen sind vielfältig. 266 Die hier behandelte Grundkonstellation wäre relativ einfach aufzudecken. Die tatsächlich vorkommenden Konstruktionen sind inzwischen sehr kompliziert mit enormen Verflechtungen, die beispielsweise dadurch erreicht werden, dass - in obigem Beispiel - nach B noch weitere Unternehmen, so genannte „Buffer" in die Lieferkette eingebunden sind, so dass die Ware erst nach weiteren Lieferungen wieder zu U1 gelangt. Die „Buffer" sind - in der Regel undolose - Unternehmer, die ihre steuerlichen Erklärungs- und Zahlungspflichten ordnungsgemäß erfüllen und somit eine bessere Tarnung sowie die Abschöpfung der hinterzogenen Steuer durch Gewinnaufschläge ermöglichen. 3. Die Lösungsvorschläge a) Bandenmäßigkeit nur bei gewisser Schwere Für § 370a AO a.F. vertrat Heerspink, dass die bandenmäßige Steuerhinterziehung eine „gewisse Schwere" haben müsse, was sich anhand des Hinterziehungsbetrages bemessen lasse, der - ebenso wie bei der Variante der gewerbsmäßigen Begehung267 - mindestens 150 000 Euro betragen müsse. Andernfalls könne es auch bei bandenmäßiger Begehung Fallgestaltungen geben, in denen die unflexible Vorschrift eine unpassend scharfe Rechtsfolge enthalte. Dies sei insbesondere bei einem Vergleich mit der weit niedrigeren Strafandrohung des bandenmäßigen Betrugs nicht gerechtfertigt. 268 Kritisiert wurde an dieser Meinung, dass die Definition der Bande gerade nicht auf den Umfang des tatbestandlichen Erfolgs abstellt. Durch die Neuregelung und die Einfügung der Regelung des minder schweren Falles gem. § 370a Satz 2 AO sei nunmehr auch sichergestellt, dass die befürchtete unangemessene Reaktion auf derartige Konstellationen abgewendet werden könne. 269 Jedenfalls dürfte der Forderung Heerspinks durch Einfügung des Erfordernisses „in großem Ausmaß" Genüge getan sein. 264

Die (angebliche) Ware ist in der Regel klein und leicht - um glaubhaft ausreichende Lagerkapazitäten vortäuschen zu könne - sowie hochwertig - wegen des möglichst hohen zu erzielenden Gewinns. Es handelt sich beispielsweise um Handys, Computerchips oder Damendessous, eine Ausnahme bilden die ebenfalls gehandelten Personenkraftwagen; vgl. Rolletschke in Dietz/Cratz/Rolletschke, § 370 AO Rn. 235, Stand Dezember 2002. 2 65 Spatscheck I Wulf, NJW 2002, 2983, 2986. 266 Vgl. z u praktischen Fällen insbes. FüllsackI Sommer, Stbg 2003, 461 ff. 267 Vgl. oben, 2. Teil, B. I. 3. a) aa). 2 68 Heerspink, AO-StB 2002, 132, 134. 2 69 Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1159.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

b) Orientierung

am Karussellgeschäft

aa) Darstellung Eine andere Ansicht orientiert sich an dem vom Gesetzgeber genannten Prototypen der Umsatzsteuerkarussellgeschäfte. Durch eine entsprechende Ausrichtung werde auch bei dieser Tatvariante gewährleistet, dass nur Fälle mit erhöhtem Unrechtsgehalt erfasst seien. Kennzeichnend für Umsatzsteuerkarusselle sei das koordinierte und auf Dauer angelegte Zusammenwirken mehrerer Unternehmer zur Begehung effizienter Steuerhinterziehungen. 270 In welcher Form allerdings konkret die Eingrenzung zu erfolgen hat, ist innerhalb dieser Auffassung umstritten. Spatscheck/Wulf schlussfolgern aus den Charkteristika der Umsatzsteuerkarusselle, dass nur Steuerpflichtige nach § 33 Abs. 1 AO taugliche Bandenmitglieder im Sinne des Steuerstrafrechts seien. 271 Deren abgestimmte Zusammenarbeit ermögliche eine effektive Überwindung der gesetzlichen Kontrollmechanismen, wie beispielsweise der Kontrollmitteilungen, und gefährde daher den Steuergläubiger in besonderem Maße. 272 Diesen Ansatz weiterführend will Kemper Personengesellschaften aufgrund eines Vergleichs mit Einzelgewerbetreibenden und Körperschaften nur als ein Rechtssubjekt behandeln. Ansonsten seien sie benachteiligt, obwohl die Gesellschaftsform die Schwere der Steuerhinterziehung in keiner Weise beeinflusse. 273 Allerdings hält Kemper die Begrenzung auf SteuerrechtsSubjekte als einzige Einschränkung für nicht ausreichend, da ansonsten unverändert viele Fälle der Baubranche oder von Sportvereinen, in denen unversteuerte Gehälter oder Prämien an die Spieler gezahlt werden, in den Anwendungsbereich des § 370a AO fielen. Dies verstoße gegen das Übermaßverbot und lasse den Gesetzeszweck unberücksichtigt. 2 7 4 Schiffer folgert hingegen aus dem Musterbeispiel des Karussellgeschäfts, dass taugliche Bandenmitglieder als „Haupttäter" nur Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes sowie deren Mittäter und Teilnehmer sein könnten. Eine weitergehende Begründung erfolgt seinerseits nicht. 275 2vo Schiffer, BB 2002, 1174, 1178; Senge in Erbs / Kohlhaas, A 24, § 370a AO Rn. 4, Stand Juni 2004; Spatscheck/ Wulf, DB 2002, 392, 395 . 271 Spatscheck /Wulf, NJW 2002, 2983, 2986; dies., DB 2002, 392, 395; zustimmend Götzens in Wannemacher, Rn. 1800; Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 37, Stand Dez. 2002; Senge in Erbs / Kohlhaas, A 24, § 370a AO Rn. 4, Stand Juni 2004. 272 Spatscheck /Wulf, NJW 2002, 2983, 2986; dies., DB 2002, 392, 395; Götzens in Wannemacher, Rn. 1800. 273 Dies hatte Gast-de Haan in Klein, § 370a AO Rn. 13 kritisiert. 274 Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 38 ff., Stand Dezember 2002. 275 Schiffer, BB 2002, 1174, 1178; ders., StuB 2002, 341, 343; ders., PStR 2002, 136, 137; ders., PStR 2002, 167, 169.

B. Tatbestand

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bb) Kritik Dem Ansatz, dass nur Steuerpflichtige beziehungsweise nur Unternehmer taugliche Bandenmitglieder seien, hält Hellmann entgegen, dass der Wortlaut des § 370a AO keine derartige Voraussetzung aufstelle. Täter des Grundtatbestandes gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, auf den § 370a AO seit seiner Neufassung ausdrücklich verweise, könne aber nicht nur ein Steuerpflichtiger, sondern jedermann sein. 276 § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO sei zwar ein Sonderdelikt, bei dem Täter nur sein könne, wer die Pflicht habe, die Finanzbehörde über steuerlich erhebliche Tatsachen zu informieren. Dies habe jedoch allein zur Konsequenz, dass nur ein dergestalt verpflichtetes Bandenmitglied Täter des § 370a AO sein könne. Es bedeute hingegen nicht, dass auch für die anderen Bandenmitglieder das Erfordernis einer solchen Verpflichtung bestehe.277 Denn nach der herrschender Meinung habe der Bandenbegriff nicht die Tätereigenschaft der Beteiligten zur Voraussetzung. 278 Gegen die Einschränkung auf Unternehmer spreche des Weiteren die systematische Stellung der Vorschrift in der Abgabenordnung. 279 Fahl fügt hinzu, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Begrenzung des Bandenbegriffs auf einen bestimmten Täterkreis nicht zulässig sei. Dieser habe nämlich zu den durch das Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (OrgKG) geschaffenen Vorschriften entschieden, dass das Gesetz wohl nach der teleologischen und historischen Interpretation auf Fälle Organisierter Kriminalität beschränkt werden sollte, da aber eine derartige Eingrenzung nicht aus dem Wortlaut hervorgehe, es auch auf andere Konstellationen anzuwenden sei. Entsprechendes müsse für § 370a AO gelten. 280

cc) Stellungnahme Unter der Prämisse, dass nur Steuerpflichtige taugliche Bandenmitglieder sind, ist die Einschränkung Kempers konsequent und überzeugend. Ohne diese Modifikation könnten J, K und L in Fall 7 keine Bande bilden, da bei Kapitalgesellschaften die Gesellschaft ein eigenständiges Steuerrechtssubjekt bildet und nur die Ge276 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 26; Rolletschke, Steuerhinterziehung, Rn. 221. 277 Hellmann in HHSp § 370a AO Rn. 23, Stand August 2002. 278 Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1159; Rolletschke, Rn. 221; etwas ungenau Müller, DStR 2002, 1641, 1645; vgl. zu Gehilfen als Bandenmitglieder: BGH NJW 2002, 1662 f.; für den Anstifter streitig, bejahend Kohlmann, § 373 Rn. 34 m. w. N., Stand Sept. 2001; a. A. Voß in FGJ, § 373 Rn. 40. 279 Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1159. 280 Fahl, ZStW 2002, 794, 802 f. unter Hinweis auf BGH NStZ-RR 2000, 343, 344. Im konkret zu entscheidenden Fall ging es um eine Jugendbande, bei der Zweifel deswegen angebracht wurden, weil sich Jugendkriminalität typischerweise in der Gruppe vollzieht. Ablehnend auch Hild/Albrecht, NJW 2005, 336, 337.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

sellschaft ertragsteuerpflichtig hinsichtlich der durch sie erzielten Gewinne ist, § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. Hingegen könnten J, K und L sehr wohl die drei Mitglieder einer Bande sein, wenn sie Gesellschafter einer OHG wären und in dieser Funktion Geschäftsvorfälle unrichtig verbuchten. Denn die OHG fällt nicht unter das Körperschaftsteuergesetz, ertragsteuerpflichtig sind die Gesellschafter nach § 1 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Bei keinerlei Unterschied in den Handlungen der Beteiligten und einem im Ergebnis gleichwertigen Erfolg wäre eine solche Ungleichbehandlung jedoch nicht gerechtfertigt. Allerdings ist bereits die Beschränkung auf Steuerpflichtige beziehungsweise Unternehmer als allein taugliche Bandenmitglieder verfehlt. Neben dem überzeugenden Wortlautargument Hellmanns ist gegen sie insbesondere 281 einzuwenden, dass sie zu Strafbarkeitslücken führt. Als Beispiel kann der Mafiaboss genannt werden, der mit Unterstützung seiner Steuer- oder Vermögensberater in großem Stil Steuern hinterzieht und unzweifelhaft der Organisierten Kriminalität angehört. Er und seine Berater könnten dennoch nicht als Bande erfasst werden. 282 Noch durchschlagender ist das von Müller angeführte Beispiel: Wären allein Steuerpflichtige taugliche Bandenmitglieder, so bräuchten die Beteiligten eines Umsatzsteuerkarussells lediglich eine GmbH zu gründen, die als steuerpflichtiger Unternehmer fungiert. 283 Es wäre dann also gerade der Fall nicht von § 370a AO erfasst, der für Spatscheck / Wulf Vorbild und „Idealfall" einer bandenmäßigen Steuerhinterziehung darstellt. Die vorgeschlagene Einschränkung ist daher zu verwerfen.

c) Keine Familienbande aa) Darstellung Nach Stahl sind bloße „Familienbanden'4 keine Banden im Rechtssinne.284 Warum Familienmitglieder keine allein aus ihnen bestehende Bande bilden können sollen, erläutert Stahl aber nicht näher. Zur Begründung stützt er sich auf Tröndle / Fischer, 285 die diese Ansicht jedoch mittlerweile aufgegeben haben. 286 281 Es soll vorliegend davon ausgegangen werden, dass Spatscheck/Wulf entgegen ihren Ausführungen in DB 2002, 392, 395 nicht wirklich den Bandenbegriff im Sinne des „Steuerstrafrecht" entsprechend einschränken wollen, sondern nur die Bande im Sinne des § 370a AO. Ansonsten setzten sie sich bereits insofern in einen Widerspruch zu dem im Rahmen des § 373 AO, einer ebenfalls dem Steuerstrafrecht zuzurechnenden Vorschrift, nie ernsthaften Zweifeln unterliegenden Bandenbegriff, vgl. dazu etwa Kohlmann, § 373 AO Rn. 32, Stand September 2001. 282 Fahl, ZStW 2002, 794, 802. 2 «3 Müller, DStR 2002, 1641, 1645. 28

4 Stahl, KÖSDI 2002, 13204. 13210; ders., Selbstanzeige, Rn. 366; zustimmend Kohlmann, § 370a AO Rn. 18, Stand Oktober 2002. 28 5 Tröndle / Fischer, 50. Aufl., § 244 StGB, Rn. 19a. 28 6 Vgl. Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 244 StGB, Rn. 19.

B. Tatbestand

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bb) Stellungnahme Stellungnahmen in der Literatur zu diesem Lösungsvorschlag sind außer einer kurzen zustimmenden Erwähnung durch Kohlmann 287 nicht zu finden. Richtig ist, dass innerhalb einer Familie die erste Voraussetzung der Bande - der Zusammenschluss mindestens dreier Personen - leicht erfüllt ist. Auch bestehen in der Regel gewisse Strukturen, aufgrund derer ein gewisses Zusammenwirken der Familienmitglieder selbstverständlich ist, und die es deshalb erschweren, eine Bandenabrede festzustellen. Korrekt ist weiterhin, dass es gegen die Annahme einer Bande sprechen kann, wenn der Zusammenschluss der Beteiligten zunächst lediglich aus persönlichen Gründen erfolgte und sie erst im weiteren Verlauf gemeinsam Straftaten begehen.288 Wenn aber erwiesen ist, dass sich die Familienmitglieder über den regelmäßig in einer Familie bestehenden Zusammenhalt hinaus mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige, im Einzelnen noch ungewisse Steuerhinterziehungen zu begehen, ist nicht einzusehen, aus welchem Grund sie privilegiert werden sollten. 289 Betreiben beispielsweise Vater, Mutter und Sohn gemeinsam ein Lokal und sind sie übereingekommen, einen Teil ihrer Einnahmen nicht zu verbuchen, wodurch sie Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer hinterziehen, 290 spricht kein überzeugender Grund dafür, sie anders zu behandeln als drei gute Freunde, die ein Lokal betreiben und dabei entsprechend vorgehen. Zwar können die Strukturen innerhalb einer Familie einen gewissen Druck auf die Familienmitglieder ausüben, sich zu beteiligen. Es wird ihnen aber trotzdem abverlangt, einem illegalen Vorhaben zu widerstehen. Insbesondere ist der Strafschärfungsgrund der bandenmäßigen Begehung - die mit dem Zusammenwirken verbundene Effizienzsteigerung sowie die erhöhte Ausführungsgefahr 291 - auch bei Familienbanden vorhanden und ebenso strafwürdig. Der die Strafschärfung begründende Anreiz zur Fortsetzung der kriminellen Tätigkeit dürfte bei Familienbanden sogar größer sein als bei sonstigen Banden. Denn die Familienangehörigen sind, im Vergleich zu anderen Bandenangehörigen, aufgrund ihrer engen persönlichen Beziehung stärker aneinander gebunden. Sie können ihren Zusammenschluss regelmäßig schon aus persönlichen Gründen nicht einfach auflösen und getrennte Wege gehen.

287 Kohlmann, § 370a AO Rn. 18, Stand Okt. 2002. 288 BGH NJW 1998, 2914 f.; Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 244 StGB, Rn. 19. 289 So auch BGH 5 StR 416/66 bei Daliinger, MDR 1967, 368, 369; BGH NJW 1998, 2914; Kohlmann, § 373 AO Rn. 41, Stand September 2001. 290 Vgl. Kohlmann, § 370a AO Rn. 18, Stand Oktober 2002. 291 Vgl. BGHSt 46, 321, 326; BGH NJW 2002, 1662; Wessels/Hillenkamp, Rn. 270.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

d) Einschränkung über die Figur der notwendigen Teilnahme aa) Darstellung Die Konstellation eines Ehepaares mit seinem Steuerberater oder einer anderen Person, die nach einigen Stimmen in der Literatur bereits eine Bande bilden, nennt Meyer „sehr weit hergeholt", insbesondere da sie bei gemeinsamer Steuererklärung regelmäßig schon nach dem Gesichtspunkt der notwendigen Teilnahme auszuschließen seien. 292 Sehr wohl als Bande wertet er dagegen so genannte Geldwäscheeinrichtungen, zum Beispiel bei dem Transfer von Schwarzgeld über eine Geldwaschanlage von einer inländischen Bank zu einer ausländischen.293 Nähere Ausführungen oder Begründungen zu diesem Punkt erfolgen allerdings nicht. bb) Stellungnahme Auch dieser Gesichtspunkt wird lediglich von Kohlmann zustimmend aufgegriffen, 2 9 4 ansonsten bezieht, soweit ersichtlich, kein Autor Stellung dazu. Die Figur der notwendigen Teilnahme bringt aber keine zufriedenstellende Lösung. Zum einen kann Meyer sie wirklich nur auf die Konstellation eines Ehepaares bezogen haben, da andere Steuerpflichtige nicht zusammenveranlagt werden, vgl. §§ 26, 26b EStG. Für andere in der Literatur angeführte Fälle, in denen die scharfe Sanktion des § 370a AO ebenso unangemessen erscheint, wie etwa bei den von Döpfer erwähnten Fahrgemeinschaft dreier Arbeitskollegen zur Arbeitsstelle, bei der jeder geltend macht, die Strecke mit dem eigenen Auto gefahren zu sein, 295 bietet Meyer keine Lösung an. Überdies sprechen selbst für Konstellationen, in denen ein Ehepaar beteiligt ist, verschiedene Gründe gegen die Anwendung dieser Rechtsfigur. Bei genauer Betrachtung stellt sich nämlich heraus, dass in vielen Fällen schon keine Teilnahme gegeben ist. Sollte diese jedoch gegeben sein, handelt es sich jedenfalls nicht um eine notwendige Teilnahme. Sollte man diese dennoch bejahen, könnte sie im genannten Fall nicht zur Straflosigkeit führen und überhaupt ist die Frage der Teilnahme von der der Bandenmitgliedschaft zu unterscheiden. Durch das bloße Unterzeichnen der gemeinsamen Steuererklärung wird die Ehefrau nach richtiger, ganz herrschender Meinung nicht zur Teilnehmerin der Steuerhinterziehung ihres Mannes, 296 also erst recht nicht zur notwendigen Teilnehmerin. 292 Meyer in Hund/ Johnigk/ Wollburg, DStR 2002, 879, 881 f.; zustimmend Kohlmann, § 370a AO Rn. 18, Stand Oktober 2002. 293 Meyer in Hund / Johnigk / Wollburg, DStR 2002, 879, 881 f. 294 Kohlmann, § 370a AO Rn. 18, Stand Oktober 2002. 295 Döpfer, PStR, 2002, 149, 151. 296 BFH DStR 2002, 1176; Burkhard, DStZ 1998, 829, 831 ff.; ders., StraFo 2002, 345 ff.; Hellmann in HHSp, § 370 AO Rn. 80, Stand November 2001; Joecks in FGJ, § 370 AO Rn. 249, Kohlmann, § 370 AO Rn. 25, Stand Oktober 2002; Tormöhlen, wistra 2000, 406, 408; a. A. Rolletschke, DStZ 1999, 216, 217 ff. ders., DStZ 2000, 677, 678 f.

B. Tatbestand

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Dies gilt auch, wenn sie - wie in Fall 5 - weiß, dass die Angaben des Gatten über seine Einkünfte nicht zutreffen. 297 Die Unterschrift, zu der sie bei Zusammenveranlagung verpflichtet ist, begründet noch keine Mitverantwortung. 298 Sie versichert damit zwar, dass sie alle Angaben nach bestem Wissen und Gewissen geleistet hat, § 150 Abs. 2 AO, nicht aber, dass alle Angaben auch von ihr mitgetragen werden. 299 Der Erklärungsgehalt ihrer Unterschrift beschränkt sich vielmehr auf die sie betreffenden und ihrer Wissenssphäre zuzurechnenden Tatsachen,300 welche durch das gem. § 26 Abs. 1, § 26b EStG bei der Einkünfteerzielung geltende Individualprinzip begrenzt wird. Denn trotz der Zusammen Veranlagung bleiben beide Ehegatten selbstständige Steuersubjekte. Der Grundsatz der gesonderten Einkünfteermittlung bleibt von der materiell-rechtlichen Zurechnungsnorm des § 26b EStG unberührt. 301 Ein weitergehender Erklärungsgehalt ihrer Unterschrift kann folglich nur bei Besteuerungsmerkmalen angenommen werden, die beide Ehegatten betreffen. Ebenso kann die Ehefrau Teilnehmerin sein, wenn sie sich nicht auf die bloße Unterschrift beschränkt, sondern ihre Beiträge darüber hinausgehen. 302 Beschränkt sich der Beitrag der Ehefrau auf die Unterzeichnung der Steuererklärung, verwirklicht sie auch keine Steuerhinterziehung durch Unterlassen gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, da sie nicht verpflichtet ist, eine Erklärung bezüglich der Einkünfte ihres Gatten abzugeben. Sie ist vielmehr gem. § 101 Abs. 1 AO auskunftsverweigerungsberechtigt. 303 Selbst wenn man mit der Mindermeinung entscheiden sollte, dass die Ehefrau in solch einem Fall Teilnehmerin ist, oder ein Fall vorliegt, in dem die Ehefrau aktiver war als durch bloßes Unterzeichnen der Steuererklärung, kann der Ausschluss entsprechender Fälle nicht durch die Rechtsfigur der notwendigen Teilnahme erreicht werden. Als notwendige Teilnahme wird die Erscheinung bezeichnet, dass die Verwirklichung eines Tatbestandes schon begrifflich die Beteiligung mehrerer Personen zur Voraussetzung hat, wie beispielsweise der Beischlaf zwischen Verwandten (§ 173 StGB) oder der sexuelle Missbrauch von Schutzbefohlenen (§ 174 StGB). 304 297 BFH DStR 2002, 1176; Burkhard, DStZ 1998, 829, 831 ff.; Joecks, in FGJ, § 370 AO Rn. 249, Kohlmann, § 370 AO Rn. 25, Stand Oktober 2002; Tormöhlen, wistra 2000, 406, 408; a. A. Rolletschke, DStZ 1999, 216, 217 ff.; ders., DStZ 2000, 677, 678 f. 298 BFH DStR 2002, 1176 ff; Birkenfeld, in Kirchhof/ Söhn / Mellinghoff, EStG, § 25 Rn. D 41, Stand Februar 2002. 299 So aber Rolletschke, DStZ 1999, 216, 217 f.; ders., DStZ 2000, 677, 678 f. 300 BFH DStR 2002, 1176 f.; Gast-de Haan in Klein, § 370 AO Rn. 123; Kohlmann, § 370 AO Rn. 25 m. w. N., Stand Oktober 2002; Reinisch, DStR 1965, 589, 590; BFHE 185, 111, 114. 301 BFH GrS BStBl. II 1999, 782, 785; BFH DStR 2002, 1176 f.; Kohlmann, § 370 AO Rn. 25, Stand Oktober 2002. 302 Gast-de-Haan in Klein, § 370 AO Rn. 123. 303 BFH DStR 2002, 1176, 1177; Brockmeyer in Klein, § 101 AO Rn. 2; Tipke in Tipke/ Kruse, § 101 AO Rn. 3, Stand März 2004; a. A. Söhn, in HHSp, § 101 Rn. 9b, Stand September 2000. 304 Wessels !Beulke, Rn. 587.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

Die Verwirklichung einer Steuerhinterziehung setzt aber nicht schon begrifflich die Beteiligung mehrerer Personen voraus. Zwar muss im Falle der Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) gem. § 25 Abs. 3 Sätze 2 und 5 EStG die Steuererklärung auch von der Ehefrau unterschrieben werden. Für die Beurteilung, ob es sich um einen Fall der notwendigen Teilnahme handelt, ist aber auf den Straftatbestand, also § 370a AO, abzustellen, nicht auf außerhalb davon liegende Umstände, wie § 25 Abs. 3 Satz 5 EStG einer ist. 3 0 5 Hinzu kommt, dass selbst im Fall einer bandenmäßigen Begehung die Steuerhinterziehung von einem einzigen Bandenmitglied begangen werden kann, solange es nur als Mitglied der Bande handelt. 306 Die Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds ist nicht vorausgesetzt. Sollte man unrichtigerweise dennoch von einer notwendigen Teilnahme ausgehen, ist für ihre strafrechtliche Behandlung zwischen Konvergenz- und Begegnungsdelikten zu unterscheiden. Konvergenzdelikte setzen voraus, dass mehrere Personen in derselben Richtung auf die Rechtsgutsverletzung hinwirken, wie zum Beispiel bei der gemeinschaftlich begangenen Körperverletzung, § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB. Bei Begegnungsdelikten hingegen streben die Teilnehmer zwar dasselbe Ziel an, sie werden aber von verschiedenen Seiten und in verschiedener Weise tätig. Beispielsweise gibt bei der Wucherei gem. § 291 StGB der Bewucherte die Vermögensvorteile, während der Wucherer sie nimmt. Die Ehepartner, die die gemeinsame Steuererklärung unterschreiben, wirken in derselben Richtung und mit dem gleichen Tätigkeitsakt des Deklarierens auf die Rechtsguts Verletzung hin. Es kann sich also allenfalls um ein Konvergenzdelikt handeln, bei dem unstreitig alle Beteiligten als Täter bestraft werden. 307 Aus der notwendigen Teilnahme folgt somit in diesem Fall nicht die Straflosigkeit der Beteiligten. Hinzu kommt, dass die Frage, ob eine Teilnahme und die Frage, ob eine Bande gegeben ist, zwei unterschiedliche sind, die sich nach unterschiedlichen Voraussetzungen beurteilen und auch im Ergebnis nicht notwendig übereinstimmen. 308 Der Aspekt der notwendigen Teilnahme ist somit für die Beurteilung, ob eine bandenmäßige Steuerhinterziehung begangen wurde, schon gar nicht einschlägig. Warum - wie von Meyer angedeutet - aus einer notwendigen Teilnahme abzuleiten sein soll, dass die Ehepartner keine Bandenmitglieder sind, ist vor diesem Hintergrund nicht verständlich.

305 Der Steuerberater kann auf keinen Fall als notwendiger Teilnehmer angesehen werden. Zwar ist das Steuerrecht mittlerweile so kompliziert, dass eine Steuererklärung bei etwas schwierigeren Sachverhalten selten ohne Mithilfe eines Steuerberaters abgegeben wird, jedoch gibt es durchaus Ehepaare, die keinen Steuerberater hinzuziehen. Zudem ist hier wiederum allein auf das Delikt Steuerhinterziehung abzustellen, welches auch ohne Steuerberater begangen werden kann. 306 Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 25, Stand August 2002; Lammerding!Hackenbroch, S. 112. 307 Roxin in LK, Vor § 26 StGB Rn. 33. 308 Vgl. BGH NJW 2002, 1662, 1663.

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e) Hauptzweck aa) Darstellung Müller plädiert für ein Erfordernis dergestalt, dass die Begehung von Steuerhinterziehungen ein Hauptzweck des Zusammenschlusses für alle Beteiligten sein müsse, nicht bloß Nebenzweck oder Folge des eigentlichen Ziels. Auf eine derartige Anforderung deute die Formulierung hin „Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat". Dafür sprächen des Weiteren die Definition des Bundesgerichtshofs, derzufolge sich die Mitglieder mit dem Willen verbunden haben müssen, Straftaten zu begehen, sowie seine Rechtsprechung, nach der die Bande auf Tatbegehung ausgerichtet sein müsse. Durch diese Auslegung werde der Anwendungsbereich sachgerecht eingeschränkt, indem Steuerhinterziehungen, die im Rahmen von Vereinigungen begangen werden, die zur Verfolgung anderer Vorhaben bestehen, insbesondere Personen(handels)gesellschaften, nicht ohne überzeugenden Grund weit strenger bestraft würden als von einem Einzeltäter begangene Steuerhinterziehungen. Strafbarkeitslücken seien nicht zu befürchten, da bei Steuerhinterziehungen in beträchtlicher Höhe die Hinterziehung regelmäßig nicht nur Nebenzweck sei. 309

bb) Kritik Hunsmann meint, dass die Restriktion Müllers nicht weiterhilft. Denn die gesetzliche Formulierung „Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat" statuiere bereits in eindeutiger Art und Weise, dass die Bande auf die Begehung von Steuerhinterziehungen ausgerichtet sein müsse. Um dies zu gewährleisten, genüge aber die für das Vorliegen einer Bande generell geforderte Bandenabrede. 310 cc) Stellungnahme Richtig ist, dass dem Umstand, dass sich mehrere Personen hauptsächlich nur zu einem kriminellen Zweck zusammengeschlossen haben, im Rahmen der Bewertung, ob die notwendige Bandenabrede gegeben ist, besondere Bedeutung zukommt. 311 Ist die Begehung der Straftaten Hauptzweck der Vereinigung, kann die Bandenabrede relativ leicht festgestellt werden. Der Hauptzweck kann aber nicht zu einer Voraussetzung der Bande gemacht werden. Denn dass im Rahmen des Zusammenschlusses noch wichtigere Ziele verfolgt werden, schließt eine bandenmäßige Begehung der untergeordneten Tätigkeiten nicht aus. Sonst könnte ein Zu309 Müller, DStR, 1641, 1645 f., ebenso, für den Begriff der Bande im Allgemeinen: Schild, GA 1982, 55,81. 310 Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1159.

311 OLG Düsseldorf, NStZ 1999, 48, 49.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

sammenschluss von Personen unter dem Deckmantel von vorrangig ganz anderen und viel wichtigeren Zielen unbekümmert Steuern hinterziehen, ohne dass dies je als bandenmäßig anzusehen wäre. Es steht aber der Annahme einer Bande nicht entgegen, dass der Zusammenschluss der Mitglieder ursprünglich zu einem anderen Zweck erfolgte. 312 Ebenso wenig darf die Existenz höherrangiger Ziele darüber entscheiden, ob eine Steuerhinterziehung, bei der abgesehen von dem Hauptzweck alle Voraussetzungen der Bandenmäßigkeit erfüllt sind, nach § 370a AO oder nur nach § 370 AO zu bestrafen ist. Müsste die Begehung von Straftaten ein Hauptzweck der Verbindung sein, könnten Familien nie eine Bande bilden, da sie sich gerade nicht zu diesem Zweck zusammengeschlossen haben, sondern das Zusammenleben sowie andere persönliche Gründe der Hauptzweck ihrer Vereinigung sind. 313 Dass dies nicht richtig sein kann, wurde bereits unter dem Aspekt der Familienbande erläutert. 314 Aber auch auf die eigentlich recht unstreitig dem § 370a AO unterfallenden Umsatzsteuerkarusselle angewendet, kann Müllers Lösung bei genauer Betrachtung nicht überzeugen. Als Beispielsfall soll ein Karussell dienen, wie es in der Vergangenheit die Regelform darstellte: In dem Karussell finden tatsächliche Warenbewegungen statt, die Umsatzsteuerhinterziehungen dienen der Verbilligung der Ware, um dem Unternehmen die Erhöhung seines Marktanteils zu ermöglichen. 315 Der eigentliche Hauptzweck zumindest desjenigen der zusammengeschlossenen Unternehmer, der finanziell am meisten profitiert, ist es, möglichst hohe Gewinne aus dem Verkauf seiner Ware zu erzielen. Um diesen Hauptzweck zu erreichen, will er den eigenen Marktanteil vergrößern. Um die Vergrößerung des Marktanteils zu bewerkstelligen, ist die Verbilligung der Ware angestrebt. Erst auf der nächsten Stufe stehen die eigentlichen Steuerhinterziehungen, die nur bezwecken, die Verbilligung der Ware zu ermöglichen. Zwar fordert Müller lediglich, dass es sich um einen Hauptzweck handeln muss. Die Steuerhinterziehungen bei einer derart langen Kette aber noch als Hauptzweck anzusehen, erscheint fernliegend. Sie sind reiner Nebenzweck. Für andere Beteiligte des Karussells mögen sie Hauptzweck sein, insbesondere für den regelmäßig nur eine Hilfsperson darstellenden „missing trader", der bloß ein geringes Entgelt für seine einzig der Begehung von Steuerhinterziehungen dienende Tätigkeit bekommt. Müller fordert aber, dass die Steuerhinterziehungen für alle Beteiligten einen Hauptzweck darstellen muss. Dies ist nicht erfüllt. Zwar wird das Erfordernis des Hauptzwecks bei den heute verbreiteten Umsatzsteuerkarussellen, die allein die Ausnutzung der Schwächen des Umsatzsteuersystems zum Gegenstand haben, regelmäßig für alle Beteiligten erfüllt sein. Jedoch handeln auch die einfacheren Formen der Karusselle systematisch und sind der 312 BGH GA 1974, 308; Eser in Sch/Sch, § 244 StGB Rn. 25; Kindhäuser in NK, § 244 StGB Rn. 32 m. w. N., Stand Oktober 1998; Schmitz in MK, § 244 StGB Rn. 43. 313 Vgl. Schild, GA 1982, 55, 81 für Ehegatten. 314 s. o. 2. Teil, B. II. 3. c) bb); vgl. dazu auch BGH StV 2000, 259; Schmitz in MK, § 244 StGB Rn. 37. 315 Vgl. dazu Füllsack/Sommer, Stbg 2003, 461, 462.

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Organisierten Kriminalität zuzurechen, so dass sie bei Erfüllung aller Tatbestandsvoraussetzungen die Strafwürdigkeit eines Verbrechens aufweisen und daher nach diesem bestraft und nicht im Wege einer einschränkenden Auslegung wieder aus seinem Anwendungsbereich ausgenommen werden sollten. Müllers Ansicht kann zudem im Hinblick auf den Straferhöhungsgrund der bandenmäßigen Begehung nicht überzeugen. Denn diesen verkennt er, wenn er schreibt, dass ohne die zusätzliche Voraussetzung des Hauptzwecks Steuerhinterziehungen, die im Rahmen von Vereinigungen begangen werden, teilweise ohne überzeugenden Grund weit strenger bestraft würden als Steuerhinterziehungen eines Einzeltäters. Straferhöhungsgrund der bandenmäßigen Begehung ist die mit dem Zusammenwirken verbundene gefahrerhöhende Effizienzsteigerung und die größere Ausführungsgefahr. 316. Diese bestehen gerade bei einem Einzeltäter nicht, bei einer Vereinigung sind sie hingegen unabhängig davon gegeben, ob noch anderweitige Ziele verfolgt werden. Wie bei der Familienbande dürfte die Ausführungsgefahr sogar größer sein, wenn der Zusammenschluss noch anderweitige, vorrangige Ziele verfolgt, als wenn die Steuerhinterziehungen den Hauptzweck bilden. 317 f) Bandenabrede aa) Darstellung Ausgehend von Hellmann wird teilweise vertreten, dass die durch die allgemein geltende Definition der Bande erfassten Konstellationen bereits eine erhöhte Strafwürdigkeit aufwiesen, so dass weitergehende Einschränkungen nicht erforderlich seien. Denn danach reiche für die bandenmäßige Begehung nicht aus, dass mindestens drei Personen zum Zwecke der Steuerhinterziehung in einer auf Wiederholung angelegten Art und Weise lediglich zusammenwirken, weil dann die notwendige Bandenabrede fehle. 318 Eine Bandenabrede sei nämlich nur gegeben, wenn die Bandenmitglieder sich für eine gewisse zukünftige Dauer eng binden, so dass ein steter Anreiz zur Fortsetzung der Straftaten bestehe.319 Allein auf dieser Bindung gründe die erhöhte abstrakte Gefährlichkeit der Bande, die gesteigerte Ausführungs- 320 und typische Aktionsgefahr einer Bande. 321 316 Vgl. BGHSt 46, 321, 326; BGH NJW 2002, 1662; Wessels / Hillenkamp, Rn. 270. 317 Vgl. dazu oben, 2. Teil. B. II. 3. c) bb). 318 Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 24, Stand August 2002; Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1158 f.; Kohlmann, § 370a AO Rn. 18, Stand Oktober 2002; Rolletschke, Steuerhinterziehung, Rn. 219; in diese Richtung tendieren auch Lammerding/Hackenbroch, S. 111 f.; wohl auch Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 25, der sich allerdings selbst widerspricht, indem er a. a. O. sowohl schreibt, dass eine enge Bindung hergestellt werden müsse, als auch, dass eine gesteigerte Bandenabrede im Sinne einer engen Bindung nicht erforderlich sei. 319 Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 24, Stand August 2002 unter Hinweis auf BGHGSSt 46, 321, 326, 329; BGHSt 23, 239, 240; ebenso BGH NJW 2002, 1662 f.; Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 25; Kohlmann, § 370a AO Rn. 18, Stand Oktober 2002 320 Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 24, Stand August 2002.

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In die gleiche Richtung tendiert es, wenn andere Autoren das, eine recht hohe Strafbarkeitsschwelle sichernde, Erfordernis eines koordinierten und auf Dauer angelegten Zusammenwirkens mehrerer Personen zum Zweck der effizienten Begehung von Steuerhinterziehung betonen 322 beziehungsweise es für entscheidend halten, ob der Straferhöhungsgrund der bandenmäßigen Begehung - die auf der Bandenabrede beruhende Effizienzsteigerung und Gefahrerhöhung - gegeben sei. 323 Auf die konkreten Fälle angewandt heiße dies, dass Umsatzsteuerkarusselle und in der Regel auch der organisierte Zigarettenschmuggel auf einer Bandenabrede beruhten, während sie beispielsweise im Verhältnis zwischen Bankmitarbeitern und Kunden bei Geldanlagen im Ausland 324 oder bei der Empfehlung eines Steuerberaters an das beratene Ehepaar grundsätzlich nicht vorhanden sei. 325 Laut Joecks ist die Bandenabrede in den Fällen des Ehepaares mit seinem Steuerberater vielmehr nur dann gegeben, wenn eine strafbare Konstruktion gewählt wird, die zur Folge hat, dass Geschäftsgegenstand des Unternehmens praktisch die Gewinnerzielung aus Steuerverkürzungen oder Steuervorteilserlangungen ist. 3 2 6 Auch das lediglich eigennützige Handeln im Rahmen einer Personengesellschaft erfülle nicht die für eine Bande vorausgesetzte auf Dauer angelegte Verbindung zur risikoloseren und effektiveren Verfolgung eigener Interessen. 327

bb) Kritik Harms hält es für nicht einsichtig, warum bei Steuerhinterziehungen an die Bandenabrede erhöhte Anforderungen in Form einer engen Bindung der Personen gestellt werden sollten. Denn Bandendelikte seien nicht länger außergewöhnlich schwere Taten, sondern Delikte der modernen Massenkriminalität. Daher dürften nicht nur die traditionell der Organisierten Kriminalität zuzurechnenden Taten mit mafiaähnlichen Strukturen, wie der Zigarettenschmuggel oder Umsatzsteuerkarusselle, erfasst werden. Vielmehr könnten auch bereits weniger gravierende Taten bandenmäßig begangen werden. 328

321 Rüping, FS Kohlmann, 499, 508. 322 Burger, wistra 2002, 1, 2.; Quedenfeld/Füllsack, Rn. 214; Sommer/ Füllsack, Stbg 2002, 355, 360. 323 Ott, PStR 2002, 41,43. 324 Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 24, Stand August 2002; zustimmend Kohlmann, § 370a AO Rn. 18, Stand Oktober 2002. 325 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 25; Rolletschke, Steuerhinterziehung, Rn. 221. 326 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 25. 327 Rüping, FS Kohlmann, 499, 508 der allerdings sowohl auf BGHSt 46, 321, 329 f. Bezug nimmt als auch auf Müller, DStR 2002, 1645 f., der das Vorliegen eines Hauptzwecks fordert. 328 Harms, FS Kohlmann, 413, 423.

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cc) Stellungnahme und eigene Ansicht Der Einwand Harms', dass bei der Steuerhinterziehung an die Bande keine gegenüber anderen Delikten erhöhten Anforderungen gestellt werden dürfen, ist in der Tat richtig. Sie übersieht aber den entscheidenden Punkt. Hellmann fordert nämlich gerade keine gesteigerten Voraussetzungen, sondern nur die Einhaltung und genaue Beachtung der allgemein geltenden Erfordernisse des Bandenbegriffs. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar keine gegenseitige Verpflichtung der Mitglieder oder feste Organisation vorausgesetzt. 329 Notwendig ist aber eine Bandenabrede im Sinne einer deliktischen Vereinbarung, aus der eine enge Bindung der Bandenmitglieder folgt. 3 3 0 Aus den genannten Gründen können die Ansätze, welche den Bandenbegriff über eine Orientierung an den Umsatzsteuerkarussellen, dem Ausschluss der Familienbande, der notwendigen Teilnahme und dem Erfordernis des Hauptzwecks einschränken, nicht überzeugen. Die Lösung fragwürdiger Fallgestaltungen ist vielmehr aus dem allgemeinen Bandenbegriff zu entwickeln. Aus dem bloßen Zusammenwirken dreier Personen kann auch nach diesem noch nicht der konkludente Abschluss einer Bandenabrede geschlussfolgert werden. Es muss vielmehr bei allen Bandenmitgliedern der übereinstimmende Wille zum Ausdruck kommen, dieses Zusammenwirken zukünftig fortzusetzen, um eine noch unbestimmte Anzahl von Steuerhinterziehungen zu begehen.331 Erforderlich ist ein gegenseitig abgestimmtes und auf Dauer angelegtes Zusammenwirken mindestens dreier Personen zum Zweck effizienter Steuerhinterziehungen. 332 Die abstrakte Gefährlichkeit der Bande, die durch den ständigen Anreiz zur Fortsetzung der kriminellen Tätigkeit begründet wird, beruht auf der Bandenabrede. 333 Denn mit dem in der Bandenabrede vereinbarten Zusammenwirken ist eine Effizienzsteigerung und Gefahrerhöhung verbunden, so dass diese Einigung 329 BGHSt 31, 202, 205; BGHSt 42, 255, 258; BGHSt 46, 321, 326, 329; BGH GA 1974, 308; BGH NJW 2002, 1662; vgl. auch Engelhardt in HHSp, § 373 AO Rn. 71, Stand November 1989; Kohlmann, § 373 AO Rn. 39, Stand September 2001; Tröndle/ Fischer, 52. Aufl., § 244 StGB Rn. 19; Schmitz in MK, § 244 StGB Rn. 39. 330 BGHSt 23, 239, 240; BGHSt 38, 26, 31; BGHSt 46, 321, 326, 329, 336; BGH NJW 2002, 1662; Ellbogen, wistra 2002, 8. 331 Vgl. BGHSt 46, 321, 326, 329 unter Hinweis auf BGHSt 23, 239, 240; BGHSt 38, 26, 31; BGH bei Dallinger, MDR 1973, 554, 555; BGH StV 1984, 245; BGH NStZ 1986, 408; BGHR StGB § 250 Abs. 1 Nr. 4 Bande 1; ebenso BGH NStZ 2005, 230, 231; OLG Düsseldorf NStZ 1999, 248 ff.; Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 244 StGB Rn. 19 f. Die Beweisanforderungen hinsichtlich der Bandenabrede werden umso geringer, je stärker die Gefährlichkeit der Tätergruppe anhand der Zahl ihrer Mitglieder, deren Beteiligung an den Tatausführungen oder organisatorische Festigkeit deutlich wird, BGHR StGB § 244 Abs. 1 Nr. 3 - Bande 3; OLG Düsseldorf NStZ 1999, 248 f. Inwiefern daraus allerdings materielle Schlussfolgerungen gezogen werden können, ist zweifelhaft, Tröndle/ Fischer, 51. Aufl., § 244 StGB Rn. 19. 332 Quedenfeld/Füllsack, Rn. 214. 333 BGHSt 23, 239, 240; BGHSt 46, 321, 336; BGH NJW 2001, 380, 383 mit Bespr. Sya, NJW 2001, 343 ff.; BGH NJW 2002, 1662 f.; Ellbogen, wistra 2002, 8. 7 Schneider

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entscheidendes Merkmal des Bandenbegriffs ist. ' Sie begründet die erhöhte Strafwürdigkeit der bandenmäßigen Begehung. Gerade in Fällen einer konkludent geschlossenen Bandenabrede hat daher eine genaue Untersuchung zu erfolgen, ob sie wirklich gegeben ist. 3 3 5 Ist diese Voraussetzung erfüllt, so können auch Konstellationen dem § 370a AO unterfallen, in denen keine der Organisierten Kriminalität zuzurechnenden Strukturen bestehen. Der Wille, auch in Zukunft gemeinsam Steuerhinterziehungen zu begehen, wird beispielsweise bei dem einleitend erwähnten Bankangestellten, der einem Ehepaar zwecks Hinterziehung der Kapitaleinkünftesteuer eine Geldanlage im Ausland empfiehlt, nur deutlich, wenn er sich mit dem Ehepaar darüber - sei es auch stillschweigend - verständigt hat, dass sie auch weiterhin für eine noch unbestimmte Zeit derartige Geschäfte miteinander abschließen werden. Manifestiert sich dieser Wille nicht bei allen Beteiligten, liegt keine Bandenabrede vor, eine dauerhafte Verbindung zur Begehung von Steuerhinterziehungen fehlt. § 370a AO ist nicht erfüllt. Joecks' weitergehende Anforderung, dass in den Fällen eines Ehepaares mit seinem Steuerberater eine strafbare Konstruktion gewählt werden müsse, die zur Folge habe, dass Geschäftsgegenstand praktisch die Gewinnerzielung sei, kann hingegen nicht überzeugen. Joecks' Ausführungen tendieren in die gleiche Richtung wie seine Auslegung der gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung, bei der er fordert, dass sie „als Gewerbe" betrieben werden müsse. 336 Dies ist jedoch nicht Inhalt der Bandenabrede und kann für die zweite Tatvariante ebenso wenig überzeugen wie für die erste. Für § 370a Satz 1 Nr. 2 AO genügt vielmehr, dass sich die drei Beteiligten durch eine Bandenabrede verbunden haben und in diesem Zusammenhang eine Steuerhinterziehung großen Ausmaßes begehen. Weitergehende Anforderungen an den Geschäftsgegenstand werden durch § 370a AO nicht gestellt und wären auch nicht gerechtfertigt. Durch die allgemeinen Voraussetzungen des Bandenbegriffs kann ohne Weiteres die problematisierte Fahrgemeinschaft der drei Arbeitskollegen zur Arbeitsstelle aus § 370a AO ausgeschlossen werden. 337 Diese Fahrgemeinschaft konnte schon nach altem Steuerrecht, als es die Entfernungspauschale (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, Abs. 2 EStG) für derartige Fahrtaufwendungen noch nicht gab, 338 den Tatbestand der bandenmäßigen Steuerhinterziehung nicht erfüllen. Denn die drei Kollegen haben, wenn sie die Strecke jeweils ohne Wissen der anderen geltend machten, 334 BGHSt 23, 239, 240, worauf auch BGHSt 46, 321, 326, 329 verweist. 335 So auch Engelhardt in HHSp, § 373 AO Rn. 71, Stand November 1989; Kohlmann, § 373 AO Rn. 36, Stand September 2001; Schild, GA 1982, 55, 81 mahnt zur Vorsicht; a. A. Voß in FGJ, § 373 AO Rn. 35, wonach eine lose Übereinkunft genügt. 336 Vgl. oben, 2. Teil, B. I. 3. e) aa). 337 Döpfer, PStR, 2002, 149, 151. 338 Die Entfernungskostenpauschale kann jeder Mitfahrer der Fahrgemeinschaft geltend machen, auch wenn ihm tatsächlich keine Kosten entstanden sind, vgl. dazu sowie zu Sinn und Zweck der Regelung BT-Drucks. 14/4242, 5; v. Bornhaupt in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 9 EStG Rn. 9 F 55 ff., Stand März 2002; Tipkt!Lang, § 9 Rn. 259.

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keine Bandenabrede getroffen und sich nicht zur Begehung von Steuerhinterziehungen zusammengeschlossen. Ebenso steht es um den einleitend erwähnten Handwerksmeister, der illegal zwei Ausländer beschäftigt und im Einverständnis mit ihnen die Lohnsteuer hinterzieht. Bei lebensnaher Betrachtung ist davon auszugehen, dass zwar zwischen dem Handwerksmeister und jedem der beiden Ausländer eine ausreichende Abrede besteht, aber nicht zwischen den beiden Arbeitnehmern. Der Handwerksmeister hat sich zwar mit beiden zusammengeschlossen, aber wohl getrennt voneinander. Es besteht keine Bandenabrede, die sich auf alle drei Personen gleichzeitig bezieht, sondern es wirkten nur zwei mal zwei Personen zusammen - jeweils der Handwerker mit einem der Arbeitnehmer. Sollte dies in der konkreten Fallgestaltung anders sein, etwa, weil die zwei Ausländer verwandt sind und nur unter der Bedingung zugesagt haben, dass sie beide beschäftigt werden, käme es darauf an, ob auch das große Ausmaß zu bejahen ist. Durch genaue Überprüfung, ob wirklich die allgemein für eine Bande geforderten Voraussetzungen erfüllt sind, können somit viele der nicht erhöht strafwürdigen Fälle aus dem Anwendungsbereich des § 370a AO herausgefiltert werden, ohne dass es eines besonderen Bandenverständnisses für diese Vorschrift bedarf. Bereits die allgemeine Definition der Bande stellt eine ausreichend hohe Strafbarkeitsschwelle sicher, da sie ein besonderes Gefährdungspotenzial voraussetzt, welches sich aus dem Bandenzweck und dem kriminellen Gemeinschaftsinteresse ergibt. 339 Im Übrigen sprechen die gleichen Argumente wie bei der Gewerbsmäßigkeit gegen eine divergierende Definition der Bande im Rahmen des § 370a AO, nämlich insbesondere die historische Auslegung in Anbetracht der Beibehaltung des Begriffs in der Neufassung trotz der vehementen öffentlichen Kritik, 3 4 0 der enge systematische Zusammenhang mit dem bandenmäßigen Schmuggel, § 373 Abs. 2 Nr. 3 A O 3 4 1 sowie das Problem der andernfalls drohenden Unbestimmtheit des Tatbestandes.342 4. Vorläufige Lösung der Fälle unter Zugrundelegung der eigenen Ansicht 343 Die Beiträge der Frau des H beschränken sich in Fall 5 auf das bloße Unterschreiben der gemeinsamen Einkommensteuererklärung in Kenntnis der darin durch H gemachten falschen Angaben. Sie hat sich nicht mit H und seinem Steuerberater mit dem Willen verbunden, zukünftig gemeinsam Steuerhinterziehungen zu begehen, sondern sie hat deren Tun lediglich widerspruchslos hingenommen. 339 Ebenso Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1159. 340 Zutreffend BGH NJW 2004, 2990, 2991; Bittmann, wistra 2003, 161, 162; Harms, FS Kohlmann, 413, 423; Reiß, Stbg 2004, 113, 117. 341 Vgl. dazu auch BGH NJW 2004, 2990, 2991. 342 Vgl. oben unter 2. Teil, B. I. 3. h). 343 Die Fälle sind zu finden unter 2. Teil, B. II. 2. 7*

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

Darin kann keine konkludente Bandenabrede erblickt werden. Auch wenn in gewisser Form drei Personen mitwirken, haben diese sich nicht durch eine Bandenabrede zusammengeschlossen. Die Frau ist demzufolge kein Bandenmitglied.344 Ob zwischen H und seinem Steuerberater ein Übereinkommen getroffen wurde, das einer Bandenabrede genügt, kann dahin stehen, da es jedenfalls kein drittes Bandenmitglied gibt. § 370a AO ist mangels bandenmäßiger Begehung der Steuerhinterziehungen nicht erfüllt. Auch in Fall 6 wirken drei Personen mit, wodurch die Mindestzahl von drei potentiellen Bandenmitgliedern gegeben ist. Wie ausführlich erläutert wurde, kann die Ablehung der bandenmäßigen Begehung, nur weil ein Ehepaar mitwirkte, nicht überzeugen. Jedoch konnte es vor allem nach der alten Rechtsprechung, welche zwei Bandenmitglieder für ausreichend hielt, gegen das Vorliegen einer Bandenabrede sprechen, wenn sich die Beteiligten zunächst allein aus persönlichen Gründen zusammengeschlossen haben und erst im weiteren Verlauf Straftaten begingen, wie es in der Regel bei Steuer hinterziehenden Ehepaaren der Fall ist. Denn dann hatten sie sich in der Regel nicht zur dauerhaften Begehung von im Einzelnen noch unbestimmten Straftaten zusammengetan, es lag eine bloße Mittäterschaft vor. In solch einem Fall mussten weitere gewichtige Indizien für die Annahme einer Bande, insbesondere der erforderlichen Übereinkunft, sprechen. 345 Im vorliegenden Fall beging das Ehepaar hingegen nach Jahren des Zusammenlebens mit Unterstützung ihres Steuerberaters eine Steuerhinterziehung, so dass es sich um eine neue Verbindung der drei Personen handelte, die von dem ursprünglichen Zusammenschluss der Eheleute zu trennen ist. Im Unterschied zum Ausgangsfall waren sich H, seine Frau und sein Steuerberater von Anfang an über das Vorgehen einig, so dass die Bandenabrede zu bejahen ist. Selbst wenn der Steuerberater nur als Gehilfe anzusehen ist, tut dies dem Vorliegen einer Bande keinen Abbruch. 346 Es handelt sich somit um bandenmäßig begangene Steuerhinterziehungen. Die nächste Frage wird sein, ob auch das große Ausmaß erfüllt ist. Da - wie dargelegt - das Erfordernis dreier Unternehmer beziehunsgweise dreier Steuerpflichtiger nicht überzeugen kann, bilden auch die drei Vorstandsmitglieder in Fall 7, die sich auf die zukünftige Begehung von Steuerhinterziehungen geeinigt haben, eine Bande. Hier stellt sich daher ebenfalls die Frage, ob das große Ausmaß zu bejahen ist. Stahl schreibt, dass es sich bei den Fällen der Baumafia um bisher bekannte, klassische, dem § 370 AO unterfallende Sachverhalte handele, weshalb sie auch weiterhin allein gem. § 370 AO zu bestrafen seien. 347 Diese Argumentation er344 Nach herrschender Meinung ist sie auch keine Teilnehmerin an den Steuerhinterziehungen ihres Mannes, vgl. oben 2. Teil, B. II. 3. d) bb). 345 BGHR StGB § 244 Abs. 1 Nr. 3 - Bande 3; BGH 5 StR 416/66, bei Daliinger, MDR 1967, 368, 369; OLG Düsseldorf NStZ 1999, 248 f. 346 H. M., vgl. oben 2. Teil, B. II. 1. 347 Stahl, KÖSDI 2002, 13204, 13210.

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scheint jedoch zweifelhaft. Gerade die Baumafia mit ihren weit verzweigten Scheinfirmen und Schwarzarbeiterkolonnen ist einer der wenigen Fälle, bei denen die vom Gesetzgeber vorgesehene Strafschärfung sachgerecht erscheint. Sie von vornherein allein deshalb auszugrenzen, weil dies bislang so war, kann in Anbetracht der durch § 370a AO verschärften Strafrechtslage nicht richtig sein. Es ist vielmehr das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 370a AO zu überprüfen. In Fall 8 haben sich die drei Beteiligten M, Subl und Sub2 zu einer Bande verbunden und innerhalb dieses Zusammenschlusses Steuerhinterziehungen begangen. Als nächstes ist wiederum das große Ausmaß zu überprüfen. Fall 9: Auch hier sind die Voraussetzungen der Bande, die Verbindung mindestens dreier Beteiligter zum Zwecke der zukünftigen Begehung von Steuerhinterziehungen, erfüllt. 5. Zusammenfassung Schon die, im Vergleich zu der Variante der gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung, geringere Anzahl von Autoren, welche sich zur Einschränkung der Bande im Sinne des § 370a AO äußern - insbesondere beziehen nur wenige näher zu den vorgebrachten Einschränkungen Stellung - sowie die weit weniger vehemente Kritik lassen ahnen, dass die bandenmäßig begangene Steuerhinterziehung zwar einige Probleme aufweisen mag, diese jedoch in Brisanz der ersten Tatvariante nicht gleichkommen.348 So hat die Untersuchung nicht nur erwiesen, dass die einzelnen Ansätze nicht zu überzeugen vermögen, sondern dass es ihrer auch gar nicht bedarf. Die bislang tatbestandsübergreifend einheitlich geforderten Voraussetzungen des Bandenbegriffs gewährleisten bei genauer Überprüfung auch im Rahmen des § 370a AO eine ausreichend hohe Strafbarkeitsschwelle, so dass bei Erfüllung der anderen Tatbestandsmerkmale die Bestrafung nach einem Verbechenstatbestand gerechtfertigt ist. Bande im Sinne des § 370a AO ist folglich der Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige, im Einzelnen noch ungewisse, Steuerhinterziehungen zu begehen.

III. „In großem Ausmaß" Aus der Entstehungsgeschichte des § 370a AO kann geschlossen werden, dass das nachträglich eingefügte Merkmal „in großem Ausmaß" die weniger schwerwiegenden Konstellationen, insbesondere Bagatellfälle, aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausscheiden soll. 3 4 9 Denn die Änderung erfolgte im An348 A.A. wohl Senge in Erbs/Kohlhaas, A 24, § 370a AO R. 3 f., Stand Juni 2004, der allein den Begriff der Bande, nicht jedoch die Gewerbsmäßigkeit i. S. d. § 370a AO restriktiv auslegen will. Weyand, INF 2003, 115, 118 hält hingegen die Variante der bandenmäßigen Steuerhinterziehung für vollkommen unproblematisch.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

schluss an die heftige Kritik hinsichtlich der durch § 370a AO erfolgenden übermäßigen Kriminalisierung und bei der Anrufung des Vermittlungsausschusses, welcher sodann die konkrete Formulierung vorschlug, verlangte der Bundesrat, die Anwendung der gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung „auf besonders schwere Fälle" zu beschränken. 350 Das Erfordernis gilt laut Fischer nur für die Steuerverkürzung, nicht hingegen für die ungerechtfertigte Steuervorteilserlangung. 351 Nach dem Gesetzeswortlaut ist eine solche Auslegung möglich, aber nicht zwingend. Gegen sie sprechen allerdings sowohl historische als auch teleologische Gründe. So hat der Gesetzgeber das Merkmal im Anschluss an die heftige Kritik hinsichtlich der unverhältnismäßigen Kriminalisierung infolge des zu weit geratenen Tatbestandes eingefügt. Es ist daher anzunehmen, dass er damit die Einschränkung des Tatbestandes, insbesondere der Variante der gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung, insgesamt erreichen wollte, um so der Kritik Rechnung zu tragen. Eine weitere Einschränkung enthielt auch das Anrufungsbegehren des Bundesrates nicht. 352 Bei anderer Absicht hätte der Gesetzgeber zur Klarstellung vor die Oder-Verknüpfung ein Komma setzen können. 353 Es wäre ferner nicht gerechtfertigt, Steuervorteile in jedem noch so geringen Ausmaß, Ersparnisse hingegen nur in großem Ausmaß dem Verbrechenstatbestand unterfallen zu lassen. Entsprechend geht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO, in dem die Formulierung ähnlich lautet, davon aus, dass sich das Erfordernis des großen Ausmaßes auf beide Erfolgsvarianten bezieht. 354 So hat nun auch Fischer die zuvor noch ausdrücklich vertretene Beschränkung auf die Steuerverkürzung 355 stark zurückgenommen. 356 Richtigerweise gilt das Erfordernis für die Variante der Steuerverkürzung sowie für die Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile. 357 Als Tatbestandsmerkmal muss die Hinterziehung großen Ausmaßes im Zeitpunkt der Tathandlung vom Vorsatz umfasst sein. 358 349 Vgl. die Anträge der Fraktionen von CDU/CSU sowie der FDP in BT-Drucks. 14/ 8887, 23 f. sowie den Antrag des Bundesrats in BR-Drucks. 351/1/02, 3. 350 BR-Drucks. 351/1/02. 351 So Tröndle/Fischer, ausdrücklich in 51. Aufl., § 261 StGB Rn. 8a. 352 Vgl. BR-Drucks. 351/1/02. 353 So Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 21. 354 Vgl. BGH NStZ 1985, 459; BGH wistra 1994, 228, 230; ebenso Kohlmann, § 370 AO Rn. 330, Stand Nov. 2004; Mösbauer, S. 158. 355 Tröndle / Fischer, 51. Aufl., § 261 StGB Rn. 8a. 356 Vgl. Tröndle / Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 8a, 16a. 357 So auch ausdrücklich Bender, ZfZ 2002, 366; Harms, FS Kohlmann, 413, 423; Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 27, Stand August 2002; Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 21; Rolletschke, Steuerhinterziehung, Rn. 222; a. A. Tröndle / Fischer, 51. Aufl., wohl auch 52. Aufl. § 261 StGB Rn. 8a. 358 Ebenso Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 20a ff. Falsch ist die Annahme Dumkes in Schwarz, § 370a AO Rn. 3, Stand November 2002, es handele sich um ein erfolgsqualifiziertes Delikt i. S. d. § 18 StGB, so dass auch Fahrlässigkeit genüge.

B. Tatbestand

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Ob die neue Voraussetzung einen Zugewinn darstellt, wird unterschiedlich beurteilt. Burchert erachtet das Erfordernis hinsichtlich beider Tatvarianten für „sachgerecht", da der Unrechtsgehalt einer Steuerhinterziehung grundlegend von der Größe des Schadens für das Steueraufkommen mitgeprägt sei. 359 Andere Autoren halten die Voraussetzung zur Einschränkung eines Steuerhinterziehungsdelikts für verfehlt, da die Höhe des Hinterziehungsbetrags im Bereich der Ertragsteuern immer von den persönlichen Einkommensverhältnissen des jeweiligen Steuerpflichtigen abhänge und der Umfang einer Steuerhinterziehung nicht immer im Vorhinein abgeschätzt werden könne. 360 Jedoch anerkennen die meisten Kritiker, jedenfalls soweit sie das Merkmal für ausreichend bestimmt halten, dass der Ausschluss von Bagatellfällen mit Hilfe des neuen Erfordernisses gelingen wird. 3 6 1 Entscheidend und noch ungeklärt ist allerdings, wie dieser unbestimmte Rechtsbegriff inhaltlich zu konkretisieren ist. Der Gesetzgeber hat sich diesbezüglich nicht klar geäußert. 362 Umstritten ist eine Vielzahl von Aspekten - ob das große Ausmaß qualitativ oder quantitativ zu bestimmen ist und in welcher Höhe dann der Schwellenwert anzusetzen wäre, ob auf die einzelne Steuerhinterziehung oder auf zusammenzufassende Taten abzustellen ist und wie eine Zusammenfassung zu gestalten wäre, ob die Hinterziehungssumme oder der Steuerschaden entscheidet, ob nur die bereits begangenen oder auch geplante Taten beachtlich sind und ob das Merkmal autonom zu sehen ist oder die gewerbs- oder bandenmäßige Begehung eine gewisse Ausstrahlungswirkung entfaltet. All diese Fragen sollen daher im Folgenden eingehend untersucht werden.

1. Qualitative oder quantitative Bestimmung Einer der grundlegenden Streitpunkte im Rahmen der Auslegung der Voraussetzung „in großem Ausmaß" ist die Frage, ob sie eine rein quantitative Interpretation erfahren soll oder ob auch qualitative Gesichtspunkte in die Bewertung einfließen sollen. a) Rein quantitative Bestimmung Die Autoren, die für eine rein quantitative Bestimmung plädieren, begründen dies vorrangig damit, dass eine Gesamtwürdigung aller die Tat prägenden und begleitenden Umstände dem Richter auf Tatbestandsebene einen zu weiten Spielraum lasse. 359 Burchert, INF 2002, 532, 535. 360 Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 24, 26, Stand Dezember 2002. 361 Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 27, Stand August 2002; Kemper in Dietz/Cratz/ Rolletschke, § 370a AO Rn. 13, Stand Dezember 2002; Rüping, Bestimmtheit, S. 3. 362 Die Anrufung des Vermittlungsausschusses lässt lediglich erkennen, dass eine Beschränkung auf„schwere" Fälle der Steuerhinterziehung angestrebt war, BR-Drucks. 351/ 1/02, 3; vgl. auch die unbegründete Beschlussempfehlung des Vermittlungsauschusses BTDrucks. 14/9631.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

Da dies mit dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht in Einklang gebracht werden könne, verbleibe allein die Festlegung eines konkreten Mindesthinterziehungsbetrags. 363 Langrock führt zudem an, dass sich das Merkmal „Ausmaß" schon begrifflich nur auf ein bestimmtes, hierdurch konkretisiertes Objekt beziehen könne. Dieses Bezugsobjekt, das im Rahmen des § 370a AO nur der Taterfolg der Steuerhinterziehung, also die Steuerverkürzung oder die erlangten Steuervorteile, sein könne, entscheide über das Verständnis der Voraussetzung „in großem Ausmaß". Da der Taterfolg einer Steuerhinterziehung ausschließlich quantitativ bestimmt werden könne, müsse dies auch für das „Ausmaß" gelten. Jede andere Bestimmung sei wegen Überschreitens der Wortlautgrenze ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot und daher unzulässig. Insbesondere dürfe aus diesem Grund die Rechtsprechung zu § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO nicht auf § 370a AO übertragen werden. 364 Allerdings ist unter den Autoren, die allein quantitative Aspekte für entscheidend halten, umstritten, in welcher Weise die Festlegung und Konkretisierung der Betragsgrenze erfolgen soll. Mit diesen Meinungsverschiedenheiten ist Unstimmigkeit im Ergebnis verbunden, ab welcher Höhe der Hinterziehungssumme ein großes Ausmaß anzunehmen ist. aa) Orientierung an Vorschriften des Kernstrafrechts Einige Autoren treten für eine Ausrichtung an den Vorschriften des Kernstrafrechts ein, in denen das Merkmal „in großem Ausmaß" verwendet und rein quantitativ verstanden wird. 3 6 5 Erwähnt werden die Untergrenze für einen Vermögensverlust großen Ausmaßes in § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB, die bei 50 000 Euro liegt, 3 6 6 und die nicht gerechtfertigte Subvention großen Ausmaßes gem. § 264 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB, die ab 50 000 Euro 3 6 7 oder bei erheblicher Überschreitung von Durchschnittswerten 368 bejaht wird. Ein Vorteil großen Ausmaßes bei Bestechlichkeit und Bestechung im Sinne des § 335 Abs. 2 Nr. 1 StGB wird ab 10 000 Euro 3 6 9 beziehungsweise 25 000 Euro 3 7 0 angenommen. Erwogen wird des 363 BGH NJW 2004, 2990, 2991; Bender, ZfZ 2002, 366, 367; Senge in Erbs / Kohlhaas, A 24, § 370a AO Rn. 9, Stand Juni 2004. 364 Langrock, wistra 2004, 241, 242 ff. 365 Fahl, ZStW 2002, 794, 812; Senge in Erbs / Kohlhaas, A 24, § 370a AO Rn. 9, Stand Juni 2004; Wannemacher/Meyer in Beermann, Stand Dezember 2002, § 370a AO Rn. 39 ff.; Weyand, INF 2003, 115, 117. A.A. Dorn, BuW 2002, 1024, 1030, der sogar von „Einigkeit" darin spricht, dass diese Grenzwerte nicht anwendbar seien. 366 BGH NJW 2004, 169; Cramer in Sch/Sch, § 263 StGB Rn. 188c; Tröndle / Fischer, 51. Aufl. § 263 StGB Rn. 122 wollte dies bereist ab 10 000 Euro annehmen, hat diese Ansicht aber in Tröndle / Fischer, 52. Aufl. § 263 StGB Rn. 122 aufgegeben. 367 Tröndle / Fischer, 52. Aufl., § 264 StGB Rn. 46, der dies in Tröndle / Fischer, 51. Aufl., § 261 StGB Rn. 13a auf § 370a AO übertragen will. 368 Lenckner/Perron in Schönke / Schröder, § 264 StGB Rn. 74. 369 Tröndle / Fischer, 52. Aufl. § 335 StGB Rn. 6. 370 Cramer in Sch/Sch, § 335 StGB Rn. 3.

B. Tatbestand

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Weiteren eine Ausrichtung an der für den Vermögensverlust großen Ausmaßes infolge Urkundenfälschung gem. § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB bestehenden Untergrenze von 10 000 Euro oder an den für den Vorteil großen Ausmaßes im Rahmen der Bestechung und Bestechlichkeit nach § 300 Satz 2 Nr. 1 StGB geforderten 10 000 bis 50 000 Euro. 371 Bei einer Ausrichtung an diesen Werten sei ein großes Ausmaß somit jedenfalls ab einem Betrag von 50 000 Euro anzunehmen. Begründet wird die Orientierung an diesen Beträgen auch damit, dass sie Meyer, der „Initiator" des § 370a AO a. F., als Richtlinie benutzt habe, 372 als er bereits für die Ursprungsfassung eine Mindestgrenze von 50 000 Euro 3 7 3 oder alternativ das zusätzliche Tatbestandsmerkmal „in großem Umfang" erwog und auf die Notwendigkeit hinwies, § 370a AO systematisch im Vergleich mit anderen Vorschriften des Wirtschaftsstrafrechts zu interpretieren. 374 Da niemand ernsthaft die These vertrete, dass das Steuerstrafrecht eine Art „Strafrecht minderer Güte" sei und die Steuerhinterziehung prinzipiell als „Kavaliersdelikt" eingestuft werden solle, dürfe in diesem Bereich nicht wesentlich von den Beträgen abgewichen werden, die in Delikten des allgemeinen Wirtschaftsstrafrechts vorausgesetzt werden. Eine Ausrichtung an diesen Vorschriften müsse ferner deshalb erfolgen, weil die Schaffung besonderer steuerstrafrechtlicher Definitionen für Begriffe, die auch in anderen Strafvorschriften verwendet werden, abzulehnen sei. Dass die Annahme eines großen Ausmaßes bereits ab einem Mindesthinterziehungsbetrag in Höhe von 50 000 Euro eine „massive Kriminalisierung breiter Kreise" zur Folge haben werde, sei hinzunehmen, weil eine andere Interpretation mit dem geltenden § 370a AO nicht vereinbar sei. Ändern könne dies allein der Gesetzgeber.375

bb) Quantitative Bestimmung ohne Anlehnung an Vorschriften des Kernstrafrechts Andere Autoren bestimmen das große Ausmaß zwar quantitativ, aber ohne unmittelbare Orientierung an Vorschriften des Kernstrafrechts. So hält Joecks das große Ausmaß „jedenfalls bei Verkürzungen von mehr als 500 000 Euro" für 3vi Weyand, INF 2003, 115, 117. 372 Weyand, INF 2003, 115, 117; Rüping, Bestimmtheit, S. 1 Rn. 4. Auch der SPD-Vizefraktionsvorsitzende Poß sagte, dass es im Gesetzgebungsverfahren 2001 deutlich geworden sei, dass das große Ausmaß ab einem solchen Betrag beginne, vgl. Handelsblatt v. 3. 09. 2004, S.4. 373 Dies entspricht dem Richtwert für besonders schwere Fälle eines Betrugs bzw. eines Subventionsbetrugs, vgl. BGHSt 48, 360; BGH NJW 2004, 169. Als möglichen Anhaltspunkt sehen diesen Wert WannemacherI Meyer in Beermann, Stand Dezember 2002, § 370a AO Rn. 39; dies unabhängig von der Äußerung Meyers als Untergrenze statuierend: Bittmann, wistra 2003, 161, 164. 374 Vgl. Meyer in Hund / Johnigk / Wollburg, DStR 2002, 879, 881. 375 Weyand, INF 2003, 115, 117.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

gegeben,376 an anderer Stelle hingegen fordert er einen Wert in Millionenhöhe, um einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot abzuwenden.377 Der Wert dürfe schon deshalb nicht zu niedrig sein, weil sonst ein Wertungswiderspruch zu dem Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO entstünde.378 In zwei Gerichtsentscheidungen zu § 370a AO hat das Landgericht Wuppertal, ohne Begründung, ausgeführt, dass das große Ausmaß ab einem Betrag von 250 000 Euro erfüllt sei. 379 In einem der Fälle hat es dabei - ebenfalls ohne Begründung - bei einem Hinterziehungsbetrag von 334 717 Euro einen minder schweren Fall im Sinne des § 370a Satz 2 AO angenommen.380 Langrock wiederum führt aus, dass der Hinterziehungsbetrag größer sein müsse als ein festzulegendes Vergleichsobjekt, weil in § 370a AO ein „großes" Ausmaß vorausgesetzt sei. Da ein solches in § 370a AO oder § 370 AO nicht genannt sei, kämen nur entweder die durchschnittliche Einzeltat oder, bei Zusammenfassung mehrerer Taten, die durchschnittliche Hinterziehungssumme in Betracht. So werde auch im Kernstrafrecht das Tatbestandsmerkmal des großen Ausmaßes dadurch ermittelt, dass der Umfang durchschnittlicher Fälle des entsprechenden Deliktes erheblich überschritten werden müsse, wobei diese Grenzwerte streng tatbestandsspezifisch festgelegt würden. Aus dem Verhältnis zwischen Bezugsobjekt - der Hinterziehungssumme - und Vergleichsobjekt - dem Durchschnittsbetrag - müsse sodann ein konkreter Grenzwert ermittelt werden, bei dessen Überschreiten das große Ausmaß zu bejahen sei. Schon die Festlegung des Bezugsobjekts bereite aber große Schwierigkeiten und die Ermittlung eines Vergleichsobjektes sei gänzlich unmöglich, weil zu Durchschnittswerten weder für Gesamtbeträge noch für Einzeltaten verlässliche und taugliche Daten vorlägen. 381 Langrock gelangt daher zu der Überzeugung, dass das große Ausmaß nicht bestimmt werden könne. 382 Andere Autoren hingegen halten einen Vergleich mit der durchschnittlichen Schadenshöhe von Steuerhinterziehungen für möglich und sachgerecht. 383 Dies werde zur Festlegung einer recht hohen Wertgrenze führen, was gerechtfertigt sei, 376 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 15. 377 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 17. 378 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 18. 379 LG Wuppertal, in BGH NJW 2004, 2990 ff.; vgl. dazu Jäger/Birke, PStR 2004, 204 ff.; LG Wuppertal, in BGH NJW 2005, 374. 380 LG Wuppertal, im Folgenden erging betreffs des Falles ein Beschluss des BGH (NJW 2004, 2990 ff.), welcher zur Entscheidung in der Sache zurückverwies, aber die Verfolgung gem. §§ 154a Abs. 1, 2 StPO auf § 370 AO beschränkte. 381 Langrock, wistra 2004, 241, 244 ff.; ebenso BGH NStZ 2004, 155 f.; Lang/Eichhorn/ Golombek, NStZ 2004, 528, 531, die dennoch den Durchschnittswert für einen guten Vergleichswert halten, da im Vergleich dazu das Ausmaß größer sein könne. 382 Langrock, wistra 2004, 241, 244 ff. 383 Lang!Eichhorn!Golombek, NStZ 2004, 528, 533; Senge in Erbs/Kohlhaas, A 24, § 370a AO Rn. 9, Stand Juni 2004.

B. Tatbestand

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da stets das umfangreiche Staatsvermögen geschädigt werde. 384 In ähnlicher Weise fordert Bender einen Betrag in Millionenhöhe, weil das große Ausmaß aus der Sicht des Tatopfers bestimmt werden müsse, welches im Fall der Steuerhinterziehung der Staat sei, für den ein Hinterziehungsbetrag unterhalb dieses Weites nicht groß sei. 385 cc) Orientierung an § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO bezüglich des geforderten Hinterziehungsschadens Des Weiteren wird vertreten, dass die für § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO geforderte Größenordnung des Hinterziehungsschadens von 500 000 Euro auf § 370a AO zu übertragen sei, nicht aber die bei der Auslegung des Regelbeispiels anzustellende Gesamtbetrachtung. 386 Bei einem Mindestschaden von 500 000 Euro hebe sich die Summe der hinterzogenen Steuern auffällig von den Beträgen ab, die gewöhnlich Gegenstand einer Steuerhinterziehung gem. § 370 AO seien. Senge führt, in gewissem Widerspruch zu seinen Ausführungen, dass es entgegen der Rechtsprechung zu § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO unerheblich sei, ob ein „Täuschungsgebäude großen Ausmaßes" gegeben ist, weiter aus, dass allerdings die Umstände des Einzelfalles maßgeblich seien, so dass auch niedrigere Beträge ein großes Ausmaß darstellen könnten. 387

dd) Kritik Kohlmann hält die Festsetzung einer konkreten Betragsgrenze für „ungeeignet". Sie könne dem Gesetzeswortlaut nicht entnommen werden und auch in weniger schwerwiegenden Fällen könnten sich während der langen Verjährungsfrist beträchtliche Hinterziehungsbeträge summieren. Hinzu komme, dass die Steuerfahndung zu Ermittlungsbeginn regelmäßig den größtmöglichen Steuerschaden annehme. Insbesondere der von Meyer vorgeschlagene Wert in Höhe von 50 000 Euro könne im Vergleich zu den Fällen des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO, welche trotz vielfach erhöhter Hinterziehungssummen nur als Vergehen geahndet werden, nicht überzeugen. 388 In der Vergangenheit seien mitunter Ermittlungen wegen Steuerhinterziehungen in Höhe von 50 000 Euro gem. § 153a StPO eingestellt und bei Hinterziehungen in Höhe von 150 000 Euro noch Geldstrafen verhängt worden. 389 Diese Taten nunmehr zu einem Verbrechen zu erklären, sei mehr als wertungs384 Lang/Eichhorn/ Golombek, NStZ 2004, 528, 533. 385 Bender, ZfZ 2002, 366, 367. 386 Dumke in Schwarz § 370a AO Rn. 21, Stand November 2002; Rolletschke, hinterziehung, Rn. 223. 387 Senge in Erbs / Kohlhaas, A 24, § 370a AO Rn. 9, Stand Juni 2004. 388 Kohlmann, § 370a AO Rn. 12, Stand Oktober 2002. 389 Harms, Stbg 2005, 12, 18; Henseler, AW-Praxis 2003, 97, 98.

Steuer-

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

widersprüchlich. 390 Mitunter seien nach alter Rechtslage nicht einmal Fälle mit Hinterziehungssummen von über 500 000 Euro von dem Regelbeispiel der einfachen Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO erfasst worden. 391 Eingewandt wird des Weiteren, dass die Festlegung einer konkreten Betragsgrenze in Anbetracht fließender und wandelnder Wert- und Bewertungsvorstellungen zu starr sei. 392 Eine absolute Zahl zwinge zu ständigen Veränderungen, beispielsweise bei Inflation oder Währungsumstellung. 393 Die Höhe des Hinterziehungsbetrags dürfe auch deshalb nicht allein über die Schwere der Steuerstraftat entscheiden, weil sie im Bereich der Ertragsteuern immer von den persönlichen Einkommens Verhältnissen des jeweiligen Steuerpflichtigen abhänge394 und der Umfang einer Steuerhinterziehung nicht immer im Vorhinein abgeschätzt werden könne. 395 Das große Ausmaß könne daher zahlenmäßig nicht - jedenfalls „nicht unbedingt logisch" begründbar - genau bestimmt werden. Das Überschreiten eines konkreten Betrags sei mehr oder weniger zufällig und erschwere die Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit für Ermittlungsbehörden und Rechtsberatung. 396 Hinzu komme, dass ein bestimmter Wert nur eine vermeintliche Sicherheit biete, solange die Bewertungsfaktoren nicht festgelegt seien. Beispielsweise sei offen, ob beziehungsweise inwieweit das Kompensationsverbot des § 370 Abs. 4 Satz 3 AO und abzugsfähige Vörsteuern Berücksichtigung finden. 397 Eine feste Summe sei daher „unpraktikabel". 398

b) Berücksichtigung

qualitativer

Aspekte

Nach der wohl herrschenden Ansicht 399 müssen hingegen auch qualitative Gesichtspunkte in die Bewertung einfließen, ob die in Frage stehende Steuerhinterziehung ein großes Ausmaß erlangt. Das Merkmal erschließe sich erst aus der Gesamtbetrachtung und Wechselwirkung quantitativer und qualitativer Elemente. Indes herrschen auch unter den Vertretern dieser Ansicht Meinungsverschiedenheiten über die Konkretisierung der gemeinsamen Ausgangslage.

390 Harms, Stbg 2005, 12, 18. 391 Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 41 ff., Stand Dezember 2002. 392 Lührs, BuW 2002, 711,716. 393 Vgl. Hund/Johnigk/Wollburg, DStR 2002, 879, 881. 394 Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 26, Stand Dezember 2002. 395 Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 24, Stand Dezember 2002. 396 Kemper in Dietz/Cratz/Rolletschke, § 370a AO Rn. 41 ff., Stand Dezember 2002. 397 Lührs, BuW 2002, 711, 716. 398 Hunsmann, NStZ 2005, 72, 73. 399 Hunsmann, NStZ 2005, 72, 73 Fn. 17 spricht sogar von der „weit überwiegenden Auffassung".

B. Tatbestand

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aa) Das Erfordernis „in großem Ausmaß" in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO Von den meisten Autoren wird eine Ausrichtung an der Auslegung des großen Ausmaßes in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO befürwortet. 400 Das große Ausmaß im Sinne des Regelbeispiels ist durch zwei Komponenten geprägt, nämlich die Höhe des Hinterziehungsbetrages und die besondere kriminelle Energie des Täters 4 0 1 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs existiert keine allein an der Höhe des Hinterziehungsbetrages ausgerichtete Grenze, ab deren Überschreiten das große Ausmaß gegeben ist. Maßgeblich sind sowohl das qualitative als auch das quantitative Ausmaß. 402 Das Ausmaß muss den durchschnittlichen Hinterziehungsumfang nach den Gesamtumständen deutlich übersteigen. 403 Ein großes Ausmaß wird aber auch angenommen, wenn sich die Größenordnung der Hinterziehungssumme auffällig von den gewöhnlich auftretenden Beträgen abhebt. 404 In quantitativer Hinsicht ist erforderlich, dass das Ausmaß der Steuerhinterziehung deutlich über dem durchschnittlichen Hinterziehungsumfang liegt. 405 Den Gerichtsentscheidungen kann die Tendenz entnommen werden, dass das große Ausmaß ab Beträgen von mindestens 350 000 Euro 4 0 6 bejaht werden kann. In der Literatur wird ein Betrag ab etwa 500 000 Euro gefordert. 407 Der Bundesgerichtshof hat den besonders schweren Fall gem. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO aber auch bei weit höheren Hinterziehungssummen, teilweise in mehrfacher Millionenhöhe, verneint, wobei in diesen Fällen Milderungsgründe zur Verneinung des in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO kumulativ erforderlichen groben Eigennutzes geführt hatten, 408 der in 400 Dorn, BuW 2002, 1024, 1029 f.; Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 28, Stand August 2002; Henseler, AW-Praxis 2003, 97, 98; Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1155; ders., NStZ 2005, 72, 73 f.; Müller, DStR 2002, 1641, 1643; Schiffer, PStR 2002, 167, 168; Wannemacher/Meyer in Beermann, Stand Dezember 2002, § 370a AO Rn. 40; wohl auch Sauren, ZEV 2002, 404; 405; einschränkend Fahl, ZStW 2002, 794, 812; Melchior, DStR 2002, 1329, 1331; Rolletschke, Steuerhinterziehung, Rn. 223. 401 BGH wistra 1987, 71, 72; BGH wistra 1993, 109, 110; vgl. dazu auch ScheurmannKettner, NWB Fach 2, 2002, S. 7963, 7965. 402 BGH wistra 1993, 109, 110; Burchert, INF 2002, 532, 534. 403 Joecks in FGJ, § 370 AO Rn. 270; Kohlmann, § 370 AO Rn. 330, Stand November 2004. 404 Kohlmann, § 370 AO Rn. 330, Stand Nov. 2004; Senge in Erbs / Kohlhaas, A 24, § 370 AO Rn. 88, Stand Juni 2004. 405 BGH wistra 1993, 109, 110; Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 28, Stand August 2002; Joecks in FGJ, § 370 AO Rn. 270; Kohlmann, § 370 AO Rn. 330, Stand November 2004. 406 BGH wistra 1987,71,72. 407 Vgl. Joecks in FGJ, 5. Aufl. 2001, § 370 Rn. 270; Kohlmann, Rn. 330, Stand November 2004; Stahl, Selbstanzeige, Rn. 368. 408 BGH wistra 1985, 228: 5 869 380 DM; nicht entschieden wurde das Vorliegen des großen Ausmaßes bei einer Umsatzsteuerhinterziehung in Höhe von etwa 1,5 Mio. DM, vgl. BGH wistra 1994, 228, 230; weitere Nachweise bei Kohlmann, § 370 AO Rn. 330, Stand November 2004.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

einer Gesamtschau mit dem großen Ausmaß zu ermitteln ist und für den der Umfang der Steuerhinterziehung indiziell von Belang sein kann. 409 In qualitativer Hinsicht ist das Ausmaß der vom Täter vorgenommenen Manipulationen, beispielsweise ein „Täuschungsgebäude großen Ausmaßes" zu berücksichtigen. 410 Der Täter muss systematisch vorgehen und einen erheblichen logistischen, apparativen und personellen Aufwand betreiben, 411 muss also Bemühungen auf sich nehmen, die die gewöhnlichen Aktivitäten eines Steuerhinterziehers außerordentlich übersteigen. So wurde das Regelbeispiel bei einer Umsatzsteuerhinterziehung mit einem Gesamtvolumen von 350 000 Euro bejaht, bei der eine Vielzahl von Scheinfirmen gegründet worden waren. 412 Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das große Ausmaß bei § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO sowohl durch eine qualitative als auch durch eine quantitative Komponente geprägt ist - das Entfalten besonderer krimineller Energie und die Höhe der Hinterziehungssumme. 413 bb) Übertragung auf § 370a AO Die Übertragung dessen, was für § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO gilt, auf § 370a AO ist laut Hunsmann schon deswegen sachgerecht, weil die „systematische Affinität" beider Vorschriften dadurch indiziert werde, dass die FDP-Fraktion während des Gesetzgebungsverfahrens die Ausgestaltung der gewerbs- und bandenmäßigen Steuerhinterziehung als weiteres Regelbeispiel favorisiert habe. 414 Der Vorschlag der FDP-Fraktion zeige, dass sich der Gesetzgeber sichtlich an den Regelbeispielen des § 370 Abs. 3 AO orientiert habe. Neben diesen historischen und systematischen Gründen sprächen auch teleologische Erwägungen für eine entsprechende Ausrichtung. 415 Es sei folglich im Rahmen des § 370a AO ebenfalls eine Gesamtbetrachtung aller Tatumstände anzustellen.416 Die starre Maßgeblichkeit einer absoluten betragsmäßigen Untergrenze verbiete sich, auch wenn die Höhe des Hinterziehungsbetrages ein bedeutender Anhaltspunkt sei. Je größer die Hinterziehungssumme, desto geringer seien die qualitativen Anforderungen an das Täuschungsgebäude.4 1 7 409 BGH wistra 1993, 109; BGH wistra 1994, 228, 230; Kohlmann, § 370 AO Rn. 330, November 2004; Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 17. 410 BGH wistra 1987,71,72. 4

11 Lammerding / Hackenbroch, S. 113. 412 BGH wistra 1987,71,72. 413 Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1155. 414 Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1155 unter Hinweis auf BT-Drucks. 14/8887, 24; ders., NStZ 2005, 72, 73. 415 Hunsmann, NStZ 2005, 72, 73. 416 Hunsmann, NStZ 2005, 72, 74; Müller, DStR 2002, 1641, 1643; Schiffer, PStR 2002, 167, 168. 417 Hunsmann, NStZ 2005, 72, 74.

B. Tatbestand

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Während einige Autoren den bei § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO geforderten Mindestbetrag von 300 000 bis 500 000 Euro, der bei einem qualitativ großen Ausmaß noch weiter herabgesenkt werden könne, übernehmen wollen, 418 hält es die überwiegende Meinung für erforderlich, dass bei § 370a AO eine Größenordnung von mindestens 500 000 Euro erst recht erreicht werde, da nur dies den qualitativen Unterschied zwischen dem Vergehen des § 370 AO und dem Verbrechen des § 370a AO legitimieren könne. 419 Dabei soll für die Beurteilung, ob das Ausmaß eine ausreichende Größe erreicht hat, auf seine objektive Bedeutung abgestellt werden, nicht auf die Situation des Täters. 420 Bei einer solchen Größenordnung sei der Ausschluss von Bagatellfällen sowie des Großteils „einfacher" Steuerhinterziehungen gewährleistet. 421 In Anbetracht der Entstehungsgeschichte des § 370a AO sei das erforderliche „Täuschungsgebäude großen Ausmaßes" namentlich dann gegeben, wenn der Täter ein Betrugssystem aufgebaut hat, welches qualitativ den Umsatzsteuerkarussellen gleichkommt, etwa bei einem besonderen Aufwand erfordernden durchkonstruierten Netz von Scheinfirmen. 422 Rüping weist jedoch darauf hin, dass das Gesetz bei § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO kumulativ auf „groben Eigennutz" des Täters abstellt und dadurch eine reine Orientierung am Taterfolg relativiere. Außerdem handele es sich dort bei dem großen Ausmaß lediglich um ein Indiz im Rahmen der Strafzumessung. 423 Eine unmittelbare Übertragung der zu § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO ergangenen Rechtsprechung dürfe deshalb nicht erfolgen. 424 cc) Verdoppelung der Beträge Teilweise wird vertreten, dass zwar grundsätzlich eine Ausrichtung an dem Regelbeispiel erfolgen soll, jedoch berücksichtigt werden müsse, dass die für § 370a AO relevante Hinterziehungssumme schon wegen der - im Vergleich zu § 370 Abs. 3 AO - doppelt so langen Verjährungsfrist weit höher sein könne. Die für § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO geltenden quantitativen Maßstäbe müssten daher 418 Hild/Hild, S. 60. 419 Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 28, Stand August 2002; Rüping, FS Kohlmann, 499, 508; Wannemacher / Meyer in Beermann, § 370a AO Rn. 42, Stand Dezember 2002. 420 Rüping, DStR 2002, 1417, 1418, ders., FS Kohlmann, 499, 508; Wannemacher/Meyer in Beermann § 370a AO Rn. 44, Stand Dezember 2002. 421 Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1156; Rüping, FS Kohlmann, 499, 508. 422 Fahl, ZStW 2002, 794, 813; Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 28, Stand August 2002; Hunsmann, NStZ 2005, 72, 74. 423 Schiffer, PStR 2002, 167 stuft § 370 Abs. 3 AO - verfehlt - als „Qualifizierung" des § 370 AO ein. 424 Rüping, DStR 2002, 1417, 1418; ders., FS Kohlmann, 499, 508; ders., Bestimmtheit, S. 3, spricht sogar von einer diesbezüglich bestehenden Einigkeit; WannemacherIMeyer in Beermann, § 370a AO Rn. 40, Stand Dezember 2002; a. A: Fahl, ZStW 2002, 794, 812.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

mindestens verdoppelt werden. Zudem sei für § 370a AO quantitativ ein deutlich größeres Ausmaß deswegen erforderlich, weil der Unrechtsgehalt des Verbrechenstatbestandes gegenüber dem des Vergehens wesentlich erhöht sein müsse und eine schuldangemessene Abstufung zu erfolgen habe. Eine klare Abgrenzung sei auch wegen der im Rahmen des § 370a AO lediglich strafmildernd wirkenden Selbstanzeige erforderlich. Aus diesen Aspekten folge, dass das große Ausmaß im Rahmen des § 370a AO einen Mindesthinterziehungsbetrag von einer Million Euro voraussetze. 425 Dieser Quantitätssprung verbürge die ausreichende Legitimation für den Qualitätssprung zum Verbrechen 426 und genüge den vom Bundesverfassungsgericht statuierten Anforderungen, dass der Gesetzgeber bei der Bestimmung der Strafandrohung den Erfordernissen der Bestimmtheit und Rechtssicherheit zu entsprechen habe. Die ausreichende Bestimmtheit werde gerade durch eine unterschiedliche Interpretation des Begriffs „in großem Ausmaß" in § 370a und § 370 Abs. 3 AO gewährleistet. 427 Rolletschke hingegen hält die Verdoppelung der geforderten Hinterziehungssumme in Anlehung an Salditts Drei-Stufen-Modell für möglich, lehnt sie aber letztlich doch ab. Denn die Dreistufigkeit müsse sich nicht allein in der Höhe des Hinterziehungsbetrages niederschlagen, da § 370a AO zusätzlich die qualifizierenden Erfordernisse der Gewerbs- oder Bandenmäßigkeit enthalte. 428 dd) Entsprechende Lösung losgelöst von § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO Zu ähnlichen Ergebnissen wie die herrschende Meinung gelangt Kohlmann, allerdings ohne Orientierung an § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO, sondern im Wege der teleologischen Auslegung. 429 Das Merkmal „in großem Ausmaß" sei nicht schlicht aus § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO übernommen, da es dort in Verbindung mit dem groben Eigennutz zu sehen sei. Zumal die rein zahlenmäßige Bestimmung des Begriffs nicht überzeuge, müsse auch im Rahmen des § 370a AO eine Gesamtwertung erfolgen, wobei für § 370a AO keine geringeren Anforderungen gelten dürften als für das Regelbeispiel des Vergehens. 430 Entsprechend dem Normzweck, 425 Burchert, INF 2002, 532, 534 f.; Stahl, KÖSDI 2002, 13390, 13391; ders., Selbstanzeige, Rn. 369 ff.; zustimmend Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1155; ders., NStZ 2005, 72, 74; Sauren, ZEV 2002, 404, 405; ähnlich Rüping, FS Kohlmann, 499, 508. Auch Pestke/Motte, Stbg 2002, 493, 496 halten diesen Ansatz für möglich. 426 Hunsmann, NStZ 2005, 72, 74. Heerspink, AO-StB 2002, 426 f. befürwortet dieses Ergebnis aufgrund des Stufenverhältnisses der § 370 Abs. 1, 3, § 370a AO und mit der notwendigen Kompensation des fehlenden Erfordernisses „aus grobem Eigennutz" in § 370a AO gegenüber dem auf niedrigerer Stufe stehendem § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO. 427 Burchert, INF 2002, 532, 535. 428 Rolletschke, Steuerhinterziehung, Rn. 332; ders., DStZ 2004, 763, 765. 429 Kohlmann, § 370a AO Rn. 13, Stand Oktober 2002. 430 Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 41 ff., Stand Dezember 2002.

B. Tatbestand

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die Organisierte Kriminalität zu bekämpfen, würden nur systematisch begangene Steuerhinterziehungen erfasst, also solche, die einen außerordentlichen Aufwand bei Planung und Ausführung sowie exzeptionelle Tatgewinne aufwiesen. Erfüllt seien diese Anforderungen beispielsweise in Fällen systematischer Lohn- und Umsatzsteuerhinterziehung erheblichen Ausmaßes mit Hilfe von Abdeckrechnungen inexistenter Subunternehmer in der Baubranche oder bei Zoll- und Verbrauchsteuerdelikten in bedeutender Größenordnung. 431 ee) Kritik Eine Übertragung der zu § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO ergangenen Rechtsprechung hält Harms schon deswegen für unmöglich, weil dort immer gleichzeitig das Merkmal „aus grobem Eigennutz" erfüllt sein müsse, wobei das Vorliegen von grobem Eigennutz und großem Ausmaß durch eine Gesamtwürdigung aller Umstände festzustellen sei. 432 Infolge dieser einzelfallabhängigen Bestimmung existierten keine ausreichend verlässlichen Auslegungskriterien. Bereits für das Regelbeispiel als bloße Strafzumessungsregel, für die der Bestimmtheitsgrundsatz nur in abgeschwächter Form gelte, sei die ausreichende Bestimmtheit problematisch. 433 Für das Tatbestandsmerkmal werde bei einer derartigen Interpretation der Bestimmtheitsgrundsatz verletzt, so dass diese Auslegung unzulässig sei. 434

c) Stellungnahme Das Merkmal „in großem Ausmaß" ist grundsätzlich streng tatbestandsspezifisch auszulegen.435 Nach herrschender Meinung hat seine Bestimmung objektiv und nicht individuell aus der Sicht des Tatopfers zu erfolgen. 436 Wenn man im Rahmen des § 370a AO dennoch eine individuell opferbezogene Sicht anwenden sollte, wäre es, da Tatopfer der Steuerhinterziehung der Staat ist, zweifelhaft, ab wann für diesen ein großes Ausmaß anzunehmen wäre. In Anbetracht der in der 431 Kohlmann, § 370a AO Rn. 13, Stand Oktober 2002. 432 Harms, FS Kohlmann, 413, 425; Kohlmann, § 370 AO Rn. 330, Stand November 2004; Tröndle /Fischer, 52. Aufl., § 46 Rn. 88 ff. m. w. N. 433 Für eine Verletzung: Schmitz in MüKo § 1 StGB Rn. 44. 434 Park, wistra 2002, 328, 330 f.; ebenso Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 17; Rolletschke, DStZ 2004, 763, 765. 435 BT-Drucks. 13/5584, S. 15; Lang/Eichhorn/Golombek, NStZ 2004, 528, 533; Schaupensteiner, Kriminalistik 1997, 699, 702; Tröndle / Fischer, 52. Aufl., § 263 StGB Rn. 122, § 300 StGB Rn. 4; Wolters, JuS 1998, 1100, 1103; einschränkend BGH NStZ 2004, 155, 156. 436 BGH NStZ 2004, 155, 156; Cramer in Sch/Sch, § 263 StGB Rn. 188.c; Kuhlen in NK, § 335 StGB Rn. 3, Stand November 2001; Lang/Eichhorn/Golombek, NStZ 2004, 528, 531; Rudolphi/Stein in SK StGB, § 335 Rn. 2, Stand September 2003; Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 263 StGB Rn. 122, § 335 StGB Rn. 5; a. A. Cramer in Sch/Sch, § 335 StGB Rn. 3. 8 Schneider

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

Politik „jonglierten" Beträge in mehrstelliger Milliardenhöhe 437 erscheint die Schlussfolgerung Benders, ein großes Ausmaß bereits in Millionenhöhe beginnen zu lassen, nicht zwingend. Jedenfalls könnte aber bei einem solchen Ausgangspunkt geschlossen werden, dass Beträge in erheblicher Höhe vorauszusetzen sind und schon aus diesem Grund eine Orientierung an Vorschriften des Kernstrafrechts, in welchen die Grenzwerte relativ niedrig angesetzt werden, nicht überzeugt. Von dem Grundsatz der streng tatbestandsspezifischen Auslegung des Merkmals erwog der Bundesgerichtshof in einer jüngeren Entscheidung eine Ausnahme dergestalt, dass innerhalb bestimmter Deliktsabschnitte oder Deliktsgruppen eine einheitliche Grenzziehung zulässig sei. 438 Nach dieser Ausnahme liegt hinsichtlich § 370a AO eine Ausrichtung an dem im selben Deliktsabschnitt verorteten § 370 AO nahe, nicht aber an Regelungen des Kernstrafrechts. Dafür spricht auch, dass die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung dem Grundtatbestand der Steuerhinterziehung weit näher steht als den angeführten Vorschriften des Strafgesetzbuchs. Vor diesem Hintergrund und der Interpretation des großen Ausmaßes in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO, wo Beträge ab etwa 350 000 Euro erforderlich sind, erscheint die Feststellung Weyands, dass allein die Festlegung des großen Ausmaßes auf einen Mindestbetrag von 50 000 Euro mit der geltenden Gesetzeslage in Einklang gebracht werden könne, 439 schlicht falsch. Warum Weyand mit seiner Auslegung bewusst eine massive Kriminalisierung breiter Kreise sowie extreme WertungsWidersprüche zu der bisherigen Praxis in Kauf nimmt, nach der bei derartigen Hinterziehungsbeträgen die Verfahren mitunter noch eingestellt wurden, ohne dass er eine Orientierung an dem höhere Anforderungen stellenden § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO auch nur erwägt, ist unverständlich. So wurden selbst bei „Bankenfällen" in den letzten Jahren teilweise Steuern von insgesamt mehr als einer Million Euro hinterzogen. 440 Ob diese Fälle den Unrechtsgehalt eines Verbrechens aufweisen, ist zumindest zweifelhaft. 441 Es kann nicht überzeugen, für das Verbrechen der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung einen Mindestbetrag von 50 000 Euro festzulegen, während für das Vergehen des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO das Zehnfache gefordert wird. Generell erscheint die Festlegung einer absoluten Grenze zur Charakterisierung der Schwere einer Straftat zweifelhaft. 442 Ein Unterschied im Hinterziehungs437

Vgl. nur die Neuverschuldung des Bundes im Jahr 2004 in Höhe von circa 43 Milliarden Euro; siehe etwa http: // www.gmx.net/ de / themen / nachrichten / deutschland / finanzen / 480710.html. 438 BGH NStZ 2004, 155, 156; mit Anm. Lang/Eichhorn/Golombek, NStZ 2004, 528, 532. 439 Weyand, INF 2003, 115, 117. 440 Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 24, Stand Dezember 2002. 441 So auch Rolletschke, Steuerhinterziehung, Rn. 224. 442 Vgl. dazu die Kritik an dem Vorschlag Meyers in Hund / Johnigk / Wollburg, DStR 2002, 879, 881.

B. Tatbestand

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betrag in Höhe von einem Euro könnte ansonsten darüber entscheiden, ob eine Bestrafung nach dem Verbrechenstatbestand des § 370a AO oder lediglich nach dem Vergehen des § 370 AO zu erfolgen hat. Abgesehen von den Unterschieden im Strafrahmen der Vorschriften wäre eine solche Differenzierung namentlich in Anbetracht der an die Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen anknüpfenden schwerwiegenden prozessualen Folgen 443 willkürlich. Für den Tatbestand der Steuerhinterziehung gilt dies umso mehr, als - wie Kemper zutreffend kritisierte - das Überschreiten einer bestimmten Hinterziehungsgrenze in dem großen Bereich der Ertragsteuern maßgeblich von dem für den Täter geltenden Steuersatz und somit von den Einkommensverhältnissen des Einzelnen abhängt. Bei Geltung einer bestimmten Wertgrenze könnte einer von zwei Tätern nach § 370 AO, der andere hingegen nach § 370a AO bestraft werden, obwohl sie Einkommensteuer in der gleichen Vorgehensweise hinterzogen haben und nur deswegen ein unterschiedlicher Hinterziehungsbetrag gegeben ist, weil die Täter unterschiedlich hohen Steuersätzen unterliegen. Eine derartige Bestrafung erscheint trotz des größeren Taterfolgs willkürlich. Möglicherweise ist dies ein Umstand des Einzelfalles, den Senge trotz der seiner Meinung nach alleinigen Maßgeblichkeit der Höhe des Steuerschadens und der Unbedeutsamkeit eines „Täuschungsgebäudes großen Ausmaßes" berücksichtigen w i l l . 4 4 4 Letztlich bleibt dies in seinen Ausführungen jedoch offen und ist zweifelhaft, wo die Grenze zwischen Gesamtbetrachtung und Einbeziehung einiger (welcher?) Umstände des Einzelfalls verlaufen soll. Aus dem gleichen Grund, warum eine absolute Grenze nicht sachgerecht ist, ist richtigerweise auf die objektive Bedeutung des Ausmaßes und nicht auf die Situation des Täters abzustellen. Zwei Täter, die gleich vorgehen und sogar den gleichen Schaden anrichten, dürfen nicht unterschiedlich bestraft werden, nur weil der eine reicher, der andere ärmer ist, so dass für letzteren der Hinterziehungsbetrag bedeutsamer ist. Insbesondere bei der bandenmäßigen Begehung wäre eine unterschiedliche Bestrafung zweier Bandenmitglieder, die bei der Tatbegehung ohne Ausnahme zusammengearbeitet haben, allein aufgrund ihrer differierenden Vermögenssituation, mit dem allgemeinen Gerechtigkeitsgefühl nicht zu vereinbaren und auch unter rechtlichen Gesichtspunkten nicht überzeugend. Eine derartige Ausrichtung würde im Endeffekt Armut bestrafen. Ferner würde eine Orientierung an der Situation des Täters zu Rechtsunsicherheit führen, 445 da fraglich wäre, in welchem Verhältnis der Hinterziehungsbetrag zum Tätervermögen stehen muss, um ein großes Ausmaß zu bejahen, und zudem eine Bestimmung der Höhe des Tätervermögens notwendig wäre, was wiederum erhebliche Schwierigkeiten bereiten kann. 443 Vgl. dazu unten, 4. Teil, C. 444 Senge in Erbs / Kohlhaas, § 370a AO A24, Rn. 9, Stand Juni 2004, vgl. dazu 2. Teil, B.III. La) cc). 445 Ebenso BGH NStZ 2004, 155, 156 bezüglich § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB; Lang/ Eichhorn/GolombeJc, NStZ 2004, 528, 533. 8:

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

Überzeugend ist danach allein die Anlehnung an die Interpretation des großen Ausmaßes in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO, da beide Vorschriften in einem engen systematischen und sachlichen Zusammenhang stehen. Zwar kann die „systematische Affinität" nicht allein unter Hinweis auf den Vorschlag der FDP-Fraktion im Gesetzgebungsverfahren bejaht werden. Der Antrag zeigt, dass sich die FDP-Fraktion an den Regelbeispielen orientierte. Da er aber gerade nicht von der Mehrheit des Bundestages angenommen wurde, erscheint es fraglich, ob von dem Antrag einer Fraktion auf den Willen des Gesetzgebers geschlossen werden kann. Dies umso mehr, als Meyer, „spiritus rector" der Vorschrift nach Erlass des § 370a AO a. F. darlegte, er habe im Gesetzgebungsverfahren eine Mindestgrenze von 50 000 Euro befürwortet. 446 Ungeachtet dessen ist es richtig, dass eine enge Verbindung zwischen § 370a AO und § 370 Abs. 3 AO besteht. Dies verdeutlicht schon die Bezugnahme des § 370a AO auf § 370 AO, also auch auf dessen Abs. 3. Warum sich das Merkmal „Ausmaß" - wie Langrock meint - schon begrifflich nur auf ein bestimmtes Bezugsobjekt beziehen könne, welches im Rahmen des § 370a AO nur der quantitative Taterfolg der Steuerhinterziehung sein könne, ist nicht ersichtlich. Dann müsste diese Begrifflichkeit auch im Rahmen des § 370 Abs. 3 AO beachtet werden, wo jedoch weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass auch das qualitative Ausmaß entscheidet. Dass § 370a AO keinen groben Eigennutz voraussetzt, schließt nicht aus, trotzdem, wie in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO, sowohl auf das quantitative als auch das qualitative Ausmaß abzustellen. Zwar kann eine Steuerhinterziehung großen Ausmaßes in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO grob eigennütziges Verhalten indizieren, 447 jedoch handelt es sich ungeachtet dessen um zwei verschiedene Merkmale, wobei der grobe Eigennutz eine subjektive, das große Ausmaß eine objektive Voraussetzung darstellt. 448 Zudem zeigen die unterschiedlichen Definitionen beider Erfordernisse, 449 dass eine getrennte Betrachtung des großen Ausmaßes ungeachtet der im Rahmen des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO anzustellenden Gesamtbetrachtung 450 möglich bleibt. 451 Durch die Berücksichtigung der Hinterziehungssumme sowie weiterer erschwerender Gesichtspunkte wird gewährleistet, dass die „einfache" Steuerhinterziehung ohne Bezug zur Organisierten Kriminalität aus dem Anwendungsbereich der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung herausfällt und somit eine schuldangemessene Bestrafung erfolgt. 452 Zwar kann der Anwendungsbereich 446 Meyer in Hund/Johnigk/Wollburg, DStR 2002, 879, 881. 447 Kohlmann, § 370 Rn. 330, Stand November 2004. 448 Joecks in FGJ, § 370 AO Rn. 268. 449 Grob eigennützig handelt, wer sich bei seinem Verhalten von dem Streben nach eigenem Vorteil in besonders anstößigem Maße leiten lässt, vgl. BGH wistra 1985, 228; Joecks in FGJ, § 370 AO Rn. 269; Kohlmann, § 370 AO Rn. 330, Stand November 2004. 450 BGH wistra 1994, 228, 230; Kohlmann, § 370 AO Rn. 330, Stand November 2004. 451 So auch BGH wistra 1985, 228, wo das große Ausmaß bejaht, der grobe Eigennutz hingegen verneint wurde. 452 Ebenso Müller, DStR 2002, 1641, 1643.

B. Tatbestand

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des § 370a AO nicht von vornherein auf Fälle Organisierter Kriminalität beschränkt werden, zumal deren Definition bislang noch nicht überzeugend gelungen ist. 4 5 3 Jedoch müssen ausreichend hohe qualitative und quantitative Voraussetzungen sicherstellen, dass lediglich entsprechend schwerwiegende Fälle erfasst werden. Auch wenn Inflation oder Währungsumstellung in Deutschland in den letzten Jahren gering waren beziehungsweise selten vorkamen, sind jedenfalls wandelnde Wert- und Bewertungsvorstellungen ein weiteres Problem unnachgiebiger Betragsgrenzen, da sie zu regelmäßigen Änderungen einer absoluten Zahl zwingen würden. Erforderlich ist somit, dass sich sowohl das qualitative als auch das quantitative Ausmaß der Steuerhinterziehung von den durchschnittlichen Fällen des Grundtatbestandes, auch von dessen Regelbeispielen, erheblich abhebt. 454 Die qualitative und die quantitative Komponente stehen aber in einer Wechselwirkung, so dass eine besonders hohe Hinterziehungssumme ein qualitativ geringeres Ausmaß ausgleichen kann und umgekehrt. In qualitativer Hinsicht ist die bereits beschriebene erhöhte kriminelle Energie erforderlich, die sich beispielsweise in einem „Täuschungsgebäude großen Ausmaßes" äußern kann. Fraglich ist, welcher Hinterziehungsbetrag grundsätzlich vorauszusetzen ist. Um wirklich nur die erhöht strafwürdigen Fälle zu erfassen und damit auch den qualitativen Unterschied zwischen dem Vergehen des § 370 AO und dem Verbrechen des § 370a AO zu legitimieren, muss - mit der richtigen, wohl herrschenden Meinung 455 - für § 370a AO die in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO vorausgesetzte Größenordnung erst recht erreicht werden. Eine Verdoppelung dieses Mindestbetrags hat allerdings nicht zu erfolgen. Denn die für § 370a AO gem. § 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB gegenüber der für § 370 AO gem. § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB doppelt so langen Verjährungsfrist 456 ist nur dann relevant, wenn mehrere Steuerhinterziehungen begangen wurden, deren Hinterziehungsbeträge sodann addiert werden, so dass sich die Summen über einen gegenüber § 370 AO doppelt so langen Zeitraum häufen können. Es wird jedoch noch aufgezeigt werden, dass auf Tatbestandsebene 453 Vgl. dazu 2.Teil, A. III. 2. 454 Vgl. für das allgemeine Strafrecht Heine in Sch/Sch, § 300 StGB Rn. 4; Tröndle/ Fischen 52. Aufl., § 300 StGB Rn. 4; a. A. BGH NStZ 2004, 155 f. mit Anm. Lang/Eichhorn / Golombek, NStZ 2004, 528 ff. sowie für das Steuerstrafrecht Joecks in FGJ, § 370 AO Rn. 270; Kohlmann, § 370 AO Rn. 330, Stand November 2004. 455 Vgl. WannemacherIMeyer in Beermann, § 370a AO Rn. 42, Stand Dezember 2002; Rüping, FS Kohlmann, 499, 508; Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 28, Stand August 2002. 456 Diese gilt gem. § 78 Abs. 4 StGB auch für den minder schweren Fall (§ 370a Satz 2 AO). Die Verjährungsfrist beginnt gem. § 78a Satz 1 StGB i.V. m. § 369 Abs. 2 AO mit der materiellen Beendigung der Tat, dem Zeitpunkt, in dem die auf Tatbegehung gerichtete Tätigkeit endgültig abgeschlossen ist, vgl. BGH wistra 2004, 228, 229; Stree / Sternberg-Lieben in Sch/Sch, § 78a StGB Rn. 1. Die Frage, wann dies bei den einzelnen Fällen der Steuerhinterziehung gegeben ist, wird teilweise kontrovers beurteilt. Strittig ist insbesondere die Beendigung im Fall der Hinterziehung von Veranlagungsteuern durch Unterlassen gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO. Vgl. zum Ganzen Rolletschke, Steuerhinterziehung, Rn. 287 ff.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

im Rahmen der Auslegung des Merkmals „in großem Ausmaß" einzig ein Abstellen auf die Einzeltat überzeugen kann. Daher spielt die Länge der Verjährungsfrist insoweit - aufgrund der Aufgabe der fortgesetzten Handlung 457 - keine Rolle. Überdies erfordert der Grundsatz der Bestimmtheit, dass der bereits recht unbestimmte Begriff wenigstens dann einheitlich definiert wird, wenn bereits im Ansatz die für die Auslegung des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO geltende qualitative und quantitative Bestimmung übernommen wird. Zwar ist es in der Tat ein bedeutender Gesichtspunkt, dass es sich bei § 370a AO um ein Verbrechen, bei § 370 Abs. 3 AO hingegen nur um ein Vergehen handelt, deren Unrechtsgehalt abgestuft sein muss. Jedoch war mit der Einführung des § 370a AO eine Verschärfung der Strafrechtslage beabsichtigt458 und durch das Abstellen auf die Einzeltat sowie das Erfordernis eines „Täuschungsgebäudes großen Ausmaßes" wird die Schuldangemessenheit der Strafe gewahrt. Dies verdeutlichen auch die Beispiele. Würde etwa selbst in dem Fall des Autohandeis {Fall 4),459 in dem die Hinterziehungssumme monatlich circa 800 000 Euro betrug, der Verbrechenstatbestand nicht zur Anwendung kommen, würde er so selten angewandt, dass er praktisch leer laufen würde. Das Erfordernis der Gewerbsmäßigkeit zwar weniger, jedoch die Bandenmäßigkeit stellt für § 370a AO auch unrechtserhöhende Voraussetzungen auf, die für das Regelbeispiel nicht gelten. Minder schweren Fällen des Verbrechens kann durch Anwendung des § 370a Satz 2 AO Rechnung getragen werden. Zur Legitimierung des Unterschieds zwischen Verbrechen und Vergehen das Erfordernis genau des doppelten quantitativen Ausmaßes aufzustellen, wäre hingegen willkürlich. Denn dieser Betrag könnte allein durch die doppelt so lange Verjährungsfrist begründet werden, welcher allerdings nach dem hier vertretenen Abstellen auf die Einzeltat keine Bedeutung zukommt. Da jedoch für das Verbrechen des § 370a AO die für den besonders schweren Fall des Vergehens erforderlichen Mindestbeträge erst recht erreicht werden müssen, ist für § 370a AO der in der Literatur für § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO vorausgesetzte Betrag in Höhe von 500 000 Euro im Rahmen der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung als Untergrenze anzusetzen, nicht bereits die teilweise in den Gerichtsentscheidungen für ausreichend erachtete Summe von 350 000 Euro. Es bleibt somit dabei, dass für die Auslegung des Merkmals „in großem Ausmaß" auf die Auslegung der gleichen Vorausetzung in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO zurückzugreifen ist. Der im Rahmen des Regelbeispiels vielfach geforderte Mindesthinterziehungsbetrag von 500 000 Euro stellt auch für § 370a AO die Untergrenze dar. Darüber hinausgehende Einschränkungen werden in ausreichender Weise durch die in qualitativer Hinsicht erforderliche, besonders hohe kriminelle Energie sichergestellt. 457 BGHSt 40, 138 ff.; übernommen für die Steuerhinterziehung in BGH wistra 1994, 266. 458 Vgl. Meyer in Hund/Johnigk/Wollburg, DStR 2002, 879, 880 f. 459 Vgl. 2. Teil, B. I. 2.

B. Tatbestand

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2. Großes Ausmaß der einzelnen Steuerhinterziehung oder Gesamtumfang mehrerer Taten Ungeklärt ist weiterhin, ob für das große Ausmaß auf die einzelne Steuerhinterziehung abzustellen ist oder die Hinterziehungsbeträge verschiedener Taten zu addieren sind. Eine Zusammenrechnung ist in mehreren Fällen denkbar. Vertreten wird eine Kumulierung in Konstellationen, in denen der Täter mehrere verschiedene gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehungen durch unterschiedliche Tathandlungen begangen hat, dass verschiedene Steuerarten durch dieselbe Handlung hinterzogen wurden sowie eine personale Kumulierung, bei der die Hinterziehungsbeträge aller von Bandenmitgliedern begangener Taten zusammengerechnet werden. Am umstrittensten ist der erstgenannte Fall der Begehung mehrerer gewerbs- oder bandenmäßiger Steuerhinterziehungen durch verschiedene Tathandlungen, der daher zunächst erörtert werden soll.

a) Differenzierung

nach dem Konkurrenzverhältnis

Vogelberg unterscheidet nach dem Konkurrenzverhältnis. Bei Tateinheit im Sinne des § 52 StGB und Tatidentität gem. § 264 StPO solle immer der Gesamtumfang aller Taten maßgeblich sein. 460 Fraglich sei allein, was bei Tatmehrheit gelte. Würde hier auf die Einzeltat abgestellt, könne die Erfüllung des § 370a AO von Zufälligkeiten abhängen, was Vögelberg an folgenden Beispielen verdeutlicht: Gibt der Steuerpflichtige Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuererklärungen mit identischen Fehlern zum selben Zeitpunkt ab, handelt es sich um Tateinheit 461 und damit auch Tatidentität. Demgegenüber sind materiell-rechtlich und prozessual selbstständige Taten gegeben, wenn die Erklärungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten abgegeben werden. 462 Ebenso verhält es sich, wenn der Steuerpflichtige mehrere Erklärungen gar nicht abgibt, da der Entschluss, keine der Erklärungen einzureichen, 463 ebenso wenig wie eine falsche Buchführung 464 zu Tateinheit führen kann. Derartige Zufälligkeiten dürfen laut Vogelberg aber nicht über die Strafbarkeit entscheiden.465 Daher ist seiner Meinung nach darauf abzustellen, ob ein Fehler, 460 Vogelberg, PStR 2002, 227, 229; so auch Stahl, Selbstanzeige, Rn. 368, der allerdings zudem eine Beschränkung auf jede Steuerart fordert. 461 BGHSt 33, 163; BGH wistra 1996, 62 m. w. N.; BGH NJW 2005, 374, 375. 462 BGHSt 33, 163; BGH NJW 2005, 374, 375. 463 BGH wistra 1985, 66; BGH NJW 1985, 1719; BayObLG wistra 1992, 314; BGH NJW 2005, 374. 464 BGH StRK § 370 AO R. 237. 465 Vogelberg, PStR 2002, 227, 229 f., so auch Hunsmann, NStZ 2005, 72, 74; Wannemacher/Meyer in Beermann, § 370a AO Rn. 43, Stand Dezember 2002.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

wie beispielsweise die Nichtbuchung einer Einnahme, der in mehreren Erklärungen relevant ist, eine Hinterziehung großen Ausmaßes zur Folge hat. 4 6 6 b) Maßgeblichkeit des Gesamtumfangs aller gewerbs- oder bandenmäßiger Steuerhinterziehungen Andere Autoren schlussfolgern hingegen aus den durch die Beispiele Vogelbergs verdeutlichten Zufälligkeiten, dass immer der Gesamtumfang sämtlicher gewerbsoder bandenmäßig begangener Steuerhinterziehungen maßgeblich sei. Auf die Identität des Fehlers stellen diese Stimmen nicht ab. 4 6 7 Dafür spreche auch, dass die gewerbs- und die bandenmäßige Begehungsweise auf eine mehrfache Tatbegehung angelegt seien. Da das gewerbs- oder bandenmäßige Handeln auf das Verständnis des großen Ausmaßes ausstrahle, entfalte die Begehungsweise eine „Klammerwirkung 4' aufgrund derer die einzelnen Taten verbunden würden. Die Zusammenfassung der einzelnen Hinterziehungsbeträge entspreche somit dem Wesen der Vorschrift. 468 Zwar sei nach dem Wortlaut des § 370a AO nur der Hinterziehungsbetrag der konkreten Tat entscheidend und nicht, ob das Handeln des Täters außerhalb der zu beurteilenden Tat Steuerschäden in großem Ausmaß hervorgebracht hat. Jedoch zeige die Entstehungsgeschichte, dass vorrangig die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität angestrebt worden sei und das Erfordernis des großen Ausmaßes nur die Erfassung von Bagatellfällen verhindern solle, nicht hingegen von Fällen, in denen ein hoher Schaden erst durch verschiedene Taten verursacht wurde. Das Merkmal sei lediglich deshalb eingeführt worden, weil die Gewerbsmäßigkeit auch weniger gravierende Fälle erfasse. 469 Bei einem für das große Ausmaß anzunehmenden ausreichend hohen Mindesthinterziehungsbetrag führe die Verklammerung nicht zu einer „Ausuferung" der Strafbarkeit. 470 c) Einzelfallabhängiger

Anknüpfungspunkt

Kemper erwog zunächst ein Zusammenfassen aller Beträge, denen Steuerhinterziehungen einer Einkunftsart zugrunde lagen. Da jedoch auch innerhalb derselben Einkunftsart gänzlich verschiedene Hinterziehungshandlungen ausgeführt werden könnten, wie beispielsweise im Falle eines Betreibers mehrerer Gewerbebetriebe, 466 Vogelberg, PStR 2002, 227, 229 f. 467 Hunsmann, NStZ 2005, 72, 74; Wannemacher I Meyer in Beermann, § 370a AO Rn. 43, Stand Dezember 2002. 468 Bittmann, wistra 2003, 161, 164; Hunsmann, NStZ 2005, 72, 74 unter Aufgabe seiner in DStR 2004, 1154, 1156 implizierten Ansicht, Langrock, wistra 2004, 241, 242; Rüping, DStR 2002, 1417, 1418 diskutiert das Problem nicht, sondern geht ohne Erläuterung von der Möglichkeit der Kumulation des Schadens aus; ebenso Rüping, FS Kohlmann, 499, 508; Schmitz, StB 2004, 212, 215. 469 Bittmann, wistra 2003, 161, 164; Hunsmann, NStZ 2005, 72, 74. 470 Rüping, FS Kohlmann, 499, 508 unter Zugrundelegung von 500 000 Euro.

B. Tatbestand

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könne nicht generell festgelegt werden, worauf abzustellen sei. Der ausschlaggebende Faktor müsse vielmehr auch hinsichtlich dieses Problems im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller Faktoren des Einzelfalls gefunden werden. 471 d) Kritik

an der Zusammenfassung

Das Abstellen auf das Konkurrenzverhältnis für die Frage der Verklammerung hält Langrock für „überaus fraglich", da dadurch das in § 52 StGB für die Idealkonkurrenz statuierte Absorptionsprinzip umgangen werden könne. Infolge der Anwendung dieses Prinzips seien nämlich verklammerungsfähige Taten nicht mehr vorhanden, die Gesamtsumme könne lediglich im Rahmen der Strafzumessung Beachtung finden. Bei einer Verklammerung der einzelnen Steuerhinterziehungen auf Tatbestandsebene sei zudem zweifelhaft, ob ein Konkurrenzverhältnis überhaupt noch hergestellt werden könne. Bei Tatmehrheit wiederum bestehe die Gefahr der Umgehung der in § 53 StGB angeordneten Asperation. Denn danach würden die Einzelstrafen zu einer Gesamtstrafe erhöht, während nach Vögelbergs Lösung von vornherein nur eine Einzelstrafe festgesetzt werde. 472 Dies werde bei einer Vielzahl von Einzeltaten zu einer deutlich geringeren Strafe und damit Privilegierung der Organisierten Kriminalität führen, was wertungswidersprüchlich s e i 4 7 3 Überaus fraglich sei zudem die Praktikabilität einer Zusammenfassung, insbesondere in Anbetracht ihrer ungeklärten Auswirkungen auf die erfassten Einzeltaten. In Betracht komme, dass die Einzeltaten in einem einheitlichen § 370a AO aufgehen. Danach wäre eine einzelne Steuerhinterziehung Vergehen gem. § 370 AO, durch die in periodischen Abständen abzugebenden Steuererklärungen würde sie rückwirkend zum Verbrechen hochgestuft. Problematisch sei dabei, dass nicht von vornherein klargestellt sei, wo die Grenze liege, 474 sowie der rückwirkende Wegfall der strafbefreienden Selbstanzeigemöglichkeit, die Bestimmung des Versuchsbeginns und die Akzessorietät der Teilnahme. Zudem bestehe die Gefahr der Umgehung von VerjährungsVorschriften, komme es zu einem Konflikt mit dem Strafklageverbrauch und bereite die nachträgliche Zusammenfassung Schwierigkeiten im Hinblick auf das Simultanitätsprinzip. 475 Alternativ komme in Betracht, nur die jeweils letzte Tat der Kette, durch deren Begehung insgesamt das große Ausmaß erreicht wird, unter § 370a AO zu subsumieren. Auch hier ergäben sich jedoch diverse Probleme im Vorsatzbereich. Schwierig sei die Rechtslage desgleichen im Hinblick auf § 371 AO, da nach die471 Kemper in Dietz /Cratz /Rolletschke, § 370a AO Rn. 45, Stand Dezember 2002. 472 Langrock, wistra 2004, 241, 243; das letztgenannte Problem erkennt auch Vogelberg, PStR 2002, 227, 229 f. 473 Langrock, wistra 2004, 241, 243. 474 Harms, FS Kohlmann, 413, 424. 475 Langrock, wistra 2004, 241, 243.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

ser Lösung die Selbstanzeige für die dem § 370 AO unterfallenden Vortaten möglich bleibe, diese Taten also bei Erstattung einer strafbefreienden Selbstanzeige wegfielen, aber ohne sie rechnerisch das große Ausmaß nicht bejaht werden könne. Ferner werde auf diesem Weg der vom Bundesgerichtshof abgeschaffte Fortsetzungszusammenhang wieder eingeführt und sei es im Hinblick auf die tief greifenden Folgen schwer begreiflich, warum eine für sich allein gesehene Bagatelltat zu einem Verbrechen heraufgestuft werden solle, nur weil sie zufällig den geringen für das große Ausmaß noch erforderlichen Betrag hinzufüge. 476 Die Zusammenfassung der Hinterziehungsbeträge habe außerdem „unvernünftige Konsequenzen", vor allem falls das große Ausmaß bereits bei niedrigen Hinterziehungsbeträgen bejaht würde. 477 Bei einer sich über mehrere Veranlagungszeiträume erstreckenden „Dauer"-Steuerhinterziehung wäre § 370a AO erfüllt, obgleich die Strafwürdigkeit eines Verbrechens nicht gegeben sei, 478 insbesondere wenn eine Zusammenfassung auch hinsichtlich verschiedener Steuerarten erfolge. 479 In Anbetracht des langen Verjährungszeitraums würden praktisch jede Hinterziehung in Unternehmen und nahezu alle Luxemburg-Fälle erfasst. Dies stehe in keinen Zusammenhang mehr zu Organisierter oder auch nur schwerer Kriminalität. Hinzu komme, dass die Strafbarkeit nach § 370a AO davon abhinge, zu welchem Zeitpunkt welche Einzeltaten entdeckt und wie sie angeklagt und abgeurteilt würden. 480 Nach der überkommenen Figur des Fortsetzungszusammenhangs wäre ein derartiger „Serienstraftäter" sogar durch die Annahme von Tateinheit im Sinne des § 52 StGB „privilegiert" worden. 481 e) Maßgeblichkeit allein der einzelnen Steuerhinterziehung Aufgrund der Reihe von Problemen, Unstimmigkeiten und Unsicherheiten bei der Zusammenfassung hält es eine Reihe von Autoren für allein sinnvoll, auf die Einzeltat abzustellen.482 Die getrennte Beurteilung jeder einzelnen Steuerhinter476 Langrock, wistra 2004, 241, 244. 477 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 19. 478 Rolletschke, DStZ 2004, 763, 765; a.A. Meyer, in Hund/Johnigk/Wollburg, DStR 2002, 879, 881. 479 Pressemitteilung der Bundessteuerberaterkammer v. 15. 09. 2004, abrufbar unter http: // www.bstbk.de. 480 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 19. 481 Rolletschke, DStZ 2004, 763, 765. 482 Bender, ZfZ 2002, 366, 367; Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 27, Stand August 2002; Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 19, Langrock, wistra 2004, 241, 244; Rolletschke, DStZ 2004, 763, 765; ders., Steuerhinterziehung, Rn. 224; Salditt auf dem 4. IWW-Kongress, zitiert nach Krieger, Steueranwaltsmagazin 2002, 82, 83. Heerspink, AO-StB 2002, 426, 427 spricht sich alternativ für eine Zusammenfassung bei einem Mindesthinterziehungsbetrag von einer Million Euro aus oder für die Maßgeblichkeit der Einzeltat bei einem Mindesthinterziehungsbetrag von 300 000 Euro. Welche Lösung er bevorzugt, macht er allerdings nicht deutlich. Die Beträge ergeben sich aus der Verdoppelung der für § 370 Abs. 3 Satz 2

B. Tatbestand

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ziehung sei auch in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 A O . 4 8 3 Dies müsse selbst dann gelten, wenn alle Einzeltaten auf einem zuvor gefassten Plan beruhen, da sonst die abgeschaffte Figur der fortgesetzten Handlung wiederbelebt werde. 484 Wiederum unterschiedlich beantwortet wird jedoch innerhalb dieser Ansicht, was genau „die Einzeltat" ist. Rolletschke erwägt zunächst, auf die Tat im prozessualen Sinne abzustellen. Da die dort bestehenden materiellen Konkurrenzverhältnisse jedoch einzig davon abhingen, ob gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO falsche Steuererklärungen eingereicht worden seien 485 oder gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO jegliche Erklärungen unterlassen wurden, 486 sei es konsequent, auf jede einzelne Steuerhinterziehung abzustellen.487 Joecks hingegen erachtet jede einzelne Steuerhinterziehung „im Sinne des § 52 StGB beziehungsweise § 264 StPO" für maßgeblich. 488 f) Stellungnahme Seinem Wortlaut nach spricht § 370a AO zwar von „den Fällen des § 370 AO". Gemeint sind damit jedoch die verschiedenen Begehungsweisen des Grundtatbestandes. Die Maßgeblichkeit der Summe sämtlicher Steuerhinterziehungen kann daraus nicht abgeleitet werden. 489 Dies verdeutlicht die Entstehungsgeschichte. In der Ursprungsfassung des § 370a AO fehlte nämlich ein entsprechender Verweis, weswegen umstritten war, worin das Handlungsunrecht bestand, und weswegen das Konkurrenzverhältnis der Vorschriften zweifelhaft war. 490 Auf den ersten Blick erscheint es überzeugend, die durch die Konkurrenzverhältnisse bedingten Zufälligkeiten zu vermeiden und daher auf den Gesamtumfang der durch die Begehungsweisen verbundenen Steuerhinterziehungen abzustellen. Dabei dürfte es sich aber nicht nur um diverse gewerbsmäßig oder bandenmäßig begangene Steuerhinterziehungen des Täters handeln, sondern diese müssten auf demselben Entschluss, gewerbsmäßige Steuerhinterziehungen zu begehen, oder auf derselben Bandenabrede beruhen. Handelte der Täter zunächst gewerbsmäßig, gab diese Absicht dann wieder auf, entschloss sich aber später erneut dazu, könnten nur die Taten, die auf dem jeweiligen Entschluss beruhten, zusammenNr. 1 AO geforderten Summe und der von ihm für § 370a AO a. F. geforderten Einschränkung auf Hinterziehungssummen von mindestens 150 000 Euro. 483 Rolletschke, DStZ 2004, 763, 765 unter Berufung auf BGH wistra 2004, 185 f. 484 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 19. 485 Tateinheit bei gleichzeitiger Abgabe und korrespondierenden falschen Angaben, vgl. oben unter 2. Teil, B. III. 2. a). 486 Immer Tatmehrheit, vgl. oben unter 2. Teil, B. III. 2. a). 487 488 489 490

Rolletschke, DStZ 2004, 763, 765; ders., Steuerhinterziehung, Rn. 224. Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 19. Ebenso Langrock, wistra 2004, 241, 242. Vgl. dazu Spatscheck/ Wulf, DB 2002, 392.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

gerechnet werden, es handelte sich um zwei getrennt voneinander zu bewertende Ausmaße. Gegen eine solche Zusammenfassung spricht allerdings, dass die gewerbs- oder bandenmäßige Begehungsweisen zwar auf eine mehrfache Tatbegehung angelegt sind, jedoch für beide Merkmale eine einmalige Verwirklichung genügt. Das Argument, dass eine Verklammerung dem Wesen der Vorschrift entspreche, ist somit keinesfalls zwingend. Auch die für die Zusammenfassung angeführte Begründung mit der Entstehungsgeschichte der Vorschrift, nach der vorrangig die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität angestrebt worden sei, geht fehl. Denn gerade bei einer Zusammenfassung aller gewerbs- oder bandenmäßigen Taten besteht in Anbetracht der langen Verjährungsfrist die Gefahr, dass auch Fälle erfasst werden, die nicht der Organisierten Kriminalität angehören und in denen die aufgewendete kriminelle Energie einen Verbrechensvorwurf nicht trägt. Diese Gefahr wird zwar entschieden durch die hier vertretene Auslegung des großen Ausmaßes gemindert, nach der auch qualitativ ein großes Ausmaß erreicht sein muss. Jedoch sind die qualitativen Anforderungen bei großen Hinterziehungssummen herabgesetzt. Es sollte daher sichergestellt sein, dass beispielsweise die Bankenfälle, die schon bislang bekannt waren, auch weiterhin unter § 370 AO zu subsumieren sind, selbst wenn größere Summen hinterzogen werden. 491 Dies verdeutlicht das einleitend erwähnte, von Hunsmann angeführte Beispiel eines Luxemburg-Falles, welches nur bei einem Abstellen auf die Einzeltat so unproblematisch ist, wie Hunsmann meint. Nur dann wäre es in der Tat so, dass in quantitativer Hinsicht, bei dem Erfordernis eines Mindesthinterziehungsbetrags von 500 000 Euro, der dem Spitzensteuersatz unterfallende Steuerpflichtige mehr als 10 Millionen Euro transferiert und die Zinserträge nicht deklariert haben müsste, um unter § 370a AO zu fallen. Noch immanenter ist die Gefahr im Unternehmensbereich, da dort häufig durch einen falsch verbuchten Vorgang verschiedene Steuerarten hinterzogen werden und sich dadurch schnell größere Summen ergeben. Den Fällen, die zwar schwerwiegend sind, aber mangels großen Ausmaßes infolge Maßgeblichkeit der Einzeltat aus dem Tatbestand des § 370a AO herausfallen, kann auch zukünftig über § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO hinreichend Rechnung getragen werden. Dass die Regelbeispiele der Steuerhinterziehung bislang nur in relativ wenigen Fällen bejaht wurden, 492 verdeutlicht, dass auch in solchen Fällen eine ausreichend hohe Bestrafung möglich ist. Ist das Ausmaß jeder Einzeltat ausschlaggebend, so ist gewährleistet, dass wirklich nur die erhöht strafwürdigen Konstellationen erfasst werden. Ganz entscheidend gegen das Abstellen auf den Gesamtumfang aller gewerbsoder bandenmäßigen Steuerhinterziehungen des Täters spricht die mangelnde Praktikabilität einer solchen Lösung und ihre ungeklärten und äußerst problema491 Ebenso Stahl, KÖSDI 2002, 13204, 13210. 492 Vgl. den Nachweis bei Kohlmann, § 370 AO Rn. 330, Stand November 2004 über entschiedene Fälle.

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tischen Auswirkungen. So gibt Langrock zu Recht die Gefahr der Umgehung der §§ 52, 53 StGB zu bedenken. Sollten die Einzeltaten nachträglich in einem einheitlichen § 370a AO aufgehen, wären die Schwierigkeiten im Hinblick auf das Simultanitätsprinzip unüberwindbar, denn bei Begehung der einfachen Steuerhinterziehungen, die erst später zu einer einheitlichen gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung werden, ist das große Ausmaß noch nicht erfüllt. Auch die von Langrock erwähnte Gefahr der Umgehung von VerjährungsVorschriften ist immanent. Denn die Verjährungsfrist für § 370a AO beträgt zehn Jahre, die für § 370 AO nur fünf Jahre. Die einfachen Steuerhinterziehungen, die neun Jahre vor der Steuerhinterziehung begangen wurden, durch die das große Ausmaß erreicht wird, müssten nachträglich wieder aufleben, obwohl sie nach der für § 370 AO geltenden Verjährungsfrist bereits verjährt wären. Sollte ein Konflikt mit dem Strafklageverbrauch vermieden werden, müssten die bereits verbrauchten Hinterziehungen bei der Beurteilung des großen Ausmaßes außer Betracht bleiben. 493 Dies würde dazu führen, dass die Strafbarkeit nach § 370a AO von der Zufälligkeit abhinge, wann die einzelnen Taten entdeckt werden. Zwar werden diese Bedenken durch die hier vertretene qualitative und quantitative Bestimmung des großen Ausmaßes gemindert, so dass nicht eine einzige Tat einer Serie von Steuerhinterziehungen den alleinigen Ausschlag für oder gegen das große Ausmaß geben kann, jedoch bestehen die Bedenken in ihrer Tendenz trotzdem. Auch die angesprochenen Probleme bei der Bestimmung des Versuchsbeginns und der rückwirkende Wegfall der strafbefreienden Selbstanzeigemöglichkeit sind erheblich. Unterfiele nur die letzte Tat der Kette, durch deren Begehung insgesamt das große Ausmaß erreicht wird, dem § 370a AO, so ist zwar das Argument Langrocks, dass nicht einzusehen sei, warum eine für sich allein gesehene Bagatelltat zu einem Verbrechen heraufgestuft werden solle, nur weil sie zufällig den geringen Betrag hinzufügte, der zum Erreichen des großen Ausmaßes noch fehlte, 494 nicht überzeugend. Denn nach der hier vertretenen Ansicht entscheidet nie ein Quäntchen über das große Ausmaß. Allerdings bleiben die Vorsatzprobleme, die Schwierigkeiten im Hinblick auf die Selbstanzeige und den abgeschafften Fortsetzungszusammenhang495 bestehen. Gänzlich abzulehnen ist der von Kemper vertretene einzelfallabhängige Anknüpfungspunkt. Wechselten selbst die Kriterien, nach denen das Vorliegen des großen Ausmaßes bestimmt wird, hätte dies erhebliche Rechtsunsicherheit zur Folge. Die Strafbarkeit wäre für den Einzelnen in keiner Weise mehr vorhersehbar, da ihm nicht nur die Subsumtion unter den gesetzlichen Tatbestand überlassen wäre, sondern es nicht einmal klar wäre, unter welche Voraussetzungen er den Lebenssachverhalt subsumieren müsste. 493 Zum Strafklageverbrauch vgl. etwa Beulke, StPO, Rn. 280; Meyer-Goßner, Einl. Rn. 171 ff. 494 Langrock, wistra 2004, 241, 244. 495 Zu den Voraussetzungen vgl. BGH wistra 1991, 135 f.; aufgegeben durch Beschluss des Großen Senats in BGHSt 40, 138 ff.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

Überzeugen kann somit allein ein Abstellen auf die einzelne Steuerhinterziehung. Dies muss erst recht deshalb gelten, weil seit der Aufgabe des Fortsetzungszusammenhangs auch im Rahmen des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO auf die Einzeltat abgestellt wird. 4 9 6 Für die Verbrechensnorm der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung können aber keine geringeren Anforderungen gelten. In den bislang zu § 370a AO ergangenen Gerichtsentscheidungen wurde ebenfalls - allerdings ohne ersichtliche Erläuterung - auf die einzelne Steuerhinterziehung abgestellt. 497 Das Landgericht Wuppertal hat in einem Fall die Hinterziehungsbeträge aller in einem Besteuerungszeitraum von dem Angeklagten begangenen Steuerhinterziehungen, die mehrere von ihm geführte Scheinfirmen betrafen, zusammengerechnet und infolge der sich ergebenden Hinterziehungssumme von etwa 850 000 Euro die Voraussetzungen des § 370a Satz 1 AO bejaht. 498 Das Urteil hielt jedoch der revisionsrechtlichen Nachprüfung durch den Bundesgerichtshof nicht stand. Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass jede rechtlich selbstständige Tat im Sinne des § 53 StGB gesondert beurteilt werden müsse und dass die Annahme eines großen Ausmaßes aufgrund eines infolge der Zusammenfassung mehrerer selbstständiger Steuerhinterziehungen hohen Hinterziehungsbetrages nicht zulässig sei. 499 Abzustellen ist somit auf jede Einzeltat. Fraglich kann allein sein, in welchem Sinn „Einzeltat" zu verstehen ist. In Betracht kommt das Abstellen auf jeden einzelnen Fall der Steuerhinterziehung, auf eine Handlungseinheit im konkurrenzrechtlichen Sinn oder auf eine prozessuale Tat. Vörzugswürdig und konsequent ist es, jeden einzelnen Fall der Hinterziehung gesondert zu beurteilen. Denn im Fall des Abstellens auf eine Tat im Sinne des § 264 StPO würden mitunter mehrere materiell selbstständige Steuerhinterziehungen zusammengefasst, obwohl eine Zusammenrechnung ja gerade abzulehnen ist. Bei einem Abstellen auf jede materiellrechtliche Tat im Sinne der Handlungseinheit könnte das Absorptionsprinzip des §52 StGB umgangen werden und ergäben sich die von Vogelberg monierten Zufälligkeiten. Diese Probleme werden vermieden, wenn jede einzelne Hinterziehung getrennt beurteilt wird. Gibt der Steuerpflichtige verschiedene Steuererklärungen 496 Vgl. BGH wistra 2004, 185, 186; Kohlmann, § 370 AO Rn. 330, Stand November 2004; Rolletschke, DStZ 2004, 763, 765; sowie im Gegensatz dazu die älteren Entscheidungen BGH wistra 1985, 228 ff.; BGH wistra 1987, 71 ff.; BGH wistra 1993, 109 f.; BGH wistra 1994, 228 ff. 497 LG Dresden in BGH wistra 2005, 145, 146; LG Wuppertal in BGH NJW 2004, 2990, 2991; LG Berlin in BGH wistra 2005, 147, 148; unklar LG Hamburg in BGH NJW 2003, 3068 f. 498 Vgl. LG Wuppertal in BGH NJW 2005, 374 f. Da das LG Wuppertal die Zusammenfassung nicht nur im Rahmen des § 370a AO vorgenommen hat, sondern auch bei der Wertung der Steuerhinterziehungen gem. § 370 AO und somit die Konkurrenzregeln insgesamt verkannte, erscheint es zumindest fraglich, ob aus der Entscheidung abgeleitet werden kann, dass das Landgericht auch bei richtiger konkurrenzrechtlicher Bewertung das große Ausmaß nach dem Gesamtumfang der Steuerhinterziehungen beurteilen würde. 499 BGH NJW 2005, 374, 375.

B. Tatbestand

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mit identischen Fehlern zum selben Zeitpunkt ab, handelt es sich zwar um Tateinheit und Tatidentität, jedoch werden tatbestandlich so viele Steuerhinterziehungen verwirklicht, wie er Steuererklärungen einreicht. 500 Ebenso liegt es in den Fällen der Tatmehrheit, wenn die Erklärungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten oder gar nicht abgegeben werden. Auch der Bundesgerichtshof hat zu § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO festgestellt, dass das große Ausmaß für jeden Fall der Steuerhinterziehung getrennt geprüft werden müsse.501 Wie bereits ausgeführt, dürfen bei dem Verbrechen des § 370a AO keine geringeren Anforderungen gelten. Verbucht also ein Unternehmer einen Netto-Umsatz in Höhe von 700 000 Euro nicht und hinterzieht somit durch gleichzeitige Abgabe der falschen Umsatzsteuer-, Gewerbe- und Einkommensteuererklärung Umsatzsteuer in Höhe von 112 000 Euro (16%), Gewerbesteuer in Höhe von 116 666 Euro (bei einem Hebesatz von 400%) sowie Einkommensteuer von circa 290 000 Euro 5 0 2 und überschreitet damit insgesamt die vielfach vorgeschlagene Grenze von 500 000 Euro für das große Ausmaß, ist nach richtiger Ansicht § 370a AO dennoch abzulehnen. Denn auch wenn es sich um einen Fall von Tateinheit handelt, liegen verschiedene Steuerhinterziehungen vor, die getrennt zu beurteilen sind. 503 Es handelt sich in solchen Fällen nicht um schwere Kriminalität, die die Bestrafung nach einem Verbrechen rechtfertigt und mit § 370a AO bekämpft werden sollte. Das große Ausmaß muss in jedem Fall der Steuerhinterziehung und somit pro Steuerart erreicht werden. 504 Ein wenig erörtertes Problem in diesem Zusammenhang ist, ob bei der bandenmäßig begangenen Steuerhinterziehung auf den einzelnen Täter oder den Gesamterfolg der Bande abzustellen ist. Lammerding / Hackenbroch halten grundsätzlich den Gesamterfolg der Bande für Ausschlag gebend, da dies den allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen bei Mittäterschaft und Teilnahme entspreche. 505 Für die Maßgeblichkeit des Gesamterfolgs könnte sprechen, dass der Sinn einer Bande in einem arbeitsteiligen Zusammenwirken besteht und die Tat nur dann als bandenmäßig zu qualifizieren ist, wenn der Täter sie „als Mitglied" der Bande begeht. Wem in der Bande konkret welche Aufgabe zukommt, kann mitunter zufällig sein, so dass es ebenso zufällig wäre, allein auf den einzelnen Täter zu schauen. 500 Vgl. BGHSt 33, 163, 165; Joecks in FGJ, § 370 AO, Rn. 305. 501 BGH wistra 2004, 185, 186. 502 Vgl. auch Hunsmann, NStZ 2005, 72, 74. 503 A. A. Vogelberg, PStR 2002, 227, 229, der auf Tateinheit im Sinne des § 52 StGB und Tatidentität gem. § 264 StPO abstellt und daher hier den Gesamtumfang der Taten für maßgeblich erachtet. Hunsmann, NStZ 2005, 72, 74 will - unter Aufgabe seiner in DStR 2004, 1154, 1156 implizierten Ansicht - in allen denkbaren Fällen die Hinterziehungsbeträge zusammenrechnen. 504 Ebenso Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 20; zustimmend Gast-de Haan in Klein, § 370a AO Rn. 14; Stahl, Selbstanzeige, Rn. 368. 505 Lammerding /Hackenbroch, S. 112 f.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

Jedoch erscheint es sehr gewagt, jemandem den Erfolg einer Tat zuzurechnen, an der er gar nicht beteiligt war. Denn ausreichend für § 370a AO ist, dass die Hinterziehung „als Mitglied" der Bande begangen wird. Die Mitwirkung eines weiteren Bandenmitglieds ist keine Voraussetzung. Sollte ein Bandenmitglied an einer einzigen Hinterziehung der Bande mitwirken und die anderen Bandenmitglieder ohne seine Beteiligung Hinterziehungen großen Ausmaßes begehen, müsste bei einem Abstellen auf den Gesamterfolg auch das sehr wenig aktive Mitglied gem. § 370a AO bestraft werden. Dies kann kaum überzeugen. Die Bande ist eine von Täterschaft und Teilnahme zu trennende Fragestellung, 506 bei der nicht unbesehen auf die dort geltenden Grundsätze zurückgegriffen werden kann. Gegen eine derartige Zusammenfassung spricht zudem bereits der Wortlaut des § 370a AO, nach dem gem. § 370a AO bestraft wird, „wer... in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder... nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt". Hinterzieht ein anderer, sei es auch ein anderes Bandenmitglied, die Steuern, so ist das nicht aktive Bandenmitglied nicht „wer" im Sinne der Vorschrift. Das Problem einer personalen Kumulierung kann allerdings nur für die, hier nicht vertretene, Ansicht in Betracht kommen, die grundsätzlich eine Zusammenfassung der Beträge mehrerer Hinterziehungen für möglich erachtet. Auch einer solchen Kumulierung stehen jedoch die oben angeführten grundsätzlichen Argumente gegen eine Zusammenfassung verschiedener Hinterziehungsbeträge entgegen. Insbesondere bestünde hier das Problem, wie jemand, der von der durch ein anderes Bandenmitglied im Rahmen der Bandenabrede begangenen konkreten Steuerhinterziehung im Zeitpunkt der Verwirklichung keine Kenntnis hat, Vorsatz haben soll. Entscheidend kann daher richtigerweise allein die konkret von dem einzelnen Täter begangene Steuerhinterziehung sein. 3. Hinterziehungsbetrag oder Steuerschaden Uneinigkeit besteht überdies in dem Punkt, ob sich das große Ausmaß auf die Steuerverkürzung im Sinne des § 370 Abs. 1 AO oder auf den tatsächlich eingetretenen Steuerschaden bezieht. Entscheidend ist dies in Fällen, in denen Steuern hinterzogen wurden, aber aufgrund des Kompensationsverbotes des § 370 Abs. 4 Satz 3 AO kein tatsächlicher Steuerschaden eingetreten ist, sowie insbesondere bei so genannten temporären Steuerschäden.507 Bei diesen besteht nach allgemeiner Ansicht im Rahmen des § 370 AO der strafzumessungsrelevante Tatunwert allein in dem Zinsverlust, da ein dauerhafter „Steuerausfall" nur in Höhe des Zinsschadens entsteht. 508 Den erheblichen Unterschied soll folgendes Beispiel 509 verdeutlichen: 506 BGHSt 46, 321, 338; BGH NStZ 2003, 32 f.; Tröndltl Fischer, 52. Aufl., § 244 StGB Rn. 18. 507 Lührs, BuW 2002, 711, 716 erwägt des Weiteren, abzugsfähige Vorsteuern zugunsten des Umsatzsteuerhinterziehers zu berücksichtigen. 508 BGH wistra 1994, 228, 229 f.; Felix, KÖSDI 1986, 6295, 6298; Kohlmann, § 370 Rn. 330, Stand November 2004; Langrock, wistra 2004, 241, 242.

B. Tatbestand

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Ein Bauunternehmer gibt für die Monate August bis Dezember unvollständige Umsatzsteuervoranmeldungen ab, in denen er eine jeweils um 500 000 Euro zu niedrig bemessene Zahllast angibt. In seiner Umsatzsteuerjahreserklärung deklariert er die Umsätze hingegen richtig und begleicht den Fehlbetrag. Bei einem Abstellen auf die Steuerhinterziehung wären monatlich 500 000 Euro relevant. Der Steuerschaden des Fiskus besteht hingegen nur in Höhe des Zinsvorteils. Bei einem Zinssatz von 0,5% pro Monat 5 1 0 wären dies 2 500 Euro pro Monat der verspäteten Zahlung. Sollte der Hinterziehungsbetrag ausschlaggebend sein, wäre die Voraussetzung für das große Ausmaß in quantitativer Hinsicht erfüllt, bei Relevanz des tatsächlichen Steuerschadens läge § 370a AO demgegenüber sehr fern. 511 Der Wortlaut des § 370a AO legt das Abstellen auf den nominalen Hinterziehungsbetrag nahe. Eine derartige Auslegung befände sich aber in Widerspruch zum Schuldgrundsatz, da ein großes Ausmaß mitunter schon in Fällen zu bejahen wäre, in denen tatsächlich wegen des Kompensationsverbots gar kein Steuerschaden eingetreten ist oder dieser bei einem temporären Schaden äußerst gering ist. Eine Heraufstufung zu einem Verbrechen könnte in solchen Fällen nicht gerechtfertigt werden. Im Rahmen des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO, an den sich die hier vertretene Auslegung auch in anderen Punkten anlehnt, ist ebenfalls der strafzumessungsrelevante Tatunwert und nicht der tatbestandliche Hinterziehungserfolg maßgeblich.512 In Anbetracht der gegenüber § 370 Abs. 3 AO höheren Strafandrohung und der Verbrechensqualität des § 370a AO muss für die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung daher erst recht der tatsächlich entstandene Steuerschaden entscheidend sein. 513 4. Begangene oder auch geplante Taten a) St reit stand Strittig ist weiterhin, ob bei der Beurteilung des großen Ausmaßes allein bereits begangene oder auch lediglich geplante Taten zu berücksichtigen sind. Teilweise wird vertreten, dass - anders als bei der Bestimmung der Gewerbsmäßigkeit - rein objektiv nur die tatsächlich hinterzogenen Steuern relevant seien, nicht der be509 Vgl. Burchert, INF 2002, 532, 536. 510 Dieser Zinssatz wird in Anlehnung an §§ 235, 238 AO angenommen, vgl. Kürzinger in Wannemacher, Rn. 379; BayObLG wistra 1991, 313, 318; a. A.: abzustellen auf den Geldmarktzinssatz für kurzfristige Darlehen, also 1 %, vgl. Rolletschke, wistra 2002, 332, 333; Nr. 149 Abs. 2 AStBV (St) 2004. 511 Bei Verneinung des großen Ausmaßes wäre B wegen der als Selbstanzeige zu wertenden Abgabe der korrekten Umsatzsteuerjahreserklärung mit gleichzeitiger Begleichung des Fehlbetrages gem. § 371 Abs. 1 AO strafbefreit, Burchert, INF 2002, 532, 536. 512 Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370 AO Rn. 169, Stand Dezember 2002. 513 Ebenso Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 22; Langrock, wistra 2004, 241, 242; Lührs, BuW 2002, 711, 716; Rolletschke, Steuerhinterziehung, Rn. 224; ders., DStZ 2004, 763, 765; Stahl, Selbstanzeige, Rn. 368. 9 Schneider

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

absichtigte Umfang, 514 welcher allerdings im Rahmen der Versuchsstrafbarkeit erheblich bleibe. 515 Langrock erwägt, die Kumulierung subjektiv zu verstehen, da sie aus den subjektiven Merkmalen der Gewerbs- und Bandenmäßigkeit abgeleitet werde, so dass bereits die Absicht des Täters, ein großes Ausmaß zu erreichen, genüge. Der Wortlaut spreche allerdings eher für ein objektives Verständnis des großen Ausmaßes.516 Eine andere Auffassung differenziert zwischen dem objektiven Merkmal der bandenmäßigen Begehung, bei dem die Steuerhinterziehung in großem Ausmaß bereits tatsächlich verursacht sein müsse, und dem subjektiven Merkmal der Gewerbsmäßigkeit, bei dem es genüge, dass eine Steuerhinterziehung in großem Ausmaß beabsichtigt war, so dass bereits die erste Tat nach § 370a AO strafbar sei, auch wenn erst ein geringes Ausmaß realisiert wurde. 517

b) Stellungnahme Die bandenmäßige Begehung ist - entgegen Langrocks Ansicht - ein objektives Merkmal. 518 Bei der Tatvariante der bandenmäßigen Steuerhinterziehung kann daher - abgesehen von Langrocks unzutreffenden Ausführungen - nach allen Meinungen nur das tatsächlich verursachte Ausmaß entscheidend sein. Fraglich ist allein, wie es sich für die gewerbsmäßige Steuerhinterziehung verhält. Seinem Wortlaut nach setzt § 370a Satz 1 AO voraus, dass der Täter „in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder ... nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt". Von einem lediglich beabsichtigten großen Ausmaß ist dort nicht die Rede, ebenso wenig wird zwischen gewerbs- und bandenmäßiger Begehung differenziert. Es erscheint auch nicht sachgerecht, bei der Variante der Bandenmäßigkeit auf die objektive Sachlage abzustellen, während bei der Variante der Gewerbsmäßigkeit, welche aufgrund der Besonderheiten des Steuerrechts bereits eine sehr niedrige Strafbarkeitsschwelle aufweist, die bloße Absicht der Steuerhinterziehung in großem Ausmaß maßgeblich sein soll. Dies kann umso weniger überzeugen, als während des Gesetzgebungsverfahrens zur Neufassung der Vorschrift gerade auf die weite Definition der Gewerbsmäßigkeit hingewiesen wurde 519 und bei der Anrufung des Vermittlungsausschusses explizit die Einschränkung der gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung verlangt wurde. 520 Es kann daher davon ausgegangen werden, 514 Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 28, Stand August 2002; Müller, DStR 2002, 1641, 1643. 515 Müller, DStR 2002, 1641, 1643. 516 Langrock, wistra 2004, 241, 243. 517 Bittmann, wistra 2003, 161, 164. 518 Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1158. 519 Vgl. Anträge und Ausführungen der Fraktionen von CDU/CSU und FDP in BTDrucks. 14/8887, 24. 520 BR-Drucks. 351/1/02,3.

B. Tatbestand

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dass die zusätzliche Voraussetzung „in großem Ausmaß" insbesondere der Einschränkung dieser Tatvariante dienen sollte. Maßgeblich muss daher sowohl für die gewerbs- als auch für die bandenmäßige Steuerhinterziehung das tatsächlich eingetretene Ausmaß sein. Konsequenterweise muss das nach der hier vertretenen Meinung bereits deshalb gelten, weil eine Zusammenfassung nie erfolgt, so dass geplante weitere Taten ohnehin nicht zu dem bereits eingetretenen Ausmaß beitragen können. 5. Autonomes Merkmal oder Ausstrahlung der Gewerbs- und Bandenmäßigkeit a) Darstellung Diskutiert wird des Weiteren, ob das Tatbestandsmerkmal „in großem Ausmaß" isoliert zu betrachten ist oder ob die Begehungsweisen der Gewerbs- und Bandenmäßigkeit darauf ausstrahlen. Teilweise wird eine solche Ausstrahlungswirkung befürwortet und infolgedessen eine Gesamtschau der Begehungsweisen mit dem Merkmal des großen Ausmaßes vorgenommen. 521 Unter den Autoren, die dies vertreten, besteht allerdings Uneinigkeit über den Inhalt und die Konsequenzen der Gesamtschau. Nach Hellmann folgt aus der Gesamtwürdigung, dass die Anforderungen an das große Ausmaß nicht allzu hoch zu setzen seien, da bei der Auslegung dieses Merkmals berücksichtigt werden müsse, dass das Unrecht der Tat und die Schuld des Täters aufgrund der gewerbs- oder bandenmäßigen Begehung bereits deutlich erhöht seien und das Erfordernis des großen Ausmaßes nur Bagatellfälle ausscheiden solle. 522 Fahl hingegen sieht die einzige Schlussfolgerung darin, dass die von § 370a AO erfassten Fälle eine besondere Qualität und Quantität aufweisen müssten.523 Ist allerdings eine herausragende qualitative Komponente, wie die Errichtung eines „Täuschungsgebäudes großen Ausmaßes" gegeben, seien die Anforderungen an die Höhe der Hinterziehungssumme reduziert. Auf diesem Weg müsse der Verfassungsgrundsatz der Schuldangemessenheit beachtet und das Problem der mangelnden Strafrahmenkohärenz gelöst werden, indem eine deutliche Abstufung zu den Fällen des § 370 AO, insbesondere dessen Abs. 3 gewährleistet werde. 524 521 Fahl, ZStW 2002, 794, 812 f.; Langrock, wistra 2004, 241, 244; wohl auch Scheurmann-Kettner, NWB Nr. 33 Fach 2, S. 7963, 7966; Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1155 ff. zieht dies für die Auslegung der „Gewerbsmäßigkeit", nicht für die Auslegung des großen Ausmaßes heran; Bittmann, wistra 2003, 161, 164 zieht aus der seiner Meinung nach vorzunehmenden Gesamtschau lediglich die Schlussfolgerung, dass eine Zusammenrechnung aller hinterzogenen Beträge zu erfolgen habe, vgl. dazu bereits oben, 2. Teil, B. III. 2. b). 522 Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 28, Stand August 2002. 523 Fahl, ZStW 2002, 794, 812 f.; Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1158; Langrock, wistra 2004, 241,244. 524 Bittmann, wistra 2003, 161, 164; Fahl, ZStW 2002, 794, 812 f. 9'

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

Langrock wiederum schlussfolgert, dass der Täter gewerbs- oder bandenmäßig Steuerhinterziehungen begehen müsse, die „jeweils für sich" einen Hinterziehungserfolg großen Ausmaßes aufweisen. Die Absicht des Täters, beziehungsweise die Bandenabrede müsse also nicht auf die Begehung von Steuerhinterziehungen gerichtet sein, sondern auf die Begehung von Steuerhinterziehungen in großem Ausmaß. Andernfalls bestehe aufgrund der, infolge der Besonderheiten des Steuerrechts, nahezu typischen Verwirklichung der Gewerbs- oder Bandenmäßigkeit die Gefahr, dass sich im Fall der isolierten Betrachtung des großen Ausmaßes der gesamte Unrechtsschwerpunkt auf diese Voraussetzung konzentrieren werde und die qualifizierten Begehungsweisen funktionslos würden. Dies könne schon deshalb dem gesetzgeberischen Willen nicht entsprechen, weil das Merkmal „in großem Ausmaß" erst nachträglich zum Zwecke der Korrektur, nicht aber der vollständigen Verlagerung eingefügt wurde. Auch der Wortlaut, der die Begehungsweisen direkt auf die Hinterziehung in großem Ausmaß beziehe und die Voraussetzungen nicht durch ein „und" verbunden nebeneinander stelle, spreche dafür, dass der Hinterziehungserfolg großen Ausmaßes die Begehungsweisen qualifiziere. Nur bei einer derartigen Auslegung seien allein Fälle besonderer Qualität und Quantität erfasst. 525

b) Kritik

und Stellungnahme

Der Ansicht Hellmanns, dass das Merkmal „in großem Ausmaß" allein dazu dienen solle, Bagatellfälle auszuscheiden und entsprechend geringe Anforderungen gelten müssten, wird entgegengehalten, dass dies durch den Gesetzeswortlaut nicht gedeckt sei. Denn dieser setze gerade nicht Steuerhinterziehungen „in nicht geringem Umfang", sondern eben solche „in großem Ausmaß" voraus. 526 Auch in Anbetracht des Verbrechenscharakters der Norm und den damit einhergehenden tief greifenden Folgen kann Hellmann nicht zugestimmt werden. Zwar ist das Unrecht der Tat durch die qualifizierende Begehungsweise erhöht, jedoch - wie bereits dargestellt - aufgrund der Besonderheiten des Steuerrechts, insbesondere bei der Gewerbsmäßigkeit, nicht so wesentlich, dass dies die Strafbarkeit nach einem Verbrechen rechtfertigen könnte. Sollten an die Voraussetzung des großen Ausmaßes keine ausreichend hohen Anforderungen gestellt werden, läge ein Verstoß gegen den Schuldgrundsatz und das Übermaßverbot vor. Fahls Schlussfolgerungen wiederum dürften sich im Ergebnis mit der Ansicht decken, die sich für die Auslegung des großen Ausmaßes an den qualitativen und quantitativen Anforderungen des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO orientiert, jedoch die dort geltenden Voraussetzungen aufgrund des Verbrechenscharakters des § 370a AO steigert. Eine Auseinandersetzung mit diesem Standpunkt hat bereits stattgefunden. 525 Langrock, wistra 2004, 241, 244. 526 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 16.

B. Tatbestand

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Zu weit geht die Schlussfolgerung Langrocks, dass der Steuerhinterzieher gewerbs- oder bandenmäßig Einzeltaten begehen müsse, die jede ein großes Ausmaß aufweisen. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die durch die qualifizierenden Begehungsweisen bewirkte Einschränkung aufgrund der Besonderheiten des Steuerrechts nicht herausragend ist, auch wenn es nicht gewerbs- oder bandenmäßig begangene Steuerhinterziehungen gibt, bei denen Steuern in erheblicher Höhe hinterzogen wurden. Jedoch würde Langrocks Ansicht wiederum - ähnlich wie eine Zusammenrechnung aller Hinterziehungserfolge - zu einer Art Gesamtschau führen, in die auch andere als die konkret zu beurteilende Tat einbezogen werden müssten. Dies birgt eine gewisse Unsicherheit. Denn sind beispielsweise nur drei Taten bekannt, die sämtlich die Merkmale der Gewerbs- oder Bandenmäßigkeit in großem Ausmaß erfüllen, wäre § 370a AO zu bejahen. Wird hingegen noch eine vierte Tat bekannt, bei der der Hinterziehungserfolg kein großes Ausmaß erlangte, wäre § 370a AO zu verneinen. Gegen diese Auslegung spricht auch, dass es gerade in den schwerwiegenden Fällen, dass jemand eine Vielzahl von Steuerhinterziehungen begeht, kaum vorkommen dürfte, dass alle gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehungen ein großes Ausmaß erreichen. Aus diesem Grund hätte die Ansicht Langrocks wenig sachgerechte Auswirkungen. Hinterzieht jemand bandenmäßig Steuern, wobei beide von ihm bislang begangenen Taten ein großes Ausmaß erreichen, wäre nach Langrock § 370a AO erfüllt. Abzulehnen wäre § 370a AO hingegen nach seinem Ansatz für einen bandenmäßigen Steuerhinterzieher, dessen Einzeltaten in zwanzig Fällen ein großes Ausmaß aufweisen, in zwei weiteren Fällen hingegen nicht. Letzteren nur nach § 370 AO zu bestrafen und ihn damit besser zu behandeln als Ersteren, ist nicht einsichtig. Auch Langrocks Wortlautargument ist nicht überzeugend. Zwar sind die Begehungsweisen gewerbsoder badenmäßig nicht durch ein „und" mit dem Erfordernis „in großem Ausmaß" verbunden. Dies ändert aber nichts daran, dass die Voraussetzung „in großem Ausmaß" eine Adverbialkonstruktion ist, die sich auf das Verb „Steuern verkürzt oder ( . . . ) Steuervorteile erlangt" bezieht. Richtig an Langrocks Ausführungen ist, dass das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit aufgrund des Periodizitätsprinzips die Heraufstufung von dem Vergehen des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO und dem Verbrechen des § 370a AO nicht rechtfertigen kann. Durch hier vertretene Auslegung des großen Ausmaßes ist aber sichergestellt, dass nur Fälle besonderer Qualität und Quantität erfasst werden. Langrocks Auslegung ist hingegen abzulehnen.

6. Ergebnis und Bewertung des Merkmals Eine Interpretation des grundsätzlich streng tatbestandsspezifisch zu bestimmenden Merkmals „in großem Ausmaß" in Orientierung an den Vorschriften des Kernstrafrechts überzeugt nicht. Abgesehen von einer damit einhergehenden massiven Kriminalisierung, Wertungswidersprüchen zu der bisherigen steuerstrafrechtlichen Praxis sowie zu der Rechtslage im Rahmen des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO, sprechen systematische Gründe gegen eine solche Ausrichtung. Einsichtig ist hin-

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

gegen eine Anlehnung an eben diese, im selben Deliktsabschnitt wie § 370a AO verortete, und in engem systematischen und sachlichen Zusammenhang mit § 370a AO stehende Vorschrift des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO. Erforderlich ist danach, dass sich sowohl das qualitative als auch das quantitative Ausmaß der Steuerhinterziehung von den durchschnittlichen Fällen des Grundtatbestandes, auch dessen Regelbeispielen, erheblich abhebt. Durch diese Interpretation wird gewährleistet, dass die „einfache" Steuerhinterziehung ohne Bezug zur Organisierten Kriminalität aus dem Anwendungsbereich der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung herausfällt. So beispielsweise der einleitend erwähnte A, der seit Jahren seinen Arbeitsweg zu lang angibt sowie zu Unrecht ein Arbeitszimmer geltend macht, und dadurch gewerbsmäßig, aber nicht in großem Ausmaß Steuern hinterzieht. Bei ihm ist weder ein „Täuschungsgebäude großen Ausmaßes" zu erkennen noch kann davon ausgegangen werden, dass seine geringfügig erhöhten Werbungskosten zu einer quantitativ großen Hinterziehung geführt haben. Durch Übernahme der Auslegung des Merkmals „in großem Ausmaß" aus § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO werden auch die mit einer starren Wertgrenze verbundenen Zufälligkeiten vermieden und damit eine schuldangemessene Bestrafung ermöglicht. Für das Verbrechen des § 370a AO ist in quantitativer Hinsicht der für § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO vorausgesetzte Mindesthinterziehungsbetrag erst recht zu fordern. In quantitativer Hinsicht ist daher mindestens eine Hinterziehungssumme von 500 000 Euro zu erreichen, wobei nicht der nominale Hinterziehungsbetrag, sondern der tatsächlich eingetretene Steuerschaden maßgeblich ist. In qualitativer Hinsicht muss eine besonders hohe kriminelle Energie des Täters deutlich werden, was etwa bei einem „Täuschungsgebäude großen Ausmaßes" zu bejahen ist. Ausschlaggebend ist nicht das Ausmaß zusammengefasster Steuerhinterziehungen, sondern das Ausmaß jeder einzelnen von dem Täter begangenen Tat. Andernfalls bestünde in Anbetracht der langen Verjährungsfrist die Gefahr, dass auch Fälle erfasst werden, in denen die aufgewendete kriminelle Energie einen Verbrechensvorwurf nicht trägt, und erschienen die nicht geklärten Auswirkungen eines Abstellens auf den Gesamtumfang äußerst problematisch. Zudem kann dies im Wege eines Erst-recht-Schlusses aus der Rechtslage im Rahmen des Vergehens des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO geschlossen werden. Dabei ist „Einzeltat" nicht die Tat im konkurrenzrechtlichen oder im prozessualen Sinn, sondern jede einzelne verwirklichte Hinterziehung, wodurch die teilweise beklagten Zufälligkeiten vermieden werden. Somit ist auch, wenn durch dieselbe Handlung im Sinne des § 52 StGB mehrere Steuerarten hinterzogen werden, das Ausmaß jeder einzelnen Tat maßgeblich. Ebenso ist im Bereich der bandenmäßigen Begehung allein auf den einzelnen Täter, nicht auf den Gesamterfolg der Bande abzustellen. Außer Betracht bleiben jegliche noch nicht begangene, sondern bloß geplante Taten. Erforderlich ist allerdings nicht, dass alle gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehungen des Täters jede für sich ein großes Ausmaß erreichen. Abgesehen davon, dass diese Voraussetzung sehr weit ginge, hätte sie Zufälligkeiten und Unsicherheit zur Folge.

B. Tatbestand

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Es ist richtig, wie Langrock schreibt, dass sich bei der hier vertretenen Auslegung der Unrechtsschwerpunkt auf die Voraussetzung „in großem Ausmaß" konzentrieren wird, da namentlich Gewerbsmäßigkeit im Steuerstrafrecht häufig vorliegen dürfte. Vollkommen funktionslos werden die qualifizierenden Begehungsweisen dadurch aber nicht. Insbesondere die Bandenmäßigkeit sichert, wie aufgezeigt, bei richtiger Auslegung durchaus eine gewisse Strafbarkeitsschwelle. Hellmann hält die Verknüpfung der Gewerbs- und Bandenmäßigkeit mit dem Erfordernis einer schweren Einzeltat für willkürlich mit der Folge einer zufälligen Bestrafung. Denn Strafschärfungsgrund für die Begehungsweisen sei die besondere Gefährlichkeit des Täters. Diese könne aber gerade nicht durch das Ausmaß der einzelnen Tat gemessen werden. So könne der Täter einer gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung erheblichen Umfangs weniger gefährlich sein als andere gewerbsmäßige Steuerhinterzieher, indessen ein Täter trotz niedrigen Umfangs der einzelnen Hinterziehung wegen der von ihm beabsichtigten Begehung weiterer schwerwiegender Taten das Vermögen des Staates wesentlich gefährden. 527 Hellmanns Ausführungen kann in dieser Form nicht zugestimmt werden. Denn bei Auslegung des Merkmals „in großem Ausmaß" in der hier vertretenen Weise zeugt neben der qualifizierenden Begehungsweise der Gewerbs- oder Bandenmäßigkeit das qualitative Ausmaß der Steuerhinterziehung von der besonderen Gefährlichkeit des Täters. Insofern ist die Verknüpfung beider Merkmale nicht willkürlich, sondern erfordern - jeweils in unterschiedlicher Art und Weise - eine hohe kriminelle Energie und damit eine ausnehmende Gefährlichkeit des Täters. Insoweit im Rahmen des großen Ausmaßes auch quantitative Gesichtspunkte relevant sind, mag die Verknüpfung der tatbestandlichen Voraussetzungen vielleicht willkürlich erscheinen, sie führt aber nicht zu einer willkürlichen Bestrafung. Denn im Rahmen der Steuerhinteriehung kann aufgrund der bereits beschriebenen Besonderheiten von einer gewerbs- oder bandenmäßigen Tat nicht notwendig auf eine außerordentliche Gefährlichkeit des Täters geschlossen werden. Die Einfügung des zusätzlichen Erfordernisses war daher durchaus sachgerecht. Zwar kann der quantitative Erfolg einer einzelnen Steuerhinterziehung auch von Umständen abhängen, die außerhalb des unmittelbaren Einflussbereichs des Steuerhinterziehers liegen, wie seinem individuellen Einkommensteuersatz, jedoch sind gerade aus diesem Grund qualitative Aspekte ebenfalls zu berücksichtigen. Zudem bestimmt der tatsächlich eingetretene quantitative Steuerschaden als Taterfolg die Schuld der Steuerhinterziehung maßgeblich mit. 5 2 8 Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Einfügung der zusätzlichen Voraussetzung „in großem Ausmaß" keineswegs unproblematisch ist, zumal sie 527 Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 27, Stand August 2002. 528 BGH DB 1979, 1065; BGH wistra 1997, 187; OLG Düsseldorf wistra 1989, 154, 155; Kürzinger in Wannemacher, Rn. 287; vgl. auch die Strafmaßtabellen, abgedruckt bei Kohlmann, § 370 AO Rn. 325.9, Stand November 1999. Ebenso Bittmann, wistra 2003, 161, 164; Fahl, ZStW 2002, 794, 812 f.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

erhebliche Unsicherheiten birgt und Raum für diverse Auslegungen mit weit differierenden Ergebnissen lässt. Dennoch ist die Novellierung zu begrüßen. Bei richtiger Interpretation sichert das Merkmal eine schuldangemessene Bestrafung, da es sowohl den quantitativen Schaden, wesentliches Element jeder Steuerhinterziehung, als auch qualitative Aspekte berücksichtigt.

IV. Abschließende Lösung der Beispielsfälle unter Zugrundelegung der hier vertretenen Ansicht Die gewerbsmäßigen Steuerhinterziehungen des Gastwirts C in Fall 7 5 2 9 müssen getrennt betrachtet werden. Dabei reichen die Hinterziehungsbeträge nicht einmal annähernd an den für das große Ausmaß geforderten Mindestbetrag heran. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass C ein „Täuschungsgebäude großen Ausmaßes" errichtet hat. § 370a AO ist daher eindeutig nicht erfüllt. Ebenso verhält es sich für den gewerbsmäßig handelnden D in Fall 2 . 5 3 0 § 370a AO ist mangels großen Ausmaßes abzulehnen. Schon schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob die Hinterziehungen des gewerbsmäßig handelnden E in Fall 3531 ein großes Ausmaß erreichen. Die von ihm hinterzogenen Nominalbeträge belaufen sich auf eine Höhe, bei der bereits ein großes Ausmaß angenommen werden könnte. Zu beachten ist aber der Unterschied zwischen einer Verkürzung auf Dauer und einer solchen auf Zeit. Regelmäßig wird durch eine unrichtige Lohnsteueranmeldung eine Steuerverkürzung auf Dauer verwirklicht, da es bei der Lohnsteuer - im Gegensatz zur Rechtslage bei der Umsatzsteuer - keine Lohnsteuerjahreserklärung gibt. 5 3 2 Danach beliefe sich der für die Bewertung des großen Ausmaßes entscheidende Betrag jeweils auf die tatbestandsmäßig verkürzte Lohnsteuer. Ausnahmsweise ist jedoch auch bei der Lohnsteuerverkürzung nur eine zeitliche Verkürzung gegeben, wenn bei Tatbegehung ein weiter gehender Vorsatz fehlt. 533 So liegt es hier. E hatte bereits bei Einreichung der Lohnsteueranmeldungen geplant, die Angaben später richtig zu stellen und die Steuer abzuführen. Folglich ist lediglich eine Steuerverkürzung auf Zeit gegeben, bei der allein der Zinsnachteil des Steuergläubigers Staat vom Vorsatz des E umfasst war. Nur der Zinsschaden ist daher für die Beurteilung des großen Ausmaßes relevant. Da dies jeweils nur einige Prozent der verkürzten Steuer sind, hat E nicht Steuern großen Ausmaßes hinterzogen. Es wurde demzufolge allein § 370 AO erfüllt, § 371 AO findet Anwendung. Die den Voraussetzungen des § 371 AO entsprechende Selbstanzeige des E hat daher zu seiner Straffreiheit geführt. 529 Siehe unter 2. Teil, B. 1.2. 530 Siehe unter 2. Teil, B. I. 2. 531 Siehe unter 2. Teil, B. 1.2. 532 Seipl in Wannemacher, Rn. 1071. 533 Seipl in Wannemacher, Rn. 1071 m. w. N.; Joecks in FGJ § 370 Rn. 77.

B. Tatbestand

137

In Fall 4534 haben F und G durch jede unrichtige Umsatzsteuervoranmeldung, die fälschlicherweise zu einer Erstattung von Umsatzsteuer führte, eine Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 25 Abs. 2 StGB begangen. Da der Abgabe einer falschen Umsatzsteuerjahreserklärung im Verhältnis zu den vorangegangenen unzutreffenden monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein eigenständiger Erklärungswert und selbstständiger Unrechtsgehalt zukommt, 535 haben F und G auch durch Abgabe dieser Erklärung eine Steuerhinterziehung begangen. Fraglich ist, ob diese gewerbsmäßigen Steuerhinterziehungen ein großes Ausmaß erreichen. Nach der umsatzsteuerrechtlichen Gesetzessystematik bewirkt erst die Umsatzsteuerjahreserklärung die dauernde Festsetzung. Daher bewirkt die Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung grundsätzlich nur eine Hinterziehung auf Zeit, und wird erst in der Abgabe der unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung die endgültige Hinterziehung auf Dauer gesehen.536 Dies gilt auch, wenn es infolge der Einleitung eines steuerlichen Ermittlungsverfahrens vor Ablauf der für die Jahreserklärung vorgesehenen Frist nicht mehr zur Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung kommt. 537 Ausnahmsweise geht jedoch die durch die Voranmeldung bewirkte Hinterziehung auf Zeit in eine solche auf Dauer über, wenn der Täter - wie im vorliegenden Fall - von Anfang an beabsichtigte, eine Steuerverkürzung auf Dauer zu begehen.538 Dann ist auch hinsichtlich der durch die Einreichung der falschen Umsatzsteuervoranmeldungen begangenen Steuerhinterziehung im Rahmen der Strafzumessung der gesamte Vorteil zu berücksichtigen. 539 Das, was die Rechtsprechung im Rahmen des § 370 AO für die Strafzumessung entschieden hat, muss auch insoweit - ebenso wie hinsichtlich der übrigen Problematik der Steuerhinterziehung auf Zeit - für das große Ausmaß der Steuerhinterziehung im Rahmen des § 370a AO bereits auf Tatbestandsebene gelten. Danach sind hier hinsichtlich jeder unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldung die Voraussetzungen des § 370a Satz 1 AO erfüllt. Das Ausmaß der Steuerhinterziehungen überschreitet jeweils den Mindestbetrag von 500 000 Euro und auch in qualitativer Hinsicht haben F und G durch die Gründung von Scheinfirmen ein „Täuschungsgebäude großen Ausmaßes" aufgebaut. § 370a Satz 1 AO ist somit in sieben Fällen erfüllt.

534 Siehe unter 2. Teil, B. 1.2. 535 BGH StV 1996, 215 f.; BGH NStZ 2001, 432, 435; BGH wistra 2005, 145, 146; BGHR AO § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 13; a.A. Bilsdorfer, NJW 1985, 2997, 2999; Kohlmann, § 370 Rn. 315.3, Stand November 1999. 536 BGH wistra 2005, 145, 146; BGHR AO § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 13 m. w. N. 537 BGH NJW 1998, 390, 391 f. 538 Vgl. BGHSt 43, 270, 276; BGH NJW 1998, 391, 392; BGH NStZ 2000, 38, 39; BGH wistra 2005, 145, 146; Rolletschke, wistra 2004, 246, 247 m. w. N.; a. A. Kürzinger in Wannemacher, Rn. 390, Fn. 7. 539 Vgl. BGH NJW 1998, 391, 392; BGH wistra 1998, 146; BGH NStZ 2000, 38, 39; Rolletschke, Steuerhinterziehung, Rn. 148.

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2. Teil: Anwendungsbereich und Tatbestand

In Fall 5 540 ist § 370a AO schon mangels bandenmäßiger Begehung nicht erfüllt. In Fall 6541 und Fall 7 5 4 2 ist ein großes Ausmaß der einzeln zu bewertenden bandenmäßigen Steuerhinterziehungen nicht gegeben. § 370a AO ist zu verneinen. In dem Beispiel der bandenmäßig handelnden Baumafia in Fall 8543 scheidet § 370a AO mangels ausreichend hohen Hinterziehungsbetrags für die Umsatzsteuerhinterziehungen des Subl in Höhe von etwa 300 000 Euro durch Geltendmachung der Vorsteuer aus den Scheinrechnungen im Jahr 2004 sowie hinsichtlich der Lohnsteuerhinterziehungen in Höhe von monatlich 100 000 Euro durch M aus. In Betracht kommt § 370a AO hingegen für die Umsatzsteuerhinterziehungen, die M durch Geltendmachung der Vorsteuer aus Scheinrechnungen im Jahr 2004 in Höhe von insgesamt 700 000 Euro begangen hat. In Anbetracht des durch die Gründung von Scheinfirmen und der umfangreichen Ausstellung von Scheinrechnungen erheblichen qualitativen Ausmaßes der Tat, welches sicherlich ein „Täuschungsgebäude großen Ausmaßes" darstellt, wären die Anforderungen an das quantitative Ausmaß nicht allzu hoch anzusetzen. Der Betrag von 700 000 Euro würde für die Bejahung des großen Ausmaßes genügen. An dieser Hinterziehung des M wären Subl und Sub2 Teilnehmer. Zudem haben sie allerdings hinsichtlich dieses Betrags durch Nichtdeklaration der Umsatzsteuer trotz Rechnungsausstellung aufgrund von § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG eigene Hinterziehungen begangen, so dass ihre Teilnahme an der Hinterziehung des M eine mitbestrafte Nachtat zu den von ihnen selbst täterschaftlich begangenen Hinterziehungen wäre. 544 Möglich ist aber die Verwirklichung des § 370a AO durch M nur, wenn die Steuerhinterziehung durch die Abgabe der falschen Jahreserklärung eine selbstständig zu bestrafende Tat ist. Denn die durch die Umsatzsteuervoranmeldungen verwirklichten Hinterziehungen erreichen nicht den für das große Ausmaß erforderlichen Mindestbetrag von 500 000 Euro. Ob die durch die Umsatzsteuerjahreserklärung verwirklichte Steuerhinterziehung, in der lediglich die bereits in Voranmeldungen gemachten unrichtigen Angaben wiederholt werden, eine selbstständig zu bestrafende Tat ist oder ob es sich insoweit um eine mitbestrafte Nachtat handelt, deren Unrechtsgehalt bereits durch die Vortaten abgegolten ist, ist umstritten. 545 Sollte man sich mit der wohl überwiegenden Literatur für eine mitbestrafte Nachtat entscheiden,546 wäre vorliegend § 370a AO auszuschließen. Verneint man 540 Siehe unter 2. Teil, B. II. 2. 541 Siehe unter 2. Teil, B. II. 2. 542 Siehe unter 2. Teil, B. II. 2. 543 Siehe unter 2. Teil, B. II. 2. 544 Hentschel, StBp 2000, 260, 263. 545 Zur mitbestraften Nachtat vgl. Tröndle/Fischer, 52. Aufl., Vor § 52 StGB Rn. 42 ff.; Wessels / Beulke, Rn. 795 f. 546 Vgl. etwa Bilsdorfer, NJW 1985, 2997, 2999; Kohlmann, § 370 AO Rn. 315.3, Stand November 1999.

B. Tatbestand

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hingegen mit der Rechtsprechung eine mitbestrafte Nachtat, 547 wäre eine bandenmäßige Steuerhinterziehung in großem Ausmaß gegeben. Rolletschke hingegen differenziert und nimmt eine mitbestrafte Nachtat nur dann an, wenn der Täter nicht bereits bei Abgabe der falschen Umsatzsteuervoranmeldungen beabsichtigte, die Hinterziehungen auf Zeit in eine solche auf Dauer übergehen zu lassen.548 Dies kann allerdings, jedenfalls im Rahmen des § 370a AO, schon deswegen nicht überzeugen, weil sonst derjenige besser gestellt wäre, der von Anfang an beabsichtigte, keine richtige Umsatzsteuerjahreserklärung abzugeben. Denn bei diesem wäre ansonsten allein auf den durch Nichtabgabe einer korrekten Umsatzsteuervoranmeldung hinterzogenen Betrag abzustellen, bei demjenigen, der nicht von Anfang an beabsichtigte, keine Umsatzsteuerjahreserklärung abzugeben, hingegen auf den durch Nichtabgabe einer richtigen Umsatzsteuerjahreserklärung hinterzogenen Betrag, der naturgemäß größer ist und somit das in quantitativer Hinsicht erforderliche große Ausmaß eher erreicht. Zwar ist bei jemandem, der von Anfang eine entsprechende Absicht hatte, in der Regel das qualitative Ausmaß größer, jedoch kann § 370a AO nur angenommen werden, wenn auch die entsprechenden quantitativen Voraussetzungen bei jeder Tat vorlagen. Eine nähere Auseinandersetzung mit diesem allgemeinen Problem der Steuerhinterziehung würde allerdings den Rahmen der Untersuchung sprengen. Stimmt man jedoch dem Bundesgerichtshof insoweit zu, als der Jahreserklärung aufgrund des Umsatzsteuersystems ein eigenständiger Erklärungswert zukommt, 549 ist es konsequent, eine mitbestrafte Nachtat auszuschließen und daher vorliegend § 370a Satz 1 AO zu bejahen. In dem bandenmäßig handelnden Umsatzsteuerkarussell des Fall 9 5 5 0 ist ein großes Ausmaß in qualitativer und quantitativer Hinsicht bei jeder von U1 begangenen Umsatzsteuerhinterziehung, sowohl hinsichtlich der Abgabe falscher Umsatzsteuervoranmeldungen als auch der unrichtigen Jahreserklärung, zu bejahen. Je nach Ansicht ist letztere allerdings wiederum eventuell als mitbestrafte Nachtat zu werten. B und U2 sind jeweils Teilnehmer. Gerade Umsatzsteuerkarusselle sind die Fälle, denen der Gesetzgeber durch das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz entgegen wirken wollte und die daher gewissermaßen als „Prototyp" des § 370a AO angesehen werden können. Die Beispielsfälle verdeutlichen, dass das Merkmal „in großem Ausmaß" bei richtiger Auslegung eine ausreichend hohe Strafbarkeitsschwelle sichert, so dass es einer weiteren Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 370a AO nicht bedarf.

547 BGH wistra 1992, 93, 94; BGH wistra 1996, 105. 548 Rolletschke, Steuerhinterziehung, Rn. 150; ders. in Dietz/Cratz/ Rolletschke, § 370 Rn. 227, Stand Dezember 2002. 549 BGH NStZ 1982, 335; BGH StV 1996, 215, 216; BGH wistra 1998, 146. 550 Siehe unter 2. Teil, B. II. 2.

3. Teil

Strafzumessung Für die Strafzumessung bei der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung bedeutsam ist die nachträglich eingefügte Regelung des minder schweren Falles gem. § 370a Satz 2 AO, welche nach § 370a Satz 3 AO insbesondere anzunehmen ist, wenn eine gem. § 371 AO wirksame Selbstanzeige erstattet wurde. Minder schwere Fälle eröffnen einen milderen Strafrahmen - sie sind gem. § 370a Satz 2 AO mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren sanktioniert.1 Die mildest denkbare Strafe ist nach § 47 Abs. 2 StGB2 - allerdings nur in Ausnahmefällen 3 - Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen. Gem. § 56 StGB kommt auch die Strafaussetzung zur Bewährung in Betracht. 4 § 370a Satz 2 AO stellt aber lediglich eine Strafzumessungsregel dar, so dass es sich nach § 12 Abs. 3 StGB weiterhin um ein Verbrechen handelt, selbst wenn die Strafe im konkreten Fall geringer ausfällt als ein Jahr Freiheitsstrafe (vgl. § 12 Abs. 1 StGB).5 Jegliche, noch zu erörternde, an die Deliktsnatur anknüpfende Folgen prozessualer Art oder im Bereich der Geldwäsche bleiben folglich bestehen. Namentlich hat auch in diesen Fällen eine öffentliche Hauptverhandlung stattzufinden, die Einstellung des Verfahrens oder die Ahndung mit Strafbefehl sind ausgeschlossen. Trotz dieser unverändert einschneidenden Konsequenzen wurde die Ergänzung des § 370a AO um die Regelung des minder schweren Falles allgemein begrüßt.6 Sie trägt zwei der wesentlichen Kritikpunkte an der Ursprungsfassung der Regelung Rechnung. Zum einen ermöglicht sie eine schuldangemessene Bestrafung in weniger bedeutsamen Fällen mit geringerem Unrechtsgehalt, in denen die Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe nicht gerechtfertigt erscheint.7 In An1

Dieses Strafmaß weicht vom allgemeinen Strafrecht ab, vgl. etwa § 263 Abs. 5, § 267 Abs. 4 StGB: Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahre. Scheurmann-Kettner, NWB Nr. 33, Fach 2, S. 7963, 7966 vermutet als Grund eine Orientierung des Gesetzgebers an § 373 Abs. 1 AO. 2 Vorausgesetzt, eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber kommt nicht in Betracht. 3 Henseler, AW-Praxis 2003, 97, 99 warnt davor, auf diese Ausnahme Vorschrift zu vertrauen. 4 Scheurmann-Kettner, NWB Nr. 33, Fach 2, S. 7963, 7966. 5 Dies verkennt die AG Klimatagung in Wo, WPK-Mitt. 2003, 130, 132. 6 Vgl. etwa Bittmann, wistra 2003, 161, 162; Hunsmann, DStR 2005, 318, 320. 7 Vgl. dazu Bundessteuerberaterkammer, DStR-KR 2002, 10, 11; Bittmann, wistra 2003, 161, 162; Burchert, INF 2002, 532, 535; Hunsmann, DStR 2005, 318, 319.

A. Die Regelung des § 370a Satz 2 AO im Einzelnen

141

betracht des weiten Tatbestands wird dies für dringend erforderlich gehalten.8 Das Fehlen eines minder schweren Falls habe die mangelnde Flexibilität der Vorschrift bedingt9 und auch bei einer Gegenüberstellung mit vergleichbaren Normen, etwa dem schweren Bandendiebstahl (§ 244a Abs. 2 StGB), der gewerbsmäßigen Bandenhehlerei (§ 260a Abs. 2 StGB) sowie mit anderen Verbrechen, nicht gerechtfertigt erschienen.10 Zum anderen wurde durch die Novellierung die Selbstanzeigemöglichkeit für die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung geschaffen. 11 Die Regelung bricht allerdings mit der sonst im deutschen, und beispielsweise auch im österreichischen Recht, gegebenen strafbefreienden Wirkung der Selbstanzeige. Eine bloße Strafmilderung wurde bislang allein bei einer so genannten „verunglückten Selbstanzeige" angenommen.12 Wie in diversen anderen Rechtsordnungen13 hat nunmehr auch die voll wirksame Selbstanzeige für den Fall des § 370a AO nur noch strafmildernde Wirkung. Aus diesem Grund wird das Institut der Selbstanzeige teilweise als „dauerhaft entwertet" angesehen.14 § 370a Satz 3 AO enthalte nur eine Anzeige „zweiter Klasse", welche die Beratungspraxis erheblich verändern werde. 15 Ob dem wirklich so ist und wie die Regelungen des § 370a Sätze 2, 3 AO anzuwenden und zu bewerten sind, soll im Folgenden untersucht werden.

A. Die Regelung des § 370a Satz 2 AO im Einzelnen Die Annahme eines minder schweren Falles setzt die Gesamtwürdigung aller für die Wertung von Tat und Täter erheblichen Faktoren des Einzelfalls voraus. Sie können mit der Tat selbst verbunden sein, ihr vorausgehen, nachfolgen oder sie begleiten16 und können auch außerhalb des Tathergangs befindlich sein, wie etwa die Täterpersönlichkeit, Not, Konfliktlage oder das Täterverhalten nach der Tat, beispielsweise die freiwillige Offenbarung der Tat. Die Abwägung aller be- und entlastenden Umstände muss ergeben, dass das Ausmaß von Unrecht und Schuld den erfahrungsgemäß vorkommenden und durch den normalen Strafrahmen bes Kemper in Dietz/Cratz/Rolletschke, § 370a AO Rn. 50, Stand Dezember 2002. 9 Bittmann, wistra 2003, 161, 162. •o Bundessteuerberaterkammer, DStR-KR 2002, 10, 11; Bender, ZfZ 2002, 146, 147; Burchert, INF 2002, 532, 535; Burger, wistra 2002, 1, 3 f.; Joecks, wistra 2002, 201, 204; Salditt, StV 2002, 214; Weyand, INF 2002, 183, 186. 11

H. M., dazu sogleich mehr. 12 Vgl. Bilsdorf er, wistra 1984, 131; Gast-de Haan in Klein, § 371 AO Rn. 5. 13 Nachw. bei Rüping in HHSp, § 371 AO Rn. 238 Fn. 18, Stand November 2000. 14 Spatscheck/ Wulf, NJW 2002, 2983, 2985. 15 Rüping, FS Kohlmann, 499, 510. 16 BGHSt 26, 97, 98; BGH NStZ-RR 1998, 298.

142

3. Teil: Strafzumessung

rücksichtigten Fällen erheblich nachsteht.17 Fraglich ist allerdings, welche Konstellationen in der praktischen Anwendung als minder schwere Fälle im Sinne des § 370a Satz 2 AO einzustufen sind. Die Gesetzesmaterialien geben zu dieser Frage keinen Aufschluss. Einige Kommentatoren erachten es für schwer denkbar, dass besondere Umstände eine gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung großen Ausmaßes als milderen Fall erscheinen lassen, ohne dass vielmehr nur der Grundtatbestand des § 370 AO erfüllt ist. 18 Der Großteil der Autoren 19 sieht diese Schwierigkeiten nicht und hält es vielmehr für durchaus möglich, dass der Regelstrafrahmen - auch im Hinblick auf die Nebenfolgen - unangemessen ist. 20 Exemplarisch werden zunächst die Milderungsgründe gem. § 49 Abs. 1 StGB genannt,21 wie die bloß versuchte Steuerhinterziehung, § 23 Abs. 2 StGB, 22 oder die Beihilfe, § 27 StGB, 23 sowie allgemeine Milderungsgründe, etwa eine lange Verfahrensdauer, 24 eine stark belastende schwere Krankheit oder die unverzügliche Schadens Wiedergutmachung.25 Speziell für die Steuerhinterziehung seien Beträge, die unter das Kompensationsverbot fallen (§ 370 Abs. 4 Satz 3 AO) ein denkbarer Milderungsgrund 26 oder ein Geständnis, das zur Aufdeckung eines Umsatzsteuerkarussells führt. 27 Als weiteres Beispiel wird die nur einmalig oder selten vollzogene gewerbsmäßige Steuerhinterziehung angeführt. 28 Strafmildernd könne auch berücksichtigt werden, dass die Wiederholung einer Steuerhinterziehung eher •7 Stree in Sch/Sch, Vorbem. §§ 38 ff. StGB Rn. 48 m. w. N. Die Abwägung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und vom Revisionsgericht nur beschränkt nachprüfbar, Gast-de Haan in Klein, § 370a AO Rn. 16. 18 Götzens in Wannemacher Rn. 1805; ebenso Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 50, Stand Dezember 2002; Seer, BB 2002, 1677, 1680; vgl. auch Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 39. >9 Vgl. insbes. Gast-de Haan in Klein, § 370a AO Rn. 19; Hunsmann, DStR 2005, 318, 319; Vogelberg, PStR 2002, 227, 231. 20 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 39. 21 22

Zu den Beispielen siehe insbesondere Vogelberg, PStR 2002, 227, 231. Vgl. dazu BGH wistra 02, 150 f.

23 Vgl. dazu LG Wuppertal wistra 99, 473, 474. In Betracht kommt zudem der Gebotsirrtum, § 17 Abs. 1 StGB. Umstände, die nach § 49 StGB die Annahme eines minder schweren Falles begründen, dürfen bei der Strafzumessung nicht noch einmal berücksichtigt werden, Gast-de Haan in Klein, § 370a AO Rn. 19; Vogelberg, PStR 2002, 227, 231. 2 4 Vgl. BGH StV 92, 154. 25

Vogelberg, PStR 2002, 227, 232 nennt des Weiteren eine lange Zeitspanne zwischen Tat und Urteil, Wirkung der Strafe auf das künftige Leben, wirtschaftliche Schwierigkeiten, keine Vorstrafen, sowie Auswirkungen der Untersuchungshaft; vgl. auch Stree in Sch/Sch, Vorbem. §§ 38 ff. StGB Rn. 48. 2 6 Vgl. dazu BGH wistra 1990, 59; BGH wistra 1991, 27, 28. 2 ? Hunsmann, DStR 2005, 318, 319. Vgl. auch bereits Meyer in Hund / Johnigk / Wollburg, DStR 2002, 879, 884: „Das schließt nicht aus, dass auch bei § 370a AO ( . . . ) ein Geständnis strafmildernd wirken kann." Zweifelnd Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 53, Stand Dezember 2002. 2 « Heerspink, AO-StB 2002, 426, 427.

A. Die Regelung des § 370a Satz 2 AO im Einzelnen

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von Schwäche als von besonderer krimineller Energie zeuge. Aufgrund des „Fortsetzungszwangs" seien Fälle der „Alltagkriminalität", wie namentlich die so genannten Luxemburg-Fälle, nicht in demselben Maße strafwürdig wie planmäßig organisierte Karussellgeschäfte, welche der Gesetzgeber primär durch den Strafrahmen des § 370a Satz 1 AO habe erfasst wissen wollen. 29 Diese vielfältigen Möglichkeiten verdeutlichen, dass es keineswegs unmöglich ist, die Regelung des § 370a Satz 2 AO mit Inhalt zu füllen. Die anders lautenden Stimmen übersehen, dass im Rahmen des minder schweren Falls Umstände außerhalb des Tatbestandes von Bedeutung sind. Es handelt sich zwar um eine gewerbsoder bandenmäßige Steuerhinterziehung in großem Ausmaß, so dass § 370a AO und nicht nur § 370 AO einschlägig ist. Jedoch sind besondere Milderungsgründe gegeben, die das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen unberührt, aber den Fall weniger strafwürdig erscheinen lassen. Insbesondere ist hier auch an den Fall eines Bandenmitglieds zu denken, welches im Verhältnis zu den insgesamt von der Bande erzielten Gewinnen nur eine - insbesondere im Vergleich zu dem von ihm zu tragenden Risiko - geringe Entlohnung erhält, während sich die anderen Bandenmitglieder nicht täterschaftlich strafbar machen und auch abgabenrechtlich nicht haftbar gemacht werden können.30 In einem der bislang gerichtlich entschiedenen Fälle hat das Landgericht Wuppertal § 370a Satz 2 AO für einschlägig erachtet. Es handelte sich um eine Umsatzsteuerhinterziehung in Höhe von 334 717 Euro, besondere mildernde Umstände sind nicht ersichtlich. Welcher Aspekt das Landgericht zur Annahme des minder schweren Falles bewogen hat, ist offen. 31 In der Literatur wird vermutet, dass sich 29 Hunsmann, DStR 2005, 318, 319. 30 Vgl. ähnlich Bender, ZfZ 2002, 366, 368. 31 LG Wuppertal, zitiert in BGH, NJW 2004, 2990 f. Es handelte sich um einen Fall, in dem der Angekl. in den Jahren 1996-2002 in erheblichem Umfang Umsatzsteuern verkürzte, indem er (Bruch-)Gold ohne Rechnung ankaufte und dieses offiziell an Scheideanstalten weiterverkaufte. Da er im Geschäftsbetrieb nicht selbst in Erscheinung treten wollte, weihte er mehrere andere Personen in seine Pläne ein. Soweit diese Personen noch keinen Gewerbebetrieb führten, veranlasste er, dass sie einen solchen anmeldeten. Für diese Unternehmen übernahm der Angekl. die Buchführung. Die unter dem Namen der jeweiligen Gewerbebetriebe abgewickelten Goldverkäufe an die Scheideanstalten erfolgten jeweils mit Rechnungen, in denen die Umsatzsteuer offen ausgewiesen war. In der Buchführung deckte der Angekl. diese Lieferungen mit entsprechenden Scheineinkaufsrechnungen ab, in denen der angeblich gezahlte Steuerbetrag ebenfalls gesondert ausgewiesen war. Die jeweiligen Firmeninhaber machten in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuerjahreserklärungen die angebliche Vorsteuer aus den Abdeckrechnungen geltend. Die zu Unrecht erstatteten Vörsteuern sowie die nicht erklärten Umsatzsteuern wurden zwischen den Bet. als „Gewinn" aufgeteilt. Bei der konkret als § 370a Satz 2 AO gewerteten Tat hat die Lebensgefährtin des Angekl., die ein Schmuckstudio betrieb und sich seit 1998 an den Goldgeschäften beteiligt hatte, um eigene Verluste auszugleichen, zusammen mit dem Angekl. auf die geschilderte Weise durch Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2001 Umsatzsteuer i. H. v. 334 717 Euro verkürzt. Das LG legte dar, dass die Gewerbsmäßigkeit nach der hergebrachten Definition zu bejahen sei und das große Ausmaß ab einem Betrag von 250 000 Euro anzunehmen sei, ohne dies weiter zu begründen.

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3. Teil: Strafzumessung

als wichtigster Orientierungspunkt - dem Hinterziehungstatbestand entsprechend in der Praxis das Ausmaß des Taterfolgs herausstellen wird. 32 Dies könnte auch im genannten Fall der Grund für die Annahme des § 370a Satz 2 AO gewesen sein, eine gesicherte Erkenntnis ist dies aber nicht. In diese Richtung tendierend schlägt Stahl vor, bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 370a Satz 1 AO immer zunächst eine „Zone des minder schweren Falls" anzunehmen.33 Erst wenn dieser Bereich überschritten ist, etwa ab einem Hinterziehungsbetrag von mehr als zwei Millionen Euro, dürfe die volle Härte des Strafrahmens des § 370a Satz 1 AO angewandt werden. 34 Gegen diese Vorgehens weise ist jedoch einzuwenden, dass nach der Systematik des Gesetzes bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 370a Satz 1 AO eben Satz 1 und nicht Satz 2 gegeben ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzukommen, die eine Herabstufung zu einem minder schweren Fall rechtfertigen. 35 Dies verdeutlicht und belegt die Regelung der Selbstanzeige in § 370a Satz 3 AO. Die Selbstanzeige stellt einen derart besonderen Faktor dar. Würde Stahls Ansicht gefolgt, wäre die Selbstanzeige bei einem Betrag unter zwei Millionen Euro nahezu wertlos für den Täter. Sie wäre zwar im Rahmen der Strafzumessung als nochmals strafmildernder Faktor zu berücksichtigen, dennoch liefe die Regelung des § 370a Satz 3 AO in diesem großen Bereich nahezu leer. Eine solche Konsequenz ist nicht tragbar. Die Höhe des Hinterziehungsbetrags darf zwar durchaus Berücksichtigung finden, jedoch nicht als einzig entscheidender Faktor, der in einem großen Bereich zwingend zur Annahme eines minder schweren Falles führt. Vielmehr hat immer die schon beschriebene Gesamtwürdigung aller erheblichen Umstände zu erfolgen. Kohlmann kritisiert an der Regelung des § 370a Satz 2 AO, dass Friktionen gegenüber dem gleich hohen Strafrahmen des schweren Schmuggels gem. § 373 AO und der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei gem. § 374 AO bestünden.36 Es erscheint in der Tat zweifelhaft, ob beispielsweise der Unrechtsgehalt eines minder schweren Falls einer gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung großen Ausmaßes ebenso hoch ist wie der des gewaltsamen Schmuggels, dessen Strafschärfungsgrund die stärkere verbrecherische Willensbetätigung ist. 37 Im Verhältnis zu § 373 kann das auf den ersten Anschein deutliche Missverhältnis in einigen Fällen durch das durch die Steuerhinterziehung geschützte Rechtsgut erklärt werden, welches nach richtiger herrschender Ansicht das Steueraufkommen des Staates ist. 38 § 373 AO ist nach 32 Rüping DStR 2002, 1417, 1418; ders., FS Kohlmann, 499, 509; vgl. auch Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 38. 33 Stahl, Selbstanzeige, Rn. 372; ders., KÖSDI 2002, 13390, 13392; zustimmend Hunsmann, DStR 2005, 318. 34 Stahl, KÖSDI 2002, 13390, 13392. 35 So auch Pestke / Motte, Stbg 2002, 493, 496. 36 Kohlmann, § 370a AO Rn. 25, Stand Oktober 2002. 37 Voß in FGJ, § 373 AO Rn. 16. 38 BGH wistra 1989, 226, 227; BGH wistra 1994, 194; BGH wistra 1996, 259 f.; Franzen, DStR 1965, 187, 188; Joecks in FGJ, § 370 Rn. 14 ff.; Kürzinger in Wannemacher, Rn. 82 ff.

A. Die Regelung des § 370a Satz 2 AO im Einzelnen

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richtiger herrschender Meinung kein selbstständiger Tatbestand, sondern enthält lediglich Strafschärfungsgründe zu § 370 AO, er ist eine unselbstständige tatbestandliche Abwandlung. 39 Das Schutzgut Steueraufkommen, welches, neben den eigentlichen Strafschärfungsgründen des § 373 AO, auch bei dieser unselbstständigen Vorschrift zu beachten ist, ist bei einer Hinterziehung großen Ausmaßes erheblich stärker beeinträchtigt als bei einem gewaltsamen Schmuggel geringen Ausmaßes. Diese Erklärung versagt allerdings, wenn es sich um einen gewaltsamen Schmuggel handelt, bei dem ebenfalls die Voraussetzungen für das große Ausmaß erfüllt würden. Für den gewerbs- und den bandenmäßigen Schmuggel handelt es sich in diesen Fällen um ein Konkurrenzproblem, da sowohl § 373 als auch § 370a AO erfüllt wären, nicht aber für den gewaltsamen Schmuggel. Hinsichtlich § 374 AO scheidet eine Erklärung mit dem Schutzgut der Steuerhinterziehung von vornherein aus. Es handelt sich hier um einen selbstständigen Tatbestand mit einem selbstständigen Rechtsgut, welches der Schutz gegen die Perpetuierung eines rechtswidrigen Zustands ist. 40 Die Kritik Kohlmanns ist somit zutreffend. Auch die Beanstandung der gegenüber § 370 Abs. 3 AO geringeren Strafandrohung des § 370a Satz 2 AO ist gerechtfertigt. Denn der Unrechtsgehalt des minder schweren Falles eines Verbrechens muss den des besonders schweren Falles eines Vergehens übersteigen, was aber im Widerspruch zu den gesetzlich angeordneten Strafrahmen steht.41 Dumke schlägt vor, das Problem dadurch zu lösen, dass § 370a Satz 2 AO zwingend immer abzulehnen sei, wenn die Merkmale des § 370 Abs. 3 AO erfüllt sind. 42 Dem wird erwidert, dass dann immer bei der Verwendung nachgemachter oder gefälschter Belege die Annahme eines minder schweren Falles ausgeschlossen wäre. Außerdem enthalte das Gesetz keine dahingehende Einschränkung.43 Der zwingende Ausschluss eines minder schweren Falls, wenn die Merkmale des § 370 Abs. 3 AO erfüllt sind, kann in der Tat nicht überzeugen. Für die Bewertung, ob ein minder schwerer Fall anzunehmen ist, ist gerade die Gesamtwürdigung aller Umstände erforderlich, nicht nur die Berücksichtigung des einen Umstandes, dass die Voraussetzungen des § 370 Abs. 3 AO gegeben sind. Eine gewisse Stimmigkeit kann jedoch diese Gesamtwürdigung aller für die Wertung von Tat und Täter erheblichen Faktoren des Einzelfalls bewirken. Denn in deren Rahmen kann der Richter auch berücksichtigen, dass die Voraussetzungen des § 370 Abs. 3 AO erfüllt sind. Dies kann sowohl in die Bewertung der Frage, ob ein minder schwerer Fall anzunehmen ist, einfließen als auch in die Strafzumessung. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die durchaus bestehenden und 39 BGH StrafFo 2005, 256; Voß in FGJ, § 373 AO Rn. 2 m. w. N. 40

Kindshofer in Wannemacher, Rn. 2040. So zutreffend Bittmann, wistra 2003, 161, 163; Kohlmann, § 370a AO Rn. 25, Stand Oktober 2002; vgl. auch BGH, NJW 2004, 2990 f. 42 Dumke in Schwarz, § 370a AO Rn. 37, Stand November 2002. 43 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 39. 10 Schneider

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3. Teil: Strafzumessung

kritikwürdigen Friktionen der gesetzlichen Strafrahmen keine erheblichen Unstimmigkeiten der tatsächlich verhängten Strafen nach sich ziehen werden.

B. Minder schwerer Fall bei Selbstanzeige, § 370a Satz 3 AO Bis zur Einfügung des § 370a Satz 3 AO beseitigte die formlos mögliche Selbstanzeige gem. § 371 AO als persönlicher Strafaufhebungsgrund mittels nachträglicher Kompensation des Handlungs- wie des Erfolgsunrechts die aus § 370 AO begründete Strafbarkeit. 44 § 371 AO hat in erster Linie den steuerpolitischen Zweck, bisher verheimlichte Steuerquellen zu erschließen.45 Erreicht werden soll dies durch den Anreiz der Straffreiheit, die dem Steuerhinterzieher die Rückkehr in die Legalität und zur Steuerehrlichkeit ermöglicht. 46 Dies dient dem durch §§ 370 ff. AO geschützten Rechtsgut Steueraufkommen, welches infolge der Selbstanzeige erhöht und für die Zukunft gesichert wird. 47 Die Regelung des § 370a AO weist allerdings auch im Bereich der Selbstanzeige einige Besonderheiten auf. Für die gewerbs- oder bandennmäßige Steuerhinterziehung früherer Fassung war umstritten, ob die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige ungeachtet des Umstandes eröffnet war, dass § 370a AO a. F. eine solche nicht vorsah und § 371 AO nur auf § 370 AO Bezug nimmt. Während die richtige herrschende Meinung 48 dies aufgrund des Wortlauts des § 371 AO, der vom Gesetzgeber bewusst nicht abgeändert worden sei, 49 und des Ausnahmecharakters von § 371 AO verneinte und wegen des abschließenden Katalogs der 44 Kohlmann, § 371 AO Rn. 25, Stand Oktober 1998; Rüping in HHSp, § 371 AO Rn. 24, Stand November 2000; ders., FS Kohlmann, 499, 510. Zu der Diskrepanz zwischen gesetzlichem Anspruch und Rechtswirklichkeit hinsichtlich der Selbstanzeige vgl. Kohlmann, Geilen-Symposium, S. 79 ff. 45 RGSt 70, 350, 351; BGHSt 12, 100, 101; BGH wistra 1991, 223, 225; BT-Drucks. 14/8887, 24; Kohlmann, § 371 AO Rn. 11, Stand Oktober 1998; Voß in FGJ, § 371 AO Rn. 19. Neben der steuerpolitischen Zielsetzung spielen insbesondere kriminalpolitische Gründe eine Rolle, vgl. Kohlmann, § 371 AO Rn. 10, Stand Oktober 1998. 46 BT-Drucks. 14/8887, S. 24; Kohlmann, § 371 AO Rn. 12, 19, Stand Oktober 1998. 47 Harms, FS Kohlmann, 413, 415. 48 Pressemitteilung d. Bundessteuerberaterkammer v. 15. 02. 2002, abrufbar unter http:// www.bstbk.de; Bundessteuerberaterkammer, DStR-KR 2002, 10, 11; Bender ZiZ 2002, 146, 148; Burger, wistra 2002, 1, 3; Gast-de Haan in Klein, § 370a AO Rn. 2; Heerspink AO-StB 2002, 88, 91; ders., BB 2002, 910; Hentschel NJW 2002, 1703; Hillmann-Stadtfeld, NStZ 2002, 242, 244; Kohlmann, Geilen-Symposium, 79; Lührs, BuW 2002, 711; Rund, AO-StB 2003, 207, 208; Stahl, KÖSDI 2002, 13204, 13211; so auch die Fraktionen von CDU/CSU und FDP, vgl. BT-Drucks. 14/8887, 24. 49 Meyer in Hund/Johnigk/Wollburg, DStR 2002, 879, 884: „dass der § 371 AO nur den § 370 AO, nicht aber § 370a AO zitiert, ( . . . ) ist allerdings mit Bedacht geschehen und war ausdrücklicher gesetzgeberischer Wille".

B. Minder schwerer Fall bei Selbstanzeige, § 370a Satz 3 AO

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selbstanzeigefähigen Delikte 50 sowie der Verneinung einer ungeplanten Regelungslücke51 auch eine Analogie ablehnte, bejahte eine Mindermeinung 52 die - zumindest analoge - Anwendung des § 371 AO auf § 370a AO. Sie begründete dies neben dem fiskalischen Zweck und andernfalls gefährdeten praktischen Funktionsfähigkeit des § 371 AO mit der gesetzgeberischen Wertung, die in der Existenz der Selbstanzeigemöglichkeit mit strafbefreiender Wirkung zum Ausdruck komme und dahin gehe, dass die Steuerhinterziehung nicht allgemein strafrechtlichen Vermögensdelikten gleichgestellt sei. Zudem wurden die systematische Stellung des § 370a AO vor § 371 AO und ein Vergleich mit § 306e StGB angeführt, der Vorschrift über die tätige Reue, die auch auf Verbrechen Anwendung findet. Der fehlende Verweis in § 371 AO auf § 370a AO sei daher ein Redaktionsversehen.53 Der Hinweis der herrschenden Meinung, dass § 371 AO ebenso wenig auf § 373 AO angewendet werde, sei nicht überzeugend, da dessen Tathandlungen nicht durch § 370 AO umschrieben würden. 54 Außerdem entstehe andernfalls ein „unlösbares Spannungsverhältnis" zwischen dem durch die Neufassung des Geldwäschetatbestandes verstärkten Druck, die Bemakelung von Vermögen aufzuheben, und dem Verschluss des „einzigen Ventils" - der Selbstanzeige.55 Die Unsicherheit hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 371 AO auf § 370a AO sollte durch die Neufassung des § 370a AO beseitigt werden, der in seinem Satz 3 nun ausdrücklich festlegt, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 371 AO ein minder schwerer Fall anzunehmen ist. Die Beilegung der Kontroverse bezüglich der Selbstanzeigemöglichkeit ist dadurch indes nicht gelungen, vielmehr herrscht jetzt Uneinigkeit über die Bedeutung und Einordnung des § 370a Satz 3 AO.

I. Leerlauf 1. Darstellung Als einziger Kommentator vertritt Hellmann die Ansicht, dass die Regelung des § 370a Satz 3 AO keinen Anwendungsbereich habe und jeglicher Bedeutung entbehre. Seiner Ansicht nach geht sie „ins Leere", da bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 371 AO dem Täter auch hinsichtlich § 370a AO Straffreiheit zu gewähren sei. Denn Voraussetzung einer Bestrafung nach der Qualifikation des § 370a AO sei, dass sämtliche Merkmale des Grundtatbestandes gem. § 370 AO erfüllt sind. Erlangt der Täter aber infolge einer Selbstanzeige hinsichtlich des 50 Burchert, INF 2002, 532, 536; Burger, wistra 2002, 1, 3. 51 Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 79, Stand Dezember 2002. 52 Salditt, StV 2002, 214, 217; Sommer/Füllsack, Stbg 2002, 355, 363; Spatscheck, Stbg 2002, Heft 2 M l ; Spatscheck/ Wulf, DB 2002, 392, 395. 53 Spatscheck/ Wulf, DB 2002, 392, 395, Sommer/Füllsack, Stbg 2002, 355, 363. 54 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 41. 55 Salditt, StV 2002, 214, 217. 10*

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3. Teil: Strafzumessung

Grundtatbestandes Straffreiheit, fehle der Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit nach der Qualifikation. Die Anwendbarkeit des § 371 AO auf § 370a AO entspreche der - nach herrschender Meinung zu bejahenden - Möglichkeit des strafbefreienden Rücktritts gem. § 24 StGB vom erfolgsqualifizierten Versuch. Für eine solche Auslegung, der der Wortlaut des § 370a Satz 3 AO nicht entgegenstehe, spreche zudem die fiskalische Funktion des § 371 AO, da gerade in Fällen der gewerbs- oder bandenmäßigen Begehung die Aufdeckung und Verfolgung gewöhnlich noch schwerer sei als bei einfachen Steuerhinterziehungen. 56

2. Kritik Gegen die unmittelbare Anwendung des § 371 AO auf § 370a AO wird zunächst die Entstehungsgeschichte letztgenannter Vorschrift angeführt. Der Bundesrat habe den Vermittlungsausschuss unter anderem mit dem Ziel angerufen, die strafbefreiende Selbstanzeige für die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung zu ermöglichen. Wenn § 370a Satz 3 AO daraufhin so formuliert wurde, dass er ausdrücklich die strafmildernde Wirkung der Selbstanzeige anordnet, mache dies deutlich, dass die Strafbefreiung durch Selbstanzeige gerade nicht gewollt war. Ansonsten sei die Regelung dieses Satzes 3 sinnlos.57 § 371 AO beziehe sich ausdrücklich nur auf § 370 AO und könne deswegen nicht auf § 370a AO angewandt werden. Denn durch die Bezugnahme des § 370a AO auf § 370 AO werde die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung nicht zu einem Regelbeispiel des Grundtatbestandes. Sie sei vielmehr ein eigenständiger Tatbestand, der bloß verweisungstechnisch auf § 370 AO abstelle.58 Dass § 371 AO mangels ausdrücklicher Verweisung nicht für § 370a AO gelten könne, werde auch durch ein aus § 373 AO abgeleitetes historisches Argument bestätigt. Denn in der Reichsabgabenordnung sei eine Selbstanzeigemöglichkeit für bestimmte Arten des Schmuggels explizit angeordnet gewesen, dann sei diese Regelung bewusst gestrichen geworden. Die Argumentation, dass § 371 AO auf die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung anwendbar sein müsse, da in jedem Fall des § 370a AO auch § 370 AO erfüllt ist, müsste entsprechend für § 373 AO gelten. Bei letzterem Tatbestand sei aber die Unanwendbarkeit der Selbstanzeigeregelung einhellige Meinung. 59 Zudem sei selbst im Fall der wirksamen Selbstanzeige der Tatbestand des § 370a AO in Verbindung mit § 370 AO voll erfüllt, da § 370a AO nicht an die Strafbarkeit nach § 370 AO anknüpfe. Entgegen Hellmanns Annahme entfalle also der Anknüpfungspunkt des § 370a AO nicht, wenn der Täter hinsichtlich § 370 AO 56 57 58 59

Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 30, 35 f., Stand August 2002. Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 42; Stahl, Selbstanzeige, Rn. 358. Stahl, Selbstanzeige, Rn. 358. Fahl, ZStW 2002, 794, 807.

B. Minder schwerer Fall bei Selbstanzeige, § 370a Satz 3 AO

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infolge wirksamer Selbstanzeige straffrei ist. 60 Eine strafbefreiende Selbstanzeige sei aus diesen Gründen für § 370a AO ausgeschlossen.

II. Gesetzliches Indiz 1. Darstellung Rüping spricht der Selbstanzeige entsprechend ihrer Natur als Strafzumessungsregel lediglich indizielle Wirkung für das Vorliegen eines minder schweren Falles zu. Die Selbstanzeige sei „weder notwendige noch hinreichende Bedingung für eine Strafrahmenverschiebung". Vielmehr bestehe eine Parallele zwischen § 370a Satz 3 AO und der im Rahmen des § 370 AO nur einen Strafmilderungsgrund darstellenden unwirksamen, verspäteten Selbstanzeige. Anzuerkennen sei aber aufgrund der „singulären Stellung als einziges gesetzlich benanntes Indiz" eine erhebliche Wirkung der Selbstanzeige.61 Zur Unterstützung der Sichtweise Rüpings konstatiert Hunsmann eine gewisse Vergleichbarkeit von § 370a Satz 3 AO mit dem benannten minder schweren Fall des § 213 Var. 1 StGB, bei dem eine Gesamtwürdigung, in die auch sämtliche außerhalb dieser Norm liegende Umstände eingestellt werden, nicht ausgeschlossen sei. Letztlich hält er eine bloße Indizwirkung der Selbstanzeige dennoch nicht für überzeugend.62

2. Kritik Diese Interpretation sieht sich dem Einwand ausgesetzt, dass die sonst übliche Wendung „liegt in der Regel vor" in § 370a Satz 3 AO nicht verwendet wird. 63 Es handele sich daher bei der Selbstanzeige zwar um ein Beispiel, nicht aber um ein Regelbeispiel des minder schweren Falles.64 Die Selbstanzeige sei ein „benannter" minder schwerer Fall, 65 ein Anwendungsfall des minder schweren Falles.66

60 61 62 63 64

Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 44. Rüping, DStR 2002, 1417, 1419; ders., FS Kohlmann, 499, 510. Hunsmann, DStR 2005, 318, 319. Hunsmann, DStR 2005, 318, 319. Fahl, ZStW 2002, 794, 814, der die Vorschrift für vergleichbar mit § 213 StGB hält.

65 Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 30, Stand August 2002; Hunsmann, DStR 2005, 318, 319; Müller, DStR 2002, 1641, 1646. 66 Scheurmann-Kettner, NWB, Fach 2, 7963; 7966; zustimmend Hunsmann, DStR 2005, 318,319.

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3. Teil: Strafzumessung

III. Abschließende und zwingende Regelung der Selbstanzeige in § 370a Satz 3 AO Die herrschende Ansicht vertritt, dass nach dem eindeutigen Wortlaut des § 370a Satz 3 AO bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 371 AO die zwingende Rechtsfolge eintritt, dass ein minder schwerer Fall anzunehmen ist. 67 Auch eine analoge Anwendung des § 371 AO auf § 370a AO sei ausgeschlossen, da der Gesetzgeber das Problem gesehen und geregelt habe, also keine planwidrige Regelungslücke vorliege. 68 Die Selbstanzeigemöglichkeit sei für die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung abschließend in § 370a Satz 3 AO geregelt. Die Vorschrift besitze gegenüber dem Privileg des § 371 AO einen eigenen Regelungsgehalt.69

IV. Stellungnahme und Behandlung einiger Problemfälle Die Entstehungsgeschichte des § 370a Satz 3 AO zeigt, dass der Ansatz Hellmanns nicht richtig sein kann. Denn die Einfügung dieser Regelung belegt, dass die fehlende Bezugnahme des § 371 AO auf § 370a AO kein Redaktionsversehen, sondern eine bewusste Auslassung war. Dies wird schon dadurch deutlich, dass der Bundesrat den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel angerufen hat, die Selbstanzeige zu ermöglichen. 70 Wäre der Gesetzgeber der Auffassung gewesen, dass die Selbstanzeigeregelung ungeachtet des fehlenden Verweises auf die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung Anwendung findet, wäre dieses Anrufungsbegehren nicht verständlich. Zudem kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber eine Vorschrift schafft, die jeglichen Anwendungsbereichs entbehrt. Entscheidend spricht gegen beide Mindermeinungen der klare Wortlaut des § 370a Satz 3 AO, welcher ausdrücklich festlegt, dass die wirksame Selbstanzeige nicht nur „in der Regel", sondern immer und zwingend ein benannter minder schwerer Fall ist, was durch das Wort „insbesondere" deutlich wird. 71 § 370a AO bedeutet dementsprechend eine Änderung der Qualität der Selbstanzeige. Sie ist nicht mehr in allen Fällen ein persönlicher Strafaufhebungsgrund, sondern besitzt 67 Burchert, INF 2002, 532, 536; Dumke in Schwarz, § 370a AO Rn. 38, Stand November 2002; Fahl, ZStW 2002, 794, 814; Gast-de Haan in Klein, § 370a AO Rn. 17; Heerspink, AO-StB 2002, 426, 427; Hunsmann, DStR 2005, 318, 319; Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 44; Müller DStR 2002, 1642, 1646; Rund, AO-StB 2003, 207, 208; Sauren, ZEV 2002, 404, 405; Scheurmann-Kettner, NWB, Fach 2, 7963, 7966; Senge in Erbs / Kohlhaas, A 24, § 370a AO Rn. 13, Stand Juni 2004; Sommer/Füllsack, Stbg 2002, 355, 363; Stahl, KÖSDI 2002, 13390, 13392; ders., Selbstanzeige, Rn. 375; Vogelberg, PStR 2002, 227, 230; Wannemacher I Meyer in Beermann § 370a AO Rn. 58, 66, Stand Dezember 2002; Weyand, INF 2003,115, 118. 68 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 44. 69 Hunsmann, DStR 2005, 318, 320. 70 BR-Drucks. 351 /02; zutreffend Fahl, ZStW 2002, 794, 817. 71 So auch Müller, DStR 2002, 1641, 1646.

B. Minder schwerer Fall bei Selbstanzeige, § 370a Satz 3 AO

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jetzt einen „Doppelcharakter" 72 - sie ist persönlicher Strafaufhebungsgrund und Strafmilderungsgrund. Zu beachten ist, dass die Selbstanzeige als in § 370a Satz 3 AO benannter Fall sämtliche Voraussetzungen des § 371 AO erfüllen muss.73 Das Institut der „verunglückten" Selbstanzeige, welches beispielsweise einschlägig ist, wenn ein Ausschlusstatbestand des § 371 Abs. 2 AO eingreift, bleibt zwar auch im Rahmen des § 370a AO anwendbar, jedoch allenfalls als unbenannter minder schwerer Fall gem. § 370a Satz 2 AO. Die Annahme eines minder schweren Falls ist dann also nicht zwingend.74 Wegen der Regelung des § 370a Satz 3 AO, welcher bereits bei voll wirksamer Selbstanzeige als Rechtsfolge lediglich die Annahme eines minder schweren Falles vorsieht, wird bei einer verunglückten Selbstanzeige für die Bejahung des § 370a Satz 2 AO zu fordern sein, dass weitere bedeutsame Gründe für das Vorliegen eines minder schweren Falles sprechen. Umstritten ist die Behandlung einer nur teilweisen Nachzahlung der hinterzogenen Steuern. Dies kann in zwei Konstellationen auftreten. Zunächst kann es sein, dass der Steuerhinterzieher eine Teilselbstanzeige erstattet, indem er nur einen Teil der falschen Erklärung berichtigt. 75 Die zu niedrig angegebenen Beträge entrichtet er sodann vollständig. Des Weiteren kann es vorkommen, dass der Täter zwar eine vollständige Selbstanzeige erstattet, jedoch nicht in der Lage ist, den Gesamtbetrag der hinterzogenen Steuern nachzuzahlen (§ 371 Abs. 3 AO). Letzterer Fall dürfte insbesondere deshalb eine gewisse Bedeutung erlangen, weil es sich um Hinterziehungsbeträge großen Ausmaßes handelt, die gänzliche Zahlung dem Täter daher nicht immer möglich sein wird. Da beide Fallgestaltungen sich im fiskalischen Ergebnis entsprechen, wird man sie gleich behandeln müssen. Kemper ist der Ansicht, dass § 370a Satz 3 AO bei lediglich teilweiser Zahlung nicht einschlägig sein könne, da die Vorschrift die Erfüllung sämtlicher Voraussetzungen des § 371 AO erfordere, also auch die vollständige Zahlung. Die Bejahung eines minder schweren Falles gem. § 370a Satz 2 AO bleibe möglich, verlange aber wiederum das Vorliegen gewichtiger zusätzlicher strafmildernder Umstände. 76 Auch Bender hält allein die Bejahung des § 370a Satz 2 AO für möglich. Das Vorliegen zusätzlicher bedeutsamer Milderungsgründe fordert er nicht. 77 Nach 72 Ebenso Hunsmann, DStR 2005, 318, 320. 73 Dumke in Schwarz, § 370a AO Rn. 38, Stand November 2002; Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 5; Kemper in Dietz/Cratz/Rolletschke, § 370a AO Rn. 52, Stand Dezember 2002; Stahl KÖSDI 2002, 13390, 13392 f.; WannemacherIMeyer in Beermann § 370a AO Rn. 61, Stand Dezember 2002; a. A. Gast-de Haan in Klein, § 370a AO Rn. 17, die die gesetzliche Regelung für „unklar" hält. 74 Stahl, Selbstanzeige, Rn. 377; ders. KÖSDI 2002, 13390, 13392 f. 75 Ausführlich Burkhard, PStR 2000, 233 ff.; Kemper in Dietz/Cratz/Rolletschke, § 371 AO Rn. 26 ff., Stand Juli 2002; vgl. auch Joecks in FGJ, § 371 AO Rn. 75. 76 Kemper in Dietz/Cratz/Rolletschke, § 370a AO Rn. 52, Stand Dezember 2002. 77 Bender, ZfZ 2002, 366, 368.

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3. Teil: Strafzumessung

herrschender Ansicht hat die teilweise Zahlung demgegenüber zur Folge, dass zwingend insgesamt ein minder schwerer Fall anzunehmen sei und die nur teilweise Zahlung sich sodann innerhalb des Strafrahmens erhöhend auswirke. 78 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz will Heerspink machen, wenn die Zahlung nicht wegen Fehlens der Mittel nur teilweise erfolgte, sondern aus doloser Absicht, beispielsweise um den Steuervorteil beizubehalten. Denn dann könne die fortbestehende kriminelle Energie einem minder schweren Fall entgegenstehen.79 Diese herrschende Meinung ist richtig. Im Fall des auf § 370 AO anzuwendenden § 371 AO wird aus dem Wort „insoweit" in § 371 Abs. 1 A O 8 0 geschlossen, dass der Täter in dem Umfang straffrei wird, wie die Voraussetzungen der § 371 Abs. 1 und Abs. 3 AO erfüllt sind, und bezüglich des Rests weiterhin nach § 370 AO bestraft wird. Im Ergebnis führt dies zu einer Strafmilderung. 81 Entgegen Kemper ist in § 371 AO gerade nicht die vollständige Zahlung vorausgesetzt. § 370a Satz 3 AO verweist auf den gesamten § 371 AO, also auch auf das Wort „insoweit". Insoweit die Steuer nachgezahlt wurde ist daher jedenfalls ein minder schwerer Fall anzunehmen. Es kann aber nicht nur ein teilweise minder schwerer Fall gegeben sein. Der Strafrahmen des minder schweren Falles, der die Verhängung von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe zulässt, dürfte auch in Fällen ausreichen, in denen nur ein relativ geringer Teil der hinterzogenen Steuern zurückgezahlt wird oder die Teilzahlung aus doloser Absicht erfolgt. Es ist daher in allen Fällen der Teilzahlung § 370a Satz 3 AO einschlägig. Die nur teilweise Zahlung sowie ihre Hintergründe sind sodann im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen. Ist aufgrund der Gesamtumstände bereits ein minder schwerer Fall gegeben, erfolgt die Berücksichtigung einer Selbstanzeige im Rahmen der Strafzumessung als nochmals strafmildernder Faktor. 82 Ist hingegen ein minder schwerer Fall nur aufgrund einer wirksamen Selbstanzeige gegeben, darf diese gem. § 46 Abs. 3 StGB nicht zur Differenzierung innerhalb des Strafrahmens herangezogen werden. Berücksichtigung finden dürfen allerdings die Beweggründe für die Selbstanzeige.83

78 Gast-de Haan in Klein, § 370a AO Rn. 17; Stahl, KÖSDI 2002, 13390, 13392; ders., Selbstanzeige, Rn. 376; Wannemacherl Meyer in Beermann § 370a AO Rn. 60, Stand Dezember 2002. 79 Heerspink, AO-StB 2002, 426, 428. 80 Beziehungsweise „soweit" in § 371 Abs. 3. 81 Burkhard, PStR 2000, 233; Rüping in HHSp, § 371 AO Rn. 81; 134, Stand November

2000.

82 Stahl, KÖSDI 2002, 13390, 13393; ders., Selbstanzeige, Rn. 378; Wannemacher/Meyer in Beermann, § 370a AO Rn. 69, Stand Dezember 2002. 83 Fahl, ZStW 2002, 794, 815. Anderer Ansicht ist Bittmann, wistra 2002, 161, 163, nach dem eine Selbstanzeige neben der Strafrahmenverschiebung auch ein Milderungsgrund ist, der seine Wirkung aber schon größten Teils in der Strafrahmenverschiebung entfalte, so dass er nicht sehr bedeutsam sein könne.

B. Minder schwerer Fall bei Selbstanzeige, § 370a Satz 3 AO

153

V. Bewertung der Regelung Begrüßt wurde die Ermöglichung der Selbstanzeige hauptsächlich aus fiskalischen Erwägungen. 84 Gerade in Fällen der Steuerhinterziehung großen Ausmaßes müsse versucht werden, die hinterzogenen Beträge dem Steueraufkommen noch zuzuführen. Zudem stelle die Vorschrift des § 370a Satz 3 AO deswegen einen erheblichen Zugewinn dar, weil sie in den Fällen des § 370a Satz 1 Nr. 2 AO zum Aufdecken der ganzen Bande führen und so gewissermaßen als „steuerstrafrechtliche Kronzeugenregelung" fungieren könne.85 Umstritten ist allerdings, ob die bloß strafmildernde Wirkung der Selbstanzeige sachgerecht ist. Diskutiert wird die Frage unter dogmatischen und systematischen Aspekten sowie solchen der praktischen Funktionsfähigkeit der Vorschrift.

1. Dogmatische und systematische Streit- und Kritikpunkte Hellmann hält § 370a Satz 3 AO für „dogmatisch verfehlt", weil die Selbstanzeige an ein nach der Tat liegendes Verhalten anknüpfe, welches für Unrecht und Schuld der Tat bedeutungslos sei. Da die Selbstanzeige somit kein Unrechtsund Schuldminderungsgrund sei, sondern allenfalls ein Strafmilderungsumstand, habe sie nicht als minder schwerer Fall ausgestaltet werden dürfen. 86 Hellmanns Ausführungen wird allerdings überzeugend entgegengehalten, dass § 370a Satz 3 AO eine Konkretisierung der Wertung des § 46 Abs. 2 StGB sowie des § 46a StGB sei, derzufolge das Nachtatverhalten des Täters, namentlich sein Bemühen um Schadens Wiedergutmachung, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sei. Die Selbstanzeige sei durchaus unrechtsmindernd. Die Kritik in dogmatischer Hinsicht gehe daher fehl. 87 Überdies wird die nur strafmildernde Wirkung der Selbstanzeige bemängelt, weil sie in „erkennbarem Widerspruch" zu der durch das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit gewährten Straffreiheit stehe.88 Es erscheint in der Tat fraglich, 84 Vgl. etwa Bender, ZfZ 2002, 366, 368; Bittmann, wistra 2003, 161, 162. 85 Bender, ZfZ 2002, 366, 368. 86 Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 30, Stand August 2002. 8v Hunsmann, DStR 2005, 318, 319 Fn. 19; Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 42; Schmitz, StB 2004, 212, 215 zieht § 46 StGB analog heran, zustimmend Rolletschke, Steuerhinterziehung, Rn. 433. 88 Reiß, Stbg 2004, 113, 115, der es als Wertungswiderspruch „unerträglichen Ausmaßes" bezeichnet, dass durch das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit (FördStEG) v. 23. 12. 2003, BGBl. I 1988, 1093, eine Amnestie auch für solche Steuerhinterziehungen gewährt wird, die von § 370a AO als Verbrechen erfasst werden. Die nach dem Gesetz über die strafbefreiende Erklärung (StraBEG), das Teil des FördStEG ist, abgegebene Erklärung entfaltet auch für Taten i. S. d. § 370a AO strafbefreiende Wirkung, während die Selbstanzeige gem. § 370a Satz 3 AO nur zu einem minder schweren Fall des Verbrechens führt. Vgl. näher zum StraBEG Seipl in Wannemacher, Rn. 5374 ff.

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3. Teil: Strafzumessung

ob die daraus folgende ungleiche Behandlung der Taten, die in den zeitlichen Anwendungsbereich das Gesetzes über die strafbefreiende Erklärung fallen, und derjenigen, die nicht davon umfasst sind, gerechtfertigt werden kann. Letztendlich dürfte dies aber noch der Fall sein. Eine genauere Untersuchung des Problems ginge jedenfalls über den Rahmen dieser Arbeit hinaus.89 Des Weiteren wird bemängelt, dass sich im Verhältnis des § 370a Satz 3 AO zu §§ 373, 374 AO, bei denen eine Selbstanzeigemöglichkeit allgemein nicht besteht, Friktionen ergäben. 90 § 370a AO sei ferner nicht mit § 153 AO abgestimmt, da in § 370a AO eine dem § 371 Abs. 4 AO entsprechende Regelung, die die Wirkung der Selbstanzeige auf einen Dritten erstreckt, fehle. 91 Gewichtige Zweifel werden hinsichtlich der nur strafmindernden Wirkung der Selbstanzeige geltend gemacht. Einige Autoren kritisieren diese als nicht weitgehend genug, weil sie der Funktion der Selbstanzeige nicht gerecht werde. 92 Der Gesetzgeber hätte auch im Rahmen des § 370a AO entsprechend dem Antrag des Bundesrates bei Anrufung des Vermittlungsausschusses93 eine strafbefreiende Selbstanzeige ermöglichen sollen, statt „auf halbem Wege" stehen zu bleiben. Dem stehe der Verbrechenscharakter der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung nicht entgegen, was bereits die Vorschrift zur tätigen Reue bei den Brandstiftungsdelikten beweise, welche ebenfalls auf Verbrechen angewendet werde. Zudem stehe § 370a AO dem Grundtatbestand relativ nahe.94 Gegenstimmen rechtfertigen die Ausgestaltung der Selbstanzeige als minder schweren Fall mit dem dadurch gelungenen Ausgleich zwischen fiskalischen und generalpräventiven Zwecken. Denn auf der einen Seite streite für die grundsätzliche Möglichkeit der Selbstanzeige zugegebenermaßen ihre fiskalische Funktion, die gerade bei Steuerhinterziehungen großen Ausmaßes erhebliche Bedeutung erlange. 95 Zudem knüpfe die Selbstanzeige an das unrechtsmindernde Nachtatverhalten des Steuerhinterziehers an, welches in der Strafzumessung Berücksichtigung finden müsse.96 Dass die Selbstanzeige dennoch lediglich strafmildernd und nicht strafbefreiend wirkt, sei aus Gerechtigkeitsgründen sachgerecht. So habe 89 Siehe dazu insbesondere auch Salditt, Stbg 2003, 557 ff.; zum Problem des Verhältnisses von § 1 Straß EG zu § 371 AO bei mehreren Beteiligten, die derartige unterschiedliche Erklärungen abgeben Samson, Eingangsvortrag zum 5. IWW-Kongress „Praxis Steuerstrafrecht", in Krieger, PStR 2003, 250 f. Salditt befürchtet, dass Steuerhinterzieher, die die Möglichkeit der strafbefreienden Amnestieregelung nicht genutzt haben, nunmehr umso stärker bestraft werden, vgl. Krieger, PStR 2003, 250, 253. 90 Kohlmann, § 370a AO Rn. 27, Stand Oktober 2002.

91 Schmitz, StB 2004, 212, 216. 92 Burchert, INF 2002, 532, 537; Weyand, INF 2003, 115, 118. 93 BR-Drucks. 351/02. 94 Burchert, INF 2002, 532, 537. 95 Bittmann, wistra 2003, 161, 162 f.; vgl. auch Meyer in Hund/Johnigk/Wollburg, DStR 2002, 879, 884. 96 Hunsmann, DStR 2005, 318, 319; Rüping, FS Kohlmann, 499, 509.

B. Minder schwerer Fall bei Selbstanzeige, § 370a Satz 3 AO

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eine Schadenswiedergutmachung außerhalb der Finanzdelikte bei vergleichbar schwerwiegenden Taten im Regelfall nicht ohne weiteres Straffreiheit zur Folge. 97 Außerdem müssten angesichts des Verbrechenscharakters und der durch die Erfüllung der Gewerbs- oder Bandenmäßigkeit sowie des großen Ausmaßes zum Ausdruck kommenden hohen kriminellen Energie fiskalische Motive hinter generalpräventiven zurücktreten 98 und sei es gesetzgeberisches Ziel gewesen, die Organisierte Kriminalität rigoros zu bekämpfen. 99 § 370a Satz 3 AO schaffe einen angemessenen Ausgleich der gegensätzlichen Erwägungen. 100

2. Fragen der praktischen Funktionsfähigkeit Die praktische Funktionsfähigkeit des § 370a Satz 3 AO wird teilweise, ausgehend von der durch die Vorschrift lediglich gewährte Strafmilderung, verneint. Es werden nämlich Unsicherheiten befürchtet, wenn Zweifel bestehen, ob ein Fall des § 370 oder ein solcher des § 370a AO gegeben ist. 1 0 1 Da die Abgrenzung beider Normen derzeit noch vollkommen ungeklärt sei, stelle dies ein „kaum lösbares Problem" für den steuerlichen Berater dar, 102 welcher gerade aufgrund dieser Schwierigkeiten vermehrt in Anspruch genommen werden werde. 103 Die von der Arbeitsgemeinschaft Klimatagung geforderte Klarstellung des gesetzgeberischen Willens 104 oder die von der Bundesregierung geplante Vereinbarung zwischen Bund und Ländern über eine restriktive Anwendung der Norm 1 0 5 seien nicht weiterführend, da die Auslegung von Strafnormen allein durch die Gerichte erfolgen dürfe. 106 Zumal auch die Einstellung nach § 153a StPO sowie das Strafbefehlsverfahren ausscheiden, sei das Risiko des § 370a AO „kaum kalkulierbar". 107 Das Institut der Selbstanzeige werde aus diesem Grund weit in den Bereich des Grundtatbestandes der Steuerhinterziehung seine Attraktivität verlieren, § 371 AO sei entwertet. 108 Dieser Kritik wird entgegnet, dass die Neufassung des § 370a AO die Unsicherheiten entscheidend verringert habe. Während § 371 AO von vielen für die Ur97 Bittmann, wistra 2003, 161, 163; vgl. auch Meyer in Hund/Johnigk/Wollburg, DStR 2002, 879, 884. 98 Fahl, ZStW 2004, 794, 815; Reiß, Stbg 2004, 113, 115. 99 Ott, PStR 2002, 41, 46. 100 Hunsmann, DStR 2005, 318, 319. 101 Gast-de Haan in Klein, § 370a AO Rn. 19; Reiß, Stbg 2004, 113, 115. 102 Harms, Stbg 2005, 12, 18; Stahl, Selbstanzeige, Rn. 379. 103 104 105 106

Wey and, INF 2003, 115, 118. Vgl. WPK-Mitt. 2003, 130, 132. Vgl. BT-Drucks. 14/8887,24. Harms, Stbg 2005, 12, 18 f.

107 Streck, Vortrag auf dem 5. IWW-Kongress „Praxis Steuerstrafrecht", zitiert nach Krieger, PStR 2003, 250, 252. 108 Klein, StV 2005, 459, 461 \ Reiß, Stbg 2004, 113, 115; Rund, AO-StB 2003, 207, 208.

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3. Teil: Strafzumessung

sprungsfassung des § 370a AO für gar nicht anwendbar gehalten wurde, sei jetzt sichergestellt, dass zwingend eine Strafmilderung zu erfolgen hat. Auch sei die Abgrenzung der beiden Paragraphen durch das neue Merkmal „in großem Ausmaß" wesentlich erleichtert worden. 109 Eine Selbstanzeige biete nunmehr immer Vorteile - sei es Straffreiheit oder eine erhebliche Strafmilderung. 110 Zur Lösung des Abgrenzungsproblems zwischen § 370 AO und § 370a AO empfehlen Spatscheck/Wulf, in Zweifelsfällen vor Erstattung einer Selbstanzeige eine „verbindliche Auskunft" über die Einordnung des abstrakt vorgetragenen Sachverhalts einzuholen.111 Weyand rät, in Zweifelsfällen eine Selbstanzeige zu erstatten, da angesichts der erheblich niedrigeren Mindeststrafe eine Strafaussetzung zur Bewährung eher denkbar sei als im Rahmen des § 370a Satz 1 A O . 1 1 2 Sobald die Grenzen zwischen § 370a und § 370 AO geklärt seien, werde auch die durch § 370a Satz 3 AO gewährte bloße Strafmilderung einen ausreichenden Anreiz zur Offenlegung der begangenen Steuerhinterziehungen bieten. 113 Ein Großteil der Autoren bezweifelt dies allerdings. Die Vorschrift sei eine bloße „Schein-Entschärfung", weil trotz Selbstanzeige eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung möglich, wenn auch unwahrscheinlich sei. Die praktische Bedeutung und Brauchbarkeit des § 370a Satz 3 AO seien daher mangels ausreichenden Anreizes gering. 114 Da jedenfalls die lediglich strafmildernd wirkende Selbstanzeige weit weniger Ansporn biete als die zuvor generell strafbefreiende, sei zu erwarten, dass die Regelung zu beträchtlichen Mindereinnahmen des Staates führen wird. Aus fiskalischen Gründen wäre daher eine strafbefreiende Wirkung auch für § 370a AO vorzugswürdig gewesen.115 Ergebnis der bloßen Strafmilderung sowie der Unsicherheit hinsichtlich der Einordnung vieler Fälle unter § 370a AO oder § 370 AO werde zudem sein, dass die „Konfrontationsbereitschaft" der Steuerpflichtigen steige, was die Erschwerung der Ermittlungen zur Folge haben und damit die praktische Handhabung des § 370a AO verkomplizieren werde. 116 Joecks weist demgegenüber darauf hin, dass die Anwendung des § 28 Abs. 2 StGB einen erheblichen Anreiz zur Zusammenarbeit mit den Finanzbehörden biete. Denn diese Vorschrift führe dazu, dass Beteiligte, 109 Bittmann, wistra2003, 161, 163. ho Schiffer, PStR2002, 167, 168. in Spatscheck / Wulf, NJW 2002, 2983, 2985; ähnlich Hunsmann, DStR 2005, 318, 320; Kohlmann, § 370a AO Rn. 27, Stand Oktober 2002; Salditt, StV 2002, 214, 217. 112 Weyand, INF 2003, 115, 118. Zudem weist er auf die mitunter angebrachte Selbstanzeige in Stufen hin, da sich die Selbstanzeige im Rahmen des§ 370a AO auf längere Zeiträume erstrecken muss als bei dem Grunddelikt der Steuerhinterziehung. 113 Fahl, ZStW 2002, 794, 815. 114 Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 30, 35 f., Stand August 2002; Stahl, KÖSDI 2002, 13390, 13393; ders., Selbstanzeige, Rn. 378. 115 Kohlmann, § 370a AO Rn. 27, Stand Oktober 2002; Quedenfeld/Füllsack, Rn. 223; Weyand, INF 2003, 115, 118. 116 Quedenfeld!Füllsack, Rn. 223; Sommer/ Füllsack, Stbg 2002, 355, 363.

B. Minder schwerer Fall bei Selbstanzeige, § 370a Satz 3 AO

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die selbst nicht gewerbs- oder bandenmäßig handelten, nur wegen § 370 AO bestraft werden können, also durch Selbstanzeige Straffreiheit erlangen. 117 Das Problem, dass den Finanzbehörden infolge der nicht weit genug gehenden Regelung wichtige Informationen nicht zukommen, könne zudem dadurch abgemildert werden, dass § 370a Satz 3 AO auch beispielsweise dann der Annahme eines unbenannten minder schweren Falles nicht entgegen stehen dürfe, wenn einer der Beteiligten, ohne Selbstanzeige erstattet zu haben, im Ermittlungsverfahren in besonderer Weise zur Aufklärung beiträgt. 118

3. Eigene Wertung Zu der Kritik in dogmatischer und systematischer Hinsicht ist zunächst anzumerken, dass es durchaus richtig ist, dass sich im Verhältnis des § 370a Satz 3 AO zu §§ 373, 374 AO, bei denen eine Selbstanzeigemöglichkeit allgemein nicht besteht, 119 Friktionen ergeben. 120 Dies ist jedoch kein spezifisches Problem nur des § 370a AO, sondern besteht ebenso hinsichtlich § 370 AO. Zwar handelt es sich bei § 370a AO um die Qualifikation, so dass der Widerspruch deutlicher wird, da es sich - wie auch bei §§ 373, 374 AO - um schwerwiegendere Fälle handelt. Allerdings können im Rahmen des § 370 Abs. 3 AO ebenso gewichtige Fälle auftreten. Richtig ist die Kritik Schmitz', dass § 370a AO nicht mit § 153 AO abgestimmt sei, da in § 370a AO eine dem § 371 Abs. 4 AO entsprechende Regelung, die die Wirkung der Selbstanzeige auf einen Dritten erstreckt, fehle. 121 Der Verweis des § 370a Satz 3 AO auf § 371 AO kann nämlich nicht so ausgelegt werden, als beziehe er sich auf den gesamten § 371 AO einschließlich seines Abs. 4. Denn § 371 Abs. 4 AO ist lediglich ein Verfolgungshindernis, kein Strafaufhebungsgrund. 122 Er kann daher nicht im Rahmen des § 370a AO seine Rechtsnatur ändern und ein die Strafmilderung nach sich ziehender minder schwerer Fall werden. Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift ist nicht gerechtfertigt, da sonst der von einer fremden Anzeige Betroffene überhaupt nicht verfolgt würde, während derjenige, der selbst eine Selbstanzeige erstattet, zwar eine Strafmilderung erlangt, aber kein Verfolgungshindernis zu seinen Gunsten eingreift. Nach derzeitiger Rechtslage müsste der von einer fremden Selbstanzeige Betroffene also unverändert nach § 370a Satz 1 AO bestraft werden. Zutreffend ist des Weiteren, dass generalpräventive Argumente und Gerechtigkeitserwägungen für die bloß strafmildernde Wirkung der Selbstanzeige streiten. •17 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 52. HS Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 45. 119 H.M., Hellmann in HHSp § 371 Rn. 32 m. w. N., Stand November 2000. 120 Kohlmann, § 370a AO Rn. 27, Stand Oktober 2002. 121 Schmitz, StB 2004, 212, 216. 122 Joecks in FGJ, § 371 AO Rn. 221 m. w. N.

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3. Teil: Strafzumessung

Dennoch sprechen entscheidende Gesichtspunkte dafür, dass der Steuerhinterzieher auch im Bereich der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung Straffreiheit durch Selbstanzeige erlangen können sollte. So ist zunächst nicht nachvollziehbar, warum die Selbstanzeige hinsichtlich Steuerhinterziehungen im Sinne des § 370 AO strafbefreiend wirkt, selbst wenn die Hinterziehungssumme weit höher ist als in einem Fall des § 370a A O . 1 2 3 Den gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterzieher trifft trotz Erstattung einer Selbstanzeige eine nicht unerhebliche Strafe. Dass § 370a Satz 3 AO dennoch den Zweck der Selbstanzeige erreichen kann, bislang verborgene Steuerquellen zu erschließen, erscheint sehr zweifelhaft, und zwar umso mehr, solange die Grenze zwischen § 370 und § 370a AO noch nicht klar bestimmt ist. Die Anreizmöglichkeit der Straffreiheit sollte aber im Hinblick auf die fiskalische Funktion der Selbstanzeige gerade in Fällen großen Ausmaßes nicht ungenutzt bleiben. 124 Der Ratschlag Salditts, bei Zweifeln über die Einordnung eines Falls unter § 370 oder § 370a AO eine „verbindliche Auskunft" über den abstrakt vorgetragenen Sachverhalt einzuholen, ist nicht, wie Rund schreibt, nur „zumindest zweifelhaft", 1 2 5 sondern eine solche verbindliche Auskunft kann nach geltendem Recht mangels Rechtsgrundlage gar nicht erteilt werden. 126 Es kommt hinzu, dass - vielleicht auf den ersten Blick widersprüchlich - gerade die strafbefreiende Selbstanzeige effektiv zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität beitragen könnte. Denn die Steuerhinterziehungen im Bereich der Organisierten Kriminalität werden zumeist bandenmäßig begangen. Ein Gehilfe, zu dessen Gunsten die Steuer nicht hinterzogen wurde, erlangt bereits durch die bloße Anzeige Straffreiheit, ohne die Steuer nachzahlen zu müssen.127 Dies bietet einen hervorragenden Ansatzpunkt, um eine ganze Bande zu „knacken". 128 Der Vorschlag Joecks', einen unbenannten minder schweren Fall auch dann anzunehmen, wenn einer der Beteiligten, ohne Selbstanzeige erstattet zu haben, im Ermittlungsverfahren in besonderer Weise zur Aufklärung beiträgt, 129 kann zwar in manchen Fällen hilfreich sein. Jedoch müssen jeweils gewichtige Gründe für die Bejahung von § 370a Satz 2 AO sprechen, um nicht Satz 3 zu unterlaufen. 130 Die verbleibende Unsicherheit hinsichtlich der Frage, ob die gelieferten Informationen nun für die Annahme eines minder schweren Falles ausreichen, würde durch den - daher ungleich stärkeren - Ansporn vermie123 So zutreffend Kohlmann, § 370a AO Rn. 27, Stand Oktober 2002. 124 So auch Burchert, INF 2002, 532, 537; SommerIFüllsack, Stbg 2002, 355, 363. 125 So Rund, AO-StB 2003, 207, 208. 126 So auch Gast-de Haan in Klein, § 370a AO Rn. 18, die außerdem darauf hinweist, dass die Finanzbehörde auch mangels Strafverfolgungskompetenz keine derartige Auskunft erteilen darf und die Staatsanwaltschaft sich kaum damit beschäftigen wird. 127 Joecks in FGJ, § 371 AO Rn. 98; Kohlmann, § 371 AO Rn. 89, 89.4, 89.6, Stand Oktober 1998. 128 So zutreffend Bender, ZfZ 2002, 367, 369. 129 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 45. 130 Vgl. bereits die Parallele oben zur verunglückten Selbstanzeige, 3. Teil, B. IV.

C. Zusammenfassung

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den, den eine strafbefreiende Selbstanzeige bieten würde. Zu erwarten ist, dass wegen der bloß strafmildernden Wirkung die praktische Bedeutung des Rücktritts von der versuchten Steuerhinterziehung gem. § 24 StGB 1 3 1 bei § 370a AO eine weit größere Bedeutung erlangen wird als im Rahmen des § 370 A O . 1 3 2 Übertrieben erscheint es allerdings trotz dieser Kritikpunkte und Zweifelsfragen, § 370a Satz 3 AO eine bloße Schein-Entschärfung zu nennen. Die Neuregelung stellt eine wesentliche Verbesserung dar. Selbst wenn unsicher ist, ob ein Fall dem Grundtatbestand oder aber der Qualifikation unterfällt, hat der Steuerhinterzieher nunmehr zumindest die Gewissheit einer erheblichen Strafmilderung und der möglichen Aussetzung auf Bewährung. Dies ist gegenüber der bei § 370a AO a. F. gänzlich fehlenden Selbstanzeigemöglichkeit, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Sicherung des Steueraufkommens, sehr zu begrüßen.

C. Zusammenfassung Die Einfügung der Regelung des minder schweren Falles in § 370a Satz 2 AO ist als äußerst positiv zu werten, da erst durch sie das Gebot der Schuldangemessenheit der Strafe auch in den Fällen befolgt werden kann, in denen zwar die Tatbestandsvoraussetzungen des § 370a Satz 1 AO erfüllt sind, aber mildernde Umstände die Bestrafung mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe nicht gerechtfertigt erscheinen lassen. Ohne eine derartige Vorschrift war die Verfassungskonformität des § 370a AO hinsichtlich des Übermaßverbots zumindest zweifelhaft. Des Weiteren ist die nachträgliche Einfügung im Hinblick darauf sachgerecht, dass vergleichbare Tatbestände und Verbrechen eine entsprechende Vorschrift enthalten. Die praktische Anwendung des § 370a Satz 2 AO dürfte - entgegen in der Literatur laut gewordenen Befürchtungen - keine größeren Schwierigkeiten bereiten. Es ist vielmehr eine Fülle von Beispielen denkbar, bei denen die Annahme eines minder schweren Falles gerechtfertigt und notwendig ist. Die bemängelten Friktionen der Strafrahmen finden im Verhältnis von § 370a Satz 2 zu § 373 AO in einigen Fällen eine Erklärung in dem Schutzgut Steueraufkommen, welches durch eine Steuerhinterziehung in großem Ausmaß erheblich beeinträchtigt wird. Unverständlich sind die Strafrahmen jedoch, wenn gewaltsam in großem Ausmaß geschmuggelt wurde und auch im Verhältnis von § 370a Satz 2 AO zu § 374 AO und zu § 370 Abs. 3 AO bestehen kritikwürdige Unstimmigkeiten. 131 Vgl. zur Anwendbarkeit des § 24 StGB neben § 371 AO: BGHSt 37, 340, 345; Joecks in FGJ, § 371 AO Rn. 232. Bei einem Rücktritt vom Versuch des Grundtatbestandes entfällt der Anknüpfungspunkt für die Qualifikation, so dass auch die Bestrafung nach § 370a AO, §§ 22, 23 StGB ausscheidet, vgl. Eser in Sch/Sch, § 24 StGB Rn. 26. 132 So auch Wannemacher/Meyer in Beermann, § 370a AO Rn. 53 f., Stand Dezember 2002.

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3. Teil: Strafzumessung

Von wesentlicher Bedeutung ist, dass auch in einem minder schweren Fall die Deliktsnatur als Verbrechen und alle daraus entstehenden Folgen erhalten bleiben. Zwar ist insofern zu beachten, dass auch in minder schweren Fällen ein großes Ausmaß erreicht sein muss. Wiegen die besonderen Umstände allerdings so schwer, dass ein minder schwerer Fall anzunehmen ist, kann zumindest fraglich sein, ob die Strafbarkeit nach einem Verbrechen nicht zu weitreichend ist. 1 3 3 Auch der neu eingefügte § 370a Satz 3 AO stellt eine wesentliche und erforderliche Verbesserung dar. Die in diesem Satz angeordnete Rechtsfolge, dass bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 371 AO ein minder schwerer Fall im Sinne des § 370a Satz 2 AO anzunehmen ist, stellt aufgrund des klaren Wortlauts und der Entstehungsgeschichte der Norm eine zwingende und abschließende Regelung der Selbstanzeige für den Bereich des § 370a AO dar. Trotz der positiv zu bewertenden Schaffung dieser Vorschrift besteht weiterhin Reformbedarf. Aufgrund der fiskalischen Funktion der Selbstanzeige sollte die Anreizfunktion, welche die Erlangung von Straffreiheit bedeuten würde, gerade in Fällen großen Ausmaßes genutzt werden. Dadurch würden sowohl die Bedeutung der Unsicherheit hinsichtlich der Abgrenzung des § 370a AO von § 370 AO abgemildert als auch Widersprüche im Verhältnis beider Normen, wenn der Hinterziehungsbetrag in einem Fall des § 370 AO höher ist als bei § 370a AO, vermieden. Des Weiteren wäre die strafbefreiende Selbstanzeige ein effektives Mittel zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität.

133 Ähnlich Rüping DStR 2002, 1417, 1419.

. Teil

Konkurrenzen und Rechtsfolgen sowie Auswirkungen und Probleme des § 370a AO im Bereich der Geldwäsche A. Konkurrenzen Weitere Probleme des § 370a AO liegen auf Konkurrenzebene. Während sein Verhältnis zu § 370 AO durch die Neufassung des § 370a AO klargestellt wurde, ist sein Verhältnis zu § 373 AO und zu §§ 26b, 26c UStG, wie auch bereits der Bundesgerichtshof feststellte, 1 bislang noch vollkommen ungeklärt und bedarf daher einer eingehenden Untersuchung.

I. Verhältnis des § 370a AO zu § 370 AO Bei § 370a AO a. F. war umstritten, worin das Handlungsunrecht bestand, weil die Vorschrift zwar auf den Erfolg des § 370 AO, nicht jedoch dessen Tathandlungen Bezug nahm. Sie beinhaltete die Merkmale des § 370 AO nicht vollständig, was eigentlich Voraussetzung für eine Qualifikation ist. 2 Dennoch sprach die systematische Stellung des § 370a AO, die Nummerierung mit einem Kleinbuchstaben und das Fehlen anderweitiger Anhaltspunkte dafür, dass es sich um eine echte Qualifikation handelte.3 Nach der Neufassung nimmt § 370a AO ausdrücklich Bezug auf § 370 AO, so dass sämtliche Zweifel beseitigt wurden. 4 Als Qualifikation 1 BGH NJW 2004, 2990, 2991. 2 Spatscheck /Wulf, DB 2002, 392. 3 Zutreffend Fahl, wistra 2003, 10. Hetzer, ZfZ 2003, 221, 224 und Müller, DStR 2002, 1641, 1643 waren der Ansicht, dass Spatscheck / Wulf, DB 2002, 392 die Meinung vertraten, § 370a AO a. F. sei allein Qualifikation zu § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, nicht aber zu § 370 Abs. 1 Nr. 2, 3 AO. Dies vertraten Spatscheck/ Wulf jedoch nicht. Vielmehr monierten sie lediglich die fehlende Bezugnahme des § 370a AO auf jegliche Handlungsvarianten des § 370 Nr. 1 - 3 AO. So schrieben sie auch in DB 2002, 392, 396: „§ 370a AO gilt daher für ( . . . ) alle Taten nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO". 4 Hetzer, Kriminalistik 2002, 642, 651; Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 53; Müller, DStR 2002, 1641, 1643. Allein Dumke in Schwarz, § 370a AO, Rn. 3, Stand November 2002, hält § 370a AO für einen speziellen Strafschärfungsgrund, wie auch § 373 AO, keinen eigenen Straftatbestand. Durch die ausdrückliche Bezugnahme des neu gefassten § 370a AO auf § 370 AO ist nun auch geklärt, dass eine gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung auch 11 Schneider

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

verdrängt § 370a AO den § 370 AO im Wege der Spezialität. Dies gilt auch, wenn ein besonders schwerer Fall gem. § 370 Abs. 3 AO gegeben ist, da es sich dabei wie bereits erwähnt - lediglich um eine Strafzumessungsregel handelt. Somit ist auch nicht zu dem Zweck der Klarstellung Idealkonkurrenz anzunehmen.5

II. Verhältnis des § 370a AO zu § 373 AO Weitaus problematischer und heftig umstritten ist das Konkurrenzverhältnis zwischen § 370a AO und der Vorschrift über den gewerbsmäßigen, gewaltsamen und bandenmäßigen Schmuggel, § 373 AO, welche nach herrschender Meinung eine unselbstständige Qualifizierung der §§ 370, 372 AO ist. 6 Die gewerbsmäßige und die unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begangene bandenmäßige Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenhinterziehung in großem Ausmaß wird sowohl von § 370a AO als auch von § 373 AO erfasst. Wie der Gesetzgeber das Konkurrenzverhältnis gelöst haben wollte und ob er die Kollision überhaupt bemerkt hat, geht aus den Gesetzesmaterialien7 nicht hervor. 8 Zu vermuten ist, dass er das Problem schlicht übersehen hat.9 Sowohl für einen Vorrang als auch für ein Zurücktreten des § 370a AO sprechen gewichtige Argumente. So erstaunt es nicht, dass beide Möglichkeiten vertreten werden. Wichtig ist die Klärung der Frage insbesondere wegen der stark variierenden Strafdrohungen - drei Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe im Fall des § 373 A O 1 0 gegenüber ein bis zehn Jahre bei § 370a AO sowie wegen der mit dem Verbrechenscharakter des § 370a AO verbundenen Folgen. Erneut einige Beispiele, die dazu dienen sollen, die eigene Lösung zu entwickeln:

bezüglich ausländischer Steuern im Sinne des § 370 Abs. 6 und 7 AO begangen werden kann, Hetzer, ZfZ 2003, 221, 225; Gast-de Haan in Klein, § 370a AO Rn. 5. Dafür sprach bereits vor der Gesetzesänderung der Zweck der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, der nicht einschränkende Wortlaut des § 370a AO und seine Einordnung als Qualifikation, Burger, wistra 2002, 1, 3. Allerdings sind die danach erforderlichen Rechtsverordnungen noch nicht ergangen, vgl. Hentschel, DStR 2003, 102, 103; Kemper, UR 2005, 1, 4. 5 Henseler, AW-Praxis 2003, 97, 98; Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 53. 6 BGHSt 32, 95, 96; Kohlmann § 373 Rn. 5 m. w. N., Stand September 2001, 29. Lfg; a. A. Seelig, ZfZ 1981, 7, 9. i Vgl. insbes. BT-Drucks. 14/7471. 8 BGH NJW 2003, 3068, 3069; Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 38, Stand Ausgust

2002.

9 Ebenso u. a. BGH NJW 2003, 3068, 3069; Kohlmann, § 373 AO Rn. 53.1, Stand: Mai 2004. 10 Aufgrund der Mindeststrafe von drei Monaten besteht bei § 373 AO auch die Möglichkeit der Ersatzgeldstrafe, § 47 Abs. 2 StGB; bei minder schweren Fällen kann das Verfahren nach §§ 153, 153a StPO oder § 398 AO eingestellt werden.

A. Konkurrenzen

163

Fall 70: 11 N schmuggelt in großem Umfang gewerbsmäßig Zigaretten chinesischen Ursprungs, indem er sie, unter Tarnware in Containern versteckt, über den Freihafen Hamburg nach Deutschland einführt. Dadurch hinterzieht er Einfuhrabgaben in großem Ausmaß. O hingegen schmuggelt gewerbsmäßig Zigaretten aus einer Zigarettenfabrik, wodurch er ebenfalls Steuern in großem Ausmaß hinterzieht, welches jedoch die Größe des von N verursachten Ausmaßes nicht erreicht.

N verwirklicht § 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO, welcher im Wege der Spezialität durch den ebenfalls verwirklichten § 370a Satz 1 Nr. 1 AO verdrängt wird. Auch § 373 Abs. 1 AO ist erfüllt, fraglich ist das Konkurrenzverhältnis. Demgegenüber hinterzieht O keine Einfuhrabgaben, sondern Tabaksteuer, so dass § 373 AO nicht einschlägig ist. Seine gewerbsmäßige Hinterziehung großen Ausmaßes unterfällt § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, der durch den ebenfalls vollendeten § 370a Satz 1 Nr. 1 AO verdrängt wird. Fall 11: P hinterzieht bandenmäßig unter Mitwirkung eines weiteren Bandenmitglieds Einfuhrabgaben in großem Ausmaß. Q hingegen begeht eine bandenmäßige Einfuhrabgabenhinterziehung großen Ausmaßes ohne Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds. Fall 12: R schmuggelt in großem Ausmaß gewerbsmäßig Zigaretten, während S einen bewaffneten Zigarettenschmuggel großen Ausmaßes begeht.

1. Vorrang des § 370a AO Ein Vorrang des § 370a AO gegenüber § 373 AO wird mit verschiedenen Begründungen vertreten. Nach einer Ansicht entspreche dies dem Grundsatz der Spezialität und folge aus dem erhöhten Strafrahmen und Verbrechenscharakter des § 370a A O 1 2 sowie dem zusätzlichen Erfordernis „in großem Ausmaß4'.13 Dies erkläre auch, warum in Fällen, in denen gewerbs- oder bandenmäßig Einfuhrabgaben großen Ausmaßes hinterzogen wurden, jedoch mildernde Umstände gegeben sind, die einschlägige Strafandrohung des § 370a Satz 2 AO mit der des § 373 AO übereinstimme. Der Vorrang des § 370a AO sei zwar im Hinblick darauf, dass die Vorschrift auf § 370 AO, nicht aber auf § 373 AO Bezug nehme, nicht unproblematisch, jedoch könne diese Schwierigkeit überwunden werden, indem man § 373 AO als Spezialfall des § 370 AO werte. Zudem wiederhole § 370a 11 Vgl. ähnlich BGH NJW 2003, 3068 ff.; Bender, ZfZ 2002, 146, 149. 12 Bender, ZfZ 2002, 366, 368; Fahl, wistra 2003, 10; unklar, aber wohl auch Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 72, Stand Dezember 2002; § 373 AO Rn. 27, Stand Dezember 2002. 13 Bender, ZfZ 2002, 366, 368; Henseler, AW-Praxis 2003, 97, 100; Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 55. Offen gelassen in BGH NJW 2003, 3068, 3070.

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

AO die Tatbestandsmerkmale des § 373 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 3 AO. 1 4 Eine Klarstellung des Konkurrenzverhältnisses durch Bezugnahme des § 370a AO auch auf die Fälle des § 373 AO sei allerdings wünschenswert.15 Andere Autoren begründen das Zurücktreten des § 373 AO mit der allgemeinen staatsrechtlichen Grundregel „lex posterior derogat legi priori". 16 Aus dem Bericht des Finanzausschusses17 gehe nicht hervor, welche Folge der Gesetzgeber beabsichtigte und ob er die Kollision überhaupt bemerkt hat. Angesichts der sehr späten und kurzfristigen Einfügung des § 370a AO in den Entwurf des Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetzes sei anzunehmen, dass sie einfach übersehen worden sei und § 370a AO für alle Fälle der gewerbs- und bandenmäßigen Steuerhinterziehung gelten solle, § 373 AO also zurücktrete. Dass infolgedessen die gewerbsoder bandenmäßige Begehung eines Bannbruchs durch Zuwiderhandlung gegen Monopolvorschriften gem. § 373 AO milder bestraft wird als gewerbs- und bandenmäßiges Handeln, das § 370a AO unterfällt, sei in Einklang mit dem Ziel des Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetzes, bestimmte Erscheinungsformen der Steuerhinterziehung stärker zu bekämpfen. 18 Fahl zieht eine Parallele zum Verhältnis des § 373 AO zu § 370 Abs. 3 AO. Während § 373 AO dem § 370 AO grundsätzlich als Spezialvorschrift vorgeht, gelangt in den Fällen des § 373 AO, in denen auch die Merkmale des § 370 Abs. 3 AO erfüllt sind, letzterer zur Anwendung. Denn in diesen Fällen könne nicht angenommen werden, dass das Gesetz die Hinterziehung von Eingangsabgaben privilegieren wolle. 19 Entsprechendes müsse für § 370a AO gelten. § 373 AO sei somit grundsätzlich als Spezialgesetz vorrangig, Ausnahmen bildeten aber §§ 370 Abs. 3 und 370a AO, die anwendbar blieben.20 Dieses Ergebnis nennt auch Joecks bei Übertragung der Rechtsprechung zum Verhältnis von §§ 372, 373 AO zu § 370 Abs. 3 AO konsequent, bezweifelt aber, dass es der gesetzgeberischen Intention entspricht. 21

14

Gemeint ist wohl Abs. 2 Nr. 3. 15 Bender, ZfZ 2002, 366, 368. 16 Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 38, Stand August 2002; Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 55; so wohl auch Gast-de Haan in Klein, § 370a AO Rn. 28. 17 Vgl. BT-Drucks. 14/7471. 18 Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 38, Stand August 2002. 19 Burger, wistra 2002, 1, 3; Fahl, wistra 2003, 10 unter Hinweis auf BGHSt 32, 95, 96; Kohlmann, § 373 Rn. 53, Stand Juni 2003; Voß in FGJ, § 373 AO Rn. 48. Auf die dogmatische Zweifelhaftigkeit dieser Lösung hinweisend Montenbruck, wistra 1987, 7 ff. 20 Fahl, wistra 2003, 10. 21 Joecks, wistra 2002, 201, 204; auch Wannemacher/ Meyer in Beermann, § 370a AO Rn. 97, Stand Dezember 2002 erachten § 370a AO als das speziellere Gesetz, ohne diese Ergebnis jedoch näher zu begründen.

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2. Vorrang des § 373 AO Ebenso wie für den Vorrang des § 370a AO wird für den Vorrang des § 373 AO der Grundsatz „lex specialis derogat legi generali" angeführt. So legte unter anderem der Bundesgerichtshof in seiner bisher einzigen zu dem Konkurrenzverhältnis der Vorschriften ergangenen Entscheidung - allerdings zu § 370a AO a. F. - dar, dass mangels anderweitiger Anhaltspunkte die Lösung mithilfe der allgemeinen Grundsätze der Gesetzeseinheit ermittelt werden müsse.22 Da sowohl § 370a AO als auch § 373 AO allgemein die Sicherung des vollständigen Steueraufkommens schützten, § 373 AO die geschützten Abgaben aber enger bestimme als § 370a AO, somit von seinem Regelungsgehalt her „wesentlich enger" sei, sei § 373 AO spezieller. 23 Andere Kommentatoren begründen ein Zurücktreten des § 370a AO damit, dass § 373 und § 370a AO Qualifikationen zu § 370 AO seien, § 373 AO aber im Verhältnis zu § 370a AO eine (sachlich nicht erklärbare) 24 Privilegierung des gewerbsoder bandenmäßig Einfuhrabgaben hinterziehenden Täters gegenüber Hinterziehern anderer Steuern darstelle. Diese Privilegierung gehe grundsätzlich wegen der „Sperrwirkung des milderen Gesetzes" vor. 25

3. Stellungnahme Die Lösung des Konkurrenzproblems muss mithilfe der allgemeinen Regeln gefunden werden. Entgegen der Feststellung des Bundesgerichtshofs 26 sind allerdings die strafrechtlichen Prinzipien der Gesetzeseinheit nicht der einzig mögliche Lösungsansatz. Vielmehr sind mehrere gegensätzliche Grundsätze einschlägig. Die staatsrechtliche Grundregel des späteren Gesetzes „ lex posterior derogat legi generali" streitet unzweifelhaft für den Vorrang des § 370a AO. Zu untersuchen ist, ob die Anwendung strafrechtlicher Konkurrenzregeln zu einem anderen Ergebnis führt. 22 BGH NJW 2003, 3068 ff. mit Anm. Burhoff, PStR 2003, 218 ff.; siehe dazu auch Harms /Jäger, NStZ 2004, 191, 194 f. 23 BGH NJW 2003, 3068, 3069 f. bzgl. § 370a AO a.F.; Joecks, in FGJ, § 370a AO Rn. 55 für § 370a AO a.F.; Kohlmann, § 370a AO Rn. 30, Stand Mai 2004; ebenso Lührs, BuW 2002, 711, 713, der dieses Ergebnis allerdings für rechtspolitisch unverständlich hält; zweifelnd aus diesem Grund Burger, wistra 2002, 1,3; vgl. auch Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 38, Stand Ausgust 2002; Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 55. 24 Bender, ZfZ 2002, 146, 148 f.; Burger, wistra 2002, 1, 3 zu § 370a AO a.F. So sei es nicht erklärbar, dass Strafschärfungsgrund für alle Fälle des § 373 AO die besondere Gefährlichkeit von Täter oder Tat sei, der einmalig begangene bewaffnete Schmuggel nach § 373 AO aber weit weniger streng bestraft werde als die gewerbsmäßige Steuerhinterziehung gem. § 370a AO, die bereits durch ein Unterlassen begangen werden könne. 25 Kohlmann, § 370a AO Rn. 30, Stand Mai. 2004, § 373 Rn. 53.1, Stand Mai 2004; erwogen, aber abgelehnt wird diese Lösung von Hellmann in HHSp § 370a AO Rn. 38; Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 55; a. A: BGH NJW 2003, 3068, 3070, der diesen Aspekt für irrelevant hält. 26 Vgl. BGH NJW 2003, 3068, 3069.

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

Vorliegend handelt es sich, wie auch der Bundesgerichtshof ausführte, 27 um einen Fall der Gesetzeseinheit. Eine solche ist nämlich gegeben, wenn im Bereich der Handlungseinheit nach dem Gesetzeswortlaut mehrere Tatbestände erfüllt sind, obwohl der Unrechtsgehalt der Handlung durch einen Straftatbestand gänzlich erfasst wird, so dass dieses primär anzuwendende Strafgesetz die übrigen verdrängt. 28 Im Verhältnis des § 373 AO zu § 370a AO kommt der Unterfall der Spezialität in Betracht, welche anzunehmen ist, wenn eine Strafnorm begriffsnotwendig die Merkmale einer anderen beinhaltet, bei Verwirklichung der spezielleren Norm also zwangsläufig auch die allgemeinere erfüllt ist. 29 Die gewerbsmäßig und die bandenmäßig unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begangene Einfuhr- oder Ausfuhrabgabenhinterziehung großen Ausmaßes wird von beiden Normen erfasst. Wie von namhaften Autoren vertreten, könnte somit § 373 AO aufgrund seines - im Gegensatz zu § 370a AO - auf bestimmte Steuern beschränkten Anwendungsbereichs die speziellere Norm sein. Überzeugender ist es aber, § 370a AO als speziellere Norm anzusehen, da darauf gleich mehrere Aspekte schließen lassen - das Erfordernis „in großem Ausmaß", die erhöhte Strafandrohung und der Verbrechenscharakter. 30 Die Formulierung Kohlmanns, der Gesichtspunkt, dass das Erfordernis „in großem Ausmaß" für die Spezialität des § 370a AO spricht, sei wegen der Unbestimmtheit dieses Merkmals irrelevant, 31 ist unglücklich gewählt und so nicht richtig. Denn die Frage der Bestimmtheit des Merkmals ist dafür entscheidend, ob die Norm überhaupt einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhält. Ist dies zu bejahen, führt das zusätzliche Erfordernis zu einer wesentlich engeren Fassung des Tatbestandes. Der Grundsatz vom Vorrang des spezielleren Gesetzes spricht seit der Novellierung des § 370a AO für das Zurücktreten des § 373 AO. Hingegen ist im Fall der Unbestimmtheit § 370a AO n. F. nichtig und weiterhin § 370a AO a. F. gültig. Gegenüber § 370a AO a. F. ist in der Tat der Tatbestand des § 373 AO enger gefasst und daher diese Norm lex specialis. 32 Gegen einen Vorrang des § 373 AO sprechen außerdem die unverständlichen praktischen Ergebnisse, die diese Annahme mit sich bringen würde. 33 So würde N 27 BGH NJW 2003, 3068, 3069. 28 BGHSt 31, 380; BGHSt 46, 24, 25; BGH NJW 2003, 3068, 3069; Wessels/Beulke, Rn. 787. 29 Wessels I Beulke, Rn. 788. 30 So auch Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 55; a. A. Kohlmann, § 370a AO Rn. 30,Stand Mai. 2004, da das Merkmal „in großem Ausmaß" nicht konkret bestimmbar und daher zu der Abgrenzung vollkommen ungeeignet sei. 31 Kohlmann, § 373 AO Rn. 53.1, Stand Mai. 2004. 32 So auch BGH NJW 2003, 3068, 3069 f.; Bender, ZfZ 2002, 146, 148 f.; Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 55; Kohlmann, § 370a AO Rn. 30, Stand Mai 2004; zweifelnd Burger, wistra 2002, 1,3. 33 Dies erkennt auch Bender, ZfZ 2002, 146, 148 f., hält aber dennoch an dem Vorrang des § 373 AO fest.

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in Fall 1034 dem relativ milden § 373 Abs. 1 AO unterfallen, während O, der nur die Tabaksteuer und nicht auch Zoll und Einfuhrumsatzsteuer hinterzogen hat, gem. § 370a AO mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft wird. N kann demgegenüber mit einer bloßen Geldstrafe rechnen, wenn das Verfahren gegen ihn nicht sogar gem. § 398 AO oder § 153a StPO eingestellt wird. Die Diskrepanz in der Behandlung von Einfuhr- und Ausfuhrabgaben und allen anderen Steuern kann nicht sinnvoll begründet werden. 35 Fall II 36 veranschaulicht eine weitere Ungereimtheit, welche bei der bandenmäßigen Hinterziehung auftreten würde. Für die Vollendung des § 370a AO genügt es, dass die Tat von einer einzigen Person ausgeführt wird, solange dies nur im Zusammenhang mit der Bandenabrede erfolgt. Im Gegensatz dazu wird durch § 373 AO die Mitwirkung mindestens zweier Bandenmitglieder vorausgesetzt. Praktisch heißt dies, dass - bei Vorrang des § 373 AO - ein bandenmäßiger Schmuggel großen Ausmaßes, der von zwei Bandenmitgliedern ausgeführt wurde, von dem Vergehen des § 373 AO erfasst wird, während er bei Begehung durch ein einziges Bandenmitglied dem Verbrechenstatbestand des § 370a AO unterfällt. In Fall 11 würde P nach § 373 AO, Q hingegen gem. § 370a AO bestraft. Um diesem „ungerechtem" Ergebnis abzuhelfen und damit eine Verfassungswidrigkeit des § 370a AO wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abzuwenden, will Bender einen Analogieschlusses dergestalt vornehmen, dass, wenn bei bandenmäßiger Einfuhrabgabenhinterziehung durch zwei Bandenmitglieder § 370a AO nicht anwendbar ist, dies bei einem Bandenmitglied erst recht gelten müsse. Es käme dann auch für die Begehung durch ein einziges Bandenmitglied allein § 370 AO zur Anwendung.37 Ein solcher Analogieschluss liefe aber auf die schlichte Außerachtlassung des § 370a AO in einigen Fällen hinaus. Dies erscheint nicht nur, wie Bender selbst schreibt, „sehr kühn", 38 sondern schlicht nicht plausibel. Zusammenfassend bleibt daher festzuhalten, dass ein Vorrang des § 373 AO zu erheblichen Wertungswidersprüchen führen würde und somit schon mit Blick auf die praktischen Auswirkungen nicht stichhaltig ist. Den Vorrang des § 370a AO lehnt Reiß mit dem Argument ab, dass dies eine gem. Art. 103 Abs. 2 GG unzulässige Analogie zu Lasten des Täters sei, da - anders als beim Vorrang des § 370 Abs. 3 AO gegenüber § 373 AO - eine Umqualifizierung des Vergehens zum Verbrechen erfolge. Denn es würden Konstellationen als Verbrechen bestraft, die bisher § 373 AO unterfielen, ohne dass diese Vorschrift entsprechend geändert worden sei. 39 Der Einwand ist aber nicht überzeugend. Das Analogie verbot untersagt zuungunsten des Täters zunächst jede Analogie im tech34 35 36 3v 38 39

Vgl. unter 4. Teil, A.II. Zutreffend Bender, ZfZ 2002, 146, 149. Vgl. unter 4. Teil, A.II. Bender, ZfZ 2002, 146, 149. Bender, ZfZ 2002, 146, 149. So aber Reiß, Stbg 2004, 113, 116.

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

nischen Sinn, welche dadurch gekennzeichnet ist, dass eine gesetzliche Regelung auf einen gesetzlich planwidrig nicht geregelten, aber rechtsähnlichen Sachverhalt übertragen wird. 40 Art. 103 Abs. 2 GG verbietet überdies jede ausdehnende Auslegung einer Strafnorm über ihren Wortsinn hinaus.41 Gegen dieses Verbot wird aber vorliegend nicht verstoßen. Für eine Analogie im technischen Sinn mangelt es bereits an einer Regelungslücke. Denn in der hier problematischen KonkurrenzSituation wird ein und derselbe Fall von mehreren gesetzlichen Regelungen erfasst - sowohl von § 373 AO als auch von § 370a AO. § 370a AO verdrängt den § 373 AO erst auf Konkurrenzebene. Seine Regelung wird nicht auf ungeregelte Fallgestaltungen des § 373 AO übertragen, sondern § 373 AO bleibt einschlägig und tritt lediglich später zurück. Dabei handelt es sich weder um eine Analogie noch wird in Verletzung des Analogieverbotes die Strafandrohung des § 373 AO verschärft. 42 Denn die Strafandrohung wird dem ebenfalls verwirklichten § 370a AO entnommen. Strafbarkeit und Strafhöhe waren vor der Tatbegehung gesetzlich bestimmt, und zwar in § 370a AO sowie § 373 AO. Allein das Konkurrenzverhältnis ist ungeregelt, hier besteht eine Regelungslücke. Diese wird aber nicht durch Übertragung einer für andere Konstellationen geltenden gesetzlichen Regelung gelöst, sondern durch die allgemeinen Grundsätze. Auch eine den Norminhalt des § 373 AO überschreitende Interpretation erfolgt durch den Vorrang des § 370a AO nicht. Es werden weiterhin die Fälle von § 373 AO erfasst, die auch vor Einführung des § 370a AO unter die Vorschrift fielen. Der Tatbestand des § 373 AO wird nicht ausgeweitet, sondern tritt lediglich auf Konkurrenzebene zurück. Somit ergeben sowohl die staatsrechtliche Regel des lex posterior als auch das strafrechtliche Prinzip des lex specialis die vorrangige Anwendbarkeit des § 370a AO, deren Sinnhaftigkeit auch die praktischen Ergebnisse belegen.

4. Lösung der Beispielsfälle unter Zugrundelegung der eigenen Ansicht In Fall 1043 wird N - wie auch O - nach § 370a AO bestraft. Ebenso verhält es sich mit P und Q in Fall 11. In Fall 12 führt der Vorrang des § 370a AO zu dem unverständlichen Ergebnis, dass R als Verbrecher gem. § 370a AO bestraft wird, da § 373 AO verdrängt wird, der bewaffnete und gewaltbereite S hingegen nur wegen des Vergehens des § 373 AO, zumal § 370a AO für ihn nicht einschlägig ist. Dieses Ergebnis kann auch 40 BGHSt 7, 190, 193 f.; BGH NJW 51, 809; Eser in Sch/Sch, § 1 StGB Rn. 24; Tröndle/ Fischen 52. Aufl., § 1 StGB Rn. 10; Gribbohm in LK, § 1 StGB Rn. 77. 41 BVerfGE 71, 108, 114 f.; BVerfGE 73, 206, 235 f.; BVerfGE 82, 236, 269; BVerfGE 87, 399, 411; BVerfGE 92, 1, 13; Amelung, NJW 1995, 2584, 2587; Schulze-Fielitz in Dreier, Art. 103 Abs. 2 GG, Rn. 39 m. w. N. 42 Vgl. Tröndle/ Fischer, 52. Aufl., § 1 StGB Rn. 10. 43 Vgl. die Fälle 10-12 unter 4. Teil, A. II.

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nicht mit dem Rechtsgut der Steuerhinterziehung, dem Steueraufkommen des Staates, gerechtfertigt werden, da in beiden Fällen ein großes Ausmaß gegeben war. Zwar ist davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber diese Auswirkungen des § 370a A O nicht bewusst waren, 4 4 jedoch strebte er generell eine Verschärfung der Strafrechtslage für systematische Steuerhinterziehungen an. 4 5 M i t dieser gesetzgeberischen Intention steht das Ergebnis in Einklang und ist daher hinzunehmen.

III. Verhältnis des § 370a AO zu §§ 26b, 26c UStG §§ 26b, 26c UStG stellen erstmalig die bloße Nichtzahlung der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer zum Fälligkeitszeitpunkt unter Strafe. 46 Die Regelungen sind durch das Mehrwertsteuersystem der Europäischen Union zu erklären, welches darauf beruht, dass sich Steuerzahlung des Rechnungsausstellers und Vorsteuerabzug des Rechnungsempfängers gegenüberstehen. Das System gerät folglich bei Nichtentrichten der Umsatzsteuer aus dem Gleichgewicht. 4 7 §§ 26b, 26c U S t G 4 8 sollten aus diesem Grund eine Lücke des zuvor geltenden Rechts schließen, nach dem die Nichtzahlung der richtig deklarierten Umsatzsteuer weder als Ordnungswidrigkeit oder Straftat noch mit verwaltungsrechtlichen oder anderen Maßnahmen geahndet werden konnte, so dass insbesondere gegen den i m Rahmen

44 Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 373 AO Rn. 27, Stand Dezember 2002. 45 Vgl. Meyer in Hund/Johnigk/Wollburg, DStR 2002, 879, 880 f. 46 CDU/CSU und FDP kritisierten die Einführung der Vorschrift des § 26b UStG im Finanzausschuss als unverhältnismäßig, BT-Drucks. 14/7471, 5 f., Anlage 2. Die nach der alten Rechtslage bestehende Möglichkeit der Festsetzung von Säumniszuschlägen in erheblicher Höhe sei ausreichend. So erfolge eine unzulässige Kriminalisierung von Unternehmern, die kurzfristig in Zahlungssschwiedrigkeiten geraten seien. Darüber hinaus sei die Ordnungswidrigkeit des § 26b UStG für die Bekämpfung des organisierten Umsatzsteuerbetrugs ungeeignet. Wie auch bei den sonstigen Maßnahmen des StVBG handele es sich um Gesetzgebung nach der „Rasenmähermethode". Die Regelungen könnten auch steuerehrliche Unternehmer treffen und dürften daher nur „ultima ratio" sein, wohingegen noch nicht alle anderen Möglichkeiten der wirksamen Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs erschöpft worden seien. Auch in der Literatur wurde kritisiert, dass die Vorschriften erheblich weiter gefasst seien als es ihrem in der Gesetzesbegründung erläuterten Zweck entspricht. Dass beispielsweise auch das bloße Nichtentrichten aus Vergesslichkeit erfasst werde, sei insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit der Festsetzung von Säumniszuschlägen sinnlos, Widmann, DB 2002, 166, 169. Auch Lührs, BuW 2002, 711, 712 f. übt starke Kritik an der durch § 26c UStG erfolgenden „flächendeckenden Kriminalisierung von Unternehmern". SPD und Grüne wiesen hingegen auf die Notwendigkeit eines effektiven Schutzes des Umsatzsteueraufkommens sowie auf das im Ordnungswidrigkeitenrecht geltende Opportunitätsprinzip hin, nach dem die Finanzbehörde von der Ahndung absehen könne, wenn die Nichtzahlung entschuldbar war, BT-Drucks. 14/7471, 8. 47 BT-Drucks. 14/7471, 7 f.; BR-Drucks. 637/4/01. 48 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 87 f. meint, dass § 26c UStG die einzige Vorschrift sei, die dem Gesetzestitel „Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz" wirklich entspreche. Die Berechtigung des § 26b UStG sei hingegen zweifelhaft.

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

von Karussellgeschäften als Rechnungsaussteller auftretenden so genannten „missing trader" keine effektiven Sanktionsmöglichkeiten bestanden.49 Namentlich §§ 370, 370a AO greifen in diesem Fall nicht ein, da es an den für die Steuerhinterziehung vorausgesetzten unrichtigen Erklärungen fehlt. 50 Die Anwendungsbereiche der §§ 26b, 26c UStG beschränken sich aber nicht auf die beanstandete Lücke der bloßen Nichtentrichtung ordnungsgemäß angemeldeter Umsatzsteuer, sondern erstreckt sich desgleichen auf Fälle von Falschdeklaration. 51 Insbesondere werden auch Konstellationen erfasst, die in keiner Verbindung zu Karussellgeschäften stehen. Taugliches Tatobjekt des § 370a AO wiederum sind alle Steuern einschließlich der Umsatzsteuer. Möglich und umstritten sind deshalb Überschneidungen der Vorschriften und die Auflösung derartiger Kollisionen. Eine Klarstellung durch den Gesetzgeber wird für „dringend geboten" erachtet. 52 Ein Fall: Fall 13: Der Steuerpflichtige T hat über einige Monate gewerbsmäßig ohne zu Grunde liegende Leistungsbeziehung Scheinrechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis ausgestellt, ohne diese, ein großes Ausmaß erreichenden Steuerbeträge in Umsatzsteuervoranmeldungen zu deklarieren und zu entrichten. Der Rechnungsempfänger machte die Vorsteuerbeträge geltend.

Nach dem Gesetzeswortlaut hat T durch die Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen gewerbsmäßige Steuerhinterziehungen nach § 370a Satz 1 Nr. 1 AO begangen. Denn nach § 14c Abs. 2 UStG schuldet er die von ihm in Rechnungen fälschlicherweise ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge. Zudem könnte er durch die gewerbsmäßige Nichtentrichtung der Umsatzsteuer §§ 26b, 26c UStG verwirklicht haben. Fraglich und umstritten ist, ob dies der Fall ist und, falls dies bejaht wird, wie sich die Vorschriften zueinander verhalten.

1. Möglichkeit von Überschneidungen zwischen § 370a AO und §§ 26b, 26c UStG? a) Keine Kollision zwischen § 370a AO und §§ 26b, 26c UStG Ein Teil der Literatur ist der Meinung, dass § 370a AO und §§ 26b, 26c UStG nicht kollidieren können oder es zumindest nicht dürfen. Umstritten ist allerdings innerhalb dieser Ansicht, wie dieses Ergebnis zu begründen ist. Zu nennen ist zu49 BT-Drucks. 14-7471, 5, 8; vgl. auch Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 87 f. Dem entgegnet Traub in Wannemacher, Rn. 1353, dass der Rechnungsaussteller in der Regel Gehilfe oder Mittäter an der Steuerhinterziehung desjenigen ist, der den Vorsteuerabzug aus Scheinrechnung begeht. so BT-Drucks. 14/7471,5,8. 51 Fahl, ZStW 2002, 794, 817 Fn. 115. 52 Kohlmann, § 370a AO Rn. 34, Stand Mai. 2004.

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nächst die Meinung, die für die Gewerbsmäßigkeit in § 370a AO einen tatsächlichen Zufluss fordert. Nach ihr kommt es zwischen §§ 26b, 26c UStG, die die Nichtentrichtung von Umsatzsteuer erfassten, und § 370a AO, der vorrangig Fälle der Erschleichung von Vorsteuererstattungen betreffe, bei gewerbsmäßiger Begehung nicht zu einer Kollision, sondern die Vorschriften ergänzten sich gegenseitig. Insbesondere sei der Begriff der Gewerbsmäßigkeit in § 26c UStG im herkömmlichen Sinn auszulegen, da der Gesetzeszweck gerade die Strafbarkeit der bloßen Nichtentrichtung der Umsatzsteuer sei. 53 Dass diese Ansicht abzulehnen ist, wurde jedoch bereits dargelegt. 54 Um eine Kollision der Vorschriften zu vermeiden, wird des Weiteren eine Tatbestandslösung angedacht, aber nicht vertreten, beispielsweise indem in den einen Tatbestand ein negatives Tatbestandsmerkmal der Abwesenheit des anderen Tatbestandes hineingelesen wird. Gegen eine Tatbestandslösung spreche jedoch § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB, der zum Ausdruck bringe, dass Tatbestandsmerkmale nur Unrechts- und strafbarkeitsbegründend seien.55 Die Mehrzahl der Autoren vertritt hingegen, dass die Lösung über eine teleologischen Reduktion der §§ 26b, 26c UStG zu finden sei, Traub demgegenüber wählt eine Analogie zu § 240 Abs. 1 Satz 3 AO. aa) Teleologische Reduktion der §§ 26b, 26c UStG Nach einer recht weit verbreiteten Ansicht treten die Vorschriften nicht in Konkurrenz zueinander, da §§ 26b, 26c UStG - im Gegensatz zu § 370a AO - zur Anwendung kämen, wenn echte Liefergeschäfte erfolgen und ordnungsgemäße Steuererklärungen abgegeben werden. Die Normen hätten einen unterschiedlichen, sich gegenseitig ergänzenden Anwendungsbereich. Es bestehe kein Konkurrenz-, sondern ein Exklusivitätsverhältnis. 56 Im Fall der Nichtanmeldung der Steuer werde diese schon nicht, wie von §§ 26b, 26c UStG gefordert, fällig. Die Vorschriften erfassten nur regulär angemeldete Beträge. 57 Es entspreche der gesetzgeberischen Intention, §§ 26b, 26c UStG auf Fälle der bloßen Nichtzahlung angemeldeter Umsatzsteuer zu beschränken, denn die Vorschriften sollten allein die in diesem Fall zuvor bestehenden Lücken schließen.58 Eine weitere Stütze finde dieser Standpunkt darin, dass andernfalls ein Steuerpflichtiger in diesem Bereich durch Selbstanzeige gem. § 371 AO keine Straffreiheit mehr erlangen könne, da § 26c UStG keine Selbstanzeigemöglichkeit vorsehe. 53 Schiffer, BB 2002, 1174, 1177. 54 Vgl. oben, 2. Teil, B. I. 3. d) cc). 55 Fahl, wistra 2003, 10, 13. 56 Blesinger in Offerhaus / Söhn/Lange, § 26b UStG Rn. 29 ff, 65, Stand Mai 2005; Lammerding/Hackenbroch, S. 111; Wegner, wistra 2002, 205, 207. 57 Blesinger in Offerhaus / Söhn / Lange, § 26b UStG Rn. 29, Stand Mai 2005. 58 Blesinger in Offerhaus/Söhn/Lange, § 26b UStG Rn. 29 ff., Stand Mai 2005; Joecks, wistra 2002, 201 \ders. in FGJ, § 370a AO Rn. 68; Traub, in Wannemacher, Rn. 1371.

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Es gebe aber keine Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige auf dem Gebiet der Umsatzsteuer beschränken wollte. 59 Die Aufrechterhaltung der Selbstanzeigemöglichkeit vermeide zudem verfassungsrechtliche Probleme, weil ein Verstoß gegen den Nemo-tenetur-Grundsatz sicher vermieden werde. 60 bb) Analogieschluss zu § 240 Abs. 1 Satz 3 AO Nach Traub sind bei wortgetreuer Anwendung der Vorschriften Überschneidungen möglich, weil in den Anwendungsbereich der §§ 26b, 26c UStG über die bloße Nichtzahlung hinaus alle Fälle einbezogen seien, in denen die in einer Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer zum Fälligkeitszeitpunkt nicht oder nicht vollständig entrichtet wird. Es sei jedoch im Wege einer zugunsten des Täters erfolgenden Analogie zu § 240 Abs. 1 Satz 3 AO sicherzustellen, dass §§ 26b, 26c UStG allein den Fall erfassten, dass ein Steuerpflichtiger die angemeldete Umsatzsteuer nicht entrichtet. Der Analogieschluss sei deswegen sachgerecht, weil die §§ 26b, 26c UStG ein Verhalten im steuerlichen Erhebungsverfahren sanktionierten, Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis jedoch gem. § 218 Abs. 1 AO allein auf der Grundlage von Verwaltungsakten verwirklicht werden könnten. Ohne Titulierung durch Anmeldung oder Festsetzung könnten entstandene Ansprüche mangels Grundlage nicht durchgesetzt und auch die Nichtzahlung der Umsatzsteuer nicht sanktioniert werden. Da in § 240 Abs. 1 Satz 3 AO der Systematik von Festsetzungs- und Erhebungsverfahren Rechnung getragen werde, sei der Analogieschluss folgerichtig. 61

b) Möglichkeit von Überschneidungen Nach der Gegenansicht können durchaus Überschneidungen entstehen, weil der Anwendungsbereich der §§ 26b, 26c UStG über die bloße Nichtzahlung der Umsatzsteuer hinaus alle Fälle einbezieht, in denen die in einer Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer zum Fälligkeitszeitpunkt nicht oder nicht vollständig entrichtet wird. §§ 26b, 26c UStG erfassten nicht allein die bloße Nichtzahlung der Umsatzsteuer. Denn eine reguläre Steueranmeldung werde von § 26b UStG, der nur auf das Nichtentrichten zum Fälligkeitszeitpunkt abstellt, nicht gefordert. 62 Die Nichtzahlung der fälligen Umsatzsteuer könne aber auch verwirklicht werden, wenn der Steuerpflichtige eine Erklärung nicht abgibt und die Steuer nicht zahlt, wie § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG zeige. Eine ordnungsgemäße Steuererklärung sei somit nicht in jedem Fall Voraussetzung der §§ 26b, 26c UStG. 63 59 Traub in Wannemacher, Rn. \31l\ Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 68. 60 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 68; vgl. auch Rn. 95. 61 Traub in Wannemacher, Rn. 1370. 62 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 68.

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c) Stellungnahme Die Vermeidung von Überschneidungen zwischen § 370a AO und §§ 26b, 26c entspricht zwar der gesetzgeberischen Intention bei Einführung der Vorschriften, 64 kann aber nicht durch die von Traub vorgeschlagene Analogie erreicht werden. Denn die in § 240 AO geregelten Säumniszuschläge stellen keine Strafe, sondern ein Druckmittel zur Durchsetzung fälliger Steuern dar. Die Regelungen der §§ 26b, 26c UStG und des § 240 AO sind daher nicht ausreichend vergleichbar, was notwendige Voraussetzung jeder Analogie ist. 65 Vielmehr ist bei Beachtung der umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften der Ansicht zuzustimmen, welche Überschneidungen zwischen § 370a AO und §§ 26b, 26c UStG für möglich hält. Die Gegenmeinung, die eine Kollision der Vorschriften ablehnt, ist zu undifferenziert. 66 Richtigerweise ist mit Fahl 67 zwischen verschiedenen Konstellationen zu differenzieren. Kein Konkurrenzproblem besteht, wenn die korrekt deklarierte Umsatzsteuer nicht entrichtet wird, wie es insbesondere der im Rahmen von Umsatzsteuerkarussellen agierende „missing trader" zu tun pflegt, so auch B in Fall 9. 6 8 Denn dann ist eine Steuerhinterziehung mangels, von § 370 AO - und damit auch von § 370a AO - vorausgesetzter, falscher oder unterlassener Angaben nicht gegeben. Hier bestand die beklagte Lücke im Umsatzsteuersystem, die durch §§ 26b, 26c UStG geschlossen werden sollte. 69 Handelt es sich nicht um einen Fall der richtigen Deklaration und Nichtentrichtung der Steuer, ist zur genaueren Untersuchung zwischen der Umsatzsteuervoranmeldung im Sinne des § 18 Abs. 1 UStG und der Umsatzsteuerjahreserklärung im Sinne des § 18 Abs. 4 UStG zu unterscheiden:70 Reicht der Steuerpflichtige gar keine Umsatzsteuerjahreserklärung ein, sind §§ 26b, 26c UStG mangels der von ihnen vorausgesetzten Nichtzahlung zum Fälligkeitszeitpunkt nicht erfüllt. Denn die Fälligkeit tritt gem. § 18 Abs. 4 Satz 1 UStG einen Monat nach Eingang der Steueranmeldung ein, die in diesem Fall gerade nicht abgegeben wurde. Es sind somit allein §§ 370, 370a AO, nicht aber §§ 26b, 26c UStG einschlägig. Fraglich ist, ob Entsprechendes gilt, wenn der Steuerpflichtige eine unrichtige Umsatzsteuerjahreserklärung abgibt. Fahl bejaht dies, da hinsichtlich des angegebenen Betrags keine Steuer hinterzogen worden sei und bezüglich des nicht deklarierten Überschusses keine Fälligkeit eintreten könne. 63 Fahl, wistra 2003, 10, 11; Klein, StV 2005, 459, 463; Kohlmann, § 370a AO Rn. 34, Stand Mai 2004. 64 BT-Drucks. 14/7471, 5 f., 8. 65 Vgl. zu den Voraussetzungen der Analogie BGH NJW 1951, 809. 66 So auch Kohlmann, § 370a AO Rn. 34, Stand Mai 2004. 6v Fahl, wistra 2003, 10, 11 ff. 68 Vgl. unter 2. Teil, B.II. 2. 69 Vgl. BT-Drucks. 14/7471, 7 f. 70 So auch Fahl, wistra 2003, 10, 11; Kohlmann, § 370a AO Rn. 34, Stand Mai 2004.

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Allein dann, wenn die zu niedrig angegebene Jahresumsatzsteuer nicht entrichtet wird, könnten § 370a AO bezüglich des nicht deklarierten Betrags und § 26c UStG in Bezug auf die angemeldete, aber nicht gezahlte Summe zusammentreffen. Dies wäre jedoch ein Fall der Realkonkurrenz gem. § 53 StGB und es wären zwei verschiedene, nicht derselbe Betrag betroffen. Auch diese Konstellation sei daher nicht problematisch. 71 Bei seiner Argumentation übersieht Fahl jedoch § 18 Abs. 4 Satz 2 AO. Danach ist - wie Kohlmann richtig feststellt - die Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung anders zu beurteilen als die Nichtdeklaration, da für den Eintritt der Fälligkeit gem. § 18 Abs. 4 Satz 2 AO die Abgabe einer zu niedrigen Steueranmeldung genügt. Die Vorschrift regelt gerade den Fall, dass das Finanzamt eine Steuer oder einen Überschuss festsetzt, der den in der Anmeldung genannten Betrag übersteigt. Dieser darüber hinausgehende Betrag ist einen Monat nach Bekanntgabe des Steuerbescheids fällig. Das Konkurrenzproblem stellt sich also. 72 Bei der Umsatzsteuervoranmeldung tritt Fälligkeit sowohl im Falle des Unterlassens der Anmeldung als auch bei einer Falschdeklaration am 10. Tag nach Ablauf des Vöranmeldungszeitraums ein (§ 18 Abs. 1 Satz 3 UStG). Gibt der Steuerpflichtige eine unrichtige oder gar keine Umsatzsteuervoranmeldung ab, sind hinsichtlich desselben Betrags sowohl §§ 370, 370a AO als auch §§ 26b, 26c UStG erfüllt. 73 Umstritten ist die Lösung des sich in den aufgezeigten Konstellationen ergebenden Konkurrenzproblems.

2. Lösung des Konkurrenzproblems Von den Autoren, die Überschneidungen zwischen § 370a AO und §§ 26b, 26c UStG für möglich halten, werden wiederum verschiedene Ansichten zur Auflösung der Konkurrenz vertreten. Während Zanzinger für einen Vorrang der §§ 26b, 26c UStG eintritt, 74 halten die überwiegenden Stimmen eben diese Vorschriften für verdrängt. a) Vorrang der §§ 26b, 26c UStG Nach Zanzinger sind §§ 26b, 26c UStG gegenüber § 370a AO für den Bereich der Umsatzsteuer vorrangig. Dem stehe nicht entgegen, dass ein derartiges Ergebnis angesichts des wesentlich geringeren Strafrahmens der §§ 26b, 26c UStG unverständlich sei, auch wenn § 370a AO gerade zum Zwecke der Bekämpfung Fahl, wistra 2003, 10, 11. 72 Zutreffend Kohlmann, § 370a AO Rn. 34, Stand Mai 2004. 73 Fahl, wistra 2003, 10, 11; Kohlmann, § 370a AO Rn. 34, Stand Mai 2004; Traub in Wannemacher, Rn. 1370. 74 Zanzinger in Schöll / Leopold / Madie, § 370a Rn. 13, Stand September 2002; so wohl auch Klein, StV 2005, 459, 463 f.

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von Umsatzsteuerkarussellen geschaffen wurde. Eine nähere Begründung für den Vorrang der §§ 26b, 26c UStG führt er allerdings nicht an. 75 Dieser Meinung wird erwidert, dass ein Zurücktreten des § 370a AO nicht einsichtig begründet werden könne. Zum einen könnten §§ 26b, 26c UStG nicht als spezielle und abschließende Sonderregelungen für Umsatzsteuerhinterziehungen gewertet werden, die einen Rückgriff auf §§ 370, 370a AO auch im Fall ihres Nichteingreifens versagen, weil §§ 26b, 26c UStG nicht alle Merkmale der §§ 370, 370a AO plus mindestens ein zusätzliches spezialisierendes enthielten. Zumindest psychologisch sei es überdies schwierig, §§ 26b, 26c UStG als eine Privilegierung gegenüber §§ 370, 370a AO zu werten. 76 Zum anderen könne eine Konsumtion der §§ 370, 370a AO durch §§ 26b, 26c UStG nicht überzeugen. Zwar sei die Konsumtion einer Straftat mit höherer Strafdrohung nicht ausgeschlossen, was § 248b StGB bezüglich des Benzindiebstahls beweise. Problematisch erscheine aber die Konsumtion einer Straftat durch eine Ordnungswidrigkeit beziehungsweise eines Verbrechens durch ein Vergehen.77

b) Vorrang des § 370a AO Nach der Gegenmeinung werden §§ 26b, 26c UStG durch § 370a AO verdrängt. Die Begründung dieses Ergebnisses fällt allerdings unterschiedlich aus. Erwogen werden sowohl Handlungseinheit als auch Handlungsmehrheit, sowohl Spezialität, Subsidiarität als auch Konsumtion. aa) Lösung über § 21 OWiG Fahl zieht hinsichtlich des Verhältnisses zwischen § 370a AO und der Ordnungswidrigkeit des § 26b UStG eine Lösung über § 21 OWiG in Betracht. 78 Voraussetzung für dessen Anwendbarkeit sei aber, dass die Straftat und die Ordnungswidrigkeit durch dieselbe Handlung begangen wurden. Nach § 8 OWiG könne zwar Handlung auch eine Unterlassung sein, im Fall der Einreichung einer falschen Voranmeldung fehle jedoch die erforderliche Identität von Handlung - der Einreichung der Steuererklärung als Tathandlung im Sinne des § 370a AO - und Unterlassung - der Nichtzahlung der Steuer als für § 26b UStG relevanter Anknüpfungspunkt - und im Fall der Nichtabgabe seien zwei verschiedene Unterlassungen gegeben. § 21 OWiG sei folglich nicht einschlägig. Die Konkurrenz der beiden Straftaten § 370a AO und § 26c UStG regele § 21 OWiG schon gar nicht. 79 75 Zanzinger in Schöll / Leopold / Madie, § 370a Rn. 13, Stand September 2002. 76 Fahl, wistra 2003, 10, 12. 77 Fahl, wistra 2003, 10, 12. 78 So Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 67 für den Fall, dass § 26b UStG auch auf nicht angemeldete Steuer angewendet wird. 79 Fahl, wistra 2003, 10, 11.

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bb) Konsumtion bei Handlungsmehrheit In Betracht gezogen wird des Weiteren, § 370a AO wegen seines Verbrechenscharakters und erhöhten Strafrahmens gegenüber § 26c UStG Vorrang zu gewähren, indem die Verwirklichung des § 26c UStG bei einer Falschdeklaration als mitbestrafte Nachtat gewertet und im Fall der Nichtabgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung als so genannte mitbestrafte Begleittat konsumiert werde. Allerdings werde § 26c UStG keineswegs typischerweise bei Erfüllung des § 370a AO „mitverwirklicht". Die mitbestrafte Nachtat habe als Sonderform der Gesetzeskonkurrenz bei Tatmehrheit zudem zur Voraussetzung, dass ein schon existenter Schaden nur aufrechterhalten oder vertieft wird. Die in § 370a AO sanktionierte Steuerverkürzung sei jedoch gem. § 370 Abs. 4 Satz 1 Var. 2 AO bereits gegeben, wenn die Steuer „nicht rechtzeitig festgesetzt" werde, ohne dass der Staat einen Vermögensschaden erlitten haben müsse. Daher sei § 370a AO als eine Art „Gefährdungsdelikt" zu qualifizieren. § 26c UStG hingegen erfordere die Schädigung des Umsatzsteueraufkommens durch nicht vollständige Entrichtung der Umsatzsteuer, so dass er ein Verletzungsdelikt darstelle. Die Schädigung des Umsatzsteueraufkommens als Vertiefung seiner Gefährdung einzustufen, sei eine „bedenkliche Überhöhung des ... Gefährdungsgedankens". Die Voraussetzungen für eine Konsumtion der §§ 26b, 26c UStG durch § 370a AO lägen folglich nicht vor. Im Übrigen habe dieser Lösungsweg den Nachteil, dass bei einer verspätet abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldung der verdrängte § 26b UStG „wieder aufleben" müsse. Denn eine solche werde in der Praxis als strafbefreiende Selbstanzeige gem. § 371 AO gewertet. Einer analogen Anwendung des § 371 AO auf § 26b UStG stehe aber der klare Wortlaut entgegen.80 Derartige Fälle wären somit weiterhin ungelöst.81 Die Figur der mitbestraften Nachtat bringe somit für das vorliegende Problem kein zufriedenstellendes Resultat. cc) Handlungseinheit Die Mehrzahl der Autoren geht von einem Fall der „natürlichen Handlungseinheit" aus.82 Es liege nicht eine Handlung im natürlichen Sinne vor, da dafür im Fall des Unterlassens die Identität der vom Täter geforderten Handlungen erforderlich sei. Die vorliegend entscheidende Nichtanmeldung und die Nichtentrichtung der geschuldeten Umsatzsteuer im Fälligkeitszeitpunkt seien aber trotz ihrer Gleichzeitigkeit zwei unterschiedliche natürliche Handlungen. Allerdings stelle sich das gesamte Geschehen aus der Sicht eines Dritten bei natürlicher Betrachtungsweise so Fahl, wistra 2003, 10, 12; a. A. Joecks, wistra 2003, 201, 203; ders. in FGJ, § 370a AO Rn. 95. 81 Fahl, wistra 2003, 10, 12; aus diesem Grunde die Lösung über die mitbestrafte Nachtat ablehnend auch Kohlmann, § 370a AO Rn. 34, Stand Mai 2004. 82 Fahl, wistra 2003, 10, 13; Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 5, 37, Stand August 2002; Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 78, Stand Dezember 2002; Traub in Wannemacher, Rn. 1372.

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aufgrund des zwischen den Handlungen bestehenden engen Zusammenhangs, insbesondere in zeitlicher Hinsicht, als einheitlich und zusammengehörig dar und bilde daher eine natürliche Handlungseinheit.83 §§ 26b, 26c UStG und § 370a AO könnten insbesondere bei der bandenmäßigen Begehung von demselben Täter nebeneinander verwirklicht werden, da bei einem Umsatzsteuerkarussell die gemeinsame Absicht, Steuerhinterziehungen zu begehen, immer auch die Absicht einschließe, die Umsatzsteuer auf bestimmten Stufen des Karussells nicht zu entrichten. Vor Einfügung der Voraussetzung „in großem Ausmaß" sei es geradezu unverständlich gewesen, warum § 26c UStG überhaupt neben § 370a AO geschaffen wurde. 84 Von der Handlungseinheit ausgehend wird sowohl vertreten, dass es sich um einen Fall der Spezialität handele als auch, dass Subsidiarität gegeben sei. Wannemacher/Meyer sprechen sich für die Spezialität des § 370a AO gegenüber §§ 26b, 26c UStG aus, weil die Nichtzahlung der Steuern strafrechtlich keine eigenständige Relevanz habe, wenn der Täter Umsatzsteuern durch unrichtige Angaben oder pflichtwidriges In-Unkenntnis-Lassen der Finanzbehörde verkürzt hat. §§ 26b, 26c UStG seien nur Auffangtatbestände für Konstellationen, in denen der Täter richtige Umsatzsteuererklärungen fristgerecht mit dem Vorsatz abgibt, die Steuern nicht zu entrichten. Den Vorrang des § 370a AO gegenüber § 26b UStG bekräftige zudem der Grundsatz der Spezialität des Straftatbestandes gegenüber der Ordnungswidrigkeit.85 Mit eben diesem Argument, dass §§ 26b, 26c UStG nach der Gesetzesbegründung lediglich eine Regelungslücke schließen sollten, die Vorschriften also Auffangtatbestände seien,86 und dass die Nichtzahlung der Steuern strafrechtlich keine eigenständige Relevanz habe, wenn der Täter eine Steuerverkürzung begangen habe,87 wird auch die Subsidiarität der §§ 26b, 26c UStG begründet. Dies gelte sowohl bei vollständigem Fehlen einer Umsatzsteueranmeldung und vollständiger Nichtentrichtung der Umsatzsteuer als auch bei zu niedriger Anmeldung und teilweiser Nichtentrichtung. 88 83

Traub in Wannemacher, Rn. 1372. 84 Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 78, Stand Dezember 2002. Dazu ist freilich zu sagen, dass die Schaffung der §§ 26b, 26c UStG - wie bereits erwähnt - darauf beruht und darin ihre Rechtfertigung findet, dass eine Lücke für den Fall der Nichtentrichtung korrekt deklarierter Umsatzsteuer bestand. 85 Wannemacher IMeyer in Beermann, § 370a AO Rn. 95 f., Stand Dezember 2002. 86 Traub in Wannemacher, Rn. 1372. Vorrangig schlägt er allerdings vor, das Konkurrenzproblem zu vermeiden, indem man eine Analogie zu § 240 Abs. 1 Satz 3 AO bildet oder §§ 26b, 26c UStG teleologisch reduziert, s. o. 4. Teil, A. III. 1. a) bb), Traub in Wannemacher, Rn. 1370 f. Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 54 spricht sich für eine Subsidiarität des § 26c UStG aus, falls sein Anwendungsbereich auch im Fall der nicht angemeldeten Umsatzsteuer eröffnet sein sollte. Für Subsidiarität wohl auch Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 5, 37, Stand August 2002. 87 Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 5, 37, Stand August 2002. 88 Traub in Wannemacher, Rn. 1372. 12 Schneider

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c) Idealkonkurrenz Andere Autoren hingegen überzeugt keine der angesprochenen Lösungen. Da es sich um eine natürliche Handlungseinheit handele, sei Idealkonkurrenz gegeben und die Strafe gem. § 52 StGB dem Gesetz mit der schwersten Strafdrohung, also § 370a AO zu entnehmen.89 d) Stellungnahme Aus den von Fahl selbst gegen seinen Vorschlag der Heranziehung des § 21 OWiG vorgebrachten Gründen führt dieser Ansatz nicht weiter. Erste Frage bei Bestimmung des Konkurrenzverhältnisses muss daher nach den allgemeinen Regeln sein, ob ein Fall der Handlungseinheit oder einer der Handlungsmehrheit vorliegt. Handlungseinheit ist gegeben, wenn die Handlungen des Täters beziehungsweise im Fall des Unterlassens die vom Täter geforderten Handlungen identisch sind. 90 Das für §§ 26b, 26c UStG tatbestandsmäßige Verhalten ist die Nichtentrichtung der Umsatzsteuer zum Fälligkeitszeitpunkt. Für die gleichzeitige Verwirklichung des § 370a AO kommt nach der hier vertretenen Ansicht sowohl das Unterlassen der Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung als auch die Einreichung einer unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldung oder -jahreserklärung in Betracht. Es handelt sich also teilweise um Unterlassungen, teilweise um positives Tun, wobei der Täter, wenn er sowohl §§ 26b, c UStG als auch § 370a AO erfüllt, verschiedene Handlungen (nicht) vornimmt. Eine Handlung im natürlichen Sinn kann daher nicht bejaht werden. In Betracht kommt aber das Vorliegen einer Handlung im juristischen Sinne, in Form der natürlichen Handlungseinheit. Voraussetzung ist, dass mehrere, im Wesentlichen gleichartige Verhaltensweisen von einem einheitlichen Willen getragen werden und aufgrund ihres räumlich-zeitlichen Zusammenhangs derart eng miteinander verbunden sind, dass das gesamte Tätigwerden objektiv für einen Dritten bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehöriges Tun erscheint. 91 Entschließt sich jemand, seiner Umsatzsteuerpflicht zu entgehen, und verwirklicht dieses Tun, indem er keine oder eine unrichtige Umsatzsteuervoranmeldung oder -jahreserklärung abgibt und die Umsatzsteuer im Fälligkeitszeitpunkt nicht entrichtet, so sind diese Handlungen beziehungsweise Unterlassungen von einem einheitlichen Willen getragen. Sie dienen alle demselben Ziel und sind im Wesent89 Fahl, wistra 2003, 10, 13; Kemper in Dietz/Cratz/Rolletschke, § 370a AO Rn. 78, Stand Dezember 2002; i. E. zustimmend Kohlmann, § 370a AO Rn. 34, Stand Mai 2004. 90 BGHSt 18, 376, 379; BGHSt 37, 106, 134; BayObLG wistra 1986, 273, 275; Stree in Sch/Sch, Vorbem §§ 52 ff. StGB, Rn. 28. 91 BGHSt 10, 230, 231; BGHSt 43, 312, 315; BGH JZ 1977, 609 f.; BGH JR 1985, 512, 513; BGH NStZ 1995,46 f.; BGH NStZ 1997, 276; Stree in Sch/Sch, Vorbem §§ 52 ff. StGB Rn. 23, der diese Figur allerdings ablehnt, vgl. Stree in Sch/Sch, Vorbem §§ 52 ff. StGB Rn. 22; Wessels /Beulke, Rn. 292.

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liehen gleich. Der für §§ 26b, c UStG maßgebliche Fälligkeitszeitpunkt tritt kurze Zeit nach dem Tag ein, an dem die Steueranmeldung abgegeben wurde oder abgegeben werden musste. In zeitlicher Hinsicht ist daher ebenfalls ein enger Zusammenhang vorhanden, so dass sich das Geschehen für einen objektiven Dritten bei natürlicher Betrachtungsweise als einheitlich und zusammengehörig darstellt. Somit ist hier eine natürliche Handlungseinheit zu bejahen. Die nächste Frage muss daher lauten, ob es sich um einen Fall der Gesetzeseinheit handelt. Voraussetzung für die Spezialität einer Strafvorschrift ist, dass sie begriffsnotwendig alle Voraussetzungen einer anderen Norm enthält. Dies ist hier nicht der Fall. §§ 26b, c UStG setzen weder unrichtige oder unterlassene Angaben voraus noch eine Steuerhinterziehung großen Ausmaßes. § 370a AO wiederum erfasst nicht alle Konstellationen, die unter §§ 26b, c UStG zu subsumieren sind, 92 insbesondere Fälle, in denen ein großes Ausmaß nicht erreicht wird. Entgegen Traub sind die Gesichtspunkte, dass die Nichtzahlung der Steuern strafrechtlich keine eigenständige Relevanz habe, wenn die Steuern auch hinterzogen werden, und dass §§ 26b, c UStG nur als Auffangtatbestände gedacht waren, für die Beurteilung, ob Spezialität gegeben ist, nicht entscheidend.93 Hierbei handelt es sich vielmehr um Aspekte der Subsidiarität. 94 Zwar hätte die Annahme einer mitbestraften Begleit- oder Nachtat im Verhältnis der §§ 26b, c UStG zu § 370a AO nicht den von Fahl beschriebenen Nachteil, dass bei einer verspäteten Umsatzsteuervoranmeldung die verdrängten §§ 26b, c UStG wieder aufleben würden. Denn im Fall des § 370a AO bleibt die Strafbarkeit trotz Selbstanzeige bestehen, es tritt keine Straffreiheit ein, vgl. § 370a Satz 3 AO. §§ 26b, c UStG blieben verdrängt und würden nicht „wieder aufleben". Handelt es sich um eine gewerbs- oder bandenmäßige Umsatzsteuerhinterziehung in großem Ausmaß, so ist dieses Ergebnis auch trotz der Alltäglichkeit verspäteter Umsatzsteueranmeldungen gerechtfertigt. Richtig ist, dass sich das angesprochene Problem im Verhältnis zwischen § 26b UStG und § 370 AO stellt, dies ist aber nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Ungeachtet dessen kann ein Fall der Konsumtion deshalb nicht angenommen werden, weil die Begehung der §§ 26b, c UStG nicht regelmäßig und typischerweise mit der des § 370a AO zusammentrifft oder umgekehrt. 95 Möglich erscheint die Subsidiarität der §§ 26b, c UStG. Dafür müssten sie nach dem Gesetzes willen nur hilfs weise für den Fall zur Anwendung kommen sollen, dass § 370a AO nicht eingreift. 96 Jedoch ist § 370a AO nicht so gefasst, dass bei 92 Fahl, wistra 2003, 10, 12. 93 Vgl. Stree in Sch/Sch, Vorbem §§ 52 ff. StGB Rn. 110 f.; Wessels/Beulke, Rn. 788. 94 Vgl. Stree in Sch/Sch, Vorbem §§ 52 ff. StGB Rn. 107. 95 Vgl. zu den Voraussetzungen der Konsumtion BGH JZ 02, 512, 513; Wessels/Beulke, Rn. 791. 96 Vgl. zur Subsidiarität Stree in Sch/Sch, Vorbem §§ 52 ff. StGB Rn. 105 ff.; Wessels/ Beulke, Rn. 790. 12*

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

seiner Verwirklichung §§ 26b, c UStG regelmäßig miterfüllt sind und daher ihr Unrechtsgehalt durch Anwendung des § 370a AO abgegolten wäre. Ebenso wenig ist die Schädigung des Umsatzsteueraufkommens bloßer Begleitumstand einer Umsatzsteuerhinterziehung. Dem Täter kommt es vielmehr gerade auf den Erfolg des Nebendelikts an. In einem solchen Fall scheidet Subsidiarität aus.97 Es bleibt festzuhalten, dass keine Fallgruppe der Gesetzeseinheit einschlägig ist. Die Handlungseinheit führt folglich zur Idealkonkurrenz gem. § 52 StGB. Nach § 52 Abs. 2 StGB ist die Strafe § 370a AO als dem Gesetz mit der schwereren Strafandrohung zu entnehmen. Auch in Fall 13gs liegt danach Idealkonkurrenz des durch gewerbsmäßiges Nichtentrichten der Umsatzsteuer zum Fälligkeitszeitpunkt in mehreren Fällen verwirklichten § 26c UStG und der durch Unterlassen der Abgabe richtiger Umsatzsteuervoranmeldungen begangenen gewerbsmäßigen Steuerhinterziehungen vor. Die zu verhängende Strafe richtet sich nach § 370a AO.

IV. Zusammenfassung Gegenüber § 370 AO ist § 370a AO Qualifikation und daher spezieller. Im schwierig zu beurteilenden Verhältnis zu § 373 AO ergeben für § 370a AO n. F. sowohl die staatsrechtliche Regel des lex posterior als auch das strafrechtliche Prinzip des lex specialis die vorrangige Anwendbarkeit des § 370a AO. Zweifelhaft ist zudem die Konkurrenzbeziehung zwischen der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung und §§ 26b, 26c UStG. Es handelt sich bei der Verwirklichung der Tatbestände um eine natürliche Handlungseinheit, für welche keine Fallgruppe der Gesetzeseinheit eingreift, so dass Idealkonkurrenz gem. § 52 StGB anzunehmen ist. Die Strafe ist folglich gem. § 52 Abs. 2 StGB nach § 370a AO zu bestimmen.

B. Reichweite und Folgeprobleme des § 370a A O im Bereich der Geldwäsche Der Geldwäschetatbestand des § 261 StGB, 99 dessen ursprüngliche Einführung durch das Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (OrgKG) 100 auch aufgrund inter9v Vgl. Stree in Sch/Sch, Vorbem §§ 52 ff. StGB, Rn. 107. 98 Vgl. oben unter 4. Teil, A. III. 99 Der Tatbestand ist seit seiner Einführung umstritten, vgl. etwa Barton, StV 1993, 156 ff.; Bernsmann, StV 98, 46 ff.; ders., StV 2000, 40 ff.; Eser in Sch/Sch, § 1 StGB Rn. 18; Leip/Hardtke, wistra 1997, 281 ff. 100 Vom 15. 07. 1992, BGBl. I 1302 ff.

B. Reichweite und Folgeprobleme des § 370a AO

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nationaler Verpflichtung Deutschlands erfolgte, 101 ist ein essentielles Element zur Unterbindung der Organisierten Kriminalität. 102 Die Vorschrift hat einerseits den Zweck zu verhindern, dass die Herkunft von auf kriminelle Weise erwirtschafteten Gewinnen verschleiert wird und diese in den allgemeinen Wirtschaftskreislauf gelangen (§ 261 Abs. 1 StGB). Außerdem soll eine Isolation des Vortäters dadurch erreicht werden, dass derartige Gewinne verkehrsunfähig gemacht werden (§ 261 Abs. 2 StGB). 103 Die Ausgestaltung des § 370a AO als Verbrechen hat zur Folge, dass die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung gem. § 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB eine taugliche Geldwäschevortat bildet. Die Auslegung des § 370a AO hat daher unmittelbare Auswirkungen auf die Reichweite der Geldwäschestrafbarkeit. Im Zusammenhang mit der Einführung des § 370a AO wurde § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB durch das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz folgendermaßen geändert: „In den Fällen des Satzes 2 Nr. 3 sowie im Falle des § 370a der Abgabenordnung gilt Satz 1 auch für unrechtmäßig erlangte Steuervergütungen sowie für Vermögensbestandteile, hinsichtlich derer Abgaben hinterzogen worden sind."

Laut der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses sollte die Vorschrift dadurch an die Besonderheiten der Steuerhinterziehung angepasst werden, damit die durch eine unrechtmäßige Steuerverkürzung bedingte Steuerersparnis ungeachtet des Streits um die Bestimmung des Merkmals „Gegenstand" im Sinne des § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB ein taugliches Tatobjekt der Geldwäsche bilden könne. 104 Ohne die „Klarstellung" in § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB habe dies fraglich sein können, denn die Ersparnis sei zwar Folge einer unterlassenen oder unrichtigen Steuererklärung, die Steuerforderung richte sich jedoch gegen das gesamte Tätervermögen, so dass die Ersparnis integraler und nicht ablösbarer Teil desselben sei. Sie könne zwar der Höhe nach präzise angegeben werden, manifestiere sich aber nicht in einem konkreten und vom übrigen Vermögen abtrennbaren Vermögensbestandteil.105 101

Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen von 1998, vgl. dazu BT-Drucks. 12/989, 26. 102 Vgl. näher Götzens / Schneider, PStR 2001, 265 f. Spatscheck / Wulf, DB 2001, 2572; Stree in Sch/Sch, § 261 StGB Rn. 1. 103 Spatscheck/Wulf DB 2001, 2572; Stree in Sch/Sch, § 261 StGB Rn. 1; nach Tröndle/ Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 3 liegt der Ursprung des § 261 StGB im Beweisrecht, da die Vorschrift Ermittlungsansätze für die Verfolgung von Katalogtaten schaffe. Ein eigenständiges Rechtsgut könne nur schwer gefunden werden. Daneben habe die Norm eine zweifelhafte generalpräventive Wirkung, da sie zur „Unattraktivität" der Begehung von Vortaten beitrage, indem sie die Verkehrsunfähigkeit der Erlöse herbeiführe. Das mit § 261 StGB verfolgte kriminalpolitische Konzept sei verfehlt, da inzwischen weite Teile des gesamten Vermögens in Deutschland taugliche Geldwäscheobjekte sein müssten. Die Wirkungslosigkeit der Vorschrift werde auch dadurch belegt, dass ein Rückgang der Organisierten Kriminalität nicht zu verzeichnen sei, Tröndle / Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 4b. 104 Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drucks. 14/7470, 2. 105 Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 14-7471, 9.

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

Die Neufassung des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB durch das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz, wonach nicht lediglich die Steuerersparnis, sondern der gesamte Gegenstand, hinsichtlich dessen die Steuer hinterzogen wurde, von dem Schutzbereich der Geldwäsche erfasst werde, solle gewährleisten, dass auch solche Vermögensbestandteile, die zwar nicht aus der Steuerhinterziehung selbst hervorgegangen sind, aber „in einem klaren Zusammenhang mit dieser stehen", taugliche Geldwäscheobjekte darstellen. 106 Die Formulierung „Vermögensbestandteile, hinsichtlich derer Abgaben hinterzogen worden sind" wurde allerdings als zu unscharf kritisiert und führte zu einer heftigen Diskussion über die Frage, inwieweit das Gesamtvermögen des Steuerhinterziehers wegen der fehlenden Abtrennbarkeit der Steuerersparnis bemakelt sei und somit die Gefahr völliger wirtschaftlicher Verkehrsunfähigkeit des Tätervermögens bestehe.107 Im Rahmen der Änderung des § 370a AO wurde, wohl aufgrund der Auslegungsschwierigkeiten, 108 auch § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen, zurückgehend auf die Beschlussempfehlung 109 des vom Bundesrat angerufenen 110 Vermittlungsausschusses, wie folgt erneut abgeändert: 111 „Satz 1 gilt in den Fällen der gewerbsmäßigen oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung nach § 370a der Abgabenordnung für die durch die Steuerhinterziehung ersparten Aufwendungen und unrechtmäßig erlangten Steuererstattungen und -Vergütungen sowie in den Fällen des Satzes 2 Nr. 3 auch für einen Gegenstand, hinsichtlich dessen Abgaben hinterzogen worden sind."

106 Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 14-7471, 9; Tröndle/Fischer, 51. Aufl., § 261 StGB Rn. 4b kritisieren, dass der Tatbestand dadurch von seinem Ziel der Abschöpfung illegaler Verbrechensgewinne weiter entfernt wurde. 107 Vgl. unter anderem Bender, ZfZ 2002, 146, 149 ff.; Burger, wistra 2002, 1, 4 f.; Lührs, BuW 2002, 711, 714 f.; Salditt, StV 2002, 214, 216 ff.; Spatscheck/Wulf, DB 2001, 2572, 2573 f.; dies., DB 2002, 392, 395 f.

i° 8 Die Gesetzesmaterialien äußern sich zu § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB nicht, vgl. BTDrucks. 14/8286; BT-Drucks. 14/8887; BT-Drucks. 9343; BT-Drucks. 14/9631; BRDrucks. 351/02. 109 BT-Drucks. 14/9631,2. ho BT-Drucks. 9343; BR-Drucks. 351/02. in Die Änderung entspricht den Forderungen von Burger, wistra 2002, 1, 5, die ersparten Aufwendungen zu erfassen. Schiffer, PStR 2002, 167, 168 übersieht die Änderung vollkommen.

B. Reichweite und Folgeprobleme des § 370a AO

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I. Einschätzung der Vortateigenschaft der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung 1. Befürworter der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung als tauglicher Geldwäschevortat Teilweise wurden die Änderungen als „Quantensprung in der Bekämpfung der Geldwäsche" begrüßt. 112 Geldwäsche und Steuerhinterziehung hätten ähnliche Abläufe und gingen „Hand in Hand". 113 Die Steuerhinterziehung sei fester und stabilisierender Bestandteil eines komplexen und verflochtenen Systems von mit der Geldwäsche verbundenen illegalen und legalen Aktivitäten der Organisierten Kriminalität, die daher nicht als Einzeldelikt erfasst werden könnten. 114 Nachdem bereits der gewerbsmäßige, gewaltsame und bandenmäßige Schmuggel sowie die Steuerhehlerei gem. § 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB Katalogtaten der Geldwäsche waren, sei die durch die Gesetzesänderung erfolgte Erfassung aller schweren Zollund Verbrauchsteuerdelikte konsequent.115 Sonst würde das aus einer Steuerhinterziehung stammende „Schwarzgeld" gegenüber dem aus anderen Vortaten herrührendem „schmutzigen Geld" begünstigt.116 Die Erweiterung des Vortatenkatalogs um die Steuerhinterziehung trage dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz sowie dem Gebot der Steuergerechtigkeit Rechnung117 und entspreche auch dem Sinn des Geldwäschetatbestandes. Denn § 261 StGB habe neben seinem Hauptzweck, den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf vor einer Vermengung mit illegalen Vermögenswerten zu schützen, zum Ziel, durch das Einschreiten gegen Anschlusstaten die Vorteile aus Straftaten zu begrenzen sowie die Verkehrsunfähigkeit inkriminierter Gegenstände herbeizuführen. Damit gehe der Schutz des Rechtsguts der Vortat und der Schutz der Rechtspflege einher, welche die Beseitigung der Wirkungen begangener Delikte zur Aufgabe habe. 118 Da § 261 StGB vorrangig Instrument zur effektiven Bekämpfung der Organisierten Kriminalität sei, müsse die Steuerhinterziehung als Funktionsmodus der Organisierten Kriminalität taugliche Geldwäschevortat sein. Auch die Erwerbsinteressen der bürgerlichen Erfolgsgesellschaft, welche wegen deren „hemmungslose(n) Bereicherungstrieb(es)" teilweise bereits zu Betätigungen in der Form Organisierter 112

Burger, wistra 2002, 1, 2. Hetzer, DStZ 2002, 175. Es gab bereits seit Längerem entsprechende Forderungen, vgl. z. B. Hetzer, NJW 1993, 3298, 3299; ders., WM 1999, 1306 ff.; ders., ZRP 1999, 245 ff.; ders., ZRP 2001, 266 ff., Hetzer/Meyer, NJW 1998, 1017, 1020; Körner/Dach, S. 16 Rn. 14; ähnlich Hund, ZRP 1996, 163, 165. 113 Hetzer, Kriminalistik 2002, 642, 652; ders. ZfZ 2002, 38, 43. 114 Hetzer, ZfZ 2003, 221, 229. 115 Fahl, ZStW 2002, 794, 798; Hellmann, in HHSp, § 370a AO Rn. 8, Stand August 2002; Lührs, BuW 2002, 711, 712. 116 Hetzer, NJW 1993, 3298, 3299. in Hetzer, DStZ 2002, 175, 178; ders. ZfZ 2002, 38, 43. Iis Hetzer, Kriminalistik 2002, 642 f.

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

Kriminalität geführt hätten, stehe unter Gesetzesvorbehalt und der Gleichheit vor dem Gesetz.119 Die Ausgestaltung der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung als Geldwäschevortat wurde zudem deswegen begrüßt, weil dies dazu führen werde, dass Kreditinstitute vermehrt Geldwäscheverdachtsanzeigen gem. § 11 GwG erstatten werden, um sich nicht selbst dem Verdacht der Beteiligung an der Geldwäsche auszusetzen.120 Durch die anschließende Verpflichtung der Staatsanwaltschaft, die Finanzbehörde zu unterrichten, könne parallel zum Geldwäscheverfahren ein Besteuerungsverfahren durchgeführt und so eine effektive Gewinnabschöpfung erreicht werden. 121 Mittels §§ 10, 11 GwG sowie der an die Geldwäsche anknüpfenden erweiterten Ermittlungsbefugnisse nach §§ 100a Nr. 3, 100c Abs. 1 Nr. 3a StPO werde die Entdeckungswahrscheinlichkeit der schweren Steuerhinterziehung erhöht. 122 Zuvor seien die Grenzen zwischen Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Kapitalflucht nicht klar abgesteckt gewesen und viele Aktivitäten, die zum Zweck der Steuerhinterziehung und Kapitalflucht vorgenommen wurden, haben objektiv einer Geldwäsche entsprochen. Aufgrund der unklaren Abgrenzung haben die Anleger davon ausgehen können, dass die Kreditinstitute die Strafverfolgungsbehörden nicht informieren würden. 123 Vielmehr hätten die Kreditinstitute und Versicherungen in der Vergangenheit sogar für die Anlage von Schwarzgeld geworben. 124 Die Erfassung der Steuerhinterziehung als Vortat sei daher auch im Interesse einer wirksamen Strafverfolgung zu begrüßen. 125 Da professionelle Geldwäscheorganisationen oft mit Techniken vorgingen, die der Geldwäsche ebenso wie der Steuerhinterziehung dienten, könnten durch die Aufklärung von Steuerdelikten zudem Anhaltspunkte für weitergehende Ermittlungen bezüglich Geldwäschetaten gewonnen werden. 126 Die Einbeziehung der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung in den Geldwäschetatbestand trage somit zugleich kriminalistischen Notwendigkeiten Rechnung.127 Praktische oder dogmatische Gegebenheiten stünden nicht entgegen. Auch die Steuerverkürzung, bei der lediglich eine bloße Steuerersparnis erlangt wird, könne taugliche Geldwäschevortat sei, denn ein abgrenzbarer und bestimmter Vermögensteil sei keine Voraussetzung des § 261 StGB, zumal der Begriff „GegenHetzer, ZfZ 2002, 38, 43 f. 12° Burger, wistra 2002, 1, 4 sieht deshalb die Akzeptanz der partiellen Inanspruchnahme Privater bei der Geldwäschebekämpfung in Frage gestellt; siehe dazu auch Dahm/Hamacher, wistra 1995, 206, 208 f. 121 Meyer in Hund / Johnigk/ Wollburg, DStR 2002, 879, 880. 122 Hetzer, Kriminalistik 2002, 642, 645, 652. 123 Burgen wistra 2002, 1, 4; Hetzer, ZfZ 2003, 221, 226. 124 Meyer in Hund / Johnigk / Wollburg, DStR 2002, 879, 880. 125 Hetzer, DStZ 2002, 175, 178; ders., ZfZ 2002, 38, 43. 126 Hetzer, Kriminalistik 2002, 642, 653; ders. ZfZ 2003, 221, 229. 127 Hetzen Kriminalistik 2002, 642, 653.

B. Reichweite und Folgeprobleme des § 370a AO

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stand" kein Erfordernis der „Stofflichkeit" beinhalte. Der Täter sei durch eine Ersparnis bereichert und habe somit eine Vermögenswerte und konkretisierbare tatsächliche Position erlangt. 128

2. Gegner der Vortateigenschaft und Kritik an der Ausgestaltung Andere Autoren üben heftige Kritik an der Ausgestaltung der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung als Verbrechen und damit als taugliche Geldwäschevortat. Die Tatbestände des § 261 StGB und des § 370a AO seien strukturell verschieden, was sich insbesondere darin äußere, dass die Steuerersparnis nicht Gegenstand einer Geldwäsche sein könne, da das ersparte Vermögen nicht aus der Tat herrühre, 129 sondern sich bereits vorher im Tätervermögen befand. 130 Durch die Steuerhinterziehung würden keine originär kriminellen Gewinne erwirtschaftet, sondern nur eine Vermögensmehrung des Steuergläubigers Staat verhindert. 131 Eine Steuerhinterziehung sei zwar oft „Begleittat", aber nur in den seltensten Fällen die „Ursprungstat", auf die der Geldwäschetatbestand ursprünglich abzielte und deren Gewinne er isolieren wollte. 132 Die Steuerhinterziehung sei keine Straftat der „Schattenwirtschaft". 133 In dem Großteil der Fälle könnte nach Begehung einer Vermögensstraftat schon deshalb keine Steuerhinterziehung begangen werden, weil strafbarer Erwerb nicht steuerbar sei. 134 Durch § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB in der Fassung des Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetzes sei erstmals auch legal erworbenes Vermögen, also „irgendwelche Teile des Gesamtvermögens" als tauglicher Geldwäschegegenstand erfasst worden. 135 Der strukturelle Unterschied zwischen Geldwäsche und Steuerhinterziehung sei durch die gesetzliche Formulierung nicht überwunden worden, da sie in keiner Weise eine sachgerechte Abgrenzung des rein rechnerischen Vorteils der Steuerersparnis, an dem sich kein Recht begründen lasse, so dass sie nicht unter den Begriff des Gegenstandes im 128 Hetzer, Kriminalistik, 2002, 642, 652 f. 129

Der Gegenstand rührt aus der Tat her, wenn er - sei es auch über eine Kette von Verwertungshandlungen - auf den ursprünglich mittels einer Vortat erworbenen Gegenstand zurückzuführen ist, Heerspink, AO-StB 2003, 415, 416; Samson, FS Kohlmann, 263, 265; Tröndle /Fischer, 52. Aufl., § 261 Rn. 7. 130 Götzens/Schneider, PStR 2001, 265, 266; Kohlmann, § 370a AO Rn. 37, Stand Oktober 2002; Spatscheck/Wulf, DB 2001, 2572, 2573; Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 8b auch bezüglich Steuererstattungen und -Vergütungen. 131 Strafrechtsausschuss des DAV, AnwBl. 2002, 27; Heerspink AO-StB 2002, 132, 133; Spatscheck/Wulf DB 2001, 2572, 2573. 132 Strafrechtsausschuss des DAV, AnwBl. 2002, 27; Götzens/Schneider, PStR 2001, 265, 266; Spatscheck/Wulf DB 2001, 2572, 2573. 133 Kohlmann, § 370a AO Rn. 4, Stand Oktober 2002. 134 Stellungnahme des Strafrechtsausschusses des DAV, AnwBl. 2002, 27. 135 Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 8b.

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Sinne von § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB subsumiert werden könne, ermöglicht habe. 136 Auch die erneute Änderung des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB habe das Problem nicht gelöst. § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB habe daher mit Geldwäscheverfolgung „nichts mehr zu tun". 1 3 7 Mangels tauglichen Geldwäschegegenstandes leide § 370a AO in Verbindung mit § 261 StGB an einem „letalen Geburtsfehler". 138 Abgesehen davon, dass dies verfassungswidrig sei, sei die Regelung auch praktisch undurchführbar. 139 Es sei zudem wertungswidersprüchlich, die leichtfertige Steuerhinterziehung gem. § 378 AO nur als Ordnungswidrigkeit auszugestalten, den leichtfertigen Umgang mit inkriminiertem Vermögen eines Steuerhinterziehers hingegen durch § 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 5 StGB als Straftat. 140 Des Weiteren erscheine es nicht folgerichtig, dass die gewerbs- oder bandenmäßige „Wäsche" von Gegenständen, hinsichtlich derer ein Dritter eine einfache Steuerhinterziehung begangen hat, trotz § 261 Abs. 4 StGB straflos ist, während die einfache Geldwäsche eines Gegenstandes, hinsichtlich dessen ein Dritter eine gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung begangen hat, bestraft wird. 1 4 1 Im Hinblick auf das hohe Strafbarkeitsrisiko von Strafverteidigern bedeute die Gesetzesänderung das Ende der effektiven Strafverteidigung und Steuerberatung. Wegen der Kontaminierung des Gesamtvermögens des Steuerhinterziehers, die mangels Abgrenzbarkeit der Steuerersparnis zwingend eintreten müsse, könnten Steuerberater und Steuerstrafverteidiger bei Verdacht der Steuerhinterziehung ihres Mandanten kein Honorar mehr annehmen. Das Mandantenverhältnis wäre von fortwährendem Misstrauen begleitet, die Verschwiegenheitspflicht und die bei einem Teilnahmeverdacht entfallende Beschlagnahmefreiheit anwaltlicher Dokumente würden „durchlöchert". 142 Besonders schwer wiege, dass dies alle Mandate in Gefahr bringe, da beispielsweise bei dem Abhören des Kanzleitelefons zwangsläufig alle Gespräche erfasst würden. 143 Abgesehen von der grundsätzlichen Kritik einiger Autoren daran, dass die Steuerhinterziehung überhaupt taugliche Geldwäschevortat ist, wird fast einhellig die Frage aufgeworfen, ob nicht die selbstständige Aufnahme eines Vergehens der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung in den Katalog des § 261 StGB vorzugswürdig gewesen wäre, da dadurch viele der problematischen Folgen des 136 Ott, PStR 2002, 41, 45; Spatscheck/Wulf, DB 2001, 2572, 2574; dies., DB 2002, 392, 395; Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 8b. 137 Tröndle / Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 8b. 138 Götzens/Schneider, PStR 2001, 265, 269; Kohlmann, § 370a AO Rn. 4, Stand Oktober 2002; so auch Ott, PStR 2002, 41, 45. 139 Tröndle/ Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 8b. 140 Salditt, StraFo 2002, 181, 183. 141 Tröndle / Fischer, 52. Aufl., § 261 Rn. 16a. 142 Götzens/Schneider, PStR 2001, 265, 267; Hunsmann, Stbg 2004, 409,411. 143 Götzens/Schneider,

PStR 2001, 265, 267.

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Verbrechenstatbestandes vermieden worden wären. 144 Hetzer verteidigt zwar die Ausgestaltung als Verbechen mit der höheren und eindeutigeren rechtspolitischen Signalwirkung als legitimer Motivation des Gesetzgebers,145 verkennt aber die Vorzüge einer anderen Ausgestaltung, beispielsweise der Aufnahme des § 370 Abs. 3 AO in den Vortatenkatalog der Geldwäsche nicht. 146

3. Stellungnahme Die Gleichbehandlung der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung mit den §§ 373, 374 AO, die schon zuvor Katalogtaten der Geldwäsche waren, ist grundsätzlich zu begrüßen. Bei derart schwerwiegenden Straftaten ist es sachgerecht, auch die Folgen und Nutzen der Tat zu beschränken, indem die Verkehrsunfähigkeit der inkriminierten Vorteile herbeigeführt wird. Wird mit der hier vertretenen Auslegung des § 370a AO sichergestellt, dass von der Vorschrift nur gravierende Fälle erfasst werden, so geht es auch nicht zu weit, diese als taugliche Geldwäschevortaten auszugestalten. Denn es ist nicht einzusehen, warum nur ein Teil der schweren Steuerdelikte erfasst werden sollte. Der Einwand, dass sich in einem Großteil der Fälle Vermögensstraftaten und Steuerhinterziehung schon deshalb ausschlössen, weil strafbarer Erwerb nicht steuerbar sei, 147 kann schon angesichts der in § 40 AO festgeschriebenen Wertneutralität des Steuerrechts nicht überzeugen. 148 Im Fall der bloßen Steuerersparnis stellt sich aber die erhebliche und nicht zu unterschätzende Schwierigkeit, wie die aus dem gesamten Tätervermögen ersparte Steuer vom restlichen Vermögen abzugrenzen ist. Es genügt nicht, wie Hetzer festzustellen, dass der abgrenzbare und bestimmte Vermögensteil keine Voraussetzung des Geldwäschetatbestandes sei, da der Begriff „Gegenstand" kein Erfordernis der „Stofflichkeit" beinhalte. 149 Der Täter ist zweifelsohne durch die Ersparnis bereichert. Die Bereicherung wird aber lediglich in einem rechnerischen Vorteil deutlich, welcher aus dem gesamten Vermögen erlangt wurde, und daher nicht in einem bestimmten Vermögensbestandteil repräsentiert wird. 1 5 0 Konsequenterweise müsste das Gesamtvermögen bemakelt sein, was jedoch als Verstoß gegen das Übermaßverbot unzulässig wäre. Wenn die Subsumtion der Steuerersparnis unter den Gegenstand so problemlos wäre, wie Hetzer meint, hätte es der Änderung des 144 Vgl. etwa Burger, wistra 2002, 1, 4; Hund/Johnigk/Wollburg, DStR 2002, 879, 880. 145 Hetzer, Kriminalistik, 2002, 642, 648; ders. ZfZ 2003, 221, 226. 146 Hetzer, Kriminalistik, 2002, 642, 652. 147 So die Stellungnahme des Strafrechtsausschusses des DAV, AnwBl. 2002, 27. 148 Ebenso Hetzer, ZfZ 2002, 38, 43; ders. Kriminalistik 2002, 646; vgl. zu diesem Grundsatz BGH wistra 1996, 106, 107. 149 Hetzer, Kriminalistik 2002, 642, 652 f. 150 Vgl. den Bericht zu der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drucks. 14/7471, 9; Müller, DStR 2002, 1641, 1646.

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

§ 261 Abs. 1 Satz 3 StGB gar nicht bedurft. Jedoch wird die Arbeit erweisen, dass es - wenn auch mit Schwierigkeiten - möglich ist, die Abgrenzungsfrage zu lösen. Zweifelhaft sind auch die Folgen für den Bereich der Rechtsberatung in Steuerund Steuerstrafsachen. Angehörige dieser Berufsgruppen sehen sich nunmehr der erheblichen Gefahr ausgesetzt, durch Annahme ihres Honorars eine Geldwäsche zu begehen. Denn die Erfüllung des subjektiven Tatbestandes liegt bei ihnen besonders nahe, da Steuerberater berufsbedingt Einblick in die Einkommensund Vermögensverhältnisse ihres Mandanten haben und Strafverteidiger im Rahmen des Ermittlungsverfahrens von den Hinterziehungsvorwürfen erfahren werden. Eine wesentliche Entschärfung der Problematik hat das kürzlich ergangene Urteil des Bundesverfassungsgerichts gebracht, wonach § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB verfassungskonform dahingehend auszulegen ist, dass er auf Strafverteidiger nur Anwendung findet, wenn sie im Zeitpunkt der Annahme ihres Honorars sichere Kenntnis von dessen Herkunft hatten. 151 Dies begegnet jedoch nicht allen Zweifelsfragen, insbesondere, da sich die Entscheidung nur auf Strafverteidiger bezieht. Auch diese Frage wird daher im Folgenden näher zu beleuchten sein. Sehr weitreichend sind die verschiedenen, auf der Geldwäsche aufbauenden Informations- und Anzeigepflichten, die an späterer Stelle behandelt werden. Zwar ist es richtig, dass die frühere Praxis einiger Kreditinstitute, wissentlich Profit aus Geschäften mit Schwarzgeld zu erzielen, unterbunden werden musste. Ob allerdings die umfangreichen Meldepflichten der richtige Weg dazu waren, erscheint zumindest zweifelhaft. Auch diese Kritik- und Zweifelspunkte vermögen indes nichts daran zu ändern, dass die grundsätzliche Einbeziehung des § 370a AO in den Kreis der tauglichen Geldwäschevortaten sachgerecht und positiv zu werten ist. 1 5 2 Vorzugswürdig wäre allerdings eine Erweiterung des Vortatenkatalogs um eine als Vergehen ausgestaltete schwere Form der Steuerhinterziehung gewesen. Dadurch wären die sehr tief greifenden Folgen des Verbechenstatbestandes, wie beispielsweise der Ausschluss jeglicher Einstellungsmöglichkeiten des Verfahrens oder die Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe, vermieden worden.

151 BVerfG NJW 2004, 1305 ff. 152 In zeitlicher Hinsicht ist zu beachten, dass § 261 StGB i.V.m. § 370a AO voraussetzt, dass die Vortat der Steuerhinterziehung selbst unter den zeitlichen Anwendungsbereich des § 370a AO fällt. Dafür sprechen sowohl der Wortlaut, nach dem die Vortat als Verbrechen zu qualifizieren sein muss, als auch, dass das Tatbestandsmerkmal des Verbrechens in § 261 Abs. 1 Nr. 1 StGB ein normatives ist, dessen zeitliche Reichweite sich nach dem für den Begriff einschlägigen Vorschriften richtet, vorliegend also § 2 Abs. 1 i.V. m. § 8 Abs. 1 StGB, vgl. dazu Spatscheck/Wulf, DB 2002, 392, 396 f.

B. Reichweite und Folgeprobleme des § 370a AO

189

II. Der Geldwäschegegenstand im Fall der bloßen Ersparnis von Steuern Die eigentliche Problematik im Zusammenhang mit der Steuerhinterziehung als Geldwäschevortat ist die Bestimmung des Tatobjekts des § 261 StGB. Bereits vor der Änderung durch das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz war das aus Taten gem. §§ 373, 374 AO erlangte Schmuggelgut tauglicher Geldwäschegegenstand, wurde also als aus der Tat herrührend fingiert. 153 Ebenso wie in Fällen des Alkohol-, Zigaretten- und Mineralölschmuggels ist der Gegenstand bei einer erschlichenen Steuererstattung oder -Vergütung - jedenfalls vor Vermischung - klar abgrenzbar und konkretisierbar und wären auch ohne ausdrückliche Erwähnung in § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB durch den allgemeinen Gegenstandsbegriff des § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB erfasst. 154 Durch die Erschleichung einer Steuervergütung wird ein originär krimineller Gewinn erwirtschaftet. 155 Problematisch ist jedoch die Gegenstandsbestimmung, wenn durch die Steuerhinterziehung lediglich Steuern erspart wurden. 156 Denn die Steuerforderung richtet sich gegen das gesamte Vermögen des Täters, die Steuerersparnis ist also „integraler Bestandteil" dieses Vermögens. Sie ist nicht in einem konkret vom sonstigen Vermögen abgrenzbaren Vermögensbestandteil verkörpert, sondern ist eine rein rechnerische Größe. 157 Daher wurde vorhergesagt, dass eine angemessene Definition des Gegenstandes, der aus der Steuerhinterziehung herrührt, „niemals" gelingen könne. 158 Bei Anwendung der allgemeinen Auslegungskriterien könne im Anschluss an eine Steuerersparnis „niemals" eine Geldwäsche begangen werden. 159 Die vom Gesetzgeber angestrebte Klarstellung sei in keiner Weise erfolgt, vielmehr würden gerade nicht aus der Katalogtat herrührende Gegenstände erfasst. 160 Die Regelung beruhe auf der Erwägung, dass Gewinne aus Organisierter Kriminalität in der Regel nicht versteuert werden, 161 jedoch stelle sie den ursprünglichen Ansatz des Geldwäschetatbestandes „auf den K o p f , da jetzt an legal erworbene Einkünfte angeknüpft werde. 162 153 Heerspink, AO-StB 2002, 132, 134. 154 Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 9, Stand August 2002; Spatscheck/Wulf, NJW 2002, 2983, 2987. 155 Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 9, Stand August 2002; Kohlmann, § 370a AO Rn. 36, Stand Oktober 2002; a. A. Tröndle/ Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 8b. 156 Kohlmann, § 370a AO Rn. 36, Stand Oktober 2002; Tröndle /Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 8b. 157 Heerspink, AO-StB 2002, 132, 134 f.; Vogelberg, PStR 2002, 243, 244. 158 Samson, FS Kohlmann, 263, 265. 159 Samson, Eingangsvortrag zum 5. IWW-Kongress „Praxis Steuerstrafrecht", zitiert nach Krieger, PStR 2003, 250. 160 Tröndle /Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 8b. 161 BT-Drucks. 14/7471, 14. 162 Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 16a.

4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

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Trotz des zweimaligen Versuchs seitens des Gesetzgebers, eine treffende Formulierung in § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB zu finden, bestehen Auslegungsprobleme und Kontroversen hinsichtlich der Bestimmung des Geldwäschegegenstandes i m Fall der bloßen Steuerersparnis. Richtigerweise gilt § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB, obwohl er nur auf § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB verweist, auch für § 261 Abs. 2 StGB, da sich letzterer auf Abs. 1 bezieht und somit auch auf dessen Satz 3 . 1 6 3 § 261 Abs. 2 StGB setzt also nicht weiterhin einen Gegenstand i m Sinne des § 261 Abs. 1 StGB voraus, sondern es genügt ebenfalls die aus einer Steuerhinterziehung resultierende Steuerersparnis. 164 I m Folgenden soll zunächst auf den ersten Versuch der Anpassung an die neue Vortat eingegangen werden und sodann untersucht werden, inwieweit sich das dort gefundene Ergebnis durch die spätere Korrektur des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB geändert hat. Wiederum einige Problemfälle: Fall 74: 165 Der Unternehmer V begeht im Rahmen seines Betriebs eine gewerbsmäßige Steuerverkürzung großen Ausmaßes, indem er verschiedene Geschäftsvorfälle nicht verbucht und dadurch entsprechende Steuern erspart. Sodann bezahlt er einen Lieferanten für die Ware und zahlt einem Arbeitnehmer seinen Lohn. Außerdem kauft er beim Bäcker Brot für seine Familie. Fall 75: 1 6 6 Der Steuerberater des Unternehmers in Fall 14 liest nach Beratung seines Mandanten in der Zeitung, dass gegen diesen ein Ermittlungsverfahren wegen gewerbsmäßiger Steuerverkürzung eingeleitet wurde. Dann nimmt er sein Honorar von dem Unternehmer an. Fallió:

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Der Steuerpflichtige W gibt über Jahre hinweg Mieteinnahmen aus einer Eigentumswohnung nicht an, wodurch er jährlich Steuern in Höhe von etwa 10 000 Euro erspart. Zudem erreicht er die zu niedrige Festsetzung der Grundsteuer von mehreren ihm gehörenden Grundstücken, was eine jährliche Steuerersparnis von 1 000 Euro einbringt. Später möchte er die Wohnung und die Grundstücke zur Abwendung kurzfristiger Liquiditätsschwierigkeiten veräußern. Könnte der Erwerb der Objekte als Geldwäsche strafbar sein? Fall 7 7 : 1 6 8 Der dem Spitzensteuersatz unterliegende X, dessen Gesamtvermögen sich auf zehn Millionen Euro beläuft, hat über die letzten zehn Jahre Zinsen in Höhe von etwa 100 000 Euro aus einem Luxemburger Konto mit einem Kapitalbestand von mehr als einer Million Euro nicht versteuert und dadurch jährlich 50 000 Euro hinterzogen. Neben diesen Einnahmen aus 163 Ebenso Salditt, StV 2002, 214, 216. 164 A.A. Spatscheck/Wulf, DB 2002, 392, 396; Stahl, Selbstanzeige, Rn. 469. 165 Nach Götzens in Wannemacher, Rn. 1811; Stellungnahme des DAV-Strafrechtsausschusses, AnwBl. 2002, 27, 28. 166 Vgl. Götzens in Wannemacher, Rn. 1812. 167 Vgl. Burger, wistra 2002, 1,4. 168 Vgl. Heerspink, AO-StB 2002, 132, 135.

B. Reichweite und Folgeprobleme des § 370a AO

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Kapitalvermögen erzielt X versteuerte Einkünfte durch Mieteinnahmen in Höhe von 50 000 Euro, Zinsen aus einem deutschen Konto in Höhe von ebenfalls 50 000 Euro sowie 50 000 Euro aus dem Verkauf eines in seinem Privatvermögen befindlichen Gemäldes, welches er sich vor Jahren angeschafft hat. X kauft bei dem Autohändler Y, der in der Zeitung gelesen hat, dass gegen X ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung läuft, ein Auto für 50 000 Euro. Fraglich ist, ob Y durch Annahme des Kaufpreises eine Geldwäsche begeht.

1. Der Gegenstandsbegriff des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB in der Fassung des Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetzes Die Formulierung des § 261 Abs. 1 Satz 3 Var. 2 StGB „Vermögensbestandteile, hinsichtlich derer A b g a b e n 1 6 9 hinterzogen worden sind" sah sich erheblicher Kritik ausgesetzt. 170 Sie sei „offenbar verunglückt" 1 7 1 und habe nicht zur Bestimmung eines geeigneten Geldwäschegegenstandes getaugt. 1 7 2 Nicht durchgreifend war allerdings der Einwand, dass die eigentlich gem. § 1 StGB gebotene Auslegung nach dem Wortlaut vollkommen ins Leere führte, da es keine Steuer mehr gebe, die für die Entstehung von Steueransprüchen an die Existenz von Vermögen anknüpfe. 1 7 3 Das in § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB verwendete Wort „hinsichtlich" implizierte nämlich nicht, dass der Steueranspruch an die bloße Existenz des Vermögens anknüpfen musste. Es ist vielmehr sehr weit und ließ problemlos die Auslegung zu, dass Vermögensbestandteile gemeint waren, deren Entstehung eine Steuer ausgelöst h a t 1 7 4 oder die in einem anderen Zusammen169 Burger, wistra 2002, 1, 4 meint, dass die Verwendung des in § 3 Abs. 1 AO definierten Ausdrucks „Steuern" besser gewesen wäre. 170 Außerdem kritisierte Burger, wistra 2002, 1, 5, an der Formulierung „unrechtmäßig erlangte Steuervergütungen", § 261 Abs. 1 Satz 3 Var. 1 StGB, dass sie die zuvor in der Literatur bestehenden Zweifel, ob die Ersparnis des Steuerpflichtigen tauglicher Geldwäschegegenstand war, nicht beseitigt habe. Bereits durch die allgemeine Definition, nach der jeder geeignete Gegenstand mit Vermögenswert Geldwäscheobjekt sein könne, werde die unrechtmäßig erlangte Steuervergütung erfasst, die Ersparnis sei aber keine Vergütung. Vörzugswürdig wäre es gewesen, den „nicht gerechtfertigten Steuervorteil" in Form der ersparten Aufwendungen zu erfassen, was auch in Entsprechung zu der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bezüglich des Vorteilsbegriffs bei der Begünstigung gestanden hätte. Würde die Steuerersparnis durch die Formulierung „unrechtmäßig erlangte Steuervergütungen" erfasst, sei dies wegen eines Widerspruchs zum Wortlaut und Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) unzulässig. Dem ist aber zu entgegnen, dass die Steuerersparnis wohl zu keinem Zeitpunkt unter die unrechtmäßig erlangten Steuervergütungen subsumiert werden sollte, sondern dafür eigens die Variante der „Vermögensbestandteile, hinsichtlich derer Abgaben hinterzogen worden sind" gedacht war. Im Übrigen wurden durch die Neufassung nun die ersparten Aufwendungen ausdrücklich benannt. Die Kritik geht somit jedenfalls seit der Neufassung ins Leere. 171 Samson, FS Kohlmann, 263, 267. 172 Ott, PStR 2002, 41, 45; Spatscheck/Wulf, DB 2001, 2572, 2574; Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 8b. 173 So Heerspink, AO-StB 2002, 132, 135; Spatscheck/Wulf, DB 2001, 2572, 2574. 174 So Heerspink, AO-StB 2002, 132, 135.

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

hang mit der Steuerhinterziehung standen. Aus diesem Grund war desgleichen die Kritik nicht durchschlagend, dass durch die Formulierung nur Ertragsteuern erfasst würden, während Verkehrsteuern, insbesondere die Umsatzsteuer, deren Anknüpfungspunkt nicht die Entstehung von Vermögen ist, aus dem Anwendungsbereich herausfielen. 175 Unrichtig war auch der Einwand, dass Vermögensbestandteile, hinsichtlich derer Abgaben hinterzogen worden sind, zu einem großen Teil schon gar nicht als Vermögensbestandteile existierten. 176 Zwar ist beispielsweise der Gewinn im Sinne des Einkommensteuergesetzes nur das rechnerische Ergebnis des Vergleichs verschiedener Vermögenslagen, jedoch ist das im Veranlagungszeitraum erlangte Mehr, das sich im Gewinn widerspiegelt, im jetzigen Vermögen enthalten, ist also Bestandteil dieses Vermögens und somit Vermögensbestandteil. Dieser kann lediglich nicht klar vom restlichen Vermögen abgegrenzt werden. Wichtigster und keineswegs unberechtigter Kritikpunkt war, dass durch die Gesetzesfassung eine klare Abgrenzung der betroffenen Vermögensteile von dem übrigen Tätervermögen nicht sichergestellt war. Denn bei einer Steuerhinterziehung werden - wie bereits erwähnt - Aufwendungen aus dem gesamten Vermögen erspart, da die Steuern aus diesem hätten beglichen werden müssen.177 Heftig umstritten war daher die Frage, welche Teile des Vermögens eines Steuerhinterziehers taugliche Geldwäscheobjekte waren.

a) Bemakelung des gesamten Vermögens des Steuerhinterziehers Von der überwiegenden Anzahl der Autoren wurde die Bemakelung des gesamten Vermögens des Steuerhinterziehers als Konsequenz einer wortgetreuen Anwendung des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB angesehen.178 Teilweise wurde die Gesamtkontamination auch durch eine Übertragung des Urteils des Bundesgerichtshofs zur Begünstigung nach Steuerhinterziehung begründet. 179 Denn dort sei festgestellt, dass „Vorteil" im Fall der Steuerhinterziehung das gesamte Vermögen sei, wenn sich darin unabtrennbar die erlangte Steuerersparnis befinde. 180 Beispielsweise seien bei einer Einkommensteuerhinterziehung die Einnahmen des Täters erfasst und sei aufgrund der fehlenden Abgrenzbarkeit dieser Einnahmen das gesamte Tätervermögen kontaminiert gewesen, auch wenn es teilweise aus versteuer•75 Spatscheck/Wulf, DB 2001, 2572, 2574. 176 So aber Samson, FS Kohlmann, 263, 266. 177 Spatscheck/Wulf DB 2001, 2572, 2573 f.; Stahl, KÖSDI 2002, 13204, 13211. 178 Bittmann, wistra 2003, 161, 166; Bender, ZfZ 2002, 366, 368; Burger, wistra 2002, 1, 5; Fahl, ZStW 2002, 794, 809; Hunsmann, Stbg 2004, 409, 412; Ott, PStR 2002, 41, 44; Pestkei Motte, Stbg 2002, 493, 500; Stahl, KÖSDI 2002, 13390, 13394. 179 Vgl. BGH wistra 1999, 103 ff. 180 Burger, wistra 2002, 1,5; Fahl, ZStW 2002, 794, 809 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien; Ott, PStR 2002, 41, 44.

B. Reichweite und Folgeprobleme des § 370a AO

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ten Geldern bestand.181 In Fall 14 wären danach der gesamte Gewinn und alle anderen Einkünfte des Unternehmers taugliche Geldwäscheobjekte gewesen.182 Die Möglichkeit der Kontaminierung des Gesamtvermögens wurde jedoch einhellig als zu weitgehend eingestuft. 183 Denn den objektiven Tatbestand der Geldwäsche erfülle bei einer derart weiten Fassung jeder, der Geld von einem gewerbsoder bandenmäßigen Steuerhinterzieher annimmt. Die Strafbarkeit hänge folglich nur von der Erfüllung der subjektiven Voraussetzungen ab, welche gem. § 261 Abs. 5 StGB bereits bei Leichtfertigkeit anzunehmen seien. 184 Gelange der Verdacht der Steuerhinterziehung in die Öffentlichkeit, drohe einem Unternehmer die Blockade des ganzen Geschäftsbetriebs, 185 der einer gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung Verdächtige könne möglicherweise nicht einmal mehr Alltagsgeschäfte tätigen, 186 wie Brot für seine Familie kaufen (Fall 14). Als überspitztes Beispiel wurde angeführt, dass in Hannover immer damit zu rechnen sei, dass der Vertragspartner seine Wohnung zu Messezeiten vermietet und selbst im Keller wohnt, ohne die Mieteinkünfte in der Steuererklärung anzugeben, so dass bei Tätigung eines Geschäfts in Hannover immer bedingter Geldwäschevorsatz zu bejahen sei. 187 Die Folge sei ein wirtschaflticher Stillstand. 188 Die Gesamtbemakelung sei somit wegen der aus ihr folgenden „absoluten Isolation" des Steuerhinterziehers zu weitläufig. 189 Auch in Anbetracht dessen, dass sie lediglich auf einer gesetzlichen Fiktion beruhe, das Vermögen jedoch zweifellos legal erworben sei, verletze sie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, 190 Art. 14 GG und die Unschuldsvermutung, 191 zumal bereits gegen die weniger einschneidende nur „vermutete Verwirkung" im Rahmen des erweiterten Verfalls derartige Bedenken bestünden.192 Unverhältnismäßig sei außerdem, dass die Gesamtkontaminierung, nach nur einer einzigen gewerbs- oder bandenmäßig begangenen Steuerhinterziehung möglich wäre. 193 Die als Vorbild dienende vorherige Formu181 Bender, ZfZ 2002, 366, 368; Hunsmann, Stbg 2004, 409, 412; Pestke/Motte, Stbg 2002, 493, 500; Stahl, KÖSDI 2002, 13390, 13394 . 182 Götzens in Wannemacher, Rn. 1811. 183 Vgl. etwa Bender, ZfZ 2002, 146, 149 f.; Burger, wistra 2002, 1, 5; Fahl, ZStW 2002, 794, 809 f.; Spatscheck/Wulf, DB 2001, 2572, 2574; a. A Vogelberg, PStR 2002, 243, 244. 184 Schiffer, BB 2002, 1174, 1175; Vogelberg, PStR 2002, 243. 185 Spatscheck /Wulf DB 2001, 2572, 2574. 186 Burger, wistra 2002, 1, 6. 187 Bender, ZfZ 2002, 146, 147, 149. 188 Fahl, ZStW 2002, 794, 809. 189 Burger, wistra 2002, 1, 4 f. 190 Salditt, StV 2002, 214, 216; diesen Aspekt ebenfalls als erheblich erachtend Heerspink, AO-StB 2002, 132, 135, der darin jedoch lediglich einen Verstoß gegen Art. 14 GG sieht. 191 Burger, wistra 2002, 1, 4 f.; zustimmend Heerspink, AO-StB 2002, 132, 135; Stahl, KÖSDI, 2002, 13204, 13211. 192 Burger, wistra 2002, 1, 5; vgl. auch Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 73d Rn. 4 m. N. 193 Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 10, Stand August 2002. 13 Schneider

4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

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lierung des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB sei für den Schmuggel und die gewerbsmäßige Steuerhehlerei konzipiert gewesen, führe aber für § 370a AO zu einer bedenklichen Weite. Denn während die Schmuggel- beziehungsweise Hehlerware klar bestimmt und abgegrenzt werden könne, sei dies bei der Steuerhinterziehung gerade nicht möglich. 194 Aufgrund dieser Erwägungen wurden verschiedene Einschränkungsversuche des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB vorgenommen. Andere Autoren sahen Einschränkungen schon durch den Gesetzeswortlaut und nicht erst aufgrund derartiger Überlegungen nahe gelegt. Denn die Formulierung „Bestandteil" verdeutliche, dass gerade nur ein Anteil des Vermögens bemakelt sein sollte. 195

b) Beschränkung der Bemakelung auf betroffene

Konten

Als „lebensfern" wurde - zu Recht - Meyers Einschränkungsversuch mittels Differenzierung nach Konten eingestuft. 196 Nach Meyer war davon auszugehen, dass jeder Steuerpflichtige mehrere Konten führt, von denen nur dasjenige infiziert sei, das mit dem hinterzogenen Geld gespeist wurde, und zwar unabhängig von dem Verhältnis zwischen ordnungsgemäß versteuertem und hinterzogenem Betrag. Nur ein „höchst unintelligenter Steuerhinterzieher" habe lediglich ein Konto. 197 Neben der Praxisferne, da kaum ein Täter eine buchhalterisch nachvollziehbare Trennung versteuerter und unversteuerter Gelder vornehmen werde, wurde diesem Versuch vorgeworfen, dass er auch rechtlicher Überprüfung nicht standhalte. Denn steuerlich relevant seien gem. § 20 EStG die Zinsen, nicht der gesamte Kontobestand. Würde Meyers Lösung auf Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit übertragen, wäre nicht die Lohnforderung, sondern die Arbeitskraft des Arbeitnehmers Vermögensbestandteil im Sinne des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB, was eindeutig ab• 198

wegrg ser.

c) Bemakelung des Jahreseinkommens Spatscheck/Wulf sahen das Jahreseinkommen des Steuerpflichtigen kontaminiert, da § 2 Abs. 5 EStG und § 7 Abs. 1 KStG an dieses anknüpften. 199 Kohlmann kritisierte an diesem Ansatz, dass auch bei einer derartigen Begrenzung - entgegen der gesetzlichen Konzeption des § 261 StGB - das Gesamteinkommen kontaminiert sei. 200 194 Bender, ZfZ 2002, 146, 150. Dieser Kritik trägt die Neufassung des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB Rechnung. 195 Lührs, BuW 2002, 711, 715. 196 Götzens in Wannemacher, Rn. 1814; Stahl, Selbstanzeige, Rn. 465. 197 Meyer in Hund/ Johnigk/ Wollburg, DStR 2002, 879, 882. 198 Heerspink, AO-StB 2002, 132, 135. 199 Spatscheck/Wulf, DB 2001, 2572, 2574.

B. Reichweite und Folgeprobleme des § 370a AO

195

d) Abgrenzung nach Steuer- und Einkunftsarten Ausgehend von Burger sprach sich eine weitere Ansicht für eine Begrenzung der Bemakelung zumindest auf die Steuerart, hinsichtlich derer Steuern hinterzogen wurden, aus. Darüber hinaus sollte im Bereich des Einkommensteuerrechts nach den einzelnen Einkunftsarten unterschieden und die Möglichkeit einer Geldwäsche jeweils darauf beschränkt werden. 201 Danach waren in Fall 16202 nach Gesetzes Wortlaut und -zweck Mietobjekt und Grundstücke taugliche Geldwäscheobjekte. 203 Unklar, aber wohl zu bejahen gewesen sei, ob ein Vermögensbestandteil, hinsichtlich dessen Abgaben hinterzogen worden sind, auch dann tauglicher Gegenstand der Geldwäsche sein konnte, wenn sein Wert wesentlich höher war als der erlangte Steuervorteil. Wünschenswert sei jedoch eine betragsmäßige Beschränkung im Gesetz auf die jeweilige Ersparnis gewesen.204 Auch dieser Ansatz sah sich aber Kritik ausgesetzt. Nach Lührs konnte er schon deshalb nicht überzeugen, weil nur ein Vermögensbestandteil bemakelt sein dürfe, der in unmittelbarem Zusammenhang zu der jeweiligen Steuerhinterziehung als Vortat stehe. Denn entsprechende normstrukturelle Beziehungen seien sogar zwischen objektiven Bedingungen der Strafbarkeit und Tatbestandsmerkmalen erforderlich. Die Einkunftsquelle ermögliche allein die steuerstrafrechtlich irrelevante Teilnahme am Wirtschaftsleben und diene der wertneutralen Bestimmung der Einkommensart. Die notwendige Beziehung sei daher nicht gegeben.205 Darüber hinaus habe die vorgenommene Auslegung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen. Denn eine Bemakelung der Einkunftsquelle sei eine Übertragung dessen, was für den Schmuggel und die gewerbsmäßige Steuerhehlerei gelte, auf die § 261 Abs. 1 Satz 3 Var. 2 StGB ursprünglich ausgerichtet gewesen sei. Die Konstellationen unterschieden sich aber insofern, als bei der Hinterziehung von Eingangsabgaben die Schmuggelware auf gewisse Weise den durch die Hinterziehung erzielten Gewinn verkörpere, während bei Ertragsteuern - jedenfalls nach dem Wortlaut - Vermögenswerte ohne jedes Verhältnis zu dem verursachten Steuerschaden vom Geldwäschetatbestand erfasst würden. 206

200 Kohlmann, § 370a AO Rn. 37, Stand Oktober 2002. 201 Burger, wistra 2002, 1, 4. So wohl auch Bundessteuerberaterkammer, DStR-KR 2002,

10, 11. 202 203 204 205 206 1

Vgl. oben unter 4. Teil, B. II. Burger, wistra 2002, 1, 4 f.; Samson, FS Kohlmann, 263, 266. Burger, wistra 2002, 1,5; zustimmend Stahl, KÖSDI 2002, 13204, 13211. Lührs, BuW 2002, 711,715. Spatscheck/Wulf, DB 2002, 392, 396.

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

e) Bemakelung nur der aus dem jeweils verschwiegenen Geschäftsvorfall stammenden Einnahmen Unter Aufgabe ihrer Ansicht, dass das Jahreseinkommen des Steuerpflichtigen kontaminiert sei, 207 sahen Spatscheck/Wulf es später als einzig sinnvolle und verfassungskonforme Auslegung an, nur Vermögensbestandteile zu erfassen, bei deren Entstehung oder Erlangung unmittelbar eine Verkürzung der gesetzlich entstandenen Steueransprüche begangen wurde. 208 Dies stehe auch in Einklang mit der ursprünglichen Zielsetzung des § 261 StGB, allein die Verkehrsunfähigkeit der aus der Vortat gewonnenen Vorteile zu erreichen. Nach dieser Meinung waren also nur die Vermögensbestandteile inkriminiert, die aus dem jeweiligen Geschäftsvorfall stammten, der in der Steuererklärung nicht angegeben wurde. Beispielsweise waren dies bei der Einkommensteuer einzig die durch den konkret nicht angegebenen Einnahmevorgang erzielten Einnahmen sowie einzig das Entgelt, hinsichtlich dessen keine Umsatzsteuer abgeführt wurde. 209 Untechnisch könne man sagen, dass in diesem Entgelt auch betragsmäßig die entstandene Umsatzsteuer enthalten sei. 210 f) Begrenzung auf die Höhe der Steuerersparnis Salditt schlussfolgerte aus der mangelnden Möglichkeit, die Bemakelung durch Abstellen auf eine gezielte Verschleierungshandlung zu konkretisieren, dass allein maßgeblich gewesen sei, ob bezüglich der „zur Entrichtung der Abgaben erforderlichein) Substanz'4 Geldwäschehandlungen begangen wurden. Zumal § 261 StGB sich nicht lediglich gegen die Organisierte Kriminalität richte, erfordere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass das Vermögen nur in Höhe der Steuerersparnis verkehrsunfähig sei. 211 Für diese Interpretation spreche auch die im Vorfeld der Neuregelung geführte Diskussion, in der von „Verträglichkeitsgrenzen" und einer Änderung des Art. 14 GG dahingehend die Rede gewesen sei, dass Eigentum, welches aus erheblichen Verletzungen der Steuerpflicht stamme, nicht geschützt sei. 212 Da Art. 14 GG unverändert belassen wurde, könne legal erworbenes Vermögen nicht in seiner Gesamtheit über § 261 StGB verkehrsunfähig werden. 213 207 Spatscheck/Wulf DB 2001, 2572, 2574. 208 Da Spatscheck / Wulf & ine gewerbsmäßige Steuerhinterziehung nur im Fall eines tatsächlichen Zuflusses und nicht auch bei einer Steuerersparnis gegeben sehen, konnte für sie die Variante der „Vermögensbestandteile, hinsichtlich derer Abgaben hinterzogen worden sind" von Vornherein nur bei einer bandenmäßig begangenen Steuerhinterziehung relevant werden, vgl. Spatscheck/ Wulf DB 2002, 392, 395. 209 Spatscheck/Wulf DB 2002, 392, 396; ebenso Heerspink, AO-StB 2002, 132, 136; Lührs, BuW 2002,711,715. 210 Spatscheck/Wulf DB 2002, 392, 396. 211 Salditt, StV 2002, 214, 216; im Ergebnis zustimmend Stahl, KÖSDI 2002, 13204, 13211. 212 Vgl. dazu Meyer/Hetzer, ZRP 1997, 13 f., 19. 213 Salditt, StV 2002, 214, 216.

B. Reichweite und Folgeprobleme des § 370a AO

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Dieser Lösung hielt Bittmann entgegen, dass eine Höchstgrenze nur dort wirken könne, wo ein konkretes Vermögensobjekt bemakelt sei, nicht aber in Fällen, in denen eine Vermischung oder sonstige Ausstrahlung der Bemakelung stattgefunden hat. Denn dort lasse sich nicht festlegen, welches Objekt geldwäscherelevant sei und selbst eine solche Bestimmung würde nur bewirken, dass die anderen verkehrsunfähigen Gegenstände „dekontaminiert" würden. 214

g) Stellungnahme Richtig ist, dass unter der Altfassung des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB im Fall der bloßen Steuerersparnis die Gefahr der Bemakelung des Gesamtvermögens bestand. Da die Steuerforderung sich gegen das gesamte Vermögen des Steuerpflichtigen richtet, folglich Abgaben aus dem gesamten Vermögen erspart wurden, wäre eine solche Gesamtkontamination auch durchaus konsequent. Entgegen Hetzer kann die Entscheidung, ob eine solche tatsächlich erfolgt, nicht „dahin stehen". 215 Denn die Infizierung sämtlicher Vermögensgegenstände des Steuerhinterziehers verstieße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, zumal diese Folge auch bei einer Steuerersparnis in geringer Höhe die wirtschaftliche Verkehrsunfähigkeit des gesamten Tätervermögens und die vollkommene Isolation des Steuerhinterziehers bedeuten würde. Daher musste die Möglichkeit einer anderen, verfassungskonformen Interpretation gesucht werden. Denn ein Gesetz darf nicht als verfassungswidrig behandelt werden, wenn ihm eine mit der Verfassung in Einklang stehende Deutung gegeben werden kann. 216 Mit dem Gesetzeswortlaut in Einklang zu bringen, sachgerecht und einen Verstoß gegen Verfassungsrecht vermeidend war allein die Auslegung, dass nur die aus dem konkret verschwiegenen Geschäftsvorfall stammenden Einnahmen oder der nicht deklarierte Umsatz bemakelt waren. Diese Einnahmen oder dieser Umsatz waren die „Vermögensbestandteile, hinsichtlich derer Abgaben hinterzogen worden sind". Entgegen Burger knüpft beispielsweise die Steuerpflicht nach dem Einkommensteuergesetz nicht an das Mietobjekt, sondern an die Einkünfte an, im konkreten Beispiel gem. § 21 EStG an die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Und da Einkünfte gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG definiert werden als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten, hinsichtlich Werbungskosten aber keine Steuer zu entrichten ist und somit auch keine Steuer hinterzogen werden kann, entspricht ein Anknüpfen an die Einnahmen beziehungsweise an den konkreten Umsatz, an den etwa die Umsatzsteuerpflicht anknüpft, dem Steuersystem. 214 Bittmann, wistra 2003, 161, 166 Fn. 31. 215 Vgl. Hetzer, WM 1999, 1306, 1318. 216 BVerfGE 32, 98; BVerfGE 45, 187, 261 ff.; BVerfG 90, 263, 274 f.; BayVerfGH NJW 1983, 1600, 1601; Eser in Sch/Sch, Vorbem. § 1 StGB, Rn. 30; Larenz, 339; vgl. dazu auch Schach, JuS 1961, 269.

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

Der Ansatz Burgers hätte bei einer Übertragung auf Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit zu dem unsinnigen Ergebnis geführt, dass nicht der Lohn, sondern die Arbeitskraft des Arbeitnehmers Vermögensbestandteil im Sinne des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB gewesen wäre. 217 Zwar ist - wie bereits dargelegt - der Begriff „hinsichtlich" sehr weit, so dass es nach dem Gesetzeswortlaut auch möglich gewesen wäre, das Mietobjekt zu erfassen. Die Arbeitskraft hingegen ist möglicherweise ein Vermögenswert, jedenfalls aber kein Vermögensbestandteil. Die Erfassung des gesamten unzweifelhaft legal erworbenen Mietobjektes ohne jedes Verhältnis zu dem verursachten Steuerschaden wäre zudem ein Verstoß gegen das Übermaßverbot gewesen.218 Dies illustriert Fall 16, in dem nach Burger die Eigentumswohnung und die Grundstücke trotz der relativ geringen Steuerersparnis erfasst waren. 219 Dieser Ansatz konnte daher nicht überzeugen. Ebenso stand der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einer Differenzierung nach Konten entgegen, insbesondere falls der Steuerhinterzieher nur über ein Konto verfügte. Eine Kontaminierung des Jahreseinkommens war aufgrund ihrer praktischen Auswirkungen abzulehnen. Unterstellt, in Fall 17 läge eine taugliche Vortat in Form des § 370a AO vor, wäre die Strafbarkeit des Autohändlers Y davon abhängig gewesen, ob X das Auto aus Mitteln seines Jahreseinkommens bezahlte oder aber aus dem steuerfreien Verkauf des privaten Gemäldes.220 Dies wäre ein recht willkürliches Ergebnis. Zwar ist die Kritik Bittmanns an der Lösung Salditts, welche allein die Steuerersparnis erfasst, zurückzuweisen. Denn Salditt hat durchaus ein konkretes Vermögensobjekt benannt, nämlich das Objekt, durch welches die nicht angegebenen Einkünfte erzielt wurden, und sah dieses als inkriminiert an, aber eben nur in Höhe der Steuerersparnis. Als Beispiel nannte Salditt ein Auslandsdepot, dessen Zinsen verschwiegen werden. Dieses Depot sei bloß bis zu der Höhe frei verfügbar, die sich aus den verkürzten Steuern unter Berücksichtigung der Nebenfolgen errechnete. 221 Der auf dem Ansatz Burgers aufbauenden Lösung Salditts stand jedoch der Wortlaut des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB entgegen. Denn die Steuerersparnis ist selbst der hinterzogene Betrag, nicht der Betrag, hinsichtlich dessen Steuern hinterzogen wurden. 222 Somit waren all diese Lösungsansätze abzulehnen. Gegen die hier favorisierte Erfassung allein der aus dem konkret verschwiegenen Geschäftsvorfall stammenden Einnahmen wendet Bittman ein, dass sie am eindeutigen Wortlaut des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB scheiterte, nach dem das steuerbare Objekt selbst und nicht nur die Erträge aus den verschwiegenen Steuerquellen erfasst seien. 223 Jedoch übersieht er, dass das steuerbare Objekt eben diese Erträge sind. So werden nach § 21 217 218 219 220

Vgl. Heerspink, AO-StB 2002, 132, 135. Ebenso Salditt, StV 2002, 214, 216; Spatscheck/Wulf, DB 2002, 392, 396. Vgl. Burger, wistra 2002, 1, 4 f.; Samson, FS Kohlmann, 263, 266. Heerspink, AO-StB 2002, 132, 136.

221 Vgl. Salditt, StV 2002, 214, 216. 222 Zutreffend Heerspink, AO-StB 2002, 132, 136. 223 Bittmann, wistra 2003, 161, 166 Fn. 35.

B. Reichweite und Folgeprobleme des § 370a AO

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EStG die Mieteinkünfte besteuert, nicht das Mietobjekt. In etwas widersprüchlicher Weise zu seinem vorherigen Einwand geht Bittmann in seinen weiteren Ausführungen ebenfalls davon aus, dass aufgrund einer verfassungskonformen Reduktion nur der steuerbare Gegenstand selbst bemakelt gewesen sei, etwa allein das „schwarz" verdiente Erwerbseinkommen oder der nicht deklarierte Umsatz. Bittmann führt aus, dass § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB in der Fassung des Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetzes bei einer wortgetreuen Auslegung verfassungswidrig gewesen sei, da die inkriminierten Vermögensgegenstände häufig einen hohen Liquiditätsgrad aufwiesen und so bei Vermischung mit nicht bemakeltem Vermögen auch die Kontaminierung zuvor verkehrsfähiger Gegenstände, und damit des gesamten Tätervermögens herbeiführen konnten. Dies wäre eine übermäßige Rechtsfolge, die insbesondere die Unkalkulierbarkeit und Unerträglichkeit der „rechtlichen Risiken unverfänglichen Wirtschaftens" zur Folge gehabt habe. Bittmann gelangt somit ebenfalls zu dem Ergebnis, dass allein die konkret verschwiegenen Beträge bemakelt waren, schränkt diesen Ansatz lediglich noch dahingehend ein, dass er zusätzlich ein Unmittelbarkeitserfordernis als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal aufstellt. Die Verkehrsfähigkeit eines bemakelten Gegenstandes werde wiederhergestellt, sobald der in ihm verkörperte Wert in einen anderen Aggregatzustand übergehe. 224 Ein derartiges Unmittelbarkeitserfordernis widersprach aber dem bewusst weiten Begriff des „Herrührens" 225 und kann daher nicht überzeugen. Es bleibt somit dabei, dass nach § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB früherer Fassung nur die Einnahmen oder Umsatz aus dem verschwiegenen Geschaftsvorfall taugliches Geldwäscheobjekt waren. Bei einigen Steuerarten konnten allerdings Schwierigkeiten auftreten, etwa bei der Grunderwerbsteuer oder der Grundsteuer (Fall 76), da dort durch den verschwiegenen Vorgang keine der Besteuerung unterliegenden Geldeinnahmen erlangt werden, in denen quasi die ersparte Steuer enthalten sein könnte. Die Entstehung der Steuer knüpft im Beispiel der Grunderwerbsteuer vielmehr grundsätzlich an das Rechtsgeschäft an, durch welches der Anspruch auf Übereignung des Grundstücks begründet wird (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Steuerpflichtig sind dort die Rechtsgeschäfte Kaufvertrag, Auflassung, Übergang des Eigentums oder entsprechende Vorgänge. Die Steuerersparnis ist daher wirklich im Gesamtvermögen vorhanden. In diesem Fall wird man, um eine zu weitgehende Bemakelung zu vermeiden, den Vermögensbestandteil, der durch den die Besteuerung auslösenden Vorgang erlangt wurde und somit diesem Vorgang am nächsten stand, als den Vermögensbestandteil ansehen müssen, hinsichtlich dessen Abgaben hinterzogen worden sind. Im Fall des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG wäre beispielsweise der durch den Kaufvertrag erlangte Anspruch bemakelt gewesen. Die Bemakelung des Anspruchs auf Übereignung des Grundstücks hätte sich sodann in dem Grundstück selber fortgesetzt. Die Erfassung allein des Vermögensbestandteils, der dem steuerpflichtigen Vorgang am nächsten stand, ist nötig, um nicht in klaren Verstoß 224 Bittmann, wistra 2003, 161, 166 f. 225 Vgl. BT-Drucks. 12/989, 27; Stree in Sch/Sch, § 261 StGB, Rn. 7.

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

gegen das Übermaßverbot zu treten. Dieses bleibt allerdings in diesen Fällen überaus problematisch. Darauf wird an späterer Stelle noch einzugehen sein. Der nicht versteuerte steuerpflichtige Zufluss ist konkret abgrenzbar und steht auch entsprechend der Intention des Gesetzgebers „im klaren Zusammenhang" mit der Straftat, denn Tathandlung der Steuerhinterziehung ist die Nichterfülllung steuerlicher Erklärungspflichten, was genau hinsichtlich dieses Betrags geschehen ist. 2 2 6 Für und nicht gegen diese Auslegung spricht auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Begünstigung nach Steuerhinterziehung. 227 Aus diesem Urteil kann - entgegen einigen Autoren 228 - eine Gesamtkontamination des Tätervermögens nicht abgeleitet werden. Denn dort ist gerade nicht festgestellt, dass „Vorteil" im Fall der Steuerhinterziehung das gesamte Vermögen sei, wenn sich darin unabtrennbar die Steuerersparnis befindet. 229 Vielmehr führte das Gericht aus, dass der durch die Steuerhinterziehung erlangte Vorteil die niedrigere Steuerfestsetzung und damit Steuerersparnis seien. In dem Gesamtbetrag der Einnahmen, die der Täter dem Finanzamt verschwiegen hat, seien auch die ersparten Steuern enthalten, welche den für die Begünstigung maßgeblichen Vorteil darstellten. 230 Zwar stellte der Bundesgerichtshof an späterer Stelle fest, dass die Unmittelbarkeit des Vorteils gewahrt sei, solange die Steuerersparnis im Tätervermögen noch vorhanden sei, ohne dass es auf Sachidentität ankomme. Dies revidiert jedoch nicht die frühere Aussage, dass die in den verschwiegenen Einnahmen enthaltene Steuerersparnis dieser Vorteil ist. Für den Bundesgerichtshof ist der Vorteil - die hinterzogenen Steuern - in den verheimlichten Einnahmen enthalten und daher Bestandteil dieser Einnahmen. Solange die Einnahmen nicht mit dem restlichen Vermögen vermischt werden, ist das restliche Vermögen nicht kontaminiert. 231 Salditt warnte davor, das Urteil auf § 261 Abs. 2 StGB zu übertragen, da der Bundesgerichtshof es als erforderlich angesehen habe, dass die Verwirklichung des Steueranspruchs unmöglich gemacht oder noch weiter erschwert wurde als dies bereits durch die Hinterziehung geschehen ist", was im zu entscheidenden Fall gegeben war. 232 Dabei übersieht Salditt aber, dass die von ihm zitierte Passage nicht das Tatobjekt zum Gegenstand hat, sondern die Tathandlung der Begünstigung, nämlich die Frage, ob die Hilfeleistung geeignet war, eine Begünstigung herbeizuführen. Ein Aspekt, der vorliegend keine Rolle spielt. 226 Vgl. BT-Drucks. 14/7471, 9, ebenso Heerspink, AO-StB 2002, 132, 136. 227 BGH wistra 1999, 103 ff. mit zust. Anm. Spatscheck/Maritas, PStR 1999, 158 ff.; dies., PStR 1999, 174 ff. 228 Burger, wistra 2002, 1, 5; Fahl, ZStW 2002, 794, 809 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien; Ott, PStR 2002, 41, 44. 229 So aber Fahl, ZStW 2002, 794, 809. 230 BGH wistra 1999, 103. 104 unter Hinweis auf Hübner in HHSp, § 369 AO Rn. 101, Stand Juni 1983; Philipowski in Kohlmann, Strafverfolgung, 131, 135. 231 Ebenso Heerspink, AO-StB 2002, 132, 136. 232 Salditt, StV 2002, 214, 216 unter Verweis auf BGH wistra 1999, 103; 105.

B. Reichweite und Folgeprobleme des § 370a AO

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Kohlmann wiederum machte geltend, dass die Rechtslage nicht mit der bei Begünstigung vergleichbar sei, da dort die Unmittelbarkeit des Vorteils gewahrt sei, wenn die erlangte Steuerersparnis zum Zeitpunkt der Begünstigungshandlung noch als geldwerter Vorteil im Tätervermögen vorhanden sei, ohne dass es auf Sachidentität ankomme. 233 Im Gegensatz dazu beziehe sich die Geldwäsche auf näher konkretisierbare Gegenstände, an denen ein Recht begründet werden kann. 234 Richtig an dieser Kritik ist, dass sich die Anforderungen der Begünstigung und der Geldwäsche an das Tatobjekt unterscheiden. Die erste Differenz besteht darin, dass Vorteil im Sinn der Begünstigung jede Besserstellung ist, 2 3 5 während bei der Geldwäsche nur Vermögenswerte Gegenstände erfasst sind, 236 also Sachen und Rechte. 237 Der zweite Unterschied besteht darin, dass bei § 257 StGB der Vorteil nach herrschender Meinung unmittelbar durch die Tat erlangt sein muss, 238 bei § 261 StGB demgegenüber auch die Surrogate erfasst sind, da es genügt, dass der Gegenstand aus der Vortat „herrührt", 239 die Beziehung zur Vortat somit weit lockerer ist. Taugliches Tatobjekt einer Begünstigung ist somit ein Vorteil, den der Vortäter unmittelbar aus einer rechtswidrigen Vortat gezogen hat. Tauglicher Geldwäschegegenstand hingegen ist ein aus einer rechtswidrigen Vortat herrührender Gegenstand. Diese Differenzen führen aber nicht dazu, dass genanntes Urteil nicht auf die vorliegende Situation im Rahmen der Geldwäsche übertragbar ist. Zwar ist die niedrigere Steuerfestsetzung Vorteil im Sinne des § 257 StGB, nicht aber tauglicher Geldwäschegegenstand. Jedoch wird die erstgenannte Divergenz dadurch überwunden, dass nicht nur die niedrigere Steuerfestsetzung, sondern auch die dadurch erfolgte „Ersparnis", also die „ersparten" Steuern Vorteil im Sinne des § 257 StGB sind. 240 Durch § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB wiederum ist festgelegt, dass die ersparten Steuern auch Geldwäschegegenstand sind. Der zweite Unterschied, das Erfordernis der Unmittelbarkeit, führt zu einer Restriktion der Begünstigung gegenüber der Geldwäsche.241 Ist dieses Merkmal erfüllt, so ist erst recht ein Herrühren im Sinne des § 261 StGB zu bejahen. Trotz der Unterschiede ist die Rechts233 Vgl. BGH wistra 1999, 103, 104 f. 234 Kohlmann, § 370a AO Rn. 37, Stand Oktober 2002. 235 RGSt 54, 132, 134 f.; Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 257 StGB Rn. 6. 236 Lampe, JZ 94, 123, 126; Neuheuser in MK, § 261 StGB Rn. 29; Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 6 m. w. N. 237 Neuheuser in MK, § 261 StGB Rn. 29. 238 RGSt 39, 236, 237; BGHSt. 24, 166, 168; Kohlmann, § 369 AO Rn. 68, Stand November 1999 m. w. N.; Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 257 StGB Rn. 6; a. A. BGHSt 4, 122, 123 f.; tendenziell auch Hübner in HHSp, § 369 AO Rn. 100, Stand Juni 1983; offen gelassen RGSt 40, 15, 18; RGSt 76, 32. 239 Barton, NStZ 1993, 159; Tröndle /Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 8 m. w. N. 240 BGH wistra 1999, 103, 104; BGH StV 2000, 492, 495; Kohlmann, § 369 AO, Rn. 66, Stand November 1999; Stree in Sch/Sch, § 257 StGB Rn. 23. 241 Vgl. Tröndle/ Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 7.

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

läge bei beiden Vorschriften, wenn jeweils die Steuerverkürzung die Vortat darstellt, durchaus vergleichbar. 242 Eine gänzliche Übertragung der Entscheidung hätte dazu geführt, dass nur ein Betrag in Höhe der Steuerersparnis erfasst worden wäre und konnte - wie bereits erörtert - aufgrund des Wortlauts des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB a.F. nicht erfolgen. Der hier gefundenen Lösung steht auch nicht entgegen, dass die „schwarzen" Einnahmen nicht aus der Steuerhinterziehung erlangt wurden, sondern sich bereits vorher im Tätervermögen befanden. Denn ihre Erfassung als Geldwäscheobjekt wurde durch § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB a.F. ausdrücklich gesetzlich festgelegt. Die von § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB in der Fassung des Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetzes erfassten Vermögensbestandteile waren somit die gegenüber dem Finanzamt konkret verschwiegenen Einnahmen oder Umsätze. Durch diese Auslegung wurde die verfassungswidrige Gesamtbemakelung vermieden. Zwar bestand unverändert das Problem der Vermischung des infizierten mit nicht erfasstem Vermögen, dies ist aber ein generelles Problem der Geldwäsche, dem hier nicht weiter nachgegangen werden kann.

III. Der Gegenstandsbegriff des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB in der Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen Fraglich ist, ob die erneute Novellierung des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen etwas an diesem Ergebnis geändert hat und ob die dargestellten Schwierigkeiten behoben wurden. Neu ist, dass nach dem Gesetzeswortlaut die Steuerquelle selbst kein tauglicher Geldwäschegegenstand mehr ist, denn der „Gegenstand, hinsichtlich dessen Abgaben hinterzogen worden sind" ist nur noch im Fall des § 261 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StGB erfasst. Der Höhe nach ist der Geldwäschegegenstand im Fall der Vortat des § 370a AO nun zuteffend 243 auf die Steuerersparnis beziehungsweise die Steuererstattungen oder -Vergütungen begrenzt, 244 so dass allein der Hinterziehungserfolg inkriminiert ist. 2 4 5 242 Ebenso Burchert, INF 2002, 532, 538; Bürger, wistra 2002, 1, 5; Fahl, ZStW 2002, 794, 809 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründungen; Heerspink, AO-StB 2002, 132, 136; Oberloskamp, AO-StB 2003, 355; Ott, PStR 2002,41, 44; Scheurmann-Kettner, NWB Fach 2, 7963, 7968; Sommer/Füllsack, Stbg 2002, 355, 361. 243 So auch Hunsmann, Stbg 2004, 409, 412; Sommer/Füllsack, Stbg 2002, 361. 244 in systematische Hinsicht hält es Samson, FS Kohlmann, 263, 268 für problematisch, dass der Gesetzgeber durch die ausdrückliche Festlegung, dass ersparte Aufwendungen in den Fällen des § 370a AO taugliche Geldwäschegegenstände sind, zum Ausdruck gebracht habe, dass er ersparte Aufwendungen nicht für einen „Normalgegenstand" halte. Daraus müsse für sämtliche andere Tatbestände, bei denen infolge der Tat auch Aufwendungen erspart

B. Reichweite und Folgeprobleme des § 370a AO

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Einige Autoren sind der Meinung, dass die Möglichkeit der Kontamination des gesamten Tätervermögens durch die Änderung abgewendet wurde. 246 Das überwiegende Schrifttum hält die derzeitige Gesetzesfassung hingegen für ebenso problematisch wie die vorherige. Im Fall der Ersparnis von Aufwendungen wurde nichts geleistet. Wie an diesem „Nichts" eine Geldwäsche begangen werden könne, bleibe unverständlich. 247 Die Tathandlungen könnten daher allenfalls am Gesamtvermögen anknüpfen, 248 erfasst werden könne nur ein den hypothetischen Aufwendungen entsprechender Geldbetrag als Teil des Gesamtvermögens. 249 Durch die Variante der ersparten Aufwendungen sei nunmehr zwar die Höhe des Betrags, der erfasst ist, klar umrissen, aber damit nicht festgelegt, wie die inkriminierten Vermögensteile vom restlichen Vermögen des Steuerhinterziehers abzugrenzen seien. 250 Möglich sei, dass der Grundsatz „first in first out" gelte, mit der Folge, dass der Steuerhinterzieher erst dann auf bemakeltes Vermögen zugreife, wenn er sein Vermögen in der Höhe ausgegeben hat, die es vor der Steuerhinterziehung hatte. Alternativ könne das Vermögen eines Steuerhinterziehers wieder sauber sein, wenn er nach Tatbegehung einen der Ersparnis entsprechenden Geldbetrag wieder ausgegeben hat. 251 Problematisch sei also, worin sich die keinen gegenständlichen Niederschlag findende Ersparnis konkretisiere. 252 Unverändert bestehe nach der Neufassung bei einer allein am Wortlaut orientierten Auslegung die Gefahr der Bemakelung des Gesamtvermögens, da zur Tilgung der Steuerschuld sämtliche Gegenstände zur Verfügung stünden.253 § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB bringe auch in seiner novellierten Fassung keine Lösung des Problems, da er keine klaren Vorgaben mache, obwohl der Gesetzgeber die Problematik erkannt habe. 254 Teils wird ausgeführt, die erwerden, geschlossen werden, dass dort die Ersparnis nicht von dem Geldwäschetatbestand erfasst werde, was „fatale Konsequenzen" nach sich ziehe. Dem kann freilich entgegnet werden, dass der Gesetzgeber durch die Neuformulierung des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB lediglich eine Klarstellung erreichen wollte, vgl. BT-Drucks. 14/7471, 9, so dass im Wege der historischen Auslegung entsprechende Schlussfolgerungen für andere Tatbestände auszuschließen sind. 245 Lührs, BuW 2002, 711, 716. 246 Heerspink, AO-StB 2002, 392; Rüping, DStR 2002, 1417, 1419. 247 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 9; Samson, FS Kohlmann, 263, 270; Tröndle / Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 8b, 16c. 248 Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 8b, 16c. 249 Tröndle / Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 16c. 250 Bender, ZfZ 2002, 366, 369; Gast-de Haan in Klein, § 370a Rn. 22; Hunsmann, Stbg 2004, 409, 412; Lührs, BuW 2002, 711, 716; Pestke / Motte, Stbg 2002, 493, 501; Sommer/ Füllsack, Stbg 2002, 355, 361; WannemacherIMeyer in Beermann, § 370a AO Rn. 82, Stand Dezember 2002; das Problem verkennend hingegen Heerspink, AO-StB 2002, 392. 251 Bender, ZfZ 2002, 366, 369. 252 Bittmann, wistra 2003, 161, 167 unter Hinweis auf BGH wistra 1999, 103, 105. 253 AG Klimatagung in Wo, WPK-Mitt. 2003, 130, 132; Kohlmann, § 370a AO Rn. 37, Stand Oktober 2002; Spatscheck /Wulf, NJW 2002, 2983, 2987. 254 Kohlmann, § 370a AO Rn. 37, Stand Oktober 2002.

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

neute Änderung des Gesetzes habe das „Dilemma" sogar verschärft, da die nun ausdrücklich vom Gesetz genannten Aufwendungen nur aus dem Gesamtvermögen erspart werden könnten, die derzeitige Gesetzesfassung also noch weiter reiche als die vorherige, welche lediglich die Vermögensbestandteile erfasste, hinsichtlich derer die Abgaben hinterzogen wurden. 255 Die Neufassung enthalte mindestens genauso viele Probleme wie die vorhergehende Fassung, die wohl teilweise unlösbar seien. 256 Scheurmann-Kettner stellt fest, dass der Gegenstandsbegriff nun an die Einziehungs- und Verfallregeln des Steuerstrafrechts angelehnt sei, nach denen über § 375 Abs. 2 AO das gesamte Schmuggelgut einziehbar sei, wohingegen bei der Steuerhinterziehung nur die ersparten Steuern einem möglichen Verfall unterlägen. 257 Dies mag richtig sein, jedoch ist zu berücksichtigen, dass nach den Verfallregeln für die durch eine Steuerhinterziehung ersparten Aufwendungen § 73a StGB einschlägig ist. Diese Vorschrift ordnet den Verfall des Wertersatzes an, weil der Verfall der Ersparnis nach § 73 StGB wegen ihrer Beschaffenheit nicht möglich ist. 2 5 8 Im Rahmen des § 261 StGB fehlt aber eine solche Sondervorschrift. Daher ist die Abgrenzung und Konkretisierung der Steuerersparnis als Geldwäschegegenstand ungeachtet der Parallele zum Verfall problematisch und kann auch nicht durch Übertragung der dort geltenden Regeln gelöst werden. Es erstaunt angesichts der Fülle von Unklarheiten nicht, dass für die die Auslegung des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB n.F. verschiedene Ansätze vertreten werden.

a) Gegenstandslosigkeit

des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB

Nach einem Teil der Literatur ist § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB, jedenfalls soweit er die Steuerersparnis erfasst, schlicht unbeachtlich. Während Samson zu diesem Ergebnis bereits im Wege der wortgetreuen Anwendung der Norm gelangt, leiten es Spatscheck / Wulf aus einer verfassungskonformen Auslegung her. Samsons Ausgangspunkt ist, dass im Fall der Ersparnis von Aufwendungen Mittelverwendungen gerade nicht stattgefunden haben. 259 Dieses „Nichts" könne man aber nicht verbergen, sich oder einem Dritten verschaffen, seine Herkunft verschleiern oder die Ermittlung seiner Herkunft oder seines Auffindens vereiteln. Der allgemeine Sprachgebrauch verbiete es daher, irgendeine Tathandlung der Geldwäsche auf die durch eine Steuerhinterziehung ersparten Aufwendungen anzuwenden. Allein die Formulierung „Wer Geldbeträge, die aufgrund einer begangenen Steuerhinterziehung erspart wurden, sich oder einem Dritten ver255 Kohlmann, § 370a AO Rn. 37, Stand Oktober 2002. 256 Samson, FS Kohlmann, 263, 267. 257 Scheurmann-Kettner, NWB Nr. 33, Fach 2, S. 7963, 7968. 258 Vgl. dazu Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 73a StGB Rn. 4. 259 Samson, FS Kohlmann, 263, 270; siehe auch Tröndle / Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 8b, 16c.

B. Reichweite und Folgeprobleme des § 370a AO

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schafft..könne aus ersparten Aufwendungen einen tauglichen Geldwäschegegenstand machen, an den die Tathandlungen anknüpfen könnten. Jedoch könne diese Formulierung nicht im Wege der Auslegung in § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB hineingelesen werden, da sie die Wortlautgrenze überschreite. 260 Spatscheck/Wulf hingegen meinen, dass eine wörtliche Anwendung des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB gegen das Übermaßverbot, das Bestimmtheitsgebot und die Eigentumsgarantie verstieße, da nach dem Gesetzeswortlaut jeder Vermögensgegenstand des Täters, unabhängig von der Einkunftsart, anteilig inkriminiert werde. Denn ersparte Aufwendungen erhöhten den Gesamtsaldo des Vermögens, ohne aber in irgendeiner Form konkretisierbar zu sein. 261 Dies führe zu einer totalen Isolation des Steuerpflichtigen, obwohl zu seinen Gunsten noch die Unschuldsvermutung gelte. Beispielsweise würde die Allgemeinheit bösgläubig im Sinne des § 261 StGB, wenn durch die Medien Ermittlungsverfahren wegen § 370a AO, die gegen Prominente eingeleitet wurden, an die Öffentlichkeit gelangen, so dass diese Prominenten nicht einmal normale Alltagsgeschäfte tätigen könnten. 262 Für die gewerbsmäßige Steuerhinterziehung als Vortat stelle sich das Problem aufgrund des nach der Ansicht Spatscheck/Wulfs bestehenden Erfordernisses eines tatsächlichen Zuflusses nicht. Im Falle der bandenmäßigen Steuerhinterziehung rufe § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB hingegen „unlösbare Auslegungsprobleme" hervor, so dass er verfassungskonform dahingehend auszulegen sei, dass eine Geldwäsche ebenfalls nur nach der bandenmäßigen Erlangung unrechtmäßiger Steuererstattungen oder -Vergütungen begangen werden könne und die Erweiterung des Gesetzeswortlauts auf die „ersparten Aufwendungen" ins Leere gehe. 263

b) Bemakelung des Gesamtvermögens Vögelberg meint, dass der neu gefasste § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB unverändert die Bemakelung des Gesamtvermögens des Steuerhinterziehers zur Folge habe. Dies sei daraus zu schlussfolgern, dass der Gesetzgeber durch die erneute Änderung der Vorschrift „ganz offensichtlich" den Stimmen begegnen wollte, dass eine Ersparnis kein tauglicher Gegenstand sein könne. Zudem stützt sich Vogelberg auf die Gesetzesmaterialien zum Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz, in denen die Steuerersparnis als integraler Bestandteil des Gesamtvermögens erwähnt wurde. 264 Eine Auslegung dergestalt, dass allein die Ersparnis erfasst werde, sei schon deswegen nicht möglich, weil dann eine Geldwäsche nur begangen werden könne, wenn das Vermögen des Steuerhinterziehers auf den der Ersparnis entsprechenden Betrag verringert worden sei. Eine solche Auslegung habe jedoch den Leerlauf des 260 261 262 263 264

Samson, FS Kohlmann, 263, 270 f. Spatscheck/Wulf, NJW 2002, 2983, 2987. Kohlmann, § 370a AO Rn. 37, Stand Oktober 2002. Spatscheck/Wulf, NJW 2002, 2983, 2987. Vogelberg, PStR 2002, 243, 244 unter Berufung auf BT-Drucks. 14/7471.

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

§ 261 Abs. 1 Satz 3 StGB zur Folge und entspreche daher nicht der gesetzgeberischen Intention. 265 Während Vogelberg das Ergebnis der Gesamtbemakelung kritiklos hinnimmt, sieht eine Reihe von Autoren nach der Gesetzesfassung ebenfalls das gesamte Vermögen als bemakelt an, erachtet dieses Ergebnis aber als nicht sachgerecht oder sogar verfassungswidrig. So hält die Arbeitsgemeinschaft Klimatagung die Infizierung des Gesamtvermögens für weiterhin möglich, weil die Aufwendungen aus dem gesamten Tätervermögen erspart werden, so dass die Ersparnis nicht konkretisierbar sei, vielmehr das Gesamtvermögen erhöht sei. Sie zweifelt aber, ob die Regelung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar ist. 2 6 6 Kohlmann schlussfolgert aus der mangelnden Abgrenzbarkeit der Ersparnis, dass es keine überzeugende Lösung gebe. 267 Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten auch Vermögensbestandteile erfasst werden, die mit der Steuerstraftat in klarem Zusammenhang stehen, der Gesetzgeber habe aber nicht erläutert, wie dieser Zusammenhang beschaffen sein müsse. Es dürfe jedoch nicht das gesamte Vermögen infiziert werden, sondern nur ein der Steuerersparnis entsprechender Betrag. 268 Bittmann erwägt zur Konkretisierung des „gegenständlichen Nichts" eine Manifestation der Ersparnis in irgendeinem Gegenstand des Gesamtvermögens269 oder in sämtlichen einzelnen Vermögensgegenständen, verwirft diese Ansätze aber selbst als willkürlich 2 7 0 Fischer hält ihn ebenfalls für unverhältnismäßig und im Widerspruch zum Schuldgrundsatz. 271 c) Geldwäsche nur, wenn das verbleibende Vermögen kleiner ist als die Steuerersparnis Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Begünstigung nach Steuerhinterziehung schlussfolgert Bittmann, dass eine strafbare Geldwäsche nach Steuerhinterziehung nur gegeben sein könne, wenn sich die Tathandlung auf das ganze oder einen so großen Teil des Vermögens des Steuerhinterziehers erstrecke, dass der nicht erfasste Teil weniger wert sei als die ersparte Steuer. Andernfalls stehe nicht mit Sicherheit fest, dass der aus § 370a AO erlangte Vorteil zumindest teilweise in den Objekten verkörpert war, auf die sich die Geldwäschehandlung bezog. 272 Über265 Vogelberg, PStR 2002, 243, 244. 266 AG Klimatagung in Wo, WPK-Mitt. 2003, 130, 132. 267 Kohlmann, § 370a AO Rn. 37, Stand Oktober 2002. 268 Kohlmann, § 370a AO Rn. 37, Stand Oktober 2002 unter Hinweis auf BT-Drucks. 14/7471, 9; so auch Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 8b, 16c. 269 So auch Tröndle /Fischer, 52. Aufl., § 261 Rn. 8b. 270 Bittmann, wistra 2003, 161, 167 f. 271 Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 261 Rn. 8b. 272 Bittmann, wistra 2003, 161, 167 f.; ebenso Sauren, ZEV 2002, 404, 405; Stahl, KÖSDI 2002, 13390, 13394 f.; ders., Selbstanzeige, Rn. 467; i. E. auch Kemper in Dietz/Cratz/Rolletschke, § 370a AO Rn. 69, Stand Dezember 2002.

B. Reichweite und Folgeprobleme des § 370a AO

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zeugend sei nämlich allein die verfassungskonforme Auslegung, dass nicht einzelne Vermögensgegenstände des Steuerhinterziehers infiziert seien, sondern das Tätervermögen in seiner Gesamtheit. Zwar setze die Bestrafung wegen Geldwäsche die Bestimmung eines konkreten Tatobjekts voraus. Die Rechtsprechung zu § 257 StGB zeige aber, dass dies trotz Infizierung des Gesamtvermögens möglich bleibe. Zur Bestimmung des Tatobjekts könne diese Rechtsprechung wegen der bei der Begünstigung - im Gegensatz zur Geldwäsche - vorausgesetzten überschießenden Innentendenz nicht übertragen werden. Das Tatobjekt des § 261 StGB könne jedoch auf anderem Wege bestimmt werden. Dafür genüge es, dass die Geldwäschehandlung erwiesenermaßen einen Gegenstand betraf, der im Ermittlungs- oder Strafverfahren konkret benannt werden kann. Somit sei die Rechtsprechung im Übrigen übertragbar. Die Geldwäschehandlung müsse sich folglich auf einen so großen Teil des Vermögens des Steuerhinterziehers erstrecken, dass der nicht erfasste Teil weniger wert ist als die ersparte Steuer. Der Anwendungsbereich der Alternative der „ersparten Aufwendungen" sei somit „äußerst gering". 273 Auf der Ansicht Bittmanns aufbauend verneint Stahl die Möglichkeit einer Geldwäsche selbst dann, wenn das Vermögen des Steuerhinterziehers auf den der Ersparnis entsprechenden Betrag verringert wurde, wenn bereits eine solche Summe ausgegeben wurde. 274 d) Bemakelung der konkret verschwiegenen Einkünfte Müller ist der Ansicht, dass im Fall der Hinterziehung von Lohnsteuer der Arbeitslohn unproblematisch das bemakelte Vermögen darstelle, da der Vermögensteil, aus dem die Steuer zu entrichten ist, genau feststehe. Bei anderen Steuerarten könne die Konkretisierung des inkriminierten Vermögens schwieriger sein, so bei einer Hinterziehung im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer. Für derartige Konstellationen sei, da es sich um die gleiche Problemstellung handele, die Konkretisierung durch Übertragung des Urteils des Bundesgerichtshofs zu § 257 StGB vorzunehmen, nach dem die Steuerersparnis als aus der Steuerhinterziehung erlangter Vorteil im verschwiegenen Gesamtbetrag enthalten sei. Es seien demnach die konkret verschwiegenen Einkünfte entscheidend, alle übrigen würden nicht erfasst. Die erneute Änderung des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB habe daher rein redaktionelle Bedeutung, eine inhaltliche Änderung sei mit ihr nicht verbunden gewesen. Ein weites Verständnis des bemakelten Vermögens hingegen würde eine Konkretisierung unmöglich machen und zur Erfassung des gesamten Vermögens führen. Sie sei daher mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbar. Müller konzediert, dass die von ihm vorgeschlagene Abgrenzung bei manchen Steuern, 273 Bittmann, wistra2003, 161, 167 f. 274 Stahl, KÖSDI 2002, 13390, 13394 f.; ders., Selbstanzeige, Rn. 467; ebenso Sauren, ZEV 2002, 404, 405; i.E. auch Kemper in Dietz/Cratz/Rolletschke, § 370a AO Rn. 69, Stand Dezember 2002.

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beispielsweise der Grunderwerbsteuer nicht möglich sei, da dort die Ersparnis wirklich im Gesamtvermögen vorhanden sei, dieses folglich insgesamt bemakelt sein müsse. Ein derartiges Ergebnis verstoße gegen den Bestimmtheitsgrundsatz und das Verhältnismäßigkeitsprinzip, sei aber wenig praxisrelevant. 275

e) Erfassung der konkret verschwiegenen Einnahmen in Höhe der Steuerersparnis Gast-de Haan sieht wohl, ohne nähere Begründung, allein die verschwiegenen Einnahmen erfasst, allerdings - einschränkender als Müller 2 7 6 - nur in Höhe der Steuerersparnis. Ganz klar sind ihre Ausführungen allerdings nur insoweit, als sie die Höhe der Ersparnis für maßgeblich hält. Die Beschränkung der Bemakelung auf die konkreten Einnahmen geht lediglich aus dem nicht ganz eindeutigen Beispiel des mit Schwarzeinnahmen gespeisten Kontos hervor, das nur in Höhe des Steuervorteils inkriminiert sei. 277 f) Stellungnahme Einleitend lässt sich feststellen, dass die Literatur zu dieser Problematik dadurch geprägt ist, dass es zwar verschiedene Lösungsvorschläge gibt, jedoch die Autoren dabei zu einem großen Teil nur ihre eigene Meinung darstellen und weniger konstruktive Kritik an den anderen Ansätzen üben. Die dargestellten Ansichten weisen auch nach der Neufassung des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB erhebliche Unterschiede auf. Bereits dies lässt darauf schließen, dass die Gesetzesänderung das Problem der Bestimmung des Geldwäschegegenstandes nicht in zufriedenstellender Weise gelöst hat. Allerdings wurde durch die Neufassung des § 370a AO der Bereich, für den die Frage des Geldwäschegegenstandes im Fall der bloßen Steuerersparnis eine Rolle spielt, wesentlich verkleinert. Denn Steuerhinterziehungen „in großem Ausmaß", bei denen der Taterfolg allein in der Ersparnis von Steuern besteht, werden schon in betragsmäßiger Hinsicht nur noch in Ausnahmefällen vorkommen. Vielmehr wird § 370a AO vorrangig in der Variante begangen werden, dass der Täter einen tatsächlichen Zufluss erzielt. In dieser Konstellation stellt sich das Problem der Ersparnis nicht. Eine Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß", bei der das Problem der ersparten Aufwendungen auftritt, ist jedoch beispielsweise denkbar in Fällen der Baumafia. Auch wenn die Gesetzesmaterialien zu der Neufassung des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB keinerlei Aussage treffen, kann daraus, dass die Änderung im Anschluss an die heftige Kritik hinsichtlich der unter der vorherigen Fassung angenommenen Möglichkeit einer Gesamtbemakelung erfolgte, sowie aus der Formulierung des 275 Müllen DStR 2002, 1641, 1646. 276 Müllen DStR 2002, 1641, 1646. 277 Gast-de Haan in Klein, § 370a AO Rn. 22.

B. Reichweite und Folgeprobleme des § 370a AO

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§ 261 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 StGB, welche das Tatobjekt nunmehr - im Gegensatz zu vorher - in den Fällen der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung ausdrücklich auf die ersparten Aufwendungen begrenzt, geschlossen werden, dass eine Einschränkung des Gegenstandsbegriffs beabsichtigt war. Eingetreten ist aber eher das Gegenteil. Denn während zuvor eindeutig die Vermögensbestandteile, hinsichtlich derer Abgaben hinterzogen worden sind, als Geldwäschegegenstand fingiert wurden, sind nun die ersparten Aufwendungen bemakelt, welche unstreitig aus dem gesamten Vermögen geschuldet waren. Eine Einschränkung, welche konkreten Vermögensteile den rein rechnerischen Vorteil der Ersparnis enthalten oder repräsentieren sollen, enthält das Gesetz jedoch nicht. Folgerichtig wäre daher unter der jetzigen Fassung noch mehr als nach alter Rechtslage die Kontamination des Gesamtvermögens. Da dies aber gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot verstieße, muss die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung gesucht werden. Obwohl die gegenwärtige Gesetzesformulierung zweifelsohne unzureichend ist und die Geldwäschehandlungen nur an konkrete Geldbeträge, nicht an ein „Nichts" anknüpfen können, ist § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB nicht gegenstandslos. Die Ansicht Samsons, dass schon eine Auslegung, welche „ersparte Aufwendungen" durch „Geldbeträge, die erspart wurden" ersetzt, gegen die Wortlautgrenze verstoße, ist als zu restriktiv abzulehnen. Die Lösung Spatscheck / Wulfs, die die gesetzlich vorgesehene Variante der ersparten Aufwendungen schlicht für unbeachtlich erklärt, überschreitet die Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung, da der eindeutige Wortlaut entgegensteht.278 Wie bereits erwähnt, verstieße die Bemakelung des gesamten Vermögens des gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehers gegen das Übermaßverbot. Auch Vogelbergs Begründung der Gesamtkontamination überzeugt nicht. Sie leidet an dem entscheidenden Mangel, dass nicht klar zwischen § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB in der Fassung des Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetzes und § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB in der Fassung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes differenziert wird. 2 7 9 Der Gesetzgeber wollte - wie Vögelberg richtig schreibt - mit der Änderung des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB durch das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz dem Einwand begegnen, dass eine Ersparnis kein tauglicher Anknüpfungspunkt für eine Geldwäschehandlung sei. 280 Im Rahmen des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes geht eine solche Intention aber nicht aus den Gesetzesmaterialien hervor. Vielmehr liefern diese keinerlei Begründung. Aus der vorangehenden heftigen Kritik hinsichtlich der Infizierung des gesamten Tätervermögens und der neu 278 Vgl. BVerfGE 71, 108, 115; BVerfGE 73, 206, 235; BVerfG 90, 263, 275; Eser in Sch/ Sch, Vorbem. § 1 StGB Rn. 30; Tröndle/ Fischer, 52. Aufl., § 1 Rn. 11; ablehnend aufgrund des entgegenstehenden Wortlauts auch Bittmann, wistra 2003, 161, 166 Fn. 33. 279 So stützen sich seine Ausführungen zu § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB in der Fassung des StBAG auch auf Autoren, die sich zu § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB in der Fassung des StVBG geäußert haben, vgl. Vogelberg, PStR 2002, 243, 244. 280 BT-Drucks. 14/7471,9. 1

Schneider

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eingefügten Beschränkung auf die „Höhe der Ersparnis" kann jedoch geschlossen werden, dass es gesetzgeberische Intention war, eben die Möglichkeit der Gesamtbemakelung auszuschließen und nicht - wie Vogelberg meint - sie weiterhin zu ermöglichen. Während Vogelberg die Ansicht Bittmanns, dass eine Geldwäsche nur gegeben sein könne, wenn sie sich auf einen so großen Teil des Vermögens des Steuerhinterziehers erstrecke, dass der nicht erfasste Teil weniger wert sei als die ersparte Steuer, für unzulässig hält, weil sie den Leerlauf des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB zur Folge habe und daher nicht der gesetzgeberischen Intention entspreche, 281 ist Bittmann vor allem entgegen zu halten, dass seine Begründung nicht überzeugt. Wenn - seiner Meinung nach - das Tätervermögen unteilbar in seiner Gesamtheit infiziert ist, spricht kein Grund dafür, warum eine strafbare Geldwäschehandlung nur gegeben sein könne, wenn sie sich auf einen so großen Teil des Vermögens bezieht, dass der verbleibende Rest kleiner ist als die Steuerersparnis. Ist das gesamte Vermögen bemakelt, ist eine Geldwäsche nach § 261 StGB, der keine Einschränkung bezüglich der Größe des Gegenstandes aufstellt, bereits begangen, wenn bezüglich irgendeines Gegenstandes dieses inkriminierten Vermögens eine Geldwäschehandlung begangen wurde. Allerdings ist bereits widersprüchlich, dass Bittmann das Vermögen als unteilbar ansieht und gerade nicht jeden einzelnen Vermögensgegenstand bemakelt sehen will, es andererseits aber für ausreichend erachtet, dass eine Geldwäsche bezüglich eines bestimmten Teils des Vermögens begangen wird. Die noch weitergehende Annahme Stahls hätte einen Leerlauf des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB zur Folge. So führt Stahl auch selbst aus, dass eine Geldwäsche nur begangen werden könne, wenn das Tätervermögen nahezu ausschließlich aus gem. § 370a AO hinterzogenen Steuern stammt, also bei Geschäften, deren einziger Gewinn die verkürzte Steuer sei. 282 Dies kommt nur in Betracht, wenn der Steuerhinterzieher tatsächliche Zuflüsse erlangt hat, da aus einer bloßen Ersparnis kein Vermögen gewonnen werden kann. Ein weitgehender Leerlauf der Vorschrift, jedenfalls für die Variante der Steuerersparais, war vom Gesetzgeber sicher nicht gewollt und kann nur in Ausnahmefällen angenommen werden. Ein solcher wäre nur gegeben, wenn es keine verfassungskonforme Auslegungsmöglichkeit gibt, die der Vorschrift einen größeren Anwendungsbereich belässt. Ob es eine solche gibt, ist daher im Folgenden zu untersuchen. Dabei soll auch für die Auslegung des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB n. F. auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, mit deren Hilfe die Lösung im Rahmen der Vorgängervorschrift gefunden wurde. Die dortige Lösung bestand in der Erfassung des Gesamtbetrags der verschwiegenen Einnahmen, wie sie Müller auch weiterhin vertritt. Müller spricht zwar von den „Einkünften", 283 es ist aber davon auszugehen, dass er „Ein281 Vogelberg, PStR 2002, 243, 244. 282 Stahl, KÖSDI 2002, 13390, 13394 f.; ders., Selbstanzeige, Rn. 467; ebenso Sauren, ZEV 2002, 404, 405; i.E. auch Kemper in Dietz/Cratz/Rolletschke, § 370a AO Rn. 69, Stand Dezember 2002.

B. Reichweite und Folgeprobleme des § 370a AO

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nahmen" meint, wie es auch das von ihm in Bezug genommene Urteil tut. 2 8 4 Gegen die von Müller vertretene, völlige Übertragung der unter § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB a. F. angenommen Lösung spricht die nun erfolgte ausdrückliche Begrenzung des Geldwäschegegenstandes auf die ersparten Aufwendungen. Während § 261 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 StGB für §§ 373, 374 AO weiterhin die Bemakelung des Gegenstandes, hinsichtlich dessen Abgaben hinterzogen worden sind, festlegt, wurde diese Formulierung für die Fälle des § 370a AO geändert. Durch die Festsetzung der Höhe der Bemakelung auf die Ersparnis könnte vielmehr erreicht worden sein, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Tatobjekt der Begünstigung nach Steuerhinterziehung nicht mehr nur teilweise, sondern gänzlich übertragbar ist. Dies wäre konsequent, zumal nicht einzusehen ist, warum der Vorteil aus einer Steuerverkürzung für die Anschlusstat der Begünstigung anders zu beurteilen sein sollte als für die Geldwäsche, zumal die Differenzen beider Anschlusstaten hinsichtlich des Tatobjektes - wie aufgezeigt - vorliegend irrelevant sind. Für eine Übertragung der Rechtsprechung spricht auch die historische Auslegung. Bereits von der Vorgängervorschrift des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB waren allein die konkret verschwiegenen Einnahmen erfasst. Die Gesetzesänderung wollte aber keine Ausweitung, sondern eine Einschränkung der Bemakelung bringen, so dass auch weiterhin nur diese Einnahmen erfasst sind und nicht das gesamte Vermögen. Die ausdrückliche gesetzliche Beschränkung auf die ersparten Aufwendungen könnte daher jetzt zu der weiteren Eingrenzung führen, dass zwar die konkret verschwiegenen Einnahmen bemakelt sind, aber nur in Höhe der Steuerersparnis. Fraglich bliebe, auf welche Weise die Bemakelung in Höhe der Ersparnis erfolgen soll. Denkbar ist, dass der gesamte Betrag der Einnahmen bemakelt ist, allerdings, nach dem Rechtsgedanken der §§ 947 f. BGB, lediglich prozentual im Verhältnis der Ersparnis zu dem Restbetrag. Diese „Wertigkeit der Bemakelung" müsste sodann bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden. 285 Gegen die Bemakelung des Gesamtbetrags spricht aber, dass sie eine Fiktion zu Lasten des Empfängers darstellt und somit als Verstoß gegen den In-dubio-pro-reo-Grundsatz nicht zulässig ist. 2 8 6 Möglich wäre auch, dass der Gesamtbetrag der Einnahmen nur inkriminiert ist, wenn er eine bestimmte Makelquote aufweist. 287 Eine Makelquote ist aber vom Gesetzgeber nicht vorgesehen und würde zu systematischen Umgehungen der Strafbarkeit führen. 288 283 Diese sind in § 2 Abs. 2 EStG definiert als der Gewinn beziehungsweise der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten. 2S4 Vgl. BGH wistra 1999, 103, 104. 2g 5 Vgl. zu dieser Lösung Neuheuser in MK, § 261 StGB Rn. 52 f. unter Berufung auf BGH NJW 1958, 1244 f. sowie BT-Drucks. 12/3533, 12; BR-Drucks. 507/92, 28. 256 So auch Müllen DStR 2002, 1641, 1648. 257 Vgl. dazu Barton,, NStZ 1993, 159, 163; Leip, Geldwäsche, 109 ff.; Leip/Hardtke, wistra 1997, 281,283. 288

1

Zutreffend Neuheuser in MK, § 261 StGB Rn. 54.

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

Überzeugend ist eine betragsmäßige Bemakelung, so dass wirklich lediglich ein der Steuerersparnis entsprechender Betrag kontaminiert ist, der sodann von dem Restbetrag der Einnahmen abzugrenzen ist. Eine Geldwäsche ist dann nicht möglich, wenn jemand von dem Vortäter eine Zahlung bis zur Höhe der redlich erworbenen Einnahmen erhält, da dann die deliktische Herkunft des „Gegenstandes" nicht erwiesen ist. Übersteigt der verschaffte Geldbetrag hingegen diese Größe, so steht fest, dass er zumindest teilweise aus inkriminierten Geldern stammt. 289 Benders Erwägungen, 290 entweder den Grundsatz „first in first out" anzuwenden oder das Vermögen eines Steuerhinterziehers, der nach Tatbegehung einen der Ersparnis entsprechenden Geldbetrag ausgegeben hat, wieder als sauber anzusehen, können demgegenüber nicht überzeugen. Denn für die Geldwäschestrafbarkeit muss feststehen, dass das Tatobjekt zumindest teilweise aus der Vortat herrührte. Nach der Fifo-Methode („first in first out") wird hingegen einfach unterstellt, dass der Gegenstand, der dem Vermögen zuerst hinzugefügt wurde, auch zuerst wieder aus ihm entfernt wird, sei es durch Verbrauch, Verkauf oder ähnliche Vorgänge. Die Anwendung der Fifo- und der Lifo-Methode („last in first out") hat der Bundesfinanzhof bereits hinsichtlich der Frist der steuerrechtlichen Norm des § 23 EStG abgelehnt, die nicht auf diesem Wege fingiert werden dürfe, sondern deren Erfüllung für eine Besteuerung feststehen müsse.291 Derartige Methoden können daher erst recht nicht dazu benutzt werden, um Tatbestandsmerkmale einer Strafnorm zu fingieren. Nur wenn sich die Tathandlung auf einen so großen Betrag der Einnahme bezog, dass zwingend zumindest auch Teile der Ersparnis darin repräsentiert sind, ist erwiesen, dass das Tatobjekt jedenfalls teilweise aus der Vortat herrührte. Gegen diese Lösung spricht auch nicht der Einwand Vogelbergs, dass eine Bemakelung allein der Ersparnis den Leerlauf des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB zur Folge habe und daher nicht der gesetzgeberischen Intention entspreche. Vogelberg geht nämlich davon aus, dass eine Geldwäsche nur dann begangen werden könne, wenn das Vermögen des Steuerhinterziehers auf den der Ersparnis entsprechenden Betrag verringert worden sei. 292 Dies entspricht aber nicht der hier favorisierten Lösung, nach der auf die konkreten Einnahmen, nicht das Gesamtvermögen, abzustellen ist. Nicht zu verkennen ist allerdings, dass dieser Ansatz bei einigen Steuerarten nicht weiterführt, und zwar bei denjenigen, die die Steuerpflicht nicht an eine Einnahme, einen Umsatz oder entsprechenden Vorgang anknüpfen. Ein Beispiel ist die bereits erwähnte Grunderwerbsteuer, bei der grundsätzlich das Rechtsgeschäft, durch welches der Anspruch auf Übereignung des Grundstücks begründet wird, 289 Ebenso Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 9, Stand August 2002; Hoyer in SK StGB § 261 Rn. 14, Stand August 2001; Stree in Sch/Sch, § 261 StGB Rn. 9 m. w. N. 290 Vgl. Bender, ZfZ 2002, 366, 369. 291 BFH, BStBl. II 1994, 591, 593. 292 Vogelberg, PStR 2002, 243, 244.

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der Steuer unterliegt. Anders als unter § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB a. F., der „Vermögensbestandteile" erfasste, kann von § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB n. F., der auf die „ersparten Aufwendungen" abstellt, auch nicht mehr der Anspruch beziehungsweise das an die Stelle des Anspruchs tretende Grundstück als bemakelt angesehen werden. Die ersparten Aufwendungen sind hier wirklich im Gesamtvermögen vorhanden. Daher muss die ansonsten auf die verschwiegenen Einnahmen anzuwendende Lösung in derartigen Fällen auf das Gesamtvermögen übertragen werden. Das heißt, eine Geldwäsche ist nur möglich, wenn sich die Tathandlung auf einen so großen Teil des Vermögen des Steuerhinterziehers bezieht, dass die Höhe des Wertes des Vermögens abzüglich der Steuerersparnis überschritten ist. Es bleibt anzumerken, dass es sich hierbei um ein eher theoretisches Problem handelt, da eine Grunderwerbsteuerhinterziehung, deren Steuersatz derzeit 3,5% beträgt (§ 11 Abs. 1 GrEStG), nur in den seltensten Fällen ein großes Ausmaß erreichen wird und auch der Steuersatz anderer Steuerarten, die die Steuerpflicht nicht an Einnahmen oder vergleichbare Vorgänge anknüpfen, etwa die Grundsteuer oder die Aufwandsteuern 293, recht niedrig ist. Es ist zuzugeben, dass sich die Beschränkung der Bemakelung auf die verschwiegenen Einnahmen am Rande dessen bewegt, was durch Auslegung gewonnen werden kann. 294 Jedoch werden die Grenzen der Auslegung nicht überschritten. Diese Interpretation verstößt insbesondere nicht gegen den Wortsinn des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB, welcher eine Auslegungsgrenze bildet, da sie - genau wie es der Wortlaut vorschreibt - die ersparten Aufwendungen erfasst. Das Gesetz äußert sich nicht dazu, in welcher Weise die Ersparnis abzugrenzen und zu konkretisieren ist. Genau genommen beschränkt sich die hier gefundene Auslegung auf die Lösung dieses - ungeregelten - Problems. Ein Verstoß gegen den Gesetzeswortlaut scheidet daher aus. Dieser Ansatz vermeidet eine übermäßige Gesamtbemakelung und allein er erscheint sachgerecht. Alternativ zu der hier vertretenen Lösung käme in Betracht, in allen Fällen auf das Gesamtvermögen abzustellen und sodann - im Ergebnis wie Stahl - zu fordern, dass sich die Geldwäschehandlung auf einen so großen Teil des Vermögens des Steuerhinterziehers beziehen muss, dass davon zumindest teilweise auch die Ersparnis erfasst ist. Denn nur dieser Ansatz beachtet - ebenso wie der hier favorisierte - sowohl den Gesetzeswortlaut, welcher ausdrücklich die ersparten Aufwendungen bemakelt sehen will, als auch den Nemo-tenetur-Grundsatz. Würde allerdings nicht nur in Ausnahmefällen, wie der Grunderwerbsteuer, sondern generell das Gesamtvermögen und nicht nur die Einnahmen für maßgeblich erachtet, würde 293 Darunter fallen etwa die Hundesteuer oder die Zweitwohnungsteuer. Umstritten ist die Qualifikation der Kaftfahrzeugsteuer, vgl. Birk, Rn. 93. 294 Vgl. zu den Kriterien und Grenzen der Auslegung BVerfGE 71, 108, 115; BVerfGE 73, 206, 235; BVerfGE 90, 263, 275; BVerfG NJW 1982, 1512; BGHSt 1, 74, 75, BGHSt 1, 158, 161 ff.; BGHSt 1, 293, 296; BayObLG NJW 70, 479, 480; Eser in Sch/Sch, Vorbem. § 1 StGB, Rn. 30; Nolle in v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 103 Abs. 2 GG, Rn. 157; Tröndle/ Fischer, 52. Aufl., § 1 Rn. 11.

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§ 261 Abs. 1 Satz 3 StGB in der Variante der ersparten Aufwendungen leer laufen. Denn im Allgemeinen wird das gesamte Vermögen weit größer sein als die bloße Steuerersparnis. Ein Leerlauf entspräche sicherlich nicht der gesetzgeberischen Intention und kann daher nur angenommen werden, wenn keine andere sachgerechte Möglichkeit besteht, was vorliegend hingegen der Fall ist. Andernfalls läge ein Verstoß gegen das Analogieverbot vor, welches neben dem Verbot, eine Sanktion über den Wortsinn hinaus zu begründen, 295 auch dazu dient, die Beachtung der gesetzgeberischen Intention gegenüber zweckwidrigen Auslegungen, die den Wortsinn nicht überschreiten, zu sichern. 296 Wie auch in der jüngeren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den Sitzblockaden, kann zwar hinsichtlich § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB heutiger Fassung keine konkrete gesetzgeberische Absicht identifiziert werden, jedoch kann ein Leerlauf der Norm nicht beabsichtigt gewesen sein. 297 Es verbleibt somit dabei, dass grundsätzlich die konkret verschwiegenen Einnahmen bemakelt sind, aber nur in Höhe der Ersparnis. Dabei muss sich die Geldwäschehandlung auf einen so großen Teil der Einnahmen beziehen, dass darin zumindest teilweise auch inkriminierte Gelder in Form der Steuerersparnis enthalten sind. Ist ein Abstellen auf konkrete Geldflüsse nicht möglich, ist die Ersparnis wirklich nur im Gesamtvermögen vorhanden. Dann muss sich die Geldwäschehandlung auf einen so großen Teil des Gesamtvermögens beziehen, dass der verbleibende Betrag kleiner ist als die Steuerersparnis. Eine Geldwäschestrafbarkeit dürfte in derartigen, wohl praktisch ohnehin, wegen des Erfordernisses der Steuerhinterziehung in großem Ausmaß, selten auftretenden Fällen, nahezu ausgeschlossen sein. g) Lösung der Beispielsfälle

29S

Nach der hier vertretenen Auslegung wäre in Fall 14 zu überprüfen, ob das Geld, mit dem V den Lieferanten, den Arbeitnehmer und den Bäcker bezahlt hat, aus den jeweils nicht verbuchten Geschäftsvorfällen stammt. Selbst wenn dies der Fall ist, entfällt jedenfalls hinsichtlich des Bäckers bereits der objektive Tatbestand der Geldwäsche, da das Brot nicht teurer ist als der die Steuerersparnis übersteigende Teil der Einnahme. Hinsichtlich des Lieferanten und des Arbeitnehmers wären diese Fragen der Herkunft und Höhe der Gelder genauer zu klären. Kann dies nicht nachgewiesen werden, scheidet eine Geldwäsche aus. Bei dieser Frage 295 BVerfGE 71, 108, 116; BVerfGE 82, 236, 269; BVerfGE 85, 69, 73; BVerfGE 92, 1, 12; Eser in Sch/Sch, § 1 StGB Rn. 37 m. w. N.; Nolte in v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 103 Abs. 2 GG, Rn. 157 m. w. N. 296 BVerfGE 92, 1, 16 ff. kritisch insofern das Sondervotum der Richter Seidl, Söllner und Haas, 21; Küper, JuS 1996, 783, 785 f.; Nolte in v. Mangoldt/ Klein/ Starck, Art. 103 Abs. 2 GG, Rn. 159. 297 Vgl. BVerfGE 92, 1, 18 f.; ähnlich BGH NJW 1998, 1568, 1576. 298 Vgl. oben unter 4. Teil, B. II.

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wird man praktisch regelmäßig zum allgemeinen Problem der Vermischung gelangen. Diesem soll hier aber nicht weiter nachgegangen werden. Selbst wenn es sich um Gelder aus den Geschäftsvorfällen handelt, müsste denjenigen, die sich das Geld verschaffen, Vorsatz und bezüglich der inkriminierten Herkunft der Gelder mindestens Leichtfertigtkeit nachgewiesen werden. Leichtfertigkeit wäre zu bejahen, wenn sich die kriminelle Herkunft nach der Sachlage aufdrängt und der Täter dies aus besonderer Gleichgültigkeit oder grober Unachtsamkeit außer Acht lässt. 299 Sie wäre beispielsweise denkbar, wenn der Arbeitnehmer in der Buchhaltung tätig wäre und daher von der unrichtigen Verbuchung der Gelder wusste sowie auch für die Auszahlung der Gehälter zuständig wäre. Dafür und auch ansonsten liegen für eine Bejahung des subjektiven Tatbestands jedoch keine Anhaltspunkte vor. Der Lieferant, der Arbeitnehmer und der Bäcker sind daher straflos. In Fall 15 muss desgleichen überprüft werden, ob das Honorar aus den konkret verschwiegenen Einnahmen entnommen ist und größer ist als deren Gesamtbetrag abzüglich der Steuerersparnis. Ist dies nicht der Fall, hat sich der Steuerberater allenfalls wegen versuchter Geldwäsche strafbar gemacht. Liegt hingegen ein taugliches Tatobjekt vor, ist der objektive Tatbestand der Geldwäsche gem. § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB erfüllt. Fraglich bleibt der subjektive Tatbestand. Zumindest bedingter Vorsatz bezüglich der Vortat kann aufgrund der Zeitungslektüre angenommen werden. Nach § 261 Abs. 5 StGB ist der Steuerberater bereits strafbar, wenn er hinsichtlich der Herkunft des Geldes leichtfertig handelte. Ihm müsste nachgewiesen werden, dass sich die kriminelle Herkunft aufdrängte und er dies aus besonderer Gleichgültigkeit oder grober Unachtsamkeit außer acht gelassen hat. In Betracht kommt Leichtfertigkeit insbesondere deswegen, weil der Steuerberater von dem Ermittlungsverfahren wusste und Steuerberater regelmäßig einen recht guten Einblick in die Vermögensverhältnisse ihrer Mandanten haben. Hier sind wiederum die Umstände des Einzelfalles maßgeblich. Hätte sich die kriminelle Herkunft dem Steuerberater nach seinen Unterlagen oder sonstigen Informationen aufdrängen müssen, ist er wegen Geldwäsche strafbar. Dies führt zu dem noch zu erörternden Problem, ob eine derart weitreichende Strafbarkeit von Steuerberatern und Rechtsberatern auf Steuer- und steuerstrafrechtlichem Gebiet in Anbetracht dessen gerechtfertigt werden kann, dass diese Personen aufgrund der Eigenheiten ihres Berufs die wirtschaftlichen Verhältnisse ihrer Mandanten beziehungsweise die Hinterziehungsvorwürfe kennen. Nach § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB in Verbindung mit § 370a AO in der Fassung des Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetzes waren in Fall 16 die Mieteinnahmen und die Grundstücke inkriminiert. Das Mietobjekt selbst war weder nach der Altnoch nach der Neufassung des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB inkriminiert, ein Erwerber des Objekts kann und konnte sich nicht der Geldwäsche strafbar machen. Hinsichtlich der Grundstücke, deren Wert ein Vielfaches der ersparten Steuern beträgt, ver299 BT-Drucks. 12/989, 28; Körner, NStZ 1996, 64, 66, Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB, Rn. 42 m. w. N.

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

stieß die Bemakelung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. 300 Durch die novellierte Fassung des § 370a AO ist dieser Verstoß jedoch abgewendet worden. Die Steuerhinterziehungen des W stellen danach schon keine taugliche Geldwäschevortaten dar, da ein großes Ausmaß nicht erreicht wird. Die Grundstücke sind nicht bemakelt, auch deren Erwerber könnten folglich keine Geldwäsche begehen. In Fall 17 ist nach der hier vertretenen Auslegung mangels großen Ausmaßes ebenfalls keine gewerbsmäßige Steuerhinterziehung gegeben, so dass sich auch keine Geldwäsche anschließen kann. Dies verdeutlicht, dass eine restriktive Auslegung des § 370a AO nicht nur zum Zwecke der Begrenzung der Strafbarkeit nach dieser Vorschrift erforderlich ist, sondern auch zur Beschränkung ihrer bedeutenden Folgen, wie der möglichen Anschlusstat einer Geldwäsche, auf schwerwiegende Fälle. Unterstellt, es läge § 370a AO als Vortat vor, so wären allein die Einnahmen aus Kapitalvermögen, und zwar in Höhe der Steuerersparnis bemakelt. Beließe X diese auf seinem Luxemburger Konto, fände insoweit eine Vermischung statt, jedoch nicht darüber hinaus. Entnähme X das Geld für den Autokauf nicht diesem Kontobestand, schiede eine Geldwäsche von vornherein aus. Bezahlte X das Auto hingegen von diesem Konto, wäre Y dennoch straflos, da der über die Ersparnis hinausgehende Kontobestand den Kaufpreis übersteigt, so dass nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden könnte, dass das verschaffte Geld zumindest teilweise aus der Vortat herrührte. Auf den subjektiven Tatbestand käme es nicht mehr an, Y wäre straffrei. Eine Strafbarkeit des Y ist selbst in dem Fall nicht denkbar, dass X sich die verschwiegenen Kapitaleinnahmen auf ein gesondertes Konto überwiesen ließ, da selbst dann das verschaffte Geld genau die anderen 50 000 Euro sein könnten, aus denen sich die 100 000 Euro Zinseinnahmen zusammensetzten.

III. Im Besonderen: Das Honorar von Rechtsanwälten und Steuerberatern im Rahmen der Geldwäsche 1. Darstellung Als besonderes Problem wird seit langem, 301 und seit Einführung des § 370a AO verstärkt, die Geldwäsche durch Rechtsberatern auf Steuer- und steuerstrafrechtlichem Gebiet durch Annahme ihres Honorars diskutiert. 302 Vor In-Kraft300

Ebenso Samson, FS Kohlmann, 263, 266 f. 301 Vgl. nur Barton, StV 1993, 156 ff.; ders., JuS 2004, 1033; Bernsmann, StV 2000, 40 ff.; Hombrecher, JA 2005, 67 ff.; Sauer, wistra 2004, 89 ff. 302 Vgl. u. a. Götzens/Schneider, wistra 2002, 121 ff.; Hunsmann, Stbg 2004, 409, 411 ff.; Kohlmann, § 370a AO Rn. 55, Stand Oktober 2002; Müller, DStR 2002, 1641, 1647; Salditt, StV 2002, 214, 218; Spatscheck/Wulf, DB 2001, 2572, 2574 f.; Wessing, NJW 2003, 2265, 2270 f. Oberloskamp, AO-StB 2003, 355, 357 f.; ders., StV 2002, 611, 617 weist auch auf

B. Reichweite und Folgeprobleme des § 370a AO

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Treten des Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetzes war ein Steuerberater wegen Beteiligung an einer Steuerhinterziehung strafbar, wenn er aktiv an der Steuerhinterziehung seines Mandanten mitwirkte. Durch die Einführung des § 370a AO wurde die Strafbarkeitsschwelle jedoch „sehr drastisch" abgesenkt.303 Nunmehr setzt sich der Berater nämlich dem Strafbarkeitsrisiko, und zwar wegen Geldwäsche, schon dann aus, wenn er lediglich sein Honorar von einem gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterzieher annimmt, ohne aktiv an der Steuerhinterziehung seines Mandanten mitzuwirken. Der Geldwäschetatbestand ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs uneingeschränkt auch auf Strafverteidiger anwendbar, so dass dieser, wenn er sich seinen Honoraranspruch aus inkriminierten Geldern befriedigen lässt, eine Geldwäsche gem. § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB begehen könne. Es existiere kein Verteidigerprivileg. 304 Denn ein Beschuldigter, dem lediglich bemakelte Vermögenswerte zur Verfügung stehen, stehe einem mittellosen Beschuldigten gleich, so dass er kein Recht auf Wahlverteidigung habe. Die Pflichtverteidigung sei keine Verteidigung minderer Güte. Nur durch die konsequente Anwendung des § 261 StGB könne sein Zweck - die wirtschaftliche Isolierung des Straftäters - erreicht werden. 305 In Anbetracht dieser Rechtsprechung wurde befürchtet, dass bereits die Alltagsberatung in ein „Geldwäschedilemma" verstrickt werde. 306 Die Rechtsberatung in Steuer- und Steuerstrafsachen werde nahezu unmöglich gemacht und die Wahlverteidigung auf dem Gebiet der Steuerstrafverteidigung werde, insbesondere in Anbetracht der sehr weitgehenden Kontaminierung des Vermögens des Steuerhinterziehers, faktisch verhindert. 307 Die Annahme leichtfertigen oder bedingt vorsätzlichen Handelns liege sowohl bei einem Steuerberater, der in der Regel über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse informiert sei, als auch bei einem Strafverteidiger, der während des Ermittlungsverfahrens von den Vorwürfen gegen seinen Mandanten erfährt, nahe. 308 Burger hingegen erachtet die Befürchtungen für unbegründet, da in jedem Einzelfall eine konkrete Verbindung zwischen Honorar und Vortat bestehen müsse, was im Allgemeinen, wenn der Steuerhinterzieher auch über versteuerte Einnahmen verfügt, nicht erwiesen werden könne. Im Zweifel sei zugunsten des mutmaßdie Gefahren für Veranlagungsbeamte der Finanzverwaltung hin, die durch die Steuerveranlagung von Steuerzahlern, von denen sie leichtfertig nicht wissen, dass sie gewerbs- oder bandenmäßig Steuern hinterzogen haben, eine Geldwäsche begehen. 303 Vgl. dazu Oberloskamp, StV 2002, 611, 616. 304 BGH wistra 2001, 379, 380 ff. 305 BGH wistra 2001, 379, 381; Katholnigg, NJW 2001, 2041 ff.; sehr kritisch Nestler, StV 2001,641 ff. m. w. N. 306 Salditt, StV 2002, 214, 218. 307 Stellungnahme des Strafrechtsausschusses des DAV, AnwBl. 2002, 27, 28; Burger, wistra 2002, 1, 6; Kohlmann, § 370a AO Rn. 55, Stand Oktober 2002; Spatscheck/Wulf, DB 2001,2572, 2574 f. 308 Hunsmann, Stbg 2004, 409, 411.

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liehen Geldwäschers zu verfahren. 309 Hinzu komme, dass der Steuerberater nur in Ausnahmefällen zumindest bedingten Vorsatz hinsichtlich der Vortat habe und leichtfertig die inkriminierte Herkunft des Honorars verkenne. Wenn diese Voraussetzungen allerdings erfüllt seien und der Mandant nur über unversteuertes Vermögen verfüge, sei eine Bestrafung wegen Geldwäsche gerechtfertigt. 310 Auch Meyer hält es weiterhin für möglich, einen Mandanten in einem Verfahren wegen schwerer Steuerhinterziehung zu vertreten, ohne fälschlicherweise oder leichtfertig davon auszugehen, dass das Honorar aus „sauberem Geld" stammt. Im Zweifel müsse der Anwalt oder Steuerberater nachfragen oder könne sich durch Entgegennahme eines Vorschusses davor schützen, dass er aufgrund eines später entstandenen Verdachts leichtfertig handelt. Angesichts dieser beiden Möglichkeiten sieht Meyer keine schwerwiegenden Auswirkungen auf die Beratungspraxis. 311 Keine wesentlichen Änderungen für die Rechts- und Steuerberatung ergibt die Erweiterung in § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB auch nach Spatscheck/Wulf, da sie § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB für nicht auf § 261 Abs. 2 StGB anwendbar halten. 312 Der Berater könne durch Entgegennahme seines Honorars nur dann eine Geldwäsche begehen, wenn der Vortäter unrechtmäßige Steuererstattungen erlangt hat, wie beispielsweise aus einem Umsatzsteuerkarussell. Diese Fälle seien aber schon zuvor über §§ 261 Abs. 1 Nr. 5, 129 StGB erfasst worden. 313 Die überwiegende Anzahl der Autoren hält die neue Rechtslage jedoch für überaus problematisch. 314 Der Steuerstrafprozess in seiner bisherigen Gestalt sei immanent gefährdet, da es einem potenziellen Steuerhinterzieher praktisch verwehrt werde, sich rechtlich beraten zu lassen. Das „Leitbild der freien Advokatur" sei beeinträchtigt. Zwangsläufige Folge der Gesetzesänderung sei entweder, dass in vielen Fällen die moderierende und häufig verfahrensbeschleunigend wirkende Rolle des Beraters wegfalle oder, dass die für den Staat kostspielige Pflichtverteidigung zur Regel werde. 315 Denn bei einer Bestellung als Pflichtverteidiger trage der Staat gem. § 97 BRAGO die Verteidigerkosten, so dass der Verteidiger nicht auf die Entgegennahme eines Honorars von seinem Mandanten angewiesen sei. 316 Problematisch dabei sei zudem, dass die Beiordnung als Pflicht309

Burger, wistra 2002, 1, 6; insoweit zustimmend Kohlmann, § 370a AO Rn. 56, Stand Oktober 2002; Sauren, ZEV 2002, 223, 227; ders. ZEV 2002, 404, 405; Stahl, KÖSDI 2002, 13204,13212. 31 0 Burger, wistra 2002, 1, 6. 3 »i Meyer in Hund/Johnigk/Wollburg, DStR 2002, 879, 883. 3 i2 Spatscheck/Wulf, DB 2002, 392, 396; zustimmend Stahl, Selbstanzeige, Rn. 469. Gänzlich anders sahen Spatscheck /Wulf dies noch in DB 2001, 2572, 2574 f., wo sie tief greifende Einschränkungen der Steuer- und Steuerstrafverteidigung befürchteten. 3 3

^ Spatscheck/Wulf, NJW 2002, 2983, 2987. 14 Vgl. u. a. Hunsmann, Stbg 2004, 409, 411 ff.; Kohlmann, § 370a AO Rn. 56, Stand Oktober 2002; Salditt, StV 2002, 214, 218; Stahl, KÖSDI 2002, 13204, 13211 f.; Wannemacher/Meyer in Beermann, § 370a AO Rn. 87, Stand Dezember 2002. 315 Stellungnahme des Strafrechtsausschusses des DAV, AnwBl. 2002, 27, 29; a. A. Hetzer, ZfZ 2002, 38, 44. 3

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Verteidiger gem. § 141 Abs. 1 StPO in der Regel erst durch das Gericht nach Anklageerhebung erfolge. Im Vorverfahren könne der Beschuldigte nur auf die Ausübung des alleinigen Antragsrechts der Staatsanwaltschaft oder des Finanzamtes (§ 399 Abs. 1 AO) hoffen. Im steuerlichen Einspruchs- und Gerichtsverfahren könne sich der Beschuldigte mangels Möglichkeit einer Bestellung als „Pflicht"-Vertreter gar nicht anwaltlich beraten gegen den Hinterziehungsvorwurf wehren, da der nach Erhebung eines derartigen Vorwurfs mit dem Mandat betraute Rechtsanwalt in der Regel mindestens leichtfertig im Sinne des § 261 StGB sei. 317 Die gleiche Schwierigkeit stelle sich bei der Honorarannahme für die Mitwirkung an einer Selbstanzeige, welche der Steuerberatung und nicht der Verteidigung zuzurechnen sei. 318 Selbst wenn die angestrebte Beschränkung des § 370a AO auf schwere Fälle gelänge, sei nicht gewährleistet, dass sich die dargestellten Folgen nur auf diese Konstellationen auswirken, da die Ermittlungsbehörden zunächst immer von dem größtmöglichen Steuerschaden ausgingen und somit der Anwalt gezwungen sei, Selbiges zu tun. 3 1 9 Neben einem Antrag auf Beiordnung zum Pflichtverteidiger wird als Ausweg vorgeschlagen, dass der Anwalt oder Steuerberater sich sein Honorar von einem an der Steuerhinterziehung unbeteiligten Dritten zahlen lassen solle. 320 Salditt befürwortet wegen der normativen Qualität des Vermögensmakels differenzierende Lösungen, orientiert am Zweck des § 261 StGB, ohne jedoch konkrete Vorschläge zu unterbreiten. 321 Weiterführend hält Oberloskamp eine Gesetzesänderung in dem Sinne für wünschenswert, dass eine Strafbarkeit wegen Geldwäsche nur vorliegen könne, wenn die Verschaffung des Honorars mit einer Verschleierungshandlung verbunden war. 322 2. Stellungnahme Das berufsbedingt bereits zuvor erhöhte Geldwäscherisiko von Rechts- und Steuerberatern ist durch die Einfügung des § 370a AO weiter gesteigert worden. Dies belastet nicht nur das Vertrauensverhältnis zwischen Berater und Mandant 316

Die Beiordnung als Pflichtverteidiger schlagen als Lösung vor Kohlmann, § 370a AO Rn. 56, Stand Oktober 2002; Ott, PStR 2002, 41, 46; Spatscheck/Wulf, DB 2001, 2572, 2574 f; Vogelberg, PStR 2002, 243, 244. 317 Spatscheck/Wulf, DB 2001, 2572, 2574 f; ebenso Kohlmann, § 370a AO Rn. 56, Stand Oktober 2002. 3

18 Vogelberg, PStR 2002, 243, 245, der selbst für den Fall, dass man für die Selbstanzeige die Pflichtverteidigung ermöglichen sollte, es als unüberbrückbares Hindernis ansieht, dass die für die Bestellung notwendigen Angaben Ausschlussgründe i. S. d. § 371 Abs. 2 AO bewirken würden. 319 Spatscheck/Wulf, DB 2001, 2572, 2575. 320 Stahl, KÖSDI 2002, 13204, 13212; Wannemacher/Meyer Rn. 87, Stand Dezember 2002. 321 Salditt, StV 2002, 214, 218. 322 Oberloskamp, AO-StB 2003, 355, 358.

in Beermann, § 370a AO

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schwer. Fraglich ist auch, ob die neue Rechtslage eine noch verfassungsrechtlich zulässige Gefahr darstellt. Für den Bereich der Strafverteidigung hat ein kürzlich ergangenes Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine bedeutende Einschränkung gebracht. 323 Danach ist § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass er auf Strafverteidiger nur Anwendung findet, wenn sie im Zeitpunkt der Annahme des Honorars sichere Kenntnis 324 von dessen Herkunft hatten. 325 Ansonsten handele es sich um einen gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoßenden und daher nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Strafverteiger gem. Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG und eine Gefährdung des verfassungsrechtlich verbürgten Instituts der Wahlverteidigung (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). 326 § 261 Abs. 5 StGB sei folglich auf die Honorarannahme durch Strafverteidiger nicht anwendbar. 327 Die Begründung des gegenteiligen Urteils des Bundesgerichtshofs, dass ein nur über bemakelte Vermögenswerte verfügender Mandant einem mittellosen Beschuldigten gleichzustellen sei, berücksichtige die Unschuldsvermutung nicht. Auch die Möglichkeit des Strafverteidigers, einen Antrag auf Beiordnung zum Pflichtverteidiger zu stellen, rechtfertige keine andere Bewertung, da die Pflichtverteidigung ein „Sonderopfer des Strafverteidgers im öffentlichen Interesse" sei. 328 Dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichts begegnet dem Großteil der vorgebrachten Zweifel und Kritik bezüglich der Gefahren für die Strafverteidigung. Der Strafverteidiger ist kraft seiner Aufgabe verpflichtet, die Sicht der Strafverfolgungsbehörden kritisch zu hinterfragen und wegen der Unschuldsvermutung davon auszugehen, dass sein Mandant die Tat nicht begangen hat. 3 2 9 Da eine Bemakelung des Gesamtvermögens verfassungswidrig wäre und nach richtiger Auslegung nur erfolgt, wenn wirklich nahezu das gesamte Vermögen aus gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehungen stammt, nicht also bei bloßer Ersparnis von Steuern, ist ein Fall, in dem der Strafverteidiger positive Kenntnis von der kriminellen Herkunft seines Honorars hat, eher die Ausnahme, zumal er zu Nachforschungen über die Herkunft des Geldes nicht verpflichtet ist. 3 3 0 Allein die Übernahme des Mandats begründet nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls keinen Anfangsverdacht. 331 Hat der Strafverteidiger hingegen sichere Kenntnis von 323 BVerfG NJW 2004, 1305 ff.; vgl. dazu Müssig, wistra 2005, 201 ff. 324 Hervorhebung durch Verfasserin. 325 I.E. ebenso Heerspink, AO-StB 2003, 415, 417 ff., der dies allerdings aus den Pflichten des Beraters nach dem GwG schlussfolgert. 326 BVerfG NJW 2004, 1305, 1306, 1311. 327 328 329 330

BVerfG BVerfG BVerfG BVerfG

NJW NJW NJW NJW

2004, 2004, 2004, 2004,

1305, 1305, 1305, 1305,

1312. 1313. 1313. 1311.

331 BVerfG NJW 2004, 1305, 1312.

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der Herkunft des Geldes, ist es gerechtfertigt, ihn wegen Geldwäsche zu bestrafen, denn ein strafrechtsfreier Raum ist vom Grundgesetz nicht gefordert. 332 Das Erfordernis des sicheren Wissens des Strafverteidigers um die Herkunft des Honorars ist auch im Rahmen der strafprozessualen Zwangsmaßnahmen zu beachten. Wird für diese Maßnahmen ein Anfangsverdacht vorausgesetzt, darf das sichere Wissen nicht einfach vermutet werden. Vielmehr muss der Ausstrahlungswirkung der Berufsausübungsfreiheit der Strafverteidiger angemessen Rechnung getragen werden. 333 Allerdings beziehen sich die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nur auf Strafverteidiger. Die ebenso problematische Rechtslage für steuerliche Berater ist noch nicht abschließend geklärt. Sollte § 261 Abs. 5 StGB in Zukunft auch auf die Honorarannahme durch diese Berufsgruppen nicht angewendet werden, wäre insoweit ebenfalls eine wesentliche Entschärfung bewirkt. Näher zu untersuchen ist hingegen, wie es sich verhält, wenn von dem derzeitigen Stand ausgegangen wird, dass § 261 Abs. 5 StGB uneingeschränkt auf Steuer- und Rechtsberater außerhalb des Gebiets der Strafverteidigung angewendet wird. Insbesondere Steuerberater, die langjährig mit ihren Mandanten verbunden sind, haben einen guten Einblick in dessen Verhältnisse, so dass eine Kenntnis der Sachlage bei ihnen recht nahe liegt. 3 3 4 Ebenso weiß der Rechtsanwalt, der einen Mandanten im steuerlichen Einspruchs- oder Finanzgerichtsverfahren wegen eines Hinterziehungsvorwurfs vertritt, von der Möglichkeit, dass die Gelder inkriminiert sind. 335 Zu unterscheiden sind die Fälle, in denen durch die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung lediglich Steuern erspart wurden und solche, in denen dem Täter tatsächlich Gelder zugeflossen sind. Mit einer bloßen Ersparnis von Steuern ist in aller Regel eine weit größere Einnahme verbunden, die nach der hier vertretenen Auslegung des § 261 Abs. 1 Satz 3 Var. 1 StGB in der Höhe, die sich bei Abzug der Steuerersparnis ergibt, ebenso wenig bemakelt ist wie das restliche Vermögen. Daher dürfte in derartigen Fällen, die allerdings aufgrund des in § 370a AO geforderten großen Ausmaßes nicht häufig vorkommen werden, oft schon der objektive Tatbestand der Geldwäsche mangels tauglichen Tatobjekts zu verneinen sein. Der Berater kann - je nach Fallgestaltung - bei der bloßen Steuerersparnis im Allgemeinen davon ausgehen, dass sein Honorar nicht inkriminierten Geldern entstammt, ohne leichtfertig zu handeln. 336 Dass demgegenüber die Ansicht von Spatscheck/Wulf, dass § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB nicht auf § 261 Abs. 2 StGB anwendbar sei, welche ebenfalls eine wesentliche Erleichterung bedeuten würde, abzulehnen ist, wurde bereits dargelegt. 337 332 333 334 335 336 337

BVerfG NJW 2004, 1305, 1311. BVerfG StrafFO 2005, 159, 160. Zutreffend Harms, Stbg 2005, 12, 13. Kohlmann, § 370a AO Rn. 56, Stand Oktober 2002. Zum Begriff der Leichtfertigkeit ausführlich Sauer, wistra 2004, 89 ff. Vgl. oben unter 4. Teil, B. II.

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

Wirklich problematisch sind die Konstellationen, in denen durch die Steuerhinterziehung tatsächliche Zuflüsse erlangt werden. Denn in derartigen Fällen kann nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass der Steuerhinterzieher über nicht inkriminiertes Vermögen verfügt, welches ausreicht, um die Honorarforderung des Anwalts oder Steuerberaters abzudecken. Beispielsweise besteht der in einem Umsatzsteuerkarussell erzielte „Gewinn" häufig allein in ungerechtfertigten Vörsteuererstattungen, ohne dass die involvierten Personen auch anderen Tätigkeiten nachgehen, aus denen sie legale Einnahmen erzielen. Die Gefahr, dass ein Berater sich durch Annahme des Honorars der Geldwäsche schuldig macht, ist folglich immanent. Ist aus den ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und den ihm bekannten Informationen die inkriminierte Herkunft der Gelder nahe liegend, handelt er leichtfertig. Es verbleibt ihm somit nur die Möglichkeit, sich anderweitig abzusichern, etwa auf Honorarbegleichung durch einen Dritten zu dringen. Besteht eine entsprechende Möglichkeit nicht, kann er das Honorar nicht annehmen. Ob dies verfassungsrechtlichen Vorgaben standhält, ist zweifelhaft und wird noch näher zu untersuchen sein. Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass der subjektive Tatbestand einer Straftat schwer fassbar ist und die Ansichten der Strafverfolgungsbehörden diesbezüglich teilweise stark differieren. 338 Folglich hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass § 261 Abs. 5 StGB auf die Annahme des Strafverteidigerhonorars nicht anwendbar ist, das Risiko für diese Berufsgruppe zwar gemindert, aber nicht gänzlich beseitigt. Die vorgeschlagenen Absicherungen, einen Vorschuss aus nicht kontaminiertem Vermögen sowie eine entsprechende Versicherung seitens des Mandanten zu verlangen, auf Honorarbegleichung durch einen Dritten zu bestehen oder sich zum Pflichtverteidiger bestellen zu lassen, werden daher auch für Strafverteidiger weiterhin von Bedeutung bleiben. Für den Berater, der nicht mit der Strafverteidigung betraut ist, sind sie nach dem derzeitigen Stand sogar unerlässlich.

IV. Verfassungskonformität des § 261 StGB in Verbindung mit § 370a AO Die Verfassungskonformität des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB (in Verbindung mit 370a AO) wird auch nach der Neufassung von einigen Stimmen bestritten, 339 worauf im Folgenden kurz eingegangen werden soll. Vorgebracht werden Verstöße gegen das Rechtsstaatsprinzip, die Berufsausübungsfeiheit, das Willkürverbot 340 sowie das Verhältnismäßigkeitsprinzip. 341 338 Hunsmann, Stbg 2004, 409, 412. 339 Oberloskamp, AO-StB 2003, 355 ff.; ders., StV 2002, 611, 617; Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 8b, 16b. 340 Oberloskamp, StV 2002, 611 ff.; ders., AO-StB 2003, 355, 356. 341 Tröndle/ Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 8b.

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1. Die Einwände Oberloskamps Die verfassungsrechtlichen Beanstandungen Oberloskamps gründen auf der Annahme, dass der einer Straftat nach § 370a AO Verdächtige keinen Strafverteidiger oder Steuerberater mehr finden werde, da dieser sich durch Annahme seines Honorars der Gefahr der Geldwäsche aussetze. Davon ausgehend macht Oberloskamp zunächst eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren beziehungsweise des allgemeinen Prozessgrundrechts geltend, da es dem wegen § 370a AO Beschuldigten verwehrt sei, einen Wahlverteidiger seines Vertrauens zu finden oder eine rechtskundige Beratung in Anspruch zu nehmen. Durch § 261 StGB in Verbindung mit § 370a AO würden die Berufsstände Strafverteidiger und Steuerberater vernichtet, was auch gegen die Berufsfreiheit verstoße. 342 Richtig an diesen Einwänden ist, dass ohne restriktive Auslegung des § 261 StGB, wenn also eine Gesamtbemakelung stattfände und zudem § 261 Abs. 5 StGB uneingeschränkt anwendbar wäre, kein Steuerstrafverteidiger mehr bereit wäre, eine Verteidigung wegen gewerbs- oder bandenmäßiger Steuerhinterziehung zu übernehmen. Das Recht auf ein faires Verfahren, welches aus dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG abgeleitet wird, 3 4 3 wäre verletzt. Durch die Einschränkung des § 261 Abs. 1 Satz 3 Var. 1 StGB und die für Strafverteidiger entgegen § 261 Abs. 5 StGB geforderte positive Kenntnis der inkriminierten Herkunft wird der Verstoß jedoch abgewendet. Der Strafverteidiger ist dadurch hinreichend vor einer zu weitreichenden Geldwäschestrafbarkeit gesichert. Selbst wenn er positive Kenntnis der illegalen Herkunft des Honorars hat, besteht die Möglichkeit der Beiordnung zum Pflichtverteidiger, so dass auch in einem solchen Fall die Strafbarkeit sicher vermieden werden kann. Obgleich es sich bei Verteidigungen wegen § 370a AO oftmals um zeit- und kostenintensive Fälle handeln wird, in denen das Pflichtverteidigerhonorar mitunter nicht kostendeckend ist, kann davon ausgegangen werden, dass sich Verteidiger finden werden, die einen entsprechenden Fall übernehmen, zumal sie regelmäßig erst im weiteren Verlauf sichere Kenntnis der inkriminierten Herkunft des Honorars erlangen werden, somit nicht von vornherein wissen, dass eine Pflichtverteidigung notwendig ist. Dem gem. § 370a AO Beschuldigten wird nicht die Möglichkeit genommen, einen Wahlverteidiger zu finden. 344 Daher sind desgleichen die Berufsausübungsfreiheit der Strafverteidiger (Art. 12 Abs. 1 GG) und das von ihr umfasste Recht auf angemessene Vergütung 345 nicht 342 Oberloskamp, StV 2002, 611, 612; ders., AO-StB 2003, 355, 356. 343 BVerfGE 39, 156, 163; BVerfGE 57, 250, 274 f.; BVerfGE 63, 45, 60; BVerfGE 63, 380, 390. 344 Somit ist auch der Einwand Oberloskamps, StV 2002, 611, 612 f., nicht durchgreifend, dass gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen werde, weil der nicht mittellose Steuerhinterzieher ohne sachlichen Grund so isoliert werde, dass er keinen Wahlverteidiger mehr finden werde, während andererseits die Steuergesetze immer komplizierter würden. 345 Vgl. BVerfGE 54, 251, 271; BVerfGE 68, 193, 216; BVerfGE 83, 1, 13; BVerfGE 88,

145, 159.

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

verletzt. Der Steuerstrafverteidiger ist nicht in allen Fällen einer schweren Steuerhinterziehung großen Ausmaßes auf das Pflichtverteidigerhonorar angewiesen, sondern nur in denen, in denen er positive Kenntnis davon hat, dass das angebotene Honorar den konkret verschwiegenen Einnahmen entstammt. Eine Vernichtung des Berufsstandes Strafverteidiger aufgrund §§ 370a AO, 261 Abs. 1 Satz 3 StGB ist nicht zu erwarten. Schwieriger ist die Frage hinsichtlich Steuerberatern und auch Rechtsanwälten auf steuerlichem Gebiet zu beantworten, jedenfalls im Fall der Erlangung tatsächlicher Zuflüsse durch Steuerhinterziehungen in großem Ausmaß. Der Rechtsanwalt, auch der nicht strafverteidigend tätige, ist nach §§1,3 BRAO Organ der Rechtspflege, der dazu berufen ist, die Interessen seines Mandanten zu vertreten. Sein berufliches Tätigwerden liegt, ebenso wie das des Steuerberaters, welches in der Steuerberaterordnung geregelt ist, im Interesse der Allgemeinheit. 346 Das allgemeine Prozessgrundrecht gewährleistet die angemessene Rechtswahrnehmung durch Inanspruchnahme einer rechtskundigen Beratung, 347 also auch die Beratung durch Rechts- und Steuerberater. Für diese Berufsgruppen hat das Bundesverfassungsgericht (noch) nicht entschieden, dass § 261 Abs. 5 StGB auf die Honorarannahme nicht anwendbar ist. Ebenso wenig besteht zum sicheren Ausschluss ihrer Geldwäschestrafbarkeit die Möglichkeit einer „Pflichtsteuerberatung". Sie müssen die Annahme des Honorars folglich ablehnen, wenn die Möglichkeit nahe liegt, dass es aus inkriminiertem Vermögen stammt. In diesem Fall könnten sie eine Bezahlung ihrer Dienste nur erlangen, wenn beispielsweise ein unverdächtiger Dritter die Rechnung begleicht. Ein solcher Dritter, der bereit ist, die Zahlung zu übernehmen, wird aber nicht immer zu finden sein. Die vorgeschlagene Absicherung, einen Vorschuss aus nicht kontaminiertem Vermögen sowie eine entsprechende Versicherung seitens des Mandanten zu verlangen, ist nur realistisch, wenn der Berater bereits bei Übernahme des Mandats eine entsprechende Gefahr erkannt hat. Stellt sich diese erst im weiteren Verlauf heraus, wird es mitunter bereits zu spät sein. Zwar kann - entgegen Oberloskamp 348 - nicht davon ausgegangen werden, dass der gesamte Berufsstand der Steuerberater infolge der neuen Vorschriften gefährdet ist, zumal nicht alle Mandanten gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterzieher sein werden. Dennoch greifen § 261 StGB in Verbindung mit § 370a AO in die Berufsausübungsfreiheit von Steuerberatern und Rechtsberatern auf steuerlichem Gebiet ein. Fraglich ist, ob dieser Eingriff durch das Ziel der effektiven Bekämpfung der Organisierten Kriminalität 349 gerechtfertigt werden kann oder ob, wie bei Strafverteidigern, eine verfassungskonforme Reduktion dergestalt vorgenommen werden 346 Vgl. hinsichtlich Rechtsanwälten BVerfG NJW 2004, 1305, 1307. 347 BVerfGE 38, 105, 111; BVerfGE 57, 250, 274 f.; BVerfGE 78, 123, 126. 348 Oberloskamp, StV 2002, 611, 613 f.; ders., AO-StB 2003, 355, 356 f. 349 Vgl. BT-Drucks. 12/989, 26; BT-Drucks. 12/3533, 10 f.; BVerfG, NJW 2004, 1305, 1310.

B. Reichweite und Folgeprobleme des § 370a AO

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muss, dass § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB nur Anwendung findet, wenn die Berater im Zeitpunkt der Annahme des Honorars sichere Kenntnis von dessen Herkunft hatten. Für eine entsprechende Reduktion spricht, dass bei anderen Rechts- sowie Steuerberatern ebenfalls die bereits erörterten berufsbedingten Besonderheiten bestehen, die sie, im Hinblick auf § 261 StGB, einer erhöhten Gefahr aussetzen. Zudem besteht in diesen Fällen nicht einmal die Möglichkeit einer, die Strafbarkeit wegen Geldwäsche sicher ausschließenden „Pflichtsteuer- oder -rechtsberatung". Aufgrund der gegenüber Strafverteidigern noch gesteigerten Gefährdung von Rechtsberatern auf steuerlichem Gebiet ist § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB auch für diese Berufsgruppen teleologisch zu reduzieren, da die Vorschrift ansonsten einen unverhältnismäßigen Eingriff in deren Berufsausübungsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG bedingen würde. Durch diese verfassungskonforme Reduktion verletzt § 261 StGB in Verbindung mit § 370a AO die Berufsausübungsfreiheit gem. Art. 12 GG und das allgemeine Prozessgrundrecht nicht. Weiterhin wendet Oberloskamp ein, dass § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, weil ohne sachlichen Grund nur der Steuerberater eines schweren Steuerhinterziehers, nicht jedoch der Steuerberater eines sonstigen Kriminellen bestraft werde. 350 Dem könnte entgegnet werden, dass der Katalog der Geldwäschevortaten weit mehr Delikte erfasst als nur § 370a AO. Auch der Steuerberater eines sonstigen Kriminellen, der Honorar annimmt, das aus einer anderen Geldwäschevortat herrührt, erfüllt daher jedenfalls den objektiven Tatbestand der Geldwäsche. Jedoch hat der Steuerberater eines sonstigen Kriminellen weit weniger Einblick in dessen Machenschaften. Somit sind die Bedenken durchaus berechtigt. Eine Verletzung des Gleichheitsssatzes wird aber durch die hier vertretene verfassungskonforme Reduktion abgewendet, nach der der Steuerberater sich nur wegen Geldwäsche strafbar macht, wenn er sichere Kennntnis von der inkriminierten Herkunft des Honorars hat. Die verbleibende Ungleichbehandlung ist aufgrund der mit § 261 StGB bezweckten Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, welche ein wichtiger Gemeinschaftsbelang ist, 3 5 1 gerechtfertigt. Einen rechtsfreien Raum muss es nicht geben. 352 Durch die verfassungskonforme Einschränkung der Vorschrift wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist danach nicht gegeben. Des Weiteren macht Oberloskamp geltend, dass § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB aufgrund der durch die Vorschrift erreichten Einbindung der Steuerberater in die Strafverfolgung des Staates gegen das Legalitätsprinzip verstoße und daher rechtsstaatswidrig sei. Nach dem Legalitätsprinzip sei der Staat verpflichtet, die Voraussetzungen für die Durchsetzung seines Strafanspruchs selbst zu schaffen und nicht auf dem Umweg darüber, dass der gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterzieher aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen für Steuerberater keinen solchen 350 Oberloskamp, StV 2002, 611, 617; ders., AO-StB 2003, 355, 357. 351 BVerfGNJW 2004, 1305, 1310. 352 BVerfG NJW 2004, 1305, 1311. 15 Schneider

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

mehr finden werde. Die an das Legalitätsprinzip gebundene Staatsanwaltschaft dürfe sich daher der Steuerberater nicht gewissermaßen als „beliehene Unternehmer" bedienen.353 Die diesbezüglichen Ausführungen Oberloskamps gehen - unabhängig davon, dass der gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterzieher infolge der restriktiven Interpretation der Vorschrift auch in Zukunft regelmäßig einen Steuerberater finden wird - bereits im Grundsatz fehl. Inhalt des strafprozessualen Legalitätsprinzips, dessen Legitimationsgrundlage nach umstrittener herrschender Meinung in der Willkürfreiheit und im Gleichheitssatz liegt, 3 5 4 ist die Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörden, bei Vorliegen einer gesetzlich festgelegten Verdachtsschwelle einzuschreiten und gegebenenfalls Klage zu erheben, vgl. § 152 Abs. 2, § 160, § 170 Abs. 1 StPO. 355 Die Steuerberater werden aber durch § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB nicht verpflichtet, Ermittlungen aufzunehmen oder Anklage zu erheben. Die Verfolgungs- und Anklagepflicht der Staatsanwaltschaft und der in die Ermittlungen eingeschalteten Polizei (§ 163 StPO) hingegen besteht unverändert fort. Wodurch genau sich die Staatsanwaltschaft angeblich der Steuerberater als „beliehene Unternehmer" bedienen sollte, ist nicht ersichtlich. Möglicherweise ist die verstärkte Einbindung der Steuerberater in die Strafverfolgung, die durch die Anzeige- und Meldepflichten nach dem Geldwäschegesetz erreicht wurde, verfassungsrechtlich bedenklich. Durch § 261 StGB werden die Berater hingegen nicht stärker in die Aufklärung von Steuerhinterziehungsdelikten eingebunden. Selbst zur Vermeidung ihrer eigenen Geldwäschestrafbarkeit müssen die Berater aufklärende Maßnahmen nur insoweit treffen, als sie ansonsten leichtfertige Unkenntnis von der Herkunft ihres Honorars hätten. Letztlich liegen somit keine der von Oberloskamp vorgebrachten Verfassungsverstöße tatsächlich vor.

2. Verstoß gegen das Willkürverbot, Art. 3 GG Samson wendet ein, dass § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB bei einer Auslegung dergestalt, dass mit ersparten Aufwendungen die Geldbeträge gemeint sind, die aufgrund der Steuerhinterziehung erspart wurden, wegen Verstoßes gegen das Willkürverbot, Art. 3 GG, verfassungswidrig sei, da große Unsicherheiten sowohl in zeitlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht bestünden. Mindestvoraussetzung für die Strafbarkeit sei die Kausalität der Steuerhinterziehung für den Geldwäschegegenstand. Die Feststellung der Ursächlichkeit setze aber hypothetische Erwägungen „vielfältigster Art" voraus, weil die Aufwendungen gerade nicht stattgefunden 353 Oberloskamp, StV 2002, 611, 616 f. 354 BVerfGE 20, 162, 222; BVerfG NStZ 1982, 430; Hirsch, ZStW 1980, 218, 227; Willms, JZ 1957, 465. Vgl. näher Rieß in Löwe /Rosenberg, 24. Aufl., § 152 StPO Rn. 12. 355 Beulke, StPO, Rn. 17; Rieß in Löwe/Rosenberg, 24. Aufl., § 152 StPO Rn. 8. Über § 385 Abs. 1 AO ist auch die Finanzbehörde verpflichtet, vgl. Randt in FGJ, § 386 AO Rn. 17.

B. Reichweite und Folgeprobleme des § 370a AO

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haben. Zunächst müsse die Kausalität der ersparten Aufwendung für das Vorhandensein des Geldbetrages untersucht werden. Sodann müsse festgestellt werden, dass der Betrag, hinsichtlich dessen die Geldwäschehandlungen begangen wurden, mit dem kausal durch die Ersparnis verursachten Betrag identisch ist. Dies setze wiederum zumindest voraus, dass die Ersparnis der möglichen Geldwäsche zeitlich vorausging. Fraglich sei aber, zu welchem Zeitpunkt die Steuerschuld beglichen worden wäre - sofort nach Festsetzung der Steuer oder aber möglicherweise erst zehn Jahre später, im Rahmen der Vollstreckung nach endgültiger Entscheidung des Bundesfinanzhofs über die Klage des Steuerpflichtigen, der eine Aussetzung der Vollziehung erreicht hat. Weiterhin sei zweifelhaft, aus welchen Geldmitteln die Begleichung der Steuerschuld erfolgt wäre, welche vorhandenen Geldbeträge des Steuerpflichtigen somit als die ersparten Aufwendungen anzusehen und daher bemakelt sind. 356 Samson übersieht jedoch, dass der Großteil seiner Ausführungen infolge der gesetzlichen Festlegung in § 261 Abs. 1 Satz 3 Var. 1 StGB, dass die durch die Steuerhinterziehung ersparten Aufwendungen der taugliche Geldwäschegegenstand sind, hinfällig ist. Da durch diese Bestimmung fingiert wird, dass die ersparten Aufwendungen aus der Steuerhinterziehung erlangt wurden, wird man in zeitlicher Hinsicht darauf abstellen müssen, wann die Steuerhinterziehung vollendet wurde, 3 5 7 wann also, bei Tatbegehung durch aktives Tun der unrichtige Steuerbescheid bekannt gegeben wurde 358 oder - im Fall des Unterlassens bei Veranlagungsteuern - die Veranlagungsarbeiten im betreffenden Bezirk für den Zeitraum abgeschlossen wurden 359 beziehungsweise bei Fälligkeitsteuern der Fälligkeitszeitpunkt verstrichen ist. 3 6 0 Nach Vollendung der Steuerhinterziehung kann hinsichtlich der Steuerersparnis eine Geldwäsche begangen werden. Bereits ab diesem Zeitpunkt liegt ein taugliches Objekt einer Geldwäsche vor, unabhängig von spekulativen Überlegungen, wann die Steuerschuld beglichen worden wäre. Die Unsicherheiten in zeitlicher Hinsicht werden dadurch vermieden. Ebenso verhält es sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof zur Begünstigung nach Steuerhinterziehung. Auch dort hat der Steuerpflichtige die Einnahmen unbestritten aus dem Geschäftsvorfall und nicht aus der Steuerhinterziehung erlangt. Aufgrund der nach 356 Samson, FS Kohlmann, 263, 271 ff. 357 So auch Salditt auf dem 4. IWW-Kongress, zitiert nach Krieger, Steueranwaltsmagazin 2002, 82, 83. Ebenso BGH wistra 1999, 103, 104 hinsichtlich des für die Begünstigung maßgeblichen Vorteils aus einer Steuerhinterziehung. 358 Allg. Ansicht, vgl. Eschenbach, DStZ 1997, 851, 854 m. w. N.; Wiese in Wannemacher, Rn. 589. 359 So die h. M., vgl. BGH wistra 1999, 385, 386; BGH wistra 2002, 64, 66; Schmitz, wistra 1993, 248, 250 m. w. N. Wiese in Wannemacher, Rn. 589 ff. Nach einer neueren Entscheidung des BGH kann die Vollendung allerdings nicht mehr eintreten, wenn die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Steuerhinterziehung bekannt gegeben wurde, BGH NStZ 2002, 437. Zu der großen Zahl weiterer Meinung hinsichtlich des Vollendungszeitpunktes bei Unterlassen Dorn, DStZ 1998, 164, 165. 360 Wiese in Wannemacher, Rn. 583. 15:

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

Vereinnahmung begangenen Steuerhinterziehung werden sie allerdings als aus der Steuerhinterziehung erlangt angesehen.361 Steht fest, dass eine Steuerhinterziehung hinsichtlich dieser Einnahmen begangen wurde, kann hinsichtlich dieser Einnahmen eine Geldwäsche in Höhe der Steuerersparnis begangen werden. 362 Ebenso ist durch die hier gefundene Auslegung festgelegt, dass die Ersparnis in den konkret verschwiegenen Einnahmen enthalten ist, so dass auch Spekualtionen, aus welchen Geldmitteln die Steuerschuld beglichen worden wäre, nicht angestellt werden müssen. Dass der Betrag, hinsichtlich dessen die Geldwäschehandlungen begangen wurden, mit dem bemakelten Betrag übereinstimmt, wird dadurch garantiert, dass eine Geldwäsche nach der hier vertretenen Lösung nur bejaht werden kann, wenn sich die Tathandlung auf einen so großen Geldbetrag der Einnahmen bezog, dass darin zwingend auch zumindest ein Teil der Ersparnis enthalten sein muss. Einen Verstoß gegen das Willkürverbot stellt die gesetzliche Bestimmung in § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB bei verständiger Auslegung somit nicht dar.

3. Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip Fischer hält es für unverhältnismäßig, dass durch § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB legal erworbenes Vermögen erfasst werde, so dass eine Geldwäschestrafbarkeit des Erwerbs irgendwelcher Teile des Gesamtvermögens des Vörtäters bestehe.363 Dem ist insoweit zuzustimmen, als infolge § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB auch ursprünglich legal erworbenes Vermögen bemakelt ist. Jedoch sind dies nicht irgendwelche Teile des Gesamtvermögens, sondern die konkret verschwiegenen Einnahmen, und diese nur in Höhe der Steuerersparnis. Ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip wäre gegeben, wenn Vermögenswerte verkehrsunfähig würden, obwohl die Steuerersparnis nur einen Bruchteil ihres Wertes betrüge. Dieser Fall kann aber nach der hier vertretenen Lösung nicht eintreten. Denn selbst wenn eine geringe Steuerersparnis in einem hohen Gesamtbetrag enthalten ist, wird dadurch nicht die ganze Summe verkehrsunfähig, sondern nur der Teil, der größer ist als der - betragsmäßig gesehen - nicht infizierte Teil. Handelt es sich beispielsweise um einen Geldbetrag in Höhe von 100 000 Euro, bezüglich dessen 5 000 Euro Steuern durch eine Hinterziehung erspart wurden, die nunmehr sozusagen in den 100 000 „enthalten" sind, ist das Sich-oder-einem-Dritten-Verschaffen von 95 000 Euro dieses Geldes straffrei. Verkehrsunfähig sind nur die 5 000 Euro, die der Steuerersparnis entsprechen. Dies ist nicht unverhältnismäßig. Problematisch war der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz allerdings unter § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB a. F. Denn dort waren - nach der hier vertretenen Meinung - immer die Vermögensbestandteile inkriminiert, die der Steuerhinterziehung am 361 BGH wistra 1999, 103, 104 f.; zust. Spatscheck/Maritas, PStR 1999, 174 f. 362 BGH wistra 1999, 103, 104; Spatscheck/Maritas, PStR 1999, 174 f. 363 Tröndle /Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 8b.

B. Reichweite und Folgeprobleme des § 370a AO

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nächsten lagen, ohne dass eine Begrenzung auf die Höhe der Steuerersparnis erfolgt wäre. Hinzu kommt, dass das Erfordernis „in großem Ausmaß", durch welches nach § 370a AO n. F. schon die weniger strafwürdigen Fälle ausgeschieden werden, in der Vorgängerfassung nicht enthalten war. Unter der Altfassung der § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB, § 370a AO war im Beispiel der Grundsteuer das gesamte betroffene Grundstück bemakelt. Und dies, obwohl die Steuerersparnis bei einer Grundsteuerhinterziehung relativ niedrig ist, wobei noch hinzu käme, dass im Allgemeinen nicht die gesamte Steuer hinterzogen wird, sondern nur eine niedrigere Festsetzung erreicht werden kann, da sich der Grundbesitz schwer verbergen lässt. Bei einer Steuerersparnis in geringer Höhe war die Bemakelung des ganzen Grundstücks in der Tat übermäßig und daher verfassungswidrig. Die Novellierung der Vorschriften hat diesen Verfassungsverstoß jedoch behoben.

V. Zusammenfassung Trotz vieler Kritik- und Zweifelsfragen ist die grundsätzliche Einbeziehung der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung in den Kreis der tauglichen Geld wäsche vortaten sachgerecht und positiv zu werten. Vorzugs würdig wäre allerdings eine Erweiterung des Vortatenkatalogs des § 261 StGB um eine als Vergehen ausgestaltete schwere Form der Steuerhinterziehung gewesen, da so ein Großteil der Probleme und tief greifenden Folgen des Verbechenstatbestandes vermieden worden wären. Eine große Schwierigkeit stellt jedoch die Bestimmung des Geldwäschegegenstandes dar, wenn durch eine Steuerhinterziehung lediglich Steuern erspart wurden. Denn die Steuerschuld richtet sich gegen das gesamte Vermögen des Steuerhinterziehers, die Aufwendungen wurden folglich aus eben diesem erspart, konsequenterweise müsste auch das gesamte Vermögen kontaminiert sein. Daher ist umstritten, ob im Fall der Steuerersparnis ein vom Gesamtvermögen abtrennbarer und konkretisierbarer Geldwäschegegenstand überhaupt bestimmbar ist. Eine Lösung und Anpassung des Geldwäschetatbestandes an die Besonderheiten der Steuerhinterziehung sollte die zweimalige Änderung des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB bringen. Dies ist jedoch nicht gelungen. Vielmehr bestanden und bestehen trotz Neufassung der Vorschrift große Auslegungsschwierigkeiten. Nach dem Gesetzeswortlaut des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB wurde eine Gesamtbemakelung nicht klar ausgeschlossen. Da eine solche aber gegen das Übermaßverbot verstieße, muss eine andere, den Verfassungsverstoß vermeidende Auslegung gefunden werden. Unter § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB in der Fassung des Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetzes war allein die Interpretation, dass nur die aus dem konkret verschwiegenen Geschäftsvorfall stammenden Einnahmen oder der nicht deklarierte Umsatz bemakelt waren, mit dem Gesetzeswortlaut in Einklang zu bringen, sachgerecht und verfassungskonform. Diese Einnahmen oder dieser Umsatz waren die „Vermögensbestandteile, hinsichtlich derer Abgaben hinterzogen worden sind".

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

Diese Interpretation ist auch systemgerecht. Denn die Steuerpflicht knüpft im Beispiel der Einkommensteuer an die Einnahmen und bei der Umsatzsteuer an den Umsatz an. Der Tatbestand der Steuerhinterziehung stellt auf die Verletzung steuerrechtlicher Pflichten ab, welche genau hinsichtlich der nicht deklarierten Einnahmen oder des nicht deklarierten Umsatzes verletzt wurden. Zudem befand sich diese Lösung in Einklang mit der Rechtsprechung zur Begünstigung nach Steuerhinterziehung, welche allerdings - wegen des entgegenstehenden Wortlauts des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB - insoweit nicht übertragen werden konnte, als dort die Bemakelung auf die Höhe der Steuerersparnis beschränkt wurde. Nicht überzeugen konnte hingegen die vorgeschlagene Differenzierung nach Konten, die Bemakelung des Jahreseinkommens oder die Abgrenzung nach Steuer- und Einkunftsarten. Nach der hier vertretenen Lösung bestanden allerdings Schwierigkeiten, wenn der Besteuerung nicht konkrete Geldeinnahmen unterlagen, in denen quasi die ersparte Steuer enthalten sein konnte. In diesem Fall musste man, um eine zu weitgehende Bemakelung zu vermeiden, den Vermögensbestandteil, welcher durch den die Besteuerung auslösenden Vorgang erlangt wurde und somit diesem Vorgang am nächsten stand, als den Vermögensbestandteil ansehen, hinsichtlich dessen Abgaben hinterzogen worden sind. Auch der Wortlaut des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB n.F. ist nicht eindeutig. Zwar wurde die Bemakelung auf die Steuerersparnis begrenzt, jedoch äußert sich das Gesetz nicht dazu, wie diese von dem restlichen Vermögen des Steuerhinterziehers abzugrenzen ist. Genau genommen hat die Gesetzesänderung die Problematik noch verschärft, da nun konsequenterweise wirklich das Gesamtvermögen, aus dem die Aufwendungen erspart wurden, kontaminiert sein müsste, da sogar die frühere Beschränkung auf die Vermögensbestandteile, hinsichtlich derer Abgaben hinterzogen worden sind, fehlt. Eine überzeugende Lösung zur Vermeidung dieser übermäßigen Gesamtbemakelung kann einzig mithilfe der gleichen Grundsätze gefunden werden, auf die auch unter der Vörgängerfassung zurückgegriffen wurde. § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB schlicht für unbeachtlich zu erklären, ist hingegen nicht einsichtig. Dies führe zu dem Ergebnis, dass grundsätzlich die konkret verschwiegenen Einnahmen bemakelt sind, aber - wie sich aus dem Gesetz ergibt - nur in Höhe der Ersparnis. Dabei muss sich die Geldwäschehandlung auf einen so großen Teil der Einnahmen beziehen, dass darin zumindest teilweise inkriminierte Gelder in Form der Steuerersparnis enthalten sind. Ist ein Abstellen auf konkrete Geldflüsse nicht möglich, wie etwa bei Hinterziehung von Grundsteuer, ist die Ersparnis wirklich im Gesamtvermögen vorhanden. Dann muss sich die Geldwäschehandlung auf einen so großen Teil des Gesamtvermögens beziehen, dass der verbleibende Betrag kleiner ist als die Steuerersparnis. Eine Geldwäschestrafbarkeit dürfte in derartigen, praktisch wohl ohnehin kaum auftretenden, Fällen nahezu ausgeschlossen sein. Aufgrund des Leerlaufs des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB bei einem Abstellen auf das Gesamtvermögen, ist diese Auslegung nur in derartigen Ausnahmefällen anzunehmen. Äußerst problematisch ist, dass sich Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe durch Annahme ihres Honorars von einem gewerbs- oder bandenmäßi-

B. Reichweite und Folgeprobleme des § 370a AO

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gen Steuerhinterzieher der Gefahr der Geldwäschestrafbarkeit aussetzen. Die Einführung des § 370a AO bedeutet für Rechtsberater auf Steuer- und steuerstrafrechtlichem Gebiet eine erhebliche Risikoerhöhung, da bei ihnen die Erfüllung des subjektiven Tatbestands der Geldwäsche besonders nahe liegt. Denn sie haben berufsbedingt eine besonders gute Kenntnis der Einkommens- und Vermögensverhältnisse beziehungsweise der Tatvorwürfe gegen ihren Mandanten. Für den Bereich der Strafverteidigung haben jüngere Urteile des Bundesverfassungsgerichts eine bedeutende Einschränkung gebracht. Danach ist § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass er auf Strafverteidiger nur Anwendung findet, wenn sie im Zeitpunkt der Annahme des Honorars sichere Kenntnis von dessen Herkunft hatten, 364 was auch im Rahmen der strafprozessualen Zwangsmaßnahmen zu beachten ist. 3 6 5 Allerdings ist die ebenso problematische Rechtslage für steuerliche Berater noch nicht abschließend geklärt. In Fällen, in denen der Steuerhinterzieher lediglich Steuern erspart hat, dürfte regelmäßig bereits der objektive Tatbestand der Geldwäsche zu verneinen sein, da die mit der Ersparnis verbundene Einnahme in der Höhe, die sich bei Abzug der Steuerersparnis ergibt, ebenso wenig bemakelt ist wie das restliche Vermögen. Selbst wenn der Berater von dem Verdacht der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung seines Mandanten weiß, kann er im Allgemeinen davon ausgehen, dass sein Honorar nicht inkriminierten Geldern entstammt, ohne leichtfertig zu handeln. Anders liegt es, wenn durch die Steuerhinterziehung tatsächliche Zuflüsse erzielt wurden. Denn in derartigen Fällen kann nicht zwingend davon ausgegangen werden kann, dass der Steuerhinterzieher über nicht kontaminiertes Vermögen verfügt, welches ausreicht, um die Honorarforderung des Anwalts oder Steuerberaters abzudecken. Liegt für den Berater die inkriminierte Herkunft der Gelder nahe, handelt er leichtfertig. Es verbleibt ihm somit nur die Möglichkeit, sich anderweitig abzusichern, etwa auf Honorarbegleichung durch einen Dritten zu dringen. Besteht eine entsprechende Möglichkeit nicht, kann er das Honorar nicht annehmen. Aber auch für Strafverteidiger bleiben entsprechende Absicherungsmöglichkeiten, insbesondere der Antrag auf Beiordnung zum Pflichtverteidiger, relevant, da der subjektive Tatbestand schwer fassbar ist und die Ansichten der Strafverfolgungsbehörden diesbezüglich teilweise stark differieren. Trotz mancher Bedenken ist § 261 StGB in Verbindung mit § 370a AO verfassungskonform. Die Beanstandung Oberloskamps, 366 dass das Recht auf ein faires Verfahren beziehungsweise das allgemeine Prozessgrundrecht verletzt würden, da es dem wegen § 370a AO Beschuldigten verwehrt sei, einen Wahlverteidiger seines Vertrauens zu finden oder eine rechtskundige Beratung in Anspruch zu nehmen, ist aufgrund der hier vertretenen Auslegung des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB, 364 BVerfG NJW 2004, 1305 ff. 365 BVerfG StrafFO 2005, 159, 160. 366 Oberloskamp, StV 2002, 611, 612; ders., AO-StB 2003, 355, 356.

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

wonach nur die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Steuerhinterziehung stehenden Vermögensteile bemakelt sind, nicht durchschlagend. Dadurch und durch die gebotene verfassungskonforme Reduktion des § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB wird desgleichen ein Verstoß gegen die Berufsfreiheit von Strafverteidigern und Steuerberatern und gegen den Gleichheitssatz abgewendet. Die neuen Vorschriften führen nicht zur Vernichtung dieser Berufsstände. Gänzlich unbegründet sind die Ausführungen Oberloskamps im Hinblick auf eine Verletzung des Legalitätsprinzips. Auch der von Samson geltend gemachte Verstoß gegen das Willkürverbot liegt nicht vor. Denn durch § 261 Abs. 1 Satz 3 Var. 1 StGB ist gesetzlich festgelegt, dass die aufgrund der Steuerhinterziehung ersparten Aufwendungen der taugliche Geldwäschegegenstand sind. Ab Vollendung der Steuerhinterziehung kann hinsichtlich der Steuerersparnis, welche nach der hier gefundenen Auslegung in den konkret verschwiegenen Einnahmen enthalten ist, eine Steuerhinterziehung begangen werden. Somit können sowohl die Unsicherheiten in zeitlicher Hinsicht, wann die Steuerschuld beglichen worden wäre, als auch die Frage, aus welchen Mitteln die Steuerschuld beglichen worden wäre, bei verständiger Auslegung des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB dahingestellt bleiben. § 370a AO in Verbindung mit § 261 StGB verstößt ferner nicht gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Zwar wird durch die Vorschriften auch legal erworbenes Vermögen verkehrsunfähig, jedoch sind dies die konkret verschwiegenen Einnahmen, hinsichtlich derer steuerliche Pflichten verletzt wurden, und bemakelt sind diese nur in Höhe der Steuerersparnis. Eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes konnte allerdings unter § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB a. F. eintreten, da dort die Beschränkung auf die Höhe der Steuerersparnis ebenso fehlte wie das Erfordernis „in großem Ausmaß", in § 370a AO. Waren danach Vermögenswerte bemakelt, deren Wert ein Vielfaches der Steuerersparnis betrug, lag ein Verstoß gegen das Übermaß verbot vor. Die Novellierung der Vorschriften hat dies jedoch behoben.

C. Rechtsfolgen Neben den bereits dargestellten schwerwiegenden Konsequenzen auf dem Gebiet des materiellen Strafrechts hat § 370a AO tief greifende nichtstrafrechtliche Nebenfolgen. Bei Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr tritt der Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit und des Stimmrechts ein. 3 6 7 Für einen Beamten hat dies das Ausscheiden aus dem Amt zur Folge 368 und damit den Verlust des Anspruchs auf Dienstbezüge und Versorgungen. 369 Ein Richter367

Dies erfolgt für die Dauer von fünf Jahren, § 45 Abs. 1 StGB. 368 Dies geschieht mit Rechtskraft des Urteils, § 48 Satz 1 Nr. 1 BBG, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BRRG. 369 § 49 BBG. Zudem ist es ihm verboten, die ihm in seinem Amt verliehenen Titel sowie die Amtsbezeichnung zu führen.

C. Rechtsfolgen

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Verhältnis endet ebenfalls mit Rechtskraft des Urteils. 370 Berufsrechtliche Konsequenzen sind die Versagung beziehungsweise der Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft, 371 der Bestellung zum Steuerberater 372 und als Wirtschaftsprüfer. 373 Insbesondere ermächtigt der Verbrechenstatbestand des § 370a AO auf prozessualem Gebiet zu weitreichenden Ermittlungs- und Kontrollmöglichkeiten. 374 Auch aufgrund dieser gravierenden Konsequenzen ist eine klare Auslegung des Tatbestandes notwendig, die die Bestimmung seiner Reichweite ermöglicht und zugleich Rechtssicherheit hinsichtlich seiner Folgen bietet. Die massiven Eingriffsbefugnisse und durch § 370a AO herbeigeführten Veränderungen sollen nun dargestellt und bewertet werden.

I. Das Ermittlungsverfahren wegen Taten im Sinne des § 370a AO Schon im Vorfeld der Anklage wegen gewerbs- oder bandenmäßiger Steuerhinterziehung führt ein diesbezüglicher Verdacht zur Zulässigkeit einschneidender Eingriffe. Zur Aufklärung dürfen unter den Voraussetzungen des § 110a StPO verdeckte Ermittler mit ihren weitreichenden Befugnissen eingesetzt werden. 375 Außerdem besteht die Möglichkeit einer Rasterfahndung gem. § 98a Abs. 1 Nr. 5 oder 6 StPO. 376 Als Abschluss des Ermittlungsverfahrens scheiden bei Verbrechen die eine Vorstrafe vermeidende Verfahrenseinstellung nach § 153 StPO wegen Geringfügigkeit sowie die Einstellung gegen Auflagen und Weisungen nach § 153a StPO aus. Auch eine Einstellung nach § 398 AO ist ausgeschlossen, da die Ausgestaltung als Verbrechen zum Ausdruck bringt, dass der Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht als gering bewertet werden kann, und bei einer Steuerhinterziehung in großem Ausmaß die von § 398 Satz 1 AO vorausgesetzte Geringwertigkeit der Hinterziehungssumme nicht gegeben sein kann. Neben einer Einstellung mangels Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO kann das Verfahren folglich nur durch ein förmliches und öffentliches Hauptverfahren zum Abschluss gebracht werden. Es ist 3vo 3vi 372 373 374

§ 24 DRiG. § 7 Nr. 2, § 14 Abs. 2 Nr. 2 BRAO i.V.m. § 45 Abs. 1 StGB. § 46 Abs. 2 Nr. 2 StBerG i. V. m. § 45 Abs. 1 StGB. § 20 Abs. 2 Nr. 2 WiPrO. Siehe dazu auch Hunsmann, Stbg 2004, 409 ff.

375 § 110a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO bezieht sich auf die gewerbsmäßige, § 110a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StPO auf die bandenmäßige Begehung und § 110a Abs. 1 Satz 2 StPO stellt auf den Verbrechenscharakter ab. Zu typischen Rechtsfragen, die beim Einsatz verdeckter Ermittler auftreten können, Beulke / Rogat, JR 1996, 517 ff. 376 Hunsmann, Stbg 2004, 409; Kohlmann, § 370a AO Rn. 49, Stand Mai 2004; Pestkel Motte, Stbg 2002, 493, 497; zweifelnd Heerspink, BB 2002, 910.

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

daher zu erwarten, dass das Ermittlungsverfahren verstärkt durch sich gegenüberstehende und auf ihrem Standpunkt verharrende Verfahrensbeteiligte gezeichnet sein wird und immer weniger durch Zusammenarbeit und den Versuch der Verständigung. 377 Der generelle Ausschluss jeglicher Einstellungsmöglichkeiten ist umso einschneidender, als sie in der Vergangenheit in Steuerstrafverfahren auch für vielschichtige Fällen mit hohen Hinterziehungsbeträgen, teilweise sogar in sechsstelliger Höhe, verstärkt genutzt wurden. 378 Umstritten ist, wer die Verfahrensherrschaft für Ermittlungen wegen Taten gem. § 370a AO innehat und ob insofern in der Praxis Änderungen zu erwarten sind. Gem. § 386 Abs. 1 AO ist die Finanzbehörde 379 strafverfolgungskompetent für Steuerstraftaten, zu denen § 370a AO gem. § 369 Abs. 1 Nr. 1 AO gehört. 380 Die Kompetenzen der Finanzbehörde bestimmen sich danach, ob sie als unselbstständiges Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft tätig wird (§ 386 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4 Satz 2, 402 AO) oder selbstständig die Verfahrensherrschaft innehat (§ 386 Abs. 2, Abs. 4 Satz 3 AO). 3 8 1 Ob die Verfolgung des § 370a AO im selbstständigen oder im unselbstständigen Verfahren zu erfolgen hat, wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet. Nach einer Ansicht führt die Finanzbehörde die Ermittlungen für die Verfolgung der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung gem. § 386 Abs. 2 AO selbstständig durch. Erst wenn sie zu der Überzeugung gelangt, dass eine Hauptverhandlung notwendig ist, müsse sie das Verfahren an die Staatsanwaltschaft abgeben, weil die Finanzbehörde das Verfahren nach § 400 AO nur durch Strafbefehl abschließen könne, der aber für das Verbrechen des § 370a AO nach § 407 Abs. 1 Satz 1 StPO ausgeschlossen sei. Der Finanzbehörde fehle somit nicht die Ermittlungs-, sondern allein die Abschlusskompetenz.382 Während einige Autoren aufgrund dieser Zuständigkeitsverlagerung befürchten, dass die Finanzämter über § 370a AO in eine bisher für sie verbotene Zone, wie die Pflichtverteidigerbestellung, eindringen, 383 halten Gegenstimmen diese Befürchtungen für unbegründet. 384 377 Hunsmann, Stbg 2004, 409, 411. 378 Bender, ZfZ 2002, 146, 148; Hunsmann, Stbg 2004, 409; Kohlmann, § 370a AO Rn. 43, Stand Mai 2004. 379 Innerhalb der Finanzbehörde ist die Bußgeld- und Strafsachenstelle zuständig, vgl. Hentschel, NJW 2002, 1703, 1704. 380 Kohlmann, § 370a AO Rn. 45, Stand Mai 2004. 381 Vgl. im dazu auch Nr. 19 AStBV (St) 2004, BStBl. I 2003, 655 ff.; Rolletschke, Steuerhinterziehung, Rn. 437 ff. 382 Hetzer, ZfZ 2003, 221, 226 f.; Rüping in HHSp, § 386 AO Rn. 13, 28; wohl auch Rolletschke, Steuerhinterziehung, Rn. 450, Rn. 460; unklar AG Klimatagung in Wo, WPK-Mitt. 2003, 130, 132; Bundessteuerberaterkammer, DStR-KR 2002, 10, 11. Wohl auch Ott, PStR 2002, 41, 45, der allerdings wegen der schwerwiegenden Konsequenzen der Strafsache ein An-sich-Ziehen seitens der Staatsanwaltschaft wegen Nr. 267 RiStBV für möglich hält. 383 Burger, wistra 2002, 1, 6. 384 Hentschel, NJW 2002, 1703, 1704 f.

C. Rechtsfolgen

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Hetzer erwartet vielmehr, dass die Verfolgung an Professionalität gewinnen werde. 3 8 5 Die wohl überwiegende Meinung geht demgegenüber davon aus, dass die Finanzbehörde keine selbstständige Ermittlungsbefugnis innehat. Denn über diese verfüge sie nach § 386 Abs. 2 AO in Verbindung mit § 400 zweiter Halbsatz AO allein in Verfahren, die durch Strafbefehl zum Abschluss gebracht werden können. 386 Nach einer dritten Ansicht wird die Finanzbehörde zwar zunächst im Rahmen des selbstständigen Verfahrens tätig, jedoch habe sie das Verfahren regelmäßig schon bei Annahme eines Anfangsverdachts an die Staatsanwaltschaft abzugeben, da andernfalls ein Ermessensfehler vorläge. 387 Dafür sprächen schon verfahrensökonomische Gründe, da die Finanzbehörde jedenfalls bei einem Zusammentreffen der Strafsache des § 370a AO mit einer Geldwäsche ihre selbstständige Ermittlungskompetenz verliere. 388 Die letztgenannte Auffassung ist richtig. Denn die durch § 400 AO beschriebene Grenze, auf die § 386 Abs. 2 erster Halbsatz AO verweist, betrifft - wie es auch die erstgenannte Ansicht annimmt - erst den Abschluss des Ermittlungsverfahrens, nicht bereits das Ermittlungsverfahren selbst. 389 Jedoch stellt § 386 Abs. 4 AO die Abgabe der Steuerstrafsache in das pflichtgemäße Ermessen der Finanzbehörde. 390 Da eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft auf jeden Fall zum Abschluss des Verfahrens erfolgen muss, wird es aus verfahrensökonomischer Sicht regelmäßig ermessenswidrig sein, wenn die Finanzbehörde die Sache nicht unverzüglich abgibt. Zwar wird die Steuerhinterziehung nicht im Regelfall mit der im Anschluss an sie begangenen Geldwäsche in einer prozessualen Tat zusammentreffen, was zum zwingenden Verlust der Verfahrensherrschaft der Finanzbehörde führen würde, da es sich dann nicht mehr ausschließlich um eine Steuerstraftat handeln würde (§ 386 Abs. 2 Nr. 1 AO). 3 9 1 Jedoch lassen auch die bedeutenden materiellen sowie prozessualen Folgen von Steuerhinterziehungen gem. § 370a AO eine Abgabe sachgerecht erscheinen. Dieses Ergebnis bestätigen die Anweisungen für das Straf- und Bußgeld verfahren (AStBV) im Bereich der Steuern, 392 nach deren Nr. 18 Abs. 1 Satz 3 a AStBV (2004) gravierende Folgen, bei denen eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft gem. § 386 Abs. 4 AO zu er385 Hetzer, ZfZ 2003, 221, 226 f. 386 Hentschel NJW 2002, 1703, 1704 f.; Hunsmann, Stbg 2004, 409; Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 58a; Reiß, Stbg 2004, 113, 114; Stahl, Selbstanzeige, Rn. 374; wohl auch Hellmann, HHSp § 370a Rn. 43, Stand August 2002; Lührs, BuW 2002, 711 f., der diese Rechtslage wegen der besonderen Fachkompetenz der Finanzbehörde kritsiert. 387 Gast-de Haan in Klein, § 370a AO Rn. 9; Kohlmann, § 370a AO Rn. 45, Stand Mai 2004. 388 Kohlmann, § 370a AO Rn. 45, Stand Mai 2004. 389 So auch Kohlmann, § 370a AO Rn. 45, Stand Mai 2004. 390 Gast-de Haan in Klein, § 370a AO Rn. 9. 391 Vgl dazu etwa Wannemacher/ Seipl in Beermann, § 386 AO Rn. 13 f., Stand Dezember 2000. 392 Abgedruckt in BStBl. I 2003, 655 ff.

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

folgen hat, anzunehmen sind, wenn ein „Anfangsverdacht für Verbrechen (§ 370a AO) vorliegt". 393 Es ist somit zu erwarten, dass die Staatsanwaltschaft die Verfahrensherrschaft innehaben wird. 3 9 4 Befürchtungen, dass die zuständigen Stellen der Finanzämter über § 370a AO in eine bisher für sie verbotene Zone eindringen, sind daher unbegründet. 395

II. Das Verfahren vor Gericht Auch das gerichtliche Verfahren wegen des Vorwurfs der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung unterscheidet sich erheblich von dem der einfachen Steuerhinterziehung. Erster wesentlicher Unterschied ist, dass das unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchzuführende vereinfachte Strafbefehlsverfahren gem. § 407 Abs. 1 Satz 1 StPO bei einem Verbrechen nicht möglich ist. Die Erhebung der öffentlichen Klage kann folglich nur durch Einreichung einer Klageschrift nach § 170 Abs. 1 StPO erfolgen. Es hat zwingend immer eine öffentliche Hauptverhandlung stattzufinden, die selbst bei einem Freispruch eine erhebliche Rufschädigung mit sich bringen kann. Im Fall eines Tatvorwurfs gegen Unternehmensleitungsorgane sind negative Auswirkungen für das gesamte Unternehmen möglich. 3 9 6 Der Ausschluss des Strafbefehlverfahrens birgt, ebenso wie das schon erwähnte Ausscheiden der Einstellungsmöglichkeiten, auch für die Ermittlungen nicht zu unterschätzende Probleme. Denn damit entfällt die - namentlich für komplizierte Wirtschaftsstrafverfahren - bislang praktisch sehr bedeutsame Möglichkeit der Erledigung im Wege der Verständigung. In Zeiten knapper Personal- und Sachausstattung dürfte die Aufklärung umfangreicher und komplexer Fälle großen Schwierigkeiten begegnen. Eine Einordnung der schweren Steuerhinterziehung als Vergehen wäre unter diesem Gesichtspunkt weit zweckmäßiger. 397 Für die Hauptverhandlung ist sodann gem. § 25 GVG in Verbindung mit §§ 28, 29 Abs. 1 GVG nicht mehr der Einzelrichter beim Amtsgericht, sondern zumindest 393 Gast-de Haan in Klein, § 370a AO Rn. 9 bezieht sich auf Nr. 18 Abs. 1 Satz 3d AStBV (2003), wonach gravierende Folgen anzunehmen sind, wenn eine Sache nicht im Strafbefehlsverfahren geahndet werden kann. 394 Kompetenzübergriffe der Finanzbehörde ziehen die Unwirksamkeit der Ermittlungen nach sich, Gast-de Haan in Klein, § 370a AO Rn. 9; Rüping in HHSp, § 386 AO Rn. 85, Stand März 2003. Eine Unterbrechung der VerfolgungsVerjährung erfolgt dennoch nicht, OLG Frankfurt/Main, wistra 87, 32; Gast-de Haan in Klein, § 370a AO Rn. 9. 395 Ebenso Hentschel NJW 2002, 1703, 1704 f. 396 Schmitz, StB 2004, 212, 216 spricht davon, dass eine öffentliche Hauptverhandlung selbst dann eine gravierende Rufschädigung zur Folge haben kann, wenn das Verfahren später mangels Tatverdachts gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wird. Dies kann allerdings nicht überzeugen, denn eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO kommt nur vor Eröffnung der Hauptverhandlung in Betracht. 397 Überzeugend Bender, ZfZ 2002, 366, 367.

C. Rechtsfolgen

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das Schöffengericht oder aber die Wirtschaftskammer des Landgerichts zuständig. 3 9 8 Mit der Zuständigkeitsverlagerung dürfte eine Anhebung der Straferwartung einhergehen, was wiederum die Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Anordnung der Untersuchungshaft gem. § 112 Abs. 1 Satz 2 StPO beeinflussen wird. 3 9 9 Denn in die Abwägung zur Feststellung der UnVerhältnismäßigkeit sind die Bedeutung der Strafsache und die Rechtsfolgenerwartung einzustellen.400 Eine weitere Veränderung ist, dass bei Strafverfahren wegen gewerbs- oder bandenmäßiger Steuerhinterziehung gem. § 385 Abs. 1 AO i.V. m. § 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO ein Fall notwendiger Verteidigung gegeben ist. Im Vorverfahren ist der Beschuldigte darauf angewiesen, dass die Ermittlungsbehörde gem. § 141 Abs. 3 StPO den Antrag auf Beiordnung stellt. 401 Da die Finanzbehörde das Verfahren nach der hier vertretenen Ansicht nicht selbstständig durchführen kann, dürfen nach § 392 Abs. 1 AO Angehörige der steuerberatenden Berufe die Verteidigung nicht mehr allein wahrnehmen. 402

III. Aus der Eigenschaft als Geldwäschevortat entstehende Rechtsfolgen Gravierend sind auch die Konsequenzen, die daraus entstehen, dass § 370a AO taugliche Geldwäschevortat ist. Neben den bereits erörterten materiellrechtlichen Rechtsfolgen befinden sich diese auf prozessualem sowie auf dem Gebiet der Anzeige- und Meldepflichten. Die durch § 261 StGB in Verbindung mit § 370a AO stark erweiterten prozessualen Eingriffsbefugnisse werden als entscheidender Grund für die Einführung und Ausgestaltung der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung als Verbrechen vermutet. 403 Sie eröffnen den Ermittlungsbehörden ein weites Tätigkeitsfeld, 404 was namentlich deshalb kritisiert wird, weil der noch unklare Tatbestand des § 370a AO leicht erfüllt werden könne und die Voraussetzungen der Geldwäsche in der Regel mit einer Steuerhinterziehung einhergingen. Die Verbindung des § 370a AO mit den aus § 261 StGB fließenden prozessualen Ermittlungsmöglichkeiten stelle daher eine „brisante Mischung" dar, 405 die die Verfahrenspraxis 398 Hunsmann, Stbg 2004, 409; Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 60; Kohlmann, § 370a AO Rn. 46, Stand Mai 2004. Die Zuständigkeit der Wirtschaftkammer richtet sich nach § 74c Nr. 3 GVG. 399 Götzens in Wannemacher, Rn. 1819. 400 Kohlmann, § 370a AO Rn. 45, Stand Mai 2004; Ott, PStR 2002, 42, 45; siehe dazu auch Rüping, wistra 2000, 11. 401 402 403 404 405

Kohlmann, § 370a AO Rn. 47, Stand Mai 2004. Vgl. dazu auch Hunsmann, Stbg 2004, 409. Tröndle / Fischer, 52. Aufl., § 261 StGB Rn. 8a. Götzens in Wannemacher, Rn. 2921. Harms, Stbg 2005, 12, 19.

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

sichtlich verändern werde. 406 Es wird befürchtet, dass in Zukunft ein Anfangsverdacht auf gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung umfassend bejaht werde, um das dadurch eröffnete „Waffenarsenal" nutzen und eine effektive Strafverfolgung betreiben zu können, selbst wenn das Verfahren nur in seltenen Fällen zu einer Verurteilung wegen § 370a AO führen werde. 407 Mit der Erweiterung der Geldwäschestrafbarkeit ging eine Ausweitung der Anzeige- und Meldepflichten nach dem Geldwäschegesetz einher, welche das Entdeckungsrisiko vervielfacht und zu der vom Gesetzgeber angestrebten effektiven Gewinnabschöpfung beiträgt. Die ausgedehnten Pflichten sehen sich ebenfalls massiver Kritik ausgesetzt. Der gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterzieher befinde sich in einem Netz eines umfänglichen Informationsaustausches zwischen Behörden und privaten Berufsträgern. Dies belaste die Beratungs- und Bankenpraxis erheblich und mahne zu verstärkter Vorsicht an, damit sich Rechts- und Steuerberater sowie Bankangestellte nicht selbst des Verdachts strafbaren Verhaltens aussetzten.408 Um zu den verschiedenen Kritikpunkten Stellung nehmen zu können, sollen zunächst die Eingriffsbefugnisse und Anzeige- und Meldepflichten dargestellt werden. 1. Überwachung der Telekommunikation Als wesentliche Eingriffsbefugnis ist zunächst die Überwachung der Telekommunikation zu nennen, die gem. § 100a Satz 1 Nr. 2 StPO bereits ab der niedrigen Schwelle eines weder hinreichenden noch dringenden, allerdings nicht nur unerheblichen, Tatverdachts 409 der Geldwäsche zulässig ist. Dies ist insbesondere deswegen problematisch, weil zu befürchten ist, dass ein Anfangsverdacht - das Vorliegen zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte (vgl. § 152 Abs. 2 StPO) - in der Praxis von den Ermittlungsbehörden in umfassender Weise bejaht wird, um sich alle Möglichkeiten und Ermittlungsbefugnisse offen zu halten. 4 1 0 Befürchtet werden daher in erster Linie Konflikte mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei staatlichen Eingriffen in Grundrechte Dritter, wenn eine Begrenzung des Anwendungsbereichs des § 370a AO auf Fälle schwerer Kriminalität nicht gelingen sollte. 411 Die Möglichkeit der Überwachung der Telekommunikation werde die Entwicklung verstärken, dass größere Verfahren für die Betroffenen erst spät durchsichtig werden und eine Durchsuchung nicht mehr zu Beginn, sondern als Abschluss der Ermittlungen erfolge. Dieser „Paradigmen406 Hunsmann, Stbg 2004, 409, 411. 407

Götzens in Wannemacher, Rn. 2922. 408 Hunsmann, Stbg 2004, 409, 413. 409 Meyer-Goßner, § 100a StPO Rn. 6. 410 Überzeugend Hunsmann,, Stbg 2004, 409, 410; Pestke /Motte, Stbg 2002, 493, 497. 4U Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 58 f., Stand Dezember 2002.

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Wechsel" führe eine einschneidende Veränderung der Verteidigung in Steuerstrafsachen herbei. 412 Einschränkend ist zu beachten, dass die Überwachung nur im Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche, nicht bereits im Ermittlungsverfahren, das sich allein auf § 370a AO bezieht, zulässig ist. Denn die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung ist in dem Katalog des § 100a StPO nicht enthalten. Dies scheint beispielsweise Kemper zu übersehen, wenn er schreibt, dass für die rechtmäßige Anordnung der Überwachung bereits konkrete Anhaltspunkte für einen Anfangsverdacht auf die Begehung des § 370a AO genügen.413 Fraglich und wesentlich ist allerdings, ob die Beschränkung auf das Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche rechtstatsächlich immer Beachtung finden wird. 4 1 4 Umstritten ist, ob die Überwachung der Telekommunikation zulässig ist, wenn sich der Geldwäscheverdacht 415 gegen an der Vortat des § 370a AO Beteiligte richtet. Teilweise wird dies mit Hinweis darauf bejaht, dass der Verdacht einer Katalogtat des § 100a StPO allein tatbestandsmäßiges, rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten voraussetze, nicht hingegen, dass es wegen der Katalogtat auch zur Verurteilung kommen könne. Der Verdacht einer Katalogtat bestehe also auch, wenn der Strafausschließungsgrund des § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB zur Anwendung kommt. 416 Nach der richtigen gegenteiligen Ansicht, der sich auch der Bundesgerichtshof angeschlossen hat, ist die Überwachung der Telekommunikation bei einem an der Vortat Beteiligten unzulässig. Denn der persönliche Strafausschließungsgrund des § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB, der seinem Sinn und Zweck nach eine Konkurrenzregel beinhaltet, 417 ist eine Bestrafung wegen Geldwäsche ausgeschlossen, wenn der Täter wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist. Dies muss bei der Bestimmung der Rechtsfolgen beachtet werden. Zudem darf der gerade auch im Hinblick auf das Fernmeldegeheimnis des Art. 10 GG eng gefasste Katalog des § 100a StPO nicht unterlaufen werden. Die Telekommunikationsüber412 Salditt, StV 2002, 214, 218. 413 Kemper in Dietz/ Cratz/Rolletschke, § 370a AO Rn. 60, Stand Dezember 2002. Nicht überzeugend auch Rolletschke, Steuerhinterziehung, der in Rn. 460 die auf § 261 StGB aufbauenden prozessualen Befugnisse im selbstständigen Ermittlungsverfahren der Straf- und Bußgeldsachenstelle für zulässig erachtet, aber das selbstständige Verfahren in Rn. 458 für ausgeschlossen hält, wenn auch wegen einer Nichtsteuerstraftat ermittelt wird. 414 Siehe dazu bereits die Befürchtungen von Marx, DStR 2000, 2045; sowie den dem Beschluss des OLG Celle wistra 2000, 277 zu Grunde liegenden Fall. Auch Neuhaus, FS Rieß, 375, 394 ff. äußert Bedenken hinsichtlich der Voraussetzungen des § 100a StPO und ihrer rechtstatsächlichen Beachtung. 415 Jäger/Birke, PStR 2004, 204, 208 erachten es als problematisch, dass die Zulässigkeit der Maßnahmen an den Tatverdacht im Zeitpunkt der Anordnung der Maßnahme anknüpft, da diese tatsächliche Unsicherheit zu der rechtlichen Unsicherheit der Grenze des großen Ausmaßes hinzutrete. 416 LG Hamburg, Beschl. v. 30. 11.2000 - 620 Qs 80/00, OLG Hamburg, Beschl. v. 30. 11. 2000 - 618 Qs 67/00, zitiert nach Meyer-Abich, NStZ 2001, 465, 466. 417 BGH NStZ 2000, 653, 654; BGH NJW 2003, 1880, 1882.

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

wachung greift in den Kernbereich des Fernmeldegeheimnisses ein, weswegen die Eingriffstatbestände klar und verhältnismäßig bestimmt sein müssen. Die Regelungen der §§ 100a, b StPO sind daher abschließend.418 Bei Vortatbeteiligten scheidet folglich eine Überwachung aus, da sie nach der Vorrangklausel des § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB nicht wegen Geldwäsche bestraft werden können 419 und § 370a AO selbst keine Katalogtat des § 100a StPO ist. Als Folge dieser Meinungsverschiedenheiten ist auch umstritten, ob die aus der Telekommunikationsüberwachung gewonnenen Erkenntnisse gegenüber an § 370a AO Beteiligten verwertbar sind. Während dies teilweise bejaht wird, 4 2 0 sind in konsequenter Fortführung der hier vertretenen Ansicht, dass eine Überwachung bezüglich Vortatbeteiligten ausscheidet, die gewonnenen Erkenntnisse unverwertbar, wenn bereits bei Erlass der Überwachungsanordnung feststand, dass der Beschuldigte an der Vortat beteiligt war. 421 Zufallsfunde sind in diesem Fall ebenso wenig verwertbar, da § 100b Abs. 5 StPO voraussetzt, dass die ursprüngliche Anordnung rechtmäßig war. 422 Stand hingegen im Zeitpunkt des Erlasses noch nicht fest, ob § 261 Abs. 9 Satz 2 StGB einschlägig ist, war aber gegen den gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterzieher ein Anfangsverdacht auf Geldwäsche gegeben, ist die Anordnung rechtmäßig. Sobald sich die Vortatbeteiligung herausstellt, ist die Fortsetzung der Überwachung rechtswidrig und unterliegen die Erkenntnisse aus einer dennoch weitergeführten Überwachung einem Verwertungsverbot. 423 Fraglich ist allerdings, ob die Erkenntnisse, die erlangt wurden, bevor sich die Vortatbeteiligung herausstellte, verwertet werden dürfen oder ob sie gem. § 100b Abs. 5 StPO einem Verwertungsverbot unterliegen, da § 370a AO keine Katalogtat des § 100a StPO ist. Ein Verwertungsverbot ist nach § 100b Abs. 5 StPO anzunehmen, wenn es sich um ein anderes Strafverfahren handelt, also eine andere Tat im Sinne des § 264 StPO als die Tat, wegen der die Telekommunikationsüberwachung angeordnet wurde. 424 Die früher verwendete Formel von im „Zusammenhang" mit Katalogtaten stehenden 418 So die zutreffende Begründung in BGH NJW 2003, 1880 ff.; ausführlich auch MeyerAbich, NStZ 2001, 465 f.; zustimmend Burgen wistra 2002, 1, 6; Harms, Stbg 2005, 12, 19; Hentschel, NJW 2002, 1703, 1705; Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 58. 419 Dies scheint Kemperin Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 73, Stand Dezember 2002 zu übersehen. 420 Lange, NJW 2002, 2999, 3001. So wohl auch Sauren, ZEV 2002, 223, 224, der den Unterschied zu dem in BFH DStR 2001, 702 statuierten Verwertunsgverbot der Erkenntnisse aus einer Telefonüberwachung im Besteuerungsverfahren herausstellt. 421 BGH NJW 2003, 1880 ff.; Meyer-Abich, NStZ 2001, 465, 466;siehe dazu auch Harms! Jäger, NStZ 2004, 191, 196 f.; diese Frage offen lassend BFH NJW 2001, 2118, 2120. 422 BGH NStZ 2003, 499, 500. 423 Meyer-Abich, NStZ 2001, 465, 466. 424 BGH NStZ 1998, 426 f.; Hilgen NStZ 1992, 457, 461 Fn. 72; Schäfer in Löwe-Rosenberg, 25. Aufl., § 100a StPO Rn. 88, 90; enger Rudolphi in SK StPO, § 100a Rn. 25, Stand April 1994; Prittwitz, StV 1984, 302, 309 ff.

C. Rechtsfolgen

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Taten 425 ist zu unscharf und wird nach der neueren Rechtsprechung als Synonym für den Prozessgegenstand verwendet. 426 Zufallsfunde sind somit personenbezogene Daten, die anlässlich der Telekommunikationsüberwachung hinsichtlich einer anderen Straftat des Beschuldigten oder eines Dritten gewonnen wurden. 427 Die Erkenntnisse dürfen folglich verwendet werden, wenn es sich bei der zum Zeitpunkt der Anordnung angenommenen Geld wüsche und der jetzt abzuurteilenden gewerbsoder bandenmäßigen Steuerhinterziehung um ein einheitliches Geschehen im Sinne des § 264 StPO handelt. Unter dieser Voraussetzung sind die erlangten Informationen sogar im Rahmen des § 370 Abs. 1 AO verwertbar, wenn sich herausstellt, dass nicht einmal die Geldwäschevortat des § 370a AO begangen wurde. 428 Ein solch enger Zusammenhang dürfte aber zwischen Geldwäsche und Steuerhinterziehung regelmäßig zu verneinen sein. Hinterzieht der Steuerpflichtige beispielsweise wie in Fall 15 gewerbsmäßig Steuern, indem er Geschäftsvorfälle unrichtig verbucht, und bezahlt er später seinen Steuerberater mit den ersparten Geldern, sind beide Geschehen zeitlich und örtlich voneinander getrennt. Es liegt Tatmehrheit im Sinne des § 53 StGB und auch keine Tatidentität im Sinne des § 264 StPO vor. In diesem Fall würde es sich bei Erkenntissen aus einer Überwachung der Telekommunikation um Zufallsfunde handeln, deren Verwertbarkeit nach § 100b Abs. 5 StPO nur hinsichtlich einer anderen Katalogtat des § 100a StPO zulässig ist, 4 2 9 die § 370a AO nicht darstellt. Die Verwertung käme allerdings in Betracht, wenn der Steuerhinterzieher nicht nur wegen § 370a AO verdächtig ist, sondern zusätzlich wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung, § 129 StGB, welche selbst Katalogtat des § 100a StPO ist. Auch als Ermittlungsansatz sind die Erkenntnisse unbeschränkt verwendbar, wenn die ursprüngliche Anordnung rechtmäßig war, da § 100b Abs. 5 StPO nur die Verwendung „zu Beweiszwecken" betrifft. 430 Teilweise wird noch weitergehend eine Verwertung im Besteuerungsverfahren für möglich gehalten.431 Dies kann jedoch mit dem Bundesfinanzhof nicht über425 Vgl. etwa BGHSt 26, 298, 302 ff.; BGHSt 28, 122 ff.; BGHSt 30, 317, 320, wo die die Rechtsprechung eine Verwertung für im „Zusammenhang" mit § 129 StGB begangene Taten zulässt, also solche, die der kriminellen Vereinigung als ihr Zweck und ihre Tätigkeit zugerechnet worden sind. Vgl. dazu Schäfer in Löwe-Rosenberg, 25. Aufl., § 100a StPO Rn. 90; dgg: Kretschmer, StV 1999, 221, 223. 426 BGH NStZ 1998, 426 f.; Schäfer in Löwe-Rosenberg, 25. Aufl., § 100a StPO Rn. 90. 427 Beulke, StPO, Rn. 254, 476. 428 Hunsmann, Stbg 2004, 409, 410; Kemper in Dietz / Cratz / Rolletschke, § 370a AO Rn. 48,60, Stand Dezember 2002; Meyer-Goßner, § 100a StPO Rn. 16 m. w. N.; Rieß, JR 1979, 167, 168; a. A. Kretschmer, StV 1999, 221, 225; Prittwitz, StV 1984, 302, 309 ff.; eine Übersicht über die Verwertbarkeit von Zufallsfunden findet sich bei Neuhaus, FS Rieß, 375,404 ff. 429 Vgl. dazu Schäfer in Löwe-Rosenberg, 25. Aufl., § 100a StPO Rn. 92. 430 Vgl. BGHSt 27, 355; BGH NStZ 1998, 426; Schäfer in Löwe-Rosenberg, 25. Aufl., § 100a StPO Rn. 93. 431 Hunsmann, Stbg 2004, 409; Lange, NJW 2002, 2999, 3000 f., der dies über die Verfallsvorschriften begründet; wohl auch Sauren, ZEV 2002, 223, 224. 16 Schneider

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

zeugen. Denn das Art. 10 Abs. 1 GG zu entnehmende Verwertungsverbot für Erkenntnisse aus Abhörmaßnahmen hat für Besteuerungszwecke keine zulässige Durchbrechung im Sinne des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 GG erfahren. § 100a StPO ermächtigt allein die Strafverfolgungsbehörden. Die Abgabenordnung hingegen enthält weder eine entsprechende Befugnisnorm noch eine Vorschrift, die die Verwertung gestatten würde. 432 Durch die beschriebene Einschränkung hinsichtlich an der Vortat Beteiligter wird eine gewisse „Entschärfung" der Problematik bewirkt. In praktischer Hinsicht ist allerdings zu beachten, dass in Fällen der schwerwiegenden bandenmäßigen Steuerhinterziehung häufig auch ein Anfangs verdacht auf Bildung einer kriminellen Vereinigung gem. § 129 StGB 4 3 3 oder der gewerbsmäßigen Bandenhehlerei gem. § 260a StGB angenommen wird, welche selbst taugliche Katalogtaten des § 100a StPO sind. In solchen Fällen ist die Einschränkung hinsichtlich § 370a AO irrelevant und war bereits vor Einführung dieser Vorschrift die Telekommunikationsüberwachung zulässig. § 370a AO bedeutet insoweit keinen ermittlungstechnischen Zugewinn. 434

2. Weitere prozessuale Auswirkungen Ein weiterer, ebenfalls bereits ab der niedrigen Schwelle des Vorliegens bestimmter Tatsachen für den Verdacht einer Geldwäsche zulässiger Eingriff ist, anknüpfend an die Überwachung der Telekommunikation, die akustische Überwachung außerhalb von Wohnungen gem. § 100c Abs. 1 Nr. 2 StPO. Das Abhören von Wohnungen gem. § 100c Abs. 1 Nr. 3a StPO, der so genannte große Lauschangriff, ist seit der durch das Abhörurteil des Bundesverfassungsgerichts veranlassten Änderung der Vorschrift nur in den besonders schweren Fällen der Geldwäsche gem. § 261 Abs. 4 StGB möglich. 435 Auch diese Maßnahmen sind allerdings allein im Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche zulässig. Teilweise wird befürchtet, dass die strafverfolgungskompetente Finanzbehörde nun auch die Ermittlungskompetenz für die Befugnisse innehabe, die an einen 432 BFH BStBl. II 2001, 464, 466 f.; Quedenfeld/ Füllsack, Rn. 227; Stahl, Selbstanzeige, Rn. 26; a. A. Lange, NJW 2002, 2999, 3000 f. 433 Vgl. dazu beispielsweise BGH wistra 2004, 229 f. 434 Ausführlich dazu Füllsack / Sommer, Stbg 2003, 461, 468. 435 BVerfG NJW 2004, 999, 1011 f.; siehe auch Jäger!Birke, PStR 2004, 204, 208. Soweit § 100c Abs. 1 Nr. 3 a StPO a. F. das Abhören auch in den Fällen des § 261 Abs. 1 und 2 StGB erlaubte, war er wegen Verstoßes gegen Art. 13 Abs. 3 GG verfassungswidrig. Das BVerfG verpflichtete den Gesetzgeber, bis zum 30. 6. 2005 einen verfassungsgemäßen Rechtszustand herzustellen. Bis dahin durfte § 100c Abs. 1 Nr. 3a StPO aber unter Beachtung des Schutzes der Menschenwürde und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes weiter angewandt werden, BVerfG NJW 2004, 999, 1020. Der Gesetzgeber hat nunmehr das Gesetz geändert, vgl. BGBl. 12005, 1841.

C. Rechtsfolgen

243

Geldwäscheverdacht anknüpfen. 436 Dies hält jedoch einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Wie bereits erläutert, verliert die Finanzbehörde - wenn ihr nicht schon die selbstständige Ermittlungsbefugnis hinsichtlich § 370a AO abgesprochen wird - ihre selbstständige Ermittlungskompetenz gem. § 386 Abs. 2 AO jedenfalls, sobald ein Verfahren wegen § 261 StGB eingeleitet wird. 4 3 7 Denn die Geldwäsche ist keine Steuerstraftat nach § 369 Abs. 1 AO und der Geldwäschetatbestand ist auch kein Strafgesetz, welches die in § 386 Abs. 2 Nr. 2 AO bezeichneten Abgaben betrifft. Zuständige Ermittlungsbehörde ist allein die Staatsanwaltschaft. Nur sie kann beispielsweise - entgegen mehrfach geäußerter Besorgnis 438 die Telekommunikationsüberwachung durchführen. Durchaus begründet sind hingegen Bedenken, dass die Ausdehnung der Strafbarkeit von Anwälten und Steuerberatern wegen Geldwäsche eine Aufweichung des Beschlagnahmeverbots des § 97 StPO zur Folge haben werde. 439 Denn es ist zu erwarten, dass bei diesen Berufsgruppen vermehrt ein Teilnahmeverdacht angenommen werden wird, so dass die Beschlagnahmebefreiung gem. § 97 Abs. 2 Satz 3 StPO entfällt 4 4 0 Die einzige Einschränkung diesbezüglich besteht in einer restriktiven Auslegung des § 261 StGB.

3. Anzeige- und Meldepflichten Erheblicher Kritik ausgesetzt sind ferner die durch Einfügung des § 370a AO als Geldwäschevortat wesentlich erweiterten Pflichten nach dem „Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten" (Geldwäschegesetz, GwG), 4 4 1 welches § 261 StGB flankiert. 442 Hervorzuheben ist die für Finanzinstitute443 und, unter bestimmten Voraussetzungen, für Angehörige der rechts- und steuerberaten436 Vgl. dazu Hentschel, NJW 2002, 1703, 1704. 437 Hentschel, NJW 2002, 1703, 1705; vgl. Wannemacher/Seipl in Beermann, § 386 AO Rn. 14, Stand Dezember 2000. Widersprüchlich insoweit Rolletschke, Steuerhinterziehung, der in Rn. 458 den Verlust der selbstständigen Verfahrensherrschaft konstatiert, in Rn. 460 dennoch die auf § 370a AO i.V. m. § 261 StGB gestützte Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation sowie den großen Lauschangriff unter das selbstständige Ermittlungsverfahren fasst. 438 So z. B. Kemper in Dietz/ Cratz/ Rolletschke, § 370a AO Rn. 57, Stand Dezember 2002. 439 Wegner, wistra 2002, 205, 206. 440 Überzeugend Kohlmann, § 370a AO Rn. 52, Stand Mai 2004. 441 Das GwG v. 25. 10. 1993, BGBl. I 1993, 1770 wurde zum Zweck der wirksameren Geldwäschebekämpfung eingeführt, vgl. WesselsIHillenkamp, Rn. 893. 442 Vgl. im Einzelnen, auch zu Auswirkungen und verfassungsrechtlichen Bedenken Götzens in Wannemacher, Rn. 2909 ff.; Götzens/Kindshofer/Wegner, PStR 2002, 78, 79 f.; Höche, Die Bank 2002, 196 ff.; Hunsmann, Stbg 2004, 409, 410; Marx, DStR 2000, 2045 ff.; Salditt, StV 2002, 214, 218; Scherp, WM 2003, 1254 ff.; Vahle, NWB Fach 21, 1451, 1460 f. 443 Vgl. die Definition in § 1 Abs. 4 GwG. 16*

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

den Berufe 444 nach § 11 Abs. 1 Satz 1 GwG bestehende Pflicht, den Verdacht einer Geldwäsche anzuzeigen. Die Nichterstattung der Anzeige ist zwar nicht mit Sanktionen bedroht, kann aber den Vorwurf der Beihilfe zur Geldwäsche nach sich ziehen. 445 Seit Einführung des § 370a AO und der damit verbundenen Steigerung des Strafbarkeitsrisikos wegen Geldwäsche haben die verunsicherten Anzeigepflichtigen eine zusätzliche Flut von Verdachtsmeldungen erstattet. 446 Die Pflichten belasten das Vertrauensverhältnis zwischen Berater und Mandant erheblich und werden weithin abgelehnt.447 Die Rechts- und Steuerberater würden durch sie gleichsam zu einem „verlängerten Arm" der Staatsanwaltschaft 448 und gezwungenermaßen ein „Spitzel" gegen den Mandanten.449 Erschwerend kommt hinzu, dass die Schwelle eines anzeigepflichtigen Verdachts sehr niedrig ansiedelt wird. So muss nach einem Rundschreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 450 die Anzeige bereits erfolgen, „wenn nicht mit Gewissheit ausgeschlossen werden kann, dass ausschließlich Anhaltspunkte für eine einfache Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 AO vorliegen." Zutreffend schreibt Kollmann, dass dieser außerordentlich geringe Grad die Konsequenz haben wird, dass „aus Gründen des Selbstschutzes'" - auch im Hinblick auf das eigene, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs recht hohe Strafbarkeitsrisiko des Bankmitarbeites gem. §§ 370a AO, 27 StGB, § 261 StGB 4 5 1 - „bereits ,Ungewöhnlichkeiten' im Zahlungsverhalten des Kunden" angezeigt werden. 452 444

Vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 GwG. Es besteht aber insbesondere ein einschränkendes Beraterprivileg gem. § 11 Abs. 3 GwG. Die Erweiterung der Anzeigepflichtigen erfolgte durch das Geldwäschebekämpfungsgesetz v. 8. 08. 2002, BGBl. I 2002, 3105 ff.; zu diesem Gesetz siehe etwa Vahle, NWB Fach 21, 1451, 1453 ff.; v. Frantzki, AO-StB 2003, 245 ff. Vgl. auch die Ausnahmen zu § 14 GwG durch die Anordnungen der Bundesrechstanwalts-, Wirtschaftsprüfer- und Bundessteuerberaterkammer, BRAK-Mitt. 2003, 229 f.; WPK-Mitt. 2003, 184 f.; DStR 2003, 955. Gem. §§ 261, 27 StGB; vgl. Weyand, INF 2003, 115, 120. ue Reiner, Kriminalistik 2002, 443, 446. 447 Starke Kritik üben Heerspink, AO-StB 2003,415 ff.; ders., AO-StB 2002, 392 ff.; Hunsmann, Stbg 2004,409,411; Leitner, AnwBl. 2003,675,677 f.; Marx, Anwalt 5/2002,12, 13 f. 448

Hunsmann, Stbg 2004, 409, 411; sehr kritisch steht den durch das Geldwäschebekämpfungsgesetz eingeführten Mitwirkungspflichten für Anwälte v. Galen, NJW 2003, 117 f. gegenüber, die das „Ende der Freiheit der Advokatur" prophezeit. Fahl, ZStW 2002, 794, 808; Marx, Anwalt 5 / 2002, 12, 13. 450 Danach genügt bereits, dass „objektiv erkennbare Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Transaktion sprechen, mit der illegale Gelder dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden entzogen oder mit der die Herkunft illegaler Gelder verdeckt werden soll und ein krimineller Hintergrund im Sinne des § 261 StGB nicht ausgeschlossen werden kann." Rundschreiben 26/2002 (Q) v. 15. 11. 2002, 26/2002, Geschäftszeichen Q 31 - B 121, abrufbar unter: http://www.bafin.de. Kritisch zu diesem Rundschreiben Scherp, WM 2003, 1254 f. 451

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Beihilfe zur Steuerhinterziehung schon dann anzunehmen, wenn der Bankmitarbeiter Anlageformen für kontaminierte Gelder empfiehlt und diese anonym weiterleitet, BGH NJW 2000, 3010 ff.; siehe dazu auch Behr, wistra 1999, 245 ff.; Hillmann-Stadtfeld, DStR 2002, 434, 436; Hunsmann, Stbg 2004, 409, 413; Joecks, DStR 2001, 2184, 2188.

C. Rechtsfolgen

245

Bei Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Geldwäsche oder einer ihrer Vortaten, also insbesondere wegen § 370a AO, müssen die Ermittlungsbehörden 453 diesen Umstand sowie die zugrundeliegenden Tatsachen den Finanzbehörden mitteilen, § 10 Abs. 2, § 11 Abs. 7 GwG. Die Angaben stehen den Finanzbehörden somit bereits ab der niedrigen Schwelle eines Anfangsverdachts zur Verfügung und können von ihnen sowohl für das Besteuerungsverfahren als auch für das Steuerstrafverfahren verwendet werden, selbst wenn das Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche oder einer Geldwäschevortat mangels ausreichenden Verdachts eingestellt wird. Das durch die Übermittlung der Informationen ausgelöste Besteuerungsverfahren, für welches die steuerrechtlichen Mitwirkungspflichten gelten, ermöglicht die vom Gesetzgeber angestrebte effektive Gewinnabschöpfung. 454 Der Informationsfluss erfolgt aber auch in die andere Richtung. Denn der durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz 455 eingeführte § 31b AO verpflichtet die Finanzbehörden unter Durchbrechung des Steuergeheimnisses,456 den Strafverfolgungsbehörden Tatsachen anzuzeigen, die den Verdacht einer Geldwäsche begründen. Diese Informationen werden sodann von der Zentralen Analyse- und Informationsstelle (§ 5 GwG) gesammelt und ausgewertet. 457 Aufgrund des Zusammenwirkens dieser Informations- und Anzeigepflichten 458 ist de facto ein „Interventionsverbund" geschaffen worden, ein immer enger verflochtenes „Fahndungs- und Strafverfolgungsnetz", das die Beschaffung, zentrale Erfassung und den Abgleich von Informationen verbessern soll, um so die Aufdeckung, Bestrafung und Besteuerung illegaler Gewinne zu ermöglichen. 459 Salditt 452 Kollmann, AG 1/2003, R 18; zustimmend Hunsmann, Stbg 2004, 409, 413. 453 Polizeidienststellen oder Staatsanwaltschaften, vgl. Weyand, INF 2003, 115, 119 Fn. 77. 454 Meyer in Hund / Johnigk / Wollburg, DStR 2002, 879, 880; Stahl, KÖSDI 2002, 13390, 13395. Als weiteres Mittel zur Gewinnabschöpfung dient der im Rahmen der Geldwäsche zulässige erweiterte Verfall gem. § 261 Abs. 7 StGB i.V. m. § 73d StGB. 455 BGBl. I 2002, S. 2010 ff. 456 Zu den Auswirkungen für das Steuergeheimnis vgl. Marx, DStR 2002, 1467, 1468 f.; WannemacherI Meyer in Beermann § 370a AO Rn. 93, Stand Dezember 2002: Das Steuerrecht wird für nichtfiskalische Zwecke „instrumentalisiert"; Götzens/Kindshofer/Wegner, PStR 2002, 78 f. 457 Nr. 1 des Anwendungserlasses zu § 31b AO; zuletzt geändert durch BMF-Schreiben v. 4. 08. 2005, IV A 4 - S 0062 - 4/05, abrufbar unter www.bundesfinanzministerium.de; siehe dazu auch Baum, NWB Fach 2 S. 8141 ff; Hunsmann, Stbg 2004, 409, 411; Schily, WM 2003, 1249, 1253, der diese zentrale Erfassung einen „großen Fortschritt in der Geldwäschebkämpfung" nennt. 458 Hinzu kommt, dass nach § 24c KWG die Bundesanstalt für Finanzdientsleistungsaufsicht einen automatisierten und unmittelbaren Zugriff auf Konten- und Depotdaten von Banken hat. Die Anstalt hat diese Informationen dann ebenfalls den Strafverfolgungsbehördern zukommen zu lassen. Vgl. dazu Scherp, WM 2003, 1254, 1258 f. 459 So Hunsmann, Stbg 2004, 409, 411; Salditt, StV 2002, 214, 218. Die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität durch den koordinierten Einsatz technischer Mittel sowie eine effektivere Gewinnabschöpfung hatten MeyerI Hetzer schon lange gefordert, vgl. u. a. Hetzer, Kriminalistik 1997, 386 ff.; Meyer/Hetzer, ZRP 1997, 13, 18 m.w. N.; dies., Kriminalistik

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

schreibt in Anbetracht dieser Rechtslage von der Gefahr, dass § 30 Abs. 6 AO zu einer „nach allen Seiten befahrbaren Datenautobahn" werde. 460

IV. Bewertung und Zusammenfassung Die Ausgestaltung der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung als Verbrechen hat neben ihrer materiellrechtlichen Bedeutung und nichtstrafrechtlichen Nebenfolgen insbesondere gravierende prozessuale Auswirkungen. Es ist zu erwarten, dass die Staatsanwaltschaft die Verfahrensherrschaft während des Ermittlungsverfahrens innehaben wird. Zwar fehlt der Finanzbehörde gem. § 400 AO zwingend und in allen Fällen der Verfolgung des § 370a AO nur die Abschlusskompetenz, da sie Verfahren nur durch Strafbefehl beenden kann, welcher für das Verbrechen des § 370a AO ausgeschlossen ist. Diese Grenze betrifft hingegen nicht die Ermittlungskompetenz. Jedoch wird es regelmäßig aus verfahrensökonomischen Gründen und aufgrund der schweren Folgen der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung ermessenswidrig im Sinne des § 386 Abs. 4 AO sein, wenn die Finanzbehörde das Verfahren nicht unverzüglich an die Staatsanwaltschaft abgibt. Befürchtungen, dass die zuständigen Stellen der Finanzämter über § 370a AO ihnen bislang verschlossene prozessuale Befugnisse ausüben werden, sind daher unbegründet. Ungehindert dessen kann die Sachkunde der Finanzbehörden auf dem Gebiet der Steuerhinterziehung weiterhin im so genannten unselbstständigen Verfahren genutzt werden. Negativ zu bewerten ist der generelle Ausschluss der Einstellungsmöglichkeiten sowie des Strafbefehlsverfahrens, da damit - entgegen bislang gängiger Praxis gerade in den komplizierten Fällen - die Erledigung im Wege der Verständigung ausgeschlossen ist, wodurch eine entscheidende Aufklärungshilfe verloren geht. Die Hauptverhandlung hat zumindest vor dem Schöffengericht und mit Pflichtverteidiger zu erfolgen - eine Zuständigkeitsverlagerung, die die leichtere Verhängung der Untersuchungshaft zur Folge haben dürfte. Einschneidend sind auch Ermittlungsbefugnisse, die daraus folgen, dass § 370a AO taugliche Geldwäschevortat ist. An vorderster Stelle zu nennen ist die Möglichkeit der Überwachung der Telekommunikation, die bereits ab der niedrigen Schwelle eines Anfangs Verdachts zulässig ist. 4 6 1 Jedoch sind die Auswirkungen des § 370a AO in dieser Hinsicht nicht so weit, wie dies teilweise in der Literatur angenommen wird. Denn es bestehen wichtige Einschränkungen. Die Über1997, 31 ff., dies., Kriminalitik 1997, 694 ff.; dies., NJW 1998, 1017 ff. Marx hingegen hatte das Entstehen eines funktionellen Informationsverbundes, durch den de facto Alltagkriminalität bekämpft werde, bereits im Jahr 2000 kritisiert, DStR 2000, 2045, 2048. 460 Salditt, StV 2002, 214, 218. 461

Diesbezüglich kritisiert Klein, StV 2005, 459, 460, dass die Steuerfahndung zu Beginn der Ermittlungen regelmäßig von einem großen Ausmaß der Steuerhinterziehung ausgehen wird und somit auch aus diesem Grund die prozessualen Eingriffe zunehmen werden.

C. Rechtsfolgen

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wachung ist nur im Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche, nicht bereits im Ermittlungsverfahren, das sich allein auf § 370a AO bezieht, zulässig und richtiger Ansicht nach nur, wenn sich der Geldwäscheverdacht nicht gegen an der Vortat Beteiligte richtet. Stand die Vortatbeteiligung im Zeitpunkt der Anordnung der Überwachung noch nicht fest, sind die Erkenntnisse gegen an der Steuerhinterziehung Beteiligte nur in dem Fall verwertbar, dass die Geldwäsche und die Steuerhinterziehung eine prozessuale Tat bilden. Eine Verwertung als Ermittlungsansatz ist hingegen in jedem Fall der rechtmäßigen Anordnung zulässig. Besonders schwer wiegt, dass das für Rechts- und Steuerberater im Zusammenhang mit § 370a AO erhöhte Geldwäscherisiko bei Überwachung ihres Kanzleitelefons alle Mandate in Gefahr bringt. 462 Die Mandantsbeziehung steht seit Einführung des § 370a AO in erhöhtem Maße unter dem Eindruck strafprozessualer Eingriffsmaßnahmen.463 Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wegen Geldwäsche ist zudem die akustische Überwachung nach § 100c StPO eröffnet, namentlich auch der so genannte große Lauschangriff. Allerdings dürften die aufgezeigten Beschränkungen dazu führen, dass trotz der Eröffnung gewichtiger Eingriffsbefugnisse die prophezeite „Abschaffung des Steuerstrafprozessrechts" in seiner ursprünglichen Gestalt nicht eintreten wird. 4 6 4 Unbegründet sind insbesondere Bedenken, dass die Finanzbehörden nun beispielsweise für die Überwachung der Telekommunikation zuständig sein könnten. Denn bei einem Geldwäscheverdacht, auf den die Überwachung nur gestützt werden kann, geht die Verfahrensherrschaft zwingend auf die Staatsanwaltschaft über. Nicht von der Hand zu weisen sind hingegen Befürchtungen, dass das Beschlagnahmeverbot des § 97 StPO bei Anwälten und Steuerberatern an Bedeutung einbüßen wird. Insgesamt ist zu erwarten, dass sich die Abwicklung von Steuerstrafverfahren verschärfen wird und die auf diesem Gebiet oft erfolgenden „Deals" in Fällen, in denen das Vorliegen von § 370a AO nicht ausgeschlossen werden kann, einen höheren Preis haben werden. 465 Die bislang im Steuerstrafrecht vorherrschende „Kultur der Kooperation" 466 dürfte infolge der prozessualen Änderungen ebenso infolge des Ausschlusses der strafbefreienden Selbstanzeige der Vergangenheit angehören. Die nach dem Geldwäschegesetz für Banken sowie insbesondere für Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe bereits ab einem sehr geringen Verdachtsgrad bestehende Anzeigepflicht belastet das Vertrauensverhältnis zwischen Berater und Mandant erheblich. Diese Pflicht erleichtert die vom Gesetzgeber angestrebte 462 So auch Götzens/Schneider, PStR 2001, 265, 267. 463 Zutreffend Hunsmann, Stbg 2004, 409, 411. 464 So aber die Befürchtung von Spatscheck / Wulf, DB 2002, 392, 394. 465 Zutreffend Salditt auf dem 5. IWW-Kongress „Praxis Steuerstrafrecht", zitiert nach Krieger, PStR 2003, 250, 253. 466

So der Ausdruck Salditts anwaltsmagazin 2002, 82.

auf dem 4. IWW-Kongress, zitiert nach Krieger,

Steuer-

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4. Teil: Konkurrenzen und Rechtsfolgen

effektive Gewinnabschöpfung, da die Ermittlungsbehörden die auf diesem Wege erlangten Informationen bei Einleitung eines Ermittlungsverfahrens den Finanzbehörden mitteilen müssen, die sie auch für das Besteuerungsverfahren verwenden dürfen. Der Informationsfluss erfolgt desgleichen in die andere Richtung. Denn die Finanzbehörden sind verpflichtet, den Strafverfolgungsbehörden Tatsachen anzuzeigen, die den Verdacht einer Geldwäsche begründen. Das Zusammenspiel dieser Informations- und Anzeigepflichten hat ein immer enger verflochtenes „Fahndungs- und Strafverfolgungsnetz" geschaffen, welches die Gefahr einer weitgehenden Aufweichung des Steuergeheimnisses birgt. Die dargestellten Neuerungen bringen eine wesentliche Verschärfung des Beratungsrisikos mit sich und dürften die Verfahrenspraxis gravierend umformen. 467

467 Vgl. dazu ausführlich Hunsmann, Stbg 2004, 409, 411.

5. Teil

Verfassungskonformität des § 370a AO Die Frage der Verfassungskonformität des § 370a A O hat seit dem Tag seines In-Kraft-Tretens, insbesondere i m Hinblick auf das Übermaßverbot und das Schuldprinzip, heftige Kontroversen ausgelöst. Zu den bereits unter der Altfassung der Vorschrift bestehenden materiellen Zweifeln sind durch die Novellierung formelle Streitfragen hinzugetreten. Konsequenz der Verfassungswidrigkeit des § 370a A O n. F. wäre, dass weiterhin § 370a A O a. F. in Kraft wäre, dessen Verfassungsgemäßheit allerdings in materieller Hinsicht noch bedenklicher ist. Das herausragende Problem i m Rahmen der materiellen Verfassungskonformität des § 370a A O n. F. ist die ausreichende Bestimmtheit des Tatbestandsmerkmals der Steuerhinterziehung „ i n großem Ausmaß", 1 die von gewichtigen Stimmen 2 bestritten wird. 3 Insbesondere hat der für Steuerstrafsachen zuständige fünfte Strafsenat des Bundesgerichtshofs bereits zum wiederholten M a l auf die seiner Meinung nach bestehende Unbestimmtheit hingewiesen. 4

1

Pestke /Motte, Stbg 2002, 493, 498 erstrecken ihre Bewertung der mangelnden Bestimmtheit auch auf die „Gewerbsmäßigkeit", da davon im Rahmen des § 370a AO weit mehr Sachverhalte erfasst würden als es der gesetzgeberischen Intention entspreche. Es sei folglich dem Richter überlassen, die Grenzen der Strafbarkeit durch restriktive Interpretation des Begriffs festzulegen. Dieser Ansicht ist jedoch mit dem oben gefundenen Ergebnis zu widersprechen, dass die Gewerbsmäßigkeit eben im Rahmen des § 370a AO nicht anders ausgelegt werden darf als dies nach ständiger Rechtsprechung bei anderen Normen der Fall ist, was freilich auch damit zu begründen ist, dass eben eine andersweitige Definition die verfassungswidrige Unbestimmtheit zur Folge hätte. 2 Gaede, HRRS 2004, 318, 319 spricht bereits von der „herrschenden Meinung". 3 Dannecker, IWB F. 3, Deutschland, Gr. 2, 2087, 2089: „erhebliche Bedenken"; Gast-de Haan, DStR 2003, 12, 14, Fn. 17; Harms, FS Kohlmann, 413, 419 ff.; HildlAlbrecht, NJW 2005, 336, 338 f.; Oberloskamp, StV 2002, 611, 617; Park, wistra 2003, 328, 331 ff; Pestke/ Motte, Stbg 2002, 493, 496 ff.; Seer, NWB Fach 13, 1079, 1080; Wannemacher/Meyer in Beermann, § 370a AO Rn. 45.1, Stand Dezember 2002. 4

BGH NJW 2004, 1885, 1886 in einem Revisionsverfahren wegen § 370a AO in einem obiter dictum, da bereits die Verfahrensrüge Erfolg hatte; BGH NJW 2004, 2990 ff. Dieser Beschluss wird vom Deutschen Steuerberaterverband e.V. (DStV), in DStV-Forum, Stbg 2004, 443 als Erfolg seiner Eingaben gewertet; BGH NJW 2005, 374 ff.

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5. Teil: Verfassungskonformität des § 370a AO

A. Formelle Verfassungsgemäßheit des § 370a AO n.F. I. Verstoß gegen Art. 77 GG Umstritten ist, ob § 370a AO n. F. den Anforderungen des Art. 77 GG genügt. Im Anschluss an Gast-de Haan wird dies von einigen Stimmen verneint. § 370a AO n.F. sei folglich formell verfassungswidrig. 5 Denn im Rahmen des Änderungsverfahrens des § 370a AO habe sich der Bundestag nicht mit den Auswirkungen der Vorschrift auseinander gesetzt, so dass inhaltlich keine Differenz zwischen Bundestag und Bundesrat bestanden habe. Bundesgesetze würden aber gem. Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG vom Bundestag beschlossen. Über eine vom Vermittlungsausschuss vorgeschlagene Änderung eines Gesetzesbeschlusses müsse der Bundestag gem. Art. 77 Abs. 2 Satz 5 AO erneut beschließen. Zwar seien für die Empfehlungen des Vermittlungsauschusses gesetzlich keine Grenzen statuiert. Daraus, dass der Vermittlungsausschuss nach Art. 76 Abs. 1 AO kein eigenes Gesetzesinitiativrecht habe, folge aber, dass seine Änderungsvorschläge sowohl inhaltlich als auch in formaler Hinsicht den Rahmen des Anrufungsbegehrens und des ihm zugrunde liegenden Gesetzgebungsverfahrens nicht überschreiten dürften. Seine Funktion sei allein, zwischen den bereits im Parlament beratenen Regelungsvarianten zu vermitteln. Der Vermittlungsvorschlag müsse dem Bundestag als ein von ihm verantwortetes Resultat seines parlamentarischen Verfahrens zurechenbar sein.6 Ein Tätigwerden des Vermittlungsausschusses, bei dem dieser eine völlig neue Gesetzesfassung verabschiedet, mit der der Bundestag noch in keiner Weise befasst war, wie es im Rahmen der Änderung des § 370a AO geschehen sei, könne nicht anders bewertet werden als ein unzulässiges Tätigwerden des Vermittlungsausschusses ohne jeglichen Auftrag des Bundestags.7 Die im Finanzausschuss stattgefundene Diskussion könne Beratungen und Debatten im Plenum nicht ersetzen, da Ausschüsse gem. § 62 Abs. 1 Satz 2 GO BT lediglich vorbereitende Beschlussorgane des Bundestags seien. Das Prinzip der repräsentativen Demokratie erfordere aber bei der Willensbildung des Parlaments grundsätzlich die Mitwirkung aller Abgeordneten.8 Da eine solche nicht stattgefunden habe, stelle der Änderungsvorschlag des Vermittlungsausschusses eine kompetenzüberschreitende und daher verfassungsrechtlich unzulässige Gesetzesinitiative dar.9 5 Gast-de Haan, DStR 2003, 12 ff.; dies, in Klein, § 370a AO Rn. 3; ebenso Oberloskamp, AO-StB 2004, 114, 115; zweifelnd auch Harms, FS Kohlmann, 413, 419; Schmitz, StB 2004, 212,213. 6 Gast-de Haan, DStR 2003, 12, 13 unter Hinweis auf BVerfG, DStRE 1999, 940 ff. = BVerfGE 101, 297 ff. 7 Oberloskamp, AO-StB 2004, 114, 115 unter Hinweis auf BFH, DStR 2001, 253. 8 Gast-de Haan, DStR 2003, 12, 13 unter Hinweis auf BVerfG NJW 1977, 1767 sowie § 54 Abs. 1 GO BT.

A. Formelle Verfassungsgemäßheit des § 370a AO n. F.

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II. Erfüllung der Anforderungen des Art. 77 GG Der Einschätzung Gast-de Haans widerspricht Wisser. Der Änderungsvorschlag des Vermittlungsausschusses bewege sich innerhalb der diesem gesetzten Grenzen. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergebe sich, dass der Rahmen für Beschlussempfehlungen des Vermittlungsauschusses vorrangig durch zwei Komponenten abgesteckt werde - durch die vom Bundesrat benannten Anrufungsziele und den Sachzusammenhang des Änderungsvorschlags mit der zu regelnden Materie, dem Gesetzgebungsgegenstand.10 Bei der Änderung des § 370a AO habe der Bundesrat sein Anrufungsziel klar formuliert, indem er eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 370a AO a. F. forderte. Zwar sei dieses Ziel im so genannten ersten Durchgang noch nicht diskutiert worden, eine intensive Erörterung sei jedoch im Finanzausschuss des Bundestages erfolgt. Auch der erforderliche Sachzusammenhang zwischen Änderungsvorschlag und Gesetzesbeschluss bestehe. Indiziert sei er durch die vorangegangene Diskussion im Finanzausschuss des Bundestages. Die Ergänzung des Gesetzesbeschlusses um eine steuerstrafrechtliche Vorschrift stelle in Anbetracht der weiten Regelungsmaterie keine Überschreitung des Handlungsspielraums des Vermittlungsausschusses dar. Denn der Bundestag habe das zunächst allein die Steuerbeamtenausbildung regelnde Gesetz selbst genutzt, um zehn Steuergesetze und zwei Verordnungen zu ändern, wodurch der Regierungsentwurf zu einem umfangreichen Artikelgesetz erweitert wurde. Vor diesem Hintergrund sei die Einfügung der Änderung von § 370a AO „von eher untergeordneter Bedeutung44.11 Insbesondere könnten auch Ausschussberatungen in Bundestag und Bundesrat den notwendigen Sachzusammenhang herstellen, da die Ausschüsse gerade damit ihre Aufgabe der Entlastung und sachkundigen Vorbereitung der Entscheidungen des Parlaments erfüllten. 12 Aus der verfassungsrechtlich unbedenklichen Praxis, Stellungnahmen des Bundesrates aus dem so genannten ersten Durchgang, die im Gesetzesbeschluss des Bundestages unbeachtet blieben, in die Vorschläge des Vermittlungsausschusses aufzunehmen, 13 sei zudem im Wege eines Erst-rechtSchlusses zu folgern, dass der Vermittlungsausschuss auf das Anrufungsbegehren des Bundesrates eingehen dürfe, wenn dieses zuvor ausführlich in den Bundestagsauschüssen diskutiert wurde. Die parlamentarische Arbeit würde zu sehr beschränkt, wenn der Vermittlungsausschuss nur Kompromisse über Reglungen her9 Gast-de Haan, DStR 2003, 12 ff.; dies, in Klein, § 370a AO Rn. 3; ebenso Oberloskamp, AO-StB 2004, 114, 115; zweifelnd auch Harms, FS Kohlmann, 413, 419; Schmitz, StB 2004, 212,213. 10 Wisser, DStR 2003, 1191, 1192 f. unter Hinweis auf BVerfGE 72, 175, 189 ff.; BVerfGE 101, 297 ff. •i Wisser, DStR 2003, 1191, 1192 f. 12 Wisser, DStR 2003, 1191 ff.; zustimmend Rüping, Bestimmtheit, S. 3; Seibel, AO-StB 2004, 109, 112; Senge in Erbs / Kohlhaas, § 370a AO A 24 Rn. 1, Stand Juni 2004. 13 Vgl. dazu BVerfGE 72, 175, 189 f.

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5. Teil: Verfassungskonformität des § 370a AO

beiführen könnte, die zuvor im Plenum des Bundestages erörtert wurden. Die inhaltliche Erörterung im Finanzausschuss des Bundestages sei daher ausreichend und der Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses befinde sich innerhalb der zuvor im Gesetzgebungsverfahren zu Tage getretenen Meinungsunterschiede.14 § 370a AO sei formell verfassungsgemäß zustande gekommen.15

III. Kritik und Stellungnahme Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stützt das Ergebnis Wissers. Das Gericht hat wiederholt dargelegt, dass der Vermittlungsvorschlag keine wegen Art. 76 Abs. 1 GG unzulässige Gesetzesinitiative darstellt, wenn und soweit er sich im Rahmen des Anrufungsbegehrens und des zugrunde liegenden Gesetzgebungs Verfahrens hält. 16 Der Gegenstand des Vermittlungs Verfahrens werde durch die Gesetzesbeschlüsse des Bundestages, die in das Gesetzgebungsverfahren eingeführten Anträge, Stellungnahmen und Anregungen sowie den Inhalt des Anrufungsbegehrens bestimmt.17 Der Vermittlungsvorschlag müsse innerhalb der bisherigen Meinungsverschiedenheiten im Parlament oder zwischen Bundestag und Bundesrat verbleiben, so dass der Vermittlungsvorschlag als dem Bundestag zurechenbar und Ergebnis des parlamentarischen Verfahrens erscheine.18 Die Empfehlung des Vermittlungsausschusses hinsichtlich der Änderung des § 370a AO entspricht dem Anrufungsbegehren 19 insoweit, als er die gewerbsmäßige Steuerhinterziehung auf besonders schwere Fälle beschränkt und die Selbstanzeige, zumindest als minder schweren Fall, ermöglicht. Dass sich Vermittlungsvorschlag und Anrufungsbegehren nicht hundertprozentig decken ist nicht erstaunlich und auch nicht erforderlich. Vorliegend ist jedoch eine weitgehende Übereinstimmung mit dem sehr detaillierten Anrufungsbegehren gegeben, durch welches der Vermittlungsausschuss seinen Auftrag und Legitimationsgrund erhält und welches daher insbesondere bei Artikelgesetzen klar umgrenzt sein muss.20 Diese Erfordernisse wurden gewahrt. Problematischer, aber letztlich ebenfalls zu bejahen, ist der zwischen bisherigem Gesetzgebungsverfahren und Vermittlungsvorschlag erforderliche inhaltliche Zusammenhang. In den Gesetzesbeschluss des Bundestages war die Änderung des § 370a AO nicht eingeflossen. Jedoch war sie Gegenstand sowohl von Anträgen 14 Wissen DStR 2003, 1191, 1193. 15 Wissen DStR 2003, 1191, 1195. 16 BVerfGE 72, 175, 190; BVerfGE 101, 297, 306 f. 17 BVerfGE 72, 175, 190; BVerfGE 101, 297, 307. 18 BVerfGE 101,297,307. 19 Vgl. BR-Drucks. 351/1/02. 20 BVerfGE 101, 297, 307 f.

A. Formelle Verfassungsgemäßheit des § 370a AO n. F.

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der Fraktionen von CDU/CSU und FDP 21 als auch mehrerer Stellungnahmen und wurde im Finanzausschuss des Bundestages intensiv erörtert. 22 Selbst die überwiegende Literaturmeinung, die den Gesetzesbeschluss des Bundestags als Grenze der Vermittlungstätigkeit ansieht, hält den Spielraum für Alternativ- oder Ergänzungsvorschläge für umso größer, je umfassender die Materie und das Regelungsziel des Gesetzesbeschlusses sind. 23 Das Fünfte Gesetz zur Änderung des SteuerbeamtenAusbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen änderte nicht nur die Steuerbeamtenausbildung, sondern desgleichen eine Vielzahl von Steuergesetzen sowie zwei Verordnungen, so dass es sich um ein „heterogenes Artikelgesetz" handelte, dessen Materie entsprechend umfassend war. Zwar hatte - entgegen Wissers Einschätzung - auch vor diesem Hintergrund die Änderung des Verbrechenstatbestandes mit seinen naturgemäß tief greifenden Folgen nicht „eher untergeordnete Bedeutung", insbesondere zumal die anderen Regelungen des Fünften Gesetzes zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen lediglich die Ausbildungsordnung sowie vorrangig „redaktionelle Änderungen und Korrekturen sowie Klarstellungen" 24 von Steuergesetzen zum Gegenstand hatten. Jedoch führt die weite Regelungsmaterie und der daraus folgende „Paketcharakter" 25 des Gesetzentwurfs dazu, dass Ergänzungen in relativ weitem Umfang zulässig waren, so auch die dem Anrufungsbegehren entsprechende Änderung einer steuerstrafrechtlichen Vorschrift, welche bereits während des Gesetzgebungsverfahrens ausführlich diskutiert worden war. Durch das Vermittlungsverfahren wurden daher die Mitwirkungsrechte der Abgeordneten nicht in einer Weise verkürzt, die dem grundgesetzlich angelegten Spannungsverhältnis zwischen Art. 77 Abs. 2 GG und den parlamentarischen Grundprinzipien widersprochen hätte. Daran vermag auch der Vergleich Oberloskamps mit einem unzulässigen Tätigwerden des Vermittlungsausschusses ohne jeglichen Auftrag des Bundestags26 nichts zu ändern. Denn das von ihm als Vergleich herangezogene Gesetzgebungsverfahren zur Streichung des § 12 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 1995 durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform, 27 welches derzeit Gegenstand eines beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahrens ist, 28 unterscheidet sich von dem hier in Frage stehenden Gesetzgebungsverfahren in entscheidenden Punkten. § 12 Abs. 2 Satz 4 UmwStG 1995 war dort in keiner Weise Gegenstand der dem Vermittlungsverfahren vorangehenden Erörterungen in Bundestag und 21 Vgl. BT-Drucks. 14/8887, 2. 22 Vgl. BT-Drucks. 14/8887, 23 f. 23 So etwa Dietlien, AöR 1981, 525, 537 m. w. N.; Henseler, NJW 1982, 849, 851. 24

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So der Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 14/8887, 23. So der Ausdruck in BVerfGE 72, 175, 191. Oberloskamp, AO-StB 2004, 114, 115 unter Hinweis auf BFH DStR 2001, 253. Vom 29. 10. 1997, BGBl. I 1997, 2590 ff. Vgl. die Vorlage des BFH, BFH/NV 2002, 148 ff.

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5. Teil: Verfassungskonformität des § 370a AO

Bundesrat gewesen29 und auch der Anrufungsbeschluss beinhaltete keinerlei Angaben zum Vermittlungsgegenstand, sondern nannte nur den Titel des Gesetzes.30 Hinsichtlich der Streichung der Vorschrift fehlten jegliche parlamentarische Vorgaben.31 Demgegenüber war § 370a AO während des Gesetzgebungsverfahrens bereits ausführlich im Finanzausschuss des Bundestages erörtert worden und das Anrufungsbegehren bezog sich ausdrücklich auf die Änderung dieser Vorschrift. Die für die Wahrung des grundgesetzlichen Parlamentsvorbehalts erforderlichen Vorgaben durch das Parlament waren hier somit gegeben. Dass die Änderung des § 370a AO im Finanzausschuss und nicht im Plenum des Bundestags erörtert wurde, mag an der Grenze des Zulässigen liegen, ist aber letztlich - wie Wisser richtig ausführt - nicht hinderlich. Das Bundesverfassungsgericht legte in einer von Gast-de Haan eigens zitierten Entscheidung dar, dass das Prinzip der repräsentativen Demokratie die Mitwirkung aller Abgeordneten lediglich grundsätzlich erfordere, wobei die Abgeordneten das Volk nicht nur im Plenum des Bundestags repräsentieren könnten. Die Funktionsfähigkeit des Parlaments erfordere - bedingt durch die wachsende Kompliziertheit der Lebensverhältnisse und die Schwerfälligkeit des Plenums - eine gewisse Arbeitsteilung, so dass traditionell ein wesentlicher Teil der Parlamentsarbeit außerhalb des Plenums geleistet werde. Zwar müsse die Beteiligung der Abgeordneten an der außerhalb des Plenums stattfindenden Vorbereitung in Art und Gewicht der Mitwirkung im Plenum größtenteils entsprechen, jedoch habe letztlich allein die endgültige Beschlussfassung zwingend im Plenum zu erfolgen. 32 Diese Voraussetzungen wurden durch die ausführliche Erörterung der Problematik des § 370a AO im Rahmen des repräsentativ zusammengesetzten33 Finanzausschusses34 und die anschließende Beschlussfassung im gesamten Plenum gewahrt. Das Bundesverfassungsgericht führte weiter aus, dass sich Repräsentation im parlamentarischen Bereich vorrangig dort vollziehe, wo die Entscheidung falle. Geschehe dies der Sache nach bereits in den Ausschüssen, werde damit zugleich die Repräsentation in die Ausschüsse „vorverlagert", was unbedenklich sei, solange der Entscheidungsprozess institutionell in den Bereich des Parlaments eingegliedert bleibe. 35 Diese Anforderung ist vorliegend ebenfalls gewahrt. Die Diskussion im Finanzausschuss gewährleistete somit in ausreichender Weise den nötigen Sachzusammenhang zwischen Vermittlungsvorschlag und zugrunde liegendem Gesetzgebungsverfahren. 29 Vgl. BT-Drucks. 13/901, BT-Drucks. 13/7000, BT-Drucks. 13/7570 sowie BFH DStR 2001,253, 254. 30 Vgl. BT-Drucks. 13/7579. 31 BFH DStR 2001, 253, 254. 32 BVerfG NJW 1977, 1767, 1768. 33 Vgl. § 12 GO BT. 34 BT-Drucks. 14/8887, insbes. 23 f. 35 BVerfG NJW 1977, 1767, 1769.

B. Materielle Verfassungskonformität

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Der Meinung Gast-de Haans ist mit Wisser weiterhin entgegenzuhalten, dass sie die Konsequenz hätte, dass sich der Vermittlungsausschuss einzig mit den Fragen befassen und allein solche Empfehlungen aussprechen dürfte, die bereits Gegenstand der Diskussion im Bundestagsplenum waren. Dann wäre desgleichen die Arbeit sämtlicher anderer Ausschüsse auf die im Gesetzentwurf enthaltene Materie beschränkt. Alle Ausschüsse könnten Ergänzungsvorschläge nur vorbringen, wenn der Bundestag die Grenzen in der ersten Lesung entsprechend weit gezogen hat. Dadurch würde die vorbereitende Funktion der Ausschüsse (§ 62 Abs. 1 Satz 2 GO BT, § 39 Abs. 1 GO BR), die derzeit den Großteil der parlamentarischen Arbeit leisten, „ad absurdum" geführt und würden die Plenardebatten in kaum realisierbarer Weise erweitert. Es ist obendrein nicht notwendig, über jede Ergänzung eines Gesetzentwurfs eine Aussprache im Plenum zu verlangen, weil unterstellt werden kann, dass die Abgeordneten die Berichte der Auschüsse zur Kenntnis nehmen. Ferner sehen § 79 Satz 1, § 81 Abs. 1 Satz 1, § 84 Satz 2 GO BT eine allgemeine Aussprache nur fakultativ vor. Zudem würden die in der Verfassung in Art. 50 bis 53 GG und Art. 76 ff. GG statuierten Befugnisse des Bundesrats beschnitten und seine Bedeutung im Gesetzgebungsverfahren missachtet. Denn nach der Ansicht Gast-de Haans müsste er seine Anrufungsbegehren auf die Aspekte beschränken, die im Bundestagsplenum angesprochen wurden. 36 Dies kann nicht überzeugen. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass sich der Vermittlungsvorschlag sowohl in den Grenzen des Anrufungsbegehrens als auch in inhaltlichem Zusammenhang mit dem zugrunde liegenden Gesetzgebungsverfahren befand. Die Änderung des § 370a AO erfolgte im von der Verfassung vorgesehenen Gesetzgebungsverfahren, die Vorschrift ist formell verfassungskonform. Zu Recht geht daher beispielsweise der Bundesgerichtshof in seinen, die materielle Verfassungsmäßigkeit anzweifelnden Beschlüssen37 in keiner Weise auf diesen Problemkreis ein. 38

B. Materielle Verfassungskonformität Eine weit größere Diskussion hat sich zu der Frage entfacht, ob § 370a AO in materieller Hinsicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben standhält.39 Bezweifelt wird dies vor allem im Hinblick auf das Gleichheitsgebot, den Nemo-teneturGrundsatz, das Rechtsstaatsprinzip mit dem aus ihm abgeleiteten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Schuldprinzip sowie das Bestimmtheitsgebot. Die Untersuchung dieser Fragen wird allerdings erweisen, dass der Großteil der Bedenken, 36 Überzeugend Wisser, DStR 2003, 1191, 1194 f. 37 BGH NJW 2004, 1885 f.; BGH NJW 2004, 2990 ff.; BGH NJW 2005, 374 ff. 38 Rüping, Bestimmtheit, S. 3 spricht davon, dass sich die Ansicht Gast de-Haans nicht durchsetzen konnte. 39 Gegen jegliche Zweifel an der Verfassungskonformität der Vorschrift Senge in Erbs/ Kohlhaas, A 24, § 370a AO Rn. 1, Stand Juni 2004.

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5. Teil: Verfassungskonformität des § 370a AO

die unter § 370a AO a.F. durchaus berechtigt waren, durch die Novellierung der Vorschrift wesentlich gemindert wurden. Erst die Einfügung des Merkmals „in großem Ausmaß" hat jedoch dazu geführt, dass nunmehr die ausreichende Bestimmtheit des § 370a AO äußerst fraglich ist und daher eingehend zu erörtern sein wird.

I. Der Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet, ohne Rechtfertigung wesentlich Gleiches ungleich zu behandeln und wesentlich Ungleiches gleich zu behandeln.40 Hinsichtlich der Anforderungen an die Rechtfertigung unterscheidet das Bundesverfassungsgericht nach der Intensität, mit der die Ungleichbehandlung die Betroffenen beeinträchtigt. 41 Bei geringer Beeinträchtigung versteht das Bundesverfassungsgericht das Gleichheitsgebot als Willkürverbot. In diesem Fall beschränkt es sich auf eine Evidenzkontrolle, nach der die Ungleichbehandlung bereits gerechtfertigt ist, wenn irgendein sachlicher Grund für sie spricht. 42 Bei größerer Intensität bedarf es hingegen eines gewichtigen sachlichen Grundes, wobei die Ungleichbehandlung zudem einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten muss. Es bedarf also eines legitimen Zwecks, der Geeignetheit, Notwendigkeit und Angemessenheit der Ungleichbehandlung. Nach dieser so genannten neuen Formel ist eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG gegeben, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, ohne dass zwischen beiden Gruppen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten.43 Oberloskamp sieht einen Verstoß des § 370a AO gegen Art. 3 Abs. 1 GG darin, dass die prozessualen Konsequenzen des Verbrechenstatbestandes, wie die fehlende Einstellungsmöglichkeit nach §§ 153 ff. StPO oder die Unzulässigkeit eines Strafbefehls, zu einem praktisch nicht zu bewältigenden Ermittlungsaufwand selbst in minder schweren Fällen führten. 44 Das zwangsläufige Ergebnis seien schwerwiegende und daher gleichheitswidrige Defizite in der Strafverfolgung. 45 Dem kann jedoch nicht zugestimmt werden. Zwar ist richtig, dass die Anwendungsgleicheit der Strafverfolgung sichergestellt sein muss, weil sonst gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoßen wird. 46 Bestände eine entsprechende Un40 BVerfGE4,144, 155; BVerfGE50,177,186; BVerfGE 51,295, 300; BVerfGE 60,16,42. 41 BVerfGE 88, 87, 96; BVerfGE 91, 389,401; Pieroth /Schlink, Rn. 438 ff. 42 BVerfGE 4, 144, 155; BVerfGE 51, 295, 300; BVerfGE 60, 16, 42. 43 BVerfGE 70, 230, 239 f.; BVerfGE 71, 146, 154 f.; BVerfGE 74, 9, 24; BVerfGE 75, 108, 157. 44 Oberloskamp, AO-StB 2003, 355, 357. 45 Oberloskamp, StV 2002, 611, 614 f. 46 Dürig in Maunz/Dürig, Art. 3 Abs. 1 GG Rn. 413e, f, Stand Februar 2005; Heun in Dreier, Art. 3 GG Rn. 90.

B. Materielle Verfassungskonformität

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gleichbehandlung bei der Strafverfolgung, könnte sie nicht gerechtfertigt werden. Denn insbesondere die Strafverfolgung ist mit intensiven Beeinträchtigungen grundrechtlich geschützter Freiheiten verbunden. Allerdings bedingt § 370a AO keine Ungleichbehandlung bei der Strafverfolgung. Die Gefahr eines gleichheitswidrigen Völlzugsdefizits bestand unter Geltung der Altfassung des § 370a AO, da von § 370a AO a.F., vor allem durch die Variante der Gewerbsmäßigkeit, auch geringfügige und damit der Großteil aller Steuerhinterziehungen erfasst wurden. Ob dieser, mit Schaffung der Vorschrift neu hervorgerufene Ermittlungsaufwand bewältigt werden konnte, erscheint durchaus zweifelhaft. Durch die Noveliierung der Vorschrift wurden aber die weniger schwerwiegenden Fälle, insbesondere sämtliche Bagatellfälle, aus dem Anwendungsbereich ausgeschieden und dieser auf die gravierenden und erhöht strafwürdigen Delikte beschränkt. Zwar bleiben auch in minder schweren Fällen nach § 370a Satz 2 AO der Verbrechenscharakter unberührt und folglich die prozessualen Konsequenzen unverändert. Jedoch müssen in minder schweren Fällen ebenfalls die Voraussetzungen der Gewerbs- oder Bandenmäßigkeit sowie des großen Ausmaßes erfüllt sein. Der durch den neuen Verbrechenstatbestand zusätzlich hervorgerufene Ermittlungsbedarf dürfte daher bewältigbar sein. Selbst wenn der Ausschluss des Strafbefehlsverfahrens und der Einstellungsmöglichkeiten die Ermittlungen erheblich erschweren wird, ist zu beachten, dass die Anforderungen nicht überspannt werden dürfen. Das Bundesverfassungsgericht stellte in seinem Urteil zur Verfassungswidrigkeit der Besteuerung von Spekulationsgeschäften aufgrund eines gleichheitswidrigen Vollzugsdefizits fest, dass bloße Vollzugsmängel nicht zur Verfassungswidrigkeit führen. Die materielle Norm sei vielmehr nur dann verfassungswidrig, wenn ein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl der materiellen Vorschrift und der nicht auf Durchsetzung dieses Befehls angelegten Rechtsvorschrift bestehe.47 Zwar sind im Strafrecht generell erhöhte Anforderungen zu stellen, so dass die Entscheidung des Gerichts zu der steuerrechtlichen Vorschrift nicht unmittelbar übertragen werden kann, jedoch ist bei der strafrechtlichen Norm des § 370a AO n.F. bei verständiger Auslegung des zusätzlichen Merkmals „in großem Ausmaß" ein strukturelles Vollzugsdefizit nicht zu erwarten. Das Recht ist nicht widersprüchlich auf Ineffektivität angelegt.48 § 370a AO jetziger Fassung ist somit nicht wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz verfassungswidrig.

II. Der Nemo-tenetur-Grundsatz 1. Rechtsgrundlage und Inhalt Die verfassungsrechtliche Grundlage des Grundsatzes nemo tenetur se ipsum accusare, des Verbots des Selbstbelastungszwangs, ist umstritten. Genannt werden unter anderem die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), 49 das Persönlichkeitsrecht 47 BVerfG BStBl. II 2005, 56, 62. 48 Vgl. dazu BVerfG BStBl. II 2005, 56, 62. 1

Schneider

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5. Teil: Verfassungskonformität des § 370a AO

(Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) 5 0 sowie das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG). 51 Das Bundesverfassungsgericht hält den Nemo-teneturGrundsatz für den selbstverständlichen Ausdruck einer rechtsstaatlichen Grundhaltung, die auf dem Leitgedanken der Achtung vor der Menschenwürde beruht. 52 Trotz der Unstimmigkeiten über seine genaue Verortung im Grundgesetz besteht Einigkeit darüber, dass das Nemo-tenetur-Prinzip Verfassungsrang hat. 53 Desgleichen findet es in der völkerrechtlichen Vorschrift des Art. 14 Abs. 3g des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) 54 und, nach umstrittener herrschender Meinung, in Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) eine Grundlage. 55 Gesetzlich verankert ist es in den Verfahrensordnungen, etwa in §§ 136 Abs. 1 Satz 2, 243 Abs. 4 Satz 1, 55 StPO 56 sowie § 393 Abs. 1 Sätze 2, 3 AO. 5 7 Inhalt des Nemo-tenetur-Grundsatzes ist, dass niemand gezwungen werden darf, aktiv an seiner eigenen strafrechtlichen Überführung mitzuwirken. 58 Den Strafverfolgungsbehörden ist es untersagt, die Wahrheitsfindung im Strafverfahren mit solchen Mitteln zu betreiben, die den Betroffenen zum bloßen Objekt des staatlichen Strafanspruchs herabsetzen würden. 59 Dieses Verbot findet allerdings seine Grenze in den Erfordernissen einer funktionierenden Rechtspflege und berechtigten entgegenstehenden Interessen.60 49 BVerfGE 56, 37, 42 f. m.w.N.; BGHSt 38, 214, 220; BGHSt 38, 263, 266; Rieß in Löwe-Rosenberg, 25. Aufl., Einl. Abschn. I, Rn. 88; Sautter, AcP 1962, 215, 243; Stürner, NJW 1981, 1757; Torka, 121. 50 BGHSt 38, 214, 220; BGHSt 38, 263, 266; Joecks in FGJ, § 393 AO, Rn. 8 m. w. N.; ders., FS Kohlmann, 451; Rogall, FS Kohlmann, 465, 468; ders., Beschuldigte als Beweismittel, 139 ff.; Pieroth/Schlink, Rn. 377; Rogall, SK StPO, Vor §§ 133 StPO, Rn. 132, Stand Juli 1995 m. w. N. 51 BVerfGE 38, 105, 113; BVerfGE 56, 37, 43; BGHSt 25, 325, 330; BGHSt 38, 214, 220 f.; Beulke, StPO Rn. 125; Paeffgen, 71. Siehe zur Herleitung sowie historischen Entwicklung des Grundsatzes im Einzelnen Rogall, Beschuldigte als Beweismittel, 87 ff., 104 ff. Zudem wird die Grundlage in der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG), Wessels, JuS 1966, 169, 171; der Freiheit des Gewissens (Art. 4 Abs. 1 GG), Zipellius in BK, Art. 4 GG Rn. 42 und dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 104 Abs. 3 Satz 1 GG) gesehen, Bauer, 51. 52 BVerfGE 56, 37, 43 unter Verweis auf BVerfGE 38, 105, 113; BGHSt 14, 358, 364 f. 53 A.A. Peters, ZStW 1979, 96, 123. 54 Vom 16. 12. 1966, ratifiziert durch Gesetz v. 17. 12. 1973, BGBl. II 1973, 1533. 55 Verneinend Rogall, SK-StPO, Vor §§ 133 StPO, Rn. 130, Stand Juli 1995; bejahend Dingeldey, JA 1984, 407, 409; Joecks in FGJ, § 393 AO, Rn. 8; siehe im Einzelnen Rogall, Beschuldigte als Beweismittel, 109 ff. 56 Rieß in Löwe-Rosenberg, 25. Aufl., Einl. Abschn. I, Rn. 88. 57 BGH NStZ 2001, 432, 434 f.; BGH wistra 2002, 149. 58 Rieß in Löwe-Rosenberg, 25. Aufl., Einl. Abschn. I, Rn. 88; vgl. auch BGH wistra 1993, 66, 68; BGH NStZ 2001, 432, 434 f.; BGH wistra 2002, 149. 59 Sog. Objektformel, vgl. BVerfGE 27, 1, 6. 60 BVerfGE 56, 37, 48 ff.

B. Materielle Verfassungskonformität

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2. Die Problematik im Hinblick auf § 370a AO Die steuerlichen Mitwirkungspflichten gem. §§ 90, 93, 149 Abs. 1, 150 Abs. 2 AO zur wahrheitsgemäßen Offenlegung des für die Besteuerung relevanten Sachverhalts und zur Abgabe richtiger Steuererklärungen bestehen grundsätzlich unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige durch diese Angaben eigene Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten aufdeckt 61 und können nach §§ 328 ff. AO mit Zwangsmitteln vollstreckt werden. Es besteht daher die Gefahr, dass sich derjenige, der in der Vergangenheit Steuern hinterzogen hat, durch Abgabe einer zutreffenden Steuererklärung in einem nachfolgenden Besteuerungszeitraum mittelbar für die Vergangenheit selbst belastet, da ein Widerspruch zwischen der vergangenen falschen und der nun abgegebenen richtigen Erklärung erkennbar werden kann. 62 Es besteht also ein Konflikt zwischen steuerlichen Wahrheits- und Deklarationspflichten und dem Nemo-tenetur-Grundsatz, nach dem der Steuerhinterzieher nicht gezwungen werden darf, sich selbst zu belasten, was er mit der Abgabe einer richtigen Steuererklärung für den neuen Besteuerungszeitraum möglicherweise tun würde. § 393 Abs. 1 Satz 2 AO entschärft die Problematik teilweise, indem er die Anwendung von Zwangsmitteln verbietet, wenn der Steuerpflichtige gezwungen wäre, sich selbst wegen einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit zu belasten. Dieses Verbot kann zu einer Suspendierung der Strafbewehrung der Verletzung steuerlicher Erklärungspflichten führen, wenn sich der Steuerpflichtige in einer unauflöslichen Konfliktlage befindet. 63 Beispielsweise ist die Strafbewehrung der Verletzung der Pflicht zur Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung suspendiert, 64 solange ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehungen durch Abgabe falscher Umsatzsteuervoranmeldungen hinsichtlich desselben Besteuerungszeitraums anhängig ist. 65 Das Zwangsmittelverbot findet aber seine Grenze, wo neues Unrecht geschaffen würde, es also nicht mehr um schon begangenes Fehlverhalten geht. 66 Andernfalls würde der Steuerhinterzieher gegenüber anderen Steuerpflichtigen in nicht gerechtfertigter Weise besser gestellt.67 Nicht gestattet ist daher die Abgabe falscher Erklärungen für neue Veranlagungszeiträume, 68 zumal der Nemo61 BVerfG wistra 1988, 302; BGH NStZ 2001, 432, 435; BGH wistra 2002, 149; BGH NJW 2005, 763, 764; Rogall, FS Kohlmann, 465, 467. 62 BVerfG wistra 1988, 302; BGH wistra 2002, 149. 63 BGH NStZ 2001, 432; BGH wistra 2002, 149; BGH wistra 2002, 150 f. 64 Das heißt, die Pflicht zur Abgabe richtiger Steuererklärungen lebt wieder auf, wenn das Strafverfahren nicht mehr anhängig ist, vgl. Joecks, FS Kohlmann, 451, 458. 65 So die Konstellation in BGH NStZ 2001, 432. 66 BGH NStZ 2001, 432, 435; BGH wistra 2002, 149; Joecks, FS Kohlmann, 451, 460; ders. in FGJ, § 393 AO Rn. 37; Hellmann in HHSp, § 393 AO Rn. 28, Stand November 1999. 67 BGH NStZ 2001, 432, 435; BGH wistra 2002, 149. 68 BGH wistra 1993, 65, 68; BGH wistra 2002, 149; BGH NJW 2005, 763, 764; Joecks in FGJ, § 393 AO Rn. 37; a. A. LG Frankfurt/M. wistra 2004, 78, 79 f. m. Anm. Rolletschke, wistra 2004, 246 ff. 1*

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5. Teil: Verfassungskonformität des § 370a AO

tenetur-Grundsatz keinen „lückenlosen Schutz vor Selbstbezichtigung" fordert. 69 Auch das Unterlassen der Abgabe richtiger Steuererklärungen kann das Nemotenetur-Prinzip grundsätzlich nicht rechtfertigen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur anzuerkennen, wenn hinsichtlich derselben Steuerart in demselben Besteuerungszeitraum, für den bereits ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, weitere Erklärungspflichten bestehen. Wurde das Strafverfahren hingegen wegen einer anderen Steuerart oder einem anderen Besteuerungszeitraum eingeleitet, besteht die Pflicht zu vollständigen und wahrheitsgemäßen Angaben fort. 70 Wie das Spannungsverhältnis zwischen steuerlichen Wahrheits- und Erklärungspflichten und dem Nemo-tenetur-Grundsatz zu lösen ist, ist generell zweifelhaft und umstritten. 71 Insoweit handelt es sich um ein allgemeines Problem des Verhältnisses zwischen Besteuerungs- und Strafverfahren, auf welches hier nicht näher eingegangen werden soll. Im Bereich der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung wird es aber dadurch verschärft, dass gem. § 370a Satz 3 AO die Selbstanzeige lediglich strafmildernd wirkt, während sie für § 370 AO eine Strafbefreiung zur Folge hat. Denn als Lösung des Spannungsverhältnisses wird vielfach die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige angesehen. Aufgrund der Möglichkeit, Straffreiheit durch Selbstanzeige zu erlangen, sei es zumutbar, die Abgabe wahrheitsgemäßer Erklärungen trotz der dadurch drohenden Selbstbelastung zu verlangen. 72 Denn der Steuerhinterzieher, der durch Selbstanzeige Straffreiheit erlangen kann, befinde sich nicht in einer unauflöslichen Konfliktlage. 73 Eben diese Lösung ist jedoch in den Fällen des § 370a AO versperrt. Diskutiert wird, welche Folgen der Ausschluss der strafbefreienden Selbstanzeige für den Bereich der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung durch § 370a Satz 3 AO hat. Während einige Autoren ein Verwertungsverbot bezüglich der richtigen Angaben in der Steuererklärung erwägen, soweit sie Rückschlüsse auf falsche Angaben in vorangegangenen Steuererklärungen zulassen,74 69 BVerfGE 56, 37, 49 f.; Joecks, FS Kohlmann 451, 461. 70 BGH wistra 2002, 149; BGH NJW 2005, 763, 764 f. unter Hinweis auf Joecks, FS Kohlmann 451, 463; vgl. dazu die Anm. von Leipold, NJW-Spezial 2005, 137. 71 Vgl. zum Streitstand Joecks in FGJ, § 393 AO Rn. 37 ff. 72 BVerfG wistra 1998, 302; BGH wistra 1993, 65, 68; BGH NStZ 2001, 432, 435; BGH wistra 2002, 149; Joecks in FGJ, § 393 AO Rn. 39 f.; Stahl, KÖSDI 2002, 13390, 13393; ders., Selbstanzeige, Rn. 11; Bedenken äußern auch Pestke/Motte, Stbg 2002, 493, 500; Rüping in HHSp, § 371 AO Rn. 22, Stand November 2000. 73 BGH NStZ 2001, 432, 435; BGH wistra 2002, 149. 74 So Burchert, INF 2002, 532, 537, der jedoch Bedenken im Hinblick auf die ungeklärten Fernwirkungen eines Verwertungsverbots anmeldet; Götzens /Wegner, PStR 2003, 207, 211; Stahl, KÖSDI 2002, 13390, 13393; ders., Selbstanzeige, Rn. 10, 12; sowie schon vor Einfügung des § 370a AO und im Rahmen des § 370 AO: Hellmann in HHSp, § 393 AO Rn. 30, Stand November 1999; Joecks in FGJ, § 371 AO Rn. 26; Kohlmann, § 393 AO Rn. 56, Stand Oktober 2002; Rüping ¡Kopp, NStZ 1997, 530, 533 f.

B. Materielle Verfassungskonformität

261

erachtet Stahl mittlerweile 75 ein Verwertungsverbot für nicht ausreichend. Denn Verwendungsverbote und Erklärungsreduzierungen schützten immer nur in der konkreten Gefahrensituation. Der Steuerhinterzieher müsse aber die Möglichkeit haben, sich aus der - bei typisierender Betrachtung immer bestehenden - latenten Gefahr der Selbstbelastung zu befreien. Gesetzestreue dürfe keine Bestrafung nach sich ziehen. Einen Einklang zwischen steuerrechtlichen Anzeigepflichten und dem Nemo-tenetur-Grundsatz könne allein eine strafbefreiende Selbstanzeige schaffen. Diese habe daher Verfassungsrang. Die Regelung des § 370a Satz 3 AO, welche der Selbstanzeige lediglich eine strafmildernde Wirkung zuweist, sei folglich verfassungswidrig. 76 Auch Salditt hält ein Verwertungsverbot für unzureichend, allerdings aufgrund seiner ungeklärten Fernwirkungen, nicht wegen einer latenten Gefahr der Selbstbelastung. Er schlussfolgert daraus jedoch nicht die Verfassungswidrigkeit des § 370a Satz 3 AO, sondern den Fortfall der die Verstrickung preisgebenden Erklärungspflichten. 77

3. Stellungnahme Der Konflikt zwischen steuerrechtlichen Wahrheits- und Deklarationspflichten und dem Nemo-tenetur-Grundsatz wird durch den Wegfall der strafbefreienden Selbstanzeige wesentlich verschärft. § 393 Abs. 1 Satz 2 AO vermag das Problem ebenso wenig zu lösen wie das Verwertungsverbot des § 393 Abs. 2 AO, welches allein auf Nicht-Steuerstraftaten Anwendung findet. Ein unabhängig von dieser Vorschrift angenommenes Verwertungs- oder Verwendungsverbot, welches unmittelbar aus dem Nemo-tenetur-Grundsatz herzuleiten ist, reicht jedoch aus, um die Verfassungswidrigkeit des § 370a AO abzuwenden. Denn es würde sicherstellen, dass eine Überführung nicht auf die von dem Steuerpflichtigen selbst gemachten Angaben gestützt werden kann, so dass er trotz der Erklärungspflichten nicht gezwungen ist, an seiner eigenen Überführung mitzuwirken. Dadurch würde auch nicht die Regelung des § 370a Satz 3 AO umgangen, da ein Verwertungsverbot nicht die gleiche Wirkung hat wie eine strafbefreiende Selbstanzeige. Durch ein Verwertungsverbot wird die Verurteilung wegen der Straftat nicht ausgeschlossen, sie darf lediglich nicht auf die dem Verwertungsverbot unterliegenden Angaben gestützt werden. Nach einer strafbefreienden Selbstanzeige ist demgegenüber eine Verfolgung der Tat gänzlich ausgeschlossen.78 Ein Verwertungsverbot findet auch eine Stütze in dem Gemeinschuldnerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts. 79 Dort unterlag der Gemeinschuldner im 75 Anders noch Stahl, KÖSDI 2002, 13390, 13393. 76 Stahl, FS Korn, 757, 775. 77 Salditt, StV 2002, 214, 217; für die Einschränkung der Erklärungspflichten schon zuvor Grezesch, DStR 1997, 1273. 78 Vgl. BGH NJW 2005, 763, 765. 79 Ebenso Salditt, StV 2002, 214, 217.

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5. Teil: Verfassungskonformität des § 370a AO

Konkursverfahren einer durch gesetzliche Vorschriften außerhalb des Strafverfahrens angeordneten und mit Rechtszwang durchsetzbaren Verpflichtung zur Auskunftserteilung, ohne dass eine Ausnahme für Umstände vorgesehen war, die auf eine Straftat schließen ließen. Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass der Nemo-tenetur-Grundsatz kein ausnahmslos geltendes Gebot statuiere, sondern seine Grenze in berechtigten entgegenstehenden Interessen finde, welche im zu entscheidenden Fall die Interessen der Gläubiger aus dem Konkursverfahren waren. Denn das Grundgesetz habe die Spannung zwischen Individuum und Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsgebundenheit der Person entschieden. Jedoch dürften solche Auskünfte, zu denen der Gemeinschuldner durch das Konkursrecht verpflichtet war, im Strafverfahren nicht gegen den Willen des Betroffenen verwertet und damit zweckentfremdet werden. Denn in einem strafrechtlichen Verfahren stehe ihm ein Schweigerecht zu, welches illusorisch wäre, wenn eine außerhalb des Strafverfahrens erzwungene Selbstbezichtigung gegen seinen Willen strafrechtlich gegen ihn verwertet werden dürfte. 80 Vergleichbar dem Gemeinschuldner bestehen für Steuerpflichtige nach steuerrechtlichen Vorschriften Anzeigepflichten, welche auch die Selbstbezichtigung umfassen und durch die Steuergerechtigkeit und den Schutz des Steueraufkommens gerechtfertigt sind. Zwar sind diese, die unveränderte Pflicht zu wahrheitsgemäßen Angaben bedingenden Interessen staatlicher Art, allerdings hat zugleich jeder einzelne Steuerpflichtige ein entsprechendes Interesse, zumal fehlende Steuereinnahmen von der Allgemeinheit kompensiert werden müssen. Das Bundesverfassungsgericht stellte in seinem Gemeinschuldnerbeschluss zwar auch darauf ab, dass die Konkursordnung, die durch das richterlich angenommene Verwertungsverbot zu ergänzen war, aus vorkonstitutioneller Zeit stammte. Jedoch muss ungehindert dessen für das Steuerstrafrecht ein Verwertungsverbot angenommen werden, da nur so ein Verstoß gegen den Nemo-tenetur-Grundsatz abgewendet werden kann. 81 Ebenso hat der Bundesgerichtshof in einer jüngeren zum Steuerstrafrecht ergangenen Entscheidung ein Verwendungsverbot angenommen,82 nachdem er ein solches bereits zuvor als Lösung in Erwägung gezogen hatte.83 Es wäre allerdings in der Tat vorzugswürdig, wie es das Bundesverfassungsgericht forderte, dass ein Verwertungsverbot durch den Gesetzgeber geregelt und ausgestaltet würde. Für die Zulässigkeit, einen Verfassungsverstoß der Regelung über die bloß strafmildernd wirkende Selbstanzeige durch die Annahme eines Verwertungsverbotes abzuwenden, spricht zudem, dass die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige dem Steuerhinterzieher nur dann weiterhilft, wenn er in der Lage ist, die so BVerfGE 56, 37, 41 ff.; ebenso BGHSt 37, 340, 343; BGHSt 38, 214, 221. 81 Ebenso etwa Hellmannn in HHSp, § 393 Rn. 30, Stand November 1999; Joecks, FS Kohlmann, 451, 463. 82 BGH NJW 2005, 763, 764 f. m. Anm. Gericke, PStR 2005, 51 f.; Lesch, JR 2005, 302; ebenso BGHSt 38, 214, 223 hinsichtlich der StPO; BGHSt 37, 340, 343 hinsichtlich der ZPO. 83 BGH NStZ 2001, 432, 435 m. Anm. Salditt, NStZ 2001, 544; BGH wistra 2002, 149.

B. Materielle Verfassungskonformität

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Voraussetzungen für eine strafbefreiende Selbstanzeige zu erfüllen. Hat er aber beispielsweise nicht die Mittel, um die hinterzogenen Beträge nachzuentrichten (§ 371 Abs. 3 AO), muss selbst im Rahmen des § 370 AO ein Verstoß gegen das Nemo-tenetur-Prinzip durch die Annahme eines Verwertungsverbotes verhindert werden. 84 So wie dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige in diesem Beispiel durch die Voraussetzung des § 371 Abs. 3 AO genommen ist, ist sie ihm bei der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung durch die Regelung des § 370a Satz 3 AO verwehrt. Warum in dem einen Fall ein Verwertungsverbot genügen soll, in dem anderen hingegen für unzureichend erachtet wird, ist nicht einsichtig. Auch besteht kein Grund, warum sich der Steuerhinterzieher aus der latenten Gefahr der Selbstbelastung befreien können muss. Denn nur soweit eine Bestrafung auf eine Erklärung gestützt werden kann, die der Steuerpflichtige abzugeben verpflichtet ist, unterscheidet sich die Steuerhinterziehung von anderen Delikten. Wird eine darauf gestützte Bestrafung hingegen durch ein Verwendungsverbot verhindert, ist eine weitergehende Besserstellung des Steuerhinterziehers nicht erforderlich. Warum eine typisierende Betrachtung geboten sein soll, ist nicht ersichtlich und wird auch in den Ausführungen Stahls nicht deutlich. Belastet sich der Steuerhinterzieher durch Angaben, zu denen er nicht verpflichtet ist, unterscheidet er sich nicht von anderen Straftätern. Belastet er sich hingegen durch Angaben, zu denen er verpflichtet ist, können diese Angaben nicht im Strafverfahren gegen ihn verwendet werden. Abzulehnen ist desgleichen das Entfallen der strafbewehrten Erklärungspflichten. Denn dann würde der Steuerhinterzieher sowohl strafrechtlich als auch steuerlich entlastet. Der Nemo-tenetur-Grundsatz kann aber nicht die Schaffung neuen Unrechts rechtfertigen. 85 Die Steuergerechtigkeit (Art. 3 Abs. 1 GG) und die Sicherung des Steueraufkommens, auf welches der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben angewiesen ist, rechtfertigen die Auskunftspflicht der Steuerpflichtigen, selbst wenn durch die Auskünfte Straftaten aufgedeckt werden. 86 Es bestehen also schutzwürdige Belange, die die Einschränkung des Nemo-tenetur-Grundsatzes erfordern. 87 Der unehrliche Steuerpflichtige darf nicht gegenüber ehrlichen Steuerpflichtigen begünstigt werden. 88 Die Erfüllung der steuerlichen Erklärungspflichten ist jedoch nur zumutbar, wenn die - im Besteuerungsverfahren erzwingbaren Angaben in einem Strafverfahren nicht verwendet werden dürfen. 89 84 Stahl, Selbstanzeige, Rn. 10. 85 Vgl. etwa BGH NStZ 2001, 432,435; BGH wistra 2002, 149. 86 Ebenso BVerfG wistra 1988, 302; BGH NStZ 2001, 432, 435; BGH wistra 2002, 149. 87 Zur Zulässigkeit der Einschränkung BVerfGE 56, 37, 42, 49. 88 Ebenso BVerfGE 56, 37, 47; Hellmann in HHSp, § 393 AO Rn. 29, Stand November 1999. 89 BGH NJW 2005, 763, 764 f. unter Hinweis auf Joecks, FS Kohlmann 451, 463; vgl. dazu die Anm. von Leipold, NJW-Spezial 2005, 137.

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5. Teil: Verfassungskonformität des § 370a AO

Ein Verwendungsverbot kann nicht mit einem Umkehrschluss aus § 393 Abs. 2 AO abgelehnt werden. Es kann nämlich davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die vorliegende Konstellation, in der weder § 393 Abs. 1 Satz 2 noch § 393 Abs. 2 AO weiterhilft, gar nicht gesehen hat. 90 Zwar ist die Reichweite des Verwertungsverbots im Einzelfall ungeklärt, der Bundesgerichtshof hat sie ebenfalls offen gelassen.91 Richtig ist es, ein weit gefasstes Verwendungsverbot anzunehmen92 und so einen Verstoß gegen den Nemo-tenetur-Grundsatz sicher abzuwenden. Auch insoweit verstößt § 370a AO danach nicht gegen Verfassungsrecht.

III. Rechtsstaatsprinzip, Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Schuldprinzip 1. Rechtsgrundlage und Inhalt Ein Element des Rechtsstaatsprinzips, welches nach herrschender Meinung in Art. 20 Abs. 3 GG verankert ist, 93 ist der im Grundgesetz nicht ausdrücklich benannte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. 94 Er gilt für Gesetzgebung und Verwaltung gleichermaßen und besagt, dass die Auswirkungen staatlicher Maßnahmen verhältnismäßig zu deren Zielsetzung sein müssen. Erforderlich ist die Verfolgung eines legitimen Zwecks, die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Maßnahme sowie ihre Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne.95 Sein Eingriffsziel kann der Gesetzgeber grundsätzlich im Rahmen der Verfassung selbst festlegen. Auch für die Geeignetheit, welche zu bejahen ist, wenn die Maßnahme den gewünschten Erfolg zumindest fördert, 96 steht ihm eine Einschätzungsprärogative zu, welche nur dann überschritten ist, wenn das Gesetz auf einer „offensichtlich fehlsamen Prognose" seiner Auswirkungen sowie der künftigen Entwicklungen beruht. 97 Das Gesetz darf nicht „offensichtlich ungeeignet" 90 Hellmann in HHSp, § 393 AO Rn. 30, Stand November 1999. 91 Vgl. BGH NJW 2005, 763, 765. 92 So etwa auch Joecks, FS Kohlmann, 451, 462 für vergleichbare Konstellationen des Steuerstrafrechts insgesamt. 93 BVerfGE 35, 41, 47; BVerfGE 48, 210, 221; BVerfGE 51, 356, 362; BVerfGE 56, 110, 128; Degenhart, Rn. 233; Ipsen StaatsR I, Rn. 735; in Art. 20 Abs. 2, 3 GG sieht es BVerfGE 52, 131, 143 verankert; kritisch Sommermann in v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 20 Abs. 3 GG Rn. 217. 94 BVerfGE 23, 127, 133; Degenhart, Rn. 390; Sommermann in v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 20 Abs. 3 GG Rn. 298, 306. 95 BVerfGE 30, 292, 316; BVerfGE 80, 137, 159 f.; BVerfGE 90, 145, 172; Badura, Rn. C 28; Degenhart, Rn. 391 ff.; Pieroth/Schlink, Rn. 279 ff. 96 BVerfGE 30, 292, 316; BVerfGE 90, 145, 172; BVerfG NJW 1993, 1991; Sommermann in v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 20 Abs. 3 GG Rn. 304. 97 BVerfGE 50, 290, 331 ff.; BVerfGE 53, 135, 145; BVerfGE 77, 84, 108; Degenhart, Rn. 393.

B. Materielle Verfassungskonformität

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sein.98 Ein Gesetz ist erforderlich, wenn es keine gleich wirksame, weniger einschneidende Maßnahmen zur Erreichung des Ziels gab. 99 Bei diesem Punkt verfügt der Gesetzgeber ebenfalls über einen Beurteilungs- und Prognosespielraum. 100 Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn ist gegeben, wenn die Schwere des Eingriffs nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung und Dringlichkeit der durch das Gesetz geförderten Belange steht, was im Rahmen einer Güterabwägung festzustellen ist. Die Grenzen der Zumutbarkeit müssen gewahrt bleiben. Entscheidend sind dabei sowohl die Wertigkeit der betroffenen Rechtsgüter als auch der Grad ihres Betroffenseins. 101 Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips ist zudem das Schuldprinzip, welches desgleichen in der Würde und Eigenverantwortlichkeit des Menschen, Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG, gründet und folglich mit Verfassungsrang ausgestattet ist. Neben dem durch das Schuldprinzip statuierten Verbot, eine Strafe ohne Schuld zu verhängen (nulla poena sine culpa), besagt dieser Grundsatz, dass Tatbestand und Rechtsfolge sachgerecht aufeinander abgestimmt sein müssen.102 Die angedrohte Strafe darf nach Art und Maß der unter Strafe gestellten Handlung nicht schlechthin unangemessen sein, sondern muss in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des Täters stehen.103 Dieses Erfordernis gilt sowohl für die abstrakte Strafandrohung als auch für die konkret verhängte Strafe. 1 0 4 Soweit die Schuldproportionalität betroffen ist, decken sich Verhältnismäßigkeitsprinzip und Schuldprinzip, 105 so dass die Probleme hier zusammen behandelt werden. 2. Die Beanstandungen hinsichtlich § 370a AO Das Verhältnismäßigkeitsprinzip wird zunächst aus dem Grund für verletzt erachtet, dass der außergewöhnlich hohe Strafrahmen des § 370a AO sich nur durch das gesetzgeberische Anliegen erklären lasse, die Steuerhinterziehung zu einer 98 BVerfG NJW 1993, 1991. 99 BVerfGE 30, 292, 313; BVerfGE 77, 84, 109; BVerfGE 80, 137, 160; BVerfGE 90, 145, 172. 100 BVerfGE 90, 145, 173; BVerfG NJW 1993, 1991; Degenhart, Rn. 395. 101 BVerfGE 70, 297, 314 ff.; BVerfGE 77, 84, 111; BVerfG NJW 1995, 3048 f.; Degenhart, Rn. 398; Ossenbühl, DVB1. 1995, 904, 908; Sommermann in v. Mangoldt/ Klein/ Starck, Art. 20 Abs. 3 GG Rn. 304. 102 BVerfGE 45, 187, 228, 259 f.; BVerfGE 50, 5, 12; BVerfGE 50, 125, 133; BVerfGE 50, 205, 214 f.; BVerfGE 54, 100, 108; BVerfGE 80, 244, 255; BVerfGE 86, 288, 313; BVerfGE 90, 145, 173; BVerfGE 95, 96, 131; BVerfG wistra 2002, 175, 177 f.; Fahl, ZStW 2002, 794, 806; Jescheckl Weigend, 23; Stree in Sch/Sch, Vorbem. §§ 38 ff. StGB Rn. 6. 103 BVerfGE 6, 390, 439; BVerfGE 50, 125, 133; BVerfGE 50, 205, 215. 104 BVerfGE 45, 187,260. 105 BVerfGE 45, 187, 260; BVerfGE 50, 125, 133; BVerfGE 50, 205, 214; BVerfGE 73, 206, 253; BVerfGE 86, 288, 313; BVerfGE 90, 145, 173; BVerfGE 95, 96, 140; Schulze-Fielitz in Dreier, Art. 20 (R) Rn. 182.

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5. Teil: Verfassungskonformität des § 370a AO

Vortat der Geldwäsche zu machen, was die schon zuvor bestehende ebenso harte Sanktionsmöglichkeit gem. § 370 Abs. 3 AO bestätige. Dieses Ziel hätte jedoch ebenso durch Erweiterung des Vortatenkatalogs des § 261 StGB erreicht werden können und die Meldepflichten der Kreditinstitute nach § 11 GwG hätten gleichermaßen durch bestimmte Fälle der Steuerhinterziehung ergänzt werden können. 106 Die Verbrechensnatur könne auch nicht durch das so genannte Al-Capone-Prinzip gerechtfertigt werden. Denn nicht nachweisbare, sondern nur vermutete Delikte dürften in einem Rechtsstaat mit Geltung der Unschuldsvermutung nicht bestraft werden, auch nicht mittelbar durch eine erhöhte Strafe für eine andere, nachweisbare Straftat, also hier die Steuerhinterziehung. Hinzu komme, dass die erhöhte Strafe desgleichen Personen treffen könne, gegen die nicht einmal ein Verdacht bezüglich nicht nachweisbarer Straftaten aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität bestehe.107 Es sei somit nicht erforderlich und übermäßig gewesen, das Strafrecht als härtestes staatliches Eingriffsmittel und ultima ratio durch Schaffung eines neuen Verbrechenstatbestandes zu bemühen.108 Die UnVerhältnismäßigkeit des § 370a AO werde dadurch verstärkt, dass die Strafverfolgungsbehörden über weitreichende Eingriffsbefugnisse verfügen, selbst wenn sich im weiteren Verfahren zeigt, dass kein großes Ausmaß gegeben war, und in den „allermeisten Fällen Normalbürger" betroffen seien. 109 Auch die meisten Geldwäscheverfahren würden „sang- und klanglos" eingestellt, jedoch verbleibe ungeachtet dessen das Steuerstrafverfahren mit den gravierenden Eingriffsbefugnissen. 110 Die so genannte Steuerstrategie 111 - die Heraufstufung der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung zum Verbrechen, um über § 261 StGB die erweiterten Eingriffsmöglichkeiten des Strafrechts nutzen zu können und in den Anwendungsbereich des Geldwäschegesetzes zu gelangen - sei zudem ein rechtsstaatswidriger und übermäßiger Formenmissbrauch. 112 Das Strafrecht mit seinem ungleich weiter reichenden Eingriffspotential dürfe nicht instrumentalisiert werden, um die Unzulänglichkeiten des Steuerrechts, wie etwa den in § 30a AO kodifizierten früheren Bankenerlass, zu überwinden. 113 Der Verdacht eines Formenmissbrauchs werde dadurch gestärkt, dass der Strafrahmen des § 370a AO mit vergleichbaren Delikten nicht abgestimmt sei. Auffällig sei dies bei einer Gegenüberstellung mit dem besonders schweren Fall des Vergehens der einfachen Steuerhinterziehung, § 370 Abs. 3 AO. Bei diesem, dessen Mindeststrafe sechs

106 Spatscheck/ Wulf, DB 2002, 392, 394. 107 Reiß, Stbg 2004, 113, 114 f. los Reiß, Stbg 2004, 113, 114; SpatscheckI Wulf,

DB 2002, 392, 394.

9

i° Quedenfeld/Füllsack, Rn. 227; ähnlich Götzens in Wannemacher Rn. 1827; Harms, FS Kohlmann, 413, 426. ho QuedenfeldI Füllsack, Rn. 218 f. in So der Ausdruck Hetzers, ZRP 1999, 245, 250. 112 Reiß, Stbg 2004, 113, 114; Seer, BB 2002, 1677, 1679. 113 Seer, BB 2002, 1677, 1679.

B. Materielle Verfassungskonformität

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Monate beträgt, sei die Verhängung einer Geldstrafe nach § 47 StGB ausgeschlossen. Für den minder schweren Fall des Verbrechens hingegen, mit einer Mindeststrafe von lediglich drei Monaten, sei eine Geldstrafe gem. § 47 Abs. 2 StGB trotz weiter bestehendem Verbrechenscharakter möglich. Noch unstimmiger werde dieses schon für sich schwer nachvollziehbare Ergebnis, wenn man die Regelung der Selbstanzeige in die Betrachtung einbeziehe. Denn diese habe für den mit einem geringeren Strafrahmen versehenen minder schweren Fall des Verbrechens nur strafmildernde Wirkung, selbst wenn schon aus anderen Gründen nur die Mindeststrafe verhängt würde. Für den besonders schweren Fall des Vergehens wirke sie demgegenüber zwingend strafbefreiend, selbst wenn im konkreten Fall die Höchststrafe von zehn Jahren Freiheitsstrafe drohe. Der Gesetzgeber habe zwar eine gewisse Einschätzungsprärogative. Diese müsse er aber konsequent ausüben und dürfe nicht im Rahmen des § 371 AO eine andere Wertung treffen als im Rahmen der Strafandrohung der einzelnen Delikte. 114 Sommer/Füllsack gehen noch einen Schritt weiter. Eigentlicher Zweck des ausnehmend hohen Strafrahmens sei nicht einmal die Ausdehnung der Geldwäschestrafbarkeit gewesen, denn Geldwäscheverfahren seien „bekanntlich in den meisten Fällen ein Schlag ins Wasser". 115 Vielmehr seien, auch nach der Neufassung, von § 370a AO vorrangig durchschnittliche Steuerhinterzieher erfasst, so dass deren Bekämpfung das verdeckte tatsächliche Ziel der Einführung des § 370a AO gewesen sei. Angesichts der „unglaublich weit reichenden" Ermittlungsbefugnisse, die zu einem „gläsernen Bürger" führten, der Verzahnung zwischen Strafverfolgungs- und Finanzbehörden und der zu weitgehenden Kriminalisierung sei sehr zweifelhaft, ob § 370a AO nicht den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt. Diese Bedenken könnten nicht durch eine einschränkende Auslegung behoben werden, die zudem „äußerst ungewiss" wäre. 116 Andere Autoren sehen eine Verletzung des Übermaßverbots und des Schuldprinzips in der „ausufernden Kriminalisierung" durch den Begriff der Gewerbsmäßigkeit in Verbindung mit dem Verbrechenschrakter des § 370a AO, weil die gewerbsmäßige Begehung im Steuerstrafrecht - anders als im allgemeinen Strafrecht - aufgrund des Periodizitätsprinzips geradezu die typische Begehungsweise sei und daher die Gefahr einer massiven Sanktionierung auch weniger gewichtigen Handelns bestehe.117 Es würden nicht nur Täter getroffen, die der Organisierten Kriminalität oder terroristischen Kreisen angehören, sondern der Großteil „normaler" Steuerhinterzieher werde mit derartigen Kriminellen „über einen Kamm geschoren". 118 Zu den Bedenken trage die durch die Qualifizierung als Verbrechen erfolgte Gleich114 Reiß, Stbg 2004, 113, 114 f. 115 So die Formulierung Meyers in Hund/Johnigk/Wollburg, DStR 2002, 879. 116 Sommer/ Füllsack, Stbg 2002, 355, 362, 364; ebenso Quedenfeld/Füllsack, Rn. 233 f. 117 PestkelMotte, Stbg 2002, 493, 496; ebenso Harms, FS Kohlmann, 413, 426; wohl auch Klein, StV 2005, 459, 461 f. Iis Quedenfeld!Füllsack, Rn. 232.

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5. Teil: Verfassungskonformität des § 370a AO

Stellung mit schweren Delikten bei, etwa der Nötigung des Bundespräsidenten, dem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern oder dem schweren Menschenhandel, 119 und der Vergleich mit anderen Steuerhinterziehungsdelikten sowie den übrigen Vermögensdelikten des StGB, bei denen eine gewerbs- oder bandenmäßige Begehung zwar zu besonders schweren Fällen führe, die mit Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahren bedroht seien, eine Hochstufung zum Verbrechen aber in keinem Fall erfolge. 120 Der hohe Strafrahmen des § 370a AO bedeute einen Verstoß gegen das Gebot schuldangemessenen Strafens. Einen Grund, das Steueraufkommen als staatliches Vermögen mehr zu schützen als das private, gebe es nicht. 121 Gegenstimmen halten die Verletzung des Übermaßverbots durch eine einschränkende verfassungskonforme Auslegung der Gewerbsmäßigkeit 122 beziehungsweise durch die Einfügung der Regelung des minder schweren Falles, die eine gewisse Flexibilität bei der Strafzumessung ermögliche, für behoben.123 Langrock wiederum erachtet das Schuldprinzip aus dem Grund für problematisch, weil die Strafbarkeit nach einem Verbrechen nicht davon abhängen dürfe, in welchem Maße andere Personen Steuern hinterzogen haben. Das Merkmal „in großem Ausmaß" sei aber gerade dadurch definiert, dass die konkrete Hinterziehungssumme durchschnittliche Beträge deutlich übersteigen müsse. 124

3. Stellungnahme Um die gerügte Verletzung des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu überprüfen, soll auf jedes seiner Elemente - legitimer Zweck, Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit - gesondert eingegangen werden. Im Rahmen der Angemessenheit ist zudem die Schuldproportionalität zu untersuchen.

a) Die mit § 370a AO verfolgten

Zwecke

Der mit der Einführung des § 370a AO verfolgte gesetzgeberische Zweck ist in den Gesetzesmaterialien nicht ausdrücklich festgehalten. Jedoch legte der am Gesetzgebungsverfahren maßgeblich beteiligte Meyer dar, dass drei Motive entscheidend gewesen seien. Unmittelbares Ziel sei die Neubewertung einer besonders 119 Pestke /Motte, Stbg 2002, 493, 494. 1 20 Kritisch zu solch einem Vergleich, weil es sich bei § 370a AO um eine Steuerstraftat handele, Oberloskamp, AO-StB 2003, 355, 357. 121 Reiß, Stbg 2004, 113, 116 f. Bedenken äußert auch Oberloskamp, AO-StB 2003, 355, 357, der für § 370a AO a. F. noch einen Verstoß annahm, StV 2002, 611, 616. 122 Schiffer, BB 2002, 1174, 1177. 123 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 10; ebenso Dumke in Schwarz, § 370a AO Rn. 31, Stand November 2002. 124 Langrock, wistra 2004, 241, 245.

B. Materielle Verfassungskonformität

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schweren Form der schweren Steuerhinterziehung und dadurch die Schaffung größerer Steuergerechtigkeit gewesen. Die konkrete Ausgestaltung der Vorschrift als taugliche Geldwäschevortat sei erfolgt, um die Anlage von Schwarzgeld durch Kreditinsitute und Versicherungen zu unterbinden. Zudem sollte dadurch eine effektive Abschöpfung der Gewinne aus Straftaten ermöglicht werden, da bei Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Geldwäsche die Finanzbehörden informiert werden müssen, so dass parallel zum Geldwäscheverfahren ein Besteuerungsverfahren durchgeführt werden könne. Die effektive Gewinnabschöpfung war wohl das Hauptmotiv des Gesetzgebers.125 Die mit der Neubewertung der schweren Form der Steuerhinterziehung angestrebte Steuergerechtigkeit und damit auch die Sicherung des Steueraufkommens ist ein Gemeinwohlbelang von hoher Bedeutung, zumal sich der moderne Staat allein durch Steuern finanziert. Das Postulat horizontaler Steuergerechtigkeit sieht das Bundesverfassungsgericht in Art. 3 Abs. 1 GG verankert. 126 Es besagt, dass Personen mit gleichem Einkommen verpflichtet sein müssen, gleiche Steuerbeträge zu bezahlen.127 Schwere Steuerhinterziehungen, bei denen der Wille zum Ausdruck kommt, weiterhin Steuern hinterziehen zu wollen, mindern das Steueraufkommen erheblich und weisen daher eine besondere Sozialschädlichkeit auf. Das erste Motiv des Gesetzgebers ist somit legitim. Die Unterbindung der Anlage von Schwarzgeld ist aus dem gleichen Grund erwünscht und legitimer Zweck. Bei der Abschöpfung der Gewinne aus Straftaten durch ihre Besteuerung handelt es sich im Grunde um die Durchsetzung des Steueranspruchs des Staates, der gem. § 40 AO desgleichen bezüglich illegaler Gewinne besteht. Zudem ist in mehreren internationalen Übereinkommen, namentlich in Akten der EU, wie der Geldwäsche-Richtlinie, festgelegt, dass im Rahmen der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität die Gewinnabschöpfung eines der Hauptziele der Strafverfolgung sein muss, welches die nationale Gesetzgebung und Rechtspraxis umzusetzen verpflichtet ist. 1 2 8 Sowohl der direkt mit § 370a AO verfolgte Zweck als auch die beiden Ziele, die mittels der ausgeweiteten Geldwäschestrafbarkeit erreicht werden sollen, sind somit legitime Zwecke. Nach der hier vertretenen Auslegung des Merkmals „in großem Ausmaß" sind, wie die angeführten Beispielsfälle verdeutlicht haben, entgegen Sommer/Füllsack, von § 370a AO nicht vorrangig die durchschnittlichen Steuerhinterzieher erfasst, sondern vielmehr nur die schwerwiegenden Fälle. Jedenfalls nach Einfügung die125 Meyer in Hund / Johnigk / Wollburg, DStR 2002, 879, 880. 126 BVerfG wistra 1988, 302. 127 Hetzer, ZRP 1999, 245, 246. 128 Vgl. etwa die Gemeinsame Maßnahme des Rates, 98/699/JI vom 3. 12. 1998 betreffend die Geldwäsche, die Ermittlung, das Einfrieren, die Beschlagnahme und die Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten, AB1EG Nr. L 333 vom 9. 12. 1998, S. 1; sowie Lange, NJW 2002, 2999, 3000; eine effektivere Gewinnabschöpfung hatten Meyer I Hetzer schon lange gefordert, vgl. insbes. Hetzer, ZRP 1999, 245, 249 ff.; MeyerIHetzer, ZRP 1997, 13 ff.

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5. Teil: Verfassungskonformität des § 370a AO

ser zusätzlichen Voraussetzung kann daher nicht mehr davon ausgegangen werden, dass das verdeckte Ziel des § 370a AO die Bekämpfung der durchschnittlichen Steuerhinterziehung gewesen sei. Dagegen spricht ferner die während des Gesetzgebungsverfahrens zum Fünften Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes und zur Änderung von Steuergesetzen im Finanzauschuss erfolgte Diskussion über eben die (Nicht-)Erfassung der „normalen" Steuerhinterziehung. 129 Der Einwand von Sommer/Füllsack ist somit nicht durchschlagend. Der Gesetzgeber verfolgte mit der Einführung des § 370a AO legitime Zwecke. b) Geeignetheit Zur Neubewertung der von ihrem Anwendungsbereich erfassten Straftaten ist die Schaffung einer Verbrechensnorm geeignet. Zwar kommt der Unterscheidung zwischen Vergehen und Verbrechen seit der Strafrechtsreform 1975 130 in materieller Hinsicht nicht mehr die gleiche entscheidende Bedeutung zu, da insbesondere das Zuchthaus, eine Strafe, die allein bei Verbrechen verhängt werden konnte, abgeschafft wurde. Jedoch wird, schon aufgrund der mit einem Verbrechen derzeit verbundenen weitreichenden Folgen prozessualer und berufsrechtlicher Art, eine andere Bewertung bewirkt. Ein Verbrecher wird kaum noch als jemand angesehen, der einen „Volkssport" betreibt, wie bislang Steuerhinterziehungen größtenteils bewertet wurden. 131 Seer bezweifelt allerdings, dass größere Steuergerechtigkeit durch eine höhere Strafdrohung erreicht werden kann. Zu diesem Zweck müssten seiner Ansicht nach vielmehr die „Vollzugsbarrieren" im Besteuerungsverfahren mit den originären Mitteln des Steuerrechts beseitigt werden. 132 An Seers Einschätzung ist sicherlich richtig, dass viele Eigenarten des deutschen Steuerrechts, wie etwa die fehlende Kontrollmitteilungspflicht von Banken, Kreditinstituten und Sozialversicherungsträgern, den gleichmäßigen Vollzug der Steuergesetze erschweren. Ihm ist Recht zu geben, wenn er fordert, vorrangig derartige Hindernisse des Steuerrechts zu beseitigen. Nicht zugestimmt werden kann ihm allerdings insoweit, als er daraus die mangelnde Geeignetheit des § 370a AO schlussfolgert. Dass eine höhere Strafdrohung präventiv wirken kann, ist zumindest nicht generell zu bezweifeln. 133 Dies gilt umso mehr, als Steuerhinterzieher, die das Merkmal „in großem Ausmaß" auch in qualitativer Hinsicht erfüllen, in der Regel nicht aus einem Konflikt heraus handeln oder triebgesteuert sind, sondern ihr Vorgehen genau planen. Für die Geeignetheit ist nicht erforderlich, dass der Erfolg in jedem Einzelfall tatsächlich erreichbar ist. Es genügt vielmehr die abstrakte Möglichkeit der Zweckerrei129 Vgl. BT-Drucks. 14/8887, 23 f. 130 Vgl. BGBl. I 1975, 1 ff. 131 Vgl. Bilsdorfer, NJW 2003, 2281, 2282; Schiffer, BB 2002, 1174. 132 Seer, BB 2002, 1677, 1679. 133 Vgl. zu Zweck und Wirksamkeit von Strafe BVerfGE 45, 187, 253 ff.

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chung. 134 Die Entscheidung des Gesetzgebers über den Bereich strafbaren Handelns kann nicht darauf überprüft werden, ob es sich um die zweckmäßigste und vernünftigste Lösung handelt. 135 § 370a AO ist zur Erreichung größerer Steuergerechtigkeit jedenfalls nicht offensichtlich ungeeignet. Die Werbung für die Anlage von Schwarzgeld wird angesichts des damit nunmehr verbundenen höheren Risikos mit sehr großer Sicherheit zurückgehen, so dass § 370a AO diesen Zweck ebenfalls fördert, auch insoweit geeignet ist. Die verstärkte Abschöpfung der Gewinne aus Straftaten wird durch die Ausgestaltung als taugliche Vortat der Geldwäsche und den damit verbundenen Mitteilungspflichten, die zur Folge haben, dass die Finanzbehörde ein Besteuerungsverfahren einleiten wird, gefördert. § 370a AO ist folglich zur Verfolgung der genannten Zwecke geeignet. c) Erforderlichkeit Es ist richtig, dass die Unterbindung der Anlage von Schwarzgeld und eine effektive Gewinnabschöpfung auch durch Aufnahme des Vergehens der Steuerhinterziehung in den Vortatenkatalog des § 261 StGB und durch Erweiterung der Meldepflichten des Geldwäschegesetzes hätten erreicht werden können. Da dies ein gleich effektives, milderes Mittel darstellt, war insoweit die Schaffung des neuen Verbrechenstatbestandes nicht erforderlich. Richtig ist auch, dass das so genannte Al-Capone-Prinzip die Verbrechensnatur der Vorschrift nicht rechtfertigen kann. Denn der in der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK sowie in § 261 StPO verankerte Grundsatz in dubio pro reo, der auch Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips ist, besagt, dass die Schuld des Angeklagten in einem prozessordnungsgemäßen Verfahren nachgewiesen werden muss. 136 Ist dies nicht möglich, darf auch keine mittelbare Bestrafung für ein nicht prozessordnungsgemäß nachgewiesenes Delikt erfolgen. Dass dennoch § 370a AO die Unschuldsvermutung nicht verletzt, ist dadurch bedingt, dass eine Bestrafung wegen gewerbs- oder bandenmäßiger Steuerhinterziehung nur erfolgt, wenn diese nachgewiesen ist. Die Verhältnismäßigkeit dieser Strafe ist sodann ein eigener Prüfungspunkt. Die Erforderlichkeit kann somit nicht durch das Al-Capone-Prinzip begründet werden. Jedoch wäre die Erweiterung des Katalogs des § 261 StGB nur für zwei der mit § 370a AO verfolgten Ziele gleich effektiv - hinsichtlich der Ausweitung der Geldwäschestrafbarkeit sowie der Meldepflichten. Der dritte Zweck des Gesetzgebers, die Neubewertung der erfassten Kriminalität, würde mit diesen Maßnahmen zwar ebenfalls einhergehen, aber nicht ebenso deutlich wie durch Schaffung eines neuen Verbrechenstatbestandes. 137 In der Höhe 134 135 136 137

BVerfGE 67, 157, 175; BVerfG NJW 1993, 1911. BVerfGE 80, 244, 255; BVerfGE 90, 145, 173. Beulke, StPO Rn. 25. Vgl. ebenso Meyer in Hund/Johnigk/Wollburg, DStR 2002, 879, 880.

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5. Teil: Verfassungskonformität des § 370a AO

der Strafandrohung bringt der Gesetzgeber sein Unwerturteil über die mit Strafe bedrohte Tat zum Ausdruck. Dieses gesetzgeberische Unwerturteil ist wesentlich für die Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung. 138 Eine Erweiterung des Vortatenkatalogs und der Meldepflichten ist daher zwar im Hinblick auf zwei, nicht jedoch auf alle drei verfolgten Ziele gleich effektiv. Im Übrigen wäre auch die Erweiterung des Vortatenkatalogs eine Bemühung des Strafrechts als härtestem staatlichen Eingriffsmittel. Unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Beurteilungsspielraums ist daher die Auffassung des Gesetzgebers vertretbar, dass ihm zur Erreichung aller Ziele kein gleich wirksames, weniger eingreifendes Mittel zur Verfügung stehe. § 370a AO ist erforderlich.

d) Verhältnismäßigkeit

im engeren Sinne, Schuldproportionalität

Obwohl es sich um eine Verbrechensnorm mit einschneidenden Folgen handelt, ist die Vorschrift auch angemessen und führt nicht zu einer übermäßigen Kriminalisierung. Geschützt wird durch § 370a AO das Schutzgut Steueraufkommen, welches als Gemeinschaftsbelang einen hohen Wert hat. Dieses wichtige Schutzgut vermag die Bestrafung nach einem Verbrechen zu rechtfertigen, zumal eine übermäßige Kriminalisierung durch das nachträglich eingefügte Merkmal „in großem Ausmaß", welches bei verständiger Auslegung zu einer wesentlichen Einschränkung des Tatbestandes führt, abgewendet wird. Betroffen sind eben nicht „in den allermeisten Fällen Normalbürger", sondern wirklich nur Fälle schwerer Kriminalität. 1 3 9 Eine Steuerhinterziehung in großem Ausmaß weist ein hohes Maß an Sozialschädlichkeit auf. Daher erübrigt sich eine ohnehin nicht überzeugende einschränkende Auslegung der Gewerbsmäßigkeit. Hinzu kommt, dass die Regelung des minder schweren Falls zwar den Verbrechenstatbestand unberührt lässt, aber dennoch eine erhebliche Herabsenkung des Strafmaßes ermöglicht, welche in Ausnahmefällen sogar lediglich eine Geldstrafe sein kann. 140 Dadurch kann auch in weniger schwerwiegenden Fällen eine übermäßige Kriminalisierung verhindert werden. Jedoch bestehen in der Tat einige Unstimmigkeiten im Strafrahmen des § 370a AO gegenüber dem anderer Vorschriften. Auch wenn Strafrahmen verfassungsrechtlich zulässig und geboten sind, um eine schuldangemessene Bestrafung im Einzelfall zu ermöglichen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, dem Richter einen angemessenen Strafrahmen vorzugeben. 141 Der Vergleich mit anderen Vorschriften, die gewerbs- oder bandenmäßiges Handeln sanktionieren, ist für § 370a AO n. F. allerdings nicht überzeugend. Denn in diesen Normen ist der Strafschärfungsgrund immer allein die gewerbs- oder bandenmäßige Begehung oder das große Ausmaß, 138 BVerfGE 45, 187,256. 139 A.A. Quedenfeld!Füllsack, 140 Gem. § 47 Abs. 2 StGB.

Rn. 227.

141 Vgl. BVerfGE 6, 389, 439; BVerfGE 45, 187, 260; BVerfGE 73, 206, 254; Reiß, Stbg 04, 113, 116; Schmidt-Bleibtreu / Klein, Art. 2 GG Rn. 16.

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so auch in den von Reiß angeführten Beispielen des Bandendiebstahls, § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB, des gewerbs- oder bandenmäßigen Betrugs, § 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB sowie des Betrugs, der einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt, § 263 Abs. 3 Nr. 2 StGB. Bei § 370a AO ist hingegen die besondere Begehungsform und kumulativ ein großes Ausmaß gefordert. Des Weiteren dürfen zur Bemessung der Schuld die Motivation des Täters, die Art der Tatausführung und die sich daraus ergebende verbrecherische Energie berücksichtigt werden. 142 Diese sind bei richtiger Auslegung des Merkmals Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß" wesentlich höher als in den Strafvorschriften des Kernstrafrechts, welche ein großes Ausmaß voraussetzen, und in denen an dieses weit geringere Anforderungen gestellt werden. Die Strafrahmen des § 370a AO und des § 370 Abs. 3 AO sind zwar nicht aufeinander abgestimmt, was durchaus kritikwürdig ist. Sie variieren aber nicht so sehr, dass daraus ein Verstoß gegen das Schuldprinzip folgen würde. Denn letztlich ermöglichen sie eine schuldangemessene Bestrafung. Der Strafrahmen bei gewerbs- oder bandenmäßiger Steuerhinterziehung reicht von drei Monaten Freiheitsstrafe bei minder schweren Fällen, in Ausnahmefällen sogar lediglich einer Geldstrafe, bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe. Dieser Strafrahmen ist so weit, dass er den Richter nicht zur Verhängung übermäßiger Strafen zwingt. 143 Andererseits besteht die Möglichkeit der Geldstrafe für den minder schweren Fall des Verbrechens gem. § 47 Abs. 2 StGB nur in Ausnahmefällen. Derartigen Fällen kann im Rahmen des § 370 Abs. 3 AO als bloßem Regelbeispiel schon durch Verneinung des Regelbeispiels aufgrund außergewöhnlicher Umstände Rechnung getragen werden, so dass der Grundtatbestand des § 370 Abs. 1 AO zur Anwendung käme, für den eine Geldstrafe nicht nur in Ausnahmefällen vorgesehen ist. Richtig sind die Ausführungen Reiß' betreffend die Unstimmigkeiten der Selbstanzeigeregelung für § 370a AO und § 370 Abs. 3 AO. Dies ändert aber nichts daran, dass in Fällen der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung eine schuldangemessene Strafe möglich ist, auch wenn eine Selbstanzeige erstattet wurde. Denn zu beachten ist auch in diesem Zusammenhang die - jedenfalls nach der hier vertretenen Auslegung - hohe Strafbarkeitsschwelle des § 370a A O . 1 4 4 Das Schuldprinzip ist vielmehr aus dem Grund problematisch, dass die qualifizierte Begehungsweise der Gewerbsmäßigkeit im Rahmen der Steuerhinterziehung kein erheblich gesteigertes Unrecht kennzeichnet. Daher ist bezüglich § 370a AO a. F. wohl ein Verstoß gegen das Schuldprinzip zu bejahen. Durch das zusätzliche Erfordernis „in großem Ausmaß" und die Regelung des minder schweren Falles in § 370a AO n. F. besteht dieser aber nicht mehr. 142 BVerfGE 50, 5, 12. 143 Vgl. dazu BVerfGE 6, 389, 439, wo der Strafrahmen von drei Monaten Gefängnis bis zu zehn Jahren Zuchthaus reichte. 144 Zur möglichen Rechtfertigung für die bloß strafmindernd wirkende Selbstanzeige vgl. bereits oben, 3. Teil, B. V. 1. 1

Schneider

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5. Teil: Verfassungskonformität des § 370a AO

Bedenklich ist des Weiteren, dass die schweren Eingriffsbefugnisse der §§ 100a, 100c StPO bereits bei Vorliegen eines bloßen Verdachts mit recht niedriger Verdachtsschwelle eröffnet sind. Es genügt das Vorliegen bestimmter Tatsachen, die auf die Begehung einer der Katalogtaten schließen lassen. Die Maßnahmen sind damit auch zulässig, wenn sich im weiteren Verfahren zeigt, dass kein großes Ausmaß gegeben war, es sich vielmehr um eine ganz gewöhnliche Steuerhinterziehung handelt, wie sie schon zum Alltag in Deutschland gehört. Etwas gemindert wird die Schwierigkeit dadurch, dass bei den an das große Ausmaß zu stellenden hohen Voraussetzungen ein diesbezüglicher Verdacht nicht ohne Weiteres angenommen wird. Maßgeblich ist allerdings, dass es sich um ein generelles Problem dieser prozessualen Vorschriften handelt, welches immer auftritt, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die Tatbestandsvoraussetzungen der zugrunde liegenden Straftat nicht vorlagen. Dieser Aspekt führt daher ebenfalls nicht zur Übermäßigkeit des § 370a AO. Nicht überzeugend ist der Einwand Langrocks, dass durch die Orientierung an den durchschnittlich auftretenden Fällen gegen das Schuldprinzip verstoßen werde. Es mag nicht einsichtig erscheinen, warum die Strafe an der Schuld anderer gemessen wird. Dies bedingt jedoch im Fall des § 370a AO keinen Verstoß gegen eines der beiden Elemente des Schuldprinzips. Ist das Ausmaß einer Steuerhinterziehung größer als im Durchschnitt der Hinterziehungen, wird sicherlich, bei Abwesenheit außergewöhnlicher Umstände, keine Strafe ohne Schuld verhängt. Ebenso wenig ist allein durch den Vergleich mit anderen Fällen ausgeschlossen, dass die Strafe schuldproportional ist. Vielmehr ist sichergestellt, dass die hohe Strafe des § 370a AO nur in den Fällen verhängt wird, in denen der Taterfolg, welcher das Maß der Schuld erheblich mitbestimmt, den üblicherweise bei dem Grundtatbestand der Steuerhinterziehung gegebenen Taterfolg erheblich übersteigt. Es mögen andere Bedenken gegen eine Orientierung an dem durchschnittlichen Ausmaß einer Steuerhinterziehung bestehen, wie etwa die - schon in Anbetracht eines hohen Dunkelfeldes - mangelnde Verlässlichkeit und Tragfähigkeit entsprechender Durchschnittswerte. 145 Die Schuldproportionalität der Strafe ist dadurch hingegen nicht beeinträchtigt. Die Bedenken von Seer und Reiß bezüglich eines rechtsstaatswidrigen und übermäßigen Formenmissbrauchs 146 hingegen sind durchaus berechtigt, letztlich aber nicht durchgreifend. Dass § 370a AO erst über seine Verbrechensnatur zu einer tauglichen Geldwäschevortat wurde und nicht durch Aufnahme in den Katalog des § 261 StGB, stellt keinen Formenmissbrauch dar. Denn insoweit ist bereits keine Form missbraucht worden, da es sich sowohl bei § 261 StGB als auch bei § 370a AO um gesetzliche Vorschriften des Strafrechts handelt, die somit keine unterschiedliche Form aufweisen. Bedenklich ist aber die konkrete Ausgestaltung der 145 Vgl. dazu BGH NStZ 2004, 155 f. m. Anm. Lang/Eichhorn/Golombek, NStZ 2004, 528 ff. 146 Vgl. dazu ausführlich Pestalozza; sowie etwa Goerlich, DöV 1985, 945 ff.; Rupp, NJW 1968, 569 ff.; Schwarz, NVwZ 1997, 239 f.

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gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung als Verbrechen vor dem Hintergrund, dass es dadurch ermöglicht werden sollte, dass durch die Benachrichtigung der Finanzbehörden nach dem Geldwäschegesetz zeitgleich zum Strafverfahren das Besteuerungsverfahren durchgeführt werden kann. Zwar müsste eine alternativ mögliche Änderung des Steuerrechts durch Gesetz erfolgen, wie auch § 370a AO eine gesetzliche Vorschrift ist, so dass durch die Form des staatlichen Handelns der Rechtsschutz nicht verkürzt wurde. Jedoch diente die Vörgehensweise des Gesetzgebers in der Tat der Umgehung der Defizite des Steuerrechts mittels der weiten Eingriffsbefugnisse des Strafrechts. Allerdings ist an dieser Stelle wiederum zu beachten, dass die Benachrichtigung der Finanzbehörde zum Zweck der effektiven Gewinnabschöpfung nicht das einzige Ziel der Ausgestaltung der Vorschrift als Verbrechen war. Gerechtfertigt werden kann die Verbrechensnatur zwar nicht durch dieses Ziel, aber sehr wohl wiederum durch das weitere gesetzgeberische Motiv, eine besonders schwere Form der Steuerhinterziehung neu zu bewerten. Denn ein Verbrechenstatbestand entfaltet weit größere Signalwirkung als ein Vergehen. So stellte auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Sonderbesteuerung des Werkfernverkehrs fest, dass eine „in das Gewand eines Steuergesetzes gekleidete wirtschaftliche Lenkungsmaßnahme" keinen verfassungswidrigen Formenmissbrauch darstelle, wenn das Steuergesetz dem ihm begrifflich zukommenden Zweck, Steuereinnahmen zu erzielen, nicht geradezu zuwiderhandelt. 147 Ebenso wie das in dieser Entscheidung in Frage stehende Steuergesetz neben der Wirtschaftslenkung der Einnahmeerzielung diente, erfüllt § 370a AO auch den Zweck einer Verbrechensnorm - die stärkere Bestrafung des sanktionierten Verhaltens. Dass dieser Zweck den anderen untergeordnet war, ist, ebenso wie bei wirtschaftslenkenden Steuergesetzen, die den vorrangigen Zweck der Wirtschaftslenkung erfüllen dürfen, irrelevant. 148 § 370a AO bleibt folglich ein Strafgesetz, seine Einfügung und Änderung verstößt nicht gegen Kompetenz Vorschriften. Insbesondere wurde die Form des staatlichen Handels nicht willkürlich gewählt, so dass auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG als negative Kompetenznorm vorliegt. 149 Die Differenzen in dem Strafrahmen des § 370a AO im Verhältnis zu anderen Delikten wurden durch die Novellierung der Vorschrift gemindert. Unverständlich bleiben die Widersprüche der Strafrahmen im Verhältnis des § 370a Satz 2, 3 AO zu § 370 Abs. 3 AO. Ein Formenmissbrauch kann daraus aber nicht geschlossen werden, da der minder schwere Fall des Verbrechens auch bei einem niedrigeren Strafrahmen Verbrechen bleiben würde. Es handelt sich vielmehr um ein Problem der Schuldangemessenheit der Strafe, wobei kein Verstoß gegen dieses Prinzip gegeben ist. Vielmehr kommt dem Schutz des Steueraufkommens und der Förderung der Steuergerechtigkeit, welche in Anbetracht von einem jährlichen Hinterziehungs147 BVerfGE 16, 147, 161. 148 Vgl. BVerfGE 16, 147, 161; BVerwG BayVBl. 1995, 23, 25. 149 Vgl. dazu BVerfGE 10, 89, 104 f.; Goerlich, DöV 1985, 945, 948. 1*

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schaden in Höhe von 60-70 Milliarden Euro 1 5 0 erheblich gefährdet ist, ein großes Gewicht zu. Es handelt sich bei diesen Schutzgütern um Gemeinwohlbelange von hoher Bedeutung.151 In Anbetracht der Wichtigkeit und Dringlichkeit der mit § 370a AO verfolgten Zwecke ist die Vorschrift verhältnismäßig im engeren Sinne, solange durch eine sachgerechte Auslegung des Tatbestandes eine ausreichend hohe Strafbarkeitsschwelle gesichert ist. Nach der hier vertretenen Interpretation wird dies insbesondere durch das Merkmal „in großem Ausmaß" garantiert. Würden an die Tatbestandsvoraussetzungen hingegen geringere Anforderungen gestellt, wäre die Bestrafung nach dem Verbrechenstatbestand übermäßig und verstieße gegen das Schuldprinzip. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Schuldangemessenheit der Strafe, durchaus problematisch ist. Während § 370a AO a. F. eine unangemessene Kriminalisierung bewirkte, wurde dieser Verstoß aber durch die Einfügung des zusätzlichen Erfordernisses „in großem Ausmaß" sowie der Regelung des minder schweren Falles abgewendet. § 370a AO n. F. ist folglich nicht wegen UnVerhältnismäßigkeit verfassungswidrig.

IV. Das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot, Art. 103 Abs. 2 GG 1. Rechtsgrundlage und Inhalt Das in Art. 103 Abs. 2 GG festgeschriebene strafrechtliche Bestimmtheitsgebot (nulla poena sine lege certa) ist eine spezielle Ausgestaltung des Willkürverbots. 152 Das Bundesverfassungsgericht differenziert begrifflich zwischen dem strafrechtlichen und dem weniger strengen allgemeinen rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot, ohne jedoch praktische Folgen aus dieser Unterscheidung zu ziehen. 153 Das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG wurde in § 1 StGB einfachgesetzlich übernommen, gilt auch für das Nebenstrafrecht 154 und ist nach Art. 7 Abs. 1 EMRK als Menschenrecht anerkannt. 155 Das Bundesverfassungs150

Schätzung der Deutschen Steuergewerkschaft, vgl. Pressemitteilung der Partei der Grünen Niedersachsen vom 19. 11.2004, http://www.gruene-niedersachsen.de/aktuell_pressemitteilung.php3?id=4306, abgerufen am 20. 12. 2004. Demgegenüber beträgt der durch Eigentums- und Vermögenskriminalität entstehende Schaden weniger als 5 Milliarden Euro jährlich, Meyer in Hund / Johnigk / Wollburg, DStR 2002, 879, 880. 151 Vgl. Hetzer, W M 1999, 1306, 1317 f. 152 BVerfGE 64, 389, 394; Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 103 GG Rn. 7. 153 Nolte in v. Mangoldt/ Klein / Starck, Art. 103 GG Rn. 138. 154 Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 1 StGB Rn. 2. 155 Vgl. dazu EGMR Nr. 55103/00 - Urteil vom 10. 02. 2004 (Puhk v. Estland), HRRS 2004, Nr. 343; Demko, HRRS 2004, 19 ff.; Gaede, HRRS 2004, 318, 322; Nolte in v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 103 Abs. 2 GG Rn. 114.

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gericht leitet aus ihm ein subjektives grundrechtsgleiches Recht des von einer Strafvorschrift Betroffenen ab, 1 5 6 welches garantiert, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit vor Begehung der Tat gesetzlich bestimmt war. 157 So wird gewährleistet, dass jedermann sein Verhalten ohne Angst vor unvorhersehbaren staatlichen Sanktionen an der Strafrechtslage ausrichten kann, 158 was Rechtssicherheit schafft und die Freiheitsrechte der Bürger wahrt. 159 Das Bestimmtheitsgebot entspricht dem Grundsatz der Gewaltenteilung, nach dem nur der Gesetzgeber über die abstrakt-generelle Strafbarkeit bestimmen darf, 160 sichert die generalpräventive Wirkung der Strafgesetze 161 und schützt vor staatlicher Willkür. 1 6 2 Im Bereich des Strafrechts mit seinen einschneidenden Konsequenzen ist der sowohl für die Straftatvoraussetzungen als auch für die Strafandrohung geltende163 Art. 103 Abs. 2 GG zugleich „Handlungsanweisung" an den Gesetzgeber, da nur er abstrakt-generell über die Strafbarkeit entscheiden darf, sowie „Handlungsbegrenzung" für den Strafrichter. 164 Aus Art. 103 Abs. 2 GG wird somit auch ein Parlamentsvorbehalt abgeleitet.165 Der Strafrichter darf eine Norm, die zwar zu sachlich unbefriedigenden Ergebnissen führt, ihrem Wortlaut nach jedoch bestimmt ist, nicht korrigieren. Das Bestimmtheitsgebot schützt damit ebenfalls vor einer willkürlichen Interpretation von Strafvorschriften durch die Gerichte. 166 Der Gesetzgeber ist nach dem Bestimmtheitsgebot verpflichtet, „die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, daß sich Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände aus dem Wortlaut ergeben oder jedenfalls 156 BVerfGE 75, 329, 341; BVerfGE 85, 69, 72; Nolte in v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 103 GG Rn. 140; Rüping, Bestimmtheit, S. 6; Schulze-Fielitz in Dreier, Art. 103 Abs. 2 GG Rn. 14. 157 Abw. v.a. Nickel, S. 178, der die Existenz des Bestimmtheitsgrundsatzes gänzlich verneint; gegen ihn Ransiek, 1989, S. 7 ff.; vgl. Eser in Sch/Sch, § 1 StGB Rn. 17. 158 BVerfGE 64, 369, 393 f.; BVerfGE 85, 69, 72 f.; BVerfGE 92, 1, 12; BVerfG wistra 2002, 175, 177; st. Rspr.; Nolte in v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 103 GG Rn. 140; Wessels /Beulke, Rn. 44. 159 BVerfGE 95, 96, 130 ff.; BVerfG wistra 2002, 175, 177. 160 BVerfGE 75, 329, 341; BVerfGE 78, 374, 382; BVerfGE 95, 96, 131; BVerfG wistra 2002, 175, 177; Amelung, NJW 1995, 2584, 2587; Eser in Sch/Sch, § 1 StGB Rn. 17; Nolte in v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 103 GG Rn. 138. 161 Roxin, StrafR AT I, § 5 Rn. 67. 162 BVerfGE 25, 269, 285; BVerfGE 64, 389, 394; Eser in Sch/Sch, § 1 StGB Rn. 17; Schmitz in MK, § 1 StGB Rn. 39. 163 BVerfG wistra 2002, 175, 177; Hinsichtlich Maßregeln der Besserung und Sicherung wurde die Frage vom BVerfG bislang offen gelassen, vgl. BVerfGE 74, 102, 126; BVerfGE 83, 119, 128; BVerfG wistra 2002, 175, 178. 164 BVerfGE 47, 109, 120; BVerfGE 64, 389, 393; BVerfG wistra 2002, 175, 177. 165 BVerfGE 75, 329, 341. 166 BVerfGE 64, 389, 394; BVerfGE 87, 209, 229; BVerfG NJW 1986, 1671, 1672; Rüping, DStR 2004, 1780, 1781.

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durch Auslegung ermitteln lassen". 167 Unbestimmte Rechtsbegriffe müssen auslegungsfähig und der Aussagegehalt des Gesetzes für den Bürger noch erkennbar sein. 168 In Grenzfällen muss der Normadressat aus der Vorschrift selbst zumindest das Risiko einer Bestrafung erkennen können. 169 Unklarheiten können in derartigen Fällen durch die Rechtsprechung behoben werden, der eine konkretisierende Rolle zukommt. 170 Die Praxis des Bundesverfassungsgerichts hat letztlich die Abschwächung des Bestimmtheitserfordernisses einer Strafvorschrift zu einer bloßen Bestimmbarkeit bewirkt. 171 Die Bestimmtheitsanforderungen steigen jedoch mit zunehmender Intensität der Eingriffswirkung und Schwere der angedrohten Strafe. 172 Allerdings muss auch die Wertigkeit des konkret zu schützenden Rechtsguts berücksichtigt werden. 173 Der Gesetzgeber muss eine Strafnorm so genau wie möglich formulieren. 174 Unbestimmte Rechtsbegriffe verstoßen daher gegen Art. 103 Abs. 2 GG, wenn sie vermeidbar wären 175 oder es eine weniger unbestimmte, aber ebenso funktionsfähige Regelungsalternative gibt. 1 7 6 Eine Strafnorm ist somit ausreichend bestimmbar, wenn ihr die üblichen Auslegungsregeln Konturen verleihen können oder eine gefestigte Rechtsprechung dies sicherstellt. 177 167 BVerfGE 73, 206, 234; BVerfGE 75, 329, 340 f.; BVerfGE 92, 1, 12; BVerfG wistra 2002, 175, 177; st. Rspr.; Nolte in v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 103 GG Rn. 139; Tröndle/ Fischer, 52. Aufl., § 1 StGB Rn. 5. 168 BVerfGE 47, 109, 121; BVerfGE 85, 69, 73; BVerfG NJW 86, 1671, 1672 m. w. N.; Wassermann in AK-GG, Art. 103 GG Rn. 52; Wessels/Beulke, Rn. 47; krit. Hanack, NStZ 86, 263 f. 169 BVerfGE 85, 69, 73; BVerfGE 87, 209, 224; BVerfGE 92, 1, 12; BVerfG NJW 86, 1671, 1672; BVerfG NJW 1997, 190, 191; anders BVerfGE 32, 346, 362, wo das BVerfG forderte, dass dem Einzelnen „die Grenze des straffreien Raums klar vor Augen" stehen müsse; vgl. zum Ganzen Nolte in v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 103 GG Rn. 141. 170 BVerfGE 14, 245, 253; BVerfGE 28, 175, 185; BVerfGE 57, 252, 262; BVerfGE 93, 266, 291 f.; BVerfGE 96, 68, 98; BVerfG NJW 1993, 1911; vgl. dazu Nolte in v. Mangoldt/ Klein/ Starck, Art. 103 GG Rn. 139; kritisch Amelung, NJW 1995, 2584, 2587; Kunig in Münch, Art. 103 GG Rn. 29. 171 Eser in Sch/Sch, § 1 StGB Rn. 20; Rüping in BK, Art. 103 Abs. 2 GG Rn. 20, Zweitbearb. Stand Mai 1990 spricht davon, dass der Bestimmtheitsgrundsatz „von seinem Gegenteil, einer weitgehenden Unbestimmtheit" lebt; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, Art. 103 Abs. 2 GG Rn. 186, Stand Dezember 1992; krit. Calliess, NJW 85, 1506, 1508 ff.; Kunig in Münch, Art. 103 GG Rn. 29; Lampe JR 82, 430 ff. 172 BVerfGE 14, 245, 251; BVerfGE 26, 41, 43; BVerfGE 86, 288, 311 m. w. N.; BVerfG wistra 2002, 175, 178; BGH NJW 1978, 652; Eser in Sch/Sch, § 1 StGB Rn. 20; Nolte in v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 103 GG Rn. 145; a. A. Roxin, StrafR AT I, § 5 Rn. 70. 173 Eser in Sch/Sch, § 1 StGB Rn. 20. 174 BVerfGE 71, 108, 116; BVerfG NJW 1979, 1445, 1448; BGHSt 23, 167, 171; Eser in Sch/Sch, § 1 StGB Rn. 17; Lenckner, JuS 68, 304, 305; Nolte in v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 103 GG Rn. 141; differenzierend Krahl, 5, 81 ff.; krit. Ransiek, 55 ff. 175 Eser in Sch/Sch, § 1 StGB Rn. 20; Löwer, JZ 1979, 621, 625; Schmitz in MK, § 1 StGB Rn. 44. 176 Eser in Sch/Sch, § 1 StGB Rn. 20 m. w. N.

B. Materielle Verfassungskonformität

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2. Mangelnde Bestimmtheit des Merkmals „in großem Ausmaß" Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 G G a) Feststellung eines Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot Vielfach wird vertreten, dass der unbestimmte Rechtsbegriff „ i n großem Ausmaß" als Tatbestandsmerkmal ungeeignet sei, da es sich um ein „Musterbeispiel für eine Leerformel" 1 7 8 handele. Auch der Bundesgerichtshof hat bereits in mehreren Entscheidungen darauf hingewiesen, dass der Begriff seiner Meinung nach zu unbestimmt s e i . 1 7 9 Eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG an das Bundesverfassungsgericht erfolgte jedoch aus verschiedenen Gründen in keinem F a l l . 1 8 0 Da die Begehungsweisen der Gewerbs- oder Bandenmäßigkeit nicht die notwendige Begrenzung des weiten Tatbestandes leisten könnten, komme es i m Rahmen des § 370a A O ganz entscheidend auf das Merkmal des großen Ausmaßes an, weshalb strenge Anforderungen an dessen Bestimmtheit zu stellen seien. 1 8 1 Dies gelte 177 BVerfGE 105, 135, 157, kritisch Amelung, NJW 1995, 2584, 2587; gegen diese Kritik wiederum Nolte in v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 103 GG Rn. 139. 178 So der Ausdruck von Joecks in FGJ, § 370 AO Rn. 271. Klein, StV 2005, 459, 463, hält auch den Bandenbegriff für zu unbestimmt, was jedoch angesichts der hergebrachten Definition unverständlich erscheint. 179 BGH NJW 2004, 1885, 1886; BGH NJW 2004, 2990 ff.; BGH NJW 2005, 374 ff. 180 In BGH NJW 2004, 1885 war das Urteil lediglich mit einer Verfahrensrüge angefochten worden. In BGH NJW 2004, 2990 ff. handelte es sich um ein auf Sachrüge gestütztes Revisionsverfahren, dem eine Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung in einem minder schweren Fall seitens des LG Wuppertal zu Grunde lag. Der Bundesgerichtshof beschränkte das Verfahren mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gem. § 154a Abs. 1 und 2 StPO auf die Verfolgung des § 370 AO, weil § 370a AO erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegne. Von einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG konnte er sodann mangels Entscheidungserheblichkeit absehen. Erhebliche Bedenken gegen dieses Vorgehen äußert Gaede, HRRS 2004, 318, 321 da es zu einem Leerlauf der verfassungsrechtlichen Regelung des Art. 100 Abs. 1 GG führe; ebenso Rolletschke, DStZ 2004, 763, 766; a.A. Rüping, AO-StB 2004, 376, 377 sowie Ahlbrecht, EWiR 2005, 371, 372, der auch für die Zukunft zu einem solchen Vorgehen rät. Jäger I Birke, PStR 2004, 204, 208 halten die Beschränkung auf die Verfolgung eines Vergehens trotz des Tatvorwurfs des Verbrechens für „bemerkenswert", aber deswegen vertretbar, weil das LG nur einen minder schweren Fall des Verbrechens angenommen hatte, so dass sich die Strafrahmenobergrenze mit der des Vergehens deckte. Seer, NWB Fach 13, 1079, 1080 vermutet hinter diesem Vorgehen, dass der Bundesgerichtshof einen Normenkontrollantrag wegen der grundsätzlichen Zurückhaltung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Bejahung eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 2 GG vermied. In BGH, NJW 2005, 374 ff. war dem Senat eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht möglich, da die nach § 80 Abs. 2 BVerfGG vorausgesetzte Entscheidungserheblichkeit der Frage fehlte. Denn das Urteil des LG Wuppertal beruhte auf einfachrechtlichen Fehlern, die bereits zur Aufhebung des Schuldspruchs führten. 181 BGH, NJW 2004, 2990, 2991; Harms, FS Kohlmann, 413, 423. Kritisch insoweit Gaede, HRRS 2004, 318, 331, der die Möglichkeit einer einschränkenden Auslegung der Gewerbs- oder Bandenmäßigkeit für die Bewertung der ausreichenden Bestimmtheit des großen

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5. Teil: Verfassungskonformität des § 370a AO

umso mehr, als es über die Abgrenzung zwischen Vergehen und Verbrechen mit den damit verbundenen „gravierenden Folgen" entscheide, so dass ohnehin höhere Bestimmtheitsanforderungen gelten. 182 Die Qualifizierung eines Verbrechens müsse ebenso bestimmt sein wie die Abgrenzung des strafbaren vom nicht strafbaren Verhalten. Diese Einordnung müsse der Gesetzgeber selbst leisten und dürfe sie nicht durch Verwendung eines derart unbestimmten Begriffs dem Richter oder gar Kommentatoren überlassen. 183 Insbesondere bei der Einführung eines neuen Tatbestandes müsse der Gesetzgeber besondere Leitlinien erkennen lassen, die die Vorhersehbarkeit sicherstellen. 184 Da das Bundesverfassungsgericht derart hohe Anforderungen in seinem Urteil zur Vermögensstrafe bereits für die Rechtsfolgenseite aufgestellt habe, 185 müssten sie erst recht für Tatbestands Voraussetzungen gelten. 186 Ein unbestimmter Rechtsbegriff tauge zu einer wirkungsvollen Begrenzung des Tatbestandes erst nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, welche zu § 370a AO jedoch nicht existiere. 187 Der Begriff sei zu wenig greifbar als dass er sich seinem Inhalt nach selbst erschließen würde. 188 Motive des Gesetzgebers, die eine verlässliche Auslegung ermöglichen, existierten - abgesehen von dem generellen Zweck der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität - nicht. Weder sei erkennbar, ob sich der Gesetzgeber von der Verwendung des gleichen Begriffs in anderen Vorschriften hat leiten lassen noch ob Statistiken zu den üblichen Hinterziehungsbeträgen bei UmsatzAusmaßes für irrelevant hält, da das Unrecht des Tatbestandes durch beide Merkmale konstituiert werde, so dass beide ausreichend bestimmt sein müssten. 182 BGH NJW 2004, 2990, 2991; AG Klimatagung in Wo, WPK-Mitt. 2003, 130, 131; Gast-de Haan in Klein, § 370a AO Rn. 14; Harms, FS Kohlmann, 413, 419, 426; Harms, Salditt, Rüsken, Joecks auf dem 18. Dt. Richter- und Staatsanwaltstag, vgl. Seibel, AO-StB 2004, 109, 112; Hild/Albrecht, NJW 2005, 336, 339; Jäger!Birke, PStR 2004, 204, 207 f.; Klein, StV 2005, 459, 460; Langrock, wistra 2004, 241; Leipold, NJW-Spezial 2004, 185; Pestke!Motte, Stbg 2002, 493, 497; Reiß, Stbg 2004, 113, 117; Sauren, ZEV 2002, 404, 405; Schmitz in MK, § 1 StGB Rn. 44; Seer, NWB Fach 13, 1079, 1080; zweifelnd auch Stahl, Selbstanzeige, Rn. 367. 183 Reiß, Stbg 2004, 113, 117. 184 Pestke /Motte, Stbg 2002, 493, 497. 185 Vgl. BVerfG wistra 2002, 175 ff. 186 Pestke ¡Motte, Stbg 2002, 493, 497. 187 Pestke/Motte, Stbg 2002, 493, 497; Rüping, AO-StB 2004, 376; ders., DStR 2004, 1780, 1781 \ders. Bestimmtheit, S. 4. 188 BGH, NJW 2004, 2990, 2991; Oberloskamp, StV 2002, 611, 617. Pestke IMotte, Stbg 2002, 493, 497, 499 f. halten wegen der mangelnden Bestimmtheit des § 370a AO die Motivationslage des Gesetzgebers für widersprüchlich, da über § 261 StGB auch Dritte davon betroffen seien, während es laut Meyer darum gehen sollte, „unerwünschte Verhaltensweisen" weniger lukrativ und vor allem risikoreicher zu gestalten. § 370a AO könne diese Warnfunktion aber nicht erfüllen. Pestke I Motte kann aber jedenfalls so nicht zugestimmt werden. Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass es Intention des Gesetzgebers war, § 370a AO möglichst unbestimmt auszugestalten. Vielmehr liegt wohl ein schlichter gesetzgeberischer Fehlgriff vor, dessen Probleme und Schwierigkeiten bei Verabschiedung des Gesetzes nicht richtig abgeschätzt wurden.

B. Materielle Verfassungskonformität

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Steuerbetrügereien zu Rate gezogen wurden. 189 Das Gesetz biete keinen Anhaltspunkt dafür, ob das Ausmaß betragsmäßig oder nach dem gesamten Tatbild zu bestimmen sei und ob der Hinterziehungsbetrag der Einzeltat oder der Gesamtumfang in irgendeiner Weise verbundener Steuerhinterziehungen entscheide.190 Sollte auf den Gesamtumfang abgestellt werden, sei zudem unklar, ob der objektive oder der geplante Umfang maßgeblich sei, 191 ob die Steuerverkürzung oder der Steuerschaden ausschlaggebend sei 1 9 2 und welche Auswirkung eine Zusammenfassung auf die erfassten Einzeltaten habe. 193 Fraglich sei auch, in welchen Konstellationen eine Kumulierung erfolgen solle - horizontal, wenn innerhalb eines Veranlagungszeitraums Falschdeklarationen zu mehreren Steuerarten gemacht werden, vertikal, wenn zu einer Steuerart in verschiedenen Veranlagungszeiträumen falsche Erklärungen abgegeben werden, oder in personaler Hinsicht, etwa bei Bandenmitgliedern oder Einzeltaten mehrerer, in eine hierarchische Struktur eingebundener Haupttäter, die bei einem Hintermann zusammenlaufen und erst bei diesem Hintermann ein großes Ausmaß erreicht wird. Weitere Unsicherheiten bestünden bei der Frage, ob das Merkmal isoliert zu beurteilen ist oder durch die gewerbs- oder bandenmäßige Begehung beeinflusst wird. 1 9 4 Das Gesetz enthalte weder eine Begrenzung auf bestimmte Steuerarten noch auf besonders schwerwiegende Erscheinungsformen, aus der eine Eingrenzung des unbestimmten Tatbestandsmerkmals mittels deliktsspezifischer Auslegung unter Berücksichtigung des vorgestellten Tatbildes vorgenommen werden könnte. 195 Die Festlegung eines ziffernmäßig bestimmten Schwellenwertes, ab dem das Ausmaß durchschnittlicher Fälle, die bereits selbst schwer zu bestimmen sind, erheblich überschritten wird, werde weder durch den Gesetzeswortlaut noch durch die Gesetzesmaterialien ermöglicht. 196 Jegliche in der Literatur genannten Beträge hätten in der Gesetzesformulierung keinen Ausdruck gefunden, 197 ebensowenig könnten sie sich auf eine Rechtsprechung stützen.198 Wie die stark variierenden Auslegungen zu dem Begriff „in großem Ausmaß" in den verschiedenen Vorschriften 199 189 PestkelMotte, Stbg 2002, 493,498. 190 Harms, FS Kohlmann, 413, 424; Hild/Albrecht, Fach 13, 1079, 1080.

NJW 2005, 336, 338; Seer, NWB

191 Bittmann, wistra 2003, 161, 164; Langrock, wistra 2004, 241, 243. 192 Hild!Albrecht, NJW 2005, 336, 338; Langrock, wistra 2004, 241, 242. 193 Harms, FS Kohlmann, 413, 424; Langrock, wistra 2004, 241, 243. 194 Langrock, wistra 2004, 241, 243 f. 195 BGH NJW 2005, 374, 375; vgl. dazu auch Gaede, HRRS 2004, 318 f.; Harms, FS Kohlmann, 413, 424. 196 Langrock, wistra 2004, 241 ff.; Rüping, AO-StB 2004, 376, 377. 197 Jäger/Birke, PStR 2004, 204, 207; Rüping, DStR 2004, 1780, 1781; Seer, NWB Fach 13, 1079, 1080. 198 Klein, StV 2005, 459, 460. 199 z. B. §§ 264 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, 335 Abs. 2 Nr. 1 StGB, § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO.

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5. Teil: Verfassungskonformität des § 370a AO

zeigen, sei seine Interpretation „völlig unklar und höchst umstritten". 200 Eine Konkretisierung bereite schon aus dem Grund Probleme, dass ein großes Ausmaß relativ sei. Es variiere je nach den Vermögensverhaltnissen des Einzelnen stark 201 und könne von Stadt zu Stadt unterschiedlich sein, so in Paderborn 10 000 Euro, in Frankfurt 50 000 Euro und in Mainz 500 000 Euro. 202 Es bestehe die Gefahr, dass das Merkmal von jedem Staatsanwalt, Steuerfahnder, Beamten der Straf- und Bußgeldstelle der Finanzämter und Richter unterschiedlich ausgelegt werde. 203 Dies werde schon anhand der in der Literatur aufgeworfenen erheblich voneinander abweichenden betragsmäßigen Überlegungen deutlich, die von 10 000 Euro 2 0 4 bis mindestens mehreren Millionen Euro 2 0 5 reichen. 206 Die Strafbarkeit nach dem Verbrechenstatbestand hänge bei einer ziffernmäßigen Konkretisierung des großen Ausmaßes von willkürlich festgelegten Beträgen ab. 2 0 7 Die bloße Subsumierbarkeit unter den Wortlaut genüge dem Bestimmtheitsgebot nicht, erforderlich sei vielmehr auch die Vorhersehbarkeit der Auslegung. 208 Für die Auslegung könne auch nicht auf die Rechtsprechung zu § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO zurückgegriffen werden, da die im Rahmen der Regelbeispiele vorzunehmende Gesamtwürdigung aller die Tat prägenden und begleitenden Umstände, welche dem Richter einen weiten Spielraum eröffne, nicht von der Strafzumessungsebene, auf welcher der Bestimmtheitsgrundsatz nur abgeschwächt gelte, auf die Tatbestandsebene übertragen werden dürfe. 209 Hinzu komme, dass bei § 370 Abs. 3 AO gleichzeitig die Voraussetzung „aus grobem Eigennutz" erfüllt sein müsse und das Vorliegen beider Merkmale im Rahmen einer Gesamtabwägung aller Umstände festzustellen sei. 21 0 Gerade die Regelbeispiele des § 370 Abs. 3 AO verdeutlichten die Notwendigkeit einer klaren Abgrenzung und damit ausreichenden Bestimmtheit des Merkmals „in großem Ausmaß". 211 Die Ein200 Schmitz in MK, § 1 StGB Rn. 44; ähnlich Spatscheck / Wulf, NJW 2002, 2983, 2984. 201 BGH NJW 2004, 2990, 2991; Oberloskamp, StV 2002, 611,617. 202 So die Befürchtung von Streck, Handelsblatt vom 22. 07. 2002, S. 11, zitiert nach Burchert, INF 2002, 532, 534, der sie für unbegründet hält. 203 Klein, StV 2005, 459, 461; Oberloskamp, StV 2002, 611, 617; Sauren, ZEV 2002, 404, 405. 204 Burger, wistra 2002, 1, 2 Fn. 19. 205 Oberloskamp, AO-StB 2004, 114, 116. 206 Klein, StV 2005,459,460; Park, wistra 2003, 328, 331; Pestke /Motte, Stbg 2002, 493, 496. 207 BGH NJW 2005, 374, 375; Pressemitteilung der Bundessteuerberaterkammer vom 15. 09. 2004, abrufbar unter http: // www.bstbk.de. 208 Gaede, HRRS 2004, 318, 319 f. 209 BGH NJW 2004, 2990, 2991; BGH NJW 2005, 374, 375 f.; Jäger ¡Birke, PStR 2004, 204, 207; Rüping, AO-StB 2004, 376, 377; Seibel, AO-StB 2004, 109, 112; Spatscheck/Wulf, NJW 2002, 2983, 2984. 210 Harms, FS Kohlmann, 413, 425 f.; i. E. ebenso PestkeIMotte, Stbg 2002, 493, 495. 211 AG Klimatagung in Wo, WPK-Mitt. 2003, 130, 131.

B. Materielle Verfassungskonformität

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fiigung dieses Erfordernisses in § 370a AO verdeutliche hingegen, dass der Gesetzgeber die „dramatischen Folgen" der Vorschrift verkannt habe. Denn sämtliche andere Strafnormen, die ein großes Ausmaß voraussetzten, seien bloße Strafzumessungsregeln und der Verbrechenstatbestand des § 263 Abs. 5 StGB, der im Regierungsentwurf noch ein großes Ausmaß vorausgesetzt habe, erfordere dies in der letztlich verabschiedeten Fassung nicht mehr. 212 Durch den im Rahmen der Regelbeispiele bestehenden großen Freiraum seien auch die erheblichen Unterschiede hinsichtlich der für das große Ausmaß geforderten Beträge zu erklären. Ein derartiges Spektrum dürfe aber bei der Frage, ob ein Tatbestandsmerkmal erfüllt ist, nicht vorherrschen, umso weniger, wenn ihm für die Abgrenzung zwischen Vergehen und Verbrechen ausschlaggebende Bedeutung zukomme. 213 Da die Anlehnung an die für § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO geltenden Grundsätze somit nicht möglich sei, bleibe der Begriff des großen Ausmaßes „völlig konturenlos". 214 Mit dem gleichermaßen unkonkreten Verbrechensmerkmal der „nicht geringen Menge" in § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG sei § 370a AO nicht vergleichbar, da für erstere Vorschrift - im Gegensatz zu der Steuerhinterziehung - eine Eingrenzung durch wissenschaftlich nachprüfbare und allgemein anerkannte Kriterien erzielt werden könne. Die Konkretisierung des großen Ausmaßes hingegen bleibe der jeweiligen wirtschaftlichen Betrachtung und dem wirtschaftlichen Vorverständnis des jeweiligen Rechtsanwenders überlassen. 215 Überdies sei die Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs bereits unter dem Aspekt der mangelnden sachlichen Erforderlichkeit unzulässig.216 Denn es handele sich um einen Fall, in dem er problemlos durch eine bestimmte Regelung ersetzt werden könne. Beispielsweise könne der Gesetzgeber einen klaren Mindestbetrag im Gesetz festschreiben 217 oder die Bedenken durch Umwandlung des Verbrechenstatbestandes in einen besonders schweren Fall im Rahmen von § 370 Abs. 3 AO ausräumen. 218 Oberloskamp hält eine hinreichend bestimmte Gesetzesfassung nur dann für gegeben, wenn die Strafbarkeit ohne weitere Überlegung vorhersehbar sei, was die Formulierung „in großem Ausmaß" nicht ermögliche. Bedingt durch die mangelnde Bestimmtheit liege auch ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip sowie die Berufsausübungsfreiheit von Rechtsanwälten und Steuerberatern vor, da über § 370a AO Ermittlungsbefugnisse eröffnet würden, die der Schwerkriminalität vor212 Harms, Stbg 2005, 12, 18. 213 BGH NJW 2004, 2990, 2991; BGH NJW 2005, 374, 375 f. 214 Harms, FS Kohlmann, 413, 425 f.; i. E. ebenso Pestke/Motte, Stbg 2002, 493, 495. 215 BGH NJW 2005, 374, 375 f. 216 Park, wistra 2003, 328, 332; Schmitz in MK, § 1 StGB Rn. 44. 21V Oberloskamp, AO-StB 2004, 114, 116. 218 Pestke /Motte, Stbg 2002, 493, 498 f.

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5. Teil: Verfassungskonformität des § 370a AO

behalten seien und für Rechtsanwälte und Steuerberater existenzvernichtende Auswirkungen haben könnten. 219 Hild / Albrecht erachten infolge der Unbestimmtheit der Norm auch das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG für problematisch. Der Bundesgerichtshof habe „eindringlich" darauf hingewiesen, dass die Fachgerichte aufgrund der unsicheren Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 370a AO beträchtlichen Schwierigkeiten bei der Rechtsanwendung begegneten. Ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. 12. 2003 wiederum habe darauf aufmerksam gemacht, dass die Auslegung des § 370a AO auch für den Bereich des Abgabenrechts sowie des Steuerrechts Bedeutung habe, beispielsweise im Rahmen der Auslegung der § 4 Abs. 5 Nr. 10, § 22 EStG. 220

b) Unmöglichkeit der Behebung des Verstoßes Die Möglichkeit der verfassungskonformen, den Bestimmtheitsverstoß behebenden Auslegung bestehe nicht, da der Gesetzgeber seine Pflicht verletzt habe, die Grenzen der Strafbarkeit und deutliche Auslegungsvorgaben für die Gerichte zu statuieren. 221 Somit sei es dem Strafrichter aufgrund der begrenzenden Wirkung des Bestimmtheitsgrundsatzes verwehrt, das unbestimmte Gesetz selbst nachzubessern. 222 Abgesehen davon sei nicht ersichtlich, in welcher Form eine verfassungskonforme Auslegung erfolgen könnte. 223 Zwar sollten beispielsweise Fälle der so genannten Baumafia, die durch organisierte kriminelle Strukturen bei Tatplanung und -ausführung charakterisiert seien und hohe Steuerausfälle sowie große wirtschaftliche Schäden zur Folge hätten, nach der Intention des Gesetzgebers „zweifellos" von § 370a AO erfasst werden, entsprächen dem Begriff der „Steuerhinterziehung als Gewerbe" 224 und stellten eine ausnehmend steuerschädliche Art der Wirtschaftskriminalität dar. Ein unbestimmtes Gesetz dürfe aber nicht durch die Gerichte in geeignet erscheinenden Einzelfällen schrittweise nachgebessert und ausgefüllt werden. 225 Auch ein Rundschreiben des Bundesfinanzministeriums an die Finanzbehörden der Länder könne - entgegen Meyers Auffassung 226 - eine restriktive Interpretation nicht festschreiben, da es als bloße Verwaltungsanweisung nur verwaltungsintern die nachgeordneten Verwaltungsdienststellen kraft Weisungsbefugnis binde,

219 Oberloskamp, AO-StB 2004, 114, 115 f. 220 Hild!Albrecht, NJW 2005, 336, 339. 221 Reiß, Stbg 2004, 113, 117; zweifelnd Kohlmann, § 370a AO Rn. 5, Stand Oktober 2002. 222 Park, wistra 2003, 328, 331. 223 BGH NJW 2004, 2990, 2991. 224 Vgl. dazu Joecks, wistra 2002, 201, 204. 225 BGH NJW 2005, 374, 375. 226 Vgl. Meyer in Hund/Johnigk/Wollburg, DStR 2002, 879, 881, 884.

B. Materielle Verfassungskonformität

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ohne Außenwirkung zu entfalten. 227 Ein bedeutender Verfassungsverstoß könne nicht durch eine Verwaltungsanweisung geheilt werden. 228 Ein derartiges Rundschreiben würde gegen den Bestimmtheitsgrundsatz verstoßen sowie auch gegen das Gewaltenteilungsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), weil es nicht Aufgabe der Finanzverwaltung sei, einem Strafgesetz seinen Inhalt zu verleihen. 229 Gleichermaßen „abwegig" sei eine neuerliche „Nachbesserung" mittels „Schadenstabellen", welche mit den Strafmaßtabellen der Oberfinanzdirektionen vergleichbar seien. 2 3 0 Die von der Arbeitsgemeinschaft Klimatagung geforderte Klarstellung des gesetzgeberischen Willens 231 oder die von der Bundesregierung geplante Vereinbarung zwischen Bund und Ländern über eine restriktive Anwendung der Norm 2 3 2 könnten das Problem ebenso wenig lösen, da die Auslegung von Strafnormen allein durch die Gerichte erfolgen dürfe. 233 Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass bedeutsame Stimmen einen nicht heilbaren Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot darin erblicken, dass sich nicht erkennen lasse, welche Anknüpfungspunkte für das Tatbestandsmerkmal „in großem Ausmaß" entscheidend seien und unter welchen Voraussetzungen es erfüllt sei. Vielmehr überlasse die derzeitige Gesetzesfassung die Interpretation dem jeweiligen Rechtsanwender. Der Normadressat könne Anwendungsbereich und Tragweite des Verbrechenstatbestandes nicht ermitteln und konkretisieren, 234 die Bestimmung der Strafbarkeitsanforderungen sei letzten Endes dem Richter überlassen. 235 § 370a AO sei folglich verfassungswidrig. 236

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Park, wistra 2003, 328, 331 f. Park verkennt allerdings, dass Meyer nicht meint, ein derartiges Rundschreiben könne die Auslegung festlegen, vielmehr durchaus die Möglichkeit einer abweichenden Interpretation durch die Gerichte sieht, aber dennoch die Absicht des Finanzministeriums, ein solches Rundschreiben zu versenden, begrüßte; Meyer in Hund/Johnigk/Wollburg, DStR 2002, 879, 881, 884. 22 » Park, wistra 2003, 328, 331 f.; vgl. auch Kohlmann § 370a AO Rn. 5, Stand Oktober 2002. 229 Oberloskamp, StV 2002, 611, 615; ders., AO-StB 2004, 114. 2 30 Harms, FS Kohlmann, 413, 426. 2

31 Vgl. WPK-Mitt. 2003, 130, 132. 3 Vgl. BT-Drucks. 14/8887,24. 2 33 Harms, Stbg 2005, 12, 18 f. 2 34 BGH NJW 2004, 2990 ff. mit zust. Anm. Seer, NWB Fach 13, 1079, 1080; BGH NJW 2005, 374, 375; Hild/Albrecht, NJW 2005, 336, 338 ff.; Rüping, Bestimmtheit, S. 7; Sauren, ZEV 2002, 404, 405. 2 35 Pestke /Motte, Stbg 2002, 493, 498. 2 36 In der Konsequenz äußert Gaede, HRRS 2004, 318, 320 auch Bedenken im Hinblick auf das in Art. 8 EMRK statuierte Gebot der Bestimmtheit strafprozessualer Eingriffsmaßnahmen, da § 370a AO sehr tief greifende Befugnisse auf diesem Gebiet verleihe. 2 2

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5. Teil: Verfassungskonformität des § 370a AO

3 . Verneinung der Verletzung von Art. 103 Abs. 2 GG Nach der Gegenansicht ist eine sachgerechte Auslegung des Begriffs „in großem Ausmaß" durchaus möglich und damit die ausreichende Bestimmtheit des Merkmals gewährleistet. 237 Von den Autoren, die für eine betragsmäßige Festsetzung plädieren, wird die Möglichkeit der Vermeidung des Bestimmtheitsverstoßes darin gesehen, dass ein derart hoher Mindestbetrag gewählt wird, dass niemand ernsthaft das große Ausmaß verneinen könne, also ein Wert in Millionenhöhe. 238 Überwiegend wird die ausreichende Bestimmtheit hingegen damit begründet, dass das Merkmal in einer Vielzahl anderer Vorschriften verwendet werde, wo es bereits seine Auslegung erfahren habe, auf die zurückgegriffen werden könne. 239 Zu nennen seien § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO, §§ 263 Abs. 3 Nr. 2, 264 Abs. 2 Nr. 2 , 2 4 0 266 Abs. 2 in Verbindung mit § 263 Abs. 3, § 266a Abs. 4 Nr. 1 sowie § 267 Abs. 3 Nr. 2 StGB. 241 Namentlich die beiden aus der engen systematischen Nähe zu § 370 Abs. 3 AO herleitbaren Voraussetzungen des Mindesthinterziehungsbetrages von 500 000 Euro und des „Täuschungsgebäudes großen Ausmaßes" garantierten eine sachgerechte und hinreichend bestimmte Interpretation. 242 Das Argument des Bundesgerichtshofs, dass bei diesen Normen eine gewisse Unbestimmtheit zulässig sei, da es sich um Regelbeispiele handele, für die der Bestimmtheitsgrundsatz nur in abgeschwächter Form gelte, während dies für ein Tatbestandsmerkmal unzulässig sei, verfange nicht. Die Irrelevanz dieses Aspektes begründet Rolletschke damit, dass die in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO entwickelten Grundsätze zwar nicht direkt übertragen werden dürften, jedoch taugliche Richtlinien darstellten. Die in dem Regelbeispiel vorzunehmende Gesamtabwägung sei für einen Tatbestand zu unbestimmt und könne daher nicht für § 370a AO gelten. Eine inhaltliche Konkretisierung des Merkmals „in großem Ausmaß" in dieser Norm sei dennoch durch einen Rückgriff auf die im Rahmen des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO geltenden Prinzipien möglich. Den Gerichten stehe es auch offen, in Anlehnung an diese Grundsätze selbst Kriterien zu entwickeln, um den Tatbestand zu konkretisieren. Dies sei keine Nachbesserung eines unbestimmten Gesetzes, was ein Vergleich zu der für verfassungswidrig erklärten Vermögensstrafe zeige. Denn der wesentliche Unterschied sei, dass § 43a StGB a. F. dem Strafrichter keinerlei inhaltliche Vorgaben gemacht habe, während für die Auslegung des großen Ausmaßes bereits Grundsätze bestünden, an die sich angelehnt 237 Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1155 f.; Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 10; Lührs, BuW 2002, 711, 716; Rolletschke, DStZ 2004, 763, 765 f.; Senge in Erbs/ Kohlhaas, A 24, § 370a AO Rn. 8, Stand Juni 2004; Weyand, INF 2003, 115, 116 f. 238 Joecks in FGJ, § 370a AO Rn. 17; Oberloskamp, AO-StB 2004, 114, 115 f. 239 Senge in Erbs / Kohlhaas, A 24, § 370a AO Rn. 8, Stand Juni 2004. 240 Gemeint ist wohl Nr. 1. 241 Weyand, INF 2003, 115, 116. 242 Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1155 f.

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werden könne. 243 Hunsmann hingegen führt zu der Regelbeispielsnatur der anderen Vorschriften, die ein großes Ausmaß voraussetzen, aus, dass zwar Tatbestandsvoraussetzungen grundsätzlich einen höheren Bestimmtheitsgrad aufweisen müssten als Strafzumessungsregeln. Der hier maßgeblich als Orientierung dienende § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO sei allerdings schon derart bestimmt, dass er den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG an ein Tatbestandsmerkmal genüge. Der Begriff „in großem Ausmaß" sei in dieser Hinsicht kein Einzelfall. So sei der ehemals ein Regelbeispiel bildende Wohnungseinbruchsdiebstahl durch das Sechste Strafrechtsreformgesetz in § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB zu einer wortgleichen Qualifikation ausgestaltet worden. 244 Im Übrigen seien unbestimmte Rechtsbegriffe im Kernstrafrecht, auch in Qualifikationstatbeständen, seit längerem kritiklos angewendet worden. 245 Beispielhaft werden §§ 283a Nr. 1 und 283d Abs. 3 Nr. 1 StGB genannt, die ein Handeln aus „Gewinnsucht" als besonders schweren Fall sanktionieren, ohne diesen Begriff zu definieren. Auch das „gefährliche Werkzeug" in § 244 StGB sowie die „gewerbsmäßige" Hehlerei in § 260 Abs. 1 Nr. 1 StGB seien allein durch die Rechtsprechung über Jahre hinweg in sehr differenzierter Art und Weise konkretisiert worden. 246 In anderen Vorschriften des Nebenstrafrechts seien ebenfalls vergleichbar unbestimmte Rechtsbegriffe tatbestandsbegründend, ohne dass dort Bedenken hinsichtlich des Bestimmtheitsgrundsatzes geltend gemacht würden, so die Voraussetzung der „nicht geringen Menge" in § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4, § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG. 2 4 7 Für den Normadressaten sei es auch nach Auslegung der Vorschrift wohl nicht erkennbar, dass eine „nicht geringe Menge" Cannabis zur Zeit bei 7,5 g THC liege. Der Gesetzgeber habe die Ausarbeitung einer Definition allein der Rechtsprechung anheim gegeben. Diese habe dabei anfangs Kriterien nutzbar gemacht, die für die Strafzumessungsregeln der § 11 Abs. 4 Nr. 5 BtMG a. F. und § 29 Abs. 3 BtMG a. F. herangezogen worden waren, und eine Gesamtbetrachtung angestellt, in die die pharmakologische Wirkung des Stoffs sowie das Um-feld einbezogen wurden, in dem der Konsum regelmäßig stattfindet. Warum das auslegungsbedürftige Merkmal der „nicht geringen Menge" durch eine derartige Rechtsprechungsentwicklung mit Leben gefüllt werden dürfe, nicht aber die Voraussetzung „in großem Ausmaß", die in gleicher Weise dem Strafzumessungsrecht entnommen sei und nun über die Abgrenzung zwischen Vergehen und Verbrechen entscheide, sei nicht einsichtig. 248 243 Rolletschke, DStZ 2004, 763, 765 f. 244 Hunsmann, NStZ 2005, 72, 74 f. 245 Hunsmann, DStR 2004, 1154, 1155 f.; ders., NStZ 2005, 72, 73; Senge in Erbs/Kohlhaas, A 24, § 370a AO Rn. 8, Stand Juni 2004; Weyand, INF 2003, 115, 116. 246 Weyand, INF 2003, 115, 117. 247 Senge in Erbs / Kohlhaas, A 24, § 370a AO Rn. 8, Stand Juni 2004. 248 Hunsmann, NStZ 2005, 72, 73.

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Der Gesetzgeber müsse zwar die Voraussetzungen der Strafbarkeit so genau umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich aus dem Gesetz selbst erkennbar seien, jedoch genüge es, wenn sie durch Auslegung aus dem Gesetz ermittelt werden könnten. Andernfalls müsste jede Strafvorschrift detaillierte Regelungen enthalten, was schon aufgrund der Komplexität der Lebenssachverhalte häufig nicht möglich sei. Folglich sei es Aufgabe der Rechtsprechung, unterstützt durch die Strafrechtswissenschaft, eine sachgerechte Defintion für die Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß" herauszuarbeiten. 249 Eine solche könne mit Hilfe der allgemeinen Auslegungsregeln unter Berücksichtigung systematischer, historischer und teleologischer Erwägungen mühelos gefunden werden, selbst wenn der Gesetzgeber sich in der Gesetzesbegründung nicht näher zu der inhaltlichen Ausgestaltung des Merkmals geäußert habe. Warum der Bundesgerichtshof, der für die Auslegung der Gewerbs- und Bandenmäßigkeit im Sinne des § 370a AO ohne Bedenken auf seine ständige Rechtsprechung zurückgreift, bezüglich des großen Ausmaßes eine Orientierung an § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO ablehnt, sei unverständlich. 250 Durch eine Auslegung, die sich an § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO orientiere, seien die Voraussetzungen und entscheidenden Anknüpfungspunkte ebenso erkennbar wie die Maßgeblichkeit der Gesamtbetrachtung des Tatbildes. Die Aussage des Bundesgerichtshofs, dass die Interpretation vom wirtschaftlichen Standpunkt und Vorverständnis des jeweiligen Rechtsanwenders abhänge, treffe daher nicht zu. Warum der sonst der Rechtsfortbildung nicht abgeneigte Bundesgerichtshof eine solche im Rahmen des § 370a AO ablehne, sei angesichts all dieser Überlegungen nicht nachvollziehbar. 251

4. Stellungnahme Das Tatbestandsmerkmal „in großem Ausmaß" ist hinreichend bestimmt, wenn die herkömmlichen Auslegungskriterien oder eine gefestigte Rechtsprechung ihm ausreichende Umrisse verleihen. Unter diesen Voraussetzungen ist die Verwendung dieses unbestimmten, wertausfüllungsbedürftigen Begriffs unbedenklich.252 Entgegen Oberloskamp 253 ist nicht erforderlich, dass die Strafbarkeit ohne weitere Überlegung aus der Gesetzesfassung vorhersehbar ist. Vielmehr ist die Auslegungsbedürftigkeit eines Tatbestandes der Regelfall und grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die üblichen Auslegungsmethoden orientieren sich dabei insbe249 Hunsmann, NStZ 2005, 72, 73; Weyand, INF 2003, 115, 117 sieht allein die Rechtsprechung in der Pflicht. 250 Hunsmann, NStZ 2005, 72, 73 f. 251 Hunsmann, NStZ 2005, 72, 74 f. 252 Vgl. BVerfGE 26, 41, 42 f.; BVerfGE 48, 48, 56 f.; Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 1 StGB Rn. 5b. 253 Oberloskamp, AO-StB 2004, 114, 115 f.

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sondere an den Gesetzesmaterialien, sofern sie im Gesetzeswortlaut Ausdruck gefunden haben, 254 an anderen Vorschriften desselben Gesetzes und dem Normzusammenhang.255 Es versteht sich, dass die Bewertung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der ausreichenden Bestimmtheit des Blankettgesetzes des § 370 A O 2 5 6 nicht auf § 370a AO übertragen werden kann, da die problematische Voraussetzung „in großem Ausmaß" in § 370 Abs. 1 AO gar nicht verwendet wird. Dass es sich bei § 370 AO um ein Vergehen, bei § 370a AO hingegen um ein Verbrechen handelt, ist insoweit irrelevant. 257 Ohne Bedeutung ist des Weiteren, dass § 370a AO bereits andere unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet, da die Gewerbs- und Bandenmäßigkeit sowie die Steuerhinterziehung mittlerweile durch eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung und die ihr folgende herrschende Meinung klar definiert sind, so dass sie nicht zu der Unbestimmtheit der Norm beitragen. 258 Der Wortlaut des § 370a AO allein lässt keine Konkretisierungskriterien für das große Ausmaß erkennen, er bietet vielmehr Raum für eine Vielzahl von Auslegungen. So sind die in der Literatur genannten verschieden hohe Beträge zu erklären. Jedoch zeigt die Übereinstimmung der meisten Kommentatoren, dass eine Mindesthinterziehungsumme von 500 000 Euro zu fordern ist, 2 5 9 dass eine einheitliche Auslegung trotz diverser anderer Interpretationsmöglichkeiten durchaus erreicht werden kann und eben nicht jede dem bloßen Wortlaut nach denkbare Definition sachgerecht ist. In diesem Sinne hat auch das Bundesverfassungsgericht dargelegt, dass eine abweichende Literaturauffassung oder teilweise Unstimmigkeiten der Instanzgerichte die ausreichende Bestimmtheit nicht ohne Weiteres in Frage stellen. 2 6 0 Im Übrigen ist es nichts Besonderes, dass die Auslegung eines neuen Tatbestandes nach seiner Schaffung zunächst umstritten ist und die Probleme erst geklärt werden müssen, ohne dass deswegen zwingend eine Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes gegeben wäre. Zumal die Voraussetzung „in großem Ausmaß" erst im Vermittlungsausschuss eingefügt wurde, dessen Änderungen regelmäßig ohne offizielle Begründung erfolgen, existieren Motive des Gesetzgebers nicht. Jedoch soll die vom Vermittlungsausschuss eingesetzte Arbeitsgruppe, welche die neue Formulierung des § 370a AO vorgeschlagen hat, wohl in Anlehnung 254 BVerfGE 57, 250, 266; BVerfGE 105, 132, 162. 255 BVerfGE 45, 363, 371 f., BVerfG NJW 1981, 1719; Eser in Sch/Sch, § 1 StGB Rn. 20. 256 BVerfG NStZ 1991, 88 f.; vgl. auch BVerfGE 37, 201, 208 ff. 257 Anders Pestke/Motte, Stbg 2002, 493, 498, die das Urteil deswegen nicht für übertragbar halten, weil es sich bei § 370a AO um ein Verbrechen handelt. 258 Vgl. z u der Kumulierung mehrerer unbestimmter Rechtsbegriffe BVerfGE 87, 209, 225; Degenhart in Sachs, Art. 103 GG Rn. 69; Nolte in v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 103 GG Rn. 149 m. w. N. 259 Vgl. etwa Hellmann in HHSp, § 370a AO Rn. 28, Stand August 2002; Müller, DStR 2002, 1641, 1643; Wannemacher/Meyer in Beermann, § 370a AO Rn. 42, Stand Dezember 2002. 260 BVerfG NJW 1993, 1911. 19 Schneider

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an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO, von einer Mindesthinterziehungssumme zwischen 350 000 und 500 000 Euro ausgegangen sein. 261 Da die Sitzungsprotokolle des Vermittlungsausschusses erst in der übernächsten Wahlperiode veröffentlicht werden, können diese Beträge als möglicher gesetzgeberischer Wille allerdings nicht nachgeprüft werden. 262 Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt festgestellt, dass die Bestimmtheitsanforderungen nicht überspannt werden dürfen, da andernfalls die Gesetze „zu starr und kasuistisch" würden und der „Vielgestaltigkeit des Lebens, dem Wandel der Verhältnisse" sowie den Besonderheiten des Einzelfalles nicht gerecht werden könnten. Das Strafrecht kann nicht darauf verzichten, allgemeine Begriffe zu verwenden, „die in besonderem Maß der Deutung durch den Richter bedürfen". 263 Auch wenn der Begriff „in großem Ausmaß" weiten Raum für verschiedene Lösungsansätze birgt, ist aus historischen und systematischen Gründen einzig die Orientierung an § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO sinnvoll. Die Ausrichtung an diesem, seit längerem von höchstrichterlicher Rechtsprechung einheitlich definierten Begriff hat zur Folge, dass es sich nicht mehr um ein neues Merkmal handelt, für das der Gesetzgeber Vorgaben im Gesetz selber machen muss, 264 obwohl es eine gesicherte Rechtsprechung zu der neu eingeführten Norm des § 370a AO naturgemäß nicht gibt. Es verbleibt die Schwierigkeit, dass das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 AO eine bloße Strafzumessungsregel ist, für die der Bestimmtheitsgrundsatz nur in abgeschwächter Form gilt, da der Richter auf der Rechtsfolgenseite einen gewissen Spielraum benötigt, um Einzelfallgerechtigkeit zu gewährleisten und so dem Schuldprinzip Genüge zu tun. 2 6 5 Bei den Straftatvoraussetzungen ist demgegenüber schon wegen des Grundsatzes der Gewaltenteilung größere Bestimmtheit erforderlich. 266 Zudem ist zu beachten, dass sich das Tatbestandsmerkmal der Gewerbsmäßigkeit nicht überzeugend einschränken lässt, vielmehr nahezu alle Steuerhinterziehungen davon erfasst werden, und daher die Strafbarkeit nach dieser Tatvariante maßgeblich von dem Erfordernis „in großem Ausmaß" abhängt. Für die Höhe der Bestimmtheitsanforderungen kommt es nämlich darauf an, welche Auswirkungen die Interpretation des Merkmals hat, und die Auswirkungen wiegen eben schwerer, wenn keine weitere einschränkende Voraussetzung vorhan261 Burchert, INF 2002, 532, 534. 262 Oberloskamp, AO-StB 2004, 114, 116. 263 BVerfGE 28, 175, 183; BVerfGE 45, 363, 371; BVerfGE 48, 48, 56; BVerfGE 87, 209, 224; BVerfGE 92, 1, 12; BVerfGE 96, 68, 97 f. m. w. N.; Eser in Sch/Sch, § 1 StGB Rn. 19; Nolte in v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 103 Rn. 139, 143; Rüping, Bestimmtheit, S. 6; Wassermann in AK-GG, Art. 103 GG Rn. 52; kritisch Amelung, NJW 1995, 2584, 2587. 264 Vgl. dazu BVerfG wistra 2002, 175, 180; Pieroth in Jarass / Pieroth, Art. 103 GG Rn. 48. 265 BVerfG wistra 2002, 175, 177 f.; Eser in Sch/Sch, § 1 StGB Rn. 23; Park, wistra 2003, 328, 330. 266 Vgl. BVerfGE 47, 109, 120; BVerfGE 64, 389, 393; BVerfGE 73, 206, 235 f.

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den ist. 2 6 7 Das Merkmal „in großem Ausmaß" entscheidet über die Verbrechensstrafbarkeit, so dass strenge Bestimmtheitsanforderungen gelten. 268 Zwar ist das Argument Hunsmanns, dass das große Ausmaß bereits derart bestimmt sei, dass es bedenkenlos als Tatbestandsmerkmal verwendet werden könne, nicht überzeugend. Dies zeigen bereits die weit differierenden Auslegungen in den Normen, die ein großes Ausmaß voraussetzen, wofür Beträge zwischen 10 000 (im Rahmen der § 335 Abs. 2 Nr. 1 StGB, 269 § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB, § 300 Satz 2 Nr. 1 StGB) 2 7 0 und 500 000 Euro (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 A O ) 2 7 1 gefordert werden. Ferner kann der von Hunsmann vergleichend herangezogene Wohungseinbruchsdiebstahl schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch leichter konkretisiert werden als eine Steuerhinterziehung in großem Ausmaß. Jedoch bedingt gerade die Schwierigkeit einer Definition der Steuerhinterziehung in großem Ausmaß die Zulässigkeit dieses unbestimmten Rechtsbegriffs auch im Rahmen des Verbrechenstatbestandes. Denn welcher Grad an Bestimmtheit erforderlich ist, hängt immer von den Besonderheiten des jeweiligen Straftatbestandes ab und kann nicht allgemein festgelegt werden. 272 Er richtet sich nach der konkreten Regelungsmaterie und Regelungszweck.273 Der unbestimmte Rechtsbegriff „in großem Ausmaß" kann aber in § 370a AO nicht problemlos durch eine bestimmte Definition ersetzt werden und ist folglich auch nicht bereits unter dem Aspekt der mangelnden sachlichen Erforderlichkeit seiner Verwendung unzulässig.274 Der Hinweis, dass der Gesetzgeber statt des Merkmals „in großem Ausmaß" einen konkreten Mindesthinterziehungsbetrag in die Vorschrift hätte aufnehmen können, bietet in Anbetracht der mit einer konkreten Wertgrenze verbundenen Zufälligkeiten und Schwierigkeiten keine befriedigende Lösung. Schon aufgrund der Besonderheiten der Steuerhinterziehung als Tatbestand, in dem das quantitative Ausmaß des Taterfolgs nicht allein von dem tatbestandsmäßigen Handeln des Täters abhängt, sondern ebenso von äußeren Faktoren, wie beispielsweise dem Einkommensteuersatz, ist es notwendig, eine Gesamtbetrachtung sämtlicher Umstände anzustellen. Diese kann aufgrund der vielfältigen und in jedem Fall variierenden Faktoren nicht genauer beschrieben werden als durch einen unbestimmten Rechtsbegriff wie den des großen Ausmaßes. Einzig überzeugend ist die sowohl 267 268 269 270

A.A. Gaede, HRRS 2004, 318, 31 BGH NJW 2004, 2990, 2991. Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 335 StGB Rn. 6. Weyand, INF 2003, 115, 117.

271 Kohlmann, § 370 AO Rn. 330, Stand September 1997 m. w. N., der allerdings nach Euro-Umstellung unverändert Millionenbeträge fordert, vgl. § 370 AO Rn. 330, Stand November 2004. 272 BVerfGE 28, 175, 183; BVerfGE 41, 314, 319 f.; zust. Kunig in Münch, Art. 103 GG Rn. 30; Schulze-Fielitz in Dreier, Art. 103 Abs. 2 GG Rn. 38. 273 Schulze-Fielitz in Dreier, Art. 103 Abs. 2 GG Rn. 34. 274 A. A. Oberloskamp, AO-StB 2004, 114, 116; Park, wistra 2003, 328, 332. 19*

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quantitative als auch qualitative Bestimmung des Ausmaßes einer Steuerhinterziehung. Ebenfalls nicht einschlägig ist daher das Argument Langrocks, 275 dass das Merkmal schon deshalb zu unbestimmt sei, weil ein konkreter, zu überschreitender Grenzwert nicht quantifiziert werden könne. Richtig ist, dass die Bedenken durch Umwandlung des Verbrechenstatbestandes in einen weiteren besonders schweren Fall im Rahmen von § 370 Abs. 3 AO ausgeräumt werden könnten. 276 Auch wenn dies - trotz des Verlusts der größeren Signalwirkung eines Verbrechenstatbestandes - wohl die beste Lösung sämtlicher Probleme der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung wäre, sagt dies nichts über die ausreichende Bestimmtheit des derzeit geltenden § 370a AO aus. Denn für die Beurteilung dieser Frage ist auf die konkrete Norm zu schauen und sind nicht Alternativlösungen außerhalb der Vorschrift in Betracht zu ziehen. In seinen Entscheidungen ist das Bundesverfassungsgericht tendenziell großzügig, wenn die Bestimmtheit einer Norm in Frage steht. 277 Sachlich missglückte, zu weit oder zu eng formulierte Vorschriften werden nicht allein aus diesem Grund für verfassungswidrig erklärt. 278 In den bislang einzigen beiden Fällen, in dem es Strafvorschriften wegen mangelnder Bestimmtheit für verfassungswidrig erklärte, geschah dies, weil sich die Strafbarkeit nach dem Personenbeförderungsgesetz a. F. erst aus einer Ermessensentscheidung der Exekutive ergab 279 beziehungsweise weil die Tatbestandsmerkmale von Regelungen des Fernmeldeanlagengesetzes keine Konturen hätten und eine gesicherte obergerichtliche Rechtsprechung, welche eine verlässliche inhaltliche Konkretisierung ermöglichen könne, gefehlt habe. 280 Im Unterschied dazu existiert jedoch für das Merkmal „in großem Ausmaß" eine gefestigte Rechtsprechung. Zwar nicht zu § 370a AO, aber zu dem als Orientierung dienenden § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO. Da das große Ausmaß objektiv, unabhängig von den Vermögens Verhältnissen des einzelnen Täters, zu bestimmen ist, ist ferner die bemängelte Relativität des Begriffs nicht gegeben. Überdies ist beispielsweise das Tatbestandsmerkmal der „Beleidigung" nicht weniger auslegungsbedürftig, zumal der Umstand, was jemand als Beleidigung ansieht und empfindet, stark individuelle Züge hat und wohl auch situationsabhängig unterschiedlich beurteilt würde. Dennoch wurde es vom Bundesverfassungsgericht 275 Langrock, wistra 2004, 241, 242 ff. 276 So Pestke/Motte, Stbg 2002, 493, 498 f. 277 Kritisch dazu Geitmann, 68 ff.; Krahl, 391 f., 402 ff.; Schmidt-Aßmann in MaunzDürig, Art. 103 Abs. 2 GG Rn. 185, Stand Dezember 1992. 278 BVerfG NJW 1986, 1239 ff.; Rüping, DStR 2004, 1780, 1781. 279 BVerfGE 17, 306, 314. 280 BVerfGE 78, 374, 381 ff.; vgl. auch BVerfGE 81, 298, 309, wo Art. 103 Abs. 2 GG als zum Teil verletzt angesehen wurde; siehe dazu auch Schulze-Fielitz in Dreier, Art. 103 Abs. 2 GG Rn. 38; Überblick über die Rechtsprechung zum allgemeinen Bestimmtheitsgrundsatz bis 1982 bei Krahl, 108 ff.

B. Materielle Verfassungskonformität

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als ausreichend bestimmt angesehen.281 Ebenso fällt es schwer, zu behaupten, dass der Normadressat allein aus der als ausreichend bestimmt angesehenen Formulierung „rechtlich dafür einzustehen hat" als Umschreibung der Garantenpflicht in § 13 StGB 2 8 2 die einzelnen Garantenpflichten ablesen könnte, welche die Rechtsprechung im Lauf der Zeit herausgearbeitet hat. In Anbetracht der Entwicklung dieser Norm kann es auch nicht überzeugen, wenn sich der Bundesgerichtshof weigert, den § 370a AO in geeignet erscheinenden Einzelfällen schrittweise auszufüllen. 283 Es ist vom Bundesverfassungsgericht anerkannt, dass der Rechtsprechung eine konkretisierende Funktion zukommt. 284 Dies verdeutlicht desgleichen die wechselvolle Entwicklung der Rechtsprechung zum Gewaltbegriff in § 240 StGB 2 8 5 sowie dem Bandenbegriff in § 244 StGB. 286 Freilich sind bei einem Verbrechenstatbestand die Bestimmtheitsanforderungen in Anbetracht der drohenden Strafe hoch. 287 Jedoch hat das Bundesverfassungsgericht diesen Aspekt in seinen Entscheidungen bislang nicht umgesetzt.288 Insbesondere das Beispiel der von Senge 289 vergleichend herangezogenen „nicht geringen Menge" im Betäubungsmittelrecht veranschaulicht, dass die erstmalige Verwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs in einem Verbrechenstatbestand nicht notwendig einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG bedeutet. Aus diesem unbestimmten Rechtsbegriff hat die Rechtsprechung durch Auslegung eine konkrete Grenze gewonnen. Der Gesetzgeber hätte problemlos diese konkrete Zahl in das Gesetz aufnehmen können, zumal sie - anders als absolute Werte im Rahmen des § 370a AO - allseits akzeptiert zu werden scheint. Obwohl der Gesetzgeber den unbestimmten Rechtsbegriff somit durch ein bestimmtes Merkmal hätte ersetzen können, wurde die ausreichende Bestimmtheit der Vorschriften nicht in Frage gestellt. Überdies hat das Bundesverfassungsgericht zu der Auslegung der „nicht geringen Menge" bei Cannabisprodukten ausgeführt, dass jedes Strafgericht die Menge abändern könne, wenn es ihm im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz notwendig erscheine. 290 Warum dies den Anforderungen des Bestimmt281 BVerfGE 93, 266, 291 f. 282 BVerfGE 96, 68, 97 f. 283 BGH NJW 2005, 374, 375. 284 Vgl. BVerfGE 14, 245, 253; BVerfGE 28, 175, 185; BVerfGE 57, 252, 262; BVerfGE 93, 266, 291 f.; BVerfGE 96, 68, 98; BVerfG NJW 1993, 1911 \ Nolle in v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 103 GG Rn. 139. 285 BGHSt 1, 145 ff.; BGHSt 4, 210, 212; BGHSt 8, 102, 103; BGHSt 23, 46, 54; BGHSt 37, 350, 353; BVerfGE 92, 1, 13 ff. 286 So der zutreffende Hinweis von Hunsmann, NStZ 2005, 72, 73. Vgl. dazu BGHSt 38, 26, 28 ff.; BGHSt 46, 120, 122; BGHSt 46, 321, 325 ff. 287 BVerfGE 14, 245, 251; BVerfGE 26, 41, 43; BVerfGE 75, 329, 342; Eser in Sch/Sch, § 1 StGB Rn. 21; Nolle in v. Mangoldt/ Klein/ Starck, Art. 103 GG Rn. 145. 288 Vgl. BVerfGE 86, 288, 311; Nolle in v. Mangoldt/ Klein / Starck, Art. 103 GG Rn. 145. 289 Senge in Erbs / Kohlhaas, § 370a AO Rn. 8, Stand Juni 2004. 290 BVerfGE 90, 145, 193.

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5. Teil: Verfassungskonformität des § 370a AO

heitsgrundsatzes genügen soll, § 370a AO demgegenüber nicht, kann nicht begründet werden, zumal es sich bei § 29a BtMG ebenfalls um ein Verbrechen handelt. Dies wäre umso erstaunlicher, als es - wie dargelegt - im Rahmen der Steuerhinterziehung schwer fällt und verfehlt erscheint, eine bestimmte Grenze als Definition des großen Ausmaßes festzulegen und daher im Rahmen des § 370a AO eine simple Ersetzung des unbestimmten Rechtsbegriffs durch eine bestimmte Regelung weit diffiziler ist. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat sogar den Begriff der Organisierten Kriminalität für ausreichend bestimmt erachtet, da dieser durch die intensive Diskussion der letzten Jahre fassbare Konturen gewonnen habe. 291 Zwar ist die dort in Frage stehende Norm des Art. 6 Abs. 2 Bayerisches Verfassungsschutzgesetz (BayVerfSchG) kein Verbrechenstatbestand wie § 370a AO. Jedoch erlaubt Art. 6 Abs. 2 BayVerfSchG die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel zur Erhebung personenbezogener Daten und somit Grundrechtseingriffe von einigem Gewicht. Hinzu kommt, dass für den Begriff der Organisierten Kriminalität eine Vielzahl von Definitionsversuchen existieren und keineswegs Einigkeit darüber besteht, wie der Begriff bestimmt werden soll. 2 9 2 All diese Überlegungen führen somit zu dem Ergebnis, dass eine Orientierung an der Auslegung des entsprechenden Merkmals in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO die ausreichende Bestimmtheit sicherstellt. Eine schlichte Verwaltungsanweisung könnte in der Tat einen Verfassungsverstoß eines Gesetzes nicht beheben. Da aber die Einhaltung des Bestimmtheitsgebots zwar durchaus bedenklich, es jedoch nicht verletzt ist, bedarf es einer derartigen Anweisung ohnehin zur Heilung eines Verstoßes nicht. Als unverbindliche Auslegungshilfe ist sie demgegenüber unproblematisch zulässig. Abgesichert wird das Bestimmtheitsgebot durch das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG, welches der Rechtsprechung verbietet, eine Strafnorm über ihren Wortsinn hinaus auszulegen - nulla poena sine lege stricta. 293 Die hier vertretene Interpretation des großen Ausmaßes hält sich jedoch innerhalb der Grenzen des Wortsinns des Ausdrucks. Eine Verletzung des Analogieverbotes ist bei ihr, entgegen 291 BayVerfGH, NVwZ-RR 1998, 273, 278. 292 Vgl. nur einige der vielen Versuche: Gemeinsame Richtlinien der Jusitzminister/-Senatoren und der Innenminister/-Senatoren der Länder über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei bei der Verfolgung der Organisierten Kriminalität, in RiStBV, Anlage E; kritisiert u.a. von Weigand/Büchler, Kriminalistik 2002, 661, 662; weitere Definitionen: ad hoc-Ausschuss des Arbeitskreises II „öffentliche Sicherheit und Ordnung" der Arbeitsgemeinschaft der IMK, StV 1984, 350; Fachkommission Organisierte Kriminalität, in Gemmer, Kriminalistik 1974, 529, 530; Kollmar, Kriminalistik 1974, 1, 7; Kube, Kriminalistik 1990, 629; MeyerIHetzer, ZRP 1997, 13, 15; Rohe, S. 210; Sielaff, Kriminalistik 1983, 417, 418; ders., Kriminalistik 1989, 141; Steinke, Kriminalistik 1982, 78, 98; Stümper, Kriminalistik 1985, 8, 10; Werner, Kriminalistik 1982, 131. 293 Nolte in v.Mangoldt/Klein/Starck, Art. 103 GG Rn. 97; Schulze-Fielitz Art. 103 Abs. 2 GG Rn. 39.

in Dreier,

B. Materielle Verfassungskonformität

295

Hild/ Albrecht 294 nicht zu befürchten. Ohnehin wäre bei einem Verstoß gegen dieses Verfassungsprinzip nicht die Vorschrift verfassungswidrig, sondern nur die konkrete Auslegung unzulässig.295

5. Mangelnde Bestimmtheit des § 370a Sätze 2, 3 AO wegen unklarer Abgrenzung von § 370 Abs. 3 AO a) Darstellung Die Regelung des minder schweren Falls in § 370a Sätze 2, 3 AO wird ebenfalls als „inhaltsleer" 296 und nicht ausreichend bestimmt kritisiert. 297 Sein Unrechtsgehalt müsse den des besonders schweren Falls des Vergehens gem. § 370 Abs. 3 AO übersteigen. Im Gegensatz dazu seien jedoch sowohl Mindest- als auch Höchststrafe des Vergehens doppelt so hoch wie die des Verbrechens. Die Regelung des minder schweren Falles habe zudem nicht mit der „insbesondere"-Nennung der Selbstanzeige formuliert werden dürfen. 298 Der einzige Unterschied zwischen § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO und § 370a AO sei die für letztere Vorschrift vorausgesetzte Begehungsart - die Gewerbs- oder Bandenmäßigkeit. Diese seien aber im Regelfall bei § 370 Abs. 3 AO ebenso erfüllt. 299 Welche Fälle daher unter welche Vorschrift zu subsumieren sind, sei unklar, was mit der nach Art. 103 Abs. 2 GG erforderlichen Vorherseh- und Kalkulierbarkeit des Rechts nicht vereinbar sei. 300 b) Stellungnahme Es ist - wie bereits mehrfach dargelegt - richtig, dass die Regelung des minder schweren Falles nicht mit dem Strafrahmen der besonders schweren Fälle nach § 370 Abs. 3 AO abgestimmt ist. Die Unstimmigkeiten zeigen sich deutlich, wenn man die Regelung des minder schweren Falls in Salditts Drei-Stufen-Modell einfügt, das zwar nicht zur Einschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift taugt, aber doch - zumindest während der Geltung der alten Fassung des § 370a 294 Hild!Albrecht, NJW 2005, 336, 339. 295 Vgl. BVerfGE 87, 209, 225 für die Erstreckung des Begriffs „Mensch" in § 131 Abs. 1 StGB auf menschenähnliche Wesen; BVerfGE 92, 1, 13 ff. für die Auslegung des Gewaltbegriffs des § 240 StGB; BVerfG NJW 1995, 2776, 2777 für die Erstreckung des Ausdrucks „nahestehende Person" auf inexistente Personen; BVerfG wistra 2004, 99. 296 Oberloskamp, AO-StB 2004, 114, 116. 297 Oberloskamp, AO-StB 2004, 114, 116; Pestke /Motte, Stbg 2002, 493, 500; Seer, BB 2002, 1677, 1680. Für sehr bedenklich erachtet sie Bittmann, wistra 2003, 161, 163. 298 Pestke IMotte, Stbg 2002, 493, 500. 299 Sauren, ZEV 2002, 404, 405. 300 Seer, BB 2002, 1677, 1680; ebenso Pestke I Motte, Stbg 2002, 493, 500; Sauren, ZEV 2002, 404, 405.

296

5. Teil: Verfassungskonformität des § 370a AO

AO - im Ansatz eine Erklärung für die Systematik der §§ 370, 370a AO bieten konnte. Danach steht § 370 Abs. 1 AO mit der niedrigsten Strafandrohung auf der ersten Stufe. Die zweite Stufe bildet der minder schwere Fall des Verbrechens, während der besonders schwere Fall des Vergehens, der ähnliche Voraussetzungen hat, erst auf der dritten Stufe folgt. Den Abschluss bildet § 370a Satz 1 AO. 3 0 1 Während diese mangelnde Abgestimmtheit sicherlich der Übersichtlichkeit und Folgerichtigkeit nicht förderlich ist, führt sie jedoch nicht dazu, dass es dem Normadressaten nicht mehr möglich ist, den Anwendungsbereich des § 370a Sätze 2, 3 AO von dem des § 370 Abs. 3 AO abzugrenzen. Denn Voraussetzung für den minder schweren Fall des Verbrechens ist zuerst, dass eine gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung in großem Ausmaß vorliegt. Ist dies gegeben, handelt es sich zunächst einmal um einen Fall des § 370a Satz 1 AO, der, wenn besondere Minderungsgründe 302 hinzutreten, zu einem minder schweren Fall herabzustufen ist. Einer dieser besonderen Minderungsgründe ist die Selbstanzeige. Ihre „insbesondere"-Nennung verdeutlicht, dass weitere Gründe denkbar sind, die zu der Annahme des § 370a Satz 2 AO führen. Würde § 370a Satz 3 AO nicht das Wort „insbesondere" enthalten, wären hingegen sämtliche anderen mildernden Umstände irrelevant. Warum dies der Fall sein soll, ist nicht einleuchtend. Allein wenn die Steuerhinterziehung nicht gewerbs- oder bandenmäßig begangen wurde oder kein großes Ausmaß erreicht, kommt § 370a AO, samt seines minder schweren Falles, nicht in Betracht. Liegen diese Voraussetzungen hingegen vor, können Fälle auftreten, die sowohl von § 370a Sätze 2, 3 AO als auch von § 370 Abs. 3 AO erfasst werden. Eine Konkurrenz der Vorschriften wird wohl weniger hinsichtlich § 370a Satz 2 AO auftreten, da bei besonderen mildernden Umständen auch ein besonders schwerer Fall des § 370 Abs. 3 AO im Rahmen der Gesamtbetrachtung abzulehnen sein dürfte. Durchaus denkbar ist aber, dass in einem besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung, der auch die Voraussetzungen des § 370a Satz 1 AO erfüllt, eine Selbstanzeige erstattet wird. § 370 Abs. 3 AO tritt sodann aber wegen des Vorrangs des spezielleren § 370a AO zurück. Wie bereits an früherer Stelle dargelegt, ist eine Vielzahl von Konstellationen denkbar, in der § 370a Satz 2 AO anzunehmen ist. Eine Abgrenzung des § 370a Sätze 2, 3 AO von § 370 Abs. 3 AO, ist durch die unterschiedlichen Merkmale der Vorschriften gewährleistet. Sind hingegen beide Normen erfüllt, ist die Lösung auf dem Konkurrenz weg vorgegeben. Die beanstandete Unbestimmtheit liegt folglich nicht vor.

301 Vgl. dazu auch Pestke /Motte, Stbg 2002, 493, 500. 302 Zu den möglichen Minderungsgründen siehe oben, 3. Teil, A.

B. Materielle Verfassungskonformität

297

V. Zusammenfassung Die materielle Verfassungskonformität des § 370a AO ist unter mehreren Aspekten bedenklich. Entgegen Oberloskamp 3 0 3 ist die Vorschrift, jedenfalls in ihrer jetzigen Fassung, nicht wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz verfassungswidrig. Denn von ihr werden, bei verständiger Auslegung, nur die schwerwiegenden Fälle erfasst, so dass der zusätzliche Ermittlungsaufwand zu bewältigen sein wird, selbst wenn der durch den Verbrechenscharakter des § 370a AO bedingte Ausschluss des Strafbefehlsverfahrens und der Einstellungsmöglichkeiten die Ermittlungen erheblich erschweren wird. Gleichheitswidrige Defizite in der Strafverfolgung sind nicht zu erwarten, zumal kein Widerspruch zwischen dem normativen Befehl der materiellen Vorschrift und der nicht auf Durchsetzung dieses Befehls angelegten Rechtsvorschrift besteht. Problematisch unter dem Gesichtspunkt des Nemo-tenetur-Grundsatzes ist die Regelung des § 370a Satz 3 AO, welche der Selbstanzeige lediglich strafmildernde, keine strafbefreiende Wirkung verleiht. Denn nach steuerlichen Vorschriften ist der Steuerpflichtige auch dann zur Abgabe wahrheitsgemäßer Steuererklärungen verpflichtet, wenn er durch diese eigene Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten aufdeckt. Eine Lösung des Konflikts zwischen steuerlichen Wahrheits- und Deklarationspflichten und dem Nemo-tenetur-Grundsatz, nach dem der Steuerhinterzieher nicht gezwungen werden darf, sich selbst zu belasten, bringt weder § 393 Abs. 2 AO, der sich nur auf Nicht-Steuerstraftaten erstreckt, noch § 393 Abs. 1 Satz 2 AO. Denn das Zwangsmittelverbot findet seine Grenze, wo neues Unrecht geschaffen würde, es also nicht mehr um ein schon begangenes Fehlverhalten geht. Die Lösung über die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige, aufgrund derer es zumutbar ist, die Abgabe wahrheitsgemäßer Erklärungen trotz der dadurch drohenden Selbstbelastung zu verlangen, ist in den Fällen des § 370a AO durch dessen Satz 3 versperrt. Ein Verstoß gegen den Nemo-tenetur-Grundsatz kann aber mithilfe eines weit gefassten Verwendungsverbotes für die in der Steuererklärung enthaltenen richtigen Angaben, soweit sie Rückschlüsse auf vorangegangene falsche Erklärungen zulassen, vermieden werden. Die steuerlichen Mitwirkungspflichten sind durch die Steuergerechtigkeit und den Schutz des Steueraufkommens gerechtfertigt, so dass der alternativ zu einem Verwertungsverbot erwogenene Wegfall der strafbewehrten Erklärungspflichten nicht überzeugt. Ansonsten würde der Steuerhinterzieher in ungerechtfertigter Weise gegenüber ehrlichen Steuerpflichtigen besser gestellt. Ein Verwertungsverbot findet ferner eine Stütze in dem Gemeinschuldnerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts. Zu bedauern ist, dass der Bundesgerichtshof die Reichweite des auch von ihm angenommenen Verwendungsverbots bislang offen gelassen hat. Ungeachtet dessen kann durch Annahme eines Verwendungsverbotes ein Verstoß gegen den Nemo-tenetur-Grundsatz abgewendet werden. 303 Oberloskamp, StV 2002, 611, 614 f.

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5. Teil: Verfassungskonformität des § 370a AO

Vielfache Bedenken werden des Weiteren im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip und das Übermaßverbot geäußert. Diese sind jedoch letztlich ebenfalls nicht durchschlagend. Mit § 370a AO wurden drei legitime Zwecke verfolgt: die Neubewertung einer besonders schweren Form der schweren Steuerhinterziehung und dadurch die Schaffung größerer Steuergerechtigkeit, die Unterbindung der Anlage von Schwarzgeld durch Kreditinsitute und Versicherungen sowie eine effektive Abschöpfung der Gewinne aus Straftaten. Zur Erreichung dieser Ziele ist die Vorschrift geeignet. Da nur die zwei letztgenannten Zwecke durch Aufnahme der Steuerhinterziehung in Gestalt eines Vergehens in den Vörtatenkatalog des § 261 StGB und Erweiterung der Meldepflichten des Geldwäschegesetzes ebenso gut hätten erreicht werden können, nicht aber die Neubewertung dieser Form der Steuerhinterziehung, ist die Vorschrift zudem erforderlich. Auch die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist in Anbetracht des hohen Schutzguts des § 370a AO, des Steueraufkommens, zu bejahen. Die durch die Altfassung der Vorschrift noch erfolgende übermäßige Kriminalisierung wurde durch die Einfügung des zusätzlichen Merkmals „in großem Ausmaß" und die Regelung des minder schweren Falles verhindert. Auch die Beanstandung von Unstimmigkeiten im Strafrahmen des § 370a AO gegenüber dem anderer Vorschriften, die gewerbs- oder bandenmäßiges Handeln sanktionieren, ist für § 370a AO n. F. nicht überzeugend. Zwar sind § 370a AO und § 370 Abs. 3 AO nicht aufeinander abgestimmt, dies zieht aber keinen Verstoß gegen das Schuldprinzip nach sich, zumal die Vorschriften ungehindert dessen eine schuldangemessene Bestrafung ermöglichen. Das Schuldprinzip wird ferner nicht dadurch verletzt, dass die Auslegung des großen Ausmaßes in Orientierung an den durchschnittlich auftretenden Fällen erfolgt. Eine gewisse Berechtigung haben die Bedenken im Hinblick auf einen Formenmissbrauch dadurch, dass die Ausgestaltung der Norm als Verbrechen und somit tauglicher Geldwäschevortat es ermöglichen sollte, durch die Benachrichtigung der Finanzbehörden nach dem Geldwäschegesetz zeitgleich zum Strafverfahren das Besteuerungsverfahren durchführen zu können. Denn diese Vorgehensweise des Gesetzgebers diente der Umgehung der Defizite des Steuerrechts mittels der weiten Eingriffsbefugnisse des Strafrechts. Allerdings ist an dieser Stelle wiederum zu beachten, dass die Benachrichtigung der Finanzbehörde zum Zweck der effektiven Gewinnabschöpfung nicht das einzige Ziel der Ausgestaltung der Vorschrift als Verbrechen war. Gerechtfertigt werden kann die Verbrechensnatur zwar nicht durch dieses Ziel, aber sehr wohl wiederum durch die angestrebte Neubewertung der besonders schweren Form der Steuerhinterziehung. Das herausragende Problem im Rahmen der materiellen Verfassungskonformität des § 370a AO ist die ausreichende Bestimmtheit des Tatbestandsmerkmals „in großem Ausmaß". Trotz gewichtiger gegenteiliger Stimmen, ist diese zu bejahen. Denn die herkömmlichen Auslegungskriterien vermögen ihm ausreichende Umrisse zu verleihen. Obgleich die Gesetzesmaterialien und der Wortlaut des § 370a AO keine Konkretisierungskriterien erkennen lassen, ist aus historischen und systematischen Gründen einzig die Orientierung an § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO

B. Materielle Verfassungskonformität

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sinnvoll, wie sie wohl auch von dem Großteil des Schrifttums vertreten wird. Die Ausrichtung an diesem, seit längerem von höchstrichterlicher Rechtsprechung einheitlich definiertem Begriff hat zur Folge, dass es sich nicht mehr um ein neues Merkmal handelt, für das der Gesetzgeber Vorgaben im Gesetz selber machen muss. Zwar handelt es sich bei § 370 Abs. 3 AO um eine bloße Strafzumessungsregel, für die geringere Bestimmtheitsanforderungen gelten, jedoch ist auch bei Tatbeständen der Grad der erforderlichen Bestimmtheit von den Besonderheiten der Regelungsmaterie und dem Regelungszweck abhängig und kann nicht allgemein festgelegt werden. Der unbestimmte Rechtsbegriff „in großem Ausmaß" kann aber in § 370a AO nicht problemlos durch eine bestimmte Definition ersetzt werden. Die Ersetzung durch einen konkreten Mindesthinterziehungsbetrag bietet keine befriedigende Lösung. Vielmehr ist es notwendig, eine Gesamtbetrachtung sämtlicher Umstände anzustellen, welche aufgrund der vielfältigen und in jedem Fall variierenden Faktoren nicht genauer beschrieben werden kann als durch einen unbestimmten Rechtsbegriff wie den des großen Ausmaßes. Diverse, ebenso unbestimmte Begriffe anderer Straftatbestände, auch anderer Verbrechenstatbestände, deren Verfassungskonformität nicht ernstlich bezweifelt wird, verdeutlichen, dass dies die Grenze des Zulässigen nicht überschreitet. Eine Orientierung an der Auslegung des entsprechenden Merkmals in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO sichert die ausreichende Bestimmtheit des § 370a Satz 1 AO. Diese Interpretation stellt ferner keine Verletzung des Analogieverbots des Art. 103 Abs. 2 GG dar. Des Weiteren können die in ihrer Strafandrohung nicht aufeinander abgestimmten § 370a Sätze 2, 3 AO und § 370 Abs. 3 AO aufgrund ihrer unterschiedlichen Voraussetzungen ohne größere Schwierigkeiten voneinander abgrenzt werden. Sind in einem Fall beide Normen erfüllt, ist die Lösung auf dem Konkurrenzweg vorgegeben. Auch insofern ist die Regelung der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung somit nicht wegen mangelnder Bestimmtheit verfassungswidrig. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass § 370a AO in mehrfacher Hinsicht verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Letztlich kann die Vorschrift aber als verfassungskonform angesehen werden, obgleich sie sich am Rande des Zulässigen bewegt.

. Teil

Zusammenfassung und Ausblick A. Die wichtigsten Ergebnisse Den Anstoß für die vorliegende Untersuchung hat die Schaffung des Tatbestandes der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung in § 370a AO gegeben, die von einem Proteststurm aus sämtlichen juristischen Kreisen begleitet war. Ein kurzer Blick auf die Entstehungsgeschichte hat bereits die Außergewöhnlichkeit der Vorschrift verdeutlicht. Die Einführung des Verbrechenstatbestandes mit seiner hohen Strafandrohung in einer „Nacht-und-Nebel-Aktion" lässt vermuten, dass diese unter dem Druck der Terrorismusbekämpfung erfolgte. Zwar hatte es entsprechende Forderungen bereits seit 1993 gegeben,1 jedoch ist ihre Umsetzung erst nach den Ereignissen des 11. September gelungen. Allerdings bestanden in dieser Ursprungsfassung derart große Probleme, dass sie bereits nach wenigen Monaten nachgebessert wurde. Ein Umstand, der trotz der heutigen schnelllebigen Gesetzgebung beachtenswert erscheint. Dies hat zu der Frage geführt, welche Intention der Gesetzgeber mit der Norm verfolgte. Zusammengefasst konnte diese als Bekämpfung der Organisierten Kriminalität bezeichnet werden. Indes sollte die Umsetzung vorrangig indirekt über die Ausweitung der Geldwäschestrafbarkeit erfolgen, indem die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung als Verbrechen und damit taugliche Geldwäschevortat ausgestaltet wurde. Auf diesem Wege sollte eine effektive Abschöpfung der Gewinne aus Straftaten erreicht werden, zumal so mittels der Meldepflichten nach dem Geldwäschegesetz parallel zum Strafverfahren das Besteuerungsverfahren durchgeführt werden soll. Daneben sollte nach dem so genannten „Al-Capone-Prinzip" die Organisierte Kriminalität dadurch erheblich geschwächt werden, dass diese Kreise zumindest mit einer hohen Strafe wegen Steuerhinterziehung getroffen werden, da die Überführung wegen anderer Straftaten häufig misslingt. Auch sollte die Strafdrohung im Hinblick auf Banken und Versicherungen präventiv wirken und eine besonders schwere Form der Steuerhinterziehung neu bewertet werden. Dies hat in das Zentrum der Untersuchung geführt - die Problematik des Tatbestandes des § 370a AO, welche hinsichtlich der Merkmale der Gewerbs- und i Darauf verweist Hetzer, Kriminalistik, 2002, 642, 651 und verneint in der Folge einen Druck der Terrorismusbekämpfung.

A. Die wichtigsten Ergebnisse

301

Bandenmäßigkeit aus dem Konflikt zwischen strafrechtlichen und steuerrechtlichen Besonderheiten herrührt. Die von der Gewerbsmäßigkeit nach allgemeiner Definition vorausgesetzte Absicht zur Schaffung einer Einnahmequelle dürfte bei jeder Steuerhinterziehung erfüllt sein. Auch die Absicht der wiederholten Begehung wird bei dem Großteil der Steuerhinterziehungen schon aufgrund des steuerlichen Periodizitätsprinzips gegeben sein. Erschwerend kommt hinzu, dass derjenige, der einmal Steuern hinterzogen hat, sich in einem gewissen Fortsetzungszwang befindet, so dass die Gewerbsmäßigkeit im Steuerrecht nicht zwingend von erhöhter krimineller Energie zeugt. Im Hinblick auf die Bandenmäßigkeit ist festzustellen, dass an der Abgabe der Steuererklärung, insbesondere im Unternehmensbereich, häufig mehrere Personen beteiligt sind, so dass die gemeinsame Begehung keine Besonderheit darstellt. Aufgrund dieser Eigenheiten des Steuerstrafrechts wurde befürchtet, dass nunmehr nahezu alle Steuerhinterziehungen als Verbrechen einzustufen seien. Um dies zu verhindern, werden eine Reihe restriktiver Auslegungen des Tatbestandes vertreten (2. Teil). Die vorgeschlagenen Einschränkungen des generellen Anwendungsbereichs des § 370a AO durch das Drei-Stufen-Modell, eine Beschränkung auf Umsatzsteuerhinterziehungen oder auf Fälle der Organisierten Kriminalität überzeugen nicht. Des Weiteren werden diverse restriktive Ansätze für das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit vertreten. Durch die Einfügung des zusätzlichen Erfordernisses „in großem Ausmaß4' überholt sein dürfte die Beschränkung auf Fälle einigen Umfangs. Abzulehnen sind aus verschiedenen Gründen auch eine Einschränkung des Merkmals über das zeitliche Moment beziehunsgweise durch eine Abgrenzung zur gewohnheitsmäßigen Begehung. Eine recht verbreitete Ansicht sieht die Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 370a AO nur bei einem Zufluss tatsächlicher Vermögenswerte gegeben. Ein solches Erfordernis steht aber nicht nur in Konflikt mit dem Gesetzeswortlaut sowie der hergebrachten Definition der Gewerbsmäßigkeit, sondern führt auch nicht zu sachgerechten Ergebnissen, wenn nur aufgrund hoher Steuervorauszahlungen oder einbehaltener Lohn- oder Zinsabschlagsteuern eine Steuererstattung erfolgt oder in Fällen der Umsatzsteuerhinterziehung nur deshalb keine Erstattung erfolgt, weil der Täter Schein-Vorsteuern mit Umsatzsteuerbeträgen saldiert, die aus tatsächlich ausgeführten Umsätzen entstanden sind und deren Summe die angefallene Vorsteuer übersteigt. Noch am überzeugendsten ist Joecks' Ansicht, § 370a Satz 1 Nr. 1 AO nur zu bejahen, wenn Steuern „als Gewerbe" hinterzogen werden. Jedoch spricht gegen diese Lösung, wie auch gegen alle anderen Einschränkungsversuche, der Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung und die Entstehungsgeschichte der Vorschrift, in die vor dem Hintergrund der massiven Kritik der übermäßigen Kriminalisierung das zusätzliche Merkmal „in großem Ausmaß" aufgenommen, der Begriff der Gewerbsmäßigkeit hingegen unverändert beibehalten wurde. Das einzeln zu betrachtende Tatbestandsmerkmal ist folglich im Sinne seiner allgemein strafrechtlichen Definition zu verstehen.

302

6. Teil: Zusammenfassung und Ausblick

Die für die Bandenmäßigkeit im Rahmen des § 370a AO a. F. teilweise geforderte gewisse Schwere der Hinterziehung dürfte - wie bei der Gewerbsmäßigkeit durch Einfügung des Erfordernisses „in großem Ausmaß" überholt sein. Die Beschränkung auf Steuerpflichtige beziehungsweise Unternehmer, der Ausschluss der Familienbande, die Eingrenzung über die Figur der notwendigen Teilnahme sowie das Erfordernis eines Hauptzwecks sind deutlich abzulehnen. Derartige Restriktionen sind für die Bandenmäßigkeit allerdings auch gar nicht erforderlich. Denn diese ist weit weniger problematisch als die im Rahmen von Steuerhinterziehungen weite Gewerbsmäßigkeit. Die genaue Überprüfung der Voraussetzungen des auch im allgemeinen Strafrechts geltenden Bandenbegriffs führt vielmehr bereits zu wesentlichen Einschränkungen. Ob das zum Ausschluss der weniger strafwürdigen Fälle zusätzlich eingefügte Erfordernis „in großem Ausmaß" dies tatsächlich erreicht hat, ist umstritten. Die Antwort hängt maßgeblich von der Konkretisierung dieser Voraussetzung ab, welche in vielerlei Hinsicht zweifelhaft ist. Richtiger Ansicht nach muss sich diese an dem gleichen Begriff in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO orientieren, welcher durch eine qualitative sowie eine quantitative Komponente geprägt ist. In qualitativer Hinsicht erforderlich ist das Entfalten besonderer krimineller Energie, was insbesondere bei einem „Täuschungsgebäude großen Ausmaßes" gegeben ist. Ein quantitativ großes Ausmaß erfordert eine überdurchschnittlich hohe Hinterziehungssumme, welche ab einem Steuerschaden von 500 000 Euro je tatsächlich begangener Steuerhinterziehung bejaht werden kann. Abzulehnen ist hingegen die Maßgeblichkeit allein quantitativer Aspekte, da dies mit Zufälligkeiten verbunden wäre, zumal der quantitative Taterfolg im Rahmen der Steuerhinterziehung teilweise von Faktoren außerhalb des Einflussbereichs des Steuerhinterziehers abhängt. Auch kann nicht auf den Gesamtumfang mehrerer Steuerhinterziehungen abgestellt werden, da dies unlösbare Probleme bei der Zusammenfassung mit sich brächte. Durch die Orientierung an § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO wird eine hohe Strafbarkeitsschwelle gesichert, welche die Bestrafung nach einem Verbrechen rechtfertigt. Nachdem somit die Auslegung des Tatbestands geklärt war, wurde auf die Folgen des § 370a AO eingegangen, an erster Stelle die Strafzumessung (3. Teil). Dabei war die Regelung des minder schweren Falles nach § 370a Satz 2 AO hervorzuheben, welche erst nachträglich eingefügt wurde und nach § 370a Satz 3 AO insbesondere dann anzunehmen ist, wenn eine Selbstanzeige erstattet wurde. Diese Regelung ermöglicht, obgleich kritikwürdige Unstimmigkeiten im Strafrahmen gegenüber §§ 373, 374 AO sowie § 370 Abs. 3 AO bestehen und minder schwere Fälle Verbrechen bleiben, eine schuldangemessene Bestrafung in weniger schwerwiegenden Fällen, in denen alle tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des Satzes 1 erfüllt sind. Daher sind auch keine größeren Schwierigkeiten bei der Frage zu erwarten, welche konkreten Konstellationen unter die Regelung des minder schweren Falles zu fassen sind. Der gesetzlich benannte minder schwere Fall der Selbstanzeige in § 370a Satz 3 AO stellt eine zwingende und abschließende Regelung

A. Die wichtigsten Ergebnisse

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dar. Die Einfügung dieser beiden Sätze stellt eine entscheidende Verbesserung der Vorschrift dar und ist daher sehr zu begrüßen. Für die Ermöglichung der Selbstanzeige gilt dies sowohl aus fiskalischen als auch aus ermittlungstechnischen Erwägungen. Allerdings besteht gerade aufgrund dieser Erwägungen weiterhin Reformbedarf. Gerade in Fällen großen Ausmaßes sollte die Anreizfunktion einer strafbefreiend wirkenden Selbstanzeige genutzt werden. Dadurch würden zugleich die Auswirkung der unsicheren Abgrenzung des § 370a AO von § 370 AO abgemildert und Widersprüche im Verhältnis beider Normen, wenn der Hinterziehungsbetrag in einem Fall des § 370 AO höher ist als bei § 370a AO, vermieden. Die sich anschließende Untersuchung der Konkurrenzverhältnisse (4. Teil) hat ergeben, dass § 370a AO n. F. als lex posterior sowie lex specialis dem § 373 AO vorgeht. Bei der Verwirklichung von §§ 26b, c UStG und § 370a AO liegt ein Fall der Handlungseinheit vor, die, da keine Fallgruppe der Gesetzeseinheit einschlägig ist, zur Idealkonkurrenz gem. § 52 StGB führt. Die Strafe ist daher nach § 52 Abs. 2 StGB dem § 370a AO zu entnehmen. Von entscheidender Wichtigkeit sind die Folgen des § 370a AO im Bereich der Geldwäsche (4. Teil), für die der Verbrechenstatbestand taugliche Vortat ist. Trotz vieler Kritik- und Zweifelsfragen ist die grundsätzliche Einbeziehung der gewerbsoder bandenmäßigen Steuerhinterziehung in den Kreis der tauglichen Geldwäschevortaten positiv zu werten. Vorzugs würdig wäre allerdings eine Erweiterung des Vortatenkatalogs des § 261 StGB um eine als Vergehen ausgestaltete schwere Form der Steuerhinterziehung gewesen, da so ein Großteil der Probleme und tief greifenden Folgen des Verbechenstatbestandes vermieden worden wären. Eine große Schwierigkeit stellt jedoch die Bestimmung des Geldwäschegegenstandes dar, wenn durch eine Steuerhinterziehung lediglich Steuern erspart wurden, da die Aufwendungen aus dem gesamten Tätervermögen erspart werden. Eine Lösung sollte die zweimalige Änderung des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB bringen, was jedoch nicht gelungen ist, vielmehr bestehen weiterhin große Auslegungsschwierigkeiten, da nach dem Gesetzeswortlaut des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB eine übermäßige Gesamtbemakelung des Vermögens nicht klar ausgeschlossen ist. Eine historische, verfassungskonforme und mit dem Gesetzeswortlaut des derzeit geltenden § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB in Einklang stehende Auslegung ergibt jedoch, dass der Bemakelung grundsätzlich allein die konkret verschwiegenen Einnahmen in Höhe der Ersparnis unterliegen. Dies führt dazu, dass eine Geldwäsche nur begangen werden kann, wenn sich die Geldwäschehandlung auf einen so großen Teil der Einnahmen bezieht, dass der nicht erfasste Teil weniger wert ist als die Steuerersparnis. Dennoch bleibt das durch die Einführung des § 370a AO wesentlich gestiegene Geldwäscherisiko von Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe durch Annahme ihres Honorars von einem gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterzieher erheblich. Denn bei Rechtsberatern auf Steuer- und steuerstrafrechtlichem Gebiet liegt die Erfüllung des subjektiven Tatbestands der Geldwäsche berufsbedingt besonders nahe. Für den Bereich der Strafverteidigung haben jüngere Urteile des Bundesverfassungsgerichts eine bedeutende Einschränkung gebracht.

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6. Teil: Zusammenfassung und Ausblick

Danach ist § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass er auf Strafverteidiger nur Anwendung findet, wenn sie im Zeitpunkt der Annahme des Honorars sichere Kenntnis von dessen Herkunft hatten. Allerdings ist die ebenso problematische Rechtslage für steuerliche Berater noch nicht abschließend geklärt. In Fällen, in denen der Steuerhinterzieher lediglich Steuern erspart hat, dürften regelmäßig keine größeren Probleme auftreten. Anders verhält es sich jedoch, wenn durch die Steuerhinterziehung tatsächliche Zuflüsse erzielt wurden. In problematischen Fällen verbleibt dem Berater dann nur die Möglichkeit, sich anderweitig abzusichern. Zumal dies aber bisweilen schwierig bis unmöglich sein wird, ist es geboten, die durch das Bundesverfassungsgericht für Strafverteidiger angenommene verfassungskonforme Reduktion des § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB auf Rechtsberater auf steuerlichem Gebiet auszudehnen. Dadurch und durch die herausgearbeitete einschränkende Auslegung des § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB werden Verstöße gegen die Berufsausübungsfreiheit, das Willkürverbot, das Rechtsstaatsprinzip sowie das Verhältnismäßigkeitsprinzip vermieden. Neben ihrer materiellrechtlichen Bedeutung und nichtstrafrechtlichen Nebenfolgen hat die Ausgestaltung der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung als Verbrechen gravierende prozessuale Auswirkungen. Zu erwarten ist, dass die Staatsanwaltschaft die Verfahrensherrschaft während des Ermittlungsverfahrens innehaben wird. Zwar fehlt der Finanzbehörde gem. § 400 AO zwingend und in allen Fällen der Verfolgung des § 370a AO nur die Abschlusskompetenz, jedoch wird es regelmäßig ermessenswidrig sein, wenn die Finanzbehörde das Verfahren nicht unverzüglich an die Staatsanwaltschaft abgibt. Zwingend ist der Übergang der Verfahrensherrschaft bei einem Geldwäscheverdacht. Negativ zu werten ist der generelle Ausschluss der Einstellungsmöglichkeiten sowie des Strafbefehlsverfahrens, da damit die Erledigung im Wege der Verständigung ausgeschlossen ist, wodurch eine entscheidende Aufklärungshilfe verloren geht. Die Hauptverhandlung hat zumindest vor dem Schöffengericht und mit Pflichtverteidiger zu erfolgen - eine Zuständigkeitsverlagerung, die die leichtere Verhängung der Untersuchungshaft zur Folge haben dürfte. Einschneidend sind Ermittlungsbefugnisse, die daraus folgen, dass § 370a AO taugliche Geldwäschevortat ist. An vorderster Stelle zu nennen ist die Möglichkeit der Überwachung der Telekommunikation, wobei die Überwachung nur im Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche zulässig ist und dies nur, wenn sich der Geldwäscheverdacht nicht gegen an der Vortat Beteiligte richtet. Stand die Vortatbeteiligung im Zeitpunkt der Anordnung der Überwachung noch nicht fest, sind die Erkenntnisse gegen an der Steuerhinterziehung Beteiligte, außer als Ermittlungsansatz, nur in dem Fall verwertbar, dass die Geldwäsche und die Steuerhinterziehung eine prozessuale Tat bilden. Im Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche ist zudem die akustische Überwachung nach § 100c StPO eröffnet, namentlich auch der so genannte große Lauschangriff. Besonders schwer wiegt, dass das für Rechts- und Steuerberater im Zusammenhang mit § 370a AO erhöhte Geldwäscherisiko bei Überwachung ihres Kanzleitelefons oder ihrer Kanzleiräume alle Mandate in Gefahr bringt und auch das Beschlagnahme-

A. Die wichtigsten Ergebnisse

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verbot eine gewisse Aufweichung erfahren wird. Ebenso belasten die nach dem Geldwäschegesetz für Banken sowie insbesondere für Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe bestehenden Anzeigepflichten das Vertrauensverhältnis zwischen Berater und Mandant erheblich. Diese Pflicht erleichtert die vom Gesetzgeber angestrebte effektive Gewinnabschöpfung, da die Unterrichtung der Finanzbehörde neben der durch die Strafverfolgungsbehörden erfolgenden Einleitung eines Strafverfahrens die Einleitung des Besteuerungsverfahrens zur Folge haben wird. Das Zusammenwirken verschiedener Informations- und Anzeigepflichten hat ein immer enger verflochtenes „Fahndungs- und Strafverfolgungsnetz" geschaffen, welches nicht nur die Gefahr einer weitgehenden Aufweichung des Steuergeheimnisses birgt, sondern auch - wie die anderen Neuerungen - das Beratungsrisiko erheblich verschärft. All diese Veränderungen treten allerdings nur ein, wenn die Vorschrift des § 370a AO überhaupt verfassungsrechtlichen Anforderungen standhält (5. Teil). Die Bedenken in formeller Hinsicht, dass der Änderungsvorschlag des Vermittlungsausschusses eine kompetenzüberschreitende, verfassungsrechtlich unzulässige Gesetzesinitiative darstelle, weil die Änderung der Norm nicht zuvor im Plenum des Bundestages behandelt wurde, sind unbegründet. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist ein Vermittlungsvorschlag zulässig, wenn und soweit er sich im Rahmen des Anrufungsbegehrens und des zugrunde liegenden Gesetzgebungsverfahrens hält. Dies ist vorliegend hinsichtlich des Anrufungsbegehrens unproblematisch der Fall. Aber auch der Rahmen des zugrundeliegenden Gesetzgebungsverfahrens ist gewahrt. Denn die Neufassung wurde im Finanzausschuss des Bundestages ausführlich diskutiert. Dass die Erörterung nicht im Plenum erfolgte, ist aufgrund der notwendigen Funktionsfähigkeit des Parlaments ausreichend. Die materielle Verfassungskonformität des § 370a AO ist unter mehreren Aspekten bedenklich. Unbegründet ist die Erwartung, die Vorschrift werde zu einem gleichheitswidrigen Vollzugsdefizit führen. Problematisch ist hingegen der Nemo-tenetur-Grundsatz. Denn nach steuerlichen Vorschriften ist der Steuerpflichtige auch dann zur Abgabe wahrheitsgemäßer Steuererklärungen verpflichtet, wenn er durch diese eigene Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten aufdeckt, die er in vergangenen Besteuerungszeiträumen begangen hat. Es besteht ein gesetzlich insoweit nicht geregelter Konflikt zwischen steuerlichen Wahrheits- und Deklarationspflichten und dem Nemo-tenetur-Grundsatz, nach dem der Steuerhinterzieher nicht gezwungen werden darf, sich selbst zu belasten. Die Lösung über die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige, aufgrund derer es zumutbar ist, die Abgabe wahrheitsgemäßer Erklärungen trotz der dadurch drohenden Selbstbelastung zu verlangen, ist in den Fällen des § 370a AO durch dessen Satz 3 versperrt. Ein Verstoß gegen den Nemo-tenetur-Grundsatz kann aber mithilfe eines weit gefassten Verwendungsverbotes für die in der Steuererklärung enthaltenen richtigen Angaben, soweit sie Rückschlüsse auf vorangegangene falsche Erklärungen zulassen, vermieden werden. 20 Schneider

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6. Teil: Zusammenfassung und Ausblick

Vielfache Bedenken werden des Weiteren im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip und das Übermaß verbot geäußert. Diese sind jedoch letztlich ebenfalls nicht durchschlagend. Mit § 370a AO wurden drei legitime Zwecke verfolgt: die Neubewertung einer besonders schweren Form der schweren Steuerhinterziehung und dadurch die Schaffung größerer Steuergerechtigkeit, die Unterbindung der Anlage von Schwarzgeld durch Kreditinsitute und Versicherungen sowie eine effektive Abschöpfung der Gewinne aus Straftaten. Die Vorschrift ist geeignet und, um alle drei Ziele zu erreichen, auch erforderlich. Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne und Schuldangemessenheit ist in Anbetracht des hohen Schutzguts des § 370a AO, des Steueraufkommens, zu bejahen. Die durch die Altfassung der Vorschrift noch erfolgende übermäßige Kriminalisierung wurde durch die Einfügung des zusätzlichen Merkmals „in großem Ausmaß" und die Regelung des minder schweren Falles verhindert. Eine gewisse Berechtigung haben die Bedenken im Hinblick auf einen Formenmissbrauch dadurch, dass die Defizite des Steuerrechts mittels der weiten Eingriffsbefugnisse des Strafrechts umgangen werden sollten. Allerdings ist zu beachten, dass das weitere Ziel der Neubewertung der besonders schweren Form der Steuerhinterziehung den Verbrechenscharakter der Vorschrift rechtfertigen kann, selbst wenn die Neubewertung nicht das vorrangige Ziel war. Das herausragende Problem im Rahmen der materiellen Verfassungskonformität des § 370a AO ist die ausreichende Bestimmtheit des Tatbestandsmerkmals „in großem Ausmaß". Trotz gewichtiger gegenteiliger Stimmen ist diese zu bejahen. Denn die herkömmlichen Auslegungskriterien vermögen ihm ausreichende Umrisse zu verleihen. Aus historischen und systematischen Gründen ist einzig die Orientierung an § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO sinnvoll, wie sie wohl auch von dem Großteil des Schrifttums vertreten wird. Die Ausrichtung an diesem, seit längerem von höchstrichterlicher Rechtsprechung einheitlich definierten Begriff hat zur Folge, dass es sich nicht mehr um ein neues Merkmal handelt, für das der Gesetzgeber Vorgaben im Gesetz selber machen muss. Zwar handelt es sich bei § 370 Abs. 3 AO um eine bloße Strafzumessungsregel, für die geringere Bestimmtheitsanforderungen gelten, jedoch kann der unbestimmte Rechtsbegriff „in großem Ausmaß" in § 370a AO nicht problemlos durch eine bestimmte Definition ersetzt werden und ist daher in Anbetracht der konkreten Regelungsmaterie noch ausreichend bestimmt. Diverse, ebenso unbestimmte Begriffe anderer Straftatbestände, auch anderer Verbrechenstatbestände, deren Verfassungskonformität nicht ernstlich bezweifelt wird, verdeutlichen, dass dies die Grenze des Zulässigen nicht überschreitet. § 370a AO ist somit verfassungskonform.

B. Fazit und Ausblick Insgesamt kann festgestellt werden, dass die neue Vorschrift eine Vielzahl von Problemen geschaffen hat, die zwar teilweise durch eine sachgerechte Auslegung behoben werden können, jedoch nicht zu voller Zufriedenheit. Im Schrifttum be-

B. Fazit und Ausblick

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steht daher weitgehend Einigkeit, dass selbst dann, wenn § 370a AO verfassungskonform ist, unverändert Änderungsbedarf besteht.2 Einige Kritiker befürworten sogar eine ersatzlose Streichung des § 370a AO, 3 da die Norm „rechtspolitisch verfehlt" sei.4 Die Vorschrift sei nicht notwendig, da auch vor ihrer Einführung hohe Haftstrafen und größtmögliche Vermögensabschöpfung im Wege des dinglichen Arrests mittels der „Einfallstore" § 129 oder § 260a StGB erzielt werden konnten, zumal in Fällen der Steuerhinterziehung von einigem Umfang in der Regel mehrere Personen beteiligt sind. Dies illustriere der Fall FlowTex,5 in dem die bis dahin höchsten Freiheitsstrafen für Wirtschaftsstraftaten verhängt wurden. Die Missbrauchsgefahr des § 370a AO und die mit ihm verbundenen rechtsstaatlichen Zweifel seien erheblich, dem stehe aber kein ermittlungstechnischer Zugewinn gegenüber.6 Der Großteil des Schrifttums befürwortet hingegen die Umwandlung des Tatbestandes in einen besonders schweren Fall des § 370 Abs. 3 AO. 7 Im Gegensatz dazu fordert Bittmann die Erweiterung des § 370a AO um die Fälle des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 - 3 AO. 8 Eine Ausweitung des § 370a AO ist jedoch gänzlich abzulehnen. Zwar wurde durch die Einfügung der zusätzlichen Voraussetzung des großen Ausmaßes und der Regelung des minder schweren Falles die Schuldangemessenheit der Strafdrohung gesichert und die Widersprüche im strafrechtlichen Normengefüge wesentlich 2 Bender, ZfZ 2002, 146, 151; Bittmann, wistra 2003, 161, 168; Fahl, wistra 2003, 10; Füllsack/Sommer, Stbg 2003, 461 f.; Joecks, wistra 2002, 201, 205; Kemper in Dietz/Cratz/ Rolletschke, § 370a AO Rn. 47, Stand Dezember 2002; Kohlmann, § 370a AO Rn. 4, Stand Oktober 2002; Pestke/Motte, Stbg 2002, 493, 498 f.; Pinne, Stbg 2002, 160, 162; Rüping, DStR 2002, 1417, 1419; Sommer/Füllsack, Stbg 2002, 355, 364; Spatscheck/ Wulf, NJW 2002, 2983, 2987; a.A. Hetzer, ZfZ 2003, 221, 225, für den es „nicht nachvollziehbar" ist, warum selbst die reformierte Fassung für reformbedürftig gehalten wird. Er kann sich diese Sichtweise nur durch die Interessen von Berufszweigen und Wirtschaftsteilnehmern erklären. 3 Pressemitteilung der Bundessteuerberaterkammer v. 15. 09. 2004, Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer an das Bundesministerium der Finanzen v. 12. 11. 2004, beides abrufbar unter http://www.bstbk.de.; Quedenfeldf Füllsack, Rn. 234; Reiß, Stbg 2004, 113, 118; Seer, BB 2002, 1677, 1678. 4 Dies sei auch in der öffentlichen Anhörung „zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges" am 10. 11. 2004 vor dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestages deutlich geworden, Stellungnahme an das Bundesministerium der Finanzen v. 12. 11. 2004; Pressemitteilung der Bundessteuerberaterkammer v. 15. 09. 2004; beides abrufbar unter http: //www.bstbk.de. 5 Siehe dazu die Urteile des LG Mannheim v. 18. 12. 2001 und v. 22. 05. 2003; sowie OLG Karlsruhe NJW 2005, 767 ff.; LG Karlsruhe, Urteil v. 25. 01. 2005, Az 2 O 2/04. 6 Füllsack/Sommer, Stbg 2003, 461, 465, 468; Quedenfeld/Füllsack, Rn. 236. 7 Bender, ZfZ 2002, 146, 151; Füllsack/Sommer, Stbg 2003, 461 f.; Joecks, wistra 2002, 201, 205; PestkeIMotte, Stbg 2002, 493, 498 f.; Pinne, Stbg 2002, 160, 162; Sommer!Füllsack, Stbg 2002, 355, 364; Kemper in Dietz/Cratz/Rolletschke, § 370a AO Rn. 47, Stand Dezember 2002, spricht sich für eine Begrenzung des Anwendungsbereichs auf die Umsatzsteuer aus, da allein bezüglich dieser Form der Steuerhinterziehung Handlungsbedarf bestanden habe.

8 Vgl. Bittmann, wistra 2003, 161, 165. 20*

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6. Teil: Zusammenfassung und Ausblick

gemildert. 9 Zudem verdeutlichen die angeführten Beispielsfälle, dass die Strafbarkeit nach dem Verbrechenstatbestand durchaus gerechtfertigt und wünschenswert sein kann, so in den Fällen der organisierten Umsatzsteuerkarusselle und im Bereich der Baumafia. Durch eine sachgerechte Auslegung gelingt es, nur derart schwerwiegende Fälle zu erfassen. Nicht zu verkennen ist aber, dass die Gewerbsmäßigkeit im Steuerstrafrecht keine schwerwiegende Begehungsform, sondern vielmehr den Regelfall kennzeichnet. Diese Tatvariante sollte daher gänzlich gestrichen werden. Auch für die bandenmäßige Steuerhinterziehung in großem Ausmaß wurden nicht alle Schwierigkeiten und Unstimmigkeiten behoben. So ist eine Einpassung in das Gefüge der §§ 370 (insbesondere dessen Abs. 3) 373, 374 AO sowie §§ 26b, c UStG nicht in zufriedenstellender Weise gelungen. Die Voraussetzung „in großem Ausmaß" ist zwar noch ausreichend bestimmt, bewegt sich aber, jedenfalls als Tatbestandsmerkmal, am Rande des Zulässigen. Die Umwandlung der bandenmäßigen Steuerhinterziehung in einen zusätzlichen besonders schweren Fall in § 370 Abs. 3 AO könnte allerdings die verbleibenden Probleme vermeiden. Sie wurde bereits vor der Einführung des § 370a AO vom Deutschen Steuerberaterverband e.V. (DStV) vorgeschlagen10 und von der FDP im Rahmen der Neufassung des § 370a AO beantragt.11 Zwar könnte durch eine entsprechende Umwandlung das erste Ziel der Einführung des § 370a AO, die Neubewertung einer besonders schweren Form der Steuerhinterziehung nicht in gleichem Maße erreicht werden. Auch wenn dieses Ziel die derzeitige Ausgestaltung des § 370a AO rechtfertigen kann, ist doch nicht zu verkennen, dass die Vorschrift erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringt. Durch Ausgestaltung als Regelbeispiel und Aufnahme dieses Vergehens der Steuerhinterziehung in den Vortatenkatalog der Geldwäsche sowie Ausweitung der Meldepflichten könnte unverändert eine effektive Gewinnabschöpfung erreicht werden, welche nach den Aussagen Meyers das „Hauptmotiv" der Schaffung des § 370a AO war. 12 Vorteile der Umwandlung in ein Regelbeispiel wären, dass bei einer ebenso hohen Höchststrafe eine angemessene Behandlung jedes Einzelfalles gewährleistet wäre 13 und der in ermittlungstechnischer Hinsicht unzweckmäßige Ausschluss der Einstellungsmöglichkeiten des Verfahrens sowie die lediglich strafmildernde Wirkung der Selbstanzeige behoben würden. Dies könnte Mindereinnahmen des Staates abwenden und damit auch wiederum dem Steueraufkommen dienen. Zudem würde eine verminderte Praktikabilität des Steuerstrafverfahrens vermieden. Ebenso würden die gravieren-

9 Ebenso Lührs, BuW 2002, 711, 716. 10

Rede des DStV-Präsidenten Jürgen Pinne auf dem 24. Deutschen Steuerberatertag im Oktober 2001 in Lübeck, vgl. Pressemitteilung Nr. 29/01 vom 29. 10. 2001. Der DStV bekräftigte diese Forderung wiederholt in Eingaben v. 20. 02. 2002, 18. 03. 2002, 11. 04. 2002, 25. 4. 2002, abrufbar unter www.dstv.de, (vgl. Pestke/Motte, Stbg 2002, 493, 498) und am 11.6. 2002 noch während des ÄnderungsVerfahrens, vgl. DStV-Forum, Stbg 2002, 338. n Vgl. BT-Drucks. 14/8887, 22 f. 12 Meyer in Hund / Johnigk / Wollburg, DStR 2002, 879, 880. 13 Zutreffend Pestke /Motte, Stbg 2002, 493, 499.

B. Fazit und Ausblick

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den prozessualen Folgen beseitigt und die Strafrahmenkohärenz wieder hergestellt. Beispielsweise ist nicht ersichtlich, warum derjenige, der den Staat schädigt, indem er in großem Ausmaß Steuern hinterzieht, krimineller sein soll als derjenige, der den Staat schädigt, indem er in großem Ausmaß Subventionen erschleicht. 14 Zudem könnten dadurch die Zweifel im Hinblick auf die Verfassungskonformität, insbesondere die ausreichende Bestimmtheit der Norm ausgeräumt werden. Für die derzeit geltende Fassung der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung geht Salditt davon aus, dass wegen der recht großen Unsicherheit, was die Auslegung des § 370a AO betrifft, vermehrt tatsächliche Verständigungen erfolgen werden. Folglich könne sich die Klärung durch höchstrichterliche Entscheidungen verzögern. 15 Dennoch ist davon auszugehen, dass in nächster Zukunft ein mit § 370a AO befasstes Gericht eine Richtervorlage gem. Art. 100 Abs. 1 GG zum Bundesverfassungsgericht anstrengen wird. Eine möglichst baldige Vorlage wäre sehr zu begrüßen. Denn entgegen der Ansicht Ahlbrechts haben die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs den Verbrechenstatbestand der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung nicht faktisch abgeschafft. 16 Er bleibt weiter in Kraft und ist bis zu einem gegenteiligen Richterspruch des Bundesverfassungsgerichts unverändert anzuwenden. Sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass das Bundesverfassungsgericht § 370a AO n. F. für verfassungswidrig erklärt, käme § 370a AO a.F. wieder zur Anwendung.17 Da diese Vorschrift aber aufgrund der durch sie bewirkten ausufernden Kriminalisierung gegen das Übermaßverbot verstößt, würde auch sie in absehbarer Zeit für verfassungswidrig erklärt werden. Dann ist ein erneutes Tätigwerden des Gesetzgebers sehr wahrscheinlich. Erklärt das Bundesverfassungsgericht § 370a AO hingegen für verfassungsgemäß, ist eine erneute Änderung der Norm zwar wünschenswert, aber in nächster Zeit nicht zu erwarten. Dann ist es der Praxis, insbesondere den Ermittlungsbehörden und Gerichten, überlassen, mit den Problemen des § 370a AO umzugehen und sachgerechte Lösungen zu finden. Dabei bleibt zu hoffen, dass sie durch eine restriktive Handhabung, insbesondere des Merkmals der Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß", einer unangemessenen Kriminalisierung vorbeugen und durch eine einheitliche Auslegung Rechtssicherheit schaffen.

14 15 16 17

Ebenso Bender, ZfZ 2002, 366, 367, 369. Salditt, StV 2002, 214, 219. Vgl. die Ansicht Ahlbrechts in EWiR 2005, 371, 372. Gast-de Haan, DStR 2003, 12, 14; Rolletschke, DStZ 2004, 763, 766.

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Sachwortregister Abgabenhinterziehung 32, 64, 75, 162 ff., 181 f., 191 f., 195 ff. Al-Capone-Prinzip 25, 36, 266, 271, 300 Analogieverbot 167 f., 214, 284, 294, 299 Angemessen 58, 85, 90, 142, 155, 189, 221, 223 f., 256, 265, 268, 272, 276, 308 f. Anreizfunktion 146, 156, 158, 160, 303 Anwendungsbereich 21 f., 26, 28 ff., 37, 39, 41ff., 65 ff., 95, 99, 101, 112, 134, 139, 147, 150, 154, 166, 170 ff., 192, 207, 210, 238, 251, 257, 266, 270, 277, 285, 288, 295 f., 301 Anzeigepflicht 188, 243 ff., 247 f., 261 f., 305 Auslegung - historische 56, 64, 87, 99, 102, 110, 148, 211,288, 290, 298, 303,306 - restriktive 29, 33, 47 f., 54, 56, 58, 69, 71, 75, 209, 216, 223, 226, 243, 284 f., 301, 309 - systematische 44, 49, 56, 63, 72, 87, 99, 105, 110, 116, 133 f., 147, 161, 286, 288, 290, 298, 306 - teleologische 45, 71, 73, 87, 102, 110, 112, 171 f., 225, 288 - verfassungskonforme 39, 56, 73 f., 188, 196, 197, 199, 204 ff., 209 f., 220, 231, 268, 284, 303 f. Ausmaß - großes 23, 26, 28, 29ff., 33 f., 44 f., 49 f., 54 ff., 69 f., 73 ff., 79, 85, 98 ff., 101 ff., 144 f., 151, 154 ff., 156, 158 ff., 162 f., 166 f., 169, 177, 179, 208, 213 f., 216, 221, 224, 229, 232 f., 249, 256 f., 266, 268 ff., 272 ff., 279ff., 296, 298 f., 301 ff., 306 ff. Ausstrahlung 31, 103, 120,131 ff., 197, 221 Bandenabrede 76 f, 89, 93, 95ff, 132, 167

123, 128,

Bandendiebstahl 41, 141, 273 Bandenhehlerei 141, 242 Bandenmäßig 26, 28 f., 31, 34, 41 f., 49 f., 61, 75 ff., 103, 115, 118, 127 f., 130 ff., 138, 155, 158, 167, 177, 205, 242, 301 f., 308 Bank 25, 28, 44, 55, 61, 90, 96, 98, 114, 124, 184, 188, 238, 244, 247, 266, 269 f., 298, 300, 305 f. Bankenfall 55 Bannbruch 164 Baumafia 48, 59, 80, 100 f., 138, 208, 284, 308 Bemakelung 32, 147, 182, 186 f., 192ff., 303 Berufsausübungsfreiheit 33, 220 ff., 283, 304 Beschlagnahme 186, 243, 247, 304 Bestimmtheit 32 ff., 40, 44, 47 f., 54, 57, 60, 67, 74, 99, 104, 106, 112 f., 118, 166, 205, 208, 240, 249, 255 f., 276 ff., 308 f. Betrug 37 f., 42, 57, 85, 111,273 Deklarationspflicht 54, 200, 259 ff., 297, 305 Drei-Stufen-Modell 43 ff., 49, 112, 295, 301 Ehepaar 28, 44, 79, 90 f., 96, 98, 100 Eigentumsgarantie 32, 196, 205 Eingriffsbefugnisse 25, 184, 233, 235, 237 ff., 266, 274 f., 299, 304, 306 Einstellung 31, 57, 140, 155, 188, 233 f., 236, 246, 256 f., 297, 304, 308 Entstehungsgeschichte 17 ff., 40, 64, 73, 101, 111, 120, 123 f., 148, 150, 160, 300 f. Erbschaftsteuer 53, 61 Erforderlichkeit 33, 264 ff., 271 f., 283, 291, 298, 306 Erklärungspflicht siehe Deklarationspflicht Ermittlungsbefugnis 235 Ermittlungsbefugnisse siehe Eingriffsbefugnisse

328

Sachwortregister

Ermittlungsverfahren 31 f., 36, 137, 157 f., 188, 190, 205, 215, 217, 233ff., 239, 242, 245 ff., 260, 269, 304 Ersparnis 32, 51, 63 ff., 102, 181 f., 184 ff., 220 f., 226 ff., 241, 303 f. Familienbande 88 ff., 94 f., 97, 302 Fernmeldegeheimnis 239 f. Finanzausschuss 18, 22, 24, 33, 43, 46, 164, 181, 250 ff., 305 Fiskalisch 20, 42, 147 f., 151,153 ff., 303 Formenmissbrauch 266, 274 f., 298, 306 Fortsetzungszwang 53, 143, 301 Funktionsfähigkeit 147, 153, 155 ff., 254, 278, 305 Geeignetheit 33, 200, 256, 264, 268, 270 f., 298, 306 Geldwäschegegenstand 19, 31 f., 181 f., 185 ff., 189ff., 226 ff., 232, 303 Geldwäschegesetz 25, 184, 226, 238, 243 ff., 266, 271,275,298, 300, 305 Gemeinschuldnerbeschluss 261 f., 297 Gesamtbemakelung 193, 202, 206, 208, 210, 213, 223, 229 f., 303 Gesamtschau 69 f., 110, 131, 133 Gesetzentwurf 18, 253, 255 Gesetzgebungsverfahren 20 ff., 45, 56, 110, 116, 130, 250, 252 ff., 268, 270, 305 Gewerbesteuer 54, 79 f., 89, 119, 127 Gewinnabschöpfung 25, 36, 184, 238, 245, 248, 269, 271, 275, 298, 300, 305 f., 308 Gewohnheitsmäßig 61 ff., 301 Gleichheitssatz 21, 33, 57, 183 f., 225 f., 232, 255 ff., 297, 305 Grunderwerbsteuer 53, 199, 208, 212 f. Grundsteuer 190, 199, 213, 229 f. Handlungseinheit 126, 166, 175 ff., 303 Handlungsmehrheit 175 f., 178 Hauptverhandlung 140, 234, 236, 246, 304 Hauptzweck 93 ff., 183, 302 Hinterziehungsbetrag 31, 35, 54 f., 57, 85, 103 ff., 115 ff., 120, 124, 126, 128 f., 131, 134, 138, 144, 158, 160, 233, 268, 281, 290 f., 299, 302 f. Honorar 19, 32, 186, 188, 190, 215ff., 303 f.

Idealkonkurrenz 121, 162, 178, 180, 303 Individualprinzip 91 Infizierung siehe Bemakelung Inflation 108, 117 Informationspflicht 188, 245, 248, 305 Intention 23ff., 61, 75, 164, 169, 171, 173, 200, 206, 209 f., 212, 214, 284, 300 Kapitalgesellschaft 80, 87 Karussell 18, 38, 46 ff., 61, 64 f., 68, 81 ff., 94, 96 f., 111, 139, 142 f., 170, 173, 175, 177,218, 222, 308 Kernstrafrecht 28, 57, 62, 104 ff., 114, 133, 273, 287 Kompensationsverbot 66, 108, 128 f., 142, 146 Konkurrenz 28, 31, 44, 119 ff., 123, 126, 134, 145,161ff., 239, 296, 299, 303 Kontaminierung siehe Bemakelung Konto, -en 54, 190 f., 194, 198, 208, 216, 230 Kreditinstitute siehe Banken Kriminalität - Organisierte 17 ff., 24 ff., 35, 37, 43, 46 ff., 54, 59 f., 62, 64, 68, 87 f., 95 f., 98, 113, 116 f., 120 ff., 124, 134, 155, 158, 160, 180 f., 183, 189, 196, 224 f., 266 f., 269, 280, 294, 300 f. Lauschangriff 242, 247, 304 Lohnsteuer 24, 44, 55, 59, 66, 80 f., 99, 136, 138,207 Luxemburg-Fall 30, 55, 122, 124, 143 Meldepflicht 188, 226, 237 f., 243, 266, 271 f., 298, 300, 308 Mindesthinterziehungsbetrag 104 f., 112, 118, 120, 124, 134, 289 ff., 299 Mitwirkungspflicht 27, 52, 245, 259, 297 Nebenfolgen 142, 198, 232, 246, 304 Nemo-tenetur-Grundsatz 33, 53, 172, 213, 255, 257ff, 297, 304 Neubewertung 25, 268 ff., 275, 298, 300, 306, 308 Nichtzahlung 169, 171 ff., 175, 177, 179

Sachwortregister Parlamentsvorbehalt 254, 277 Periodizität 20, 27, 52, 57, 59, 121, 133, 267, 301 Pflichtverteidiger 218 ff., 222 f., 231, 234, 246, 304 Qualitativ 30, 70, 103,108ff., 124 f. Quantitativ 30, 70, 103 ff., 116 ff., 124 f., 129, 132, 134 ff., 138 f., 291 f., 302 Rechtsanwalt 219, 221, 224, 233 Rechtsbegriff - unbestimmter 72, 103, 278 ff., 283, 287, 289, 291, 293 f., 299, 306 Rechtsberater 215 f., 221, 224 f., 231, 303 f. Rechtsfolge 20, 42, 85, 150 f., 160 f., 199, 232 ff., 280, 290 Rechtsstaat 25, 68, 167, 220, 222 f., 225, 255, 258, 264 ff., 276, 283, 298, 304, 306 f. Reduktion - teleologisch 171 f., 225 - verfassungskonforme 199, 224 f., 232, 304 Regelbeispiel 22, 42, 44, 102, 106 ff., 116 ff., 124, 134, 148 f., 273, 282 f., 286 f., 290, 308 Schenkungsteuer 53 Schmuggel 31, 42, 48 ff., 59, 65, 96, 99, 144 f., 148, 159, 162 f., 167, 183, 189, 194 f., 204 Schuldangemessenheit 56, 70, 112, 116, 118, 131, 134, 136, 140, 159, 265, 268, 272 ff., 298, 302, 306 f. Schuldprinzip 21, 43, 68, 249, 255, 264 f.,267 f., 273 f., 276, 290, 298 Schwarzgeld 54, 90, 183 f., 188, 269, 271, 298, 306 Selbstanzeige 20, 22 f., 35, 40, 55, 112, 121 f., 125, 136, 140 f., 144, 146 ff., 171 f., 176, 179, 219, 247, 252, 260 ff., 267, 273, 295 ff., 302 f., 305, 308 Sozialversicherungsbetrug 80 Steueraufkommen 18, 31, 33, 103, 144 ff., 153, 159, 165, 169, 176, 180, 262 f., 268 f., 272, 275, 297 f., 306, 308

Steuerbeamten-Ausbildungsgesetz 17, 21, 32, 182, 202, 209, 251,253,270 Steuerberater 29, 44, 79, 90, 96, 98 ff., 186, 188, 190, 215ff., 231 ff., 238, 241, 243 f., 247, 283 f., 304 Steuerbetrug 37 f., 46 f. Steuerersparnis siehe Ersparnis Steuergeheimnis 37, 245, 248, 305 Steuergerechtigkeit 18, 21, 25, 33, 183, 262 f., 269 ff., 275, 297 f., 306 Steuerschaden 31, 50, 103, 107, 115, 128 f., 134 f., 195, 198,219, 281,302 Steuerstrategie 266 Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz 17 f., 32, 42, 47, 56, 83, 139, 164, 181 f., 185, 189, 191, 199, 202, 205, 209, 215, 217, 229 Strafbefehl 57, 140, 155, 234 ff., 246, 256 f., 297, 304 Strafdrohung 25, 42, 45, 162, 175, 178, 270, 300, 307 Strafrahmenkohärenz 42 f., 131, 309 Strafschärfungsgrund 53, 58, 89, 135, 144 f., 272 Strafverteidiger 186, 188, 217, 220 ff., 231 f., 304 Strafzumessung 24, 31, 40, 111, 113, 121, 128 f., 137, 140 ff., 162, 211, 268, 282, 283, 287, 290, 299, 302, 306 Subventionsbetrug 42 Tatbestand 20, 33 f., 49 ff., 145, 148, 166, 168, 171, 193, 214 ff., 221 f., 225, 230 f., 237, 265,286, 291,302 - objektiver 193, 214 f., 221, 225, 231 - subjektiver 215 f., 222, 231 Täuschungsgebäude 107, 110 f., 115, 117 f., 131, 134, 136 ff., 286, 302 Teilnahme 90 ff., 97, 121, 127 f., 138, 186, 195,243, 302 - notwendige 90 ff., 97, 302 Terrorismus 17, 300 Übermaßverbot siehe Verhältnismäßigkeit Überwachung - Akustische 242, 247, 304 - Telekommunikations- 31, 238 ff., 246 f., 304

330

Sachwortregister

Umsatzsteuer 17 f., 27, 31, 36, 38, 45 ff., 54, 56, 59 ff., 63 f., 66 ff., 79 ff., 88, 94, 96 f., 110 f., 113, 119, 127 ff., 136 ff., 142 f., 167, 169 ff., 192, 196 f., 218, 222, 230, 259, 301,308 Umsatzsteuerjahreserklärung 56, 80, 82, 129, 137 ff., 173 f., 259 Umsatzsteuerkarussell siehe Karussell Umsatzsteuervoranmeldung 31, 56, 80 f., 129, 137 ff., 170, 173 f., 176, 178 ff., 259 Unterlassen 53, 63, 91, 123, 173 f, 176, 178 ff., 227, 260 Untersuchungshaft 237, 246, 304 Veranlagungsteuern 227 Verbrechen 18, 20, 25 f., 28 f., 31, 33 ff., 41 ff., 54, 56 ff., 67, 69, 75, 78, 95, 102, 107, 111 f., 114 f., 117 f., 121 f., 124 ff., 129, 132 ff., 140 f., 145, 147, 154 f., 159 f., 162 f., 166 f., 175 f., 181, 185, 187, 233 f., 236 f., 246, 253, 256 f., 266 ff., 280, 282 f., 285, 287, 289, 291 ff., 306, 308 f. Verfahrenseinleitung 25, 36, 137, 245, 248, 269, 271,305 Verfahrensherrschaft 234 ff., 246 f., 304 Verfassungsgemäßheit siehe Verfassungskonformität Verfassungskonformität 21, 26, 32 f., 40 159, 222 ff., 249ff., 305 ff.

- formelle 33, 40, 250 ff. - materielle 33, 249, 255 ff., 305 f. Verhältnismäßigkeit 21, 64, 73 ff., 86, 132, 159, 187, 198, 200, 205, 209, 229, 232, 249, 264 ff, 298, 306, 309 Verkehrsteuer 53, 192 Verkehrsunfähigkeit 181 ff., 187, 196 f., 199, 228, 232 Verklammerung 120 f., 124 Vermittlungsausschuss 22, 24, 73, 102, 130, 148, 150, 154, 182, 250 ff., 289 f., 305 Versicherung 25, 80 f., 184, 222, 224, 269 f., 298, 300, 306 Verwendungsverbot 261 ff., 297, 305 Verwertungsverbot 240, 242, 260 ff., 297 Vollzugsdefizit 257, 305 Vortat 19, 25, 31, 35 f., 40, 122, 138, 181, 183 ff., 195 f., 198, 201 f., 205, 212, 215 ff., 225, 229, 237, 239 ff., 266, 269, 271 f., 274, 298, 300, 303 f., 308 Willkürverbot 21, 135, 222, 226 ff., 232, 256, 276, 304 Zufluss 63ff., 79, 171, 200, 205, 209, 301 Zusammenveranlagung 79, 91 f. Zuständigkeit 234, 237, 243, 246 f., 249, 304 Zwangsmittel 259, 297