Die Entwicklung der »Responsabilité sans faute« in der neueren französischen Lehre und Rechtsprechung: Der Versuch eines Beitrages zur Fortentwicklung des Staatshaftungsrechts in Deutschland [1 ed.] 9783428433988, 9783428033980

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Die Entwicklung der »Responsabilité sans faute« in der neueren französischen Lehre und Rechtsprechung: Der Versuch eines Beitrages zur Fortentwicklung des Staatshaftungsrechts in Deutschland [1 ed.]
 9783428433988, 9783428033980

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 266

Die Entwicklung der „Responsabilité sans faute“ in der neueren französischen Lehre und Rechtsprechung Der Versuch eines Beitrages zur Fortentwicklung des Staatshaftungsrechts in Deutschland

Von

Karl Herbert Vogt

Duncker & Humblot · Berlin

K A R L HERBERT VOGT

Die Entwicklung der „Responsabilité sans faute" in der neueren französischen Lehre und Rechtsprechung

Schriften zum ö f f e n t l i c h e n Band 266

Recht

Die Entwicklung der „Responsabilité sans faute" in der neueren französischen Lehre und Rechtsprechung D e r Versuch eines Beitrages zur des S t a a t s h a f t u n g s r e c h t s i n

Fortentwicklung Deutschland

Von

Dr. Karl Herbert Vogt

D U N C K E R

& H U M B L O T

/ B E R L I N

Alle Rechte vorbehalten © 1975 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1975 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3 428 03398 1

Inhaltsverzeichnis Einleitung Die „responsabilité sans faute" und die Diskussion um eine Neugestaltung des Staatshaftungsrechtes in Deutschland

21

A. Die Neugestaltung des deutschen Staatshaftungsrechtes als Forderung der Wissenschaft

21

B. Das gegenwärtige Staatshaftungssystem des Bundesgerichtshofes u n d die daran geübte K r i t i k

23

I. Die Änderungen i m bisherigen Staatshaftungssystem durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes

23

I I . Die K r i t i k an der Konzeption des Bundesgerichtshofes

25

1. Die fehlende Einbeziehung nichtgezielter Schädigungen i n den Bereich objektiver (verschuldensfreier) Haftung 25 2. Die Schwäche des dogmatischen Unterbaus des enteignungsgleichen Eingriffs

30

C. Die zu bewältigenden Beformaufgaben u n d der dazu m i t der vorliegenden A r b e i t versuchte Beitrag

32

D. Rechtfertigung der Einbeziehung auch der „expropriation" u n d der „réquisition" i n die Darstellung des französischen Staatshaftungsrechtes

33

Erster Teil Die Stellung der „responsabilité sans faute" i m französischen Staatshaftungssystem A. Der Geltungsbereich der Entschädigungspflicht wegen Inanspruchnahme von Eigentum u n d Arbeitskraft sowie der H a f t u n g f ü r V e r schulden der Staatsbediensteten i n Frankreich I. Die Ersatzpflicht wegen Inanspruchnahme von Eigentum u n d A r beitskraft („expropriation" u n d „réquisition")

36

36 36

1. Die Expropriation

36

2. Die Requisition

39

I I . Die H a f t u n g des Staates f ü r schuldhaftes Verhalten seiner Bediensteten („faute de service")

42

6

Inhaltsverzeichnis

B. Die klassischen Fallgruppen der „responsabilité sans faute"

49

I. Die Ersatzpflicht wegen der Beeinträchtigung von Grundstückseigentum infolge der normalen Ausführung öffentlicher Arbeiten oder des Betriebes einer öffentlichen Einrichtung (sog. „ t r a v a u x publics") 1. Die K o n s t r u k t i o n „ t r a v a u x publics"

der

Haftung

für

Schädigungen

durch

2. Überblick über die wichtigsten Formen einer ersatzpflichtauslösenden Beeinträchtigung durch „ t r a v a u x publics" 3. Die Voraussetzungen der Ersatzpflicht a) Der entstandene Schaden als unvermeidliche Folge der staatlichen Tätigkeit b) Das Erfordernis eines aus der Verletzung von Grundstückeigentum herrührenden Vermögensschadens c) Das Erfordernis des hoheitlichen Charakters der schadensstiftenden Staatsaktivität d) Das Erfordernis eines „dommage anormal" e) Das Erfordernis fehlenden Mitverschuldens bei der Schadensentstehung I I . Die H a f t u n g bei Arbeitsunfällen i m staatlichen Dienst

49 49 51 54 54 54 55 57 59 59

1. Die H a f t u n g bei Arbeitsunfällen i m staatlichen Dienst als erstes Beispiel rein rechtsschöpferisch entwickelter Haftungsgruppen

59

2. Das U r t e i l „Cames"

60

3. Die W e i t e r w i r k u n g des Urteiles „Cames"

61

I I I . Haftung bei Unfällen als Folge einer ungewöhnlichen Gefährdung der Nachbarschaft („risque anormal d u voisinage")

61

1. Das U r t e i l „Regnault - Desroziers"

61

2. Deutung der Rechtsprechung „Regnault - Desroziers" als eine H a f t u n g f ü r anormale Nachbarschaftsgefährdung

62

I V . Haftung publics"

bei

Unfällen

durch

besondere

gefährliche

„travaux

1. Der ursprüngliche Geltungsbereich der „ f a u t e " - H a f t u n g Bereich der Schädigungen durch „ t r a v a u x publics"

im

2. Beginn der Herausarbeitung einer objektiven Unfallhaftung a) Objektive H a f t u n g bei Unfällen durch herabgefallene E l e k trizitätsdrähte b) Objektive H a f t u n g bei Unfällen durch Gas- u n d Wasserleitungen c) Objektive H a f t u n g bei Unfällen infolge von Sprengarbeiten

63 63 64 64 65 66

3. Deutung der objektiven Unfallhaftung i m Bereich der „ t r a v a u x publics" als eine H a f t u n g f ü r gefährliche Sachen

66

4. Rechtslage bei Unfallschäden durch ungefährliche publics"

67

„travaux

Inhaltsverzeichnis V. Haftung für Schäden als Folge der Verweigerung staatlicher Hilfe bei der Vollstreckung v o n Räumungsurteilen

68

1. Die Haftung f ü r Schäden infolge Vollstreckungshilfeverweiger u n g als eine Ersatzpflicht f ü r bewußt herbeigeführten Schaden

68

2. Das U r t e i l „Couitéas"

68

3. Das U r t e i l „Cartonnerie et imprimerie St. Charles"

69

4. Deutung der H a f t u n g f ü r Schäden infolge Vollstreckungshilfeverweigerung als eine Ersatzpflicht f ü r erlaubte Schädigung i n Ausübung eines Notstandsrechts

70

Zweiter

Teil

Kritik an der Zusammenfassung der klassischen Fälle der sogenannten „responsabilité pour risque" unter dem Gesichtspunkt der Haftung für gefährliche Staatstätigkeit A . Gemeinsame Merkmale der f ü n f klassischen Gruppen der objektiven Haftung I. Subsidiarität gegenüber der „faute"-Haftung I I . Rechtmäßigkeit der schädigenden H a n d l u n g

73 73 73 74

B. Versuch einer Zusammenfassung unter dem weiteren Gesichtspunkt einer besonderen Gefährlichkeit der schadenstiftenden Handlung

74

C. Duez' Versuch einer Zusammenfassung unter dem Gesichtspunkt der Ausübung besonderer Hoheitsbefugnisse der V e r w a l t u n g sowie der Spezialität u n d A n o r m a l i t ä t des entstandenen Schadens

76

D. Sonstige Zusammenfassungsversuche

77

E. Scheitern der bisherigen Zusammenfassungsversuche — Notwendigkeit einer eingehenden Analyse der Rechtsprechung

77

Dritter

Teil

Von der Haftung für „risque" zur „responsabilité sans faute": Die moderne Entwicklung der objektiven Staatshaftung i m Bereich der Verwaltung A . Die Ausbildung einer Entschädigungspflicht bei Unfallschäden gelegentlicher Helfer der V e r w a l t u n g I. Die Aufgabe des Erfordernisses Entscheidung „Faure"

eines „risque créé" durch die

I I . Die modernen Haftungsvoraussetzungen i m Bereich der Schädigung v o n Verwaltungshelfern 1. Beispiele aus der Rechtsprechung

79 79 79 80 80

8

Inhaltsverzeichnis 2. Erste Voraussetzung: Teilnahme an einem „service public" . . a) Normalfall: direkte Wahrnehmung der Aufgaben des betreffenden „service public" durch den Helfer b) Sonderfall: U n f a l l bei der Ausführung eines bloßen H i l f s dienstes sowie U n f a l l bei der Rückkehr v o m Einsatzort . . c) Beispiel für die Verneinung der Teilnahme an einem „service public" aa) Teilnahme an lediglich fiskalischen Betätigungen der Verwaltung bb) Teilnahme an der A u s f ü h r i m g von „ t r a v a u x publics" cc) Teilnahme an privaten Veranstaltungen, die nicht der Kontrolle der V e r w a l t u n g unterliegen 3. Zweite Voraussetzung: Einverständnis der V e r w a l t u n g m i t dem Tätigwerden des Privatmannes a) Formen der Einverständniserklärung: „Réquisition", „ S o l l i citation", „Acceptation" b) Aufgedrängte Hilfeleistung als G r u n d für die Verweiger u n g einer objektiven Entschädigung

81 81 83 84 84 85 87 87 87 89

4. D r i t t e Voraussetzung: W ü r d i g k e i t des Opfers, entschädigt zu werden 90 a) Mitverschulden des Opfers — Anzulegender Sorgfaltsmaßstab b) Benutzung des unterstützten „service public" als G r u n d f ü r eine Einschränkung der Entschädigung auf objektiver Basis 5. Vierte Voraussetzung nach L o u i s - L u c a s : des Helfers

Uneigennützigkeit

I I I . Die neuesten Entwicklungen i m Bereich der H a f t u n g f ü r waltungshelferschäden

Ver-

1. Tendenzen zur Aufgabe des bisherigen subsidiären Charakters der richterlich entwickelten Haftungsgrundsätze a) Aufgabe der Subsidiarität gegenüber gesetzlicher Regelung b) Aufgabe der Subsidiarität gegenüber zivilrechtlichen sprüchen

An-

2. Geltung der f ü r „collaborateurs occasionnels" entwickelten Haftungsgrundsätze nunmehr auch für Behördenangehörige . .

90 91 92

93 93 93 94 95

3. Absehen v o m Erfordernis einer B i l l i g u n g der privaten H i l f e durch die V e r w a l t u n g i m Bereich der A b w e h r v o n Gefahren f ü r die Sicherheit u n d Ordnung 96 a) Ersetzung der staatlichen B i l l i g u n g durch das Erfordernis dringender Notwendigkeit des Eingreifens 96 b) Auftretende Schwierigkeiten 98 aa) Untersuchung der Frage, ob m i t der Hilfeleistung der Aufgabenbereich eines „service public" tangiert ist . . 98 bb) Prüfung der Frage, ob eine dringende Notwendigkeit zum Einschreiten vorlag 100 I V . Zusammenfassung

101

Inhaltsverzeichnis B. Moderne Entwicklungstendenzen publics"-Schäden

bei

der

Haftung

für

„travaux-

I. Die bisherige Rechtslage auf diesem Gebiet

102 102

I I . K r i t i k an der bisherigen Rechtslage u n d Änderungsvorschläge der Regierungskommissare Rivet, Laroque u n d Detton 102 1. K r i t i k an der bisherigen Rechtslage 2. Änderungsvorschläge roque u n d Detton

102

der Regierungskommissare

Rivet,

La-

I I I . Der Wandel i n der Rechtsprechung seit 1952

103 104

1. Die Entscheidung „ V i l l e d'Arras"

104

2. Die Entscheidungen „ G r a u " , „ G a i n " u n d „ E D F c/Dme A n r o " 105 I V . Die neuen Merkmale der Haftung i m Bereich der Unfälle durch „ t r a v a u x publics" 106 1. Unterscheidung zwischen Benutzer (usager) der öffentlichen Einrichtung u n d D r i t t e r (tiers) 106 2. Aufgabe des Erfordernisses eines „risque créé"

106

3. Schlechterstellung des Benutzers, sofern es sich u m eine ungefährliche Sache handelte 108 V. Die Abgrenzung zwischen modernen Rechtsprechung

„Benutzer"

und

1. Der Bedeutungsinhalt der für „Benutzer" „Benutzung"

„Drittem"

in

der

charakteristischen

110 110

a) Der Begriff der „Benutzung" bei Einrichtungen, die keine positiven Gebrauchsvorteile verschaffen 110 b) Der Begriff der „Benutzung" bei der Durchführung öffentlichen Arbeiten auf privaten Grundstücken

von

111

2. Die Bedeutung des Einverständnisses der V e r w a l t u n g m i t der „Benutzung" f ü r die Annahme der „Benutzer"-Eigenschaft . . 111 a) Die „Benutzer"-Eigenschaft der Besucher von Dienstwohnungsinhabern 111 b) Die Figur des sogenannten „anormalen Benutzers"

112

3. Schwierigkeiten der Abgrenzung zwischen „Benutzern" und „ D r i t t e n " , w e n n mehrere öffentliche Einrichtungen bei der Schadensentstehung i m Spiel waren 114 a) Normalfall: Unabhängigkeit der beteiligten Einrichtungen voneinander 114 b) Sonderfall: Schadensstiftende öffentliche Einrichtung i n die benutzte Anlage eingegliedert 115 c) Die Anwendbarkeit der Lehre v o n der „incorporation" auf Unfälle bei der Benutzung von Kanälen, Häfen, Küstengewässern u n d der offenen See 118

10

Inhaltsverzeichnis V I . Die Herausarbeitüng von neuen Gruppen von Opfern 1. Der Dauerbezieher industrieller oder kommerzieller Leistungen a) Begriff des Dauerbeziehers sowie rechtliche Behandlung i m Falle einer Schädigung b) Entbehrlichkeit eines wirksamen Vertrages i m klassischen Sinn zwischen dem Geschädigten u n d dem Versorgungsbetrieb c) Erfordernis des Schadenseintrittes gerade i m Zusammenhang m i t der Leistüngserbringung — insbesondere bei Schädigungen durch den Bruch von Versorgungsleitungen 2. Der Sondernutzungsberechtigte an öffentlichen Sachen a) Das U r t e i l „Epoux Caous - Lenormand" b) Bestimmung der begrifflichen Grenze zwischen Sondernutzungsberechtigtem u n d D r i t t e m c) Rechtliche Behandlung des Sondernutzungsberechtigten . .

119 119 119 120

121 122 122 123 123

3. Das M i t g l i e d öffentlich-rechtlicher Eigentümerverbände (associations syndicales) 124 4. Der Mitarbeiter an öffentlichen Bauten

125

5. Der Anlieger

125

(riverain)

V I I . Die modernen Haftungsvoraussetzungen der Unfallhaftung i m Bereich der „ t r a v a u x publics" i m einzelnen sowie die Berufung auf Mitverschulden des Opfers als wichtigstem E i n w a n d 126 1. Grundvoraussetzung: Vorliegen eines Schadens, der durch die Existenz oder die Ausführung von „ t r a v a u x publics" verursacht wurde 126 2. Zusätzliche Voraussetzung beim Benutzen ungefährlicher Sachen: Zurückführbarkeit der Schädigung auf fehlerhafte Unterhaltung der öffentlichen Einrichtung 126 a) Begriff der fehlerhaften Unterhaltung b) Rechtsnatur der Haftung f ü r fehlerhafte Unterhaltung aa) Die Lehre v o m „défaut d'entretien" als U n t e r f a l l der „faute" -Haftung bb) Die Lehre von der Wesensverschiedenheit von H a f t u n g f ü r „défaut d'entretien" u n d „faute "-Haftung c) Heutige Bedeutung der Unterscheidung zwischen „ B e n u t zer" u n d „ D r i t t e m "

126 128 128 129 131

3. Die Berufung auf Mitverschulden des Opfers als Wichtigster Einwand 132 V I I I . Die moderne Haftung i m Bereich „dommages permanents"

133

1. Die moderne Abgrenzung zwischen „dommages accidentels" u n d „dommages permanents" 133 2. Die A n o r m a l i t ä t u n d die Spezialität des Schadens als entscheidende Haftungsvoraussetzung i m Bereich der „dommages permanents" 133

Inhaltsverzeichnis 3. Die Bedeutung der Unterscheidung zwischen „Benutzern" u n d „ D r i t t e n " i m Bereich der „dommages permanents" 135 a) Begriff u n d rechtliche Behandlung des „ D r i t t e n "

135

b) Hechtliche Behandlung des „Benutzers"

136

4. Weitere Gruppen von Geschädigten i m Bereich der „dommages permanents" und ihre rechtliche Behandlung 138 a) Der Anlieger

138

b) Der Sondernutzungsberechtigte

139

I X . Zusammenfassung

140

C. Die Erweiterung der H a f t u n g f ü r „risque anormal d u voisinage" zu einer Haftung f ü r gefährliche Tätigkeiten 141 I. Der Gedanke des „risque anormal d u voisinage" i n der Nachkriegsrechtsprechung 141 1. Das anfängliche W e i t e r w i r k e n des Gedankens der Nachbarschaftsgefährdung i m Bereich der Unfälle bei Sprengstofftransport 141 2. Die Aufgabe des Gedankens der Nachbarschaftsgefährdung i m Bereich der Schädigungen durch entwichene Fürsorgezöglinge und durch Geisteskranke 143 I I . Die moderne F o r m der H a f t u n g des Staates für Unfälle infolge gefährlicher Staatsaktivität 145 1. Die H a f t u n g bei Schädigungen durch Schußwaffengebrauch . . 145 a) Die Urteile „Lecomte" u n d „Franquette - D a r a m y "

145

b) Die Weiterentwicklung der i n den Urteilen „Lecomte" u n d „Franquette - D a r a m y " eingeleiteten Rechtsprechung 146 2. Die H a f t u n g bei Schädigung Ungeborener durch E r k r a n k u n gen der M u t t e r i m staatlichen Dienst sowie Schädigung von Autofahrern durch W i l d 147 a) Die H a f t u n g f ü r Schädigungen Ungeborener infolge des Staatsdienstes der M u t t e r 147 b) Die H a f t u n g f ü r Schädigung von Autofahrern durch W i l d 149 I I I . Die H a l t u n g des Conseil d'Etat i m F a l l der Impfschäden und der Verletzung von Feuerwerkszuschauern 150 1. Die rechtliche Behandlung der I m p f Schäden

150

2. Die rechtliche Behandlung der Verletzung von Feuerwerkszuschauern 152 I V . Das Erfordernis einer besonderen Gefährlichkeit der schadensauslösenden staatlichen A k t i v i t ä t als M e r k m a l dieser Haftungsgruppe 153 D. Die moderne H a f t u n g wegen bewußter u n d gewollter Zufügung eines Schadens 153

12

Inhaltsverzeichnis I. Die Erweiterung der Haftung f ü r verweigerte Vollstreckungshilfe zu einer H a f t i m g für Maßnahmen zur Aufrechterhaltung von Ruhe u n d Ordnung 153 1* Das U r t e i l „S. A . Boulenger"

154

2. Das U r t e i l „C. A . P. I. A . "

154

3. Das U r t e i l „Société conserveries de St. Nazaire"

155

I I . Die Entwicklung einer H a f t u n g für wirtschaftslenkende Maßnahmen 156 1. Das U r t e i l „Société Georges I r a t "

156

2. Das U r t e i l „ V a n n i e r "

157

I I I . Die E n t w i c k l u n g einer Individualmaßnahmen

allgemeingültigen Eingriffshaftung

für

158

1. Das U r t e i l „Syndicat d u canal de submersion de Raonel et des Basses Piaines" 158 2. Das U r t e i l „Farsat"

158

3. Das U r t e i l „Paladini"

159

4. Das U r t e i l „Commune de Châteauneuf-sur-Loire"

159

5. Das U r t e i l „ M i n i s t r e de l'Equipement et d u Logement c/époux Derbey 160 6. Das U r t e i l „Sastre"

161

7. Das U r t e i l „ M i n i s t r e de l'Améngagement du Territoire, de l'Equipement, du Logement et du Tourisme c/Sieur Navarra" 162 I V . Die Haftung f ü r Schädigungen durch Verordnungen der V e r w a l tung unterhalb der Regierungsebene 164 V. Zusammenfassung

165

Vierter

Teil

Die Ausdehnung der objektiven Staatshaftung auf Hoheitsbetätigungen jenseits des Verwaltungsbereiches

167

A. Die Idee von der Souveränität des Staates und die Prinzipien der Gewaltenteilung und der Rechtskraft als Hindernisse f ü r eine E r w e i terung der objektiven Staatshaftung 167 I. Die Prinzipien der Gewaltenteilung und der Rechtskraft als H i n dernisse f ü r eine Erweiterung der objektiven Staatshaftung 167 1. Die hemmende W i r k u n g des Gewaltenteilungsprinzips f ü r die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte 168

Inhaltsverzeichnis 2. Die A u s w i r k u n g e n des Rechtskraftprinzipes u n d des G r u n d satzes der Gewaltenteilung auf die Entschädigungsrechtsprechung der ordentlichen Gerichte 168 I I . Die Idee von der Souveränität des Staates und ihre A u s w i r k u n gen auf die Anerkennung einer Staateshaftung 170 1. Haftungsbeschränkungen infolge der Souveränität des Gesetzgebers u n d der Regierung 170 2. Die Lehre von den gerichtsfreien Hoheitsakten (actes de gouvernement) u n d den gerichtsfreien militärischen Maßnahmen als A u s w i r k u n g der Souveränität des Staates 171 ß. Das heutige B i l d der objektiven Staatshaftung jenseits der waltungstätigkeit

Ver-

173

I. Die richterliche Z u b i l l i g u n g eines Ersatzes f ü r Schädigungen durch den Gesetzgeber sowie durch die Regierung bei abstraktgenerellen Erlassen 173 1. Die Entschädigung f ü r Beeinträchtigungen durch gesetzgeberische Maßnahmen a) Der theoretische Neuansatz bei der Deutung des gesetzgeberischen Willens b) Die praktischen A u s w i r k u n g e n des theoretischen Neuansatzes i n den Urteilen „ L a Fleurette" und „Caucheteux et Desmont" c) Die bei der Gewährung einer Entschädigung f ü r Beeinträchtigungen durch gesetzgeberische Maßnahmen v o m Conseil d'Etat angestellten Überlegungen

173 173 174 176

2. Die Entschädigung f ü r Beeinträchtigungen durch sonstige abstrakt-generelle Maßnahmen 179 3. Die Entschädigung f ü r Beeinträchtigung durch Ausführungsund Durchführungsverordnungen (ordonnances) 179 4. Die Entschädigung f ü r Beeinträchtigungen durch Dekrete der Regierung 180 5. Die Entschädigung f ü r Beeinträchtigungen durch verwaltungsaktlichen Vollzug abstrakt-genereller Anordnungen 180 I I . Die Ersatzleistung f ü r Schäden infolge Hoheitsakten (actes de gouvernement)

von

gerichtsfreien

1. Die Theorie v o m „acte détachable" als Wegbereiterin Staatshaftung i m Bereich der gerichtsfreien Hoheitsakte

der

184 184

2. Die Weiterentwicklung der Lehre v o m „acte détachable" i m Bereich der Dienstanweisungen an Auslandsbeamte sowie der Gewährung von diplomatischem Schutz an Privatpersonen . . 186 a) Der „acte détachable" bei Dienstanweisungen an Auslandsbeamte 186 b) Der „acte détachable" bei Gewährung von diplomatischem Schutz an Privatleute 188

14

Inhaltsverzeichnis 3. Der „acte détachable" bei Schädigungen durch internationale Vertragsschlüsse 189 a) Die Entscheidung „Compagnie générale d'énergie électrique"

radio-

b) Die HaftungsVoraussetzungen i m einzelnen aa) Erfordernis einer Auslösung inländischer Rechtswirkungen durch den Vertrag a) Die Anforderungen des A r t . 55 der Verfassung von 1958 ß) Der normative Charakter des Vertragsinhaltes als zusätzliches Erfordernis einer innerstaatlichen Rechts Wirkung bb) Erfordernis fehlenden Haftungsausschlusses durch den Vertrag u n d das Ratifikationsgesetz cc) Erfordernis einer besonderen Schwere u n d Spezialität des Schadens

189 191 191 191

192 193 194

I I I . Die Ersatzpflicht f ü r Schädigungen durch die Justizbehörden u n d ihre Hilfsbehörden 195 1. Die E n t w i c k l u n g einer Staatshaftung f ü r Schädigungen durch Hilfskräfte der Staatsanwaltschaft 195 a) Die gedankliche Vorbereitung der Staatshaftung i n diesem Bereich durch Del v o l vé 195 b) Der Lösungsversuch des T r i b u n a l de grande instance Paris i m F a l l „Dr. G i r y " 196 c) Die Weiterentwicklung der Gedanken Delvolvés u n d der Grundsätze des Urteils „Dr. G i r y " i n den Urteilen „ L e n fant", „ B a u d " u n d „Issatier" 198 2. Die Ersatzpflicht f ü r Maßnahmen des Präfekten auf G r u n d des A r t . 30 C. Proc. pén. (früher: A r t . 10 C. instr. crim.) 201 3. Die Ausdehnung der Staatshaftung auf den Aufgabenbereich des Untersuchungsrichters — Die Urteile „Onaoukorri", „ N . . . c/agent judiciaire d u Trésor", „ G u y Vavon c/Etat Français" sowie das Gesetz v o m 17.7.1970 203 4. Die Aufnahme des gesamten Gebietes der ordentlichen Gerichtsbarkeit i n den Bereich der Staatshaftung durch das Gesetz v o m 5. 7.1972 205 5. Die Fortschritte der Staatshaftung i m Bereich der v e r w a l tungsgerichtlichen Tätigkeit 207 a) Das U r t e i l „Chatenay"

207

b) Das U r t e i l „Aragon"

207

c) Das U r t e i l „Blondet"

209

d) Das U r t e i l „Grünberg"

210

I V . Zusammenfassung

210

Inhaltsverzeichnis Fünfter

Teil

Der Versuch einer Zusammenfassung der modernen Haftungsgruppen der objektiven Staatshaftung unter einem leitenden Grundgedanken

212

A. Das Grundprinzip der Gleichheit aller vor den öffentlichen Lasten (régalité de tous devant les charges publiques) als einhellig anerkannter tragender Rechtsgrund der H a f t u n g f ü r Schädigungen durch E i n zeleingriffe, Verordnungen u n d Gesetze sowie ordnungsgemäß durchgeführte „ t r a v a u x publics" 212 I. Die ausdrückliche Zurückführung gewisser Haftungsfälle den Conseil d'Etat auf das Lastengleichheitsprinzip

durch

212

I I . Der I n h a l t des Lastengleichheitssatzes nach der herkömmlichen Doktrin 213 I I I . Die Rechtsnatur des Lastengleichheitssatzes

214

I V . Der Umfang der Geltungskraft des Lastengleichheitssatzes — Das Problem der Bindung des Gesetzgebers 215 V. Die Prüfung der Anwendbarkeit des Lastengleichheitssatzes den v o m Conseil d'Etat angegebenen Fällen

in

217

1. Das Vorliegen einer „Charge publique" ( = die i m öffentlichen Interesse erfolgte bewußte u n d gewollte Herbeiführung des Schadens) 217 2. Die Unvereinbarkeit der Belastung m i t dem Postulat Lastengleichheit — die Spezialität des Schadens

der

219

B. Die Zurückführung der Haftung f ü r Schädigungen infolge ordnungsgemäß durchgeführter „ t r a v a u x publics" auf den Lastengleichheitssatz durch die überwiegende Meinung 220 C. Der Haftungsgrund f ü r die übrigen Fälle

221

I. Die Ansichten der L i t e r a t u r

221

1. Die Lehre von der notwendigen Verknüpfung von V o r - u n d Nachteilen (corrélation entre avantages et charges) 222 2. Die Lehre von der Solidarität der Staatsbürger untereinander 223 3. Die Lehre v o m „risque social"

224

I I . Die Konzeption des Conseil d'Etat

225

1. Die Eingrenzungsmerkmale der Haftung zugunsten f r e i w i l l i ger Helfer 228 2. Die Eingrenzungsmerkmale bei der Haftung f ü r Tätigkeiten 3. Die Eingrenzungsmerkmale publics"-Unfälle

bei der H a f t u n g

für

gefährliche „travaux

230 231

16

Inhaltsverzeichnis Sechster Teil Die Ansätze zur Herausbildung eines harmonisch gegliederten Haftungssystems, bestehend aus Eingriffshaftung, Unfallhaftung und „faute"-Haftung

236

A . Die Abgrenzung zwischen der H a f t u n g f ü r „ t r a v a u x publics"-Unfälle u n d der „ f a u t e " - H a f t u n g i m geltenden Recht 236 B. Die Möglichkeit einer Erweiterung der H a f t u n g publics"-Unfälle zu einer allgemeinen Unfallhaftung

für

„travaux

237

C. Der Unterschied zwischen der U n f a l l - u n d der „ f a u t e " - H a f t u n g einerseits u n d der Eingriffshaftung andererseits 239 D. Unfall-, „ f a u t e " - u n d Eingriffshaftung als Ausprägungen eines einheitlichen Grundprinzipes 240

Siebenter Teil Gemeinsamkeiten der objektiven Staatshaftung und der „faute"-Haftung als Folge der einheitlichen Erklärung durch das Solidaritätsprinzip

242

A . Die Schutzwürdigkeit der verletzten Rechtsposition als Voraussetzung einer Entschädigung 242 B. Das Erfordernis eines anormalen, nicht als V e r w i r k l i c h u n g des normalen Lebensrisikos ansehbaren Schadens 245 C. Das Erfordernis eines speziellen Schadens i m Sinne eines Sonderopfers 247 D. A n o r m a l i t ä t u n d Spezialität des Schadens als k u m u l a t i v zu fordernde Merkmale einer H a f t u n g aufgrund des Solidaritätsgedankens 248 E. Der Einfluß des Verhaltens des Opfers auf den Umfang der E n t schädigung 250 I. Die Bedeutung fehlenden Wohlverhaltens des Opfers auf steuerrechtlichem Gebiet 250 I I . Die Bedeutung eines m i t w i r k e n d e n Verschuldens des Opfers bei der Schadensentstehung 251 I I I . Die Bedeutung einer Mitverursachung des Schadens durch das Opfer i m Wege einer Provozierung des staatlichen Eingreifens . . 252 I V . Die Anrechnung einer besonderen, auf gesellschaftliche Gründe zurückzuführenden Schadensgeneigtheit des Opfers 253

Inhaltsverzeichnis V. Die Bedeutung eines Verstoßes gegen Obliegenheiten bei der Schadensabwicklung 254 V I . Die Vorteilsausgleichung

255

Schlußbetrachtung Ausblick auf die deutschen Bemühungen u m eine Vereinheitlichung des Staatshaftungsrechts i m Licht der französischen Erfahrungen

256

Literaturverzeichnis

262

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Conseil préfectoral Cour de cassation, A b t e i l u n g f ü r Zivilsachen Caisse Primaire de la Sécurité Sociale Code de la procédure civile Code de la procédure pénale Code r u r a l

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= Juristische Schulung (Jahr, Seite) = Juristenzeitung (Jahr, Seite)

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Médit. Min. NJW obs. OLG Pa.-Deg. P. et T. PTT R. A. T. P. 2*

(Nummer

=

„fasci-

l'expropriation,

20

Abkürzungsverzeichnis

RDP

= Revue d u D r o i t Public et de la Science Politique

Ree. rec. crit. rec. heb. Rep. dr. publ. et adm. Req. Resp. Rev. ad. Rev. gén. dr. int. publ. RG RGZ

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Recueil recueil critique recueil hebdomadaire Répertoire d u droit public et administratif

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Requête Responsabilité Revue administrative (Jahr, Seite) Revue générale d u droit international public (Jahr, Seite) Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichtes i n Zivilsachen (Band, Seite) Recht i m A m t (Jahr, Seite) Randnummer Revue Pratique d u D r o i t A d m i n i s t r a t i f (Jahr, Seite) Rechtsprechungsnachweise Revue Trimestrielle d u D r o i t Sanitaire et Sociale (Jahr, Seite) Recueil Sirey (Jahr, Seite) Société anonyme Société à responsabilité limitée Société Nationale des Chemins de fer Français sommaire Saint Die Haftung des Staates für rechtswidriges Verhalten seiner Organe (Band 44 der Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht u n d Völkerrecht, K ö l n u. B e r l i n 1967) Société T r i b u n a l administratif T r i b u n a l des conflits T r i b u n a l de grande instance, A b t e i l u n g für Zivilsachen

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RiA Rndr. RPDA Rspr. Nachw. RTDSS

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Sté TA TC T. Civ. oder T. G. I. trav. publ. VA VerwArch. oder VerwA. V V D S t R L oder WDStL Vve. Wolff

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w. Rspr. N. ZRP

= travaux publics = Verwaltungsakt = Verwaltungsarchiv (Jahr, Seite) = Veröffentlichungen des Vereins deutscher Staatsrechtslehrer = Veuve = Wolff, Hans Julius, Verwaltungsrecht 8. Aufl. München 1971 = weitere Rechtsprechungsnachweise = Zeitschrift f ü r Rechtspolitik (Jahr, Seite)

Einleitung

Die „responsabilité sans faute" und die Diskussion um eine Neugestaltung des Staatshaftungsrechtes in Deutschland A. Die Neugestaltung des deutschen Staatshaftungsrechtes als Forderung der Wissenschaft Die herkömmliche Systematisierung des deutschen Staatshaftungsrechts erweckt Unbehagen. Das erwies nicht zuletzt der 47. Juristentag 1968 i n Nürnberg, auf dem sich die öffentlich-rechtlichen Referenten Bender und Haas entschieden für eine einheitliche Regelung des gesamten Komplexes der Staatshaftung aussprachen 1. Die Inkongruenz und Komplexität dieser Rechtsmaterie, die sich aus historischen Zufälligkeiten heraus zu einer Gemengelage disparater Institute entwickelt habe, müsse beseitigt werden. I n die gleiche Richtung zielte auch die dort angenommene Resolution der öffentlich-rechtlichen Abteilung, die die Einsetzung einer Kommission zur Vorbereitung der gesetzlichen Neuordnung vorschlug. Nachdem dieser Anregung Rechnung getragen worden ist und die 1970 eingesetzte Kommission i m Oktober 1973 ihren Bericht m i t Gesetzesentwürfen veröffentlicht hat, scheint die seit langem von verschiedener Seite auf wissenschaftlichen Kongressen geforderte Neuordnung des Staatshaftungsrechts ernstlich i n Angriff genommen zu werden. Schon 1955 auf dem 41. Deutschen Juristentag waren entsprechende Forderungen vorgetragen worden. Zwar stand damals die Diskussion überwiegend i m Zeichen der etwaigen Einführung eines neuen Institutes objektiver Haftung, durch das das bisherige Haftungssystem, bestehend aus den Instituten Enteignung, Aufopferung, enteignungsgleicher Eingriff und Amtshaftung lediglich ergänzt werden sollte. Aber schon damals wurden Stimmen laut, die auf die Notwendigkeit einer völligen Neugestaltung des deutschen Staatshaftungsrechts hinwiesen. So war Schach i n seinem Gutachten 2 der Meinung, daß die bisherige Gliederung der öffentlich-rechtlichen Entschädigung nicht zwingend sei, zumal die Grenzen zwischen den einzelnen Instituten durch den weiten Anwendungsbereich des Aufopferungsgedankens fließend ge1 2

Verhandlungen des 47. DJT, Bd. I I , S. L 18 ff. u. L 34 ff. Verhandlungen des 41. DJT, Bd. I, S. 1 ff. (58 f.).

22

Einleitung: „Responsabilité sans faute" u. das dt. Staatshaftungsrecht

worden seien. Unter Rückgriff auf gewisse Ideen Otto Mayers 8 forderte er, an die Stelle des bisherigen ein einheitlich konzipiertes neues System zu setzen, das zwar mehrgliedrig sein, dennoch aber organisch aufeinander abgestimmt sein sollte. Als Leitgedanken schlug er die Idee des sozialen Rechtsstaates vor; die von ihr gebotene soziale Sicherheit des einzelnen mache es erforderlich, dem Staat weitgehend das Risiko für die korrekte Ausübung seiner Funktionen aufzubürden 4 . Auch Reinhardt sprach sich vor diesem Forum 5 für eine Neuregelung aus. Der Verwaltung dürfe es nicht gestattet sein, ihre Zwecke auf das Risiko einzelner Dritter zu verfolgen. Bei Schädigung einzelner Bürger durch die i m Interesse aller tätige Verwaltung habe die Allgemeinheit für den Schaden aufzukommen. Denn die m i t einer Zweckverfolgung verbundenen Unkosten hätten den zu treffen, dessen Interessen die Zweckverfolgung diene. Ein greifbarer Erfolg war diesen Vorschlägen auf dem 41. Deutschen Juristentag nicht beschieden. F ü r reformbedürftig wurde lediglich die Amtshaftung befunden; i n einer Resolution wurde eine Neufassung des § 839 BGB gefordert. Es vergingen sechs Jahre, bis erneut eine Tagung sich m i t der Reform des Staatshaftungsrechtes befaßte — diesmal organisiert von der Vereinigung deutscher Staatsrechtslehrer. Leider war wiederum der Blickw i n k e l verengt und fast ausschließlich auf die etwaige Einführung einer öffentlich-rechtlichen Gefährdungshaftung gerichtet. Lediglich Scheuner beschäftigte sich i n seinem Diskussionsbeitrag 6 m i t der Erneuerung des Gesamtsystems. Schon i m Jahre 1955 hatte er i n seinem Aufsatz: „Probleme der staatlichen Schadenshaftung nach deutschem Recht" 7 und i n seinem Beitrag zur Jellinek-Gedächtnisschrift 8 ähnliche Forderungen wie Schach und Reinhardt erhoben und dabei den Hauptakzent auf die Gedanken der Lastengleichheit und der Solidarität der Staatsbürger als Gefahrengemeinschaft gelegt. A u f der Tagung der Staatsrechtslehrer 1961 wiederholte er seine Ansicht, daß die Entwicklung der Staatshaftung auf einen Übergang zu einer objektiven Haftung zusteuere. Eine reine Verursachungshaftung lehnte er jedoch ab. Neben einer vom geschützten Recht her konzipierten Aufopferungs3

S. 18 f. (insbes. S. 20). S. 23/24; 58/59; ähnlich ders.: Gefährdungshaftung auf dem Gebiete des deutschen öffentlichen Rechts, D Ö V 1961, 728 ff. (733). 6 Verhandlungen des 41. DJT, Bd. I, S. 260 ff. (277 f., 284, 290 f.). 6 W D S t R L Bd. 20 (1963), S. 262 ff. 7 D Ö V 1955, 545 ff. (548 f.). 8 Grundfragen der Staatshaftung für schädigende Eingriffe, i n : Forschungen u n d Berichte aus dem öffentl. Recht (Jellinek — Gedächtnisschrift) 1955, 340 ff. (345). 4

B. Die Konzeption des B G H und die daran geübte K r i t i k

23

haftung sei für einen Teilbereich, nämlich den der Schädigung durch „fehlgehende Staatshandlungen", ein personelles Element der Verantwortlichkeit zu erhalten — notfalls i n Form des Erfordernisses der Rechtswidrigkeit der schädigenden Handlung 9 . Eine weite Resonanz fanden dagegen die Befürworter einer Totalrevision der Staatshaftung auf der Tagung des Max-Planck-Institutes für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht 1964 i n Heidelberg 1 0 , wo schon auf Detailfragen der Neuregelung eingegangen wurde. Auch die Forschungen der Verwaltungshochschule Speyer beschäftigten sich m i t diesem Thema, wie eine Schrift Luhmanns11 ausweist. Die Notwendigkeit einer Reform scheint somit heute kaum noch i n Frage gestellt zu werden. Dennoch dürfte es zweckmäßig sein, sich darauf zu besinnen, wo die Unzulänglichkeiten des gegenwärtigen Rechtszustandes liegen. Denn nur dann kann das richtige Augenmaß für die erforderlichen Korrekturen gewonnen werden. Da die Unzufriedenheit i n erster Linie durch die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hervorgerufen wurde, ist es vor allem wichtig, sich die Wandlungen i n die Erinnerung zurückzurufen, denen das System der Staatshaftung seit den Tagen der Weimarer Republik unterworfen war. B. Das gegenwärtige Staatshaftungssystem des Bundesgerichtshofes und die daran geübte Kritik I . Die Änderungen i m bisherigen Staatshaftungssystem dürch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes

Traditionellerweise ist Ausgangspunkt der haftungsrechtlichen Regelungen die schadensstiftende Tätigkeit des Staates. Diese kann unter zwei Gesichtspunkten gewürdigt werden. Zum einen kann maßgeblich sein, inwieweit sie auf die Entstehung des Schadens gerichtet war — ob sie i h n bewußt herbeiführen wollte, ob sie ihn lediglich i n Kauf nahm oder ob der E i n t r i t t eines Schadens völlig unbeabsichtigt war. Zum anderen kann es darauf ankommen, ob die Tätigkeit den von den Rechtssätzen geforderten Standard erfüllte, das heißt, ob sie rechtmäßig oder rechtswidrig war. Auch hinsichtlich des angerichteten Schadens läßt sich eine Unterscheidung treffen, nämlich zwischen Vermögensschaden einerseits und Personenschaden andererseits. 9

Ä h n l i c h ders., Amtshaftung u n d enteignungsgleicher Eingriff, JUS 1961, 243 (246 f., 248 f.). 10 Vgl. Die H a f t u n g des Staates f ü r rechtswidriges Verhalten seiner Organe, Bd. 44 der Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht u n d V ö l k e r recht, Köln, B e r l i n 1967. 11 öffentlich-rechtliche Entschädigung rechtspolitisch betrachtet, B e r l i n 1965.

24

Einleitung: „Responsabilité sans faute" u. das dt. Staatshaftungsrecht

Das überkommene System kannte eine Schadensliquidierung nur in folgenden Fällen: (1) Bewußte und gewollte rechtmäßige 12 Beeinträchtigung einzelner i n ihren Vermögensrechten durch förmlichen Hoheitsakt i m Interesse der Allgemeinheit (Enteignung). (2) Rechtmäßige 13 Beeinträchtigung einzelner i n ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit zum Wohle der Allgemeinheit sowie rechtmäßige Beeinträchtigungen von Vermögensrechten, die mangels Zurückführbarkeit auf einen formellen Hoheitsakt nicht der Enteignungsentschädigung unterliegen (Aufopferung) 14 . (3) Sonstige Schädigungen durch die öffentliche Gewalt, sofern sie rechtswidrig waren und ihnen ein schuldhaftes Verhalten von Staatsbediensteten zugrunde lag (Amtshaftung). Eine Erweiterung des Haftungsbereiches trat ein, als das Reichsgericht 1933 eine Haftung des Staates auch bei gewissen rechtswidrigen Schädigungen anerkannte, bei denen ein Verschulden von Staatsbeamten nicht gegeben oder nicht nachweisbar w a r 1 5 . Diese Rechtsprechung wurde nach dem Kriege vom Bundesgerichtshof gebilligt und weitergeführt. Während aber das Reichsgericht die Haftungserweiterung auf eine entsprechende Anwendung des Aufopferungsgedankens gestützt hatte, entschloß sich der Bundesgerichtshof zur entsprechenden 16 A n wendung des A r t . 14 Abs. I GG, also enteignungsrechtlicher Grundsätze 17 . Da nach Ansicht des Bundesgerichtshofes A r t . 14 GG Zulässigkeit und Ersatzpflichtigkeit jeder A r t von hoheitlichen Eingriffen i n Vermögenswerte Rechte abschließend regelt, wurden gleichzeitig auch hoheitliche Verletzungen von Vermögensrechten, die bisher mangels Zurückfürbarkeit auf einen förmlichen Hoheitsakt als Aufopferungsfälle angesehen worden waren, der Enteignungsentschädigung unterstellt 1 8 . Der Bundesgerichtshof erreichte damit eine stabilere Absicherung der Entschädigungspflicht gegen einen entschädigungsfeindlichen Gesetzgeber: statt wie bisher aus dem Gewohnheitsrecht (§§ 74, 75 Einl. ALR) abgeleitet, wurde die Entschädigungsverpflichtung nunmehr auf 12

Fischer, Gutachten zum 41. DJT, Bd. I I , S. 37 ff. (48). Ebd. 14 Schack, Der f ü r den Aufopferungsanspruch neben der Enteignungsentschädigung verbleibende Raum, JZ 1956, 425 ff. (428). 16 R G 11. 4. 33, RGZ 140, 276 (283). 16 Luhmann, S. 208. 17 B G H 10. 6. 52, B G H Z 6, 270 (290). 18 Z u der davon zu unterscheidenden Möglichkeit einer A b w i c k l u n g von Vermögensschäden über die Aufopferung, sofern sie durch die Beeinträchtigung immaterieller Rechtsgüter entstanden sind: Battis , Nochmals: E n t eignung, enteignungsgleicher Eingriff, Aufopferung, N J W 1971, 1593 (1594). 13

B. Die Konzeption des B G H u n d die daran geübte K r i t i k

25

eine unantastbare verfassungsrechtliche Grundlage gestellt 19 . Bis auf das K r i t e r i u m „Rechtswidrigkeit" sah der Bundesgerichtshof die Enteignung und die neue Form der rechtswidrigen Vermögensschädigung ( = enteignungsgleicher Eingriff) als tatbestandsgleich an 2 0 , was mit der These von der Gleichheit der Opferlage begründet wurde: beide Maßnahmen belasteten die Betroffenen i n gleicher Weise m i t einem Sonderopfer 21 . Ebenfalls 1952 nahm der Bundesgerichtshof eine weitere Modifizierung des vom Reichsgericht übernommenen Systems vor, als er die Entschädigungspflicht wegen enteignungsgleichem Eingriff auf Vermögensbeeinträchtigungen durch schuldhaft-rechtswidrige Akte ausdehnte 22 . M i t der Entscheidung vom 12. 4. 54 23 präzisierte er diese Rechtsprechung dahingehend, daß die Ansprüche aus Amtshaftung und enteignungsgleichem Eingriff nebeneinander bestehen können; der A n spruch aus enteignungsgleichem Eingriff stelle keinen anderweitigen Anspruch i. S. des § 839 Abs. I Satz 2 BGB dar. I n demselben Beschluß erfolgte eine ähnliche Erweiterung bei der Aufopferung, die nunmehr ebenfalls rechtswidrig-schuldhafte Schädigungen umfaßte und konkurrierend zur Amtshaftung geltend gemacht werden konnte 2 4 .

I I . Die Kritik an der Konzeption des Bundesgerichtshofes 1. Die fehlende Einbeziehung nicht gezielter in den Bereich objektiver (Verschuldensfreier)

Schädigungen Haftung

Das vom Bundesgerichtshof entwickelte System war i n der Folge zahlreichen Angriffen ausgesetzt. Die K r i t i k konzentrierte sich zunächst darauf, daß bei nichtgezielter Beeinträchtigung von Vermögensrechten das Opfer leer ausging, sofern eine Amtshaftung mangels Nachweises eines schuldhaften Verstoßes gegen Amtspflichten zu verneinen war. Denn da die Enteignung herkömmlicherweise einen gezielten Eingriff erfordert, hatte die „enteignungsgleiche" Konstruktion der Haftung für rechtswidrige Schädigung zur Folge, daß auch bei ihr ein derartiger Eingriff vorliegen mußte. Da sich mittlerweile auch i m Bereich der 19

Vgl. dazu Jaenecke, Die Haftung des Staates f ü r rechtswidriges V e r h a l ten seiner Organe, i n : Bd. 44 der Beiträge zum öffentlichen Recht u n d V ö l kerrecht (1967) = StaatsH, S. 69 ff. (83). 20 B G H 10. 6. 52, B G H Z 6, 270 (290). 21 B G H 12. 4. 54, B G H Z 13, 88 (92). 22 B G H 16.10. 52, B G H Z 7, 296 (297 f.). 23 B G H Z 13, 88 (100). 24 B G H 12.4.54, B G H Z 13, 88 (92); vgl. auch: B G H 31.1.66, B G H Z 45, 58

(82).

26

Einleitung: „Responsabilité sans faute" u. das dt. Staatshaftungsrecht

Aufopferung das Erfordernis eines „Eingriffs" durchgesetzt hatte, konnte dieses Institut nicht mehr seine bisherige Auffangfunktion erfüllen 2 5 . A u f die vom Bereich der objektiven Haftung ausgeschlossene Gruppe von Schädigungen, die nicht auf einen Eingriff beruhten, war vor allem von Forsthoff 26 hingewiesen worden. I m Laufe der Zeit wurden folgende Fälle als zu ihr gehörig herausgearbeitet 27 : (1) Gezieltes rechtsförmiges Hoheitshandeln m i t intensiverer Schädigung als gewollt. Charakteristisch ist die unbeabsichtigte und atypische Schadensfolge, die auf die M i t w i r k u n g von Faktoren zurückzuführen ist, welche außerhalb der Normalsituation liegen. Als Beispiele werden genannt: Schädigungen von Unfallhelfern, Schädigungen bei der Leistung von Hand- und Spanndiensten, Impfschäden, Schädigungen von Feuerwehrleuten bei Absperrdiensten. (2) Gezieltes rechtsförmiges Hoheitshandeln m i t extensiverer Schädigung als gewollt, bei dem also Dritte i n Mitleidenschaft gezogen wurden, z.B. Verletzung von Dritten bei Schußwaffengebrauch durch die Polizei. (3) Schädigungen, die nicht durch einen rechtsförmigen Hoheitsakt, sondern durch sonstige staatliche Verwaltungstätigkeiten auf dem Gebiet öffentlicher Aufgabenerfüllung verursacht wurden, z.B. Niveauveränderungen von Wegen, Splitterwirkung einer A r t i l l e rieübung, Funkenflug der Eisenbahn, Immissionsschäden. (4) Schädigungen durch das Versagen technischer öffentlicher Einrichtungen, z. B. Versagen automatischer Verkehrsregelungen, technische Defekte i n Trinkwasser- oder Energieversorgungsanlagen, unvorhersehbare Deformierung der Straßendecke, Unfall eines Postautos. (5) Schädigungen durch Untätigbleiben des Staates (zumindest bei Unterlassen einer Rechtshandlung). 25 Z u m ursprünglichen Fehlen des Eingriffserfordernisses beim Aufopferungsgedanken vgl. Scheuner, Diskussionsbeitrag, i n : W D S t R L Bd. 20 (1963), S. 262. 28

Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 7. A u f l . 1958, S. 315. Vgl. dazu: Fischer, Gutachten zum 41. DJT, Verhandlungen Bd. I I C 37 (57 ff.); Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 9. A u f l . (1966), S. 322 ff.; Jaenicke, Gutachten, W D S t L Bd. 20 (1963), S. 171 ff.; Leisner, Gutachten, W D S t L Bd. 20 (1963), S. 189 ff.; Schach, Der für den Aufopferungsanspruch neben der Enteignungsentschädigung verbleibende Raum, JZ 1956, 425 (428); Selmer, Der Aufopferungsanspruch auf vermögensrechtlichem Gebiet, 1965, S. 115; Weimar, „Zufalls"-Schädigungen durch die öffentliche Hand, DÖV 1963, 607. 27

B. Die Konzeption des B G H und die daran geübte K r i t i k

27

U m das aus d e r d a r g e l e g t e n K o n z e p t i o n des Bundesgerichtshofes f o l g e n d e E r g e b n i s d e r E n t s c h ä d i g u n g s v e r s a g u n g zu v e r m e i d e n , zeichn e n sich folgende M ö g l i c h k e i t e n ab: (1)

E n t w e d e r w i r d d i e h e r k ö m m l i c h e H y p o t h e s e b e i b e h a l t e n , daß s o w o h l d i e E n t e i g n u n g als auch d i e A u f o p f e r u n g e i n e n w i s s e n t l i c h e n u n d w i l l e n t l i c h e n E i n g r i f f voraussetzen. D a n n ist das b i s h e r erarbeitete System öffentlich-rechtlicher Ersatzpflichten durch ein zusätzliches E n t s c h ä d i g u n g s i n s t i t u t z u e r g ä n z e n 2 8 .

(2)

O d e r aber m a n s t e l l t das b i s h e r i g e S y s t e m z u r D i s p o s i t i o n u n d u n t e r s c h e i d e t b e i d e n n e u z u erfassenden F ä l l e n danach, ob d i e S c h ä d i g u n g r e c h t m ä ß i g oder r e c h t s w i d r i g ist. B e i r e c h t m ä ß i g e r S c h ä d i g u n g w ü r d e sich e n t w e d e r eine M o d i f i z i e r u n g b z w . A b s c h a f f u n g des E i n g r i f f s e r f o r d e r n i s s e s b e i E n t e i g n u n g oder A u f o p f e r u n g 2 9 a n b i e t e n o d e r aber d i e S c h a f f u n g e i n e r n e u e n G r u p p e „eingriff sg l e i c h e r " F ä l l e 3 0 , zwecks E i n s c h r ä n k u n g d e s j e n i g e n Bereichs, i n d e m das E r f o r d e r n i s eines E i n g r i f f s a u f z u g e b e n w ä r e . B e i r e c h t s w i d r i g e n S c h ä d i g u n g e n k ä m e eine E i n o r d n u n g u n t e r d i e G r u p p e d e r „enteignungsgieichen E i n g r i f f e " 3 1 beziehungsweise d e r

28 So Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 9. Aufl., S. 333 u n d Mondry, Die öffentlich-rechtliche Gefährdungshaftung i n Frankreich u n d das P r o blem der Einfügung einer öffentlich-rechtlichen Gefährdungshaftung i n das deutsche System staatlicher Ersatzleistungen, 1964: Einführung einer öffentlich-rechtlichen Gefährdungshaftung, m i t dem Anknüpfungspunkt einer von hoher Hand geschaffenen Gefahrenlage, der sich der geschädigte Bürger nicht entziehen konnte. Vgl. auch Gallwas, Nebenwirkungen hoheitlicher A k t e u n d Enteignungsrecht, B a y V B l . 1965, 40 (45); Weimar, Gefährdungshaftung bei schuldlosrechtswidrigem Verhalten i m öffentlichen Recht, R i A 1961, 182 u n d Schack, Gutachten, Verhandlungen 41. D J T Bd. I, 1 ff. (26): Entschädigung aufgrund des Prinzipes der Lastengleichheit. Ferner Leisner, Gutachten, V V D S t L Bd. 20 (1963), S. 226 ff. (236): E i n f ü h rung einer öffentlich-rechtlichen Unfallhaftung, die nicht auf die Schaffung einer besonderen Gefahrenlage abstellt, sondern auf einen „Betriebsunfall" als Ursache des Schadens. 29 So Fischer, Gutachten zum 41. DJT, Verhandlungen Bd. I I C 37 (56); Jaenicke, Diskussionsbeitrag, V V D S t L Bd. 20 (1961), S. 166; Scheuner, A m t s haftung u n d enteignungsgleicher Eingriff, JUS 1961, 243 (247 V 1) (für eine Modifizierung der Eingriffserfordernis). Ferner: Janssen, Gefährdungshaftung i m öffentlichen Recht, N J W 1962, 932 (942); Lange, Die Entschädigung für schuldlos-rechtswidrige Eingriffe des Staates . . . (1955), S. 41; Schack, Der f ü r den Aufopferungsanspruch neben der Enteignungsentschädigung verbleibende Raum, JZ 1956, 425 (427); Weimar„Zufalls"-Schädigungen durch die öffentliche Hand, D Ö V 1963, 607 (610); (für eine Abschaffung des Eingriffserfordernisses). 80 So Schack, Der „enteignungsgleiche Eingriff", J Z 1960, 625 (627). Ä h n l i c h w o h l auch Kuschmann, Die Abgrenzung der Enteignung u n d der Aufopferung von der Amtshaftung i n der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, N J W 1966, 576. 81 Z u r Reservierung des Begriffs „enteignungsgleicher E i n g r i f f " für Fälle rechtswidriger Schädigung vgl. Lerche, Amtshaftung u n d enteignungsgleicher Eingriff, JUS 1961, 237 (240).

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Einleitung: „Responsabilité sans faute" u. das dt. Staatshaftungsrecht

Aufopferung, ebenfalls unter Umformung oder Aufgabe des Eingriffserfordernisses 32 i n Betracht. Aber selbst bei einer derartigen Erweiterung der bisherigen Haftungsinstitute würden die Fälle unerfaßt übrigbleiben, i n denen der Schädigungsakt eher i n der Form eines technischen Versagens einer staatlichen Einrichtung auftritt als i n Gestalt einer hoheitlichen, zur Duldung verpflichtenden Einwirkung auf Rechtspositionen. Hier wäre an die Erweiterung der bisherigen Amtshaftung unter Preisgabe des Verschuldenserfordernisses oder aber an die Einführung einer neben die Amtshaftung tretenden Garantiehaftung für fehlerhaftes Funktionieren des Staatsapparates zu denken 33 . Die Überlegungen des Bundesgerichtshofes sind offenbar i n Richtung der zweiten angegebenen Möglichkeit, der Aufgabe des Erfordernisses eines „gezielten" Eingriffs, gegangen. Seit der Entscheidung vom 15. 3. 62 34 läßt er es für das Vorliegen eines Eingriffes genügen, daß eine hoheitliche Maßnahme unmittelbar Auswirkungen auf private Vermögensrechte h a t 3 5 ' 3 6 . Die erforderliche Unmittelbarkeit der Auswirkungen ist dann nicht gegeben, wenn die Verwaltung lediglich eine Gefahrenlage geschaffen hatte, die erst durch das Hinzutreten weiterer Umstände zu dem betreffenden Schaden geführt hat, z. B. Genehmigung eines Bauwerks, nach dessen Errichtung die von i h m ausgehenden I m missionen die Vermietbarkeit einer V i l l a beeinträchtigen 37 , Einrichtungen einer Verkehrsampel, deren Fehlfunktionieren einen Verkehrs32 Außer den oben, Fußn. 29 angegebenen: Selmer, Der Aufopferungsanspruch auf vermögensrechtlichem Gebiet, 1965, 62 ff. Nach i h m sind nichtfinale Schädigungen durch rechtsförmige Maßnahmen: enteignungsgleiche Eingriffe, nicht-finale Schädigungen durch tatsächliches Handeln: Aufopferung. (Selmer sieht die neu zu erfassenden Fälle als rechtswidrige Schädigungen an, da sie nicht auf ein Gesetz zurückzuführen seien, das den Anforderungen der Junktionsklausel — A r t . 14 I I I 2 GG — genügt.) 33 So Jaeniche, Gutachten, W D S t L Bd. 20 (1963), S. 175; Scheuner, Diskussionsbeitrag W D S t L Bd. 20, S. 262 ff.; ders., JUS 1961, 243 (246 f., 248 f.). Vgl. auch Zeidler, Verwaltungsfabrikat u n d Gefährdungshaftung, DVB1. 1958, 681 (687). 34 Truppenübungsplatz — F a l l B G H Z 37, 44 (47). 35 Vgl. dazu Schach: „ U n m i t t e l b a r e " u n d „mittelbare" Schäden i m hoheitlichen Bereich i n der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, D Ö V 1973, 390 f f sowie Gronefeld: Preisgabe u n d Ersatz des enteignungsrechtlichen Finalitätsmerkmals, 1972. 36 Bei Versagung einer Genehmigung liegt die Eingriffshandlung erst i n der förmlichen Ablehnung des Antrags. Jedoch liegt ein der ausdrücklichen Versagung gleichstehender fahtischer E i n g r i f f vor, w e n n der Betroffene m i t Rücksicht auf eindeutige Erklärungen der zuständigen Behörde i n verständiger Weise davon absieht, ein formelles Gesuch u m Erteilung der Erlaubnis einzureichen. — B G H 29. 5.1972, DVB1. 1972, 827. 37 B G H 22. 5. 67, B G H Z 48, 46 (49).

B. Die Konzeption des B G H und die daran geübte K r i t i k

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Unfall ermöglichte 38 oder Bau einer Wasserleitung, die undicht w i r d 3 9 . Eine Ausnahme vom Erfordernis der Unmittelbarkeit der Eigentumsbeeinträchtigung für die Annahme eines „Eingriffs" w i r d dann gemacht, wenn es sich u m Immissionsschäden handelt. Führen Immissionen, die öffentlich-rechtlicher Verwaltungstätigkeit zuzurechnen sind, zu einem Schaden, so ist i m gleichen Umfang Entschädigung zu gewähren wie auigrund des § 906 BGB bei Immissionen des Privatrechts 40 . Die Eingriffsnatur ergibt sich hier allein daraus, daß der Betroffene ein Sonderopfer zugunsten der Allgemeinheit erbringen muß. Die Opfergrenze ist dabei nicht überschritten, wenn auch nach privatem Nachbarrecht (§ 906 BGB) die Immission entschädigungslos hinzunehmen ist, d. h. wenn die Grenzen der Zumutbarkeit nicht erreicht sind 4 1 . Soweit die i n der angegebenen Weise erfolgte Schädigung 42 rechtmäßig ist, handelt es sich u m einen „enteignenden" Eingriff 4 3 . Der „enteignungsgleiche" Eingriff hingegen ist auf die rechtswidrigen „Eingriffe" sowie auf die durch rechtmäßiges hoheitliches Handeln entstandenen ungewollten Einwirkungen oder Nebenfolgen beschränkt 44 . Der Sonderopfercharakter des Schadens w i r d dabei durch die Feststellung bestimmt, der „Eingriff" sei rechtswidrig gewesen 45 . I m Gegensatz zur Enteignung und ihren Nebenformen kommt es nach der neueren höchstrichterlichen Judikatur i m Bereich der Aufopferung 38 B G H 15.10. 70, N J W 1971, 32 (33) m i t A n m . Landwehrmann, N J W 1971, 840. Dazu auch Ossenbühl, Enteignungsgleicher Eingriff u n d Gefährdungshaftung i m öffentlichen Recht, JUS 1971, 575 ff. 39 B G H 25.1. 71, N J W 1971, 607 (608). B e w i r k t dagegen eine Kanalisationsanlage die Senkung des Grundwassers, was wiederum zu der Beeinträchtigung der Standfestigkeit eines an der Straße liegenden Hauses führt, w i r d ein unmittelbarer enteignender Eingriff i n das Eigentum bejaht — B G H 20.12. 71, N J W 1972, 527. Die U n m i t t e l b a r k e i t des Eingriffs ist auch gegeben, w e n n Straßenbauarbeiten direkt den Lagevorteil des Anliegergewerbebetriebes mindern — B G H 20.12. 71, B B 1972, 64. 40 B G H 30.10.70, N J W 1971, 94 (95); B G H 22.2.71, N J W 1971, 750; B G H 10.11. 72, N J W 1973, 326; DVB1. 1973, 445 m i t A n m . Schwabe. 41 B G H 10.11.72, N J W 1973, 326; DVB1. 1973, 445 m i t A n m . Schwabe; B G H 11.10. 73, DVB1. 1974, 125. 42 Z u r Möglichkeit eines Eingriffs durch Unterlassen (vom B G H verneint): B G H 26.10. 70, DVB1. 1971, 464 m i t A n m . Schrödter u n d Schmalz sowie Bender, Staatshaftungsrecht, 1971, Rdnr. 41 ff. 43 Vgl. dazu Wagner, Die Abgrenzung von Enteignung u n d enteignungsgleichem Eingriff, N J W 1967, 2333 (2337 Fußn. 51, 52) sowie Bauschke und Kloepfer, Enteignung, enteignungsgleicher Eingriff, Aufopferung, N J W 1971, 1233 (1236). 44 Dazu Papier, Abschied v o m enteignungsgleichen Eingriff, N J W 1971, 2157, ferner Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog, K o m m , zum GG, Rdnr. 94 zu A r t . 14 GG. 45 B G H 25. 4. 60, B G H Z 32, 208 (212).

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Einleitung: „Responsabilité sans faute" u. das dt. Staatshaftungsrecht

nicht auf eine unmittelbare Herbeiführung des Schadens durch eine positive hoheitliche Handlung an. Hier hält es der Bundesgerichtshof für ausreichend, daß die durch hoheitliches Handeln geschaffene Gefahrenlage adäquat zum Schaden geführt hat 4 6 . Trotz zu bejahendem Kausalzusammenhang w i r d jedoch eine Entschädigung versagt, wenn die Tatfolge, für die Ersatz begehrt wird, außerhalb des Schutzbereiches der verletzten Norm liegt 4 7 . Das Sonderopfer i m Bereich der Aufopferung verneint der Bundesgerichtshof dann, wenn die Beeinträchtigung Ausdruck der allgemeinen Risikolage ist, i n die der Betroffene hineingestellt ist 4 8 . A u f diese Weise ist es dem Bundesgerichtshof gelungen, für die überwiegende Mehrzahl der Fälle einer nicht gezielten und gewollten Schädigung eine befriedigende Lösung zu finden. Allerdings bleibt der Schönheitsfehler, daß es dem Bundesgerichtshof immer noch nicht gelungen ist, die Schädigungen durch Fehlfunktion technischer Apparate, die sogenannten „Unfallschäden", i n das Entschädigungssystem einzugliedern 4 9 . Dennoch hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes i m allgemeinen Zustimmung gefunden, der Streit um die fehlende Einbeziehung von nicht gezielten Schädigungen ist heute weitgehend beigelegt. 2. Die Schwäche des dogmatischen Unterbaus des enteignungsgleichen Eingriffs Von einer Beilegung der Meinungsverschiedenheiten i n dem zweiten wichtigen Punkt der K r i t i k — der dogmatischen Konstruktion der enteignungsgleichen Eingriffe auf dem Fundament des Lastengleichheitssatzes — kann dagegen keine Rede sein. Denn dem Bundesgerichtshof ist es hier nicht gelungen, die gegen seine Rechtsprechung vorzubringenden Einwände zu entkräften. So ist z. B. darauf hinzuweisen, daß schon von der A r t und Weise der Schädigung her ein wesentlicher Unterschied zwischen Enteignung und Aufopferung einerseits und den sogenannten enteignungsgleichen Eingriffen andererseits besteht: Sowohl der Enteignung als auch der Aufopferung ist eigentümlich, daß dem Bürger i m Namen des Staates ein besonderes Opfer abverlangt wird. Inhalt des Staatswillens ist hier, den Bürger zur Aufgabe einer geschützten Rechtsposition zu nötigen. 49

B G H 8. 7.1971, N J W 1971, 1881 (1883); B G H 22. 2.1973, N J W 1973, 1322. O L G Celle 19. 6. 69, N J W 1971, 103 (104) m i t A n m . Kreutzer. 48 B G H 2. 5. 55, B G H Z 17, 172 — Strafgefangene; B G H 16.1. 67, B G H Z 46, 327 — Schüler; B G H 11. 3. 68, B G H Z 50, 14 — Unrichtiges U r t e i l als allgemeines Lebensrisiko; B G H 8. 7. 71, N J W 1971, 1881 — Geisteskranke. 49 Vgl. die oben Einl. B I I 1 angegebenen Beispiele (fehlerhaft funktionierende Verkehrsampel, undicht gewordene Wasserleitung etc.). 47

B. Die Konzeption des B G H und die daran geübte K r i t i k

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Von einem derartigen auf das Abverlangen eines Sonderopfers gerichteten Staatswillen kann aber bei rechtswidriger Schädigung keine Rede sein. I n einem Rechtsstaat muß davon ausgegangen werden, daß der wohlverstandene Staatswille auf die Respektierung der Normen der Rechtsordnung gerichtet ist. Da aber der Staat, wie jede juristische Person, zur Realisierung seines Willens sich unvollkommener Menschen bedienen muß, kommt es zuweilen vor, daß der handelnde Beamte gegen die Rechtsnormen verstößt und i n der Folge einen Bürger rechtswidrig schädigt. Diese Schädigung entspricht nicht dem Staatswillen, sie beruht vielmehr auf einer Fehlleistung des Staatsapparates. Schädigungen infolge von Mängeln der Bürokratie fallen aber eher unter den Gesichtspunkt der Amtshaftung als unter den der Enteignung bzw. der Aufopferung 6 0 . Allerdings muß festgehalten werden, daß der Bundesgerichtshof die Gleichbehandlung der Fälle der rechtswidrigen Schädigung m i t denen der Enteignung bzw. Aufopferung weniger m i t der Gleichheit der Eingriffsart als vielmehr m i t der Gleichheit der Wirkung bei dem Betroffenen begründet. Dagegen ist aber einzuwenden, daß der Bundesgerichtshof dieses Argument nur halbherzig vorbringt und insbesondere darauf verzichtet, die notwendigen Konsequenzen für den Haftungsbereich des „enteignungsgleichen Eingriffs" zu ziehen: Wenn letztlich nur die Tatsache der Schädigung durch hoheitliche Tätigkeit und die daraus resultierende ungleiche Behandlung des Geschädigten i m Vergleich zu seinen Mitbürgern für die objektive Haftung ausschlaggebend sein soll, so bleibt unerfindlich, warum zusätzlich ein aktionstypisches Merkmal gefordert wird. K o m m t es wirklich nur auf erlittene Sonderopfer an, so muß darauf verzichtet werden, die objektive Haftung für rechtswidrig-schuldhaftes Handeln von der Aktivitätsstruktur eines „Eingriffs" abhängig zu machen. Die Beschränkung der vom Privileg des Verschuldenserfordernisses losgebundenen Entschädigungspflicht auf solche rechtswidrig-schuldhafte Akte, die ihrer Natur nach enteignenden Charakter i m Sinne des A r t . 14 GG haben können, ist i n einer aus der Sicht des Opfers und seinem Interesse an Gleichbehandlung konzipierten Haftung fehl am Platz 6 1 . Die dogmatischen Grundlagen der Lehre vom „enteignungsgleichen" Eingriff erweisen sich demnach bei näherer Betrachtung als nicht tragfähig oder als inkonsequent angewandt.

50

I n diesem Sinne auch Fischer, C 50; ferner Scheuner, Grundlagen u n d A r t des Eigentumsschutzes, i n : Reinhardt / Scheuner, Verfassungsschutz des Eigentums, 1954, S. 106. 51 Vgl. auch Bender, Staatshaftungsrecht, 1971, Rdnr. 40 ff.

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Einleitung: „Responsabilité sans faute" u. das dt. Staatshaftungsrecht

C. Die zu bewältigenden Reformaufgaben und der dazu mit der vorliegenden Arbeit versuchte Beitrag Die gegen die Begründung des Bundesgerichtshofes vorgebrachte K r i t i k hat jedoch nicht zum Ziel, auch die Ergebnisse seiner Rechtsprechung i n Frage zu stellen. Aus Gründen der Billigkeit ist es i n der Tat geboten, die Opfer rechtswidriger staatlicher Schadenszufügung selbst dann zu entschädigen, wenn die auf dem Verschuldensprinzip aufgebaute Amtshaftung des A r t . 34 GG i. V. m. § 839 BGB nicht eingreift 5 2 . Es w i r d daher angezeigt sein, für derartige Schäden mindestens i m bisherigen Umfang einen Ersatz zu gewähren, die Ersatzpflicht aber auf eine besser fundierte Grundlage zu stellen. Dabei w i r d auch das Verhältnis dieser Haftungsform zu der Amtshaftung neu überdacht werden müssen; möglicherweise w i r d es dann zu einer Annäherung beider Institute oder zu ihrer Verschmelzung zu einer neuen Rechtswidrigkeitshaftung kommen. Schließlich müßte versucht werden, zu einer organischen Verknüpfung zwischen Haftung für rechtswidrige und rechtmäßige Schadensverursachung zu gelangen. A u f diese Weise könnte es gelingen, das bisher aus Teilen verschiedenartiger Herkunft behelfsmäßig errichtete Gebäude der Staatshaftung durch eine neue, einheitlich konzipierte Konstruktion zu ersetzen. I n Frankreich ist dieses Werk schon seit längerer Zeit i n Angriff genommen worden. Es dürfte daher von Interesse sein, die dort gemachten Erfahrungen i n die deutschen Überlegungen einbeziehen zu können. Diese Nutzbarmachung zu erleichtern, ist Ziel der vorliegenden Arbeit. Sie w i l l zeigen, i n welchem Umfang das französische Verwaltungsrecht heute eine Haftung des Staates ohne Rücksicht auf ein Beamtenverschulden anerkennt und wie das Verhältnis dieser sogenannten „responsabilité pour risque" (oder — moderner: „responsabilité sans faute") 5 3 zu den sonstigen Formen staatlicher Haftung für außervertragliche hoheitliche Schädigung geregelt ist. Da sich aber die neuere Entwicklung nur verstehen läßt, wenn man sowohl das Gesamtsystem als auch die Ausgangspunkte der „responsabilité sans faute" vor Augen hat, soll zunächst ein Blick auf die übrigen der „faute "-losen Haftung zur Seite stehenden Institute geworfen werden. Anschließend sollen die historisch gewordenen Grundformen der „responsabilité sans faute" skizziert werden.

62 Vgl. dazu Heidenhain, Amtshaftung u n d Entschädigung aus enteignungsgleichem Eingriff, 1965, S. 147 sowie Diskussion u n d Resolution des 47. D J T (1968) (Verhandlungen L 58 ff.; L 144 f.). 53 Vgl. unten, 2. Teil E.

D. Sinn des Darstellungsumfangs des franz. Staatshaftungsrechts

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D. Rechtfertigung der Einbeziehung auch der „expropriation" und der „réquisition" in die Darstellung des französischen Staatshaftungsrechtes Bei den neben der „responsabilité sans faute" bestehenden und hier interessierenden Anspruchsgrundlagen handelt es sich u m „expropriation" und „réquisition" einerseits und u m die „faute"-Haftung andererseits. Diese Institute ähneln von weitem der deutschen Enteignung und der Amtshaftung. Allerdings ist zu beachten, daß nach französischer Terminologie „expropriation" und „réquisition" nicht als Staatshaftungsfälle anzusehen sind. Das französische Verwaltungsrecht kennt zwar den Begriff der „responsabilité de la puissance publique", er umfaßt aber nur die „responsabilité sans faute" und die „faute"-Haftung. „Expropriation" und „réquisition" werden i n dieses Haftungssystem nicht m i t einbezogen 54 . Zwar w i r d durchaus gesehen, daß insbesondere die „Expropriation" ein Fall ersatzpflichtauslösender staatlicher Schädigung ist, so daß von daher ihrer Wertung als Staatshaftungsfall keine Bedenken entgegen stünden. Teissier 55 z. B. schreibt unter der Kapitelüberschrift: „Wie entsteht und wie stellt sich die Frage nach einer Haftung der öffentlichen Hand": „Die öffentliche Hand verursacht häufig bei natürlichen und juristischen Personen des Privatrechts Schäden mannigfacher A r t durch das Funktionieren ihres Apparates und die Ausführung der Dienste, die auszuführen sie zur Aufgabe hat . . . Die natürlichen und juristischen Personen können durch ungesetzliche und willkürliche Maßnahmen öffentlicher Funktionäre geschädigt werden. Jenseits jedes Fehlers, jedes Irrtums von Repräsentanten der öffentlichen Gewalt kann die Verwaltung i n voller Ausübung ihrer Rechte Schäden an Mobiliar- oder Immobiliareigentum verursachen. Sie kann gewissen Eigentümern ihre Güter entziehen, anderen sehr schwere Belastungen auferlegen und ihnen die Nutznießung beeinträchtigen . . . Die Prinzipien der Billigkeit . . . fordern den Ersatz all dieser Schäden . . ," 5 6 . Auch 64 Typisch ist z. B. die Einleitung zum K a p i t e l „Responsabilité administrat i v e " bei Laubadère, Traité élémentaire de droit administratif, 5 e éd., Bd. I, S. 612 f., n° 1123 u n d n° 1125, i n der von der „expropriation" u n d der „réquisition" keine Rede ist. Vgl. auch S. X I des Vorwortes von Fromont zur französischen Übersetzung von Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechtes, 1966: Traité de D r o i t A d m i n i s t r a t i f Allemand, 1969. 55 Responsabilité de la puissance publique, i n : Bd. 23 des Répertoire de D r o i t A d m i n i s t r a t i f von Bequet, 1906, S. 104. 56 „Comment naît et comment se pose l a question de la responsabilité de la puissance publique . . . L a puissance publique, par son fonctionnement même et par l'exécution des services qu'elle a mission d'assurer cause fréquement, aux particuliers ou aux colléctivités d u droit privé, des dommages de nature fort diverse . . . Les personnes physiques ou les personnes morales peuvent être lésées par des mesures illégales ou arbitaires de fonctionnaires

3 Vogt

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Einleitung: „Responsabilité sans faute" u. das dt. Staatshaftungsrecht

w i r d i n der französischen Literatur nicht die Rolle verkannt, die das Institut der „expropriation" bei der Entwicklung der Staatshaftung gespielt hat. Wie z. B. von Schnerb 57 i n dem Kapitel „Esquisse d'une histoire jurisprudentielle de la responsabilité de la puissance publique" ausführlich dargestellt wird, ist die Ersatzpflicht wegen „expropriation" die Wegbereiterin jeglicher staatlicher Ersatzleistung gewesen. Ferner wurde der ihr zugrunde liegende Gedanke des Eigentumsschutzes schon frühzeitig verfassungsrechtlich abgesichert: A r t . 17 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789, die noch heute Bestandteil der französischen Verfassung ist, erklärt ausdrücklich: „Das Eigentum ist ein unverletzliches und heiliges Recht. Es kann niemandem genommen werden, außer wenn öffentliche Notwendigkeiten (nécessités publiques), die gesetzlich festgelegt sind, dies offensichtlich erfordern und nur unter der Voraussetzung einer angemessenen und i m voraus zu zahlenden Entschädigung." Diese Entschädigungspflicht für Eigentumsentzug ist jedoch, anders als i n Deutschland, i n der Folge ohne große Bedeutung für die Weiterentwicklung des Staatshaftungssystems geblieben 58 . Lediglich die Abwicklung der Schädigungen durch sogenannte „travaux publics" kann als unmittelbares A n wendungsgebiet der Eigentumsgarantie verstanden werden 5 9 . Davon abgesehen hat die spezialgesetzliche Regelung der „expropriation" verhindert, daß der Gedanke des Eigentumsschutzes eine größere Expansionskraft entfalten konnte 6 0 . Das hängt mit dem i m französischen öffentlichen Recht geltenden Primat des Gesetzgebers vor den anderen Gewalten zusammen. Die „responsabilité de la puissance publique" als ein Geschöpf der Rechtsprechung 61 greift nur dort ein, wo der Gesetzgeber Raum für sie gelassen hat. Das bedeutet einerseits, daß es publics. En dehors de toute faute, de toute erreur des représentants ou des agents de la puissance publique, l'administration peut, dans la plénitude même de ses droits, causer des dommages aux propriétés immobilières ou mobilières. Elle peut déposséder certains propriétaires de leurs biens, i m poser à d'autres des servitudes très onéreuses, gêner leur exploitation ou troubler leur jouissance . . . Les principes les plus certains de l'équité exigeraient que réparation f û t due pour tous ces dommages . . . " . 57 Schnerb, Une jurisprudence d'équité d u Conseil d'Etat: Le risque administratif, Thèse Strasbourg 1946, S. 51 ff. 58 Z u r heutigen Bedeutung des A r t . 17 der Menschen- u. Bürgerrechtserk l ä r u n g vgl. Stahl, Die Sicherung der Grundfreiheiten i m öffentlichen Recht der Fünften Französischen Republik, 1970, S. 169 f. 59 Vgl. dazu Teissier, S. 107 Nr. 12; Duez / Delbeyre, Traité de D r o i t A d ministratif, S. 435. 60 Vgl. dazu auch Leisner, Französisches Staatshaftungsrecht, Verw. Arch. 1963, 1 ff. (12 f.). Wegen gelegentlicher Ansätze i n der L i t e r a t u r vgl. unten, 1. T e i l B V 3, Fußn. 101. 61 Vgl. dazu Benoit, L e droit administratif français, 1968, S. 674 n® 1216; Odent, Contentieux administratif 1970 - 71, S. 1050.

D. Sinn des Darstellungsumfangs des franz. Staatshaftungsrechts

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keine Staatshaftung gibt, wo der Gesetzgeber sie ausgeschlossen hat — gegen dessen Willen kann der Staat nicht für haftbar erklärt werden, eine den Willen des Gesetzgebers überlagernde Haftungsnorm wie A r t . 14 GG, die den Richter vorrangig binden würde, gibt es nicht. Insbesondere kommt, wie noch zu zeigen sein w i r d 6 2 , dem Lastengleichheitsgrundsatz (l'égalité de tous devant les charges publiques) keine übergeordnete Rolle zu. Anderseits ist dann kein Platz für die „responsabilité de la puissance publique", wenn der Gesetzgeber die Entschädigung selbst geregelt hat. Der Richter läßt hier dem Gesetzgeber den V o r t r i t t : ohne Rückgriff auf sein kasuistisch entwickeltes Haftungssytsem wendet er ausschließlich die gesetzliche Regelung an; eine etwaige vor Eingreifen des Gesetzgebers gefundene eigene Lösung w i r d aufgegeben 63 . Trotz all dieser Vorbehalte gegen eine Zuordnung der Expropriation und der Requisition zu dem Bereich der Staatshaftung sollen sie dennoch zusammen m i t der „faute "-Haftung kurz dargestellt werden. Denn wie bereits betont, werden gewisse Fallgruppen der „responsabilité sans faute" nur verständlich, wenn man sie i n Vergleich zu den anderen Entschädigungsinstituten setzt.

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Unten, 5. T e i l A I V . Vgl. z. B. die Rechtsprechung „Cames" nach dem I n k r a f t t r e t e n des Gesetzes v o m 8. A p r i l 1898 — unten, 1. Teil B I I 3, die Rechtsprechung „Regnault — Desroziers" nach dem Erlaß des Gesetzes v o m 3. M a i 1921 — unten, 1. T e i l B I I I 1 a. E. sowie als neueres Beispiel die Urteile des T r i b u n a l de grande instance de Paris v o m 9.3. 70 ( N . . . c/ Agent judiciaire d u trésor, JCP 1971 I I 16840) u n d v o m 13.5.70 (Guy Vavon c/ Etat Français, A J D A 1970, 508) nach dem Erlaß des Gesetzes v o m 17. J u l i 1970 — unten, 4. T e i l B I I I 3. Vgl. ferner: Odent, Contentieux administratif, 1970 - 71, S. 1050. Wegen des sich neuerdings anbahnenden Wandels vgl. unten, 3. T e i l A I I I 1. 63

3*

Erster Teil

Die Stellung der „responsabilité sans faute" im französischen Staatshaftungssystem A. Der Geltungsbereich der Entschädigungspflicht wegen Inanspruchnahme von Eigentum und Arbeitskraft sowie der Haftung für Verschulden der Staatsbediensteten in Frankreich I. Die Ersatzpflicht wegen Inanspruchnahme von Eigentum und Arbeitskraft („expropriation" und „réquisition")

1. Die Expropriation Für die „expropriation" ist heute maßgebend i m wesentlichen die Verordnung (ordonnance) vom 23. Oktober 19581. Nach ihr ist die „expropriation" durch fünf Merkmale gekennzeichnet, die i m Grunde schon i m Art. 17 der Menschen- und Bürgerrechte vorgezeichnet sind: (1) Eine geplante, rechtmäßige, fehlerfreie Übertragung (2) von Grundstückseigentum, dinglichen Grundstücksrechten ausnahmsweise auch von Patenten (droits incorporels)

sowie

(3) auf Gebietskörperschaften (collectivités territoriales), Anstalten des öffentlichen Rechtes (établissements publics) und auf gewisse aus öffentlichen Gründen begünstigte Unternehmer (insbesondere Unternehmer öffentlicher Arbeiten, beliehene Unternehmer, Bergwerkskonzessionäre) 2 ; (4) die Rechtsübertragung muß zum Zwecke des allgemeinen Nutzens (utilité publique) erfolgen, wobei nach der Rechtsprechung des Conseil d'Etat das Vorliegen eines „intérêt general" ausreicht. Das strengere Erfordernis der „nécessité publique", von dem A r t . 17 Deklaration der Menschenrechte spricht, wurde schon i m A r t . 545 C. Civ. von 1803 aufgegeben 3 ; 1 D 1958 Législation, S. 335. Einen guten Überblick über die historische Entwicklung sowie eine bündige Darstellung der heutigen Regelung geben Auby u n d Ducos-Ader, D r o i t A d m i n i s t r a t i f (1970), S. 550. Vgl. auch Homont, J C A 400. 2 Einzelheiten: Auby I Ducos-Ader, S. 571; Homont, J C A 400, S. 18, n 103 ff. 3 Vgl. dazu Richter, Die Grundlagen der H a f t u n g . . . , S. 62 f.; Auby / DucosAder, S. 563, no 429.

A. I. Die Ersatzpflicht wegen Expropriation u n d Requisition

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(5) dem betroffenen Bürger ist i m voraus eine angemessene Entschädigung zu zahlen. Vom deutschen Standpunkt aus gesehen, ist besonders auffallend die grundsätzliche Beschränkung der „expropriation" auf Immobiliarrechte (Grundstückseigentum — propriété d'un immeuble — und dingliche Rechte an Grundstücken — droits réels immobiliers). Zu beachten ist, daß der französische Begriff „immeuble" nicht nur bebaute und unbebaute Grundstücke einschließlich wesentlicher Bestandteile und Zubehör umfaßt, sondern auch fließende und stehende Gewässer. Die „expropriation" umfaßt in der Regel auch den Untergrund des Grundstücks, sie kann sich aber m i t der Oberfläche oder dem Unterirdischen begnügen. Ob sie sich auch auf den Luftraum über dem Grundstück bezieht, ist noch nicht ganz geklärt 4 . Seit der Ordonnance vom 23. Oktober 1958 können auch Grundstücksrechte enteignet werden. Dazu gehören Nießbrauch, Benutzungs- und Wohnrecht (Art. 578 bis 636 C. Civ.), die Dienstbarkeiten i. S. von A r t . 637 bis 710 C. Civ., das Erbpachtrecht (Art. 937 C. rur.), die Bergwerksgerechtigkeit und die Abbauerlaubnis (Art. 35 und 55 C. min.). Wie bereits betont, sind bewegliche Sachen und Rechte von der „expropriation" grundsätzlich ausgeschlossen, soweit sie nicht Grundstücksbestandteil oder Zubehör sind. Eine Ausnahme besteht für patentierte oder nicht patentierte Erfindungen, die für die Streitkräfte von Bedeutung sind (Dekret vom 30.10. 35). Ferner sind der Expropriation unterworfen bewegliche Sachen, die zur Aufrechterhaltung des Betriebes von Rüstungsfabriken unerläßlich sind 5 . Weiter fällt auf, daß die „expropriation" — anders als die deutsche Enteignung — als ein reiner Güterbeschaffungsvorgang aufgefaßt wird, vorgenommen durch einen konkret-individuellen A k t : Nach verwaltungsbehördlicher Vorbereitung durch die sogenannte „déclaration d'utilité publique" und durch den „arrêté de cessabilité" (der Enteignungsobjekt und dessen Rechtsträger festlegt), spricht der Enteignungsrichter den Eigentumsübergang aus (sog. ordonnance de transfert de propriété). Eine bloße Eigentumsbeschränkung ohne gleichzeitige Eigentumsübertragung oder die Zufügung eines Vermögensschadens w i r d nicht als „expropriation" aufgefaßt 6 . Gleichfalls fällt nicht unter die Entschädigungsregelung der „expropriation" die Aneignung von Privatvermögen unmittelbar durch Gesetz (die sog. Legalenteignung i. S. der deutschen Terminologie). 4 Vgl. Auby / Ducos-Ader, S. 560; Pépy, Le droit de superficie et l'expropriation, RDP 1939, 441 ff. 5 Gesetz v. 11. 8.1936; vgl. CE 10. 3.1939, Sté des Ets. Edg. Brandt, Leb. 155. 6 Deutlich JCA 400, S. 15, no 71.

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e i : „Responsabilité sans faute"

a .

Staatshaftungst

Z u beachten ist schließlich, daß die Entschädigung nach den Expropriation» Vorschriften nur dann ausgelöst wird, wenn das Expropriationsverfahren rechtmäßig ist, das heißt, wenn wegen zu bejahender „utilité publique" ein Enteignungsrecht besteht und wenn durch die Entscheidung des Enteignungsrichters ein Enteignungstitel geschaffen wurde 7 . Ein „expropriationsgleicher rechtswidriger Eingriff", der nach Expropriationsregeln abzuwickeln wäre, ist dem französischen Recht unbekannt. Vielmehr w i r d i n diesem Fall die „faute"-Haftung ausgelöst 8 . Der Begriff „utilité publique" entspricht i m Großen und Ganzen dem „Wohl der Allgemeinheit" des A r t . 14 Abs. I I I GG, dem eine Enteignung dann dient, wenn i m Hinblick auf einen konkreten Zweck überwiegend Vorteile für die Öffentlichkeit erstrebt (nicht notwendig erzielt ö) werden 1 0 . Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die französische „expropriation" i m wesentlichen der klassischen Formel der Enteignung entspricht, die bis i n die Weimarer Zeit hinein auch das deutsche Rechtsdenken prägte: nämlich der Enteignung als entschädigungspflichtige Übertragung von Grundeigentum durch gesetzlich zugelassenen Verwaltungsakt auf ein aus öffentlichen Gründen begünstigtes Unternehmen 11 . Die Fortentwicklung des Enteignungsinstitutes in Deutschland, wonach auch bloß negative Einwirkungen auf das Eigentum ohne 7

CA Paris 4.11.1967, Epoux L e d r u et Ventadoux, JCP 1969 I I 15848 note A l b a l a ; Homont, JCA 400, S. 15, n 73. 8 Vgl. Homont, JCA 400, S. 15 n 72; TC 6.11.1967, Préfet des Bouches-duRhône, Req. n 1903. 9 Wolff, I § 62 I I I a 1. 10 Auby / Ducos-Ader, S. 563; Homont, J C A 400, S. 19 n 113 ff. 11 Z u m klassischen Enteignungsbegriff vgl. Maunz, i n : M a u n z / D ü r i g / Herzog, Rdnr. 74 m i t weiteren Nachweisen. Gemäß spezialgesetzlicher Regelung w i r d i n Frankreich als zulässig angesehen i m Bereich des Gesundheits- u n d Hygienewesens: die Expropriation von Mineralquellen — zwecks Verschönerung u n d Sanierung von K u r o r t e n (Gesetze v. 14. 7.1856 u n d v. 13. 4.1910), — zwecks Verhinderung von Gewässerverschmutzung, (Gesetz v. 16.12.1964), i m Bereich des Sozialwesens: — Expropriation zwecks Unterbringung von kinderreichen oder bedürftigen Familien (Gesetz v. 30.10.1935), — Expropriation zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit (Gesetz v. 11.10. 1940), i m Bereich des Erziehungswesens u n d des Sports: — Expropriation zwecks Organisation der olympischen Spiele von Grenoble (1968) (Gesetz v. 29. 6.1965), auf dem Gebiet der Wirtschaft: — Expropriation insbes. zur Strukturverbesserung (Anlage von Flugplätzen, Wiederaufforstung, Wiederurbarmachung von verwildertem Ackerland),

A . I. Die Ersatzpflicht wegen Expropriation u n d Requisition

39

gleichzeitigen E i g e n t u m s ü b e r t r a g u n g s v o r g a n g d e r E n t e i g n u n g u n d d e r d a m i t v e r k n ü p f t e n E n t s c h ä d i g u n g s p f l i c h t zugerechnet w e r d e n , h a t i n F r a n k r e i c h k e i n e P a r a l l e l e u n d k e i n e Resonanz gefunden. W i e b e r e i t s b e t o n t w u r d e 1 2 u n d w i e noch i m e i n z e l n e n z u zeigen sein w i r d , w u r d e v i e l m e h r d e r w e i t e r e A u s b a u des Schutzes p r i v a t e r Rechtspositionen u n a b h ä n g i g v o m E n t e i g n u n g s g e d a n k e n u n d seiner gesetzlichen Regelung unternommen13. 2. Die

Requisition

W ä h r e n d d i e „ e x p r o p r i a t i o n " sich g r u n d s ä t z l i c h n u r a u f I m m o b i l i e n bezieht, k a n n sich d i e „ r é q u i s i t i o n " a u f Sachen a l l e r A r t beziehen. A u c h k ö n n e n v o n d e m I n a n s p r u c h g e n o m m e n e n persönliche D i e n s t e v e r l a n g t w e r d e n . A l l e r d i n g s s i n d R e q u i s i t i o n e n n u r i m K r i e g s f a l l oder i n e i n e r N o t s t a n d s s i t u a t i o n zulässig; i n F r i e d e n s z e i t e n d ü r f e n n u r M a ß n a h m e n g e t r o f f e n w e r d e n , d i e d i e R e q u i s i t i o n l e d i g l i c h v o r b e r e i t e n — w i e z. B . die E r f a s s u n g v o n gegebenenfalls z u r e q u i r i e r e n d e n Personen u n d Sachen 1 4 . oder zwecks Erleichterung der Ausbeutung von K o h l e - u n d Erdölvorkommen (Gesetze v o m 29. 7.1880, 29. 3.1958, 31. 5.1924, 4. 4.1882, 6. 8.1913, 28. 4.1922, 3.1.1933, 12. 3.1943, 23. 5.1943), auf wissenschaftlichem Gebiet: — Expropriation zwecks Erleichterung von Ausgrabungen (Gesetz v. 27. 9. 1941), auf dem Gebiet des Städtebaus u n d der Städteplanung: — Expropriation zur Stadtsanierung (Gesetz v. 14. 3.1919, 19. 7.1924). Über den Rahmen der „ u t i l i t é publique" hinaus sieht die Rechtsprechung eine „expropriation" schon dann als gerechtfertigt an, w e n n privates Eigent u m durch Überführung i n Eigentum der öffentlichen H a n d der Allgemeinheit nützlich werden kann, d. h. w e n n das sogenannte „intérêt général" vorliegt. (Vgl. Auby / Ducos-Ader, S. 567 n 431.) So hat der Staatsrat als zulässig angesehen: die Expropriation — zwecks Vergrößerung einer Ferienkolonie: CE 10. 8.1923, Giros, Leb. 684, — zwecks Baues einer Jugendherberge: CE 20.12.1938, Cambieu, D 1939 I I I 15 concl. Josse, — zwecks Unterbringung des Generalsekretärs einer Präfektur: CE 28.7. 1952, Héritiers Lamy, Leb. 415, — zwecks Unterbringung des zivilen Werkstattpersonals eines Flughafens: CE 9. 7.1968, Herbrecht, R P D A 1958, no 331, — zwecks Organisierung von Bauern- oder Händlerkundgebungen: CE 30.3. 1966, Hérault, A J D A 1966, no 175. Nicht zulässig ist dagegen eine Expropriation, die allein i m Interesse von Privatleuten erfolgt (auch wenn sie öffentliche Bedienstete sind): CE 19.5. 1886, 30.10.1889, J C A 400, S. 137, no 137, oder die allein den finanziellen Erwägungen der öffentlichen H a n d Rechnung tragen: CE 20.3.1953, Bluteau, S 1953 I I I 80. 12 Oben Einleitung D. 13 Näheres zur Methode des Conseil d'Etat unten 5. T e i l C I I . 14 Vgl. Gesetz v. 3. 7.1877, A r t . 37 (geändert durch Gesetz v. 27. 3.1906 u n d Gesetz v. 18. 6.1934). Wegen der friedensmäßigen Ausnahmen vgl. unten a. E. dieses Abschnittes A I 2.

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e i : „Responsabilité sans faute"

a .

Staatshaftungst

Zu unterscheiden sind militärische und zivile Requisitionen, was für die Rechtsgrundlage von Bedeutung ist. Militärische Requisitionen finden ihre Grundlage i n dem Gesetz vom 3. 7.1877. Sie sind nach A r t . 1 des genannten Gesetzes nur i m Fall der teilweisen oder vollständigen Mobilisation der Streitkräfte oder bei Truppenzusammenziehungen zulässig, wobei sie von einer militärischen Dienststelle ausgehen und unmittelbar militärischen Zwecken dienen müssen 15 . Ergänzend sieht das Gesetz v. 23.7.1911 gewisse Requisitionen bei Manövern und Schießübungen vor. Die zivilen Requisitionen sind i m Gesetz vom 11. 7.1938 geregelt. Danach dürfen zivile und militärische Behörden Requisitionen vornehmen, wenn die Streitkräfte mobilisiert sind, wenn ein offensichtlicher Angriff vorliegt, der den Verteidigungsfall herbeiführt sowie i n Zeiten außenpolitischer Spannungen, die derartige Maßnahmen erfordern. Durch das Gesetz vom 3. 4.1955 sind die Requisitionsmöglichkeiten auch auf den Fall eines inneren Notstandes ausgedehnt worden. Der militärischen Requisition unterliegen alle Gegenstände und Dienstleistungen, deren Zurverfügungstellung das militärische Interesse erfordert (nécessités par l'intérêt militaire) — A r t . 15 Abs. 11 G. v. 3. 7.1877. I n gleicher Weise erstreckt sich die zivile Requisition nach dem Gesetz von 1938 auf alle Sach- und Dienstleistungen, die durch die Bedürfnisse des Landes notwendig geworden sind („nécessaire pour les besoins du pays"). Bei der Requisition von Sachen ist zu unterscheiden zwischen Requisition zu Eigentum und Requisition zur bloßen Benutzung. I m ersten Fall w i r d die Requisition als Zwangskauf verstanden, i m zweiten Fall als Zwangsmiete 16 . Immobilien (und ihnen gleichgestellte Wirtschaftsunternehmungen) 17 unterliegen nur der Requisition zur Benutzung. W i l l die Verwaltung sich das Eigentum verschaffen, so muß sie die Immobilien und Unternehmungen einer Expropriation unterwerfen. Die Schranken der Requisition liegen i n ihren schon genannten Zielsetzungen. Die militärische Requisition hat dem Mangel an unzureichender Ausrüstung und an notwendigen Hilfsmitteln abzuhelfen 18 . Die zivile Requisition nach dem Gesetz von 1938 hingegen ist nur zulässig, wenn sie der Mobilisierung aller Kräfte für die Kriegführung und der Fortführung lebensnotwendiger Betätigungen d i e n t 1 9 ' 2 0 . Beide Arten 15

CE 31.5.1946, Perquel, Leb. 155; CE 25.7.1947, Sté Publications Elysées, Leb. 348; CE 16. 3.1949, Terra et Sté des cafés de France, Leb. 130. 16 Ency. Dalloz „Réquisitions", S. 767 n® 30. 17 CE 6. 6.1947, Soc. provençale des constructions navales et autres, Leb. 253. 18 Encycl. Dalloz, S. 769 n° 59. 19 Vgl. CE 31.1. 45 (zitiert nach Gazier, RDP 1947, 22).

A . I. Die Ersatzpflicht wegen Expropriation u n d Requisition

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der Requisition unterliegen ferner dem Verbot des Übermaßes i. S. v. Lerche 21: Bevor die Verwaltung zu dem M i t t e l der Requisition greifen darf, muß sie alle anderen, den Bürger weniger belastenden M i t t e l ausgeschöpft haben 22 . Auch muß sich die Requisition auf den geringstmöglichen Umfang beschränken 23 . Insbesondere ist die zivile Requisition nur erlaubt, wenn zuvor der Versuch einer gütlichen Einigung gemacht wurde — vorausgesetzt, dieser Versuch ist möglich und sinnvoll 2 4 . Schließlich ist bei der Requisition der Lastengleichheitssatz (l'égalité de tous devant les charges publiques) zu beachten; die Verwaltung hat dafür Sorge zu tragen, daß die Requisitionslasten gleichmäßig auf alle verteilt werden, die imstande sind, die erforderlichen Sachund Dienstleistungen zu erbringen 2 5 . Die Requisition löst grundsätzlich eine Entschädigungspflicht aus; i m Gegensatz zur Expropriation ist vorherige Entschädigung nicht erforderlich. Allerdings unterliegt dem Entschädigungsgebot nur die Verwaltung; der Gesetzgeber unterliegt keiner übergeordneten Norm, die eine Entschädigung zwingend vorschreibt; er ist nicht gehindert, die Verwaltung i n gewissen Fällen von einer Entschädigungspflicht freizustellen und hat dies auch i n den Gesetzen von 1877 und 1938 getan 26 . Neben den beiden geschilderten Hauptformen der Requisition haben sich zahlreiche Sonderformen i m zivilen Bereich entwickelt, die auf spezialgesetzlicher Grundlage beruhen 2 7 . So können zum Beispiel die Bürgermeister gemäß A r t . 97 des Gesetzes vom 5.4.1884 (C. adm. comm.) eine Requisition anordnen. Davon werden vor allem Wohnräume zur Unterbringung von Obdachlosen betroffen 28 . Da es sich bei diesem Requisitionsrecht aber letztlich u m einen Ausfluß polizeilicher 20

Z u m Begriff „besoins d u pays" vgl. auch Morange, D 1944, 99; ders., D 1945, 163; Dinh, D 1946, 270; Liet-Veaux, S 1944 I I 25; weitere Rspr. Nachweise bei Encycl. Dalloz, S. 769 n 62 ff. 21 Übermaß u n d Verfassungsrecht, 1961. 22 Vgl. Fußn. 19; ferner CE 9.11.1945, Morand, D 1946 J 270 note Nguyen Quoc D i n h ; CE 17. 8.1945, Etabl. Stora frères, Leb. 182. 23 CE 17.10.1947, Dupuis de Cultures, Leb. 379; CE 28.10.1949, Syndicat des maîtres artisans boulangers, Dr. soc. 1950, 50. 24 Vgl. A r t . 20 Gesetz v o m 18.6.1938, ferner: Encyclopédie Dalloz, Stichw o r t „Réquisitions", S. 770, n° 67 ff.; CE 30.7.1949, Patureau-Mirand etc., Leb. 410; CE 17.10.1947, Dupuis de Cultures, Leb. 379. 25 Ausführungsdekret v o m 2. 8.1877 f ü r militärische Requisitionen, Ausführungsdekret v o m 28.11.1938 für zivile Requisitionen. 26 CC 28. 6. 55, Etat français c/Dme Vve Azema, D 1956 Somm. 75; CC 19. 3. 56, Etat français c/Mulle, D 1956 Somm. 122. 27 Wegen der Einzelheiten vgl. J C A 350, S. 23 f., n« 155 ff. 28 CE 15. 2. 61, Werquin, RDP 1961, 321 concl. Braibant; JCP 1961 I I 12269 note A u b y ; D 1961 J 611 note Weil.

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e i : „Responsabilité sans faute"

a .

Staatshaftungst

Befugnisse handelt 2 9 , darf es nur ausgeübt werden, wenn es zur A u f rechterhaltung oder Wiederherstellung von Sicherheit und Ordnung dringend erforderlich ist 3 0 und kein milderes Mittel, insbesondere der Weg einer gütlichen Einigung 3 1 , zur Verfügung steht. Weiter ergibt sich aus A r t . 52 des „Code des Douanes" ein Recht der Gemeindebehörden oder — subsidiär — des Präfekten, Wohnhäuser zu requirieren, u m dort Zolldienststellen oder Wohnungen für Zollbeamte einzurichten. Nach dem Gesetz Nr. 52 - 865 vom 26. 7. 52 kann Gelände für die Errichtung von Schrebergärten requiriert werden. Art. 8 des Gesetzes vom 8. 4. 46 betreffend die Verstaatlichung von Elektrizitäts- und Gasversorgungseinrichtungen erlaubt die Requisition solcher Anlagen, die von der Verstaatlichung ausgenommen worden waren, weil sie normalerweise für die Öffentlichkeit nur von untergeordneter Bedeutung waren. Ein weiteres Requisitionsrecht ergibt sich aus dem Gesetz vom 30.10.46, wonach die Gemeinden Gelände und Einrichtungen für Zwecke der Körpererziehung und des Sports in Anspruch nehmen können 3 2 . A u f Grund des Gesetzes Nr. 61 - 1262 vom 24.11. 61 betreffend die Strandpolizei kann i m Verordnungswege zum Zwecke der Bergung von Wracks und Strandgut die Requisition von beweglichen und unbeweglichen Gegenständen vorgesehen werden. Hiervon wurde durch das Dekret vom 26.12. 61 Gebrauch gemacht, welches erlaubt, i m Zusammenhang m i t den Bergungsarbeiten Transportmittel und Lagerräume zu requirieren und private Grundstücke zu betreten. Schließlich sieht die Ordonnance Nr. 61 - 108 vom 1. 2. 61 die Requisition von Gebäuden und Einrichtungen zur Unterbringung von Polizeieinheiten vor, die zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung i n das betreffende Gebiet verlegt worden waren 3 3 . I I . Die Haftung des Staates für schuldhaftes Verhalten seiner Bediensteten („faute de service")

Expropriation und Requisition sind Schöpfungen des Gesetzgebers. Die „responsabilité pour faute de service" hingegen wurde allein von der Rechtsprechung entwickelt. Sie stellt die hauptsächliche Anspruchsgrundlage i m Bereich der Staatshaftung dar. I h r Wesen wurde i n der 29

So JCA 350, S. 23, no 155. CE 28.4.61, Cne de Cormeilles-en-Parisis, RDP 1961, 1253 note Waline; CE 7. 7. 61, V i l l e d'Agen, A J D A 1961 I I 702. 31 CE 4.12. 57, Cabanie, Leb. 655; CE 1. 4. 60, Dme Rousseau, Leb. 258. 32 Wegen der restriktiven Auslegung dieser Vorschrift vgl. CE 28.10.64, Dme Hue, A J D A 1965 I I 301. 33 Einzelheiten: Singer , Les réquisitions immobilières au profit des forces de police, Rev. adm. 1963, 387. 30

A . I I . Die H a f t u n g f ü r „faute de service"

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deutschen L i t e r a t u r b e r e i t s a u s f ü h r l i c h d a r g e s t e l l t 3 4 . Es s o l l e n d a h e r n u r d i e w e s e n t l i c h s t e n P u n k t e noch e i n m a l h e r v o r g e h o b e n w e r d e n : (1) A n k n ü p f u n g s p u n k t f ü r d i e „ f a u t e " - H a f t u n g s i n d n i c h t d i e A u s w i r k u n g e n der staatlichen T ä t i g k e i t (wie z . B . die Inanspruchnahme v o n E i g e n t u m b e i d e r E x p r o p r i a t i o n ) , s o n d e r n d e r C h a r a k t e r d e r schäd i g e n d e n H a n d l u n g 3 5 . D a b e i w i r d , — anders als b e i d e r deutschen A m t s h a f t u n g — n i c h t a u f das f e h l e r h a f t e V e r h a l t e n eines e i n z e l n e n B e a m t e n abgestellt. E n t s c h e i d e n d ist v i e l m e h r , ob eine f e h l e r h a f t e O r g a n i s a t i o n oder e i n V e r s a g e n i m n o r m a l e n F u n k t i o n i e r e n des S t a a t s apparates v o r l i e g t ( „ d é f a u t d ' o r g a n i s a t i o n o u d é f a i l l a n c e dans l e f o n c t i o n n e m e n t n o r m a l d u s e r v i c e " ) 3 6 . L i e g t e i n solcher F e h l e r v o r , so w i r d dies r e i n o b j e k t i v festgestellt, ohne daß d a r a n e i n S c h u l d V o r w u r f gek n ü p f t w i r d 3 7 . U m das V o r l i e g e n e i n e r „ f a u t e de s e r v i c e " b e j a h e n z u können, muß demnach v o m n o r m a l e n Erscheinungsbild einer w o h l o r g a n i s i e r t e n u n d f u n k t i o n i e r e n d e n V e r w a l t u n g ausgegangen w e r d e n . D a m i t ist das k o n k r e t e V e r h a l t e n d e r V e r w a l t u n g i n V e r g l e i c h z u 34 Insbes. durch Leisner, 1963, S. 28 ff.; Richter, Die Grundlagen der H a f tung f ü r „faute de service" i m französischen Staatshaftungsrecht (1965); Wahl, Die französische Staatshaftung (1968). 35 Dies w i r d von Leisner zu Recht hervorgehoben, S. 13. 88 CE 13.12.1963, Ministre des Armées c/Occelli, A J D A 1964, 66 u n d 29 chron. Fourré et Puybasset; CE 14.6.1963, Epoux Hébert, Leb. 364 concl. Méric; D 1964 J 1326 note Lalumière. Vgl. auch Benoît, S. 7, no 1290; Laubadère, I 633; Rivero, S. 255, no 285. Charakteristisch ist auch die Formulierung des Commissaire d u Gouvernement Rougevin-Baville i n seinem Plädoyer zu CE 20. 6.1973, Cne de Châteauneuf-sur-Loire, A J D A 1973, 545 (547 l i n k e Sp.): „ . . . i l est certain que la machine administrative de l'Etat a m a l fonctionné . . . " . Die historischen Gründe f ü r das Abstellen auf das Funktionieren des Staatsapparates u n d nicht auf das Handeln des einzelnen Beamten werden besonders k l a r von Bénoît, S. 677, no 1222, herausgearbeitet: Z u Anfang des 19. Jahrhunderts seien die i m Bereich des Haftungsrechts vorherrschenden Ideen der Schaffung einer Staatshaftung wenig günstig gewesen. „Die Haftung w a r an die zivilrechtliche Vorstellung einer Schuld (culpa) gebunden, das heißt an einen Pflichtenverstoß. Dieser Begriff des Pflichtenverstoßes beinhaltete die Vorstellung von Gesetzen, denen die haftende Person unterworfen ist. E r stand daher i n völligem Gegensatz zu den Auffassungen, die m a n damals von der inneren Souveränität des Staates hatte. Logischerweise betrachtete m a n den Staat, der keine Rechtsverletzung begehen konnte, als nicht haftbar. Es w a r daher notwendig, die klassische zivilrechtliche Konzeption einer an einen Schuldvorwurf geknüpften Haftung zu verlassen, u m zu einer H a f t u n g des Staates zu gelangen. Der Wandel der Auffassung v o m Wesen des Staates, der nunmehr nicht n u r als Hoheitsmacht, sondern auch als dem Bürger gegenüber als dienstleistungsverpflichtet verstanden w i r d , erlaubte i n der Folge, eine Staatshaftung zu entwickeln, die auf dem Begriff des Fehlfunktionierens des Staatsapparates aufgebaut ist, der öffentlich-rechtlichen Version der ,faute'." 37 A m klarsten Moreau, J C A 700, S. 8, no 51: „ . . . la faute administrative se constate objectivement sans aucune référence morale", unzutreffend daher Jaenike, StaatsH, S. 869.

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e i : „Responsabilité sans faute"

a .

Staatshaftungst

setzen. Als Abweichungen von dem normalen Funktionieren kommen vor allem folgende Fälle i n Betracht: (a) Verursachung eines; Unfalls i m Zusammenhang m i t positiver Staatsaktivität z. B. irrtümliche Zahlung der geschuldeten Summe an den Zedenten 88 , Ausstellung irrtumbehafteter Bescheinigungen 39 , Falsche Auskünfte 4 0 . (b) Schadensverursachung durch Nichtfunktionieren der Verwaltung, z. B. unzureichende Überwachung von Soldaten 41 , Beamten 42 , und Irren 4 3 , unzureichende Vorsichtsmaßnahmen zur Verhinderung von Schäden 4 4 , Nichterzwingung der Beachtung gesetzlicher Vorschriften die Bürger 4 5 .

durch

(c) Schadensverursachung durch zu spätes Handeln der Verwaltung 4 6 . (2) Ein derartiger Fehler allein genügt aber noch nicht, u m die „faute"-Haftung auszulösen. Wenn auch die Feststellung einer „faute de service" nicht m i t einem Schuld Vorwurf verbunden ist, so ist es doch unerläßlich, daß die Fehlorganisation oder das Fehlfunktionieren eine Verletzung der Pflichten bedeutet, die die Verwaltung dem Bürger gegenüber zu erfüllen hat. Die Fehlorganisation oder das Fehlverhalten muß also rechtswidrig sein 47 . Diese Rechtswidrigkeit braucht nicht 38

CE 12.11. 49, Vecchini, Leb. 480. CE 24.12. 37, Cie „ L a Préservatrice", Leb. 1091. 40 CE 22. 5. 58, Ministre des Anciens Combattants, RDP 1958, 800. 41 CE 30. 5. 47, Dme Vve Robinier, Leb. 230. 42 CE 7. 7. 54, Monsaigeon, Leb. 432. 43 CE 3. 2. 56, Département de la Somme, Leb. 52. 44 CE 18. 6. 26, Cie l'Abeille et autres, Leb. 617; CE 25.1. 61, Cie d'assur. „ L a Fortune" et V i l l e de Constantine, RDP 1961, 877, n 8; CE 14.6.1963, Epoux Hébert, D 1964, 326 note Lalumière; Leb. 364 concl. Méric. 45 CE 17.7.53, Narce, Leb. 384; vgl. auch: Lasry et Georges, Encyl. Dalloz, Resp. de la Puissance Publique, n 201 ff.; Laubadère, I 633; Rivero, S. 257, n° 287 2o. 46 CE 13. 2. 42, V i l l e de Dôle, Leb. 48. 47 Besonders deutlich: Fromont, StaatsH., S. 831. Vgl. auch Bénoît , S. 709, no 1290: „ . . . le caractère correct ou défectueux de ce fonctionnement étant apprécié purement et simplement par rapport à ce que doit être le fonctionnement d u service en applicant des lois et règlements q u i le définissent. Le terme de faute d u service doit donc être entendu en u n sens que l'on peut qualifier de légal et réglementaire". Ä h n l i c h Lasry et Georges , no 205: „ S i l'existence d'une obligation générale de bon fonctionnement d u service implique que tout manquement à cette obligation est fautif . . . " sowie Moreau, J C A 700, n° 50: „ l a notion de faute correspond à tout fonctionne39

A . I I . Die Haftung f ü r „faute de service"

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notwendigerweise den Grad der sogenannten „illégalité" erreichen, die nur vorliegt, wenn ein Verwaltungsakt unter Mißachtung gesetzlicher Vorschriften erlassen oder unterlassen wird 4 8 » 4 9 . Bloße Ungeschicklichkeit und Unvorsichtigkeit der Beamten außerhalb des Bereiches der Verwaltungsakte lassen nach französischer Auffassung die staatliche A k t i v i t ä t nicht als „illégal" erscheinen; gleichwohl liegt ein Verstoß gegen die Pflicht der Verwaltung vor, für ein normales Funktionieren ihres Apparates Sorge zu tragen, was zur Rechtswidrigkeit dieses Verhaltens führt 5 0 . (3) Die Anforderungen, denen die Verwaltung bei Meidung einer „faute"-Haftung zu genügen hat, sind nicht abstrakt vorgegeben. Sie sind vielmehr für den jeweiligen konkreten Fall zu ermitteln, wobei als Kriterien die A r t der Aufgabe des betreffenden Verwaltungszweiges und die besonderen Umstände der schadensstiftenden Situation (Zeit, Ort, zur Verfügung stehendes Personal und Material) dienen — sogenannte „appréciation i n concreto" 51 . So w i r d bei komplizierten Tätigkeiten, wie z.B. Analysen i n chemischen Laboratorien, ein gewisser Prozentsatz von Irrtümern als normales, vom Bürger zu tragendes Risiko angesehen 62 . Andererseits werden bei Tätigkeiten, die besonders leicht bei unbeteiligten Dritten einen Schaden hervorrufen können, strengere Anforderungen gestellt als bei normalerweise ungefährlichen Aktivitäten 6 3 . Besondere Umstände können aber auch hier den Standart der zu fordernden Sorgfalt senken — z.B. Kriegs- und schwierige Nachkriegszeiten 54 . ment incorrect d u service, à tout manquement aux règles q u i constituent la loi d u service" (ähnl. Moreau, L'influence . . . , S. 139), schließlich Vedei, S. 327: „ L a faute de service consiste dans tout manquement aux obligations du service." 48 Vgl. dazu Vedei, Cours de Droit Administratif, 1969-70, S. 686; ders., Lehrbuch D r o i t Adm., S. 330, 489 § 2 c; Lasry et Georges , Encycl. Dalloz, Resp. de la puissance publique, n° 184. Z u r illegalen Unterlassung vgl. CE 14.12.62, Doublet, A J D A 1962, 100; ehr. 81; Laubadère, Bd. I, S. 634. 49 Z u den Normen, deren Verletzung „illégalité" u n d damit „faute" auslösen, gehört nach neuester Rechtsprechung auch das Verbot von I r r t ü m e r n bei der Würdigung des Sachverhaltes („erreurs d'appréciation"); vgl. CE 26.1.73, V i l l e de Paris c/ Driancourt, Leb. 78; A J D A 1973, 273, 245: obs. Cabanes et Léger. 50 Sehr deutlich Fromont , StaatsH, S. 151: „ L a faute de service peut résulter soit d'une décision illégale soit d'un comportement de fait illicite. Le comportement est illicite tout d'abord lorsqu'il est contraire à l'obligation de bon fonctionnement d u service: défaut d'organisation, fonctionnement défectueux, retard, carence." Vgl. auch Vedei , Lehrbuch, (Fußn. 48). 51 Rivero, D r o i t Adm., 4e éd., S. 256, no 286; Waline, D r o i t Adm., 9© éd., S. 863. E i n gutes Beispiel hierfür ist CE 12.10. 45, Barthozzi, Leb. 201. 62 CE 11.12. 42, Farines, Leb. 350. 63 Waline, S. 863.

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(4) Konnte i n Anbetracht der Umstände und der Natur der Aufgabe des betreffenden Verwaltungszweiges ein sorgfältigeres Verhalten erwartet werden als an den Tag gelegt, so ist eine „faute" i. S. eines rechtswidrigen Fehlverhaltens zu bejahen. Diese „faute simple" genügt aber nicht i n allen Fällen, u m die Haftung des Staates auszulösen. Mitunter löst nur die sogenannte „faute lourde" eine Haftung aus, bei der die „Verfehlung", die Abweichung vom zu fordernden Normalverhalten, besonders schwerwiegenden Charakter erreichen muß 5 5 . Für die Frage, ob „faute simple" ausreicht oder ob „faute lourde" zu fordern ist, stellt der Conseil d'Etat auf die gleichen Kriterien ab, an Hand deren er die Frage, ob überhaupt eine „faute" vorliegt, beantwortet: Gewisse Verwaltungszweige werden per definitionem als unter besonders schwerwiegenden Bedingungen arbeitend angesehen, so daß sie nur für „faute lourde" haften 5 6 ; ferner können die besonderen Umstände zum Zeitpunkt und am Ort des Schadenseintritts dazu führen, daß die Staatstätigkeit als besonders erschwert angesehen wird, so daß nur für „faute lourde" gehaftet wird. Diese zweifache Berücksichtigung der Natur der schadensauslösenden Tätigkeit und der besonderen Verhältnisse, unter denen die Behörde tätig werden mußte, führt zu der schon von Leisner 57 hervorgehobenen doppelten Elastizität der „faute"-Haftung. Durch sie w i r d es möglich, den Besonderheiten des 54

Vgl. CE 16. 6. 50, V i l l e de Beifort, S 1952 I I I 93 note Suel. (Statt „faute" zu verneinen, hätte der Conseil d'Etat j a auch darauf abstellen können, daß der Schaden durch A n b r i n g u n g von Gummirollen an den transportierten Panzern zu vermeiden war.) 55 Wegen der Einzelheiten w i r d verwiesen auf: Leisner, S. 35 ff.; Vedel, Lehrbuch, S. 328. 56

Vgl. die Überblicke bei Leisner, S. 35 f., Wahl, S. 67 ff. Ausführlich: Lasry u n d Georges, no 205 ff.; Vedel, Lehrb., S. 328 ff. Danach sind den von Leisner angeführten Betätigungen, die eine Haftung n u r unter der Voraussetzung einer „faute lourde" auslösen, hinzuzufügen: a) Vormundschaftswesen: CE 29. 3.1946, Caisse départementale d'assurance sociale de Meurthe et Moselle, Leb. 100; RDP 1946 concl. Lefas note Jèze; S 1948 I I I 73 note M a t h i o t ; weitere Rspr.-Nachweise: Lasry u n d Georges, n° 227 m i t Mise à jour. b) Staatliche Aufsichtstätigkeit gegenüber Privatorganisationen sowie gegegenüber Banken: CE 12.2.1960, Kampmann, Leb. 107; A J D A 1960 I 147 chron. Combarnous et Galabert; CE 21.1.1964, Ministre des Finances etc. . . . , Leb. 43; A J D A 1964, 158 chron. Fourré et Puybasset; CE 13. 6.1964, d'André, RDP 1965, 74 note Waline; w . Rspr. N.: Lasry u n d Georges, no 227 m i t Mise à jour. c) Pflichtimpfungen: CE 13.7.1962, Lastrojoli, D 1962, 726 note Lamasurier; RDP 1962, 975 concl. Méric; w. Rspr. N.: Lasry u n d Georges, no 227 m i t Mise à jour. d) Beurteilungen u n d Gutachten, die ein besonderes Fachwissen erfordern: CE 10.5.1957, Marbais, Leb. 307; D 1958 J 190 note F. G.; w. Rspr. N.: Lasry u n d Georges, n° 229 m i t Mise à jour. 57 S. 312 Abs. einerseits, S. 37 1. Abs. u n d 2. Abs. am Anfang anderseits.

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einzelnen Falls i m größtmöglichen Umfang durch gegenseitige Abwägung von Billigkeit und Dienstnotwendigkeit gerecht zu werden 5 8 . (5) Bezüglich der Beweislast für das Vorliegen der „faute" ergibt sich folgendes Bild: Normalerweise muß der auf Ersatz klagende Geschädigte das Vorliegen der „faute" beweisen. Eine Ausnahme gilt aber für den Fall, daß der Schaden auf einen Gesetzesverstoß zurückzuführen ist — wenn also das schädigende Verhalten der Behörde „illegal" i m oben dargestellten Sinne w a r 5 9 . Wie bereits betont, begründet der Gesetzesverstoß (illégalité) als solcher zwar noch nicht die „faute"-Haftung. Sie indiziert aber behördliches Fehlverhalten. So nennt Laubadère 60 den illegalen Verwaltungsakt einen typischen Fall von „faute". Nach Duez / Delbeyre 61 beweist die illegale Entscheidung, daß der betreffende Verwaltungszweig schlecht funktioniert hat. Wie Fromont 62 hervorhebt, liegt eine „faute" aber nur vor, wenn sich die Illegalität als unentschuldbar (inexcusable) erweist. Die Behörde hat die Möglichkeit nachzuweisen, daß die Entscheidung auch bei ordnungsgemäßem Vorgehen so wie i m konkreten Fall ausgefallen wäre 6 3 . Dies gilt vor allem für Illegalität infolge von Formfehlern und Verfahrensmängeln 64 . Beruht die Illegalität auf von der Verwaltung begangenen Irrtümern, so ist zu unterscheiden: Liegt ein Rechtsirrtum vor, so w i r d die Behörde nur m i t der Behauptung gehört, besondere, dem Richter verständliche Gründe hätten zu einer falschen Gesetzesauslegung geführt oder die erforderlichen Gesetzeskenntnisse hätten nicht rechtzeitig verschafft werden können. Ansonsten w i r d von der Verwaltung verlangt, daß sie das Recht kennt und richtig anwendet 6 5 . Irrtümer auf tatsächlichem Gebiet hingegen werden sehr leicht 58 Gegen die Praxis des CE., die Entschädigung allzu oft v o m Vorliegen einer „faute lourde" abhängig zu machen: Moreau, l'influence . . . , S. 1301, no 143. 59 Dies g i l t auch f ü r illegale Unterlassungen — vgl. CE 14.12. 62, Doublet, A J D A 1962, 101 et chron. 85; Laubadère , S. 634. 60 S. 634. 61 S. 430. 62 StaatsH, S. 151. Vgl. auch Aubry, D Ö V 1955, 536; Moreau, J C A 720, S. 9, no 74; Rivero, S. 256, no 287. 63 CE 20.11.42, Vally, Leb. 326; DC 1944 J 29 note Waline; CE 15.7.1964, Prat — Flottes et Sté des Instituts de plein air, Leb. 439. Vgl. auch Duez ! Delbeyre, S. 431; Fromont, StaatsH, S. 151; Laubadère , S. 634; Moreau, J C A 720, S. 13, n o 116. 64 CE 7.6.40, Dme V v e Hoareau, Leb. 194; 29.10.43, Landry, Leb. 236; 26.5.44, Brunet, Leb. 153; Aubry, D Ö V 1955, 537; Fromont, StaatsH, S. 151; Moreau, J C A 720, S. 13, no 116. 65 CE 7.6.40, V u l d y , Leb. 97; S 1942 I I I 3; CE 4.6.43, Dechavassine, Leb. 143. Vgl. auch Fromont, StaatsH, S. 831 a. E.; Laubadère, Bd. I, S. 634; Moreau, JCA 720, S. 9, no 74.

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als unerheblich angesehen, da der Richter sich nicht i n die Sachverhaltsermittlung durch die Behörden einmischen w i l l 6 6 . I n neuerer Zeit sind zwei weitere Fallgruppen einer „faute "-Haftung hinzugekommen. So n i m m t der Conseil d'Etat bei Unfällen infolge von Materialfehlern der technischen Hilfsmittel der Verwaltung ohne weiteres „faute" 6 7 an. Weiter neigt der Conseil d'Etat dazu, vom gravierenden Erfolg, vom besonders schweren Schaden auf ein Fehlverhalten der Verwaltung zu schließen. Der Anfang wurde i m Bereich der Polizei gemacht, wo die Tötung eines Menschen besonders leicht zur A n nahme der hier erforderlichen „faute lourde" führte 6 8 . Neuerdings zeigt sich ein ähnlicher Rückschluß von der Schwere der Folge auf das Vorliegen einer „faute" i m Bereich des Krankenhausund Gesundheitswesens 69 . Conseil d'Etat begnügt sich hier mit der Feststellung, daß die Verwaltung einen Schaden verursacht hat 7 0 . I n dem noch eingehend zu besprechenden Fall „Déjous" 7 1 , dem ein schwerwiegender Impfschaden zugrunde lag, scheint der aus den Akten ersichtliche Sachverhalt darauf hinzudeuten, daß die Verwaltung die erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen hatte, u m Schadensfälle zu vermeiden. Dies hat den Conseil d'Etat nicht davon abhalten können, eine „faute"-Haftung auszusprechen, indem er von der Schädigung auf ein fehlerhaftes Funktionieren des Staatsapparates schloß. Der Conseil d'Etat geht offenbar von der mehr oder minder fiktiven These aus, Infektionen seien stets zu vermeiden, wenn auch oft nur unter Aufbietung aller technischen und personellen Hilfsmittel 7 2 . Hat die Impfung dennoch zu einer Infektion geführt, so läßt nach Ansicht des Conseil d'Etat diese Schädigung auf ein fehlerhaftes Funktionieren des Staatsapparates schließen. Es ist anzunehmen, daß i n diesen Fällen der Conseil d'Etat sich weniger von der Schwere der Abweichung vom Normalverhalten der Verwaltung als vielmehr vom anormalen Umfang des angerichteten Schadens leiten ließ. Es dürfte sich hier um eine Konzession des Conseil d'Etat an die Lehre vom „dommage anormal" handeln 7 3 , die eine von der „faute" losgelöste Haftung für alle Fälle fordert, i n denen die Staatstätigkeit einen speziellen und anormalen Schaden verursacht 66

Vgl. Fromont, StaatsH, S. 151; Moreau, J C A 720, S. 9, no 74. CE 20.4. 34, L e Meut, Leb. 463 (fehlerhafter Hammer). 68 CE 8.11.33, Dme Pasquelin, Leb. 1033; CE 17.12.48, Epoux M a r x , Leb. 1948, 484. Vgl. auch Waline, S. 853. 69 Unzutreffend daher Leisner, V e r w A 1963, S. 34/35. 70 CE 23.12. 62, Meier, Leb. 122. 71 CE 7.3.58, secrétaire d'Etat à santé publique c/ Déjous, Leb. 153; RDP 1958, 1087 concl. Jouvin; S 1958, 183 note Golléty. 72 Vgl. dazu auch Golléty , i n seiner A n m e r k u n g S 1958, S. 183 l i n k e Spalte. 73 Näheres dazu unten 3. T e i l C I I I . 67

B. Die klassischen Fallgruppen der „responsabilité sans faute"

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hat. Wenn auch der Conseil d'Etat sich i n diesen Fällen noch nicht zur objektiven Haftung entschließen konnte 7 4 , so scheint er doch der Auffassung zu sein, daß der „dommage anormal" eine Verlagerung der Beweislast rechtfertige. (6) Schließlich ist zu beachten, daß eine volle Erstattung des Schadens nur dann i n Frage kommt, wenn auf Seiten des Opfers kein Mitverschulden vorliegt. Andernfalls, also bei zu bejahender „faute de la victime", ist die Ersatzpflicht des Staates entweder ganz ausgeschlossen 76 oder doch abgemildert 7 6 . B. Die klassischen Fallgruppen der „responsibilité sans faute" I . Die Ersatzpflicht wegen der Beeinträchtigung von Grundstückseigentum infolge der normalen Ausführung öffentlicher Arbeiten oder des Betriebes einer öffentlichen Einrichtung (sog. „travaux publics")

1. Die Konstruktion der Haftung für Schädigungen durch „travaux publics " Analysiert man die Schädigungsbereiche, auf die Expropriation und die Requisition einerseits, die „faute "-Haftung andrerseits Anwendung finden, so erweisen sich folgende Schadensfälle als nicht erfaßt: (1) Enteignung (i. S. von Eigentumserwerb) von Immobilien durch Gesetz, das keine Entschädigung vorsieht (Legalenteignung). (2) Enteignung (i. S. von Eigentumserwerb) von beweglichen Sachen und Rechten. (3) Gezielte Beeinträchtigung von Eigentum und sonstigen Vermögensrechten ohne gleichzeitigen Rechtserwerb durch den Staat außerhalb von Kriegs- und Notzeiten. (4) Gezielte Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit von Kriegs- und Notzeiten.

außerhalb

(5) Gezieltes rechtsförmiges Hoheitshandeln m i t intensiverer Schädigung als gewollt, m. a. W. unbeabsichtigte atypische Schadensfolgen eines Leistungsgebotes, das eine bestehende Pflichtigkeit konkretisiert und die auf den Einfluß ' von Faktoren zurückzuführen sind, die außerhalb der Normalsituation liegen, 74

Z u den Zweifeln, ob hier noch eine „faute" -Haftung vorliegt oder schon eine „responsabilité sans faute" vgl. Vedel, S. 333. 75 Vgl. z.B. CE 24.1.69, Daumas, RDP 1969, 549; CE 28.6.68, Sté des Etablissements Février — Decoisy-Champio etc., RDP 1969, 548. 76 Vgl. z.B. CE 12.2.71, Rebatel, Leb. 123; CE 17.3.71, Mezzar, Leb. 220; CE 28.4. 71, Ministre de l'Education nationale c/ Montaud, Leb. 1202. 4 Vogt

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z.B. Schädigungen bei der Erbringung von Hand- u. Spanndiensten. (6) Gezieltes rechtsförmiges Hoheitshandeln m i t extensiverer Schädigimg als gewollt insbes. Beeinträchtigung von unbeteiligten Dritten (z. B. bei Schußwaffengebrauch). (7) Schäden, die nicht durch einen rechtsförmigen Hoheitsakt, sondern durch sonstige staatliche Verwaltungstätigkeiten auf dem Gebiete öffentlicher Aufgabenerfüllung verursacht wurden, z. B. Niveauveränderungen von Straßen und Wegen. (8) Schädigungen durch Untätigbleiben des Staates, sofern gleichzeitig die Voraussetzungen einer „faute" erfüllt sind.

nicht

Für diese Fälle mußte eine andersgeartete Haftungsgrundlage gefunden werden. Besonders dringlich war das Entschädigungsproblem für die umfangreichen Eigentumsbeeinträchtigungen, die Anfang des 19. Jahrhunderts durch die Anpassung der Infrastruktur des Landes an das anbrechende Industriezeitalter verursacht wurden. Die öffentliche Hand begann i m Interesse des Gemeinwohls damit, ein dichtes Straßennetz anzulegen, Kanäle zu bauen und das Land mit Schienensträngen zu überziehen. Durch diese sogenannten „travaux publics" 1 wurden die benachbarten Privatgrundstücke i n Mitleidenschaft gezogen und nicht selten dauernd i m Wert gemindert. Zwar war für „travaux-publics"Schäden schon i m Ancien Régime eine Entschädigung gewährt worden, allerdings nicht auf verschuldensfreier, objektiver Grundlage 2 . Die Intensität der nunmehr herbeigeführten Beeinträchtigungen ließ jedoch die bisherige Regelung als unzureichend erscheinen. Wenn auch keine echte Enteignung i. S. einer Aneignung der betreffenden Grundstücke durch den Staat vorlag, so kam doch oft die bleibende Wertminderung wirtschaftlich einem Eigentumsverlust gleich 8 . Dies vertrug 1 Ausführlicher zum Begriff „ t r a v a u x publics" sowie zu dem damit eng zusammenhängenden Begriff der „ouvrages publics": Wahl, S. 107 ff.; Auby / Ducos-Ader, S. 403 ff., no 298 ff.; S. 524 ff., no 404 ff. Bei den „ouvrages publics" ist zu beachten, daß sie n u r Immobilien, nicht aber auch bewegliche Sachen umfassen — vgl. CE 12.10. 73, Cne de SaintBrévin-les Pins, RDP 1974, 1137 note Waline, betreffend einen schwimmenden Sprungturm, der den Badenden zur Verfügung gestellt w a r u n d der umstürzte. Anders dagegen, w e n n die bewegliche Sache als Zubehör eines „ouvrage publics" angesehen werden kann, wie z. B. ein transportables Verkehrsschild i m Hinblick auf die Straße — vgl. CE 18.12. 59, zitiert bei Waline, ebd. 2 Vgl. Auby / Ducos-Ader, S. 498, no 391; Fromont, StaatsH, S. 140. 8 Darauf verweisen z. B. Bénoit, S. 678, no 1224; Duez, L a resp. de la puissance publique, S. 66 u n d Josse, TP, S. 354 hin.

B. Die klassischen Fallgruppen der „responsabilité sans faute"

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sich schlecht m i t der überragenden Wertschätzung des Grundstückseigentums, die das Besitzbürgertum i n dem schon erwähnten A r t . 17 der Menschenrechtsdeklaration zum Ausdruck gebracht hatte. Es erwies sich daher als notwendig, den bisher auf die Abwehr von entschädigungslosen Aneignungsakten beschränkten Schutz des Grundeigentums zu ergänzen und auch die auf dauernden Wertverlust beschränkten Beeinträchtigungen einer objektiven Entschädigung zu unterwerfen 4 . Den geeigneten Ausgangspunkt bot eine Bestimmung aus der Revolutionszeit. A r t . 4 des Gesetzes vom 28 pluviôse des Jahres V I I I erklärte die Verwaltungsgerichte (conseils de Préfecture) für zuständig, über Eingaben von Bürgern zu entscheiden, die sich über schuldhaftes Verhalten und Schädigungen seitens der Bauunternehmer und nicht seitens der Verwaltung beklagen. ( „ . . . les réclamations des particuliérs qui se plaindront de torts et dommages procédant du fait personel des entrepreneurs et non du fait de l'Administration") Unter Annahme eines Redaktionsversehens wurden die Worte „non du fait de l ' A d m i n i stration" ausgelegt i m Sinne von „non seulement du fait de l ' A d m i n i stration" 5 als einer materiellen Regelung der Haftung für „travaux publics"-Schäden. Die Entschädigung w i r d auf objektiver Grundlage gewährt, da die genannte Vorschrift — anders als A r t . 1382 C. Civ. — sich über das Erfordernis einer „faute" ausschweigt 6 . Ohne die Frage fehlerhaften Behördenverhaltens aufzuwerfen, w i r d allein auf den Erfolg der staatlichen Tätigkeit abgestellt — nämlich auf die Tatsache der Eigentumsbeeinträchtigung, verursacht durch die „travaux publics". Der erstrebte Zweck des Eigentumsschutzes, die Parallele zur Expropriation, ist nicht zu übersehen 7 . 2. Überblick über die wichtigsten Formen einer ersatzpflichtauslösenden Beeinträchtigung durch „travaux

publics