Die europäischen Parteien und ihre Finanzierung durch die Europäische Union [1 ed.] 9783428544394, 9783428144396

Politische Parteien auf europäischer Ebene werden seit dem Jahr 2004 durch die Europäische Union subventioniert. Damit e

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Die europäischen Parteien und ihre Finanzierung durch die Europäische Union [1 ed.]
 9783428544394, 9783428144396

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Schriften zum Europäischen Recht Band 166

Die europäischen Parteien und ihre Finanzierung durch die Europäische Union

Von Tobias Schweitzer

Duncker & Humblot · Berlin

TOBIAS SCHWEITZER

Die europäischen Parteien und ihre Finanzierung durch die Europäische Union

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera · Detlef Merten Matthias Niedobitek · Karl-Peter Sommermann

Band 166

Die europäischen Parteien und ihre Finanzierung durch die Europäische Union

Von Tobias Schweitzer

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat diese Arbeit im Wintersemester 2013/2014 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2014 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: Buch Bücher de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 978-3-428-14439-6 (Print) ISBN 978-3-428-54439-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-84439-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im Wintersemester 2013/2014 als Dissertation angenommen. Mein herzlicher Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Uwe Volkmann, für die Betreuung dieser Arbeit und die schnelle Erstellung des Erstgutachtens. Darüber hinaus möchte ich ihm für das gute Arbeitsklima und den Freiraum danken, den ich in meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl erfahren durfte. Ebenso gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Hanno Kube für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Des Weiteren möchte ich mich bei meinen Kollegen am Lehrstuhl, Herrn­ Karsten Adler, Herrn Thorsten Wörner und Herrn Richard Yamato, für die angenehme Zusammenarbeit und das herzliche Klima bedanken. Dies gilt auch und in besonderem Maße unserer Sekretärin, Frau Stephanie Averbeck-Rauch, die mit unermesslicher Geduld und Herzlichkeit uns Mitarbeitern immer zur Seite stand. Danken möchte ich auch meinen Kolleginnen und Kollegen des Fachbereichs sowie allen anderen, die mich im Laufe der Jahre auf vielfältigste Art und Weise unterstützt und so zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben. Ich danke den Herausgebern Herrn Prof. Dr. Siegfried Magiera, Herrn Prof. Dr. Dr. Detlef Merten, Herrn Prof. Dr. Matthias Niedobitek und Herrn Prof. Dr. Karl-Peter Sommermann für die Aufnahme dieser Arbeit in die Schriften zum Europäischen Recht. Schließlich möchte ich mich bei meinen Eltern bedanken, ohne die diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Alles zu nennen, was sie im Laufe meines Studiums, Referendariats und meiner Promotion für mich getan haben, würde den Rahmen sprengen. Ihnen gilt mein besonderer Dank und ist diese Dissertation gewidmet. Mainz, im April 2014

Tobias Schweitzer

Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 § 2 Historische Entwicklung europäischer Parteien, ihrer Finanzierung und Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 A. Zur historischen Entwicklung europäischer Parteien, ihrer derzeitigen Organisation und Einnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 I.

Die Entwicklung einzelner europäischer Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1. Europäische Volkspartei (EVP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2. Sozialdemokratische Partei Europas (SPE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 3. Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE) . . . . . . . . . 24 4. Europäische Grüne Partei (EGP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 5. Europäische Freie Allianz (EFA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 6. Europäische Linke (EL) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 7. Allianz der Europäischen Konservativen und Reformisten (AECR) . . . 28 8. Europäische Demokratische Partei (EDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 9. EUDemokraten (EUD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 10. Europäische Christliche Politische Bewegung (ECPB) . . . . . . . . . . . . . 30 11. Europäische Allianz für Freiheit (EAF) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 12. Allianz der Europäischen nationaler Bewegungen (AENB) . . . . . . . . . 30 13. Bewegung für ein Europa der Freiheit und Demokratie (MELD) . . . . . 30

II. Transnationale Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 1. Newropeans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2. Europa – Demokratie – Esperanto (E-D-E) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3. Vereintes Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 4. Libertas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 III. Entwicklung des europäischen Parteiensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 B. Entwicklung der Parteienfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I.

Finanzierung aus Fraktionsmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

II. Geschichte des Art. 138a EGV/ Art. 191 EGV/Art. 10 Abs. 4 EUV . . . . . . 38 III. Verfahren der Verordnungsgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 C. Tatsächliche Entwicklung der Finanzhilfen der Union sowie der Einnahmen der Europaparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

8

Inhaltsverzeichnis

§ 3 Grundprobleme einer öffentlichen Finanzierung politischer Parteien auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 A. Zulässigkeit öffentlicher Finanzhilfen an europäische Parteien . . . . . . . . . . . . . . 56 B. Chancen und Gefahren einer öffentlichen Finanzierung von europäischen Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 I.

Öffentliche Finanzierung und Parteifunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Ausfüllung der „klassischen“ Parteifunktionen durch europäische Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 a) Vermittlungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Elitenrekrutierungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 c) Reduktionsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 d) Integrationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 e) Regierungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 f) Innovationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 g) Repräsentationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 h) Partizipationsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 i) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2. Gründe der mangelnden Ausfüllung „klassischer“ Parteifunktionen . . . 71 a) Europäische Parteien und das strukturelle Demokratiedefizit . . . . . 71 b) Europäische Parteien und das institutionelle Demokratiedefizit . . . 75 c) Zusammenfassendes Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 3. Spezifische Aufgaben europäischer Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 a) Koordinierungsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 b) Kommunikationsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 c) Bewertung dieser unionsspezifischen Parteifunktionen . . . . . . . . . . 82 4. Auswirkungen einer öffentlichen Finanzierung auf die Funktionserfüllung 83 a) Grundsätzliche Gefahren einer öffentlichen Finanzierung . . . . . . . . 83 b) Grundsätzliche Vorteile einer öffentlichen Finanzierung . . . . . . . . . 87 c) Besonderheiten auf Unionsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

II. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 C. Pflicht zu einer öffentlichen Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 § 4 Parteienrechtliche Grundprinzipien im Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 A. Grundsatz der Parteienfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 I.

Parteienfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 1. Parteigründungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 2. Parteienbetätigungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 3. Staatsfreiheit der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

Inhaltsverzeichnis

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II. Die Parteienfreiheit in anderen Mitgliedstaaten der Union . . . . . . . . . . . . . 114 III. Parteienfreiheit auf der Ebene der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Parteigründungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Betätigungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 3. Staatsfreiheit/Unionsfreiheit der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 B. Prinzip der Chancengleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 I.

Chancengleichheit in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . 122

II. Das Prinzip der Chancengleichheit in den Mitgliedstaaten der Union . . . . . 124 III. Das Prinzip der Chancengleichheit im europäischen Recht . . . . . . . . . . . . . 127 C. Recht der Bürger auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung . . . . . . 138 I.

Recht auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

II. Recht auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 III. Das Recht auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung im europäischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 D. Grundsatz der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 I.

Grundsatz der Öffentlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . 141

II. Grundsatz der Öffentlichkeit in anderen Mitgliedstaaten der EU . . . . . . . . . 142 III. Grundsatz der Öffentlichkeit im Recht der Europäischen Union . . . . . . . . . 144 § 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung . . . . . 147 A. Begriffsbestimmung des Art. 2 VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 I.

Politische Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

II. Bündnis politischer Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 1. Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 2. Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3. Rechtsvergleichende Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 a) Anwendbarkeit der rechtsvergleichenden Auslegung . . . . . . . . . . . 157 b) Rechtsvergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 c) Übertragbarkeit des Prinzips der Bürgervereinigungen der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 4. Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 5. Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 6. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

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Inhaltsverzeichnis B. Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 I.

Rechtspersönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

II. Transnationaler Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 1. Transnationalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 a) Transnationalität als Voraussetzung des primärrechtlichen Parteienbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 b) Vereinbarkeit der Voraussetzung der Transnationalität mit dem Primärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 c) Ausgestaltung der Transnationalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Erfolgsabhängiger Bezugspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 a) Mindestquorum bei Wahlen zum Europäischen Parlament nach Art. 3 Abs. 1 b) UAbs. 2 VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 b) Vertretung in Parlamenten auf europäischer, nationaler oder regionaler Ebene nach Art. 3 Abs. 1 b) UAbs. 1 VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 aa) Vereinbarkeit mit dem Primärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 bb) Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 b) UAbs. 1 VO . . . . . . . . . . 200 III. Beachten der Grundsätze, auf denen die Europäische Union beruht . . . . . . 204 1. Vereinbarkeit der Vorschrift mit dem Primärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 a) Zulässigkeit des Ausschlusses politischer Parteien von der öffentlichen Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 b) Bestimmtheit der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 2. Anwendung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 a) Schutzgüter des Art. 3 Abs. 1 c) VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 aa) Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 bb) Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 cc) Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten . . . . . . . 220 dd) Rechtsstaatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 b) Beachten der Schutzgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 IV. Teilnahme an Wahlen zum Europäischen Parlament . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 V. Programm und Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 § 6 Grenzen und Verteilungskriterien der öffentlichen Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 A. Obergrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 I.

Regelung der relativen Obergrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 1. Europarechtliche Gebotenheit einer relativen Obergrenze . . . . . . . . . . . 233 2. Erforderlicher Anteil der eigenen Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

Inhaltsverzeichnis

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3. Einnahmearten des privaten Finanzierungsanteils . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 II. Fehlende absolute Obergrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 B. Erfolgsabhängige öffentliche Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 I.

Zugang zum erfolgsabhängigen Betrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 1. Regelung in den Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 2. Regelung auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254

II. Verteilung des erfolgsabhängigen Betrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 C. Sockelbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 I.

Zulässigkeit eines Sockelbetrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 1. Vereinbarkeit mit der Chancengleichheit politischer Parteien . . . . . . . . 267 2. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der „Unionsfreiheit“ politischer Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 3. Vereinbarkeit mit dem Recht auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung der Unionsbürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272

II. Verhältnis des Sockelbetrages zum erfolgsabhängigen Anteil . . . . . . . . . . . 275 III. Zugang zum Sockelbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 § 7 Verfahren zur Festsetzung der öffentlichen Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 A. Gewährung der öffentlichen Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 I.

Festlegung der Mittel im Haushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280

II. Antragsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 1. Aufforderung zur Einreichung eines Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 2. Form- und Fristerfordernisse bei Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 a) Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 b) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 3. Unvollständige oder unklare Anträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 III. Entscheidung über die öffentliche Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 IV. Unterrichtung der antragstellenden Parteien über die Gewährung der Finanzhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 V. Beschluss über die Gewährung der Finanzhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 VI. Vorfinanzierung (Erste Stufe der Auszahlung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 VII. Festlegung der endgültigen Finanzhilfe und Auszahlung des Restbetrages (Zweite Stufe der Auszahlung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 1. Festlegung der endgültigen Finanzhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 a) Prüfung durch das Präsidium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290

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Inhaltsverzeichnis b) Ermittlung des endgültigen Gesamtbetrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 c) Festlegung des Betrages der endgültigen Finanzhilfe . . . . . . . . . . . . 293 2. Zuschussfähige Ausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 a) Allgemeine Kriterien der Zuschussfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 b) Besondere zuschussfähige Ausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 c) Ausschluss der Zuschussfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 3. Auszahlung des Restbetrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 VIII. Übertragung auf das nachfolgende Haushaltsjahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 IX. Kontrollen und Rechnungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 X. Aussetzung, Kürzung und Beendigung der Finanzhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . 301 1. Aussetzung und Kürzung der Finanzhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 a) Formelle Voraussetzungen der Aussetzung bzw. Kürzung . . . . . . . . 302 b) Materielle Aussetzungs- und Kürzungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 c) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 2. Einstellung der Finanzhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 a) Materielle Einstellungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 b) Formelle Voraussetzungen der Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 c) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 XI. Einziehungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 XII. Sanktionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 XIII. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 B. Nachprüfung der Parteieigenschaften nach Art. 5 VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 I.

Nachprüfung nach Art. 5 Abs. 1 VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314

II. Nachprüfung nach Art. 5 Abs. 2 VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 § 8 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Ansicht am angegebenen Ort a. a. O. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ABlEG Amtsblatt der Europäischen Union ABlEU Abs. Absatz AEN Allianz für das Europa der Nationen AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung a. F. AöR Archiv des öffentlichen Rechts Aus Politik und Zeitgeschichte APuZ Art. Artikel Aufl. Auflage Ausg. Ausgabe Bd. Band Beschl. Beschluss BGBl. Bundesgesetzblatt BGF Beschluss des Präsidium des Europäischen Parlaments über die Gewährung einer Finanzhilfe BRD Bundesrepublik Deutschland bspw. beispielsweise BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGG Bundesverfassungsgerichtsgesetz B-VG Bundes-Verfassungsgesetz BWahlG Bundeswahlgesetz bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise ders. derselbe d. h. das heißt dies. dieselbe/n Dok. Dokument Die Öffentliche Verwaltung DÖV Die Verwaltung DV Deutsches Verwaltungsblatt DVBl. Europäische Antikapitalistische Linke EAL ebd. ebenda EC European Community ECOSY European Community Organisation of Socialist Youth Europäische Christliche Politische Bewegung ECPB Europa – Demokratie − Esperanto E-D-E EDP Europäische Demokratische Partei EFA Europäische Freie Allianz

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Abkürzungsverzeichnis

Europäische Gemeinschaft EG EGKS Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EGP Europäische Grüne Partei EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft EL Europäische Linke Europäische Liberale Demokraten ELD Partei der Europäischen Liberalen, Demokraten und Reformer ELDR EMRK Europäische Menschenrechts-Konvention Europäische Nationale Front ENF Europäisches Parlament EP EU Europäische Union EUCD Europäische Union Christlicher Demokraten EUDemokraten – Allianz für ein Europa der Demokratien EUD Europäisches Gericht erster Instanz EuG EuGH Europäischer Gerichtshof EuGRZ Europäische Grundrechte-Zeitschrift EuR Europarecht EUV Vertrag über die Gründung der Europäischen Union Gesetz über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments EuWG aus der Bundesrepublik Deutschland Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EuZW eingetragener Verein e. V. EVP Europäische Volkspartei Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG f. folgende Frankfurter Allgemeine Zeitung FAZ ff. fortfolgende FLIDPEG Föderation der Liberalen und Demokratischen Parteien der Europäischen Gemeinschaft Front Nationale FN Fn. Fußnote FPÖ Freiheitliche Partei Österreichs FS Festschrift FYEG Federation of Young European Greens GG Grundgesetz GO EP Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments GO-EVP Geschäftsordnung der internationalen Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht „Europäische Volkspartei“ Charta der Grundrechte der Europäischen Union GRCh GS Gedächtnisschrift GWP Gesellschaft – Wirtschaft – Politik: Sozialwissenschaften für politische Bildung herrschende Meinung h. M. HO Haushaltordnung HO-DB Durchführungsbestimmungen zur Haushaltsordnung Hrsg. Herausgeber Hs. Halbsatz

Abkürzungsverzeichnis

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Handbuch des Staatsrechts HStR HVerfR Handbuch des Verfassungsrechts im Sinne des i. S. d. i. V. m. in Verbindung mit Journal of Common Market Studies JCMS Jg. Jahrgang Jahrbuch zur Staats- und Verwaltungswissenschaft JStVw Juristische Schulung JuS JZ Juristen Zeitung LI Liberale Internationale Liberale Weltunion LWU LYMEC Liberal and Radical Youth Movement of the European Union Mitglied des Europäischen Parlaments MdEP Bewegung für Europäische Reform MER Mio. Millionen MIP Mitteilungen des Instituts für Deutsches und Europäisches Parteienrecht Mouvement Libéral pour l’Europe Unie MLEU MüKo Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen m. w. N. North Atlantic Treaty Organization NATO Nouvelles Equipes Internationales NEI NGL Nordisch grün-linke Allianz Neue Juristische Wochenschrift NJW Nr. Nummer NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter NWVBl. Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa OSZE ÖVP Österreichische Volkspartei PartG Parteiengesetz Party Politics PP PPI Pirate Party International PVS Politische Vierteljahresschrift Rn. Randnummer Rs. Rechtssache Revue trimestrielle de droit européen RTD S. Satz; Seite SAP Sozialdemokratische Arbeiterpartei Slg. Sammlung sog. sogenannt SPE Sozialdemokratische Partei Europas std. Rspr. ständige Rechtsprechung StWStP Staatswissenschaften und Staatspraxis SZ Süddeutsche Zeitung taz die tageszeitung u. a. unter anderem Uabs. Unterabsatz UEN Union für ein Europa der Nationen

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Abkürzungsverzeichnis

v. vom Var. Variante vgl. vergleiche Verordnung (EG) Nr.  2004/2003 über die Regelungen für die politiVO schen Parteien auf europäischer Ebene und ihre Finanzierung Verordnung Beschluss des Präsidiums des Europäischen Parlaments vom 29. März VO-DB 2004 mit Durchführungsbestimmungen zu der Verordnung (EG) Nr. 2004/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Regelungen für die politischen Parteien auf europäischer Ebene und ihre Finanzierung Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer VVDStRL Westeuropäische Union WEU Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht ZaöRV Zeitschrift für Politik ZfP ZfS Zeitschrift für Soziologie ZParl Zeitschrift für Parlamentsfragen Zeitschrift für Rechtspolitik ZRP ZUM Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht

§ 1 Einleitung Am 20. Juli 2004 trat die Verordnung (EG) Nr. 2004/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Regelungen für die politischen Parteien auf europäischer Ebene und ihre Finanzierung1 in Kraft. Damit entstand im Unionsrecht ein neues Rechtsgebiet, das dem deutschen Verfassungsjuristen schon hinlänglich bekannt ist: das Recht der öffentlichen Parteienfinanzierung. Was im nationalen Rahmen, insbesondere in Deutschland, recht schnell in Rechtsprechung, verfassungsrechtlicher Literatur, in den Medien und wohl auch an vielen Stammtischen zu regen und teilweise hitzigen Diskussionen und auch zu reichlich Kritik führte, findet auf der Ebene der Europäischen Union allerdings weit weniger Beachtung. Allenfalls die Politikfinanzierung insgesamt, und dabei im besonderen Maße die Diäten der Europaparlamentarier, schaffen es bisweilen auf die Titelseiten der deutschen und internationalen Presse. Die politischen Parteien auf europäischer Ebene, die europäischen Parteien, die Europaparteien, die Europarteien oder wie man sie auch nennen mag, führen hingegen ein Schattendasein. Wenn ihnen nunmehr zumindest in Ansätzen in der Rechtswissenschaft und in größerem Maße in der Politikwissenschaft etwas Beachtung geschenkt wird, so findet eine Auseinandersetzung mit ihrer Finanzierung durch die Europäische Union doch weiter nur rudimentär statt. Genau an diesem Punkt möchte die vorliegende Arbeit ansetzen. Dabei verbindet eine Untersuchung des europäischen Parteienfinanzierungsrechts zwei Rechtsgebiete, Europarecht und Parteienrecht, auf denen seit jeher lebhaft gestritten wird. Zu beiden gab es in den letzten Jahrzehnten ein Füllhorn von Monographien, Dissertationen, Sammel- und Tagungsbänden und Aufsätzen. Man mag dabei schon seit längerer Zeit geneigt sein, von einem „Überfluss“ an Abhandlungen zu sprechen, dennoch scheint die Flut rechtswissenschaftlicher Literatur auf diesen Gebieten kein Ende zu nehmen. Und dies hat auch seinen Grund: Ihnen haftet der Makel oder – je nach Betrachtungsweise – der Reiz des Vorläufigen an. Verantwortlich hierfür sind aber regelmäßig nicht die Werke und ihre Verfasser, sondern dies ist stattdessen vielmehr den Rechtsgebieten geschuldet, mit denen sie sich befassen. Deutlich wird dies vor allem am Beispiel des Unionsrechts. Die europäische Integration ist ein dynamischer Entwicklungsprozess2, und dementsprechend ist auch das Europarecht von einer besonderen Dynamik geprägt. Seine Entwicklung zeichnet sich durch ständigen Wandel aus, in dem sich verändernde politische 1

AblEU Nr. L 297 vom 15.11.2003, S. 1 ff. Callies, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 1 EUV Rn. 9.

2

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§ 1 Einleitung

Absichten sowie sich verändernde politische Realitäten auch zu rechtlichen Neuordnungen führen; ein Rechtsgebiet im Fluss. Doch auch das Parteienrecht, insbesondere das deutsche, erweist sich als durchaus wandelbar. Seit Gründung der Bundesrepublik war es regelmäßig Reformen unterworfen: Einführung eines Parteiengesetzes, verfassungsgerichtliche Urteile, Änderungen des Parteiengesetzes als Folge dieser verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, Änderung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung und infolgedessen auch wiederum eine Änderung des Parteiengesetzes; ein Spiel, das sich immer von neuem zu wiederholen scheint und sich gerade und vor allem am wohl größten Zankapfel des Parteienrechts verdeutlicht – der Parteienfinanzierung. Im europäischen Parteienfinanzierungsrecht spielen damit zwei Themengebiete eine Hauptrolle, die sich durch ihre besondere Dynamik sowie ihre Fähigkeit und ihren Zwang zur Veränderung auszeichnen. Europarecht und Parteienrecht sind – um das bereits erwähnte Bild wieder aufzugreifen – Rechtsgebiete im Fluss, die hier aufeinandertreffen und sich zusammenschließen. Struktur und Organisation einzelner Parteien sowie eines Parteiensystems insgesamt sind abhängig vom Aufbau des politischen Systems, in dem die Parteien wirken sollen3. Nichts ist aber auf europäischer Ebene so beständig wie der Wandel; jede Reform der europäischen Verträge brachte gleichzeitig auch Veränderungen, Umgestaltungen und Neuordnungen des Verfahrens europäischer Rechtssetzung, materieller Kompetenzen der Europäischen Union sowie institutioneller Zuständigkeiten ihrer Organe mit sich4. Alle diese sich verändernden Rahmenbedingungen beeinflussen dann auch die in ihm operierenden europäischen Parteien, was sich gleichsam auf das europäische Parteienrecht auswirken muss. Wenn aber schon das deutsche Parteienfinanzierungsrecht, das sich in einem vergleichsweise stabilen konstitutionellen Umfeld bewegt, sich immer wieder ändert, so muss dies erst recht und in noch größerem Maße für ein europäisches Parteienfinanzierungsrecht gelten. Infolgedessen sind dieser Arbeit dann aber in zeitlicher Hinsicht Grenzen gesetzt. Sie ist in der Erkenntnis entstanden, das europäische Parteienfinanzierungsrecht nur unter seinen jetzigen Gegebenheiten betrachten zu können. Sie ist, kann und will an vielen Punkten nicht mehr sein als eine Momentaufnahme. Aus diesen ersten Beobachtungen ergibt sich auch bereits ein Muster für den Gang der Untersuchung. Ihren Ausgang hat diese am historischen Verlauf zu nehmen, um zu zeigen, wie sich die europäischen Parteien und das europäische Parteiensystem einschließlich ihrer wirtschaftlichen Grundlagen sowie das europäische Parteienrecht bis zum heutigen Tage entwickelt haben (§ 2). Die öffentliche Subventionierung europäischer Parteien durch die Union ist wie zuvor angedeutet ein vergleichsweise neues Phänomen und steckt noch in den „Kinderschuhen“. Des 3

Vgl. hierzu: Morlok, MIP 1999, 52 (57 ff.); Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 19 ff. m. w. N. 4 Zu den zuletzt durch den Vertrag von Lissabon erfolgten Veränderungen: Pache/Rösch, NVwZ 2008, 473 ff.; zum Vertrag von Nizza: Pache/Schorkopf, NJW 2001, 1377 ff.; zum Vertrag von Amsterdam: Hilf/Pache, NJW 1998, 705 ff.

§ 1 Einleitung

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halb liegt es nahe, sich im Fortgang mit der grundsätzlichen Frage auseinanderzusetzen, ob die Europäische Union überhaupt politische Parteien auf europäischer Ebene fördern darf, soll oder gar muss (§ 3). In einem dritten Schritt bliebe vielleicht doch die Suche nach einer gewissen Konstanz auch in einem europäischen Parteienfinanzierungsrecht: also nach universalen Grundsätzen, Prinzipien und Determinanten, die sich durch Stringenz und Dauerhaftigkeit auszeichnen und an denen sich konkrete Regelungen der Parteienfinanzierung möglicherweise messen ließen. Aber auch hier bleibt zu fragen, ob diese sich wirklich als so veränderungsresistent darstellen, wie es zunächst den Anschein erweckt (§ 4). Im Anschluss daran wird gefragt, ob die konkrete Ausgestaltung der Parteienfinanzierung durch die Verordnung sich dann auch in diesem hieraus erwachsenden Rahmen bewegt. Zu beginnen hat diese Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen, die eine Organisation erfüllen muss, um an der Parteienfinanzierung teilzunehmen; „ob“ sie also überhaupt anspruchsberechtigt sind. Dazu muss man europäische Partei sein und die materiellen Anforderungen für eine Finanzhilfe erfüllen. Wie die Parteienverordnung diese ausgestaltet hat und ob dies auch in rechtmäßiger Weise geschah, ist Bestandteil des nächsten Kapitels (§ 5). Im nächsten Schritt hat sich eine Arbeit über eine öffentliche Parteienfinanzierung dann mit ihrem umstrittenstem Aspekt zu befassen: der Höhe und der Verteilung der öffentlichen Mittel: also dem „Wie“ und des „Wie viel“ (§ 6). Schlussendlich verbleibt ein Blick auf das Verfahren und die formellen Voraussetzungen europäischer Parteienfinanzierung (§ 7). Aus diesem Gang der Untersuchung ergibt sich aber auch eine inhaltliche Beschränkung. Ihr Gegenstand sind die Finanzhilfen der Europäischen Union, also die Mittel, die sich zum System einer öffentlichen Parteienfinanzierung auf europäischer Ebene zählen lassen. Dagegen geht es nicht um die Finanzierung aus privaten oder eigenen Mitteln. Beiträge der Mitglieder, Spenden, Einnahmen aus wirtschaftlicher Betätigung, Sponsoring oder sonstige Einnahmequellen, die sich Parteien in der Vergangenheit erschlossen haben oder in Zukunft noch erschließen werden, bleiben dabei, wie auch die speziell auf sie bezogene Rechenschaftspflicht aus Art. 6 VO, im Wesentlichen ausgeklammert, soweit sie nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer öffentlichen Finanzierung stehen.

§ 2 Historische Entwicklung europäischer Parteien, ihrer Finanzierung und Regulierung

§ 2 Europäische Parteien, ihre Finanzierung und Regulierung Will man sich mit dem Gesamtkomplex der Finanzierung politischer Parteien auf europäischer Ebene befassen, ist es zunächst hilfreich, den Blick auf die historischen Zusammenhänge der Entwicklung der Parteien, ihren aktuellen Stand und ihre finanzielle Lage zu richten: Wie entwickelten sich die einzelnen europäischen Parteien und das Parteiensystem insgesamt im Verlauf der europäischen Integration? Wie organisieren und finanzieren die Parteien sich? Wie entstand und verlief ihre Verankerung im Primärrecht und die sekundärrechtliche Ausgestaltung des europäischen Parteienrechts? All dies verdeutlicht die Entwicklung des europäischen Parteiensystems, seine Eigenarten im Vergleich zum Verlauf auf nationalstaatlicher Ebene und die hieraus resultierenden besonderen Motive für die Einführung einer öffentlichen Parteienfinanzierung durch die Europäische Union.

A. Zur historischen Entwicklung europäischer Parteien, ihrer derzeitigen Organisation und Einnahmen I. Die Entwicklung einzelner europäischer Parteien 1. Europäische Volkspartei (EVP) Nach Ende des Zweiten Weltkrieges gründeten im Jahr 1947 christlich-demokratische Parteien aus mehreren europäischen Staaten die „Nouvelles Equipes Internationales“ (NEI)1. Sie dienten vor allem der Kontaktpflege und dem Gedanken- und Meinungsaustausch zwischen den jeweiligen Mitgliedsparteien. Angesichts dieser Zwecksetzung konnten die NEI auch keine bindenden Entscheidungen für ihre nationalen Mitglieder treffen, so dass diese weiterhin ihre volle Autonomie behielten2. Nachfolger der NEI wurde 1965 die „Europäische Union Christlicher Demokraten“ (EUCD)3. Jedoch war die EUCD ebenso wie die NEI 1 Ausführlich zur NEI: Hahn/Fugmann, in: Institut für europäische Politik (Hrsg.), Zusammenarbeit der Parteien in Westeuropa, S. 251 (260 ff.); Kaiser, in: Gehler/Kaiser/Wohnout, Christdemokratie in Europa, S. 695 ff.; Jansen, Die Entstehung einer europäischen Partei, S. 64 ff.; zur Zusammenarbeit christlich-demokratischer Parteien vor dem 2. Weltkrieg: Hanley, Beyond the Nation State, S. 87 f. 2 Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 9. 3 Hanley, Beyond the Nation State, S. 41; ausführlich zur EUCD: Jansen, Die Entstehung einer europäischen Partei, S. 76 ff.; Kunz, in: Stammen, Parteien in Europa, S. 286 (288 ff.).

A. Zur historischen Entwicklung europäischer Parteien

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nur ein lockeres Bündnis konservativer Parteien, in dem sich nicht nur Mitglieder aus den damaligen sechs EWG-Staaten, sondern darüber hinaus Parteien und Gruppen aus anderen Staaten versammelten4. Die weitere Vertiefung des Integrationsprozesses der Europäischen Gemeinschaften brachte eine Intensivierung der institutionellen Zusammenarbeit christlich-demokratischer Parteien innerhalb der Fraktion des Europäischen Parlaments mit sich, in derem Zuge das Bedürfnis nach einer Kooperation von Parteien erwuchs, die ausschließlich aus den Gemeinschaftsstaaten stammten5. 1972 wurde daraufhin das „Politische Komitee der christlich-demokratischen Parteien der Europäischen Gemeinschaften“ ins Leben gerufen, das eine dauerhafte Zusammenarbeit zwischen der Fraktion im Europäischen Parlament und der nationalen Mitgliedsparteien ermöglichte und damit die organisatorische und programmatische Grundlage einer transnationalen Parteienföderation bildete6. Zwölf christdemokratische Parteien aus sieben Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft schlossen sich dann am 29. April 1976 zur EVP zusammen7. Dabei blieb die EUCD zunächst jedoch als Parallelorganisation zur EVP bestehen8. Trotz der nunmehr ausdrücklichen Formierung als „Partei“ war aber auch die EVP nur ein vergleichsweise loses Bündnis christlich-demokratischer Parteien9. Im Jahr 1978 verständigten sich die Mitgliedsparteien anlässlich der ersten Wahlen zum Europäischen Parlament auf ein gemeinsames politisches Programm, in dem allerdings im Wesentlichen nur grundsätzliche und allgemeine politische Festlegungen getroffen wurden10. Erst in den Folgejahren entwickelte sich im Zuge der zunehmenden Bedeutung der Europäischen Gemeinschaften eine intensivere Zusammenarbeit der Mitgliedsparteien innerhalb der Strukturen der EVP, was schließlich im November 1990 in eine neue Satzung mündete, mit der die EVP ihren Anspruch als eigenständige europäische Partei unterstrich11. 2006 beschloss die EVP ein neues Parteienstatut, auf dessen Grundlage die Partei seitdem als internationale gemeinnützige Vereinigung nach belgischem Recht anerkannt ist12. Ziele der EVP sind gemäß Art. 3 Abs. 1 der EVP-Statuten unter anderem, eine enge und dauerhafte Zusammenarbeit zwischen ihren Mitgliedern zu fördern und zu begünstigen, eine gemeinsame Politik auf europäischer Ebene zu verwirklichen, das gemeinsame Handeln ihrer Mitglieder zu erleichtern und zu organisieren, auf der Grundlage eines gemeinsamen Programmes für eine freie und 4

Hrbek, ZParl 1976, 179 (184). Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 10. 6 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 84 f. 7 Damm, ZParl 1999, 395 (400); Kohl/Stura, in: FS Posser, S. 259 (265); ausführlich zur EVP: Jansen, Die Entstehung einer europäischen Partei, S. 97 ff. 8 Damm, ZParl 1999, 395 (400). 9 Damm, ZParl 1999, 395 (404). 10 Damm, ZParl 1999, 395 (405); Jasmut, Die politischen Parteien und die europäische Integration, S. 200. 11 Jansen, Integration, 3/1995, 157 (159). 12 Armbruch, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 134. 5

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§ 2 Europäische Parteien, ihre Finanzierung und Regulierung

pluralistische Demokratie und für die Achtung der Menschenrechte, der Grundfreiheiten und des Rechtsstaates zu wirken und den Einigungs- und föderalen Integrationsprozess in Europa als konstituierenden Bestandteil der Europäischen Union zu fördern. Der EVP gehören derzeit 47 Parteien als Vollmitglieder aus 25 Mitgliedstaaten der Union an13. Einfache Mitglieder können nach Art. 5 der EVP-Statuten politische Parteien mit christlich-demokratischer oder verwandter Ausrichtung aus der Europäischen Union werden, die sich dem politischen Programm der Vereinigung anschließen und deren Satzung und Geschäftsordnung anerkennen. Daneben kann der Vorstand unter den gleichen Bedingungen Parteien als assoziierte Mitglieder aufnehmen, die aus einem Staat stammen, über dessen Beitritt zur Europäischen Union verhandelt wird, sowie andere europäische Vereinigungen, die mit der EVP in einer besonderen Verbindung stehen. Überdies sind die Abgeordneten der Fraktion der EVP im Europäischen Parlament von Amts wegen individuelle Mitglieder der Partei. Den Mitgliedsbeitrag, den die nationalen Parteien an die EVP zahlen müssen, begrenzt Art. 7 S. 1 der EVP-Statuten auf 500.000 Euro. 2. Sozialdemokratische Partei Europas (SPE) Die transnationale Zusammenarbeit sozialistischer Parteien begann schon weit vor dem Beginn des europäischen Integrationsprozesses14. 1957 intensivierten die sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien der sechs EGKS-Mitgliedstaaten ihre Kooperation und schufen ein sogenanntes „Verbindungsbüro“15, dessen Aufgabe es war, die Beziehungen der Parteien untereinander zu verstärken und gemeinsame Stellungnahmen zu den Problemen der Europäischen Gemeinschaft zu erarbeiten16. Ihm gehörte jeweils ein Delegierter jeder Mitgliedspartei an, und es sollte mindestens halbjährlich tagen17. Ferner sollte das Büro als Schnittstelle zwischen den nationalen Parteien und der sozialistischen Fraktion in der Versammlung der EGKS – dem Vorgänger des Europäischen Parlaments – fungieren18. Um Entscheidungen zu treffen und Stellungnahmen zu formulieren, musste das Büro 13

Mittag/Steuwer, Politische Parteien in der EU, S. 20. Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 16; ausführlich zur internationalen Zusammenarbeit vor dem Zweiten Weltkrieg: Gresch, in: Institut für europäische Politik, Zusammenarbeit der Parteien in Westeuropa, S. 143 (154 ff.); zur Geschichte der II. Internationalen: Maier, in: Stammen, Parteien in Europa, S. 278 ff.; Hanley, Beyond the Nation State, S. 32 ff. 15 Naßmacher, Demokratisierung der Europäischen Gemeinschaften, S.  123; ausführlich zur Arbeit des Verbindungsbüros: Gresch, in: Institut für europäische Politik (Hrsg.), Zusammenarbeit der Parteien in Westeuropa, S. 143 (197 ff.); Hiepel, in: Mittag, Politische Parteien und europäische Integration, S. 271 ff. 16 Gresch, Transnationale Parteienzusammenarbeit in der EG, S. 93. 17 von Gehlen, Europäische Parteiendemokratie?, S. 192. 18 Niedermayer, Europäische Parteien?, S. 57. 14

A. Zur historischen Entwicklung europäischer Parteien

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jedoch Einstimmigkeit zwischen allen nationalen Parteien herstellen19. Das Sekretariat des Büros arbeitete dabei gleichzeitig auch als Sekretariat der Fraktion des Europäischen Parlaments20. 1971 erhielt das „Verbindungsbüro“ einen neuen Namen und hieß fortan „Büro der Sozialdemokratischen Parteien der Europäischen Gemeinschaft“21. Mit der Intention, die Zusammenarbeit der Parteien weiter voranzutreiben, wurde 1974 der „Bund der Sozialdemokratischen Parteien der Europäischen Gemeinschaft“ geschaffen22. Diese Föderation verstand sich nicht „als eine europäische Überpartei“23, was sich exemplarisch daran verdeutlicht, dass auch nach dieser organisatorischen Neuordnung die meisten Entscheidungen weiterhin einstimmig getroffen werden mussten und für die nationalen Mitgliedsparteien nicht zwangsläufig bindend waren24. Ferner konnten sich die Mitglieder nicht auf ein verbindliches Programm einigen, und die Geschäftsordnung des Bundes glich derjenigen des Verbindungsbüros25. 1992 konstituierte sich auf der Grundlage einer neuen Satzung die „Sozialdemokratische Partei Europas“26, der neben der sozialistischen Fraktion im Europäischen Parlament, des Ständigen Frauenausschusses der SPE und der Jugendorganisation ECOSY27 sozialdemokratische Parteien aus allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union angehören28. Die SPE versteht sich im Gegensatz zu ihren Vorgängerorganisationen nicht mehr lediglich als eine regionale Organisation der Sozialistischen Internationalen, sondern nunmehr als eigenständige politische Kraft29. Im Jahr 2004 erfolgte eine Neugründung der SPE, die mit einer strukturellen Reform der Partei als gemeinnützige Vereinigung nach belgischem Recht im Zuge des Inkrafttretens der Parteienverordnung verbunden war30. Die nunmehr gültige Satzung gab sich die Partei auf dem 9. Kongress der SPE im September 201231. Gemäß Art. 3 Abs. 4 der SPE-Satzung sind Ziele der Partei unter anderem, die sozialdemokratische und sozialistische Bewegung in Europa zu stärken, die Mitglieder an den Aktivitäten der SPE teilhaben zu lassen, ein enges Arbeitsverhältnis zwischen der SPE, den nationalen Parteien, den nationalen Parlamentsfraktionen, der Fraktion der SPE im Europäischen Parlament und weiteren Organisationen aufzubauen, gemeinsame Strategien für die Europäische Union zu 19

Jasmut, Die politischen Parteien und die europäische Integration, S. 187. Hrbek, ZParl 1976, 179 (187). 21 Grabitz/Läufer, Das Europäische Parlament, S. 310 f. 22 Hanley, Beyond the Nation State, S. 63; Hrbek, ZParl 1976, 179 (187). 23 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 84. 24 Hix/Lord, in: dies., Transnational parties in the European Union, S. 86 (89). 25 Damm, ZParl 1999, 395 (399 f.). 26 Jansen, in: Weidenfeld, Europahandbuch, Bd. 1, S. 166 (169). 27 von Gehlen, Europäische Parteiendemokratie, S. 210. 28 Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 19. 29 Damm, ZParl 1999, 395 (401 f.). 30 Armbruch, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 132. 31 Zu finden unter: http://pes.eu/sites/www.pes.org/files/pes_statutes_2012_de.pdf; Stand: 19.01.2014. 20

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§ 2 Europäische Parteien, ihre Finanzierung und Regulierung

definieren und ein gemeinsames Manifest für die Wahlen zum Europäischen Parlament zu verabschieden. Die Vollmitgliedschaft können nach Art. 8 Abs. 1 der SPE-Satzung Parteien aus EU-Mitgliedstaaten sowie aus solchen Nicht-EU-Mitgliedstaaten erwerben, die ein Beitrittsabkommen mit der Union geschlossen haben. Im Gegensatz zur EVP hat die SPE bewusst auf die Möglichkeit einer individuellen Mitgliedschaft verzichtet. Dies geschah mit der Begründung, dass diese aufgrund der strukturellen Organisation der SPE als Föderation nationaler Parteien ohnehin keine Vollmitgliedschaftsrechte erhalten könnten. Ein weiterer Beweggrund für diese Entscheidung war wohl auch die Angst vor der Entstehung eines europaphilen Flügels durch individuelle Mitglieder und damit verbundenen Abspaltungsgefahren32. Allerdings schuf die Partei einen Aktivistenstatus, der es natürlichen Personen gestatten sollte, besser an Aktivitäten der Organisation teilzunehmen; freilich mit der Folge, dass diese keinerlei parteiinterne Rechte zuerkannt bekommen33. Gemäß Art.  8 Abs.  2 der SPE-Satzung können ebenfalls die in den Institutionen der Europäischen Union organisierten Fraktionen und die durch die Satzung anerkannten sektoralen Organisationen der SPE Vollmitgliedsorganisationen der SPE werden. Des Weiteren gibt es den Status der assoziierten Parteien und der Beobachter­parteien34. 3. Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE) Als Wegbereiter der Zusammenarbeit liberaler Parteien in Westeuropa wird die 1947 gegründete „Liberale Internationale“ angesehen, die ihrerseits aus der schon früher existierenden „Liberalen Weltunion“ hervorging35. 1952 gründete sich die „Mouvement Libéral pour l’Europe Unie“ (MLEU) als erste liberale Bewegung nur für europäische Parteien, die sich dem Anliegen der europäischen Einigung widmete und ab 1961 die Mitgliedschaft nur solchen Parteien und Politikern gewährte, die aus EWG-Staaten stammten36. Mit der Ankündigung der ersten Direktwahlen zum Europäischen Parlament erhielt die Parteienzusammenarbeit der Liberalen neue Impulse, so dass die Parteien im März 1976 ihre Zusammenarbeit durch die Bildung der „Föderation der Liberalen und Demokratischen Parteien 32 Zu diesen Gründen: Armbruch, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 130. 33 Armbruch, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 133; vgl. insoweit: Art. 17 SPE-Satzung. 34 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 89. 35 Zur LI ausführlicher: Ficker/Fischer-Dieskau/Krenzler, in: Institut für europäische Politik (Hrsg.), Zusammenarbeit der Parteien in Westeuropa, S. 15 (25 ff.); Thiemeyer, in: Mittag, Politische Parteien und europäische Integration, S. 313 (317 ff.). 36 Mittag/Steuwer, Politische Parteien in der EU, S. 57; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 86.

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der Europäischen Gemeinschaft“ (FLIDPEG) institutionalisierten37. Gründungsmitglieder waren liberale Parteien aus allen Gemeinschaftsstaaten mit Ausnahme Irlands sowie transnationale liberale Organisationen und die Fraktion der Liberalen im Europäischen Parlament38. Im Jahr 1977 änderte die Föderation ihre Bezeichnung in „Europäische Liberale Demokraten“ (ELD)39 und verabschiedete am 20. November 1977 ein gemeinsames Wahlprogramm40. Im Zuge der Aufnahme portugiesischer und spanischer Parteien ergänzte die Föderation 1986 ihren Namen um die Bezeichnung „reformerisch“ bzw. „reformistisch“41. 1993 konstituierte sich die „Europäische Liberale, Demokratische und Reformpartei“ (ELDR) nunmehr ausdrücklich als „Partei“ neu, wobei dies freilich ebenfalls nicht mehr als eine der Einführung des Art.  191 EGV geschuldete Namensanpassung darstellte42. Am 10. November 2012 benannte sich die ELDR erneut um und firmiert nunmehr unter dem Namen „Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa“ (ALDE). Seit 2004 ist die ALDE bzw. die vormalige ELDR eine internationale gemeinnützige Vereinigung nach belgischem Recht43. Zu den Zwecken der ALDE gehört nach Art. 3 der ALDE-Statuten44, die liberalen, demokratischen und reformistischen Parteien zusammenzubringen und ein gemeinsames politisches Programm für die Europawahlen zu entwickeln. Sie fordert eine weitere Vertiefung der Union sowie die Entwicklung zu einer europäischen Verfassung45. Die Mitgliedschaft in der ALDE steht nach Art. 5 Abs. 1 der ALDE-Statuten grundsätzlich Bürgern und Parteien aus Europa offen, womit die Partei nunmehr nicht nur noch nationalen Parteien, sondern auch Unionsbürgern die Möglichkeit eröffnet, Mitglied der ALDE zu werden. Gemäß Art. 5 Abs. 6 S. 2 und 3 der ALDE-Statuten haben die individuellen Mitglieder ein Teilnahme- und Rederecht im Rat und im Kongress; verwehrt wird ihnen indes ein Stimmrecht. 4. Europäische Grüne Partei (EGP) 1984 schufen Grüne Parteien aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden die „Europäische Koordination Grüner Parteien“46. 37

Ausführlicher zur FLIDPEG: Stammen, in: ders., Parteien in Europa, S. 293 (295 ff.). Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 14 f. 39 Jasmut, Die politischen Parteien und die europäische Integration, S. 205; zur Organisation der ELD: Hrbek, in: Kirchner, Liberal parties in Western Europe, S. 455 (458). 40 Grabitz/Läufer, Das Europäische Parlament, S. 308. 41 Jasmut, Die politischen Parteien und die europäische Integration, S. 205 f. 42 Hanley, Beyond the Nation State, S. 119; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 93. 43 Armbruch, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 134. 44 Zu finden unter: http://www.aldeparty.eu/sites/eldr/files/alde_party_association_statutes. pdf; Stand: 14.01.2014. 45 Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 41. 46 von Gehlen, Europäische Parteiendemokratie?, S. 294. 38

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§ 2 Europäische Parteien, ihre Finanzierung und Regulierung

Die ursprünglich nur sehr lose Kooperation intensivierte sich ab November 1985 mit der Verabschiedung eines gemeinsamen Statuts und führte schließlich zur Umbenennung in die „Europäischen Grünen“47. Die fortschreitende Institutionalisierung der Zusammenarbeit grüner Parteien zeigt sich insbesondere daran, dass ab 1985 jährlich zwei bis vier Sitzungen von Repräsentanten der Mitgliedsparteien stattfanden, auf denen die Mitglieder Beschlüsse nach dem Prinzip der Einstimmigkeit trafen48. Im Juni 1993 konstituierten 23 grüne Parteien die „Europäische Föderation Grüner Parteien“, die sich jedoch selbst zunächst weniger als eine europäische Partei, sondern vielmehr als einen paneuropäischen Verbund ansah49. Am 21. Februar 2004 gründete sich in Rom die „Europäische Grüne Partei“ (EGP) nach belgischem Recht neu, bei der es sich allerdings mangels eines neuen Statuts und Vorstands lediglich um eine Namensänderung handelte50. Zuletzt gab sich die EGP im November 2011 ein neues Parteienstatut51. 56 Parteien aus 33 europäischen Ländern, folglich auch aus Nicht-EU-Mitgliedstaaten, bilden heute den Großteil der mitgliedschaftlichen Basis der EGP52. Ziel der Grünen ist es nach Art. 3 der EGP-Statuten insbesondere, eine enge und dauerhafte Kooperation der Mitgliedsparteien untereinander und mit der Fraktion im Europäischen Parlament zu organisieren. Mitglieder der Partei können gemäß Art. 4 Abs. 2 der EGP-Statuten Parteien aus allen Staaten Europas werden. Aus dieser immer noch bestehenden paneuropäischen Ausrichtung, die sich auch darin zeigt, dass die meisten Kongresse in Nicht-EU-Mitgliedstaaten stattgefunden haben, folgt naturgemäß, dass die politische Ausrichtung der EGP im Unterschied zu den übrigen Parteienbünden nicht im gleichen Maße auf die Europäische Union fokussiert ist53. Nach Art. 4 Abs. 3 UAbs. 4 der EGP-Statuten kommt Abgeordneten des Europäischen Parlaments, die einer Mitgliedspartei der EGP angehören, ein spezieller mitgliedschaftlicher Status zu. Ein Stimmrecht haben aber auch sie nicht unmittelbar, sondern lediglich vermittelt über die Fraktion der EGP im Europäischen Parlament. Diese entsendet Delegierte in den Rat und in den Kongress der Partei, die sich wiederum an den Abstimmungen in den jeweiligen Gremien beteiligen können54. 47 Armbruch, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S.  128; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 87. 48 Damm, ZParl 1999, 395 (401). 49 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S.  97 f.; ausführlich zur Entwicklung der EFGP: Dietz, in: Mittag, Politische Parteien und Europäische Integration, S. 333 ff. 50 Armbruch, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 135; Oppelland, in: Niedermayer/Stöss/Haas, Die Parteiensysteme Westeuropas, S. 455 (462); Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 35. 51 Dieses ist zu finden unter: http://europeangreens.eu/sites/europeangreens.eu/files/EGP% 20Statutes%20adopted%2012.11.2011 %20with%20updated%20GG%20Charter_0.pdf Stand: 14.01.2014. 52 Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 41. 53 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 97 f. 54 Art. 6 Abs. 3 UAbs. 4 S. 2 und Abs. 4 UAbs. 2 S. 3 der EGP-Statuten.

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5. Europäische Freie Allianz (EFA) Die EFA gründete sich 1981 als eine Kooperation politischer Parteien mit regionalistischer Ausrichtung und strukturierte sich im Jahr 1994 vor dem Hintergrund der Einfügung des Art. 138a EGV um55. Seit 2004 ist sie als europäische politische Partei und Vereinigung nach belgischem Recht organisiert56. Sie ist derzeit ein Zusammenschluss von 35 regionalen, nationalen und autonomen Parteien aus 15 Mitgliedstaaten der Union57. Zur Programmatik der EFA gehört nach Art. 3 der EFAStatuten zum Beispiel, die Einigung Europas nach dem Prinzip der Subsidiarität zu fördern sowie eine enge und dauerhafte Kooperation zwischen ihren Mitgliedern und eine europäische Integration basierend auf den Unterschieden der Menschen, Kulturen, Sprachen und Regionen voranzutreiben. Gemäß Art. 5 der EFA-Statuten besteht die Partei aus Vollmitgliedsparteien, Beobachterparteien, individuellen Mitgliedern und Ehrenmitgliedern. Die Mitgliedschaft ist natürlichen Personen nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, und ein Stimmrecht wird ihnen nicht gewährt58. Daher zahlen weder sie noch die Ehrenmitglieder der EFA Mitgliedsbeiträge59. 6. Europäische Linke (EL) Eine dauerhafte und institutionelle Zusammenarbeit kommunistischer Parteien in der Europäischen Union fand lange Zeit nicht statt, da bis in die 90er Jahre die Spaltung in moskautreue Traditionalisten und ideologisch eigenständigere Autonomisten integrationshemmend wirkte60. Erst durch das 1991 gegründete „Forum der Neuen Europäischen Linken“ kam es zu einer verfestigten Zusammenarbeit der kommunistischen Parteien in Europa61. Am 08. Mai 2004 schlossen sich 15 europäische Parteien aus dem linken und kommunistischen Spektrum zur „Europäischen Linken“ zusammen62 und erließen ein gemeinsames Parteienstatut63. Die EL setzt sich derzeit aus 19 nationalen Parteien zusammen, die sowohl aus Mit 55

Mittag, IEV-Online 1/2009, 1 (14); zur vorherigen Zusammenarbeit regionalistischer Parteien in Europa: Hanley, Beyond the Nation State, S. 158 f. 56 Armbruch, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 136. 57 Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 40. 58 Vgl. hierzu: Armbruch, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 136. 59 Studie des Europäischen Parlaments, How to create a transnational party system, S. 91. 60 Grabitz/Läufer, Das Europäische Parlament, S.  321; Jüttner/Liese, Taschenbuch der Europäischen Parteien und Wahlen, S. 216 f.; zum sog. Eurokommunismus: Rausch, in: Stammen, Parteien in Europa, S. 303 ff. 61 Hanley, Beyond the Nation State, S. 145; Mittag/Steuwer, Politische Parteien in der EU, S. 146 f. 62 Oppelland, in: Niedermayer/Stöss/Haas, Die Parteiensysteme Westeuropas, S. 455 (462). 63 http://www.die-linke.de/fileadmin/download/europaeische_linkspartei/040509_statut_ el.pdf?PHPSESSID= fec70801d98a214c38e0895681e38091; Stand: 14.01.2014.

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§ 2 Europäische Parteien, ihre Finanzierung und Regulierung

gliedstaaten der Union wie auch aus Nichtmitgliedstaaten stammen64. Ziele der EL sind nach Art. 5 der EL-Statuten etwa, zum gemeinsamen politischen Handeln in den Staaten der Europäischen Union sowie auf gesamteuropäischer Ebene beizutragen, die Zusammenarbeit der Parteien und politischen Organisationen auf allen Ebenen zu festigen, eine europäische Öffentlichkeitsarbeit zu fördern, bei der Vorbereitung von Europawahlen und europaweiten Referenden zusammenzuarbeiten und gesamteuropäische Initiativen der Europäischen Linken und ihrer Mitgliedsparteien zu initiieren, vorzubereiten und zu unterstützen. Ob eine weitere Vertiefung der Union erstrebt wird, ist dabei innerhalb der Mitgliedsparteien der EL umstritten65. Mitglied der EL kann grundsätzlich jede europäische Partei werden66. Auch die Möglichkeit einer individuellen Mitgliedschaft wird nunmehr eröffnet, ist aber von der Zustimmung der Mitgliedsparteien nach Art. 6 Abs. 7 der EL-Statuten abhängig und derzeit noch als Provisorium ausgestaltet. 7. Allianz der Europäischen Konservativen und Reformisten (AECR) Die AECR gründete sich 2009 im Wesentlichen aus Mitgliedern der „­Bewegung für Europäische Reform“ (MER) und der „Allianz für ein Europa der Nationen“ (AEN) als konservative Kraft im europäischen Parteienspektrum neben der EVP67 und ist eine gemeinnützige Vereinigung nach belgischem Recht68. Sie will nach Art. 3 Abs. 2 der AECR-Statuten die Zusammenarbeit zwischen ihren Mitgliedern und der Fraktion im Europäischen Parlament fördern und ihre Mitglieder bei den Europawahlen unterstützen. Die AECR bietet auch natürlichen Personen die Möglichkeit einer individuellen Mitgliedschaft69. 8. Europäische Demokratische Partei (EDP) Die EDP ist ein integrationsfreundliches Bündnis zentristischer Parteien und wurde im April 2004 als internationale gemeinnützige Vereinigung nach belgischem Recht geschaffen70. Ihr gehören elf Parteien aus acht europäischen Staaten an, wobei hierunter auch Staaten sind, die nicht Mitglied der Europäischen Union 64

Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 42. Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 42. 66 Art. 6 Abs. 1 EL-Statuten. 67 Mittag/Steuwer, Politische Parteien in der EU, S. 150. 68 Art. 1 Abs. 3 S. 1 AECR-Statuten. 69 Vgl. Art. 8 Abs. 10 AECR-Statuten. 70 Armbruch, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 137; Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 51. 65

A. Zur historischen Entwicklung europäischer Parteien

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sind71. Im Europäischen Parlament hat sie sich mit der ALDE zu einer Fraktion zusammengeschlossen72. Die EDP verfolgt gemäß Art. 4 Abs. 1 ihrer Statuten die Ziele, eine enge und dauerhafte Zusammenarbeit zwischen ihren Mitgliedern zu gewährleisten, die Tätigkeiten ihrer Mitglieder während der Wahlen zum Europäischen Parlament zu fördern und zu koordinieren sowie eine enge Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsparteien, den europäischen, nationalen und regionalen Fraktionen zu entwickeln. Gemäß Art. 7 Abs. 4 der EDP-Statuten gibt es sechs Kategorien von Mitgliedern: die Mitgliedsparteien aus den Staaten der Europäischen Union, individuelle Mitglieder, die Mitglieder europäischer Institutionen sind, assoziierte Parteien, Beobachterparteien, natürliche Personen verbunden mit einer Mitgliedschaft in einer der Mitgliedsparteien oder auch ohne eine solche Mitgliedschaft in einer nationalen Partei und anderen Organisationen. Dabei haben nach Art. 12 der EDPStatuten neben den Mitgliedsparteien auch die individuellen Mitglieder der Partei und die Abgeordneten der EDP im Europäischen Parlament im Kongress sowohl ein Anwesenheits- als auch ein Stimmrecht. 9. EUDemokraten (EUD) Die EUD ist eine europaskeptische Partei, die im November 2005 nach dänischem Recht gegründet wurde73 und sich aus Organisationen, Parteien und Individualmitgliedern aus 13 Mitgliedstaaten zusammensetzt74. Zu den Anliegen der EUD zählen nach Art. 2 Abs. 4 ihrer Satzung, sich für eine transparente, demokratisch kontrollierte und weniger zentralisierte Europäische Union einzusetzen, auf die Herstellung effektiver Strukturen der Dezentralisierung in der Union hinzuarbeiten, die Vielfalt und die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene unter freien Völkern, die in der Lage sind, sich selbst im Einklang mit gegenseitig vereinbarten Standards zu regieren, aufrechtzuerhalten und die Prinzipien wahrer Subsidiarität und Selbstverwaltung zu verfolgen und so zu garantieren, dass die Demokratie auf dem Fundament der nationalen Parlamente erhalten bleibt. Gemäß Art. 4 Abs. 1 der EUD-Satzung können Organisationen, Bewegungen und Individuen aus ganz Europa Mitglied der EUD werden. Bemerkenswert ist dabei, dass auch die EUD ihren individuellen Mitgliedern ein Stimmrecht im Kongress gewährt, der einmal jährlich stattfindet75. Mitglieder des Europäischen Parlaments, der nationalen und regionalen Parlamente können nach Art. 5 Abs. 2 der

71

Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 39. Mittag, IEV-Online 1/2009, 1 (15). 73 Armbruch, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S.  138; Mittag, IEV-Online 1/2009, 1 (15). 74 Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 39. 75 Art. 8 Abs. 2 UAbs. 2 der EUD-Statuten. 72

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§ 2 Europäische Parteien, ihre Finanzierung und Regulierung

EUD-Satzung freiwillig Mitgliedsbeiträge leisten. Für die übrigen Mitglieder erhebt die Partei ausweislich ihrer Satzung derzeit ebenfalls keine Beiträge. 10. Europäische Christliche Politische Bewegung (ECPB) Die ECPB wurde im November 2002 von Parteien aus 14 Staaten, darunter auch von solchen aus Nicht-EU-Mitgliedstaaten gegründet und ist eine Vereinigung christlich orientierter Parteien76. Ziele der ECPB sind gemäß Art. 3 Abs. 2 ihrer Satzung unter anderem, an den Wahlen zum Europäischen Parlament teilzunehmen und christliche Politik in Europa zu fördern. Mitglieder der Partei können nach Art. 4 der ECPB-Statuten Parteien aus Europa, die die Ziele der ECPB teilen, sowie Abgeordnete des Europäischen Parlaments und der nationalen und regionalen Parlamente werden. 11. Europäische Allianz für Freiheit (EAF) Die EAF ist eine Partei, deren Mitglieder dem rechtskonservativen und rechtspopulistischen Spektrum zuzuordnen sind, und ist als autonome, freiwillige, gemeinnützige Organisation in Malta registriert. Ihre Ziele sind nach Art.  2 der EAF-Statuten die Erhaltung einer Demokratie auf der Basis souveräner Parlamente in den Mitgliedstaaten und eine dezentrale, transparente, flexible und demokratisch kontrollierte Europäische Union, die jegliche Entwicklungen zu einem europäischen Superstaat ablehnt. Mitglied der Partei können nach Art. 4 Abs. 1 S. 1 der EAF-Statuten Organisationen, Bewegungen und Einzelpersonen aus ganz Europa werden. Die Mitgliedsbeiträge werden dabei jährlich auf maximal 5.000 Euro festgesetzt77. 12. Allianz der Europäischen nationaler Bewegungen (AENB) Die AENB ist eine 2009 gegründete Vereinigung rechtsextremer Parteien. 13. Bewegung für ein Europa der Freiheit und Demokratie (MELD) Die MELD ist eine europaskeptische Gruppierung, die 2011 durch die Fraktion „Europa der Freiheit und der Demokratie“ gegründet wurde. 76

Mittag/Steuwer, Politische Parteien in der EU, S. 152. Art. 5 der EAF-Statuten.

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A. Zur historischen Entwicklung europäischer Parteien

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II. Transnationale Parteien Neben diesen Parteienföderationen, die allesamt einen Anspruch auf Finanzhilfen der Europäischen Union haben, und weiteren kleineren Parteienbünden, deren bekannteste Vertreter wohl die „Bewegung für Europäische Reform“ (MER), die „Pirate Party International“ (PPI) und die „Nordisch-Grüne-Allianz“ (NGL) sind, die aber die Voraussetzungen der öffentlichen Finanzierung nicht erfüllen, gibt es seit einigen Jahren die ersten sogenannten „transnationalen Parteien“. Diese entsprechen dem klassischen deutschen Parteienverständnis. Ihre Mitglieder bestehen einzig und allein aus natürlichen Personen: auf europäischer Ebene also aus Unionsbürgern und gerade nicht aus nationalen Parteien, die sich zu einer europäischen Partei zusammengeschlossen haben. Finanzhilfen der Europäischen Union erhielten diese Parteien bislang noch nicht. 1. Newropeans Die Newropeans wurden 2005 als erste transeuropäische politische Bewegung gegründet und vertreten einen gesamteuropäischen Anspruch78. 2009 traten sie erstmals bei der Europawahl in Deutschland, den Niederlanden und Frankreich an, erreichten jedoch in keinem der Staaten mehr als 0,4 Prozent der Stimmen. § 4 der Satzung der Newropeans bestimmt, dass nur natürliche Personen Mitglied der Partei, juristische Personen dagegen lediglich Partner der Newropeans werden können. 2. Europa – Demokratie – Esperanto (E-D-E) Die E-D-E wurde im Oktober 2003 als europäische politische Bewegung gegründet und ist derzeit in Deutschland, Frankreich und Ungarn aktiv, erreichte aber bei der Europawahl 2009 in keinem der jeweiligen Länder mehr als 0,2 Prozent der Stimmen. Mitglied des Vereins kann gemäß § 2 der E-D-E-Satzung jede natürliche Person werden. 3. Vereintes Europa Vereintes Europa wurde 2005 als eine paneuropäische politische Partei gegründet, die eine weitere Vertiefung der Union fordert. 2009 gelang es ihr nicht, an den Wahlen zum Europäischen Parlament teilzunehmen79.

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Mittag/Steuwer, Politische Parteien in der EU, S. 155. Hierzu: Mittag/Steuwer, Politische Parteien in der EU, S. 155.

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§ 2 Europäische Parteien, ihre Finanzierung und Regulierung

4. Libertas Libertas ist eine europaskeptische Partei, die anlässlich des irischen Referendums über den Vertrag von Lissabon aus einer Bürgerinitiative entstand80. Ein gesamteuropäisches Programm der Partei existiert derzeit nicht. Für das Jahr 2009 wurde für sie eine Finanzhilfe in Höhe von 202.823 Euro veranschlagt, wobei diese Entscheidung am 05. Februar 2009 ausgesetzt wurde. Eine Festsetzung der endgültigen Finanzhilfe fand folglich nicht mehr statt81. Es ist die erste mitgliedschaftlich organisierte politische Partei auf europäischer Ebene82.

III. Entwicklung des europäischen Parteiensystems Will man sich die Entwicklungsschritte der europäischen Parteien vergegenwärtigen, ist ein Vergleich mit der nationalen Ebene interessant. So ging in den Nationalstaaten die Entstehung der Parteien mit den ersten Parlamentsbildungen einher83, denn bereits in den Anfängen der Parlamente der europäischen Staaten schlossen sich gleichgesinnte Abgeordnete in Fraktionen zusammen84. Parallelen hierzu finden sich auch im europäischen Parteiensystem, denn im Zuge der europäischen Integration spielte ebenfalls die Fraktionsbildung innerhalb des Europäischen Parlaments eine entscheidende Rolle. Mit dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) wurde eine „Versammlung“ als Vorläufer des heutigen Europäischen Parlaments geschaffen, deren Mitglieder die Völker der in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten repräsentierten85. Trotz dieser eigentlich nationalen Ausrichtung der Versammlung formierten sich schon in der konstituierenden Sitzung die Abgeordneten nach ihrer parteipolitischen Zugehörigkeit und bildeten anschließend transnationale Fraktionen86, die bereits im Juni 1953 in der Geschäftsordnung der Versammlung organisationsrechtlich abgesichert wurden87 und heute in den Art. 30 ff. GO EP verankert sind. Die Fraktionen des Europäischen Parlaments erkannten nach und nach die Notwendigkeit, dass ihre Arbeit durch europäische Parteiorganisationen gestützt

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Winter, in SZ v. 25.09.2008. Bericht des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments für Finanzen aus März 2012, http://www.europarl.europa.eu/pdf/grants/grant_amounts_parties_01-03-2012.pdf; Stand: 14.01.2014. hierzu auch: Mittag/Steuwer, Politische Parteien in der EU, S. 70. 82 Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 259. 83 Kohler, in: Deutsche Gesellschaft für auswärtige Politik (Hrsg.), Regionale Verflechtung der Bundesrepublik Deutschland, S. 247 (258); Tsatsos, DÖV 1988, 1 (3). 84 Tsatsos, MIP 1994, 75 (76). 85 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 74 f. 86 Rutschke, Fraktionen im Europäischen Parlament, S. 11 f.; Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 27 f. 87 Kurlemann, in: GS Sasse, Bd. 1, S. 269. 81

A. Zur historischen Entwicklung europäischer Parteien

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werden müsste88. Aus diesem Grund waren es dann auch diese parlamentarischen Fraktionen, die für die Gründungen der drei ältesten europäischen Parteien – den Konservativen, den Sozialdemokraten und den Liberalen – verantwortlich zeichneten89. Dazu und daneben ergab sich die zunehmende Institutionalisierung des parteilichen Handelns auf Unionsebene aus einer im Vorfeld schon existierenden informellen transnationalen Zusammenarbeit zwischen gleichgesinnten europäischen Parteien90. Die lose Kooperation innerhalb der Parteifamilien zu Beginn des europäischen Einigungsprozesses war dabei noch weit weniger organisiert und weit weniger an die Mitgliedschaft eines Staates in den Europäischen Gemeinschaften gebunden. Auch die weitere Entwicklung der Parteienföderationen war eng mit dem Werdegang des Europäischen Parlaments verwoben. Seine vermehrten Zuständigkeiten wie die Ankündigung der ersten Direktwahlen zum Europäischen Parlament wirkten sich in gleichem Maße auf die europäischen Parteien aus91. Gerade im Hinblick auf letztere forcierten die betroffenen Fraktionen eine verstärkte grenzüberschreitende Zusammenarbeit im außerparlamentarischen Bereich, um die eigenen Einflussmöglichkeiten zu sichern oder gar zu verbessern92. Schon anhand dieses historischen Zusammenhangs wird deutlich, dass die Fraktionen des Europäischen Parlaments die entscheidenden Faktoren einer organisatorischen Festigung und Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Parteien waren. Dies ist auch nicht weiter verwunderlich, denn sie wurden aufgrund ihrer parlamentarischen Arbeit ständig damit konfrontiert, die jeweiligen nationalen Parteiinteressen zu koordinieren, und waren sich von daher der Notwendigkeit einer gemeinsamen Institution bewusst93. Vergleicht man die heutige organisatorische Struktur der europäischen Parteien untereinander, so zeigt sich – mit Ausnahme der unbedeutenden transnationalen Parteien –, dass sie im Wesentlichen ähnlich aufgebaut sind. Lediglich die EGP weist in ihrem Selbstverständnis als paneuropäischer Verbund einige Besonderheiten auf. In regelmäßigen Abständen finden in allen europäischen Parteien Kongresse statt, auf denen Grundsatzbeschlüsse gefasst und parteiinterne Wah 88

Jansen, in: FS Buchheim, S. 241 (245). Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S.  32; zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 103. 90 Bardi, in: Luther/Müller-Rommel, Political parties in the new Europe, S. 293 (302); Jansen, in: Weidenfeld, Europahandbuch, Bd. 1, S. 166 (167). 91 Grabitz/Läufer, Das Europäische Parlament, S. 295; Jansen, Die Entstehung einer europäischen Partei, S. 19 f.; Johansson/Zervakis, in: dies., European political parties between cooperation and integration, S. 11 (14); Niedermayer, ZParl 1984, 359 (360); Oppelland, in: Niedermayer/Stöss/Haas, Die Parteiensysteme Westeuropas, S. 455 (457); Pridham/Pridham, in: Henig, Political parties in the European Community, S. 278. 92 Niedermayer, in: Kohler-Koch/Woyke, Die Europäische Union, S. 84 (86 f.). 93 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 124; Marschall, GWP 54/4 (2005), 399 (402); Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 78; so wohl auch: Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 28 f. 89

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§ 2 Europäische Parteien, ihre Finanzierung und Regulierung

len durchgeführt werden94. Er stellt in den meisten Fällen das formal höchste Beschlussorgan dar95, bestimmt die politischen Leitlinien und Grundsätze, beschließt ein Programm für die Wahlen zum Europäischen Parlament, entscheidet über die Satzung der Partei und wählt die Mitglieder des Präsidiums96. Entscheidungen werden grundsätzlich nach dem Mehrheitsprinzip getroffen, wobei in einigen Parteien eine qualifizierte Mehrheit erforderlich ist97. Die Zusammensetzung des Kongresses richtet sich normalerweise entweder nach dem Wahlerfolg oder nach der Mitgliederstärke der einzelnen Mitgliedsparteien98. In der SPE bestimmt sich die Zahl der Delegierten dagegen nach den erreichten Sitzen im Europäischen Parlament, während bei der EGP die Delegiertenzahl sowohl von der Zahl der erreichten Stimmen bei der letzten Europawahl als auch von nationalen Wahlen abhängig ist. Die meisten der Statuten gewährleisten aber eine bestimmte Zahl von Grundmandaten für kleinere Mitgliedsparteien. Lediglich bei der EL, der EFA und der EUD erhalten alle Mitgliedsparteien eines Staates die gleiche Anzahl von Delegierten99. Bei allen Parteienföderationen stehen ein oder zwei Vorsitzende bzw. Präsidenten an deren Spitze. Ihre Aufgabe ist es, die internen Tätigkeiten der Organisation zu koordinieren und die europäische Partei nach außen zu repräsentieren100. Ferner gibt es ein Präsidium oder einen Vorstand, mit deren Hilfe die politische Repräsentanz und die Kontinuität der Arbeit der Partei gewährleistet werden soll101. Alle Föderationen mit Ausnahme der EGP haben des Weiteren Treffen der jeweiligen Partei- und Regierungschefs installiert, bei denen die nationalen Parteieliten die politischen Interessen der einzelnen Mitgliedsparteien abstimmen und so auf die politische Ausrichtung der Parteienbünde einwirken102. Teilweise sind diese Treffen in den Satzungen statuiert, bei den übrigen Europaparteien handelt 94 Delwit/Külahci/van de Walle, in: dies., Europarties, S. 5 (10 f.); Jasmut, Die politischen Parteien und die europäische Integration, S. 185; Marschall, GWP 54/4 (2005), 399 (403). 95 Tsatsos/Deinzer, Europäische politische Parteien, S. 19. 96 Mittag/Steuwer, Politische Parteien in der EU, S. 74. 97 In der weit überwiegenden Zahl der europäischen Parteien erfolgen Abstimmungen des Kongresses oder des Vorstandes nach dem einfachen Mehrheitsprinzip. Hierzu zählen beispielsweise die ALDE (Art. 13 Abs. 3 S. 1 und 18 Abs. 3 S. 1 der ALDE-Statuten), die EFA (Art.  11 der EFA-Statuten), die EDP (Art.  16 der EDP-Statuten) und die EUD (Art.  8 der EUD-Satzung). Dagegen gilt in der EVP das Prinzip der absoluten Mehrheit bei Abstimmungen des Kongresses und Vorstands (Art. 17 Abs. 4 S. 1 der EVP-Statuten, Nr. I b) Abs. 9 GO-EVP). Differenzierend sind dagegen die Ausgestaltungen etwa bei SPE und EGP. Bei der SPE gilt zwar grundsätzlich noch das Konsensverfahren, ist ein solcher Konsens aber nicht möglich, bedarf eine Entscheidung, soweit sie im Rat dem Mehrheitsentscheidungsverfahren unterliegt, einer Mehrheit von 75 Prozent (Art. 17 Abs. 3 S. 2 i. V. m. Abs. 5 S. 1 der SPESatzung). Innerhalb des Rates der EGP gilt bei Grundsatzfragen eine Zwei-Drittel-Mehrheit (Art. 6 Abs. 3 UAbs. 5 der EGP-Statuten). 98 Mittag/Steuwer, Politische Parteien in der EU, S. 75. 99 Mittag/Steuwer, Politische Parteien in der EU, S. 75. 100 Jasmut, Die politischen Parteien und die europäische Integration, S. 185. 101 Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S.  37; zu den jeweils von den­ Parteien gewählten Bezeichnungen: Marschall, GWP 54/4 (2005), 399 (403). 102 Hix/Lord, Political parties in the European Union, S. 177.

A. Zur historischen Entwicklung europäischer Parteien

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es sich um rein informelle Treffen. Ferner haben alle europäischen Parteien mit Ausnahme der EL, der EFA und der EUD einen Rat bzw. ein Politisches Büro installiert, deren Kompetenzen insbesondere im administrativen und programma­ tischen Bereich liegen103. Obwohl die Strukturen und Aufgaben der einzelnen Organe der europäischen Parteien in vielen Bereichen durchaus analog zu den nationalen Mitglieds­parteien ausgestaltet sind, kann gleichwohl keine Rede davon sein, dass die Europaparteien Parteien nach nationalem Vorbild sind104. Dies ergibt sich schon aus ihrer Natur als Parteienföderationen, nach der sich die derzeitig wichtigsten politischen Akteure organisiert haben. In ihnen spielen individuelle Mitglieder  – sofern es sie überhaupt gibt – keine Rolle, sondern es sind die Mitgliedsparteien, die die Weichenstellungen für die europäische Dachorganisation vornehmen. Zwar bieten mittlerweile viele Parteien die Möglichkeit, dass natürlichen Personen eine Mitgliedschaft gewährt wird. Ein Stimmrecht ist hiermit aber regelmäßig nicht verbunden105, so dass sie allenfalls – wenn überhaupt – ein Anwesenheits- bzw. Rederecht während der jeweiligen Parteikongresse haben106. Angesichts dessen weist das europäische Parteiensystem wesentliche strukturelle Unterschiede zu den nationalen Systemen auf107. Diese sind Resultat der spezifischen Form der Euro­ päischen Union als transnationale Organisation, deren politisches System ebenfalls in institutioneller und politischer Hinsicht von den jeweiligen nationalen politischen Systemen abweicht108. Infolgedessen sind sie im Gegensatz zu ihren nationalen Mitgliedsparteien am Prozess der Volkswillensbildung nicht unmittelbar – noch nicht einmal spürbar – beteiligt. Gleiches gilt auch für die Auswahl und Aufstellung der Kandidaten für die Wahl des Europäischen Parlaments und die Wahrnehmung der Regierungsfunktionen109. Eine weitere wesentliche Divergenz zu den staatlichen Parteiensystemen findet sich in der starken Stellung der Fraktionen des Europäischen Parlaments gegenüber den Parteienbünden. In diesem Machtgefüge schlägt sich die eben beschriebene historische Entwicklung nieder, in der gerade die Fraktionen die Initiative zur Gründung der Föderationen ergriffen hatten110. Zudem waren die im Europä­ 103

Mittag/Steuwer, Politische Parteien in der EU, S. 76. Jasmut, Die politischen Parteien und die europäische Integration, S. 186. 105 Ayirtman/Pütz, in Knodt/Finke, Europäische Zivilgesellschaft, 389 (398); Jasmut, Die politischen Partien und die europäische Integration, S. 231 f.; Marschall, GWP 54/4 (2005), 399 (403); Morlok, in: Johansson/Zervakis, European political parties between cooperation and integration, S. 29 (42). 106 Ayirtman/Pütz, in: Knodt/Finke, Europäische Zivilgesellschaft, S. 389 (398). 107 Morlok, in: Johansson/Zervakis, European political parties between cooperation and integration, S. 29 (42). 108 Bardi, in: Luther/Müller-Rommel, Political parties in the new Europe, S. 293 (299). 109 Tsatsos/Deinzer, Europäische politische Parteien, S. 25; siehe hierzu ausführlich: § 3 B. I. 1. 110 Jansen, in. FS Buchheim, 241 (254); Kurlemann, in: GS Sasse, Bd. 1, S. 269 (283); Neßler, EuGRZ 1998, 191 (192); zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 104. 104

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§ 2 Europäische Parteien, ihre Finanzierung und Regulierung

ischen Parlament vertretenen Parteien bis zur Einführung der Parteienverordnung von einer Quersubventionierung durch die Fraktionen abhängig111, was dazu führte, dass die europäischen Parteien eher als „Abteilung der Fraktion“112 betrachtet wurden. So erklärt es sich auch, dass noch in den heutigen Parteistatuten die Mitglieder der Fraktionen oder zumindest eine Delegation der Fraktion ex officio Delegierte auf den Parteitagen oder Kongressen der Parteienbünde sind. In den Vorständen sind die Fraktionen zumindest durch ihre Vorsitzenden vertreten. Vergegenwärtigt man sich den heutigen organisatorischen Aufbau der Parteienbündnisse, so kommt man – bei aller berechtigten Kritik an ihrer Arbeit, ihrer Struktur etc., die im Laufe dieser Arbeit noch auszumachen sein wird – doch nicht umhin festzustellen, dass sie sich seit ihren Anfängen in den 70er Jahren spürbar weiterentwickelt haben113. Während sie in ihrer Entstehungsphase selbst nur ein schwaches institutionelles Gerüst vorweisen konnten und von daher im Verhältnis zu ihren Fraktionen benachteiligt waren, die schon nach den ersten Wahlen zum Europäischen Parlament eine größere und ausgeprägtere bürokratische Struktur erkennen ließen114, haben sie insbesondere durch die institutionelle Verfestigung ihrer Arbeit erste Schritte unternommen, um sich von den ihnen angehörigen Fraktionen im Europäischen Parlament zu emanzipieren. Seit den 90er Jahren ist überdies ihr Einfluss auf die Organe der Europäischen Union stetig gewachsen115, während interne organisatorische Reformen gleichzeitig die Abhängigkeit von den Mitgliedsparteien verringerten116. Eng hängt diese Entwicklung mit der Verankerung der europäischen Parteien im Primärrecht zusammen117. Trotz dieses Bedeutungszuwachses lässt sich aber auch nicht verkennen, dass die interne Organisation der Parteienbünde und ihr politischer Einfluss auf das politische System der Union im Vergleich zur starken Stellung der nationalen politischen Parteien in den Mitgliedstaaten gering geblieben sind118. Kongresse finden bei vielen Parteien nur in zeitlichen Abständen von mehreren Jahren statt, wie auch andere Führungsgremien der Europaparteien seltener als auf nationaler Ebene üblich zusammentreten119.

111

Vgl. hierzu sogleich. So die Formulierung bei zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 105. 113 Johansson/Zervakis, in: dies., European political parties between cooperation and integration, S. 11 (12). 114 Hix/Lord, Political parties in the European Union, S. 195 f. 115 Hix/Lord, Political parties in the European Union, S. 196. 116 Johansson/Raunio, PP 2005, 515 (516). 117 Hix, in: Jachtenfuchs/Kohler-Koch, Europäische Integration, S. 151 (161); Mittag/Steuwer, Politische Parteien in der EU, S. 60. 118 Hix, in: Jachtenfuchs/Kohler-Koch, Europäische Integration, S.  151 (168); Jansen, in: Weidenfeld, Europahandbuch, Bd. 1, S. 166 (176). 119 So treten die Kongresse der EVP und der EL lediglich alle drei Jahre zusammen (Nr. I b) Abs. 1 GO-EVP, Art. 11 Abs. 1 der EL-Statuten). Die SPE beruft ihren Kongress hingegen zweimal in einer Legislaturperiode des Europäischen Parlaments ein (Art. 20 Abs. 1 der SPE 112

B. Entwicklung der Parteienfinanzierung

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Aus diesen Gründen legen die europäischen Parteien auch nicht die Politik ihrer nationalen Mitglieder verbindlich fest, sondern erkennen vielmehr durchweg deren Autonomie an120. Zuletzt führte die Einführung der Parteienverordnung zu weiteren grundlegenden Reformen des europäischen Parteiensystems. Während sich die großen, eingesessenen Europaparteien schon im Zuge der Einführung des Parteienartikels der neuen Rechtslage anpassten, holten dies nun auch die übrigen Parteien nach. EGP und EFA passten ihre Strukturen den Erfordernissen der Verordnung an und andere Parteien – wie etwa EL, EDP und EUD – schufen überhaupt erst ihre europäischen Parteiorganisationen121. Betrachtet man die derzeit gültigen Satzungen, ist zudem erkennbar, dass viele Parteien die mit der Ratifizierung des Vertrages von Lissabon verbundenen integrationsrechtlichen Fortschritte nutzten, um weitere organisatorische Anpassungen an das sich verändernde politische Umfeld vorzunehmen.

B. Entwicklung der Parteienfinanzierung I. Finanzierung aus Fraktionsmitteln Das Präsidium des Europäischen Parlaments beschloss Anfang der achtziger Jahre für die Fraktionen eine Wahlkampfkostenerstattung einzuführen. Hierbei hatte jede Fraktion einen Anspruch auf Erstattung von Wahlkampfkosten, wobei sich deren Höhe hauptsächlich nach der Anzahl der jeweiligen Mandate im Parlament richtete122. Erstmals wurde dieser Posten für das Haushaltsjahr 1986 in den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften eingesetzt123. Die Bezeichnung des Postens 3708 lautete ursprünglich „Beitrag für die Vorbereitung der nächsten europäischen Wahl“ und wurde später in „Europäische Informationskampagne“124 umbenannt. Die Zuwendungen an die Fraktionen hatten zur Folge, dass diese die ihnen nahestehenden europäischen Parteien durch Personal, Material und Dienstleistung – beispielsweise durch das Zurverfügungstellen von Räumlichkeiten im Europäischen Parlament − „unzulässigerweise quersubventio­

Satzung). In der EGP kommt der Kongress gar nur alle fünf Jahre zusammen (Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 der EGP-Statuten). Demgegenüber finden die Kongresse von ALDE und EFA jährlich statt (Art. 11 Abs. 1 der ELDR-Statuten, Art. 13 Abs. 2 der EFA-Statuten). Auch der Rat tritt in einigen Parteien nicht mehr als ein Mal pro Jahr (Art. 6 Abs. 3 UAbs. 1 der EGP-Statuten) oder gar in Abständen von mehreren Jahren zusammen (Art. 24 Abs. 2 der SPE-Satzung). 120 Mittag/Steuwer, Politische Parteien in der EU, S. 19. 121 Mittag/Steuwer, Politische Parteien in der EU, S. 61 f. 122 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 145. 123 EuGH, Beschluss vom 16.10.1986, Rs. 221/86, Front Nationale/Europäisches Parlament, Slg. 1986, S. 2970 ff. Rn. 3. 124 ABlEG 1986, Nr. L 214, S. 81.

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§ 2 Europäische Parteien, ihre Finanzierung und Regulierung

nierten“125. Gegen diese Praxis wandte sich die Fraktion der Grünen erfolgreich vor dem EuGH126. Der Gerichtshof stellte in seinem Urteil fest, dass sich eine Informationskampagne „über die Rolle des Europäischen Parlaments“ während eines Wahlkampfes nicht von einer Wahlwerbung unterscheiden ließe. Man könne nicht feststellen, wo eine Informationsvermittlung der Fraktionen über die Arbeit des Parlamentes ende, und wo die Reklame des eigenen politischen Standpunktes beginne127. Eine solche Finanzierung unterscheide sich dann aber nicht von einem System pauschaler Wahlkampfkostenerstattung128. Diese fiele aber aufgrund des Art. 7 Abs. 2 des Akts zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten der Versammlung in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten129. Von daher erklärte der EuGH diese Finanzierung für nichtig130. Dieser Auffassung schloss sich der Rechnungshof in zwei Berichten an, der die Beihilfen ebenfalls für rechtswidrig befand und feststellte, dass die europäischen politischen Parteien sowie andere gleichgesinnte Parteigliederungen nicht aus Mitteln finanziert werden dürften, die für die Tätigkeit der Fraktionen vorgesehen sind131. Dies betraf mit Ausnahme der EFGP alle übrigen im Parlament vertretenen Parteienföderationen, die den größten Teil ihrer finanziellen, materiellen und organisatorischen Ausstattung von den ihnen angehörigen Fraktionen bekamen, die ihrerseits wiederum Mittel aus dem Haushalt der Gemeinschaft erhielten132.

II. Geschichte des Art. 138a EGV/ Art. 191 EGV/Art. 10 Abs. 4 EUV Die erstmalige primärrechtliche Verankerung der Parteien in (ex) Art.  138a EGV geht auf eine Initiative der Vorsitzenden von EVP, der Liberalen und der europäischen Sozialisten zurück133. Sie forderten am 1. Juli 1991 in einem gemeinsamen Schreiben an die Präsidenten des Europäischen Rates, des Europäischen Parlaments und der Kommission, dass in die Gemeinschaftsverträge ein Artikel

125

Mittag/Steuwer, Politische Parteien in der EU, S. 60. EuGH, Urteil vom 23.04.1986, RS. 294/83, Parti écologiste „Les Verts“/Europäisches Parlament, Slg. 1986, S. 1357 ff. 127 EuGH, Urteil vom 23.04.1986, RS. 294/83, Parti écologiste „Les Verts“/Europäisches Parlament, Slg. 1986, S. 1357 Rn. 48. 128 EuGH, Urteil vom 23.04.1986, RS. 294/83, Parti écologiste „Les Verts“/Europäisches Parlament, Slg. 1986, S. 1357 Rn. 50. 129 EuGH, Urteil vom 23.04.1986, RS. 294/83, Parti écologiste „Les Verts“/Europäisches Parlament, Slg. 1986, S. 1357 Rn. 50 ff. 130 EuGH, Urteil vom 23.04.1986, RS. 294/83, Parti écologiste „Les Verts“/Europäisches Parlament, Slg. 1986, S. 1357. 131 ABlEG Nr. C 313 vom 12.12.1990 und Sonderbericht Nr. 13/2000, ABlEG. Nr. C 181 vom 28.06.2000 Rn. 47. 132 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 145. 133 Neßler, EuGRZ 1998, 191 (192). 126

B. Entwicklung der Parteienfinanzierung

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über den Beitrag der „Europäischen Parteien“ zur politischen Konsens- und Willensbildung aufgenommen wird134. Die Vorsitzenden schlugen hierfür folgenden Wortlaut vor: „Europäische Parteien sind als Faktoren der Integration innerhalb der Union unerlässlich. Sie wirken mit bei der Konsensbildung und bei der Formulierung des Willes der Bürger der Union. Als Europäische Parteien sind anzusehen die föderativen Vereinigungen von nationalen Parteien, die in der Mehrzahl der Mitgliedstaaten der EG bestehen und die gleichen Orientierungen und Ziele haben; sie bilden im Europäischen Parlament eine einzige Fraktion. Sie müssen über die Herkunft ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft ablegen.“135

Der wohlformulierte Zweck dieses Vorschlages war es, dass die Bedeutung der europäischen Parteien im Prozess der Integration und der Demokratisierung der Europäischen Union ausdrücklich anerkannt werden sollte136. Neben diesen hehren Zielen liegt es freilich auf der Hand, dass das Ansinnen darüber hinaus und vielleicht auch in erster Linie dazu diente, die öffentliche Finanzierung europäischer politischer Parteien durch das Europäische Parlament zu legalisieren137. Schließlich war die bisherige Praxis der Querfinanzierung durch die Fraktionen nach der Rechtsprechung des EuGH unzulässig. Der Parteienartikel wurde daraufhin im Dezember 1991 auf Antrag des damaligen belgischen Premierministers und EVP-Vorsitzenden Wilfried Martens durch den Europäischen Rat in den Vertrag von Maastricht eingefügt138. Art. 138a EGV wurde daraufhin mit folgendem Wortlaut wirksam: „Politische Parteien auf europäischer Ebene sind wichtig als Faktor der Integration in der Union. Sie tragen dazu bei, ein europäisches Bewusstsein herauszubilden und den politischen Willen der Bürger der Union zum Ausdruck zu bringen.“

Ursprünglich sollte der Artikel über die politischen Parteien auf europäischer Ebene in dem im Vertrag von Maastricht neu geschaffenen Abschnitt über die Unionsbürgerschaft platziert werden, der Rat nahm ihn letztendlich jedoch innerhalb der Vorschriften über das Europäische Parlament in das Vertragswerk auf139. Ebenso fand die in dem ursprünglichen Vorschlag der Parteivorsitzenden enthaltene Definition einer politischen Partei auf europäischer Ebene keinen Eingang in das Primärrecht140. Später übernahm der Vertrag von Amsterdam Art. 138a EGV

134

Jansen, in: FS Buchheim, S. 241; Klein, in: FS Ress, S. 541 (543). Jansen, Die Entstehung einer europäischen Partei, S. 31; Tsatsos, EuGRZ 1994, 45 (49); Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 47. 136 Neßler, Europäische Willensbildung, S. 47. 137 Damm, ZParl 1999, 395 (415); Tsatsos/Deinzer, Europäische politische Parteien, S. 19; von Arnim, NJW 2005, 247 (248). 138 Neßler, EuGRZ 1998, 191 (193). 139 Schoo, in: Schwarze, EUV/AEUV, Art. 224 AEUV Rn. 1. 140 Jansen, Die Entstehung einer europäischen Partei, S. 35. 135

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§ 2 Europäische Parteien, ihre Finanzierung und Regulierung

wortgleich in Art. 191 EGV141 und erteilte damit den Reformvorschlägen unter anderem der Regierungen Österreichs und Italiens zum primärrechtlichen Parteienartikel eine Absage142. Im Jahr 2000 beschlossen die Staats- und Regierungschefs im Rahmen ihrer Verhandlungen zum Vertrag von Nizza auf Vorschlag der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments, die Bestimmung des Art. 191 Abs. 2 EGV einzufügen143. Hiermit trugen sie zwei erneuten Aufforderungen des Europäischen Parlaments durch die Berichterstatter Dimitrakopoulos und Leinen vom 7.  Juli 2000144 und 7. Februar 2001145 Rechnung, die die Verabschiedung eines Parteienstatuts forderten146. In diesem Zusammenhang schlug das Europäische Parlament ferner vor, dass eine bestimmte Zahl von Abgeordneten durch europaweite Listen gewählt werden sollte147. Gemäß dem neu eingefügten Art. 191 Abs. 2 EGV legt der Rat gemäß dem Verfahren des Artikels 251 EGV die Regelungen für die politischen Parteien auf europäischer Ebene und insbesondere über ihre Finanzierung fest. Kommentierend hieß es in der Erklärung Nr. 11, die der Schlussakte der Regierungskonferenz beigefügt war: „Die Konferenz erinnert daran, dass Art. 191 EGV keine Übertragung von Zuständigkeiten auf die Europäische Gemeinschaft zur Folge hat und die Anwendung der einschlägigen einzelstaatlichen Verfassungsbestimmungen nicht berührt. Die Finanzierung der politischen Parteien auf europäischer Ebene aus dem Haushalt der Europäischen Gemeinschaft darf nicht zur unmittelbaren Finanzierung der einzelstaatlichen politischen Parteien verwendet werden. Die Bestimmungen über die Finanzierung der politischen Parteien gelten auf ein und derselben Grundlage für alle im Europäischen Parlament vertretenen politischen Kräfte.“148

Im gleichen Jahr scheiterte ein Versuch des Präsidiums des GrundrechtechartaKonvents, ein separates demokratisches Grundrecht auf Parteigründung und Parteibeitritt in die Charta der Grundrechte der Europäischen Union einzufügen149. Stattdessen fand in die Grundrechtecharta nach langer Diskussion der Art.  12 Abs. 2 GRCh Eingang150. Hiernach tragen die politischen Parteien auf der Ebene der Union dazu bei, den Willen der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger zum Ausdruck zu bringen. Damit orientiert sich die Regelung begrifflich an Art. 191 Abs. 1 EGV. 141 Leinen/Schönlau, Integration 2003, 218 (220); Molenaar, The development of european standards on political parties and their regulation, S. 27. 142 Siehe hierzu: Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 54. 143 Jansen, in: Weidenfeld, Europahandbuch, Bd. 1, S. 166 (170). 144 ABlEG Nr. C 189 vom 07.07.2000. 145 ABlEG Nr. C 40 vom 07.02.2001. 146 Klein, in: FS Ress, S. 541 (544). 147 Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 56. 148 AblEG C 80/79 vom 10.03.2001. 149 Leinen/Schönlau, Integration 2003, 218 (222). 150 Zum Zustandekommen des Art. 12 Abs. 2 GRCh ausführlich: Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 10 ff.

B. Entwicklung der Parteienfinanzierung

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Auch im letztlich gescheiterten Vertrag über eine Verfassung für Europa wären die Parteien primärrechtlich verankert gewesen, ohne dass es indes zu einer Änderung der vorherigen Rechtslage gekommen wäre151. Die vorgesehene Regelung lautete wie folgt: Art. I-46 Abs.  4: „Politische Parteien auf europäischer Ebene tragen zur Herausbildung eines europäischen politischen Bewusstseins und zum Ausdruck des Willens der Bürgerinnen und Bürger bei.“ Art. III-331: „Die Regelungen für die politischen Parteien auf europäischer Ebene nach Artikel I-46 Absatz 4 und insbesondere die Vorschriften über ihre Finanzierung werden durch Europäisches Gesetz festgelegt.“

Die Übernahme der Grundrechtecharta in den Verfassungsvertrag hätte ferner zur Folge gehabt, dass auch Art. 12 Abs. 2 GRCh als Art. II-72 II VV seinen Platz in der Verfassung gefunden hätte. Ihre letzte Änderung erfuhren die primärrechtlichen Grundlagen der politischen Parteien auf europäischer Ebene durch den am 1. Dezember 2009 in Kraft getretenen Vertrag von Lissabon. Sie sind damit aus heutiger Sicht wie folgt ausgestaltet: Art. 10 Abs. 4 EUV: „Politische Parteien auf europäischer Ebene tragen zur Herausbildung eines europäischen politischen Bewusstseins und zum Ausdruck des Willens der Bürgerinnen und Bürger bei.“ Art. 224 AEUV: „Das Europäische Parlament und der Rat legen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch Verordnungen die Regelungen für die politischen Parteien auf europäischer Ebene nach Artikel 10 Abs. 4 EUV und insbesondere die Vorschriften über ihre Finanzierung fest.“

Damit wurde die Regelung des (ex) Art.  191 Abs.  1 S.  2 EGV wortgleich in Art. 10 Abs. 4 EUV im Abschnitt über die demokratischen Grundsätze übernommen, während die Regelung des (ex) Art. 191 Abs. 1 S. 1 EGV im Vertrag von Lissabon nicht mehr aufgegriffen wurde152. Der (ex) Art. 191 Abs. 2 EGV findet sich nunmehr in Art. 224 AEUV wieder. Darüber hinaus existiert keine der Erklärung Nr. 11 zur Schlussakte der Konferenz vergleichbare Aussage mehr.

III. Verfahren der Verordnungsgebung Am 30. Oktober 1996 billigte der Ausschuss für konstitutionelle Fragen den Bericht des Berichterstatters Dimitris Tsatsos (Tsatsos-Bericht) über die konstitutionelle Stellung der europäischen politischen Parteien153. In diesem wurde zunächst

151

Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 58. Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 43. 153 Tsatsos, EuGRZ 1997, 77 (78 ff.). 152

42

§ 2 Europäische Parteien, ihre Finanzierung und Regulierung

die Bedeutung der bestehenden europäischen Parteienzusammenschlüsse als bedeutende erste Stufe des geschichtlichen Prozesses der Parteibildung auf europäischer Ebene betont sowie die zusätzliche Öffnung für individuelle Mitgliedschaften und der Übergang zu Mehrheitsentscheidungen gefordert. Zugleich stellte er jedoch klar, dass sich die europäischen Parteien nur in einem Prozess geschichtlichen Wandels weiterentwickeln könnten und somit auch Übergangs- und Zwischenformen als Entwicklungsschritte sinnvoll sein könnten. Der Bericht konstatierte des Weiteren, dass zwar gewisse Unterschiede zwischen transnational organisierten und nationalen Parteien auf Dauer bestehen bleiben könnten, allerdings die Entwicklung der europäischen Parteien im Vergleich zu dem Integrationsgrad der europäischen Institutionen merklich hinterherhinke154. Auf der Grundlage dieses Berichts verfasste das Europäische Parlament 1996 eine Entschließung, in der es die Europäische Union aufforderte, sowohl eine „Rahmenverordnung über die Rechtsstellung europäischer Parteien“ als auch eine Verordnung über die finanziellen Verhältnisse zu erlassen155. Die Entschließung hob in besonderem Maße hervor, dass es ohne über die Grenzen der Mitgliedstaaten hinweg organisierte und dementsprechend handelnde europäische Parteien eine echte europäische Bürgerschaft nicht geben könne, die die politische Beschlussfassung auf europäischer Ebene verfolge, diskutiere und beeinflusse, und sich ein vielfältiges, das politische System der Union gestaltendes europäisches Parteiensystem nur durch Initiative und Reformwillen der Parteien selbst herausbilden würde. Gleichzeitig bedürfe es aber politischer Impulse und eines von der Europäischen Union gesetzten rechtlichen Rahmens, in dem eine solche demokratische Initiative entscheidend gefördert werde156. Im Gleichklang mit dem Tsatsos-Bericht hielt das Europäische Parlament nach Punkt 3 der Entschließung es für angemessen, „die Inanspruchnahme von Statusrechten davon abhängig zu machen, dass eine politische Vereinigung zugleich a) sich vor allem zu Themen der Europapolitik und der internationalen Politik äußert und im Europäischen Parlament vertreten ist oder eine solche Vertretung anstrebt oder sich in anderer vergleichbarer Weise am europäischen Willensbildungsprozess beteiligt, b) in einer Art und Weise organisiert ist, die geeignet ist, den politischen Willen von Bürgern der Union zum Ausdruck zu bringen, c) nach Zielsetzung und Organisation mehr ist als eine bloße Wahlkampforganisation oder eine bloße Unterstützungsorganisation für eine Fraktion und die parlamentarische Arbeit, d) in wenigstens einem Drittel der Mitgliedstaaten vertreten und transnational tätig ist.“

154

Tsatsos, EuGRZ 1997, 77 (79). Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10.Dezember 1996, EuGRZ 1997, 77. 156 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10.Dezember 1996, EuGRZ 1997, 77. 155

B. Entwicklung der Parteienfinanzierung

43

Das Europäische Parlament verlieh ferner seiner Meinung Ausdruck, dass in einer europäischen Partei auch eine individuelle Mitgliedschaft möglich sein müsse157. Darüber hinaus sei es notwendig, „dass die europäischen Parteien mindestens folgende Verpflichtungen haben: a) sich mit einem Organisationsstatut (einer Satzung) und einem politischen Grundsatzprogramm auszustatten, zu dem die europäischen Bürger Zugang haben, b) im Programm und in ihrer praktischen Tätigkeit die im Unionsvertrag verankerten verfassungsrechtlichen Grundprinzipien der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit zu respektieren, c) ihre Satzung so auszugestalten, dass ihre politische Willensbildung nach demokratischen Grundsätzen erfolgt und alle Bürger der Union in ihrem Verlauf ihren politischen Willen zum Ausdruck bringen können.“158

In Nr. 6 der Entschließung forderte das Parlament, die Rechte der europäischen Parteien gegenüber den Organen der Union und den Mitgliedstaaten zu fixieren, insbesondere das Recht der freien Parteigründung, die allgemeine politische Handlungsfreiheit, der Anspruch auf Gleichbehandlung, das Recht, bei Wahlen Kandidaten aufzustellen und die Möglichkeit, zur Gewährleistung der institutionellen Handlungsfähigkeit der Parteien in allen Mitgliedstaaten Rechtspersönlichkeit erlangen zu können. Nr. 7 der Entschließung bezog sich auf eine öffentliche Finanzierung der Parteien. Danach sei es geboten, „dass die an europäische Parteien aus Gemeinschaftsmitteln erfolgenden Zuwendungen (…) b) nach dem Grundsatz der Chancengleichheit verteilt werden, wobei Neugründungen eine echte Chance einzuräumen und die Zahl der Mitgliedstaaten zu berücksichtigen ist, in denen die Parteien vertreten sind, c) zweckgebunden für die Erfüllung des aus Art. 138a EG-Vertrag resultierenden, auf die Ebene der Europäischen Union bezogenen Handlungsauftrags gewährt werden, d) für die Empfänger mit der Pflicht verbunden sein müssten, ihre finanziellen Verhältnisse offenzulegen; diese Offenlegungspflicht gilt auch für alle sonstigen Einnahmen (zum Beispiel Mitgliedsbeiträge, Spenden u. a.), e) für die Empfänger einen finanziellen Anreiz schaffen, ihre gesellschaftliche Verwurze­lung auszubauen und größere finanzielle Autonomie anzustreben, wobei zwischen der Finanzierung der Union und den Eigenmitteln der Partei ein Gleichgewicht bestehen muss.“

Eine Minderheit sowohl im Konstitutionellen Ausschuss als auch im Parlament schloss sich dem Bericht nicht an, da sie in Art. 138a EGV weder einen Verfassungsauftrag noch eine Rechtsgrundlage für den Erlass einer solchen Verordnung 157

Nr. 4 der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10.Dezember 1996, EuGRZ 1997, 77 (78). 158 Nr. 5 der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10.Dezember 1996, EuGRZ 1997, 77 (78).

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§ 2 Europäische Parteien, ihre Finanzierung und Regulierung

erkannte159. Trotz dieser deutlichen Forderung der Mehrheit des Parlaments führten weder der Tsatsos-Bericht noch die Entschließung des Parlaments zunächst zu weiteren Initiativen, die die Normierung eines europäischen Parteienstatutes forcierten160. Nach der niedrigen Wahlbeteiligung an den Europawahlen im Jahr 1999 fügte das Europäische Parlament im Oktober 1999 in den Haushalt 2000 eine Haushaltslinie ein, die eine öffentliche Finanzierung europäischer politischer Parteien vorbereiten sollte161. Die Zweckbestimmung der Haushaltslinie lautete dabei wie folgt: „Unter Berücksichtigung der erforderlichen Transparenz und Verstärkung der demokratischen Rechenschaftspflicht der Europäischen Union sollen über diesen Artikel auf europäischer Ebene Parteien finanziert werden, die dazu beitragen, ein europäisches Bewusstsein herauszubilden und den politischen Willen der Bürger der Union zum Ausdruck zu bringen. Die Kommission ist in diesem Zusammenhang aufgefordert, möglichst rasch einen Vorschlag mit einem Parteienstatut vorzulegen, um den Vertrag umzusetzen.“162

Die Vorsitzenden der Fraktionen der EVP, SPE, ELDR und der Grünen erarbeiteten daraufhin einen Entwurf für ein europäisches Parteienstatut mit einer Finanzhilfe an politische Parteien aus Gemeinschaftsmitteln163 und übergaben diesen der Kommission mit der Aufforderung, einen Vorschlag für eine Ratsverordnung vorzulegen. Am 13. Februar 2001 brachte die Kommission einen Entwurf einer Verordnung über die Satzung und die Finanzierung europäischer politischer Parteien in die Diskussion ein164. Nach der Vorschlagsbegründung weist der Vertrag in Art. 191 EGV den politischen Parteien Funktionen zu, die substanziell zur Entwicklung Europas sowie zum demokratischen Funktionieren des institutionellen Systems beitragen. Die Ausübung dieser Funktionen bringe zwangsläufig Betriebs- und Personalkosten mit sich165. Der Vorschlag sah insofern vor, eine Haushaltslinie mit einem Volumen von sieben Millionen Euro zu schaffen166. Gemäß Art. 1 Abs. 1 des Entwurfs konnte „jede europäische politische Partei oder Parteienvereinigung unter folgenden Voraussetzungen eine Satzung beim Europäischen Parlament hinterlegen: a) sie muss in der Europäischen Union niedergelassen sein;

159

Merten, MIP 2003, 40 (42). Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 65. 161 Merten, MIP 2003, 40 (43). 162 Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2001, ABlEG. L 56 vom 26.02.2001, S. 874. 163 Merten, MIP 2003, 40 (43). 164 ABlEG Nr. C 154 E vom 29.05.2001, S. 283 f.; Klein, in: FS Ress, S. 541 (544). 165 ABlEG Nr. C 154 E vom 29.05.2001, S. 283. 166 Jansen, in: Weidenfeld, Europahandbuch, Bd. 1, S. 166 (171 f.). 160

B. Entwicklung der Parteienfinanzierung

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b) sie muss im Europäischen Parlament eine Fraktion gebildet haben oder beabsichtigen, eine solche zu bilden bzw. sich einer bestehenden Fraktion anzuschließen; c) sie muss in ihrem Programm und in ihren Tätigkeiten die im Vertrag über die Europäische Union verankerten Grundsätze der Demokratie, der Achtung der Grundrechte sowie der Rechtsstaatlichkeit einhalten.“167

Art. 3 des Entwurfs bestimmte, dass eine Finanzierung aus dem allgemeinen Haushalt der EG solchen europäischen politischen Parteien gewährt werden konnte, „die ihre Satzung hinterlegt haben und eine der folgenden Voraussetzungen erfüllen: a) die Partei oder ihre nationalen Komponenten muss mit Vertretern aus mindestens fünf Mitgliedstaaten im Europäischen Parlament oder in den nationalen oder in regionalen Parlamenten vertreten sein; oder b) sie müssen in mindestens fünf Mitgliedstaaten jeweils mindestens 5 % der Wählerstimmen bei der letzten Wahl zum Europäischen Parlament erreicht haben.“

Der Entwurf beinhaltete eine Basisfinanzierung von 15 Prozent, die unter den anspruchsberechtigten Parteien gleichmäßig verteilt werden sollte, während die restlichen 85 Prozent sich entsprechend dem Anteil ihrer ins Europäische Parlament gewählten Vertreter bemessen sollten. Jedoch scheiterte dieser Vorschlag, da die zu diesem Zeitpunkt erforderliche Einstimmigkeit im Ministerrat nicht hergestellt werden konnte. Es konnte insbesondere keine Einigung über eine Regulierung privater Spenden und die erforderliche Anzahl von Mitgliedstaaten, in denen eine europäische politische Partei aktiv sein muss, erzielt werden168. Am 3. Mai 2001 nahm der Ausschuss für konstitutionelle Fragen den Bericht der Berichterstatterin Ursula Schleicher (Schleicher-Bericht) an, der dem Vorschlag der Kommission weitgehend folgte169. Er enthielt jedoch einige Änderungsvorschläge: Exemplarisch zu nennen sind hier besonders die Voraussetzung eines allen Unionsbürgern zugänglichen Programmes und der Wunsch nach einer eigenen Rechtspersönlichkeit für die Europaparteien. Die Erfordernisse, um öffentliche Mittel zu erhalten, sollten ferner dahingehend modifiziert werden, dass Parteien mit Vertretern aus mindestens einem Drittel der Mitgliedstaaten im Europäischen Parlament oder in nationalen oder regionalen Parlamenten vertreten sein sollten bzw. in mindestens einem Drittel der Mitgliedstaaten fünf Prozent der Stimmen bei der letzten Europawahl erreichen müssten. Darüber hinaus schlug der Bericht eine Pflicht zur Rückzahlung von unrechtmäßig erlangten öffentlichen Zuwendungen einschließlich finanzieller Sanktionen gegenüber den Mittelempfängern vor170. Dieser Bericht wurde im Plenum des Europäischen Par-

167

ABlEG Nr. C 154 E vom 29.05.2001, S. 283. Leinen/Schönlau, Integration 2003, 218 (222). 169 Plenarsitzungsdokument des EP A5–0167/2001. 170 Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 69. 168

46

§ 2 Europäische Parteien, ihre Finanzierung und Regulierung

laments am 17. Mai 2001 mit großer Mehrheit angenommen171. Infolgedessen kam es zu einer geänderten Fassung des Verordnungsentwurfs durch die Kommission im Juni 2001, in dem die meisten Änderungsvorschläge des Parlaments eingearbeitet wurden172. Jedoch fanden insbesondere die flexible Mindestquote von einer Vertretung in mindestens einem Drittel der Mitgliedstaaten ebenso wenig Eingang in den Entwurf wie eine noch im Schleicher-Bericht vorgesehene Aussetzung der Finanzierung bei einem Verstoß der Parteien gegen demokratische Grundprinzipien und die Möglichkeit wirtschaftlicher Sanktionen173. Aber der Rat konnte sich auch weiterhin nicht auf einen gemeinsamen Standpunkt einigen. Es gab immer noch unüberbrückbare Differenzen in der Frage der Mindestrepräsentativität und der Zulässigkeit und Kontrolle von Spenden, so dass die Beratungen im Dezember 2001 abgebrochen wurden174. Im Zusammenhang mit dem am 01. Februar 2003 in Kraft getretenen Vertrag von Nizza, der dazu führte, dass das Einstimmigkeitserfordernis im Rat gemäß Art.  191 Abs.  2 i. V. m. Art.  251 EGV vom Mitentscheidungsverfahren abgelöst wurde175, bereitete die Kommission direkt im Anschluss einen neuen „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Satzung und die Finanzierung europäischer politischer Parteien“ vor176. In seinem Art. 3 Abs. 1 regelte der Entwurf, dass sich „eine politische Partei oder ein Bündnis politischer Parteien beim Europäischen Parlament unter folgenden Voraussetzungen eine Satzung registrieren lassen kann: a) die politische Partei oder das Bündnis politischer Parteien muss in mindestens drei Mitgliedstaaten existieren; b) die politische Partei, das Bündnis oder eine dem Bündnis angehörende Partei muss an Wahlen zum Europäischen Parlament teilgenommen haben oder durch Einreichung einer schriftlichen Erklärung beim Europäischen Parlament die Absicht bekundet haben, dies zu tun.“

Bemerkenswert hierbei ist die Tatsache, dass die erforderliche Zahl von Mitgliedstaaten, in denen eine europäische Partei vertreten zu sein hatte, deutlich niedriger angesetzt wurde als in den vorherigen Vorschlägen177. In Art. 3 Abs. 2 stellte der Entwurf inhaltlich-programmatische und organisatorische Anforderungen an die Satzung, die im Wesentlichen den bereits bekannten Entwürfen ent 171

Merten, MIP 2003, 40 (45). AblEG Nr.  C 270 E/103 vom 25.09.2001; Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 203; Klein, in: FS Ress, S. 541 (544). 173 Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 69. 174 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S.  203; Leinen/ Schönlau, Integration 2003, 218 (223). 175 Jansen, in: Weidenfeld, Europahandbuch, Bd. 1, S. 166 (172); Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 70. 176 KOM.-Dok. 2003, 77 – 2003/0039, COP vom 19.02.2003. 177 Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 72. 172

B. Entwicklung der Parteienfinanzierung

47

sprach und insbesondere die Achtung der Grundsätze der Freiheit und der Demokratie, der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit in die Regelung mit aufnahm. Artikel 4 des Entwurfs normierte eine Nachprüfungsmöglichkeit dieser wesentlichen Grundsätze durch das Europäische Parlament nach Anhörung der betreffenden Partei und eines Ausschusses hochrangiger Vertreter, der aus je einem Bevollmächtigten des Parlamentes, des Rates und der Kommission bestehen sollte. Im Unterschied zu den vorherigen Vorschlägen stand die Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen nunmehr dem Parlament selbst zu, während dem Ausschuss unabhängiger hochrangiger Persönlichkeiten nur noch das Recht zukommen sollte, eine Stellungnahme abzugeben178. Artikel 5 Abs. 1 des Entwurfs regelte die Voraussetzungen, die erforderlich waren, um an den Finanzhilfen der Union zu partizipieren. Dies sollte einer Europapartei gelingen, „wenn sie nachweist, dass sie in dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren Sitz hat, Rechtspersönlichkeit besitzt, und wenn sie a) im Europäischen Parlament oder den nationalen Parlamenten oder regionalen Parlamenten oder Regionalversammlungen in mindestens einem Drittel der Mitgliedstaaten durch gewählte Mitglieder vertreten ist, oder b) in mindestens einem Drittel der Mitgliedstaaten bei der letzten Wahl zum Europäischen Parlament mindestens 5 Prozent der Wählerstimmen erreicht hat.“

Wenige Wochen später legte der Europaabgeordnete Jo Leinen als Berichterstatter des Ausschusses für institutionelle Fragen auf der Grundlage von Stellungnahmen des Haushaltsausschusses, des Ausschusses für Haushaltskontrolle und des Ausschusses für Recht und Binnenmarkt eine Würdigung dieses Vorschlags vor179, den das Europäische Parlament mit großer Mehrheit annahm180. Der Leinen-Bericht stimmte dem Kommissionsentwurf im Wesentlichen zu, regte jedoch darüber hinaus nochmals an, neben den Regelungen über die Finanzierung ein echtes europäisches Parteienstatut zu schaffen und die Kompetenz für die Anerkennung einer Organisation als Partei sowie die Mittelverwaltung der Kommission zu übertragen. Nachdem sich der Ministerrat endgültig über den Inhalt der Verordnung geeinigt und das Parlament im Anschluss hieran dem Kompromiss zugestimmt hatte181, erfolgte am 29. September 2003 nunmehr die formelle Zustimmung durch den Rat182. Gegen den Vorschlag votierten wie bereits gegen den Entwurf von 2001 die Regierungen Dänemarks, Italiens und Österreichs als Konsequenz ihrer abge-

178

Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 72. Plenarsitzungsdokument des Europäischen Parlaments A 5 – 0170/2003 (Leinen-­Bericht). 180 Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 74. 181 Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 75; zum Gesetzgebungsverfahren äußerst kritisch: von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 13 f. 182 von Arnim, NJW 2005, 247. 179

48

§ 2 Europäische Parteien, ihre Finanzierung und Regulierung

lehnten Forderung, das Quorum der Mindestrepräsentativität auf drei Staaten zu senken183. Seit Inkrafttreten der gesamten Verordnung (EG) Nr. 2004/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Regelungen für die politischen Parteien auf europäischer Ebene und ihrer Finanzierung184 am 20. Juli 2004 bildet diese das maßgebliche sekundärrechtliche Normengefüge für das Parteienrecht der Europäischen Union185. Auf der Grundlage des (ex) Art. 199 EGV änderte das Europäische Parlament am 9. März 2004 seine Geschäftsordnung, um in einem neuen Kapitel XXVIa (heute: Titel IX) der GO EP die „Befugnisse bezüglich der politischen Parteien auf europäischer Ebene“ zu normieren, wonach der Parlamentspräsident dieses gegenüber den politischen Parteien auf europäischer Ebene vertritt186. Das Präsidium des Europäischen Parlaments erließ aufgrund seiner Zuständigkeit nach Art. 22 Abs. 10 GO EP am 29. März 2004 Durchführungsbestimmungen zur Verordnung über die Parteienfinanzierung187. Gegen die Verordnung wurden drei Klagen erhoben, unter anderem von einigen Mitgliedern des Europäischen Parlaments, der französischen Front Nationale (FN) und der italienischen Partei „Liste Emma Bonino“188. Das EuG, das über die Nichtigkeitsklagen nach (ex) Art.  230 EGV zu entscheiden hatte, betonte zwar, dass die Verordnung die Chancengleichheit der Parteien grundsätzlich beeinträchtigen könne. Sie begründe eine rechtliche Vorzugsstellung, die einem Teil der politischen Gruppierungen gewährt werde, während andere davon ausgeschlossen würden189. Trotzdem wies es die Nichtigkeitsklagen als unzulässig ab. So wurde einerseits eine unmittelbare Betroffenheit der klagenden Abgeordneten nach (ex) Art. 230 Abs. 4 EGV vom EuG verneint190, während bei den klagenden Parteien die fehlende individuelle Betroffenheit der Kläger zur Unzulässigkeit der Klage führte191. Zu einer materiellen, am Primärrecht ausgerichteten Prüfung der Ver-

183

Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 204. AblEU Nr. L 297 vom 15.11.2003, S. 1 ff. 185 Kluth, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 224 AEUV Rn. 6. 186 Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 80. 187 AblEU 2004 C 155/1, geändert durch Beschluss vom 01.02.2006, ABlEU 2006 C 150/9; Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 204. 188 EuG, Beschluss vom 11.07.2005 – T-13/04, AblEU Nr. C 229 vom 17.09.2005, S. 20 – Jens-Peter Bonde u. a./Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union; Beschluss vom 11.07.2005 – T-17/04, AblEU Nr. C 229 vom 17.09.2005, S. 21 – Front Nationale u. a./ Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union; Beschluss vom 11.07.2005  – T-40/04, Slg. 2005, II-2685 – Emma Bonino u. a./Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union. 189 EuG, Beschluss vom 11.07.2005  – T-40/04, Slg. 2005, II-2685  – Emma Bonino u. a./ Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union, Rn. 43. 190 EuG, Beschluss vom 11.07.2005  – T-40/04, Slg. 2005, II-2685  – Emma Bonino u. a./ Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union, Rn. 55 ff. 191 EuG, Beschluss vom 11.07.2005  – T-40/04, Slg. 2005, II-2685  – Emma Bonino u. a./ Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union, Rn. 60 ff. 184

B. Entwicklung der Parteienfinanzierung

49

ordnung kam es folglich nicht192. Der EuGH wies ebenfalls ein durch die FN eingelegtes Rechtsmittel gegen den Beschluss zurück193. Nach Art. 12 der ursprünglichen Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2004/2003 hatte das Europäische Parlament bis zum 15. Februar 2006 einen Bericht über die Anwendung der Verordnung vorzulegen, in dem auch gegebenenfalls auf notwendige Änderungen im Finanzierungssystem der europäischen Parteien hingewiesen werden sollte. Nachdem der Ausschuss für konstitutionelle Fragen am 27. Februar 2006 einen Berichtsentwurf ausgearbeitet und der Rechtsausschuss hierzu Stellung genommen hatte194, verabschiedete daraufhin das Europäische Parlament am 23. März 2006 eine Entschließung195. Hierin forderte es bestimmte Veränderungen in der sekundärrechtlichen Ausgestaltung der europäischen Parteienfinanzierung, um die wirtschaftliche Situation der europäischen Parteien zu verbessern196. Den Europaparteien sollte gestattet werden, aus ihren Eigenmitteln finanzielle Rücklagen zu bilden. Im Übrigen forderte das Parlament die Kommission auf, Vorschläge über die Förderung europäischer politischer Stiftungen auszuarbeiten, und hielt es für angebracht, über den Einfluss der europäischen Parteien bei den Europawahlen sowie über die Rolle der europäischen politischen Jugendorganisationen intensiver zu diskutieren. Die Kommission entwickelte auf der Grundlage der Forderungen des Europäischen Parlaments einen Vorschlag für eine Änderung der Verordnung197. Dieser sollte Parteien unter anderem die Möglichkeit einräumen, Mittelüberschüsse in das erste Quartal des Folgejahres zu übertragen, sofern die Überschüsse nicht mehr als 25 Prozent der Gesamteinnahmen ausmachen. Darüber hinaus griff der Entwurf den Vorschlag der europäischen Parteien auf, dass die Finanzhilfen der Union für Aktivitäten im Zusammenhang mit den Wahlen zum Europäischen Parlament eingesetzt werden dürften, sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar zur Finanzierung der nationalen Mitgliedsparteien verwendet würden198. Zum Berichterstatter über diesen Vorschlag benannte das Parlament erneut Jo Leinen, dessen Bericht am 25. Oktober an den Ausschuss für konstitutionelle Fragen ging. Am 29. November 2007 nahm das Parlament diesen Bericht an, der lediglich geringfügige Änderungen und einige weitere Klarstellungen des Kommissionsentwurfes enthielt199. Nachdem der Vorschlag der Kommission das Verfahren nach Art. 191 192

Shirvani. EuZW 2008, 364 (365). EuGH, Beschluss vom 13.07.2006  – C-338/05 P, AblEU Nr.  C 224 vom 16.09.2006, S. 18 – Front National u. a./Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union. 194 Bericht über Europäische Politische Parteien (2005/2224(INI)), Sitzungsdokument A60042/2006. 195 Entschließung des Europäischen Parlaments zu Europäischen Politischen Parteien (2005/ 2224(INI)), ABlEU Nr. C 292 E vom 01.12.2006, S. 127 ff. 196 Shirvani. EuZW 2008, 364. 197 Shirvani. EuZW 2008, 364 (365). 198 Hierzu: Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 82 f. 199 Zu diesem Verfahren: Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 83 f. 193

50

§ 2 Europäische Parteien, ihre Finanzierung und Regulierung

Abs.  2 i. V. m. 251 EGV durchlaufen hatte, wurden die Verordnungen (EG) Nr. 1524/2007 vom Europäischen Parlament und vom Rat der Europäischen Union am 18. Dezember 2007 erlassen200. Gemäß Art. 3 der Änderungsverordnung trat sie am 28. Dezember 2007 in Kraft. Darüber hinaus ergänzte der Rat durch Verordnung (EG) Nr. 1525/2007201 den Art. 109 der Haushaltsordnung, um diese Vorschrift den finanziellen Bedürfnissen der europäischen Parteien anzupassen202.

C. Tatsächliche Entwicklung der Finanzhilfen der Union sowie der Einnahmen der Europaparteien Neben dem Werdegang des Parteienfinanzierungsrechtes ist es sicherlich von besonderem Interesse, wie sich die öffentlichen Finanzhilfen und die Einnahmen der Parteien im Laufe der Jahre tatsächlich entwickelt haben. Zunächst einmal bringt der Blick auf die Subventionen der Union an die europäischen Parteien wenig Überraschendes zu Tage. Seit der Verabschiedung der Parteienverordnung hat das Europäische Parlament die Mittel, die den politischen Parteien auf europäischer Ebene zur Verfügung gestellt werden, kontinuierlich erhöht: Tabelle 1 Haushaltsansatz des Europäischen Parlaments zur Höhe der bereitgestellten Mittel seit 2004 (in Mio. Euro)203 Jahr

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

6,5

8,4

10,2

10,4

10,6

10,8

14,1

17,4

18,9

21,8

Damit haben sich die Zuschüsse an die europäischen Parteien seit Beginn der öffentlichen Finanzierung mehr als verdreifacht. Die endgültige Finanzhilfe verteilte sich dabei auf die einzelnen Europaparteien wie folgt: 200 Verordnung (EG) Nr.  1524/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.12.2007 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2004/2003 über die Regelungen für die politischen Parteien auf europäischer Ebene und ihre Finanzierung, AblEU Nr. L 343 vom 27.12.2007, S. 5 ff. 201 Verordnung (EG) Nr. 1525/2007 des Rates vom 17.12.2007 zur Änderung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften, AblEU Nr. L 343, S. 9 f. 202 Shirvani, EuZW 2008, 364. 203 Zusammengetragen aus: von Arnim, NJW 2005, 247 (248); Merten, MIP 2007, 83; http://www. europarl.europa.eu/parliament/expert/staticDisplay.do?language=DE&id=43 Stand: 28.10.2009; Veröffentlichung der Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen IX-2012/ 01  – „Finanzhilfen an die politischen Parteien auf europäischer Ebene“, AblEU C 190/26; Stand: 12.10.2011; Jahresarbeitsprogramm 2013 für von der Generaldirektion Finanzen verwaltete Finanzhilfen: http://www.europarl.europa.eu/aboutparliament/de/00264f77f5/Finanz hilfen-f%C3 %BCr-politische-Parteien-und-Stiftungen.html; Stand: 15.06.2012.

51

C. Tatsächliche Entwicklung der Finanzhilfen der Union  Tabelle 2 Endgültige Finanzhilfen des Europäischen Parlaments (in Mio. Euro)204 205 206 2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

EVP

1,05

2,40

2,91

3,15

3,35

3,49

4,96

6,18

6,48

SPE

1,25

2,49

2,58

2,99

3,02

3,10

3,40

4,12

4,32

ALDE

0,46

0,82

0,88

1,02

1,11

1,18

1,55

1,82

1,95

EGP

0,17

0,57

0,58

0,63

0,64

0,64

1,05

1,30

1,33

EFA

0,16

0,22

0,22

0,22

0,23

0,23

0,34

0,39

0,38

EL

0,12

0,37

0,44

0,52

0,54

0,56

0,71

0,85

0,84













0,33

0,63

1,14

EDP

0,07

0,25

0,16

0,15

0,41

0,25

0,42

0,37

0,36

EUD





0,06

0,23

0,15

0,22

0,18

0,17

0,20

ECPB













0,21

0,26

0,24

EAF















0,37

0,36

AEN205

0,08

0,11

0,14

0,16

0,21

0,38







ADIE206





0,17

0,24

0,30









AECR

So wie sich der Haushaltsansatz für die europäischen Parteien insgesamt erhöht hat, ist anhand der obigen Tabelle erkennbar, dass naturgemäß auch die öffentlichen Finanzhilfen für die meisten Europaparteien in den letzten Jahren gestiegen sind. Bei der SPE ist dabei auffällig, dass die Finanzhilfen zwar ebenso zugenommen haben, dieser Zuwachs aber im Vergleich zu den übrigen „großen“ Parteiföderationen kleiner ausgefallen ist. Erklären lässt sich dies recht einfach: Es hat seine Ursache in dem äußerst schlechten Ergebnis der Mitgliedsparteien der SPE bei der letzten Wahl zum Europäischen Parlament im Jahr 2009207. Neben dieser Tatsache sticht noch eine weitere Besonderheit bei „kleineren“ Europapar 204 Bericht des Europäischen Parlaments aus November 2012, http://www.europarl.europa. eu/pdf/grants/grant_amounts_parties_03-12-2012.pdf; Stand: 14.01.2014. 205 Die AEN war ein Bündnis nationalistischer, konservativer und europaskeptischer Parteien, die sich nach der Europawahl 2009 auflöste. Einige ihrer Mitgliedsparteien traten daraufhin der AECR bei. Zur AEN: Armbruch, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 138; Mittag, IEV-Online 1/2009, 1 (15); Mittag/Steuwer, Politische Parteien in der EU, S. 149 f. 206 Die ADIE war eine Gruppierung nationalistischer und konservativer Parteien, die sich 2005 gründete und schon zum Ende des Jahres 2008 wieder auflöste. Zur ADIE: Hanley,­ Beyond the Nation State, S. 191; Mittag/Steuwer, Politische Parteien in der EU, S. 149. 207 Vgl. hierzu: Niedermayer, ZParl 2009, 711 (727).

52

§ 2 Europäische Parteien, ihre Finanzierung und Regulierung

teien (EDP, EUD, AECR etc.) hervor. Ihre Zuschüsse sind viel stärkeren Schwankungen unterworfen als die größeren Parteienbünde. Die Gründe hierfür liegen aber im Gegensatz zur SPE im Wesentlichen nicht in deren Wahlergebnissen, sondern dies ist dem Finanzierungssystem der Union geschuldet. Bei kleineren europäischen Parteien ist das Phänomen zu beobachten, dass sie ihren maximalen Anspruch auf öffentliche Mittel regelmäßig nicht ausgezahlt bekommen. Es gibt also eine Divergenz zwischen dem eigentlichen Anspruch einer europäischen Partei und ihrer tatsächlichen Finanzhilfe. Um dies exemplarisch zu verdeutlichen, eignet sich in besonderem Maße die EDP, die zwischen 2007 und 2008 weniger öffentliche Mittel erhielt, obwohl ihr Finanzierungsanspruch gestiegen ist. Die Ursachen hierfür können dabei vielschichtig sein und werden im Laufe der Arbeit noch zu untersuchen sein208. Nachdem man festgestellt hat, dass die Finanzhilfen der Europäischen Union gestiegen sind, liegt es nahe, seinen Blick darauf zu wenden, wie sich parallel hierzu die Gesamteinnahmen der Parteien entwickelt haben: Tabelle 3 Einnahmen der Europarteien seit 2006 (in Mio. Euro)209 2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

EVP

4,02

4,31

4,61

4,78

6,26

7,95

8,77

SPE

3,51

3,99

3,89

4,01

4,31

5,06

5,51

ALDE

1,22

1,40

1,50

1,51

1,91

2,49

2,75

EGP

0,83

0,84

0,91

1,23

1,42

1,98

1,85

EFA

0,29

0,30

0,30

0,31

0,40

0,48

0,53

EL

0,61

0,70

0,72

0,74

0,91

1,09

1,29

EDP

0,44

0,23

0,21

0,32

0,51

0,44

0,44

EUD

0,22

0,30

0,28

0,34

0,23

0,18

0,22

208 Vgl. zum Verhältnis des maximalen Finanzierungsanspruchs und der endgültigen Finanzhilfe sowie zu den möglichen Gründen hierfür: § 6 A. I. 2. 209 Die vorliegende Tabelle beschränkt sich auf die Parteien, die während des gesamten Zeitraums Finanzhilfen der Europäischen Union bekamen. Die Einnahmen sind zusammengetragen aus den einzelnen Rechenschaftsberichten der europäischen Parteien. EVP: http://www. epp.eu/party.asp?z=57; SPE: http://www.pes.eu/en/about-pes/pes-documents; ALDE: http:// www.aldeparty.eu/en/about/the-alde-party; EGP: http://europeangreens.eu/content/egp-budget; EFA: http://www.e-f-a.org/efaactive.php?cat=Accounts; EL: http://www.european-left.org/ english/about_the_el/financial_reports/; EDP: http://www.pde-edp.eu/en/european-parliament/ edp-budgets; EUD: http://www.eudemocrats.org/eud/content.php?id=5; http://www.europarl. europa.eu/aboutparliament/de/00264f77f5/Finanzhilfen-f%C3 %BCr-politische-Parteienund-Stiftungen.html; Stand: 14.01.2014.

C. Tatsächliche Entwicklung der Finanzhilfen der Union 

53

Es ist wenig überraschend, dass die europäischen Parteien – mit Ausnahme von EDP und EUD – ihre Gesamteinnahmen seit 2006 stetig steigern konnten. Hauptgrund für dieses Wachstum ist indes die Erhöhung der öffentlichen Mittel seitens der Europäischen Union. Vergleicht man die Entwicklung der Gesamteinnahmen mit derjenigen der Finanzhilfen, so zeigt sich, dass die Vergrößerung der Einnahmebasis fast Eins-zu-Eins auf die öffentliche Finanzierung zurückzuführen ist. Besonders prägnant ist die Korrelation zwischen öffentlicher Subventionierung und Gesamteinnahmen bei der EFA. Erhöhen sich die Finanzhilfen, steigt auch das Gesamtbudget der Partei, stagnieren sie, stagniert auch ihr Haushalt. Abweichungen von diesem Grundsatz sind dabei nur marginal. Ein Blick auf die wirtschaftliche Lage der SPE zeigt dabei, dass dort die öffentlichen Mittel sogar in noch größerem Maße angestiegen sind als die Gesamteinnahmen der Partei. Sie hat damit also unter dem Strich immer weniger eigene Mittel akquirieren können. Obwohl sich der Haushalt der europäischen Parteien schon vor Erlass der Parteienverordnung in nicht unerheblicher Höhe aus Geldern des Europäischen Parlaments speiste, da diese rechtswidrig durch die Fraktionen querfinanziert wurden210, so hat sich das Verhältnis zwischen den Eigenmitteln, die eine Partei in den laufenden Haushaltsjahren selbst aufbringen konnte, und den Geldern der Europäischen Union jedoch seit Einführung der Parteienverordnung deutlich verschoben. Der Anteil öffentlicher Mittel ist stetig gewachsen. Während vor deren Einführung die Eigenmittel knapp zwei Drittel der Gesamteinnahmen einer Partei ausmachten, sank diese Quote seitdem auf 25 bis 30 Prozent. Von diesen Eigenmitteln bilden wiederum die Beiträge der nationalen Mitgliedsparteien die größte Einnahmequelle der europäischen Parteien. Demgegenüber betragen die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen von Individualpersonen und Spenden lediglich etwas weniger als fünf Prozent der Gesamteinnahmen211. Sowohl EVP als auch SPE konnten die Einnahmen aus den Beiträgen ihrer Mitgliedsparteien seit 2006 stetig, wenngleich in geringem Umfang, ausbauen212. Ähnliches ist bei der EGP, der EFA und der EL zu beobachten213. Demgegenüber sind die Beitragszahlungen der Mitglieder der ALDE seit 2008 sogar leicht rück 210

Vgl. hierzu schon: B. I. Entschließung des Europäischen Parlaments vom 06.04.2011, Erwägung X, abrufbar unter: www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2011-0143 +0+DOC+XML+V0//DE Stand: 14.01.2014. 212 Die EVP steigerte diese Einnahmen zwischen 2006 und 2011 von circa 1,10 auf 1,35 Mio. Euro. Das gleiche Bild findet sich bei der SPE, deren Mitgliedsbeiträge in diesem Zeitraum von 659.000 auf 931.753 Euro anwuchsen. 213 So haben die Mitgliedsparteien der EGP im Jahr 2009 noch 199.313 Euro zugewendet, während der Betrag im Jahr 2011 auf 284.200 Euro belief. Dazu erhielt sie im Jahr 2009 noch Zahlungen für die Durchführung von Kampagnen in Höhe von 255.401 Euro. Bei der EFA stiegen die Beiträge von 2004 bis 2007 durchaus erheblich auf 74.500 Euro an, nach einem Einbruch im Jahr 2008 auf 51.980 Euro haben sie sich aber sukzessive auf nunmehr 75.000 Euro im Jahr 2011 wieder erholt. Bei der EL stiegen die Einnahmen durch Beiträge der Mitgliedsparteien zwischen 2006 und 2011 von 172.875 Euro auf 225.222 Euro. 211

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§ 2 Europäische Parteien, ihre Finanzierung und Regulierung

läufig214. Starken Schwankungen sind dagegen die Beitragseinnahmen der EDP unterworfen. Sofern die Europaparteien überhaupt individuelle Mitglieder aufnehmen und von ihnen Beiträge verlangen, spielen sie aber für die Gesamteinnahmen einer Partei nur eine marginale Rolle. Auch das Spendenaufkommen der Parteien verbleibt auf konstant niedrigem Niveau. Die beiden größten Parteienföderationen EVP und SPE erhielten in den letzten Jahren überhaupt keine Spendengelder. Gleiches gilt für die EL und die EDP. Die EFA und die ALDE bekamen zwar Spenden, jedoch in einem kaum erwähnenswerten Umfang215. Etwas bedeutender waren die Spenden an die EGP, die seit 2009 Spendengelder in Höhe von 30.000 bis 40.000 Euro jährlich vorweisen kann. Auffällig in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass insbesondere kleinere, neue und europaskeptische Parteien in erheblich größerem Ausmaß von Spendern unterstützt werden. So war der Anteil an Spenden im Vergleich zu den Gesamteinnahmen beispielsweise bei der EUD lange Zeit deutlich höher als bei den übrigen Europaparteien216. Im Jahr 2010 wendete sich indes auch bei der EUD in finanzieller Hinsicht das Blatt. Danach brach das Spendenaufkommen ein, und der Anteil öffentlicher Finanzhilfen stieg im Gegenzug sprunghaft an. Nunmehr erhalten aber die AECR, ECPB und EAF einen vergleichsweise hohen Betrag an Spendengeldern217. Europäischen Parteien wurde zudem technische Unterstützung durch das Europäische Parlament gewährt. Diese hat jedoch nach Art. 11 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 VO entgeltlich zu erfolgen. Zur technischen Unterstützung zählen hierbei insbesondere die Bereitstellung von Sälen, Technikern und Dolmetscherdiensten. Tabelle 4 Technische Unterstützung der europäischen Parteien seit 2004 (in Euro)218 Jahr

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

20.071

15.530

7.591

10.535

5.485

38.920

10.693

12.121

214 Seit 2008 sind die Einnahmen durch Beiträge ihrer Mitgliedsparteien von 354.002 auf 319.309 Euro gesunken. 215 Die EFA bekam zwischen 2006 und 2011 Spenden zwischen 800 und 4.800 Euro jährlich, während die ALDE 2007 bis 2009 eine Großspende von 5.000, 2010 zwei Großspenden von insgesamt 12.000 Euro und 2011 Spenden in Höhe von 16.500 Euro erhielt. Vgl. zu all diesen Daten die Rechenschaftsberichte der Parteien: a. a. O. 216 2009 bekam die EUD sogar mehr als 106.000 Euro bei Gesamteinnahmen von circa 340.000 Euro. 217 So sammelte die AECR 2010 Spenden in Höhe von 51.504 Euro und 2011 in Höhe von 19.996 Euro. Die ECPB bekam 2010 25.227 Euro und 2011 36.013 Euro zugewendet. 2011 bekam die EAF 66.390 Euro. 218 http://www.europarl.europa.eu/aboutparliament/de/00264f77f5/Finanzhilfen-f%C3 % BCr-politische-Parteien-und-Stiftungen.html; Stand: 14.01.2014.

C. Tatsächliche Entwicklung der Finanzhilfen der Union 

55

Betrachtet man auf der anderen Seite die Ausgaben der politischen Parteien auf europäischer Ebene, so geben sie im Durchschnitt die Hälfte ihrer Haushaltsmittel für ihre Verwaltung, insbesondere Mieten und Personal, ein Viertel für Sitzungen und ein weiteres Viertel für Wahlkämpfe und die Unterstützung angeschlossener Organisationen aus219.

219 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 06.04.2011, Erwägung V, abrufbar unter: www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2011-0143+ 0+DOC+XML+V0//DE Stand: 14.01.2014.

§ 3 Grundprobleme einer öffentlichen Finanzierung politischer Parteien auf europäischer Ebene Der Streit um die Finanzierung der europäischen Parteien durch die Euro­ päische Union entbrennt regelmäßig an zwei zentralen Fragestellungen  – dem „Ob“ und dem „Wie“ öffentlicher Finanzhilfen. Das Problem des „Ob“ einer öffentlichen Finanzierung der Europaparteien untergliedert sich seinerseits in drei verschiedene Bereiche: ob man europäische Parteien mit öffentlichen Mitteln unterstützen darf, ob man sie fördern soll oder ob man dies gar muss. Ausgangspunkt dieses Themenkomplexes ist dabei naturgemäß Frage, ob die Europäische Union politische Parteien überhaupt öffentlich subventionieren darf, es also rechtlich zulässig ist, europäischen Parteien Finanzhilfen zuzuwenden. Wenn dies der Fall ist, findet in einem zweiten Schritt dieses Problem seine Fortsetzung in der Frage, ob man die politischen Parteien auf europäischer Ebene denn auch wirklich fördern sollte, ob es also aus rechtspolitischer Sicht wünschenswert ist, dass sie durch die europäische öffentliche Hand gefördert werden. Zuletzt bliebe dann noch zu klären, ob denn die Europäische Union dann nicht sogar dazu verpflichtet ist, die europäischen Parteien also einen Anspruch auf Finanzhilfen der Union haben.

A. Zulässigkeit öffentlicher Finanzhilfen an europäische Parteien Dass die Europäische Union zu einer Finanzierung politischer Parteien auf europäischer Ebene berechtigt ist, ergibt sich indes schon unmittelbar aus Art. 224 AEUV1. Nachdem lange Zeit umstritten war, ob und gegebenenfalls auf welche Norm sich ein europäisches Parteienstatut stützen kann, in dem obendrein öffentliche Finanzhilfen geregelt sind2, ist dieses Problem durch Einfügung des 1 Hölscheidt, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 224 AEUV Rn. 9; Kluth, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 224 AEUV Rn. 10; im Ergebnis auch: Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S.  219; Buhr, Europäische Parteien, S. 62; Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 229; Morlok, in: von Arnim, Politikfinanzierung in der Europäischen Union, S. 11; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 248. 2 Siehe zum Streit hierzu nach alter Rechtslage: Bieber, RTD 1999, 349, 356 ff.; Buhr, Europäische Parteien, S. 87 ff.; Deinzer, Europäische Parteien, S. 122 ff.; Huber, EuR 1999, 579, 595 f.; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S.  171 ff.; Tsatsos, EuGRZ 1994, 45 (46).

A. Zulässigkeit öffentlicher Finanzhilfen

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Art. 224 AEUV ((ex) Art. 191 Abs. 2 EGV) nunmehr geklärt. Ausgangspunkt des ursprünglichen Streits war, dass sowohl der (ex) Art. 138 EGV als auch die ursprüngliche Fassung des Art. 191 EGV nach der damaligen herrschenden Meinung keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Gesetzgebungsakten der Gemeinschaft enthielten, und zudem die übrigen Ermächtigungsgrundlagen des Primärrechts für den Erlass eines Parteienstatuts nicht anwendbar waren3. Dieser Streitpunkt wurde durch den Vertrag von Nizza mit der Einfügung der ausdrücklichen Ermächtigung zum Erlass eines Parteienstatutes in (ex) Art. 191 Abs. 2 EGV (jetzt: Art. 224 AEUV) positivrechtlich entschieden4. Nach Art. 224 AEUV legen das Europäische Parlament und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch Verordnungen die Regelungen für die politischen Parteien auf europäischer Ebene nach Art. 10 IV EUV und insbesondere die Vorschriften über ihre Finanzierung fest. Der Wortlaut des Art. 224 AEUV mag dahingehend unklar sein, ob sich hieraus eine Verpflichtung des europäischen Gesetzgebers zur Unterstützung der Parteien ableiten lässt5, jedoch impliziert er, dass in den „Vorschriften über ihre Finanzierung“ auch Regelungen zu öffentlichen Finanzhilfen getroffen werden können. Die Vorstellung, dass es der öffentlichen Gewalt gestattet ist, politische Parteien wirtschaftlich zu unterstützen, entspricht dabei der mittlerweile herrschenden Meinung der parteienrechtlichen Judikatur sowie der Literatur und den Regelungen der meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union6. Beispielhaft hierfür kann die Entwicklung des deutschen Parteienfinanzierungsrechts herangezogen werden. So hat das Bundesverfassungsgericht in früherer Rechtsprechung staatliche Zuwendungen an Parteien für ihre allgemeine politische Tätigkeit für verfassungswidrig erklärt. Subventionen würden zwangsläufig zu einer Verschränkung der Parteien mit dem staatsorganschaftlichen Bereich führen, was mit ihrem grundgesetzlichen Leitbild als freie gesellschaftliche Gruppierungen unvereinbar wäre7. Eine staatliche Finanzierung war also nach der damaligen Lesart des Grundsatzes der Staatsfreiheit unzulässig. Dies stieß schon früh auf massive Kritik im parteienrechtlichen Schrifttum, der das Bundesverfassungsgericht mittlerweile gefolgt ist. Das Prinzip der Staatsfreiheit erhielt infolgedessen einen neuen Inhalt, nach dem eine staatliche Teilalimentation zulässig ist8. Die Zulässigkeit einer solchen Teilalimentation ist mittlerweile auch in der parteienrechtlichen Literatur unumstritten9. Dies entspricht der Auffassung der weit überwiegenden Zahl der übrigen Mitgliedstaaten der Union, die die wirtschaftliche Förderung politischer Parteien als eine zumindest zulässige Folge ihrer verfassungsrecht 3

Tsatsos, EuGRZ 1997, 77 (82). Kluth, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 224 AEUV Rn. 1. 5 Hierzu: siehe unter C. 6 Siehe zur Finanzierung in den europäischen Nationalstaaten: § 4 B. II. 7 BVerfGE 20, 56 (101 ff.). 8 Vgl. zur unterschiedlichen Auslegung des Prinzips der Staatsfreiheit: § 4 A. I. 3.  9 Vgl. insoweit nur: Streinz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 21 Rn. 183 m. w. N. 4

58

§ 3 Grundprobleme einer öffentlichen Finanzierung politischer Parteien 

lichen Anerkennung akzeptieren10. Einem solchen, in den Nationalstaaten vorherrschenden Verständnis schlossen sich die Vertragsparteien an, indem sie die Regelung des Art. 224 AEUV bzw. Art. 191 Abs. 2 EGV in das europäische Primärrecht integrierten.

B. Chancen und Gefahren einer öffentlichen Finanzierung von europäischen Parteien Der ursprüngliche Streit um die Zulässigkeit einer öffentlichen Alimentation politischer Parteien hat sich nunmehr verstärkt zu einem rechtspolitischen gewandelt, der um das Für und Wider, die Vor- und Nachteile, die Chancen und Gefahren, die hiermit einhergehen, geführt wird. Erst im Anschluss hieran  – bei der Frage eines Anspruchs auf eine öffentliche Subventionierung bzw. einer Pflicht zur Begrenzung öffentlicher Mittel – bekommt er wieder einen rechtlichen Einschlag.

I. Öffentliche Finanzierung und Parteifunktionen Die Diskussion um die Notwendigkeit einer öffentlichen Finanzierung entbrennt zunächst an den Folgen, die sich hieraus für die Funktionserfüllung der politischen Parteien als unverzichtbare Bestandteile einer parlamentarischen Demokratie ergeben. So wird von den Anhängern einer Subventionierung geltend gemacht, dass Parteien mit ihrer Funktionszuweisung öffentliche Aufgaben wahrnähmen11. Wenn Parteien für ein funktionierendes politisches System unerlässlich seien, diene ihre finanzielle Unterstützung dazu, die Demokratie als öffentliches Gut zu sichern12. Diese These bedarf einer näheren Beleuchtung. Sie wurde auf nationalstaatlicher Ebene entwickelt und knüpft daran an, dass die staatlichen Verfassungen den Parteien bestimmte verfassungsrechtliche Funktionen zugewiesen haben, die die Parteien in der politischen Wirklichkeit auch erfüllen. Die Bereitstellung öffentlicher Gelder unterstütze die Begünstigten aber gerade bei ihrer Aufgabenerfüllung. Für die Frage, ob man dieser Theorie folgen und sie dann auch noch auf die europäische Ebene übertragen kann, ist zunächst einmal entscheidend, welche Funktionen Parteien in einem demokratischen System überhaupt erfüllen sollen und ob europäische Parteien dieser Erwartung tatsächlich gerecht werden. Im nächsten Schritt wäre dann noch die Frage zu beantworten, inwiefern eine öffent 10 Vgl. Schefold/Tsatsos/Morlok, in: dies., Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 737 (830), die sie gar als „natürliche Folge“ der verfassungsrechtlichen Institutionalisierung bezeichnen; ebenso: Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 246. 11 Tsatsos/Schmidt/Steffen, Jura 1993, 194 (195 f.); Plate, Parteienfinanzierung und Grundgesetz, S. 59. 12 Morlok, in: von Arnim, Politikfinanzierung in der Europäischen Union, S. 11.

B. Chancen und Gefahren einer öffentlichen Finanzierung 

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liche Alimentierung wirklich ein probates Mittel darstellt, die die Parteien in die Lage versetzt, diesen Aufgaben besser nachzukommen. 1. Ausfüllung der „klassischen“ Parteifunktionen durch europäische Parteien Aber schon die Ermittlung, welche Funktionen Parteien in einem politischen System haben, bereitet indes Schwierigkeiten; denn während die politikwissenschaftliche Literatur sich mit dem Problem der Parteifunktionen ausgiebig beschäftigt, aber einen einheitlichen Funktionenkatalog bisher nicht ermitteln konnte13, spielt es in der Staatsrechtswissenschaft nur eine untergeordnete Rolle14. Bei jedem der vorgeschlagenen Kataloge lässt es sich nicht vermeiden, dass die einzelnen Funktionen politischer Parteien miteinander verschränkt sind, sich gegen­ seitig bedingen oder die verstärkte Erfüllung der einen Funktion ein gleichzeitiges Abschwächen einer anderen bedingt15. In der hier vorgenommenen Untersuchung soll zwischen acht Parteifunktionen unterschieden werden: Vermittlungs-, Elitenrekrutierungs-, Reduktions-, Integrations-, Regierungs-, Innovations-, Repräsentations- und Partizipationsfunktion16. a) Vermittlungsfunktion Parteien kommt zunächst eine Vermittlungsfunktion als Mittler zwischen den Bürgern und den Staatsorganen zu17. Sie sammeln und ordnen die verschiedenen gesellschaftlichen Meinungen und übermitteln sie in den Prozess der politischen Willensbildung, wodurch sich die politischen Standpunkte und Interessen der Bürger im Anschluss daran, insbesondere durch die parteipolitisch besetzten gewählten staatlichen Legislativ- und Exekutivorgane, auf der staatlichen Ebene wiederfinden18. Diese Vermittlung vollzieht sich jedoch nicht nur von den Bürgern über die Parteien in Richtung der staatlichen Ebene, sondern darüber hinaus wirken die Parteien auch ihrerseits auf die öffentliche Meinung ein, so dass sich die Ver-

13 Vgl. zu dieser Problematik und einer umfassenden Auseinandersetzung der verschiedenen Funktionenkataloge: Wiesendahl, Parteien und Demokratie, S. 184 ff. 14 Vgl. hierzu: Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 38 f. 15 Vgl. hierzu: Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 124 f. 16 Der Katalog entspricht im Wesentlichen: Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 41 ff. 17 Jopp u. a., Feasibility of  a future european statute of european political parties, S.  13; Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, § 1 Rn. 17; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 44 f.; Seifert, Die politischen Parteien im Recht der Bundesrepublik Deutschland S. 100. 18 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 42; Volkmann, Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S. 96.

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§ 3 Grundprobleme einer öffentlichen Finanzierung politischer Parteien 

mittlung letztlich als ein wechselseitiger Prozess aller Beteiligten darstellt19. Volk, Parteien und Staat beeinflussen dementsprechend die Willensbildung der jeweils anderen im Verlauf des politischen Prozesses20. Diese Transferleistung ist für ein modernes demokratisches System schlechthin konstituierend, so dass sich die Transmissionsfunktion als die wichtigste Aufgabe politischer Parteien erweist21. In zeitlicher Hinsicht geht sie über den bloßen Vorgang der Wahl und der vorgelagerten Wahlvorbereitung hinaus und erfordert eine permanente Kommunikation zwischen den Beteiligten eines demokratischen Systems22. Dem hat der deutsche Gesetzgeber Rechnung getragen, indem er in § 1 Abs. 2 PartG statuierte, dass Parteien für eine „ständige Verbindung zwischen dem Volk und den Staats­organen sorgen“. Damit politische Parteien ihrer Transmissionsfunktion nachkommen können, bedarf es also einer ständigen Verbindung sowohl zu den Bürgern als auch zu den Organen politischer Entscheidungsfindung23. Dass in gleicher Weise den europäischen Parteien auf Unionsebene eine solche Vermittlungsfunktion zugedacht ist, folgt unmittelbar aus Art. 10 Abs. 4 Hs. 2 EUV24. Politische Parteien auf europäischer Ebene tragen hiernach zum Ausdruck des Willens der Bürgerinnen und Bürger der Union bei. Die Bestimmung ist der Einsicht geschuldet, dass eine fortschreitende Demokratisierung der Union Parteien benötigt, die eine Verbindung zwischen Unionsbürgern und den europäischen Institutionen herstellen25. Im Unterschied zur Regelung des Art. 21 GG umfasst der Wortlaut des Parteienartikels nur die Aufgabe der Parteien, an der Willensäußerung der Unionsbürger mitzuwirken. Insbesondere aber aufgrund des Zusammenhangs mit der ebenfalls in Art. 10 Abs. 4 EUV normierten Aufgabe der europäischen Parteien, bei der Herausbildung eines europäischen Bewusstseins beizutragen, ist diese Funktion in einem umfassenden Sinne zu verstehen, so dass ihnen darüber hinaus die klassische Aufgabe zugewiesen wird, sowohl an der Ar-

19 Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 21 Rn. 166; Schmid, Politische Parteien, Verfassung und Gesetz, S. 24. 20 Grimm, in: Benda/Maihofer/Vogel, HVerfR, § 14 Rn. 14; Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 21; vgl. hierzu: § 4 A. I. 3. 21 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S.  42; Morlok, Parteienfinanzierung im demokratischen Rechtsstaat, S. 15; Stentzel, EuR 1997, 174 (177); Volkmann, Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S. 96. 22 Grimm, in: Benda/Maihofer/Vogel, HVerfR, § 14 Rn. 15; Stentzel, EuR 1997, 174 (176). 23 Ayirtman/Pütz, in: Knodtke/Fink, Europäische Zivilgesellschaft, S. 389 (391); Mittag/ Bräth, in: Mittag, Politische Parteien und europäische Integration, S. 699 (717). 24 Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 54; Eberhard/Lachmayer, in: Manssen, Die Finanzierung von politischen Parteien in Europa, S. 215 (223); Kersten, in: Kersten/ Rixen, PartG, Art.  191 Rn.  77; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S.  212; Ruffert, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art.  10 Rn.  22; Stentzel, EuR 1997, 174 (182); zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 119. 25 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S.  159; Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 78; Tsatsos, EuGRZ 1994, 45 (48).

B. Chancen und Gefahren einer öffentlichen Finanzierung 

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tikulation als auch an der Bildung des Willens der Unionsbürger zu partizipieren26. Von daher gestaltet sich vergleichbar der nationalen Ebene die Vermittlung zwischen Unionsbürgern und europäischen Hoheitsträgern als ein mehr­dimensionaler Prozess27. Insofern dient diese Bestimmung dem Abbau des oftmals kritisierten Demokratiedefizits der Union28. Gerade mit Hilfe einer europäischen Öffentlichkeit, die die Entscheidungen der Unionsorgane kontrolliert, kann die demokratische Legitimation der Union gestärkt werden29. Nationale Parteien können bei dieser Aufgabe zwar mitwirken, sind jedoch hierzu nur begrenzt in der Lage, da sie europäische Politik primär aus nationaler Perspektive betrachten und sie daher nicht auf eine gesamteuropäische Interessenvermittlung abzielen30. Die ganz überwiegenden Stimmen der politikwissenschaftlichen und juristischen Beobachter kommen aber, wenn sie die politische Wirklichkeit der Europäischen Union betrachten, zu Recht zu dem Schluss, dass europäische Parteien dieser Vermittlungsfunktion nur ungenügend nachkommen31. Der Kontakt mit den Unionsbürgern ist nur sehr schwach ausgeprägt, so dass sie an deren europapolitischem Willensbildungsprozess kaum teilhaben32. Sie sind weitestgehend unbekannt33 und finden während des Wahlkampfes zum Europäischen Parlament – also dem Zeitraum, in dem Parteien üblicherweise in besonderem Maße den Kontakt zu den Wählern suchen und ihrer Rolle als „Transmissionsriemen“ entsprechen – in der Öffentlichkeit kaum Gehör34. Als zusätzliches Element zwischen den europäischen Parteien und den Unionsbürgern sind weiterhin die nationalen Mitgliedsparteien zwischengeschaltet35. Vor allem sie sind es, die während

26 Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 124; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 45. 27 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 159 f. 28 zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 119. 29 Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 344. 30 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 116. 31 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 06. April 2011 zur Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 2004/2003 über die Regelungen für die politischen Parteien auf europäischer Ebene und ihre Finanzierung, Nr. 3, AblEU C 296, S. 49; Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 160; Ayirtman/Pütz, in: Knodtke/Fink, Europäische Zivilgesellschaft, S.  389 (395); Mittag/Bräth, in: Mittag, Politische Parteien und europäische Integration, S. 699 (713); Oppelland, in: Niedermayer/Stöss/Haas, Die Parteiensysteme Westeuropas, S. 455 (470); Pöhle, ZParl 2000, 599 (614); Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 348; Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 263. 32 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 160; Lord, in: Delwit/Külahci/van de Walle, Europarties, S. 45 (54). 33 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 160; Hix/Lord, Political parties in the European Union, S. 210. 34 Ayirtman/Pütz, in: Knodt/Finke, Europäische Zivilgesellschaft, S. 389 (395); Poguntke/ Pütz, ZParl 2006, 334 (343); Shirvani, EuZW 2008, 364 (368). 35 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 161.

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§ 3 Grundprobleme einer öffentlichen Finanzierung politischer Parteien 

der Europawahlen bei der Wahlkampfführung und der Auswahl der Wahlkampfthemen wahrnehmbar36 und für die Bürger letztlich wählbar sind. b) Elitenrekrutierungsfunktion Eine moderne Massendemokratie benötigt Führungspersonal, das geeignet und gewillt ist, politische Verantwortung zu übernehmen37. Dieses Personal zu finden, zu rekrutieren, auszubilden, zu selektieren und der Öffentlichkeit zu präsentieren, ist in den heutigen demokratischen Systemen zuvörderst Aufgabe der politischen Parteien38. So dient die Auswahl der entsprechenden Persönlichkeiten auch dazu, dass die thematischen Schwerpunkte einer Partei adäquat repräsentiert werden39. Die Elitenrekrutierungsfunktion leistet aber zudem in ihrem direkten, personalen Sinne einen Beitrag zur Erhaltung des demokratischen Systems. Die hier erforderliche personelle Legitimationskette ist nur gewährleistet, solange politische Führungspositionen und Staatsämter durch eine ausreichende Anzahl qualifizierter Bürger ausgefüllt werden40. Zwangsläufig wird in einer parlamentarischen Demokratie diese Aufgabe vor allem den Parteien zukommen. Inwieweit die Auswahl des politischen Führungspersonals ihnen dann tatsächlich obliegt, hängt wiederum entscheidend von der Ausgestaltung des politischen Systems ab; je mehr politische Entscheidungsträger unmittelbar oder mittelbar durch das Volk gewählt und von den Parteien nominiert werden, desto größer ist auch der Einfluss der Parteien41. In einem engen Zusammenhang hierzu steht die zunehmende Personalisierung von Wahlkämpfen, insbesondere der Medien, die eine wachsende Bedeutung der Elitenrekrutierungsfunktion bedingt42. Werden Parteien in immer größerem Ausmaß mit den von ihnen ausgewählten Kandidaten gleichgesetzt oder teilweise gar politische Programme durch die Kandidaten ersetzt, schiebt sich die Auswahl und Präsentation des Personals in dem Maße in den Vordergrund, wie die eigentliche Politikvermittlung in den Hintergrund tritt. Dies mag man – durchaus zu Recht – in seinen Auswüchsen kritisieren. Dass die Bewerber für politische Führungs­ positionen in einer Massendemokratie einer gewissen Vorselektion unterworfen sein müssen und dies regelmäßig durch die Parteien zu erfolgen hat, ist jedoch ebenso schwerlich zu bestreiten. 36 Ayirtman/Pütz, in: Knodtke/Fink, Europäische Zivilgesellschaft, S. 389 (391); Shirvani, EuZW 2008, 364 (368). 37 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 46. 38 Hesse, VVDStRL 17 (1959), 11 (24 f.); Lenski, PartG, § 1 Rn. 12. 39 Stentzel, EuR 1997, 174 (176). 40 Lenski, PartG, § 1 Rn. 11. 41 Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 118; vgl. zur unterschiedlichen Bedeutung der Parteien bei der Elitenrekrutierung in Deutschland und Frankreich: Jäger, Der Staat 19 (1980), 583 (590 ff.). 42 Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 348.

B. Chancen und Gefahren einer öffentlichen Finanzierung 

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Unbestritten ist derweil, dass europäischen Parteien die Aufgabe der Rekrutierung einer politischen Elite grundsätzlich zukommen kann. Auf Unionsebene gibt es genauso wie auf nationaler Ebene politische Führungsämter, die durch adäquates Personal zu besetzen sind43. In der politischen Praxis füllen die europäischen Parteien diese Aufgabe jedoch so gut wie gar nicht aus. Über die personelle Besetzung der Unionsorgane entscheiden fast durchgängig die Mitgliedstaaten, so dass Personalentscheidungen oftmals den Regierungen mit den hinter ihr stehenden nationalen Parteien vorbehalten sind44. Der Rat als Vertretung der Nationalstaaten ist von vornherein mit Vertretern der jeweiligen Regierungen besetzt. Ebenso setzen sich die Kommissionsmitglieder regelmäßig aus zuvor hochrangigen nationalen Amtsträgern zusammen45. Aber auch die Kandidaten zur Wahl des Europäischen Parlaments werden von den nationalen Mitgliedsparteien nominiert46. Den europäischen Parteien kommt hierbei allenfalls eine unterstützende Funktion zu47. Eine bedeutende politische „Elite“ ist in den Europaparteien kaum auszumachen. Wie die europäischen Parteien selbst, sind auch deren Vertreter der Öffentlichkeit kaum bekannt48. Es bleibt damit festzuhalten, dass – soweit die politischen Parteien überhaupt Einfluss auf Führungspositionen in den Fraktionen, dem Europäischen Parlament oder sonstigen Organen der Union haben – dieser auf informelle Prozesse beschränkt bleibt49. c) Reduktionsfunktion Politischen Parteien kommt darüber hinaus die Funktion zu, die verschiedenen gesellschaftlichen Interessen, die in ihrer unüberschaubaren Gesamtheit den Entscheidungsfindungsprozess behindern würden, auf eine begrenzte, handhabbare Zahl von politischen Handlungsalternativen zu reduzieren50. Erst wenn die einzelnen pluralistischen Individualinteressen innerhalb einer Gesellschaft zu einer überschaubaren Anzahl von Entscheidungsalternativen zusammengefasst werden, 43

Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 166; Poguntke/ Pütz, ZParl 2006, 334 (349). 44 Ayirtman/Pütz, in: Knodtke/Fink, Europäische Zivilgesellschaft, S. 389 (395); Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 266; zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 111. 45 zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 111 f. 46 Oppelland, in: Niedermayer/Stöss/Haas, Die Parteiensysteme Westeuropas, S. 455 (465); Poguntke/Pütz, ZParl 2006, 334 (349). 47 Jopp u. a., Feasibility of a future european statute of european political parties, S. 50. 48 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 166. 49 Poguntke/Pütz, ZParl 2006, 334 (350); vgl. zusammenfassend zum faktischen Einfluss der europäischen Parteien auf die Kandidatenauswahl: Studie des Europäischen Parlaments, How to create a transnational party system, S. 51. 50 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 43; Grimm, in: Benda/Maihofer/Vogel, HVerfR, § 14 Rn. 13; Hesse, VVDStRL 17 (1959), 11 (21).

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wird das das Volk in die Lage versetzen, tatsächlich eine Wahl zwischen ihnen treffen zu können51. Parteien sammeln die unterschiedlichen Meinungen, Interessen und Zielvorstellungen ihrer Mitglieder, führen sie einem innerparteilichen Kompromiss zu und stellen dem Volk anschließend das Endprodukt dieses Prozesses zur Abstimmung52. Diese Leistung steht in einem funktionellen Zusammenhang mit der Vermittlungsfunktion politischer Parteien53. Bürger mit ähnlichen politischen Ansichten schließen sich in Parteien zusammen, so dass die Interessen und Bestrebungen der Einzelnen geordnet in den politischen Willensbildungsprozess des Volkes einfließen können54. Gleichzeitig besteht aber bei einer wachsenden Integration der unterschiedlichen Partikularinteressen und ihrer damit einhergehenden Reduzierung die Gefahr, dass die politischen Anschauungen des Kollektivs, im Bestreben eine Vielzahl von politischen Neigungen zu vereinigen und als Wähler zu generieren, indifferenter werden; kurzum: das politische Programm einer Partei konturenlos wird55. Auch auf Unionsebene liegt es nahe, dass politischen Parteien eine Reduktionsfunktion zukommen soll, denn gerade auf einer transnationalen Bühne sind die verschiedenen politischen Interessen besonders vielschichtig56. Diese inhaltlichen und nationalen Divergenzen können europäische Parteien zusammenführen, formieren und so geordnet der Öffentlichkeit vorstellen57. Die tatsächliche Reduktionsleistung der europäischen Parteien ist jedoch nur schwach ausgeprägt. Zumindest gelingt es ihnen, die verschiedenen Standpunkte der einzelnen nationalen Mitgliedsparteien zu integrieren und gemeinsame inhaltliche Standpunkte dem europäischen Entscheidungsfindungsprozess – insbesondere durch die Fraktionen des Europäischen Parlaments – zuzuführen58. Fast alle großen politischen Parteien sind in sämtlichen Staaten der Union durch mindestens eine Mitgliedspartei vertreten. Während die SPE, trotz einer fortschreitenden Erweiterung, in allen Unionsstaaten über Mitgliedsparteien verfügt, sind in der EVP gar 47 Mitgliedsparteien aus 25 Staaten der Gemeinschaft als Vollmitglieder zusammengeschlossen59. Mit dieser bedeutenden Zusammenführung nationaler Interessen gehen gleichzeitig aber auch Probleme einher. So ist 51

Grimm, in: Benda/Maihofer/Vogel, HVerfR, § 14 Rn. 13; Morlok, Parteienfinanzierung im demokratischen Rechtsstaat, S. 18; Stentzel, EuR 1997, 174 (176); Volkmann, in: Friauf/ Höfling, GG, Art. 21 Rn. 16. 52 Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 16. 53 Unter dem Begriff einer sogenannten „Integrationsfunktion“: Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 162. 54 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 43. 55 Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 16. 56 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S.  162; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 144. 57 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 162. 58 Vgl. zur Ausfüllung der Europaparteien: Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 163. 59 Vgl. hierzu: § 2 A. I. 1.

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gerade bei den Europaparteien das schon auf der staatlichen Ebene ausgemachte Phänomen zu erkennen: je mehr Einzelinteressen in einer Partei zusammenkommen, desto schwieriger lassen sie sich ausgleichen und zu Kompromissen zusammenführen60. Besonders deutlich wird dies bei einem Blick auf die politischen Programme der Parteien, die in der Regel keine wirkliche inhaltliche Aussagekraft besitzen und sich als reiner „Formelkompromiss“ mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner darstellen61. Stattdessen kommt es den Fraktionen des Europäischen Parlaments zu, präzisere inhaltliche Standpunkte zu entwickeln62. d) Integrationsfunktion Des Weiteren kommt politischen Parteien eine soziale und politische Integrationsfunktion zu63. Durch soziale, gesellschaftliche und politische Aktivitäten, die über die reine Vermittlung politischer Inhalte und Interessen hinausgehen, stellen sie zwischen ihren Mitgliedern ein Zusammengehörigkeitsgefühl her und geben ihnen eine „politische Heimat“64. Über die Integration der einzelnen Parteien hinaus kommt dem Parteiensystem in seiner Gesamtheit eine Integrationsfunktion zu. Aufgrund der von Parteien entwickelten gesamtgesellschaftlichen Konzepte kann bei den Betroffenen ein Bewusstsein für die eigene Verantwortung gegenüber der Gesellschaft insgesamt entstehen65. Die gemeinsame Partizipation am gesellschaftlichen Willensbildungsprozess schwächt gesellschaftliche Konflikte ab und legitimiert und stützt das politische System in seiner Gesamtheit66. Grundsätzlich lassen sich diese Funktionen auf die europäischen Parteien übertragen. Auch sie können die Unionsbürger zu einer politischen Einheit formen. Dies gilt nicht nur für die einzelnen Parteien, sondern für das gesamte europäische Parteiensystem. Mit Hilfe einer fortwährenden Auseinandersetzung mit genuin europäischer Politik kann der Meinungsbildungsprozess der Unionsbürger angeregt und damit eine Integrationsleistung für das gesamte politische System der Union befördert werden67. Auf europäischer Ebene erhält diese Funktion, der die rechtswissenschaftliche Literatur auf staatlicher Ebene vielerorts kritisch gegenübersteht68, aber eine besondere Bedeutung, denn sie war lange Zeit in (ex) Art. 191 Abs. 1 S. 1 EGV explizit benannt. Hiernach waren politische Parteien auf europäischer Ebene wichtig als Faktor der Integration in der Union. Zwar ist diese Formulierung seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon weggefallen, zu 60

Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 163. Poguntke/Pütz, ZParl 2006, 334 (347). 62 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 163. 63 Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 26. 64 Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 27. 65 Hättich, Lehrbuch der Politikwissenschaft, Bd. 2, S. 150. 66 Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 28. 67 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 162. 68 Grimm, in: Benda/Maihofer/Vogel, HVerfR, § 14 Rn. 16 f. m. w. N. 61

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Recht wird aber überwiegend davon ausgegangen, dass sich durch diese Neufassung keine inhaltliche Änderung des Parteienartikels ergeben hat, so dass die Integrationsaufgabe weiterhin Bestandteil des primärrechtlichen Auftrags an die Parteien ist69. Sie lässt sich nunmehr aus der in Art. 10 Abs. 4 EUV statuierten Funktion herauslesen, dass die Europaparteien einen Beitrag zur Bildung eines europäischen politischen Bewusstseins leisten70. Eine europäische Identität und ein europäisches Bewusstsein befördern gerade das Zusammengehörigkeitsgefühl der Unionsbürger71. Hierfür ist zumindest erforderlich, dass die Bürger Kenntnis davon haben, auf welchem Wege sich Handlungsabläufe und Entscheidungsprozesse der Union vollziehen72. Diesen Informationsfluss sollen die Parteien begünstigen und somit das Handeln der Union insgesamt transparenter machen73, was letztlich die strukturellen Demokratiedefizite mindern kann. Die Europaparteien sollen den Unionsbürgern den politischen Charakter des europäischen Einigungsprozesses verdeutlichen74. Ein europäisches Bewusstsein soll dabei weniger als ein Ersatz oder gar ein Gegensatz zu den vorhandenen nationalen Identifikationen fungieren, sondern vielmehr neben diese treten und als eine „zweite Ebene der Politik“ wahrgenommen werden75. Dabei darf man die Reichweite dieser Funktion nicht so interpretieren, dass den Parteien ein integrationsfreundliches Verhalten aufgegeben ist. Insoweit gilt die Programmfreiheit der Parteien auch für europakritische und integrationsfeindliche Parteien76. Sie ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass europäische Parteien an der Integration mitwirken, indem sie die Auseinandersetzung innerhalb der Gesellschaft über den weiteren Verlauf der europäischen Integration fördern. Aber auch diese Integrationsfunktion nehmen die europäischen Parteien tatsächlich nur unzureichend wahr. Eine „politische Heimat“ können sie derzeit schon gar nicht sein. In ihnen sind regelmäßig nur nationale Parteien organisiert, deren Mitgliedern sie regelmäßig völlig unbekannt sind. Darüber hinaus kann das Parteiensystem in seiner Gesamtheit kaum eine integrierende Wirkung entfalten77. Ein zwischenparteilicher Diskurs über politische Grundentscheidungen im Allgemeinen und die europäische Integration im Besonderen ist bisher noch kaum in der Öffentlichkeit wahrnehmbar.

69 Vgl. wohl auch: Hölscheidt, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 224 AEUV Rn. 1; Kluth, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 224 AEUV Rn. 1. 70 In diese Richtung schon zum alten Recht: Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 171. 71 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 171. 72 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 171. 73 Jasmut, Die politischen Parteien und die europäische Integration, S. 291. 74 Pöhle, ZParl 2000, 599; Damm, ZParl 1999, 395 (418). 75 So das Zitat von Tsatsos, in: FS Schneider, S. 236 (241). 76 Vgl. hierzu: § 5 B. III. 2. a) cc). 77 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 162 f.

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e) Regierungsfunktion Zur Erfüllung ihrer Regierungsfunktion müssen Parteien in der Lage sein, ein Regierungsprogramm zu entwerfen und im Falle einer Regierungsbeteiligung dieses auch zu realisieren78. Dementsprechend kann diese Aufgabe tatsächlich nur von Regierungsparteien wahrgenommen werden79, wobei die Oppositions­parteien hierzu aber zumindest potentiell fähig sein sollen. Grundsätzlich könnten politische Parteien auf europäischer Ebene, die bei den Wahlen zum Europäischen Parlament erfolgreich sind, eine solche Aufgabe übernehmen80. Faktisch sind es aber wiederum die Nationalstaaten mit ihren jeweiligen Regierungsparteien, die auf europäischer Ebene ebenfalls Regierungsfunktionen erfüllen. Europäischen Parteien verbleibt in diesem Rahmen regelmäßig kein Aktions­ radius81. Sie sind an der „Regierungsbildung“ in Kommission und Rat kaum beteiligt. Bis zum heutigen Tage ist die Besetzung der politischen Führungspositionen in den Unionsorganen weniger abhängig vom Ergebnis der jeweiligen Europawahlen82, sondern vielmehr vom Ergebnis nationaler Wahlen. Dies hat letztlich zur Folge, dass im politischen System der Union nicht zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien unterschieden werden kann83. f) Innovationsfunktion Die Innovationsfunktion hingegen obliegt üblicherweise den Oppositionsparteien und findet ihren materiellen Gehalt in der Kontrolle und Kritik der politischen Majorität84. Indem sie neue politische Ideen hervorbringt und der Öffentlichkeit präsentiert, kann die Opposition ihrerseits versuchen, den Bürgern ihre künftige Regierungsfähigkeit zu beweisen und gewährleistet auf diesem Weg die Offenheit des politischen Wettbewerbs85. Sie hat die Aufgabe, von der politischen Mehrheit bisher unbeachtete Themen auf die politische Tagesordnung zu bringen und den Rechtfertigungsdruck der Regierung zu erhöhen86. So führen innovative Vorschläge der Opposition in der Regel dazu, dass die Mehrheit entweder diesen Forderungen nachgeben oder dass sie sich zumindest mit diesen Ideen kritisch auseinandersetzen muss, um die Wähler vom Gegenteil zu überzeugen87. 78

Jäger, Der Staat 19 (1980), 583 (595). Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 119. 80 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 167. 81 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 168; Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 264. 82 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 168. 83 Pöhle, ZParl 2000, 599 (600). 84 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 47. 85 Hesse, VVDStRL 17 (1959), 11 (21 f.). 86 Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 120. 87 Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 121. 79

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Ohne eine funktionierende Opposition fehlt es an der für eine Demokratie unabdingbaren Voraussetzung, zwischen verschiedenen politischen Alternativen wählen zu können88. Eine solche Innovationsfunktion kann als Komplementäraufgabe zur Regierungsfunktion grundsätzlich auch europäischen Parteien zufallen89. Sie sollen die europäischen Organe kontrollieren, die Unionsbürger gegebenenfalls über politische Fehlentwicklungen informieren und Alternativen zu den bisherigen politischen Konzepten entwickeln90. Doch ebenso wie die Regierungsfunktion erfüllen die europäischen Parteien die der Opposition zukommende Innovationsaufgabe nicht91. Wenn sich keine wirkliche Opposition im Europäischen Parlament bilden kann, da ihr Äquivalent – die Regierungsmehrheit – fehlt, ist die parlamentarische Kontrollaufgabe der Opposition schon von vornherein nicht möglich. Hinzu kommt, dass über die nationalen Parteien Kommission und Rat auch von Mitgliedern der Minderheitsparteien im Europäischen Parlament besetzt werden92, was wiederum eine Unterscheidung von Regierung und Opposition unmöglich macht. g) Repräsentationsfunktion Die in einem demokratischen System widerstreitenden gesellschaftlichen Konflikte politischer, wirtschaftlicher, sozialer und geistiger Art benötigen ein Forum, in dem sie ausgetragen werden können93. In dieser Arena spielen die politischen Parteien eine Hauptrolle94. Sie bringen komplexe politische Konfliktlinien so in die Öffentlichkeit, dass sie von den Unionsbürgern als unterscheidbare Entscheidungsalternativen wahrgenommen werden95. Die Repräsentationsfunktion steht somit in einem komplementären Verhältnis zur Reduktionsfunktion. Einerseits sollen Parteien einen innerparteilichen Ausgleich zwischen den verschiedenen Bedürfnissen ihrer Anhänger finden, also durchaus unterschiedliche politische Anschauungen innerparteilich integrieren können, andererseits aber ebenso bestimmte, den gesellschaftlichen Konfliktlinien entsprechende politische Inhalte nach außen vertreten96. Je mehr Parteien in einem politischen System agieren, desto größer ist dabei die Repräsentationsfähigkeit der einzelnen Organisationen, während bei einer geringeren Anzahl von Parteien deren Reduktionsleistung 88

Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 47. Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 168. 90 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 168 f. 91 Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 265. 92 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 169. 93 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 44. 94 Hesse, VVDStRL 17 (1959), 11 (21). 95 Vgl. zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Euro­päischen Union, S. 206. 96 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 44; Jäger, Der Staat 19 (1980), 583 (585 ff.). 89

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steigt97. Vereinigt eine Partei weniger Partikularinteressen kann sie naturgemäß ihre politischen Zielsetzungen klarer, eindeutiger und bestimmter formulieren und artikulieren. In gleicher Weise kann diese Aufgabe politischen Parteien auf europäischer Ebene zustehen98. Zwar sind die politischen Ansichten und Interessen in Europa noch heterogener als in den einzelnen Nationalstaaten, da über die klassischen gesellschaftlichen „Cleavages“99 hinaus noch spezifische nationale Interessen ihren Weg in die Unionspolitik suchen, trotzdem macht dies eine ausreichende Repräsentation der unterschiedlichen politischen Richtungen nicht unmöglich100. Inwiefern die europäischen Parteien diese Leistung jedoch tatsächlich erbringen, wird indes uneinheitlich beantwortet. Nicht unerheblich sind die Stimmen derer, die zumindest die Erfüllung der Repräsentationsaufgabe positiver einschätzen als die übrigen Funktionen101. Unklar ist in diesem Zusammenhang aber, ob sich das europäische Parteiensystem in ein politisches „Rechts-Links-Schema“ einordnen lässt102. Auch wird des Öfteren die inhaltliche Konturenlosigkeit der einzelnen politischen Programme beklagt, die eine verstärkte Vertretung der unterschiedlichen gesellschaftlichen Strömungen verhindert103. Auf der anderen Seite lässt sich durchaus eine Entwicklung feststellen, in der die Programme einiger euro­ päischer Parteien immer konkretere politische Ziele formulieren und somit die Repräsentationsfähigkeit steigern104. h) Partizipationsfunktion Die Partizipationsfunktion dient der Legitimation eines demokratischen Gemeinwesens. Durch Parteien erhält der einzelne Bürger die Möglichkeit, sich in ihnen aktiv zu engagieren und sich auf diese Weise am demokratischen Willens 97

Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 44. Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 164. 99 Instruktive Zusammenfassung zur von Lipset und Rokkan entwickelten „Cleavage-Theorie“: Frieling, Politische Parteien Polens nach 1989, S. 35 ff. 100 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 164; im Ergebnis auch: zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 109. 101 So zum Beispiel: Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 164. 102 Bejahend: zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 109; verneinend: Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 164. 103 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 164; Ayirtman/ Pütz, in: Knodtke/Fink, Europäische Zivilgesellschaft, S.  389 (402); Poguntke/Pütz, ZParl 2006, 334 (347); Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 351; zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 110. 104 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 165 m. w. N. 98

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bildungsprozess zu beteiligen105. So gehört es nach § 1 Abs. 2 Var. 3 PartG zu den Aufgaben der Parteien, die aktive Teilnahme der Bürger am politischen Leben zu fördern. Notwendigerweise bedarf es hierfür innerparteilicher Entscheidungsprozesse, die selbst demokratischen Grundsätzen entsprechen. Erst dann erhält das Mitglied überhaupt die Chance, gestaltend mitwirken zu können106. Diese demokratische Grundfunktion politischer Parteien gilt gleichsam für die europäische Ebene107. Aber auch diese Funktion füllen die europäischen Parteien in der politischen Wirklichkeit nur ungenügend aus108. Sie sind im Wesentlichen als Parteienföderationen organisiert, die teils noch gar nicht die Möglichkeit der Mitgliedschaft individueller Personen zulassen oder teils zwar eine solche mittlerweile eingeführt haben, deren Mitglieder dann aber regelmäßig ohne Stimmrecht sind und von daher nur in einem sehr begrenzten Umfang am innerparteilichen Willensbildungsprozess teilhaben können. An Entscheidungsprozessen sind sie überhaupt nicht beteiligt. Selbst die Delegierten der nationalen Mitgliedsparteien, die wiederum nur von der nationalen Parteielite und nicht der mitgliedschaftlichen Basis entsendet werden, sind in ihrer Partizipationsfähigkeit eingeschränkt, da die Parteisatzungen zwar überwiegend Mehrheitsentscheidungen vorsehen, jedoch in informellen Vorfeldgesprächen wichtige Fragen einvernehmlich und mit Rücksicht auf die Interessen aller Mitgliedsparteien getroffen und daher tatsächlich nur selten angewendet werden109. Diese Mittelbarkeit lässt die Partizipation von Unionsbürgern innerhalb der Föderationen nur in äußerst eingeschränktem Umfang zu. i) Zusammenfassung Schon auf den ersten Blick wird deutlich, dass Europaparteien die klassischen Parteifunktionen nur unzureichend ausfüllen. Dies zeigt sich in besonderem Maße am Beispiel ihrer verfassungsrechtlich wichtigsten Aufgabe, als Transmissions­ riemen zwischen Unionsbürgern und den Institutionen der Union zu fungieren. Europäische Parteien sind den Bürgern weitestgehend unbekannt, und sie sind von daher schon nicht in der Lage, eine Vermittlung zwischen der gesellschaftlichen Ebene und den Unionsorganen zu gestalten. Ebenso wenig spielen sie bei der Aus-

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Helms, ZParl 1995, 642 (650). Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 121. 107 Im Ergebnis ebenso: Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 262. 108 Mittag/Bräth, in: Mittag, Politische Parteien und europäische Integration, S. 699 (713); Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 262 f.; zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 110. 109 Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 351; zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 111; vermittelnd: Ayirtman/Pütz, in: Knodtke/Fink, Europäische Zivilgesellschaft, S. 389 (401); ausführlich hierzu: § 2 A. III. 106

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wahl der Führungspositionen der Union eine Rolle, wie auch die Regierungs- oder die Innovationsfunktion nicht den Erwartungen gerecht wird, die an Parteien auf nationaler Ebene gestellt werden. Die Reduktionsaufgabe hingegen wird – wenn auch im Vergleich zu den Nationalstaaten auf unterschiedliche Art und Weise – zumindest ansatzweise ausgefüllt, indem die Europaparteien die nationalen Mitgliedsparteien samt deren unterschiedlichen Meinungsspektren in die jeweiligen Parteienfamilien einbinden. Hierbei handelt es sich dann aber nur um eine mittelbare Integration gesellschaftlicher Interessen, die erst auf nationaler Ebene vorstrukturiert und dann in die Parteienföderationen eingebracht werden. Uneinheitlich wird die Fähigkeit der europäischen Parteien bewertet, die verschiedenen politischen Strömungen zu repräsentieren. Während früher einhellig die politischen Programme nur als vage und inhaltsleere Kompromisse der Mitgliedsparteien bewertet wurden, verstärkt sich die Zusammenarbeit nach Ansicht einiger politikwissenschaftlicher Autoren zu immer präziser werdenden politischen Forderungen, in der sich gesellschaftliche Konflikte immer häufiger wiederfinden. 2. Gründe der mangelnden Ausfüllung „klassischer“ Parteifunktionen Die Gründe, warum die europäischen Parteien diese „klassischen“ in den Nationalstaaten entwickelten Funktionen nur unzureichend erfüllen, sind freilich vielschichtig, stehen aber im direkten Zusammenhang mit dem vielfach beklagten Demokratiedefizit der Europäischen Union. Zwar ist umstritten, ob die Union für den aktuellen Stand der Integration nicht doch ausreichend demokratisch legitimiert ist110, jedoch sind nach allgemeiner Ansicht ihre demokratischen Strukturen im Vergleich zu den Anforderungen auf nationalstaatlicher Ebene defizitär111. Zu unterscheiden sind dabei zwei verschiedene Ansätze: So wird der Union auf der einen Seite ein institutionelles, auf der anderen Seite aber auch ein strukturelles Demokratiedefizit unterstellt112. a) Europäische Parteien und das strukturelle Demokratiedefizit Der Ausgangspunkt der in der rechtswissenschaftlichen Diskussion weit verbreiteten These eines strukturellen Demokratiedefizits liegt in der Annahme, dass 110 Bejahend: BVerfGE 123, 267 (356 ff.); Bleckmann, Europarecht, Rn. 1230; verneinend: Lamprecht, NJW 1997, 505 f.; wohl auch: Ress, in: GS Geck, S. 625 (628); Isensee, in: Kirchhof/Schäfer/Tietmeyer/Isensee, Europa als politische Idee und als rechtliche Form, S.  103 (134) verneint gleich die grundsätzliche Fähigkeit der Europäischen Union zur Demokratie. 111 Insoweit nur: BVerfGE 123, 267 (358 f.); Grimm, JStV 6 (1991/92), 13. 112 Mittag, in Mittag, Politische Parteien und europäische Integration, 13 (29).

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Demokratie neben der Gewährleistung demokratischer Institutionen und Verfahren noch eine substantielle Komponente besitzt113. Grundlage demokratischer Mehrheitsentscheidungen sei eine kollektive Identität, ein „Wir-Bewusstsein“, das es der bei parlamentarischen Entscheidungen unterlegenen Minderheit ermögliche, die Entscheidung der Mehrheit zu akzeptieren114. Hierfür bedürfe es zumindest eines Zusammengehörigkeitsgefühls der Bürgerinnen und Bürger; einer sozialen und kulturellen Homogenität115. Eine solche sei aber nach den Vertretern dieser Theorie auf der transnationalen Ebene der Europäischen Union augenscheinlich nicht zu finden. Soweit eine kollektive Identität innerhalb der Union überhaupt entstanden sei, lägen die Bezugspunkte der Unionsbürger für ihre politische Identifikation weiterhin primär bei ihren jeweiligen Nationalstaaten116. Einige restriktive Vertreter dieser Theorie fordern als Voraussetzung einer Demokratie gar einen einheitlichen „demos“ im Sinne eines einheitlichen Volkes117, was zwangsläufig dazu führe, dass Demokratie auf europäischer Ebene schlichtweg unmöglich sei118. Die Unionsbürger könne man derzeit weder als Volk bezeichnen, noch sei erkennbar, dass ein solches im Entstehen begriffen sei119. Ein Volk könne es begriffsnotwendig nur in den jeweiligen Nationalstaaten geben120. Andere Vertreter dieser These entfernen sich zwar vom Begriff des „Staatsvolkes“, halten aber zumindest eine funktionsfähige öffentliche Meinung als wesent 113 Di Fabio, Der Staat 32 (1993), 191 (203); Isensee, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, § 15 Rn. 122; Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 136; zu dieser Problematik auch: Volkmann, AöR 127 (2002), 575 (598 ff.); kritisch hierzu: Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 331 ff.; Zuleeg, in: Drexl, Europäische Demokratie, S. 11 (16 ff.). 114 Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, S.  332 f.; Hrbek, in: GS Grabitz, S.  171 (177 f.); Isensee, in: Kirchhof/Schäfer/Tietmeyer/Isensee, Europa als politische Idee und als rechtliche Form, S. 103 (123); Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 137 f.; kritisch hierzu: Armbruch, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 106 f., die jedoch eine europäische Öffentlichkeit als Voraussetzung der Demokratisierung ansieht. 115 Isensee, in: Kirchhof/Schäfer/Tietmeyer/Isensee, Europa als politische Idee und rechtliche Form, S. 103 (123); zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 40 und zum Bestehen einer europäischen Identität, S. 50 ff.; kritisch zu den Homogenitätsanforderungen: Bryde, StWStP 5 (1994) 305 (310 f.); hierzu kritisch und gleichzeitig auch zwischen den Begriffen der „Homogenität“ und der „Identität“ abgrenzend: Grawert, Der Staat 45 (2012), 189 ff. 116 Vgl. hierzu: Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 336 ff. 117 Classen, ZRP 1993, 57 (59); Grimm, JStV 6 (1991/92), 11 (16); Isensee, in: Kirchhof/ Schäfer/Tietmeyer/Isensee, Europa als politische Idee und als rechtliche Form, S. 103 (122); Kirchhof, EuR-Beiheft 1991, 11 (14); Ossenbühl, DVBl. 1993, 629 (634); Rupp, ZRP 1993, 211 (213); kritisch hierzu: Frenz, Handbuch Europarecht, Bd.  6, Rn.  161 ff.; Heitsch, EuR 2001, 809 (816); ebenso: Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 106 m. w. N. 118 Kirchhof, Brauchen wir ein erneuertes Grundgesetz?, S. 38 f. 119 Vgl. Di Fabio, Der Staat 32 (1993), 191 (202 f.); Neßler, EuGRZ 1998, 191, 196; Ossenbühl, DVBl. 1993, 629 (634). 120 Isensee, in: Kirchhof/Schäfer/Tietmeyer/Isensee, Europa als politische Idee und als rechtliche Form, S. 103 (133).

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lichen Baustein einer demokratischen Infrastruktur für erforderlich121. Diese sei in der Union jedoch ebenfalls weitestgehend noch nicht vorzufinden122. Innerhalb der Union fehle es an den hierfür erforderlichen Voraussetzungen, wie etwa einer gemeinsamen Sprache123 oder einer europäischen Medienlandschaft124. Aufgrund dessen seien die Partizipationsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger stark eingeschränkt125, und öffentliche Themen sowie das politische Führungspersonal in Europa würden in erster Linie noch nach nationalstaatlichen Identifikationsmustern bewertet126. Gleichwohl wird der Union zunehmend attestiert, dass eine europäische Öffentlichkeit im Zuge der weiter fortschreitenden Integration durchaus im Wachstum begriffen sei127. Dass diese Annahme ihre Berechtigung hat, zeigt die Debatte um die Euro- bzw. Bankenkrise. Wenngleich auch in dieser Diskussion noch nationale, teilweise sogar nationalistische Interessen und Wertungsgesichtspunkte vertreten werden, bekommt sie gleichzeitig eine europäische Dimension, in der Ausgestaltung, Zukunftsfähigkeit und Perspektiven der Union erstmals auf Anteilnahme einer gesamteuropäischen Zivilgesellschaft stoßen. Übertragen auf die europäischen Parteien bedeutet die These des strukturellen Demokratiedefizites, dass es diese vor besondere Hindernisse stellt, innerhalb eines politischen Systems zu wirken, in dem eine öffentliche Meinungsbildung und eine staatenübergreifende Medienlandschaft kaum ausgebildet sind und in dem eine Vielzahl verschiedener Sprachen und kultureller Identitäten existieren. Solche Rahmenbedingungen mindern ihre Fähigkeiten, als „Transmissionsriemen“ zwischen Gesellschaft und öffentlicher Gewalt zu fungieren, und führen naturgemäß zu einer Beeinträchtigung der Vermittlungsfunktion. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass auch die angesprochene Sprachenvielfalt mitsamt den hiermit einhergehenden Barrieren den Kommunikationsprozess erschwert128. Genauso leiden die europäischen Parteien unter dem Fehlen einer europäischen 121 BVerfGE 123, 267, 358; Damm, ZParl 1999, 395 (420 ff.); Di Fabio, Der Staat 32 (1993), 191 (203); Fleuter, Mandat und Status des Abgeordneten im Europäischen Parlament, S. 76; Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 139; zu diesem Problem ausführlich: Beierwaltes, Demokratie und Medien, S. 216 ff. 122 Di Fabio, Der Staat 34 (1993), 191 (204); Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 139; Neßler, EuGRZ 1998, 191 (196); Volkmann, AöR 127 (2002), 575 (603); kritisch zu dieser Theorie: Grabitz/Läufer, Das Europäische Parlament, S. 369; eine Entwicklung zu einer europäischen öffentlichen Meinung sieht Classen, AöR 119 (1994), 238 (257). 123 Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 140 f.; das Erfordernis einer gemeinsamen Sprache verneinen Bryde, StWStP 5 (1994), 305 (309), Classen, AöR 119 (1994), 238 (256) und Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 303; zum Problem der Sprachenvielfalt skeptisch: Grimm, JStV 6 (1991/92), 11 (15 f.). 124 Kirchner/Haas, JZ 1993, 760 (767); Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 141; Ossenbühl, DVBl. 1993, 629 (634); hierzu instruktiv: Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 322 ff. 125 Grimm, JZ 1995, 581 (589). 126 BVerfGE, 267 (359); Jasmut, Die politischen Parteien und die europäische Integration, S. 288; Kohler, EuR 1978, 333 (348). 127 BVerfGE 123, 267 (359). 128 Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 303.

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§ 3 Grundprobleme einer öffentlichen Finanzierung politischer Parteien 

Medien­landschaft. Die derzeitigen nationalen Medien interessieren sich für die Politik der Europäischen Union meist nur in solchen Fällen, in denen die Interessen ihres jeweiligen Mitgliedstaates tangiert sind129. Auch diese Tatsache behindert den Vermittlungsprozess zwischen europäischen Parteien und den Unionsbürgern, denn nationale Medien, die europäische Politik unter nationalen Aspekten betrachten, korrespondieren ihrerseits primär mit den Vertretern nationaler Organisationen statt mit europäischen Akteuren130. Ohne eine bereits existierende europäische Öffentlichkeit ist es für politische Parteien geradezu unmöglich, an der Willensbildung der Unionsbürger mitzuwirken131, da der Willensbildungsprozess in den modernen Massendemokratien eine funktionierende Öffentlichkeit mitsamt einer hierin agierenden Medienlandschaft voraussetzt. Vor allem Medien stellen die „Bühne“ für die Arbeit politischer Parteien dar, auf der sie in Kontakt zu den Bürgern treten können. Neben der Transmissionsfunktion setzen sich die Probleme in der Reduktionsfunktion fort. Während Parteien in den Mitgliedstaaten die im gesellschaftlichen Diskurs entstandenen unterschiedlichen Meinungen integrieren und für den politischen Prozess vorstrukturieren können, fehlt es auf europäischer Ebene schon am hierfür erforderlichen transnationalen Diskurs. Dies führt dazu, dass die Reduktionsleistung europäischer Parteien sich vorrangig darauf beschränkt, die verschiedenen nationalen Interessen ihrer Mitgliedsparteien einem Kompromiss zuzuführen. Die Aufgabenerfüllung erfolgt dann aber nicht mehr direkt gegenüber den Bürgern, sondern mittelbar über die nationalen Parteien und damit auch – oder vielmehr in erster Linie – als Zusammenführung nationaler und nicht mehr rein politischer Belange. Ein solcher Verlauf verhindert ebenfalls eine adäquate Erfüllung der Repräsentationsaufgabe. Die nationalen Interessen der Mitgliedsparteien sind nicht immer gleichlaufend mit der politischen Orientierung ihrer europäischen Partei, so dass die Europaparteien wiederum ihre politischen Aussagen nicht allein anhand ihrer liberalen, sozialistischen, sozialdemokratischen, konservativen etc. Ausrichtung treffen können, sondern nationale Befindlichkeiten mit berücksichtigen müssen. Wer zwischen so vielen über die politische Orientierung hinausgehenden Interessen vermitteln muss, gerät aber in Gefahr, politische Aussagen im Zuge der Kompromissfindung bis zur Unkenntlichkeit zu verwischen132.

129 Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S.  303 f.; vgl. hierzu: Gerhards, ZfS 22 (1993), 96 (100 ff.). 130 Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 347 spricht insofern von „europäisierten nationalen Teilöffentlichkeiten“. 131 Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 51. 132 Poguntke/Pütz, ZParl 2006, 334 (347).

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b) Europäische Parteien und das institutionelle Demokratiedefizit Neben der Annahme eines strukturellen Defizits genießt die These des so­ genannten institutionellen Demokratiedefizits eine hohe Popularität133. Diese Theorie setzt bei einem Vergleich zwischen dem auf nationalstaatlicher Ebene erforderlichen institutionellen Rahmen einer repräsentativen Demokratie sowie der Entscheidungsstruktur und der Zusammensetzung der Organe der Union an134. Die erste Ursache dieses Defizits wird danach in der auf den Rat verlagerten Entscheidungskompetenz innerhalb der Europäischen Union gesehen. Folge hiervon sei eine dominierende Exekutive135. Der Rat setzt sich aber nach Art. 15 Abs. 2 EUV aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammen. Daher sind die europäischen politischen Parteien nicht, wie dies in den jeweiligen Mitgliedstaaten üblich ist, über das Europäische Parlament oder über direkt gewählte Parteivertreter an der Regierungsbildung beteiligt136. Diese Besonderheit des Unionsrechts ist letztlich dafür verantwortlich, dass die Europaparteien eine Regierungsfunktion nicht wahrnehmen können. Zwar wird der Präsident der Kommission mittlerweile gemäß Art. 17 Abs. 8 EUV auf Vorschlag des Rates durch das Europäische Parlament gewählt, es darf indes bezweifelt werden, dass diese Beteiligungsrechte sich im Rahmen des derzeitigen Primärrechts zu einer wirklichen Regierungsbeteiligung entwickeln, da das personelle Vorschlagsrecht immer noch dem Rat zusteht. Trotz der im Vertrag von Lissabon normierten Kompetenzzuwächse des Europäischen Parlaments steht diesem weiterhin auch kein grundsätzliches gesetzgeberisches Initiativrecht zu137. Es kann nach Art. 225 S. 1 AEUV lediglich mit der Mehrheit seiner Mitglieder die Kommission dazu auffordern, geeignete Vorschläge zu Fragen zu unterbreiten, die nach seiner Auffassung die Ausarbeitung eines Unionsakts zur Durchführung der Verträge erfordern. Vor dem Hintergrund dieser primärrechtlichen Ausgestaltung, so die Kritik, habe jeder Kompetenzzuwachs der Union eine Entparlamentarisierung von Entscheidungen für die Nationalstaaten zur Folge, die auf Unionsseite nicht durch das Europäische Parlament aufgefangen würde138. Dieses Defizit werde weiter dadurch verstärkt, dass die Mitglieder des Rates im Gegensatz zu denen des Europäischen Parlamentes nur indirekt über die nationa 133

Ausführlich hierzu: Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 128 ff. m. w. N. BVerfGE 123, 267 (363 ff.). 135 Grimm, JStV 6 (1991/92), 13; Kirchhof, EuR-Beiheft 1991, 11 (14); Klein, in: FS Ress, S. 541 (552); Neßler, EuGRZ 1998, 191 (195); Nettesheim, in: Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 16 Rn. 42. 136 Studie des Europäischen Parlaments, How to create a transnational party system, S. 98; Tsatsos/Deinzer, Europäische politische Parteien, S. 16. 137 Dann, in: von Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, S. 335 (361); Hölscheidt, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 225 AEUV Rn. 8; Möstl, Vertrag von Lissabon, S. 69. 138 Neßler, EuGRZ 1998, 191 (195); Ossenbühl, DVBl. 1993, 629 (634); Rupp, ZRP 1993, 211 (213). 134

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len Regierungen durch die Bürger legitimiert seien139. Mit dieser Argumentation wird von verschiedenen Seiten eine Kompetenzverlagerung in Richtung des Europäischen Parlaments zur Beseitigung des Demokratiedefizits vorgeschlagen140. Dem wird wiederum entgegengehalten, dass das Parlament ebenfalls bei Wahl und Zusammensetzung demokratischen Ansprüchen nicht genüge. Seine primärrechtlichen Grundlagen führten dazu, dass es sich unter Verstoß gegen den im Unionsrecht geltenden Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit konstituiere141. Vergleicht man bei der Wahl zum Europäischen Parlament die Mandatskontingente der einzelnen Mitgliedstaaten, werden hierbei kleine Länder bevorzugt, so dass die Stimmen der Unionsbürger je nach Staat einen unterschiedlichen Erfolgswert haben können142. Darüber hinaus ist das Wahlrecht in den jeweiligen Mitgliedstaaten uneinheitlich ausgestaltet, was die Verzerrungen bei der Zusammensetzung des Europäischen Parlaments noch einmal verstärkt143. So bestimmt jeder Mitgliedstaat selbst, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß er Sperrklauseln für den Einzug in das Parlament ansetzt144. Dies sehen einige rechtswissenschaftliche Autoren ebenfalls als einen ungerechtfertigten Eingriff in den Grundsatz der Wahlgleichheit an145. Andere rechtfertigen diese Ungleichbehandlung mit dem völkerrechtlichen Prinzip der Staatengleichheit146. Das Bundesverfassungsgericht sieht im derzeitigen Wahlrecht zwar ein Demokratiedefizit nach staatlichen Demokratieanforderungen, jedoch sei dies aufgrund der derzeitigen Struktur des Parlamentes als „Vertretung der Völker der Union“ und der Besonderheiten der Union als supranationale Organisation gerechtfertigt147. 139 Classen, AöR 119 (1994), 238 (252); Fleuter, Mandat und Status des Abgeordneten im Europäischen Parlament, S. 73. 140 Classen, AöR 119 (1994), 238 (249); Stauffenberg/Langenfeld, ZRP 1992, 252 (258 f.); differenzierend: Pernice, DV 1993, 449 (484 f.); Klein, in: FS Ress, S. 541 (555). 141 Borchmann, EuZW 1992, 97; Di Fabio, Der Staat 32 (1993), 191 (202); Isensee, in: Kirchhof/Schäfer/Tietmeyer/Isensee, Europa als politische Idee und als rechtliche Form, S. 103 (132 f.); Ossenbühl, DVBl. 1993, 629 (634); die Anwendbarkeit der Wahlrechtsgleichheit für die Wahl des Europäischen Parlaments verneint grundsätzlich Classen, AöR 119 (1994), 238 (248). 142 Hierzu nach dem Vertrag von Lissabon: BVerfGE 123, 267 (372 ff.); ausführlich zu dieser Problematik: Lenz, Ein einheitliches Verfahren für die Wahl des Europäischen Parlamentes, S. 33 ff. 143 Ausführlich hierzu: Lenz, Ein einheitliches Verfahren für die Wahl des Europäischen Parlamentes, S. 43 ff.; Fleuter, Mandat und Status des Abgeordneten im Europäischen Parlament, S. 52 ff.; zwar gilt seit den Europawahlen 1999 in allen Staaten das Verhältniswahlrecht, dessen Ausgestaltung divergiert jedoch weiterhin insbesondere bei Sperrklauseln. Siehe hierzu: § 6 B. I. 2.  144 Vgl. hierzu der Überblick bei von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 115 f. 145 Lenz, Ein einheitliches Verfahren für die Wahl des Europäischen Parlamentes, S. 243; Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 159. 146 Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, S.  70; Pernice, DV 1993, 449 (482). 147 BVerfGE 123, 267 (373 f.); so auch: Classen, AöR 119 (1994), 238 (248).

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Unabhängig davon, ob man das Europäische Parlament nach dem derzeitigen Stand der Integration trotz all dieser Kritik als ausreichend demokratisch legi­ timiert ansieht, erschweren die Kompetenzverteilung zwischen Rat und Parlament und die Zusammensetzung des Parlaments die Arbeit der europäischen Parteien in erheblichem Maße. Auf der staatlichen Ebene zielt ihr Wirken in erster Linie auf den Einfluss in den Parlamenten ab148. Das Europäische Parlament verfügt im Vergleich zu den nationalen Parlamenten nur über eine begrenzte Kompetenzzuweisung. Dies ist ein Grund dafür, dass es sich bei Europawahlen regelmäßig lediglich um „Nebenwahlen“ handelt, bei denen nationale Themen im Vordergrund stehen149. Wahlen zum Europäischen Parlament werden von den meisten Bürgern als irrelevant eingestuft oder als Protestwahlen gegen die nationale Regierung genutzt150. Die Interessenvermittlung zwischen Bürger und Staat erfolgt aber – wenn auch nicht allein – so doch vorwiegend in einer repräsentativen Demokratie mittels Wahlen151. Ein greifbarer Wille der Wähler zu spezifischen europäischen Anliegen bildet sich bei Europawahlen jedoch kaum, und so kann das Parlament zwangsläufig kein Abbild eines europäischen politischen Willensbildungsprozesses sein. Auch seine Zusammensetzung ist in großem Maße von nationalen Faktoren, insbesondere den Wahlrechtsystemen der Mitgliedstaaten, abhängig. Wahlen zum Europäischen Parlament werden deshalb zu Recht als „second-order national contests“ bzw. als „second-order national elections“ bezeichnet152. Kurz: Ein schwaches Europäisches Parlament führt zu einer geringen Bedeutung der Europawahlen, was wiederum die Entstehung eines europäischen Willensbildungsprozesses hemmt. Am Ende dieser Kette stehen die europäischen Parteien, die sich in einem solchen Konstrukt bei den Unionsbürgern schwerlich profilieren und gesellschaftlich verwurzeln können. Eng hiermit zusammen hängt die Problematik einer nur schwach ausgeprägten europaweiten Öffentlichkeit. An deren Stelle treten dann nationale Öffentlichkeiten, so dass zwangsläufig nationale Parteien auf den Willensbildungsprozess einen größeren Einfluss haben153. Verstärkt wird dieses Hindernis durch die Tatsache, dass die Ausgestaltung des 148

Morlok, in: Johansson/Zervakis, European political parties between cooperation and inte­gration, S. 29 (42). 149 Mittag/Bräth, in: Mittag, Politische Parteien und europäische Integration, S. 699 (714); Morlok, in: Johansson/Zervakis, European political parties between cooperation and integration, S. 29 (42); Poguntke/Pütz, ZParl 2006, 334 (343 f.); Stentzel, Integrationsziel Parteien­ demokratie, S. 263 f. 150 Jopp u. a., Feasibility of a future european statute of european political parties, S. 7; zur Bedeutung der Europawahlen: zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 192 ff. 151 zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 168. 152 Constantinescu, in: FS Bieber, S. 95 (96); Hix, JCMS 33 (1995), 527 (535); Hix/Lord, ­Political parties in the European Union, S. 211; Morlok, MIP 1999, 52 (58); Oppelland, in: Niedermayer/Stöss/Haas, Die Parteiensysteme Westeuropas, S. 455 (470); Studie des Europäischen Parlaments, How to create a transnational party system, S. 69. 153 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 95.

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§ 3 Grundprobleme einer öffentlichen Finanzierung politischer Parteien 

Wahlrechtes weiterhin den Nationalstaaten überlassen bleibt. Damit können nicht die europäischen Parteien selbst, sondern lediglich ihre nationalen Mitgliedsparteien von den Wahlberechtigten gewählt werden154. Wer jedoch noch nicht einmal auf dem Wahlzettel den Bürgen begegnet, der wird auch kaum im Verlauf des gesamten politischen Willensbildungsprozesses wahrgenommen werden. Insofern hat das europäische Recht selbst eine Ursache geschaffen, die die europäischen Parteien bei der Erfüllung ihrer Vermittlungsfunktion behindert. Folge der schwachen Stellung des Europäischen Parlaments ist ferner, dass die europäischen Parteien ihrer Regierungsfunktion nur mangelhaft entsprechen können. Hat das Parlament auf die Besetzung des Rates keinen und auf die Besetzung der Kommission nur wenig Einfluss, partizipieren die Europaparteien über ihre Fraktionen hierbei ebenfalls nicht. Die politischen Führungskräfte der Union entstammen regelmäßig der nationalen Ebene, während das Personal der europäischen Parteien der Öffentlichkeit kaum bekannt ist155. Dies erklärt zugleich, dass europäische Parteien an der Elitenrekrutierung weitestgehend unbeteiligt sind156. Selbst die Kandidaten zu den Europawahlen werden von den nationalen Mitgliedsparteien aufgestellt, was zur Folge hat, dass sich die Abgeordneten in erster Linie ihren nationalen Parteien gegenüber verantwortlich fühlen157. Gerade aber die Nominierung der Abgeordneten gehört üblicherweise zu den wesentlichen Bestandteilen der Elitenrekrutierungsfunktion politischer Parteien158. Der Kreis um das Europäische Parlament schließt sich, wenn man seinen Blick den zwischenparteilichen Konfliktlinien zuwendet. Der nationalen Ebene vergleichbare Auseinandersetzungen der Fraktionen über politische Konzepte sind kaum auszumachen159. Parteien profilieren sich bei den Bürgern aber gerade im „Streit über die besseren Inhalte“. Solche Diskussionen bilden die Kernbestandteile einer ausreichenden Erfüllung der Vermittlungs-, Reduktions-, Regierungs-, Innovations- und Repräsentationsfunktion. Die Fraktionen des Europäischen Parlaments kooperieren hingegen regelmäßig partei- und fraktionsübergreifend, um die Stellung des Parlaments insgesamt im Institutionengefüge der Union zu stärken160. Politische Entscheidungen werden damit jedoch überwiegend im Konsens zwischen den großen europäischen Parteien und Fraktionen getroffen161. Schon der staatlichen Demokratien immanente Dualismus zwischen Regierung 154 Oppelland, in: Niedermayer/Stöss/Haas, Die Parteiensysteme Westeuropas, S. 455 (465); Studie des Europäischen Parlaments, How to create a transnational party system, S. 69. 155 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 166. 156 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 166. 157 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 232. 158 Poguntke/Pütz, ZParl 2006, 334 (349). 159 Morlok, MIP 1999, 52 (59). 160 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 169; Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 265. 161 Morlok, in: Johansson/Zervakis, European political parties between cooperation and integration, S. 29 (42 f.).

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und Opposi­tion existiert nicht, da es an einer echten europäischen Regierung fehlt162. All dies führt letztlich dazu, dass die europäischen Parteien im Hinblick auf ihre Regierungs- und Innovationsfunktion institutionellen Restriktionen unterworfen sind. Begrenzt das Primärrecht die Möglichkeiten der Parteien, an der Entwicklung der Union politisch gestaltend mitzuwirken, mindert dies schlussendlich auch ihre Bedeutsamkeit163. Aus diesem Grund findet die mangelhafte Ausfüllung klassischer Parteifunktionen eine wesentliche Ursache in der gesamten Ausgestaltung des politischen Systems der Europäischen Union164. Will man dieses Problem lösen, bieten sich hierfür zwei Wege an. Der erste und naheliegende wäre eine entsprechende Änderung der institutionellen Rahmenbedingungen. Der zweite – und überraschendere – Ansatz liegt vielleicht in den Parteifunktionen selbst. So kann man genauso gut bezweifeln, ob der für Parteitätigkeiten innerhalb staatlicher Konstrukte entwickelte Katalog überhaupt auf die transnationale Ebene übertragbar ist165. Europäische Politik wird durch genuine Unionsorgane, durch Unionsorgane, in denen die Mitgliedstaaten vertreten sind, und durch die Mitgliedstaaten selbst betrieben. Das primärrechtliche Gefüge ist insoweit darauf angelegt, dass es in Union und den Mitgliedstaaten parallele Strukturen gibt. Auf diesem Wege sind die europäischen und die nationalen Ebenen vielfach miteinander verschränkt. Innerhalb eines solchen Systems ist es für europäische Parteien zwangsläufig problematisch, sich eigene politische Spielräume zu schaffen166. Dies ist aber durch das Primärrecht bedingt, von den Mitgliedstaaten als „Herren der Verträge“ gerade gewollt und dem gegenwärtigen Stand der Integration immanent. Ist die Union als Staatenverbund aufgrund des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung und des Subsidiaritätsprinzips selbst nur für einzelne Politikfelder zuständig und daher nicht auf allen Gebieten des politischen Lebens tätig, fällt es europäischen Parteien gleichzeitig auch schwer, ein umfassendes politisches Programm zu entwickeln167. Von daher bliebe die Frage, welche unionsspezifische Funktionen politische Parteien auf europäischer Ebene übernehmen und ob diese die bekannten Parteifunktionen ersetzen können, was im nun folgenden Abschnitt erfolgen soll.

162

Tsatsos/Deinzer, Europäische politische Parteien, S. 16. Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 59. 164 Hix, JCMS 33 (1995), 527 (534); zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 115. 165 Carstens, Europäische Parteien, S. 19; zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 116. 166 Mit besonderem Augenmerk auf die Elitenrekrutierungsfunktion: Poguntke/Pütz, ZParl 2006, 334 (349). 167 Magnette, in: Delwit/Külahci/van de Walle, Europarties, S. 69 (78). 163

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c) Zusammenfassendes Ergebnis Vergleicht man die Erfüllung der „klassischen Parteifunktionen“ durch die politischen Parteien auf europäischer Ebene mit den Parteien in den Nationalstaaten, kommt man unweigerlich zu dem Ergebnis, dass die europäischen Parteien diese Aufgaben – wenn überhaupt – nur unzureichend wahrnehmen. Während auf staatlicher Ebene die Parteien ihre Funktionen weitestgehend erfüllen und ihr Wirken umgekehrt als „Parteienherrschaft“ bzw. der Staat als „Parteienstaat“ kritisiert wird168, sind die europäischen Parteien für das Funktionieren des politischen Systems der Union nicht zwingend erforderlich169. Gleichwohl wäre es verfehlt, davon zu sprechen, dass europäische Parteien keine Aufgaben übernehmen würden. Sie haben im Zuge des Integrationsprozesses spezifische, eigene Funktionen entwickelt. 3. Spezifische Aufgaben europäischer Parteien Europäische Parteien erfüllen vom klassischen Funktionenkatalog losgelöste neuartige Aufgaben innerhalb der Europäischen Union170. Diese werden von der politikwissenschaftlichen Literatur als durchaus bedeutend angesehen, entsprächen dem Mehrebenensystem der Union und folgten der Einsicht, dass Funktionen politischer Parteien von vornherein von ihrem konstitutionellen Umfeld abhängig seien171. Die Theorie des Mehrebenensystems geht davon aus, dass die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten ein „untereinander vielfach vernetztes, in sich geschlossenes und intrakommunikatives System“ bilden, „dessen hoheitliche Funktionen in ihrer Gesamtheit die Leistungserwartung der Bürger befriedigen soll“172. Danach hat das politische System der Union sowohl eine europäische als auch eine nationale Entscheidungsebene173. Im Unterschied zum Bundesstaat, in dem zwischen der Bundes- und Landesebene differenziert wird, existiert in der Union eine „Doppelung der Einflusswege“ über die nationalen Regierungen und den Rat einerseits sowie das Europäische Parlament andererseits174. So ist schon bisher angeklungen, dass es die nationalen Parteien sind, die die klassischen Parteifunktionen der Integration, Politikformulierung, Elitenrekrutierung und Poli 168

Vgl. hierzu: Morlok, MIP 1994, 53 (54 f.). Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 247. 170 Mittag/Steuwer, Politische Parteien in der EU, S.  111 f.; Oppelland, in: Niedermayer/ Stöss/Haas, Die Parteiensysteme Westeuropas, S.  455 (465); zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S.  116; in diese Richtung auch der Ausschuss für konstitutionelle Fragen in seinem Entwurf zu einer Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18.03.2011, Nr. 4. 171 Oppelland, in: Niedermayer/Stöss/Haas, Die Parteiensysteme Westeuropas, S. 455 (465). 172 Bieber/Epiney/Haag, Die Europäische Union, § 1 Rn. 43. 173 Ehmke/Mittag/Wessels, in: Mittag, Politische Parteien und europäische Integration, S. 115 (127). 174 Morlok, MIP 1999, 52 (61). 169

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tikgestaltung erfüllen, während die politischen Parteien auf europäischer Ebene selbst ihre Aufgabe insbesondere darin sehen, die Aktivitäten ihrer Mitglieder auf Unionsebene zu fördern, zu koordinieren und zu organisieren, um eine europäische Handlungseinheit und eine einheitliche Haltung herzustellen175. a) Koordinierungsaufgabe Den heutigen europäischen Parteienföderationen kommt als transnationale Bündnisse nationaler Parteien die Aufgabe zu, insbesondere bei Europawahlkämpfen die Arbeit der kandidierenden nationalen Parteien zu koordinieren176. Sie verbinden die nationalen Parteien und die Fraktionen im Europäischen Parlament und sollen bei ihren Mitgliedern eine einheitliche Haltung zu allen politischen Themen der Union herstellen177. So haben die Europäischen Grünen im Jahr 2004 bei den Wahlen zum Europäischen Parlament erstmals eine europaweite Kampagne mit gemeinsamen Plakaten und Wahllogos organisiert178. Die politische Koordinierung zwischen den Mitgliedsparteien erfolgt dabei regelmäßig über die nationalen Parteieliten während der Treffen der Parteivorsitzenden179. In dieser Form ist die Koordinierungsaufgabe der Parteien eine besondere Ausformung der Vermittlungs- und Reduktionsfunktion. Die Europaparteien übernehmen die Aufgabe, zwischen den europäischen Institutionen, der jeweiligen Fraktion im Europäischen Parlament und den einzelnen Mitgliedsparteien zu vermitteln180, um unterschiedliche nationale Ansichten zu einem gemeinsamen Standpunkt der europäischen Parteien zu integrieren. Sie verknüpfen insofern die unterschiedlichen Akteure des Mehrebenensystems der Union miteinander181.

175 Ayirtman/Pütz, in: Knodt/Finke, Europäische Zivilgesellschaft, S.  389 (394); siehe hierzu die Ziele der Parteien: S.  20 ff.; ein etwas umfassenderen Funktionenkatalog für die europäische Ebene findet sich bei: zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 117 f. Die folgenden Funktionen sind angelehnt an Mittag/Steuwer, Politische Parteien in der EU, S. 111 f., die jedoch einen gänzlich alternativen Funktionenkatalog vorschlagen, der mit den schon dargestellten „klassischen“ Parteifunktionen verknüpft ist. Im Folgenden wird sich daher auf unionsspezifische Funktionen beschränkt. Die von Mittag/Steuwer, a. a. O. ebenso erwähnten Funktionen der Zielfindung, Inklusion und Vernetzung sind in ähnlicher Weise schon auf nationaler Ebene zu finden. 176 Dorget, in: Delwit/Külahci/van de Walle, Europarties, S. 83 (93); Jansen, Die Entstehung einer europäischen Partei, S. 39; Poguntke/Pütz, ZParl 2006, 334 (345). 177 Ayirtman/Pütz, in: Knodtke/Fink, Europäische Zivilgesellschaft, S. 389 (391); Johansson/Zervakis, in: dies., European political parties between cooperation and integration, S. 11 (21); Mittag/Bräth, in: Mittag, Politische Parteien und europäische Integration, S. 699 (716). 178 Poguntke/Pütz, ZParl 2006, 334 (345); zu den Koordinierungsaktivitäten der SPE: Mittag/Bräth, in: Mittag, Politische Parteien und europäische Integration, S. 699 (716). 179 Oppelland, in: Niedermayer/Stöss/Haas, Die Parteiensysteme Westeuropas, S. 455 (465 f.). 180 Vgl. Rodriguez-Aguilera de Prat, Political parties and european integration, S. 38. 181 Johansson, in: Delwit/Külahci/van de Walle, Europarties, S. 17 (18 f.).

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b) Kommunikationsaufgabe Europäischen Parteien kommt eine unionsspezifische Kommunikationsfunktion zu. Im politischen Mehrebenensystem der Union, in dem die einzelnen Ebenen zwar getrennte Zuständigkeiten besitzen, diese aber wiederum miteinander vernetzt sind, müssen die Akteure der unterschiedlichen Ebenen zusammenarbeiten. Hierfür ist aber eine transnationale Kommunikation zwischen der europäischen Ebene auf der einen und den nationalen und subnationalen Ebenen auf der anderen Seite erforderlich182. Zur Herausbildung solcher Kommunikationsstrukturen können die europäischen Parteien eine institutionelle und organisatorische Grundlage bilden183. c) Bewertung dieser unionsspezifischen Parteifunktionen Es bleibt dann aber noch die Frage offen, ob diese unionsspezifischen Funktionen tatsächlich dazu geeignet sind, die „klassischen“, auf staatlicher Ebene entwickelten Aufgaben politischer Parteien abzulösen und zu ersetzen. Die Koordinationsleistung europäischer Parteien stellt insoweit eine abgewandelte Form der Vermittlungsfunktion dar. Vermittlung in diesem klassischen Sinne hat dabei notwendigerweise zur Folge, dass Parteien und Bürger in direktem Kontakt zueinander stehen. Vergleichbar hiermit sind die Ziele des Art. 10 Abs. 4 Hs. 2 EUV, der den politischen Parteien auf europäischer Ebene eine Vermittlungsfunktion zwischen Unionsbürgern und den Institutionen der Europäischen Union zuweist. Europäische Parteien sollen damit einer stärkeren Einbindung der Bürger in den politischen Prozess der Europäischen Union dienen184. Von daher ist die Koordinierungsleistung aber kaum geeignet, die Unionsbürger verstärkt in einen europäischen Willensbildungsprozess einzubeziehen. Mittels einer Koordinierung der Arbeit nationaler Parteien treten die europäischen Parteien gerade nicht unmittelbar mit den Bürgern in Kontakt, sondern lediglich mittelbar über ihre nationalen Mitgliedsparteien. Im Gegensatz zur Vermittlungsfunktion führt die Erfüllung der Koordinierungsaufgabe damit aber gerade nicht zu einer Verbesserung der Einbindung der Bürger. Genauso kann die Kommunikationsleistung die Notwendigkeit einer allgemeinen Vermittlungsleistung europäischer Parteien nicht gänzlich aufwiegen. Alles in allem hätte eine Reduzierung der europäischen Parteien auf die unionsspezifischen Funktionen ihre Schwachpunkte gleich in doppelter Hinsicht: auf quantitativer ebenso wie auf qualitativer Ebene. Die quantitative Schwäche eines solchen Funktionenkatalogs schlägt sich darin nieder, dass sie die Aufgaben politi 182

Mittag/Steuwer, Politische Parteien in der EU, S. 113. Mittag/Steuwer, Politische Parteien in der EU, S. 113. 184 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10.12.1996, EuGRZ 1997, 77; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 55. 183

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scher Parteien für ein funktionierendes demokratisches System nur unzureichend wiedergibt. Personelle Legitimation durch die Elitenrekrutierungsfunktion, Förderung, Strukturierung und Leitung eines gesellschaftlichen Diskurses zu politischen Themenkomplexen und Kontrolle der öffentlichen Gewalt durch eine Opposition blendet diese Sicht schlichtweg aus. Aber auch qualitativ greift sie zu kurz. Verengt man das Betätigungsfeld der europäischen Parteien auf die Koordination der nationalen politischen Parteien, widerspricht diese Beschränkung der Hauptintention des Parteienartikels, die Unionsbürger direkt in den politischen Willensbildungsprozess der Europäischen Union stärker einzubeziehen. Vor diesem Hintergrund können die spezifischen Funktionen europäischer Parteien den klassischen Katalog zwar verstärken und an mancher Stelle modifizieren, ersetzen können sie ihn allerdings nicht. 4. Auswirkungen einer öffentlichen Finanzierung auf die Funktionserfüllung Der Streit, ob man öffentliche Leistungen an politische Parteien vergeben sollte, entbrennt in der Bundesrepublik üblicherweise an der Frage, wie sich eine staatliche Finanzierung auf ihre Funktionserfüllung auswirkt. Welche Nachteile für die Funktionsausfüllung der Parteien sind mit ihnen möglicherweise verbunden, und welche Vorteile sind zu erwarten? Wer glaubt, dass mit einer staatlichen Parteienfinanzierung „Dysfunktionalisierungstendenzen“ für die Parteien und das Parteiensystem insgesamt einhergehen, der wird einer solchen zumindest skeptisch gegenüberstehen. Wer jedoch umgekehrt glaubt, sie könne die Funktionserfüllung gerade befördern, der wird sich zwangsläufig für sie aussprechen. Dieser Gedanke gilt indes für die europäische wie für die nationale Ebene. Von daher mag auch ein Blick auf die Erwägungen zu den Vor- und Nachteilen einer staatlichen Parteienfinanzierung für die Bewertung einer Unionsfinanzierung gewinnbringend sein. In einem zweiten Schritt folgt dann konsequenterweise die Frage, ob und inwieweit diese ursprünglich nationalstaatlichen Überlegungen auf eine europäische Finanzierung übertragbar sind oder ob die Besonderheiten des europäischen Parteiensystems nicht eine andere Beurteilung erforderlich machen. a) Grundsätzliche Gefahren einer öffentlichen Finanzierung Regelmäßig führen die Kritiker einer staatlichen Subventionierung politischer Parteien in der Bundesrepublik an, dass durch eine übermäßige öffentliche Finanzierung die Parteien in ihrer Transmissionsaufgabe zwischen Staat und Gesellschaft geschwächt werden könnten185. Sie müssten sich nicht mehr um eine 185 Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 150; von Arnim, Parteienfinanzierung, S. 50.

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§ 3 Grundprobleme einer öffentlichen Finanzierung politischer Parteien 

angemessene Eigenfinanzierung bemühen und wären nicht mehr vom ständigen Kontakt mit ihren Mitgliedern und Anhängern abhängig186. Die sich hauptsächlich aus Spenden oder Mitgliedsbeiträgen speisenden privaten Mittel sicherten dagegen eine Rückbindung zu den Bürgern und damit die Verwurzelung der Parteien in der Gesellschaft. Eine Bereitstellung öffentlicher Gelder sei damit für die Vermittlungsfunktion kontraproduktiv. Es drohe eine „Entfremdung zwischen Par­ teien und Wählern“187. Früher hatte diese Kritik an einer staatlichen Parteienfinanzierung indes einen anderen Ansatz. Eine öffentliche Finanzierung wurde mit dem Hinweis abgelehnt, dass sie Parteien der staatlichen Fürsorge überantworte und zu einer Verschränkung zwischen Parteien und dem Bereich der öffentlichen Gewalt führe188. All dies könne zur Folge haben, dass der Staat in den freien Willensbildungsprozess innerhalb der Parteien eingreifen könne189. Dass eine solche Gefahr tatsächlich aber nicht zu befürchten ist, hat freilich die politische Wirklichkeit gezeigt. Es sind umgekehrt eher die Parteien, die ihren Einflussbereich auf die Staatsgewalt ausdehnen190. Die Tatsache, dass eine Organisation durch die öffentliche Hand subventioniert wird, begründet nicht zwangsläufig eine Abhängigkeit des Empfängers191. Sie ergibt sich weniger daraus, dass politische Parteien überhaupt öffentlich finanziert werden, sondern kann vielmehr aus der Ausgestaltung der Art und Weise einer Subventionierung resultieren, insbesondere im Hinblick auf Zugangsvoraussetzungen und die Verteilung der Mittel192. Dieser Gefahr soll und kann durch das formal zu interpretierende Prinzip der Chancengleichheit begegnet werden. Es verbleibt aber dann immer noch das Risiko, dass Parteien sich in einer von der öffentlichen Gewalt garantierten wirtschaftlichen Sicherheit von der Gesellschaft entfernen, weil sie die finanziellen Zuwendungen Privater nicht mehr benötigen. Die Entfremdungsgefahr, die öffentliche Mittel mit sich brächten, gilt nach den Kritikern nicht nur für die Öffentlichkeit im Allgemeinen, sondern ebenso für die mitgliedschaftliche Basis der Parteien im Besonderen. Öffentliche Mittel würden zuerst den Parteizentralen zu Gute kommen, was eine wachsende Büro­ kratisierung des Parteiapparates zur Folge habe193. Das innerparteiliche Kräfteverhältnis verschiebe sich − obwohl ihnen ohnehin schon eine gewichtige Rolle 186

von Arnim, Parteienfinanzierung, S. 50. Naßmacher, PVS 1987, 100 (113). 188 BVerfGE 20, 56 (102); Kewenig, DÖV 1964, 829 (835); in diese Richtung auch: Zweigert, in: FS Arndt, S. 499 (508); Tsatsos/Morlok, Parteienrecht, S. 138. 189 BVerfGE 20, 56 (102). 190 Koch, in: Ipsen, PartG, Vor § 18 ff. Rn. 41. 191 Maurer, JuS 1991, 881 (886). 192 Tsatsos, ZaöRV 1966, 371 (378 f.). 193 Buhr, Europäische Parteien, S. 64; Kewenig, DÖV 1964, 829 (839); Tsatsos/Morlok, Parteienrecht, S. 138; gegen diese These wendet sich für die Parteien Österreichs und Schwedens: Klee-Kruse, Öffentliche Parteienfinanzierung in westlichen Demokratien, S. 190 ff. 187

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zukäme – weiter in Richtung der Parteielite194 und bedinge eine Etatisierung der Parteien195. Begleitet und eingerahmt würde eine solche Förderung der Parteizentralen von Oligarchisierungstendenzen. Die innerparteiliche Willensbildung verlaufe dann oftmals nicht mehr „von unten nach oben“, sondern in umgekehrter Richtung196. Öffentliche Leistungen können des Weiteren nur schon bestehende Parteien erhalten, so dass die Gründung neuer Parteien erschwert und die bestehende Parteienlandschaft perpetuiert werden könnte197. Parteien, die aufgrund ihres Wirkens in der Öffentlichkeit schon Bekanntheit erlangt haben und darüber hinaus noch staatlich gefördert werden, erhalten damit gegenüber im Entstehen begriffenen Parteien einen zusätzlichen Vorteil198. Tatsächlich wird von einigen politikwissenschaftlichen Autoren in einzelnen Staaten eine Entwicklung der Parteien von sog. „catch all parties“ zu sog. „Kartellparteien“ beobachtet199. Etablierte Parteien erschweren nach der Theorie der „Kartellparteien“ die Zutrittsmöglichkeiten solcher Konkurrenten, die sich außerhalb des politischen Kartells bewegen. Das Verhalten ziele darauf ab, die Auswirkungen des politischen Wettbewerbs zu verringern200, und führe zu einer zunehmenden „Verschmelzung von Parteien und Staat“201. Mit Hilfe ihres Einflusses auf die staatlichen Institutionen verschafften sie sich Ressourcen und Privilegien, die wiederum ihre politische Macht absichern helfen sollen202. Eine staatliche Finanzierung verstärke solche Tendenzen203, denn es bestehe die Gefahr, dass von der Regierungsbeteiligung ausgeschlossene Parteien auch von finanziellen Ressourcen ausgeschlossen werden204. Bei näherer Betrachtung dieser Kritikpunkte wird deutlich, dass die Gefahr einer Annäherung und Verschränkung zwischen Parteien und öffentlicher Gewalt erneut weniger vom Staat als vielmehr von den Parteien selbst herbeigeführt wird. Eng hiermit zusammen hängt der Gedanke, dass das Risiko einer „Zementierung des status quo“ zwangsläufig mit jedweder öffentlichen Subventionierung einhergeht, da eine vollkommen wettbewerbsneutrale Finanzierung politischer Parteien nicht möglich ist. Sie greift unabhängig von ihrer Verteilungsart immer in 194

Kewenig, DÖV 1964, 829 (839); Naßmacher, PVS 1987, 101 (116 f.). Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 150. 196 Kewenig, DÖV 1964, 829 (839). 197 Buhr, Europäische Parteien, S. 64; Günther, KJ 1988, 416 (421); Tsatsos/Morlok, Parteienrecht, S. 138; Ridder, in: FS Böhm, S. 21 (29). 198 Ridder, in: FS Böhm, S. 21 (29). 199 Zum Modell der Kartellparteien: Katz/Mair, PP 1 (1995), 5 (16 ff.); eine empirische Analyse zum deutschen Parteiensystem mit einer differenzierenden Betrachtung: Poguntke, ZParl 2002, 790 ff. 200 Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 230 f.; Katz/ Mair, PP 1 (1995), 5 (15 f.). 201 Jun, ZParl 2002, 770 (785). 202 Katz/Mair, PP 1 (1995), 5 (15). 203 Günther, KJ 1988, 416 (421). 204 Katz/Mair, PP 1 (1995), 5 (16). 195

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die Chancengleichheit der Parteien ein. Entweder werden durch eine paritätische Verteilung kleine Parteien bevorzugt, oder es werden bei einer Abstufung nach Bedeutung in der Vergangenheit erfolgreiche Organisationen privilegiert205. Ein Blick auf die Finanzierungssysteme der Mitgliedstaaten zeigt, dass sich im Wesentlichen die politischen Systeme für eine abgestufte Verteilung der Mittel entschieden haben. Daher spielt die Gefahr von Verfestigungstendenzen eine viel größere Rolle als eine mögliche Bevorzugung kleiner Parteien. Bei einer abgestuften Gleichheit bekommen erfolgreiche Parteien aber ein Mehr an öffentlichen Mitteln und haben daher künftig eine günstigere Ausgangsbasis, das einmal entstandene Mehrheitsverhältnis zu festigen206. Zuletzt wird gegen eine Förderung politischer Parteien eingewandt, dass in Zeiten steigender öffentlicher Verschuldung und eines gleichzeitig immer wachsenden Umfangs von staatlichen Finanzhilfen, die Bürger den Eindruck einer „Selbstbedienungsmentalität“ der Parteien gewännen und hierdurch die „Politik-“ bzw. „Parteienverdrossenheit“ zunähme207. In der Wahrnehmung der Bürger arbeiteten die im Parlament vertretenen Parteien zu ihrem eigenen finanziellen Vorteil zusammen208. Sie träfen hierbei „Entscheidungen in eigener Sache“, sind also Entscheidungsträger und Betroffene in einer Person, und seien in Fragen der Parteienfinanzierung sich selbst gegenüber äußerst großzügig209. Ob dieses Bild trügt oder der Realität entspricht, sei dabei letztlich unerheblich, denn schon der Anschein genüge, um einen Vertrauensverlust der Gesellschaft in die Parteien auszulösen210. All dies schwäche die Parteien bei ihrer Funktionswahrnehmung. Sämtliche dieser Einwände gegen eine öffentliche Alimentierung sind zunächst einmal logisch nachvollziehbar. Gleichzeitig haftet ihnen jedoch der Makel an, dass das tatsächliche Eintreten dieser schädlichen Folgen einer öffentlichen Finanzierung sich nicht mit letzter Sicherheit voraussagen lässt211. Sie stellen vielmehr eine Gefahr für das Parteiensystem dar. Einer solchen Gefahr ist jedoch immanent, dass sie nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eintritt, umgekehrt aber ebenso die Möglichkeit besteht, dass die erwartete Schadensfolge ausbleibt. Das Parteienfinanzierungsrecht muss zudem mit der Besonderheit umgehen, dass nicht nur ein etwaiger Schaden ungewiss ist, sondern – sofern man einen solchen annehmen sollte – sich nicht verifizieren lässt, ob dieser aufgrund einer öffentlichen Parteienfinanzierung oder anderer Faktoren des gesellschaftlichen und politischen Lebens beruht. Es lässt sich nicht mit Gewissheit sagen, ob die Ge-

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Siehe hierzu: § 6 B. II. Kewenig, DÖV 1964, 829 (837); einschränkend: Naßmacher, PVS 1987, 101 (112 f.). 207 Haungs, Parteiendemokratie in der Bundesrepublik Deutschland, S. 46 f.; Morlok, MIP 1994, 53 (59); von Arnim, Parteienfinanzierung, S. 51. 208 von Arnim, Die neue Parteienfinanzierung, S. 10. 209 Morlok, MIP 1994, 53 (59). 210 Plate, Parteienfinanzierung und Grundgesetz, S. 62. 211 Volkmann, Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S. 114. 206

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fahrenmomente darauf zurückzuführen sind, dass überhaupt eine öffentliche Subventionierung stattfindet, ob sie sich aus ihrer Höhe bzw. der Art und Weise ihrer Verteilung ergeben oder ob gänzlich andere Gründe – jenseits jeglicher Finanzierungsfragen – hierfür verantwortlich sind212. Gerade die häufig beschworene Parteienverdrossenheit kann die verschiedensten Gründe haben. Kritik an öffentlicher Parteienfinanzierung muss sich also damit begnügen, dass sie lediglich eine Prognose künftiger Entwicklungen abgeben kann, da sich weder der Eintritt eines Schadens noch ein etwaiger Kausalitätszusammenhang zwischen ihm und einer Subventionierung hinreichend sicher bestimmen lässt. b) Grundsätzliche Vorteile einer öffentlichen Finanzierung Die Befürworter einer öffentlichen Finanzierung argumentieren ihrerseits ebenso mit der verfassungsrechtlichen Funktionserwartung an die politischen Parteien. Parteien sind in einer repräsentativen Demokratie eine Vielzahl von Aufgaben zugewiesen, für die sie ausreichende finanzielle Mittel benötigen213. Füllen sie ihre Funktionen aus, kommt dies dem demokratischen System insgesamt zugute. Parteien sind für eine Demokratie unabdingbar und Haushaltsmittel, die ihre Arbeit fördern, werden daher nicht ganz zu Unrecht auch als „Kosten der Demo­ kratie“ bezeichnet214. Das hierfür erforderliche Kapital können nach Ansicht vieler die Parteien aber nicht allein durch Eigenmittel erwirtschaften, so dass sie sich entweder überschulden müssten oder sie ihre Aufgaben nicht mehr adäquat er­ ledigen könnten215. Ob dies tatsächlich der Wahrheit entspricht oder ob nicht umgekehrt öffentliche Finanzhilfen zu einer Ausweitung des Parteiapparates, einer immer aufwendigeren Wahlkampfführung und einer weiteren Professionalisierung führt216, die Parteien also aus eigenem Antrieb immer weitere und kostenintensivere Aufgaben übernehmen und aufgrund der wachsenden finanziellen Spielräume auch über­ nehmen können, mag zunächst einmal dahingestellt sein. Jedoch erscheint der Einwand zumindest nicht abwegig, dass politische Parteien selbst keine ausreichenden Eigenmittel akquirieren können217. In einer modernen Massendemokratie ist es für Parteien – wie für alle anderen Akteure des politischen Lebens – unaus-

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Volkmann, Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S. 116 f. Ausführungen der Niedersächsischen Landesregierung in: BVerfGE 52, 63 (67 f.); Lösche, Wovon leben die Parteien, S. 15. 214 Kaltefleiter, Bitburger Gespräche 1993/2, 53 (56); Kaltefleiter/Naßmacher, ZfP 1992, 135 (149). 215 Ausführungen der Niedersächsischen Landesregierung in: BVerfGE 52, 63 (67); Klein, NJW 1982, 735 (736); kritisch zu dieser Argumentation: Volkmann, Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S. 112. 216 In diese Richtung: Volkmann, Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S. 113. 217 So: Morlok, in: von Arnim, Politikfinanzierung in der Europäischen Union, S. 11. 213

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weichlich Massenmedien zu nutzen, was zwangsläufig aufwendigere Werbekampagnen und eine Professionalisierung der Parteitätigkeit zur Folge hat. Die Vorteile einer öffentlichen Finanzierung liegen aber in erster Linie in den Gefahren, die damit einhergehen, wenn Parteien ganz oder in großem Maße von privaten Geldquellen abhängig sind. Soweit dieser Einnahmezweig sich aus Mitgliedsbeiträgen speist, ist dies sowohl verfassungsrechtlich als auch verfassungspolitisch bedenkenlos zu begrüßen218. Parteien sollen durch ihre Anhänger nicht nur ideell und aktiv, sondern darüber hinaus finanziell unterstützt werden. Dass sich eine Partei aber allein durch die Beiträge ihrer Mitglieder finanzieren kann, ist jedoch unrealistisch. Dies liegt nicht nur an dem in allen westlichen Demokratien zu beobachtenden Mitgliederschwund der Parteien, sondern auch im umgekehrten Fall einer wachsenden Zahl an Mitgliedern wäre mit steigenden Ausgaben zu rechnen. Je mehr Mitglieder eine Partei hat, desto mehr Mitglieder möchten von der Partei informiert und in politische Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Gleichzeitig wächst der Bedarf an einer hauptamtlichen Personalstruktur219. Zwar ist die zunehmende Professionalisierung in den Parteien durchaus kritisch zu verfolgen, dass moderne Massenparteien aber hauptamtliche Mitarbeiter benötigen, um deren Organisation zu gewährleisten, kann aber ebenfalls nicht in Frage gestellt werden220. Parteien stehen vor neuen Herausforderungen, ihre Mitglieder, Anhänger und alle übrigen Wähler über ihre politischen Konzepte zu informieren und zu mobilisieren. Gerade vor dem Hintergrund einer abnehmenden parteipolitischen Bindung von Wählern sind Parteien gehalten, in einen intensiveren Kontakt mit den Bürgern zu treten. Ein solches Verhalten ist gleichzeitig Ausdruck eines Bestrebens nach innerparteilicher Demokratie. Hierfür benötigen die Parteien aber wirtschaftliche Ressourcen. Lassen sich diese über Beiträge nicht in ausreichendem Maße erwirtschaften, bleiben Parteien in erster Linie auf Zuwendungen natürlicher oder juristischer Personen, insbesondere auf Spenden, angewiesen. Zwar sind Kleinspenden, die von der breiten Masse der Bürger an die Parteien geleistet werden, nicht nur zulässig, sondern sogar wünschenswert, da sie wie Mitgliedsbeiträge die gesellschaftliche Verwurzelung der Parteien ausdrücken221. Die Probleme beginnen aber dort, wo dieses Maß überschritten wird. Je größer eine Spende ist, umso größer ist die Gefahr, dass der Spender auf die politischen Entscheidungen und Entscheidungsträger Einfluss nehmen will und umso besser sind seine Chancen, hierbei auch Erfolg zu haben222. Nicht nur die Höhe der Zuwendung, sondern auch der Zuwen 218 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 218; Grimm, in: Benda/Maihofer/Vogel, HVerfR, § 14 Rn. 48; Stocklossa, MIP 1991, 36 (59). 219 Klein, NJW 1982, 735 (736). 220 In diese Richtung auch: Klein, NJW 1982, 735 (736). 221 Vgl. Lösche, Wovon leben die Parteien?, S.  39; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 243. 222 Eberhard/Lachmayer, in: Manssen, Die Finanzierung von politischen Parteien in Europa, S.  215 (222); Landfried, ZParl 1992, 439 (446); Morlok, in: von Arnim, Politikfinanzie-

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dende selbst ist für die Beurteilung einer Spende entscheidend. So haben Spenden juristischer Personen schon keinen Bezug zur Verankerung einer Partei in der Gesellschaft. Sie sind nicht Ausdruck von demokratischen Teilhaberechten, da ihnen als Unternehmen solche überhaupt nicht zustehen223. Unternehmensspenden haftet insofern der Anschein des „finanziellen Lobbying“ an224. Sie dienen primär dem Zweck, eine Nähe zu politischen Entscheidungszentren und -trägern herzustellen oder zu bewahren, und haben nur in den seltensten Fällen altruistischen Charakter225. Parteispenden wird daher zu Recht ein politisch oder ökonomisch finaler Charakter zugesprochen226. Liegen eine Spende eines Unternehmens oder einer Privatperson und eine politisch günstige Entscheidung in einem unmittel­ baren oder auch nur mittelbaren zeitlichen Zusammenhang, kommen Parteien zumindest in den Verruf, dass beide Ereignisse einem Kausalzusammenhang unterliegen, kurz: politische Entscheidungen „käuflich“ seien, was dem Ansehen der einzelnen Partei und des Parteiensystems insgesamt schadet. Ob ein solcher Zusammenhang tatsächlich gegeben ist, ist für den Eindruck in der Öffentlichkeit meist unerheblich, da er sich ohnehin nur schwerlich nachweisen lässt. Regel­ mäßig wenden Spender den Parteien Gelder nicht zur Beeinflussung einer konkreten Entscheidung zu, sondern die Leistungen sind vielmehr dazu bestimmt, ein Klima zwischen den Beteiligten zu schaffen, in der der Zuwendende seine Interessen den Machtzentren vermitteln kann227. Erinnert sei in diesem Zusammenhang nur an die sogenannte „Mövenpick-Affäre“ der FDP, die im Jahr 2009 Spendengelder in Höhe von insgesamt 1,1 Millionen Euro von einer Firma des Haupteigentümers der Mövenpick-Gruppe erhielt und die Bundesregierung im gleichen Jahr beschloss, den Mehrwertsteuersatz auf Hotelübernachtungen zu senken, worauf gerade die FDP in den Koalitionsverhandlungen hingewirkt hatte228. Ob hier tatsächlich ein Kausalzusammenhang zwischen der konkreten steuerpolitischen Entscheidung und der Spende gegeben war, spielte letztlich für das Ansehen in der Öffentlichkeit nur eine untergeordnete Rolle. Daher können sowohl tatsächlich bestehende wie auch nur scheinbare Abhängigkeiten einer Partei von privaten Geldgebern die Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes und damit wiederum die Funktionswahrnehmung der Parteien beeinträchtigen229. rung in der Europäischen Union, S. 11; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 236; zu einzelnen Beeinflussungsversuchen in der Parteienfinanzierungsgeschichte Deutschlands: Lösche, Wovon leben die Parteien?, S. 44 f. 223 Sondervotum Böckenförde, BVerfGE 73, 40 (105). 224 Vgl. Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 243; Volkmann, JZ 2000, 539 (541); Weinmann, Die Finanzierung politischer Parteien in steuerrechtlicher Betrachtung, S. 95. 225 BVerfGE 8, 51 (66); Lösche, Wovon leben die Parteien?, S. 54. 226 BVerfGE 8, 51 (66); Volkmann, JZ 2000, 539 (540). 227 Volkmann, JZ 2000, 539 (541). 228 Vgl. insoweit nur: Spiegel.de vom 17.01.2010: Große Geschenke erhalten die Freundschaft; abrufbar unter: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,672409,00.html; Stand: 03.05.2012. 229 Volkmann, JZ 2000, 539 (541).

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Normativer Anknüpfungspunkt dieser Diskussion ist das Recht der Bürger auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung230. Ihre politischen Einflussmöglichkeiten sollen nicht vom finanziellen und gesellschaftlichen Status abhängig, sondern grundsätzlich gleich sein231. In einem demokratischen System soll gerade nicht der Grundsatz gelten: Wer die Musik bezahlt, der bestimmt auch, was gespielt wird. Werden Großspenden mit dem Ziel getätigt, mittels der eigenen wirtschaftlichen Potenz auf Entscheidungsträger einzuwirken, widerspricht dies dem demokratischen Gleichheitsgedanken und bringt ein politisches System in die „Gefahr der Plutokratie“232. Auf diese Weise bleibt überdies die innerparteiliche Demokratie auf der Strecke. Wer mit Hilfe finanzieller Zuwendungen politische Entscheidungen einer Partei zu beeinflussen versucht, der bedroht den innerparteilichen Willensbildungsprozess und damit die innere Parteienfreiheit233. Doch die Gefährdung endet nicht schon auf dieser inneren Ebene, sondern greift gleichzeitig auf die äußere Parteienfreiheit als Schutz vor einer externen Behinderung der Parteitätigkeit über234. Von außen kommende Eingriffe können nicht nur von staatlicher Seite erfolgen, sondern sich in gleicher Weise als Einwirkungen durch beliebige Dritte darstellen235. Spenden können zudem die Chancengleichheit der Parteien im politischen Wettbewerb beeinflussen. Wendet sich das politische Programm einer Partei an einkommensstärkere Einkommensgruppen, erhält sie im Zweifel Spendengelder in größerem Umfang als solche Parteien, deren Programm finanziell schwächere Gruppen anspricht236. Vor diesem Hintergrund lässt sich erklären, dass der Spendenanteil an den Gesamteinnahmen der deutschen Parteien teilweise erheblich differiert237. So erhält die FDP in Deutschland mit einer durchschnittlich finanzkräftigeren Anhängerschaft verhältnismäßig mehr Spendengelder als die übrigen Parteien238. Eine öffentliche Finanzierung politischer Parteien kann daher dazu beitragen, dass politische Parteien vor einer solchen ungewollten Einflussnahme durch einzelne private Geldgeber geschützt werden239. Sie können sich resistenter gegenüber Versuchen erweisen, eine wirtschaftliche Machtstellung im politischen Entscheidungsprozess auszunutzen240. Es kann somit durch das Eingreifen der öffentlichen 230

Vgl. zum Recht auf gleiche der Teilhabe an der politischen Willensbildung: § 4 C. III.; in diese Richtung auch: Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 243. 231 Tsatsos/Schmidt/Steffen, Jura 1993, 194 (195); Morlok, in: von Arnim, Politikfinanzierung in der Europäischen Union, S. 11. 232 Diese Gefahr beschreibt Schütte, Bürgernahe Parteienfinanzierung, S. 63 ff. 233 Volkmann, JZ 2000, 539 (544). 234 Volkmann, JZ 2000, 539 (544). 235 So wohl auch: Volkmann, JZ 2000, 539 (544). 236 Tsatsos/Morlok, Parteienrecht, S. 139; Tsatsos/Schmidt/Steffen, Jura 1993, 194 (195). 237 Vergleiche hierzu beispielsweise: Volkmann, JZ 2000, 539 (540). 238 Henke, in: Dolzer/Waldhoff/Graßhof, GG, Art.  21 Rn.  314; Lösche, Wovon leben die Parteien?, S. 60 f. 239 Tsatsos/Morlok, Parteienrecht, S. 139. 240 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 249.

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Hand die Gleichheit der Bürger bei der Teilhabe an der öffentlichen Willensbildung gestärkt werden. Gleichzeitig kann sie programmatisch bedingte Ungleichgewichte bei der Verteilung von Spenden ausgleichen und somit die Parteien in ihrem Recht auf Chancengleichheit unterstützen241. Öffentliche Subventionen sind freilich nicht der einzige Weg, den Gefahren privater Finanzierungsquellen entgegenzuwirken. Die mit Groß- und Unternehmensspenden einhergehenden demokratischen Risiken lassen sich noch auf andere Weise angehen, sei es durch ein komplettes Verbot von Spenden juristischer Personen oder – wie in Art. 6 Abs. 2 d) VO geschehen – sei es durch eine Begrenzung der Höhe von Spenden. Diesem Ansatz lässt sich wiederum entgegengehalten, dass man Parteien nicht auf der einen Seite private Einnahmequellen beschneiden kann, wenn man auf der anderen Seite gleichzeitig noch eine öffentliche Finanzierung vermeiden will. Dass politische Parteien aber auch durch eine öffentliche Subventionierung nicht vor Spendenskandalen gefeit sind, zeigen die Entwicklungen in der Bundesrepublik. Was mit den „Staatsbürgerlichen Vereinigungen“ und der „Flick-Affäre“ begann242, einen weiteren Höhepunkt in der „CDU-Parteispendenaffäre“ fand243, ist weiterhin mit der „Mövenpick-Affäre“244 und der Problematik des Partei-Sponsorings245 aufgrund der „Rent-a-Rüttgers-Affäre“246 immer noch virulent. Hieran konnten auch staatliche Mittel in Millionenhöhe nichts ändern. Von daher bildet die Diskussion um die Vorteile einer öffentlichen Finanzierung und um die Gefahren privater Einflussnahme die Kehrseite der Gefahren einer öffentlichen Finanzierung politischer Parteien. Beide, öffentliche wie private Geldquellen, bringen Risiken mit sich, doch lassen sich weder deren Eintreten noch die Kausalzusammenhänge mit Sicherheit eruieren. Man muss letztlich damit leben, ein wenig im Trüben fischen zu müssen. c) Besonderheiten auf Unionsebene Diese grundsätzlichen Erwägungen zur öffentlichen Finanzierung haben ihren Ursprung aber gerade im staatlichen Kontext. Betrachtet man die spezifischen Bedingungen des politischen Systems der Europäischen Union, so muss man auch dessen Besonderheiten mit einbeziehen. Während die öffentliche Alimentierung 241

Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 43. Hierzu ausführlich: Lösche, Wovon leben die Parteien?, S. 40 ff. 243 Vgl. hierzu nur: Lenz, NVwZ 2002, 769 f. 244 Hierzu: Beck-Aktuell vom 19.10.2010: Millionenspende für FDP löst Debatte über Spendenpraxis aus. 245 Zur Sponsoring-Problematik: Betzinger, DVBl. 2010, 1204 ff. 246 Zu diesem Fall: Fischer/Medick/Wittrock, Im Schattenreich des Sponsoring, in spiegel.de vom 23.02.2010, abrufbar unter: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,679865,00. html; Stand: 03.05.2012. 242

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politischer Parteien in den Nationalstaaten im Wesentlichen vor dem Hintergrund eingeführt wurde, dass diese schon Aufgaben innerhalb des demokratischen Systems erfüllten, gilt das für die europäischen Parteien aufgrund ihrer funktionellen Schwäche gerade nicht247. Gleichzeitig geht dann aber die Kritik an einer öffentlichen Finanzierung ins Leere, die davon ausgeht, dass infolgedessen eine Gefahr für die Funktionserfüllung durch die Parteien entsteht. Wenn die Europaparteien ihre Funktionen auf Unionsebene schon gar nicht wahrnehmen, können öffentliche Subventionen von vornherein keine Dysfunktionalisierungstendenzen auslösen. Betrachtet man beispielsweise das vielfach erörterte Risiko, dass eine öffentliche Finanzierung die Parteieliten zu Lasten der Basis bevorzuge, spielt dieser Einwand für die europäischen Parteien nur eine geringe Rolle. In ihrer derzeitigen Organisationsstruktur sind dort sowieso nur die nationalen Parteiführungen vertreten. Eine mitgliedschaftliche Basis existiert so gut wie gar nicht, so dass sie unabhängig von jeglichen Finanzierungsfragen ihrer Partizipationsaufgabe nicht gerecht werden. Während die Zentralisierung des Parteiapparates durch eine staatliche Finanzierung auf nationaler Ebene befürchtet wird, ist es auf europäischer Ebene gerade eines der Ziele, die mit der Förderung durch das Europäische Par­ lament verbunden waren, die schwachen europäischen Parteien gegenüber den nationalen Mitgliedsparteien zu stärken. Daher ist es den Europaparteien gemäß Art. 7 Abs. 1 VO untersagt, nationale Parteien mit den Mitteln, die sie aus dem Haushaltsplan der Union erhalten, zu unterstützen. Es stellt sich dann aber die Frage, warum man Organisationen überhaupt öffentlich fördern sollte, die ihre Aufgaben im demokratischen System nicht erfüllen248. Die derzeitige Stellung der europäischen Parteien rechtfertigt die Bereitstellung öffentlicher Mittel nicht. Sie spielen innerhalb des politischen Systems der Union keine bedeutende Rolle. Die Entwicklung des europäischen Parteienrechts unterscheidet sich jedoch in einem grundlegenden Merkmal von der Situation in den Nationalstaaten. Während innerhalb der Mitgliedstaaten der verfassungsrechtliche Status der Parteien aus der Verfassungswirklichkeit – dem „Ist-Zustand“ – resultierte, ging die primärrechtliche Verankerung der Parteien in der Union einen gänzlich anderen Weg. Parteien entwickelten sich zunächst innerhalb staatlich organisierter Gesellschaften249 und waren dort schon vor einer etwaigen verfassungsrechtlichen oder einfachgesetzlichen Normierung Schlüsselfiguren im politischen System. Diese Feststellung entspricht zumindest in ihren Grundzügen der Triepelschen Theorie, wonach das Verhalten des Staates gegenüber den Parteien sich in vier Stufen vollziehe250. Einer Phase der Bekämpfung durch den Staat folge eine Ignorierung, später eine Periode der Anerkennung und Legalisierung, die ih 247

von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 42. In diese Richtung; von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 42. 249 Tsatsos, EuGRZ 1994, 45. 250 Triepel, Die Staatsverfassung und die politischen Parteien, S. 12 ff. 248

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rerseits in einem Stadium der verfassungsmäßigen Inkorporation münde. Diese Entwicklung vollziehe sich aber erst unter dem Druck der tatsächlichen Verhältnisse251. Eine solche Einschätzung spiegelt die Entstehung des Art. 21 GG wider, der bei Erlass des Grundgesetzes den damaligen politischen Ist-Zustand beschrieb. Parteien wirkten schon seit der Weimarer Republik an der politischen Willensbildung des Volkes mit252. Bei der Einfügung des Parteienartikels in das Grundgesetz und der anschließenden Parteiengesetzgebung fand letztlich eine Wechselbeziehung zwischen Verfassungsnorm und Verfassungswirklichkeit statt253. Auf der einen Seite regelte der Gesetzgeber das Recht der politischen Parteien, auf der anderen Seite folgte er aber auch der schon vorgefundenen Lage, in der Parteien wichtige Funktionen im politischen Prozess erfüllten, und er das Wirken mit einer rechtliche Grundlage untermauerte. Nun kann man die Beschreibung Triepels nicht ohne weiteres auf sämtliche Mitgliedstaaten der Union übertragen, sondern sie bleibt in erster Linie auf das deutsche Parteienwesen bezogen254. Einige Staaten haben bis heute bewusst auf eine rechtliche Ordnung ihres Parteienwesens verzichtet, freilich schmälerte diese verfassungsrechtliche „Enthaltsamkeit“ nicht ihre Bedeutung im politischen System. Dort aber wo ein Parteienrecht normiert wurde, orientierten sich die Regelungen an der schon politischen und sozialen Wirklichkeit255. Demgegenüber war den Mitgliedstaaten – als sie den Parteienartikel schufen – bewusst, dass politischen Parteien auf europäischer Ebene nicht die gleiche Bedeutung zukam, die sie auf nationaler Seite hatten. Die primärrechtliche Absicherung der Parteien hatte weniger die Gegenwart, sondern mehr die künftige Entwicklung im Blick. Von daher dreht die Normierung politischer Parteien im europäischen Primärrecht die bisher bekannte historische Reihenfolge um256. Mit der Einfügung des Parteienartikels in die Unionsverträge sind die von Triepel entwickelten vier Phasen um eine fünfte erweitert worden, in der die Vertragsparteien normativ die Fortentwicklung und Bildung europäischer Parteien fördern257. Dies ist Ausdruck der im Unionsrecht anzutreffenden Methode des „Rechts als Mittel der Integration“258. Durch die normative Anerkennung sollten Anreize geschaffen werden, die die Bedingungen für die Arbeit politischer Parteien verbessern sollten259. Die Legitimität des rechtlichen Einschreitens soll sich erst im Anschluss 251

Triepel, Die Staatsverfassung und die politischen Parteien, S. 20. Vgl. zur Entwicklung des Parteieneinflusses auf den politischen Prozess in der Weimarer Republik und auch schon im Kaiserreich: Stocklossa, MIP 1991, 36 (43 f.). 253 So auch: Adamietz, in: Tsatsos, Auf dem Weg zu einem gesamtdeutschen Parteienrecht, S. 55 (71). 254 Vgl. hierzu: Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 11. 255 Tsatsos, EuGRZ 1994, 45 (47). 256 Neßler, Europäische Willensbildung, S. 50. 257 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 166. 258 Neßler, Europäische Willensbildung, S. 50; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 167. 259 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 167. 252

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§ 3 Grundprobleme einer öffentlichen Finanzierung politischer Parteien 

dadurch manifestieren, dass die Normierung sich als taugliche und effektive Grundlage des politischen Prozesses erweist260. Überträgt man dies auf das Parteienfinanzierungsrecht, muss man den Begründungsansatz für eine öffentliche Finanzierung ebenfalls ändern. Anknüpfungspunkt einer Subventionierung ist dann nicht mehr eine bestehende Funktionsausfüllung, die mit Hilfe öffentlicher Mittel gefördert werden soll, sondern vielmehr eine künftige, also die Erwartung, dass die Parteien ihre Aufgaben innerhalb einer demokratisch ausgestalteten Union zu einem späteren Zeitpunkt nachkommen werden261. Im Falle einer weiteren Vertiefung bedarf die Europäische Union einer stärkeren unmittelbaren demokratischen Legitimationsgrundlage262. Während eines solchen „Demokratisierungsprozesses“ kann europäischen Parteien eine wichtige Rolle zukommen263. Parteien sind „Voraussetzung und Folge der Demokratie“264. Als solche können sie einerseits gestaltende Akteure innerhalb eines politischen Systems sein, sind in ihren Mitwirkungsmöglichkeiten andererseits aber auch von dessen Rahmenbedingungen abhängig. Damit sich europäische Parteien aber weiterentwickeln und zu einem relevanten „Mitspieler“ europäischer Demokratie werden können, benötigen sie finanzielle Ressourcen265. Gerade innerhalb eines transnationalen Verbundes mit unterschiedlichen Sprachen bedürfen Parteien einer angemessenen Finanzausstattung266. Europäische Parteien werden in einer „Arena“ tätig, die eine Vielzahl von Sprachen und Medien umfasst. Dementsprechend fallen die Kosten für Werbe- und Informationskampagnen höher aus als innerhalb eines Nationalstaates267. Die europäischen Parteien können dies mit ihren eigenen Mitteln regel­ mäßig nicht leisten268. Daher sind sie auf die finanzielle Unterstützung durch die Union angewiesen269. Soweit europäische Parteien noch nicht in der Gesellschaft verankert sind, kann man sie nicht allein auf eigene Einnahmen verweisen. Ohne gesellschaftliche Relevanz können sie kaum eigene Einnahmen akquirieren. Steht man hingegen auf 260

Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 167. Carstens, Europäische Parteien, S. 19; zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 271. 262 Steiger, ZRP 2012, 13.  263 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 247; zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 271. 264 Tsatsos, MIP 1994, 75 (79). 265 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 219; Mayer, in: Mittag, Politische Parteien und europäische Integration, S. 389 (398); Morlok, in: Johansson/ Zervakis, European political parties between cooperation and integration, S. 29 (43). 266 Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 411. 267 Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 411. 268 Poguntke/Pütz, ZParl 2006, 334 (343). 269 So auch: Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 219; Morlok, in: Johansson/Zervakis, European political parties between cooperation and integration, S. 29 (38). 261

B. Chancen und Gefahren einer öffentlichen Finanzierung 

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dem Standpunkt, dass sie dies erst aus eigener Kraft leisten müssten, bevor die öffentliche Hand sie unterstützen soll, führt dies – aus Sicht der Parteien – zu einem Teufelskreis. Ohne ausreichende finanzielle Ressourcen ist es schwierig – wenn nicht gar unmöglich –, mit den Unionsbürgern in Kontakt zu treten und sie über die eigene Arbeit, die eigenen politischen Ansichten und Zielvorstellungen zu informieren. Die Vermittlungsleistung bleibt somit zwangsläufig hinter den Erwartungen zurück. Werden die Parteien von der Öffentlichkeit nicht als politischer Akteur wahrgenommen, ist gleichzeitig das Interesse geringer, die Organisationen finanziell zu unterstützen. Dass sich die Europaparteien im politischen System der Union künftig als relevante Akteure etablieren, hängt freilich von verschiedenen Faktoren ab. Diese können nicht allein von den Europaparteien selbst beeinflusst werden, sondern sind auch und gerade vom weiteren Integrationsprozess der Europäischen Union abhängig. In den Nationalstaaten ging die Entwicklung und die wachsende Bedeutung der politischen Parteien mit der zunehmenden Bedeutung des Parlaments einher270. Insoweit ist, auch wenn die nationalen Parteien im Laufe der Zeit ihren Einflussbereich auf immer weitere Gebiete staatlichen Handelns ausgeweitet haben271, ihr machtpolitischer Zielbereich in erster Linie auf das Parlament gerichtet272. Hier unterscheidet sich der politische Prozess auf Unionsebene, der nicht in gleicher Weise durch das Parlament, sondern im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten in weit höherem Maße durch die Exekutive bestimmt wird273. Dies wird besonders deutlich bei der immer noch bestehenden politischen Vormachtstellung des Rates, der aus Vertretern nationaler Regierungen besteht274. Während auf nationaler Ebene Parteien während eines Wahlkampfes regelmäßig um die Beteiligung an einer Regierung konkurrieren275, erweist sich der Aufbau der Union hierfür als ungeeignet. Die europäische Exekutive ist dem Parlament gegenüber nicht verantwortlich. Damit wird den europäischen Parteien in wesentlichen Gebieten ihre Regierungs- und Elitenrekrutierungsfunktion beschnitten. Diese Beispiele zeigen, dass die Schwäche der Europaparteien mit der Schwäche des Europäischen Parlaments korreliert276, denn aus der historischen Entwicklung ergibt sich schon, dass,

270

Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 61. Hierzu: von Alemann, MIP 1993, 38 (42); Frotscher, DVBl. 1985, 917 (930 f.); Kunig, Jura 1991, 247 (248); Morlok, MIP 1994, 53 ff.; Tsatsos, MIP 1994, 75 (81 ff.); ders., in: Morlok/Schmidt/Stefanou, Verfassung – Parteien – Europa, S. 395 (399), der dies als Problem des Parteienstaatsübermaßes beschreibt. 272 Morlok, MIP 1999, 52 (58). 273 Morlok, MIP 1999, 52 (58). 274 Morlok, in: Johansson/Zervakis, European political parties between cooperation and integration, S. 29 (42); Pache/Rösch, NVwZ 2008, 473 (476). 275 Hanley, Beyond the Nation State, S.  49; Studie des Europäischen Parlaments, How to create a transnational party system, S. 98. 276 Carstens, Europäische Parteien, S. 79; Jansen/Schönlau, in: Mittag, Politische Parteien und europäische Integration, S. 515 (531); 271

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§ 3 Grundprobleme einer öffentlichen Finanzierung politischer Parteien 

je schwächer die Rolle eines Parlaments in der politischen Ordnung ist, umso unwichtiger sind auch ihre politischen Parteien277. Es fehlt von daher an relevanten institutionellen Voraussetzungen für den politischen Zielbereich der Europaparteien, was sich dann gleichermaßen auf ihre Arbeitsweise und Struktur auswirken muss278. Wächst die Macht des Europäischen Parlaments im Institutionengefüge der Union, erhalten die europäischen Parteien verstärkt Möglichkeiten, an Bedeutung zu gewinnen und ihrer Vermittlungsfunktion besser nachzukommen279. Mit dem Vertrag von Lissabon wurden weitere Schritte in eine Richtung unternommen, die zu einer solchen Aufwertung des Europäischen Parlaments im Institutionengefüge der Union führen. So wird nunmehr gemäß Art.  14 Abs.  1 S.  1 EUV das Europäische Parlament gemeinsam mit dem Rat als Gesetzgeber tätig und übt gemeinsam mit ihm die Haushalts­ befugnisse aus. Ebenso hat das Mitentscheidungsverfahren einen deutlich größeren Anwendungsbereich bekommen280, denn nach Art. 289, 294 EUV stellt es das ordentliche Gesetzgebungsverfahren dar und ist mithin das Regelverfahren innerhalb der Unionsrechtssetzung281. In diesem Zusammenhang kann man erwarten, dass die parteiübergreifende Zusammenarbeit der Fraktionen mit dem Ziel, die Stellung des Parlaments aufzuwerten, hinfällig wird, so dass der politische Willensbildungsprozess in Europa insgesamt politisiert und polarisiert wird282. Auch dies unterstützt die Parteien, ihre Vermittlungs- und Repräsentationsfunktion besser wahrzunehmen. In einer von unterschiedlichen politischen Ansichten und Richtungen geprägten Debatte europäischer Themen könnten die Parteien ihr Profil schärfen und somit das Interesse der Unionsbürger an europäischer Politik wecken283. Erste Ansätze hierzu sind durchaus erkennbar: Euro-Krise, EZB-Anleihenkäufe, Eurobonds, euro­ päische Wirtschaftsregierung und europäische Bankenregulierung. All das sind genuin europäische Politikfelder, die  – wenn auch eher erzwungen als freiwillig – im Zuge der aktuellen Entwicklung auf ein regeres Interesse der Unionsbürger stoßen. Dieser Diskurs könnte seinerseits die Bedeutung und Beachtung der Europawahlen in der Öffentlichkeit stärken, denn um als eigenständige politische Akteure betrachtet zu werden, müssen Parteien klare, allgemein verständlich

277 Merten, MIP 2003, 40; Morlok, in: Johansson/Zervakis, European political parties­ between cooperation and integration, S. 29. 278 Huber, EuR 1999, 579 (594); Jansen/Schönlau, in: Mittag, Politische Parteien und europäische Integration, S. 515 (531); Morlok, MIP 1999, 52 (58). 279 Vgl. Oppelland, in: Niedermayer/Stöss/Haas, Die Parteiensysteme Westeuropas, S. 455 (470). 280 Dann, in: von Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, S.  335 (336); Hatje, VVDStRL 69 (2010), 135 (164 f.). 281 Möstl, Vertrag von Lissabon, S. 98. 282 Oppelland, in: Niedermayer/Stöss/Haas, Die Parteiensysteme Westeuropas, S. 455 (470). 283 Jopp u. a., Feasibility of a future european statute of european political parties, S. 7.

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und voneinander unterscheidbare Parteiprogramme entwickeln284. Die in den Parteistatuten zunehmende Regelung von Mehrheitsentscheidungen könnte dies beschleunigen, sofern sie tatsächlich angewendet werden und nicht über das erforderliche Maß hinaus versucht wird, ein Konsens zwischen den nationalen Interessen herzustellen. Dies würde der Repräsentationsfunktion der europäischen Parteien zugutekommen. Hinzukommen müsste eine Vereinheitlichung des europäischen Wahlrechts, das den politischen Parteien auf europäischer Ebene ermöglicht, sich selbst an den Wahlen zum Europäischen Parlament zu beteiligen285. Europäische Parteien können von der Gesellschaft noch nicht einmal bei einer Betrachtung des Wahlzettels entdeckt werden, nur die nationalen Mitgliedsparteien sind hier existent. Von daher könnte eine direkte Partizipation der Europaparteien sowohl an der Wahl als auch dem vorgelagerten Wahlkampf ihre Stellung im Gefüge der Europäischen Union befördern. Hiermit ließe sich gleichzeitig die Erfüllung der Elitenrekrutierungsfunktion verbessern286. Europäische Parteien stellen sich in diesem Fall mit eigenen Kandidaten zur Wahl287 und hätten dementsprechend einen größeren Einfluss auf deren Auswahl. Weitere Fortschritte bei der Beteiligung des politischen Führungspersonals ließen sich erzielen, wenn die Europaparteien bei den Wahlen zum Europäischen Parlament einen Spitzenkandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten aufstellen würden288. Zwar wählt das Parlament gemäß Art. 17 Abs. 7 S. 2 EUV den Kommissionspräsidenten mit der Mehrheit seiner Mitglieder, das Vorschlagsrecht für den Kandidaten steht jedoch nach Art. 17 Abs. 7 S. 1 EUV dem Europäischen Rat zu, der bei seiner Auswahl das Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament lediglich zu berücksichtigen hat (Art.  17 Abs.  7 S.  1 Hs. 2 EUV). Diese mit dem Vertrag von Lissabon einhergehende Neuerung kann aber als ein erster Schritt zur Politisierung des Amtes des Kommissionspräsidenten betrachtet werden289, der den europäischen Parteien einen erweiterten Aktionsradius gibt. Eine Tendenz in diese Richtung ist durchaus erkennbar. So stellen die europäischen Parteien nunmehr ihre Anwärter für das Amt des Kommissionspräsidenten als europaweite Spitzenkandidaten bei den Europawahlen auf290. Auch die 284 zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 196. 285 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 167; Hix/Lord, Political parties in the European Union, S. 215; Jopp u. a., Feasibility of a future european statute of european political parties, S. 50; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 21 Rn. 105; Poguntke/Pütz, ZParl 2006, 334 (349). 286 Hix/Lord, Political parties in the European Union, S. 215; Poguntke/Pütz, ZParl 2006, 334 (349). 287 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 167. 288 Poguntke/Pütz, ZParl 2006, 334 (349); Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 348. 289 Ruffert, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 17 EUV Rn. 46; zu den ersten Auswirkungen dieser Bestimmung: zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 114. 290 Vgl. hierzu: Knaup, Europa-Spitzenkandidat Martin Schulz, Spiegel.de vom 01.03.2014.

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§ 3 Grundprobleme einer öffentlichen Finanzierung politischer Parteien 

übrigen Kommissionsmitglieder könnten in Abhängigkeit der Ergebnisse der letzten Europawahlen besetzt werden291. Hiermit wäre naturgemäß eine Stärkung der Regierungsfunktion verbunden292. Eine andere Möglichkeit läge in einer Direktwahl des Kommissionspräsidenten durch die Unionsbürger293. Es spricht viel dafür, dass die europäischen Parteien in einem solchen Wahlkampf weitaus stärker partizipieren könnten als nationale Organisationen294. Solange die Europäische Union aber aufgrund ihres politischen Systems mit den Mitgliedstaaten verflochten ist, solange ist weiterhin damit zu rechnen, dass bei den jeweiligen Europawahlen nationale Interessen ein Rolle spielen. Dies ist dem politischen Mehrebenensystem der Union immanent und in einem föderalen System nichts Ungewöhnliches, was ein Vergleich mit der bundesstaatlichen Verfassung Deutschlands verdeutlicht. Hier ist ebenfalls zu beobachten, dass einige Landtagswahlkämpfe von bundespolitischen Themen beherrscht werden295. Im föderal organisierten Deutschland führt die hiermit verbundene Politikverflechtung also ebenfalls dazu, dass die Verantwortungszusammenhänge für die Wähler unklarer werden296. Überträgt man dies auf das europäische Mehrebenensystem, so sind dort die einzelnen Ebenen noch erheblich tiefgreifender miteinander verflochten und politische Verantwortlichkeiten für den Wähler noch ­intransparenter297. Über diese institutionellen Reformen hinaus spielen die strukturellen Probleme europäischer Demokratie eine entscheidende Rolle für die Bedeutung und die Arbeit europäischer Parteien im politischen System der Union. Für ihr Tätigwerden ist das Bestehen einer europäischen Öffentlichkeit entscheidend, um die Vermittlungsaufgabe zwischen den Institutionen der Union und den Bürgern wahrnehmen zu können. Gleichzeitig sind europäische Parteien bei einer zunehmenden Funktionserfüllung aber auch selbst in der Lage, an der Herausbildung einer euro­ päischen Öffentlichkeit mitzuwirken298. Beginnen politische Parteien in einer sich entwickelnden europäischen Gesellschaft insbesondere ihrer Transmissionsfunktion nachzukommen, führt die hiermit einhergehende Stärkung des politischen Willensbildungsprozesses wohl dazu, ihrerseits die Weiterentwicklung der Öffentlichkeit zu fördern299. Europäische Parteien und politische Öffentlichkeit be-

291 zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 163. 292 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 167. 293 Hix/Lord, Political parties in the European Union, S. 216. 294 Hix/Lord, Political parties in the European Union, S. 216. 295 Vgl. zum Einfluss der Bundespolitik auf die Landtagswahlen in Deutschland: Völkl, ZParl 2007, 480 ff. 296 Vgl. hierzu: Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 25; Grimm, Die Zukunft der Verfassung, S. 354 f. 297 Vgl. BVerfGE 123, 267 (377 ff.). 298 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 56. 299 Zu diesem Aspekt insbesondere: Ayirtman/Pütz, in: Knodtke/Fink, Europäische Zivilgesellschaft, S. 389 (391 f.).

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dingen sich somit gegenseitig300. Diese Entwicklung kann wiederum von den bereits beschriebenen institutionellen Reformen flankiert werden. Erfolgt in einem gestärkten Europäischen Parlament eine zunehmende Parteipolitisierung mit entsprechenden politischen Konfliktlinien, können Debatten und Richtungsstreitigkeiten über politische Themen in Europa für Medien und für Bürger interessanter sein als die bisherige „Konsensdemokratie“301. Dies wirkt sich wiederum positiv auf die Reduktions- und Innovationsfunktionen aus302. Politische Parteien auf europäischer Ebene sind daher von institutionellen und strukturellen Veränderungen des politischen Systems abhängig, um „klassische Parteifunktionen“ künftig verstärkt wahrnehmen zu können. Gerade für die Ausfüllung ihrer Vermittlungsfunktion ist es von entscheidender Bedeutung, inwieweit sie sowohl in politische Entscheidungsprozesse eingebunden als auch in der Gesellschaft verankert sind303. Andererseits müssten aber nationale Parteien bereit sein, Befugnisse, also einen Teil ihrer „parteipolitischen Autonomie“, auf die europäischen Parteien zu übertragen304. Hierfür bedarf es dann aber gleichzeitig einer finanziellen Unabhängigkeit der Europaparteien von ihren nationalen Mitgliedern305. Eine öffentliche Finanzierung durch die Europäische Union kann sie dabei unterstützen, sich von den nationalen Parteien zu emanzipieren. Die Er­ füllung der Parteifunktionen, insbesondere der Vermittlungsfunktion, wird den Parteien über Art. 10 Abs. 4 EUV nicht nur garantiert, ihnen also ein Recht dazu gegeben, als Transmissionsriemen zu wirken, sondern wird ihnen darüber hinaus als rechtlicher Auftrag erteilt306. In den Verträgen kommt dies schon durch die Formulierung des Parteienartikels zum Ausdruck. Wenn politische Parteien auf europäischer Ebene zum Ausdruck des Willens der Bürgerinnen und Bürger beitragen, dies aber aufgrund der mangelnden Funktionsausfüllung tatsächlich noch nicht geschieht, ist sein Wortlaut dahingehend auszulegen, dass den Parteien diese Aufgabe für die Zukunft zugewiesen wird. Art. 10 Abs. 4 EUV entwickelt gerade eine Erwartungshaltung des Primärrechts an die europäischen Parteien307. Bekommen Parteien aber einen Auftrag an der Willensbildung der Bürger zu partizipieren, erfüllen sie eine öffentliche Aufgabe, so dass die Europäische Union ihre 300

Kuper, in: Mittag, Politische Parteien und europäische Integration, S. 77 (82). zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 206 f.; in diese Richtung ebenso: Bryde, StWStP 5 (1994), 305 (309). 302 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 169; zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 208 f. 303 Mittag/Bräth, in: Mittag, Politische Parteien und europäische Integration, S. 699 (717). 304 Mayer, in: Mittag, Politische Parteien und europäische Integration, S. 389 (402). 305 Mayer, in: Mittag, Politische Parteien und europäische Integration, S. 389 (402); Stentzel, EuR 1997, 174 (186). 306 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art.  10 EUV Rn.  49; vgl. zu Art. 21 GG: Morlok, Parteienfinanzierung im demokratischen Rechtsstaat, S. 20; Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art.  21 Rn.  17; a. A. hierzu: Henke, in: Dolzer/Waldhoff/Graßhof, GG, Art. 21 Rn. 60. 307 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 49. 301

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§ 3 Grundprobleme einer öffentlichen Finanzierung politischer Parteien 

Arbeit mit Finanzhilfen nicht nur unterstützen kann, sondern dies auch sollte. Im Gegensatz zur Intention der staatlichen Parteienfinanzierung, bei der die nationalen Parteien mit Hilfe staatlicher Subventionen ihre bestehenden Funktionen ausfüllen sollen, sollen öffentliche Finanzhilfen europäische Parteien unterstützen, solche Funktionen im politischen System der Union künftig überhaupt erst übernehmen zu können. Finanzhilfen stärken die politischen Parteien auf europäischer Ebene insoweit auch im Verhältnis zu den ihnen angeschlossenen Fraktionen im Europäischen Parlament. Die Entwicklungsgeschichte der europäischen Parteien zeigt, dass es die Fraktionen und nicht die europäischen Parteien sind, die das politische Machtzentrum bilden, was unter anderem daraus resultiert, dass die Parteien lange Zeit durch die Fraktionen finanziert wurden und somit wirtschaftlich von ihnen abhängig waren308. Blickt man etwa auf die Geschichte der SPE, so erkennt man eine Verflechtung zwischen Partei und Fraktion, deren Intensität der nationalen Ebene grundsätzlich fremd ist. So war das Sekretariat des Verbindungsbüros der sozialistischen Parteien, ein Vorgänger der heutigen SPE, nicht nur für die Zusammenarbeit der nationalen Parteien, sondern gleichzeitig für die Zusammenarbeit der Fraktion in der damaligen Versammlung der EGKS zuständig309. Ihre zentrale Stellung verdanken die Fraktionen zudem der Tatsache, dass ihre Entscheidungsfindung deutlich effizienter erfolgt310. Seit Einführung der Finanzhilfen aus dem Haushaltsplan des Europäischen Parlaments kam es jedoch schon zu einer weiteren Emanzipation der europäischen Parteien311. Die Parteien sind nicht mehr gänzlich in den Fraktionsapparat integriert und verfügen seitdem über eigene Mitarbeiter und Büroräume312. Öffentliche Subventionen sind überdies geeignet, eine zunehmende Emanzipation der Parteiföderationen von ihren nationalen Mitgliedsparteien zu fördern313. 308 Vgl. insoweit: § 2 A. III.; Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 141; Neßler, EuGRZ 1998, 191 (192); Oppelland, in: Niedermayer/Stöss/Haas, Die Parteiensysteme Westeuropas, S. 455 (464); zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 103 f.; Kurlemann, in: GS Sasse, Bd. 1, S. 269 (283) bezeichnete die europäischen Parteien daher zutreffend als „Kostgänger“ der Fraktionen. 309 Vgl. hierzu: § 2 A. I. 2. 310 Neßler, EuGRZ 1998, 191 (192). 311 Carstens, Europäische Parteien, S. 80; zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 280; so auch die Einschätzung der Vertreter der Europaparteien: Welle, in: zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 322 und Leinen, in: a. a. O., S. 334. 312 zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 280. 313 Eberhard/Lachmayer, in: Manssen, Die Finanzierung von politischen Parteien in Europa, S. 215 (223); Kuper, in: Mittag, Politische Parteien und europäische Integration, S. 77 (81); Oppelland, in: Niedermayer/Stöss/Haas, Die Parteiensysteme Westeuropas, S.  455 (464); Stentzel, EuR 1997, 174 (186); Studie des Europäischen Parlaments, How to create a transnational party system, S. 84; zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 281.

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Ohne Finanzhilfen aus dem Haushalt der Europäischen Union oder einer Quer­ finanzierung der Fraktionen sind die Dachorganisationen allein von Beiträgen der nationalen Mitgliedsparteien abhängig. Zu den politischen Einflussmöglichkeiten, die sich aus der Natur der „Parteienparteien“ ergeben, kommt dann eine weitere wirtschaftliche Abhängigkeit, die es einzelnen finanzstarken nationalen Parteien ermöglicht, eine Eigenständigkeit und Weiterentwicklung der europäischen Parteien zu verhindern. Die öffentliche Finanzierung kann die Europaparteien insofern vor einer übermäßigen Dominanz solcher Mitgliedsparteien schützen314 und die innerparteiliche Demokratie festigen. Letztlich können aber auch öffentliche Subventionen nur bedingt einen Beitrag leisten, politischen Parteien auf europäischer Ebene eine gewisse Unabhängigkeit zu gewähren, denn die Struktur der Union als Mehrebenensystem führt unvermeidlich dazu, dass der nationalen Ebene eine Vormachtstellung zukommt315. Sollten sich diese externen Faktoren für die Parteien aber ändern, benötigen die Europaparteien beispielsweise für Wahlkämpfe bei Wahlen zum Europäischen Parlament größere finanzielle Ressourcen als dies bisher der Fall ist. Ferner führt die Organisation der Parteien als Dachorganisationen zwangsläufig dazu, dass nationale Parteien eine dominierende Rolle in den europäischen Parteien spielen, denn Sinn einer innerparteilichen Demokratie ist es gerade, dass die Mitglieder die politischen und personellen Weichenstellungen bestimmen. Die Mitgliederbasis der europäischen Parteiföderationen bilden aber gerade die nationalen Mitgliedsparteien316. Des Weiteren hat die Finanzierung der Parteien durch die Europäische Union mitsamt den hierzu ergangenen Regelungen zur Folge, dass die wirtschaftlichen Hintergründe der Parteien transparenter werden317. Mit den in der Parteienverordnung statuierten öffentlichen Subventionen gehen Pflichten der Parteien einher, die ihnen etwa die Offenlegung privater Spender ab einem Betrag von 500 Euro sowie der zuschussfähigen Ausgaben auferlegen. Dies ist Ausfluss des Grund­ satzes der Öffentlichkeit, dessen Wurzeln im Wesentlichen darin liegen, dass politische Parteien auf europäischer Ebene öffentliche Gelder erhalten, und der Grundsatz der Sparsamkeit mit dem Umgang öffentlicher Mittel auf diesem Wege gewahrt wird318. Dass die Verpflichtung zur Transparenz über die Herkunft und Verwendung der wirtschaftlichen Ressourcen von Parteien regelmäßig Hand in Hand mit der Bereitstellung öffentlicher Finanzhilfen geht, zeigt schon die Entwicklung in den Mitgliedstaaten. Soweit und solange eine staatliche Unterstützung der Parteien fehlte, unterlagen diese auch keiner Rechenschaftspflicht319. So können Finanzhilfen der Union dazu führen, dass überhaupt eine Kontrolle der Partei 314

Kuper, in: Mittag, Politische Parteien und europäische Integration, S. 77 (81). Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 146. 316 Buhr, Europäische Parteien, S. 84. 317 Vgl. zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 283. 318 Vgl. hierzu: § 4 D. III. 319 Vgl. § 4 D. II. 315

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§ 3 Grundprobleme einer öffentlichen Finanzierung politischer Parteien 

tätigkeiten seitens einer „europäischen Öffentlichkeit“ oder zumindest nationaler Teilöffentlichkeiten stattfindet, da davon auszugehen ist, dass die Medien beobachten, wie und wofür die Parteien die ihnen bereitgestellten Mittel der Europäischen Union verwenden320. Gerade eine mögliche „Verschwendung von Steuer­ geldern“ findet innerhalb der Medien regelmäßig ein besonderes Interesse321.

II. Schlussfolgerungen Wenn man nun zur Ausgangsfrage zurückgeht, ob sich eine öffentliche Finanzierung nachteilig auf die Funktionserfüllung der europäischen Parteien auswirkt, so zeigt sich zunächst einmal, dass aus Subventionen der Europäischen Union an die Parteien durchaus Gefahren resultieren können, die eine künftige Funktionsausfüllung erschweren. Man könnte damit den Eindruck gewinnen, dass sie, wenn nicht schon unzulässig, so doch zumindest rechtspolitisch unerwünscht sind. Dies ist aber nur die eine Seite der Medaille dieser Problematik. Wenn der Verordnungsgeber auf der anderen Seite eine öffentliche Parteienfinanzierung unterlässt, ist das Risiko von Dysfunktionalisierungstendenzen nicht gebannt. Private Geldquellen können sich auf gleiche Weise negativ auf die Aufgabenerfüllung der Parteien auswirken. Vergleicht man also die Chancen und Gefahren für die Funktionserfüllung, ergibt sich letztlich kein klares Bild. Die Erwägungen sowohl für wie auch gegen eine öffentliche Finanzierung sind nachvollziehbar. Unverkennbar benötigen politische Parteien finanzielle Ressourcen. Sie brauchen umso mehr Mittel, je größer ihr politischer Aktionsradius ist. Dies gilt insbesondere für die sich in einem Demokratisierungsprozess befindliche Europäische Union, die ein sprachlich und in vielerlei Hinsicht kulturell und politisch noch inhomogenes Betätigungsfeld darstellt. Die hierfür erforderlichen Einnahmen sollten bestenfalls sicherstellen, dass die Unabhängigkeit der Partei gegenüber ungewollten gesellschaftlichen Einflüssen gewahrt bleibt. Gleichzeitig sollten sie die Verankerung der Partei in der Gesellschaft wiederspiegeln und nicht verzerrend in den Wettbewerb zwischen den Parteien eingreifen. Diese Voraussetzungen erfüllen letztlich nur die Mitgliedsbeiträge individueller Mitglieder und Kleinspenden. Bei der Frage der Mitgliedsbeiträge als zu bevorzugende Einnahmequelle begrenzen sich die europäischen Parteien derzeit selbst, da sie sich primär als Parteiföderationen organisieren und die Partizipationsmöglichkeiten individueller Mitglieder beschränken. Kleinspenden als zweite Einnahmeart spielen faktisch ebenso keine Rolle. Selbst wenn beide Einnahmearten durch organisatorische Reformen und verstärkte Informations­ tätigkeit in naher Zukunft zunehmen sollten – wofür nur bedingt Anhaltspunkte 320

zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 283. 321 Zur Kritik an hohen Gehältern und Abgeordnetendiäten in der Europäischen Union: von Arnim, Das Europa-Komplott, S. 181 ff.

B. Chancen und Gefahren einer öffentlichen Finanzierung 

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bestehen –, ist es zweifelhaft, dass durch diese beiden Zweige allein genügend Mittel akquiriert werden können, die die europäischen Parteien benötigen, um ihre Aufgaben in einer modernen Massendemokratie erfüllen zu können. Eine wachsende Zahl von Mitgliedern führt notwendigerweise zu steigenden Kosten. Kleinspenden reichen einer politischen Organisation in der Regel ebenfalls nicht aus, um den Kontakt mit einer Bevölkerung von mehreren hundert Millionen Bürgern zu gewährleisten. Neben erwerbswirtschaftlichen Betätigungen, die ihrerseits eine Vielzahl von rechtlichen Problemen aufweisen322, verbleiben als zusätzliche Einnahmequellen für die Parteien im Wesentlichen nur noch Großspenden und öffentliche Subventionen. Diese beiden Einnahmezweige bergen aber Gefahren für die Vermittlungsfunktion323, die sie zunächst einmal als gleichwertig erscheinen lassen. Will man Parteien allein darauf verweisen, dass sie sich ihre finanziellen Ressourcen selbst beschaffen, muss der Gesetzgeber auch möglichst geringe Schranken bei den eigenen Finanzierungsquellen setzen. Soweit er aber mit Hilfe von Spendenhöchstgrenzen diese einengt, bedürfen Parteien der Unterstützung durch die öffentliche Hand. Man sieht sich also einem Dilemma ausgesetzt. Eine übermäßige öffentliche Finanzierung verführt Parteien zu einer wirtschaftlichen Unabhängigkeit von den Bürgern, die sie doch eigentlich tragen sollten, während eine unkontrollierte Spendenfinanzierung Parteien der Gefahr aussetzt, dass sie in ein Abhängigkeitsverhältnis zu einzelnen Bürgern oder Organisationen geraten. Spenden und Subventionen bringen eine Fülle von Problemen mit sich, aber ohne diese mag man auch nicht so recht auskommen. Will man weiterhin die Parteien in der Gesellschaft verankert, sie jedoch nicht gleichzeitig allen unliebsamen gesellschaftlichen Einflüssen ausgesetzt sehen, spricht vieles für einen Mittelweg: ein angemessenes Verhältnis zwischen öffentlicher Finanzierung und notwendigen Eigenmitteln324. In diesem Sinne könnten die widerstreitenden Prinzipien der Unionsfreiheit der Parteien und der Gleichheit der Bürger an der Teilhabe am politischen Willensbildungsprozess in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden. Eine sich ergänzende Finanzierung sowohl von privater als auch öffentlicher Seite entspricht zudem der europarechtlichen Stellung der Parteien. Ihnen kommt eine Zwischenstellung zwischen Gesellschaft und öffentlicher Gewalt zu325. Aus der vom Bundesverfassungsgericht früher vorgenommenen Trennung zwischen Volks- und Staatswillensbildung mit der strik 322

Vgl. hierzu: Schneider, Vermögen und erwerbswirtschaftliche Betätigung politischer Parteien, S. 157 ff. 323 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 227; Grimm, in: Benda/Maihofer/Vogel, HVerfR, § 14 Rn. 48. 324 Vgl. Plate, Parteienfinanzierung und Grundgesetz, S. 61; so im Ergebnis auch die Empfehlungen des Europarates, Parliamentary Assembly, Recommendation, 1516 (2001), Nr. 7, abrufbar unter: http://assembly.coe.int/ASP/Doc/XrefViewHTML.asp?FileID=16907&Language =EN; Stand: 14.01.2014. 325 Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 22.

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§ 3 Grundprobleme einer öffentlichen Finanzierung politischer Parteien 

ten Forderung, dass sich die Willensbildung immer vom Volk hin zu den Staatsorganen vollziehen müsse, resultierte eine klare Einordnung der Parteien in den gesellschaftlichen Bereich326 und eine verfassungsrechtliche Absage an eine staatliche Parteienfinanzierung in der Bundesrepublik327. Parteien wirken jedoch durch ihre Vermittlungsleistung sowohl in der gesellschaftlichen als auch in der öffentlichen Sphäre328. Dieser Wirkbereich erklärt ihre Funktion als Zwischenglieder dieser beiden Ebenen und damit ihre Zwischenstellung, die eine genaue Einordnung nahezu unmöglich macht329. „Wandeln“ Parteien aber zwischen öffentlicher Gewalt und den Bürgern, entspricht eine Finanzierung, die sowohl öffentliche Finanzhilfen und private Spenden und Beiträge beinhaltet, ihrem zwitterartigen Wesen. Wenn europäische Parteien durch ihr Wirken teilweise in den Bereich der Unionsorgane hineinragen, kann man auch eine teilweise Subventionierung ihrer Leistungen bei einer Demokratisierung der Union befürworten, für die darüber hinaus ein öffentliches Interesse besteht. Sinn und Zweck der Einfügung des Parteienartikels in das Primärrecht war, die Europaparteien zu stärken, damit sie ein relevanter Faktor bei der Fortentwicklung des demokratischen Systems der Europäischen Union werden. Die Frage, inwieweit die Stellung der Parteien nun mehr zu dem einen oder zum dem anderen der beiden Pole tendiert330, spielt dann für das „Ob“ einer öffentlichen Finanzierung keine Rolle. In einem solchen Verhältnis lassen sich die Risiken der verschiedenen Einnahmearten wohl am wirksamsten einfangen. Wohlgemerkt, dieses System bietet keine Sicherheit. Das deutsche Mischsystem ist ebenso ständigen Versuchen ausgesetzt gewesen, die staatliche Finanzierung immer weiter nach oben zu schrauben und gleichzeitig noch die Spendenregulierung zu umgehen. Gleichwohl ermöglicht es grundsätzlich, dass Parteien in ausreichendem Maße Mittel für ihre Aufgabenerfüllung zur Verfügung stehen und sich die Gefahren der einzelnen Finanzierungszweige gegenseitig aufheben. Wie und ob man den verbleibenden Gefahren begegnen muss oder soll, wird dabei noch zu erörtern sein331. Befürwortet man aus all diesen Erwägungen eine teilweise Finanzierung durch die Europäische Union, die ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Finanzhilfen und Eigenmittel der Parteien gewährleistet, gegenüber den anderen, extremen Varianten einer rein privaten bzw. einer rein öffentlichen Finanzierung, stellt sich 326

Vgl. hierzu: § 4 A. I. 3. BVerfGE 20, 56 (102). 328 Vgl. hierzu: § 4 A. I. 3.; siehe auch: Grimm, in: Benda/Maihofer/Vogel, HVerfR, § 14 Rn. 23. 329 Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 19. 330 Vgl. zum deutschen Recht: Grimm, in: Benda/Maihofer/Vogel, HVerfR, § 14 Rn. 23; zur Zwischenstellung der Parteien noch: Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 22; Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 21 Rn. 3; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 21 Rn. 1; Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 19; in diese Richtung wohl auch: Kersten: in: Kersten/Rixen, PartG, § 1 Rn. 17. 331 Vgl. hierzu insbesondere: § 6 A. 327

B. Chancen und Gefahren einer öffentlichen Finanzierung 

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im Anschluss die Frage, wie viel die Union den Europaparteien zuwenden sollte. Auch bei diesen Überlegungen spielen die Funktionen europäischer Parteien im politischen System der Union und ihr tatsächliches Wirken eine entscheidende Rolle. Politische Parteien auf europäischer Ebene erfüllen derzeit die „klassischen“ Parteifunktionen nur in geringem Maß. Sie dienen im Wesentlichen nur zur Koordinierung ihrer nationalen Mitgliedsparteien, so dass eine öffentliche Teilalimentierung auf den ersten Blick auch nur für diese Aufgabe gerechtfertigt erscheint. Dieser Gedanke sollte zwar die Höhe einer öffentlichen Finanzierung bestimmen, er sollte sich jedoch nicht allein darauf beschränken. Europäisches Parteienrecht ist gerade ein zukunftsorientiertes Rechtsgebiet. Es zielt darauf, dass europäische Parteien Aufgaben und Funktionen künftig verstärkt wahrnehmen. Um indes dieser Ausrichtung adäquat Rechnung zu tragen, sollten die europäischen Parteien über die Förderung der Koordinierungsarbeit hinaus wirtschaftlich in die Lage versetzt werden, klassische Parteifunktionen in Zukunft verstärkt übernehmen zu können. Ohne öffentliche Anschubfinanzierung wird es den europäischen Parteien schwer fallen, sich in einer sich entwickelnden europäischen Öffentlichkeit als politischer Akteur zu etablieren und private Mittel aus der Gesellschaft zu erhalten. Eine ausreichende wirtschaftliche Grundlage ist aber unabdingbare Voraussetzung, dass sie ihre Funktionen innerhalb einer europäischen repräsentativen Demokratie erfüllen können. Gleichzeitig dürfen die Erwartungen, die mit einer öffentlichen Finanzierung verbunden waren und teilweise immer noch sind, nicht zu hoch gesteckt werden. Damit die Europaparteien ein zunehmender Faktor in der politischen Landschaft der Union werden können, bedarf es weiterer Fortschritte im europäischen Integrationsprozess, der eigenen Bereitschaft der Parteien, durch strukturelle Veränderungen die Partizipationsmöglichkeiten der Bürger zu verbessern, und zuletzt der Einsicht der jeweiligen nationalen Mitgliedsparteien, dass sich die Europaparteien vom Einfluss nationaler Interessen emanzipieren müssen. Dieser Prozess wird sich ebenso wie der europäische Integrationsprozess aufgrund seiner Vielzahl von politischen Entscheidungsträgern  – genuin europäischen sowie aktuell 28 Mitgliedstaaten mitsamt deren Bürgern, Parlamenten, Regierungen und Parteien – regelmäßig als ein zähes Ringen um Reformentwicklungen darstellen und von daher längere Zeit in Anspruch nehmen332. Eine Parteienverordnung, die sich fast ausschließlich auf die Regelung von Finanzhilfen beschränkt, kann dabei nur ein Baustein unter vielen sein, die die Fortentwicklung der politischen Parteien auf europäischer Ebene unterstützen333.

332

Oeter, in: von Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, S. 73 (99). In diese Richtung auch: Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 283. 333

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§ 3 Grundprobleme einer öffentlichen Finanzierung politischer Parteien 

C. Pflicht zu einer öffentlichen Finanzierung Wenn Finanzhilfen der Europäischen Union nicht nur europarechtlich zulässig sind, sondern in gewissem Umfang sogar aus rechtspolitischer Sicht positive Folgen für die Aufgabenerfüllung der Parteien mit sich bringen, stellt sich naturgemäß die Frage, ob es darüber hinaus nicht eine Rechtspflicht des europäischen Gesetzgebers gibt, diesen öffentliche Subventionen zukommen zu lassen. Ein erster Hinweis auf eine solche Verpflichtung des europäischen Gesetzgebers könnte der Wortlaut des Art. 224 EUV sein. Er normiert, dass das Europäische Parlament und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren durch Verordnungen die Regelungen über die politischen Parteien auf europäischer Ebene und insbesondere die Vorschriften über ihre Finanzierung festlegen. Bei näherem Hinsehen sprechen freilich viele Gründe gegen die Annahme, dass Art. 224 AEUV einen Auftrag formuliert, politische Parteien öffentlich zu finanzieren. Vielmehr handelt es sich hierbei lediglich um eine Ermächtigung des Verordnungsgebers334. Eine solche Auslegung findet ihre Bestätigung schon in der Entstehungsgeschichte der Norm. Die Einführung des heutigen Art. 224 AEUV ((ex) Art. 191 Abs. 2 EGV) sollte den Streit beenden, ob der ursprüngliche Parteienartikel die Unionsorgane zum Erlass eines Parteienstatuts und Regelungen über ihre Finanzierung ermächtigte335. Er ist demnach als begrenzte Einzelermächtigung im Sinne des Art.  5 Abs. 1, 2 EUV anzusehen336, der es erst ermöglichen soll, dass die Europäische Union Europaparteien wirtschaftlich unterstützt. Dass sie hierzu dann auch verpflichtet ist, würde umgekehrt den Anwendungsbereich der Vorschrift überdehnen. Der Wortlaut des Art. 224 AEUV spricht insoweit lediglich von „Vorschriften über ihre Finanzierung“ und umfasst demnach gleichsam Regelungen von Spenden, Mitgliedsbeiträgen etc., mithin nicht nur eine öffentliche Finanzierung, sondern auch die Eigenmittel der europäischen Parteien. Ein weiterer Anknüpfungspunkt für einen Anspruch der Parteien auf Gewährung öffentlicher Mittel könnte sich noch aus der Funktionszuweisung des Art. 10 Abs. 4 EUV ergeben. Wenn politische Parteien auf europäischer Ebene eine öffentliche Aufgabe wahrnehmen und ihnen aus diesem Grund ein unionsrechtlicher Status zugewiesen wurde, mag man hieraus vielleicht auch eine Verpflichtung zur Finanzierung durch die öffentliche Gewalt folgern. Ein solcher Ansatz würde freilich wieder die Stellung der Parteien im Primärrecht verkennen. Trotz ihrer Erwähnung in den Verträgen sind Parteien keine Organe der Europäischen Union sondern private Gruppierungen, denen lediglich aufgrund ihrer besonderen Bedeutung für eine repräsentative Demokratie eine Zwischenstellung zwischen öffentlicher Gewalt und der gesellschaftlichen Sphäre zukommt. Privatrechtlich organisierte Vereinigungen haben aber nicht schon allein deshalb einen 334

Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 118. Siehe hierzu: § 2 B. II. 336 Hölscheidt, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 224 AEUV Rn. 8. 335

C. Pflicht zu einer öffentlichen Finanzierung

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originären Anspruch auf öffentliche Leistungen, nur weil sie eine öffentliche Aufgabe wahrnehmen. Schließlich könnte sich ein Anspruch der europäischen Parteien gegenüber dem Gesetzgeber aus einer Schutzpflicht der Union zum Erhalt eines funktionsfähigen Parteiensystems ableiten337. Art. 10 Abs. 4 EUV enthält insoweit auch eine institutionelle Garantie338. Diese ergibt sich zum einen aus der Funktionszuweisung der politischen Parteien auf europäischer Ebene und zum anderen aus der systematischen Einordnung des Parteienartikels in die Bestimmungen über die demokratischen Grundsätze der Union. Aus diesem Zusammenhang wird deutlich, dass das Primärrecht die Institution der Parteien aufgrund ihrer Bedeutung für eine repräsentative Demokratie unter besonderen Schutz stellt. Wenn die Existenz eines Parteiensystems europarechtlich garantiert wird, kann die Europäische Union unter Umständen verpflichtet sein, die Europaparteien finanziell zu unterstützen, wenn und soweit ohne öffentliche Mittel dessen Funktionsfähigkeit nicht mehr gewährleistet ist. Eine solche Überlegung knüpft an die Erkenntnis an, dass politische Parteien finanzielle Ressourcen in ausreichendem Ausmaß benötigen, um ihren Aufgaben gerecht werden zu können. In gleichem Maße sind aber die schon mehrfach erwähnten Dysfunktionalisierungsgefahren einer öffentlichen Parteienfinanzierung zu berücksichtigen, die letztlich wiederum das entscheidende Argument gegen eine Verpflichtung des Verordnungsgebers zur Gewährung von Haushaltsmitteln darstellen339. Die Gewichtung der Chancen und Risiken öffentlicher Finanzhilfen bzw. deren Unterlassung ist letztlich Aufgabe des Verordnungsgebers. Das Für und Wider öffentlicher Zuwendungen ist – wie gezeigt – mehr eine rechtspolitische als eine rechtliche Entscheidung. Zwar werden in der vorliegenden Untersuchung die Vorteile einer Teilfinanzierung durch die Europäische Union als überwiegend angenommen, es bleibt jedoch der Legislative überlassen, sich für oder gegen die Subventionierung europäischer Parteien zu entscheiden. Wie man beispielsweise der Gefahr begegnet, dass private Personen und Unternehmen Parteien durch Spenden beeinflussen könnten, bleibt ebenfalls zunächst einmal ihrer Einschätzungsprärogative überlassen. Eine Ausnahme kommt allenfalls dann in Betracht, wenn das gesamte Parteiensystem nicht in der Lage ist, sich selbst aus Eigenmitteln zu finanzieren und die Parteien sich in einer wirtschaftlichen „Notsituation“ befinden340. Dies kann von 337 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 227; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 21 Rn. 434; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 44; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 21 Rn. 20. 338 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 121. 339 Vgl. zum deutschen Recht: Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S.  150; in diese Richtung schon: Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art.  21 Rn. 46. 340 Vgl. hierzu: Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 150; in diesem Sinne auch: Kunig, in: Isensee/Kirchhoff, HStR III, § 40 Rn. 116; Stricker, Der Parteienfinanzierungsstaat, S. 143.

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§ 3 Grundprobleme einer öffentlichen Finanzierung politischer Parteien 

vornherein nur dann angenommen werden, wenn nicht nur einzelne Parteien, sondern zumindest eine weit überwiegende Anzahl außerstande sind, selbst für ihre Einnahmen Sorge tragen zu können: also das Mehrparteiensystem in seinem Bestand gefährdet ist341. Aus dem Grundsatz der Unionsfreiheit politischer Parteien folgt, dass ihnen grundsätzlich nicht das „Risiko des Fehlschlagens ihrer Bemü­ hungen um eine hinreichende Unterstützung in der Wählerschaft“ abgenommen wird342. Einzelne Parteien tragen also das unternehmerische Risiko für das Bestehen im politischen Wettbewerb selbst, und nur wenn das Parteiensystem in seiner Gesamtheit gefährdet wäre, kann erst die Institutsgarantie des Art. 10 Abs. 4 EUV greifen. In der Höhe ist diese Pflicht dann aber darauf zu begrenzen, was zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Mehrparteiensystems erforderlich ist343. Ein solcher Zustand ist innerhalb des europäischen Parteiensystems derzeit und auf längere Sicht hin nicht wahrscheinlich. Vor dem Hintergrund der nur unzureichenden Funktionserfüllung ist eine solche Notsituation nur schwerlich denkbar. Einem Anspruch auf Finanzierung liegt in diesen Fällen die Gefahr zugrunde, dass aufgrund finanzieller Schwierigkeiten das Parteiensystem nicht „mehr“ seine Aufgaben in der demokratischen Ordnung wahrnehmen kann. Soweit die Funktionserfüllung der europäischen Parteien jedoch unzureichend ist, hat das im Wesentlichen aber politische und weniger wirtschaftliche Gründe. Überdies kann man nicht davon sprechen, dass die Europaparteien nicht „mehr“ ihre Funktionen erfüllen, sondern man muss vielmehr konstatieren, dass sie diesen noch „nie“ nachgekommen sind. Weder verbietet das Unionsrecht eine öffentliche Finanzierung europäischer Parteien noch gebietet es, eine solche zu schaffen bzw. aufrechtzuerhalten344. Die Frage des „Ob“ obliegt daher dem europäischen Gesetzgeber als freie politische Ermessensentscheidung.

341

Stricker, Der Parteienfinanzierungsstaat, S. 133. Zum deutschen Recht: BVerfGE 52, 63 (86), das eine solche grundsätzliche Gefährdung der Aufgabenerfüllung der politischen Parteien in Deutschland ohne staatliche Zuwendungen ohne konkrete Prüfung ablehnte. Seitdem std. Rspr.: BVerfGE 104, 287 (300) m. w. N. 343 Stricker, Der Parteienfinanzierungsstaat, S. 138. 344 So im Ergebnis auch: Buhr, Europäische Parteien, S.  62; Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 118; Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 227. 342

§ 4 Parteienrechtliche Grundprinzipien im Europarecht Wer die Regelungen des europäischen Parteienfinanzierungsrechts unter­suchen will, benötigt Leitlinien und Prinzipien, anhand derer man die Rechtmäßigkeit der einzelnen Bestimmungen überprüfen kann. Gerade mittels solcher Prinzipien lässt sich hinter der Vielfalt einzelner Normen regelmäßig etwas Dauerhaftes und Maßstäbliches als „gemeinsames Proprium“ finden1. Es bedarf primärrechtlicher Determinanten, die dem sonst so wandlungsfähigen und dynamischen Parteienrecht Direktiven vorgeben und ihm eine gewisse Konstanz und Stringenz verleihen; anders formuliert: Es sind Grundprinzipien erforderlich, die als Grundlage von Rechtssetzung, -anwendung und -kontrolle fungieren können. Während im europäischen Parteienrecht, das nun gerade ein vergleichsweise neues Rechtsgebiet ist, solche Prinzipien bisher wenig Beachtung fanden, spielen sie auf nationalstaatlicher Ebene, insbesondere im deutschen Parteienrecht, eine erheblich bedeutendere Rolle. Wagt man sich auf das noch „unerschlossene Rechtsgebiet“ des europäischen Parteienrechts, liegt der Gedanke nahe, inwieweit sich nicht Überlegungen, die schon früher in den jeweiligen Mitgliedstaaten der Union angestellt wurden, auch für das Unionsrecht fruchtbar machen lassen. Gegen diese Erwägung spricht zwar zunächst einmal die Annahme, dass das Unionsrecht autonom zu interpretieren ist2. Gleichwohl scheint ein Blick auf die nationalstaatlichen Prinzipien des Parteienrechts auch für die europäische Ebene interessant, denn die Autonomie des Unionsrechts schließt nicht aus, dass man aus einem Vergleich von staatlichen Prinzipien mit unionalen Prinzipien Erkenntnisse gewinnen kann3. Auf beiden Ebenen herrscht insoweit „Problemidentität“4 als beide, Nationalstaaten wie die Europäische Union, einseitig verbindliche Regelungen für Bürger setzen können. Diese Befugnis bedarf einer Legitimierung5. Haben aber die parteienrechtlichen Prinzipien in den Mitgliedstaaten schon eine längere Tradition als in der Union, so kann ihre Entwicklung für das Europarecht als Erfahrungswert herangezogen werden6. Des Weiteren können die auf nationalstaatlicher Ebene gewonnenen Erfahrungen 1

von Bogdandy, in: von Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, S. 13. Vgl. zur autonomen Rechtsordnung: Bleckmann, Europarecht, Rn. 552; dieses Problem sehend, aber trotzdem eine Fruchtbarmachung grundsätzlich bejahend: von Bogdandy, in: von Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, S. 13 (30). 3 von Bogdandy, in: von Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, S. 13 (31). 4 von Bogdandy, in: von Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, S. 13 (31). 5 von Bogdandy, in: von Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, S. 13 (31). 6 Vgl. von Danwitz, AöR 131 (2006), 510 (518). 2

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§ 4 Parteienrechtliche Grundprinzipien im Europarecht 

für ihre Leistungsfähigkeit und den mit ihren verbundenen Schwierigkeiten auch im Rahmen des Europarechts gewinnbringend eingesetzt werden7. Insoweit hat das nationale Parteienrecht teilweise schon Antworten auf Fragen gegeben, die sich auf europäischer Ebene in gleicher Weise stellen. Dies bedeutet freilich nicht, dass man sie einfach übertragen kann8. Zunächst und vor allem ist das Europarecht eigenständig zu interpretieren. Aber man muss eine Diskussion über parteienrechtliche Grundsätze, die zwar im Unionsrecht relativ neu ist, die aber in den Mitgliedstaaten schon geführt wurde, nicht gänzlich neu erfinden und entwickeln. Man kann sich an den staatlichen Antworten und Erfahrungen durchaus orientieren; selbstverständlich unter dem Blickwinkel, dass die Europäische Union als transnationale Organisation kein Staat ist und dass man daher auch diese Besonderheit berücksichtigen muss9. Nach alldem sind die Grundprinzipien des europäischen Parteienrechts zwar in erster Linie aus dem Unionsrecht selbst zu entwickeln, doch kann man sich bei ihrer Herleitung, ihrer Ausgestaltung und ihren Ausprägungen durchaus von den bereits in den Nationalstaaten angestellten Überlegungen leiten lassen. Von daher mag man – wie in diesem Kapitel – zunächst einen Blick auf die Erwägungen zu den parteienrechtlichen Grund­prinzipien in der Bundesrepublik Deutschland sowie den übrigen Mitgliedstaaten der Union werfen, bevor man sich dem noch neuen Feld der Prinzipien eines europäischen Parteienrechts nähert. Diese Grundprinzipien bilden dabei die maßgeblichen Beurteilungsgrundlagen für die sekundärrechtlichen Regelungen des europäischen Parteienrechts und damit natürlich auch des Parteienfinanzierungsrechts. Im deutschen Verfassungsrecht, wie auch in vielen anderen Mitgliedstaaten der Union, finden sich vier solcher parteienrechtlicher Grundsätze: die Parteienfreiheit, die Chancengleichheit, das Recht der Bürger auf gleiche Teilhabe am politischen Willensbildungsprozess sowie der Öffentlichkeitsgrundsatz. Diese vier Prinzipien bilden auch auf Unionsebene das Fundament eines Parteienfinanzierungsrechts.

A. Grundsatz der Parteienfreiheit I. Parteienfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland Der Grundsatz der Freiheit politischer Parteien unterteilt sich im deutschen Verfassungsrecht seinerseits zunächst in die Gründungsfreiheit, die Betätigungsfreiheit und die Staatsfreiheit.

7

Vgl. von Danwitz, AöR 131 (2006), 510 (518). von Bogdandy, in: von Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, S. 13 (31). 9 von Bogdandy, in: von Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, S. 13 (31). 8

A. Grundsatz der Parteienfreiheit

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1. Parteigründungsfreiheit Das deutsche Verfassungsrecht garantiert die Parteigründungsfreiheit schon ausdrücklich in Art. 21 Abs. 1 S. 2 GG. Sie ist in erster Linie ein Abwehrrecht gegenüber staatlichen Restriktionen und findet ihren Ausgangspunkt in dem Verbot, eine Parteigründung von einem staatlichen Zulassungsakt abhängig zu machen10. In ihrer Fortsetzung schließt sie darüber hinaus die Organisations- und Programmfreiheit der Parteien ein11 und steht zum einen der Gruppierung selbst als kollektives Recht zu, beinhaltet zum anderen aber auch ein individuelles Recht der einzelnen Bürger12. Als formale Freiheit beschränkt sie sich darauf, die Möglichkeit zu gewährleisten, dass sich politische Meinungen und Interessen innerhalb parteilicher Strukturen organisieren können13. Insoweit enthält schon die Gründungsfreiheit naturgemäß – um nicht ins Leere zu laufen – eine institutionelle Garantie, dass Parteien nach ihrer Konstituierung nicht mehr beliebig verboten werden dürfen14. 2. Parteienbetätigungsfreiheit Die Betätigungsfreiheit politischer Parteien wird in Art.  21 Abs.  1 GG zwar nicht explizit erwähnt, ist freilich trotzdem nach allgemeiner Ansicht verfassungsrechtlich gewährleistet15. Die freie Betätigung ist notwendige Fortsetzung der Gründungsfreiheit politischer Parteien, da die Gründung gerade zu dem Zweck erfolgt, um später während des gesamten politischen Willensbildigungsprozesses nach seinen politischen Ideen und Überzeugungen handeln zu können16. Art. 21

10 Grimm, in: Benda/Maihofer/Vogel, HVerfR, § 14 Rn.  31; Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, § 1 Rn. 30; Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 21 Rn. 45; Maurer, JuS 1985, 881 (885); Schneider, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 151 (202). 11 Kunig, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 21 Rn. 49; Maurer, JuS 1985, 881 (885); Stocklossa, MIP 1991, 36 (57); Streinz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 21 Rn. 103; Tsatsos/Morlok, Parteienrecht, S. 75; die Programmfreiheit erstreckt sich über den Zeitraum der Gründung auf die gesamte Betätigung und ist daher auch Teil der Betätigungsfreiheit; so wohl auch: Streinz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 21 Rn. 108. 12 Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, § 1 Rn. 26; Tsatsos/Morlok, Parteienrecht, S. 77; a. A. Gusy, in: Denninger/Hoffmann-Riem/Schneider/Stein, GG, Art. 21 Rn. 62, der in der Gründungsfreiheit lediglich ein Individualrecht sieht. 13 Grimm, in: Benda/Maihofer/Vogel, HVerfR, § 14 Rn. 31. 14 Maurer, JuS 1991, 881 (885). 15 Grimm, in: Benda/Maihofer/Vogel, HVerfR, § 14 Rn.  33; Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, § 1 Rn. 1; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 21 Rn. 45; Streinz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 21 Rn. 107; Tsatsos/Morlok, Parteienrecht, S. 77; Volkmann, Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S. 157. 16 Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, § 1 Rn.  23; Tsatsos/Morlok, Parteienrecht, S.  77; Volkmann, JZ 2000, 539 (543).

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§ 4 Parteienrechtliche Grundprinzipien im Europarecht 

Abs. 1 S. 2 GG würde ins Leere laufen, wenn Parteien nicht das Recht auf freie Betätigung zugesprochen würde17. Zugespitzt formuliert: Ohne die freie Betätigung ist das Recht zur freien Gründung nichts wert. Die Betätigungsfreiheit lässt sich wiederum in verschiedene einzelne Freiheitsrechte unterteilen, die die spezifischen parteipolitischen Betätigungen betreffen. Für die vorliegende Unter­suchung ist dabei vor allem die Finanzierungsfreiheit interessant18. Sie umfasst sowohl die Einnahmen- wie auch die Ausgabenseite19. In der Gesamtschau schützt die Betätigungsfreiheit „alle spezifisch parteipolitischen Betätigungen, die nicht durch an­ dere Grundrechte gewährleistet sind“20. 3. Staatsfreiheit der Parteien Die Parteienfreiheit entfaltet sich nicht nur als ein Recht auf Freiheit, sondern hat darüber hinaus eine objektiv-rechtliche Dimension, die sich insbesondere im Grundsatz der „Staatsfreiheit“ der Parteien manifestiert21. Früher wurde dieser Grundsatz durch das Bundesverfassungsgericht aus einem dualistischen Ansatz zwischen Volks- und Staatswillen hergeleitet. Staats- und Volkswillen seien nach dem Grundgesetz zu unterscheiden. Einzig und allein in dem Zeitpunkt, in dem „das Volk als Verfassungs- oder Kreationsorgan durch Wahlen und Abstim­ mungen selbst die Staatsgewalt“ ausübe, sei die Äußerung des Volkswillens mit der Bildung des Staatswillens deckungsgleich22. Zwar seien die Willensbildungsprozesse von Volk und Staat miteinander verschränkt, jedoch müsse in einer demokratischen Ordnung die Willensbildung vom Volk hin zu den Staatsorganen und nicht umgekehrt erfolgen. Staatlichen Organen sei es daher verwehrt, auf die Willensbildung des Volkes zu einzuwirken. Dieser gesellschaftliche Prozess habe staatsfrei stattzufinden23. Von daher müsse eine „staatlich-institutionelle Verfes­ tigung der Parteien und ihre Einfügung in den Bereich der organisierten Staat­ lichkeit verhindert werden“24.

17 Streinz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 21 Rn. 107; Küstermann, Die Rechenschaftspflicht der politischen Parteien, S. 16. 18 Zur Finanzierungsfreiheit: Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 21 Rn. 4; zu den einzelnen Ausformungen der Betätigungsfreiheit ausführlich: Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, § 1 Rn. 29 ff.; Streinz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 21 Rn. 107 ff. 19 Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, § 1 Rn. 34. 20 Ipsen, in: Sachs, GG, Art. 21 Rn. 32. 21 Zum Grundsatz der Staatsfreiheit: BVerfGE 20, 56 (98 ff.); BVerfGE 85, 264 (283 ff.); zur objektiv-rechtlichen Dimension: Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 46. 22 BVerfGE 20, 56 (98). 23 BVerfGE 20, 56 (99). 24 So das Zitat von Hesse, VVDStRL 17 (1959), 11 (33); dem schloss sich in seiner Rechtsprechung auch das Verfassungsgericht lange an: BVerfGE 20, 56 (102); BVerfGE 52, 63 (92); BVerfGE 78, 350 (363).

A. Grundsatz der Parteienfreiheit

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Diese Herleitung des Bundesverfassungsgerichts stieß in der Literatur zu Recht auf heftige Kritik25. Die Sichtweise eines derartigen Dualismus zwischen Staat und Gesellschaft ist in einer modernen Demokratie verfehlt26. Die Vorstellung des wilhelminischen Spätkonstitutionalismus, dass die gesellschaftliche Sphäre vom Staat abgetrennt und gänzlich frei ist, ist im Parteienstaat moderner Prägung obsolet geworden27. Tatsächlich ist die Willensbildung des Staates kein linear verlaufender Prozess, der allein von der Gesellschaft in Richtung der organisierten Staatlichkeit verläuft, sondern er erweist sich vielmehr als ein komplexes Gebilde, in dem zwar einerseits Impulse aus dem gesellschaftlich-politischen Bereich erfolgen, auf der anderen Seite aber auch Regelungen und Entscheidungen staatlicher Organe sowie Äußerungen und Maßnahmen staatlicher Organwalter umgekehrt die politische Willensbildung des Volkes beeinflussen28. Lassen sich die Willensbildungsprozesse sowohl des Staates als auch des Volkes aber nicht exakt voneinander trennen und wirken die Parteien qua Verfassungsauftrag bei der Willensbildung des Volkes mit, sind sie zwangsläufig auch an der Willensbildung des Staates beteiligt29. Parteien dienen mit ihrer Vermittlungsfunktion unter anderem dazu, einen strikten Dualismus zwischen Staat und Gesellschaft zu überwinden30. Trotz dieser massiven Kritik wurde und wird bis heute an dem Grundsatz der Staatsfreiheit festgehalten, wenngleich sich nicht nur dessen Herleitung, sondern in gleichem Maße auch dessen Lesart verändert hat. Seinen rechtlichen Ausgangspunkt nimmt er mit der nunmehr ganz herrschenden Meinung in den Parteifunktionen des Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG31. Parteien haben die grundgesetzliche Aufgabe, „die Bürger freiwillig zu politischen Handlungseinheiten mit dem Ziel der Betei­ ligung an der Willensbildung in den Staatsorganen organisatorisch zusammen­ zuschließen und ihnen so einen wirksamen Einfluss auf das staatliche Gesche­ hen zu ermöglichen“32. Sie sollen politische Ziele formulieren, diese den Bürgern 25 Häberle, JuS 1967, 64 (66 ff.); Ipsen, JZ 1992, 753 (756); Lee, Chancengleichheit der politischen Parteien, S.  97; Schmidt-Jortzig, DVBl. 1983, 773 (777); Tsatsos/Morlok, Parteienrecht, S. 30 f.; Volkmann, ZRP 1992, 325 (326 f.). 26 Häberle, JuS 1967, 64 (66). 27 Lee, Chancengleichheit der politischen Parteien, S.  97; Horn, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Parteienfinanzierung, S. 74; Volkmann, ZRP 1992, 325 (326 f.); ausführlich hierzu: Häberle, JuS 1967, 64 (66 ff.). Hiergegen wendet sich u. a. noch Böckenförde, Recht, Staat, Freiheit, S. 209 ff., der von einer Trennung zwischen Staat und Gesellschaft ausgeht, jedoch ein Beziehungsverhältnis zwischen beiden Ebenen konstatiert und sodann feststellt, dass Parteien eine Zwischenstellung zwischen beiden Ebenen innehaben, insbesondere S. 225 ff. 28 Häberle, JuS 1967, 64 (66 f.); Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 21. 29 In diese Richtung auch: Häberle, JuS 1967, 64 (66); Volkmann, ZRP 1992, 325 (327). 30 Horn, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Parteienfinanzierung, S. 74; Tsatsos/Morlok, Parteienrecht, S. 33. 31 Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, § 1 Rn. 59; Lee, Chancengleichheit der politischen Parteien, S.  98; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art.  21 Rn.  33; Schwartmann, Verfassungsfragen der Allgemeinfinanzierung politischer Parteien, S. 87. 32 BVerfGE 85, 264 (284); zu den Parteifunktionen ausführlich: § 5 B. I. 1.

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§ 4 Parteienrechtliche Grundprinzipien im Europarecht 

vermitteln und daran mitwirken, „dass die gesellschaftlichen Probleme erkannt, benannt und angemessenen Lösungen zugeführt werden“33. Infolge dieses neuen Ansatzes wird der Begriff der „Staatsfreiheit“ in erster Linie unter dem Blickwinkel des Verhältnisses der Parteien zu den Bürgern betrachtet. Der Grundsatz der Staatsfreiheit enthält damit aus heutiger Sicht „das Gebot der fortdauernden Ver­ ankerung der Parteien in der Gesellschaft“34. Daher spricht das Bundesverfassungsgericht mittlerweile von einem Grundsatz der „Staatsferne“ der Parteien35. Konsequenz dessen ist, dass sie „ihren Charakter als frei gebildete, im gesell­ schaftlich-politischen Bereich wurzelnde Gruppen“ bewahren müssen36. Parteien dürfen keine Staatsparteien werden37. Aus diesem Grund müssen sie politisch, wirtschaftlich und organisatorisch von der Unterstützung der Bürger abhängig sein38. Der verfassungsrechtliche Zweck dieses Grundsatzes liegt also darin, eine Entfremdung der Parteien von ihren Mitgliedern und Wählern zu verhindern39. Deshalb darf die öffentliche Hand den Parteien auch nicht „das Risiko eines Fehl­ schlagens ihrer Bemühungen um eine hinreichende Unterstützung in der Wähler­ schaft“ abnehmen. In wirtschaftlicher Hinsicht bedeutet dies letztlich, dass Parteien durch staatliche Zuwendungen nicht von der Notwendigkeit befreit werden dürfen, sich um finanzielle Unterstützung durch ihre Mitglieder und Förderer zu bemühen40.

II. Die Parteienfreiheit in anderen Mitgliedstaaten der Union Doch nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland ist die Freiheit politischer Parteien garantiert, die übrigen Mitgliedstaaten der Union erkennen sie ebenfalls ausnahmslos an. So wird sie in den Verfassungen Belgiens41 und Dänemarks42 zwar nicht explizit verbürgt, ergibt sich dort aber aus der verfassungsrechtlich gewährten Vereinigungsfreiheit. Aus ihr folgt neben dem Recht auf freie Gründung auch die Freiheit, alle gesetzeskonformen Tätigkeiten auszuüben43. 33

BVerfGE 85, 264 (284). BVerfGE 85, 264 (283); Schütte, Bürgernahe Parteienfinanzierung, S. 70. 35 BVerfGE 85, 264 (283). 36 BVerfGE 85, 264 (287); Ipsen, JZ 1984, 1060 (1064); Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, § 1 Rn. 59. 37 Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, § 1 Rn. 95. 38 BVerfGE 85, 264 (287); Ipsen, ZParl 1994, 401 (402). 39 BVerfGE 85, 264 (287 f.); Ipsen, ZParl 1994, 401 (402). 40 So auch das Zitat in: BVerfGE 85, 264 (287 f.); hierzu ebenfalls: Schwarz, in: Kersten/ Rixen, PartG, § 18 Rn. 5. 41 Suetens, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 27 (60). 42 Vesterdorf, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 73 (87 und 134). 43 Vesterdorf, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 73 (133 f.). 34

A. Grundsatz der Parteienfreiheit

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In vielen mitgliedstaatlichen Verfassungen ist die Parteienfreiheit ausdrücklich normiert. So garantiert Art. 4 Abs. 1 S. 1 der Verfassung Frankreichs, dass sowohl die Bildung als auch die Tätigkeit politischer Parteien frei sind. Gleichgeartete Regelungen finden sich in Art. 11 der polnischen Verfassung, in Art. 6 der spanischen Verfassung und in Art.  3 Abs.  1 der Verfassung Ungarns. In Grie­ chenland wird die Gründungsfreiheit durch Art.  29 Abs.  1 der Verfassung gewährleistet. Hiernach können griechische Bürger, die das Wahlrecht besitzen, frei politische Parteien gründen und ihnen angehören. Aus dem Recht auf Parteigründung folgt als ihr notwendiger Annex zudem die Betätigungs- und Wettbewerbsfreiheit44. In der Tschechischen Republik ist die Gründungsfreiheit in Art. 5 der Verfassung und in Art. 20 Abs. 2 der Grundrechtecharta explizit erwähnt. So haben die Bürger gemäß Art. 20 Abs. 2 der Charta der Grundrechte und -freiheiten das Recht, politische Parteien und Bewegungen zu gründen und sich in diesen zu vereinigen. Die Verfassung Italiens garantiert die Freiheit der Parteigründung in Art. 49. Dieser normiert, dass alle Bürger das Recht haben, sich frei zu Parteien zusammenzuschließen, um in demokratischer Weise bei der Bestimmung der nationalen Politik mitzuwirken. Aus dem gesellschaftlichen Rechtscharakter der Parteien folgert das italienische Verfassungsrecht überdies die allgemeine Parteienfreiheit, die zunächst den Bürgern als Grundrecht zusteht, darüber hinaus aber auch den Parteien selbst zukommt45. Zuletzt bekennt sich das italienische Parteienrecht zur grundsätzlichen Staatsferne politischer Parteien46. Litauens Verfassung bestimmt in Art. 35 Abs. 1, dass den Staatsbürgern das Recht gewährt wird, sich frei zu Vereinen, politischen Parteien und Verbänden zusammenzuschließen, sofern deren Ziele und Tätigkeit nicht der Verfassung oder den Gesetzen zuwiderlaufen. Der allgemeinen Parteienfreiheit setzen das Parteiengesetz und die Vorschriften zur Parteienregistrierung jedoch enge Grenzen47. In Luxemburg resultiert die Freiheit der Bürger zur Parteigründung aus den Artikeln 51 und 26 der Verfassung48. Ergänzend hierzu wird sie aus dem Prinzip des allgemeinen Wahlrechts sowie dem Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie abgeleitet49. Die allgemeine Parteienfreiheit wird im luxemburgischen Verfassungsrecht teilweise als Folge der Gründungsfreiheit und teilweise wiederum als

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Gikas, Chancengleichheit der politischen Parteien in Griechenland, S. 65. Lanchester, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 367 (414). 46 Lanchester, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 367 (414). 47 Vadapalas, in Tsatsos/Kedzia, Parteienrecht in mittel- und osteuropäischen Staaten, S. 73 (102). 48 Wivenes, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 435 (478). 49 Tsatsos, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 824 (825 f.). 45

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§ 4 Parteienrechtliche Grundprinzipien im Europarecht 

allgemeiner Ausdruck einzelner verfassungsrechtlicher Befugnisse und Freiheiten der Parteien angesehen50. In Bulgarien ist die Parteigründungsfreiheit demgegenüber einfachgesetzlich in Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes über die politischen Parteien und die allgemeine Parteienfreiheit über dessen Art. 4 garantiert51. Auf gleichem Wege statuiert das öster­ reichische Parteiengesetz die Gründungs- und Betätigungsfreiheit der politischen Parteien52. Auch wenn das Rechtssystem Großbritanniens keine geschriebenen verfassungsrechtlichen Regelungen kennt, setzt es doch die Gründungsfreiheit der Parteien voraus53. Als ihre zwangsläufige Folge wird Parteien des Weiteren das Recht auf Handlungs- und Organisationsfreiheit zugesprochen54. Ebenso gewährleisten die Niederlande55 und Portugal56 die Parteigründungsfreiheit sowie die allgemeine Parteienfreiheit. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass alle Mitgliedstaaten der Euro­ päischen Union die Gründungs- und Betätigungsfreiheit ihrer nationalen politischen Parteien garantieren57. Bei näherem Hinsehen zeigen sich aber durchaus Unterschiede bei der Herleitung der Parteienfreiheit in den jeweiligen Mitgliedstaaten. Die Freiheit zur Parteigründung ergibt sich in einigen Staaten aus einer ausdrücklichen Verfassungsbestimmung oder den einfachgesetzlichen parteienrechtlichen Regelungen, während diese sich in den Übrigen aus der Vereinigungsfreiheit ableitet58. Lediglich in Luxemburg resultiert die Parteigründungsfreiheit aus dem Prinzip des allgemeinen Wahlrechts und der parlamentarischen Demokratie als verfassungsrechtlich determinierte Staatsform59. Die Betätigungsfreiheit der Parteien wird in den Mitgliedstaaten der Union regelmäßig als not 50 Wivenes, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 435 (480). 51 Konstantinov, in Tsatsos/Kedzia, Parteienrecht in mittel- und osteuropäischen Staaten, 23 (58 f.). 52 Schäffer, VVDStRL 44 (1986), 46 (53). 53 Streinz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 21 Rn. 36. 54 Smith, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 301 (328). 55 Elzinga, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 499 (540 f.). 56 De Sousa, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 591 (622 f.). 57 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 218; Morlok, in: Johansson/Zervakis, European political parties between cooperation and integration, S.  29 (34); Tsatsos, DÖV 1988, 1 (4); Tsatsos/Deinzer, Europäische Politische Parteien, S. 22; Tsatsos/ Kedzia, in: dies., Parteienrecht in mittel- und osteuropäischen Staaten, S. 325 (338). 58 Deinzer, Europäische Parteien, S. 16 f.; Tsatsos, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 824 (825). 59 Tsatsos, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 824 (825 f.).

A. Grundsatz der Parteienfreiheit

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wendige Folge ihrer Gründungsfreiheit angesehen60. Während diese Freiheiten in sämtlichen Mitgliedstaaten entweder direkt oder vermittelt über die Vereinigungsfreiheit garantiert sind, spielt der im deutschen Verfassungsrecht vielfach diskutierte Grundsatz der Staatsfreiheit oder der Staatsferne im europäischen Ausland nur eine untergeordnete Rolle. Die hierzu entwickelten Leitgedanken finden sich allenfalls noch im Parteienrecht der osteuropäischen Staaten, die sich in ihrer Verfassungsentwicklung nach dem Fall des Kommunismus stark am deutschen Grundgesetz orientierten61. Gleichwohl ist auch in anderen Mitgliedstaaten eine Tendenz zu erkennen, sich zunehmend mit dieser Thematik – insbesondere mit dem Ziel, die staatliche Finanzierung der Parteien zu begrenzen  – ausein­ anderzusetzen62.

III. Parteienfreiheit auf der Ebene der Europäischen Union 1. Parteigründungsfreiheit Die Gründungsfreiheit politischer Parteien wird in Art. 10 Abs. 4 EUV nicht ausdrücklich erwähnt. Sie ergibt sich aber mittlerweile aus Art.  6 Abs.  1 EUV i. V. m. Art. 12 Abs. 2 i. V. m. Art. 12 Abs. 1 GRCh. Insoweit hat sich ihre Herleitung durch den Vertrag von Lissabon geändert63. Gemäß Art. 6 Abs. 1 EUV erkennt die Union die Rechte und Freiheiten an, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 7. Dezember 2000 in der am 12. Dezember 2007 in Straßburg angepassten Fassung niedergelegt sind; die Charta der Grundrechte und die Verträge sind rechtlich gleichrangig. Art. 6 Abs. 1 EUV inkorporiert also die Grundrechtecharta in das Primärrecht64. Gemäß Art. 12 Abs. 2 GRCh tragen politische Parteien auf der Ebene der Union dazu bei, den politischen Willen der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger zum Ausdruck zu bringen. Nach Art. 12 Abs. 1 60 Tsatsos, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 824 (826). 61 Tsatsos/Kedzia, in: dies., Parteienrecht in mittel- und osteuropäischen Staaten, S.  325 (342); zum Einfluss des deutschen Parteienrechts: a. a. O. S. 334. 62 Schefold, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 481 (554). 63 Nach Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 189 f. ergab sich die Gründungsfreiheit nach der früheren Rechtslage aus dem Zusammenhang zwischen (ex) Art. 191 EGV und der Unionsbürgerschaft. Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 218 leitete sie aus rechtsvergleichender Perspektive ab, da diese Freiheit allen europäischen Verfassungen gegenwärtig sei und damit als Grundlage der Demokratie und als gemeinsame Verfassungsüberlieferung nach (ex) Art. 6 Abs. 1, 2 EUV materielles europäisches Verfassungsrecht sei. So auch: Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 177; nach Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 81 wird das subjektive Recht auf Parteigründung über die europäische Grundrechtsgarantie der Vereinigungsfreiheit nach (ex) Art. 6 Abs. 2 EUV i. V. m. Art. 11 EMRK gewährleistet. Ebenso: Morlok, in: Johansson/Zervakis, European political parties between cooperation and integration, S. 29 (35). 64 Fischer, Vertrag von Lissabon, Art. 6 Rn. 1; Hatje, EuR-Beiheft 2009, 276 (278); Krimphove, EuR 2009, 330.

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§ 4 Parteienrechtliche Grundprinzipien im Europarecht 

GRCh hat jede Person das Recht, sich insbesondere im politischen, gewerkschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Bereich auf allen Ebenen frei mit anderen zusammenzuschließen. Mag man nun nach Wortlaut, Systematik oder Teleologie in Art. 12 Abs. 2 GRCh selbst ein eigenständiges Grundrecht erkennen oder ein solches ablehnen65, so erhält es spätestens durch Art. 12 Abs. 1 GRCh einen subjektiv-rechtlichen Einschlag. Dessen Wortlaut schützt ausdrücklich auch den Zusammenschluss politischer Vereinigungen. Die enge Verbindung der beiden Absätze und die explizite Erwähnung der politischen Vereinigungen  – deren Paradebeispiel wiederum die politischen Parteien sind – innerhalb der Vereinigungsfreiheit zeugt von der inneren Verbundenheit beider Schutzbereiche, so dass der Absatz über die politischen Parteien auf europäischer Ebene nicht ohne Absatz 1 verstanden und gelesen werden kann. Über Art. 12 Abs. 2 GRCh erhält das Recht auf freie Gründung zunächst einen rein individuellen Einschlag. Kurz: Es ist das Recht des Einzelnen, eine politische Partei auf europäischer Ebene zu gründen. Die Gründungsfreiheit ist jedoch nicht auf diese individuelle Komponente beschränkt, sondern hat noch eine kollektive Seite. Unter den persönlichen Schutzbereich der Vereinigungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GRCh fallen neben jeder natürlichen Person auch die „Vereinigungen“ selbst66. Aufgrund des systematischen Zusammenhangs zwischen Absatz 1 und 2 müssen die politischen Parteien auf europäischer Ebene selbst Berechtigte des Art. 12 Abs. 2 GrCH sein. In einem demokratischen Mehrparteiensystem, dem die Möglichkeit eines politischen Wechsels immanent ist, versteht sich die Gewährleistung der Parteigründungsfreiheit von selbst67. Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, und es kann nicht überraschen, dass dieses Recht in allen Mitgliedstaaten – wenn auch auf unterschiedliche Weise – seinen verfassungsrechtlichen Niederschlag gefunden hat, sei es expressis verbis, sei es vermittelt über die Vereinigungsfreiheit. Die Gründungsfreiheit bildet zusammen mit dem freien Wettbewerb der Parteien, mit dem sie zwangsläufig korreliert, eine unabdingbare Voraussetzung der Demokratie68. Ohne die Freiheit der Gründung kann es keinen freien Wettbewerb geben. Wenn Art. 10 Abs. 1 EUV feststellt, dass die Arbeitsweise der Union auf dem Prin 65 Dies lehnt Knecht, in: Schwarze, EUV/AEUV, Art.  12 GRCh Rn.  9 mit der Begründung ab, das im Wortlaut des Artikels das Wort „Recht“ nicht enthalten sei und er daher nur einen Auftrag an die Parteien formuliere und ferner systematisch die Parteien schon dem Schutzbereich der Vereinigungsfreiheit nach Art.  12 Abs.  1 GRCh unterfallen würden. So auch: Bernsdorff, in: Meyer, GRCh, Art. 12 Rn. 21; Rixen, in: Tettinger/Stern, GRCh, Art. 12 Rn. 12; gleicher Ansicht ist Jarass, EU-Grundrechte, § 17 Rn. 18, der dies insbesondere aus der Überschrift zu Art. 12 GRCh entnehmen will, in dem nur die Vereinigungsfreiheit explizit erwähnt ist; im Ergebnis ebenso: Mann, in: Heselhaus/Nowak, Handbuch der Europäischen Grundrechte, § 28 Rn. 11; davon, dass es sich bei Art. 12 Abs. 2 GRCH um ein eigenes Grundrecht handelt, gehen hingegen Rengeling/Szczekalla, Grundrechte in der Europäischen Union, Rn. 747 aus. 66 Rixen, Tettinger/Stern, GRCh, Art. 12 Rn. 3. 67 So handelt es sich nach der Ansicht von Streinz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 21 Rn. 103 bei Art. 21 Abs. 1 S. 2 GG insoweit lediglich um eine Klarstellung. 68 BVerfGE 111, 382 (404).

A. Grundsatz der Parteienfreiheit

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zip der repräsentativen Demokratie beruht, so liegt in dieser neuen Formulierung des Vertrags von Lissabon erstmalig eine ausdrückliche Verankerung des Demokratieprinzips im europäischen Primärrecht69. Natürlich ist es mit europäischer Demokratie bei weitem nicht so einfach, wie Art. 10 Abs. 1 EUV den Eindruck zu erwecken scheint70, jedoch enthält die Regelung zumindest ein grundsätzliches Bekenntnis zur Demokratie, zu deren wesentlichen Merkmalen wiederum der freie demokratische Wettbewerb zwischen den europäischen Parteien zählt. Dieser Wettbewerb wird aber durch die Möglichkeit von Parteigründungen auch für gänzlich neue Marktteilnehmer offengehalten71. Aus der Parteigründungsfreiheit folgt zunächst, dass eine vorherige Genehmi­ gung oder andere Mitwirkungsakte durch die Institutionen der Europäischen Union bei der Gründung der Organisation ebenso wenig zulässig sind wie sonstige institutionelle Behinderungen oder Beschränkungen seitens der europäischen öffentlichen Gewalt72. Die primärrechtlich garantierte Gründungsfreiheit schützt darüber hinaus wie auf mitgliedstaatlicher Ebene die Programmfreiheit der Parteien73. Ein Recht auf freie Gründung verliert seinen Sinn, wenn den Parteien nicht auch das Recht eingeräumt wird, über ihre Ziele frei zu entscheiden74. Gerade in der gemeinschaftlichen Verfolgung politischer Ziele schlägt sich der tiefere Zweck nieder, sich zu Parteien zusammenzuschließen. Eine Einflussnahme der europäischen Institutionen auf den Inhalt der Parteiprogramme ist daher grundsätzlich unzulässig75. 2. Betätigungsfreiheit Ebenso wie die Gründungsfreiheit gewährleistet das Unionsrecht die Betätigungsfreiheit politischer Parteien auf europäischer Ebene76. Die Herleitung der europarechtlichen Parteienbetätigungsfreiheit unterscheidet sich im Wesentlichen nicht vom deutschen Recht. Sie ist in der europäischen Rechtsordnung ebenfalls notwendige Folge der Gründungsfreiheit77. Eine freie Parteigründung ohne die Freiheit, anschließend frei tätig werden zu können, ist den Berechtigten we 69 Zur Rechtsnatur des Demokratieprinzips ausführlich: Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 84 ff. m. w. N. 70 Vgl. hierzu: § 3 B. I. 2.  71 Vgl. von Arnim, Parteienfinanzierung, S. 52. 72 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S.  177; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 219. 73 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 177. 74 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S.  177; Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 190. 75 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 177. 76 Hatje, DVBl. 2005, 261 (262); Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art.  191 Rn.  81;­ Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 193; Tsatsos, EuGRZ 1997, 77 (80). 77 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 178.

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§ 4 Parteienrechtliche Grundprinzipien im Europarecht 

nig dienlich. Hinter der Gründung einer Partei steht in erster Linie der Zweck, dass diese selbst wie auch die in ihr wirkenden Mitglieder ohne Beeinträchtigungen durch die öffentliche Hand in der Öffentlichkeit wirken und somit ihre nach Art. 10 Abs. 4 EUV zugewiesenen Funktionen für das demokratische System erfüllen können. Darüber hinaus ergibt sich die Betätigungsfreiheit aus dem im Kern identischen Verständnis zur Vereinigungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GRCh. Die Vereinigungsfreiheit schützt aber neben der Gründung auch die Betätigung der Organisationen78. Ein Rückgriff auf die Parteienbetätigungsfreiheit als gemeinsame Verfassungsüberlieferung der Mitgliedstaaten ist hilfreich, um ihre einzelnen Gewährleistungen näher bestimmen zu können. Einer direkten Herleitung über einen rechtsvergleichenden Ansatz bedarf es indes nicht79. Die allgemeine Parteienfreiheit ergibt sich insoweit schon direkt aus der Gründungsfreiheit der europäischen Parteien im Zusammenhang mit der Betätigungsfreiheit politischer Vereinigungen des Art. 12 Abs. 1 GRCh. Der Umfang der Betätigungsfreiheit entspricht inhaltlich dem deutschen Recht80. Für die vorliegende Untersuchung von besonderem Interesse ist die Finanzierungsfreiheit, mithin die Einnahmen- und Ausgabenfreiheit der Parteien81. Die Parteien sind frei darin, wie sie ihre finanziellen Mittel verwenden, soweit und solange sie einen legitimen Zweck hinsichtlich der Funktionsbestimmung des Art. 10 Abs. 4 EUV verfolgen82. Des Weiteren haben die Parteien das Recht, Spenden anzunehmen und um solche zu werben83. Als dessen Kehrseite ergibt sich aus der Parteienfreiheit auch das Recht des Bürgers, den Parteien Geld oder geldwerte Leistungen als Spenden zukommen zu lassen84. 3. Staatsfreiheit/Unionsfreiheit der Parteien Da der Europäischen Union keine Staatsqualität zukommt, kann im europäischen Recht ein möglicher Grundsatz der „Staatsfreiheit“ schon begriffslogisch nicht gelten. Dieses Prinzip wurde vom Bundesverfassungsgericht jedoch dahingehend modifiziert, dass es nach neuer Lesart den gesellschaftlichen Charakter 78

Ruffert, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 12 GRCh Rn. 12. So aber wohl: Deinzer, Europäische Parteien, S. 130. 80 Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 80; zur Gewährleistung der allgemeinen Parteienfreiheit in den Mitgliedstaaten: S. II. 81 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 238. 82 Vgl. zu Art.  21 GG: Küstermann, Die Rechenschaftspflicht der politischen Parteien, S. 32; Streinz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 21 Rn. 116. 83 Vgl. Volkmann, JZ 2000, 539 (543). 84 Vgl. zu Art. 21 GG: Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, § 1 Rn. 50; Morlok, NJW 2000, 761 (763) leitet dieses Recht aus dem Individualrecht des Bürgers auf parteipolitische Betätigung ab. Dieses ergibt sich aber wiederum nach der zutreffenden Ansicht Volkmanns, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 40 gerade aus der individuellen Komponente der Parteienbetätigungsfreiheit. 79

A. Grundsatz der Parteienfreiheit

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der Parteien festschreibt. Dieser Ansatz, nach dem die Parteien in der Gesellschaft verwurzelt bleiben müssen, vermag für eine Übertragung auf die supranationale Ebene bessere Anknüpfungspunkte zu liefern. Das Prinzip der Staatsfreiheit im deutschen Recht und die Unionsfreiheit der Parteien im europäischen Recht haben einen identischen gedanklichen und rechtlichen Kern, der grundsätzlich in beiden Systemen Anwendung finden kann85. Sowohl das europäische wie auch das nationale Recht weist den Parteien eine Vermittlungsfunktion zu, nach der sie eine politische Rückkopplung zwischen den Unionsorganen und den Unionsbürgern herstellen sollen86. Wer diese Vermittlungsfunktion adäquat ausfüllen soll, muss aber ebenso in der Gesellschaft verankert sein, wie es die Akteure auf nationalstaatlicher Ebene sind. Hiergegen könnten letztlich dann allein tatsächliche Gesichtspunkte sprechen, weil die Europaparteien eine solche vergleichbare Verwurzelung in der Gesellschaft derzeit gerade noch nicht vorweisen können. Ein solcher Einwand verfängt letztlich aber nicht, da die Prinzipien der Staatsfreiheit und der Unionsfreiheit in ihrem tatsächlichen Bezug lediglich unterschiedliche Ausgangspunkte, inhaltlich jedoch die gleichen Zielsetzungen haben: Während die Staatsfreiheit auf nationaler Ebene die Nähe zu den Bürgern sicherstellen soll, soll die Unionsfreiheit eine solche herzustellen helfen. Infolge des Grundsatzes der Unionsfreiheit müssen die europäischen Parteien politisch und wirtschaftlich von der Zustimmung und Unterstützung der Unionsbürger im Allgemeinen und der Mitglieder im Besonderen abhängig sein. Grundsätzlich ergibt sich hierbei kein Unterschied zum deutschen Recht. Jedoch kann die inhaltliche Ausgestaltung der Unionsfreiheit, die sich im Gegensatz zur nationalen Ebene in erster Linie als ein auf die künftige Entwicklung des europäischen Parteiensystems gerichteter Grundsatz darstellt, durchaus auch unterschiedlich sein, denn das Prinzip der Unionsfreiheit soll eine gesellschaftliche Verwurzelung der europäischen Parteien gerade erst erzeugen.

85 Von einem solchen Grundsatz der Unionsfreiheit geht ebenfalls von Arnim, in: von Arnim, Politikfinanzierung in der EU, S. 28 aus, der insoweit auch maßgeblich für die Namensgebung ist. In die gleiche Richtung schon: Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 238; ebenso: Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 63; wohl auch: Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 244. 86 Ausführlich hierzu: § 3 B. I. 1. a).

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§ 4 Parteienrechtliche Grundprinzipien im Europarecht 

B. Prinzip der Chancengleichheit I. Chancengleichheit in der Bundesrepublik Deutschland Der Grundsatz der Chancengleichheit politischer Parteien wird zwar im deutschen Recht nicht ausdrücklich erwähnt, ist jedoch in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt. So gehört nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Chancengleichheit zu den Prinzipien, die das Grundgesetz unter den Begriff der freiheitlich demokratischen Grundordnung fasst87. An diesem Punkt endet aber in der Regel auch schon die Einigkeit; Begründung, Anwendung und Wirkungsweise des Prinzips sind in Literatur und Rechtsprechung umso umstrittener. Teilweise wird der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit als Begründung für die Existenz der Chancengleichheit herangezogen88. Nach dieser Ansicht setzt sich die Wahlrechtsgleichheit im politischen Willensbildungsbildungsprozess des Volkes im Grundsatz der gleichen Wettbewerbschancen der politischen Parteien fort89. Die wohl herrschende Meinung leitet das Recht auf Chancengleichheit hingegen aus Art. 21 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG ab90. Ein erheblicher Teil  der neueren Parteienrechtsliteratur sieht indes als Ausgangspunkt der Chancengleichheit der politischen Parteien die formale Gleichheit des Bürgereinflusses91. Chancengleichheit der Parteien sei kein Selbstzweck, sondern nur das Mittel zu dem Zweck, die politische Chancengleichheit des Einzelnen zu gewährleisten. Darüber hinaus besäßen Parteien keinen Eigenwert92. Sie seien „Transformatoren des Bürgerwillens“ und dienten den Bürgern als Medium, um auf die politische Gestaltung des Gemeinwesens Einfluss nehmen zu können93. Jeder einzelne Bürger habe das Recht auf den gleichen Einfluss bei der politischen Willensbildung. Werde dieses Recht verletzt, sei gerade aufgrund dieser Verlet-

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BVerfGE 2, 1; BVerfGE 44, 125 (145); so auch: von Arnim, Parteienfinanzierung, S. 53. Forsthoff, AöR 76 (1950/51), 369 (374); Horn, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Parteienfinanzierung, S. 11 f.; wohl auch: Fleuter, Mandat und Status des Abgeordneten im Europäischen Parlament, S. 30; Lee, Chancengleichheit der politischen Parteien, S. 13; Neumann/Wesener, DVBl. 1984, 914 (917). 89 BVerfGE 14, 121 (132 f.). 90 Bethge, ZUM 2003, 253 (256); Halbe, Analyse der verfassungsrechtlichen Stellung und Funktion der politischen Parteien in der BRD, S. 79; Henke, in: Dolzer/Waldhoff/Graßhoff, GG, Art. 21 Rn. 228; Klenke, NwVBl. 1990, 334 (336); Kulitz, Unternehmerspenden an politische Parteien, S. 62; Maurer, JuS 1991, 881 (886); Schneider, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 151 (204); Tsatsos/Schmidt/Steffen, Jura 1993, 194 (198). 91 Horn, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Parteienfinanzierung, S. 110; von Arnim, DÖV 1984, 85 (87). 92 Kißlinger, Das Recht auf politische Chancengleichheit, S. 76. 93 Kißlinger, Das Recht auf politische Chancengleichheit, S. 96. 88

B. Prinzip der Chancengleichheit

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zung regelmäßig auch von einem Verstoß gegen das Recht auf Chancengleichheit der Parteien auszugehen. Letztere sei aber nur eine Reflexwirkung der Verletzung der subjektiven Rechte des Individuums94. Zuletzt wird noch vertreten, dass sich das Prinzip der Chancengleichheit direkt aus Art. 21 GG ergebe95. Darüber hinaus fänden sich in weiteren verfassungsrechtlichen Bestimmungen und Prinzipien Anzeichen, die auf eine Chancengleichheit politischer Parteien hindeuten. Art. 21 GG stelle eine verfassungsrechtliche Ausführungsbestimmung des Demokratieprinzips dar 96 und könne von daher nicht isoliert betrachtet werden. Die Chancengleichheit sei vielmehr in einem Regelungs- und Sinnzusammenhang mit anderen „verfassungsrechtlichen Vorgaben, Prinzipien und Fundamentalentscheidungen zu sehen, die für die parlamentari­ sche Parteiendemokratie von konstitutiver Bedeutung sind und diese strukturell prägen“97. Dieser Logik folgend sei auch die Chancengleichheit der in Art. 21 GG angelegte Ausdruck des übergeordneten Prinzips der staatlichen Neutralität gegenüber dem Parteienwettbewerb98. Letztlich führen alle diese unterschiedlichen Begründungen der Chancengleichheit, die sich jeweils im Detail noch einmal voneinander unterscheiden, bei der Anwendung des Grundsatzes zu zwei sich diametral gegenüberstehenden Konsequenzen. So interpretiert die ganz herrschende Meinung das Prinzip der Chancengleichheit streng formal99, während der Ansatz, der die Chancengleichheit als Ausfluss der formalen Gleichheit der Bürger ansieht, zu dem Schluss kommt, die

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von Arnim, DÖV 1984, 85 (87). Bäcker, NVwZ 2000, 284; Frotscher, DVBl. 1985, 917 (924); Grimm, in: Benda/Mai­ hofer/Vogel, HVerfR, § 14 Rn. 42; Lipphardt, Die Gleichheit der politischen Parteien, S. 118. 96 Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 163. 97 Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 151. 98 Grimm, in: Benda/Maihofer/Vogel, HVerfR, § 14 Rn.  42; Gusy, in: Denninger/Hoffmann-Riem/Schneider/Stein, GG, Art. 21 Rn. 89; Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 132; Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 50. 99 Grimm, in: Benda/Maihofer/Vogel, HVerfR, § 14 Rn. 42; Ipsen, ZParl 1994, 401 (405); Kunig, Jura 1991, 247 (252); Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 21 Rn. 16; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art.  21 Rn.  51; Volkmann, JZ 2000, 539 (543); nach BVerfGE 85, 264 (297) und BVerfGE 111, 382 (398) sei dies Folge des Zusammenhangs der Chancengleichheit mit den Grundsätzen der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl; so auch: Frotscher, DVBl. 1985, 917 (924); Jülich, Chancengleichheit der Parteien, S. 99; Gusy, in: Denninger/Hoffmann-Riem/Schneider/Stein, GG, Art.  21 Rn.  88 differenziert hier. Je enger der Zusammenhang zur Wahl sei, desto einschlägiger sei die strikt formale Wahlrechtsgleichheit, während außerhalb von Wahlen Differenzierungen im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG zulässig seien. In diese Richtung auch: Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, § 1 Rn. 63 ff. Die allgemeine Parteiengleichheit sei eine verhältnismäßige Gleichheit, die eine Differenzierung nach der politischen Bedeutung der Parteien zuließe, soweit diese sachlich gerechtfertigt seien. Die besondere Parteiengleichheit sei jedoch strikt formal zu verstehen, um die staatsbürgerliche Gleichheit des Wahlakts nicht zu gefährden. Unter die besondere Parteiengleichheit falle auch die staatliche Parteienfinanzierung; kritisch zum Ansatz einer formalen Gleichheit: Fuß, JZ 1959, 392 (395). 95

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§ 4 Parteienrechtliche Grundprinzipien im Europarecht 

Gleichheit der Chancen politischer Parteien sei eine proportionale Gleichheit. Nach herrschender Meinung kommt indes allen Parteien grundsätzlich der gleiche Status zu100. Daher verbiete die Chancengleichheit grundsätzlich jede unterschiedliche Behandlung der politischen Parteien durch die öffentliche Gewalt, sofern die Differenzierung nicht aus besonderen, zwingenden Gründen ausnahmsweise gerechtfertigt sei101. Parteien seien also grundsätzlich so zu behandeln, dass von einer schematischen Gleichheit zwischen ihnen auszugehen ist102. Eine Unterscheidung zwischen großen und kleinen Parteien ist danach also prinzipiell unzulässig103. Ungleichbehandlungen seien lediglich gerechtfertigt, wenn zwingende Gründe hierfür vorlägen104. Folge dieses Ansatzes ist also, dass der öffentlichen Gewalt bei einem Eingriff in die Chancengleichheit der politischen Parteien besonders enge Grenzen gesetzt sind105.

II. Das Prinzip der Chancengleichheit in den Mitgliedstaaten der Union In Belgien wird der Grundsatz der Chancengleichheit aus Art. 6b der Verfassung abgeleitet106. Gemäß dessen Satz 1 muss der allen Belgiern zuerkannte Genuss der Rechte und Freiheiten ohne Diskriminierung gewährleistet werden. Nach Art. 6b S. 2 der Verfassung verbürgen dazu Gesetz und Dekret unter anderem die Rechte und Freiheiten ideologischer und philosophischer Minderheiten. Der belgische Schiedsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass eine unterschiedliche Unterstützung der Wähler auch eine unterschiedliche Behandlung der politischen Parteien rechtfertige107. Das Gebot der Chancengleichheit ergibt sich in Bulgarien aus dem Verfassungsprinzip des politischen Pluralismus und dem Verbot einer Partei, zur Staatspartei zu werden108. 100

Hesse, VVDStRL 17 (1959), 11 (36). Aus jüngerer Zeit: BVerfGE 111, 382 (398); 129, 1 (20); 130, 212 (230); 131, 316 ff.; Frotscher, DVBl. 1985, 917 (924); Schneider, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 151 (204). 102 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der BRD, Rn.  176; Kröger, in: FS Grewe, S. 507 (517); Lipphardt, Die Gleichheit der politischen Parteien, S. 93; Maurer, JuS 1991, 881 (886); Schneider, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 151 (204); Stocklossa, MIP 1991, 36 (58); auf eine absolute Gleichheit hinauslaufend: Günther, KJ 1988, 416 (421). 103 Hesse, VVDStRL 17 (1959), 11 (36); Stocklossa, MIP 1991, 36 (58). 104 BVerfGE 111, 382 (398); Ipsen, in: Sachs, GG, Art. 21 Rn. 34; Sannwald, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Hopfauf, GG, Art. 21 Rn. 51. 105 BVerfGE 85, 264 (297); BVerfGE 111, 382 (398). 106 Suetens, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 27 (60). 107 Suetens, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 19 (54 ff.). 108 Konstantinov, in Tsatsos/Kedzia, Parteienrecht in mittel- und osteuropäischen Staaten, S. 23 (59 f.). 101

B. Prinzip der Chancengleichheit

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Dänemark gewährt seinen Parteien ebenfalls das Recht auf Chancengleichheit109. Nach dem allgemeinen Gesetz über die Parteienunterstützung richtet sich die unmittelbare staatliche Parteienfinanzierung nach den erreichten Stimmzahlen bei den letzten Wahlen110. Dass in Estland ein Grundsatz der Chancengleichheit existiert, der sich im Bereich der öffentlichen Parteienfinanzierung ebenso als abgestufte Chancengleichheit manifestiert, zeigt sich an § 12 Abs. 1 PartG, nach dem politische Parteien öffentliche Mittel in Relation zu ihren Wahlergebnissen bei der Wahl des Parlamentes und der lokalen Wahlen erhalten111. Auch in Frankreich ist ein solcher Grundsatz anerkannt112. Die öffentliche Parteienfinanzierung bemisst sich zur Hälfte am Stimmenanteil bei der letzten Wahl zur Nationalversammlung und zur anderen Hälfte an der Zahl der Abgeordneten einer Partei in Nationalversammlung und Senat113. Die Fernsehzeiten in Wahlkämpfen werden hingegen gleichmäßig unter den in der Nationalversammlung vertretenen Parteien verteilt114. Nach der ständigen Rechtsprechung des griechischen Staatsrates ist der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 4 Abs. 1 der Verfassung auf Parteien anwendbar, so dass ihre Chancengleichheit aus diesem abgeleitet wird115. Differenzierungen zwischen den Parteien bei der staatlichen Parteienfinanzierung seien zulässig, soweit sie durch objektive und in Bezug zum angestrebten Ziel angemessene Kriterien bestimmt würden und wenn das Differenzierungsziel der Unterstützung solcher politischer Parteien diene, die existierende bzw. aktive politische Kräfte vertreten. Insoweit sei eine unterschiedliche Behandlung von Parteien aufgrund ihrer Bedeutung möglich116. Die griechische Parteienrechtsliteratur zieht hingegen teilweise das Demokratiegebot als Begründung für die Chancengleichheit heran117. Hieraus folge dann aber, dass sie eine streng formale Gleichheit sei118. In Großbritannien genießen Parteien weder einen verfassungsrechtlichen Status noch erhalten sie öffentliche Leistungen in größerem Umfang, so dass dem Recht auf gleiche Chancen zwar keine besondere Bedeutung zukommt, es aber trotzdem allgemein anerkannt ist119. Soweit im Vorfeld von Wahlen Sendezeiten 109 Vesterdorf, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 73 (134). 110 Vesterdorf, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 61 (74). 111 Jopp u. a., Feasibility of a future european statute of european political parties, S. 102. 112 Schmitt, ZParl 1993, 73 (95). 113 Schmitt, ZParl 1993, 73 (83). 114 Jopp u. a., Feasibility of a future european statute of european political parties, S. 92. 115 Gikas, Chancengleichheit der politischen Parteien in Griechenland, S. 45. 116 Zu dieser Rechtsprechung: Gikas, Chancengleichheit der politischen Parteien in Griechenland, S. 47. 117 Papadimitriou, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 261 (288); Gikas, Chancengleichheit der politischen Parteien in Griechenland, S. 62 ff. 118 Gikas, Chancengleichheit der politischen Parteien in Griechenland, S. 65. 119 Smith, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 301 (320 f.).

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§ 4 Parteienrechtliche Grundprinzipien im Europarecht 

an Parteien vergeben werden, ist diese von der Größe der Fraktion im Unterhaus abhängig120. Der Grundsatz der Chancengleichheit wird in Italien aus dem Prinzip des politischen Pluralismus und des Wettbewerbs der Parteien um die Leitung des Staates abgeleitet und geht damit über die Tragweite des allgemeinen Gleichheitssatzes hinaus121. Die Verteilung öffentlicher Leistungen stellt dabei ein Kompromiss zwischen einer formellen Gleichbehandlung und der Berücksichtigung der Größenverhältnisse der Parteien dar122. Der in Art. 11 der luxemburgischen Verfassung enthaltene Gleichheitssatz gilt auch für die dortigen Parteien123. Bei der Verteilung öffentlicher Leistungen differenziert die öffentliche Gewalt Luxemburgs. So erfolgt die Verteilung von Plakatträgern zwischen den Parteien nach einer absoluten, teilweise schematischen Gleichheit, während Sendezeiten degressiv proportional unter den politischen Parteien aufgeteilt werden124. Der österreichische Verfassungsgerichtshof leitet den Grundsatz der Chancengleichheit aus den §§ 1 Abs. 1, 2 PartG in Verbindung mit dem demokratischen Prinzip ab125. In diesen Regelungen wird sich zur Vielfalt politischer Parteien bekannt und ihre Funktion bei der Mitwirkung an der demokratischen Willensbildung festgehalten126. In den Niederlanden wird die Chancengleichheit als proportionale Gleichheit angesehen127. In Irland wird sie über den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 40 Abs. 1 der Verfassung gewährleistet128. Ferner ist in Ungarn129 und Litauen130 der Grundsatz der Chancengleichheit allgemein anerkannt. Eine interessante Regelung findet sich in Art. 40 der portugiesischen Verfassung. Nach deren Art. 40 Abs. 1 haben politische Parteien nach Maßgabe ihrer repräsentativen Stärke und nach den durch Gesetz festzulegenden Kriterien ein Anrecht auf Sendezeiten in Rundfunk und Fernsehen. Damit ist in Portugal das Prinzip der abgestuften Chancengleichheit zumindest im Bereich der Sendezeitenvergabe verfas 120

Smith, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 231 (246). Lanchester, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 367 (414 f.). 122 Lanchester, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 367 (415). 123 Wivenes, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 435 (480). 124 Wivenes, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 435 (481). 125 Thienel, in: Manssen, Die Finanzierung von politischen Parteien in Europa, S. 49 (51). 126 Thienel, in: Manssen, Die Finanzierung von politischen Parteien in Europa, S. 49 (51). 127 Elzinga, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 499 (541). 128 Kelly, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 337 (360). 129 Halmai, in Tsatsos/Kedzia, Parteienrecht in mittel- und osteuropäischen Staaten, S. 273 (297). 130 Vadapalas, in Tsatsos/Kedzia, Parteienrecht in mittel- und osteuropäischen Staaten, S. 73 (102). 121

B. Prinzip der Chancengleichheit

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sungsrechtlich determiniert. Das spanische Verfassungsrecht leitet das Prinzip der Chancengleichheit aus Art. 9 Abs. 2 der Verfassung und dem Gedanken der Konkurrenz zwischen den Parteien ab131. Das spanische Parteiengesetz regelt die öffentliche Parteienfinanzierung dahingehend, dass die Höhe der Zuwendungen an eine Partei davon abhängig ist, wie viele Sitze sie im Kongress erhält132. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union den politischen Parteien Chancengleichheit garantieren133. Die Herleitung dieses Prinzips ist jedoch so unterschiedlich, wie sie innerhalb des deutschen Parteienrechts umstritten ist. So wird das Recht auf Chancengleichheit teils aus dem allgemeinen Gleichheitssatz, teils aus der Wahlrechtsgleichheit und teils aus dem Parteienpluralismus gefolgert134. Insbesondere in den osteuropäischen Mitgliedstaaten wird die Chancengleichheit aus dem allgemeinen Gleichheitssatz abgeleitet135. Wendet man seinen Blick auf die konkrete Anwendung dieses Prinzips, so zeigt sich eine deutliche Tendenz, dass dort, wo eine öffentliche Parteienfinanzierung existiert oder den Parteien in Wahlkampfzeiten Zugang zu den Medien gewährt wird, eine Differenzierung nach den vorangegangenen Wahl­ergebnissen der Parteien erfolgt136.

III. Das Prinzip der Chancengleichheit im europäischen Recht Im Recht der Europäischen Union ist das Prinzip der Chancengleichheit ebenfalls allgemein anerkannt137. In diesem Sinne gehen auch der EuGH und der EuG 131 Puente-Egido, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 635 (680). 132 Puente-Egido, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 421 (439). 133 Deinzer, Europäische Parteien, S. 130; Morlok, in: Johansson/Zervakis, European political parties between cooperation and integration, S. 29 (34); Tsatsos, DÖV 1988, 1 (5); Tsatsos/Deinzer, Europäische politische Parteien, S. 21. 134 Tsatsos, DÖV 1988, 1 (5). 135 Tsatsos/Kedzia, in dies., Parteienrecht in mittel- und osteuropäischen Staaten, 325 (338); zur Wahlrechtsgleichheit: Hegels, Chancengleichheit der Parteien im deutschen und im ausländischen Recht, S. 10 ff. 136 Vgl. zur Parteienfinanzierung: Studie des Europäischen Parlaments, How to create  a transnational partysystem, S. 79. 137 Entschließung des Europäischen Parlaments, EuGRZ 1997, 77 (78); Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 224 AEUV Rn. 19; Jopp u. a., Feasibility of a future european statute of european political parties, S. 53; Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 82; Klein, in: FS Ress, S. 541 (549); Lange/Schütz, EuGRZ 1996, 299 (300); Lenz, Ein einheitliches Verfahren für die Wahl des Europäischen Parlaments, S. 159 f.; Merten, MIP 2003, 40 (46); Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 205; Morlok, in: Johansson/Zervakis, European political parties between cooperation and integration, S. 29 (39); Neßler, EuGRZ 1998, 191 (193); Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S.  498; Stentzel, EuR 1997, 174 (184); Zuleeg, JZ 1993, 1069 (1072); von Gehlen, European View 3 (2006), 161 (166).

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§ 4 Parteienrechtliche Grundprinzipien im Europarecht 

in ihrer Rechtsprechung von der Existenz eines solchen Grundsatzes aus138. Soweit die Chancengleichheit im europäischen Recht überhaupt näher begründet wird139, vollzieht sich diese in der Regel parallel zur Herleitung der Gleichheit der Chancen auf nationalstaatlicher Ebene140. Teilweise wird ergänzend dazu noch rechtsvergleichend die Tatsache angeführt, dass die Chancengleichheit politischer Parteien eine Gemeinsamkeit aller Mitgliedstaaten der Union ist und von daher gemeineuropäisches „Verfassungsrecht“ darstelle, das man auf die Unionsebene über­ tragen könne141. Zunächst könnte sich zur Herleitung des Prinzips der Chancengleichheit die Wahlrechtsgleichheit anbieten. Beide Gleichheitssätze haben ihren gemeinsamen Ursprung in der Gleichheitsidee des Demokratieprinzips als Garant für die Freiheit und Offenheit des politischen Prozesses142. Gleichwohl ist die Wahlrechtsgleichheit gleich in mehrfacher Hinsicht ungeeignet, um die Chancengleichheit politischer Parteien zu begründen, und dies gilt unabhängig von der Frage, ob das europäische Recht überhaupt eine Gleichheit bei der Wahl garantiert143. Die Übereinstimmungen zwischen beiden Gleichheitssätzen enden schon an diesem gemeinsamen Ursprung, und Chancengleichheit und Wahlrechtsgleichheit differieren sowohl in ihrer personellen als auch in ihrer zeitlichen Ausrichtung. In ihrer personalen Komponente bezieht sich die wahlrechtliche Gleichheit auf die individuelle Wahlrechtsgleichheit und betrifft die Parteien damit allenfalls mittelbar144. In zeitlicher Hinsicht beschränkt sich die Wahlrechtsgleichheit auf den Wahlvor 138

EuG vom 11.07.2005, Az. T40/04 Rn. 43; so wohl auch: EuGH, vom 23.04.1986, Az. C 294/83 Rn. 53. 139 Ohne nähere Begründung gehen von der Existenz der Chancengleichheit aus: EuG vom 11.07.2005, T40/04, Rn. 43; Lange/Schütz, EuGRZ 1996, 299 (300); Morlok, in: Johansson/ Zervakis, European political parties between cooperation and integration, S. 29 (39); Neßler, EuGRZ 1998, 191 (193). 140 Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 82; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 220 f.; wohl auch: Lenz, Ein einheitliches Verfahren für die Wahl des Europäischen Parlaments, S. 160; Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S.  205 f., der die Chancengleichheit politischer Parteien wie im deutschen Recht aus dem Recht auf gleiche Teilhabe der Bürger an der politischen Willensbildung ableitet; so wohl auch: Koch, in: FS Rengeling, S. 307 (316). 141 So wohl: Lenz, Ein einheitliches Verfahren für die Wahl des Europäischen Parlaments, S. 150; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 221; Deinzer, Europäische Parteien, S. 130 leitet das Prinzip der Chancengleichheit wohl allein aus der gemeinsamen Verfassungsüberlieferung der Mitgliedstaaten ab, ohne eine spezifische europarechtliche Herleitung anzuführen. Nicht ganz eindeutig zur Herleitung der Chancengleichheit: Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 178, die das Prinzip einerseits als Folge der Parteigründungsfreiheit, andererseits aber als allen Mitgliedstaaten gemeinsamer Grundsatz ansieht. 142 Lipphardt, Die Gleichheit der politischen Parteien, S. 692. 143 Zur Frage der Wahlrechtsgleichheit ausführlich: Bleckmann, DÖV 1979, 503 ff.; Hahlen, DÖV 1979, 505 (506 f.); Huber, EuR 1999, 579 (587 f.); Lenz, Ein einheitliches Verfahren für die Wahl zum Europäischen Parlament, S. 121 ff.; Morlok, MIP 1999, 52 (59); Pernice, DV 1993, 449 (481 ff.); von Arnim, NJW 2005, 247 (252). 144 Volkmann, Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S. 150.

B. Prinzip der Chancengleichheit

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gang, während sich die Chancengleichheit auf das gesamte Wirken der Parteien erstreckt145. Selbst wenn man sich mit einem Kunstgriff behelfen will, indem man den Wahlvorgang auf die gesamte Wahlvorbereitung auszudehnen versucht, so grenzt ein solcher Versuch zum einen die Beteiligung der Parteien am Willensbildungsprozess der Bürger zeitlich immer noch zu sehr ein, zum anderen benennt man damit einen inhaltlich kaum zu definierenden Zeitraum, der die Gefahr des Missbrauchs birgt. Es ist kaum absehbar, wann bestimmte Parteitätigkeiten unter den zeitlichen Anwendungsbereich der Wahlvorbereitung fallen und wann nicht146. Deshalb ist die Wahlrechtsgleichheit inhaltlich und zeitlich zu speziell, als dass man sie auf die allgemeine Parteientätigkeit, die gerade über das Wirken von Parteien im Zusammenhang mit Wahlen hinausgeht, ausdehnen kann147. Schon von ihrem Wortlaut ausgehend ist die Wahlrechtsgleichheit auf den eigentlichen Wahlvorgang begrenzt, während sich das Recht auf Chancengleichheit auf den gesamten Bereich der politischen Willensbildung bezieht148. Teilweise wird daher der allgemeine Gleichheitssatz, der sich im Unionsrecht seit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon aus Art.  6 Abs.  1 UAbs. 1 EUV i. V. m. Art. 20 GRCh ergibt149, als Grundlage des Rechts auf Chancengleichheit angesehen150. Dieser Ansatz hat jedoch systematische und inhaltliche Schwächen151. Aus systematischen Gesichtspunkten ist der allgemeine Gleichheitssatz gegenüber speziellen Gleichheitsrechten subsidiär152. Das Recht auf Chancengleichheit ergibt sich indes schon aus Art. 10 Abs. 4 EUV selbst153, so dass ein Rückgriff auf Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 EUV i. V. m. Art. 20 GRCh entbehrlich ist. Aber auch inhaltlich ist die Chancengleichheit als besonderer Gleichheitssatz im Vergleich zur allgemeinen Gleichheit unterschiedlich ausgestaltet. So werden an die Recht­fertigung von Differenzierungen im Rahmen besonderer Gleichheitssätze in der Regel stren 145 Gusy, in: Denninger/Hoffmann-Riem/Schneider/Stein, GG, Art.  21 Rn.  88; Ipsen, in: Sachs, GG, Art. 21 Rn. 33; Lipphardt, Die Gleichheit der politischen Parteien vor der öffentlichen Gewalt, S. 405; Stocklossa, MIP 1991, 36 (58). 146 Lipphardt, Die Gleichheit der politischen Parteien vor der öffentlichen Gewalt, S. 405. 147 Ipsen, in: Sachs, GG, Art.  21 Rn.  33; Kißlinger, Das Recht auf politische Chancengleichheit, S.  20 f.; Küstermann, Die Rechenschaftspflicht der politischen Parteien, S.  21; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 76; Streinz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 21 Rn. 122. 148 Kißlinger, Das Recht auf politische Chancengleichheit, S. 32. 149 Hierzu: Callies, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art.  2 EUV Rn.  23; zum Verhältnis zwischen dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 6 Abs. 1 EUV i. V. m. Art. 20 GRCh und Art. 9 Abs. 1 EUV: C. III. 150 von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S.  69, die den Gleichheitssatz aber vor dem Vertrag von Lissabon als gemeinsame Verfassungsüberlieferung der Mitgliedstaaten gewährleistet sahen. 151 So auch zum deutschen Recht: Ipsen, in: Sachs, GG, Art. 21 Rn. 33; Kunig, Jura 1991, 247 (251); Lipphardt, Die Gleichheit der politischen Parteien, S. 113 ff.; Volkmann, in: Friauf/ Höfling, GG, Art. 21 Rn. 54. 152 Rossi, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 20 GRCh Rn. 17. 153 Siehe hierzu sogleich.

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§ 4 Parteienrechtliche Grundprinzipien im Europarecht 

gere Maßstäbe gestellt als beim allgemeinen Gleichheitssatz154. Gleiches gilt für die Gleichheit der Chancen, die als formale Gleichheit im Gegensatz zum allgemeinen Gleichheitssatz den Grundrechtsadressaten gerade keinen weiten Beurteilungsspielraum zubilligt155. Die öffentliche Gewalt darf im Bereich des allgemeinen Gleichheitssatzes eingreifend und ausgleichend tätig werden, während im Falle der politischen Chancengleichheit ein solches Verhalten gerade unzulässig ist156. Folglich liegen diese beiden Gleichheitssätze auf unterschiedlichen Ebenen157, und die formale Chancengleichheit der Parteien ist im Vergleich zur materiellen Gleichheit des Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 EUV i. V. m. Art. 20 GRCh nicht als ein „Mehr“, sondern als ein „aliud“ anzusehen. Es bliebe zudem noch die Möglichkeit, die Gleichheit des Bürgereinflusses als Ausgangspunkt der Chancengleichheit politischer Parteien anzusehen158. Eine solche Ausrichtung hat durchaus ihren Reiz. Sind politische Parteien vornehmlich dazu „berufen, die Bürger freiwillig zu politischen Handlungseinheiten mit dem Ziel der Beteiligung an der Willensbildung in den Staatsorganen organisatorisch zusammenzuschließen“159, so sind die Kernbestandteile dieser „Handlungsein­ heiten“ die einzelnen Bürger selbst. Vor diesem Hintergrund könnte man auch die demokratische Gleichheit der einzelnen Bürger als das Fundament der Chancengleichheit der Parteien betrachten. Das Recht der jeweiligen Partei setzt sich dann als „Mosaik“ der einzelnen Bürgerrechte zusammen. Dieser Ansatz greift aber bei einer genaueren Betrachtung etwas zu kurz und wird der Rolle politischer Parteien nicht gerecht160. Verkürzt ist er, weil er die Parteien bei ihrer Funktionserfüllung darauf beschränkt, dass sie das Vehikel bilden, über die die Unionsbürger ihre Interessen in den politischen Willensbildungs­ prozess einbringen können. Parteien fällt danach nur noch die Aufgabe zu, diesen Willen ungefiltert in den öffentlichen Bereich zu übertragen. Eine solche Funktion ist zwar durchaus Bestandteil des politischen Prozesses, bildet aber eben auch nur eine Seite hiervon ab. Tatsächlich ist der politische Willensbildungspro 154

Vgl. hierzu: Jarass, EU-Grundrechte, § 6 Rn. 58. Zum Beurteilungsspielraum: Jarass, EU-Grundrechte, § 24 Rn. 13; des Weiteren ist bei der Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes noch vieles im Unklaren: vgl. hierzu: Kingreen, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheit, § 17 Rn. 16; Rossi, in: Callies/ Ruffert, EUV/AEUV, Art. 20 GRCh Rn. 24. 156 Zur Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes: Kingreen, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheit, § 17 Rn. 16; zum Verhältnis von allgemeinem Gleichheitssatz und Chancengleichheit im deutschen Verfassungsrecht: Volkmann, Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S. 160. 157 Vgl. Lipphardt, Die Gleichheit der politischen Parteien, S. 114. 158 Zu diesem Ansatz im deutschen Recht: I. 159 So das Zitat des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 85, 264 (284), das indes zum deutschen Verfassungsrecht entwickelt wurde und daher auch von einem Wirken in den „Staatsorganen“ ausgeht. Übertragen auf die europäische Ebene bedeutet dies freilich eine „Beteiligung an der Willensbildung in den Organen der Europäischen Union“. 160 So nunmehr wohl auch: Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 226 f. 155

B. Prinzip der Chancengleichheit

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zess von komplexerer Natur, denn er geht über den einseitigen Verlauf vom Volk in Richtung der öffentlichen Gewalt hinaus und vollzieht sich beispielsweise auf einer zweiten Stufe gerade auch in umgekehrter Richtung. So beeinflusst das Handeln der Unionsorgane gleichzeitig die Meinungsbildung der Bürger161. Hierdurch ergibt sich ein wechselseitiger Interaktionsprozess, in dem die Parteien nicht nur passiv den Willen der Bürger aufnehmen und der öffentlichen Gewalt vermitteln, sondern ebenfalls aktiv auf diesen einwirken162. Ein solcher doppelter Verlauf der Willensbildung ist aber nicht nur ungewollte Verfassungsrealität, sondern folgt schon aus der Vermittlungsfunktion des Art. 10 Abs. 4 EUV163. Eine solche Vermittlung besteht jedoch nicht allein in einer Bündelung und Integrierung gesellschaftlicher Interessen in den Bereich der Unionsorgane, sondern beinhaltet darüber hinaus eine aktive Vermittlung der eigenen politischen Vorstellungen und Handlungen164. Kurz: Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes bedeutet auch den Versuch, die Bürger von der eigenen Politik zu überzeugen. Wenn den europäischen Parteien daher eine Zwischenstellung zwischen der gesellschaftlichen und der öffentlichen Ebene zukommt165, unterscheidet sie diese besondere Stellung aber von den übrigen Beteiligten politischer Willensbildung. Reduziert man sie dagegen auf eine Funktion als Transformatoren des Bürgerwillens, wird man der Intention des Art. 10 Abs. 4 EUV nicht gerecht. Der Parteienartikel weist den Parteien einen gesonderten primärrechtlichen Status und damit eine herausgehobene Stellung zu; sie sind die einzigen Akteure im politischen Willens­ bildungsprozess, die eigens in den Verträgen erwähnt werden166. Zwar ist es nicht in Abrede zu stellen, dass Parteien in erster Linie ein „Instrument bürgerschaft­ licher Partizipation“167 sind, sie darauf aber zu beschränken, widerspricht der besonderen Bedeutung, die sie in Art. 10 Abs. 4 EUV erfahren haben. Die Einfügung des Parteienartikels erklärt sich insbesondere daraus, dass es allein den Parteien als Aufgabe obliegt, auf den Bereich der öffentlichen Gewalt einzuwirken168. Gerade hieran fehlt es bei den übrigen gesellschaftlichen Gruppierungen, besonders im Bereich des „Lobbyismus“. Freilich sind auch diese an der politischen Willensbildung der Bürger beteiligt, ihnen kommt aber über den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GRCh hinaus keine rechtlich geschützte Stellung bei der Willensbildung der Unionsorgane zu. Diese besondere Stellung rechtfertigt den multifunktionalen 161

Vgl. Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 116. Vgl. zum deutschen Recht: Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 156; Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 21. 163 Hierzu: § 3 B. I. 1. a). 164 In diese Richtung auch: Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, § 1 Rn. 106. 165 Hierzu schon: § 3 B. II. 166 Zum deutschen Verfassungsrecht: Köppler, Die Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes, S. 120. 167 Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 13. 168 Vgl. zum deutschen Verfassungsrecht: Köppler, Die Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes, S. 124 f. 162

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§ 4 Parteienrechtliche Grundprinzipien im Europarecht 

Charakter politischer Parteien169. So kommt ihnen im Gegensatz zu anderen Vereinigungen eine Elitenrekrutierungsfunktion und eine Regierungsfunktion zu. Der Versuch, Parteien auf die Vermittlungsfunktion zu reduzieren und diese darüber hinaus noch derart eindimensional als reine Übermittlungsvehikel des Bürgerwillens zu beschreiben, muss dann letztlich zu kurz greifen170. Die Chancengleichheit politischer Parteien ist damit richtigerweise schon direkt in Art. 10 Abs. 4 EUV angelegt und Ausdruck des unionsrechtlichen Grund­ satzes der Neutralität gegenüber dem Parteienwettbewerb171. Die Neutralitätspflicht der Unionsorgane lässt sich wiederum aus der Gründungsfreiheit der Parteien, der Gewährung eines Mehrparteiensystems und dem freien Wettbewerb zwischen den Parteien entnehmen172. Die Gewährleistung eines Mehrparteiensystems in der Union ergibt sich dabei schon aus der Formulierung des Art. 10 Abs. 4 EUV. Der Parteienartikel verwendet explizit den Plural „Parteien“ und geht somit davon aus, dass in der Europäischen Union mehrere politische Parteien existieren173. Liest man diese drei Gewährleistungen zusammen – Gründungsfreiheit, Wettbewerbsfreiheit und Mehrparteiensystem – so ist eine Neutralität der europäischen Institutionen gegenüber dem Parteienwettbewerb unverzichtbar. Neutralität ist Voraussetzung eines freien und offenen demokratischen Wettbewerbs174. Nur eine sich gegenüber den Beteiligten des politischen Prozesses neutral – im Sinne einer „Nicht-Identifikation“ – verhaltende Europäische Union sichert die Freiheit und Offenheit des politischen Prozesses in seiner Gesamtheit175. Beides, Neutralität gegenüber dem Parteienwettbewerb wie auch die Freiheit und Offenheit des politischen Prozesses, sind einer freiheitlichen Demokratie immanent und unterscheiden den demokratischen Staat vom totalitären Herrschaftssystem, das sich gerade dadurch „auszeichnet“, sich mit bestimmten politischen Meinungen zu identifizieren, sich zu ihnen zu bekennen und diese gegebenenfalls mit Gewalt durch­zusetzen176. Ist es der öffentlichen Gewalt aber verwehrt, sich mit bestimmten Meinungen und deren Vertretern zu identifizieren, muss sie den Parteien die Gleichheit der Chancen im politischen Wettbewerb gewähren. Die Chancengleichheit ist wie die Neutralität gegenüber dem Parteienwettbewerb existentielle Voraussetzung einer freien demokratischen Willensbildung177. Aus diesem Grunde findet sich dieses Recht – wenn auch durchaus unterschiedlich ausgeformt – in allen Mitgliedstaaten 169 Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 227; zu diesen Funktionen ausführlich: § 3 B. I. 170 Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 227. 171 Zur Verpflichtung der Unionsorgane zur Neutralität: Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 82; Koch, in: FS Rengeling, S. 307 (316). 172 Zum deutschen Recht: Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 50. 173 Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 205. 174 Ähnlich: Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 51. 175 Zum deutschen Recht: Volkmann, Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S. 153 f. 176 Lipphardt, Die Gleichheit der politischen Parteien, S. 60 f. 177 In diese Richtung auch: Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 220; ebenso: Jopp u. a., Feasibility of a future european statute of european political parties, S. 13.

B. Prinzip der Chancengleichheit

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der Union. Alle diese Vorstellungen entspringen einem gemeinsamen demokratischen Grundverständnis, das auf nationaler wie auf transnationaler Ebene über eine gemeinsame Basis verfügt. Wenn der politische Wettbewerb in einer repräsentativen Demokratie sich in wesentlichen Teilen über die Parteien vollzieht, was europarechtlich durch die Funktionszuweisung des Art. 10 Abs. 4 EUV besonders zum Ausdruck gebracht wird, bedarf es, damit ein freier und offener Willensbildungsprozess stattfinden kann, gleicher Chancen für Parteien in diesem Wettbewerb178. Eine weitere Grundlage des Rechts auf Chancengleichheit findet sich in der Parteienfreiheit. Diese kann ihre Wirkungen nur dann ausreichend entfalten, wenn Parteien über die gleichen Wettbewerbschancen verfügen179. Für eine Erweiterung, Intensivierung und Förderung des freien Wettbewerbs bedarf es der Konkurrenz zwischen schon existenten und neu entstehenden Parteien180. Daher ist die Parteienfreiheit ein politisches Freiheitsrecht und damit notwendigerweise ein allgemeines und gleiches Recht, das allen Parteien gleichermaßen zugute kommen muss. Soweit hieran kritisiert wird, dass sich die Gründungsfreiheit für die Herleitung der Chancengleichheit nicht eigne181, ist dem dahingehend zuzustimmen, dass die Gründungsfreiheit allein den Bereich der Chancengleichheit nicht um­fassend abdecken kann. Jedoch gewährleistet das Unionsrecht nicht nur die Freiheit zur Gründung politischer Parteien, sondern auch die Freiheit der Betätigung182. Hiermit wird der zeitliche Anwendungsbereich der Parteienfreiheit auf die gesamte Tätigkeit ausgedehnt, so dass ebenso das Recht auf Chancengleichheit über den Akt der Gründung hinaus umfassend garantiert wird. Die Betätigungsfreiheit enthält richtigerweise auch die Wettbewerbsfreiheit der Parteien183. Wesensimmanentes Merkmal der Parteienbetätigungsfreiheit ist das Recht auf Werben und Wirken in der Öffentlichkeit184. Dieses ist aber gerade Ausdruck der freien Betätigung der Parteien im Wettbewerb, mithin der Wettbewerbsfreiheit. Innerhalb des politischen Wettbewerbs ist indes die Freiheit des Konkurrenten Richt­linie für die Ausübung der eigenen Freiheit185. Eine freie Konkurrenzsituation zwischen den 178 Klein, in: FS Ress, S. 541 (549); Tsatsos, EuGRZ 1997, 77 (80); zum deutschen Recht: Volkmann, Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S. 157; Küstermann, Die Rechenschaftspflicht der politischen Parteien, S. 21. 179 Frotscher, DVBl. 1985, 917 (924); Häberle, JuS 1967, 64 (72); Kulitz, DÖV 1982, 305 (307); Lee, Chancengleichheit der politischen Parteien, S. 12; Lipphardt, Die Gleichheit der politischen Parteien, S. 92, der die Parteiengleichheit insgesamt lediglich als Ausprägung der Parteienfreiheit ansieht. 180 BVerfGE 111, 382 (404). 181 Dies führt zum deutschen Verfassungsrecht Kißlinger, Das Recht auf politische Chancengleichheit, S. 78, unter anderem mit der Begründung aus, dass der politische Prozess ein permanenter sei und sich eine solche vermittelnde Gleichheit nur bei in der Gründungsphase befindlichen Parteien ergebe. 182 Vgl. hierzu: § 4 A. III. 2.  183 So zum deutschen Recht: Ipsen, in: Sachs, GG, Art. 21 Rn. 32; Streinz, in: von Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 21 Rn. 111. 184 Vgl. Maurer, JuS 1991, 881 (885). 185 Jülich, Chancengleichheit der Parteien, S. 72.

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§ 4 Parteienrechtliche Grundprinzipien im Europarecht 

Parteien kann sich aber nur dann entwickeln, wenn neue und kleine Parteien mit gleichen Chancen auftreten können186. Damit bilden die Grund­lagen des Prinzips der Neutralität der Unionsorgane gegenüber dem Parteienwett­bewerb – das Mehrparteiensystem, die Parteienfreiheit insbesondere in den Formen der Wettbewerbsfreiheit und der Gründungsfreiheit – gleichsam den rechtlichen Boden für die Chancengleichheit der Parteien. Dieser Ansatz erhält sein zweites Standbein durch das Prinzip der demokratischen Herrschaft auf Zeit187. Zwar vollzieht sich die zeitliche Begrenzung von Amtsperioden im Europäischen Rat und im Rat nur mittelbar über die Wahlen der jeweiligen Mitgliedstaaten, da der Europäische Rat nach Art. 10 Abs. 2 S. 2 EUV sich aus den Staats- und Regierungschefs bzw. den Vertretern der nationalen Regierungen zusammensetzt. Der Grundsatz der zeitlichen Begrenzung der Mandatszeiten für Vertreter der Unionsinstitutionen lässt sich aber auch direkt aus dem Primärrecht herauslesen. So werden gemäß Art. 14 Abs. 3 EUV die Mitglieder des Europäischen Parlaments für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt, während die Kommissionsmitglieder nach Art. 17 Abs. 3 S. 1 EUV für eine Amtszeit von fünf Jahren ernannt werden. Gerade die zeitliche Begrenzung demokratischer Herrschaft ist es, die der Legitimation des demokratischen Mehrheitsprinzips – als Kernelement des heutigen demokratischen Verständnisses – dient188. Nur wenn der unterlegenen Minderheit in Abstimmungen und Wahlen die fortwährende Möglichkeit gewährt wird, künftig selbst wiederum zur Mehrheit zu werden, ist eine Entscheidung der Mehrheit dazu legitimiert, als Entscheidung der Gesamtheit der Bürger zu gelten189. Dies erfordert aber, dass alle Beteiligten künftig die gleichen Chancen haben müssen, eine politische Mehrheit zu erlangen. Der Grundsatz der Chancengleichheit ist damit Ausdruck des einer Demokratie immanenten Schutzes der politischen Minorität. Daher darf die öffentliche Gewalt, die regelmäßig die Majorität repräsentiert, nicht in die Wettbewerbsmöglichkeiten der Minderheit eingreifen190. Aus all diesen Erwägungen zeigt sich, dass das Prinzip der Chancengleichheit Ausdruck eines demokratischen Verständnisses ist, das sich in vielen Bestimmungen des europäischen Primärrechts wiederfindet, aber selbst auch schon in Art. 10

186 Lee, Chancengleichheit der politischen Parteien, S. 12; Tsatsos/Morlok, Parteienrecht, S. 85 f. 187 Vgl. zum deutschen Recht: Volkmann, Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S. 154. 188 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S.  30; Stenzel, Inte­grationsziel Parteiendemokratie, S. 66. 189 BVerfGE 44, 125, 145; Heun, Das Mehrheitsprinzip in der Demokratie, S. 194 ff.; Kißlinger, Das Recht auf politische Chancengleichheit, S. 57 f.; Kulitz, Unternehmerspenden an politische Parteien, S. 62; Lee, Chancengleichheit der politischen Parteien, S. 15; Volkmann, Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S.  155; von Arnim, Parteienfinanzierung, S. 53. 190 So wohl auch: Merten, MIP 2003, 40 (46).

B. Prinzip der Chancengleichheit

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Abs. 4 EUV angelegt ist. Sie muss daher nicht über das in Art. 10 Abs. 1 EUV verankerte Demokratieprinzip abgeleitet werden191. Folgt man einer solchen Herleitung, muss das Recht auf Chancengleichheit im Unionsrecht ebenso wie im deutschen Recht streng formal interpretiert werden192. Demgegenüber gehen die Vertreter, die als Ausgangspunkt der Chancengleichheit politischer Parteien die Gleichheit der Bürger ansehen, von einer grundsätzlich „abgestuften Chancengleichheit“ aus193. Die Gleichheitsposition der Parteien müsse durch einen wertenden Vergleich ermittelt werden, die der politischen Chancengleichheit des einzelnen Staatsbürgers im Bereich der politischen Willensbildung entspreche194. Ein Abweichen von der strikten Gleichbehandlung der Parteien sei gerechtfertigt, da der Zuspruch der Bürger ein besonderer zwingender Grund für eine Ungleichbehandlung der Parteien sei. Würden jedoch allen Parteien staatliche Leistungen zu gleichen Teilen zukommen, würde die Gleichheit des Bürgereinflusses verletzt, da – umgerechnet auf die Zahl der sie unterstützenden Bürger – kleine Parteien bevorzugt würden195. Die formale Gleichheit der Parteien dürfe nicht der formalen Gleichheit der Bürger entgegenstehen196. Die Chancengleichheit sei daher eine „proportionale, abgestufte, dynamische oder relative Gleichheit, keine schematische, starre oder absolute Gleichheit“197. Bei näherer Betrachtung weist diese Argumentation jedoch einen wesentlichen Schwachpunkt auf. Geht man mit dieser Ansicht davon aus, dass die Chancengleichheit der politischen Parteien eine proportionale Gleichheit ist, bedarf es eigentlich schon keines rechtfertigenden Grundes für eine Differenzierung. Die Chancengleichheit der Parteien muss schon per definitionem eine abgestufte Chancengleichheit sein, da Anknüpfungspunkt nach dieser Theorie die Gleichheit des einzelnen Bürgers an der politischen Willensbildung ist und die Gleichheit der Parteien sich proportional zum Zuspruch der Bürger verhält. Ein rechtfertigender Grund für eine Differenzierung wäre folglich schon gar nicht erforderlich, sondern es bedürfte eines solchen allenfalls in der umgekehrten Konstellation: wenn man also gerade nicht nach dem erhaltenen Zuspruch der Bürger unterscheidet, sondern eine schematische Gleichheit anwendet. Es ist daher in sich widersprüchlich, wenn man von einer grundsätzlich abgestuften Chancengleichheit ausgeht, den 191 So aber wohl: Klein, in: FS Ress, S.  541 (549); Merten, MIP 2003, 40 (46); Neßler, EuGRZ 1998, 191 (193); Zuleeg, JZ 1993, 1069 (1072). 192 So auch: Lenz, Ein einheitliches Verfahren für die Wahl des Europäischen Parlaments, S. 160; Merten, MIP 2003, 40 (46); a. A. Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S.  221; ebenso sieht Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungs­ verbund, S. 179 in der Chancengleichheit einen proportionalen Grundsatz. 193 Horn, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Parteienfinanzierung, S. 110. 194 Kißlinger, Das Recht auf politische Chancengleichheit, S. 77. 195 Frotscher, DVBl. 1985, 917 (925); Horn, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungs­ gerichts zur Parteienfinanzierung, S. 110. 196 von Arnim, DÖV 1984, 85 (87). 197 Kißlinger, Das Recht auf politische Chancengleichheit, S. 136.

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§ 4 Parteienrechtliche Grundprinzipien im Europarecht 

Zuspruch der Bürger dann aber gleichzeitig als rechtfertigenden Grund für eine Differenzierung nach der Stärke der Parteien betrachtet. Somit ist grundsätzlich jede unterschiedliche Behandlung politischer P ­ arteien durch die europäischen Institutionen unzulässig, sofern eine Differenzierung nicht aus besonderen, zwingenden Gründen ausnahmsweise gerechtfertigt ist198. Es stellt sich dann freilich die Frage, wann ein solcher zwingender Grund für Differenzierungen vorliegen kann. Ausgangspunkt hierfür muss zunächst wieder die Pflicht zur Neutralität gegenüber dem Parteienwettbewerb sein. Das Neutralitätsgebot verbietet der öffentlichen Gewalt, sowohl die Wettbewerbsbedingungen der politischen Parteien zu egalisieren als auch die bestehenden Unterschiede zwischen ihnen zu vergrößern199. An dieser Stelle treten gleich die ersten Schwierigkeiten auf den Plan, denn die Ausgangsbedingungen der jeweiligen Parteien sind schon im Ansatz ungleich. Eine solche Feststellung ist in einer pluralistischen Konkurrenzdemokratie wenig verwunderlich, da sich solche Divergenzen gerade als deren notwendige Folge darstellen200. Eine offene Parteienkonkurrenz schafft unterschiedliche Bekanntheit, unterschiedliche Beliebtheit und zu guter Letzt unterschiedliche Erfolge der Parteien. Neutralität bedeutet dann aber, dass die öffentliche Gewalt die so entstandenen Unterschiede zwischen den Parteien akzeptieren muss201. Unter diesem Gesichtspunkt ist Chancengleichheit der Parteien als Wettbewerbsgleichheit und nicht als Gleichheit im Ergebnis zu verstehen202, also als formale und gerade nicht als materielle Gleichheit. Sie beinhaltet das Recht und die Pflicht, die unterschiedlichen Ausgangspositionen der Parteien anzuerkennen203. Wenn die Chancengleichheit zum Schutz des Prinzips der Freiheit und Offenheit des politischen Prozesses gewährleistet wird204, darf die Europäische Union die durch diesen Prozess entstandene Wettbewerbslage nicht verfälschen und muss die unterschiedlichen Entfaltungsmöglichkeiten der Teilnehmer respektieren205. Sie darf den Teilnehmern am politischen Wettbewerb weder „Rückenwind“ verschaffen noch „Gegenwind“ verursachen. Kann jedoch eine schematische Gleichbehandlung dazu führen, dass gerade die bestehenden Unterschiede zwischen den Parteien nivelliert werden, muss das Neutralitätsgebot, das für die Herleitung eben jener Chancengleichheit entscheidend war, selbst wiederum ein 198

Merten, MIP 2003, 40 (46). BVerfGE 85, 264 (297); Klein, in Maunz/Dürig, GG, Art. 21 Rn. 300. 200 Gusy, in: Denninger/Hoffmann-Riem/Schneider/Stein, GG, Art.  21 Rn.  89; Jülich, Chancengleichheit der Parteien, S. 95. 201 Volkmann, JZ 2000, 539 (543). 202 Gusy, in: Denninger/Hoffmann-Riem/Schneider/Stein, GG, Art. 21 Rn. 89; Kißlinger, Das Recht auf politische Chancengleichheit, S. 14 f.; Rübenkönig, Die Rechenschaftspflicht der politischen Parteien, S. 68; Streinz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 21 Rn. 124; Tsatsos/Morlok, Parteienrecht, S. 86. 203 Jülich, Chancengleichheit der Parteien, S. 96. 204 Volkmann, JZ 2000, 539 (543). 205 Zum deutschen Verfassungsrecht: BVerfGE 111, 382 (398); Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, § 1 Rn. 62; Volkmann, Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S. 159. 199

B. Prinzip der Chancengleichheit

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besonderer zwingender Grund sein, der Abweichungen von der strikt formalen Gleichbehandlung erlaubt. Wenn die Parteien in ihrem Wesen, Erfolg, Programm etc. jedoch höchst verschiedenartig sind, muss Neutralität in diesem Zusammenhang „Nichtbeeinflus­ sung dieser Ungleichheit bedeuten“206. Die Unionsorgane respektieren die im Wettbewerb entstandenen Entfaltungsmöglichkeiten der jeweiligen politischen Parteien. Sofern man jedoch mit der mittlerweile ganz herrschenden Meinung nicht mehr eine passive Neutralität im Sinne eines politischen Unterlassens und Schweigens, sondern vielmehr eine aktive Neutralität durch gleichheitskonforme Ausrichtung und Organisation des Politikbetriebs fordert207, betrifft die Neutralität nur noch das „Wie“ und nicht mehr die Frage, ob die öffentliche Gewalt überhaupt tätig werden darf208. Wo aber eine paritätische Verteilung öffentlicher Leistungen in die bestehende Wettbewerbslage eingreift, bildet die Pflicht zur Neutralität einen zwingenden Grund für eine Differenzierung. Als Resultat hiervon ist in einigen Sachbereichen des Parteienrechts eine Differenzierung unerlässlich, soweit eine formale Gleichbehandlung der politischen Parteien durch die Unionsorgane gerade kein neutrales Verhalten darstellt209. Bei gleicher Verteilung öffentlicher Leistungen kommt unter Umständen kleinen Parteien eine Bedeutung zu, die sie tatsächlich gar nicht haben210. Folge dessen wäre eine künstliche Egalisierung der Wettbewerbschancen, die schlussendlich ebenfalls eine Verfälschung der Wettbewerbslage der Parteien darstellt211. Die Neutralitätspflicht begründet insofern nicht nur eine grundsätzlich formale Gleichbehandlung der Parteien, sondern kann gleichzeitig Abweichungen von eben dieser rechtfertigen212. Soweit hieran kritisiert wird, dass dann nicht mehr die Abweichung von einer egalitären Leistungsvergabe den als Durchbrechung der formalen Gleichbehandlung rechtfertigungsbedürftigen Ausnahmefall bilden würde, sondern umgekehrt eine staatliche Veränderung der Wettbewerbsbedingungen213 oder gar eine schema­tische Gleichbehandlung der Parteien der Rechtfertigung bedürfe214, ent 206

Grimm, in: Benda/Maihofer/Vogel, HVerfR, § 14 Rn. 42. Gusy, in: Denninger/Hoffmann-Riem/Schneider/Stein, GG, Art.  21 Rn.  89; Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 225; Volkmann, in: Friauf/ Höfling, GG, Art. 21 Rn. 57. 208 Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 57. 209 Grimm, in: Benda/Maihofer/Vogel, HVerfR, § 14 Rn. 42; Hesse, VVDStRL 17 (1959), 11 (36); so auch: Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 260; im Ergebnis auch: Koch, in: FS Rengeling, S. 307 (316), der jedoch wohl von einer grundsätzlich abgestuften Chancengleichheit ausgeht. 210 Halbe, Analyse der verfassungsrechtlichen Stellung und Funktion der politischen Parteien in der BRD, S. 81; Koch, ZParl 2002, 694 (698). 211 BVerfGE 20, 56 (118); Henke, in: Dolzer/Waldhoff/Graßhof, GG, Art. 21 Rn. 228. 212 Wohl auch: Augsberg, in: Kersten/Rixen, PartG, § 5 Rn. 21; Grimm, in: Benda/Maihofer/Vogel, HVerfR, § 14 Rn. 42. 213 Augsberg, in: Kersten/Rixen, PartG, § 5 Rn. 21; Koch, ZParl 2002, 694 (702). 214 Volkmann, Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S. 218. 207

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§ 4 Parteienrechtliche Grundprinzipien im Europarecht 

spricht dies nicht dem hier dargestellten Regel-Ausnahme-Verhältnis. Den grundsätzlichen Regelfall bildet weiterhin die strikt formale Gleichbehandlung. Dass eine drohende Veränderung der bestehenden Wettbewerbslage eine Differenzierung zwischen Parteien in einer Vielzahl von Fallgestaltungen zu rechtfertigen vermag, ändert an dieser Einschätzung zunächst einmal nichts. Die Auswirkungen einer öffentlichen Leistung auf den Parteienwettbewerb sind für jeden Teilbereich des Parteienrechts gesondert zu bewerten. Entscheidend ist dann aber nicht wie häufig vom Grundsatz der formalen Gleichbehandlung tatsächlich abgewichen werden kann und gegebenenfalls muss, sondern dass eine Differenzierung nach dem Zuspruch der Parteien weiterhin rechtfertigungsbedürftig ist.

C. Recht der Bürger auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung I. Recht auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung in der Bundesrepublik Deutschland Obwohl ebenfalls ein Gleichheitsrecht, hat das Recht auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung einen anderen Bezugsrahmen als die Chancengleichheit. Letztere ist den Parteien zugeordnet, während ersteres eine Rechtsposition des Bürgers darstellt215. Teilweise wird dieses Recht aus der Wahlrechtsgleichheit des Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG abgeleitet216. Nach anderer Ansicht folgt das Recht auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung aus dem Gleichheitssatz in Verbindung mit dem Demokratieprinzip217. Wieder andere extrahieren das Gleichheitsrecht direkt aus dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG218. Das Recht auf gleiche Teilhabe der Bürger an der politischen Willensbildung ist nach allgemeiner Ansicht als ein strikt formales Gleichheitsrecht zu verstehen219. Folgerichtig sind Regelungen unzulässig, durch die einzelnen Bürgern besondere Einflussnahmemöglichkeiten aufgrund ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit ver 215

Ipsen, ZParl 1994, 401 (407). Ipsen, ZParl 1994, 401 (407); Volkmann, Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S. 285. 217 BVerfGE 85, 264 (315); Kißlinger, Das Recht auf politische Chancengleichheit, S. 89; Lee, Chancengleichheit der politischen Parteien, S.  102; Streinz, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 21 Rn. 196; Tsatsos/Schmidt/Steffen, Jura 1993, 194 (198). 218 So wohl: Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, § 25 Rn. 168; Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 215. 219 BVerfGE 8, 51 (68); Kißlinger, Das Recht auf politische Chancengleichheit, S. 89; Kulitz, DÖV 1982, 305 (307); Lee, Chancengleichheit der politischen Parteien, S. 102; Rübenkönig, Die Rechenschaftspflicht der politischen Parteien, S. 80; Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 215; Tsatsos/Schmidt/Steffen, Jura 1993, 194 (198); Ipsen, JZ 1984, 1060 (1063); Volkmann, Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S. 284; von Arnim, DÖV 1984, 85 (87). 216

C. Recht der Bürger auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung 

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schafft werden220. Eine gesellschaftliche und finanzielle Ungleichheit der Bürger darf nicht dazu führen, dass der Einzelne in seiner politischen Mitwirkungsmöglichkeit eingeschränkt oder privilegiert wird. Dieses demokratische Gleichheitsrecht darf nur aus zwingenden Gründen eingeschränkt werden221.

II. Recht auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union Das Recht auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung ist – wenn ihm auch in Rechtsprechung und parteienrechtlicher Literatur nicht die gleiche Bedeutung wie in Deutschland zukommt – in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union durchweg anerkannt222. Es ist als egalitäres Gleichheitsrecht der Bürger europäischen Demokratien immanent223. Erwähnung findet das Recht auf gleiche Teilhabe der Bürger beispielsweise in den Verfassungen Belgiens und Polens.

III. Das Recht auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung im europäischen Recht Soweit das Recht auf gleiche Teilhabe in der parteienrechtlichen Literatur des Europarechts bisher überhaupt Beachtung gefunden hat, ist es auch für die europäische Ebene anerkannt worden224. Seit Inkrafttreten des Vertrages von Lissa 220

Kulitz, DÖV 1982, 305 (307). So zur politischen Gleichheit allgemein: Birk, NJW 1988, 2521. 222 Schefold/Tsatsos/Morlok, in: dies., Parteienrecht im europäischen Vergleich, S.  737 (835); wohl auch: Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 204 f.; von Arnim/ Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S.  69; zu Griechenland: Gikas, Chancengleichheit der politischen Parteien in Griechenland, S. 58. 223 Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 207. 224 Differenzierend hierzu: von Bogdandy, in: FS Badura, S. 1033 (1051), der das Prinzip wohl anerkennt, aber in diesem Zusammenhang auch der Vielfalt auf europäischer Ebene den gleichen rechtlichen Rang einräumt. Vor Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon leitete Merten, MIP 2003, 40 dieses Recht gleichlaufend mit dem deutschen Verfassungsrecht aus dem Demokratieprinzip ab. So wohl auch: Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 221; a. A. von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 69 f., die das Recht auf gleiche Teilhabe aus dem grundrechtlich gewährleisteten allgemeinen Gleichheitssatz folgerten. Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 205 f. stellt neben dem Demokratieprinzip noch auf das Mehrparteiensystem und die allgemeine Anerkennung dieses Grundsatzes in den Mitgliedstaaten der Union als Rechtsgrund der gleichen Teilhabe ab. Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 207 leitet den Grundsatz wohl kumulativ aus dem Demokratieprinzip, dem allgemeinen Gleichheitssatz und der Wahlrechtsgleichheit im deutschen Recht her und verweist innerhalb des Art. 191 EGV auf diese Herleitung. Wie sich dies jedoch gerade im Bezug zur Wahlrechtsgleichheit verhält, ist nicht ersichtlich. 221

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§ 4 Parteienrechtliche Grundprinzipien im Europarecht 

bon ergibt sich das Recht auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung direkt aus Art. 9 S. 1 EUV. Hiernach achtet die Union in ihrem gesamten Handeln den Grundsatz der Gleichheit ihrer Bürgerinnen und Bürger, denen ein gleiches Maß an Aufmerksamkeit seitens der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union zuteil wird. Hieraus ein politisches Gleichheitsreicht ableiten zu wollen, mag zunächst einmal überraschen, erweckt der Artikel doch auf den ersten Blick vielmehr den Anschein, einen allgemeinen Gleichheitssatz formulieren zu wollen. Bei näherer Betrachtung, insbesondere des systematischen Zusammenhangs, liegt jedoch der Schluss näher, dass der Wortlaut redaktionell misslungen ist. Die Regelung zielt in erster Linie auf eine demokratisch-politische Gleichheit der Bürger ab225 und ist angesichts dessen als spezieller Gleichheitssatz zu verstehen, denn sie steht an der Spitze des Abschnitts der „Bestimmungen über die demokratischen Grundsätze“. Ebenso wie die sprachliche Fassung ist auch der Aufbau des Abschnitts wenig gelungen. Art. 9 S. 1 EUV hängt eng mit Art. 10 Abs. 1 EUV zusammen, nach dem die Arbeitsweise der Europäische Union auf der repräsentativen Demokratie beruht. Zwar erwartet man üblicherweise dieses grundsätzlichere Bekenntnis zu Beginn eines solchen Abschnitts, dessen ungeachtet sind beide Regelungen innerlich verbunden. Eine repräsentative Demokratie beruht notwendigerweise auf dem Grundsatz der egalitären Gleichheit ihrer Bürger226. Dies gilt für den europäischen Maßstab auch unabhängig von der Frage, ob das Unionsrecht das Prinzip der Wahlrechtsgleichheit gewährleistet. Aufgrund ihrer supranationalen Besonderheiten knüpft Europa zwar an ein eigenes, „unionsspezifisches Demokratiekon­ zept“227 an, was jedoch nicht der Annahme entgegensteht, dass auf europäischer Ebene grundsätzlich die gleichen demokratischen Mindeststandards wie innerhalb der staatlichen Sphäre zu gelten haben, die eine plurale und liberale Demokratie auszeichnen228. Demokratische Repräsentation setzt aber voraus, dass alle Individuen ihre politischen Mitwirkungsrechte gleich ausüben können. Gerade diese Gleichheit legitimiert demokratische Entscheidungsverfahren229. Gleichheit der Bürger ist Grundvoraussetzung jeder Demokratie230. 225

Callies, Die neue Europäische Union nach dem Vertrag von Lissabon, S. 169; Geiger, in: Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Art. 9 EUV Rn. 2; Magiera, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 9 EUV Rn. 7; Ruffert, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 9 EUV Rn. 26; Schönberger, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 9 EUV Rn. 30; Streinz/Ohler/Hermann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, § 6 V.; von Bogdandy, in: von Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, S. 13 (63 f.); wohl dazu tendierend, dass Art. 9 S. 1 EUV einen allgemeinen Gleichheitssatz statuiert: Kaufmann-Bühler, in: Lenz/Borchardt, EUV/AEUV, Art. 9 EUV Rn. 4 f. 226 Merten, MIP 2003, 40. 227 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 8. 228 In diese Richtung wohl auch: Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 9 ff. 229 Kaufmann, Europäische Integration und Demokratieprinzip, S. 251. 230 Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 67; Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 20 Rn. 14.

D. Grundsatz der Öffentlichkeit

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Im Bereich des Wahlrechtes setzt das europäische Primärrecht diese Gleichheit lediglich ausnahmsweise zugunsten eines Minderheitenschutzes kleinerer Staaten außer Kraft. Anhaltspunkte, dass sich dieser Gedanke auf das Recht der Unionsbürger auf gleiche Teilhabe am politischen Willensbildungsprozess erstreckt, sind jedoch nicht ersichtlich231. Verstärkt wird diese Einschätzung durch den in Art. 10 Abs. 3 EUV normierten Grundsatz der partizipativen Demokratie. Hiernach haben alle Bürgerinnen und Bürger das Recht, am demokratischen Leben der Union teilzunehmen. Wenn jedoch alle Bürger das Recht auf Teilhabe am demokratischen Leben der Union genießen, muss ihnen dieses Recht in einer repräsentativen Demokratie grundsätzlich auch in gleicher Weise zustehen. Art. 10 Abs. 3 EUV ist danach ein politisches Freiheitsrecht und somit ein allgemeines und gleiches Freiheitsrecht. Das Recht der Unionsbürger auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung als Ausprägung der in Art. 9 S. 1 EUV normierten demokratischen Gleichheit muss als spezielles Gleichheitsrecht streng formal interpretiert werden. Vorhandene unterschiedliche Ausgangspositionen in gesellschaftlicher oder finanzieller Hinsicht dürfen nicht dazu führen, dass Bürger in ihren Mitwirkungsmöglichkeiten im politischen Willensbildungsprozess privilegiert bzw. e­ ingeschränkt werden. All dies gilt freilich nicht absolut, sondern der Grundsatz der demokratischen Gleichheit kann ebenfalls aus zwingenden Gründen Durchbrechungen erfahren232.

D. Grundsatz der Öffentlichkeit I. Grundsatz der Öffentlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland Elementarster Ausdruck des verfassungsrechtlichen Transparenzgebotes ist Art.  21 Abs.  1 S.  4 GG. Demnach müssen die Parteien über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft ablegen. Diese Bestimmung bildet aber nur einen Bestandteil eines weiterreichenden Grundsatzes der Öffentlichkeit der Parteien. Zu unterscheiden sind dabei das allgemeine Gebot der Öffentlichkeit der Parteien und die besondere Rechenschaftspflicht des Art. 21 Abs. 1 S. 4 GG233. Das allgemeine Gebot der Öffentlichkeit findet seine verfassungsrechtliche Grundlage in der Mitwirkungsaufgabe des Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG und des dem Demokratieprinzip immanenten Öffentlichkeitsgebots234. Ein demokratisches System setzt voraus, dass staatliches Verhalten 231

So im Ergebnis auch: von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 69 f. Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 16. 233 Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 74 ff. 234 Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 75; so auch: Gusy, in: Denninger/Hoffmann-Riem/Schneider/Stein, GG, Art. 21 Rn. 102; Heinig/Streit, Jura 2000, 393; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 119. 232

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§ 4 Parteienrechtliche Grundprinzipien im Europarecht 

durch Bürger und Öffentlichkeit kontrolliert wird. Dies erfordert, dass die „Kontrolleure“ des Staates ihrerseits ausreichend durch die öffentliche Gewalt informiert werden235. Zwar sind Parteien als Vermittler zwischen dem staatlichen und dem gesellschaftlichen Bereich gerade keine staatlichen Institutionen, sie unterscheiden sich jedoch gleichzeitig auch von anderen privatrechtlichen Vereinigungen und Interessenvertretungen, denen gerade nicht mittels ihrer verfassungsrechtlichen Funktionsbestimmung beim demokratischen Willensbildungsprozess ein unmittelbarer Zugang zur Staatsgewalt eröffnet wird236. Insoweit ist das allgemeine Öffentlichkeitsgebot Folge der Volkssouveränität des Art. 20 Abs. 2 GG und soll den Bürgern ermöglichen, ihre demokratische Kontrolle auszuüben237.

II. Grundsatz der Öffentlichkeit in anderen Mitgliedstaaten der EU In Großbritannien238, Irland239, Luxemburg240 und den Niederlanden241 gibt es keine Verpflichtung der Parteien, die Herkunft oder die Verwendung ihrer Mittel offenzulegen. Die Parteien Belgiens müssen hingegen einen Finanzbericht durch einen Abschlussprüfer erstellen lassen, der im belgischen Staatsblatt veröffentlicht wird242. Nach Art. 21 Abs. 1 des bulgarischen Gesetzes über die politischen Parteien müssen die finanziellen Tätigkeiten der Parteien offengelegt werden. Die Parteien sind verpflichtet, jährlich einen Bericht über die Höhe und die Quellen ihrer Einnahmen und Ausgaben vorzulegen, die im Gesetzblatt veröffentlicht werden243. In Griechenland ergibt sich eine Offenbarungspflicht der Parteien für ihre Wahlausgaben aus Art. 29 Abs. 2 der Verfassung, wobei der Gesetzgeber diese nur solche für Parteien normiert hat, die öffentliche Zuschüsse erhalten244. Hierbei müssen Großspender namentlich erwähnt werden245. Darüber hinaus weitet Art. 4 Abs.  1 des Parteienfinanzierungsgesetzes die Rechenschaftspflicht der Parteien auf die gesamten Parteikosten aus246. Frankreich hat eine Rechenschaftspflicht

235

Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 75. Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 60. 237 Morlok, NJW 2000, 761. 238 Streinz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 21 Rn. 36. 239 Kelly, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 259 (270). 240 Wivenes, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 435 (492). 241 Elzinga, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 333 (382). 242 Suetens, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 19 (51). 243 Konstantinov, in: Tsatsos/Kedzia, Parteienrecht in mittel- und osteuropäischen Staaten, S. 23 (66 f.). 244 Gikas, Chancengleichheit der politischen Parteien in Griechenland, S. 96 f. 245 Papadimitriou, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen ­Vergleich, S. 261 (295). 246 Gikas, Chancengleichheit der politischen Parteien in Griechenland, S. 101. 236

D. Grundsatz der Öffentlichkeit

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für staatsfinanzierte Parteien einfachgesetzlich eingeführt247. Italiens Parteien müssen nach einem gesetzlich festgelegten Standardschema die Jahresrechnung in der Parteizeitung und einer national verbreiteten Tageszeitung veröffentlichen248. Auch in Litauen sind die Parteien verpflichtet, ihre Einnahmen und Ausgaben öffentlich zu deklarieren249. Ebenso gibt es in Polen eine Verpflichtung der Parteien, zumindest ihre Finanzierungsquellen offenzulegen250. In Portugal müssen Parteien nach Art. 116 Abs. 3 d) der Verfassung die Herkunft der Einnahmen und deren Verwendung in Jahresrechnungen veröffentlichen251. Ebenso unterliegen solche spanischen Parteien einer allgemeinen Rechenschaftspflicht, die staatliche Subventionen empfangen252. In Dänemark253, der Tschechischen Republik, Ungarn254 und in der Slowakei255 sind alle Parteien verpflichtet, über ihre Finanzen Rechenschaft abzulegen. Insgesamt zeigt sich, dass die weit überwiegende Anzahl der Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine Rechenschaftspflicht für Parteien eingeführt hat256. In diesen Staaten gibt es regelmäßig einen engen Zusammenhang zwischen staatlicher Parteienfinanzierung und Pflicht zur Offenlegung der Parteifinanzen. Wo öffentliche Finanzhilfen nicht oder nur in geringem Maße durch Sachleistungen erfolgen, sind Parteien meist auch nicht zur Transparenz ihrer Finanzen verpflichtet257. Werden sie hingegen in größerem Umfang subventioniert, haben die Staaten im Wesentlichen eine mehr oder weniger ausgeprägte Rechenschaftspflicht gesetzlich oder gar verfassungsrechtlich normiert258.

247 Fromont, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 219 (252); Schmitt, ZParl 1993, 73 (88); Streinz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art.  21 Rn. 37. 248 Ridola, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 273 (298). 249 Vadapalas, in: Tsatsos/Kedzia, Parteienrecht in mittel- und osteuropäischen Staaten, S. 73 (112). 250 Kedzia, in: Tsatsos/Kedzia, Parteienrecht in mittel- und osteuropäischen Staaten, S. 115 (161); Malicka/Balicki, in: Manssen, Die Finanzierung von politischen Parteien in Europa, S. 39 (43). 251 de Sousa, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 591 (629). 252 Puente-Egido, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 635 (688). 253 Vesterdorf, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 61 (78). 254 Halmai, in: Tsatsos/Kedzia, Parteienrecht in mittel- und osteuropäischen Staaten, S. 273 (307). 255 Šimiček, in: Tsatsos/Kedzia, Parteienrecht in mittel- und osteuropäischen Staaten, S. 267 (272). 256 Tsatsos/Deinzer, Europäische politische Parteien, S.  22; für die osteuropäischen Mitgliedstaaten: Tsatsos/Kedzia, in: dies., Parteienrecht in mittel- und osteuropäischen Staaten, S. 325 (342). 257 Schefold/Tsatsos/Morlok, in: dies., Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 737 (842 f.). 258 Schefold/Tsatsos/Morlok, in: dies., Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 737 (843).

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§ 4 Parteienrechtliche Grundprinzipien im Europarecht 

III. Grundsatz der Öffentlichkeit im Recht der Europäischen Union Im Primärrecht der Union fehlt eine dem Art. 21 Abs. 1 S. 4 GG entsprechende ausdrückliche Pflicht der politischen Parteien zur Offenlegung ihrer Parteifinanzen genauso wie eine das allgemeine Öffentlichkeitsprinzip regelnde Vertragsnorm. Dessen ungeachtet sind diese Verpflichtungen auch dem europäischen Recht nicht fremd. So folgt die allgemeine Öffentlichkeitsverpflichtung der politischen Parteien analog zum deutschen Recht aus ihrer Mitwirkungsaufgabe an der politischen Willensbildung und dem übergeordneten, dem Demokratieprinzip immanenten Öffentlichkeitsgebot. Letzteres kommt im Unionsrecht in Art. 10 Abs. 3 S. 2 EUV zum Ausdruck, wonach Entscheidungen der Union so offen wie möglich getroffen werden. Es findet noch in weiteren Bestimmungen der Verträge seinen Niederschlag. Gemäß Art. 11 Abs. 2 EUV pflegen die Organe einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog mit den repräsentativen Verbänden und der Zivilgesellschaft. Zudem stellt Art. 15 Abs. 1 AEUV klar, dass die Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Union unter weitestgehender Beachtung des Grundsatzes der Offenheit zu handeln haben, und gemäß Art. 15 Abs. 3 S. 3 AEUV die Transparenz ihrer Tätigkeit gewährleisten müssen. Hinter all diesen Regelungen steht der Gedanke, dass die Wähler in einer Demokratie politische Entscheidungen kontrollieren müssen, was aber nur möglich ist, wenn das Handeln der Beteiligten transparent ist259. Von daher muss auch in einer europäischen Demokratie grundsätzlich Transparenz gewährleistet sein260. Parteien sind zwar weder ein europäisches Organ im Sinne des Art.  13 Abs.  1 EUV, noch haben sie deren Rechtsstatus261, der Öffentlichkeitsgrundsatz ragt aber in den Bereich des Parteiwesens hinein. Die Parteien selbst sind als Kontroll­ instanz an der Willensbildung beteiligt262. Gleichzeitig bedürfen sie aber aufgrund ihrer Mittlerfunktion zwischen öffentlicher Gewalt und Gesellschaft selbst wiederum der Kontrolle durch die Bürger. Wenn von Bogdandy feststellt, dass Transparenz in seiner spezifisch demokratischen Bedeutung die Kenntnis der Motive verlangt263, bedeutet dies auf die Ebene der Parteien übertragen, dass Bürger zur Ausfüllung ihrer Kontrollfunktion in die Lage versetzt werden müssen, die Hintergründe für politische Forderungen, Stellungnahmen oder Entscheidungen einer Partei erkennen zu können. Dieses universale Prinzip von Transparenz muss in besonderem Maße für die Herkunft und die Verwendung der Parteifinanzen gelten. Gerade durch die Veröffentlichung von Einnahmen können die Bürger erkennen, welche Personen, Grup 259

Vgl. zum deutschen Recht: Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 75. Tsatsos, EuGRZ 1997, 77 (80). 261 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 215. 262 Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 75. 263 von Bogdandy, in: von Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, S. 13 (67). 260

D. Grundsatz der Öffentlichkeit

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pierungen oder Verbände durch Geldzuwendungen auf die Parteien einzuwirken versuchen und „wer hinter einer politischen Gruppe“ steht264. Sie werden in die Lage versetzt, einen etwaigen Zusammenhang zwischen den politischen Zielen einer Partei und den finanziellen Zuwendungen an sie herzustellen und gegebenenfalls Konsequenzen für ihre Wahlentscheidung zu ziehen265. Interessenvertreter können aufgrund ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit die öffentliche Meinung zu steuern versuchen und über diesen Weg eine enorme politische Macht entfalten, die der Wähler nicht durchschauen kann266. Insoweit hilft das Öffentlichkeitsgebot auch und gerade dabei, die Gleichheit der Bürger an der politischen Willensbildung sicherzustellen267. Eine wirtschaftliche Transparenz fördert zudem die äußere Parteienfreiheit, die nicht nur die Unabhängigkeit der Parteien vor Einflüssen der öffentlichen Gewalt, sondern auch vor äußerer Fremdbestimmung schützt268. Weitergehend wird durch die Öffentlichkeitspflicht die innerparteiliche Demokratie gesichert269. Eine innerparteiliche Machtposition soll sich nicht aufgrund einer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, sondern allein aufgrund demokratischer Legitimation er­geben270. Finanzielle Abhängigkeiten und Verpflichtungen, die den freien Willensbildungsprozess innerhalb einer Partei beeinträchtigen können, können mit Hilfe von Transparenz durch die Parteimitglieder selbst kontrolliert werden271. Das Öffentlichkeitsgebot hat schlussendlich noch den Zweck, die Funktion der Parteien zu sichern, an der Willensbildung des Volkes mitzuwirken272. Die Gefahr, bei den Bürgern in Misskredit zu fallen, soll die Parteien davor bewahren, aufgrund wirtschaftlicher Gesichtspunkte fremde Interessen wahrzunehmen, die den eigenen politischen Zielvorstellungen eigentlich zuwiderlaufen und die gegenüber den Anhängern unvertretbar sind273.

264 So die schriftliche Begründung zu Art. 21 Abs. 1 S.  4 GG in: v. Doemming/Füßlein/ Matz, JÖR 1 (1951), 207; ebenso: BVerfGE 20, 56 (106); BVerfGE 85, 264 (319); Klein, NJW 2000, 1441. 265 BVerfGE 85, 264 (319); Küstermann, Die Rechenschaftspflicht der politischen Parteien, S.  34; Morlok, in: Dreier, GG, Art.  21 Rn.  111; Rübenkönig, Die Rechenschaftspflicht der politischen Parteien, S. 74 f.; Streinz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 21 Rn. 203. 266 BVerfGE 20, 56 (106). 267 Heinig/Streit, Jura 2000, 393 (397). 268 Küstermann, Die Rechenschaftspflicht politischer Parteien, S. 33; Rübenkönig, Die Rechenschaftspflicht der politischen Parteien, S. 78; Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 74. 269 BVerfGE 85, 264 (319); Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 21 Rn. 27; Küstermann, Die Rechenschaftspflicht der politischen Parteien, S. 34. 270 Rübenkönig, Die Rechenschaftspflicht der politischen Parteien, S. 77. 271 Klein, NJW 2000, 1441 (1442); Küstermann, Die Rechenschaftspflicht der politischen Parteien, S. 34 f.; Morlok, NJW 2000, 761 (762). 272 BVerfGE 20, 56 (106). 273 Küstermann, Die Rechenschaftspflicht der politischen Parteien, S. 34; Rübenkönig, Die Rechenschaftspflicht der politischen Parteien, S. 74 f.

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§ 4 Parteienrechtliche Grundprinzipien im Europarecht 

Die Pflicht zur Publizität findet einen weiteren Grund in der Tatsache, dass die Europaparteien mittlerweile öffentliche Gelder erhalten274. Erst Offenlegungspflichten der Parteien sichern die Kontrolle der korrekten Finanzwirtschaft der Parteien und der Sparsamkeit im Umgang mit öffentlichen Mitteln275. Dass öffentliche Finanzierung und Rechenschaftspflicht korrelieren, zeigt ein Blick auf die Mitgliedstaaten, die gerade regelmäßig bei der Einführung staatlicher Subventionen die Verpflichtung zur wirtschaftlichen Transparenz gleich mitregelten276. Von einem solchen Zusammenhang zeugt auch das europäische Sekundärrecht. Die finanzielle Unterstützung der politischen Parteien auf europäischer Ebene ist nach Ansicht des Europäischen Parlaments eine Finanzhilfe im Sinne der Art. 108 ff. HO277. Gemäß Art. 109 Abs. 1 S. 1 HO unterliegen Finanzhilfen der Transparenz und der Gleichbehandlung. In dieser Regelung wird also ebenfalls davon ausgegangen, der Subventionsgeber sei zur Kontrolle angehalten, dass der Empfänger mit den ihm gewährten Mitteln entsprechend der öffentlichen Zweckbestimmung hauszuhalten hat. Der Leitgedanke der „Kontrolle“ lässt sich im Bereich des Parteienfinanzierungsrechts noch mit einem weiteren Element versehen. Die politischen Parteien auf europäischer Ebene entscheiden im Europäischen Parlament mehr oder weniger selbst über die Gewährung öffentlicher Mittel, also „in eigener Sache“278. Subventionsgeber und Subventionsnehmer fallen zwar nicht streng genommen, aber doch der Sache nach zusammen. Folge hiervon ist die Gefahr, dass die Europäische Union ihrer Kontrollfunktion gegenüber den europäischen Parteien nicht ausreichend nachkommt. Insoweit handelt es sich bei Entscheidungen in eigener Sache um „Entscheidungen mit einem strukturellen Kontrolldefizit“279. Diesem Defizit kann entgegengewirkt werden, indem die Überprüfung der öffentlichen Finanzierung auf ein „zweites Standbein“ gestellt wird. Einspringen kann hier nur die Öffentlichkeit: Medien, Interessengruppen und die gesamte Bevölkerung. Voraussetzung für eine wirksame Kontrolle ist aber Transparenz. Sie gibt der Öffentlichkeit die Möglichkeit, sich hinreichend Informationen über die finanzielle Situation jeder Partei zu verschaffen.

274

von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 85. Rübenkönig, Die Rechenschaftspflicht der politischen Parteien, S. 85; Volkmann, Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S. 335. 276 Schefold/Tsatsos/Morlok, in: dies., Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 737 (842). 277 Beschluss des Präsidiums des Europäischen Parlaments vom 29.03.2004, AblEU C 150 vom 28.06.2006, S. 9. 278 Vgl. von Arnim, Parteienfinanzierung, S. 66. 279 Morlok, in: Dreier, GG, Art.  21 Rn.  120; vgl. zu dieser Problematik ausführlicher: § 7 A. II. 3.  275

§ 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung An einer europäischen Parteienfinanzierung können schon vom Wortlaut aus­ gehend nur politische Parteien auf europäischer Ebene partizipieren. Doch was hierunter eigentlich zu verstehen ist, ist nicht eindeutig. Art. 10 Abs. 4 EUV enthält insoweit keine Legaldefinition. Eine solche könnte sich allenfalls in der Parteienverordnung befinden. Gemäß Art. 2 Nr. 3 VO1 bezeichnet der Ausdruck „politische Partei auf europäischer Ebene“ im Sinne dieser Verordnung eine politische Partei oder ein Bündnis politischer Parteien, die bzw. das die in Artikel 3 genannten Voraussetzungen erfüllt. Nach Art. 3 Abs. 1 VO muss eine politische Partei auf europäischer Ebene –– in dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren Sitz hat, Rechtspersönlichkeit besitzen und –– in mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten durch Mitglieder des Europäischen Parlaments oder in den nationalen Parlamenten oder regionalen Parlamenten oder Regionalversammlungen vertreten sein oder in mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten bei der letzten Wahl zum Europäischen Parlament mindestens drei Prozent der abgegebenen Stimmen in jedem dieser Mitgliedstaaten erreicht haben und –– in ihrem Programm und in ihrer Tätigkeit die Grundsätze beachten, auf denen die Europäische Union beruht, das heißt die Grundsätze der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit, und –– an den Wahlen zum Europäischen Parlament teilgenommen haben oder die Absicht bekundet haben, dies zu tun. Damit ist freilich noch nichts darüber gesagt, inwieweit diese Definition mit dem Verständnis einer „politischen Partei auf europäischer Ebene“ nach Art. 10 Abs. 4 EUV übereinstimmt und auch übereinstimmen muss. Sicherlich muss eine europäische Partei die Mindestvoraussetzungen erfüllen, die das primärrechtliche Verständnis an eine Partei stellt. Wer keine europäische Partei ist, darf keine Mittel aus einer Parteienfinanzierung erhalten. Anknüpfungspunkt hierfür ist das 1

Verordnung (EG) Nr.  1524/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.12.2007 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2004/2003 über die Regelungen für die politischen Parteien auf europäischer Ebene und ihre Finanzierung, AblEU Nr. L 343 vom 27.12.2007, S. 5 ff; im Folgenden: VO.

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§ 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung

Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung, das in Art. 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 EUV, Art. 7 AEUV ausdrücklich im Primärrecht verankert ist und dessen gedankliches Fundament in der fehlenden Allzuständigkeit der Union begründet liegt; der Europäischen Union also keine Kompetenz-Kompetenz zusteht2. Art. 5 Abs. 2 EUV legt insoweit fest, dass die Union nur innerhalb der Grenzen der Zuständigkeit tätig wird, die die Mitgliedstaaten ihr in den Verträgen zur Verwirklichung der darin niedergelegten Ziele übertragen haben. Somit muss jeder Regelungsakt der Unionsorgane auf einer Ermächtigungsgrundlage des Primärrechts beruhen3. Die Europäische Union ist also nur in dem Maße regelungsbefugt, wie die Mitgliedstaaten sie in den Verträgen mit Zuständigkeiten betraut haben4. Die Regelungen der Parteienverordnung dürfen also nicht über die Ermächtigungsgrundlage des Art. 224 AEUV hinausgehen. Von daher darf der Parteienbegriff der Verordnung nicht weiter als das in Art. 10 Abs. 4 EUV, Art. 224 AEUV vorausgesetzte Parteienverständnis reichen, denn für eine weitergehende Normierung fehlt der Europäischen Union eine Regelungsbefugnis. Auf der anderen Seite stellt sich aber noch die Frage, ob die primärrechtliche Deutung des Parteienbegriffs der sekundärrechtlichen Definition voll entsprechen muss oder ob sie nicht auch höhere Anforderungen an eine politische Partei auf europäischer Ebene stellen kann. Zur Veranschaulichung mag ein Vergleich mit dem deutschen Parteienrecht hilfreich sein. Hier legt das Grundgesetz, obwohl es eine Legaldefinition vermissen lässt, ebenfalls den Parteienbegriff fest, an dem sich die einfachgesetzliche Definition des § 2 Abs. 1 PartG orientieren und messen lassen muss5. Die Voraussetzungen des § 2 Abs.  1 PartG müssen aber nach zutreffender Ansicht überhaupt nur aus dem Grunde mit dem verfassungsrechtlichen Parteienverständnis vereinbar sein, da mit der einfachgesetzlichen Zuerkennung der Parteieigenschaft bestimmte Rechtsfolgen für die Parteien verbunden sind6. Parteien, die die Voraussetzungen des § 2 PartG nicht erfüllen, bleiben die mit dem PartG verbundenen einfachgesetzlichen Rechte verwehrt. Entscheidend dafür, inwieweit die Definition des § 2 PartG mit dem verfassungsrechtlichen Parteienbegriff in Einklang stehen muss, sind dann aber die Rechtsfolgen, die mit der einfachrechtlichen Anerkennung verbunden sind. Je umfassender ein Parteiengesetz das Recht der Parteien regelt, desto stärker muss auch der von ihm verwendete Parteienbegriff der Verfassung entsprechen. Werden einer Partei bestimmte Rechte des PartG verwehrt, greift der Gesetzgeber möglicherweise in ihre Rechte auf Chancengleichheit, Gründungsfreiheit etc. ein, so dass dieser Eingriff wiederum an den maßgeblichen Prinzipien des Parteienrechts zu messen ist. Dass die Legaldefinition des § 2 PartG dem verfassungsrechtlichen Verständnis der Par 2

BVerfGE 123, 267 (353); Huber, Recht der europäischen Integration, § 16 Rn. 5 f. Bieber, RTD 1999, 349 (356); von Bogdandy, in: von Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, S. 13 (46). 4 BVerfGE 123, 267 (382). 5 Vgl. hierzu: Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 29. 6 Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 29. 3

§ 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung

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teien entsprechen muss, lässt sich dabei besonders am Beispiel des § 5 PartG festmachen, der das Recht auf Chancengleichheit umfassend regelt. Könnten sich bestimmte Parteien nicht auf § 5 PartG berufen, weil sie die Voraussetzung des § 2 PartG nicht erfüllen, wäre ihnen auch die umfassende Rechtsstellung verwehrt, die mit § 5 PartG verbunden ist. Da beide, die verfassungsrechtliche Chancengleichheit wie auch § 5 PartG, wesensgleich sind, sind im deutschen Recht einer Divergenz zwischen verfassungsrechtlichem und einfachgesetzlichem Parteienbegriff von vornherein enge Grenzen gezogen7. Dieser Gedankengang lässt sich ohne weiteres auf das europäische Recht übertragen. Je intensiver eine Verordnung das Recht der europäischen Parteien regelt, desto mehr muss ein Gleichklang zwischen der Legaldefinition des Art. 3 Abs. 1 VO und dem in Art. 10 Abs. 4 EUV vorausgesetzten Parteienbegriff gegeben sein. Sind mit der Verordnung hingegen nur einzelne, spezifisch feststellbare Rechtsfolgen verbunden, ist im Anschluss hieran zu fragen, ob die Voraussetzungen, die eine Partei erfüllen muss, mit den maßgeblichen Grundprinzipien des Parteienrechts vereinbar sind. Damit ist also zunächst einmal zu bestimmen, welche Rechtsfolgen damit verbunden sind, dass eine Partei die Voraussetzungen der Art. 2 und 3 VO erfüllt. Erster Anknüpfungspunkt hierfür ist Art. 5 Abs. 3 VO. Stellt das Europäische Parlament fest, dass eine der in Art. 3 a), b) und c) VO genannten Voraussetzungen nicht mehr erfüllt ist, so wird die betreffende politische Partei auf europäischer Ebene, die aus diesem Grund diese Eigenschaft verloren hat, von der Finanzierung nach dieser Verordnung ausgeschlossen. Wendet man den Blick auf die Regelung des Art. 5 Abs. 5 VO, scheint sie zudem ihren Status als politische Partei auf europäischer Ebene zu verlieren8. Danach wird eine politische Stiftung auf europäischer Ebene von der Finanzierung ausgeschlossen, wenn die politische Partei auf europäischer Ebene, der die betroffene politische Stiftung auf europäischer Ebene angeschlossen ist, ihren Status verliert. Dabei bleibt die Verordnung aber die Antwort schuldig, welche Rechtsfolgen wiederum mit einem solchen Statusverlust verbunden sind. Hölscheidt sieht hierin einen Verlust der Parteiqualität9. In die gleiche Richtung stößt Koch, wenn er den Parteienbegriff der Verordnung als zulässige Konkretisierung und Konstituierung des primärrechtlichen Parteienverständnisses begreift10. In diesem Sinne misst Shirvani ebenfalls den Parteienbegriff des Art. 3 Abs. 1 VO an den Vorgaben des Primärrechts11. Konsequenz dieses Ansatzes ist, dass alle Parteien, die nicht den Voraussetzungen der Verordnung genügen, keine Parteien im Sinne des Art. 10 Abs. 4 EUV sind und sich somit auch nicht auf die primärrechtlich garantierten Rechte der Chancengleichheit etc. berufen können.

7

In diesem Sinne auch: Rechtliche Ordnung des Parteiwesens, S. 118. Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 175. 9 Hölscheidt, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 224 AEUV Rn. 25. 10 Koch, in: FS Rengeling, S. 307 (312). 11 Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 315 f. 8

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§ 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung

Für eine umfassende Regelung des Parteienrechts spricht dabei die Überschrift der Verordnung „über die Regelungen für die politischen Parteien und ihre Finanzierung“. In die gleiche Kerbe schlägt Art. 1 VO, wenn er beschreibt, dass in dieser Verordnung die Regelungen für die politischen Parteien und ihre Finanzierung festgelegt werden. All das legt die Vermutung nahe, dass die Verordnung ähnlich dem deutschen Parteiengesetz die Rechte politischer Parteien vollumfänglich regelt. Bei einer genaueren Betrachtung der einzelnen Regelungen, zeigt sich indes, dass sich die Parteienverordnung trotz ihres vermeintlich umfassenden Anspruchs in der Überschrift inhaltlich auf Finanzierungsvorschriften beschränkt12. Dies bedeutet dann aber gleichzeitig, dass eine Partei, die die Voraussetzungen der Art. 2 und 3 VO nicht erfüllt, letztlich auch nur von der öffentlichen Finanzierung ausgeschlossen ist13. Bei der allzu hochtrabenden Überschrift der Verordnung handelt es damit eher um eine „verunglückte“ Formulierung14. Darüber hinausgehende Rechtswirkungen sind in der Verordnung nicht normiert. Aus Art. 5 Abs. 5 VO folgt gerade kein „Statusverlust“ der europäischen Parteien. Ein solches Verständnis ist weder mit dessen Wortlaut noch mit dessen Sinn und Zweck vereinbar. In Art. 5 Abs. 5 VO ist der „Statusverlust“ der politischen Partei auf europäischer Ebene lediglich Tatbestandsvoraussetzung für die damit einhergehende Rechtsfolge des Finanzierungsausschlusses der entsprechenden politischen Stiftung auf europäischer Ebene. Die Vorschrift dient insoweit nur dazu, die Voraussetzungen eines Finanzierungsausschlusses für politische Stiftungen festzulegen. Überdies überzeugt es unter systematischen Gesichtspunkten nicht, dass der Verordnungsgeber in einer Tatbestandsvoraussetzung für die Finanzierung europäischer Stiftungen derart weitreichende Rechtsfolgen für politische Parteien auf europäischer Ebene setzen wollte. Der Verordnungsgeber hätte, wenn er den Parteien, die die Voraussetzungen der Art. 2, 3 VO nicht erfüllen, weitergehende Rechte versagen wollte, die hiermit verbundenen Rechtsfolgen eines Statusverlustes näher konkretisiert und auch konkretisieren müssen. Art. 5 12 Löwer, in: FS Sellner, S. 51 (53 f.); Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 487; a. A. Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 85. 13 Hatje, DVBl. 2005, 261 (267); Klein, in: FS Ress, S. 541 (546); in diesem Sinne wohl auch: Eberhard/Lachmayer, in: Manssen, Die Finanzierung von politischen Parteien in Europa, S. 215 (230); in Bezug auf das Nachprüfungsverfahren des Art. 5 Abs 2 VO auch: Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 257; anders wohl der Ausschuss für konstitutionelle Fragen des Europäischen Parlaments in seinem Entwurf einer Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. März 2011 in den Erwägungen P und Q; ab­r ufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+REPORT +A7-2011-0062+0+DOC+PDF+V0//DE; Stand: 02.08.2012. 14 Daher forderte auch der Ausschuss für konstitutionelle Fragen in seinem Änderungsantrag 10 zur Parteienverordnung vom 21.05.2003 den Art. 1 VO dahingehend zu ändern, dass dort klargestellt wird, dass die Verordnung lediglich die Finanzierung der politischen Parteien auf europäischer Ebene betrifft und es sich gerade nicht um ein „echtes europäisches Statut für europäische politische Parteien“ handelt; abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/ sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+REPORT+A5–2003-0170+0+DOC+PDF+V0// DE; Stand 19.10.2011.

§ 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung

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Abs.  5 VO beschränkt seine Rechtswirkungen vielmehr darauf, dass bei einem Finanzierungsausschluss einer europäischen Partei die ihr angehörige politische Stiftung ihren Anspruch auf Finanzhilfen der Union verliert. Dann kann auch keine Rede davon sein, dass die Verordnung das europäische Parteienrecht umfassend regelt. Vergleicht man die Regelung mit dem deutschen Recht, hat die Verordnung weniger den Charakter eines Parteienstatutes als einer „Parteienfinanzierungsverordnung“. Des Weiteren kann eine sekundärrechtliche Definition von vornherein nicht das primärrechtliche Verständnis eines Begriffes konstituieren. Das Primärrecht genießt in der Normenhierarchie Vorrang gegenüber dem Sekundärrecht und ist Maßstab für dessen Rechtmäßigkeit15. Somit kann aber eine Parteienverordnung den Parteienbegriff des Art. 10 Abs. 4 EUV nicht determinieren. Dass Art. 2 und 3 VO auch keinen solchen Anspruch erheben, ergibt sich schon aus der Formulierung des Art.  2 VO. Hiernach werden die Begriffe der politischen Parteien, der Bündnisse politischer Parteien und der politischen Parteien auf europäischer Ebene explizit nur als Ausdrücke „im Sinne dieser Verordnung“ bezeichnet, woraus schon folgt, dass die dortigen Festlegungen lediglich für den Anwendungs­ bereich der Parteienverordnung gelten. Anders formuliert: Bei der vermeintlichen Definition der politischen Parteien auf europäischer Ebene durch die Verordnung handelt es sich in Wirklichkeit nur um die Voraussetzungen ihrer Subventionierung16. Art. 2 und 3 VO bestimmen nicht den Begriff der europäischen Parteien, sondern stellen die Einstiegshürden dar, die die Parteien überspringen müssen, um Finanzhilfen der Europäischen Union zu erhalten. Folge hiervon ist wiederum, dass die Voraussetzungen der Art. 2 und 3 VO auch nicht vollumfänglich dem Parteienbegriff des Art. 10 Abs. 4 EUV entsprechen müssen. Sie sind vielmehr in erster Linie an den parteienrechtlichen Grundprinzipien der Chancengleichheit, der Parteienfreiheit etc. zu messen.

15

Ruffert, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 288 AEUV Rn. 8. Eine klare Trennung zwischen der Anerkennung einer politischen Partei und deren Finanzierungsvoraussetzungen in einem noch nicht existierenden umfassenden Parteienstatut wird auch insbesondere seitens der ALDE-Fraktion des Europäischen Parlaments gefordert. Vgl. hierzu die Plenarsitzung vom 05. April 2011. Abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/ sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+CRE+20110405+ITEM-014+DOC+XML+V0//DE; Stand: 14.10.2011; in diese Richtung auch: Ausschuss für konstitutionelle Fragen, Bericht vom 21. Mai 2003, Begründung des Änderungsantrages 12: abrufbar unter: http://www.europarl. europa. eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+REPORT+A5-2003-0170+0+DOC+ PDF+V0//DE; Stand: 19.10.2011. 16

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§ 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung 

A. Begriffsbestimmung des Art. 2 VO Nach Art. 2 Nr. 3 VO fallen unter den Begriff der „politischen Partei auf europäischer Ebene“ sowohl politische Parteien im Sinne des Art. 2 Nr. 1 VO als auch Bündnisse politischer Parteien im Sinne des Art. 2 Nr. 2 VO. Gerade für die Parteibündnisse ist jedoch umstritten, ob der Verordnungsgeber mit ihrer Einbeziehung in die öffentliche Parteienfinanzierung die Grenzen des Art.  224 AEUV eingehalten hat17. Fallen Parteiföderationen nicht unter den Begriff der „politischen Partei auf europäischer Ebene“ im Sinne des Art. 10 Abs. 4 EUV, wäre der Verordnungsgeber nicht zu ihrer Aufnahme in die Parteienverordnung in Art. 2 Nr. 3 Alt. 2 VO befugt gewesen. Damit würde die Verordnung aber ihren praktischen Anwendungsfall verlieren, da transnational organisierte europäische Parteien zwar mittlerweile durchaus existieren, politisch jedoch lediglich eine untergeordnete Rolle spielen18. Warum sich um die Parteienbünde ein so intensiver Streit entwickelt hat, verdeutlicht die Legaldefinition des § 2 Abs.  1 PartG für politische Parteien in Deutschland. Nach dessen S. 1 ist eine Partei eine Vereinigung von Bürgern. Des Weiteren stellt § 2 Abs. 1 S. 2 PartG hierzu noch einmal klar, dass Mitglieder einer Partei nur natürliche Personen sein können. Damit sind solche Parteienbünde sowohl nach der Definition des § 2 Abs. 1 PartG als auch nach dem verfassungsrechtlichen Parteienbegriff des Art. 21 GG, der inhaltlich dem § 2 PartG entspricht19, in der Bundesrepublik Deutschland nicht als Parteien zu betrachten. Parteienbünde zeichnen sich dadurch aus, dass sie gerade keine Vereinigungen von Bürgern sind. Wenngleich die meisten Parteienföderationen mittlerweile eine individuelle Mitgliedschaft ermöglicht haben, so sind mit ihnen aber keine innerparteilichen Wahlrechte verbunden20. Ein einzelnes Mitglied spielt daher nur eine untergeordnete Rolle; entscheidender Faktor sind die nationalen Mitgliedsparteien.

17

Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S.  164; Stentzel, EuR 1997, 174 (183 f.); von Arnim, NJW 2005, 247 (250); von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 91; wohl auch: Klein, in: FS Ress, S. 541 (556); Wolf, MIP 1998, 52 (55); a. A. Kersten, in: Kersten/Rixen, Art. 191 Rn. 53 ff.; Kluth, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 224 AEUV Rn. 2; Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Art. 224 AEUV Rn. 1; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 161 ff.; Tsatsos/Deinzer, Europäische politische Parteien, S. 27; insbesondere in der politikwissenschaftlichen Literatur ist dies h. M.: Jansen, Die Entstehung einer europäischen Partei, S.  38 f.; ders. in: Weidenfeld, Europahandbuch, Bd. 1, S. 166 (175); Jasmut, Die politischen Parteien und die europäische Integration, S. 221; Kohl/Stura, in: FS Posser, S. 259 (266); Oppelland, in: Niedermayer/Stöss/Haas, Die Parteiensysteme Westeuropas, S. 455 (465); so wohl auch: Ayirtman/Pütz, in: Knodt/Finke, Europäische Zivilgesellschaft, S.  389 (394 f.); differenzierend zum Parteienbegriff: Schiffauer, MIP 1996, 80 (91 ff.); Morlok, MIP 1999, 52 (67). 18 Vgl. hierzu: § 2 A. II. 19 BVerfGE 24, 260, 263 f.; BVerfGE 47, 198, 222. 20 Vgl. hierzu: § 2 A. III.

A. Begriffsbestimmung des Art. 2 VO

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I. Politische Partei Demgegenüber ist nach Art.  2 Nr.  1 VO eine politische Partei im Sinne des Art. 2 Nr. 3 Alt. 1 VO eine Vereinigung von Bürgern, die politische Ziele verfolgt und nach der Rechtsordnung mindestens eines Mitgliedstaates anerkannt ist oder in Übereinstimmung mit dieser Rechtsordnung gegründet wurde. Politische Parteien in diesem Sinne fallen freilich unstreitig unter den Parteibegriff der Art. 10 Abs.  4 EUV, 224 AEUV21. Insoweit übernimmt die Verordnung das eben beschriebene klassische Verständnis der Vereinigung von Bürgern, wie es im deutschen Recht in § 2 Abs. 1 PartG seinen Ausdruck findet22.

II. Bündnis politischer Parteien Nach Art. 2 Nr. 2 VO ist ein Bündnis politischer Parteien im Sinne des Art. 2 Nr.  3 Alt. 2 VO eine strukturierte Zusammenarbeit mindestens zweier politischer Parteien. Ob Parteienbünde unter den Parteienbegriff der Art.  10 Abs.  4 EUV, 224 AEUV fallen, lässt sich mangels einer primärrechtlichen Legaldefinition am besten mit Hilfe der europarechtlichen Auslegungsmethoden ermitteln23. Mit Hilfe der Rechtsprechung des EuGH hat sich eine eigene unionsrechtliche Auslegung durchgesetzt, die zwar an die aus dem staatlichen Recht bekannten Auslegungsmethoden anknüpft, diese jedoch den Besonderheiten der Union entsprechend gewichtet24. Insoweit sind im Unionsrecht grammatikalische, systematische, teleologische, historische und rechtsvergleichende Auslegungsmethoden anwendbar25.

21

Damm, ZParl 1999, 395 (417); Deinzer, Europäische Parteien, S. 109; Jasmut, Die politischen Parteien und die europäische Integration, S. 228; Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art.  191 Rn.  94; Klein, in: FS Ress, S.  541 (556); Kluth, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 224 AEUV Rn. 3; Kohl/Stura, FS Posser, S. 259 (266); Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Art. 224 AEUV Rn. 1; Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 233; Morlok, in: Johansson/Zervakis, European political parties between cooperation and integration, S.  29 (30); Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S.  165; Schiffauer, MIP 1996, 80 (95); Stentzel, EuR 1997, 174 (183); von Arnim, NJW 2005, 247 (250); von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 22; Wolf, MIP 1998, 52 (55). 22 Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 94. 23 Insoweit ist diese Methodik schon von Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 40 ff. verwandt worden. 24 Nettesheim, in: Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 9 Rn. 168. 25 Hierzu ausführlich: Huber, Recht der europäischen Integration, § 10 Rn.  1 ff.; Nettesheim, in: Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 9 Rn. 165 ff.; Schroeder, JuS 2004, 180 ff.

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§ 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung 

1. Grammatikalische Auslegung Die grammatikalische Auslegung einer Regelung ist nach allgemeiner Ansicht „Ausgangspunkt und Grenze jeder Sinnermittlung“26. Maßgeblich hierfür ist der normale, natürliche und gewöhnliche Sinn der Worte27. Doch ergeben sich für die Auslegung nach dem Wortlaut im Europarecht besondere Probleme aus dem Umstand, dass Unionsregelungen in 23 gleichberechtigten Sprachen verfasst sein können28. Die Vielzahl europäischer Amtssprachen bringt die Gefahr mit sich, dass der Gebrauch eines Begriffes in den jeweiligen Sprachen differiert. Infolgedessen ist eine grammatikalische Auslegung auch nur eingeschränkt möglich29. Es wäre unzureichend, auf den nationalen Bedeutungsgehalt im jeweiligen Mitgliedstaat abzustellen; ein Begriff ist vielmehr eigenständig im Sinne seiner unionsrechtlichen Wortbedeutung zu interpretieren30. Hierbei muss man beachten, dass die Wortbedeutung juristischer Begriffe sich regelmäßig nicht aus dem gewöhnlichen Sprachgebrauch, sondern aus dem Rechtssystem ergibt, eine Vertragsregelung also anhand des „spezifischen Sprachgebrauch(s) des Vertrages“ auszulegen ist31. Eine solche spezifisch-unionsrechtliche Bedeutung des Parteienbegriffs kann sich aus einem Blick auf die politische Realität zum Zeitpunkt der Einfügung des Parteienartikels ergeben. Schon vor der primärrechtlichen Verankerung der Parteien bezeichnete sich die EVP selbst als Partei. Wenn (ex) Art.  138 EGV dieses Selbstverständnis beschreiben wollte, könnte man die Parteienföderationen als europäische Parteien im Sinne der Art. 10 Abs. 4 EUV, Art. 224 AEUV bezeichnen. Zugleich war aber ein solches Selbstverständnis der EVP im Vergleich zu den übrigen Europaparteien eine Ausnahme. So waren die Sozialdemokraten als „Bund der Sozialdemokratischen Parteien der Europäischen Gemeinschaft“, die Liberalen als „Europäische Liberale und Reformerische Demokraten“ und die Grünen als „Europäische Grüne“ organisiert. Eine Umbenennung dieser Bünde zu „Parteien“ erfolgte erst im Zuge der primärrechtlichen Verankerung und der öffentlichen Finanzierung32. Unter dem Strich hatten die europäischen Parteien also keine einheitliche Identität; vielmehr legte jede Partei ihren Anspruch eigenständig fest. Ohnehin vermag das eigene Selbstverständnis einer politischen Gruppierung allein ihre Parteieigenschaft nicht zu begründen. Ob die Vertragsparteien beim Parteienbegriff des Primärrechts lediglich die tatsächlichen Verhältnisse 26 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 208 ff. m. w. N.; Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 50 m. w. N.; zur grammatikalischen Auslegung ebenfalls ausführlich: Bydlinski, Grundzüge der juristischen Methodenlehre, S. 26 ff. 27 Bleckmann, Europarecht, Rn. 539; Meyer, Jura 1994, 455 (456); Nettesheim, in: Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 9 Rn. 170. 28 Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 5, Rn. 353 ff.; Nettesheim, in: Oppermann/Classen/ Nettesheim, Europarecht, § 9 Rn. 171; Schroeder, JuS 2004, 180 (184 f.). 29 Nettesheim, in: Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 9 Rn. 171. 30 Bieber/Epiney/Haag, Die Europäische Union, § 9 Rn. 14. 31 Schroeder, JuS 2004, 180 (185). 32 Vgl. § 2 A. I.

A. Begriffsbestimmung des Art. 2 VO

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beschreiben wollten, kann daher nicht allein durch eine isolierte Betrachtung des Wortlauts bestimmt werden, sondern bedarf der Einbeziehung weiterer Auslegungsmethoden33. Der Wortlaut des Parteienartikels besitzt keine hinreichende Aussagekraft, welche Wesensmerkmale diesem Begriff immanent sind34. 2. Historische Auslegung Für die Auslegung nach der Entstehungsgeschichte einer Norm ist zunächst zwischen der „subjektiv-historischen Auslegung“ und der „objektiv-historischen Auslegung“ zu unterscheiden35. Für die subjektiv-historische Auslegungsmethode ist der wahre Wille des historischen Gesetzgebers entscheidend, während die objektiv-historische Auslegung den „Willen des Gesetzes“ für maßgeblich erachtet, mithin die Funktion der Norm zum Zeitpunkt ihres Erlasses als maßgebliches Interpretationskriterium heranzieht36. Eine subjektive Auslegung des Primärrechts steht jedoch vor dem Problem, dass es üblicherweise keine Materialien zur Entstehungsgeschichte der Gründungsverträge gibt, die einen gemeinsamen Willen der Vertragspartner ausdrücken können37. Die Verträge der Union stellen einen Kompromiss der Mitgliedstaaten dar, sind somit nicht Ausdruck eines einheitlichen Willens, sondern eines Konglomerats verschiedenster nationaler Interessen38. Daher kann der subjektiv-historischen Interpretation des Unionsrechts regelmäßig keine Bedeutung zukommen39. Gleiches gilt aber auch für die objektiv-historische Auslegung, die unter der dynamischen Natur des Integrationsprozesses leidet, der nicht nur die Europäische Union als Institution, sondern auch die Funktionen der Rechtssetzung ständigen Veränderungen unterwirft40. Vergegenwärtigt man sich die Entstehungsgeschichte des Parteienartikels, so könnten indes die üblichen Einschränkungen der subjektiv-historischen Auslegung ausnahmsweise nicht greifen. An der Entwicklung des europäischen Parteienrechts waren nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch die Europaparteien selbst beteiligt und haben entgegen der gängigen Praxis die Entstehung des Parteienartikels im Zuge des Vertrags von Maastricht zumindest teilweise veröffentlicht41. So ist der ursprüngliche Vorschlag der Vorsitzenden der Parteiföderationen zu (ex) Art. 138a EGV bekannt, der eine Legaldefinition enthielt, nach dem 33 Huber, Recht der europäischen Integration, § 10 Rn. 3; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 131. 34 Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 53. 35 Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 54; Zuleeg, EuR 1969, 97 (101 f.). 36 Zuleeg, EuR 1969, 97 (101 f.). 37 Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 5, Rn. 379; Schroeder, JuS 2004, 180 (183). 38 Everling, in: Kruse, Zölle, Verbrauchssteuern, europäisches Marktordnungsrecht, S. 57 (59); Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 39. 39 Nettesheim, in: Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 9 Rn. 174. 40 Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 5, Rn. 380; Zuleeg, EuR 1969, 97 (102). 41 Zur Entstehungsgeschichte: § 2 B. II.

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§ 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung 

Parteienbünde ausdrücklich unter den Parteienbegriff zu subsumieren waren42. Die Parteivorsitzenden waren sogar der Ansicht, das Föderationsmodell sei das allein maßgebliche für „politische Parteien auf europäischer Ebene“, wenn sie sie als föderative „Vereinigungen von nationalen Parteien“ beschrieben. Schlussendlich fand dieses Ansinnen der Europaparteien aber keinen Eingang in das Primärrecht, was die Frage aufwirft, welche Rückschlüsse der Vorschlag der Vorsitzenden sowie dessen Nichtberücksichtigung zulassen. Den Umstand, dass der Definitionsversuch der Vorsitzenden nicht in die Verträge übernommen wurde, mag man einerseits als Indiz heranziehen, dass die bestehenden Partei­föderationen gerade nicht Bestandteil des primärrechtlichen Parteienverständnisses seien. Wenn die Vertragspartner die Anregung der Parteien bewusst ausgeschlagen haben, liegt hierin vielleicht eine bewusste Ablehnung der Parteienföderationen43. Auf der anderen Seite kann man das Aufgreifen der Initiative der dama­ligen Europaparteien, überhaupt einen Parteienartikel zu schaffen, als Anzeichen begreifen, dass die Vertragspartner umgekehrt bei der Einfügung vor allem an die bestehenden Parteienbünde gedacht hätten44. Die Wendung „politische Parteien auf europäischer Ebene“ wäre damit als „empirischer Begriff“ aufzufassen, der an die vorgefundene Lage mit transnationalen Zusammenschlüssen nationaler Parteien anknüpft45. Anhaltspunkt für diese These ist, dass die Parteienföderationen bei ihrem Drängen auf eine rechtliche Verankerung sicherlich ihren eigenen Vorteil im Auge hatten und sich hiervon versprachen, dass die in die Kritik geratene Querfinanzierung der Parteien durch die Fraktionen im Europäischen Parlament auf eine rechtmäßige Grundlage gestellt werden könne46. Jeder der beiden Gedankengänge ist zwar nachvollziehbar, gleichzeitig ist keiner von ihnen belegbar, so dass sie für die Bestimmung des Parteienbegriffes auch wenig hilfreich sind47. Die Informationen, die man durch die Äußerungen der Parteivorsitzenden gewinnt, beschränken sich auf das politische Umfeld bei den Verhandlungen des Vertrages von Maastricht. Die Hintergründe der unmittelbar Beteiligten, also der Mitgliedstaaten, bleiben weiter im Unklaren. Damit bleibt aber trotz der Veröffentlichungen der Parteivorsitzenden die Schwäche der subjektiv-historischen Auslegung auch bei Art. 10 Abs. 4 EUV bestehen, und das Nicht 42 Jansen, in: FS Buchheim, S. 241 (242); ders. Die Entstehung einer Europäischen Partei, S. 34; Jasmut, Die politischen Partien und die europäische Integration, S. 221; Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 57; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 131. 43 So wohl: Tsatsos, EuGRZ 1994, 45 (49). 44 Hatje, DVBl. 2005, 261 (262 f.); Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 164; so wohl auch: Jansen, in: FS Buchheim, S. 241 (243). 45 Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 56; Kluth, in: Callies/Ruffert, EUV/ AEUV, Art 224 AEUV Rn. 2. 46 Vgl. hierzu ausführlich: § 2 B. II. 47 Jasmut, Die politischen Parteien und die europäische Integration, S. 221; Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 58; von Arnim, Das Europa-Komplott, S. 166; von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 33.

A. Begriffsbestimmung des Art. 2 VO

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aufgreifen des Definitionsvorschlags kann kein argumentum a contrario sein, dass die Parteienbünde nicht unter Art. 10 Abs. 4 EUV zu subsumieren sind. Es fehlt bei der Betrachtung der historischen Entwicklung schlichtweg an Hinweisen, die eine Entscheidung in die eine oder andere Richtung rechtfertigen können. Der aus dem Verzicht auf die ursprüngliche Definition erfolgte Umkehrschluss, die Parteiföderationen aus dem Anwendungsbereich des Parteienbegriffs fallen zu lassen, ist ebenso gut möglich wie die Annahme, dass die Vertragspartner die organisatorische Verfasstheit der Europaparteien als Allianzen nationaler Organisationen als historische Selbstverständlichkeit ansahen48. Zuletzt mag das alles noch als ein Verzicht des Primärrechts ausgelegt werden, die mitgliedschaftliche Organisation überhaupt zu regeln, um die weitere Entwicklung den Parteien selbst zu überlassen. Art. 10 Abs. 4 EUV würde dann von einem offenen Parteibegriff ausgehen, der die Selbstentfaltung der Parteien nicht beschränken will49. 3. Rechtsvergleichende Auslegung a) Anwendbarkeit der rechtsvergleichenden Auslegung Der EuGH bedient sich dem Mittel der sogenannten „wertenden Rechts­ vergleichung“50, nach der von den verglichenen Vorschriften der Mitgliedstaaten die zweckmäßigste Auslegung heranzuziehen ist51. Dafür vergleicht man zunächst einmal die einzelnen nationalen Rechtsbegriffe miteinander und stellt die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Rechtsordnungen fest52. Für ein rechtsvergleichendes Ergebnis bedarf es dabei weder einer gleichen Verwendung eines Begriffes in allen noch in der Mehrheit der Mitgliedstaaten. Entscheidend bei der „wertenden Rechtsvergleichung“ ist vielmehr die Rechtsqualität der nationalen Regelungen53. Die Methodik unterliegt jedoch Einschränkungen aufgrund der Tatsache, dass die Europäische Union eine eigenständige Rechtsordnung ist, deren Begriffe grundsätzlich autonom zu interpretieren sind54. Die rechtsvergleichende Interpretation einer Norm ist also nur insoweit möglich, wie sie mit den Besonderheiten der Europäischen Union als transnationaler Staatenverbund vereinbar ist.

48

So auch: Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 58. Bernsdorff, in: Meyer, GRCh, Art. 12 Rn. 21a; Buhr, Europäische Parteien, S. 40; Deinzer, Europäische Parteien, S. 98; Hatje, DVBl. 2005, 261 (262); Jasmut, Die politischen Partien und die europäische Integration, S.  221; Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art.  191 Rn. 53 ff.; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 163. 50 Meyer, Jura 1994, 455 (457); Schroeder, JuS 2004, 180 (184); mit beachtlichen Argumenten wendet sich hiergegen Mayer, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 6 EUV Rn. 20. 51 Schroeder, JuS 2004, 180 (184). 52 Bleckmann, Studien zum Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 121. 53 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 41 m. w. N. 54 Bleckmann, Europarecht, Rn. 552. 49

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§ 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung 

Des Weiteren ist die Rechtsvergleichung ausgeschlossen, wenn das Primärrecht auf eine entsprechende nationale Wortbedeutung in den jeweiligen Mitgliedstaaten verweist55. Dann ist allein das jeweilige nationale Verständnis des Begriffs maßgebend. Die Verträge beinhalten sowohl ausdrückliche wie auch stillschweigende Verweisungen56. Beides kommt indes für den Parteienbegriff nicht in Betracht. Art. 10 Abs. 4 EUV stellt eine institutionelle Regelung auf Unionsebene dar, in der „Parteien“ einheitlich definiert werden müssen57. Würde der Parteienbegriff hingegen auf die Bedeutung in den jeweiligen Mitgliedstaaten rekurrieren, wäre eine solche übereinstimmende Verwendung je nach nationalstaatlichem Verständnis womöglich nicht mehr gewährleistet. b) Rechtsvergleichung In einem ersten Schritt müssen also die Regelungen der Mitgliedstaaten dahingehend untersucht werden, ob Parteien Bürgervereinigungen sein müssen oder die Staaten auch Zusammenschlüsse verschiedener Organisationen zulassen58. Art. 29 Abs. 1 der Verfassung Griechenlands bestimmt, dass griechische Bürger, die das Wahlrecht besitzen, politische Parteien frei gründen und ihnen angehören können. Insofern ergibt sich schon direkt aus der griechischen Verfassung das Erfordernis für politische Parteien, sich als Bürgervereinigungen zu organisieren59. Gleiches gilt für das Verfassungsrecht Polens60. Gemäß Art. 11 der Verfassung vereinigen die politischen Parteien nach den Grundsätzen der Freiwilligkeit und der Gleichheit polnische Staatsbürger. Ebenso statuiert Art. 48 Abs. 1 S. 2 der Verfassung Estlands, dass nur estnische Staatsangehörige, mithin nur natürliche Personen, Mitglieder estnischer Parteien werden können61. Nach Art. 29 Abs. 2 der Verfassung der Slowakischen Republik haben die Bürger das Recht, politische Parteien und politische Bewegungen zu gründen und sich in diesen zu vereinigen, so dass aufgrund dessen Parteien Bürgervereinigungen sein müssen62. Die gleiche Regelung findet sich in Art. 20 Abs. 2 der Charta der Grundrechte und -freiheiten 55

Bleckmann, Studien zum Europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 120. Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 60. 57 So auch: Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 60 f. 58 Zum Parteienbegriff in den meisten Mitgliedstaaten der Union ausführlich: Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S.  63 ff.; Tsatsos/Kedzia, Parteienrecht in mittel- und osteuropäischen Staaten; Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich. 59 Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 78; Papadimitriou, in: Tsatsos/ Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 261 (274). 60 Kedzia, in, Tsatsos/Kedzia, Parteienrecht in mittel- und osteuropäischen Staaten, S. 115 (135). 61 von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 33. 62 So wohl: Hošková, in: Tsatsos/Kedzia, Parteienrecht in mittel- und osteuropäischen Staaten, S. 219 (251). 56

A. Begriffsbestimmung des Art. 2 VO

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der Tschechischen Republik63. In der Bundesrepublik Deutschland ist das Erfordernis der Bürgervereinigung zwar nicht explizit im Grundgesetz, sondern nur einfachgesetzlich in § 2 PartG geregelt, ergibt sich aber auch verfassungsrechtlich insbesondere aus der Forderung nach innerparteilicher Demokratie64. Ähnlich gelagert ist das luxemburgische Parteienrecht, das weder eine verfassungsrechtliche noch eine einfachgesetzliche Legaldefinition kennt, in dem aber die verfassungsrechtliche Literatur nunmehr den Begriff der politischen Partei definiert hat, nach dem allein natürlichen Personen die Mitgliedschaft in Parteien offensteht65. In den übrigen Mitgliedstaaten der Union kann man den jeweiligen Verfassungen nicht direkt entnehmen, wie sich die Parteien zu organisieren haben. In Bel­ gien66, Lettland67, Litauen68, Portugal69 und Ungarn70 hat der Gesetzgeber allerdings einfachgesetzlich festgelegt, dass nur natürliche Personen Mitglied von Parteien sein können. Andere Staaten setzen sich hingegen mit dieser Problematik überhaupt nicht auseinander. Trotzdem haben sämtliche französische Parteien satzungsrechtlich festgelegt, dass nur eine individuelle Mitgliedschaft möglich ist71. In Finnland72, Rumänien73, Slowenien74 und den Niederlanden75 gibt es ebenso tatsächlich nur Bürgerparteien. In Spanien76 und Italien77 ist umstritten, ob die Verfassung voraussetzt, dass Parteien nur aus natürlichen Personen bestehen dürfen, letztlich hat es sich aber auch dort in der politischen Praxis durchgesetzt, dass sich nur Bürger in Parteien organisieren.

63 Hošková, in: Tsatsos/Kedzia, Parteienrecht in mittel- und osteuropäischen Staaten, S. 219 (249 ff.). 64 Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 35. 65 Vgl. hierzu: Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S.  88; Wivenes, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 435 (451). 66 Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 307. 67 Jopp u. a., Feasibility of a future european statute of european political parties, S.  23; Zschächner, Parteien und Parteiensysteme, S. 6. 68 Vadapalas, in: Tsatsos/Kedzia, Parteienrecht in mittel- und osteuropäischen Staaten, S. 73 (85); Vainiutė, Verfassungsentwicklung der Republik Litauen, S. 103 f. 69 Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 91; Sousa, in: Tsatsos/Schefold/ Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 591 (608). 70 Halmai, in: Tsatsos/Kedzia, Parteienrecht in mittel- und osteuropäischen Staaten, S. 273 (282); Körösényi, in: Segert/Stöss/Niedermayer, Parteiensysteme in postkommunistischen Gesellschaften Osteuropas, S. 157 (168). 71 Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 77. 72 Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 95. 73 Stalev, Verfassungssysteme im Umbruch, S. 47. 74 Weckbecker/Hoffmeister, Die Entwicklung der politischen Parteien im ehemaligen Jugoslawien, S. 229 ff. 75 Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 89. 76 Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S.  93; Puente-Egido, in: Tsatsos/ Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 635 (653 ff.). 77 Lanchester, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 367 (387 f.); Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 78.

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§ 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung 

Wenngleich die überwiegende Zahl der Parteien Großbritanniens ebenfalls aus natürlichen Personen bestehen, gibt es bei der britischen Labour Party die Besonderheit, dass sich die weit überwiegende Zahl der Mitglieder aus den Gewerkschaften speist, die als affiliierte Organisationen der Partei angegliedert sind78. Jede Gewerkschaft erhält entsprechend der Zahl ihrer Mitglieder ein Blockstimmenrecht, das die Gewerkschaftsführer auf den Parteitagen für sie ausüben79. Das gleiche Phänomen findet man in Irland80 und in Malta81. Auch in Schweden setzt sich die Sozialdemokratische Arbeiterpartei mehrheitlich aus Gewerkschaftsangehörigen zusammen, die vermittelt über ihre Gewerkschaft der SAP angehören82, jedoch schicken die Gewerkschaften keine Delegierte zu Kongressen oder sonstigen Parteigremien83. Dänemarks Sozialdemokraten sind zwar wie die übrigen Parteien individualmitgliedschaftlich organisiert, trotzdem entsenden die Gewerkschaften jeweils zwei stimmberechtigte Delegierte in die Parteigremien84. Auch die meisten Parteien Österreichs bestehen aus Individualmitgliedern, während die ÖVP im Wesentlichen ein Zusammenschluss von sechs selbstständigen Bünden ist, die im Parteikongress jeweils paritätisch vertreten sind85. Demgegenüber ermöglichen gleich mehrere Parteistatuten in Bulgarien Vereinigungen eine kollektive Mitgliedschaft86. In Zypern ist die Parteiorganisation in beson­derem Maße bemerkenswert, da allen großen Parteien sogar Gewerkschaften angegliedert sind87. Aus all diesen Betrachtungen zeichnet sich kein einheitliches Bild in den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ab. Die Voraussetzung, sich als Vereinigungen von Bürgern zu organisieren, wird teilweise verfassungsrechtlich ausdrücklich bestimmt, teilweise aber auch wie in Deutschland aus der Verfassung herausgelesen, während sie bei anderen wiederum einfachgesetzlich festgeschrieben wird. In vielen Mitgliedstaaten der Union gibt es aber weder eine rechtliche Definition noch eine rechtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Parteienbegriff. Hier hilft nur ein Blick auf die praktische Handhabung. Ein solcher zeigt indes, dass sich in der weit überwiegenden Zahl der Mitgliedstaaten die 78

Hartmann, in: Raschke, Die politischen Parteien in Westeuropa, S. 238 (258); Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 81; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 133; Smith, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 301 (326). 79 Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 200. 80 Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S.  84; Murphy, in: Raschke, Die politischen Parteien in Westeuropa, S. 282 (296). 81 Frendo, in: Wende, Lexikon zur Geschichte der Parteien in Europa, S. 395 (397 ff.). 82 Fenner, in: Raschke, Die politischen Parteien in Westeuropa, S. 452 (461). 83 Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 99. 84 Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 75. 85 Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S.  97; Pelinka, in: Raschke, Die politischen Parteien in Westeuropa, S. 412 (424). 86 Konstantinov, in: Tsatsos/Kedzia, Parteienrecht in mittel- und osteuropäischen Staaten, S. 23 (56). 87 Stergiou, APuZ 12/09.

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Parteien individualmitgliedschaftlich organisieren. Dieser Befund zeigt, dass zumindest in der politischen Realität in fast allen Mitgliedstaaten Parteien nur aus natürlichen Personen bestehen88. Selbst in den Staaten, in denen eine kollektive Mitgliedschaft in Parteien möglich ist, handelt es sich regelmäßig nicht um die übliche Organisationsform, sondern ist – mit Ausnahme Bulgariens – lediglich auf eine Partei beschränkt, während die übrigen Parteien sich als Bürgervereinigungen verstehen. c) Übertragbarkeit des Prinzips der Bürgervereinigungen der Mitgliedstaaten Die Tatsache, dass sich Parteien in den Mitgliedstaaten der Union im Wesentlichen als Bürgervereinigungen organisieren, genügt freilich noch nicht, um als rechtsvergleichendes Indiz für eine Übertragung auf die europäische Ebene zu gelten. Eine solche Gemeinsamkeit der Nationalstaaten muss darüber hinaus mit der Struktur der Europäischen Union als transnationaler Staatenverbund und den materiellen Zielvorgaben der Verträge vereinbar sein89. Die aus den nationalen Rechtsordnungen gewonnenen strukturellen Gemeinsamkeiten lassen sich nicht ohne weiteres auf die Unionsebene übertragen, da beide Organisationsformen strukturelle Unterschiede aufweisen. Hiermit einher geht das bekannte und vielfach erörterte Problem, welche Rechtsnatur der Europäischen Union eigentlich­ zukommt90. So wurde die Union in ihrer Entwicklung teilweise als „besonders weit inte­ grierte Internationale Organisation“91, teilweise gar als Zweckverband klassifiziert92. Die mittlerweile herrschende Meinung hat sich jedoch der durch das BVerfG entwickelten Begrifflichkeit des „Staatenverbundes“ angeschlossen93. Unabhängig von der Frage, wie ihre Rechtsnatur exakt zu fassen ist, kommt die

88

So auch: Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 46; Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 102 f.; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 133; von Arnim, Das Europa-Komplott, S. 165; von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 33. 89 Schroeder, JuS 2004, 180 (184). 90 Zum Meinungsstand ausführlich: Busse, Die völkerrechtliche Einordnung der Europäischen Union, S. 37 ff.; Wormuth, Die Bedeutung des Europarechts für die Entwicklung des Völkerrechts, S. 34 ff. 91 Wormuth, Die Bedeutung des Europarechts für die Entwicklung des Völkerrechts, S. 54; Dörr, EuR 1995, 334 (337) m. w. N. 92 Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 196 ff. 93 BVerfGE 89, 155 (188); zuletzt: BVerfGE 123, 267; dem folgend: Callies, in: Callies/ Ruffert, EUV/AEUV, Art. 1 EUV Rn. 36 ff.; Huber, Recht der Europäischen Integration, § 5 Rn.  44; Kirchhof, in: von Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, S.  1009 (1019); Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 1 AEUV Rn. 59 ff.; Oppermann, in: Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 4 Rn. 30.

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§ 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung 

ganz herrschende Meinung zu dem Ergebnis, dass die Europäische Union keine Staatsqualität besitzt94. Hieran hat auch der Vertrag von Lissabon nichts ge­ ändert95. Es fehlt schon an der nach der Jellinekschen Drei-Elemente-Lehre96 erforderlichen Staatsgewalt, da der Union aufgrund des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung weiterhin keine Kompetenz-Kompetenz zukommt97. Auch das Vorliegen eines Staatsgebietes ist in der Europäischen Union genauso problematisch98, wie die Frage, ob es ein einheitliches europäisches Volk gibt bzw. ob ein solches überhaupt entstehen kann, den Integrationsprozess wohl noch lange Zeit begleiten wird99. Wenn die Europäische Union aber schon nach ihrem Selbst­ verständnis nicht staatlich organisiert ist, können staatsrechtliche Kategorien, Regelungen und Begriffe nicht uneingeschränkt auf die transnationale Organisa­ tionsform der Union übertragen werden, ohne dass überprüft werden muss, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede beide Vergleichsobjekte für das spezi­fische Problem, hier des Parteienbegriffs, aufweisen. Hier nehmen die Probleme im Rahmen des europäischen Parteienrechts ihren Ausgang. Zwischen der Entstehung der Parteien in den Nationalstaaten und der Gründung der Europaparteien im Zuge des Integrationsprozesses gibt es eine Vielzahl struktureller Unterschiede100. Während nationale Parteien schon vor ihrer verfassungsrechtlichen oder einfachgesetzlichen Normierung eine Hauptrolle im politischen System der jeweiligen Nationalstaaten spielten und sich somit ohne rechtliche Vorgaben selbstständig aus dem politischen Prozess heraus entwickelten101, ist die Fallgestaltung bei den europäischen Parteien und ihrer primärrecht-

94 Ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, so zuletzt: BVerfGE 123, 267 (371); Bleckmann, Europarecht, Rn. 142 ff.; Busse, Die völkerrechtliche Einordnung der Europäischen Union, S. 139 ff.; Huber, Recht der europäischen Integration, § 5 Rn. 3 ff.; Müller-Graff, in: Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, A. I. Rn. 49; Oppermann, in: Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 4 Rn. 18 ff.; Wormuth, Die Bedeutung des Europarechts für die Entwicklung des Völkerrechts, S. 34. 95 So auch: BVerfGE 123, 267 (371); Potacs, EuR-Beiheft 2009, 266 (269); Terhechte, EuZW 2009, 724 (729); a. A. Murswiek, NVwZ 2009, 481 (483). 96 Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 394 ff.; zum Staatsbegriff und zur Drei-ElementenLehre ausführlich: Busse, Die völkerrechtliche Einordnung der Europäischen Union, S. 75 ff. m. w. N. 97 So auch: BVerfGE 123, 267 (381 ff.); Pache/Rösch, NVwZ 2008, 473 (478 f.); Schorkopf, EuZW 2009, 718 (720); Terhechte, EuR 2008, 143 (155 ff.). 98 Bejaht wird dies von Busse, Die völkerrechtliche Einordnung der Europäischen Union, S. 104 ff.; ebenso: Wormuth, Die Bedeutung des Europarechts für die Entwicklung des Völkerrechts, S. 35. Das Vorliegen eines Staatsgebietes verneint hingegen Oppermann, in: Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 4 Rn. 19; dem folgend: Grimm, JStV 6 (1991/92), 13 (16); Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 108; so wohl auch: Kohler, EuR 1978, 333 (343); Neßler, EuGRZ 1998, 191 (196); Pernice, DV 1993, 449 (477); Ress, in: GS Geck, S. 625 (646); Seidel, EuR 1992, 139 (140). 99 Vgl. hierzu schon ausführlich: § 3 B. I. 2. a). 100 Lord, in: Bell/Lord, Transnational Parties in the European Union, S. 1 (3). 101 Tsatsos/Deinzer, Europäische politische Parteien, S. 16.

A. Begriffsbestimmung des Art. 2 VO

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lichen Normierung genau umgedreht102. So war der deutsche Gesetzgeber bei der in § 2 PartG erfolgten Legaldefinition der Parteien überhaupt nicht gestaltend tätig, sondern beschrieb lediglich die soziale Wirklichkeit mittels juristischer Fachtermini103. Er verzichtete gar auf weitere rechtliche Vorgaben und beschränkte sich auf Voraussetzungen, die die bestehenden Parteien sowieso erfüllten104. Das rechtsvergleichend gewonnene Ergebnis, dass die Mitgliedstaaten der Union für die Parteieigenschaft in der Regel eine Organisation als Bürgerparteien voraussetzen, ist also weniger eine rechtliche Anforderung des Gesetzgebers als vielmehr eine Beschreibung der schon vorher gegebenen realpolitischen Gegebenheiten, die die Parteien durch ihren selbst gewählten Aufbau prägten. Insofern ließe sich vielleicht der Vergleich mit den Mitgliedstaaten in sein Gegenteil verkehren. Ist der Begriff der politischen Partei auf europäischer Ebene gleichsam als eine Beschreibung der politischen Realitäten aufzufassen, ständen am Ende dieses Prozesses die Parteienbünde und gerade keine Bürgerparteien. Insoweit lassen sich die nationale und die europäische Ebene aber schwerlich miteinander vergleichen. Im Unterschied zu den nationalen Verhältnissen beschritten die Vertragsparteien bei der Einfügung des Parteienartikels in das europäische Primärrecht einen anderen Weg. Der Parteienartikel hat das Ziel, dass sich ein europäisches Parteiensystem entwickelt, in dem die europäischen Parteien ihren Aufgaben in einer demokratischen Union gerecht werden105. Daraus ergeben sich unterschiedliche Zielvorstellungen, die mit der rechtlichen Verankerung politischer Parteien verbunden sind. Ist das europäische Parteienrecht aber zukunftsorientiert, kann man einen europäischen Parteienbegriff nicht allein an den tatsächlichen politischen Verhältnissen messen106. Neben der Entwicklungsgeschichte der europäischen Parteien und ihres rechtlichen Rahmens unterscheidet sich auch das politische System der Union in erheblichem Maße von den Nationalstaaten107. Entfaltungsmöglichkeiten von Parteien sind immer abhängig von der Rechtsordnung sowie dem Aufbau und der Gliederung des Gemeinwesens, in deren Rahmen sie tätig werden108. In gleichem Maße korreliert auch die Parteistruktur mit der vorgegebenen jeweiligen rechtlichen Ordnung und der hieraus entstehenden politischen Landschaft, in der sich die Akteure bewegen109. 102

Vgl. hierzu schon: § 3 B. II. Jasmut, Die politischen Parteien und die europäische Integration, S. 226. 104 Adamietz, in: Tsatsos, Auf dem Weg zu einem gesamtdeutschen Parteienrecht, S.  55 (68). 105 Vgl. § 3 B. II. 106 In diese Richtung auch: Tsatsos/Deinzer, Europäische politische Parteien, S. 17. 107 Vgl. hierzu ausführlich: § 3 B. I. 2.  108 Jansen, Integration 1995, 157 (160); Magnette, in: Delwit/Külahci/van de Walle, Europarties, S. 69 (70); Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 165; Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 19. 109 Jansen, Die Entstehung einer europäischen Partei, S. 24. 103

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§ 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung 

Im Gegensatz zur nationalstaatlichen Struktur ist die Union als ein Mehr­ ebenensystem ausgestaltet110. Politische Entscheidungen der Europäischen Union resultieren insofern aus einer Gemengelage zwischen der europäischen und der nationalen Ebene. Europäische Parteien sind gezwungen innerhalb dieser, teilweise widersprüchlichen Rahmenbedingungen, tätig zu sein111 und müssen dementsprechend auch ihre Organisationsstruktur anpassen. Sie haben zudem das Problem, dass die rechtliche und politische Ordnung der Union einem ständigen Wandel unterliegt112. Jede Änderung des Primärrechts hatte eine weitere Vertiefung und einen Wandel der institutionellen und politischen Rahmenbedingungen zur Folge. Dass der Integrationsprozess sich auf die Entscheidungsstruktur und die Mehrheitserfordernisse in den Europaparteien – wenn auch teilweise mit zeitlicher Verzögerung – ausgewirkt hat, erkennt man etwa an der sich wandelnden Besetzung der Parteiorgane, die früher verstärkt am Egalitätsprinzip ausgerichtet war, während sich nun das Proportionalitätsprinzip immer weiter durchsetzt113. Des Weiteren wurde im Zuge der Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen im Rat das ursprünglich in allen Parteien vorzufindende innerparteiliche Konkordanzprinzip immer mehr zugunsten von Mehrheitsentscheidungen in den Gremien der Parteien ersetzt114. d) Ergebnis Alles in allem sind die Bedingungen der nationalen Parteien und der euro­ päischen Parteien zu unterschiedlich, als dass man aus rechtsvergleichender Perspektive den Begriff der politischen Parteien auf europäischer Ebene auf individualmitgliedschaftlich organisierte Parteien beschränken kann115. Eine Übertragung dieser Voraussetzung der meisten Mitgliedstaaten auf die europäische Rechtsordnung würde den speziellen Charakter des Einigungsprozesses und die Eigenart der europäischen Rechtsordnung unberücksichtigt lassen116. Inwiefern also ein originär aus dem Europarecht zu ermittelnder Parteienbegriff das Definitionsmerkmal der „Bürgervereinigung“ erfüllen muss, lässt sich folglich nur mit Hilfe der systematischen und teleologischen Auslegung ermitteln.

110

Vgl. hierzu: § 3 B. I. 3.  Mayer, in: Mittag, Politische Parteien und europäische Integration, S. 389 (403). 112 Bieber/Epiney/Haag, Die Europäische Union, § 4 Rn. 4. 113 Damm, ZParl 1999, 395 (410 ff.); Jansen, Die Entstehung einer europäischen Partei, S. 193; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 105. 114 Johansson/Raunio, PP 2005, 515 (516). 115 So auch: Eberhard/Lachmayer, in: Manssen, Die Finanzierung von politischen Parteien in Europa, S. 215 (233 f.); Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 119 f.; a. A. von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 33. 116 So auch: Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 131. 111

A. Begriffsbestimmung des Art. 2 VO

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4. Systematische Auslegung Die systematische Auslegung prüft eine bestimmte Norm anhand ihres Zusammenhangs zu anderen Normen und Kapiteln und anhand des gesamten Vertragstexts117. Betrachtet man die Stellung der Art. 10 Abs. 4 EUV, Art. 224 AEUV im Gesamtkontext der Verträge, so befinden sich Art. 10 Abs. 4 EUV in den Bestimmungen über die demokratischen Grundsätze des Titels II des EUV und Art. 224 AEUV im Abschnitt über das Europäische Parlament im Sechsten Teil des AEUV. Von entscheidender Bedeutung für die systematische Interpretation ist in erster Linie Art.  10 Abs.  4 EUV. Art.  224 AEUV stellt lediglich die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der Parteienverordnung dar und ist schon aus diesem Grund im Abschnitt über das Europäischen Parlament, da es im ordentlichen Gesetz­ gebungsverfahren am Rechtssetzungsverfahren beteiligt ist. Dabei hat sich der systematische Standort des Parteienartikels im Laufe des Integrationsprozesses mehrmals geändert. Am Anfang stand der Vorschlag, ihn in die Bestimmungen zur Unionsbürgerschaft einzufügen, dem die Vertragsparteien dann letztlich aber nicht folgten118. Sowohl (ex) Art. 138a EGV als auch der spätere (ex) Art. 191 EGV wurde daraufhin in den Abschnitt über das Europäische Parlament in das Primärrecht integriert. Aus dem Bezug zum Europäischen Parlament leitete Papadopoulou ab, dass die Vertragsparteien mit der primärrechtlichen Verankerung der europäischen Parteien einen pragmatischen Bezug zu den existierenden Parteienbünden im Parlament herstellen wollten119. Des Weiteren bestände eine direkte Verbindung zur Regelung des Europäischen Parlaments in (ex) Art. 189 Abs. 1 Hs. 1 EGV, nach der das Parlament aus Vertretern der Völker der in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten bestand. Wenn jedoch die Europaparteien das außerparlamentarische Äquivalent zum Europäischen Parlament bildeten und die Parlamentarier als Vertreter der Mitgliedstaaten und nicht Vertreter der Unionsbürger anzusehen seien120, müssten sich die europäischen Parteien parallel hierzu nicht aus Unionsbürgern, sondern aus mehreren national­ staatlich organisierten Parteien zusammensetzen. Dieser Argumentationsstrang ist indes durch die im Vertrag von Lissabon vorgenommenen Änderungen ins Wanken geraten. Art. 10 Abs. 4 EUV steht nunmehr im Titel zu den Bestimmungen über die demokratischen Grundsätze, in den über Art. 9 EUV die Unionsbürgerschaft eingebunden wurde. Wenngleich auch weiterhin ein Bezug zum Europäischen Parlament besteht, weil die Regelung des (ex) 189 Abs. 1 Hs. 1 EGV in geänderter Fassung in Art. 10 EUV überführt wurde, so hat sich freilich sein Bezugsrahmen – also die Regelungen über das Europäische Parlament – auffallend geändert. Gemäß Art. 10 Abs. 2 UAbs. 1 EUV sind die 117

Schroeder, JuS 2004, 180 (182). Damm, ZParl 1999, 395 (415). 119 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 124 f. 120 Hierzu: Armbruch, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 94 ff. 118

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§ 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung 

Bürgerinnen und Bürger auf Unionsebene unmittelbar im Europäischen Parlament vertreten. Diese Grundentscheidung findet einen weiteren Ausdruck in Art.  14 Abs. 1 S. 2 EUV, nach dem sich das Europäische Parlament aus Vertretern der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger zusammensetzt. Vergegenwärtigt man sich die Formulierungen der Art. 10 Abs. 2 UAbs. 1, 14 Abs. 1 S. 2 EUV, spricht auf den ersten Blick vieles dafür, dass seit dem Vertrag von Lissabon die Mitglieder des Europäischen Parlaments die Gesamtheit der Unionsbürger und nicht mehr die Völker der Union vertreten; sie also Volksvertreter statt Völkervertreter sind. Ändert sich aber das Repräsentationsverständnis des Europäischen Parlaments, kann sich dies mit der oben dargestellten Ansicht in gleicher Weise auf die europäischen Parteien auswirken. Sie müssten sich dementsprechend parallel hierzu individualmitgliedschaftlich organisieren und den Unionsbürgern damit eine bessere Partizipationsmöglichkeit einräumen. Art. 10 Abs. 4 EUV bekäme einen sachlichen Zusammenhang mit dem ihm direkt vorgelagerten Absatz 3, der als Element partizipativer Demokratie allen Bürgerinnen und Bürgern das Recht verleiht, am demokratischen Leben der Union teilzunehmen. Doch würde eine solche Auslegung den mit dem Vertrag von Lissabon verbundenen Änderungen im Bereich der repräsentativen Demokratie und des Europäischen Parlaments zu viel Bedeutung beimessen. Auch wenn die Art. 10 Abs. 2 UAbs. 1, 14 Abs.  1 S.  2 EUV die Ambition einer Vertretung der Unionsbürger deutlich werden lassen, stellt das Europäische Parlament weiterhin – zumindest neben dem postulierten Anspruch – eine Vertretung der Völker der Union dar121. Dies zeigt sich vor allem im Art. 14 Abs. 2 S. 3 EUV, der eine degressiv proportionale Verteilung der nationalen Kontingente von Abgeordnetensitzen festlegt. Die Zahl der pro Mitgliedstaat entsandten Abgeordneten widerspricht insofern den üblichen Anforderungen an die Gleichheit der Wahl122. Das Wahlrecht zum Europäischen Parlament knüpft im Gegensatz zur nationalen Ebene nicht an die Gleichheit der Bürger, sondern an die Zugehörigkeit zu einem Volk eines Mitgliedstaates an, was das Parlament selbst wiederum einer „Vertretung der Völker der Mitgliedstaaten“ annähert123. Schlussendlich rechtfertigt der systematische Zusammenhang mit Art.  10 Abs. 3 EUV allein nicht die Anforderung einer Bürgervereinigung. Das subjektive Recht auf demokratische Teilhabe für die Unionsbürger muss nicht dazu führen, dass die persönliche Mitgliedschaft natürlicher Personen für politische Parteien auf europäischer Ebene eine statusbegründende Voraussetzung ist. Demokra­tische Teilhabe ist zum einen in den Parteibündnissen über die Mitgliedschaft in den nationalen Parteien nicht gänzlich ausgeschlossen und kann zum anderen inner 121

BVerfGE 123, 267 (373 f.); so zuletzt ebenfalls zur Fünf-Prozent-Sperrklausel bei der Wahl zum Europäischen Parlament: BVerfG, DVBl. 2011, 1540 ff. 122 Vgl. hierzu: BVerfGE 123, 267 (374 f.); kritisch zu dieser Rechtsprechung: Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 636 ff. 123 So sieht das BVerfGE 123, 267 (375) das Europäische Parlament sogar allein als eine Vertretung der Mitgliedstaaten an.

A. Begriffsbestimmung des Art. 2 VO

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halb der Union auch auf anderem Wege geschehen. So steht Art. 10 Abs. 3 EUV in einer Verbindung zu Art. 11 EUV, der den Unionsbürgern durch seinen Absatz 4 demokratische Teilhabe mittels einer europäischen Bürgerinitiative ermöglicht. Dass dieses Recht die Parteien aber dazu verpflichten soll, sich auf eine bestimmte Art und Weise zu organisieren, überspannt den Anwendungsbereich eines primär gegen die europäischen Institutionen gerichteten Teilhaberechtes. Damit führen also auch systematische Erwägungen zu keinem verbindlichen Ergebnis, ob sich politische Parteien auf europäischer Ebene als Bürgervereinigungen organisieren müssen. 5. Teleologische Auslegung Für die teleologische Auslegung ist die „ratio legis“, also der Sinn und Zweck der einschlägigen Unionsrechtsnorm zu ermitteln124. Entscheidend hierfür sind sowohl die Ziele des auslegungsbedürftigen Artikels selbst wie auch alle übrigen in den Unionsverträgen statuierten Vertragszwecke125. Eine besondere Bedeutung bekommt die systematische Auslegung aufgrund der Dynamik des Unionsrechts126. Gleichermaßen sind die Ziele europäischer Integration einem fortwährenden Wandel unterworfen und ihre Erfüllung bedarf ständig erneuerter Methoden. Ausgangspunkt der Auslegung sind die dem Art. 10 Abs. 4 EUV innewohnenden Zielsetzungen. Diese lassen sich vorrangig anhand der Funktionszuweisungen des Artikels herausfiltern. Die politischen Parteien auf europäischer Ebene tragen gemäß Art.  10 Abs.  4 EUV zur Herausbildung eines europäischen Bewusstseins und zum Ausdruck des Willens der Bürgerinnen und Bürger der Union bei. Das erste Teilelement – ein europäisches Bewusstsein herauszubilden – be­ inhaltet die Erwartung an die Parteien, den Unionsbürgern den politischen Charakter des europäischen Einigungsprozesses zu verdeutlichen127. Europäische Demokratie bekäme auf diesem Wege in ihrer strukturellen Dimension eine zusätzliche Grundlage für die Akzeptanz von Mehrheitsentscheidungen128. Nach dem Wortlaut des Art. 10 Abs. 4 EUV ist ein europäisches Bewusstsein nicht nur Voraus­setzung, dass europäische Parteien ein integraler Bestandteil europäischer Demokratie sein können; Parteien sollen gerade auch an dessen Herausbildung mitwirken. Als zweite Aufgabe weist Art. 10 Abs. 4 EUV den Parteien eine umfassende Vermittlungsfunktion beim politischen Willensbildungsprozess der Uni-

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Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 5, Rn. 412. In diese Richtung: Nettesheim, in: Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 9 Rn. 177 ff. 126 Nettesheim, in: Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 9 Rn. 176. 127 Siehe hierzu: § 3 B. I. 1. d). 128 Grimm, JZ 1995, 581 (590); Kaufmann-Bühler, in: Lenz/Borchardt, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 11; vgl. hierzu schon: § 3 B. I. 4. c). 125

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§ 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung 

onsbürger zu129. Zuletzt soll die primärrechtliche Verankerung die Europaparteien dazu veranlassen und dabei unterstützen, klassische Parteifunktionen künftig verstärkt auszufüllen. Art 10 Abs. 4 EUV dient somit insbesondere dem Abbau des demokratischen Defizits der Europäischen Union und der Stärkung des unionsunmittelbaren Legitimationsstranges130. Über diesen Weg erhalten die Zwecke des Parteienartikels ihren Bezug zu den abstrakten Zielen der europäischen Integration. Art. 10 Abs. 4 EUV steht in einem engen Sinnzusammenhang mit dem Grundsatz der repräsentativen Demokratie des Art. 10 Abs. 1 EUV131. Diese Konnexität stellte das Europäische Parlament schon vor dem Vertrag von Lissabon fest, indem es ein funktionierendes Parteiensystem mit aktiver Bürgerbeteiligung als unverzichtbare Voraussetzung einer ausgeprägten und widerstandsfähigen Demokratie in der Europäischen Union bezeichnete132. Aus diesen Funktionen für den demokratischen Prozess folgen gleichzeitig bestimmte strukturelle Anforderungen an die Organisation der politischen Parteien auf europäischer Ebene133. So leitet Monath aus der Funktionserwartung ab, dass die Parteien sich dementsprechend „in Form eines Willensbildungsforums für die Bürger zu organisieren haben“134. Hier beginnen dann auch die Kritiker der Parteienföderationen, ihnen die Parteieigenschaft abzusprechen135. Parteienbünde könnten ihre Vermittlungsfunktion zwischen den europäischen Institutionen und einer europäischen Zivilgesellschaft von vornherein aufgrund ihrer Struktur als Parteienparteien nicht erfüllen. Um als Transmissionsriemen wirken zu können, sei eine aktive Beteiligung der Unionsbürger in den Gremien der Parteien erforderlich. Nur dann sei die gesellschaftliche Basis ausreichend in den Willens­bildungsprozess der Parteien eingebunden136. In den Parteienföderationen beschränken sich die Partizipationsmöglichkeiten aber auf die nationalen Parteieliten137, wodurch diese auch nicht dazu beitragen könnten, das Demokratiedefizit der Union zu verringern138 und an der Bildung einer europäischen öffentlichen Meinung mitzuwirken139. 129

Siehe hierzu: § 3 B. I. 1. a). Leinen/Schönlau, Integration 2003, 218 (220); Morlok, in: Johansson/Zervakis, ­European political parties between cooperation and integration, S.  29; Neßler, Europäische Willensbildung, S. 49; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 55; Tsatsos, FS Schneider, S. 236 (246); Tsatsos, EuGRZ 1997, 77 (80); zum Demokratiedefizit: vgl. § 3 B. I. 2.  131 Ruffert, EuR-Beiheft 2009, 31 (34); zum unionsrechtlichen Demokratieprinzip insbesondere auch aus historischer Perspektive: von Bogdandy, in: FS Badura, S. 1033 (1043 f.). 132 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Dezember 1996, EuGRZ 1997, 77. 133 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 151. 134 Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 124. 135 Klein, in: FS Ress, S.  541 (556); Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 163; Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 350 f.; von Gehlen, Europäische Parteiendemokratie?, S. 376. 136 Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 125. 137 Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 143. 138 von Gehlen, Europäische Parteiendemokratie?, S. 376. 139 Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 144. 130

A. Begriffsbestimmung des Art. 2 VO

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Dieses negative Urteil der bestehenden Parteienbünde hat durchaus seine Berechtigung140, wenn man bedenkt, dass die Europaparteien in ihrer bisherigen Struktur ihrer Vermittlungsaufgabe kaum bis gar nicht nachgekommen sind. Zudem bestimmt sich ein Parteienbegriff maßgeblich nach den Funktionen der Parteien und muss sich dementsprechend daran orientieren, wie die Organisationsformen in der Lage sind, ihre Aufgaben in einer demokratischen Ordnung zu erfüllen141. Eine Ursache für die mangelnde Vermittlungsleistung sind dabei sicherlich auch die erheblich geringeren Partizipationsmöglichkeiten des einzelnen Bürgers in den Parteienbünden142. Insoweit wird den Parteienföderationen zu Recht vorgeworfen, primär auf die Eliten ihrer nationalen Mitgliedsparteien ausgerichtet zu sein143. Eine aktive Beteiligung individueller Mitglieder vermag in der Tat die Erfüllung der Parteifunktionen zu befördern144. Gleichzeitig verengt die Kritik bei der Ursachenforschung ihren Blickwinkel zu sehr auf die Europaparteien selbst und lässt außer Acht, dass – neben diesen unter demokratischen Gesichtspunkten äußerst evidenten Funktionsmängeln – die Parteienbünde innerhalb des europäischen Systems im Gegenzug Betätigungs­felder im Bereich der Koordinierung nationaler Parteiinteressen entwickelt haben145. So ist es den Parteienföderationen gerade aufgrund ihrer Struktur als Dachorganisationen nationaler Parteien gelungen, die zum Teil sehr heterogenen Mitgliedsparteien in die europäischen Parteien zu integrieren146. Verengt, und damit das Problem zu vereinfachend, ist diese Sichtweise, da sie die strukturellen und institutionellen Rahmenbedingungen der Europaparteien nicht berücksichtigt. Europäische Bürgerparteien wären gleichsam in einem politischen System gefangen, deren institutionelle und strukturelle Rahmenbedingungen sich für die Arbeit politischer Parteien als wenig geeignet erweisen147.

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Vgl. hierzu: § 3 B. I. 2. Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 68. 142 Buhr, Europäische Parteien, S. 44 f.; zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 213; so auch der Ausschuss für konstitutionelle Fragen des Europäischen Parlaments in seinem Entwurf zu einer Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18.03.2011, Nr. 3; abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/ sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+REPORT+A7-2011-0062+0+DOC+PDF+V0// DE; Stand: 02.08.2012. 143 Pöhle, ZParl 1996, 431 (444). 144 So die Forderung des Europäischen Parlaments: Entschließung des Europäischen Parlaments vom 06.04.2011, Nr. 25, abrufbar unter: www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pub Ref=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2011-0143+0+DOC+XML+V0//DE Stand: 11.10.2011; siehe hierzu auch: Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 162 f.; zur nur unzureichenden Ausfüllung der Partizipations- bzw. Mobilisierungsfunktion der politischen Parteien auf europäischer Ebene: Mittag/Steuwer, Politische Parteien in der EU, S. 105 f. 145 Vgl. hierzu: § 3 B. I. 3.  146 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 163. 147 Vgl. zu diesen Problemen: § 3 B. I. 2.  141

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§ 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung 

Solange im Mehrebenensystem politische Entscheidungen in einer so intensiven Verknüpfung zwischen nationaler und unionaler Ebene getroffen werden, solange liegt es für politische Parteien auf europäischer Ebene nahe, dass sie in ihrem organisatorischen Aufbau diesen Besonderheiten Rechnung tragen. Aus diesem Grunde müssen sie nicht notwendigerweise die Merkmale nationaler Parteien aufweisen148, sondern bedürfen, wenn ihr Aufbau dem politischen Umfeld folgen soll, der Kooperation mit nationalen Parteien149. Insofern weist aber ein Verbund nationaler Parteien zu einem europäischen Dachverband durchaus Parallelen zum politischen System der Europäischen Union auf150. Folge einer solchen Struktur ist, dass europäischen Parteien beim Vermittlungsprozess zwischen Bürgern und Unionsinstitutionen lediglich eine mittelbare Vermittlungsfunktion zukommt und es weiterhin die nationalen Parteien sind, die unmittelbar als Transmissionsriemen zwischen öffentlicher Gewalt und Gesellschaft wirken151. Insofern kommt hier die Besonderheit der Union zum Tragen, deren politisches System eine duale Legitimationsstruktur aufweist152. Für eine transnationale Organisation gilt üblicherweise der nationale Mitgliedstaat als zentrales Bezugsobjekt, während dies in staatlichen Gebilden der einzelne Staatsangehörige ist. Demgegenüber sind die Legitimationssubjekte der Europäischen Union sowohl die Gesamtheit der Unionsbürger als auch in gleicher Weise die demokratisch verfassten Völker der Mitgliedstaaten153. Im Vertragstext kommt dies am deutlichsten in Art. 10 Abs. 2 EUV zum Ausdruck154, der das europarechtliche Modell der „Union der Staaten und Bürger“ determiniert155. Während nach dem Wortlaut des

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Tsatsos/Deinzer, Europäische politische Parteien, S. 14. Jansen, Die Entstehung einer europäischen Partei, S. 24; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 100. 150 So auch: Ayirtman/Pütz, in: Knodt/Finke, Europäische Zivilgesellschaft, S. 389 (394): Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 100. 151 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 161; in diesem Sinne auch: Eberhard/Lachmayer, in: Manssen, Die Finanzierung von politischen Parteien in Europa, S. 215 (234); Jopp u. a., Feasibility of a future european statute of european political parties, S. 14. 152 Callies, Die neue Europäische Union nach dem Vertrag von Lissabon, S. 167 f.; Dann, in: von Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, S. 335 (378); Kaufmann-Bühler, EUV/ AEUV, Art. 10 EUV Rn. 5; Oeter, in: von Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, S. 73 (92); Ruffert, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 5; Streinz/Ohler/Hermann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU, § 5 IV. 1.; von Bogdandy, in: FS Badura, S. 1033 (1046); zu den Grundlagen der doppelten Legitimationsbasis der Europäischen Union ausführlich: Brosius-Gersdorf, EuR 1999, 133 ff. 153 von Bogdandy, in: von Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, S.  13 (64); Kirchhof, in: von Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, S.  1009 (1020 f.) ist der Ansicht, dass sich die Union im Wesentlichen durch die Mitgliedstaaten und deren nationale Parlamente legitimiert. 154 Möstl, Vertrag von Lissabon, S. 70 f.; von Bogdandy, in: von Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, S. 13 (64). 155 Möstl, Vertrag von Lissabon, S. 71. 149

A. Begriffsbestimmung des Art. 2 VO

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Art. 10 Abs. 2 UAbs. 1 EUV die Bürgerinnen und Bürger auf Unionsebene un­ mittelbar im Europäischen Parlament vertreten sind, betrachtet Art.  10 Abs.  2 UAbs. 2 EUV den Europäischen Rat als Vertretung der Mitgliedstaaten. Wenn sich die Union im Laufe des Integrationsprozesses zwar mehr und mehr dem einzelnen Bürger zugewandt hat, so bleiben doch daneben – oder wohl immer noch in erster Linie – als Bezugsrahmen der Union die Völker Europas bestehen. Überträgt man diesen Gedanken auf das Parteiensystem, ist innerhalb der Mitgliedstaaten als reiner Verbund von Bürgern das Parteimitglied das jeweilige Zuordnungsobjekt, während es in der Union als Verbund von Bürgern und Staaten dann sowohl die nationalen Parteien als auch die einzelnen Unionsbürger sein können156. Dann entspricht der Aufbau der Parteienföderationen dem Element der „Union von Staaten“157. Dieser institutionellen und strukturellen Probleme waren sich die Vertrags­ parteien bei Schaffung des Parteienartikels bewusst, was schon durch die Formulierung zum Ausdruck kommt, dass die politischen Parteien auf europäischer Ebene an der „Herausbildung“ eines europäischen politischen Bewusstseins mitwirken sollen. Setzt man diesen Zweck in den Kontext der Historie des Parteienartikels, so spricht vieles dafür, die Parteienföderationen unter den Parteien­ begriff des Art. 10 Abs. 4 EUV zu subsumieren. Bei Einführung des Artikels über die politischen Parteien auf europäischer Ebene gab es nur die vier großen Parteibündnisse. Wäre man aber davon ausgegangen, dass Parteienföderationen nicht dem Parteienbegriff des Art. 10 Abs. 4 EUV entsprechen, hätte es für die Regelung weder bei der Aufnahme in das Primärrecht noch in den darauffolgenden Jahren tatsächlich einen Normadressaten gegeben158. Transnational organisierte europäische Parteien sind erst im Laufe der letzten Jahre entstanden und spielen im politischen Leben der Union bis zum heutigen Tage praktisch keine Rolle. Davon aus­zugehen, die Vertragsparteien wollten eine Norm in das Vertragswerk einfügen, die in der politischen Realität nicht zum Tragen kommt, widerspricht dann aber dem Zweck des Artikels, das politische Leben in der Union zu fördern. Wo niemand ist, der entsprechendes leisten kann, greift die Zielsetzung letztlich ins Leere. Zwar wird eine rechtliche Regelung in der Regel nicht nur zur Beschreibung der politischen Wirklichkeit geschaffen, sie kann jedoch nicht gänzlich hiervon abgekoppelt werden, ohne in die Gefahr zu geraten, ihr jeglichen Anwendungsbereich zu nehmen159. Gerade im Parteienrecht kommt aber seit jeher der Verfas-

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Allein auf den konföderalen Charakter abstellend: Deinzer, Europäische Parteien, S. 112. Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S.  146; so wohl auch: Carstens, Europäische Parteien, S. 82. 158 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 162. 159 So auch: Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 164, der hierfür die durch Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 337 entwickelte Begrifflichkeit der „normati­ ven Kraft des Faktischen“ auf diese Problematik überträgt. 157

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§ 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung 

sungswirklichkeit auch bei der Normsetzung eine besondere Bedeutung zu160. Die primärrechtliche Verankerung der Europaparteien hatte zwar eine auf die künftige Entwicklung ausgerichtete Zweckbestimmung, sie im Umkehrschluss gänzlich frei von jeder politischen Realität auszulegen, ist hingegen schwerlich mit den Zielen des Art. 10 Abs. 4 EUV vereinbar. Der hinter dem Parteienartikel stehende Gedanke des „Rechts als Mittel der Integration“161 verlangt trotz seiner Zukunftsgerichtetheit, dass eine Regelung den Normbetroffenen einen ausreichenden Aktionsradius eröffnet, in dem sie ihre Entwicklung selbst fördern können162. Eng zusammen hängt dies mit dem europarechtlichen Grundsatz des „effet utile“. Hiernach ist eine Norm „ergiebig“ auszulegen, so dass sie einen größtmöglichen praktischen Nutzen entfalten kann163. Zu einer „ergiebigen“ Auslegung gehört dann aber auch, dass sie so zu interpretieren ist, dass sie überhaupt Wirkung entfalten kann164. Der Parteibegriff des Art. 10 Abs. 4 EUV darf nicht losgelöst von einem „Minimum realpolitischer Bedingungen“ betrachtet werden165. Dies gilt erst recht, wenn es als äußerst fraglich erscheint, dass transnational organisierte Parteien, die nicht in den Nationalstaaten mit eigenständigen Verbänden repräsentiert sind, mittel- oder auch langfristig auf eine nennenswerte Resonanz in der Be­ völkerung stoßen166. Dem allen mag man entgegnen, dass mit Art.  10 Abs.  4 EUV eigentlich die Zielsetzung verbunden ist, den unmittelbaren Legitimationsstrang der Europäischen Union als einer „Union von Bürgern“ zu stärken, die Struktur der Parteienföderationen aber einem mittelbaren Legitimationsmodell, einer „Union von Staaten“, entspricht und damit dem Zweck der Norm widerspreche. Das Föderationsmodell fokussiert sich sogar noch deutlich stärker auf die nationalen Mitgliedsparteien als die Europäische Union sich selbst auf die Mitgliedstaaten. So werden individuellen Parteimitgliedern regelmäßig überhaupt keine Mitbestimmungsrechte zu­gestanden. Doch ein so verstandener Zweck des Art.  10 Abs.  4 EUV verfehlt letzten Endes seine Wirkung im Prozess der europäischen Integration. Europäische Politik vollzieht sich rechtlich und faktisch über beide Legitimationsstränge. Europäische Parteien müssen von daher, um politisch wirksam zu sein, auf beiden Ebenen der Union tätig werden. Beschränkt man sie auf die unmittelbare Legitima­tionsschiene, wären ihre Einflussmöglichkeiten auch auf diese begrenzt. Insofern spricht vieles dafür, dass man europäischen Parteien Spielräume überlässt, auf welchem Wege, mit welcher Organisationsform und mit welcher Struk 160

Siehe: A. II. 3. c). Siehe: § 3 B. I. 4. c). 162 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 167. 163 Nettesheim, in: Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 9 Rn. 178. 164 Bleckmann, NJW 1982, 1177 (1180); Meyer, Jura 1994, 455 (457). 165 Tsatsos, MIP 1994, 9 (11). 166 So auch: Deinzer, Europäische Parteien, S. 109; Jansen, in: FS Buchheim, S. 241 (243); wohl auch: Kuper, in: Mittag, Politische Parteien und europäische Integration, S. 77 (82). 161

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tur sie ihre Aufgaben und Funktionen im politischen System der Union glauben am besten erfüllen zu können. Vergegenwärtigt man sich ihre Entwicklungs­ geschichte, kann ihnen auch nicht jedwede Entwicklungsfähigkeit abgesprochen werden167. Europaparteien durchlaufen einen Prozess der Integration auf ähnliche Weise wie die Union und ihre Mitgliedstaaten selbst; auch wenn die Integration des Parteiensystems sicherlich hinter dem gesamten Integrationsprozess zurückhängt. Dass die europäischen Parteien hierzu – trotz Widrigkeiten – in der Lage sind, zeigt die Entwicklung des Interaktionsgrades168. Hierbei unterscheidet man die Stufen des Kontaktes, der Kooperation und der Integration169. Der Wechsel von Kooperationsbeziehungen unterschiedlicher Intensität zur Integration vollzieht sich, wenn die Mitgliedsparteien ihre Autonomie ganz oder teilweise aufgeben und den Europaparteien übertragen170. Dies geschieht mittels Mehrheitsentscheidungen und der ausschließlichen Mitgliedschaft natürlicher Personen in den europäischen Parteien171. Da es den Föderationen aber gerade an der Individualmitgliedschaft fehlt und sich auch das Majoritätsprinzip noch nicht vollends durchgesetzt hat, ist dieser Schritt in den Parteibündnissen noch nicht vollzogen172. Die letzte Entscheidungsgewalt verbleibt nach wie vor bei den nationalen Mitgliedsparteien173. Allerdings hat sich der Grad der Kooperationsbeziehungen in allen europäischen Parteienbünden erheblich intensiviert. Exemplarisch genannt sei hier nur die Tatsache, dass mittlerweile fast alle großen europäischen Parteien den einzelnen Unionsbürgern zumindest die grundsätzliche Möglichkeit geben, Mitglied der Europaparteien zu werden und Mehrheitsentscheidungen satzungsrechtlich zunehmend ausgeweitet wurden174. Hieran zeigt sich, dass eine Stufe besonders intensiver Kooperation erreicht wurde175. Wenn europäische Parteien dem Integrationsprozess hinterherhinken, ist das aber auch eine notwendige Folge der Einsicht, dass Parteien sich ihrem politischen Umfeld anpassen. Konsequenz dessen ist, dass es regelmäßig erst einer Änderung der politischen Infrastruktur bedarf, in deren Fortsetzung das Parteiensystem wiederum selbst Anpassungen seiner Strukturen vornimmt. Wenn man Parteien auf nationalstaatlicher Ebene als „Instrument bürgerschaftlicher Partizipation“176 be 167

Day/Shaw, in: Börsel/Cichowski, The state of the European Union, Bd. 6, S. 149 (167). Zu diesem Begriff: Niedermayer, Europäische Parteien?, S. 27 ff.; Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S.  355 beurteilt eine Weiterentwicklung der Parteienföderationen hingegen skeptisch. 169 Niedermayer, Europäische Parteien?, S. 30. 170 Niedermayer, Europäische Parteien?, S. 31. 171 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 103 f. 172 So bspw.: Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 104; Johansson/ Zervakis, in: dies., European political parties between cooperation and integration, S. 11 (12) lassen diese Frage hingegen unbeantwortet. 173 Rodriguez-Aguilera de Prat, Political parties and european integration, S. 36. 174 Vgl. hierzu: § 2 A. I. 175 Hanley, European View 3 (2006), 35 (37). 176 Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 1. 168

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zeichnet, da hier die Bürger alleiniges Legitimationssubjekt sind, dann müssen sie auf europäischer Ebene derzeit der Logik des Systems folgend „Instrumente bürgerschaftlicher und mitgliedstaatlicher Partizipation“ sein. Wenngleich die individuelle Komponente in den Parteienföderationen noch unterrepräsentiert ist, so muss es doch den Parteien weitestgehend selbst überlassen werden, sowohl nationale Mitgliedsparteien als auch individuelle Mitglieder zur Stärkung ihrer gesellschaftlichen Verwurzelung in einem kohärenten Organisationsmodell zu integrieren. Diese Offenheit des Parteienbegriffs findet ihr Pendant in der europäischen Integration, die sich ebenfalls als ein offener Entwicklungsprozess mit noch un­ bestimmtem Ziel darstellt. Zwischen den verschiedenen politischen Parteien auf europäischer Ebene und sogar innerhalb der Parteien gibt es divergierende Vorstellungen, inwiefern und inwieweit sich die Europäische Union in Zukunft zu einem europäischen Bundesstaat, einem Staatenverbund oder einem Europa der Nationen entwickeln soll177. Während insbesondere die transnationalen Parteien ebenso wie viele Parlamentarier des Europäischen Parlaments eine verstärkte politische Integration fordern, lehnen dies naturgemäß nationalistische und europaskeptische Parteien ab und fordern ein „Europa der Nationen“178. Eine europäische Partei muss jedoch sinnvollerweise entsprechend dem von ihr transportierten europäischen Bewusstsein strukturiert sein, so dass ihnen nicht von vornherein eines der herkömmlichen Organisationsmodelle oktroyiert werden darf179. Dabei entspricht dieses Bild der Vorstellung einiger Mitgliedstaaten, dass der Aufbau einer Partei von ihrem politischen Selbstverständnis abhänge180. 6. Schlussfolgerungen Der europäische Parteienbegriff ist damit so zu interpretieren, dass er verschiedene Modelle der Organisation politischer Parteien umfasst181. So unterfällt ihm einerseits das konföderative Modell von Parteienföderationen, in dem zwar neben der Mitgliedschaft nationaler Parteien auch Individualmitglieder zugelassen sein können, deren Rechte aber naturgemäß begrenzt bleiben182. Andererseits sind mit einem offenen Parteienbegriff auch verschiedene andere Organisationsstrukturen möglich, in denen sich nur natürliche Personen als Mitglieder der europä 177 Hierzu auch: Schiffauer, MIP 1996, 80 (89 f.), der das Modell eines „nichtpyramidalen Staates“ aufwirft. 178 Vgl. hierzu die Ziele der verschiedenen europaskeptischen Parteien: § 2 A. I.; besonderes Beispiel hierfür war schon namentlich die „Allianz für ein Europa der Nationen“. 179 So auch: Schiffauer MIP 1996, 80 (92). 180 Tsatsos, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 757 (769). 181 Tsatsos, EuGRZ 1994, 45 (47); ausführlich hierzu: Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 182 ff. 182 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 183.

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ischen Partei befinden183. Solche Systeme stoßen jedoch wie zuletzt die Gründung der Newropeans als transeuropäische Partei, die sich lediglich bei Europawahlen beteiligen will184, derzeit auf kaum spürbare Resonanz. Aufgrund dieser Offenheit schließt der Parteienbegriff des Art. 10 Abs. 4 EUV dann gleichermaßen die derzeitigen Parteienföderationen ein185. Die Entscheidung darüber, ob sich eine europäische Partei föderal, konföderal oder supranational organisiert, fällt somit in den Schutzbereich ihrer Organisationsfreiheit. Die Parteienfreiheit gilt für Parteien unabhängig von der Art und Weise, wie sie ihren Aufbau wählt186. Gleichwohl kommt diese Einschätzung nicht an einer Einschränkung vorbei: sie bleibt ein vorläufiges Ergebnis, denn auch ihre Begründung kann nur vorläufiger Natur sein. Wie die weitere Entwicklung der europäischen Parteien, so steht auch der Verlauf des Integrationsprozesses noch in den Sternen. Gerade aber dieser ist es, der die Auslegung des europäischen Parteienbegriffes maßgeblich bestimmt187. Ändert sich die Europäische Union, kann dies Auswirkungen auf den primärrechtlichen Gehalt des Parteienbegriffs haben. An sich ist dies ebenso wenig ungewöhnlich wie überraschend. Der Parteienbegriff hat sich auf gleiche Weise schon in der Vergangenheit mehrfach geändert und wird künftig wohl noch weiteren Wandlungen unterworfen bleiben188. Selbst das in viel größerem Maße von Traditionen geprägte Verständnis auf nationalstaatlicher Ebene steht solchen Weiterentwicklungen offen. So ist beispielsweise auch die in der Bundesrepublik Deutschland durch § 2 PartG konkretisierte verfassungsrechtliche Definition bei einer sich verändernden Verfassungswirk 183 Hierzu sind derweil schon die unterschiedlichsten Modelle entwickelt worden. Zum sog. „föderativen Modell“: Buhr, Europäische Parteien, S. 109; Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 177; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 184; Tsatsos, EuGRZ 1994, 45 (47); zum sogenannten „supranationalen Modell“, in dem europäische Parteien eigenständige Organisationen sein sollen: Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S.  184; Deinzer, Europäische Parteien, S.  110; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S.  184; zudem entwirft Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 184 am Beispiel Dänemarks noch ein paralleles System, in dem sowohl nationale als auch europäische Parteien nebeneinander existieren. 184 Haarhoff, in: taz vom 23.06.2006. 185 So auch: Geiger, in: Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Art.  10 EUV Rn.  16; Hatje, DVBl. 2005, 261 (262); Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 104; ebenso bei Jopp u. a., Feasibility of a future european statute of european political parties, S. 58 f., wo die föderale Struktur europäischer Parteien noch stärker betont und eine Mitgliedschaft allein natürlicher Personen zurückhaltender beurteilt wird. 186 Anders aber: Deinzer, Europäische Parteien, S.  130, der die Parteigründungsfreiheit föderal organisierter Parteien als unmittelbaren Ausdruck der Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheit durch ihre Mitglieder ansieht und bezüglich konföderal organisierten Parteien den Grundsatz der Chancengleichheit mit föderalen Parteien zur Begründung heranzieht, da diese gleichsam integrationsadäquat wären; vgl. zur Parteigründungsfreiheit auf europäischer Ebene: § 4 A. III. 1.  187 Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 53. 188 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 70.

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§ 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung 

lichkeit wandlungsfähig189. In einer sich noch stärker und schneller umgestaltenden und einem Demokratisierungsprozess unterliegenden Europäischen Union ist die Erforderlichkeit eines sich anpassenden Parteibegriffs noch evidenter. Soweit Tsatsos bezüglich des Parteibildes davon spricht, dass „Partei“ ein Begriff im geschichtlichen Wandel ist190, gilt dies für die europäische Ebene umso mehr auch für den organisatorischen Aufbau der Europaparteien. Daher kann sich die hier vorgenommene Auslegung des Parteibegriffs bei fortschreitender Integration ändern und das Merkmal der „Bürgervereinigung“ Teil eines europäischen Parteienbegriffs werden191. Auch hier zeigt sich: Parteienrecht ist ein Recht im Fluss. Je mehr sich Europa zu einer „Union der Bürger“ entwickelt, desto stärker sind es Individuen und nicht mehr die Mitgliedstaaten, die den Bezugspunkt europäischer Demokratie bilden, worauf die Europaparteien bei ihrer organisatorischen Struktur Rücksicht nehmen müssen. Diese Änderung der Rahmenbedingungen liegt aber in erster Linie nicht in den Händen der europäischen Parteien sondern bei den Mitgliedstaaten, die gemäß Art.  48 EUV letztverbindlich über primärrechtliche Reformen entscheiden192. Insofern gibt es auf europäischer Ebene einen entscheidenden Unterschied zu den Nationalstaaten, in denen der Stellenwert politischer Parteien nicht allein vom politischen System abhängt, sondern umgekehrt das politische System in viel stärkerem Maße von Parteien selbst verändert werden kann193. In diesem Sinne ist auch die Nichtaufnahme der durch die Vorsitzenden der Parteienbünde vorgeschlagenen Definition in das Primärrecht so zu interpretieren, dass der Begriff der politischen Partei auf europäischer Ebene offen ausgestaltet werden sollte194. Das Primärrecht begleitet und beeinflusst also die Entwicklung der Europaparteien und ist nicht darauf ausgelegt, sie in eine bestimmte Richtung zu lenken. Unter diesen Vorgaben können europäische Parteien eigenständig ihre Strukturen weiterentwickeln195. Von daher sind die bestehenden Parteienbünde gar nach ihrer Selbsteinschätzung nur eine erste – wenn auch bedeutende – Stufe auf dem Weg der Parteibildung auf europäischer Ebene196. Aufgrund dieser Ergebnisse ist von einem weit gefassten Parteienbegriff im Europarecht aus 189

Tsatsos, in: Morlok/Schmidt/Stafanou, Verfassung – Parteien – Europa, S. 369 (379). Tsatsos, in: Morlok/Schmidt/Stafanou, Verfassung  – Parteien  – Europa, S.  395 (406) stellt dies hinsichtlich des Wandels von „Programmparteien“ zu „Personenparteien“ fest. 191 So wohl auch: Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 146. 192 Ausführlich zum Vertragsänderungsverfahren: Frenz, Handbuch Europarecht, Bd.  6, Rn. 21 ff. 193 So zu den Veränderungsmöglichkeiten: Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 21. 194 So auch: Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S.  163; ebenso: Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 62. 195 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Dezember 1996, EuGRZ 1997, 77; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 166 f. 196 Tsatsos-Bericht, EuGRZ 1997, 78 (79). 190

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zugehen, der offen für einen mit einer fortschreitenden Integration verbundenen Wandel sein muss197. Ebenso offen muss die Parteienverordnung dann die Voraussetzungen der öffentlichen Finanzierung fassen. Der Verordnungsgeber darf den europäischen Parteien nicht eine bestimmte Organisationsstruktur vorschreiben. Wenn sowohl Parteienföderationen als auch Bürgerparteien unter den Parteienbegriff des Art. 10 Abs. 4 EUV fallen, garantiert das Primärrecht beiden auch das Recht auf Chancengleichheit. Infolgedessen müssen beide Organisationsformen grundsätzlich gleich behandelt werden und somit in gleicher Weise an einer öffentlichen Parteienfinanzierung partizipieren können. Der Verordnungsgeber ist somit verpflichtet, sowohl die Parteienföderationen als auch Bürgerparteien in den Anwendungsbereich der Verordnung einzubeziehen. Entscheidet sich die Europäische Union zu einer öffentlichen Finanzierung, haben Parteienföderationen und Bürgerparteien zunächst einmal einen derivativen Teilhabeanspruch. Ein besonderer, zwingender Grund für eine Differenzierung allein aufgrund der Tatsache, dass europäische Parteien sich in ihrer Mitgliederstruktur unterscheiden, ist nicht ersichtlich.

B. Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 VO Art. 3 Abs. 1 a) – d) VO beschreibt ebenfalls Merkmale, die politische Parteien auf europäischer Ebene erfüllen müssen. Auch hier lässt sich die Frage stellen, ob die Merkmale der Verordnung dem primärrechtlich vorausgesetzten Parteien­ begriff entsprechen müssen. Im Gegensatz zur Begriffsbestimmung des Art. 2 VO erweist sich dies als ein Problem mit umgekehrten Vorzeichen. Während Art. 2 VO mit der Anerkennung der Parteienföderationen das in den Mitgliedstaaten üblicherweise verwendete Parteienverständnis erweitert, beschreibt Art. 3 VO Voraussetzungen, die enger gefasst sind als der Parteienbegriff des Art. 10 Abs. 4 EUV.

I. Rechtspersönlichkeit Gemäß Art. 3 Abs. 1 a) VO muss eine politische Partei auf europäischer Ebene in dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren Sitz hat, Rechtspersönlichkeit besitzen. Durch die Voraussetzung der Rechtspersönlichkeit in einem Mitgliedstaat wird die notwendige „institutionelle Handlungsfähigkeit“ einer europäischen Partei gegenüber den Organen der Europäischen Union geschaffen198. Ein solches Erfor 197 So auch: Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 181; Hatje, DVBl. 2005, 261 (262); Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art.  191 Rn.  98; ebenso wohl: Jopp u. a., Feasibility of a future european statute of european political parties, S. 47. 198 Entschließung des Europäischen Parlamentes vom 10. Dezember 2006, EuGRZ 1997, 77 (78); Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 100; Lange/Schütz, EuGRZ 1996, 299 (302).

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dernis verpflichtet die Europaparteien, ihre inneren Strukturen, Organe und vertretungsberechtigten Personen zu fixieren199. Sie sollen damit in die Lage versetzt werden, am Rechtsverkehr teilzunehmen und die üblichen Rechtsgeschäfte zu tätigen200. Dass der Verordnungsgeber eine rechtliche Anerkennung der europäischen Parteien als Rechtssubjekte fordert, ist grundsätzlich unproblematisch201. In der Praxis haben die Parteienföderationen die Rechtsform einer gemeinnützigen Vereinigung oder einer gemeinnützigen internationalen Vereinigung angenommen202. Allerdings verzichtete der Verordnungsgeber darauf, eine für die Europa­ parteien einheitliche europaweit gültige Rechtspersönlichkeit zu schaffen203. An dieser Entscheidung wird kritisiert, dass transnationale Parteien, die aufgrund ihrer Aufgabenstellung in mehreren Unionsländern tätig seien müssen, vor er­ hebliche Probleme gestellt würden204. Die derzeitige Regelung gewährleiste nicht, dass eine politische Partei auf europäischer Ebene in anderen Mitgliedstaaten als solche anerkannt werde und sich ungehindert transnational betätigen könne205. Die europäischen Parteien könnten innerhalb dieses rechtlichen Rahmens selbstständig keine Verträge abschließen oder Mitarbeiter einstellen und wären aus diesem Grund personell und materiell weiterhin von den Fraktionen im Europäischen Parlament und den Mitgliedsparteien abhängig. Ferner entstünden für sie prozessrechtliche Komplikationen206. Die Rechtsfähigkeit nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaates auszurichten, in dem eine Partei ihren Sitz hat, sei rechtswidrig, da die Mitgliedstaaten überwiegend keine eigene Rechtspersönlichkeit für Parteien kennen und auch nach dem überwiegend geltenden zivilrechtlichen Vereinsrecht eine Rechtsfähigkeit nicht immer gegeben sei. Von daher führten die ungleichen nationalen Regelungen zu einer ungerechtfertigten Ungleich­behandlung207. Eine eigenständige europäische Rechtspersönlichkeit mag zwar politisch wünschenswert sein208, aus europarechtlicher Perspektive zwingend erforderlich ist sie freilich nicht. Es ist nicht ersichtlich, warum europäische politische Parteien, die in einem der Mitgliedstaaten der Union Rechtspersönlichkeit erlangt haben, nicht

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Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 217. Klein, in: FS Ress, S. 541 (546). 201 Koch, in: FS Rengeling, S. 307 (312). 202 Vgl. hierzu: § 2 A. I. 203 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 215 ff.; Merten, MIP 2004/2005, 45 (46). 204 Merten, MIP 2004/2005, 45 (46 f.). 205 Jopp u. a., Feasibility of a future european statute of european political parties, S. 32. 206 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 180. 207 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 180. 208 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 06. April 2011, Erwägung M, abrufbar unter: www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2011-0143 +0+DOC+XML+V0//DE Stand: 11.10.2011; Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 216 ff. 200

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in eigener Verantwortung Verträge abschließen könnten209. Entscheidend hierfür ist, dass die Parteien überhaupt eine Rechtspersönlichkeit besitzen. Ob dies nach dem nationalen Recht eines Mitgliedstaates geschieht oder europaweit einheitlich, ist dabei unerheblich. In Anbetracht der unterschiedlichen nationalen Regelungen für die Rechtsfähigkeit politischer Parteien ist eine Vereinheitlichung der Rechtspersönlichkeit und die Schaffung eines europaweiten Parteienstatuts für europäische Parteien zwar vorteilhaft, eine aus europarechtlicher Sicht zwingende Notwendigkeit gibt es jedoch nicht. Insoweit garantiert ihnen das Diskriminierungsverbot, dass sie, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat als in demjenigen, in dem sie ihren Sitz und ihre Rechtspersönlichkeit haben, tätig sein wollen, dies auch ungehindert tun können.

II. Transnationaler Erfolg Art. 3 VO stellt ferner Anforderungen an einen transnationalen Erfolg der europäischen Parteien. Nach Art. 3 Abs. 1 b) VO muss eine politische Partei auf europäischer Ebene in mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten durch Mitglieder des Europäischen Parlaments oder in den nationalen Parlamenten oder regionalen Parlamenten oder Regionalversammlungen vertreten sein oder in mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten bei der letzten Wahl zum Europäischen Parlament mindestens drei Prozent der abgegebenen Stimmen in jedem dieser Mitgliedstaaten erreicht haben. Damit gibt die Verordnung den Europaparteien zwei unterschiedliche Optionen, ihren Erfolg in mehreren Staaten der Union nachzuweisen. Gleichzeitig stellt sie aber auch zwei zu differenzierende Anforderungen an die europäischen Parteien. Zunächst muss sie überhaupt transnational agieren, um den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 b) VO entsprechen zu können. Dafür ist erforderlich, dass eine europäische Partei in einem Drittel der Mitgliedstaaten überhaupt organisatorisch verfestigt ist, was voraussetzt, dass eine Parteienföderation in der entsprechenden Anzahl von Ländern über Mitgliedsparteien verfügt bzw. eine individualmitgliedschaftlich organisierte Partei eine länderübergreifende Mitgliederstruktur aufweist. Darüber hinaus stellt Art. 3 Abs. 1 b) VO Anforderungen an den Erfolg der Parteien bei Wahlen zum Europäischen Parlament oder den nationalen oder regionalen Parlamenten bzw. Regionalversammlungen.

209 Hiervon geht auch zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 278 aus.

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1. Transnationalität a) Transnationalität als Voraussetzung des primärrechtlichen Parteienbegriffs Die Überlegungen zur Transnationalität nehmen in der Frage ihren Ausgang, ob dem Parteienbegriff des Art. 10 Abs. 4 EUV ausgehend von seinem Wortlaut („auf europäischer Ebene“) eine transnationale Komponente innewohnt, nach der europäische Parteien in mehr als einem Mitgliedstaat der Union tätig sein müssen. Erweist sich bereits diese Voraussetzung der öffentlichen Finanzierung als eine Verengung des primärrechtlichen Parteienbegriffs, so muss zwangsläufig auch schon diese Restriktion an den Grundprinzipien des europäischen Parteienrechts gemessen werden. Nach wohl herrschender Meinung muss eine politische Partei auf europäischer Ebene sich in einem transnationalen Wirkungsbereich entfalten; eine lediglich in einem Mitgliedstaat organisierte Partei unterfalle nicht dem Parteienbegriff des Art.  10 Abs.  4 EUV210. Von einem solchen Erfordernis geht auch das Europäische Parlament aus211. Eine Partei, deren Aktionsradius auf ein Land begrenzt sei, agiere allein an der Nahtstelle ihres jeweiligen Staates und der Vertretung der nationalen Belange gegenüber der Europäischen Union. In einer solchen innerparteilichen Struktur könne sich kein Willensbildungsprozess entwickeln, an dessen Ende ein wirklicher, über die nationalen Interessen hinausgehender europäischer Konsens stehe212. Die Vertreter des Transnationalitätserfordernisses knüpfen ihre These also an die Intention des Parteienartikels an, dass europäische Parteien über nationale Interessen hinweg einen Willensbildungsprozess aller Unionsbürger in Gang setzen sollen. Es entspreche aber nicht dem Telos des Art. 10 Abs. 4 EUV, der auf eine fortschreitende Kooperation nationaler politischer Parteien verweise, wenn das europäische Parteienrecht Organisationen integriere, die sich lediglich in einem Mitgliedstaat betätigen und somit primär nationale Inter 210

Jasmut, Die politischen Parteien und die europäische Integration, S. 223; Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, S.  64; Koch, in: FS Rengeling, S.  307 (311 f.); Löwer, in: FS Sellner, S. 51 (56); Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 167; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 140; so wohl auch: Bieber, RTD 1999, 349 (352 f.); Dorget, in: Delwit/Külahci/van de Walle, Europarties, S. 83 (90); Jansen, Die Entstehung einer Europäischen Partei, S. 38 f.; Jansen/Schönlau, in: Mittag, Politische Parteien und europäische Integration, S. 515 (516); Naßmacher, in: von Arnim, Politikfinanzierung in der Europäischen Union, S. 23; Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 363; Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 49 f.; Morlok, in: Johansson/ Zervakis, European political parties between cooperation and integration, S. 29 (37); Morlok, MIP 1999, 52 (67); Morlok, in: von Arnim, Politikfinanzierung in der Europäischen Union, S. 12 äußert sich hier jedoch dahingehend, dass auch die europapolitische Betätigung in einem Land ein legitimer Beitrag zur Europapolitik sei. 211 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Dezember 1996, EuGRZ 1997, 77. 212 Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, S. 64; Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 167.

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essenvertreter seien213. Ihre Anerkennung hätte sogar umgekehrt zur Folge, dass ein Weiterentwicklungs- und Vertiefungsprozess in den europäischen Parteien erschwert würde214. Wenn sich Parteien mit politischen Fragen der Union nur aus der Perspektive eines Mitgliedstaates auseinandersetzten, seien sie letztlich nationale Parteien, die zwar politische Ziele für die Unionsebene formulieren, die aufgrund ihrer begrenzten nationalen Sichtweise aber nicht an der Entstehung eines europäischen Bewusstseins mitwirken könnten. Ihnen fehle es unter diesem Gesichtspunkt an einer unionsadäquaten Struktur215. Zudem führt Papadopoulou an, dass die Vertragsparteien bei der Einfügung des Parteienartikels in das Primärrecht gerade die bestehenden Parteienföderationen im Blick gehabt hätten. Diese zeichneten sich aber schon seit jeher durch ihre Multinationalität aus216. Koch stützt seine Argumentation in erster Linie auf die Protokollerklärung Nr. 11 zur Schlussakte der Konferenz von Nizza217. Hierin erinnerte die Konferenz daran, dass Art. 191 EGV (jetzt: Art. 10 Abs. 4 EUV, Art. 224 AEUV) keine Übertragung von Zuständigkeiten auf die Europäische Gemeinschaft zur Folge hat und die Anwendung der einschlägigen nationalen Verfassungsbestimmungen nicht berührt. Überdies darf nach der Protokollerklärung die Finanzierung der politischen Parteien auf europäischer Ebene aus dem Haushalt der Europäischen Gemeinschaften nicht zur unmittelbaren oder mittelbaren Finanzierung der politischen Parteien auf einzelstaatlicher Ebene verwendet werden. Folgerichtig könnten dann aber – so Koch – Parteien auf mitgliedstaatlicher Ebene nicht zugleich Parteien auf europäischer Ebene sein218. Obwohl es seit dem Vertrag von Lissabon eine dieser Erklärung vergleichbare Aussage nicht mehr gibt, bedeutet dies im Umkehrschluss nicht, dass das mitgliedstaatliche Parteienrecht nunmehr durch europäische Regelungen überlagert werden kann. Schon aus dem Wortlaut der Erklärung, in der die Konferenz „erinnert“, wird ersichtlich, dass der Zusatz zur Schlussakte keine Regelung, sondern lediglich eine Klarstellung der bestehenden Rechtslage enthält219. Alle Vertragsparteien gingen davon aus, dass das Primärrecht keine taugliche Grundlage darstellt, nationales Parteienrecht zu regeln oder zu harmonisieren. Hieran hat der Vertrag von Lissabon nichts geändert, so dass dieser Argumentation grundsätzlich auch nicht der Boden entzogen wurde.

213 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 140; so wohl auch: Morlok, MIP 1999, 52 (67). 214 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 140. 215 Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S.  167; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 140. 216 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 140. 217 Koch, in: FS Rengeling, S. 307 (311). 218 Koch, in: FS Rengeling, S. 307 (311 f.). 219 So zum ursprünglichen Reformvertrag auch: Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 197.

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Nach der Gegenansicht bedarf es indessen keiner transnationalen Organisa­ tionsstruktur220. Der Wortlaut „auf europäischer Ebene“ sei so zu verstehen, dass für eine europäische Partei ein „unionsweiter Politikanspruch“ prägend sei und nicht ihre transnationalen Organisationsstrukturen221. Ferner schränke das Erfordernis der Transnationalität die Parteienfreiheit unverhältnismäßig ein. Integra­ tionskritische Parteien würden sich schon aufgrund ihrer politischen Zielsetzung gwöhnlich nicht transnational organisieren und wären somit benachteiligt222. Die aus dem Recht der freien Gründung folgende Programmfreiheit politischer Parteien erlaube gerade auch die kritische Auseinandersetzung mit dem Integrationsprozess223. Sei aber vom Schutz der Programmfreiheit das Ziel umfasst, eine weitere Vertiefung der Union zu verhindern oder die bisher erreichte Integration gar wieder umzukehren, müsse man solchen Parteien ebenfalls einen unionsweiten Politikanspruch zuerkennen224. Verlange man von diesen Parteien eine Vertretung in mehreren Mitgliedstaaten, widerspräche eine solche Voraussetzung der Parteienfreiheit225. Zudem erschwere die Notwendigkeit eines multinationalen Auf­tretens die Möglichkeiten der Unionsbürger in unverhältnismäßiger Art und Weise, ihre politischen Interessen innerhalb von Parteien zu äußern und in den politischen Prozess einzubringen226. Vor allem europäischen Bürgerparteien lege dies Steine in den Weg. Diese fänden im Anfangsstadium selten genügend Anhänger, um eine entsprechende transnationale Parteistruktur aufzubauen227. Beide Argumentationslinien überzeugen indes nur bedingt. Bei einer genaueren Betrachtung mag jeweils ein Teil stichhaltig erscheinen, doch verbleibt gleich­ zeitig der Eindruck, etwas bliebe auf der Strecke. Grund hierfür ist das Parteienverständnis des Art.  10 Abs.  4 EUV, das politischen Parteien auf europäischer Ebene mehrere verschiedene Möglichkeiten bietet, sich zu organisieren. Wenn sich europäische Parteien auf der einen Seite als Vereinigungen von Bürgern und

220 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 186; Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 57 f.; ders., EuR 1999, 579 (591); Kersten, in: Kersten/ Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 59; Lange/Schütz, EuGRZ, 1996, 299 (300); Ruffert, in: Callies/ Ruffert, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 19 f .; von Arnim, NJW 2005, 247 (251); von Arnim/ Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 76. 221 Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 57; Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 59. 222 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S.  186; Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 57; Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 106; von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 77; die Problematik multinationaler Betätigungen integrationskritischer und – feindlicher Parteien sieht auch Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 152, der allerdings keine Rückwirkungen auf die Parteienfreiheit anspricht. 223 Siehe hierzu noch: B. III. 2. a) cc). 224 Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 10 EUV Rn. 57. 225 In diese Richtung wohl: von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 77. 226 Lange/Schütz, EuGRZ, 1996, 299 (300). 227 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 210.

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auf der anderen Seite als Bündnisse politischer Parteien aufstellen können, darf dies bei der Frage der Transnationalität ebenfalls nicht unberücksichtigt bleiben. Für die Parteienföderationen ist richtigerweise mit der herrschenden Meinung zu fordern, dass sie in mehreren Mitgliedstaaten vertreten sein müssen. Ein Bündnis politischer Parteien aus nur einem einzelnen Nationalstaat kann nicht genügen, um dem Parteienverständnis des Art. 10 Abs. 4 EUV gerecht zu werden. Freilich ist es durchaus denkbar, dass solche Bündnisse nur aus Mitgliedern eines Mitgliedstaates bestehen. So findet sich beispielsweise im Parteiensystem Belgiens eine regionale Untergliederung, so dass im flämischen bzw. wallonischen Teil jeweils selbstständige Parteien vertreten sind228. Auch in der Bundesrepublik sind solche Tendenzen durchaus vorhanden, wenn man sich die regionale Aufspaltung der Unionsparteien in CDU und CSU vor Augen führt. Doch können Zusammenschlüsse von Parteien eines Nationalstaates noch keine politische Partei auf europäischer Ebene ausmachen. Zwar ergibt sich dies noch nicht aus der Erklärung Nr. 11 zur Schlussakte der Konferenz von Nizza. Hinter der Erklärung steht der Gedanke, dass die Subventionierung europäischer Parteien durch das Europäische Parlament nicht dazu missbraucht werden soll, nationale Parteien finanziell zu unterstützen. Nicht die Tatsache, dass eine europäische Partei nur aus Parteien eines Mitgliedstaates besteht, sondern die rechtliche Trennung zwischen europäischer Partei und ihren nationalen Komponenten entscheidet aber, ob die hiermit verbundene Zielsetzung sichergestellt werden kann. Wenn sie nach Art. 3 Abs. 1 a) VO eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzen muss, ist sie schon aus diesem Grunde rechtlich eigenständig und von ihren Mitgliedsparteien organisatorisch abgrenzbar. Dann besteht bei bloß in einem Mitgliedstaat vertretenen Parteienbündnissen keine größere Gefahr, dass sie öffentliche Finanzhilfen der Union an ihre nationalen Mitglieder weiterleiten als bei transnational organisierten Parteiföderationen. Jedoch spricht der hinter der Anerkennung von Parteibündnissen als europäische Parteien stehende Sinn und Zweck selbst dafür, dass sie in mehreren Mitgliedstaaten tätig sein müssen. Sie verdanken ihre primärrechtliche Billigung dem politischen Mehrebenensystem der Union, in dem politische Entscheidungsprozesse sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene verlaufen und dem der organisatorische Aufbau der Parteiföderationen durchaus entgegenkommt229. Im europäischen Mehrebenensystem werden Aufgaben zwischen der europäischen und der mitgliedstaatlichen Ebene sowie deren regionalen und lokalen Untergliederungen aufgeteilt, wobei jede der Ebenen wiederum miteinander verknüpft ist, so dass die Entscheidungsfindung zwischen den einzelnen Ebenen koordiniert werden muss230. Eine einzelne nationale Partei benötigt daher die Unterstützung ihrer ideologisch verwandten politischen Gruppierungen in den anderen Mitglied 228 Suetens, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 27 (33 ff.); Studie des Europäischen Parlaments, How to create  a transnational party system, S. 97. 229 Siehe hierzu: A. II. 5.  230 Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 319.

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staaten, um auf den politischen Prozess der Europäischen Union effektiv Einfluss nehmen zu können. Diese eigene Einsicht der Europaparteien war es, die ihre Gründung und weitere Entwicklung vorantrieb231. Koordinierung im politischen Mehrebenensystem bedeutet für die Parteienföderationen in erster Linie aber die Koordinierung der Interessen der nationalen Mitgliedsparteien232. Wenn man aber den Parteienföderationen die Parteieigenschaft im Sinne des Art. 10 Abs. 4 EUV zuerkennt, müssen die Strukturen der Bündnisse ihrerseits dem Zweck ihrer primärrechtlichen Anerkennung entsprechen. Parteienbünde dienen zunächst und vor allem einer grenzüberschreitenden Kooperation und Koordinierung der politischen Arbeit verwandter Organisationen233. Auf diesem Weg fördern sie eine fortschreitende Zusammenarbeit nationaler politischer Parteien zugunsten der gesamten europäischen Integration234. Diese Kooperationsleistung vollzieht sich in besonderem Maße durch den Zusammenschluss von ehemals rein national organisierten und ausgerichteten Mitgliedern235. Fordert man eine Vertretung europäischer Parteien in mehreren Mitgliedstaaten, um die Effektivität der Interessenwahrnehmung im europäischen Maßstab zu sichern236, bekommt diese Argumentation ihre Durchschlagskraft gerade im Fall der Parteienföderationen. Parteienbünde sollen einen politischen Konsens zwischen ihren Mitgliedsparteien aus den verschiedenen Staaten herstellen, die europäische Integration durch transnationale Verständigung fördern und den zusammengehörigen politischen Kräften der jeweiligen Parteienfamilie eine europäische Orientierung geben237. Diese Funktionen und Aufgabenzuweisungen erfordern allerdings eine überstaatliche Struktur der Parteienbündnisse. Erst dann werden sie herausgehoben von der rein nationalen oder regionalen Politikgestaltung selbstverantwortlich „auf europäischer Ebene“ tätig. Koordinierung nationaler Interessen bedeutet naturgemäß, dass mehrere nationale Interessen zusammen- und in den europäischen Willensbildungsprozess eingeführt werden. Also bedarf es auch Parteien aus verschiedenen Mitgliedstaaten, die diese nationalen Interessen vertreten. Überdies sind die Parteienföderationen Ausdruck des Elements der „Union von Staaten“238. Stellen die Parteienbünde ein Äquivalent hierzu dar, müssen sie als eine „Union der nationalen Parteien“ aufgefasst werden. Um ein strukturgleiches 231

Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 146. Oppelland, in: Niedermayer/Stöss/Haas, Die Parteiensysteme Westeuropas, S. 455 (465); skeptischer hingegen: Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 350. 233 Ayirtman/Pütz, in: Knodt/Finke, Europäische Zivilgesellschaft, S.  389 (391); Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 55; Poguntke/Pütz, ZParl 2006, 334 (353). 234 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 140. 235 Jansen, Die Entstehung einer europäischen Partei, S. 29. 236 So: Morlok, MIP 1999, 52 (67); ebenfalls: Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 140. 237 Jasmut, Die politischen Parteien und die europäische Integration, S. 185. 238 Siehe hierzu: A. II. 5.  232

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politisches Element zu bilden, müssen die Parteienföderationen dann aber auch transnational vertreten sein. Insofern vermag der Hinweis nicht zu überzeugen, dass sich integrationskritische Parteien aufgrund ihrer politischen Zielsetzung nicht über die nationalen Grenzen hinweg organisieren wollen, denn auch sie haben ein transnational verbindendes Element, indem sie gegenüber einer weiteren europäischen Integration eine skeptische bzw. ablehnende Haltung einnehmen. So zeigt schon ein Blick auf die politische Landschaft, dass sich solche Parteien ebenfalls zu europäischen Dachorganisationen zusammengeschlossen haben. Anders verhält es sich hingegen bei Bürgerparteien. Für sie ist der einzelne Unionsbürger das zentrale Zuordnungsobjekt innerhalb der dualen Struktur als „Union von Staaten und Bürgern“. Durch die neben die nationale Staatsangehörigkeit tretende Unionsbürgerschaft erhält die Europäische Union ihre Besonderheit als „personal geprägte politische Rechtsgemeinschaft“, in der nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch die Unionsbürger unmittelbare Bestandteile der Union sind239. Die mit der Unionsbürgerschaft verbundenen Rechte folgen insofern – trotz ihrer Abhängigkeit von der jeweiligen nationalen Staatsangehörigkeit – auch nicht mittelbar über die nationalen Rechtsordnungen, sondern unmittelbar aus dem europäischen Recht240. Für eine Mitgliedschaft in europäischen Parteien kommt es damit ebenso allein auf die Unionsbürgerschaft an. Dann kann es aber nicht von Bedeutung sein, ob die einzelnen Unionsbürger aus mehreren Mitgliedstaaten stammen. Entscheidendes Merkmal sind die Bürger der Union in ihrer Gesamtheit. Würde man auch hier eine transnationale Vertretung voraussetzen, stellt man einen Rückbezug zur mitgliedstaatlichen Legitimationsebene her, der vom Sinn der Integration europäischer Bürgerparteien in das Parteienrecht nicht gedeckt ist. In Bürgerparteien werden die individuellen Mitglieder unabhängig von ihrer nationalen Zugehörigkeit allein als Bürger der Union politisch aktiv. Darüber hinaus greift vor allem bei Bürgerparteien das Erfordernis einer transnationalen Vertretung in deren Gründungsfreiheit ein241. Einzelne Bürger, die parteipolitisch tätig werden wollen, stellt man vor unverhältnismäßig große Schwierigkeiten, andere Gleichgesinnte mit ähnlichen politischen Grundanschauungen in anderen Mitgliedstaaten der Union zur Gründung einer europäischen Partei zu finden und sich dementsprechend transnational zu organisieren242. Für Parteienföderationen ist eine solche Aufgabe aufgrund schon bestehender Organisationsstrukturen der einzelnen Mitgliedsparteien leichter zu bewerkstelligen. Im Gründungsstadium einer Bürgerpartei finden sich in der Regel nur wenige Anhänger, die sich, wenn man eine transnationale Struktur voraussetzt, auch noch über mehrere Mitgliedstaaten verteilen müssten243. Fordert man für Parteien im Grün 239

Kluth, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 20 AEUV Rn. 4. Kluth, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 20 AEUV Rn. 6. 241 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 210. 242 So auch: Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 210. 243 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 210. 240

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dungsstadium eine transnationale Vertretung, um den Parteienbegriff zu erfüllen und sich auf die Rechte der Chancengleichheit, Programmfreiheit etc. berufen zu können, ist damit ein schwerwiegender Eingriff in die Parteienfreiheit verbunden, der sich bei Bürgerparteien nicht aus den zu den Parteienföderationen angestellten Erwägungen rechtfertigen lässt. Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass der primärrechtliche Parteien­ begriff für Parteienföderationen aus der Natur der Sache eine Vertretung in mehreren Mitgliedstaaten voraussetzt, während eine solche bei Bürgerparteien nicht erforderlich ist. Art. 3 Abs. 1 b) VO setzt hingegen für beide Organisationsformen unterschiedslos eine transnationale Repräsentativität voraus. Für die Parteien­ föderationen ist ein solches Erfordernis ohne weiteres zulässig, da es schon im Parteienbegriff des Art. 10 Abs. 4 EUV angelegt ist. Verlangt der Verordnungsgeber dies auch bei Bürgerparteien, damit sie öffentliche Finanzhilfen erhalten können, vermag eine solche Voraussetzung aber gegen parteienrechtliche Grundprinzipien des Primärrechts verstoßen. b) Vereinbarkeit der Voraussetzung der Transnationalität mit dem Primärrecht Im Zentrum der rechtlichen Auseinandersetzung steht dabei das Prinzip der Chancengleichheit. Der Zugang zu bzw. die Verweigerung von öffentlichen Finanzhilfen, also die Frage des „Ob“ einer Subventionierung, stellt für den Betroffenen eine wesentliche Beeinträchtigung seiner Wettbewerbschancen dar244, die sich nur durch zwingende Gründe rechtfertigen lässt245. Als ein eben solcher Grund kommen hier insbesondere fiskalische Interessen der Union in Frage246. Haushaltsmittel sind ein öffentliches Gut, mit dem die öffentliche Hand sparsam umgehen soll. Erfährt die Auslegung des Parteienbegriffs eine gewisse Groß­ zügigkeit, um kleinen und neuen Parteien den Zugang zum politischen Wettbewerb nicht über Gebühr zu erschweren, besteht bei ähnlich niedrigen Voraus­ setzungen für einen Anspruch auf Finanzhilfen das Risiko, dass Parteigründungen allein zu dem Zweck erfolgen, in den Genuss öffentlicher Mittel zu kommen247. Zusätzliche Voraussetzungen können die Gefahr solcher Mitnahmeeffekte minimieren. Einschränkungen dürfen jedoch nicht so weit gehen, dass die Gründung neuer Parteien übermäßig erschwert und die Betätigung kleiner Parteien unangemessen behindert wird. Es darf keine Situation entstehen, in der Parteienfinanzierung als „Schutz vor Konkurrenz“ wirken kann248. Das Parteienrecht muss aufkommenden Teilnehmern des politischen Prozesses eine reelle Möglichkeit geben, 244

Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 128. Siehe hierzu ausführlich: § 4 B. III. 246 Merten, MIP 2003, 40 (46 f.). 247 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 211 f. 248 Zu diesem Risiko: BVerfGE 111, 382 (405). 245

B. Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 VO

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mit Erfolg an diesem zu partizipieren. Von daher darf auch die Parteienfinanzierung nicht als Vorwand genutzt werden, neue politische Strömungen vom politischen System fernzuhalten249. Trotzdem kann der Verordnungsgeber Voraussetzungen der Subventionsgewährung festsetzen, die einen Missbrauch öffentlicher Mittel verhindern. Um dennoch zu gewährleisten, dass die Offenheit des politischen Prozesses nicht beeinträchtigt wird, lässt sich das Risiko von Mitnahmeeffekten einfangen, indem eine Partei ausreichend darlegen muss, dass sie ihre politischen Ziele ernsthaft verfolgt. Ein gewisser Nachweis der Ernsthaftigkeit, tatsächlich Teil des politischen Willensbildungsprozesses sein zu wollen, mag man durchaus – wie es das Beispiel der Bundesrepublik zeigt – schon als ein Element des Parteienbegriffs betrachten250. Im Zusammenhang mit der Gewährung öffentlicher Mittel kann indes die Vorsicht, Organisationen aufgrund ihrer vermeintlich fehlenden Ernsthaftigkeit jegliche Rechte der politische Parteien vorzuenthalten, ein wenig vernachlässigt werden und insofern auch höhere Anforderungen an den Beleg ihrer Ernsthaftigkeit gestellt werden251. Das Erfordernis transnationaler Aktivität von Bürgerparteien für die europäische Ebene setzt gerade eine solch höhere Hürde, die sich für einzelne Parteien als durchaus schwieriger zu überspringen erweisen kann. „Schwieriger“ bedeutet in diesem Fall aber noch nicht unangemessen. Die Voraussetzung einer Vertretung in mehreren Mitgliedstaaten benachteiligt kleine Parteien nicht in einem Ausmaß, dass sie als „Schutz vor Konkurrenz“ gewertet werden kann. Auch kleinen, neu gegründeten Parteien kann es zur Darlegung der Ernsthaftigkeit ihres „unionsweiten Politikanspruchs“252 und ihres Bemühens um einen Stellenwert in der politischen Landschaft der Europäischen Union zugemutet werden, in mehr als einem Mitgliedstaat zu wirken. Entscheidendes Kriterium ist nur, dass die Partei überhaupt in verschieden Mitgliedstaaten tätig ist. Dies sagt noch nichts darüber aus, inwieweit die Partei in diesen Staaten auch Erfolg haben muss. Es versteht sich aber von selbst, dass es Parteien leichter fällt, ein Kriterium zu erfüllen, das lediglich eine Vertretung der Organisation in einem bestimmten Radius vorsieht, als einen bestimmten Erfolg bei Wahlen zu erreichen. Einem Rückgriff auf eine Aktivität in mehreren Mitgliedstaaten mag man nun entgegensetzen, dass er der Ausrichtung individualmitgliedschaftlich organisierter Parteien auf die Unionsbürger widerspricht253. Bürgerparteien sind das parteipolitische Äquivalent zur „Union der Bürger“. Eine transnationale Vertretung richtet sich hingegen nach den Grenzen der Mitgliedstaaten, also der „Union der 249

BVerfGE 111, 382 (405); Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 21 Rn. 175. Vgl. hierzu: Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 39; Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 32. 251 In diesem Zusammenhang hat auch das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 24, 300 (342) festgestellt, dass für den Nachweis der Ernsthaftigkeit der Wahlkampfbemühungen niedrigere Anforderungen anzusetzen sind als im Bereich der Parteienfinanzierung. 252 Zu diesem Begriff: Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 59. 253 In diese Richtung geht aber die Kritik von Buhr, Europäische Parteien, S. 107. 250

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§ 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung 

Staaten“. Der Gedanke verabsolutiert jedoch das hinter den verschiedenen organisatorischen Strukturen der Parteien stehende Modell in einer Art und Weise, die dem europäischen Recht grundsätzlich fremd ist. So sind auch bei den Institutionen der Europäischen Union die Elemente sowohl der Staaten- als auch der Bürgerunion regelmäßig miteinander verwoben254. Zwar tendiert beispielsweise das Europäische Parlament als Teil der unionsunmittelbaren Legitimationskette zu einer Volksvertretung, also einem Bestandteil der Bürgerunion, da die Abgeordneten direkt gewählt werden, daneben weist es indes mit der bestehenden degressiv-proportionalen Mandatsverteilung gleichzeitig Elemente einer Völkervertretung auf. So entspricht die Zahl der pro Mitgliedsstaat entsandten Abgeordneten nicht den in den Mitgliedstaaten geltenden Voraussetzungen über die Wahlrechtsgleichheit255, womit das Wahlrecht zum Europäischen Parlament nicht an die Gleichheit der Unionsbürger, sondern an die Zugehörigkeit zu einem Volk eines Mitgliedstaates anknüpft256. Zusammensetzung und Wahl des Europäischen Parlaments sind insoweit entgegen der Formulierung des Art.  10 Abs.  2 UAbs. 1 EUV nicht allein Ausdruck bürgerschaftlicher Partizipation auf Unionsebene, sondern vielmehr selbst Bestandteil des dualistischen Legitimationsmodells zwischen einer unionsbürgerschaftlich und einer mitgliedstaatlich vermittelten Legitimation257. Ein gleichgearteter Kompromiss mit jedoch umgekehrten Vorzeichen findet sich auf der Ebene des Rates bzw. des Europäischen Rates. Diese sind nach ihrer Struktur zunächst einmal Bestandteile einer „Union der Staaten“258, über die sich die zweite Legitimationskette vollzieht259. Gemäß Art.  16 Abs.  2 EUV besteht der Rat aus je einem Vertreter jedes Mitgliedstaates auf Ministerebene. Damit ist zunächst einmal nach dem Prinzip der Staatengleichheit im Rat jeder Mitgliedstaat mit einer Stimme vertreten. Gleichwohl ist auch dieses Prinzip gewissen Einschränkungen beim Abstimmungsverfahren unterworfen, das einen Mittelweg zwischen der reinen Staatengleichheit und der Abbildung der Mehrheitsver-

254

Ähnlich auch: Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 101. Vgl. hierzu: BVerfGE 123, 267 (374 ff.); kritisch zu dieser Rechtsprechung: Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 636 ff. 256 BVerfGE 123, 267 (374 f.). 257 In diesem Sinne: Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 182 ff.; so wohl auch: Möstl, Vertrag von Lissabon, S. 71, der jedoch auf S. 75 zum umgekehrten Ergebnis kommt, dass das Europäische Parlament primär eine Vertretung der Völker ist, die sich jedoch im Integrationsprozess „bereits ein Stück weit supranational geöffnet“ hat. Callies, Die neue Europäische Union nach dem Vertrag von Lissabon, S. 172 sieht zwar wohl ebenso das Europäische Parlament primär als Vertretung der Bürgerinnen und Bürger an, jedoch erkennt auch er im Zusammenhang mit der Sitzverteilung an, dass hier das Modell der Wahlrechtsgleichheit mit dem völkerrechtlichen Grundsatz der Staatengleichheit konkurriert. 258 Möstl, Vertrag von Lissabon, S. 85; in diese Richtung auch: Hakenberg, Europarecht, Rn. 100; zum Europäischen Rat ebenso: Callies, Die neue Europäische Union nach dem Vertrag von Lissabon, S. 127 f. 259 von Bogdandy, in: von Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, S. 13 (65). 255

B. Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 VO

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hältnisse der Bürger beschreitet260. Der Rat beschließt nach Art. 16 Abs. 3 EUV, soweit in den Verträgen nichts anderes festgelegt ist, mit qualifizierter Mehrheit. Eine qualifizierte Mehrheit ist gemäß Art. 16 Abs. 4 EUV gegeben, wenn eine Mehrheit von 55 Prozent der Mitglieder des Rates, gebildet aus mindestens 15 Mitgliedstaaten, vorliegt, sofern die von diesen vertretenen Mitgliedstaaten zusammen mindestens 65 Prozent der Bevölkerung der Union ausmachen. Durch dieses Prinzip der „doppelten Mehrheit“ wird wiederum die Staatengleichheit im Hinblick auf die Zahl der von den Mitgliedstaaten repräsentierten Bürger modifiziert261 und damit ebenfalls ein Kompromiss im Hinblick auf die „Union der Staaten und Bürger“ hergestellt262. Gerade und vor allem die „Europäische Bürgerinitiative“, die als Element partizipativer Demokratie mit den europäischen Parteien in besonderer Verbindung steht und mit den Bürgerparteien gemeinsam hat, dass in ihrem Zentrum die Unionsbürger stehen263, zeigt ebenfalls ähnliche Elemente. Trotz ihrer Ausrichtung auf die Unionsbürgerschaft bestimmt Art. 11 EUV, dass es sich bei den Initiatoren um Staatsangehörige einer erheblichen Zahl von Mitgliedstaaten handeln muss. Damit ist auch die Zulässigkeit einer europäischen Bürgerinitiative neben einem Mindestquorum an teilnehmenden Bürgern von einer Mindestrepräsentativität in verschiedenen Mitgliedstaaten abhängig. Aufgrund dieser europäischen Besonderheiten lässt sich auch die Kritik am „Drei-Länder-Quorum“ des § 18 Abs. 4 S. 3 PartG a. F. nicht übertragen264. Hiernach hatten Parteien einen Anspruch auf staatliche Mittel, wenn sie nach dem endgültigen Wahlergebnis der jeweils letzten Europa- oder Bundestagswahlen mindestens 0,5 Prozent oder bei mindestens drei der jeweils letzten Landtagswahlen ein Prozent oder bei einer der jeweils letzten Landtagswahlen fünf Prozent der für die Listen abgegebenen gültigen Stimmen erreicht haben. Das Bundesverfassungsgericht sah bei dieser Regelung die Chancengleichheit der politischen Parteien unter anderem deshalb als verletzt an, weil die mit dem „Drei-Länder-Quorum“ verbundene Forderung nach einer „bundespolitischen Bedeutung“ mit der föderalen Struktur der Bundesrepublik unvereinbar sei265. Von daher genügt es im deutschen Parteienfinanzierungsrecht, wenn sich eine Partei auf bundes- oder landespolitischer Ebene betätigt, indem sie an der Bundestagswahl oder an einer Landtagswahl teilnimmt266. Parteien sind in Deutschland schon dann förderungswürdig, wenn sie sich lediglich in einem Bundesland mit landesspezifischen Themen be 260

Möstl, Vertrag von Lissabon, S. 88. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 183; Geiger, in: Geiger/Khan/Kotzur, EUV/ AEUV, Art. 10 EUV Rn. 10; zur Mehrheitsfindung innerhalb des Rates ausführlich: Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 971 ff. 262 Möstl, Vertrag von Lissabon, S. 89. 263 Guckelsberger, DÖV 2010, 745 (746). 264 So aber: Buhr, Europäische Parteien, S. 107. 265 BVerfGE 111, 382 (409 f.). 266 Vgl. Wißmann, in: Kersten/Rixen, PartG, § 2 Rn. 29. 261

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§ 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung 

fassen und auf die politische Willensbildung der Bürger eines Landes mit der Teilnahme an einer Landtagswahl Einfluss nehmen wollen267. Auf das europäische Recht übertragen würde dies bedeuten, dass eine Teilnahme an Wahlen zu einem nationalen Parlament oder eine Teilnahme an Europawahlen in einem Mitgliedsland genügen müsste, um durch die Europäische Union gefördert zu werden. Derweil würde eine solche Übertragung aber den Unterschieden zwischen deutschem und europäischem Parteienrecht nicht gerecht. Während in der Bundesrepublik eine Partei keinen „bundespolitischen“ Politikanspruch haben muss, sondern auch ein „landespolitischer“ Anspruch genügt, was schon aus der Definition des § 2 Abs. 1 PartG erkennbar ist, ist gerade der Wille, an der Willensbildung der Europäischen Union mitzuwirken, für das europäische Parteienrecht konstituierend. Aus diesem Grunde sind auch nationales und europäisches Parteienrecht strikt voneinander getrennt. Dass eine Bürgerpartei, um dem Parteienbegriff zu entsprechen, nicht zwangsläufig transnational vertreten sein muss, bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass der Verordnungsgeber nicht befugt ist, den Nachweis der Ernsthaftigkeit und die Förderungswürdigkeit hiervon abhängig zu machen. Will der Verordnungsgeber einerseits der Gefahr entgegentreten, dass eine Partei nur auf den Willensbildungsprozess eines Mitgliedstaates Einfluss nehmen will und gleichzeitig bei Bürgerparteien, die keine organisatorisch selbstständige Einheit mehrerer Parteien sind, eine Überschneidung von nationaler und europäischer Parteienfinanzierung verhindern, erweist sich die Voraussetzung transnationaler Betätigung als ein durchaus geeignetes, einen „unionsweiten Politikanspruch“ manifestierendes und angemessenes Mittel, die Ernsthaftigkeit einer europäischen Partei nachzuweisen. c) Ausgestaltung der Transnationalität Wenn eine transnationale Vertretung eine zulässige Voraussetzung für die öffentliche Finanzierung ist, stellt sich im Anschluss natürlich die Frage, in wie vielen Mitgliedstaaten eine Partei tätig sein muss. Die Verordnung verlangt von den Parteien, dass sie in mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten vertreten sind. Die Debatte zur Transnationalität wurde bisher unter der Prämisse geführt, dass ein solches Erfordernis schon Bestandteil des primärrechtlichen Parteienbegriffs ist und daher allein unter diesem Gesichtspunkt betrachtet. Die verschiedenen Auffassungen variieren dabei von einer Mindestrepräsentation in zwei268 oder drei269 267

BVerfGE 111, 382 (409). Bieber, RTD 1999, 349 (352 f.); so wohl auch: Morlok, in: Johansson/Zervakis, European political parties between cooperation and integration, S. 29 (37). 269 Jasmut, Die politischen Parteien und die europäische Integration, S. 224; Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 170 f. spricht von einer Vertretung in drei bis vier Mitgliedstaaten. Hierbei nimmt er jedoch ausdrücklich Bezug auf die in Art. 29 GO EP a. F. geregelten Voraussetzungen für eine Fraktionsbildung. Zum damaligen Zeitpunkt erlangten 268

B. Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 VO

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bzw. einem Viertel270, einem Drittel271 oder gar der Mehrzahl der Mitgliedstaaten272. Die Problematik um das Erfordernis einer transnationalen Vertretung ist nach der hier vertretenen Ansicht aber davon zu unterscheiden, dass die Verordnung nicht den Parteienbegriff des Art. 10 Abs. 4 EUV konkretisiert, sondern lediglich Voraussetzungen für eine öffentliche Finanzierung stellt. Der Verordnungsgeber hat sich mit seiner Viertel-Quote nicht an einer absoluten Zahl, sondern an einer prozentualen Mindestrepräsentativität im Verhältnis zur Gesamtzahl der Mitgliedstaaten orientiert. Eine solche relative Quote hat den Vorteil, dass sie flexibel auf den künftigen Werdegang der Union Rücksicht nehmen kann, denn die Europäische Union ist neben ihrer politischen Weiterentwicklung auch auf Erweiterung ausgelegt, so dass sich relative Größenangaben aufgrund ihrer Flexibilität und Anpassungsfähigkeit als der geeignetere Maßstab erweisen273. Diese Flexibilität berücksichtigt, dass es für Parteien oder politisch aktive Bürger umso leichter ist, in mehreren Mitgliedstaaten politisch Gleichgesinnte zu finden, je mehr Nationalstaaten Mitglied der Europäischen Union sind. Wenn schon im Zusammenhang mit dem primärrechtlichen Parteienbegriff Pa­ padopoulou der Ansicht ist, dass ein Erfordernis, in einem Drittel der Mitgliedstaaten vertreten zu sein, keine derart hohe Hürde für die europäischen Parteien darstellt, dass sie sich gezwungen sehen könnten, nur zu dem Zweck des Erfüllens des Parteienstatus Mitglieder aufzunehmen, die nicht im entsprechenden Maße die gleichen politischen Ansichten vertreten274, gilt dies erst recht bei einer Quote von einem Viertel der Mitgliedstaaten als Voraussetzung für die Gewährung öffentlicher Mittel. Der Gesetzgeber kann für eine öffentliche Parteienfinanzierung durchaus höhere Anforderungen an den Nachweis der Ernsthaftigkeit stellen als im Rahmen des primärrechtlichen Parteienbegriffs. Eine ähnliche Auffassung – wenn auch in anderem Zusammenhang  – vertritt Guckelsberger, wenn sie zur „Europäischen Bürgerinitiative“ einen Verordnungsentwurf mit einer eben solchen Quote als „einfaches sowie nutzerfreundliches Instrument“ bezeichnet275. Durch die in der Parteienverordnung geregelte Viertel-Quote wird die Betätigung Zusammenschlüsse von Abgeordneten den Fraktionsstatus, wenn sie sich aus drei bzw. vier oder mehr Mitgliedstaaten zusammensetzten. Nunmehr ist die Bildung gemäß Art. 30 Abs. 2 GO EP ebenso davon abhängig, dass Abgeordnete einer Fraktion aus mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten stammen. 270 Koch, in: FS Rengeling, S. 307 (312). 271 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Dezember 1996, EuGRZ 1997, 77; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 188; Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 363 f.; Tsatsos, EuGRZ 1997, 77 (80). 272 Jansen, in: FS Buchheim, S. 241 (243). 273 Schönlau, European View 3 (2006), 143 (147); im Zusammenhang mit dem primärrechtlichen Parteienbegriff auch Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 188. 274 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 188; so auch: Dorget, in: Delwit/Külahci/van de Walle, Europarties, S. 83 (90). 275 Guckelsberger, DÖV 2010, 745 (751).

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§ 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung 

und Chancengleichheit kleinerer Parteien nicht unangemessen benachteiligt. Akteure, die sich ernsthaft dem politischen Wettbewerb auf europäischer Ebene stellen wollen, können diese Voraussetzung erfüllen, ohne dass ihnen eine nur schwer zu bewältigende Hürde auferlegt wird, da es zunächst einmal nur um die reine Vertretung in mehreren Mitgliedstaaten geht. Daher ist das Quorum des Art. 3 Abs. 1 b) VO in Bezug auf die reine Vertretung weder ein übermäßiger Eingriff in die Parteienfreiheit noch in die Parteiengleichheit276. d) Zusammenfassung Die transnationale Betätigung einer politischen Partei ist nur für Parteienföderationen, nicht hingegen für europäische Bürgerparteien Element des Parteienbegriffs des Art. 10 Abs. 4 EUV. Da es sich bei der Verordnung jedoch nicht um eine umfassende Regelung des Rechts der politischen Parteien auf europäischer Ebene, sondern lediglich um Finanzierungsregelungen handelt, ist es dem Verordnungsgeber grundsätzlich möglich, vom primärrechtlichen Parteienbegriff abzuweichen. Soweit die Verordnung auch für Bürgerparteien eine transnationale Betätigung fordert und zur Voraussetzung für einen Anspruch auf Finanzhilfen macht, ist dies mit dem Grundsatz der Chancengleichheit vereinbar. 2. Erfolgsabhängiger Bezugspunkt Um an der öffentlichen Parteienfinanzierung zu partizipieren, müssen die Parteien neben der transnationalen Vertretung auch einen gewissen Erfolg bei Wahlen haben. Gemäß Art. 3 Abs. 1 b) UAbs. 1 VO muss eine europäische Partei in mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten durch Mitglieder im Europäischen Parlament, in den nationalen bzw. regionalen Parlamenten oder Regionalversammlungen vertreten sein. Alternativ hierzu erfüllt eine europäische Partei nach Art. 3 Abs. 1 b) UAbs. 2 VO die Voraussetzung, wenn sie in mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten bei der letzten Wahl zum Europäischen Parlament mindestens drei Prozent der abgegebenen Stimmen in jedem dieser Mitgliedstaaten erreicht hat. Grundsätzlich ist es dem Verordnungsgeber nicht verwehrt, den Anspruch auf öffentliche Mittel von einem Mindestanteil an Stimmen abhängig zu machen, um der Gefahr des Missbrauchs entgegenzuwirken277. Ein solches Mindestquorum findet sich ebenfalls im deutschen Parteienrecht. Aufgrund der Regelung des § 18 Abs. 4 PartG benötigen Parteien grundsätzlich 0,5 Prozent der Stimmen bei der jeweils letzten Europa- oder Bundestagswahl oder ein Prozent der Stimmen bei 276

So aber: Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 212 f. Vgl. zum deutschen Recht: BVerfGE 20, 56 (118); Streinz, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 21 Rn. 192. 277

B. Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 VO

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einer Landtagswahl. Die Zulässigkeit eines Mindestanteils ist in der parteienrechtlichen Literatur unumstritten278. Solche Mindestgrenzen finden sich daher auch in der weit überwiegenden Zahl der anderen Mitgliedstaaten, in denen politische Parteien öffentlich subventioniert werden279. a) Mindestquorum bei Wahlen zum Europäischen Parlament nach Art. 3 Abs. 1 b) UAbs. 2 VO Zunächst stellt sich die Frage, ob das Quorum des Art. 3 Abs. 1 b) UAbs. 2 VO, nach dem eine europäische Partei in mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten bei den letzten Wahlen zum Europäischen Parlament mindestens drei Prozent der abgegebenen Stimmen in jedem dieser Mitgliedstaaten erreichen muss, mit dem Grundsatz der Chancengleichheit vereinbar ist. Papadopoulou schlug vor dem Erlass der Verordnung ein Kriterium vor, nach dem eine europäische Partei in mindestens einem Drittel der Mitgliedstaaten drei Prozent der Stimmen bei der letzten Europawahl erhalten muss280. Nach diesem Verständnis wäre die Regelung des Art. 3 Abs. 1 b) UAbs. 2 VO primärrechtskonform. In diesem Sinne sieht auch Koch ein solches Quorum als von der Konkretisierungsbefugnis des Verordnungsgebers umfasst an281. Vergleicht man diese Drei-Prozent-Klausel mit der Regelung des § 18 Abs.  4 PartG, bei der eine Partei 0,5 Prozent der Stimmen bei der letzten Bundestagswahl erreichen muss, so fällt ins Auge, dass das europäische Recht ein deutlich höheres Quorum als das deutsche Parteienfinanzierungsrecht vorsieht. Auf den zweiten Blick erkennt man jedoch, dass beide Regelungen signifikante Unterschiede aufweisen und sich nicht ohne weiteres vergleichen lassen. In Deutschland muss eine Partei die Klausel von 0,5 Prozent der Stimmen im ganzen Bundesgebiet erfüllen. Demgegenüber müssen die Europaparteien nach Art. 3 Abs. 1 b) UAbs. 2 VO das dort beschriebene Drei-Prozent-Quorum nicht auf dem ganzen Unions­ gebiet, sondern nur in einem Viertel der Mitgliedstaaten erreichen. Insofern kann eine europäische Partei – bezogen auf ihr gesamteuropäisches Ergebnis bei den Wahlen zum Europäischen Parlament – durchaus unter der Grenze von drei Pro-

278 Bäcker, MIP 2011, 5 (7); Empfehlungen der Kommission zur Parteienfinanzierung, S. 59; Ipsen, JZ 1992, 753 (759); Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 85; Schneider, MIP 1995, 55 (66). 279 Entsprechende Regelungen finden sich beispielsweise in Belgien (Suetens, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 19 (44)), Dänemark (Vesterdorf, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 61 (72)), Frankreich (Fromont, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 149 (173)), Griechenland (Stefanou, MIP 2004/2005, 67 (68)) und Spanien (Puente-Egido, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 421 (439)). 280 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 261. 281 Koch, in: FS Rengeling, S. 307 (312).

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§ 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung 

zent bleiben und trotzdem öffentliche Mittel aus dem Haushalt der Europäischen Union erhalten. Dass sich das europäische Parteienfinanzierungsrecht an den Wahlergebnissen in den einzelnen Mitgliedstaaten und nicht am gesamteuropäischen Erfolg der Partei orientiert, erklärt sich daraus, dass es ein europaweites Wahlergebnis, das Grundlage für die Zusammensetzung des Europäischen Parlamentes ist, schlichtweg noch nicht gibt. Vielmehr bestimmen sich dessen Mehrheitsverhältnisse anhand der Wahlergebnisse der jeweiligen nationalen Mitgliedsparteien. Auch an diesem Punkt schlägt sich wieder die Problematik nieder, dass ein einheitliches europäisches Wahlrecht mit einheitlichen europäischen Listen fehlt282. Begrenzt man aber den vorausgesetzten Erfolg einer Partei nur auf ein bestimmtes Teil­ gebiet, hier also auf eine bestimmte Zahl von Mitgliedstaaten, ist es naheliegend, die Anforderungen höher anzusetzen, als es bei einem europaweiten Erfolg als relevanter Bezugspunkt der Fall ist. Für diese Annahme spricht auch ein Vergleich mit der parallelen Regelung des § 18 Abs. 4 PartG. Während einer Partei bei den Bundestagswahlen ein bundesweiter Erfolg von 0,5 Prozent der Stimmen genügt, muss sie bei einer Landtagswahl mehr als ein Prozent der Stimmen erhalten. Trotz alledem sind nach herrschender Meinung die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 b) UAbs. 1 VO mit dem Grundsatz der Chancengleichheit unvereinbar283. Die Verfassungswidrigkeit wird teilweise zwar schon auf das Kriterium der Transnationalität gestützt284, jedoch steht auch und gerade die Drei-Prozent-Regelung im Zentrum der – berechtigten – Kritik285. Mit einer derart hohen Grenze werden neu gegründete und kleine Parteien unangemessen benachteiligt, was letztlich die Gefahr einer Zementierung des status quo im demokratischen Wettbewerb erheblich vergrößert286. Von daher verstößt die Regelung gegen die Gleichheit und Offenheit des politischen Prozesses287. Je höher der Verordnungsgeber eine solche Klausel ansetzt, desto größer ist auch das Risiko einer Kartellbildung der großen bzw. etablierten Parteien. Politische Parteien dürfen von der öffentlichen Finanzierung nicht mit der Begründung ferngehalten werden, dass sie eine politische Minderheit vertreten. Einzig zulässiges Kriterium ist die Gefahr eines Missbrauchs. 282

Vgl. hierzu: § 3 B. I. Armbruch, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 213; Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 104 ff.; Merten, MIP 2004/2005, 45 (47); Morlok, in: von Arnim, Politikfinanzierung in der Europäischen Union, S.  12; Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 317; Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 102; ebenso kritisiert auch zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 273 die Höhe des Quorums. 284 Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art.  224 AEUV Rn.  10; Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 105; von Arnim, NJW 2005, 247 (251); hierzu tendiert wohl auch: Morlok, in: von Arnim, Politikfinanzierung in der Europäischen Union, S. 12. 285 Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 106; von Arnim, NJW 2005, 247 (251). 286 Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art.  191 Rn.  106; Morlok, in: von Arnim, Politik­ finanzierung in der Europäischen Union, S. 12; von Arnim, NJW 2005, 247 (251). 287 von Arnim, NJW 2005, 247 (251). 283

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Daher kann eine Erfolgsklausel lediglich ein formales Kriterium zur Bestimmung der Ernsthaftigkeit der parteipolitischen Betätigung sein. Die Voraussetzung eines Wahlerfolges in Höhe von drei Prozentpunkten enthält somit eine unangemessene Einschränkung der grundsätzlich formalen Gleich­ behandlung politischer Parteien. Sie kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, sie beuge der Gefahr von Mitnahmeeffekten vor. Deutlich wird dies erneut bei einem Vergleich mit § 18 Abs. 4 S. 1 PartG. Wenn der deutsche Parteiengesetzgeber die Gefahr eines Missbrauchs öffentlicher Subventionen durch Scheinparteien auf Landesebene höher einschätzt und daher von einer Partei bei Landtagswahlen einen größeren Wahlerfolg fordert, liegt er mit einer Klausel von einem Prozentpunkt immer noch deutlich unter dem in der europäischen Parteienverordnung festgelegten Wert. Dazu müssen deutsche Parteien diesen Wert nur in einem Bundesland und nicht in mehreren Ländern erreichen. Zwar partizipieren in einigen anderen europäischen Staaten ebenfalls nur Parteien an öffentlichen Mitteln, wenn sie ein höheres Quorum überspringen288 oder gar Sitze im Parlament erlangen289, jedoch sind solche Regelungen in der dortigen parteienrechtlichen Literatur ebenfalls Kritik ausgesetzt290 oder das jeweilige Land hat keine oder niedrigere Klauseln, was politischen Parteien den Einzug in die Parlamente erheblich erleichtert291. Von daher lassen sich aus diesen nationalstaatlichen Regelungen keine Rückschlüsse ziehen, dass auf Unionsebene ein solch hohes Quorum primärrechtskonform ist. Die Bedenken gegen die Zulässigkeit der Drei-Prozent-Klausel nehmen noch zu, wenn man berücksichtigt, dass sie kumulativ zum Erfordernis der transnationalen Vertretung europäischer Parteien hinzutritt. Politische Parteien auf europäischer Ebene müssen also nicht nur in mindestens einem Viertel der Mitglied 288 Ein solches existiert bspw. in Griechenland: Papadimitriou, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 197 (213); auch in Litauen müssen die Parteien, um an der staatlichen Parteienfinanzierung partizipieren zu können, ein Quorum von 3 Prozent der Stimmen bei den Parlamentswahlen überspringen: Vaigauskas, in: Manssen, Die Finanzierung von politischen Parteien in Europa, S. 9 (10); ebenso müssen polnische Parteien mindestens 3 Prozent oder gar 6 Prozent – sofern sie von der in Polen geschaffenen Möglichkeit als Wahlkoalition bei Wahlen anzutreten, Gebrauch machen – der abgegebenen Stimmen bei der letzten Parlamentswahl erreicht haben: Malicka/Balicki, in: Manssen, Die Finanzierung von politischen Parteien in Europa, S. 39 (45). 289 Für Belgien: Suetens, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 19 (44); Frankreich: Fromont, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 149 (173); Spanien: Puente-Egido, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 421 (439); Bulgarien: Konstantinov, in: Tsatsos/Kedzia, Parteienrecht in mittel- und osteuropäischen Staaten, S. 23 (66). 290 Papadimitriou, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S.  197 (213 ff.); Puente-Egido, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 421 (439 f.); Suetens, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 19 (44 f.). 291 Eine Sperrklausel fehlt bspw. in Belgien: Suetens, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 27 (70); vgl. zu den Wahlsystemen in den Mitgliedstaaten: von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 118 ff.

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staaten politische Aktivitäten entfalten, sondern dort anschließend noch bei den Europawahlen erfolgreich sein. Anderenfalls sind sie von der Parteienfinanzierung nach dem „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ ausgeschlossen292. Wenngleich die Anforderung einer transnationalen Betätigung für sich allein genommen  – und auch in Verbindung mit einem gewissen Wahlerfolg – eine grundsätzlich zulässige Voraussetzung für die Gewährung öffentlicher Subventionen darstellt, so verstärkt der Zusammenhang mit dem Mindestrepräsentationserfordernis die Annahme, dass die Regelung zu einer unverhältnismäßigen Benachteiligung kleiner Parteien führt. Sie verschließt damit regelmäßig die Tür zur öffentlichen Finanzierung für im Entstehen begriffene Parteien, die im politischen Wettbewerb ver­ suchen Fuß zu fassen293. Dies gilt gerade und vor allem für Bürgerparteien, die sich am „Markt“ erst herausbilden und etablieren wollen. Von daher lässt sich das Drei-Prozent-Quorum für einen Finanzierungsanspruch nicht mit dem Grundsatz der Chancengleichheit in Einklang bringen. b) Vertretung in Parlamenten auf europäischer, nationaler oder regionaler Ebene nach Art. 3 Abs. 1 b) UAbs. 1 VO Alternativ zur Anforderung des Art.  3 Abs.  1 b)  UAbs. 2 VO können politische Parteien auf europäischer Ebene noch an der Parteienfinanzierung partizipieren, wenn sie in mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten durch Mitglieder des Europäischen Parlaments oder in den nationalen oder regionalen Parlamenten oder Regionalversammlungen vertreten sind. Diese Regelung weist Schwierigkeiten gleich in doppelter Hinsicht auf: so ist zum einen auch hier unklar, ob sie primärrechtskonform ist. Zum anderen erscheint – insbesondere im Hinblick auf die Voraussetzung einer Vertretung in Parlamenten auf regionaler Ebene – fraglich, welche Parlamente hiervon erfasst sind. aa) Vereinbarkeit mit dem Primärrecht Auf den ersten Blick erscheint Art.  3 Abs.  1 b)  UAbs. 1 VO unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit unproblematischer, da es für europäische Parteien leichter ist, bei nationalen oder regionalen Wahlen erfolgreich zu sein als das Quorum des Unterabsatzes 2 zu erfüllen294. Bei genauerer Betrachtung können jedoch Zweifel aufkommen, ob der Anspruch auf Finanzhilfen durch die Europäische Union an europäische Parteien überhaupt von einem nationalen oder regio 292 Siehe die gleichgelagerte Argumentation des BVerfG zum sog. „Drei-Länder-Quorum“: BVerfGE 111, 382 (403 ff.). 293 So auch zum „Drei-Länder-Quorum“: BVerfGE 111, 382 (407). 294 Armbrecht, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 209; in diesem Sinne wohl auch: von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 54 f.

B. Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 VO

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nalen Wahlerfolg abhängig gemacht werden darf. An diesen Gedanken knüpft die harsche Kritik von Arnims und Schurigs an, die monieren, dass das Kriterium zu einem faktischen Ausschluss europäischer Bürgerparteien führe. Solche Parteien hätten lediglich ein Interesse, sich an Wahlen zum Europäischen Parlament zu beteiligen und könnten daher nur über die schwerer zu erfüllenden Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 b) UAbs. 2 VO an der europäischen Parteienfinanzierung partizipieren295. Infolgedessen wäre ihre Möglichkeit, am politischen Wettbewerb mitzuwirken, unverhältnismäßig eingeschränkt296. Ein solcher Einwand übersieht aber die Eigenart der Union als ein politisches Mehrebenensystem. Ihre gegenwärtige politische Struktur ist schon gar nicht darauf ausgelegt, dass sich Parteien nur an Wahlen auf europäischer Ebene beteiligen, auch wenn sie sich nur oder zumindest primär mit europapolitischen Themen auseinandersetzen wollen. Europapolitische Entscheidungen werden innerhalb dieses Systems vielfach gerade nicht nur vom Europäischen Parlament, sondern weiterhin daneben oder in erster Linie vom Rat getroffen, dessen personelle Zusammensetzung sich aber nach dem Ausgang nationaler Wahlen richtet. Wenn aus diesem Grunde Entscheidungsstrukturen sowohl über die nationale als auch die genuin europäische Ebene verlaufen, liegt es in der Natur der Sache, dass europäische Parteien sich diesem politischen Umfeld anpassen297. Solange aber die Entscheidungsgewalt zwischen den genuin europäisch besetzten Institutionen und den Mitgliedstaaten verschränkt ist, solange sind auch die Parteien dazu „verurteilt“, auf beiden Ebenen zu agieren298. Dann kann jedoch keine Rede davon sein, dass europäische Bürgerparteien kein Interesse daran hätten, an nationalen Wahlen teilzunehmen, wenn sie europäische Politik umfassend über beide Handlungsstränge der Union gestalten wollen. Auch die nationalen Parlamente sind Glieder der mittelbaren, über die Mitgliedstaaten verlaufenden Legitimation der Europäischen Union. Dass sich dieser Gleichlauf zwischen europäischen und nationalen Legitimationssträngen in naher Zukunft wohl kaum auflösen wird299, lässt sich ins­besondere am Beispiel des Art. 12 EUV festmachen, der zur Stärkung des mittelbaren Legitimationsniveaus den nationalen Parlamenten eine wachsende Bedeutung zukommen lassen will300. Unter diesem Gesichtspunkt ist dann auch die Einbeziehung von Wahlen der regionalen Ebene verständlich. Wenngleich der Ausschuss der Regionen kein Organ

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von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 59 f. von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S.  58; in diese Richtung auch: Armbrecht, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 210. 297 Vgl. hierzu: A. II. 3. c); zum Zusammenspiel der verschiedenen Ebenen anschaulich: Pernice, VVDStRL 60 (2001), 148 (177 f.). 298 Magnette, in: Delwit/Külahci/van de Walle, Europarties, S. 69 (74). 299 BVerfGE 89, 155 (185 f.); Pernice, VVDStRL 60 (2001), 148 (178). 300 Vgl. zur gesteigerten Bedeutung der mitgliedstaatlichen Parlamente: Nowak, Europarecht nach Lissabon, S. 114 ff. 296

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der Union ist und ihm im Wesentlichen nur eine beratende Funktion zukommt301, so dient die Einbeziehung der Regionen doch einer erhöhten Legitimität europäischer Entscheidungen, da die Partizipation dezentraler Entscheidungsträger eine verstärkte Bürgernähe mit sich bringt302. Diesem Gedanken hat der Vertrag von Lissabon Rechnung getragen, indem er dem Ausschuss der Regionen ein Klagerecht für die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips einräumt303. Insofern bildet die regionale Komponente zwar keine vollwertige „dritte Ebene“ der Europäischen Union, die sich dann in Union, Mitgliedstaaten und Regionen aufteilen304 und ein institutionelles Gleichgewicht innerhalb dieses dreistufigen Aufbaus erfordern würde305. Aber zumindest ist in den Unionsverträgen durch den Ausschuss der Regionen eine solche hinzutretende Ebene angedeutet. Vor diesem Hintergrund lässt sich über den Ausschuss der Regionen ein Zusammenhang zwischen europäischer Politik und regionalen Wahlen herstellen, der es dem Verordnungsgeber im Rahmen seiner Regelungsbefugnis ermöglicht, öffentliche Mittel auch aufgrund von Wahlerfolgen auf regionaler Ebene zu vergeben. Soweit der Verordnungsgeber Wahlen zu nationalen und regionalen Parlamenten in die Finanzierungsregelungen auf europäischer Ebene einbezieht, kann man zudem ein Problem darin erkennen, dass die Bevölkerungszahlen der einzelnen Mitgliedstaaten sehr stark variieren. Aus diesen Unterschieden wird teilweise eine Benachteiligung solcher Parteien gefolgert, die in großen Mitgliedstaaten der Union beheimatet sind, da es deutlich einfacher sei, in kleineren Mitgliedstaaten in ein Parlament einzuziehen306. Bei einer geringeren Zahl von Wahlberechtigten seien auch deutlich weniger Stimmen zum Einzug in ein Parlament erforderlich als in bevölkerungsreichen Mitgliedstaaten307. Hinter dieser Theorie steht der einfache Gedanke: Benötige ich in einem kleinen Mitgliedstaat weniger Stimmen, um im Parlament vertreten zu sein, ist es für die Parteien auch die kleinere Herausforderung, diese geringere Zahl von Stimmen zu erreichen. Doch greift dieser Ansatz zu kurz. Benötige ich in einem kleinen Mitgliedstaat weniger Stimmen, so ist in diesem bevölkerungsärmeren Staat auch mein abstraktes Wählerpotential geringer. Kurz: Je weniger Bürger ein Staat hat, desto weniger Bürger kann eine Partei auch von sich überzeugen. Umgekehrt bedeutet dies dann: Je größer ein Mitgliedstaat ist, desto größer ist auch das abstrakte Potential an Wählern einer Partei, so dass es dementsprechend dort auch einfacher ist, eine größere Zahl von absoluten Stimmen zu erreichen. In diesem Sinne hat auch das Bundesverfassungsge-

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Burgi/Hölbling, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 300 AEUV Rn. 3. Blanke, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 300 AEUV Rn. 18. 303 Suhr, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 300 AEUV Rn. 42. 304 Kaufmann-Bühler, in: Lenz/Borchardt, EUV/AEUV, Art. 300 AEUV Rn. 8. 305 Blanke, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 300 AEUV Rn. 61. 306 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S.  211; von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 55 f. 307 Vgl. die Übersicht zu den erforderlichen Stimmen zum Einzug in ein nationales Parlament in von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 118 ff. 302

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richt im Zusammenhang des „Drei-Länder-Quorums“ richtigerweise festgestellt, dass allein die Größe eines Landes nicht „notwendigerweise Auswirkungen auf den Wahlerfolg hat“308. Wenn aber die Größe eines Staates an sich noch nichts über die Chancen einer Partei aussagt, in ein Parlament einzuziehen, liegt schon keine rechtfertigungs­ bedürftige Ungleichbehandlung vor, so dass das Recht auf Chancengleichheit in diesem Fall gar nicht tangiert wird. Insofern ist es auch nicht nur zulässig, sondern sogar geboten, auf das relative Stimmenergebnis bei den Wahlen in den jeweiligen Mitgliedstaaten Bezug zu nehmen. Denn würde die Parteienfinanzierung von einer absoluten Stimmenzahl bei nationalen oder regionalen Wahlen abhängig sein, wäre es vielmehr umgekehrt für politische Parteien in größeren Mitgliedstaaten deutlich einfacher, eine solche Hürden zu überspringen. Die Ernsthaftigkeit der Betätigung einer Partei lässt sich damit zutreffender – wie es die Verordnung auch macht – über ihr relatives Stimmengewicht messen. Die Probleme, die mit dem Kriterium der Vertretung in nationalen und regionalen Parlamenten einhergehen, kommen allerdings auf einer anderen Ebene zum Vorschein. Ob eine Partei im Parlament vertreten ist, hängt von den jewei­ligen Wahlrechtssystemen der Mitgliedstaaten ab, die aber zum Teil  in erheblichem Maße unterschiedlich ausgestaltet sind. So findet sich in einigen Mitgliedstaaten ein reines Verhältniswahlrecht ohne Sperrklausel309, andere Nationen haben wiederum eine Drei-Prozent-310, eine Vier-Prozent-311 oder eine Fünf-Prozent-Sperrklausel312. Großbritannien hat gar ein relatives Mehrheitswahlrecht313. Diese unterschiedlichen Quoren zum Einzug in die jeweiligen Parlamente haben dann aber zwangsläufig zur Folge, dass die nationalen Mitgliedsparteien auch in relativer Hinsicht einen unterschiedlichen Wahlerfolg erzielen müssen. Politische Parteien beispielsweise in den Niederlanden benötigen nur 0,67 Prozent der Stimmen, um in das nationale Parlament einzuziehen, während in Deutschland oder Estland aufgrund ihrer Sperrklauseln hingegen fünf Prozent der Stimmen erforderlich sind314. Diese unterschiedlichen Quoren führen dann letztlich doch dazu, dass die Chan 308

BVerfGE 111, 382 (401). Dies gilt für Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Irland, Malta, Niederlande, Slowenien und Ungarn. Auch im luxemburgischen Recht findet sich eine Sperrklausel ebenso nicht, jedoch gibt es eine faktische Hürde von 5–10 Prozent; vgl. von Arnim/Schurig, EUParteienfinanzierung, S. 118 ff. 310 Eine solche existiert in Griechenland und Spanien; vgl. von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 122 f. 311 Bspw. Italien, Österreich und Portugal; vgl. von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 124 ff.; eine solche Sperrklausel hat auch Bulgarien: vgl. Jaksch, Mehrheits- oder Verhältniswahlrecht, http://www.kas.de/bulgarien/de/publications/6516/ Stand: 11.04.2011. 312 Fünf-Prozent-Hürden gibt es in Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Rumänien, Tschechische Republik und Ungarn; vgl. von Arnim/Schurig, EU-Parteien­finanzierung, S. 118 ff. 313 von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 122 f. 314 Vgl. zu diesem Beispiel: von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 55. 309

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cen der Parteien in den einzelnen Mitgliedstaaten ungleich sind, da es ihnen in einem Wahlsystem mit hohen Sperrklauseln naturgemäß erheblich schwerer fällt, ein Mandat zu erringen315. Wird dies aber Anknüpfungspunkt für einen Anspruch auf öffentliche Finanzhilfen, so werden Parteien bevorzugt, die sich in Mitgliedstaaten ohne oder mit niedrigen Sperrklauseln zur Wahl stellen. Ein rechtfertigender Grund für eine solche Ungleichbehandlung ist jedoch nicht ersichtlich. Zulässig wäre demgegenüber eine zu Art. 3 Abs. 1 b) UAbs. 2 VO parallele Regelung, in der – wenn auch mit einem niedrigeren Quorum als die dort veranschlagten drei Prozentpunkte – auf einen Erfolgsquotienten bei nationalen und regionalen Wahlen abgestellt wird. Dazu würde die Problematik natürlich entfallen, wenn alle Mitgliedstaaten ihr Wahlrecht einheitlich normieren würden; eine Perspektive, die freilich mehr als unwahrscheinlich ist. bb) Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 b) UAbs. 1 VO Auch wenn die konkrete Ausgestaltung des Art. 3 Abs. 1 b) UAbs. 1 VO primärrechtswidrig ist, zeigen diese Alternativen, dass es durchaus möglich ist, den Zugang zur europäischen Parteienfinanzierung auch von den Ergebnissen der nationalen oder regionalen Wahlen abhängig zu machen. Im weiteren Verlauf ist dann aber zu klären, welche Parlamentsvertretungen unter diese Voraussetzungen fallen. Unproblematisch lässt sich dies für das Europäische Parlament bzw. die nationalen Parlamente bestimmen, worunter bezogen auf die Bundesrepublik der Bundes­tag fällt. Ungleich schwieriger gestaltet sich die Bestimmung, was ein regionales Parlament oder eine Regionalversammlung im Sinne der Verordnung ausmacht. Eine Legaldefinition enthält die Verordnung nicht. Nach Ansicht der Kommission soll der Verweis auf die regionalen Parlamente in jedem Mitgliedstaat „im Sinne seiner verfassungsrechtlichen Grundsätze interpretiert werden“316. Vor diesem Hintergrund sind bei der Bestimmung des Begriffs der „Region“ die unterschiedlichen regionalen Strukturen der einzelnen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen und das Verständnis des Begriffs für jedes Mitglied der Union gesondert festzulegen, wobei dieses Selbstdefinitionsrecht der Mitgliedstaaten seine Einschränkungen im unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz findet317. Ausgangspunkt der Interpretation ist damit immer noch ein unionsrechtliches Verständnis einer „Region“. Im

315 So auch: Eberhard/Lachmayer, in: Manssen, Die Finanzierung von politischen Parteien in Europa, S. 215 (242). 316 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Satzung und Finanzierung europäischer politischer Parteien vom 19. Februar 2003, KOM/2003/77 endgültig, S. 3. 317 So auch im ähnlich gelagerten Fall des Ausschusses der Regionen: Blanke, in: Grabitz/ Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 300 AEUV Rn. 68.

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Folgenden beschränkt sich die Darstellung daher auf eine Zuordnung des Regionsbegriffes für die Bundesrepublik. Das Unionsrecht verwendet den Begriff der „Region“ an mehreren Stellen, wobei ihm jeweils unterschiedliche Bedeutungen zukommen318. So setzt sich zum Beispiel der Ausschuss der Regionen nach einem weiten Begriffsverständnis zusammen319. Dies präzisiert Art.  300 Abs.  3 AEUV, der feststellt, dass der Ausschuss sich aus Vertretern der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften zusammensetzt, die entweder ein auf Wahlen beruhendes Mandat in einer regionalen oder lokalen Gebietskörperschaft innehaben oder gegenüber einer gewählten Versammlung politisch verantwortlich sind. „Regionale Gebietskörperschaften“ in diesem Sinne sind solche, die unmittelbar unterhalb der gesamtstaatlichen Ebene angesiedelt und mit gubernativen, legislativen und administrativen Rechten ausgestattet sind320. In Deutschland findet dies seine Entsprechung in den Bundesländern321. Unter dem Begriff der „lokalen Gebietskörperschaften“ fällt die unter der „Region“ anzusiedelnde Ebene, die in der Bundesrepublik die Gemeinden und Gemeindeverbände umfasst322. Transportiert man dieses weite Verständnis des Begriffes einer „Region“ auf die Parteienverordnung, erfüllten europäische Parteien die Voraussetzung des Art. 3 Abs. 1 b) UAbs. 1 VO schon, wenn sie in einem Gemeinderat, Kreistag etc. vertreten wären. Gegen eine solch weite Auslegung des Regionsbegriffes sprechen sich zu Recht Klein323 und wohl auch von Arnim und Schurig324 aus. von Arnim und Schurig schlagen daher vor, sich zur Präzisierung des Begriffs der „Regionalversammlung“ an der Verordnung (EG) Nr. 1059/2003 des Europäischen Parlaments und des Rats vom 26. Mai 2003 über die Schaffung einer gemeinsamen Klassifikation der Gebietseinheiten für die Statistik (NUTS) zu orientieren325. Diese Verordnung dient der Harmonisierung von Regionalstatistiken von Verwaltungseinheiten unterhalb der Ebene der Mitgliedstaaten. Nach ihrem Art. 3 Abs. 1 bilden die in den Mitgliedstaaten bestehenden Verwaltungseinheiten das erste Kriterium zur Festlegung der Gebietseinheiten, wobei der Begriff der „Verwaltungseinheit“ dabei ein geographisches Gebiet mit einer Verwaltungsbehörde bezeichnet, die befugt ist, innerhalb des gesetzlichen und institutionellen Rahmens des Mitgliedstaates Verwaltungsentscheidungen oder politische Entscheidungen für dieses Gebiet zu treffen. Ein solcher Regionsbegriff ist indes wenig hilfreich für die Begriffsbestimmung der Parteienverordnung. Im Zentrum 318

Burgi/Hölbling, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 300 AEUV Rn. 21. In diese Richtung auch: Suhr, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 300 AEUV Rn. 28; differenzierend Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 1383. 320 Frenz, in: Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 1382. 321 Burgi/Höbling, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 300 AEUV Rn. 22. 322 Burgi/Höbling, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 300 AEUV Rn. 22. 323 Klein, in: FS Ress, S. 541 (546). 324 von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 58. 325 von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 58. 319

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beider Verordnungen stehen unterschiedliche und nicht vergleichbare Bezugspunkte. Während die Verordnung (EG) Nr. 1059/2003 primär die Existenz administrativer Institutionen voraussetzt und in den Mittelpunkt ihrer Definition stellt, fokussiert sich die Parteienverordnung durch die Verwendung der Begriffe „Parlament“ und „Versammlung“ auf durch Bürger gewählte Vertretungen. Führt man diesen Gedanken wieder auf den Regionsbegriff des Art. 300 Abs. 3 AEUV zurück, so mag man hierin eine Stütze sehen, das Verständnis des Ausschusses der Regionen auf Art. 3 Abs. 1 b) UAbs. 1 VO zu übertragen. Beiden Rege­lungen ist der Bezug zu gewählten regionalen Vertretungen gemeinsam, denn auch die Mitglieder des Ausschusses der Regionen müssen entweder ein auf Wahlen beruhendes politisches Mandat oder gegenüber einer gewählten politischen Versammlung verantwortlich sein. Auch in struktureller Hinsicht liegt ihnen ein gemeinsames Verständnis zu Grunde. So trägt das Regionsverständnis des Art. 300 Abs. 3 AEUV ebenso den heterogenen Strukturen der Mitgliedstaaten Rechnung326 wie auch die Begriffe der „regionalen Parlamente“ oder „Regionalversammlungen“ unter Berücksichtigung des jeweiligen nationalen Verfassungsrechts zu interpretieren sind. Für die Begriffsbestimmung, was eine Region ausmacht, vermag zuletzt vielleicht noch die Gemeinschaftscharta der Regionalisierung herangezogen werden327. Aus Art. 14 Abs. 2 der Charta ergibt sich, dass es sich bei Regionen um eine Einheit handelt, die zwischen der staatlichen und der kommunalen Ebene anzusiedeln ist328. Gemäß Art. 6 der Charta sollen die Regionen zumindest über eine Regionalversammlung und eine Regionalregierung mit einem Präsidenten verfügen. Ein solches Verständnis von einer „Region“ ist somit deutlich enger gefasst als in Art. 300 Abs. 3 AEUV. Übertragen auf die Parteienverordnung bedeutet dies, dass eine Vertretung in kommunalen Versammlungen noch nicht genügen würde, um die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 b) UAbs. 1 VO zu erfüllen. Dass beide Regelungen, die Parteienverordnung wie die Charta, sich an einem gemeinsamen Regionsbegriff orientieren, findet einen ersten Anhaltspunkt in der Tatsache, dass hier wie dort die Formulierung der „Regionalversammlungen“ auftaucht. Hieraus erklärt sich auch die in der Parteienverordnung vorgenommene Differenzierung zwischen „regionalen Parlamenten“ und „Regionalversammlungen“. Augenscheinlich ist die Regionalisierung in den einzelnen Mitgliedstaaten der Union unterschiedlich stark ausgeprägt329. Zwar findet man in allen Staaten Regionen, in der eine Exekutive von einem direkt gewählten Organ, also einer Regionalversammlung, kontrolliert wird, „echte Regionalparlamente“ finden sich jedoch beispielsweise nur in Deutschland, Belgien, Italien und Spanien330. Die Verordnung 326

Suhr, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 300 AEUV Rn. 29. AblEG Nr. C 326 vom 18.11.1988, S. 296 ff. 328 Callies, AöR 121 (1996), 509 (514). 329 Vgl. hierzu: Callies, AöR 121 (1996), 509 (516 f.). 330 So zur Lage vor der Osterweiterung der Union: Callies, AöR 121 (1996), 509 (517). 327

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stellt vor diesem Hintergrund nur klar, dass sie neben den regionalen Parlamenten ebenfalls weniger zentralisiertere Strukturen der Mitgliedstaaten anerkennt und auch solche Regionalversammlungen einbeziehen will, die im Verhältnis zu föderalen Staaten weniger Befugnisse haben. Kommunale Vertretungen sind hiervon aber nicht umfasst. Dass die Aufnahme kommunaler Gebietskörperschaften in den Ausschuss der Regionen einen Ausnahmefall bildet, zeigt zudem schon die Regelungsstruktur des Art. 300 AEUV. So verwendet Art. 300 Abs. 3 AEUV selbst keinen konsistenten Regionsbegriff. Einerseits beschreibt er den „Ausschusses der Regionen“, in dem auch die kommunale Ebene vertreten ist, andererseits unterscheidet er zwischen regionalen und lokalen Gebietskörperschaften. Im Umkehrschluss bedeutet dies dann aber, dass das weite Verständnis des Begriffs der Region im „Ausschuss der Regionen“ eine Ausnahme darstellt. Anderenfalls hätte es keiner Klarstellung bedurft, dass lokale Gebietskörperschaften ebenfalls in ihm vertreten sind. Ein solcher Hinweis findet sich in der Parteienverordnung indes gerade nicht. Vielmehr fordert umgekehrt das Europäische Parlament zur Erfüllung der Voraus­ setzungen der Verordnung, dass die Regionalparlamente oder Regionalversammlungen Gesetzgebungsbefugnisse besitzen müssen331. Außerdem spricht ein Blick auf das deutsche Verfassungsverständnis gegen die Einbeziehung der kommunalen Versammlungen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entsprechen sogenannte „Kommunalparteien“ bzw. „Rathausparteien“ nicht dem Parteienbegriff des Art. 21 GG332. Diese Auslegung ist zwar in der Literatur äußerst umstritten333, die ablehnende Haltung des Gerichts, rein auf kommunaler Ebene tätige Organisationen in den Parteienbegriff zu integrieren, ist letztlich dennoch überzeugend. Politische Leitentscheidungen sind der staatlichen Ebene zugeordnet334. Aus Art. 28 Abs. 2 GG ergibt sich, dass Kommunen in erster Linie eine „Einheit bürgerschaftlicher Selbstver­ waltung in eigenen Angelegenheiten“ darstellen335. Aus diesem Grund besitzen Gemeinden aber kein allgemein-politisches, sondern lediglich ein kommunalpolitisches Mandat336. Wenngleich auch politische Parteien kein vollumfänglich aus-

331 So der Entwurf des Ausschusses für konstitutionelle Fragen zu einer Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18.  März 2011, Nr.  14; abrufbar unter: http://www.europarl. europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+REPORT+A7-20110062+0+DOC +PDF+V0//DE; Stand: 02.08.2012. 332 Vgl. die Ausgangsentscheidung: BVerfGE 6, 367 (372); aus einer Reihe von Entscheidungen auch: BVerfGE 78, 350 (358 f.). 333 Im Ergebnis zustimmend: Henke, in: Dolzer/Waldhoff/Graßhof, GG, Art.  21 Rn.  38; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  21 Rn.  239; Wißmann, in: Kersten/Rixen, PartG, § 2 Rn. 38; ablehnend demgegenüber: Ipsen, in: Ipsen, PartG, § 2 Rn. 7; Streinz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 21 Rn. 59; Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 31. 334 Kluth, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 21 Rn. 25. 335 Wißmann, in: Kersten/Rixen, PartG, § 2 Rn. 37. 336 Tettinger/Schwarz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 28 Rn. 172.

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gestaltetes Programm haben müssen und Organisationen, die lediglich ein Thema auf ihrer politischen Agenda haben, ebenfalls Parteien im Sinne des Art. 21 GG sein können337, sind kommunale Wählervereinigungen, soweit sie sich lediglich auf kommunaler Ebene betätigen338, schon durch Art. 28 Abs. 2 GG inhaltlich auf kommunale Selbstverwaltungsangelegenheiten begrenzt und daher verfassungsrechtlich von einem umfassenden Politikanspruch ausgeschlossen339. Parteien auf Landes- oder Bundesebene haben hingegen  – unabhängig von spezifischen grundgesetzlichen Kompetenzregelungen – zumindest das Recht, ein umfassendes politisches Programm zu erarbeiten. Beschränken sie diesen umfänglichen Politikanspruch, obliegt dies aber ihrer freien Entscheidung. Infolgedessen ist die Beteiligung an der politischen Willensbildung zwischen kommunalen Wählervereinigungen und auf Bundes- und Landesebene agierenden politischen Parteien qualitativ zu unterscheiden. Wenn jedoch die Partizipation an Wahlen auf kommunaler Ebene kein Bestandteil des verfassungsrechtlichen Parteienbegriffs ist, erscheint es auf europäischer Ebene sinnwidrig, für die Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 b) UAbs. 1 VO Kommunalwahlen ausreichen zu lassen. Der Regionsbegriff soll gerade unter Einbeziehung der nationalen verfassungsrechtlichen Grundlagen definiert werden. Dem entspricht die Auffassung des Europäischen Parlaments, das nur solche Regionalparlamente und -versammlungen mit Gesetzgebungsbefugnissen – in Deutschland also die Landesparlamente – als maßgeblich erachtet340. Folglich sind unter Wahlen zu „regionalen Parlamenten“ im Rahmen des strukturellen Aufbaus Deutschlands lediglich Wahlen zu den Landesparlamenten zu fassen. Das Merkmal der „Regionalversammlung“ findet hier keine Anwendung. Es hat von seinem Sinn und Zweck her lediglich einen Anwendungsbereich in Mitgliedstaaten, die nicht so föderalisiert bzw. regionalisiert sind, dass sie über „echte Regionalparlamente“ verfügen.

III. Beachten der Grundsätze, auf denen die Europäische Union beruht Art. 3 Abs. 1 c) VO statuiert als weitere Voraussetzung, dass eine europäische Partei insbesondere in ihrem Programm und in ihrer Tätigkeit die Grundsätze, auf denen die Europäische Union beruht, das heißt die Grundsätze der Freiheit, 337

Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 34. Beachte zur Abhängigkeit vom tatsächlichen Betätigungsfeld und der Erfüllung der Parteieigenschaft instruktiv: Streit, MIP 2004/2005, 79 (80 f.). 339 In diese Richtung wohl auch: Kluth, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 21 Rn. 25; Wißmann, in: Kersten/Rixen, PartG, § 2 Rn. 37. 340 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 06. April 2011, Nr. 14, abrufbar unter: www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2011-0143+0+ DOC+XML+V0//DE Stand: 11.10.2011. 338

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der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit, beachtet. 1. Vereinbarkeit der Vorschrift mit dem Primärrecht Art. 3 Abs. 1 c) VO stellt im Verhältnis zu den übrigen Regelungen der Parteienverordnung eine Besonderheit dar: Er benennt inhaltlich-programmatische Anforderungen, die politische Parteien auf europäischer Ebene erfüllen müssen. Trotzdem muss man sich auch hier vergegenwärtigen, dass es sich hierbei um Voraussetzungen ihrer öffentlichen Finanzierung handelt. Wenn die wohl herrschende Meinung die Nachprüfung der Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 c) VO als „eine Art Verbotsverfahren“ bezeichnet341, so mag dies sprachlich seinen Reiz haben, da Parteiverbotstatbestände ebenfalls regelmäßig auf die politischen Ziele einer Partei abstellen, ist im Hinblick auf die Rechtsfolgen aber irreführend. Eine solche Formulierung führt letzten Endes nur zu weiteren Unsicherheiten. Was denn die besondere „Art“ des Verfahrens eigentlich ausmacht, bleibt im Dunkeln. Wird eine Partei verboten, werden Teile ihrer Tätigkeit verboten, wird sie selbst teilweise verboten etc.? Diese Wendung setzt verschiedene Rechtsfolgen gleich, obwohl es einen entscheidenden qualitativen Unterschied macht, ob eine Partei lediglich keine öffentlichen Mittel erhält oder ob sie verboten wird bzw. nach dem Parteienbegriff aufhört, Partei zu sein, und somit ihre Rechte auf Chancengleichheit, Betätigungsfreiheit etc. nicht in Anspruch nehmen kann. Davon kann aber im Rahmen des Art.  3 Abs.  1 c)  VO keine Rede sein. Eine Aberkennung des „Status“ einer europäischen Partei nach Art. 5 Abs. 3 VO hat gerade keine Auswirkungen auf ihren primärrechtlichen Schutz342. Im Gegensatz hierzu führt ein erfolgreiches Parteiverbot im deutschen Recht dazu, dass nach § 46 Abs. 3 S. 1 BVerfGG die betreffende Organisation aufgelöst wird. Die Partei existiert rechtlich nicht mehr343 und steht damit auch nicht mehr unter dem Schutz der Verfassung344. Politische Parteien auf europäischer Ebene werden hingegen nur von der öffentlichen Finanzierung ausgeschlossen. Ein erfolgreiches Nachprüfungsverfahren über die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 c) VO nach Art. 5 Abs. 2 VO345 hat auch nicht zur Folge, dass die Abgeordneten der betroffenen Partei im Europäischen Parlament ihr Mandat verlieren. Darüber haben weiterhin nationale Rechtsordnungen zu befinden346.

341 So bspw. Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 178; Huber, in: Streinz, EUV/ AEUV, Art. 224 AEUV Rn. 12 bezeichnet dies als „‚kleines‘ Parteiverbotsverfahren“. 342 Hierzu schon: § 5; a. A. Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 180. 343 Henke, in: Dolzer/Waldhoff/Graßhof, GG, Art. 21 Rn. 361; Rixen, in: Kersten/Rixen, PartG, § 32 Rn. 15. 344 Ipsen, in: Sachs, GG, Art. 21 Rn. 193; Maurer, AöR 96 (1971), 203 (222). 345 Zum verfahrensrechtlichen Ablauf des Nachprüfungsverfahrens: § 7 B. 346 Hatje, DVBl. 2005, 261 (268).

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Daher ist es auch unerheblich, ob Art. 224 AEUV eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für ein europäisches Parteiverbotsverfahren ist347, weil Art.  5 Abs. 2, 3 Abs. 1 c) VO sich überhaupt nicht als ein solches darstellt. Es ist vielmehr zu klären, ob das Primärrecht es zulässt, dass europäische Parteien aufgrund eines Verstoßes gegen Grundsätze, auf denen die Europäische Union beruht, von der öffentlichen Finanzierung ausgeschlossen werden können. a) Zulässigkeit des Ausschlusses politischer Parteien von der öffentlichen Finanzierung Ob man eine Partei aufgrund von Bestrebungen, Äußerungen oder Inhalten, die gegen fundamentale Prinzipien einer demokratischen Ordnung verstoßen, von der öffentlichen Finanzierung ausschließen kann, ist freilich keine gänzlich neue Überlegung. Auch in Deutschland wird, da das Bundesverfassungsgericht die Hürden für ein Parteiverbot immer höher gesetzt hat, zunehmend die Frage diskutiert, ob der Staat gegenüber verfassungswidrigen Parteien nicht auch unterhalb der Schwelle des Parteiverbots eingreifen kann348. Um einen solchen Eingriff auf niedrigerer Schwelle handelt es sich beim Finanzierungsausschluss aufgrund der Art. 3 Abs. 1 c), 5 Abs. 2 VO. Mit dem Ausschluss politischer Parteien von der öffentlichen Finanzierung geht zwangsläufig ein Eingriff in deren Chancengleichheit einher349. Den betroffenen Parteien werden rechtliche Vorteile in Form der öffentlichen Mittel verwehrt, die andere europäische Parteien erhalten. Das formal ausgestaltete Recht auf Chancengleichheit verbietet aber grundsätzlich jede unterschiedliche Behandlung durch die europäischen Institutionen, sofern eine Differenzierung nicht aus besonderen, zwingenden Gründen ausnahmsweise gerechtfertigt ist350. Versucht man die in Deutschland geführte Debatte, ob man den Art. 21 GG ändern sollte, um es der Staatsgewalt zu ermöglichen, unterhalb der Schwelle eines Parteiverbots gegen verfassungsfeindliche Parteien tätig zu werden, auf die Europäische Union zu übertragen, vermag das Prinzip der wehrhaften Demokratie ein solcher, besonderer zwingender Grund sein, der eine Differenzierung zwischen den Parteien erlaubt351. Ist das Primärrecht ebenfalls durch ein „Prinzip der wehrhaften Demokratie“ geprägt, kann eine solche Grundentscheidung gerade im europäischen Recht einen zwingenden Grund darstellen, der eine Durchbrechung der grundsätzlich formalen Gleichbehandlung erlaubt. Wenn ein solches Vorgehen 347 Hatje, DVBl. 2005, 261 (267) hält die Einführung eines Parteiverbotsverfahrens für zulässig. Klein, in: FS Ress, S. 541 (546) ist hingegen anderer Ansicht. 348 Epping, Gutachten Parteienfinanzierung, S. 21 ff.; Morlok, Parteienfinanzierung im demokratischen Rechtsstaat, S. 30 ff. 349 So wohl auch: Linck, DÖV 2006, 939 (945). 350 Siehe hierzu: § 4 B. III. 351 So zum deutschen Recht ausführlich: Epping, Gutachten Parteienfinanzierung, S. 40 ff.

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nach der derzeitigen verfassungsrechtlichen Lage in Deutschland ausscheidet, so ist dies im Parteienprivileg des Art. 21 Abs. 2 GG begründet. Das Parteienprivileg führt dazu, dass sich bis zu einem Verbot einer politischen Partei niemand ihr gegenüber rechtlich darauf berufen kann, sie sei verfassungswidrig352. Art. 21 Abs. 2 GG enthält damit eine Sperrwirkung, nach der die Chancengleichheit in vollem Umfang auch für verfassungswidrige Parteien gilt, solange ihre Verfassungswidrigkeit nicht durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt wurde353. Von daher lassen sich Eingriffe in die Chancengleichheit einer Partei – wie ihr Ausschluss von der staatlichen Finanzierung – nicht mit ihren verfassungswidrigen Bestrebungen begründen. Das Parteiverbotsverfahren verbleibt als einzige Möglichkeit, gegen solche Parteien vorzugehen354. Demgegenüber fehlt es im europäischen Recht gerade an einer dem Art. 21 Abs. 2 GG entsprechenden Regelung und damit an einer solchen Sperrwirkung. Vor diesem Hintergrund könnte das Primärrecht dem Verordnungsgeber eine differenzierende Lösung ermöglichen, die den mit einem Verbot verbundenen tiefgreifenden Eingriff in die Offenheit und Unabschließbarkeit des politischen Prozesses abfedert355. Ihm könnte dann der Weg offen stehen, neben den beiden Extremen, einer totalen Toleranz und einer vollständigen Bekämpfung, einen Mittelweg zu beschreiten, der das Verhalten der öffentlichen Gewalt gegenüber politischen Extremisten nach dem Grad der Gefährdung der liberalen Ordnung richtet356. Europäische Parteien können gleichsam in unterschiedlicher Intensität gegen die Grundsätze des Art. 6 EUV verstoßen, so dass ein abgestuftes Vorgehen angebracht sein kann. Voraussetzung, damit ein solches Vorgehen überhaupt in Betracht kommt, ist dann freilich, dass das europäische Recht überhaupt ein Prinzip der „wehrhaften Demokratie“ kennt. Im deutschen Verfassungsrecht findet es seinen rechtlichen Ausdruck in den Art. 9 Abs. 2, 18 und 21 Abs. 2 GG357. Zudem bewahrt Art. 79 Abs.  3 GG die demokratische Ordnung als eine Art „Selbstschutz der Verfas­ sung“ vor ihrer kompletten Beseitigung358. Noch umfassender leitet das Bundesverfassungsgericht die wehrhafte Demokratie aus den Verfassungsbestimmungen des Art. 2 Abs. 1, 9 Abs. 2, 18, 20 Abs. 4, 21 Abs. 2, 79 Abs. 3, 91 und 98 Abs. 2

352

Epping, Gutachten Parteienfinanzierung, S. 7. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 21 Rn. 571. 354 Epping, Gutachten Parteienfinanzierung, S. 43. 355 Zur Schwere eines mit einem Parteiverbot verbundenen Eingriffs: Grimm, in: Benda/ Maihofer/Vogel, HVerfR, § 14 Rn. 34. 356 Vgl. Volkmann, JZ 2010, 209 (216). 357 Dreier, JZ 1994, 741 (742); Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art.  20 (Demokratie) Rn. 34. 358 Bulla, AöR 98 (1973), 340 (345), der jedoch einem Verfassungsprinzip der „streitbaren“ Demokratie kritisch aufgrund etwaiger Missbrauchsgefahren gegenübersteht, was jedoch wohl mehr auf ein maßvolles Einsetzen der Instrumente der wehrhaften Demokratie zielen soll (S. 355 f.), da die Verfassungsmäßigkeit der Art. 9 Abs. 2, 18, 21 Abs. 2 GG von ihm nicht in Frage gestellt wird. 353

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§ 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung 

GG ab359. Doch auch im europäischen Primärrecht finden sich Hinweise, die die Einhaltung fundamentaler Grundsätze sowohl der europäischen Institutionen als auch der Mitgliedstaaten fordern; insofern zeigen sich auch hier Ansätze einer wehrhaften Demokratie. Ausgangspunkt hierfür ist Art.  2 EUV. Gemäß Art.  2 S. 1 EUV sind die Werte, auf denen sich die Union gründet, die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Nach Art. 2 S. 2 EUV sind diese Werte allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet. All dies umschreibt die fundamentalen Werte eines demokratischen Gemeinwesens360, in denen sich das Selbstverständnis der Union als Wertegemeinschaft niederschlägt361. Art. 2 EUV soll damit die rechtliche Grundlage dafür bilden, das Ziel einer europäischen Identität basierend auf den Grundsätzen einer freiheitlich-liberalen Ordnung fortzuentwickeln362. Die herausragende Bedeutung der in Art. 2 benannten Grundsätze wird darüber hinaus im vierten Erwägungsgrund zur Präambel des EUV hervorgehoben, in dem die Mitgliedstaaten mit dem europäischen Vertragswerk ihr Bekenntnis zu den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Rechtsstaatlichkeit bestätigen363. Dass die in Art. 2 EUV verankerten fundamentalen Grundsätze auch verteidigt werden sollen – also „wehrhaft“ sind – zeigt sich in besonderem Maße in Art. 7 EUV364. Gemäß Art. 7 Abs. 1 UAbs. 1 S. 1 EUV kann der Rat auf begründeten Vorschlag eines Drittels der Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments oder der Europäischen Kommission, mit der Mehrheit von vier Fünfteln seiner Mitglieder nach Zustimmung des Europäischen Parlaments feststellen, dass die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der in Artikel 2 genannten Werte durch einen Mitgliedstaat besteht. Wenngleich sich die Rechtsfolge eines solchen Beschlusses zunächst auf die bloße Feststellungswirkung beschränkt, besteht aber gleichzeitig die Möglichkeit, diesen Beschluss mit Empfehlungen zur Verhinderung der Verletzungen zu kombinieren365. Während Art. 7 Abs. 1 EUV für Vorfeldmaßnahmen bei der Gefahr von Verletzungen gilt, also im präventiven Bereich, haben die Absätze 2 und 3 eine repressive Funktion, wenn die Werte des Art. 2 EUV schon verletzt worden sind366. Nach Art. 7 Abs. 2 EUV kann der Euro 359

BVerfGE 39, 334 (349). Hilf/Schorkopf, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 2 EUV Rn. 8. 361 Hilf/Schorkopf, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 2 EUV Rn. 11. 362 Hilf/Schorkopf, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 2 EUV Rn. 52. 363 Hilf/Terhechte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Präambel EUV Rn. 22. 364 Ruffert, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 7 EUV Rn. 1; Schorkopf, in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 7 EUV Rn. 11; so schon zum alten Recht auch Schorkopf, Die Maßnahmen der XIV EU-Mitgliedstaaten gegen Österreich, S. 123. 365 Schorkopf, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 7 EUV Rn. 26. 366 Schorkopf, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 7 EUV Rn. 60. 360

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päische Rat einstimmig feststellen, dass eine schwerwiegende und anhaltende Verletzung der in Artikel 2 genannten Werte durch einen Mitgliedstaat vorliegt. Gemäß Art. 7 Abs. 3 EUV kann der Rat, wenn die Feststellung nach Absatz 2 getroffen wurde, mit qualifizierter Mehrheit beschließen, bestimmte Rechte, einschließlich der Stimmrechte des Vertreters der Regierung dieses Mitgliedstaates im Rat, auszusetzen. Damit ist der Feststellungsbeschluss nach Absatz 2 Voraussetzung für eine sich hieran anschließende Sanktionen367. Art. 7 EUV ist somit das Paradebeispiel des Selbstverständnisses der Union als Wertegemeinschaft, die gravierende Verstöße gegen ihr Wertefundament maßregeln will und soll368. Auch die Kommission ging anlässlich des Eintritts der FPÖ in die österreichische Regierung und sich hieran anschließender Sanktionen gegen Österreich schon vor Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon und der jetzigen Form des Art. 7 EUV konkludent von einer Wehrhaftigkeit der Grundwerte aus, wenn sie in ihrer Mitteilung vom 01. Februar 2000 schreibt: „Die Kommission als Hüterin der Verträge wird weiterhin ihre Pflicht erfüllen, die Regeln und Werte des EU-Vertrages, insbesondere Art. 6 und 7 [in veränderter und verschärfter Form sind diese nun durch den Vertrag von Lissabon in Art. 2 und 7 EUV geregelt: Anmerkung des Verfassers], aufrechtzuerhalten.“369

Gleichzeitig begrüßte das Europäische Parlament „unter Einforderung … des Schutzes europäischer demokratischer Werte seitens der Europäischen Union und ihrer Institutionen … die frühzeitige politische Absicht der Erklärung der Kommission …, gemeinsame europäische Werte als Akt gestiegener Wachsam­ keit zu schützen“370. Aus dieser Formulierung – insbesondere auch durch den in diesem Zusammenhang erfolgten Hinweis auf Art.  7 EUV371 − wird deutlich, dass auch das Europäische Parlament Elemente einer wehrhaften Demokratie in den Verträgen erkannte. Dies gilt in der heutigen, verschärften Fassung des Art. 7 EUV umso mehr. Weiterhin kommt der Wertegemeinschaft im Beitrittsverfahren zur Europäischen Union eine rechtliche Relevanz zu. Gemäß Art. 49 Abs. 1 S. 1 EUV kann jeder europäische Staat, der die in Art.  2 genannten Werte achtet und sich für ihre Förderung einsetzt, beantragen, Mitglied der Union zu werden. Das Anerkennen und Fördern der gemeinsamen Werte der Union ist somit Voraussetzung für einen Beitritt zur Europäischen Union. Insofern schützt das Primärrecht die Wertegemeinschaft gleich auf doppelte Weise372. So ist deren Achtung zum einen 367

Schorkopf, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 7 EUV Rn. 40. Ruffert, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 7 EUV Rn. 1. 369 Abgedruckt in: Schorkopf, Die Maßnahmen der XIV EU-Mitgliedstaaten gegen Österreich, S. 147. 370 Abgedruckt in: Schorkopf, Die Maßnahmen der XIV EU-Mitgliedstaaten gegen Österreich, S. 151 f. 371 Schorkopf, Die Maßnahmen der XIV EU-Mitgliedstaaten gegen Österreich, S. 151. 372 Callies, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 2 EUV Rn. 32. 368

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schon Beitrittsvoraussetzung, zum anderen kann ihre Verletzung bei schon beigetretenen Staaten zu einer Sanktionierung führen. Deshalb bezeichnet Callies die Werte des Art. 2 EUV nicht zu Unrecht als „Geschäftsgrundlage“ der Europäischen Union373. Neben diesen Regelungen im Vertrag über die Europäische Union finden sich in der durch Art. 6 Abs. 1 EUV in das Primärrecht inkorporierten Charta der Grundrechte weitere Hinweise, die ein rechtliches Bestreben nach einer „wehrhaften Demokratie“ verdeutlichen. Am augenscheinlichsten artikuliert dieses Ziel Art. 54 GRCh374. Hiernach ist keine Bestimmung dieser Charta so auszulegen, als begründe sie das Recht, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung vorzunehmen, die darauf abzielt, die in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten abzuschaffen oder sie stärker einzuschränken, als dies in der Charta vorgesehen ist. Art. 54 GRCh hat insoweit eine „antitotalitäre Schutzfunktion“375. Sein wesentlicher Zweck liegt darin, die „Feinde der Demokratie zu verhindern“376. Zwar ist umstritten, ob Art. 54 GRCh lediglich eine Auslegungsregel377, eine Beschränkung des Schutzbereichs378 oder eine eigenständige Grundrechtsschranke379 darstellt, jedoch ist unabhängig hiervon unbestritten, dass die Vorschrift auf die Verteidigung demokratischer Institutionen und der Werte der Union abzielt380. Daher werden auf der Grundlage des Art. 54 GRCh Einschränkungen von Rechten und Freiheiten Einzelner gebilligt, um die Gewährleistung der Freiheit als solcher zu sichern381. Zu diesen Einzelnen zählen alle Grundrechtsträger, so dass auch Parteien vom persönlichen Anwendungsbereich der Vorschrift umfasst sind382. Rechtliches Vorbild des Art. 54 GRCh ist der ähnlich gefasste Art. 17 EMRK383, der durch den Vertrag von Lissabon über Art.  6 Abs.  2 und 3 EUV ebenfalls 373

Callies, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 2 EUV Rn. 32. Bühler, Einschränkung von Grundrechten nach der Europäischen Grundrechtecharta, S. 427; Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 4, Rn. 483 f.; Hatje, in: Schwarze, EUV/AEUV, Art. 54 GRCh Rn. 1; Streinz/Michl, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 54 GRCh Rn. 1 f.; Borowsky, in: Meyer, GRCh, Art. 54 Rn. 1, der Art. 54 GRCh im Zusammenhang mit Art. 7 und 9 ff. EUV als „erste Konturen einer ‚wehrhaften Demokratie‘“ bezeichnet; diesen Ansatz anerkennend, aber zugleich kritisierend: Kingreen, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 54 GRCh Rn. 1 ff. 375 Borowsky, in: Meyer, GRCh, Art. 54 Rn. 8. 376 Borowsky, in: Meyer, GRCh, Art. 54 Rn. 8. 377 Hatje, in: Schwarze, EUV/AEUV, Art. 54 GRCh Rn. 5. 378 Borowsky, in: Meyer, GRCh, Art. 54 Rn. 13; Kingreen, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 54 GRCh Rn. 3; in diese Richtung tendiert wohl auch von Danwitz, in: Tettinger/Stern, GRCh, Art. 54 Rn. 7. 379 Jarass, GRCh, Art. 54 Rn. 3; ambivalent: Bühler, Einschränkung von Grundrechten nach der Europäischen Grundrechtecharta, S. 427 und S. 454. 380 Borowsky, in: Meyer, GRCh, Art. 54 Rn. 8; Jarass, GRCh, Art. 54 Rn. 2. 381 von Danwitz, in: Tettinger/Stern, GRCh, Art. 54 Rn. 4. 382 Borowsky, in: Meyer, GRCh, Art. 54 Rn. 13; von Danwitz, in: Tettinger/Stern, GRCh, Art. 54 Rn. 5. 383 Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 4, Rn. 477. 374

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Teil  des Unionsrechts geworden ist. Dazu integriert die Kongruenzklausel des Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh sowohl die Gewährleistungen als auch die Schranken der EMRK in die Grundrechtecharta384. Wenn der EGMR die Menschenrechtskonvention als Instrument streitbarer Demokratien deutet385, prägt diese Interpretation dann zwangsläufig auch die Europäische Union als Mitglied der EMRK. Art. 17 EMRK dient ebenfalls der Abwehr von „Freiheitsfeinden“386. Der hinter ihm stehende Gedanke erteilt solchen Grundrechtsberechtigten eine Absage, die die in der Konvention niedergelegten Rechte mit dem Ziel in Anspruch nehmen wollen, Grundrechte der EMRK stärker einzuschränken als es diese selbst gestatten oder diese schlussendlich gar abzuschaffen387. Parteien als Grundrechtsträger müssen demnach einen „Kerngehalt des demokratischen Prinzips“ beachten, um vom Schutz des Art. 11 Abs. 2 EMRK profitieren zu können388. Die öffentliche Gewalt ist nach diesem Verständnis nicht nur verpflichtet, ihrerseits Toleranz auszuüben, sondern muss diese Toleranz auch selbst zur Geltung zu bringen389. Das System der Konvention setzt einen Ausgleich „zwischen dem Gebot der Verteidigung der demokratischen Gesellschaft und dem des Schutzes der Grundrechte des Einzel­ nen“ voraus390. Nach der Rechtsprechung des EGMR sind die im demokratischen Modell Europas verankerten Werte von Freiheit und Gleichheit um der Demokratie selbst Willen zu verteidigen391. Letztendlich führt dies dazu, dass der Schutz demokratischer Grundwerte ein anerkannter und legitimer Eingriffszweck für Einschränkungen der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit ist392.

384 Zu den unterschiedlichen Begrifflichkeiten der Klausel: Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 4, Rn. 48; umstritten ist in diesem Zusammenhang aber, wie sich diese Integration der EMRK in die Grundrechtecharta vollzieht. Teilweise wird angenommen, dass Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh zu einem „materiellen Beitritt“ zur EMRK führe; so Borowsky, in: Meyer, GRCh, Art. 52 Rn. 34. Insoweit bezeichnet Callewaert, EUGRZ 2003, 198 (200) die EMRK als „indi­ rekte Rechtsquelle“. So auch: Naumann, EuR 2008, 423 (429). Nach a. A. passt Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh die Auslegung der Grundrechte lediglich an die EMRK an; Jarass, EU-Grundrechte, § 2 Rn. 19. Diese Unterscheidung kann hier aber unterbleiben, da mit Art. 54 GRCh in der Grundrechtecharta eine zu Art. 17 EMRK vergleichbare Regelung gerade existiert und in weiten Teilen die hinter Art. 17 EMRK stehenden Rechtsgedanken übernommen werden können. Aus diesem Grund ist es auch unerheblich, ob sich Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh auf alle Ebenen der Grundrechtsprüfung bezieht oder den Schutzbereich beschränkt, vgl. hierzu: Bühler, Einschränkungen von Grundrechten nach der Europäischen Grundrechtecharta, S. 311 ff.; Kingreen, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 52 GRCh Rn. 36 ff. 385 Kugelmann, EuGRZ 2003, 533 (535); Kühling, in: Heselhaus/Nowak, Handbuch der Europäischen Grundrechte, § 21 Rn. 70; zustimmend: Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 21 Rn. 509. 386 Klein, ZRP 2001, 397 (399). 387 Bühler, Einschränkung von Grundrechten nach der Europäischen Grundrechtecharta, S. 71; Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 21 Rn. 509. 388 Bröhmer, in: Grote/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 19 Rn. 104. 389 Bröhmer, in: Grote/Marauhn, EMRK/GG, Kap. 19 Rn. 105. 390 EGMR, NVwZ 2003, 1489 (1492). 391 Kugelmann, EuGRZ 2003, 533 (542). 392 Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 4, Rn. 1850.

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Die Parteienfreiheit, die über Art. 6 Abs. 1 EUV i. V. m. Art. 12 Abs. 2 i. V. m. Art. 12 Abs. 1 GRCh gewährleistet wird, kann daher ebenfalls nach Maßgabe des Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh beschränkt werden393. Sie findet damit ihre Grenzen in Art. 54 GRCh bzw. über Art. 52 Abs. 3 S. 1 GRCh i. V. m. Art. 17 EMRK. All dies ist Ausdruck des Willens der Europäischen Union, sich über ihren Bedeutungs­ gehalt als Wirtschaftsgemeinschaft hinaus zu einer Wertegemeinschaft weiterzuentwickeln394. Daher gründet sie sich gemäß Abs. 2 S. 1 der Präambel die Union auch in dem Bewusstsein ihres geistig-religiösen und sittlichen Erbes auf die unteilbaren und universellen Werte der Würde des Menschen, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität und beruht nach dessen Satz 2 auf den Grundsätzen der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit. Aus all diesen Bestimmungen lässt sich ohne weiteres schließen, dass das Unionsrecht zumindest Elemente einer wehrhaften Demokratie aufweist. Zwar erfährt dieser Gedanke auf europäischer Ebene nicht die gleiche Regelungsdichte wie in Deutschland, doch erklärt sich der verfassungsrechtliche Weg des Grundgesetzes gerade aus der besonderen historischen Situation der Bundesrepublik, in der die Verfassung auch als Reaktion auf die Erfahrungen der Weimarer Republik und der anschließenden NS-Herrschaft entstand395. In dieser Lage war es dem Grund­gesetzgeber besonders wichtig, die Gefahren für die demokratische Ordnung zu verringern und die Wehrhaftigkeit konkret zu verankern. Im Zuge des europäischen Integrationsprozesses befanden sich die Vertragsparteien aber nicht mehr unter dem unmittelbaren Eindruck einer faschistischen Diktatur, was eine größere Zurückhaltung bei der Normierung der „Wehrhaftigkeit“ zu erklären vermag. Ungeachtet dessen bekennen sich die Vertragsparteien aber ganz offensichtlich zu einer Wertegemeinschaft, die sich nicht auf die schlichte Proklamation beschränkt, sondern in der Verstöße gegen den indisponiblen Wertekatalog des Art. 2 EUV auch zu einer Sanktionierung führen können. Die in einem demokratischen Gebilde grundsätzlich anzuerkennende Freiheit und Offenheit des politischen Prozesses ist damit aber in einem Kernbestand an Grundentscheidungen dem freien politischen Diskurs entzogen396. Sie sind dem demokratischen Prozess vorgelagert und bilden dessen substanzielle Voraussetzungen. Anders formuliert: Sie sind Grundlage und nicht Teil  demokratischen Streits. Insofern schließt das in Art.  2 S.  1, 10 Abs.  1 EUV verankerte Prinzip der repräsentativen Demokratie Einschränkungen gegenüber solchen politischen Meinungen, Inhalten und Forderungen nicht aus, die sich gegen demokratische 393 So zur allgemeinen Bestimmung der Vereinigungsfreiheit des Art.  12 Abs.  1 GRCh: Bernsdorff, in: Meyer, GRCh, Art. 12 Rn. 19. 394 Knecht, in: Schwarze, EUV/AEUV, Präambel GRCh Rn. 21; Meyer, in: Meyer, GRCh, Präambel Rn. 28; Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV, Präambel GRCh Rn. 9. 395 Zu dieser Problematik: Streinz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art.  21 Rn.  212 m. w. N. 396 Vgl. zum deutschen Recht: Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art.  20 (Demokratie) Rn. 35.

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Prämissen richten. Damit erhält das Demokratieprinzip eine besondere Prägung, in der es den freien politischen Prozess vor seiner eigenen Abschaffung bewahren soll397. Parteien sind zwar nicht unmittelbar aus Art. 2 S. 1 EUV verpflichtet, trotzdem ist es dem Verordnungsgeber nicht verwehrt, ihnen die Beachtung fundamentaler Grundsätze aufzuerlegen, da sie in ihrer Stellung als Mittler zwischen der gesellschaftlichen Ebene und der europäischen öffentlichen Gewalt fungieren398. Eng hiermit zusammen hängt die Funktionszuweisung des Art. 10 Abs. 4 EUV399, der den europäischen Parteien die Aufgabe zuweist, am Willensbildungsprozess der Unionsbürger mitzuwirken. Wenn Parteien am demokratischen Prozess partizipieren sollen, muss auch gewährleistet sein, dass der entsprechende Ordnungsrahmen erhalten bleibt, und dementsprechend dürfen politische Parteien nicht auf seine Demontage abzielen400. Haben sich die Vertragsparteien für eine demokratische Wertegemeinschaft entschieden, die bereit ist, Verstöße gegen sie zu sanktionieren, bildet dieser Gedanke der „Wehrhaftigkeit“ auch einen zwingenden Grund, der Eingriffe in die Chancengleichheit europäischer Parteien rechtfertigen kann. Ob dieser Eingriff im Einzelfall tatsächlich gerechtfertigt ist, hängt dann aber im Wesentlichen von der konkreten Anwendung der Art. 3 Abs. 1 c), 5 Abs. 2 VO ab. b) Bestimmtheit der Vorschrift Weitere Kritik an der Regelung des Art. 3 Abs. 1 c) VO entzündet sich daran, dass die dort normierten Werte zu unbestimmt seien401. Daran ist richtig, dass die hier genannten Schutzgüter einen nicht unerheblichen Interpretationsspielraum belassen. Indes fehlt es an einer vernünftigen Alternative. Eine wehrhafte Demokratie dient zunächst und vor allem dem Schutz von Grundwerten. Wann solche „Grundfeste“ einschlägig und im Einzelfall erschüttert sein sollen, lässt sich schwerlich anhand „objektiver Kriterien“402 so konkret fassen, dass ein scharf umrissener Kriterienkatalog und eine schlichte Subsumtion die Voraussetzungen eines Eingriffes hinreichend festlegen können. Die Gefahren für eine Demokratie sind facettenreich, so dass auch den Eingriffsvoraussetzungen schwerlich schärfere Konturen verliehen werden können. Von daher sind die Grundwerte des Art. 2 EUV, die in der rechtswissenschaftlichen Literatur immer wieder thematisiert wurden, ein angemessener Maßstab, um durch Auslegung die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 c) VO in hinreichendem Maße fassen und bestimmen zu können.

397 Vgl. zum deutschen Recht: Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 142; Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 92. 398 Hatje, DVBl. 2005, 261 (268). 399 Siehe hierzu oben: § 3 B. I. 1. 400 Vgl. zum deutschen Recht: Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 92. 401 So: Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 260. 402 So die Formulierung von Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 260.

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2. Anwendung der Vorschrift Nach Art. 3 Abs. 1 c) VO muss eine Partei insbesondere in ihrem Programm und in ihrer Tätigkeit die Grundsätze, auf denen die Europäische Union beruht, das heißt die Grundsätze der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit, beachten. Die hier benannten Grundsätze stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit Art. 2 S. 1 EUV, in der sämtliche dieser Werte ebenso erwähnt werden. Sie sind Strukturmerkmale einer Demokratie, die als zentraler Bestandteil einer europäischen Identität von substantieller Bedeutung für den europäischen Integrationsprozess sind403. Deutlich wird dies auch bei einem Vergleich mit dem Begriff der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist dies eine Ordnung, „die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herr­ schaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt“404. Zu den hierunter fallenden grundlegenden Prinzipien gehören unter anderem die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, insbesondere dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition405. Vergleicht man diese vom Bundesverfassungsgericht abgeleiteten elementaren Wesensmerkmale einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung mit den in Art. 3 Abs. 1 c) VO statuierten Werten der Europäischen Union, sind sie – soweit nicht schon vollumfänglich vom Wortlaut her – zumindest aber in ihrem Bedeutungsgehalt deckungsgleich. Daher sind sie als für ein demokratisches Gebilde prägende Strukturelemente auch geeignete Merkmale, um über den Rechtfertigungsgrund der „wehrhaften Demokratie“ Eingriffe in das Recht auf Chancengleichheit zu rechtfertigen. Damit die Rechtsfolge des Art. 5 Abs. 3 VO greift, ist es ausreichend, wenn gegen eines der in Art. 3 Abs. 1 c) VO genannten Prinzipien verstoßen wird406. Eine kumulative Verletzung ist nicht erforderlich. Jeder Wert ist für sich genommen ein schützenswertes Rechtsgut, um eine freiheitliche und demokratische Gesellschaft zu erhalten. Die weitergehende Frage ist dann, wie die einzelnen Grundwerte des Art. 3 Abs. 1 c) VO auszulegen sind. Versucht man einen roten Faden zu finden, der die Interpretation der Grundwerte zu bestimmen vermag, kommt man nicht umhin, das „Dilemma jeder wehrhaften Demokratie“ zu berücksichti-

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Callies, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 2 EUV Rn. 11. BVerfGE 2, 1 (12). 405 BVerfGE 2, 1 (13). 406 Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 170. 404

B. Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 VO

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gen407. Je extensiver politische Betätigungen zur Bewahrung der demokratischen Ordnung beschränkt werden, desto größer ist die Gefahr, dass sich dieser Schutz in sein Gegenteil verkehrt, indem die politische Mehrheit den Gedanken der wehrhaften Demokratie dazu missbraucht, politisch unliebsame Meinungen zu unterdrücken408. Werden demgegenüber „ihre Instrumente überhaupt nicht, zu zurück­ haltend oder zu spät“ eingesetzt, läuft die Ordnung Gefahr, durch ihre Gegner ohne Gegenwehr zerstört zu werden409. Im Zusammenhang des Art.  21 Abs.  2 GG ist daher auch unstreitig, dass dieser Ambivalenz bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale in irgendeiner Weise Rechnung getragen werden muss. Streitig ist aber, wie dies zu geschehen hat. Die wohl herrschende Meinung zieht hieraus den Schluss einer restriktiven Auslegung410. In einer vermittelnden Sichtweise kann man aber auch die Voraussetzungen so interpretieren, dass das Dilemma bei der Durchführung eines Parteiverbotsverfahrens „in sich verarbeitet und die ge­ genläufigen Anforderungen auszubalancieren versucht“ wird411. Für eine ebenfalls enge Auslegung der Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 c) VO spricht die auch im europäischen Recht geltende grundsätzliche Freiheit des politischen Prozesses. Als einen weiteren Beleg hierfür mag man noch die Rechtsprechung des EGMR heranziehen, der im Fall eines Parteiverbots der türkischen Refah-Partei klarstellte, dass Einschränkungen der Vereinigungsfreiheit für politische Parteien nur aufgrund überzeugender und zwingender Gründe gerechtfertigt werden könnten412. Doch – unabhängig von der Frage, ob eine solch restriktive Handhabung der besonderen Situation überhaupt gerecht wird – lassen sich diese Argumentationsmuster nicht ohne weiteres auf die Regelung des Art.  3 Abs. 1 c) VO übertragen, denn sie wurden gerade im Rahmen von und speziell für Parteiverbotsverfahren entwickelt. Die restriktive Interpretation der Voraussetzungen der Art. 21 Abs. 2 GG und Art. 11 Abs. 2 EMRK wie auch schon die im Grundgesetz selbst veranlagten hohen Hürden eines Parteiverbotes413 erklären sich vor allem aus der Schwere des Eingriffs in den freien politischen Diskurs, der mit einem Ausschluss politischer Parteien aus dem demokratischen Wettbewerb verbunden ist. Rechtsfolge des Art. 5 Abs. 2 VO ist aber „bloß“ ein Finanzierungsausschluss der betroffenen Partei. Dies stellt zwar immer noch einen schwerwiegenden Eingriff in ihre Chancengleichheit dar, hindert sie jedoch nicht gänzlich, sich weiter-

407

Vgl. hierzu und zur Auslegung des Art. 21 Abs. 2 GG: Streinz, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 21 Rn. 212 ff.; Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 94. 408 Vgl. grundlegend hierzu: Volkmann, in: Friauf/Höfling, Art. 21 Rn. 92 m. w. N. 409 So: Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 92. 410 Burkhard, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, Vor §§ 43 Rn. 10; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der BRD, Rn. 715; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 144. 411 Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 94. 412 EGMR, NVwZ 2003, 1489 (1493). 413 Hierzu: Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 21 Rn. 507.

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§ 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung 

hin am politischen Prozess zu beteiligen. Die finanziellen Nachteile schränken „lediglich“ ihre Beteiligungsmöglichkeiten ein, so dass diese Beeinträchtigung im Gegensatz zu einem Verbotsausspruch weitestgehend unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit zu beurteilen ist, während Aspekte der Parteienfreiheit allenfalls peripher betroffen sind. Ein Ausschluss von der öffentlichen Subventionierung stellt im Verhältnis zum Verbot einen Eingriff auf einer niedrigeren Ebene dar. Ist der hiermit verbundene Eingriff aber weniger intensiv, können auch die Voraussetzungen für einen solchen Eingriff mit niedrigeren Schwellen verbunden werden414. Für die Auslegung ist damit direkt noch nichts gewonnen. Ein Finanzierungsausschluss bringt ebenso eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Rechts auf gleiche Chancen mit sich und das Dilemma, die Demokratie vor ihren Feinden schützen zu wollen, ohne sie gleichzeitig durch zu ausschweifende Anwendung selbst zu gefährden, stellt sich auch in dieser Konstellation. Wenn eine Interpretation der Tatbestandsmerkmale aber gerade vor diesem Hintergrund erfolgen muss, ist die pauschale Behauptung, die Merkmale des Art. 3 Abs. 1 c) VO müssten eng ausgelegt werden, nicht möglich. Ein Ansatzpunkt, dem einer wehrhaften Demokratie immanenten Dilemma Herr zu werden, mag aber schon in der Regelung des Art. 3 Abs. 1 c) VO selbst angelegt sein. In ihr finden sich als Voraussetzungen auf der einen Seite die Schutzgüter des Art. 3 Abs. 1 c) VO und auf der anderen Seite das „Beachten“ dieser Grundwerte, also der Grad, inwieweit sich eine europäische Partei gegen diese wendet. Beide bieten selbst die Möglichkeit, sie in unterschiedlicher Art und Weise zu interpretieren, um der Problematik sowohl der wehrhaften Demokratie als auch der besonderen Konstellation eines Finanzierungsausschlusses gerecht zu werden. Hierbei bietet es sich an, die Schutzgüter der Norm eng auszulegen, um so den demokratischen Prozess in seiner Gesamtheit offenzuhalten. Vor allem diese Schutzgüter sind es, die die inhaltlich-politische und programmatische Gestaltungsfreiheit der Parteien begrenzen und bestimmte politische Anschauungen, Wertungen und Zielsetzungen dem demokratischen Diskurs entziehen. Parteien haben nach ihrer politischen Zielsetzung bei der Ausgestaltung ihrer politischen und weltanschaulichen Prinzipien einen programmatischen Interpretationsspielraum bei der Auslegung dieser Werte415. Systemkritik von links und rechts muss möglich sein416. Also kann eine Partei im demokratischen Prozess auch für eine Änderung der Struktur der Europäischen Union eintreten417, ohne dass diese politischen Vorschläge direkt die Grundwerte der Union verletzen. Dies ist wichtigster Ausfluss der Programmfreiheit europäischer Parteien. Von daher muss ihnen 414 So auch der Vorschlag für eine Änderung des Parteienrechts durch Epping, Gutachten Parteienfinanzierung, S. 46; vgl. auch: Volkmann, JZ 2010, 209 (212 f.). 415 Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 116. 416 Epping, Gutachten Parteienfinanzierung, S. 46. 417 Vgl. EGMR, NVwZ 2003, 1489.

B. Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 VO

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ein politischer Gestaltungs-, Beurteilungs- und Interpretationsspielraum zugestanden werden418. Wer die Schutzgüter des Art. 3 Abs. 1 c) VO weit auslegt und damit schneller für einschlägig erachtet, setzt ein demokratisches System umso intensiver der Gefahr aus, dass die politische Mehrheit unliebsame politische Gegner im Wettbewerb zu behindern versucht, indem sie diese von der öffentlichen Parteienfinanzierung ausschließt. Sieht man die Grundwerte der Union schon dann als betroffen an, wenn Parteien das politische System, einzelne Freiheitsaspekte oder ähnliches verändern wollen, kann das Aufkommen und die Verbreitung neuer politischer Ideen unterdrückt werden. Das Prinzip der Freiheit und Offenheit des politischen Prozesses verpflichtet den Verordnungsgeber aber dazu, die Möglichkeit offenzuhalten, dass sich im demokratischen Diskurs politische Alternativen entwickeln können. Daher sind die in Art. 3 Abs. 1 c) VO statuierten Grundsätze grundsätzlich restriktiv zu handhaben. Aus dieser restriktiven Auslegung folgt dann noch, dass die in Art. 3 Abs. 1 c) VO benannten Werte einen abschließenden Katalog bilden; eine analoge Anwendung anderer Schutzgüter somit ausscheidet. Für das „Beachten“ der Schutzgüter gelten diese Erwägungen hingegen nicht in gleichem Maße. Wenn im deutschen Recht die herrschende Meinung die Tatbestandsmerkmale des Art. 21 Abs. 2 GG restriktiv auslegt, erfolgt dies gerade vor dem Hintergrund, dass ein Parteiverbot den größtmöglichen Eingriff in den Parteienwettbewerb darstellt. Schließt die Verordnung im Gegensatz hierzu aber die betroffenen Parteien von der öffentlichen Finanzierung aus, liegt ein Eingriff auf niedrigerer Stufe vor, der wiederum von niedrigeren Voraussetzungen abhängig gemacht werden kann. Muss man aber die Art und die Schwere des Eingriffs zum Schutz des freien und offenen politischen Prozesses im Rahmen der Schutzgüter unberücksichtigt lassen, kann die Möglichkeit einer Herabsetzung der Eingriffsschwelle nur bei der Feststellung eine Rolle spielen, inwieweit eine europäische Partei sich gegen die fundamentalen Werte einer freien und offenen Gesellschaft wendet. Diesen Gedanken hat der Verordnungsgeber indes schon durch die Formulierung „beachten“ berücksichtigt. Schon vom Wortsinn verlangt es ein „Weniger“ als das „darauf ausgehen“ des Art. 21 Abs. 2 GG. a) Schutzgüter des Art. 3 Abs. 1 c) VO aa) Freiheit Der Begriff der „Freiheit“ ist durch das Primärrecht inhaltlich ebenso wenig näher definiert wie die übrigen in Art. 2 S. 1 EUV genannten Grundsätze. Die Freiheit gewährleistet zumindest die Selbstbestimmung des Menschen innerhalb einer rechtsstaatlich fundierten Rechtsordnung419. In negativer Hinsicht ist sie von jed 418

Ähnlich auch: Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 170. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 1991; Geiger, in: Geiger/Khan/Kotzur, EUV/ AEUV, Art. 2 EUV Rn. 3. 419

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§ 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung 

weder Tyrannis abzugrenzen420. Dementsprechend ist jeder Gewaltmonismus und jede Vorherrschaft einer politischen Partei mit dem europäischen Freiheitsbegriff unvereinbar421. Freiheit, als Grundvoraussetzung einer demokratischen Herrschaftsform, umfasst insbesondere auch die Freiheit der Bürger, ihre politischen Entscheidungen selbst und ohne staatliche Beeinflussung oder gar Zwang zu treffen, wodurch sowohl ein freier Entscheidungsvorgang wie auch eine freie Entscheidungsfindung der Bürger geschützt ist422. Sie lässt auch keinen Raum für jedwede Form des Zwangskollektivismus, sei es in kommunistischer oder in faschistischer Form423. Aus diesen grundsätzlichen Vorüberlegungen zum europäischen Freiheitsverständnis erschließt sich ebenfalls das Schutzgut der „Freiheit“ im Sinne des Art. 3 Abs. 1 c) VO. Zwar muss der Freiheitsbegriff der Verordnung verschiedene Akzentuierungen zulassen424, um den freien politischen Diskurs nicht zu gefährden. Doch selbst wenn man unterschiedliche Interpretationen des Freiheitsbegriffes toleriert, verstößt eine Partei gegen den Grundsatz der Freiheit, wenn sie den freien Entscheidungsvorgang sowie die freie Entscheidungsfindung der Bürger ablehnt, ihre politischen Ansichten und Vorstellungen notfalls mit ungerechtfertigter Gewalt gegenüber Interessen anderer durchsetzen will oder das Individuum nach ihrer politischen Ideologie lediglich als Mittel zum Erreichen eines höheren politischen Zweckes benutzt. Dann wendet sie sich ihrerseits gegen den freien politischen Prozess als solchen, der selbst elementarer Bestandteil eines Freiheitsbegriffes ist. bb) Demokratie Voraussetzung jedes demokratischen Systems ist es, dass jedes hoheitliche Handeln auf den Willen des Volkes zurückzuführen ist425. Als Ansatzpunkt für die Konkretisierung des Demokratiebegriffs kann Art. 3 Zusatzprotokoll zur EMRK herangezogen werden, der vorsieht, dass die Mitgliedstaaten in angemessenen Zeitabständen freie und geheime Wahlen zur gesetzgebenden Körperschaft abhalten, in deren Rahmen die freie Äußerung der Meinung des Volkes gewährleistet sein muss426. Auf Unionsebene ist der Grundsatz der Demokratie funktional an die rechtliche Gestalt der Union und ihre doppelte Legitimationsstruktur angepasst427. Damit können die inhaltlichen Anforderungen, die an die demokratische 420

Callies, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 2 EUV Rn. 18. Hilf/Schorkopf, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 2 EUV Rn. 25. 422 Grzeszik, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rn. 17. 423 Pechstein, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 2 EUV Rn. 3. 424 Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 95. 425 Geiger, in: Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Art. 2 EUV Rn. 3. 426 Vgl. hierzu: Geiger, in: Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, Art. 2 EUV Rn. 3. 427 Siehe hierzu: A. II. 5. und zur Problematik eines Demokratiedefizits § 3 B. I. 2.  421

B. Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 VO

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Legitimation der Union gestellt werden, nicht ohne weiteres nach dem mitgliedstaatlichen Verständnis von Demokratie bestimmt werden. Außerdem bestehen zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten der Union im Detail erhebliche Unterschiede, wie eine Herrschaft durch das Volk, also eine Demokratie, auszusehen hat. Doch auch das europäische Verständnis von Demokratie erkennt fundamentale Wesenszüge an und schützt das, was eine „europäische Demokratie“ auszeichnet. Ihr ist unter diesem Gesichtspunkt eine Teilhabe der Völker der Union bei der Ausübung hoheitlicher Gewalt immanent428. Zu den wesensbestimmenden Merkmalen einer Demokratie, die allen Mitgliedstaaten sowie der Union selbst zu eigen sind, gehören die Selbstbestimmung, die politische Pluralität, der Minderheitenschutz, die Meinungsfreiheit, die Möglichkeit eines Machtwechsels im politischen System und freie Wahlen mit Parteienmehrheit429. Offen muss das Schutzgut indes für unterschiedliche Demokratiekonzepte sein. Dies resultiert schon aus der Tatsache, dass die einzelnen Mitgliedstaaten ihrerseits eine Palette unterschiedlicher Demokratiemodelle kennen und in ihr politisches System integrieren. Von daher muss eine Partei auch ein vom Konzept der Unionsverträge abweichendes Demokratiemodell bevorzugen können. So ist das Schutzgut der „Demokratie“ sicherlich noch nicht einschlägig, wenn eine politische Partei auf europäischer Ebene beispielsweise basisdemokratischere Elemente mit einer Forderung nach einem imperativen Mandat oder ein Mehrheitswahlrecht propagiert. Es muss Parteien die Freiheit gewährt werden, dass sie das politische System im Rahmen demokratischer Grundstrukturen selbst reformieren können. In diesem Zusammenhang stellt sich dann die weitergehende Frage, ob das Schutzgut der Demokratie sich auch auf die internen Strukturen der Parteien selbst erstreckt, eine politische Partei auf europäischer Ebene also verpflichtet ist, eine demokratische Binnenstruktur zu gewährleisten. In Art. 10 Abs. 4 EUV fehlt eine dem Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG entsprechende Regelung, nach der die innere Ordnung der Parteien demokratischen Grundsätzen entsprechen muss. Ebenso kann das Prinzip der repräsentativen Demokratie in Art. 10 Abs. 1 EUV eine Verpflichtung zur innerparteilichen Demokratie noch nicht begründen. In einem Parteiensystem ist es durchaus denkbar, dass sich die Vermittlungsleistung der Parteien darauf beschränkt, die relevanten politischen Themen und Entscheidungsträger auszuwählen und den Bürgern zur Wahl zu stellen430. Bei einer Partei, deren interne Strukturen in krassem Widerspruch zu grundlegenden demokratischen Prinzipien stehen, liegt aber zumindest der Verdacht nahe, dass sie diese undemokratischen Vorstellungen ebenfalls auf die öffentliche Ebene übertragen will431. Somit führt eine gänzlich undemokratische Binnenstruktur einer Partei zu einer Indizwir 428

Hummer/Obwexer, EuZW 2000, 485 (486). Callies, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 2 EUV Rn. 21; Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 5, Rn. 1999 ff. 430 Vgl. zur Konzeption des Grundgesetzes: Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art.  21 Rn. 64. 431 Vgl. zum deutschen Parteiverbotsverfahren BVerfGE 2, 1 (14). 429

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§ 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung 

kung, dass sie auch im Übrigen demokratische Grundprinzipien nicht beachtet432. Insofern schützt der Wert der „Demokratie“ die innerparteiliche Demokratie mittelbar. Selbst ist das Schutzgut nicht tangiert, gleichzeitig ist aber ein typisches Kennzeichen von Parteien, die sich entgegen grundlegender demokratischer Prinzipien organisieren, dass diese Missachtung Ausdruck einer grundsätzlichen Ablehnung des demokratischen Gedankens ist und sie diese Vorstellungen aus der Partei hinaus in die Gesellschaft und die öffentliche Ebene übertragen wollen. Insbesondere bei Parteien, die einer totalitären und diktatorischen Organisations- und Politikausrichtung verhaftet sind, erscheint es schwer vorstellbar, dass sie das demokratische System anerkennen. cc) Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten Für die in Art. 3 Abs. 1 c) VO normierten Grundsätze der Menschenrechte und der Grundfreiheiten gilt, wie für die „Wahrung der Menschenrechte“ in Art. 2 S. 1 EUV, dass diese Tatbestandsmerkmale nicht mit dem vollständigen grundrechtlichen und grundfreiheitlichen Besitzstand überfrachtet werden dürfen433. Andernfalls würde man den Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten überdehnen und die politischen Parteien auf europäischer Ebene in ihrer Programmfreiheit unangemessen einschränken. Insofern ist das Tatbestandsmerkmal so auszulegen, dass es einen „harten Kern“ der Menschenrechte und Grundfreiheiten schützt, worunter nicht nur die nach Art. 15 EMRK notstandsfesten Garantien wie das Recht auf Leben, das Folterverbot, das Verbot der Sklaverei und Leibeigenschaft fallen, sondern auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit, habeas corpus, das Gebot der Achtung der Privatsphäre, die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, die Meinungs-, Versammlungs- und die Vereinigungsfreiheit, das Recht auf Eigentum und das Diskriminierungsverbot sowie die Grundsätze des Minderheitenschutzes und das Verbot institutionalisierter Rassendiskriminierung434. Ebenso fällt sicherlich die in Art. 2 S. 1 EUV explizit aufgeführte Menschenwürde als oberster Wert, den die öffentliche Gewalt zu achten und zu schützen hat, unter den Schutz des Art. 3 Abs. 1 c) VO. Auch bei diesem „harten Kern“ des Grundrechtsschutzes ist europäischen Parteien jedoch ein weiter politischer Beurteilungsspielraum zuzugestehen. Es darf den Europaparteien in ihrer Programmfreiheit grundsätzlich nicht verwehrt werden, unterschiedliche Vorstellungen zu Ausgestaltungs- und Einschränkungsmöglichkeiten von Grundrechten und Grundfreiheiten zu entwickeln. Eine im Einzelfall mit den Grundrechten unvereinbare politische Meinung kann daher noch nicht als Anhaltspunkt dafür genügen, dass eine Partei sich in einer prinzi 432

Vgl. Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 72. Vgl. zu Art. 2 EUV: Hilf/Schorkopf, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 2 EUV Rn. 36. 434 Hilf/Schorkopf, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 2 EUV Rn. 37. 433

B. Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 VO

221

piellen Weise gegen die Vorstellung grundrechtlicher Freiheit wendet. Die Merkmale sind erst betroffen, wenn ihre grundsätzliche politische Ausrichtung darauf zielt, Grundrechte und Grundfreiheiten den Bürgern in ihrer Gesamtheit, einzelnen Personengruppen oder dem Einzelnen selbst abzusprechen. Exemplarisch hierfür lässt sich eine rassistische oder intolerante Parteipolitik anführen435. Hierfür genügt es wiederum nicht, wenn eine europäische Partei die gegenwärtige Asyl-, Ausländer- und Einwanderungspolitik kritisiert, selbst dann, wenn dies auf zugespitzte oder womöglich polemische Weise erfolgt436. Nicht zu tolerieren ist dagegen eine Politik, die Andere als rassisch minderwertig herabwürdigt, sie aus der Gemeinschaft zu vertreiben versucht oder letztlich gar zu ihrer Vernichtung aufruft437. Ein Ausschluss von der öffentlichen Finanzierung kann auch nicht auf eine integrationskritische oder integrationsfeindliche Haltung einer Partei gestützt werden, da dies kein Prüfungskriterium des Art. 5 Abs. 3 VO darstellt438. Solche politischen Standpunkte sind von der Programmfreiheit der Parteien umfasst. Soweit die frühere Regelung des (ex) Art. 191 Abs. 1 S. 1 EGV, die politische Parteien auf europäischer Ebene als wichtigen Faktor der Integration in der Union umschrieb, die Frage aufgeworfen hatte, ob damit programmatische Vorgaben für eine integrationsfreundliche Politik verbunden waren439, stießen solche Überlegungen zu Recht auf vehementen Widerstand440. Auch eine ablehnende Haltung zu einer weiteren politischen Vertiefung der Europäischen Union ist eine zulässige Willensäußerung441. Der normative Gehalt des Art. 191 Abs. 1 S. 1 EGV wäre überspannt worden, wenn man dieser Bestimmung derart tiefgreifende Einschränkungen der Programmfreiheit entnommen hätte442. Wesentlicher Bestandteil eines demokratischen Gebildes ist der freie Willensbildungsprozess seiner Bürger, den solche Beschränkungen der programmatischen Zielvorgaben in unzulässiger Weise

435

Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 171. Zu Art. 21 GG: Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 95. 437 Zu Art. 21 GG: Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 95. 438 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 257; Bieber, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 191 Rn. 11; Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 256; Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 172; Klein, in: FS Ress, S. 541 (546). 439 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 147 ging in diesem Zusammenhang davon aus, dass aufgrund der Bestimmung des (ex) Art. 191 EGV das europäische Verfassungsrecht gegenüber integretationsfeindlichen bzw. europaskeptischen Parteien nicht neutral ist. 440 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 173; BVerfGE 89, 155 (179); Constantinescu, in: FS Bieber, S. 95 (100); Dorget, in: Delwit/Külahci/van de Walle, Europarties, S. 83 (97); Lange/Schütz, EuGRZ 1996, 299 (300); Morlok, in: Johansson/ Zervakis, European political parties between cooperation and integration, S. 29 (37); Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 352; Tsatsos, EuGRZ 1994, 45 (49); Zotti, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 51. 441 Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 192. 442 Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 192 f. 436

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beeinträchtigen würden443. Jeder Versuch, Stimmen, die den europäischen Einigungsprozess kritisch oder ablehnend begleiten, den Schutz der Parteienfreiheit zu verwehren, bringt die Gefahr mit sich, dass Integrationsfortschritte allein auf rechtlichem Wege erzwungen und nicht mehr über eine inhaltliche Überzeugung der Bürger erreicht werden müsste444. Ein solcher Integrationsprozess würde sich in wesentlichen Gesichtspunkten von seinem demokratischen Verantwortungs­ zusammenhang mit seinen Bürgern lösen und steht im Kontrast zur noch inhaltsoffenen Weiterentwicklung der Europäischen Union. Ein gewisser Anteil an integrationsfeindlichen oder -skeptischen Parteien kann sogar umgekehrt das europäische Bewusstsein der Bürger und damit auch den gesamten Integrationsprozess stärken. Auch und gerade kritische Stimmen und Parteien können einen öffentlichen Diskurs über den weiteren Verlauf der Integration intensivieren, der die Vor- und Nachteile, Chancen und Gefahren, Reichweiten und Grenzen der Integration vermitteln kann445. Eine solche Diskussion wäre in besonderem Maße Ausdruck eines offenen demokratischen Prozesses und damit europäischer Demokratie446. Letztlich wurde jeder anderen Argumentation der Boden durch die Änderungen des Vertrages von Lissabon entzogen, da die Regelung des Art. 191 Abs. 1 S. 1 EGV sich weder im neuen Vertragswerk wiederfindet noch in Art. 12 GRCh enthalten ist. Eine europäische Partei kann damit in legitimer Weise für ein Ende des europäischen Integrationsprozesses eintreten, so dass die Subventionsvergabe auch nicht von einer integrationsfreundlichen Gesinnung abhängig gemacht werden darf447. dd) Rechtsstaatlichkeit Über den Begriff der Rechtsstaatlichkeit hat der EuGH die wesentlichen Grundsätze der Mitgliedstaaten richterrechtlich in das Unionsrecht übertragen448. Hierzu gehören unter anderem der Grundsatz des Gesetzesvorbehalts, des Vertrauensschutzes, das Rückwirkungsverbot, der Bestimmtheitsgrundsatz, das Verhältnismäßigkeitsprinzip, die Rechtsschutzgarantie durch eine unabhängige Justiz und der Schutz der Grundrechte449. Dazu ist mit dem Begriff der Rechtsstaatlichkeit die Gewaltenteilung geschützt, insbesondere in ihrer besonderen unions 443 Huber, EuR 1999, 579 (591); Lange/Schütz, EuGRZ 1996, 299 (300 f .); Stentzel, EuR 1997, 174 (184). 444 Tsatsos, EuGRZ 1994, 45 (49). 445 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 189; Stentzel, EuR 1997, 174 (185); ders., Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 352. 446 zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 288. 447 Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 182. 448 Pechstein, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 2 EUV Rn. 6. 449 Pechstein, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 2 EUV Rn. 6; Callies, Die neue Europäische Union nach dem Vertrag von Lissabon, S. 288 ff.

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rechtlichen Ausprägung, dass das institutionelle Gleichgewicht gewahrt bleiben muss450. Bei der Ausgestaltung der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union steht europäischen Parteien ebenfalls ein weiter politischer Spielraum zu. So hat zum Beispiel die Idee der Gewaltenteilung in einzelnen Demokratien vielfältigste Modifikationen erfahren. Politische Parteien können also grundsätzlich ihre Ideen zur Ausformung des Rechtsstaatsprinzips in den politischen Wettbewerb einbringen und dabei unterschiedliche Akzentuierungen setzen, ohne dass man gleich von einer Verletzung des Schutzgutes ausgehen muss451. b) Beachten der Schutzgüter Im Anschluss gilt es dann noch zu klären, wann eine europäische Partei sich derart in Widerspruch zu den Grundsätzen des Art. 3 Abs. 1 c) VO setzt, dass sie die Voraussetzung des „Beachtens“ nicht erfüllt und von der öffentlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden kann. Wie bereits festgestellt wurde, kann man vor allem bei der Schwere von Verstößen gegen die Grundwerte der Union der Tatsache Rechnung tragen, dass es sich bei einem Ausschluss von öffentlichen Subventionen um einen Eingriff auf niedrigerer Ebene als bei einem Parteiverbot handelt. So muss eine Partei, um die Grundwerte des Art. 3 Abs. 1 c) VO nicht zu beachten, gerade nicht eine „aktiv kämpferische, aggressive Haltung“452 zu erkennen geben; vielmehr genügt es, wenn sie sich zu den Schutzgütern in Widerspruch setzt. An diese Aussage schließt sich dann freilich das Problem an, woraus sich ein solcher Widerspruch ergeben kann. Art. 3 Abs. 1 c) VO regelt in diesem Zusammenhang, dass politische Parteien auf europäischer Ebene die Grundsätze „ins­ besondere in ihrem Programm und in ihrer Tätigkeit“ zu beachten haben. Die Formulierung „insbesondere“ zeigt dabei, dass die Norm lediglich Regelbeispiele benennt und ein Nichtbeachten der Grundwerte der Europäischen Union durchaus noch aus anderen Gegebenheiten geschlossen werden kann. So können grundsätzlich alle inneren und äußeren Indikatoren im Umfeld einer Partei herangezogen werden, die auf einen eventuellen Widerspruch zwischen ihr und den Grund­sätzen der Europäischen Union schließen lassen. Sämtliche faktischen und rechtlichen Handlungen einer europäischen Partei sind hierfür maßgeblich453. Damit ist gerade nicht nur das „normative Selbstbild“, wie es die Partei in ihrem Programm und ihrer Satzung dokumentiert, entscheidend für ihr Einverständnis mit den europäischen Grundwerten, sondern darüber hinaus sind die gesamten tatsächlich

450

Vgl. hierzu: Schäfer, in: Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, A. II. Rn. 503. Vgl. zu Art. 21 GG: Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 95. 452 So aber zu Art. 21 II GG: BVerfGE 5, 85 (141). 453 Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 169. 451

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vorhandenen organisatorischen Strukturen und politischen Meinungen der europäischen Partei zu begutachten454. Sicherlich lässt sich dies anhand des schriftlich niedergelegten Parteiprogramms am einfachsten feststellen, denn es soll sowohl die grundlegenden als auch speziellere politische Ziele einer Partei schriftlich fixieren und für die Öffentlichkeit transparent machen455. Ergibt sich schon aus dem Programm selbst, dass die Partei mit den Grundwerten der Union nicht in Einklang steht, so kann man ohne weiteres davon ausgehen, dass sie sich in ihrem ganzen Verhalten im Widerspruch zu den Grundsätzen des Art.  3 Abs.  1 c)  VO stellt. Im Umkehrschluss bedeutet dies hingegen nicht, dass eine Partei, die ihr politisches Programm im Einklang mit den Schutzgütern formuliert, diese auch tatsächlich beachtet. Radikale Parteien gestalten – aufgrund eines drohenden Verbots oder wie hier eines möglichen Finanzierungsausschlusses  – ihre Parteiprogramme in der Regel so, dass sie nicht gegen die Grundwerte der demokratischen Ordnung verstoßen456. Die politischen Zielsetzungen einer Partei sind daher nicht nur aus dem Parteiprogramm zu ermitteln, sondern darüber hinaus „aus sonstigen parteiamt­ lichen Erklärungen, aus Schriften der von ihr als maßgebend anerkannten Auto­ ren über die politische Ideologie der Partei, aus den Reden der führenden Funk­ tionäre, aus dem in der Partei verwendeten Schulungs- und Propagandamaterial sowie aus den von ihr herausgegebenen oder beeinflussten Zeitungen und Zeit­ schriften“457. In gleichem Maße sind auch nachträgliche oder geheime Zielsetzungen maßgeblich, natürlich nur soweit sie festgestellt werden können458. Bei den über das Parteiprogramm hinausgehenden Indikatoren vermischen sich Ziele und Verhalten einer Partei, da amtliche Erklärungen oder Reden führender Funktionäre sowohl ihre Zielsetzungen als auch das Verhalten der Partei bestimmen. Es besteht also eine Wechselwirkung zwischen den Bestrebungen einer Partei, die sich unter anderem im Parteiprogramm manifestieren, und dem Verhalten ihrer Anhänger459. Eine Partei handelt nicht selbst, sondern lediglich ihre Funktionäre und Mitglieder stellvertretend für sie. Daher ist für das Tatbestandsmerkmal des „Verhaltens“ ähnlich wie bei Art. 21 Abs. 2 GG eine Zurechnung des Verhaltens natürlicher Personen erforderlich. Problematisch ist dann aber, für welche Personenkreise überhaupt eine Zurechnung erfolgen kann und unter welchen Voraussetzungen die Partei für das Verhalten der jeweiligen Personen „haftet“.

454

Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 169. Zu dieser Funktion instruktiv: Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 192. 456 Zu den deutschen Parteien, die damit dem „Damoklesschwert“ der Verfassungswidrigkeit entgehen wollen: Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 96. 457 So zum Tatbestandsmerkmal der „Ziele“ einer Partei im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG: BVerfGE 5, 85 (144); so auch: Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 96. 458 Vgl. BVerfGE 5, 85 (144). 459 Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 21 Rn. 32. 455

B. Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 VO

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Eine Zurechnung ist sicherlich möglich bei Organen, Funktionären und parteilichen Nebenorganisationen460. Das Auftreten eines Organs oder eines Funktionärs kann regelmäßig der gesamten Partei zugeordnet werden461, denn sie sind dazu legitimiert, im Namen der Partei zu handeln. Ähnliches gilt auch für Mitglieder einer Partei. Neben dem direkten Umfeld der Partei ist auch eine Zurechnung des Verhaltens ihrer „Anhänger“ möglich. Sie setzen sich aus denjenigen zusammen, die für die betreffende Partei eintreten und sich für sie engagieren und geht damit über den Kreis der Mitglieder hinaus462. Parteien beeinflussen durch ihr Wirken auch das Verhalten derjenigen Anhänger, die nicht unmittelbar Mitglied der Partei sind463. Parteien sollen sich aber nicht für ein den Grundwerten der Union zuwiderlaufendes Verhalten durch ihnen nahestehende Personen mit der Begründung exkulpieren können, dass diese doch gar keine Mitglieder seien464. Gleichzeitig bedarf der Begriff der „Anhänger“ aber auch einer Eingrenzung: Parteien haften nicht für jeden ihrer Sympathisanten. Daher kann eine Zurechnung nur dann erfolgen, wenn das Verhalten der Person gerade aus der Wechselwirkung zwischen Partei und Sympathisant erfolgt. Das Verhalten des Anhängers muss also gerade auf der politischen Agitation der Partei beruhen. Dies kann durch aktives Unterstützen, aber auch durch eine unterschwellige „Anstiftung“ des Sympathisanten geschehen. Ob eine solche Beeinflussung stattgefunden hat, ist nach dem jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Kriterien zu beurteilen465. Ein reines Unterlassen von zumutbaren Gegenmaßnahmen kann hingegen noch keine Zurechnung des Anhängers zur Partei begründen466. Dies würde die Haftung der Parteien für den möglicherweise weiten Kreis ihrer Sympathisanten in unzumutbarer Weise ausdehnen und zu einem Grundsatz von „Parteien haften für ihre Sympathisanten“ führen. Sinn und Zweck der Haftungserweiterung für ein Verhalten einzelner Personen, die nicht Mitglied der Partei sind, liegt jedoch gerade in der dargestellten Wechselbeziehung zwischen Partei und Anhänger. Ist ein Verhalten des Einzelnen nicht zumindest von der Partei beeinflusst, liegt diese Wechselbeziehung nicht vor, so dass es einer politischen Partei nicht zuzumuten ist, sich von radikalem Verhalten dieser Personen zu distanzieren, obwohl sie es weder veranlasst noch gefördert hat. Politische Aktionen, Meinungen und Aussagen, die gegen die Grundsätze des Art. 3 Abs. 1 c) VO verstoßen, können zudem noch nicht zu der Annahme führen, dass eine Partei die Grundwerte der Europäischen Union nicht beachtet, wenn es sich um Einzelfälle, insbesondere um „Entgleisungen“ einzelner Mitglieder han 460

Vgl. Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 150. Sichert, DÖV 2001, 671 (677); Streinz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art.  21 Rn. 237. 462 BVerfGE 2, 1 (22); Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 96; Lechner/Zuck, BVerfGG, Vor § 43 Rn. 4. 463 Meier, Parteiverbote und demokratische Republik, S. 285. 464 Vgl. Meier, Parteiverbote und demokratische Republik, S. 285. 465 Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 96 (Fn. 634). 466 Anders: Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 96. 461

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§ 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung 

delt, während die Partei sich im Übrigen aber nicht in Widerspruch zu diesen Prinzipien stellt467. Eine Partei haftet also genau wie bei ihren Anhängern nicht für jegliches Verhalten ihrer Mitglieder zu jedem denkbaren Zeitpunkt468. Verhalten von Mitgliedern außerhalb des Wirkungsbereichs der Partei kann ihr nicht zugerechnet werden. Wenngleich es zu verhindern gilt, dass sich Parteien aus ihrer Verantwortung mit dem Hinweis stehlen, die Äußerungen ihrer Anhänger seien nicht die offizielle Meinung der Partei, so darf ihnen andererseits auch nicht jede Äußerung oder jedes Verhalten der Mitglieder zugerechnet werden. Man kann ihnen als Massenorganisationen schwerlich die Verpflichtung auferlegen, über das politische Auftreten sämtlicher Sympathisanten im Bilde zu sein und sich hiervon zu distanzieren469. Einer Partei ist es nicht immer möglich und erst recht nicht zumutbar, die politischen Zielsetzungen jedes Mitglieds zu kennen und gegebenenfalls zu sanktionieren. Es genügt in der Regel also nicht, dass Bestrebungen, die den Grundsätzen des Art. 3 Abs. 1 c) VO widersprechen, in einer Partei selbst oder lediglich im Zusammenhang mit ihr aufgetreten sind, sondern es ist darüber hinaus erforderlich, dass sie einen dominierenden Faktor in der Partei bilden und dass aus dieser ideologischen Grundanschauung heraus ein entsprechendes Handeln ihrer Mitglieder folgen kann470. Im Gegensatz zu einzelnen Sympathisanten, die keine formalen Mitglieder sind, kommt es bei einer innerparteilichen Minderheit durchaus darauf an, inwieweit die Mehrheit solche Verstöße duldet und auf mögliche und zumutbare Gegenmaßnahmen verzichtet471. Verletzungen fundamentaler Prinzipien innerhalb parteiinterner Strukturen lassen sich zum einen leichter erkennen und werden zum anderen der Organisation in der Öffentlichkeit leichter zugerechnet als von Anhängern außerhalb der Partei, so dass man von ihr in größerem Maße verlangen kann, die Entstehung eines solchen Eindrucks zu verhindern. Auf europäischer Ebene ist die Pflicht zur Distanzierung besonders evident, da europäische Parteien regelmäßig als Parteienföderationen organisiert sind. Besteht eine politische Partei aus einer überschaubaren Anzahl von nationalen Mitgliedsparteien, sind deren undemokratische oder grundrechtswidrige Zielsetzungen ohne weiteres zu erkennen und geeignete Sanktionen durchzuführen. Außerdem repräsentieren die einzelnen Mitgliedsparteien als Zusammenschluss von individuellen Mitgliedern auf nationaler Ebene nicht nur ein einzelnes Parteimitglied, sondern eine Vielzahl von Mitgliedern, die zumindest eine relevante innerparteiliche Minderheit darstellen. In solchen Fällen sind gesteigerte Anforderungen an die Gegenmaßnahmen der Partei zu stellen. An diesem Beispiel zeigt sich, dass ein Verhalten von Parteimitgliedern entsprechend leichter zugerechnet werden kann als bei bloßen Anhängern. Die zwischen Partei und Mitglied erforderliche Wechselwirkung lässt sich aufgrund der Tätigkeit der Mitglieder im 467

Vgl. zu Art. 21 Abs. 2 S. 1 GG: BVerfGE 5, 85 (143). Streinz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 21 Rn. 236. 469 In diese Richtung auch: Streinz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 21 Rn. 236. 470 Zu Art. 21 Abs. 2 GG: Streinz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 21 Rn. 238. 471 Streinz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 21 Rn. 237. 468

B. Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 VO

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Wirkungsbereich der jeweiligen Partei schneller vermuten. Entscheidend für die Zurechenbarkeit von Äußerungen und Handlungen Einzelner oder bestimmter Personengruppen ist dementsprechend die Intensität ihrer Einflussmöglichkeiten in der Partei472. Je größer sie ist, desto einfacher lässt es sich der gesamten Organisation zurechnen.

IV. Teilnahme an Wahlen zum Europäischen Parlament Gemäß Art. 3 Abs. 1 d) VO muss eine politische Partei auf europäischer Ebene an den Wahlen zum Europäischen Parlament teilgenommen oder die Absicht bekundet haben, dies zu tun. Eine solche Voraussetzung ist zwangsläufig auch Teil des europäischen Parteienbegriffes, wenn Parteien nach Art. 10 Abs. 4 EUV die Aufgabe obliegt, an der Willensbildung der Unionsbürger mitzuwirken473. Gerade durch die Partizipation an Parlamentswahlen und den hierdurch bedingten Versuch, auf die Ebene der Legislative Einfluss zu nehmen, unterscheiden sich Parteien von den sonstigen Interessengruppen und Verbänden474. Ist die Teilnahme an Wahlen zum Europäischen Parlament aber ein Element des primärrechtlichen Begriffs der „politischen Partei auf europäischer Ebene“, ist sie nicht nur eine zulässige, sondern gar eine notwendige Voraussetzung zur Gewährung öffentlicher Mittel. Dabei verlangt der Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 d) VO nicht, dass eine europäische Partei bereits an einer Wahl zum Europäischen Parlament teilgenommen hat. Es genügt vielmehr die Absicht, also eine Willensbekundung, sich beteiligen zu wollen. Es bedarf damit zumindest einer Erklärung, die die Ernsthaftigkeit erkennen lässt, an den Europawahlen künftig partizipieren zu wollen475. Über diesen Weg erhalten auch neue politische Kräfte eine Chance, das Kriterium zu erfüllen, und der politische Wettbewerb wird offengehalten. Die organisatorischen Besonderheiten europäischer Parteien setzen sich im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 1 d) VO in der Frage fort, inwiefern sie als Parteienbünde überhaupt selbst an den Wahlen zum Europäischen Parlament teilnehmen. Nicht sie, sondern ihre nationalen Mitgliedsparteien sind es, für die sich die Bürger entscheiden können. Die Europaparteien treten auf dem Wahlzettel noch nicht einmal in Erscheinung. Dass die Partizipation der nationalen Mitgliedsparteien 472

Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 150. Armbruch, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 65; Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 58; Lange/Schütz, EuGRZ 1996, 299 (300); Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 357; a. A. ist wohl das Europäischer Parlament in seiner Entschließung vom 10.  Dezember 1996, nach der neben einer angestrebten Vertretung im Europäischen Parlament es auch genügt, wenn sich eine politische Vereinigung „in anderer vergleichbarer Weise am europäischen Willensbildungsprozess beteiligt“, EuGRZ 1996, 77. 474 Armbruch, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S.  187; Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 358. 475 Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 257. 473

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§ 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung 

an Europawahlen genüge, ist aber insbesondere nach von Arnim und Schurig weder mit dem Wortlaut noch der Entstehungsgeschichte der Norm vereinbar476. Die Kritik setzt dabei an einem üblichen Verständnis von Teilnahme an: Wer nicht auf dem Wahlzettel steht, nimmt an einer Wahl nicht teil, und wer auch künftig vorhat, lediglich seine Mitgliedsparteien antreten zu lassen, hat auch nicht die Absicht, an ihr teilzunehmen. Die Entwürfe zur Parteienverordnung hätten von daher noch ausdrücklich eine mittelbare Beteiligung der Europaparteien über ihre Mitgliedsparteien genügen lassen, wenn sie vorschlugen, dass entweder „eine dem Bündnis angehörende Partei“ oder „Bestandteile“ einer Parteienföderation an den Europawahlen teilzunehmen hätten477. Wenn diese Formulierungen letztlich keinen Eingang in die Verordnung gefunden haben, bedeute dies im Umkehrschluss, dass man von der hiermit verbundenen Intention Abstand genommen habe478. Der Wortsinn des „Teilnehmens“ legt zwar auf den ersten Blick nahe, dass sich eine Partei oder ein Parteienbündnis selbst zur Wahl stellen muss, bei näherer Betrachtung erscheint eine solche Auslegung vielleicht doch etwas vorschnell. „Teilnahme“ bedeutet nicht zwangsläufig, dass sich politische Parteien auf europäischer Ebene unmittelbar selbst mit eigenen Kandidaten an den Europawahlen beteiligen müssen479. Die Verordnung hat Parteienbündnisse durch Art.  2 VO explizit in ihren Anwendungsbereich eingeschlossen. Dies wäre überflüssig, wenn man ihnen anschließend wegen einer fehlenden Teilnahme an Wahlen zum Europäischen Parlament öffentliche Finanzhilfen verwehren würde480. Der Verordnungsgeber hat die Voraussetzungen der öffentlichen Finanzierung in Kenntnis ihrer rechtlichen und tatsächlichen Arbeitsbedingungen und Strukturen normiert. Obwohl die Einführung eines europaweiten einheitlichen Wahlrechts mit zumindest prozentual anteiligen einheitlichen europäischen Listen sowohl von der herrschenden Literatur481 als auch den meisten europäischen Institutionen482 476

von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 35. von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S.  36; der erste Vorschlag stammt aus Art. 3 Abs. 1 b) des Verordnungsentwurfs der Kommission vom 19. Februar 2003, während der zweite Vorschlag in Art.  3 Abs.  4 des Verordnungsentwurfs des Europäischen Parlaments vom 21. Mai 2003 (abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pub Ref=-//EP//NONSGML+REPORT+A5-2003-0170+0+DOC+PDF+V0//DE&language=DE; Stand: 08.08.2011) enthalten war. 478 von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 36. 479 In diese Richtung auch: Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 335. 480 Armbruch, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 215. 481 Vgl. hierzu ausführlich: Lenz, Ein einheitliches Verfahren für die Wahl des Europäischen Parlaments; ebenso: Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 398 ff.; dies fordern auch Armbruch, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 143, Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  21 Rn.  105 und Schreiber, NVwZ 2004, 21 (28); aus politik­ wissenschaftlicher Sicht: zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 134 f. 482 Die Forderung nach europaweit einheitlichen Listen findet sich in der Stellungnahme der Kommission zur institutionellen Reform der Union vom 26. Januar 2000, KOM.-Dok. 2000/ 34, Kap. 1 Nr. 2; Ausschuss für konstitutionelle Fragen des Europäischen Parlaments in seinem 477

B. Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 VO

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gefordert wird, konnte man sich bisher nicht auf ein solches einigen. Die Parteienverordnung konnte und sollte insofern keinen Einfluss auf das europäische Wahlrecht nehmen. Folglich muss die Auslegung des Art. 3 Abs. 1 d) VO auch diese besonderen Bedingungen berücksichtigen. Wenn Europaparteien sich aus nationalen Parteien zusammensetzen und gleichzeitig das Wahlrecht für die Wahlen zum Europäischen Parlament durch das nationale Recht geprägt wird, muss es auch zulässig sein, dass die nationalen Mitgliedsparteien selbstständig unter eigenem Namen antreten. Daher ist es möglich und vom Sinn und Zweck der Vorschrift gedeckt, für die Voraussetzung der „Teilnahme“ lediglich eine „mittelbare Teilnahme“ der europäischen Parteien genügen zu lassen, in der die Parteienbünde national durch ihre Mitgliedsparteien vertreten werden483. Die „unmittelbare Teilnahme“ an den Wahlen zum Europäischen Parlament durch die politischen Parteien auf europäischer Ebene liegt dann in ihrer koordinierenden und programmatischen Arbeit484.

V. Programm und Satzung Aus Art. 4 Abs. 2 b) und c) VO ergibt sich, dass die politischen Parteien auf europäischer Ebene ferner noch über ein politisches Programm und eine Satzung verfügen müssen. Das politische Programm muss die Ziele der Partei beschreiben (Art. 4 Abs. 2 b) VO). Mit Hilfe eines Parteiprogrammes wird der gesamten medialen Öffentlichkeit und jedem interessierten Bürger die Möglichkeit eröffnet, sich über die politischen Absichten einer Partei zu informieren und sich bei seinem Entscheidungsprozess hieran zu orientieren485. Das Erfordernis eines Parteiprogramms ist Auswuchs der Repräsentationsfunktion und des Öffentlichkeitsgrundsatzes. Durch die schriftliche Fixierung der politischen Ideale, Anschauungen und Vorschläge kann jeder Bürger im Prozess seiner politischen Willensbildung sich mit den unterschiedlichen Standpunkten der Parteien vertraut machen. Zugleich stellt es als Kompromiss der einzelnen Mitglieder die politische Basis einer Partei dar und erfüllt damit eine Reduktionsfunktion486. Inhaltlich ist das Programm lediglich dahingehend determiniert, dass es wegen Art. 3 Abs. 1 c) VO die Grundwerte der Union beachten muss. Darüber hinaus gilt die Programmfreiheit der europäischen Parteien umfassend, und weitere Anforderungen an das Programm

Entwurf zu einer Entschließung des Europäischen Parlaments vom 18. März 2011, abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+REPORT +A7–2011–0062+0+DOC+PDF+V0//DE; Stand: 02.08.2012. 483 So im Ergebnis auch: Armbruch, Politische Parteien im europäischen Verfassungs­ verbund, S.  215; wohl auch: Dorget, in: Delwit/Külahci/van de Walle, Europarties, S.  83 (87). 484 Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 335 f. 485 Vgl. Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, § 1 Rn. 125. 486 Lenski, PartG, § 6 Rn. 9.

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§ 5 Europarechtlicher Parteienbegriff als Voraussetzung einer Finanzierung 

gibt es nicht487. Somit muss es auch nicht alle Felder der europäischen Politik ab­ decken488. Es soll lediglich erkennen lassen, welche politischen Absichten und Ziele sie im politischen Wettbewerb verfolgt489. Die Satzung einer europäischen Partei muss nach Art. 4 Abs. 2 c) VO insbesondere die für die politische und finanzielle Leitung zuständigen Organe sowie die Organe oder natürlichen Personen festlegen, die in den jeweiligen Mitgliedstaaten insbesondere für die Zwecke des Erwerbs oder der Veräußerung beweglicher und unbeweglicher Vermögensgegenstände oder in Gerichtsverfahren zur gesetzlichen Vertretung befugt sind. All dies ist Ausdruck des Grundsatzes der Öffentlichkeit politischer Parteien. Hiermit lassen sich ihre Vertreter und ihre dauerhafte organisatorische Struktur feststellen490.

C. Zusammenfassung Betrachtet man zusammenfassend die Probleme im Zusammenhang des europäischen Parteienbegriffs, ist zunächst einmal auffallend, dass Art. 2 VO durch die Einbeziehung sowohl von individualmitgliedschaftlich organisierten Parteien als auch Parteienföderationen einen offenen Parteienbegriff präferiert. Beide Formen, Parteienbünde und das gewohnte Modell der Bürgerparteien, entsprechen insoweit auch dem primärrechtlichen Parteienbegriff. Diese Einschätzung, insbesondere in Bezug auf die Parteienföderationen, beruht auf der Erkenntnis, dass die Europäische Union spezifische Besonderheiten aufweist, die in ihrer Natur als supranationale Organisation und einer dementsprechenden doppelten Legitimationsstruktur begründet sind. Da das politische System der Union aber selbst nicht festgefügt, sondern veränderbar ist und auch tatsächlich ständigen Veränderungen unterliegt, ist das europarechtliche Verständnis dessen, was eine politische Partei ausmacht, ebenfalls nur ein vorläufiges Verständnis. Ändert sich die Struktur der Union im Laufe einer fortschreitenden Integration, kann sich in gleicher Weise die Auslegung des europäischen Parteienbegriffs ändern. Je mehr die Union sich zu einem Zusammenschluss von Bürgern entwickelt, umso mehr müssen sich auch die politischen Parteien auf europäischer Ebene zu einem Zusammenschluss von Individuen entwickeln. Während Art.  2 VO den Parteien eine große Organisationsfreiheit einräumt, sind die Voraussetzungen des Art.  3 VO merklich enger gefasst. Entgegen der Formulierung des Art. 3 Abs. 1 VO handelt es sich jedoch – ausgehend von den Rechtsfolgen, die mit dem Vorliegen oder Nichtvorliegen seiner Voraussetzungen 487 Vgl, hierzu zum deutschen Recht: Augsberg, in: Kersten/Rixen, PartG, § 6 Rn.  13 f.; Lenski, PartG, § 6 Rn. 8. 488 Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, § 1 Rn. 126. 489 Vgl. Ipsen, in: Ipsen, PartG, § 6 Rn. 3. 490 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 220.

C. Zusammenfassung

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einhergehen – nicht um eine verordnungsrechtliche Definition europäischer Parteien, sondern um Anforderungen für die Gewährung öffentlicher Mittel. Art. 3 Abs. 1 VO stellt somit keine echte Konkretisierung des primärrechtlichen Parteienbegriffes dar und ist folglich auch nicht unmittelbar an diesem zu messen. Vielmehr sind die Zugangsvoraussetzungen der Regelung lediglich auf die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Chancengleichheit zu überprüfen. Aber auch dem entspricht Art. 3 Abs. 1 VO nur teilweise. Während die Regelungen zur Rechtspersönlichkeit, zur Beachtung der Grundsätze, auf denen die Europäische Union beruht und zur Teilnahme bzw. der Absicht zur Teilnahme an den Wahlen zum Europäischen Parlament primärrechtskonforme Hürden für die Subventions­vergabe darstellen, kann dies für die in Art. 3 Abs. 1 b) VO geregelte Erfolgsabhängigkeit nicht gelten. Insbesondere neue und kleine politische Gruppierungen werden durch die hohen Anforderungen an ihren Wahlerfolg unzulässig benachteiligt und folglich auch die Freiheit und Offenheit des politischen Prozesses insgesamt in unzulässiger Weise beeinträchtigt. Diese Einschätzung kann sich naturgemäß ändern, je nachdem ob und inwiefern das europäische Parteienrecht im Rahmen der Parteienverordnung reformiert wird. Tatsächlich regelt die Verordnung derzeit Voraussetzungen für einen Anspruch auf öffentliche Mittel. Wird die Verordnung jedoch dahingehend geändert, dass sie dem Tenor ihrer Überschrift gerecht wird, eine Verordnung „über die Regelungen der politischen Parteien auf europäischer Ebene“ zu sein, muss die derzeitige Regelungstechnik, die man schon jetzt als unglücklich bezeichnen kann, geändert werden, denn den Anforderungen eines europäischen Parteienbegriffs genügt Art. 3 Abs. 1 VO noch weniger als dem Prinzip der Chancengleichheit. Dann bedürfte es einer Trennung zwischen den Voraussetzungen der öffentlichen Finanzierung und den allgemeinen Regelungen für europäische Parteien.

§ 6 Grenzen und Verteilungskriterien der öffentlichen Mittel Die Höhe der öffentlichen Finanzhilfen der politischen Parteien auf europäischer Ebene, die nach Art. 3 Abs. 1 VO anspruchsberechtigt sind, richtet sich nach mehreren Faktoren. Die Basis bildet dabei zunächst einmal der Gesamtbetrag an öffentlichen Mitteln, den die Europäische Union ihnen zur Verfügung stellt. Er ist der Ausgangspunkt, wie viel Gelder den Parteien überhaupt zufließen. Aber schon an diesem Punkt nehmen die rechtlichen Probleme ihren Anfang, ließe sich doch an eine europarechtliche Begrenzung der öffentlichen Gelder denken. Eine solche Schranke für die staatliche Finanzierung politischer Parteien hat das Bundesverfassungsgericht aus dem Grundgesetz herausgelesen; entstanden war damit die sogenannte absolute Obergrenze1. Diese beschränkt in der Bundesrepublik den Umfang der staatlichen Finanzierung auf einen festgelegten Gesamtbetrag2. Übertragen auf das europäische Parteienfinanzierungsrecht könnte dies bedeuten, dass auch das Primärrecht die Höhe der Finanzhilfen der Union begrenzt, die der europäische Gesetzgeber wiederum in die Verordnung aufnehmen müsste. Wie der „Kuchen“, also der Gesamtbetrag der Finanzhilfen, verteilt wird, bestimmt Art. 10 Abs. 1 VO. Diese Bestimmung stellt die Finanzierung der Union auf zwei unterschiedliche Standbeine: einem erfolgsunabhängigen und einem erfolgsabhängigen Anteil. 15 Prozent der verfügbaren Mittel werden nach Art. 10 Abs. 1 UAbs. 1 a) VO unter allen Parteien, die die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 VO erfüllen, zu gleichen Teilen aufgeteilt. Hierbei handelt es sich also um einen Betrag, der unabhängig von Größe und Wahlerfolgen allen Parteien gleichmäßig zukommt, mithin um einen sogenannten „Sockelbetrag“. Dagegen hängt die zweite Stufe der öffentlichen Finanzierung maßgeblich vom Wahlerfolg bei den letzten Wahlen zum Europäischen Parlament ab. Gemäß Art. 10 Abs. 1 UAbs. 1 b) VO werden die nach der Verteilung des Sockelbetrages verbleibenden 85 Prozent unter den Parteien aufgeteilt, die durch gewählte Mitglieder im Europäischen Parlament vertreten sind, wobei die Aufteilung im Verhältnis zur Zahl ihrer gewählten Mitglieder erfolgt. Die Verteilung der Finanzhilfen hängt jedoch noch von einem weiteren Faktor ab. Die Verordnung setzt in Art. 10 Abs. 2 S. 1 VO noch eine relative Obergrenze fest. Eine solche beschränkt die öffentliche Subventionierung, indem öffentliche Mittel nicht über ein bestimmtes Verhältnis zu den selbst erwirtschafteten Einnahmen hinausgehen dürfen3. Kann eine Partei nicht genügend eigene Mittel akquirieren, reduziert sich dementsprechend ihr Anspruch auf öffentliche 1

BVerfGE 85, 264 (290 ff.). BVerfGE 85, 264 (290); Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 21 Rn. 455. 3 BVerfGE 85, 264 (289). 2

A. Obergrenzen

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Mittel. Kann sie keine eigenen, privaten Mittel erlangen, bekommt sie auch keine Finanzhilfen. Insofern kann eine relative Obergrenze sogar ausnahmsweise das „Ob“ der öffentlichen Finanzierung einer Partei betreffen.

A. Obergrenzen I. Regelung der relativen Obergrenze Insofern hat der Verordnungsgeber in der relativen Obergrenze des Art.  10 Abs. 2 S. 1 VO festgesetzt, dass die Finanzierung aus dem Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union 85 Prozent der förderfähigen Kosten einer politischen Partei auf europäischer Ebene nicht überschreiten darf. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass 15 Prozent der zuschussfähigen Ausgaben aus sonstigen, eigenen Einnahmequellen der Parteien stammen müssen. Im Zuge der Novellierung der Parteienverordnung im Jahr 2007 wurde diese relative Obergrenze von 75 auf 85 Prozent erhöht4 und soll nach dem neuen Vorschlag der Kommission künftig gar noch einmal auf 90 Prozent heraufgesetzt werden5. Daher müssen politische Parteien auf europäischer Ebene immer weniger eigene Mittel akquirieren, um den höchstmöglichen Betrag an öffentlichen Geldern zu erhalten. 1. Europarechtliche Gebotenheit einer relativen Obergrenze Ihren Ausgang muss die Untersuchung einer relativen Obergrenze an der Frage nehmen, ob sie primärrechtlich überhaupt zwingend erforderlich ist. Das Bundesverfassungsgericht entwickelte für das deutsche Verfassungsrecht die relative Obergrenze als Ausfluss der Staatsfreiheit politischer Parteien6. Aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit ergebe sich, dass nur eine Teilfinanzierung der allgemeinen Tätigkeit der politischen Parteien durch staatliche Zuwendungen zulässig sei, da sie anderenfalls „in verfassungsrechtlich nicht hinnehmbarer Weise vom Staat abhängig“7 und gleichzeitig unabhängig vom Rückhalt in der Bevölkerung wären, was die Gefahr einer Isolierung der Parteien von ihrer gesellschaftlichen Basis mit sich brächte8. Gleichzeitig wäre die Transmissionsfunktion der Par-

4

Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 243. Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Statut und die Finanzierung europäischer politischer Parteien und europäischer politischer Stiftungen vom 12. September 2012, abrufbar unter: www.ipex.eu/IPEXL…/082 dbcc53995d4e10139b92d3bd702a7.do; Stand: 17.12.2012. 6 BVerfGE 85, 264 (287 ff.). 7 BVerfGE 85, 264 (287 f.); Koch, in: Ipsen, PartG, Vor § 18 ff. Rn. 44. 8 Morlok, in: FS Tsatsos, S. 408 (418); Schwartmann, Verfassungsfragen der Allgemein­ finanzierung politischer Parteien, S. 87. 5

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§ 6 Grenzen und Verteilungskriterien der öffentlichen Mittel 

teien zwischen Staat und Gesellschaft beeinträchtigt9. Eine öffentliche Subventionierung dürfe politische Parteien nicht vom „Risiko des Fehlschlagens ihrer Be­ mühungen um eine hinreichende Unterstützung in der Wählerschaft“ befreien10. Diese grundsätzlichen Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts lassen sich ebenfalls auf das europäische Recht übertragen und verpflichten den Verordnungsgeber, eine relative Obergrenze der öffentlichen Finanzierung europäischer Parteien festzulegen. Auch das Unionsrecht enthält analog zur Staatsfreiheit den Grundsatz der Unionsfreiheit politischer Parteien, der ein Mindestmaß an Eigenfinanzierung fordert11. Dass politische Parteien dazu angehalten werden, ein Minimum an eigenen Mitteln zu akquirieren, entspricht ihrer Funktion als Vermittler zwischen Unionsbürgern und Unionsorganen und trägt zu einer verstärkten Verankerung in der Bevölkerung bei12. Diesem Ansatz mag man nun entgegenhalten, dass die Europaparteien dieser Aufgabe derzeit doch gerade noch nicht gerecht würden13 und daher auch eine vollständige Finanzierung durch die Europäische Union möglich sei. Eine solche Argumentation übersieht aber, dass Art. 10 Abs. 4 EUV in besonderem Maße auf die künftige Entwicklung der europäischen Parteien abzielt14. Sie sollen im Zuge des fortschreitenden Integrationsprozesses ihren Aufgaben und Funktionen verstärkt nachkommen. Doch ist gleichzeitig davon auszugehen, dass der weitere Fortgang auch – höchstwahrscheinlich sogar in erster Linie – von den schon existierenden Parteienföderationen geprägt sein und aus ihnen heraus geschehen wird. Insofern darf man den Parteienartikel nicht allein auf eine rein zukunftsorientierte Auslegung beschränken, denn in ihm soll sich zumindest auch das aktuelle europäische Parteiensystem widerspiegeln, das dann gerade Ausgangsbedingung für weitere Entwicklungsschritte ist. Konsequenz dessen ist, dass der Grundsatz der Unionsfreiheit nicht ohne weiteres dem Prinzip der Staatsfreiheit entsprechen und für die europäische Ebene an bestimmten Stellen modifiziert werden muss. Trotz alledem verlangt er den europäischen Parteien eine prinzipielle Ausrichtung auf die einzelnen Unionsbürger ab. Für die wirtschaftliche Seite bedeutet dies, dass die politischen Parteien auf europäischer Ebene über die öffentliche Finanzierung hinaus ein Minimum an eigenen Einnahmen benötigen. Wenn Parteien sowohl durch die öffentliche Hand unterstützt werden als auch weiterhin von Zuwendungen aus dem gesellschaftlichen Bereich abhängig bleiben, entspricht 9

Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 44. BVerfGE 85, 264 (287). 11 So auch die ganz h. M.: Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 244; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 266; von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 51 f.; in diese Richtung wohl auch: Morlok, in: von Arnim, Politikfinanzierung in der Europäischen Union, S. 11; zum Grundsatz der Unionsfreiheit schon: § 4 A. III. 3. 12 Shirvani, EuZW 2008, 364 (366). 13 Vgl. hierzu: § 3 B. I. 1.  14 Vgl. hierzu schon: § 5 A. II. 5. 10

A. Obergrenzen

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dies umso mehr ihrer Zwischenstellung zwischen dem genuin gesellschaftlichen Bereich und den öffentlichen Institutionen15. Die funktionellen Besonderheiten der Parteien auf Unionsebene können dann wiederum bei der Ausgestaltung und Höhe der relativen Obergrenze berücksichtigt werden. 2. Erforderlicher Anteil der eigenen Finanzierung Dies führt nun unweigerlich zu der Frage, inwiefern die Ausgestaltung der in Art. 10 Abs. 2 S. 1 VO festgesetzten relativen Obergrenze mit der Unionsfreiheit europäischer Parteien vereinbar ist. Schon die ursprüngliche Begrenzung der öffentlichen Finanzierung auf 75 Prozent des Budgets einer Partei in Art. 10 Abs. 2 S.  1 VO a. F. stieß auf harsche Kritik16. So überrascht es dann auch nicht, dass die Neufassung der Regelung im Jahr 2007, die eine Senkung des erforderlichen Eigenanteils auf 15 Prozent vorsieht, noch weniger Anklang gefunden hat17. Das vom Europäischen Parlament festgesetzte Ziel „für die Empfänger einen finan­ ziellen Anreiz [zu] schaffen, ihre gesellschaftliche Verwurzelung auszubauen und größere finanzielle Autonomie anzustreben, wobei zwischen [der] Finanzierung durch die Union und den Eigenmitteln der Partei ein Gleichgewicht bestehen muss“18, würde hierdurch geradezu konterkariert19. Für diese These spricht vielleicht schon ein Blick auf die nachfolgende Tabelle. Wenn man nach Änderung der Verordnung im Jahr 2007 von den Europaparteien weniger eigene Mittel einforderte, um die volle öffentliche Finanzierung zu erhalten, so kann man gleichzeitig beobachten, dass seit diesem Zeitpunkt auch die Quote der endgültigen Finanzhilfe, die den europäischen Parteien tatsächlich gewährt wurde, erheblich angestiegen ist und in der Regel ihrem maximalen Anspruch entsprach. Im Vorfeld war des Öfteren noch eine deutlich größere Diskrepanz zwischen beiden Beträgen auszumachen. Von daher ist die Vermutung schwer zu widerlegen, dass mittels der Reform der relativen Obergrenze schlichtweg die Einnahmesituation der Parteien verbessert werden sollte. Dafür spricht schon der vielsagende Wortlaut der Verordnungsbegründung, nach dem es Ziel der Änderung war, die „Voraussetzungen für die Finanzierung von politischen Parteien auf europäischer Ebene zu verbessern und die Parteien gleichzeitig zu einer angemessenen langfristigen Planung anzuhalten“20. Mögen die Gründe für 15

Vgl. zur verfassungsrechtlichen Stellung der Parteien: § 3 B. II. von Arnim, in: ders., Politikfinanzierung in der Europäischen Union, S. 21. 17 Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 243. 18 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 10. Dezember 1996, EuGRZ 1997, 77 (78). 19 Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 243; Shirvani, EuZW 2008, 364 (366). 20 Verordnung (EG) Nr.  1524/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2007 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2004/2003 über die Regelungen für die politischen Parteien auf europäischer Ebene und ihre Finanzierung, AblEU L 343 vom 27.12.2007, S. 5. 16

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§ 6 Grenzen und Verteilungskriterien der öffentlichen Mittel 

die Steigerung der endgültigen Finanzhilfe nicht in der Reform der relativen Obergrenze alleine liegen. Genausogut ist es auch denkbar, dass die europäischen Parteien im Laufe der Zeit „gelernt“ haben, einfach mehr Geld auszugeben oder mehr zuschussfähige Ausgaben zu produzieren, was ebenfalls zu einer höheren Quote zwischen endgültiger Finanzhilfe und maximalem Finanzierungsanspruch geführt hätte. So ist es doch zumindest naheliegend, dass es mit Hilfe der niedrigeren Eigenmittelquote von 15 Prozent den europäischen Parteien leichter fällt, die maximal mögliche Finanzhilfe auszuschöpfen. Tabelle 5 Verhältnis zwischen dem maximalen Finanzierungsanspruch der Parteien und deren endgültiger Finanzhilfe (in Prozent)21 Jahr

2004

2005

2006

2007

EVP

66,23

83,77

99,46

96,47

100

100

100

SPE

87,02

100

99,92

100

100

100

ELDR

74,76

100

90,20

100

100

100

EGP

56,03

100

100

100

100

EFA

98,49

100

99,26

96,70

100

100

EL

57,49

100

84,65

99,64

99,97

AECR

100 91,63

100

100

2008

2009

100

2010

99,76 100













32,19

EDP

25,53

55,26

31,77

29,01

82,15

50,58

83,84

EUD





26,28

96,70

67,85

88,58

83,40

ECPB













99,46

AEN

52,71

25,41

32,18

53,05

68,79

66,63



ADIE





51,83

67,20

73,20





Die Unsicherheiten, ob der Verordnungsgeber zu einer Festsetzung einer derart hohen relativen Obergrenze berechtigt ist, nach der eine Partei deutlich mehr öffentliche Mittel erhalten kann als sie selbst eigene Gelder erhält, werden umso größer, wenn man sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vergegenwärtigt. Hiernach ist eine überwiegende Finanzierung politischer Parteien durch die öffentliche Hand mit dem Grundsatz der Staatsfreiheit unvereinbar, denn sie mache die Parteien in unzulässiger Weise vom Staat abhängig und führe zu einem 21 Grundlage hierfür ist der Bericht des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments für Finanzen aus März 2012, abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/pdf/grants/grant_ amounts _parties_01–03–2012.pdf; Stand: 04.06.2012.

A. Obergrenzen

237

Verlust von Rückbindungen an die gesellschaftliche Basis22. Aus diesem Grund habe nach dem Grundsatz der Staatsfreiheit die Selbstfinanzierung der Parteien Vorrang vor einer öffentlichen Subventionierung23. Am Schluss dieser Argumentation stand das Resultat, dass maximal die Hälfte der Einnahmen einer Partei aus staatlichen Zuwendungen bestehen darf24. Damit kam das Gericht zu einem Ergebnis, das durch die Benennung einer konkreten Grenze doch etwas überrascht und gerade für die europäische Ebene unbrauchbar ist. Normativer Ausgangspunkt einer relativen Obergrenze ist die „Unionsfreiheit“ der europäischen Parteien im Sinne einer erforderlichen Bürgernähe, die wiederum die Transmissionsfunktion der Parteien sichern soll. Ab welchem Zeitpunkt eine öffentliche Finanzierung die Funktionserfüllung der Parteien beeinträchtigt oder wann zumindest eine Gefahr für die Vermittlungsfunktion hinreichend sicher feststellbar ist, mag sich indes nicht so einfach bestimmen lassen25. Ob einer Partei, die 51 Prozent ihrer Einnahmen von der öffentlichen Hand erhält, die Rückbindung an die Bevölkerung abzusprechen ist, während eine Partei, deren öffentliche Subventionierung genau 50 Prozent beträgt, diese Aufgabe noch erfüllen kann, erscheint dann vielleicht doch nicht so gewiss. Insofern mag auch schon die Prämisse des Verfassungsgerichts, dass aufgrund der Staatsfreiheit die Selbstfinanzierung Vorrang vor der öffentlichen Finanzierung haben müsse, da die Parteien nur dann noch ihrer Transmissionsfunktion nachkämen, eher politisch motiviert als rechtlich vorgegeben sein. So lässt sich ebenso gut vertreten, dass auch bei einem Anteil staatlicher Finanzhilfen von über 50 Prozent der Grundsatz der Staatsfreiheit gewahrt sei, wenn die Erfolgsabhängigkeit staatlicher Mittel die Rückbindung der Parteien an die Bürger sichere26. Die Gefahren einer übermäßigen öffentlichen Finanzierung  – wie die Risiken einer öffentlichen Finanzierung selbst27 − sind mit Ungewissheiten verbunden. Konsequenz dieser Erkenntnis kann dann nur sein, dass dem Gesetzgeber ein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum verbleiben muss28. Dies lässt sich auch nicht mit der Begründung verneinen, Parteienfinanzierungsregelungen seien „Entscheidungen in eigener Sache“29. Zum einen handelt es sich bei der Regelung einer relativen Obergrenze nicht um eine Entscheidung des „Wie“ der öffentlichen Finanzierung, was zwangsläufig die Chancengleichheit der Parteien in hohem Maße betrifft, sondern in erster Linie um eine Entscheidung des „Wie viel“ der Subventionierung. Wenn aber der Ermessensspielraum des Verordnungsgebers 22

BVerfGE 85, 264 (288). BVerfGE 85, 264 (289); Streinz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 21 Rn. 188. 24 BVerfGE 85, 264 (289); zustimmend: Schwartmann, Verfassungsfragen der Allgemeinfinanzierung politischer Parteien, S. 90 f. 25 In diese Richtung: Volkmann, ZRP 1992, 325 (328). 26 Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 69. 27 Vgl. hierzu: § 3 B. I. 4. a). 28 Vgl. zum deutschen Recht: Volkmann, ZRP 1992, 325 (328). 29 So aber zum deutschen Recht: von Arnim, Parteienfinanzierung, S. 48. 23

238

§ 6 Grenzen und Verteilungskriterien der öffentlichen Mittel 

bei „Entscheidungen in eigener Sache“ parlamentarische und insbesondere außerparlamentarische Minderheiten davor schützen soll, durch die Mehrheit benachteiligt zu werden, gilt dieser Aspekt bei der Ausgestaltung einer relativen Obergrenze nicht in gleichem Maße30. Zum anderen kann der Verordnungsgeber in seiner Einschätzungsprärogative nur dort eingeschränkt werden, wo die Gefahr von Dysfunktionalisierungstendenzen hinreichend konkret bestimmt werden kann. Sind diese aber gerade fraglich, kann der Gesetzgeber schwerlich zu einer bestimmten, konkreten Entscheidung gezwungen sein. Fühlt sich der Parteienrechtler trotzdem dazu berufen, so ersetzt er die Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers durch seine eigene politische Einschätzung. Dazu ist die Entscheidungsfreiheit des Verordnungsgebers nicht grenzenlos, sondern sein Beurteilungsspielraum endet dort, wo er sein Ermessen missbraucht31. Wenngleich die unionsrechtliche Bedeutung des Ermessensmissbrauchs deutlich enger gefasst ist als der im deutschen Verwaltungsrecht bekannte Begriff des „Ermessensfehlgebrauchs“32, so liegt nach der Rechtsprechung des EuGH ein Ermessenmissbrauch jedoch zumindest dann vor, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, dass die Verordnung zumindest vorwiegend zu anderen als den in ihr angegebenen Zwecken getroffen wurde oder zur Umgehung eines im Vertrag vorgesehenen Verfahrens erlassen wurde33. Der hinter der relativen Obergrenze stehende Sinn und Zweck liegt indes gerade darin, die Parteien dazu anzuhalten, dass sie auf die Nähe zur Bevölkerung angewiesen sind34. Während dem Eigenanteil im deutschen Parteienfinanzierungsrecht eine Sicherungsfunktion bestehender Parteifunktionen zukommt, erhält dieser Gedanke auf der europäischen Ebene seine Besonderheiten in einer anderen zeitlichen Perspektive. Wo europäische Parteien noch nicht elementarer Bestandteil des politischen Willensbildungsprozesses sind35, dort kann auch keine relative Obergrenze eine fortdauernde „Verankerung der Parteien in der Gesellschaft“36 gewährleisten. Auch aus diesem Grund kann die Argumentation des Verfassungsgerichts nicht ohne weiteres übertragen und der europäische Verordnungsgeber genauso wie der deutsche Gesetzgeber zu einem hälftigen Finanzierungsmodell verpflichtet werden. Gleichwohl muss eine relative Obergrenze so ausgestaltet sein, dass sie das durch das Europäische Parlament formulierte Ziel, die gesellschaftliche Verwurzelung der Parteien durch finanzielle Anreize zu stärken, in der Lage ist zu erreichen. Die relative Obergrenze soll also weniger den status quo sichern, als vielmehr die europäischen Parteien dazu bewegen, sich um 30

Vgl. zu „Entscheidungen in eigener Sache“: § 7 A. II. 3.  Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 5, Rn. 2831. 32 Cremer, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 263 AEUV Rn. 90. 33 Cremer, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 263 AEUV Rn. 90. 34 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 230. 35 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 230. 36 BVerfGE 85, 264 (283). 31

A. Obergrenzen

239

eine verstärkte Unterstützung der Unionsbürger zu bemühen. Vor diesem Hintergrund mag der Verordnungsgeber sich aber auch dazu entscheiden dürfen, dass der Eigenanteil der Europaparteien gegenüber der öffentlichen Finanzierung zurückbleiben kann37. Eine hälftige Finanzierung ist damit nicht erforderlich38. Jedoch muss das Mindestmaß an Eigenmitteln so gewählt werden, dass diese nicht vollständig in den Hintergrund gedrängt werden und die Europaparteien sich auch künftig nicht um eine größere Bürgernähe bemühen müssen. An diesem Punkt setzt sich eine 85-prozentige relative Obergrenze aber in einen fundamentalen Widerspruch zum Grundsatz der Unionsfreiheit39. Der private Mindestanteil ist nur noch marginal und ermöglicht den Parteien, schon mittels geringster Mitgliedsbeiträge die Quote zu erfüllen. Dies hat sich schon an der obigen Tabelle gezeigt. Seit Änderung der VO konnten die Parteien ihren maximal möglichen Anspruch auf öffentliche Finanzhilfen ausbauen, ohne dass ihre Einnahmen aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen im gleichen Maße gewachsen sind40. Der Wunsch nach einer wachsenden Bürgernähe der europäischen Parteien wird durch die immer weiter fortschreitende Erhöhung des öffentlichen Anteils in sein Gegenteil verkehrt. Europaparteien werden immer unabhängiger von eigenen Finanzierungsquellen, die Ausdruck einer Verankerung in der Bevölkerung sein könnten. Ob dies durch eine Erhöhung von Mitgliedsbeiträgen und eine dadurch bewirkte Identifikationssteigerung der nationalen Mitgliedsparteien mit den europäischen Parteifamilien geschehen kann, mag unklar und zunächst den Parteien selbst überlassen sein41. Ihnen steht indes mit der Aufnahme natürlicher Personen als Parteimitglieder eine weitere Einnahmequelle zur Verfügung, die in besonderem Maße die gesellschaftliche Verwurzelung einer Partei wider­ spiegeln kann. Gleiches gilt für den Bereich der Spenden. Bisher zeigt ein Blick in die Rechenschaftsberichte der politischen Parteien, dass sie über wenig bis teilweise gar keine Spender verfügen, was sich aber durch ein stärkeres Wirken in der Öffentlichkeit ändern könnte42. Letztlich stehen der eigentliche Sinn einer relativen Obergrenze und die dann erfolgte tatsächliche Regelung in einem derartigen Kontrast und Wi-

37 So im Ergebnis auch: Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 230 f. 38 Für die „Anfangsphase“ einer europäischen Parteienfinanzierung erachtet auch Morlok, in: von Arnim, Politikfinanzierung in der Europäischen Union, S. 11 f. eine 75-prozentige Finanzierung aus öffentlichen Mitteln für zulässig; anders hingegen: Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 230. 39 So schon zur 75-Prozent-Regelung: Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 230; positiv bewertete diesen Anteil Merten, MIP 2003, 40 (47). 40 Vgl. hierzu die Einnahmeentwicklung der einzelnen Europaparteien: § 2 C. 41 Vgl. hierzu: Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 231. 42 Vgl. zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 285, der darüber hinaus in den äußerst umstrittenen „Mandatsträgerabgaben“ eine weitere Einnahmequelle der Parteien sieht.

240

§ 6 Grenzen und Verteilungskriterien der öffentlichen Mittel 

derspruch zueinander, dass die Norm nicht mehr vom gesetzgeberischen Ermessensspielraum gedeckt sein kann. Die Neuregelung des Art. 10 Abs. 2 S. 1 VO hat noch eine weitere Änderung mit sich gebracht. Bezugsgröße der relativen Obergrenze ist nunmehr nicht mehr das Budget einer Partei, sondern deren förderfähige Kosten. Letztere müssen also zu mindestens 15 Prozent mit Mitteln bezahlt werden, die nicht vom Europäischen Parlament stammen. Vor der Reform war die Bedeutung des ursprünglichen Begriffs des „Budgets“ unklar43. So hätte die übliche Verwendung des Begriffs als Synonym für „Haushaltsplan“ die Gefahr mit sich gebracht, dass eine Partei diesen zu Beginn des Haushaltsjahres höher ansetzt, als sie in Wirklichkeit Ausgaben plant, um über diesen Trick mehr öffentliche Mittel zu erhalten44. Doch schon zu diesem Zeitpunkt galten aufgrund des Art. 7 Abs. 2 VO-DB die tatsächlich zuschussfähigen Ausgaben als relevante Bezugsgröße45. Von daher stellt die Neufassung des Art. 10 Abs. 2 S. 1 VO lediglich die bestehende Rechtslage klar. Nach Abschluss des Haushaltsjahres muss eine Partei durch Vorlage einer endgültigen Abrechnung die tatsächlich entstandenen zuschussfähigen Ausgaben nach Art. 6 Abs. 3 VO-DB nachweisen. Sollte die Vorfinanzierung, die eine Partei erhalten hat, mehr als 85 Prozent der zuschussfähigen Ausgaben betragen haben, stellt der Generalsekretär oder sein Bevollmächtigter nach Art. 7 Abs. 4 VO-DB eine Einziehungsanordnung für den Mehrbetrag aus46. 3. Einnahmearten des privaten Finanzierungsanteils Schlussendlich bliebe noch zu klären, wie sich die erforderlichen Eigenmittel der Parteien zusammensetzen müssen. Der Verordnung mangelt es an einer solchen Definition, doch bestehen diese Mittel tatsächlich im Wesentlichen aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen47. Grundsätzlich erlaubt die Verordnung Spenden an politische Parteien auf europäischer Ebene. Art. 6 Abs. 2 VO untersagt europäischen Parteien jedoch die Annahme anonymer Spenden, Spenden aus dem ­Budget einer Fraktion des Europäischen Parlaments, Spenden einer öffentlichen Hand eines Drittlandes und Spenden von Unternehmen, auf die die öffentliche Hand aufgrund der Eigentumsverhältnisse, der finanziellen Beteiligung oder der für das Unternehmen geltenden Regeln unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Darüber hinaus sind Spenden von über 12.000 Euro pro Jahr und Spender verboten48. Gemäß Art. 6 Abs. 1 b) VO geben die Parteien Aus 43

Vgl. hierzu: von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 47. von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 47. 45 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 231 f. 46 Vgl. zum Verfahren: § 7 A. VII. 47 Monath, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 232. 48 Zu den Spendenannahmeverboten ausführlich: Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 202 ff. 44

A. Obergrenzen

241

kunft über ihre Finanzierungsquellen durch Vorlage eines Verzeichnisses, in dem die Spender und ihre jeweiligen Spenden, soweit sie 500 Euro pro Jahr und Spender überschreiten, aufgeführt sind49. Die weitere Finanzierung politischer Parteien aus Mitgliedsbeiträgen wird auf nationaler Ebene regelmäßig als völlig unproblematisch betrachtet 50. Lediglich die Zulässigkeit sogenannter „Mandatsträgerabgaben“ ist dabei umstritten. Dies sind Sonderbeiträge von Amtsträgern, insbesondere Abgeordneten und Ministern, die oft als Gegenleistung für die Aufstellung und Unterstützung des eigenen Kandidaten aufgefasst werden51. Zwar führen auch die Abgeordneten des Europäischen Parlaments diese „Parteisteuern“52 ab, jedoch sind in diesem Fall regelmäßig nicht die europäischen Parteien, sondern deren nationale Mitglieder Empfänger dieser Beiträge53. Solange die Europaparlamentarier aber auf diesem Wege Mandats­trägerabgaben abführen, solange stellen sie sich nicht als ein Problem des europäischen Parteienfinanzierungsrechts dar, sondern sind allenfalls auf der verfassungsrechtlichen Ebene der jeweiligen Mitgliedstaaten zu d­ iskutieren. An anderer Stelle werfen die Regelungen der Mitgliedsbeiträge aber doch einige Fragen auf. So erhalten Parteien von den Fraktionen des Europäischen Parlaments, die regelmäßig selbst Mitglied in den europäischen Parteien sind, ebenfalls Mitgliedsbeiträge54. Zwar sind nach Art. 6 Abs. 2 b) VO Spenden einer Fraktion an die ihr zugehörige europäische Partei verboten, dies gilt indes nicht für Mitgliedsbeiträge55. Wie sich dieser Gedanke mit der Rechtsprechung des EuGH56 und dem Hinweis des Europäischen Rechnungshofs57 vereinbaren lassen soll, dass eine Weiterleitung von Fraktionsgeldern an die europäischen Parteien unzulässig ist, bleibt ein Geheimnis. Vor allem die Kritik dieser beiden Institutionen an der Fraktionsfinanzierung war es wohl, die die europäischen Organe dazu veranlasste, eine direkte Finanzierung europäischer Parteien einzuführen58. Lässt man dann aber Mitgliedsbeiträge der Fraktionen zu, führt man das Spendenannahmeverbot des Art. 6 Abs. 2 b) VO ad absurdum. Zuwendungen der Fraktion lassen sich praktisch nicht zwischen Spenden und Beiträgen abgrenzen, ohne dass die Gefahr besteht, dass die Beteiligten das Spendenverbot einfach mittels einer Beitragszah 49

Kritisch zu dieser Regelung: von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 84 f. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 21 Rn. 410. 51 Streinz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art.  21 Rn.  179; umfassend zum Streitstand: Henke, in: Dolzer/Waldhoff/Graßhof, GG, Art. 21 Rn. 113. 52 Zum Begriff der „Parteisteuern“ und kritisch zu der Verfassungsmäßigkeit: von Arnim, Die Partei, der Abgeordnete und das Geld, S. 207 ff. 53 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 232 f. 54 von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 46. 55 von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 46 Fn. 63. 56 EuGH, Urteil vom 23.04.1986, Rs. 294/83, Parti écologiste „Les Verts“/Europäisches Parlament, Slg. 1986, S. 1357 ff. 57 Sonderbericht des Rechnungshofes Nr.  13/2000, ABlEG C 181 vom 28.06.2000 S.  1 Rn. 47. 58 Siehe hierzu ausführlich: § 2 B. I. 50

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§ 6 Grenzen und Verteilungskriterien der öffentlichen Mittel 

lung umgehen59. Zudem gelten die hinter dem Spendenverbot und der Rechtsprechung des EuGH stehenden Erwägungen auch losgelöst davon, ob es sich bei den Zuwendungen um Spenden oder um Mitgliedsbeiträge handelt. Mit Hilfe des Verbots soll der Gefahr entgegengewirkt werden, dass die Fraktionen als „Spendenwaschanlagen“ benutzt werden. Sie unterliegen nicht der Rechenschaftspflicht des Art. 6 Abs. 1 b) VO60, so dass die Spenden einschließlich der Spender nicht öffentlich bekannt werden. Können die Fraktionen aber den Europaparteien finanzielle Mittel zukommen lassen, besteht die Gefahr, dass diese Spenden unter Umgehung des Transparenzgebotes weitergeleitet werden. Ferner dient das Spendenannahmeverbot dazu, eine Zweckentfremdung der öffentlichen Mittel an die Fraktionen zu unterbinden61. Nach Art. 31 Abs. 1 S. 1 GO EP nehmen die Fraktionen ihre Funktionen im Rahmen der Tätigkeiten der Union wahr. Sie sind ein mit eigenen Rechten ausgestatteter Organteil des Europäischen Parlaments62 und von daher im Gegensatz zu den Parteien nicht der gesellschaftlichen, sondern allein der Ebene der öffentlichen Gewalt zugeordnet. Sie gelten im deutschen Verfassungsrecht insofern als Teil  der „organisierten Staatlich­ keit“63. Genau aus diesem Grund können sie unmittelbar aus dem Haushalt des Europäischen Parlaments unterstützt werden64. Die öffentliche Finanzierung der Fraktionen ist somit zweckgebunden für ihre parlamentarische Arbeit65. Diese Zweckbindung steht aber im Widerspruch dazu, dass die Fraktionen den ihnen zugehörigen europäischen Parteien finanzielle Mittel zuwenden. Des Weiteren verletzt die Zahlung von Beiträgen der Fraktionen die Chancengleichheit von außerparlamentarischen Parteien66. Erlaubt man es Parteien  – unabhängig davon, ob es sich um Spenden oder Mitgliedsbeiträge handelt – Gelder einer Fraktion anzunehmen, werden kleine Parteien, die nicht über eine parlamentarische Vertretung verfügen und denen folglich diese Einnahmequelle schon aus faktischen Gründen verwehrt ist, auf unzulässige Weise ungleich behandelt und benachteiligt. Zwingende Gründe, die diese Ungleichbehandlung rechtfertigen, sind in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich. Zuletzt wird durch Beitragszahlungen der Fraktionen die relative Obergrenze unterlaufen67. Wenn vom Europäischen Parlament alimentierte Fraktionen den ihnen zugehörigen politischen Parteien auf europäischer Ebene Gelder zukommen lassen, handelt es sich letztlich um eine verdeckte Erhöhung des Anteils der öffentlichen Finanzierung.

59

In diese Richtung wohl auch: von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 84. Vgl. zum deutschen Recht: Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, § 25 Rn. 65. 61 Vgl. Morlok, NJW 2000, 761 (764). 62 Kluth, in: Callies/Ruffert, AEU/AEUV, Art. 14 EUV Rn. 36. 63 BVerfGE 20, 56 (104). 64 Hölscheidt, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 14 EUV Rn. 85 f. 65 Sonderbericht des Rechnungshofes Nr.  13/2000, ABlEU C 181 vom 28.06.2000 S.  1 Rn. 1; die Zweckbindung wird jedoch gleichzeitig als zu unpräzise kritisiert, vgl. ebd. Rn. 8 ff. 66 So auch: Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 389. 67 Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, § 25 Rn. 62. 60

A. Obergrenzen

243

In die gleiche Richtung geht eine weitere Kritik im Zusammenhang mit der relativen Obergrenze. Neben den Beiträgen der Fraktionen des Europäischen Parlaments erhalten die europäischen Parteien Zahlungen ihrer nationalen Mitgliedsparteien. Gemäß Art. 6 Abs. 3 VO sind solche Beiträge nationaler Parteien zulässig, soweit sie nicht 40 Prozent des Jahresbudgets der europäischen Partei übersteigen. Auf nationaler Ebene sind die Mitgliedsparteien vielerorts aber ebenfalls Empfänger staatlicher Subventionen68. Damit mag der Anteil öffentlicher Finanzhilfen faktisch noch einmal deutlich über der in Art. 10 Abs. 2 S. 1 VO statuierten relativen Obergrenze liegen69. Die über die Mitgliedsparteien mögliche zusätzliche staatliche Finanzierung kann dann theoretisch sogar dazu führen, dass die europäischen Parteien durch die öffentliche Hand vollständig bezuschusst werden70. Dann wären sie aber nach vielfach geäußerter Ansicht nun endgültig jedweder Rückbindung an die Unionsbürger enthoben und der Grundsatz der Unionsfreiheit auf ein Neues verletzt71. Bei aller Berechtigung dieser Kritik muss man jedoch beachten, dass es sich hierbei um ein Phänomen handelt, das sich ebenfalls auf der mitgliedstaatlichen Ebene zeigt. So werden im deutschen Recht für den Eigenanteil im Rahmen der relativen Obergrenze auch die mittelbar entstandenen Vorteile der Parteien durch die steuerliche Begünstigung von Mitgliedsbeiträgen und Spenden nicht heraus- und dem staatlichen Anteil zugerechnet72. Auch dort zählen nur die unmittelbar aus der Staatskasse stammenden Zuwendungen73. Dies geschieht letztlich aus pragmatischen Gründen, da die Größenordnung solcher mittelbaren Vorteile schwerlich zu beziffern ist74. Für die europäische Parteienfinanzierung gilt soweit aber nichts anderes. Jeder Mitgliedsstaat hat die Finanzierung politischer Parteien unterschiedlich geregelt. Teilweise wird immer noch auf eine staatliche Subventionierung verzichtet, während einige Staaten ihre Parteien direkt fördern und wiederum andere eine indirekte Finanzierung betreiben, sei es durch Steuervergünstigungen oder sei es durch andere mittelbare staatlich gewährte Vergünstigungen75. Wollte man 68 Zur Parteienfinanzierung auf nationaler Ebene u. a. die Länderberichte in Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich und Tsatsos/Kedzia, Parteienrecht in mittelund osteuropäischen Staaten, dazu auch die aktuelleren Studien zu Deutschland, Frankreich, Estland, Polen und Großbritannien: Jopp u. a., Feasibility of a future european statute of european political parties, S. 65 ff. 69 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S.  233; Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 244; von Arnim, NVwZ 2003, 1076 (1079). 70 von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 43. 71 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S.  233; Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 244; Merten, MIP 2004/2005, 45 (47); von Arnim/ Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 92; kritisch auch: Buhr, Europäische Parteien, S. 115. 72 BVerfGE 85, 264 (289). 73 BVerfGE 85, 264 (289). 74 BVerfGE 85, 264 (290). 75 Zur indirekten Finanzierung und insbesondere Sachleistungen: Schefold, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 481 (520 ff.); ders., in: Tsatsos/Schefold/ Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 737 (834 ff.).

244

§ 6 Grenzen und Verteilungskriterien der öffentlichen Mittel 

alle staatlichen Zuwendungen aus der Eigenfinanzierung der europäischen Parteien herausrechnen, müsste man die Finanzierung der einzelnen nationalen Parteien aus allen 28 Mitgliedstaaten mit ihren entsprechenden Anteilen staatlicher Finanzhilfen konkret bestimmen. Will man dann auch dort die indirekten staatlichen Leistungen in die Rechnung einbeziehen, ist dies schlichtweg nicht durchführbar. Gerade die Vorteile durch eine steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden, sonstigen Steuervergünstigungen und -befreiungen oder die Gewährung von Sendezeiten vermag wohl niemand mit einem vertretbaren Aufwand zu bestimmen. Zwischen den staatlichen Leistungen an die nationalen Parteien und den Mitgliedsbeiträgen an die europäischen Parteien besteht nur ein mittelbarer Bezug, der letztlich zu unbestimmt ist, um ihn noch als öffentlichen Finanzierungsanteil anzusehen. Die Leistung eines Staates kommt erst über mehrere Stufen den europäischen Parteien zugute. In diesem Verlauf vermischen sich aber die öffentlichen mit den eigenen Mitteln der Parteien, die eine präzise Bestimmung des öffentlichen Anteils unmöglich macht. Es fehlt zudem an einem subjektiven Leistungswillen der jeweiligen Mitgliedstaaten. Diese fördern ihre politischen Parteien um ihrer selbst willen und nicht, um indirekt europäische Parteien zu unterstützen. Nur weil an einer Stelle einer Leistungskette die öffentliche Hand beteiligt ist, muss man nicht zwangsläufig die gesamte Leistung auf sie zurückführen. Dies sprengt die Grenzen jeder Zurechnung. Hier liegt dann auch der entscheidende Unterschied zu den Beiträgen der Fraktionen des Europäischen Parlaments, die ihre öffentlichen Mittel wie die europäischen Parteien vom Parlament selbst erhalten. Wenn die Fraktionen einen Teil dieser Mittel an die Parteien weiterleiten, ist die Zurechnung des öffentlichen Anteils ohne weiteres möglich. 4. Zusammenfassung Aus dem Grundsatz der Unionsfreiheit ergibt sich damit eine Pflicht des Verordnungsgebers zur Festsetzung einer relativen Obergrenze, bei deren Ausgestaltung ihm jedoch ein Ermessensspielraum zusteht. Dieser Spielraum wurde durch die Regelung des Art. 10 Abs. 2 S. 1 VO aber überschritten, da die Eigenmittel einer europäischen Partei nur noch einen so geringen Anteil ausmachen müssen, dass in finanzieller Hinsicht die Rückbindung der Parteien an die Gesellschaft keine relevante Bezugsgrüße mehr darstellt bzw. das Ziel, eine Verankerung der Europaparteien bei den Bürgern zu fördern, konterkariert wird. Darüber hinaus wird mit einer Auslegung, die die Eigenmittel einer europäischen Partei auch über Beiträge von Fraktionen des Europäischen Parlaments bestimmt, sowohl das Spendenannahmeverbot des Art. 6 Abs. 2 b) VO als auch der Zweck der relativen Obergrenze umgangen. Dagegen sind die Beiträge der nationalen Mitgliedsparteien, die ihrerseits – zumindest in vielen Mitgliedstaaten der Union – von staatlichen Subventionen profitieren, als eigene Mittel den europäischen Parteien zuzurechnen. Eine andere Auslegung sprengt die Grenzen der Zurechnung und lässt sich praktisch nicht durchführen.

A. Obergrenzen

245

II. Fehlende absolute Obergrenze Wenn die Parteienverordnung auf der einen Seite zwar eine relative Obergrenze normiert hat, so fehlt ihr auf der anderen Seite eine absolute Obergrenze, die die öffentlichen Finanzhilfen des Europäischen Parlaments auf einen absoluten Betrag begrenzt76. Die Summe, die die politischen Parteien auf europäischer Ebene insgesamt erhalten, wird im Haushaltsplan der Union als ein Titel im Einzelplan des Europäischen Parlaments festgelegt77. Verzichtet eine Parteienverordnung aber auf eine rechtliche Begrenzung der Leistungen an europäische Parteien, droht nach Ansicht von Arnims und Schurigs eine „unkontrollierte Ausweitung“ und eine „übermäßige Selbstbedienung“ der Parteien78. Zwar müsse der Europäische Rat dem Haushaltsplan zustimmen, aber dieses Erfordernis entfalte regelmäßig keine begrenzende Wirkung, da der Rat den Einzelplan des Europäischen Parlaments aufgrund eines „Gentlemen’s Agreement“ als dessen eigene Angelegenheit betrachte und ihm daher sowieso immer zustimme79. Dann schaffe dieses Verfahren aber keine ausreichende Kontrolle, die ein ständiges Anwachsen der öffentlichen Finanzhilfen verhindern könne80. Auch eine Kontrolle der Öffentlichkeit, der Medien etc. werde behindert, da die Höhe der Parteiensubventionen nicht eigens im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werde. Sie könnten daher leicht erhöht werden, ohne dass die Öffentlichkeit dies wahrnehme, was insbesondere im Hinblick darauf bedenklich sei, dass es sich bei der Subventions­ bewilligung um eine „Entscheidung in eigener Sache“ handele81. Damit könne aber bei den Bürgern der Anschein erweckt werden, die europäischen Parteien bewilligten sich aus dem Unionshaushalt zügellos Mittel, was letztlich ihrem An­ sehen schade und ihre Funktionserfüllung behindere82. Für das deutsche Parteienfinanzierungsrecht hat das Bundesverfassungs­gericht mit Zustimmung weiter Teile der Literatur eine verfassungsrechtlich determinierte absolute Obergrenze entwickelt83. Aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit folge nicht nur, dass der Anteil der öffentlichen Finanzierung im Verhältnis zu den Eigenmitteln der Parteien begrenzt werden müsse, sondern dass ferner der 76

Kritisch hierzu: Naßmacher, in: von Arnim, Politikfinanzierung in der Europäischen Union, S. 15; von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 47 ff.; differenzierend: Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 225. 77 von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 47. 78 von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 49. 79 zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 276. 80 von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 85; in diese Richtung auch: Morlok, in: von Arnim, Politikfinanzierung in der Europäischen Union, S. 25. 81 von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 85. 82 von Arnim, NJW 2005, 247 (250). 83 BVerfGE 85, 264 (290 ff.); grundsätzlich zustimmend auch: Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 70; Schwartmann, Verfassungsfragen der Allgemeinfinanzierung politischer Parteien, S. 90 ff.

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§ 6 Grenzen und Verteilungskriterien der öffentlichen Mittel 

Gesamtbetrag der Staatsmittel auf das beschränkt werde, „was zur Aufrechterhal­ tung der Funktionsfähigkeit der Parteien unerlässlich ist und von den Parteien nicht selbst aufgebracht werden kann“84. So stützte das Gericht diesen Gedanken ebenfalls auf die Gefahr eines Ansehensverlustes der Parteien in der Bevölkerung, der ihre Fähigkeiten unterminieren würde, ihre verfassungsrechtlichen Aufgaben wahrzunehmen85. Darüber hinaus folge die Obergrenze aus dem Gebot einer sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel86. Infolge dieser Erwägungen kam es zu dem Ergebnis, dass der damals geltende Betrag, der den Parteien im Bundeshaushalt zugewiesen war, die absolute Obergrenze bilde, soweit und solange keine Veränderungen des Geldwertes eine Anpassung rechtfertigen87. Daraufhin fand diese Obergrenze auch Aufnahme in das Parteiengesetz und beträgt nunmehr nach dessen § 18 Abs. 2 141,9 Millionen Euro. Dies mag man im Ergebnis als sinnvoll, für die Parteien und das politische System als hilfreich und auch wünschenswert erachten, aus rechtlicher Perspektive bleibt dabei doch einiges offen. Wie die Pflicht der Parteien zur Bürgernähe sich plötzlich zu einer Begrenzung des Gesamtumfanges öffentlicher Subventionen wandelt, bleibt letztlich unklar88. Soweit sich aus der Stellung der Parteien und ihrer Vermittlungsfunktion noch eine relative Obergrenze folgern ließ, führt es aber doch zu weit, über die Beschränkung auf eine Teilalimentierung hinaus noch eine rechtlich determinierte absolute Grenze zu bestimmen. Schon eine relative Obergrenze gewährleistet in ausreichendem Maße den Rückhalt der Parteien in der Bevölkerung. Können sie nicht in ausreichendem Maße Gelder aus privaten Finanzierungsquellen erzielen, erhalten sie aufgrund der relativen Obergrenze auch weniger öffentliche Finanzmittel. Damit wird dem Grundsatz der Unions­freiheit der europäischen Parteien ausreichend und aus europarechtlicher Perspektive erschöpfend Rechnung getragen89. Der Grad der gesellschaftlichen Verwurzelung einer Partei hängt allein vom Anteil ihrer eigenen Einnahmen ab90. Er ändert sich nicht, wenn eine europäische Partei beispielsweise bei einer öffentlichen Finanzierungsquote von 40 Prozent 30 Millionen Euro oder 100 Millionen Euro erhält. Steigt der Gesamtbetrag der Subventionen, müssen sich aufgrund der relativen Obergrenze gleichzeitig die Eigenmittel einer Partei erhöhen, damit eine europäische Partei die Finanzhilfen der Union in vollem Umfang ausschöpfen kann91. Zeugt aber allein der relative Finanzierungsanteil von der Nähe einer Partei zu den Bürgern und bestimmt eine relative Obergrenze schon die Pflicht, eine 84

BVerfGE 85, 264 (290). BVerfGE 85, 264 (290); Schwartmann, Verfassungsfragen der Allgemeinfinanzierung politischer Parteien, S. 92. 86 Hierzu insbesondere: Schwartmann, Verfassungsfragen der Allgemeinfinanzierung politischer Parteien, S. 110 f. 87 BVerfGE 85, 264 (291). 88 So auch: Volkmann, ZRP 1992, 325 (328). 89 Vgl. Koch, in: Ipsen, PartG, Vor § 18 ff. Rn. 46. 90 Tsatsos/Schmidt/Steffen, Jura 1993, 243 (248). 91 Zum deutschen Recht auch: Volkmann, ZRP 1992, 325 (328). 85

A. Obergrenzen

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solche zu erhalten und zu fördern, kann der Grundsatz der Unionsfreiheit keine absolute Obergrenze öffentlicher Parteienfinanzierung determinieren. Führt die öffentliche Finanzierung zu einem geringeren Rückhalt in der Bevölkerung und zu einem zunehmenden Misstrauen der Bürger gegenüber den Parteien, ist zu erwarten, dass ihre Einnahmen aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen zurückgehen bzw. nicht zunehmen. Dann erhalten die europäischen Parteien aber aufgrund der relativen Obergrenze schon weniger öffentliche Mittel92. Auch der Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Verwaltung kann keine Pflicht des Verordnungsgebers begründen, den Gesamtbetrag der Subventionen zu beschränken93. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit schreibt keinen bestimmten Weg vor, wie der Gesetzgeber ihn gewährleisten will, sondern bei der Ausgestaltung dieses Prinzips verbleibt dem Verordnungsgeber ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum. Neben der Möglichkeit, eine absolute Obergrenze zu normieren, gibt es aber andere, gleich geeignete Mittel, eine übermäßige Finanzierung durch die Europäische Union zu verhindern. Einen solchen alternativen Weg hat das Europäische Parlament durch Art. 8 Abs. 1 und 2 VO i. V. m. Art. 11.11.1 BGF mittels einer Beschränkung der Finanzierung auf bestimmte zuschussfähige Ausgaben beschritten, die in ihrer Höhe auch angemessen sein und dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung entsprechen müssen94. Damit hat der Verordnungsgeber indirekt, indem er den europäischen Parteien keine Globalzuschüsse zuwendet, sondern lediglich die Kosten zuschussfähiger, in der Höhe begrenzter Ausgaben partiell erstattet, ebenfalls eine Begrenzung der Kosten eingeführt. Aus den gleichen Erwägungen kann es auch nicht genügen, dass die Entscheidung über den Gesamtbetrag der Finanzhilfen des Europäischen Parlaments eine „Entscheidung in eigener Sache“ ist, um die Verpflichtung zur Fixierung einer absoluten Obergrenze zu begründen. Eine Entscheidung des Parlaments in eigener Sache liegt regelmäßig dann vor, wenn das Parlament von seiner Entscheidung auch selbst betroffen ist95. Obgleich das Parteienfinanzierungrecht keine unmittelbaren internen Regelungen des Parlaments sind, da nur Fraktionen unmittelbar und Parteien lediglich mittelbar über diese im Parlament vertreten sind und die Rechtssetzung auch solche Parteien betrifft, die nicht mit Fraktionen im Parlament vertreten sind96, führt die politische Nähe zwischen Partei und Fraktion dazu, dass Entscheidungen des Parlamentes im Bereich des Parteienrechtes als „eigene“ zu bezeichnen sind, denn Parlamente setzen sich in einer parlamenta 92

Vgl. Tsatsos/Schmidt/Steffen, Jura 1993, 243 (248). So aber zum deutschen Recht: BVerfGE 85, 264 (290); Schwartmann, Verfassungs­fragen der Allgemeinfinanzierung politischer Parteien, S.  93; zum Prinzip der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit: § 4 D. III. 94 Vgl. hierzu ausführlich: § 7 A. VII. 2.  95 Zum Begriff und den Schwierigkeiten, dieses Problem in den Griff zu bekommen: Streit, MIP 2003, 60 ff. 96 Vgl. Isensee, ZParl 2000, 402 (414); Streit, MIP 2003, 60 (65 f.). 93

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§ 6 Grenzen und Verteilungskriterien der öffentlichen Mittel 

rischen Demokratie im Wesentlichen aus Vertretern politischer Parteien zusammen97. Die Probleme und Gefahren, die mit internen Regelungen des Parlaments durch das Parlament sowie mit Entscheidungen über die öffentliche Parteienfinanzierung einhergehen, sind damit aber im Wesentlichen die gleichen: Beiden ist ein Kontrolldefizit immanent. So handeln in solchen Fragen regelmäßig alle im Parlament Beteiligten einvernehmlich zusammen, so dass die Kontrolle der Opposition als Korrektiv verloren geht98. Außerdem ist es möglich – und mit Blick auf die Stiftungsfinanzierung in Deutschland auch schon geschehen –, dass nicht im Parlament vertretene Parteien von einer Rechtsmitteleinlegung abgehalten werden, indem man ihnen einfach mehr öffentliche Mittel gewährt99. Bei all diesen Problemen muss man sich aber gleichzeitig vor Augen führen, dass Entscheidungen des Parlaments in eigener Sache notwendiger Bestandteil jeder parlamentarischen Demokratie sind100. Die Parlamente sind es, die in erster Linie zu politischen Entscheidungen berufen sind, und dies gilt selbst dann, wenn es sich um einen Bereich handelt, der die Akteure selbst betrifft101. Dies auf Andere – insbesondere Expertengremien – zu verlagern, bedeutet im Endeffekt einen Verzicht auf demokratische Legitimation102. Das mit „Entscheidungen in eigener Sache“ verbundene strukturelle Kontrolldefizit lässt sich daher nur durch die Einrichtung von Mechanismen verringern, die ein Mindestmaß an Kontrolle der Entscheidungsträger sichern103, was sich sicherlich auf unterschiedliche Wege bewerkstelligen lässt. Zwar kann die Öffentlichkeit die Mittel, die den europäischen Parteien zugestanden werden, bei einer Festlegung nur im Haushaltsplan der Europäischen Union nicht ausreichend kontrollieren, und mit einem Titel im Haushaltsplan wird den verstärkten Informationspflichten im Rahmen von „Entscheidungen in eigener Sache“ sicherlich nicht genüge getan104, jedoch verlangt der Öffentlichkeitsgrundsatz in diesem Zusammenhang nicht zwangsläufig, dass eine Obergrenze gesetzlich fixiert wird. Transparenz kann auch auf andere Weise hergestellt werden. Diesem Gedanken ist der Verordnungsgeber aber nachgekommen, indem er Unionsbürgern und Medien die Möglichkeit eröffnet, sich über die Internet­präsenz des Europäischen Parlaments über die öffentlichen Finanzhilfen der Union zu informieren. Das Parlament veröffentlicht in einer zu diesem Zweck geschaffenen Rubrik seiner Internetseite gemäß Art.  9a UAbs. 1 VO einen Jahresbericht mit

97

Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 81. Henke, in: Dolzer/Waldhoff/Graßhof, GG, Art. 21 Rn. 321. 99 Streit, MIP 2003, 60 (66). 100 Streit, MIP 2003, 60 (65); a. A. Henke, in: Dolzer/Waldhoff/Graßhof, GG, Art. 21 Rn. 322. 101 Isensee, ZParl 2000, 402 (423); Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 81. 102 Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 81. 103 Streit, MIP 2003, 60 (65 f.); von Arnim, Parteienfinanzierung, S. 47; hingegen fordert Isensee, ZParl 2000, 402 (423) in erster Linie eine Selbstkontrolle des Parlaments. 104 von Arnim, EU-Parteienfinanzierung, S.  85; in Frankreich beispielsweise werden die Mittel der Parteien aus der öffentlichen Finanzierung ebenfalls nur im Haushaltplan ver­ öffentlicht: Schmitt, ZParl 1993, 73 (83). 98

A. Obergrenzen

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einer Übersicht über die an jede politische Partei auf europäischer Ebene gezahlten Finanzhilfen. Darüber hinaus findet sich dort der Jahresplan für das jeweilige Haushaltsjahr, der die im Haushaltplan veranschlagten Gesamtmittel sowie die Abschlussberichte der Allgemeinheit zugänglich macht105. Doch selbst im Falle der Existenz einer rechtlich determinierten absoluten Obergrenze lässt sich ohnehin kaum annehmen, dass sie bei dem derzeitigen Umfang der Finanzhilfen verletzt sein könne. Auch wenn man für eine Verletzung lediglich voraussetzt, dass die europäischen Parteien mehr öffentliche Zuschüsse erhalten als sie zur Funktionserfüllung benötigen106, wird bisher richtigerweise von keiner Seite erwogen, dass die Unionsbeihilfen diese Grenze bereits überschreiten107. Soweit mit einer absoluten Obergrenze der Eindruck bei den Bürgern vermieden werden soll, dass sich die Parteien aus den öffentlichen Haushalten „bedienten“108, vermag dieser Einwand überhaupt nur greifen, wenn objektive Anhaltspunkte einen solchen Anschein rechtfertigen. Handelt es sich aber bei den Unionsmitteln nur um einen relativ geringen Betrag, bliebe ein Vorwurf der Maßlosigkeit haltlos und basiert dann wohl eher auf einem prinzipiellen Argwohn und Misstrauen gegenüber den Parteien, ihrer Finanzierung und dem Parteiensystem insgesamt, also vielmehr auf einer grundsätzlichen Parteien- oder Politikverdrossenheit als auf tatsächlichen Hinweisen. Außerdem erscheint es doch schwer vorstellbar, dass man aus der Gefahr für die Aufgabenerfüllung der Parteien, die aus dem Schein einer Selbstbedienung erwachsen könnte, hinreichende Schlüsse auf eine konkrete, zahlenmäßig bezifferbare Grenze der Subventionierung ziehen kann. Wenngleich schon die Gefahr eines Schadens durch von öffentlichen Finanzmitteln hervorgerufenen Dysfunktionalisierungstendenzen für das Parteiwesen einen Zwang der öffentlichen Gewalt zur Zurückhaltung bei der Leistungsvergabe rechtfertigt109, so kann ein solches Zurückhaltungsgebot noch keine konkrete rechtliche Grenze der öffentlichen Finanzierung bestimmen. Entscheidend dafür wäre es, den Zeitpunkt und die Höhe öffentlicher Mittel bestimmen zu können, an dem der Eindruck der Selbstbedienung entsteht bzw. berechtigterweise entstehen kann und ob er dann auch noch aus einer tatsächlich überhöhten Parteienfinanzierung erwächst oder andere Gründe einer zunehmenden Politikverdrossenheit nicht hierfür ebenso eine Rolle 105 Dies findet sich auf der Homepage des Europäischen Parlaments; abrufbar unter: http:// www.europarl.europa.eu/aboutparliament/de/00264f77f5/Finanzhilfen-f%C3 %BCr-poli tische-Parteien-und-Stiftungen.html; Stand: 09.04.2013. 106 Schwartmann, Verfassungsfragen der Allgemeinfinanzierung politischer Parteien, S. 111. 107 Vgl. Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 226; Morlok, in: von Arnim, Politikfinanzierung in der Europäischen Union, S. 11; Naßmacher, in: von Arnim, Politikfinanzierung in der Europäischen Union, S.  15; selbst von Arnim, in: ders., Politik­finanzierung in der Europäischen Union, S. 21 tendiert dazu, den Umfang der Parteienfinanzierung auf Unionsebene als bescheiden zu betrachten. 108 BVerfGE 85, 264 (290). 109 Volkmann, Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S. 125.

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§ 6 Grenzen und Verteilungskriterien der öffentlichen Mittel 

spielen110. Selbst wenn ein Misstrauen der Bevölkerung nachweisbar wäre, könnte man genauso gut auf den Gedanken kommen, Parteien müssten in größerem Ausmaß gefördert werden, um in die Lage versetzt zu werden, das verlorengegangen Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen111. Dies gilt besonders für die Europa­ parteien, deren im Vergleich zu den nationalen Parteien geringe wirtschaftliche Potenz oftmals als Ursache dafür herangezogen wird, dass es ihnen noch nicht gelungen ist, ihre Aufgaben im politischen Willensbildungsprozess entsprechend wahrzunehmen112. Sie haben einen größeren Aktionsradius als nationale Parteien und schon aus diesem Grund in einem funktionierenden Parteiensystem auch einen höheren Bedarf an finanziellen Ressourcen. Konnten die europäischen Parteien aber bisher noch nie eine tiefere Verbindung zu den Unionsbürgern herstellen, so könnte ein „Mehr“ an öffentlichen Mitteln ihnen erstmals die Chance eröffnen, im politischen System der Union und in der europäischen Öffentlichkeit überhaupt in Erscheinung zu treten113. Aber auch dieser Gedanke ist eher Hoffnung oder Vermutung als Gewissheit. Eine primärrechtliche Pflicht des Verordnungsgebers, eine absolute Obergrenze öffentlicher Finanzhilfen zu schaffen, existiert damit nicht. Die Frage, ob der Gesetzgeber eine solche in die Verordnung einfügen sollte, ist daher weniger rechtlicher als politischer Natur. Eine in der Parteienverordnung normierte absolute Obergrenze mag rechtspolitisch wünschenswert sein, rechtlich zwingend ist sie nicht114.

B. Erfolgsabhängige öffentliche Finanzierung Aufgeteilt werden die Finanzhilfen der Europäischen Union über zwei Verteilungskriterien: einen Sockelbetrag und einen erfolgsabhängigen Faktor. Zuerst wird ein Teilbetrag der öffentlichen Mittel an alle europäischen Parteien im Sinne des Art. 3 Abs. 1 VO gleichmäßig verteilt. In einem zweiten Schritt werden die Subventionen dagegen abhängig vom Erfolg bei den letzten Wahlen zum Europäischen Parlament vergeben. Obwohl die Chancengleichheit politischer Parteien eine grundsätzliche formale Gleichheit ist115, haben die Mitgliedstaaten, so 110 In diese Richtung auch: Boyken, Die neue Parteienfinanzierung, S. 151; Volkmann, ZRP 1992, 325 (329); siehe hierzu schon: § 3 B. I. 4. a). 111 Zu dieser Unsicherheit: Schwartmann, Verfassungsfragen der Allgemeinfinanzierung politischer Parteien, S. 114; Volkmann, ZRP 1992, 325 (329). 112 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S.  249; Stentzel, Integra­ tionsziel Parteiendemokratie, S. 412 m. w. N. 113 Morlok, in: Johansson/Zervakis, European political parties between cooperation and inte­gration, S. 29 (39). 114 So auch: Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 265 f.; in diese Richtung in Bezug auf das deutsche Parteienfinanzierungsrecht auch: Koch, in: Ipsen, PartG, Vor § 18 ff. Rn. 49; Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 47. 115 Siehe schon: § 4 B. III.

B. Erfolgsabhängige öffentliche Finanzierung

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weit sie eine staatliche Parteienfinanzierung kennen, diese weitestgehend erfolgsabhängig ausgestaltet116. Insofern stellt die zweite, erfolgsabhängige Stufe des Art. 10 Abs. 1 UAbs. 1 b) VO den „Normalfall“ öffentlicher Parteienfinanzierung dar. Gedanklicher Hintergrund hierfür ist folgender: Gerade im Rahmen der Parteienfinanzierung kommt der hinter dem Prinzip der Chancengleichheit stehende Grundsatz der Neutralität der Unionsorgane gegenüber dem Parteienwettbewerb zum Tragen. Er ist der zentrale rechtliche Mechanismus, mit dem Eingriffe in die Konkurrenzsituation der Parteien durch die öffentliche Gewalt unterbunden werden sollen. Würden aber die vom Europäischen Parlament bereitgestellten Mittel an alle Parteien gleichmäßig verteilt, käme es zu einer Nivellierung die tatsächlich bestehenden Unterschiede zwischen den Parteien und somit zu einem unzulässigen Eingriff in den Parteienwettbewerb. Wer eine solche Gefahr verhindern will, muss eine proportionale Verteilung öffentlicher Mittel nicht nur für zulässig, sondern − zumindest größtenteils – sogar als zwingende Voraussetzung einer Subventionierung erachten117. Diesem Gedanken ist der Verordnungsgeber im Wesentlichen auch nachgekommen, wenn er mit einem 85-prozentigen Anteil den weitaus größten Teil  der Finanzhilfen von Wahlerfolgen der europäischen Parteien abhängig macht. Die Regelung des Art. 10 Abs. 1 UAbs. 1 b) VO bedarf insbesondere unter zwei Gesichtspunkten einer intensiveren Begutachtung: zunächst sind die Voraussetzungen, die eine politische Partei auf europäischer Ebene erfüllen muss, um an dieser Stufe partizipieren zu können, unter die Lupe zu nehmen, während im Anschluss das Verteilungskriterium auf seine Primärrechtskonformität zu unter­suchen ist.

I. Zugang zum erfolgsabhängigen Betrag Aus Art. 10 Abs. 1 b) VO ergibt sich, dass nur solche politische Parteien auf europäischer Ebene an der proportionalen Finanzierungsstufe teilnehmen können, die durch gewählte Vertreter im Europäischen Parlament vertreten sind. Gemäß Art. 10 Abs. 1 UAbs. 2 VO kann ein Mitglied des Europäischen Parlaments nur einer europäischen Partei angehören. Einer solchen Klarstellung in der Verordnung bedurfte es aus zwei Gründen. Zum einen nehmen die Europaparteien selbst überhaupt nicht an den Wahlen zum Europäischen Parlament teil, sondern sie werden durch ihre nationalen Mitgliedsparteien „vertreten“118. Dann sind die Ab­ geordneten aber nicht direkt einer europäischen Parteien zuzuordnen, sondern erst vermittelt über ihre nationale Partei. Zum anderen schließen sich einige Parteien traditionell über die Parteigrenzen hinweg zu Fraktionen bzw. arbeiten die Abgeordneten einer europäischen Partei teilweise auch mit unterschiedlichen Frak-

116

Hierzu bereits: § 4 B. II. Zu zwingenden Ausnahmen vom Grundsatz der formalen Chancengleichheit: § 4 B. III. 118 Vgl. schon: § 5 B. IV. 117

252

§ 6 Grenzen und Verteilungskriterien der öffentlichen Mittel 

tionen zusammen119. Von daher kann es durchaus im Einzelfall erforderlich sein, ein ausdrückliches Bekenntnis der Abgeordneten zu einer europäischen Partei zu fordern, um die Zahl der Abgeordneten, die eine Partei ins Europäische Parlament „entsendet“, feststellen zu können. 1. Regelung in den Mitgliedstaaten Um das Erfordernis der Vertretung im Europäischen Parlament in einen größeren Regelungskontext bringen zu können, mag ein Blick auf die Zugangs­ voraussetzungen in verschiedenen Mitgliedstaaten hilfreich sein. Das deutsche Parteienrecht normiert in diesem Zusammenhang in § 18 Abs. 4 PartG für Bundestagswahlen eine Grenze von 0,5 Prozent und für Landtagswahlen von einem Prozent der Stimmen für einen Anspruch auf staatliche Mittel. Demgegenüber hat das Bundesverfassungsgericht zu Recht und schon frühzeitig Regelungen eine Absage erteilt, nach denen die staatliche Parteienfinanzierung nur solchen Organisationen vorbehalten bleibt, die im Deutschen Bundestag vertreten sind, die also die Fünf-Prozent-Klausel übersprungen haben120. In dieser strikten Ablehnung, öffentliche Gelder von einer parlamentarischen Vertretung abhängig zu machen, schlagen vor allem die Besonderheiten des deutschen Wahlrechts durch. Würde man die Fünf-Prozent-Hürde auf die Parteienfinanzierung übertragen, würde man die Bildung und den Erfolg neuer Parteien „praktisch unmöglich machen“121. Dieser Gedanke lässt sich hingegen nicht Eins-zu-Eins für die Untersuchung des europäischen Parteienfinanzierungsrechts fruchtbar machen. Im Gegensatz zum deutschen Recht ist das europäische Finanzierungssystem zweistufig aufgebaut, so dass, wenn eine europäische Partei keinen Zugang zum erfolgsabhängigen Betrag hat, sie noch nicht nach dem „Alles-oder-Nichts“-Prinzip von der öffentlichen Finanzierung insgesamt, sondern lediglich von der „zweiten“ Stufe ausgeschlossen ist. Finanzhilfen aus dem Sockelbetrag nach Art. 10 Abs. 1 UAbs. 1 a) VO kann sie trotzdem noch erhalten. Betrachtet man die übrigen Mitgliedstaaten der Union, so divergieren die Voraussetzungen der staatlichen Parteienfinanzierung beträchtlich. In Österreich122, Ungarn, Slowenien und Estland123 muss ähnlich zur deutschen Regelung eine Sperrklausel von einem Prozent überwunden werde, irische Parteien müssen hingegen zwei Prozent der Stimmen erringen124. In der Slowakei, Griechenland, Litauen, Polen und Spanien bedürfen politische Parteien eines Mindeststimmen 119 So ist die Nordisch-Grüne-Allianz teilweise in die Fraktion der EGP integriert, während andere Abgeordnete sich der Fraktion der EL angeschlossen haben; Mittag, IEV-Online 1/2009, 1 (14). 120 BVerfGE 20, 56 (117 f.). 121 BVerfGE 20, 56 (117.). 122 Schelakovsky/Kovar, Parteienfinanzierung in Österreich, S. 7. 123 von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 137 f. 124 von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 138.

B. Erfolgsabhängige öffentliche Finanzierung

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anteils von drei Prozent bei der letzten Parlamentswahl125. All diesen Staaten ist aber gemeinsam, dass eine Parlamentsvertretung für einen Anspruch auf staatliche Mittel unerheblich ist. Mindestens ein Mandat bei den jeweils letzten Parlamentswahlen müssen da­ gegen die Parteien in Belgien126, Finnland, den Niederlanden127 und Dänemark128 erreichen, um an der jeweiligen staatlichen Parteienfinanzierung teilnehmen zu können. Etwas differenzierter ist das italienische Modell. Hier erhalten die Parteien öffentliche Mittel, sobald sie entweder mit vier Prozent der Stimmen bei den Wahlen zum Unterhaus oder Senat gewählt werden oder in einer der Kammern ein Mandat gewinnen und darüber hinaus ein bzw. fünf Prozent der Stimmen zu den jeweiligen Wahlen auf die Partei entfallen129. In Luxemburg muss eine Partei entweder fünf Prozent der Stimmen oder ein Mandat erringen130. Das portugiesische Parteienfinanzierungsrecht ist so ausgestaltet, dass eine Partei Mittel für Verwaltungsaufgaben bekommt, sobald sie 50.000 Stimmen oder ein Mandat im Parlament erhält bzw. eine Wahlkampfkostenerstattung bekommt, sofern sie zwei Prozent der Stimmen in mindestens 51 Prozent der Wahlkreise für sich gewinnen kann131. Auch in Schweden gibt es ein kombiniertes Modell, nach dem eine Partei mindestens einen Abgeordneten ins Parlament entsenden oder bei den Parlamentswahlen 2,5 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen muss132. Bulgarien hingegen führte ein dem Parteienfinanzierungssystem auf europäischer Ebene ähnliches Modell ein, in dem politische Parteien ab einem Stimmenquorum von einem Prozent Zugang zu einem Grundbetrag haben und die Parteien, die die Vier-Prozent-Klausel bei den Wahlen zum Parlament überspringen, an der zweiten Stufe partizipieren133. Ähnlich geregelt ist die Subventionierung in der Tschechischen Republik, bei der Parteien ab einem Wahlerfolg von drei Prozent von der ersten Stufe profitieren, und die zweite Stufe abhängig von den erzielten Sitzen in den beiden Kammern ausbezahlt wird134. Vergleichbar hierzu sind auch die Voraussetzungen des französischen Systems ausgestaltet135. 125

von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S.  137 f., wobei in Griechenland diese Klausel nur in zwei Drittel der Wahlkreise erreicht werden muss und in Spanien die drei Prozent-Grenze lediglich für den jeweiligen Wahlkreis gilt. 126 Suetens, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 19 (44). 127 von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 137 f. 128 Wobei eine zur Parteien- zusätzliche Kandidatenfinanzierung schon ab einer relativ geringen absoluten Stimmenzahl einsetzt, vgl. hierzu: von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 137. 129 von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 137. 130 von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 137. 131 von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 138. 132 von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 138. 133 Studie des Europäischen Parlaments, How to create a transnational party system, S. 84. 134 Studie des Europäischen Parlaments, How to create a transnational party system, S. 84. 135 Jopp u. a., Feasibility of a future european statute of european political parties, S. 90; von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 137.

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§ 6 Grenzen und Verteilungskriterien der öffentlichen Mittel 

Alles in allem lässt sich also auf der mitgliedstaatlichen Ebene keine einheitliche Linie ausmachen. Schon bei reinen Quotenregelungen liegt die Spannbreite zwischen den relativ niedrigen bundesdeutschen Zugangsvoraussetzungen von 0,5 Prozent und erheblich höheren Quoren von drei Prozent der Wählerstimmen. Betrachtet man die Mitgliedstaaten, in denen eine Vertretung in den jeweiligen Parlamenten erforderlich ist – unabhängig davon, ob dies für den Zugang insgesamt oder nur für einen Teilbereich der Finanzierung gilt – muss man zugleich das Wahlrecht des Staates im Blick haben. Die Beteiligung an der Parteienfinanzierung ist bei einem solchen Modell zwangsläufig davon abhängig, wie das nationale Wahlrecht den Zugang zu den Parlamenten normiert. So ist es in diesem Zusammenhang auffällig, dass in solchen Staaten – also Belgien, Dänemark, Finnland und die Niederlande – oftmals auch keine Sperrklauseln existieren136. Infolgedessen müssen kleinere Parteien dann auch nur eine relativ niedrige Hürde überspringen, um in ein Parlament einzuziehen, so dass die Schwelle zur Finanzierung damit ebenfalls nicht allzu hoch ausfällt. Besonders interessant sind indes die Mitgliedstaaten, die parallel zur Unionsebene ein zweistufiges Finanzierungssystem haben. So benötigen bulgarische Parteien, um den Grundbetrag zu erhalten, ein Prozent und, um an der erfolgsabhängigen Finanzierung partizipieren zu können, vier Prozent der Stimmen. Vom ersten Pfeiler des französischen Finanzierungskonzeptes profitieren Parteien gleichsam ab einem Stimmenanteil von einem Prozent. Dagegen ist die Voraussetzung der zweiten Stufe – eine Parlamentsvertretung – aufgrund des in Frankreich geltenden Mehrheitswahlrechts mit einer durchaus erheblichen Hürde verbunden. Noch schwieriger ist es sogar für tschechische Parteien, staatliche Gelder zu erhalten. Während schon für die erste Stufe eine Hürde von drei Prozent der Stimmen gilt, bekommen Parteien Mittel aus der zweiten Stufe erst ab Überspringen der wahlrechtlichen Fünf-Prozent-Hürde137. 2. Regelung auf europäischer Ebene Vergleicht man Art. 10 Abs. 1 UAbs. 1 b) VO mit den nationalstaatlichen Regelungen, erkennt man schnell, dass die für den deutschen Parteienrechtler überraschende Voraussetzung einer parlamentarischen Vertretung nicht so ungewöhnlich ist, wie es zunächst scheint. Solche Zugangsvoraussetzungen stoßen aber auch bei den jeweiligen nationalen Verfassungsrechtlern auf Kritik, die sich insbesondere am Prinzip der Chancengleichheit festmachen lässt138.

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Vgl. zu den Sperrklauseln: von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 118 ff. Zur Sperrklausel Tschechiens: von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 128 f. 138 Vgl. beispielsweise zur Kritik am belgischen Recht: Suetens, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 19 (44 f.). 137

B. Erfolgsabhängige öffentliche Finanzierung

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In der Diskussion um die europäische Parteienfinanzierung wird die Hürde einer Vertretung im Europäischen Parlament vielfach als zu hoch angesehen139. Ein solches Erfordernis führe zu einer Zementierung der Parteienlandschaft und leiste Kartellisierungstendenzen der großen Parteienföderationen Vorschub140. Außerparlamentarische Gruppierungen hätten bei der Entwicklung der europäischen Demokratie ebenfalls eine herausragende Bedeutung und würden durch eine solche Regelung unangemessen benachteiligt141. Dagegen hat Papadopoulou schon vor Erlass der Parteienverordnung vorgeschlagen, die Subventionierung davon abhängig zu machen, dass eine europäische Partei auch Abgeordnete in das Europäische Parlament entsenden müsse. Ein solches Kriterium bedeute für die Europaparteien keine allzu große Schwelle und sei vor allem einfach zu ermitteln142. Will man die Zugangsvoraussetzungen des Art. 10 Abs. 1 UAbs. 1 b) VO untersuchen, so kommt man nicht umhin, zunächst einmal klarzustellen, inwieweit überhaupt eine parlamentarische Vertretung vorhanden sein muss. Teilweise wird die Regelung dahingehend missverstanden, dass eine Partei über Abgeordnete aus mindestens sieben Mitgliedstaaten verfügen müsse143. Ein solcher Ansatz vermischt indes die Voraussetzungen der beiden Stufen der Finanzierung. Das Viertel-Quorum erstreckt sich nur auf Art. 3 Abs. 1 b) VO, der eine Vertretung durch Abgeordnete im Europäischen Parlament aus mindestens einem Viertel der Mitgliedstaaten vorsieht. Alternativ hierzu kann eine europäische Partei die Hürde zur ersten Stufe aber auch dann überspringen, wenn sie in diesen Staaten Abgeordnete in die nationalen oder regionalen Parlamente entsendet, oder in einem Viertel der Mitgliedstaaten mindestens drei Prozent bei den Wahlen zum Europäischen Parlament erreicht. Insofern beschränkt sich das Viertel-Quorum des Art. 3 Abs. 1 b) VO nicht auf eine Vertretung im Europäischen Parlamenten, sondern kann auch durch eine Vertretung in nationalen und regionalen Parlament erfüllt werden144. Dass sie aber über Europaparlamentarier aus einem Viertel der Mitgliedstaaten verfügen muss, ergibt sich weder aus dem Wortlaut des Art. 10 Abs. 1 UAbs. 1 b) VO noch aus einer Zusammenschau mit Art. 3 Abs. 1 b) VO. Wenn man im Weiteren die Schwelle zur zweiten Stufe auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Chancengleichheit überprüft, muss dies unter Berücksich 139 Eberhard/Lachmayer, in: Manssen, Die Finanzierung von politischen Parteien in Europa, S. 215 (227); Koch, in: FS Rengeling, S. 307 (315); Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S.  340; von Arnim, NJW 2005, 247 (251); zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 274; in diese Richtung ferner: Dorget, in: Delwit/Külahci/van de Walle, Europarties, S. 83 (90); Herdegen, Europarecht, § 7 Rn. 89; wohl auch: Klein, in: FS Ress, S. 541 (549 f.). 140 Morlok, in: FS Tsatsos, S.  408 (418 f.); von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 73; Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 340. 141 Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 340. 142 Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 260. 143 Vgl. zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 274. 144 Vgl. hierzu ausführlich: § 5 B. II. 2.

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tigung von zwei Besonderheiten geschehen. Die erste Besonderheit ist dabei, dass es sich bei Art. 10 Abs. 1 UAbs. 1 b) VO um keine „echte“ Zugangsvoraussetzung handelt, in der festgelegt wird, wann eine europäische Partei überhaupt an der Finanzierung teilnimmt. Vielmehr regelt sie nur noch, in welchem Umfang sie hieran teilhaben kann. „Echte“ Zugangsvoraussetzung ist Art.  10 Abs.  1 UAbs.  1 a) VO i. V. m. Art. 3 Abs. 1 VO. Hier normiert die Verordnung das „Ob“ öffentlicher Finanzhilfen, während Art. 10 Abs. 1 UAbs. 1 b) VO lediglich eine weitergehende Finanzierung betrifft, also die zweite, wenn auch erheblich bedeutendere Stufe. Das bedeutet im Umkehrschluss natürlich nicht, dass der Verordnungs­ geber die Anforderungen so ausgestalten kann, dass nur große europäische Parteien an der erfolgsabhängigen Finanzierung teilnehmen können. Gleichwohl ist es ihm aber grundsätzlich gestattet, diese Voraussetzungen höher anzusetzen als beim Grundbetrag. Trotz der Unterschiede zwischen Art.  3 Abs.  1 b)  VO und der Regelung des Art. 10 Abs. 1 UAbs. 1 b) VO sind die hiermit verbundenen Probleme in ihrem Kern gleich gelagert. Auch im Rahmen der zweiten Stufe des Art. 10 Abs. 1 UAbs. 1 b)  VO bestimmt das Wahlrecht die Hürden für einen Anspruch auf Finanz­ hilfen. Wie die Wahlsysteme zu den jeweiligen nationalen Wahlen uneinheitlich ausgestaltet sind, so regelt jeder Mitgliedstaat auch das Wahlrecht zur Wahl des Europäischen Parlaments eigenständig. Dementsprechend gibt es auch teilweise erhebliche Unterschiede145 und infolgedessen finden sich hier eine Vielzahl verschiedener Sperrklauseln. So haben Frankreich, Lettland, Polen und Ungarn eine Fünf-Prozent-Klausel, während Österreich eine Vier-Prozent- und Griechenland eine Drei-Prozent-Klausel festgesetzt haben146. Auf der anderen Seite kennen das belgische, dänische, estnische oder spanische Wahlrecht überhaupt keine Sperrklausel. Die in Deutschland bisher geltende Fünf-Prozent-Klausel hat das Bundesverfassungsgericht nunmehr für verfassungswidrig befunden, so dass es auch hier künftig keine Sperrklausel mehr geben wird147. Doch auch ohne rechtliche Sperrklauseln ist der Zugang zum Europäischen Parlament nicht ungehindert möglich, denn in solchen Fällen gibt es immer ein zumindest faktisch wirkendes Stimmenquorum. Dieses kommt dadurch zustande. dass die Sitze eines jeden Mitgliedstaates im Europäischen Parlament primärrechtlich begrenzt sind. Eine Partei muss aber zumindest so viele Stimmen erhalten, dass sie ein Mandat erlangen kann148. Verdeutlichen lässt sich dies in besonderem Maße am Beispiel Maltas, das zwar keine Sperrklausel festgesetzt hat, jedoch bei den letzten Europawahlen im Jahr 2011 insgesamt lediglich sechs Abgeordnete ins Parlament entsenden konnte. Daraus ergibt sich dann aber ein fak 145

Vgl. hierzu schon: § 3 B. I. 2. b). von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 112 f. 147 BVerfG, DVBl. 2011, 1540 ff.; zuletzt noch einmal: BVerfG, Urteil v. 26.02.2014, Az.: 2 BvE 2/13. 148 Vgl. zu den Voraussetzungen eines Mandatsgewinnes der Überblick bei von Arnim/ Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 112 f. 146

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tisches Quorum von 16,66 Prozent. Dagegen gewinnen spanische Parteien schon ab einem Stimmenanteil von 1,5 Prozent ein Abgeordnetenmandat149. Nach dem Ende der Fünf-Prozent-Hürde für Europawahlen in der Bundesrepublik wird diese faktische Sperrklausel für deutsche Parteien gar nur noch bei etwas über einem Prozent liegen. Mithin wären bei den nächsten Wahlen die Zugangshürden in Deutschland am niedrigsten. Vor diesem Hintergrund lassen sich dann aber gleich zwei Einwände, denen sich die Regelung vielfach ausgesetzt sieht, nicht in Einklang bringen. Soweit nämlich an Art. 10 Abs. 1 UAbs. 1 b) VO moniert wird, dass es für eine Partei in einem kleinen Mitgliedstaat grundsätzlich leichter sei ein Abgeordnetenmandat zu erringen150, mag man dem wie schon bei Art. 3 Abs. 1 b) VO einiges entgegnen151. Nicht schon die absolute Zahl an erforderlichen Stimmen ist für die Beurteilung entscheidend, sondern auch das absolute Wählerpotential, das eine Partei in einem Staat erreichen kann, bestimmt ihre Erfolgswahrscheinlichkeit. Doch darin erschöpfen sich die Einwände gegen diese Argumentation nicht. Führt man sich die hier genannten Beispiele vor Augen, kann es sogar in einigen Fällen zu einem umgekehrten Ergebnis kommen, sofern ein Mitgliedstaat über keine rechtliche Sperrklausel verfügt: Handelt es sich um einen bevölkerungsreichen Staat, der entsprechend viele Abgeordnete ins Parlament entsendet, sind die faktischen Zugangshürden für die Parteien niedriger als in kleinen Mitgliedstaaten. Aber auch auf einer zweiten Ebene vermag diese Kritik nicht restlos zu überzeugen, soweit der Regelung pauschal vorgeworfen wird, dass Parteien in Staaten mit einer Sperrklausel gegenüber solchen ohne Sperrklausel benachteiligt würden152. Gerade für maltesische Parteien, obwohl es dort keine rechtliche, sondern nur eine faktische Sperrklausel gibt, ist die Herausforderung am größten, ein Mandat im Europäischen Parlament zu erringen. Trotz dieser Einschränkungen besitzen die Einwände an dieser Regelung aber einen „wahren Kern“. Wenn auch nicht rechtliche Sperrklauseln allein das entscheidende Kriterium dafür bilden, wie schwierig es für eine Partei ist, ein Abgeordnetenmandat im Europäischen Parlament zu gewinnen, sondern dies in Zusammenschau mit den faktischen Hürden zu erfolgen hat, so setzt sich dieser Gedanke doch in der Form fort, dass all diese unterschiedlichen Klauseln aber letzten Endes doch dazu führen, dass der Zugang zur zweiten Stufe der Parteienfinanzierung je nach Mitgliedstaat mit unterschiedlichen Hürden verbunden ist. Die Einwände gegen die Regelung überzeugen also dann, wenn man sie so modifiziert, dass Parteien benachteiligt werden, die in Staaten mit einer

149

von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 112. Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 224; Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 239; Merten, MIP 2004/2005, 45 (47); von Arnim/ Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 61. 151 Vgl. hierzu schon: § 5 B. II. 2. b) bb). 152 So aber: Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 224; Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 239; Merten, MIP 2004/2005, 45 (47). 150

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rechtlichen oder einer hohen faktischen Sperrklausel zur Wahl stehen153. Genau an diesem Punkt lässt sich dann aber auch der Eingriff in die Chancengleichheit europäischer Parteien festmachen. Dieser ist auch nicht aus besonders zwingenden Gründen gerechtfertigt. Obgleich der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit im europäischen Recht nicht verankert ist154, gilt diese Abkehr von wahlrechtlichen Prinzipien nur im Zusammenhang mit den Europawahlen und lässt sich nicht auf die Ebene der Chancengleichheit übertragen. Allenfalls wäre daran zu denken, dass die Chancengleichheit aufgrund des völkerrechtlichen Grundsatzes der Staatengleichheit durchbrochen werden könnte und auf diesem Wege Staaten mit einer geringeren Bevölkerungszahl und somit Parteien aus diesen Staaten privilegiert werden dürften. Eine solche Bevorzugung, die sich nicht nur in völkerrechtlichen Organisationen, sondern auch in föderal organisierten Staaten wiederfindet, ließe sich vielleicht mit dem Ziel des Schutzes von Minderheiten rechtfertigen155. Indes führt die vorliegende Regelung aber gerade nicht zwangsläufig zu einer Privilegierung von Parteien aus kleinen Mitgliedstaaten. Wie das Beispiel Maltas verdeutlicht, werden insbesondere solche Parteien benachteiligt, die aus einem äußerst kleinen Mitgliedstaat der Union stammen. Damit ist die Differenzierung aber völlig will­kürlicher Natur und keiner Rechtfertigung zugänglich. Folglich ist die Vorrausetzung, im Europäischen Parlament vertreten zu sein, mit dem Grundsatz der Chancengleichheit unvereinbar und damit primärrechtswidrig. Diese rechtliche Bewertung mag sich wiederum dann ändern, wenn ein einheitliches Wahlrecht für die Wahlen zum Europäischen Parlament geschaffen werden würde. Interessengerechter wäre es, die Gewährung von Mitteln aus der zweiten Stufe von einem bestimmten Stimmenanteil oder einer Stimmenzahl bei den letzten Wahlen zum Europäischen Parlament abhängig zu machen156.

153

Ebenso zu den rechtlichen Sperrklauseln: zur Hausen, Der Beitrag der „Europarteien“ zur Demokratisierung der Europäischen Union, S. 274, der ein Rechenbeispiel eröffnet, nach dem Parteien, die in sieben Staaten ohne Sperrklausel durchschnittlich nur 1,1 Prozent der Stimmen zum Einzug ins Europäische Parlament benötigten, während in Staaten mit Sperrklausel durchschnittlich 5,4 Prozent der Stimmen erforderlich wären. Diese Darstellung geht jedoch fälschlicherweise davon aus, dass die politische Partei auf europäischer Ebene eine Vertretung in sieben Mitgliedstaaten benötigt. Ferner ist die Berechnung eines Durchschnitts insoweit irreführend, als es auf die Voraussetzungen eines jeden Staates ankommt. Diese variieren aber in den dort verwendeten Staaten massiv, wenn man zum Beispiel die unterschiedlichen faktischen Sperrklauseln in Malta und Spanien vergleicht. 154 Vgl. hierzu: § 5 B. II. 1. b). 155 Zum Prinzip der Staatengleichheit und der Verbindung zum Minderheitenschutz im europäischen Recht: Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 189. 156 So im Ergebnis auch: von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 80.

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II. Verteilung des erfolgsabhängigen Betrages Nicht nur der Zugang zur zweiten Stufe der öffentlichen Finanzierung setzt die Vertretung im Europäischen Parlament voraus, zugleich sind die Höhe der Mittel aus dieser Komponente davon abhängig, wie viele Abgeordneten sich zu einer politischen Partei auf europäischer Ebene bekennen. Bei einem Blick auf die nationalen Parteienfinanzierungssysteme zeigt sich, dass es sich hierbei um ein durchaus gängiges Kriterium handelt. So finden sich ähnliche Verteilungsregelungen unter anderem in Finnland157 und in der Tschechischen Republik158. Alternativ hierzu bemessen sich die staatlichen Subventionen in Belgien159, Dänemark160, Deutschland161 und in Griechenland nach der absolut erreichten Zahl von Stimmen162. Einen Mittelweg gehen hingegen Estland163, Polen164 und Spanien165, die vergleichbar mit Frankreich die Zuweisung der Mittel zur Hälfte von der Zahl der Abgeordneten in der Nationalversammlung und dem Senat und zur anderen Hälfte von den Stimmenanteilen bei der letzten Wahl zur Nationalversammlung abhängig machen166. Die zweite Ebene europäischer Parteienfinanzierung stellt insofern eine erfolgsabhängige Regelung dar, die die Leistungsvergabe in Relation zum Erfolg einer Partei setzt und zu einer grundsätzlich proportionalen Verteilung führt. Das Abweichen von der grundsätzlich geltenden schematischen Gleichbehandlung ist im Rahmen der Parteienfinanzierung regelmäßig dadurch gerechtfertigt, dass eine gleichmäßige Verteilung öffentlicher Mittel die bestehenden Unterschiede zwischen den Parteien nivellieren würde. Insofern ist das Neutralitätsgebot, das seinerseits die Chancengleichheit mit begründet, selbst ein zwingender Grund für eine Differenzierung. Will man die Parteien nach ihrem Zuspruch unterscheiden, folgt jedoch gleich im Anschluss die Frage, was einen solchen Zuspruch ausmacht. Anders formuliert: Was kann zulässiger Anknüpfungspunkt dafür sein, nach einem unterschiedlichen Erfolg der Parteien zu differenzieren? Naheliegend scheint hierfür der Erfolg bei vorausgegangenen Wahlen. Indem der Verordnungsgeber in Art. 10 Abs. 1 UAbs. 1 b) VO die Höhe der Finanzhilfen von der Zahl der Abgeordneten einer europäischen Partei im Europäischen Parlament abhängig macht, wer 157 Jahn/Kuitto/Oberst, in: Niedermayer/Stöss/Haas, Die Parteiensysteme Westeuropas, S. 135 (147). 158 Studie des Europäischen Parlaments, How to create a transnational party system, S. 83. 159 Suetens, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 19 (45). 160 Vesterdorf, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 61 (72). 161 § 18 Abs. 3 PartG. 162 Gikas, Chancengleichheit der politischen Parteien in Griechenland, S. 100. 163 Vgl. zum System des estnischen Parteienfinanzierungsrechts: Winkelmann, Politik und Wirtschaft im Baltikum, S. 151. 164 Studie des Europäischen Parlaments, How to create a transnational party system, S. 84. 165 Puente-Egido, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 421 (440). 166 Schmitt, ZParl 1993, 73 (83).

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den auf europäischer Ebene ebenfalls die Ergebnisse der letzten Parlamentswahlen als taugliche Differenzierungsgrundlage angesehen. Doch so eingängig dieser Ansatz aufgrund seiner leichten Objektivierbarkeit ist, so ist er auch nicht zu übersehenden Einwänden ausgesetzt, denn ihm haftegt ein „statisches Moment“ an. Stellt man lediglich auf in der Vergangenheit liegende Ereignisse – also die letzten Parlamentswahlen – ab, lässt man die Möglichkeit einer politischen Kräfteverschiebung innerhalb der laufenden Legislaturperiode außer Acht167. Wettbewerbsneutralität ist aber primär als eine zukunftsgerichtete Handlungsmaxime zu verstehen168. Diese zeitliche Ausrichtung findet ihren Grund im Prinzip der Freiheit und Offenheit des politischen Prozesses, in dem politische Interessen permanent miteinander ringen und ein Wahlerfolg lediglich einen momentanen und bei der nächsten Wahl wieder entziehbaren Vorsprung gegenüber dem jeweils Unterlegenen darstellt169. Demgegenüber knüpft eine Differenzierung nach dem Wahlerfolg an einen Erfolg von Parteien an, der zum Zeitpunkt der Subventionierung zwar noch vorhanden ist, dessen Wurzeln aber in der Vergangenheit liegen170. Ein solches Kriterium ist notwendigerweise auf vorausgegangene Ereignisse ausgerichtet. Es kann damit einer Zementierung des status quo Vorschub leisten171 und zu einer Erstarrung der Konkurrenzsituation zwischen den Parteien führen172. Vor diesem Hintergrund steht eine Bezugnahme auf vorangegangene Wahlerfolge in Widerspruch zur Freiheit und Offenheit des politischen Prozesses und kann sich sogar als kontra­produktiv für die Erfüllung der Vermittlungsfunktion der Parteien erweisen, wenn diese sich mangels Konkurrenz in Kenntnis ihrer „marktbeherrschenden“ Stellung nicht mehr um eine angemessene Verwurzelung in der Bevölkerung bemühen müssen173. Infolgedessen mag man in dieser Anknüpfung eine unzulässige „Privi­legierung des bisherigen Besitzstandes im Vorfeld der Wahlen“174 sehen, während die Wettbewerbsneutralität eigentlich verlangt, dass Parteien bei den nächsten Wahlen die gleichen Startchancen gewährt werden müssen175. Dass vorangegangene Entscheidungen der Parteien das Wahlverhalten beeinflussen, hat der Staat nach diesem Ansatz unberücksichtigt zu lassen. Die öffentliche Gewalt dürfe neben diesem schon bestehenden Wettbewerbsvorteil nicht noch durch eine darüber hinausgehende Honorierung des Bürgerzuspruchs zusätzliche Vor-

167 BVerfGE 14, 121 (137); Volkmann, Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S. 220 ff. 168 Volkmann, Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S. 222. 169 Volkmann, Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S. 221. 170 Volkmann, Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S. 220 f. 171 Schütte, Bürgernahe Parteienfinanzierung, S. 78; Volkmann, KJ 1995, 203 (206 f.). 172 Schneider, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 151 (204). 173 Volkmann, KJ 1995, 203 (207). 174 Tsatsos/Morlok, Parteienrecht, S. 98; Neumann/Wesener, DVBl. 1984, 914 (918). 175 Volkmann, Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S. 223.

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teile vergeben, die eben jenen Vorsprung bewahren und so die Offenheit des politischen Prozesses behindern176. Wenngleich all die hier ins Feld geführten Kritikpunkte gegen die Heran­ ziehung von Wahlergebnissen als Differenzierungsgrundlage durchaus ihre Berechtigung haben, finden sie ihre Wurzeln freilich in einem demokratischen Idealzustand, in dem vor Wahlen alle Parteien gemeinsam von einem gleichen „Startpunkt“ aus ins Rennen gehen und Ereignissen der Vergangenheit keine Bedeutung beizumessen ist177. Indes starten politische Parteien tatsächlich nicht unter gleichen Bedingungen. Gerade vorangegangene Entscheidungen, das Verhalten einer Partei in Regierung oder Opposition oder das Verhalten der Konkurrenten beeinflussen das Wahlverhalten der Bürger. Insofern konkurrieren Parteien auch permanent um den Zuspruch der Bürger. Doch nicht nur der Wettbewerb zwischen den Parteien ist ein kontinuierlicher Prozess, das gleiche gilt auch für die politische Willensbildung der Bürger. Wenn aber der politische Willensbildungsprozess ein sich ständig fortsetzender Vorgang ist, sind Wahlen weder ein End- noch ein Anfangspunkt der Willensbildung178. Sie sind lediglich periodischer Höhepunkt eines fortwährenden Prozesses179. Dann ist politische Willensbildung aber ein Prozess, der von einer in der Vergangenheit liegenden politischen Entscheidung des Bürgers ausgeht und sich regelmäßig in der Art aktualisiert, dass der Bürger seine politische Meinung behält, verfestigt oder ändert. Ein solcher dauerhafter und sich immer wieder neu aktualisierender Prozess kann und wird vor einer Wahl nicht auf „Null“ gesetzt. Von daher mag die Neutralität des Staates gegenüber dem Parteienwettbewerb zukunftsgerichtet sein, ihre Rahmenbedingungen setzen sich indes aus einer gegenwärtigen Lage zusammen. Dieser Ansatz spiegelt sich auch in dem Gedanken wider, dass öffentliche Leistungen nicht dazu führen dürfen, die bestehenden Unterschiede zwischen den Parteien künftig zu nivellieren oder zu verschärfen. Ausgangspunkt hierfür sind die „bestehenden Unterschiede“, also die Unterschiede, die zum Zeitpunkt der Leistungsvergabe bestehen. Gleichwohl ist mit dieser Erkenntnis noch nichts für das Differenzierungskriterium des Wahlerfolges gewonnen, denn dieser bezieht sich nun einmal nicht auf die Gegenwart, sondern auf die Vergangenheit. Einer solchen Bezugnahme wird die vielfach beschworene Gefahr einer Zementierung der Parteienlandschaft entgegengehalten. Ob jedoch eine öffentliche Finanzierung, die sich am letzten Wahlerfolg orientiert, tatsächlich eine Verfestigung des Parteiensystems zur Folge hat, lässt sich freilich – wie schon die Einwände gegen eine öffentliche Alimentation insgesamt180 – nicht mit hinreichender 176

Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 60. Volkmann, Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S.  223 vergleicht insofern Wahlkämpfe mit einem 100 Meter Lauf, in dem die Parteien von einer gemeinsamen Grundlinie aus starten. 178 Kißlinger, Das Recht auf politische Chancengleichheit, S. 63. 179 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 36. 180 Vgl. hierzu: § 3 B. I. 4. a). 177

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Sicherheit sagen und mit Blick auf die tatsächlichen Entwicklungen in der politischen Landschaft der Bundesrepublik vielleicht sogar bezweifeln. So haben sich trotz einer vom Wahlerfolg abhängigen staatlichen Parteienfinanzierung Gruppierungen wie die Grünen, die PDS und nunmehr Die Linke herausbilden können. Gleiches gelang räumlich und zeitlich begrenzt beachteten Protestparteien, insbesondere Parteien des rechten oder rechtsextremistischen Spektrums181, wie beispielsweise der Schill-Partei oder der Statt-Partei. Auch in jüngster Zeit stießen die Piratenpartei und die AfD auf eine größere Resonanz und konnten entsprechende Wahlerfolge feiern. Also konnten sich auch innerhalb eines solchen Finanzierungssystems immer wieder auch neue politische Wettbewerber ent­wickeln und eine gänzliche Erstarrung des Wettbewerbs verhindert werden182. Diese Argumentation mag wiederum dem Einwand ausgesetzt sein, ebenfalls nicht mit Bestimmtheit sagen zu können, ob das derzeitige Parteienspektrum sich bei einer anders­ gearteten Verteilung öffentlicher Mittel nicht noch weiter verbreitert hätte. Der vermeintliche „Charme“ des Wahlerfolges als Differenzierungsmerkmal liegt indes vor allem in der Schwäche der übrigen Abstufungskriterien. In Betracht kommt hierbei zunächst die Zahl der Parteimitglieder183. Dieser Aspekt hat in seiner zeitlichen Ausrichtung den Vorteil, dass man einen aktuellen Mitgliederbestand als Grundlage für eine Differenzierung heranziehen kann und damit auf einen gegenwärtigen und nicht einen vergangenen Mitgliederzuspruch abstellt. Die Schattenseite dieses Kriteriums liegt jedoch darin, dass sie sich schwerlich eignet, den „Erfolg“ einer Partei darzustellen. Die Größe der mitgliedschaftlichen Basis einer Partei ist nicht allein von ihrem Zuspruch in der Bevölkerung, sondern auch von ihrem traditionellen Selbstverständnis sowie dem ihrer Anhänger abhängig184. Parteien können kraft ihrer Organisationsfreiheit auch davon Abstand nehmen, sich als Massenverband zu organisieren185. Zudem eignet sich der Mitgliederbestand europäischer Parteien schon aufgrund ihrer Organisation als Parteienföderationen nur bedingt zur Feststellung ihrer Bedeutung, da eine individuelle Mitgliedschaft in einigen Bünden überhaupt nicht möglich, aber auch in den übrigen Parteien nicht nennenswert ausgeprägt ist. Außerdem sind die Mitgliederzahlen der einzelnen nationalen Mitgliedsparteien schwer verifizierbar186. Ebenso gravierenden Bedenken ist das Kriterium ausgesetzt, auf die finanzielle Anziehungskraft einer Partei – beispielsweise die Akquise von Spenden – abzu 181 Zu den Erfolgen solcher Parteien und den möglichen Gründen hierfür: Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 116 ff. m. w. N. 182 Shirvani, Das Parteienrecht und der Strukturwandel im Parteiensystem, S. 381. 183 Augsberg, in: Kersten/Rixen, PartG, § 5 Rn. 39; Ipsen, in: ders., PartG, § 5 Rn. 42. 184 Kißlinger, Das Recht auf politische Chancengleichheit, S. 138; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 87. 185 Kißlinger, Das Recht auf politische Chancengleichheit, S. 138; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 87. 186 Zur grundsätzlichen Kritik der Einbeziehung von Mitgliedsbeiträgen und Spenden:­ Ipsen, JZ 1992, 753 (759).

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stellen. Dieses Kriterium bevorzugt Organisationen, die sich programmatisch an eine finanzstarke Anhängerschaft wenden187. Damit werden aber bestimmte politische Inhalte gleich doppelt prämiert: Für jedes „Mehr“ an privaten Zuwendungen bekäme eine Partei auch noch ein „Mehr“ an öffentlichen Mitteln. Vertritt eine Partei hingegen die Interessen sozial Schwacher, liegt es auf der Hand, dass ihr nicht die gleichen finanziellen Leistungen zufließen. Schließlich bliebe die Möglichkeit, Meinungsumfragen als Anknüpfungspunkt einer Differenzierung heranzuziehen. Unübersehbarer Vorteil dieses Bezugsrahmens ist dessen Aktualität, der die Gefahr der Erstarrung des Parteienwettbewerbs minimieren könnte. Unübersehbar sind aber auch dessen Nachteile: Meinungsumfragen stellen sich vielerorts als manipulationsanfällig und ungenau dar188. Die im Anwendungsbereich des § 5 PartG ferner von der herrschenden Meinung benannten Differenzierungsgrundlagen des Umfangs der Beteiligung an Wahlen, der Dauer des Bestehens und des Umfangs an Aktivitäten in der Öffentlichkeit189 tragen zudem die Schwächen einer fehlenden Quantifizierbarkeit und einer hiermit einhergehenden Manipulationsmöglichkeit in sich. Bei all diesen Problemen, die die einzelnen Differenzierungskriterien mit sich bringen, bleibt man letztlich in ein Dilemma verfangen. Während die letzten Wahlergebnisse in zeitlicher Hinsicht mit dem Prinzip der Neutralität des Staates kollidieren, sind die übrigen Kriterien schon keine geeignete Grundlage, den Rückhalt der Parteien in der Gesellschaft beurteilen zu können. Gleichzeitig ist aber im Rahmen der öffentlichen Parteienfinanzierung, in der eine paritätische Verteilung die bestehenden Unterschiede zwischen den Parteien nivellieren würde, eine Differenzierung nicht nur gerechtfertigt, sondern unter dem Gesichtspunkt der Neutralitätspflicht sogar zwingend erforderlich. Eine uneingeschränkt wettbewerbsneutrale Verteilung bleibt damit ein Ding der Unmöglichkeit190. Die öffentliche Hand hat, wenn sie sich zu einer irgendwie gearteten Förderung der Parteien entschließt, grundsätzlich nur die Möglichkeit, entweder Leistungen schematisch zwischen allen Parteien gleich zu verteilen, wodurch die Wettbewerbschancen kleinerer Parteien zwangsläufig erhöht werden können, oder sich an dem Stärkeverhältnis der Parteien zu orientieren, wodurch die Gefahr von Verfestigungstendenzen der politischen Landschaft droht. Ob und gegebenenfalls inwieweit der Parteienwettbewerb durch die Anwendung der einen wie der anderen Alternative tatsächlich verzerrt wird, bleibt zudem noch im Unklaren, da sich ihre tatsächlichen Auswirkungen nicht messen lassen191. 187

Kißlinger, Das Recht auf politische Chancengleichheit, S. 139; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 87. 188 Kißlinger, Das Recht auf politische Chancengleichheit, S. 139; Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 87. 189 Augsberg, in: Kersten/Rixen, PartG, § 5 Rn. 39; Ipsen, in: ders., PartG, § 5 Rn. 42. 190 Augsberg, in: Kersten/Rixen, PartG, § 5 Rn. 21; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 238; Schütte, Bürgernahe Parteienfinanzierung, S. 79; Stentzel, Integrationsziel Parteiendemokratie, S. 134; Volkmann, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 21 Rn. 58. 191 Volkmann, Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S. 193.

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Ist eine öffentliche Finanzierung politischer Parteien aber rechtlich zulässig192, gilt es vor diesem Hintergrund die Gefahr von möglichen Wettbewerbsverzerrungen gering zu halten. Gerade hierin liegt dann aber wieder der Nutzen des Wahlerfolges als taugliches Kriterium. Mag er auch aus der Not geboren sein: Er ist der zweckdienlichste unter allen in Frage kommenden Ansätzen193. Der Wahlerfolg bildet zumindest dem Grunde nach den Zuspruch der Bürger zum Zeitpunkt der Wahl ab. Er stellt den stärksten Ausdruck von Vertrauen dar, den Bürger einer bestimmten Partei in einem demokratischen System zukommen lassen können. Es lässt sich zudem nicht in Abrede stellen, dass hiermit ein klar quantifizierbarer Maßstab gewonnen wird194, auf dessen Grundlage Entscheidungen für die Betroffenen leichter nachzuvollziehen sind und von daher die Manipulationsgefahr geringer ist. Er entspricht ferner dem aus dem Grundsatz der Unionsfreiheit entwickelten Gebot der gesellschaftlichen Verwurzelung einer Partei in der Gesellschaft195 und veranlasst Parteien dazu, sich um Zustimmung und Unterstützung innerhalb der Gesellschaft zu bemühen. Damit ist der Erfolg bei Wahlen zum Europäischen Parlament zumindest ein geeignetes, wenn nicht gar das geeignetste Differenzierungskriterium. Hiervon ausgehend lässt sich der unterschiedliche Erfolg von Parteien bei Wahlen auf drei verschiedenen Wegen ermitteln: durch die absoluten Stimmenzahlen, durch Stimmenanteile196 oder durch Parlamentssitze. Alle diese Ansätze mag man dabei zunächst einmal als vom Ermessensspielraum des Verordnungsgebers umfasst sehen. Doch die schon beim Zugang zur zweiten Stufe geäußerten Bedenken gegen das Kriterium der Abgeordnetenmandate setzen sich bei der Verteilung der Subventionen fort. Auch hier spielen die Besonderheiten des politischen Systems der Union eine Rolle, in der es kein einheitliches, sondern jeweils unterschiedliche nationale Wahlrechte bei den Wahlen zum Europäischen Parlament gibt. Wenngleich in diesem Bereich durch Art. 1 Abs. 1, 8 Abs. 2 des Direktwahlaktes (DWA) zwar Nivellierungstendenzen erkennbar sind – so ist bei der Europawahl mittlerweile unionsweit das Verhältniswahlsystem maßgeblich197 und hat das vorher insbesondere in Großbritannien vorherrschende Mehrheitswahlrecht abgelöst198 − trotzdem existieren wie bereits gezeigt insbesondere bei Sperrklauseln, aber auch beim Verteilungsverfahren (d’Hondt, Hare/Niemeyer etc.199) erhebliche nationale Unterschiede, die sich auf die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments auswirken. Zu all dem gesellt sich noch das Prinzip der degressiven Proportionalität, 192

Siehe hierzu: § 2 A. Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 87. 194 Ipsen, Bitburger Gespräche 1993/2, 85 (94). 195 Ipsen, JZ 1992, 753 (759). 196 Zu den Problemen bei einer Anknüpfung an die Wahlprozente: Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 263 f. 197 Ausführlich zu den Vorgaben des DWA: Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 607. 198 Hölscheidt, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 14 EUV Rn. 54. 199 Vgl. zu den jeweiligen nationalen Regelungen die Übersicht bei Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 632. 193

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nach dem kleine Mitgliedstaaten überproportional viele Abgeordnete ins Parlament entsenden200. All diese Besonderheiten bei der Wahl verursachen Verzerrungen bei der Zusammensetzung des Europäischen Parlaments. Verzerrungen, die sich auf staatlicher Ebene wohl schwerlich mit den Wahlrechtsgrundsätzen vereinbaren ließen, die man aber in der Struktur des Staatenverbundes, also als Verbund von Bürgern und Staaten, vielleicht noch zu rechtfertigen vermag201. Übertragen auf die Parteienfinanzierung führt die Bezugsgröße der Abgeordnetenzahl zu einem Eingriff in das Recht auf Chancengleichheit. Es bliebe einem allenfalls noch die Möglichkeit, diesen Eingriff  – auf gleichem Wege wie den Eingriff in die Wahlrechtsgleichheit – mit dem völkerrechtlichen Prinzip der Staatengleichheit, einer Rechtfertigung zuzuführen. Demokratische Grundprinzipien, die sich auf nationaler Ebene herausgebildet haben, können in einem transnationalen Staatenverbund wie der Europäischen Union durchaus neue Erscheinungsformen bekommen. Von daher müssen das Prinzip der Staatengleichheit und der dahinter stehende Gedanke des Minderheitenschutzes auch Durchbrechungen des Grundsatzes der Chancengleichheit zulassen. Bezugspunkt der Europäischen Union ist nicht allein der Unionsbürger, neben diese treten noch die Mitgliedstaaten. Zeugt aber das Element der Staatengleichheit im europäischen Primärrecht davon, dass kleineren Staaten in Relation zu ihrer Größe ein größeres Gewicht zukommt, so mag man dies vielleicht auch im Bereich des Parteienrechts berücksichtigen. Dann kann man dementsprechend einer Partei aus einem kleineren Mitgliedstaat eine verhältnismäßig größere Bedeutung beimessen als einer gleich großen Partei aus einem bevölkerungsreichen Mitgliedstaat. In diesem Sinne ließe sich die zuvor aufgezeigten Bedenken gegen eine Abstufung öffentlicher Finanzhilfen nach der Zahl der Abgeordneten trotz der Bevorzugung kleiner Mitgliedstaaten bei den Wahlen zum Europäischen Parlament zerstreuen, wenn diese gerade dem Schutz dieser Staaten dient und wäre unter diesem Gesichtspunkt ein zulässiges Differenzierungskriterium202. Im Ergebnis verstößt die Bezugnahme auf die Mandate im Parlament dann aber doch gegen die Chancengleichheit der europäischen Parteien. Der Effekt der unterschiedlichen nationalen Wahlrechte beschränkt sich nicht auf den Zugang zur zweiten Stufe, sondern setzt sich gleichsam auf der Verteilungsebene fort. Wenn einige nationale Mitgliedsparteien an den teilweise hohen rechtlichen oder tatsächlichen Sperrklauseln scheitern und nicht im Europäischen Parlament vertreten sind, hat die ihr zugehörige europäische Partei gleichzeitig weniger Sitze im Parlament. Als Konsequenz hiervon werden ihr aber auch weniger Finanzmittel zugeteilt. Umgekehrt werden in solchen Staaten die Parteien, die die Sperrklausel über 200

Hierzu schon: § 5 B. II. 1. b). So: BVerfGE 123, 267 (374). 202 So im Ergebnis: Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 263; a. A. von Arnim, NJW 2005, 247 (251). 201

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sprungen haben, überproportional begünstigt. Sie können unter Umständen, da die Stimmen der gescheiterten Parteien bei der Sitzverteilung unberücksichtigt bleiben, ein größeres Mandatskontingent erhalten. In Staaten mit einer kleinen rechtlichen oder tatsächlichen Sperrklausel hingegen erfolgt eine solche Privilegierung nicht oder zumindest in nur sehr geringem Ausmaß. Für eine solche Differenzierung gibt es aber im Bereich des Parteienfinanzierungsrechtes keinen rechtfertigenden Grund. Damit führt aber erneut die Inhomogenität des europäischen Wahlrechtes dazu, dass das Kriterium, die Höhe der öffentlichen Mittel von der Zahl der Abgeordnetenmandate abhängig zu machen, zwangsläufig zu einer Verletzung des Prinzips der Chancengleichheit politischer Parteien führen muss.

C. Sockelbetrag Mit der Einführung des Sockelbetrages als erster Stufe der öffentlichen Finanzierung europäischer Parteien gehen Probleme gleich auf verschiedenen Ebenen einher. Ihren Ausgang nehmen sie von der Frage, ob der Sockelbetrag an sich mit den Prinzipien der Chancengleichheit und der Unionsfreiheit der europäischen Parteien vereinbar ist. Weitergehend fällt das Verhältnis zwischen Sockelbetrag und erfolgsabhängiger Finanzierung auf. So macht der Sockelbetrag mit 15 Prozent nur einen vergleichsweise geringeren Anteil der öffentlichen Leistungen aus. Zuletzt blieben noch die Zugangsvoraussetzungen des Art. 10 Abs. 1 UAbs. 1 a) VO zu untersuchen203.

I. Zulässigkeit eines Sockelbetrages Dass öffentliche Mittel neben einem erfolgsabhängigen Anteil zumindest teilweise durch einen „Sockelbetrag“ ergänzt werden, ist keine Erfindung des europäischen Parteienrechts, sondern findet sich schon in vergleichbarer Weise zum Beispiel in Belgien204, Griechenland205, Slowenien206, Ungarn207 und Italien208. Auch das Parteienfinanzierungssystem Deutschlands kannte zeitweise einen Sockelbetrag. So hatte der deutsche Gesetzgeber in § 18 Abs. 6 PartG a. F. festgelegt, dass Parteien, die mindestens zwei Prozent der im Wahlgebiet abgegebenen Zweitstimmen erreicht hatten, für die Bundestagswahl einen Sockelbetrag in Höhe von sechs Prozent des Gesamtbetrages der Wahlkampfkostenerstattung für politische Parteien zustand. 203

Vgl. hierzu: § 5 B. Suetens, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 19 (45). 205 Papadimitriou, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S.  197 (217). 206 Studie des Europäischen Parlaments, How to create a transnational party system, S. 83. 207 Studie des Europäischen Parlaments, How to create a transnational party system, S. 84. 208 Ridola, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 273 (292). 204

C. Sockelbetrag

267

Diese Regelung verwarf das Bundesverfassungsgericht jedoch mit der Begründung, ein Sockelbetrag verletze den Grundsatz der Staatsfreiheit209. Wer glaubte, dass mit dieser Rechtsprechung der hinter einem Sockelbetrag stehende Gedanke, kleine und neu gegründete Parteien besonders zu unterstützen210, im deutschen Parteienrecht ein Ende gefunden hat, sah sich freilich getäuscht. Statt der gleichmäßigen Verteilung eines Teilbetrages hat der Gesetzgeber nunmehr in § 18 Abs. 3 PartG eine degressiv-proportionale Verteilung der staatlichen Mittel vorgesehen. Nach § 18 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und 2 PartG erhalten die Parteien 0,70 Euro für jede für ihre jeweilige Liste abgegebene gültige Stimme und für jede für sie in einem Wahloder Stimmkreis abgegebene gültige Stimme, wenn in einem Land eine Liste für diese Partei nicht zugelassen war. Hiervon abweichend bestimmt aber § 18 Abs. 3 S. 2 PartG, dass die Parteien 0,85 Euro je Stimme für die von ihnen jeweils erzielten bis zu vier Millionen Stimmen erhalten. Anders formuliert bekommen alle Parteien für die ersten vier Millionen Stimmen einen Betrag von 0,85 Euro pro Stimme und, sollte eine Partei mehr Stimmen erzielen, darüber hinaus nur noch 0,75 Euro pro erzielte Stimme. Nicht wenige Stimmen haben dieser Neuregelung daher vorgeworfen, dass sie de facto die gleichen Wirkungen entfalte wie der für verfassungswidrig erklärte Sockelbetrag211. Entscheidet sich der Verordnungsgeber in Teilbereichen für eine unterschiedslos gleiche Verteilung öffentlicher Subventionen an die berechtigten europäischen Parteien, müsste ein solches System aber mit dem Grundsatz der Chancengleichheit, dem Prinzip der „Unionsfreiheit“ und dem Recht auf gleiche Teilhabe der Bürger an der politischen Willensbildung vereinbar sein. 1. Vereinbarkeit mit der Chancengleichheit politischer Parteien Ruft man sich noch einmal ins Gedächtnis, dass das Recht auf Chancengleichheit grundsätzlich streng formal ausgestaltet ist, erscheint es auf den ersten Blick paradox, dass ein Sockelbetrag, der die Finanzhilfen zwischen den Parteien gleichmäßig und unabhängig von ihrem jeweiligen Wahlerfolg verteilt, gegen die Chancengleichheit der Parteien verstoßen soll212. Gerade aber im Rahmen der öffentlichen Parteienfinanzierung kann die Pflicht zur Neutralität gegenüber dem Parteienwettbewerb dazu führen, dass eine proportionale Verteilung von Finanzhilfen nicht nur gerechtfertigt, sondern gar geboten ist213. An diesem Punkt beginnen dann aber auch die Schwierigkeiten eines Sockelbetrages, denn stellt die Neu 209

BVerfGE 85, 264 (284). Vgl. hierzu: Buhr, Europäische Parteien, S. 112. 211 Drysch, NVwZ 1994, 218 (221); Sendler, NJW 1994, 365 (336); diesen Effekt sieht auch Morlok, in: FS Tsatsos, S. 408 (420), der dies jedoch begrüßt. 212 Vgl. hierzu: § 4 B. 213 Siehe schon: B. 210

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§ 6 Grenzen und Verteilungskriterien der öffentlichen Mittel 

tralitätspflicht einen zwingenden Grund für eine Differenzierung dar, entwickelt sie sich zur Verpflichtung einer „abgestuften Gleichheit“. Differenziert man allerdings bei der Verteilung der öffentlichen Mittel nach dem zuletzt erzielten Erfolg einer Partei bei den Wahlen zum Europäischen Parlament, besteht gleichzeitig die Gefahr einer Zementierung der Parteienlandschaft, also des derzeitigen „status quo“. Eine so verstandene Chancengleichheit setzt sich dann wiederum dem Einwand aus, sie benachteilige kleine und neue politische Gruppierungen, obwohl sich in ihr neben dem Gedanken der Neutralität auch der Minderheitenschutz wiederfindet. Das Recht auf Chancengleichheit dient aber auch und gerade dem Schutz von politischen Minderheiten in einer Demokratie214. Vor allem kleine Parteien, die nicht im Parlament vertreten sind, haben es überproportional schwer, sich der Öffentlichkeit präsentieren zu können215. Dieser Schutz verlangt, dass ihnen ein „Mindestmaß von politischen Darstellungsmöglichkei­ ten“ eingeräumt wird216, was bei einer rein proportionalen Verteilung der öffentlichen Güter gefährdet sein könnte. Als Konsequenz hieraus muss der Minderheitenschutz dann seinerseits ein zwingender Grund für Rückausnahmen sein, der die proportionale Gleichheit modifiziert. Wenn das demokratische Mehrheitsprinzip eine seiner Rechtfertigungen im Recht auf Chancengleichheit der politischen Parteien findet, vermag dieser Minderheitenschutz wiederum Durchbrechungen einer proportionalen Verteilung zu rechtfertigen. All das legt es nahe, dass zumindest Elemente einer paritätischen Verteilung in ein Finanzierungssystem eingebracht werden können  – und gegebenenfalls gar müssen  –, die kleine Parteien in die Lage versetzen, den politischen Markt „beleben“ zu können. Als Folge des Konflikts zwischen einer Neutralität der öffentlichen Gewalt, die die bestehenden Unterschiede zwischen den Parteien respektiert, und der Offenheit des Wettbewerbs, die politischen Neueinsteigern und Minoritäten den Zugang zum Markt sicherstellen soll, müssen beide Grundsätze zwangsläufig in einen adäquaten Ausgleich gebracht werden. Wenn aber einerseits eine abgestuft proportionale Verteilung der Gelder die Gefahr einer Perpetuierung der bestehenden Parteienlandschaft hervorruft, andererseits eine paritätische Verteilung das Risiko beinhaltet, dass kleine Parteien überproportional durch die öffentlichen Mittel begünstigt werden, ist es logisch und konsequent, beide Gefahren über einen Mittelweg zu minimieren. Unter dem Strich mag für diesen Weg wohl das Prinzip der praktischen Konkordanz am besten geeignet sein217, das auch im Europarecht fordert, dass gegenläufige Interessen in einen schonenden Ausgleich gebracht werden, um zu optimaler Wirksamkeit gelangen zu können218. Diese

214 Kißlinger, Das Recht auf politische Chancengleichheit, S. 140; Schwerdtner, DÖV 1990, 14 (18). 215 Lenski, PartG, § 18 Rn. 49. 216 Kißlinger, Das Recht auf politische Chancengleichheit, S. 140 f. 217 Kißlinger, Das Recht auf politische Chancengleichheit, S. 70. 218 Jarass, EU-Grundrechte, § 5 Rn. 34.

C. Sockelbetrag

269

Grenzziehungen müssen im konkreten Fall verhältnismäßig sein219. Es ist dann ein Ausgleich zwischen dem Neutralitätsprinzip und der Gefahr der Zementierung des „status quo“ des Parteiensystems zu finden. In welchem Verhältnis, auf welche Weise und nach welchen Maßstäben der Verordnungsgeber diesen Konflikt entscheidet, liegt dabei grundsätzlich in seinem Ermessens- und Gestaltungsspielraum, dem zwar im Rahmen der Chancengleichheit politischer Parteien besonders enge Grenzen gesetzt sind220, der aber trotzdem noch gegeben ist. An dieser Schnittstelle bewegt sich die Regelung des Sockelbetrages im euro­ päischen Parteienrecht. Von einer gleichmäßigen Verteilung eines Teils der öffentlichen Gelder profitieren zwar kleine Parteien überproportional, diese „Bevorzugung“ dient aber mit dem Ziel, den politischen Wettbewerb offenzuhalten, einem legitimen Zweck. Ein Sockelbetrag stellt dabei eine „Eintrittshilfe“ in den Markt dar221, der der einer öffentlichen Finanzierung immanenten Gefahr einer Zementierung der Wettbewerbslage entgegenwirken soll222. Um als Medium zwischen Gesellschaft und öffentlicher Gewalt in der Öffentlichkeit wirken zu können, sind auch kleine Parteien auf einen bestimmten Organisationsgrad angewiesen223, mit dem ihnen unweigerlich Ausgaben entstehen. Diese Kosten steigen auch nicht proportional zur Stärke einer Partei224. Entscheidet sich der Verordnungsgeber also für ein sich ergänzendes Mischsystem von paritätisch und erfolgsabhängig verteilten Finanzhilfen, so versucht er grundsätzlich einen Ausgleich zwischen den sich regelmäßig widersprechenden Prinzipien zu finden. Eine Stütze findet dies paradoxerweise in § 18 Abs. 3 PartG, der den vom Bundesverfassungsgericht verworfenen Sockelbetrag eigentlich ablösen sollte. Doch auch ein Sockelbetrag führt – bis auf wenige Ausnahmen – regelmäßig zu einem System degressiver Proportionalität225, denn es erhalten nur solche Parteien öffentliche Gelder in gleicher Höhe, die am erfolgsabhängigen Betrag nicht partizipieren. Im Übrigen wird der Sockel­ betrag von erfolgsabhängigen Faktoren eingerahmt. Soweit an der Einführung eines Sockelbetrages kritisiert wird, dass mittelgroße Parteien, die nur diese Voraussetzungen erfüllen, im Verhältnis zu kleineren Parteien, die ebenfalls Gelder aus dem Sockelbetrag erhalten, unangemessen benachteiligt werden226, ist dies im Ansatz durchaus richtig und nachvollziehbar. Doch ist solch eine Ungleichbehandlung solange durch den Minderheitenschutz ge 219

Jarass, EU-Grundrechte, § 5 Rn. 34. Koch, in: FS Rengeling, S. 307 (314 f.). 221 Zur Regelung des § 18 Abs. 3 PartG: Morlok, in: FS Tsatsos, S. 408 (420), der in einem Sockelbetrag jedoch gleichwohl einen Verstoß gegen die Chancengleichheit sieht: ders., in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 102. 222 Kewenig, DÖV 1964, 829 (836), der einen Sockelbetrag hierfür gleichwohl nicht als ausreichend erachtet. 223 Ipsen, ZParl 1994, 401 (406). 224 Ipsen, ZParl 1994, 401 (406). 225 Vgl. zum Sockelbetrag des § 18 Abs. 3 S. 2 PartG a. F.: Volkmann, KJ 1995, 203 (207). 226 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S.  224; von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 60. 220

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§ 6 Grenzen und Verteilungskriterien der öffentlichen Mittel 

rechtfertigt, wie der Zugang nur zur Ebene der paritätischen Finanzierung nicht zu „breit“ angelegt ist. Dann ist ein Sockelbetrag nicht mehr grundsätzlichen primärrechtlichen Einwänden in Bezug auf die Chancengleichheit ausgesetzt, sondern bedarf lediglich einer rechtmäßigen Ausgestaltung. Kurz: Ein zweistufiges Finanzierungssystem mit einem Sockelbetrag als erster Stufe muss sowohl bei der Höhe als auch bei den jeweiligen Zugangsvoraussetzungen eine ausgewogene Abwägung zwischen der Neutralität im Wettbewerb und dem Prinzip der Offenheit des demokratischen Wettbewerbs treffen227. Die Regelung eines Sockelbetrages als Teilelement von Finanzhilfen des Europäischen Parlaments vermag dagegen den hinter dem Grundsatz der Chancengleichheit stehenden Prinzipien der Neutralität des Staates und des Schutzes von Minderheiten in besonderem Maße Rechnung zu tragen und kann schon aus diesem Grund nicht gegen ihn verstoßen. Daher hat das Bundesverfassungsgericht noch in seiner 1968 ergangenen Parteienfinanzierungsentscheidung zu Recht angedeutet, dass es einen „Grundbetrag“ unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit gar als „verfassungsnähere“ Lösung ansehen würde228. Ein Anteil an paritätischer Verteilung kann somit ohne weiteres als „Basisfinanzierung“ gelten, die es einer kleinen Partei ermöglicht, adäquat an der politischen Willensbildung der Union mitzuwirken. 2. Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der „Unionsfreiheit“ politischer Parteien Das Bundesverfassungsgericht hatte die Verfassungswidrigkeit der Sockel­ betragsregelung des § 18 Abs. 3 PartG insbesondere mit einem Verstoß gegen den Grundsatz der Staatsfreiheit der Parteien begründet und ist auf einen Verstoß gegen die Chancengleichheit gar nicht mehr eingegangen229. Das aus der Staatsfreiheit folgende „Gebot der fortdauernden Verankerung der Parteien in der Gesell­ schaft verbiete eine öffentliche Finanzierung, deren Bemessungsgrundlage sich weder am Erfolg ihrer Bemühungen um Spendengelder und Mitgliedsbeiträge noch am Wahlerfolg ausrichte“230. Ein solcher Sockelbetrag werde jedoch unabhängig von solchen, den Rückhalt in der Bevölkerung wiederspiegelnden Kriterien gewährt231. Dass der Zugang zum Sockelbetrag von wahlerfolgsbezogenen Kriterien abhängig sei, sei in diesem Zusammenhang unerheblich232. Ob diese Erwägungen des Gerichts prinzipiell überzeugend und auf den im europäischen Recht geltenden Grundsatz der „Unionsfreiheit“ politischer Par 227

Hierzu sogleich. BVerfGE 24, 300 (346). 229 BVerfGE 85, 264 (283 ff.). 230 BVerfGE 85, 264 (283 f.). 231 BVerfGE 85, 264 (294 f.). 232 BVerfGE 85, 264 (295). 228

C. Sockelbetrag

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teien auf europäischer Ebene anzuwenden sind, erscheint dabei mehr als fraglich. Das Prinzip der „Unionsfreiheit“, verstanden als „Gebot der fortdauernden Verankerung in der Gesellschaft“, ist auf europäischer Ebene gewissen Einschränkungen unterworfen und kann aufgrund der spezifischen politischen Strukturen der Union, insbesondere des fehlenden gesellschaftlichen Rückhalts der Europaparteien, gerade noch nicht mit der nationalstaatlichen Ebene verglichen werden233. Ob aber diese Unterschiede tatsächlich dazu führen, dass politische Parteien auf europäischer Ebene sich nicht um einen Rückhalt in der Bevölkerung bemühen müssen, um eine öffentliche Finanzierung zu erhalten, spielt aber erst dann eine Rolle, wenn ein Sockelbetrag Parteien schlechthin hiervon befreit. Eine solche Betrachtungsweise greift indes zu kurz und ist gezwungen, wesentliche Faktoren öffentlicher Parteienfinanzierung schlichtweg auszublenden. Betrachtet man die verschiedenen Ebenen einer zweistufigen öffentlichen Finanzierung, gelangt man zwangsläufig zu einem differenzierteren Ergebnis. Richtig an der Kritik ist, dass ein Sockelbetrag die Verteilungsfrage schematisch gleich und damit erfolgsunabhängig löst. Allerdings zielt diese Sichtweise isoliert auf die Verteilung des Sockelbetrages ab und bleibt ihr verhaftet. Warum völlig außer Betracht bleiben soll, dass die Zugangsvoraussetzungen, also die Frage des „Ob“ einer öffentlichen Finanzierungshilfe, in Art. 3 Abs. 1 b) VO durchaus auf einen Rückhalt in der Bevölkerung abstellen, bleibt dabei ebenso unklar wie unverständlich. Des Weiteren überfrachtet diese Sicht den Gedanken, dass Parteien in der Gesellschaft verankert bleiben müssen, für den wirtschaftlichen Bereich gleich auf doppelte Weise. So beschränkt sie sich zum einen auf eine Betrachtung des Sockelbetrages, der im Verhältnis zur erfolgsabhängigen Finanzierung nur einen äußerst kleinen Teil des Gesamtsystems ausmacht. Nach Lage der Dinge bekommen europäische Parteien mit Hilfe des Sockelbetrages nur einen geringen Anteil am Gesamtbetrag europäischer Parteienfinanzierung, den sie sich zudem mit anderen, meist einer Vielzahl von Parteien, teilen müssen. Es erscheint nur schwer vorstellbar, dass dies ihr Bestreben mindert, auch von der zweiten, erfolgsabhängigen Stufe zu profitieren. Parteien werden sich wohl kaum mit dem kleinen Sockelbetrag begnügen und ihre Bemühungen um Wahlerfolge einstellen, wenn das weitaus bedeutendere Element weiter erfolgsabhängig ist. Zum anderen geht ein solches Verständnis von Staats- bzw. Unionsfreiheit von Parteien im Bereich der Finanzierung von Parteien von der Prämisse aus, dass Parteien in erster Linie aus finanziellen Gesichtspunkten um Wählerstimmen ringen. Sachnäher erscheint es dagegen, dass dies primär aus machtpolitischen Interessen erfolgt. Erst mittelbar liegt ein so verstandener Rückhalt in der Bevölkerung im finanziellen Interesse, indem ein wachsender wirtschaftlicher Erfolg die Partei in die Lage versetzen soll, die Bürger von ihren politischen Ansichten und Zielen zu überzeugen und damit wiederum die eigene Position im politischen Wett­ bewerb zu stärken. An diesem Punkt trifft dieser Wunsch der Parteien aber mit der 233

Vgl. hierzu: § 4 A. III. 3. 

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§ 6 Grenzen und Verteilungskriterien der öffentlichen Mittel 

Gefahr der Zementierung der Parteienlandschaft bei einer rein erfolgsabhängigen Parteienfinanzierung zusammen. Eine Partei, die aufgrund früherer Wahlerfolge im größeren Maße von der öffentlichen Finanzierung profitiert, hat gegenüber anderen Parteien größere finanzielle Möglichkeiten für künftige Aktivitäten. Genau dann stehen aber Unionsfreiheit der Parteien und Prinzip der Freiheit und Offenheit des politischen Prozesses in Konflikt miteinander. Selbst wenn man davon ausgeht, dass Parteien durch einen Sockelbetrag, der ein Teilelement öffentlicher Finanzierung darstellt, in die Gefahr der Bürgerferne geraten könnten, und man daher von einem Eingriff in die Unionsfreiheit ausgeht, lässt er sich rechtfertigen. Auch das Prinzip der Unionsfreiheit gilt nicht absolut und ist einer Abwägung mit anderen primärrechtlichen Grundsätzen zugänglich234. Beide Gebote, die Unionsfreiheit europäischer Parteien und die Freiheit und Offenheit des politischen Prozesses, kollidieren hier miteinander und müssen vom Verordnungsgeber zum Ausgleich gebracht werden. Wie er diese Prinzipien zusammenführt, liegt dabei zunächst einmal in seinem Beurteilungsspielraum235. Dass er diesen mit der Einführung eines Sockelbetrages in Art. 10 Abs. 1 UAbs. 1 a)  VO überschritten hat, ist nicht ersichtlich. So führt ein Sockelbetrag dazu, dass kleinen europäischen Parteien eine verstärkte Zugangschance zum politischen Markt gewährt wird. Gleichzeitig wird er jedoch dadurch wieder relativiert, dass er nur einen Teil der Subventionen des Europäischen Parlaments ausmacht236. Dazu normiert die Verordnung durch Art. 10 Abs. 2 VO noch eine – wenn auch zu geringe – relative Obergrenze, in der die Zahlung öffentlicher Finanzhilfen unter dem Vorbehalt steht, dass eine Partei ausreichend eigene Einnahmen erhält. Parteien können also nur dann und so viel öffentliche Subventionen bekommen, wie sie Mittel aus dem gesellschaftlichen Bereich empfangen haben. Von daher bildet auch eine relative Obergrenze grundsätzlich eine taugliche Sicherungsmaßnahme, die die Parteien dazu veranlassen kann, sich um den Erhalt oder – auf europäischer Ebene viel eher – den Aufbau einer größeren Bürgernähe zu bemühen. Dann verstößt ein Sockelbetrag aber prinzipiell nicht gegen den Grundsatz der „Unions­ freiheit“, sofern und solange der europäische Gesetzgeber weiterhin daneben eine erfolgsabhängige Finanzierung vorsieht. 3. Vereinbarkeit mit dem Recht auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung der Unionsbürger Zuletzt könnte ein Sockelbetrag noch gegen das Recht der Unionsbürger auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung verstoßen237. Auch dieses in 234 Vgl. zur Kollision primärrechtlicher Vorschriften: Lorenzmeier, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/AEUV, Art. 351 AEUV Rn. 60. 235 Vgl. Koch, in: Ipsen, PartG, Vor § 18 ff. Rn. 63. 236 Zur Höhe des Sockelbetrages im Verhältnis zum erfolgsabhängigen Anteil sogleich. 237 Zur Existenz und Herleitung dieses Rechts: § 4 C. III.

C. Sockelbetrag

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dividuelle Recht der Unionsbürger ist grundsätzlich streng formal ausgestaltet. Werden aber bei einem Sockelbetrag öffentliche Mittel verteilt, kann man als Anknüpfungspunkt für eine Ungleichbehandlung den Erfolgswert der Stimme eines Unionsbürgers bei den Wahlen zum Europäischen Parlament sehen. Im Rahmen der Parteienfinanzierung variieren die Erfolgswerte der Stimme in wirtschaftlicher Hinsicht, wenn die öffentlichen Mittel gleichmäßig verteilt werden238. So erhalten große Parteien pro Stimme einen geringeren Betrag als kleine Parteien, da beide Gruppen auf der ersten, der paritätischen Stufe, jeweils den gleichen Anteil an Subventionen erhalten. Damit könnte man aber annehmen, dass die einzelne Stimme für große Parteien weniger „wert“ sei. Eine Verletzung des Rechts auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung der Unionsbürger ist jedoch aus zweierlei Gründen nicht vorstellbar. Obwohl das Gleichheitsrecht der Teilhabe am politischen Prozess auch im Bereich der unmittelbaren Parteienfinanzierung und nicht nur bei einer steuerlichen Begünstigung von Spenden, also einer mittelbaren Parteienfinanzierung gilt239, sieht das europäische Recht doch gerade keine demokratische Gleichheit der Unionsbürger in der Form vor, dass es eine Erfolgswertgleichheit bei Europawahlen gewährleistet. Dann fehlt es aber schon an einem Eingriff in das Teilhaberecht der Bürger. Die Wahlrechtsgrundsätze des Art. 14 Abs. 3 EUV benennen und schützen gerade nicht die Wahlrechtsgleichheit bei den Wahlen zum Europäischen Parlament. Damit gewährt das Europarecht auch keine Erfolgswertgleichheit. Das Primärrecht zeigt in Art. 14 Abs. 2 UAbs. 1 EUV vielmehr, dass die Stimmen der Bürger einzelner Mitgliedstaaten aufgrund der degressiv proportionalen Verteilung der Parlamentsabgeordneten ein unterschiedliches Gewicht haben können. In den weiteren Bestimmungen im Bereich des Wahlrechts zum Europäischen Parlament wird die Gleichheit der Wahl im Gegensatz zu allen übrigen Wahlrechtsgrundsätzen ebenfalls nicht erwähnt. Wenn die Erfolgswertgleichheit allerdings nicht von den europäischen Wahlrechtsgrundsätzen umfasst ist, kann sie auch nicht über die „Hintertür“ des Rechts auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung der Unionsbürger wieder integriert werden. Dies würde schlechterdings dem gesamten Regelungskontext der europäischen Verträge widersprechen. Wo das Europarecht keine Erfolgswertgleichheit garantiert, kann diese auch keinen Eingriff in das Recht auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung begründen. Selbst wenn man der Ansicht ist, ein Sockelbetrag greife in das Recht auf gleiche Teilhabe ein, sind solche Eingriffe freilich aufgrund zwingender Gründe einer Rechtfertigung zugänglich. In diesem Zusammenhang gelten grundsätzlich die gleichen Erwägungen wie bei der Vereinbarkeit des Grundbetrages mit dem Grundsatz der Chancengleichheit240. Auf europäischer Ebene kommen zudem die 238

Vgl. zur degressiven Proportionalität: Drysch, NVwZ 1994, 218 (221); ausführlich hierzu: Boyken, Die neue Parteienfinanzierung, S. 306 ff. 239 Ipsen, ZParl 1994, 401 (407). 240 Vgl. zum deutschen Recht: Ipsen, ZParl 1994, 401 (408).

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§ 6 Grenzen und Verteilungskriterien der öffentlichen Mittel 

spezifischen Eigenarten der Union zum Tragen. Das im Gegensatz zur Chancengleichheit der Parteien auf das Individuum gerichtete Recht auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung muss gerade und vor allem aufgrund der dualen Legitimationsstruktur des demokratischen Systems der Europäischen Union, in der neben der Gesamtheit der Unionsbürger auf gleiche Weise die demokratisch verfassten Völker der Mitgliedstaaten die Legitimationssubjekte der Union bilden, besondere Durchbrechungen erfahren können241. Wer sich wie die Europäische Union als supranationaler Staatenverbund begreift, der sich sowohl als eine „Union von Bürgern“ wie auch als eine „Union von Staaten“ konstituiert, dessen Grundsätze müssen neben der Gleichheit der Bürger auch dem völkerrechtlichen Grundsatz der Staatengleichheit entsprechen. Dies sind freilich zwei Prinzipien, die sich auf vielen Ebenen konträr gegenüberstehen. So stellt selbst die degressiv-proportionale Zusammensetzung des Europäischen Parlaments einen Kompromiss zwischen den Prinzipien der Bürgergleichheit und der Staatengleichheit dar242, der hier freilich zugunsten einer stärkeren Konzentration auf den einzelnen Bürger als Subjekt der Union entschieden wurde243. Die Staatengleichheit dient dabei im besonderen Maße dem Schutz kleiner Mitgliedstaaten, also dem Minderheitenschutz. Wenngleich ein Sockelbetrag weder einen unmittelbaren noch mittelbaren Bezug zur Staatengleichheit aufweist, zeigt dies alles doch einen gewissen „Grundtenor“ des europäischen Primärrechts, der dem Schutz von Minderheiten eine besondere Bedeutung zuweist. Nicht zuletzt daher benennt Art. 2 S. 1 EUV ihn als einen Grundwert der Union. In diesem Sinne dient aber eine paritätische Verteilung der öffentlichen Mittel ebenfalls diesem, durch die Vertragsparteien besonders hervorgehobenen Ziel des Minder­ heitenschutzes. Obgleich diese Dualität und das besondere Augenmerk der Europäischen Union auf den Minderheitenschutz keine unmittelbaren Folgen für das Recht des Unionsbürgers auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung mit sich bringen, da ein solcher Anspruch in einer demokratischen Ordnung grundsätzlich gewährleistet ist, so entfalten diese Gesichtspunkte doch zumindest mittelbar ihre Wirkungen auf dieses Recht der Bürger. Im Nationalstaat ist alleiniges Legitimationssubjekt das Volk als Gesamtheit der Staatsbürger, so dass wie im Falle der Bundesrepublik gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Aus diesem Grund ist auch das grundgesetzliche Organisationsgefüge primär

241

Zur dualen Legitimationsstruktur schon: § 5 A. II. 5. So auch: Möstl, Vertrag von Lissabon, S. 75. 243 Ähnlich auch: Schönberger, Unionsbürger, S. 499 f., der davon ausgeht, dass die Legitimation des Europäischen Parlaments zwar von den Unionsbürgern herrühre, diese jedoch als die „Gesamtheit der in der Union verbundenen Völker der Mitgliedstaaten“ zu verstehen seien und sich die Legitimation des Europäischen Parlaments daher von den einzelnen Mitgliedstaaten gelöst habe, aber mit den föderativ verbundenen Völkern der Mitgliedstaaten rückgebunden bliebe. 242

C. Sockelbetrag

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vom Grundsatz der politischen Gleichheit ihrer Bürger geprägt244. Im Unionsrecht hingegen bilden die jeweiligen Völker der Mitgliedstaaten ein zusätzliches Legitimationssubjekt. Diese mitgliedstaatlich vermittelte Vielfalt steht der Bürgergleichheit gleichrangig gegenüber und kann von daher Einschränkungen des Rechts auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung rechtfertigen245. Genau an diesem Punkt setzt die Einführung eines Sockelbetrages an. Er dient in besonderem Maße dem Schutz politischer Minderheiten, gibt ihnen die Möglichkeit, sich im Wettbewerb zu artikulieren und fördert die Offenheit des politischen Wettbewerbs. Nach alledem ist gegen die Festsetzung eines Grundbetrages als ein zusätzlicher Bestandteil neben einer erfolgsabhängigen Finanzierung grundsätzlich aus Sicht des europäischen Parteienrechts nichts einzuwenden. Eine Abschwächung einer ausschließlich proportionalen Verteilung öffentlicher Gelder entspricht dem Recht auf Chancengleichheit politischer Parteien ohnehin in weitaus höherem Maße. Ob der Verordnungsgeber diesen Mittelweg über eine degressive Proportionalität oder – wie hier – über den Umweg eines Sockelbetrages erreicht, fällt in seinen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum.

II. Verhältnis des Sockelbetrages zum erfolgsabhängigen Anteil Wenn ein Grundbetrag aber prinzipiell zulässig ist, stellt sich im Weiteren noch die Frage, ob seine konkrete Ausgestaltung in der Parteienverordnung ebenfalls rechtmäßig ist. Schon im Rahmen der grundsätzlichen Zulässigkeit ist angeklungen, dass es vielmehr eine Frage der Durchführung ist, ob der Sockelbetrag die Grundsätze der Unionsfreiheit und der Chancengleichheit verletzt. Dabei kommt es insbesondere auf das Verhältnis zwischen dem paritätischen und dem proportionalen Anteil öffentlicher Finanzierung an. Der Grundbetrag, der zwischen den europäischen Parteien gleichmäßig verteilt wird, macht insgesamt einen Anteil von 15 Prozent an der Gesamtfinanzierung durch das Europäische Parlament aus, während 85 Prozent der Mittel erfolgsabhängig von der Stärke der Vertretung im Europäischen Parlament gewährt werden. Teilweise wird dabei neben der Grundkonzeption eines paritätischen Anteils auch das Verhältnis zwischen den beiden Stufen kritisiert246. Es wäre vorteilhafter  – wenn schon überhaupt ein Sockelbetrag in das Finanzierungssystem integriert werde – ihn als gleichwertige Komponente zum erfolgsabhängigen Anteil 244

von Bogdandy, in: von Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, S. 13 (68). von Bogdandy, in: von Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, S.  13 (68); in diese Richtung auch: Möllers, in: von Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, S. 227 (252); wohl auch: Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 6, Rn. 185. 246 von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 63 f. 245

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§ 6 Grenzen und Verteilungskriterien der öffentlichen Mittel 

auszugestalten247. Wendet man seinen Blick auf die Regelungen der Mitgliedstaaten, erweist sich aber das durch den Verordnungsgeber gewählte Verhältnis zwischen beiden Stufen als durchaus konsistent zu den bisher üblichen nationalen Regelungen. So betrug in der Bundesrepublik der Anteil des Sockelbetrages an der gesamten Finanzierung drei Prozent248. Im ungarischen Parteienfinanzierungsrechts wird ein Viertel der öffentlichen Finanzierung unter den Parteien gleichmäßig verteilt249, während es in Slowenien250 und Griechenland251 jeweils zehn Prozent sind. Einzig Belgien hat seinen Grundbetrag so eingerichtet, dass alle Parteien einen festgelegten Betrag unabhängig von der Größe und der Anzahl der Parteien erhalten252. Von daher messen fast alle Parteienfinanzierungssysteme, soweit in ihnen überhaupt ein Grundbetrag enthalten ist, diesem gegenüber dem erfolgsabhängigen Anteil ein deutlich geringeres Gewicht bei. Wenn man vor diesem Hintergrund Sockelbeträge als eine Einstiegshilfe für kleinere und im Entstehen begriffene Parteien in den politischen „Markt“ begreift, ist ein solches Verhältnis auch durchaus sinnvoll. Der Grundbetrag soll vor allem die Gefahr einer Zementierung der Parteienlandschaft verringern und ist damit als Durchbrechung der üblicherweise existierenden proportionalen Finanzierung in der Sache eine Ausnahme von der Ausnahme. Die proportionale Gleichheit als Ausnahme einer grundsätzlich formalen Gleichbehandlung politischer Parteien soll mittels eines paritätischen Anteils wieder eingeschränkt werden. Je größer aber der Anteil des Sockelbetrages am gesamten Finanzierungsbetrag ist, desto höher ist wiederum die mit einer gleichmäßigen Mittelvergabe verbundene Gefahr einer Nivellierung der tatsächlich bestehenden unterschiedlichen Ausgangspositionen von Parteien im politischen Wettbewerb. Eine Grundbetragsregelung befindet sich immer im Spannungsfeld zwischen dem Ziel, die Offenheit des politischen Wettbewerbs zu gewährleisten, und der Gefahr, die Bedingungen des Wettbewerbs unverhältnismäßig zugunsten kleiner Parteien zu verzerren. Jede Erhöhung des Sockelbetrages versetzt kleine Parteien wirtschaftlich in eine bessere Lage und verschlechtert gleichzeitig die Stellung größerer Parteien im Wettbewerb, womit letztlich eine Verletzung der Neutralitätspflicht der europäischen öffentlichen Gewalt einhergehen kann. Zwischen diesen Polen von sich diametral gegenüberstehenden Prinzipien haben sich die Regelungen des Verordnungsgebers zu bewegen. Nach Lage der Dinge erscheint es dann aber kaum möglich, ein exaktes Verhältnis zwischen den Stufen zu bestimmen, das beiden Rechtsgütern zur optimalen Geltung verhilft253.

247

von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 63. BVerfGE 85, 264 (268). 249 Studie des Europäischen Parlaments, How to create a transnational party system, S. 84. 250 Studie des Europäischen Parlaments, How to create a transnational party system, S. 83. 251 Papadimitriou, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 197 (217). 252 Suetens, in: Tsatsos, Parteienfinanzierung im europäischen Vergleich, S. 19 (45). 253 Vgl. Rechtliche Ordnung des Parteiwesens, S. 217. 248

C. Sockelbetrag

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Aufgrund dieser Ungewissheiten muss bei dem Versuch einer Einschätzung, wie diese Güter in Einklang zu bringen sind, dem Verordnungsgeber wiederum ein Beurteilungsspielraum zugestanden werden254. Eine solche Gratwanderung ist nicht in Gänze rechtlich determiniert, sondern es können dem Gesetzgeber hierbei nur gewisse Grenzen gesetzt werden. Dass diese Schranken bei einer Quote von 15 Prozent überschritten sind, ist indes nicht ersichtlich. Umgekehrt wäre vielmehr ein Sockelbetrag, der gleichwertig neben einer erfolgsabhängigen Finanzierung steht, wohl nicht mehr mit dem Grundsatz der Neutralität vereinbar, da er die tatsächlich bestehenden Größenunterschiede zwischen den Parteien nicht adäquat berücksichtigte. Inwieweit das Verhältnis des Grundbetrages nach unten abweichen kann, hängt hingegen auch von der Größenordnung der öffentlichen Finanzierung insgesamt sowie der Zahl der berechtigten Subventionsempfänger ab. Je mehr Parteien am Grundbetrag partizipieren, desto geringer fällt der Zuschuss für die einzelne Partei aus. Die mit einem Sockelbetrag bezweckten Wirkungen, kleine und neue Parteien bei der Beteiligung an der politischen Willensbildung zu unterstützen, um so die Offenheit des Wettbewerbs zu sichern, gehen dann immer mehr ins Leere. Auch können die Empfänger in solchen Fällen die Kosten ihrer internen Organisation, die bei kleinen Parteien besonders hoch sind, nicht mehr decken. Steigt hingegen der Gesamtbetrag der öffentlichen Parteienfinanzierung, erhöhen sich bei gleichbleibendem Anteil des Grundbetrages für jeden Zuschussberechtigten auch die Mittel aus dem Grundbetrag. Insofern gibt es keinen „Königsweg“. Welchen Weg der Verordnungsgeber beschreitet, liegt zunächst einmal in seinem Ermessen und hat auch die tatsächlichen Gegebenheiten der europäischen Parteienlandschaft zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund lässt sich dann auch nichts dagegen einwenden, dass die großen Europaparteien sowohl an der ersten als auch an der zweiten Stufe der Finanzierung partizipieren255. Wer in dieser doppelten Begünstigung der be­ deutenden Parteien einen Widerspruch zur Chancengleichheit erkennt, da sie neben dem erfolgsabhängigen Anteil zusätzlich noch vom Sockelbetrag profitieren256, übersieht die Wirkungen, die ein solches System hervorruft. Vielmehr ist es sogar zwingend, europäischen Parteien den Zugang zu beiden Ebenen der öffentlichen Finanzierung zu eröffnen, um zu einer degressiv-proportionalen Verteilung der öffentlichen Mittel zu gelangen. Darüber hinaus könnte eine strikte Trennung der einzelnen Finanzierungselemente teilweise zu absurden Ergebnissen führen. So wäre es bei einem solchen Modell denkbar, dass Parteien, die allein Gelder über den Sockelbetrag erhalten, in höherem Maße subventioniert würden als eine größere Partei, die Mittel allein aus der zweiten Stufe bezieht. Träte nämlich eine Situation ein, in der nur wenige Parteien vom Sockelbetrag profitie 254

Vgl. zum deutschen Recht: Volkmann, ZRP 1992, 325 (330). So aber: Eberhard/Lachmayer, in: Manssen, Die Finanzierung von politischen Parteien in Europa, S. 215 (246); Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 238. 256 Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 238; in diese Richtung wohl auch: Koch, in: FS Rengeling, S. 307 (317). 255

278

§ 6 Grenzen und Verteilungskriterien der öffentlichen Mittel 

ren, stiegen die Finanzhilfen für jede dieser Parteien, während im Vergleich größere Parteien, die die Voraussetzungen der zweiten erfolgsabhängigen Stufe nur knapp erfüllen, dann aufgrund der Abhängigkeit des Betrags vom Wahlerfolg sogar weniger Mittel erhielten als aus dem Grundbetrag. Eine solche Schlechter­ stellung von größeren Parteien wäre nicht nur unlogisch, sondern mit dem Prinzip der Chancengleichheit unvereinbar257.

III. Zugang zum Sockelbetrag Die in Art. 3 Abs. 1 VO normierten Zugangsvoraussetzungen zur ersten Stufe der Parteienfinanzierung verstoßen aufgrund der übermäßig hohen Mindest­ quoren des Art. 3 Abs. 1 b) VO gegen den Grundsatz der Chancengleichheit und bergen die Gefahr einer Zementierung des „status quo“ der politischen Landschaft258. Wenn man die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 VO als Zugangshürden zur europäischen Parteienfinanzierung kritisieren musste, gilt dies umso mehr, wenn es sich hierbei um Anforderungen für einen Anspruch aus dem Sockel­ betrag handelt. Der Sinn und Zweck eines Sockelbetrags liegt gerade darin, dass kleinen und neuen Parteien die Möglichkeit gegeben werden soll, im politischen Wett­bewerb bestehen zu können. Dann wird dieses Telos durch solche hohen, und letzten Endes sogar unzulässige Hürden, geradezu konterkariert. Durch die Einführung eines Grundbetrages bekommt die Verordnung den Anschein einer Offenheit für neue politische Kräfte, die dann eigentlich doch nicht besteht und gar in ihr Gegenteil verkehrt wird. Eine besondere Förderung politischer Minderheiten muss zunächst und vor allem auch diese Minderheiten erfassen. Im Entstehen begriffene Parteien, insbesondere solche, die sich gerade nicht als Parteienföderationen, sondern als „echte“ Parteien zu einem Zusammenschluss von Unionsbürgern organisieren, werden bei dem derzeitigen Integrationsstand faktisch kaum Aussichten haben, diese Quoren zu erfüllen259.

257

Vgl. Morlok, in: FS Tsatsos, S. 408 (420). Hierzu ausführlich: § 5 B. II. 259 von Arnim/Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 59. 258

§ 7 Verfahren zur Festsetzung der öffentlichen Mittel Das Verfahren zur Festsetzung der Mittel des Europäischen Parlaments, die den politischen Parteien auf europäischer Ebene gewährt werden, wird sowohl in der Parteienverordnung selbst als auch  – und vor allem − in den vom Präsidium des Parlaments erlassenen Durchführungsbestimmungen1 (VO-DB) geregelt. Die Durchführungsbestimmungen stützen sich laut ihrer Eingangsformel insbesondere auf Art.  191 EGV (nunmehr Art.  10 Abs.  4 EUV, Art.  224 AEUV), die Parteienverordnung selbst, die Haushaltsordnung samt der hierzu beschlossenen Durchführungsbestimmungen und Art. 22 Abs. 10 GO EP (nunmehr Art. 23 Abs. 10 GO EP2). Gemäß Art. 23 Abs. 10 GO EP legt das Präsidium die Durchführungs­bestimmungen zu der Verordnung (EG) Nr. 2004/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Regelungen für die politischen Parteien auf europäischer Ebene und ihre Finanzierung fest und nimmt im Rahmen ihrer Durchführung die ihm von dieser Geschäftsordnung übertragenen Aufgaben wahr. Damit eine europäische Partei Finanzhilfen der Europäischen Union erhält, muss sie zunächst einen Antrag auf Gewährung der im Haushalt festgelegten Mittel stellen, über den das Präsidium des Europäischen Parlaments entscheidet. Anschließend bekommt sie, sofern sie die Voraussetzungen der Verordnung erfüllt, den Betrag in einem zweistufigen Verfahren ausgezahlt. Die Finanzhilfen an die europäischen Parteien leistet das Europäische Parlament dabei in Form einer Ausgabenerstattung. Insofern unterscheidet sich dieses System erheblich von der staatlichen Subventionierung der Parteien in Deutschland, in dem die Empfänger ihre Geldleistungen pauschal und ohne Nachweis konkret entstandener Kosten erhalten3. Der Vorteil der ausgabenabhängigen Finanzierung liegt insbesondere darin, dass der Betrag der öffentlichen Finanzierung nicht über die tatsächlich entstandenen Kosten hinausgehen kann4. Gleichzeitig sind mit einer solchen Art der Subventionsgewährung aber nicht unerhebliche 1 Beschluss des Präsidiums des Europäischen Parlaments vom 29. März 2004 mit Durchführungsbestimmungen zu der Verordnung (EG) Nr. 2004/2003 des Europäischen Parlamentes und des Rates über die Regelungen für die politischen Parteien auf europäischer Ebene und ihre Finanzierung, AblEU Nr. C 112 vom 09.04.2011, S. 1–35. 2 Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments vom 24. März 2011, AblEU L 116 vom 05.05.2011, S. 1 ff. 3 Diese Vorgehensweise hat der deutsche Gesetzgeber schon im Rahmen der früheren Wahlkampkostenerstattung eingeführt, was durch das Bundesverfassungsgericht verfassungs­ rechtlich bestätigt wurde: BVerfGE 24, 300 (335 ff.). 4 Vgl. BVerfGE 24, 300 (335 f.).

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§ 7 Verfahren zur Festsetzung der öffentlichen Mittel 

Nachteile verbunden. So führt das Erfordernis einer konkreten Abrechnung der angefallenen Kosten zu einem höheren Verwaltungsaufwand sowohl auf Seiten des Europäischen Parlaments als auch bei den Parteien selbst5. Bei einer solchen Vorgehensweise muss das Europäische Parlament die Voraussetzungen der Erstattungsfähigkeit der Ausgaben überprüfen. Beide Möglichkeiten einer öffentlichen Finanzierung, Pauschalfinanzierung wie Ausgabenerstattung, sind aber sicherlich grundsätzlich zulässig und von der Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers umfasst.

A. Gewährung der öffentlichen Mittel I. Festlegung der Mittel im Haushalt Das Präsidium des Europäischen Parlaments verabschiedet aufgrund des Art. 1a S. 1 VO-DB zu Beginn jeder Wahlperiode einen mehrjährigen Rahmen, nach dem sich die Höhe der Gesamtfinanzierung der Europarteien richtet. Damit soll den europäischen Parteien eine mittelfristige Planungssicherheit der zur Verfügung stehenden öffentlichen Mittel ermöglicht werden. Dieser Finanzrahmen stellt gemäß Art. 1a S. 2 VO-DB die Hauptbezugsgrundlage für die Haushaltsbehörde des Europäischen Parlaments beim jährlichen Haushaltsverfahren dar. Eine strikte Vorgabe für die Haushaltspläne der Union ist der so festgelegte Finanzrahmen freilich nicht. Er stellt ausweislich der Formulierung der Vorschrift lediglich einen Richtwert dar, der sich daran orientiert, mit wie vielen Subventionsempfängern in der Wahlperiode zu rechnen ist und inwiefern sich die Höhe des Anspruchs einer europäischen Partei durch den Beitritt von Europaabgeordneten ändert. Wenn die Referenzbeträge für die Antragsteller aufgrund einer Änderung der Zahl der antragstellenden Organisationen oder der Zahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments, die einer antragstellenden Partei beigetreten sind, erheblich von den erwarteten Beträgen abweichen, unterrichtet der Generalsekretär nach Art. 4 Abs. 2 UAbs. 5 VO-DB unverzüglich das Präsidium, das den Präsidenten ersuchen kann, dem zuständigen Ausschuss einen Vorschlag zur Anpassung der verfügbaren Mittel zu unterbreiten. Je nachdem, ob die Zahl der europäischen Parteien, die einen Anspruch auf öffentliche Finanzhilfen haben, steigt oder sinkt, kann dementsprechend eine Anpassung der Finanzplanung des Europäischen Parlaments durch den zuständigen Ausschuss erfolgen. Gleiches gilt, wenn sich durch einen Fraktionsbeitritt, -austritt oder -wechsel von Parlamentariern des Europäischen Parlaments die Höhe des Anspruchs einzelner Parteien verändert. Zuständig hierfür ist nach Anlage VII Abschnitt XVIII Nr. 6 GO EP der Ausschuss für konstitutionelle Fragen.

5

Vgl. zum deutschen Recht: BVerfGE 24, 300 (335).

A. Gewährung der öffentlichen Mittel

281

Art. 4 Abs. 2 UAbs. 5 VO-DB stellt nach seinem Wortlaut die Entscheidung über eine solche Anpassung in das Ermessen des Präsidiums. Von daher wäre es im Hinblick auf die bisherigen Erfahrungen im Zusammenhang mit öffentlicher Parteienfinanzierung auf mitgliedstaatlicher Ebene wenig überraschend, wenn das Präsidium nur dann tätig wird, wenn der Kreis der anspruchsberechtigten Parteien sich erhöht, wenn es also eine Erhöhung der Mittel der Union zu beschließen gilt. Staatliche Parteienfinanzierung zeichnete sich bisher eher dadurch aus, dass die politischen Akteure den Parteien im Laufe der Zeit immer mehr Subventionen zukommen ließen, als dass nationalen Finanzierungssystemen eine übermäßige Bescheidenheit nachgesagt wird. Politisch mag man solche Entscheidungen kritisieren, aus europarechtlicher Perspektive ist dies zunächst einmal unproblematisch. Umso unverständlicher mutet es dagegen an, wenn das Präsidium die öffentlichen Mittel ebenfalls erhöhen kann, wenn es zu Mehrheitsverschiebungen im Europäischen Parlament kommt. Warum Parteien, die aufgrund des Verlustes von Abgeordneten im Europäischen Parlament weniger öffentliche Mittel erhalten, diesen Verlust kompensiert bekommen sollen, indem der Ansatz im Haushaltsplan für alle Anspruchsberechtigten insgesamt erhöht wird, ist wenig einleuchtend und erklärt sich wohl ebenfalls nur aus dem Bestreben der Beteiligten, das wirtschaftliche Risiko des demokratischen Wettbewerbs minimieren zu wollen. Freilich ist dies ein Gedanke, der dem Grundsatz der Unionsfreiheit als Pflicht zur Bürgernähe fundamental entgegensteht. Würde das Parlament die bereitgestellten Mittel im Falle von Wahlniederlagen einzelner Parteien beliebig erhöhen, wären die Wettbewerber nicht mehr von ihrem Rückhalt in der Bevölkerung abhängig. Politische Verluste könnten durch die Erhöhung der Gelder auf wirtschaftlicher Ebene direkt wieder aufgefangen werden. Zwar ändert sich nichts an der Chancengleichheit, da die übrigen Parteien von diesem „Geldsegen“ ebenfalls profitieren, auf der anderen Seite vermag der Wunsch der Parteien nach Planungssicherheit es nicht zu rechtfertigen, dass politisches Scheitern keine finanziellen Folgen hat. Die zur Finanzierung politischer Parteien auf europäischer Ebene bereitgestellten Haushaltsmittel werden dann im Rahmen des jährlichen Haushaltsverfahrens nach Art. 9 Abs. 1 UAbs. 1 VO festgelegt. Art. 9 Abs. 6 VO bestimmt, dass die Finanzierung der Europaparteien als Einrichtungen, die ein Ziel von allgemeinem europäischen Interesse verfolgen, nicht unter die Bestimmungen des Art. 113 HO fällt. Art. 113 Abs. 2 HO regelt, dass, wenn der Basisrechtsakt nichts Gegenteiliges zugunsten von Einrichtungen, die ein Ziel von europäischem Allgemein­interesse verfolgen, bestimmt, Betriebskostenzuschüsse degressiv anzusetzen sind. Ein Zuschuss muss also im darauffolgenden Jahr geringer ausfallen als im vorigen Jahr. Art.  9 Abs.  6 VO suspendiert aber gerade diesen europarechtlichen Grundsatz der Degressivität für die Finanzierung europäischer Parteien, wodurch die Parteien jährlich den gleichen bzw. sogar einen höheren Finanzzuschuss empfangen können6. 6

Schoo, in: Schwarze, EUV/AEUV, Art. 224 AEUV Rn. 11.

282

§ 7 Verfahren zur Festsetzung der öffentlichen Mittel 

II. Antragsverfahren 1. Aufforderung zur Einreichung eines Antrags Das jährlich stattfindende Verfahren über die Gewährung von Finanzhilfen aus dem Gesamthaushaltsplan des Europäischen Parlaments beginnt damit, dass das Europäische Parlament jährlich vor Ablauf des ersten Halbjahres eine Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen im Hinblick auf die Gewährung von Finanzhilfe für die Parteien veröffentlicht (Art. 2 S. 1 VO-DB). Dies erfolgt durch Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union7. Dieser Verpflichtung ist das Europäische Parlament regelmäßig im Juni eines Haushaltsjahres nachgekommen8. Gemäß Art.  2 S.  2 VO-DB werden in der Veröffentlichung die Kriterien für die Zuschussfähigkeit, die Modalitäten der Unionsfinanzierung und die für das Zuteilungsverfahren vorgesehenen Termine genannt. Es wird den Parteien darüber hinaus noch mitgeteilt, welche Belege europäische Parteien zur Finanzierung einzureichen haben. 2. Form- und Fristerfordernisse bei Antragstellung a) Frist Im Anschluss an diese Aufforderung muss eine Partei beim Europäischen Parlament einen Antrag auf Finanzierung aus dem Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union stellen. Dieser Antrag ist nach Art. 3 Abs. 1 S. 1 VO-DB bis spätestens 01. Oktober vor dem Haushaltsjahr, für das die Finanzhilfe beantragt wird, schriftlich beim Parlamentspräsidenten einzureichen. Die Antragsfrist des Art. 3 Abs. 1 S. 1 VO-DB ist dabei eine echte materiell-rechtliche Ausschlussfrist, deren Versäumnis dazu führt, dass der Antragsteller seinen Anspruch einbüßt9. Eine solche Ausschlussfrist, ebenso wie das Antragserfordernis an sich, greift zwar in das Recht der Parteien auf Chancengleichheit ein, wenn ihr Versäumnis dazu führt, dass materiell anspruchsberechtigte Parteien von der Unionsfinanzierung ausgeschlossen werden. Jedoch dient das Antragserfordernis dem legitimen Zweck, dass sich die mittelverwaltende Stelle über die Zahl der voraussichtlichen Subventionsempfänger informieren kann. Ohne einen Antrag des Anspruchstellers müsste die mittelverwaltende Stelle Subventionen aufgrund eigener Nachforschungen gewähren. Mittels eines Antrags können diese Informationen leichter 7 Siehe beispielsweise die Aufforderung zur Einreichung von Vorschlagen für das Haushaltsjahr 2012 in: AblEU C 190/26 vom 30.06.2011. 8 Siehe hierzu die zusammengefassten Jahresberichte für die Zuschüsse des Europäischen Parlaments an politische Parteien auf europäischer Ebene vom März 2012; abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/pdf/grants/annual_reports_parties.pdf; Stand: 22.08.2012. 9 Vgl. zu Ausschlussfristen: Neumann, NVwZ 2000, 1244 (1247); zur parallelen Regelung im deutschen Parteienfinanzierungsrecht: Koch, in: Ipsen, PartG, § 19 Rn. 2.

A. Gewährung der öffentlichen Mittel

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und mit einem vom Subventionsempfänger vertretbaren Aufwand dem Europäischen Parlament übermittelt werden. Ähnlich gelagert ist der Fall der Antragsfrist: Sie gewährleistet, dass die öffentlichen Mittel in einem zumutbaren und überschaubaren Zeitraum festgelegt und an die Empfänger verteilt werden können10. Von daher geben sie den Antragstellern Rechts- und der Europäischen Union eine gewisse Planungssicherheit, da sie feststellen kann, wie viele Parteien Subventionen in welcher Höhe erhalten. Insofern sind diese Eingriffe in die Chancengleichheit gerechtfertigt. Es handelt sich um Voraussetzungen, die die Antragsteller vor keine besonderen Schwierigkeiten stellt. Beide Regelungen sind primärrechtskonforme Verfahrensausgestaltungen des „Wie“ der öffentlichen Parteienfinanzierung. Wenngleich solche materiell-rechtlichen Ausschlussfristen grundsätzlich zulässig sind, stellt sich in diesem Zusammenhang noch die weitere Frage, ob man sie dann auch innerhalb von Durchführungsbestimmungen aufstellen durfte. Nach Ansicht Kochs sei weder Art.  224 AEUV noch die Parteienverordnung selbst eine „Ermächtigung zum Erlass von Durchführungsbestimmungen mit Vorschrif­ ten materiell-rechtlichen Charakters, die die Regelungen der Parteienverord­ nung ergänzen und den Parteien auch weitergehende Pflichten auferlegen“11. Daher dürften die Durchführungsbestimmungen weder Ausschlussfristen für die Antragstellung oder Termine festlegen, zu denen die Parteieigenschaft gegeben sein müsse12. Im Ansatz kann man den Ausführungen Kochs ohne weiteres zustimmen, denn in den Durchführungsbestimmungen dürfen grundsätzlich keine Rechte und Pflichten begründet werden, die über die in der Parteienverordnung normierten hinausgehen13. Die mit Versäumnis der Frist einhergehenden Rechtsfolgen übersteigen insofern auch die in der Verordnung bestimmten Pflichten. Damit ist aber noch nicht ausgesagt, ob nicht im Einzelfall die Durchführungsbestimmungen trotzdem die Erfordernisse erfüllen, die an materiell-rechtliche Ausschlussfristen zu stellen sind. Diese bedürfen grundsätzlich einer gesetzlichen Grundlage14, also eines Rechtssatzes mit Außenwirkung, der öffentlich bekannt gemacht wurde15. Die Durchführungsbestimmungen zur Parteienverordnung werden diesen Anforderungen aber durchaus gerecht. Die Bestimmungen sind in der Form eines Beschlusses erlassen, der einen Rechtsakt im Sinne des Art. 288 AEUV darstellt. Sie bilden aber schon aus diesem Grunde eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für eine Fristsetzung mit materiell-rechtlicher Ausschlusswirkung, denn aufgrund ihrer besonderen Form als Beschluss können sie ausnahmsweise inhaltlich über die expliziten Ermächtigungen in der Verordnung hinausgehen. Zweck des Erfordernisses einer gesetzlichen Grundlage einschließ 10

Vgl. zum deutschen Recht hierzu: Schwarz, in: Kersten/Rixen, PartG, § 19 Rn. 1. Koch, in: FS Rengeling, S. 307 (319). 12 Koch, in: FS Rengeling, S. 307 (320). 13 So auch: Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 212. 14 Vgl. zum deutschen Verwaltungsrecht: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 31 Rn. 7. 15 Neumann, NVwZ 2000, 1244 (1247). 11

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§ 7 Verfahren zur Festsetzung der öffentlichen Mittel 

lich deren öffentlichen Bekanntmachung ist unter anderem, dass die Adressaten vom Fristerfordernis Kenntnis erlangen können. Dies ist aber bei einem derartigen Beschluss ohne weiteres der Fall. Nach Art. 297 Abs. 2 UAbs. 1 und 2 AEUV sind adressatenunabhängige Beschlüsse im Amtsblatt der Union zu veröffentlichen, was hier auch geschehen ist. Es kann von den Subventionsberechtigten erwartet werden, dass sie sich nicht nur mit der Verordnung, sondern auch mit den öffentlich bekannt gemachten Beschlüssen des Präsidiums vertraut machen. b) Form Unter formellen Gesichtspunkten hat der Antragsteller ein gesondertes Formular zu benutzen, welches den Durchführungsbestimmungen zur VO als Anlage 1 beigefügt ist (Art. 3 Abs. 2 S. 1 VO-DB). Art. 4 Abs. 2 VO bestimmt, welche Anlagen die Parteien dem Antrag beifügen müssen. Hierzu gehören zunächst Unterlagen, die bescheinigen, dass der Antragsteller die in den Artikeln 2 und 3 genannten Voraussetzungen erfüllt. Ferner bedarf es eines politischen Programms, das die Ziele der Partei auf europäischer Ebene beschreibt16. Darüber hinaus muss dem Antrag eine Satzung beigefügt sein, in der insbesondere die für die politische und finanzielle Leitung zuständigen Organe sowie die Organe oder natürlichen Personen festgelegt sind, die in den jeweiligen Mitgliedstaaten zur gesetzlichen Vertretung befugt sind. In dem Antragsformular wird zusätzlich gefordert, dass die Parteien einen Betriebskostenvoranschlag unter Angabe der Ausgaben, die für eine Finanzierung aus dem Unionshaushalt in Frage kommen, beizufügen haben. Mit dessen Hilfe kann das Präsidium in seinem Beschluss über die Gewährung einer Finanzhilfe den Gesamtbetrag der Ausgaben festlegen, für den ein Anspruch auf öffentliche Finanzhilfen besteht. Der Betriebskostenvoranschlag muss alle vom Empfänger für den betreffenden Zeitraum veranschlagten Betriebskosten und -einnahmen enthalten, wobei nach den Definitionen in Art. II.11 des Beschlusses über die Gewährung einer Finanzhilfe (BGF) unterschieden wird zwischen zuschussfähigen Ausgaben und solchen Ausgaben, für die kein Anspruch auf Finanzierung durch das Europäische Parlament besteht. Im Betriebskostenvoranschlag sind ebenfalls die Beträge und Quellen anderer externer Finanzquellen detailliert anzugeben17. 3. Unvollständige oder unklare Anträge Das Präsidium bzw. im Rahmen der Vorbereitung des Beschlusses der Generalsekretär kann nach Art. 4 Abs. 1 S. 2 VO-DB einen Antragsteller ersuchen, die 16 17

Siehe hierzu: § 5 B. V. Vgl. Art. I.3.1 S. 2, I.3.2 Abs. 2 S. 3 BGF.

A. Gewährung der öffentlichen Mittel

285

dem Antrag beigefügten Belege innerhalb einer von ihnen festgesetzten Frist zu ergänzen oder zu erläutern. Aus dieser Regelung folgt zum einen, dass die Parteien Anträge, die den Formerfordernissen des Art. 4 Abs. 2 VO nicht entsprechen, auch selbstständig ändern oder ergänzen können, denn wenn schon das Präsidium die Möglichkeit hat, Parteien auf erforderliche Ergänzungen hinzuweisen, so muss es den Parteien erst recht gestattet sein, ihren Antrag aus eigenem Antrieb innerhalb der Ausschlussfrist des Art. 4 Abs. 1 S. 1 VO zu vervollständigen, sofern sie dessen Unvollständigkeit bemerken. Zum anderen könnte aus der Regelung noch eine Pflicht des Präsidiums resultieren, Parteien auf fehlerhafte Anträge hinzuweisen. Der Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 S. 2 VO-DB legt es auf den ersten Blick nahe, dass ein solcher Hinweis lediglich im Ermessen des Präsidiums liegt. Im Hinblick auf die materiell-rechtliche Wirkung der Ausschlussfrist wird man trotzdem regelmäßig im Falle formfehlerhafter und unvollständiger Anträge von einer Hinweispflicht auszugehen haben, da sich dieses Ermessen auf Null reduziert. Wird ein Antrag der Partei als unzulässig beschieden, hat dies den Verlust des gesamten Anspruchs auf die Finanzhilfen für das laufende Haushaltsjahr zur Folge, was wiederum die Chancengleichheit der Parteien erheblich betrifft. Eine Partei, die im Gegensatz zu ihren Konkurrenten ohne die Unterstützung durch die öffentliche Hand auskommen muss, hat einen immensen wirtschaftlichen Nachteil im politischen Wettbewerb. Dann darf aber die Verwendung des Begriffes „kann“ nicht dazu führen, dass die zuständigen Organe nach freiem Ermessen darüber entscheiden können, ob sie den Antragsteller ersuchen, seinen Antrag zu ergänzen. Je größer die Entscheidungsfreiheit ist, desto größer ist die Gefahr, dass der Eindruck entsteht, das Präsidium oder der Generalsekretär weise politisch nahestehende Parteien auf etwaige Unvollständigkeiten oder Formfehler hin und unterlasse dies bei politischen Gegnern. Die grundsätzlich formale Ausgestaltung des Gleichheitsgrundsatzes soll aber gerade und vor allem der Gefahr eines solchen politischen Missbrauchs entgegenwirken. Dieses Risiko erhöht sich aber insbesondere in solchen Fällen, in denen der Verwaltung Entscheidungsspielräume zugebilligt werden. Mit einer größeren Entscheidungsfreiheit der Verwaltung im Bereich des Parteienrechts geht daher zwangsläufig eine größere Gefahr einher, dass sich ein Entscheidungsträger von seinen eigenen politischen Präferenzen leiten lässt18. Der so verstandene Sinn und Zweck der formalen Handhabung des Gleichheitssatzes will nicht nur eine tatsächliche Parteilichkeit verhindern, sondern auch schon den Anschein der Bevorzugung bestimmter politischer Gruppierungen vermeiden19. Konsequenz dieses Gedankens ist dann aber, dass der Grundsatz der Chancengleichheit prinzipiell administrativen Ermessensentscheidungen entgegensteht20.

18

Morlok, DVBl. 1999, 277 (280). Morlok, DVBl. 1999, 277 (280 f.). 20 So auch: Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 105. 19

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§ 7 Verfahren zur Festsetzung der öffentlichen Mittel 

Führt man sich in diesem Zusammenhang noch einmal die Diskussion vor Augen, ob die Chancengleichheit politischer Parteien als eine grundsätzlich formale oder als eine grundsätzlich proportionale Gleichheit aufzufassen ist, zeigt sich hier in besonderem Maße, wie unumgänglich eine formale Gleichheit der Parteien ist, die Differenzierungen nur aus besonderen zwingenden Gründen zulässt. Billigt man der öffentlichen Gewalt einen Ermessensspielraum zu, billigt man ihr gleichzeitig die Möglichkeit zu, aufgrund verschiedenster Erwägungen zu unterschiedlichen Ergebnissen zu gelangen. Dies vermag aber in der Öffentlichkeit dem Anschein Vorschub zu leisten, dass für die konkrete Entscheidung auch oder vor allem politische Motive eine Rolle spielten. Geht man hingegen von einer grundsätzlichen formalen Gleichheit aus, bedarf es zwingender Gründe für Differenzierungen zwischen den Parteien, die hier auch im Hinblick auf Größe, Wahlerfolg, etc. aber gerade nicht ersichtlich sind. Der Raum für sachfremde, parteipolitische Erwägungen, die man hinter einer Entscheidung vermuten könnte, wird verkleinert bzw. geschlossen. Diese grundsätzliche Problematik von Ermessensentscheidungen durch die Verwaltung im Rahmen des Parteienrechts erhält hier eine weitere Facette und verstärkt sich vor dem Hintergrund, dass das Präsidium und der General­sekretär des Europäischen Parlaments für die Hinweise zuständig sind. Ihnen kommen zwar primär Verwaltungsaufgaben zu, sie setzen sich aber als Organe des Europäischen Parlaments aus dessen Mitte zusammen21. Wenn das Risiko von parteipolitisch motivierten Ermessensentscheidungen schon bei Verwaltungshandeln erkennbar ist, gilt dies erst recht in solchen Fällen, in denen das Europäische Parlament in administrativer Weise über die Vergabe von öffentlichen Mitteln an politische Parteien entscheidet. Setzen sich Generalsekretär und Präsidium aus Parteivertretern zusammen, entscheiden sie im Rahmen der öffentlichen Parteienfinanzierung quasi „in eigener Sache“. Das hiermit verbundene strukturelle Kontrolldefizit erfordert dabei ein Mindestmaß an Kontrolle der Entscheidungsträger22. An erster Stelle kommt diese Aufgabe der außerparlamentarischen Öffentlichkeit zu. Entscheidungen des Präsidiums sind aber nicht in gleichem Maße der öffentlichen Kontrolle zugänglich wie solche des Parlamentsplenums. Ist hingegen das Präsidium für Verwaltungstätigkeiten im Zusammenhang mit der Parteienfinanzierung zuständig, kann dieser Mangel dadurch behoben werden, dass Entscheidungen lediglich auf eine Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale zurückgeführt und damit sowohl für die Betroffenen als auch für die vom Ergeb 21

Vgl. zum Präsidium und seiner Stellung: Kluth, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 14 EUV Rn. 30; so forderte der Ausschuss für konstitutionelle Fragen in seinem Bericht vom 21. Mai 2003 im Änderungsantrag 6 über den Vorschlag zur Parteienverordnung der Kommission, die Aufgabe zur Bereitstellung und Kontrolle der Ausführung der genehmigten Mittel zu übertragen, da es sich hier um eine Aufgabe der Exekutive handele; abrufbar unter: http:// www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//NONSGML+REPORT+A5-20030170+0+DOC+PDF+V0//DE; Stand: 19.10.2011. 22 Streit, MIP 2003, 60 (65 f.); von Arnim, Parteienfinanzierung, S. 47; hingegen fordert Isensee, ZParl 2000, 402 (423) in erster Linie eine Selbstkontrolle des Parlaments.

A. Gewährung der öffentlichen Mittel

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nis zu informierende Öffentlichkeit leichter nachvollziehbar werden23. Im Ergebnis spricht auch dies dafür, dass im Falle eines unvollständigen oder unklaren Antrags das Präsidium verpflichtet ist, die politische Partei auf europäischer Ebene auf eine Ergänzung hinzuweisen.

III. Entscheidung über die öffentliche Finanzierung Nach Art. 4 Abs. 1 S. 1 VO-DB prüft das Präsidium auf Vorschlag des Generalsekretärs die Anträge auf Finanzierung auf der Grundlage der in den Art.  3 und 4 VO festgelegten Kriterien, um die Anträge zu bestimmen, die für eine Finanzierung in Frage kommen. Art. 4 Abs. 1 S. 2 VO bestimmt, dass das Europäische Parlament innerhalb von drei Monaten über diesen Antrag entscheidet und die entsprechenden Mittel bewilligt. Die Aufgabe, über den Antrag auf Finanzierung zu entscheiden und die Mittel zwischen den begünstigten Parteien aufzuteilen, hat das Plenum in Art. 209 Abs. 1 GO EP dem Präsidium übertragen, das vor dem 01. Januar des Haushaltsjahres eine Liste der Begünstigten und der zugewiesenen Beträge auf der Grundlage eines Vorschlags des Generalsekretärs (Art. 209 Abs. 1 und 5 S. 1 GO EP, Art. 4 Abs. 2 UAbs. 1 S. 1 VO-DB) festlegt. Ebenso kann es gemäß Art. 209 Abs. 5 S. 3 GO EP jederzeit eine Stellungnahme der Konferenz der Präsidenten einholen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Entscheidung über die Finanzierung aus dem Gesamthaushaltsplan ist die Sach- und Rechtslage in dem Moment, in dem das Europäische Parlament über den Antrag befindet24. Nach Art. 3 Abs. 1 S. 2 VO-DB müssen die in Artikel 3 VO genannten Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags erfüllt sein und während des gesamten Finanzierungszeitraums vorliegen. Dazu stellt Art. 4 Abs. 2 UAbs. 3 S. 2 VO-DB noch einmal klar, dass der Beschluss des Präsidiums Änderungen der Situation zu berücksichtigen hat, die sich seit Einreichung des Antrags ergeben haben. Dies geschieht auf der Grundlage von nach Art. 4 Abs. 3 VO eingegangen Mitteilungen und Änderungen, die allgemein bekannt sind. Aus diesem Grund normiert Art. 4 Abs. 3 S. 1 VO, Art. 3 Abs. 3 VO-DB auch die Verpflichtung der Parteien, dem Präsidenten des Europäischen Parlament die maßgeblichen Änderungen innerhalb von zwei Monaten mitzuteilen. Eine solche Pflicht versetzt das Parlament in die Lage, auf Änderungen der Parteien zu reagieren und seine Entscheidung über das „Ob“ und „Wie 23

Isensee, ZParl 2000, 402 (416 ff.) sieht im Zusammenhang mit dem CDU-Parteispendenskandal im Jahr 2000 auch eine differenzierte Gesetzesanwendung durch den Bundestagspräsidenten äußerst kritisch, der eine inhaltliche Prüfung des Rechenschaftsberichtes vornahm. Da hier jedoch lediglich die Zulässigkeitsvoraussetzungen und die Vollständigkeit eines Antrags einschließlich seiner beigefügten Unterlagen geprüft werden, handelt es sich um eine „einfache“ Gesetzessubsumtion, so dass eine solche Kritik an diesem Punkt keine Bedeutung erlangt. 24 Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 131.

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§ 7 Verfahren zur Festsetzung der öffentlichen Mittel 

viel“ der öffentlichen Parteienfinanzierung noch während des Antragsverfahrens gegebenenfalls zu revidieren. Tatsachen sind allgemein bekannt, sobald sie einem größeren Personenkreis bekannt sind oder wenn man sich aus zuverlässigen Quellen ohne größere Sachkunde sicher Kenntnis von ihnen erlangen kann25. Hierunter fallen sicherlich die Ergebnisse der Wahlen zum Europäischen Parlament sowie zu nationalen und regionalen Parlamenten. Art. 4 Abs. 2 UAbs. 4 VO-DB bestimmt für den erfolgsabhängigen Anteil der Parteienfinanzierung einen anderen maßgeblichen Zeitpunkt der Sachlage. Dessen Höhe bemisst sich nach der Zahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments, die der antragstellenden Partei bei Ablauf der Antragsfrist angehören. Lediglich im Falle einer Erhöhung der Anzahl der Parlamentarier des Europäischen Parlaments infolge eines Beitritts neuer Mitgliedstaaten können sich noch Änderungen ergeben (Art. 4 Abs. 2 UAbs. 4 S. 2 VO-DB).

IV. Unterrichtung der antragstellenden Parteien über die Gewährung der Finanzhilfe Anschließend unterrichtet der Präsident oder eine von ihm ordnungsgemäß ermächtigte Person den Antragsteller schriftlich darüber, wie sein Antrag beschieden wurde (Art. 4 Abs. 3 S. 1 VO-DB). Im Falle der Gewährung einer Finanzhilfe enthält die Mitteilung nach Art. 4 Abs. 3 S. 2 VO-DB in der Anlage den Entwurf des Beschlusses über die Gewährung der Finanzhilfe. Wird die beantragte Finanzhilfe nicht gewährt, teilt der Präsident gemäß Art. 4 Abs. 3 S. 3 und 4 VO-DB die Gründe für die vom Präsidium beschlossene Ablehnung innerhalb einer Frist von 15 Kalendertagen nach der Übermittlung des Beschlusses an die übrigen Empfänger mit. Hiermit statuieren die Durchführungsbestimmungen im Falle einer negativen Entscheidung eine Begründungspflicht, durch die die Betroffenen überprüfen können, ob die Entscheidung rechtswidrig ist und sie hiergegen vor den europäischen Gerichten Rechtsschutz suchen wollen. Sie dient damit der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes.

V. Beschluss über die Gewährung der Finanzhilfe Nach Art. 5 S. 1 VO-DB ist die einem Empfänger gewährte Finanzhilfe Gegenstand eines dem Empfänger mitgeteilten Beschlusses des Präsidiums über die Gewährung einer Finanzhilfe im Sinne des Art. 108 Abs. 1 letzter UAbs. Alt. 2 HO. In Art. I.2. BGF wird zunächst der Zeitraum festgelegt, für den ein Anspruch auf Finanzierung durch das Europäische Parlament besteht. Auf der Grundlage des 25 Mayer, in: Rebmann/Säcker/Rixecker, MüKo BGB, § 2356 Rn. 5; diese zivilrechtliche Definition lässt sich auch ohne weiteres auf das europäische Parteienrecht übertragen.

A. Gewährung der öffentlichen Mittel

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Betriebskostenvoranschlages des Subventionsempfängers wird in Art.  I.3.1 S.  1 BGF der Gesamtbetrag der zuschussfähigen Ausgaben veranschlagt. Art. I.3.2 I S. 1 BGF bestimmt den Höchstbetrag, den die politische Partei auf europäischer Ebene durch das Europäische Parlament erhalten kann. Der Beschluss basiert nur auf dem Betriebskostenvoranschlag des Antragstellers, so dass der Beschluss zunächst nur letztverbindlich entscheidet, dass eine europäische Partei überhaupt anspruchsberechtigt ist. Die festgesetzte Höhe des Zahlungsanspruchs hat hingegen nur einen vorläufigen Charakter und wird erst später durch die Festlegung der endgültigen Finanzhilfe beschlossen. Jedoch bleibt die endgültige Finanzhilfe einer Partei auf den hier bestimmten Höchstbetrag begrenzt. Die Auszahlung der Finanzhilfe für die europäischen Parteien erfolgt dann in zwei Schritten. Zunächst erhält der Empfänger einen Teil des Höchstbetrages durch eine Vorfinanzierung und nach Festlegung der endgültigen Finanzhilfe wird auf einer zweiten Stufe gegebenenfalls noch ein etwaiger Restbetrag an ihn überwiesen.

VI. Vorfinanzierung (Erste Stufe der Auszahlung) Sinn der Vorfinanzierung ist, den politischen Parteien auf europäischer Ebene einen Grundstock an Kassenmitteln zur Verfügung zu stellen (Art.  II.12.1 S.  1 BGF). Gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 VO-DB wird die Finanzhilfe den Empfängern als Vorfinanzierung in einer einzigen Tranche in Höhe von 80 Prozent des Höchstbetrages innerhalb von fünfzehn Tagen überwiesen, nachdem der Beschluss über die Gewährung der Finanzhilfe gefasst wurde. Mit dem Ziel, die Liquidität der Parteien zu verbessern, hat das Präsidium die Vorfinanzierungsquote durch Änderung der Durchführungsbestimmungen im Jahr 2006 zwar schon von 50 auf 80 Prozent erhöht26, was nach Ansicht des Europäischen Parlaments aber noch nicht genügt. Daher fordert es, den Europaparteien im Wege der Vorfinanzierung künftig sogar Mittel in Höhe von 100 Prozent des Höchstbetrages auszuzahlen27. Das Mittel der Vorfinanzierung entspricht im Wesentlichen der in § 20 PartG normierten Möglichkeit von Abschlagszahlungen. Die konkrete Höhe der Vorfinanzierung für die entsprechende politische Partei wird in Art. I.4.1 BGF festgelegt. Die Auszahlung erfolgte zwischen 2007 und 2011 jeweils bis zum Mai des entsprechenden Haushaltsjahres28. 26 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 6.  April 2011, Erwägung T, abrufbar unter: www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-20110143+0+ DOC+ XML+V0//DE; Stand: 11.10.2011. 27 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 6. April 2011, Nr. 19, a. a. O.; so auch mittlerweile der Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Statut und die Finanzierung europäischer politischer Parteien und europäischer politischer Stiftungen vom 12. September 2012; abrufbar unter: www.ipex. eu/IPEXL…/082dbcc53995d4e10139b92d3bd702a7.do; Stand: 17.12.2012. 28 Siehe hierzu die zusammengefassten Jahresberichte für die Zuschüsse des Europäischen Parlaments an politische Parteien auf europäischer Ebene; abrufbar unter: http://www.euro

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§ 7 Verfahren zur Festsetzung der öffentlichen Mittel 

Auch gilt die Grenze einer 80-prozentigen Vorfinanzierung nicht absolut, denn nach Art. 6 Abs. 1 S. 2 VO-DB kann der Empfänger den vollen Höchst­betrag der Finanzhilfe in Höhe von 100 Prozent erhalten, wenn er gemäß Art. 182 HO-DB29 eine Sicherheitsleistung bis zur Höhe von 40 Prozent der Vorfinanzierung erbringt. Erbringt eine anspruchsberechtigte Partei eine solche Sicherheitsleistung, bestimmt Art. I.4.1 II BGF, dass die Zahlung der restlichen 20 Prozent binnen 15 Tagen nach Stellung der vorherigen Sicherheitsleistung an den Subventionsempfänger zu erfolgen hat. Die Sicherheit ist nach Art. 182 Abs. 3 UAbs. 1 S. 1 HO-DB von einem Bank- oder Finanzinstitut mit Sitz in einem der Mitgliedstaaten zu stellen. Ferner kann auf Antrag des Empfängers die Sicherheitsleistung durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft eines Dritten ersetzt werden, nachdem der zuständige Anweisungsbefugte seine Zustimmung erteilt hat (Art. 182 Abs. 3 UAbs. 2 HO-DB).

VII. Festlegung der endgültigen Finanzhilfe und Auszahlung des Restbetrages (Zweite Stufe der Auszahlung) Die zweite Stufe der Zahlung beginnt mit der Festlegung der endgültigen Finanz­hilfe. 1. Festlegung der endgültigen Finanzhilfe a) Prüfung durch das Präsidium Anspruchsberechtigte Parteien müssen vor Festlegung der endgültigen Finanzhilfe zu deren Ermittlung und zur Ermittlung des auszuzahlenden Restbetrages mit dem Antrag auf Restzahlung bis zum 15. Mai, spätestens aber am 30. Juni nach Ende des Haushaltsjahres dem Präsidium des Europäischen Parlaments die in Art. 6 Abs. 3 VO-DB, Art. I.4.2 I, II.12.2 Abs. 2 BGF benannten Unterlagen vorlegen. Hierzu zählen: –– ein Abschlussbericht über die Durchführung des Arbeitsprogramms; –– eine endgültige Abrechnung der tatsächlich entstandenen zuschussfähigen Ausgaben unter Beachtung der Struktur des Haushaltsvoranschlages; parl.europa.eu/aboutparliament/de/00264f77f5/Finanzhilfen-f%C3 %BCr-politische-Parteienund-Stiftungen.html; Stand: 24.08.2012. 29 Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2342/2002 vom 23. Dezember 2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2605/2002 des Rates über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften, AblEU L 357 vom 31.12.2002, S. 1, zuletzt geändert durch Verordnung (EG, Euratom) Nr. 478/2007 der Kommission vom 23. April 2007, AblEU L 111 vom 28.04.2007, S. 13.

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–– eine vollständige zusammenfassende Übersicht der Einnahmen und Ausgaben, die der Rechnungsführung des Empfängers für den Zeitraum, in dem dieser gemäß dem Beschluss über die Gewährung einer Finanzhilfe anspruchsberechtigt ist, entspricht und in der die Höhe des Überschusses den die Partei auf das nachfolgende Haushaltjahr übertragen hat, sowie der Betrag, der der Rücklage zuzuführen ist, aufgeführt sind; –– ein Verzeichnis mit Angabe der Spender und ihrer jeweiligen Spende in Höhe von mehr als 500 Euro pro Jahr; –– ein Verzeichnis der Verträge, mit Ausnahme der Mietverträge für die Büros und der Beschäftigungsverträge für das angestellte Personal, im Wert von mehr als 10.000 Euro mit Angabe des Vertragspartners und seiner Anschrift sowie der Art der Waren oder Dienstleistungen; –– ein externer Auditbericht mit einer Überprüfung der Rechnungsführung des Empfängers durch eine unabhängige Stelle oder einen unabhängigen Sachverständigen, der gemäß den nationalen Rechtsvorschriften befugt ist, eine Rechnungsprüfung durchzuführen oder der vom Parlament für alle Parteien auf europäischer Ebene zusammen benannt wird. Letzterer soll nach Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 VO-DB, Art. II.12.2 Abs. 3 BGF bescheinigen, dass die Finanzausweise im Einklang mit den für den Empfänger geltenden nationalen Rechtsvorschriften erstellt wurden, keine wesentlichen Fehler aufweisen und die Finanzlage sowie das Betriebsergebnis getreu widerspiegeln. Des Weiteren soll er bestätigen, dass die dem Parlament vom Empfänger über­ mittelten Finanzunterlagen mit den Finanzbestimmungen des BGF in Einklang stehen, die angegebenen Kosten tatsächlich angefallen sind, die Einnahmen vollständig aufgeführt sind, die sich aus der Parteienverordnung und Art. 109 Abs. 4 HO ergebenden Verpflichtungen erfüllt wurden und ein auf das nächste Haushaltsjahr übertragener Überschuss gemäß Art. 6a VO-DB im ersten Quartal des Haushaltsjahres verwendet wurde. Gemäß Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 VO-DB werden die Rechnungsprüfer vom Parlament gemäß dem Vergabeverfahren der HO beauftragt und deren Honorare vom Parlament übernommen. Gemäß Art. 6 Abs. 5 UAbs. 1 VO-DB, Art. II.12.2 Abs. 4 BGF, Art. 209 Abs. 3 GO EP billigt das Präsidium innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Unterlagen auf Vorschlag des Generalsekretärs sowohl den Abschlussbericht über die Durchführung des Arbeitsprogramms als auch die endgültige Abrechnung der Partei. Erfolgt innerhalb der Zwei-Monatsfrist keine schriftliche Reaktion des Parlaments, so gelten der Abschlussbericht und die endgültige Abrechnung nach Art. 6 Abs. 5 UAbs. 4 VO-DB, Art. II.12.2 Abs. 5 BGF als akzeptiert. Damit enthalten diese Regelungen eine Genehmigungsfiktion sowohl für den Abschlussbericht als auch für die endgültige Abrechnung. Sollten in diesem Rahmen Unklarheiten auftreten, können das Präsidium und im Rahmen der Vorbereitung des Beschlusses der Generalsekretär vom Empfänger Belege oder zusätzliche Infor-

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§ 7 Verfahren zur Festsetzung der öffentlichen Mittel 

mationen verlangen, die sie für die Genehmigung des Abschlussberichts und die endgültige Abrechnung für notwendig erachten (Art. 6 Abs. 5 UAbs. 2 S. 2 VODB). Auch hier ist die Rechtsfolge der Bestimmung so auszulegen, dass – sofern die Voraussetzungen der Vorschrift vorliegen – das Ermessen des Präsidiums auf Null reduziert ist. Die Vorlage der Belege muss innerhalb einer Frist von fünfzehn Tagen erfolgen (Art. 6 Abs. 5 UAbs. 2 S. 2 VO-DB, Art. II.12.2 Abs. 6 S. 2, Art. I.4.2 Abs. 1 BGF). Sollte das Präsidium trotz allem den Abschlussbericht oder die endgültige Abrechnung nicht billigen können, kann das Präsidium beide gemäß Art. 6 Abs. 5 UAbs. 3 VO-DB, Art. II.12.2 Abs. 5 BGF nach Anhörung der Vertreter des betreffenden Empfängers zurückweisen und die Vorlage eines neuen Berichts und einer neuen Abrechnung innerhalb einer fünfzehntägigen Frist verlangen. b) Ermittlung des endgültigen Gesamtbetrages Der so ermittelte Gesamtbetrag ist nach Art. 7 Abs. 2 VO-DB, Art. II.14.2 BGF auf den in Art. 1.3.2 BGF festgesetzten Höchstbetrag der Finanzhilfe beschränkt. Ferner darf die endgültige Finanzhilfe nicht die Grenze von 85 Prozent der tatsächlichen zuschussfähigen Ausgaben überschreiten. Diese Schranke ist Ausdruck der relativen Obergrenze des Art. 10 Abs. 2 S. 1 VO30. Die Finanzhilfe ist aber zudem noch auf einer anderen Ebene beschränkt. Gemäß Art. 7 Abs. 3 S. 1 VO-DB, Art. II.14.4 Abs. 1 S. 1 BGF darf sie nicht über den Betrag hinausgehen, der erforderlich ist, um die Einnahmen und zuschussfähigen Ausgaben des Betriebskostenbudgets des Empfängers, der zur Durchführung des Arbeitsprogramms geführt hat, auszugleichen. Hiermit wird klargestellt, dass die Europaparteien durch die Finanzhilfen keinen Gewinn erwirtschaften dürfen. Unter Gewinn ist nach Art. II.14.4 Abs. 2 S. 1 BGF jeder Überschuss der tatsächlichen Gesamtbetriebseinnahmen des Empfängers gegenüber seinen tatsächlichen Gesamtbetriebskosten zu verstehen. Unter die hierbei zu berücksichtigenden tatsächlichen Einnahmen fallen sowohl die selbst erwirtschafteten Mittel als auch die Finanzhilfe selbst einschließlich der übertragenen Überschüsse aus dem Vorjahr (Art. II.14.4 Abs. 2 S. 2 und 3 BGF). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ermittlung eines Gewinns ist der Zeitpunkt der Antragstellung der europäischen Partei auf Zahlung des Restbetrages. Als tatsächliche Betriebskosten können nur diejenigen Ausgaben veranschlagt werden, die sich aus den Finanzausweisen des Empfängers ergeben und den Kostenkategorien des Betriebskostenvoranschlags entsprechen (Art. II.14.4 Abs. 2 S. 4 BGF). Das grundsätzliche Verbot, Gewinne zu erwirtschaften, gilt jedoch nicht, soweit der Empfänger nach Art. 109 Abs. 4 HO und Art.  6a VO-DB Mittelüberschüsse übertragen kann31. Mit der Übertragung von finanziellen Ressourcen auf das folgende Haushaltsjahr soll den Parteien der 30

Hierzu: § 6 A. Zur Übertragung von Mittelüberschüssen: sogleich.

31

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Weg zu einer flexibleren Haushaltsführung geebnet werden. Will man ihnen aber ermöglichen, einen Teil ihrer Subventionen zu einem späteren Zeitpunkt auszugeben – so liegt es auf der Hand, dass Parteien insbesondere in Wahljahren einen größeren Finanzbedarf haben  –, lässt sich dies im gegenwärtigen System einer Ausgabenerstattung nur durchführen, wenn sie die Finanzhilfen auf die Folgejahre übertragen können. c) Festlegung des Betrages der endgültigen Finanzhilfe Das Präsidium legt dann gemäß Art. 7 Abs. 1 VO-DB, Art. II.14.1 BGF nach Anhörung der Vertreter des betreffenden Empfängers auf deren Antrag hin die Höhe der endgültigen Finanzhilfe fest. Diese steht dabei aber unter dem Vorbehalt, dass das Präsidium aufgrund späterer Kontrollen und Rechnungsprüfungen erkennt, dass der bewilligte Betrag unrichtig war. Eine Partei kann innerhalb von zwei Monaten ab dem Tag, an dem der Betrag der endgültigen Finanzhilfe mitgeteilt wurde, oder, falls eine solche Mitteilung unterblieben ist, ab dem Tag des Eingangs des Restbetrages, schriftlich Informationen über die Bestimmung der endgültigen Finanzhilfe einholen. Einwände gegen die Festlegung hat der Empfänger schriftlich zu begründen (Art.II.13.5 S. 1 BGF). Spätere Anfragen bleiben nach der echten Ausschlussfrist des Art. II.13.5 S. 2 BGF unberücksichtigt. Das Europäische Parlament muss die fristgemäßen Anfragen seinerseits innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab dem Tag des Eingangs des Antrags schriftlich und mit einer Begründung versehen beantworten (Art. II.13.5 S. 3 BGF). 2. Zuschussfähige Ausgaben Unter welchen Voraussetzungen welche Ausgaben einer Partei öffentlich bezuschusst werden, ist in der Parteienverordnung selbst beschrieben und im Entwurf des Beschlusses über die Gewährung einer Finanzhilfe konkretisiert. Art. 8 Abs. 1 VO benennt zunächst allgemeine Kriterien der Zuschussfähigkeit, während Art. 8 Abs. 2 VO exemplarisch besondere Ausgaben benennt, die die Europäische Union subventioniert. a) Allgemeine Kriterien der Zuschussfähigkeit Nach Art. 8 Abs. 1 VO dürfen Mittel, die aufgrund der Parteienverordnung aus dem Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union gewährt wurden, nur für Ausgaben verwendet werden, die unmittelbar mit den Zielen zusammenhängen, die im politischen Programm der Partei beschrieben sind. Die öffentliche Finanzierung ist daher zweckgebunden32. Weitere Voraussetzungen der Zuschussfähigkeit 32

Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 216.

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konkretisiert Art. II.11.1 BGF. Die Ausgaben müssen danach in direktem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Beschlusses stehen und in dem dem Beschluss beigefügten Haushaltsvoranschlag ausgewiesen sein. Was dabei Gegenstand des Beschlusses über die Gewährung einer Finanzhilfe ist, ergibt sich indirekt aus Art. 108 Abs. 1 UAbs. 1 b) HO, der Finanzhilfen als Zuwendungen zu Betriebskosten einer Einrichtung definiert, die Ziele verfolgt, die von „allgemeinem euro­ päischen Interesse“ sind. Damit muss die Ausgabe also im Zusammenhang mit einem „europäischen Interesse“ erfolgen. Aus dieser allgemeinen Formulierung lässt sich indes wenig für die Rechtsanwendung gewinnen. Sie ist in ihrer Unbestimmtheit nicht in der Lage, zuschussfähige von nicht zuschussfähigen Ausgaben abzugrenzen. Insofern hilft die Formulierung bei der Bestimmung der Zuschussfähigkeit nicht weiter. Jedoch stellt die Regelung darüber hinaus zumindest klar, dass es sich um Ausgaben handeln muss, die die politische Partei im Betriebskostenvoranschlag auszuweisen hat. Von diesem Grundsatz macht aber Art. I.3.3 S. 1 BGF eine Ausnahme, wonach der Empfänger im Zuge der Durchführung des Arbeitsprogramms durch Mittelumschichtungen zwischen den einzelnen Posten zuschussfähiger Ausgaben eine Anpassung seines Betriebskostenvoranschlags vornehmen kann, sofern diese Ausgabenanpassung die Durchführung des Arbeitsprogramms nicht beeinträchtigt und der Gesamtbetrag der zuschussfähigen Ausgaben eingehalten wird. Diese Regelung gibt den Begünstigten die Gelegenheit, im Laufe eines Haushaltsjahres flexibel ihre politischen und wirtschaftlichen Prioritäten zu verändern und ihre Ausgabenposten danach anzupassen, ohne ihren Anspruch auf öffentliche Gelder zu verlieren33. So können Parteien beispielsweise Ausgaben für Wahlkampagnen noch im laufenden Jahr erhöhen, wenn sie gleichzeitig erstattungsfähige Ausgaben an anderer Stelle kürzen. Ferner müssen die Ausgaben für die Durchführung des Arbeitsprogrammes notwendig sein. Dazu müssen die geltend gemachten Kosten zum einen im Zusammenhang mit den im Arbeitsprogramm aufgeführten Tätigkeiten einer Partei stehen. Zum anderen müssen sie zur Realisierung des Programms auch erforderlich gewesen sein, was der Fall ist, wenn das Vorhaben nicht ohne die konkrete Ausgabe hätte umgesetzt werden können. Eine Ausgabe muss schlussendlich auch angemessen und gerechtfertigt sein und dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung entsprechen. Diese Vorschrift ist Ausfluss des Grundsatzes der Sparsamkeit mit dem Umgang öffentlicher Mittel34. Sie soll verhindern, dass der Empfänger Geldleistungen des Europäischen Parlamentes verschwendet. Eine Ausgabe entspricht dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung, wenn sie sparsam, wirtschaft 33

Vgl. die Forderung im Bericht des Ausschusses für konstitutionelle Fragen vom 27. Februar 2006, Nr.  11 f)  und g), abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc. do?type= REPORT&reference=A6–2006–0042&language=DE, Stand: 12.10.2011. 34 Siehe hierzu: § 4 D. III.

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lich im engen Sinn und wirksam ist35. Wann dies der Fall ist, wird in der Haushaltsordnung legaldefiniert. Sparsamkeit bedeutet nach Art. 27 Abs. 2 UAbs. 1 HO, dass die Ressourcen, die von dem betreffenden Organ für ihre Tätigkeiten eingesetzt werden, zum richtigen Zeitpunkt, in ausreichender Menge und angemessener Qualität sowie mit dem geringstmöglichen Kostenaufwand bereitgestellt werden. Wirtschaftlichkeit bedeutet gemäß Art. 27 Abs. 2 UAbs. 2 HO, dass eine optimale Relation zwischen den eingesetzten Mitteln und den erzielten Ergebnissen gegeben ist. Wirksam ist eine Ausgabe demgegenüber nach Art. 27 Abs. 2 UAbs. 3 HO, wenn die angestrebten Ziele und Ergebnisse erreicht werden. Die Parteien haben jedoch bei der Anwendung dieser Grundsätze einen weiten Beurteilungsspielraum36. Daher kann ein Verstoß nur dann angenommen werden, wenn eine deutliche Verletzung des Gebotes der Wirtschaftlichkeit vorliegt37. Lehnt das Europäische Parlament die Erstattungsfähigkeit einer Ausgabe ab, setzt es sich der Gefahr aus, die Parteienfreiheit in Form der Finanzierungsfreiheit zu bedrohen38. Das System einer Ausgabenerstattung beinhaltet das Risiko, Parteien so zu konditionieren, dass sie in erster Linie solche Ausgaben tätigen, für die es Zuschüsse durch die Europäische Union gibt. Mittelbar könnte so der Verordnungsgeber über die Regelungen der Zuschussfähigkeit Parteien in ihrer Ausgabenfreiheit beschränken. Wenngleich der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit solche Beeinträchtigungen vorliegend durchaus zu rechtfertigen vermag, muss den Parteien, damit die öffentliche Hand sich nicht der Gefahr aussetzt, auf parteipolitische Aktivitäten Einfluss nehmen zu wollen, bei der Verwendung der Mittel ein Beurteilungsspielraum zugestanden werden. Auf dieser Grundlage kann den Voraussetzungen, dass die Ausgaben angemessen und gerechtfertigt sein müssen, dann aber keine weitergehende Bedeutung zukommen. Sie gehen schon in der Beurteilung nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auf und erschöpfen sich darin. Der Begriff der Angemessenheit kann, wenn man den Parteien einen Beurteilungsspielraum zubilligt, nicht weiter reichen als beispielsweise in § 56 Abs. 1 S. 2 VwVfG, der gerade keine Gleichwertigkeit fordert. Es ist vielmehr auch im Bereich des europäischen Parteienfinanzierungsrechts ausreichend, dass bei einer wirtschaftlichen Betrachtung des Gesamtvorgangs die Gegenleistung der Partei nicht außer Verhältnis zum wirtschaftlichen Wert der vom Vertragspartner erbrachten Leistung steht39. Ist eine Ausgabe aber nach diesem Verständnis nicht angemessen, liegt schon ein evidenter Verstoß gegen den Grundsatz der Sparsamkeit vor.

35 Vgl. Nieboditek, in: Streinz, EUV/AEUV, Art.  310 AEUV Rn.  36 in Anlehnung an Art. 27 Abs. 1 HO. 36 Vgl. zur Anwendbarkeit des Grundsatzes: Rossi, in: Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, A. III. Rn. 156. 37 Vgl. von Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 104. 38 Zur Finanzierungsfreiheit: § 4 A. III. 2. 39 Vgl. zum öffentlich-rechtlichen Vertrag: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 56 Rn. 12 f.

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Des Weiteren müssen die Ausgaben während des im Beschluss über die Gewährung einer Finanzhilfe festgeschriebenen Zeitraums tatsächlich angefallen sein. Voraussetzung einer Zuschussfähigkeit ist ferner, dass sie vom Empfänger verauslagt, in der Buchhaltung der Partei nach den für sie geltenden Buchhaltungsgrundsätzen erfasst werden und Gegenstand der in den anwendbaren Steuer- und Sozialgesetzen vorgeschriebenen Erklärungen waren. Die Ausgaben müssen zuletzt noch identifizierbar und überprüfbar sein. Dessen bedarf es schon, damit das Präsidium des Europäischen Parlaments die übrigen Anforderungen kontrollieren kann, die an die Ausgaben der Parteien gestellt werden. Nur wenn eine Ausgabe hinreichend bestimmt ist, können die spezifischen Voraussetzungen der Wirtschaftlichkeit überprüft werden. b) Besondere zuschussfähige Ausgaben Art. 8 Abs. 2 VO, Art. II.11.2 Var. 1 BGF benennen besondere zuschussfähige Ausgaben. Hierzu zählen Verwaltungsausgaben, Ausgaben für technische Unterstützung, Sitzungen, Forschung, grenzüberschreitende Veranstaltungen, Studien, Information und Veröffentlichungen, sofern sie die allgemeinen Anforderungen des Art. II.11.1 BGF erfüllen. Hierbei bereitet es schon Schwierigkeiten, den Begriff der Verwaltungsaus­ gaben hinreichend zu bestimmen. Zu dessen Konkretisierung lässt sich nicht auf die zu Art. 41 Abs. 1 EUV entwickelte Definition zurückgreifen, wonach unter die Verwaltungskosten auch Reise- und Sitzungskosten fallen40, die in der Verordnung aber gesondert aufgeführt sind. Auch ein Rückgriff auf den Begriff der Verwaltungsausgabe im Sinne des Art. 104a GG scheitert, denn er erfasst die „Kos­ ten des Verwaltungspersonals“41, die im Beschluss ebenfalls als eigenständiger Ausgabeposten ausgewiesen werden. Würden diese Kosten schon unter den Begriff der Verwaltungsausgaben fallen, wäre deren explizite Erwähnung nicht erforderlich gewesen. Trotz all dieser Komplikationen bei den Rückgriffen auf diese Definitionen lassen sich doch zumindest Elemente dieser Begrifflichkeiten als Anhaltspunkte zu einer Konkretisierung der „Verwaltungsausgaben“ im Sinne der Parteienverordnung heranziehen. Verwaltungsausgaben sind daher sicherlich Sachkosten für Dienstgebäude, Geräte, Fahrzeuge, Nachrichtenmittel, Geschäftsbedürfnisse und ähnliches42. Gleichermaßen zählen auch Miet- und Nebenkosten, Unterhalt, Porto-, Fernmelde-, Druck-, Übersetzungs- und Vervielfältigungskosten sowie Kosten der Installierung, Betrieb und Wartung von Anlagen und Kosten der Abschreibung beweglicher und unbeweglicher Vermögensgegenstände

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Siehe hierzu: Kaufmann-Bühler/Meyer-Landruth, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV/ AEUV, Art. 41 EUV Rn. 8. 41 Vgl. hierzu: Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 104a Rn. 9 ff. 42 Angelehnt an: Heintzen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 104a Rn. 19.

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dazu43. Ferner fallen hierunter Dokumentations- sowie Rechtsanwalts- und Prozesskosten. Nach der in der Anlage zum Entwurf eines Beschlusses über die Gewährung einer Finanzhilfe beigefügten analytischen Gliederung des Betriebskostenvoranschlages gehört zu den Verwaltungsausgaben zuletzt auch die Unterstützung für angeschlossene Organisationen, also beispielsweise der parteiinternen Jugendorganisationen ebenso wie Zuschüsse an Dritte. Die „Ausgaben für technische Unterstützung“ knüpfen an die Regelung des Art. 11 VO an. Nach Art. 11 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 VO erfolgt die Gewährung auf Rechnung und entgeltlich. Bei der technischen Unterstützung des Europäischen Parlaments, für die die Parteien finanziell aufzukommen haben, handelt es sich also wiederum um zuschussfähige Ausgaben, die von der Europäischen Union subventioniert werden. Die Einbeziehung der Ausgaben für „Sitzungen“ in Art. II.11.2 BGF umfasst sowohl Kosten der Sitzungsvorbereitung als auch der Sitzungsdurchführung44. Daher sind Kosten für Einladungen, die Teilnahme an Seminaren und Konferenzen, aber auch sonstige Ausgaben für Repräsentationszwecke erstattungsfähig. Im Bereich der „Forschung“ gibt es Überschneidungen mit den Aufgaben von politischen Stiftungen auf europäischer Ebene. Jedoch ist es auch europäischen Parteien nicht verwehrt, politische Forschung insbesondere zu tagespolitischen Themen zu betreiben bzw. in Auftrag zu geben. Des Weiteren gehören Kosten von grenzüberschreitenden Veranstaltungen und von der Partei durchgeführte oder veranlasste Studien zu den zuschussfähigen Ausgaben. Ferner sind Ausgaben für Information und Veröffentlichungen erstattungsfähig. Hierzu zählen unter anderem die Ausgaben für die Einrichtung und Nutzung von Websites, Werbungskosten, Seminare und Ausstellungen. Personalkosten sind nach Art. II.11.2 Var. 2 BGF zuschussfähig. Nach der dortigen Definition sind dies Arbeitsentgelte zuzüglich der Sozialabgaben und weiterer in die Vergütung eingehender gesetzlicher Kosten, sofern diese nicht die Durchschnittswerte der üblichen Gehalts- und Lohnwerte des Empfängers überschreiten. Nach der im Anhang des Beschlusses beigefügten Gliederung zählen hierzu Ausgaben für berufliche Fortbildung genauso wie Reise- und Aufenthaltskosten, sofern diese der üblichen Praxis entsprechen. Ferner werden Ausgaben für den Erwerb von Ausrüstungen vom Europäischen Parlament erstattet, sofern die betreffenden Gegenstände hauptsächlich für die Durchführung des Arbeitsprogramms bestimmt sind und gemäß Art. 9 Abs. 2 VO bewertet und abgeschrieben werden. Aus dieser Formulierung ergibt sich, dass es für eine Zuschussfähigkeit nicht erforderlich ist, dass die Gegenstände allein zur Durchführung des Arbeitsprogrammes erworben werden, sondern es vielmehr genügt, dass sie lediglich in weit überwiegendem Maße hierzu verwendet werden sollen.

43 Siehe hierzu die Gliederung des Betriebskostenvoranschlags, nach dem diese Ausgaben als „Infrastruktur- und Betriebskosten“ zuschussfähig sind. 44 Vgl. von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 28 EGV Rn. 4.

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Der Beschluss über die Gewährung einer Finanzhilfe benennt darüber hinaus Ausgaben für Verbrauchs- und Versorgungsgüter als zuschussfähig. Verbrauchsgüter sind nach Art. 1 Abs. 1 b) der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie45 bewegliche körperliche Gegenstände mit Ausnahme von Gütern, die aufgrund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder anderen gerichtlichen Maßnahmen verkauft werden, Wasser und Gas, wenn sie nicht in einem begrenzten Volumen oder in einer bestimmten Menge abgefüllt sind. Hierunter fallen insbesondere die in der Gliederung benannten Kosten für Papier- und Bürobedarf. Unter die Versorgungsgüter fallen dann beispielsweise Gebrauchswaren wie Gas, Wasser und Strom. Ebenso sind die Kosten aufgrund anderer Verträge erstattungsfähig, die der Empfänger zur Durchführung seines Arbeitsprogrammes abgeschlossen hat, sofern die europäische Partei die Auftragsvergabe ordnungsgemäß nach den Voraussetzungen des Art. II.7 BGF durchgeführt hat. Ferner können Parteien diejenigen Ausgaben, die sich unmittelbar aus den aus dem Beschluss erwachsenden Verpflichtungen ergeben, einschließlich der Kosten für Finanzdienstleistungen und Sicherheitsleistungen, nach Art. II.11.2 Var. 7 BGF geltend machen. Hierzu sind vor allem Buchführungs- und Rechnungsprüfungskosten zu zählen. Im Zuge der Änderung der Parteienverordnung im Jahre 2007 erfolgte erstmals die Einbindung von Wahlkampfkosten für die Wahlen zum Europäischen Parlament in die Rubrik der zuschussfähigen Ausgaben46. Jedoch stellt Art. 8 Abs. 3 S. 2 VO klar, dass mit diesen Mitteln keine nationalen politischen Parteien oder Kandidaten unmittelbar oder mittelbar finanziert werden dürfen. Art. 11a VO-DB ermächtigt das Präsidium des Europäischen Parlaments eine Regelung zu erlassen, die die Zuschussfähigkeit von Ausgaben normiert, die den Parteien im Zusammenhang mit ihren Kampagnen zur Europawahl entstehen. Im einzureichenden Betriebskostenvoranschlag sind diese Kosten ebenso wie Ausgaben für Werbegeschenke unter dem Punkt Ausgaben für Informationszwecke und Veröffentlichungen anzugeben und damit ebenfalls Teil der unionsgeförderten Ausgaben. c) Ausschluss der Zuschussfähigkeit Der Beschluss über die Gewährung einer Finanzhilfe schließt einige Ausgaben explizit als nicht zuschussfähig aus. Hierzu zählen nach Art. II.11.3 BGF Kapitalaufstockungen und Entgelt für erhaltenes Kapital, Verbindlichkeiten und damit verbundene Zinsen, Rückstellungen, Überziehungszinsen, notleidende Forderungen, Wechselkursverluste und die Mehrwertsteuer, soweit der Empfänger nicht nachweist, dass sie ihm nicht erstattet wird. Dazu sind Ausgaben im Rahmen einer 45

Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien der Verbrauchsgüter, AblEG L 171/12 vom 07.07.1999. 46 Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 217.

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spezifischen Maßnahme nicht erstattungsfähig, die die Union schon auf anderem Wege fördert. Gleiches gilt für übermäßige und unbedachte Ausgaben. Auch dürfen die Mittel gemäß Art. 8 Abs. 4 VO nicht zur Finanzierung von Kampagnen für Referenden verwendet werden47. 3. Auszahlung des Restbetrages Ist der Betrag der so festgelegten endgültigen Finanzhilfe höher als der kumulierte Betrag der Vorauszahlungen, legt das Präsidium gemäß Art. 7 Abs. 4 S. 1 VO-DB den zu zahlenden Restbetrag fest. Die Zahlung erfolgt nach Ende des Zeitraums für den ein Anspruch auf Finanzierung durch die Europäische Union bestand (Art. 6 Abs. 2 S. 1 VO-DB, Art. II.12.2 Abs. 1 S. 1 BGF). Nach Art. I.4.2 Abs. 2 BGF wird innerhalb von 30 Tagen nach Billigung des Tätigkeitsberichts durch das Europäische Parlament der Restbetrag der Finanzhilfe an den Empfänger überwiesen oder gegebenenfalls ein zu viel gezahlter Betrag wieder eingezogen. Diese Frist kann vom Europäischen Parlament ausgesetzt werden, wenn der Zahlungsantrag unzulässig ist, weil er den Bestimmungen des Beschlusses nicht entspricht, keine angemessenen Belege vorgelegt worden sind oder weil weitere Prüfungen erforderlich sind, da der Verdacht besteht, dass einige der in der vorgelegten Abrechnung aufgeführten Ausgaben nicht zuschussfähig sind (Art. II.13.2 Abs. 1 BGF). Die Aussetzung muss das Europäische Parlament dem Empfänger nach Art. II.13.2 Abs. 3 S. 1 BFG mitteilen.

VIII. Übertragung auf das nachfolgende Haushaltsjahr Seit dem Jahr 2007 wird den Parteien erlaubt, Rücklagen für das nächste Haushaltsjahr zu bilden48. Ziel dieser Reform war eine längerfristige finanzielle Planungssicherheit für die Subventionsempfänger, die nach dem bis dato einschlägigen Art. 109 Abs. 2 HO keine Finanzreserven bilden durften49. Aus diesem Grund wurde Art. 109 HO um einen Absatz 4 ergänzt. Die zeitlich flexiblere Verwendungsmöglichkeit der Unionssubventionen ist der Erkenntnis geschuldet, dass die Ausgaben der Parteien in den einzelnen Haushaltsjahren starken Schwankungen 47

Das Europäische Parlament forderte zuletzt diese Ausgabenbeschränkung aufzuheben, wenn der Gegenstand des Referendums direkt mit Themen der Europäischen Union in Zusammenhang steht. Entschließung des Europäischen Parlaments vom 06. April 2011, Nr. 25, abrufbar unter: www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA2011-0143+0+DOC+XML+V0//DE Stand: 11.10.2011. 48 Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 225. 49 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 06. April 2011, Erwägung U, abrufbar unter: www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-20110143+0+DOC+XML+V0//DE Stand: 11.10.2011; Shirvani, EuZW 2008, 364 (365).

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unterworfen sind, da in Wahljahren auf die Parteien naturgemäß größere Investitionen zukommen50. Stellt eine europäische Partei am Ende des Geschäftsjahres einen Mittelüberschuss fest, so kann sie nach Art.  109 Abs.  4 UAbs. 1 HO abweichend einen Teil des Überschusses in Höhe von maximal 25 Prozent der Gesamteinnahmen für das betreffende Jahr auf das Folgejahr übertragen, sofern der Überschuss im ersten Quartal des folgenden Jahres verwendet wird. Der Einnahmeüberschuss des fraglichen Haushaltsjahres ergibt sich dabei aus der Differenz zwischen dem Gesamtbetrag der zuschussfähigen Ausgaben und dem Betrag der ursprünglich gewährten Finanzhilfe sowie den eigenen Mitteln, die für die Deckung der zuschussfähigen Ausgaben bestimmt sind. Darüber hinaus werden in die Berechnung des fraglichen Überschusses auch die aus dem vorangegangenen Haushaltsjahr übertragenen Überschüsse einberechnet (Art. 6a Abs. 1 VO-DB). Nicht zuschussfähige Ausgaben müssen die europäischen Parteien dagegen sowieso ausschließlich aus eigenen Mitteln decken. Nicht berücksichtigt bei der Ermittlung eines Gewinns werden nach Art. 109 Abs. 4 UAbs. 2 HO die Eigenmittel, deren Gesamtbetrag die relative Obergrenze von 85 Prozent für die zuschussfähigen Ausgaben übersteigen. Daher können europäische Parteien – über die Möglichkeit der Mittelübertragung nach Art. 109 Abs. 4 UAbs. 1 HO hinaus – noch Rücklagen bilden, sofern sie durch ein gesteigertes Aufkommen an Spenden, Mitgliedsbeiträgen etc. so viel eigene Einnahmen akquirieren, dass diese über den von Art. 10 Abs. 2 VO geforderten Mindestanteil von 15 Prozent hinausgehen. Hinter dieser Regelung steht letztlich der Zweck, dass sich Parteien vermehrt um Zuwendungen seitens der Bürger bemühen sollen51. Begrenzt werden die finanziellen Rücklagen dann nur auf 100 Prozent ihrer durchschnittlichen jährlichen Einnahmen (Art. 109 Abs. 4 UAbs. 3 HO). Gemäß Art. 6a Abs. 2 b) S. 1 VO-DB ist der Betrag, der tatsächlich übertragen wird, in der Schlussbilanz des fraglichen Haushaltsjahres als Rückstellung auszuweisen, die auf das kommende Haushaltsjahr übertragen wird, um im ersten Quartal des kommenden Haushaltsjahres anfallende zuschussfähige Ausgaben zu decken. Die fragliche Rückstellung ist ebenfalls in der Gewinn- und Verlustrechnung des kommenden Haushaltsjahres auszuweisen (Art.  6a Abs.  2 c)  S.  1 VO-DB). Zur Kontrolle, dass die übertragenen Zuschüsse tatsächlich im ersten Quartal verwendet wurden, verpflichtet Art. 6a Abs. 2 c) S. 2 VO-DB die Empfänger bis zum 31. März des kommenden Haushaltsjahres einen vorläufigen Kontenabschluss vorzunehmen. Übersteigt die Rückstellung die zuschussfähigen Ausgaben, wird der Differenzbetrag nach Art. 6a Abs. 2 c) S. 3 VO-DB im Rahmen der Festlegung der endgültigen Finanzhilfe für das betreffende Haushaltsjahr gemäß Artikel 7 VO-DB von der Finanzhilfe abgezogen. 50 51

Vgl. Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 226. Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 226; Shirvani, EuZW 2008, 364 (366).

A. Gewährung der öffentlichen Mittel

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IX. Kontrollen und Rechnungsprüfung Des Weiteren finden sich in den Durchführungsbestimmungen und im BGF Regelungen, inwiefern die Verpflichtungen der europäischen Parteien durch das Parlament kontrolliert werden. So sind die Parteien nach Art. 10 Abs. 2 VO-DB, Art. II.16.1 BGF verpflichtet, alle vom Europäischen Parlament oder einem beauftragten externen Organ verlangten detaillierten Angaben mitzuteilen, damit sich das Parlament von der ordnungsgemäßen Ausführung des Arbeitsprogramms und der Einhaltung der Bestimmungen des BGF vergewissern kann. Der Empfänger hat insofern dafür Sorge zu tragen, dass das Parlament die Verwendung der Finanzhilfe nachprüfen kann (Art. 10 Abs. 4 S. 1 VO-DB, Art. II.16.3 S. 1 BGF). Diese Prüfungen können gemäß Art. 10 Abs. 4 S. 2 VO-DB, Art. II.16.3 S. 2 BGF während der gesamten Geltungsdauer des BGF bis zur Zahlung des Restbetrags sowie während eines Zeitraums von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der Zahlung des Restbetrages durchgeführt werden. Aus diesem Grund ordnet Art. 10 Abs. 3 VO-DB, Art. II.16.2 BGF an, dass die Begünstigten während des gesamten Zeitraums alle Originaldokumente oder in ordnungsgemäß begründeten Ausnahmefällen beglaubigte Kopien bereitzuhalten haben. Sollte das Parlament im Zuge dieser Überprüfungen zu dem Ergebnis gelangen, dass die politische Partei auf europäischer Ebene zu viel Mittel erhalten hat, kann es gegebenenfalls zu Einziehungsbeschlüssen des Präsidiums kommen (Art. 10 Abs. 4 S. 3 VO-DB, Art. II.16.3 S. 3 BGF). Gemäß Art. 10 Abs. 5 UAbs. 1 VO-DB sieht jeder Beschluss ausdrücklich vor, dass das Parlament und der Rechnungshof vor Ort Belege des Empfängers überprüfen können. In diesem Zusammenhang verpflichtet Art. II.16.4 BGF die Parteien dazu, den Bediensteten des Europäischen Parlaments und den vom Europäischen Parlament beauftragten Personen in angemessener Weise Zugang zu ihren Räumlichkeiten und zu allen für die Durchführung der Prüfungen benötigten Informationen, einschließlich elektronisch gespeicherter Daten, zu gewähren. Die gleichen Rechte besitzt der Europäische Rechnungshof (Art.  II.16.6 BGF) und nach Art. 10 Abs. 6 S. 1 VO-DB das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF). Auch die Ergebnisse dieser Kontrollen können zu Einziehungsbeschlüssen des Präsidiums führen (Art. 10 Abs. 6 S. 2 VO-DB).

X. Aussetzung, Kürzung und Beendigung der Finanzhilfe Im europäischen Parteienrecht existieren zwei verschiedene Verfahren, im Laufe eines Haushaltsjahres die öffentliche Parteienfinanzierung zu beenden. So regelt einerseits Art. 8 VO-DB die Aussetzung und Kürzung der Finanzhilfe, andererseits kann die Finanzhilfe auch nach Art. II.9 BGF eingestellt werden. Beide Verfahrensarten ähneln sich sowohl in ihren Rechtsfolgen als auch in ihren Voraussetzungen.

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§ 7 Verfahren zur Festsetzung der öffentlichen Mittel 

1. Aussetzung und Kürzung der Finanzhilfe a) Formelle Voraussetzungen der Aussetzung bzw. Kürzung Für einen Beschluss über eine etwaige Aussetzung oder Kürzung einer Finanzierung ist gemäß Art. 209 Abs. 2 GO EP das Präsidium zuständig. Tätig wird es hierbei auf der Grundlage eines Vorschlages des Generalsekretärs. Nach Art. 209 Abs. 5 S. 2 GO EP, Art. 8 Abs. 2 VO-DB muss das Präsidium vor der Beschlussfassung die Vertreter der betreffenden politischen Partei anhören. b) Materielle Aussetzungs- und Kürzungsgründe Zunächst einmal führt jede überschüssig gezahlte Finanzhilfe zu einer entsprechenden Kürzung (Art. 7 Abs. 3 S. 2 VO-DB), außer die Partei kann den Überschuss auf das nachfolgende Haushaltsjahr übertragen (Art.  II.14.3 Abs.  1 S.  1 BGF). Weitere materielle Aussetzungs- und Kürzungsgründe normiert Art.  8 Abs. 1 VO-DB. Einer Aussetzung bedarf es danach unter anderem, wenn die Finanzhilfe für Ausgaben verwendet wurde, die durch die Parteienverordnung nicht genehmigt sind. Ferner wird die öffentliche Finanzierung ausgesetzt, wenn eine politische Partei auf europäischer Ebene es unterlässt, dem Europäischen Parlament mitzuteilen, dass sich ihr Programm oder ihre Satzung geändert hat oder Veränderungen der Voraussetzungen für ihre Finanzierung vorliegen. Weiter tritt die Rechtsfolge des Art. 8 Abs. 1 VO-DB ein, wenn sie die Voraussetzungen für eine öffentliche Finanzierung nach Art. 3 VO nicht mehr erfüllt oder die in Art. 6 VO festgelegten Verpflichtungen nicht eingehalten hat. Zuletzt kann die Zahlung nach Art. 8 Abs. 1 d) VO-DB ausgesetzt oder die Finanzhilfe gekürzt werden, wenn einer der in Art. 93 oder 94 HO beschriebenen Umstände zutrifft. Dies liegt nach Art. 93 Abs. 1 a) HO insbesondere dann vor, wenn die Partei sich in einem Konkursverfahren oder in Liquidation befindet bzw. ihre Tätigkeit eingestellt hat. Darüber hinaus liegt ein Aussetzungsgrund nach Art. 8 Abs. 1 d) i. V. m. Art. 93 Abs. 1 b) HO vor, wenn der Empfänger aufgrund eines rechtskräftigen Urteils aus Gründen bestraft worden ist, die seine berufliche Zuverlässigkeit in Frage stellen. In diesem Zusammenhang ist auch Art. 93 Abs. 1 e) HO zu sehen, der einschlägig ist, wenn eine rechtskräftige Verurteilung wegen Betrug, Korruption, Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung oder einer anderen gegen die finanziellen Interessen der Gemeinschaften gerichteten Handlung gegeben ist. Freilich kann eine Partei nicht selbst rechtskräftig verurteilt werden. Entscheidend ist vielmehr, wann eine Zurechnung der für sie handelnden Organwalter in Frage kommt. Hierfür kann indes auf den Vorschlag der Kommission zur Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft zurückgegriffen werden52. Nach dem Rechtsgedanken dessen Art. 9 52

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ist eine Zurechnung insbesondere dann möglich, wenn die handelnde Person vertretungsberechtigt ist oder eine Kontrollbefugnis innerhalb der juristischen Person innehat. Diese Zurechnungsmöglichkeit gilt genauso für Art. 93 Abs. 1 c) HO, der eine Aussetzung vorsieht, wenn der Empfänger im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit eine schwere Verfehlung begangen hat, welche nachweislich festgestellt wurde. Zudem ist der Tatbestand des Art. 8 Abs. 1 d) VO-DB i. V. m. Art. 93 Abs. 1 d) HO erfüllt, wenn die Partei ihrer Pflicht zur Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen, Steuern oder sonstigen Abgaben nach den Rechtsvorschriften des Landes ihrer Niederlassung nicht nachgekommen ist. Nach Art. 8 Abs. 1 d) i. V. m. Art. 94 b) HO ist die Finanzhilfe auszusetzen, wenn die europäische Partei bei Antragstellung falsche Erklärungen abgegeben oder die erforderlichen Auskünfte nicht gegeben hat. Schlussendlich kann das Europäische Parlament gemäß Art. II.13.2 Abs. 2 BGF die Zahlungen jederzeit aussetzen, wenn der Empfänger insbesondere aufgrund von Prüfungen oder Kontrollen die Bestimmungen nachweislich oder mutmaßlich nicht eingehalten hat. Hierzu bedarf es aber zumindest konkreter Anhaltspunkte. In diesem Zusammenhang stellt sich abermals die Frage, ob das Präsidium im Wege von Durchführungsbestimmungen oder Regelungen im Beschluss über die Gewährung einer Finanzhilfe überhaupt materielle Gründe für eine Aussetzung bzw. Kürzung regeln durfte oder ob dies nicht auf der Verordnungsebene hätte geschehen müssen53. Aufgrund des Art. 224 AEUV müssen die materiellrechtlichen Regelungen zur europäischen Parteienfinanzierung in der hierzu ergangenen Verordnung geregelt werden. Dies ist bei den Aussetzungs- und Kürzungsgründen des Art. 8 Abs. 1 a) – c) VO-DB auch hinlänglich geschehen, da sie sich darauf beschränken, Verstöße gegen die Pflichten der Parteienverordnung zu sanktionieren und die Rechtsfolgen der Sanktionierung zu konkretisieren54. Sie verweisen explizit auf Pflichten der Parteien, wie sie sich aus der Verordnung selbst ergeben. Von daher normieren die Art. 8 Abs. 1 a) – c) VO keine eigenen materiellen Pflichten der Europaparteien, sondern bestimmen lediglich die Sanktionen für Verstöße gegen Pflichten, wie sie die Parteienverordnung selbst aufstellt. Einzig Art. 8 Abs. 1 d) VO-DB nimmt Bezug auf Regelungen außerhalb der Verordnung, indem er auf Pflichten der Haushaltsordnung abstellt. Dass aber auch materiell-rechtliche Regelungen der HO in den VO-DB konkretisiert werden können, zeigt sich schon in Art. 9 Abs. 1 UAbs. 1 VO. Hiernach werden die zur Finanzierung politischer Parteien auf europäischer Ebene bereitgestellten Mittel im Rahmen des jährlichen Haushaltsverfahrens festgelegt und gemäß der Haushaltsordnung und ihrer Durchführungsbestimmungen ausgeführt. Auch wird gemäß Art. 9 Abs. 3 UAbs. 1 VO die Finanzkontrolle über die gewährten Mittel gemäß der Haushaltsordnung und ihrer Durchführungsbestimmungen ausgeübt. In diesen Regelungen verweist aber die Parteienverordnung selbst auf die materiell-recht 53 54

Siehe hierzu: A. II. 2. In diese Richtung wohl auch: Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 212.

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§ 7 Verfahren zur Festsetzung der öffentlichen Mittel 

lichen Pflichten der Haushaltsordnung. Dann muss es auch zulässig sein, dass die VO-DB Rechte und Pflichten sowohl der Parteienverordnung wie auch der Haushaltsordnung konkretisiert55. c) Rechtsfolgen Rechtsfolge des Art. 8 Abs. 1 VO-DB ist zunächst die Aussetzung der Finanzhilfe der Europäischen Union. Diese ist schon nach ihrem Wortlaut eine gebundene Entscheidung, so dass dem Präsidium bei Vorliegen der Voraussetzung des Art. 8 VO-DB kein Ermessen zusteht. Im Gegensatz zur Einstellung ist die Aussetzung schon begriffsnotwendig nur eine vorläufige Maßnahme, die das Fortführen der Subvention bei Wegfall der Hinderungsgründe wieder ermöglicht56. Sollten die Einstellungsgründe jedoch bestehen bleiben, kürzt das Präsidium die Finanzhilfe bzw. widerruft den Beschluss. 2. Einstellung der Finanzhilfe a) Materielle Einstellungsgründe Zunächst gibt Art. II.9.1 BGF den politischen Parteien auf europäischer Ebene die Möglichkeit, auf die Finanzhilfe durch die Europäische Union innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Erhalt des Beschlusses über deren Gewährung zu verzichten. Über Art. II.9.2 a) BGF wird die Finanzhilfe dagegen eingestellt, wenn eine Partei die Voraussetzungen des Art. 3 VO nicht mehr erfüllt, ihrer Verpflichtungen aus Art. 6 VO nicht nachgekommen ist oder die vom Europäischen Parlament gewährten Mittel zur unmittelbaren oder mittelbaren Finanzierung anderer Parteien, insbesondere nationaler politischer Parteien, verwendet hat. Ferner kann nach Art. II.9.2 b) BGF das Europäische Parlament eine Beendigung der Finanzhilfe beschließen, wenn durch rechtliche, finanzielle, technische, organisatorische oder die Kontrollorgane betreffende Änderungen beim Empfänger der Beschluss substantiell beeinträchtigt zu werden droht oder die Entscheidung zur Gewährung der Finanzhilfe in Frage gestellt wird. Wer sich bei Betrachtung der Regelung fragt, was hiermit eigentlich gemeint sein könnte, wird wohl selten eine klare Antwort finden. Daher liegt es auch in einem zweiten Schritt nahe zu prüfen, ob die Regelung denn inhaltlich überhaupt ausreichend bestimmt ist. Auch im Unionsrecht müssen Rechtsakte dem Bestimmtheitsgebot entspre 55 Vgl. insoweit sich nur auf die Parteienverordnung beziehend: Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 212. 56 Von einer solchen Bedeutung im Verwaltungsprozessrecht geht ebenfalls Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 80 Rn. 316 f. aus; grundlegend: Schimmelpfennig, Vorläufige Verwaltungsakte, S. 102.

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chen57. Dies erfordert, dass eine Norm klar und widerspruchsfrei ist, so dass die von ihr Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach ausrichten können58. Die spezifischen Anforderungen, die an die zu fordernde Bestimmtheit zu stellen sind, hängen dabei von Regelungsmaterie und -zweck sowie der Grundrechtsrelevanz ab59. Überträgt man diese aus dem deutschen Verfassungsrecht entliehenen Kriterien60, ist es im Falle einer Einstellung der Parteienfinanzierung angezeigt, ein grundsätzlich hohes Maß an inhaltlicher Bestimmtheit zu fordern. Mit einem derartigen Beschluss ist naturgemäß ein intensiver Eingriff in die Chancengleichheit der politischen Parteien verbunden61, der die Anforderungen an Normbestimmtheit erhöht. Darüber hinaus handelt es sich bei einer Einstellungsentscheidung um eine Entscheidung, die das Europäische Parlament „in eigener Sache“ trifft und der ein Kontrolldefizit immanent ist. Ist schon die innerparlamentarische Kontrolle durch ein mögliches kollusives Zusammenwirken von Regierungsmehrheit und Opposition gefährdet, ist man umso mehr auf eine externe Kontrolle des Parlaments angewiesen. Gerade die außerparlamentarische Öffentlichkeit kann diese Funktion aber nur dann ausfüllen, wenn sowohl das Verfahren als auch die materiellen Kriterien einer Entscheidung transparent ausgestaltet sind. Also bedarf es auch aus diesem Grund gesteigerter Anforderungen an die Bestimmtheit der einschlägigen Normen. Aus der Regelung lässt sich aber nicht entnehmen, wann Änderungen bei einer Partei vorliegen, durch die der Beschluss „substantiell beeinträchtigt“ sein soll. Zwar steht die Interpretationsbedürftigkeit einer Norm ihrer Bestimmtheit grundsätzlich nicht entgegen, jedoch muss zumindest durch Auslegung ermittelt werden können, wann, ob und wie der durch die Norm Ermächtigte von ihr Gebrauch machen kann62. Doch mittels Auslegung lässt sich der Anwendungsbereich der Regelung ebenso wenig bestimmen. So sind rechtliche Änderungen, die die Voraussetzungen des Art. 3 VO zur Gewährung der Finanzhilfe für politische Parteien auf europäischer Ebene betreffen, schon von Art. II.9.2 a) BGF erfasst; finanzielle Änderungen, die sich aus den Verpflichtungen der Art.  6 und 7 VO ergeben könnten, fallen schon unter die Regelungen der Art. II.9.2 a) BGF 57 Callies, in: Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 2 EUV Rn. 26; zum Bestimmtheitsgebot ausführlich: Hammer-Strnad, Das Bestimmtheitsgebot als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Europäischen Gemeinschaftsrechts. 58 Vgl. zum deutschen Recht: Sommermann, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 20 Rn. 289. 59 BVerfGE 48, 210 (221 f.); 118, 168 (186 ff.). 60 Zwar geht Hammer-Strnad, Das Bestimmtheitsgebot als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Europäischen Gemeinschaftsrechts, S. 211 davon aus, dass das Europarecht einen „ten­ denziell niedrigeren Bestimmtheitsgrad“ erfordere, jedoch gehen zumindest die von ihr an­ geführten Faktoren, zu denen die „Eingriffsintensität der Norm“ und die „Komplexität und Dynamik des zu regelnden Gegenstandes“ gehören, tendenziell auch in diese Richtung. 61 Im deutschen Recht sehen das Recht auf Chancengleichheit Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 21 Rn. 305; Ipsen, in Sachs, GG, Art. 21 Rn. 33 m. w. N. ebenfalls als ein Grundrecht der Parteien an; a. A. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 21 Rn. 17. 62 Sommermann, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 20 Rn. 289.

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§ 7 Verfahren zur Festsetzung der öffentlichen Mittel 

oder Art. II.9.2 c) BGF. Vor diesem Hintergrund scheint Art. II.9.2 b) BGF als Auffangvorschrift gedacht, die für die Parteien als Normadressaten aber nicht ausreichend bestimmt ist. An diesem Punkt unterscheidet sich diese Regelung von den Tatbestandsmerkmalen des Art. 3 Abs. 1 c) VO, die, obwohl sie ebenfalls auslegungs- und konkretisierungsbedürftig sind, mit Hilfe einer Exegese des Primärrechts und des bisherigen Unionshandelns aber hierzu auch fähig sind63. Art. II.9.2 BGF verletzt demgegenüber das europarechtliche Bestimmtheitsgebot. Ein weiterer Einstellungsgrund liegt nach Art. II.9.2 c) BGF vor, wenn der Empfänger eine seiner aus dem Beschluss erwachsenden wesentlichen Verpflichtungen einschließlich ihrer Anhänge nicht vollständig erfüllt hat. Zu den wesentlichen Verpflichtung zählt unter anderem, Interessenkonflikte bei der Durchführung des Arbeitsprogrammes, zu der nicht die politische Affinität zwischen einer europäischen Partei und der mit ihr verbundenen politischen Stiftung oder Jugendorganisation gehört, insbesondere in wirtschaftlichen und familiären Interessen zu vermeiden (Art. II.2 BGF). Exemplarisch können hier noch die Mitwirkungspflichten der Parteien genannt werden, um dem Europäischen Parlament die Überprüfung der ordnungsgemäßen Durchführung des Arbeitsprogrammes zu ermöglichen (Art. II.16.1 BGF). Die Finanzhilfe kann zudem in Fällen höherer Gewalt beendet werden (Art. II.9.2 d) BGF). Die Voraussetzungen für höhere Gewalt sind in Art. II.6.1 S. 1 BGF definiert. Hiernach sind unter höherer Gewalt unvorhersehbare und außergewöhnliche, trotz der gebotenen Sorgfalt unabwendbare Situationen oder Ereignisse zu verstehen, die sich der Kontrolle des Europäischen Parlaments und/oder des Empfängers entziehen und nicht auch auf einem Fehler oder einer Fahrlässigkeit einer Partei beruhen und eine der Parteien daran hindern, eine aus dem Beschluss erwachsende Verpflichtung zu erfüllen. Nicht darunter fallen indes Fehler oder Verzögerungen bei der Bereitstellung von Material – sofern sie sich ihrerseits wiederum nicht aus höherer Gewalt ergeben –, Arbeitsstreitigkeiten, Streiks oder finanzielle Schwierigkeiten (Art. II.6.1. S. 2 BGF). Voraussetzung für eine Einstellung ist in diesen Fällen eine Mitteilung des Europäischen Parlaments, in welchem die Art der höheren Gewalt, seiner voraussichtlichen Dauer und seiner vorhersehbaren Folgen für die politische Partei auf europäischer Ebene dargelegt werden (Art. II.9.2 d) i. V. m. Art. II.6.2 BGF). Die Beendigungsgründe nach Art. II.9.2 e) und h) BGF entsprechen den mate­ riellen Anforderungen der Aussetzung nach Art.  8 Abs.  1 d)  VO-DB i. V. m. Art. 93 I a), b) und c) HO. Gemäß Art. II.9.2 f) BGF kann das Parlament ferner eine Beendigung der Finanzhilfe beschließen, wenn der Empfänger falsche Darstellungen oder Berichte vorlegt, um die in dem Beschluss vorgesehene Finanzhilfe zu erhalten. Voraussetzung hierfür ist zunächst eine objektive Unrichtigkeit der Darstellung oder der Berichte. Darüber hinausgehend müssen die Parteien diese un 63

Vgl. zu dieser Problematik: § 5 B. III. 1. b).

A. Gewährung der öffentlichen Mittel

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richtigen Darstellungen dem Europäischen Parlament aber auch mit der Absicht vorgelegt haben, die öffentliche Finanzierung widerrechtlich gewährt zu bekommen („um … zu erhalten“). In die gleiche Richtung geht die Regelung des Art. II.9.2 g) S. 1 BGF. Die öffentliche Finanzierung kann hiernach beendet werden, wenn der Empfänger vorsätzlich oder fahrlässig eine wesentliche Unregelmäßigkeit bei der Durchführung des Beschlusses begangen hat sowie im Fall von Betrug, Korruption oder einer anderen unrechtmäßigen Tätigkeit des Empfängers, die den finanziellen Interessen der Union abträglich ist. Satz 2 der Vorschrift definiert hierfür den Begriff der „wesentlichen Unregelmäßigkeit“. Dies ist jede Verletzung einer Bestimmung des Beschlusses oder der Vorschriften durch eine Handlung oder Unterlassung des Empfängers, die sich nachteilig auf den Haushaltsplan der Union auswirken kann. Im Gegensatz zu Art. II.9.2 c) BGF verlangt Art. II.9.2 g) S. 1 BGF keine Verletzung „wesentlicher“ Verpflichtungen des Empfängers aus dem BGF einschließlich seiner Anhänge. Während Art. II.9.2 c) BGF gesteigerte Anforderungen an die Pflicht stellt, die verletzt sein soll, genügt für das Vorliegen einer „wesentlichen Unregelmäßigkeit“ im Sinne des Art. II.9.2 g) BGF schon die Verletzung irgendeiner Verpflichtung, stellt dafür aber besondere Anforderungen an die Verletzung. Sie ist nur relevant, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, dass eine europäische Partei mehr Mittel erhält als dies ohne die Verletzung der Fall ge­wesen wäre. Nach dem Wortlaut der Bestimmung genügt es, dass sich die Handlung des Empfängers nachteilig auf den Haushaltsplan der Union auswirken kann. Die Möglichkeit des Schadens ist schon dann anzunehmen, wenn eine nachteilige finanzielle Auswirkung nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann. Die Regelungen des Art. II.9.2 c) und g) BGF haben somit einen sich überschneidenden Anwendungsbereich. So ist es nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich, dass eine Verletzung „wesentlicher Verpflichtungen“ aus dem Beschluss gleichzeitig finanziell nachteilige Auswirkungen auf den Haushaltsplan der Union haben kann, also eine „wesentliche Unregelmäßigkeit“ darstellt. Wann ein Betrug gegeben ist, lässt sich mit Hilfe der Definitionsvorschläge der Kommission für eine Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft bestimmen64. Nach dessen Art. 3 Abs. 1 a) umfasst der Tatbestand des Betruges jede vorsätzliche Handlung oder Unterlassung betreffend die Verwendung oder Vorlage falscher, unrichtiger oder unvollständiger Erklärungen oder Unterlagen mit der Folge, dass Mittel aus dem Gesamthaushaltsplan der Gemeinschaft unrechtmäßig erlangt oder zurückbehalten werden. Ebenfalls hiervon erfasst ist das Verschweigen einer Information unter Verletzung einer spezifischen Pflicht und die missbräuchliche Verwendung solcher Mittel zu anderen Zwecken als denen, für die sie ursprünglich gewährt worden sind. Solche Informationspflichten kennt die Verordnung samt der Durchführungsbestimmun-

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gen und des Beschlusses aber wie bereits erwähnt zur Genüge65. Korruption dagegen ist der „Missbrauch anvertrauter Macht zur Erlangung privater Vorteile“66. Begünstigungen für eine politische Partei fallen dabei sicherlich ebenfalls unter ebensolche privaten Vorteile. Für die Möglichkeit, materielle Voraussetzungen einer Einstellung im BGF zu regeln, gilt grundsätzlich das Gleiche wie bei den Aussetzungs- und Kürzungsgründen. Der Beschluss ist auf die gleiche Weise öffentlich bekannt gemacht wie die Durchführungsbestimmungen selbst, da nach Art.  5 S.  2 VO-DB ein Entwurf des Beschlusses den Durchführungsbestimmungen als Anlage beigefügt ist. Art. II.9.2 a) BGF verweist explizit auf die Pflichten und Voraussetzungen der Verordnung und ist von daher ebenfalls nur eine Konkretisierung der Parteienverordnung. Gleiches gilt für Art II.9.2 d), g) und h) BGF, die – wenn auch ein ausdrücklicher Hinweis fehlt – inhaltlich auf die Pflichten des Art. 93 HO rekurrieren. Der Beendigungsgrund der höheren Gewalt nach Art. II.9.2 c) BGF stellt zwar einen materiellen Einstellungsgrund dar, der weder in der Verordnung noch in der Haushaltsordnung genannt ist, jedoch handelt es sich um Situationen, die eine der Parteien, also im speziellen Fall das Europäische Parlament, „daran hindern, eine aus dem Beschluss erwachsende Verpflichtung zu erfüllen“. Hier ist also ein spezieller Fall der subjektiven Unmöglichkeit geregelt, bei dessen Vorliegen die Finanzhilfe sowieso nicht geleistet werden kann. b) Formelle Voraussetzungen der Einstellung Gemäß Art.  II.9.3 Abs.  1 BGF wird die Einstellung der Finanzhilfe grundsätzlich durch Einschreiben mit Rückschein oder auf gleichwertige Art mitgeteilt. Stellt das Europäische Parlament die öffentliche Finanzierung aufgrund der Art. II.9.2 a)–c) und e) BGF ein, verfügt die Partei über eine Frist von 30 Tagen, um ihre Bemerkungen mitzuteilen und gegebenenfalls die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, damit sie den aus dem Beschluss erwachsenden Verpflichtungen weiter nachkommt (Art. II.9.3 Abs. 2 S. 1 BGF). Damit erhalten die Parteien innerhalb der dreißigtägigen Frist die Möglichkeit eine Einstellungsverfügung abzuwenden. Nach Art. II.9.3 Abs. 3 S. 2 BGF beginnt die Frist mit dem Tage des Eingangs der Entscheidung des Europäischen Parlaments über die Einstellung der Finanzhilfe. Stimmt das Europäische Parlament diesen Bemerkungen jedoch nicht innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt schriftlich zu, wird die Einstellung gemäß Art. II.9.3 Abs. 2 S. 2 BGF aufrechterhalten. In den übrigen Fällen des Art. II.9.2 BGF ist eine Frist nicht nur entbehrlich, sondern gar unzulässig. Wegen Art. II.9.4 Abs. 2 BGF ist dem Betroffen auch in den Fällen des Art. II.9.2 f) – h) BGF Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. 65

So zum Beispiel: Art. 4 Abs. 3 VO, Art. I.3.3. S. 2, II.2. Abs. 2 S. 2 BGF. von Arnim, Korruption, S. 16.

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c) Rechtsfolge Wenngleich der Wortlaut des Art. II.9.2 BGF die Einstellung in das Ermessen des Europäischen Parlaments stellt, gilt auch hier, dass eine solche Entscheidung eine „Entscheidung in eigener Sache“ darstellt und einen intensiven Eingriff in das Recht auf Chancengleichheit mit sich bringt, so dass infolgedessen von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen ist, die das Präsidium bindet. Setzt das Europäische Parlament eine Frist nach Art. II.9.3 Abs. 2 BGF, wird die Einstellung gemäß Art. II.9.3 Abs. 2 S. 1 BGF erst nach Ablauf dieser Frist wirksam. Dagegen wird in den Fällen der Art. II.9.2 d), f) – h) BGF die Einstellung schon mit dem Tag nach dem Eingang der Entscheidung des Europäischen Parlaments wirksam (Art. II.9.3 Abs. 4 BGF). Rechtsfolge der Einstellung ist nach Art. II.9.4 Abs. 1 S. 1 BGF, dass die Zahlungen des Europäischen Parlaments auf die vom Empfänger zum Zeitpunkt der Einstellung der Finanzhilfe tatsächlich verauslagten zuschussfähigen Ausgaben begrenzt sind. Damit kommt der Entscheidung ex nunc-Wirkung zu. Dazu werden auch solche Ausgaben nicht mehr bezuschusst, die aufgrund von Verpflichtungen entstehen, die die Partei zwar bereits vor Zugang der Einstellungsverfügung eingegangen ist, die jedoch erst nach der Einstellungsentscheidung erfüllt werden (Art. II.9.4 Abs. 1 S. 2 BGF). Für die vorher entstandenen und somit noch zuschussfähigen Ausgaben muss die Partei gemäß Art. II.9.4 Abs. 1 S. 3 BGF innerhalb einer Frist von 60 Tagen ab dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Einstellung einen Antrag auf Restzahlung einreichen. Geht ein solcher Antrag nicht fristgerecht beim Europäischen Parlament ein, so erstattet es die vom Empfänger verauslagten Ausgaben nicht und zieht alle Beträge ein, deren Verwendung nicht durch von ihm genehmigte Tätigkeits- oder Finanzberichte gerechtfertigt sind (Art. II.9.4 Abs. 1 S. 4 BGF). Art. II.9.4 Abs. 2 und 3 BGF stellen in Ausnahmefällen eine ex tunc-Wirkung der Einstellungsverfügung her. Diese tritt zum einen ein, wenn die Beendigung der Finanzhilfe erfolgt, weil eine Partei den Abschlussbericht über die Durchführung des Arbeitsprogramms und die endgültige Abrechnung der tatsächlich angefallenen Ausgaben nicht innerhalb der Fristen des Art. I.4.2 BGF vorgelegt hat und sie dieser Verpflichtung nicht zwei Monate nach erneuter schriftlicher Aufforderung durch das Europäische Parlament nachgekommen ist. Es sind in diesen Fällen alle Beträge einzuziehen, deren Verwendung nicht durch vom Parlament genehmigte Tätigkeits- und Finanzberichte gerechtfertigt ist. Zum anderen kann das Europäische Parlament nach Art. II.9.4 Abs. 3 BGF im Falle einer Beendigung der Finanzhilfe nach Art. II.9.2 f) – h) BFG die Rückzahlung bereits geleisteter Hilfen verlangen, also insbesondere bei betrügerischem, kriminellem Verhalten oder einer absichtlichen Täuschung. Eine Besonderheit ergibt sich bei einer Einstellung wegen höherer Gewalt. Aus der nach Art. II.6.2 BGF erforderlichen Mitteilung an die Parteien ergibt sich, dass

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der Grund der höheren Gewalt nur eine zeitlich befristete Einstellung der Finanzhilfe zur Folge haben kann, denn in ihr muss die voraussichtliche Dauer des störenden Ereignisses dem Empfänger kundgetan werden. Die Zahlungen sind konsequenterweise an die Partei wieder fortzuführen, sobald die Hinderungsgründe weggefallen sind. Von daher handelt es sich vielmehr um eine vorläufige Beendigung, die der Aussetzung gleicht und eigentlich dort hätte geregelt werden müssen.

XI. Einziehungsverfahren Die Empfänger einer Finanzhilfe sind verpflichtet, dem Parlament unter den von diesem festgelegten Bedingungen und innerhalb der von ihm festgesetzten Frist die betreffenden Beträge zu überweisen, sofern ihnen Beträge zu Unrecht überwiesen wurden oder ein Einziehungsverfahren gemäß den in dem BGF festgelegten Bedingungen gerechtfertigt ist (Art. 9 Abs. 1 VO-DB, Art. II. 15.1 BGF). Beiträge sind dabei insbesondere dann unrechtmäßig überwiesenen, wenn die Vorfinanzierung den Betrag der endgültigen Finanzhilfe überschreitet. In diesem Fall stellt der Generalsekretär oder sein Bevollmächtigter gemäß Art.  7 Abs. 4 S. 2, 6 Abs. 2 S. 2 VO-DB eine Einziehungsanordnung für den Mehrbetrag aus. Schon aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergibt sich, dass es sich hierbei um eine gebundene Entscheidung handelt. Ebenfalls werden den Parteien Zinserträge mittels einer Einziehungsanordnung wieder entzogen (Art. 6 Abs. 6 S. 3 VO-DB). Wenn bis zu dem vom Parlament festgesetzten Termin seitens des Empfängers keine Zahlung erfolgte, setzt das Parlament gemäß Art. 9 Abs. 2 S. 1 VODB, Art. II.15.2 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Art. II.13.3 BGF Verzugszinsen in Höhe von dreieinhalb Prozentpunkten über dem Zinssatz der Europäischen Zentralbank für Hauptrefinanzierungsgeschäfte fest. Die Verzugszinsen gelten für den Zeitraum zwischen dem Tag der Fälligkeit der Zahlung und dem Zeitpunkt, zu dem das Parlament die vollständige Zahlung der fälligen Beträge erhält (Art. 9 Abs. 2 S. 2 VODB, Art. II.15.2 Abs. 2 S. 2 BGF). Zuständiges Organ für den Beschluss ist das Präsidium des Europäischen Parlaments (Art. 209 Abs. 2 GO EP). Es handelt auf der Grundlage eines Vorschlages des Generalsekretärs und hört die Vertreter der betreffenden politischen Partei vor Beschlussfassung an (Art. 209 Abs. 5 S. 1 und 2 GO EP).

XII. Sanktionsverfahren Der Beschluss über die Gewährung einer Finanzhilfe enthält nunmehr auch finanzielle Sanktionen für europäische Parteien. Mit dieser Einfügung ist die frühere Kritik der rechtswissenschaftlichen Literatur am Fehlen von Ahndungs-

A. Gewährung der öffentlichen Mittel

311

möglichkeiten bei Verstößen gegen die Pflichten der Parteienverordnung67 im Grundsatz hinfällig geworden. In den Jahren 2008 bis 2011 hat das Europäische Parlament von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht68. Nach Art.  II.10 S.1 BGF werden gegen Zuschussempfänger, bei denen eine schwere Verletzung der ihnen aus dem Beschluss erwachsenden Verpflichtungen festgestellt wird, gemäß der Haushaltsordnung finanzielle Sanktionen in Höhe von zwei bis zehn Prozent des Gesamtwerts der fraglichen Finanzhilfe nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verhängt. Gemäß Art. II.10. S. 2 BGF kann im Falle einer weiteren Verletzung von Verpflichtungen innerhalb von fünf Jahren nach dem ersten Verstoß dieser Satz auf vier bis 20 Prozent angehoben werden. Über einen Beschluss über die Verhängung einer solchen Sanktion wird die europäische Partei schriftlich informiert (Art. II.10 S. 3 BGF). Ein Entschließungsermessen, ob das Parlament Sanktionen verhängt, sieht der Wortlaut des Art. II.10 BGF eindeutig nicht vor. Im Ermessen steht dagegen die Höhe einer solchen Strafzahlung. Inwiefern ein solches Auswahlermessen zulässig ist, erscheint aber doch problematisch. Wendet man seinen Blick auf das deutsche Parteienrecht sind finanzielle Sanktionen bei Unrichtigkeit eines Rechenschaftsberichtes in §§ 31b und  c PartG in Höhe des Zweifachen des den unrichtigen Angaben entsprechenden Betrages festzusetzen. Insofern lässt der deutsche Gesetzgeber der Verwaltung keinen Spielraum, eigene Erwägungen auf Rechtsfolgenseite in die Entscheidung mit einfließen zu lassen. Auch an dieser Stelle kommt zum Tragen, dass die Verhängung finanzieller Sanktionen eine „Entscheidung in eigener Sache“ ist und in das Recht auf Chancengleichheit einer Partei eingreift69. Engt das Prinzip der Chancengleichheit in seiner strikt formalen Ausprägung schon das Ermessen des Gesetzgebers ein70, so muss dies erst recht für administrative Entscheidungen gelten. In einer solchen Funktion tritt hier auch das Europäische Parlament als mittelverwaltende Stelle auf. Gleichzeitig ist jedoch zu beachten, dass hier nicht das Entschließungs-, sondern lediglich das Auswahlermessen des Parlaments betroffen ist. So werden europäische Parteien zumindest bei der Entscheidung formal gleichbehandelt, ob überhaupt eine Sanktionierung des Verstoßes erfolgt. Wird jedoch die Höhe einer „Strafzahlung“ nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ins Ermes 67 Bieber, in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 191 EGV Rn. 14; von Arnim/ Schurig, EU-Parteienfinanzierung, S. 87 f.; hingegen beurteilte Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 212 die schon vorher existierenden Aussetzungs- und Kürzungsmöglichkeiten als Sanktionsregelungen. 68 Entschließung des Europäischen Parlaments vom 06. April 2011, Erwägung AB, abrufbar unter: www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-20110143+0+DOC+XML+V0//DE Stand: 11.10.2011. 69 Klein, NJW 2000, 1441 (1447) hält administrative Ermessensentscheidungen aus diesem Grund für gänzlich ausgeschlossen; so wohl auch: Lenz, ZRP 2001, 297 (299 f.); ähnlich auch Muthers, Parteienfinanzierung, S. 115 f., die eine Ermessensentscheidung lediglich dann für möglich hält, wenn eine Ermessenssituation erstmalig auftritt. 70 So zum deutschen Recht: BVerfG, NVwZ 2005, 1473 f.

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§ 7 Verfahren zur Festsetzung der öffentlichen Mittel 

sen des Europäischen Parlaments gestellt, besteht die Gefahr, dass einzelne politische Gruppierungen tatsächlich bevorzugt werden oder auch nur der Anschein einer Besserstellung erweckt wird. Andererseits eröffnet dies der mittelverwaltenden Stelle Möglichkeiten, flexibel auf den Einzelfall zu reagieren und gegebenenfalls Sanktionen so zu verhängen, dass eine Partei nicht in den finanziellen Ruin getrieben wird71. Maßgebliche Kriterien für das Auswahlermessen sind die Schwere des Versto­ ßes und das Verschulden der betreffenden Partei72. Gleichzeitig darf man aber nicht übersehen, dass eine solche Einzelfallbeurteilung in Widerspruch zur formalen Gleichbehandlung aller Parteien stehen kann. Eine solche Gleichheit führt bei der Vergabe öffentlicher Mittel dazu, dass es primär auf eine Verteilungs- und weniger auf eine Einzelfallgerechtigkeit ankommt. Aus diesem Grund ist im Parteienrecht auch bedeutsamer, dass für die Parteien konstante Vergabebedingungen herrschen, als dass der öffentlichen Gewalt flexible Einzelfalllösungen ermöglicht werden73. Konsequenterweise muss dies auch im umgekehrten Fall der Rückgewähr staatlicher Leistungen gelten. Vor diesem Hintergrund kann es nicht zulässig sein, dass die Höhe finanzieller Sanktionen im Ermessen des Europäischen Parlaments steht. Es ist eine hinreichend bestimmte Regelung erforderlich, die das Europäische Parlament als mittelverwaltende Stelle von eigenen Ermessenserwägungen befreit und allein aufgrund eines tatbestandlichen Subsumtionsvorganges in die Lage versetzt, Strafzahlungen festzusetzen.

XIII. Rechtsschutz Nach Art. 13 VO-DB können gegen die gemäß der vorliegenden Regelung gefassten Beschlüsse Rechtsmittel vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften und dem Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften unter den im Vertrag vorgesehenen Bedingungen eingelegt werden. Hierfür steht betroffenen politischen Parteien die Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV zur Verfügung. Sachlich zuständig ist gemäß Art. 256 Abs. 1 AEUV i. V. m. Art. 51 EuGH-Satzung der EUGH. Ist die Klage zulässig und begründet, so erklärt der EuGH den Beschluss nach Art. 264 Abs. 1 AEUV für nichtig. Das Urteil hat dabei ex-tunc-Wirkung, so dass der Kläger in die Lage vor Erlass des Beschlusses zurückversetzt wird74. Auf den ersten Blick erscheint auf diesem Weg für die Parteien ein effektiver Rechtsschutz gewährleistet. Sind Parteien der Ansicht, von einer rechtswidrigen Entscheidung betroffen zu sein, steht ihnen der Rechtsweg zu den europäischen 71

Vgl. Winkler, JA 2000, 517 (522). Vgl. Morlok, NJW 2000, 761 (768). 73 Volkmann, Politische Parteien und öffentliche Leistungen, S. 320. 74 Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 5, Rn. 2859. 72

A. Gewährung der öffentlichen Mittel

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Gerichten offen, die eine etwaige Rechtsverletzung beseitigen können. Doch Probleme können sich auf einer anderen Ebene ergeben. Klagen beim EuGH haben nach Art. 278 S. 1 AEUV keine aufschiebende Wirkung. Damit bleibt aber eine vermeintliche Rechtsverletzung für die Dauer des Rechtsschutzverfahrens – was sich bei Entscheidungen des EuGH als durchaus langwierig erweisen kann75  – bestehen und kann mit schwerwiegenden Nachteilen im politischen Wettbewerb verbunden sein. Werden einer Partei etwa rechtswidrig öffentliche Mittel versagt, erhält sie solange keine Finanzhilfen, solange auch das Klageverfahren vor den europäischen Gerichten schwebt. Dieses Szenario kann die Partei verhindern, indem sie sich kurzfristig und vorläufig im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Abhilfe verschafft. Der EuGH kann nach Art. 278 S. 2 AEUV, wenn er dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Maßnahme aussetzen. Die Begründetheit des Antrags hängt hierbei maßgeblich von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache ab76. Darüber hinaus muss der Antrag dringlich sein, was der Fall ist, wenn die Anordnung bereits vor der Entscheidung zur Hauptsache erlassen werden muss, damit der Antragsteller keinen schweren und nicht wieder gut zu machenden Schaden erleidet77. Ein schwerwiegender Schaden ist dann gegeben, wenn nach den Umständen des Einzelfalls der Schaden eine erhebliche Intensität aufweist78, wobei nicht nur auf die absolute Schadenshöhe, sondern ebenso auf deren Verhältnis zum Gesamtumsatz abzustellen ist79. Ferner muss der Schaden irreversibel sein; es darf also nicht möglich sein, ihn wieder auszugleichen80. Wer im Zusammenhang mit der Parteienfinanzierung allein auf mögliche finanzielle Schäden abstellt, müsste die Irreversibilität regelmäßig verneinen, da sich diese auch später im Wege einer Schadensersatzklage beheben lassen. Doch lässt sich der eigentliche Schaden aus Sicht gerade nicht isoliert auf die wirtschaftliche Ebene reduzieren. Er liegt auch und sogar vor allem in der Beeinträchtigung der Chancengleichheit der Parteien, die sich freilich auf der finanziellen Seite manifestiert, indem der Partei öffentliche Mittel vorenthalten werden. Indes lassen sich die hiermit verbundenen Nachteile nicht ohne weiteres nachträglich heilen, denn die betroffene Partei ist für den Zeitraum des Hauptsacheverfahrens im Verhältnis zu ihren Konkurrenten in ihren Mitwirkungsmöglichkeiten bei der öffentlichen Willensbildung beschränkt. Dieser Schaden ist für die politische Partei aber irreversibel. Daher wird auf dem Gebiet der öffentlichen Parteienfinanzierung regelmäßig anzunehmen sein, dass die Dringlichkeitsgründe des einstweiligen Rechtsschutzes vorliegen. 75 So lag im Jahr 2009 die durchschnittliche Verfahrensdauer von Klageverfahren beim EuGH bei 17,1 Monaten; Pressemitteilung des EuGH Nr. 29 vom 15.03.2010. 76 Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 5, Rn. 3627. 77 Thiele, Europäisches Prozessrecht, § 11 Rn. 48. 78 Thiele, Europäisches Prozessrecht, § 11 Rn. 48. 79 Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 5, Rn. 3635. 80 Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 5, Rn. 3637.

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§ 7 Verfahren zur Festsetzung der öffentlichen Mittel 

B. Nachprüfung der Parteieigenschaften nach Art. 5 VO Die Gewährung von Finanzhilfen aus dem Haushalt der Europäischen Union ist davon abhängig, dass die Partei die Voraussetzungen der Art. 2 und 3 VO erfüllt. Art. 5 Abs. 1–3 VO regelt insofern das Verfahren, nach dem das Europäische Parlament überprüft, ob der Partei ein Anspruch auf öffentliche Mittel zusteht.

I. Nachprüfung nach Art. 5 Abs. 1 VO Gemäß Art. 5 Abs. 1 VO prüft das Europäische Parlament regelmäßig nach, ob die politischen Parteien auf europäischer Ebene die in Art. 3 Abs. 1 a) und b) VO genannten Voraussetzungen weiterhin erfüllen. Die Voraussetzung, an Wahlen zum Europäischen Parlament gemäß Art. 3 Abs. 1 d) VO teilnehmen zu wollen, wird dagegen nicht überprüft. Für die regelmäßige Nachprüfung ist nach Art. 10 Abs. 1 VO-DB der Generalsekretär zuständig. Kommt der Generalsekretär des Europäischen Parlaments zu dem Schluss, dass eine europäische Partei die Voraussetzungen nicht mehr erfüllt, so ist sie gemäß Art.  5 Abs.  3 VO von der Finanzierung ausgeschlossen81. Einerseits kann das Präsidium die Finanzhilfe gemäß Art. 8 Abs. 1 c) VO-DB aussetzen, andererseits kann das Parlament sie auch gemäß Art. II.9.2 a) BGF beenden.

II. Nachprüfung nach Art. 5 Abs. 2 VO Nach Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 VO prüft das Europäische Parlament auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder, die mindestens drei Fraktionen im Europäischen Parlament vertreten, durch Beschluss der Mehrheit seiner Mitglieder nach, ob die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 c) VO bei einer politischen Partei auf europäischer Ebene weiterhin erfüllt sind82. Hat ein solches Nachprüfungsverfahren Erfolg, führt dies ebenso zu einem Ausschluss von der öffentlichen Finanzierung83. Hat das Europäische Parlament festgestellt, dass eine politische Partei auf europäischer Ebene die Grundsätze des Art. 3 Abs. 1 c) VO nicht mehr beachtet, beschließt nach Art. 209 Abs. 6 GO EP das Präsidium des Parlaments den Ausschluss der Partei von der Finanzierung. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass das Präsidium die Finanzhilfe gemäß Art. 8 Abs. 1 c) VO-DB aussetzt bzw. eine Beendigung seitens des Europäischen Parlaments nach Art. II.9.2 a) BGF erfolgt. 81

Vgl. ausführlich zu den Rechtsfolgen bei Fehlen der Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 a) und b) VO: § 5 B. 82 Zu den Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 c) VO: § 5 B. 83 Zu den Rechtsfolgen: § 5 B. III. 1.

B. Nachprüfung der Parteieigenschaften nach Art. 5 VO 

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Damit ein Nachprüfungsverfahren nach Art. 5 Abs. 2 VO beginnt, bedarf es im Gegensatz zum Verfahren nach Art. 5 Abs. 1 VO eines Antrags eines Viertels der Mitglieder des Europäischen Parlaments, die mindestens drei Fraktionen im Europäischen Parlament vertreten. Die Antragstellung liegt dabei im freien Ermessen der Abgeordneten. Die Antragstellung ist keine rechtliche, sondern in erster Linie eine politische Entscheidung, die sich hauptsächlich nach politischen Zweckmäßigkeitserwägungen richten darf84. Von daher kommt eine Ermessensreduzierung auf Null, die die Mitglieder des Europäischen Parlaments zu einer solchen Antragstellung verpflichtet, nicht in Betracht85. Gegen eine Verpflichtung der Antragsberechtigten spricht unter anderem, dass sie rechtlich schon gar nicht durchsetzbar ist. Niemand wäre antrags- oder klageberechtigt, das betreffende Organ zu zwingen, einen Antrag auf Nachprüfung zu stellen86. Zum anderen ist ein Antrag auf Ausschluss aus der öffentlichen Parteienfinanzierung eine politische Entscheidung der Abgeordneten, die gerade nicht allein unter dem Blickwinkel betrachtet werden soll, ob die Tatbestandsmerkmale des Art. 3 Abs. 1 c) VO vorliegen. Kernelement einer solchen Entscheidung sind die einer „wehrhaften Demokratie“ immanenten Zweckmäßigkeitserwägungen, ob man im Einzelfall die Demokratie vor sich selbst schützen will oder ob man sie als so stabil ansieht, dass man auch bestimmte Gefahrenherde zulässt87. Es muss den Antragsberechtigten daher auch möglich sein, aus politischen Gründen zur Einsicht zu gelangen, dass es statt eines Finanzierungsausschlusses vorteilhafter ist, sich mit einer Partei allein im politischen Diskurs auseinanderzusetzen und ihr die Chance zu verwehren, sich als „politischen Märtyrer“88 darzustellen, der mit rechtlichen Mitteln „ins Abseits“ gestellt werden soll. Versteht man aber das Nachprüfungsverfahren als Bestandteil einer europäischen wehrhaften Demokratie, lassen sich die unterschiedlichen Facetten, die im Rahmen solcher Entscheidungen zum Vorschein kommen, schwerlich mit einer Verpflichtung des Parlaments in Einklang bringen. Ein solches Verständnis muss Art. 5 VO lediglich als Ermächtigung, nicht jedoch als Verpflichtung für die Antragsteller begreifen. Nach dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 2 VO ist ein Antrag aber schon von vornherein unzulässig, wenn im Europäischen Parlament lediglich zwei Fraktionen vertreten sind oder wenn bei nur drei Fraktionen ein Antrag gegen eine europä-

84

Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 208. Zum deutschen Recht: Kunig, Jura 1991, 247 (256); Volkmann, DÖV 2007, 577 (582). Maurer, AöR 96 (1971), 203 (226) gewährt den Antragstellern hingegen lediglich einen weit gesteckten Ermessensspielraum, welcher jedoch beispielsweise dann überschritten wäre, wenn dem Bedeutungszuwachs einer radikalen Partei nur noch mit einem Verbotsverfahren beizukommen wäre. 86 Zum Antrag eines Parteiverbotsverfahrens nach deutschem Recht: Volkmann, DÖV 2007, 577 (581). 87 Vgl. zum Art. 21 Abs. 2 GG: Volkmann, DÖV 2007, 577 (582); hierzu auch schon: § 5 B. III. 1. a). 88 Streinz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 21 Rn. 244. 85

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§ 7 Verfahren zur Festsetzung der öffentlichen Mittel 

ische Partei gestellt wird, die ebenfalls über einen Fraktionsstatus verfügt89. Dies führt zu dem seltsamen Ergebnis, dass Art. 5 Abs. 2 VO in diesen Konstellationen keinen Anwendungsbereich mehr hat und die Ausformung der wehrhaften Demokratie auf Unionsebene in Art. 3 Abs. 1 c) VO praktisch ins Leere läuft. Eine derartige Konstellation mag bei aktuell sieben im Europäischen Parlament vertretenen Fraktionen äußerst unwahrscheinlich anmuten, ausschließen lässt sie sich bei den ständigen Veränderungen der europäischen Parteienlandschaft indes nicht. Eine Änderung plant der Verordnungsgeber jedoch ebenso wenig wie eine Auslegung gegen den Wortlaut des Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 VO möglich ist, wonach in solchen Fällen das Erreichen des Viertel-Quorums genügen könnte. Insoweit ist der Wortlaut des Art. 5 Abs. 2 VO eindeutig. Vor der Einleitung einer solchen Nachprüfung hört das Europäische Parlament gemäß Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 VO die Vertreter der betreffenden politischen Partei auf europäischer Ebene an und bittet einen Ausschuss, dem unabhängige Persönlichkeiten angehören, innerhalb einer angemessenen Frist zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Dabei beschreibt die Geschäftsordnung des Parlaments das Verfahren, das nach der Antragstellung mit einer Aussprache in der Konferenz der Präsidenten beginnt, worauf der Parlamentspräsident den Ausschuss für konstitutionelle Fragen zur Prüfung auffordert, ob eine europäische Partei die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 c) VO noch erfüllt (Art. 210 Abs. 1 GO EP)90. Der Ausschuss hört, bevor er dem Europäischen Parlament einen Vorschlag für einen Beschluss unterbreitet, gemäß Art. 210 Abs. 2 GO EP die Vertreter der betreffenden Partei an und holt die Stellungnahme des Ausschusses unabhängiger Persönlichkeiten ein und prüft diese. Der Ausschuss unabhängiger Persönlichkeiten besteht aus drei Mitgliedern, wobei das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission jeweils ein Mitglied benennen (Art. 5 Abs. 2 UAbs. 3 VO). Vertreter des Parlaments ist kraft Amtes dessen Präsident (Art. 210 Abs. 5 GO EP). Hat der Ausschuss un­ abhängiger Persönlichkeiten seine Stellungnahme abgegeben, unterbreitet der Ausschuss für konstitutionelle Fragen dem Plenum einen Entscheidungsvorschlag. Sowohl für diesen Entscheidungsvorschlag als auch für den späteren Beschluss des Europäischen Parlaments hat die Stellungnahme des Ausschusses der unabhängigen Persönlichkeiten lediglich eine beratende Funktion, und beide Organe sind an dessen Ergebnis nicht gebunden91. Für die Feststellung, ob die betreffende politische Partei auf europäischer Ebene die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 c) VO erfüllt, bedarf es nach Art. 5 Abs. 2 UAbs 1 VO eines Beschlusses der Mehrheit der Mitglieder des Europäischen Parlaments. Damit fordert die Verordnung eine absolute Mehrheit der gesetzlichen 89

Klein, in: FS Ress, S. 541 (547). Die Zuständigkeit des Ausschusses für konstitutionelle Fragen ergibt sich wiederum aus Anlage VII Nr. XVIII. Nr. 6 zur GO EP. 91 Vgl. zur endgültigen Entscheidung des Parlaments: Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 166. 90

B. Nachprüfung der Parteieigenschaften nach Art. 5 VO 

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Mitglieder. Eine weitere qualifizierte Mehrheit ist nicht erforderlich92. Allerdings regelt Art. 210 Abs. 3 S. 1 GO EP hiervon abweichend, dass das Parlament den Vorschlag mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen – also einer relativen Mehrheit – annimmt93. Beide, Geschäftsordnung und Verordnung, widersprechen sich somit. Art. 5 Abs. 2 UAbs. 1 VO steht dabei aber im Kontrast zu Art. 231 Abs. 1 AEUV, wonach das Europäische Parlament, soweit die Verträge nichts anderes bestimmen, mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen beschließt. Eine solche anderweitige Regelung ist in den Verträgen jedoch nicht ersichtlich. Einzig und allein käme die Geschäftsordnungsautonomie des Europäischen Parlaments in Betracht, die es bei Entscheidungen über seine interne Organisation der parlamentarischen Arbeit erlaubt, vom primärrechtlichen Grundsatz der relativen Mehrheit abzuweichen94. Der Ausschluss europäischer Parteien aus der öffentlichen Finanzierung stellt aber gerade nicht einen solchen Fall einer internen Organisationsregel dar. Obwohl es sich auch bei Parteienfinanzierungsentscheidungen um Entscheidungen „in eigener Sache“ handelt, betreffen die Regelungen des europäischen Parteienrechts in erster Linie Parteien als gesellschaftliche Gruppierungen95. Auch wenn man grundsätzlich den Begriff „Entscheidungen in eigener Sache“ weit auslegen will, da die mit solchen Entscheidungen verbundenen politischen, rechtlichen und demokratischen Probleme sich in einer Vielzahl von parteienrechtlichen Sachverhalten wiederfinden, greifen diese Überlegungen dann hier ausnahmsweise doch nicht. All die Bedenken, die man im Rahmen von Entscheidungen in eigener Sache vorbringen kann, setzen sich aber gerade nicht bei Mehrheitsregeln fort und lassen sich von daher nicht auf diesen Bereich übertragen. Das Verständnis, wann eine interne Organisationsregel vorliegt, ist als Ausnahme vom Grundsatz des Art. 231 Abs. 1 AEUV eng auszulegen. Art. 210 Abs. 3 S. 1 GO EP stellt damit lediglich den Zustand klar, wie er nach den Verträgen sowieso zu bestehen hat, so dass aus primärrechtlicher Perspektive nur die Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments angewendet werden kann und eine einfache Mehrheit für eine Feststellung nach Art. 5 Abs. 2 VO genügt. Findet der Vorschlag des Ausschusses für konstitutionelle Fragen keine Mehrheit, so gilt nach Art. 210 Abs. 3 S. 3 GO EP ein Beschluss mit gegenteiligem Inhalt als angenommen. Änderungsanträge können gemäß Art. 210 Abs. 3 S. 2 GO EP nicht eingereicht werden. Nach Art. 210 Abs. 4 GO EP erzeugt der Beschluss des Parlaments Rechtswirkung ab dem Tag der Einreichung des Antrags auf Nachprüfung. Vergleicht man den europarechtlichen Finanzierungsausschluss aufgrund eines Verstoßes gegen Grundwerte der Europäischen Union mit dem Parteiverbotsverfahren in Deutschland, so fällt ein entscheidender Unterschied auf der Zuständig 92

Dies kritisiert Klein, in: FS Ress, S. 541 (546). Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 258 f. 94 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S. 258 f. 95 Vgl. hierzu: § 4 A. I. 3. 93

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§ 7 Verfahren zur Festsetzung der öffentlichen Mittel 

keitsebene auf: auf europäischer Ebene befindet das Europäische Parlament über diese Frage, während in Deutschland  – wie auch in einigen anderen Mitglied­ staaten der Union  – das Verfassungsgericht über ein Parteiverbot entscheidet96. Kersten sieht eine solche Kompetenzübertragung auf das Europäische Parlament als durchaus zulässig an97. Freilich siedelt er diese Problematik im Bereich eines Parteiverbotsverfahrens an, während es sich bei der Regelung des Art. 5 VO nach der hier vertretenen Ansicht lediglich um einen Finanzierungausschluss handelt. Das europäische Primärrecht gebe nach dem Ansatz Kerstens dem Verordnungsgeber auch die Möglichkeit, ein parlamentarisches Parteiverbotsverfahren vorzusehen, solange sich daran nur ein gerichtliches Rechtsschutzverfahren anschließe98. Hiergegen wendet sich insbesondere von Arnim99, der neben anderen Kritikern einer solchen Zuständigkeit des Parlaments vorschlägt, dass ein gerichtliches supranationales Organ, insbesondere der EuGH, diese Entscheidung zu treffen habe100. Entscheidet das Europäische Parlament über den Statusverlust einer Partei, beinhalte dies eine erhebliche Missbrauchsgefahr, da das Parlament nicht in richterlicher Unabhängigkeit und Neutralität hierüber beschließe101. An dieser Einschätzung könne die Zwischenschaltung des Ausschusses unabhängiger Persönlichkeiten nichts ändern, dessen Bedeutung aufgrund seiner rein beratenden 96 Vgl. hierzu: § 46 Abs. 3 BVerfGG; über die Verfassungsmäßigkeit politischer Parteien entscheiden ebenso die Verfassungsgerichte in anderen Staaten: so bspw. Portugal: de Sousa, in: Tsatsos/Schefold/Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 591 (624); Bulgarien: Konstantinov, in: Tsatsos/Kedzia, Parteienrecht in mittel- und osteuropäischen Staaten, S. 23 (61 f.); Polen: Kedzia, in: Tsatsos/Kedzia, Parteienrecht in mittel- und osteuropäischen Staaten, S. 115 (156 f.); über das Mittel des Vereinsverbotes bleibt ebenfalls die Entscheidung den Gerichten vorbehalten zum Beispiel in den Niederlanden, Elzinga, in: Tsatsos/Schefold/ Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 499 (546) und in Ungarn, Halmai, in: Tsatsos/Kedzia, Parteienrecht in mittel- und osteuropäischen Staaten, S. 273 (301 f.); differenzierende Lösungen gibt es insbesondere in Spanien, Puente-Egido, in: Tsatsos/Schefold/ Schneider, Parteienrecht im europäischen Vergleich, S. 635 (681 f.) und in Litauen, Vadapalas, in: Tsatsos/Kedzia, Parteienrecht in mittel- und osteuropäischen Staaten, S. 73 (106 f.). 97 Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191, Rn. 183, wenn er auch ein dem bundesdeutschen Parteienprivileg analog gestaltete Verfahrensweise für rechtspolitisch wünschenswert erachtet; so wohl auch Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 199. Soweit Jopp u. a., Feasibility of a future european statute of european political parties, S. 54 davon ausgehen, dass in ihrem Vorschlag zu einem europäischen Parteienstatut das Europäische Parlament über ein Parteiverbot zu entscheiden hätte, ist wohl ebenso davon auszugehen, dass es bei der Entscheidung über die Zulassung zur Parteienfinanzierung diese Punkte prüfen darf. Epping, Gutachten Parteienfinanzierung, S. 56 siedelt die Frage einer Entscheidungszuständigkeit hinsichtlich des Ausschlusses einzelner Parteien von der staatlichen Parteienfinanzierung in Deutschland im politischen und nicht im rechtlichen Bereich an, so dass bei einer Übertragung dieser Ansicht auf das europäische Recht, ebenfalls von einer Zulässigkeit der Prüfung durch das Europäische Parlament auszugehen ist. 98 Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 183; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 199. 99 von Arnim, NJW 2005, 247 (252 f.). 100 Armbrecht, Politische Parteien im europäischen Verfassungsverbund, S.  260; Papadopoulou, Politische Parteien auf europäischer Ebene, S. 208. 101 Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 224 AEUV Rn. 12.

B. Nachprüfung der Parteieigenschaften nach Art. 5 VO 

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Funktionen ohnehin nur gering sei102. Die Möglichkeit einer anschließenden Klärung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses im gerichtlichen Verfahren sei unzureichend, da sie durchaus erst dann ergehen könne, wenn es für die betreffende Partei schon zu spät sei103. Darüber hinaus sei hierdurch kein effektiver Rechtsschutz gewährleistet, da der EuGH dem Europäischen Parlament stets einen Ermessensspielraum zugebilligt habe104. Entscheidender Gesichtspunkt in diesem Zusammenhang ist die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes. Den Einwendungen gegen eine Entscheidungszuständigkeit des Parlaments kann man schwerlich etwas entgegensetzen, wenn sie darauf hinweisen, dass das Parlament als politisches Organ durchaus der Gefahr erliegen kann, seine Kompetenz zu missbrauchen, um politische Gegner im Wettbewerb zu beeinträchtigen. Dieses Risiko lässt sich aber mit einem adäquaten Rechtsschutzverfahren einfangen. Eine gerichtliche Überprüfung vermag einen etwaigen Missbrauch des Parlaments auf zwei – einem unmittelbaren und einem mittelbaren – Wegen einzudämmen. Unmittelbar kann der Betroffene durch den EuGH die Entscheidung des Parlaments aufheben lassen. Aber auch mittelbar kann die Gewährung von Rechtsschutz vor den europäischen Gerichten zu einer Selbstdisziplinierung des Parlaments führen. Blickt man auf die Diskussion zu einem möglichen NPD-Verbotsverfahren in Deutschland, wird die Frage, ob man einen Antrag vor dem Verfassungsgericht stellen sollte, im Wesentlichen unter dem Aspekt diskutiert, dass sein Scheitern für die betroffene Partei ein „Ritter­ schlag“ sei105. Mit einer gerichtlichen Aufhebung des Finanzierungsausschlusses droht auf europäischer Ebene aber gleichsam ein Ansehensverlust des Parlaments in der Öffentlichkeit. Es wäre damit zu rechnen, dass sich die Medienlandschaft – sei es die noch schwach ausgeprägte europäische oder aber die jeweiligen nationalstaatlichen – überaus kritisch mit diesem Verfahren ausein­andersetzen würde. Dies allein sollte schon zu einer Selbstdisziplinierung der politischen Akteure beitragen. Voraussetzung hierfür ist dann aber, dass den Betroffenen tatsächlich ein effektiver Rechtsschutz gewährt wird, was – wie bereits gezeigt – durchaus der Fall ist. Gegen die Entscheidung des Europäischen Parlaments besteht nach Art. 13 VODB i. V. m. Art. 263 Abs. 4 AEUV die Möglichkeit der Nichtigkeitsklage für die betroffene Partei106. Dieses wird im besonderen Maße durch die Möglichkeit eines einstweiligen Rechtsschutzes verstärkt, der aufgrund der Tatsache, dass mit dem Finanzierungsausschluss ein intensiver Eingriff in die Chancengleichheit der politischen Parteien einhergeht, regelmäßig eröffnet sein sollte. 102 von Arnim, NJW 2005, 247 (252 f.); eine Missbrauchsgefahr sieht auch Merten, MIP 2004/2005, 45 (48) und befürwortet wohl eine Verlagerung der Prüfungszuständigkeit auf die Kommission; hiergegen: Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 193. 103 von Arnim, NJW 2005, 247 (253). 104 Huber, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 224 AEUV Rn. 12. 105 So die Formulierung von Maaßen in der Welt vom 12.11.2012. 106 Kersten, in: Kersten/Rixen, PartG, Art. 191 Rn. 177.

§ 8 Zusammenfassung 1. Seit dem Jahr 2004 subventioniert die Europäische Union politische Parteien auf europäischer Ebene auf der Grundlage einer hierzu erlassenen Verordnung. Dabei wurden die Finanzhilfen an die Parteien bis zum heutigen Tage kontinuierlich erhöht und bilden den größten Teil der Einnahmen der europäischen Parteien. Zudem erhalten fast alle Organisationen noch Beiträge i­hrer Mitgliedsparteien, aber kaum Spenden von Privatpersonen oder Unternehmen. 2. Die Europäische Union ist schon aufgrund der ausdrücklichen Ermächtigung des Art. 224 AEUV dazu berechtigt, eine finanzielle Unterstützung der politischen Parteien auf europäischer Ebene mittels einer Verordnung einzuführen und zu regeln. 3. Mit einer öffentlichen Parteienfinanzierung gehen jedoch eine Reihe von Gefahren einher. Hierzu zählen insbesondere – der Verlust einer Rückbindung der Partei und der Parteielite zu Gesellschaft und Parteibasis – eine Perpetuierung der Parteienlandschaft – eine Verfälschung der bestehenden Wettbewerbslage der Parteien – der Anschein einer „Selbstbedienungsmentalität“ der Parteien beim „Griff“ in die öffentlichen Kassen und ein hiermit einhergehender Ansehensverlust. 4. Auf der anderen Seite ann eine öffentliche Finanzierung auch mit Vorteilen verbunden sein. Diese liegen in erster Linie in den Gefahren privater Finanzquellen. So können – Groß- und Unternehmerspenden den Eindruck der „Käuflichkeit“ einer Partei erwecken – finanzkräftige Spender die politische Gleichheit der Bürger gefährden, wenn ihnen aufgrund ihrer wirtschaftlichen Potenz ein größerer politischer Einfluss in der Partei zukommt – Parteien, die eine finanzkräftige Wählerschaft ansprechen, bevorzugt werden. 5. Ob man politische Parteien fördern will, hängt maßgeblich von der Einschätzung ab, inwiefern eine öffentliche Finanzierung die Parteien bei ihrer Funktionserfüllung beeinträchtigen oder unterstützen kann. Für die europäischen Parteien gilt indes die Besonderheit, dass sie ihre Aufgaben für ein demokratisches System noch gar nicht ausfüllen. Die Gründe hierfür liegen im We-

§ 8 Zusammenfassung

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sentlichen im institutionellen Aufbau und den strukturellen Eigenarten der Europäischen Union. Ziel des europäischen Parteienrechtes ist aber, die Europaparteien künftig in eine Lage zu versetzen, ihren Funktionen im politischen Prozess gerecht zu werden. Hierfür benötigen sie in ausreichendem Maß finanzielle Ressourcen. Eine Subventionierung durch die Europäische Union kann dabei den europäischen Parteien helfen, sich von ihren Mitgliedsparteien und den Fraktionen im Europäischen Parlament zu emanzipieren. Ebenso hatte die Einführung der Finanzhilfen mit der dort verankerten Rechenschaftspflicht die positive Folge, dass die europäischen Parteien erstmals zu einer wirtschaftlichen Transparenz verpflichtet wurden. 6. In einer Zusammenschau der sowohl mit öffentlichen als auch privaten Finanzquellen verbundenen Chancen und Risiken spricht vieles dafür, dass man einen Mittelweg zwischen beiden Finanzierungsarten beschreiten sollte, um die jeweiligen Gefahren zu minimieren. Dies entspricht auch der Stellung der europäischen Parteien im Primärrecht, die eine Zwischenstellung zwischen öffentlicher Gewalt und gesellschaftlicher Sphäre einnehmen. 7. Die öffentliche Finanzierung durch die Europäische Union sollte jedoch berücksichtigen, dass europäische Parteien ihre Aufgaben im politischen System der Union nur in einem geringen Umfang wahrnehmen, und daher auch auf einen bestimmten Umfang begrenzen. Dabei kann man zwar durchaus die Ausrichtung des europäischen Parteienrechtes auf eine mögliche künftige Bedeutung der Parteien angemessen im Rahmen der Höhe der Finanzmittel einbeziehen, indem man ihnen eine „Anschubfinanzierung“ über ihre aktuellen Aufgaben hinaus zukommen lässt. Gleichwohl muss man ihrer derzeitigen Bedeutung aber ebenfalls hinreichend Rechnung tragen. 8. Dagegen lässt sich eine Pflicht des Verordnungsgebers zur Subventionierung nicht aus Art. 224 AEUV ableiten. Er ist lediglich hierzu ermächtigt. 9. Die europäische Parteienfinanzierung ist an bestimmten parteienrechtlichen Grundsätzen und Prinzipien zu messen: Parteienfreiheit, Chancengleichheit, Recht der Unionsbürger auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung und dem Öffentlichkeitsgrundsatz. 10. Den europäischen politischen Parteien wird die Freiheit zur Parteigründung durch Art. 6 Abs. 1 EUV i. V. m. Art. 12 Abs. 2 i. V. m. 12 Abs. 1 GRCh gewährt. 11. Zusätzlich wird den europäischen Parteien als Folge der Gründungsfreiheit das Recht auf freie Betätigung eröffnet. Hierzu zählt insbesondere die Finanzierungfreiheit in Form der Einnahmen- und Ausgabenfreiheit. 12. Auch das europäische Recht kennt analog zum Grundsatz der Staatsfreiheit in Deutschland eine „Unionsfreiheit“, nach der die Parteien in der Gesellschaft verwurzelt bleiben bzw. sich dort verwurzeln müssen.

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13. Die Chancengleichheit ist Ausfluss der Pflicht der europäischen Institutionen zur Neutralität gegenüber dem Parteienwettbewerb und Folge des Prinzips der demokratischen Herrschaft auf Zeit. Sie dient insofern auch dem Schutz politischer Minderheiten. Dabei ist das Recht auf Chancengleichheit streng formal ausgestaltet und Differenzierungen zwischen den Parteien sind grundsätzlich unzulässig, sofern sie nicht durch zwingende Gründe ausnahmsweise gerechtfertigt sind. Dies ist insbesondere möglich, wenn eine schematische Gleichbehandlung die Wettbewerbslage verfälschen und die bestehenden Unterschiede zwischen den Parteien nivellieren könnte. 14. Aus Art. 9 Abs. 1 EUV ergibt sich zudem ein Recht der Unionsbürger auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung, das ebenfalls streng formal ausgestaltet ist und Durchbrechungen nur aus zwingenden Gründen erfahren kann. 15. Europäische Parteien sind zur Transparenz verpflichtet. Dies ergibt sich aus ihrer Mitwirkungsaufgabe an der politischen Willensbildung der Bürger nach Art. 10 Abs. 4 EUV und ihrer Subventionierung durch die öffentliche Hand. 16. Trotz der Formulierung des Art. 3 VO handelt es sich bei ihm nicht um eine Definition eines europäischen Parteibegriffes. Aufgrund seiner Rechtswirkungen beschreibt er lediglich die Zugangsvoraussetzungen zum Sockelbetrag der europäischen Parteienfinanzierung. 17. Art. 10 Abs.  4 EUV, Art.  224 AEUV gehen von einem offenen Parteienbegriff aus. Daher gelten auch Parteienföderationen als „politische Parteien auf europäischer Ebene“ und sind zu Recht vom Anwendungsbereich der Verordnung erfasst. Während Bürgerparteien nach der dualen Legitimationsstruktur dem Element der „Union der Bürger“ entsprechen, bilden die Parteiföderationen das Äquivalent zur „Union der Staaten“. Solange die Union über beide Stränge legitimiert ist, solange müssen auch beide Organisationsmodelle für europäische Parteien möglich sein. 18. Das Erfordernis einer transnationalen Betätigung ist für die Parteienbündnisse Element des in Art. 10 Abs. 4 EUV vorausgesetzten Parteienbegriffes, nicht aber für europäische Bürgerparteien. Es kann jedoch für beide Organisationsformen Voraussetzung für öffentliche Finanzhilfen sein. Damit ist auch das Viertelquorum des Art. 3 Abs. 1 b) VO grundsätzlich rechtmäßig. 19. Soweit jedoch die Verordnung die Partizipation am Sockelbetrag über die Transnationalität hinaus noch von einem Stimmenquorum von drei Prozent der Stimmen bei den letzten Wahlen zum Europäischen Parlament abhängig macht, verstößt dies gegen die Chancengleichheit. Kleine und neue Parteien werden hiermit unangemessen benachteiligt. 20. Auch die alternativ hierzu geforderte Vertretung der Parteien im Europäischen Parlament bzw. nationalen oder regionalen Parlament in einem Viertel der Mitgliedstaaten ist mit dem Primärrecht unvereinbar. In der Europäischen

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Union gibt es bei all diesen Wahlen kein einheitliches Wahlrecht. Jeder Mitgliedstaat bestimmt selbst, ob und in welcher Höhe er Sperrklauseln festsetzt. Damit werden aber Parteien in bestimmten Staaten benachteiligt. Eine solche Differenzierung ist willkürlich und damit unzulässig. 21. Dem Verordnungsgeber ist es aber gestattet, den Anspruch auf öffentliche Finanzhilfen davon abhängig zu machen, ob eine europäische Partei die Grundwerte beachtet, auf denen die Europäische Union beruht. Die Regelung des Art. 3 Abs. 1 c) VO bildet im Zusammenspiel mit weiteren Vertragsbestimmungen erste Ansätze einer „wehrhaften Demokratie“ im europäischen Recht. Bei der Auslegung der Bestimmung muss man dabei auch das „Dilemma einer wehrhaften Demokratie“ berücksichtigen. Werden ihre „Waffen“ zu restriktiv eingesetzt, kann sie die Demokratie nicht vor ihren Feinden schützen. Werden sie hingegen zu extensiv eingesetzt, kann sich der Schutz der Demokratie in sein Gegenteil verkehren, da bestimmte politische Ansichten unterdrückt werden könnten. Auf Verordnungsebene lässt sich dieser Konflikt dahingehend auflösen, die Schutzgüter eng auszulegen, um eine möglichst große Zahl an politischen Meinungen zuzulassen. Dagegen kann man die Anforderungen an den Grad, inwieweit eine europäische Partei gegen sie verstößt, senken. Die Partei wird durch die Verordnung nicht verboten, sondern „lediglich“ von der öffentlichen Subventionierung ausgeschlossen. Allein auf die Tatsache, dass eine europäische Partei integretionskritisch ist, kann sich ein Finanzierungsausschluss nicht stützen, da auch solche Parteien von der Programmfreiheit als Ausfluss der Gründungsfreiheit geschützt sind. 22. Über einen solchen Ausschluss darf auch das Europäische Parlament entscheiden, soweit und solange der betroffenen Partei der Rechtsweg offen steht. Vermeintlich rechtswidrige Entscheidungen des Parlaments lassen sich im Wege der Nichtigkeitsklage und insbesondere des einstweiligen Rechtsschutzes beseitigen, der Rechtsverletzungen in angemessener Zeit beheben kann. 23. Parteiföderationen nehmen schon dann an Wahlen zum Europäischen Parlament teil, wenn ihre Mitgliedsparteien zur Wahl stehen. Sie werden durch die nationalen Parteien „vertreten“. 24. Der Grundsatz der Unionsfreiheit und die hiermit einhergehende Verpflichtung zur Bürgernähe enthält eine relative Obergrenze, die die öffentlichen Finanzhilfen darauf beschränkt, dass sie nicht über ein bestimmtes Verhältnis zu eigenen, aus der gesellschaftlichen Sphäre stammenden Mitteln hinausgehen. Bei der Ausgestaltung der relativen Obergrenze steht dem Verordnungsgeber ein Ermessens- und Beurteilungsspielraum zu. In der Verordnung hat der europäische Gesetzgeber aber mit einem Eigenfinanzierungsanteil von 15 Prozent die Grenzen dieses Spielraums überschritten. Bei einer derart geringen Quote an eigenen Mitteln spielt die gesellschaftliche Rückbindung nur noch eine marginale Rolle, und das Ziel, eine Verwurzelung der europäischen Parteien bei den Unionsbürgern vorantreiben zu wollen, wird letztlich konterkariert.

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25. Dagegen hat der Verordnungsgeber keine absolute Obergrenze festgelegt, war hierzu aber auch nicht verpflichtet. Ob und in welchem absoluten Umfang die Europäische Union die politischen Parteien auf europäischer Ebene fördert, ist eine politische Entscheidung und rechtlich nicht determiniert. 26. Eine wie in der Verordnung vorgesehene Synthese zwischen einem Sockelbetrag und einem erfolgsabhängigen Anteil entspricht grundsätzlich dem Grundsatz der Chancengleichheit. Sie bringt die Gefahren einer Verzerrung der bestehenden Wettbewerbslage und einer Perpetuierung der bestehenden Parteienlandschaft, die mit einer rein schematischen wie einer rein proportionalen Verteilung einhergehen, in einen angemessenen Ausgleich. 27. Bei der Bestimmung eines Verhältnisses zwischen Sockelbetrag und erfolgsabhängigem Anteil kommt dem Verordnungsgeber ein Beurteilungsspielraum zu. Insoweit hat er sich mit einem Anteil des Sockelbetrages von 15 Prozent an der Gesamtfinanzierung auch in seinen Grenzen bewegt. Die Regelung führt in vielen Fällen zu einer degressiv proportionalen Verteilung der öffentlichen Gelder. 28. Sowohl der Zugang zum erfolgsabhängigen Anteil als auch dessen Verteilung sind von der Zahl der Abgeordneten einer Partei im Europäischen Parlament abhängig. Da die Wahlen zum Europaparlament jedoch in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgestaltet sind, werden Parteien in Mitgliedstaaten mit einer hohen rechtlichen oder faktischen Sperrklausel benachteiligt, so dass die Regelung gegen den Grundsatz der Chancengleichheit verstößt. 29. Das Finanzierungssystem auf europäischer Ebene ist nicht als Pauschalfinan­ zierung, sondern in Form einer Teilerstattung von Kosten bestimmter zuschuss­ fähiger Ausgaben ausgestaltet. Damit erhalten die Europaparteien nur Finanzhilfen, soweit ihnen tatsächlich Kosten entstanden sind, die die Verordnung einschließlich ihrer Durchführungsbestimmungen für förderungswürdig erachtet. 30. Die Durchführungsbestimmungen der Verordnung sowie der Beschluss über die Finanzhilfe sehen an mehreren Stellen Ermessensentscheidungen des Europäischen Parlaments im Rahmen der Gewährung der Mittel vor. Hierbei handelt es sich um sogenannte „Entscheidungen in eigener Sache“, denen ein Kontrolldefizit immanent ist, so dass in solchen Fällen von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen ist. 31. Insbesondere bei Verstößen gegen die aus der öffentlichen Finanzierung erwachsenden Verpflichtungen kann das Europäische Parlament die Finanzhilfen aussetzen und kürzen bzw. beenden. Ebenfalls kann es unter bestimmten Voraussetzungen Sanktionen gegen die europäische Partei erlassen. Bei der Höhe der Sanktionen steht ihm jedoch nach der derzeitigen Regelung ein Auswahlermessen zu, das mit dem Kontrolldefizit bei einer „Entscheidung in eigener Sache“ nicht zu vereinbaren ist.

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Sachverzeichnis Abschlagszahlungen 289 Allianz der Europäischen Konservativen und Reformisten 28 Allianz der Europäischen nationalen Bewegungen 30 Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa  24 f. Antragstellung  282 ff. Ausgabenerstattung  279 f. Ausschuss der Regionen  197 f. Ausschlussfrist  282 f. Aussetzung  302 ff. Beschluss über die Gewährung einer Finanzhilfe  288 f. Bestimmtheitsgrundsatz  304 f. Bewegung für ein Europa der Freiheit und Demokratie 30 Chancengleichheit  86, 90 f., 123 ff. –– abgestufte  123 f., 135 f. –– Begründung  123, 127 ff. –– Differenzierungskriterien  259 ff. –– formale  84, 123 f., 135 ff. Demokratiedefizit der EU  61, 71 ff. –– institutionelles  75 ff. –– strukturelles  66, 71 ff. Drei-Prozent-Quorum  193 ff. Durchführungsbestimmungen 279 effet utile  172 Einschätzungsprärogative 107 Einstellung  304 ff. Einziehung 310 endgültige Finanzhilfen  290 ff. Entscheidungen in eigener Sache 86, 146, 247 ff., 286 f., 305 Ermessensmissbrauch 238 Ermessensreduzierung 285 EUDemokraten  29 f.

Europa – Demokratie – Esperanto  31 Europäische Allianz für Freiheit  30 Europäische Christliche Politische Bewegung  30 Europäische Demokratische Partei  28 f. Europäische Freie Allianz  27 Europäische Grüne Partei  25 f. Europäische Linke  27 f. Europäische Öffentlichkeit  72 f. Europäische Parteien –– Funktionen siehe Parteifunktionen –– Öffentliche Mittel  50 ff. –– Organisation  33 ff. Europäische Volkspartei  20 ff. Europäisches Parlament –– Bedeutung  75 ff., 95 f. –– Fraktionen  32 ff., 35 f., 37 f., 100, 242 –– Wahlen zum  96 f. Finanzhilfen  50 ff. Finanzierungsanspruch, maximaler  235 f. Finanzierungsausschluss  205 ff., 215 ff. Finanzierungspflicht  106 ff. freiheitliche demokratische Grundordnung  214 Gesamteinnahmen  52 ff. Gleichheitssatz  129 f. historische Auslegung  155 ff. innerparteiliche Demokratie  88, 90, 101, 219 f. Institutionelle Garantie  107, 111 Interaktionsgrad 173 Kartellparteien 85 Kontrollen 301 Kürzung  302 ff. Legitimationsstruktur –– duale  170 ff., 187 ff., 218 f., 274 f.

Sachverzeichnis –– mittelbare  187 ff. –– unmittelbare  187 ff. Libertas 32 Mandatsträgerabgaben 241 Mehrebenensystem  80 f, 98, 164, 183 f. Mehrparteiensystem 118 Minderheitenschutz  258, 268 f., 274 Mindestquorum  192 ff. Mitgliedsbeiträge  88, 102 f., 241 f. Mitgliedsparteien  100 f. Mittelfestlegung  280 f. Nachprüfungsverfahren  205, 314 ff. Neuropeans 31 Neutralität  132 ff., 136 f. Obergrenze –– absolute  232, 245 ff. –– relative  232 ff. Öffentlichkeitsgrundsatz  101, 141 ff. –– Begründung  141 f., 144 ff. Organisationsfreiheit 175 Parteienbegriff  147 ff. Parteienföderation  153 ff. Parteienfreiheit  110 ff. –– äußere 90 –– Betätigungsfreiheit  111 f., 114 ff., 119 f. –– Finanzierungsfreiheit  112, 120 –– Gründungsfreiheit  111, 114 ff., 117 ff. –– individuelle 118 –– innere 90 –– kollektive 118 –– Programmfreiheit  111, 119, 182. 216 ff., 221 f. –– Staatsfreiheit  57, 112 ff., 117 –– Unionsfreiheit  103, 108, 120 f., 233 ff. –– Wettbewerbsfreiheit  115, 118 f. Parteienprivileg 207 Parteienverdrossenheit 86 Parteifunktionen  58 ff. –– Elitenrekrutierungsfunktion  62 f., 95, 97 f. –– Innovationsfunktion  67 f., 99 –– Integrationsfunktion  65 f. –– Kommunikationsfunktion 82 –– Koordinierungsfunktion  81, 184

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–– –– –– –– ––

Partizipationsfunktion  69 ff., 168 f. Reduktionsfunktion  63 ff., 99 Regierungsfunktion  67, 95, 98 Repräsentationsfunktion  68 ff., 96 f. Vermittlungsfunktion  59 ff., 73, 83 f., 95 ff., 168 f. Parteiverbotsverfahren  205 f. Pauschalzuschuss  279 f. praktische Konkordanz  268 f. Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung  79, 106, 147 f. Prinzip der demokratischen Herrschaft auf Zeit 134 Programm 229 Rechnungsprüfung 301 Recht als Mittel der Integration  93 f, 172 Recht auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung  90, 103, 138 ff. –– Ausgestaltung  138 f., 141 –– Begründung  138, 139 ff. Rechtsnatur der EU  161 f. Rechtspersönlichkeit  177 ff. Rechtsschutz  312 ff. Rechtsvergleichung  157 ff. Regionsbegriff  200 ff. Sanktionen  310 ff. Satzung 230 Sockelbetrag  266 ff. Sozialdemokratische Partei Europas  22 ff. Sparsamkeit  186 f., 294 f. Sperrklauseln  199 ff., 254, 256 ff. Spenden  88 ff., 102 ff., 240 f., 262 f. Staatenverbund 79 Subsidiaritätsprinzip 79 systematische Auslegung  165 f. Teilhabeanspruch 177 Teilnahme an Europawahlen  227 ff. Teleologische Auslegung  167 ff. transnationale Parteien  31 Transnationalität  180 ff. –– Ausgestaltung  190 ff. Transparenz 101 Triepelsche Theorie  92 f. Übertragungsfähigkeit  299 ff.

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Sachverzeichnis

Vereintes Europa  31 Verfassungswirklichkeit 93 Verteilungskriterien  232, 251 ff. Vorfinanzierung  289 f. Wählervereinigung  203 f. Wahlerfolg  260 ff. –– nationaler  196 ff. Wahlkampfkostenerstattung  37 f. Wahlrechtsgleichheit  76, 128 f., 273 Wahlrechtssysteme  194, 199 ff., 256 ff. wehrhafte Demokratie  206 ff.

Wertegemeinschaft  208 ff. Wettbewerb 85 Wettbewerbsfreiheit  133 f. Wettbewerbsneutralität 85 Willensbildungsprozess  84, 113, 130 f. Wortlautauslegung  154 f. Zulässigkeit öffentlicher Finanzierung  56 ff. Zuschussfähige Ausgaben  293 ff. Zwischenstellung der Parteien  103 f., 106 f., 131