Die Entwicklung der Mannszucht in der deutschen, britischen und französischen Wehrmacht seit 1914 [Reprint 2021 ed.] 9783112425787, 9783112425770

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Die Entwicklung der Mannszucht in der deutschen, britischen und französischen Wehrmacht seit 1914 [Reprint 2021 ed.]
 9783112425787, 9783112425770

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Die Entwicklung der Mannszucht in der deutschen,

britischen und französischen Wehr­

macht seit 1914 Von

Dr. Erich Schwinge Professor an der Universität Wien

1940

Druck von Dr. F. P. Datterer & Cie., Freising-München.

Herrn Ministerialdirektor Dr. Rudolf L e hm an n

Chef der Rechtsabteilung im Oberkommando

der Wehrmacht in Verehrung

gewidmet

Vorwort Die vorliegende Schrift gibt in umgearbeiteter und erweiterter Form einen Vortrag wieder, den der Verfasser in den zurückliegenden Kriegs­ monaten an den Universitäten Heidelberg, Innsbruck und Marburg und an einer Reihe anderer Stellen gehalten hat. Als Anhang ist ihr ein aus­ führliches Schrifttumsverzeichnis beigegeben worden.

Wer die nachfolgenden Ausführungen liest, erhält einen Begriff davon, was für eine Fülle bedeutsamer gesetzgeberischer Arbeit in der Zeit seit Wiederherstellung der Wehrhoheit von den Rechtsabteilungen des Ober­

kommandos der Wehrmacht und der einzelnen Wehrmachtteile geleistet worden ist. Ich betrachte es als eine große Ehre, daß es mir gestattet ist, diese Studie dem Chef der Rechtsabteilung im OKW., Herrn Ministerial­ direktor vr. Rudolf Lehmann, widmen zu dürfen. W i e n, im September 1940.

Der Verfasser.

Inhalts-Verzeichnis Die Entwicklung der Mannszucht in der britischen Wehrmacht

1. Der hohe Stand der Disziplin während des Weltkrieges 2. Die Auflockerungserscheinungen in der Zeit zwischen Waffenstillstand und Friedensschluß 3. Der Niedergang der Moral in der Nachkriegszeit bis zur großen Meuterei der Atlantikslotte im September 1931 Die große Meuterei der Atlantikflotte Die Meuterei der Flotte vom Jahre 1797 und ihre Lehren 4. Rückblick auf die Entwicklung seit 1914. Die Strategie des Abwartens . .

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Die Entwicklung der Mannszucht in der franzSsischen Wehrmacht

1. Die Mannszuchtkrisen von August/September 1914 und Mai/Juni 1917 . . 2. Die Kriegsmüdigkeit der französischen Armee bei Kriegsende und ihr Einfluß auf die politischen Entschließungender Regierung. Die Meuterei der Schwarzen Meer-Flotte 3. Das Erwachen des Poilu. (Die Lehren der Entwicklung)

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Die Entwicklung der MannSzucht in der deutschen Wehrmacht

SchrifttumS-Nachweise...........................................................................................

R K K Z Ä S T Z iZ

a) Das österreichisch-ungarische Heer im Weltkrieg b) Die Meuterei der österreichischen Flotte bei Cattaro (Februar 1917) . . 4. Die Vorsorge der deutschen Gesetzgebung Die Leistung des deutschen Weltkriegssoldaten im Urteil der Feinde ....

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1. Die Entwicklung im 19. Jahrhundert a) Die Erfahrungen der Jahre 1813, 1848 und 1859 b) Das Vorgesetzten-Untergebenenverhältnis. Deutsche und britische Auf­ fassungen 2. Die Entwicklung während des Weltkrieges a) Die Hochseeflotte im August 1917 b) Front, Etappe und Heimat in den Jahren 1917 und 1918 3. Die Lehren der Entwicklung in Osterreich-Ungarn

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„Die ersten Eigenschaften des Soldaten" — so lautet ein bekannter Ausspruch von Napoleon — „sind Ausdauer und Disziplin". Ganz in dem gleichen Sinne hat Generalfeldmarschall Graf von Moltke am 7. Juni 1872 vor dem deutschen Reichstag erklärt: „Autorität von oben und Gehorsam von unten; mit einem Worte, Disziplin ist die ganze Seele der Armee. Die Disziplin macht die Armee erst zu dem, was sie sein soll, und eine Armee ohne Disziplin ist auf alle Fälle eine kostspielige, für den Krieg eine nicht ausreichende und im Frieden eine gefahrvolle Institution." Es ist allgemein bekannt, daß das Schicksal dieser ersten Eigenschaften des Soldaten in den Armeen des Weltkriegs verschieden gewesen ist. Weniger bekannt ist, wie sich die Entwicklung im einzelnen zugetragen hat, und an einer zusammenfassenden Darstellung, die diese Entwicklung auch in die Nachkriegszeit hinein verfolgt, fehlt es ganz. Einen ersten Versuch, diese Lücke zu schließen, stellt die nachfolgende Untersuchung dar. Die Weite des Themas und die Überfülle an Stoff zwingen den Verfasser dabei zu einer Beschränkung auf diejenigen Heereskörper, deren innere Verfassung uns im derzeitigen Krieg in erster Linie interessiert*): die deutsche, französische und britische Wehrmacht.

Die Entwicklung der Mannszucht in der britischen Wehrmacht. 1. Der hohe Stand der Disziplin während de» Weltkrieges.

Die britische Wehrmacht war die einzige unter den Großmächten des Weltkriegs, die von Zersetzungserscheinungen gefährlicheren Ausmaßes freigeblieben ist. Nach dem Bericht von Admiral Jellicoe sind in der englischen Flotte zu keiner Zeit beunruhigende Zeichen von Unzufrieden­ heit und Unruhe beobachtet worden, obwohl der Dienst hart und sehr gefährlich war und den Schiffsbesatzungen in der Einöde der Bucht von Scapa Flow kaum Abwechslung und Zerstreuung geboten werden konnte. Aus dem britischen Heer wird uns das gleiche berichtet. l) Als Italien in den Krieg eintrat, war die vorliegende Arbeit bereits abgeschlossen. Die Darstellung der Entwicklung in der italienischen Wehrmacht muß deshalb einer späteren Abhandlung vorbehalten bleiben. — Über die russische Militärstrafrechtspflege während des Weltkrieges vergl.den spannenden Bericht des ehemaligen russischen Militär­ richters Robert v. Raup ach: Russische Schatten (Facies Hippocratica). Leipzig, Paul List Verlag 1939.

„Die ersten Eigenschaften des Soldaten" — so lautet ein bekannter Ausspruch von Napoleon — „sind Ausdauer und Disziplin". Ganz in dem gleichen Sinne hat Generalfeldmarschall Graf von Moltke am 7. Juni 1872 vor dem deutschen Reichstag erklärt: „Autorität von oben und Gehorsam von unten; mit einem Worte, Disziplin ist die ganze Seele der Armee. Die Disziplin macht die Armee erst zu dem, was sie sein soll, und eine Armee ohne Disziplin ist auf alle Fälle eine kostspielige, für den Krieg eine nicht ausreichende und im Frieden eine gefahrvolle Institution." Es ist allgemein bekannt, daß das Schicksal dieser ersten Eigenschaften des Soldaten in den Armeen des Weltkriegs verschieden gewesen ist. Weniger bekannt ist, wie sich die Entwicklung im einzelnen zugetragen hat, und an einer zusammenfassenden Darstellung, die diese Entwicklung auch in die Nachkriegszeit hinein verfolgt, fehlt es ganz. Einen ersten Versuch, diese Lücke zu schließen, stellt die nachfolgende Untersuchung dar. Die Weite des Themas und die Überfülle an Stoff zwingen den Verfasser dabei zu einer Beschränkung auf diejenigen Heereskörper, deren innere Verfassung uns im derzeitigen Krieg in erster Linie interessiert*): die deutsche, französische und britische Wehrmacht.

Die Entwicklung der Mannszucht in der britischen Wehrmacht. 1. Der hohe Stand der Disziplin während de» Weltkrieges.

Die britische Wehrmacht war die einzige unter den Großmächten des Weltkriegs, die von Zersetzungserscheinungen gefährlicheren Ausmaßes freigeblieben ist. Nach dem Bericht von Admiral Jellicoe sind in der englischen Flotte zu keiner Zeit beunruhigende Zeichen von Unzufrieden­ heit und Unruhe beobachtet worden, obwohl der Dienst hart und sehr gefährlich war und den Schiffsbesatzungen in der Einöde der Bucht von Scapa Flow kaum Abwechslung und Zerstreuung geboten werden konnte. Aus dem britischen Heer wird uns das gleiche berichtet. l) Als Italien in den Krieg eintrat, war die vorliegende Arbeit bereits abgeschlossen. Die Darstellung der Entwicklung in der italienischen Wehrmacht muß deshalb einer späteren Abhandlung vorbehalten bleiben. — Über die russische Militärstrafrechtspflege während des Weltkrieges vergl.den spannenden Bericht des ehemaligen russischen Militär­ richters Robert v. Raup ach: Russische Schatten (Facies Hippocratica). Leipzig, Paul List Verlag 1939.

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Damit im Zusammenhang stehend bietet auch die Entwicklung der Kriminalität innerhalb der britischen Wehrmacht während der Jahre 1914 bis 1918 ein verhältnismäßig günstiges Bild dar. Die Zahl der Fahnenfluchtfälle hat in ihr niemals eine so bedenkliche Höhe erreicht wie in anderen Heeren. Zu Widersetzlichkeiten bedeutenderen Ausmaßes ist es nur vor Gallipoli gekommen, wo am 21. August 1915 einige Einheiten plötzlich ihre Stellungen verließen und zurückwichen. Nach dem Zeugnis des Kriegsberichterstatters E. Ashmead-Bartlett hatten damals die britischen Truppen alle Disziplin und Moral verloren. Nach anderen Berichten hat in der Suvla-Bucht bei Gallipoli eines der dort eingesetzten Füsilier­ bataillone sogar gegen seine Offiziere gemeutert. Auf niedrigem Stand — für brittsche Verhältnisse! — hielt sich auch die Zahl der Kriegsdienst­ verweigerer aus religiösen und Gewissensgründen. Die Zahl der deswegen Verurteilten überstieg im Jahre 1917 noch nicht 2000. Was im Bereich der britischen Front sonst noch an Straftaten vorkam, bewegte sich in den Bahnen der Alltagskriminalität. Eine interessante Feststellung über die kriminelle Betätigung des britischen Frontsoldaten enthält das bekannte Buch „Ein General" von C. S. Forester: „Sie stahlen Früchte..., Geflügel und Eier. Ihr ununterdrücktes Verlangen nach Feuerung ließ sie jedes kleine Stückchen Holz stehlen, angefangen bei Brettern von Zäunen und Türen bis zu Militärvorräten; obwohl sie ihre Verachtung für fran­ zösischen Wein und Bier zum Ausdruck brachten, tranken sie viel zu viel davon, und manchmal benahmen sie sich familiär gegen französische Frauen, die nicht geneigt waren, ihren Komplimenten Verständnis entgegen­ zubringen." Die Richtigkeit dieser Beobachtungen wird durch andere Be­ richte bestätigt. Bemerkenswert ist, daß es in den irischen Regimentern der Berufs­ armee nicht anders war. Die irische Revolution von 1916 hat ihre Zu­ verlässigkeit nicht erschüttert, trotzdem der Ersatz in den aufrührerischen Gebieten angeworben werden mußte. In einem Briefe des in Frankreich als Major gefallenen nationalistischen Parlamentsmitglieds W. H. K. Red­ mond vom Frühjahr 1917 heißt es über die Iren wörtlich: „Worte können der prächtigen Haltung der neuen irischen Soldaten nicht Gerechtigkeit tun. Sie sind niemals zurückgewichen, sie haben niemals Anlaß zu Ärger ge­ geben, und sie sind gesetzt und ernst" (War letters of fallen Englishmen S. 226). Die kriegerische Tradition erwies sich hier stärker als alle revo­ lutionäre Propaganda! Dieses Ergebnis verdankt die brittsche Wehrmacht in erster Linie mit dem Umstand, daß die Iren in ihr stets korrekt behandelt wurden und daß sie wegen ihrer Volkszugehörigkeit niemals Nachteile erlitten haben. Noch im Jahre 1917 scheute man sich nicht, in der Person des Admirals Beatty einen Mann an die Spitze der Grand Fleet zu stellen, der rein irischer Abstammung war. Wie ist dieses günstige Abschneiden der britischen Wehr­ macht zu erklären? Der Hauptgrund dürfte darin zu suchen sein, daß die britische Heeres­ leitung bis Kriegsende nicht aufgehört hat, sorgsam über die Aufrecht­ erhaltung der Disziplin zu wachen und allen Lockerungserscheinungen mit Umsicht, Raschheit und Energie entgegenzutreten. Ein kennzeichnendes

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Beispiel dafür aus der englischen Marine: Als im Jahre 1917 die Heizer des Flaggschiffs von Admiral Tupper die Arbeit niederlegten, weil ihnen der Sold zu niedrig war, ließ der Admiral eine Abteilung von 20 Mann scharf laden und begab sich mit ihr in die Heizräume; dort versammelte er die Streikenden und richtete an jeden einzelnen von ihnen die Frage, was sie vorzögen — unter den alten Bedingungen weiter zu arbeiten oder erschossen zu werden; vor diese eindeutige Entscheidung gestellt, zogen alle es vor, weiter zu arbeiten und nicht erschossen zu werden. Die Unter­ suchung ergab, daß zwei Mann die Unruhe geschürt hatten; sie wurden als Rädelsführer sofort zu Penal Servitude verurteilt. Als sich ähnliche Vorfälle auf dem Schiff „Teutonic" ereigneten, ließ der zuständige Ad­ miral ein paar Kompanien Seesoldaten aufmarschieren; sie stellten im Handumdrehen die Ordnung wieder her. Dieses energische Durchgreifen entsprach alter Tradition der britischen Wehrmacht. Dafür nur ein Beispiel: Als im Jahre 1884 ein türkisches Bataillon der ägyptischen Armee seinen englischen Offizieren den Gehorsam aufkündigte, sie bedrohte und eigen­ mächtig nach Kairo zurückmarschierte, eilte der Kommandeur ihm nach und schoß drei der Rädelsführer kurzerhand nieder. Dieses Exempel machte der Meuterei ein rasches Ende. Die gleiche Entschlossenheit und Festigkeit hat die britische Heeres­ leitung während des Weltkrieges auch in den Äußerlichkeiten des Dienstes an den Tag gelegt. Es wird uns berichtet, daß bis in das Jahr 1918 hinein eine Vernachlässigung im Gruß nicht geduldet wurde. Appelle wurden bis zuletzt mit Friedensgenauigkeit abgehalten. Andere Maßstäbe galten nur bei den kanadischen und australischen Truppenteilen, die als Eliteformationen allerdings auch sonst eine Sonderstellung einnahmen. Von den Australiern im besonderen berichtet E. Ashmead-Bartlett in dem Buch: „The uncensored Dardanelles“, sie hätten ihre eigenen Ideen von Disziplin gehabt, die sich von denen der alten regulären Armee wesent­ lich unterschieden: „The men seem to discipline themselves, and the officers have very little authority over them". Sie waren jedoch zuver­ lässig und äußerst kampftüchtig, und so ließ man sie gewähren. War es nötig, die Mittel des Strafrechts gegen mannszucht­ gefährdende Lockerungs- oder Auflösungserscheinungen zum Einsatz zu bringen, so hat man in der britischen Wehrmacht nicht gezögert, dies energisch und nachdrücklich zu tun. Nach der amtlichen britischen Statistik sind während des Krieges nicht weniger als 3080 Todesurteile gegen Soldaten erkannt und 346 vollstreckt worden (davon 266 für Fahnen­ flucht). Kriegsdienstverweigerer wurden im Strafvollzug unter so strenge Behandlung genommen, daß im Parlament wiederholt gegen die Roheit der Vollstreckung protestiert wurde. Gegen Trunkenheit im Felde wurde in schweren Fällen noch vor fünfundzwanzig Jahren das Anbinden auf dem Rad einer Protze angewandt. Bei der Beurteilung der Haltung der britischen Soldaten während des Weltkriegs darf auf der anderen Seite nicht außer acht gelassen werden, daß die britische Wehrmacht mit ihren Millionenmassen erst zwei Jahre nach Kriegsbeginn in den Kampf eingetreten ist, als

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die französische Armee bereits erschöpft und halb ausgeblutet war. Auf diesen bedeutsamen Unterschied hat mehrfach der frühere französische Kriegsminister und Mnisterpräsident Painlevs aufmerksam gemacht. „Die große englische Armee" — so betont er in seinem im Jahre 1923 erschienenen, höchst bemerkenswerten Buch „Comment j’ai nommöFoch et Pötain“ — „war erst im Jahre 1916 auf dem Kriegsschauplatz erschienen und ihre Bestände besetzten nur 130 km der Front, während wir 540 km hielten." Die Jahre 1916 und 1917 haben dem britischen Frontheer dann freilich schwerste Verluste auferlegt. Dafür nur drei Zahlen: In der Schlacht an der Somme vom Juli bis Oktober 1916 hatten die Engländer 543238 Mann Gesamtverluste (Gefallene, Vermißte, Gefangene und Verwundete); am 1. Juli 1916, dem blutigsten Tag ihrer Kriegsgeschichte, verloren sie allein 60000 Mann. Die Schlacht bei Arras und Messines im zweiten Vierteljahr 1917 kostete sie rund 450000 Mann, und in der Schlacht bei Passchendaele im Herbst 1917 beliefen sich ihre Opfer auf nicht weniger als 400000 Mann. Der Bodengewinn, den diese Offensiven ein­ brachten, stand zu den aufgewandten Opfern außer jedem Verhältnis. Der Verfasser eines der bekanntesten Kriegsromane — Mottram — hat berechnet, daß die Engländer bei Geländegewinnen wie in den Offen­ siven von 1916 und 1917 180 Jahre gebraucht haben würden, um zum Rhein zu gelangen. Es ist und bleibt ein Ruhmestitel der britischen Nation, daß an diesen unerhörten Prüfungen die Disziplin der Armee nicht zer­ brochen ist, denn seit Mitte April 1918 waren Zeichen stärkster Ermüdung zu verspüren. General Pershing berichtet in seinen Weltkriegserinnerungen, daß Marschall Foch in einer Konferenz des Interalliierten Kriegsrats vom 2. Mai 1918 die Feststellung getroffen habe: „Es ist unleugbar, daß das Britische Heer jetzt ausgepumpt (exhausted) ist." Am Schlüsse des großen Völkerringens war der englische Soldat sogar — wie Churchill berichtet — „zu Tode erschöpft". Nach Mitteilung von Admiral Lord Fisher in seinen „Memories“ hat am Sonntag vor dem Waffenstillstand einer der bedeutendsten Minister des britischen Kabinetts den Ausspruch getan, die Alliierten wären „at their last gasp“,b. h. bei den letzten Atem­ zügen. Diese Feststellung wird interessanterweise für den gleichen Zeit­ punkt getroffen, in dem nach dem Zeugnis von Lord Fisher Feldmarschall Lord Plumer — einer der bedeutendsten britischen Armeeführer — die Erklärung abgegeben hat, daß die deutsche Armee noch ihre volle Kraft (efficiency) besitze! Indessen wenn die britische Wehrmacht während des Weltkriegs auch vor einem Zusammenbruch bewahrt geblieben ist, so haben die erschüttern­ den Eindrücke jener Jahre im Bewußtsein des britischen Volkes doch un­ auslöschliche Spuren zurückgelassen. Die ungeheuren Blutopfer der zweiten Kriegshälfte haben eine Schockwirkung hervorgerufen, die die Einstellung des britischen Volkes zum Problem des Krieges wesentlich beeinflußt hat. Wie sehr die Dinge im Vergleich zur Zeit vor dem Weltkrieg anders geworden sind, läßt sich mit besonderer Eindringlichkeit am englischen Kriegsroman nachweisen. Was die Jahre nach dem Weltkrieg an Er­ lebnisberichten hervorgebracht haben, ist alles von einem tiefen Pessimis­ mus, ja sogar Defaitismus und Pazifismus erfüllt, die in der Überzeugung

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von der Sinnlosigkeit und Vergeblichkeit des Weltkrieges ihre Wurzel haben. Der bedeutendste und interessanteste unter ihnen trägt den bezeich­ nenden Titel: „An end to all that I" — ein für allemal Schluß damit! Nirgends ist so viel vom „Heimatschuß" die Rede wie in der englischen Kriegsliteratur. In einem der bekanntesten Kriegsromane läßt der Ver­ fasser einen grauhaarigen Gefreiten, der eben einen Beinschuß erhalten hat, den Ausruf tun: „Gott dem Allmächtigen Dank dafür — ich habe 18 Monate darauf gewartet, nun kann ich nach Hause gehen!" Kenn­ zeichnend für die Lage weiter zwei dem Leser immer wieder entgegen­ tretende Fragen: „Sind wir überhaupt auf der richtigen Seite in den Krieg gezogen?" und : „Stehen die positiven Ergebnisse des letzten Krieges in Verhältnis zu den aufgewendeten Opfern?" Der Eindruck, den die englische Kriegsliteratur hervorruft, ist in Großbritannien von um die Geltung des Empires besorgten Männern als sehr peinlich empfunden worden — als so peinlich, daß sich in den Jahren 1929ff. eine heftige Auseinandersetzung um sie entspinnen konnte. In einigen Teilen des konservativen Lagers hat man die Kriegsromane in Bausch und Bogen verdammt, weil sie dem Ansehen Großbritanniens schädlich seien und damit allen seinen Feinden gelegen kämen. Trotzdem hat sich die öffentliche Meinung im Endergebnis zugunsten des Kriegs­ buches ausgesprochen. Der Durchschnittsengländer — so hat eine englische Zeitung das Ergebnis jener Auseinandersetzung in einem Leitartikel zusammengefaßt — sehnt sich tief und leidenschaftlich nach dem Frieden, und so begrüßt er alles, was die Sinnlosigkeit und Verderblichkeit des Krieges darzutun geeignet und bemüht ist! 2. Die Anflockernngserscheinnngen in bet Zeit zwischen Waffenstillstand und Friedensschluß.

Während der Kampfhandlungen war es noch möglich, die Moral des englischen Heeres auf einem Stand zu halten, der Störungen und Ex­ plosionen verhinderte. Um so heftiger war aber dann das Absinken un­ mittelbar nach Abschluß des Waffenstillstandes. Die Disziplin ließ von November 1918 ab schlagartig derart nach, daß sich die leitenden Staats­ männer Großbritanniens ernsthaft in der Freiheit der Entschließung bedroht fühlten. Genaueres über diese Vorfälle ist uns erst seit Veröffentlichung der Tagebucheinträge des Feldmarschalls Sir Henry Wilson (1927) und seit Erscheinen des großen biographischen Werkes über den Admiral of the Fleet Lord Wester Wemyß (1935) bekannt. Der eine stand jenen Er­ eignissen als Chef des britischen Reichsgeneralstabs, der andere als Erster Seelord der Admiralität besonders nahe. Nach ihren Berichten entstand Anfang Januar 1919 erstmalig eine bedrohliche Lage dadurch, daß sich zahlreiche Fronturlauber nach Ablauf ihres Urlaubs am 3. Januar 1919 weigerten, in Folkestone auf die Schiffe zu gehen. Einen Tag später war die Zahl der Unbotmäßigen bereits auf 10000 angeschwollen. Über den Ernst der Lage einige Belege aus den Niederschriften von Feldmarschall Sir Henry Wilson und Lord Wester Wemyß.

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Am 6. Januar 1919 trug Sir Henry Wilson in sein Tagebuch folgenden Vermerk ein: „Mittags sprach ich Milner (den damaligen Kriegsminister). Ich sagte ihm, daß wir diese Scherereien Lloyd George verdankten. Er müsse klar aussprechen, daß der Krieg noch nicht zu Ende sei und die Soldaten den Befehlen zu gehorchen hätten, sonst würden wir in kurzer Zeit keine Armee mehr haben." Unter dem 8. Januar ist zu lesen: „Sitzung des Kriegskabinetts um 11 Uhr vormittags, doch nichts von Bedeutung, so blieb ich nicht. Um 1 Uhr wurde ich gerufen. In der Downing Street demonstrierten eben Soldaten, ich mußte mir den Weg durch die Soldaten vor dem Tore bahnen. Die Leute waren ganz achtungsvoll und ruhig, grüßten aber nicht viel." Unter dem 22. heißt es, Disziplin sei in der britischen Armee eine überwundene Sache. Niemand dürfe wagen, den Truppen einen Befehl zu geben, der ihnen nicht genehm sei. In den Lebenserinnerungen von Lord Wester Wemyß werden diese Angaben Punkt für Punkt bestätigt. Es heißt dort, die Lage habe sich nach Abschluß des Waffenstillstandes höchst bedenklich entwickelt. „Mit Soldaten vollgestopfte Lastkraftwagen fuhren Whitehall auf und nieder und demonstrierten gegen das Kriegsministerium... Sir H. Wilson machte Wemyß gegenüber kein Geheimnis daraus, daß er den Zustand der Armee als höchst beunruhigend betrachte; die Leute versteiften sich darauf, demobilisiert zu werden, und das Frontheer bezeugte sein Mßvergnügen und bestand darauf, heim zu kommen. Auch in der Flotte gab es Unruhe und sogar Meutereien." Als der Lord am 24. Januar 1919 zur Friedenskonferenz abfahren wollte, gab ihm Admiral Mlverton in Folke­ stone einen dramatischen Bericht von der kürzlich geschehenen Meuterei — wie die Soldaten den Hafendamm besetzt gehalten, Wachboote aufgestellt und keinem Mann erlaubt hätten, sich einzuschiffen. Acht Generäle mit weißen Glacehandschuhen seien von London herübergekommen, um An­ sprachen an die Meuterer zu halten, indessen ohne den geringsten Erfolg damit zu erzielen. Ein von Canterbury gesandtes Bataillon sei entwaffnet und seine Ausrüstung ins Meer geworfen worden. Angesichts derart skandalöser Vorfälle habe er, der Admiral, die Verschiffungen stoppen müssen, bis die Ordnung wiederhergestellt war. Wenige Tage später, am 27. Januar, sei eine noch schlimmere Meuterei unter den britischen Truppen in Calais ausgebrochen. „Diese Ereignisse" — so heißt es in der Biographie des Admirals weiter — „bestärkten Wemyß' Überzeugung, daß drastische Schritte unternommen werden müßten, um die Friedensverhandlungen zu beschleunigen." Für den Februar lauten die Berichte ähnlich ungünstig. Als Lord Wester Wemyß am 31. Januar 1919 nach England zurückkehrte, fand er alles in äußerster Verwirrung vor: „Streiks überall in den Untergrundbahnen. Tumulte in Glasgow und Belfast, wo Truppen aufgeboten werden mußten, und wo es Tote und Verwundete gab." Von Aufruhr und Truppenaufgebot in Glasgow ist unter dem 2. Februar 1919 auch im Tagebuch von Sir Henry Wilson die Rede. Ein Jahr später spricht der Feldmarschall sogar von der Gefahr einer Revolution. Der Oberkommandierende der britischen Expeditionsarmee, Feldmarschall Haig, hatte diese Entwicklung voraus­ gesehen und deshalb in der Sitzung des Obersten Kriegsrates der Allierten

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vom 25. Oktober 1918 dringend zur Mäßigung geraten. „Das britische Heer" — so führte er in jener denkwürdigen Sitzung aus — „ist ermüdet. Seiner Infanterie fehlen allein 50000 Mann, und bei den Franzosen steht es nicht viel anders. Man darf also Deutschland keine zu harten Bedingungen stellen, da man eine abschlägige Antwort zu befürchten hat." Foch wider­ sprach, forderte strenge Bedingungen und setzte sie durch. Das Un­ erwartete geschah — die Deutschen nahmen an!

In der englischen Marine ereigneten sich um die gleiche Zeit ähnliche Vorfälle. Als der Waffensttllstand durchgeführt war, begriffen auch dort die Leute nicht, warum sie noch unter den Fahnen behalten wurden. Sie hatten für vier und ein halbes Jahr auf alle Annehmlichkeiten des Lebens verzichten müssen — nun wollten sie ihre Freiheit wieder haben. Indes in London dachte man nicht daran, die Mannschaften jetzt schon alle freizugeben. Die Meere waren noch mit Minen übersät, und von Frieden konnte keine Rede sein, solange dem Seemann noch überall Gefahren drohten. Wenn sich die britische Admiralität auf Aufgaben dieser Art beschränkt hätte, wäre alles gut gegangen, denn deren Notwendigkeit konnte niemand gut in Abrede stellen. Die britische Regierung verfolgte indessen sehr viel weiterreichende Ziele. Ihre Absicht ging dahin, nach den Mittelmächten jetzt auch noch das bolschewistische Regime niederzuschlagen. Aus diesem Grunde wurden die an den Küsten des russischen Reiches kämpfenden Marineeinheiten an Ort und Stelle und im Kampf belassen, als ob im Westen nichts geschehen wäre. Ihre Mannschaften antworteten darauf seit Mitte 1919 mit Unruhe und Empörung und zwangen die britische Regierung dadurch, sie vom russischen Kriegsschauplatz abzu­ berufen. Innerhalb der in Nordrußland und im Baltikum eingesetzten Heeres­ und Marineeinheiten traten die ersten Meutereien im Juli 1919 bei Murmansk auf. In einem im Verband der britischen Jnvasionsarmee kämpfenden britisch-slawischen Bataillon, das hauptsächlich aus Deser­ teuren der Roten Armee und aus freigelassenen Gefängnisinsassen be­ stand, erhoben sich die Mannschaften Plötzlich gegen ihre Vorgesetzten und ermordeten drei britische und vier russische Offiziere. Auf diese erste folgte wenige Wochen später in einer ähnlichen Einheit eine zweite Meuterei, was die Armeeführung zu dem Entschluß führte, jene gemischten Bataillone aufzulösen und ihre Frontstelle durch ein Bataillon Seesoldaten übernehmen zu lassen. Indessen auch in dieser Formation brach bald eine Meuterei aus — „eine Meuterei so ernst, daß sie zu unfreiwilliger Rücknahme aller alliierten Streitkräfte von jener Front führte". Schwere Unbotmäßigkeiten ereigneten sich damals auch auf dem Kanonenboot „Cicala", das auf der minenverseuchten Dwina Dienst als Vorpostenboot zu tun hatte. Seine Besatzung trat im Juni 1919 offen in Streik; der Flottenchef war schließlich gezwungen, dem Schiff Beschießung anzu­ drohen, wenn es nicht augenblicklich zu Ordnung und Gehorsam zurückkehre. Ähnliche Zeichen einer schweren Erschütterung der Moral waren auch im Baltischen Geschwader der britischen Flotte zu beobachten. Das Miß­ vergnügen der Mannschaft über die Fortdauer der Kämpfe mit der

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sowjetrussischen Marine äußerte sich in Exzessen der allerverschiedensten Art: Urlaubsüberschreitung, unerlaubter Entfernung, passivem Widerstand und Dienstverweigerung. Der Kreuzer „Vindictive" wurde durch Widersetzlich­ keit der Heizer beinahe zum Stranden gebracht; schwerster Schaden wurde nur durch entschlossenes Dazwischentreten eines Offiziers verhindert. Die Leute waren erschöpft und kriegsmüde und hatten keine Lust, ihre Haut nun auch noch im Kampf gegen die Bolschewisten zu Markte zu nagen. Als der Flottenchef am 29. Oktober 1919 den Besatzungen des Geschwaders durch Tagesbefehl bekannt geben ließ, daß ihr Einsatz nötig sei, um Rußland Frieden und Glück zu bringen und die baltischen Staaten und Finnland vor dem Hunger und dem Bolschewismus zu retten, erntete er nur Spott und Hohn und predigte er tauben Ohren. Die Jnterventionspolitik war und blieb unpopulär! Im baltischen Geschwader entstand damals ein Spottlied, dessen letzte drei Verse lauteten:

„Please excuse us if we swear When you ask us where we ’ve been — ‘Policing’ for the ruddy Finn!“ Dem Sinne nach bedeutet dies: Ihr werdet es nicht für möglich halten, aber wir schwören, es ist so: Wir haben die Polizei spielen müssen für die blöden (ruddy) Finnen! r. Der Niedergang der Moral i« der Nachkriegszeit bis zur grotzen Meuterei der Atlantikflotte im September 1931.

Nach Wiederherstellung des Friedenszustandes machte die Zersetzung des Geistes der britischen Flotte neue Fortschritte. Nach dem Zeugnis von Commander K. Edwards wurde jene Zeit für die Weiterentwicklung dadurch bemerkenswert, daß in ihr den Mannschaften die Überzeugung beigebracht wurde, daß es durch entschlossenes Handeln möglich sei, auf die Entschlüsse von Parlament und Regierung Einfluß zu nehmen. Dieses Bewußtsein wurde noch durch die Beobachtung verstärkt, daß es der obersten Autorität an Energie fehle und daß man sie durch politische Agitation in ihrer Haltung irre machen könne. Im Jahre 1919 gelingt es den Wort­ führern der Matrosen, der Admiralität das Zugeständnis von Lower DeckWelfareCommittees, einer Art gewerkschaftlicher Interessen­ vertretung abzuringen, die das Recht für sich in Anspruch nahmen, unter Übergehung des Dienstweges unmittelbar mit Regierung und Parlament in Fühlung zu treten. „Ihre Einrichtung" — so erklärt Commander Ed­ wards — „war ein Meilenstein in der Sozialgeschichte der Königlichen Marine". Einmal zugestanden, waren diese Ausschüsse nach Kräften be­ strebt, ihre Anhörungs- und Mitwirkungsbefugnisse immer weiter auszu­ dehnen; im Jahre 1920 richteten sie nicht weniger als 287 Anträge an die Admiralität. Im August 1920 hatte der Erste Seelord der Admiralität, Admiral Beatty, den Mut, die Lower Deck Welfare Committees auf­ zuheben; wenig später mußte er sie wieder zulassen.

Unter diesen Umständen kann es nicht wunder nehmen, daß die britische

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Marine in der Folgezeit mehr und mehr politisiert und mit klassenkämpfe­ rischen Ideen durchsetzt wurde. Deutlich läßt sich der neue Geist an dem Verhalten eines aus Reservisten bestehenden Seebataillons studieren, das im April 1921 in einem englischen Hafen die Arbeit streikender Seeleute verrichten sollte. Als Streikbrecher, so erklärten die Leute, lassen wir uns nicht verwenden: wir sind selbst gewerkschaftlich organisiert. Dies war das erste Mal, daß Methoden des Arbeitskampfes aus einen Wehrmachtteil übertragen wurden. Wie sehr dieser Vorfall Schule machen würde, konnte damals freilich noch niemand voraussehen. Bezeichnenderweise wehte am Tage nach jenem Ereignis über der Unterkunft dieses Seebataillons die rote Fahne. Von dem Erfolg eifriger Zersetzungsarbeit legen seit 1925 eine ganze An­ zahl bemerkenswerter Vorgänge Zeugnis ab: 1925 gibt es an Bord des Kreu­ zers „Vindictive" Unruhen, die sich im Absingen revolutionärer Lieder und im Hissen roter Fahnen Luft machen. Im Jahre 1928 führt die Verwendung eines jahrhundertelang in Brauch stehenden Schimpfwortes an Bord des Schlachtschiffs „Royal Oak" zu Auseinandersetzungen, die sich in Presse und Parlament zu einem öffentlichen Skandal auswachsen; der Fall übte auf die Haltung von Offizieren und Mannschaften einen tiefgehenden Einfluß aus, weil er zeigte, daß sich der Seeoffizier bei Angriffen in Presse oder Parlament nicht auf die Unterstützung der Admiralität verlassen konnte. 1929 wird die Flotte mit kommunistischem Propagandamaterial über­ schüttet, in dem in immer wiederkehrender Forderung Abschaffung des militärischen Grußes, Beseitigung der Kriegsgerichte und Vereinigungs­ freiheit verlangt wird. Das Jahr 1930 sieht an Bord des Untersee-Depotschiffes „Lucia" Unbotmäßigkeiten, wie sie früher in der britischen Kriegs­ marine auch nicht denkbar gewesen wären. Das Schiff hatte an einem Sonnabend Kohlen geladen, um am Montag danach mit der Atlantik­ flotte in See zu gehen. Da die Säuberung des Schiffes am Samstag nicht zu Ende gebracht werden konnte, gab der Kommandeur Befehl, das Fehlende am Sonntag nachzuholen. Als am Sonntagvormittag der Pfiff zur Aufnahme der Arbeit ertönte, blieb die Mannschaft unter Deck und ließ sich nicht bewegen, in Dienst zu treten. Zur Wiederherstellung der Ordnung mußte der Kapitän Seesoldaten anfordern, die die Meuterer festnahmen und abführten. Der Befehl zum Auslaufen mußte gestrichen werden. Auch hier mußte die Art und Weise, wie der Fall von der Ad­ miralität behandelt wurde, im Offizierskorps Enttäuschung und Erbitte­ rung hervorrufen. Drei von den Offizieren wurden von ihren Posten entfernt und auf Halbsold gesetzt, die Meuterer aber unter strenger Ver­ meidung des Wortes „Meuterei" wegen einfacher Gehorsamsverweige­ rung nur zu geringen Freiheitsstrafen verurteilt. Überall setzte sich in der Marine das Gefühl fest, daß Offiziere nicht geschützt würden und daß die oberste Marinebehörde gegenüber politischem Druck machtlos sei. Dadurch legte der sozialistische Erste Lord der Admiralität die Hauptursache für die große Meuterei von Jnvergordon acht Monate später. „Wenn ein Mann weiß" — erklärt Commander K. Edwards mit Recht — „daß die Befehle und Auffassungen seiner Offiziere jederzeit der Gefahr ausgesetzt sind, unbarmherzig durch die höheren Stellen verworfen zu werden, so wird-

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er unvermeidlich eine kritische Haltung gegenüber den ihm erteilten Be­ fehlen und den Auffassungen seiner Offiziere annehmen." Die Folge davon war in der englischen Flotte bald zu spüren! Die grotze Meuterei der Atlantikflotte.

Der 15. und 16. September 1931 gehören zu den dunkelsten Tagen der britischen Geschichte. Von der Massenmeuterei der 12000, die sich an diesen beiden Tagen ereignete, kann nach einer Feststellung von Sir Charles Petrie in seiner Biographie der Familie Chamberlain „noch heute kein Engländer hören..., ohne schamrot zu werden". Wir sind jetzt in der glücklichen Lage, Ursachen und Verlauf jener in der britischen Geschichte einzig dastehenden Ereignisse genau zu überblicken. Im Jahre 1937 hat Lieutenant-Commander Kenneth Edwards ein 425 Seiten umfassendes Buch über: „The mutiny at Invergordon“ ver­ öffentlicht, welches das umfangreiche Tatsachenmaterial lückenlos vor dem Leser ausbreitet. Edwards teilt im Vorwort seines Werkes mit, daß er bei der Tatsachensammlung die Hilfe zahlreicher Seeoffiziere gefunden habe. Man muß daraus schließen, daß dieses Buch mit Billigung, vielleicht sogar auf Anregung der britischen Admiralität geschrieben worden ist. Es mag dieser nicht leicht gefallen sein, ihre Zustimmung zu einer solchen Veröffentlichung zu geben, aber sie befand sich offenbar in einer Zwangs­ lage: Des Gegenstandes hatte sich die linksradikale Propaganda bemächtigt, und dabei waren derart viel Entstellungen und Übertreibungen in die Welt hinausgetragen worden, daß eine Klärung und Richtigstellung ratsam erschien. Man muß das Buch, das dabei entstanden ist, als eines der wich­ tigsten und interessantesten Dokumente der britischen neueren Geschichte bezeichnen.

Den äußeren Anlaß für die aufsehenerregenden Vorfälle vom Sep­ tember 1931 gaben die Soldkürzungen, die von der britischen Admiralität damals verfügt werden mußten. Innerlich war die Meuterei durch die Zersetzungsarbeit der Nachkriegsjahre vorbereitet. Die Unruhe, die die Folge der Soldkürzung war, nutzten aufrührerische Elemente zu einer Aktion größten Stiles aus. Der Vorschlag einer „Massenstreikaktion" wurde öffentlich zuerst am 13. September 1931 gemacht, in einer Versammlung, an der etwa 600 Ma­ trosen teilnahmen. Er fand begeisterte Aufnahme. Am Tage danach fand in einer Kantine eine neue Versammlung statt, auf der die Vertrauens­ leute, die insgeheim für jedes Schiff gewählt worden waren, endgültig über die zu treffenden Maßnahmen Beschluß fassen sollten. An dieser Versammlung nahmen in besonders großer Zahl Matrosen des Schlacht­ schiffes „Nelson" teil, die durch ihren Radikalismus den Verlauf der Be­ ratungen unheilvoll beeinflußten. Während die Versammlung noch im Gange war, kam plötzlich ein Rondeoffizier hinzu, der die Erschienenen anfprach und darauf hinwies, daß derartige Zusammenkünfte durch das Militärstrafrecht streng verboten seien. Daraufhin wurden Rufe laut, ihn mit Gewalt aus dem Saal zu entfernen, ein Matrose warf ein Bierglas

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nach ihm, ein anderer riß ihm die Mütze vom Kopf und eine ganze Kette von Leuten drängte ihn hinaus. Die von dem Geschwader alarmierte Geschwaderwache fand kurze Zeit danach das Lokal leer. Die Versamm­ lungsteilnehmer hatten es vorgezogen, ihre Kundgebung in ein außerhalb des Marineareals gelegenes Wirtshaus zu verlegen. Dort wurde nunmehr endgültig beschlossen, die Soldherabsetzung auf der gesamten Flotte mit einem Massenstreik zu beantworten. Die Schlachtschiffe „Rodney" und „Valiant" hatten mit der Dienstverweigerung den Anfang zu machen und damit das Signal zu allgemeiner Arbeitsniederlegung zu geben. Die Verbindung zwischen den einzelnen Schiffen sollte durch Sprechchöre — „cheering codes“ — aufrecht erhalten werden. Am Donnerstag, den 15. September 1931 kam die Meuterei zum Ausbruch. Als auf den Schlachtschiffen „Valiant" und „Rodney" der Befehl erging, die Schiffe klar zur Ausfahrt zu machen, lehnten die Be­ satzungen geschlossen jeden Dienst ab. Offiziere und Deckoffiziere mußten im Verein mit einigen arbeitswilligen Unteroffizieren die unaufschieb­ baren Arbeiten selbst vornehmen. Als diese aber Anstalten machten, die Schiffe in Fahrt zu bringen, setzten sich die Leute auf Kabel und Anker und zwangen auf diese Weise die Offiziere, ihre Bemühungen einzustellen. Der Flottenchef hielt es daraufhin für das Klügste, den Befehl zum Aus­ laufen zu streichen. Von den beiden Schlachtschiffen breitete sich die Meuterei rasch über die ganze Flotte aus — vier weitere Schlachtschiffe, zwei Schlachtkreuzer, fünf kleinere Kreuzer und eine Reihe kleinerer Einheiten. Überall wurde das Signal zur Aufnahme des Dienstes nur von Offizieren und Unter­ offizieren befolgt. Die streikenden Mannschaften versammelten sich verein­ barungsgemäß auf den Vorderdecks ihrer Schiffe und traten durch Massen­ sprechchöre in Verbindung miteinander. Binnen kurzer Frist hatten 12000 Mann die Arbeit eingestellt. Auf dem Kreuzer „Norfolk" folgte nur ein einziger Mann dem Befehl zur Aufnahme des Dienstes; er ver­ schwand unmittelbar danach und wurde erst am nächsten Tage wieder gesehen, mit schwarzunterlaufenen Augen und mit eingeschlagenem Gebiß. Versuche der Offiziere, ihre Leute durch begütigendes Zureden zum Gehorsam zurückzuführen, schlugen überall fehl; die Matrosen waren meist nicht einmal zum Antreten zu bewegen. An zahlreichen Stellen ließen sich die Meuterer zu Beleidigung und Drohung, ja vereinzelt sogar zu Anwendung von Gewalt gegen ihre Offiziere hinreißen. Gegen Abend traten die Vertrauensleute der einzelnen Schiffe zu einer Beratung zu­ sammen und verfaßten ein Manifest, das unmittelbar danach den Mann­ schaften bekannt gegeben wurde. Bis tief in die Nacht hinein hallte die Bucht von Jnvergordon von den Sprechchören der Meuterer wider, die einander dadurch ihre Entschlossenheit zum Durchhalten und ihre Solidarität bekundeten. Während der Nacht glückte es den Leuten auf einigen der Schiffe, sich der Signalbrücken zu bemächtigen; jetzt konnten die Rädelsführer sogar durch Lichtsignale in Verbindung miteinander treten. Auf einem Schiff vermochten sie sich sogar der Funkstation zu bemächtigen; sofort gingen von dort revolutionäre Funksprüche in die Welt hinaus. Dieser Vorfall war der britischen Admiralität besonders schmerzlich, denn S ch w i n g e, Die Entwicklung der Mannszucht usw. 2

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er nahm ihr jede Möglichkeit, die Meuterei totzuschweigen oder zu ver­ tuschen. Als die Lage mit Einbruch der Dunkelheit immer unübersichtlicher und bedrohlicher wurde, sah sich der kommandierende Admiral schließlich gezwungen, den Befehl zum Auslaufen zu den fälligen Frühjahrsübungen endgültig für die ganze Atlantikflotte zu streichen. Am nächsten Tag, den 16. September 1931, nahm die Bewegung noch gefährlichere Formen an. „Das Britische Empire" — sagt Commander Edwards — „stand an jenem Donnerstag am Rande des Verderbens". Die Matrosen verließen am Morgen ihre Hänge­ matten, wann es ihnen beliebte, reagierten auf keinen Befehl mehr und trieben sich wie am Vortag dauernd auf Deck herum, mit den anderen Schiffen sofort wieder durch Sprechchöre in Verbindung tretend. Als keinerlei Zureden helfen wollte, machten die Kommandierenden Admirale selbst den Versuch, die Leute zum Gehorsam zurückzubringen. Sie fuhren höchstpersönlich von Schiff zu Schiff, aber die Leute hörten ihnen nicht zu oder traten von vornherein gar nicht an. So scheiterte auch diese Aktion. Gegen Mittag versteifte sich die Lage derart, daß in steigender Zahl Beleidigungen und Drohungen gegen die Offiziere ausgestoßen wurden; in einigen Fällen kam es sogar zu Tätlichkeiten. Da endlich traf am Nach­ mittag ein die Lage klärender Funkspruch der Admiralität ein. Er versprach den Leuten Untersuchung ihrer Beschwerden, Berichtigung der Sold­ kürzung in allen Fällen unbilliger Härte und Amnestie für sämtliche Be­ teiligten für alle vor dem Funkspruch geschehenen Verstöße gegen das Militärstrafrecht. Das bedeutete ein Zurückweichen des Mini­ steriums auf der ganzen Linie. Mehr konnten die Meuterer nicht verlangen! Trotzdem dauerten die Widersetzlichkeiten auf einigen Einheiten noch den ganzen Tag über an. Schwierigkeiten gab es insbesondere auf dem Kreuzer „Norfolk" und auf dem Schlachtschiff „Nelson". Als die Besatzung des Kreuzers „Norfolk" dem Befehl zum Reinigen des Schiffes und zum Antreten auch nach Bekanntgabe des Funkspruchs der Admiralität nicht nachkam, griff der Kommandant zu einem Mittel, das in solcher Lage psychologisch am sichersten und erfolgversprechendsten ist: er nahm jeden einzelnen Mann bei der Schulter, nannte ihn beim Namen und richtete die Frage an ihn, ob er den Dienst wiederaufnehmen oder im Ungehorsam beharren wolle. Derart des Schutzes der Anonymität der Masse beraubt, antworteten alle: „Ja!" Was hier großartig gelang, schlug an Bord des Schlachtschiffs „Nelson" freilich ebenso entschieden fehl. Der Versuch, die Leute durch individuelle Ansprache zum Gehorsam zurückzuführen, hatte hier keinen Erfolg. Die Matrosen kehrten den Offizieren, die sie ansprechen wollten, ostentativ den Rücken und riefen laut aus: „No, no!“ — ein Ausdruck dafür, wie weit der natürliche Respekt vor dem Vorgesetzten und der Wille zu Ordnung und Gehorsam bei den Matrosen dieses Schiffes bereits geschwunden waren! Diese skandalösen Vorgänge erregten in England und in der Welt ungeheures Aufsehen und hatten weitreichende Folgen. Auf der Londoner Börse gab es einen schwarzen Tag, die britischen Aktien sanken ins Bodenlose und gewaltige Kapitalien wanderten ins Ausland ab. Die Bank von England mußte den Diskontsatz auf 6 v. H.

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erhöhen und am 20. September den Goldstandard verlassen. „Die Be­ obachtung" — so erklärt Edwards im Rückblick auf jene Tage — „daß in der Königlichen Flotte eine Unbotmäßigkeit von sehr ernstem Charakter vorgekommen war, versetzte der Nation einen Schlag, der fast persönlich war in seiner Stärke". Im Ausland verursachte die Nachricht davon fast noch einen stärkeren Schock als im Inland. Dort beurteilte man die Un­ zufriedenheit in der Flotte vielfach „als das erste Zeichen einer allgemeinen Auflösung des Britischen Empires". „Spekulanten und Anlagesucher an allen großen Plätzen" — stellt Edwards fest — „gerieten in Panik­ stimmung und äußerten die Überzeugung, daß das Britische Empire im Begriffe sei, rasch in Stücke zu zerfallen. Einzelpersonen, Korporationen und Regierungen überboten sich gegenseitig im eiligen Bemühen, Sicher­ heiten von London zurückzuziehen und Guthaben im Britischen Empire zu realisieren. Die Panik eines Runs auf eine Bank war geworden zur Panik eines Runs auf die Geldmittel der größten Nation in der Welt". Zwei Tage nach Eingang der ersten Nachrichten von der Meuterei benutzten die Japaner die eingetretene Verwirrung, in die Mandschurei einzu­ marschieren und Mukden zu besetzen. Die Meuterei der Atlantikflotte war der Endpunkt einer Entwicklung, die im Jahre 1918 ihren Anfang nahm. Damals zogen in die britische Flotte gefährliche Methoden ein: Nach dem Muster der Arbeitskämpfe des bürgerlichen Lebens wurde es seit jener Zeit in ihr Brauch, auf Befehle und dienstliche Anordnungen, die die Mannschaften als lästig oder politisch bedenklich empfanden, in derselben Weise zu reagieren wie die organisierte Arbeiterschaft — nämlich mit Kollektivaktionen nach Art der Streiks. Es wäre Aufgabe der britischen Regierung gewesen, diesem Niedergang des Geistes ihrer Flotte gleich im Anfang einen Damm entgegenzusetzen. Sie übersah indessen die Gefahren dieser Entwicklung, und so konnte es zu jenen dramatischen Vorgängen vom September 1931 kommen — zu jener geschichtlich ohne Beispiel dastehenden Massen­ meuterei im tiefsten Frieden —, die für immer einen Schandfleck in der Geschichte des Britischen Empires bilden werden. Alles, was die britische Regierung gegen jene Entwicklung unternahm, trug den Stempel der Schwäche und Halbheit an sich. Es ist bemerkenswert, daß während der ganzen Nachkriegsperiode das Wort „Meuterei" in den offiziellen Be­ richten sorgfältig gemieden wurde. „Vorfall", „Kollektivprotest", „Un­ ruhe", „Insubordination", „Mißstimmung" — jeder nur denkbare Aus­ druck wurde gebraucht, nur der Begriff „Meuterei" nicht. Das ist ein Aus­ druck jener Scheu, den Dingen ins Gesicht zu sehen, die seit 1933 geradezu zum Wesensmerkmal der britischen Politik geworden ist. Die englische Regierung brachte nicht mehr die Kraft auf, die Elemente der Zersetzung in ihre Schranken zu verweisen 1 Es war immer wieder dasselbe: an Stelle energischen Durchgreifens in jedem Falle — und sei er auch noch so schwer — Milde und Nachsicht, nur in seltenen Ausnahmefällen kriegsgerichtliches Einschreiten, stets Entscheidungen gegen die beteiligten Offiziere und aus Furcht vor Weiterungen in Parlament und Presse immer Kompromiß­ lösungen, die zu Beharren in Ungehorsam und Aufsässigkeit geradezu einen Anreiz gaben!

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Schwinge, Die Entwicklung der Mannszucht usw. Die Meuteret der Flotte vom Jahre 1797 und ihre Lehren.

Dieses schwächliche, allzu nachgiebige Verhalten der britischen Re­ gierungsstellen ist um so auffallender, als die Geschichte Großbritanniens des ausgehenden 18. Jahrhunderts ein Beispiel dafür aufweist, daß Massenmeutereien nur mit Energie, Unnachgiebigkeit und Härte beizu­ kommen ist. In einer Zeit, als eine französische, eine spanische und eine holländische Flotte zum Kampfe gegen England rüsteten, als die Sicherheit Großbritanniens dementsprechend in ganz besonderem Maße von der Haltung seiner Seestreitkräfte abhing, brach in der britischen Kriegsmarine eine Meuterei aus, wie sie die britische Geschichte noch nicht gesehen hatte. Die Gründe der Unzufriedenheit waren mannigfaltiger Art: Der Sold hatte mit der Teuerung nicht Schritt gehalten und wurde als viel zu niedrig empfunden; die ärztliche Versorgung der Matrosen war schlecht und rück­ ständig; die Versorgung mit Gemüse und anderen lebenswichtigen Nah­ rungsmitteln war unzulänglich; die Bestrafungen waren auf vielen Schiffen von solcher Brutalität, daß diese von ihren Besatzungen vielfach als „schwimmende Höllen" bezeichnet wurden. Die erste Meuterei brach vor Jamaika an Bord des Schiffes „Hermione" aus, wo die Mannschaft den Kapitän und die anderen Offiziere umbrachte und das Schiff den Spaniern auslieferte. In der Heimat machte sich die Unzufriedenheit zuerst vor Spithead Luft, wo ein großer Teil der britischen Flotte im April 1797 vor Anker lag.

Als die vor Spithead ankernden Flottenteile Befehl erhielten, in See zu gehen, bemannten die Matrosen die Rahen, stießen Hurrarufe aus und hißten die rote Flagge, das traditionelle Signal für den Kampf. Achtungs­ widrigkeiten den Offizieren gegenüber kamen nicht vor, die Schiffe wurden von den Meuterern aber sämtlich ihrem Befehl entzogen. Die Admiralität entsandte daraufhin eine Kommission nach Portsmouth, die mit Ab­ ordnungen der Schiffe in Verbindung trat. Dabei wurden alle Beschwerden eingehend zur Sprache gebracht. Nach langem Hin und Her gab die Ad­ miralität am 25. April den Forderungen der Schiffsbesatzungen in allen Punkten nach. Ihnen wurde eine wesentliche Solderhöhung in Aussicht gestellt und dabei zugleich das Versprechen gegeben, daß die Flotte erst dann in See gehen sollte, nachdem die Solderhöhung vom Parlament beschlossen und vom König verkündet sei. Als sich der Beschluß des Par­ lamentes durch verschiedene Umstände verzögerte, wurden die Leute miß­ trauisch; schließlich glaubten sie, hinters Licht geführt zu sein. Daraufhin traten die Mannschaften erneut in Streik und schoben fast alle Offiziere an Land ab (7. Mai 1797). An Bord des Kriegsschiffs „London" kam es dabei zu einem schweren Kampf, der Tote und Verwundete kostete. Das Parlament trat nunmehr sofort zusammen und bewilligte die benötigten Geldmittel. Nachdem noch mehr als 100 Offiziere, die die Mannschaften ablehnten, endgültig von Bord ihrer Schiffe entfernt worden waren, erklärten sich die Leute als befriedigt. Die Disziplin wurde wiederhergestellt und die Flotte stach in See. Nachträglich zeigte sich, daß es für eine Regierung nicht ratsam ist,

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sich in dieser Weise dem Diktat von Meuterern zu unterwerfen. Der Wankel­ mut der Admiralität hatte die Überzeugung hervorgerufen, daß sich Meuterei bezahlt mache. Die Folge davon war, daß der Geist der Auf­ sässigkeit weiter fraß und auf andere Flottenteile übersprang. Am 12. Mai 1797 wurden die am Little Nore ankernden Einheiten davon ergriffen. An die Spitze der Aufstandsbewegung trat dort ein Matrose, Richard Parker, der sogleich dafür sorgte, daß alle Offiziere ihres Kommandos enthoben, überall rote Fahnen gehißt und Matrosenräte gewählt wurden. Außer den Forderungen, die schon von der Kanalflotte gestellt worden waren, verlangten die Meuterer, daß kein Offizier, der von einem Schiff entfernt worden war, dort ohne Zustimmung der Besatzung wieder be­ schäftigt werden sollte, daß außerdem auch die Kriegsartikel revidiert werden sollten. Verhandlungen mit Vertretern ber Admiralität verliefen ergebnislos.

Zuletzt sprang die Meuterei auch noch auf die bei Yarmouth liegenden Einheiten über, die Großbritannien gegen einen Angriff der holländischen Flotte zu decken hatten. Bis auf zwei fuhren alle Schiffe davon und ver­ einigten sich mit den Meuterern von Little Nore. England kam dadurch in größte Gefahr, die erst durch das Eingreifen russi­ scher Schiffe gebannt wurde. Nach Grenville war das der größte Dienst, den England jemals von einer anderen Nation empfangen hat. Um die Regierung einzuschüchtern, gingen die Meuterer nunmehr dazu über, die Themse zu blockieren und Handelsschiffe anzuhalten. Da endlich ging der Regierung die große Gefahr auf, die dem Lande drohte: Die Garnisonen an Land wurden beträchtlich verstärkt, die Themseforts mit Brandgeschossen ver­ sehen, Kanonenboote kampfbereit gemacht und die Bojen an der Fluß­ mündung entfernt. Gleichzeitig wurde ein Gesetz erlassen, das Aufreizung zur Meuterei unter die schärfsten Strafen stellte und den Verkehr zwischen den meuternden Einheiten zum Kapitalverbrechen erklärte. Diese Maß­ nahmen verfehlten nicht ihre Wirkung. Als die Meuterer, von jeder Ver­ bindung mit dem Lande abgeschnitten, erkannten, daß mit Nachgiebigkeit auf Seiten der Regierung diesmal nicht zu rechnen sei, lieferten sie am 14. Juni ihren Rädelsführer Parker aus. Er wurde auf der Stelle kriegs­ gerichtlich abgeurteilt und auf der Rahn-Ock seines Schiffes aufgehängt. Außer ihm wurden noch 40 andere Matrosen zur Todesstrafe und einige weitere zur Strafe des Auspeitschens verurteilt. 18 der zum Tode Ver­ urteilten wurden hingerichtet, die übrigen nach dem nächsten Seesieg begnadigt. Noch energischer ging der Befehlshaber der bei Cadiz stationierten britischen Flotte vor. Als die Besatzung eines Schiffs dem Kapitän den Gehorsam aufkündigte, ließ der Admiral den Rädelsführer sofort aburteilen und zwang dann die Mannschaft des fraglichen Schiffes, ihn selbst aufzu­ hängen. „England" — stellt der englische Historiker William Hunt, der diese Ereignisse in Band X der „Political History of England“ eindrucksvoll schildert, abschließend fest — „erlebte niemals dunklere Tage als jene der Meutereien". Die Lehre, die aus jenen Ereignissen zu ent­ nehmen sei, bestehe darin, daß meuterischem Benehmen auf der Stelle mit exemplarischer Strenge begegnet werden müsse.

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4. Rückblick ans die Entwicklung seit 1914. Die Strategie des Abwartens. Das Bild, das die Geschichte der englischen Wehrmacht in den letzten 25 Jahren darbietet, ist so ein uneinheitliches und in sich gespaltenes. Im Weltkrieg straffe Aufrechterhaltung der Disziplin in Heer und Flotte und energisches Vorgehen gegen jede Art von Lockerungserscheinung — in der Nachkriegszeit Unentschlossenheit und Schwäche und ein ständiges Zurückweichen vor den Kräften der Unordnung und Zersetzung mit der Folge unaufhörlichen Absinkens des Geistes der Flotte bis zum Mveau einer gewerkschaftlichen Interessenvertretung im Jahre 1931.

Man kann aus alledem nur den Schluß ziehen: Das England von heute ist nicht mehr das England des Weltkrieges! Großbritannien besitzt seine alte Kraft und Stärke nicht mehr — es ist müde geworden. Wir sind seit dem Sommer des vergangenen Jahres Zeugen des sonderbaren Schauspiels, daß England einem Staat den Krieg erklärte, diesen aber monatelang zu Lande überhaupt nicht und zur See und in der Luft schwächlich und zögernd führte. Einer der Hauptgründe für dieses Ver­ halten ist ohne Zweifel die Hoffnung gewesen, daß es vielleicht gelingen möge, den Gegner schon durch die Macht des Goldes und die Blockade zu Boden zu ringen. Daß Großbritannien seine ganze Hoffnung auf diese Möglichkeit gesetzt hat, ist freilich nicht wahrscheinlich. Jene merkwürdige Strategie des Abwartens, die Winston Churchill — im Verein mit vielen anderen führenden Männern seines Volkes — für einen künftigen Krieg anempfohlen hat: „Spart Eure Kräfte auf! Hütet Euch vor Offen­ siven großen Stils, die den Angreifer nur schwächen und seine Kräfte vorzeitig aufzehren! Laßt es ruhig darauf ankommen, daß sich der Gegner mit seiner ganzen Armee Euch gegenüber niederläßt! Starrt Euch, wenn es nicht anders geht, jahrelang an! Aber wartet, bis der Ablauf der Zeit den Gegner zum Angriff zwingt — dann aber bringt ihn zum Ausbluten!" —, sie muß noch andere Gründe haben. Sollte ihr nicht vielleicht die Befürch­ tung zugrunde liegen, daß das britische Volk einen Schock, wie ihn die Ver­ luste der Jahre 1916 und 1917 bedeuteten, nicht noch einmal ertragen wird — daß es nicht mehr gesund und elastisch genug ist, eine zweite Prüfung dieser Art ohne seelischen Zusammenbruch zu überstehen? Wer der Kraft und Stärke seines Volkes ganz sicher ist, der erteilt solche Ratschläge nicht, denn sie überantworten das Schicksal des Krieges der Initiative des Gegners! Der moralische Niedergang der letzten 20 Jahre, der in der Meuterei der Atlantikflotte vom September 1931 seinen Tiefpunkt ge­ funden hat, bindet offenbar der Führung Großbritanniens die Hände. Mit dem Schwinden der seelischen Bereitschaft zum letzten Opfer sind offen­ sichtlich auch die Entschlossenheit und das Draufgängertum früherer Zeiten dahingesunken!

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Die Entwicklung der Mannszucht in der französischen Wehrmacht.

1. Die Mannszuchtkrisen von August/September 1914 und Mai/Juni 1917. Als die französische Armee in den Weltkrieg eintrat, war sie gerade am Ende einer schweren Krise angelangt. Der „Fall Dreyfus" hatte das Land jahrelang in zwei Teile gespalten. Der heftige Streit um Schuld oder Un­ schuld des Hauptmanns Dreyfus hatte bei den Linksparteien antimilita­ ristische Gefühle geweckt, durch welche der Stellung der Wehrmacht in der öffentlichen Meinung des Landes schwerster Schaden zugefügt wurde. In breiten Volksschichten stieß die Armee auf eindeutige Ablehnung. Die militärische Disziplin konnte davon nicht unberührt bleiben. In seiner vor kurzem in deutscher Übersetzung erschienenen „Geschichte der französischen Armee" hat General Weygand von jener schweren Krise um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert folgendes Bild ent­ worfen: „Es ist eins der traurigsten Kapitel in der Geschichte des Heeres. Ein Minister, ein General, läßt sich bereit finden, Auskünfte, die Freimaurer­ logen über Offiziere gegeben haben, zu benutzen und ein Steckbriefsystem anzuwenden. Angeberei und Verdächtigung machen sich breit, demorali­ sieren die dem Heere nahestehenden Kreise und tragen Unruhe in das Heer selbst, in dem nun Verdienste im Beruf in die zweite Linie rücken. Außerdem wird die Truppe häufig bei Gelegenheit von Streiks und Inventaraufnahmen für Polizeiaufgaben verwandt; damit verliert sie Zeit, die sie ihrer Ausbildung hätte widmen müssen, und zieht sich außerdem den Haß der Arbeiter und Angriffe von allen Parteien zu. Der Konflikt wird immer weiter ausgedehnt und immer mehr verfälscht. Presse und Straße werden losgelassen. Mchts wird mehr geachtet, weder Richterstand noch Fahne. Die Zeitschrift „Der Sou des Soldaten" wird zur Sammelstelle für die antimilitaristische Bewegung. Die Gerichte sind für die wildesten Propagandisten, die vor ihren Schranken erscheinen müssen, eine gern ausgenutzte Tribüne. Wenn Soldaten bestraft werden, wenden sie sich an die Liga für Menschenrechte, und ihre Vorgesetzten müssen sich rechtfertigen. Die Staatsgewalt aber hält nicht etwa diesen Verfall gleich im Anfang durch um so entschlosseneres Eingreifen auf, viel­ mehr handelt sie, als wolle sie den Gehorsam durch Nachgiebigkeit erkaufen. Im Mutterlande, in den Kolonien, selbst in Paris kommen Fälle von kollektiver Unbotmäßigkeit vor. Die Zahl der Dienstflüchtigen steigt von nahezu 5000 im Jahre 1907 auf über 17000 im Jahre 1909". Die verhaltene Erregung, die aus diesen Worten spricht, läßt ahnen, wie sehr das französische Offizierkorps durch jene Zustände aufgewühlt worden ist und wie stark es unter ihnen gelitten hat. Daß die französische Armee in jener Zeit schwerer Prüfungen nicht auseinandergebrochen ist und daß es möglich war, sie im Jahre 1914 der Belastungsprobe eines modernen Krieges von unbestimmter Dauer auszusetzen, war allein das Verdienst des Offizierkorps. „Das Offizierkorps" — erklärt General Weygand — „hielt an dem Ideal fest, das seine Fahnen in goldenen Lettern verkündeten, und sorgte dafür, daß die Armee sich nicht in all diese Streitigkeiten einmischte, sondern darüber stand. Sie war wirklich »die

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große Stumme*, die schweigend duldete und nie die Haltung verlor. Nach­ dem wir heute genügenden Abstand von den Dingen gewonnen haben, dürfen wir uns sogar fragen, ob die Krise, die die Armee durchmachen mußte, nicht für sie eine nützliche Schule der Selbstverleugnung und der Charakter­ bildung gewesen ist. Wer kann leugnen, daß diese Prüfung der Schmelz­ tiegel war,in dem der Guß des Volksheeres vollendet wurde?Eine zu sehr bewunderte Armee, der alles zu leicht gemacht wird, vernachlässigt sich oft und verfällt. Wenn sie aber falsch beurteilt, bespitzelt, ja gehaßt wird, achtet sie mehr auf sich selbst, hält darauf, einwandfrei zu bleiben, und vervoll­ kommnet sich. So stand es trotz der zu großen Zahl der politischen Karrieren in den höchsten Posten um die Gesamtheit des Offizierkorps der französischen Armee". Damit nahm noch einmal ein berühmtes Wort von Taine Gestalt an: „Frankreich gleicht einem Soldaten, der gewöhnlich sich amüsiert, faulenzt, scherzt und auf seine Offiziere schimpft, der aber im Feuer und unter den Augen seiner Kameraden plötzlicher, unvorhergesehener, grenzen­ loser Hingebung fähig ist". Wenn das französische Heer die Weltkriegsjahre gemeistert hat, ohne den inneren Halt zu verlieren und dem Chaos zu ver­ fallen, so ist es nur dem Umstand zu verdanken, daß es in letzter Minute zu seiner alten kriegerischen Tradition zurückgefunden hat! Immerhin aber hat die französische Armee in der Zeit von 1914 bis 1918 zweimal dicht vor der Auflösung gestanden—das eine Mal während der großen Rückzugsbewegung im August und September 1914, das andere Mal im Anschluß an den blutigen Mißerfolg der großen Offen­ sive vom Chemin des Dames im Mai und Juni 1917. „Der französische Soldat" — sagt Marschall Joffre in seinen Erinnerungen — „ist leicht beeindruckbar; er kann das Vertrauen ebenso schnell verlieren wie er begeistert ist". Während der Mobilmachung ging alles gut. Als dann aber die ersten Rückschläge kamen und die deutschen Armeen in ungestümem Vorwärtsdrang Nordfrankreich überfluteten, ließ die Moral unter dem deprimierenden Eindruck der unaufhörlichen Rückwärtsbewe­ gung schlagartig nach — in einem Ausmaß, daß die französische Oberste Heeresleitung das Schlimmste befürchten mußte. Wie Marschall Joffre und General Langle de Cary berichten, griffen Selbstverstümmelung und Simu­ lation derart um sich, daß die Kampfkraft mancher Formationen aufs Schwerste beeinträchtigt wurde. Zahlreiche Soldaten suchten sich der Er­ füllung ihrer Pflicht weiter dadurch zu entziehen, daß sie Straftaten be­ gingen, um aus der Front herausgezogen und eingesperrt zu werden. Wie Joffre selbst mitteilt, waren die Rückzugsstraßen häufig mit weggewor­ fenen und liegengelassenen Tornistern und anderen Ausrüstungsgegen­ ständen übersät, und überall stieß man auf Nachzügler. Als General Gallium am 1. 9.1914 mit den ihm zur Verteidigung von Paris zur Ver­ fügung gestellten Truppenteilen Fühlung nehmen wollte, stieß er nördlich der Hauptstadt auf Abteilungen aller Armeen, die sich in Unordnung auf den Straßen rückwärts bewegten, oft ohne Führer und ohne jede Marsch­ disziplin. Meist wußten die Leute nicht einmal, wo ihre Regimenter waren und zu welchen Reservedivisionen sie gehörten. Als Gallium vor die Bürgermeisterei von Pontoise kam, wo ein Generalkommando unter-

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gebracht war, mußte er feststellen, daß dort — wie überall in jener Gegend —vollkommenste Unordnung herrschte. Die Treppen waren nicht nur mit Soldaten aller Waffengattungen, sondern auch mit einem zahlreichen Publikum überfüllt, das von Panik ergriffen war und sich zur Flucht an­ schickte. Als er den kommandierenden General nach der Lage fragte, erhielt er zur Antwort, daß die Truppen in einem solchen Durcheinander seien, daß es im Augenblick keine Möglichkeit mehr gebe, irgend etwas zu unter­ nehmen. Die Bestände dahingeschwunden, zahlreiche Nachzügler in den Händen des Feindes, das Gepäck verloren, Gewehre und Geschütze auf­ gegeben — dies waren nach den Worten Gallisnis die katastrophalen Wirkungen, die der fortwährende Rückzug hervorgerufen hatte. Wesentlich gesteigert wurde die Verwirrung im übrigen noch dadurch, daß alle nach Süden führenden Straßen mit Flüchtlingskolonnen überfüllt waren. Es war die Rettung der französischen Armee, daß das Frankreich von damals Männer besaß, die sich klar darüber waren, was in dieser Situation zu tun sei und die das Erkannte mit Mut und Entschlossenheit in die Tat umzusetzen verstanden. Strategisch wurde die Lage durch das Eingreifen Galliums gerettet, disziplinär durch das Eingreifen Joffres. Auf des letzteren Antrag wurde durch Dekret vom 6. 9. 1914 von einem Tag zum anderen die Militärgerichtsbarkeit umgestellt und an die Stelle der ordent­ lichen Kriegsgerichte (Conseils de guerre) rasch arbeitende Ausnahme­ gerichte (Conseils de guerre speciaux) gesetzt, die bei allen Einheiten bis zum Bataillon herunter zusammengerufen werden konnten und keiner­ lei Rechtsmitteln unterlagen. Nachdem durch diese Umstellung die Mög­ lichkeit geschaffen worden war, jedem Verstoß gegen die Mannszucht die Sühne auf dem Fuße folgen zu lassen, gingen die erwähnten Straftaten rasch an Zahl und Bedeutung zurück und sanken auf das Normalmaß herunter. Durch Gesetz vom 27. 4.1916 konnten schließlich jene Ausnahme­ gerichte wieder beseitigt werden. Daß man es auch in der Truppe selbst nicht an der nötigen Energie fehlen ließ, beweist eine Anekdote, die Lloyd George in seinen Kriegserinnerungen von dem französischen General Maud'huy erzählt. Diesem war zu Anfang des Krieges gemeldet worden, daß sich seine Leute vor den großen Granaten der Deutschen fürchteten und entsetzt vor den scheußlichen Sprengkörpern zurückwichen. Um die Auswirkungen dieses Schreckens abzudrosseln, wandte der General ein sehr drastisches Mittel an. Als wieder einmal eine Truppe unter dem Feuer der schweren deutschen Artillerie zusammengebrochen war, ließ der General sie am Tage darnach ausmarschieren, bis die Leute ins Granatfeuer kamen. „Dann hefahl er ihnen, halt und kehrt zu machen. Und nun ließ er sie ihre gewöhnlichen Exerzierübungen absolvieren, mit der ausdrücklichen Be­ stimmung, daß jeder, der den Versuch machte, davon zu laufen, auf der Stelle erschossen werden würde. Als er der Meinung war, sie müßten sich an das Granatfeuer gewöhnt haben, führte er sie wieder in die Linie zu­ rück". Beim nächsten Angriff durften sie 200 Meter vor der übrigen Truppe marschieren; ihre Moral ließ nichts mehr zu wünschen übrig. Aus der ersten Kriegshälfte ist in disziplinärer Hinsicht sonst nur noch das Verhalten der Tunesier bemerkenswert. Als Nachrichten von den deutschen Erfolgen an der Westfront eintrafen, schlug das im Anfang

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musterhafte Betragen der tunesischen Truppenteile in sein Gegenteil um. Nach Admiral Dartige du Fournet verweigerten am 29. 9.1914 1000 für Frankreich bestimmte tunesische Schützen den Abmarsch. Sie machten geltend, daß das Gesetz ihre Verschickung ins Ausland nicht vorsehe und daß das Schicksal ihrer Angehörigen nicht sichergestellt sei. Nachdem 100 Mann desertiert waren, entwaffnete man die übrigen sofort und zog sie zur Ver­ antwortung. Daraufhin konnten die Verschiffungen beginnen und ohne Störung durchgeführt werden.

Im Kriegswinter 1916/17 trat Frankreich in eine neue schwere Krise ein. Die furchtbaren Verluste, welche die französische Armee bei den Kämpfen zu Kriegsbeginn, bei Verdun und an der Somme erlitten hatte, hatten an der Front und noch mehr im Hinterland eine tiefe Kriegsmüdig­ keit erzeugt. Gegen die militärische Methode, deren Ergebnisse so gänzlich außer jedem Verhältnis zu den aufgewandten Opfern standen, hatte sich ein tiefer Groll entwickelt. Die defaitistische Grundstimmung der Massen fand seit Anfang 1917 einen Niederschlag in einer umfangreichen Zeitungs­ und Flugschriftenliteratur, die durch Urlauber und politische Agenten in die Armee hineingeschmuggelt wurde. An der Front wurde der Kampf- und Widerstandsgeist durch diese unterirdische Propaganda, die durch die russische Revolution einen starken Auftrieb erhielt, mehr und mehr ausge­ höhlt und untergraben. Die Folge dieser Zersetzungsarbeit war eine ge­ schichtlich einzig dastehende Massenmeuterei. Die fortschreitende Verschlechterung des Geistes der Armee läßt sich deutlich an der großen Zunahme der Zahl der militärischen Straftaten studieren. Die Zahl der Desertionen betrug im Jahre 1914 509, im Jahre 1915 2433 und im Jahre 1916 8924; im Jahre 1917 schnellte sie auf 21174 hoch. Für Verlassen des Postens betrug die entsprechende Zahl für 1914 1365; im Jahre 1917 war diese Straftat auf nicht weniger als 4650 Fälle angestiegen. Beachtlich auch die Zunahme der Zahl der Todesurteile: Waren es 1914 206, so belief sich ihre Zahl 1917 auf nicht weniger als 528.

Regierung und Heeresleitung standen 1917 in Frankreich vor einer schwierigen Aufgabe. War es im September 1914 möglich gewesen, der Schwierigkeiten allein durch eine Reform der Militärjustiz und eine Anzahl abschreckender Urteile Herr zu werden, so handelte es sich 1917 um Er­ scheinungen, gegen die sehr viel einschneidendere Maßnahmen ergriffen werden mußten, um die Ordnung wiederherzustellen. Denn als die im Mai 1917 mit so großen Hoffnungen begonnene Offensive des neuen Generalissimus Nivelle am Chemin des Dames in einem Meer von Blut untergegangen war — der Durchbruchsversuch kostete dem französischen Heer innerhalb von sechs Wochen 61000 Tote und 9000 Vermißte, d. h. fast ebensoviel Menschen wie vier Monate Sommeschlacht —, da machte sich die allgemeine Erschöpfung nicht wie 1914 in Selbstverstümmelung, Preis­ gabe von Dienstgegenständen usw. Luft, sondern in offener Auflehnung. An der Offensivfront brachen Meutereien aus, an denen nicht weniger als 16 Armeekorps mit 75 Jnfanterieregimentern, 12 Artillerieregimentern und 23 Jägerbataillonen beteiligt waren. Nach dem Zeugnis Painlevss,

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des damaligen Kriegsministers, war es die furchtbarste moralische Krise, die die französische Armee jemals erlebt hat. Dem deutschen Publikum sind diese Vorgänge erst durch die Bücher von Rolf Bäthe: „Frankreichs schwerste Stunde" und P. C. Ettighoffer: „Eine Armee meutert. Frankreichs Schicksalsstunde 1917" bekannt geworden. Die erste Unbotmäßigkeit größeren Ausmaßes ereignete sich am 3. 5. 1917. Als an diesem Tage die 2. Kolonialdivision den Befehl erhielt, sich zum Abmarsch an die Front und zum Angriff bereit zu machen, lehnten sich die Mannschaften geschlossen gegen diesen Befehl auf. Statt wie befohlen zum Abmarsch anzutreten, rotteten sich die Leute zusammen, zogen durch die Straßen ihres Ruhequartiers und riefen aus: „Meder mit dem Krieg! Mcht marschieren! Wir wollen unsere Stellungen verteidigen, aber nicht mehr angreifen!" Der Divisionskommandeur mußte wohl oder übel einsehen, daß bei dieser aufgeregten Menge durch Gewalt nichts auszurichten war. Er ließ die Soldaten deshalb durch ihre Offiziere an­ sprechen und ihnen versichern, daß sie zum Angriff nicht eingesetzt würden. Die Armeeführung war daraufhin gezwungen, an Stelle dieser Division abgesessene Kavallerieregimenter in den Kampf zu schicken. Am 20. Mai ereigneten sich die ersten schwereren Meutereien, die drei Wochen lang andauerten, bald in diesem, bald in jenem Regiment. Überall die strikte Weigerung, wieder in Stellung zu gehen, Masseneingaben, Massenversammlungen, aufrührerische Reden, Absingen der Internationale, Umzüge, rote Fahnen, Soldatenräte. Jedesmal die heftigsten Vorwürfe gegen die Heeresleitung, die sie gezwungen habe, gegen intakte deutsche Maschinengewehrnester anzurennen usw. Besonders gefährliche Formen nahm die Meuterei bei einer Reihe in der Nähe der Hauptstadt liegender Truppenteile an. Wie er in seinen Er­ innerungen berichtet, wurde dem Präsidenten Poincare Anfang Juni 1917 berichtet, daß zahlreiche Einheiten, darunter das 36., 129. und 298. Infanterieregiment beschlossen hätten, mittels beschlagnahmter Eisenbahnzüge nach Paris zu fahren und Delegationen zum Parlament zu schicken, um sofortigen Friedensschluß zu verlangen. Bei dem in Soissons liegenden 370. Infanterieregiment kam es anläßlich einer ähnlichen Aktion zu schweren Ausschreitungen. Als das Regiment an die Front abmarschieren sollte, traten die Leute zu einer Versammlung zusammen, auf der wütende Reden gegen den Krieg, die Regierung und die Generale gehalten wurden. Zwei Stunden vor dem Abmarsch erschienen plötzlich zwei mit Soldaten anderer Regimenter besetzte Lastwagen in den Quartieren des 370. Regi­ ments, die mit wehenden roten Fahnen die Parole ausgaben, den Ge­ horsam zu verweigern. In dem allgemeinen Tumult, den das Erscheinen dieser Lastkraftwagen auslöst, ruft plötzlich jemand: „Auf nach Paris! Holt die Abgeordneten aus dem Parlament heraus!" „Zum Bahnhof! Zum Bahnhof!" antwortet es aus der Menge. Schon ist alles auf dem Wege zum Bahnhof, um sich eines Zuges zu bemächtigen. Unterwegs läuft den Meuterern ein bei der Truppe verhaßter Regimentsarzt in die Arme; er wird mit Kolbenhieben zu Boden geschlagen und bleibt schwer­ verletzt liegen. An einer Straßenkreuzung stellen sich der fanatisierten Menge drei Feldgendarmen entgegen. Ehe sie sichs versehen, hängen sie an den

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nächsten Laternenpfählen. Im letzten Augenblick gelingt es, den Divisions­ kommandeur von dem Geschehenen zu benachrichtigen. Da dieser selbst über zuverlässige Truppen nicht mehr verfügt, muß er eine bei Paris stehende Kavalleriedivision um Hilfe bitten. Diese sperrt sofort die Bahn­ strecke nach Paris ab, und es gelingt ihr, den von den Meuterern besetzten Zug in einem Walde zum Stehen zu bringen und zur Übergabe zu zwingen. Ein Teil der Leute ergibt sich, der andere Teil wirft sich in den Wald, ver­ schanzt sich dort und kann erst nach dreitägiger Belagerung zur Übergabe gezwungen werden. Die Lage war in jenen Junitagen des Jahres 1917 so ernst, daß es nach Mitteilung Painleväs, des damaligen Kriegsministers, zwischen Soissons und Paris, also in einem der wichtigsten Frontbereiche, nur zwei Divisionen gab, auf die man sich vollständig verlassen konnte. „Wenn die Deutschen in jenem Augenblick angegriffen hätten" — bemerkt Painleve dazu —, „hätte die Lage kritisch werden können". General Petain hat später erklärt, vor Verdun im Februar und März 1916 habe er viele besorgniserregende Stunden kennen gelernt, aber kein Zeit­ raum sei diesem gleich, in dem er die französische Armee zwischen seinen Händen habe zerrinnen sehen. Von schweren Exzessen wurden damals auch zwei an der Westfront eingesetzte russische Brigaden heimgesucht. Genauere Einzelheiten darüber sind uns erst durch die Erinnerungen des Generals Alfred Micheler vom Jahre 1933 und eine Schrift des bekannten Schriftstellers Pierre Poitevin vom Jahre1934 (Titel: „Unebatailleau centre de la France en 1917") bekannt geworden. Die Nachrichten vom Ausbruch und Verlauf der russischen Revolution wandelte diese ausgesuchten, militärisch hervorragend tüchtigen Einheiten binnen kurzem in eine Horde ohne Disziplin um. Als General Micheler :tn Mai 1917 die eine der Brigaden, die beide zu seiner Armee gehörten, besichtigen wollte, erklärte ihm der russische Kommandant: „Ich kann Ihnen nicht verbergen, Herr General, daß die Disziplin bei uns sozusagen nicht mehr existiert... Im Dienst gehorchen die Männer noch, aber außer­ halb betrachten sie sich als freie Bürger und erweisen nicht einmal den Gruß mehr". Vor dem Angriff vom 15. und 16.4.1917 waren die Truppen erst zu einer Beratung zusammengetreten, ob sie an dem Angriff teil­ nehmen sollten oder nicht. Einen Monat später war die Mannszucht be­ reits so weit aufgelockert, daß sie den General Galitzine beschimpften und bedrohten. Wegen des höchst nachteiligen Einflusses, den diese Truppenteile auf die benachbarten französischen Formationen ausübten, sah sich General Castelnau, der Befehlshaber der zuständigen Armeegruppe gezwungen, sie aus der Front herauszuziehen. In einem seiner Berichte an das Ober­ kommando heißt es: „Die russischen Truppen, die im Abschnitt von Neufchüteau eingesetzt sind, arbeiten nicht mehr. Sie gehorchen nicht mehr ihren Offizieren; ohne bis zum Augenblick in offene Rebellion gegen sie einzu­ treten, setzen sie ihnen passiven Widerstand entgegen. Sie haben jeden militärischen Wert verloren". Auf diesen Bericht hin wurde der Beschluß gefaßt, alle russischen Einheiten unverzüglich in ihre Heimat zurückzu-

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transportieren. Zur Vorbereitung dieser Maßnahme wurden alle 16000 Mann nach dem Lager La Courtine im Zentrum Frankreichs überführt. Dort verloren die Offiziere bald den Rest von Autorität, den sie noch be­ saßen, sie wurden verjagt und an ihre Stelle traten Sowjets, die einen einfachen Soldaten namens Globa zum Oberbefehlshaber wählten. Als verschiedene Versuche, im Lager die Ordnung wiederherzustellen, geschei­ tert waren, mußten sich die französischen und russischen Militärbehörden zu radikalen Maßnahmen entschließen: Nachdem ein auf 48 Stunden be­ fristetes Ultimatum von den Meuterern glatt abgelehnt worden war, wurde das Lager von zuverlässigen Truppen umstellt und dann rücksichts­ los beschossen. Im Verlaufe von drei Tagen und drei Nächten wurden nicht weniger als 800 Schuß Artilleriemunition darauf abgegeben. Nach 72 stündiger Beschießung ging endlich die weiße Fahne hoch. Die Opfer dieser Beschießung waren eine Anzahl Tote und zahlreiche Verwundete. Bei der nachfolgenden kriegsgerichtlichen Aburteilung wurden 81 Mann zum Tode verurteilt und über zahlreiche andere Freiheitsstrafen verhängt.

Die französische Heeresleitung stand angesichts dieser Ereignisse An­ fang Juni 1917 vor schweren Entscheidungen. Was war zu tun? Die Mehr­ zahl der oberen Befehlshaber war für drakonische Maßnahmen und un­ barmherziges Durchgreifen gegenüber sämtlichen Beteiligten. Es ist und bleibt das große geschichtliche Verdienst des damaligen Generalissimus, Generals Petain, diesem Rat zu brutaler Härte nicht gefolgt zu sein. Der damalige Zustand der französischen Armee vertrug ein rigoroses Vorgehen nicht. Wäre der Strenge des Gesetzes nach auch gegenüber der großen Zahl von Mtläufern verfahren worden, so wäre ohne Zweifel ein allge­ meiner Aufstand die Folge gewesen. Auf der anderen Seite konnte man nicht riskieren, überhaupt keine Gegenmaßregeln zu ergreifen. Als wahrer „Arzt der Armee" und auf Grund genauer Kenntnis der Psyche des französischen Soldaten schlug General P6tain deshalb einen mittleren Weg ein: Die Rädelsführer der Meutereien bekamen die volle Strenge des Gesetzes zu spüren, die übrigen Beteiligten wurden mit Milde behandelt. Von den Rädelsführern wurden 150 zum Tode verurteilt, davon 23 er­ schossen und die übrigen sofort nach Marokko, Algerien und Jndochina deportiert, um die Truppe gegen ihren Einfluß sicherzustellen; um den Preis dieser 23 Exekutionen stellte Petain in einer Armee von 4 Millionen Menschen die Ordnung wieder her. Zum Zwecke rascher und exemplarischer Aburteilung wurde das kriegsgerichtliche Verfahren erneut abgekürzt und vereinfacht, für die Fälle gemeinschaftlicher Gehorsamsverweigerung außerdem die Rechtsmittelinstanz abgeschafft. Gegen die Mitläufer wurde entweder überhaupt keine Strafverfolgung eingeleitet, oder sie kamen mit milden Strafen davon. Indessen General Petain wollte nicht nur strafen, er wollte auch heilen, deshalb bemühte er sich, die Ursachen der Unzufriedenheit zu be­ seitigen. Seit Monaten hatte es in zahlreichen Einheiten keinen Urlaub mehr gegeben; durch Wiedereinführung des alten Verhältnisses behob er diesen Mißstand. Er führte regelmäßige Ruhezeiten in den Quartieren hinter der Front ein. Er sorgte für eine Verbesserung der Verpflegung

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und schuf zur ständigen Kontrolle Verpflegungskommissionen. Er forderte die Truppenkommandeure auf, offen ihre Bedenken vorzutragen, wenn sie die Ausführung von Befehlen für allzu schwierig oder gefährlich hielten. Im Verlaufe weniger Wochen besuchte er 90 Divisionen und sprach zu ihnen, fragte nach ihren Beschwerden und zog zahlreiche einfache Soldaten ins Gesprächs. „So gab er" — wie General Weygand es ausdrückt — „denen, die es verloren hatten, das französische Soldatenherz wieder". Diese Wiederaufrichtung der Moral innerhalb der französischen Armee innerhalb weniger Monate war nach dem Urteil Ludendorffs „wichtiger als der Gewinn einer großen Schlacht". Das ist denn auch die Leistung, mit der Marschall Petain in die Geschichte des Weltkriegs eingegangen ist. Die Ereignisse von Mai und Juni 1917 haben die Kampfkraft der französischen Armee fast ein ganzes Jahr lang gelähmt. Sie war hinfort nur noch zu Teilaktionen fähig und mußte größere Unternehmungen den Briten überlassen. Als dann die Schläge der deutschen Frühjahrs- und Sommeroffen­ siven des Jahres 1918 auf die alliierten Streitkräfte niederprasselten, ver­ mochte nur noch die Aussicht auf die amerikanische Hilfe den wankenden Kampfgeist der Truppe aufrechtzuerhalten. In seinen Kriegserinnerungen berichtet General Pershing, der Oberkommandierende der amerika­ nischen Truppen, von einer Sitzung des Obersten Kriegsrats der Alliierten von Anfang Mai 1918, alle Anwesenden seien sich einig darüber gewesen, daß die Moral der französischen und britischen Streitkräfte schwer er­ schüttert sei. Als gegen Ende Mai die französische Front bei Soissons durchstoßen wurde und die deutschen Truppen Chüteau-Thierry erreichten, fand eine zu Hilfe eilende amerikanische Division die Straße mit franzö­ sischen Soldaten übersät, die mit allen Zeichen beginnender Panikstimmung in Unordnung zurückströmten und der Überzeugung Ausdruck gaben, alles sei verloren. Dieser Zustand schwerer Demoralisation hielt in der fran­ zösischen Armee auch dann noch an, als das Kriegsglück sich gewendet hatte. Als Marschall Foch im Hochsommer 1918 nach siegreichem Abschluß einer Offensivaktion mit General Fay olle zusammentraf, der eine der Armeegruppen befehligte, sagte ihm dieser: „Meine Leute sind völlig erschöpft, seit Monaten schlagen sie sich, sie können wirklich nicht mehr!" 2. Die Kriegsmüdigkeit der französische» Armee bei Kriegsende «nd ihr Einfluß ans die politische« Entschließungen der Regierung. Die Meuterei der Schwarze« Meer-Flotte.

Daß dieser Zustand restloser Erschöpfung und entschiedenster Kriegs­ müdigkeit in der französischen Wehrmacht auch noch nach Abschluß des Waffenstillstands andauerte, ist für die Weiterentwicklung der politischen l) Bei den Ordensverleihungen, die Pstain damals persönlich vornahm, griff er einen Brauch auf, der in der Napoleonischen Armee entwickelt worden war. Nachdem er die angetretene Truppe begrüßt hatte, richtete er die Frage an sie: „Wer ist der Tapferste von Euch?" Der, den die Leute nannten, mußte vortreten, und der General heftete ihm dann mit eigener Hand einen Orden an (Liddell Hart: Reputations [1928] S. 232). — Von Napoleon berichtet Morvan in seiner großen Darstellung des „Soldat Jmpsrial" (Bd. II, 1904, S. 513) folgenden Parallelvorgang: Als der Kaiser im Jahre 1809 das

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Ereignisse von größter Bedeutung gewesen. Nach dem Zusammenbruch der Mittelmächte wollte Marschall Foch bekanntlich mit den französischen Streitkräften nach Berlin marschieren, um von dort aus für Frankreich die Rheingrenze zu erzwingen. An der Verwirklichung dieses Planes hinderte ihn nicht so sehr der Widerstand der Alliierten, als das Bewußtsein, daß es nicht möglich sein werde, die erschöpften und übermü­ deten Truppen noch länger bei der Fahne zu halten. Am 3. 2. 1919 sagte er zu seinem Freunde Sir Henry Wilson, dem Chef des Britischen Reichsgeneralstabs, ganz offen, daß seine Leute es nicht mehr lange aushalten und sich selbst demobilisieren würden, wenn man sie nicht nach Hause gehen lasse (so wie es die Belgier bereits täten). Eine Warnung gegen militärische Unternehmungen größeren Umfanges bildeten auch die schweren Meutereien, die sich im Frühjahr 1919 innerhalb der Flotteneinheiten abspielten, die von der französischen Regierung ins Schwarze Meer entsandt worden waren. Diese bezeichnenden Vorfälle werden vom französischen Schrifttum geflissentlich mit Stillschweigen übergangen; ausschließlich im englischen Schrifttum finden sich Angaben darüber. Die Moral der französischen Mittelmeerflotte machte während des Weltkriegs eine ähnliche Entwicklung durch wie die Moral unserer deutschen Hochseeflotte. Seit Anfang August 1915 warteten die großen Einheiten auf die große Seeschlacht, in der ihre Daseinsberechtigung lag, und dieses ständige vergebliche Warten wirkte nach und nach auf den Geist der Ma­ trosen ein. An Bord der Patrouilleneinheiten, die ein tätiges Leben führten und oft in Berührung mit dem Feinde waren, blieb die Haltung jederzeit gut. Auf den Panzerschiffen jedoch, deren seltene Ausfahrten Anlaß zu Vorsichtsmaßregeln gaben, die nicht einmal immer wirksam waren, machte sich mehr und mehr ein lässiger und müder Geist breit. „Unsere Einheiten" — so heißt es mit bezug auf diese großen Schiffe in der amtlichen fran­ zösischen Seekriegsdarstellung — „wurden nicht, wie die der großen briti­ schen Flotte, durch die Nachbarschaft eines rührigen Feindes von fest­ stehendem Wert angestachelt. Siebeschützten nicht die Heimatküsten, sondern waren ausgesandt nach fremden Straßen, nahmen auch nicht am Leben des Landes teil.." Nachteilig machte sich seit 1917 auch die starke Verschlechterung des Ersatzes bemerkbar. Unter den Rekruten gab es seit jener Zeit eine große Anzahl von Leuten, die sich nur deshalb gemeldet hatten, weil sie wußten, daß in der Kriegsmarine die Verluste ungleich viel geringer waren als beim Heere. Diese zweifelhaften Elemente und darüber hinaus die Eigen­ art der Lebensbedingungen auf den Panzerschiffen bereiteten den Boden für eine pazifistische Propaganda vor, die auf den Geist der Besatzungen zerstörend wirkte. Ärgerliche Zwischenfälle ereigneten sich besonders an 26. Regiment besuchte, rief er vor versammelter Mannschaft aus: „Wer ist der tapferste Offizier dieses Regiments?" — „Der Leutnant Guyot!" — „Man lasse ihn kommen!" — Der Offizier kommt. Darauf der Kaiser: „Ich ernenne Sie zum Baron und verleihe Ihnen eine Rente von 4000 Pfund!" Daraus wieder der Kaiser: „Und wer ist der tapferste Soldat?" — „Der Grenadier Bajonette!" „Ich mache Dich zum Ritter der Ehrenlegion und gebe Dir 1500 Francs für Deine Kinder!"

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Bord der Schiffe, die von Toulon aus die Urlauber zurückführten. Diese Entwicklung bildete „für den Chefkommandanten einen schweren Grund zur Unruhe, der trotz aller Anstrengungen den wahren Wert der ihm anver­ trauten Kräfte ständig absinken sah". Bis zu welchem Grade der Geist der französischen Flotte zersetzt worden war, zeigte sich mit voller Deutlichkeit freilich erst in den Früh­ jahrsmonaten des Jahres 1919, als die Mannschaften des im Schwarzen Meer stationierten französischen Geschwaders in großen Massen den Ge­ horsam verweigerten. Der damalige Erste Seelord der Britischen Admira­ lität, Lord Wester Wemyß, berichtet in seinem Tagebuch (int Rahmen seiner Biographie erst 1935 veröffentlicht!) darüber folgendes: Die Lage an der Halbinsel Krim hatte der britischen Admiralität schon sehr viel Sorge bereitet, alle Befürchtungen wurden aber dadurch überboten, daß um die Osterzeit aus dem Schwarzen Meer die Nachricht eintraf, daß die fran­ zösische Flotte gemeutert hatte. Wemyß beorderte auf diese Nachricht hin sofort die englischen Einheiten nach Sebastopol und gab ihnen Befehl, erforderlichenfalls auf die meuternden französischen Kriegsschiffe zu schießen und sie zu versenken. Daß ein solches Eingreifen nicht nötig wurde, war nur einem Zufall zu verdanken. Als nämlich ein griechischer Zerstörer Zeuge davon war, wie auf einem französischen Schiff die rote Flagge ge­ hißt wurde, eröffnete er das Feuer; unter Beihilfe von Teilen der Mann­ schaft, die loyal geblieben waren, wurde dann die Revolte vor ihrem eigent­ lichen Ausbruch erstickt. „Dieses beklagenswerte Ereignis" — so fährt Wemyß in seiner Schilderung fort —, „das nicht wenig Erbitterung zwischen der französischen und englischen Flotte hervorrufen sollte, war jedoch zu verstehen. Unsere Offiziere, die vom Schwarzen Meer zurück­ kehrten, hatten erklärt, daß der Bolschewismus wie eine Seuche um sich greife. Die Admiralität hatte daraufhin durch beständigen Austausch der Schiffe und Mannschaften gewissenhaft Sorge dafür getragen, daß jede Berührung verhindert wurde, während die Franzosen leichte Opfer dieser Seuche wurden, da sie ihren undisziplinierten und kriegsmüden Mann­ schaften, die oft schon jahrelang an Bord waren, erlaubten, sich an Land mit der Bevölkerung zu verbrüdern". 3. Das Erwachen des Poilu. (Die Lehre« der Entwicklung).

Die Entwicklung, welche die Manneszucht in der französifchen Armee während der Jahre 1914 bis 1919 nahm, enthielt für die französische Staats­ führung eine zweifache Lehre. Die erste Lehre bestand darin, daß es sich in Not- und Kriegszeiten unweigerlich rächt, wenn eine staatliche Insti­ tution von so grundlegender Bedeutung wie die Armee der Anfeindung durch Presse und Straße preisgegeben wird, und wenn man es zuläßt, daß sich in ihr Angeberei und Verdächtigung breit machen, mit der Folge, daß Verdienst und berufliche Tüchtigkeit in die zweite Linie rücken und an ihrer Stelle Intriganten, Konjunkturritter und Streber das Feld beherrschen. Die Tragödie vom Mai und Juni 1917 — so heißt es in einem Brief des Generals Humbert vom 12.6.1917 — „ist eine Rückwirkung der beklagens-

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werten militärischen und zivilen Erziehung von 1900 bis 1910. Wir werden noch lange unter den Irrtümern und Fehlern jenes Zeitraums zu leiden haben". Die zweite Lehre aus den Weltkriegsjahren hat der Abgeordnete Abel Ferry in einem Bericht an die französische Kammer vom 31. 5.1917 in folgende Worte gekleidet: ,,D6sormais, il saut compter avec le Poilu!“ Von jetzt ab muß man mit dem Poilu rechnen! Es war dies eine Zeit, in der die französische Staats- und Heerführung die Grenzen ihrer Verfügungsfähigkeit über den Poilu kennen lernte. Wenn man sich die Frage vorlegt, wie weit das Frankreich von heute diese Lehren beherzigt hat, so läßt sich in bezug auf die erste ein abschließen­ des Urteil heute noch nicht fällen. Man kann zwar feststellen, daß man in Frankreich heute fast überall eingesehen hat, daß das Jahrzehnt von 1900 bis 1910 der Moral der Armee schwersten Schaden zugefügt hat. Auf der anderen Seite war der Zusammenbruch der französischen Armee in diesem Kriege ein so entschiedener und allgemeiner, daß sich die Ursachen dafür unmöglich von heute auf morgen entwickelt haben können, daß sie vielmehr in weiter Vergangenheit gesucht werden müssen. Die zweite Lehre hat im gegenwärtigen Krieg dahin geführt, daß sich die französische Heeres­ leitung jener Strategie verschrieb, die schließlich zum Scheitern ihres Feld­ zugsplanes und zum Zusammenbruch Frankreichs führte — zu jener Theorie des Sicheingrabens und Abwartens, wie sie Painleve und die ihm nahestehenden politischen Gruppen aus den Erfahrungen der beiden letzten Weltkriegsjahre geschöpft haben, jener Theorie, die auf der Erwägung be­ ruht, daß das Leben der französischen Soldaten gehütet werden müsse, weil man Frankreich nicht verbluten lassen dürfe. So sind jene Spannungen und Explosionen innerhalb der französischen Armee des Weltkrieges der deutschen Position doch noch von Nutzen gewesen, wenn auch zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt und in ganz anderer Gestalt, als sich das irgendein Mensch hätte träumen lassen! Die Entwicklung der Mannszucht in der deutschen Wehrmacht.

Im deutschen Schrifttum zum Weltkrieg besteht heute allgemein Über­ einstimmung darüber, daß der Ausgang des großen Völkerringens höchst­ wahrscheinlich ein anderer gewesen wäre, wenn das Umsichgreifen gewisser Zersetzungserscheinungen der Jahre 1917 und 1918 durch den Gesetzgeber und die Kriegsgerichtsbarkeit ebenso energisch bekämpft worden wäre, wie in anderen Ländern. Der Grund für dieses Versagen der beiden Instanzen, die über die Aufrechterhaltung der Mannszucht zu wachen haben, dürfte darin zu suchen sein, daß durch drei glückliche Kriege, von denen keiner psychologische Probleme heiklerer Art aufwarf, das Gefühl für die Not­ wendigkeit von Vorsichts-, Sicherungs- und Gegenmaßnahmen verloren gegangen war. Denn weder der Krieg von 1864, noch der von 1866, noch schließlich der von 1870/71 hatten in disziplinärer Hinsicht ungewöhnliche oder gefährliche Entwicklungen gezeitigt. Es sind im Grunde nur einige Paniken, die sich aus dem Rahmen des Alltäglichen herausheben: die fluchtartige Rückwärtsbewegung von Teilen der preußischen KavallerieSchwinge,Die Entwicklung der MannSzucht usw.

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brigade Bredow bei Trautenau am 29. 6. 1866; das überstürzte Kehrt­ machen von preußischen Kavallerieabteilungen in der Mance-Schlucht am 18. 8. 1870 bei Gravelotte; die regellose Flucht preußischer Infanterie­ abteilungen nach Beschießung durch eigene Truppen an dem gleichen Tage bei Point du Jour (um nur die wichtigsten Vorfälle dieser Art zu nennen!). Sie wurden alle rasch gebannt und auf die davon betroffenen Truppenteile eingeschränkt. Zersetzungserscheinungen, wie sie sich in den Jahren 1917 und 1918 herausbildeten, waren den drei Einheitskriegen unbekannt ge­ blieben. Sie kamen infolgedessen den beteiligten Instanzen überraschend und trafen die Regierungsstellen nicht minder unvorbereitet wie die Kriegsgerichtsbarkeit und den deutschen Offizierstand. Dieser Mangel sollte sich bitter rächen. 1. Die Entwicklung im 19. Jahrhundert. a) Die Erfahrungen der Jahre 1813, 1848 und 1859.

Die Vernachlässigung der auf die Mannszucht im Kriege bezüglichen Probleme in der ganzen Zeit von 1870 bis 1914, insbesondere das Fehlen jeder Besinnung darauf, wie man sich zu verhalten habe, wenn das Heer in einen gefahrenreichen und zermürbenden Krieg verwickelt werde, steht in auffallendem Gegensatz zu der Zeit vor 1870. In den Jahrzehnten vor den deutschen Einheitskriegen hat man das Problem der Bewahrung und Sicherung der Mannszucht auch unter politischen und militärischen Ver­ hältnissen außergewöhnlicher Art niemals aus dem Auge verloren. Die Ereignisse der Jahre 1813/15 und 1848/49, dann weiter die Mängel, die in der preußischen Heeresorganisation während der Mobilmachung des Jahres 1859 zutage getreten waren, hat sich die preußische Heeresleitung unter König Wilhelm I. und seinem Kriegsminister Roon zur Warnung dienen lassen. Sie hat nicht gezögert, daraus die Folgerungen zu ziehen. Die Organisation des preußischen Heeres beruhte bekanntlich seit den Befreiungskriegen auf dem Unterschied zwischen Linien- und Landwehr­ truppen. Während die Linientruppen nur selten zu Beanstandungen An­ laß gaben, ereigneten sich bei den Landwehrformationen immer wieder Un­ botmäßigkeiten und Ausschreitungen, die bei den maßgeblichen Stellen seit Anfang der 50 er Jahre den Entschluß entstehen ließen, die Heeresorgani­ sation umzugestalten. Aus der Zeit vor 1848 verdienen folgende Ereignisse hervorgehoben zu werden: die Desertion einer großen Zahl meist polnischer Landwehrmänner aus den Provinzen Westpreußen und Schlesien im Jahre 1813; die große Eidesverweigerung der Breslauer Landwehr vom Jahre 1817, die schwere Straßenunruhen im Gefolge hatte; die massenhaft auftretenden Gestellungsverweigerungen im Bereich des posenschen und schlesischen Armeekorps vom Jahre 1831; Widersetzlichkeiten bei einem Kölner Bataillon im Jahre 1846. Gefährlicheren Charakter nahmen die Exzesse und Krawalle freilich erst in den Revolutionsjahren 1848/49 an, als die deutsche Frage die Bevölkerung vielfach in Opposition zu den Regierungen brachte. Als besonders gefährliche Unruheherde erwiesen sich diesmal die Provinzen Posen, Westfalen, Schlesien und Sachsen. In der Provinz,

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brigade Bredow bei Trautenau am 29. 6. 1866; das überstürzte Kehrt­ machen von preußischen Kavallerieabteilungen in der Mance-Schlucht am 18. 8. 1870 bei Gravelotte; die regellose Flucht preußischer Infanterie­ abteilungen nach Beschießung durch eigene Truppen an dem gleichen Tage bei Point du Jour (um nur die wichtigsten Vorfälle dieser Art zu nennen!). Sie wurden alle rasch gebannt und auf die davon betroffenen Truppenteile eingeschränkt. Zersetzungserscheinungen, wie sie sich in den Jahren 1917 und 1918 herausbildeten, waren den drei Einheitskriegen unbekannt ge­ blieben. Sie kamen infolgedessen den beteiligten Instanzen überraschend und trafen die Regierungsstellen nicht minder unvorbereitet wie die Kriegsgerichtsbarkeit und den deutschen Offizierstand. Dieser Mangel sollte sich bitter rächen. 1. Die Entwicklung im 19. Jahrhundert. a) Die Erfahrungen der Jahre 1813, 1848 und 1859.

Die Vernachlässigung der auf die Mannszucht im Kriege bezüglichen Probleme in der ganzen Zeit von 1870 bis 1914, insbesondere das Fehlen jeder Besinnung darauf, wie man sich zu verhalten habe, wenn das Heer in einen gefahrenreichen und zermürbenden Krieg verwickelt werde, steht in auffallendem Gegensatz zu der Zeit vor 1870. In den Jahrzehnten vor den deutschen Einheitskriegen hat man das Problem der Bewahrung und Sicherung der Mannszucht auch unter politischen und militärischen Ver­ hältnissen außergewöhnlicher Art niemals aus dem Auge verloren. Die Ereignisse der Jahre 1813/15 und 1848/49, dann weiter die Mängel, die in der preußischen Heeresorganisation während der Mobilmachung des Jahres 1859 zutage getreten waren, hat sich die preußische Heeresleitung unter König Wilhelm I. und seinem Kriegsminister Roon zur Warnung dienen lassen. Sie hat nicht gezögert, daraus die Folgerungen zu ziehen. Die Organisation des preußischen Heeres beruhte bekanntlich seit den Befreiungskriegen auf dem Unterschied zwischen Linien- und Landwehr­ truppen. Während die Linientruppen nur selten zu Beanstandungen An­ laß gaben, ereigneten sich bei den Landwehrformationen immer wieder Un­ botmäßigkeiten und Ausschreitungen, die bei den maßgeblichen Stellen seit Anfang der 50 er Jahre den Entschluß entstehen ließen, die Heeresorgani­ sation umzugestalten. Aus der Zeit vor 1848 verdienen folgende Ereignisse hervorgehoben zu werden: die Desertion einer großen Zahl meist polnischer Landwehrmänner aus den Provinzen Westpreußen und Schlesien im Jahre 1813; die große Eidesverweigerung der Breslauer Landwehr vom Jahre 1817, die schwere Straßenunruhen im Gefolge hatte; die massenhaft auftretenden Gestellungsverweigerungen im Bereich des posenschen und schlesischen Armeekorps vom Jahre 1831; Widersetzlichkeiten bei einem Kölner Bataillon im Jahre 1846. Gefährlicheren Charakter nahmen die Exzesse und Krawalle freilich erst in den Revolutionsjahren 1848/49 an, als die deutsche Frage die Bevölkerung vielfach in Opposition zu den Regierungen brachte. Als besonders gefährliche Unruheherde erwiesen sich diesmal die Provinzen Posen, Westfalen, Schlesien und Sachsen. In der Provinz,

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Posen kamen zahlreiche Reservisten und Landwehrleute polnischer Volks­ zugehörigkeit dem Gestellungsbefehl nicht nach, gingen zu den Insurgenten über und traten dort dem Kampf gegen die preußischen Truppen bei. In der Provinz Sachsen gaben die einberufenen Wehrmänner an vielen Orten feierlich die Erklärung ab, sie würden bereitwillig gegen jeden äußeren Feind, nicht aber gegen ihre deutschen Brüder ins Feld ziehen und kämpfen. Bei der Einkleidung kam es in einigen Städten der Provinz zu Tumult und Krawall, so z. B. in Burg, Neuhaldensleben, Halberstadt, Halle, Erfurt, Mühlhausen, Sangerhausen und Delitzsch. Zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung mußten an verschiedenen Plätzen Formationen des stehenden Heeres aufgeboten werden; in Erfurt kam es dabei zu blutigen Zusammenstößen, die die Verhängung des Be­ lagerungszustandes erforderlich machten. In Schlesien widersetzten sich die Wehrleute ebenfalls an verschiedenen Orten der Einkleidung, so in Görlitz, Liegnitz, Hirschberg, Oels, Brieg und Oppeln. In Liegnitz nahmen die Exzesse derart bedrohlichen Charakter an, daß die Stadt und ihre Umgebung durch Linientruppen besetzt werden mußten. Noch größer war die Unruhe im Bereich des westfälischen Armeekorps: In Iserlohn kam es bei der Einkleidung der Wehrmänner zu schwersten Gehorsamsverweigerungen, zum Bau von Barrikaden, zur Erstürmung des Zeughauses und zur Plünderung desselben, zu Beschlagnahme von Munitionstransporten und ähnlichen Aufruhrhandlungen (sog. Iserlohner Revolution). In Essen ver­ ließ ein großer Teil der Wehrmänner eigenmächtig die Fahne und ließ sich zu schweren Exzessen mißbrauchen. In Warendorf wurde ein Arrestlokal gestürmt, was den kommandierenden General zwang, die Meuterer durch Linientruppen umzingeln zu lassen. Grobe Exzesse ereigneten sich endlich noch beim Landwehrbataillon Prüm; hier wechselten Auflehnungshand­ lungen gegen Vorgesetzte und Plünderungshandlungen einander in bunter Folge ab. Über all die genannten Städte mußte zeitweise der Belagerungs­ zustand verhängt werden. Im badischen Feldzug wurde der schlechte Ein­ druck, den die Landwehr an den genannten Orten während der Einkleidung hervorgerufen hatte, noch verstärkt. Bekannt ist die Äußerung des damaligen preußischen Prinzregenten Wilhelm aus seiner Rede vor dem Staats­ ministerium im Jahre 1859: „Was in Schleswig vorfiel, wissen Sie, in Baden habe Ich selbst dann erleben müssen, wie das Bataillon (...) zweimal, das Bataillon (....) einmal aus dem Feuer weglief; ein Bataillon des 26. Jnf.-Rgts. stand hinter ihnen, um sie mit gefälltem Gewehr ins Gefecht zurückzutreiben".

Die Führung der preußischen Armee ließ es an der gebotenen Ent­ schlossenheit in der Bekämpfung dieser Vorfälle nicht fehlen. Handelte es sich um Vergehen von geringerer Bedeutung, so begnügte man sich mit Maßnahmen wie Aberkennung des Landwehrkreuzes und Versetzung in die 2. Klasse des Soldatenstandes. In allen anderen Fällen griff man scharf durch. Neben Freiheitsstrafen bis zu 20 Jahren Dauer wurde in einer Anzahl Fälle die Todesstrafe verhängt, allerdings nur selten vollstreckt. Waren ganze Truppenkörper an den Ausschreitungen beteiligt gewesen, so scheute man sich nicht, sie zu verlegen oder umzubenennen; dies geschah 3*

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beispielsweise mit dem Prümer Bataillon und mehreren Berliner Ein­ heiten. Als bei einer Posener Kompanie die Ausmittlung der Rädels­ führer nicht gelang, wurde bestimmt, daß jeder 10. Mann zur Untersuchung gezogen werden solle. Andere Strafmittel gegen widersetzliche Truppen­ verbände waren: Einberufung zu Strafübungen, Aberkennung der Fahne, Abnahme der Waffen usw. Hand in Hand mit diesen Maßnahmen ging eine Umbildung der Heeresorganisation. In den 60er Jahren war dieser Umbildungsprozeß so weit gediehen, daß das preußische Heer in den Ein­ heitskriegen wieder das war, was einst seinen Ruhm begründet hatte: ein Vorbild an Ordnung und Mannszucht. Die Geschäftsberichte des Preußischen General-Auditoriats für 1866 und 1870/71 stellen trotz erhebliche Vergrößerung des Heeres jeweils nur eine unbedeutende Vermehrung der Geschäfte fest — ein glänzendes Zeugnis für den Geist der Armee und die Umsicht der Heeresleitung! b) DaS Vorgesetzten—Untergebenen-Verhältnis. Deutsche und britische Auffassungen.

Daß die Haltung des deutschen Soldaten in den Einheitskriegen eine so vortreffliche war, daß auch im Weltkrieg trotz übermenschlicher Bean­ spruchung des einzelnen Kämpfers Rückschläge und Ausfallserscheinungen erst gegen Schluß des gewaltigen Waffenganges auftraten — all das ist nicht denkbar ohne die Tatsache, daß durch Scharnhorst, Gneisenau und Boyen die Schonung, Erhaltung und Stärkung des Ehrgefühls des Sol­ daten — die „Achtung seiner sittlichen Persönlichkeit" — zur obersten Richt­ schnur der militärischen Erziehung erhoben worden ist. Darauf hinzuweisen besteht deshalb Anlaß, weil in dem uns unfreundlich oder feindlich gesinnten Ausland immer wieder das Gegenteil behauptet und die deutscheWehrmacht als Pflegstätte des „Militarismus", d. h. öden Drills, körperlicher und geistiger Knechtschaft des einzelnen und brutaler Rechtlosigkeit hingestellt wird. Als Beispiel dafür, wie falsch und ungerecht die deutsche Wehrmacht in dieser Hinsicht gelegentlich beurteilt wird, möge das Buch:,,1be soul and body of an army“ des britischen Generals Sir Jan Hamiltvn aus dem Jahre 1921 dienen. Der Verfasser setzt sich darin eingehend mit dem französischen, deutschen und britischen Typ der Disziplin auseinander und beschreibt den Unterschied zwischen den beiden letztgenannten wie folgt: Die Mannszucht im preußisch-deutschen Heere, so behauptet Hamilton, beruhe ausschließlich auf Zwang (coercion) und auf Unterordnung. In menschliche Beziehungen zur Truppe zu gelangen sei nicht der Wille des deutschen Offiziers, er würde damit auch keinerlei Resonanz bei dem ein­ fachen Soldaten finden. Das deutsche Offizierkorps sei dementsprechend eine streng abgesonderte Kaste für sich. In diesem rein formalen Unter­ ordnungsverhältnis zwischen Offizier und Mann liege die Erklärung dafür, daß sich die deutsche Armee während des Weltkriegs jahrelang gegen einen fürchterlichen Druck von allen Seiten her behauptet habe; der Grabenkrieg habe dieses auf die niedrigen Elemente der menschlichen Natur kalkulierende System begünstigt. Demgegenüber sei die englische Wehrmacht seit dem

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Burenkrieg von der „Disziplin der Kameradschaft" beherrscht, die auf Achtung und Selbstachtung (respect and self-respect) aufgebaut sei. „Den Soldaten aller Rangklassen" — so führt Hamilton weiter aus — „wird der Grund gelehrt, warum Befehle befolgt werden müssen .., unsere Offiziere haben beschlossen, die Disziplin künftig stärker int Bereich des Respekts als der Furcht zu suchen — in der Wirkung des guten Beispiels, in der Aufrechterhaltung eines hohen Standes von Kameradschaft, m. a. W.: darin, in allem weise und besser zu sein und sich zu bemühen, das Vertrauen ihrer Untergebenen zu erringen". Der Verfasser dieser Äußerung, aus der eine so bodenlose Unkenntnis des Gegners aus vier Weltkriegsjahren spricht, ist nicht — das sei aus­ drücklich festgestellt — irgendein beliebiger Angehöriger der britischen Wehrmacht, sondern einer der bekanntesten Heerführer des Weltkriegs, dem während des Dardanellenunternehmens der Oberbefehl über die englischen Landungstruppen anvertraut war, und das Werk, das dieses Zerrbild entwirft, ist eines der Standardwerke der britischen kriegswissen­ schaftlichen Literatur. Das Urteil, das sich der britische General über die deutsche Wehrmacht gebildet hat, beruht unverkennbar nicht auf eigener Anschauung oder eigenem Studium, sondern auf Äußerungen englischer Zeitungen, Behauptungen britischer Propagandisten oder ähnlich trüben Quellen. Wäre es anders, so hätte ihm nicht verborgen bleiben können, daß es eine der Hauptlehren der Schöpfer der modernen preußisch-deutschen Heeresorganisation war, daß sich im modernen Volksheer eine neue solda­ tische und vaterländische Gesinnung nur bei „Achtung der sittlichen Per­ sönlichkeit des Soldaten" gewinnen lasse. In diesem Sinne schrieb Her­ mann von Boyen, Preußens nachmaliger großer Kriegsminister und Reformer, in der Sprache und im Sinne der Ethik Immanuel Kants schon im Jahre 1799: „Nur die immerwährende Entwickelung und Bildung des Ehrgefühls bildet den Krieger in stehenden Heeren zu seiner Bestim­ mung, und nur dann, wenn er durch Menschlichkeit und gute Begegnung an das Interesse seines Herrn geknüpft wird, wenn er sich allgemein geehrt, nicht durch niedrige Behandlung verachtet sieht, reift er schon im Frieden zum kraftvollen Vaterlandsverteidiger". Gewiß haben diese Ideen Zeit gebraucht, bis das militärische Leben von ihnen ganz durchdrungen war — sicher ist aber, daß sie von der deutschen Wehrmacht schon Jahrzehnte vor dem Burenkrieg — den der britische General für sein Heer als den Wende­ punkt bezeichnet — Besitz ergriffen hatten. Wäre die Mannszucht in der deutschen Armee wirklich nur auf Furcht und Zwang gegründet gewesen, so hätte sie die schwere Belastungsprobe der Jahre 1917 und 1918 niemals überstanden. Wenn der deutsche Soldat, so wie Hamilton sich das vorstellt, nichts als ein willenloses, blind-mechanisches Werkzeug in der Hand seiner Vorgesetzten gewesen wäre, hätte die deutsche Wehrmacht niemals jenes Höchstmaß an Leistungen erbringen können, kraft dessen es dem deutschen Volk möglich war, den Kampf bis in den Spätherbst 1918 fortzusetzen. Aus einem Soldaten von so feinentwickeltem Ehr- und Pflichtempfinden ist das Äußerste und Letzte auf die Dauer durch bloßen Appell an die Furcht niemals herauszuholen, sondern nur dann, wenn er die Erfüllung der Gebote der Mannszucht als sittlich begründete Pflicht anerkennt!

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„Nur durch diese sittlich begründete Disziplin" — betont Oberst Friedrich Altrichter in seinem Buch: „Die seelischen Kräfte des Deut­ schen Heeres im Frieden und im Weltkriege" mit Recht — „ist die Durch­ führung des heutigen Kampfverfahrens denkbar, das viel höhere Anforde­ rungen an den Gehorsam und die Überwindung des Selbsterhaltungs­ triebes stellt, als es in früheren Zeiten der Fall war. Es genügt keineswegs mehr, den Eigenwillen des Mannes zu töten, um ihn zu einem Werkzeug blinden Gehorsams zu machen. Der Soldat.. ist nicht mehr ein Teilchen einer geschlossenen Menge, sondern ein im Kampfe auf sich selbst gestelltes Einzelwesen, das selbständig denken und handeln muß". General Sir Jan Hamilton ist naiv genug, mitzuteilen, daß inner­ halb der britischen Wehrmacht noch im Jahre 1857 112 Soldaten das „Privileg" gehabt hätten, sich in 5249 Peitschenhiebe zu teilen. Auf Malta habe es im Jahre 1863 noch 29 Lazarettaufnahmegesuche als Folge von Körperstrafen gegeben. Erst Ende des 19. Jahrhunderts sei die Prügelstrafe endgültig aus der Armee verschwunden. In den Erinnerungen des Admi­ rals Lord Fisher findet sich sogar folgendes, für die sozialen Verhältnisse des Landes und den Geist seines Heeres gleichermaßen bezeichnende Ein­ geständnis: „Einer meiner ersten Kapitäne prügelte jeden Mann auf dem Schiff und wurde wegen Grausamkeit verurteilt; da er aber der Spröß­ ling eines vornehmen Hauses war, wurde er auf ein größeres Schiff ver­ setzt, statt erschossen zu werden". Derartiges wäre in der preußischen Armee seit Gneisenaus berühmten Aufsatz über: „Die Freiheit des Rückens" vom Jahre 1808 allerdings nicht möglich gewesen! Daß das Verhältnis zwischen Offizier und Mann in der britischen Armee auch noch im Welt­ krieg weit davon entfernt war, ideal zu sein, darauf läßt auch ein Blick in die englischen Kriegsromane schließen, in denen häufig lebhaft darüber Klage geführt wird. 2. Die Entwicklung während des Weltkrieges.

Während es in Frankreich, wie dargelegt, in erster Linie das Frontheer war, dessen Geist 1914 und 1917/18 Anlaß zu Besorgnissen und Klagen gab, war es bei uns die Hochseeflotte, in der zuerst Auflockerungs- und Zer­ setzungserscheinungen spürbar wurden. Zu Unruhe und offener Auf­ lehnung führten sie zum ersten Male während des Hochsommers 1917. a) Die Hochseeflotte im August 1917.

An der jahrelangen Untätigkeit, dem eintönigen Dienst und nicht immer zureichender Ernährung ist der Geist unserer Hochseeflotte vor der Zeit zugrunde gegangen. Während der Geist der U-Bootflotte und der anderen Einheiten, die in ständiger Fühlung mit dem Feinde standen, von Kriegsbeginn bis Kriegsende vortrefflich war, machte sich in der Hochsee­ flotte seit Frühsommer 1917 ein deutliches Absinken der Moral bemerkbar. Im Juni und Juli 1917 kam es auf einigen Einheiten zunächst zu Un­ zuträglichkeiten wegen des Essens, sodann auf einigen anderen Einheiten zu „Ausmärschen", d. h. geschlossener Entfernung der Mannschaften wegen Verweigerung von Urlaub. Am 1. und 2. August ereignete sich dann der sog. „große Äusmarsch" auf S.M.S. Prinzregent Luitpold. Der äußere

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Anlaß für diese Meuterei war ein nichtiger. Als eine für den 2. August angesetzte Kinovorstellung abgesagt werden mußte, schrieb jemand an das schloarze Brett: „Wenn morgen kein Kino, dann Ausflug!". Als die Kino­ vorstellung tatsächlich ausfiel, verließen 49 Mann der Heizerwache eigen­ mächtig das Schiff und kamen erst nach 5 Stunden zurück. Das Schiff war während dieser Zeit nicht schlagfertig. Durch dieses Verhalten hatten die Leute einige der schwersten Tatbestände des Militärstrafgesetzbuchs verletzt, das Kommando sah aber über diese Tatsache hinweg, behandelte den Vorfall als einfache unerlaubte Entfernung und bestrafte 11 Mann von den 49 Beteiligten milde mit Arrest. Diese Milde machte sich schlecht bezahlt: um den Kommandeur zu zwingen, die Bestrafungen zurückzu­ nehmen, verließen am nächsten Tage 400 Mann (zum größten Teil Heizer) das Panzerschiff, stießen die Wachen beiseite und trieben sich diesmal viele Stunden lang in Wilhelmshaven umher. Die Bewegung sprang dann auf andere Schiffe der Hochseeflotte über und ergriff ungefähr ein Zehntel der Besatzungen. Die Reaktion der Kriegsgerichtsbarkeit und der Reichsregierung auf diese besorgniserregenden Ereignisse war zu unentschlossen, zu milde und zu wenig durchgreifend. Nach wochenlang dauernder Untersuchung wurden 5 von den Meuterern zum Tode verurteilt; zwei davon wurden erschossen, die anderen zu 15 Jahren Zuchthaus begnadigt. Obwohl das Vorgefundene Material auf enge Zusammenarbeit der Rädelsführer mit Abgeordneten der Unabhängigen sozialdemokratischen Partei hindeutete, wurde trotz Drängens der Flotte gegen diese nichts unternommen. Dabei war die Forderung scharfen Durchgreifens sogar von sozialdemokratischer Seite, vor allem dem Marinereferenten der SPD., Noske, erhoben worden. „Anstatt nun aber ein warnendes Beispiel zu geben und die Giftpflanzen, die das Gemeinwohl zu überwuchern drohten, mit Stumpf und Stil aus­ zurotten, wie die Frontkommandostellen es wünschten und vorgeschlagen hatten, begnügte man sich trotz der Schwere und der Gefahr der Vorfälle mit einer völlig unzulänglichen Ahndung... Auch hier hat bereits jene fluchwürdige Weichheit geherrscht, die durch Nachgiebigkeit zu überzeugen glaubte, in Wahrheit aber den Gegner dadurch nur ermutigte" (so Kapitän von Waldeyer-Hartz in der Schrift: „Die Meuterei der Hochseeflotte", Berlin 1922). So konnte das Geschwür weiterfressen, und so wurde der Boden für die noch viel schwereren Exzesse vom Oktober 1918 bereitet! b) Front» Etappe und Heimat in den Fahren 1917 «nd 1918.

Anders als die Hochseeflotte, anders aber auch als die Heere der Feind­ staaten — mit Ausnahme der britischen Armee — ist das deutsche Front­ heer — obwohl überbeansprucht, erschöpft, abgerissen und ausgehungert — bis zum Hochsommer 1918 von Zersetzungserscheinungen gefährlicheren Ausmaßes verschont geblieben. Während sich in Etappe und Heimat Zeichen innerer Auflösung bereits im Jahre 1917 bemerkbar machen, bleibt die Front intakt und tut der deutsche Frontsoldat nach wie vor seine Pflicht. Für eine Verschwörung nach dem Vorbild der Marine war in dem kämpfenden Heer bis in das Jahr 1918 hinein kein Boden vorhanden. Darüber waren sich die revolutionären Agitatoren von der Art eines Karl

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Liebknecht oder einer Rosa Luxemburg im Klaren, und so richteten sie ihre Wühlarbeit in erster Linie auf Heimat und Etappe. Der moralische Nieder­ gang, der die Folge dieser Zersetzungsbestrebungen war, teilte sich dann durch Feldpostbriefe, Urlauber und Ersatzmannschaften der Front mit. So erreichten die Agitatoren auf einem Umweg, daß der Geist des Feldheeres angekränkelt und herabgedrückt wurde.

Der große Wendepunkt in der psychologischen Entwick­ lung des Heeres war das Jahr 1917. Eine gewisse Lockerung der Disziplin hatte sich auch schon in den Jahren 1915 und 1916 bemerkbar gemacht, sie beschränkte sich aber auf Kleinigkeiten und hielt sich in unge­ fährlichen Grenzen. Sie bestand in erster Linie in einem Nachlassen der Ehrenbezeugungen und einer Zunahme der Verstöße gegen die Marsch­ zucht. So lange dieses Sichgehenlassen noch nicht Ausdruck eines Absinkens des militärischen Pflichtbewußtseins im allgemeinen war — wie in der ganzen ersten Kriegshälfte —, konnte man darüber hinwegsehen. Jedes Geschehenlassen wurde aber bedenklich, sobald sich diese Vernachlässigung der äußeren Formen des militärischen Lebens mit einem Rückgang des Willens zum Gehorsam und zum Kampf generell verband. Jetzt hätte diesen Lockerungserscheinungen mit größter Entschiedenheit entgegenge­ treten werden müssen. Daß das trotz mannigfacher Anläufe im Jahr 1917 bei uns nicht ge­ schehen ist, war mitbestimmend dafür, daß der Geist der Unbotmäßigkeit und Nichtachtung militärischer Befehle immer weiter um sich greifen und den während der ganzen ersten Kriegshälfte so vortrefflichen Geist der Truppe ankränkeln konnte. Ausdruck dieses Absinkens waren seit Mitte 1917 folgende Erscheinungen: Ausschreitungen auf Truppentransporten, An­ wachsen der Fälle von Fahnenflucht und unerlaubter Entfernung, eine allgemeine Lockerung der Eigentumsbegriffe.

Unordnung und Zuchtlosigkeit beginnen sich auf den Truppen­ transporten seit Mtte 1917 breit zu machen. Diese werden seit jener Zeit mehr und mehr zum Schauplatz ärgerlicher Exzesse: Steinwürfe aus dem Zuge heraus, Schießen, Handgranatenwerfen, Transportgefährdungen der verschiedensten Art, politische Demonstrationen, achtungswidriges Be­ nehmen gegenüber Offizieren usw. Ständig steigenden Umfang nahm auch die Zahl der Entweichungen an, besonders auf den Transporten von der Ost- zur Westfront. Als Gegenmaßnahme ordnete die Oberste Heeres­ leitung damals allgemeine Herabsetzung der Transportstärken auf 600 Mann an, und im August 1918 ging man sogar so weit, für die Verwahrung un­ terwegs festgenommener Rädelsführer besondere Arrestantenwagen ein­ zurichten. All diesen Maßnahmen gelang es indessen nicht, jener gefähr­ lichen Erscheinungen Herr zu werden. Wäre es möglich gewesen, durch summarische Aburteilung noch während der Fahrt und durch sofort darnach erfolgenden Vollzug der Strafe den zu derartigen Ausschreitungen neigen­ den Elementen die Folgen solcher Unbotmäßigkeit drastisch vor Augen zu führen — das Übel hätte niemals derart um sich greifen können! Das Militärstrafverfahrensrecht ließ damals jedoch ein solches Vorgehen nicht

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zu, weil das Verfahren an die Person des Divisionskommandeurs als Gerichtsherrn gebunden war. In Frankreich waren im Frühjahr und Sommer 1917 ähnliche Er­ scheinungen aufgetreten, sie wurden dort aber energisch unterdrückt. Nach einer Schilderung des damaligen Kriegsministers Painlevä waren die Fronturlauberzüge zu jener Zeit der Schauplatz unerfreulichster Vorfälle: Eisenbahnanlagen und -wagen wurden willkürlich beschädigt oder zerstört, das Eisenbahnpersonal und die militärischen Vorgesetzten, die diesen Zer­ störungshandlungen Einhalt gebieten wollten, in unerhörter Weise be­ lästigt. „Die Soldaten machten damit" — stellt Painleve fest — „den Eindruck von entfesselten Banden, versetzten den patriotischen Teil der Bevölkerung in Bestürzung und ermutigten die Elemente der Unordnung". Die Generale P6tain und Foch setzten im Juli 1917 diesem unhaltbaren Zustand ein rasches Ende: ohne Kräfte von der Front dafür zu beanspruchen, wurde eine so scharfe Kontrolle geschaffen, daß jede Unbotmäßigkeit im Keime gefaßt und erstickt werden konnte.

Als unzulänglich hat sich das im Weltkrieg geltende Verfahrensrecht auch noch dadurch erwiesen, daß es mit seiner Hilfe nicht gelang, das Um­ sichgreifen des Drückebergertums aufzuhalten. Wenn die Fahnenflucht im Herbst 1918 Massendelikt werden konnte, so lag das in der Hauptsache daran, daß das Verfahrensrecht keine Handhaben bot, den Delinquenten gleich am Orte der Ergreifung der Aburteilung und Bestrafung zuzu­ führen; in zweiter Linie lag es an der Scheu der Gerichte, abschreckende Strafen zu verhängen. Zu schonungslosem Vorgehen wäre um so mehr Veranlassung gewesen, als sich erfahrungsgemäß ein hoher Prozentsatz der Fahnenflüchtigen aus psychisch Minderwertigen — Psychopathen — rekrutiert, die hinter der Front ein gefährliches Element des Defaitismus bilden. Zu dem Heer der Fahnenflüchtigen trat gegen Kriegsende die große Zahl der Versprengten hinzu, d. h. derjenigen Leute, die — vorsätzlich oder ohne ihr Verschulden von ihrem Truppenteil abgekommen — keiner­ lei Anstalten machten, zu ihren schwer kämpfenden Kameraden zurückzu­ kehrens. Auch hier hätte gleich im Anfang energisch zugepackt werden müssen. Es ist bereits geschildert worden, daß man sich in den Feindstaaten auch in dieser Hinsicht den Erfordernissen der Lage besser anzupassen wußte. Daß die Briten bei Fahnenflucht kein Gnade kannten, geht zur Genüge aus der hohen Zahl deswegen vollstreckter Todesurteile hervor: 266 gegen­ über 18 in dem sehr viel stärkeren deutschen Heere! In dem bekannten Kriegsroman „Rough Justice“ von C. E. Montague wird eine solche Exekution eindrucksvoll dargestellt. Wie das Verhalten der französischen a) In der britischen Armee traten im Frühjahr 1918 ähnliche Erscheinungen auf. In dem Kriegsroman „War isWar“ von Ex-Private X heißt es darüber folgendermaßen: „Die Moral der meisten Truppenteile war untergraben. Die Leute desertierten in Massen und behaupteten dann, sie hätten sich verirrt. Sie wurden in zusammengesetzte Bataillone hineingetan, wo nichts von ihnen bekannt war, und aus diesen desertierten sie dann wieder, sobald sie sich im Begriffe fanden, wieder in Tätigkeit zu treten" (S. 239).

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Regierung während der großen Meuterei am Chemin des Dames zeigt, war man sich auch in Frankreich darüber klar, daß bei einem weiteren Um­ sichgreifen jener Seuche das Schicksal des Landes auf dem Spiele stehe; dem entsprach auch hier die Härte des Durchgreifens. Versagt hat das langsame und schwerfällige Feldkriegsverfahren des Weltkrieges auch gegenüber einer Reihe anderer Zersetzungserscheinungen, von denen Feld- und Ersatzheer besonders seit Sommer 1918 heimgesucht worden sind: die unverhältnismäßig hohe Zahl von Krankmeldungen; die absichtliche Herbeiführung von Krankheiten (insbesondere Geschlechts­ krankheiten); die rapide Zunahme der Zahl der Eigentumsdelikte, die gegen Ende des Krieges zur Ausplünderung vieler Proviant- und Bekleidungs­ ämter führte; das Überwuchern des Beutetriebs, der bei der Märzoffensive von 1918 in so eigenartiger Form in Erscheinung trat; die massenhafte Preisgabe von Dienst- und Ausrüstungsgegenständen besonders seit Herbst 1918. Als in Frankreich diese und ähnliche Straftaten in mannszuchtge­ fährdender Häufung auftraten — das eine Mal 1914, das andere Mal 1917 —, da wurde zu ihrer Unterdrückung sofort ein Ausnahmever­ fahren geschaffen, das in summarischer Aburteilung und Vollstreckung binnen kurzem die Ordnung wiederherstellte. Bei uns ließ man es leider auch hier an entsprechenden Gegenmaßnahmen fehlen. Der Hauptgrund dafür, daß diese Zersetzungserscheinungen bis zum Zusammenbruch von November 1918 immer weiter treiben konnten, liegt so im Versagen des Gesetzgebers, der die Möglichkeit eines langdau­ ernden und nervenzerrüttenden Krieges außer Betracht gelassen und die Militärstrafgesetze dauernd gemildert hatte. „Während aber, einem funda­ mentalen Grundsatz der Disziplin entsprechend, namentlich bei großen Aufgeboten die Strafen für die schlechten und schwachen Elemente im Kriege verschärft werden müssen" — stellt dazu Großadmiral von Tirpitz in seinen „Erinnerungen" fest —, „gaben wir gemäß dem ganzen Ver­ fahren unserer Reichsleitung dem Wunsch unserer Volksvertreter nach, milderten die Strafen und untergruben weiter die Autorität der Vorge­ setzten durch ein Übermaß an Amnestieerlassen. Unsere Feinde handelten im entgegengesetzten Sinn". Einen erheblichen Teil der Schuld trifft aber auch die Rechtsprechung. Denn sofern gerichtlich eingeschritten wurde, geschah es bei den genannten Auflösungserscheinungen im allgemeinen zu zögernd und zu milde. Ludendorff (Kriegführung und Politik S. 149) kennzeichnet dieses Ver­ halten wie folgt: „Verhängnisvoll wirkte es, daß die militärische Recht­ sprechung ganz unter dem Einfluß des unklaren Denkens der Heimat stand, die fortwährend auf Straferlaß drang und die Militärstrafgesetze milderte, während sie der Feind verschärfte. Sie konnte sich nicht zu schweren Strafen, geschweige denn zur Verhängung der Todesstrafe entschließen". Daß auch der Rechtsprechung gegenüber von einem Versagen gesprochen werden muß, ist heute allgemeine Ansicht. Schließlich darf nicht unerwähnt bleiben, daß auch das deutsche Offi­ zierkorps nicht immer diejenige Entschlossenheit in der Bekämpfung der

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Kräfte der Zersetzung aufgebracht hat, die geboten gewesen wäre. Das lag nicht nur daran, daß es für jeden Vorgesetzten ein furchtbarer Gedanke ist, mit der Waffe in der Hand gegen Leute vorzugehen, mit denen er soeben noch schwerste Kämpfe durchgestanden hat, es war dafür auch noch ein anderer Gesichtspunkt maßgebend, über den sich General Frhr. von Freytag-Loringhoven in seinem Buch: „Die Psyche der Heere" fol­ gendermaßen ausspricht: „Ein Jahrhundert allgemeiner Wehrpflicht hatte im Offizierkorps Begriffe von Achtung vor den Untergebenen und kamerad­ schaftlichen Empfindens für diese entstehen lassen, die den alten Armeen mit ihrer entsprechend geringeren Achtung der Individualität des gemeinen Mannes fremd waren, andernfalls wäre wohl ein schärferes Durchgreifen erfolgt und es hätte, wenn solches bei den ersten Anzeichen der Jndisziplin geschah, vielleicht die Kriegszucht noch gerettet werden können. Nicht weil der deutsche Offizier ein Leuteschinder war, sondern weil er sich in seinem rechtlichen Gefühl scheute, gegen den Untergebenen nach Kriegsrecht von der Waffe Gebrauch zu machen, sind die Dinge so weit gediehen" (a. a. O. S. 163). 3. Die Lehrender Entwicklung in Lsterreich-Nngarn.

Im vorhergehenden Kapitel ist laufend auf das Verhalten der Führung Englands und Frankreichs hingewiesen worden, die im gegebenen Augen­ blick immer wieder den Entschluß gefunden haben, Auflockerungs- und Ver­ fallserscheinungen wirksam zu begegnen und die der Disziplin drohenden Gefahren zu bannen. Wenn man es der deutschen Führung zum Vorwurf macht, daß sie während des Weltkriegs die gleiche Kraft und Entschlossen­ heit nicht aufgebracht habe, so könnte der Einwand erhoben werden, daß für sie ja auch die Lage eine ganz andere gewesen sei. Denn während der Soldat der Westmächte zwar erschöpft und kriegsmüde, zu jeder Zeit aber ausreichend ernährt und in den kritischen Jahren der tatkräftigen Unterstützung Amerikas sicher gewesen sei, habe das letzte Kriegshalbjahr den deutschen Soldaten chronisch unterernährt, geschwächt und restlos übermüdet gesehen. In einem solchen Stadium der Entwicklung, so könnte man behaupten, sei ein Versuch zur Rettung der Lage von vornherein zum Scheitern verurteilt. Aus einer restlos ausgepumpten Armee könne man ein diszipliniertes, leistungsfähiges Kampfinstrument eben einfach nicht mehr Herstellen! Daran ist so viel richtig, daß es für ein erfolgreiches Eingreifen seitens der Militärgerichtsbarkeit im Oktober und November 1918 (vielleicht auch schon im September 1918) allerdings zu spät gewesen wäre. Denn wenn die Disziplin im Kriege ihre dritte Entwicklungsphase erreicht hat, d. h. wenn — um mit Altrichter zu reden — die seelischen Grundlagen, auf denen das Dasein des Heeres beruht, so erschüttert sind, daß die Furcht vor Strafe geschwunden ist und weder mit Güte noch mit Strenge etwas aus­ zurichten ist, dann kann kein Strafgesetz und kann keine Militärgerichts­ barkeit mehr helfen. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür aus der Geschichte des Weltkrieges bildet das Schicksal der türkischen Armee, die in manchen ihrer Teile

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schon im Jahre 1917 einen Zustand erreicht hatte, demgegenüber alle Disziplinar- und Strafmaßnahmen ihre Wirkung verfehlten. In einem kürzlich erschienenen, fesselnden Buch: „Arzt und Soldat in drei Erdteilen" berichtet Obergeneralarzt a. D. W. Steuber, daß der Abgang an Deser­ teuren bei der zur Armee „Jildirim" gehörenden 19. türkischen Division an einem einzigen Tage, dem 14. 9. 1917, 4790 Mann betrug, bei der 50. Division um die gleiche Zeit 2762 Mann. Hinter der Front gab es ganze Banden von Fahnenflüchtigen, die von Hunger getrieben die Maga­ zine plünderten und den gegen sie eingesetzten Gendarmeriekorps förmliche Gefechte lieferten. „Aneinander mit Stricken und Ketten gefesselt" — so fährt er fort — „wurden sie nach Aleppo zurückgeschafft, wo sie zeitweise in einer Art Käfig öffentlich am Markt ausgestellt wurden, um dann zur Front zurückzukehren, wo das Spiel von neuem begann. Die Fahnenflucht fraß wie ein unausrottbarer Krebsschaden an dem Mark des türkischen Heeres. Sie war die Folge einerseits der finanziellen Erschöpfung der staatlichen Kasse, einer fehlerhaften Organisation der Verpflegung und wohl auch häufig mangelhafter Fürsorge des türkischen Offiziers für seine Soldaten. Ferner fiel die hochgradige Kriegsmüdigkeit der Mannschaften, die jahrelang ohne Urlaub, fern der Heimat und der Familie, unter den härtesten Entbehrungen, dezimiert von Seuchen und Hunger, still und klaglos Gesundheit und Leben opferten, meist ohne zu wissen, wofür, schwer ins Gewicht". Beinahe noch folgenreicher hat sich die Erschöpfung und Kriegsmüdig­ keit der Mannschaften in den Napoleonischen Heeren von 1812 und 1813 ausgewirkt. Wie der am Anfang dieser Schrift wiedergegebene Aus­ spruch beweist, war sich Napoleon der zentralen Bedeutung der Manns­ zucht für die Schlagkraft der Armee wohl bewußt. Es war sein und der Armee Verhängnis, daß er über den großen weltpolitischen Zielen die Sorge um die Mannszucht aus den Augen verlor und schließlich die Dinge bewußt treiben ließ, bis seine Soldaten allen moralischen Halt verloren hatten. So konnte es nach der Jahrhundertwende dahin kommen, daß die Kriegsgerichte nur noch selten zusammentraten. Bestraft wurden schließlich nur noch Delikte, die in Frankreich verübt worden waren und bei denen die Gefahr bestand, daß die Presse Lärm schlagen könnte. „Wenn man sich schlägt, wenn man marodiert, wenn man plündert oder wenn man stiehlt" — so schildert Jean Morvan in seinem Buch: „Le soldat imperial“ den damaligen Zustand — „muß man unter einem schlechten Stern geboren sein, um die Strafe zu erhalten, die durch die Kriegsartikel vorgesehen ist". Auf diese Weise kam es dahin, daß der französische Soldat Plünderung, Genuß und Freiheit von den Fesseln der Mannszucht als Recht ansah; die Folge war, daß er in ganz Europa in Verruf geriet. Klarblickende Generäle wie der Marschall Davout suchten diese Entwicklung aufzuhalten, sie fanden dafür beim Kaiser indessen keinerlei Unterstützung, und so blieb ihre Reformarbeit auf wenige Korps beschränkt. So lange die Dinge im Großen gut gingen, wurde die Leistungsfähigkeit der Armee durch diese Entwicklung zum Schlechten noch nicht wesentlich beeinträchtigt. Anders wurde dies dann, als sich dem Heer ungewöhnliche Aufgaben stellten. Dies war zuerst der Fall im russischen Feldzug.

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Während der Besetzung von Moskau war an die französischen Truppen das strenge Verbot ergangen, zu plündern. Die bösen Gewohnheiten, die die Soldaten aus den italienischen, spanischen und deutschen Feldzügen mitgebracht hatten, ließen diesen Befehl jedoch wirkungslos verhallen. Schon auf dem Marsch nach Moskau — im Juni 1812 — hatte die Auf­ lösung einen so hohen Grad erreicht, daß Napoleon sich veranlaßt sah, bei jedem Armeekorps die Einrichtung besonderer Kommissionen zu verfügen, denen jeder Deserteur, Marodeur und Plünderer vorzuführen war. Die Missetäter sollten unnachsichtlich zum Tode verurteilt und die Strafe binnen 24 Stunden vollstreckt werden. Diese Maßnahme war von vornherein zur Undurchführbarkeit verurteilt, denn bei gewissenhafter Befolgung dieses Erlasses hätte ein Viertel der Armee erschossen werden müssen — so weit war die Demoralisation schon fortgeschritten. Auf dem Rückzug zur Grenze ergingen schärfste Befehle gegen Nachzügler, Fahnenflüchtige und Versprengte; sie machten auf die Truppe nicht den geringsten Eindruck mehr. Im Jahre 1813 schritt man mit den härtesten Strafdrohungen gegen eine Epidemie ein, die sich seit mehreren Jahren in die Armee eingeschlichen hatte — sich einen Finger abzuschneiden oder mit einer Kugel die rechte Hand zu durchschießen. Napoleon ordnete damals an, daß pro Regiment zwei von diesen Leuten zu füsilieren seien. Dadurch wurde aber nicht das Mndeste gebessert. Die völlige Desorganisation war durch diese Maßnahmen nicht mehr aufzuhalten — das kostbare Gut;ber Mannszucht verträgt eben keine Vernachlässigung! Auf Sankt Helena ist Napoleon dann bewußt geworden, was für einen schweren Fehler er durch dieses Treibenlassen begangen hatte, insbesondere wurde ihm jetzt klar, daß er als einen die Mannszucht vernichtenden Krebsschaden niemals das Einreißen der Plünderung hätte dulden dürfen. Damals tat er den bezeichnenden Aus­ spruch: „Nichts ist mehr geeignet, eine Armee zu desorganisieren und voll­ ständig zugrunde zu richten als die Plünderungssucht!" Eine Einsicht, die jetzt zu spät war!

So liegt in all diesen Entwicklungen die Lehre, daß der Ansatzpunkt früher gewählt werden muß, in der zweiten Entwicklungsphase, die durch einen scharfen Rückgang des Willens zum Gehorsam und zum Kampf, durch das Umsichgreifen des Drückebergertums, der unerlaubten Entfernung und der Fahnenflucht, durch die Entwicklung von Neid- und Haßgefühlen gegenüber dem Vorgesetzten gekennzeichnet ist3). Dies ist das Stadium, in dem die Wiederaufrichtung der Mannszucht möglich ist, falls die vorhandenen Zwangsmittel den schwachen und schlechten Elementen gegenüber schonungslos zum Einsatz gebracht werden. Hand in Hand damit muß freilich auch den seelischen Ursachen der Krise nachgegangen werden. Geschieht all dies nicht, so tritt mit Sicherheit ein weiterer Verfall der Mannszucht ein, der im Endergebnis zur Auflösung der Armee führt. „Der größte Fehler, der trotz aller üblen Erfahrungen in der Heeresge3) So die Charakteristik dieser Phase in dem psychologischen Meisterwerk von Oberst Dr. F. Altrichter: Die seelischen Kräfte des Deutschen Heeres im Frieden und im Welt­ kriege (1933) S. 208ff., auf das an dieser Stelle für die Ausführungen dieses Abschnitts ein für allemal verwiesen sei.

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schichte immer wieder zu beobachten ist, besteht darin, daß nicht rücksichts­ lose Gewalt angewendet wird, um die Widersetzlichkeit niederzuschlagen und den Gehorsam zu erzwingen" (Altrichter). In der deutschen Wehrmacht erinnerte man sich der Wahrheit dieses Satzes leider erst im Jahre 1918. Ende Juli 1918 erließ der preußische Kriegsminister eine Verfügung, die den Offizier an seine Pflicht zum Gebrauch der Waffe in Fällen äußerster Not und dringendster Gefahr erinnerte und die Kriegsgerichte ermahnte, nicht vor Verhängung der Todesstrafe zurückzuschrecken. Diese Verfügung kam ein Jahr zu spät, sie war deshalb ein Schlag in die Luft. Was hier durch zeitgerechtes Vorgehen der Kommandostellen er­ reicht werden kann, zeigt die Geschichte der österreichischen Armee in den Jahren 1914 bis 1918. Sie enthält die Lehre, daß auch eine schwer ausgeblutete, übermüdete und halbverhungerte Truppe, die außerdem durch den Nationalitätenhader geschwächt ist, in ihrem Kampfwert noch lange erhalten werden kann, wenn ihre Führung gegen Lockerungs- und Zersetzungserscheinungen nur energisch und zielbewußt vorgeht. Die strenge Kriegszucht, in der Wehrmacht der Doppelmonarchie während des ganzen Krieges aufrechterhalten, hat die Folge gehabt, daß der drohende Verfall um Monate und Jahre hinausgeschoben wurde. Die Entwicklung ist im einzelnen so lehrreich, daß sie verdient, festgehalten zu werden, a) Das österreichisch-ungarische Heer im Weltkrieg.

In der österreichisch-ungarischen Armee bestand vor dem Weltkrieg Klarheit darüber, daß die Mannszucht in einem künftigen Kriege nur dann aufrechterhalten werden könne, wenn es für Massenstraftaten ein Ver­ fahren gebe, in dem Raschheit von Aburteilung und Vollstreckung mit größter Strenge verbunden sei. Dementsprechend sah das Militärstrafrecht als Ergänzung der ordentlichen Gerichtsbarkeit ein standrechtliches Verfahren vor, das diesen Voraussetzungen entsprach. Unter „Standrecht" konnten durch den zuständigen Minister oder Kom­ mandanten im Felde alle Verbrechen gestellt werden, deren rasche Unter­ drückung notwendig war. Als Strafe gab es im Standrecht nur die Todes­ strafe, die innerhalb kurzer Frist nach der Urteilsfällung zu vollstrecken war, falls sie bestätigt wurde. Vor das Standgericht durften nur auf frischer Tat ergriffene oder voraussichtlich unverzüglich zu überführende Personen ge­ stellt werden. Ein förmliches Ermittlungsverfahren war nicht erforderlich. Der Beschuldigte mußte einen Verteidiger haben. Zum Schuldspruch war Einstimmigkeit erforderlich. Dieses standrechtliche Verfahren hat während des Weltkriegs in der österreichisch-ungarischen Armee eine große Rolle gespielt. Amtlicherseits ist die Zahl der von diesen Standgerichten in den Jahren 1914 bis 1918 gefällten Todesurteile mit 753 angegeben worden. Davon sind 737 voll­ streckt worden. Stark vereinfacht und abgekürzt war auch das Feldverfahren. Es hatte für alle zur Armee im Felde eingeteilten Personen Geltung, außer­ dem aber auch für diejenigen zum Bereich des Feldheeres gehörenden Gebiete, für die es das Armee-Oberkommando besonders eingeführt hatte; diese standen damit vollständig unter Militärgerichtsbarkeit (im

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Jahre 1915 geschehen für Steiermark, Kärnten, Kram, das Küstenland, Tirol und Vorarlberg). Jede derartige Ausdehnung des Feldverfahrens war materiellrechtlich für die davon betroffenen Mlitär- und Zivilpersonen von weittragender Bedeutung. Während nämlich außerhalb des Anwen­ dungsbereichs des Feldverfahrens das Standrecht nur für bestimmte schwerste Verbrechen zulässig war, konnte es im Feldverfahren auf alle Verbrechen gesetzt werden. Das bedeutete dann zugleich, daß es für diese Straftaten hinfort nur noch die Todesstrafe gab. Von dieser Ermächtigung hat das Armee-Oberkommando im letzten Krieg weitgehenden Gebrauch gemacht und beispielsweise schon Diebstähle und Amtsveruntreuungen im Werte von mehr als 1000 Kronen darunter gezogen. Schließlich wurde für eine große Zahl von Verbrechen und Vergehen die bürgerliche Gerichtsbarkeit ausgeschaltet. Dies war z. B. der Fall bei Hochverrat, Majestätsbeleidigung, Aufruhr, Transportbeschädigung und verwandten Delikten, Brandlegung, Mord und Totschlag, wenn an Wehr­ machtangehörigen oder Gendarmen begangen usw. Hier waren für bet Aburteilung ausschließlich die Landwehrgerichte bzw. die Gerichte der ge­ meinsamen Wehrmacht zuständig.

Auf diese Weise hatte die österreichische Führung für den Kriegsfall auf dem Gebiete der Gesetzgebung ausgezeichnet Vorsorge getroffen. In der Erkenntnis des Gebotes der Stunde stand die Rechtsprechung der Gesetzgebung indessen in nichts nach. Sie hat es an Wachsamkeit gegen­ über den Kräften der Zersetzung zu keiner Zeit fehlen lassen und hat diese die Strenge des Gesetzes spüren lassen, wenn immer das Wohl des Staates es gebot. Zwar läßt sich die Gesamtzahl der verurteilten Heeresangehörigen nicht mit Sicherheit angeben, weil sich unter den kriegsgerichtlichen Er­ kenntnissen der Weltkriegsjahre zahlreiche Urteile gegen Zivilpersonen befinden. Nach sachkundiger Schätzung beträgt aber die Gesamtsumme der vor die Militärgerichte gestellten Beschuldigten nicht weniger als drei Millionen — eine gewaltige Zahl, die zeigt, daß die Militärgerichtsbarkeit Osterreich-Ungarns während des Weltkrieges außerordentlich tätig ge­ wesen ist. Der Voraussicht des Gesetzgebers und der Wachsamkeit der Recht­ sprechung ist es zuzuschreiben, daß der Kampfwert der österreichischen Armee bis zum Hochsommer 1918 behauptet werden konnte, trotzdem sie intensivster Zersetzungsarbeit der staatsfeindlichen Nationen ausgesetzt war und einen Verpflegungs- und Bekleidungsmangel litt, der geradezu unvor­ stellbare Ausmaße annahm. Diese an ein Wunder grenzende, gewaltige Leistung hat im Altreich bisher nicht diejenige Würdigung gefunden, die sie verdient. Es ist aber ein Gebot der Gerechtigkeit, anzuerkennen, daß die Lage, mit der sich die Führung des österreichischen Heeres auseinanderzu­ setzen hatte, in jedem Augenblick des Weltkriegs psychologisch ungleich schwieriger war als die entsprechende Situation in der deutschen Armee. Eröffnet wurde die Serie schwerer Belastungen, denen das österrei­ chische Oberkommando während des Weltkriegs ausgesetzt war, bekanntlich durch Zersetzungserscheinungen in slawischen Truppenteilen, von denen einzelne seit Ende August 1914 geschlossen zum Feinde übergingen. Diese

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Vorfälle schufen an den davon betroffenen Frontstellen nicht selten kritische Situationen, wie es z. B. im Frühjahr 1915 der Fall war, als die fast ganz aus Tschechen zusammengesetzten Infanterie-Regimenter 28 und 36 zu den Russen übergingen (woraufhin sie zur Strafe aus den Listen der Armee gestrichen wurden). Entgegen der Hoffnung unserer Feinde haben derartige Waffenstreckungen die Kampfkraft der Armee bis zum Spätherbst 1918 ausschlaggebend indessen nicht zu beeinflussen vermocht. Ein bebeträchtlicher Teil der Tschechen blieb seinem Fahneneide treu, und auf die anderen slawischen Völkerschaften — die Kroaten, Slowenen und Slowaken, z. T. auch die Ruthenen — färbte dieses schlechte Beispiel überhaupt nicht ab. Wie stark die Gegenseite von der Loyalität der Slawen beeindruckt worden ist, beweist ein Bericht über eine Unterredung, die der bekannte britische Kriegsberichterstatter Oberst Repington ä Court im Oktober 1918 mit dem Chef des Stabes der nach Italien entsandten britischen Streitkräfte, General Gathorne-Hardy, hatte. „Die Ungarn, Kroaten, Deutsch-Österreicher, Bosniaken usw. haben gut gefochten... Wenn die Tschechen gefragt werden, warum sie gekämpft hätten, erwidern sie, daß es ihr Eid sei, der sie dazu veranlaßt hätte, und wenn man ihnen sagt, daß sie ruhig Auskunft geben könnten, verweigern sie diese oft aus dem gleichen Grunde. Nein, sagen Sie, es ist wahr, daß unsere Offiziere es hier nicht erfahren werden, aber Gott weiß es!". „Die alte eiserne Dis­ ziplin der österreichischen Armee" — so schloß der General seinen Bericht — „wird offensichtlich noch immer aufrechterhalten". In demselben Sinne äußerte sich über sie auch König Viktor Emanuel von Italien.

Die Hauptgefahr kam auch in Osterreich-Ungarn aus Etappe und Hinterland. Unter den Erscheinungen, die von dort aus den Geist der Front vergiftet haben, ist an erster Stelle die Deserteurplage zu nennen. Sie nahm im letzten Kriegsjahr derartigen Umfang an, daß sie zu einer Gefahr für die Allgemeinheit wurde. Im Süden des Landes bildeten sich bewaffnete Räuberbanden — „grüne Kaders" —, die in den Wäldern hausten und von der Bevölkerung verborgen gehalten und ernährt wurden. Ein beträchtliches Kontingent in der an sich schon erheblichen Zahl von Fahnenflüchtigen stellten ab Ende 1917 die Heimkehrer aus russischer Kriegsgefangenschaft, die dem Ruf zu den Fahnen vielfach nicht mehr Folge leisteten. Groß war auch die Zahl derjenigen, die sich unter der Vor­ gabe, ihren Truppenteil zu suchen, Wochen- und monatelang hinter der Front umhertrieben und dabei auf die verschiedenste Weise straffällig wurden. Ein beständiger Gegenstand der Sorge war weiter der Zustand der Ersatz- und Marschbataillone. In den politisch und national schwie­ rigeren Gegenden, insbesondere in Böhmen, kam es bei der Einberufung frisch Gemusterter und bei dem Abtransport ins Feld wiederholt zu groben Ausschreitungen, z. T. sogar zu schweren Meutereien. Die Verlegung solcher Formationen in deutsche und ungarische Standorte und die Auf­ teilung der Soldaten auf national zuverlässige Einheiten brachte nur vor­ übergehend Abhilfe. Im Frühjahr 1918 kam es in der Steiermark, in

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Rumburg in Böhmen, in Budapest, Fünfkirchen, Mostar, PrzemyslAnd Kragujevac zu Meutereien, an denen alle Nationalitäten mit Ausnahme der Deutschösterreicher beteiligt waren. Die Armeeführung ließ diese Aus­ schreitungen mit Waffengewalt niederschlagen und mit großer Strenge ahnden. Kaiser Karl hatte sich — zum Entsetzen aller Kenner der Psyche des Heeres — noch nicht ein Jahr vorher veranlaßt gefühlt, das altbewährte Strafrecht zu mildern und die körperlichen Strafen in Heer und Flotte ab­ zuschaffen. Dieser Schritt, ohne jede Anregung aus der Front heraus getan, war in der Wehrmacht sofort als untragbar erkannt und nach Möglichkeit unschädlich gemacht worden. Die Strafe des Anbindens und die Strafe des Schließens in Spangen, auf persönliche Veranlassung Karls im März und Juni 1917 beseitigt, wurden im Februar 1918 insgeheim wieder hergestellt. Die Ereignisse des Frühjahrs 1918 sahen das Armee-Ober­ kommando psychologisch wieder ganz auf der Höhe seiner früheren Lei­ stungen; es erwies sich auch der neuen Schwierigkeiten gewachsen. Dank der Energie und Wachsamkeit der Armeeführung war das öster­ reichische Heer im Sommer 1918 noch imstande, zu einer großen Offensive anzutreten. Wenn man bedenkt, daß der österreichische Soldat in einem Maße unterernährt war, das kaum mehr Unterboden werden konnte, muß man diese Tatsache als eine bedeutende Leistung bezeichnen. Für sie fehlt in der Geschichte — wie das amtliche österreichische Geschichtswerk mit Stolz feststellt — jeder Vergleich. Sie ist nur daraus zu erklären, wie es an der gleichen Stelle heißt, „daß Altösterreichs Wehrmacht bis zu ihrem unverdienten Ende einen lebensvollen, krafterfüllten, von einer großen Überlieferung beseelten und zusammengehaltenen Körper darstellte, dem auch gewaltige Stürme und Prüfungen nicht ohne weiteres beikommen konnten". b) Die Meuterei der Ssterreichischen Flotte bei Cattaro (Februar 1917).

Parallel zu der Zersetzungstätigkeit im Heere lief eine rege Zersetzungstätigkeit in der Flotte, die im Februar 1918 zu einer Meuterei führte, an welcher fast alle Einheiten des in der Bucht von Cattaro stationierten Teiles der österreichischen Flotte beteiligt waren. „Große Schiffe in verhältnis­ mäßiger Untätigkeit" — stellt Großadmiral von Tirpitz in seinen „Er­ innerungen" fest — „sind, wie die Seekriegsgeschichte aller Völker zeigt, schwer in Ordnung zu halten". Umsturzbewegungen können hier am leichtesten eingeleitet werden und haben dort die größte Aussicht auf Erfolg. Die Ansammlung zahlreicher Flotteneinheiten in einem oder mehreren Häfen erleichtert die Verbreitung von Agitationsstoff, und der eintönige Dienst ist hervorragend geeignet, zum Nachdenken anzuregen und Unlust­ gefühle aufkommen zu lassen. Die Meuterei der österreichischen Flotte in der Bucht von Cattaro hat trotz ihres dramatischen Verlaufes außerhalb der früheren Grenzen Öster­ reich-Ungarns wenig Beachtung gefunden und ist über dem stürmischen Gang der Ereignisse des Jahres 1918 bald in Vergessenheit geraten. Sie enthält jedoch psychologisch so viel Interessantes und Aufschlußreiches, daß es sich lohnt, sich mit ihr zu beschäftigen. Die vorliegende Darstellung wäre unvollständig, wenn ein Bericht darüber fehlen würde. Denn sie ist Schwinge, Sie Entwicklung bei Mannszucht usw. 4

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ein Musterbeispiel dafür, was Offizierkorps und oberste Führung zu retten vermögen, wenn sie dem Ansturm der Ereignisse gegenüber ruhiges Blut, Tatkraft und Entschlossenheit bewahren. Am zweiten Tage nach dem Aus­ bruch der Revolte war die Macht vollständig in die Hände der Aufstän­ dischen übergegangen, trotzdem gaben die von dem Ausbruch der Meuterei überraschten Offiziere und die Marineleitung die Lage nicht verloren und brachten es durch Umsicht und Energie dahin, daß die Bewegung 24 Stunden später zusammenbrach. Die Größe dieser Leistung tritt erst dann voll ins Licht, wenn man die Vorgänge vom Februar 1918 mit den im ersten Teil dieser Studie geschilderten Vorgängen vom September 1931 vergleicht, mit denen sie im äußeren Ablauf so viel Gemeinsames haben. Wie kläglich das Verhalten der britischen Marineoffiziere in der Bucht von Jnvergordon und wie unklar, schwächlich und unsicher die Haltung der britischen Regie­ rung jenen Vorgängen gegenüber! Das englische Seeoffizierkorps hat damals nicht einen Bruchteil der Umsicht und Festigkeit aufgebracht wie jene wackeren österreichischen Seeoffiziere, deren Lage so viel gefährlicher war, weil man sich mitten im Kriege befand und einer völkisch bunt zu­ sammengewürfelten Matrosenschaft gegenüber stand. Die Haltung der österreichischen Seeoffiziere in der Bucht von Cattaro ist und bleibt ein Ruhmesblatt in der Geschichte der österreichischen Wehrmacht!

In der österreichischen Kriegsmarine waren die ersten gefährlicheren Lockerungserscheinungen im Juli 1917 aufgetreten, und zwar bei den Be­ mannungen der schweren Schiffe im Kriegshafen von Pola. Sie bestanden in lärmenden Kundgebungen der Unzufriedenheit über die Unzulänglich­ keit der Verpflegung, wurden aber rasch unterdrückt und überwunden. Sehr viel schwerer ins Gewicht fiel ein Vorgang, der sich im Herbst 1917 ereignete und im In- und Ausland peinliches Aufsehen erregte: die Flucht des Torpedoboots 11 nach Italien. Ohne daß etwas davon durchgesickert wäre, bildete sich an Bord dieses Schiffes unter der Führung eines Slo­ wenen und eines Tschechen eine Verschwörung, die darauf abzielte, das Boot dem Feind in die Hände zu spielen. Am 5. Oktober kam das Komplott von Sebenico aus zur Durchführung. Die Offiziere und ein Teil der Unter­ offiziere wurden in ihren Schlafräumen eingesperrt, dann verließ das Torpedoboot heimlich den Hafen und fuhr nach Italien, wo es sich ergab. Zum Glück blieb diese Flucht ein vereinzelter Akt; in Zukunft wurde aller­ dings dafür gesorgt, daß die Besatzung der völkischen Zugehörigkeit nach nicht wieder so einseitig zusammengesetzt war wie aus diesem Schiff. Im Januar 1918 kam es dann zu einem großen Ausstand im Seearsenal von Pola, durch den die Stimmung der Mannschaften unheilvoll beeinflußt und der Grund für die Ereignisse von Cattaro gelegt wurde. Im einzelnen war der Gang der Ereignisse in der Bucht von Cattaro folgender: Am 1. 2. 1918, kurz nach Mittag, erschollen plötzlich auf Deck von S. M. S. „Gäa" Hurrarufe, die auf dem Kreuzer „Sankt Georg", dem Flaggschiff des Geschwaders, auf der Stelle ein weithin hallendes Echo sanden. Auf „Gäa" stürmten gleichzeitig bewaffnete Matrosen auf Deck und verteilten sich über das Schiff. Ein Korvettenkapitän, der den Leuten in den Weg trat, wurde angeschossen und stürzte zu Boden. Eine

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Reihe anderer Schiffe nahmen das Hurra-Gebrüll auf und brachten auf diese Weise ihre Solidarität mit den Aufständischen zum Ausdruck. Nach dem Grunde ihres Rufens befragt, antworteten die Leute überall: „Wir haben den Krieg satt, schließt Frieden und laßt uns nach Hause!" Auf dem Kreuzer „Sankt Georg" gaben die Meuterer einen Schuß auf den Kommandanten ab, schossen von Deck aus durch die Oberlichtluken in die Offiziersmesse hinein, stürmten diese und zertrümmerten mit Äxten und Gewehrkolben, was immer ihnen vor die Hände kam; zahlreiche Ge­ genstände warfen sie über Bord. Mehrere Stabspersonen wurden in dem Tumult durch Schüsse verletzt. Am Fockmast wurde schließlich die rote Flagge gehißt. Auf „Kaiser Karl" wurde ein Ausschuß gebildet, der die Befehlsgewalt an sich riß und die Offiziere völlig ausschaltete. Auch hier bewaffneten sich die Leute. Auf dem Kreuzer „Helgoland" wurde gegen 2 Uhr die rote Flagge gehißt. Als Offiziere sie wieder heruntergeholt hatten, wurde auf dem Flaggschiff „Sankt Georg" das vordere Schiff klar gemacht, auf die „Hel­ goland" gerichtet und dieser Eröffnung des Feuers angedroht. Auf „Gäa" schwand im Laufe des Nachmittags auch noch der letzte Rest von Zucht und Ordnung. Die Leute machten sich ein Vergnügen daraus, dauernd Schüsse in die Luft abzugeben, betätigten nach Belieben Dampf­ sirene und Dampfpfeife, bliesen Gefechtsalarm, lösten Schüsse aus einer Schnellfeuerkanone und hißten die rote Flagge. Auf den Torpedobooten verlief die Bewegung ruhiger. Nur ein Teil der Boote nahm an den Ausschreitungen voll Anteil, und dies meist auch nur aus Angst vor einer Beschießung durch die großen Einheiten. Auf ver­ schiedenen Booten wurde die rote Flagge im Einverständnis mit den Offizieren nur deshalb gehißt, um einer solchen Beschießung zu entgehen. Eine Rolle für sich spielte das Torpedoboot „Csepel", das einen besonders tüchtigen Kommandanten hatte. Als es im Verlaufe einer Auseinander­ setzung durch das Flaggschiff mit Feuereröffnung bedroht wurde, antwor­ tete es mit der Gegendrohung, im Falle einer Beschießung seinerseits das Flaggschiff zu versenken. Gegen Abend trat eine neue Verschärfung der Lage ein. Jetzt gingen nämlich die Meuterer zu offener Bekämpfung derjenigen Einheiten über, die Anstalten machten, die Bucht zu verlassen. Als das Torpedoboot „Csepel" im Begriffe war, abzudampfen, um die Begleitung für einen Geleitzug nach Durazzo zu übernehmen, wurde es von „Sankt Georg" und „Gäa" mit je einem Schuß beschossen. Das Boot wurde daraufhin von dem Flottenkommando gestoppt. Mittlerweile war die Gewalt völlig in die Hände der Meuterer überge­ gangen, und es blieb den Offizieren der am schwersten betroffenen Schiffe zur Beeinflussung der Mannschaften nur noch der Verhandlungsweg offen. Der Flottenchef ließ deshalb Mannschaftsabordnungen aller Schiffe zu sich kommen und forderte sie zur Mitteilung ihrer Beschwerden auf. Diese überreichten ihm daraufhin eine Liste von Forderungen, die u. a. auf sofor­ tigen Abschluß eines annexionslosen Friedens, vollständige Abrüstung, Demokratisierung der Regierung, leichteren Dienst, mehr Urlaub, Straf4»

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freiheit usw. gingen. Zu diesen Forderungen nahm der Flottenchef schrift­ lich Stellung. Trotzdem die Meuterer völlig Herren der Lage waren, hatte er den Mut, in seinem Bescheid zu erklären: „Jene Leute, die nur demon­ strierten und entgegen den Bestimmungen des Reglements bei mir jetzt er­ scheinen, werde ich nicht strafen, da sie ja schließlich nur Bitten Vorbringen. Von der strengsten Bestrafung der Meuterer jedoch, das sind insbesondere jene, die mit Handfeuerwaffen und Geschützen geschossen haben, und der Rädelsführer kann keinesfalls Abstand genommen werden". Wie anders diese Sprache als die Haltung der britischen Admiralität im Jahre 1931 der meuternden Atlantikflotte gegenüber! Die Nacht vom 1. zum 2. Februar verlief ruhig. In den frühen Morgenstunden besetzten die Aufständischen den Ferndrucker und die Fernsprech­ einrichtungen, womit die Verbindung der Flottenführung mit der Außen­ welt hinfort der Aufsicht der Matrosen unterstand. Die Benutzung der Sendestation wurde den Meuterern — anders als in Jnvergordon — durch Zerstörung der Sendeanlagen unmöglich gemacht. Am Vormittag des 2. Februar schaltete sich auf Weisung des Ober­ kommandos das Kriegshafenkommando Cattaro ein, und das wurde von entscheidender Bedeutung. Es richtete an die Meuterer ein Ulti­ matum, binnen sechs Stunden zur Ordnung zurückzukehren, widrigenfalls die Landbatterien auf die im Ungehorsam beharrenden Schiffe unnach­ sichtlich das Feuer eröffnen würden. Um 7.30 Uhr ließ der Flottenchef die Mannschaftsabordnungen zu sich kommen, gab ihnen auch seinerseits die Feuerbereitschaft der Batterien an Land bekannt und ermahnte sie, die Befehlsgewalt an die Offiziere zurückzugeben. Gegen Mittag wurden die Abordnungen noch einmal durch den kommandierenden Admiral emp­ fangen. Der Ton, in dem diese ihre Wünsche erneuerten, hatte sich jedoch wesentlich verschärft. Sie nahmen jetzt das Auftreten von Soldatenräten an. Auf den großen Schiffen wurden die Zustände inzwischen immer chaotischer. Besonders schlimm sah es auf S. M. S. „Gäa" aus. Dort hatten die Meuterer die Gerichtskanzleien aufgebrochen, die Schreibmaschinen demoliert, die Akten verbrannt und alle Häftlinge in Freiheit gesetzt. Auf den kleinen Kreuzern „Helgoland" und „Novara" sowie auf den meisten Torpedobooten blieben die Kommandanten Herren der Lage, obwohl die Schiffe äußerlich an der Bewegung teilnahmen, rote Flaggen setzten, Vertrauensleute wählten usw. In den ersten Nachmittagsstunden des 2. Februar erreichte die Meuterei ihren Höhepunkt. Auf dem Flaggschiff übernahm jetzt ein Reserve­ fähnrich namens Sesan den Oberbefehl über die Flotte; dies war die einzige an der Meuterei beteiligte Stabsperson. Sein Eingreifen ließ die Befürchtung entstehen, daß der Versuch gemacht werden könnte, die Flotte dem Feinde in die Hände zu spielen. Da auf einmal brachte das Eingreifen der Landbatterien die Wen­ dung. Als sich der Kreuzer „Kronprinz Rudolf", dessen Offiziere alle in­ haftiert worden waren, in Bewegung setzte, um den Ausgang der Bucht zu gewinnen, gab eine der Batterien an Land Feuer und zwang das Schiff durch zwei Dutzend Schuß, die zwei der Rädelsführer töteten und die Aufbauten beschädigten, in der Bucht vor Anker zu gehen. Dieses ent-

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schlossene Durchgreifen machte auf die Meuterer den allergrößten Eindruck. Als sie sahen, daß der Kriegshafenkommandant Ernst machte und als sie weiter beobachten mußten, daß die Kreuzer „Novara" und „Helgoland" sowie alle Boote der Torpedoflotille aus ihrer Nähe wegzukommen bemüht waren, bemächtigte sich ihrer eine tiefe Niedergeschlagenheit. Diese Ge­ legenheit benutzten die gemäßigteren Elemente — vorwiegend Deutsche und Ungarn — die Mitläufer auf ihre Seite zu ziehen und die Besatzungen in sich zu spalten. Auf den Schiffen „Gäa" und „Kaiser Karl VI." konnten die Offiziere bald darauf ihre Funktionen wieder übernehmen. Um den noch meuternden Schiffen ein Entkommen unmöglich zu machen, blockierten einige Torpedoboote und mehrere in Cattaro stationierte deutsche Unteree boote die Enge von Catena. Nunmehr bekamen die treuen Elemente auch auf allen anderen Schiffen die Oberhand. Die Meuterer waren bald überall entwaffnet und zum großen Teil in Haft genommen. Am Morgen des 3. Februar war die Aufstandbewegung erstickt, und von allen Toppen wehte wieder die k. u. k. Kriegsflagge. Das Strafgericht setzte unmittelbar nach Abschluß der Revolte ein. Ausgeschifft und zur Untersuchung gezogen wurden nicht weniger als 800 Mann. Mit dieser hohen Zahl von Beschuldigten übertrifft das gericht­ liche Nachspiel zu der Meuterei an Umfang alle geschichtlichen Parallel­ fälle. Die zuständigen Kommandanten wurden ermächtigt, die im Stand­ rechtsverfahren herauskommenden Urteile ohne Einholung einer höheren Entscheidung von sich aus zu bestätigen. Zur Durchführung der Prozesse wurde das Festungsgericht in Cattaro bestimmt, weil die an sich zuständigen Gerichte der Kriegsmarine ausgeschlossen waren, da ihre Mitglieder die Vorfälle als Zeugen selbst miterlebt hatten. Vor das Standgericht verwiesen wurden 40 Mann, die sich bei den Ausschreitungen irgendwie hervorgetan hatten. Innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist von dreimal 24 Stunden konnte dieses mit Rücksicht auf die zum Teil sehr schwierig liegende Beweislage nur bei acht Beschul­ digten zu einem Urteil gelangen. Vier davon wurden zum Tode durch Erschießen, einer zu 10, ein anderer zu 5 Jahren verschärften Kerkers ver­ urteilt. Zwei wurden freigesprochen. Schon am 1. Februar wurden die vier zum Tode Verurteilten hingerichtet. Der Haupträdelsführer, der Reservefähnrich Sesan, hatte sich dem Urteil durch die Flucht mit einem Marineflugzeug entzogen. In den folgenden Monaten wurde gegen etwa 600 nicht standrechtlich behandelte Meuterer das ordentliche Untersuchungs­ verfahren durchgeführt und schließlich gegen 392 Beschuldigte wegen Meuterei oder Empörung Anklage erhoben. Auf diese Angeklagten ent­ fielen 167 Kroaten, 81 Italiener, 50 Tschechen, 32 Ungarn und 45 Deutsch­ sprechende. Der Umsturz setzte diesen Verfahren im Oktober 1918 ein Ende. Bei einer Inspektion, die der kommandierende General Bosniens, der Herzogewina und Dalmatiens am 7.2.1918 vornahm, wurde dem See­ offizierkorps im Auftrage des Armeeoberkommandos eröffnet, daß seine Haltung während der Empörung als tadellos bezeichnet werden könne. Dieses Lob war vollauf verdient, denn in keiner der großen Meutereien der Seekriegsgeschichte hat ein Offizierkorps sich so entschlossen und um­ sichtig gezeigt wie jene österreichischen Seeoffiziere in der für sie und

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Osterreich-Ungarn so gefährlichen Situation in der Bucht von Cattaro. Anerkennung verdient aber auch die Haltung des österreichischen ArmeeOberkommandos für die Energie und Raschheit, womit sofort alle zur schleunigen Unterdrückung erforderlichen Maßnahmen in die Wege ge­ leitet wurden. Es hatte nicht nur den Kriegshafen alarmiert, sondern auch zahlreiche Jnfanteriebataillone in Marsch gesetzt und eine Schlachtschiff­ division aus Pola abgeschickt. Später wurde der Flotte in der Person des späteren ungarischen Reichsverwesers Horthy ein neuer, sehr tüchtiger Chef gegeben. Wenn in jenen kritischen Februartagen des Jahres 1918 ver­ hindert werden konnte, daß der Golf von Cattaro zum Kronstadt OsterreichUngarns wurde, so ist das allein dem glücklichen Zusammenwirken der be­ teiligten Offiziere und des Oberkommandos zu danken! 4. Die Borsorge der deutsche« Gesetzgebung.

Wie die vorstehenden Ausführungen gezeigt haben, waren es in den am Weltkrieg beteiligten Staaten überall die gleichen Erscheinungen, die der Moral der Truppe Schaden zufügten und dem inneren Zusammenhalt und der Schlagkraft der Armee gefährlich wurden: übermäßige Zunahme der Fälle von Fahnenflucht und unerlaubter Entfernung, Einreißen von Zuchtlosigkeit und Unordnung auf den Truppentransporten, Umsich­ greifen des Simulantentums, Rückgang der Achtung vor fremdem Eigen­ tum und Dahinschwinden der überlieferten Einstellung zu Dienst- und Ausrüstungsgegenständen. Während es den meisten anderen Völkern ge­ lungen ist, dieser Schäden Herr zu werden, hat man bei uns leider nicht die Kraft und Entschlossenheit gefunden, ihrem Umsichgreifen rechtzeitig einen Riegel vorzuschieben. Der deutsche Gesetzgeber hat aus den Erfahrungen des Weltkriegs die notwendigen Schlüsse gezogen und diesmal dafür gesorgt, daß Gesetz­ gebung und Rechtsprechung jeder Möglichkeit der kriegerischen Entwicklung Rechnung tragen können. Durch die Kriegssonderstrafrechtsverordnung vom 17. 8.1938 — in Kraft gesetzt am 26. 8.1939 — hat das Militärstraf­ gesetzbuch für den Kriegsfall eine Ergänzung erfahren, durch die alle Lücken ausgefüllt worden sind. Wenn heute beispielsweise Straftaten in mannszuchtgefährdender Häufung auftreten würden, wie es während des Weltkriegs in allen Armeen vorgekommen ist, so wäre es möglich, in jedem Einzelfall ohne Rücksicht auf den sonst maßgeblichen Strafsatz bis zur Todesstrafe zu gehen (§ 5a KSStrVO.). Durch das neue Kriegsstrafverfahrensrecht ist dafür gesorgt, daß der Urteilsspruch auch mit der nötigen Schnelligkeit gefällt werden kann (§ 13a KStBO.). Es gibt eben Straftaten, die in einer Armee einfach nicht einreißen dürfen! Es mag einem Dritten hart ankommen, wenn ein einzelner Soldat für eine — isoliert betrachtet — unbedeutende Straftat eine schwere Strafe erleiden soll. Indessen in Zeiten staatlicher und völkischer Not darf nicht die Rücksicht auf den einzelnen entscheiden, sondern muß das geschehen, was das Wohl der Gemeinschaft verlangt. Hier gelten jene höheren Rücksichten, die der Abgeordnete Flandin 1917 im französischen Senat bei Besprechung der Ereignisse vom Chemin des Dames in folgende Worte kleidete: „Wir sind im Krieg, und der Krieg

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hat grausame Notwendigkeiten. Wenn wir zögern, die Schuldigen zu treffen, wenn wir zögern, durch notwendige Exempel furchtbare Schwäche­ zustände zu verhindern — müßten wir dann nicht die Befürchtung haben, daß Tausende braver Leute der Niederlage und dem Tod ausgeliefert werden?" Das neue Recht ermöglicht zweitens ein energischeres Vorgehen gegen Fahnenflüchtige und Versprengte. Während des Welt­ kriegs mußte der in der Etappe oder in der Heimat Ergriffene grundsätzlich immer erst seiner Division zugeführt werden, damit er abgeurteilt werden konnte. Das zögerte nicht nur die Verfahrenserledigung hinaus, sondern gab dem Verhafteten auch die Chance, auf dem Transport zu entweichen. Duldet heute die Aburteilung aus zwingenden militärischen Gründen keinen Aufschub, kann der zuständige Gerichtsherr aber nicht auf der Stelle erreicht werden, so kann die Sache durch den nächsterreichbaren Gerichtsherrn oder den nächsterreichbaren Regimentskommandeur zum Spruch gebracht werden (§§ 13,13a KStVO.). Eine Vereinfachung und Intensivierung des Verfahrens, die die abschreckende Wirkung des Urteils wesentlich erhöht! Es ist heute des weiteren dafür gesorgt, daß psychopathische Ele­ mente (Minderwertige), die straffällig geworden sind, ihrer Gefährlich­ keit entsprechend die ganze Härte des Strafgesetzes zu spüren bekommen. Haben sie ihre Strafe verbüßt, so werden sie nicht wie im Weltkrieg in ihre Truppe zurückgeschickt oder in die Heimat abgeschoben, sondern in Sonder­ abteilungen oder Strafkompanien überwiesen, wo ihrer an der Front oder in der Heimat ein Dienst wartet, der mit besonderen Gefahren verknüpft ist, womit für Dritte der Anreiz wegfällt, ebenfalls straffällig zu werden. Dadurch ist Vorsorge getroffen, daß Truppe und Heimat vor dem schädi­ genden Einfluß jener Leute bewahrt bleiben. Schließlich sind Normen neugeschaffen worden, die den völkischen Wehr­ und Widerstandswillen mit einem lückenlosen Netz von Strafrechtssätzen umgeben, so daß er gegen jede Gefährdung und jede Unterhöhlung — aus der Wehrmacht selbst oder von außen her — sichergestellt ist. Der Tatbestand der Wehrkraftzersetzung — §5 KSStrVO. — gibt den Gerichten die Mittel in die Hand, jeder nur denkbaren Zersetzungshandlung auf das Nachdrück­ lichste zu begegnen. Die schlechten Elemente werden deshalb in diesem Kriege nicht wieder die Oberhand gewinnen können. Man muß somit feststellen, daß die Erfahrungen des Weltkrieges bis auf das letzte ausgewertet worden sind. Auch auf diesem Gebiete war die Kriegsvorbereitung eine vollkommene! Die Leistung des deutschen Weltkricgssoldaten im Urteil der Feinde.

Damit sind wir am Ende. Was in dieser Studie berichtet worden ist über die Entwicklung der Mannszucht in der deutschen, britischen und französischen Wehrmacht, ergibt zusammengenommen ein Bild, das dem deutschen Soldaten zur höchsten Ehre gereicht. Es ist kein Zweifel: Kein anderer Soldat der Welt wäre imstande gewesen, das zu leisten und das zu ertragen, was für den abgerissenen, ausgehungerten, überan­ strengten und ausgepumpten deutschen Soldaten der Jahre 1917 und 1918

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Gebot selbstverständlicher Pflichterfüllung war! „Berücksichtigt man die gewaltige Übermacht der Feinde und die Masse der ununterbrochen auf das Heer einwirkenden Zersetzungsursachen, so muß es andererseits fast wie ein Wunder erscheinen, daß unter ihrer Wucht das Heer noch nicht auseinandergefallen war, sondern immer noch kämpfte ... Dies war ein Beweis für seinen schier unerschöpflichen Vorrat an innerem Wertgehalt" (Altrichter). Dieser großartigen Leistung ist es zu verdanken, daß bei den anderen jener Zweifel an der eigenen Kraft entstehen konnte, der sie mit ihrer Strategie des Abwartens in das Verderben führte. Um recht ermessen zu können, was für einen ungeheuren Eindruck diese Haltung des deutschen Weltkriegssoldaten in aller Welt hervorgerufen hat, muß man die Erinnerungen und Denkwürdigkeiten der Staatsmänner und Heerführer der Gegenseite lesen. Die Kriegserinnerungen Lloyd Georges bei­ spielsweise sind eine einzige große Aufeinanderfolge von Ausdrücken grenzenloser Hochachtung und Bewunderung für den deutschen Soldaten, den er den „gefürchtetsten der Welt" nennt — die deutsche Artillerie, die er als die „mächtigste", und die deutsche Infanterie, die er als „bestausge­ bildete der Welt" bezeichnet. Das Urteil, mit dem Hauptmann B. H. Liddell Hart seine „History of the World War” abschließt, steht dem an Anerkennung und Bewunderung nicht nach: „Was auch immer das Urteil der Geschichte über seine Politik sein mag, uneingeschränktes Lob muß der unvergleichlichen Ausdauer und der Geschicklichkeit gezollt werden, mit der sich Deutschland vier Jahre lang gegen überlegene Kräfte behauptet hat — ein Epos militärischen und menschlichen Heldentums". Am Schlüsse des 4. Bandes der Weltkriegserinnerungen von Winston Churchill aber finden sich Worte des Lobes und der Anerkennung, die kaum überboten werden können: „Seit Menschengedenken hatte man keinen solchen Kraftausbruch erlebt wie den des deutschen Volkes. Vier Jahre lang kämpfte Deutschland, trotzte es fünf Kontinenten zu Land, zu Wasser und in der Luft. Die deutschen Armeen hielten ihre wankenden Verbün­ deten aufrecht, traten auf allen Kriegsschauplätzen siegreich auf, standen überall auf er­ obertem Boden und fügten ihren Gegnern die doppelten Blutverluste zu. Um ihre Kraft und ihre Kenntnisse zu überwinden, ihrem Wüten Einhalt zu gebieten, mußten die größten Nationen der Welt auf dem Schlachtfelde erscheinen. Überwältigende Volksmassen, unbe­ grenzte Hilfsquellen, maßlose Opfer und nicht zuletzt die Seeblockade konnten mehr als 60 Monate lang nichts erreichen. Kleine Nationen wurden überrannt und ein riesiges Reich in nicht mehr erkennbare Trümmer geschlagen. Fast 20 Millionen Menschen vergossen ihr Blut, bevor das Schwert der schreckensvollen Faust entwunden werden konnte. Wahrlich, ihr Deutschen, für die Geschichte habt ihr genug geleistet".

Das sind die Früchte einer soldatischen Leistung, die ihresgleichen sucht in der Geschichte! Die Erinnerung daran hat die anderen ihres Sieges niemals recht froh werden lassen, hat insbesondere die Franzosen immer nur mit Schrecken an die Möglichkeit einer Wieder­ aufrichtung des Gegners denken lassen. Wie sorgenvoll die Lage trotz des Sieges während der ganzen Nachkriegszeit von der Gegenseite aus be­ urteilt worden ist, dafür nur ein Beispiel: Im Oktober 1924 tat Marschall Foch nach Darlegung der Rolle, die Polen und der Tschechoslowakei im System der französischen Sicherheit zugedacht war, folgende denkwürdige Äußerung: „Angenommen, Deutschland lege die Hand, wenn auch nur

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moralisch, auf alle diese Staaten und ziehe sie in seinen Bannkreis —, über welche fürchterliche Macht hätte es dann zu verfügen? Es wäre vergebens, sich in einen Streit mit ihm einzulassen. Dieser Krieg wäre von vornherein verloren". Konnten Lebenskraft und Lebenswille des deutschen Volkes eine stärkere Einschätzung erfahren? Für die deutsche Wehrmacht und das deutsche Volk aber war die Er­ innerung an jene Leistung in der ganzen Zeit nach dem Kriege ein wahrer Kraftquell: Sie hielt die Überzeugung in uns lebendig, an kriegerischer Tüchtigkeit hinter keinem anderen Volke zurückzustehen, und sie bewahrte uns damit jenen Geist der Wehrhaftigkeit, ohne den die innere Erneuerung unseres Volkes nicht möglich gewesen wäre. Unseren jungen Soldaten aber gab sie in den neuen Waffengang jenes Gefühl der Überlegenheit mit, das der Moral unserer Wehrmacht von vornherein das Übergewicht gab. So ruht das Neue auf den Schultern des Alten, und so ist die Leistung des Soldaten von 1939/40 niemals denkbar ohne die Leistung des Sol­ daten des Weltkriegs. Möge das im deutschen Volke niemals in Ver­ gessenheit geraten!

Schrifttums-Nachweise: Englische Wehrmacht.

Zu S.lff.: Über den Stand der Moral in der britischen Flotte während des Weltkriegs vgl. K. Edwards: The Mutiny at Invergordon (1937) S. 25: „Looking back upon the history of the Great War, it is apparent that the greatest achievement of those years was not a battle or Strategie Operation, but the high morale and ever growing efficiency of the Grand Fleet". Ähnlich die Feststellungen von G. von S choultz (während des Krieges russischer Verbindungsoffizier in der Grand Fleet) in seinem Buche: „Mit der Grand Fleet im Weltkrieg" (1925) S. 416ff.; Sir Roger Keyes: Naval Memoirs, Bd. 2 (1935) S. 69 (,,everyone is full of enthusiasm and the spirit is excellent"); Sir Reginald Tupper: Reminiscenses (o. I.) S. 265 und Lord Jellicoe in dem Werk: „Englands Flotte im Weltkrieg" (1937) S. 69. Zu S. 2: Uber das Vorkommen von Fahnenflucht und Kriegsdienstverweigerung in der britischen Wehrmacht vgl. die Angaben bei v. Schoultz a. a. O. S. 416. Zahlen in den Statistic efforts (s. u.). — Material über die Vorfälle bei Gallipoli bei: Aspinall-Oglander: Gallipoli, Bd. II (1932) S. 319 und Robert Graves: Strich drunter (1930) S. 144. — Das Urteil von Forester wird u. a. bestätigt durch Ralph H. Mottram: Der Spanische Pachthof (1929) S. 39. Zu S. 2: Uber die Haltung der irischen Soldaten während des Weltkriegs: v. Schoultz a. a. O. S. 420f. Hohes Lob wird den irischen Truppen auch in den Erinnerungen des Feldmarschalls Sir John French gespendet („The life of Fieid* Marshai Sir John French". By his son G. French, 1931 S. 388). Uber dieirische Abstammung des Lords Beatty vgl. die Angaben bei Geoffrey Rawson: Earl Beatty. Admiral of the Fleet (1930) S. 13ff. Zu S. 3ff.: Aufrechterhaltung der Disziplin in der britischen Armee: Uber den Vorfall an Bord des Flaggschiffs „Alsatian" s. Tupper a. a. O. S. 265. Daß die Moral der britischen Truppen auch in den schlimmen Tagen des April 1918 gut blieb, berichtet Oberst Repington ä Court: The first world war 1914—1918 (1921) Bd. II S. 460. — Der Vorfall in der ägyptischen Armee wird berichtet in den „Memo­ ries of 48 years* service" von General Sir Horace Smith-Dorrien (1925) S. 50. — Uber die Genauigkeit in den Äußerlichkeiten des Dienstes vgl. insbes. die Schilderung von Graves S. 211 und 270ff. Bon der Sonderstellung der Kanadier und Australier — in mancher Hinsicht waren ihnen auch die Walliser zuzurechnen — handelt außer Graves und E. AshmeadBartlett (S. 37) Richard Aldington: Death of a hero. Dtsch. ersch. u. d. Titel: Heldentod (1930).

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moralisch, auf alle diese Staaten und ziehe sie in seinen Bannkreis —, über welche fürchterliche Macht hätte es dann zu verfügen? Es wäre vergebens, sich in einen Streit mit ihm einzulassen. Dieser Krieg wäre von vornherein verloren". Konnten Lebenskraft und Lebenswille des deutschen Volkes eine stärkere Einschätzung erfahren? Für die deutsche Wehrmacht und das deutsche Volk aber war die Er­ innerung an jene Leistung in der ganzen Zeit nach dem Kriege ein wahrer Kraftquell: Sie hielt die Überzeugung in uns lebendig, an kriegerischer Tüchtigkeit hinter keinem anderen Volke zurückzustehen, und sie bewahrte uns damit jenen Geist der Wehrhaftigkeit, ohne den die innere Erneuerung unseres Volkes nicht möglich gewesen wäre. Unseren jungen Soldaten aber gab sie in den neuen Waffengang jenes Gefühl der Überlegenheit mit, das der Moral unserer Wehrmacht von vornherein das Übergewicht gab. So ruht das Neue auf den Schultern des Alten, und so ist die Leistung des Soldaten von 1939/40 niemals denkbar ohne die Leistung des Sol­ daten des Weltkriegs. Möge das im deutschen Volke niemals in Ver­ gessenheit geraten!

Schrifttums-Nachweise: Englische Wehrmacht.

Zu S.lff.: Über den Stand der Moral in der britischen Flotte während des Weltkriegs vgl. K. Edwards: The Mutiny at Invergordon (1937) S. 25: „Looking back upon the history of the Great War, it is apparent that the greatest achievement of those years was not a battle or Strategie Operation, but the high morale and ever growing efficiency of the Grand Fleet". Ähnlich die Feststellungen von G. von S choultz (während des Krieges russischer Verbindungsoffizier in der Grand Fleet) in seinem Buche: „Mit der Grand Fleet im Weltkrieg" (1925) S. 416ff.; Sir Roger Keyes: Naval Memoirs, Bd. 2 (1935) S. 69 (,,everyone is full of enthusiasm and the spirit is excellent"); Sir Reginald Tupper: Reminiscenses (o. I.) S. 265 und Lord Jellicoe in dem Werk: „Englands Flotte im Weltkrieg" (1937) S. 69. Zu S. 2: Uber das Vorkommen von Fahnenflucht und Kriegsdienstverweigerung in der britischen Wehrmacht vgl. die Angaben bei v. Schoultz a. a. O. S. 416. Zahlen in den Statistic efforts (s. u.). — Material über die Vorfälle bei Gallipoli bei: Aspinall-Oglander: Gallipoli, Bd. II (1932) S. 319 und Robert Graves: Strich drunter (1930) S. 144. — Das Urteil von Forester wird u. a. bestätigt durch Ralph H. Mottram: Der Spanische Pachthof (1929) S. 39. Zu S. 2: Uber die Haltung der irischen Soldaten während des Weltkriegs: v. Schoultz a. a. O. S. 420f. Hohes Lob wird den irischen Truppen auch in den Erinnerungen des Feldmarschalls Sir John French gespendet („The life of Fieid* Marshai Sir John French". By his son G. French, 1931 S. 388). Uber dieirische Abstammung des Lords Beatty vgl. die Angaben bei Geoffrey Rawson: Earl Beatty. Admiral of the Fleet (1930) S. 13ff. Zu S. 3ff.: Aufrechterhaltung der Disziplin in der britischen Armee: Uber den Vorfall an Bord des Flaggschiffs „Alsatian" s. Tupper a. a. O. S. 265. Daß die Moral der britischen Truppen auch in den schlimmen Tagen des April 1918 gut blieb, berichtet Oberst Repington ä Court: The first world war 1914—1918 (1921) Bd. II S. 460. — Der Vorfall in der ägyptischen Armee wird berichtet in den „Memo­ ries of 48 years* service" von General Sir Horace Smith-Dorrien (1925) S. 50. — Uber die Genauigkeit in den Äußerlichkeiten des Dienstes vgl. insbes. die Schilderung von Graves S. 211 und 270ff. Bon der Sonderstellung der Kanadier und Australier — in mancher Hinsicht waren ihnen auch die Walliser zuzurechnen — handelt außer Graves und E. AshmeadBartlett (S. 37) Richard Aldington: Death of a hero. Dtsch. ersch. u. d. Titel: Heldentod (1930).

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Zahl der Todesurteile: Dazu vgl. Statistics of the military esfort of the British Empire during the Great War 1914—1920 (Lond. 1922) S. 648. Uber zwei am 7. 9. 1914 im Korps Smith-Dorriens erfolgte Erschießungen (wegen Desertion und wegen Plünderung) vgl. dessen „Memories“ S. 425. über rücksichtslose Er­ schießungen bei den Australiern s. Bolkmann a. a. O. S. 127. — Behandlung der Kriegsdienstverweigerer: v. Schoultz a. a. O. S. 416. Eine interessante Schilde­ rung der Feldstrafe Nr. 1 — Anbinden auf dem Rad einer Protze — bei Graves S. 266. Zu S. 3f.: Schonung der britischen Armee: Painlev6 a. a. O. S. 153 Anm. 1. — Britische Verluste: Churchill Bd. 1 S. 52. — Erschöpfung: Churchill Bd. 1 S. 59 und John I. Pershing: My experiences in the world war. 2. Bd. (1931) S. 63. Die Mitteilungen von Lord Fisher in dessen „Memories“ (1919) S. 32 und 97. Zum Problem des englischen Kriegsromans vgl. die ausgezeichnete Arbeit von Margarete Günther: Der englische Kriegsroman und das englische Kriegs­ drama 1919 bis 1930(1936). — „Heimatschuß": Graves S. 175 und 204, S. Sassoon: Memoirs of an infantry officer ©.31. Enttäuschung über den Sieg: Montagne: Rough Justice (Tauchnitz-Edition 1928) S. 316. — Auseinandersetzung über den Kriegsroman: Günther S. 237 ff. Die Warnung Haigs vor einer Überspannung der Waffenstillstandsbedingungen ist wiedergegeben bei: Marschall Foch: Erinnerungen von der Marneschlacht bis zur Ruhr. Niedergeschrieben unter persönlicher Redaktion des Marschalls von Raymond Recouly. Dresden 1929 S. 47 f. Zu S. 5ff.: Entwicklung der Disziplin nach Eintritt der Waffenruhe: Dazu insbes.: „Die Tagebücher des Feldmarschalls Sir Henry Wilson". Hrsg, von Generalmajor C. E. Callwell. Dt. Übersetzung 1930 S. 336 f., 340f., 379; „The life and letters of Lord Wester Wemyss“. By Lady Wester Wemyss (1935) S. 412ff.; Kenneth Edwards: The mutiny al Invergordon (1937) S. 28ff.; Graves S. 415f. Zu S. 7: über die Ereignisse in der baltischen Flotte und bei Murmansk vgl. die Schilderung von Edwards a. a. O. S. 47 ff. — Das Spottlied über den Ein­ satz der englischen Streitkräfte in Finnland, ebendort S. 60. Zu S. 8ff.: Entwicklung in der Nachkriegszeit: Edwards S. 67ff. Zu S. 10ff.: Die große Meuterei in der Atlantikflotte: Dazu in spannender Ausführlichkeit das schon im Text zitierte Buch von Lieutenant-Commander Kenneth Edwards: The Mutiny at Invergordon (1937). Zu S. 13f.: Die Flottenmeuterei von 1797: Dazu William Hunt: Political History of England Bd. X: From the accession of Georg III. to the close of Pitt’s first administration (1760—1801). London 1905 S. 390 ff.

Französische Wehrmacht. Zu S. 16f.: Krise der französischen Armee (Fall Dreyfus): Dazu das im Text angeg. Werk von General Weygand S. 328ff. Weiteres darüber bei General Messimy: Mes Souvenirs (1937) S. 7 ff. Zu S. 18f„: Mannszuchtkrise von August/September 1914: Dazu: Memoires du Mar^chal Joffre 1. Bd. (1932) ©.309; Langle de Cary: Souvenirs de Commandement 1914—1916 (1935) S. 153; Mömoires du Maröchal Galliöni (1926) S. 49ff., 71 ff.; Dubail: Quatre annees de commandement 1914—1918. Bd. I (1920) S. 69. — Deutsches Schrifttum über diese Ereignisse und ihre militärstrafrechtlichen Folgen: Schwinge: Die Militärgerichtsbarkeit im Kriege. Zeitschrift für Wehrrecht Bd. II S. 247ff.; K. Borrmann: Zur Neugestaltung des kriegsstrafrechtlichen Verfahrens (1940) S. 21 ff. Zu General Maud'huy vgl. Lloyd George: Mein Anteil am Weltkrieg. Kriegsmemoiren. I. Bd (1935) S 97f. — über die Vorfälle in Tunis: Admiral Dartige du Fournet: Souvenirs de guerre d'un amiral 1914—1916 (1920) S. 9. Zu ©. 20 ff.: Über die großen Meutereien vomMai/Juni 1917 außer den beiden im Text genannten Büchern von Bäthe und Ettighoffer: Palat: La grande guerre sur le front Occidental Bd. XII S. 406ff.; Painlev6: Comment j'ai nommö Foch et Pötain (1923) S. 129ff.; P. Allard: Les dessous de la guerre. Rövöles par les comitös secrets (1932) S. 170; R. Poincare: Au Service de la France. Bd. IX S. 147 ff.

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Kriminalitätszahlen bei Palat S. 637. Verlustzahlen bei Painlevs S. 66 und 133. Äußerung Painlevss über den Ernst der Lage: a. a. O. S. 103 und 143. Meuterei der Russen: Dazu außer der Schrift von Poitevin das Buch: „De la Meuse ä Reims. Le Gön^ral Alfred Micheler“. D'aprds sa correspondence et ses notes. Par le colonel Herbilion (1933) S. 198 ff. Vorgehen gegen die Meuterer: Painlevs S. 147 und Palat a. a. O. — Zahl der Hinrichtungen: Painlevs S. 147 und Poincars a. a. O. — Verhalten Pötains: Weygand a. a. O. S. 328f. Uber die Erschütterung der Kampfkraft der Franzosen: Pershing a. a. O. Bd. II S. 63. Die Äußerung Fayolles ist wiedergegeben in Marschall Foch: Erinnerungen von der Marneschlacht bis zur Ruhr (1929) S. 66. — Äußerung Fochs zu Sir Henry Wilson: „Die Tagebücher des Feldmarschalls Sir Henry Wilson". Hrsg, von Gen.-Maj. C. E. Callwell. Deutsche Übers. 1930 S. 342. Geist der französischen Mittelmeerslotte: A. Thomazi: La guerre navale dans la M6diterrann6e (1929) S. 53f. — Meuterei der französischen Schwarzen-Meer-Flotte: Wester Wemyß a. a. O. S. 426ff.; Edwards S. 53. — Die Äußerungen des Generals Humbert und des Abg. Ferry bei Palat a. a. O.

Deutsche Wehrmacht. Zu S.28 ff.: Entwicklung im 19. Jahrhundert: Darüber neuestens die wert­ volle Arbeit von Günter Fink: Die Mannszuchtkrisen im Preußischen Heer und die Mittel zu ihrer Überwindung (1940). Sie ist auf Grund der Akten des Heeresarchivs in Potsdam und des Preuß. Geh. Staatsarchivs gearbeitet und enthält umfangreiches, bisher unbekanntes Material. — Über die Unzuverlässigkeit und Disziplinlosigkeit der preußischen Landwehr i. I. 1848: „Aus dem Leben des Generals d. Inf. Dr. h. v. Brandt". 3. Teil (1882) S. 36, 61, 87, 103, 110, 114. — Die im Text mitgeteilte Äußerung des Prinzregenten Wilhelm findet sich in dessen „Militärischen Schriften" Bd. 2 S. 452. Zu S. 30: Vorgesetzten-Untergebenen-Verhältnis: Die im Text zit. Ausführungen finden sich in dem Buch Hamiltons auf S. 92 ff., insbes. 103 und 109. — H. v. Boyen: dazu dessen Aufsatz „Über die militärischen Gesetze". Jahrb. der preuß. Monarchie 1799, 3. Bd. S. 122; Gneisenau: „Die Freiheit des Rückens", abgedr. bei M. Lehmann, Scharnhorst. 2. T. (1887) S. Ulf. und bei H. Delbrück, Gneisenau. 2. Ausl. I. Bd. (1894) S. 139 f. — Altrichter a. a. O. S. 34. — Lord Fisher: Memories (1919) S. 26. Zu S.32f.: Meuterei der Hochseeflotte: Dazu vgl. insbes. I. V. Bredt: Die Marineunruhen 1917. Preuß. Jb. Bd. 208 (1927); H. Herzfeld: Die deutsche Sozialdemokratie und die Auflösung der nationalen Einheitsfront im Weltkriege (1928) S. 65ff. (ebendort ein Auszug aus den Zeugenaussagen und Dokumenten des Münchener Dolchstoßprozesses, S. 196—408). Aus dem übrigen Schrifttum außer der Schrift von v. Waldeyer-Hartz: Brüninghaus: Die politische Zersetzung und die Tragödie der deutschen Flotte (1926); Frhr. von Forstner: Die MarineMeuterei. 2. Ausl. (1919); Tirpitz, Erinnerungen (1919) S. 318 f.; F. Finkentscher: Die Wahrheit über den Zusammenbruch der Marine (1920);v.Freytagh-Loringhoven: Die Psyche der Heere (1923) S. 164. Zu S. 33f.: Zersetzungserscheinungen in Etappe und Heimat: Dazu insbes. Borrmann a. a. O. S. 9ff.; Altrichter S 99ff., 139ff. — Truppentrans­ porte: Herzfeld S. 113 u. 303ff.; Borrmann S. 10f.; Altrichter S. 120f.; Painlev6 S. 161 f.; Poincarö Bd. IX S. 169. — Fahnenflucht: Herzfeld S. 114, 304; Borrmann S. 12f. Schätzungen über die Zahl der Fahnenflüchtigen, gestützt auf Ludendorff und v. Kuhl, bei Volkmann a. a. O. S. 66f. Ebendort die Zahl der Todes­ urteile. — Zunahme der Eigentumsdelikte: Bormann S. 14ff. und Altrichter a. a. O. — Über das Problem der Psychopathen: A. Langelüddeke, Allge­ meine Richtlinien für die forensische Begutachtung psychopathischer Soldaten (1940). Über die Milde der deutschen Kriegsgerichtsbarkeit außer Ludendorff: H. Dietz in Bd. 10 des Sammelwerks von Schwarte in: „Das Militärstrafrechtswesen im Kriege" S. 118ff.; Otto v. Below bei v. Wrisberg, Heer und Heimat 1914—1918 (1921) S. 194; v. Stein, Erlebnisse und Betrachtungen aus der Zeit des Weltkrieges (1919) S. 116f.; „Kritik des Weltkrieges". Von einem Generalstäbler (1920) S. 43;

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ALtrichter S. 144, 220ff.; H. Mayer, ZWehrR. 2 S. 336 f.; Stock, Reinecke und v. Jan ebendort S. 358ff.; Volkmann, Soziale Heeresmißstände als Mitursache des deutschen Zusammenbruches von 1918 (1929) S. 26 u. 121. Zu S. 40ff.: Über die Entwicklung des Geistes in der österreichischen Wehrmacht: Österreich-Ungarns letzter Krieg 1914—1918. Hrsg, vom österr. Bundesministerium und vom Landesarchiv: 1. Bd. S. 37ff.; 2. Bd. S. 429ff.; 4. Bd. S. 137ff.; 7. Bd. S. 94ff., 608ff. S. weiter Edm. von Glaise-Horstenau: Die Katastrophe (1929) S. 34 f., 64f., 248 ff., 323 ff. Die im Text erwähnte Äußerung eines britischen Generals s. b. Repington a. a. O. Bd. II S. 418. Ebendort Bd. I 5. 225 ein Bericht über eine Unterredung mit Viktor Emanuel. Über die österreichische Kriegsgesetzgebung: I. Redlich, Österreichische Regierung und Verwaltung im Weltkriege (1925) S. 119 ff. Über die Tätigkeit der österreichischen Kriegsgerichte und die Entwicklung der Kriminalität in der Armee: G. Lelewer bei F. Exner: Krieg und KriminalitÄ in Österreich (1927) S. Ulfs, (ebendort statistisches Material). — Zu den Erlassen Kaiser Karls die scharf ablehnenden Äußerungen von Generaloberst Arz: Zur Geschichte des Großen Krieges 1914—1918 (1924) S. 134f.; Auffenberg-Komarow: Aus Österreichs Höhe und Niedergang (1921) S. 478; C. v. Bardolff: Soldat im alten Österreich (1938) S. 275. Material zur Entwicklung der Disziplin in der Napoleonischen Armee: Jean Morvan: Le soldat impörial. 2. Bd. (1904) S. 494ff.; A. Thiers: Geschichte des Consulats und des Kaisertums. 14. Bd. (1856) S. 63 f., 146 f., 337 f., 343 ;v. Brandt a. a. O. 1. Teil (1870) S. 431 ff., 468, 502; v. Freytagh-Loringhoven S. 50; Graf Dorck v. Wartenburg: Napoleon als Feldherr. 2. Teil (1886) S. 89, 229, 359. 1. Teil (1885) S. 33, 285 ff. Meuterei in der österreichischen Kriegsmarine: Ausführlich „OsterreichUngarns Seekrieg 1914—1918", verfaßt von Kpt. H. Sokol (1933) S. 647 ff. Kürzer: F. Swoboda: Traurige Helden des Umsturzes in der Adria (1930). Zu S. 48: Eingehend über das neue deutsche Kriegsstrafrecht: Schwinge, Kommentar zum Militärstrafgesetzbuch. 4. Ausl. (1940), Nachtrag. Zu S. 49f.: Urteile der Gegner über den deutschen Weltkriegssoldaten: Lloyd George Bd. II S. 238, 259, 507, 18 und 38; Liddell Hart: A history of the world war (1930) S. 593. Die Äußerung Fochs s. bei Recouly a. a. O.

Vom gleichen Verfasser ist im Verlag von N. G. Elwert-Marburg früher erschienen:

Soldatischer Gehorsam und Verantwortung. 2. Auflage 1939. Marburger Universitätsreden. Nr. 1.

Handbuch der neuzeitlichen Wehrwiffenschafien Herausgegeben im Auftrage der Deutschen Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaften und unter Mitarbeit zahlreicher Sachverständiger von

Hermann Franke Generalmajor z. V.

Das Handbuch soll nicht nur wie die ftüheren Militärwörterbücher ein willkom­ menes Hilfsmittel für den Berufssoldaten und Offizier des Beurlaubtenstandes sein, sondern auch den Vertretern der Wissenschaft/ Technik, Wirtschaft und Presse, den Beamten und der studierenden Jugend als Nachschlagewerk über alle Fragen der Landesverteidigung dienen und ihnen Gelegenheit geben, sich über alle Fragen der Landesverteidigung zu unterrichten. Hat doch der Weltkrieg mit seinem alles umfassenden Wesen ge­ zeigt, daß die Sicherung des Volkstums und Lebensraumes nicht mehr wie einst nur von militärischen Gesichtspunkten aus betrachtet werden darf, sondern das Interesse und die verständnisvolle Mitarbeit aller Staatsbürger sowie die Schulung der studierenden Jugend als Teil der künftigen Führerschicht in wehrwissenschaftlichen Fragen fordert. Ein Lehrbuch für die wehrhafte Nation.

Der umfangreiche Stoff wird in vier starken Bänden in alphabetischer Reihenfolge zusammengefaßt. Jeder Band behandelt ein festumgrenztes, in sich geschlossenes Gebiet und erhält dadurch selbständigen Wert. Der I. Band behandelt „Wehrpolitik und Kriegführung", der II. Band „Das Heer", der III. Band a) „Kriegsmarine" b) „Luftwaffe", der IV. Band „Wehrwirtschaft und Wehrtechnik".

Bd. I. 1936. Zum Subskr.-Pr. bei Bezug aller 4 Bände Geb. Einzelbezugspreis Geb. Bd. II. 1937. Zum Subskr.-Pr. bei Bezug aller 4 Bände Geb. Einzelbezugspreis Geb. Bd. III. Erster Teil. 1938. Zum Subskr.-Pr. bei Bezug aller 4 Bände Geb. Einzelbezugspreis Geb. Bd. III. Zweiter Teil. 1939. Zum Subskr.-Pr. bei Bezug aller 4 Bände Geb. Einzelbezugspreis Geb. Bd. IV. In Vorbereitung.

32.— 36.— 32 — 36 — 27.— 30 — 27.— 30.—

Ein Urteil: „... Dieses Handbuch darf sich sonach als das geistige Handwerks­ zeug für den Berufsoffizier, den Führer des Beurlaubtenftandes und für jeden wehrfreudigen Deutschen bezeichnen . . ." Zeitschrift für Wehrrecht.

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wehrvechi herausgegeben unter Mitwirkung -er Akademie für Deutsches Recht

und geleitet von

Dr. jur. h. c. Heinrich Dietz Ministerialrat z. v. unter ständiger Mitarbeit -er Herren: Hermann Böhme Gberstleutn. Im Gen.-Stab, Berlin

Dr. Burkhard von Boni»

Dr. Rudolf Lehmann

Dr. h. c. Emil Niethammer

Ministerialdirektor, Chef der wehrmachtrechtsabtetlung, Berlin

Retchsgerkchtsrat a. V., Leipzig

Rechtsanwalt und Notar, Potsdam

Dr. Hans Meier-Vranecke

Elmar Brandstetter

Gberkriegsgertchtsrat, Stuttgart z. Z. Berlin

Kriegsgerichtsrat. Innsbruck z.Z. lm Seid

Zritz Grau Ministerialrat im RelchsfustkzMinisterium, Berlin

Dr. Werner Hoche

Dr. Werner Scherer Kriegsgerichtsrat im Oberkommando der Wehrmacht, Berlin

Emil Mewes

Dr. Rüdiger Schleicher

Oberkriegsgertchtsrat z. v., Berlin z.Z. im §eld

Ministerialrat km RelchsluftfabrtMinisterium, a.o. Professor a.d. Cechn. Hochschule Berlin

Dr. Dr. Zr. W. v. Rauchhaupt Professor fn Heidelberg

Ministerialdirigent im Reichs­ ministerium des innern, Berlin

Dr. Eberhard Schmidt

Martin Rtttau

o. Professor der Rechte, Leipzig

Dr. §rih hoöes,

Oberstkrtegsgerichtsrat, Breslau z. Z. km §eld

Kriegsgerichtsrat, München z. Z. km Feld

Dr. Werner hülle Oberkriegsgerichtsrat km Ober­ kommando der Wehrmacht, Berlin

Dr. hlfred Kößler Vntendanturrat, München A. Z. im $eld

Heinrich Rosenberger Ministerialdirektor a. D., Geh. Regierungsrat

Dr. Willp Schäfer Referent bei der Kkademie für Deutsches Recht

Dr. Ernst Schober Kriegsgerichtsrat, z.Z. Berlin

Dr. Erich Schwinge o. Professor der Rechte, Wien

Dr. Dr. Ulrich Stock Reichskrtegsgertchtsrat, a. o.professor Berlin

Jährlich 12 hefte, preis 18 — RM.

Probeheftekosten- undportofrei

I. Schweitzer Verlag, Berlin und München