Die Entwicklung der Gesetzgebung über Gewinnabschöpfung und Geldwäsche: Unter Berücksichtigung der jeweiligen kriminalpolitischen Tendenzen [1 ed.] 9783428531271, 9783428131273

Die Abschöpfung von kriminellen Gewinnen spielt heute in der Strafverfolgungspraxis eine zentrale Rolle. Eng verknüpft m

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Die Entwicklung der Gesetzgebung über Gewinnabschöpfung und Geldwäsche: Unter Berücksichtigung der jeweiligen kriminalpolitischen Tendenzen [1 ed.]
 9783428531271, 9783428131273

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Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 219

Die Entwicklung der Gesetzgebung über Gewinnabschöpfung und Geldwäsche Unter Berücksichtigung der jeweiligen kriminalpolitischen Tendenzen

Von

Georgios Sotiriadis

a Duncker & Humblot · Berlin

GEORGIOS SOTIRIADIS

Die Entwicklung der Gesetzgebung über Gewinnabschöpfung und Geldwäsche

Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (y) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg

Herausgegeben von Dr. Dr. h. c. (Breslau) Friedrich-Christian Schroeder em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg

und Dr. Andreas Hoyer ord. Prof. der Rechte an der Universität Kiel

in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten

Band 219

Die Entwicklung der Gesetzgebung über Gewinnabschöpfung und Geldwäsche Unter Berücksichtigung der jeweiligen kriminalpolitischen Tendenzen

Von

Georgios Sotiriadis

a Duncker & Humblot · Berlin

Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Prof. Dr. Felix Herzog, Bremen Der Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Bremen hat diese Arbeit im Jahr 2008 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 978-3-428-13127-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2008 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Bremen als Dissertation angenommen. Sie entspricht im Wesentlichen der Entwicklung des Rechts bis Mai 2009. Für die Veröffentlichung wurde insbesondere das im August 2008 in Kraft getretene neue Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz mit eingearbeitet. Mein herzlicher Dank gilt an allererster Stelle meinem Doktorvater und langjährigen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Felix Herzog. Er stand mir zu jeder Zeit mit seinem fachlichen Rat zur Verfügung und hat mich in allen Phasen der Entstehung der Dissertation aufs Neue motiviert. Ohne ihn wäre diese Arbeit nicht entstanden. Des Weiteren habe ich Frau Prof. Dr. Edda Weßlau, die das Zweitgutachten übernommen hat, herzlichst zu danken. Ihre konstruktiven Anmerkungen haben mein juristisches Denken weiter gebracht. Frau Dr. Nicole Krumdiek und Herrn Prof. Dr. Johannes Feest habe ich für die Mitwirkung als Prüfer im Promotionskolloquium und somit für die angenehme Atmosphäre besonders zu danken. Vergessen könnte ich nicht meine erste Strafrechtslehrerin Frau Prof. Dr. Maria Kaiafa-Gbandi, die meine ersten akademischen Schritte an der Aristoteles Universität Thessaloniki mit einem unermüdlichen Elan begleitet hat. Für ihre Unterstützung habe ich vielen Freunden und Kollegen von mir zu danken, insbesondere Dr. Theodora Papadimitriou, D.E.A., Dipl. soc. Roger Lemke und vor allem RA Ghazaleh Nassibi, welcher die schwierige Aufgabe der Korrektur meines Manuskripts kurzfristig übernommen hat. Schließlich gilt mein größter Dank meinen Eltern, Apostolos und Euterpi Sotiriadis, die nicht nur mein Studium ermöglicht haben, sondern stets an mich geglaubt haben. Sie haben mich in jeder nur denkbaren Weise mein gesamtes Leben lang unterstützt und sie tun es immer noch. Berlin / Bremen, Oktober 2009

Georgios Sotiriadis

Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel Einleitung

21

A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

B. Gegenstand der Untersuchung: Die Abscho¨pfung von kriminellen Gewinnen . . . . . . .

25

I. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

II. Normative Grundlagen der Gewinnabschöpfung im StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

1. Sanktionen mit unmittelbar gewinnabschöpfender Funktion . . . . . . . . . . . . . . .

27

a) Verfall (§§ 73 ff. StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

b) Erweiterter Verfall (§ 73d StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

c) Vermögensstrafe (§ 43a StGB a. F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

d) Geldwäsche (§ 261 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

2. Mit mittelbarer gewinnabschöpfender Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

a) Geldstrafe (§ 40 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

b) Geldstrafe neben Freiheitsstrafe (§ 41 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

c) Geldauflagen in Verbindung mit Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung (§ 56b Abs. 2 Nr. 2 StGB) und mit der Verwarnung mit Vorbehalt (§ 59a Abs. 2 Nr. 3 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

d) Geldauflagen in Verbindung mit der Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit (§ 153a Abs. 1 Nr. 2 StPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

III. Abgrenzung des Untersuchungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

1. Die Einziehung (§§ 74 ff. StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

2. Die Gewinnabschöpfung im Ordnungswidrigkeitenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

3. Die Abführung des Mehrerlöses (§ 8 WiStG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

4. Die Vorteilsabschöpfung durch die Kartellbehörde (§§ 34, 34a GWB) . . . . .

47

5. Die Sicherstellungsvorschriften nach §§ 111b ff. StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

2. Kapitel Zur Historie der Gewinnabschöpfung

50

A. Das ro¨mische Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

I. Die verschiedenen Erscheinungsformen der Vermögenseinziehung . . . . . . . . . . . .

51

II. Die Kondiktion der „scelere quaesita“ und der „turpia lucra“ . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

8

Inhaltsverzeichnis

B. Das deutsche Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

I. Bis zum gemeinen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

II. Die Partikulargesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

1. Das Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

2. Das bayerische Strafgesetzbuch von 1813 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

3. Das preußische Strafgesetzbuch von 1851 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

III. Das Reichsstrafgesetzbuch von 1871 (RStGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

IV. Die Entwicklung bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

V. Die Entwürfe eines Strafgesetzbuches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

1. Der Entwurf eines Strafgesetzbuches von 1960 (E 1960) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

2. Der Entwurf eines Strafgesetzbuches von 1962 (E 1962) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

3. Der Alternativentwurf (AE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

3. Kapitel Die Wiederentdeckung der Gewinnabschöpfung

83

A. Normative Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

I. Der Verfall nach § 73 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

II. Der Gegenstand des Verfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

III. Mittelbare Gewinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

IV. Der Wertersatzverfall nach § 73 a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

V. Der Umfang des Verfalls: Das Nettoprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

VI. Die Adressaten des Verfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

1. Verfall bei mehreren Tatbeteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

2. Die Vertreterklausel (§ 73 Abs. 3 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

3. Die Drittverfallsklausel (§ 73 Abs. 4 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

VII. Die Ausschlussklausel (§ 73 Abs. 1 S. 2 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

VIII. Die Schätzungsmöglichkeit (§ 73b StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

IX. Die Härtevorschrift (§ 73c StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

X. Die Wirkung des Verfalls (§ 73d StGB a. F.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 XI. Nachträgliche und selbständige Anordnung des Verfalls (§§ 76, 76a StGB) . . . 102 B. Die Untersuchung von Albin Eser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 I. Gegenstand und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

Inhaltsverzeichnis

9

II. Dogmatische Grundlegung der Gewinnabschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 III. Der personelle Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 IV. Der gegenständliche Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 V. Das Verhältnis zwischen Gewinnabschöpfung und Verletztenansprüchen . . . . . . 112 VI. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 C. Die Aktualita¨t des Konzepts der Gewinnabscho¨pfung in einer sich wandelnden Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 I. Umwandlung der Strafzwecke und Gewinnabschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 II. Umwandlung der Funktionen des Rechts und Gewinnabschöpfung . . . . . . . . . . . . 117 1. Effizienzorientierung – Zweckgebundenheit und Auswirkungen auf das Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Ökonomisierung des Rechts und Gewinnabschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 III. Umwandlung der Strafrechtsdogmatik und Gewinnabschöpfung . . . . . . . . . . . . . . 121 D. Kriminologische Betrachtung der Gewinnabscho¨pfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 I. Die kriminalökonomischen Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Der kriminologische Diskurs: Die Figur des „homo oeconomicus“ . . . . . . . . . 125 2. Der ideengeschichtliche Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 3. Verhaltenstheoretische Ansätze: Das Modell von Becker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 4. Wohlfahrtstheorie der Kriminalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 II. Kriminalökonomische Theorien und Gewinnabschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 1. Die Relevanz des kriminellen Gewinns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 2. Androhung der Gewinnabschöpfung und Abschreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3. Anordnung der Gewinnabschöpfung und Abschreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 4. Die ergänzende Funktion von gewinnabschöpfenden Maßnahmen . . . . . . . . . 135 5. Die Kosten der Gewinnabschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 6. Der Gewinn als Investitionskapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 7. Die Ausgleichsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 8. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 III. Die Erkenntnisse der empirischen kriminologischen Forschung . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Die Studie des Max-Planck Instituts über den kriminellen Gewinn . . . . . . . . . 140 2. Das Projekt der Gewinnabschöpfung am Beispiel des Rauschgifthandels . . 141 IV. Exkurs: Gewinnabschöpfung als Dritte Spur der Verbrechensbekämpfung: Die BKA-Tagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 1. Inhalte der Tagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 2. Kritische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

10

Inhaltsverzeichnis

E. Die Einfu¨hrung des Bruttoprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 I. Die kriminalpolitische Atmosphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 II. Die Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 III. Das Nettoprinzip und die Rechtsnatur des Verfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 IV. Der Begriff von „etwas“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 V. Die Gründe für die Einführung des Bruttoprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 VI. Das Bruttoprinzip und die Rechtsnatur des Verfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 VII. Die Stellung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 VIII. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 IX. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 F. Die große Wende: Das OrgKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 I. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 1. Entstehungsgeschichte des OrgKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 2. Inhalt und Zielsetzung des OrgKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 II. Die Vermögensstrafe (§ 43a StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 3. Verfassungsrechtliche Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 a) Verstoß gegen das Schuldprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 b) Verstoß gegen die Unschuldsvermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 c) Verstoß gegen die Eigentumsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 d) Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 4. Die BGH-Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 5. Das Urteil des BVerfG zur Vermögensstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 III. Der erweiterte Verfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 1. Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 2. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 3. Verfassungsrechtliche Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 a) Verstoß gegen die Eigentumsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 b) Verstoß gegen die Unschuldsvermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 c) Sonstige Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 4. Die BGH-Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 5. Kriminalpolitische Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 6. Das Urteil des BVerfG zum erweiterten Verfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 7. Exkurs: Ausländische Reformbemühungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202

Inhaltsverzeichnis

11

IV. Der Tatbestand der Geldwäsche (§ 261 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 1. Die Ineffizienz des bisherigen Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 2. Ziele des Geldwäschetatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 3. Das geschützte Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 4. Das Tatobjekt des Geldwäschetatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 5. Theoretische Ansätze zur Konkretisierung des Tatobjekts der Geldwäsche 213 6. Die Tathandlungen des Geldwäschetatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 7. Gesetzliche Einschränkungen der Tathandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 8. Der subjektive Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 9. Sozial übliche Tätigkeiten und strafrechtliches Unrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 10. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 V. Abschließende Betrachtung: Das OrgKG als eine große Wende? . . . . . . . . . . . . . . 244 4. Kapitel Die Verlagerung des Schwergewichts von den Verfallsvorschriften auf die Geldwäschebekämpfung

249

A. Die Internationalisierung der Bemu¨hungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 I. Die Wiener Drogenkonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 II. Die Gründung von FATF – Die 40 Empfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 III. Das Europaratsübereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 IV. Die erste EG-Antigeldwäscherichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 B. Die nationalen Bemu¨hungen zur Geldwa¨schebeka¨mpfung: Das Geldwa¨schegesetz . . 268 I. Einführung in die Thematik: Einbeziehung von Privaten in die Strafverfolgung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 II. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 III. Ziele des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 IV. Die Identifizierungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 V. Die Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 VI. Die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 VII. Beschränkungen bei der Verwendung der Aufzeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 VIII. Die Verdachtsanzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 IX. Die Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 X. Die zuständige Behörde zur Durchführung des Geldwäschegesetzes . . . . . . . . . . 297 XI. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299

12

Inhaltsverzeichnis XII. Das Verhältnis zwischen § 261 StGB und Geldwäschegesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 XIII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 5. Kapitel Die Intensivierung der Geldwäschebekämpfung und der Gewinnabschöpfung

305

A. Der Entwurf eines 2. OrgKG der SPD-Fraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 I. Ziele des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 II. Änderungsvorschläge des Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 III. Der Entwurf eines Vermögenseinziehungsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 IV. Kritik zum Entwurf eines Vermögenseinziehungsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 V. Die Strafbarkeit der fahrlässigen Geldwäsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 VI. Änderungsvorschläge des Geldwäschegesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 VII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 B. Das Verbrechensbeka¨mpfungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 I. Entstehungsgeschichte und Ziele des Verbrechensbekämpfungsgesetzes . . . . . . . 324 II. Die Verbesserung der Gewinnabschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 III. Die Erweiterung des Vortatenkatalogs der Geldwäsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 C. Das Gesetz zur Verbesserung der Beka¨mpfung der Organisierten Kriminalita¨t . . . . . . . 330 I. Entstehungsgeschichte und Ziele des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 II. Änderungen des Geldwäschetatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 1. Erweiterung des Vortatenkatalogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 2. Abschaffung des Vortatenkatalogs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 3. Sonstige Änderungen des Geldwäschetatbestands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 III. Änderungen der StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 IV. Änderungen des Geldwäschegesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 V. Änderungen des Finanzverwaltungsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 D. Das Steuerverku¨rzungsbeka¨mpfungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 I. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 II. Ziele des § 370a AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 III. Bedeutung und Problematik des § 370a AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354

Inhaltsverzeichnis

13

IV. Die Auswirkungen des § 370a AO auf die Geldwäschebekämpfung . . . . . . . . . . . 357 V. Der Gegenstand einer Geldwäsche nach einer gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung nach § 370a AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 ¨ nderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes . . . . . . . . . . 365 E. Das Fu¨nfte Gesetz zur A I. Entstehungsgeschichte und Ziele des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 II. Änderungen des § 370a AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 III. Änderungen des § 261 Abs. 1 S. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 F. Das Vierte Finanzmarktfo¨rderungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 I. Entstehungsgeschichte und Ziele des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 II. Das automatisierte Kontenabrufverfahren nach § 24c KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 III. Kritik zum automatisierten Kontenabrufverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 IV. Besondere organisatorische Pflichten von Instituten nach § 25a Abs. 1 Nr. 4 KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 V. Kritik zum § 25a Abs. 1 Nr. 4 KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 VI. Mitteilungen der Finanzbehörden zur Bekämpfung der Geldwäsche nach § 31b AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 VII. Kritik zum § 31b AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 VIII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 G. Das Geldwa¨schebeka¨mpfungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 I. Entstehungsgeschichte und Ziele des Geldwäschebekämpfungsgesetzes . . . . . . . 403 II. Neue Identifizierungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 III. Neue Verpflichtete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 IV. Neue Strafverfolgungsbehörde? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 V. Neue Nachforschungspflicht der Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 VI. Neue Aufzeichnungsmethoden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 VII. Neue Verdachtsanzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 VIII. Neue Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 IX. Sonstige Änderungen des Geldwäschegesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 X. Neue Pflichten im grenzüberschreitenden bargeldlosen Zahlungsverkehr (§ 25b KWG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 XI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438

14

Inhaltsverzeichnis 6. Kapitel Die neuesten Entwicklungen

441

A. Das Geldwa¨schebeka¨mpfungserga¨nzungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 I. Entstehungsgeschichte und Ziele des neuen Geldwäschegesetzes . . . . . . . . . . . . . . 442 II. Änderungen des StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 III. Die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 IV. Die Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 1. Die allgemeinen Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 2. Die vereinfachten Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 3. Die verstärkten Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 V. Interne Sicherungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 VI. Sonstige Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 VII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 B. Das Gesetz zur Sta¨rkung der Ru¨ckgewinnungshilfe und der Vermo¨gensabscho¨pfung bei Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 I. Entstehungsgeschichte und Ziele des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 II. Der Auffangrechtserwerb des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 III. Die Berücksichtigung von Verletztenansprüchen beim erweiterten Verfall . . . . . 469 IV. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 7. Kapitel Die Ergebnisse der Untersuchung

475

A. Die Gewinnabscho¨pfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 I. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 II. Tendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 B. Die Geldwa¨schebeka¨mpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 I. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 II. Tendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 C. Tendenzen im Strafrecht und in der Kriminalpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519

Abkürzungsverzeichnis 2. StrRG

Zweites Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 04. 07. 1969

2. WiKG

Zweites Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität vom 15. 08. 1986

a. A.

andere Ansicht

Abl. EG (Nr.)

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft

Abs.

Absatz

AE

Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches von 1969

AEAO

Anwendungserlass zur Abgabenordnung

a. F.

alte Fassung

ALR

Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794

a. M.

andere Meinung

AnwBl.

Anwaltsblatt

AO

Abgabenordnung

AO-StB

AO-Steuerberater (Zeitschrift, zitiert nach Jahr und Seite)

Art.

Artikel

AsylVerfG

Asylverfahrensgesetz

AT

Allgemeiner Teil

Aufl.

Auflage

AuslG

Ausländergesetz

AWG

Außenwirtschaftsgesetz von 28. 04. 1961

AWGStGB-ÄndG

Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, des Strafgesetzbuches und anderer Gesetze von 28. 02. 1992

BaFin

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

BAKred

Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen

BAV

Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen

BAWe

Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel

BayerStGB

Bayerisches Strafgesetzbuch von 1813

BayOLG

Bayerisches Oberlandesgericht

Bd.

Band

BDSG

Bundesdatenschutzgesetz

Beil.

Beilage

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

16

Abku¨rzungsverzeichnis

BGBl.

Bundesgesetzblatt (Teil, Seite)

BGH

Bundesgerichtshof

BGHSt

Entscheidungen des BGH in Strafsachen (zitiert nach Band und Seite)

BKA

Bundeskriminalamt

BKR

Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht

BRAK

Bundesrechtsanwaltskammer

BRAO

Bundesrechtsanwaltsordnung

BR-Drs.

Drucksache des Bundesrates (zitiert nach Nummer und Jahr)

bspw.

beispielsweise

BT-Drs.

Bundestags-Drucksache (Wahlperiode / Nummer)

BtMG

Betäubungsmittelgesetz

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (zitiert nach Band und Seite)

bzw.

beziehungsweise

ca.

circa

CCC

Constitutio Criminalis Carolina

d. h.

das heißt

DB

Der Betrieb (Zeitschrift, zitiert nach Jahr und Seite)

ders.

derselbe

DM

Deutsche Mark

DRiZ

Deutsche Richterzeitung

DStR

Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift, zitiert nach Jahr und Seite)

DStZ

Deutsche Steuer-Zeitung

DuD

Datenschutz und Datensicherheit (Zeitschrift, zitiert nach Jahr und Seite)

A

Euro

E

Entwurf

ECU

European Common Unit

EDV

Elektronische Datenverarbeitung

EG

Europäische Gemeinschaften

EGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25. 03. 1952 i. d. F. des Vertrags über die Europäische Union vom 07. 02. 1992

E-Mail

Electronic Mail

EMRK

Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 04. 11. 1950

EStG

Einkommenssteuergesetz

etc. / etc

et cetera (lat.) = und so weiter

EU

Europäische Union

EuGH

Europäischer Gerichtshof

Abkürzungsverzeichnis EuGHE

Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs

EuGRZ

Europäische Grundrechte-Zeitschrift

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

EWG

Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

FATF

Financial Action Task Force on Money Laundering

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

ff.

fortfolgende

FIU

Financial Intelligence Unit

Fn.

Fußnote

frStGB

französisches Strafgesetzbuch

17

FS

Festschrift

G7 / G8

Gruppe von sieben Staaten, bestehend aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, den USA (G7) und Russland (G8)

GA

Goltdammer‘s Archiv für Strafrecht

GedS

Gedenkschrift

gem.

gemäß

GG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz

GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

GwG

Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten – Geldwäschegesetz

GwHdb

Herzog / Mülhausen Geldwäschebekämpfung und Gewinnabschöpfung (Handbuch, zitiert nach Bearbeiter, Kapitel und Randnummer)

HansOLG

Hanseatisches Oberlandesgericht

HGB

Handelsgesetzbuch

HK

Heidelberger Kommentar zur Strafprozessordnung (zitiert nach Bearbeiter, Paragraph und Randnummer), 3. Auflage, Heidelberg 2001

h. M.

herrschende Meinung

Hrsg.

Herausgeber

Hs.

Halbsatz

i. d. F.

in der Fassung

i. e. S.

im engeren Sinne

insb.

insbesondere

InvestG

Investmentgesetz

IPBR

Internationaler Pakt für bürgerliche und politische Rechte

i. S.

im Sinne

i. S. d.

im Sinne des / der

i. S. v.

im Sinne von

i. V. m.

in Verbindung mit

18

Abku¨rzungsverzeichnis

JA

Juristische Arbeitsblätter

JR

Juristische Rundschau

Jura

Juristische Ausbildung

JuS

Juristische Schulung

JZ

Juristenzeitung

KJ

Kritische Justiz

KK-OWiG

Karlsruher Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (zitiert nach Bearbeiter, Paragraph und Randnummer), 3. Auflage, München 2006

KK-StPO

Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung (zitiert nach Bearbeiter, Paragraph und Randnummer), 6. Auflage, München 2008

KO

Konkursordnung

KR

Kriminalistik

KrimJ

Kriminologisches Journal

KritV

Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft

KWG

Gesetz über das Kreditwesen

LG

Landgericht

LK

Strafgesetzbuch Leipziger Kommentar (zitiert nach Bearbeiter, Paragraph Randnummer), 12. Auflage, Berlin 2008

LKA

Landeskriminalamt

LKÄ

Landeskriminalämter

LZ

Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht

m. Anm.

mit Anmerkung

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

Mio.

Millionen

MK

Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, (zitiert nach Bearbeiter, Paragraph und Randnummer) München 2005

MschrKrim

Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

NCCT

Non-cooperative Territories and Countries

n. Chr.

nach Christus

n. F.

neue Fassung

NJ

Neue Justiz

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NK

Nomos Kommentar zum Strafgesetzbuch, (zitiert nach Bearbeiter, Paragraph und Randnummer), 2. Auflage, Baden-Baden 2005

Nr.

Nummer

NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht

NStZ-RR

Neue Zeitschrift für Strafrecht – Rechtssprechungsreport

Abkürzungsverzeichnis

19

NWB

Neue Wirtschafts-Briefe

OECD

Organisation for Economic Co-Operation and Development

OK

Organisierte Kriminalität

OLG

Oberlandesgericht

OrgKG

Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität vom 15. 07. 1992

ÖstStGB

Österreichisches Strafgesetzbuch

OWiG

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten

para.

paragraph

PEP(s)

Politically Exposed Person(s)

PreisstrafrechtsVO

Preisstrafrechtsverordnung von 1939

PreistreibereiVO

Preistreibereiverordnung von 1918

PreußStGB

Preußisches Strafgesetzbuch von 1851

Prof.

Professor

Prot.

Protokoll

PStR

Praxis Steuerstrafrecht (Zeitschrift, zitiert nach Jahr und Seite)

RGBl.

Reichsgesetzblatt (Teil, Seite)

RGSt

Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (zitiert nach Band und Seite)

RGZ

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (zitiert nach Band und Seite)

Rn.

Randnummer

RStGB

Reichstrafgesetzbuch von 1871

RT-Drs.

Reichstagsdrucksachen (zitiert nach Jahr und Nummer)

S.

Satz oder Seite

s.

siehe

SchwStGB

Schweizerisches Strafgesetzbuch

SK

Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch (zitiert nach Bearbeiter, Paragraph und Randnummer), 8. Auflage, Neuwied 2005

sog.

sogenannte (s / r)

Sonderb.

Sonderbeilage

Sp.

Spalte

StA

Staatsanwaltschaft oder Staatsanwalt

Stbg

Die Steuerberatung (Zeitschrift, zitiert nach Jahr und Seite)

StGB

Strafgesetzbuch

StPO

Strafprozessordnung

StraFo

Strafverteidiger-Forum

StrRG

Gesetz zur Reform des Strafrechts

StV

Strafverteidiger

20

Abku¨rzungsverzeichnis

StVBG

Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz

StVollzG

Strafvollzugsgesetz

SZ

Süddeutsche Zeitung

TAZ

Tageszeitung

u. ä.

und ähnliche (s)

u. a.

unter anderem

Urt.

Urteil

UStG

Umsatzsteuergesetz

usw.

und so weiter

UWG

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

v.

von / vom

VAG

Versicherungsaufsichtsgesetz

vgl.

vergleiche

VO

Verordnung

Vor

Vorbemerkung

WaffenG

Waffengesetz

WiStG

Wirtschaftsstrafgesetz vom 03. 06. 1975

Wistra

Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht

WM

Wertpapiermitteilungen

z. B.

zum Beispiel

ZfZ

Zeitschrift für Zölle

Ziff.

Ziffer

zit.

zitiert

ZollVerwG

Zollverwaltungsgesetz

ZPO

Zivilprozessordnung

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik

ZStR

Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht

ZStW

Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

1. Kapitel

Einleitung A. Problemstellung Die Abschöpfung von Gewinnen aus Straftaten spielt heute in der Praxis der Strafverfolgung eine zentrale Rolle. Dies beweist ein Blick in die verschiedenen Dokumentationen der Strafverfolgungsbehörden. Man liest z. B. im Bundeslagebild Organisierte Kriminalität von 2008, dass Vermögenswerte in Höhe von 169,59 Mio. A vorläufig gesichert wurden1, während beispielsweise von den Kreispolizeibehörden des Landes Nordrhein-Westfalen im Jahr 2008 43,8 Mio. A abgeschöpft wurden2. Eng verknüpft mit der Strategie der Abschöpfung krimineller Gewinne ist auch der ständig anschwellende Bereich von Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche. Dieses rechtliche Instrumentarium bietet den Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit, kriminelle Gewinne aufzuspüren und sie in einem späteren Stadium endgültig abzuschöpfen. Gleichzeitig bleibt es jedoch fraglich, ob dieses Instrumentarium die Strafverfolgungsbedürfnisse und die Rechte von Betroffenen auf eine angemessene Weise ausbalanciert. Das Interesse an einer möglichst lückenlosen Aufspürung und dem Entzug von kriminellen Erlösen war nicht immer selbstverständlich. Vor dem Hintergrund „neuer“ Kriminalitätsphänomene, wie der organisierten Kriminalität, gewinnt der Diskurs über die Erfassung krimineller Gewinne seit den späten 80er Jahren zunehmend an Bedeutung. Diese Tendenz spiegelt sich in einer betriebsamen Beschäftigung der Rechtspolitik mit dieser Materie wider: im relativ kurzen Zeitraum von zehn Jahren sind die kriminalpolitischen Akteure kaum an Eifer zu überbieten, so dass eine Reihe von Gesetzen zustande kommt; diese haben die Schaffung bzw. die Verbesserung der Rechtsvorschriften zur Gewinnabschöpfung zum vorrangigen Ziel. Durch den Entzug krimineller Gewinne soll der Gewinn – der wichtigste Anreiz zur Begehung von Straftaten – entfallen, während gleichzeitig den Strukturen der organisierten Kriminalität, die besonders gewinnorientiert agieren, das Investitionskapital entzogen werden soll. Neben diesem gegenstandsbezogenen präventiv ausgerichteten Bekämpfungsansatz kommt eine personenorientierte repressive Komponente hinzu, die durch die Strafbarkeit der Geldwäsche die Isolierung der kriminellen Gewinne, das Eindringen in die 1 2

s. BKA, Bundeslagebild Organisierte Kriminalität 2008 (Kurzfassung), S. 10 f. s. LKA Nordrhein-Westfalen, Lagebild Finanzermittlungen 2008, S. 4 f.

22

1. Kap.: Einleitung

Strukturen der Organisierten Kriminalität und letztendlich auch die Abschöpfung dieser kriminellen Gewinne bezweckt. Diese Gesetzgebung nimmt jedoch schnell inflationäre Züge an: nach Schaffung der erforderlichen normativen Grundlagen zu diesen Zwecken und bevor diese überhaupt erprobt werden können, werden sie wieder für reformbedürftig erklärt und geändert. Im Zuge der Anstrengungen für eine Effektivierung der Gewinnabschöpfung und gegen die Geldwäsche tritt eine Erweiterung der Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden zutage; sie bewirkt eine erhebliche Verkürzung von Rechtspositionen der betroffenen Individuen, die allerdings ihre Legitimation im Gefahrenpotential der zu bekämpfenden Phänomene finden soll. Im Laufe der Entwicklung haben sich aber auch die Schwerpunkte der Gesetzgebung zur Abschöpfung krimineller Profite verlagert: während am Anfang der Drogenhandel und die Organisierte Kriminalität die erforderlichen Argumentationsfiguren darstellten, kam in den Folgejahren als Anwendungsfeld der Gewinnabschöpfung und der Geldwäschebekämpfung der internationale Terrorismus hinzu. Neuerdings gibt es die ersten Anzeichen dafür, dass dieser kriminalstrategische Ansatz auch auf die Korruptionsbekämpfung ausgedehnt wird. Ziel dieser Arbeit ist es, die Entwicklung dieser Gesetzgebung unter die Lupe zu nehmen. Sie weist verschiedene Merkmale auf, die kriminalpolitisch in gewisser Weise neu sind oder zumindest in diesem Ausmaß verstärkt in Erscheinung getreten sind. Diese Merkmale könnten deshalb symptomatisch sein für Entwicklungen im gesamten Strafrechtssystem. Auf diese Weise verlangt eine Beschäftigung mit dieser Gesetzgebung eine breitere Blickrichtung, die neben den rein normativen Gegebenheiten, kriminologische Erkenntnisse und vor allem die jeweiligen kriminalpolitischen Trends berücksichtigt. Da die vorliegende Arbeit unterschiedliche Aspekte des Phänomens der Gewinnabschöpfung und der Geldwäschebekämpfung einbezieht, konnte allerdings die besonders umfangreiche Literatur zu diesen Themenbereichen nicht erschöpfend berücksichtigt werden. Um der Untersuchung einen festen methodologischen Rahmen zu verleihen, ist es erforderlich, sich Klarheit in Bezug auf Begriffe und Inhalte zu verschaffen. Dementsprechend wird im 1. Kapitel erklärt, wie der Begriff der Gewinnabschöpfung verstanden wird bzw. warum dieser Begriff benutzt wird. Da die Gewinnabschöpfung durch verschiedene Rechtsnormen realisiert werden kann, werden im Anschluss daran in aller Kürze die Vorschriften vorgestellt, die unmittelbar oder mittelbar zum Entzug krimineller Gewinne eingesetzt werden können. Vermögensgegenstände, die sich auf Straftaten oder andere verbotene Handlungen beziehen, sind aber auch in anderen Rechtsbereichen anzutreffen. Dort verfolgen sie jedoch andere Zwecke. Zum Teil werden auch unterschiedliche Gegenstände davon erfasst. Auch diese Normen werden zur klaren Absteckung des Untersuchungsgegenstands geschildert. Eine Beschäftigung mit der Materie darf allerdings auch den rechtsgeschichtlichen Zusammenhang nicht ausblenden. Denn die Berücksichtigung vergangener Rechtskonstruktionen bietet einen Einblick in die Ziele und Lösungen, die der his-

A. Problemstellung

23

torische Gesetzgeber bezüglich der kriminellen Gewinne favorisiert hat. Im 2. Kapitel wird also der Frage nachgegangen, ob und auf welche Weise kriminelle Gewinne in der gesamten Rechtsentwicklung thematisiert wurden. Wegen seiner Bedeutung für das deutsche Recht werden auch Vermögenssanktionen des römischen Rechts angesprochen. Diese Ausführungen haben allerdings lediglich einen darstellenden Charakter, eine exegetische Untersuchung oder eine tiefergehende Analyse wurde nicht angestrebt. Ziel der Einbeziehung der späteren deutschen Strafrechtskodifikationen und der gesamten Reformentwürfe ist es, aufzuzeigen, ob das Anliegen zur Gewinnabschöpfung auf ältere Rechtsgedanken zurückgeht und wie diese Rechtsgedanken das heutige Recht beeinflusst haben. Obwohl das Postulat des Entzugs krimineller Gewinne in der Reformdiskussion der 60er Jahre eine gewisse Rolle spielte, führte diese Thematik in den Folgejahren ein Schattendasein. Die endgültige Einführung der Verfallsvorschriften aber vor allem die darauf folgende Vernachlässigung dieser Bestimmungen veranlasst allmählich eine kriminalpolitische Diskussion, im Rahmen der Forderungen an den Gesetzgeber gestellt werden: die Gewinnabschöpfung als eine „Dritte Spur der Verbrechensbekämpfung“ drängt ins Bewusstsein von Akteuren der Rechtspolitik. Somit ist von einer „Wiederentdeckung“ der Gewinnabschöpfung die Rede. Im 3. Kapitel werden also die neu eingeführten Grundlagen zur Gewinnabschöpfung sowie ihre Unzulänglichkeiten erörtert. Die vertrackte Gesetzestechnik dieser Vorschriften wurde oft als Grund für ihr damaliges Schattendasein in der Praxis angeführt. In diesem Zusammenhang wird jedoch auch der Frage nachgegangen, ob möglicherweise die Aktualität der Gewinnabschöpfung nicht nur mit normativen Schwachstellen, sondern auch mit Umwandlungen des Strafrechtssystems zusammenhängt. Im kriminalpolitischen Diskurs wird allerdings der Gewinnabschöpfung oft eine bestimmte präventive Wirkungsweise zugeschrieben, ohne jedoch nachzufragen, ob diese empirisch belegt ist. Aus diesem Anlass wird eine kriminologische Betrachtung unumgänglich, welche den gesetzgeberischen Bemühungen um eine Optimierung des dazugehörigen Rechts die notwendigen Rechtstatsachen liefern könnte. Diese Wiederentdeckung vollzieht sich in der deutschen Rechtsordnung mit dem Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen organisierter Kriminalität. Dieses Gesetzeswerk schafft die Grundlagen für eine wie auch immer gemeinte effektive Gewinnabschöpfung. Hier werden die genauen Inhalte, die vielfältige Kritik sowie die Rezeption der neuen Gewinnabschöpfungsinstrumente durch die Rechtsprechung dargelegt. Kriminelle Gewinne sollen jedoch nicht nur abgeschöpft werden; jeglicher Kontakt mit ihnen bzw. ihre Verwertung wird durch die Einführung des Geldwäschetatbestands (§ 261 StGB) kriminalisiert. Die Geldwäscheproblematik gerät somit im Laufe der Entwicklung immer mehr ins Visier des Gesetzgebers. Der Schwerpunkt internationaler und nationaler Bemühungen wird graduell von Sanktionen zur Abschöpfung krimineller Gewinne auf die Geldwäschebekämpfung verschoben. Im 4. Kapitel wird anhand von internationalen Abkommen sowie von natio-

24

1. Kap.: Einleitung

nalen Bemühungen thematisiert, wie diese Verlagerung die entsprechende Gesetzgebung dominiert. Von großer Bedeutung ist in diesem Stadium die Verabschiedung des Geldwäschegesetzes, das durch die Einbeziehung der Finanzwirtschaft in die Geldwäschebekämpfung die strafrechtliche Spur der Geldwäschebekämpfung mit einer gewerbeaufsichtsrechtlichen Komponente anreichert. Das nächste Stadium der Entwicklung ist durch den Versuch gekennzeichnet, das Recht der Gewinnabschöpfung und der Geldwäschebekämpfung zu optimieren, zu erweitern, zu straffen. Im 5. Kapitel werden die zahlreichen Entwürfe sowie die Gesetze untersucht, welche die Intensivierung der Geldwäschebekämpfung und der Gewinnabschöpfung verfolgten. Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz, Viertes Finanzmarktförderungsgesetz, nicht zuletzt Geldwäschebekämpfungsgesetz, sind Gesetzeswerke, die mit verschiedenen Akzentuierungen die Optimierung der Gewinnabschöpfung aber vor allem die Geldwäschebekämpfung bzw. -prävention vorantreiben wollten. Hinter dieser gesetzgeberischen Betätigung verbergen sich verschiedene kriminalpolitische Vorstellungen, die in diesem Rahmen ausführlich diskutiert werden. Die Untersuchung folgt einer chronologischen Reihenfolge, so dass im 6. Kapitel die aktuellsten Entwicklungen vorgestellt werden. Das Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und zur Verbesserung der Vermögensabschöpfung ist in diesem Zusammenhang bemüht, das staatliche Interesse an Gewinnabschöpfung mit Ansprüchen von Tatverletzten abzustimmen. Gleichzeitig werden in diesem Kapitel die Anstrengungen des europäischen und deutschen Gesetzgebers diskutiert, das Geldwäschebekämpfungsrecht durch Einführung eines risikobasierten Ansatzes umzugestalten. Diese Anstrengungen mündeten in das Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz. Die Entwicklung des Rechts gegen die Geldwäsche gilt jedoch alles andere als abgeschlossen. Im 7. Kapitel werden die Ergebnisse der Untersuchung präsentiert. Die „Stationen“ der Gesetzgebung über Gewinnabschöpfung und Geldwäsche werden zusammengefasst. Zugleich wird der Versuch unternommen, hinter den normativen Novellierungen die allgemeineren kriminalpolitischen Zusammenhänge aufzuspüren und auf dieser Grundlage Tendenzen dieses Rechts aufzuzeigen. Am Beispiel der Gewinnabschöpfung und der Geldwäschebekämpfung lassen sich klar die Herausforderungen und vor allem die Gefahren dokumentieren, denen das Strafrecht in einer sich rasch verändernden Gesellschaft ausgesetzt ist. Die Gefahren werden jedoch oft hoch emotionalisiert, um auf diese Weise die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber tiefgreifenden staatlichen Maßnahmen zu erhöhen. Somit vollzieht sich allmählich eine Abkehr von einem Strafrecht als einem Instrument zum Rechtsgüterschutz und zur Lösung gesellschaftlicher Konflikte hin zu einem „modernen“ Strafrecht, das das Ungleichgewicht zwischen Täter und Staat konzeptualisiert und auf einen kriminalstrategischen Interventionsansatz reduziert wird. Somit ist die vorliegende Arbeit bestrebt, zur Rationalisierung der oft über-

B. Gegenstand der Untersuchung

25

hitzten Debatte über kriminelle Gewinne beizutragen und gleichzeitig Schwachstellen dieses „neuen“ Strafrechts darzulegen.

B. Gegenstand der Untersuchung: Die Abschöpfung von kriminellen Gewinnen Der Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist die Entwicklung der Gesetzgebung über die Abschöpfung krimineller Profite und Geldwäschebekämpfung. Die Rechtsinstitute zur Gewinnabschöpfung werden deshalb mit der Geldwäschebekämpfung in Verbindung gebracht, weil das Recht gegen Geldwäsche auch auf den Entzug kriminellen Vermögens abzielt. Zunächst wird die Begrifflichkeit der Gewinnabschöpfung erläutert (unter I.). Das Ziel der Abschöpfung rechtswidrig erlangter Profite wird im geltenden Recht durch unterschiedliche Sanktionen verfolgt: einigen dieser Sanktionen kommt unmittelbar eine gewinnabschöpfende Funktion zu (unter II.1), während andere nur am Rande und mittelbar zu diesem Zweck eingesetzt werden können (unter II.2). Zuletzt werden auch solche Vorschriften, welche die Abschöpfung krimineller Erträge in Nebengesetzen regeln oder andere Sanktionen erörtert, die sich ebenso auf Vermögensgegenstände des Täters beziehen, ohne jedoch auf die kriminelle Herkunft abzustellen (unter III.). Letztere werden in der vorliegenden Arbeit nicht berücksichtigt. Analysiert wird lediglich die Entwicklung der Maßnahmen, die zum Hauptziel den Entzug rechtswidrig erlangten Vermögens haben. Denn hinter diesen Maßnahmen verbirgt sich ein bestimmter kriminalpräventiver Ansatz.

I. Begriffsbestimmung Unter dem Begriff „Gewinnabschöpfung“ versteht man die Abschöpfung aller aus einer Straftat gezogenen Gewinne, die in das Vermögen eines Tatbeteiligten oder – unter bestimmten Voraussetzungen – von Dritten tatsächlich zugeflossen sind. In der Fachliteratur werden die Begriffe Gewinnabschöpfung und Vermögensabschöpfung fast immer identisch verwendet.3 Eine genaue Betrachtung beider Begrifflichkeiten ergibt jedoch, dass zwischen den beiden ein feiner Unterschied besteht. Bei der Gewinnabschöpfung handelt es sich ausschließlich um die Abschöpfung von „Gewinnen“: dieser Begriff impliziert eine wertmäßige Vermögens3 Während am Anfang der einschlägigen Diskussion in wissenschaftlichen Publikationen meist der Begriff Gewinnabschöpfung benutzt wurde, ist heute in vielen Beiträgen von Vermögensabschöpfung die Rede: Rönnau, Vermögensabschöpfung in der Praxis; Podolsky / Brenner, Vermögensabschöpfung im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren; der Begriff „Vermögensabschöpfung“ ist auch im letzten Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und zur Vermögensabschöpfung bei Straftaten enthalten, s. unten 6. Kap. B. I.

26

1. Kap.: Einleitung

vermehrung. Der resultierende Vermögenszuwachs wird durch eine Saldierung des Vermögens vor und nach einem wirtschaftlich relevanten Vorgang festgestellt. Bei dieser Saldierung sind alle Kosten abzuziehen, die für einen Tatbeteiligten für die Begehung der Tat entstanden sind. Maßgebend ist somit der sogenannte „Nettogewinn“. Der Begriff der Vermögensabschöpfung hat dagegen ein weiteres semantisches Feld: während der Gewinn immer Teil des Vermögens ist, setzt der Begriff des Vermögens nicht einen Vergleich der wirtschaftlichen Situation des Täters vor und nach der Tat voraus. Die Vermögensabschöpfung deutet somit den Entzug von Vermögen von Kriminellen und nicht ausschließlich von kriminell erlangtem Vermögen an. Hierdurch kann auch eine den Nettogewinn übersteigende Summe erfasst werden. Auf diese Weise kann eine so verstandene Vermögensabschöpfung strafähnliche Züge erlangen. Der Begriff Vorteilsabschöpfung, der manchmal auch benutzt wird, trägt sowohl dem Gewinn als auch dem Entgelt als mögliche Tatvorteile Rechnung.4 Insofern handelt es sich dabei um einen allgemeineren Begriff. Nichtsdestoweniger scheint der Begriff „Gewinnabschöpfung“ zutreffender zu sein. Legt man den Begriff des Gewinns zugrunde, wie er im alltäglichen Sprachgebrauch verwendet wird, umfasst er alles, was der Täter aus der oder für die Tat erlangt hat, im Sinne einer materiellen Vermehrung. Dieser Begriff ist auch neutraler, so dass z. B. das Missverständnis, dass er auch konfiskationsähnliche Sanktionen einbeziehen kann, vermieden wird. Die „Gewinnabschöpfung“ trägt somit dem ausgleichenden Charakter der einschlägigen Maßnahmen besser Rechnung und wird deswegen in der vorliegenden Arbeit verwendet.

II. Normative Grundlagen der Gewinnabschöpfung im StGB Das Konzept der Gewinnabschöpfung im deutschen Strafrechtssystem beruht auf zwei Säulen: die erste bezieht sich auf den Entzug des aus einer Straftat erlangten Erlöses. Durch die entsprechenden Regelungen (die wichtigsten davon sind die Verfallsvorschriften nach §§ 73 ff. StGB) wird die Wiederherstellung der durch die Straftat verletzten Vermögensordnung, wie sie vor der Tatbegehung war, und somit die Rückgängigmachung einer rechtswidrigen Vermögensverschiebung bezweckt. Die zweite Säule betrifft die Inkriminierung von Handlungen, welche zum Ziel der Verschleierung der kriminellen Herkunft von Vermögenswerten und deren Einschleusung in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf begangen werden. Dieser Zwecksetzung unterliegt die umfangreiche Geldwäschegesetzgebung.5 Zu4 Müther, Die Vorteilsabschöpfung im Ordnungswidrigkeitenrecht in § 17 Abs. 4 OWiG unter Berücksichtigung des deutschen und europäischen Kartellrechts, S. 3.

B. Gegenstand der Untersuchung

27

nächst wird auf die Sanktionen eingegangen, die unmittelbar der Gewinnabschöpfung dienen.

1. Sanktionen mit unmittelbar gewinnabschöpfender Funktion a) Verfall (§§ 73 ff. StGB) Die Vorschriften über den Verfall sind im Gegensatz zu den verwandten Einziehungsregelungen relativ neu. Sie sind mit dem 2. StrRG eingefügt worden.6 Der Hintergrund ihrer Schaffung liegt in der Novellierung der Geldstrafe mit der Einführung des Tagessatzsystems. Die Zumessung der Geldstrafe, die seit diesem Zeitpunkt in zwei Schritten vollzogen wird, richtet sich nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verurteilten und lässt deswegen für die Berücksichtigung krimineller Gewinne wenig Raum. Dem Verfall kommt somit eine lückenfüllende Funktion zu. Durch den Verfall soll das aus einer oder für eine Straftat Erlangte abgeschöpft werden. Die Vorschrift lässt eine nur rechtswidrige, von der Anklage umfasste und im Verfahren festgestellte Tat genügen. Auch Gewinne, welche sich aus einer strafbaren versuchten Tat ergeben, kommen als Verfallsgegenstände in Betracht. Der Gewinn muss unmittelbar aus der Tat erlangt worden sein. Die Unmittelbarkeit zwischen Straftat und Gewinn ist als ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zu verstehen. Von dieser Regel werden aber auch Ausnahmen statuiert, so z. B. für durch die Tat gezogenen Nutzungen oder für Surrogate. Der Verfall umfasst – nach der heute geltenden Fassung – alles, was ein Täter oder Teilnehmer aus einer oder für eine Tat erlangt hat. Der Umfang des Verfalls ist eine Konsequenz des sog. „Bruttoprinzips“, wonach die Gesamtheit des Erlangten abzuschöpfen ist, ohne potentielle Kosten oder Aufwendungen des Täters zu berücksichtigen. Der Anwendungsbereich der Verfallsvorschriften beschränkt sich auf Fälle, in denen dem Geschädigten keine Ansprüche aus der Tat erwachsen. Solche Ansprüche entfalten gegenüber dem Verfall eine Sperrwirkung, unabhängig davon, ob sie geltend gemacht werden oder nicht. Dies führt im Ergebnis zu einem Ausschluss der Gewinnabschöpfung bei allen Delikten, die individualisierbare Opfer haben. 5 Die Geldwäschebekämpfung kann als strategischer Ansatz nicht selbständig betrachtet werden. Sie bildet den Teil eines breit angelegten Konzepts, den Straftätern den Ertrag aus Straftaten zu entziehen. Die Erfassung und Ahndung von Geldwäschehandlungen will genau wie die Verfallsvorschriften das Verbrechen vermögensbezogen bekämpfen; letztendlich führt eine Verurteilung wegen Geldwäsche zu einer Verfallsanordnung. Das Konzept der Gewinnabschöpfung beinhaltet somit alle Bemühungen, dem strafrechtswidrigen Tun vermögensbezogen entgegenzuwirken. 6 Nämlich zum 1. 1. 1975, s. BGBl. I 1969, S. 717. Ursprünglich war das Inkrafttreten zunächst für den 01. 10. 1973 vorgesehen, wurde aber verschoben.

28

1. Kap.: Einleitung

Als Adressaten des Verfalls kommen nicht nur Tatbeteiligte, sondern auch Dritte in Betracht, sofern ihnen der wirtschaftliche Gewinn aus der Tat zugeflossen ist (§ 73 Abs. 3 StGB, die sog. „Vertreterklausel“) oder der Dritteigentümer, wenn er quasi-schuldhaft in die Tat verwickelt ist (§ 73 Abs. 4 StGB, die sog. „Drittverfallsklausel“). Durch diese Regelungen kommt die Absicht des Gesetzgebers zum Ausdruck, komplizierte Fälle mit Hintermännern vor allem im Bereich der organisierten Kriminalität (kurz: OK) zu erfassen. Neben dem Originalverfall wird in § 73a StGB der Wertersatzverfall geregelt. Dieser wird dann angeordnet, wenn der Verfall des erlangten Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus anderen Gründen nicht möglich ist. Da oft die genaue Ermittlung des Verfallsgegenstands bzw. dessen Höhe sehr kompliziert ist, dient die Schätzungsmöglichkeit (§ 73b StGB) der Vereinfachung, indem diese das Gericht von der schwierigen Aufgabe befreit, bis ins Einzelne gehende Feststellungen über Art und Umfang der Vermögenswerte zu treffen. Schließlich lässt die Härtevorschrift in verschiedenen Konstellationen das Absehen von einer Verfallsanordnung zu (§ 73c StGB).

b) Erweiterter Verfall (§ 73d StGB) Das Institut des erweiterten Verfalls, das im Jahr 1992 eingeführt wurde, soll Beweisschwierigkeiten im Bereich des einfachen Verfalls ausräumen. Die „Erweiterung“ im Vergleich zum einfachen Verfall ist zweigleisig: zum einen sind geringere Anforderungen an den Zusammenhang zwischen der Straftat und den daraus erlangten Vermögenswerten zu stellen. Für die Anordnung dieser Verfallsart genügt es, wenn lediglich „Umstände die Annahme rechtfertigen“, dass die Gegenstände für rechtswidrige Taten oder aus ihnen erlangt worden sind. Zum anderen müssen die Verfallsgegenstände nicht ausschließlich aus der abzuurteilenden Straftat stammen; sie können auch aus anderen, nicht näher zu konkretisierenden Taten stammen. Diese Vorschrift wollte dem in der kriminalistischen Praxis vermutlich oft auftretenden Umstand Rechnung tragen, dass beim Täter hohe Vermögenswerte aufgefunden werden, die einer bestimmten Straftat nicht zugeordnet werden können, angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters jedoch zu vermuten ist, dass sie aus einer Straftat herrühren. Die Vorschrift ist als Blankettnorm ausgestaltet. Die auf sie verweisenden Straftatbestände decken ein breites Spektrum von Tatbeständen ab, von § 33 Abs. 1 Nr. 2 BtMG (Erweiterter Verfall bei Straftaten nach dem BtMG) über Geld- und Wertzeichenfälschung (§ 150 Abs. 1 S. 2 StGB) bis hin zur Beteiligung am unerlaubten Glücksspiel (§ 286 StGB). Meistens geht die Anwendung des erweiterten Verfalls auf eine banden- oder eine gewerbsmäßige Begehungsweise des einschlägigen Tatbestands zurück. Das Verhältnis zum herkömmlichen Verfall wird durch den Vorrang des Verfalls nach § 73 StGB geprägt. Verschiedene Verfallsvorschrif-

B. Gegenstand der Untersuchung

29

ten werden beim erweiterten Verfall sinngemäß angewendet (bspw. der Wertersatzverfall nach § 73a StGB und die Schätzung nach § 73b StGB). Da die Vermögenswerte, die dem erweiterten Verfall unterliegen, nicht unbedingt aus Straftaten stammen, die Gegenstand des Verfahrens sind, wäre theoretisch eine mehrfache Verfallsanordnung für identische Objekte denkbar. Dieser Umstand sollte durch § 73d Abs. 3 StGB vermieden werden. Die Regelung über den Erweiterten Verfall hat heftige Kritik ausgelöst. Die Vereinbarkeit des § 73d StGB mit verfassungsrechtlichen Prinzipien sowie mit strafrechtsdogmatischen Überlegungen, die Auslegungspraxis der Gerichte sowie die weit reichenden Konsequenzen für die kriminalpolitische Landschaft werden in dem entsprechenden Kapitel näher erläutert. c) Vermögensstrafe (§ 43a StGB a. F.) Die Vermögensstrafe (§ 43a StGB) wurde, ebenso wie der erweiterte Verfall, im Zuge der Gesetzgebung gegen die organisierte Kriminalität eingeführt. Diese Sanktion, die eine echte Kriminalstrafe war, räumte dem Gericht die Möglichkeit ein, neben einer lebenslangen oder zeitigen Freiheitsstrafe über zwei Jahren eine Geldsummenstrafe zu verhängen. Die Höhe dieser Strafe richtete sich nach dem Vermögen des Täters und zwar unabhängig davon, ob dieses aus legalen oder illegalen Quellen herrührt. Das Gericht verpflichtete sich, für den Fall der Uneinbringlichkeit der Vermögensstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen. Genau wie beim erweiterten Verfall wurde eine Verweisungstechnik verwendet. Diese Sanktion war vielfacher Kritik ausgesetzt. Beanstandet wurde sie vor allem wegen ihrer Unvereinbarkeit mit verschiedenen Verfassungsprinzipien. Trotz einer verfassungskonformen Auslegung durch den BGH, wurde die Vermögensstrafe im Jahr 2002 für nichtig erklärt. Die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift sowie ihre konkrete Ausgestaltung haben jedoch einen indiziellen Charakter für den Verlauf der einschlägigen Gesetzgebung, so dass diese Sanktion in die nachfolgende Darstellung einbezogen wird. Letztendlich bleibt immer noch die Frage nach einer eventuellen kriminalpolitischen Notwendigkeit der Vermögensstrafe. d) Geldwäsche (§ 261 StGB) Durch den Geldwäschetatbestand werden solche Handlungen unter Strafe gestellt, welche die Einschleusung von Vermögensgegenständen unter Verdeckung ihrer kriminellen Herkunft in den Finanz- und Wirtschaftskreislauf zum Ziel haben.7 Zweck dieser Vorschrift ist es, jegliche Gewinne, die aus einer im Vortatenkatalog enthaltenen Straftat stammen, verkehrsunfähig zu machen, während jedoch daneben andere kriminalpolitische Ziele, wie die Erleichterung der Gewinnab7

Vgl. Krey / Dierlamm, JR 1992, S. 353, 354.

30

1. Kap.: Einleitung

schöpfung und die Aufdeckung und Zerschlagung krimineller Strukturen, eine wichtige Rolle spielen. Geldwäschehandlungen sind das Verbergen von inkriminierten Gegenständen, das Verschleiern ihrer Herkunft sowie jegliche andere Handlungen, die den Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auf die kriminell erworbenen Vermögenswerte vereiteln oder nur gefährden. Ferner umfasst die Vorschrift als abstraktes Gefährdungsdelikt das Sich-Verschaffen, Verwahren und Verwenden von solchen Gegenständen. Tatobjekte sind alle vermögenswerten Gegenstände, welche aus einer Vortat herrühren, wobei diese Formulierung auslegungsbedürftig erscheint.

2. Mit mittelbarer gewinnabschöpfender Funktion a) Geldstrafe (§ 40 StGB) Am 01. 01. 1975 trat das 2. StrRG in Kraft, das für die Bemessung der Geldstrafe das Tagessatzsystem einführte. Die Geldstrafe wird in nunmehr zwei Schritten verhängt.8 Zuerst wird die Anzahl der Tagessätze festgesetzt. Diese spiegelt das Maß des verschuldeten Unrechts wider, wobei in diesem Stadium auch spezialund generalpräventive Erwägungen maßgeblich sein können. Danach wird die Höhe des Tagessatzes bestimmt. Dieser zweite Schritt dient der Anpassung der Strafe an die jeweilige Leistungsfähigkeit des Verurteilten. Nach § 40 Abs. 2 StGB werden bei der Bemessung der Tagessatzhöhe die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters berücksichtigt. Als Ausgangspunkt dient das sog. Nettoeinkommensprinzip, wonach sich die Höhe des Tagessatzes am Nettoeinkommen des Täters nach Abzug jeglicher Verbindlichkeiten richtet.9 Legt man also den Wortlaut der Regelung des § 40 StGB zugrunde, scheidet der Gewinn aus Straftaten als Strafzumessungskriterium grundsätzlich aus. In diesem Zusammenhang fragt sich allerdings, ob bei der Bemessung der Geldstrafe auch sonstige Vermögenspositionen des Täters zu berücksichtigen sind. Zunächst dient die normtechnische Ausgestaltung der Geldstrafe nicht zur Klarstellung. Hinweise für die Berücksichtigung des Vermögens liefern die Wendung in § 40 Abs. 2 StGB, wonach „in der Regel“ – und damit nicht ausschließlich – vom Nettoeinkommen ausgegangen wird, sowie die Einbeziehung des Vermögens als Schätzungsgrundlage im § 40 Abs. 3 StGB.10 Allerdings steht die ganz über8 Dazu Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 107; Schäfer betrachtet die Bewilligung von Zahlungserleichterungen als einen dritten Schritt bei der Bemessung der Geldstrafe, Praxis der Strafzumessung, Rn. 77. 9 Vor der Einführung des Tagessatzsystems wurde die Geldstrafe nach dem sog. „Einbußenprinzip“ bemessen, wonach sich die Tagessatzhöhe an dem orientierte, was der Angeklagte pro Tag über sein Existenzminimum entbehren konnte, s. Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 109; vgl. für das österreichische Strafrecht, wo dieses Prinzip immer noch gilt, Fabrizy, StGB Kommentar, § 19, Rn. 3.

B. Gegenstand der Untersuchung

31

wiegende Meinung in der Literatur einer Berücksichtigung des Vermögens als Bemessungsgrundlage wegen der möglichen Transformation der Geldstrafe zu einer Konfiskation ablehnend gegenüber.11 Eine teleologische Betrachtung führt auch nicht zu einem eindeutigen Schluss. Denn es lässt sich nicht bestreiten, dass die Hauptfunktion der Geldstrafe nicht die Gewinnabschöpfung ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Möglichkeit, durch Geldstrafe Vermögen bzw. Gewinn abzuschöpfen, ausgeschlossen wird.12 Dieser Möglichkeit werden jedoch enge Grenzen gesetzt. Die Geldstrafe unterliegt dem Schuldprinzip: damit darf ihre Höhe den Unrechtsgehalt der Tat nicht übersteigen; das würde bedeuten, dass eine Gewinnabschöpfung nur im Fall eines hohen Maßes an verschuldetem Unrecht betrieben werden könnte, d. h. nur bei der Verhängung einer besonders hohen Anzahl von Tagessätzen. Aber auch in solchen Fällen ist die Abschöpfung von kriminellen Erträgen nur dann zulässig, soweit diese dem Verurteilten selbst tatsächlich zustehen.13 Anzumerken ist natürlich auch, dass bei einem hohen Unwert der Tat eher die Freiheitsstrafe und nicht mehr die Geldstrafe in Betracht kommen würde. Als einzige Möglichkeit der Entziehung rechtswidrig erlangter Gewinne durch Geldstrafe bleibt praktisch nur die Heranziehung des § 46 Abs. 2 StGB. Danach werden auch die Beweggründe und die Ziele des Täters als Strafzumessungsgrundlagen anerkannt. Das Gewinnstreben und die Bereicherung mit kriminellen Methoden könnten also in das Strafzumessungsverfahren als Strafschärfungsgründe Einzug erhalten und damit dem Richter erlauben, durch die Bemessung der Geldstrafe dem Täter seine Erträge zu entziehen. Aber selbst dieses Abschöpfungspotential ist problembefrachtet und zwar wegen des Doppelverwertungsverbots (§ 46 Abs. 3 StGB). Nach diesem Prinzip dürfen Strafzumessungstatsachen nicht berücksichtigt werden, wenn sie bereits Tatbestandsmerkmale sind. Sieht man sich im Besonderen Teil des Strafgesetzbuches um, stößt man bei den meisten Vermögensdelikten oft auf subjektive Merkmale wie Bereicherungsabsicht, Gewinnsucht oder Habgier, die dementsprechend bei der Strafzumessung keine Rolle spielen dürfen. Zusammenfassend kann man den Schluss ziehen, dass die Geldstrafe nur in Grenzfällen als Gewinnabschöpfungsmittel zum Einsatz kommen kann.

10 Dazu von Selle, Gerechte Geldstrafe, S. 155. Von Selle stellt zur Abgrenzung vom Einkommen das Vermögen in diesem Fall mit den Begriffen des Vermögensstammes oder der Vermögenssubstanz gleich. 11 Von Selle, Gerechte Geldstrafe, m. w. N. S. 159 ff. 12 Dazu Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 110. 13 S. BGH NStZ 1993, S. 34, mit Anm. Krehl, NStZ 1993, S. 336.

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1. Kap.: Einleitung

b) Geldstrafe neben Freiheitsstrafe (§ 41 StGB) Diese Sanktionsmodalität durchbricht die Alternativität von Geld- und Freiheitsstrafe. Nach § 41 StGB liegt es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, neben einer verhängten Freiheitsstrafe, eine Geldstrafe auszusprechen, wenn durch die Tatbegehung eine Bereicherungsabsicht zum Ausdruck kommt oder eine Bereicherung eingetreten ist. Die Kumulation der Geld- mit der Freiheitsstrafe stellt keine Strafrahmenerweiterung dar. Deswegen müssen nach der herrschenden Meinung bei der Bemessung der Teilstrafen die Höhe der Freiheitsstrafe und die Anzahl der Tagessätze mit dem verschuldeten Unrecht abgestimmt sein.14 Die Beachtung des Schuldprinzips bei der Verhängung der kumulativen Geldstrafe hebt der BGH besonders hervor, indem er es für zulässig hält, die zusätzliche nach § 41 StGB verhängte Geldstrafe bei der Bemessung der Freiheitsstrafe strafmildernd zu berücksichtigen.15 An die tatsächlich erfolgte Bereicherung stellt die Rechtsprechung andere Anforderungen als an den Verfallsgewinn. Dementsprechend wird die Bereicherung auch dann bejaht, wenn sich aus der Tat nur indirekt Vermögensvorteile erzielt wurden.16 Allerdings sollte man beachten, dass die Bemessung der Gesamtstrafe nach § 41 StGB den allgemeinen Strafzumessungsregeln unterliegt. Das bedeutet zum einen, dass die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt werden und zum anderen, dass die kumulierte Geldstrafe nach Tagessätzen bemessen wird. Wenn also die wirtschaftliche Lage des Verurteilten auch wegen des Wegfalls seiner Einkommensquelle durch die Freiheitsstrafe nicht günstig ist, sollte die Kumulation aus Resozialisierungsgründen und damit die an sie gekoppelte Gewinnabschöpfung ausbleiben. In diesem Zusammenhang darf auch nicht übersehen werden, dass die Verhängung der Geldstrafe auch bei einer versuchten Tat erfolgen kann. In diesem Fall ist keine Bereicherung eingetreten; erfasst wird nicht ein eventueller Gewinn (denn die Tat wurde nicht vollendet), sondern ein Teil des schon vorhandenen Vermögens des Täters. Die Zwecksetzung dieser Sanktion ist somit lediglich in der Bestrafung des Täters bzw. seines Motivs zu sehen.17

14 Vgl. Lackner / Kühl § 41, Rn. 5; Schönke / Schröder / Stree § 41, Rn. 8; SK / Horn § 41 Rn. 2 f.; anders Maurach / Gössel / Zipf, Strafrecht AT, Teilband 2, § 59 III, Rn. 33. 15 Vgl. BGHSt 32, S. 60, 66 f.; ebenso SK / Horn § 41, Rn. 4. 16 BGHSt 26, S. 325; 32, S. 60 ff. 17 Vgl. Eberbach, NStZ 1987, S. 486, 487.

B. Gegenstand der Untersuchung

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c) Geldauflagen in Verbindung mit Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung (§ 56b Abs. 2 Nr. 2 StGB) und mit der Verwarnung mit Vorbehalt (§ 59a Abs. 2 Nr. 3 StGB) Die Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung, welche aufgrund spezialund generalpräventiver Erwägungen des Gesetzgebers die Zurückdrängung kurzer Freiheitsentziehungen bezweckt18, kann in Verbindung mit verschiedenen Auflagen ausgesprochen werden. Die Straffreiheit des Verurteilten während der Bewährungszeit (§ 56a StGB) ist als Voraussetzung für einen endgültigen Straferlass nicht immer ausreichend. Der Gesetzgeber sah sich gehalten, dem Täter zusätzliche Pflichten aufzuerlegen, welche als eine Art „Ersatzübel“ fungieren. Die Frage in diesem Zusammenhang ist, ob diese Auflagen eine gewinnabschöpfende Funktion entfalten könnten. Nach der Bestimmung des § 56 Abs. 1 StGB dienen die Auflagen der Genugtuung für das begangene Unrecht. Damit verlagert sich die Frage auf den genauen Inhalt des Begriffs der Genugtuung. Konkreter wäre zu überprüfen, ob die Gewinnabschöpfung auch einen Teil einer Genugtuung für das begangene Unrecht darstellt. Der Begriff der Genugtuung sollte im Kontext der Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgelegt werden. Durch den Ausspruch dieses Rechtsinstituts wird der Wille des urteilenden Gerichts bekundet, einer ambulanten Behandlung des Verurteilten den Vorzug zu gewähren. Die verhängte und nicht vollstreckte Freiheitsstrafe wird durch die Auferlegung von Auflagen fühlbar gemacht.19 Die Genugtuung für das begangene Unrecht ist dann als gewährleistet anzusehen, wenn die Auflagen in der Rechtsgemeinschaft ein Gefühl der Befriedigung darüber hervorrufen, dass die vom Täter verursachte Rechtsverletzung nicht ohne Sanktion geblieben ist.20 Den Bürgern soll nicht der Eindruck vermittelt werden, dass der Täter einer Bestrafung entkommen ist. Damit wird den Auflagen eine Ausgleichsfunktion für das verschuldete Unrecht und ein in erster Linie repressiver Charakter zuerkannt.21 Die Auflagen führen tendenziell zur Wiederherstellung des Rechtsfriedens. Diese beinhaltet freilich auch die Rückgängigmachung von rechtswidrigen Vermögensverschiebungen, so dass sich die Gewinnabschöpfung auch zu diesem Zweck eignen kann. Der Entzug krimineller Gewinne kann vor allem dann zur Genugtuung beitragen, wenn eine Verfallsanordnung wegen theoretisch bestehender, jedoch nicht geltend gemachter Individualansprüche gem. § 73 Abs. 1 S. 2 StGB ausbleibt. Allerdings ist unter Wiederherstellung des verletzten Rechtsfriedens auch die Schadenswiedergutmachung zu verstehen, der dementsprechend gegenüber den Schönke / Schröder / Stree § 56, Rn. 1. Insofern ist in einem Urteil von OLG Celle von einer Denkzettelfunktion die Rede, s. NStZ 1990, S. 148 m. Anm. Arloth. 20 Schönke / Schröder / Stree § 56b, Rn. 4. 21 LK / Hubrach § 56b, Rn. 1 ff. 18 19

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1. Kap.: Einleitung

übrigen Auflagen der Vorrang eingeräumt wird. Sie bezieht sich spezieller auf die Verbrechensopfer und bringt eine zunehmende Beachtung von Opferbelangen zum Ausdruck. Wenn also Verletztenansprüche entstanden sind und zusätzlich die Verletzten ermittelt worden sind, tritt via Auflagen der Täter-Opfer-Ausgleich in den Vordergrund. Anders verhält es sich aber, wenn es aus irgendwelchen Gründen keine individualisierbaren Opfer gibt oder wenn die bereits entstandenen Ansprüche nicht geltend gemacht werden. Dann wäre eine Gewinnabschöpfung durch die Auflagen sinnvoll; denn die Belassung der Gewinne beim Täter würde dem zugrunde liegenden Gerechtigkeitspostulat bzw. dem Anliegen der Genugtuung widersprechen.22 Gesetzlich ist bei der Festsetzung der Auflagenhöhe keine Höchstgrenze vorgesehen. Dabei ist die schon besprochene Funktion und Zwecksetzung der Auflagen maßgeblich, allerdings in Verbindung mit der Zumutbarkeitsklausel des § 56b Abs. 1 S. 2 StGB.23 Diese Klausel stellt eine Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsprinzips dar. Der Mangel einer festgelegten Höchstgrenze ermöglicht die Orientierung der Höhe der Auflagen auch an dem Umfang des beim Täter noch festgestellten Gewinns.24 Die zu verhängenden Auflagen müssen aber auch mit der Tatschuld und Tatschwere abgestimmt sein. Bei der Festlegung der Auflagenhöhe können generalund spezialpräventive Erwägungen ebenso eine Rolle spielen. Daraus ergibt sich eine Strafähnlichkeit dieser Maßnahme, so dass der Schuldgrundsatz beachtet werden muss.25 Das relativiert die oben gemachten Aussagen und schränkt die Möglichkeit einer umfassenden Gewinnabschöpfung erheblich ein. Bei Straftaten, bei denen hohe Gewinne erzielt wurden, die aber aus anderen Gesichtspunkten einen eher niedrigen Unwertsgrad aufweisen, wäre eine Abschöpfung krimineller Erträge nur im Rahmen des Schuldangemessenen, also in einem sehr begrenztem Rahmen möglich. Letztlich bleibt es in der einschlägigen Literatur ein Streitthema, ob diese Geldauflagen in der Höhe und nach den Strafzumessungskriterien einer Geldstrafe festzusetzen sind26 oder ob deren Höhe unabhängig von einer Geldstrafe bestimmt Vgl. Eberbach, NStZ 1987, S. 486, 488. Die Unzumutbarkeit ist anzunehmen, wenn die Höhe der Geldbuße entweder zur Tatschuld oder zu der Vermögens- und Einkommenslage des Verurteilten in einem offenbaren Missverhältnis steht, so LK / Hubrach § 56b, Rn. 16. 24 Vgl. Eberbach, NStZ 1987, S. 486, 488; Lackner / Kühl § 56b, Rn 4; der Möglichkeit einer Gewinnabschöpfung gegenüber ablehnend SK / Horn § 56b, Rn. 2a; Schönke / Schröder / Stree § 56b, Rn. 12. Nach dem Urteil von OLG Hamm v. 25. 6. 1991 – 1 Ws 319 / 91, NStZ 1991, 583 darf der Gewinn nicht allein maßgeblich sein. 25 M. w. N. Schönke / Schröder / Stree § 56b, Rn. 2 ff.; ablehnend MK / Groß § 56b, Rn. 2, der die Auflagen als eine „Übelzufügung“ charakterisiert und für Maßnahmen repressiven Charakters hält; da sie in rein technischem Sinne keine Strafen darstellen, spricht er die Geltung des Schuldgrundsatzes für diesen Bereich ab. 22 23

B. Gegenstand der Untersuchung

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wird27. Würde man der ersten Betrachtungsweise folgen, stünden der Gewinnabschöpfung die gleichen Hindernisse entgegen, die bereits bei der Erörterung der Geldstrafe erwähnt wurden. Würde man aber auch die Höhe der Auflagen von den für die Geldstrafe erarbeiteten Grundsätzen abkoppeln, bliebe das Potential einer Gewinnabschöpfung durch Geldauflagen extrem gering. Ähnliches gilt für die Auflagen, die in Verbindung mit einer Verwarnung mit Strafvorbehalt ausgesprochen werden (§ 59a Abs. 2 Nr. 3 StGB). Diese Sanktion, welche die Hürde einer Strafe nicht erreicht28, wird im Schrifttum als strafrechtliches Reaktionsmittel eigener Art mit maßnahmenähnlichem Charakter qualifiziert.29 Mit einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe ist ihr die innewohnende Bewährungsidee gemeinsam. Sowohl der Wortlaut der einschlägigen Vorschrift (§ 59a Abs. 2 Nr. 3 StGB) als auch der kriminalpolitische Zweck, der dahinter steckt, sind mit der entsprechenden Zielsetzung der Geldauflagen bei einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe (§ 56b Abs. 2 Nr. 2 und 4 StGB) identisch. Deshalb wird auf die oben gemachten Ausführungen verwiesen. Die Heranziehung der Tat und der Persönlichkeit des Täters als Kriterien für die Auferlegung von Geldauflagen im Fall des § 56b Abs. 2 Nr. 2, 4 StGB wird jedoch in der identischen Formulierung weggelassen. Die Gründe dafür sind nicht nachzuvollziehen; jedenfalls ändert dies nichts für die Korrelation der Geldauflagen mit der Möglichkeit der Gewinnabschöpfung. d) Geldauflagen in Verbindung mit der Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit (§ 153a Abs. 1 Nr. 2 StPO) Letztlich sollte der Frage nachgegangen werden, inwieweit die Geldauflagen nach § 153a Abs. 1 Nr. 2 StPO im Fall einer Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit zur Abschöpfung krimineller Gewinne geeignet sind. Diese Fragestellung kann unter dem Blickwinkel der kriminalpolitischen Bedeutung der Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO beleuchtet werden: aus der zunehmenden Heranziehung der Vorschrift in der alltäglichen Justizpraxis ergeben sich Vorteile im Hinblick auf die Entlastung des Gerichtspersonals und der Staatsanwaltschaften. Durch eine derartige Verfahrenseinstellung wird eine schnelle Erledigung in einem vereinfachten Verfahren ohne Schuldspruch ermöglicht. 26 SK / Horn § 56b, Rn. 9; ders., StV 1992, S. 537, 539; a. A. Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 165; Lackner / Kühl § 56b, Rn. 4; Schäfer, Praxis der Strafzumessung, Rn. 171; LK / Hubrach § 56b, Rn. 16; Schönke / Schröder / Stree § 56b, Rn. 12. 27 So MK / Groß § 56b, Rn. 19. 28 So die überwiegend h. M. Streng, Strafrechtliche Sanktionen, Rn. 132; Dreher, FS für Maurach, S. 275, 294; LK / Hubrach § 59a, Rn. 4; a. A. NK / Albrecht § 59a, der die Verwarnung mit Strafvorbehalt für eine zur Bewährung ausgesetzte Geldstrafe hält. 29 BayOLG, Beschluss v. 30. 09. 1975 m. Anm. Schöch, JR 1978, S. 74, 75; Jescheck / Weigend, Strafrecht AT, S. 855 ff. geht von einer kriminalrechtlichen Sanktion strafähnlicher Art aus.

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1. Kap.: Einleitung

Die Geldauflagen, die in diesen Fällen auferlegt werden, sollen bei Berücksichtigung der Schwere der Schuld das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung beseitigen. Mit anderen Worten dienen sie, genau wie die oben erörterten Auflagen (§ 56b Abs. 2 Nr. 2 StGB und § 59a Abs. 2 Nr. 3 StGB) der Genugtuung für das begangene Unrecht. Sie sollen für den Angeklagten eine spürbare finanzielle Belastung darstellen.30 Das Gesetz sieht zwar keine Höchstgrenze vor und lässt den Rechtsanwender – auch in diesem Fall – bezüglich der Kriterien und Faktoren, die bei der Bemessung der Geldauflagen relevant sind, im Unklaren.31 Nach einhelliger Meinung in der Literatur sind die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten entscheidend. Es wird auch die Ansicht vertreten, dass sich die Auflagenhöhe an der Höhe einer vermutlichen Geldstrafe oder- würde eine Freiheitsstrafe in Betracht kommen- an der Höhe der mit einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe zusammenhängenden Geldauflagen32 orientiert. Allerdings ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip immer zu beachten, so dass an den Beschuldigten keine unzumutbaren Anforderungen zu stellen sind. Allgemein lassen sich diese Auflagen in ihrer Höhe am Umfang der aus der Tat erzielter Vermögensvorteile ausrichten.33 Diese Möglichkeit ist jedoch, ähnlich wie bei den übrigen Geldauflagen, begrenzt. Die erste Schranke ist auf eine teleologische Auslegung zurückzuführen. Die Geldauflagen weisen nicht den Charakter einer echten strafrechtlichen Sanktion auf.34 Sie funktionieren als Kompensation des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung. Damit wird der Genugtuungsfunktion der Vorrang gewährt. Die Gewinnabschöpfung wird dahingehend begrenzt, dass der Gewinn nicht berücksichtigt werden kann, wenn das Bedürfnis nach Genugtuung für das begangene Unrecht und der entstandene Gewinn weit auseinander klaffen. Eine zweite Beschränkung für eine umfassende Gewinnabschöpfung ergibt sich aus der Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsprinzips bzw. des Übermaßverbotes: demgemäss sollen bei der Festsetzung der Höhe der Geldauflagen auch spezialpräventive Erwägungen Raum finden. Das bedeutet, dass von einer möglichen Gewinnabschöpfung alle nicht mehr vorhandenen Vermögensvorteile ausscheiden würden.35 Allerdings sind die Verfahren, die nach § 153a Abs. 1 Nr. 2 StPO eingestellt werden, von einem geringen Schuldvorwurf gekennzeichnet. Das Maß dieses Vgl. Schäfer, Praxis der Strafzumessung, Rn. 31. Meyer-Goßner, StPO § 153a, Rn. 19. 32 So Schäfer, Praxis der Strafzumessung, Rn. 33; ablehnend Löwe-Rosenberg / Beulke, StPO § 153a, Rn. 57; HK / Krehl StPO § 153a, Rn. 25. 33 s. Dessecker, Gewinnabschöpfung im Strafrecht und in der Strafrechtspraxis, S. 46; a. A. Albrecht in: Meyer / Dessecker / Smettan (Hrsg.), Gewinnabschöpfung bei Betäubungsmitteldelikten, S. 25 ff. 34 BGHSt 28, 174, 176, wo aufgrund des Erfordernisses der Zustimmung des Beschuldigten zu einer Einstellung nach § 153a StPO den entsprechenden Auflagen ein strafähnlicher Charakter abgesprochen wird. 35 Dessecker, Gewinnabschöpfung, S. 46. 30 31

B. Gegenstand der Untersuchung

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Schuldvorwurfs lässt sich auch am erzielten Gewinn messen. Ist der Gewinn hoch und muss deshalb eine umfassende Gewinnabschöpfung erfolgen, ist das Maß der Schuld in der Regel hoch, so dass das Verfahren wegen eines existierenden öffentlichen Interesses nicht eingestellt werden darf. So wird die geringe praktische Relevanz der Gewinnabschöpfung bei eingestellten Verfahren offensichtlich. Der Betriebsalltag in der Justiz scheint aber diese Behauptung zu widerlegen. Trotz dogmatischer Schwierigkeiten wird in der Strafverfolgungspraxis eine Tendenz besonders deutlich: zunehmend kommt es, vor allem im Bereich von Wirtschaftsstraftaten, zu Absprachen zwischen den Parteien. Vor dem Hintergrund der praktischen Handhabung der Verfallsvorschriften, nicht zuletzt wegen der Verstrickung juristischer Personen, ziehen es die Staatsanwaltschaften vor, mit Zustimmung des Gerichts36 und des Beschuldigten das Verfahren gegen die Zahlung eines vereinbarten erheblichen Geldbetrags einzustellen, manchmal auch wenn der Schuldvorwurf eine Bestrafung durch ein Strafverfahren rechtfertigen würde. Diese Praxis der „formlosen“ bzw. außergerichtlichen Gewinnabschöpfung37, die verschiedene Formen nehmen kann38, dient als ein erster Hinweis auf eine kriminalpolitische Tendenz. Die Verwendung von Begriffen wie „Absprachen“ und „Parteien“ spricht für eine schleichende Privatisierung des Strafrechts: Die Strafverfolgungsorgane agieren in diesen Fällen nach ökonomischen Kriterien: wichtiger als ein rechtsstaatliches Verfahren mit ungewissem Ausgang erscheint nach dieser Betrachtungsweise der frühzeitige und endgültige Entzug hoher Beträge, die der Staatskasse zufließen. Im Zuge dieses Prozesses treten der Schuldausgleich sowie general- und spezialpräventive Zwecksetzungen zurück, die nur durch eine rechtskräftige Verurteilung zu erreichen sind. Vor allem die spezialpräventiven Einwirkungen, die sich aus einer „informellen“ Gewinnabschöpfung durch Absprachen ergeben, sind keinesfalls mit den entsprechenden Einwirkungen einer Gewinnabschöpfung zu vergleichen, die in einem fairen Verfahren mit unterschiedlichen Abwehrrechten des Angeklagten und neben einer rechtsstaatlich verhängten Strafe angeordnet wird. Ähnliches gilt auch im Hinblick auf den generalpräventiven Wert der Gewinnabschöpfung: durch die Auflagen bei einer Verfahrenseinstellung mögen (mutmaßlich) inkriminierte Vermögenswerte abgeschöpft werden, einer derartigen Abschöpfung fehlt es jedoch an der kommunikativen Kraft, die eine formelle Verfallsanordnung hat. Es besteht somit die Gefahr, dass der Entzug von kriminellen Erträgen allmählich von einem rechtsförmigen Gerichtsverfahren entbunden wird. Ob die Voraussetzungen für eine Verfallsanordnung vorliegen oder ob die Höhe der erzielten 36 Diese Zustimmung wird allerdings meistens ohne genaue Prüfung der besonderen Umstände des Falles erteilt. 37 Vgl. Thode, Die außergerichtliche Einziehung von Gegenständen im Strafprozess, S. 15. 38 Solche Beispiele führt Lammer aus, in: Strafverteidigervereinigungen (Hrsg.), Erosion der Rechtsstaatlichkeit, S. 56, 75.

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1. Kap.: Einleitung

Gewinnabschöpfung durch die bei einer Verfahrenseinstellung verhängten Geldauflagen angemessen ist, kann wegen des informellen Charakters nicht überprüft werden. So kann nicht ausgeschlossen werden, dass Dritteigentümerrechte tangiert werden, dass Beschuldigte zu solchen „Vereinbarungen“ gezwungen werden oder dass sich verdächtige Verflechtungen zwischen den Strafverfolgungsorganen und den betroffenen, oft finanziell vermögenden Personen ergeben. Die angedeuteten rechtsstaatlichen Garantien, zuallererst das Verhältnismäßigkeitsgebot und das Recht auf den gesetzlichen Richter, würden um einer angenommenen Effektivität willen aufgeopfert. Neben einer derartigen Privatisierung des Strafrechts und des Strafverfahrens wird in diesem Fall auch ersichtlich, wie verschiedene Rechtsinstitute zu wesensfremden Zielen instrumentalisiert werden können. In diesem Fall werden also sowohl das gesamte Konzept der Gewinnabschöpfung als auch die Verfahrenseinstellung wegen Geringfügigkeit missverstanden oder absichtlich zu anderen Zwecken verwendet, als ursprünglich gedacht. Die Gewinnabschöpfung kann also mit den oben analysierten Sanktionen nur mittelbar und in einem sehr begrenzten Umfang betrieben werden.

III. Abgrenzung des Untersuchungsbereichs Neben den Vorschriften des StGB, die unmittelbar oder mittelbar der Gewinnabschöpfung dienen, existiert eine Reihe von Regelungen, durch die kriminelle Erträge abgeschöpft werden können, wobei bei diesen Vorschriften ein anderer Zweck im Vordergrund steht. In anderen Fällen sind solche Sanktionen aus dem StGB ausgegliedert, so dass sie bei der Entwicklung des Kernrechts der Gewinnabschöpfung nur am Rande oder gar nicht berücksichtigt werden können. Zunächst werden die Vorschriften des StGB über die Einziehung präsentiert (unter. 1), die einschlägigen Regelungen im Ordnungswidrigkeitenrecht (unter 2.) und die spezielle Abführung des Mehrerlöses des Wirtschaftsstrafgesetzes (unter 3.). Schließlich werden auch die Vorteilsabschöpfung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (unter. 4) sowie die Sicherstellungsvorschriften der StPO (unter 5.) kurz erläutert.

1. Die Einziehung (§§ 74 ff. StGB) Im Zentrum der strafrechtlichen Sanktionen gegen das Eigentum steht die Einziehung.39 Diese Sanktionsart, deren Voraussetzungen in den §§ 74 ff. StGB sowie 39 s. auch das grundlegende Werk von Eser, Die strafrechtlichen Sanktionen gegen das Eigentum.

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in speziellen Gesetzen40 geregelt ist, richtet sich gegen die Tatprodukte und Tatwerkzeuge. Dieses Rechtsinstitut kommt in zwei Fällen zur Anwendung: a) wenn durch eine vorsätzliche Straftat bestimmte Gegenstände hervorgebracht wurden, die sog. „producta sceleris“ oder b) wenn Gegenstände zur Begehung oder Vorbereitung einer Tat dienen (oder dienen könnten); dann ist von „instrumenta sceleris“, also von Tatwerkzeugen, die Rede. Daraus wird ersichtlich, dass sich der Einziehungsgegenstand vom entsprechenden Verfallsobjekt unterscheidet. Für verfallen zu erklären ist allgemein das, was der Tatbeteiligte aus einer Straftat erlangt hat; erlangt sind aber vom Tatbeteiligten auch die Tatprodukte. So scheint der Verfallsgegenstand auf den ersten Blick in manchen Fällen auch die möglichen Einziehungsgegenstände mit zu erfassen. Die herrschende Meinung in der Lehre und in der Rechtsprechung betrachtet als einziehungsfähige „producta sceleris“, nur diejenigen Gegenstände, die unmittelbar durch die Tat hervorgebracht wurden. Konkreter ist die Unmittelbarkeit nur dann zu bejahen, wenn die Existenz oder der gegenwärtige Zustand der Gegenstände auf die Tatbegehung zurückgehen.41 Von dieser Definition miterfasst wird auch eine strafbare Veränderung des Gegenstands (z. B. unechte oder verfälschte Urkunden, Falschgeld, Produktimitationen usw.42) Somit wird klargestellt, dass eine allgemeine Erlangung eines Gegenstands vom Tatbeteiligten die betroffene Sache oder das Recht nicht automatisch zu einem möglichen Verfallsgegenstand macht. Diese Erlangung, die erst aufgrund der Straftat geschieht, lässt den Einziehungsgegenstand spezieller im Verhältnis zum Verfallsgegenstand erscheinen.43 Ansonsten ist eine allgemeine Andersartigkeit zwischen Einziehungs- und Verfallsgegenstand festzustellen, so dass durch die Einziehungsvorschriften nur am Rande bzw. keine Gewinnabschöpfung möglich ist. Ziel dieser Ausführungen ist nicht, beide Rechtsinstitute normativ in Vergleich zu setzen; es ist allerdings unabdingbar, auf die mit der Einziehung zu verfolgenden Ziele einzugehen. So wird klar, dass die Einziehung auch aus diesem Grunde nicht als Abschöpfungsmittel eingesetzt werden kann und deswegen als Untersuchungsgegenstand in der vorliegenden Analyse ausscheidet. Die Einziehung von Tatprodukten und Tatwerkzeugen weist nach der herrschenden Meinung keine einheitliche Rechtsnatur auf.44 Man unterscheidet die Strafund die Sicherungseinziehung. Die erste richtet sich ausdrücklich gegen Sachen Z. B. §§ 22 ff. OWiG für das Ordnungswidrigkeitenrecht; § 54 WaffenG. Schönke / Schröder / Eser § 74, Rn. 8; NK / Herzog § 74 Rn. 7; LK / Schmidt § 74 Rn. 14. 42 Weitere Beispiele in: NK / Herzog § 74 Rn. 7 f. 43 Anders verhält sich bei den Tatwerkzeugen, wo es zu keinen Überschneidungen kommen kann. 44 s. Herzog / Mülhausen, GwHdb, § 23, Rn. 46 ff. m. w. N. 40 41

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oder Rechte, die dem Tatbeteiligten gehören oder zustehen (§ 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB). Hintergrund dieser Regelung ist die sog. Verwirkungsidee.45 Nach diesem theoretischen Ansatz kann und darf der Eigentumsschutz, der sich auf Art. 14 GG stützt, nicht demjenigen gewährt werden, der sein Eigentum gegen die Rechtsordnung eingesetzt hat. Der Täter einer mit Strafe bedrohten Handlung hat dadurch seine Eigentumsrechte missbraucht, so dass er den entsprechenden Grundrechtsschutz verwirkt hat. Auf diese Weise trägt der Rechtsstaat dem Postulat des Unrechtsausgleichs Rechnung, indem er dem Täter durch die Durchbrechung der Eigentumsgarantie die Folgen seiner Tat fühlbar machen will.46 Die Einziehung weist in dieser Konstellation eine pönale Zwecksetzung auf; gleichzeitig sind darin general- oder spezialpräventive Erwägungen dahingehend relevant, dass durch die Einziehung Tätern als auch der Allgemeinheit verdeutlicht werden soll, dass der Staat kriminelle Handlungsweisen nicht toleriert.47 Die Sicherungseinziehung (§ 74 Abs. 2 Nr. 2 StGB) erfasst ebenso dieselben Gegenstände, die aber wegen ihrer Gefährlichkeit aus dem Verkehr gezogen werden müssen. Durch diese Gefährlichkeit ist nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes die Allgemeinheit betroffen. Die Gefahr, die von diesen Gegenständen ausgeht, ergibt sich aus ihrer Beschaffenheit je nach ihrer Art oder den Umständen oder aufgrund eines bestimmten Zusammenhangs dieser Gegenstände zum Täter bzw. Eigentümer. In die erste Kategorie fallen bspw. Gegenstände, die nach ihrer physikalischen oder chemischen Zusammensetzung geeignet sind, Gefahren oder Schäden für die Allgemeinheit hervorzurufen.48 Zur zweiten Kategorie gehören hingegen Gegenstände, mit denen der Täter Straftaten begehen will. Hier wird eine konkrete Gefahr vorausgesetzt; diese ist gegeben, wenn „offensichtliche Anhaltspunkte im Sinne einer begründeten Besorgnis dafür bestehen, dass eine Straftat, bei der eine Verstrickung der betreffenden Gegenstände zu befürchten ist, bevorsteht“.49 Die Einziehungsanordnung ist allerdings nur nach dem Überschreiten einer gewissen Verdachtsschwelle bezüglich einer künftigen Straftat zugelassen.50 Diese Einziehung dient dem Zweck der Sicherung von Rechtsgütern der Allgemeinheit; ihrem Charakter nach ähnelt sie den Maßregeln der Besserung und Sicherung.51 45 S. Eser, Sanktionen, S. 173 ff.; ablehnend Geiger, Die Rechtsnatur der Sanktion, S. 220 ff. 46 OLG Karlsruhe NJW 1974, 709; Schönke / Schröder / Eser § 74, Rn. 18; Gilsdorf, JZ 1958, S. 641 ff. 47 So NK / Herzog, Vor §§ 73 ff., Rn. 10; Lackner / Kühl, § 74, Rn. 1a. 48 LK / Schmidt § 74, Rn. 53; Schönke / Schröder / Eser § 74, Rn. 31; SK / Horn § 74, Rn. 20, wie z. B. Waffen und Sprengstoffe, Gifte, radioaktive Substanzen, Rauschmittel oder verdorbene Lebensmittel. 49 Grundlegend zum Begriff der Gefahr s. BGHSt 18, 271 ff. 50 Als solche sind alle Gegenstände anzusehen, die Straftaten ermöglichen sollen: zu Betrugszwecken hergestellte Kunstkopien (s. BGH JZ 1988, S. 936); Geld, welches zur Begehung von Straftaten dienen soll (exemplarisch dafür BGH NStZ 1985, S. 262). Andere Beispiele bei NK / Herzog § 74, Rn. 31 ff.

B. Gegenstand der Untersuchung

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Wollte man den strafrechtlichen Verfall in die Analyse einbeziehen, leuchtet die andersartige Zwecksetzung sofort ein: durch Verfall wird dem Täter der Gewinn seiner kriminellen Tat entzogen. Dieser Entzug bzw. der Anspruch der Rechtsordnung, dem Straftäter seine Tatfrüchte nicht zu belassen, ähnelt einer Restitution; dies bedeutet, dass die Person aufgefordert wird, Sachen oder Rechte zurückzuerstatten, sofern kein rechtlicher Grund für deren Erwerb besteht. Deswegen wird der Verfall aus der bisher in Theorie und Praxis herrschenden Lehre als eine „quasikondiktionelle Ausgleichsmaßnahme eigener Art“ konzipiert.52 Allerdings sind dabei auch spezial- und generalpräventive Erwägungen zu berücksichtigen.53 Im Zusammenhang damit ist auch anzumerken, dass die Verfallsanordnung vorrangig den kriminellen Gewinn, unabhängig von Schuldgesichtspunkten, abschöpft. Die Schwere der Schuld oder der Unwert der Tat werden dabei gar nicht in Erwägung gezogen; anders formuliert: der Verfall ist völlig von der Bejahung der strafrechtlichen Schuld abgekoppelt, so dass er auch im Fall einer schuldlosen Tat anzuordnen ist.54 Im Gegensatz dazu wird die Strafeinziehung neben der Hauptstrafe verhängt; sie ist also in diesem Fall als eine Art Nebenstrafe gedacht; Haupt- und Nebenstrafe müssen der Schwere der Schuld entsprechen. Da die Einziehung ein zusätzliches Übel darstellt, muss sie mit dem „Hauptübel“, also mit der Strafe, abgestimmt sein. Das bedeutet, dass die Einziehung schuldabhängig ist55, so dass, wenn das verschuldete Unrecht im Einzelfall gering ist, von einer Einziehung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips abgesehen werden kann. Unter diesem Licht erscheint der fakultative Charakter der Einziehung völlig gerechtfertigt. Nach dieser Argumentation wird klar, dass die Einziehung aus den oben genannten Gründen als Gewinnabschöpfungsmittel nicht in Betracht kommt. Nimmt man freilich die historischen Vorläufer der heute geltenden Einziehung und des Verfalls unter die Lupe, kommt man zu dem Schluss, dass es am Beginn ihrer Entwicklung zwischen beiden nicht differenziert wurde. Deswegen muss man bei der Betrachtung der Historie der Gewinnabschöpfung die Einziehung ansatzweise berücksichtigen. Weiterhin wird auf das Thema eingegangen, wie die Gewinnabschöpfung in verwandten Rechtsbereichen geregelt ist.

LK / Schmidt, § 74, Rn. 7; Schönke / Schröder / Eser, Vor § 73, Rn. 15. Dazu s. unten 3. Kap. A. V. 53 Mit dem Begriff „spezialpräventiv“ meint man in diesem Zusammenhang, dass der wichtigste Tatanreiz, der materielle Gewinn, für die Zukunft entfällt und im Rahmen der organisierten Kriminalität die finanzielle Basis und das Investitionskapital ebenso entzogen wird. Generalpräventiv kann der Rechtsgemeinschaft vor Augen geführt werden, dass sich das Verbrechen nicht lohnt. 54 Als Anknüpfungstat lässt der Tatbestand des Verfalls (§ 73 StGB) eine nur rechtswidrige Tat ausreichen. 55 Im gesetzlichen Tatbestand ist von einer vorsätzlichen Tat die Rede (§ 74 StGB). 51 52

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1. Kap.: Einleitung

2. Die Gewinnabschöpfung im Ordnungswidrigkeitenrecht Das Recht der Ordnungswidrigkeiten sieht auch eine Abschöpfung rechtswidrig erlangter Vorteile vor. Die Ausgestaltung der Gewinnabschöpfung in diesem Feld folgt jedoch einer anderen Systematik. Konkreter werden im Ordnungswidrigkeitenrecht die Vorteile, die ein Tatbeteiligter aus einer Ordnungswidrigkeit oder für sie erlangt hat, durch die Geldbuße erfasst. Nach § 17 Abs. 4 OWiG werden für die Bemessung der Höhe einer Geldbuße neben der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit, dem Vorwurf, der den Täter trifft und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters auch der wirtschaftliche Vorteil des Täters herangezogen. Der Begriff „wirtschaftlicher Vorteil“ deutet auf eine Saldierung der wirtschaftlichen Lage des Täters vor und nach der Begehung der Ordnungswidrigkeit hin und statuiert die Geltung des Nettoprinzips: etwaige Aufwendungen des Täters sowie Steuern sind bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen.56 Dieser Vorteil erschöpft sich nicht in einem in Geld zugeflossenen Gewinn; er kann ein sonstiger wirtschaftlicher Vorteil sein.57 Reicht das gesetzliche Höchstmaß der Geldbuße zur Abschöpfung des rechtswidrig erlangten Vorteils nicht aus, kann dieses nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 17 Abs. 4 OWiG überschritten werden. Im Rahmen der Abschöpfung durch die Geldbuße ist auch die Schätzung möglich.58 Jedenfalls handelt es sich beim § 17 Abs. 4 OWiG um eine Ermessensvorschrift: sie ist also als eine Zumessungsrichtlinie zu verstehen, die es erlaubt, den erzielten Vorteil ganz oder teilweise zu vernachlässigen, soweit dies nach den Umständen des Einzelfalles geboten wäre.59 Die Abschöpfung rechtswidrig erlangter Vorteile durch die Geldbuße hat den wichtigen Vorteil, dass durch eine Sanktion unterschiedliche Zwecke verfolgt werden können: auf diese Weise wird der Rechtsfolgenausspruch vereinfacht, so dass die Anordnung einer besonderen Sanktion zur Gewinnabschöpfung nicht erforderlich ist.60 Die Regelung hat aber andererseits den Nachteil, dass eine Lücke in jenen Fällen entstehen könnte, in denen aus irgendwelchen Gründen 56 KK-OWiG / Mitsch § 17, Rn. 117 ff.; Lemke, OWiG § 17, Rn. 33; Bohnert, OWiG § 17, Rn. 26; Göhler, OWiG § 17, Rn. 41 ff. 57 Wie z. B. die Verbesserung der Marktposition des Täters durch die Ausschaltung oder das Zurückdrängen von Konkurrenten, s. auch m. w. N. Göhler, OWiG § 17 Rn. 41 ff.; Bohnert, OWiG § 17, Rn. 26; Lemke, OWiG § 17 Rn. 29 ff.; Schwacke, Recht der Ordnungswidrigkeiten, S. 55; zum Begriff des „wirtschaftlichen Vorteils“ sehr ausführlich: Müther, Vorteilsabschöpfung im Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 52 ff. 58 Bohnert, OWiG § 17 Rn. 27; Göhler, OWiG § 17, Rn. 45; KK-OWiG / Mitsch § 17, Rn. 116. 59 KK-OWiG / Mitsch § 17, Rn. 114; Lemke, OWiG, § 17 Rn. 36; OLG Köln, GA 1960, S. 187 ff. 60 Göhler, OWiG Vor § 29a, Rn. 1; dabei wird oft bezweifelt, ob die Richterschaft nach dem Strafausspruch gewillt sein wird, sich mit den komplizierten Fragen einer Verfallsanordnung auseinanderzusetzen.

B. Gegenstand der Untersuchung

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keine Geldbuße festgesetzt wird, wie z. B. wenn der Täter zwar rechtswidrig, aber nicht vorwerfbar gehandelt hat. Der praktisch wichtigste Fall ist aber derjenige, in dem der Täter für einen anderen gehandelt und letzterer dadurch etwas erlangt hat.61 In all diesen Fällen wird von der Festsetzung einer Geldbuße abgesehen, so dass auch der wirtschaftliche Vorteil aus der Tat oder für diese dem Täter verbleiben könnte. Dieser Regelungslücke will das subsidiär geltende Institut des Verfalls (§ 29a OWiG) entgegenwirken.62 Der Verfall wird damit nur dann gegen den Täter angeordnet, wenn keine Geldbuße festgesetzt wird.63 Das ist bspw. der Fall bei Freispruch oder Einstellung des Verfahrens wegen fehlender Verantwortlichkeit oder wegen sonstiger Verfahrenshindernisse.64 Von der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit kann auch aus Opportunitätsgründen abgesehen werden.65 In solchen Fällen eröffnete sich nach der ursprünglichen Fassung die Möglichkeit, den Verfall des wirtschaftlichen Vorteils selbständig anzuordnen. In diesen Fällen galt also ebenso das Nettoprinzip. Mit Art. 5 des Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, des Strafgesetzbuches u. a. wurde der Begriff des Vermögensvorteils im § 29a OWiG durch das Wort „etwas“ ersetzt.66 Nunmehr wird also nicht der reine Gewinn sondern die gesamte Vermögensvermehrung des Täters abgeschöpft. Nach dieser Gesetzesänderung gilt das Bruttoprinzip auch im Bereich des Verfalls im Ordnungswidrigkeitenrecht, so dass jegliche Aufwendungen des Täters für die Tatbegehung nicht in Abzug genommen werden. Vor dem Hintergrund, dass diese Änderung auch im Bereich des Verfalls eingeführt wurde, kann man den gesetzgeberischen Willen erkennen, die innere Systematik aller verwandten Rechtsinstitute untereinander abzustimmen. Anders als beim strafrechtlichen Verfall hat der Verfall nach § 29a OWiG keine unmittelbare dingliche Wirkung.67 Unabhängig von der Natur des dem Täter zugeflossenen Vorteils, richtet sich der Verfall lediglich auf einen Geldbetrag, der dem Wert des Erlangten entspricht.68 Die Wirkung einer rechtskräftigen VerfallsanordKK-OWiG / Mitsch § 29a, Rn. 2 ff. Diese Vorschrift wurde durch das 2. WiKG vom 15. Mai 1986 eingeführt, BGBl. I 1986, S. 721 ff. 63 Rosenkötter, Das Recht der Ordnungswidrigkeiten, Rn. 226a; Lemke, OWiG § 29a Rn. 4 ff.; Göhler, OWiG § 29a, Rn. 1; KK-OWiG / Mitsch § 29a, Rn. 2. 64 Bohnert, OWIG § 29a, Rn. 8. 65 In diesem Punkt sei daran erinnert, dass im gesamten Ordnungswidrigkeitenrecht das Opportunitätsprinzip gilt, so dass den Verfolgungsbehörden eine Ahndungserlaubnis und keine Ahndungspflicht auferlegt wird, s. auch § 47 OWiG. 66 AWGStGB-ÄndG vom 28. 02. 1992, BGBl. I 1992, S. 372; zu den Auswirkungen des Bruttoprinzips für den strafrechtlichen Verfall, s. unten 3. Kap. E. VI. 67 Mitsch, Recht der Ordnungswidrigkeiten, § 17, Rn. 8; KK-OWiG / Mitsch § 29a, Rn. 5, 7, 12. 68 Rosenkötter, Das Recht der Ordnungswidrigkeiten, Rn. 228. 61 62

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1. Kap.: Einleitung

nung im Ordnungswidrigkeitenrecht besteht also darin, dass eine Forderung des Staates gegen den Verfallsbetroffenen auf Zahlung des festgesetzten Geldbetrags entsteht.69 Diese Regelung ist auf Praktikabilitätserwägungen zurückzuführen: die Ermittlung des jeweiligen Originalgewinns, bei Ordnungswidrigkeiten, die einen ubiquitären Charakter haben, würde die zuständigen Behörden übermäßig belasten.70 Letztendlich ist die Verfallsanordnung nicht zwingend vorgesehen. Sie liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Bußgeldbehörde. Deswegen ist eine Härtevorschrift oder eine ausdrückliche Berücksichtigung von Verletztenansprüchen überflüssig. Bei der Gewinnerzielung für Betriebe oder Unternehmen durch deren Angestellte besteht in beschränktem Umfang auch die Möglichkeit, über § 30 OWiG (Verbandsgeldbuße) oder § 130 OWiG (Verletzung der Aufsichtspflicht in Betrieben und Unternehmen) gegen den Inhaber des Betriebs oder Unternehmens eine Geldbuße festzusetzen und dabei auch den erlangten Vermögensvorteil abzuschöpfen.71 Das Anliegen einer umfassenden Gewinnabschöpfung wird also auch im Recht der Ordnungswidrigkeiten lokalisiert. Die differenzierte Systematik auf dem Gebiet der Ordnungswidrigkeiten hängt nicht zuletzt mit dem unterschiedlichen Charakter und mit den durch diese Rechtsmaterie zu verfolgenden Zielen zusammen.72 Aus diesem Grund wird die Entwicklung der einschlägigen Gesetzgebung nicht bzw. nur am Rande berücksichtigt. 3. Die Abführung des Mehrerlöses (§ 8 WiStG) Ein Instrument zur Gewinnabschöpfung ist auch in einem speziellen Gesetz anzutreffen: es handelt sich um die Mehrerlösabführung des Wirtschaftsstrafgesetzes von 1954 (§§ 8 ff. WiStG).73 Das Wirtschaftsstrafgesetz von 1954, das auf das erste Wirtschaftsstrafgesetz von 1949 zurückgeht, zielte auf eine Kodifizierung von verschiedenen Rechtsnormen des Wirtschaftsstrafrechts ab, die zuvor in Verordnungen verankert waren.74 Vgl. auch Schroth, wistra 1986, S. 158 ff. So auch Göhler, OWiG § 29a, Rn. 25; dazu auch die Begründung zum 2. WiKG, BTDrs. 10 / 318, S. 37. 71 Göhler, OWiG § 30, Rn. 37. 72 Dazu s. Mitsch, Recht der Ordnungswidrigkeiten, § 17, Rn. 1 ff.; Thieß, Ordnungswidrigkeitenrecht, Rn. 91; Drathjer, Die Abschöpfung rechtswidrig erlangter Vorteile im OWiG, S. 26 ff. 73 Gesetz zur weiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts v. 09. 07. 1954, BGBl. I 1954, S. 175 ff., zuletzt geändert durch Gesetz zur Einführung des Euro in Rechtspflegegesetzen und in Gesetzen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts usw. v. 13. 12. 2001, BGBl. I 2001, S. 3574 ff. 74 Z. B. die Preistreibereiverordnung 1918, RGBl. 1918 S. 395. 69 70

B. Gegenstand der Untersuchung

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Im Wirtschaftsstrafgesetz wurden somit bestimmte „Zuwiderhandlungen“ typisiert, z. B. strafbare Verstöße gegen Sicherstellungsvorschriften (§§ 1 – 2 WiStG) und ordnungswidrige Verstöße gegen Preisregelungen (§§ 3 ff. WiStG). Gleichzeitig ersetzte dieses Gesetz die in den früheren Gesetzen enthaltene Gewinneinziehung mit einem auf den ersten Blick neuen Rechtsinstitut: die Nebenfolge der Mehrerlösabführung (§§ 8 – 10 WiStG). Die Wurzeln dieser Regelung reichen bis in die Zeit des ersten Weltkrieges zurück, wo sich der Gesetzgeber aufgrund der starken Zunahme von Wuchergeschäften verpflichtet sah, eine staatliche Abschöpfung rechtswidrig erlangter Vorteile zu schaffen: die unberechtigt erworbene Kriegsgewinne mussten zurückgegeben werden. In einer Zeit extrem gestörter ökonomischer und politischer Verhältnisse verfolgte der Gesetzgeber durch die Mehrerlösabführung in erster Linie den Schutz der Allgemeinheit und nur zweitrangig den Schutz des Einzelnen.75 Durch die Nebenfolge der Mehrerlösabführung hatte es der damalige Gesetzgeber auf eine abschreckende Wirkung abgesehen, indem er kommunizierte, dass die Beibehaltung von durch Wucher erlangten Erträgen nicht toleriert würde. Vom Täter der in den §§ 1 – 5 WiStG aufgeführten Zuwiderhandlungen76 wird somit der Mehrerlös abgeführt. Unter diesem Begriff wird die Differenz zwischen einem zulässigen und einem verbotswidrig erzielten Preis verstanden.77 Die Anordnung der Mehrerlösabführung richtet sich gegen den Täter der Zuwiderhandlung, nicht jedoch gegen andere Empfänger, denen möglicherweise dieser Mehrerlös zugeflossen ist. § 10 Abs. 2 WiStG führt eine Ausnahme von dieser Regel ein, welche die Abführung des Mehrerlöses gegen den Inhaber oder den Leiter eines Betriebs oder eines Unternehmens zulässt, wenn sinngemäß die einschlägige Zuwiderhandlung in einem Betrieb oder Unternehmen begangen wurde.78 Ist der Inhaber oder Leiter des Betriebs keine natürliche Person, kann die Mehrerlösabführung selbständig auch gegen die betroffene juristische Person oder Personengesellschaft des Handelsrechts verhängt werden. Diese Regelung schafft ein umfassendes Abschöpfungsmittel, das jedoch eher der Wirtschaftslenkung diente und eine Neuordnung von durch den Krieg gestörten Vermögensverhältnissen anstrebte. Auf diese Weise wird ersichtlich, wie die Gewinnabschöpfung als ein Mittel zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt werden kann. Dazu Kohte, NJW 1982, S. 2803, 2806. § 1 WiStG enthält einen Straftatbestand, während die folgenden Vorschriften bestimmte Verhaltensweisen als „Zuwiderhandlungen“ typisieren, also als Ordnungswidrigkeiten; so auch Rosenkötter, Das Recht der Ordnungswidrigkeiten, Rn. 218 ff. 77 Z. B. einen überhöhten Mietspreis, dazu: Schwacke, Recht der Ordnungswidrigkeiten, S. 63. 78 In diesem Fall reicht die Feststellung der Schuld oder der Vorwerfbarkeit entweder beim Betriebsangehörigen oder beim Betriebsinhaber aus, s. Drathjer, die Abschöpfung rechtswidrig erlangter Vorteile im OWiG, S. 19. 75 76

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1. Kap.: Einleitung

Da die Schuld des Täters oder die Vorwerfbarkeit bei den ordnungswidrigen Zuwiderhandlungen keine Anordnungsvoraussetzungen darstellen, ist der Strafcharakter der Mehrerlösabführung zu verneinen. Angesichts der sog. „abstrakten Berechnungsmethode“ dieses Differenzbetrags, die nach der herrschenden Meinung zugrunde gelegt wird, kann allerdings der Mehrerlös wesentlich höher sein als der erzielte Gewinn;79 somit ist eine repressive Wirkung der Mehrerlösabführung nicht auszuschließen. Zur Vermeidung von unbilligen Ergebnissen hat der Gesetzgeber eine Härteregelung geschaffen. Demnach kann sich die Anordnung einer Mehrerlösabführung auf einen bestimmten Betrag beschränken oder ganz unterbleiben. Durch diese klarstellende Vorschrift wird dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, das auch im Bereich der Ordnungswidrigkeiten gilt, Rechnung getragen. Eine weitere Ausnahme von der zwingenden Anordnung sieht das Gesetz dann vor, wenn der Täter den Mehrerlös aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung zurückerstattet hat (§ 8 Abs. 1 Hs. 1 WiStG).80 § 9 Abs. 1 WiStG trägt den Opferbelangen Rechnung, indem er die Abführung des Mehrerlöses ausschließt, wenn der Geschädigte eine Rückerstattung beantragt hat und dieser Rückforderungsanspruch begründet erscheint. Anders als beim strafrechtlichen Verfall, bei dem die bloße Existenz von Verletztenansprüchen die Verfallsanordnung sperrt, wird die Mehrerlösabführung erst dann ausgeschlossen, wenn ein entsprechender rechtlicher Anspruch konkret geltend gemacht wird. Außerdem sorgt das WiStG 1954 für die nachträgliche Korrektur einer staatlichen Inanspruchnahme des Täters, wenn entweder der Täter selbst oder der Geschädigte nach der Anordnung einer Mehrerlösabführung eine den Rückforderungsanspruch feststellende, rechtskräftige Entscheidung vorlegt: § 9 Abs. 2 WiStG sieht in diesem Fall das Absehen von der Vollstreckung oder, bei einer bereits vollstreckten Mehrerlösabführung, die Befriedigung des Geschädigten aus dem abgeführten Mehrerlös vor. Obwohl diese Regelung auf den ersten Blick ein Gleichgewicht zwischen Opferbelangen einerseits und staatlichem Anspruch auf Gewinnabschöpfung andererseits herzustellen scheint, ist sie vielfacher Kritik ausgesetzt;81 denn unter anderem werden den Verwaltungsbeamten quasi-richterliche Entscheidungsspielräume gewährt, während bei den entsprechenden Strafsachen ein Adhäsionsverfahren die Garantien für Täter- und Opferinteressen anbieten könnte. Wichtig für die vorliegende Analyse bleibt dennoch die Tatsache, dass die Mehrerlösabführung, wie sie in den §§ 8 – 10 WiStG geregelt wird, eine extrem geringe

Dazu Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, Einführung und Allgemeiner Teil, Rn. 286. Wenn der Täter nicht auf der Basis einer rechtlichen Verpflichtung zurückerstattet hat, ist er von der Anordnung einer Mehrerlösabführung nicht befreit, denn er kann das Erstattete nach §§ 812 ff. BGB zurückverlangen. 81 Vgl. Bohnert, FS für Schmitt, S. 247 ff. 79 80

B. Gegenstand der Untersuchung

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praktische Relevanz aufweist. Die Tatbestände des Wirtschaftsstrafgesetzes gelten heute wegen der veränderten wirtschaftlichen Gegebenheiten und der politischen Stabilität als überholt. Allerdings ist es schwer einzusehen, warum der Gesetzgeber angesichts des ausgefeilten Instrumentariums (§§ 73 ff. im StGB, § 29a im OWiG) diese antiquierten Vorschriften nicht abschafft, um dadurch auch die Vereinheitlichung des Abschöpfungsrechts zu gewährleisten.

4. Die Vorteilsabschöpfung durch die Kartellbehörde (§§ 34, 34a GWB) Ebenso wenig bedeutend ist eine leicht differenzierende Mehrerlösregelung, die im Bereich des Kartellrechts anzutreffen ist. Es handelt sich dabei um die Vorteilsabschöpfung nach §§ 34, 34a des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Sie kann nach der letzten Novellierung dieses Gesetzes82 durch die zuständige Kartellbehörde angeordnet werden, wenn ein Unternehmen vorsätzlich oder fahrlässig gegen die Bestimmungen dieses Gesetzes oder gegen eine Verfügung der Kartellbehörde verstoßen und dadurch einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt hat. Die Vorteilsabschöpfung nach § 34 GWB ist als eine Geldleistungspflicht ausgestaltet, während die genaue Höhe des Vorteils geschätzt werden kann. Diese Abschöpfung unterbleibt, soweit der Vorteil durch Schadensersatzleistungen, durch die Anordnung des Verfalls oder letztlich durch die Festsetzung einer Geldbuße abgeschöpft worden ist. Dieses Abschöpfungsmittel leiht sich Elemente aus verschiedenen Rechtsinstituten aus, die der Gewinnabschöpfung dienen: einerseits hat es einen fakultativen Charakter83, andererseits ist es ausschließlich an Unternehmen gerichtet, so dass sich die Frage nach einer schuldhaften oder nur rechtswidrigen Anknüpfungstat gar nicht stellt. Ein Novum stellt auch die Vorteilsabschöpfung nach § 34a GWB dar, wonach auf Antrag von Verbänden und Einrichtungen, die durch Kartellverstöße eines Unternehmens benachteiligt wurden, der wirtschaftliche Vorteil des begünstigten Unternehmens an den Bundeshaushalt herausgegeben werden muss. Diese Sanktionen dienen vorrangig einem bestimmten Marktbedürfnis zur Regulierung und zur Beseitigung kartellwidrigen Verhaltens.84 Sie haben mit dem staatli-

82 Neufassung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen v. 15. 07. 2005, BGBl. I 2005, S. 2114 ff. 83 Der Kartellbehörde wird der entsprechende Ermessensspielraum gewährt; aus diesem Grund scheint die Härteregelung überflüssig. 84 Dieser außerstrafrechtliche Weg wurde auch im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) v. 07. 07. 2004, BGBl. I 2004, S. 1414 ff. beschritten; nach § 10 UWG entsteht aus einem vorsätzlichen Verstoß gegen die einschlägigen Bestimmungen des UWG ein Gewinnabschöpfungsanspruch des Staates, mehr dazu Hefermehl / Köhler / Bornkamm, Wettbewerbsrecht, § 10 UWG, Rn. 2 ff.

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1. Kap.: Einleitung

chen Anspruch auf Abschöpfung kriminell erlangter Gewinne wenig gemeinsam und werden deswegen in der vorliegenden Analyse nicht berücksichtigt.

5. Die Sicherstellungsvorschriften nach §§ 111b ff. StPO Da der staatliche Anspruch auf Gewinnabschöpfung erst mit der Verfallsanordnung im Urteil befriedigt wird, bedarf es eines rechtlichen Instrumentariums, das sicherstellt, dass dieser Anspruch nicht durch Handlungen des Beschuldigten vereitelt wird. Diese Rolle übernehmen die Vorschriften über den vorläufigen Zugriff auf das Vermögen (§§ 111b ff. StPO). Wird von der zuständigen Strafverfolgungsbehörde die Anordnung des Verfalls (oder der Einziehung) prognostiziert, sind die davon betroffenen Gegenstände bereits im Ermittlungsverfahren durch Beschlagnahme oder dinglichen Arrest sicherzustellen. Diese Prognose geht auf die Annahme von Gründen zurück, dass die Voraussetzungen des Verfalls vorliegen. Die Art und Weise der Sicherstellung variiert je nachdem, ob der Verfall des Originalgegenstands oder der Wertersatzverfall anzuordnen ist. Im ersten Fall werden die betroffenen Gegenstände durch Beschlagnahme sichergestellt (§ 111c StPO), während im Fall von Ersatzgegenständen der dingliche Arrest angeordnet wird (§ 111d StPO). In beiden Fällen liegt die Entscheidung über die Sicherstellung im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Stellen. Da die Anordnung von solchen Maßnahmen tiefgreifende wirtschaftliche Folgen für den Betroffenen entfalten kann, muss der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet werden.85 Die Anforderungen an die Rechtfertigung des Eingriffs sind umso höher, je intensiver der Staat in diesem frühen Stadium des Verfahrens in vermögensrechtliche Positionen des Einzelnen eingreift.86 Eine Ausnahme vom Grundsatz, dass die Maßnahmen nach § 111b ff. StPO der Sicherung des Verfalls dienen, wird im § 111b Abs. 5 StPO formuliert. Danach wird die Sicherstellung auch dann zugelassen, wenn ein Verfall nur wegen der Regelung des § 73 Abs. 1 S. 2 StGB nicht in Betracht kommt. Diese Vorschrift verkörpert die sog. Zurückgewinnungshilfe. Durch die Möglichkeit der Sicherstellung auch in Fällen, in denen das Gesetz den Vorrang der Verletztenansprüche statuiert, soll die Befriedigung dieser Ansprüche erleichtert werden. Diese Vorschrift dient somit dem Opferschutz.87 Auch in diesem Fall ist eine Anordnung nicht zwingend, sondern sie wird in das Ermessen der dafür zuständigen Instanzen gestellt.88

KK-StPO / Nack, § 111b, Rn. 9 ff. BVerfG, StV 2004, S. 409 ff. 87 Zum allgemeinen Zweck der Zurückgewinnungshilfe s. Rönnau, Vermögensabschöpfung in der Praxis, Rn. 377 ff.; Achenbach, NStZ 2001, S. 401 ff. 88 In diesen Fällen ist jedoch umstritten, wie die Behörden dieses Ermessen auszuüben haben, s. dazu Herzog / Mülhausen, GwHdb § 24, Rn. 32; Janssen, Gewinnabschöpfung im Strafverfahren, Rn. 84 ff. 85 86

B. Gegenstand der Untersuchung

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Zum Zweck der Sicherstellung hat der Gesetzgeber ein kompliziertes prozessuales Normengeflecht geschaffen, das die Durchführung der Sicherstellung sowie die Rechtsmittel gegen diese regelt. Da die Vorschriften der §§ 111b ff. StPO lediglich der Realisierung des staatlichen Verfallsanspruchs dienen und keinen eigenständigen Rechtscharakter aufweisen, werden sie in der vorliegenden Arbeit nicht oder nur am Rande berücksichtigt, wenn dies zum Verständnis auch der materiellrechtlichen Änderungen erforderlich ist.

2. Kapitel

Zur Historie der Gewinnabschöpfung Bereits oben wurden die Rechtsinstitute präsentiert, durch die das Ziel einer Abschöpfung rechtswidrigen Vermögens in der Gegenwart verfolgt wird. Während die Vorschriften über den Verfall erst in den 70er Jahren in das StGB eingefügt wurden, scheinen sie jedoch auf Rechtsgedanken und dogmatische Konstrukte zurückzugehen, die wesentlich älter sind. Diese Hypothese macht die Untersuchung der Anfänge dieses Konzepts erforderlich. Denn das Wesen der Gewinnabschöpfung kann unter Berücksichtigung der Kontinuität solcher Rechtsgedanken besser verstanden werden. Somit wäre jede Einschätzung der Inhalte der Gewinnabschöpfung ohne die genaue Kenntnis der Vorläufer schwierig und lückenhaft. Die Darstellung der Historie der Gewinnabschöpfung bietet sich außerdem als ein Indiz an für vorangegangene rechtspolitische Bestrebungen und Anliegen, für Erfolge und Misserfolge der Kriminalpolitik. An den Wegen und Umwegen der Vergangenheit lässt sich sehr eindrucksvoll demonstrieren, wo die Probleme liegen, welche Ziele erreicht werden können und auf welche Absicherungen nicht verzichtet werden kann.1 Will man das Phänomen in seinen verschiedenen Phasen durchschauen, sollte man sich allerdings von den heutigen normspezifischen Besonderheiten entfernen und die einschlägigen Normen aus einer breiteren Perspektive heraus betrachten. Die Dogmatik und Systematik des Verfalls, der Einziehung, der Geldstrafe und der sonstigen Bestimmungen, wie sie heute gelten, sollten bei der Rekonstruktion der Geschichte der Gewinnabschöpfung außer Acht gelassen werden. Als erstes wird versucht, im römischen Recht Normen aufzuspüren, die auf das Anliegen der Erfassung kriminellen Vermögens hindeuten (unter I.). In diesem Zusammenhang werden die Eigentumssanktionen unter die Lupe genommen und es wird dementsprechend der Frage nachgegangen, ob davon auch der Gewinn aus einer Straftat erfasst wurde. Die Ausführungen zu diesem Thema beruhen auf einer Verwertung der einschlägigen Literatur und nicht auf einer selbständigen exegetischen Arbeit. Anschließend wird auf die diesbezügliche Geschichte des deutschen Rechts und somit auf die Vorläufer des heutigen Verfalls eingegangen (unter II.).

1

Eser, Sanktionen, S. 12.

A. Das römische Recht

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A. Das römische Recht I. Die verschiedenen Erscheinungsformen der Vermögenseinziehung Die erste Erscheinungsform einer Eigentumssanktion ist die sakrale Verwüstung der Güter des Täters („consecratio bonorum“), die bei todeswürdigen Verbrechen als Nebensanktion verhängt wurde. Da das Strafrecht während der römischen Königszeit immer noch von seinem ursprünglichen magisch-sakralen Charakter beherrscht wurde, verkörperte diese Sanktion ein Verlangen der Götter zur Sühne des Rechtsbruchs. Diese war nicht von einem richterlichen Ausspruch abhängig, sondern trat durch die Tat ipso iure ein.2 In der nachfolgenden Zeit der Republik und in Verbindung mit der Fortentwicklung des Rechts wurde die sakrale Verwüstung der Güter des Täters durch ein symbolisches Feuer ersetzt: das verwirkte Vermögen wurde am Anfang dem Tempel überlassen, so dass die göttliche Sühne gewährleistet war; später wurde sie der römischen Staatskasse, dem sog. „aerarium“ gutgeschrieben. Die „consecratio bonorum“ wurde somit zu einer „publicatio bonorum“. Dabei ging es um eine Sanktion gegen das Vermögen, unabhängig davon, ob dieses Vermögen für die Straftatbegehung eingesetzt oder aus dieser erlangt wurde. Diese Rechtsfolge erfasste mithin nicht kriminelles Vermögen, sondern Vermögen von Kriminellen. Dies spiegelte den Rache- und Sühnegedanken wider, der in diesem Stadium der Rechtsentwicklung noch vorherrschend war. In der spätkaiserlichen Zeit wurde die „publicatio bonorum“ auch als „proscriptio bonorum“ bezeichnet: sie wurde in dieser Form nicht mehr nur in Verbindung mit einer Kapitalstrafe, sondern ebenso mit einer zeitlichen oder dauernden Landesverweisung („relegatio“) verhängt. Zudem fand sie auch bei einzelnen Delikten, wie der Falschmünzerei oder bei Amtsdelikten als selbständige Strafe Anwendung. In der Rechtspraxis der Kaiserzeit kam der Vermögenseinziehung bei sämtlichen politischen und religiösen Verbrechen („crimen maiestatis und sacrilegium“), aber auch bei Verwandtenmord, Inzest und Entführung zur Ehe, Münzfälschung sowie bei gravierenden Fällen von Ladungsungehorsam, große Bedeutung zu. Objekt der „publicatio bonorum“ war grundsätzlich das gesamte Aktivvermögen des Verurteilten, wobei etwa vorhandenen Kindern, der Ehefrau oder den Gläubigern des Verurteilten in der Regel eine bestimmte Vermögensquote erhalten blieb.3 Mit der Abführung des Tätervermögens an den Staat war jedoch das Tor zu einem erheblichen Missbrauch geöffnet. Masseneinziehungen wurden beispiels2 Eser, Sanktionen, S. 13; Fuhrmann, Publicatio Bonorum, in: Pauly ’s Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, Bd. XXIII, Teil 2, Sp. 2486; m. w. N. Kaser, Das altrömische Jus, S. 42, 51 ff.; Mommsen, Römisches Strafrecht, S. 902. 3 So Schnieders, Die Geschichte der Vermögensstrafe in Deutschland, S. 49 ff.

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2. Kap.: Zur Historie der Gewinnabscho¨pfung

weise in der Revolutionszeit zum Einsatz gebracht, um politische Gegner zu vernichten.4 Die Instrumentalisierung dieser Maßnahme zu politischen Zwecken in Zeiten politischer Instabilität hat sich seit Tiberius dadurch verstärkt, dass die eingezogenen Güter nicht mehr der Staatskasse („aerarium“), sondern dem „fiscus“ des Kaisers zufielen.5 Von der „publicatio“ gelangte man graduell zur „confiscatio“, die als regelmäßige Begleitsanktion der Todesstrafe verhängt wurde.6 Ebenfalls gilt als nachgewiesen, dass bei bestimmten Delikten die „confiscatio“ auch als selbständige Strafe angewendet wurde. Solche waren z. B. der Ehebruch oder Gewaltverbrechen.7 Hatte die confiscatio den Charakter einer Nebenstrafe, wurde dem Richter kein Ermessen zuerkannt. Erst später wurde der Verfall des Vermögens an den Staat aufgrund eines richterlichen Urteils angeordnet.8 In diesem Zusammenhang muss auch das sog. „postmortale Konfiskationsverfahren“ erwähnt werden: im römischen Strafrecht galt der Grundsatz des „crimen mortaliter extinguitur“, wonach die Straftat und ihre Rechtsfolgen nach dem Tod des Täters erloschen. Im Fall der postmortalen Konfiskation wurde eine Ausnahme von diesem Prinzip statuiert, so dass die „confiscatio“ auch nach dem Tod des Täters vollstreckt werden konnte, allerdings unter der Voraussetzung, dass sie bereits zu Lebzeiten ausgesprochen worden ist. Auf diese Weise wollte der römische Gesetzgeber Versuchen entgegenwirken, das Gesetz zu umgehen; denn viele Täter begingen Selbstmord, damit ihre Familien das Vermögen behalten konnten.9 Im Laufe der Zeit wurde die confiscatio, die bei Majestätsverbrechen neben der Kapitalstrafe regelmäßig vorgesehen war, übereifrig und willkürlich auf andere Deliktskategorien ausgedehnt.10 Zahlreiche Machthaber dieser Zeit haben der Versuchung nachgegeben, die confiscatio zu rein fiskalischen Zwecken zu nutzen.11 Das Gefahrenpotential solcher Taktiken wurde schon in der Kaiserzeit erkannt und hat zu Bemühungen geführt, dieses einzuschränken: das Resultat solcher Bemühungen war die Beschränkung der confiscatio auf die Hälfte oder sogar auf ein Drittel des Vermögens sowie die Einführung von speziellen Regelungen zugunsten unterhaltsbedürftiger Verwandten.12 Eine justinianische Novelle dieses Rechts von 4 Ein Beispiel dafür ist die „hostis judicatio; diesbezüglich: Fuhrmann, Publicatio, Sp. 2496 ff.; Seidel, Die Konfiskationen des römischen Rechts, S. 97, 254 ff.; vgl. auch Lehmann, Über die Vermögensstrafen des römischen Rechts, S. 96 ff. 5 Seidel, Konfiskationen, m. w. N. S. 310 ff. 6 Eser, Sanktionen, S. 14. 7 Fuhrmann, Publicatio, Sp. 2501. 8 Genauso wie das für den Bürgerrechtsverlust geregelt war, dazu Marezoll, Über die bürgerliche Ehre, S. 40; Fuhrmann, Publicatio, Sp. 2499; Mommsen, Römisches Strafrecht, S. 1006 ff. 9 Näher dazu Fuhrmann, Publicatio, Sp. 2502 ff.; Seidel, Konfiskationen, S. 242 ff. 10 Mommsen, Römisches Strafrecht, S. 537, 542. 11 Fuhrmann, Publicatio, Sp. 2508 ff.; Seidel, Konfiskationen, S. 71 ff. 12 Weitere Nachweise bei Fuhrmann Sp. 2501, Mommsen, Römisches Strafrecht, S. 1010; Seidel, Konfiskationen, S. 57 ff.

A. Das römische Recht

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556 n.Chr. schuf sogar Klassen, die an das heutige Erbrecht erinnern: das Vermögen eines Kapitalverbrechers sollte mit Ausnahme der Majestätsverbrechen an erster Stelle seinen Deszendenten, an zweiter seinen Aszendenten und erst dann dem Staat zufallen.13 Man sieht am Beispiel dieser nur kurzen Ausführungen, dass die Vermögenseinziehung des römischen Rechts („confiscatio“) besonders missbrauchsanfällig war. Die Gründe für dieses Phänomen sind vor allen in den schwachen Staatsfinanzen und in politischen Rivalitäten der römischen Gesellschaft zu suchen. Vor diesen Hintergründen sollte die gegenwärtige Rechtspolitik die historische Erfahrung mit diesem Missbrauchspotential stets vor Augen haben und mit Sanktionen gegen das Eigentum sehr sorgfältig umgehen; denn die Rechtsstaatlichkeit und -förmigkeit der heutigen politischen Verhältnisse stellen keine Garantie dar, dass diese Eigentumssanktionen nicht erneut zu wesensfremden Zwecken instrumentalisiert werden können. In der weiteren Entwicklung des römischen Konfiskationsrechts ist der kontinuierliche Versuch einer Einschränkung des Konfiskationsumfangs zu konstatieren. Dieser mündete in eine graduelle Begrenzung auf bestimmte Gegenstände des Tätervermögens (Spezialkonfiskation). Während die confiscatio in ihrer ursprünglichen Form auf Vergeltung und Sühne zurückging, wies die neuartige Spezialkonfiskation keine einheitliche Legitimationsbasis auf. Allmählich hat die Einziehung von Gegenständen, die als Tatwerkzeuge benutzt wurden, Eingang in das Recht gefunden. Man beobachtete, dass zum ersten Mal zur Rechtfertigung der confiscatio auch präventive Erwägungen entscheidend waren.14 Aus der confiscatio des Gesamtvermögens oder eines Teils davon, ging allmählich die Konfiskation von Tatwerkzeugen und Tatprodukten hervor. Die Abhängigkeit einer möglichen Konfiskation vom Wissen des Eigentümers über den illegalen Gebrauch des Gegenstands führt jedoch zu der Annahme, dass die pönalen Elemente bei der Konfiskation immer noch vorherrschend waren.15

II. Die Kondiktion der „scelere quaesita“ und der „turpia lucra“ Bei dem nächsten Schritt der Entwicklung sah sich das römische Recht mit Konstellationen konfrontiert, in denen das Verbrechen auch konkrete Schäden anrichtete. Unabhängig davon, ob der Geschädigte der Staat war oder ob es sich um Privat13 Es geht um die Novelle 134, 13, 2 und 3; mehr dazu Schnieders, Die Geschichte der Vermögensstrafe in Deutschland, S. 49 ff. 14 So z. B. bei der Vernichtung ketzerischer Bücher oder bei der Zerstörung baupolizeiwidriger Gebäudeanlagen; weitere Beispiele bei Lehmann, Über die Vermögensstrafen des römischen Rechts, S. 103 (Anm. 4). 15 s. auch Fuhrmann, Publicatio, Sp. 2502; Eser, Sanktionen, S. 16.

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2. Kap.: Zur Historie der Gewinnabscho¨pfung

personen handelte, traten zivilistische Reparationsanliegen hervor. War das illegale Verhalten gegen den Staat gerichtet, wurde durch den Verfall des betroffenen Gegenstandes ein Ausgleich angestrebt. War der Geschädigte hingegen eine Privatperson, hatte diese einen Anspruch auf das sog. „commissum“ bzw. auf einen verwirkten Gegenstand, der den Wert des zugefügten Schadens verkörperte.16 Graduell kristallisiert sich die Kondiktion der „scelere quaesita“ und des „turpe lucrum“ heraus. Dieses Rechtsinstitut gilt als ein Vorläufer des heutigen Verfalls (§§ 73 ff. StGB). Erfasst werden die „durch einen Frevel gewonnenen Dinge“ („scelere quaesita“) und „die schändlichen Gewinne“ („turpia lucra“). Nach dieser condictio des römischen Rechts wurde bei Sittenwidrigkeit des Erwerbsgrundes dem Geschädigten ein Rückforderungsanspruch eingeräumt. Diese Konstruktion, die der zivilrechtlichen Regelung des § 817 BGB sehr ähnlich war, zielte auf die Rückgängigmachung einer grundlosen bzw. rechtswidrigen Vermögensverschiebung ab. Der historische Gesetzgeber brachte dadurch zum Ausdruck, dass Vermögensbewegungen ohne einen gültigen rechtlichen Grund, also wenn sie durch Verbrechen stattgefunden haben, missbilligt wurden. Aus diesem Gedanken ging auch die oben erörterte Möglichkeit des postmortalen Konfiskationsverfahrens hervor.17 Betrachtet man dogmatisch die condictio der scelere quaesita und der turpia lucra, bleibt man allerdings in Bezug auf deren Rechtsnatur im Unklaren. Es ist zumindest aus der heutigen Perspektive schwer zu einem vertretbaren Schluss zu kommen, ob dieses Rechtsinstitut dem Zivilrecht zuzuordnen war oder dies Ausdruck eines eher strafrechtlich orientierten Ausgleichsgedankens war. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass in dieser Phase der Rechtsentwicklung noch keine klare Trennungslinie zwischen dem Zivilrecht und dem staatlichen Strafanspruch existierte18, kann man diese Schwierigkeit leicht begreifen. Eines steht jedoch fest: damals wie heute empfand man es als unerträglich, dass die kriminellen Vorteile beim Täter unangetastet bleiben. Diese „Empfindung“ war noch frei von präventiven und sichernden Elementen sowie von Effektivitätsgesichtspunkten, die erst viel später auftraten. Sie entsprach in diesem Entwicklungsstadium eher einem Sühne- und Ausgleichsanliegen.

B. Das deutsche Recht Der Begriff „deutsches Recht“ ist an dieser Stelle nicht präzise genug, denn dieses knüpft an eine konkrete Staatsstruktur an, die jüngeren Datums ist und die GeVgl. Kaser, Das Römische Privatrecht, Bd. II, S. 185 ff. Zur Begründung der allgemeinen Konfiskation rechtwidrig erlangten Vermögens wird von Eser die entsprechende Stelle von Ulpian herangezogen, Sanktionen, S. 17 (Fn. 30). 18 Hierfür spricht nicht nur das Fehlen eines einheitlichen Begriffs der Strafe, sondern noch mehr die „innere Verwobenheit“ zwischen strafrechtlichen Sühne- und zivilrechtlichen Schadensersatzelementen, m. w. N., Eser, Sanktionen, S. 17 (Fn. 31). 16 17

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samtheit aller in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Rechtsnormen meint. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird diese Begrifflichkeit allerdings viel weiter verstanden: davon werden alle Rechtsordnungen der deutschen Völker in den verschiedenen geschichtlichen Perioden erfasst.

I. Bis zum gemeinen Recht19 Die Erscheinung des Gedankens der Gewinnabschöpfung hatte im germanischen Recht eine dem römischen Konzept sehr ähnliche Entwicklung durchlebt. Nach der ersten Phase der sakralen Verwüstung der Güter des Täters, in der die Sühne und die göttliche Rache dominierten, wurde sie durch die sog. „Fronung“ ersetzt. Die „Friedlosigkeit“ war die sich aus einigen schweren Verbrechen ergebende Rechtsfolge. Ein Friedloser verlor damit alle Rechte, er war von jeder Form der Rechtsgemeinschaft ausgeschlossen und wurde geächtet. Sein Vermögen fiel der Gemeinschaft zu.20 Während die Fronung in der fränkischen Zeit grundsätzlich auf die Fälle der „Aberacht“, also auf schwere Verbrechen beschränkt war, wurde sie allmählich und in Kombination mit der Todesstrafe immer mehr ausgedehnt.21 Zu verzeichnen war in dieser Zeit eine „großzügige“ Konfiskationspraxis, die wiederum auch mit fiskalischen Interessen zusammenhing und Missbräuche begünstigte.22 Ein erster Versuch, dieses Missbrauchspotential zu mindern, wurde durch die Constitutio Criminalis Carolina (CCC), die sog. Peinliche Halsgerichtsordnung Karls V. von 1532 unternommen.23 Hauptmotiv jener Reformbemühungen war die Rechtsunsicherheit im damaligen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, die auf das örtlich völlig zersplitterte Recht, die Willkür der Strafrechtspraktiker und der ungelehrten Schöffen sowie auf die Rezeption des übernommenen römischen Rechts zurückging.24 Der Konfiskation wurden nach dem Art. 218 Abs. 6 19 Unter diesem Begriff versteht man die Gesamtheit der durch die Aufnahme des römischen und kanonischen Rechts („Rezeption“) herausgebildeten Rechtssätze. Eine Beschleunigung der Aufnahme bewirkt dabei § 3 der Reichskammergerichtsordnung von 1495, der bestimmt, dass Richter und Beisitzer nach des Reiches gemeinen Rechten richten sollen, so Köbler, Deutsche Rechtsgeschichte, 6. Auflage, S. 139, 140. 20 Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. I, S. 50 f.; His, Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. I, S. 426 ff.; Schmidt, Einführung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, S. 30. 21 Vgl. im einzelnen His, Strafrecht des deutschen Mittelalters, Bd. I, S. 410 f.; Gernhuber, Die Landfriedensbewegung in Deutschland bis zum Mainzer Reichslandfrieden von 1235, S. 255 ff.; Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. I, S. 170, 440, in: Eser, Sanktionen S. 18 (Fn. 38). 22 Ein Indiz dafür bietet bspw. die Rüge eines Glossators des Sachsenspiegels, vgl. Marezoll, Über die bürgerliche Ehre, S. 328 f. in: Eser, Sanktionen, S. 19. 23 Abgedruckt bei Buschmann, Textbuch zur Strafrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 103, 176.

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der CCC bestimmte Grenzen gesetzt; die ungesetzlichen Einziehungen wurden verboten. Der erhoffte Erfolg blieb allerdings aus. Die Tatsache, dass diese Gerichtsordnung einerseits durch die sog. salvatorische Klausel25 kein für das ganze Reich allgemeinverbindliches Gesetz darstellte, und andererseits ihr missglückter Wortlaut, haben dazu geführt, dass das beschränkte Konfiskationsverbot wenig beachtet wurde. Geschaffen in der Zeit der Rezeption übernahm jedoch die Peinliche Gerichtsordnung die römischen Rechtskonzeptionen hinsichtlich der Spezialkonfiskation. In der Entwicklung des Gemeinen Rechts wurde die Kasuistik dieser Spezialkonfiskation weiter vorangetrieben.26 Darüber hinaus wurden auch die entsprechenden römischen Regelungen über die „scelere quaesita“ und „turpia lucra“ übernommen, so dass Gewinne oder Entgelte eines Verbrechens als dem Fiskus verfallen galten. Freilich galt deren Erfassung bis zu diesem Zeitpunkt nicht zwangsläufig als eine Konfiskation, sondern manchmal als eine Verletzung zivilrechtlicher Regeln.27

II. Die Partikulargesetzgebung 1. Das Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten In den Partikularrechten des 19. Jahrhunderts wird eine gewichtige Wende in Bezug auf die Konfiskation und die Gewinnabschöpfung ersichtlich. Zwei Tendenzen waren vorherrschend: erstens die bereits angesetzte Verdrängung der generellen Vermögenskonfiskation und die sich daraus ergebende Verallgemeinerung der Spezialeinziehung; zweitens das Erscheinen eines staatlichen Anspruchs auf Abschöpfung kriminell erlangten Vermögens. In der Partikulargesetzgebung erkennt man, dass die Gewinnabschöpfung von der Konfiskation von Tatwerkzeugen und -mitteln zumindest teilweise und graduell abgekoppelt wurde. Diese Neuerung wird auch für die vorliegende Analyse relevant, so dass die Konfiskation und die verschiedenen Modalitäten der Einziehung von Tatwerkzeugen und -mitteln nicht mehr berücksichtigt werden. Zunächst wird das Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten (ALR) in Bezug auf einschlägige gewinnabschöpfende Regelungen untersucht. Die Auswahl dieses Gesetzes hängt mit methodologischen und historischen Erwägungen zusammen. Alle Partikularrechte in die Analyse einzubeziehen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, vor allem angesichts des Schwerpunkts der Arbeit in der Vgl. Laufs, Rechtsentwicklungen in Deutschland, S. 122, 127. Nach der salvatorischen Klausel wurde die subsidiäre Geltung der CCC gegenüber den Partikularrechten der Reichsstände statuiert. 26 s. Eser, Sanktionen, S. 20. 27 Dazu Henke, Handbuch des Criminalrechts und der Criminalpolitik, Theil 1, S. 487 ff. 24 25

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gegenwärtigen kriminalpolitischen Diskussion über die Gewinnabschöpfung. Historisch betrachtet, bildete das ALR von 1794 einen einmaligen Versuch, die Gesamtheit des damals geltenden Rechts eines Partikularstaates in einem einzigen Gesetzbuch zu kodifizieren.28 Dieses Gesetz beanspruchte Geltung in der Mehrheit der preußischen Gebiete. Preußen spielte innerhalb der deutschen Staaten wegen seiner militärischen und wirtschaftlichen Vormacht eine herausragende Rolle bei gesellschaftlichen Entwicklungen, nicht zuletzt im Bereich der Gesetzgebung. Das ALR ist in einer revolutionären durch die Aufklärung geprägten Epoche geschaffen worden, teils aus Rechtsvorstellungen, die aus Frankreich stammten und teils aus anderen in der gemeinrechtlichen Doktrin und Praxis verwurzelten Konstruktionen.29 Dieses Gesetzeswerk war durch eine ausufernde Kasuistik gekennzeichnet.30 Trotzdem enthielt das „sonst so redselige“31 ALR in seinem strafrechtlichen Teil keine zentrale Vorschrift, welche die Einziehung strafbar erlangten Vermögens und die Konfiskation vorsah. Diese Kasuistik und die Zersplitterung des Regelungsbereiches riefen Verwirrungen hervor, nicht nur beim Normadressaten, sondern auch beim Gesetzesanwender. Der Normadressat wäre bei einem Versuch, dieses Gesetzbuch zu rezipieren, überfordert; der Gesetzesanwender würde sich in einer Zwickmühle zwischen sehr strengen Bestimmungen und trotz der Kasuistik planmäßigen Gesetzeslücken befinden.32 Diese Charakteristika werden auch am Beispiel der Gewinnabschöpfung erkennbar. Während im ALR eine zentrale Vorschrift zur strafrechtlichen Gewinnabschöpfung fehlte, ist eine Reihe von speziellen Normen anzutreffen, welche den Entzug kriminell erlangten Vermögens regelten. Das Gesetz bediente sich allerdings keiner einheitlichen Begriffsbestimmung. Bezüglich des Gegenstands der Gewinnabschöpfung wurde in manchen Stellen der Begriff „Vorteil“33, in anderen der Begriff „Gewinn“34 benutzt. Dieser Umstand überrascht nicht wirklich; denn s. Laufs, Rechtsentwicklungen in Deutschland, S. 184, 186 f. Vgl. Hälschner, System des preußischen Strafrechts, S. 208. 30 So auch Schwennicke, in: Dölemeyer / Mohnhaupt, 200 Jahre ALR, S. 79, 89 f. 31 Eser, Sanktionen, S. 21. 32 Deswegen sieht sich der Gesetzesanwender gezwungen, auf Analogien zurückzugreifen. Siehe dazu: Gutachten der Gesetzkommission vom 18. November 1794, in: Stengel, Beiträge, S. 212 ff. 33 Z. B. § 248 ALR: „Wer ohne besondere Erlaubniß des Staats eine öffentliche Lotterie unternimmt, der soll um funfzig bis hundert Thaler fiskalisch bestraft werden: und außerdem den doppelten Betrag des dadurch gezogenen Vortheils der Armencasse des Orts entrichten“, § 250 ALR: „Wer öffentliche Aussteuer [ . . . ] ohne ausdrückliche Genehmigung des Staats errichtet, der soll den Interessenten ihre Einsätze zurückgeben, und den doppelten Betrag des an Besoldung, Provision, oder sonst gezogenen Vortheils, an die Armencasse des Orts bezahlen“. 34 Z. B. § 263 ALR: „Wer die im Lande gangbaren Münzsorten beschneidet [ . . . ], der soll den zehnfachen Betrag des sich dadurch verschafften unrechtmäßigen Gewinnes zur Strafcasse erlegen“, § 1259 ALR: „Verbotener Eigennutz und Betrug sollen mit einer dem gesuchten unerlaubten Gewinne angemessenen Geldstrafe belegt werden.“; in vereinzelten Vor28 29

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2. Kap.: Zur Historie der Gewinnabscho¨pfung

in der Zeit vor den großen Kodifikationen und der Systematisierung der juristischen Arbeitsmethoden war eine normtechnische Klarheit nicht zu erwarten. Die einschlägigen Abschöpfungsregelungen sahen in den meisten Fällen als Strafe den Entzug eines Vielfachen des Gewinns oder des Vorteils vor.35 Der Täter musste der Staatskasse (in diesen Fällen auch „Strafcasse“ genannt) den doppelten, vierfachen oder zehnfachen Betrag seines Gewinns entrichten. Der diesen Gewinn übersteigende Betrag sollte eine Strafe darstellen. In manchen Vorschriften ist von einer „fiskalischen Strafe“ die Rede.36 Man könnte sagen, dass bei diesen Normen der kriminell erlangte Gewinn nur einen Zumessungsgesichtspunkt darstellte. Die pönalen Elemente sind somit kaum zu verkennen. Zudem sind auch Vorschriften anzutreffen, in denen die Gewinnabschöpfung ausdrücklich neben der Verhängung einer anderen Strafe angedroht wurde.37 Dieser Begleitcharakter fand oft seinen Ausdruck in der Formulierung „außer der übrigen Strafe“ oder „überdies . . .“. Zu beachten ist abermals, dass die Abschöpfung auch in den Fällen, in denen sie als eine Begleitsanktion geregelt wurde, den gezogenen Gewinn überschreiten konnte.38 In diesen Konstellationen wurden somit echte Nebenstrafen statuiert. Dieses System der Gewinnabschöpfung erinnert an die im Ordnungswidrigkeitenrecht geltende Rechtskonzeption oder auch an die entsprechende Berücksichtigung von illegalen Gewinnen, wie sie vor der Einführung des Tagessatzsystems galt. Man muss diesbezüglich auch bedenken, dass das ALR grundsätzlich general- und spezialpräventive Gesichtspunkte in den Vordergrund stellte.39 Angesichts des gesetzgeberischen Willens, dieses Gesetzeswerk als eine Art „Volks-Codex“ zu gestalten, sollte es in erster Linie für die Allgemeinheit abschreckend wirken.40 Infolgedessen ist dieser präventive Abschreckungsgedanke auch in den Abschöpfungsregelungen aufzuspüren. Man kann sogar behaupten, schriften wird sogar Gebrauch von beiden Begrifflichkeiten gemacht: § 340 ALR: “ so oft ein Beamter zu Übertretung seiner Amtspflichten durch erhaltenen oder versprochenen Gewinn und Vortheil verleitet werden.“ 35 Die Höhe dieses „Vielfachen“ des Vorteils fällt entsprechend dem Unwert der jeweiligen Tat aus. 36 Z. B. §§ 265, 1341 ALR. Der Begriff „fiskalische Strafe“ wird aber nicht in allen Fällen der Erhöhung des kriminellen Gewinnes um einen x-fachen Betrag benutzt; das ist noch ein Hinweis auf die inkonsequente systematische Ausgestaltung dieses Gesetzeswerks. 37 Z. B. § 459 ALR: „Ist eine solche pflichtwidrige Nachsicht durch Geschenke oder andere Vortheile erkauft worden: so ist, außer der übrigen Strafe, auch der vierfache Betrag dieser Vortheile zur Strafcasse zu entrichten.“ 38 Vereinzelt ist aber auch ausschließlich der kriminelle Gewinn abzuschöpfen, wie im § 1401 ALR: „Wer sich mit einem Trunkenen in hohe, obschon sonst erlaubte Geldspiele einlässt, soll den gezogenen Gewinn zurückgeben.“ 39 s. Schwennicke, in: Dölemeyer / Mohnhaupt, 200 Jahre ALR, S. 79, 95. 40 Das ergibt sich auch aus einer vermutlich 1785 entstandenen Aktennotiz aus den Materialien der Gesetzgebung, wo der Abschreckung als Strafzweck vor der Besserung der Vorrang eingeräumt wird. Näheres dazu: Schwennicke, in: Dölemeyer / Mohnhaupt, 200 Jahre ALR, S. 79, 95.

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dass diese Regelungen die Vorläufer heutiger kriminalpolitischer Konzeptionen sind, bei denen der Entzug kriminellen Vermögens vordergründig präventiven Zielen dienen soll. Während diese Normen vorrangig eine Straf- und keine Ausgleichsfunktion aufwiesen, trifft man eine zentrale Abschöpfungsregelung, allerdings im zivilrechtlichen Teil des ALR, an: § 173 ALR sah ein Recht des Staates vor, dem Empfänger eines Gewinns, der aus einem verbotenen Geschäft stammt, diesen Gewinn zu „entreißen“.41 Dabei handelte es sich um eine kondiktionsähnliche Regelung, die zur Anwendung kam, wenn der Zahlende aufgrund des verbotenen Geschäfts die von ihm gemachte Zahlung nicht zurückfordern konnte. Daraus ergibt sich, dass in diesem Stadium der Entwicklung der ausgleichende Gedanke der Gewinnabschöpfung im Sinne der Wiederherstellung der verletzten Vermögensordnung in erster Linie mit zivilrechtlichen Rechtsfiguren verknüpft war und noch nicht dem staatlichen Strafanspruch zugerechnet wurde. Zusammenfassend kommt der Gewinnabschöpfung im Allgemeinen Landrecht keine einheitliche oder abschließende Funktion zu: zum einen wurde das Anliegen der materiellen Gerechtigkeit ansatzweise verfolgt; nach diesem müssen Vermögenswerte, die einer Person aus oder für ein Verbrechen zugeflossen sind, ihr entzogen werden. Der preußische Gesetzgeber begnügt sich aber nicht mit diesem, im früheren römischen Recht durch die Kondiktion der „scelere quaesita“ verkörperten Rechtsinstitut. Er fügt auch pönale und präventive Elemente hinzu, während die Ausgleichsfunktion dem Zivilrecht überlassen wird.

2. Das bayerische Strafgesetzbuch von 1813 Die Analyse wäre unvollständig, würde man die wichtigsten deutschen strafrechtlichen Kodifikationen nicht berücksichtigen. Das bayerische Strafgesetzbuch von 1813 (BayerStGB), das von vielen als das erste Beispiel einer modernen Strafgesetzgebung in Deutschland angesehen wird42, entwickelte eine Wirkung weit über die Grenzen des Königreichs Bayern hinaus. Der Wert dieses Gesetzeswerks, der vom Geist des Paul Johann Anselm von Feuerbach geprägt wurde, bestand in der Einführung einer strengen Systematik, in der Verwendung präziser Begriffe und bestimmter Strafandrohungen.43 Trotz dieser Systematisierungsversuche scheint dieses Gesetzeswerk das Anliegen der Abschöpfung von kriminellen Gewinnen weitgehend zu ignorieren. Im All41 Diese Vorschrift, die im 16. Titel des ALR anzutreffen ist („Von den Arten wie Rechte und Verbindlichkeiten aufhören“) lautet: „§ 172: Zahlungen aus einem Geschäfte, welches gegen ein ausdrückliches Verbotsgesetz läuft, kann zwar der zahlende nicht zurückfordern. § 173: Der Fiskus hat aber das Recht dem Empfänger den verbotenen Gewinn zu entreißen.“ 42 s. Schmidt, Einführung, S. 261, 263. 43 Vgl. Buschmann, Textbuch zur Strafrechtsgeschichte der Neuzeit, S. 447.

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2. Kap.: Zur Historie der Gewinnabscho¨pfung

gemeinen Teil des BayerStGB, der zum ersten Mal in der Geschichte der europäischen Strafgesetzgebung so geordnet präsentiert wird, fehlte es an jeglichen zentralen Abschöpfungsregelungen. Der bayerische Strafgesetzgeber, beeinflusst von den Ideen der Revolutionszeit und des aufgehenden Konstitutionalismus, erkannte das große Missbrauchspotential der Konfiskation an und fügte in die Verfassung eine Vorschrift für das Konfiskationsverbot ein. Dieser Norm wurde durch ein strafrechtliches Pendant eine weit stärkere Symbolkraft verliehen: § 33 BayerStGB (Beschlagnahme des Vermögens), zielte ebenso auf den Ausschluss der allgemeinen Vermögenskonfiskation ab.44 Im Besonderen Teil des BayerStGB entdeckt man nur vereinzelte Abschöpfungsregelungen. Dabei handelte es sich nicht um Gewinnabschöpfungsregelungen heutigen Zuschnitts. Diese Bestimmungen ähnelten von der Konzeption her den entsprechenden Regelungen des ALR: für bestimmte Straftaten kam die Zahlung des x-fachen Werts des Vorteils, Gewinns oder des kriminellen Lohns in Betracht. Somit wurde eine „quasi-Geldstrafe“ angedroht, bei deren Bemessung der kriminelle Gewinn der wichtigste bzw. der einzige Bemessungsgesichtspunkt war. Manchmal war diese quasi-Strafe als Hauptstrafe vorgesehen45, während sie bei anderen Delikten mit einem höheren Unwert als Nebenstrafe angeordnet wurde46. Das Fehlen einer zentralen Regelung zur Entzug kriminellen Vermögens hatte jedoch zahlreiche Regelungslücken zur Folge, durch die kriminelle Profite dem Täter verblieben und zwar in Bereichen, wo der Gewinn das Hauptmotiv zur Tatbegehung darstellt. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Abschöpfungsregelung in § 242 BayerStGB, in dem Erpressung unter Strafe gestellt wurde. Demgemäss wurde der durch Erpressung erlangte Vorteil dem Täter entzogen. Diese Bestimmung erinnert in ihrer Zwecksetzung an den heutigen Verfall. Der Gesetzgeber schuf aber damit kein eigenständiges Rechtsinstitut; die Abschöpfung eines derartigen Vorteils wurde nur für die Erpressung angeordnet. Diese Abschöpfungsregelung enthielt kein pönales Element; sie war nur als Ausgleichsmaßnahme zu begreifen. Allerdings ist anzumerken, dass in dieser Vorschrift dem kriminellen Gewinn eine doppelte Funktion zukommt: neben der Abschöpfung des Gewinns aus einer Erpressung wurde „die Wichtigkeit des beabsichteten Vortheils“ auch als ein Grundsatz der Strafzumessung berücksichtigt. Die Betrachtung der oben umschriebenen Tatbestände bestätigt die anfangs aufgestellte These, dass die Gewinnabschöpfung im bayerischen Strafgesetzbuch von 44 „Konfiskation des Vermögens eines Verbrechens findet kraft der Konstitution des Reichs Titel V. § 6 weder als selbständige Strafe, noch als Anhang anderer Hauptstrafen statt.“ 45 Meistens bei Vergehen, § 431 BayerStGB: Verbreitung von Falschmünzen, § 432 BayerStGB: Regalienanmaßung, § 433 BayerStGB: (Abgabenhinterziehung). 46 Das war in § 344 BayerStGB (Verfälschen echter Münzen) und § 428 BayerStGB (Falschmünzerei) der Fall.

B. Das deutsche Recht

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1813 nur eine rudimentäre Beachtung fand. Der wichtigste Grund hierfür ist darin zu sehen, dass der Gesetzgeber sich auf Reformbemühungen in Richtung einer rationalen Umformung des Strafrechts konzentrierte. Kernpunkte des Feuerbach’schen Gesetzbuches waren die Abschaffung der Folter, die Durchsetzung des Prinzips „nulla poena sine lege“ und ähnliche vom Geist der Aufklärung beeinflusste Forderungen. Der Entzug kriminell erlangten Vermögens wurde vom Gesetzgeber weder als so grundlegend erachtet noch als besonders regelungsbedürftig. Darüber hinaus könnte man vermuten, dass das Anliegen der Gewinnabschöpfung teilweise der Zivilgerichtsbarkeit überlassen wurde, die durch Kondiktionsregelungen rechtswidrige Vermögensverschiebungen korrigieren konnte.

3. Das preußische Strafgesetzbuch von 1851 Die Abschöpfung rechtswidrig erlangter Profite war im nächstfolgenden „Strafgesetzbuch für die preußischen Staaten“ (PreußStGB) noch spärlicher als im bayerischen Vorläufer ausgefallen. Dieses Gesetzeswerk regelte zuerst in den §§ 19, 20 ff. PreußStGB die Beschlagnahme und deren Vollstreckung in den Nachlass dahingehend, dass nur die Einzelkonfiskation möglich war. Diese erstreckte sich auf Tatprodukte und -werkzeuge, wobei die in Beschlag zu nehmenden Gegenstände dem Täter gehören mussten; dieses Rechtsinstitut deckt sich in großem Maße mit der heutigen Strafeinziehung. Bemerkenswert dabei ist, dass diese strafähnliche Maßnahme auch in den Nachlass vollstreckt werden konnte, auch wenn zu Lebzeiten des Verurteilten noch kein Urteil ergangen war. Bei einer grundsätzlichen Zulässigkeit der Einzelkonfiskation werden im Besonderen Teil allerdings Fälle genannt, bei denen wegen des hohen verschuldeten Unrechts auch die für überholt geglaubte Vermögenskonfiskation vorgesehen ist.47 Neben Vorschriften, die der heutigen Einziehung ähnelten, entdeckt man auch eine Bestimmung, die der Gewinnabschöpfung diente. §§ 309, 310 PreußStGB, welche jeweils die einfache und die schwere passive Bestechung kriminalisierten, sahen neben einer Strafe, „die Herausgabe des Empfangenen oder des Werths desselben an den Fiskus“ vor. Gegenstand dieser Abschöpfungsregelung war somit der Bestechungslohn, wobei dadurch auch dessen Wertersatz erfasst wurde. Dies entspricht dem heutigen Entgeltverfall, wo „etwas, das für die Tat erlangt worden ist“, dem Tatbeteiligten zu entziehen ist. Eine ähnliche Regelung betraf auch die „Geschenkannahme durch Geschworene“.48 Ob diese Maßnahme einem Ausgleich, 47 Z. B. für Verurteilungen wegen Hoch- und Landesverrats, § 73 PreußStGB: „Wenn wegen Hochverraths oder Landesverraths in den Fällen der §§ 61, 63, 64, 67, 68, 69, 70 und 71 die Untersuchung eröffnet wird, so ist das Vermögen, welches der Angeschuldigte bereits besitzt, oder welches im später noch anfällt, mit Beschlag zu belegen. Der wegen Hochverraths oder Landesverraths zum Tode oder zu lebenslänglichem Zuchthaus rechtskräftig Verurtheilte verliert die Fähigkeit, über sein Vermögen unter Lebenden und von Todes wegen zu verfügen.“

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2. Kap.: Zur Historie der Gewinnabscho¨pfung

d. h. der Rückgängigmachung einer von der Rechtsordnung missbilligten Vermögensverschiebung diente oder einen punitiven Charakter aufwies, lässt sich aus der gesetzlichen Formulierung nicht erschließen. Gegen die Annahme, dass diese Vorschrift eine Nebenstrafe darstellte, spricht die Tatsache, dass diese Sanktion sich nur auf das tatsächlich Erlangte oder dessen Wert und nicht auf dessen Vielfaches erstreckte, wie es z. B. im ALR noch geregelt worden war. Der preußische Strafgesetzgeber scheint also für die Amtsdelikte die Gefährlichkeit einer eventuellen gewinnorientierten Motivation erkannt zu haben; dementsprechend wurde die Notwendigkeit offensichtlich, durch die Erfassung des kriminellen Profits eine Art Prävention zu betreiben, um dem damaligen „Unterthanen“ zu zeigen, dass diese Art Verbrechen sich nicht lohnte. Wollte man die Relevanz abschöpfender Regelungen in der heutigen Gesetzgebung mit der damaligen vergleichen, würde man zum Schluss kommen, dass die differenzierte Thematisierung dieser Materie qualitativ wie quantitativ auch auf eine Ummodelung der Konzeption des staatlichen Strafrechts zurückgeht. In der Zeit der ersten Konstitutionen und Erklärungen von Menschenrechten, in der Ära des aufgeklärten Absolutismus war der Wunsch nach einem rechtsförmigen Strafrecht Spiegelbild bürgerlicher Bemühungen, die Freiheiten des Individuums zu schützen und die Willkür der staatlichen Macht zu begrenzen. Während damals von einem Freiheitsstrafrecht die Rede war, ist der heutige Strafgesetzgeber bemüht, mittels Strafrecht mögliche Gefahrenquellen zu kontrollieren und das Verbrechen generell zu bekämpfen. Deshalb geht man von einem Verbrechensbekämpfungsrecht aus. Es ist folgerichtig, dass dieses sich intensiver für eine effektive Gewinnabschöpfung interessiert.

III. Das Reichsstrafgesetzbuch von 1871 (RStGB) Das darauf folgende spätere Reichsstrafgesetzbuch, das zunächst am 01. 01. 1871 als „Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund“ in Kraft trat49, unterschied sich von seinem Vorläufer im Feld der Gewinnabschöpfung wenig. Das ist allerdings nicht zufällig, wenn man sich die Vorbildfunktion des PreußStGB von 1851 vergegenwärtigt. Beruhend auf der Gedankenwelt des liberalen Rechtsstaates50 schuf das RStGB mit § 40 eine Allgemeinregelung über die Einziehung von Tatwerkzeugen und -produkten.51 Sie war insofern originell, als sie die Dritteinzie48 § 313 Abs. 2 PreußStGB: „Die gegebenen Geschenke oder der Werth derselben sind dem Fiskus im Urtheile zuzusprechen“. 49 Schmidt, Einführung, S. 344; als Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich wurde dieses Gesetz am 15. Mai 1871 mit einigen Änderungen verkündet, in den süddeutschen Staaten jedoch ist es erst ein paar Monate später in Kraft getreten. 50 Schmidt, Einführung, S. 343. 51 Müther, Vorteilsabschöpfung im Ordnungswidrigkeitenrecht, S. 7.

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hung völlig ausschloss.52 Parallel dazu verlief ein Abstrahierungsprozess, der sich neben der Allgemeinregelung auf nur wenige Sonderbestimmungen beschränkte.53 Die gesetzgeberische Absicht zum Eigentumsschutz und zur Abwendung von polizeilichen Sicherungseinziehungen ist unverkennbar. Dem Beispiel der Schöpfung eines Auffangtatbestands für die Einziehung folgte der Gesetzgeber nicht bei der Abschöpfung von Tatgewinnen. Ähnlich wie im PreußStGB war die sog. „Verfallerklärung“ in § 335 RStGB als Nebenstrafe für die Bestechungstatbestände vorgesehen.54 Diese Verfallerklärung knüpfte an die Tatbestände der einfachen (§ 331 RStGB) und schweren passiven (§ 332 RStGB) und aktiven Bestechung (§ 333 RStGB) sowie an die qualifizierte Richterbestechung (§ 334 RStGB) an. Ihr Gegenstand war „das Empfangene“.55 Danach waren alle Gegenstände irrelevant, die nur gefordert, angeboten oder versprochen, aber in der Tat nicht gewährt worden sind.56 Ausschlaggebend dabei war der Übergang der tatsächlichen Verfügungsgewalt auf den Beamten bzw. den Amtsträger57, so wie dies auch im heutigen Verfallsrecht gilt. Sowohl die Rechtsprechung des Reichsgerichts als auch die damalige Theorie hatten in der Verfallerklärung nach § 335 RStGB eine Nebenstrafe bzw. einen Unterfall der strafähnlichen Einziehung gesehen.58 Die Unterschiede dieser Sanktion von der im allgemeinen Teil geregelten Einziehung lagen darin, dass erstens der Verfall obligatorisch angeordnet und zweitens auch der Wertersatzverfall ermöglicht wurde.59 Dementsprechend stellte das vom § 335 RStGB erfasste Empfangene ebenso einen Fall von „instrumentum sceleris“ dar: der Bestechungslohn wurde als ein Gegenstand oder ein Wert betrachtet, der zur Begehung der Straftat gebraucht oder bestimmt war.60 Dieser Gegenstand unterschied sich vom herkömmlichen Einziehungsgegenstand, weil er in manchen Fällen nachträglich ge52 Diese Einschränkung ergab sich erst in der letzten Gesetzgebungsphase, s. Eser, Sanktionen, S. 24, wonach in § 338 E 1870 die Eigentumsverhältnisse für die Einziehung unerheblich sein sollten. 53 Eser, Sanktionen S. 23. 54 Der Gesetzgeber drückt sich lakonisch aus: “ In den Fällen der §§ 331 bis 334 RStGB ist im Urteile das Empfangene oder der Wert desselben für dem Staate verfallen zu erklären“. 55 Dabei handelt es sich um die sog. „fructus sceleris“; diese Bestimmung lehnt sich an die gemeinrechtliche Erfassung des „lucrum turpe extorqueri“; so auch RGSt 54, S. 215, 216. 56 RGSt 11, S. 101, 103; Ebermayer / Lobe / Rosenberg, RStGB mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts § 335, S. 1083. 57 RGSt 22, S. 270; 51, S. 87, 89; Ebermayer / Lobe / Rosenberg, RStGB § 335, S. 1083. 58 RGSt 51, S. 87, 89; 53, S. 319; 54, S. 215, 217; 57, S. 232; Ebermayer / Lobe / Rosenberg, RStGB § 335 S. 1083; Schwarze, Commentar zum StGB für das Deutsche Reich, S. 102. 59 s. Ebermayer / Lobe / Rosenberg, RStGB § 335 S. 1083; Frank, Das StGB für das Deutsche Reich, S. 755. 60 s. Frank, Das StGB für das Deutsche Reich, S. 754.

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währt wurde; durch die zusätzliche Regelung des § 335 RStGB wollte somit der Gesetzgeber solche Fälle erfassen. Konsequent zu dieser Regelung sowie zu dem in dieser Periode vorherrschenden Rechtsverständnis war auch der Ausschluss der Verfallerklärung, wenn die verwickelten Gegenstände als Bestechungsmittel ohne Wissen und Willen des Eigentümers benutzt wurden. Das ergibt sich logischerweise aus der Natur der Verfallerklärung als einer Nebenstrafe; sie sollte nur den Schuldigen treffen und seine Bereicherung beseitigen.61 Dieser Sanktion sowie der Einziehung des § 40 RStGB wurde somit jegliche sichernde Funktion abgesprochen. Die Verfallerklärung erfolgte im Urteil, nämlich in Verbindung mit einer aufgrund der §§ 331 bis 334 RStGB ergehenden Verurteilung.62 Dementsprechend war ein objektives Verfahren zur Anordnung der Verfallerklärung nicht zulässig. Dazu ist zweierlei anzumerken. Zum einen wurde der Begriff der „instrumenta sceleris“ in diesem Stadium der Entwicklung weit ausgelegt, so dass möglichst viele Gegenstände davon erfasst wurden. Die Trennung zwischen Tatprodukten und -werkzeugen einerseits, die mittels Einziehung entzogen werden, und Tatgewinnen und -entgelten andererseits, für die der Verfall angeordnet wird, hat sich erst später in der Nachkriegszeit herauskristallisiert. Zum zweiten unterliegt die Zuordnung der Verfallerklärung nach § 335 RStGB zur Einziehung systematischen Schwierigkeiten: so bleibt es unklar, warum die Einziehung nur fakultativ, während die Verfallerklärung des Bestechungsgelds zwingend angeordnet wurde. Das gleiche gilt für den Wertersatzverfall; während dieser im Rahmen der Einziehung unbekannt war, war er bei der Verfallerklärung an die Stelle der Naturalleistung zu entrichten.63

IV. Die Entwicklung bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs Während das Einziehungsrecht rechtspolitischen Schwankungen unterlag64, wurde das verwandte Abschöpfungsrecht nur am Rande thematisiert. Erst fünf Jahre nach dem Inkrafttreten des RStGB wurde durch seine erste Novelle eine Abschöpfungsregelung untergeordneter praktischer Relevanz hinzugefügt: § 296a 61 s. Walz, Die Nebenstrafen im RStGB und in den Entwürfen 1909, 1913, 1919 und 1925, Diss. 1926, S. 52. 62 RGSt 55, S. 31, 35; Frank, Das StGB für das Deutsche Reich, S. 756; Ebermayer / Lobe / Rosenberg, RStGB § 335 S. 1085. 63 Das Argument, dass die Ausdehnung auf den Wert der Sache den Beweis für den Nebenstrafencharakter der Verfallerklärung liefert, lässt sich nicht nachvollziehen; dazu Schewe, Einziehung, Verfallerklärung, Konfiskation, Beschlagnahme und Sicherstellung, S. 21, 23. 64 Nur stichwortartig sind die Akzentverlagerung auf die Erfassung der Beziehungsgegenstände, die wachsende Anzahl der sog. politischen Sondereinziehungsvorschriften im Nebenstrafrecht und die Wiedereinführung der totalen Vermögenseinziehung in den 30er Jahren zu nennen. Ausführlich dazu Eser, Sanktionen S. 26 ff.

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RStGB.65 Bei unbefugtem Fischen in Küstengewässern begnügte sich der Gesetzgeber nicht mit der unterschiedslosen und zwingenden Einziehung der Fanggeräte, sondern sah auch die Einziehung des im Fahrzeug mitgeführten Fangs vor, also eines „scelere quaesitum“. Verfolgt man die Motive für die Entstehung dieser Vorschrift, stößt man auf parlamentarische Ungenauigkeiten und Widersprüche. In der Begründung der Novelle ist nachzulesen, dass durch § 296a RStGB eine inhaltliche Angleichung an § 295 RStGB getroffen werden sollte.66 Diese Vorschrift schrieb die Einziehung des Gewehrs und aller Jagdgeräte vor, welche der Täter beim unberechtigten Jagen bei sich führte. Die Einziehung des erlegten Wildes wurde nicht erwähnt. Daraus ist zu schließen, dass entweder dem Gesetzgeber die Nichteinziehbarkeit des Wildes völlig entgangen war oder man durch den Verweis auf § 295 RStGB versucht hat, die Hinzufügung einer neuen Einziehungsvorschrift „herunterzuspielen“.67 Welche auch immer die Beweggründe des damaligen Gesetzgebers gewesen sein mögen, dieses Vorgehen ist weder dogmatisch noch rechtspolitisch zu begrüßen.68 Verstreute Abschöpfungsregelungen lassen sich auch in Nebenstrafgesetzen auffinden. Die wurden noch nicht als solche anerkannt, sondern als besondere Fälle der Einziehung ausgestaltet. Ein Beispiel dafür ist der Entgeltverfall bei Bestechung von Angestellten im § 12 Abs. 3 UnlWettbewG von 1909 und § 5 Abs. 1 der Bestechungsverordnung 1917. Die Notwendigkeit der Abschöpfung krimineller Gewinne sieht die Gesetzgebung immer noch nur bei den Amtsdelikten. Genuine gewinnabschöpfende Regelungen erschienen erstmalig als Reaktion auf die miserable finanzielle Lage während des Ersten Weltkriegs und infolge dessen aufgrund des weit verbreiteten Wucher- und Schiebertums.69 In dem Versuch, die Wuchergeschäfte unter Kontrolle zu bringen, wurde im Jahre 1918 die Preistreibereiverordnung (PreistreibereiVO) erlassen. Nach § 7 PreistreibereiVO war bei vorsätzlichem oder fahrlässigem Verstoß gegen bestimmte Preisvorschriften neben der Strafe ein Betrag einzuziehen, der dem erzielten übermäßigen Gewinn oder dem über den Höchstpreis erzielten Erlös entsprach. Die Verwendung des Begriffs „Einziehung“ darf dabei nicht verwirren, da die Wesensdifferenzen und die unter65 1. Novelle zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, v. 26. 02. 1876, RGBl. 1876, S. 39 ff. 66 RT-Drs. 1875 / 76 Nr. 54, S. 66. 67 Eser, Sanktionen, S. 26. 68 Diese Entwicklung ist aus dogmatischer Perspektive problematisch, weil sie eine sich abzeichnende Tendenz zur Ausuferung des Sondereinziehungsrechts verriet; rechtspolitisch, weil sie eine gewisse Leichtfertigkeit des Gesetzgebers erkennen ließ. Allerdings ist in sachlicher Hinsicht die Erstreckung auf den Fischfang gutzuheißen; so auch Eser, Sanktionen S. 26; § 296a wurde durch § 12 Seefischereigesetz v. 12. 07. 1984 aufgehoben und durch dessen Bußgeldtatbestand § 9 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 5 Abs. 2 S. 1 ersetzt. 69 Eser, Sanktionen, S. 34; zu vorteilsabführenden Maßnahmen im schweizerischen Kriegswirtschaftsrecht; s. auch Seiler, Strafrechtliche Maßnahmen als Unrechtsfolgen gegen Personenverbände, S. 247 ff.

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2. Kap.: Zur Historie der Gewinnabscho¨pfung

schiedliche Zwecksetzung im Vergleich zur herkömmlichen Einziehung offensichtlich sind. In der Theorie entwickelte sich eine lebhafte Diskussion zur Rechtsnatur der Einziehung nach § 7 PreistreibereiVO. Nach Lobe war „ihr Hauptzweck die Entziehung eines sittlich und wirtschaftlich missbilligten Vermögensvorteils, der auf Kosten der Allgemeinheit erlangt wurde und nur aus diesem Grunde wieder der Allgemeinheit, dem Reiche zugeführt werden solle“.70 Somit handelte es sich dabei nicht um die Geltendmachung eines Nebenstrafanspruchs, sondern um einen „öffentlich-rechtlichen Herausgabeanspruch eigener Art“. Einleuchtend zur Natur dieser Sanktion ist ein Urteil des Reichsgerichts von 1919.71 Ein pönaler Charakter dieser Einziehungsvorschrift wurde dort abgelehnt. Die in der PreistreibereiVO angedrohte Einziehung stelle kein Übel dar, sie solle den Schuldigen (und nicht nur diesen) nicht als Strafe treffen. Das genannte Urteil hat die Natur dieser Maßnahme aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte erörtert. Danach stellte diese Einziehung das Ergebnis vielseitiger Forderungen dar nach der Schaffung eines Rechtsinstituts zur Abschöpfung unberechtigter Kriegsgewinne. Auf diese Weise wurden die Bekämpfung des Wuchers und damit die allmähliche Normalisierung der Volkswirtschaft in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg erhofft. Das Reichsgericht maß aber dieser Maßnahme nicht eine vergeltende Funktion zu. Es führt an, dass wirtschaftliche Werte, welche der Allgemeinheit durch den Kriegswucher in rechtswidriger oder strafbarer Weise entzogen waren, dem Staat als Vertreter der geschädigten Allgemeinheit wieder zugeführt werden sollten. Dem Staat wurde somit an Stelle der nicht individualisierbaren „Allgemeinheit“ ein quasi bürgerlich-rechtlicher Anspruch zuerkannt, der mit den Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung oder unerlaubter Schadenszufügung vergleichbar war. Da die hypothetische Anerkennung von bürgerlich-rechtlichen Forderungen an das Reich oder die Einzelstaaten systemwidrig gewesen wäre, schuf der Gesetzgeber einen Anspruch öffentlich-rechtlicher Natur. Die Verneinung des Strafcharakters wird dadurch verstärkt, dass diese Maßnahme nicht nur gegen Täter verhängt werden durfte, sondern auch gegen diejenigen, die durch den Verstoß gegen die Preisregelungen einen rechtswidrigen Gewinn erlangt hatten. So erklärt sich auch, dass sich der Einziehungsanspruch auch gegen die Erben des Schuldners richtete.72 Die Anknüpfung an ein Strafverfahren sagte somit wenig aus über die Zwecksetzung der Einziehung und hing nur mit der Herkunft des Gewinns aus einer strafbaren Handlung zusammen. Zuletzt verrät selbst die Wortwahl eine zivilistische Ausrichtung; die Rede ist von „Haftung“ und „Gesamtschuldnern“.73 Zusammenfassend sah das Gericht den Zweck der Einziehung in einem Ausgleich Lobe, LZ 1919, S. 289, 290. RGSt 53, S. 89, 92. 72 So § 7 Abs. 4; dazu auch RGSt 53, S. 89, 93. 73 Z. B. in § 7 Abs. 3, S. 2: „Unter den gleichen Voraussetzungen kann als Gesamtschuldner jeder weitere Empfänger der Zuwendung oder ihrer Wertes haftbar gemacht werden.“ 70 71

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für die Gesamtheit aller aus dem Preiswucher erwachsenden Nachteile für die Allgemeinheit. In diesem Satz findet sich ansatzweise das Konzept des Verfalls des geltenden Rechts als einer kondiktionsähnlichen Ausgleichsmaßnahme wieder.74 In der Zeit vor und nach dem Ersten Weltkrieg entstand eine sehr lebhafte Bewegung, die eine umfangreiche Strafrechtsreform vorangetrieben hat.75 Die Reformbemühungen aus der Theorie und der Praxis sind in viele Entwürfe gemündet: Motor dieser Entwicklung war die zunehmende Industrialisierung Deutschlands, die Etablierung neuer staatspolitischer und philosophischer Vorstellungen über Sinn und Zweck der Strafe sowie die Feststellung praktischer Bedürfnisse in der Justizpraxis.76 Die Abschöpfung krimineller Gewinne bildete keinen Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzungen. Die Verfallerklärung des § 335 RStGB wurde in den zahlreichen Vor- und Gegenentwürfen meistens übernommen.77 Beim Entwurf 191978 stolpert man über eine wenig beachtete Vorschrift, die den Anspruch auf eine im Strafgesetzbuch verankerte staatliche Gewinnabschöpfung verkörperte. Neben der allgemeinen Einziehung des § 83 StGB-E 1919, welche die Tatinstrumente und -werkzeuge erfasste, findet sich im § 85-E 1919 eine Regelung unter dem Titel „Einziehung des Entgelts“. Damit wurde bei Verbrechen und vorsätzlichen Vergehen die fakultative Einziehung des für die Begehung der Straftat empfangenen Entgelts oder dessen Wertersatzes festgeschrieben. Praktisch ist der Inhalt dieser Vorschrift mit § 335 RStGB identisch, ohne aber die Erfassung der kriminellen Erträge auf Bestechungsdelikte zu beschränken; der einzige Unterschied liegt in der Abhängigkeit der Einziehungsanordnung vom richterlichen Ermessen. Erst in diesem Entwurf hat der Abstrahierungsprozess zur Herausbildung eines zentralen Sanktionstatbestands zur Entgeltabschöpfung geführt. Die Verfasser dieses Entwurfs haben auch die Erfassung der deliktischen Gewinne in Erwägung gezogen, die aber letztlich in den vorgelegten Entwurf 1919 keinen Eingang gefunden hat.79 Einen Wendepunkt hat die Entwicklung des Abschöpfungsrechts mit dem Geldstrafengesetz von 1923 erlebt80: dieses Gesetzeswerk spiegelt die Stärkung des Eser, Sanktionen, S. 34, 85. Zur Chronik der Reformbemühungen, s. Schmidt, Einführung, S. 394 ff. 76 Vgl. Schäfer, Deutsche Strafgesetzentwürfe von 1909 bis 1927, S. VII (Einleitung). 77 Im VE 1909: § 199; im Entwurf der Strafrechtskommission 1913: § 164, bezogen auf die Beamtenbestechung; in diesem Entwurf taucht noch eine Abschöpfungsregelung auf: § 148 Abs. 4, der bei Verurteilung wegen Landesverrates die Gewinne des Täters erfasst; im E 1927 § 128; näher dazu s. Walz, Die Nebenstrafen im RStGB und in den Entwürfen 1909, 1913, 1919, 1925, S. 111, 132 f. 78 Dieser Entwurf, der sich praktisch mit dem vergangenen Kommissionsentwurf 1913 identisch ist, wurde nicht als ein Regierungsentwurf herausgegeben, mehr dazu bei Schmidt, Einführung, S. 399. 79 Der Text des Entwurfes 1919 sowie Einzelheiten zu seiner Entstehung in: Schubert / Regge (Hrsg.), Quellen zur Reform des Straf- und Strafprozessrechts, Band I, Entwürfe zu einem Strafgesetzbuch, S. 5 ff. 74 75

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2. Kap.: Zur Historie der Gewinnabscho¨pfung

Anliegens zur Resozialisierung wider.81 Darin wurde die Geldstrafe an spezialpräventive Erwägungen geknüpft. Dies war nur möglich, wenn die Höhe der Geldstrafe an die konkreten wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters angepasst werden würde. Als Zumessungskriterien nach § 27c RStGB werden nunmehr neben den wirtschaftlichen Verhältnissen, das Entgelt, das der Täter für die Tat empfangen, und der Gewinn, den er aus der Tat gezogen hat, berücksichtigt. Dem Richter wurde zudem die Möglichkeit eingeräumt, das gesetzliche Höchstmaß erforderlichenfalls zu übersteigen, um den kriminellen Gewinn und Lohn abzuschöpfen. Diese Bestimmung wurde in die darauf folgende Verordnung über Vermögensstrafen und Bußen wörtlich aufgenommen.82 Diese Vorschrift stellte eine Zäsur dar, denn sie erkannte die Gewinnabschöpfung als ein maßgebliches Kriterium bei der Strafzumessung der Geldstrafe an, die in dieser Zeit am häufigsten verhängt wurde.83 Der seit langem andauernde Abstrahierungsprozess bei der Herausbildung einer Regelung für die deliktischen Gewinne und Entgelte fand in dieser Regelung seinen vorläufigen Abschluss. Zum ersten Mal wurde die unterschiedslose Abschöpfung rechtswidrig erlangter Vermögenswerte in den Regelungsbereich einer strafrechtlichen Sanktion aufgenommen. Die Berücksichtigung solcher Vermögenswerte beschränkte sich nunmehr nicht auf Bestechungstatbestände und wirtschaftsstrafrechtliche Verordnungen, sondern erstreckte sich auf alle eine Geldstrafe verwirkenden Straftaten. Der kriminelle Lohn und der Gewinn aus der Tat wurden zum Bestandteil der Geldstrafe. Auf diese Weise wich der Gesetzgeber den dogmatischen Fragestellungen aus, die bei der Ausgestaltung des Einziehungsrechts einschlägig waren: namentlich der Frage nach der obligatorischen oder fakultativen Anordnung einer Sanktion zur Gewinnabschöpfung, der Frage nach der Einziehbarkeit von Gegenständen des Täters oder auch von Dritten, der Frage nach der in natura Abschöpfung des Erlangten oder der Möglichkeit eines Wertersatzes u.ä. Auf die Schaffung einer neuen Sanktion, wie sie bspw. der E 1919 mindestens für kriminelle Entgelte vorsah, wurde in diesem Stadium der Entwicklung verzichtet. Die Gründe für diese gesetzgeberische Entscheidung mögen an der Zersplitterung der Vorstellungen und an der während des Reformvorhabens anhaltenden Uneinigkeit liegen. Diese Entwicklung diente allerdings nicht der Klarstellung der Natur der Gewinnabschöpfung. Dadurch war keine Sicherheit bezüglich der Rechtsnatur und der Zielsetzung einer derartigen Gewinnabschöpfung durch Geldstrafe gewährleistet. Der in der Preistreibereiverordnung enthaltene Gedanke des Ausgleichs kam dadurch nicht zum Ausdruck; während man in der Abschöpfung kriminell erlangRGBl. I 1923, S. 254 ff. Schmidt, Einführung, S. 409. 82 Verordnung über Vermögensstrafen und Bußen vom 06. Februar 1924, RGBl. I 1924, S. 44 ff. 83 Im Jahre 1928 wurden 69, 4% aller Verbrechen und Vergehen gegen Reichsgesetze mit Geldstrafe geahndet, s. Schmidt, Einführung, S. 411. 80 81

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ten Vermögens durch Geldstrafe eine generalpräventive Wirkung sehen könnte, waren pönale Elemente nicht auszuschließen. Oder man könnte darlegen, die Abschöpfung sei Teil der staatlichen Strafe, sie schließe daher pönale Elemente ein.84 Eine abschließende Frage nach dem Wesen der Gewinnabschöpfung sollte noch über einen längeren Zeitraum hinweg die Juristen beschäftigen. Eins bleibt noch anzumerken: die Anknüpfung der Gewinnabschöpfung an die Geldstrafe hat eine beträchtliche Regelungslücke hinterlassen. Die Berücksichtigung der kriminellen Gewinne blieb nach dieser Regelung ausschließlich der Geldstrafe vorbehalten. Auf diese Weise wurde die Gewinnabschöpfung bei Freiheitsstrafen praktisch ausgeschlossen. Diese Regelungslücke war beachtlich, wenn man bedenkt, dass sich hinter verwirkten Freiheitsstrafen Straftaten mit höherem Unwert verbergen, als die mit der Geldstrafe belegten Straftaten; bei diesen dürfte die Erzielung hoher wirtschaftlicher Vorteile keine Seltenheit darstellen. Letztlich führte die Regelung des § 27c RStGB in manchen Fällen zu unbilligen Ergebnissen, da sie die Eigentumsverhältnisse völlig unberücksichtigt ließ. Im Ergebnis war die Vorschrift auch dann anwendbar, wenn der Täter den aus der Tat gezogenen Gewinn bereits dem Geschädigten zurückgegeben hatte oder verpflichtet war, ihn zurückzugeben. Trotz der Berücksichtigung kriminell erlangter Profite durch Geldstrafe wurde in speziellen Vorschriften der von der PreistreibereiVO von 1918 eingeschlagene Weg fortgesetzt. Deren Gewinneinziehung wurde als Muster für zahlreiche Verordnungen dieser Zeit benutzt. Die entsprechende PreistreibereiVO von 1923 hat in § 16 („Einziehung des wucherischen Gewinns oder Verdienstes“) den Wortlaut fast unverändert übernommen.85 Die HandelsbeschänkungVO von 1923 nahm der Gewinneinziehung den obligatorischen Charakter ab, verwies übrigens auf die Vorschriften der Preistreibereiverordnung. Von Interesse ist auch, wie diese Regelungen den wirtschaftlichen Gegebenheiten begegnen wollten und dementsprechend von der nationalsozialistischen Gesetzgebung missbraucht wurden: in § 3 der PreisstrafrechtsVO von 1939 wurde auch eine Einziehungsregelung eingeführt.86 Gegenstand dieser Einziehung waren alle Beziehungsgegenstände sowie die durch Straftaten erlangten Gewinne. Festzuhalten ist, dass zum ersten Mal Gewinne und Beziehungsgegenstände in einer Vorschrift gemeinsam aufgeführt wurden. Die Anordnung wies einen fakultativen Charakter auf; die Eigentumsverhältnisse wurden außer Acht gelassen (§ 3 Abs. 1 PreisstrafrechtsVO). Ebenso unberücksichtigt blieb nach dieser Norm eine mögliche Anknüpfung an die Rechtswidrigkeit oder 84 Vor allem wenn man bedenkt, dass dadurch die Gewinnabschöpfung ein Teil der staatlichen Strafe und somit schuldgebunden ist. 85 RGBl. I 1923 I, S. 700 ff. 86 RGBl. I 1939, S. 999 ff.; Nachfolger dieser Verordnung war die PreisstrafrechtsVO 1944, welche in § 4 die Rückerstattung des Mehrerlöses einführte; sie überlebte den 2. Weltkrieg und ging über das WiStG 1949 in das heute immer noch geltende aber wenig praxisrelevante WiStG 1954 ein; dazu s. Eser, Sanktionen, S. 35.

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2. Kap.: Zur Historie der Gewinnabscho¨pfung

die strafrechtliche Schuld; die äußere Verwirklichung des Straftatbestandes galt zur Einziehungsanordnung als ausreichend (§ 3 Abs. 2 PreisstrafrechtsVO). Zum Schluss ist in § 3 Abs. 3 PreisstrafrechtsVO eine die Beweislast umkehrende Regelung aufzufinden, wonach die Einziehung dann ausblieb, wenn der von ihr Betroffene nachweisen konnte, dass er von der Straftat weder Kenntnis hatte noch haben konnte (falls er Dritteigentümer war) und dass er von der Straftat keinen Vorteil gehabt hat. Dabei handelte es sich um eine deutliche Verschärfung der Maßnahme der Einziehung, während es nahe liegt, dass auch politische Zwecke eine Rolle gespielt haben. Diese Entwicklung dient allerdings als ein erneuter Beweis der leichten Instrumentalisierbarkeit der Sanktionen gegen das Eigentum zu wesensfremden Zwecken.87

V. Die Entwürfe eines Strafgesetzbuches Nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft war die Beseitigung des „entarteten“88 Rechts ein wichtiges Anliegen des neuen republikanischen Gesetzgebers. Die Bemühungen konzentrierten sich auf die Gestaltung eines rechtsstaatlichen Strafrechts, das aus den Lehren der nationalsozialistischen Diktatur nützliche Schlüsse ziehen würde. Das Ziel war somit ein Strafgesetzbuch, das durch die Verankerung rechtsstaatlicher Garantien in der Lage wäre, mögliche Missbrauchsgefahren zu minimieren.

1. Der Entwurf eines Strafgesetzbuches von 1960 (E 1960) Dieses Bedürfnis hatte den damaligen Bundesminister der Justiz, Dehler dazu veranlasst, eine Kommission ins Leben zu rufen, welche die Weichen für die Reform des Strafrechts stellen sollte. Diese aus Richtern, Professoren, Politikern und Praktikern zusammengesetzte Große Strafrechtskommission war mit der Vorlage eines vollständigen Strafgesetzbuchs beauftragt. Nach lang anhaltenden Diskussionen und Sitzungen wurde der Entwurf 1960 in den Bundestag eingebracht. Dieser erste Entwurf ist der parlamentarischen Diskontinuität zum Opfer gefallen. Der Entwurf 1960 enthielt allerdings wichtige Neuerungen in Bezug auf die Eigentumssanktionen und die Gewinnabschöpfung. Obwohl dieser Entwurf die parlamentarischen Hürden nicht passiert hat, blieben seine Bestimmungen für die weitere Entwicklung der Gewinnabschöpfung maßgebend. Die Mitglieder der Strafrechtskommission schienen die Notwendigkeit, kriminelle Gewinne auch außerhalb der Amtsdelikte und der unbefugten Fischerei strafrechtlich zu erfassen, Für das römische Recht, s. oben 2. Kap. A.; für das gemeine Recht, 2. Kap. B. II. Dieser Begriff stammt von Rüthers, Entartetes Recht, Rechtslehren und Kronjuristen im Dritten Reich. 87 88

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endgültig registriert zu haben. Aus den Materialien dieser Kommission geht eine lebhafte Debatte hervor: einerseits war das Bedürfnis der Verallgemeinerung einer Gewinnabschöpfung bei bestimmten Mitgliedern höchst umstritten, andererseits sind auch viele Meinungsunterschiede bezüglich der genaueren Modalitäten des zu schaffenden Abschöpfungsrechts zu verzeichnen. Hinzuweisen ist darauf, dass trotz der zahlreichen Entwürfe, die vor und nach dem Ersten Weltkrieg aufgetaucht waren, die bereits von v. Liszt initiierte Strafrechtsreform ins Stocken geraten war. Bisher waren die kriminellen Erträge immer noch nur durch § 335 RStGB und von wirtschaftsrechtlichen Verordnungen erfasst.89 Wie bereits aufgezeigt, war in diesem Zusammenhang auch das Geldstrafengesetz relevant; die Einbeziehung des kriminellen Vermögens mittels Geldstrafe stieß jedoch auf Schwierigkeiten und wurde nach der herrschenden Ansicht den kriminalpolitischen Gegebenheiten nicht gerecht.90 Das Gewinnabschöpfungsrecht des E 1960 lehnte sich stark an die angestrebte Novellierung der Geldstrafe an. Im § 51 des Entwurfs wurde zur Bemessung der Geldstrafe dem aus Skandinavien stammenden Tagessatzsystem der Vorzug gegeben. Nunmehr konnte das Vermögen, unabhängig von seiner legalen oder illegalen Herkunft, bei der Bemessung der Geldstrafe nur sehr beschränkt berücksichtigt werden. Als Zumessungsgrundlage wurde ausschließlich das Nettoeinkommen des Verurteilten anerkannt. Im Rahmen der Schuldfeststellung und –zumessung konnte allerdings das Gewinnstreben oder die Gewinnsucht bewertet werden, nicht jedoch der tatsächlich erzielte Gewinn. Durch die Streichung des kriminellen Gewinns als Bemessungsgesichtspunktes der Geldstrafe war somit eine Regelungslücke entstanden, welche dem Rechtsempfinden der Mitglieder der Kommission unerträglich vorkam. Somit kam den Bestimmungen der §§ 109 – 112 E 1960 über den Verfall eine Lücken schließende Funktion zu. Im Rahmen dieses Entwurfes wurden diese Vorschriften als eine angemessene Ergänzung des Tagessatzsystems angesehen. Darüber hinaus sah der Entwurf den Verfall allgemein für alle Straftaten vor, mithin auch für Tatbestände, deren Verwirklichung mit Freiheitsstrafen angedroht wurde. Diesem Verfall unterlagen zwingend die aus einer Straftat gezogenen Gewinne und die für eine Tat erhaltenen Entgelte. Zum ersten Mal wurden der kriminelle Lohn und die rechtswidrigen Erträge aus einer Straftat in einer gemeinsamen Vorschrift – jedoch in getrennten Absätzen – aufgeführt. In dieser Entscheidung spiegelt sich die Absicht der Kommission wider neben der Erneuerung der kriminalpolitischen Konzeption das existierende Recht zu kodifizieren und verwandte Rechtsinstitute zu vereinheitlichen, um die Gesetzesanwendung zu erleichtern.

89 In der Begründung des Entwurfs werden alle Abschöpfungsregelungen aufgeführt; neben den schon erwähnten sind dies § 401 Reichsabgabenordnung, § 40 Bundesjagdgesetz und §§ 86, 98, 101 StGB zu nennen, s. BR-Drs. 270 / 60, S. 227 ff. 90 Vgl. Begründung zum E 1960 zu § 109, BR-Drs. 270 / 60, S. 228 f.

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2. Kap.: Zur Historie der Gewinnabscho¨pfung

Der obligatorische Charakter der Verfallsanordnung stellte sich somit als logische Konsequenz des Wesens des Verfalls dar. Dieser wurde von der Härtevorschrift des § 111 E 1960 ergänzt. Demnach musste die Anordnung ausbleiben, soweit der Verfall für den Betroffenen eine unbillige Härte war. Bei Geringfügigkeit des Erlangten bzw. dessen Wertes blieb das Absehen von der Verfallsanordnung im richterlichen Ermessen. Der Entwurf wollte dadurch vermeiden, dass die Gerichte wegen der erforderlichen Feststellungen über das Vorliegen der Verfallsvoraussetzungen übermäßig belastet würden. Die Normierung des Gewinn- und Entgeltverfalls in gesonderten Absätzen hing ferner mit der Absicht zusammen, die sog. Ausschlussklausel naturgemäß nur für den Gewinnverfall vorzusehen.91 Diese Klausel (§ 109 Abs. 2 Hs. 2 E 1960), welche heute immer noch geltendes Recht ist, sah ein Absehen vom Verfall vor, wenn den Tatgeschädigten zivilrechtliche Ansprüche erwachsen waren, die bei Geltendmachung den Gewinn beseitigen oder mindern würden. Diese Unterscheidung war jedoch etwas bedenklich, insofern sie vom Richter eine Aufklärung darüber verlangte, ob es sich beim konkreten kriminellen Ertrag um einen Gewinn oder Entgelt handelte. Nach dem E 1960 war der Verfall zu einer vollendeten Straftat akzessorisch; d. h. die abzuschöpfenden Vermögenswerte mussten aus einer schuldhaft begangenen Tat stammen. Dies stellt ein Ausdruck des Gedankens des Schuldstrafrechts dar, der dem gesamten Entwurf innewohnte.92 Zunächst fragt man sich, welche Rechtsnatur dieser Verfall hatte. Eine grammatikalische Auslegung ergäbe, dass der Verfall eine echte Nebenstrafe darstellte. Das verrät in erster Linie die Wendung „neben der Strafe“ in § 109 Abs. 1 E 1960. Charakteristisch für den Nebenstrafcharakter war auch die Regelung des § 111 Abs. 2 E 1960, wonach die erlittene Freiheitsentziehung und allgemein jede Strafe auf die Höhe des Verfalls einwirkte. Diese Regelung wurde dadurch begründet, dass die Rechtsprechung die ähnliche Vorschrift des § 335 RStGB auch auf diese Weise auslegte.93 Gegen den Nebenstrafcharakter spricht jedoch § 118 E 1960, der bei fehlender Strafverfolgung oder Verurteilung die Möglichkeit einer selbständigen Anordnung des Verfalls eröffnet. Somit ergibt sich, dass der Verfall keine echte Nebenstrafe darstellte, sondern gleichzeitig pönale und sichernde Elemente enthielt.94 91 Die Beschränkung dieser Klausel auf den Gewinnverfall kann man nachvollziehen, wenn man bedenkt, dass bei Straftaten, für deren Begehung ein Entgelt gewährt wird, keine individuellen Opfer existieren. 92 Vgl. auch Busch, Die deutsche Strafrechtsreform, S. 41, (Fn. 95). 93 An dieser Stelle wird auch zum Rechtscharakter ausdrücklich Stellung genommen: „Da der Verfall nach dem Entwurf eine der Strafe ähnliche Maßnahme ist, erscheint es folgerichtig die Anrechnungsvorschrift in § 66 für anwendbar zu erklären“, s. BR-Drs. 270 / 60, S. 231. 94 So liest man in der Begründung: „Der Entwurf [ . . . ] sieht davon ab, ihre Rechtsnatur (gemeint die Rechtsnatur des Verfalls und der Einziehung) festzulegen. [ . . . ] Bei der Aus-

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Grundsätzlich richtete sich der Verfall gegen Tatbeteiligte (§§ 109 Abs. 1, 2 E 1960). Eine Ausnahme davon wurde in § 109 Abs. 3 E 1960 statuiert; nach dieser Vorschrift konnte der Verfall auch gegen Dritte angeordnet werden. Darunter waren die zahlreichen Konstellationen zu subsumieren, in denen die Täter die Straftat als gesetzlicher oder willkürlicher Vertreter einer natürlichen oder juristischen Person oder Personengemeinschaft begangen haben und das Erlangte in das Vermögen des Vertretenen zugeflossen war. Der Reformgesetzgeber stellte in diesem Fall das Vermögen der Täter mit dem des Vertretenen gleich. Diese Regelung sollte der Eindämmung von Fallkonstellationen dienen, in denen ein Vertretungs- oder ein Abhängigkeitsverhältnis die Bereicherung eines Dritten ermöglichte. Ansonsten diente § 109 Abs. 6 E 1960 zur Klarstellung jeglicher Fragen bezüglich der Eigentumsverhältnisse, indem er den Verfall von Gegenständen, Sachen oder Rechte ausschloss, wenn sie „jemandem gehören oder zustehen, der weder Täter, Teilnehmer oder Vertretener ist, noch das Entgelt gewährt hat“. Durch die Einbeziehung des Bestechenden in den Adressatenkreis des Verfalls sollte die Nichtigkeit von solchen rechtswidrigen Rechtsgeschäften berücksichtigt werden. Trotzdem blieb der Verfall ausgeschlossen, wenn der Tatbeteiligte den Gegenstand vor der Anordnung an Dritte veräußert hat. Das hatte den Reformgesetzgeber zur Schaffung des Wertersatzverfalls veranlasst (§ 110 E 1960). War der Originalverfall aus den in § 110 Abs. 1 E 1960 aufgezählten Gründen unmöglich, so war der Verfall eines Geldbetrags anzuordnen, der dem Wert des Erlangten entsprach. Auf diese Weise wurde dem Verfall eine präventive Wirkung zugeschrieben denn dem Täter wurde dadurch der Anreiz genommen, den Gewinn bzw. die Tatbeute zur Vereitelung des Verfalls an Dritte weiterzugeben. Hierdurch zeichnet sich ansatzweise der Einsatz des Verfalls zu präventiven Zwecken ab, der in der künftigen „Karriere“ dieses Rechtsinstituts eine zentrale Rolle einnehmen wird. Die dogmatische Genauigkeit dieses Entwurfs kam auch in den Regelungen für den Verfall der Nutzungen sowie der Ersatzgegenstände bzw. Surrogate zum Ausdruck (§ 109 Abs. 4 E 1960). Unter Nutzungen waren alle Gewinne zu verstehen, die sich als Früchte der Sache oder des Rechts darstellen, z. B. in Form von Gebrauchsvorteilen. In Bezug auf die Ersatzgegenstände erfolgte eine Aufzählung von verschiedenen Fällen, bei denen Ersatzgegenstände erworben wurden. Die Ausdehnung des Verfalls auf solche Gegenstände erscheint sehr plausibel denn angesichts des hohen Tauschwertes von Vermögenswerten wäre es realitätsfern, den Verfall auf die Originalobjekte zu beschränken. Neben der systematischen Präzision hat sich dieser Entwurf an der praktischen Handhabung und den möglichen Bewährungschancen der designierten Vorschriften in der Praxis orientiert. Dieser Orientierung entsprach auch die Schätzungsmöglichkeit des § 109 Abs. 5 E 1960. Der Richter wurde vom Prinzip des Strengbeweises dahingehend befreit, dass er die Höhe des Entgelts oder Gewinnes und gestaltung der Maßnahmen ist der Entwurf nicht an eine vorweg getroffene Entscheidung über ihre Rechtsnatur gebunden“, s. BR-Drs. 270 / 60, S. 228.

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2. Kap.: Zur Historie der Gewinnabscho¨pfung

der Verletztenansprüche schätzen durfte. Auf diese Weise konnte das Gericht auf ausführliche Feststellungen über Art und Höhe des Verfallsgegenstands verzichten. Der gewährte Ermessensspielraum bezog sich jedoch nicht auf das Ob des Verfalls, sondern auf dessen konkrete Höhe. Mit den Verfallsvorschriften des E 1960 wurde die Bahn für eine weitere Ausfeilung der Gewinnabschöpfung geebnet. Die anschließenden Entwürfe sowie die späteren Verfallsvorschriften (§ 73 ff. StGB) haben die Grundideen dieses Entwurfs zu einem erheblichen Teil übernommen. 2. Der Entwurf eines Strafgesetzbuches von 1962 (E 1962) Nachfolger des E 1960 war der Entwurf 1962. Dieser vereinigte in großem Maße die Ergebnisse der vorhergehenden Entwürfe und der zu diesem Zweck eingesetzten Länderkommission sowie die weiteren Vorschläge von Ministerien zu einem umfassenden Gesamtentwurf.95 Angesichts des großen Umfangs und der vielseitig geäußerten Kritik blieben die Beratungen fruchtlos und somit wurde der Entwurf auch nicht zum Gesetz.96 Seine nachhaltige Einwirkung auf die konkrete Ausgestaltung der Gewinnabschöpfung zwingt jedoch zu einer Auseinandersetzung mit seinen Vorschriften. Grundlage für die Verfallsvorschriften des E 1962 waren die entsprechenden Bestimmungen des vorangegangenen Entwurfs, die nur in bestimmten Punkten modifiziert wurden, nämlich in Bezug auf den Anwendungsbereich des Drittverfalls (§ 109 Abs. 3 E 1962) und durch die Einführung des sog. Zinsverfalls (§ 109 Abs. 4 E 1962). Der Verfall, der in den §§ 109 – 112 E 1962 normiert wurde, knüpfte immer noch an eine schuldhaft begangene Tat und bezweckte die Abschöpfung aller aus dieser oder für diese Tat erlangten Gegenstände. Er richtete sich sinngemäß gegen den Tatbeteiligten, der den kriminellen Ertrag unmittelbar erlangt hat. Im Vergleich zum vorangegangenen Entwurf wurde jedoch der Umfang des Drittverfalls erheblich erweitert. Demgemäss sah § 109 Abs. 3 E 1962 vor, dass, „wenn der Täter oder Teilnehmer als Vertreter eines anderen oder sonst für einen anderen gehandelt hat und dadurch dieser das Entgelt oder den Gewinn erworben hat, die Verfallsanordnung sich gegen den tatsächlichen Empfänger richtet“.97 In solchen Fällen bestand zwischen der Handlung des Täters und der Vermögensvermehrung des Dritten eine kausale Beziehung, welche nicht zulassen würde, bei der Verfallsanordnung das Vermögen des Täters- Handelnden und das des Empfängers getrennt zu betrachten. Während im E 1960 diese Fallkonstellation dadurch gelöst wurde, dass zwischen dem Handelnden und dem Empfänger ein Vertretungsver95 96 97

s. Roxin, Strafrecht AT Bd. 1, S. 80. s. Busch, Die deutsche Strafrechtsreform, S. 40. s. die Begründung zum E 1962, BR-Drs. 200 / 62, S. 241 ff.

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hältnis vorausgesetzt wurde, verzichtete die Vorschrift des E 1962 auf das Vorliegen eines solchen Verhältnisses. Ein Handeln für einen anderen ist somit auch dann zu bejahen, wenn „der Täter oder Teilnehmer nach außen erkennbar Angelegenheiten eines anderen wahrgenommen hat, ohne Vertreter zu sein“.98 Die differenzierte Betrachtung in § 109 Abs. 3 und § 14 E 1962, der die strafrechtliche Verantwortung an ein gültiges Vertretungsverhältnis anknüpfte, lässt sich leicht erklären: da sich § 109 Abs. 3 E 1962 auf den Umfang des Drittverfalls (und nicht allgemein auf die strafrechtliche Schuld) bezieht, wäre es kriminalpolitisch wenig sinnvoll, eine Verfallsanordnung gegen Betriebsinhaber oder Unternehmer von einer möglichen formellen Vertretungsbeziehung abhängig zu machen. Neben der Erweiterung des Adressatenkreises des Verfalls haben die Entwurfsverfasser die Ausdehnung des gegenständlichen Umfangs des Verfalls ebenso als geboten betrachtet. Während § 109 Abs. 4 in beiden Entwürfen eine erschöpfende Aufzählung der mittelbaren Gewinne enthielt, die dem Verfall unterliegen sollten (Nutzungen und Surrogate), ging der E 1962 einen Schritt weiter: er sah eine Regelungslücke in Bezug auf Vorteile aus einer Kapitalnutzung oder Zinsersparnis. Der Vorteil, den der Täter bspw. durch die Verwendung des aus einer Tat erlangten Geldes im eigenen Betrieb erwarb, wurde vom Begriff der Nutzungen nicht abgedeckt. Allerdings lehnte sich dieser Begriff an das entsprechende Konzept des Zivilrechts an. In § 100 BGB werden als Nutzungen die Früchte einer Sache oder eines Rechtes sowie die Vorteile definiert, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechtes gewährt.99 Diese Bestimmung wird von § 99 Abs. 3 BGB dahingehend begrenzt, so dass als Früchte diese Erträge anerkannt werden, „welche eine Sache oder ein Recht vermöge eines Rechtsverhältnisses gewährt“. Hat der Täter demnach einen Gewinn in Geld erlangt und diesen auf sein Bankkonto überwiesen, waren die erhobenen Zinsen kraft des vertraglich geregelten Rechtsverhältnisses zwischen dem Kunden – Täter – und der Bank als Nutzungen anzusehen. Bei den kriminellen Gewinnen bzw. Erlösen fehlt es dennoch manchmal an diesem Erfordernis des Rechtsverhältnisses. Einschlägig ist der Fall, bei dem der Täter aus einer Investition der inkriminierten Gelder, außerhalb eines Rechtsverhältnisses, einen Gewinn gezogen hat. Nicht zu den Nutzungen gehörten ferner auch ersparte Zinsen, d. h. Zinsen, welche der Täter ohne die Straftat hätte aufwenden müssen, um sich das Geld zu dem Zweck, zu dem er es verwendet hat, in rechtmäßiger Weise zu beschaffen. Diese Umstände hatten die Verfasser dazu veranlasst, eine Sonderregelung für den Zinsverfall zu schaffen. § 109 Abs. 5 E 1962 kam somit eine ergänzende Funktion im Verhältnis zum Abs. 4 zu. Vorgesehen waren nicht nur die Fälle, in denen der Täter aus der Tat oder für sie Geld erlangt hat; Kapitalnutzung und Zinsersparnis sind überdies denkbar, wenn gegen den bereicherten Täter ein Zahlungsanspruch nicht oder erst später geltend 98 99

Z. B. als Buchhalter in einem Geschäftsbetrieb, s. BR-Drs. 200 / 62, S. 242. s. Soergel / Marly, BGB AT 1, Bd. 1, § 99, Rn. 1 ff., § 100, Rn. 1 ff.

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2. Kap.: Zur Historie der Gewinnabscho¨pfung

gemacht wird. Die Zinsersparnis tritt dann dadurch ein, wenn „der Täter es infolge der Straftat erspart hat, Zinsen für eine anderweitige Geldbeschaffung zur Tilgung der Schuld zu zahlen“. Solche Konstellationen sind im Steuerstrafrecht sehr relevant. Vor allem bei Steuerhinterziehungen erlangt der Täter durch den Vorteil der Kapitalnutzung oder der Zinsersparnis einen solchen Zinsgewinn, der ihm einen ungerechtfertigten Vorsprung gegenüber steuerehrlichen Konkurrenten gibt. In der Begründung wurde die Notwendigkeit dieser Vorschrift insofern dargelegt, dass ohne sie die erwünschte generalpräventive Wirkung von vielen Strafnormen insbesondere auf dem Gebiet des Abgabenstrafrechts erheblich geschwächt würde.100 Anzumerken ist an diesem Punkt, dass die Entwurfsverfasser den Zinsverfall als ein Instrument der Wirtschaftslenkung gesehen haben. Obwohl die dargelegten Gründe zur Einführung des Zinsverfalls plausibel erscheinen, bleibt es fraglich, ob diese Vorschrift eine solche generalpräventive Wirkung entfalten könnte, welche die Steuerehrlichkeit potentiell begünstigen würde. Die Entwurfsverfasser haben allerdings die Komplexität der Erfassung von mittelbaren Gewinnen erkannt und dementsprechend den Zinsverfall auf einen Geldbetrag erstreckt, der den üblichen Zinsen entsprach. Darunter sind die Zinsen zu verstehen, welche der Täter nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge hätte aufwenden müssen, wenn er sich das erlangte oder ersparte Geld im Wege eines Darlehens im üblichen Geschäftsverkehr beschafft hätte. Um mögliche unbilligen Ergebnisse zu vermeiden, z. B. in dem Fall, wenn der Täter nicht mehr bereichert ist oder wenn die unternommene Kapitalnutzung dem Täter keinen Gewinn gebracht hat, hatte der Zinsverfall einen fakultativen Charakter. In diesen Normenkomplex fügte sich auch die Schätzungsmöglichkeit bezüglich der üblichen Zinsen ein (§ 109 Abs. 6 E 1962). Im richterlichen Ermessen lag aber nicht nur das Ob des Zinsverfalls, sondern auch der genaue Umfang, d. h. die Bestimmung des für die Zinsberechnung maßgebenden Zeitraums. Der Entwurf setzte als Endpunkt zur Berechnung der üblichen Zinsen die Verfallsanordnung fest. Eine zusätzliche Sicherung traf der E 1962 in § 109 Abs. 5, S. 2, wonach der Zinsverfall ausgeschlossen wurde, soweit das Gericht den Verfall von Nutzungen anordnete, welche den üblichen Zinsen entsprachen oder sogar darüber hinausgingen. Durch diese Regelung sollte die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme des Täters beseitigt werden. Diese Vorschriften spiegeln die Absicht des Gesetzgebers wider, allen möglichen Fallkonstellationen im Bereich der Gewinnabschöpfung befriedigend Rechnung zu tragen. Besonderer Wert wurde darauf gelegt, dass kriminelle Gewinne nicht nur natürlichen, sondern auch juristischen Personen bzw. Personengemeinschaften verschiedenster Art entzogen wurden. Der Bedeutungszuwachs der juristischen Personen im wirtschaftlichen Leben der Nachkriegszeit bzw. in der Zeit des 100

s. BR-Drs. 200 / 62, S. 243.

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wirtschaftlichen Aufschwungs sowie der große Streit über ihre Strafbarkeit waren mitursächlich für die hier vorgeschlagenen Bestimmungen. Anlässlich des neu einzuführenden Zinsverfalls macht sich auch die Tendenz bemerkbar, die Normen dogmatisch so auszuarbeiten, dass keine kriminellen Erträge dem Täter oder einem möglichst weiten Empfängerkreis belassen werden. Was in dieser Vorschrift auch völlig neu war, war eine hypothetische Kausalität zwischen der Straftat und dem hypothetisch erlangten Vermögensvorteil. Diese Modalität verleiht dem Zinsverfall einen konfiskationsähnlichen Charakter. Darüber hinaus wird in diesem Entwurf eine (general)präventive Orientierung ersichtlich: durch eine möglichst weitgehende Normierung der Verfallsadressaten und des Verfallsgegenstands sollte der Gewinn als Anreiz zur Straftatbegehung beseitigt werden. Diese präventive Orientierung kommt in der dazugehörenden Begründung mehr als in den vergangenen Entwürfen zum Ausdruck. Dabei darf man allerdings nicht vergessen, dass nach den Konzeptionen dieser Entwürfe der Verfall immer noch als eine Nebenstrafe konzipiert war.

3. Der Alternativentwurf (AE) Der repressive Gedanke, der vom E 1962 beibehaltene moralistische Geist des Strafrechts sowie die eher konservative kriminalpolitische Konzeption waren die Eckpunkte einer heftigen Kritik gegen den E 1962.101 Inmitten dieser resignativen Atmosphäre haben sich vierzehn deutsche und schweizerische Strafrechtsprofessoren zusammengetan, um die Reformbemühungen neu zu beleben. Ergebnis dieses Zusammenschlusses war ein Gegenentwurf, dessen allgemeiner Teil im Jahre 1966 vorgelegt wurde: der Alternativentwurf eines Strafgesetzbuches (AE).102 Auf der Ebene der Dogmatik wurde am Schuldprinzip festgehalten und ansonsten eine Vereinfachung und ein Verzicht auf gesetzliche Manifestierung von Grundsätzen angestrebt.103 Die strafrechtliche Schuld wurde nunmehr nicht als Strafgrund, sondern als oberste Strafgrenze angesehen. Neuland wurde aber im Bereich der Sanktionen betreten. Die Innovation dieses Vorhabens lag darin, dass es die Spezialprävention in den Vordergrund brachte. Anliegen des AE war es, das Sanktionssystem am Resozialisierungsgedanken auszurichten und das Strafrecht auf sozialschädliches Verhalten bzw. ausschließlich auf prinzipiellen Rechtsgüterschutz zu beschränken.104 Der AE war ebenso dahingehend bemüht, das Strafrecht zu vereinfachen, indem er seine Vorschriften verständlich und zugleich praxisfreundlich formulierte. In 101 Dazu Baumann, in: Reinisch, Die deutsche Strafrechtsreform, S. 56; ders., Kleine Streitschriften zur Strafrechtsreform, S. 199. 102 Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches, Allgemeiner Teil, 2. Auflage, 1969. 103 Dazu vgl. Arzt, JZ 1967, S. 710 ff.; Gallas, ZStW 1968, S. 1 ff. 104 Vgl. Eser, FS für Maihofer, S. 109, 116.

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2. Kap.: Zur Historie der Gewinnabscho¨pfung

diesem Lichte wurde auch die Gewinnabschöpfung betrachtet. Beim Versuch, die Sanktionen zu rationalisieren, haben die Verfasser des AE für eine Abschaffung aller Nebenstrafen plädiert, die ein zusätzliches Übel zufügten, ohne dass dieses immer erforderlich war. Nach der Konzeption dieses Entwurfs wurde mittels Strafrecht keine bloße „Übelszufügung“ angestrebt, d. h. die absolute Strafbegründung wurde verworfen. Der AE stimmte der Notwendigkeit eines ausgearbeiteten Konzepts für die Gewinnabschöpfung zu. Er erkannte auch die Grundlinien an, die der E 1962 gezogen hat. Das kriminalpolitische Bedürfnis, dem Tatbeteiligten die Vermögensvorteile, also die Gewinne und Entgelte seiner Tat zu entziehen, stand außer Zweifel. Die Regelungen des vorausgehenden Entwurfs seien jedoch kompliziert, so dass sie die Justizpraxis mit unverhältnismäßiger Aufklärungsarbeit belasten würden. Dieser Umstand würde auch die Bewährungschancen der Gewinnabschöpfung erheblich mindern.105 Zunächst werden die Neuerungen analysiert, die der Entwurf einbrachte, d. h. es werden lediglich die Unterschiede zum E 1962 geschildert. Aufgrund der Umstrukturierung des gesamten Strafgesetzbuches hatten die Verfallsregelungen eine andere Nummerierung. § 83 Abs. 1 AE stellte den Grundtatbestand des Verfalls dar. Nach der Konzeption dieses Entwurfes sollte nicht eine schuldhafte, sondern eine lediglich rechtswidrige Tat ausreichen. Das Vermögen sollte dem Täter entzogen werden, auch wenn er schuldlos gehandelt hat. Denn den Verfall nur aufgrund einer schuldhaften Tat anzuordnen, würde bedeuten, dass dieses Rechtsinstitut eine Nebenstrafe war. Hinsichtlich des personellen Anwendungsbereichs wurde der Verfall nach § 83 Abs. 2 AE gegen diejenigen Drittempfänger angeordnet, die durch die Handlung des Tatbeteiligten einen Vermögensvorteil erlangt haben. Diese Bestimmung entsprach mit nur geringfügigen sprachlichen Änderungen der Regelung des E 1962. Die Wendung „als Vertreter eines anderen oder sonst“ wurde nicht übernommen, offensichtlich weil die Beschränkung auf Vertretungsverhältnisse den Verfassern des Entwurfs nicht angemessen schien und dadurch die Erweiterung des möglichen Empfängerkreises beabsichtigt wurde. Der AE vertrat die Ansicht, dass kein triftiger Grund besteht, den schuldlosen Tatbeteiligten anders bzw. besser als den Drittempfänger des Vermögensvorteils zu behandeln. In der Begründung wurde hervorgehoben, dass der Verfall bei schuldlosem Verhalten, entgegen dem E 1962, kriminalpolitisch ebenso geboten sei wie bei schuldhaftem Verhalten, ohne jedoch dieses Bedürfnis näher zu erläutern.106 Der Verzicht auf ein schuldhaftes Handeln beim Verfall bewirkte somit seine Abkoppelung von einer möglichen Bestrafung des Täters; dementsprechend wurde die Wendung „neben der Strafe“ gestrichen.

105 106

s. Begründung zum AE, S. 169. s. Begründung zum AE, S. 169.

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Stellt man nach diesen Bemerkungen den E 1962 dem AE gegenüber, drängt sich eine Wandlung des Rechtscharakters des Verfalls auf. Der Verfall des AE ist keine Nebenstrafe mehr; durch seine Anordnung, die auch obligatorisch ausgestaltet war, konnten keine punitiven Zwecke mehr verwirklicht werden. Ebenso wenig konnte die Gewinnabschöpfung in Erwägungen generalpräventiver Ausprägung fundiert sein. Der Verfall war nach der Konzeption des AE eine strafrechtliche Maßnahme ausgleichender Art; sein Sinn war darin zu sehen, dass der Täter nach der Tat nicht besser gestellt sein sollte als vor der Tat. Bei Delikten, bei denen es keine individuellen Opfer gab, trat der Staat an die Stelle der Allgemeinheit und machte durch das Rechtsinstitut des Verfalls jegliche rechtswidrigen Vermögensverschiebungen rückgängig. Denn die Resozialisierung eines bereicherten Täters könnte nicht effektiv sein, wenn er seine „Beute“ behalten dürfte. Dieser Zielsetzung sowie der eingangs angestrebten Vereinfachung diente die neue Erfassung des Verfallsgegenstands. Nach § 83 Abs. 1 AE erstreckte sich der Verfall auf jeden Vermögensvorteil, den der Täter aus oder für die Tat erlangt hat. Die gesonderte Normierung eines Entgelt- und eines Gewinnverfalls wurde als zu kompliziert verworfen, denn sie würde lediglich Zuordnungsprobleme aufwerfen und die Gerichte mit umständlichen Fragen belasten. Insofern wurden die entsprechenden Abs. 1 und 2 des § 109 E 1962 in einer Vorschrift zusammengefasst. Der Begriff „Vermögensvorteil“ sollte auch vermeiden, dass dem Täter etwaige Aufwendungen für die Tatbegehung beim Entgelt oder beim Gewinn unterschiedlich berücksichtigt wurden. Denn beim Gewinn könnten sie leichter angerechnet werden, während sie beim Entgelt unberücksichtigt bleiben würden, ohne dass diese unterschiedliche Behandlung begründet wäre. Dadurch wurde die kriminalpolitische Entscheidung angedeutet, dem Täter nur den in sein Vermögen tatsächlich zugeflossenen Vorteil zu entziehen. Obwohl der AE nicht ausdrücklich für das Nettoprinzip Stellung nahm, ließ seine Begründung durchblicken, dass eine pauschale Erfassung des Gewinns ohne Rücksicht auf die Aufwendungen des Täters nicht erwünscht wäre. Eine solche Argumentation deutet auf die Absicht der Verfasser des AE hin, die Gewinnabschöpfung beim Ausschalten jeglicher pönaler Elemente als eine ausgleichende Maßnahme auszugestalten. Zur Annahme dieses Rechtscharakters liefert der AE einen zusätzlichen Hinweis. Die in § 111 Abs. 2 E 1962 vorgesehene Anrechnung von Freiheitsentziehung und Strafe auf den Verfall wurde ersatzlos gestrichen.107 Die Entwurfsverfasser konnten keine funktionelle Vergleichbarkeit zwischen Freiheitsentziehung und Verfall ableiten, die diese Anrechnung rechtfertigen würde. Während die Freiheitsentziehung auf eine Schuld ausgleichende Zielsetzung oder im Fall der Untersuchungshaft auf Sicherungserwägungen zurückzuführen war, diente der Verfall anderen Zwecken. Dem Täter die Vermögensvorteile nur deshalb zu belassen, weil er Untersuchungshaft erlitten oder im Ausland eine Freiheitsstrafe abgesessen hat, 107 Der § 111 Abs. 2 E 1962 war schon Bestandteil des E 1960 und wurde als wichtiges Indiz zur Annahme des Strafcharakters des Verfalls vorgeführt.

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2. Kap.: Zur Historie der Gewinnabscho¨pfung

schien sowohl dogmatisch als auch kriminalpolitisch kaum begründbar. Der Verfall war kein Teil der Strafe, so dass er bei der Strafzumessung berücksichtigt werden sollte. Zutreffend wurde in der Begründung darauf hingewiesen, dass sich eine mögliche Anrechnung als eine Art Entschädigung auswirken würde. Das wäre mit den Zielen des Verfalls inkompatibel und würde die Täter, die etwas erlangt haben, gegenüber anderen, die keinen Gewinn aus der Tat gezogen haben, unberechtigt begünstigen.108 Im Bereich des heiklen Themas der mittelbaren Gewinne wagt der AE noch eine Korrektur: Genauso wie beim vorhergehenden E 1962, lag diesem Entwurf die Erwägung zugrunde, dass nicht jeder mittelbare kriminelle Ertrag abzuschöpfen war. Die Regelung des § 83 Abs. 3 AE verzichtete auf eine Aufzählung von Nutzungen und versuchte die sehr komplizierten Konstellationen mit einer Kann-Vorschrift zu umgehen. Diese Lösung zeichnet sich durch ihre Flexibilität aus. Schwer durchschaubare Formulierungen und verworrene dogmatische Konstruktionen von Nutzungen, Zinsersparnissen und Kapitalerträgen wurden auf diese Weise vermieden; somit hätte die Rechtsprechung die Möglichkeit durch die Rechtsanwendung Prinzipien herauszukristallisieren, nach denen das kriminalpolitische Bedürfnis eines Verfalls von mittelbaren Gegenständen ermittelt würde. Obwohl diese Bestimmung flexibler war, ist jedoch die Gefahr nicht zu übersehen, dass sie zu einer praktischen Nicht-Anwendung des Verfalls führen könnte; denn die Gerichte würden angesichts der komplexen zivilrechtlichen Konstellationen auf die Verfallsanordnung von mittelbaren Gewinnen verzichten. Im Bereich des Wertersatzverfalls hielt § 84 AE an den Grundgedanken der entsprechenden Regelung des E 1962 fest. Hier wurden allerdings Gründe, die eine Verfallsanordnung unausführbar machen, nicht genannt. Anders als im vorangegangenen E 1962 wurde nicht der Vorrang des Original- vor dem Wertersatzverfall festgelegt. Nach der Neufassung dieser Bestimmung war es dem Gericht zu überlassen, je nach Schwierigkeit der Ermittlung der Ersatzgegenstände, diese abzuschöpfen oder den Wertersatzverfall anzuordnen. § 85 AE übernahm den Inhalt des § 111 E 1962 in Bezug auf die Schätzungsmöglichkeit des Umfangs des Erlangten sowie dessen Wert. Die Schätzung war jedoch nur dann zulässig, „soweit genaue Feststellungen unverhältnismäßig große Schwierigkeiten bereiten“. Dadurch wollte der AE im Rückgriff auf rechtsstaatliche Erwägungen den Ausnahmecharakter der Schätzung unterstreichen. Die Schätzung wurde nur dann als berechtigt angesehen, wenn der konkrete Fall so angelegt war, dass der Aufwand für genaue Feststellungen bezüglich des Verfallumfangs in einem krassen Missverhältnis zur Bedeutung der Verfallsanordnung stehen würde. Diese Vorschrift ist kennzeichnend für die Tendenz dieses Entwurfs, den Vorrang rechtsstaatlicher Standards zu gewährleisten und mögliche vorstellbare Missbrauchspotentiale zu minimieren. 108

s. Begründung zum AE § 86 AE, S. 173.

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Wie die Analyse bereits gezeigt hat, lässt sich der Normenkomplex des AE über den Verfall in den Geist und in die gesamte kriminalpolitische Konzeption dieses Entwurfs einfügen. Der Anspruch auf Beachtung der Rechtsstaatlichkeit, die Sanktionen als Mittel zur Wiedereingliederung des Täters in die Gesellschaft, eine gewisse Sozialromantik, die zu jener Zeit herrschte, haben ihren Niederschlag in den Vorschriften des Alternativentwurfes gefunden. Dieses Vorhaben ist ebenso nicht Gesetz geworden. Das ändert nichts an seinem Wert, an den Akzenten, die er gesetzt hat, an den konstruktiven und lebhaften Auseinandersetzungen, die er hervorgerufen hat. Es ist nicht zufällig, dass viele der dort enthaltenen Vorschläge einige Jahre später in positives Recht umgewandelt worden sind. Da viele der heute geltenden Vorschriften auf diese zurückgehen, stellen sie auch für den gegenwärtigen Rechtsanwender eine wichtige Auslegungsquelle dar. Ferner sind die §§ 83 – 87 AE als ein Wendepunkt in der Entwicklung der Gewinnabschöpfung zu betrachten. Durch deren Bestimmungen wurde eine Abkehr von dem Verfall als einer Nebenstrafe signalisiert, bei der Repression und Generalprävention dominierten, hin zu einem Verfall als einer ausgleichenden Maßnahme. Würde man die Begründungen beider angesprochenen Entwürfe gegenüberstellen, wäre Folgendes zu konstatieren: der erste (E 1962) sieht den Verfall als „eine angemessene Ergänzung der Schuldstrafe“ an; der zweite (AE) versteht ihn jedoch, ohne eine konkrete Zielsetzung zugrunde zu legen, als eine Maßnahme ausgleichenden Charakters, die nichts anderes als den Entzug des kriminell erlangten Vermögensvorteils bezweckt. Die Gewinnabschöpfung dient somit der Korrektur ungerechtfertiger Vermögensverschiebungen. Die Assoziationen mit Rechtsfiguren des bürgerlichen Rechts, die sich aus der Verwendung des Terminus „ungerechtfertigte Vermögensverschiebung“ ergeben, sind charakteristisch für das Wesen des Verfalls nach dem Alternativentwurf.

VI. Zwischenergebnis Ziel dieser Ausführungen war es, den Weg der Gewinnabschöpfung sowohl dogmatisch, als Norm des jeweiligen positiven Rechts, als auch in der Gestalt eines kriminalpolitischen Anliegens in den verschiedenen Stationen ihrer Entwicklung bis zum Zeitpunkt ihrer Einführung in das StGB zu beleuchten. Während der Verfall als eigenständige Rechtsfigur im Strafgesetzbuch und in der heutigen Form jungen Alters ist, erweist sich jedoch das dem Verfall zugrunde liegende Konzept als nicht so jung. Sei es mit der Erfassung von Tatwerkzeugen und -produkten verknüpft, sei es als Sonderregelung für bestimmte Deliktstatbestände, sei es als Sanktion in Nebengesetzen mit Lenkungsfunktionen, sei es als ausgefeiltes sanktionsrechtliches Instrumentarium während der Strafrechtsreform war die Abschöpfung krimineller Erträge auf die eine oder andere Weise ständig präsent. Naturgemäß wurden Schwankungen bezüglich der mit ihr verfolgten Zwecke festgestellt. Die Historie der Gewinnabschöpfung hat aufgezeigt, wie sich der Gesetzgeber zwi-

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2. Kap.: Zur Historie der Gewinnabscho¨pfung

schen den Achsen einer Nebenstrafe der Prävention oder der Verwirklichung der materiellen Gerechtigkeit hin und her bewegte. Diese Elemente wurden manchmal durchmischt, während in anderen Fällen der Gesetzgeber hinsichtlich des Existenzgrundes der Gewinnabschöpfung schwieg. Bislang wurde die jeweilige Ausgestaltung der Gewinnabschöpfung teils mit der jeweiligen kriminalpolitischen Atmosphäre und teils mit der zusammengehörenden Dogmatik verknüpft. Diese Untersuchung hat eines klar dokumentiert: Die Entscheidung des jeweiligen historischen Gesetzgebers über die konkrete Ausgestaltung des Abschöpfungsrechts lässt sich im Rückgriff auf politische Konstellationen, wirtschaftliche Bedürfnisse und spezieller auf die kriminalpolitischen Strömungen nachvollziehen. Die Vernachlässigung dieser Rechtsmaterie, ihre Missbräuche, ihre normtechnische Ausarbeitung und Verallgemeinerung sind stets nur in Hinblick auf den oben umschriebenen Diskurs zu erklären. Die Historie findet ihren vorläufigen Abschluss im 2. StrRG, das die §§ 73 ff. StGB und damit den Verfall ungefähr in seiner heutigen Form einführte.109 Nach so vielen Entwürfen, Diskussionen und Streitigkeiten haben der Verfall und damit der theoretische Ansatz der Gewinnabschöpfung zum ersten Mal Eingang in das Strafgesetzbuch gefunden und somit eine generelle Anwendbarkeit auf alle darin enthaltenen Tatbestände erreicht. Trotz der immanenten Schwierigkeiten schienen diese Regelungen Erfolgschancen zu haben.

109 BGBl. I 1969, S. 734 f.; zu den einschlägigen Beratungen s. Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 3. Bd., S. 203 ff.; zur Begründung der neuen Verfallsvorschriften s. BT-Drs. V / 4095, S. 39 ff.

3. Kapitel

Die Wiederentdeckung der Gewinnabschöpfung Die breite politische und gesellschaftliche Diskussion um die Ausgestaltung des modernen Strafrechts hielt an. Nach den Gesetzentwürfen von 1962 und dem Alternativentwurf war jedoch eine gewisse Reformmüdigkeit festzustellen. Dem deutschen Gesetzgeber leuchtete allmählich ein, dass eine Gesamtreform durch die Einführung eines neuen Strafgesetzbuches fast utopisch war. Die Meinungen der kriminalpolitischen Akteure waren so unterschiedlich, dass zu einem neuen Strafgesetzbuch kein konsensfähiger Ansatz zu eruieren wäre. Das Bedürfnis nach einem Strafrecht, das den sich wandelnden sozialen, politischen und wirtschaftlichen Umständen der Nachkriegszeit entsprechen würde, war mehr denn je präsent und wurde immer aufdringlicher. Deswegen griff die Gesetzgebung zu mehreren Teilreformen des Strafgesetzbuches und von entsprechenden Nebenstrafgesetzen. Schritt für Schritt wurden kritische Bereiche zuerst durch die sog. Strafrechtsreformgesetze, später mit den Strafrechtsänderungsgesetzen mehr oder weniger erneuert. Relevant für die Gewinnabschöpfung ist das 2. Strafrechtsreformgesetz. Neben beträchtlichen Änderungen im Bereich des allgemeinen Teils hat dieses Gesetz zum ersten Mal ein Rechtsinstitut eingeführt, das ausschließlich der Abschöpfung rechtswidrig erlangten Vermögens diente. Diese Rechtsfigur war das Resultat von langwierigen Diskussionen im Rahmen der Großen Strafrechtskommission, die in den Entwurf 1962 mündeten sowie von der differenzierten Betrachtung des Alternativentwurfes. Das neue Verfallsrecht ist damit keine Kopie eines der beiden schon vorgelegten Entwürfe, sondern enthält Lösungen, die zwischen den beiden anzusiedeln sind. An bestimmten Stellen, die zunächst aufzuzeigen sind, ist der Gesetzgeber von den bereits vorgeschlagenen Konzepten abgewichen. Durch die Einführung der Verfallsvorschriften wurde eine Entwicklung in die Wege geleitet, die sich durch eine immer stärkere Thematisierung der Gewinnabschöpfung in Wissenschaft und Politik auszeichnet. Die Rede ist von einer „Wiederentdeckung der Gewinnabschöpfung“. In diesem Rahmen werden zunächst die Modalitäten des Verfallsrechts dargestellt (unter A.). Bei dieser normativen Analyse wird an zahlreichen Stellen auf die entsprechende Kommentierung und Rechtsprechung verwiesen, die manchmal erst später erschienen sind. Ihre Einbeziehung wird immerhin als notwendig angesehen, sofern der Gesetzestext keinen Änderungen unterzogen wurde, damit diese rechtliche Untersuchung vollständig ist. Ein hoher Stellenwert in der einschlägigen Diskussion kommt der Arbeit von Albin

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3. Kap.: Die Wiederentdeckung der Gewinnabscho¨pfung

Eser zu. Er hat die Sanktionen gegen das Eigentum untersucht und versucht unter anderem auch für die Gewinnabschöpfung eine dogmatische Grundlage herauszuarbeiten. Somit werden als nächstes die Grundlinien dieser Untersuchung vorgestellt (unter B.). Anschließend wird der Frage nachgegangen, ob diese Wiederentdeckung der Gewinnabschöpfung nicht nur mit der Einführung der Verfallsvorschriften und deren Unzulänglichkeiten zusammenhängt, sondern ob auch Gesamtentwicklungen im Strafrechtssystem dafür ursächlich sein könnten (unter C.). Durch das Recht der Gewinnabschöpfung werden bestimmte kriminalpolitische Ziele verfolgt, ohne jedoch die Tauglichkeit der Gewinnabschöpfung zu deren Erreichung zu hinterfragen. Somit wird eine kriminologische Betrachtung erforderlich, die das Potential aber auch die Grenzen der Gewinnabschöpfung aufzeigen könnte (unter D.). Ferner spitzt sich im weiteren Lauf der kriminalpolitischen Entwicklung die Bedeutung der Gewinnabschöpfung zu; die Bilanz spiegelt sich in zwei Gesetzen wider, dem Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes (unter E.) und dem Gesetz gegen die Organisierte Kriminalität (unter F.).

A. Normative Betrachtung I. Der Verfall nach § 73 StGB Der neue Verfall nach § 73 Abs. 1 StGB ist anzuordnen, wenn eine rechtswidrige Tat begangen worden ist und der Täter oder Teilnehmer aus dieser Tat oder für sie unmittelbar etwas erlangt hat. Es wird somit klar, dass in Übereinstimmung mit dem AE1 und entgegen dem Entwurf 1962 Anknüpfungspunkt jeglicher Verfallsanordnung die Rechtswidrigkeit ist. Strafrechtliche Schuld wird nicht vorausgesetzt. Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass „kein sachlicher Grund besteht, dem Tatbeteiligten, der schuldlos einer Strafvorschrift zuwidergehandelt hat, im Gegensatz zu einem schuldhaft handelnden Täter den erlangten Vermögensvorteil zu belassen“.2 Für die Erstreckung des Verfalls auf Vermögensvorteile, die lediglich aus rechtswidrigen Taten stammen, spricht auch ein Gedanke rechtssystematischer Natur: wie später noch zu zeigen ist, richtet sich der Verfall unter bestimmten Bedingungen gegen einen Dritten, manchmal auch dann, wenn dieser von der Tat keine Kenntnis hatte.3 Es wäre also äußerst widersprüchlich, den schuldlos Handelnden, der immerhin ein Täter ist, günstiger zu behandeln als den völlig unbeteiligten Dritten. Unbilligen Ergebnissen, die sich aus der Verfallsanordnung gegen schuldlos Handelnden ergeben, sind durch eine ergänzende Norm zu begegnen: die Härtevorschrift räumt den erkennenden Gerichten die Möglichkeit ein, bei Feststel1 2 3

s. oben 2. Kap. B. V. 3. s. BT-Drs V / 4095, S. 39. Zur sog. „Vertreterklausel“ (§ 73 Abs. 3 StGB) s. unten 3. Kap. A. VI. 2.

A. Normative Betrachtung

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lungen bezüglich unbilliger Fallkonstellationen von einer Verfallsanordnung abzusehen. Dazu muss noch beachtet werden, dass die Wendung des E 1962, der Verfall sei „neben der Strafe“ anzuordnen, nicht übernommen wurde. Diese Streichung ist konsequent und stellt ein Indiz für seinen Rechtscharakter dar. Wenn die Verfallsanordnung sich mit einer rechtswidrigen Tat begnügt, heißt dies konkret, dass der Verfall nicht zwangsläufig neben einer Strafe verhängt wird, sondern auch selbständig. Auf den ersten Blick scheint der Verfall keine Nebenstrafe, sondern eine Nebenfolge eigener Art zu verkörpern. Im Verlauf der vorliegenden Analyse werden hierfür noch mehr Beweise angeführt. Subjektiv gesehen kann die Tat vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden sein.4 Eine versuchte Tat kann ebenso ausreichend für eine Verfallsanordnung sein, wenn dieser Versuch unter Strafe gestellt wird und wenn aus der oder für die versuchte Tat dem Täter ein Vorteil zugeflossen ist.5

II. Der Gegenstand des Verfalls Vom Verfall wird der aus einer oder für eine Straftat erlangte Vermögensvorteil erfasst. Das Gesetz bedient sich des Begriffs, den der AE vorgebracht hat und verzichtet somit auf eine Normierung des Entgelt- und Gewinnverfalls in verschiedenen Absätzen. So werden die Gerichte von der schwierigen Ermittlungsaufgabe befreit, festzustellen, ob es sich um einen Gewinn oder ein Entgelt handelt. Der Vermögensvorteil umfasst allerdings nicht nur Sachen und Rechte; gemeint sind ebenso andere Vermögenswerte und sämtliche rechnerisch erfassbaren Positionen in der Form von Vergünstigungen, Gebrauchsvorteilen, Einsparungen, Inanspruchnahme allgemeiner Leistungen oder – eine in der Praxis sehr wichtige Fallkonstellation – von ersparten Aufwendungen.6 Die Aufgliederung in Gewinn und Entgelt hätte Anlass zu Vermutungen geben können, abzuschöpfen seien ausschließlich bestimmte Gegenstände und nicht irgendwelcher rechnerisch erfassbarer Vermögensvorteil;7 somit dient auch dieser Begriff zur Klarstellung. 4 Ein solcher Gewinn kann aus einem gesundheitsschädlichen Stoff gezogen werden, der fahrlässig als Lebensmittel in den Verkehr gebracht wurde, s. Schönke / Schröder / Eser § 73, Rn. 4. 5 Der Verfall des Bestechungsentgelts wird z. B. auch bei einer nur versuchten Bestechlichkeit nach § 332 StGB angeordnet; dies ist der Fall, wenn der Bestochene das Entgelt bereits erhalten hat aber die dienstpflichtwidrige Handlung noch nicht vollzogen hat, so Schönke / Schröder / Eser § 73, Rn. 5; Güntert, Die Gewinnabschöpfung als strafrechtliche Sanktion, S. 32. 6 Dazu NK / Herzog, § 73, Rn. 3; Güntert, Die Gewinnabschöpfung als strafrechtliche Sanktion, S. 35 f.; LK / Schmidt § 73, Rn. 22; Schönke / Schröder / Eser § 73, Rn. 6; SK / Horn § 73, Rn. 7. 7 BT-Drs V / 4095, S. 39; dort wird das Beispiel angeführt, dass dem Täter als Bestechungsentgelt ein Leihwagen zur Verfügung gestellt worden ist. Da ihm das Auto nicht über-

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3. Kap.: Die Wiederentdeckung der Gewinnabscho¨pfung

In diesem Punkt stellt sich die Frage, wann der Täter etwas erlangt hat. Eine erste Antwort entsteht für den Rechtsanwender durch einen Verweis auf die Vorschriften des BGB über den Eigentumserwerb. Das bedeutet, dass der Tatbeteiligte nur dann etwas erlangt, wenn beide Rechtsgeschäfte, sowohl das schuldrechtliche als auch das Erfüllungsrechtsgeschäft wirksam sind. Im Fall von Straftaten wird aber von den §§ 134 ff. BGB die Nichtigkeit von verbotenen oder gesetzwidrigen Rechtsgeschäften statuiert. Liegt somit eine Straftat vor, aus der der Täter einen Gewinn gezogen hat, ist er aufgrund des verbotenen und damit nichtigen Rechtsgeschäfts nicht Eigentümer geworden; der Straftäter hat im zivilrechtlichen Sinne nichts erlangt. Deswegen würde eine strenge Anknüpfung des Verfalls an die sachenrechtlichen Bestimmungen den gesetzgeberischen Absichten zur Gewinnabschöpfung widersprechen. Die Vorschrift ist damit so zu verstehen, dass der Täter erst dann etwas erlangt hat, wenn er die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Sache oder das Recht innehat, wenn er also faktisch über dieses „Etwas“ verfügen kann8 oder wenn dieses ihm wirtschaftlich zufließt9. Die Rechtswirksamkeit des Kausalgeschäfts oder der dinglichen Verfügung bleibt außer Betracht.10 Den Verfallsgegenstand muss der Täter oder Teilnehmer unmittelbar für die Tat oder aus ihr erlangt haben. Diese Unmittelbarkeit, bzw. der Zusammenhang zwischen Verfallsgegenstand und einer bestimmten Straftat ist als ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal zu verstehen. Daraus, dass das Gesetz nur ausnahmsweise den Verfall mittelbar erlangter Gegenstände zulässt, ist e contrario auf die Notwendigkeit einer Unmittelbarkeit zu schließen. Aus der Tat erlangt ist der Vermögenszuwachs, der bei einem Straftäter unmittelbar durch die Begehung der Tat eintritt.11 Die Rechtsprechung ist reich an Beispielen: aus der Tat erlangt ist also die Diebesbeute, die Vermögensvorteile aus einem Betrug12, der Bestechungslohn13 usw. Für die Tat erlangt sind solche Vermögenswerte, welche der Tatbeteiligte als Gegenleistung bzw. als Entgelt für die Tatbegehung bekommen hat. An dieser Falleignet worden ist, hat er keinen Gegenstand erlangt, sondern nur einen Vermögensvorteil, dass er den Wagen benutzen konnte. Nach der neuen Regelung kann dieser für verfallen erklärt werden. 8 Vgl. Fischer § 73, Rn. 10. 9 Vgl. OLG Hamburg NJW 1971, S. 1999; LK / Schmidt § 73 Rn. 29; Schönke / Schröder / Eser § 73, Rn. 11; Fischer § 73, Rn. 10; NK / Herzog, § 73, Rn. 5. 10 Schönke / Schröder / Eser § 73, Rn. 11; BGH Urteil v. 04. 11. 1982, JR 1983, S. 431 mit Anm. Schmid, S. 432; BGH, Beschluss von 11. 06. 1985, NStZ 1985, 556 mit Anm. Eberbach, S. 557. 11 NK / Herzog § 73, Rn. 6; LK / Schmidt § 73, Rn. 26; Schönke / Schröder / Eser § 73, Rn. 9. 12 Schönke / Schröder / Eser § 73, Rn. 6. 13 BGHSt 30, S. 46, 47; der Bestechungslohn könnte auch als ein Vermögensvorteil für die Tat gelten, denn es existiert ein Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen ihm und der konkreten Tat der Bestechung; so auch NK / Herzog, § 73, Rn. 5.

A. Normative Betrachtung

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konstellation sind strengere Anforderungen zu stellen: d. h. zwischen der Begehung der Tat und dem dafür erhaltenen Entgelt muss ein gewisses Gegenseitigkeitsverhältnis existieren.14 Dieses Verhältnis muss gerichtlich festgestellt sein und nicht nur anhand von Vermutungen oder Indizien hergestellt werden.15 Die Unterscheidung von Gewinnen aus der Tat und für die Tat spielt in der Gerichtspraxis keine Rolle; sie wird erst im Hinblick auf die Ausschlussklausel gemäß § 73 Abs. 1 S. 2 StGB relevant.

III. Mittelbare Gewinne Die Verfallsvorschriften würden eine Regelungslücke aufweisen, wenn sie die mittelbaren Gewinne der Tat ausklammern würden. Mittelbare Gewinne sind die Vermögenswerte, die erst durch entsprechende Verwendung des ursprünglich Erlangten dem Vermögen eines Täters zufließen.16 Die Notwendigkeit der Abschöpfung mittelbarer Gewinne wurde mit verschiedenen Akzentuierungen von den vorangegangenen Gesetzesentwürfen anerkannt. Würde man jedoch dem bereits erwähnten Erfordernis der Unmittelbarkeit folgen, würde die Verfallsanordnung in den Fällen ausbleiben, bei denen der Täter den Verfallsgegenstand veräußert oder auf irgendwelche Weise verwertet hätte. Genau diesem Umstand will § 73 Abs. 2 StGB Rechnung tragen, der den Verfall auch auf Nutzungen und Surrogate erstreckt. Der Inhalt der Nutzungen ist dem zivilrechtlichen Nutzungsbegriff zu entnehmen. Im Sinne der §§ 99, 100 BGB sind Nutzungen die Früchte der Sache oder des Rechts. Als verfallsfähige Nutzungen sind bspw. bankübliche Zinsen aus dem erlangten Gewinn17, Mieteinnahmen aus einem mit betrügerischen Methoden erlangten Mietshaus18 oder die Gewinnausschüttung von Wertpapieren anzusehen19. Erforderlich ist in diesem Zusammenhang, dass diese Nutzungen tatsächlich und nicht nur rechnerisch gezogen worden sind.20 14 s. BGH Beschluss v. 29. 08. 2002, StV 2003, S. 160; Schönke / Schröder / Eser § 73, Rn. 8; Rönnau, Vermögensabschöpfung in der Praxis, Rn. 180, Herzog / Mülhausen, GwHdb § 23, Rn. 16. 15 s. BGH Beschluss v. 29. 08. 2002, StV 2003, S. 160. Bei dieser Entscheidung handelt es sich um einen Drogenkurier, bei dem nicht nur zu transportierende Drogen, sondern auch eine große Menge von Bargeld aufgefunden worden ist. Das Gericht konnte nicht zu der Überzeugung gelangen, dass das Geld als Entgelt für die Tat übereignet wurde und hat damit nicht dessen Verfall angeordnet. 16 NK / Herzog, § 73 Rn. 9. 17 Fischer, § 73, Rn. 10. 18 OLG Karlsruhe, Beschluss v. 30. 12. 1974 m. Anm. Keller, JR 1976, S. 121 ff. 19 NK / Herzog, § 73 Rn 21; LK / Schmidt § 73, Rn. 44; Brenner DRiZ 1977, S. 203, 204; Güntert, Die Gewinnabschöpfung als strafrechtliche Sanktion, S. 50.

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3. Kap.: Die Wiederentdeckung der Gewinnabscho¨pfung

Die Verfallsanordnung solcher Nutzungen, genau wie der unmittelbaren Vermögensvorteile, ist zwingend. In diesem Punkt hat sich das neue Verfallsrecht an den E 1962 angelehnt. Im Gegensatz dazu ist im Fall der Surrogate lediglich eine fakultative Verfallsanordnung vorgesehen. Surrogate sind nach dem § 73 Abs. 2 S. 2 StGB solche Gegenstände, die der Täter oder Teilnehmer durch die Veräußerung eines erlangten Gegenstandes oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder aufgrund eines erlangten Rechts erworben hat. Der Begriff ist weitgehend deckungsgleich mit dem der Vorschrift des § 818 Abs. 1 BGB, so dass zur Berechnung ihrer Höhe die bereicherungsrechtlichen Grundsätze des bürgerlichen Rechts herangezogen werden.21 Als Beispiel dafür gelten Gegenstände, die der Täter durch die Durchsetzung eines betrügerisch erlangten Anspruchs erhalten hat, ein Entschädigungsanspruch gegenüber einer Versicherung usw. Bei den Surrogaten wurde eine Lösung bevorzugt, die die entsprechenden Regelungen des E 1962 und des AE auf eine raffinierte Weise zusammenbringt. Von dem ersten (E 1962) wurde die Aufzählung, praktisch die Benennung von sonstigen mittelbaren Gewinnen übernommen, die dem Verfall unterliegen. Somit wollte man einer bis ins Uferlose Ausweitung des Verfalls entgegenwirken. Von dem AE wurde der fakultative Charakter des Surrogatsverfalls übernommen. Man könnte sich allerdings fragen, warum sich im Falle der Nutzungen und der unmittelbaren Tatgewinne die Anordnung als obligatorisch gestaltet, während bei den Surrogaten nur die Möglichkeit einer Verfallsanordnung vorgesehen ist. Die Antwort darauf ist in der praktischen Anwendung dieser Bestimmung zu suchen: im Fall der Surrogate ist es äußerst schwer, die Kette möglicher Veräußerungen zu rekonstruieren. Beispielsweise wäre es sehr schwer nachzuweisen, ob eine bestimmte Geldmenge aus einem Veräußerungsgeschäft herrührt.22 Die fakultative Anordnung will also die Gerichte von komplizierten Ermittlungen entlasten und gleichzeitig sicherstellen, dass dem Tatbeteiligten der Gewinn auch in solchen Fällen nicht belassen wird; wird der Originalverfall nicht angeordnet, sieht § 73a StGB den obligatorischen Verfall des Wertersatzes vor. Die erläuterten Verfallsgegenstände, also die aus der Tat oder für sie erlangten Gegenstände, die Nutzungen und die Surrogate werden abschließend aufgeführt.23 Das bedeutet, dass andere mittelbaren Gewinne nicht für verfallen erklärt werden können.24 20 Zur Unzulässigkeit einer Verfallsanordnung künftiger Nutzungen s. BGH Beschluss v. 10. 04. 1981, MDR 1981, S. 629 ff. 21 Lackner / Kühl § 73, Rn. 7. 22 Ein anderes Beispiel liest sich in der Gesetzesbegründung: der Täter erhält als Tatentgelt ein Auto, das aber später bei einem Unfall einen Totalschaden erleidet; das Gericht wäre in diesem Fall nicht gezwungen, die Ansprüche des Unfallschuldigen aus einer Haftpflichtversicherung zu ermitteln und eventuell diese für verfallen zu erklären. Relevant wäre der Verfall eines Geldbetrages, der dem Wert des Autos entsprechen würde, s. BT-Drs. V / 4095, S. 40. 23 LK / Schmidt § 73, Rn. 43; Rönnau, Vermögensabschöpfung in der Praxis, Rn. 246.

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IV. Der Wertersatzverfall nach § 73 a StGB Die Regelung des Wertersatzverfalls drückt den gesetzgeberischen Willen aus, die Gewinnabschöpfung auch dann zu ermöglichen, wenn der Verfall des originären Gegenstands aus verschiedenen Gründen nicht oder nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich wäre.25 Durch den Verfall des Wertersatzes wird der Zweck verfolgt, dem Täter die Vermögensvorteile wertmäßig zu entziehen. Dem Wertersatzverfall wird somit eine lückenfüllende Funktion beigemessen. Der Wertersatzverfall kann nur dann angeordnet werden, wenn der Verfall der unmittelbaren Gewinne oder der Nutzungen und Surrogate zulässig wäre. Sein Anwendungsbereich erstreckt sich zudem auf die Fälle, bei denen der Originalverfall nach § 73 StGB wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus sonstigen Gründen nicht durchzuführen ist oder, wenn das Gericht von dem Verfall der Surrogate nach § 73 Abs. 2 S. 2 StGB abgesehen hat. Die Beschaffenheit des Verfallsgegenstands wird als Voraussetzung des Wertersatzverfalls dann herangezogen, wenn z. B. dieser Gegenstand verarbeitet oder mit anderen Gegenständen vermischt wurde.26 Relevant ist aber der Wertersatzverfall wegen der Beschaffenheit, auch wenn die kriminell erlangten Vermögenswerte nicht gegenständlich das Vermögen des Tatbeteiligten vermehrt haben, sondern wenn sie nur rechnerisch ausgewirkt haben, wie bspw. im Fall von ersparten Aufwendungen.27 Einschlägig wird das bei den Umweltdelikten, wo z. B. der Inhaber einer Müllanlage durch das Unterlassen von Schutzvorkehrungen in seinem Betrieb enorme Summen gespart hat, die sich aber nicht im Sinne eines reinen Zuwachses in sein Vermögen widerspiegeln.28 Der Wertersatzverfall kann auch aus sonstigen Gründen angeordnet werden. Angedeutet wird somit die Unmöglichkeit eines Originalverfalls, wenn der Originalgegentand verschenkt, zerstört, untergegangen, preisgegeben oder verbraucht worden ist.29 Ein weiterer Anwendungsfall des Wertersatzverfalls liegt vor, wenn der Gegenstand zum Zeitpunkt der Entscheidung einem Dritten gehört, ohne dass die Drittverfallsklausel (§ 73 Abs. 4 StGB) relevant wäre.30 24 Der Gewinn aus Glücksspielen, bei denen verfallsfähige Vermögenswerte eingesetzt worden sind, unterliegt nicht dem Verfall, denn dieser kann nicht unter den davor genannten Kategorien eingeordnet werden. Dazu auch BGH, NStZ 1996, S. 332. 25 Vgl. Herzog / Mülhausen, GwHdb § 23, Rn. 18. 26 Fischer § 73a, Rn. 4; SK / Horn § 73a, Rn. 2. 27 Schönke / Schröder / Eser § 73a, Rn. 2 ff. 28 Er macht sich wahrscheinlich eines unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen nach § 326 StGB strafbar. 29 BGH, NStZ-RR 1997, S. 270 ff. zum Verschenken; BGHSt 33, S. 37, 39; Fischer § 73a, Rn. 5; LK / Schmidt § 73a, Rn. 6. 30 Schönke / Schröder / Eser § 73a, Rn. 5.

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3. Kap.: Die Wiederentdeckung der Gewinnabscho¨pfung

Der Wertersatzverfall ist bei Vorliegen dieser Voraussetzungen zwingend anzuordnen. Es wird ein Geldbetrag festgesetzt, der einen Zahlungsanspruch des Staates gegen den Betroffenen darstellt.31 Die Höhe dieses Betrags richtet sich nach dem Verkehrswert des Erlangten zum Zeitpunkt der Entscheidung.32 Beim Thema des Wertersatzverfalls wurde gleichfalls nach den notwendigen Anpassungen die Lösung des E 1962 bevorzugt.33 Die Möglichkeit einer nachträglichen Anordnung, wie der E 1962 es vorsah, wird im neuen Verfallsrecht durch eine eigenständige Regelung mit allgemeinem Anwendungsbereich (§ 76 StGB) geregelt.

V. Der Umfang des Verfalls: Das Nettoprinzip Der Umfang des Verfalls bezieht sich – in der ursprünglichen Fassung des § 73 Abs. 1 StGB34 – auf den Vermögensvorteil, den der Täter für die Tat oder aus der Tat erlangt hat. Gemäß dieser Formulierung war nur der Nettogewinn für verfallen zu erklären. Die Richter mussten also, um nur den faktisch eingetretenen Vermögenszuwachs abzuschöpfen, eine Saldierung des Tätervermögens vor und nach der Tat vornehmen, dementsprechend die Höhe der Unkosten35 und Aufwendungen der Täter konkret berechnen sowie den Betrag des Verfalls auf diese Höhe ermäßigen. Die Berechnungsmethode der Verfallshöhe wurde in der Gesetzesbegründung nicht thematisiert. Es lagen keine Indizien vor, ob der Gesetzgeber das Problem übersehen oder absichtlich verschwiegen hat. Beim sog. Nettoprinzip handelte es sich somit um einen von der Theorie und Rechtsprechung herauskristallisierten Grundsatz. Zum einen ließ die grammatikalische Auslegung wenig Zweifel über den möglichen Verfallsumfang: die Wortwahl „Vermögensvorteil“ deutete schon darauf hin, dass ausschließlich „Vorteile“, also Vermögensvermehrungen davon erfasst wurden. Zum zweiten drängte sich die Erschließung des Nettoprinzips aufgrund dogmatischer Erwägungen auf. Der Reformgesetzgeber hatte im Verfall keine Nebenstrafe oder ein strafähnliches Mittel gesehen. Es wurde dabei nicht ein schuldhaftes Handeln vorausgesetzt, die spätere und selbständige Anordnung 31 Da der Wertersatzverfall keine Strafe im engeren Sinne darstellt, ist im Fall einer Uneinbringlichkeit keine Ersatzfreiheitsstrafe zu verhängen. 32 s. BGHSt 4, S. 13 ff.; BGHSt 4, S. 305 ff.; Schönke / Schröder / Eser § 73a, Rn. 11; Lackner / Kühl § 73a, Rn. 4. Ist der Wert des erlangten Gewinns nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu ermitteln, kann er nach § 73b StGB geschätzt werden. Für die Berechnung der Höhe ist der Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich, so: Schönke / Schröder / Eser § 73a, Rn. 4; LK / Schmidt § 73b, Rn. 7. 33 Wegen der von § 109 Abs. 4 und 7 E 1962 abweichenden Fassung des § 73 Abs. 2 und 4 StGB. 34 Zur späteren Novellierung dieser Vorschrift und zur Einführung des sog. „Bruttoprinzips“ s. unten 3. Kap. E. 35 Zu diesem Begriff: BGH, NStZ 1988, S. 496 ff.

A. Normative Betrachtung

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wurde ermöglicht, der Drittgewinn wurde fallbezogen ebenso erfasst usw. Somit war der Verfall als eine Maßnahme ausgestaltet und keinesfalls als eine Strafe oder eine strafähnliche Maßnahme. Der Sinn des Verfalls, die Abschöpfung krimineller Gewinne, nähert sich somit nach den §§ 73 ff. StGB der zivilrechtlichen Kondiktion. Der ganze Mechanismus erinnerte tatsächlich an die zivilrechtlichen Regelungen der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 818 ff. BGB). Diese Überlegungen haben zum Gedanken geführt, dem Verfall das Schild der „quasi-kondiktionellen Ausgleichsmaßnahme“ anzuhängen.

VI. Die Adressaten des Verfalls 1. Verfall bei mehreren Tatbeteiligten Der Verfall richtet sich gegen alle Tatbeteiligte, die für die oder aus der Tat einen Vermögensvorteil erlangt haben. Unter den Begriff „Tatbeteiligte“ fallen Täter sowie Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) und Teilnehmer, also Anstifter (§ 26 StGB) oder Gehilfen (§ 27 StGB). Äußerst kompliziert gestaltet sich jedoch die Verfallsanordnung bei Beteiligung mehrerer Personen an der Anknüpfungstat, wenn jede von ihnen partiell oder völlig die Verfügungsgewalt über das Erlangte erhalten hat. Ein Beispiel dafür ist, wenn zwei Personen unerlaubt Glückspiele veranstalten (§ 284 StGB) und dies sogar gewerbsmäßig tun, indem sie zur Teilnahme am Glücksspiel ein Eintrittsgeld erheben; die gezogenen Gewinne wollen sie untereinander teilen; oder wenn zwei Amtsträger aufgrund eines gemeinschaftlichen Entschlusses eine Bestechlichkeit begehen (§ 332 StGB); das erlangte Geld wollen sie wieder mal untereinander aufteilen.36 Das Gesetz nimmt diesbezüglich keine Stellung. Die Frage bei solchen Fällen ist, ob der Verfall gegen jeden Tatbeteiligten in voller Höhe, d. h. gesamtschuldnerisch oder nur anteilig angeordnet wird. Die Rechtsprechung favorisiert eher die Lösung einer Gesamtschuldnerschaft.37 Diese sichert den staatlichen Zugriff auf das inkriminierte Vermögen: wenn der eine Täter über keine liquiden Mittel verfügt, könnte der Verfall gegen den anderen angeordnet werden. Liquiditätsprobleme werden auf das Verhältnis zwischen den Tätern verlagert. Das Risiko einer nicht durchführbaren Gewinnabschöpfung wird somit zugunsten des Staates geregelt und für diesen möglichst minimiert. Zur Untermauerung dieser Ansicht wird oft angeführt, dass dieser Lösungsansatz auch Vgl. BGHSt 10, S. 235, 237 ff. BGHSt 10, S. 235, 237 ff.; StV 1996, S. 483, 484; BGH, NStZ-RR 1997, S. 262. Eine Zurechnung nach den Grundsätzen der Mittäterschaft gem. § 25 Abs. 2 StGB mit der Folge einer gesamtschuldnerischen Haftung kommt nur dann in Betracht, wenn sich die Beteiligten darüber einig waren, dass allen zumindest Mitverfügungsgewalt über die jeweiligen Erlöse habe zukommen soll und sie diese auch tatsächlich hatten, s. BGH, StV 2008, S. 519. 36 37

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3. Kap.: Die Wiederentdeckung der Gewinnabscho¨pfung

in den zivilrechtlichen Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung anzutreffen ist, die eine dem Verfall ähnliche Systematik aufweisen. In diesem Zusammenhang sind zwei Anmerkungen zu machen: zum einen ist eine direkte Übernahme von schuldrechtlichen Regelungen auf die Verfallsvorschriften nicht ohne Weiteres angemessen. Eine gewisse Empfindlichkeit gegen Analogien im Bereich strafrechtlicher Maßnahmen ist angebracht, auch wenn sich Ähnlichkeiten mit Rechtsfiguren des Zivilrechts aufdrängen. Eine Verfallsanordnung wird an eine mindestens rechtswidrig begangene Tat angeknüpft. Der Verfall wird auch im Rahmen eines formalisierten Strafprozesses verhängt, der bestimmte Zwecke verfolgt. Diese Zwecke weisen neben den vergleichbaren Elementen erhebliche Unterschiede von dem Sinn und Zweck der zivilrechtlichen Kondiktion auf. Obwohl beiden der Gedanke der Rückgängigmachung einer rechtswidrigen Vermögensverschiebung innewohnt, stammt bei der strafrechtlichen Gewinnabschöpfung der Vorteil aus einem Verhalten, das einen gewissen rechtsethischen Unwert aufweist, während das Wesen der zivilrechtlichen Kondiktion sich in einem Interessensausgleich zwischen theoretisch gleichberechtigten Parteien erschöpft. Die Verwendung des Adverbs „quasi“ bei der Bezeichnung der Rechtsnatur des Verfalls drückt genau diesen Unterschied aus. Zum zweiten ist zu prüfen, ob die Annahme einer Gesamtschuldnerschaft vielleicht gegen den Sinn und Zweck des § 73 StGB verstößt; denn durch eine Gesamtschuldnerschaft wird wiederum die Möglichkeit eröffnet, dem Täter mehr abzuschöpfen als er tatsächlich erlangt hat.38 Nach diesem von der Rechtsprechung entwickelten Konzept wird dem betroffenen Täter nur wegen seiner günstigen Vermögenslage der gesamte Gewinn entzogen, auch wenn er die tatsächliche Verfügungsmacht über ihn nie erlangt hat. Dieser staatliche Eingriff entbehrt aber jeder dogmatischen Legitimationsgrundlage: der Gegenstand dieser Abschöpfung identifiziert sich nicht mit einem in engerem Sinne kriminellen Gewinn; dem vermögenden Täter wird praktisch eine zusätzliche Strafe auferlegt. Das Argument, der Täter habe durch die Straftat den Grundrechtsschutz verwirkt und deswegen müsse er Grundrechtseingriffe dulden, ist irreführend; denn verwirkt wurde durch die Straftat sein Eigentumsschutz in Bezug auf das normwidrig erworbene Gut; das sollte also die Grenze jeglicher strafrechtlicher Eingriffe darstellen. Theoretisch kann der Täter gegen seine Mittäter, die den Vermögensvorteil tatsächlich erlangt haben, zivilrechtliche Ansprüche geltend machen. Zu beachten ist jedoch, dass die Chancen zur Rückerstattung über diesen Weg, der dem Betroffenen noch zusätzliche Kosten aufbürdet, extrem gering sind; denn wenn die anderen Täter die Verfügungsgewalt über das kriminelle Vermögen hätten, würde der Staat die Vermögensvorteile auch oder nur bei ihnen abschöpfen. Die Verfechter dieser Ansicht wollen diesem Umstand durch die Härtevorschrift Rechnung tragen. Die Härtevorschrift bezweckt die Korrektur von Konstellationen, in denen aus ver38

So auch LK / Schmidt § 73, Rn. 71 f.

A. Normative Betrachtung

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schiedenen Gründen von der Grundsatzentscheidung des Gesetzes abzuweichen ist. Diese Grundsatzentscheidung konzentriert sich auf das gesetzgeberische Anliegen, dem Straftäter seine kriminelle Erträge nicht zu belassen. Die Annahme einer Gesamtschuldnerschaft würde diesem allgemeinen Prinzip dahingehend widersprechen, denn sie würde einen anderen Grundsatz statuieren: einem Straftäter für alle Vermögensvorteile, die aus seiner Tat oder für seine Tat entstanden sind, in Anspruch zu nehmen, unabhängig davon, ob er faktisch bereichert ist oder nicht. Ob diese Auslegung des Gesetzestextes mit dem Willen des historischen Gesetzgebers und mit der Zwecksetzung des Verfallsrechts vereinbar ist, bleibt somit äußerst zweifelhaft. Nach alledem fragt sich, warum solche komplizierten Fälle nicht durch eine klare und normtechnisch ausgeglichene Vorschrift geregelt werden.39 2. Die Vertreterklausel (§ 73 Abs. 3 StGB) Hat der Tatbeteiligte für einen anderen (d. h. nicht für sich selbst) gehandelt und hat durch diese Handlung ein Dritter etwas erlangt, ist der Verfall gegen ihn zu richten. Der Verfall kann auf diese Weise auch gegen tatunbeteiligte Dritte angeordnet werden. Diese können entweder natürliche oder juristische Personen sein.40 Zur Frage, wann der Tatbeteiligte für einen anderen handelt bzw. welches Verhältnis zwischen Täter und Begünstigtem erforderlich ist, schweigt das Gesetz. Der Gesetzesbegründung ist allerdings zu entnehmen, dass die Lösung des § 109 Abs. 3 E 1962 bewusst nicht übernommen wurde;41 angemessener schien dagegen die entsprechende Formulierung des § 83 Abs. 2 AE, der den Anwendungsbereich des Drittverfalls von eventuellen Vertretungsverhältnissen abkoppelte; demnach sollte es für eine Verfallsanordnung nicht darauf ankommen, ob der Tatbeteiligte nach außen hin erkennbar für einen anderen gehandelt hat. Es ist ausreichend, dass unmittelbar durch die Tat dem Vermögen eines anderen ein Vermögensvorteil zugeflossen ist.42 In den vorherigen Kapiteln wurde bereits aufgezeigt, wie die Entwürfe versuchten, einen tragfähigen Ansatz zu eruieren, der alle Konstellationen erfassen würde. Angesichts der Komplexität und der Vielfalt der Fälle und aufgrund der zivilrechtlichen Verflechtungen scheint ein solches Unterfangen sehr schwierig. 39 s. LK / Schmidt, § 73, Rn. 71 f.; Rönnau, Vermögensabschöpfung in der Praxis, Rn. 234 ff. 40 Fischer § 73, Rn. 29; Scheinfirmen können genauso „Dritte“ im Sinne des § 73 Abs. 3 sein, Schönke / Schröder / Eser § 73, Rn. 35; Schmid / Winter, NStZ 2002, S. 8, 12. 41 Diese Vorschrift ließ die Anordnung des Drittverfalls zu, wenn der Tatbeteiligte nach außen erkennbar Angelegenheiten eines anderen wahrgenommen hat und sah auch die Möglichkeit des Zinsverfalls vor, s. oben 2. Kap. B. V. 3. 42 Um zu verdeutlichen, dass als „Vermögensvorteil“ nicht nur ein solcher im Sinne von Abs. 1 verstanden wird, sondern unter ihn auch Nutzungen und Surrogate im Sine von Abs. 2 fallen, wurden im Schlussteil des Abs. 2 die Worte eingefügt „nach den Absätzen 1 und 2“, s. BT-Drs. V / 4095, S. 40.

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3. Kap.: Die Wiederentdeckung der Gewinnabscho¨pfung

Im Laufe der Jahre hat sich zu diesem Thema eine umfassende Rechtsprechung entwickelt: der BGH ist dabei systematisch vorgegangen, indem er Fallgruppen gebildet und für jede eine dogmatische Grundlegung konstruiert hat.43 Die erste Kategorie bilden die sog. „Vertretungsfälle“ im engeren Sinne. Dazu zählt der BGH all jene Fälle, in denen der Tatbeteiligte als Vertreter, Organ oder Beauftragter im Sinne des § 14 StGB gehandelt hat. Ein Vertretungsfall im weiteren Sinne liegt dann vor, wenn sonstige Organisationsvertreter im Organisationsinteresse tätig geworden sind, bspw. wenn ein Angestellter, ohne dass ihm konkrete Vertretungsaufgaben zukommen, zugunsten des Betriebsinhabers eine Straftat begeht. Wenn die vertretene Organisation oder der Betrieb durch das Handeln solcher Personen etwas erlangt hat, gelten die Voraussetzungen des § 73 Abs. 3 StGB als erfüllt, unabhängig davon, ob der Betriebsinhaber oder die jeweilige Organisation bezüglich des strafbaren Handelns gut- oder bösgläubig war.44 Die zweite Kategorie sind die Erfüllungsfälle. Da gibt es zwischen dem Täter und dem Drittempfänger kein besonderes Zurechnungsverhältnis im Sinne einer Vertretung; der Täter verschafft dem Dritten die Vorteile seiner Tat, um sich von einer Verbindlichkeit zu befreien, die er gegenüber dem Dritten hat. In diesem Fall kommt es für die Zulässigkeit einer Verfallsanordnung auf die Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung. Diese Unmittelbarkeit fehlt, wenn das zwischengeschaltete Rechtsgeschäft unabhängig von der Tat und nicht aus sonstigen Gründen bemakelt ist.45 Zum Beispiel: P überweist seiner Bank B Geld von einem Konto, auf das sich P zuvor unberechtigte, mit gefälschten Belegen geltend gemachte Vorsteuererstattungen hatte überweisen lassen. P erfüllt mit der Überweisung an die B deren Forderungen aus einem Vergleich zur Abwendung einer Zwangsvollstreckung. Der Drittempfänger des kriminellen Gewinns ist hier die Bank. Das zwischengeschaltete Rechtsgeschäft, die Forderungen der Bank, ist nicht bemakelt.46 Wenn also der Tatbeteiligte einem gutgläubigen Dritten seinen Gewinn aus der Tat in Erfüllung einer nicht bemakelten Forderung zuwendet, die in keinem Verhältnis zur Tat steht, ist § 73 Abs. 3 StGB nicht relevant und deswegen darf der Verfall nicht angeordnet werden; denn in diesem Fall wird die Regelung dahingehend ausgelegt, dass der Dritte nicht aus der Tat erlangt hat; die Voraussetzung der Unmittelbarkeit ist hier nicht gegeben. Das besagt allerdings nichts über die Möglichkeit, dass sich die Bank bzw. die Bankangestellten der Geldwäsche unter den konkreten Voraussetzungen des einschlägigen § 261 StGB strafbar gemacht haben.47 BGHSt 45, S. 235 ff. Die Vertretungsfälle bilden eine Gruppe, wie sie vom damaligen § 109 Abs. 3 E 1962 erfasst war. 45 BGHSt 45, S. 235, 247. 46 Das Beispiel wurde von Herzog / Mülhausen, in: GwHdb § 23, Rn. 26 angeführt. 43 44

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Letztlich wurde die Kategorie von sog. Verschiebungsfällen herausgebildet; darunter sind die Fälle zu subsumieren, in denen der Täter dem Dritten seinen Gewinn aus der Tat unentgeltlich oder aufgrund eines bemakelten Rechtsgeschäfts mit dem Ziel verschafft, dieses dem staatlichen Zugriff zu entziehen oder die Herkunft des kriminell Erlangten zu verschleiern. Ob der Täter im Einflussbereich des Dritten steht oder ob vielleicht zwischen der Tat und der Bereicherung andere Rechtsgeschäfte erfolgt sind, soll irrelevant sein. Der BGH rechtfertigt die unterschiedliche Bewertung dadurch, dass sich in den beschriebenen Fällen der Dritte sich in die Nähe der Tatbeteiligung begibt; deswegen sei der Verfall gegen diesen Dritten anzuordnen.48 Was die kriminalpolitischen Hintergründe betrifft, wurde schon aufgezeigt, dass in den 60er Jahren durch den vorgeschlagenen § 109 Abs. 3 E 1962 die Gewinnabschöpfung bei Straftaten von Vertretern und sonstigen Organen juristischer Personen ausdrücklich gewollt war. Angesichts der modifizierten gesellschaftlichen Bedürfnisse hat sich erst einige Jahre später das ganze Konzept der Gewinnabschöpfung häufig als eine Waffe gegen die organisierte Kriminalität etabliert.49 Denn bei kriminellen Organisationen wird eine strenge Arbeits- und Aufgabenteilung vermutet. Das bewirkt, dass der anzustrebende Gewinn nicht in das Vermögen des Täters, sondern in das Reservoir des Hintermannes, des Auftraggebers, des „Vorgesetzten“ landet. Diesem im kriminalistischen Alltag häufig auftretenden Umstand wurde durch die neue Vertreterklausel im § 73 Abs. 3 StGB ebenso Rechnung getragen. 3. Die Drittverfallsklausel (§ 73 Abs. 4 StGB) Eine Ausnahme vom Täterverfall wird schließlich in § 73 Abs. 4 StGB geregelt. Dabei handelt es sich um die sog. Drittverfallsklausel. Dadurch wird eine Ausnahme von der Regel statuiert, wonach verfallsfähige Gegenstände im Eigentum eines Tatbeteiligten stehen müssen. Für verfallen können somit Sachen oder Gegenstände erklärt werden, auch wenn sie einem Dritten gehören oder zustehen, wenn er diese Gegenstände für die Tat oder sonst in Kenntnis der Tatumstände gewährt hat. Die neue Regelung des § 73 Abs. 4 StGB orientiert sich damit ausdrücklich am entsprechenden § 109 Abs. 7 des E 1962.50 Diese Vorschrift will alle 47 In dem hier beschriebenen Fall wären die Bankangestellten in Verantwortung zu ziehen, wenn die Straftaten von P zum Vortatenkatalog des § 261 StGB gehörten und bei den verwickelten Bankmitarbeitern Vorsatz oder Leichtfertigkeit vorliegen würde. 48 BGHSt. 45, S. 235, 246. 49 Den Höhepunkt dieser Entwicklung bildet das OrgKG, s. unten 3. Kap. F. I. 50 BT-Drs. V / 4095, S. 40; dabei ist noch zu erwähnen, dass das Konzept des E 1962 und des § 73 Abs. 4 StGB trotz des gleichen zugrunde liegenden Ansatzes unterschiedlich formuliert sind; während der erstere eine negative Formulierung auswählt, besagt der zweite, dass auch die dort beschriebenen Gegenstände einen Verfallsgegenstand darstellen; der erstere enthält eine Ausnahmeregelung, der zweite impliziert eine Erweiterung.

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3. Kap.: Die Wiederentdeckung der Gewinnabscho¨pfung

Fälle erfassen, in denen eine tatunbeteiligte dritte Person den Gegenstand dem Täter zugewendet, dieser aber wegen Nichtigkeit des Übereignungsgeschäfts nach §§ 134, 138 BGB kein Eigentum an der Sache erworben hat51, d. h. dieser Dritte der Eigentümer geblieben ist. Der Dritte wird in diesen Fällen als eine Art „QuasiGehilfe“ betrachtet52. Für diese „Gewährung in Kenntnis der Tatumstände“ wird von manchen die positive Kenntnis53 oder von anderen nur bedingter Vorsatz54 vorausgesetzt. Die Fassung „gehören oder zustehen“ soll deutlich machen, dass Gegenstände, auf deren Leistung Dritte einen schuldrechtlichen Anspruch haben, von der Anordnung nicht verschont werden. Der Gesetzgeber wollte somit dem Umstand entgegenwirken, dass sich jede zivilrechtliche Nichtigkeit wegen des verbotenen Geschäfts zugunsten des Täters auswirken würde. Diese Klausel erweist sich im Bereich des Betäubungsmittelstrafrechts als sehr relevant. Bei einem Betäubungsmittelgeschäft erwirbt der Drogenhändler „aus der Tat“, also aus dem Drogenverkauf meistens einen Geldbetrag, der seinen Gewinn darstellt. Dabei handelt es sich um ein verbotenes und damit auch nichtiges Rechtsgeschäft, so dass der Drogenhändler nicht Eigentümer des Geldbetrags geworden ist. Ohne die Drittverfallsklausel wäre der Verfall seines Erlöses wegen fremden Eigentums aus dem Drogengeschäft nicht möglich; dies wäre mit der Zwecksetzung des Konzepts der Gewinnabschöpfung nicht verträglich. Eine Verfallsanordnung gegen das Eigentum eines Dritten, der aber, wie § 73 Abs. 4 StGB vorschreibt, den Vorteil für die Tat (als Entgelt) oder sonst in Kenntnis der Tatumstände gewährt hat, hindert den betroffenen Dritten nicht daran, dass er seine schuldrechtliche Ansprüche gegebenenfalls geltend macht.

VII. Die Ausschlussklausel (§ 73 Abs. 1 S. 2 StGB) Der Verfall gegen Tatbeteiligte und Dritte wird allerdings nicht angeordnet, soweit dem Verletzten Ansprüche aus der Tat erwachsen sind, deren Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des aus der Tat Erlangten entziehen würde.55 In dieser Vorschrift ist die Absicht des Gesetzgebers abzulesen, den Interessen der verschiedenen Betroffenen auf eine angemessene Weise Rechnung zu tragen. Dabei werden drei verschiedene Interessenssphären tangiert:56 Die erste umfasst das staatliche Interesse, kriminelle Gewinne abzuschöpfen, um die Gerechtigkeit, Fischer § 73, Rn. 39. Vgl. NK / Herzog § 73, Rn. 29. 53 So Schönke / Schröder / Eser § 73, Rn. 43. 54 So MK / Joecks § 73, Rn. 72. 55 Den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass diese Ausschlussklausel beiden vorangegangenen Entwürfen identisch war, s. BT-Drs. V / 4095, S. 39. 56 Eser, Sanktionen, S. 294 ff. 51 52

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die durch rechtswidrige Vermögensverschiebungen erschüttert wurde, wiederherzustellen. Andererseits steht das legitime Interesse des Tatopfers, die aus der Tat erhobenen Befriedigungsansprüche durchsetzen zu können.57 Schließlich darf der Täter nicht mehrfach zahlen, also an das Opfer und an den Staat; denn das würde eine zusätzliche Bestrafung darstellen. Diese Interessenskollision wird durch die Ausschlussklausel zu Lasten des Staates gelöst: der staatliche Anspruch gegen den Täter tritt zurück, wenn individuelle Opfer ihre eigenen Ansprüche verfolgen könnten. Der Gesetzgeber weist ausdrücklich darauf hin, dass auf diese Weise ein kompliziertes Nebeneinander von staatlichem Verfallsanspruch und zivilrechtlicher Restitutionsklage vermieden wird.58 Entscheidend ist dabei der Umfang der Verletzteneigenschaft. Verletzte im Sinne des § 73 Abs. 1 S. 2 StGB können natürliche Personen, Personengesamtheiten oder auch juristische Personen sein, wenn der verwirklichte Deliktstatbestand ihren Schutz bezwecken wollte.59 In diesem Sinne kann auch der Staat Verletzter sein.60 Als Geschädigter bzw. Verletzter gemäß § 73 Abs. 1 S. 2 StGB gilt auch der Fiskus bei Steuerhinterziehungen.61 Zunächst stellt sich auch die Frage, welche Verletztenansprüche diese verfallsausschließende Wirkung entwickeln. In Betracht kommen in erster Linie Schadensersatz-, Bereicherungs- und Herausgabeansprüche.62 Nach Rechtsprechung des BGH sollen aber ebenso öffentlich-rechtliche Ansprüche wie Steuerforderungen des Fiskus relevant sein. Zum Teil werden auch mittelbare versicherungsrechtliche Regressansprüche als ausreichend erachtet.63 Der Verletztenanspruch, der den Verfall ausschließt, muss nach dem Gesetzeswortlaut dem Verletzten aus der Tat erwachsen sein; das ist dann der Fall, wenn er aufgrund der Tat (i. S. d. § 264 StPO) entstanden ist.64 Das hat praktische Auswir57 Diesem Interesse wird durch die Vorschriften über die Zurückgewinnungshilfe prozessrechtlich Rechnung getragen. Da Gegenstand der vorliegenden Arbeit die materiellrechtliche Ausgestaltung der Gewinnabschöpfung ist, werden diese Vorschriften nicht erläutert. 58 s. Entwurf des Bundesjustizministeriums, Prot. V / 556, 544 f., 995 ff.; Fischer § 73, Rn. 17; Brenner, DRiZ 1977, S. 203, 204; NK / Herzog § 73, Rn. 18. 59 Vgl. BGH NStZ 1989, S. 20. 60 Vgl. BGH JR 2002, S. 296, 297 zur Verletzteneigenschaft des Staates bei Steuerstraftaten m. Anm. Rönnau / Hohn; gegen die Verletzteneigenschaft des Staates als Dienstherr eines in eine Bestechung verwickelten Beamten BGH NStZ 2000, S. 589. 61 BGHSt 28, S. 369 ff.; Dörn, wistra 1990, S. 181 ff.; Schönke / Schröder / Eser § 73, Rn. 26; LK / Schmidt § 73, Rn. 36; a.A. SK / Horn § 73, Rn. 17; der Staat ist aber kein Verletzter, wenn ein Amtsträger Bestechung begangen hat, denn dieser Tatbestand bezweckt nicht unmittelbar den Schutz des Staates; vgl. dazu BGHSt 30, S. 46, 47; 33, S. 37, 38; SK / Horn § 73, Rn. 17; Fischer § 73, Rn. 21; Rengier, JR 1985, S. 249 ff.; zur Schmiergeldproblematik vgl. umfassend Mayer in: NJW 1983, S. 1300. 62 BGH JR 2002, S. 296, 297. 63 OLG Düsseldorf NStZ 1986, S. 222; a.A. Schönke / Schröder / Eser § 73, Rn. 25. 64 Vgl. BGH JR 2002, S. 296, 297; LK / Schmidt § 73, Rn. 40; Schönke / Schröder / Eser § 73, Rn. 25.

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kungen wenn der Fiskus als Verletzter auftritt. Die erschlichenen Steuerleistungen, die Steuerstraftaten darstellen, schließen auf diese Weise den Verfall aus. In der Praxis kommt es allerdings oft vor, dass die Tatopfer ihre Verletztenansprüche aus unterschiedlichen Gründen nicht durchsetzen wollen:65 weil sie von der Überführung des Täters und der Möglichkeit ihrer Befriedigung nicht erfahren haben; weil es sich um winzige Beträge handelt, bei denen der Aufwand verhältnismäßig groß wäre oder weil sie die Straftat und die gesamte Viktimisierung mit all ihren Folgen für immer hinter sich haben wollen. In all diesen Fällen bleibt die Nicht-Erhebung der Gegenansprüche von Verletzten irrelevant. Der Verfall wird trotzdem ausgeschlossen.66 Das bedeutet, dass es im Sinne des Gesetzes nicht auf die faktische Erhebung oder noch weniger auf die Durchsetzung der Ansprüche der Verletzten ankommt.67 Das Gesetz lässt für eine Verfallssperre die bloße Existenz solcher Ansprüche genügen. Maßgebend ist, dass der Anspruch besteht und rechtlich durchsetzbar ist.68 Nur mangelnde Klagbarkeit oder beiderseitige Sittenwidrigkeit stehen Gegenrechten des Verletzten entgegen.69 Dieser Umstand wird nicht zu Unrecht von vielen Seiten kritisiert70, weil er im größten Teil der profitorientierten Vermögenskriminalität zu einer faktischen Außerkraftsetzung der Gewinnabschöpfung führt.

VIII. Die Schätzungsmöglichkeit (§ 73b StGB) Diese Vorschrift räumt dem erkennenden Gericht die Möglichkeit ein, den Umfang des Erlangten und dessen Wert sowie die Höhe der Verletztenansprüche zu schätzen. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine Befreiung vom Strengbeweis nach § 244 Abs. 2 StPO. Diese Regelung will zur Prozessökonomie beitragen, indem sie das Gericht ermächtigt, von schwierigen Feststellungen bezüglich der Vermögensverhältnisse abzusehen. Da diese Möglichkeit einer Missbrauchsgefahr ausgesetzt ist, sind an ihre Anwendung strenge Anforderungen zu stellen. Zuallererst ist eine Schätzung nur dann zulässig, wenn die sonstigen Voraussetzungen für eine Verfallsanordnung vorliegen. Das bedeutet, dass die Schätzung nicht das Ob eines Verfalls, sondern nur den Umfang des Erlangten betrifft. Somit unterliegen der Schätzung alle Vermögensvorteile, Nutzungen und Surrogate sowie der Wertersatzverfall. Ein Paradebeispiel dafür sind Autoradiodiebstähle, die meistens nicht gemeldet werden. Dieser Umstand wurde im Laufe der Zeit sowohl von der Theorie als auch von der Kriminalpolitik scharf kritisiert. Die Ausschlussklausel (§ 73 Abs. 1 S. 2) wurde somit als „der Totengräber des Verfalls“ bezeichnet, s. unten 6. Kap. B. I. 67 BGH NStZ 1984, S. 409. 68 BGH NStZ 1996, S. 332; SK / Horn § 73, Rn. 18. 69 Vgl. BGHSt 33, S. 37 ff.; LK / Schmidt § 73, Rn. 41; Schönke / Schröder / Eser § 73, Rn. 25; Rengier, JR 1985, S. 249. 70 Vgl. OLG München, wistra 2004, S. 353, 354 m. w. N. 65 66

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In diesem Punkt ist auch auf den Ultima-Ratio Charakter dieser Vorschrift hinzuweisen. Der Umfang des Erlangten darf nur dann durch Schätzung ermittelt werden, wenn dem aburteilenden Gericht konkrete Feststellungen in Bezug auf die Höhe des Erlangten unmöglich sind oder diese nur mit außer Verhältnis stehenden Mitteln zu treffen wären.71 Der Rückgriff auf die Schätzung soll nur dann vorgenommen werden, wenn in jedem Fall die zur Verfügung stehenden Beweismittel ausgeschöpft sind72, ohne dass das Gericht zu einer zweifelsfreien Erkenntnis gekommen ist. Generell steigt die Verpflichtung des erkennenden Gerichts, alle Anstrengungen in Bezug auf die Beweisbarkeit vorzunehmen, proportional zum Wert des Erlangten.73 In dieser Vorschrift sind nach dem Vorbild des § 85 AE die beiden Einzelregelungen des § 109 Abs. 6 (Schätzung beim Verfall) und § 110 Abs. 3 E 1962 (Schätzung beim Wertersatzverfall) zusammengefasst.74 An dieser Stelle wurde auf den entsprechenden Zusatz des AE, der die Schätzung nur dann zuließ, „soweit genaue Feststellungen unverhältnismäßig große Schwierigkeiten bereiten“, verzichtet. Erstens der fakultative und zweitens der Ausnahmecharakter dieser Regelung lassen eine solche Ergänzung überflüssig erscheinen. Für die Schätzung finden die allgemeinen zivilprozessrechtlich zu § 287 ZPO entwickelten Grundsätze entsprechende Anwendung.75 Der Zweifelsgrundsatz ist nur bei der Ermittlung der Schätzungsgrundlage relevant, er bleibt dennoch bei der Schätzung außer Betracht.76 Die Erwägungen, auf die die Schätzung zurückgeht, sind in das Strafurteil aufzunehmen.77 Insgesamt muss die Möglichkeit der Schätzung sehr sorgfältig und restriktiv ausgelegt werden; denn prozessrechtlich gesehen wird dem Betroffenen keine Revision gewährt.78

IX. Die Härtevorschrift (§ 73c StGB) Nach dieser Regelung hat das Gericht von einer Verfallsanordnung abzusehen, wenn diese für den Betroffenen eine unbillige Härte darstellen würde. Hierbei handelt es sich um eine Generalklausel, die durch die Rechtsprechung konkretisiert wurde. Durch diese Vorschrift strebte der Gesetzgeber die Korrektur von unbilligen Ergebnissen wegen des obligatorischen Charakters der Verfallsvorschriften und somit die Berücksichtigung des Übermaßverbots an.79 71 72 73 74 75 76 77 78

SK / Horn § 73b, Rn. 2; Schönke / Schröder / Eser § 73b, Rn. 3; Fischer § 73b, Rn. 5. LK / Schmidt § 73b, Rn. 2. Fischer § 73b, Rn. 5. BT-Drs. V / 4095, S. 40 ff. Fischer § 73b, Rn. 5. BGH NStZ 1989, S. 361; Detter, NStZ 1989, S. 469, 472. BGHZ 6, S. 62. RGZ 76, S. 175.

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Allgemein lässt sich ein Härtefall bejahen, wenn die Anordnung für den Betroffenen eine in besonderem Maße empfindliche, ungerechte Einbuße verkörpert80 oder generell dem Rechtsempfinden widerspricht81. Um den nicht ausreichend bestimmten Begriff der unbilligen Härte für die Gerichtspraxis tauglich zu machen, werden die zu §§ 459 f. StPO und 319 Abs. 1, § 556 a BGB sowie § 765 a Abs. 1 ZPO entwickelten Grundsätze herangezogen. Folgende Fallkonstellationen werden als unbillige Härte angesehen: der Täter gibt die dem Verfall unterliegenden Gegenstände unentgeltlich weiter;82 der Täter wendet die Sache einer gemeinnützigen Einrichtung zu;83 der Täter befand sich unverhältnismäßig lange Zeit in Untersuchungshaft.84 Die Feststellung, ob in einem bestimmten Fall die Verfallsanordnung eine unbillige Härte darstellen würde, verlangt eine genaue Abwägung des Unrechtsgehalts und der konkret verhängten Sanktion einerseits und des tatsächlich gezogenen Gewinns andererseits. Wenn diese Größen außer Verhältnis stehen, weil z. B. der Gewinn auf eine sehr leichte Gesetzesverletzung zurückgeht85, liegt es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, auf eine Verfallsanordnung zu verzichten.86 Der Gesetzgeber begnügt sich aber nicht mit der Generalklausel der unbilligen Härte, sondern nennt ausdrücklich noch zwei weitere Fallkonstellationen, in denen der Verfall ausbleiben kann: wenn sich der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Beteiligten befindet oder wenn das Erlangte geringwertig ist. Zu beachten ist aber, dass, obwohl im Fall der unbilligen Härte das Ausbleiben des Verfalls zwingend vorgesehen ist, es in den anderen beiden Fällen im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegt, ob der Verfall angeordnet wird. Das wird nach den Einzel- und Besonderheiten des jeweiligen Falls beurteilt.87 In Bezug auf den Fall, dass sich die Bereicherung nicht mehr im Vermögen des Täters befindet, liegt eine unbillige Härte dann vor, wenn bspw. der Täter die Vermögensvorteile in einer Notlage verbraucht bzw. dessen Wert sich durch einen Unglücksfall erheblich mindert88 oder der Täter die Sache einer gemeinnützigen Vgl. OLG Hamm NJW 1973, 719. NK / Herzog § 73c, Rn. 3; Fischer § 73c, Rn. 3; SK / Horn § 73c, Rn. 4. 81 LK / Schmidt § 73c, Rn. 6. 82 Fischer § 73c, Rn. 3a. 83 Vgl. OLG Hamm NJW 1973, S. 719. 84 Prot. V 1027, 1028. Im Rahmen dieser Prüfung kann auch berücksichtigt werden, dass ein Tatbeteiligter von den gezogenen Gewinnen Einkommenssteuer gezahlt hat (BGHSt 33, S. 40; SK / Horn § 73c, Rn. 4; a.A. BayOLG NJW 1977, S. 1975) oder, dass die rechtswidrig erlangten Gewinne in ein Unternehmen investiert wurden und eine Rückzahlung zum Konkurs führen würde (einschlägig: BayOLGSt 54, S. 79 ff.; 57, S. 162 ff.; 57, S. 227 ff.; Schönke / Schröder / Eser § 73c, Rn. 2; a.A. SK / Horn § 73c, Rn. 4. 85 SK / Horn § 73c, Rn. 4; Schönke / Schröder / Eser § 73c, Rn. 2. 86 Allgemein wird die Handhabung dieser Vorschrift von der Rechtsprechung als restriktiv bewertet, s. Rönnau, Vermögensabschöpfung in der Praxis, Rn. 570 f. 87 BGH NJW 1982, S. 774; LG Saarbrücken NStZ 1986, S. 267. 79 80

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Organisation stiftet.89 Die bloße Tatsache, dass der Täter den kriminellen Gewinn verbraucht hat, reicht allerdings nicht für die Anwendung der Härtevorschrift.90 Die Geringwertigkeit des gesetzwidrigen Erlöses ist nach dem jeweiligen Verkehrswert des Gegenstandes zur Zeit der Tat zu bestimmen.91 Die Aufstellung von Regeln ist nicht möglich, die Aussage über die Geringwertigkeit liegt im Ermessen des erkennenden Gerichts.92 Die subjektive wirtschaftliche Lage des Täters93 oder des Verletzten94 bleibt außer Betracht. Zu den Maßstäben, nach denen die Geringwertigkeit beurteilt wird, kann der Rechtsprechung zu § 248 a StGB (Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen) eine wegweisende Funktion zukommen.95 Schließlich ist auch die Möglichkeit des erkennenden Gerichts zu erwähnen, bei entgeltlichem bzw. Wertersatzverfall Zahlungserleichterungen zu gewähren. Das wird in Aussicht gestellt, soweit beträchtliche Vermögenswerte dem Verfall unterliegen.96 Diesbezüglich wird auf § 42 StGB und die dort entwickelten Grundsätze verwiesen.

X. Die Wirkung des Verfalls (§ 73d StGB a.F.) Diese Vorschrift regelt die Rechtswirkung eines angeordneten Verfalls und weicht damit kaum von den Vorschlägen des E 1962 sowie des AE ab.97 Mit der Rechtskraft der Entscheidung geht also das Eigentum an der Sache oder das verfallene Recht auf den Staat über. Eines weiteren dinglichen bzw. Übertragungsgeschäfts bedarf es nicht. Wichtig ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass dieser Eigentumsübergang nur für den Originalverfall nach § 73 StGB, nicht jedoch für den Wertersatzverfall des § 73 a StGB vorgesehen ist.98 Rechte Dritter an dem verfallenen Gegenstand wie z. B. beschränkt dingliche Rechte, Pfandrechte oder Hypothekenrechte und Nießbrauch bleiben nach § 73d Schönke / Schröder / Eser § 73c, Rn. 4. OLG Hamm NJW 1973, S. 716. 90 BGHSt 38, S. 24; BGH NJW 1982, S. 774; a.A. Meyer, Gewinnabschöpfung, S. 42. 91 BGHSt 6, S. 41; BGH NStZ 1981, S. 62; OLG Hamm, NJW 1971, S. 1954. 92 BGH, MDR 1975, S. 543. 93 BGHSt 5, S. 265. 94 BGHSt 6, S. 41; OLG Celle, NJW 1966, S. 186; Fischer § 248a, Rn. 3. 95 NK / Herzog § 73c, Rn. 6. 96 BGHSt 33, S. 40. 97 Seit Einfügung des Rechtsinstituts des erweiterten Verfalls durch das OrgKG bekam der frühere § 73d StGB a.F. eine neue Nummerierung und wurde zum § 73e StGB. 98 Dort wird nur ein Zahlungsanspruch des Staates gegenüber dem Betroffenen statuiert: LK / Schmidt § 73a, Rn. 17. 88 89

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Abs. 1 S. 2 a. F. StGB a.F. bestehen. Zu diesen Rechten, die aufrechterhalten werden, zählen auch das Sicherungseigentum und der Eigentumsvorbehalt.99 Schließlich bewirkt eine Verfallsanordnung vor Rechtskraft der aussprechenden Entscheidung ein relatives Verfügungs- bzw. Veräußerungsverbot nach § 136 BGB zu (§ 73d Abs. 2 StGB a.F.). Zugrunde liegt der Gedanke, dass zwischen dem erstinstanzlichen Urteil und der Rechtskraft der Entscheidung der Täter den Verfallsgegenstand veräußern kann, so dass der staatliche Zugriff vereitelt würde.100 Ein Eigentumserwerb durch einen gutgläubigen Dritten bleibt allerdings immer möglich.101

XI. Nachträgliche und selbständige Anordnung des Verfalls (§§ 76, 76a StGB) Für den Fall, dass sich nach der Anordnung des Verfalls102 Änderungen ergeben haben, welche die Abschöpfung des Originalgegenstands verhindern, sieht § 76 StGB die nachträgliche Anordnung des Wertersatzverfalls vor. Voraussetzung für diese Verfallsmodalität ist, dass die ursprüngliche Maßnahme undurchführbar oder unzureichend ist. Undurchführbarkeit liegt vor, wenn das Verfallsobjekt dem staatlichen Zugriff entzogen wurde. Dies ist z. B. der Fall, wenn der Betroffene den Verfallsgegenstand an einen gutgläubigen Dritten veräußert oder übereignet hat.103 Als unzureichend ist die ursprüngliche Maßnahme dann anzusehen, wenn z. B. die Voraussetzungen zur Anordnung des Wertersatzverfalls nachträglich bekannt wurden oder erst nach der Entscheidung eingetreten sind.104 Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass die der Nichtdurchführbarkeit zugrunde liegenden Umstände nach Anordnung des Originalverfalls eintreten oder bekannt werden müssen. Als maßgeblicher Zeitpunkt ist derjenige anzusehen, in dem die konkreten Umstände letztmals hätten berücksichtigt werden können. Darunter versteht man den Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung.105 Diese nachträgliche Korrektur bewirkt die Durchbrechung der Rechtskraft des den Verfall anordnenden Urteils, ohne jedoch eine Doppelbestrafung darzustellen; 99 OLG Karlsruhe, MDR 1974, S. 154; Fischer § 74 e Rn. 4; Schönke / Schröder / Eser, § 73e Rn. 7. 100 Der Vereitelung des staatlichen Zugriffs auf den kriminellen Gewinn wollen §§ 111 b ff. StPO entgegenwirken; vgl. dazu LG Frankfurt, NJW 1982, S. 897; Achenbach, NJW 1982, S. 2809 f. 101 In diesem Fall sind die Vorschriften der §§ 932 ff. BGB relevant. 102 Diese Vorschrift gilt auch für die Anordnung der Einziehung nach § 74 ff. StGB sowie auch für den später eingeführten erweiterten Verfall nach § 73d StGB. Gemeinsam für den Verfall und die Einziehung ist auch die selbständige Anordnung nach § 76a StGB. 103 NK / Herzog, § 76, Rn. 3. 104 Schönke / Schröder / Eser, § 76, Rn. 6. 105 SK / Horn, § 76, Rn. 3; Schönke / Schröder / Eser, § 76, Rn. 7.

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denn der nachträglich angeordnete Wertersatzverfall wird nicht zu dem bereits verhängten Verfall addiert, sondern ersetzt lediglich den Originalverfall.106 Neben der nachträglichen Abänderung einer bereits verhängten Gewinnabschöpfungsmaßnahme eröffnet der Gesetzgeber die Möglichkeit eines selbständigen bzw. objektiven Verfahrens, das von der Aburteilung des Tatbeteiligten abgekoppelt wird (§ 76a StGB). Dieses objektive Verfahren ist für die Fälle vorgesehen, in denen gegen den Täter ein subjektives Strafverfahren aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht durchführbar ist. In diesem Punkt wird allerdings zwischen dem selbständigen Verfahren nach Begehung einer Straftat (§ 76a Abs. 1 StGB) und dem Verfahren im Wege der Sicherungseinziehung (§ 76 Abs. 2 StGB) differenziert. Bezogen auf den Verfall wird ein solches objektives Verfahren dann ermöglicht, wenn nur aus tatsächlichen Gründen, also aufgrund mangelnder Verfolgbarkeit oder Aburteilbarkeit des Tatbeteiligten diese Maßnahme nicht angeordnet wurde, obwohl seine Anwendungsvoraussetzungen vorliegen.107 Die zwingende Bejahung der Verfallsvoraussetzungen führt zur Erkenntnis, dass es sich dabei um keine Ausweitung des Verfallsrechts handelt, sondern lediglich um eine selbständige Verfahrensart.108 Der mangelnden Verfolgbarkeit muss ein tatsächliches Hindernis entgegenstehen, d. h. sie liegt nur dann vor, wenn die prozessuale Sanktionierung unmöglich ist. Das ist bspw. der Fall, wenn der Täter nicht ermittelt werden kann, flüchtig ist oder sich unerreichbar außer Landes befindet.109 Die Unmöglichkeit des subjektiven Verfahrens ist vom Gericht nach dem Amtsermittlungsgrundsatz festzustellen (Art. 244 Abs. 2 StPO). Die Möglichkeit eines derartigen objektiven Verfahrens zur Anordnung des Verfalls ist auch für den Fall des Absehens von Strafe oder einer prozessualen Verfahrenseinstellung vorgesehen (§ 76a Abs. 3 StGB). Das prozessrechtliche Pendant zu der Regelung des § 76a StGB ist in §§ 440 ff. StPO zu sehen. Für die Initiierung eines solchen Verfahrens ist demgemäss ein entsprechender Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Privatklägers erforderlich. Dieser ist als eine Anklageschrift zu gestalten und muss neben dem potentiellen Verfallsobjekt auch die Tatsachen angeben, aus denen sich die Zulässigkeit der selbständigen Verfallsanordnung ergibt.110

NK / Herzog, § 76, Rn. 1. NK / Herzog, § 76, Rn. 5. Unter diesen Voraussetzungen kann auch der Wertersatzverfall angeordnet werden. 108 BGHSt 13, S. 311, 313 f.; LK / Schmidt, § 76a, Rn. 4. 109 Bei Tod des Täters ist allerdings eine selbständige Anordnung ausgeschlossen, weil mit dem Tod die materielle Verfolgbarkeit entfällt, s. auch Schönke / Schröder / Eser, § 76a, Rn. 5. 110 Zur Durchführung des objektiven Verfahrens s. Herzog / Mülhausen, GwHdb, § 25, Rn. 8 ff. 106 107

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B. Die Untersuchung von Albin Eser Im vorherigen Kapitel wurden die Grundlinien des neuen Verfallrechts nachgezeichnet. Dieses „neue“ Recht trat aber nicht gleich nach der Verabschiedung des 2. StrRG in Kraft; sein Inkrafttreten war für den 01. 10. 1973 vorgesehen, wurde aber hinausgeschoben.111 Inzwischen war die Reformdiskussion immer noch voll im Gange. Die politische Konstellation der Großen Koalition ab Ende 1966 hat klare Mehrheitsverhältnisse geschaffen und somit der Regierung größere Entscheidungsspielräume eingeräumt.112 Im Zentrum der kriminalpolitischen Auseinandersetzungen war einerseits die konkrete Ausgestaltung der strafrechtlichen Maßnahmen, durch welche die Realisierung der Strafzwecke angestrebt wird; andererseits war auch der Besondere Teil höchst umstritten. Vor allem nach den Erfahrungen mit der Perversion des (Straf-)Rechts während der nationalsozialistischen Herrschaft war das Bedürfnis nach einer Rationalisierung jeglicher strafrechtlicher Eingriffe sehr stark. Die Instrumentalisierung des strafrechtlichen Apparats während der nationalsozialistischen Diktatur hat zur Erkenntnis geführt, dass ein rechtsstaatliches Strafrecht Garantien bieten muss gegen Versuche eines Missbrauchs durch die staatliche Macht. Darüber hinaus herrschte in dieser Zeit in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ein Geist der Erneuerung, eine gewisse Umbruchsstimmung.

I. Gegenstand und Ziel der Untersuchung Dieser Erneuerungswille ist auch in der Habilitationsschrift von Albin Eser „die Sanktionen gegen das Eigentum“ erkennbar. Diese Untersuchung thematisiert alle strafrechtlichen Maßnahmen, die sich gegen das Eigentum richten. Ausgeschlossen davon sind sonstige Sanktionen gegen nicht näher spezifizierte Teile seines Vermögens, wie z. B. die verschiedenen Geldleistungspflichten, darunter auch die Geldstrafe oder die Geldbuße des Ordnungswidrigkeitenrechts. Ziel der Ausführungen von Eser war die Aufarbeitung einer rechtsdogmatischen Grundlage bzw. eine Kodifikation aller strafrechtlichen Maßnahmen, die an das individuelle Eigentum anknüpfen. In diesem Bereich fehlte eine geschlossene gesetzgeberische Konzeption. Dies bewirkte eine verwirrende und unüberschaubare Mehrzahl von Einziehungs- und Verfallsregelungen.113 Nebenbei wies Eser 111 Die Gründe dafür liegen vor allem an den Problemen bei der entsprechenden Anpassung des Landesrechts und den notwendigen Vorbereitungen der Landesverwaltungen, in: LK / Jescheck, Einleitung, Rn. 74; vgl. dazu Erster Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BT-Drs. V / 4094, S. 68. 112 Vgl. MK / Joecks, Einleitung, Rn. 86. 113 Eser zählt 80 solcher Bestimmungen und führt Motive für die Hypertrophierung dieser Materie an, s. Sanktionen, S. 2 ff.

B. Die Untersuchung von Albin Eser

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auf die Verantwortung der Wissenschaft hin, den Gesetzgeber weitgehend bei einer möglichen „Kodifikation“ dieser Sanktionen zu helfen; denn die Eigentumssanktionen würden stets als „ein dogmatisches Stiefkind“114 behandelt. Eine rechtsdogmatische Betrachtung strafrechtlicher Natur konnte allerdings die verfassungsrechtlichen Zusammenhänge nicht unberücksichtigt lassen. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde die Verfassungsmäßigkeit der Eigentumssanktionen nicht in Zweifel gezogen. Dabei war ihre Begründung nicht befriedigend. Das Problem war, dass sich die Frage nach der verfassungsrechtlichen Legitimation auf jeweils einen bestimmten Einziehungstyp beschränkte. Die Fragestellung, ob und wie man für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der unterschiedlichen Sanktionen einen gemeinsamen Ansatz herausbilden könnte, hätte sich nicht mal gestellt.115 In diesem Sinne hat sich Albin Eser einem unaufgeklärten dogmatischen Feld gewidmet. Den Schwerpunkt der Sanktionen gegen das Eigentum bildete die Einziehung von Tatprodukten und -werkzeugen. In Bezug auf die Rechtsnatur dieser Sanktion dauerte seit langem ein reicher wissenschaftlicher Diskurs an, der durch die wechselnde Rechtsprechung und Gesetzgebung verstärkt wurde; aufgrund der Vielgestaltigkeit der Einziehung blieb es ungeklärt, ob diese eine strafähnliche Sanktion oder eine Sicherungsmaßnahme darstellte. Eser wollte durch seine Untersuchung einen Beitrag zur Vereinheitlichung des Verständnisses der Einziehung und somit zur Rechtssicherheit leisten.

II. Dogmatische Grundlegung der Gewinnabschöpfung Neben der Einziehung thematisiert Eser auch den Gewinn- und Entgeltverfall. Die zentrale Fragestellung bezieht sich hier auf den Gedanken, der beim Entzug rechtswidriger Vorteile vorherrschend war. Dementsprechend wurde untersucht, ob die Gewinnabschöpfung repressiven, präventiven oder restitutiven Zwecken dient, und ob einer dieser Zwecke den Vorrang genießt. Eser unterschied zwischen dem Gewinn- und dem Entgeltverfall, wobei diese Unterscheidung auf eine differenzierte dogmatische Konzeption zurückzuführen war. Zuallererst ging Eser auf den Gedanken einer möglichen Strafnatur der Gewinnabschöpfung ein. In Bezug auf die Frage, was würde es für das Strafrecht bedeuten, wenn dem verurteilten Täter die aus seiner Tat gezogenen Gewinne verbleiben würden, zieht er den Schluss, dass die Entziehung rechtswidrig erlangter Vermögensvorteile auch dazu dient, die Wirkung der Hauptstrafe zu verstärken und den Täter überhaupt erst für die Strafe empfänglich zu machen.116 Cha114 Eser, Sanktionen, S. 3, rügt das mangelnde Gleichgewicht bei der dogmatischen Ausarbeitung der Verbrechenslehre einerseits und der Sanktionslehre andererseits. 115 Eser, Sanktionen, S. 145.

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rakteristisch schreibt er, dass im Fall einer ausbleibenden Gewinnabschöpfung „die Hauptstrafe ihre Wirkung weitgehend verfehlen und letztlich ohne nachhaltigen Eindruck bleiben müsste“. Es lasse sich somit nicht leugnen, dass der Gewinnabschöpfung pönale Elementen innewohnten. Die Frage sei weiterhin, inwiefern die pönalen Elemente ausreichten, um die Gewinnabschöpfung als eine echte Nebenstrafe zu bezeichnen. Um diese Frage zu beantworten, solle man sich an den Abgrenzungsmerkmalen zwischen Haupt- und Nebenstrafen orientieren. Diesbezüglich sei daran erinnert, dass der Existenzgrund der Nebenstrafen mit dem Umstand zusammenhänge, dass in manchen Fällen die Hauptstrafe zur Realisierung des Schuldausgleichs nicht ausreiche. Die Charakterisierung der Gewinnabschöpfung als eine Art „Nebenstrafe“ würde jedoch nicht ihrem eigentlichen Sinn Rechnung tragen. Dieser sei der Ausgleich des durch die Straftat gestifteten Unrechts, durch das die Gewinnerzielung erst ermöglicht wurde. Die Vorteile, welche sich ein Straftäter aufgrund der Verletzung strafrechtlicher Normen verschafft habe, würden in der Mehrzahl der Fälle auf die Kosten derer erlangt, zu deren Schutz die einschlägigen Normen geschaffen seien. Eser stellt somit eine Identität her bezüglich einerseits der Opfer, zu Lasten derer die kriminellen Gewinne gemacht wurden und andererseits der Schutzsubjekte, die sich hinter den verletzten Verbotsnormen verbergen.117 Wollte man diese Überlegung bildhaft darstellen, würde sich folgendes Schema ergeben: bei Straftaten mit Tatgewinnen gibt es einen „Gewinner“ und einen „Verlierer“. Der „Gewinner“ ist der Täter – Empfänger – des kriminellen Gewinns. Der „Verlierer“ ist das Opfer, gegen schutzwürdige Interessen dessen sich die Straftat richtet. Durch den Gewinnverfall wird dieses Täter-Opfer-Verhältnis wieder aufgehoben. Da sich bei universellen Rechtsgütern die Opfereigenschaft verflüchtige118, sind die Tatgewinne bei solchen Straftaten nicht auf Kosten konkretisierbarer Individuen erlangt worden. In solchen Fällen bestehe aber immer noch das Bedürfnis eines Unrechtsausgleichs: aus diesem Grunde trete also der Staat an Stelle der nicht individualisierbaren Opfer als Repräsentant der Allgemeinheit, um dem Täter seine Profite zu entziehen und somit die vorherige Lage wiederherzustellen. Die Rede sei dann von einem reparativen Ausgleichscharakter der Gewinnabschöpfung. Eine derartige Wiederherstellung einer von der Rechtsordnung missbilligten Situation ist dem Recht gar nicht neu. Das Zivilrecht kennt eine Reihe von Rechtsfiguren, welche darauf abzielen, unrechtsmäßige Situationen rückgängig zu ma116 Eser, Sanktionen, S. 86; ähnlich Gallas, in: Niederschriften III, S. 280, der zutreffend bemerkt, dass es unerträglich wäre, wenn der Täter bei Belassung eines hohen Gewinns die etwaige zweimonatige Gefängnisstrafe lediglich als „Betriebsrisiko“ einkalkulieren würde. Dem Argument, der rechtswidrige Vorteil stehe dem Täter gar nicht zu, so dass seine Entziehung keinen wirklichen Verlust für ihn darstellt, ist formalistisch und verkennt die reale Verfügungsmacht, die dem Täter praktisch ermöglicht, diesen Vorteil zu genießen. 117 Eser, Sanktionen, S. 85 f. 118 Kaiser, Kriminologie, § 72, Rn. 3.

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chen.119 Vergleiche man den Gewinnverfall mit der zivilrechtlichen Kondiktion, stelle man fest, dass es sich bei der Gewinnabschöpfung um eine „ungerechtfertigte Bereicherung eigener Art“ handele: der Täter habe sich eine Bereicherung verschafft, ohne einen gültigen Rechtsgrund dafür zu haben. Der Unterschied liege einfach darin, dass sich bei der Gewinnabschöpfung die Ungültigkeit des Rechtsgrunds nicht auf zivilrechtliche Nichtigkeiten, sondern auf eine Straftat beziehe. Dogmatisch betrachtet sei lediglich dieser Grund anders geartet, während sonst ihr Ansatz identisch sei. Deswegen spricht Eser vom Gewinnverfall als einer „quasikondiktionellen Ausgleichsmaßnahme“;120 dabei handele es sich um einen besonderen reparativen Einziehungstyp.121 Hinter der Ausgleichsfunktion der Gewinnabschöpfung könnte sich allerdings der Makelgedanke verbergen. Die Annahme, dass das Rechtsgefühl sich dagegen sträubt, wenn der Täter die Vorteile seiner Tat ungestört genießen darf, weckt den Verdacht, dass der Staat dadurch einen Etikettenschwindel betreibt, indem er den Ausrottungsgedanken mit dem Kleid einer reparativen Gerechtigkeit bemäntelt. Um diesen Verdacht zu überprüfen, geht Eser kurzerhand auf diese Ausmerzungskonzeption ein. Nach der sog. „Makeltheorie“ sei jeder Gegenstand, der in eine strafbare Handlung verstrickt sei, als „gezeichnet“, mit einem sozialethischen Makel behaftet, anzusehen. Die Frage dabei sei nicht, ob dieses Makel-Element zur Klärung der Rechtsnatur der Gewinnabschöpfung ergänzend herangezogen werden könne, sondern ob das schon für sich allein einen tragfähigen Einziehungsgrund liefere. In den Rahmen eines aufgeklärten Strafrechts passe ein solcher Ansatz nicht hinein: das würde eine Verdinglichung des sozialethischen Vorwurfs gegen den Täter bedeuten, was nicht haltbar sei. „Die Schuld kann nicht am Objekt kleben“.122 Der Gedanke, diesen dem Objekt anhaftenden Makel zu eliminieren, könne nur noch den Sinn haben, vor der Rechtsgemeinschaft alles fernzuhalten, was beschmutzend oder demoralisierend wirken würde; das komme einem Purismus gleich, der dem Staat die Rolle des Sittenwächters zuschreibe;123 eine solche Zuständigkeit für den Staat werde in der gegenwärtigen Rechtsordnung streng abgelehnt. Das Institut der Abschöpfung von kriminellen Gewinnen ist somit nach Eser nicht auf die Makeltheorie zurückzuführen. Vielleicht schwinge der Makelgedanke immer noch mit; die Legitimationsbasis für die Gewinnabschöpfung liefere jedoch 119 Charakteristisch dafür sind der § 12 BGB (Namensrecht), der § 249 BGB (Art und Umfang des Schadensersatzes) und der § 233 ZPO (Wiedereinsetzung in den vorigen Stand), der sich auf prozessuale Rechte bezieht. 120 Eser, Sanktionen, S. 85; Dieses Verständnis der Gewinnabschöpfung geht auf Lobe zurück und hatte schon in Rechtsprechung und Schrifttum weitere Anhänger gefunden; ähnlich Koffka, in: Niederschriften III, S. 280; Schmitt, Strafrechtliche Maßnahmen gegen Verbände, S. 219 ff.; Lang-Hinrichsen, FS für Mayer, S. 69 ff. 121 Eser, Sanktionen, S. 57. 122 Eser, Sanktionen, S. 125. 123 Eser, Sanktionen, S. 126.

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das Bedürfnis eines Ausgleichs. Bedenkt man, dass die meisten unter Missachtung strafrechtlicher Normen erlangten Gewinne auf Kosten anderer erlangt worden seien, leuchte diese Ausgleichsfunktion ein. Vielleicht sei dieser Schaden nicht genau bezifferbar, ermittelbar oder zivilrechtlich einklagbar. Das besage aber nichts für die Notwendigkeit, rechtswidrige Vermögensverschiebungen rückgängig zu machen und die gestörte Vermögensordnung wiederherzustellen. Das sei ein Gebot der ausgleichenden Gerechtigkeit.124 Ob dabei wichtiger die Rückgängigmachung der Entreicherung oder die Reparation des zugefügten Schadens sei, bleibe zweitrangig. Im Vordergrund stehe die legitime Aufgabe des Staates, für die Wiedergutmachung des entstandenen Schadens zu sorgen. Das Wesen der Gewinnabschöpfung spreche allerdings für den obligatorischen Charakter des Gewinnverfalls. Es sei kriminalpolitisch nicht geboten, das Verlangen nach Wiederherstellung der verletzten Vermögensordnung nur auf bestimmte Kriminalitätsbereiche zu beschränken (z. B. auf die Verbandskriminalität) oder die Anordnung des Verfalls völlig dem Richter zu überlassen. Da es nicht um Unwertentscheidungen gehe, wie z. B. wenn der Richter die Höhe der persönlichen Vorwerfbarkeit oder das Ausmaß der verwirkten Strafe beurteile, seien kaum Gründe anzuführen, die einen Ermessensspielraum für den Tatrichter rechtfertigen würden. Allerdings sei es unbestreitbar, dass ein solcher Spielraum die Forderung nach einer einheitlichen Rechtsanwendung unterminieren würde.125 Die kondiktionsähnliche Erfassung der kriminellen Gewinne sei demzufolge streng von dem tatsächlichen Bestrafungsvorgang zu differenzieren. Die Strafen dienten dem Schuldausgleich oder der Prävention, sie strebten jedoch keine materielle Restitution an. Diese Restitution, welche normalerweise Gegenstand des Zivilrechts sei und durch die Gewinnabschöpfung erzielt werde, sei von jenem der Strafe immanenten sozialethischen Unwerturteil gegen den Täter abgekoppelt. Deswegen könne die Anordnung des Gewinnverfalls nicht von einem persönlichen Verschulden des Täters abhängig gemacht werden. Die Korrekturaufgabe des Verfalls habe auf diese Weise mit pönalen Erwägungen nichts zu tun oder mindestens nicht vorrangig, so dass auch bei lediglich rechtswidrigen Taten der Verfall von illegalen Vorteilen anzuordnen sei. Eser hält deswegen die Vorschrift des § 73 Abs. 1 StGB, die genau das vorsieht, für sehr konsequent.126 Er geht ebenso auf die Frage ein, ob die Gewinnabschöpfung als Abschreckungsmittel, d. h. als Präventionsinstrument eingesetzt werden kann. Das sei der Fall, wenn ihre Anordnung bei den – potentiellen und tatsächlichen – Individuen Eser, Sanktionen, S. 121. Eser, Sanktionen, S. 284 ff. 126 Bezüglich dieser Frage herrschte im Sonderausschuss keine Einigkeit, vgl. auch Sonderausschuss V / 53. Sitzung S. 1002, 1013 f.; Lang-Hinrichsen, FS für H. Mayer, S. 72, behauptet, dass die Gewinnerfassung schon allein aufgrund des objektiven Verstoßes gegen bestimmte Gesetzesvorschriften, abgesehen von einem Schulderfordernis, für zulässig zu erachten ist; s. auch Schmitt, Strafrechtliche Maßnahmen gegen Verbände, S. 221; Seiler, Strafrechtliche Maßnahmen als Unrechtsfolgen gegen Personenverbände, S. 241 ff. 124 125

B. Die Untersuchung von Albin Eser

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eine Warnungsfunktion auslösen könnte. Dieses Potential verneint Eser; denn eine potentielle Warnungsfunktion sei kein geeignetes Kriterium zur Annahme einer präventiven Funktion; eine solche Funktion wohne letztendlich jedem Zwang inne. Als Beispiel sei gleichermaßen die zivilrechtliche Kondiktion anzuführen: selbst der ungerechtfertigten Bereicherung sei ein präventiver Charakter anzuerkennen, indem dem ungerechtfertigt Bereicherten vor Augen geführt werde, dass sich dieses rechtswidrige Verhalten nicht rentiere. Trotzdem betrachtet man die zivilrechtliche Kondiktion nicht als Präventionsmittel gegen Vertragsbrüche.127

III. Der personelle Anwendungsbereich Eser fragt sich auch nach dem Umfang des Personenkreises, gegen den der Ausgleichsverfall angeordnet werden sollte. Diese Frage stelle sich nicht für jegliche Tatbeteiligte, weil das inkriminierte Vermögen ihnen kraft eigenen oder zumindest ihnen zurechenbaren Verhaltens zugeflossen sei. Kritisch wird die Ausdehnung der Gewinnabschöpfung auf tatunbeteiligte Drittempfänger. Eser hält diese Möglichkeit für vertretbar, wenn ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Tatbeteiligten und dem bereicherten Dritten existiert. Dem Ausgleichsgedanken würde es allerdings entsprechen, die kriminellen Gewinne unabhängig vom Empfänger abzuschöpfen. Es sei unerheblich, ob es um eine echte Vertretung gehe oder ob diese Beziehung nach außen hin erkennbar sei. Insoweit weicht seine Betrachtungsweise von der des § 109 Abs. 3 E 1962 ab, die genau auf die äußere Erkennbarkeit als Grenze des Vertretungsverhältnisses abstellte. Entscheidend für Eser ist, dass der Täter „aufgrund eines rechtlichen oder tatsächlichen Autoritätsverhältnisses im Interesse und mit unmittelbarer Wirkung für den Empfänger gehandelt hat“.128 Da sich diese Formel in der Praxis eher schwer konkretisieren lässt, ist Eser bemüht, geeignete Abgrenzungsmerkmale zu bilden. Die Grenze des Drittverfalls sieht er dort, wo der Vorteil aus einer Tat herrührt, die völlig außerhalb des Einflussbereichs des Empfängers liegt. Daraus wird auch verständlich, warum er den Gebrauch der Bezeichnung „quasi-kondiktionell“ bevorzugt und nicht etwa die der „strafrechtlichen Kondiktion“: anders als bei der Kondiktionshaftung, bei der die Vorteile auch jenem zu entziehen seien, dem sie zugute kamen, hat die Gewinnabschöpfung nach Eser dort ihre Schranke, wo die Empfänger der rechtswidrig erlangten Vorteile weder Kenntnis von der Anknüpfungstat hatten noch haben konnten und kumulativ, wenn sie auf die Tat keinen Einfluss ausüben konnten. Die Ausdehnung des Gewinnverfalls auf alle möglichen Empfänger wäre mit praktischen Schwierigkeiten verbunden, weil der Kreis der von der Gewinnabschöpfung zu erfassenden Personen sich kaum noch überschauen ließe, so dass die Strafverfolgungsbehörden überfordert wären.129 127 Eser, Sanktionen, S. 86; im gleichen Sinne, Seiler, Strafrechtliche Maßnahmen aus Unrechtsfolgen gegen Personenverbände, S. 252 ff. 128 Vgl. Arndt, in: Sonderausschuss, V / 53. Sitzung S. 1016.

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3. Kap.: Die Wiederentdeckung der Gewinnabscho¨pfung

Die im Sonderausschuss ebenfalls thematisierte Beschränkung der Gewinnabschöpfung auf mittelbare Vorteile, die von Verbänden erlangt worden sind, lehnt Eser ab. Die Überlegung, dass bei juristischen Personen das Profitstreben und die Anonymität im Betrieb starke Anreize zur Begehung gewinnmotivierter Straftaten darstellten, reiche nicht zur Beschränkung der Gewinnabschöpfung auf Verbände aus. Dieser Vorschlag gehe auf die kaum empirisch überprüfbare Annahme einer erhöhten Kriminalitätsgeneigtheit von juristischen Personen im Vergleich zu natürlichen Personen zurück; zweitens stelle er ein pauschales Unwerturteil über den Körperschaftsgedanken dar; es lasse sich somit schwerlich rechtfertigen, die bei einer Aktiengesellschaft zugeflossenen kriminellen Vorteile abzuführen, dem bereicherten Einzelkaufmann seinen kriminellen Gewinn jedoch zu belassen. Dies wäre auch wettbewerbsrechtlich problematisch.130 Der Ansatz von Eser bewegt sich somit parallel zu den bereits präsentierten Entwürfen.131

IV. Der gegenständliche Anwendungsbereich In Bezug auf den Verfallsgegenstand unterscheidet Eser – im Gegensatz zum AE und zur Lösung des Gesetzgebers132 – zwischen Tatvorteilen und Tatentgelten. Den Charakter einer quasi-kondiktionellen Ausgleichsmaßnahme erkennt er nur für die Abschöpfung von Tatgewinnen an; denn nur in diesen Fällen bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem kriminellen Vorteil und dem restitutionsbedürftigen Nachteil. Bei den kriminellen Gewinnen fungiere die Straftat als der Faktor, aufgrund dessen der Gegenstand in die Hände des Täters gelange; ihm komme ferner eine tatfördernde Bedeutung zu, die für die instrumenta sceleris typisch sei.133 Beim Tatentgelt, sei es als Anstifterlohn oder als Bestechungsgeld, fehle es hingegen am schutzwürdigen Subjekt. Mit anderen Worten habe der Geber des Tatentgeltes den Eigentumsschutz verwirkt, indem er sich in die Tatnähe begeben habe. Aufgrund dieser Verwirkung verdiene er nicht den Schutz der Rechtsordnung. Eser sieht somit im Entgeltverfall eine Verwässerung des Ausgleichsgedankens. Deswegen schlägt er vor, die Gewinnabschöpfung auf illegale Tatgewinne zu beschränken und die Tatentgelte über die strafweise Einziehung zu erfassen. Denn die Entgeltsentziehung würde wiederum den Täter für die Strafe empfänglich machen, was jedoch eine pönale und keine ausgleichende Zwecksetzung darstelle. Deswegen plädiert er für die Anordnung des Entgeltverfalls, jedoch Vgl. die einschlägige Diskussion im Sonderausschuss Göhler V / 28. Sitzung S. 544. Eser, Sanktionen, S. 289. 131 Vgl. § 109 Abs. 3 E 1962; Begründung zum AE § 83, S. 157. 132 BT-Drs. V / 4095 S. 39 zum § 73 Abs. 1 StGB, der zum damaligen Zeitpunkt noch nicht in Kraft getreten war. 133 Eser, Sanktionen, S. 335. 129 130

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angesichts des vordergründigen Strafzwecks nur bei volldeliktischen Anknüpfungstaten.134 Eser beschäftigt sich auch mit der Frage nach der Abschöpfung von mittelbaren Gewinnen. Das Problem stelle sich erst dann, wenn der kausale Zusammenhang zwischen diesen und der Straftat lockerer werde. Er spricht gegen eine unterschiedslose Abführung von mittelbaren Gewinnen, da auf diese Weise die Abschöpfung einen pönalen Charakter bekommen würde. Um dem Ausgleichsgedanken Rechnung zu tragen, ist nach Eser erforderlich, dass dem mittelbaren Vorteil ein entsprechender Nachteil gegenübersteht. Mit anderen Worten bleibe für die Erfassung von solchen Vorteilen Raum nur dort, wo das Opfer selbst diese Früchte ziehen würde. Gehen die mittelbaren Gewinne, z. B. in Form von Nutzungen, auf eine besondere Tüchtigkeit des Täters zurück, sollten sie nicht abgeschöpft werden, denn „dies würde nicht nur ins Uferlose führen, sondern allenfalls eine über den Ausgleichsgedanken hinausgehenden Ausmerzungssanktion darstellen“.135 Die Erfassung aller mittelbaren Vorteile würde aber auch auf praktische unüberwindbare Problemen stoßen; denn der Tatrichter wäre trotz der Schätzungsmöglichkeit immer gezwungen, jegliche Tatvorteile aufzuspüren oder Kriterien aufzustellen, nach denen ihre Erfassung und Bewertung ermöglicht werden könnte.136 Somit schlägt Eser vor, diejenigen mittelbaren Vorteile zu entziehen, die „nach allgemeiner Erfahrung auch der Entreicherte erzielt hätte, wenn ihm der gewinnbringende Gegenstand nicht rechtswidrig entzogen worden wäre“. Dabei handelt es sich um einen Fall hypothetischer Kausalität der Art „was wäre, wenn der Täter die Tat nicht begangen hätte und der Vorteil beim Opfer verblieben wäre“. Eser bedient sich eines „typisierenden Maßstabs“, indem er die Gewinnabschöpfung auf solche Vorteile beschränkt, die mit dem betreffenden Gegenstand typischerweise zu erzielen sind. Er sieht hierin einen Vorzug für den Richter, denn er müsse nicht den im Einzelfall effektiv erzielten Früchten nachspüren und diese bewerten; eine Feststellung der mit einem Gegenstand typischerweise zu erwirtschaftenden Vorteile würde ausreichen. In diesem Zusammenhang bleibt es jedoch fraglich, wie dieser typisierende Maßstab zu verobjektivieren wäre, um eine gewisse Einheitlichkeit bei der Rechtsanwendung zu erreichen. Bei einigen Fällen, wie z. B. bei banküblichen Zinsen wäre die Bestimmung des abzuschöpfenden Betrags relativ einfach. Bei anderen jedoch wäre es extrem schwer zu ermitteln, welcher mittelbare Vorteil typisch für einen Gegenstand ist. Darüber hinaus wird dieser typisierende Maßstab auch desEser, Sanktionen, S. 127 ff. Eser, Sanktionen, S. 292. 136 Diese praktische Seite des Problems wurde auch von Lang-Hinrichsen, FS für Mayer, S. 49, 76 anerkannt, der vorschlägt, die Zuständigkeit für die Gewinnabschöpfung einem mit Spezialisten ausgestatteten gesonderten Gerichtskörper zu übertragen; dazu auch Schmitt, Strafrechtliche Maßnahmen gegen Verbände, S. 226 ff. 134 135

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3. Kap.: Die Wiederentdeckung der Gewinnabscho¨pfung

wegen problematisch, weil er den subjektiven Faktor völlig vernachlässigt. Es bleibt also die Frage offen, nach den Vorstellungen vom wem dieser Maßstab konkretisiert wird. Dieser Maßstab würde z. B. anders ausfallen, wenn als Maßstab der Durchschnittsbürger oder das konkrete Opfer genommen würde. In solchen Fällen wäre es somit vorzugswürdig, von der Entziehung mittelbarer Vorteile ganz abzusehen.

V. Das Verhältnis zwischen Gewinnabschöpfung und Verletztenansprüchen Eser geht ebenso auf die mögliche Konkurrenz zwischen dem staatlichen Anspruch auf Gewinnabschöpfung und individuellen Ausgleichsansprüchen ein. Bei Straftaten ohne individualisierbare Opfer stelle sich diese Frage nicht: der Staat, als „Repräsentant der Allgemeinheit“ mache die rechtswidrige Vermögensverschiebung rückgängig.137 Kritisch werde, wenn individuelle Opfer existierten, die jedoch ihre Ansprüche nicht erheben würden. Somit stellt sich die Frage, ob lediglich die Existenz solcher Ansprüche den staatlichen Anspruch zurücktreten lässt oder ob dafür auch ihre Geltendmachung erforderlich ist. Diesbezüglich entwickelt Eser die Theorie der sog. „Interessenssphären“.138 Bei der Konkurrenz zwischen Staat und Individuum über den abschöpfbaren Gewinn träten drei Interessenssphären zutage: die erste umfasse das durchaus legitime Interesse des Opfers, die Gewinne, die auf seine Kosten gemacht wurden, zurückzubekommen. Der Staat müsse damit sicherstellen, dass das individuelle Opfer seine Ausgleichsansprüche verfolgen kann. Andererseits sei der bereicherte Täter daran interessiert, diese Bereicherung nur einmal abzugeben; deswegen solle die staatliche Gewinnabschöpfung mit der Befriedigung von Ausgleichsansprüchen koordiniert sein, damit Phänomene von Mehrfachzahlungen seitens des Täters vermieden würden; dies würde nämlich über den oben zugrunde gelegten Ausgleichsgedanken hinausgehen. Drittens sei der Staat daran interessiert, dass der Täter das illegal Erlangte nicht behalte. Ein ausgleichender Ansatz sollte einerseits alle drei Interessenssphären befriedigend berücksichtigen und andererseits nach Abwägung der Intensität oder des Umfangs jeder dieser Interessensphären einer den Vorrang einräumen.

137 Möchte man den Ausgleichsgedanken wirklich einlösen, sollten in solchen Fällen die abgeschöpften Gewinne wenigstens indirekt zum Ausgleich derjenigen Schäden verwendet werden, die durch die Straftat angerichtet worden sind. Dieser Einwand vermag jedoch nicht die Legitimation der Gewinnabschöpfung in Frage zu stellen, so Weßlau, StV 1991, S. 226, 227. 138 Vgl. Eser, Sanktionen, S. 294.

C. Die Aktualität des Konzepts der Gewinnabschöpfung

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VI. Bewertung Die Originalität dieser Untersuchung liegt nicht nur an der aufgegriffenen Thematik, sondern auch an der Art und dem Gang der Darstellung: denn Eser unternimmt nicht nur eine Kommentierung der unterschiedlichen Sanktionen gegen das Eigentum, sondern versucht diese als ein Gesamtphänomen zu betrachten. Der Autor ist um die Aufklärung der Natur, des Wesens dieser Sanktionen bemüht, nicht nur in ihrer jeweiligen gesetzlichen Ausgestaltung, sondern auch mit einer besonderen deontologischen Blickrichtung. Indem er sich mit den verschiedenen Theorien zur Legitimation dieser Sanktionen auseinandersetzt, ist das Ziel dieses Werks, legislatorische Lücken, Dystrophien und Widersprüche aufzudecken. Das geltende Recht betrachtet Eser eher symptomatisch als Illustration seiner Gedanken, während er zugleich den rechtspolitischen Aspekt nicht aus den Augen verliert, indem er die Vorschläge des E 1962 sowie des AE kritisch und konsequent verwertet; an den Stellen, wo das geltende Recht und die vorgebrachten Lösungen der Gesetzesentwürfe nach seiner Meinung zu kurz kommen, unterbreitet er eigene Vorschläge. Eser ist mit dieser Untersuchung unter anderem gelungen, eine weit angelegte Diskussion über die Gestalt und die Möglichkeiten der Gewinnabschöpfung anzustoßen. In dieser Arbeit wurde ein dogmatisch und systematisch ausgefeilter Ansatz präsentiert, der das Blickfeld von dem engen Horizont der Freiheitsstrafe hin auf die Modalitäten der Eigentumssanktionen richtet. Sein Konzept einer Gewinnabschöpfung, die in erster Linie dem Ausgleichsgedanken dient, fügt sich in den kriminalpolitischen Geist seiner Zeit ein, lebt jedoch bis heute weiter. Seine Theorie der drei Interessenssphären berücksichtigt schematisch die widerstreitenden Interessen und gilt für die heutige Theorie und Praxis als wegweisend, auch wenn abweichende Tendenzen, vor allem in die Richtung einer abschreckenden Gewinnabschöpfung hervortreten. Da er das Missbrauchspotential der Eigentumssanktionen zu verschiedenen Zwecken erkannt hat, plädiert er für ein liberales, streng an rechtsstaatlichen Prinzipien orientiertes Strafrecht.

C. Die Aktualität des Konzepts der Gewinnabschöpfung in einer sich wandelnden Gesellschaft Dieser breit angelegte Diskurs über das Wesen und die Möglichkeiten der Gewinnabschöpfung hat sich allerdings erst viele Jahre später entzündet. Die Untersuchung Esers, die in späteren Zeiten oft zitiert wurde, führte in den ersten Jahren nur ein Schattendasein. Nach dem Inkrafttreten der Verfallsvorschriften (§§ 73 ff. StGB) fiel die theoretische Auseinandersetzung mit der Gewinnabschöpfung mager aus. Zudem wurden in der Justizpraxis diese Vorschriften nur selten angewandt; entsprechend gering waren die abgeschöpften Vermögenswerte.139 In den ersten Jahren

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3. Kap.: Die Wiederentdeckung der Gewinnabscho¨pfung

nach der Gesetzesnovellierung könnte man die zurückhaltende Anwendung eher auf eine gewisse Unkenntnis von der Seite der Richter zurückführen. Obwohl der Verfall kein richtig neues Rechtsinstitut war, hat das 2. StrRG zum ersten Mal ein vollendetes Konzept für den Verfall zugrunde gelegt, so dass man von einer angemessenen Anpassungszeit seitens der Rechtsprechung ausgehen durfte. Bald hat sich jedoch herausgestellt, dass die richterliche Verschlossenheit gegen die Verfallsvorschriften nicht an Unwissenheit, sondern an den praktischen Schwierigkeiten lag, diese in die Strukturen des Strafverfahrens einzufügen. Bei der Handhabung der neuen Vorschriften sind einige problematische Punkte aufgetreten, welche die Richter zu einer starken Zurückhaltung bewegten.140 Die Kritik hat sich vorrangig auf die Klausel konzentriert, welche die Abschöpfung von illegalen Gewinnen ausschließt, soweit individuelle Ansprüche von Verbrechensopfern existieren (§ 73 Abs. 2 StGB). Das kommt einem Ausschluss des Verfalls gleich bei allen Straftaten mit individuellen oder individualisierbaren Verletzten. Gemehrt haben sich auch die Stimmen, die die hohen und umständlichen Beweisanforderungen beim Verfall rügten. Beanstandet wurde vor allem, dass immer voll bewiesen werden musste, dass ein bestimmter Gegenstand aus einer konkreten Straftat herrührt.141 Letztlich war es auch die Feststellung und Berechnung der abzugsfähigen Unkosten des Täters, welche die Richter in Bedrängnis brachte. Die Strafverfolgungspraxis hat sich auch zu Wort gemeldet, denn sie war in der unangenehmen Lage, machtlos zusehen zu müssen, wie kriminelles Vermögen aufgrund dieser rechtlichen Unzulänglichkeiten bei den Tätern verblieb.142 Somit beobachtet man in den nächsten Jahrzehnten eine ansteigende Thematisierung der Abschöpfung von kriminellen Gewinnen, die sich nicht nur auf akademische Kreise143 beschränkte, sondern auch auf die sonstigen Akteure des strafrechtlichen Institutionsgefüges erstreckte144. Zeitlich betrachtet findet sie ihren 139 Vgl. Brenner, DRiZ 1977, S. 203 ff.; der Anteil der verurteilten Erwachsenen und Heranwachsenden gegen den Verfallsanordnungen verhängt wurden beträgt für 1989 auf nur 0,4 Promille; mehr empirische Daten zur geringen Anwendung der Verfallsvorschriften, in: Dessecker, Gewinnabschöpfung, S. 164 ff. 140 Kaiser spricht in diesem Zusammenhang von einem „legislatorischen Monstrum“, in: FS für Tröndle, S. 685, 687 ff. 141 So Boge, BKA-Tagung 1986, S. 92; Rebscher / Vahlenkamp, Organisierte Kriminalität in der Bundesrepublik Deutschland, S. 171; Kaiser, FS für Tröndle, S. 703; so auch die damalige Bundesregierung in: Begründung des Regierungsentwurfs zum Erweiterten Verfall, BRDrucks. 16 / 90, S. 4. 142 Statt vieler: Lenhard, KR 1989, S. 194 ff. 143 Die einschlägige Literatur hat ab Anfang der 80er Jahre enorm zugenommen: Güntert, Die Gewinnabschöpfung als strafrechtliche Sanktion; Hoffmann, MDR 1984, S. 617 ff.; Schmitt, GedS für Noll, S. 295 ff.; Herzog, KJ 1987, S. 321 ff.; Kaiser, FS für Tröndle, S. 685 ff.; entsprechende Resonanz fand die Thematik auch auf internationaler Ebene, s. die Nachweise bei Meyer, Gewinnabschöpfung, S. 161 ff. 144 Ein Beispiel dafür liefert die im Jahre 1986 von der BKA organisierte Tagung: „Macht sich Kriminalität bezahlt? Aufspüren und Abschöpfen von Verbrechensgewinnen, S. 7 ff.

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Beginn in den späten achtziger Jahren und erreicht ihren Höhepunkt in der Mitte der neunziger Jahre. Ausgangspunkt des zunehmenden Interesses war die offensichtliche Unfähigkeit der Verfallsvorschriften, den mit ihnen angeknüpften Zweck, die „ausgleichende quasi-kondiktionelle Gewinnabschöpfung“ voranzutreiben. Die Hypothese der vorliegenden Arbeit ist, dass diese normative Gegebenheit zwar den Anstoß zu einer Beschäftigung mit der Gewinnabschöpfung gegeben hat, die wahren Gründe dieser „Wiederentdeckung der Gewinnabschöpfung“ jedoch in unterschiedlichen aktuellen rechts- und kriminalpolitischen Tendenzen zu suchen sind. Die Gewinnabschöpfung sollte im Kampf gegen gesellschaftsbedrohende Kriminalitätsformen eingesetzt werden; deswegen wird sie zunehmend politisiert. Ihre Wiederentdeckung könnte somit symptomatisch für Änderungen im gesamten Strafrechtssystem sein. Zur Klarstellung muss in diesem Zusammenhang betont werden, dass die lokalisierten Tendenzen weniger Stimmungslagen widerspiegeln; sie scheinen eher mit einem gewissen Strukturwandel verbunden zu sein.145 Welche Tendenzen das sind und wie sie sich auf den Diskurs über die Gewinnabschöpfung ausgewirkt haben, gilt es diesem Kapitel zu untersuchen.

I. Umwandlung der Strafzwecke und Gewinnabschöpfung Die Große Strafrechtsreform und die gesamte Diskussion über das Wesen und die Zwecke der Strafe haben den Resozialisierungsgedanken nicht nur hoffähig gemacht, sondern auch die Grundsteine gelegt, um diesen Gedanken ins Zentrum des neuen Strafrechts zu bringen. Der gelungene Einbruch der Idee der Resozialisierung spiegelt sich nunmehr auch im positiven Recht wider: nicht nur als Strafzumessungskriterium (§§ 46 Abs. 1 S. 2, 56 Abs. 1 StGB), sondern auch als Maßstab für die Gestaltung des Strafvollzugs (§ 2 StVollzG). Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat diesen Trend aufgegriffen und weiterentwickelt.146 Die Spezialprävention in der Form der Resozialisierung, der Wiedereingliederung des Täters in die Gesellschaft, schien zumindest vorläufig sonstige straftheoretische Konzepte überschattet zu haben.147 145 Um methodologische Fehler zu vermeiden, sollte man unterstreichen, dass die angeführten Tendenzen als aktuelle Erscheinungen verstanden werden müssen, welche die Entwicklung und die Ausarbeitung des Konzepts der Gewinnabschöpfung begünstigen. Ob diese das künftige Strafrecht und die Kriminalpolitik weiter beschäftigen werden, bleibt hier hintangestellt. Eine Prognose ist hierbei nicht beabsichtigt. 146 S. BVerfGE 35, S. 202, 235; besonders ausdrücklich auch in der Entscheidung des BGH, BGHSt 24, S. 40 ff. wonach „die spezialpräventive Klausel der gesetzlichen Strafzumessungsvorschrift eine bedeutsame Schwerpunktverlagerung auf den spezialpräventiven Gesichtspunkt erkennen lässt“. 147 Zipf, Kriminalpolitik, S. 79; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Band I, § 3, Rn 12 ff.

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Diese Euphorie hat allerdings nicht lange gedauert und bald einer nüchterneren Betrachtungsweise Platz gemacht; denn es wurden Stimmen erhoben, die darüber Zweifel äußerten, ob die Resozialisierung zu bewerkstelligen sei.148 Zugrunde lagen verschiedene Erwägungen praktischer Natur als auch theoretische konzeptuelle Meinungsunterschiede. Es war äußerst zweifelhaft, ob die tatsächliche Situation in den Strafvollzugsanstalten realistische Chancen zur Resozialisierung eines Inhaftierten bieten konnte. Zudem wurden Kosten-Nutzen-Erwägungen und die fragwürdige Wirtschaftlichkeit und Erfolgsmessung von rehabilitierenden Programmen auf den Plan gerufen.149 Uneinigkeit herrschte auch bezüglich des eigentlichen Sinns der Resozialisierung. Zu was sollte der Resozialisierungsbedürftige determiniert werden? Das positive Recht sah eine Entmoralisierung der Resozialisierungsidee, wonach diese eine bloße Legalitätshaltung verkörperte.150 Die Auseinandersetzung um dieses Thema war zwar sehr lebhaft, hat aber dazu geführt, dass bald eine gewisse Verdrossenheit, eine resignative Stimmung gegenüber der Resozialisierung herrschte. Folge dieser Stimmung, die von Eser zutreffend als „Krise der Resozialisierung“ bezeichnet wurde, war eine allmähliche Umorientierung auf andere mögliche Zwecksetzungen: eine Abkehr von spezialpräventiven und eine parallele Rückkehr zu generalpräventiven und damit symbolischen Zielgedanken war unverkennbar.151 Gegenstand des theoretischen Interesses und der entsprechenden politischen Initiativen bildete die Generalprävention in all ihren Nuancierungen (positive, negative, Integrationsprävention) und mit unterschiedlichen Akzentuierungen, je nach ihrem jeweiligen gesellschaftlichen „Tauschwert“ und der aktuellen politischen Hochwetterlage.152 Der Eingang und die allmähliche Vorherrschaft des generalpräventiven Denkens153 in Theorie und Praxis des Strafrechts lassen jedoch die strafrechtlichen Sanktionen unter einem anderen Licht erscheinen. Im Rahmen einer in erster Linie an der Resozialisierung orientierten Kriminalpolitik konnte die Gewinnabschöpfung keine nennenswerte Aufgabe übernehmen. Sie war vorrangig Ausdruck eines fast zivilistischen sozialen Ausgleichsinteresses, das an jede unrechtmäßige Vermögensverschiebung anknüpfte. Im Rahmen des neuen, modifizierten Verständnisses über die Funktion von Sanktionen scheint in der Abschöpfung krimineller 148 Diesbezüglich: Peters, FS für Heinitz, S. 501 ff.; Müller-Dietz, MSchrKrim 1972, S. 19 ff.; Grunau, DRiZ 1970, S. 247 ff.; Ostermeyer, Strafunrecht, S. 93; Eser, FS für Peters, S. 505 ff.; für das amerikanische Kriminaljustizsystem: Allen, The decline of the rehabilitative ideal, S. 32. 149 Kunz, Kriminologie, § 34 Rn. 24 ff.; Eisenberg, Kriminologie, § 42 Rn. 1 ff. 150 Vgl. Eser, FS für Peters, S. 505, 509; so auch § 2 Abs. 1 StVollzG. 151 So auch Roxin, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Band I, § 3, Rn 18. 152 Zur Schwerpunktverlagerung von der Repression hin zur Prävention samt einer historischen Betrachtung s. den gleichnamigen Aufsatz von Naucke, KritV 1993, S. 135 ff. 153 Naucke, KritV 1999, S. 336 ff., schildert bereits die Konturen eines sog. nach-präventiven Strafrechts.

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Gewinne ein nicht zu unterschätzendes Potential zu stecken: durch die erfolgte Akzentverschiebung kann einer effektiven Gewinnabschöpfung eine bedeutende generalpräventive Bedeutung zukommen. Das generelle gesellschaftliche Ausgleichsinteresse tritt vor dem Streben zurück, den Bürgern zu zeigen, dass sich das Verbrechen nicht lohnt; sind hingegen die Abschöpfungsraten niedrig, kann das von der Theorie der Generalprävention zu stärkende Rechtsbewusstsein und die Rechtstreue der Rechtsgenossen einen Schaden nehmen; längerfristig betrachtet könnte das eine „Legitimitätskrise“ der Gesellschaft bewirken.154 Diese Krisenhaftigkeit verleiht somit dem Recht der Gewinnabschöpfung nicht nur eine besondere Legitimation, sondern entscheidet über die Grundlinien, die dieses Recht haben muss, um der Generalprävention Rechnung zu tragen. Diese Funktionalisierung der Gewinnabschöpfung zur Erreichung bestimmter generalpräventiver Zwecke wird prägnanter, wenn man neue Gegebenheiten des gesamtgesellschaftlichen Lebens in die Analyse einbezieht. Obwohl man bei dem Strafrechtssystem von einer relativen Autonomie ausgeht155, sind die Interdependenzen unvermeidbar. Als nächstes wird versucht, diese gesellschaftlichen Trends auszumalen, um zu sehen, wie diese sich auf das Strafrecht und besonders auf das Postulat der effektiven Gewinnabschöpfung auswirken.

II. Umwandlung der Funktionen des Rechts und Gewinnabschöpfung 1. Effizienzorientierung – Zweckgebundenheit und Auswirkungen auf das Strafrecht Eine von diesen Tendenzen ist das Auftreten neuer Risiken. Der immense technische Fortschritt hat zu einer Multiplizierung von sog. „menschengemachten“ Risikoquellen geführt. Gleichzeitig werden die Wechselbeziehungen zwischen den individuellen Organisationssphären so stark beeinflusst156, dass die Möglichkeit vergrößert wird, dass bei diesen Kontakten ein misslungener Umstand zu einem Schadenseintritt führt. Kaiser, FS für Tröndle, S. 686 f. Vgl. Garland, The culture of control, S. 24, der bekräftigt, dass nach herrschender soziologischer Einsicht, die sozialen und ökonomischen Determinanten der „Außenwelt“ selbstverständlich die Verhaltensmuster der Agenten des gesamten Strafrechtssystems beeinflussen, aber sehr indirekt durch eine langwierige Reformierung von Denk- und Verhaltensweisen; bevor diese Determinanten einen gesellschaftlichen Einfluss auf das Subsystem des Strafrechts ausüben können, müssen sie zuerst in die entsprechenden Codes der Teilnehmer des Subsystems übersetzt werden. 156 Das bedeutet, dass viel öfter als früher Sicherungsfunktionen für fremde Organisationssphären übernommen werden. Die Handlung einer Person, vor allem in risikoreichen Lebensbereichen, kann weitreichendere Konsequenzen auf die entsprechenden Lebenssphären eines unbestimmten Kreises von anderen Menschen haben. 154 155

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Obwohl tatsächlich neue Unsicherheitsquellen im Zuge einer fortwährenden technischen Innovation hervorgebracht wurden, sollte man jedoch die gleichzeitige Eliminierung zahlreicher anderer Unsicherheitsquellen nicht ausblenden.157 Eine Verobjektivierung der Gefahrenlage sowie ihrer Qualität führt zu dem Schluss, dass sich diese Risiken und Unsicherheiten erst aus einem komplexen gesellschaftlichen Konstruktionsprozess ergeben und „geglaubt werden müssen“.158 Das bedeutet aber unter anderem, dass das Unsicherheitsgefühl der Gesellschaft eher auf subjektiven Wahrnehmungen als auf empirisch konstituierbaren Tatsachen beruht. Als stellvertretend für dieses Phänomen kann im strafrechtlichen Bereich die gesteigerte Kriminalitätsfurcht herangezogen werden.159 Ursachen für dieses stets steigende Unsicherheitsgefühl sind stichwortartig unter anderem die zunehmende Komplexität der gesellschaftlichen Umstände160, welche den Aufstieg von „Sicherheit“ zu einer gesellschaftlichen Wertidee signalisiert, begleitet von in anderen Bereichen zu lokalisierenden Orientierungsverlusten.161 Wichtiger als die Entstehungszusammenhänge für die vorliegende Analyse sind die Auswirkungen dieser „neuen Unsicherheit“ für das Strafrecht und spezieller für die Gewinnabschöpfung. Zu hinterfragen ist, ob irgendeine Relation zwischen der geschilderten Entwicklung und der intensiven Beschäftigung mit der Abschöpfung illegalen Vermögens zu eruieren wäre. Angesichts dieser Entwicklungen gerät das Strafrecht in Verlegenheit. Das heute geltende Strafrecht ist, trotz aller Modernisierung162, als ein politisches Produkt der Gesellschaft des späten 19. und des 20. Jahrhunderts anzusehen. Das traditionelle Strafrecht orientiert sich am Beispiel des individuelle Rechtsgüter verletzenden Erfolgsdelikts.163 Bloße Neigungen taugen nicht als Strafgründe, Gefährdungen nur ausnahmsweise.164 Strikte Zurechnungsregeln und rechtsstaatliche Prinzipien bilden ein relativ starres dogmatisches Gefüge, das ursprünglich die Begrenzung der staatlichen Machteingriffe in einem stark abgesteckten Bereich beabsichtigte. Dazu Hess, KJ 1998, S. 145, 148 (Fn. 3). Denn viele der neuartigen Risiken entziehen sich vollständig dem unmittelbaren menschlichen Wahrnehmungsvermögen, s. Beck, Risikogesellschaft, S. 35 ff. 159 s. Garland, The culture of control, S. 10, 122 ff. 160 s. Silva Sanchez, Die Expansion des Strafrechts, S. 10 ff. 161 Vgl. Herzog, Gesellschaftliche Unsicherheit und strafrechtliche Daseinsvorsorge, S. 50, 53 f. 162 Dieser Begriff wird hier möglichst neutral verwendet: unter Modernisierung werden die normativen Änderungen des Strafrechts verstanden, die dieses an die jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklungen anpassen wollten. 163 Dabei geht es um das sog. „klassische Strafrecht“, einen Begriff, der vor allem von Hassemer und Naucke entwickelt wurde, s. Hassemer, ZRP 1992, S. 378, 380; Naucke, KritV 1990, S. 244, 254; derselbe, KritV 1993, S. 135, 137. 164 Vgl. Hassemer, StV 1995, S. 483, 484. 157 158

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Der soziale Wandel scheint jedoch dieses Paradigma überholt zu haben. Bei der Rechtsgestaltung tritt nunmehr das Bedürfnis nach Management von Risiken und Gefahren, nach einer „effizienten“ Verwaltung von „Orientierungsunsicherheiten“165, hervor. Rechtstheoretisch betrachtet will das anstrebende Recht nicht nur das Spiegelbild einer gesellschaftlichen Wirklichkeit sein; vielmehr trachtet das Recht danach, bestimmte soziale Veränderungen herbeizuführen.166 Das Strafrecht greift regulierend ein, es strebt Garantien zur Durchsetzung einer mangelnden Ordnung an; der Maßstab für die Inhalte ist die Zielvorgabe; seine Legitimation erlangt dieses Recht über die Effizienz, über seine Tauglichkeit, die vorgegebenen Ziele zu erreichen. Aus diesen Anstrengungen heraus hat sich das Strafrecht in einem unaufhaltsamen Tempo zu einem Interventionsrecht gewandelt. Zu verzeichnen ist eine Umverteilung staatlicher Macht von einem Schuldstrafrecht der Justiz zu einem Sicherheitsstrafrecht der Polizei.167 Das Strafrecht rückt somit immer näher an Polizeirecht heran168: von einem Gebilde, das die staatlichen Eingriffe zu begrenzen trachtete, hat es sich zu einem Instrument der Verbrechensbekämpfung169 gewandelt. Die Aufgabe der Verbrechensbekämpfung kann jedoch von einem Strafrecht, das ausschließlich an „einen sittlichen Befund der Vergangenheit“ anknüpft, nicht wahrgenommen werden. Somit orientiert sich das Strafrecht zunehmend an eine „in die Zukunft gerichtete Steuerung gesellschaftlicher Daseinsfragen“.170 Diese Neuorientierung zwingt zu einer Dominanz von Effektivitätserwägungen. Dieses Zweckdenken, das auf der Ebene der Rechtsdogmatik das bislang vorherrschende Prinzipiendenken allmählich verdrängt, initiiert auch einen in gewissen Fällen übereilten Drang zur Ausnutzung der Möglichkeiten, welche die Gewinnabschöpfung gerade zur Verbrechensbekämpfung anbietet. Das oben beschriebene „regulatorische Recht“ möchte durch eine „effektive“ Gewinnabschöpfung eine möglichst lückenlose Erfassung aller krimineller Gewinne erzielen; nur so kann die erwünschte Sozialgestaltung eintreten, in diesem Fall in der Form der längerfristigen Ausmerzung der Makrokriminalität; der Entzug der illegalen Gewinne kann somit einen beachtlichen Beitrag zur Befriedigung des ständig anschwellenden Sicherheitsbedürfnisses leisten. Die Gewinnabschöpfung wird also Der Begriff von Herzog entnommen, Gesellschaftliche Unsicherheit, S. 54. s. Teubner, in: Kübler (Hrsg.) Verrechtlichung von Wirtschaft, Arbeit und sozialer Identität, S. 289, 308; frühzeitig wurde diese Gefahr von Zipf, Kriminalpolitik, S. 80 erkannt: “ das Strafrecht ist nicht der Hebel der Sozialreform, sondern das Schild der Sozialordnung“. 167 Hettinger, Entwicklungen im Strafrecht und Strafverfahrensrecht der Gegenwart, S. 6. 168 So auch Naucke, KritV 1993, S. 135, 146. 169 Vgl. Hettinger, NJW 1996, S. 2263, 2264, der die Konturenlosigkeit eines solchen Strafrechts rügt; der räumt auch ein, dass eine solche Instrumentalisierung einer angenommenen „Bekämpfung“ der Materie „Strafrecht“ nicht angemessen ist. 170 Ausführlich zum Wandel strafrechtlicher Aufgaben und zu den Auswirkungen auf die Beweisregelungen, s. Heine, JZ 1995, S. 651, 653. 165 166

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als ein Erfolg versprechendes Mittel zur Verbrechensbekämpfung konzipiert. Die faktische Eignung der Gewinnabschöpfung zu diesem Zweck wird dabei verschwiegen. Zusammenfassend liegen die Beweggründe für eine gewisse „Wiederentdeckung“ der Gewinnabschöpfung nicht, wie vielleicht früher, an einem immanenten gesellschaftlichen Verlangen nach restaurativer Gerechtigkeit; hingegen sind die Motive für diese Entwicklung eher in der angestrebten Regulierung einer gewissen Vermögensordnung zu lokalisieren.171 Diese Einsicht ist als ein Erklärungsansatz nicht nur für die „Wiederentdeckung der Gewinnabschöpfung“ anzuführen, sondern auch für die Aufmachung ihrer konkreten Inhalte, wie in den nächsten Kapiteln aufgezeigt wird.

2. Ökonomisierung des Rechts und Gewinnabschöpfung Das Anliegen der Effizienzsteigerung führt darüber hinaus zur Privatisierung der staatlichen Macht. Dabei handelt es sich um ein komplexes und vielschichtiges gesellschaftliches Phänomen, das sich in vielen Bereichen des Rechts niederschlägt. Selbst in dem jeweiligen Bereich weist diese Privatisierung ein überwältigendes Formenreichtum auf: von der Entformalisierung des Strafverfahrensrechts (z. B. Forderungen nach Abschneiden des Beweisantragsrechts) über das subtile Eindringen des Opportunitätsprinzips in das Stadium der Ermittlungen172 bis hin zu Möglichkeiten von Tätern und Opfern über den Gegenstand des Verfahrens durch Absprachen, Vermögensforderungen usw. zu verfügen. Bei all diesen Erscheinungen bedient sich das Strafrechtssystem bei der Ausübung ihrer Aufgaben der Mittel, die vorrangig Private in Anspruch nehmen. Nur auf diese Weise können die weitgesteckten Präventionsziele erreicht werden. In die Funktionen der staatlichen Strafmacht schleicht sich somit eine betriebswirtschaftliche Philosophie ein, die das gesamte Tun steuert. Zugrunde gelegt wird stets eine Kosten-NutzenAnalyse. Im Verfahrensrecht ist diese Abwägungsdogmatik sehr markant173: bei einer Strafverfolgung wird demzufolge immer geprüft, ob durch die effektive Verfolgung und die entsprechende Bestrafung die durch die Tat hervorgerufene Gesellschaftsverunsicherung beseitigt werden kann oder ob erfolgreich Prävention betrieben werden kann; dies würde den Nutzen darstellen. Berücksichtigt wird dabei auch der Kostenfaktor: der große finanzielle Aufwand der Straffahndung, die Belastun171 Ein Beispiel aus der Rechtsprechung bietet das Urteil des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit des erweiterten Verfalls, das diesem gewinnabschöpfenden Rechtsinstitut eine präventiv-ordnende Funktion zuerkennt, mehr dazu unten 3. F. III. 6. 172 Die Nachweise bei Eser, ZStW 1992, S. 361, 369 ff.; Naucke, in: Lüderssen / NestlerTremel / Weigend (Hrsg.), Modernes Strafrecht und ultima-ratio-Prinzip, S. 149 ff. 173 So auch Hassemer, KritV 1990, S. 360 ff.

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gen für das Strafjustizsystem, die immateriellen Schäden, die bei einem Ausbleiben des erwarteten Erfolgs (keine Bestrafung) eintreten könnten. Die Gewinnabschöpfung könnte nach entsprechender Einsetzung der durch sie entzogenen Summen ein zusätzliches Gewicht an der Waage der Kosten-NutzenAbwägung darstellen. Vor allem, wenn die Möglichkeiten einer umfassenden Gewinnabschöpfung erweitert würden, könnten die eingezogenen Gelder ins Portemonnaie der Strafverfolgung landen. In diesem Zusammenhang ist die immer zunehmendere Thematisierung dieser Materie von Kriminalisten nachzuvollziehen. Sie plädieren mit Pathos für die Etablierung eines Strafverfolgungsmechanismus, der nicht nur stärkere Mittel gegen die gewinnorientierte Kriminalität in den Händen hätte, sondern auch von den kriminellen Gewinnen direkt finanziert würde.174

III. Umwandlung der Strafrechtsdogmatik und Gewinnabschöpfung Die in diesem Rahmen nicht näher zu thematisierenden gesellschaftlichen Entwicklungen prägen auch die empirisch erfassbare Ebene des Kriminalitätsgeschehens. Die neuen Unsicherheiten gehen nicht ausschließlich auf den technischen Fortschritt zurück, sondern ebenso auf die Orientierungsverluste, welche die wirtschaftliche Globalisierung und die vorankommende supranationale Integration favorisieren.175 Diese bewirken neue Straftatmodalitäten klassischer Straftatbestände und vor allem das Auftreten neuartiger krimineller Betätigungsfelder. Neue Formen von Kriminalität gehören zum Alltag der Strafverfolgungspraxis. Umweltkriminalität, Wirtschaftskriminalität, transnationale Organisierte Kriminalität sind „Makrophänomene“, die, trotz einer relativen begrifflichen Konturenlosigkeit und der geringeren Sichtbarkeit im Vergleich zu den traditionellen Gewalt- und Eigentumsdelikten, eine empirische Wirklichkeit darstellen. Merkmale wie die nach betriebswirtschaftlichen Kriterien strukturierte kriminelle Organisation, die Überwindung nationaler Grenzen und die beträchtliche Wirtschaftsmacht sind bezeichnend für die neue Kriminalität des Zeitalters der Globalisierung.176 Die Konsequenzen für die strafrechtliche Sozialkontrolle sind mehrschichtig. Auf normativer Ebene scheint in erster Linie die strafrechtliche Dogmatik, wie schon oben angedeutet wurde, angesichts der neuen kriminalistischen Bedingungen völlig überfordert zu sein. Diese Kriminalitätsentwicklung fordert und fördert 174 Vgl. Kube / Pörting / Störzer, KR 1987, S. 44, 48; Lenhard, KR 1989, S. 612 ff.; Merz, KR 1989, S. 609 ff. 175 Silva Sanchez, Expansion, S. 43, wobei all diese Phänomene sehr dicht miteinander verwoben sind; dazu auch Prittwitz, in: Prittwitz / Manoledakis (Hrsg.), Strafrechtsprobleme an der Jahrtausendwende, S. 163 ff.; Hess, KJ 1998, S. 145 ff. 176 Ähnlich auch Beck, Was ist Globalisierung?, S. 73, 168 ff.

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eine Expansion des Strafrechts.177 Sie bezieht sich nicht nur auf die Quantität im Sinne einer inflationären Zunahme von strafrechtlichen Verbotsnormen; sie erstreckt sich zugleich auf die Qualität, also auf die Grundsätze der herkömmlichen Strafrechtsdogmatik und droht sie zu durchbrechen. Die Bewahrung eines Mindestmaßes an Funktionalität zwingt z. B. die Lehre der objektiven Zurechnung dazu, ihre Bindung an nach physikalischen Gesetzen zu beurteilenden Kausalbeziehungen zu lockern; sie tendiert nunmehr zu Wahrscheinlichkeitskorrelationen.178 Die subjektive Ebene bleibt von dieser Tendenz nicht verschont: die Unterscheidung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit bleibt immer noch mühevoll, wobei die Strafbarkeit oft auf das Feld der Leichtfertigkeit vorverlagert wird.179 Gleichzeitig lässt sich eine graduelle Verobjektivierung der strafrechtlichen Haftung nicht verkennen. Das schlägt sich in einer Erweiterung der strafrechtlichen Verantwortung wegen unechter Unterlassungsdelikte nieder. Die Grenzen zwischen Täterschaft und Teilnahme verwischen sich.180 Im Hinblick auf den Anpassungsdruck der Strafrechtsdogmatik werden auch die rechtsstaatlichen kriminalpolitischen Prinzipien anders ausgelegt und angewandt.181 Diese Grundsätze, die bestimmte gesellschaftspolitische Entscheidungen verkörpern und die Garantie- bzw. Freiheitsfunktion des Strafrechts widerspiegeln, werden zunehmend „als Hemmschuh der durchgreifenden Gestaltung der Gesellschaft empfunden“182, in diesem Zusammenhang flexibilisiert und manchmal sogar teilweise außer Kraft gesetzt183. Nur beispielhaft wären die „absolute Relativierung“ des Bestimmtheitsgebots im Zuge einer „massenhaften Produktion“ von Rechtsgütern sowie die aus der Perspektive des Schuldgrundsatzes höchst umstrittene Verantwortung der juristischen Personen anzuführen.

Dazu sehr einleuchtend in: Silva Sanchez, Expansion, S. 39 ff. Ähnlich Silva Sanchez, Expansion, S. 53; Krauß, KritV 1993, S. 183, 191; diese Korrelationen stellen den wichtigsten Grund für die graduelle Einführung von Beweislasterleichterungen bzw. eine sektorale Beweislastumkehr dar. 179 Als Beispiel dafür wäre die leichtfertige Begehung von Geldwäsche (§ 261 Abs. 4 StGB) und der Subventionsbetrug (§ 264 Abs. 4 StGB) anzuführen. 180 Manchmal sogar schon auf der Tatbestandsebene, wie im Fall der Geldwäsche, § 261 StGB. 181 Ähnlich Frehsee, in: Schild (Hrsg.), Der Rechtsstaat verschwindet, Gesammelte Aufsätze von Detlev Frehsee, S. 275, 276. Bei diesen Prinzipien geht es nach Krauß, KritV 1993, S. 183, 184 um allgemeine Verfassungsdirektiven, welche den fragmentarischen Charakter des Strafrechts sichern und die Gesetzgebung sowie die Exekutive von innen her binden. 182 Vgl. Herzog, Gesellschaftliche Unsicherheit, S. 60 in Anlehnung an Huber in: Forsthoff (Hrsg.), Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, S. 588 ff., der allerdings diese Formulierung in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit benutzt. 183 Dabei handelt es sich um die sog. „Ausnahmegesetzgebung“, die ihre Legitimation im erhöhten Bedrohungspotential dieser Kriminalitätserscheinungen für den gesamten gesellschaftlichen Organismus sieht. 177 178

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Auf der Ebene der Sanktionen hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dass die oben erwähnten „neuen“ Kriminalitätsarten mit dem herkömmlichen strafrechtlichen „Sanktionsarsenal“ nicht erfolgreich bewältigt werden können.184 Wegen der personellen Austauschbarkeit auf der Ebene der Organisationsstrukturen kann die Freiheitsstrafe nicht mal die Unschädlichmachung während der Inhaftierung garantieren; von Resozialisierung und Orientierung an einem künftigen legalen Verhalten wagt niemand mehr zu reden. Die Geldstrafe erweist sich auch machtlos, denn sie ist gebunden an die engen Grenzen eines feststellbaren Einkommens. Es wird folglich oft argumentiert, dass die Gewinnabschöpfung mit ihren verschiedenen Facetten, d. h. als Verfall kriminellen Vermögens, als eine eventuelle Vermögensstrafe oder in der Form der Geldwäschestrafbarkeit dazu dienen könnte, die Organisationsstrukturen dieser neuen Risikoquellen zu treffen. Diese Argumentation wird plausibler, wenn man sich die Kriminalitätsentwicklung vergegenwärtigt: all die oben erwähnten „Kriminalitäten“ haben als zentralen, manchmal auch als einzigen Anreiz den Gewinn.185 Diese gewinnorientierte Kriminalität bedient sich oft Verbandsstrukturen mit variierendem Organisationsgrad, wo die Begrifflichkeiten der individuellen Schuld und der Zurechnung obsolet werden. Die Gewinnabschöpfung moderner Prägung ist somit darum bemüht, die Triebfeder dieser Kriminalität zu eliminieren. Anknüpfungspunkt dieses Ansatzes ist der Gewinn. Bei diesem gewinnorientierten Konzept werden allerdings eine Mikro- und eine Makroebene sichtbar. Die erste bezieht sich auf die generalpräventive Wirkung, welche eine „effiziente“ Gewinnabschöpfung entfalten könnte: würden die illegalen Erträge den Empfängern entzogen, könnte staatlicherseits und sehr plakativ gezeigt werden, dass sich die Kriminalität nicht lohnt. Die Straftat könnte ausbleiben, wenn der künftige Straftäter davon ausgehen würde, dass die Tatbegehung ihm keinen materiellen Nutzen einbringen könnte.186 Wenn der Gewinn die einzige Tatmotivation darstellt, hätte er keinen Grund, die Straftat zu begehen. Viel gewichtiger im Zusammenhang mit dem neuen Gefährdungspotential erscheint jedoch die Makroebene, die auf einer polizeilichen Erkenntnis beruht: Die Gewinne, die aus Tätigkeiten der transnationalen organisierten Kriminalität, der Wirtschafts- oder Umweltkriminalität erwachsen, bilden eine Art „Kapital“. Es wird vermutet, dass dieses Kapital zum Ausbau der Ziele der Organisation und zur Gewinnmaximierung oft als Investitionsmasse eingesetzt wird.187 Würde das kri184 Die Frage, ob diese Phänomene vielleicht nicht durch Strafe und Strafrecht bewältigt werden können, wird mit Ausnahmen von einigen Strafrechtlern gar nicht gestellt, z. B. zusammenfassend Hoffmann-Riem, Kriminalpolitik ist Gesellschaftspolitik, 226 ff.: Naucke, KritV 1993, 135 ff. 185 Das wird von den meisten als der Hauptgrund für diese Blickschärfung im Hinblick auf die Gewinnabschöpfung angesehen. 186 Deswegen ist die Abschöpfung des kriminellen Gewinns genauso wichtig wie der Entzug des Entgelts für die Begehung von Straftaten. 187 So BT-Drs. 11 / 5313, S. 4.

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minelle Vermögen eingezogen, hätten diese Strukturen keine Mittel und wären gezwungen, ihre Aktivitäten zu begrenzen und längerfristig einzustellen. Gewinnabschöpfung ist also der Tatvorbeugung gleichzustellen. Unter diesem Lichte erscheint die Eifrigkeit, mit der nach einem lückenlosen Konzept der Gewinnabschöpfung gesucht wird, durchaus verständlich. Dieses kriminalpolitische Anliegen, alle Bemühungen auf die Erfassung des Gewinns zu konzentrieren, lässt sich auf allen Ebenen der Kriminalpolitik feststellen: Die Politik ist aufgerufen, die entsprechenden Normen zu setzen. Die Justiz sollte diese Normen konsequent anwenden, indem sie jegliche Vollzugsdefizite vermeidet. Der Strafverfolgung – Staatsanwaltschaften und Polizei – kommt im Rahmen dieser Strategie eine bedeutende Rolle zu, denn ihre Befugnisse sollten erheblich ausgeweitet werden, so dass sie auch proaktiv, durch sog. „verfahrensunabhängige Finanzermittlungen“ schon im Stadium des Ermittlungsverfahrens auf potentielle kriminelle Gewinne zugreifen dürfen. Die Aufwertung der Generalprävention, der Charakter eines regulatorischen Rechts sowie ein gewisser Wandel der Strafrechtsdogmatik bilden somit, neben den konkreten Unzulänglichkeiten des geltenden Rechts, die Ursachen für die Anstrengungen der Kriminalpolitik, dieses Recht umzubauen, so dass möglichst mehr kriminelle Gewinne abgeschöpft werden. Somit scheint sich der Ausgleichsgedanke, der in der Reformdiskussion eine so wichtige Rolle spielte, allmählich zu relativieren.

D. Kriminologische Betrachtung der Gewinnabschöpfung Auf die Schwächen des rechtlichen Rahmens für die Gewinnabschöpfung wurde bereits hingewiesen. In diesem Zusammenhang wurde oft der Vorwurf erhoben, dass der Zugriff auf kriminelles Gut aufgrund verklausulierter Vorschriften versperrt bleibe.188 Um diesen Umstand zu ändern, wurden Forderungen nach einer Effektivierung der Gewinnabschöpfung gestellt, mit dem Argument, dass der potentielle Täter von einer Tatbegehung absehen wird, wenn er im Voraus weiß, dass er die kriminellen Gewinne nicht behalten darf. Der Abschreckungseffekt gewinnabschöpfender Maßnahmen stellt somit eine theoretische Annahme dar, die sehr selten durch empirische Überprüfung hinterfragt wird. Die Auswirkungen sämtlicher strafrechtlicher Maßnahmen sind jedoch alles andere als unumstritten. Das Ausblenden des empirischen Zusammenhangs von der Diskussion um die kriminellen Gewinne umgeht also die Frage, ob die Gewinnabschöpfung in der Realität die oben beschriebene Aufgabe erfüllen kann. 188

Pachmann, KR 1985, S. 182, 188.

D. Kriminologische Betrachtung der Gewinnabschöpfung

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Dieses Verschweigen macht die Betrachtung des dazugehörigen kriminologischen Erfahrungswissens umso dringlicher. Denn nur im Rückgriff auf gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse könnte ein erweiterter Zugriff auf kriminelle Erträge legitimiert werden.189 Zunächst wird versucht, die kriminologische Grundlage der Idee der Gewinnabschöpfung sowie ihre Schwachstellen auf einer theoretischen Ebene darzustellen, um dann zu beurteilen, ob die kriminalpolitischen Forderungen Erfolgschancen hätten.

I. Die kriminalökonomischen Theorien Es stellt sich die plausible Frage, welche kriminologische Theorie zur Fundierung der Gewinnabschöpfung herangezogen werden könnte. Das Abschöpfen rechtswidrig erlangter Gewinne ist nicht bestrebt, wie andere Sanktionen, Persönlichkeitsdefizite nachträglich zu korrigieren. Die Gewinnabschöpfung in ihrer geläufigen präventiven Ausrichtung bezieht sich auf die Motivationsseite; durch die Abschöpfung kriminell erlangter Erlöse soll der Gewinn als Tatmotiv entfallen; sie bezweckt mit anderen Worten die Kontrolle von situativen Umständen. Der Gebrauch solcher Begrifflichkeiten, also die Fokussierung auf situationsbedingte Faktoren für die Erklärung strafrechtlich relevanten Verhaltens deutet schon auf das Lager der kriminalökonomischen Theorien hin. Hier ist vorweg zu bemerken, dass es dabei um einen Sammelbegriff handelt. Hinter der Bezeichnung „kriminalökonomische Theorien“ verbirgt sich ein vielfältiger Bestand an Modellen und Theorien mit unterschiedlichen Akzentuierungen und Schlussfolgerungen. Die Idee der Gewinnabschöpfung liegt einem sog. ökonomischen Paradigma zugrunde, das sich vom bisherigen soziologischen Paradigma abhebt.190 Um diesen Zusammenhang zu erläutern, scheint es unerlässlich, kurz auf die einschlägige Entwicklung im kriminologischen Diskurs einzugehen.

1. Der kriminologische Diskurs: Die Figur des „homo oeconomicus“ Die bereits angesprochene Umbruchsstimmung anlässlich der Reformdiskussion trifft ebenso weite Felder der Wissenschaft. In diesem Rahmen wird die gesamte Kriminologie einer kritischen Betrachtung unterzogen: die Theorien, welche die Ursachen der Kriminalität in der Person des Devianten suchten, wurden von Vertretern der sog. kritischen Kriminologie diffamiert; denn das Strafrecht führe durch Zuschreibungsprozesse zur Festigung der bestehenden Macht- und Herrschaftsstrukturen.191 Die kriminologische Forschung gerate in eine Sackgasse. Es wird 189 190 191

So auch Meyer, Gewinnabschöpfung, S. 543. Smettan, MschrKrim 1992, S. 19, 21. Statt vieler: Sack, Kriminologisches Journal 1972, S. 3 ff.

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somit bezweifelt, ob die Unterschiede zwischen klassischer Kriminalätiologie und kritischen Kriminalisierungsansätzen zu überbrücken sind.192 Zwischen den beiden kriminologischen Richtungen besteht allerdings eine strukturelle Gemeinsamkeit: beide sehen die Ursachen des Verbrechens und der Kriminalität in den Personen und sozialen Systemen; entweder der Täter (für die Kriminalitätstheorien) oder die Interaktionen zwischen den Akteuren des Strafjustizsystems und den Personen, die als Täter definiert werden (für die Kriminalisierungstheorien) werden zur Erklärung der Kriminalität herangezogen. In diesem Streit stellt das aufgehende ökonomische Paradigma eine Alternative zum Verständnis der Kriminalität dar. Die kriminalökonomischen Theorien erteilten dem gesellschaftszentrierten Verständnis eine Absage. Denn sie verzichten auf Variablen zur Erklärung abweichenden Verhaltens wie Alter, Geschlecht, Bildung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Klasse, psychologische Defekte; sie bedienen sich eines methodologischen Individualismus, wonach „individuelles Handeln nicht auf eine Funktion eines vorgängig bestehenden übergreifenden sozialen Gesamtzusammenhangs zu reduzieren ist“;193 die Ursachen für kriminelles Verhalten seien in bestimmten Situationen zu suchen und zwar dahingehend, wie diese Situationen für das handelnde Individuum ökonomisch, also in Bezug auf Nutzen, gestaltet werden können.194 Nach dieser ökonomischen Betrachtung wird dem „homo sociologicus“, dessen Handeln von internalisierten Werten und Normen der Gesellschaft geleitet wird, der „homo oeconomicus“ gegenübergestellt.195 Dieser Idealtyp strebt seine Bedürfnisbefriedigung durch die ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen an. Da die verfügbaren Ressourcen zur vollständigen Befriedigung der Bedürfnisse nie ausreichen, ist er immer gezwungen, diese stets auf eine möglichst optimale Weise einzusetzen (das sog. „Optimierungsprinzip“). Dabei geht es nicht nur um Grundbedürfnisse, sondern allgemein um einen subjektiven Nutzen. Um das maximale Ziel bzw. den optimalen Einsatz der Ressourcen zu erreichen, nimmt das Individuum in jeder alltäglichen Situation individuelle Abwägungen vor, zwischen den zur Verfolgung des gesetzten Ziels erforderlichen Ressourcen und dem erwarteten Nutzen. Äußere Einflüsse und situative Umstände werden vom Individuum zur Erreichung seines größtmöglichen Nutzens instrumentalisiert.196 192 Vgl. Naucke, in: Lüderssen / Sack (Hrsg.), Seminar, Abweichendes Verhalten, S. 68, 87 ff.; ähnlich äußert sich Göppinger, Kriminologie, S. 137. 193 S. Wittig, Der rationale Verbrecher, S. 62 ff.; ähnlich Müller, Ökonomische Grundlagen der Generalprävention, S. 63. 194 Sehr charakteristisch dazu Münch, Theorie des Handelns, S. 262 ff., nach dem „das individuelle Handeln von der Situation regiert wird“. 195 Zu diesem Paradigmenwechsel s. Otto, Generalprävention und externe Verhaltenskontrolle, S. 131 ff.; vgl. die Ausführungen bei Müller, Ökonomische Grundlagen, S. 74 ; Wittig, Der rationale Verbrecher, S. 57 ff. 196 Kunz, Kriminologie, § 24, Rn. 19.

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Dabei wird ein stabiles Präferenzsystem, ein vollständiger Informationsstand sowie eine perfekte interindividuelle Gleichheit der Präferenzen vorausgesetzt.197

2. Der ideengeschichtliche Zusammenhang Diese Theorien stellen kein neues Gedankengut dar; sie gehen auf schon vorhandene theoretische Ansätze zur Erklärung kriminellen Verhaltens zurück. Bereits Beccaria hat auf solche Nützlichkeitserwägungen hingewiesen, indem er eine Strafe nur dann als „erfüllt“ ansah, wenn sie den Vorteil der Tat übersteigt.198 Diese Idee wurde von Bentham, dem Begründer des modernen utilitaristischen Denkens weiterentwickelt: für ihn steht das „Prinzip des Nutzens“ im Vordergrund.199 Nach diesem Prinzip dient jedes menschliche Handeln der Steigerung von Lust und Freude bzw. der Vermeidung von Schmerz und Leid. Eine Strafe stelle somit immer ein Übel dar, das einer besonderen Legitimierung bedürfe; dieses Übel könne nur dann als gerechtfertigt gelten, wenn durch dieses ein größeres Übel bzw. ein Schaden vermieden werden könne. Dementsprechend sei der Mensch immer in der Lage, die antizipierten Schmerzen und Freuden zu erkennen, sie aufzuaddieren und demgemäss zu handeln. Die Kosten der Straftat, die sich aus Entdeckung und Bestrafung ergeben würden, würden vom Individuum in dieses Kalkül aufgenommen. Das Ergebnis des Saldierens von Kosten und Nutzen stelle den Schlüssel des Entscheidungsverhaltens des Individuums dar. Bentham hat somit für den Bereich der kriminellen Handlungen ein ausdifferenziertes Regelsystem aufgebaut, welches die Beeinflussung des menschlichen Verhaltens zum Ziel hat. Auf einem immanenten hedonistischen Kalkül beruhend, wird aus Benthams Werk die präventive Wirkungsfunktion von strafrechtlichen Maßnahmen abgeleitet. Gegen sein Programm sind dennoch verschiedene Einwände zu erheben, die vor allem mit der Messbarkeit und der interpersonellen Vergleichbarkeit der Größen „Schmerz“ und „Lust“ zusammenhängen.200

197 Müller, Ökonomische Grundlagen, S. 70. Stabiles Präferenzsystem bedeutet, dass das Individuum auf Dauer seinen subjektiven Nutzen gleichmäßig versteht; vollständiger Informationsstand bedeutet, dass das Individuum die zur Erreichung des subjektiven Nutzens notwendige Informationen immer besitzt; Gleichheit der Präferenzen impliziert, dass alle Individuen den eigenen subjektiven Nutzen auf die gleiche Weise verstehen. 198 Vgl. Beccaria, Über Verbrechen und Strafen, S. 51 ff. 199 Zum Bedeutungsgehalt des Prinzips der „greatest happiness of the greatest number“ s. Schernikau, Zur Verbindung von Ethik und Ökonomie am Beispiel der Wohlfahrtstheorie, S. 29 ff. 200 Vgl. Müller, Ökonomische Grundlagen, S. 22 ff.

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3. Verhaltenstheoretische Ansätze: Das Modell von Becker Innerhalb der ökonomischen Theorien über Verbrechen und Kriminalität haben sich verschiedene Richtungen entwickelt. In der einschlägigen Literatur lassen sie sich in drei Strömungen einordnen.201 Die erste wurde schon angedeutet: es handelt sich dabei um eine mikroökonomische Betrachtung des Entscheidungsprozesses des Täters. Demnach wird jeder Mensch als ein rationaler Akteur mit stabilen Präferenzen angesehen, der immer Kosten und Nutzen der verschiedenen Handlungsalternativen abwägt, um sich dann für den besten Einsatz seiner Zeit und seiner Ressourcen zu entscheiden. Diese These geht auf folgende verhaltenstheoretische Hypothese zurück: jedes menschliche Verhalten ist das Ergebnis von rationalen Wahlentscheidungen. Dabei sind es nicht unbedingt die Ziele oder die zu ihrer Erreichung verwendeten Mittel, die ökonomisch bzw. rational sind, sondern nur der Verhaltensmodus.202 Somit ist auch kriminelles Verhalten nach der Theorie des rationalen Wahlhandelns nichts Anderes als das Ergebnis einer rationalen Kosten-Nutzen Abwägung zu verstehen. Ziel dieser verhaltenstheoretischen Richtung ist die genaue Auswertung der jeweiligen Nutzen und Kosten, welche die individuelle Entscheidung mit beeinflussen: der Ertrag dieser wissenschaftlichen Vorgehensweise wäre dann doppelt: erstens könnten auf diese Weise die menschlichen Aktivitäten nach rationalen Kriterien nachvollzogen werden; wichtiger wäre aber die Möglichkeit, durch Veränderung der einschlägigen Parameter auf das Wahlverhalten des Individuums einzuwirken. Ein solches Modell hat der Chicagoer Ökonom Gary Becker entwickelt. Nach diesem Modell wird eine Person nur dann eine Straftat begehen, „wenn der erwartete Nutzen größer ist als der Nutzen, den die Person realisieren könnte, wenn sie ihre Zeit und sonstigen Ressourcen für andere, legale Aktivitäten einsetzen würde“.203 Gegenüber gestellt werden dabei einerseits das aus einer Mehrzahl von möglichen Straftaten bestehende „Angebot“ von Taten und andererseits die entsprechende Nachfrage, die an den Bedarf nach illegalen Gütern gekoppelt ist. Für den individuellen Täter sind als Kosten die Aufwendungen für die Tatbegehung, der entgangene Gewinn aus legaler Tätigkeit sowie die verschiedenartigen Nachteile der Bestrafung, einschließlich der sog. moralischen Kosten204 aufgestellt. Der Nutzen besteht im monetären Einkommen aus der Tat, während oft auch nicht-monetäre Gewinne einbezogen werden.205 Diese Klassifizierung in: Dessecker, Gewinnabschöpfung, S. 85 ff. So Kunz, Kriminologie, § 24, Rn. 17. 203 s. Becker, Der ökonomische Ansatz zur Erklärung menschlichen Verhaltens, S. 47 ff. 204 Vgl. Smettan, in: Kaiser / Kury, Kriminologische Forschung in den ’90er Jahren, S. 59 ff. 205 Wie z. B. der Prestigegewinn unter Mitwissern in kriminellen Milieus oder der Nervenkitzel; mittlerweile gehen alle ökonomischen Modelle davon aus, dass nicht-monetäre Kosten 201 202

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Nach diesem Modell von Becker stellen Straftaten einen ökonomischen Transfer dar, der wie die üblichen wirtschaftlichen Beziehungen funktioniert: der subjektiv erwartete Nutzen ist die einzige Triebfeder für das Verbrechen; dem Gewinn des Täters entspricht immer ein bezifferbarer Schaden auf der Opferseite. Die Verhaltenslenkung des Täters wäre durch Veränderung dieser Parameter möglich. Handelt der Mensch bei der kriminellen Betätigung so rational, würde die Kostenmaximierung oder die Nutzenminimierung, die sich aus jeder Tatbegehung ergibt, eine abschreckende Wirkung entwickeln. Wenn man schafft, illegales Verhalten „teurer“ als legales zu machen, dann würde ein Individuum zwischen legalem und illegalem Verhalten das Erstere vorziehen. Die entscheidende Frage dabei ist, wie die Verteuerung von Straftaten konkret in der Praxis aussehen kann. Becker legt besonderen Wert darauf, dass Kriminalitätsprävention durch eine erhöhte Verhängung von Geldstrafen betrieben wird. Diese könnten eine abschreckende Rolle gegen die Begehung einer Straftat spielen. Die gesellschaftlichen Kosten für Geldstrafen seien sehr gering, denn es wird angenommen, dass diese Beträge den Tatopfern im weiteren Sinne zugute kommen; zudem würden dabei stationäre Haftstrafen vermieden, deren Effizienz fraglich ist.206 Trotz des theoretischen Werts dieses Modells, wirkt es in vielen Punkten sehr vereinfachend. Manchmal sind die gesellschaftlichen Kosten von Geldstrafen nicht so gering wie angenommen. Die Schwierigkeiten bei ihrer Beitreibung und die Ersatzfreiheitsstrafe widersprechen dieser Annahme; bei Geldstrafen, die dem legalen Einkommen angepasst sind, besteht zudem die Gefahr, dass sie eine reproduzierende kriminelle Betätigung begünstigen: um Geldstrafen zu bezahlen, wird der Täter auf kriminelles Handeln zurückgreifen müssen. Im Anschluss an Becker wurden verschiedene sog. „ökonometrische“ Ansätze präsentiert.207 Sie versuchen seine grundlegenden Annahmen im Detail durch Verfeinerung und empirische Überprüfung der darin enthaltenen Aussagen zu verbessern. Die Anwendbarkeit all dieser Modelle erscheint allerdings problematisch, wenn man versucht, die aus den mathematischen Gleichungen abgeleiteten Zusammenhänge auf Daten über Individuen zu übertragen.208

und Nutzen bei Straftaten eine Rolle spielen; diese werden bei der entsprechenden empirischen Überprüfung auf monetären Gewinn reduziert, dazu und mit weiteren Hinweisen: Dessecker, Gewinnabschöpfung, S. 82. 206 s. Becker, Der ökonomische Ansatz zur Erklärung menschlichen Verhaltens, S. 52, 64 ff. 207 Wie die von Bartling, Ehrlich und Sjoquist, eine Übersicht bei Müller, Ökonomische Grundlagen, S. 146 ff. 208 So auch Dessecker, Gewinnabschöpfung, S. 85.

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4. Wohlfahrtstheorie der Kriminalität Die zweite kriminalökonomische Richtung geht ebenso vom „homo oeconomicus“ aus, fokussiert jedoch auf eine gesamtgesellschaftliche Betrachtung der Kriminalitätsbekämpfung. Die gesellschaftliche Erscheinung „Kriminalität“ wird unter sog. wohlfahrtstheoretischen Gesichtspunkten betrachtet: gegenüber gestellt werden auf einer Makroebene einerseits die Kosten und die wirtschaftlich verwertbaren Schäden, welche die Kriminalität verursacht, und andererseits die Kosten des gesamten Strafverfolgungssystems (Organisation des Strafjustizsystems, Strafvollzugskosten usw.). Auf diese Weise ergeben sich Fragestellungen in Bezug auf den möglichst optimalen Einsatz der verfügbaren finanziellen und personellen Ressourcen, also auf die geeigneten Maßnahmen zur Verbrechensbekämpfung. Ein optimales Niveau könnte als erreicht angesehen werden, wenn die Schäden aus den Straftaten zusammen mit den Verhaftungs- und den Verurteilungskosten, den Sanktionskosten gleich oder sogar niedriger wären.209 Schließlich wird in der einschlägigen Literatur eine weniger entwickelte, dritte Richtung innerhalb der kriminalökonomischen Theorien thematisiert: sie ist bestrebt, selbst die Existenz sowie das Funktionieren des sozialen Systems „Strafrecht“ unter ökonomischen Gesichtspunkten zu betrachten. Die Aufgabe des Strafrechts liege darin, für bestimmte Normübertretungen zusätzliche Kosten zu verhängen, wenn das Zivilrecht durch angedrohte Schadensersatzleistungen die erwünschte abschreckende Wirkung nicht herbeiführen könne. Das Strafrecht richte sich somit gegen diese Normverletzer, welche die zur Generalprävention notwendige Leistungsfähigkeit nicht besitzen.210

II. Kriminalökonomische Theorien und Gewinnabschöpfung Zunächst fragt sich, ob die kriminalökonomischen Theorien eine theoretische Grundlage für die Gewinnabschöpfung liefern. Zur Beantwortung dieser Frage wird zunächst der Faktor des kriminellen Gewinns angesprochen (unter 1.), um im nächsten Schritt die Androhung (unter 2.) und die Anordnung der Gewinnabschöpfung zu untersuchen (unter 3.). Anschließend wird der Frage nachgegangen, in welchem Verhältnis die Gewinnabschöpfung zu anderen Strafen steht (unter 4.). Die präventive Wirkung der Gewinnabschöpfung hängt allerdings von den entsprechenden Kosten ab (unter 5.). Letztlich wird die angenommene Sicherungsprävention, welche durch Gewinnabschöpfung ermöglicht wird, unter die Lupe genom209 210

Kunz H., Die Ökonomik individueller und organisierter Kriminalität, S. 2 ff. Posner, Columbia Law Review 1985, S. 1193, 1204.

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men (unter 6.) sowie eine potentielle Ausgleichsfunktion, die ihr zukommen kann (unter 7.).

1. Die Relevanz des kriminellen Gewinns Ausgangspunkt aller ökonomischen Modelle bildet die Annahme, dass eine erfolgreiche Verbrechensbekämpfung durch Maximierung der Kosten oder Minimierung des Nutzens der Straftatbegehung zu erreichen ist.211 Dementsprechend wird der Wissenschaft die Aufgabe zugeschrieben, diese Kosten und Nutzen zu quantifizieren. Mit Hilfe von solchen empirischen Daten könnte man im nächsten Schritt ein kriminalpolitisches Programm von Sanktionen mit der höchstmöglichen präventiven Wirkung gestalten. Die Konkretisierung der Kosten und Nutzen ist somit von entscheidender Bedeutung. Auf der Kostenseite kommen die Entdeckungswahrscheinlichkeit, die Verurteilungswahrscheinlichkeit und die Strafhöhe in Betracht.212 Die Nutzenseite umfasst neben nicht-monetären Nutzen, den monetären, bezifferbaren Gewinn. Dabei ist die Vernachlässigung dieses monetären Gewinns von der kriminalökonomischen Forschung erstaunlich. Während die Einwirkungen des Bestrafungsvorgangs und allgemein des Postens der Kosten ausführlich erforscht werden, wird der kriminelle Gewinn nur am Rande oder gar nicht thematisiert. Während ein umfangreicher Versuch gemacht wird, nicht-monetäre Größen zu quantifizieren (psychologische bzw. moralische Kosten und Nutzen, die Risikobereitschaft usw.), wird der am leichtesten zu quantifizierende kriminelle Gewinn oft ausgeklammert. Deswegen verwundert umso mehr die Wiederholung der These in der Kriminologie und der Strafrechtswissenschaft, dass die Gewinnerwartungen bei der Tatentscheidung für bestimmte Deliktsarten eine zentrale Rolle spielen.213 Somit stellt sich die grundlegende Frage, wie die Androhung gewinnabschöpfender Maßnahmen oder die tatsächliche Entziehung krimineller Gewinne die Entscheidung potentieller Straftäter für oder gegen eine Straftat beeinflussen. Der Gewinn als Motivation wird gesellschaftlich akzeptiert, wenn nicht sogar gefordert. Somit ist nicht das Gewinnstreben an sich kriminologisch relevant, sondern die Mittel, die zu seiner Erlangung eingesetzt werden. Dies ist allerdings wiederum der Grund, warum das Gewinnstreben kein Merkmal ist, das zur Klassifikation von Straftaten herangezogen wird.214 211 Diese Annahme formuliert für die Umweltkriminalität Kube, BKA-Tagung 1986, S. 121 ff. 212 Kerner spricht über Sanktionshöhen, zu denen die Sanktionsintensität, die Sanktionsgeschwindigkeit und die Sanktionswahrscheinlichkeit zählen, in: BKA-Tagung 1986, S. 28 ff. 213 Das scheint auch die Meinung von befragten polizeilichen Ermittlungsbeamten zu sein, vgl. Rebscher / Vahlenkamp, Organisierte Kriminalität in der Bundesrepublik Deutschland, S. 140 ff.

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Bei Annahme des Gewinns als eines Hauptmotivs wird im Rahmen kriminalökonomischer Theorien folgender Zusammenhang hergestellt: bei steigenden Gewinnerwartungen steige die Motivation zur kriminellen Betätigung und mittelfristig die Kriminalität. Gewinnabschöpfende Maßnahmen erhöhten die Kosten, würden somit als eine Art „Steuer“ empfunden. Bei steigenden Kosten nähmen die Gewinne ab, so dass senkende Gewinne die Kriminalitätsraten nach unten ziehen können. Dieses Schema ist allerdings vereinfachend: dabei werden verschiedene Variablen vernachlässigt, wie z. B. die Personenunterschiede, die sich in der Risikobereitschaft widerspiegeln, sonstige Tatmotive, subjektive Erwartungen, unmessbare moralische Kosten usw. Inwiefern der Gewinn ein Motiv zur Begehung von Straftaten darstellt, wurde jeweils für bestimmte Deliktsarten untersucht.215 Die Ergebnisse schaffen allerdings keine vollständige wissenschaftliche Absicherung bezüglich seines Einflusses auf die kriminelle Entscheidung. Während einige Studien die Relevanz des monetären Gewinns als des Hauptmotivs zur Straftatbegehung bewiesen haben, zeigt sich das Bereicherungsmotiv für andere als nicht relevant.216 2. Androhung der Gewinnabschöpfung und Abschreckung Die Frage, die sich stellt, ist, ob und inwiefern die bloße Androhung der Gewinnabschöpfung abschreckend wirken kann. Nach dem ökonomischen Modell wird sich der Täter vor der Tat immer fragen, ob sein erwarteter Gewinn die Kosten für die Tat übersteigt. Demnach wird er nur in diesem Fall die Tat begehen. Die Kosten fallen allerdings je nach Deliktsart unterschiedlich aus. Sie hängen auch mit Faktoren wie der Entdeckung des Täters, einer Verurteilung und der konkreten Strafhöhe zusammen. Die Berücksichtigung dieser Faktoren in die Kosten-Nutzen-Analyse des Täters ist jedoch nicht einheitlich. Eine solche rationale Abwägung verlangt z. B. dass der Täter über Entdeckungswahrscheinlichkeit, Verurteilungsraten sowie über die entsprechende Strafpraxis – auch bezüglich der Wahrscheinlichkeit der Abschöpfung seines Nutzens – sehr gut informiert ist. Darüber hinaus muss er diese Informationen richtig einschätzen.

214 Weitere Hinweise in Smettan, Kriminelle Bereicherung in Abhängigkeit von Gewinnen, Risiken, Strafen und Moral, S. 21 ff. 215 Z. B. die Untersuchung von Repetto, Residential Crime anhand von interviewten Einbrechern; neuere Untersuchungen zu diesem Thema von Tunnel, Doing Crime: An analysis of repetitive property offenders decision making; Hirschi / Gottfredson, Criminology 25, S. 949 ff. 216 Vgl. Abels, Wege ins Verbrechen, Versuch einer Motivationsanalyse kriminellen Verhaltens, S. 172 ff. Angesichts der nicht repräsentativen Stichprobe dieser Studie lassen sich ihre Ergebnisse jedoch stark relativieren.

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Das Problem bzw. die Frage nach der präventiven Wirkung der Gewinnabschöpfung bleibt, auch wenn man das Informationsproblem des Täters beiseite lässt. Bei einem Täter, der vor der Tat die beschriebene rationale Abwägung immer vornimmt, würde die bloße Androhung der Gewinnabschöpfung zur Erreichung des Präventionsziels ausreichen. Es liegt allerdings nahe, dass dieser theoretische Gedanke realitätsfern ist. Die Praxis bezeugt, dass die abstrakte Androhung von Strafen zur Abschreckung nicht ausreicht. Zur Erklärung dieser Tatsache innerhalb der ökonomischen Modelle werden verschiedene Faktoren benannt: niedriges Entdeckungsrisiko, mangelnder oder fehlerhafter Informationsstand und / oder niedrige Strafen. Die Gewinnabschöpfung könnte nach diesem Modell diese Gegebenheiten kompensieren: Muss der Straftäter damit rechnen, dass in jedem Fall einer Entdeckung ihm der erwartete monetäre Gewinn entzogen wird, würde die bloße Androhung der Gewinnabschöpfung ihn von der Tatbegehung abhalten. Denn die Kosten würden im Vergleich zum Nutzen ein Minus ergeben. Diese Argumentation verkennt aber wiederum die Realität: die praktischen und die rechtlichen Möglichkeiten zur Gewinnabschöpfung könnten nie dazu führen, dass in jedem Fall einer Bereicherung der erlangte Gewinn abgeschöpft würde – unabhängig von jeglicher Gestaltung des Abschöpfungsrechts.217 Es ist nicht zu bezweifeln, dass die Rechtssysteme aus verschiedenen Gründen keine absolute Garantie bieten, dass kriminelle Gewinne immer abgeschöpft werden. Die Gewinnabschöpfung weist somit die gleichen strukturellen Schwierigkeiten auf wie sonstige Sanktionen. Ihr präventives Potential beschränkt sich somit auf eine ex ante Betrachtung, die einen umfassenden ex post Gewinnentzug nicht ohne weiteres legitimieren kann.218 3. Anordnung der Gewinnabschöpfung und Abschreckung Aufgezeigt wurde bis zu diesem Punkt das geringe Abschreckungspotential der bloßen Androhung von Gewinnabschöpfung. Zunächst ist zu untersuchen, ob der Vollzug solcher Maßnahmen effektiver sein kann. Zu diesem Zwecke müssen gewinnabschöpfende Maßnahmen mit anderen Strategien zur Verteuerung der Straftatbegehung verglichen werden. Die Strategien zur Verteuerung der Tatbegehung variieren: dies kann durch Erhöhung der Begehungskosten, der Entdeckungswahrscheinlichkeit, der tatsächlichen Strafe oder durch die Anordnung von gewinnabschöpfenden Maßnahmen erfolgen. 217 So auch Lammer, in: Strafverteidigervereinigungen (Hrsg.), Erosion der Rechtsstaatlichkeit – Werteverfall oder Paradigmenwechsel, S. 56, 57; verlässliche Daten zu diesem Thema liefert die Implementationsstudie von Kilchling, Die Praxis der Gewinnabschöpfung in Europa, S. 443 ff. 218 So auch Faure, FS für Eser, S. 1311, 1317.

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Die Erhöhung der Begehungskosten, einschließlich der Entdeckungswahrscheinlichkeit, könnte entweder durch eine Verstärkung des Präventionsdrucks oder durch den erweiterten Einsatz von Maßnahmen technischer Prävention eintreten. Dadurch wird versucht, die Täter dazu zu zwingen, das notwendige Kapital zur Straftatbegehung aufzustocken. Bei dieser Alternative wird nicht an der motivationalen Seite, sondern an den objektiven, situativen Gegebenheiten angesetzt.219 Sowohl die Erhöhung der Begehungskosten als auch die der Entdeckungswahrscheinlichkeit verlangen jedoch einen erheblichen Anstieg der Aufwendungen für die technische und die personelle Ausstattung des Strafverfolgungsapparats. Das macht diese Lösung für den Gesetzgeber ökonomisch unattraktiv. Im Gegensatz zur Erhöhung der Begehungskosten erfreut sich die Sanktionswahrscheinlichkeit und –höhe, also die faktische Verhängung von strafrechtlichen Sanktionen einer größeren Resonanz. Sie bildet eine augenscheinlich einfachere Alternative. Die Gerichte greifen zu strengeren Strafen und das kostet nichts. Wenn man allerdings an Freiheitsstrafen denkt, ist dieser Gedanke sehr kurzsichtig. Freiheitsentziehende Sanktionen können genauso unökonomisch sein wie die Steigerung des Entdeckungsrisikos. Häufiger verhängte und höhere Freiheitsstrafen verlangen nicht nur riesige Investitionen in den Vollzug. Sie verursachen zudem massive soziale Schäden, die mit der Inhaftierung und dem entsprechenden Verlust an Humankapital verbunden sind. An dieser Stelle muss auch der Faktor der Relativität der Kosten bzw. Nutzen berücksichtigt werden: das Entdeckungs- oder Verurteilungsrisiko, die Kosten von einem angedrohten Strafvollzug werden vom jeweiligen Täter verschiedenartig wahrgenommen und bewertet. Unter diesem Aspekt kann man nachvollziehen, warum die Geldstrafen oft bevorzugt werden. Ihre Vorteile wurden bereits von Becker aufgegriffen und von Posner weiterentwickelt.220 Dabei wird berücksichtigt, dass Geldstrafen nur gering, wenn überhaupt, abschreckend wirken, wenn das entsprechende Entdeckungsrisiko gering ist. Bei Taten der leichten und mittleren Kriminalität, für welche die Geldstrafen angedroht werden, ist das Dunkelfeld sehr groß, die Entdeckungswahrscheinlichkeit dagegen sehr niedrig. Das mindert das Abschreckungspotential der Geldstrafe. Um das zu kompensieren, sollten in solchen Fällen die Geldstrafen extrem hoch sein, vielleicht sogar höher als das tatsächliche Vermögen des Täters. Die Geldstrafen stoßen somit immer gegen die begrenzte Leistungsfähigkeit des Täters. Wenn also hohe finanzielle Sanktionen nicht in Betracht kommen können, sind freiheitsentziehende Sanktionen in Erwägung zu ziehen. Es leuchtet ein, dass man hinsichtlich der ökonomisch angebrachten Reaktion auf die Straftat in eine Sackgasse gerät. Einerseits sind die Freiheitsstrafen zu teuer, andererseits wirken 219 220

So Kerner, BKA-Tagung 1986, S. 17, 28. Vgl. Posner, American Criminal Law Review 1980, S. 400 ff.

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die Geldstrafen bei einem niedrigen Entdeckungsrisiko nur sehr begrenzt abschreckend.

4. Die ergänzende Funktion von gewinnabschöpfenden Maßnahmen Diesem Umstand könnte mit Hilfe der Gewinnabschöpfung entgegengetreten werden. Der Entzug kriminell erlangter Gewinne könnte ein Gegengewicht zum niedrigen Entdeckungsrisiko bilden und zu der Unmöglichkeit, hohe finanzielle Sanktionen zu verhängen. Es wird in diesem Zusammenhang die These aufgestellt, dass das Abschreckungspotential gewinnabschöpfender Maßnahmen umso höher ausfällt, je niedriger die Entdeckungswahrscheinlichkeit ist. Niedriges Entdeckungsrisiko wirkt kriminogen, vor allem in Bereichen wie dem Betäubungsmittelhandel, der Wirtschaftskriminalität oder der organisierten Kriminalität, wo dem Gewinnstreben vermutlich eine zentrale Rolle zukommt. Niedriges Entdeckungsrisiko könnte durch die Erhöhung der Variable der Sanktionshöhe kompensiert werden. Es wurde allerdings aufgezeigt, dass dies auch schwierig ist. Rechtliche Grenzen gegen unverhältnismäßig hohe Geldstrafen sowie die fehlende Strafbarkeit von juristischen Personen verhindern die Auferlegung von Geldstrafen, die nach dieser Theorie ein ausreichendes Maß an Abschreckung auslösen würden. In diesen Fällen, wo beide Variablen, hohes Entdeckungsrisiko oder hohe Sanktionen unausführbar sind, könnte die Gewinnabschöpfung eine aus ökonomischen Gesichtspunkten wichtige ergänzende Funktion übernehmen.221 Trotz des niedrigen Entdeckungsrisikos und zur Vermeidung von teuren Freiheitsstrafen könnte der Entzug krimineller Erträge eine effiziente Abschreckung bewirken. Geldstrafen samt gewinnabschöpfenden Maßnahmen wären vielleicht besser imstande, die Tatbegehung unattraktiv zu machen. Daraus ergibt sich die komplementäre Rolle der Gewinnabschöpfung. Würde sich die strafrechtliche Reaktion ausschließlich auf gewinnabschöpfende Sanktionen beschränken222, wäre die gewollte Abschreckung verfehlt. Denn der Straftäter würde sich nach der Tat in der gleichen Lage befinden wie vor der Tat.223 Mit anderen Worten, er hätte nichts zu verlieren, vor allem wenn man bedenkt, dass eine Gewinnabschöpfung nur dann möglich ist, wenn Tat und Täter entdeckt und die entsprechenden Gewinne ermittelt werden, was nicht immer der Fall ist.224 221 So auch Bowles / Faure / Garoupa, International Review of Law and Economics 2000, S. 537, 538. 222 So in Frankreich, wo die „confiscation“ (Art. 131 – 11 frStGB) die einzige Hauptstrafe sein kann, Einzelheiten bei Kilchling, Gewinnabschöpfung, S. 10 ff. 223 Bowles / Faure / Garoupa, International Review of Law and Economics, S. 537, 539.

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Somit kommt man zum Schluss, dass die Gewinnabschöpfung, in Verbindung mit angemessenen Geldstrafen ein zusätzliches Instrument bei der Ausübung einer effizienten Abschreckungspolitik darstellt. 5. Die Kosten der Gewinnabschöpfung In diese Analyse müssen jedoch die Kosten der Gewinnabschöpfung einbezogen werden. Denn die Gewinnabschöpfung kann auch sehr aufwendig sein. Kriminelle Gewinne abzuschöpfen, setzt ihr Aufspüren voraus. Zu diesem Zwecke müssen die Strafverfolgungsorgane das entsprechende Personal und die notwendige Technologie haben. Die Kosten für die Durchführung von gewinnabschöpfenden Maßnahmen werden höher, umso komplexer die Fälle sind; Beispiele liefern vor allem Konstellationen aus dem Bereich der Wirtschaftskriminalität. Zusätzliche Kosten ergeben sich auch aufgrund von Vermeidungsstrategien, welche die Täter einsetzen; die bekannteste ist die Geldwäsche: dadurch wird die kriminelle Herkunft so verschleiert, dass die Papierspur nicht mehr zu verfolgen ist; folglich kann der Gewinn nicht aufgespürt und abgeschöpft werden. Trotz der Intensivierung der Bemühungen um eine effektive Geldwäschebekämpfung sind die einschlägigen Ansätze von immanenten Schwierigkeiten gekennzeichnet und produzieren ebenso hohe Kosten. Um für oder gegen Gewinnabschöpfung zu entscheiden, sollten demgemäss alle anfallenden Verwaltungs- und Ermittlungskosten berücksichtigt werden. Diese stellen einen wichtigen Grund dafür dar, warum die Verfallsvorschriften oft missachtet werden.225 Gewinnabschöpfung ist somit unter ökonomischen Gesichtspunkten nicht ohne Weiteres eine attraktive Alternative. Das scheint die Argumentation zu stärken, wonach die Gewinnabschöpfung lediglich eine komplementäre Rolle neben Geldstrafen haben kann.226 6. Der Gewinn als Investitionskapital Neben der oben analysierten Abschreckungsprävention227 wird dem Entzug krimineller Gewinne auch eine sichernde Funktion zuerkannt: durch Gewinnabschöpfung könne die Bildung eines Investitionskapitals zur Finanzierung weiterer Straftaten abgewendet werden. Die sog. Sicherungsprävention wird vor allem dann relevant, wenn es um organisierte Kriminalität oder Terrorismus geht, bei denen unternehmensartige Strukturen und Methoden bzw. ein gewisser Organisationsgrad bestehen. 224 Faure, FS für Eser, S. 1311, 1318 spricht in diesem Zusammenhang von einem Nullsummenspiel von Täterperspektive. 225 Das bestätigen die Kriminalpraktiker, vgl. Dessecker, Gewinnabschöpfung, S. 334. 226 So auch Faure, FS für Eser, S. 1311, 1319. 227 Der Begriff wird formuliert von Eser, FS für Stree / Wessels, S. 833, 849.

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Auf dieser Makroebene könne eine ausgebliebene Gewinnabschöpfung dazu führen, dass durch die Anhäufung von hohen kriminellen Erträgen weitere illegale Aktivitäten finanziert werden. Durch die finanziellen Vorteile dieser Organisationen, die auch am legalen Wirtschaftsleben teilnehmen, könne es zu Wettbewerbsverzerrungen kommen;228 zudem werde dieses Kapital auch zur Unterwanderung und Korrumpierung von Staatsdienern verwendet und somit die rechtsstaatliche Ordnung unterminiert.229 Diese Gedanken stellten eine weitere Legitimationsbasis für die Gewinnabschöpfung dar; denn durch schrumpfende Gewinne wären kriminelle Organisationen gezwungen, ihre Aktivitäten einzuschränken und längerfristig einzustellen. Anhand von dieser Aussage scheint es allerdings kriminalpolitisch geboten, auf normativer Ebene unter Gewinnabschöpfung nicht nur die Verfallsvorschriften, sondern auch die entsprechende Geldwäschegesetzgebung zu verstehen. Trotz einer gewissen Plausibilität entpuppt sich dieser Gedankengang auch als vereinfachend. Denn dabei handelt es sich um eine bislang nicht empirisch bestätigte Hypothese. In vielen Fällen werden die Gewinne in großem Maße verzehrt, noch bevor die staatlichen Anstrengungen zur Gewinnabschöpfung ansetzen.230 Zudem werden dabei Faktoren vernachlässigt, die zu einer Minderung der präventiven Wirkung einer sichernden Gewinnabschöpfung beitragen würden. Ein solcher sind potentielle Ausweichreaktionen, die mit jeglichen staatlichen Abschreckungsmaßnahmen und somit ebenso mit der Gewinnabschöpfung verbunden sind. Solche Ausweichreaktionen dienen dazu, die durch die Sanktionen verursachten Kosten zu vermeiden. Diese können zeitlicher, räumlicher und sachlicher Natur sein.231 Ein hoher Zugriff auf kriminelle Gewinne in einem Kriminalitätsbereich kann z. B. die Verlagerung der Aktivitäten in andere Bereiche bewirken, wo die Gewinnabschöpfung aus irgendwelchen Gründen schwieriger zu handhaben ist. Darüber hinaus kann eine intensive Gewinnabschöpfungspraxis zur Optimierung der Vermeidungsstrategien seitens der Täter führen.232 Am Beispiel der Drogenkriminalität wird sich weiter unten zeigen, dass die erwünschte „Verteuerung“ der Straftatbegehung durch Gewinnabschöpfung nicht zwangsläufig präventiv wirkt, sondern auch beträchtliche Nebenwirkungen hervorrufen kann.233 So Sielaff, in: Mayerhofer / Jehle (Hrsg.), Organisierte Kriminalität, S. 149, 154. Statt vieler: Kinzig, Die rechtliche Bewältigung von Erscheinungsformen organisierter Kriminalität, S. 77 ff. 230 So Levi, European Journal of Crime, Criminal Law and Criminal Justice 1997, S. 228, 237; Herzog verneint auch diese Hypothese mit dem plausiblen Argument, dass der Täter vom illegal zu erzielenden Zugewinn motiviert wird, er gleichzeitig auf das Ausbleiben der Gewinnabschöpfung vertraut, „nicht weil er um die Unzulänglichkeiten von Abschöpfungsmaßnahmen weiß, sondern weil er auf seine Cleverness setzt“, in: Strafverteidigervereinigungen (Hrsg.), Erosion der Rechtsstaatlichkeit, S. 42, 45. 231 Beispiele dafür in Müller, Ökonomische Grundlagen, S. 228. 232 So Levi / Osofsky, Investigating, Seizing and Confiscating the Proceeds of Crime, S. 13; diese Aussage will nicht die Bedeutungslosigkeit von gewinnabschöpfenden Maßnahmen postulieren, sondern ihre beschränkte Präventivwirkung unterstreichen. 228 229

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Die Argumentation der potentiellen Sicherungsprävention als Legitimationsbasis für die Gewinnabschöpfung wird obsolet, wenn rechtswidrig erlangte Gewinne nicht in illegalen, sondern in legalen Tätigkeiten angelegt werden. In diesen Fällen wird es noch komplizierter sein, die Gewinnabschöpfung unter kriminalökonomischen Gesichtspunkten zu rechtfertigen. Neben Wettbewerbsverzerrungen könnten positive wirtschaftliche Auswirkungen nicht ausgeschlossen werden. Hier ist z.B an einen Steuerhehler (§ 374 AO) zu denken, der den kriminellen Vorteil in die Erweiterung seines Betriebs investiert und dadurch viele Arbeitsplätze schafft. Der Nutzen einer unter diesen Umständen durchgeführten Gewinnabschöpfung ist der tatsächliche Wert des Abgeschöpften, der bei legalen Investitionen sehr hoch sein kann; als Nutzen muss auch die potentielle Prävention mitberücksichtigt werden.234 Die Kostenseite umfasst in erster Linie die Verwaltungskosten: besonders solche Fälle, vorrangig im Feld der Wirtschaftskriminalität beanspruchen einen erheblichen Aufwand. Einen schwerwiegenden Posten in dieser Kalkulation stellen ebenso die sog. Opportunitätskosten dar, also die vielfältigen sozialen Schäden für die Volkswirtschaft aber auch für die Einzelnen. Nur stichwortartig sind dabei entfallene Steuern, möglicherweise Insolvenzkosten sowie der Verlust von Arbeitsplätzen und die entsprechende staatliche Belastung zu erwähnen. Folglich können die Kosten der Gewinnabschöpfung bei einigen Konstellationen so hoch sein, dass der Entzug der illegalen Erträge oder deren Wert einen größeren Schaden als einen potentiellen präventiven Nutzen hervorrufen würde;235 die normative Antwort auf dieses Phänomen in der Form des Wertersatzverfalls stellt keine befriedigende Antwort dar. In solchen Fällen sollte die Entscheidung für die Gewinnabschöpfung von einer entsprechenden Kosten-Nutzen Analyse abhängig gemacht werden. Diese Feststellungen haben nicht das Ziel, die Investition von kriminellen Gewinnen, also die Geldwäsche, je nach der Anlagerichtung zu kategorisieren. In diesem Zusammenhang wurde allerdings die These aufgestellt, der Ausschluss der Gewinnabschöpfung in Fällen von Investition des kriminellen Gewinnes in legale Tätigkeiten mindere tendenziell die künftige Verbrechensbegehung. Diese Annahme beruht auf einer Trennung der Investitionswahrscheinlichkeit je nach Herkunft des Vermögens: legales Vermögen werde in legale Investitionen angelegt, während man illegale Vermögenswerte im illegalen Sektor verwertet.236 s. unten 3. Kap. D. III. 2. Die mögliche Präventionswirkung kann angesichts einer bestimmten massenmedialen Darstellung völlig desavouiert werden, vor allem, wenn dem Publikum der Eindruck vermittelt wird, es gehe bei der Gewinnabschöpfung um symbolische Prozesse und um die Beseitigung von Konkurrenten. 235 Bowles / Faure / Garoupa, International Review of Law and Economics 2000, S. 537, 541. 236 Bowles / Faure / Garoupa relativieren diese Annahme, indem sie anerkennen, dass, während dieser Effekt möglicherweise in der Zukunft eintreten kann, die Geldwäsche einen 233 234

D. Kriminologische Betrachtung der Gewinnabschöpfung

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Diese These wird verworfen; neben seinem hypothetischen und unausdifferenzierten Charakter würde ein solcher Ansatz nicht nur eine Art von Geldwäsche teilweise belohnen237, sondern auch eine negative Signalwirkung haben und jegliche präventive Kraft der Gewinnabschöpfung praktisch rückgängig machen. Die Gewinnabschöpfung ist unter den oben umschriebenen Voraussetzungen ökonomisch, unabhängig davon, ob kriminell erlangte Erträge in legale oder in illegale Aktivitäten investiert wurden. Von dieser Regel kann es Ausnahmen geben: bei diesen kann sich eine Gewinnabschöpfung im wohlfahrtstheoretischen Sinne bzw. angesichts der sozialen Gesamtschäden als äußerst unökonomisch erweisen. Die Lösung, die den Prinzipien der kriminalökonomischen Theorien am besten entspricht, ist auch die einer fallbezogener Betrachtung. Der deutsche Gesetzgeber hat dieser ökonomischen Erwägung durch die Vorschrift der unbilligen Härte (§ 73c StGB) Rechnung getragen. 7. Die Ausgleichsfunktion Nebenbei wird allerdings auch die mögliche Ausgleichsfunktion der Gewinnabschöpfung erörtert. Für manche Vertreter kriminalökonomischer Theorien scheint das Recht insgesamt nicht ausschließlich Effizienzkriterien unterworfen zu sein; es dient auch dazu, das durch eine Straftat gestörte soziale Gleichgewicht wiederherzustellen. Nur wenn der aus einer Straftat herrührende Vorteil abgeschöpft wird, kann man von einer Wiederherstellung der Rechtsordnung sprechen. Auf diese Weise wird die sog. „restitutio ad integrum“ erreicht.238 Somit eröffnet sich eine Legitimation der Gewinnabschöpfung, die sich nicht aus einem ex-ante Präventionsgedanken, sondern aus einem ex-post Ausgleichsanliegen abgeleitet wird. Dieses Ausgleichsanliegen kann längerfristig eine Wirkung entfalten, die ökonomisch und unter Effizienzkriterien angemessen ist. Es wird noch zu zeigen sein, inwiefern diese theoretische Orientierung im deutschen Strafrecht gesetzlich verankert war239 und dann die angenommene Ausgleichsfunktion hinter dem Abschreckungsgedanken verdrängt wurde. 8. Zwischenergebnis Betrachtet man die Gewinnabschöpfung aus einer theoretischen, ökonomischen Perspektive, kommt man zum Schluss, dass sie ein gewisses Präventionspotential größeren Schaden in der Gegenwart hervorruft: durch die Einschleusung krimineller Gelder in den legalen Sektor wird nicht nur die Gewinnabschöpfung geringer ausfallen; kriminelle Aktivitäten werden dementsprechend aufgebaut. 237 So Faure, FS für Eser, S. 1311, 1320. 238 Faure, FS für Eser, S. 1311, 1322. 239 Nach der Einführung des Bruttoprinzips im Jahren 1992 wird der quasi-kondiktionelle Ausgleichscharakter des Verfalls angezweifelt, s. NK / Herzog Vor § 73 ff., Rd. 8.

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aufweist. Damit aber dieses Potential entfaltet werden kann, ist das Hinzukommen bestimmter Umstände unerlässlich. Verwaltungskosten, Opportunitätskosten, die Kombinationen mit anderen Sanktionen sind Faktoren, die den vermutlich hohen präventiven Wert der Gewinnabschöpfung relativieren. Die Idee der Sicherungsprävention durch Gewinnabschöpfung wird ebenso in Frage gestellt. Die Annäherung an die Thematik hat gezeigt, dass man mit ökonomischen Argumenten genauso erfolgreich für oder gegen eine Gewinnabschöpfung plädieren kann. Die vorliegende Auseinandersetzung mit dem Thema hat jedoch bisher auf theoretischen Gedanken beruht, die nur am Rande von empirischen Erkenntnissen umrahmt wurden. Die empirische Absicherung der Abschreckungswirkung gewinnabschöpfender Maßnahmen bleibt noch aus.

III. Die Erkenntnisse der empirischen kriminologischen Forschung 1. Die Studie des Max-Planck Instituts über den kriminellen Gewinn Die empirische kriminologische Forschung in diesem Bereich ist eher karg. Relevant ist eine Studie des Max-Planck Instituts über die Verknüpfungen zwischen Gewinnen und Strafen.240 Diese Studie untersuchte die Frage, wie die Androhung gewinnabschöpfender Maßnahmen oder die Entziehung krimineller Gewinne auf die Entscheidung potentieller Straftäter einwirken. Verglichen wurde das Entscheidungsverhalten einerseits von Wirtschaftsstraftätern und andererseits von straffreien Vergleichspersonen. Als Messinstrument wurde ein Fragebogen verwendet, der hypothetische Entscheidungssituationen enthielt und von den Probanden beantwortet wurde.241 Diese Untersuchung hat sehr aufschlussreiche Ergebnisse hervorgebracht: die generelle Relevanz des erwarteten kriminellen Gewinns als eines kriminogenen Faktors wurde bestätigt. Interessant dabei ist jedoch die Intensität dieser Relevanz. Bei der Gruppe der befragten Straftäter fließt dieser Gewinn in die Kalkulation für die Entscheidung so stark ein, dass bei erwartetem zu steigendem Gewinn die Kriminalitätsbereitschaft ansteigt. Die gleiche Tendenz lässt sich allerdings bei der Vergleichsgruppe von straffreien Personen nicht feststellen. Somit kommt man zu dem Schluss, dass die Perspektive auf eine kriminelle Bereicherung eine Rolle bei der Straftatbegehung spielt, nicht bei allen Personen jedoch die gleiche Neigung zu Straftaten hervorruft.242 Bei Personen, bei denen die Delikte mit hohen „moralischen Kosten“ verbunden sind, ist die Variable „krimineller Gewinn“ weniger re240 Smettan, Kriminelle Bereicherung in Abhängigkeit von Gewinnen, Risiken, Strafen und Moral. 241 Vgl. Smettan, MschrKrim 1992, S. 19 ff. 242 Smettan, MschrKrim 1992, S. 19, 30.

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levant. Je höher die moralische Vorwerfbarkeit der Handlung von der jeweiligen Person eingeschätzt wird, desto weniger wird der Gewinn eine Rolle bei einer kriminellen Entscheidung spielen.243 Im Anschluss daran wurde die Tatbereitschaft bei steigenden Kosten untersucht. Die Untersuchung zeigte, dass die Androhung gewinnentziehender Maßnahmen, die von der Täterseite als zusätzliche Kosten wahrgenommen werden, die Tatbereitschaft nur bei bedeutsamen Beträgen mindern lässt. Nur wenn die Gewinnerwartung hoch ist, lassen sich die Täter von der Gewinnabschöpfung beeinflussen. Umgekehrt sollte der Gewinn gering ausfallen, scheinen gewinnabschöpfende Maßnahmen keinen bedeutsamen Einfluss auf die Tatbereitschaft auszuüben. Andere, empirische Studien beweisen weiterhin die Annahme, dass die Kosten von Strafen bei der Prognose der Tatbereitschaft nur eine untergeordnete Rolle einnehmen.244 Zusammenfassend zeigt sich, dass Gewinnabschöpfung auf die Entscheidung potentieller Täter einen eher untergeordneten Einfluss ausüben kann. Der künftige Verlust von Gewinnen, die vor der Tat noch nicht im Besitz des Täters sind, wird bei der Entscheidung nicht in hohem Maße berücksichtigt.245 Anzumerken bleibt allerdings, dass sich diese Studie lediglich auf verurteilte und potentielle Wirtschaftsstraftäter bezieht. Somit bleibt die Frage offen, ob gewinnabschöpfende Maßnahmen bei anderen Deliktsbereichen eine höhere Wirksamkeit haben können. 2. Das Projekt der Gewinnabschöpfung am Beispiel des Rauschgifthandels Ein Anwendungsfeld der Gewinnabschöpfung könnte auch die Betäubungsmittelkriminalität sein.246 Für diese Annahme sprechen verschiedene Faktoren. Zum einen werden im Drogengeschäft, im Vergleich zu anderen Kriminalitätsbereichen, extrem hohe Gewinnspannen erzielt.247 Diese Summen sollen den tatsächlichen Anreiz zur Begehung der entsprechenden Betäubungsmitteldelikte darstellen. 243 Zu der zentralen Rolle der sog. „moralischen Kosten“ bei der Berechnung des Nutzens, s. Smettan, in: Kaiser / Kury, Kriminologische Forschung in den 90er Jahren, S. 59 ff. 244 Dazu Schöch, Kriminalprävention durch Generalprävention?, S. 273 ff.; Schumann, Lassen sich generalpräventive Wirkungen der Strafrechtspflege bei Jugendlichen nachweisen?, S. 281 ff., beides in: Jugendgerichtsverfahren und Kriminalprävention. Beide an Jugendlichen durchgeführten empirischen Studien erkennen der staatlichen Strafe eine Rolle zu, diese wird jedoch durch andere Einflussgrößen weit in den Hindergrund gedrängt. 245 Vgl. Smettan, Kriminelle Bereicherung in Abhängigkeit von Gewinnen, Risiken, Strafen und Moral, S. 210 f. 246 So z. B. die offizielle Kriminalpolitik Anfang der 90er Jahre, s. Nationaler Rauschgiftbekämpfungsplan 1990, Nr. 7, Schaffung wirksamer Rechtsvorschriften zum Entzug finanzieller Ressourcen, S. 40 ff. 247 Für die Bundesrepublik wurden diese illegalen Profite im Jahre 1985 in Höhe von ca. 1 Milliarde DM geschätzt, von Pachmann, KR 1985, S. 182.

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Somit könnte eine effektive Gewinnabschöpfung diesen Anreiz eliminieren, den Handel mit Drogen beeinflussen und längerfristig den Drogenmarkt austrocknen. Gleichzeitig könnten die entzogenen Vermögenswerte nicht erneut in Rauschgiftgeschäfte oder andere illegale Aktivitäten angelegt werden. Der zusätzliche Umstand, dass es bei Betäubungsmittelstraftaten um opferlose Delikte geht, bei denen keine privatrechtlichen Rückerstattungsansprüche erhoben werden, erhöhe die Attraktivität der Gewinnabschöpfung.248 Oft wird, allerdings ohne weitere Hinweise, behauptet, dass durch Abschöpfung von Drogengeldern der illegale Rauschgifthandel ebenso empfindlich getroffen werden könne wie durch Verhaftung der Täter oder Beschlagnahme der Drogen selbst.249 Diese theoretische Attraktivität der Gewinnabschöpfung auf dem Gebiet des Betäubungsmittelhandels besagt jedoch noch nichts für ihr tatsächliches Präventionspotential. Somit bleibt unbeantwortet die Frage, ob Gewinnabschöpfung als „Anreizblocker“ wirken kann.250 Zunächst wird versucht, den Forschungsstand in diesem Bereich darzustellen, um zu überprüfen, ob sich der weitere Ausbau von gewinnabschöpfenden Maßnahmen durch empirische Erkenntnisse legitimieren lässt. In diesem Zusammenhang wurde zum einen die Auswirkung verschiedener Drogenbekämpfungsmaßnahmen erforscht und zum anderen die konkrete Auswirkung dieser Maßnahmen auf die Preislage von Betäubungsmitteln mit derjenigen von gewinnabschöpfenden Maßnahmen verglichen. Dabei handelt es sich um ein heikles Thema; denn das Verhältnis zwischen der Preislage und der gehandelten Menge an Betäubungsmitteln ist nicht hinreichend geklärt; allgemein unterliegt der Drogenmarkt hoch komplexen und vielschichtigen Funktionsbedingungen.251 Es wird also behauptet, dass die Nachfrage sinkt, wenn der Preis ansteigt.252 Preisveränderungen könnten somit die Veränderungen der gehandelten Mengen bewirken.253 Das bedeutet, dass eine erfolgreiche kriminalstrategische Doktrin an einer Preissteigerung ansetzen könnte. Denn jegliche Bekämpfungsmaßnahmen (Inhaftierung, Beschlagnahmen, Gewinnabschöpfung) würden wie Steuern wirken bzw. das Risiko von Importeuren und Händlern erhöhen und gleichzeitig ihre Gewinnerwartungen schmälern. Höhere Kosten auf der Angebotsseite würden auf Vgl. Kaiser, FS für Tröndle, S. 685, 702. Statt vieler Hoffmann, MDR 1984, S. 617 ff.; Kube, Die Polizei 1988, S. 241, 243. 250 Kaiser, FS für Tröndle, S. 685, 687; gerügt wird in diesem Zusammenhang, dass derartige Annahmen mit einer gewissen Leichtfertigkeit verbreitet werden, ohne auf die Frage einzugehen, ob sie sich empirisch nachweisen lassen, so Dessecker, Gewinnabschöpfung, S. 80. 251 So Meyer, Gewinnabschöpfung, S. 547; die Behauptung, der einzige prinzipielle Unterschied des Drogenmarktes zu anderen Märkten liege in dem Verkehrsverbot der gehandelten Waren, so Dessecker, Gewinnabschöpfung, S. 95, scheint vereinfachend. 252 So Kaiser, FS für Tröndle, S. 685, 690. 253 Vgl. Meyer, Gewinnabschöpfung, S. 544. 248 249

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den Konsumenten abgewälzt. Jeder Preisanstieg würde somit eine Verringerung der Nachfrage für Drogen bewirken.254 Bei entsprechend niedriger Nachfrage würden die kriminellen Strukturen, die den Drogenmarkt beherrschen, keinen großen Umsatz erreichen und wären damit zerschlagen. Neben den herkömmlichen Kontrollstrategien könnte der Preis auch durch gewinnabschöpfende Maßnahmen gelenkt werden. Auf diese Weise würde ein erheblicher Kostenfaktor hinzukommen, der den Handel mit Betäubungsmitteln weniger gewinnträchtig erscheinen ließe. Diese Annahmen beruhen auf Modellrechnungen, die im Rahmen der Studie von Wagstaff / Maynard von 1988 im Auftrag des britischen Innenministeriums vorgenommen wurden. Bei dieser Untersuchung wurden die Effekte verschiedener Sanktionen auf den Preis der Betäubungsmittel gemessen.255 Sanktionen, die auf den Entzug der illegalen Gewinne abzielen, zählen zu den angebotsorientierten Maßnahmen, neben der Bestrafung von Drogenhändlern und der Beschlagnahme von Drogen. Andererseits gibt es auch nachfragebezogene Maßnahmen, wie die Gesundheitsprävention mit Aufklärungsprogrammen und Antidrogenkampagnen sowie zahlreiche Therapieangebote. Es wird allerdings nicht mehr bezweifelt, dass eine Verringerung der angebotenen und der tatsächlich konsumierten Drogen nur durch eine Kombination von Maßnahmen auf der Angebots- und der Nachfrageseite erfolgen kann.256 Diese Messungen berücksichtigen auch die Nachfrageelastizität. Als solche wird die Veränderbarkeit der Nachfrage für Betäubungsmittel je nach Preisveränderungen charakterisiert. Das Schema „höhere Preise, weniger Nachfrage“ wird relativiert, so dass eine allgemeingültige Betrachtung der Nachfrageelastizität nicht möglich ist; sie hängt mit Besonderheiten des jeweiligen Konsumentenkreises zusammen.257 Die britische Studie belegt anhand der Heroin-Nachfragekurve, dass Drogenbekämpfungsmaßnahmen die Nachfrage nicht immer beeinflussen können, sondern nur bei niedrigen oder extrem hohen Preislagen. Bei hohen Preislagen könnten die Konsumenten selbst durch erhöhte Beschaffungskriminalität die finanzielle Basis für den Drogenkonsum nicht erbringen.258 Bei niedrigen Preis254 Wagstaff / Maynard, Economic Aspects of the Illicit Drug Market and the Drug Enforcement Policies in the United Kingdom, S. 37 ff. 255 Wagstaff / Maynard, Economic Aspects of the Illicit Drug Market and the Drug Enforcement Policies in the United Kingdom, S. 85 ff., 105 ff. 256 Meyer, Gewinnabschöpfung, S. 544. 257 In der Literatur wird meistens zwischen Konsumenten von Heroin, Kokain und Cannabis unterschieden. Ob diese Kategorisierung angesichts der Vielzahl der im Drogenmarkt gehandelten Substanzen noch zeitgerecht ist, ist zu bezweifeln. 258 Die Konsequenz wäre eine Umstellung auf Ersatzdrogen, die bezahlbar sind oder die Inanspruchnahme therapeutischer Angebote, so White / Luksetich, Heroin, Economic Inquiry 1983, S. 557 ff., zitiert bei Wagstaff / Maynard, Economic Aspects, S. 42.

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lagen werde wiederum eine Nachfrageelastizität verzeichnet. Bei mittlerem Preisniveau, das in der Regel besteht, bleibt die Nachfrage trotz Kontrollmaßnahmen stabil.259 Die konkreten Messergebnisse bezüglich der Wirkungen von Bekämpfungsmaßnahmen sind überwältigend. Als erste Maßnahme wird die Beschlagnahme von Drogen unter die Lupe genommen. Wagstaff und Maynard kommen zum Ergebnis, dass eine Verdoppelung der Sicherstellungsquote von Heroinimporten an der Grenze von angenommenen gegenwärtigen 15% auf 30% zu einer Steigerung des Heroinendverkaufspreises zwischen 9 % und 26% führt. Allerdings stellen diese Prozentsätze, wegen mangelnden Wissens über die genaue Struktur und Funktion des Heroinmarktes, einfache Vermutungen dar.260 Anschließend werden die Auswirkungen der Inhaftierung von Drogendealern auf den Heroinpreis geschätzt. Würde die Inhaftierungsrate von Heroingroßhändlern und -dealern von 10% auf 20% steigern, würde bei einem fixen Einkommen und einer Inhaftierungsdauer von 5 Jahren der Endpreis um 7,6 % bis 23,9% steigen. Ähnliches gilt für die Verlängerung der Freiheitsstrafen von Großhändlern von 5 auf 20 Jahren.261 Diese Vervierfachung der Inhaftierungsdauer würde den Preis in einer Spanne zwischen 9,5 % und 14,9 % erhöhen. Die prozentuale Erhöhung des Preises durch diese Maßnahmen ist nur grenzwertig. Angesichts der erheblichen Kosten des stationären Strafvollzugs erweist sich die Wirksamkeit auch dieser Maßnahme als beschränkt. Als letzte angebotsorientierte Bekämpfungsstrategie wird die Abschöpfung von Vermögenswerten in den Vergleich mit einbezogen. Dieser Sanktion wird ein Preiseffekt zwischen 4,5% bis 6,3% zugeschrieben. Die abgeschöpften Vermögenswerte werden bei dieser Studie als Einkommensausfälle während einer durchschnittlichen fünfjährigen Inhaftierungsdauer angesehen. Die Höhe der abgeschöpften Summen, die zugrunde gelegt wurde, beträgt das Fünffache des jährlichen Einkommens pro Dealer oder Großhändler.262 Gewinnabschöpfende Maßnahmen vermögen also nicht eine erhebliche Preisveränderung von Betäubungsmitteln zu bewirken. Hinzu kommt, dass die durch die Gewinnabschöpfung bewirkte Preissteigerung, Nebenwirkungen haben kann. Denn jede Preissteigerung verursacht neben der vermuteten Nachfragesenkung gleichzeitig eine Erhöhung des Gewinnpotentials. Diese Perspektive lockt neue Anbieter auf den Markt und erweitert das Drogenangebot. Es wird dann vermutet, dass dieses erhöhte Angebot an Drogen bald auch die entsprechende Nachfrage schafft.263 So entsteht die Möglichkeit, dass durch 259 260 261 262 263

Wagstaff / Maynard, Economic Aspects, S. 43. Dessecker, Gewinnabschöpfung, S. 128. Wagstaff / Maynard, Economic Aspects, S. 119. Wagstaff / Maynard, Economic Aspects, S. 122. Meyer, Gewinnabschöpfung, S. 548, jedoch ohne weitere bibliographische Hinweise.

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gewinnabschöpfende Maßnahmen in der Tat mehr Drogen angeboten und letztendlich auch konsumiert werden als ohne solche Maßnahmen.264 Ferner hat diese Preissteigerung, die unter anderem durch Gewinnabschöpfung erzielt werden kann, als Konsequenz eine Erhöhung des Investitionsrisikos für diejenigen, die sich in diesem Bereich betätigen wollen. Somit entsteht die Gefahr einer Professionalisierung des Drogenmarkts, so dass sich Kleindealer bzw. „Unerfahrene“, die zu ihrer Absicherung keine großen Investitionen vornehmen können, vom Drogenmarkt fernbleiben. Der Markt wird in diesem Fall von größeren kriminellen Strukturen beherrscht, was längerfristig zu einer Verdichtung der organisierten Kriminalität führt.265 Diese Nebenwirkung, für die keine verlässlichen empirischen Daten vorliegen, gilt allerdings nicht nur für gewinnabschöpfende Maßnahmen, sondern für alle Strategien mit dem Ziel der Preissteigerung. Die Untersuchung von Polich et al. kommt zu ähnlichen Ergebnissen bezüglich der beschränkten Wirksamkeit gewinnabschöpfender Maßnahmen auf den Drogenpreis.266 Diese etwas ältere Analyse bewertet die drei Strategien der Kontrolle des Drogenkonsums Jugendlicher in den Vereinigten Staaten, nämlich die Verhaftungen, die Beschlagnahme an der Grenze und die Gewinnabschöpfung gegen Großhändler. Als Grund für die begrenzten Preiseffekte gewinnabschöpfender Maßnahmen, die von dieser Studie ebenso konstatiert werden, wird die Tatsache angeführt, dass die abgeschöpften Beträge im Vergleich zum gesamten Verkaufswert der umgesetzten Drogen, d. h. zum Umfang des Gesamtgewinns sehr gering ausfallen.267 Würden sich diese Beträge steigern lassen, würden die Drogenpreise, angesichts der Größe des gesamten Marktangebots auch nicht erheblich beeinflusst: nach Polich et al. bewirkt die Verdreifachung der abgeschöpften Beträge einen Preiseffekt in Höhe von 1 %. Die Wirkung von gewinnabschöpfenden Maßnahmen ist nach dieser Studie am geringsten. Diese ernüchternde Erkenntnis scheint die kriminalökonomischen Annahmen, wonach der Gewinn den wichtigsten Tatanreiz darstellt, zu widerlegen. Anhand dieses Beispiels wird die Unangemessenheit der oben referierten kriminalökonomischen Ansätze ersichtlich, den Nachweis der Abschreckungsfunktion von strafrechtlichen Maßnahmen methodologisch einleuchtend zu führen. Die Hauptursache dafür ist in der reduzierten Sichtweise dieser Theorien zu suchen, wonach jegliches menschliches Verhalten eine Rationalität und Wirtschaftlichkeit aufweisen soll. Es hat sich gezeigt, dass dies nicht immer der Fall ist. Die Drogenanbieter und -verbraucher lassen sich nicht zwangsläufig von nur grenzwertigen Preissteigerungen beeinflussen. Somit scheint der monetäre Gewinn nicht der ein264 Zur Dysfunktionalität von Verfallsanordnungen s. auch Reuter / Kleiman, in: Tonry / Morris (Hrsg.), Crime and Justice, S. 289 ff. 265 Kerner, BKA-Tagung 1986, S. 17, 37. 266 Polich / Ellickson / Reuter / Kahan, Strategies for controlling adolescent drug use, S. 73 ff. 267 So auch Kaiser, FS für Tröndle, S. 685, 692.

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zige oder vielleicht nicht der wichtigste Anreiz zur kriminellen Betätigung zu sein. Die Erweiterung dieser Ansätze um nicht-monetäre Faktoren, wie die moralischen oder emotionalen Kosten, führen dazu, dass bei der Kosten-Nutzen-Abwägung praktisch jegliche Entscheidungskriterien in die Analyse Eingang finden. Auf diese Weise ist aber dem ökonomischen Modell eine gewisse Beliebigkeit zuzuschreiben; denn es umfasst und erklärt alles, ohne Handlungsanleitungen präsentieren zu können. Ob so eine Theorie bei der Wahl der kriminalpolitisch adäquaten Instrumente zur Verbrechenskontrolle irgendwelche praktische Hilfe leisten kann, ist somit fraglich.268 Betrachtet man insgesamt die Ergebnisse dieser Untersuchungen, sind sie angesichts methodologischer Unzulänglichkeiten zu relativieren. Erstens basieren sie nicht auf empirisch gewonnenen Daten, sondern auf nicht widerlegbare Annahmen.269 Bei diesen bleibt allerdings vieles unklar: welches ökonometrische Modell zur Berechnung der Preisveränderungen herangezogen wurde, wird nicht erwähnt; ebenfalls ausgeklammert bleiben die Marktparameter, die potentiell einen zusätzlichen Einfluss auf die Preisschwankungen ausüben.270 Zudem sind die Modellrechnungen von Wagstaff und Maynard in bestimmten Punkten nicht ausdifferenziert genug. Ein Beispiel dafür ist, dass die Wirkung der Abschöpfung von Vermögenswerten bei einfachen Dealern und bei Großhändlern einheitlich betrachtet wird. Es besteht aber kein Zweifel, dass die Abschöpfung des gleichen Betrags ganz unterschiedliche Auswirkungen bei einem Straßendealer und bei einem Großhändler auslösen würde. Darüber hinaus darf man ebenso nicht verkennen, dass sich diese Untersuchungen jeweils auf ein bestimmtes Betäubungsmittel (Heroin) und auf einen bestimmten nationalen Drogenmarkt beziehen. Ob und inwieweit die Annahmen über die Nachfrageelastizität auf Konsumenten anderer Drogen oder anderer Staaten zu übertragen sind, bleibt noch unklar. Trotz gewisser Ähnlichkeit aller Drogenkonsumenten liefern die dargestellten Studien keine zuverlässigen Daten, die einer Gewinnabschöpfungsstrategie zugrunde gelegt werden könnten. Da diese Studien aus den 80er Jahren stammen, beinhalten sie Daten, die möglicherweise nicht mehr aktuell sind. Trotz alledem kommt den Ergebnissen dieser Untersuchungen eine Indizfunktion zu.271 Gewinnabschöpfende Maßnahmen sind weder entbehrlich noch völlig 268 Kaiser, FS für Tröndle, S. 685, 701, der zwar die Enge des zugrunde gelegten Modells rügt, aber dennoch keine überlegene Alternative dazu sieht; Kerner, BKA-Tagung 1986, S. 17, 27; Kunz, Kriminologie, § 24 Rn. 30. 269 Solche Annahmen sind z. B. die Inhaftierungsrate von Drogendealern auf 10% oder die Höhe des jährlichen Einkommens von Dealern auf |L 100.000. 270 s. die Kritik bei Meyer, Gewinnabschöpfung, S. 548. 271 Wie Dessecker, Gewinnabschöpfung, S. 128, betont, diese Untersuchungen lassen wohl besser als nur intuitiv begründete Aussagen über die erwartbare Leistungsfähigkeit gewinnabschöpfender Sanktionen zu.

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wirkungslos. Denn sie verkörpern das Gerechtigkeitspostulat, wonach sich das Verbrechen nicht lohnen darf. Außerdem wird jedes Mal die symbolische Kraft des Strafrechts in Zweifel gezogen, wenn der Täter trotz Verurteilung im Genuss seiner kriminellen Erträge bleibt. Insofern ist die Diskussion über die Gewinnabschöpfung und die Möglichkeiten ihrer Verbesserung unerlässlich. Dennoch soll man keine Illusionen hegen und aus der Gewinnabschöpfung ein „Allheilmittel“ im Kampf gegen den Rauschgifthandel und die organisierte Kriminalität machen. Selbst wenn die Auswirkungen des Verfalls größer als bisher angenommen wären, ist anzunehmen, dass sein Effekt auf den Preis und die Drogenmenge nicht so groß sein kann, dass man die Gewinnabschöpfung als zentrale Bekämpfungsstrategie gestalten könnte. Ihre Wirksamkeit, zumindest in dem Maße wie sie bis heute erforscht wurde, reicht keinesfalls aus, um ein radikales Abschöpfungsrecht und somit erhebliche Grundrechtseinschränkungen zu legitimieren. Es existiert allerdings immer noch Forschungsbedarf.272 Aufgrund der Komplexität der Funktionsweisen des Drogenmarktes werden jedoch trotz Optimierung der Messinstrumente Unklarheiten bleiben. Nach alledem geht die Forderung, die Gewinnabschöpfung als eine „Dritte Dimension“ der Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels zu gestalten, auf keine empirisch abgesicherten Erkenntnisse zurück.

IV. Exkurs: Gewinnabschöpfung als Dritte Spur der Verbrechensbekämpfung: Die BKA-Tagung Die fehlende empirische Absicherung des Präventionspotentials der Gewinnabschöpfung wird allerdings im entsprechenden Diskurs völlig vernachlässigt. Die Schaffung neuer Dimensionen oder Spuren der Verbrechensbekämpfung hat Konjunktur. Entdeckt wurden sogar eine vierte und eine fünfte Dimension, während die Aufzählung der möglichen Dimensionen noch offen ist.273 Zuerst sollte klargestellt werden, dass die Gewinnabschöpfung als dritte Dimension der Rauschgiftbekämpfung neben der Sicherstellung von Betäubungsmitteln und der Bestrafung von Tätern verstanden wird.274 Hinter solchen Aushängeschildern verbergen sich Forderungen nach einem Ausbau der entsprechenden Sanktionen. Diese Meinung teilt auch Kaiser, FS für Tröndle, S. 685, 688. Kritisch dazu Kilchling, Gewinnabschöpfung, S. 5. 274 Unter dem Ausdruck „Dritte Spur“ wird verstanden, dass die Gewinnabschöpfung neben der Strafe und den Sicherungssanktionen eine eigene Zielsetzung und somit auch eine selbständige Rechtsnatur aufweist; abweichend davon: Podolsky, in: Gehl (Hrsg.), Das Mafiose in unserer Gesellschaft und seine Bekämpfung, S. 91 ff. Podolsky betrachtet die Gewinnabschöpfung als eine zweite Dimension der Verbrechensbekämpfung; für Schick in: Mayerhofer / Jehle (Hrsg.), Organisierte Kriminalität, S. 91, 105 ist die Gewinnabschöpfung schon die vierte Dimension, nach dem Täter-Opfer-Ausgleich. 272 273

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Die Thematik der kriminellen Gelder scheint seit Mitte der 80er Jahre auch das Interesse der Politik zu wecken. Das wird deutlich in einem Beschluss des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags. Die Bundesregierung wird dort gebeten, über die Erfahrungen mit dem 1982 novellierten Betäubungsmittelgesetz zu berichten. Konkreter sei zu überprüfen, „ob die Möglichkeiten für Verfall und Einziehung von im Drogenhandel illegal erworbenen Vermögenswerten der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität genügen und ob die Sicherstellungsvorschriften der StPO ausreichen, um in einschlägigen Fällen entsprechende Vermögenswerte zu erfassen“.275 Im Anschluss daran haben der damalige Bundesinnen- und Bundesjustizminister Ressortumfragen initiiert.

1. Inhalte der Tagung Die 1986 vom BKA veranstaltete Jahrestagung scheint sich somit in diesen Diskurs über die Gewinnabschöpfung einzureihen. Zu dieser Tagung unter dem Titel „Macht sich Kriminalität bezahlt? – Aufspüren und Abschöpfen von Kriminalitätsgewinnen“ sind Fachleute vorrangig aus der Polizei, aus dem kriminalpolitischen Bereich sowie aus den Finanzbehörden zusammengekommen. Diese Tagung ist für die vorliegende Arbeit deshalb wichtig, weil sie die erste ist, die den Themenkomplex der Abschöpfung krimineller Gewinne fokussiert und somit dieses Thema zum Gegenstand kriminalpolitischer Diskussionen macht. Ihr Ziel war die Diskussion über die Möglichkeiten der Gewinnabschöpfung, der Austausch von Erfahrungen zwischen verschiedenen Akteuren der Strafverfolgungs- und der zuständigen Verwaltungsbehörden sowie die Verbreitung von Vorschlägen zur Optimierung des gesetzlichen Instrumentariums.276 Der Themenkomplex „Gewinnabschöpfung“ wurde im Rahmen dieser Tagung aus verschiedenen Aspekten heraus thematisiert. Von ihren kriminalistischen Möglichkeiten277, über die mit ihrer Anordnung verbundenen rechtlichen Unzulänglichkeiten278 und ihre internationale Seite279 bis hin zu den Einsatzmöglichkeiten des Wirtschaftsprüfdienstes280, liefern die Vorträge nützliche Informationen zu den Modalitäten und den Schwierigkeiten der Gewinnabschöpfung. Einem effektiven Abschöpfungsrecht wurden dabei erhebliche generalpräventive Auswirkungen auf die Kriminalitätsbekämpfung zugeschrieben; und zwar so erhebliche, dass der Eindruck vermittelt wird, die Gewinnabschöpfung stelle das beste Mittel zur Bewältigung aller großen kriminalpolitischen Probleme dar. Deswegen sollten alle 275 276 277 278 279 280

Abgedruckt bei Schuster, BKA-Tagung 1986, S. XVIII Vgl. Herzog, KJ 1987, 321, 322. Dazu Sielaff, BKA-Tagung 1986, S. 75 ff. Vorwiegend bei Eberbach, BKA-Tagung, S. 97 ff. Wingenter, BKA-Tagung, S. 51 ff. Dazu der gleichnamige Vortrag von Kubika, BKA-Tagung, S. 141 ff.

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rechtlichen „Hindernisse“ bei der Verfallsanordnung sowie jegliche Regelungslücken, vor allem im Bereich der Geldwäsche, ausgeräumt werden. Somit wurde ein weitgehender Reformbedarf diagnostiziert.281 Im normativen, materiellrechtlichen Bereich des Verfalls wurden vor allem drei Problemfelder lokalisiert: a) die Berechnung des Tatgewinns nach dem Nettoprinzip (§ 73 Abs. 1 StGB a. F.), b) die Sperrwirkung der Ansprüche von Tatverletzten für die Verfallsanordnung (§ 73 Abs. 1 S. 2 StGB), c) die Beweisschwierigkeiten der kriminellen Herkunft von illegalen Gewinnen. Auf verfahrensrechtlicher Ebene wurde die problematische Sicherstellung von Vermögenswerten im Ermittlungsstadium thematisiert. Zu diesen Problemfeldern wurden Lösungsvorschläge präsentiert. Im Hinblick auf den Tatgewinn wird mehr oder weniger eine allgemeine Vermögenskonfiskation favorisiert, die zwischen dem tatsächlichem Gewinn und den vom Täter gemachten Aufwendungen nicht unterscheiden würde. Die Härte dieser Sanktion soll ihre Legitimation in dem erheblichen Bedrohungspotential der organisierten Kriminalität finden. Der Abzug der Kosten des Täters, der für die Berechnung der Verfallshöhe erforderlich war, war der Praxis ein Dorn im Auge. Dieser Umstand verlangte einen erheblichen Ermittlungsaufwand und versetzte die Beamten in die ärgerliche Situation, die zur Tatbegehung beim Täter entstandenen Kosten als normale Geschäftskosten zu berechnen und somit diesen als einen „redlichen Geschäftsmann“ zu betrachten.282 Dieser Aspekt stelle den Hauptgrund für die Kopflastigkeit der Verfallsregelungen und für ihr Schattendasein dar.283 Hinsichtlich der Ansprüche von Tatverletzten, würde die Abschaffung der Vorschrift von § 73 Abs. 1 S. 2 StGB empfohlen, welche die Gewinnabschöpfung bei bloßem Bestehen von Ersatzansprüchen ausschließt.284 Denn diese Klausel sperre die Verfallsanordnung in den Bereichen aus, bei denen sie in hohem Maße in Betracht käme, namentlich in der Eigentums- und Vermögenskriminalität. 285 Als eine mögliche Lösung wird die Gründung eines Ausgleichsfonds vorgebracht.286 In diesen würden abgeschöpfte Gelder einfließen, welche für die Entschädigung von Tatverletzten zur Verfügung stehen würden. Die tatverletzte Person werde auf diese Weise aus dem Verfallsverfahren verdrängt. Die Frage, ob durch diesen Fonds mehr Probleme gelöst als geschaffen werden, oder ob das Verfahren 281 Vgl. die Eröffnungsansprache des damaligen Bundesinnenministers, Zimmermann, BKA-Tagung, S. 13. 282 Boge, BKA-Tagung, S. 89, 91. 283 Eberbach, BKA-Tagung, S. 109. 284 Kube, BKA-Tagung, S. 119, 132; v. Harsdorf, BKA-Tagung, S. 255. 285 LK / Schmidt § 73, Rn. 34 ff. 286 Kube, BKA-Tagung, S. 132.

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3. Kap.: Die Wiederentdeckung der Gewinnabscho¨pfung

mit dem Staat in der Rolle des Geldverteilers287 nicht zunehmend bürokratisiert wird288, wird an dieser Stelle nicht weiter diskutiert. Erhoben wurden ebenso weitgehende Forderungen nach Beweiserleichterungen bezüglich der kriminellen Herkunft von Vermögenswerten. Manche sahen sogar den Wegfall der Beweispflicht als wünschenswert an. In diesem Zusammenhang wurde eine Beweislastumkehr mit Offenbarungspflicht des Täters für bestimmte Straftaten vorgeschlagen.289 Die ausländischen Regelungen, vor allem die entsprechenden US-amerikanischen Vorschriften, wurden als Beispiel genutzt, um die Erfolge einer umfangreichen Gewinnabschöpfung aufzuzeigen. Dabei wird gefordert, die Gewinnabschöpfung von straftheoretischen Gedanken abzukoppeln sowie sie an zivilrechtliche Grundsätze anzupassen.290 Im prozessrechtlichen Bereich wurden die tatbestandlichen Anforderungen für die Anordnung nach einer Beschlagnahme (§§ 111b ff. StPO) als zu hoch eingestuft.291 Daraus wurde die Forderung nach einer Erleichterung der vorläufigen Sicherstellung von Vermögenswerten durch Herabsetzung ihrer Beweisanforderungen abgeleitet. 292 Nur am Rande wurde die Gefahr erwähnt, aufgrund eines nicht näher konkretisierbaren Verdachts der finanziellen Existenz von Privatpersonen und Unternehmen einen beträchtlichen Schaden zuzufügen.293 Das gesteigerte Interesse der Strafverfolgungsbehörden für einen erleichterten Zugriff auf kriminelles Gut leuchtet allerdings ein, wenn man an die enormen Summen denkt, die durch eine umfangreiche Gewinnabschöpfung angehäuft würden. Die Erfahrungen der US-Verwaltung in diesem Bereich294 dienen den heimischen Behörden als ein Musterbeispiel. Es ist somit logisch, dass die Verwertung der abgeschöpften Gelder die involvierten Akteure in höchstem Maße beschäftigt. Das bezeugen die präsentierten Vorschläge z. B. einen Teil des beschlagnahmten Vermögens für Belohnung von V-Leuten295, für Prämien an Beamten, die AbSo Eser, Sanktionen, S. 297. So Herzog, KJ 1987, S. 321, 330. 289 Boge, BKA-Tagung 1986, S. 92; Sielaff, BKA-Tagung, S. 84, der eine Analogie zum Steuerrecht für möglich hält; ähnlich Bux, BKA-Tagung, S. 238, 240, der durch die Umkehr der Beweislast keine rechtsstaatliche Grundsätze für in Frage gestellt hält; Haberland, BKATagung, S. 243; v. Harsdorf, BKA-Tagung, S. 255; anders Katholnigg, BKA-Tagung, S. 262, der die Überprüfung solcher Forderungen am Maßstab ihrer Vereinbarkeit mit der Verfassung auffordert. 290 Vorwiegend ist das im Bericht der Arbeitsgruppe 3 nachzulesen, Haberland, BKATagung, S. 244. 291 Zimmermann, BKA-Tagung, S. 13; eine Beschlagnahme setzte zum damaligen Zeitpunkt die dringende Annahme voraus, dass im späteren Hauptverfahren der Verfall angeordnet wird. 292 So der Bericht der Arbeitsgruppe 3, v. Harsdorf, BKA-Tagung, S. 255. 293 So Krekeler in der Podiumsdiskussion der BKA-Tagung, S. 263. 294 v. Raab, BKA-Tagung, S. 215, 219. 295 S. Zimmermann, BKA-Tagung, S. 15. 287 288

D. Kriminologische Betrachtung der Gewinnabschöpfung

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schöpfungsaktionen veranlasst haben und zuletzt für die Finanzierung der Verbrechensbekämpfung und des Strafvollzugs zu verwenden.296 2. Kritische Betrachtung Liest man die Beiträge und die Diskussionen dieser BKA-Tagung, ist man zunächst vom Elan überrascht, mit dem gewagte kriminalpolitische Forderungen unterbreitet wurden. Dieser Elan schien allerdings die Teilnehmer daran zu hindern, der Problematik sachlich nachzugehen und drohte in Übereifer oder gar in Frustration umzuschlagen. Während die meisten Beiträge die Verfallsvorschriften wegen ihrer Unfähigkeit zu einer effizienten Gewinnabschöpfung unter Beschuss nahmen, wurde die grundsätzliche Frage, ob und inwieweit die Größe „krimineller Gewinn“ ein Tatmotiv darstellt, übergangen. Das wurde eher als eine Selbstverständlichkeit angesehen.297 Die Erfolgschancen des Projekts der Gewinnabschöpfung anhand kriminologischen Erfahrungswissens wurde nur von Kerner aufgegriffen: er warnt vor übermäßigen Erwartungen gegenüber dieser „dritten Dimension“. Die Erschütterungen, die sich aus der Intensivierung von gewinnabschöpfenden Maßnahmen und aus der Geldwäschebekämpfung vor allem für den Finanzverkehr ergeben würden, würden nach Kerner eine gewisse Zurückhaltung rechtfertigen. Angesichts der Tatsache, dass der Markt der international agierenden Täter außergewöhnlich komplex ist, sollte man sich im Klaren über die begrenzten Möglichkeiten von Gewinnabschöpfung sein.298 Es ist indes befremdlich, dass diese Erkenntnisse aus kriminologischer Sicht in die Berichte der Arbeitsgruppen keinen Eingang gefunden haben. Der Eindruck, dass sich die Teilnehmer der Vielzahl von empirischen Informationen im Zusammenhang mit der Gewinnabschöpfung nur selektiv bedienen, lässt sich somit nicht ausräumen. Was die kriminalpolitischen Forderungen angeht, merkt man eine völlig einseitige Betrachtung der Rechtslage. Die Verfallsregelungen sollten „praxisfreundlicher“ werden: dieses Ziel soll durch das Ausräumen aller rechtsstaatlichen „Hindernisse“ beim Entzug des kriminellen Vermögens erreicht werden. Man vermisst dabei fundierte rechtsstaatliche und damit verfassungsrechtliche Erwägungen. Beim Umgang mit der fraglichen Rechtsstaatlichkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen werden zwei Wege beschritten: der erste ist, theoretische Einwände apodiktisch als nicht tangiert abzutun; der zweite ist, solche Einsprüche zu verdrängen und gleichzeitig darauf vertrauen, dass das BVerfG die verfassungsrechtlichen Bedenken verwerfen würde!299 S. Sielaff, BKA-Tagung, S. 79; ähnlich Dessecker, Gewinnabschöpfung S. 123. Für Boge verkörpert der deliktische Gewinn den Lebensnerv krimineller Organisationen, S. 7; Sielaff, BKA-Tagung, S. 75; für die Umweltdelikte Kube, a.a.O, S. 120. 298 Kerner, BKA-Tagung, S. 17 ff. 296 297

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3. Kap.: Die Wiederentdeckung der Gewinnabscho¨pfung

In dieser Diskussion ist deutlich die Neigung zu spüren, das Strafrecht zum Ziel der Verbrechensbekämpfung einzusetzen. Dabei wird die generalpräventive Fähigkeit der Gewinnabschöpfung zur Verbrechensbekämpfung axiomatisch akzeptiert. Darüber hinaus haben die Teilnehmer der Tagung die Frage völlig ausgeblendet, wie sich eine derartige Umwandlung des Strafrechts zu einem Verbrechensbekämpfungsrecht (durch Vermögenskonfiskationen, Beweislastumkehr und Beschlagnahme aufgrund eines einfachen Verdachts) legitimieren lässt. Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass der Verfall in seiner damaligen Fassung als ein Rechtsinstitut zur Wiederherstellung der durch die Straftat verletzten Vermögensordnung galt. Die Umständlichkeit der Verfallsvorschriften war auf den gesetzgeberischen Willen, den verschiedenen, gegensätzlichen Interessen der Betroffenen Rechnung zu tragen, zurückzuführen. Somit fand die präventive Ausrichtung, die von den meisten Teilnehmern der Tagung favorisiert wurde, keinen Niederschlag in den Verfallsvorschriften. Somit gelangt man zur wiederkehrenden Frage, ob „das Strafrecht als Recht ausschließlich Freiheitsinteressen verfolgen soll“300 oder, ob es auch zweckgerichtet, z. B. der Verbrechensbekämpfung dienlich sein soll. Ohne auf diese Frage näher einzugehen, spiegelt diese Tagung die bereits erwähnte kriminalpolitische Tendenz wider, das Recht an seiner Effektivität und an seinem Potential zur Bewältigung komplexer gesellschaftlicher Probleme zu messen. Ein Verdienst dieser Tagung war es jedoch, eine breit angelegte Diskussion über die Grenzen und die Möglichkeiten der Gewinnabschöpfung entfacht zu haben. Die hervorgegangenen Impulse sowie die oben erläuterte Tendenz scheinen in der Gesetzgebung Resonanz gefunden zu haben. Das zeigt die nächste Station der Entwicklung der Gewinnabschöpfung.

E. Die Einführung des Bruttoprinzips I. Die kriminalpolitische Atmosphäre Der Anfang der 90er Jahre signalisierte enorme Herausforderungen für die internationale und besonders für die deutsche Rechtspolitik. Der bundesrepublikanische Staat musste einerseits die nach der Wende entstandenen politischen Verhältnisse auch rechtlich bewältigen. Andererseits herrschte auch im kriminalpolitischen Feld Beunruhigung. Charakteristisch für diese Zeit war das Hervortreten von neuen Formen abweichenden Verhaltens wie z. B. die Wirtschafts- und die Umweltkriminalität, die sich mit alten, nunmehr jedoch verfeinerten Kriminalitätserscheinungen, wie bspw. dem Betäubungsmittelhandel und dem Waffenhandel vermengen. Als 299 300

Diese These vertritt v. Harsdorf, BKA-Tagung, S. 254. Herzog, KJ 1987, S. 321, 328.

E. Die Einführung des Bruttoprinzips

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besonders besorgniserregend wurde jedoch das Bedrohungspotential der organisierten Kriminalität empfunden. An dieser Stelle werden der Begriff der organisierten Kriminalität sowie ihre vielfältigen Erscheinungsformen oder die unterschiedlichen Bekämpfungsansätze nicht erläutert. Relevant für die vorliegende Arbeit sind die Emotionen in Form der Angstgefühle, welche dieses Phänomen in der Politik und in der Öffentlichkeit hervorruft. Zunächst wird aufgezeigt, wie diese Emotionen die einschlägige Diskussion beherrschen und als Motor zu erheblichen Gesetzesänderungen wirken.301 Im Fall der organisierten Kriminalität mussten die Strafverfolgungsakteure hilflos zusehen, wie die herkömmlichen Verfolgungstaktiken und das rechtliche Instrumentarium an ihre Grenzen stoßen. Dieser Eindruck führte zur Erkenntnis, dass der Staat angesichts dieser Kriminalitätsentwicklung neu „aufgerüstet“ werden sollte. Die neue Qualität der Gefahr bestehe gerade darin, dass die organisierte Kriminalität, um ihre Ziele zu erreichen, nach Macht und Einfluss strebe;302 sie bediene sich geschäfts- oder gewerbsähnlichen Strukturen, sie scheue sich nicht vor Gewaltanwendung und versuche, Personen mit Schlüsselrollen im wirtschaftlichen und politischen Leben zu korrumpieren.303 In der einschlägigen Literatur wird die Zielsetzung jeder kriminellen Organisation in der finanziellen Bereicherung gesehen. Der Gewinn stelle den Gegenstand, den Grund und das Motiv zum Zusammenschluss und zur Funktion von kriminellen Strukturen dar. Gleichzeitig werde das dadurch angehäufte Vermögen in die Begehung von weiteren Straftaten reinvestiert und somit zum Ausbau der kriminellen Organisation weiter verwertet.304 Aus diesen Gründen solle eine Strategie gegen die organisierte Kriminalität am Gewinn ansetzen. Der Entzug der hohen Gewinnsummen würde somit die Täter von der Begehung weiterer Taten abhalten und den Organisationen das notwendige Investitionskapital entbehren. Darüber hinaus werde durch die Abschöpfung kriminellen Vermögens der Eindruck vermittelt, dass sich die Politik für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität einsetze, während der Verdacht ausgeräumt werde, dass Kriminalität ein lohnendes Geschäft sein könne. Dieses Ziel wird also durch Maßnahmen normativer Prävention verfolgt.305 Dadurch wird gleichzeitig Hassemer, WM 1995, Sonderb. 3, S. 3, 9. Lang / Schwarz / Kipp, Regelungen zur Bekämpfung der Geldwäsche, S. 87. 303 s. BT-Drucks. 12 / 989, S. 24. 304 Statt vieler: Kaiser, ZRP 1999, S. 144, 145. 305 So auch Hassemer, WM 1995, Sonderb. 3, S. 3, 10; zum Begriff der normativen Prävention; derselbe, StV 1994, S. 333, 336. Solche Maßnahmen im Bereich der Gewinnabschöpfung sind die verschiedenen Beweiserleichterungen zu Lasten der Unschuldsvermutung, das Bruttoprinzip im Verfall zu Lasten des Schuldprinzips, mögliche Verstöße gegen die Eigentumsgarantie usw. 301 302

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3. Kap.: Die Wiederentdeckung der Gewinnabscho¨pfung

angedeutet, dass dazu Einschnitte in Grundrechte erforderlich sind. Gewinnabschöpfende Maßnahmen werden allerdings auch als Instrumente technischer Prävention wahrgenommen: ein umfassender Zugriff auf kriminelles Vermögen würde eine gewichtige Einnahmequelle für den Staat schaffen, die der Verbesserung der gesamten Verbrechensbekämpfung zugute kommen könnte. Die Verfallsregelungen, die im deutschen Recht den Zugriff auf rechtswidrig erworbene Erträge ermöglichen, kommen allerdings relativ selten zur Anwendung.306 Die Gründe dafür wurden bei der vorangegangenen BKA – Tagung diskutiert. Ungeklärt blieb allerdings, ob die geringe praktische Relevanz der Verfallsvorschriften lediglich auf ihre rechtliche Kompliziertheit oder vielleicht auch auf praktische Implementationsschwierigkeiten zurückgeht.

II. Die Entstehungsgeschichte Der Kompliziertheit des Verfallsrechts entgegenzuwirken, galt der Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes – Erweiterter Verfall.307 Nach diesem könnte eine modifizierte Verfallsnorm, der sog. erweiterte Verfall, angeordnet werden, wenn sich im Verfahren nicht feststellen ließ, dass der betreffende Gegenstand durch eine konkrete, angeklagte Betäubungsmittelstraftat erlangt worden ist, die Umstände jedoch diese Annahme rechtfertigten. Dieser Gesetzesentwurf, der den erweiterten Verfall betraf, ist für diese Etappe der Entwicklung deswegen maßgeblich, weil er den Anlass gab, sich über sonstige Änderungen des Verfallsrechts, unter anderem bezüglich einer möglichen Einführung des Bruttoprinzips, Gedanken zu machen. Bei seiner Stellungnahme wies der Bundesrat zu Recht auf das ungeklärte Verhältnis zwischen dem einfachen und dem erweiterten Verfall hin. Die Klarheit über das Verhältnis zwischen beiden Rechtsfiguren war tatsächlich ein dogmatisches Bedürfnis; bei einem eigenständigen erweiterten Verfall, wie der Regierungsentwurf das vorsah, könnte es zu einer gleichzeitigen Anwendung beider Verfallsarten kommen. Jede Verfallsart hätte mithin einen unterschiedlichen Gegenstand. Während der einfache Verfall nur den konkret ermittelten Tatgewinn erfassen würde (Nettoprinzip), würde sich die Anordnung des erweiterten Verfalls auf allgemein bemakeltes Tätervermögen beziehen, hinsichtlich dessen die Umstände den kriminellen Ursprung nahe lägen (Bruttoprinzip mit gleichzeitiger Beweiserleichterung). Die Verwendung zweier Maßstäbe zur Errechnung der Verfallshöhe würde zum folgenden absurden Ergebnis führen: wegen des beim erweiterten Verfall geltenden Bruttoprinzips würde bei nicht konkret nachgewiesenen Straftaten mehr ab306 s. die entsprechenden Zahlen für die Jahre 1975 bis 1979 bei Güntert, Die Gewinnabschöpfung als strafrechtliche Sanktion, S. 85; für die Jahre 1987 bis 1991 Statistisches Bundesamt, Rechtspflege, Fachserie 10, Reihe 3, Strafverfolgung, Jahre 1987 bis 1991. 307 BT-Drs. 11 / 6623 S. 4.

E. Die Einführung des Bruttoprinzips

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geschöpft als bei Fällen, in denen der Tatkonnex voll nachgewiesen würde. Die Eingriffsintensität dieser Beweiserleichterung, die vom Bruttoprinzip begleitet wurde, würde eine übermäßige Belastung des Betroffenen darstellen, die vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips problematisch wäre. Abgesehen von dieser Systemwidrigkeit rügte der Bundesrat die Ungeeignetheit dieser Lösung, die bekundete Zielsetzung einer effektiven Bekämpfung der organisierten Kriminalität voranzubringen.308 Aus diesem Grund schlug der Bundesrat vor, den erweiterten Verfall als lex specialis zum einfachen Verfall auszugestalten. Lägen seine Anwendungsvoraussetzungen vor, würde der Verfall nach § 73 StGB als lex generalis verdrängt. In solchen Fällen würde der Bruttoertrag abgeschöpft. Sollten sich daraus unbillige Situationen ergeben, könnte die Härtevorschrift des § 73c StGB Abhilfe leisten. Der Bundesrat scheint zumindest ansatzweise den problematischen Charakter einer Bruttogewinnabschöpfung erkannt zu haben und hat bei der Härteregelung einen Ausweg gesucht. Die Bundesregierung stimmte den Bedenken des Bundesrates zu, wollte sie jedoch aufgrund der bevorstehenden Reformierung des gesamten Verfallsrechts nicht berücksichtigen. Die Gesetzesmaterialien lassen allerdings einen gewissen Konkurrenzgeist zwischen Bundesregierung und Bundesrat erkennen. Der könnte mit den damaligen Mehrheitsverhältnissen zusammenhängen. Während die bürgerlich-liberale Koalition die Bundesregierung stellte, wurde der Bundesrat von sozialliberalen Kräften kontrolliert. Somit wurden bis zu einem gewissen Grad allgemeine politische Antithesen in konkrete, kriminalpolitische Auseinandersetzungen umgesetzt. Dieses Phänomen ist bei allen Phasen der Entwicklung der Gewinnabschöpfung besonders prägnant. Obwohl das auch als Zeichen einer funktionierenden Demokratie betrachtet werden kann, birgt dieses Durchsetzungsringen eine Missbrauchsgefahr zur Erreichung von kurzlebigen, parteipolitischen Zwecken. Nach der Gegenäußerung der Bundesregierung ist der Lösungsvorschlag des Bundesrates abzulehnen, denn er löse den Widerspruch nicht endgültig, sondern verschiebe das Problem lediglich in den Bereich des Verhältnisses der Anwendungsfälle des erweiterten Verfalls zu denjenigen des einfachen Verfalls.309 Die Infragestellung bezüglich der Höhe des einzuführenden erweiterten Verfalls gab der Bundesregierung mithin den Anlass, die Geltung des Bruttoprinzips für den gesamten Anwendungsbereich des Verfalls vorzuschlagen. Auf diese Weise sollte nicht nur der vom Bundesrat vorgebrachte Einwand ausgeräumt, sondern auch die Gewinnabschöpfung effektiver gestaltet werden. Mit dem Ende der 11. Legislaturperiode ist jedoch das Gesetzgebungsprojekt des erweiterten Verfalls und des Bruttoprinzips der Diskontinuität zum Opfer gefallen. BT-Drs. 11 / 6623, S. 11. s. die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, BTDrs. 11 / 6623, S. 13. 308 309

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3. Kap.: Die Wiederentdeckung der Gewinnabscho¨pfung

Die Einführung des Bruttoprinzips für den gesamten Anwendungsbereich des Verfalls wurde in der nächsten Legislaturperiode von dem geplanten erweiterten Verfall abgetrennt. Der erweiterte Verfall wurde ein wichtiger Bestandteil des bevorstehenden Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität (kurz: OrgKG). Das Bruttoprinzip auf der anderen Seite wurde in einem Gesetzesentwurf zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) angehängt. Die verschiedenen Entwürfe zu diesem Thema enthielten Änderungen des AWG zur effektiven Bekämpfung illegaler Waffen- und Rüstungsexporte. Vor dem Hintergrund des Ersten Irakkrieges handelte es sich dabei um Einschränkungen des Brief-, Postund Fernmeldegeheimnisses sowie um Verschärfung der bereits bestehenden Strafbestimmungen des AWG, damit außen- und sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik nicht gefährdet wurden. Das Bruttoprinzip wurde nur nebenbei geregelt. Obwohl es wieder zu einer Pattsituation zwischen den gesetzgebenden Organen kam, mit zahlreichen Entwürfen, Gegenentwürfen, Unterrichtungen und Beschlussempfehlungen der Fraktionen, des Bundesrates und der Bundesregierung310, bezog sich diese Auseinandersetzung auf die außenwirtschaftsgesetzlichen Regelungen. Die Einführung des Bruttoprinzips wurde bei all diesen Initiativen mit identischem Wortlaut vorgeschlagen. Im Art. 3 des AWG / StGBÄndG vom 28. 2. 1992311 wurde der Begriff „Vermögensvorteil“, der den Gegenstand des Verfalls in §§ 73 ff. StGB verkörperte, durch den Begriff „etwas“ ersetzt. Im § 73b StGB, in dem die Schätzungsmöglichkeit statuiert wurde und die Verwendung des Begriffs „etwas“ aus sprachtechnischen Gründen unmöglich war, wurde der Ausdruck „der Umfang des Erlangten und dessen Wert“ benutzt. Durch diese Änderung war ausdrücklich die Geltung des Bruttoprinzips beabsichtigt.312 Die gesetzgebenden Organe nahmen jedoch in ihren Äußerungen keine Stellung zum viel diskutierten Thema, ob durch die Einführung des Bruttoprinzips ein Wandel im Rechtscharakter des Verfalls vollzogen wird.

III. Das Nettoprinzip und die Rechtsnatur des Verfalls Bis zu dieser Novellierung regelte das Nettoprinzip die Berechnungsmethode der Verfallshöhe. Dieses Prinzip legte somit fest, wie der nicht völlig klare Begriff des Vermögensvorteils im § 73 Abs. 1 a.F. StGB in der Praxis anzuwenden war. Der Gesetzgeber hat hinsichtlich des Umfangs des „Vermögensvorteils“ geschwiegen und mithin die Auslegung dem Gesetzesanwender überlassen. 310 Die Anzahl der entsprechenden Materialien ist unübersichtlich: BT-Drs. 12 / 765, 12 / 899, 12 / 1134, 12 / 1202, 12 / 1475, 12 / 1952. 311 BGBl. I 1992, S. 372 ff. 312 s. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 12 / 1134.

E. Die Einführung des Bruttoprinzips

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Die Geltung des Nettoprinzips war allerdings nicht immer selbstverständlich. Die ältere Rechtsprechung berücksichtigte keine Aufwendungen und sonstige Kosten, die ein Täter bezüglich einer Straftat aufgebracht hat.313 Diese Ansicht knüpfte an die frühere Verfallserklärung des Bestechungslohns an (§ 335 StGB a.F.), die als eine strafähnliche Sanktion angesehen wurde. Deswegen vermochte diese Rechtsprechung keinen Einfluss zu nehmen auf die Handhabung der später eingeführten Verfallsvorschrift. Sowohl in der Theorie als auch in der Rechtsprechung wurde mithin eine Argumentation entwickelt, welche die Geltung des Nettoprinzips nahe legte. Bei einer Verfallsanordnung werde nur der Vermögensvorteil erfasst, d. h. der dem Täter sonst verbleibende Gewinn.314 Deshalb müssten von dem erzielten Erlös die dem Angeklagten entstandenen Unkosten abgezogen werden.315 Demnach kann als „Vermögensvorteil“ nicht jede Vermögensvermehrung verstanden werden, sondern nur diejenige, die sich aus einer Saldierung der Vermögenslage des Tatbeteiligten vor und nach der Tat ergibt. Somit stellt der Vorzug des Nettoprinzips nicht nur eine gerichtstechnische Entscheidung in Bezug auf die geeignete Methode zur Errechnung des abzuschöpfenden Betrags dar, sondern gleichzeitig auch eine bewusste Entscheidung der Rechtsprechung zur Zwecksetzung des Verfalls. Dessen Rechtsnatur war allerdings noch unter der Geltung des Nettoprinzips, zumindest in der Theorie, umstritten. Oft wurde dahingehend unterschieden, ob einerseits der Verfall aufgrund eines schuldhaften Handelns oder gegen einen Nichttatbeteiligten nach § 73 Abs. 4 StGB angeordnet wurde oder andererseits ob dem Verfall lediglich eine rechtswidrige Tat zugrunde lag. Im ersten Fall wurde dem Verfall eine Strafähnlichkeit und somit eine Nähe zur Strafeinziehung nach § 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB zuerkannt.316 Im zweiten Fall war von einer Maßnahme eigener Art die Rede, welche die „Nichttolerierung einer rechtswidrigen Vermögenslage durch den Staat“ bezweckte.317 Hinzu kam die oben analysierte theoretische Konstruktion Albin Esers von dem Gewinnverfall als einer „quasi-kondiktionellen Ausgleichsmaßnahme“.318 Der Ausgleichscharakter diente auch als eine Legitimationsgrundlage für das Nettoprinzip: wenn diese Maßnahme ausschließlich die Rückgängigmachung einer rechtswidrigen Vermögensverschiebung bezweckt, muss dem Täter nur derjenige Wert entzogen werden, um den er sich 313 RGSt 51, S. 87, 90; BGHSt 13, S. 328 ff., die als Gegenstand des Verfalls die Gesamtheit des Erlangten betrachteten. 314 So BGHSt 30, S. 46, 51. 315 Solche Unkosten sind bei Geschäften mit Betäubungsmitteln der Kaufpreis, Einfuhrumsatzsteuern, falls sie aufgrund des betreffenden Geschäfts geschuldet werden oder sonstige Steuern, dazu s. BGHSt 28, S. 369 ff. 316 Vgl. Arzt, NStZ 1990, S. 1, 5 (Fn. 30); Köhler / Beck, JZ 1991, S. 797, 798. 317 LK / Schmidt § 73, Rn. 9; Maurach / Gösel / Zipf, Strafrecht AT, Band 2, § 61, Rn. 15; Zipf, JuS 1974, S. 273, 279. 318 Schönke / Schröder / Eser, Vor § 73, Rn. 18.

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3. Kap.: Die Wiederentdeckung der Gewinnabscho¨pfung

bereicherte. Der Abzug der eigenen Aufwendungen war unerlässlich, um die ausgleichend-reparative Funktion des Verfalls zu wahren.

IV. Der Begriff von „etwas“ Ab dem 06. 03. 1992 gilt also die Bruttomethode, wonach nicht nur der nach Abzug der tätereigenen Aufwendungen errechnete Nettogewinn, sondern der dem Täter tatsächlich zugeflossene Bruttovermögenszuwachs abzuschöpfen ist.319 Die Kritik an der Gesetzesänderung setzt bereits bei der Begrifflichkeit an. Es wird bezweifelt, ob der Austausch des „Vermögensvorteils“ durch „etwas“ eine Aussage in Bezug auf eine Auslegung nach dem Netto- oder Bruttoprinzip enthält.320 In der Literatur wird z. B. die Auffassung vertreten, dass zum neuen Begriff auch immaterielle Werte zählen sollten.321 Andererseits wird kritisiert, dass dieser Begriff zu weit geht und auch vor dem Hintergrund des Bestimmtheitssatzes nicht hinreichend definiert ist. Die Tatsache, dass sich das Zivilrecht ebenfalls dieser Begrifflichkeit bediene322, stelle kein überzeugendes Argument dar, denn dies suggeriere eine Vergleichbarkeit beider Rechtsordnungen. Eine vorsichtige Betrachtung der Systematik und Zielrichtung der entsprechenden Vorschriften des Zivilrechts in Verbindung mit anderen Einordnungskriterien lasse den wahren Inhalt des Begriffs erkennen. Innerhalb des strafrechtlichen Systems, dem entsprechende Einordnungskriterien fremd seien, erscheine dieser Begriff „uferlos und nebelhaft“, so dass die gesamte Gesetzesänderung als eine Fehlleistung des Gesetzgebers anzusehen sei.323 Die Gegenansicht sieht in dieser Änderung eine angebrachte Lösung zur Verbesserung der Gewinnabschöpfung. Rechtstechnisch werde der Begriff „etwas“ innerhalb der Gesetzessystematik in Verbindung mit der ratio legis im Sinne des Bruttoprinzips verstanden. Aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung ergebe sich, dass von einer Verfallsanordnung lediglich Rechte und Gegenstände erfasst würden, so dass jeglicher Verfallsgegenstand einen Wert haben müsse, der sich in einem Geldbetrag ausdrücken lasse. Für die Erfassung immaterieller Werte bleibe somit kein Raum.324 NK / Herzog § 73, Rn. 11. Lackner / Kühl § 73, Rn. 4; Schönke / Schröder / Eser § 73, Rn. 17; NK / Herzog § 73, Rn. 12; Arzt, JZ 1993, S. 913, 914, (Fn. 9); Körner, NJW 1993, S. 233, 234; a.A.: Katholnigg, JR 1994, S. 353, 356. 321 So Göhler, wistra 1992, S. 133, 136. 322 § 812 Abs. 1 S. 1 BGB: „Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet.“ 323 So Göhler, wistra 1992, S. 133, 135; so auch NK / Herzog § 73, Rn. 14, der zu Recht die Unvereinbarkeit des Bruttoverfalls mit den Grundsätzen des Schuldstrafrechts hervorhebt; ähnlich Lackner / Kühl § 73, Rn. 4b. 319 320

E. Die Einführung des Bruttoprinzips

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Es wurde auch die These aufgestellt, dass dieses „etwas“ nicht zwangsläufig das Bruttoprinzip postuliert, sondern, dass dies immer noch im Sinne eines reinen Vermögenszuwachses zu verstehen ist.325 Nach einer anderen Meinung verbiete jedoch der ausdrückliche gesetzgeberische Wille eine solche Auslegung.326 Es ist nicht zu bezweifeln, dass der Begriff von „etwas“ keine sprachliche Auszeichnung des Gesetzgebers verdient.327 Das Argument, im Rückgriff auf das Sprachverständnis von Laien, dieser Begriff sei in der deutschen Sprache so üblich und passe daher ohne weiteres auch zu einem Gesetz,328 ist ebenso wenig überzeugend. Die juristische Sprache misst sich natürlich an ihre Verständlichkeit durch Nicht-Juristen; das besagt aber bei weitem nicht, dass alle in der Alltagssprache verwendeten Begriffe für die Gesetzgebung tauglich sind. Andererseits verkennt die Behauptung, durch den Begriff „etwas“ würden auch immaterielle Werte erfasst, die Tatsache, dass sich der Verfall vom Sinn her ausschließlich auf messbare Vermögenspositionen beziehen kann.329 Wollte man die gesetzgeberische Wahl beurteilen, würde man zum Schluss kommen, dass der Begriff „etwas“ keine Klarheit schafft. Seine Bestimmtheit lässt sich nur in Verbindung mit den entsprechenden Gesetzesmaterialien ermitteln. Angesichts dieses theoretischen Wirrwarrs wäre es vielleicht sinnvoller, jeweils den Abschöpfungsgegenstand gesetzlich zu definieren und somit an ein bestimmtes Berechnungsprinzip schon im Gesetzestext festzuhalten. Das würde zur notwendigen Klarstellung beitragen, nicht nur bezüglich der anzuwendenden Berechnungsmethode, sondern auch im Hinblick auf die Rechtsnatur des Verfalls.

V. Die Gründe für die Einführung des Bruttoprinzips Zur Einführung des Bruttoprinzips sah sich der Gesetzgeber einerseits aus prozesstechnischen Gründen veranlasst. Die Verpflichtung des Tatrichters, bei jeder Verfallsanordnung neben dem Wert des kriminell erlangten Vermögens, die Kosten des Täters zu ermitteln, hatte ihn sachlich und zeitlich überfordert.330 Die Schätzungsmöglichkeit des § 73b StGB, die sich auch auf die Aufwendungen des Täters erstreckte, leistete keine besondere Abhilfe, wenn man bedenkt, dass der Richter, um das Urteil revisionsfest zu gestalten, alle Beweismittel ausSo Katholnigg, JR 1994, S. 353, 356. Göhler, wistra 1992, S. 133, 136. 326 Lackner / Kühl § 73 Rn. 4. 327 So auch Krey / Dierlamm, JR 1992, S. 353, 357, die die unschöne und sehr vage Formulierung „etwas“ bedauerlich finden, obwohl sie aber zugeben, dass sie keinen besseren Vorschlag hätten und die Gesetzesänderung als kriminalpolitisch sachgerecht betrachten. 328 Wolters, die Neufassung der strafrechtlichen Verfallsvorschrift, S. 44. 329 So auch BGH NStZ 1994, S. 123, 124. 330 Vgl. Weßlau, StV 1991, S. 226, 228. 324 325

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schöpfen und die Schätzungsgrundlagen im Tenor angeben musste.331 Vor dem Hintergrund dieser Unzulänglichkeiten wandte der Richter den § 430 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 442 Abs. 1 StPO an, der die Beschränkung auf die sonstigen Rechtsfolgen zuließ, wenn die Verfallsanordnung einen unangemessenen Aufwand erforderte oder die Herbeiführung der Entscheidung über die anderen Rechtsfolgen unangemessen erschwerte. Das Nettoprinzip wurde somit auch in der Literatur als ein sehr wichtiger Grund für die Nichtanwendbarkeit des Verfalls angeführt.332 Neben diesen prozesstechnischen Gründen wurde vom Gesetzgeber die materielle Bedenklichkeit des Nettoverfalls gerügt. Die Gesamtsystematik der Rechtsordnung stelle eine zusätzliche Grundlage für die Einführung des Bruttoprinzips dar.333 In der Änderungsbegründung wurde auf Grundsätze der zivilrechtlichen ungerechtfertigten Bereicherung abgestellt. Im Hintergrund der angenommenen Kondiktionsähnlichkeit des strafrechtlichen Verfalls solle er mit den entsprechenden bereicherungsrechtlichen Postulaten zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen abgestimmt sein. Somit wurde der Kondiktionsausschluss des § 817 S. 2 BGB auf den strafrechtlichen Verfall übertragen: wie dem Leistenden der Rechtsschutz verweigert werde, wenn er gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen habe334, müsse auch der Täter, der für die Tatbegehung Kosten gemacht habe, das Risiko seines strafbaren Handelns tragen. Darüber hinaus berief sich der Gesetzgeber bei der Änderungsbegründung ebenso auf eine vermeintliche Tendenz des BGH, vom Nettoprinzip zum Bruttoprinzip überzugehen. Dass die Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe die Gesetzgebung zu beeinflussen vermag, ist nicht anzuzweifeln. Es macht aber einen qualitativen Unterschied, eine Gesetzesänderung, die vor allem eine strafrechtliche Verschärfung darstellt, auf „gewisse Tendenzen in der Rechtsprechung“ zurückzuführen.335 Das ist umso schwerwiegender, weil eine genauere Betrachtung der in der Änderungsbegründung angegebenen Entscheidung keine wahre Tendenz des Übergangs vom Netto- auf das Bruttoprinzip erkennen lässt.336 Der BGH ging von der Geltung des Nettoprinzips aus, wonach „die dem Angeklagten entstandenen Unkosten von dem erzielten Erlös abgezogen werden müssten“. Nur in einem obiter dictum 331 So auch Eberbach NStZ 1987, S. 486, 491 der betont, dass der Beschuldigte durch Verweigerung seiner Mitarbeit bei der Gewinnermittlung die Verfallsanordnung verhindern kann. 332 Herzog, KJ 1987, S. 321, 324; Katholnigg, JR 1994, S. 353 ff. rügt den Zwang zur Bilanz der Nettogewinne; Hoyer, GA 1993, S. 406, 408; Dessecker, Gewinnabschöpfung, S. 13. 333 BT-Drs. 12 / 1134, S. 12. 334 MK / Lieb § 817 BGB, Rn. 9; Palandt / Sprau, § 817 BGB, Rn. 11 ff. 335 BT-Drs. 12 / 1134, S. 12. 336 BGHSt 36, S. 251, 252; so Franzheim, FS für Gaul, S. 135, 144; a.A. Wolters, die Neufassung der strafrechtlichen Vorschrift, S. 38; Hassemer, WM 1995, Sonderb. 3, S. 3, 9.

E. Die Einführung des Bruttoprinzips

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wurde die Möglichkeit in Erwägung gezogen, den Verfall auf den gesamten „unmittelbaren Gewinn“ zu erstrecken und damit sämtliche Kosten unberücksichtigt zu lassen.337 Dieses Urteil statuierte eine Ausnahme vom Nettoprinzip, wenn aufgrund der Zugehörigkeit des Täters zu einer kriminellen Organisation auszuschließen ist, dass er selbst die Kosten hätte tragen müssen. Um die Aufwendungen des Täters abziehen zu können, musste der Täter selbst sie getragen haben. Bei kriminellen Organisationen fallen in der Regel solche Kosten wie der Kaufpreis von Gütern, mit denen rechtswidrig gehandelt wurde (wie z. B. Betäubungsmittel), nicht auf einen einzelnen Täter, der bloß als Vermittler tätig wird. Dabei hat der BGH einen zugegebenermaßen feinen Versuch unternommen, nicht das Nettoprinzip zu vermeiden, sondern seine Anwendungsvoraussetzungen je nach den Bedürfnissen von speziell gelagerten Fällen neu zu bestimmen. Dieses Urteil stellte somit eine Auseinandersetzung mit dem Begriff des „Vermögensvorteils“ dar, dessen Bedeutungsumfang angesichts neuer Begehungsweisen und Kriminalitätsaspekte revidiert werden sollte. Der BGH hat dadurch keine Zweifel an der Herleitung des Nettoprinzips von dem Begriff des „Vermögensvorteils“ geäußert.338 Zur Rechtfertigung des Bruttoprinzips wurde auch das Argument angeführt, dass seine Einführung für den Verfall die unterschiedlichen Maßstäbe korrigiert, die bislang jeweils für Verfall und Einziehung galten.339 Dabei wird jedoch nicht nur der unterschiedliche materielle Gegenstand, sondern vor allem die Zielrichtung des jeweiligen Rechtsinstituts übersehen. Während die Einziehung entweder einen Strafcharakter oder eine Sicherungsfunktion hat, stellte der Verfall nach herrschender Lehre nur eine Ausgleichsmaßnahme eigener Art ohne pönale Zwecksetzung dar.

VI. Das Bruttoprinzip und die Rechtsnatur des Verfalls Nach Einführung des Bruttoprinzips lebte somit die Diskussion um den Rechtscharakter des Verfalls wieder auf. Die Anwendung des Bruttoprinzips führt dazu, dass dem Täter mehr entzogen wird als er tatsächlich durch die Tat oder aus ihr erlangt hat. Der Charakter des Bruttoverfalls als eine „quasi-kondiktionelle Ausgleichsmaßnahme“ eigener Art wird somit in Frage gestellt. Der Ausgleichscharakter in der Form der WiederherBGHSt 36, S. 251, 252. Wolters, Die Neufassung der strafrechtlichen Vorschrift, S. 41, kritisiert, dass der BGH die innere dogmatische Struktur der Verfallsvorschriften vernachlässigt hat, sieht allerdings in diesem Urteil eine faktische Anwendung des Bruttoprinzips. 339 Katholnigg, JR 1994, S. 353, 356. 337 338

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3. Kap.: Die Wiederentdeckung der Gewinnabscho¨pfung

stellung der gestörten Vermögensordnung findet sich dort nicht wieder, wo die Gesamtheit des Erlangten ohne Berücksichtigung der Passiva, auch bei nicht volldeliktischem Handeln, abgeschöpft wird. Somit kann die Abschöpfung des den Nettogewinn übersteigenden Betrags ein gegen den Täter selbst gerichtetes und tatvergeltendes Übel bzw. eine strafähnliche Sanktion darstellen.340 Denn der Tatbeteiligte muss ebenfalls mit einer Verfallsanordnung rechnen, wenn er keinen Vorteil gezogen hat oder sogar rechnerisch einen Nachteil erleiden musste.341 Dieser Nachteil ist abhängig von der Höhe der gemachten Aufwendungen. Je höher die Kosten, die der Täter zur Tatbegehung aufgebracht hat, desto höher fällt der pönale Teil des Verfalls aus.342 Dadurch wird in der Literatur teilweise eine Parallele zur Strafeinziehung des § 74 Abs. 2 S. 1 StGB oder der Dritteinziehung des § 74a StGB gezogen.343 Andererseits wird der Einwand erhoben, dass die Bezeichnung einer Maßnahme als strafähnlich und die daraus gezogene Schlussfolgerung, das Schuldprinzip müsse bei gegebener Strafähnlichkeit beachtet werden, voreilig seien.344 Einigkeit besteht jedoch darüber, dass die Beurteilung der Rechtsnatur einer strafrechtlichen Maßnahme anhand materiellrechtlicher Kriterien vorgenommen werden soll. Auf die Diskussion, unter welchen Voraussetzungen eine Maßnahme eine Strafe oder eine strafähnliche Sanktion darstellt, wird vorliegend nicht eingegangen.345 Soviel steht aber fest: Für das Merkmal der Strafähnlichkeit ist maßgebend, ob die zu prüfende Maßnahme in ihrer Wirkung und Zielsetzung einer Strafe gleichkommt. Die Bejahung der Strafähnlichkeit beruht somit nicht nur auf dem faktischen Übel eines Bruttoverfalls346, sondern auch auf der Intention der Übelszufügung aufgrund eines vergangenen Verhaltens347. 340 So auch Fischer § 73, Rn. 2; SK / Horn § 73, Rn. 5, 7 der im Bruttoverfall eine „originäre Vermögenswertverschiebung vom Verfallsbetroffenen auf den Staat“ sieht; Schönke / Schröder / Eser § 73, Rn. 17 ff.; Hellmann, GA 1997, S. 503, 521; NK / Herzog § 73, Rn. 13; Weßlau, StV 1991, S. 226, 231; Meyer, ZRP 1990, S. 85, 89; Dessecker, Gewinnabschöpfung, S. 362; Faure, FS für Eser, S. 1311, 1325; Hoyer, GA 1993, S. 406, 421; Lackner / Kühl § 73, Rn. 4b; Perron, JZ 1993, S. 918 ff.; Kilchling, wistra 2000, S. 241 ff.; Dannert, Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Eigentumsentziehungen zur Verfolgung und Verhinderung von Straftaten, S. 28, 30; Köhler / Beck, JZ 1991, S. 797, 799; Hassemer, WM 1995, Sonderb. 3, S. 3, 13; Geiger, Die Rechtsnatur der Sanktion, S. 307; a.M.: LK / Schmidt § 73, Rn. 10 ff.; Wolters, Die Neufassung der strafrechtlichen Verfallsvorschrift, S. 51 ff.; BGH, NJW 1995, S. 2235. 341 Hoyer, GA 1993, S. 406, 414. 342 Franzheim, FS für Gaul 1992, S. 135, 143. 343 So Dessecker, Gewinnabschöpfung, S. 362. 344 Wolters, Die Neufassung der strafrechtlichen Verfallsvorschrift, S. 51, 54. 345 Dazu sehr ausführlich Berg, Beweiserleichterungen bei der Gewinnabschöpfung, S. 140 ff. 346 Was als Ausgangspunkt für den Strafcharakter einer Maßnahme sein kann und fast allen staatlichen Eingriffen immanent ist, s. BVerfGE 19, S. 342, 347; BVerfGE 35, S. 311, 320.

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Kommt allerdings dem Verfall ein strafähnlicher Charakter zu, stößt die Anwendung des Bruttoprinzips in der Praxis auf verfassungsrechtliche Bedenken. Diese beziehen sich vor allem auf das Schuldprinzip und die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG). Bislang war der Verfall nicht als eine Sanktion mit Strafzwecken konzipiert, so dass seine Anwendung nicht an den entsprechenden rechtsstaatlichen Grundsätzen zu messen war. Eine Strafähnlichkeit des Bruttoverfalls kann somit die Verletzung des Schuldprinzips bewirken. Denn Strafen und strafähnliche Maßnahmen setzen das Vorliegen der Schuld voraus, während die neue Regelung auch bei „nur“ rechtswidrigem Verhalten verhängt werden kann. Wenn also der Bruttoverfall eine strafähnliche Maßnahme ist, sollte die Schuld als eine Anwendungsvoraussetzung vorgeschrieben sein. In Verbindung mit dem obligatorischen Charakter des Verfalls kann es somit zu Konstellationen kommen, in denen die strafähnliche Sanktion des Bruttoverfalls einer schuldlos handelnden Person auferlegt wird. Aber auch bei schuldhaften Taten wird das Schuldprinzip dahingehend verletzt, dass die Verfallsanordnung keinen Eingang in die gesamte Strafzumessung findet.348 Die Einführung des Bruttoprinzips lässt sich auch nicht im Hinblick auf einen eventuellen Maßregelcharakter des Verfalls rechtfertigen. Zu den Anordnungsvoraussetzungen solcher Maßregeln zählt die Gefährlichkeit eines Verhaltens zur Schädigung von Rechtsgütern.349 Der Verfall sollte nach seiner neuen präventiven Nuancierung nebenbei auch der Reinvestition des kriminell Erlangten in verbotene Geschäfte entgegenwirken. Diese Zielsetzung reicht aber nicht bis an den Punkt, die Gefahr der Investition des Erlöses in strafbare Aktivitäten als Anwendungsvoraussetzung zu qualifizieren.350 Für einen Vergleich des Bruttoverfalls mit zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen bleibt ebenso wenig Raum. Denn das Schadensersatzrecht bezweckt den Ausgleich eines konkret eingetretenen Schadens, also eine Art Wiederherstellung der vorherigen Situation; d. h. Vermögenspositionen, die der Geschädigte anlässlich des Schadens erworben hat, werden bei der Festsetzung des Schadensumfangs berücksichtigt und dementsprechend abgezogen. Das eingeführte Bruttoprinzip geht aber einen Schritt weiter, denn es zielt auf eine Schadensüberkompensation ab. Im Rahmen des Bruttoprinzips spielt nur die Vermögensbewegung von 347 So Frister, Schuldprinzip, Verbot der Verdachtsstrafe und Unschuldsvermutung als materielle Grundprinzipien des Strafrechts, S. 16. 348 So auch Eser, FS für Stree / Wessels, S. 833, 844, der einerseits dabei einen Verstoß sieht, der mit keiner verfassungskonformen Auslegung vereinbar wäre, an anderer Stelle jedoch diesen Übergang vom Netto- zum Bruttoprinzip als wünschenswert bezeichnet, S. 853; Dessecker, Gewinnabschöpfung, S. 362 dagegen sieht die Umstellung in eine Erlösabschöpfung mit einer strafähnlichen Natur als sachgerecht an, aber nur wenn ihre Anordnung einen fakultativen Charakter hätte. 349 NK / Böllinger / Pollähne, § 61, Rn. 17; SK / Horn § 61, Rd. 2; MK / Van Gemmeren, § 61, Rn. 3. 350 So Lackner / Kühl § 73, Rn. 4b; LK / Schmidt § 73, Rn. 8.

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3. Kap.: Die Wiederentdeckung der Gewinnabscho¨pfung

der Allgemeinheit / dem Opfer zum Täter eine Rolle; die umgekehrte Richtung, also Vermögensverschiebungen zugunsten des Staates, die z. B. in der Form von erhobenen Steuern vom Täter geleistet werden, findet dabei keine Beachtung.351 Zur Korrektur dieses dogmatischen Problems wurde eine einschränkende Interpretation des § 73 Abs. 1 StGB vorgeschlagen, so dass der Bruttoverfall ausschließlich bei schuldhaftem Verhalten zulässig wäre. Liegt lediglich eine rechtswidrige Straftat vor, kann der Tatrichter das Vorliegen einer unbilligen Härte (§ 73c StGB) bejahen und somit den Verfall auf den Nettogewinn beschränken.352 Neben dieser Forderung, die seitens der Richter eine gewagte einschränkende Interpretation des Bruttoverfalls verlangt, wird bei der Ermittlung des Erlangten die Berücksichtigung solcher mittelbarer Aufwendungen des Täters vorgeschlagen wie z. B. im Fall von Steuern, die auch den eigentlich Berechtigten getroffen hätten.353

VII. Die Stellung der Rechtsprechung Trotz der Bedenken innerhalb der Theorie hinsichtlich des strafähnlichen Charakters des Verfalls, werden diese Bedenken von der Rechtsprechung nicht geteilt.354 Dieser diene immer noch der Gewinnabschöpfung und damit dem Ausgleich unrechtmäßiger Vermögensverschiebungen. Dieser Zweck bestimme auch seine Rechtsnatur.355 Dass der Verfall keine Strafe oder strafähnliche Maßnahme sei, ergebe sich „aus dem objektivierten Willen des Gesetzgebers, der systematischen Stellung sowie dem Wortlaut der Vorschrift und den dazugehörigen verfahrensrechtlichen Vorschriften“.356 Der objektivierte Wille des Gesetzgebers wird auf diese Weise in den entsprechenden Urteilen „subjektiviert“: bei den Verfallsvorschriften solle es sich demgemäss nicht um eine Strafe handeln, sondern „um die Beseitigung eines rechtswidrigen Zustands, der durch eine Straftat ausgelöst worden ist“.357 Zunächst werden dogmatische Gesichtspunkte angeführt, die mit 351 Hoyer, GA 1993, S. 406, 415; zur Berücksichtigung von Steuer- und Entgeltzahlungen nach der Einführung des Bruttoprinzips s. auch: Odenthal, wistra 2002, S. 246 ff. 352 Hoyer, GA 1993, S. 406, 422; ähnlich Schönke / Schröder / Eser, Vor § 73, Rn. 73. 353 So NK / Herzog, § 73, Rn. 14 im Anschluss an die früher herrschende Meinung, s. z. B. BGHSt 28, S. 369 ff. 354 BGH, NStZ 1994, S. 123 ff.; BGH NJW 1995, S. 2235, 2236; BGH NJW 2002, S. 2257, 2258; BGH NStZ 2001, S. 312 ff.; BGHSt 47, S. 369, 376.; ähnlich auch BVerfG NJW 2004, S. 2073 ff.; in der Kommentarliteratur wird diese Auffassung nur von LK / Schmidt § 73, Rn. 7, 11 vertreten. 355 BGH, NJW 1995, S. 2235; Katholnigg, JR 1994, S. 353, 354; Krey / Dierlamm, JR 1992, S. 353, 357. 356 BGHSt 47, S. 369, 373. 357 So der Rechtsausschuss des Bundestages in seinem einschlägigen Bericht, s. BT-Dr. 12 / 2720, S. 42.

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den Anwendungsmodalitäten des Verfalls zusammenhängen, wie z. B., dass seine Anordnung keine Schuld voraussetze und auch gegen Drittbegünstigte möglich sei. Zudem könne der Verfall selbständig nach § 76a StGB im Rahmen eines objektiven Verfahrens nach § 442 i. V. m. § 440 StPO verhängt werden. Letztlich sei der Verfall nicht im Titel „Strafen“ des StGB eingeordnet. Geregelt werde er zusammen mit der Einziehung in einem eigenen Kapitel.358 Bei dem Versuch der Ermittlung der wahren Rechtsnatur des Verfalls kommt der BGH zum folgenden Ergebnis: neben den Gründen, die den Gesetzgeber zur Einführung des Bruttoprinzips veranlasst haben (Schwierigkeiten bei den Ermittlungen der tätereigenen Aufwendungen, Vermeidung von Wertungswidersprüchen mit dem Zivilrecht), wird auch ein Präventionszweck lokalisiert. Nur durch den Entzug der Gesamterträge ohne Abzug jeglicher Eigenaufwendungen werde die Tatbegehung ein unter finanziellen Gesichtspunkten erhebliches Risiko für den Täter darstellen. Das Bruttoprinzip werde somit deswegen legitimiert, weil dadurch kommuniziert werde, dass die Täter einen wirtschaftlichen Nachteil erleiden müssen. Verknüpft wird dieser Abschreckungsgedanke sogar mit dem Grundsatz der Rechtsschutzverweigerung, der im § 817 Abs. 2 BGB enthalten ist. Die Legitimationsgrundlage für diesen wirtschaftlichen Nachteil sei in der Herkunft des betroffenen Vermögens zu suchen. Der den tatsächlichen Nettogewinn übersteigende Betrag, der die Kosten und Aufwendungen des Täters ausmache, sei durch vorausgegangene rechtswidrige Taten bemakelt. Beim Entzug bemakelten Vermögens gehe es, nach dem BGH, nicht um Schuldausgleich, sondern um vorrangig präventive Erwägungen: da die Schuld nicht vorausgesetzt werde, werde dem Täter kein sozialethisches Fehlverhalten vorgeworfen.359 Denn der Gesetzgeber lasse eine lediglich rechtswidrige Tat zur Verfallsanordnung genügen. Der Rechtsprechung des BGH liegt folgendes Schema zugrunde: Wo keine Schuld vorliege, werde kein Schuldausgleich verfolgt und wo kein Schuldausgleich sei, könne nicht von einer Strafe oder von einer strafähnlichen Maßnahme gesprochen werden. Wenn es aber dabei um keine Strafe gehe, gelte das Schuldprinzip auch nicht.360 Um dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Rechnung zu tragen, werde dem Tatrichter durch die Härteregelung das Absehen vom Verfall oder die Einschränkung der Höhe des Verfalls ermöglicht. Lehne das Gericht rechtsfehlerfrei das Vorliegen ihrer Voraussetzungen ab, dürften jegliche gewinnmindernde Umstände nicht auf der Ebene der Bemessung der Strafe Berücksichtigung finden.361 BGHSt 47, S. 369, 373. BGHSt 47, S. 369, 375. Auf die Frage, warum der Entzug nicht rechtswidrig erworbenen, jedoch in eine Straftat verwickelten Vermögens keine Repression darstellt, geht der BGH gar nicht ein, das wird apodiktisch nur erwähnt. 360 Dieses Prinzip ist bekanntlich nur für Rechtsfolgen mit Strafzwecken anwendbar, s. BVerfGE 91, S. 1, 27. 361 BGH NStZ 2001, S. 312 f. 358 359

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3. Kap.: Die Wiederentdeckung der Gewinnabscho¨pfung

Um das Bruttoprinzip beim erweiterten Verfall zu rechtfertigen, wird zudem angeführt, dass die Vermögenswerte, welche der Täter zur Tatbegehung früherer Straftaten aufgewendet hat, als instrumenta sceleris der Einziehung nach § 74 StGB unterlagen, während der Nettogewinn den Verfallsgegenstand bildete. Wenn man das einschlägige Urteil richtig versteht, dient der Bruttoverfall in dem den Nettoerlös übersteigenden Teil als ein Korrektiv zur Wiederherstellung des Zustands, der rechtmäßig bestünde, wenn der Täter zuvor strafrechtlich verfolgt worden wäre. Es wäre mit einer auf Schuldausgleich abzielenden Strafbemessung unvereinbar, einen Angeklagten nur deshalb zu begünstigen, weil ihn einige Folgen früherer Straftaten treffen, für die er aber ansonsten nicht zur Rechenschaft gezogen wird.362 Der BGH verneint auch einen Eingriff in die Eigentumsrechte des durch den Verfall Betroffenen. Denn diese Vermögenspositionen haben aufgrund ihrer Verwicklung in verbotene Handlungen den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts verlassen. Die Gesamtheit dieser Vermögenswerte sei, wie schon erläutert, als bemakelt anzusehen. Angesichts der Befugnis des Gesetzgebers, den genauen Inhalt sowie die Schranken des Eigentums zu bestimmen (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG) und im Hinblick auf die Verfallszwecke, solle die Grenze eines verfassungskonformen Eingriffs nicht als überschritten gelten.363

VIII. Kritik Um die von der Literatur gerügte Strafähnlichkeit des Bruttoverfalls abzulehnen, verweist der BGH zuerst auf den objektivierten Willen des Gesetzgebers. Der gesetzgeberische Wille erstreckt sich allerdings auf die Einführung des Abzugsverbots für tätereigene Aufwendungen; sowohl die Gesetzesbegründung als auch die sonstige Historie des gesetzgeberischen Vorhabens liefern keine Anhaltspunkte für die Ermittlung der Rechtsnatur des Verfalls. Es ist zutreffend, dass der Gesetzgeber den Bruttoverfall hauptsächlich zum Zwecke der Sicherungs- und Abschreckungsprävention der Gewinnabschöpfung einführen wollte. Das besagt aber nichts über einen möglichen Wandel seines Rechtscharakters. Der Gesetzesgeber wollte offensichtlich die Antwort darauf dem Gesetzesanwender überlassen. Wie den Urteilen des BGH jedoch zu entnehmen ist, scheint, sich der Gesetzesanwender vor einer Auseinandersetzung mit diesem Thema zu scheuen. Die Vermeidung von Wertungswidersprüchen mit den bereicherungsrechtlichen Vorschriften des Zivilrechts sowie die Idee der Rechtsschutzverweigerung, welche der § 817 S. 2 BGB verkörpert, werden auch unter einem falschen Licht interpretiert. Denn aus einer Gesamtbetrachtung der zivilrechtlichen Bereicherungsvorschriften heraus ergibt sich, dass bei diesen Regelungen stets ein „Vermögensvor362 363

BGH NJW 1995, S. 2235, 2236. BGHSt 47, S. 369, 376 in Rückgriff auf BVerfGE 22, S. 387, 422.

E. Die Einführung des Bruttoprinzips

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teil“ im engeren Sinne, also ein reiner Nettogewinn, geschuldet wird. Ziel der Kondiktion ist es nicht, demjenigen, gegen den sie sich richtet, einen seinen Gewinn übersteigenden Schaden in Form einer Sanktion zuzufügen, sondern die ohne einen gültigen Rechtsgrund stattgefundene Vermögensverschiebung rückgängig zu machen.364 Ein zusätzlicher Einwand gegen den Rückgriff auf den Rechtsgedanken des § 817 S. 2 BGB, der selbst nicht ganz unumstritten ist365, bezieht sich allerdings auf seine Übertragbarkeit auf den Verfall. Dieser Rechtssatz statuiert eine Rechtsschutzverweigerung, die darauf beruht, dass sich eine Person außerhalb der Rechtsordnung gestellt hat. Aus diesem Grund soll er keinen Rechtsschutz bezüglich der Rückabwicklung verbotener Geschäfte beanspruchen dürfen. Das bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass der Staat, der seinen Rechtsschutz in solchen Fällen verweigert, berechtigt ist, sich die erbrachten Eigenaufwendungen anzueignen. Der Kondiktionsausschluss wegen Gesetz- oder Sittenwidrigkeit versagt in den Verhältnissen der Bürger zueinander die staatliche Hilfe. Er bietet jedoch nicht ohne Weiteres eine gesetzliche Grundlage zur Abschöpfung jeglicher von der Rechtsordnung nicht geschützter Vermögenswerte. Sowohl die genaue Zielsetzung als auch der Inhalt dieser Norm wurden vom Gesetzgeber und von der Rechtsprechung missverstanden.366 Der Ausgleichscharakter des Verfalls wird somit verlassen. Zur Unterstützung seiner Auffassung, die Rechtsnatur des Verfalls habe sich durch das Bruttoprinzip nicht geändert, bedient sich der BGH einer widersprüchlichen und apodiktischen Argumentation. Gegen das Argument, der Verfall sei eine strafähnliche Maßnahme, wird vorgeführt, dass dem Täter auf diese Weise das Risiko seiner Straftat und somit mögliche wirtschaftliche Nachteile aufzubürden seien. Der BGH unternimmt auf diese Weise eine Risikozuweisung zu Lasten des Täters, die sich durch den Bruttoverfall realisiert und nur angesichts eines strafrechtlichen Vorwurfs zu legitimieren wäre. Diese Risikozuteilung, die aufgrund der Verwicklung des Tätervermögens in Straftaten, also wegen seiner bemakelten Herkunft, erfolgt, kommt aber einem sozialethischen Vorwurf gleich, so dass die entsprechende Übelszufügung von dem Betroffenen als repressiv empfunden wird. Der Widerspruch liegt gerade darin, dass einerseits dem Verfall jegliche Strafzwecke abgesprochen werden, andererseits aber auf die zweckhafte Dimension des Verfallsrechts abgestellt wird, dem Betroffenen, „das Risiko seines strafbaren Handelns aufzubürden“.367 Als repressiv wird aber der Bruttoverfall manchmal selbst vom BGH wahrgenommen, wie z. B. wenn der den Nettogewinn übersteigende Betrag bei Anord364 365 366 367

Ausführlich dazu Geiger, Die Rechtsnatur der Sanktion, S. 304 ff. MK BGB / Lieb § 817, Rn. 9. NK / Herzog, § 73, Rn. 13. BGHSt 47, S. 369, 374.

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3. Kap.: Die Wiederentdeckung der Gewinnabscho¨pfung

nung des erweiterten Verfalls als ein Einziehungsgegenstand konzipiert wird.368 In dem einschlägigen Urteil wird dieser Widerspruch noch eminenter: durch den Verfall werde der Ausgleich und eine Art Prävention bezweckt, deswegen sei er keine Strafe; andererseits sei in ihm auch eine Art Einziehung der Täteraufwendungen enthalten, die ohne Zweifel einen Strafcharakter besitze. Somit wird wiederum auf eine zweckhafte Dimension des Verfalls abgestellt, der auf diese Weise keinesfalls frei von Strafzweckgedanken ist.369 Dem Täter werden mit anderen Worten Vermögenswerte entzogen, nur weil er ein Täter ist. Dogmatisch gesehen wird durch diesen Verfall ein repressiver Zweck verfolgt. Aufgrund der besonderen Betonung von präventiven Zielsetzungen und deren Vermengung mit sonstigen Zwecken erweist es sich letztendlich als äußerst schwer, Repression von Prävention klar zu trennen. Zudem ist diese Argumentation apodiktisch, weil sie auf die formellen Voraussetzungen des Verfalls abstellt, um sich ein Urteil über dessen Rechtsnatur zu machen: der Verfall setze keine Schuld voraus, deswegen sei er keine strafähnliche Maßnahme. Das bedeutet jedoch einen zirkulären Gedankengang: gerade die Schuldunabhängigkeit des Verfalls könnte einen Verstoß gegen das Schuldprinzip darstellen, würde sich die Strafähnlichkeit des Bruttoverfalls erweisen. Der Zirkelschluss liegt somit darin, dass nicht der Frage nachgegangen wird, welcher Rechtscharakter dem faktischen Bruttoverfall zukommt; stattdessen wird versucht, aus den Anwendungsvoraussetzungen heraus den Rechtscharakter zu rekonstruieren. Um die wahren Grenzen und Eigenschaften eines Rechtsinstituts zu ermitteln, sollte man es jedoch unabhängig vom jeweiligen normativen System, zu dem es gehört, also von außen her, betrachten. Es sind nicht die Voraussetzungen einer Sanktion, sondern die in ihr enthaltene Wirkung und Intention, die ihren Rechtscharakter bestimmen.370 Könnte der Gesetzgeber durch die Bezeichnung von Maßnahmen als Strafen ihren Charakter verbindlich festschreiben, würde dies eine Aushöhlung der rechtsstaatlichen Prinzipien des Schuldgrundsatzes sowie der Unschuldsvermutung bedeuten; denn diese würden sich lediglich nur auf diejenigen Sanktionen erstrecken, die im technischen Sinne, innerhalb ihrer materiellrechtlichen Anwendungsvoraussetzungen, als Strafen qualifiziert würden. Ein solches Verständnis würde jedoch dem Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnen, die Geltung von Grundrechten bei der Anwendung verschiedener Sanktionen durch die beliebige Vergabe von Etiketten auf verfassungswidrige Weise fernzuhalten. Die Berücksichtigung des Übermaßverbots im Rahmen der Härtefallregelung mag vielleicht eine Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung darstellen, eine saubere Lösung ist es jedoch keinesfalls. Denn es erscheint dogmatisch bedenklich, die Entscheidung über eine strafähnliche Sanktion, die sich in die 368 369 370

Vgl. die Ausführungen im BGH, NJW 1995, S. 2235, 2236. So Lackner / Kühl § 73, Rn. 4b. Wolters, Die Neufassung der strafrechtlichen Vorschrift, S. 58 ff.

E. Die Einführung des Bruttoprinzips

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Grauzone der Rechtsstaatlichkeit begibt, als eine Opportunitätsentscheidung zu gestalten. Die Regelung über das Bruttoprinzip und die dadurch geschaffene, verkappte Strafe bewirkt somit die Umgehung rechtsstaatlicher Prinzipien und ihre Umwandlung in Billigkeitsgesichtspunkte, die der Tatrichter angesichts seiner Entscheidungsspielräume berücksichtigen kann oder nicht.371 Die dogmatische Inkonsequenz der BGH-Argumentation erweckt letztlich den Verdacht, dass die Rechtsprechung, überzeugt von dem Bedürfnis, im Kampf gegen die organisierte Kriminalität rigide vorzugehen, der Gesetzesänderung nur eine juristische Abdeckung anbieten wollte. Nur auf diese Weise lassen sich die dogmatischen Ungenauigkeiten und Zirkelschlüsse erklären.

IX. Ergebnis Der Bruttoverfall stellt somit keine quasi-kondiktionelle Ausgleichsmaßnahme mehr dar. Der über den Nettogewinn hinausgehende Betrag verleiht diesem Verfall einen pönalen Charakter; somit ist der gesamte Charakter der Maßnahme strafähnlich. Problematisch dabei ist aber, dass der Verfall dogmatisch nicht als eine Strafe behandelt wird, so dass in der Praxis rechtsstaatliche Prinzipien völlig desavouiert werden.372 Die Verfassungsmäßigkeit des Bruttoverfalls könnte nur dann gerettet werden, wenn die Rechtsprechung die Verfallsvorschriften einschränkend auslegen würde: wenn z. B. bei rechtswidrigem Verhalten lediglich der Verfall des Nettogewinns angeordnet würde; dies würde allerdings ein extensives Verständnis des Anwendungsbereichs der Härtevorschrift voraussetzen. Würde trotzdem der Bruttoverfall angeordnet, sollte dieser Umstand bei der Strafzumessung berücksichtigt werden. Damit wird allerdings die erwartete Effektivität des Bruttoverfalls in der Praxis derogiert: da der über den Nettogewinn hinausgehende strafähnliche Verfall immer noch dem Schuldgrundsatz unterliegt, sollte das netto Erlangte ermittelt werden, was die Anwendung des Bruttoprinzips erheblich einschränkt und von der Effektivierung der Verfallsvorschriften wenig Übrig lässt. Die statistische Anordnungshäufigkeit des Verfalls ist mittlerweile erheblich angestiegen. Ob der Grund dafür jedoch in der Einführung des Bruttoverfalls oder vielleicht in der Sensibilisierung der damit befassten Strafverfolgungsbehörden zu sehen ist, bleibt unklar. Immerhin fällt die Anwendungshäufigkeit der Verfallsvorschriften zur Gesamtanzahl der Verurteilungen immer noch sehr gering aus.373 An-

NK / Herzog § 73, Rn. 15. So auch Lackner / Kühl § 73 Rn. 4b; NK / Herzog § 73, Rn. 14. 373 Der Anteil des Verfalls im strafrechtlichen Kernbereich ist von 1986 bis 1999 um 214 % angestiegen, überschritt jedoch z. B. im Jahr 1999 nicht 0,158% in der Gesamtheit der Verurteilungen, s. Kilchling, Gewinnabschöpfung, S. 38, 43 . 371 372

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gesichts der Kriminalitätsentwicklung, wie sie in den verschiedenen statistischen Lagebildern abzulesen ist, konnte dem Bruttoverfall kein entscheidender Rückschlag gegen die organisierte Kriminalität zugeschrieben werden.

F. Die große Wende: Das OrgKG I. Allgemein Im letzten Kapitel wurde bereits das kriminalpolitische Klima erläutert, das Anfang der 90er Jahre herrschte. Verbreitet wurden Schreckensszenarien über die Verfestigung von Strukturen der organisierten Kriminalität (OK), die Korrumpierung der Politik und Wirtschaft und die Unterwanderung der freiheitlich-demokratischen Ordnung.374 Angesichts dieser Krisensituation war der Gesetzgeber auf den Plan gerufen. Es wurden immer Stimmen lauter, die eine Verschärfung von Strafen und eine Erweiterung des Ermittlungsinstrumentariums forderten.375 Zu diesem Zweck wurde ein kompliziertes und vielschichtiges Phänomen wie die organisierte Kriminalität auf eine Kategorie reduziert, die wegen ihrer Unschärfe den unterschiedlichsten strafrechtlichen Maßnahmen eine Legitimationsbasis liefern konnte. Es schien so, als ob die Bewältigung dieser „Krise“ nur durch die Schaffung neuer Strafnormen oder durch die Optimierung der schon vorhandenen möglich wäre. Das Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität enthielt alle Zutaten, die seinen Erfolg gewährleisten würden: höhere Strafen, um die Abschreckung zu steigern, neue Tatbestände, um neue, OK-typische Verhaltensweisen zu erfassen, neue Ermittlungstechniken, um das Eindringen in die abgeschotteten Strukturen der organisierten Kriminalität zu ermöglichen und letztlich Gewinnabschöpfung, um ihren Lebensnerv zu treffen und sie zur Stilllegung ihrer kriminellen Aktivitäten zu zwingen. Vor diesem Hintergrund ist es interessant, die Entstehungsgeschichte dieses Gesetzeswerks zu betrachten:376 sie ermöglicht einen Einblick in den komplizierten Meinungsbildungsprozess, der in den Gesetzgebungsorganen stattgefunden hat. Sie zeigt auch, wie umstritten dieses Regelungsgefüge war und zu welchen harten Konfrontationen es geführt hat.

374 Exemplarisch dafür: Burghard, KR 1990, S. 499 ff.; Zachert, KR 1990, S. 622, 623; Lenhard, KR 1991, S. 223 ff. 375 Willner, KR 1991, S. 76 ff. 376 Zur Entstehungsgeschichte vgl. Caesar, ZRP 1991, S. 241 ff.; Hilger, NStZ 1992, S. 457 ff.; Körner, NJW 1993, 233 ff.; LK / Häger Vor § 43a.

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1. Entstehungsgeschichte des OrgKG Obwohl weder der Rauschgifthandel noch die organisierte Kriminalität neue Phänomene darstellen377, hatte die Idee eines Gesetzes gegen diese Kriminalitätserscheinungen mit dem Schwerpunkt auf der Erfassung der kriminellen Profite an sich was Neues. In Rückgriff auf die Drogentoten, die Zunahme der sichergestellten Drogenmengen und den allgemeinen Anstieg vieler Kriminalitätsformen, die auf organisierten Strukturen hindeuteten, betonten Kriminalpraktiker die Untauglichkeit der rechtlichen Mittel gegen den Anstieg der Organisiertheit im Kriminalitätsaufkommen. Zugleich haben massenmediale Darstellungen die Problematik aufgegriffen und zugespitzt. Durch eine dramatische Berichterstattung wurde der Öffentlichkeit der Eindruck vermittelt, die Grundlagen der Gesellschaft seien durch das organisierte Verbrechen derartig bedroht, dass Gegenmaßnahmen ergriffen werden müssten. Unter diesen Umständen sollte nicht überraschen, dass die Politik einen dringenden Handlungsbedarf diagnostizierte.378 Die Aussage, dass der Profit die Triebfeder der organisierten Kriminalität sei, wiederholt sich in verschiedenen Dokumenten. Die Prämisse der gesetzgeberischen Bemühungen war, dass sich Kriminalität nicht lohnen darf. Vor diesem Hintergrund aber auch durch massiven Druck aus dem Ausland setzte die Bundesregierung im Jahre 1988 eine Arbeitsgruppe ein, die sich mit der Problematik der „Geldwäscherei“ befassen sollte, mit dem Auftrag, Vorschläge für eine effiziente Bekämpfung des Problems zu erarbeiten.379 Denn aufgrund der Untauglichkeit der damaligen Rechtslage, den Tätern ihre kriminellen Erträge zu entziehen, blieben die Täter in deren Besitz und hatten die Gelegenheit, sie weiter zu verwerten. Auf diese Weise war ein steiler Anstieg der wirtschaftlichen Kraft krimineller Organisationen und Verflechtungen zu befürchten. Vor diesem Hintergrund präsentierte die Bundesregierung am 02. 11. 1989 eine Unterrichtung.380 Sie bestand aus drei Teilen. Der erste war ein Bericht des Bundesfamilienministers über die Grundzüge eines nationalen Rauschgiftbekämpfungsplans. Dieser Plan sah in erster Linie verstärkte Aktivitäten in allen Bereichen der Drogenbekämpfung vor.381 Der zweite Teil war ein Bericht des Bundesjustizministers, in dem er die schnellstmögliche Umsetzung der Wiener Drogenkonvention empfahl und die Novellierung der Vorschriften über Verfall und Einziehung 377 Nach Bögel hat die organisierte Kriminalität eine lange, von Land zu Land unterschiedliche Geschichte, die vor allem von der sozioökonomischen Umgebung am jeweiligen Entstehungsort abzuhängen scheint, s. Strukturen und Systemanalyse der Organisierten Kriminalität in Deutschland, S. 16 ff.; Mergen, Kriminologie, S. 241. 378 So auch Hesel, Untersuchungen zur Dogmatik und den Erscheinungsformen „modernen“ Strafrechts, S. 20 ff. 379 Beschluss v. 13. 12. 1988; zur Rolle der amerikanischen Politik für die Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens s. Arzt, NStZ 1990, S. 1 ff. und Hetzer, ZfZ 1993, S. 258 ff. 380 BT-Drs. 11 / 5525. 381 Vgl. Nationaler Rauschgiftbekämpfungsplan 1990, S. 40 ff.

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sowie bezüglich Maßnahmen zum Aufspüren von Drogengewinnen ankündigte.382 Es sei angemerkt, dass die Bundesregierung bereits zu diesem Zeitpunkt dem Bundestag ein Gesetzentwurf zur Einführung einer Vermögensstrafe vorgelegt hatte.383 Der nächste Schritt sollte das Vorlegen eines Gesetzesentwurfs hinsichtlich eines „erweiterten Verfalls“ sein. Dieses Rechtsinstitut hatte als Ziel, die Anwendungsschwierigkeiten des herkömmlichen Verfalls durch Beweislockerungen zu beseitigen.384 Gleichzeitig hat auch die Opposition einen einschlägigen Gesetzentwurf vorgelegt, der allerdings wesentlich von den entsprechenden Vorschlägen der Bundesregierung abwich.385 Parallel zu den betriebsamen Aktivitäten der Bundesregierung und der Bundestagsfraktionen verlaufen auch die Bemühungen der Ländervertretungen. Alles begann mit einem von Bayern eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels386 und mit einem zweiten Entwurf zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität seitens der baden-württembergischen Landesregierung.387 Die zahlreichen Initiativen haben zu einem ersten Beschluss des Bundesrates geführt, der die verschiedenen Gesetzesentwürfe zusammenfasste und dem Bundestag als ein Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität vorgelegt wurde.388 Regelungsgegenstand dieser Entwürfe war die Einführung neuer Tatbestände und Sanktionen sowie die Schaffung eines eingriffsintensiven Ermittlungsinstrumentariums. Vor diesem Hintergrund lässt sich leicht erklären, warum die Beratungen in den verschiedenen Gremien so kompliziert und langwierig waren. Obwohl man in Bezug auf die Zielsetzung einig war (Bekämpfung des Rauschgifthandels, Eindämmung der organisierten Kriminalität), wurden in den diskutierten Einzelfragen sehr unterschiedliche Positionen vertreten. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass dadurch Bürgerrechte in ihrem Kern erheblich tangiert wurden (Stichwort: Lauschangriff, Einsatz verdeckter Ermittler, Vermögensstrafe) und gleichzeitig Standesinteressen ins Spiel gebracht wurden (z. B. Berufspflichten von Kreditinstituten und Bankangestellten bei der Gestaltung des Geldwäschetatbestands) ist dieser Streit nachvollziehbar. Die Meinungsunterschiede und die wechselnden Mehrheiten bei den Abstimmungen haben allerdings die Erarbeitung eines Gesetzesentwurfs mit einem klaren durchgängigen Konzept erheblich erschwert.389 BT-Drs. 11 / 5525, S. 10 ff. Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes-Vermögensstrafe BT-Drs. 11 / 5461. 384 Dieser Entwurf ist tatsächlich, wenige Monate später, erschienen, BT-Drs. 11 / 6623. 385 Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes- Abschöpfung von Gewinnen, Geldwäsche, BT-Drs. 11 / 5313 und Antrag zur Unterbindung der Geldwäsche zur Bekämpfung des Rauschgifthandels, BT-Drs. 11 / 5738. 386 BR-Drs. 74 / 90. 387 BR-Drs. 83 / 90. 388 BT-Drs. 11 / / 7663. 382 383

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Trotz der Vielzahl der Entwürfe zu diesem Thema war es nicht möglich, aus ihnen in der 11. Legislaturperiode ein Gesetz zu machen. Dieses Scheitern geht in erster Linie auf die Kritik gegen den vorgelegten Bundesratsentwurf zurück, die von Bundesregierung und Bundestag sowie von den Medien390 und der Fachwelt geäußert wurde391. Ein gewisser Widerspruch lässt sich dabei nicht leugnen: Während die Begründungen eine eschatologische Situation ausmalten, der sofort entgegenzuwirken wäre, („alarmierender Anstieg des Rauschgifthandels“, „internationale organisierte Drogensyndikate wollen auch in Deutschland Fuß fassen“, „Hehlerringe dominieren den Markt“392) hat diese Dringlichkeit die Akteure nicht zu einem tragfähigen Kompromiss bewegt. Der Trend setzte sich in der 12. Legislaturperiode fort. Die SPD-Fraktion brachte erneut ihren Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes ein.393 Daraufhin legte der Bundesrat einen überarbeiteten Entwurf vor, der in bestimmten Punkten den Bedenken der Bundesregierung Rechnung trug.394 Die Bundesregierung hat diesem Entwurf weitgehend zugestimmt. Die öffentliche Expertenanhörung im Rechtsausschuss hat gezeigt, dass dieser Entwurf mehrheitsfähig war.395 Die Protokolle dieser Sitzungen bringen interessante Erkenntnisse ans Licht. Abgesehen von einer problematischen Begünstigung der Verfechter des Entwurfs zu Lasten seiner Gegner396, lassen sich die vertretenen Ansichten in zwei klar getrennte Blöcke einordnen: auf der einen Seite standen Politiker und Kriminalpraktiker, mithin Staatsanwälte und Richter, welche die designierten Maßnahmen zum größten Teil unterstützten, auf der anderen Seite waren Strafverteidiger und Wissenschaftler, welche die verfassungsrechtliche Legitimation und die Effizienz des neuen Instrumentariums mit einem kritischen Blick betrachteten. Ihre Bedenken wurden allerdings nicht gründlich diskutiert. Die Entscheidung für ein umfassendes Regelungswerk war längst gefallen. Obwohl ein existierender Reformbedarf – eher punktuellen Charakters – nicht zu bezweifeln war, hat nicht (oder nicht nur) Vgl. Caesar, ZRP 1991, S. 241, 242. FAZ v. 10. 05. 1990 und 26. 06. 1990; SZ v. 19. 05. 1990 und 28. 06. 1990; Die Welt v. 13. 07. 1990 und 15. 09. 1990 und 13. 12. 1990; TAZ v. 25. 10. 1990, die Hinweise in: Caesar, ZRP 1991, S. 241 (Fn. 8). 391 Die strittigen Punkte bezogen sich allerdings nicht auf die gewinnabschöpfenden Regelungen, sondern eher auf die verschiedenen Ermittlungsinstrumente, s. z. B. Stellungnahme der Bundesregierung, in: BT-Drs. 11 / 7663, S. 49. 392 Dieser polemische Ton ist allen Entwürfen gemeinsam; die angeführten Sätze stammen aus dem OrgKGE des Bundesrates, BT-Drs. 11 / 7663, S. 19. 393 BT-Drs. 12 / 731. 394 BT-Drs. 12 / 989. 395 Denn die Experten, die den Entwurf begrüßten, waren gegenüber den Kritikern in der deutlichen Überzahl (17:4), s. Prot. Nr. 31 des RA-BT v. 22. 1. 1992; sehr ausführlich dazu Meertens, ZRP 1992, S. 205 ff. (Fn. 2). 396 Den Befürwortern dieses OrgKGE wurde ohne plausible Begründung bei der Anhörung im Bundestag viel mehr Redezeit zur Verfügung gestellt als seinen Gegnern, so Meertens, ZRP 1992, S. 205. 389 390

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dieser Bedarf das Maß und die Inhalte des bevorstehenden Gesetzes bestimmt. Parteipolitische Interessen sowie massenmediale Bedürfnisse sind in das neue Recht eingeflossen. Trotz der umstrittenen Punkte stimmte der Bundesrat dem Entwurf nach seiner abschließenden Beratung397 und Verabschiedung durch den Bundestag zu.398 Das OrgKG wurde am 15. 07. 1992 verkündet399 und ist am 22. 09. 1992 in Kraft getreten. 2. Inhalt und Zielsetzung des OrgKG Mit dem OrgKG wurden zahlreiche und schwerwiegende Änderungen im gesamten Bereich des materiellen und formellen Strafrechts eingeführt. Dieses Gesetz enthielt eine Reihe von Novellierungen des Strafgesetzbuches, des Betäubungsmittelgesetzes, der Strafprozessordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes, des Ordnungswidrigkeitengesetzes, des Wirtschaftsstrafgesetzbuches, des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen, des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen und des Bundeszentralregistergesetzes. Dieses Gesetzeswerk wird also oft als ein Meilenstein im Kampf gegen die organisierte Kriminalität präsentiert.400 Die Analyse der einzelnen Änderungen auf der Ebene der Gewinnabschöpfung soll aufzeigen, ob man zu Recht von einer „großen Wende“ in die Kriminalpolitik reden kann. Aufgrund des großen Umfangs lassen sich die Änderungen in vier Kategorien einordnen: a) Strafschärfungen (z. B. für banden- oder gewerbsmäßige Deliktsbegehungen im Bereich der Eigentums-, Vermögens- und Drogenkriminalität), b) neue Straftatbestände (die Geldwäsche), c) neue Sanktionen (die Vermögensstrafe und der erweiterte Verfall), d) neue Ermittlungsinstrumente (exemplarisch dafür die Rasterfahndung, der Einsatz verdeckter Ermittler, die Erweiterung der Telefonüberwachung usw.). Solche radikale Änderungen brauchten eine starke Legitimationsbasis, um der Verhältnismäßigkeitsprüfung standzuhalten. Diese Legitimation wurde im Gefahrenpotential der organisierten Kriminalität gesehen. Dieses stelle für Staat und Gesellschaft eine Herausforderung dar.401 Denn diese Kriminalitätserscheinung betätige sich in Deliktsbereichen, die äußerst lukrativ seien. Kriminelle Strukturen kassierten auf diese Weise hohe Renditen ab und bildeten potentiell ein beträchtliches Vermögen. Dieses „kontaminierte“ Vermögen könne für Staat und Gesellschaft schädlich sein. Wenn das schwarze Geld für legale Aktivitäten weiter 397 398 399 400 401

BT-Drs. 12 / 2720, Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses. BR-Drs. 388 / 92; Plenarprot. 12 / 95, S. 7815 ff. BGBl. I 1992, S. 1302 ff. So Hassemer, WM 1995, Sonderb. 3, S. 3, 10. Vgl. BT-Drs. 12 / 989 S. 1, 20.

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benutzt werde, erleide der marktwirtschaftliche Wettbewerb Verluste. Die Täter dürften somit den Vorteil einer risikolosen und steuerrechtlich nicht erfassbaren Kapitalquelle genießen. Die größte Gefahr sei jedoch, wie bereits erläutert, die Reinvestition in illegale Geschäfte. Auf diesem Weg würden kriminelle Strukturen verfestigt, so dass sie leichter in der Lage seien, Einfluss auf Politik und Wirtschaft zu nehmen und jegliche Regel des Rechtsstaates außer Kraft zu setzen. Das sind die Hintergrundgedanken des neuen Gesetzes. Nach dem Geist des neuen Gesetzes wären alle Versuche, die organisierte Kriminalität einzudämmen, zum Scheitern verurteilt, wenn man den kriminellen Gewinn nicht befriedigend erfassen und das Kapital der organisierten Kriminalität nicht verringern könnte.402 Es bleibt allerdings fraglich, ob die neuen Rechtsinstitute zur Gewinnabschöpfung dieses Ziel tatsächlich erreichen können. Zunächst wird auf die einzelnen neuen Bestimmungen für die Gewinnabschöpfung eingegangen, um in einem nächsten Schritt zu beurteilen, inwiefern sich die oben angeführten Erwägungen über das Potential der Gewinnabschöpfung in den novellierten Vorschriften wieder finden.

II. Die Vermögensstrafe (§ 43a StGB) 1. Zielsetzung Im Artikel 1 Abs. 2 des OrgKG ist die Vermögensstrafe normiert, die gewichtigste, zugleich auch die umstrittenste Neuerung dieses Gesetzes. Ziel dieser neuen Strafart ist die Bekämpfung schwerer Drogendelikte. Da die Allgemeinheit, vor allem die Jugend, durch einen steigernden Missbrauch von Rauschgiftmitteln zunehmend gefährdet werde, erscheine es notwendig, entschieden gegen die Drogentäter vorzugehen.403 Die Vermögensstrafe soll das auf zweierlei Weise bewirken: erstens indem sie über einen Freiheitsentzug hinaus den Täter spürbarer trifft; zweitens indem sie durch Entzug von Vermögen, das vermutlich aus Drogengeschäften stammt, die wirtschaftlichen Grundlagen der organisierten Kriminalität erfasst und somit die weiteren Tätigkeiten von kriminellen Strukturen im Bereich des Drogenhandels erheblich hemmt. Bei der ersten Überlegung (spürbare Strafe über den Freiheitsentzug hinaus) handelt es sich um eine rein pönale Zwecksetzung. Aufgrund der besonderen Verwerflichkeit des Gewinnstrebens, das durch den Drogenhandel zum Ausdruck kommt, lädt der Täter eine besondere Schuld auf sich. Hervorstechend dabei ist Vgl. BT-Drs. 12 / 989 S. 21. So ungefähr wird die Zielsetzung der neuen Strafe im ersten entsprechenden Entwurf der Bundesregierung beschrieben, die von allen späteren gesetzgeberischen Initiativen fast unverändert übernommen wurde. Siehe BT-Drs. 11 / 5461, S. 1, 5. 402 403

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jedoch der Abschreckungsgedanke. Bei der zweiten Erwägung (Entzug der wirtschaftlichen Grundlagen von kriminellen Organisationen durch Vermögensstrafe) geht es um den Sicherungsgedanken. Erstrebt wird ein präventives Eingreifen in Bezug auf das Kapital der organisierten Kriminalität. Die Vermögensstrafe dient folglich trotz ihrer Form als Strafe der Gewinnabschöpfung. Die Durchsicht der Gesetzesmaterialien lässt eindeutig erkennen, dass sie ihre Existenz der Untauglichkeit der Verfalls- und Einziehungsvorschriften verdankt, die kriminellen Erträge befriedigend zu erfassen.404

2. Inhalt Die Vermögensstrafe wird als eine Strafe ausgestaltet405, die neben einer lebenslangen oder einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren (§ 43a StGB) verhängt werden kann. Der Anwendungsbereich der Vermögensstrafe wird dadurch beschränkt, dass § 43 Abs. 1 StGB einen Verweisungstatbestand voraussetzt. Neben Drogenstraftaten wird die Vermögensstrafe auch bei einer Reihe von anderen Straftatbeständen angedroht, denen die banden- und gewerbsmäßige Begehungsweise gemeinsam ist.406 Die Vermögensstrafe weist einen fakultativen Charakter auf. Sie eröffnet dem erkennenden Gericht die Möglichkeit eines erweiterten Reaktionsinstrumentariums, vor allem, wenn andere Sanktionsalternativen an ihren Grenzen stoßen. Das Ziel der effizienten „Bekämpfung“ der organisierten Kriminalität durch die Abschöpfung kriminellen Vermögens stellt für den Richter einen Anhaltspunkt dar, mit dessen Hilfe er die Verhältnismäßigkeit einer zu verhängenden Vermögensstrafe abwägen kann. Durch Vermögensstrafe wird ein Zahlungsanspruch des Staates gegenüber dem Verurteilten begründet. Sie ist also als eine Geldsummenstrafe ausgestaltet, d. h. als eine Geldstrafe, die anders als die Geldstrafe nach § 40 StGB nicht an das Tagessatzsystem gebunden ist, sondern sich an dem Vermögen des Täters orientiert.407 Dieses Vermögen bildet auch das Höchstmaß der Vermögensstrafe. Die 404 MK / Radtke § 43a, Rn. 5; NK / Albrecht § 43a (1. Aufl.), Rn. 2; Tröndle / Fischer § 43a, Rn. 3 (50. Aufl.). 405 Die formelle Ausgestaltung der Vermögensstrafe als eine Strafe wird auch wegen ihrer Stellung im Ersten Titel des StGB unter „Strafen“ bejaht. 406 Die wichtigsten Verweisnormen sind: Geld- und Wertzeichenfälschung (§§ 146 – 149 StGB), Schwerer Menschenhandel (§ 181 StGB) und Zuhälterei (§ 181a StGB), Schwerer Bandendiebstahl (§ 244a StGB), Gewerbs- und bandenmäßige Hehlerei (§ 260 StGB) sowie Gewerbsmäßige Bandenhehlerei (§ 260a StGB), Geldwäsche (§ 261 StGB), Unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels (§ 284 StGB). Ein Blick in die Verweisungstatbestände ergibt, dass keiner davon eine lebenslange Freiheitsstrafe vorsieht, so dass sich der entsprechende Satz wahrscheinlich auf Konkurrenzen bezieht.

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Höhe der Vermögensstrafe wird ermittelt, nachdem jegliche Verbindlichkeiten und sonstige, dem Verfall unterliegende Vermögensvorteile abgezogen worden sind. Dies signalisiert einen Vorrang des Verfalls vor dieser Vermögensstrafe. Als Vermögen wird im Sinne dieser Vorschrift die Summe aller wirtschaftlichen Güter verstanden, die sich dem Täter zuordnen lassen.408 Sie müssen ihm zum Verurteilungszeitpunkt zustehen. Erweist sich die Ermittlung der Vermögenshöhe als schwierig, kann die Schätzungsmöglichkeit Abhilfe leisten. Es sei auf die Ausführungen der Schätzung beim Verfall nach § 73b StGB verwiesen.409 Ob die von der Vermögensstrafe erfassten Vermögenswerte rechtmäßig oder kriminell erlangt worden sind, bleibt für die Vermögensstrafe außer Betracht. Wie alle Strafen muss auch die Vermögensstrafe schuldangemessen sein. Da sie selbständig nicht verhängt werden darf, ist es notwendig, dass die verwirkte Gesamtstrafe, die aus einer Freiheits- und einer Vermögensstrafe besteht, dem Maß der Schuld entspricht. Die Besonderheit hier liegt darin, dass der Richter bei der Festsetzung der Strafart differenziert vorgehen wird410: nachdem er das verschuldete Unrecht erkannt hat, setzt er einen Teil davon in Form von Freiheitsstrafe, einen anderen als Vermögensstrafe fest. Das bedeutet freilich, dass die sonst verwirkte Freiheitsstrafe um die verhängte Vermögensstrafe reduziert werden muss. Zur Gewährleistung der Schuldangemessenheit muss das Gericht in einem nächsten Schritt eine Ersatzfreiheitsstrafe bestimmen, die im Fall der Uneinbringlichkeit der Vermögensstrafe in die bereits auferlegte Freiheitsstrafe aufzuaddieren ist. Der Gesetzgeber hat auf jegliche Kriterien für die Bestimmung der Höhe der Ersatzfreiheitsstrafe, also auf einen Umrechnungsschlüssel von Vermögen in Freiheit bewusst verzichtet. Das Gesetz begnügt sich mit einem Rahmen für die Ersatzfreiheitsstrafe: dieser „Abschlag“ der sonst an sich verwirkten Freiheitsstrafe beträgt mindestens ein Monat und höchstens zwei Jahre (§ 43a Abs. 3 StGB). Normativ betrachtet ist ebenfalls die Frage entscheidend, ob durch die Vermögensstrafe eine Strafrahmenerweiterung erfolgt. Dies wäre der Fall, wenn neben einer zeitigen Freiheitsstrafe, die das Höchstmaß der gesetzlichen Androhung nahezu erschöpft, eine Vermögensstrafe verhängt würde. Dies hat der Gesetzgeber verneint, weil der Tatbestand von § 43a StGB kein den Unrechtsgehalt der Tat erhöhendes Merkmal enthält. BGH, JR 1995, S. 340, 341. Vor dem Hintergrund der Drogenkriminalität scheint auch dieser weite Begriff des Vermögens nicht befriedigend, denn aufgrund seiner Streuung im In- und Ausland sowie der Vorschaltung von Hintermännern ist oft äußerst schwer, Vermögenswerte bestimmten Personen zuzuordnen, so Lackner / Kühl § 43a, Rn. 4 (24. Aufl.). 409 s. oben 3. Kap. A. VIII. Die Schätzungsmöglichkeit wird oft als ein die Unbestimmtheit der Vermögensstrafe erhöhender Faktor angesehen, s. NK / Albrecht § 43a, Rn. 17 (1. Aufl.). 410 SK / Horn § 43a, Rn. 5; Tröndle / Fischer § 43a, Rn. 6 (50. Aufl.); BGHSt 41, S. 20, 25 ff. 407 408

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3. Verfassungsrechtliche Kritik Das Hinschauen auf die Modalitäten der Vermögensstrafe ergibt, dass sie ein gewisses Konfliktpotential aufweist. Vielfach wurde in der Vermögensstrafe ein Verstoß gegen den Schuldgrundsatz lokalisiert. Denn die Schuld werde bei der Bestimmung der Vermögensstrafe gar nicht berücksichtigt. Einziges Bemessungskriterium sei das Vermögen und nicht die Schuld des Täters. Zudem sollten bei der Bemessung dieser Strafe schuldunabhängige Faktoren – wie der Sicherungsgedanke – eine Rolle spielen.

a) Verstoß gegen das Schuldprinzip Die Unvereinbarkeit mit dem Schuldgrundsatz wird evidenter, wenn man zudem berücksichtigt, dass ein Umrechnungsschlüssel für die Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe fehlt. Der Gesetzgeber hat auch diesbezüglich keine Stellung bezogen.411 Denn nach seinen Einschätzungen sind die Gerichte durchaus in der Lage, die Schuldangemessenheit der Vermögensstrafe zu konstruieren. Diese Ausführungen weisen jedoch einen eher deklaratorischen Charakter auf, sie postulieren die Möglichkeit einer Schuldangemessenheit, ohne sie näher begründen zu können.412 Darüber hinaus resultiert die Unvereinbarkeit der Vermögensstrafe mit dem Schuldgrundsatz auch daraus, dass sie die Merkmale einer totalen Vermögenskonfiskation aufweist.413 Nach einhelliger Meinung in der Literatur wird die allgemeine Vermögenskonfiskation, die gegen einen Straftäter auferlegt wird, nur weil er ein Straftäter ist, von der geltenden verfassungsrechtlichen Ordnung nicht mehr toleriert.414 In der Vermögensstrafe wird somit ein Rückfall in die Konfiskation der vorrechtstaatlichen Zeiten gesehen.415 Denn die Vermögensstrafe kann bei schwerwiegenden Delikten auch das Gesamtvermögen des Täters treffen. Eine so hohe Vermögensstrafe könnte nur im Rückgriff auf die besondere Schwere der Tatschuld legitim erscheinen. Das Problem ist, dass die Tatschuld weder bei der Wahl der Strafart noch bei der konkreten Strafhöhe berücksichtigt wird. Der Verdacht einer konfiskatorischen Geldstrafe erhärtet sich, da auf einen Zusammenhang zwischen Straftat und abschöpfendem Vermögen völlig verzichtet wird. Dieser Zusam411 s. Bringewat, NStZ 1993, S. 316, 317, der die in der Entwurfsbegründung wiedergegebenen Erwägungen als „legislatorisches Armutszeugnis“ verwirft. 412 Vor dem Hintergrund ähnlicher Probleme, die bei der Kumulation von Geld- und Freiheitsstrafe (§ 41 StGB) auftauchen und angesichts der Erklärungsbedürftigkeit dieser Regelungen hätte man vom Gesetzgeber eine detaillierte Beschäftigung mit solchen Einwänden erwartet. 413 Sehr eingehend dazu Köhler / Beck, JZ 1991, S. 797, 799. 414 NK / Albrecht § 43a, Rn. 2; s. auch Weßlau m. w. N. StV 1991, S. 226, 228, 233. 415 Tröndle / Fischer § 43a, Rn. 3 (50. Aufl.).

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menhang wird von Verdachtsmomenten bezüglich der kriminellen Herkunft des Vermögens ersetzt.416 Die Beweisprobleme, die auf der Ebene des Verfalls unlösbar sind, werden bei der Vermögensstrafe gelöst, indem man sie völlig ausblendet.417

b) Verstoß gegen die Unschuldsvermutung Bei der Verhängung der Vermögensstrafe werde das Prinzip der Unschuldsvermutung relevant, weil dem Täter ein Teil seines Vermögens entzogen werde, ohne dass er für diesen Teil den grundgesetzlich anerkannten Rechtsschutz verwirkt habe. Konkreter werde der Eigentumsschutz aufgrund bloßer Herkunftsvermutung entfallen. Durch Vermögensstrafe würden Annahmen, wie die Zugehörigkeit des Täters zu einer kriminellen Organisation oder die kriminelle Herkunft seines Vermögens, die Strafart (die Vermögensstrafe) sowie deren Höhe bestimmen.418 Im Ergebnis handele es sich um eine Verfallsanordnung für verdächtiges Vermögen.419 Diese Einwände liegen allerdings neben der Sache. Das gesetzgeberische Ziel, durch die Vermögensstrafe die Abschöpfung von Tatgewinnen zu effektivieren, hat keinen gesetzlichen Niederschlag gefunden. Dementsprechend wird bei der Anwendung der Vermögensstrafe keine Rolle spielen, ob die durch Vermögensstrafe erfassten Vermögenswerte illegal oder legal erlangt wurden. Der Gesetzgeber hat tatsächlich durch diese Vorschrift Beweisschwierigkeiten auf der Ebene des Verfalls umgehen wollen; zu beanstanden ist somit der kriminalpolitische Hintergrund; dieser Hintergrund spiegelt sich allerdings im Wortlaut des § 43a StGB nicht wider. Faktisch kann durch Vermögensstrafe legales Verhalten erfasst werden, in diesem Fall funktioniert jedoch die Vermögensstrafe wie eine Art Geldstrafe. Ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung liegt deswegen nicht vor.420

Viele reden von einer Verdachtsstrafe, z. B. Köhler / Beck, JZ 1991, S. 797, 799. Meyer, ZRP 1990, S. 85, 87, erhebt auch historische Bedenken gegen die Vermögensstrafe, die mit dem Missbrauch der „Einziehung des Vermögens“ und der „Geldstrafe von unbegrenzter Höhe“ während der nationalsozialistischen Zeit zusammenhängen. Von Selle, wistra 1993, S. 216, 217 andererseits schätzt die Missbrauchsgefahr angesichts der in Deutschland herrschenden politischen Stabilität gegen Null ein. 418 Tröndle / Fischer § 43a, Rn. 3b (50. Aufl.); Jung, Die Vermögensstrafe, S. 98 ff.; Lackner / Kühl § 43a, Rn. 1 24. Aufl.); MK / Radtke § 43a, Rn. 16. 419 Arzt, NStZ 1990, S. 1, 6 ff.; Eser, FS für Stree / Wessels, S. 833, 842; Park, Vermögensstrafe, S. 55 ff. 420 So auch Mitsch, JA 1994, S. 425, 430; Perron, JZ 1993, S. 918 ff.; Geiger, Die Rechtsnatur der Sanktion, S. 286. 416 417

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c) Verstoß gegen die Eigentumsgarantie Durch die Vermögensstrafe wird der Entzug des gesamten Tätervermögens ermöglicht. Dies könnte für den Täter ohne Zweifel existenzvernichtend wirken, also Auslöser der so genannten „Erdrosselungswirkung“ sein. Der Eintritt einer solchen Wirkung wird vom BVerfG zu Recht als verfassungswidrig eingestuft, denn auf diese Weise wird der Kern des Grundrechts in der Tat annulliert und die Wesensgehaltgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG ignoriert.421 Oft wird allerdings argumentiert, dass die drohende Erdrosselungswirkung in Kauf zu nehmen ist, weil dafür der Täter mit einem „Freiheitsstrafenrabatt“ privilegiert werde.422 Dieser Gedanke nimmt jedoch keine Rücksicht auf den prinzipiellen Unterschied der tangierten Grundrechte. Ein Verständnis der Grundrechte, wonach die Eingriffsintensität einer Strafart mit der Verminderung einer anderen Strafart gelindert werden sollte, verkennt ihre Zwecksetzung als Verbürgung von Rechtspositionen des Einzelnen gegen unverhältnismäßige Eingriffe der staatlichen Macht. Die Verletzung eines Grundrechtes kann keinesfalls mit der Privilegierung eines anderen „wiedergutgemacht werden“. Die Vermögensstrafe kann, wie bereits angedeutet, auch nicht in Rückgriff auf den Verwirkungsgedanken legitimiert werden. Nach dieser Theorie sind staatliche Eigentumseingriffe zu Strafzwecken nur dann zulässig, wenn durch die Straftat das Eigentum missbraucht worden ist. Das ist der Fall, wenn der Täter bestimmte Gegenstände zur Begehung von Straftaten verwendet hat oder wenn diese sonst in einem spezifischen Zusammenhang zu den Straftaten stehen.423 Bei der Verhängung der Vermögensstrafe wird jedoch weder auf die Verwendung von Gegenständen zur Straftatbegehung noch auf den rechtswidrigen Erwerb von Vermögenswerten abgestellt. Die Herkunft spielt dabei keine Rolle, so dass der Eigentumsschutz in Bezug auf Vermögenswerte nicht verwirkt wurde. Das soll auch die Quintessenz der Vermögensstrafe darstellen, denn auf diese Weise werden, wie bereits erwähnt, die komplizierten Beweisprobleme jeder Verfallsanordnung umgangen.424 Genau das stellt aber den Verstoß gegen die Eigentumsgarantie dar. Die Beweisanforderungen beim Verfall sollen den Schutz des Eigentums vor ungerechtfertigten Eingriffen des Staats gewährleisten. Sie abzubauen und durch eine Vermögensstrafe umgehen zu wollen, kommt einem Etikettenschwindel425 gleich, der den Wesensgehalt des Eigentumsrechts aushöhlt.

Eser, FS für Stree / Wessels, S. 833, 837. von Selle, wistra 1995, S. 161, 163. 423 Barton / Park, Anm. zum BGH Beschluss v. 06. 07. 1994, StV 1995, S. 17, 18. 424 Meyer, ZRP 1990, S. 85, 86 bezeichnet die Vermögensstrafe als „einen Versuch, den gordischen Knoten aus Beweisproblemen hinsichtlich der deliktischen Herkunft von Vermögensvorteilen und verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber einer Beweislastumkehr mit einem Schlage aufzulösen“. 425 So auch Arzt, NStZ 1990, S. 1, 6. 421 422

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d) Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot Die Bedenken bezüglich des Bestimmtheitsgrundsatzes beziehen sich zum einen auf das Fehlen inhaltlicher Vorgaben zur Frage, in welchen Fällen eine Vermögensstrafe zu verhängen ist und in welchen nicht, zum anderen auf die unbestimmte Strafandrohung der Vermögensstrafe, welche die Bestimmung des konkreten Strafrahmens dem Tatrichter überlässt und keine Ober- oder Untergrenze enthält. Problematisch in diesem Zusammenhang ist allerdings auch das Fehlen von Maßgaben zur Umrechnung der Vermögens- in eine Ersatzfreiheitsstrafe. 426 Die Gegenmeinung bekräftigt, dass die Schwierigkeit, eine Straftat in eine bestimme Strafhöhe zu übertragen, der Zumessung aller strafrechtlichen Sanktionen gemeinsam sei. Dies habe nie den Anlass zu einer verfassungsrechtlichen Prüfung des gesamten Strafzumessungsvorgangs in Bezug auf das Bestimmtheitsgebot gegeben. Darüber hinaus ergibt sich die Unbestimmtheit der Vermögensstrafe daraus, dass ihr Strafrahmen sehr weit ist. Das Fehlen von Ober- und Untergrenze lässt sich im Rückgriff auf das Tagessatzsystem427 oder die Haftschadenswiedergutmachung428 nicht befriedigend eingrenzen. Denn es wird nicht ersichtlich, warum das Tagessatzsystem oder das völlig fremde System der Haftschadenswiedergutmachung auf die Vermögensstrafe anwendbar sein sollen. Solche Begrenzungsversuche sprechen eher für die Friktionen dieses uferlosen Strafrahmens mit dem Kern des Bestimmtheitsgebots. Letztlich fehlt auch bei der Anrechnung der Vermögensstrafe auf die zu verhängende Freiheitsstrafe bzw. bei der Umrechnung in die Ersatzfreiheitsstrafe jeglicher Bestimmungsfaktor. § 43a Abs. 3 S. 2 StGB, der das zu erfassende Vermögen mit höchstens zwei Jahren Freiheitsstrafe gleichsetzte, hilft nicht weiter. Der bloße Hinweis, dass die Vermögensstrafe in Verbindung mit der Freiheitsstrafe schuldangemessen sein müsse429, liefert an sich keinen Umrechnungsfaktor und löst somit nicht das Problem.

426 Tröndle / Fischer § 43a, Rn 3b (50. Aufl.); NK / Albrecht § 43a, Rn. 13 (1. Aufl.); Hörnle, ZStW 1996, S. 333, 343 ff.; Köhler / Beck, JZ 1991, S. 797, 799; Arzt, JZ 1993, S. 913, 917; Lackner / Kühl § 43a, Rn. 1 24. Aufl.); Eser, FS für Stree / Wessels, S. 833, 840; MK / Radtke § 43a, Rn. 20. 427 Einen solchen Versuch hat Horn unternommen, der die in § 40 Abs. 2 S. 3 StGB enthaltene Tagessatzobergrenze auf die Vermögensstrafe übertragen hat, um den Schuldgrundsatz zu wahren, in: SK / Horn, § 43a, Rn. 6. 428 Diesen Ansatz vertritt Mitsch, JA 1994, S. 425, 430. 429 BGHSt 41, S. 20, 27.

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4. Die BGH-Lösung Die massive Kritik gegen die Vermögensstrafe hat eine solche Dynamik entwickelt, dass sie von der obersten Rechtsprechung nicht mehr ignoriert werden konnte. Nach drei Beschlüssen, die lediglich eine Tatbestandsreduktion erzielten430, ist der BGH ausführlicher auf die verfassungsrechtliche Kritik eingegangen: das Gericht hat die Bedenken aufgegriffen und die Problematik richtig erkannt. Dementsprechend hat der BGH die Voraussetzungen einer verfassungskonformen Auslegung bejaht und auf diese Weise die Kritikpunkte verworfen.431 Hinsichtlich der Zielrichtung dieser Strafe ging das Gericht von einer Geldsummenstrafe aus, die sich von der herkömmlichen Geldstrafe nur aufgrund des Bemessungskriteriums „Vermögen“ unterscheide. Somit wurde die der Vermögensstrafe zugewiesene gewinnabschöpfende Funktion entschieden abgelehnt. Entgegen dem gesetzgeberischen Anliegen, eine zusätzliche Abschöpfungsnorm zu schaffen, wurde diese Funktion ausschließlich dem Verfall und dem ebenfalls zu diesem Zweck eingeführten erweiterten Verfall zuerkannt. Dem Schuldgrundsatz werde in dem Maße Rechnung getragen, dass die Gesamtstrafe, bestehend aus Freiheits- und Vermögensstrafe, nach den allgemeinen Strafzumessungsgrundsätzen bestimmt werde, während spezialpräventive Gesichtspunkte mitberücksichtigt würden. Diese Sanktion sei nichts Anderes als ein zusätzliches Instrument in den Händen der Gerichte, in Fällen, in denen differenzierte Reaktionsmittel erforderlich seien. Das Fehlen eines Umrechnungsschlüssels für das Vermögen in Zeit bei der Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe sieht das Gericht ebenfalls gelassen. Die Anrechnung der Ersatzfreiheitsstrafe auf die an sich verwirkte Freiheitsstrafe könne allerdings dazu führen, dass sehr unterschiedlichen Geldbeträgen das gleiche Gewicht zukomme. Dieser Umstand verkörpere die bei der Strafzumessung geltende Belastungsgleichheit, wonach nicht die absolute Höhe einer Strafe, sondern die individualisierte Wirkung maßgebend sei.432 Nach der vom BGH vertretenen Auslegung lasse die Vermögensstrafe nicht den Totalentzug des Vermögens aufgrund des Verdachts seiner kriminellen Herkunft zu. Auf diese Weise werde der Schutzbereich der Eigentumsgarantie nicht berührt. Das Erdrosselungsverbot könne gar nicht zum Zuge kommen, weil die Entziehung des Gesamtvermögens durch Vermögensstrafe negative Folgen für den Betroffenen hätte und deshalb gar nicht möglich sei. Nachteilige soziale Folgen für das Umfeld des Täters würden nach Auffassung des BGH bei allen Strafen eintreten. Einerseits ist die Haltung des BGH zu begrüßen. Das Gericht lokalisiert die rechtsstaatlichen Widersprüche, die im Gewand einer Strafe zur Abschöpfung von 430 431 432

BGH, NStZ 1994, S. 429 ff.; StV 1995, S. 16 ff. m. Anm. Barton / Park. BGH, JR 1995, S. 340 ff. BGH, JR 1995, S. 340, 342.

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kriminellen Profiten auftauchen und verbietet ein entsprechendes Verständnis der Vermögensstrafe. Andererseits verkennt die BGH-Auslegung die wahre Rechtsnatur der Vermögensstrafe sowie die Zielvorgaben des Gesetzgebers. Erstens kann man unterschiedliche strafrechtsdogmatische Einwände erheben, die den Charakter der Vermögensstrafe als eine weitere Art von Geldstrafe widerlegen. Denn die Geldstrafe ist eine Hauptstrafe, die Vermögensstrafe kann dagegen angesichts ihrer Akzessorietät von einer Freiheitsstrafe nicht als solche begriffen werden. Eine reine Nebenstrafe, die der Hauptstrafe einen besonderen Nachdruck verleiht, ist sie aber auch nicht; eine tiefer gehende Betrachtung ihrer Dogmatik lässt das beweisen.433 Somit sind bei der Vermögensstrafe gewisse Verfallseigenschaften zu lokalisieren.434 Zweitens werden die Grenzen der verfassungskonformen Auslegung in Bezug auf die gesetzgeberischen Ziele nicht beachtet. Die Umdeutung der Vermögensstrafe in eine reine Geldsummenstrafe ohne jeglichen gewinnabschöpfenden Bezug führt zu einer Anwendung dieser Norm, die das gesetzgeberische Ziel offensichtlich verfälscht. Der rechtspolitische Zweck der Norm über die Vermögensstrafe wird somit durch das BGH-Urteil konterkariert.435 All das zeigt das Scheitern des BGH-Urteils, die Vermögensstrafe von dem Verdacht der Verfassungswidrigkeit zu bereinigen. Die neue Konzeption der Vermögensstrafe stellt im Vergleich zu der gesetzgeberischen Vorstellung einer Vermögensstrafe ein „Aliud“ dar.

5. Das Urteil des BVerfG zur Vermögensstrafe Der seit der Einführung der Vermögensstrafe anhaltende Streit über ihre Verfassungsmäßigkeit findet durch das Urteil des BVerfG vom 20. 03. 2002 seinen endgültigen Abschluss. Durch diese Entscheidung wurde die Vermögensstrafe nach § 43a StGB wegen eines Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) insgesamt für nichtig erklärt.436 In der dazugehörigen Urteilsbegründung sind die Verfassungsrichter nicht auf die zahlreichen verfassungsrechtlichen Einwände eingegangen. Mit einer Ausnahme eines kleinen Abschnitts über das Schuldprinzip haben sie die verfassungsSo Park, Anmerkung zum BGH v. 08. 02. 1995, JR 1995, S. 344. Eine solche „Verfallseigenschaft“ ist z. B. eine gewisse Vergangenheitsausrichtung: die kennzeichnet eher gewinnabschöpfende Maßnahmen, während Geldstrafen eher zukunftsorientiert sind. 435 Hörnle, ZStW 1996, S. 333, 344; Tröndle / Fischer § 43a, Rn. 3c (50. Aufl.), wo von einem „Spagat zwischen den Intentionen des Gesetzgebers und den Vorgaben des Grundgesetzes“ die Rede ist; Lackner / Kühl § 43a, Rn. 1, 5 (24. Aufl.); Park, JR 1995, S. 343, 345. 436 BVerfG, Urt. v. 20. 3. 2002- 2 BvR 794 / 95, NJW 2002, S. 1779 ff. 433 434

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rechtliche Prüfung des § 43a StGB auf den Gesichtspunkt der Verletzung des Bestimmtheitsgebots beschränkt.437 Eine solche Verletzung wurde somit bejaht, „da es dem Gesetzgeber nicht gelungen ist, das verfassungsrechtliche Minimum an gesetzlicher Vorausbestimmung zur Auswahl und Bemessung der Vermögensstrafe zu regeln. Dieser Umstand bewirkt, dass die Art und das Maß der zu erwartenden Sanktion für den Betroffenen nicht vorhersehbar sind“.438 Zusammenfassend führt das BVerfG an, dass bei einer neuen Strafart von erheblicher Eingriffsintensität wie der Vermögensstrafe den Richtern besonders präzise, verlässliche und kontrollierbare Strafzumessungsregeln an die Hand gegeben werden müssen. Die Anforderungen an die relative Bestimmtheit einer Strafandrohung seien damit umso absoluter, je intensiver die strafrechtliche Sanktion wirke. Dieses Urteil ist mit fünf zu drei Stimmen ergangen. Die überstimmten Richter haben in dem der Entscheidung beigefügten Sondervotum ihre Ansicht begründet, dass § 43a StGB in der Auslegung durch den BGH nicht gegen das Grundgesetz verstoße.439 Dieses Urteil ist zu begrüßen;440 auch wenn andere verfassungsrechtliche Einwände gegen die Vermögensstrafe viel schwerer wiegen, wie z. B. die eventuelle Verletzung des Schuldprinzips, bleibt die Nichtigkeit der Vermögensstrafe von großer Bedeutung. Diese Entscheidung des BVerfG erinnert daran, dass ein vermutetes Bedrohungspotential keine gesetzgeberische Entscheidung legitimieren kann, die sich außerhalb der Rechtsstaatlichkeit bewegt. Durch die Formulierung von klaren rechtsstaatlichen Erfordernissen für eine Vermögensstrafe werden auch für die Zukunft die Grenzen eines derartigen strafrechtlichen Eingriffs eindeutig abgesteckt. Dem kriminalpolitischen Programm des OrgKG, das durch die Schaffung der Vermögensstrafe den Ausbau der Gewinnabschöpfung anstrebte, wurde durch diese Entscheidung eine Absage erteilt.

III. Der erweiterte Verfall 1. Zielsetzung Das gesetzgeberische Anliegen nach einer Effektivierung des Abschöpfungsrechts war mit der Einführung der Vermögensstrafe nicht erledigt. Denn die 437 Dies ist insoweit verwunderlich, als die Verfassungsbeschwerde zwar auch ausdrücklich den Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot gerügt hatte, dieser jedoch ebenso wenig im Zentrum der schriftlichen Beschwerdebegründung stand wie im Zentrum der mündlichen Verhandlung vor dem BVerfG, so Park, StV 2002, S. 395. 438 BVerfG NJW 2002, S. 1779, 1781. 439 Zustimmend MK / Radtke § 43a, Rn. 34 ff., der dem Gesetzgeber den Vorwurf macht, dass er die Zwiespältigkeit der Konzeption des § 43a StGB nicht vermieden und die bestehenden Möglichkeiten zur Präzisierung des Charakters der neuen Sanktion nicht genutzt hat. Welche Möglichkeiten davon gemeint sind, bleibt allerdings ungewiss. 440 So auch Park, StV 2002, S. 395, 396, der jedoch die Einordnung der Rechtsnatur der Vermögensstrafe rügt.

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Vermögensstrafe vermochte nicht die verschiedenen Probleme bei der Handhabung des strafrechtlichen Verfalls zu beseitigen. Nach der Einführung des Bruttoverfalls wurden als nächstes zu lösendes „Problem“ die hohen Beweisanforderungen für eine Verfallsanordnung hervorgehoben. Denn nach den §§ 73 ff. StGB musste der Tatkonnex jedes mal voll bewiesen werden, d. h. der Verfall von Vermögensgegenständen war nur dann zulässig, wenn der Nachweis, dass diese Gegenstände aus der abzuurteilenden Straftat stammten, erfolgreich geführt wurde. Bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität stellte jedoch ihr konspirativer Charakter eine noch höhere Hürde bei der Ermittlung der Herkunft von Vermögensgegenständen des Täters dar. Diese Beweisproblematik wurde im Bereich des Betäubungsmittelhandels besonders prägnant. Bei Drogengeschäften konnten die entsprechenden Gewinne nur dann berücksichtigt werden, wenn die Täter auf frischer Tat ertappt wurden. Nur in solchen Konstellationen konnten die Strafverfolgungsbehörden den Nachweis der kriminellen Herkunft der aufgefundenen Vermögenswerte erfolgreich führen. Zur Legitimierung des erweiterten Verfalls wurde oft der Fall vorgebracht, dass bei einem der Polizei bekannten Betäubungsmittelstraftäter nur geringe Mengen an Betäubungsmittel, jedoch gleichzeitig größere Vermögenswerte, meistens in der Form von Bargeld vorgefunden wurden.441 Da er keine hohen Einkunftsquellen hat oder sogar seinen Lebensunterhalt durch Sozialhilfeleistungen bestreitet, drängt sich der Verdacht auf, dass diese Vermögensgegenstände aus anderen Straftaten herrühren. Anhaltspunkte für eine Anklage gegen diese Straftaten liegen allerdings nicht vor. In solchen Konstellationen bleibt also kein Raum für die Anordnung eines Verfalls nach § 73 StGB. Das Rechtsinstitut des erweiterten Verfalls ist somit zwischen der herkömmlichen Nebenmaßnahme des Verfalls und der ebenfalls neuen Sanktion der Vermögensstrafe anzusiedeln. Diese Verfallsart weist eine lückenfüllende Funktion auf, wenn der herkömmliche Verfall, wie in diesem Beispiel, wegen der hohen Beweisanforderungen, unterbleiben muss und das geringe Gewicht des Tatvorwurfs keine Vermögensstrafe rechtfertigt.442 Der erweiterte Verfall fügt sich auf diese Weise in das kriminalpolitische Programm des OrgKG ein, wonach der Zugriff auf kriminelles Gut abschreckungs- sowie sicherungspräventiv auf die Täter und die Tätigkeiten der organisierten Kriminalität einwirken sollte. Dabei muss allerdings nach der Ansicht des Bundesrates der Umstand hingenommen werden, dass „infolge der herabgesetzten Beweisanforderungen dem erweiterten Verfall ausnahmsweise auch Gegenstände unterliegen könnten, die der Täter rechtsmäßig erworben hat“.443

LK / Schmidt § 43a, Rn. 3. Die Verhängung einer Vermögensstrafe setzt eine Freiheitsstrafe von über 2 Jahren voraus. Angesichts der kleinen Menge der Betäubungsmittel wird eine so hohe Strafe wegen Schuldangemessenheit nicht verhängt. So scheidet in der Mehrzahl der Fälle die Anwendung der Vermögensstrafe aus. 443 BR-Drs. 83 / 90, S. 30. 441 442

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3. Kap.: Die Wiederentdeckung der Gewinnabscho¨pfung

2. Inhalt Diese Vorschrift wurde durch Art. 1 Nr. 7 OrgKG in das Strafgesetzbuch aufgenommen.444 Die Anwendbarkeit des erweiterten Verfalls beschränkt sich auf bestimmte Tatbestände des StGB sowie einiger Nebenstrafgesetze, die auf § 73d StGB verweisen. Somit ist der erweiterte Verfall als eine Blankettnorm ausgestaltet worden. Während im ersten Regierungsentwurf diese Sanktionsmöglichkeit nur für Betäubungsmitteldelikte vorgesehen war445, hat der entsprechende Bundesratsentwurf, der zum größten Teil dem schließlich verabschiedeten Gesetz entspricht, ihn auf weitere Bereiche erstreckt, vor allem auf die Felder der banden- und gewerbsmäßig begangenen Kriminalität.446 Aufgrund des Rückwirkungsverbots muss der materielle Straftatbestand bereits zur Zeit der Tatbegehung auf § 73d StGB verwiesen haben. Das bedeutet, dass der erweiterte Verfall nicht möglich ist, wenn die Vermögensgegenstände aus Taten stammen, die vor dem Inkrafttreten des OrgKG begangen wurden.447 Als Anknüpfungstat wird für den erweiterten Verfall eine rechtswidrige Tat vorausgesetzt. Der Verzicht auf das Vorliegen einer Tatschuld lässt auf den ersten Blick den Schluss zu, beim erweiterten Verfall gehe es um eine strafrechtliche Maßnahme eigener Art.448 Nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers sollte die rechtliche Unverfolgbarkeit der Erwerbstat die Anordnung des erweiterten Verfalls nicht beeinflussen. Anders als beim herkömmlichen Verfall kann § 73d StGB auch dann angeordnet werden, wenn diese Tat bereits verjährt ist oder aus sonstigen rechtlichen Gründen nicht verfolgt werden kann. Zugrunde gelegt wurde dabei die Erwägung, dem Täter die wirtschaftlichen Mittel zur Vorbereitung neuer Straftaten zu entziehen.449 Diese Abweichung lässt sich im Rückgriff auf die besondere Gefährlichkeit der organisierten Kriminalität rechtfertigen.450

444 Der Gesetzgeber hat den erweiterten Verfall als einen Teil einer Gesamtreform der Verfallsvorschriften konzipiert. Dieses Institut, das im Kampf gegen die organisierte Kriminalität Erfolg versprechend erschien, sollte vorab geregelt werden. Aus diesem Grunde sowie „um eine einheitliche Fortentwicklung des Verfallsrechts zu gewährleisten und die Gefahr einer Zersplitterung auszuräumen“ ist diese Vorschrift im StGB angesiedelt. 445 BT-Drs. 11 / 6623, S. 6. 446 BT-Drs. 12 / 989, S. 24. 447 BGHSt 41, S. 278, 283; BGH, NStZ 2001, S. 419. 448 BT-Drs. 11 / 6623, S. 6; Katholnigg, JR 1994, S. 353, 354. 449 Wenn der erweiterte Verfall für solche gewinnträchtige Straftaten vorgesehen ist, aus denen ein gefährlicher Gewinn erlangt wird, sollte der Gesetzgeber diese Sanktion als Sicherungsmaßregel formulieren, deren Anordnung von einer Prognoseentscheidung bezüglich der Wahrscheinlichkeit, das Vermögen zur Straftatbegehung zu benutzen, abhängen würde. Der Gesetzgeber hat von einer solchen, schwer beweisbaren Regelung bewusst abgesehen, so auch Weßlau StV 1991, S. 226, 233. 450 BT-Drs. 11 / 6623 S. 7; Möhrenschlager, wistra 1992, S. 281, 286; Schönke / Schröder / Eser § 73d, Rn. 7 bezeichnet diesen Umstand als „Bruch“ mit den herkömmlichen Verfallsvorschriften und plädiert für den Ausschluss des erweiterten Verfalls bei solchen Taten.

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Vom erweiterten Verfall werden nach dem Gesetzeswortlaut „Gegenstände“ erfasst, d. h. Sachen oder Rechte. Die Abkoppelung der neu eingeführten Verfallsart von einem voll bewiesenen Zusammenhang zwischen Straftat und Gegenstand macht den Gebrauch des Begriffs „etwas“ unmöglich und zwingt zur Geltung des Bruttoprinzips. Dementsprechend werden jegliche Aufwendungen des Täters bei der Bemessung des Verfallsgegenstands nicht berücksichtigt. Die Gegenstände müssen vom Tatbeteiligten erlangt sein. Genauso wie beim Verfall muss nicht das Eigentum an den betroffenen Vermögenswerten nachgewiesen werden, sondern nur, dass sie dem Täter wirtschaftlich unmittelbar zugute kommen oder, dass sie seiner faktischen Verfügungsgewalt unterworfen sind. Damit der Täter den erweiterten Verfall nicht durch Austausch der Originalgegenstände umgehen kann, sind als erlangt auch Nutzungen anzusehen, die von Tatbeteiligten aus dem erlangten Gegenstand bis zum Entscheidungszeitpunkt tatsächlich gezogen worden sind sowie Surrogate, die bis dahin an die Stelle des ursprünglich erlangten Gegenstandes getreten sind. Sie können nach der ausdrücklichen Verweisregelung vom § 73d Abs. 1 S. 3 StGB für verfallen erklärt werden.451 Die Neuartigkeit des erweiterten Verfalls liegt gerade in seiner doppelten Erweiterung: Zum einen erstreckt sich die neue Verfallsart auf Vermögensgegenstände, die allgemein für oder aus einer beliebigen rechtswidrigen Tat, und nicht aus der konkret abgeurteilten Tat stammen; diese Taten müssen nicht Gegenstand der Anklage und somit des Strafverfahrens sein, so dass sie auch nicht bewiesen werden müssen.452 Zum anderen müssen für diese Verfallsanordnung Umstände gegeben sein, welche die Annahme rechtfertigen, dass die betroffenen Vermögensgegenstände für rechtswidrige Taten oder aus ihnen erlangt worden sind. Anders als bei § 73 StGB muss die rechtswidrige Herkunft nicht positiv festgestellt werden.453 Das Neue hier ist eine beträchtliche Senkung der Beweisanforderungen bezüglich der kriminellen Herkunft der Vermögenswerte. Die Gesetzesmaterialien geben einigermaßen Auskunft über den genauen Inhalt dieser nicht besonders konkreten Formulierung: nach dem Regierungsentwurf können die Umstände eine solche Annahme nur dann rechtfertigen, „wenn sich aufgrund erschöpfender Beweiserhebung und -würdigung diese Herkunftsmöglichkeit von allen in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten als die ganz überwiegend wahrscheinlichste darstellt“. Es genügt danach, dass „sich bei mangelnder Feststellbarkeit von rechtmäßigen Quellen die Herkunft aus rechtswidrigen Taten im Hinblick auf die Situation des Täters und sein Vorleben einem objektiven Betrachter geradezu aufdrängt“.454

451

LK / Schmidt § 73d, Rn. 31; zum Begriff der Nutzungen und Surrogate s. oben 3. Kap.

A. III. 452 Weigend, FS für Triffterer S. 695, 698, 704 der diese Senkung der Beweisanforderungen im Vergleich zu anderen gesetzgeberischen Methoden zur Vermeidung von Beweisschwierigkeiten favorisiert; Schönke / Schröder / Eser § 73d, Rn. 1. 453 Schönke / Schröder / Eser § 73d, Rn. 15.

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3. Kap.: Die Wiederentdeckung der Gewinnabscho¨pfung

In diesem Kontext stellt sich die Frage nach dem genauen Inhalt des Begriffs „Umstände“, welche die Annahme der kriminellen Herkunft der Gegenstände rechtfertigen. Auf einer zweiten Ebene sollte man noch auf den Inhalt der Begrifflichkeit „rechtfertigen“ eingehen. Umstände sind somit nach einhelliger Auffassung in der Literatur455 nicht nur die Tatumstände, sondern alle relevanten Gegebenheiten hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Täters, soweit sie das Gericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht in ordnungsgemäßer Weise im Anlassverfahren feststellen kann. Jegliche Einlassungen der Tatbeteiligten bezüglich der Herkunft der Gegenstände sind zu berücksichtigen. Schutzbehauptungen sowie zulässigen Beweisanträgen ist grundsätzlich nachzugehen und wie üblich im Strafprozess zu behandeln. Die oben beschriebenen Umstände rechtfertigen eine solche Annahme, wenn sich die rechtswidrige Herkunft der Gegenstände von allen möglichen als die überwiegend wahrscheinlichste darstellt. Nach Ansicht des Gesetzgebers enthält der Begriff des „Rechtfertigens“ ein normatives, wertendes Element, wonach „die Überzeugungsbildung des Gerichts aufgrund einer Gesamtbewertung des Sachverhalts auch unter dem Gesichtspunkt der Verfassungs- und Verhältnismäßigkeit der angedrohten Maßnahme erfolgt. Innerhalb des Rahmens dieser normativen Betrachtungsweise werden somit einerseits das Interesse des Täters an der Wahrung seines Eigentums und andererseits das gesellschaftliche Interesse an einer wirksamen Verbrechensbekämpfung abgewogen“.456 Die Verfallsgegenstände müssen dem Tatbeteiligten zur Zeit der Entscheidung gehören oder zustehen.457 Wenn sich die Gegenstände im Eigentum von Dritten befinden, muss der Verfall ausbleiben.458 Eine Ausnahme davon statuiert der Gesetzgeber in § 73d Abs. 1 S. 2 StGB. Danach wird auch der Verfall von solchen Gegenständen angeordnet, an denen der Täter nur deshalb kein Eigentum erlangt hat, weil diese Gegenstände den Gewinn oder das Entgelt für eine Straftat darstellen. Die Vorschrift besitzt eine Klarstellungsfunktion: Dadurch wollte der Gesetzgeber dem Fall Rechnung tragen, in dem der Täter wegen der Nichtigkeit des (sittenwidrigen oder sonstig rechtsunwirksamen) zivilrechtlichen Erfüllungsgeschäfts nur die Verfügungsgewalt über den Gegenstand, jedoch kein Eigentum an der Sache erlangt hat. Auf eine wirksame zivilrechtliche Erlangung nach den entsprechenden Vorschriften des BGB kommt es also nicht an.459 Diese Regelung will den Richter vor einer Klärungspflicht der oft komplizierten Eigentumsverhältnisse 454 Diese Formulierung wird auch von einigen Kommentaren übernommen, z. B. LK / Schmidt § 73d, Rn. 18. 455 Fischer § 73d, Rn. 11 f.; Katholnigg, JR 1994, S. 353, 355. 456 BT-Drs. 11 / 6623, S. 7; Hoyer, GA 1993, S. 406, 412. 457 NK / Herzog § 73d, Rn. 5; Lackner / Kühl § 73d, Rn. 5; Schönke / Schröder / Eser § 73d, Rn. 12; Fischer § 73d, Rn. 11. 458 NK / Herzog § 73d, Rn. 5. 459 Lackner / Kühl § 73d, Rn. 7; Fischer § 73d, Rn. 15.

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bewahren. Sowohl die Vertreter- als auch die Drittempfängerklausel nach § 73 Abs. 3 und 4 StGB finden hierbei keine Anwendung. Analoge Anwendung finden hingegen die Vorschriften des Verfalls für den Wertersatz (§ 73a StGB) und für die Schätzung (§ 73b StGB). Dieser ausdrückliche Verweis des Gesetzgebers im § 73d Abs. 2 StGB war unerlässlich, da ansonsten eine direkte Anwendung dieser Bestimmungen für den erweiterten Verfall wegen der Andersartigkeit des Gegenstands nicht möglich wäre. Der Wertersatzverfall bezieht sich auf das aus der Tat Erlangte, also auf einen nachgewiesenen Vorteil. Der erweiterte Verfall verzichtet jedoch auf einen solchen Nachweis, so dass diese Regelung nur sinngemäß angewendet werden kann: vom erweiterten Wertersatzverfall können nur die Vermögenswerte der Tatbeteiligten erfasst werden, die nach Abs. 1 dem erweiterten Verfall unterlegen hätten und bei Begehung der Anknüpfungstat beim Beteiligten noch vorhanden waren.460 Ähnliches gilt für die Schätzung nach § 73b StGB. Beim einfachen Verfall steht der Verfallsgegenstand aufgrund des Nachweises der kriminellen Herkunft schon fest, nur ihr konkreter Wert lässt sich nicht oder nur sehr schwer ermitteln. Da der erweiterte Verfall allgemein Gegenstände der Tatbeteiligten erfasst, kann die Schätzung dementsprechend nur bezüglich der konkreten, dem Verfall nach § 73d StGB unterliegenden Gegenstände vorgenommen werden.461 Die Schätzung des ganzen Tätervermögens ist somit nicht zulässig, denn auf diese Weise würde der erweiterte Verfall einer auf Verdacht beruhenden Vermögenskonfiskation gleichkommen. Da durch § 73d StGB allgemein auf lediglich verdächtiges Vermögen zugegriffen bzw. an Erträge aus nicht angeklagten Straftaten angeknüpft wird und dadurch sich der Zusammenhang zwischen der Tat und dem Gegenstand verflüchtigt, erscheint es möglich, dass Gegenstände des Täters erfasst werden, die bereits abgeschöpft wurden. Dieser Gefahr einer Mehrbelastung des Täters will § 73d Abs. 3 StGB entgegenwirken.462 Demgemäss muss das Gericht ergangene Verfallsanordnungen berücksichtigen und zwar von einem neuen erweiterten Verfall absehen, wenn nicht festzustellen ist, ob der Gegenstand bereits einer früheren Verfallsanordnung unterlegen hat. Wenn das Gericht zu keinen sicheren Feststellungen kommen kann, gilt der Tatgewinn nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ als bereits abgeschöpft.463 Die Platzierung des erweiterten Verfalls in einem gesonderten Absatz weist auf seinen eigenständigen Charakter hin. Somit kommt eine direkte Anwendung der Schönke / Schröder / Eser § 73d, Rn. 17; Lackner / Kühl § 73d, Rn. 5. NK / Herzog § 73d, Rn. 9; Fischer § 73d, Rn. 17. 462 Diese Vorschrift stellt eine Konkretisierung des Grundsatzes „ne bis in idem“ dar, der für alle strafrechtlichen Maßnahmen gilt. 463 BT-Drs. 11 / 6623, S. 9; Lackner / Kühl § 73d, Rn. 9; Fischer § 73d, Rn. 18; NK / Herzog § 73d, Rn. 9. 460 461

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3. Kap.: Die Wiederentdeckung der Gewinnabscho¨pfung

§§ 73a, 73b, oder 73c StGB nicht in Betracht. Systematisch betrachtet ist er jedoch ein Unterfall des Verfalls nach § 73 StGB. Dies bedeutet, dass die strafprozessualen Sicherstellungsvorschriften der §§ 111b ff. StPO auch für den erweiterten Verfall gelten. Der Tatrichter muss also in erster Linie versuchen, die Herkunft der Gegenstände zu ermitteln, um zu sehen, ob die Anordnungsvoraussetzungen des einfachen Verfalls vorliegen. Ist dies der Fall, wird der Verfall nach § 73 StGB angeordnet.464 Kann die kriminelle Herkunft der Gegenstände nicht bewiesen werden, obwohl sie wahrscheinlich ist, wird die Anwendung des § 73d in Erwägung gezogen.465 Jedenfalls muss der Tatrichter sicherstellen, dass rechtmäßig Erworbenes vom erweiterten Verfall nicht erfasst wird. Folglich entbindet der erweiterte Verfall den Tatrichter nicht von der Beweispflicht in Bezug auf die Herkunft der betroffenen Gegenstände. Liegen die hier erörterten Voraussetzungen des erweiterten Verfalls vor, ist er zwingend anzuordnen. Aufgrund der ausdrücklichen Regelung des § 43a Abs. 1 S. 2 StGB a.F. hat der erweiterte Verfall den Vorrang vor der Vermögensstrafe.466 Dem erkennenden Richter werden Spielräume gewährt, z. B. zur Anwendung der Härtefallregelung des § 73c StGB (§ 73d Abs. 4 StGB). Die Anordnung des erweiterten Verfalls kann somit unterbleiben, wenn sie für den Betroffenen eine unbillige Härte darstellen würde. Sie sollte allenfalls bejaht werden, so dass der Verfall unterbleibt, wenn Schadensersatzansprüche von Tatgeschädigten in Betracht kommen. Da die Gegenstände, die dem erweiterten Verfall unterliegen, nicht zwangsläufig aus einer ermittelten Straftat stammen, findet die Sperrklausel des § 73 Abs. 1 S. 2 StGB keine Anwendung.467 Das kann zu unbilligen Ergebnissen führen, vor allem wenn für Gegenstände, die durch den erweiterten Verfall abgeschöpft wurden, in einem späteren Zeitpunkt Verletztenansprüche erhoben werden.468 3. Verfassungsrechtliche Kritik Direkt nach dem Vorlegen der entsprechenden gesetzgeberischen Initiativen entflammte eine heftige Diskussion über den erweiterten Verfall. Trotz der Kritik 464 Das gleiche gilt für das Verhältnis zur Einziehung nach § 74 StGB. Wenn ihre Voraussetzungen vorliegen, wird die Anordnung des erweiterten Verfalls zurückgedrängt, so Schönke / Schröder / Eser § 73d, Rn. 4. 465 BT-Drs. 11 / 6623, S. 6; Lackner / Kühl § 73d, Rn. 11; NK / Herzog § 73d, Rn. 8, 14. 466 Schönke / Schröder / Eser § 73d, Rn. 5. 467 BT-Drs. 11 / 6623, S. 6. 468 Der Regierungsentwurf sah diesbezüglich kein Problem, denn im damaligen Zeitpunkt der erweiterte Verfall beschränkte sicht auf Delikte, bei denen keine Konkurrenz mit privatrechtlichen Ansprüchen entstehen könnte; zudem stand nach den Entwurfsverfassern eine Gesamtreform des Verfallsrechtes bevor, die potentielle Probleme beheben würde, s. BT-Drs. 11 / 6623, S. 7.

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wurde jedoch im Gesetzgebungsverfahren an dieser Vorschrift festgehalten. Denn der erweiterte Verfall sah, im Vergleich zur Vermögensstrafe, einen beschränkten Zugriff auf einzelne konkretisierte Vermögensgegenstände eines Straftäters vor. Es wurde somit behauptet, dass die Eingriffsintensität dieser Sanktion niedriger als diejenige der Vermögensstrafe war. Deswegen war für diesbezügliche Grundrechtseingriffe „ein weniger strenger Verhältnismäßigkeitsmaßstab“ anzulegen – so die Ansicht der gesetzgebenden Organe.469 Ein solches Verständnis über Grundrechte und Verhältnismäßigkeit von hoheitlichen Eingriffen erscheint allerdings befremdlich, nicht nur rechtsdogmatisch, sondern auch kriminalpolitisch. Rechtsdogmatisch ist ein solches Verständnis deshalb problematisch, weil zwei nicht vergleichbare Größen in Relation zueinander gesetzt werden. Denn die Verhältnismäßigkeit eines staatlichen Eingriffs lässt sich nicht an der Schwere eines anderen Eingriffs messen, sondern nur an ihrem eigenen Potential, ein konkretes, kriminalpolitisches Ziel zu erreichen. Andere Sanktionen können berücksichtigt, nicht jedoch als einziger Maßstab eingesetzt werden. Letztlich ist dieser Umstand rechtspolitisch befremdlich, wenn nicht sogar bedauerlich, weil sich die Gesetzgebung mit einer nüchternen Betrachtung der entsprechenden Zusammenhänge und deren Abwägung (Abschätzung der wahren Bedrohung durch organisierte Kriminalität, mögliche Maßnahmen in allen Rechtsbereichen, Berücksichtigung von rechtsstaatlichen Garantien) sehr schwer tut. Genauso wie bei der Vermögensstrafe wurde sowohl die verfassungsrechtliche Legitimation des erweiterten Verfalls angezweifelt als auch seine Eignung, den erwünschten Effekt herbeizuführen. Nach seinen Kritikern stellt die neue Verfallsart einen Verstoß gegen a) die Eigentumsgarantie und b) die Unschuldsvermutung dar. Beiläufig werden auch andere verfassungsrechtliche Bedenken erwähnt. a) Verstoß gegen die Eigentumsgarantie Der erweiterte Verfall zielt auf einen umfassenden Zugriff auf Vermögensgegenstände des Täters ab, für die der strenge Beweis der kriminellen Herkunft nicht verlangt wird. Nach h. M. genießt auch ein Straftäter den Eigentumsschutz des Art. 14 GG. Dieser erstreckt sich auf konkretisierbare Vermögensgegenstände. Eine Ausnahme davon wird allerdings statuiert, wenn der Täter durch die Tat sein Eigentum missbraucht hat. Das ist die Grundlage für die Legitimation der strafrechtlichen Einziehung oder des Verfalls. Denn der Täter hat durch die konkrete Tatbegehung den sonst gewährten Eigentumsschutz verwirkt. Aus dem Normengefüge des Art. 14 GG ergibt sich, dass der gemeinwohlwidrige Gebrauch des Eigentums von der Eigentumsgarantie nicht abgedeckt ist. Ähnliches gilt auch für Erträge aus Straftaten, deren Verbleib beim Täter dem Wohl der Allgemeinheit widersprechen würde.470 Der Verwirkungsgedanke besagt somit, dass dieses 469 470

Mehr dazu in NK / Herzog § 73d, Rn. 2. Eser, Sanktionen, S. 181 ff.; m. w. N. Weßlau, StV 1991, S. 226, 229.

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Vermögen nicht schutzwürdig ist. Der Täter kann sich für solche Gegenstände nicht auf den besonderen Rechtsschutz der Rechtsordnung berufen. Der erweiterte Verfall weicht von diesem Schema ab: er knüpft nicht an Gegenstände an, die nachgewiesenermaßen aus Straftaten stammen; aufgrund des gelockerten Tatkonnexes ist nicht sicherzustellen, dass die betroffenen Vermögenswerte aus Straftaten stammen. Auf diese Weise hängt aber auch der verfassungsrechtliche Zusammenhang in der Luft: bei der Anordnung des erweiterten Verfalls wird nicht in einem ordnungsgemäßen Verfahren bewiesen, dass der Täter -Eigentümer seinen Eigentumsschutz verwirkt hat. Die Grenzen der Eigentumsgarantie sind somit verletzt. Diese Behauptung erhärtet sich, wenn man berücksichtigt, dass von § 73d StGB ebenso solche Gegenstände betroffen sind, die aus anderen, nicht näher bekannten, rechtswidrigen Straftaten herrühren. Ausreichend für die Anordnung des erweiterten Verfalls ist also die Tatsache, dass sich das Eigentum durch die offiziellen Einkommens- und Vermögensquellen nicht rechtfertigen lässt. Auf diese Weise wird der Eigentumsgrundsatz faktisch außer Kraft gesetzt, wenn lediglich Anhaltspunkte für eine Verwirkung vorliegen, ohne dass diese im Einzelnen positiv festgestellt wurden. Der Gesetzgeber hat, wie bei der Vermögensstrafe, auch in diesem Fall den verfassungsrechtlichen Engpass diagnostiziert und einen eigenen Auslegungsvorschlag vorgebracht. Demnach wird ohne nähere Argumentation der Vorwurf des erweiterten Verfalls als eines Eigentumsentzuges aufgrund eines bloßen Verdachts abgelehnt. Die Anwendungsvoraussetzungen des erweiterten Verfalls würden nach gesetzgeberischer Ansicht dem Eigentumsgrundsatz auf zweierlei Weise Rechnung tragen: zum einen werde dabei vorausgesetzt, dass die Herkunft der Verfallsgegenstände mit den Erkenntnismöglichkeiten des Gerichts nicht feststellbar sei; angedeutet wird somit, dass das Gericht zum Beweis der rechtswidrigen Herkunft all seine Erkenntnismöglichkeiten ausschöpfen werde; zum zweiten solle eine Verletzung der Eigentumsgarantie durch das wertende Element des „Rechtfertigens“ abgewendet werden.471 Wie das genauer gewährleistet werden soll, bleibt allerdings völlig unklar. Dagegen ist klar, dass diese normative Begrifflichkeit („wenn die Umstände die Annahme rechtfertigen“) eine Überzeugung des Tatgerichts impliziert, die an einen hohen Wahrscheinlichkeitsgrad anknüpft. Die Richter berücksichtigen bei der Fallbeurteilung alle Umstände, die diese Annahme rechtfertigen; sie verobjektivieren ihre Schlüsse und agieren somit innerhalb ihres freien Beweiswürdigungsrechts (§ 261 StPO). Ohne den normativen Inhalt dieses Begriffs zu verkennen, ist jedoch durch diesen kein voller Nachweis der kriminellen Herkunft des Tätereigentums zu führen. Die Richter sehen die die Anordnung des erweiterten Verfalls begründenden Tatsachen nicht als nachgewiesen, sondern als wahrscheinlich an. Der Verfall, der lediglich wegen einer wahrscheinlichen Verwirkung des Eigentums angeordnet 471

BT-Drs. 11 / 6623, S. 5.

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wird, überschreitet die Grenzen eines zulässigen Grundrechtseingriffs und tangiert somit unmittelbar den Schutzbereich des Art. 14 GG.472 b) Verstoß gegen die Unschuldsvermutung Trotz des Versuchs, durch den Gebrauch des Begriffs „rechtfertigen“, die Schwere des verfassungsrechtlichen Verstoßes zu beschwichtigen, bleibt der erweiterte Verfall aus einem anderen Gesichtspunkt weiterhin problematisch. Denn er senkt die Beweisanforderungen für die Verhängung einer strafrechtlichen Maßnahme ab (Anordnung nicht wegen bewiesenen Tatzusammenhangs, sondern, wenn die Umstände diese Annahme rechtfertigen). Da die Strafverfolgungsbehörden einen qualitativ niedrigeren Beweis führen müssen, geht es dabei um eine Beweiserleichterung.473 Durch die Ablösung des erweiterten Verfalls von der abgeurteilten Tat wird zudem selbst die Begehung anderer Straftaten vermutet. Auf der Basis dieser einfachen Vermutung wird eine strafrechtliche Maßnahme verhängt. Diese Umstellung könnte man sogar als eine Art Beweislastumkehr ansehen, denn es bleibt dem Täter überlassen, zu beweisen, dass er entgegen allen Annahmen, keine weiteren Straftaten begangen hat. Folglich drängt sich die Prüfung der Vereinbarkeit des erweiterten Verfalls am Maßstab der Unschuldsvermutung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. 1 Abs. 1 GG; Art. 6 Abs. 2 EMRK) sowie des Rechtsstaatsprinzips auf. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG „erzwingt die Unschuldsvermutung ein prozessordnungsgemäßes Verfahren zum Beweis des Gegenteils, bevor wegen eines Tatvorwurfs Entscheidungen getroffen werden, welche die Feststellung von Schuld erfordern“.474 Aus der ersten Neuerung des erweiterten Verfalls, die Beweisanforderungen zu senken und aus bestimmten Umständen eine Schlussfolgerung abzuleiten, ergibt sich kein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung. Dieses Prinzip verbietet die Verhängung einer Strafe oder strafähnlicher Maßnahme ohne den entsprechenden Schuldnachweis. Dieser Rechtssatz kann somit nicht so ausgelegt werden, dass pauschal für alle strafrechtlichen Maßnahmen der volle Nachweis der zugrunde liegenden Tatsachen stetig verlangt wird. Die Unschuldsvermutung verbietet ledig472 So Perron, JZ 1993, S. 918, 919, der eine ausführliche Verhältnismäßigkeitsprüfung unternimmt, welche die mangelnden Effizienzaussichten des erweiterten Verfalls vor Augen führt; so auch Deutscher Richterbund, DRiZ 1991, S. 456; Schönke / Schröder / Eser § 73d, Rn. 2; Fischer § 73d, Rn. 4; Hoyer, GA 1993, S. 406, 412; Weßlau StV 1991, S. 226, 233; Köhler / Beck, JZ 1991, S. 797, 799; Dannert, Eigentumsentziehungen, S. 67; a.A. Krey / Dierlamm, JR 1992, S. 353, 358 die diese Erweiterungen beim erweiterten Verfall als Konkretisierung der immanenten Schranken des Art. 14 GG begreifen; ähnlich LK / Schmidt § 73d, Rn. 20a; Katholnigg, JR 1995, S. 297, 298. 473 LK / Schmidt § 73d, Rn. 3; Lackner / Kühl § 73d, Rn. 8 sprechen von einer widerlegbaren gesetzlichen Beweisregel zuungunsten des Täters in Anlehnung an die Rechtsprechung zum § 259 Abs. 1 a.F. 474 BVerfGE 74, S. 358, 371.

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lich die Verhängung von Maßnahmen im Vorgriff auf die Strafe, die in ihrer Wirkung ihr gleichkommen.475 Die Rechtsordnung kennt vor allem im Bereich des Strafverfahrensrechts sehr eingriffsintensive Maßnahmen, die nur aufgrund einer einfachen Verdachtslage dem Betroffenen auferlegt werden.476 Im Fall des erweiterten Verfalls wird jedoch die Straftatbegehung in einem ordnungsgemäßen Verfahren eindeutig nachgewiesen. Problematisch erscheint jedoch die zweite Neuerung des erweiterten Verfalls, wonach der Entzug von solchen Gegenständen angeordnet wird, die aus vermuteten Straftaten stammen. Hier wird nicht nur die kriminelle Herkunft, sondern auch die Tatbegehung selbst vermutet. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der erweiterte Verfall Gegenstände erfasst, die aus einer bereits verjährten Tat herrühren oder, dass der Beschuldigte für die konkrete Tat, aus der die inkriminierten Vermögenswerte vermutlich stammen, freigesprochen wurde. Auf der Basis von so weitgehenden Vermutungen, die strafrechtliche Maßnahme eines dauerhaften Eigentumsentzugs zuzulassen, komme einer Verdachtsstrafe gleich.477 Der Gesetzgeber wehrt sich gegen diesen Vorwurf mit dem Hinweis, die Unschuldsvermutung beziehe sich auf Strafen, während es sich beim erweiterten Verfall nicht um eine Strafe bzw. eine strafähnliche Maßnahme handele. Denn die Anknüpfungstat des erweiterten Verfalls sei eine lediglich rechtswidrige Tat; ein Verschulden des Täters werde nicht vorausgesetzt.478 Nach dieser Ansicht gehe es dabei um eine strafrechtliche Maßnahme, die über den ursprünglichen kondiktionsähnlichen Gedanken hinaus479 präventive Funktionen übernehme, vor allem bezüglich der Sicherung des Investitionskapitals von kriminellen Organisationen und einer abschreckenden Einwirkung auf „gewinnsüchtige“ Täter. Die Diskussion dreht sich also im Kreise. Mit einem ähnlichen Problem war man bei der Beurteilung der Rechtsnatur des novellierten Bruttoverfalls nach §§ 73 ff. StGB konfrontiert. Es bleibt bisher ungeklärt, wann für eine Maßnahme eine Strafähnlichkeit angenommen werden kann, wann also die Strafqualität erreicht ist. Dazu werden verschiedene Kriterien benutzt, wobei nur eine Einzelfallentscheidung zu plausiblen Ergebnissen führen kann.480 Eine gesetzgeberische Bezeichnung einer Maßnahme kann jedoch nicht bzw. nicht als das einzige Kriterium für ihre wahre Rechtsnatur dienen. Vor allem für die Vereinbarkeit einer Sanktion mit der Unschuldsvermutung kann es nach der Rechtsprechung des So z. B. BVerfGE 82, 106, 117. Z. B. die relevanten Vorschriften der StPO nach §§ 111b ff. 477 Arzt, NStZ 1990, S. 1, 5. 478 BT-Drs. 11 / 6623, S. 5. 479 Möhrenschlager, wistra 1992, S. 281, 286. In Anbetracht des Bruttoprinzips und der Erfassung von Vermögenswerten aus nicht nachgewiesenen Straftaten findet sich der kondiktionelle Charakter beim erweiterten Verfall nicht wieder, so auch Weßlau, StV 1991, S. 226, 231. 480 Dazu Berg, Beweiserleichterungen, S. 89 ff., 140 ff. 475 476

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BVerfG nicht darauf ankommen, ob die in Frage kommende Sanktion vom Gesetzgeber als Strafe charakterisiert wurde.481 E contrario ergibt sich, dass einschlägige Vorgaben des Gesetzgebers keine verbindliche Wirkung haben. Ansonsten wäre der Gesetzgeber jedes Mal in der Lage, einer Maßnahme den Strafcharakter abzusprechen, um die entsprechenden Begrenzungen, die mit der Etikette „Strafe“ zusammenhängen, zu vermeiden. Wenn man jedoch die Modalitäten des erweiterten Verfalls einer näheren dogmatischen Analyse unterzieht, ist eine gewisse Strafähnlichkeit nicht auszuräumen.482 Diese ergibt sich nicht ausschließlich aus dem bereits thematisierten Bruttoprinzip. Strafähnlich ist vor allem die tatsächliche Wirkung des erweiterten Verfalls auf den Betroffenen: er muss aufgrund von einfachen Verdachtsmomenten hinsichtlich der Tatbegehung (andere Straftaten seien ebenso begangen worden, Vermögensgegenstände würden aus diesen vermutlichen Taten stammen) einen schwerwiegenden Eingriff in seine Eigentumspositionen erdulden. Ob also diese Taten von dem Betroffenen tatsächlich begangen worden sind (und somit eine Strafe gerechtfertigt ist) oder nicht, bildet nicht den Gegenstand der gerichtlichen Beweisführung. Trotz der relevanten präventiven Erwägungen, die eine wichtige Rolle spielen mögen, scheint ein so anzuordnender erweiterter Verfall eine repressive Verschärfung der Hauptstrafe darzustellen, welche die Person des Täters treffen will. Der erweiterte Verfall ist als eine strafähnliche Maßnahme zu qualifizieren, die aufgrund eines bloßen Tatverdachts angeordnet wird. Die Unschuldsvermutung, die bei solchen Maßnahmen uneingeschränkt gilt, wird somit verletzt.483 c) Sonstige Bedenken Nicht zu Unrecht sieht eine Ansicht in der Literatur auch das sog. Selbstbezichtigungsverbot (den nemo-tenetur-Grundsatz) tangiert.484 Dieses ist in Art. 14 des Internationalen Paktes für bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) verankert, wird aber ebenso als Ausdruck eines rechtsstaatlichen, fairen Verfahrens angesehen. Wenn also der Beschuldigte den erweiterten Verfall von nicht rechtswidrig erlangten Vermögensgegenständen abwenden will, muss er sich zu Vorgängen äuBVerfGE 19, S. 342, 347; 82, S. 106, 117; Dessecker, Gewinnabschöpfung, S. 359. a.A.: Krey / Dierlamm, JR 1992, S. 353, 358. 483 Weigend, FS für Triffterer, S. 695, 704; Eser, FS für Stree / Wessels, S. 833, 845; Weßlau, StV 1991, S. 226, 232; Heckmann, ZRP 1995, S. 1, 2; Schönke / Schröder / Eser § 73d, Rn. 2 der keine Vereinbarkeit des erweiterten Verfalls mit der Unschuldsvermutung sieht und zwar unabhängig davon, ob dieser als Beweislastumkehr oder Beweiserleichterung eingestuft wird; Hassemer, WM 1995, Sonderb. 3, S. 3, 13; Dannert, Eigentumsentziehungen, S. 74 f. sieht in der Vermutung der rechtswidrigen Herkunft der Vermögensgegenstände einen Verstoß gegen den in der Unschuldsvermutung enthaltenen Grundsatz „in dubio pro reo“. 484 Schönke / Schröder / Eser § 73d, Rn. 2; Eser, FS für Wessels / Stree S. 833, 846; Weßlau, StV 1991, S. 226, 232. 481 482

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ßern, die nicht Gegenstand des eröffneten Strafverfahrens sind. Seine Mitwirkung kann somit Anhaltspunkte liefern, die möglicherweise zu seiner Überführung und Verfolgung wegen anderer Straftaten verwertet werden können. Wenn er dagegen auf Angaben zur Herkunftsidentifikation verzichtet, riskiert er den Verlust seiner Vermögenswerte. Nebenbei lässt sich auch ein Verstoß gegen den prozessualen Anklagegrundsatz nicht ausräumen (§ 151 i. V. m. § 155 Abs. 1 StPO). Dieses Prinzip bezieht sich auf den Prozessgegenstand, der immer durch die Klage festgelegt wird. Es verbietet eine richterliche Untersuchung und Entscheidung über andere, nicht in der Anklageschrift bezeichnete Taten.485 Beim erweiterten Verfall muss das Gericht auch Taten nachgehen, die weder von der Anklage erfasst noch nachträglich ins Verfahren einbezogen wurden (§ 266 StPO). Demgemäß muss sich der Angeklagte gegen einen strafrechtlichen Vorwurf wehren, den das Gericht nur aus den Umständen ableitet.486

4. Die BGH-Lösung Nicht nur der Gesetzgeber hat erkannt, dass der erweiterte Verfall unter Umständen zu unbilligen Ergebnissen führen kann. Die Rechtsprechung hat sich mit dem neuen Rechtsinstitut ebenso befasst. Sie ist somit – leider nur ansatzweise – auf die heftige Kritik seitens des Schrifttums eingegangen.487 Ohne gesondert die verschiedenen Verstöße gegen Verfassungsprinzipien zu überprüfen, hat der BGH betont, dass eine ganz hohe Wahrscheinlichkeit der deliktischen Herkunft, wie dem Wortlaut sowie den Gesetzesmaterialien zu entnehmen ist, zur Anordnung des erweiterten Verfalls nicht ausreicht. Der Senat vertritt ausdrücklich die Meinung, dass die gesetzliche Vermutung, der Täter habe auch andere Straftaten begangen, aus denen die entsprechenden, nicht näher zuzuordnenden Gegenstände herrühren, die Grundrechte des Angeklagten verletze. Denn, auch wenn der Verdacht sehr dringend sei, könne ein solcher Grundrechtseingriff nicht hingenommen werden, der aufgrund einer Verdachtslage strafrechtliche Maßnahmen zulässt.488 Um diese Klippe zu umschiffen, wurde eine Erhöhung der Anforderungen an den Nachweis der Herkunft von Vermögensgegenständen vorgeschlagen. Der BGH führt die Binsenweisheit auf, dass für einen Schuldspruch selbst ein sehr hohes Maß an Wahrscheinlichkeit die notwendige tatrichterliche Überzeugung nicht ersetzen darf. Die Neuigkeit ist, dass das Gericht für den erweiterten Verfall die gleichen Beweisstandards verlangt. Dementsprechend sollte auch das wertende HK / Krehl § 155 Abs. 1 StPO, Rn. 1, 2. So Julius, ZStW 1997, S. 58, 99; Jescheck / Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allg. Teil, § 76, S. 795. 487 BVerfGE 48, S. 40 ff. 488 BGH NStZ 1994, S. 125 ff. 485 486

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Element im Tatbestand des § 73d StGB einengend ausgelegt werden, so dass die Wendung „wenn die Umstände die Annahme rechtfertigen“ die Berücksichtigung von jeglichen Grundrechtspositionen des Angeklagten umfasst. Die Anordnung des erweiterten Verfalls käme somit nur dann in Betracht, „wenn der Tatrichter die uneingeschränkte Überzeugung von der deliktischen Herkunft der Vermögensgegenstände gewonnen hat“. Gleichzeitig wird auf die einschlägige Rechtsprechung zur rechtsfehlerfreien richterlichen Überzeugungsbildung verwiesen.489 Somit gerät die Argumentation des BGH in einem inneren Widerspruch: Wenn der erweiterte Verfall bezüglich der Beweisanforderungen mit einem Schuldspruch (und der darauf folgenden Strafe) gleichgestellt wird, könnte man im Umkehrschluss behaupten, dass der erweiterte Verfall die Qualität einer strafähnlichen Maßnahme erreicht hat. Für einen so konzipierten, strafähnlichen erweiterten Verfall gilt jedoch uneingeschränkt die Unschuldsvermutung: damit stellen die geforderten „erhöhten Anforderungen“ an den Nachweis der kriminellen Herkunft immer noch ein Minus an den vom Grundgesetz gewährten Grundrechtsschutz dar. Wenn für die Anordnung des erweiterten Verfalls „die notwendige tatrichterliche Überzeugung“ verlangt wird, bedeutet das, dass eine selbst erhöhte Wahrscheinlichkeit, abgesehen von ihrem Grad, der Unschuldsvermutung zuwiderläuft. Dieser Widerspruch wird allerdings dadurch verstärkt, dass das Gericht gleichzeitig konstatiert, an die Überzeugungsbildung seien keine überspannten Anforderungen zu stellen. Soweit es bei diesen Begriffen um keine strafrechtsdogmatisch gängigen Termini geht, bei denen auf entsprechende Auslegungsversuche verwiesen würde, scheint dieser Beschluss nur Verwirrung zu schaffen. Es ist im Ergebnis sehr schwer, wenn überhaupt noch möglich, zu unterscheiden, ob für die Anordnung des erweiterten Verfalls eine hohe Wahrscheinlichkeit oder doch die uneingeschränkte tatrichterliche Überzeugung zugrunde gelegt wurde. Würde man immer diese uneingeschränkte Überzeugung verlangen, würde sich der tatsächliche Anwendungsbereich des erweiterten Verfalls nur auf solche Fälle beschränken, in denen alle denkbaren Erwerbsmöglichkeiten ausdrücklich ausgeschlossen und die entsprechenden Schutzbehauptungen von Angeklagten widerlegt wären. Da dies, angesichts der Vielgestaltigkeit der Erwerbsmöglichkeiten in der Gerichtspraxis nicht zu bewerkstelligen ist, bleibt zu befürchten, dass die Anforderungen an den notwendigen Wahrscheinlichkeitsgrad geringer ausfallen werden als vom Gesetzgeber vorgestellt.490 In diesem Zusammenhang wurde in der Literatur sehr zutreffend darauf hingewiesen, dass eine solche Differenzierung „nur die Darstellungsund nicht etwa die Herstellungsebene beeinflussen könnte“.491 Durch eine entsprechende Urteilsgestaltung könnte der erfahrene Richter seine uneingeschränkte 489 490 491

BGH NStZ 1995, S. 125. Schönke / Schröder / Eser § 73d, Rn. 15; Lackner / Kühl § 73d, Rn. 8. NK / Herzog, § 73d, Rn. 2.

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Überzeugung revisionsfest darlegen, auch in Fällen, in denen sich die kriminelle Herkunft nur als wahrscheinlich darstellt. Im Übrigen ändert die Auslegung des BGH nichts an der vielfach kritisierten Anknüpfung des erweiterten Verfalls an eine nicht näher konkretisierte Tat. Der BGH hat diesbezüglich das gesetzgeberische Ziel bestätigt, wonach andere Straftaten, aus denen Vermögensgegenstände eventuell herrühren, nicht im Einzelnen festgestellt werden müssen. Somit bleibt die plausible Frage unbeantwortet, wie ein Gericht „eine positive Vorstellung davon bekommen kann, dass eine unbekannte Handlung bestimmte Vermögenswerte hervorgebracht hat“.492 Der Gedankengang des BGH kann somit schwerlich als verfassungskonforme Auslegung interpretiert werden. Die verfassungskonforme Auslegung impliziert die Existenz von zwei Auslegungsmustern, die beide vom Wortlaut gedeckt sind, während die eine mit dem GG vereinbar ist und die andere nicht. Die hier entworfene Auslegung räumt den Verstoß gegen die Unschuldsvermutung nicht aus. Gleichzeitig vermisst man eine Stellungnahme des Gerichts bezüglich der Eigentumsgarantie. Diese Argumentationslinie ist allerdings zielkonform; denn erkenntnisleitend war eher das gesetzgeberisch proklamierte Ziel einer effektiven Gewinnabschöpfung als eine strikte Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der neuen Sanktion.

5. Kriminalpolitische Kritik Durch dieses Urteil ist somit der BGH bemüht, genau wie bei der „verfassungskonformen Auslegung“ der Vermögensstrafe, die Verfassungsmäßigkeit der jeweiligen Vorschrift angesichts der kriminalpolitischen Faszination, die sie ausstrahlt, „zu retten“. Das führt im Ergebnis dazu, dass strafrechtliche Eingriffe, die sich auf überindividuelle Interessen berufen (Schutz der Gesellschaft vor der Bedrohung der organisierten Kriminalität), grundrechtlich geschützte Freiheiten in der Praxis drastisch beschneiden.493 Auf diese Weise werden jedoch Präzedenzfälle für Konstellationen geschaffen, in denen die Relativierung rechtsstaatlicher Prinzipien aus kriminalpolitischen Gründen geboten scheint. Schritt für Schritt könnten somit längst erkämpfte Schutzmechanismen vor der staatlichen Strafgewalt zulasten des Bürgers ausgeschaltet werden. Die Normierung des erweiterten Verfalls kann somit als noch ein Beispiel dienen für eine schleichende Umwandlung des Strafrechts von einem „Freiheitsrecht“ zu einem bloßen Verbrechensbekämpfungsinstrumentarium. Aber auch wenn man diesen emotional anklingenden Ton beiseite lässt, bleibt es ebenso fraglich, ob der erweiterte Verfall kriminalpolitisch so plausibel ist, wie dies von polizeilichen Kreisen behauptet wird. Keine Zweifel bestehen daran, dass 492 So Weßlau in: Strafverteidigervereinigungen (Hrsg.), Aktuelles Verfassungsrecht und Strafverteidigung, S. 141, 143. 493 NK / Herzog § 73d, Rn. 2.

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diese Maßnahme den Strafverfolgungsakteuren viel weitere Spielräume eröffnet. Mittels der Beschlagnahme- und Arrestvorschriften wird lediglich verdächtiges Vermögen sichergestellt. Im Anschluss daran wird in der Hauptverhandlung das Gericht, ohne besonderen Aufwand, hohe Vermögenswerte abschöpfen. Diese Strategie soll dem potentiellen Täter vor Augen führen, dass die Tatbegehung nicht rentabel ist. Ein derartiger Zugriff auf das Finanzkapital der organisierten Kriminalität könnte bewirken, dass kriminelle Organisationen keine Helfershelfer bezahlen, keine Bestechungsgelder entrichten, keine weiteren Absatzorganisationen aufbauen können.494 Eine nähere Betrachtung führt jedoch zu differenzierten Erwägungen. Erstens ist es aus kriminologischen Gesichtspunkten sehr umstritten, ob die Gewinnabschöpfung die ihr zugeschriebene general- sowie sicherungspräventive Wirkung entfalten kann.495 Zweitens muss man zwischen der Normierung des erweiterten Verfalls und der Handhabung dieser Sanktion in der Praxis unterscheiden. Der obligatorische Charakter des erweiterten Verfalls besagt noch nichts über seine tatsächliche Anwendung durch die Gerichtspraxis. Es wurde bereits erläutert, wie selten die Möglichkeit des einfachen Verfalls trotz seines obligatorischen Charakters in Anspruch genommen wurde. Auch wenn man annimmt, dass der erweiterte Verfall die Anwendungsschwierigkeiten des einfachen Verfalls beseitigt, ist der Erfolg des § 73d StGB nicht ohne Weiteres gewährleistet: da er verfassungsrechtlich so unter Beschuss steht, kann nicht ausgeschlossen werden, dass er in den Augen der Richter einigermaßen disqualifiziert worden ist. Es wäre durchaus verständlich, wenn die Richter in Rücksicht auf das Eingriffspotential dieser Maßnahme sehr zurückhaltend wären. Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber dem erweiterten Verfall können sich somit in sog. „Vollzugsdefizite“ umschlagen.496

6. Das Urteil des BVerfG zum erweiterten Verfall Die Verfassungsmäßigkeit des erweiterten Verfalls, die vielfach in Zweifel gezogen wurde, hat ebenso das Bundesverfassungsgericht beschäftigt.497 Durch das Urteil des Zweiten Senats vom 14. Januar 2004 wird die verfassungskonforme, restriktive Auslegung des BGH bestätigt, wonach der erweiterte Verfall nur aufgrund Vgl. die Ausführungen im Bundesratsentwurf BT-Drs. 12 / 989, S. 20. s. oben 3. Kap. F. III. 5. 496 Während der erweiterte Verfall seit seiner Einführung (1992) bis zum Jahre 1999 seine Anordnungshäufigkeit verdreifacht hat, liegt der prozentuale Anteil in der Gesamtheit der Verurteilungen für das Jahr 1999 immer noch bei dürftigen 0,014%, dazu s. Kilchling, Gewinnabschöpfung, S. 38, 43 ff. Somit kann diesem Rechtsinstitut kein durchschlagender Erfolg zur Abschöpfung krimineller Gewinne attestiert werden. 497 BVerfG Urteil des Zweiten Senats vom 14. Januar 2004, abgedruckt in: NJW 2004, S. 2073 ff. 494 495

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der uneingeschränkten Überzeugung des Richters in Bezug auf die deliktische Herkunft des Vermögens angeordnet werden darf. Das Verfassungsgericht geht jedoch einen Schritt weiter und liefert eine Einordnung des erweiterten Verfalls in das strafrechtliche Sanktionsgefüge. Demgemäß verfolge er nicht „repressiv-vergeltende“, sondern „präventiv-ordnende Ziele“ und sei daher keine dem Schuldgrundsatz unterliegende strafähnliche Maßnahme. Auf diese Weise sei diese Maßnahme auch nicht an der Unschuldsvermutung zu messen, die nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG nur für Strafen oder strafähnliche Sanktionen gelte. Um diese Annahme zu untermauern, wird auf eine sog. „vermögensordnende Funktion des erweiterten Verfalls“ Bezug genommen, die im Rahmen der positiven Generalprävention entwickelt wird: „Indem der Staat dem Täter deliktisch Erlangtes wegnimmt, führt er ihm, wie auch der Rechtsgemeinschaft vor Augen, dass strafrechtswidrige Bereicherungen nicht geduldet werden und Straftaten sich nicht lohnen“.498 Durch diese Aussage scheint allerdings das Gericht den qualitativen Unterschied zwischen dem einfachen und dem erweiterten Verfall völlig verkannt zu haben. Apodiktisch wird angeführt, dass durch den Verfall dem Täter deliktisch Erlangtes entzogen wird; hierin liegt ein schwerwiegender dogmatischer Fehler der Entscheidung; denn, beim erweiterten Verfall handelt es sich nicht zwangsläufig um deliktisch Erlangtes, sondern ebenso um Vermögensgegenstände, die nicht sicher aus einer Straftat stammen. Würde man also diesen präventiv-ordnenden Charakter für den einfachen Verfall hinnehmen, ist er umso unverständlicher für eine Maßnahme, die keinen vollen Nachweis der deliktischen Herkunft verlangt und zudem an potentielle, jedoch nicht näher zu konkretisierende Straftaten anknüpft. Diese Nivellierung der Grenzen zwischen den Verfallsarten lässt sich nachvollziehen, wenn man diese Sanktionen aus einer generalpräventiven Perspektive betrachtet. Genau diese Betrachtung spricht jedoch für den strafähnlichen Charakter des erweiterten Verfalls. Wenn der vermögensordnende Eingriff, wie das Urteil es behauptet, „die Unverbrüchlichkeit und die Gerechtigkeit der Rechtsordnung erweisen und so die Rechtstreue der Bevölkerung stärken soll“, spricht das für eine klare Zweckbestimmung, die der modernen aufgeklärten Strafe im Feuerbach‘schen Sinne immanent ist. Soweit sich der erweiterte Verfall auf solche Vermögenswerte bezieht, die nicht nachgewiesenermaßen bemakelt sind, verfolgt diese Prävention klare Strafzwecke; denn es handelt sich dabei um eine materielle Einbuße, die den Täter persönlich für alle tatgeneigten Personen sichtbar in seinen Freiheitsrechten, also in seiner Existenz trifft. Dies wird klarer, wenn man das Gewicht von materiellen Einbußen in einer materialistischen Gesellschaft, wie die gegenwärtige, vor Augen hat. Unabhängig vom Namen, den man dieser Maßnahme gibt, schwingt beim erweiterten Verfall auch der sozialethische Vorwurf 498

BVerfG, NJW 2004, S. 2073, 2075.

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einer Strafe mit, nämlich in einer leicht abgewandelten Form: bei Leuten, die in Straftaten verwickelt sind, kann der Reichtum eben nur von Straftaten herrühren. Es ist also nicht übertrieben zu sagen, dass es bei solchen Konstellationen um eine Vermögenskonfiskation und nicht um eine ausgleichende Maßnahme mehr geht, „die den Täter letztlich allein deshalb trifft, weil er ein Straftäter ist“.499 Die Anknüpfung an die sichernden Wirkungen der Gewinnabschöpfung ist allerdings auch problematisch. Während explizit gesagt wird, dass der erweiterte Verfall systematisch nicht als Sicherungsmaßregel ausgestaltet ist, für die eine drohende Reinvestition der kriminellen Gelder auf weitere kriminelle Taten prognostiziert werden sollte, wird zugleich diese Prognose für die Anordnung des erweiterten Verfalls als selbstverständlich und zwingend erachtet. Während also unsicher ist, ob das entzogene Vermögen illegal erlangt wurde, wird wiederum dem Betroffenen vorgehalten, dass er dieses zu illegalen Zwecken einsetzen würde. Die Annahme, dass, wenn man einmal mit illegalen Mitteln Profit geschlagen hat, es immer so machen würde, enthält aber ebenso einen sozialethischen Vorwurf in Bezug auf die Neigungen des Betroffenen, stellt also eine Art Spezialprävention dar; der Strafcharakter drängt sich somit noch mehr auf. Unübersehbar bei dieser Entscheidung ist jedoch die sich vollziehende kriminalpolitische Wende. Nach dem Urteil „ist eine Maßnahme strafähnlich, nicht schon dann, wenn sie mit einer Einbuße an Freiheit oder Vermögen verbunden ist und damit faktisch die Wirkung eines Übels entfaltet. Bei der Beurteilung des pönalen Charakters einer Rechtsfolge sind vielmehr weitere, wertende Kriterien heranzuziehen, insb. der Rechtsgrund der Anordnung und der vom Gesetzgeber mit ihr verfolgte Zweck“.500 Auf diese Weise werden zur Verhängung von besonders eingriffsintensiven strafrechtlichen Maßnahmen solche Erwägungen maßgeblich, die ausschließlich aus einer systemischen, streng positivistischen Perspektive zu betrachten sind.501 Innerhalb einer solchen Perspektive ist es denkbar, dass sich Maßnahmen, die sich für das betroffene Individuum als wirkliches Übel darstellen, aus wertender Sicht ganz anders betrachten lassen. Dadurch wird dem Täter vermittelt, er solle die Reaktion auf die Straftat in der Form erweiterten Verfalls nicht persönlich nehmen, denn sie sei keine konkret tadelnde Reaktion, sondern gelte nur der Verdeutlichung, dass Ungezogenheit (welche durch die Straftat attestiert wird) die Ordnung störe und nicht geduldet werden könne.502 Individuelle Verantwortung und „verdiente“ Strafe werden dementsprechend von einer Störung der 499 Herzog, JR 2004, S. 494, 497 f.; dadurch wird ebenso ein Sozialpessimismus ersichtlich, wenn offenbar davon ausgegangen wird, nennenswerte Bevölkerungsteile könnten sich unter dem Eindruck einer zögerlichen Abschöpfung von kriminellen Profiten auf diese Erwerbsquelle verlegen. 500 BVerfG, NJW 2004, S. 2073, 2074. 501 Ähnlich argumentieren auch Kempf / Schilling, wonach die Rechtssprechung in diesem Fall auf ein im Wesentlichen selbst geschaffenes begriffliches System rekurriert, in: Vermögensabschöpfung, S. 82. 502 So Herzog, JR 2004, S. 494, 497.

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ordnenden Aufgabe des Staates und von einer anschließenden Beseitigung dieses Störfaktors ersetzt, während der interpersonelle Bezug verloren geht. Die Nähe zu einer gefahrenabwehrrechtlichen Sichtweise lässt sich somit nicht verkennen. Nach alledem erscheint es umso interessanter, dass das Verfassungsgericht, trotz seiner etwas verstörten Betrachtungsweise, was Strafe und Strafähnlichkeit angeht, einen anderen Systembruch diagnostiziert und den Gesetzgeber zur Korrektur anregt. „Anordnungen des erweiterten Verfalls können vermögenswerte Rechtspositionen tatgeschädigter Dritter beeinträchtigen, weil der Gesetzgeber anders als beim einfachen Verfall, beim erweiterten Verfall Schadensersatzansprüchen von Tatopfern keinen Vorrang vor der strafrechtlichen Gewinnabschöpfung einräumt. Daher hat der Gesetzgeber zu prüfen, ob die Rechte Tatgeschädigter nach der Ausdehnung seines Anwendungsbereichs noch hinreichend gewahrt sind“.503 Hier scheinen die Verfassungsrichter wieder auf die rechtsstaatliche Schiene zurückzukehren. Das kriminalpolitische Programm der Generalprävention wird also nicht stringent gehandhabt; denn das würde eine Verletzung von Rechten Tatgeschädigter bedeuten, falls die generalpräventive Zielsetzung des ordnenden Zugriffs durch die Erhebung von Opferansprüchen gefährdet wäre. Dieses obiter dictum kann somit als ein Indiz für eine Unsicherheit und Verlegenheit des Verfassungsgerichts verstanden werden, das sich nicht so richtig zwischen einem kriminalpolitischen Konzept und einem rechtsstaatlichen Verständnis der grundgesetzlichen Normen entscheiden kann. Das vorliegende Urteil des Verfassungsgerichts ist somit überraschend, denn es folgt gar nicht der Argumentationslinie, die zur Diagnose der Verfassungswidrigkeit der Vermögensstrafe zwei Jahre zuvor geführt hat.504 Andererseits ist es vielleicht gerade dieser Umstand, der das Schielen der Verfassungsrichter nach erwünschten kriminalpolitischen Wirkungen und ihr Entfernen von rechtsstaatlichen Standards zu verantworten hat. Wenn man bedenkt, dass der Gesetzgeber durch die Vermögensstrafe und den erweiterten Verfall die Effektivierung der Gewinnabschöpfung als Ziel hatte, würde eine Nichtigkeitserklärung des erweiterten Verfalls, nach der vorausgegangenen Nichtigkeit der Vermögensstrafe, das ganze Konzept völlig in Frage stellen. Dem Anschein nach mögen solche Erwägungen bei der Beurteilung der verfassungsrechtlichen Zusammenhänge des erweiterten Verfalls eine Rolle gespielt haben.

7. Exkurs: Ausländische Reformbemühungen Selbst gewichtige Änderungen in Richtung einer Beweislastumkehr im deutschsprachigen Raum ließen den deutschen Gesetzgeber unbeeindruckt. Gemeint sind die Schweiz und Österreich, wo in Rückgriff auf das Gefahrenpotential der organi503 504

BVerfG, NJW 2004, S. 2073, 2078. MK / Joecks § 73d, Rn. 21.

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sierten Kriminalität bestimmte gesetzliche Regelungen zur Beweislastumkehr eingeführt wurden. Das schweizerische Recht sieht z. B. im neuen Art. 59 Ziff. 3 S. 1 SchwStGB vor, dass alle Vermögenswerte, welche der Verfügungsmacht einer kriminellen Organisation unterliegen, einzuziehen sind. Dabei ist weder der Nachweis noch der Verdacht einer individuellen Anlasstat oder eine Tatbefangenheit der Vermögenswerte erforderlich. Voraussetzung für die Einziehung ist die Zurechnung der Vermögensgegenstände der Verfügungsmacht einer kriminellen Organisation. Die Verfügungsmacht ist allerdings kein rechtliches, sondern ein faktisches Kriterium.505 Wann die Voraussetzung erfüllt ist, lässt die neue Regelung offen. An die Stelle des vergangenheitsbezogenen Kriteriums der kriminellen Herkunft, das bei der schweizerischen Geldwäschereibestimmung maßgeblich ist, tritt nunmehr der gegenwartsbezogene Maßstab der Verfügungsmacht einer Verbrechensorganisation. Davon werden auch Vermögenswerte erfasst, die einer legalen Betätigung der Organisation entstammen. Diese Einziehung erinnert an die entsprechenden Bestimmungen des US-amerikanischen Rechts, wo in dem sog. „ad rem Verfahren“ die Vermögensgegenstände unabhängig von einer strafrechtlichen Aburteilung des Falles eingezogen werden. Gleichzeitig wird im schweizerischen Recht eine echte Beweislastumkehr vorgesehen (Art. 59 Ziffer 3 S. 2 SchwStGB), wonach Vermögenswerte von Mitgliedern der organisierten Kriminalität bis zum Nachweis des Gegenteils der Verfügungsmacht der Organisation zuzurechnen sind und damit ebenso der Einziehung unterliegen. Der Nachweis, dass die Vermögenswerte jeweils aus einer Straftat stammen, wird nicht mehr gefordert. Aufgrund der gesenkten Beweisforderungen ist zu erwarten, dass der Geldwäschereitatbestand (Art. 305bis SchwStGB) in der Zukunft nur eine zweitrangige Rolle spielen wird, während sich die Bekämpfung krimineller Organisationen auf ihre finanzielle Austrocknung via Einziehung konzentrieren wird. Mit dem Einsatz eines gegenwartsbezogenen Kriteriums zur Anordnung der Einziehung beschreitet der Gesetzgeber ohne Zweifel „kühne Wege“;506 für ein retrospektiv auf die Ahndung vergangener Straftaten bezogenes Strafrecht erscheint die Verfügungsmacht der kriminellen Organisation als Bezugspunkt nicht zu Unrecht als „revolutionär“.507 Somit wird eine dem Tatstrafrecht bislang unbekannte konfiskationsähnliche Sanktion in das schweizerische Recht eingeführt, deren Rechtfertigungsgrundlage nicht völlig geklärt erscheint.508 Es ist 505 Zur Einziehung von Vermögenswerten einer kriminellen Organisation in der Schweiz s. Kilchling / Kaiser / Pieth, Gewinnabschöpfung, S. 128 ff. 506 So Schmid, Kommentar, Einziehung, Organisiertes Verbrechen, Geldwäscherei, Bd. 1, S. 156, 186 507 So Kunz, in: Plywaczewski (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Strafrechts und der Kriminologie, S. 297, 309; dieser Regelung wird eine derart große Bedeutung beigemessen, dass sie vom UN-Modell zur Geldwäsche und Gewinnabschöpfung im Bereich der Drogen aufgenommen wurde, vgl. dazu Natterer, European Journal of Crime, Criminal Law and Criminal Justice 1997, S. 220, 224. 508 So auch Kaiser, ZRP 1999, S. 144, 149.

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somit nicht verwunderlich, dass mitunter Verletzungen von Verfassungsprinzipien, wie des Verhältnismäßigkeitsprinzips oder der Eigentumsgarantie, geltend gemacht wurden.509 Einen ähnlichen, jedoch nicht so radikalen Weg hat auch der österreichische Gesetzgeber eingeschlagen. Im März 1997 ist in Österreich ein vollständig erneuertes Gewinnabschöpfungsrecht in Kraft getreten (§§ 20, 20a, 20b ÖstStGB), das starke Ähnlichkeiten zum schweizerischen Modell aufweist. Demzufolge wird in § 20b ÖstStGB eine organisationelle Gewinnabschöpfungsnorm geschaffen. Auf eine ausdrückliche Beweislastumkehr wie im schweizerischen Recht wurde hier jedoch verzichtet. Kumulative Voraussetzungen zur Anordnung der Gewinnabschöpfung sind, dass die Begehung mehrerer schwerer Anlasstaten bewiesen wurde, dass durch oder aus deren Begehung dem Täter illegale Vermögensvorteile zugeflossen sind und dass dem Täter im zeitlichen Zusammenhang mit den Anlasstaten weitere Vermögensvorteile erwachsen sind, bei denen die Annahme nahe liegt, dass sie aus weiteren Verbrechen dieser Art stammen.510 In solchen Fällen wird dem Täter ermöglicht, den rechtmäßigen Erwerb des von dieser Vermutung erfassten Vermögens glaubhaft zu machen. Man spricht von einer sog. Bescheinigungslastumkehr.511 Denn es obliegt dem Täter zu „bescheinigen“, ob die fraglichen Vermögensgegenstände aus einer Erbschaft, einem Lottogewinn, einem Verkaufserlös oder aus einem hohen Einkommen stammen. Zudem ist nach österreichischem Recht die Gewinnabschöpfung von Vermögen juristischer Personen möglich (§ 20a Abs. 3 ÖstStGB).

IV. Der Tatbestand der Geldwäsche (§ 261 StGB) Neben den gesetzgeberischen Bemühungen im Bereich der strafrechtlichen Sanktionen wurde ein Bedürfnis nach materiellrechtlichen Neuerungen diagnostiziert. Ein neuer Straftatbestand sollte den Gedanken der Erfassung der kriminellen Gewinne zum Ausdruck bringen und somit den kriminalrechtlichen Ansatz der Bekämpfung der organisierten Kriminalität abrunden. Während also durch die neuen Sanktionsmöglichkeiten das Instrumentarium zur effektiven Gewinnabschöpfung geschaffen werden sollte, wollte der Gesetzgeber zusätzlich all diejenigen Handlungen unter Strafe stellen, die einen Kontakt zu rechtswidrig erlangten Vermögenswerten darstellten und somit den Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auf das kriminelle Vermögen verhinderten. 509 Eine ähnliche Sanktion würde im deutschen Recht keine besonderen Auswirkungen entwickeln, da die Rechtsprechung an den Nachweis einer kriminellen Vereinigung hohe Anforderungen stellt, welche die Anwendbarkeit einer vergleichbaren Vorschrift stark einschränken würden, so Kilchling / Kaiser / Benseler, Gewinnabschöpfung, S. 56 f. 510 Mehr dazu in: Kilchling / Kaiser / Fehervary, Gewinnabschöpfung, S. 192 ff. 511 Kaiser, ZRP 1999, S. 144, 148; ausführlich dazu Löschnig-Gspandl, European Journal of Crime, Criminal Law and Criminal Justice 1997, S. 210, 216.

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Dabei ging es um Handlungen, die phänomenologisch unter den Begriff der Geldwäsche fallen. Dieser Begriff geht auf die Prohibitionsjahre in den USA zurück, als Einkünfte aus dem illegalen Alkoholhandel mit solchen aus dem Betrieb von unter der Kontrolle des organisierten Verbrechens stehenden Münzwaschsalons vermischt wurden.512 Auf eine nähere Erläuterung der zahlreichen Definitionsversuche der Geldwäsche wird hier verzichtet.513 Ziel der folgenden Ausführungen ist es nicht, die Komplexität der Kategorie des Geldwaschens zu beleuchten, sondern lediglich aufzuzeigen, wie der Gesetzgeber diese Kategorie aufgefasst hat und sie in das vorliegende OrgKG einfließen ließ. Die Gesetzesmaterialien liefern eine Definition der Geldwäsche, nach der unter diesem Begriff „die Einschleusung von Vermögensgegenständen aus Straftaten (vor allem der organisierten Kriminalität) in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf zum Zwecke der Tarnung“ verstanden wird.514 Die Grenzen des strafbaren Geldwaschens werden über diese Deskription relativ klar abgesteckt, so dass jeder Versuch strafbar werden soll, die kriminelle Herkunft der betreffenden Gegenstände zu verschleiern und sie in den allgemeinen Wirtschaftsverkehr einzuschleusen. Es wird noch zu zeigen sein, ob sich diese Definition in der konkreten Formulierung der Tathandlungen niederschlägt oder nicht.

1. Die Ineffizienz des bisherigen Strafrechts Das Bedürfnis nach einem neuen Tatbestand, der den Verkehr mit und die Weiterverwertung von kriminellen Gewinnen inkriminieren würde, wurde im Gesetzgebungsverfahren nicht bezweifelt.515 Die Betätigung des deutschen Gesetzgebers geht allerdings auf internationale Vorgaben zurück. Am Ende der 80er Jahre und angesichts der „Bedrohung“ durch die Drogenkriminalität haben sich verschiedene internationale Organisationen und Gremien zusammengeschlossen in der Hoffnung, das Phänomen des Drogenmissbrauchs gemeinsam besser zu bekämpfen. Ziel war dabei die Erfassung der enormen kriminellen Erträge aus dem Drogengeschäft. Daraus ergaben sich Abkommen, wie die Wiener Drogenkonvention von 1988 sowie das Europaratsabkommen von 1990, die unter anderem auch die Strafbarkeit der Geldwäsche vorsahen. Die gesamte Diskussion über die Geldwäschegesetzgebung weist somit eine internationale Dimension auf516, die in einem nächsten Kapitel näher untersucht wird.517 Herzog / Mülhausen / Jekewitz, GwHdb, § 8, Rn. 1 m. w. N. Ausführlich dazu Herzog / Mülhausen / Vogt, GwHdb § 1, Rn. 1 ff. 514 BT-Drs. 12 / 989, S. 26. 515 Lampe, JZ 1994, S. 123 ff. 516 Zum internationalen Druck zur Schaffung eines Geldwäschetatbestands s. Arzt, NStZ 1990, S. 1 ff. 517 Dazu s. unten 4. Kap. A. 512 513

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Die bestehende Systematik der herkömmlichen Anschlussdelikte (§§ 257 ff. StGB) schien diesen völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands nicht gerecht zu werden. Sowohl die Gesetzesmaterialien als auch die wissenschaftliche Diskussion demonstrieren die Schwächen der verschiedenen Anschlussdelikte, typische Geldwäschehandlungen effektiv zu erfassen, sowie die Strafbarkeitslücken, die sich daraus ergaben.518 Der am nächsten liegende Tatbestand der Hehlerei (§ 259 StGB) war aus verschiedenen Gründen dazu nicht geeignet:519 erstens musste die Vortat, aus der die Vermögensgegenstände stammen, ein Vermögensdelikt darstellen. Den Schwerpunkt des OrgKG bildeten jedoch die Betäubungsmitteldelikte sowie andere Kriminalitätsformen, die nicht als Delikte gegen fremdes Vermögen aufgefasst werden, wie z. B. der Waffenhandel. Statt einer Abschaffung dieser Beschränkung beim Hehlereitatbestand schien es dem Gesetzgeber angebrachter, eine völlig neue Strafvorschrift zu entwickeln, die einen Vortatenkatalog enthalten würde.520 Zweitens war neben dem materiellen auch der gegenständliche Anwendungsbereich der Hehlerei sehr eingeschränkt. Forderungen und Rechte wie z. B. das Bankguthaben wurden nicht als Sachen im Sinne des § 259 StGB und somit als taugliche Tatobjekte anerkannt.521 Somit wurden von der Strafbarkeit alle Finanzgeschäfte ausgeschlossen, die aber in der Regel der Durchführung von Geldwäschehandlungen dienten. Zudem wurde auch die Ersatzhehlerei von diesem Tatbestand nicht erfasst;522 denn nach der aus der ratio legis des § 259 StGB folgenden Perpetuierungstheorie war die Hehlerei nur auf die unmittelbaren Tatvorteile beschränkt.523 Der Gesetzgeber wollte aber in diesem Fall genau die Konstellationen unter Strafe stellen, in denen sich der Handlungs- und Erfolgsunwert nicht im Umtausch des Originalgegenstands erschöpfte. Als strafwürdig wurde die Kette von nachfolgenden Verwertungshandlungen angesehen, welche die Herkunft des Gegenstandes unkenntlich machten und somit den entsprechenden Zugriff der Strafverfolgungsbehörden vereitelten. Bemakelt wurde dadurch nicht nur der Originalgegenstand, sondern auch die an seine Stelle getretenen Surrogate. Auf dogmatische Schwierigkeiten stieß aber auch die Anwendung der Strafvereitelung (§ 258 StGB).524 Dieser Tatbestand kriminalisiert jene Handlungen, wel518 Krey / Dierlamm, JR 1992, S. 353, 354; Löwe-Krahl, wistra 1994, S. 121, 123 ff.; Hetzer, wistra 1993, S. 286 f.; Lampe, JZ 1994, S. 123 ff.; MK / Neuheuser § 261, Rn. 5; Hesel, Untersuchungen zur Dogmatik und den Erscheinungsformen „modernen“ Strafrechts, S. 54 ff. 519 Otto, Jura 1993, S. 329 ff.; Arzt, NStZ 1990, S. 1, 2. 520 Bezüglich der Möglichkeit einer Reformierung des § 259 StGB zur Erfassung von geldwäschetypischen Handlungen, s. Spiske, Pecunia olet? Der neue Geldwäschetatbestand im Verhältnis zu den §§ 257, 258, 259 StGB, insb. zur straflosen Ersatzhehlerei, S. 179 ff. 521 BT-Drs. 12 / 989, S. 26, Leip, Der Straftatbestand der Geldwäsche, S. 14. 522 BT-Drs. 12 / 989, S. 26; Arzt, NStZ 1990, S. 1, 2. 523 LK / Ruß § 259, Rn. 14; SK / Samson § 259, Rn. 10; Schönke / Schröder / Stree § 259, Rn. 14; Lackner / Kühl § 259, Rn. 8; BGH, NJW 1969, S. 1260. 524 BT-Drs. 12 / 989, S. 26; Spiske, Pecunia olet?, S. 77.

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che die Verhängung oder die Vollstreckung von strafrechtlichen Sanktionen und Maßnahmen vereiteln. Die typischen Geldwäschehandlungen, die Verschleierung der Herkunft und das Hineinbringen der bemakelten Gegenstände in den legalen Wirtschaftskreislauf, sind als Kausalbedingungen zur Vereitelung von Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB) wie dem Verfall (§ 73 StGB) und der Einziehung (§ 74 StGB) zu betrachten. Denn auf diese Weise können die dem Verfall und der Einziehung unterliegenden Gegenstände nicht sichergestellt und endgültig entzogen werden. Manchmal scheiterte jedoch die Anordnung dieser Maßnahmen selbst an rechtlichen Hindernissen. Der Verfall wurde z. B. nicht angeordnet, also letztendlich vereitelt, wenn Tatverletzte existierten, deren Ansprüche gegen den Täter durch den staatlichen Verfallsanspruch gefährdet wären. Die Strafwürdigkeit der oben geschilderten Verhaltensweisen war im Rahmen von § 258 StGB gegeben, sie stellten jedoch in so gelagerten Fallkonstellationen keine Strafvereitelung dar, so dass eine Strafbarkeitslücke entstand. Zudem waren die subjektiven Anforderungen dieses Tatbestands insoweit hoch, als dass jedes Mal das Wissen oder die Absicht des Täters, den Vortäter vor der Maßnahme des Verfalls zu schützen, nachgewiesen werden musste.525 Daraus entstanden Beweisschwierigkeiten, welche die Anwendung dieser Vorschrift fraglich machten. Aus ähnlichen Gründen wurde auch die Geeignetheit des Tatbestands der Begünstigung zur Erfassung von geldwäschetypischen Handlungen angezweifelt (§ 257 StGB).526 Probleme bereitete eine in der Literatur verbreitete Ansicht, wonach dieser Tatbestand nur dann in Betracht komme, wenn die Vorteile unmittelbar durch die Vortat erlangt worden seien. Zur Klärung des Streits über das Unmittelbarkeitserfordernis leistete allerdings der BGH mit seiner widersprüchlichen Rechtsprechung keinen Beitrag.527 Zudem war die erforderliche Absicht der Vorteilssicherung im Rahmen der Tätigkeiten der organisierten Kriminalität nicht immer gegeben. Verlangt wird nach h. M. zielgerichtetes Wollen.528 Die typischen Geldwäschehandlungen bezwecken jedoch nicht (oder nicht nur) die Sicherung der durch die Vortat erlangten Vorteile, sondern manchmal auch das Entfernen ihrer Bemakelung, damit sie dann in einem späteren Stadium in weitere Tätigkeiten investiert werden. Berücksichtigt man die Tatsache eines arbeitsteiligen, betriebsähnlichen Funktionierens krimineller Strukturen, ergibt sich, dass die Geldwäscher sehr oft zu ihrem eigenen Gewinn und nicht nur als Gehilfen zur Vorteilsicherung agieren.

Otto, Jura 1993, S. 329. Leip, Geldwäsche, S. 19; Spiske, Pecunia olet?, S. 59. 527 Einerseits wird eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zugrunde gelegt, so dass das Umwechseln von Geld dem Unmittelbarkeitserfordernis nicht entgegensteht, s. BGHSt 24, S. 166, 168; andererseits wird dies in BGHSt 36, S. 277 ff. verneint. 528 Dazu zusammenfassend Spiske, Pecunia olet?, S. 55 ff. 525 526

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2. Ziele des Geldwäschetatbestands Die Strafbarkeitslücke, die sich aus dem Zusammenspiel der oben geschilderten Vorschriften ergab, hat den Gesetzgeber dazu veranlasst, durch Art. 1 Nr. 19 des OrgKG einen neuen Tatbestand einzuführen: die Geldwäsche (§ 261 StGB). Die weit gefasste Formulierung der zahlreichen Tathandlungen lässt die Mehrspurigkeit der gesetzgeberischen Ziele erkennen. Das Geldwaschen stellt den Schnittpunkt von illegalen Erlösen aus Straftaten und legalem Finanzkreislauf dar. Das bedeutet, dass das illegale Geld gerade bei den Geldwäschehandlungen sichtbar wird.529 Wenn es den Strafverfolgungsbehörden gelingen würde, diese Transaktionen, die sog. Papierspur („paper trail“) zurückzuverfolgen, könnten sie einen Einblick in die Funktionsweisen der organisierten Kriminalität gewinnen. Konsequenz dieses Vorgehens wäre ein Eindringen in die kriminellen Strukturen und eine Optimierung ihrer Bekämpfung. Durch das Verschleiern der kriminellen Herkunft von Vermögenswerten wird zugleich der Zugriff der Strafverfolgungsorgane auf die kriminellen Gewinne erschwert, wenn nicht sogar vereitelt. Dieser neue Straftatbestand sollte also das Anliegen der Gewinnabschöpfung flankieren und vorantreiben. Daraus ergibt sich auch ein prozessualer Nebeneffekt: die Strafverfolgungsbehörden werden, gestützt auf den Verdacht einer Tat im Sinne des § 261 StGB, prozessuale Maßnahmen veranlassen, auch ohne dass Hinweise auf eine konkrete Vortat vorliegen. Dadurch entsteht eine Multiplizierung von Ermittlungsansätzen.530 Gleichzeitig wird der Täter durch die Inkriminierung all jener Handlungen, die ihm die Weiterverwertung seiner Gewinne ermöglichen, daran gehindert, einen wirtschaftlichen Nutzen aus seinen Taten zu ziehen. Gleichzeitig wird seine Isolierung angestrebt, indem die aus der Vortat herrührenden Gegenstände verkehrsunfähig gemacht werden. Somit wird ihm vor Augen geführt, dass sich Verbrechen nicht lohnen .531

3. Das geschützte Rechtsgut Besondere Schwierigkeiten bereitet die genaue Bestimmung des geschützten Rechtsguts. Der Gesetzgeber sowie die herrschende Meinung in der Literatur sehen als geschütztes Rechtsgut die inländische Rechtspflege, und zwar in ihren Aufgaben, durch Verfall und Einziehung die Wirkungen von Straftaten zu beseitigen.532 Für den Isolierungstatbestand des Abs. 2 wird der Zweck der Norm auch BT-Drs. 12 / 989, S. 27. So auch Herzog / Mülhausen / Nestler, GwHdb § 15, Rn. 2. 531 Vgl. BT-Drs. 12 / 989, S. 26; BT-Drs. 12 / 2704, S. 1, 10. 532 Lackner / Kühl § 261, Rn. 1; Schönke / Schröder / Stree § 261, Rn. 1; Arzt, JZ 1993, S. 913, 914, 917 529 530

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im Schutz der durch die Vortat verletzten Interessen gesehen. Nebenbei wurden andere zu schützende Rechtsgüter in die Diskussion gebracht. Zudem wurde der legale Finanz- und Wirtschaftskreislauf zu einem Rechtsgut erhoben533, während ein weiter reichender Ansatz dadurch die innere Sicherheit geschützt sieht.534 Die Segmentierung der zu schützenden Rechtsgüter je nach Tathandlung erweckt den Verdacht einer Scheinlegitimation der Vorschrift. Bei der leichtfertigen Geldwäsche (§ 261 Abs. 5 StGB) wird nur die Vermeidung von Beweisschwierigkeiten bei der Anwendung der anderen Absätze bezweckt. Trotz der Versuche der Rechtsprechung, diese Ungereimtheiten zu beheben (z. B. durch die Propagierung des eigenständigen Unrechtsgehalts der leichtfertigen Geldwäsche)535 wird das geschützte Rechtsgut nicht näher präzisiert. Aber auch, wenn man die inländische Rechtspflege als einzigen Schutzzweck der Vorschrift ansieht, ist es nicht plausibel, wie z. B. jedes Verschaffen eines kriminell erlangten Gegenstands – auch im Rahmen sozial- und geschäftsüblicher Tätigkeiten dieses Rechtsgut schützen soll. Die inländische Rechtspflege wird vom Gesetzgeber offensichtlich jeder Ermittlungstätigkeit der Strafverfolgungsbehörden gleichgesetzt. Dies bedeutet, dass durch den Tatbestand des § 261 StGB nicht der Schutz bestimmter Objekte verfolgt wird, sondern die Schaffung eines weit angelegten polizeilichen Fahndungskonzepts.536 Man hat den Eindruck, dass zuerst die kriminalpolitischen, gesetzgeberischen Ziele feststanden und im Nachhinein versucht wurde, ein hineinpassendes Rechtsgut zu konstruieren.537 Auf diese Weise ergibt sich eine Unübersichtlichkeit und Unsicherheit in Bezug auf die Grenzen des durch die Norm erzielten Rechtsgüterschutzes. Davon wird in den nachstehenden Ausführungen mehrmals die Rede sein. Es sei in diesem Punkt daran erinnert, dass die Rechtsgutdogmatik dazu dient, die Grenzen strafbaren Verhaltens abzustecken und dabei Auslegungsgesichtspunkte zu liefern. Auf diese Weise lassen der „Verlust des Rechtsguts“ bei der Geldwäsche und die daraus entstehenden Auslegungsschwierigkeiten auch die Normanwendung zweifelhaft erscheinen.

533 Lampe, JZ 1994, S. 123, 126; ähnlich auch Bottke, wistra 1995, S. 121, 124, der die Ansicht vertritt, dass § 261 Abs. 2 die Funktionsvoraussetzungen des legalen marktwirtschaftlichen Wettbewerbs schützt; s. auch Findeisen, wistra 1997, S. 121 ff. 534 Barton, StV 1993, S. 156, 160, der allerdings erkennt, dass die innere Sicherheit einer Konturierung bedarf und es sich nicht um eine Sicherheit um jeden Preis handelt; zustimmend Körner / Dach, Geldwäsche, S. 13; Burr, Geldwäsche, S. 11; Knorz, Unrechtsgehalt, S. 133, 136, geht auch davon aus, dass durch § 261 StGB der Schutz der inneren Sicherheit bezweckt wird, spricht aber diesem Zweck eine Rechtsgutsqualität ab. 535 BGH NJW 1997, S. 3323, 3325; ebenso unkritisch in Bezug auf das Rechtsgut: BVerfG NJW 2004, S. 1305, 1307. 536 Findeisen, wistra 1997, S. 121; Kilchling, wistra 2000, S. 241, 243. 537 Vgl. Frehsee, in: Schild (Hrsg.), Der Rechtsstaat verschwindet, Gesammelte Aufsätze von Detlev Frehsee, S. 253, 260.

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4. Das Tatobjekt des Geldwäschetatbestands Das Tatobjekt der Geldwäsche konfrontiert den Rechtsanwender (sowie den Normadressat) mit ebenso erheblichen dogmatischen Problemen. Tatobjekt dieser Vorschrift sind Gegenstände, die aus einer der in Satz 2 genannten rechtswidrigen Taten herrühren. Unter dem Begriff der Gegenstände fallen sowohl bewegliche und unbewegliche Sachen als auch Rechte, wie Buchgeld, Forderungen usw. Diese Gegenstände müssen allerdings einen Vermögenswert besitzen und übertragbar sein.538 Diese Gegenstände müssen also aus einer Katalogtat herrühren. Somit hat der Gesetzgeber sich für die Lösung eines Vortatenkatalogs entschieden. Zur Verfügung stand die Möglichkeit, nur die Geldwäsche von Drogengeld zu kriminalisieren oder auf einen solchen Vortatenkatalog gänzlich zu verzichten und somit die Erträge aus allen Straftaten für geldwäschetauglich zu erklären (sog. All-crimePrinzip). Die internationalen Vorgaben, die mitursächlich für die Schaffung dieses Tatbestands waren, sahen keine einheitliche Regelung vor. Während sich das Wiener Übereinkommen von 1988 lediglich auf Erlöse aus Drogendelikten bezog, haben sowohl die Europaratskonvention als auch die einschlägige EG-Richtlinie diesbezüglich geschwiegen. Der deutsche Gesetzgeber hat sich für einen Mittelweg entschieden: die Beschränkung auf Drogendelikte würde einerseits kriminelle Erträge nicht erfassen, die aus anderen Kriminalitätsbereichen der organisierten Kriminalität stammten. Andererseits würde ein eventueller Verzicht auf einen Vortatenkatalog die Strafbarkeit der Geldwäsche ausufern lassen. Deshalb schien die Schaffung eines Vortatenkatalogs angemessener. Dieser umfasste in seiner ursprünglichen Fassung a) alle Verbrechen. Ob diese Verbrechen der organisierten Kriminalität zuzurechnen sind, war nicht erheblich.539 Kritisiert wurde dabei, dass diese allgemeine Formulierung zu verdeckten Ausweitungen der Grenzen des § 261 StGB führen könne, sei es durch die Einführung von neuen Verbrechenstatbeständen, sei es durch die Aufwertung eines Vergehens zu einem Verbrechen;540 b) Vergehen nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG. Darunter fallen alle wesentlichen Betäubungsmittelvergehen. Dies entsprach dem Ziel, dadurch ein zusätzliches Mittel im Kampf gegen den Drogenhandel zu schaffen. Somit sind die Verpflichtungen aus der Drogenkonvention erfüllt. Auf diese Weise stellen die Erlöse aus dem Drogenhandel geldwäschetaugliche Gegenstände dar;541 c) Vergehen, die von einem Mitglied einer kriminellen 538 Cebulla, wistra 1999, S. 281 ff. schlägt einen funktionalen Gegenstandsbegriff vor, der als Gegenstände das Know-how oder Computersoftware umfasst, Gegenstand der Geldwäsche. 539 So Fischer § 261, Rn. 10. 540 Sehr zutreffend NK / Altenhain § 261, Rn. 35. Dies ist z. B. mit die Einführung des § 370a AO durch das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz bereits passiert, s. unten 5. Kap. D. IV.

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Vereinigung nach § 129 StGB begangen wurden. Dabei ist nicht erforderlich, dass der Täter als Mitglied der kriminellen Vereinigung gehandelt hat.542 Durch die Worte „eines anderen“ in der ersten Fassung des § 261 StGB wurde klargestellt, dass der Vortäter selbst, genau wie bei der Hehlerei, nicht Täter der Geldwäsche sein kann. Für die Teilnehmer der Vortat war jedoch eine Strafbarkeit wegen Geldwäsche nicht ausgeschlossen.543 Diese Vortaten müssen allerdings tatbestandsmäßig sowie rechtswidrig, nicht jedoch schuldhaft begangen worden sein. Maßgeblich ist auch nicht, ob für die Vortat das deutsche Strafrecht nach den §§ 3 ff. StGB zur Anwendung kommt. Als geldwäschetaugliche Gegenstände werden in § 261 Abs. 8 StGB auch diejenigen betrachtet, die aus im Ausland begangenen Straftaten herrühren. Einzige Voraussetzung zur Gleichstellung von diesen Gegenständen ist, dass sie am Tatort mit Strafe bedroht sind.544 Diese Formulierung hat einen Auslegungsspielraum offen gelassen, nämlich darüber, ob die Auslandstaten den Katalogtaten des § 261 StGB entsprechen müssen oder ob sämtliche Auslandstaten erfasst werden. Die Betrachtung des Normzwecks spricht allerdings gegen eine extensive Auslegung: wenn der Gesetzgeber auf die Einbeziehung sämtlicher im Inland begangenen Vortaten verzichtet hat, dann sollte das für die Auslandstaten ebenso gelten.545 Durch diese Regelung wollte der Gesetzgeber dem internationalen Charakter der Geldwäsche Rechnung tragen und somit sicherstellen, dass die Strafverfolgung und der Zugriff auf die entsprechenden Gegenstände den deutschen Strafverfolgungsbehörden wegen des ausländischen Tatorts nicht verwehrt werden.546 Um den Kausalzusammenhang zwischen der Vortat und dem Gegenstand zu bestimmen, hat sich der Gesetzgeber für das sog. Herkunftsprinzip entschieden, wonach die Gegenstände aus der Tat eines anderen „herrühren“ müssen. Dem gegensätzlichen Organisationsprinzip, wonach als geldwäschetauglich diese Vermögensgegenstände zu betrachten sind, die aus Straftaten einer kriminellen Orga541 Zum Streit, ob Gegenstand einer Geldwäsche neben dem Kaufpreis auch das Betäubungsmittel selbst sein kann, s. eingehend, Lampe, JZ 1994, S. 123, 126; a.A. NK / Altenhain § 261, Rn. 27. 542 Schönke / Schröder / Stree § 26, Rn. 4a; Fischer § 261, Rn. 16. 543 Otto, Jura 1993, S. 329, 330. 544 Es kommt allerdings nur auf die allgemeine Strafrechtswidrigkeit und nicht auf die materiell-rechtliche Strafbarkeit oder die strafprozessuale Verfolgbarkeit an, SK / Hoyer § 261, Rn. 8. Ob die Vortat nach ausländischem Recht im selben Umfang für strafbar erklärt wird, spielt dabei auch keine Rolle. 545 Dazu ausführlich, Leip, Geldwäsche, S. 59 ff.; zudem ist es unerheblich, ob die Tat nach dem Tatortrecht eine vergleichbare Strafandrohung besitzt oder ob am Tatort die Geldwäsche strafbar ist, dazu s. Schönke / Schröder / Stree § 261, Rn. 6; SK / Hoyer § 261, Rn. 8; MK / Neuheuser § 261, Rn. 40; Egger Tanner, Die strafrechtliche Erfassung der Geldwäscherei, S. 88; Höreth, Die Bekämpfung der Geldwäsche unter Berücksichtigung einschlägiger ausländischer Vorschriften und Erfahrungen, S. 205. 546 Ähnlich NK / Altenhain § 261, Rn. 42.

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nisation stammen, wurde eine klare Absage erteilt.547 Dies ist nicht zuletzt auf die besonderen Beweisschwierigkeiten zurückzuführen, die entstehen würden, wenn die Straftat jeweils einer kriminellen Vereinigung zugerechnet werden müsste. Letztendlich war der dogmatische Einwand plausibel, die Straftaten seien einer Person und nicht einer kriminellen Vereinigung zuzurechnen. Trotzdem bleibt durch dieses Herkunftsprinzip der Bezug zur organisierten Kriminalität unklar. Der Begriff des Herrührens entpuppt sich allerdings als „das Kardinalproblem des Geldwäschetatbestands“; 548 denn dieser Begriff wird im Strafgesetzbuch sonst nirgendwo verwendet, so dass keine Auslegungsgrundsätze verfügbar sind.549 Zudem hilft die Gegenüberstellung mit den Tatobjekten der anderen Anschlussdelikte wenig. Im Tatbestand der Begünstigung (§ 257 Abs. 1 StGB) stellen „die Vorteile der Tat“ das Tatobjekt dar, während bei der Hehlerei (§ 259 Abs. 1 StGB) von Gegenständen, die „der Täter durch eine rechtswidrige Tat erlangt“ die Rede ist. Zum gleichen Ergebnis kommt man, wenn man den üblichen Sprachgebrauch zugrunde legt.550 Dem Gesetzgeber war offensichtlich die Weite des Begriffs „Herrühren“ nicht nur bewusst, sondern auch gewollt: wie bereits erwähnt, wollte der Gesetzgeber nicht nur Originalgegenstände, sondern und vor allem auch Surrogate erfassen, und zwar unabhängig von ihrer Zuordnung zum Vermögen eines Vortatbeteiligten oder von etwaigen Rechten des Opfers der Vortat. Die Bemakelung des Gegenstands und die entsprechende Strafbedürftigkeit bestanden somit auch nach dem ersten Waschvorgang fort. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber bei der Schaffung des Tatbestands selbst wahrgenommen, dass dieser weit gefasste Tatbestand einer Einschränkung bedarf. Erkannt wurde vor allem die Gefahr, dass innerhalb kürzester Zeit der gesamte Wirtschaftsverkehr kontaminiert werden kann. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, hat der Gesetzgeber versucht, den Begriff des Herrührens einzugrenzen. In der Gesetzesbegründung wird klargestellt, dass dieser Begriff die Kette von Verwertungshandlungen umfasst, bei welchen der ursprüngliche Gegenstand unter Beibehaltung seines Werts durch einen anderen ersetzt wird. Der Gegenstand, der an der Stelle des ursprünglichen getreten ist, muss dessen Wert verkörpern. Maßgeblich ist somit die Wert- und nicht die Sachidentität des Gegenstands, so dass eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zugrunde gelegt wird. Ein Herrühren liegt dagegen nicht mehr vor, „wenn der Gegenstand durch Weiterverarbeitung im Wesentlichen auf eine spätere, selbständige Leistung Dritter zurückzuführen ist“. Durch einen derartigen Eingriff von Dritten habe sich der konkrete Gegenstand zu einem Aliud umgewandelt. Der kausale Zusammenhang sei somit so schwach, dass die Geldwäschestrafbarkeit entfalle.551 547 548 549 550 551

NK / Altenhain § 261, Rn. 24. So auch Maiwald, FS für Hirsch, S. 631, 636. Fischer § 261, Rn. 7; Schönke / Schröder / Stree § 261, Rn. 7, 8. Dionyssopoulou, Der Tatbestand der Geldwäsche, S. 82. BT-Drs. 12 / 989, S. 27.

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Darüber hinaus wird gesetzlich noch eine Konstellation statuiert, in der die besagte Kette von Verwertungshandlungen unterbrochen wird.552 In Bezug auf die Tathandlungen des § 261 Abs. 2 StGB wird die Strafbarkeit ausgeschlossen, wenn zuvor ein Dritter den Gegenstand erlangt hat, ohne hierdurch eine Straftat zu begehen. (§ 261 Abs. 6 StGB). Auf diese Weise kann der gutgläubige Erwerber eines bemakelten Gegenstands diesen weiter veräußern, ohne sich strafbar zu machen. Das gilt auch, wenn er im Nachhinein die deliktische Herkunft erfahren hat. Diese objektive Begrenzung der Strafbarkeit dient dem Schutz des Rechtsverkehrs und der Verhinderung langer Ketten von Straftaten durch den häufigen Umtausch oder den personenbezogenen Wechsel des inkriminierten Gegenstands. Zu Recht wird angemerkt, dass diese Vorschrift der Ausuferung des Abs. 2 entgegenwirken soll.553 Da sich diese Regelung ausdrücklich auf die Tathandlungen des Abs. 2 erstreckt, bleibt jedoch die Strafbarkeit nach Abs. 1 unberührt.554 Wenn also jemand inkriminierte Gegenstände verbirgt oder sonstige Verschleierungshandlungen begeht, bleibt er unbeschadet der Tatsache, dass ein gutgläubiger Zwischenmann die Sache straffrei erlangt hat, nach § 261 Abs. 1 strafbar.555 Den Bedenken hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „Herrühren“ wurde auf der oben genannten Weise nicht genügend Rechnung getragen. Ob die Beibehaltung des Werts und der Nicht-Eingriff von Dritten ausreichende Abgrenzungsmerkmale darstellen, wird deswegen stark angezweifelt.556 Denn wie gerade aufgezeigt wurde, bleibt noch jeglicher Kontakt mit allen Vermögensgegenständen strafbar, die aus einer Katalogtat herrühren. Dieser Umstand kann für die Praxis folgendes bedeuten: entweder werden alltägliche Geldgeschäfte und Finanztransaktionen die Schwelle der Strafbarkeit erreichen, so dass große Teile des legalen Wirtschaftsverkehrs bemakelt werden oder der Tatbestand wird nicht konsequent angewendet.

5. Theoretische Ansätze zur Konkretisierung des Tatobjekts der Geldwäsche Es wird somit ersichtlich, dass es dringend einer einschränkenden Interpretation bedarf, wenn man den Geboten der Bestimmtheit und der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen will. Ansetzen sollte man am „Herrühren“. Bei der Auslegung 552 Da in der Vorschrift die Rede von einem inkriminierten Gegenstand ist, geht die Frage nach einem Herrühren gedanklich der Regelung des § 261 Abs. 6 StGB vor und ist von ihr unabhängig zu prüfen, so auch Salditt, StraFo 1992, S. 121, 124 ff. 553 Lackner / Kühl, § 261, Rn. 6. 554 BT-Drs. 12 / 989, S. 28. 555 So Fischer § 261, Rn. 28. 556 Über dieses Thema wird in der Literatur eine sehr lebhafte Diskussion geführt, s. Salditt, StraFo 1992, S. 121, 124; Lampe, JZ 1994, S. 123, 127; Burr, Geldwäsche, S. 66 f.; Krey / Dierlamm, JR 1992, S. 353, 359.

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dieser Begrifflichkeit ist es erforderlich, Kriterien zu entwickeln, anhand derer der Kreis der geldwäschetauglichen Gegenstände auf eine Weise beschränkt wird, die den Zielen der Geldwäschebekämpfung gerecht wird. Als erster Schritt wurden in der sehr umfangreichen Literatur Fallbeispiele genannt, in denen ein Herrühren unumstritten zu bejahen ist. Zweifellos rührt aus der Vortat alles her, was aus einer rechtswidrigen Tat oder für sie erlangt worden ist. Somit sind jegliche Tatgewinne und -erträge sowie das Tatentgelt erfasst. In diesem Sinne stellt der Verfallsgegenstand immer ein geldwäschetaugliches Objekt dar.557 Bereits dort endet allerdings der Konsens über die Grenzen des Herrührens. Ob die durch die Tat hervorgebrachten Gegenstände (die sog. „producta sceleris“) als aus der Tat herrührend zu betrachten sind, bleibt umstritten und wird in concreto geprüft.558 Ein ähnlicher Streit herrscht hinsichtlich der sog. „Beziehungsgegenstände“, besonders wenn es darum geht, wann die Bemakelung der Surrogate beendet ist. Was passiert in den Mischfällen, in denen zwischen einem „sauberen“ und einem „schmutzigen“ Teil des Vermögens unterschieden wird? Werden von diesem Begriff auch die Gewinnrealisierungen erfasst, welche die jeweiligen Surrogate erzielen? Wie verhält es sich mit den Produkten „teilinfizierter“ Unternehmen? Diese und zahlreiche andere Fragen tauchen bei der Bestimmung des Begriffs „Herrühren“ auf. Zur Konturierung dieses Begriffs wurden somit verschiedene theoretische Ansätze vorgeschlagen. Hier werden sie in aller Kürze vorgestellt. Damit wird allerdings nicht eine vollständige dogmatische Auseinandersetzung mit den manchmal äußerst komplizierten theoretischen Konstruktionen angestrebt. Ziel ist es lediglich, die immanenten Schwierigkeiten des neuen Tatbestands bei der Erfassung des Phänomens der Geldwäsche aufzuzeigen. Ausgehend von der Sicherung der staatlichen Zugriffsmöglichkeiten auf inkriminierte Gegenstände sieht eine erste Ansicht die Regelung des § 261 StGB als ein Blankettgesetz an, dessen Inhalt nur im Rückgriff auf die Verfalls- und Einziehungsvorschriften ausgefüllt werden könne. Der Grundgedanke des § 261 StGB konzentriere sich auf das Verbot der Solidarisierung mit dem Täter in Form der Gefährdung des Verfalls oder der Einziehung.559 So entwirft Arzt eine Formel, wonach aus der Vortat all das herrührt, was auch nach den §§ 73 ff. StGB für verfallen erklärt werden kann. Wertungswidersprüche im Zusammenhang mit einer möglichen Anordnung von Wertersatzverfall und mit dem über § 73 Abs. 1 S. 2 StGB statuierten Vorrang privatrechtlicher Restitutionsansprüche sind jedoch nicht zu übersehen.560 Diese Verknüpfung der Verfallsvorschriften mit dem Geldwäschetat557 Das Gegenteil ist jedoch nicht der Fall. Der Kreis der geldwäschetauglichen Gegenstände ist viel weiter als der des Verfalls. 558 Bejahend Lackner / Kühl § 261, Rn. 5. 559 Dazu s. auch: Arzt, ZStrR 1989, S. 160, 186; ders., JZ 1993, S. 913 ff. 560 Leip, Geldwäsche, S. 76; selbst Arzt, JZ 1993, S. 913, 915 gesteht diese Folge ein, obwohl er die mangelnde Abstimmung von Geldwäsche und Gewinnabschöpfung kritisiert

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bestand ist allerdings auch angesichts der umstrittenen Verfassungsmäßigkeit des erweiterten Verfalls problematisch: sofern eine dem § 73d StGB unterstellte Katalogtat vorliegt, begründet die Kenntnis all dieser Umstände, „die die Annahme rechtfertigen, dass der verschleierte Gegenstand aus einer solchen Tat stamme“ eine Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Geldwäsche. Somit kann man Leip nur zustimmen, wenn er die möglichen Wechselwirkungen dieses Rechtsinstituts mit objektiven und subjektiven Sanktionsvoraussetzungen auf Tatbestandsebene für sehr fragwürdig hält.561 Dieser Ansatz löst also nicht die Abgrenzungsprobleme des „Herrührens“, sondern verschiebt sie in den nicht weniger problematischen Bereich des Verfallsrechts. Zudem ist er mit einer gewissen Einseitigkeit behaftet, wenn er als einziges Ziel des Geldwäschetatbestands die Sicherung des staatlichen Anspruchs auf Gewinnabschöpfung anerkennt.562 Da durch diese Strafnorm neben der Gewinnabschöpfung noch andere Ziele realisiert werden sollen, ist es folgerichtig, dass § 261 StGB mehr Gegenstände im Vergleich zu den §§ 73 ff. StGB umfasst. Zur Lösung des Herkunftsproblems wurde auch eine teleologische Reduktion unter Berücksichtigung der Kausalitätstheorien unternommen. Während die Äquivalenztheorie keine Grenzen des Ableitungszusammenhangs zwischen Vortat und Gegenstand ziehen kann, wird die Adäquanztheorie herangezogen, um Zufälle bzw. atypische Geschehensabläufe vom „Herrühren“ auszuschließen.563 Über die Lehre der objektiven Zurechnung gelangt somit Barton zum Abgrenzungskriterium der rechtlichen Signifikanz der Vortat für den Gegenstand. Seine Formel lautet: „ein Gegenstand rührt aus einer Katalogtat her, wenn die Vortat kausal und adäquat für den Vermögensgegenstand in seiner konkreten Gestalt oder dessen wirtschaftliche Zuordnung ist und, wenn der ursächliche Zusammenhang nicht aus normativen Erwägungen – wegen fehlender rechtlicher Signifikanz der Vortat für den Gegenstand – unterbrochen wird“. Diese Begrifflichkeit sei anhand von wirtschaftlichen Aspekten zu bestimmen, so dass es letztlich um eine „juristisch-ökonomische Signifikanz“ der Katalogtat für den Geldwäschegegenstand gehe.564 Diese rechtliche Signifikanz sei somit zu verneinen, a) wenn die Korrelation zwischen bemakelten und unbemakelten Teilen eines Vermögensgegenstands das erforderliche Signifikanzniveau nicht erreicht hat. Dementsprechend sei ein Gegenstand nicht als bemakelt anzusehen, wenn er nur bis zu 5% aus einer Vortat stamme. Diese Grenze werde mit Hilfe von statistischen Methoden berechnet; die rechtliche Signifikanz werde auch verneint, wenn b) der Gegenstand wirtschaftlich erheblich verarbeitet wurde; c) bei Wertverlust des bemakelten Gegenstands aufgrund einer späteren Entwicklung und d) bei strafrechtlicher Verjährung der Katalogtat.565 und das Verfallsrecht insofern zu modifizieren versucht, als dass er die Verfallssperre wegen Individualansprüchen im Fall einer Strafbarkeit wegen Geldwäsche für unbeachtlich erklärt. 561 Leip, Geldwäsche, S. 77. 562 Dionyssopoulou, Der Tatbestand der Geldwäsche, S. 91. 563 Barton, NStZ 1993, S. 159 ff.: Geurts, ZRP 1997, S. 250, 253. 564 Barton, NStZ 1993, S. 159, 163.

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Dieser Ansatz führt auch nicht zu befriedigenden Ergebnissen. Ohne eine nähere Begründung wird ein Regel-Ausnahme-Verhältnis statuiert, wonach vom § 261 StGB alle Gegenstände erfasst werden, außer von denen, für welche die rechtliche Signifikanz abgelehnt wird. Grundsätzlich ist eine Orientierung an den Kausalitätstheorien eher als verfehlt anzusehen; denn sie setzen falsch an. Hier geht es nicht um die Tathandlung, die durch die Lehre der objektiven Zurechnung eingeschränkt wird, sondern um das Tatobjekt.566 Tatsächlich sieht man, dass diese Theorien kein konkretes Kriterium, sondern nur Teillösungen liefern. Letztlich ist das Kriterium der rechtlichen Signifikanz nicht hinreichend bestimmt und somit willkürlichen Schätzungen ausgesetzt. Heftig wurde in der Literatur auch der Umstand kritisiert, dass zur Bestimmung der rechtlichen Signifikanz außerrechtliche Kriterien verwendet wurden, die sich juristischer Wertungen entziehen.567 Einen Auslegungsmaßstab für das Merkmal „Herrühren“ sehen manche Autoren in einer „wirtschaftlichen Betrachtungsweise des Gegenstands“. Sie beziehen sich auf die einschlägige Rechtsprechung des BGH, welche sich mit dem Unmittelbarkeitserfordernis beim Tatbestand der Begünstigung (§ 257 StGB) auseinandergesetzt hat. Demnach wird das Element der Unmittelbarkeit des Tatvorteils bei einer Begünstigung nicht in der Sachidentität gesehen; maßgeblich sei jedoch, dass der erlangte Vorteil wirtschaftlich im Vermögen des Vortäters noch nachvollziehbar vorhanden sei.568 Dieser Gedanke könne auf § 261 StGB übertragen werden, so dass ein Gegenstand immer dann aus der Katalogtat herrühre, soweit sein Wert noch im Vermögen des Geldwäschers aufzuspüren sei.569 Obwohl der Gedanke der wirtschaftlichen Betrachtungsweise in der Praxis ständig erwähnt und somit als ein taugliches Abgrenzungskriterium erachtet wird, trägt zur näheren Konkretisierung des Herrührens nur wenig bei. Dieser Ansatz, der für eine sachgerechte Anwendung der Begünstigungsvorschrift schon plausibel ist, kann der Auslegung des viel weiter gefassten Geldwäschetatbestands nicht dienlich sein. Denn es bestehen keine Zweifel, dass vom Begriff des Herrührens die Surrogate, die sich im Vermögen des Täters noch befinden, auf jeden Fall umfasst werden. Es wird somit ersichtlich, dass die wirtschaftliche Betrachtungsweise ohne eine nähere Konkretisierung in Bezug auf die Frage, wann der Vorteil im Vermögen des Täters vorhanden ist, unnütz ist. 565 Zu den Eckpunkten und zur Kritik an diesem Ansatz sehr ausführlich s. Leip, Geldwäsche, S. 80 ff. 566 NK / Altenhain § 261, Rn. 59. 567 Leip, Geldwäsche, S. 109; Dionyssopoulou, Der Tatbestand der Geldwäsche, S. 86; Bottermann, Untersuchung zu den grundlegenden Problematiken des Geldwäschetatbestands auch in seinen Bezügen zum Geldwäschegesetz, S. 103 ff. 568 BGHSt 36, S. 281 ff. 569 Otto, Jura 1993, S. 329, 331; Flatten, Zur Strafbarkeit von Bankangestellten bei der Geldwäsche, S. 76; Schönke / Schröder / Stree § 261, Rn. 8; MK / Neuheuser § 261, Rn. 46; ähnlich auch Bottke, wistra 1995, S. 87, 91; in der Rechtsprechung: BGHSt 47, S. 68, 79.

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In diesem Zusammenhang ist auch der Versuch Salditts bemerkenswert, die wirtschaftliche Betrachtungsweise zu konkretisieren. Er unterscheidet zwischen den sachlichen (horizontalen) und den persönlichen (vertikalen) Transformationen der Ursprungsgegenstände. In diesem Zusammenhang misst er die verschiedenen Transformationen am Sinn und Zweck der Vorschrift des § 261 StGB unter Beachtung des Willens des Gesetzgebers. Ziel des Gesetzes sei die Isolierung des Täters und die Verkehrsunfähigkeit der verwickelten Vermögensgegenstände. Dieses Ziel könne keinesfalls verfolgt werden, wenn der Gegenstand in die Verfügungsgewalt solcher Personen gelange, die diese Gegenstände zu eigenem Recht geschäftsüblich erworben hätten und die weder Mittäter noch Teilnehmer der Vortat seien. Mit anderen Worten schlägt er die Einschränkung der Kette von Umwandlungen im vertikalen Bereich vor, wenn der inkriminierte Gegenstand unter geschäftsüblichen Umständen erworben wurde. Für die Behandlung von sog. „Mischfällen“, in denen das Vermögen aus bemakelten und nicht bemakelten Teilen besteht, sollten nach seiner Auffassung für die Bejahung der Geldwäschestrafbarkeit die bemakelten Teile weit überwiegen.570 Obwohl dieser Ansatz logisch erscheint, stößt er auf eine dogmatische Schwierigkeit. Denn das Kriterium des geschäftsüblichen Erwerbs kommt dem § 261 Abs. 6 StGB so nah, dass man von seiner analogen Anwendung reden kann. Obwohl eine Analogie zugunsten des Täters allgemein erlaubt ist, darf sie jedoch nicht den ausdrücklichen gesetzgeberischen Willen ignorieren. Der Fall der Straflosigkeit des gutgläubigen Erwerbs gilt, wie bereits erörtert, nur für die Tathandlungen des Abs. 2, so dass die Begehungsweisen des Abs. 1 unbeschadet der Gutgläubigkeit beim Erwerb strafbar bleiben. Bezüglich der Teilkontaminationen trägt das von Salditt eingeführte Kriterium („wenn der bemakelte Teil weit überwiegend ist“) den Bedürfnissen einer genauen und sicheren Normanwendung keine Rechnung. Zur Auslegung des Herkunftsprinzips wurde allerdings auch der Schutzzweck der Norm herangezogen. Der Anwendungsbereich der Norm wird dementsprechend durch ihren Schutzumfang begrenzt. Relevant ist in diesem Zusammenhang die theoretische Konstruktion von Burr, der als Schutzzweck des § 261 die Verhinderung der Entstehung oder Festigung von kriminellen Organisationen betrachtet. Um den Gegenstand also zu bestimmen, würden die in Frage kommenden Verhaltensweisen, daran gemessen, ob sie der Festigung der Position des Vortäters und seiner Motivation zur Begehung weiterer Straftaten dienen könnten. Werde dies bejaht, rühre der Gegenstand aus der Katalogtat her, so dass eine strafbare Geldwäsche vorliege.571 Trotz des theoretischen Werts dieses Ansatzes zur Ermittlung des Tatobjekts führt er ebenso wenig zu verallgemeinerungsfähigen Aussagen. Denn über die verschiedenen Zielsetzungen dieser Vorschrift kann man lange diskutieren, ohne einen 570 571

Salditt, StraFo 1992, S. 121, 123. Burr, Geldwäsche, S. 29 ff. und S. 45 ff.

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Konsens darüber zu erzielen. Burr sieht den Zweck des § 261 StGB in der Erhöhung des Risikos für die durch die Vortaten geschützten Rechtsgüter; dieses Risiko ergebe sich aus der allgemeinen Gefährlichkeit der organisierten Kriminalität. Dieser Auffassung kann angesichts des ungeklärten Umfangs dieses Phänomens nicht zugestimmt werden. Da der Schutzzweck des § 261 StGB nicht einheitlich bestimmt wird und innerhalb dieser Regelung mehrere, miteinander nicht unbedingt abgestimmte, Zielsetzungen verfolgt werden, wird der Schutzzweck bei der Auslegung des Tatbestands immer eine Rolle spielen, als einziges Kriterium zur Auslegung sonstiger Tatbestandsmerkmale kann er jedoch nicht dienen. Den Schutzzweck der Norm als Anknüpfungspunkt für die Konkretisierung des „Herrührens“ verwendet auch Leip. Die Interpretation dieses Merkmals sollte demnach auf einer Interessenabwägung beruhen. Gegenüber stünden sich einerseits das staatliche Interesse zur Verhinderung von Geldwäsche und andererseits der legale Wirtschafts- und Finanzverkehr. Als objektiver Zweck des Tatbestands werden die Verfolgung der Papierspur zur Vortat sowie die Isolierung der Vortäter gesehen.572 So untersucht Leip, welche Gegenstände zur Verfolgung dieses Zwecks unter § 261 StGB fallen müssen und weiterhin, ob und welche Ausnahmen zum Weiterfunktionieren des legalen Wirtschaftsverkehrs unerlässlich sind. Aus diesem Grund teilt er alle Gegenstände in zwei Kategorien auf. Die erste erfasst die unmittelbaren Gewinne, die auf jeden Fall aus der Katalogtat herrühren. Die zweite enthält Gewinne nach Transformationen. Darüber hinaus kombiniert Leip eine Reihe von rechtlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten573 mit Erwägungen phänomenologischer Natur, um konkrete Antworten auf komplizierte Einzelfragen zu liefern.574 Er setzt sich somit sehr methodisch und ausführlich mit den Kategorien der Transformation und der Teilkontamination auseinander. Interessant, nicht jedoch ganz einwandfrei ist die Konkretisierung der rechtlichen Signifikanz im Rückgriff auf § 74 AO. Trotzdem können die von ihm erstellten Kategorien nicht in einem Grundsatz zusammengefasst werden. Er schafft es also auch nicht, ein allgemeines Abgrenzungskriterium zu liefern, welches das Tatobjekt in angemessener Weise konkretisieren würde. In Spezialfragen sind seine Lösungsvorschläge rechtspolitisch plausibel, dogmatisch jedoch nicht ganz stringent. Neben diesen wurden auch modifizierte Ansätze diskutiert.575 All diese Versuche sind allerdings unterschiedlichen Einwänden ausgesetzt, die ihre AllgeLeip, Geldwäsche, S. 92 ff. Wie z. B. die wirtschaftliche Betrachtungsweise, die er aber lediglich vom Schutzzweck der Norm ableitet, s. Leip, Geldwäsche, S. 110. 574 Beispiel: wenn ein bemakelter Gegenstand als Sicherheitsleistung für die Erlangung eines Vermögenswertes benutzt wird, ist auch die erlangte Darlehenssumme bemakelt, weil ein Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen dem inkriminierten Sicherungsobjekt und der Darlehensvaluta besteht, so Leip, Geldwäsche, S. 104. 572 573

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meingültigkeit für die umfassende Phänomenologie des Geldwaschens verbietet. Ob die Unbestimmtheit eines so zentralen Tatbestandsmerkmals die Verfassungswidrigkeit der Strafnorm bewirkt, bleibt dahingestellt. Auch wenn man mit Hilfe von komplexen Ansätzen die relative Bestimmtheit des Tatobjekts der Geldwäsche unterstellt, wird die Rechtssicherheit nicht gewährleistet. Denn wenn theoretische Konstruktionen schon zu keinen unumstrittenen Ergebnissen führen, ist zu befürchten, dass die Parallelwertung in der Laiensphäre sehr unterschiedlich ausfallen wird. Unvermeidbar wäre somit eine Irrtumskasuistik, welche die praktische Anwendbarkeit der Vorschrift noch mehr relativieren würde. Nach alledem kann man die Aussage wagen, dass der Versuch, einen allgemeinen Lösungsansatz für den Begriff des Herrührens herauszukristallisieren, gescheitert ist. Dieses Scheitern liegt allerdings keinesfalls in der Unfähigkeit der Rechtspraxis, entsprechende Grundsätze zu entwickeln. Das Scheitern der Ermittlung des Umfangs des Tatobjekts liegt eher in der Natur der Sache: das Herrühren wurde bewusst ausgewählt, so dass möglichst viele Geldwäschehandlungen erfasst werden. Auf diese Weise wird ebenfalls die Schaffung möglichst vieler Ermittlungsansätze erreicht. Die Elastizität des Begriffs „Herrühren“ lässt somit eine fallbezogene Anwendung dieses Tatbestands zu, welche den verschiedenen, widerstreitenden Interessen Rechnung trägt. Abgewogen wird zwischen den tatsächlichen oder vermutlichen gesellschaftlichen Präventionsbedürfnissen und den Nebenwirkungen für den legalen Wirtschaftsverkehr. Die Entscheidung wird je nach den politischen Konstellationen und den ökonomischen Gegebenheiten zugunsten einer Geldwäschestrafbarkeit oder der Schonung der Wirtschaft fallen.

6. Die Tathandlungen des Geldwäschetatbestands Es wurde behauptet, dass bei der Betrachtung der Tathandlungen des Geldwäschetatbestands eine „leichte Verunsicherung“ auftritt.576 Es wird zunächst untersucht, ob die genaue Formulierung und Verschränkung der verschiedenen Tathandlungen die Normadressaten verunsichern oder vielmehr verwirren. Es wird zwischen den Tathandlungen des § 261 Abs. 1 und Abs. 2 StGB differenziert. Bei jedem Absatz ist der Umfang der umschriebenen Tathandlungen aber auch die jeweilige Schutzrichtung unterschiedlich. Selbst innerhalb des Abs. 1 ist weiter zu differenzieren. Dort sind nämlich einerseits der Verschleierungstatbestand, andererseits der Gefährdungs- und Vereitelungstatbestand anzutreffen. Beide Varianten umschreiben Verhaltensweisen, die den Zugriff der staatlichen Verfolgungsbehörden erschweren oder behindern. Unter 575 Dionyssopoulou, Der Tatbestand der Geldwäsche, S. 104 ff. schlägt z. B. einen unterschiedlichen Umfang des Herrührens vor, je nachdem, ob es um die Tathandlungen des § 261 Abs. 1 oder 2 StGB geht. 576 Diese Bezeichnung ist Leip, Geldwäsche, S. 126 entnommen.

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dem Begriff des Zugriffs fallen die tatsächliche Straftataufklärung sowie Sicherstellungs- und Gewinnabschöpfungsmaßnahmen. Für strafbar nach § 261 Abs. 1 StGB sollten konkreter die Handlungen erklärt werden, die geeignet sind, den Staat in seinem Vorgehen gegen die organisierte Kriminalität zu stören.577 Der Verschleierungstatbestand kriminalisiert das Verbergen und die Verschleierung der Herkunft von Gegenständen, die aus den Katalogtaten herrühren. Erfasst sind somit typische Geldwäschehandlungen, die wegen ihres manipulativen Charakters gekennzeichnet und somit nicht wertneutral sind. Als Verbergen wird jedes rechtliche und tatsächliche Verhalten bezeichnet, das darauf gerichtet ist, einen kontaminierten Gegenstand gegenüber den staatlichen Ermittlungsbehörden als nicht existent erscheinen zu lassen, z. B. durch die Art der örtlichen Unterbringung.578 Das Verschleiern der Herkunft verneint, im Gegensatz zum mehr körperlich-gegenständlichen Verbergen, nicht die Existenz des bemakelten Gegenstands, sondern zielt lediglich auf eine Täuschung bezüglich der Herkunft ab.579 Beide Handlungsalternativen sind auf einen bestimmten Verdeckungserfolg gerichtet. Dieser Erfolg ist allerdings kein Tatbestandsmerkmal, so dass in diesem Fall die Geldwäsche als ein schlichtes Tätigkeitsdelikt ausgestaltet ist.580 Diese Tathandlung dient der Vorteilssicherung. Auf den ersten Blick könnte man Abgrenzungsprobleme zur Begünstigung (§ 257 StGB) vermuten, die ebenso der Vorteilssicherung dient. Beide Tatbestände lassen sich dennoch wegen des Unmittelbarkeitserfordernisses bei der Begünstigung relativ einfach differenzieren.581 Komplizierter wird es mit der zweiten Komponente des § 261 Abs. 1 StGB, dem sog. Vereitelungs- oder Gefährdungstatbestand. Damit werden alle Handlungen unter Strafe gestellt, welche die Ermittlung der Herkunft, das Auffinden, den Verfall, die Einziehung oder die Sicherstellung kontaminierter Gegenstände vereiteln oder gefährden. Dadurch sollten staatliche Aufgaben der Strafverfolgung noch stärker in den Vordergrund rücken. Die Strafverfolgung wird durch diese Handlungen beeinträchtigt, denn diese vereiteln oder gefährden ein Aufrechterhalten der Papierspur.582 Das Unrecht hier resultiert nicht schon aus der Verwerflichkeit der Handlung an sich, sondern aus der Verursachung eines sozialschädlichen Erfolgs. Zum Begriff des Vereitelns sind die bei der Auslegung des Strafvereitelungstatbestands (§ 258 StGB) entwickelten Grundsätze heranzuziehen.583 Die Diskussion Knorz, Der Unrechtsgehalt des § 261 StGB, S. 137. Lackner / Kühl § 261, Rn. 7; Schönke / Schröder / Stree § 261, Rn. 11; Bottermann, Untersuchungen, S. 109. 579 NK / Altenhain § 261, Rn. 102. Dieser Begriff ist dem identischen im Tatbestand des Bankrotts (§ 283 Abs. 1, Nr. 8) entlehnt. 580 a.A. NK / Altenhain § 261, Rn. 100. 581 Spiske, Pecunia olet?, S. 129. 582 MK / Neuheuser § 261, Rn. 63. 583 Nach einer Ansicht zwingt das Nebeneinander des Vereitelns mit dem Gefährden zu einer vom § 257 StGB abweichenden Auslegung des Vereitelns, so dass nur ein endgültiges 577 578

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in der Theorie, ob das Vereiteln ein endgültiges Scheitern der umschriebenen Ermittlungstätigkeiten voraussetzt, oder ob hingegen nur ihre Verzögerung für geraume Zeit ausreicht, bleibt, wegen der Strafbarkeit des bloßen Gefährdens der Anstrengungen der Strafverfolgungsbehörden ohne Gegenstand. In dieser Tatbestandsvariante werden somit ein Erfolgsdelikt (das Vereiteln) und ein konkretes Gefährdungsdelikt (das Gefährden), nebeneinander und auf das gleiche Tatobjekt bezogen, statuiert. Wenn man allerdings bedenkt, dass eine Vereitelung begriffsnotwendig eine Gefährdung enthält, scheint die Typisierung des Vereitelns überflüssig. Denn jedes Vereiteln muss das Stadium der Gefährdung durchlaufen.584 Die Miteinbeziehung der Gefährdung scheint allerdings sehr bedenklich. Folgt man der Gesetzesbegründung, ist das Gefährden erst dann zu bejahen, wenn eine konkrete Gefahr vorliegt, d. h. wenn die Handlung die nicht fern liegende Möglichkeit einer Beeinträchtigung des zu schützenden Rechtsguts herbeiführt. Das Gefährden enthält sinnentsprechend nicht nur das Vereiteln, sondern auch das Verbergen und Verschleiern der Herkunft; denn diese Handlungen sind auch geeignet, die Sicherstellung usw. zu gefährden. Das Merkmal des Gefährdens nimmt somit alle anderen Handlungsalternativen des Abs. 1 in sich auf. Abgesehen von der Durchbrechung der üblichen Gesetzestechnik, Erfolgs- und Gefährdungsdelikte im gleichen Tatbestand nicht zu kumulieren, ist dieser Tatbestandsteil deswegen problematisch, weil er durch eine derartige Deskription von vermutlich strafwürdigen Handlungsweisen eine ins Uferlose gehende Kasuistik bewirkt. Welches Verhalten ist denn als gefährlich für das Auffinden des Gegenstands, seinen Verfall, die Einziehung oder die Sicherstellung einzustufen? Hinzu kommt allerdings der Umstand, dass sich der materielle Unrechtsgehalt solcher Gefährdungshandlungen objektiv sehr schwer bestimmen lässt. Er wird nur im Rückgriff auf eine Vielzahl von anderen Rechtsvorschriften konkretisierbar. Berücksichtigt man die allgemeine Relevanz des Geldwäschetatbestands für berufstypische und sozial übliche Tätigkeiten, wäre ein hohes Maß an Rechtssicherheit zu fordern. Denn je höher das Strafbarkeitsrisiko ausfällt, desto bestimmter sollten die Strafbarkeitsvoraussetzungen formuliert sein. Es ist also nicht erstaunlich, dass dieser Tatbestandsvariante oft die Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot abgesprochen wird.585 Der materielle Unrechtsgehalt der Gefährdungshandlungen verdünnt sich noch mehr, wenn man dabei berücksichtigt, dass durch § 261 Abs. 3 StGB auch der VerScheitern darunter zu subsumieren ist, so Lackner / Kühl § 261, Rn. 7. Unter Vereiteln wird auch das Vernichten der inkriminierten Gegenstände subsumiert, denn das verhindert die Rückverfolgung der Papierspur. Eine Verfallsvereitelung begeht auch derjenige, der bewirkt, dass statt des Verfalls des Erlangten der Verfall des Surrogats oder der Wertersatzverfall angeordnet werden muss, so Spiske, Pecunia olet? S. 73; sehr ausführlich dazu NK / Altenhain § 261, Rn. 109. 584 Lackner / Kühl § 261, Rn. 7; Knorz, Unrechtsgehalt, S. 140; Spiske, Pecunia olet?, S. 131; Flatten, Strafbarkeit von Bankangestellten, S. 79. 585 Salditt, StraFo 1992, S. 121, 126; a.A. Leip, Geldwäsche, S. 131.

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such für strafbar erklärt wird. Eine versuchte Gefährdungshandlung zieht somit eine Strafbarkeit nach sich. Wenn man bereits bei der Absteckung der konkreten, tatbestandsmäßigen Gefährdungshandlungen auf Probleme stößt, wird ersichtlich, dass die Bestimmung des unmittelbaren Ansetzens zur Tatbestandsverwirklichung nach § 22 StGB dogmatisch extrem schwierig wird. Diese sog. „Doppelverlagerung“ wird somit zu Recht kritisiert. Die Rechtssicherheit und -klarheit sind davon in einem untragbaren Maße betroffen, so dass sich in diesem Fall eine Verfassungswidrigkeit aufdränge.586 Kriminalpolitisch scheint aber diese Ausuferung ebenso wenig sinnvoll. Denn eine so schwer zu konturierende Vorschrift wird für den Normadressaten nicht handlungsleitend sein. Ebenso wenig handlungsleitend wäre aber dieser Tatbestand auch für die Strafverfolgungsbehörden; denn sie wären verpflichtet, sich mit Sachverhalten zu befassen, die trotz der vermutlichen Gefährdung der Rechtspflege, keine objektive Gefährlichkeit für Rechtsgüter darstellen, was möglicherweise ihre Kapazitäten überlasten würde. Nicht ganz unproblematisch ist allerdings die Umschreibung der Tathandlungen im Abs. 2. Demnach wird derjenige bestraft, der einen inkriminierten Gegenstand sich oder einem Dritten verschafft oder verwahrt oder für sich oder einen Dritten verwendet. Dieser Regelung soll eine Auffangfunktion zukommen, nämlich dann, wenn der im Rahmen des Abs. 1 erforderliche Gefährdungs- oder Vereitelungsvorsatz nicht nachgewiesen werden kann oder objektiv kein Verbergen oder Verschleiern vorliegt.587 Diese Tatbestandsvariante hat eine etwas differenzierte bzw. weitere Schutzrichtung als der Abs. 1: bezweckt wird die Verkehrsunfähigkeit der inkriminierten Gegenstände, die längerfristig einem anderen Ziel dient: die Isolierung des Täters gegenüber der Umwelt. Aufgrund dieser Kriminalisierung von jeglichem Kontakt zu Gegenständen, die aus schweren Straftaten stammen, wird es für die Vortäter immer schwieriger, sie weiter zu verwerten oder über sie zu verfügen, so dass sie „auf diese Erlösen sitzen bleiben“.588 Auf diese Weise könnte potentiell der Anreiz der kriminellen Gewinne entfallen. In diesem Fall wird also der Gewinn nicht gegenständlich abgeschöpft, sondern neutralisiert. Gleichzeitig liegt das materielle Unrecht einer derartigen Geldwäschehandlung darin, dass der Geldwäscher zum bemakelten Gegenstand eine Beziehung schafft und somit die vom Vortäter veranlasste rechtswidrige Vermögenslage „perpetuiert“.589 Auf diesen Gedanken zurückgehend werden auch die durch die Vortaten geschützten Interessen von diesem Tatbestand mitgeschützt. Diese Perpetuierung kann allerdings für eine Gefähr586 Niermann, e-Geldwäsche, S. 65; so auch Knorz, Unrechtsgehalt, S. 140; wegen dieser Versuchsstrafbarkeit hält Leip, Geldwäsche, S. 130 f. den Gefährdungstatbestand für überflüssig und hält die Doppelverlagerung im Hinblick auf das ultima-ratio Prinzip für bedenklich. 587 BT-Drs. 12 / 989, S. 27. 588 BR-Drs. 507 / 92, S. 24. 589 Knorz, Unrechtsgehalt, S. 141.

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dung des staatlichen Zugriffs auf die inkriminierten Gegenstände bedingt kausal sein, eine derartige Kausalität wird jedoch nicht als Tatbestandsmerkmal typisiert. Das hat einige Autoren dazu veranlasst, im Fall des Abs. 2 von einem abstrakten Gefährdungsdelikt zu sprechen.590 Ferner sind die dort enthaltenen Verhaltensweisen nicht unbedingt als kriminell einstufbar. Die erste Handlungsalternative erfasst das Sichverschaffen eines inkriminierten Gegenstands. Dem Tatbestand der Hehlerei entnommen (§ 259 StGB) wird ein Verschaffen nur bei Schaffung einer vom Täter abgeleiteten Herrschaftsbzw. Verfügungsgewalt bejaht.591 Wird dies wortwörtlich angewendet, ergibt sich, dass eine strafbare Geldwäsche auch dann vorliegt, wenn ein bemakelter Gegenstand durch Diebstahl, Raub oder ähnliches der Verfügungsmacht des Vortäters entzogen wird, während der Dieb oder Räuber dadurch eine eigene Verfügungsgewalt zu eigenen Zwecken begründet. Berücksichtigt man den Schutzzweck des § 261 StGB, wird ersichtlich, dass ähnlich gelagerte Fallkonstellationen von ihm nicht abgedeckt werden. Durch die Kriminalisierung der Geldwäsche hat der Gesetzgeber ein Verbot der Weiterverwertung der betreffenden Gegenstände angestrebt. Von einer Weiterverwertung kann jedoch nur dann die Rede sein, wenn der Vortäter dazu auf irgendeine Weise mitgewirkt hat. Aus diesem Grunde wird diese Tatbestandsvariante einer einschränkenden Interpretation unterzogen, so dass beim Sichverschaffen als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal das einverständliche Zusammenwirken des Vortäters gefordert wird.592 Keine Klarheit herrscht allerdings auch bezüglich des Verwahrens. Gerügt wurde, dass diese Tatbestandsvariante als „Auffangtatbestand des Auffangtatbestands“ fungiert, bzw. Strafbarkeitslücken schließen soll, wenn die anderen Alternativen nicht eingreifen können.593 Aber auch bezüglich des genauen Inhalts dieses Begriffs sind die Meinungen gespalten. Nach einer ersten, restriktiveren Ansicht verwahrt den bemakelten Gegenstand derjenige, der ihn in Gewahrsam nimmt oder hat, um ihn sich selbst oder einem Dritten zur späteren Verwendung zur Verfügung zu halten.594 So wird das Verwahren als ein Vorstadium des Verwendens angesehen Arzt, JZ 1993, S. 913; Egger Tanner, Geldwäscherei, S. 144. Somit wird hierdurch auch die Ersatzhehlerei bestraft, die im Rahmen des Hehlereitatbestands nicht als strafwürdig angesehen wurde, so auch Niermann, e-Geldwäsche, S. 63. 592 LK / Ruß § 261, Rn. 14; Schönke / Schröder / Stree § 261, Rn. 13; Burr, Geldwäsche, S. 81, Kern, Geldwäsche und OK, S. 169 Leip, Geldwäsche, S. 140; Egger Tanner, Geldwäscherei, S. 145; anders: NK / Altenhain § 261, Rn. 114; Möhrenschlager, wistra 1992, S. 286, 287; Spiske, Pecunia olet?, S. 133, der die Auffassung vertritt, dass der Gesetzgeber eine derartige Einschränkung als Tatbestandsmerkmal ausdrücklich regeln sollte. Merkwürdig ist die Entscheidung des BVerfG, NJW 2004, S. 1305, 1306 f., die das Erfordernis eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen Geldwäscher und Vortäter verneint, um dann aber dieses Merkmal für den aburteilenden Fall zu bejahen. 593 So Leip, Geldwäsche, S. 143; Egger Tanner, Geldwäscherei, S. 147. 590 591

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und jedes Mal ein zusätzliches subjektives Element zum Vorliegen dieses Merkmals gefordert. Nach einer anderen, etwas plausibleren Ansicht wird unter Verwahren nur das Ausüben des unmittelbaren Besitzes oder einer vergleichbaren Stellung bei Rechten verstanden.595 Dafür spricht die geäußerte Intention des Gesetzgebers, durch diese Formulierung das bloße Besitzen unter Strafe zu stellen und den Tatbestand nicht mit schwer nachweisbaren, subjektiven Elementen zu belasten.596 Die Voraussetzung des Einvernehmens des Vortäters ist auch bezüglich des Verwahrens umstritten.597 Vom Begriff des Verwendens wird letztlich jede wirtschaftliche Verfügung über den Gegenstand erfasst, wie z. B. Veräußerung, Umwandlung, Einwechseln gegen Bargeld, Weitergabe oder Einzahlung auf ein Konto aber vor allem die vielfältigen Geldgeschäfte. Folgt man den Gesetzesmaterialien wird hierbei kein Einvernehmen des Vortäters verlangt.598 Die nächste Schwierigkeit ist allerdings, das Verwahren vom Verwenden abzugrenzen. Denn einen Gegenstand in Gewahrsam zu nehmen bedeutet zugleich, diesen auf eine bestimmte Art und Weise zu gebrauchen.599 7. Gesetzliche Einschränkungen der Tathandlungen Sichverschaffen, Verwahren oder Verwenden eines bemakelten Gegenstands ziehen also eine Strafbarkeit wegen Geldwäsche nach sich. Sowohl diese Tathandlungen als auch diejenigen des Abs. 1 zeichnen sich durch eine erhebliche Reichweite aus. Der Gesetzgeber hat die Gefahr der Ausuferung bzw. einer flächendeckenden Kriminalisierung der gesamten legalen Wirtschaft gesehen. Durch zwei Regelungen hat er versucht, die Strafbarkeit des Abs. 2 auf solche Fälle einzuschränken: auf objektiver Ebene wird im Abs. 6 die Strafbarkeit ausgeschlossen, wenn zuvor ein Dritter den Gegenstand erlangt hat, ohne hierdurch eine Straftat zu begehen (der sog. „straflose Vorerwerb“). Auf die Funktion dieser Klausel wurde bereits oben eingegangen.600 Anzusprechen bleibt noch, ob irgendeine 594 Burr, Geldwäsche, S. 82; Lackner / Kühl § 261, Rn. 8; Fischer § 261, Rn. 25; Bottermann, Untersuchungen, S. 110. 595 So NK / Altenhain § 261, Rn. 115; Leip, Geldwäsche, S. 143; Schönke / Schröder / Stree § 261, Rn. 13. 596 BT-Drs. 12 / 3533, S. 13. 597 Bejahend Leip, Geldwäsche, S. 143. 598 Egger Tanner, Geldwäscherei, S. 146 plädiert allerdings für eine einheitliche Anwendung dieses ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals, so dass das Einvernehmen des Vortäters auch für die Handlungsalternative des Verwendens zu bejahen wäre. Obwohl es allgemein problematisch ist, eine Auslegung wider dem in den Materialien geäußerten gesetzgeberischen Willen zugrunde zu legen, wäre diesem Gedanken eine gewisse Plausibilität anzuerkennen; ähnlich auch Leip, Geldwäsche, S. 141. 599 Knorz, Unrechtsgehalt, S. 142. 600 s. oben 3. Kap. F. IV. 4.

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Straftat des Dritten die Anwendung dieser Klausel ausschließt oder, ob lediglich die Geldwäsche dies bewirkt. Die Problematik wurde auch im Zusammenhang mit dem Mitwirken des Vortäters relevant: unterbricht der Dritte, der den Gegenstand durch einen Dieb erlangt, die Kette der vertikalen Geldwäschehandlungen? Dazu sollte wieder der genaue Zweck dieser Regelung ermittelt werden. Diese Klausel dient dem Schutz des allgemeinen Rechtsverkehrs. Der Gesetzgeber wollte dadurch, im Rahmen des Ziels der Isolierung des Täters gewisse Fälle von der Strafbarkeit ausschließen. Sein Ziel war die Vermeidung von unendlich langen Ketten von Straftaten, die sich aus dem Weiterwandern der bemakelten Gegenstände ergeben. Dieser Gedanke drängt zu einer restriktiven Annäherung an diese Vorschrift, so dass durch den verwendeten Begriff „Straftat“ nur eine Geldwäsche verstanden wird. Demgemäß wirkt irgendeine Straftat, durch die der Dritte den Gegenstand erlangt hat, nicht ausschließend für die Anwendung des Abs. 6. Dagegen würde eine extensive Auslegung, wonach jede Straftat eines Dritten die Anwendung des Abs. 6 sperrt, zu einem Ergebnis führen, das dem Zweck dieser Klausel entgegenstehen würde.601 Auf subjektiver Ebene wurde als zusätzliche Voraussetzung verlangt, dass der Täter die Herkunft des Gegenstandes zu dem Zeitpunkt gekannt hat, zu dem er ihn erlangt hat (§ 261 Abs. 2, Nr. 2, Hs. 2 StGB). Spätere Kenntnis schadet also nicht.602 Sowohl dieses subjektive Element als auch die objektive Unterbrechung der Kette durch einen gutgläubigen Dritten werden geprüft, nur wenn die Tathandlungen des Abs. 2 in Betracht kommen. Scheidet eine Strafbarkeit nach Abs. 2 aus, (z. B. weil der Täter die kriminelle Herkunft des Gegenstands nicht erkannt hat oder ein Dritter zuvor den Gegenstand erlangt hat) bleibt immer noch die Möglichkeit der Anwendung des Abs. 1. Die erhöhte Gefährlichkeit der dort enthaltenen Handlungsweisen für die Rechtspflege war wahrscheinlich der Anlass, dort keine Abgrenzungsmerkmale zu formulieren. In diesem Zusammenhang ist zweierlei anzumerken. Erstens ist es fast unmöglich, sich einen Fall vorzustellen, bei dem ein konkretes Sichverschaffen, Verwahren oder Verwenden der inkriminierten Gegenstände gleichzeitig die Sicherstellung bzw. die Belange der Strafverfolgungsbehörden nicht gefährden würde. Somit ist es nicht übertrieben zu sagen, dass die Kenntnis der kriminellen Herkunft zum Zeitpunkt des Erlangens als ein Begrenzungsmerkmal gar nicht eingreifen kann. Entgegen der Ansicht des historischen Gesetzgebers, der dem Isolierungstatbestand eine Auffangfunktion zuerkennt603, kann man schon sehen, dass der Gefährdungstatbestand des Abs. 1 so viele Fallkonstellationen einbezieht, dass er – und nicht der Isolierungstatbestand – letztendlich einen „Superauffangtatbestand“ darstellt. So auch Maiwald, FS für Hirsch, S. 631, 646. BT-Drs. 12 / 989, S. 27; SK / Hoyer § 261, Rn. 23; LK / Ruß § 261, Rn. 14; Fischer § 261, Rn. 26a; NK / Altenhain § 261, Rn. 118. 603 BT-Drs. 12 / 989, S. 27. 601 602

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Zweitens erscheint bei der Regelung des § 261 Abs. 2 Nr. 2 Hs. 2 StGB, die die Kenntnis der kriminellen Herkunft zum Zeitpunkt des Erlangens voraussetzt, die genaue Wortwahl widersprüchlich; denn, wenn es um das Sichverschaffen geht, wird der Gegenstand erlangt. Anders ist es jedoch beim Verwahren (Besitz) oder Verwenden (bestimmungsgemäßes Gebrauchen), wo eine Erlangung nicht unbedingt vorliegen wird. Wahrscheinlich wird an dieser Stelle das Erlangen im weiteren Sinne verstanden, nämlich als das Erlangen eines Besitzes oder einer ähnlichen Rechtsposition an einem Gegenstand. Man könnte hier viel mehr zu den Tathandlungen sagen bzw. noch andere Widersprüche aufdecken und die „Dekonstruktion“ der Vorschrift weiter treiben. Dies ist jedoch nicht das Ziel dieser Ausführungen. Bezweckt und tatsächlich aufgezeigt wurde, dass die gesetzestechnische Ausgestaltung der Geldwäschehandlungen etliche dogmatische Unstimmigkeiten aufweist und dem Rechtsanwender mit der extrem schwierigen Aufgabe der Konkretisierung des Tatobjekts aufbürdet. Die Schwierigkeiten bei der Festlegung der Tathandlungen liegen allerdings in der Natur der Sache.604 Die Vielgestaltigkeit der relevanten Sachverhalte, die der Gesetzgeber kriminalisieren wollte, macht die Formulierung einer Vorschrift zur Erfassung aller Fallkonstellationen unmöglich. Problematisch ist hier letztendlich nicht nur, wie der Gesetzgeber den Geldwäschetatbestand formuliert hat, sondern und vor allem was er überhaupt durch diesen gewollt hat. Wenn man zudem die in der Gesetzesbegründung enthaltene Definition der Geldwäsche mit den strafbaren Geldwäschehandlungen vergleicht, wird eine gewisse Diskrepanz unübersehbar. Während diese Definition unter Geldwäsche die Einschleusung von Vermögenswerten in den legalen Wirtschaftskreislauf ansieht, wird vom Tatbestand des § 261 StGB ein viel weiterer Kreis von Handlungen erfasst. Durch den Isolierungstatbestand des Abs. 2 wird jeglicher Kontakt mit kontaminierten Gegenständen für strafbar erklärt, unabhängig davon, ob dadurch die Tarnung der kriminellen Herkunft angestrebt wird, oder, ob sich der Bezug des Gegenstands zur Vortat, wegen der Kette von Weiterverwertungen, erheblich verdünnt hat. Diese gesetzgeberische Inkonsistenz deutet schon darauf hin, dass hinter den erklärten Zielen zur Schaffung des Geldwäschetatbestands (Strafbarkeitslücken bei den Anschlussdelikten) tendenziell auch andere Zwecksetzungen eine Rolle spielten.

8. Der subjektive Tatbestand Bisher wurde die dogmatische Festigkeit des objektiven Tatbestands angezweifelt. Zugegebenermaßen begibt er sich in die Grenzen des verfassungsrechtlich noch Haltbaren und dies mit verschiedenen Begründungen. Dennoch wiegt die kriminalpolitische Entscheidung des Gesetzgebers schwieriger, durch einen so weit 604

Hund, ZRP 1996, S. 163, 165.

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gefassten Tatbestand möglichst viele Geldwäschehandlungen zu erfassen und dafür dem Gesetzesanwender weite Auslegungsspielräume zu gewähren. Auch wenn diese durchaus politische Entscheidung im Rahmen des gesetzgeberischen Spielraums liegt, birgt sie immerhin die Gefahr einer Kriminalisierung von weiten Teilen des legalen Wirtschafts- und Finanzverkehrs. Angesichts der Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Grenzen des objektiven Tatbestands könnte man vermuten, dass gerade dem subjektiven Tatbestand eine solche Funktion zukommen würde. Die Konstellation, dass erst subjektive Kriterien den genauen Unrechtscharakter einer Tat umreißen und begrenzen, wäre im Strafrecht keine Neuigkeit.605 Bei den verwandten Anschlussdelikten wird bspw. zum großen Teil die Strafwürdigkeit erst auf der subjektiven Ebene hergestellt.606 Diese „Hoffnung“ schwindet allerdings, wenn man den subjektiven Tatbestand des § 261 StGB betrachtet. Die Anforderungen wurden auch in diesem Bereich auf ein minimales Niveau gesenkt.607 Der Tatbestand schreibt allgemein das Vorliegen von Vorsatz vor. Dieser sollte sich auf das Tatobjekt bzw. seine kriminelle Herkunft, die Tathandlungen usw. erstrecken. Eventualvorsatz reicht ebenso aus. Auf den Geldwäschetatbestand übertragen bedeutet das, dass der Geldwäscher um die kriminelle Herkunft des Gegenstandes weiß oder sie für möglich hält und billigend in Kauf nimmt.608 Ob der Täter der Geldwäsche die Qualifizierung der Vortat als Verbrechen oder Vergehen richtig vorgenommen hat oder, ob er ihre Einzelheiten oder den Vortäter kennt, bleibt außer Betracht.609 In Bezug auf dolus eventualis bleibt jedoch zweifelhaft, ob alle Handlungsvarianten wegen ihrer unterschiedlichen Beschaffenheit mit dieser Vorsatzform begangen werden können. Dies wird nicht zu Unrecht für den Verschleierungs- und den Isolierungstatbestand verneint, denn der Täter muss genau wissen, was er tut.610 Zudem besteht auch Uneinigkeit darüber, wie verschiedene Irrtumsfälle zu bewältigen sind. Angesichts der Kompliziertheit der Regelung sind solche nicht zu vermeiden, wie z. B. wenn jemand bei der Vornahme von Tathandlungen nach Abs. 1 fehl in der Annahme geht, sein Vorgänger habe den Gegenstand straflos erlangt. Während eine Ansicht darin einen den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum nach § 16 StGB sieht611, wird auch die entgegenstehende These vertreten, 605 Barton, StV 1993, 156, 159; Jescheck / Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allg. Teil, § 30, S. 317 ff.; Roxin, Strafrecht AT I § 10, Rn. 70 ff. 606 Forthauser, Geldwäscherei de lege lata et ferenda, S. 130. 607 So auch Leip, Geldwäsche, S. 145. 608 LK / Ruß § 261, Rn. 16; Körner / Dach, Geldwäsche, S. 34; BR-Drs. 507 / 92, S. 30, 32; MK / Neuheuser § 261, Rn. 79; NK / Altenhain § 261, Rn. 131; Leip, Geldwäsche, S. 145. 609 SK / Hoyer, § 261, Rn. 26; Nach Stree handelt vorsätzlich auch derjenige, der die tatsächliche Herkunft des Tatobjekts als eine von verschiedenen Möglichkeiten einkalkuliert, Schönke / Schröder / Stree § 261, Rn. 18. 610 Leip, Geldwäsche, S. 145; Egger Tanner, Geldwäscherei, S. 195. 611 Lackner / Kühl § 261, Rn. 5.

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dass es sich hierbei um einen Verbots- bzw. Subsumtionsirrtum nach § 17 StGB handelt.612 Wichtig ist auch der zeitliche Zusammenhang: allgemein ist zu sagen, dass die für den Vorsatz erforderliche Kenntnis bereits bei der Tatbestandsverwirklichung vorliegen muss. Eine nachträgliche Kenntnis im Sinne von „dolus subsequens“ kann keine Strafbarkeit wegen Geldwäsche begründen. Diese Konstellation könnte allerdings relevant werden und eine Strafbarkeit doch rechtfertigen, wenn vor allem bei Bankgeschäften Dauerbeziehungen etabliert sind. In solchen Fällen darf z. B. der verwickelte Bankangestellte, soweit er Kenntnis von der kriminellen Herkunft der Gegenstände erlangt, keine weiteren Transaktionen bezüglich des betreffenden Gegenstands mehr vornehmen.613 Würde der subjektive Tatbestand nur alle Vorsatzformen erfassen, würde dadurch eine gewisse Eingrenzung des weiten objektiven Tatbestands erreicht, so dass sowohl die Rechtsstaatlichkeit als auch die Funktionalität der Norm als gewährleistet anzusehen wäre. Bei dem Gesetzgebungsverfahren ging es jedoch nicht um Rechtsstaatlichkeit und Funktionalität. Es war bereits auf der Ebene der gesetzgeberischen Vorarbeiten umstritten, ob eine Art fahrlässige Geldwäsche sanktioniert werden sollte.614 Vertreter der Strafverfolgungsbehörden und einige Kriminalpolitiker wollten durch die Einbettung der fahrlässigen Geldwäsche potentielle Beweisprobleme vermeiden. Auf diese Weise wäre ein Fahrlässigkeitsvorwurf quasi als Auffangtatbestand möglich, wenn der Vorsatz bezüglich aller Tatbestandsmerkmale nicht nachgewiesen werden konnte.615 Plausible Einwände wurden seitens des Kredit- und Finanzgewerbes erhoben. Sie sahen die Pönalisierung der fahrlässigen Geldwäsche als eine Bedrohung für die ungestörte Abwicklung alltäglicher Geldgeschäfte an, bei denen schnelle Entscheidungen notwendig seien. Ihren Mitarbeitern wurde dadurch ein unzumutbares Strafbarkeitsrisiko auferlegt, durch das sie sich der Geldwäsche strafbar machen könnten, wenn sie sorgfaltswidrig die kriminelle Herkunft des Gegenstandes nicht erkannt hätten.616 Wegen (oder trotz?) dieser Unstimmigkeit hat der Gesetzgeber im § 261 Abs. 5 StGB den Mittelweg gefunden und die leichtfertige Geldwäsche unter Strafe gestellt. Der deutsche Gesetzgeber ist in diesem Punkt weit über die internationalen Flatten, Strafbarkeit von Bankangestellten, S. 109 ff. Körner / Dach, Geldwäsche, S. 35. 614 Während des langwierigen Gesetzgebungsverfahrens finden sich verschiedene Positionen in Form von Stellungnahmen, welche die Strafbarkeit der leichtfertigen Geldwäsche von Anfang an favorisierten, s. BR-Drs. 418 / 89, S. 9, mit dem der Bundesrat die Bundesregierung aufforderte, entsprechende Gesetzesentwürfe vorzulegen, die auch qualifizierte Formen von Fahrlässigkeit bezüglich des Geldwäschetatbestands beinhalten sollten. 615 S. die Ausführungen von MdB Hörster (CDU), in: BT-Plenarprotokoll 12 / 42, S. 3520; einschlägig sind auch die zwei identischen SPD-Entwürfe, BT-Drs. 11 / 5313, S. 3 und 12 / 731, S. 3, die eine andere Formulierung des Geldwäschetatbestandes vorsahen, so dass eine Fahrlässigkeitsschuld enthalten war („. . . von dem er weiß oder annehmen muss . . .“). 616 Steuer, Die Bank 1991, S. 138 ff. 612 613

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Vorgaben hinausgegangen, welche die Strafbarkeit der Leichtfertigkeit nicht vorsahen.617 Als Gründe für diese Entscheidung wurden erstens die Vermeidung von Beweisschwierigkeiten und zweitens die wirksame Strafverfolgung von Geldwäschern angeführt.618 Solche Beweisprobleme könnten sich aus Schutzbehauptungen von Angeklagten ergeben, sie hätten die kriminelle Herkunft der betreffenden Gegenstände nicht gekannt.619 In solchen Situationen wären die Strafverfolgungsbehörden gezwungen, die positive Kenntnis hinsichtlich der kriminellen Herkunft der Gegenstände zu beweisen, was in der Praxis oft unmöglich wäre. Durch die Strafbarkeit der leichtfertigen Geldwäsche kann solchen Situationen insofern entgegengewirkt werden, weil sich der vermutliche Täter auch dann strafbar gemacht hat, wenn er leichtfertig die dubiose Herkunft des Gegenstandes nicht erkannt hat. Somit entsteht ein Auslegungsbedürfnis des Begriffs der Leichtfertigkeit, der auch in anderen Straftatbeständen verwendet wird. Man ist sich bezüglich seines genauen Inhalts nicht einig. Dieser Begriff soll demjenigen der groben Fahrlässigkeit des Zivilrechts entsprechen. Der Gesetzgeber liefert sogar eine von der Rechtsprechung entnommene Definition, wonach derjenige leichtfertig handelt, wer „die sich ihm aufdrängende Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung aus besonderem Leichtsinn oder aus besonderer Gleichgültigkeit außer Acht lässt“.620 Für die Beurteilung der Leichtfertigkeit genügt nicht der Rückgriff auf objektive Sorgfaltsmaßstäbe, sondern man sollte auch auf subjektive Kriterien abstellen, nämlich auf individuelle Kenntnisse und Fähigkeiten des Täters. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass Leichtfertigkeit nur bezüglich der kriminellen Herkunft vorliegen kann, für die sonstigen Tatbestandsmerkmale gilt das Vorsatzerfordernis.621 Diese Ausführungen tragen jedoch nicht ausreichend zur Konturierung des Begriffs „leichtfertig“ bei. Seine zivilrechtliche Herkunft macht seine Einführung in das strafrechtliche Regelungsgefüge extrem schwierig, vor allem wenn man die völlig unterschiedliche Stellung der Schuld bei der Verhängung von strafrechtlichen Sanktionen in Erwägung zieht. Aber auch innerhalb der Strafrechtsdogmatik entstehen Friktionen, denn dieser Begriff wurde vornehmlich bei erfolgsqualifizierten Delikten verwendet, was seine Anwendung bei Tätigkeitsdelikten, wie solche des § 261 Abs. 1 S. 1 StGB, noch problematischer erscheinen lässt.622 NK / Altenhain § 261, Rn. 137; Vogel, ZStW 1997, S. 335, 347. BT-Drs. 12 / 989, S. 27. 619 Egger Tanner, Geldwäscherei, S. 197; Knorz, Unrechtsgehalt, S. 188. 620 BT-Drs. 12 / 989, S. 28; BGHSt 33, S. 66 ff.; Leip, Geldwäsche, S. 151; MK / Neuheuser § 261, Rn. 82; Fischer § 261, Rn. 42; Schönke / Schröder / Stree § 261, Rn. 19; LK / Ruß § 261, Rn. 18; Lackner / Kühl § 261, Rn. 13; SK / Hoyer § 261, Rn. 27. 621 NK / Altenhain § 261, Rn. 138; SK / Hoyer § 261, Rn. 27; interessant ist dabei, dass jeweils eine differenzierte Begründung zugrunde gelegt wird, s. als Gegenbeispiele: Salditt, StraFo 1992, S. 3, 9 und Lackner / Kühl § 261, Rn. 13. 622 Eine sehr gute Übersicht über die verschiedenen theoretischen Ansätze über die Leichtfertigkeit, in: Dionyssopoulou, Der Tatbestand der Geldwäsche, S. 142 ff. 617 618

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Die Meinungen in der Literatur sind gespalten. Einige befürworten die Strafbarkeit der leichtfertigen Geldwäsche: das erstrebte Ziel einer effektiven Strafverfolgung sei durchaus legitim und vermöge diese Kriminalisierung zu rechtfertigen. Ferner würden durch diese nur extreme Ausnahmefälle erfasst.623 Die materielle Strafwürdigkeit der Geldwäsche ergebe sich somit aus dem Gedanken, dass derjenige, der verdächtiges Geld annehme, wissen müsse, dass sein Verhalten die Schwerstkriminalität unterstütze.624 Letztendlich fungiere diese Regelung als ein Druckmittel auf die Bankangestellten, auf die sich diese Vorschrift richte.625 Man muss kein Geldwäscheexperte sein, um die vielfältigen Fragen zu erkennen, die solche Behauptungen aufwerfen. Wie kann z. B. die Vorschrift so eingeschränkt werden, dass nur extreme Ausnahmefälle erfasst werden? Kann der Druck auf eine Berufsgruppe als Legitimationsgrundlage für eine Strafnorm benutzt werden? Kann und darf die effektive Strafverfolgung das erste und letzte Kriterium bei der Formulierung eines Straftatbestands sein? Kann der effektiven Strafverfolgung durch die Kriminalisierung der leichtfertigen Geldwäsche überhaupt geholfen werden? Als nächstes werden also die Kritikpunkte gegen die Einführung der leichtfertigen Geldwäsche erörtert. Oft wird gerügt, dass durch § 261 Abs. 5 StGB ein Grundsatz durchbrochen werde, bei Vermögensdelikten die fahrlässige Begehungsweise im Interesse des freien Wirtschaftsverkehrs nicht unter Strafe zu stellen. Denn auf diese Weise werde der sogar als Rechtsgut anerkannte ungestörte Wirtschafts- und Finanzverkehr frei von belastenden strafrechtlichen Eingriffen gehalten.626 Ein solcher Gedanke beruhe letztendlich auf dem römischen Postulat „pecunia non olet“ (das Geld riecht nicht), wonach der Geldverkehr für sich neutral ist. Das Argument einer derartigen Systemwidrigkeit der leichtfertigen Geldwäsche greife nach anderer Ansicht allerdings nicht ein.627 Erstens stelle der Tatbestand der Geldwäsche kein Vermögensdelikt, sondern ein Rechtspflegedelikt dar; dass bei verschiedenen Tatbestandsteilen teilweise auch der Schutz von Vermögensinteressen mitschwinge, ändere wenig am Charakter dieser Strafnorm. Bezweifelt wird aber auch, ob überhaupt ein solches Prinzip, das die fahrlässige Begehung von Vermögensdelikten verbietet, im heutigen Strafrecht immer noch Geltung beanspruchen könnte. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass im engeren System des Strafgesetzbuches (echte) Vermögensdelikte anzutreffen sind, bei denen die leichtfertige Begehungsweise nicht ernsthaft in Zweifel gezogen wird. Das 623 Körner / Dach, Geldwäsche, S. 36; Burr, Geldwäsche, S. 83 betrachtet die Zielsetzung als bedenklich, die Regelung des Abs. 5 jedoch als legitim; a.A. Fischer § 261, Rn. 44. 624 Lampe, JZ 1994, S. 125, 129. 625 Höreth, Geldwäsche, S. 154 ff. 626 Egger Tanner, Geldwäscherei, S. 197; Flatten, Strafbarkeit von Bankangestellten, S. 111; Carl / Klos, Regelungen zur Bekämpfung der Geldwäsche und ihre Anwendung in der Praxis, S. 161. 627 Leip, Geldwäsche, S. 147; ähnlich Lampe, JZ 1994, S. 123, 129.

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leichtfertige Handeln wird also sowohl für die Tathandlungen des Subventionsbetrugs (§ 264 Abs. 4 StGB) als auch für diejenigen des Bankrotts (§ 283 Abs. 4 und 5 StGB) unter Strafe gestellt. Anders verhält sich mit dem Einwand, wonach es absurd erscheine, die Geldwäsche auch bei leichtfertigem Handeln, die entsprechenden Vortaten, aus denen die Gegenstände herrühren, jedoch nur bei vorsätzlichem Begehen zu bestrafen. Hier dränge sich der Verdacht eines Systembruchs auf. Denn es könne schwerlich behauptet werden, dass die Geldwäsche, welche die Weiterverwertung der kriminellen Erlöse hindern solle und somit eine Art Förderung der Vortat darstelle, schwerer wiege als die diesen Tatbestand veranlassten Taten, zumal als Katalogtaten nur besonders schwerwiegende Straftaten mit einem hohen Unrechtsgehalt ausgewählt würden.628 Abgesehen von systematischen Überlegungen sprechen auch verfassungsrechtliche Argumente gegen die Strafbarkeit der leichtfertigen Geldwäsche. Das erste stützt sich auf die gesetzgeberische Begründung des § 261 Abs. 5 StGB zur Vermeidung von Beweisschwierigkeiten. Denn auf diese Weise werden Verhaltensweisen kriminalisiert, die keinen eigenen Unrechtsgehalt aufweisen, sondern lediglich prozessuale Schwierigkeiten auf das materielle Recht umwälzen. Der Gesetzgeber hat richtig erkannt, dass der Vorsatznachweis aller Tatbestandsmerkmale, trotz ihrer Weite, beim geltenden Prozessrecht so schwer für die Alltagspraxis wäre, dass Verurteilungen bzw. gewinnabschöpfende Maßnahmen nicht möglich wären. Statt diese Tatsache als ein Anzeichen von Dysfunktionalität der ganzen Vorschrift zu interpretieren und vielleicht Alternativen zur Erfassung des Phänomens „Geldwäsche“ zu suchen, versucht der Gesetzgeber, solche Beweisschwierigkeiten einfach zu umgehen, indem er sie vom schwerfälligen Prozessrecht verbannt. In Zeiten finanzieller Engpässe und kriminalpolitisch aktionistischen Handelns sind derartige Umgehungsversuche keine Seltenheit. Die Vermeidung von Beweisschwierigkeiten durch Manipulierung von Tatbestandsmerkmalen ist in der aktuellen Kriminalpolitik kein Novum.629 Durch die Strafbarkeit der leichtfertigen Geldwäsche könnte auch das Schuldprinzip verletzt sein.630 Denn dieses verbietet jede Bestrafung, die nicht auf ein 628 Niermann, e-Geldwäsche, S. 63; Bottermann, Untersuchungen, S. 130 der dabei auch eine Verletzung des Schuldprinzips sieht; Dionyssopoulou, Der Tatbestand der Geldwäsche, S. 156. 629 Dazu Weigend, FS für Triffterer, 1996, S. 695 ff.; zum Versuch von BGH, eine nicht strafbare fahrlässige Hehlerei zu einer fahrlässigen Geldwäsche umzuetikettieren, s. BGH StV 2008, S. 521 ff. m. Anm. Herzog / Hoch. 630 Bottermann, Untersuchungen, S. 130; Knorz, Unrechtsgehalt, S. 169; Lampe, JZ 1994, S. 123; Niermann, e-Geldwäsche, S. 66; Flatten, Strafbarkeit von Bankangestellten, S. 111; anders: BGHSt 45, S. 158, 165 ff.; Kreß, wistra 1998, S. 121, 127; Lackner / Kühl § 261, Rn. 13; Leip, Geldwäsche, S. 160; NK / Altenhain § 261 Rn. 137 ff.: seiner Ansicht nach lässt eine restriktive, vorsatznahe Interpretation der Leichtfertigkeit einen solchen Verstoß vermeiden.

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gewisses Maß an strafrechtlicher Schuld im Sinne einer ethischen Vorwerfbarkeit zurückgeht. Im Falle der leichtfertigen Geldwäsche handelt es sich um objektiv betrachtet sozial übliche Tätigkeiten, wo sonst keine besonderen Sorgfaltspflichten statuiert werden. Die leichtfertige Geldwäsche stelle nach dieser Meinung kein strafwürdiges Unrecht dar.631 Sie nur deswegen zu kriminalisieren, um eine möglichst hohe Anzahl von Verurteilungen zu erzielen, vor allem in einem Bereich alltäglicher Geschäfte, tangiert offensichtlich unmittelbar die Geltung des Schuldprinzips. Die verfassungskonforme Auslegung des BGH, wonach die leichtfertige Geldwäsche einen eigenständigen Unrechtsgehalt aufweist, vermag auch nicht zu überzeugen, vor allem, wenn man die Unfähigkeit der höchsten Rechtsprechung bedenkt, diesen Unrechtsgehalt näher zu präzisieren.632 Schließlich erweckt dieses Aufweichen in das materielle Recht den Verdacht, dass dadurch Grenzen des Prozessrechts, bzw. dort gefallene Wertentscheidungen nicht respektiert werden. Das stellt für eine gesetzliche Neuerung „kein schmeichelhaftes Attribut“ dar.633 Aber auch wenn man all diese Einwände beiseite lässt, werden Fragen bezüglich des genauen Inhalts der Leichtfertigkeit aufgeworfen. Es wurde bereits erwähnt, dass sich der Begriff der Leichtfertigkeit einer Konkretisierung verwehrt. Somit bleibt unbeantwortet, wann genau der Täter leichtfertig handelt bzw. wann ein Verhalten des Täters die „sich aufdrängende Möglichkeit einer Tatbestandsverwirklichung“ außer Acht lässt. Diesen dogmatischen Hintergrund scheint der Gesetzgeber verkannt zu haben. Denn Leichtfertigkeit ist eine Art der Fahrlässigkeit, die aber begriffsnotwendig ergänzungsbedürftig ist. Ob sie ein quantitatives Plus zur Fahrlässigkeit darstellt oder einen Qualitätsunterschied aufweist, interessiert in diesem Zusammenhang nicht. Der besondere Unrechtsgehalt der Fährlässigkeitsdelikte beruht auf der Verletzung von statuierten Sorgfaltspflichten, die durch Vertrag oder Gesetz festgesetzt wurden. Im Fall des § 261 Abs. 5 StGB werden dennoch Verhaltensweisen pönalisiert, ohne entsprechende Sorgfaltsmaßstäbe zu liefern.634 Das bedeutet zweierlei: einerseits wird dem Normadressaten nicht klar gesagt, welches Verhalten bzw. die Verletzung welcher Pflichten eine Strafbarkeit mit sich bringt, so dass er keine Anhaltspunkte für eine mögliche Strafbarkeit hat; andererseits werden dem Gesetzesanwender so große Auslegungsspielräume gewährt, dass keinesfalls von einer einheitlichen Rechtsanwendung die Rede sein kann. Unter diesen Umständen 631 Deswegen schlägt Leip, Geldwäsche, S. 150 vor, diesen Tatbestand zu einer Ordnungswidrigkeit herabzustufen. 632 BGHSt 43, S. 158, 165. Nur die Tatsache, dass ein internationales Bedürfnis nach der Schaffung eines Geldwäschetatbestands vorlag, vermag nicht die Strafbarkeit der leichtfertigen Geldwäsche zu legitimieren, zumal diese von den internationalen Vereinbarungen nicht einbezogen wurde; ähnlich Dionyssopoulou, Der Tatbestand der Geldwäsche, S. 154. 633 Bottermann, Untersuchungen, S. 136. 634 Nach Hoyer hängt das Maß der gebotenen Sorgfalt auch vom Wert des Gegenstands ab, SK / Hoyer § 261, Rn. 27.

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befremdet nicht, wenn von vielen Seiten die Unvereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot bekräftigt wird.635 Zur Entschärfung dieses Vorwurfs wurden in der Literatur verschiedene Versuche unternommen. Man könne z. B. auf das Geldwäschegesetz zurückgreifen, um die Sorgfaltspflichten hinreichend zu konkretisieren. Wer die dadurch zu erfüllenden Pflichten nicht gewissenhaft erfülle, handele leichtfertig im Gegensatz zu demjenigen, der sich über die Person seines Geschäftspartners vergewissere.636 Abgesehen davon, dass beim Zeitpunkt des Inkrafttretens des Geldwäschetatbestands das entsprechende Geldwäschegesetz noch nicht existierte, sollte man bedenken, dass dieses lediglich eine Indizfunktion entfaltet. Denn das Geldwäschegesetz enthält bestimmte Pflichten in Bezug auf konkrete Transaktionen. Das Problem, wann eine Transaktion als verdächtig einzustufen ist, wird somit nicht gelöst. Ähnlichen Schwierigkeiten begegnet allerdings auch die Idee eines Verdachtsrasters, beim dessen Vorliegen eine Geldwäsche indiziert wird. Die vom BKA erarbeitete Liste von Anhaltspunkten, die auf eine Geldwäsche hindeuten können637, kann nur als Wegweiser dienen. Die Konzepte, die verdächtige Transaktionen katalogisieren, haben also zwei Schwächen. Erstens verkennen sie, dass das Phänomen der Geldwäsche extrem vielgestaltig und einem ständigen Wandel unterlegen ist. Diese Konzepte sind manchmal sogar so schematisch, dass es gefährlich sein kann, sich nur auf die vorliegenden Fälle zu konzentrieren und alle anderen als unverdächtig zu ignorieren.638 Solche Kataloge würden zudem den Geldwäschern Anhaltspunkte geben, ihre Tätigkeiten so abzuändern, dass sie von den entsprechenden Stellen nicht als geldwäscheverdächtig eingeschätzt werden. Darüber hinaus richten sich diese Pflichten auf einen begrenzten Adressatenkreis, der berufstypisch involviert ist. Bankangestellte, Rechtsanwälte könnten theoretisch ihr Verhalten nach diesen Gebotsnormen richten und eine eventuelle Strafbarkeit vermeiden. Das Verbot der leichtfertigen Geldwäsche ist aber an alle Bürger gerichtet. Man fragt sich, welche Sorgfaltspflichten für sie bestehen sollen.639 Es ist nicht nur rechtsstaatlich bedenklich, sondern auch realitätsfern, jeden Bürger, der seinen Geschäften nachgeht, zu verpflichten, die Herkunft des jeweiligen Geschäftsgegenstands zu überprüfen.640 Somit kommt die Absicht des Gesetz635 Bottermann, Untersuchungen, S. 130; Hassemer, WM 1995, Sonderb. 3 S. 3, 14; Leip, Geldwäsche, S. 146; Niermann, e-Geldwäsche, S. 64; a.A. Schönke / Schröder / Stree § 261, Rn. 19; Burr, Geldwäsche, S. 83; Höreth, Geldwäsche, S. 154; Kern, Geldwäsche und OK, S. 171; Lampe, JZ 1994, S. 123 ff. 636 Spiske, Pecunia olet?, S. 155. 637 Körner / Dach, Geldwäsche, Anhang 5, S. 162. 638 Knorz, Unrechtsgehalt, S. 192; Flatten, Strafbarkeit von Bankangestellten, S. 116. 639 Nach Bottermann, Untersuchungen, S. 138 ff. kann der Sorgfaltsmaßstab bei der Leichtfertigkeit für den Täter aus der Situation heraus abgeleitet werden, indem von ihm nicht mehr verlangt wird, als die objektiven Gegebenheiten wahrzunehmen. Er geht somit davon aus, dass alle Bürger eine Situation identisch einschätzen können. 640 Ähnlich Dionyssopoulou, Der Tatbestand der Geldwäsche, S. 153.

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gebers klar zum Ausdruck, jeden Bürger zu einem potentiellen Hilfsorgan der Ermittlungsbehörden zu machen. Es wird somit mehr oder weniger erwartet, dass im Rahmen von alltäglichen Geschäften auch die Interessen einer effektiven Strafverfolgung berücksichtigt werden sollen. Kollidieren die individuellen Interessen mit denjenigen der Ermittlungsbehörden, kann schon der Vorwurf der leichtfertigen Geldwäsche erhoben werden. Somit werden diese Strafverfolgungsinteressen in ihren besonderen Ausprägungen zu dem Rechtsgut schlechthin erhoben, welches dem individuellen Verhalten strenge Grenzen setzt. Der Bürger ist mithin nicht mehr aufgefordert, keine Straftaten aktiv zu begehen, sondern eine so gemeinte Strafbarkeit zu unterlassen. Der Sinngehalt dieses „Rechtsguts“ sowie der genaue Umfang von individuellen Freiräumen werden somit neu definiert und bewertet. Will man die Entscheidung des Gesetzgebers bezüglich der Strafbarkeit der leichtfertigen Geldwäsche beurteilen, kann man die Ursachen dazu einigermaßen nachvollziehen. Das Unrecht dieses Tatbestands wird darin gesehen, dass der Betreffende vor Verdachtsmomenten, welche auf die kriminelle Herkunft von Gegenständen hindeuten, die Augen verschließt und somit die von der Geldwäsche ausgehende Gefährlichkeit nicht direkt fördert, aber zumindest nicht behindert. Das stellt tatsächlich ein Verhalten dar, dass sich phänomenologisch gesehen als Geldwäschehandlung einordnen lässt. Dass man diesen Gedanken nachvollzieht, bedeutet allerdings nicht, dass man ihn auch als eine hinreichende Legitimationsgrundlage für eine derartige Pönalisierung hält.641 Fasst man die vorhin erläuterten Bedenken zusammen, kommt man zum Schluss, dass die Strafbarkeit der leichtfertigen Geldwäsche ein kriminalpolitischer Fehlschlag war. Die Nebenwirkungen, beginnend mit den systematischen Ungereimtheiten über den anhaftenden Makel der Verfassungswidrigkeit bis hin zur fraglichen Effektivität, wiegen schwerer als die Vorteile einer solchen Kriminalisierung. 9. Sozial übliche Tätigkeiten und strafrechtliches Unrecht Bislang wurde aufgezeigt, dass sich das strafrechtliche Unrecht beim Geldwäschetatbestand weder über seinen objektiven Tatbestand noch über die innere Tatseite begrenzen lässt. Diese weit geratene Normierung spiegelt somit die gesetzgeberische Absicht wider, möglichst viele Geldwäschehandlungen zu erfassen; gleichzeitig entsteht der Verdacht, dass eine derartige Erfassung nicht auf ein Bedürfnis nach Rechtsgüterschutz zurückgeht, sondern eher mit der Schaffung von Ermittlungsansätzen zusammenhängt. Dem Gesetzgeber werden bekanntlich weite Ermessensspielräume bei der Festlegung strafrechtlichen Unrechts zuerkannt. Trotzdem muss er auch die vorgege641 Denn ein solches Verhalten kann ausschließlich in einem kumulativen Zusammenhang als sozialgefährlich betrachtet werden; zu diesem Phänomen und seinen Auswirkungen auf das Strafrecht s. Herzog, in: Lüderssen / Nestler-Tremel / Weigend (Hrsg.), Modernes Strafrecht und ultima-ratio-Prinzip, S. 105, 106 ff.

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benen verfassungsrechtlichen Grenzen respektieren. Gleichzeitig muss er darauf achten, dass sich die jeweiligen Strafnormen in die bereits aufgebaute Systematik einfügen. Ein Straftatbestand misst sich im modernen, zweckgerichteten Recht nicht zuletzt an seiner Effektivität, d. h. an seiner Eignung, das verfolgte Ziel zu erreichen. Das Problem der Geldwäschevorschrift ist jedoch, dass sie solche Verhaltensweisen umfasst, die als sozial übliche Tätigkeiten eingeordnet werden. Dieser Umstand bewirkt die Kriminalisierung von alltäglichen Geschäften sowie von berufstypischen Tätigkeiten. Hier wären die bekannten Beispiele zu erwähnen des Bäckers, der an einen Drogendealer Brötchen verkauft, des Taxifahrers, der ihn befördert, des Bankangestellten, der eine unauffällige Transaktion durchführt, schließlich das Beispiel eines Anwalts, der ein bemakeltes Honorar entgegennimmt. In all diesen Fällen ist die betreffende Person durch Vornahme eines alltäglichen Geschäfts dem strafrechtlichen Vorwurf der Geldwäsche ausgesetzt. Durch eine derartige Pönalisierung von alltäglichen, sozial akzeptierten Verhaltensmustern sind weit reichende Eingriffe in verfassungsrechtlich geschützte Persönlichkeitsrechte schwer zu vermeiden. Sowohl die Berufsfreiheit als auch die freie Entfaltung der Persönlichkeit können zu Friktionen mit dem Ziel der Isolierung des Täters führen. Dieser Umstand erscheint unbillig, und deswegen schwer vermittelbar. Somit stellt sich die Frage, wie weit diese Isolierung des Täters reichen darf. Um sozial übliche Tätigkeiten aus dem Geldwäschebereich normativ auszuschließen, wurden verschiedene Ansätze entwickelt.642 Da diese Thematik äußerst komplex ist, wird an dieser Stelle der Stand der einschlägigen Diskussion dargestellt. Die von Welzel entwickelte Lehre der Sozialadäquanz vertritt z. B. den Standpunkt, dass Handlungen, die sich völlig innerhalb der normalen, geschichtlich gewordenen sozialen Ordnung des Lebens bewegen, auch dann nicht tatbestandsmäßig sind, wenn sie kausal für eine spätere Rechtsgutsverletzung werden. Somit seien „solche Geschäfte, die sich im Rahmen ordnungsmäßiger Geschäftsführung halten“, immer sozial adäquat und würden deshalb nicht unter den jeweiligen Tatbestand fallen.643 Diese Theorie wurde als Tatbestandskorrektiv angesehen, vor allem um Unzulänglichkeiten der weit geratenen Bedingungstheorie entgegenzuwirken.644 Obwohl der Begriff der Sozialadäquanz in bestimmten Fällen auch in 642 Nach Fischer § 261, Rn. 31 ff. ist die Entgegennahme bemakelten Geldes im Rahmen der Geschäfte des täglichen Lebens vom Tatbestand auszunehmen, nicht jedoch im Rahmen sachgemäßer Rechts- und Steuerberatung. 643 Welzel, Das deutsche Strafrecht, S. 55 ff. 644 Mit verschiedenen Akzentuierungen je nachdem, ob die soziale Adäquanz auf Tatbestandsebene oder als Rechtfertigungsgrund herangezogen wird: Zipf, ZStW 1970, S. 633, 648 ff.; Jescheck / Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allg. T., § 28, S. 285 ff.; Roxin, FS für Klug, S. 303.

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der Rechtsprechung benutzt wird645, kann man ihn generell nicht als ein taugliches Abgrenzungskriterium betrachten. Zu beanstanden ist somit die Tatsache, dass sich die Grenzen dieser „Sozialadäquanz“ nicht ermitteln lassen. Daher trifft die Behauptung zu, dass durch diese Lehre die Unklarheit bei den objektiven Tatbestandsmerkmalen auf die Begrifflichkeit der Sozialadäquanz verlagert wird.646 Übertragen auf die Geldwäsche würde die Sozialadäquanz zu keinem befriedigenden Ergebnis führen: sie würde lediglich eine weitere Frage aufwerfen, nämlich welche Handlungen als sozial adäquat zu verstehen sind. Letztendlich würde diese Lehre dem Tatbestand seinen Sinn berauben und dem gesetzgeberischen Willen zuwiderlaufen.647 Auf die gleichen Bedenken stößt auch der Ansatz Hassemers über die sog. „professionelle Adäquanz“. Dieser besagt, dass wegen der berufsspezifischen Regeln, die insbesondere im Bankenbereich das übliche und angemessene professionelle Verhalten normieren, all diejenigen Handlungen für straflos gelten sollten, die diese Regeln beachten. Ein Bankangestellter könne sich nur strafbar machen, wenn er die bankspezifischen Vorschriften missachte und somit kriminelle Ziele verfolge.648 Auf die Geldwäsche übertragen bedeutet das, dass leichtfertiges Handeln von Bankangestellten vom Begriff her nicht möglich ist; denn in diesem Fall liegt keine bewusste Verfolgung von kriminellen Zielen vor. Diese Theorie, die einen zusätzlichen, subjektiven Einschlag andeutet, liefert jedoch keine rechtlich fundierte Begründung für eine derartige Beschränkung des Geldwäschetatbestandes.649 Wenn der Gesetzgeber bei Einhaltung sämtlicher Rechtsvorschriften des Kreditgewerbes Straflosigkeit gewollt hätte, hätte er keinen Tatbestand für die Geldwäsche geschaffen, oder zumindest keinen so weit geratenen. Durch die Einführung des § 261 StGB hat er nach seinem Ermessen Verhaltensweisen für strafbar erklärt, die bisher als sozial adäquat galten. Diese jetzt von der Strafbarkeit auszunehmen, überschreitet die Grenzen der zulässigen teleologischen Auslegung. Zudem gibt diese Konstruktion keine Antwort auf die Frage der Strafbarkeit von sonstigen sozial üblichen Tätigkeiten außerhalb des Bankenbereichs. Eine Einschränkung des tatbestandsmäßigen Verhaltens versucht auch die Lehre vom Sonderverhalten zu begründen. Diese Theorie wurde im Rahmen der Auslegung der Strafvereitelung (§ 258 StGB) entwickelt. Sie bejaht die Tatbestandsmäßigkeit nur dann, wenn ein Bezug des betreffenden Verhaltens zum Strafvereitelungserfolg existiert. Dieses Verhalten müsse ein Risiko gesetzt haben, das nach Abwägung der Gegeninteressen nicht mehr tolerierbar sei. Im Verhalten des Täters müsse sich somit ein Sonderverhalten manifestiert haben. Die Leitidee ist, BGHSt 19, S. 152, 155; BGHSt 23, S. 226, 228. Knorz, Unrechtsgehalt, S. 169; ähnlich Dionyssopoulou, Der Tatbestand der Geldwäsche, S. 119. 647 Spiske, Pecunia olet?, S. 187. 648 Hassemer, wistra 1995, S. 81, 84. 649 Flatten, Strafbarkeit von Bankangestellten, S. 125 ff. 645 646

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dass das Verhalten, das im Umgang mit Nichtstraftätern als Interessenwahrnehmung erlaubt ist, auch gegenüber Straftätern erlaubt sein muss.650 Wendet man diesen Gedanken auf die Geldwäsche an, gelangt man zu einer Straflosigkeit von jeglichem Verhalten, das man den Nichtstraftätern erlaubt hätte. Folgt man dieser Ansicht im Zusammenhang mit der Strafbarkeit von Bankbediensteten, so ergibt sich eine tatbestandslose Handlung in solchen Fällen, in denen die Mitarbeiter das gleiche Geschäftsgebaren an den Tag legen, das sie gegenüber Nichtstraftätern anzuwenden pflegen. Trotz des theoretischen Werts dieses Ansatzes kann er bei der Geldwäsche keine Anwendung finden, denn er führt selbst bei sicherer Kenntnis zu einer Straflosigkeit von tatbestandsmäßigen Geldwäschehandlungen und somit zu einer praktischen Abschaffung des Tatbestands.651 Auch die Abwandlung der Lehre vom Regressverbot hilft bei einer Tatbestandseinschränkung wenig. Sie besagt, dass bestimmte Verhaltensweisen als Tatbeiträge eingeordnet werden können, die jedoch nur durch die Verwirklichung von Plänen anderer Personen eine strafrechtliche Relevanz erreichen. Somit sei der jeweilige Handlungssinn des Verhaltens isoliert zu betrachten. Würde dieser Handlungssinn ein kriminelles Ziel verkörpern, läge eine Strafbarkeit vor.652 Neben den dogmatischen Schwächen dieses Ansatzes, wie z. B. die Vernachlässigung der Besonderheiten jedes Tatbestands653, erscheinen die Ergebnisse in Bezug auf die Geldwäsche unbillig. Der Bankangestellte, der die kriminelle Absicht des Kunden kennt aber trotzdem durch die Erbringung der Dienstleistung einen eigenen Handlungssinn verfolgt, nämlich die Interessen der Bank, bleibt demnach straflos. Durch diese gekünstelte Trennung von Handlungssinn und Erfolgsunwert, wird also Wortlaut und Telos des § 261 StGB auf dem Kopf gestellt.654 Anstatt auf Besonderheiten von bestimmten Tatbeständen oder Fallgruppen aufzubauen und daraus fragliche Annahmen abzuleiten, hat sich ein Teil der Theorie auf den besonderen Schutzzweck des § 261 StGB orientiert. Ermittelt man das geschützte Rechtsgut der Norm, kann man von ihrem Anwendungsbereich solche Verhaltensweisen ausnehmen, die zum entsprechenden Rechtsgüterschutz nichts beitragen. Eine derartige teleologische Reduktion sei die richtige Lösung für das Problem der Tatbestandsbegrenzung.655 Barton z. B. sieht in der inneren Sicherheit das hier schutzwürdige Rechtsgut. Diese verlange eine Isolierung des Täters; dieser sollten jedoch Grenzen gezogen werden, wenn die Isolierung keineswegs die innere Sicherheit gewährleiste. Die Befriedigung der elementaren menschlichen Bedürfnisse könne das Rechtsgut nicht verletzen, so dass das Bestreiten des notFrisch, NJW 1983, S. 2471, 2473. Bottermann, Untersuchungen, S. 70 ff.; Barton, StV 1993, S. 156, 158; Flatten, Strafbarkeit von Bankangestellten, S. 129. 652 Jakobs, Strafrecht, AT, 24. Abschn. Rn. 15, 17. 653 Dionyssopoulou, Der Tatbestand der Geldwäsche, S. 121. 654 So auch Flatten, Strafbarkeit von Bankangestellten, S. 137 ff. 655 Roxin, FS für Klug, S. 303, 312. 650 651

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wendigen Lebensunterhalts nicht tatbestandsmäßig sei.656 Burr seinerseits erreicht den Ausschluss eines großen Teils bagatellhafter Handlungen durch eine Einschränkung des Schutzumfangs von § 261 StGB auf Verhaltensweisen, welche die Entstehung oder Festigung krimineller Organisationsstrukturen fördern.657 Diese Ansicht geht deswegen fehl, weil die Schutzrichtung des Geldwäschetatbestands nicht ausschließlich die Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist. Die Auffassungen in diesem Bereich differenzieren sich weiter, je nach dem, ob man das eine oder andere Rechtsgut durch den Geldwäschetatbestand geschützt sieht. Sozial übliche Tätigkeiten werden somit nur unter der Voraussetzung für strafbar erklärt, dass sie das Erfüllen des gesetzten Zwecks verhindern. Die Intensivierung der Generalprävention658 oder der Schutz des legalen, marktwirtschaftlichen Leistungswettbewerbs659 wurden auch als zu schützende Rechtsgüter herangezogen, um mittels einer teleologischen Reduktion eine Straflosigkeit von sozial üblichen Tätigkeiten und berufstypischen Verhalten auszuschließen. Dieser Weg scheint plausibel zu sein, jedenfalls berücksichtigt er die Zwecke der Geldwäschenorm. Dabei ist jedoch problematisch, dass keine Einigkeit bezüglich dieser Zwecke herrscht. Dieser Weg garantiert somit keine einheitliche Anwendung und Rechtssicherheit. Darüber hinaus sei auch an die Schwierigkeiten erinnert, die der Schutzzweck der Norm als Begrenzungskriterium des Merkmals „Herrühren“ bereitet. Schließlich könnte eine solche teleologische Reduktion in vielen Fällen zu Ergebnissen führen, die dem gesetzgeberischen Willen widersprechen. Mangels ausdrücklicher Normierung sollte man deshalb eher von der Strafbarkeit auch bagatellhafter und sozial üblicher Verhaltensweisen ausgehen. Wäre diese Ausnahme vom Gesetzgeber erwünscht, hätte er diese explizit typisiert, genau wie dies an anderen Stellen gemacht wurde.660 Neben einer Einschränkung der Tatbestandsmäßigkeit wurde auch eine Lösung im Vorsatzbereich in Erwägung gezogen. Bei den Anschlussdelikten ist es allerdings nicht schwer, die Straflosigkeit von sozial üblichen Tätigkeiten zu eruieren. Denn im Bereich des subjektiven Tatbestands stellen sie viel höhere Anforderungen als die Geldwäsche. Auf die Geldwäsche übertragen besagt dieser Ansatz, dass der Unwert in einer besonderen Absicht des Handelnden, also im subjektiven Tatbestand zu suchen sei. Forthauser konstruiert somit einen Tatbestand, der auf das Finanzgewerbe beschränkt ist und nur Handlungen erfasst, die von Finanzinstituten begangen werden können.661 Für die in diesem Bereich Tätigen spricht er für Barton, StV 1993, S. 156, 160, 162 Burr, Geldwäsche, S. 54. 658 Dionyssopoulou, Der Tatbestand der Geldwäsche, S. 130. 659 Bottke, wistra 1995, S. 121, 124. 660 Flatten, Strafbarkeit von Bankangestellten, S. 142; ein Beispiel für die Straflosigkeit von Bagatelltaten liefert der § 248a StGB, wonach die Unterschlagung oder der Diebstahl geringwertiger Sachen nur auf Antrag oder bei besonderem öffentlichen Interesse verfolgt wird; ein Beispiel bei den Anschlussdelikten stellt der Angehörigenprivileg des § 258 Abs. 6 StGB dar. 656 657

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die Einführung einer neuen Vorsatzform. Durch die sog. „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ könnten somit eine Reihe von Verhaltensweisen wegen Nichterfüllens des subjektiven Tatbestands vom Anwendungsbereich des § 261 StGB ausscheiden. Dieser Vorschlag bewegt sich außerhalb der bestehenden Vorschrift und ist somit realitätsfern. Außerdem wird die Geldwäsche nicht nur über Finanzinstitute abgewickelt, so dass diese Reduzierung dem Phänomen nicht genug Rechnung trägt. Im Hinblick auf das Kopfzerbrechen, das die Grenzziehung zwischen den unterschiedlichen Vorsatzformen verursacht, besteht schließlich kein Grund, noch eine Vorsatzform zu schaffen.662 Altenhain dagegen hält die hier geforderte Einschränkung des Tatbestands nicht für notwendig; denn der Geschäftspartner macht sich bei Geschäften des täglichen Lebens deswegen nicht strafbar, weil ihm kein Vorsatz bezüglich der Herkunft des Gegenstands nachgewiesen werden kann. Ist er bösgläubig, scheidet die Strafbarkeit in der Regel am Gefährdungsvorsatz, weil er sich keine Gedanken darüber macht, dass sein Verhalten die Tätigkeit der Strafverfolgungsorgane beeinträchtigt. 663 Diese Argumentation verkennt jedoch die Auffangfunktion des Isolierungstatbestands, dessen subjektive Seite viel extensiver ist. Sollte auch diese Regelung nicht eingreifen, bleibt die Gefahr einer Strafbarkeit wegen Leichtfertigkeit. Die Notwendigkeit der Tatbestandseinschränkung zu bestreiten, bedeutet, dass man die verschiedenen Ebenen der Geldwäschestrafbarkeit nur einseitig betrachtet. Eine besondere Dynamik hat das Thema der Strafbarkeit von Rechtsanwälten entwickelt. Der neue Geldwäschetatbestand erlangt vor allem für Strafverteidiger, wegen der Natur ihrer Klientel, eine große Relevanz. Durch die Entgegennahme eines bemakelten Honorars steht nicht nur ihre berufliche Existenz auf der Kippe, sondern auch das gesamte Institut der Wahlverteidigung. Somit stellt sich die Frage, ob der Rechtsanwalt vielleicht aus dem Anwendungsbereich des § 261 StGB ausgenommen werden sollte.664 Oft wird in der Literatur zwischen den verschiedenen anwaltlichen Tätigkeiten unterschieden, nämlich zwischen Strafverteidigungshandeln einerseits und vermögensverwaltender Aufgabenwahrnehmung andererseits.665 Wenn Rechtsanwälte für ihre Mandanten vermögensverwaltend tätig werden, wie z. B. durch die Führung von Anderkonten, ist nach h. M. eine Strafbarkeit wegen Geldwäsche durchaus möglich und vom Gesetzgeber gewollt, denn solche Tätigkeiten eines Anwalts Forthauser, Geldwäscherei de lege lata et ferenda, S. 151, 157 ff. So auch Bottermann, Untersuchungen, S. 85 f.; Dionyssopoulou, Der Tatbestand der Geldwäsche, S. 128. 663 NK / Altenhain § 261, Rn. 121. 664 Bejahend Barton, StV 1992, S. 156, 162 wegen eines rechtlichen Sonderstatus; so auch Lackner / Kühl § 261, Rn. 5; ablehnend: Körner / Dach, Geldwäsche, S. 25 f.; Höreth, Geldwäsche, S. 178; zur Kritik der Lösung des BVerfG Fischer § 261, Rn. 36 ff. 665 Salditt, StraFo 1992, S. 121, 132. 661 662

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werden als missbrauchsanfällig eingestuft.666 Problematisch bleibt aber immer noch die Annahme von Honoraren zu Verteidigungszwecken.667 Dort stehen sich verschiedene Interessen gegenüber: auf der einen Seite die effiziente Strafverfolgung in Form einer umfassenden Gewinnabschöpfung und einer Isolierung des Täters, auf der anderen Seite jedoch das Recht des Angeklagten auf ein faires Verfahren und die Berufsausübungsfreiheit von Strafverteidigern. Auch die Rechtsprechung hat sich dieser Problematik gewidmet. Nach einem Urteil des hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg begeht der Strafverteidiger bei Entgegennahme eines bemakelten Honorars keine Geldwäsche, „wenn einem Verletzten aus der Tat ein Anspruch erwachsen ist, der nicht durch die Honorarzahlung vorsätzlich oder leichtfertig vereitelt, gefährdet oder erschwert wurde“.668 Eine Geldwäschestrafbarkeit des Verteidigers komme also nur dann in Betracht, wenn Ansprüche des Tatopfers gefährdet würden, indem finanzielle Mittel des Täters – Mandanten an den Strafverteidiger abfließen, statt weiter dem Opfer zur Verfügung zu stehen. Ob diese Einschränkung mit dem Wortlaut und den gesetzgeberischen Zielen vereinbar ist, bleibt nicht zu Unrecht äußerst umstritten. Daraus ergibt sich die Gefahr einer Übertragung solcher teleologischer Reduktionen auch auf andere Berufsgruppen, was aber eine weitere Aushöhlung des Tatbestands bewirken würde.669 Auf diese Interessenkollision ist auch das BVerfG eingegangen: im Hinblick auf die Wahlverteidigung und die Berufsausübungsfreiheit wurde eine verfassungskonforme Auslegung zugrunde gelegt, wonach § 261 Abs. 2 S. 1 StGB nur dann eingreife, wenn der Strafverteidiger im Augenblick der Annahme des Honorars sicher wisse, dass das Geld aus einer Katalogtat stammt. Durch diese Entscheidung wurden somit nur für Strafverteidiger die Anforderungen an den subjektiven Tatbestand erhöht, so dass nunmehr die sichere Kenntnis der kriminellen Herkunft vorausgesetzt wird.670 Trotz der interessanten Auseinandersetzung des Verfassungsgerichts mit der Thematik, ist auch diese Entscheidung fragwürdig. Die Reduktion der subjektiven Voraussetzungen nur für Strafverteidiger ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem gesetzgeberischen Willen. Erklären lässt sich auch nicht, warum diese verfassungskonforme Auslegung nur für Strafverteidiger gelten soll.671 666 Spiske, Pecunia olet?, S. 182, der zusätzlich das Einfügen eines Absatzes in den Geldwäschetatbestand befürwortet, der klar bestimmen würde, in welchen Fällen objektiv keine Geldwäsche vorliegt; dagegen Egger Tanner, Geldwäscherei, S. 180. 667 Zu diesem Thema Bussenius, Geldwäsche und Strafverteidigerhonorar. 668 HansOLG, NJW 2000, S. 673, 676. 669 Schönke / Schröder / Stree § 261, Rn. 17; SK / Hoyer § 261, Rn. 20. 670 BVerfG v. 30. 03. 2004, NJW 2004, S. 1305 ff. 671 NK / Altenhain § 261, Rn. 127; kritisch auch bezüglich einer Korrektur des Tatbestands durch die Rechtsprechung Hetzer, wistra 2000, S. 281, 288; im Ergebnis zustimmend: Fertig, Grenzen einer Inkriminierung des Wahlverteidigers wegen Geldwäsche, S. 219 ff.

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Die einzige Möglichkeit für die Berücksichtigung von sozial üblichen Tätigkeiten und somit auch für die Fälle der Entgegennahme von bemakeltem Honorar wurde darin gesehen, das Verfahren wegen Geringfügigkeit nach § 153 StPO einzustellen oder die Problematik durch die Strafzumessung zu entschärfen.672 Beide Vorschläge versprechen keine Lösung, sondern lassen einfach das Problem erträglicher erscheinen. Die Strafbarkeit bleibt somit grundsätzlich bestehen, nur die faktische Verfolgung bleibt aus. Will man die ausgeführten Meinungen zusammenfassen, merkt man, dass alle zum gleichen Ergebnis kommen. Trotz differenzierter Standpunkte lehnen sie eine Strafbarkeit von sozial üblichen und berufstypischen Tätigkeiten ab. Eine nur oberflächliche Lektüre der verschiedenen Beiträge lässt den Gedanken aufkommen, dass bei der Entwicklung dieser Theorien das gewollte Ergebnis und nicht die innere dogmatische Struktur und die kriminalpolitische Bedeutung des Tatbestands maßgebend waren. Wenn man jedoch diese beiden Größen (Dogmatik und kriminalpolitisches Ziel) in das Zentrum der Auslegung rückt, wird sozial adäquates Verhalten vom Tatbestand der Geldwäsche erfasst. Selbst die Gesetzgebungsgeschichte lässt keine Zweifel daran entstehen, dass die Erfassung von sozial adäquatem Verhalten gewollt war. Ein solches Verhalten, das die umschriebenen Geldwäschehandlungen verwirklicht, sollte dementsprechend nicht mehr als sozial adäquat gelten. Der Bundesrat hat zwar in der ersten Phase des Gesetzgebungsverfahrens eine Gefahr für den legalen Wirtschaftsverkehr gesehen und somit einen Entwurf vorgelegt, der in einem Absatz bagatellhafte und berufstypische Geldwäschehandlungen ausnehmen wollte.673 Dieser Vorschlag wurde aber mit der Begründung verworfen, dass auch solche Handlungen strafwürdiges Unrecht darstellen würden. Das deutet schon darauf hin, dass der Gesetzgeber die Gefahr einer Kriminalisierung alltäglicher Handlungen in Kauf genommen hat. In Bezug auf berufstypische Handlungen wurde das Unrecht in der abstrakten Möglichkeit verortet, dass Dienste von bestimmten Berufsgruppen zur Geldwäsche missbraucht werden. Die Pönalisierung dieser Handlungen sollte dieser Missbrauchsgefahr entgegenwirken.

10. Ergebnis Somit stellt sich auch hier die Frage nach der Effektivität des Geldwäschetatbestands. Darunter wird in diesem Zusammenhang die Eignung der Norm verstanden, den angestrebten Rechtsgüterschutz zu garantieren. Ob Rechtspflege oder die durch die Vortat verletzten Interessen, ob innere Sicherheit oder Intensivierung der Generalprävention, klar wird, dass die vorliegende Regelung über all diese Ziele hinausschießt. Wegen der so weiten, immer auslegungsbedürftigen Tatbestands672 673

Körner / Dach, Geldwäsche, S. 24; in diesem Sinn auch BGHSt 43, S. 158 ff. BT-Drs. 11 / 7663, S. 7, 27.

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3. Kap.: Die Wiederentdeckung der Gewinnabscho¨pfung

merkmale „klont“ sie Geldwäscher, deren Handeln in vielen Fällen nicht einmal eine abstrakte Gefahr für irgendwelche Rechtsgüter darstellt. Zum gleichen Ergebnis führt die Betrachtung der kriminalpolitischen Ziele. Sieht man als Ziele der Vorschrift eine bessere Gewinnabschöpfung, ein Eindringen in die Strukturen der organisierten Kriminalität sowie die Isolierung des Täters und die Verkehrsunfähigkeit seiner Erträge, ist es äußerst fragwürdig, ob diese Ziele längerfristig erreicht werden können. Diese Annahme wird vorliegend von der Perspektive des Betroffenen und des Staates überprüft.674 Der Normadressat ist mit einem definitiv nicht vertretbaren Strafbarkeitsrisiko konfrontiert. Er ist diesem Risiko ausgesetzt, auch wenn er ein gesellschaftlich akzeptiertes, weil strafrechtlich bisher irrelevantes, Verhalten zeigt.675 Vor dem Hintergrund der allgemeinen Formulierung dieser Norm wird dieses Risiko viel eminenter. Denn ein so weit gefasster Wortlaut ist für das Anliegen der Rechtsklarheit nicht gerade förderlich. Die Unklarheit bezüglich der Grenzen des strafbaren Verhaltens kann beim Normadressat eine Unsicherheit entstehen lassen; denn er wird nicht immer in der Lage sein, sein Verhalten nach dem Norminhalt zu richten, bzw. die Norm zu befolgen. Die Auslegungsbedürftigkeit von diesem Tatbestand deutet bereits auf die Unmöglichkeit einer ethischen Parallelwertung in der Laiensphäre hin. Diese Vermutung wird verstärkt, wenn man das im fragmentarischen Charakter des Strafrechts angelegte Regel-Ausnahme-Verhältnis unter die Lupe nimmt. Dieses Verhältnis, wonach ein alltägliches Verhalten grundsätzlich straflos bleibt und nur ausnahmsweise unter Strafe gestellt wird, wird beim Geldwäschetatbestand in sein Gegenteil verkehrt. Als Ergebnis ist die Überforderung der Normadressaten zu befürchten. Durch eine gewisse Verflüchtigung des Rechtsgüterschutzes und durch das Bewusstwerden der Stellung als Hilfsperson der Ermittlungsbehörden wird das Unrecht bagatellisiert. Es verliert diesen ethischen Unwert, der auf einen gesellschaftlichen Konsens zurückgeht.676 Auf diese Weise wird eine sog. „Grenzmoral“ in Kauf genommen, welche jedoch für die Zielerreichung keinesfalls nützlich ist.677 Auf den ersten Blick scheinen die Gewinne für die Strafverfolgungsbehörden aus der Schaffung eines so weiten Tatbestands hervorzustechen: Schaffung von unzähligen Ermittlungsansätzen, erhebliche Verbesserung der präventiven Erfassung von Sachverhalten, „leichtere“ Anordnung von Sicherstellungen. Versucht man ohne die für Strafverfolgungsvertreter kennzeichnende Emotionalität zu denken, würde man neben diesen kurzfristigen „Gewinnen“ eine Reihe von Problem674 Diese Trennung ist allerdings sehr schematisch und wird verwendet, nur um die verschiedenen Konsequenzen der Norm für den Normadressaten und den Normgebenden zu schildern. 675 Das Argument, dass bei jeder Neukriminalisierung ein bisher strafrechtlich irrelevantes Verhalten zu einer Straftat erklärt wird, greift in diesem Fall nicht ein, weil es sich um alltägliche, gesellschaftlich völlig akzeptierte Tätigkeiten handelt. 676 Knorz, Unrechtsgehalt, S. 172 ff. 677 So auch Arzt, in: Diederichsen / Dreier (Hrsg.), Das missglückte Gesetz, S. 17, 22.

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punkten lokalisieren, welche die Erreichung der gesetzgeberischen Ziele sogar gefährden. Beginnend mit einer praktischen Erwägung stellt sich die Frage, ob diese flächendeckende Kriminalisierung von dem Strafverfolgungsmechanismus überhaupt bewältigt werden kann. Das ist allerdings zu bezweifeln, vor allem im Hinblick auf die nicht rationellen Arbeitsabläufe der Strafverfolgungsbehörden. Somit werden Kapazitäten für Sachverhalte erschöpft, die präventiv kein Interesse aufweisen. Dementsprechend werden diese Kapazitäten für die Bearbeitung anderer Fälle fehlen, wo sie unabdingbar zur Aufklärung wären. Mit anderen Worten kann diese Überkriminalisierung durch das „schlechte Management“ bei der Strafverfolgung die erwünschten Präventionseffekte nicht erzeugen. Die bisherige Praxis hat bereits gezeigt, dass eine Mehrzahl von Verdachtsfällen durch Verfahrenseinstellung abgeschlossen wird.678 Somit wären möglicherweise auch im Bereich der Geldwäsche Vollzugsdefizite zu diagnostizieren. Die Einwände erstrecken sich allerdings ebenso auf die viel beschworene präventive Wirkung der Norm. Die Weite der Tatbestandsmerkmale bewirkt tendenziell eine Unsicherheit bezüglich der Differenzierung zwischen erlaubtem und verbotenem Verhalten, so dass keine Abschreckung zu erzielen wäre. Die Strafbarkeit sozial adäquaten Verhaltens treibt diese Verworrenheit in die Höhe, so dass der Normadressat keinesfalls sein Verhalten nach der Norm richten kann. Diese Unbestimmtheit spiegelt sich auch auf der Ebene der positiven Generalprävention wider. Eine so weit geratene Strafnorm vermag das Rechtsbewusstsein nicht zu stärken, sondern eher zu schwächen. Die in ihren Umrissen präsentierte Norm umschreibt unterschiedliche Verhaltensweisen, einige davon mit einem klaren strafrechtlichen und gesellschaftlich greifbaren Unwert, während andere sich noch innerhalb des sozialadäquaten, akzeptierten Handelns bewegen. Beide in einer Strafnorm zu typisieren, führt nicht zu einer gesellschaftlichen Anerkennung des Unwerts von bagatellhaften Handlungen, sondern eher zu einer Bagatellisierung des Unrechts der Handlungen mit einem feststellbaren, strafwürdigen Unwert. Durch die Schaffung des § 261 StGB bezweckte man zumindest längerfristig auch eine optimierte Gewinnabschöpfungspraxis. Es wurde nicht zu Unrecht bemerkt, dass durch die Geldwäscheregelung der Verfallsgegenstand automatisch um ein Vielfaches erweitert wurde. Wenn man sogar bedenkt, dass für den Bereich der Geldwäsche auch die Vorschrift des erweiterten Verfalls gilt, scheint § 261 StGB die Möglichkeiten der Gewinnabschöpfung zu erweitern. Dabei sollte allerdings nicht vergessen werden, dass nur der Anwendungsbereich des Verfalls weiter wird, während dadurch die Unzulänglichkeiten des Verfallsrechts keinesfalls gelöst werden. Da das Verfallsrecht bestimmte Fragen, die auch im Bereich des Geldwäschetatbestands relevant werden, sehr unterschiedlich behandelt, kann zwischen Verfall und Geldwäsche eine „unklare Wechselwirkung“ entstehen.679 678 Im Jahr 1994 endeten rund 88% von 1.203 abgeschlossenen Verfahren in einer Einstellung, dazu s. Oswald, wistra, 1997, S. 328, 329. 679 Arzt, JZ 1993, S. 913 ff.

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3. Kap.: Die Wiederentdeckung der Gewinnabscho¨pfung

Aus ähnlichen Gründen erscheint auch das Eindringen in die Strukturen der organisierten Kriminalität durch § 261 StGB zweifelhaft. Dieser Tatbestand ist von entsprechenden Organisationsprinzipien völlig abgekoppelt, welche das Vermögen von kriminellen Organisationen erfassen würden. Die Verfolgung der Papierspur könnte eventuell sichergestellt werden, wenn dieser Tatbestand in der Praxis Rechtssicherheit und -klarheit gewährleisten könnte. Seine Chancen scheinen dennoch bereits verspielt zu sein. Es ist somit zu befürchten, dass die wahrscheinlichen Vollzugsdefizite zu keiner namhaften Isolierung von Kriminellen führen werden.

V. Abschließende Betrachtung: Das OrgKG als eine große Wende? Das Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen organisierter Kriminalität ist ein Stück deutscher Strafrechtsgeschichte. Es hat grundlegende Änderungen im gesamten Strafrechtssystem bewirkt: es hat neue Straftatbestände und Sanktionen hervorgebracht und den Strafverfolgungsbehörden neue Ermittlungsinstrumente an die Hand gegeben. Diese Neuerungen verdeutlichen die gesetzgeberische Absicht, gegen „neuartige“ oder als bedrohlich empfundene Kriminalitätsformen entschiedener vorzugehen. Dieses Gesetz weist somit einen programmatischen Charakter auf und ist symptomatisch für ein neues kriminalpolitisches Verständnis. Bisher konzentrierte sich das Ziel aller kriminalpolitischen Erwägungen auf die Lokalisierung von Rechtsgütern. Demzufolge interessierte sich die Kriminalpolitik für eine möglichst befriedigende Erfassung von Lebenssachverhalten, welche den Kern dieser Rechtsgüter verletzten oder gefährdeten, in Kenntnis jedoch des fragmentarischen Charakters des Strafrechts. Der immanente Zweck von Strafrechtsnormen wurde somit darin gesehen, dass diese die gesellschaftlichen Werte, die eine Qualität als Rechtsgüter aufweisen, vor Verletzungen oder Gefährdungen schützen sollten. Der Rechtsgüterschutz wurde auf verschiedenen Ebenen mittels Repression und Prävention geleistet. Wie (oder ob) dieser Rechtsgüterschutz tatsächlich erzielt wird, ist eine äußerst umstrittene und immer noch nicht geklärte Frage. Dieser Punkt ist jedoch in diesem Zusammenhang nicht relevant. Wichtig ist lediglich die Feststellung, dass bislang die allgemeine Orientierung am Rechtsgüterschutz ein relatives, gesellschaftliches Gleichgewicht zwischen unterschiedlichen, widerstreitenden Interessen gewährleistete. Diese Vorgehensweise wird allmählich aufgegeben. Auf die Ursachen dieses Phänomens einzugehen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Die „modernen“ Strafnormen ergeben sich nicht mehr aus dem Bedürfnis, anerkannte Rechtsgüter zu schützen. Sie spiegeln nicht mehr diesen gesellschaftlichen Konsens wider, auf den die Strafnormbildung bisher zurückging. Angestrebt wird nun eine flächendeckende Prävention. Diese Zentrierung auf die Tatgewinne spricht für

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eine Verschiebung zugunsten des staatlichen Interesses, möglichst umfassend Gefahrenquellen zu bändigen und zwar oft zu Lasten von individuellen Freiheitssphären. Somit werden strafrechtliche Maßnahmen als Mittel zur Gefahrenabwehr instrumentalisiert. Die Grenzen zwischen Strafrecht und Polizeirecht verwischen sich immer mehr. Sehr oft werden Strafnormen als eine erforderliche Ergänzung von anderen Rechtsgeboten eingesetzt, um ihre Befolgung zu garantieren. Dabei werden auch andere Zwecke berücksichtigt: das Strafrecht wird als ein Zeugnis politischer Betätigung angesehen, als ein Beweis, dass sich der Gesetzgeber dem Problem gebeugt hat und eine angemessene Lösung gefunden hat.680 Strafrechtliche Normsetzung wird auch als Argument im parteipolitischen Kampf vorgebracht. Letztendlich wird Strafrecht als Allheilmittel gegen alle Probleme betrachtet, die in einer zunehmend komplizierten Gesellschaft auftauchen. Dadurch wird lediglich normative Prävention bezweckt. Normative Prävention bedeutet einfach die entsprechenden Normen zur Verfügung zu stellen, während es als zweitrangig erscheint, ob und inwiefern diese Normen das verfolgte Ziel erreichen können. Die Verflechtung von inoffiziellen Zielsetzungen, welche die Schaffung dieser Normen mit veranlasst haben und von präventiven Anliegen führen zu einer immer expandierenden, symbolischen Gesetzgebung. Das OrgKG ist ein Musterbeispiel für den Ausbau dieser „modernen“ Kriminalpolitik. Bereits seine Bezeichnung bezeugt das: ein Gesetz gegen die organisierte Kriminalität führt ein neues, rechtliches Instrumentarium ein, das keineswegs nur auf die Bekämpfung dieses Phänomens abzielt. Während die organisierte Kriminalität als der Existenzgrund zur Initiierung dieses Normbündels deklariert wurde, enthält dieses Gesetz Bestimmungen, die zu diesem vielschichtigen Phänomen einen sehr schwachen Bezug aufweisen. Das war auch zu erwarten. Denn die organisierte Kriminalität stellt ein Phänomen dar, das sich nicht auf eine bestimmte Kriminalitätsart beschränkt, sondern eine besondere Begehungsweise darstellt. Es mag neue Erscheinungsformen haben und einem ständigen Wandel unterliegen, ist jedoch kein neues Phänomen. Darüber hinaus gibt es wenig Hinweise auf eine hierarchisch strukturierte, feste Organisation. Stattdessen ist von wechselnden Straftäterverflechtungen auszugehen.681 Die organisierte Kriminalität eignet sich somit aufgrund ihrer mangelnden Konturen nicht als Legitimationsbasis für tiefgreifende Eingriffe in die Sphäre des Individuums.682 Die Begrifflichkeit kann allerdings auch auf einer dogmatischen bzw. auf einer normativen Ebene nicht als Abgrenzungsmerkmal dienen. Phänomenologische Unklarheiten sowie auftretende Beweisschwierigkeiten würden dies verbieten. Folglich ist es nicht zufällig, dass bei den zahlreichen Bestimmungen des OrgKG gar nicht an diesen Terminus angeknüpft wird. Die organisierte Kriminalität dient also nur als Symbol: wegen der Ähnlich Prittwitz, StV 1993, S. 498 ff. Rebscher / Vahlenkamp, Organisierte Kriminalität in der Bundesrepublik Deutschland, S. 13 ff.; Dörmann, Organisierte Kriminalität- Wie groß ist die Gefahr?, S. 15 ff.; Meertens, ZRP 1992, S. 205 ff. 682 So auch Ostendorf, JZ 1991, S. 62, 64. 680 681

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3. Kap.: Die Wiederentdeckung der Gewinnabscho¨pfung

vermuteten Bedrohung, die von diesem Symbol ausgeht, erscheint die Stärkung und Vertiefung von staatlichen Eingriffsrechten legitimiert.683 Das Symbol der organisierten Kriminalität dominiert auch den Diskurs über die angestrebte Effektivierung der Gewinnabschöpfung. Unter diesem Vorwand wird das Anliegen einer effizienten Gewinnabschöpfung ins Zentrum der gesetzgeberischen Bemühungen des OrgKG gerückt. Dabei vermisst man wiederum die notwendige Verknüpfung zwischen Gewinnabschöpfung und organisierter Kriminalität. Gewinnabschöpfende Normen werden nicht ausschließlich für Tätigkeiten organisiert krimineller Strukturen geregelt. Der Gesetzgeber verliert in den Gesetzesmaterialien allerdings kein Wort über den Sinn und Zweck der Gewinnabschöpfung. Das Motto „das Verbrechen darf sich nicht lohnen“, wie logisch es auch erscheinen mag, besagt jedoch nicht, ob im Sinne dieses Gesetzes z. B. die Gewinnabschöpfung als Verwirklichung des Gerechtigkeitspostulats aufgefasst wird, ob sie also zu Zwecken der Kondiktion angeordnet oder, ob sie als Präventionsmittel eingesetzt wird. Aber selbst das Gerechtigkeitspostulat, auf das der Gesetzgeber sich beruft, wird einseitig verstanden: denn dieses Postulat verlangt das Aufspüren und Abschöpfen krimineller Gewinne, jedoch nur in einem fairen und prozessordnungsgemäßen Verfahren unter Wahrung der Beschuldigtenrechte, der Grundrechte des Angeklagten und Verurteilten, der Unschuldsvermutung sowie der Wahrung der Verhältnismäßigkeit der Mittel.684 Noch weniger scheint den Gesetzgeber zu interessieren, ob gewinnabschöpfende Maßnahmen diesen präventiven Zweck überhaupt herbeiführen können. Nimmt man die entsprechenden Regelungen des OrgKG unter die Lupe, leuchtet ein, wie der Gesetzgeber die Gewinnabschöpfung begreift. Dieses Gesetz bringt drei Änderungen hervor, welche die modifizierte Ausrichtung der Gewinnabschöpfung klar zum Ausdruck bringen. Durch die neu eingeführte Vermögensstrafe ist eine neue Hauptstrafe geschaffen worden, die sich bei näherer Betrachtung als verkappte Vermögens- (und nicht nur Gewinn-)abschöpfung entpuppt. Da diese Sanktion nicht in die herkömmlichen Strafzwecken eingeordnet werden kann, sind viele Friktionen mit Prinzipien des Sanktionen- und des Verfassungsrechts nicht zu vermeiden. Durch den erweiterten Verfall wird eine Art Beweiserleichterung – Beweislastumkehr erzielt, die ihrerseits sicherstellen kann, dass die Erlöse aus Straftaten nicht den Tätern verbleiben. Das Risiko, dass dadurch auch legales Vermögen erfasst wird, wird bewusst in Kauf genommen. Beide Rechtsinstitute bringen somit die gesetzgeberische Sorge zum Ausdruck, eine unzureichende Abschöpfung von kriminellen Gewinnen sei schädlich, weil dieser Umstand die Entscheidung der potentiellen Täter für die Straftatbegehung favorisiere. Durch Vermögensstrafe und erweiterten Verfall muss die Sicherheit „hergestellt werden“, dass Straftäter ihr Vermögen nicht zur Investierung in weitere Straftaten verwenden und dass potenDazu auch Hörnle, ZStW 1996, S. 333, 342. So Herzog, in: Strafverteidigervereinigungen (Hrsg.), Erosion der Rechtsstaatlichkeit, S. 42, 43. 683 684

F. Die große Wende: Das OrgKG

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tielle Straftäter in der materiellen Bereicherung keinen Anreiz zur Tatbegehung finden. Aus diesen Gründen soll die Effektivität des Verfallsrechts um jeden Preis gewährleistet werden. Unter Effektivität wird die Fähigkeit des rechtlichen Instrumentariums verstanden, den Strafverfolgungsbehörden möglichst hohe Beträge zuzuführen. Unter Effektivität wird dagegen nicht die Eignung dieser Normen verstanden, das gesetzte Ziel, nämlich die Kriminalitätskontrolle durch Gewinnabschöpfung, zu erreichen. Denn dieses wird offensichtlich verfehlt. Dabei handelt es sich nicht nur um eine im Rahmen dieser Arbeit aufgestellte Hypothese, sondern um eine empirisch relativ sichere Aussage, die bereits erläutert wurde.685 Bei den kurzfristigen Gewinnen durch die Abschöpfung von hohen Beträgen wurden allerdings nicht die „Kosten“ mitberücksichtigt, welche durch die Umgehung von rechtsstaatlichen Prinzipien potentiell verursacht werden. Verkannt wurde dabei, dass solche Prinzipien, die im Verfallsrecht der Abschöpfung manchmal im Wege stehen, ihre Existenz auch Effektivitätserwägungen verdanken. Das naive Verlangen nach falsch verstandener Wirksamkeit verkennt, dass solche Prinzipien die gesellschaftliche Akzeptanz strafrechtlicher Lösungen wiedergeben, die stets eine Voraussetzung zur Wirksamkeit einer Strafnorm darstellt. Denn die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit nimmt auf die Stärkung des Rechtsbewusstseins Einfluss, so dass eine Strafnorm, die sich außerhalb dieser Grenzen bewegt, ihre präventive Zielrichtung eventuell nicht erreichen kann. Am Beispiel der Gewinnabschöpfung lässt sich somit zeigen, wie künstlich diese Trennung zwischen der Wahrung von rechtsstaatlichen Prinzipien einerseits und der Effektivität einer Norm andererseits ist. Ähnlich verhält es sich mit dem dritten Instrument, welches das OrgKG zur Verwirklichung der Gewinnabschöpfung eingeführt hat, dem Tatbestand der Geldwäsche. Dadurch wird die zweite Säule der Gewinnabschöpfung ausgebaut, nämlich eine personenbezogene Bekämpfungsmethode, welche durch eine Strafandrohung jeglichen Kontakt zu rechtswidrigen Erlösen kriminalisiert. Dabei drängt sich der Verdacht auf, dass trotz entsprechender Erklärungen der Gesetzgeber seine eigene Fähigkeit bezweifelt, effektiv den kriminellen Gewinn abzuschöpfen. Neben der präventiv ausgerichteten, sachbezogenen Ermittlung und Abschöpfung inkriminierten Vermögens durch Verfall und Vermögensstrafe sorgt er für eine Norm, deren praktische Anwendung leichter erscheint. Trotz des repressiven Gewands eines solchen Tatbestands dient sie vorrangig wiederum einem präventiven Ziel, einer mehrmals erwähnten Schaffung von Ermittlungsansätzen; diese können wiederum prozessuale Sicherstellungen möglichst hoher Beträge bewirken sowie andere Ermittlungsmaßnahmen veranlassen.686 Durch ein Verfügungsverbot s. oben 3. Kap. D. II. 8. Solche Normen, die nicht mehr zuerst auf Bestrafung zielen, sondern mehr darauf, weite exekutive Zugriffsräume zu öffnen, bezeichnet Frehsee als „Masternormen“. Der Geldwäschetatbestand stellt eine solche „Masternorm“ dar, s. Frehsee, in: Schild (Hrsg.), Der Rechtsstaat verschwindet, Gesammelte Aufsätze von Detlev Frehsee, S. 275, 286. 685 686

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3. Kap.: Die Wiederentdeckung der Gewinnabscho¨pfung

über sichergestellte Summen wird ein Schlag gegen die Finanzen der organisierten Kriminalität erhofft. Sowohl strafrechtsdogmatisch als auch verfassungsrechtlich steht dieser Tatbestand unter so heftiger Kritik, dass er bereits vor seiner Anwendung reformbedürftig erscheint. Unter Effektivitätsgesichtspunkten scheint er allerdings ebenso zu leiden. Wegen des bagatellisierten Unrechts kann nicht von einem repressiven Anliegen die Rede sein. Die zu erwartende Prävention entspräche jedoch auch einem frommen Wunsch. Denn sie wird durch die besondere Ausgestaltung des Tatbestands und die Aushöhlung von rechtsstaatlichen Grundsätzen versperrt. Somit ist die Frage bereits beantwortet, ob das OrgKG auf dem Gebiet der Gewinnabschöpfung eine Wende darstellt. Durch die neu eingeführten Sanktionen sowie durch den Geldwäschetatbestand wird eine bereits früher in Gang gesetzte Entwicklung abgeschlossen: das Ergebnis dieser Entwicklung ist die endgültige Abkehr von einer Gewinnabschöpfung als Gebot der materiellen Gerechtigkeit. Kriminelle Erträge müssen nicht mehr als eine quasi „ungerechtfertigte Bereicherung“ zurückgegeben werden. Kriminelle Erträge werden dagegen innerhalb der gegenwärtigen, präventionsbetonten Rhetorik als der Hauptanreiz zur kriminellen Betätigung angesehen und dementsprechend behandelt. In diesem Sinne stellt dieses Gesetz eine Wende dar. Angesichts der fragwürdigen Rechtsstaatlichkeit und Effektivität dieser neuen Gewinnabschöpfung tendiert jedoch diese Wende dazu, sich in eine Enttäuschung umzuschlagen.

4. Kapitel

Die Verlagerung des Schwergewichts von den Verfallsvorschriften auf die Geldwäschebekämpfung Bisher wurde aufgezeigt, wie der rechtswissenschaftliche Diskurs und die dazugehörigen gesetzgeberischen Initiativen die Schwächen des Verfallsrechts aufgegriffen haben. Die Rede war von Beweisschwierigkeiten, von konfligierenden Interessenssphären (Opferansprüche gegen staatliches Interesse für die Gewinnabschöpfung) und letztlich von einer vermutlich überproportionalen Berücksichtigung von Täterinteressen (Bemessungsgrundlage des Verfalls: der Nettogewinn). Im Rahmen dieser Diskussion wurden verschiedene Lösungsansätze vorgebracht: Vereinheitlichung von Verfall und Einziehung, Zurückdrängung von Opferansprüchen zugunsten der staatlichen Gewinnabschöpfung, Beweiserleichterungen usw. Einige davon haben sich auch durchgesetzt. Die Einführung des Bruttoprinzips, sowie die Schaffung der Vermögensstrafe und des erweiterten Verfalls mit gesenkten Beweisanforderungen dienten dem Ziel der Vereinfachung und der Optimierung des rechtlichen Instrumentariums zur Gewinnabschöpfung. Die Strafverfolgungsbehörden wurden mit den geeigneten Normen aufgerüstet. So könnte man dadurch einen umfassenden Entzug krimineller Gewinne und längerfristig den Wegfall des Tatmotivs „Gewinn“ erwarten. Es bleibt allerdings fraglich, ob sich durch die Neuerungen des OrgKG diese Erwartung bewahrheitet hat. Trotz der „Verbesserungen“ beim herkömmlichen Verfall und des Potentials des erweiterten Verfalls wurden beide immer noch nur am Rande angewendet. Für die ausbleibende Gewinnabschöpfung können zwei gegensätzliche Thesen vertreten werden. Aus der Sicht der Strafverfolgung waren die Änderungen nicht mutig genug, die Ungereimtheiten bei der konkreten Verhängung dieser Maßnahmen bleiben weiterhin bestehen. Man könnte allerdings auch argumentieren, dass sich hinter einer zögernden Anwendung der Verfallsvorschriften eine Zurückhaltung der Gerichtspraxis verbirgt. Die könnte auch mit der zweifelhaften Verfassungsmäßigkeit der Gesetzesänderungen zusammenhängen. Der „Bewusstseinswandel“ bezüglich der Notwendig- und Dringlichkeit der Gewinnabschöpfung vollzog sich seitens der Richter nur sehr langsam. Das Verfallsrecht ist allerdings auch mit praktischen Schwierigkeiten konfrontiert. Denn die Anwendung der neu eingeführten Vorschriften verlangt einen zusätzlichen finanziellen Aufwand: da die endgültige Verfallsanordnung von der

250 4. Kap.: Verlagerung von den Verfallsvorschriften auf die Geldwa¨schebeka¨mpfung

Ergreifung sicherstellender Maßnahmen in der Ermittlungsphase abhängig ist, wäre auch eine Aufstockung der finanziellen Mittel für die Strafverfolgungsbehörden zu erwarten gewesen. Diese Mehrkosten wurden auch vom Gesetzgeber erkannt, aber zu ihrer Begleichung wurde auf die Mehreinnahmen aus der Gewinnabschöpfung verwiesen.1 Dabei wird offensichtlich verkannt, dass die Mehrkosten Voraussetzung für die Mehreinnahmen sind und, dass diese, wenn überhaupt, erst in einem späteren Stadium ausgeglichen werden. Der Gesetzgeber war offensichtlich nicht bereit, die öffentlichen Haushalte mit solchen Kosten zu belasten. Diese Entscheidung bietet allerdings einen Anhaltspunkt, um den gesetzgeberischen Willen nach einer optimierten Gewinnabschöpfung ernsthaft anzuzweifeln. Gleichzeitig wurde die Geldwäschebekämpfung in den Vordergrund des politischen Interesses gerückt. Durch das vorangegangene OrgKG wurde der Geldwäschetatbestand bereits eingeführt. Diesem Tatbestand kam auch die Rolle einer flankierenden Maßnahme zur Gewinnabschöpfung zu. Somit hat sich auf normativer Ebene der zweispurige Ansatz realisiert, der neben der sachbezogenen Strategie zur Erfassung von kriminellen Erlösen auch eine personenorientierte Strafbarkeit jeglicher Kontakte mit diesen vorsieht.2 Der Geldwäschetatbestand gibt den Strafverfolgungsbehörden auch die Möglichkeit, Ermittlungen einzuleiten, die gleichzeitig die Rückverfolgung der Papierspur anstreben und somit die Gewinnabschöpfung leichter machen. Anlässlich einer Geldwäschestrafbarkeit sind auch gewinnabschöpfende Maßnahmen zu verhängen. Angesichts des weiten Strafbarkeitsrahmens der Geldwäsche wird dementsprechend der Anwendungsbereich des Verfalls erweitert. In relativ kurzer Zeit vollzieht sich eine Verlagerung des Hauptinteresses von den Verfallsvorschriften, also von genuinen gewinnabschöpfenden Maßnahmen auf den Komplex der Geldwäschebekämpfung. Die Gründe für diese Verlagerung wurden bereits angedeutet. Die Bündelung von extrem komplizierten rechtlichen Fragen im Bereich des Verfallsrechts gewährte nicht so weite Spielräume bei der Gestaltung neuer Vorschriften. Die präventiven Zwecke könnten nur durch den Verfall nicht erreicht werden. Dagegen schien die Geldwäsche ein hohes Maß an normativer Prävention zu liefern. Trotz des großen Aufwands, der nicht zuletzt mit der Einbindung der gesamten Kreditwirtschaft in die Geldwäschebekämpfung und mit einer Reglementierung des Finanzverkehrs zusammenhängt, wurde die Kontrolle des Geldverkehrs als ein sich lohnendes Instrument zur Realisierung der Idee der Gewinnabschöpfung angesehen. In diesem Fall scheint die Vermutung sich zu bestätigen, die Kriminalpolitik bestimme sich nicht aufgrund eines ausgebauten, durchdachten Konzepts zur Kriminalitätsbewältigung, sondern lasse sich von augenblicklichen Stimmungslagen, politischen Konstellationen und ideologischen Verhärtungen manipulieren. Denn, 1 2

BT-Drs. 12 / 989, S. 3. s. Kaiser, ZRP 1999, S. 144, 145 ff.

A. Die Internationalisierung der Bemühungen

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anstatt die kriminalpolitische Ausrichtung der Gewinnabschöpfung zu überdenken, ihre bereits präventive Ausrichtung in Frage zu stellen und daraus die entsprechenden Schlüsse für zukünftige Maßnahmen zu ziehen, wird das „unverbesserliche“ Verfallsrecht in die Ecke gedrängt und das viel versprechende Geldwäschebekämpfungsrecht weiter ausgebaut. Diese Neuorientierung auf die Geldwäsche war allerdings nicht eine Erfindung der deutschen Kriminalpolitik und Gesetzgebung. Sie geht auch auf die rege internationale Bewegung zurück, die sich ab dem Ende der 80er Jahren abzeichnet. Freilich hat Deutschland zu diesen Entwicklungen beigetragen, indem es bei der Erarbeitung der entsprechenden Vereinbarungen aktiv mitgewirkt hat. Zunächst wird diese Internationalisierung der Bemühungen im Bereich der Geldwäsche aufgezeigt (unter A.). Anschließend werden die entsprechenden nationalen gesetzgeberischen Initiativen vorgestellt, die zur Einführung des Geldwäschegesetzes geführt haben (unter B.)

A. Die Internationalisierung der Bemühungen Die auftauchende internationale Perspektive bei der Gewinnabschöpfung ergibt sich logisch aus dem zunehmenden internationalen Charakter der gesamten Kriminalität. Vor allem bei der Gewinnabschöpfung, die sich als Mittel zur Eindämmung von „modernen“ Kriminalitätsformen präsentiert, wie der organisierten Kriminalität, des Betäubungsmittelhandels u.ä., scheint die internationale Koordinierung eine Dringlichkeit darzustellen. Aber auch die Geldwäsche wird immer internationaler. Ihr grenzüberschreitender Charakter bezieht sich nunmehr nicht nur auf die eigentliche Tatbegehung, sondern auch auf das Tatobjekt. Denn um die möglichst beste Verschleierung der kriminellen Herkunft zu erreichen, müssen die Profite durch die Finanzmärkte verschiedener Länder geschleust werden. Die Kommunikationstechnologien sowie das hohe Maß an wirtschaftlicher Verflechtung zwischen den verschiedenen Finanzzentren ermöglichen sehr schnelle Verbindungswege und begünstigen somit die Geldwäsche. Demzufolge sind die jeweiligen nationalen Rechtsordnungen immer weniger in der Lage, diese Herausforderung bzw. dieses Gefährdungspotential allein zu bewältigen.3 Dieses kann die Privatwirtschaft, deren Dienste für die Verschleierung von kriminellem Vermögen in Anspruch genommen werden, nicht übersehen. Dieses Gefährdungspotential weist für Kreditinstitute jedoch eine andersartige Qualität auf: kriminelles Geld ist für Banken und andere Finanzunternehmen Kapital, dessen Zuführung zumindest auf den ersten Blick in ihrem Interesse liegt. Auf diese Weise steigern sie auch ihre Investitionsfähigkeit. Vordergründig betrachtet, kann man also behaupten, dass die Geldwäsche zur Stabilität einer Bank beiträgt.4 Ein 3 Zum internationalen Charakter der Geldwäsche, s. Pieth, in: Herzog / Mülhausen, GwHdb § 3, Rn. 2 ff.

252 4. Kap.: Verlagerung von den Verfallsvorschriften auf die Geldwa¨schebeka¨mpfung

Schaden entsteht für sie erst dann, wenn Geldwäschegeschäfte aufgedeckt und an die Öffentlichkeit gebracht werden.5 Solche Fälle können für die verwickelten Geldinstitute eine erhebliche Rufschädigung und folglich einen Vertrauensverlust seitens der Kundschaft zur Folge haben, was potentiell zu Umsatzbrüchen führen kann. Gleichzeitig sind ab einer bestimmten Größenordnung auch Abhängigkeiten der Bank von kriminellen Organisationen zu befürchten, was nicht nur ihre Zuverlässigkeit zugrunde richtet, sondern auch eine Strafbarkeit ihrer Angestellten wahrscheinlicher macht.6 Angesichts dieser Gefahr wollten die betroffenen Geldinstitute ihre Bereitschaft demonstrieren, sich an der Geldwäschebekämpfung aktiv zu beteiligen. Somit ist eine Reihe von Initiativen verschiedener Gruppierungen des Bankensektors zu verzeichnen. Wichtig war diejenige der sog. „Wolfsberg Gruppe“. Die zwölf Markt führenden Kreditinstitute haben sich zusammengeschlossen und Richtlinien hinsichtlich der Verhinderung des Missbrauchs des Finanzsystems zu kriminellen Zwecken erarbeitet. Die dort umschriebenen Pflichten für die Kreditinstitute weisen jedoch einen erheblichen Unterschied zu den entsprechenden staatlichen und internationalen Maßnahmen auf: diese sog. „Wolfsberg-Prinzipien“ spiegeln eine branchentypische Risikobetrachtung wider und blenden die Aspekte der Geldwäsche, die für Kredit- und Finanzinstitute irrelevant oder ungefährlich sind, aus.7 Zunächst werden die vielfältigen Initiativen zur Organisierung der Gewinnabschöpfung und des Kampfs gegen Geldwäsche auf internationaler Ebene unter die Lupe genommen. In diesem Prozess waren verschiedene Organisationen und Institutionen aktiv, die Rechtstexte mit oder ohne Verbindlichkeit hervorgebracht haben, mit teils übereinstimmenden, teils divergierenden Motiven und Schutzrichtungen. Im Rahmen dieser Arbeit ist dieser Entwicklung in ihren groben Zügen nachzugehen. Deshalb werden ihre wichtigsten Stationen ausgewählt und ihre Eckpunkte erörtert.

I. Die Wiener Drogenkonvention Den ersten und entscheidenden Schritt in diese Richtung stellt das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen dar.8 Ziel dieser Konvention, die im Jahre 1988 in Wien Sehr ausführlich dazu, Werner, Wachstumsbranche Geldwäsche, S. 81 ff. Werner, Bekämpfung der Geldwäsche in der Kreditwirtschaft, S. 34 ff. m. w. N. 6 Zur Beschreibung der Auswirkungen der Geldwäsche im Geschäftsleben s. ausführlich Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Sorgfaltspflicht der Banken bei der Feststellung der Kundenidentität, S. 2 ff. 7 Zur Wolfsberg Gruppe mehr Pieth, in: Herzog / Mülhausen, GwHdb § 6, Rn. 6.. 8 United Nations Convention against illicit traffic in narcotic drug and psychotropic substances; die deutsche Übersetzung wird bei Körner, Betäubungsmittelgesetz, Anhang B3, S. 1690 ff. abgedruckt. 4 5

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unterzeichnet wurde, war die Festsetzung von internationalen Standards zur Bewältigung des Drogenmissbrauchs und -handels. Am Ende der 80er Jahren wird ein sehr breit angelegter Diskurs bezüglich des Drogenmissbrauchs initiiert. Dieser Diskurs, der auf nationaler Ebene die Erstellung von nationalen Rauschgiftbekämpfungsplänen und Gesetzeswerken veranlasste, hat gleichzeitig eine internationale Entwicklung ausgelöst. Hinsichtlich des transnationalen Charakters des Drogenhandels und einer erkannten Verbindung zwischen dem unerlaubten Verkehr mit Betäubungsmitteln und der international agierenden organisierten Kriminalität wird das Phänomen des Drogenmissbrauchs aus einer repressiven Perspektive betrachtet. Die in dieser Konvention enthaltenen Maßnahmen fokussieren somit die Anbieterseite und weisen zwei tragenden Säulen auf: die erste bezieht sich auf die Bekämpfung des Drogenhandels durch die Schaffung von völkerrechtlichen Normen, welche den Vertrieb, die Weitergabe und die Herstellung von Drogen, also jeglichen Kontakt mit Suchtstoffen kriminalisieren; die zweite konzentriert sich auf das Bestreben, den Drogenhandelorganisationen die ökonomischen Grundlagen zu nehmen. Zuallererst werden die Unterzeichnerstaaten verpflichtet, die Wäsche von Drogengeld als kriminelle Handlung einzustufen (Art. 3). Interessant ist allerdings, welche Verhaltensweisen genau unter diesen Begriff fallen. Für strafbar sollen erklärt werden a) die Umwandlung und Verschiebung von Gegenständen, von denen der Täter weiß, dass sie aus Drogendelikten stammen, b) das Verbergen der Herkunft von solchen Gegenständen und c) die bloße Entgegennahme, der Besitz und der Verbrauch solcher Werte. Nicht zuletzt sollte auch das Aufstacheln oder das Verleiten zur Geldwäsche mit Strafe angedroht werden. Auf diese Weise werden alle denkbaren Transaktionen, die mit Betäubungsmitteln zusammenhängen, unter Strafe gestellt, während Einschränkungen eher im subjektiven Bereich zu suchen sind.9 Da diese Regelungen eine weite Pönalisierung mit sich bringen und dementsprechend Probleme verfassungsrechtlicher Art möglich sind, wird im Übereinkommen ein Verfassungsvorbehalt eingefügt.10 Durch die derartige angestrebte Kriminalisierung der Geldwäsche wird auch die zwischenstaatliche Kooperation erheblich erleichtert: da tendenziell bei allen Unterzeichnerstaaten die Geldwäsche strafbar sein wird, wird die Voraussetzung der doppelten Strafbarkeit bei Rechtshilfeersuchen erfüllt sein.11 Darüber hinaus sind Bestimmungen zur Regelung der Gerichtsbarkeit vorgesehen, um Konflikte zwischen den verschiedenen nationalen Gerichtsständen zu vermeiden (Art. 4). Diese Konvention sieht gleichzeitig die Schaffung von sehr umfassenden Einziehungsvorschriften vor (Art. 5). Vorgeschlagen wird sogar eine Beweislastumkehr, wenn sich die kriminelle Herkunft von Drogengeldern prozessrechtlich nicht nachWerner, Geldwäsche, S. 42. So auch Pieth, StV 1990, S. 558, 559. 11 Kern, Geldwäsche und organisierte Kriminalität, S. 81. 9

10

254 4. Kap.: Verlagerung von den Verfallsvorschriften auf die Geldwa¨schebeka¨mpfung

weisen lässt. Angesichts der fraglichen innerstaatlichen Verfassungsmäßigkeit wurde die Umsetzung dieser Bestimmung den Staaten überlassen. Zu einer effektiven Aufspürung von Drogengeldern, die im späteren Stadium abgeschöpft werden, sollte der jeweilige nationale Gesetzgeber auch die Ermittlung, Sicherstellung und Beschlagnahme von Drogengeldern regeln. Zur Durchführung von solchen Maßnahmen sollte den jeweiligen zuständigen Stellen der Vertragsstaaten die Befugnis zuerkannt werden, Bank- und Finanzunterlagen zu beschlagnahmen. Um die Wirksamkeit der Zusammenarbeit zu erhöhen, sind die Staaten letztlich aufgefordert, zwei- oder mehrseitige Abkommen zu schließen (Art. 5 Abs. 7). Sehr originell ist auch der in der Konvention enthaltene Vorschlag, die abgeschöpften Gelder einem internationalen Fonds zuzuführen oder sie mit anderen Staaten zu teilen (Art. 5 Abs. 5). Angesichts der Schwierigkeit, ein solches Vorhaben politisch durchzusetzen, wäre dieser Vorschlag je nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts zu beurteilen. Aufgrund des Potentials der abgeschöpften Erträge als einer Einnahmequelle, wurde dieser Vorschlag – erwartungsgemäß – nie ernsthaft in Erwägung gezogen. Ein großer Teil der Konvention widmet sich auch der Verbesserung der internationalen Rechtshilfe bei einschlägigen Ermittlungen, Strafverfolgungen und Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit den umschriebenen Straftaten (Art. 7). Dementsprechend sind Auslieferungsregelungen (Art. 6) und entsprechende Vollstreckungsmodalitäten geregelt. Dagegen wird die Möglichkeit der Einbeziehung der Kreditwirtschaft nicht aufgegriffen.12 In diesem Stadium der Entwicklung wurde wahrscheinlich die Möglichkeit der Inpflichtnahme von Privaten in Diensten der staatlichen Strafverfolgung noch nicht erkannt oder es wurde als schwierig betrachtet, in diesem Bereich einen internationalen Konsens herzustellen. Diese Konvention wurde von Deutschland am 22. 07. 1993 ratifiziert; dieser Konvention kam jedoch bereits vor ihrer Ratifikation eine bedeutende Rolle zu, denn auf sie baute der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Geldwäschetatbestandes im OrgKG auf13. Diese Konvention schafft lediglich eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Ratifizierung und somit zur Umsetzung in innerstaatliches Recht, damit sie eine bindende Wirkung entfalten kann. Trotzdem stellt sie eine wichtige Etappe der internationalen Bemühungen dar: sie liefert zum ersten Mal eine internationale Definition der Geldwäsche und setzt Mindeststandards bei der Formulierung von gewinnaufspürenden und -abschöpfenden Maßnahmen. Deswegen wird sie als „Mutterkonvention“ für spätere Initiativen in diesem Bereich angesehen.14 Ihr Problem wird aber darin gesehen, dass sich ihr Regelungsbereich 12 Eine Ausnahme davon bildet der Art. 15, der die Ergreifung von Maßnahmen vorsieht, die sicherstellen, dass gewerbliche Beförderungsunternehmen nicht zu kriminellen Zwecken missbraucht werden, ohne jedoch für solche Unternehmen einen konkreten Maßnahmenkatalog zu erstellen. 13 BT-Drs. 12 / 989, S. 26. 14 Ambos, ZStW 2002, S. 236, 237.

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auf die Erfassung von Drogengeldern beschränkt. Wenn man jedoch bedenkt, dass das ursprüngliche Ziel dieses Übereinkommens die „Bekämpfung“ der Betäubungsmittelkriminalität war, erscheint diese Einschränkung aus der Natur der Sache plausibel.

II. Die Gründung von FATF – Die 40 Empfehlungen Die spätere Entwicklung der internationalen und nationalen Geldwäschebekämpfung wurde wesentlich von einer Entscheidung der Teilnehmer des Weltwirtschaftsgipfels (G7) in Paris im Jahre 1989 geprägt: dort wurde eine Expertengruppe errichtet, die so genannte „Financial Action Task Force on Money Laundering“ (FATF). Dieses zwischenstaatliche Gremium, das keine internationale Organisation im traditionellen Sinne darstellt15, beruht auf der Idee der Industrieländer, ihre Bemühungen gegen die Ausnutzung des internationalen Finanzverkehrs zu kriminellen Zwecken international zu koordinieren. Als Vorgänger dieses Gremiums könnte der 1974 gegründete Baseler Ausschuss für Bankenbestimmung und Überwachung betrachtet werden, der die Einführung möglichst einheitlicher Standards in die Bankenaufsicht fördert.16 Im Anfangsstadium waren nur die G7 Staaten sowie noch andere 8 Industrieländer und die Europäische Kommission Mitglieder dieser Initiative. Diese war allerdings auf eine ständige Erweiterung angelegt; denn nur dadurch könnten weltweit anerkannte und gültige Standards bei der Geldwäschebekämpfung festgelegt und durchgesetzt werden. Dementsprechend ist die erste Erweiterungswelle in der Zeit zwischen 1991 und 1992 zu verzeichnen, wo die Anzahl der Mitgliedsstaaten und Organisationen von 16 auf 28 aufgestockt wurde. Während im Jahre 2000 der FATF 31 Staaten und Organisationen angehörten, hat 2003 die letzte Erweiterung stattgefunden und bisher nehmen daran insgesamt 34 Staaten teil. FATF ist auch mit einigen regionalen Suborganisationen assoziiert, während eine Vielzahl von internationalen Organisationen bei FATF einen Beobachterstatus haben.17 Das Sekretariat der FATF ist in Paris bei der OECD angesiedelt, ohne jedoch organisatorisch gesehen ein Teil der OECD zu sein. Die Aufgaben von FATF erstrecken sich auf drei Bereiche: a) die Bestandsaufnahme und Erforschung von Prozessen und Methoden von Geldwäsche. In diesem Rahmen werden Geldwäschetypologien erstellt, die den Finanzinstituten bei der Abwicklung von Transaktionen Hinweise auf Geldwäschegeschäfte geben, b) die Analysierung von Maßnahmen gegen sie und die Formulierung von internationalen 15 Die Aufgaben und Zuständigkeiten der FATF werden nicht von einem Gründungsabkommen bzw. von einer ähnlichen, völkerrechtlichen Vereinbarung geregelt. 16 Mehr dazu: Höreth, Geldwäsche, S. 35; Hoyer / Klos, Regelungen zur Bekämpfung der Geldwäsche und ihre Anwendung in der Praxis, S. 36, Werner, Geldwäsche, S. 45. 17 Die Organisationen, die Kooperationen mit der FATF pflegen sind in: www.fatf-gafi.org abzulesen.

256 4. Kap.: Verlagerung von den Verfallsvorschriften auf die Geldwa¨schebeka¨mpfung

Standards und c) die Entwicklung von Empfehlungen für eine effektive Geldwäschebekämpfung.18 Weniger als ein Jahr nach seiner Gründung hat dieses Gremium einen ausführlichen Bericht veröffentlicht (April 1990). Dort finden sich die 40 Empfehlungen der Arbeitsgruppe zur Bekämpfung der Geldwäsche. Diese Empfehlungen können in drei Abschnitte unterteilt werden. Der erste Abschnitt (Nr. 1 – 7) bezieht sich auf strafrechtliche Maßnahmen und orientiert sich an den Vorgaben der Wiener Drogenkonvention19: die Staaten werden aufgefordert, die Geldwäsche zu kriminalisieren sowie effektive Maßnahmen zur Sicherstellung und zur endgültigen Abschöpfung von kriminellen Erträgen zu schaffen. Aufgrund der Anknüpfung an die Wiener Drogenkonvention werden keine spezielleren Angaben zum Inhalt des Geldwäschetatbestands gemacht; was jedoch zum ersten Mal vorgeschlagen wird, ist eine Geldwäschestrafbarkeit auch für Unternehmen. Neuartig ist ebenso eine Aufweichung des Bankgeheimnisses. Schwerer wiegt der zweite Abschnitt dieser Empfehlungen (Nr. 8 – 29). Der konzentriert sich auf die Rolle des Finanzwesens bei der Bekämpfung der Geldwäsche: formuliert wird somit ein breiter Pflichtenkatalog für Kredit- und Finanzinstitute. Zu erwähnen sind hier die Identifikation der Kunden und auch des wirtschaftlich Berechtigten bei Konto- und Bareinzahlungen, die über einen bestimmten Betrag hinausgehen, die Aufbewahrung von Geschäftsunterlagen und Kundendokumentationen für fünf Jahre und die Möglichkeit ihrer Verwertung von den Strafverfolgungsbehörden. Die Finanzinstitute sollen darüber hinaus Geschäfte, die keinen klar ersichtlichen wirtschaftlichen oder gesetzesmäßigen Zweck verfolgen, besonders überwachen. Begründen diese Transaktionen den Verdacht, dass das verwickelte Kapital aus Straftaten stammt, soll für die Kreditinstitute eine Meldepflicht statuiert werden. Bei der Erstattung solcher Verdachtsmeldungen sollen die Bankmitarbeiter vor einer strafrechtlichen oder zivilrechtlichen Haftpflicht wegen eines Verstoßes gegen eine vertragliche Begrenzung zur Enthüllung von Informationen geschützt werden. Besondere Aufmerksamkeit wird auch Transaktionen mit Kunden oder Banken aus Ländern, welche die Empfehlungen nicht oder nur ungenügend befolgen, geschenkt. Darüber hinaus sind auch interne Regelungsmechanismen vorgesehen, wie Ausbildungsprogramme für Bankangestellte, Auswertungssysteme und ähnliche Initiativen, durch die die Banken sich gegen Missbrauch zu kriminellen Zwecken wehren können. Diese Verpflichtungen sollen allerdings nach dem Wortlaut der Empfehlungen nicht nur für Banken gelten, sondern für alle Geschäftsbereiche, in denen große Bargeldzahlungen anfallen. Im dritten Teil der Empfehlungen (Nr. 30 – 40) werden zuletzt Maßnahmen auf der Ebene der Rechtshilfe und der internationalen Kooperation festgeschrieben, während die Ratifizierung und Umsetzung des einschlägigen Europaratsüberein18 19

Werner, Wachstumsbranche Geldwäsche, S. 117; Leip, Geldwäsche, S. 33. Kern, Geldwäsche und organisierte Kriminalität, S. 86.

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kommens20 eindrücklich empfohlen wird. Die bessere internationale Zusammenarbeit kann dadurch erleichtert werden, dass eine Behörde errichtet wird, welche die Verdachtsmeldungen konzentriert und auswertet, eine sog. „Financial Intelligence Unit“ (FIU). Verwaltungstechnisch muss auch eine Behörde bestimmt werden, welche zuständig für eine umfassende Aufsicht der gesamten Finanzbranche wäre. Die FATF besitzt auch einen ausgefeilten Mechanismus zur Überprüfung der Umsetzung dieser Empfehlungen in jedem Land. Das erfolgt durch einen doppelten Ansatz: erstens ist jeder Mitgliedstaat verpflichtet, durch die Ausfüllung eines detaillierten Bewertungsfragebogens jährlich eine Selbst-Evaluation vorzunehmen („self-evaluation procedure“); wichtiger ist jedoch die gegenseitige Evaluation, bei der turnusmäßig ein Land einer Vor-Ort-Überprüfung unterzogen wird („mutual evaluation procedure“). Aufgrund dieser Überprüfung wird für jedes Land ein Bericht veröffentlicht, der die rechtlichen und faktischen Schwächen seines Systems zur Geldwäschebekämpfung aufzeigt. Durch die Gründung der FATF und ihrer Aktivitäten, einschließlich der 40 Empfehlungen hat der internationale Diskurs über die Geldwäschebekämpfung eine sehr interessante Wende genommen. Wie die nachfolgende Entwicklung zeigt, haben diese Empfehlungen eine neue Dynamik in die internationalen Bemühungen gebracht. Ohne irgendeine rechtliche Verbindlichkeit zu besitzen, bilden sie ein Medium wirtschaftlichen und vor allem politischen Drucks gegen die Staaten, die sie nicht oder nur ungenügend umsetzen.21 Angesichts der internationalen Konkurrenz mag der Ruf eines sicheren Standorts eine gewichtige Rolle bei Investitionen und bei der Entwicklung von volks- und betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten spielen. Es ist nicht zufällig, dass auf diesen Empfehlungen viele weitere internationale und noch mehr nationale Initiativen aufbauen. Die Mitgliedsländer sind allerdings daran interessiert, dass die 40 Empfehlungen weltweit bzw. auch von Nichtmitgliedern beachtet werden. Denn die Einhaltung der dort enthaltenen Standards ausschließlich von den Teilnehmern dieses Gremiums schafft Vorteile für Volkswirtschaften, die keine aktive Geldwäschebekämpfung betreiben. Das kann der Stabilität des internationalen Wirtschaftssystems schaden. Aus diesem Grunde wurde neben der angestrebten Erweiterung der FATF im Jahr 2000 die sog. „Initiative der nicht kooperierenden Staaten und Territorien“ (NCCT) ins Leben gerufen. Im Rahmen dieser Initiative werden Listen erstellt, in denen die Staaten ausgeführt werden, welche die erforderlichen Maßnahmen zur Prävention, Verfolgung und Bestrafung von Geldwäsche nicht ergreifen und die entsprechenden internationalen Standards missachten. Diese Listen werden in gewissen Zeitabständen aktualisiert, je nach den Bemühungen der aufgeführten Staaten, die Geldwäschebekämpfung zu intensivieren. Je nach den entsprechenden 20 21

Zu diesem Übereinkommen, s. unten 4. Kap. A. III. Werner, Geldwäsche, S. 50 m. w. N.

258 4. Kap.: Verlagerung von den Verfallsvorschriften auf die Geldwa¨schebeka¨mpfung

Fortschritten werden also Staaten aus der Liste gestrichen.22 Dabei unterließ es die FATF, bekannt zu geben, welche die Konsequenzen von diesem „black-listing“ wären.23 Bei dieser Initiative handelte es sich wieder um ein Mittel, um politischen Druck auszuüben. In einigen Fällen wurde die Streichung von der Liste der nichtkooperierenden Staaten politisch ausgehandelt. Ziel dieser Initiative war somit unseriöse Finanzplätze zu isolieren und sie mittelfristig zu zwingen, sich den internationalen Standards bei der Geldwäschebekämpfung zu unterwerfen.24 Diese Initiative hat sich als besonders erfolgreich erwiesen, so dass nach der Streichung von Myanmar im Oktober 2006 derzeit kein Land mehr auf dieser Liste steht. Zudem muss man betonen, dass die Monitoring-Mechanismen der FATF aus einer rechtstheoretischen Perspektive neuartig sind, denn sie signalisieren ein „grundsätzliches Abrücken von der traditionellen Auffassung, dass die Umsetzung von Abkommen und Konventionen eine rein landesinterne Angelegenheit“ ist.25 Die 40 Empfehlungen wurden 1996 überarbeitet, um den Entwicklungen der Geldwäschemethoden Rechnung zu tragen. Dabei wurde die Beschränkung auf die Drogengeldwäsche aufgegeben. In Reaktion auf die Ereignisse vom 11. September 2001 wurden die 40 Empfehlungen im Jahre 2003 aktualisiert und von acht Sonderempfehlungen ergänzt. Ihr Aufgabenspektrum wurde damit um die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung erweitert. Schließlich wurde 2005 eine 9. Sonderempfehlung erstellt. Gleichzeitig wurden auch zu bestimmten Empfehlungen Auslegungsbestimmungen formuliert, die ihren Inhalt konkretisieren und ihre Umsetzung erleichtern. Das Mandat der FATF war ursprünglich zeitlich begrenzt. Aufgrund des breiten politischen Konsenses und der Systematisierung der internationalen Bemühungen, die sie erreicht hat, wurde sie dennoch im Jahre 2004 ermächtigt, ihre Aufgaben bis Ende 2012 fortzuführen. Somit ist es nicht übertrieben, die FATF mit den 40 Empfehlungen als den Motor der internationalen Entwicklung der Geldwäschebekämpfung zu betrachten.26 Trotz der fehlenden rechtlichen Verbindlichkeit hat dieses Gremium in den letzten Jahren die jeweilige nationale Gesetzgebung im Bereich der Geldwäsche entscheidend beeinflusst. Dieser Empfehlungscharakter hat den zusätzlichen Vorteil, dass den Staaten weitere Spielräume zuerkannt werden, diese Empfehlungen je nach den Besonderheiten ihrer Rechtsordnung und Verfassungsgrundsätze zu implementieren. Da sie in vielen Punkten allgemeine Vorgaben enthalten statt jede Einzelheit vorzuschreiben, können die Staaten bei der Umsetzung von einschlägigen Maßnahmen die Gegebenheiten der Bankenlandschaft sowie die wirtschaftlichen Strukturen berücksichtigen.27 Mehr dazu unter der Internetseite der FATF: www.fatf-gafi.org Pieth, in: Herzog / Mülhausen, GwHdb § 5, Rn. 6 ff. 24 Pieth, StV 1990, S. 558, 559. 25 Pieth, in: Herzog / Mülhausen, GwHdb § 5, Rn. 2 ff.; Levi / Gilmore, in: Pieth, Financing Terrorism, 87 ff. 26 Höreth, Geldwäsche, S. 39. 22 23

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Während die Wiener Drogenkonvention auf die kriminellen Gewinne der organisierten Kriminalität abstellte, haben die 40 Empfehlungen das Instrumentarium des Finanzaufsichtsrechts hervorgehoben. Von diesem Zeitpunkt an ist eine immer stärkere Reglementierung dieses Bereichs zu beobachten. Das Potential von gewinnabschöpfenden Maßnahmen und des Geldwäschetatbestands wird allmählich von Maßnahmen zur Bankenaufsicht überschattet.

III. Das Europaratsübereinkommen Das Thema der Gewinnabschöpfung und der Geldwäsche wurde anschließend auch vom Europarat aufgegriffen. Die einschlägigen Konsultationen unter den Mitgliedsstaaten haben zum Übereinkommen Nr. 141 des Europarats über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten geführt.28 Dieses sog. Straßburger Übereinkommen baut auf der vorangegangenen Wiener Drogenkonvention auf, weist jedoch einige Unterschiede auf. Es enthält ebenfalls eine Verpflichtung der Unterzeichnerstaaten, Vorschriften für eine angemessene Gewinnabschöpfung samt vorläufigen Sicherstellungsmaßnahmen zu schaffen sowie die Geldwäsche unter Strafe zu stellen (Art. 6). Die Umschreibung der Geldwäschehandlungen ist sehr ähnlich: genau wie bei der Wiener Drogenkonvention wird unter Geldwäsche das Umwandeln und das Übertragen von inkriminierten Vermögensgegenständen subsumiert, sowie ihr Erwerb, Besitz oder ihre Verwendung, wieder vorbehaltlich der jeweiligen nationalen Verfassungsgrundsätze. Die subjektiven Anforderungen sind jedoch im Vergleich zur Wiener Drogenkonvention modifiziert bzw. gesenkt. Durch die Formulierung „als Straftaten sind jene Handlungen zu umschreiben, wenn der Täter annehmen musste, dass es sich bei dem Vermögensgegenstand um einen Ertrag handelte“ (Art. 6 Abs. 3 a), wird auch die fahrlässige Geldwäsche als strafbedürftige Handlung anerkannt. Der wichtigste Unterschied sind jedoch die geldwäschetauglichen Vortaten: Da dieses Übereinkommen nicht ausschließlich die Drogenkriminalität im Visier hat, wird kein Vortatenkatalog vorgegeben. Es liegt somit an den einzelnen Staaten zu bestimmen, aus welchen Straftaten die jeweiligen Vermögensgegenstände herrühren sollen. Einen Orientierungspunkt für den Inhalt eines eventuellen Vortatenkatalogs liefert nur die Präambel, die auf das Erfordernis einer effektiven internationalen Zusammenarbeit im Kampf gegen die Schwerkriminalität hinweist. Dementsprechend wird der Schluss gezogen, dass geldwäschetaugliche Vortaten alle Formen von Schwerkriminalität sein sollen.29 Als solche sind allerdings, anders als in Hoyer / Klos, Geldwäsche, S. 38; Busch / Teichmann, Das neue Geldwäscherecht, S. 17. Dieses Übereinkommen wurde am 08. November 1990 unterzeichnet und am 01. September 1993 in Kraft getreten. Siehe auch BGBl. II 1998, S. 519 ff. Die deutsche Übersetzung abgedruckt bei Hoyer / Klos, Geldwäsche, S. 491 ff. 29 Leip, Geldwäsche, S. 32. 27 28

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der Wiener Drogenkonvention, auch jegliche Auslandstaten zu betrachten (Art. 6 Abs. 2a). Jede Vertragspartei soll auch all diejenigen Maßnahmen schaffen, welche ihr ermöglichen, alle kriminellen Erträge oder deren Wert einzuziehen (Art. 2) und entsprechende Ermittlungen zu den einzuziehenden Vermögensgegenstände zu führen (Art. 3). In diesem Rahmen sollen die Gerichte in der Lage sein, Bank-, Finanz- oder Geschäftsunterlagen in Beschlag zu nehmen (Art. 4). Somit wird der Finanzsektor bei den Bemühungen der Strafverfolgungsbehörden in das gesamte Verfahren der Gewinnaufspürung einbezogen. Abgesehen von einer Kann-Vorschrift, die mögliche Ermittlungsmethoden aufzählt (Überwachung von Bankkonten, Observation usw.) werden jedoch keine detaillierten Vorgaben zu Verpflichtungen von Kreditinstituten aufgeführt. Darüber hinaus darf die Anwendung solcher Ermittlungsmethoden nicht am Bankgeheimnis scheitern. Das betrifft jedoch nur die Ermöglichung von vorläufigen Maßnahmen, so dass diese Regelung nicht einer Lockerung des Bankgeheimnisses gleichkommt.30 Die internationale Zusammenarbeit bildet allerdings das Kernstück dieses Abkommens (Art. 7 ff.). Zum Zwecke der Ermittlung und Abschöpfung von kriminellen Erträgen sollen also die Unterzeichnerstaaten für die Intensivierung der Zusammenarbeit Sorge tragen. Sie sind ferner verpflichtet, Rechtsverfahren einzurichten und alle sonstigen erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um Ersuchen anderer Staaten in Bezug auf Einziehung oder Unterstützung bei den Ermittlungen von kriminellen Erträgen zu entsprechen. Ersuchte und ersuchende Staaten sollen sich untereinander unterstützen bei der Zustellung gerichtlicher Schriftstücke an Personen, die von Beschlagnahme und Einziehung betroffen sind (Art. 21). Zur Effektivierung dieses Vorgehens wird auch der Austausch von Informationen in Bezug auf getroffene Maßnahmen vorgeschlagen (Art. 31). Dieses Europaratsübereinkommen richtet sich nicht ausschließlich an Mitgliedstaaten des Europarates, sondern ist für Ratifizierung von Seiten dritter Staaten offen. Zusammenfassend liegt dieser internationalen Initiative ein vielseitiger Ansatz zugrunde. Während die Kriminalisierung der Geldwäsche und die Schaffung von gewinnabschöpfenden Maßnahmen Verpflichtungen materiell-rechtlicher Art darstellen, konzentriert sich dieses Abkommen auf die Modalitäten eines Systems internationaler Zusammenarbeit, die dem Bedürfnis nach grenzüberschreitender Gewinnabschöpfung Rechnung tragen kann.31 Durch die Vermischung von teils verpflichtenden, teils unverbindlichen Vorgaben werden jedoch den Staaten relativ weite Spielräume gewährt. Trotz der nützlichen Anregungen, die diese Konvention mit sich bringt, fehlt ihr der zwingende Charakter, der sie zu einem Motor einer wahren Harmonisierung des einschlägigen Rechts machen würde.32 Werner, Wachstumsbranche Geldwäsche, S. 118. Der Charakter der Geldwäsche als einer flankierenden Maßnahme zur Bekämpfung der faktischen Beeinträchtigung konfiskatorischer Maßnahmen wurde von Vogel, ZStW 1997, S. 335, 338 hervorgehoben. 30 31

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IV. Die erste EG-Antigeldwäscherichtlinie Der Rat der EG hat am 10. 06. 1991 eine Richtlinie zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche verabschiedet.33 Damit wird noch ein inter- bzw. supranationaler Akteur bei der Intensivierung der Bemühungen gegen Geldwäsche tätig. Die Geschwindigkeit, mit der die ursprüngliche Empfehlung zur Verabschiedung der Richtlinie führte, ist ein Hinweis auf den erheblichen wirtschaftlichen und politischen Druck zur Formulierung klarer Regeln.34 Die Ausgangsüberlegungen für diese Richtlinie sind jedoch im Vergleich zu den vorangegangenen internationalen Abkommen etwas modifiziert. Während diese durch die effektive Geldwäschebekämpfung auf die Bewältigung der organisierten Kriminalität abzielten, fokussiert die EG-Initiative den Schutz des europäischen Binnenmarktes. Angesichts des Wegfalls der inneren Grenzen, den die Schaffung des Binnenmarktes mit sich bringt und der daraus folgenden Liberalisierung des Kapitalverkehrs ergibt sich eine Gefährdung für die Stabilität und die Solidität des innereuropäischen Finanz- und Wirtschaftssystems.35 Zum Zweck der Integrität des gemeinschaftlichen Finanzraums sollte somit verhindert werden, dass Geldwäscher den freien Waren- und Kapitalverkehr zur Verwirklichung krimineller Ziele ausnutzen. Durch Geldwäsche kann zusätzlich das Ansehen des Finanzsystems insgesamt Schaden erleiden, so dass die Öffentlichkeit ihr Vertrauen auf seine Funktionstüchtigkeit verlieren kann, was schwerwiegende wirtschaftliche Folgen für den Binnenmarkt haben kann.36 Ohne ein koordiniertes Vorgehen der Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung der Geldwäsche würde jeder Staat eigene Maßnahmen zum Schutz seines Finanzsystems gegen die Geldwäsche ergreifen, die unkoordiniert und nicht aufeinander abgestimmt wären. Diese Tatsache wäre mit dem Ziel der Schaffung des europäischen Binnenmarkts unvereinbar; denn die unterschiedlichen Standards würden sich auf die wirtschaftliche Entwicklung in jedem Land anders auswirken und die angestrebte wirtschaftliche Integration hemmen. Somit übernimmt die Richtlinie eine harmonisierende Funktion. Ihr Anknüpfungspunkt ist nicht die Kriminalitätskontrolle an sich, sondern der Schutz der finanziellen Interessen der EG, die durch die Geldwäsche Schaden nehmen können. Werner, Geldwäsche, S. 53. Richtlinie 91 / 308 / EWG, Nr. L 166 / 77. 34 So Herzog / Mülhausen / Pieth, GwHdb, § 5, Rn. 15. Die späteren EG-Antigeldwäscherichtlinien werden in nachfolgenden Kapitel jeweils gemeinsam mit dem entsprechenden deutschen Umsetzungsgesetz analysiert. 35 Gentzik, Die Europäisierung des deutschen und englischen Geldwäschestrafrechts, S. 39 ff.; dazu s. auch die Erwägungsgründe der Richtlinie. Neuheuser merkt diesbezüglich an, dass dieser „Solidität des legalen Finanz- und Wirtschaftssystems mangels Bestimmtheit nicht der Charakter eines Rechtsguts zugebilligt werden kann, MK / Neuheuser § 261, Rn. 25. 36 Werner, Geldwäsche, S. 53 ff. 32 33

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Entsprechend der Schutzrichtung der Richtlinie, die sich von der Schutzrichtung der anderen internationalen Initiativen unterscheidet, sind ihre Vorgaben modifiziert. Durch den Richtlinienvorschlag der Kommission wurde die Kriminalisierung der Geldwäsche angestrebt. Die Schaffung eines Straftatbestands wurde als erforderlich angesehen, nicht jedoch vorwiegend aus dem Aspekt der Sozialschädlichkeit der dort umschriebenen Handlungen; dieser Straftatbestand könnte vielmehr dazu dienen, die Durchbrechung des Bankgeheimnisses zu legitimieren. Da bei den meisten nationalen Rechtsordnungen dies nur beim Vorliegen einer schweren Straftat geschehen darf, schuf der Geldwäschetatbestand die notwendige Bedingung zur Auflockerung des Bankgeheimnisses. Aufgrund der mangelnden Regelungsbefugnis im strafrechtlichen Bereich haben sich jedoch diese Erwägungen nicht durchgesetzt. Die Richtlinie durfte keine direkte Verpflichtung für die Mitgliedstaaten enthalten, die Geldwäsche zu kriminalisieren. Nach Drängen vieler Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschlands, wurde der Vorschlag der Kommission für eine Kriminalisierungspflicht hinsichtlich der Geldwäsche verworfen. Vorgezogen wurde eine neutralere Formulierung, wonach die Mitgliedstaaten dafür sorgen würden, dass die Geldwäsche untersagt wird (Art. 2). Die Wahl der genauen Mittel wird dem nationalen Gesetzgeber überlassen, so dass auf den ersten Blick nicht zwangsläufig die strafrechtliche Erfassung der Geldwäsche gefordert wird. Wenn man jedoch diesen Artikel in Verbindung mit der Bestimmung des Art. 14 der Richtlinie liest, nach dem die Mitgliedstaaten festlegen, wie Verstöße gegen die aufgrund der Richtlinie erlassenen Vorschriften zu ahnden sind, wird ersichtlich, dass die Entscheidungsspielräume bei der Umsetzung der Richtlinie sehr eingeschränkt waren. Bezüglich des Geldwäschebegriffs wird ausdrücklich an die Definition der Wiener Drogenkonvention angeknüpft, so dass sogar der Erwerb, der Besitz oder die Verwendung inkriminierten Vermögens unter die Strafbarkeit fällt. Anders als im UN-Übereinkommen beschränkt sich jedoch der Regelungsinhalt der Richtlinie nicht auf Drogengelder. Den Staaten wird die Möglichkeit zuerkannt, jegliche Straftaten als Vortaten zu bestimmen. Als solche sind jedenfalls auch entsprechende Auslandstaten zu verstehen. Was die subjektiven Anforderungen angeht, wird die fahrlässige Geldwäsche gar nicht erwähnt (Art. 1). Der einzuführende Geldwäschetatbestand fungiert jedoch eher als Anknüpfungspunkt zur Aktivierung der vielfältigen Pflichten der Kredit- und Finanzinstitute. Das Ungleichgewicht zwischen dem kriminal- und dem verwaltungsrechtlichen Teil der Richtlinie lässt sich nicht ausschließlich mit der mangelnden strafrechtlichen Kompetenz erklären, sondern geht in erster Linie auf die Absicht zurück, einen möglichst umfassenden Pflichtenkatalog für die Finanzwirtschaft zu schaffen. Somit widmet sich die Antigeldwäscherichtlinie von 1991 zum größten Teil den Modalitäten, mit denen ihre Normadressaten, die Finanz- und Kreditinstitute, in die Geldwäschebekämpfung einbezogen werden sollen. Die Begriffe der Finanz- und Kreditinstitute werden in Rückgriff auf ältere europäische Richtlinien interpretiert.37 Ebenso wurden auch Zweigniederlassungen der Finanz- und Kredit-

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institute in die Pflicht genommen, die ihren Sitz außerhalb der EG haben. Auf diese Weise sollten Umgehungsversuche durch Verlegung des Sitzes verhindert werden. Nicht betroffen von den statuierten Pflichten waren jedoch nicht-offizielle Finanzinstitute, wie Spielkasinos, Wechselstuben, Wettmacher sowie Berufsgruppen, wie Notare, Rechtsanwälte und Steuerberater, die aufgrund ihrer Finanzmittlerfunktion in hohem Maße am Bargeldverkehr teilnehmen. Das Gefährdungspotential, das von der Ausübung solcher Berufe ausgeht, wird nicht angezweifelt. Der lobbyistische Druck jedoch hat in diesem Stadium der Entwicklung die Einbeziehung Freier Berufe in die Geldwäschebekämpfung abgewendet. Dementsprechend erkennt die Richtlinie dem nationalen Gesetzgeber weite Ermessensspielräume zu, um die Pflichten ganz oder teilweise auf Berufe oder Unternehmenskategorien auszudehnen, welche Tätigkeiten ausüben, die zum Zwecke der Geldwäsche missbraucht werden können (Art. 12). Angesichts des in den meisten europäischen Rechtsordnungen tief verwurzelten Berufsgeheimnisses und des institutionalisierten Vertrauensverhältnisses ist diese Entscheidung positiv zu beurteilen. Die Pflichten der Kreditinstitute stimmen größtenteils mit den Vorgaben der FATF überein. Als erstes werden ihnen umfassende Identifizierungspflichten auferlegt (Art. 3). Sie schreiben die Identitätsfeststellung seitens der Finanzinstitute in einer Reihe von Fällen vor, wie a) bei Dauergeschäftsbeziehungen, z. B. bei Eröffnung eines Kontos, b) wenn die Kreditinstitute Zweifel haben, ob die Kunden in eigenem Namen handeln, d. h. in Fällen von wirtschaftlich Berechtigten, c) bei Gelegenheitskunden, wenn der festgesetzte Schwellenbetrag von 15.000 ECU überschritten wird, d) bei Verdacht von Geldwäsche, unabhängig von der Höhe des Betrags. Auf diese Weise werden in Zukunft die Geldwäscher den anonymen Geldverkehr nicht mehr in Anspruch nehmen können. Parallel zu diesen Identifizierungspflichten treffen die Kreditinstitute umfangreiche Registrierungspflichten: sie müssen von den Identitätsdokumenten Aufzeichnungen fertigen und für die durchgeführten Transaktionen Belege hinterlegen. Außerdem haben die Kreditinstitute sowohl die Kundendaten als auch die Geschäftsunterlagen mindestens fünf Jahre aufzubewahren (Art. 4). Durch diese Unterlagen werden die Finanzinstitute in die Lage versetzt, mit den zuständigen nationalen Behörden zur Aufdeckung von Geldwäschefällen effektiv zu kooperieren. Diese Zusammenarbeit wird allerdings nicht nur durch die Aufbewahrungspflicht gewährleistet, sondern auch durch die umfangreichen Unterrichtungs- und Auskunftspflichten (Art. 6). Die ersten beziehen sich auf Tatsachen, die Indizien für Geldwäsche liefern können. Hierdurch sollen neue Geldwäschemethoden rechtzeitig erkannt werden. Die Wahrnehmung dieser Pflicht setzt allerdings die 37 Bezüglich der Finanz- und Kreditinstitute wird auf die 1. Bankkoordinierungs-Richtlinie (77 / 780 / EWG) in ihrer aktuellen Fassung (89 / 646 / EWG) verwiesen, während für die Versicherungsunternehmen, die auch einbezogen werden, die 1. Direktversicherungs-Richtlinie maßgeblich ist (79 / 267 / EWG, zuletzt geändert durch die Richtlinie 90 / 619 / EWG).

264 4. Kap.: Verlagerung von den Verfallsvorschriften auf die Geldwa¨schebeka¨mpfung

entsprechende Ausbildung des Personals voraus. Aber auch auf Verlangen der Behörden sind Finanzinstitute verpflichtet, die nötigen Informationen zu übermitteln sowie Kontrollen von Unterlagen durch Einsichtnahme vor Ort zu dulden.38 Diese Pflicht jedoch kommt nicht einer Durchbrechung des Bankgeheimnisses gleich. Die Auskunftspflicht normiert nur die Verpflichtung der Kreditinstitute aufgrund der gemäß Art. 4 gesammelten Unterlagen Auskunft zu erteilen. Weder die Vorlage noch die Beschlagnahme solcher Unterlagen ist von der Richtlinie vorgesehen. In diesem Bereich wird den Mitgliedstaaten ein umfangreicher Entscheidungsspielraum zuerkannt, die Richtlinie je nach den nationalen Besonderheiten und dem Status des Bankgeheimnisses in innerstaatliches Recht umzusetzen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die hier erörterten Pflichten nur gegenüber den nationalen Behörden des Sitzlandes bestehen (Art. 6 S. 2). Diese Bestimmung steht allerdings mit dem Anliegen einer europaweiten Harmonisierung des Geldwäscherechts in Widerspruch, so dass der angestrebte Schutz des Finanzsystems der EG in Frage steht. Aus der Entscheidung, solche geldwäscherelevanten Informationen an fremde Behörden nicht weiterzugeben, ist ein gewisses Misstrauen bezüglich der Verwendung dieser Informationen durch Behörden anderer Staaten abzulesen. Dieses geht nicht zuletzt auf die erheblichen nationalen Unterschiede vor allem bei der Durchsetzung rechtsstaatlicher Standards zurück. Liegt ein Verdacht auf Geldwäsche vor, müssen die zuständigen Behörden unterrichtet werden, welche ihrerseits entsprechende Anweisungen erteilen, ob die Transaktion ausgesetzt werden soll (Art. 7). Diesbezüglich dürfen die Kreditinstitute die betroffenen Kunden nicht in Kenntnis setzen (Art. 8). Auf diese Weise wird für die Kreditinstitute eine Meldepflicht aller verdächtigen Transaktionen formuliert. Die Mitgliedstaaten werden wiederum über die Einzelheiten dieses Verfahrens, wie z. B. über die Frist der sog. Handlungssperre selbst entscheiden. Die Mitteilungen, die Kreditinstitute im Rahmen ihrer Meldepflicht den Behörden übergeben, stellen keine Verletzung einer vertraglichen oder durch Rechts- oder Verwaltungsvorschrift geregelten Bekanntmachungsbeschränkung dar (Art. 9). Auf diese Weise müssen die Bankmitarbeiter bei ihrer Pflichterfüllung keine rechtlichen Nachteile befürchten. Die an die Behörden übermittelten Informationen sind nur zur Bekämpfung der Geldwäsche verwendbar (Art. 6 S. 3). Die Inanspruchnahme der Finanzinstitute beschränkt sich nur auf die Geldwäschebekämpfung, obwohl die Richtlinie den Mitgliedstaaten nicht verbietet, diese Informationen zu anderen Zwecken wie z. B. zur Verfolgung von Steuerstraftaten zu verwenden. Schließlich entsteht für die Normadressaten, neben den Identifizierungs-, Unterrichtungs- und Meldepflichten, die Verpflichtung, interne Kontroll- und Mitteilungsverfahren einzuführen, um der Abwicklung von Geschäften vorzubeugen, die mit der Geldwäsche zusammenhängen (Art. 11 Nr. 1). Dementsprechend müssen sie Sorge tragen, dass ihre Mitarbei38

Hoyer / Klos, Geldwäsche, S. 77.

A. Die Internationalisierung der Bemühungen

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ter angemessen geschult sind (Art. 11 Nr. 2): durch Fortbildungsprogramme sollen also die zuständigen Beschäftigten in die Lage versetzt werden, Geldwäschekomplexe zu erkennen und nach den geltenden Vorschriften vorzugehen. Diese Richtlinie macht praktisch nichts Anderes als minimale Standards für die Geldwäschebekämpfung innerhalb des Binnenmarktes zu setzen. Somit enthält sie im Wesentlichen die vorgeschlagenen Maßnahmen der 40 FATF-Empfehlungen. Dass die Mitgliedstaaten von diesen Standards zugunsten strengerer Vorschriften abweichen können, wird allerdings ausdrücklich geregelt (Art. 15). Es wurde bereits erwähnt, dass die Richtlinie auf einer strafrechtlichen Säule – der Einführung eines Geldwäschetatbestands – und auf einer mehr verwaltungsrechtlich ausgeprägten Säule – einem umfassenden Pflichtenkatalog für Kreditund Finanzinstitute – beruht. Die Bestimmungen dieser Richtlinie wurden als binnenmarktbezogene Schutzmaßnahmen verpackt: sie stützen sich auf Art. 47 Abs. 2 EGV und Art. 95 EGV. Der Bezug dieser Vorschriften zum Geldwäschekomplex lässt sich jedoch nur mühsam erkennen. Die erste Vorschrift bestimmt eine Gemeinschaftskompetenz, nationale Rechtsvorschriften bezüglich der Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten zu koordinieren. Die zweite erkennt auch eine solche Befugnis hinsichtlich der Angleichung von Vorschriften, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben, an. Die zur Begründung der Richtlinie herangezogenen Normen eröffnen somit dem Gemeinschaftsgesetzgeber einen sehr weiten Spielraum. Um zu beurteilen, ob diese Regelungen zulässigerweise als Rechtsgrundlagen angeführt wurden, müsste ein Zusammenhang zwischen der Geldwäsche auf der einen Seite und der Ausübung des Finanzgewerbes sowie der Funktionsfähigkeit des Binnenmarktes auf der anderen Seite hergestellt werden. Auf diesen Zusammenhang wurde bereits eingegangen: durch Einschleusung kriminellen Vermögens in das Finanzgewerbe besteht die Gefahr, dass Finanzinstitute von kriminellen Vereinigungen kontrolliert werden; aufgrund einzelstaatlicher Maßnahmen kann es zu Wettbewerbsverzerrungen kommen; letztlich entstehen wegen der unterschiedlichen Überwachungskosten Mehrkosten für diejenigen Kreditinstitute, die höhere Maßstäbe bei der Geldwäschebekämpfung setzen. Trotz des Bezugs zum Binnenmarkt bleibt jedoch die Geldwäsche ein Kriminalitätsphänomen. Zur Bewältigung ähnlicher Kriminalitätsphänomene ist es üblich, auf Maßnahmen zurückzugreifen, die neben dem Strafrecht auch andere Rechtsbereiche betreffen. Die Zweckrichtung solcher Maßnahmen ist jedoch gemeinsam: Kriminalprävention zu erzielen und auf eventuelle Gefahren angemessen zu reagieren. Auf Kriminalprävention zielt auch die vorliegende Richtlinie ab. Durch die Aufforderung zur Pönalisierung der Geldwäsche wird kein repressiver Ansatz im Sinne eines bloßen Rechtsgüterschutzes verfolgt.39 Die Existenz der Geldwäschevorschrift soll somit Ermittlungsansätze konstruieren und die Pflichten der Kredit39 Für die Verfolgung eines solchen Ansatzes hätte die Gemeinschaft ebenso wenig eine Kompetenz.

266 4. Kap.: Verlagerung von den Verfallsvorschriften auf die Geldwa¨schebeka¨mpfung

wirtschaft aktivieren. Durch die Erfüllung dieser Pflichten werden die Behörden wiederum eine Fülle von Informationen bekommen, die sie anschließend zu Strafverfolgungszwecken verwerten können. Bei einer näheren Betrachtung des der Richtlinie zugrunde liegenden Ansatzes verflüchtigt sich somit diese Binnenmarktbezogenheit, während die präventiven Interessen in den Vordergrund rücken. Natürlich ist die EU juristisch gesehen befugt, präventive Maßnahmen für die Bereiche vorzusehen, auf die sich ihre Kompetenzen erstrecken. Auf diese Weise wird auch die angestrebte politische Integration vorangebracht. Probleme entstehen jedoch erst dann, wenn sich die EU als ein quasi-supranationaler Strafgesetzgeber behauptet. Dabei handelt es sich um ein höchst kompliziertes und umstrittenes Thema, das im Rahmen dieser Arbeit nicht erörtert werden kann. Diese Richtlinie hat bezüglich einer eventuellen Kompetenz der EG zur Setzung von strafrechtlichen Normen viel Diskussionsstoff geliefert. Zum ersten Mal werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, ein bestimmtes kriminelles Verhalten zu „untersagen“.40 Ist aber diese Pflicht, die Geldwäsche zu „untersagen“, eine Kriminalisierungspflicht? Angesichts der sehr eingeschränkten Spielräume des nationalen Gesetzgebers, die aus dem gesamten Richtlinieninhalt abgeleitet werden, geht man von einer faktischen Kriminalisierungspflicht aus.41 Gleichzeitig wird zu Recht gerügt, dass die Normsetzung im Bereich des Dritten Pfeilers (Strafrecht) in Rückgriff auf Befugnisse des Ersten Pfeilers (Binnenmarktbezogenheit) systemwidrig sei.42 Bei dieser Richtlinie ist man somit mit zwei Entwicklungen konfrontiert. Die erste bezieht sich auf die Geldwäschebekämpfung: neben den internationalen Akteuren taucht ein neuartiger, supranationaler Akteur auf. Dieser beansprucht eine immer aktivere Rolle43, drängt zu weitreichenderen Schritten bei der Geldwäschebekämpfung, gleichzeitig reduziert er die Geldwäschebekämpfung auf die bloße Einhaltung von Verpflichtungen seitens der Kreditwirtschaft. Bei der vorliegenden Richtlinie, wie auch in den nachfolgenden Initiativen im Rahmen der EU, verliert die Geldwäsche graduell ihren Charakter als eine flankierende Maßnahme zur Gewinnabschöpfung;44 ihre Verfolgung bzw. die Generierung eines Geldwäscheverdachts wird zu einem Selbstzweck. Die Betätigung des europäischen Normgebers ist somit einer Einseitigkeit behaftet: er sorgt sich nicht für 40 Die Mitgliedsstaaten verpflichteten sich in einer der Richtlinie beigefügten Erklärung „spätestens bis zum 31. 12. 1992 alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um Strafvorschriften in Kraft zu setzen“, s. ABl. Nr. L 166 von 28. 06. 1991, S. 83. 41 In den Erwägungsgründen der Richtlinie wird mitgeteilt, dass die Geldwäsche „vor allem mit strafrechtlichen Mitteln“ zu bekämpfen sei, s. Abl Nr. L 166, S. 77. 42 Vgl. Albrecht / Braum, KritV 1998, S. 460, 471. 43 In Bezug auf die darauf folgenden EU-Richtlinien wird auf diejenigen Stellen verwiesen, wo die entsprechenden Gesetze, die diese in nationales Recht umgesetzt haben, analysiert werden, s. für die vorliegende Richtlinie S. 207 ff., für die Zweite Antigeldwäscherichtlinie, S. 338 ff., für die Dritte Antigeldwäscherichtlinie, S. 374 ff. 44 Vogel, ZStW 1997, S. 335, 353 rügt ebenso die fehlende Koordinierung mit den Konfiskationsregelungen.

A. Die Internationalisierung der Bemühungen

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eine harmonisierende Abschöpfung von kriminellen Geldern. Ob in einem Mitgliedstaat wegen einer Beweislastumkehr eine strenge konfiskatorische Praxis herrscht (z. B. in England), während in einem anderen Land aus verschiedenen Gründen der Verfall von inkriminiertem Vermögen ausbleibt (z. B. in Deutschland), scheint nicht maßgeblich zu sein. Das Ausblenden der Gewinnabschöpfung aus dem Harmonisierungsdiskurs ist jedoch problematisch: die bei einem Kriminellen verbleibenden Gewinne schaden aus den gleichen Gründen wie die Geldwäsche der gesamten Marktwirtschaft, so dass diesbezüglich auch eine „Binnenmarktbezogenheit“ besteht. Die EU sollte somit auch die Beschäftigung mit dieser Materie in Erwägung ziehen, will sie den Vorwurf einer irrationalen Kriminalpolitik von sich weisen. Die zweite Entwicklung, die durch diese Richtlinie zum Ausdruck kommt, ist das wachsende Interesse der EU, durch ihre Organe bei der Ausgestaltung einer europaweiten Kriminalpolitik ein Mitspracherecht zu erlangen. Die Distanz zur Souveränität des nationalen Gesetzgebers werde formaljuristisch betrachtet gewahrt, die politische Option auf vermehrten Einsatz des Strafrechts schwinge jedoch stets mit.45 Für diese mittelbare Beeinflussung fehlt jedoch der EU die entsprechende Strafrechtskompetenz. Die Gründe dafür sind unterschiedlicher Art: historisch, denn die europäische Idee zielte ursprünglich auf eine wirtschaftliche Integration ab; gemeinschaftsrechtlich, denn die Vertragsverfasser wollten eine solche Zuständigkeit der EU nicht, sonst wäre sie ausdrücklich geregelt; deswegen darf eine Befugnis zur Setzung strafrechtlicher Normen ebenso wenig von sekundärrechtlichen Rechtsquellen abgeleitet werden;46 staatsrechtlich fehlt den EU-Organen die demokratische Legitimation, um Vorschriften zu erlassen, die sonst in allen nationalen Rechtsordnungen eine parlamentarische Mehrheit erfordern; vorwiegend jedoch politisch, denn das Strafrecht gehört zum harten Kern der nationalen Souveränität, seine Inhalte und Anwendung hängen mit den jeweiligen nationalen Besonderheiten sehr stark zusammen und die Mitgliedstaaten scheinen nicht den Willen zu haben, auf diesem Gebiet Teile ihrer Souveränität aufzugeben. Teile dieser Argumentation verlieren jedoch zunehmend ihre Überzeugungskraft: der grenzüberschreitende Charakter der gegenwärtigen Kriminalitätsphänomene, die Ausnutzung der modernen Technologien zu kriminellen Zwecken sowie die internationale Verflechtung krimineller Organisationsstrukturen lassen die nationale Bewältigung der Größe „Kriminalität“ als unmöglich erscheinen. Gleichzeitig ist es mittlerweile fast unumstritten, dass die EU auch eine politische Integration bezweckt. Zudem wirkt diese Ausklammerung des Strafrechts aus dem gesamten Bestreben der EU – abgesehen von der zunehmenden Zusammenarbeit in Polizei – und Justizsachen – etwas gekünstelt, zumal der EuGH die Befugnis der So Albrecht / Braum, KritV 1998, S. 460, 470. Anders Höreth, Geldwäsche, S. 42, für die das Fehlen einer strafrechtlichen Richtlinienkompetenz der Gemeinschaft nicht die Straftatbestände, sondern lediglich die Sanktionsdrohungen betrifft. 45 46

268 4. Kap.: Verlagerung von den Verfallsvorschriften auf die Geldwa¨schebeka¨mpfung

Gemeinschaft anerkannt hat, Sanktionen dort zu verhängen, wo gegen Verhaltensgebote des europäischen Rechts verstoßen wird.47 Solche Verstöße werden als Ordnungswidrigkeiten formuliert, es bleibt jedoch fraglich, inwieweit diese Trennung zwischen Strafrecht und Verwaltungsrecht bzw. Ordnungswidrigkeitenrecht immer noch Bestand hat. Vor dem Hintergrund der mangelnden demokratischen Legitimation europäischer Organe sollte sich die europäische Rechtspolitik Gedanken machen, mit welchen Mitteln sie diesen Mangel an Demokratie ausbalancieren könnte. Diese Fragestellung wird unmittelbar durch die rechtliche aber vor allem durch die weitere politische Entwicklung der EU bestimmt.

V. Ergebnis Das Problem der Geldwäsche hat also unterschiedliche internationale Akteure mobilisiert. Vereinte Nationen, Europarat, Europäische Union haben sich gezwungen gesehen, die Thematik des kriminellen Gewinns und somit die zunehmende Verbreitung der Geldwäsche aufzugreifen. Die Hilflosigkeit der jeweiligen nationalen Strafverfolgungsbehörden und das damit zusammenhängende Bedürfnis nach länderübergreifenden Aktionen hat sogar die Schaffung eines speziellen Gremiums, der FATF, veranlasst. Daraus entstanden Verpflichtungen unterschiedlicher Verbindlichkeit für die teilnehmenden Staaten. Mittlerweile steht außer Zweifel, dass diese Mehrzahl an Normgebern und an entsprechenden Rechtstexten das Anliegen einer Rechtsharmonisierung vorangebracht hat, die Entscheidungsspielräume des nationalen Gesetzgebers jedoch erheblich verkürzt. Vor allem die FATF-Empfehlungen und die entsprechende europäische Richtlinie haben den Weg für die Einbeziehung der Wirtschaft in die Geldwäschebekämpfung geebnet. Ob und in welchem Umfang diese internationalen Vorgaben vom deutschen Gesetzgeber umgesetzt wurden, bildet den Gegenstand des nächsten Kapitels.

B. Die nationalen Bemühungen zur Geldwäschebekämpfung: Das Geldwäschegesetz Parallel zu den aufwendigen Arbeiten zur Verabschiedung des OrgKG lief auch ein Gesetzgebungsverfahren zum Geldwäschegesetz. Beide Gesetze sind im gleichen kriminalpolitischen Zusammenhang entstanden und somit von ähnlichen Umständen geprägt. Beiden lag die Erkenntnis zugrunde, dass eine Erfolg versprechende Auseinandersetzung des Staates mit der organisierten Kriminalität, neben der klassisch-repressiven Methode der Bestrafung, einen zusätzlichen, neuen 47

EuGH, Urteil vom 27. 10. 1992 (Deutschland / Kommission), NJW 1993, S. 47, 48

B. Die nationalen Bemühungen zur Geldwäschebekämpfung

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Ansatz voraussetzt: angeknüpft wird nunmehr an den kriminellen Gewinn, ohne den die organisierten Kriminalität nicht weiter expandieren kann. Während jedoch das OrgKG zur Abschöpfung von kriminellem Vermögen und zur Verhinderung der Geldwäsche eine Reihe von Normen vorsah, hinterließ es eine normative Lücke bezüglich einer erfolgreichen Gewinnaufspürung: trotz des funktionalen Zusammenhangs der Gewinnabschöpfung und der Strafbarkeit der Geldwäsche mit der Verfolgung der Papierspur wurde die Aufspürung der kriminellen Gewinne einem anderen Gesetzeswerk, dem Geldwäschegesetz, überlassen. Im Rahmen der Europäischen Union wurde gerade als erforderlich angesehen, bei der Gewinnaufspürung einheitliche Standards festzusetzen. Das vorliegende Geldwäschegesetz setzt die EG-Richtlinie des Rates vom 10. 06. 1991 in innerstaatliches Recht um und erlangt somit eine lückenfüllende Funktion.

I. Einführung in die Thematik: Einbeziehung von Privaten in die Strafverfolgung? Interessant ist die Methode, auf die der Staat zur Sicherung der Gewinnaufspürung zurückgreift: statuiert wird ein weitgehender Pflichtenkatalog für Finanzund Kreditinstitute, also für Akteure der legalen Wirtschaft. Denn es gilt als unumstritten, dass die Geldwäschemaschinerie zur Vereitelung der Gewinnaufspürung sowie zur Einschleusung der kriminellen Profite in den legalen Finanzsektor die dort tätigen Wirtschaftssubjekte missbraucht. Kriminelle Strukturen sind auf solche Waschvorgänge bzw. auf die Entfernung des strafrechtlichen Makels ihrer Erträge angewiesen, wenn sie diese weiter verwenden wollen. Die Kreditwirtschaft übernimmt dabei eine Vermittlerfunktion. Vor allem angesichts der Beschleunigung des Kapitaltransfers und der Automatisierung von Geschäftsvorgängen wird die Missbrauchsgefahr immer größer. Die Verwicklung von Akteuren der Wirtschaft in die Ausführung von Geldwäschegeschäften wurde auch bei der Analyse des Geldwäschetatbestands ersichtlich: anlässlich der Weite des gesetzlichen Tatbestands wurde das Strafbarkeitsrisiko des einfachen Bankangestellten angesprochen.48 Neben diesem Strafbarkeitsrisiko wird die Kreditwirtschaft nunmehr durch die Auferlegung von Pflichten zur Aufdeckung von Geldwäschevorgängen zusätzlich belastet. Diese Belastung wirkt indes auf den ersten Blick befremdlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Aufdeckung von Straftaten oder die Ermittlung von strafrechtsrelevanten Tatsachen der Staatsmacht obliegt. Das Geldwäschegesetz liefert somit ein sehr charakteristisches Beispiel für die Verlagerung staatlicher Aufgaben an nicht-staatliche Institutionen und Akteure, in der konkreten Form der Inpflichtnahme zu Zwecken der Strafverfolgung.49

48

s. oben 3. Kap. F. IV. 9.

270 4. Kap.: Verlagerung von den Verfallsvorschriften auf die Geldwa¨schebeka¨mpfung

Somit stellt sich die plausible Frage, wie sich diese Entwicklung legitimieren lässt. Einen Erklärungsansatz sollte man in der ständigen Ausdehnung von staatlichen Aufgaben suchen. Trotz des Rückzugs des Staates aus bestimmten Bereichen (z. B. Wirtschaft) bleibt die staatliche Reglementierung vieler gesellschaftlicher Bereiche immer noch besonders ausgeprägt (z. B. Sozialpolitik), während in anderen Bereichen sogar eine immer stärkere Aufgabenwahrnehmung seitens des Staates zu verzeichnen ist. Diese Vermutung wird sehr eminent am Beispiel der Sicherheit. Vor allem neue gesellschaftliche und ökonomische Umstände (Stichwörter: technologische Entwicklung und Schaffung neuer Risikoquellen, Liberalisierung des Marktes, Wegfall von wirtschaftlichen Garantien usw.) dehnen die Sicherheitsbedürfnisse übermäßig aus. Sowohl der objektive Faktor der Zunahme und der Verbreitung möglicher Gefahrenquellen als auch die subjektive Wahrnehmung des jeweiligen Bedrohungspotentials überfordern die staatlichen Kapazitäten zur Herstellung von Sicherheit. Die staatlichen Anstrengungen erstrecken sich vorwiegend auf eine operative und normative (polizeiliche) Gefahrenabwehr und auf Strafverfolgung. Dem Staat fällt es jedoch immer schwerer, diese Aufgabe effektiv wahrzunehmen. Insbesondere bei der Strafverfolgung drängt sich allmählich der Eindruck auf, dass der Staat aus eigenen Kräften nicht imstande ist, Effizienzbedingungen zu schaffen. Gebraucht wird eine Fülle von Informationen, zu denen der Staat aufgrund der historisch bewährten Einschränkungen seiner Ermittlungsbefugnisse keinen Zugang hat. Anstatt die oben erläuterten Sicherheitsbedürfnisse zu rationalisieren oder zumindest das Augenmerk auf andere Mittel zur Bewältigung dieser Bedürfnisse zu richten, wird vorgezogen, Privaten in die rechtlich und politisch so empfindliche Materie der Strafverfolgung einzubeziehen. Die angenommene erhöhte Qualität der Bedrohung aus der organisierten Kriminalität verleiht dieser eigenartigen Abgabe von Ermittlungsbefugnissen an Privatpersonen eine Art von Legitimierung, trotz aller Systemkonformitäts- und Kompatibilitätsüberlegungen. Diese wird mit dem Argument verstärkt, die Kreditwirtschaft habe eine Sonderstellung innerhalb der Gesamtwirtschaft, die ebenso gut Sonderverpflichtungen für sie begründen kann. Aufgrund der Gefahrträchtigkeit dieses Gewerbes und zugleich der Dringlichkeit des Anliegens zu einer effektiven Gewinnaufspürung und -abschöpfung hat sich der Gesetzgeber gezwungen gesehen, Banken und sonstige Finanzinstitute in die Pflicht zu nehmen und sie in die Verfolgung der Geldwäsche einzubinden.50 Als Bezugspunkt für die Inpflichtnahme der Kreditwirtschaft bei der Geldwäschebekämpfung wird oft vorgebracht, dass diese auch der Wirtschaft zugute komme und deshalb auch sie einen Beitrag leisten solle.51 Man ist auf einmal wie49 Dahm / Hamacher, wistra 1995, S. 206, 207 reden in diesem Zusammenhang von Banken als Erfüllungsgehilfen staatlicher Ziele; ähnlich Hassemer, WM 1994, S. 1369. 50 Schuster, Die Verantwortung der Banken bei der Geldwäsche, S. 20 ff. 51 Findeisen, wistra 1997, S. 121, 124.

B. Die nationalen Bemühungen zur Geldwäschebekämpfung

271

der mit der Thematik der Auswirkungen der Geldwäsche auf die Wirtschaft konfrontiert. Die Analyse dieses hochkomplexen Themas, die auch genaue betriebswirtschaftliche Kenntnisse voraussetzt, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Eine kursorische Darstellung der Problematik ist jedoch unumgänglich. Die Behauptung, die Kreditwirtschaft werde von der Geldwäsche nur dann beschädigt, wenn Geldwäschegeschäfte entdeckt werden, sonst aber von solchen Vorgängen begünstigt, ist trotz einer gewissen Plausibilität oberflächlich und vereinfachend.52 Denn die Einschleusung kriminellen Vermögens in den legalen Bankensektor mag vielleicht für die betroffenen Institute kurzfristig gewinnbringend erscheinen, tatsächlich verursacht sie jedoch langfristige Schäden. Es wurde an anderer Stelle bereits hingewiesen, dass eine Verbreitung von Geldwäschevorgängen einen Vertrauensverlust und eine Diskreditierung der Integrität des Finanzsystems auslösen kann.53 Eine derartige Stigmatisierung des Finanzstandortes hätte aber verheerende Folgen für die Volkswirtschaft. Zugleich würde die Zirkulierung von kriminellem Kapital in den legalen Markt die Wettbewerbsbedingungen verzerren und Abhängigkeiten der Kreditwirtschaft von diesem Kapital bewirken.54 All diese Umstände würden eine politische und gesellschaftliche Instabilität hervorrufen, die für Bank- und Finanzgeschäfte immer eine negative Größe darstellen. Dieses Szenario, auch wenn es sich ein wenig überzogen anhört, beruht auf plausiblen Erwägungen betriebs- und volkswirtschaftlicher Natur. Das Problem dabei ist, dass den betroffenen Instituten, zumindest in dieser Phase der Entwicklung, schwer fällt, das Ausmaß solcher Langzeitfolgen nachzuvollziehen. Trotz der deklarierten Absicht, bei der Geldwäschebekämpfung aktiv mitzuwirken, ist eine gewisse Befangenheit im Hinblick auf die genauen Inhalte dieser Mitwirkung zu spüren;55 nicht zuletzt aufgrund des erheblichen Sach- und Verwaltungsaufwands, den die Erfüllung dieser Pflichten mit sich bringt. Ihre Wahrnehmung hat sich allerdings im Laufe der Entwicklung allmählich geändert. Abgesehen von dem erörterten Erklärungsansatz für die Verlagerung staatlicher Aufgaben auf Private, können sich ihre Anhänger auf bereits bestehende, ähnliche Tendenzen in verschiedenen Rechtsbereichen berufen. Die Einbeziehung von Bürgern in Strafverfolgungstätigkeiten ist, trotz des Prinzips des staatlichen Gewaltmonopols, der deutschen Rechtsordnung nicht völlig fremd. Besonders vielfältige Beispiele bietet das Verwaltungsrecht, vor allem auf dem Gebiet des Gewerbe- und Aufsichtsrechts. Vor dem Hintergrund, dass das Geldwäschegesetz Mitwirkungs-, Identifizierungs- und Aufzeichnungspflichten-, Anzeige- und Organisationspflichten für die Normadressaten vorschreibt, sollte kurz der Frage nach52 Findeisen, wistra 1997, S. 121, 124; a.A. Hetzer, NJW 1993, S. 3298, 3299, Werner, Geldwäsche S. 34. 53 Vgl. diesbezüglich Baseler Grundsatzerklärung, Präambel Ziff. 1. 54 Findeisen, wistra 1997, S. 121, 125. 55 Dazu s. Zentraler Kreditausschuss, Anlage zum Protokoll des Rechtsausschusses vom 15. 3. 1990, S. 102 ff.; so auch Findeisen, wistra 1997, S. 121, 124.

272 4. Kap.: Verlagerung von den Verfallsvorschriften auf die Geldwa¨schebeka¨mpfung

gegangen werden, inwiefern andere Rechtsbereiche über vergleichbare Regelungen verfügen.56 Bezüglich der Mitwirkungspflichten ist auf Anhieb an die allgemeine Zeugenpflicht zu denken. Durch die Statuierung dieser allgemein anerkannten Staatsbürgerpflicht57 im Sinne von Art. 33 Abs. 1 GG wird der Bürger als Informationsmedium in Anspruch genommen, um die Strafverfolgung zu ermöglichen. Die Erfüllung dieser Pflicht wird daher als so wichtig eingestuft, dass ihre Verletzung eine Strafbarkeit nach sich zieht (§§ 153 ff. StGB). Aber auch zu den detaillierten Identifizierungs- und Aufzeichnungspflichten des GwG findet man eine Entsprechung und zwar in einer äußerst gewichtigen Norm, die auch im Rahmen der Geldwäschebekämpfung Relevanz erlangt.58 Nach § 154 Abs. 2 AO haben sich Kreditinstitute bei der Führung von Konten und Depots sowie bei der Überlassung von Schließfächern Gewissheit über die Person und Anschrift des Verfügungsberechtigten zu verschaffen und die entsprechenden Angaben in geeigneter Form festzuhalten. Darüber hinaus sind vornehmlich auf dem Gebiet des Gewerberechts etliche Aufzeichnungspflichten anzutreffen. Exemplarisch dafür sind die Vorschriften der §§ 238 ff. HGB sowie die Dokumentationspflichten im § 17 BtMG. Hinsichtlich der Anzeigepflicht beim Vorliegen verdächtiger Transaktionen (§ 11 GwG) ist auf den vergleichbaren Straftatbestand des § 138 StGB zu verweisen, der die Nichtanzeige von geplanten Straftaten unter Strafe stellt. Außerhalb dieses speziellen Tatbestands könnte man eine entsprechende Anzeigepflicht im Rahmen einer Garantenpflicht nach § 13 StGB oder auch aufgrund der geschuldeten Hilfeleistung nach § 323c StGB dogmatisch statuieren. Besondere Regelungen gelten ebenso für Amtsträger vor allem im Bereich der Strafverfolgung, die aufgrund des Legalitätsprinzips (§§ 160, 163 StPO) verpflichtet sind, alle ihnen dienstlich bekannt gewordenen Straftaten anzuzeigen.59 Schließlich ist auch auf die Anzeige- und Meldepflichten hinzuweisen, die in verschiedenen Bereichen staatlicher Verwaltungstätigkeit formuliert werden und Informationsbedürfnisse des Staates befriedigen sollen. Im Bereich des Gefahrenabwehrrechts z. B. findet man eine Vielzahl solcher Auskunftspflichten z. B. im § 16 Abs. 1 Chemikaliengesetz, § 43 Waffengesetz, § 18 Betäubungsmittelgesetz usw. Mit § 9 Wertpapierhandelsgesetz werden zur Vermeidung von Insiderverstößen auch Meldepflichten statuiert. Es wird deutlich: die durch das GwG eingeführten Verpflichtungen finden Entsprechungen in bereits existierenden Vorschriften. Die Frage, die jedoch in diesem 56 In dieser Phase der Analyse wird kein Vergleich zwischen den verschiedenen Pflichten im GwG und in anderen Regelungen angestrebt. Zweck dieser Ausführungen ist es aufzuzeigen, dass die im GwG normierten Pflichten kein „konzeptionelles Novum“ darstellen, sehr ausführlich dazu Werner, Geldwäsche, S. 75 ff. 57 Vgl. die ständige Rechtsprechung des BVerfG, in: BVerfGE 38, S. 105, 118; 38, S. 312, 320; 49, S. 280, 284; 56, S. 37, 44; 76, S. 363, 383. 58 BT-Drs. 12 / 2704, S. 11. 59 Mehr dazu Löwe-Rosenberg / Rieß, § 160 StPO, Rn. 23 ff.; Meyer-Goßner, § 160 StPO, Rn. 10.

B. Die nationalen Bemühungen zur Geldwäschebekämpfung

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Zusammenhang nicht weiter analysiert werden kann, ist, ob diese Verpflichtungen hinsichtlich ihres Umfangs über ähnliche Bestimmungen hinausgehen und einen neuartigen Charakter erlangen.60 Diese Frage ist deswegen wichtig, weil die Inpflichtnahme von Privaten zu Strafverfolgungszwecken tendenziell mit Rechten der Verpflichteten kollidiert. Dieser Konflikt tritt im GwG sehr deutlich hervor: Gegenüber stehen sich auf der einen Seite das Interesse an einer effektiven Geldwäschebekämpfung und somit an Informationsgewinnung und auf der anderen Seite das Interesse der Kreditwirtschaft, die Funktionsfähigkeit betriebswirtschaftlicher Vorgänge zu wahren und das entsprechende Interesse der Kunden, mit Hilfe des Bankensystems frei über ihre Vermögenswerte zu verfügen. Die Frage nach der Reichweite der Weitergabe staatlicher Aufgaben an Private hat noch eine zusätzliche Komponente: bei der Wahrnehmung dieser originär staatlichen Aufgaben kommt es oft zu Verletzungen von Rechtspositionen der Betroffenen. Im Fall der normalen Verwaltungstätigkeit gibt es rechtsstaatliche (gerichtliche) Schutzverfahren. Es ist offen, ob und wie ein derartiges Maß an Rechtsschutz auch dort organisiert werden könnte, wo ähnliche Aufgaben von Privaten wahrgenommen werden. Der Versuch z. B., den Banken die Pflicht aufzuerlegen, ohne das Vorliegen jeglicher verdachtsrelevanter Tatsachen einen Abgleich von Geschäftsvorgängen durchzuführen (das sog. „Monitoring“)61, zeigt, wie kompliziert die ganze Thematik ist.

II. Entstehungsgeschichte Angesichts der Kompliziertheit dieser Materie werden im gesamten Gesetzgebungsverfahren über ein Geldwäschegesetz die divergierenden Interessen sichtbar. Vor diesem Hintergrund lässt sich die relativ lange Dauer des Gesetzgebungsverfahrens nachvollziehen.62 Die vorbereitenden Arbeiten wurden von zwei gegensätzlichen Fronten dominiert, die jeweils von den entsprechenden gesetzgebenden Organen vertreten wurden. Auf der einen Seite stand die damalige bürgerlich-liberale Bundesregierung mit einer Mehrheit im Bundestag. Durch den Regierungsentwurf eines Gewinnaufspürungsgesetzes63 verfolgte sie einen liberaleren Kurs, indem sie neben Strafverfolgungsbedürfnissen auch die Belange der Kreditwirtschaft beachtete. Auf der anderen Seite forderte die SPD-Mehrheit im Bundesrat angesichts der Bedrohung aus einer ausbleibenden Gewinnaufspürung eine viel strengere Reglementierung und verlangte weitergehende Mitwirkungspflichten für die Kreditwirtschaft. Zu diesem Thema s. Werner, Geldwäsche, S. 75 ff. Sehr ausführlich dazu Herzog, WM 1996, S. 1753 ff.; derselbe, WM 1999, S. 1905 ff. 62 So auch Ungnade, WM 1993, S. 2069, 2074; Die Dauer des Gesetzgebungsverfahrens ist möglicherweise auf den Versuch zurückzuführen, ein historisch bewährtes Prinzip einzuschränken („pecunia non olet“), so Hetzer, NJW 1993, S. 3298. 63 BT-Drs. 12 / 2704. 60 61

274 4. Kap.: Verlagerung von den Verfallsvorschriften auf die Geldwa¨schebeka¨mpfung

Die Gründe für die unterschiedliche Auffassung der gesetzgebenden Organe sind erstens parteipolitischer Natur. Das Geldwäschegesetz wurde in den Medien mit verschiedenen Akzentuierungen sehr ausführlich thematisiert. Die SPD wollte sich offensichtlich bei einem breiteren Publikum profilieren, das wegen der Liberalisierung der Finanzmärkte und der daraus entstandenen Verunsicherung gegenüber der Finanzwirtschaft Misstrauen hegte und somit empfänglich für eine einigermaßen populistische Politik im Bereich der Geldwäsche war.64 Nach dem Motto „die Banken müssen ihre Verantwortung übernehmen“65 und durch eine entsprechende repressiv-expansive Kriminalpolitik sollte ihr Klientel befriedigt werden; hierdurch wurde der Partei gleichzeitig Entschiedenheit im „Kampf“ gegen die organisierte Kriminalität attestiert. Eine ähnliche Klientelpolitik hat jedoch für die Regierungskoalition auch eine erhebliche Rolle gespielt. Da diese Parteien als Vertreter der Unternehmer angesehen wurden und oft sich selbst so wahrgenommen haben, hat die Bundesregierung versucht, die Pflichten für die Kreditwirtschaft möglichst in Grenzen zu halten. Diese Auseinandersetzung bildet somit ein Musterbeispiel für den Einzug des Lobbyismus auch in die Kriminalpolitik.66 Lobbyistische Interessen werden umso mehr im politischen Entscheidungsfindungsprozess Ausdruck finden, je mehr die Verlagerung staatlicher Aufgaben auf Private fortschreitet. Es ist jedoch anzunehmen, dass sich hinter dieser parteipolitischen Auseinandersetzung auch ein ideologischer Hintergrund verbarg. Durch das Anliegen des Bundesrates, Privilegien für Berufsgeheimnisträger abzuschaffen, die verschiedenen Pflichten möglichst weit zu fassen und den Strafverfolgungsbehörden entsprechend weite Verwendungsmöglichkeiten der gewonnenen Daten an die Hand zu geben, wurde der Willen kundgetan, dass die Wirtschaft ihre soziale Verantwortung übernimmt, die sich letztendlich aus ihrer extrem gewinnträchtigen Tätigkeit ergibt. Die Bedrohung, die von der organisierten Kriminalität ausgeht, sollte nach dem Verständnis dieser politischen Kräfte zu einem Zusammenschluss aller gesellschaftlichen Kräfte zwingen, die zur Gefahrabwendung einen Beitrag leisten könnten. Ideologische Gründe mögen jedoch auch die Haltung der bürgerlich-liberalen Koalition beeinflusst haben. Diese Front wollte sich auf die „autopoietischen Regulierungskräfte des Marktes“ verlassen, nämlich darauf, dass die Kredit- und Finanzwirtschaft selbst den Missbrauch lokalisiert und gegen ihn vorgeht, so dass nur eine eingeschränkte Normierung dieses Bereichs zu empfehlen war. Eine extensive Reglementierung durch weite Pflichtenkataloge war allerdings auch mit der Befürchtung verbunden, sie würde die innovativen Kräfte und die Dynamik des modernen Finanzgewerbes bremsen.

64 Zu den sozialpsychologischen Gründe für die Popularität des Themas „Geldwäsche“ s. Herzog, WM 1999, S. 1905, 1907. 65 Einen ähnlichen Inhalt hat auch der Erwägungsgrund 13 der EG-Antigeldwäscherichtlinie, auf die das GwG zurückgeht. 66 s. den gleichnamigen Aufsatz von Prittwitz, StV 1993, S. 498 ff.

B. Die nationalen Bemühungen zur Geldwäschebekämpfung

275

Der Bundestag hat in der Streitigkeit zwischen Bundesregierung und Bundesrat eine vermittelnde Rolle gespielt, indem er durch zwei Berichte und Beschlussempfehlungen seines Innenausschusses den Forderungen des Bundesrates zum Teil entgegengekommen ist.67 Diese Vermittlung war nicht ausreichend, so dass der Bundesrat den Vermittlungsausschuss angerufen hat.68 Nach einer „erstaunlichen Metamorphose“69 des ursprünglichen Regierungsentwurfs wurden die Ergebnisse der Tätigkeit des Vermittlungsausschusses von beiden Gesetzgebungskörpern bestätigt. Das Gesetz wurde am 29. 10. 1993 als „Geldwäschegesetz“ verkündet und trat bereits nach einem Monat in Kraft.70

III. Ziele des Gesetzes Zunächst weist das Geldwäschegesetz eine dreifache Zielsetzung auf. Zum einen soll es den Strafverfolgungsbehörden Anhaltspunkte für Geldwäschetransaktionen liefern. Da die Geldwäsche ein opferloses Delikt darstelle und somit keine Anzeigeerstattung von privaten Geschädigten zu erwarten sei, seien die staatlichen Strafverfolgungsstellen auf Informationen aus den Kreditinstituten angewiesen.71 Zum zweiten könnten die auf diese Weise gelieferten Informationen im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren verwerten werden. Die Polizeidienstellen der Länder wären dann imstande, auf die entsprechenden Unterlagen zuzugreifen. Mit anderen Worten diene die Erfüllung der durch das GwG statuierten Pflichten der Verfolgung der Papierspur, die zur Ergreifung von gewinnabschöpfenden Maßnahmen erforderlich sei.72 Drittens werde durch das Geldwäschegesetz die Sensibilisierung der verpflichteten Kredit- und Finanzinstitute und Private bezweckt, die aufgefordert werden, Vorkehrungen zu treffen, um sich gegen den Missbrauch zu Geldwäschezwecken zu wehren. Diesen Zielen entsprechend sind die Regelungskomplexe ausgestaltet. Anhaltspunkte für Geldwäschevorgänge werden über die Verdachtsanzeigepflicht übermit67 BT-Drs. 12 / 4795: dieser Beschluss sah einen einheitlichen Schwellenwert für alle Finanztransaktionen, die Beibehaltung des umstrittenen Anwaltsprivilegs und eine Erhöhung der angedrohten Geldbußen nach dem Vorschlag des Bundesrates vor. Der Widerstand des Bundesrats in Bezug auf die Privilegierungen für rechtsberatende Berufe war so stark, dass der Innenausschuss nach Beratungen mit den berufsständischen Verbänden die sog. „Kammerlösung“ vorgeschlagen hat, nach dem die Berufsträger im Fall des Geldwäscheverdachts ihre Berufskammern informieren sollten, s. BT-Drs. 12 / 5298, S. 10, 26; ausführlich zur Gesetzgebungsgeschichte, Ungnade, WM 1993, S. 2069, 2074. 68 BT-Drs. 12 / 5421. 69 Carl / Klos, DStZ 1994, S. 68, 69. 70 BGBl. I 1993, S. 1770 ff.; dieses Gesetz, das ursprünglich „Gewinnaufspürungsgesetz“ hieß, wurde in der Endfassung in „Geldwäschegesetz“ umbenannt, damit es klargestellt wird, dass mit dem Gesetz keine uferlosen Nachforschungen nach legalen Gewinnen beabsichtigt seinen, s. BT-Drs. 12 / 4795, S. 17. 71 Findeisen, wistra 1997, S. 121, 122. 72 BT-Drs. 12 / 2704, S. 10.

276 4. Kap.: Verlagerung von den Verfallsvorschriften auf die Geldwa¨schebeka¨mpfung

telt. Die erforderlichen Unterlagen, die bei bereits laufenden Ermittlungsverfahren relevant sind, werden über die Identifizierungs-, die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten der Adressaten dieses Gesetzes sichergestellt. Schließlich wird die präventive Betätigung der Verpflichteten durch die Organisationspflichten erzielt. Das Geldwäschegesetz beruht also auf folgenden drei Säulen, der Identifizierung (einschließlich Aufzeichnung und Aufbewahrung, §§ 2 ff. GwG), den Verdachtsanzeigen (§ 11 GwG) und der Einführung interner Kontroll- und Ausbildungsmaßnahmen (§ 14 GwG). Der Adressatenkreis der vorliegenden ersten Fassung des Geldwäschegesetzes erstreckt sich auf Kredit- und Finanzinstitute. Zur Klarstellung werden diese Unternehmen per Legaldefinition je nach Aufgabenbereich aufgelistet (§ 1, Abs. 1, 2 GwG). Durch eine entsprechende Verordnungsermächtigung wird die Möglichkeit einer relativ unkomplizierten Erweiterung auf weitere Tätigkeiten gewährleistet. Aufgrund einer hohen Missbrauchsgefahr gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes auch für Versicherungsunternehmen, die Lebensversicherungen anbieten. In diesem Zusammenhang wird auch ausdrücklich bestimmt, dass die im Inland gelegenen Zweigstellen ausländischer Kreditinstitute ebenso als Kreditinstitute im Sinne dieses Gesetzes anzusehen sind (§ 1 Abs. 3 GwG). Dadurch wollte der Gesetzgeber der Möglichkeit entgegenwirken, dass sich Kreditinstitute zur Umgehung ihrer Verpflichtungen auf einen ausländischen Sitz berufen können. Das gilt auch in umgekehrter Richtung: nach § 15 GwG werden den verpflichteten Instituten ihre Zweigstellen im Ausland gleichgestellt sowie die von ihnen abhängigen Unternehmen im Ausland, die mit ihnen unter einheitlicher Leitung zusammengefasst sind. Auf diese Weise sollte wiederum sichergestellt werden, dass ausländische Niederlassungen deutscher Finanzinstitute, mangels einschlägiger Vorschriften im Sitzstaat nicht zur Geldwäsche missbraucht werden. Für den Fall, dass die vom GwG statuierten Verpflichtungen gegen den rechtlichen Rahmen des Sitzstaates verstoßen sollten, ist für die Hauptniederlassungen die Pflicht zur Unterrichtung der zuständigen Aufsichtsbehörde vorgesehen. Das Territorialitätsprinzip wird allerdings nicht verletzt, weil die Verpflichtungen nicht direkt die ausländischen Stellen, sondern das Mutterunternehmen bzw. die Hauptniederlassung betreffen, die ihren Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben.73 Durch die Unterrichtung innerhalb eines bestimmten Zeitraums können rechtliche Lücken aufgedeckt und mittels bi- oder multilateraler Abkommen geschlossen werden.74 Aufgrund der Internationalisierung der Geldwäschebekämpfung und der Schaffung internationaler Mindeststandards weist diese Regelung eine geringe praktische Relevanz auf. Wichtig ist in diesem Zusammenhang zu betonen, dass das vorliegende Gesetz an die Institute und die Unternehmen selbst und nicht an die einzelnen Personen 73 74

Höreth, Geldwäsche, S. 335. BT-Drs. 12 / 2709, S. 20.

B. Die nationalen Bemühungen zur Geldwäschebekämpfung

277

gerichtet ist. Das ergibt sich aus § 2 Abs. 1 GwG, in dem von Instituten die Rede ist.75

IV. Die Identifizierungspflichten Als erstes wird den oben genannten Instituten für eine Vielzahl von Fällen Identifizierungspflichten auferlegt. Diese erinnern an die Pflicht, die bei der Eröffnung von Konten, Depots sowie bei der Vergabe von Schließfächern nach § 154 Abs. 2 AO besteht, die Pflicht zur sog. „Legitimationsprüfung“. Zweck dieser Vorschrift war es ursprünglich, durch die Identitätsfeststellung Steuerhinterziehungen zu erschweren76, während gleichzeitig das Kreditinstitut die Gelegenheit hatte, sich über die Identität des Kontoinhabers und seiner Vertreter77 zu informieren. Die Pflicht zur Legitimationsprüfung bleibt von den statuierten Identifizierungspflichten des GwG unberührt, denn sie weisen eine unterschiedliche Schutzrichtung auf.78 Die neuen Identifizierungspflichten des GwG sind eine Ausprägung der sog. „know-your-customer“ Strategie, die durch die Abschaffung von anonymisierten Geld- und Finanzgeschäften die Transparenz bei der Durchführung der entsprechenden Transaktionen bezweckt.79 Identifizierungspflichtig sind also die Institute bei Annahme oder Abgabe von Bargeld, Wertpapieren und Edelmetallen im Wert von 20.000 DM oder mehr. Reine Buchtransaktionen werden davon nicht erfasst.80 Der genaue Inhalt dieser Regelung war während des Gesetzgebungsverfahrens sehr umstritten. Zuerst war eine unterschiedliche Behandlung jeweils für Transaktionen vorgesehen, die über ein Konto abgewickelt wurden und für solche, die keinen Kontobezug aufwiesen.81 Diese Trennung wurde jedoch zu Recht aufgegeben, denn sie würde einen hohen Verwaltungsaufwand verursachen, ohne gleichzeitig einen greifbaren Gewinn für die Geldwäschebekämpfung zu sichern. Den Kern des Streits bildete jedoch vor allem die Höhe des Schwellenbetrags, der die unterschiedlichen Mitwirkungspflichten erst aktiviert. Auf Druck des Bundesrats wurde dieser Betrag auf 20.000 DM herabgesetzt, während Stimmen für seine weitere Herabsetzung laut wurden.82 Zur Untermauerung solcher Forderungen wurde Lang / Schwarz / Kipp, Geldwäsche, S. 293. Höreth, Geldwäsche, S. 252. 77 Erst ab 01. 01. 1992 bezieht sich die Legitimationsprüfung auch auf solche Personen, denen eine Kontovollmacht erteilt wird, s. Obermüller, KR 1992, S. 361. 78 Ausführlich zum Verhältnis beider Vorschriften in: Lang / Schwarz / Kipp, Geldwäsche, S. 323 ff. 79 Teichmann / Achsnich, in Herzog / Mülhausen, GwHdb § 31, Rn. 1 ff. 80 Werner, Geldwäsche, S. 117. 81 Einzelheiten dazu Höreth, Geldwäsche, S. 256. 82 Statt vieler Hetzer, NJW 1993, S. 3298, 3300. 75 76

278 4. Kap.: Verlagerung von den Verfallsvorschriften auf die Geldwa¨schebeka¨mpfung

das Beispiel der Vereinigten Staaten vorgebracht, wo entsprechende Identifizierungspflichten schon ab dem minimalen Betrag von 10.000 US Dollar bestehen. Dieser Vergleich verkannte jedoch die strukturellen Unterschiede, die beide Finanzmärkte bezüglich des Umfangs des Bargeldverkehrs aufweisen.83 Gleichzeitig muss man in Erwägung ziehen, dass, je niedriger der Schwellenbetrag angesetzt wird, desto schwieriger und aufwändiger wird es für die verpflichteten Institute, diesen Verpflichtungen konsequent nachzugehen. Eine solche Behauptung darf nicht als lobbyistische Argumentation diskreditiert werden. Es steht außer Zweifel, dass die Einbeziehung der Wirtschaft in die Strafverfolgung der Geldwäsche nur dann gelingen kann, wenn die Pflichtenträger diese, zumindest prinzipiell, billigen. Eine Überdehnung der Kapazitäten der Institute führt somit nicht zwangsläufig zu besseren Ergebnissen, sondern eher zum Aufsuchen von Umgehungswegen. Hinzu kommt die Tatsache, dass keine gesicherten, empirisch belegten Erkenntnisse über die Effizienz sehr niedriger Schwellenwerte vorliegen.84 Die Identitätsfeststellung findet ausschließlich durch Vorlage eines gültigen Personalausweises oder eines Reisepasses statt und umfasst den Namen sowie das Geburtsdatum und die Anschrift der zu identifizierenden Person, soweit diese Angaben im vorgelegten Dokument enthalten sind.85 Angesichts dieser Identifizierungspflicht, die Geldwäschetransaktionen erheblich erschwert, sind Geldwäscher dazu veranlasst, Maßnahmen zu ergreifen, um diese Vorkehrungen zu unterlaufen. Ein Umgehen der Identifizierung ist möglich, wenn man mehrere Transaktionen niedriger Beträge tätigt, so dass der Schwellenbetrag nicht erreicht wird. Nach kriminalistischen Erfahrungen wird diese Methode, das sog. „Smurfing“, oft von organisierten Geldwäscheringen eingesetzt, indem sog. Kuriere Transaktionen bei verschiedenen Banken oder Zweigstellen derselben Bank oder lediglich bei unterschiedlichen Schaltern derselben Zweigstelle durchführen. Eine andere „Smurfing“-Methode betrifft den Erwerb von Wertpapieren unter der Schwellenhöhe oder Einzahlungen auf verschiedene Konten bei derselben Zweigstelle.86 Die Gefahr dieser künstlichen Aufsplittung hat der Gesetzgeber berücksichtigt: nach § 2 Abs. 1 GwG gilt die allgemeine Identifizierungspflicht auch dann, wenn die Institute mehrere Finanztransaktionen durchführen, die kumulativ den Schwellenwert von 20.000 DM erreichen, wenn „tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass zwischen ihnen eine Verbindung besteht“. Die gesetzgeberische Absicht, dem Phänomen des „Smurfing“ Rechnung zu tragen, ist zu begrüßen. Gleichzeitig ist jedoch zu befürchten, dass diese Regelung in So auch Steuer, WM 1994, S. 78, 81. Werner, Geldwäsche, S. 124 m. w. N. 85 Aktive Nachforschungen bezüglich der Adresse sind nicht erforderlich, BT-Drs. 12 / 2704, S. 11; Lang / Schwarz / Kipp, Geldwäsche, S. 358 ff. 86 Ackermann, Geldwäscherei – Money Laundering, S. 105. 83 84

B. Die nationalen Bemühungen zur Geldwäschebekämpfung

279

der Praxis keine Relevanz erlangen wird. Denn die im Gesetz gewählte Formulierung lässt die Frage unbeantwortet, welche konkreten Anhaltspunkte auf eine solche Verbindung hindeuten sollen. Der ursprüngliche Regierungsentwurf enthielt eine zusätzliche Voraussetzung zur Aktivierung dieser Vorschrift: die Offenkundigkeit der Verbindung. Diese wurde mit dem Hinweis gestrichen, dass es sehr schwer festzustellen sei, wann die Verbindung offenkundig ist. Somit stellt die im Gesetz gewählte Formulierung eine erhebliche Verschärfung dar, denn die Verbindung zwischen den einzelnen Transaktionen nach der alten Fassung musste sich aufdrängen.87 Aber auch die vorliegende Formulierung bereitet nicht weniger Kopfzerbrechen. In der Gesetzesbegründung wird zur Klarstellung erwähnt, dass eine Verbindung zwischen mehreren Finanztransaktionen erst dann zu bejahen ist, „wenn sich eine signifikante Anzahl von Transaktionen innerhalb eines begrenzten Zeitraumes durch ihre Gleichartigkeit im Hinblick auf den Geschäftsabschluss, den Geschäftsgegenstand oder die Geschäftsabwicklung auszeichnet“.88 Die Vielgestaltigkeit der Geldwäschevorgänge und ihre Ähnlichkeit mit legalen Transaktionen macht die nähere Konkretisierung der Art der Verbindungen besonders schwer. Von einer solchen Auflistung wäre auch deshalb abzuraten, weil sie den Geldwäschern Anhaltspunkte liefern würde, wie sie sich der Identifizierung entziehen können. Soweit kann man diesen gesetzgeberischen Erwägungen zustimmen. Ungelöst bleibt jedoch die Frage, wann eine Verbindung zwischen mehreren Transaktionen vorliegt. Diese Frage wird noch dringender, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der einfache Schalterangestellte kriminalistisch nicht geschult ist. Im Hinblick auf Zweigstellen mit einem regen Kundengeschäft wird es somit dem einzelnen Bankmitarbeiter sehr schwer fallen, solche Verbindungen zu erkennen und die Identifizierung vorzunehmen. Schließlich wird erst nach mehreren Einzahlungen unter dem Schwellenbetrag sichtbar, dass es bei den getätigten Transaktionen um „Smurfing“ handeln kann. Die Identifizierungspflicht nach § 6 GwG setzt also ein sehr hohes Maß an freiwilliger Aufmerksamkeit voraus. Dieser „Optimismus“ des Gesetzgebers, dass all die betroffenen Personen so engagiert sein werden, hat einen symbolischen Wert: dadurch soll vermittelt werden, dass der Staat gegen Geldwäsche sehr entschieden vorgeht.89 Wann und wie verdachtskonstitutive Tatsachen festgestellt werden sollen, wird jedoch nicht gesagt, so dass die Handhabung dieser Vorschrift in der Praxis fraglich erscheint. Durch diese Regelung wird der Missbrauch von Kreditinstituten zu Geldwäschezwecken nicht verhindert, sondern lediglich erschwert, was allerdings eine Professionalisierung des Geldwäschegeschäfts beschleunigen könnte. Von dieser allgemeinen Identifizierungspflicht werden Ausnahmen statuiert. Die erste bezieht sich auf Transaktionen, die zwischen den Instituten untereinander 87 88 89

Löwe-Krahl, wistra 1994, S. 121, 122. BT-Drs. 12 / 2704, S. 12. Bottke, wistra 1995, S. 121, 128.

280 4. Kap.: Verlagerung von den Verfallsvorschriften auf die Geldwa¨schebeka¨mpfung

durchgeführt werden, also im sog. Interbank-Geschäft (§ 2 Abs. 3 GwG). Hintergrund dieser Regelung ist, dass für die Ermittlungstätigkeiten der Strafverfolgungsbehörden der Ort maßgeblich ist, von dem Geld in das Finanzsystem eingebracht wird. Bei Transaktionen mit kriminellen Geldern zwischen Instituten handelt es sich nicht um eine Einschleusung in den legalen Finanzverkehr. In diesem Fall sind die Gelder bereits eingeschleust. Von der Identifizierung werden auch Inhaber und Mitarbeiter von Unternehmen ausgenommen, die im Namen und auf das Konto des Unternehmens regelmäßig Bargeld einzahlen oder vom Konto des Unternehmens Geld abheben (§ 2 Abs. 4 GwG). In diesem Fall ist jedoch eine Erklärung des Unternehmens erforderlich, welche die Eigenschaft, die Daten und die entsprechende Befugnis dieser Personen bescheinigt. Diese Regelung schafft auch ein Missbrauchspotential, vor allem wenn man bedenkt, wie oft gerade kleinere Einzelhandelsunternehmen zu Zwecken von Geldwäsche eingesetzt werden.90 Trotzdem würde die Streichung dieser Ausnahme die Alltagsgeschäfte und vor allem die Funktionstüchtigkeit mittelständischer Unternehmen auf eine unzumutbare Weise belasten. Es ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass durch diese Vorschrift in den genannten Fällen nur die Identifizierungspflicht entfällt, während die Aufzeichnungs- und die Aufbewahrungspflicht weiterhin bestehen. So kann sichergestellt werden, dass die entsprechende Papierspur ex post nachvollzogen und bei Geldwäscheverdacht ausgewertet werden kann. Obwohl jedoch diese Regelung als Erleichterung für die Institute gedacht war, ist fraglich, ob sie tatsächlich so wirken kann. Denn die benannten Erklärungen müssen in jeder Zweigstelle präsent sein, in der Einzahlungen erfolgen. Angesichts des hohen Verwaltungsaufwands liegt die Vermutung nahe, dass die betroffenen Institute diese Möglichkeit nicht nutzen werden.91 Schließlich wird keine Identifizierung vorgenommen, wenn Personen Bargeld in einem Nachttresor deponieren (§ 2 Abs. 4 GwG). Beim Abschluss des entsprechenden Vertrags für die Benutzungsberechtigung wird vom Bankkunden eine besondere Erklärung unterschrieben, welche genau die Benutzung für oder von anderen Personen verbietet. Diese Vorschrift hat wieder einen eher symbolischen Gehalt, denn Nachttresors dienen gerade dazu, ohne Bankpersonal die Einzahlung von Bargeld zu ermöglichen. Die darin enthaltene Symbolik ist, den Banken ihre Pflicht zu verdeutlichen, alle möglichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass Benutzer von Nachttresoren nur für eigene Rechnung Geldeinzahlungen vornehmen. Schließlich kann die Einhaltung dieser Pflicht von der Bank gar nicht überwacht werden.92 Ferner erstreckt sich die Identifizierungspflicht auf Gewerbetreibende (§ 3 GwG). Dadurch wollte der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass sich 90 91 92

Sielaff, KR 1992, S. 749, 754. Löwe-Krahl, wistra 1994, S. 121, 123. Werner, Geldwäsche, S. 130.

B. Die nationalen Bemühungen zur Geldwäschebekämpfung

281

Geldwäscher zur Verschleierung ihrer wahren Identität oft Beteiligungen und sonstiger Firmenkonstruktionen bedienen. Die Verpflichtung zur Identitätsfeststellung gilt konkreter für Gewerbetreibende in Ausübung ihres Gewerbes, für Personen, die entgeltlich fremdes Vermögen verwalten in Ausübung dieser Verwaltungstätigkeit und für Spielbanken. Betroffen ist durch die Regelung jede Form von Treuhänderschaft, so sind unter anderem Rechts- und Patentanwälte, Notare, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer erfasst, die mit verschiedenen Treuhandtätigkeiten oder mit Anderkontoführung beauftragt sind. Die Einbeziehung dieser Berufsgruppen in die Geldwäschebekämpfung war ein sehr strittiges Thema.93 Ursprünglich war eine Ausnahme für Strafverteidiger vorgesehen, damit das Recht auf Verteidigung nicht eingeschränkt wird. Gleichzeitig sollte der Anwalt, der eine Transaktion im Namen eines Anderen betätigt, verpflichtet sein, zu versichern, dass die Transaktion nicht der Geldwäsche dient. Diese sowie die von der BRAK als Kompromissvorschlag vorgebrachte „Kammerlösung“ wurden vom Bundesrat verworfen.94 Es ist allerdings plausibel, dass diese Berufsgruppen bei der Wahrnehmung vermögensverwaltender Aufgaben missbraucht werden können. Durch ihre Einbeziehung in das GwG geraten jedoch die historisch anerkannten und bewährten Verschwiegenheitspflichten in Gefahr. Durch die Auferlegung von Offenbarungspflichten kann das Vertrauensverhältnis zwischen Berufsangehörigen und ihren Kunden einen erheblichen Schaden erleiden. Dieser wird offensichtlich in Kauf genommen, um eine flächendeckende Reglementierung zu erreichen. Diese Thematik wird im Laufe der Entwicklung zunehmend eine Rolle spielen und ist einige Jahre später in die Statuierung viel weitergehenden Pflichten für die rechtsberatenden Berufsgruppen gemündet. Geldbeförderungsunternehmen werden in Bezug auf die Identifizierungspflicht nicht als Gewerbetreibende behandelt. Solche Unternehmen führen in eigenem Interesse Aufzeichnungen über entgegengenommene und abgelieferte Geldbeträge samt ihrer Auftraggeber.95 Neben der betragsgebundenen Identifizierung wird die Identifizierungspflicht auf alle Fälle ausgeweitet, in denen unabhängig von der Überschreitung der Schwellenhöhe das Institut Tatsachen feststellt, die darauf schließen lassen, dass die vereinbarte Finanztransaktion einer Geldwäsche dient oder im Fall ihrer Durchführung dienen würde (§ 6 GwG). Somit ist man mit der Frage konfrontiert, wann und unter welchen Umständen das Vorliegen solcher Tatsachen bejaht wird. Denn Geldwäschevorgänge sind sehr schwer erkennbar. Die Gesetzesbegründung sieht von einer enumerativen Aufzählung von Fallkonstellationen ab, die den Verdacht von Geldwäsche begründen würden. Das wäre nicht möglich. Abgesehen vom 93 Hetzer, NJW 1993, S. 3298, 3301 vertritt die Meinung, dass die Beibehaltung des Anwaltsprivilegs den Erfolg des Gesetzes gefährdet hätte. 94 BT-Drs. 12 / 2704, S. 25 f.; dazu auch Haas, BRAK-Mitteilungen 1993, S. 117. Die „Kammerlösung“ sah die Einschaltung der Berufskammern vor, dazu s. unten 5. Kap. G. III. 95 BT-Drs. 12 / 2704, S. 14; Ungnade, WM 1993, S. 2105, 2108.

282 4. Kap.: Verlagerung von den Verfallsvorschriften auf die Geldwa¨schebeka¨mpfung

Mangel an hinreichenden Erkenntnissen in Bezug auf die genaue Abwicklung von Geldwäschegeschäften, ist darauf hinzuweisen, dass die Typologien der Geldwäsche so zahlreich sind und sich ständig den entsprechenden Bekämpfungsmaßnahmen anpassen. Genau wie im Fall von „Smurfing“ kann die Veröffentlichung solcher konkreten Anweisungen den Geldwäschern zugute kommen, indem sie ihr Vorgehen noch schneller anpassen können.96 Der Gesetzesbegründung ist lediglich zu entnehmen, dass der gewonnene Verdacht auf konkreten, tatsächlichen Anhaltspunkten beruhen muss, so dass einfache Vermutungen ohne jeden konkreten Bezug zur Wirklichkeit nicht ausreichen. Der Begriff „Tatsachen“ ist weit auszulegen.97 Dieser Verdacht entspricht somit dem Anfangsverdacht in § 152 Abs. 2 StPO. Dieser ist nach allgemeiner Ansicht gegeben, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, welche die Begehung einer verfolgbaren Straftat nach kriminalistischen Erfahrungen für möglich erscheinen lassen. Dieser Verdacht muss weder hinreichend noch dringend sein. Auf diese Weise werden dem Identifizierungspflichtigen extrem weite Beurteilungsspielräume zuerkannt. Er muss somit jegliche Auffälligkeiten bei der Abwicklung von Finanztransaktionen wahrnehmen und eine Bewertung vornehmen, ob diese Auffälligkeiten die Schwelle dieses Verdachts überschreiten. Dabei sollte man sehr vorsichtig sein, denn der Verdacht der Geldwäsche ist nur dann als erhärtet anzusehen, wenn eine bedeutsame Akkumulation von verdachtsbegründenden Anhaltspunkten vorliegt. Wann aber Tatsachen einen derartigen Verdacht begründen, wird nicht gesagt. Die vom BKA und anderen Stellen erarbeiteten „Anhaltspunkte für Geldwäsche“ können bis zu einem bestimmten Maße dem Bankangestellten bei seiner Bewertung behilflich sein, als eine absolute Auslegungsquelle können sie jedoch im Einzelfall nicht angewandt werden.98 Diese Regelung entpuppt sich somit als unbestimmt. Das vom Normadressaten erwartete Verhalten lässt sich aus dem Wortlaut der Norm schwerlich erschließen. Da die Unterlassung dieser Pflicht weder eine Straftat noch eine Ordnungswidrigkeit darstellt, wird das Bestimmtheitsgebot nicht verletzt.99 Problematisch bleibt jedoch die Anwendung dieser Vorschrift. Denn beim Bankangestellten wird wieder – genau wie bei „Smurfing“ – ein kriminalistischer Spürsinn vorausgesetzt, den er nicht unbedingt haben wird. So ist zu befürchten, dass der einzelne Bankmitarbeiter mit der Einhaltung dieser Verpflichtungen oft überfordert sein wird.100 Trotz einer anzustrebenden Sensibilisierung des Bankpersonals kommt es bei der Verdachtsfeststellung allerdings immer darauf an, ob das So Löwe-Krahl, wistra 1994, S. 121, 125. BT-Drs. 12 / 2704, S. 15. 98 Fülbier, WM 1990, S. 2025, 2028. 99 Denn dieses Prinzip gilt für unter Strafe gestellten oder bußgeldbewehrten Verhaltensweisen. Problematisch ist aber aus diesem Grunde die Strafbarkeit der leichtfertigen Geldwäsche nach § 261 Abs. 5 StGB, s. oben 3. Kap. F. IV. 8. 100 Höreth, Geldwäsche, S. 276; Steuer, WM 1994, S. 78, 82. 96 97

B. Die nationalen Bemühungen zur Geldwäschebekämpfung

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verpflichtete Institut bestimmte Informationen über den Kunden besitzt. Diese Strategie könnte möglicherweise effektiv sein, wenn durch die Erstellung von sog. Kundenprofilen die getätigten Transaktionen mit anderen Informationen über den persönlichen und wirtschaftlichen Hintergrund des Täters abgeglichen werden könnten. Dass ein solches Vorgehen jedoch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung unmittelbar tangieren würde, liegt nahe. Dies wurde – zumindest in der Anfangsphase – auch von der Politik so gesehen. Neben den besagten Ausnahmen von der Identifizierungspflicht wird auch eine Erleichterung für Fälle normiert, in denen der zu Identifizierende dem verpflichteten Institut z. B. aufgrund einer längeren Geschäftsbeziehung persönlich bekannt ist, jedoch unter der Voraussetzung, dass er früher bereits identifiziert worden ist (§ 7 GwG). Dabei handelt es sich um eine Erleichterung und nicht um ein Absehen der Identifizierung, wie dies die Überschrift der Regelung suggerieren könnte.101

V. Die Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten Die Pflicht zur Identifizierung erstreckt sich auf eine Nachfrage danach, ob die gegenüber dem Institut auftretende Person für eigene oder für fremde Rechnung, z. B. als Treuhänder oder Vertreter handelt (§ 8 GwG). Ist dies der Fall, muss auch die Identifizierung des wirtschaftlich Berechtigten erfolgen. Der erscheinende Kunde muss nach h. M. den Namen des Hintermannes bzw. des wirtschaftlichen Berechtigten, nicht jedoch auch den Ausweis des Vertretenen vorlegen.102 Gibt der Kunde dagegen an, dass er auf eigene Rechnung handelt, werden vom Bankmitarbeiter keine aktiven Nachforschungen verlangt. In diesem Fall soll er vorsichtig vorgehen, denn leicht wird für ihn die Hürde der leichtfertigen Geldwäsche überschritten, z. B. wenn sich angesichts der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Kunden die betätigten Geldtransaktionen nicht rechtfertigen lassen. Über die einfache Identifizierung eines Bargeld einzahlenden Kunden hinaus, scheint der Gesetzgeber hiermit großen Wert darauf zu legen, die Geschäftsvorgänge zu dokumentieren, bei denen Handelnder und wirtschaftlich Berechtigter nicht übereinstimmen. Beweggrund dieser Regelung war die Erkenntnis, dass sich die Geldwäscher oft einer Vielzahl von Helfern bedienen, z. B. um „Smurfing- Aktionen“ durchzuführen. Diese veranlassen Geldwäschegeschäfte auf eigenen Namen, aber für Rechnung ihrer Auftraggeber, um die Verfolgung der Papierspur zu erschweren. Relevant können auch Fälle sein, in denen Berufsgruppen wie Rechtsanwälte und Höreth, Geldwäsche, S. 304. In diesem Fall muss der Bankangestellte einen Vermerk im Kontoeröffnungsantrag machen, Ungnade, WM 1993, S. 2105, 2106; Carl / Klos, Regelungen zur Bekämpfung der Geldwäsche, S. 202. 101 102

284 4. Kap.: Verlagerung von den Verfallsvorschriften auf die Geldwa¨schebeka¨mpfung

Steuerberater durch Treuhändertätigkeiten für Geldwäschegeschäfte missbraucht werden. Diese Vorschrift sollte also solchen Strohmännergeschäften entgegenwirken. Zur Aktivierung dieser Vorschrift ist man allerdings auf die Informationen des Kunden angewiesen. Es ist zu erwarten, dass die Frage, ob der Kunde auf eigene Rechnung handelt, von einem Strohmann immer bejaht wird. Wird die Frage verneint, ist die Richtigkeit der Angaben über den wirtschaftlich Berechtigten keineswegs zu kontrollieren. Auf den ersten Blick scheint der Gesetzgeber die Erwartung zu hegen, dass sich professionelle Geldwäscher offenbaren und die Daten ihrer Auftraggeber offen legen. Erneut wird damit auf den symbolischen Wert der Vorschrift abgestellt. Dadurch soll der Eindruck vermittelt werden, dass die Gefahr solcher Strohmännergeschäfte erkannt worden ist. Außerdem wird der Bankkunde durch die Frage nach dem wirtschaftlich Berechtigten gezwungen, sich diesbezüglich festzulegen. Wird die Lüge zu einem späteren Zeitpunkt erkannt, wird ein Verdacht wegen Geldwäsche begründet.103 Bei einer ganzheitlichen Betrachtung der erörterten Identifizierungspflichten wird die gesetzgeberische Absicht ersichtlich, den Geldverkehr transparenter zu gestalten und somit Geldwäschegeschäften ein Hindernis in den Weg zu legen. Zu diesem Zweck wurde ein pedantisches Vorschriftengeflecht geschaffen, das allerdings nur bei richtigen Angaben des erscheinenden Kunden und bei sehr motivierten Bankangestellten effektiv sein kann.

VI. Die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten Die bei der Identifizierung anfallenden Daten sind aufzuzeichnen und aufzubewahren (§ 9 GwG). Angesichts der Massenhaftigkeit der Transaktionen verursacht diese Regelung einen besonders hohen Verwaltungsaufwand für die betroffenen Kreditinstitute. Dieser Umstand wurde dennoch in Kauf genommen, denn nur bei einer Bündelung von Identifizierungs- Aufzeichnungs- und Verdachtmeldepflichten werde die Verfolgung der Papierspur möglich.104 Die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten entsprechen somit dem Bedürfnis von Ermittlungsbehörden, auf nützliche Unterlagen zugreifen zu können. Eine konkrete Form der Aufzeichnung wird nicht festgelegt. Diese Aufzeichnungen können also auf einem Bildträger gespeichert werden, während die Verwendung sonstiger Datenträger auch zulässig ist. Effizienter wäre allerdings die Online-Aufzeichnung, die aber seitens der Kredit- und Finanzinstitute die Installierung besonders kostenintensiver EDVProgramme verlangen würde. Angesichts der unterschiedlichen Größe und Unternehmensstruktur und vor dem Hintergrund der hohen Kosten hat der Gesetzgeber 103 Werner, Geldwäsche, S. 130. Inwiefern jedoch die Richtigkeit der gemachten Angaben auch im Nachhinein überprüft werden soll, bleibt fraglich. 104 BT-Drs. 12 / 2704, S. 16.

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bewusst auf eine ähnliche Formvorschrift verzichtet. In allen Fällen soll sichergestellt werden, dass die aufgezeichneten Angaben für die Dauer der Aufbewahrungsfrist jederzeit verfügbar und innerhalb einer angemessenen Frist lesbar sind. Die benannte Frist beträgt sechs Jahre und beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Geschäftsbeziehung mit dem Vertragspartner endet. Problematisch dabei ist die Regelung, wonach Kopien der vorgelegten Dokumente anzufertigen sind, „soweit dies möglich ist“. Mit dieser Klausel wollte der Gesetzgeber die Möglichkeit von gefälschten Ausweispapieren berücksichtigen. Gleichzeitig hat sich die Ansicht durchgesetzt, welche die Anfertigung von Kopien von der entsprechenden Möglichkeit des Kreditinstituts abhängig gemacht hat, um eine übermäßige Belastung der Verpflichteten zu vermeiden.

VII. Beschränkungen bei der Verwendung der Aufzeichnungen Durch die Aufzeichnung dieser Daten wird für die Strafverfolgungsbehörden ein enormer Informationsbestand geschaffen, der jederzeit „auf Vorrat“ gehalten wird, und auf den die Ermittlungsbehörden zurückgreifen können, sei es anlässlich bereits eingeleiteter Ermittlungen, sei es im Rahmen von verfahrensunabhängigen Finanzermittlungen.105 Die Sammlung und Speicherung all dieser Informationen birgt jedoch ein Verletzungspotential des Rechts des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung, das nach dem Volkszählungsurteil von der Rechtsordnung gewährleistet werden muss.106 Ohne auf die Einzelheiten einer verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung einzugehen, hat der Gesetzgeber im Rahmen seines Ermessensspielraumes eine Abwägung zwischen den hier widerstreitenden verfassungsrechtlichen Interessen vorgenommen. Das Ergebnis dieser Abwägung zeichnet sich in den Verwendungsbeschränkungen ab, die im § 10 GwG geregelt werden. Demnach dürfen die aufgezeichneten Daten nur zur Verfolgung von Geldwäsche und von geldwäschetauglichen Vortaten herangezogen und verwendet werden. Auch wenn diese Informationen auf einen Verdacht wegen anderer Straftaten hinweisen, dürfen sie nicht zur Einleitung des entsprechenden Ermittlungsverfahrens herangezogen, umso weniger in einem anhängigen Strafverfahren verwertet werden. Zusätzlich wird auch das Verbot der Mitteilung steuererheblicher oder steuerstrafrechtlicher Hinweise auf die Finanzbehörden statuiert. Auf diese Weise wurden in Fällen, in denen die Gewinnabschöpfung wegen nicht erhärteten Verdachts oder anderer rechtlicher Hindernisse nicht angeordnet wurde, auch ein eventuelles Besteuerungs- oder / und Steuerstrafverfahren ausgeschlossen. In dieser Phase der Entwicklung hat sich der Gesetzgeber für den Vorrang des Datenschutzes vor 105 106

Findeisen, wistra 1997, S. 121, 123. BVerfGE 65, S. 1 ff.

286 4. Kap.: Verlagerung von den Verfallsvorschriften auf die Geldwa¨schebeka¨mpfung

Strafverfolgungsbedürfnissen entschieden. Demgemäss wird im § 10 Abs. 2 GwG vorgesehen, dass nur nach einer rechtskräftigen Verurteilung und nach Maßgabe des § 116 AO (Anzeige von Steuerstraftaten) steuerrelevante Daten an die Finanzbehörden übermittelt werden dürfen, jedoch ausschließlich zum Zwecke einer Besteuerung und nicht zur Einleitung eines Steuerstrafverfahrens. Anlässlich der GwG – Vorschriften wurde oft die Aufopferung von Datenschutzrechten zugunsten der Erweiterung von Ermittlungsbefugnissen angeprangert. Diese Vorschrift ist somit als eine Beschwichtigung gegenüber diesem Vorwurf zu verstehen. Der Gesetzgeber signalisiert dadurch, dass das Gefahrenpotential dieser Informationsgewinnung für den Datenschutz erkannt worden ist. Schnell meldeten sich viele zu Wort, denen diese Beschränkung der Verwendungsmöglichkeiten ungerechtfertigt erschien. Für diese war die Lockerung des Datenschutzes deswegen unausweichlich, weil dadurch ein Phänomen bewältigt werden sollte, das für die gesamte gesellschaftliche Ordnung einen höheren Gefährlichkeitsgrad aufweise als die Einschränkung von Persönlichkeitsrechten: die Ausbreitung der organisierten Kriminalität besonders durch Geldwäsche. Es sei bspw. nicht einzusehen, warum Steuerhinterzieher aufgrund der gewonnenen Daten begünstigt werden sollten, während gleichzeitig solche Daten zu Lasten von drogenabhängigen Betäubungsmitteltätern herangezogen würden. Daraus wurde auch der Schluss gezogen, dass an einer effektiven Bekämpfung der Steuerhinterziehung offenbar kein besonderes Interesse bestehe.107 Das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung als Voraussetzung zur Mitteilung steuererheblicher Tatsachen ans Finanzamt wurde ebenso scharf kritisiert, denn oft seien staatliche Steueransprüche zum Zeitpunkt der Rechtskraft bereits verjährt. Der Vorrang der Verfolgungsinteressen wurde auch im entsprechenden parteipolitischen Diskurs vertreten, so dass die Verwendungsbeschränkungen auch im Gesetzgebungsverfahren eine Rolle spielten. Viele schienen von den unendlichen Ermittlungsmöglichkeiten, die die Verwendung der gewonnenen Daten erst eröffneten, richtig fasziniert zu sein. Diese Faszination wollten sie auch ins Gesetz einbringen, nämlich durch weitere Verwendungsmöglichkeiten.108 Glücklicherweise haben die Erwägungen juristisch-verfassungsrechtlicher Art überwogen und eine weitere Gebrauchsmöglichkeit blockiert. Diese Beschränkung ist jedoch insofern problematisch, dass durch die später erfolgte Erweiterung des Vortatenkatalogs des Geldwäschetatbestands praktisch obsolet geworden ist. Das Argument für die Begünstigung von Steuerhinterziehern gilt gar nicht mehr, wenn der Verdacht einer banden- und gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung nach § 370a AO vorliegt, der entsprechend eine Strafbarkeit wegen Geldwäsche begründet. Es wäre somit nicht übertrieben zu sagen, dass die Anknüpfung an den Vortatenkatalog ein Einfallstor zur Ausuferung der Heranzie107 108

Carl / Klos, DStZ 1994, S. 68, 71. s. Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drs. 12 / 2704, S. 26 ff.

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hung von aufgezeichneten Daten für sämtliche Ermittlungs- und Strafverfahren darstellt. Wie andere Vorschriften kommt auch dieser Regelung des GwG eine vorrangig symbolische Funktion.

VIII. Die Verdachtsanzeigepflicht Stellen die Kredit- und Finanzinstitute im Rahmen ihrer Tätigkeiten Tatsachen fest, die auf eine Geldwäsche schließen lassen, müssen sie unverzüglich die bevorstehende Transaktion stoppen und sie bei den zuständigen Strafverfolgungsbehörden anzeigen. Bei dieser sog. Verdachtsanzeigepflicht (§ 11 GwG) handelt es sich um die vielleicht einschneidenste und zugleich heikelste Verpflichtung, die das GwG eingeführt hat.109 Diese Anzeige ist mündlich, fernmündlich, fernschriftlich oder elektronisch zu übermitteln. Die verschiedenen Möglichkeiten der Verdachtsanzeigeerstattung deuten auf das Ziel des Gesetzgebers hin, dass die Strafverfolgungsbehörden die Daten möglichst bald bekommen.110 Die Verdachtsanzeigepflicht wird somit aktiviert, wenn vom Bankangestellten Tatsachen festgestellt werden, die auf Geldwäsche schließen lassen. Auch hier stellt sich wieder die Frage, die sich bereits im Rahmen der Identifizierung unter dem Schwellenbetrag (§ 6 GwG) stellte, nämlich wann ein Geldwäscheverdacht vorliegt. Die von verschiedenen staatlichen Stellen (wie dem BKA in Zusammenarbeit mit dem Zentralen Kreditausschuss) oder von sonstigen Institutionen (z. B. von FATF) erstellten Verdachtsraster fungieren als eine Art Leitfaden, jedoch nicht als abschließende Kataloge. Nicht zuletzt könnte die Anzeigeerstattung wegen Vorliegens eines in einem Verdachtsraster aufgelisteten Geldwäschemerkmals erhebliche Nebenwirkungen für die Verfolgungspraxis haben, nämlich die Überflutung der Staatsanwaltschaften mit Verdachtsanzeigen; dieser Umstand wird noch vom Strafbarkeitsrisiko des einfachen Bankangestellten verstärkt, der geneigt sein wird, in Zweifelsfällen immer eine Anzeige zu erstatten. Somit ist es höchst zweifelhaft, ob die bereits überlasteten Staatsanwaltschaften in der Lage wären, alle eingegangenen Verdachtsmeldungen auszuwerten. Die Verdachtsgewinnung sollte also auf verschiedenen Auffälligkeiten beruhen, die mit den wirtschaftlichen und persönlichen Umständen des Kunden nicht im Einklang stehen. Eine solche Vermutung kann jedoch nur im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Transaktionen und Gegebenheiten bestätigt oder widerlegt werden. Von den verpflichteten Personen wird somit gefordert, aus einer nicht vollständig ermittelten Sachlage auf ein bereits abgeschlossenes oder unmittelbar bevorstehendes strafrechtlich relevantes Verhalten zu schließen. Auf diese Weise wird, wie bereits erläutert, vom Bankangestellten ein solches kriminaSo auch Löwe-Krahl, wistra 1994, S. 121, 124. Das Gesetz schreibt jedoch ausdrücklich vor, dass eine nicht schriftliche Anzeige zu einem späteren Zeitpunkt auch schriftlich zu wiederholen ist (§ 11 Abs. 2 GwG). 109 110

288 4. Kap.: Verlagerung von den Verfallsvorschriften auf die Geldwa¨schebeka¨mpfung

listisches Gespür erwartet, das er angesichts der Komplexität der Geldwäschevorgänge sowie der Automatisierung des alltäglichen Bankbetriebs nicht besitzen wird. Nimmt man den Wortlaut des § 11 GwG konkreter unter die Lupe, entdeckt man noch einen Schwachpunkt: in der Praxis deuten unübliche bzw. nicht sinnvolle Vermögensbewegungen auf rechtswidriges Verhalten hin. Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass dabei auch konkrete Anhaltspunkte für die Begehung einer Geldwäschehandlung vorliegen. Würde man also diese Vorschrift streng nach ihrem Wortlaut anwenden, würde sich nie ein Verdachtsfall erhärten, so dass die vorliegende Bestimmung irrelevant wäre. Die h. M. geht somit davon aus, dass von jedem Bankmitarbeiter nicht die Feststellung sämtlicher Tatbestandsmerkmale gefordert werden kann. Wenn man bedenkt, dass selbst die Strafverfolgungsbehörden bei Geldwäscheermittlungen oft überfordert sind, sollten an einen einfachen Bankangestellten keine übermäßigen Ansprüche gestellt werden. Denn die Voraussetzung der Feststellung aller Tatbestandsmerkmale würde dieser Vorschrift jegliche praktische Relevanz entziehen. Das wird deutlicher, wenn man bspw. an den Vortatenkatalog denkt. Wegen des Charakters der Geldwäsche als eines Anschlussdelikts sollte sich nach der Gesetzesformulierung der Verdacht auch auf eine konkretisierte Vortat vom Katalog des § 261 StGB und sogar auf eine konkrete Person beziehen. Entgegen dem Wortlaut, der eine Anzeigepflicht bei einem Verdacht wegen § 261 StGB und somit das Vorliegen aller Tatbestandsmerkmale voraussetzt, wird eine Art teleologisch-restriktive Auslegung dieser Vorschrift bevorzugt. Da Zweck dieser Regelung die Verfolgung der Papierspur ist, kann von Bankmitarbeitern nicht die vollständige Straftataufklärung erwartet werden. Die Anzeigepflicht gilt somit erst für Fälle, in denen „die Gesamtschau aller relevanten Umstände dem Bankangestellten zureichende tatsächliche Anhaltspunkte liefert, dass die spezielle Finanztransaktion zur Durchführung von Geldwäsche dient“.111 Von ihm wird somit in Bezug auf die Intensität keine Gewissheit verlangt, während andererseits einfache Vermutungen die Verdachtsschwelle auch nicht erreichen. Neben dieser Verdachtsanzeigepflicht wird den Instituten die zusätzliche Verpflichtung auferlegt, die verdächtigen Finanztransaktionen, die den Anlass zur Anzeigeerstattung gegeben haben, frühestens dann durchzuführen, wenn dem Institut die Zustimmung der Staatsanwaltschaft übermittelt ist oder wenn der zweite Tag nach dem Abgangstag der Anzeige verstrichen ist, ohne dass die Durchführung der Transaktion strafprozessual untersagt worden ist (§ 11 Abs. 1 S. 2 GwG). Unter „strafprozessuale Untersagung“ wird die Sicherstellung nach §§ 111b ff. StPO ver111 BT-Drs. 12 / 2704, S. 12; So auch Teichmann / Achsnich, in: Herzog / Mülhausen, GwHdb § 31, Rn. 54 ff., nach denen die Konkretisierung der Vortat als Voraussetzung zur Verdachtsmeldung dem gesetzgeberischen Willen offensichtlich widersprechen würde; ähnlicher Meinung ist auch Werner, Geldwäsche, S. 134, der trotzdem den Verlust der materiellen Begrenzung der Anzeigepflicht rügt.

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standen. Die Verdachtsanzeigepflicht wäre unvollständig, wenn sie nicht von dieser Stillhaltepflicht begleitet würde. Der Staatsanwaltschaft stehen somit zwei Werktage zur Verfügung, um die geldwäscheverdächtigen Tatsachen zu analysieren und zu entscheiden, ob hinreichende Anhaltspunkte zur Anordnung von Sicherstellungsmaßnahmen vorliegen. Werden innerhalb von zwei Tagen keine solchen Maßnahmen angeordnet, kann die Transaktion frei durchgeführt werden. Diese Stillhaltepflicht stellt für die verpflichteten Institute eine erhebliche Belastung dar. Wird die Durchführung einer Transaktion vom Bankangestellten verweigert, läuft die Bank Gefahr, dass sie ihre Kunden verliert. Zusätzlich wird auf diese Weise und für die dort normierten Fallkonstellationen das Bankgeheimnis praktisch außer Kraft gesetzt.112 Das historisch herauskristallisierte Vertrauensverhältnis zwischen den Bürgern und den Finanzinstituten wird auf diese Weise beschädigt.113 Hintergrund dieser Entscheidung war der Gedanke, dass sich Geldwäscher nicht auf den Schutz des Vertrauensverhältnisses stützen dürfen, den das Bankgeheimnis bietet. Die zweitägige Dauer der Handlungssperre war im Gesetzgebungsverfahren umstritten. Die eintägige Frist, die der ursprüngliche Regierungsentwurf vorsah, war definitiv zu kurz, um der Staatsanwaltschaft die Gelegenheit zu geben, die rechtlichen Voraussetzungen zur Anordnung von Sicherstellungsmaßnahmen zu prüfen und sie zu vollstrecken. Indem die Durchführung von Geldtransaktionen für zwei Tage blockiert wird, können Vermögensverfügungen angehalten werden, die strafprozessuale Maßnahmen vereitelt hätten. Manchmal wird es allerdings in der Praxis schwierig sein, innerhalb dieser Frist auch die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen, bis die Voraussetzungen zur Anordnung von Sicherstellungsmaßnahmen gegeben sind. Eine Verlängerung dieser Frist würde allerdings sowohl für die Belange der Kreditwirtschaft als auch für die Bedürfnisse des modernen raschen Geldverkehrs, somit auch der Kunden, eine unverhältnismäßige Belastung darstellen. Von dieser Stillhaltepflicht wird jedoch eine Ausnahme geregelt, die nicht zu Unrecht ebenso umstritten war. In Eilfällen, d. h., wenn der Aufschub der Finanztransaktion nicht möglich ist, darf diese durchgeführt werden. Erst nach ihrer Durchführung soll der Bankmitarbeiter die Anzeige unverzüglich nachholen (§ 11 Abs. 1 S. 3 GwG). Die Frage, die sich hier stellt, ist, wann ein Eilfall vorliegt. Der Gesetzgeber gibt diesbezüglich an, dass die bevorstehende Transaktion dann als unaufschiebbar anzusehen ist, „wenn sich der Kunde die unverzügliche Durchführung der Transaktion wünscht“.114 Es war mithin zu erwarten, dass diese Regelung auf heftige Kritik stößt.115 Denn auf diese Weise läge allein in der Hand des Kun112 113 114 115

Carl / Klos, wistra 1994, S. 161, 162. Schuster, Die Verantwortung der Banken bei der Geldwäsche, S. 21. BT-Drs. 12 / 2704, S. 18. Z. B. Körner, KR 1994, S. 195, 196.

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den zu bestimmen, ob die Durchführung der Transaktion als unmöglich einzustufen sei oder nicht.116 Die Geldwäscher würden vermutlich diese Frage immer verneinen und dadurch Sicherstellungsmaßnahmen vereiteln. Sollte sich jedoch in einem späteren Zeitpunkt herausstellen, dass die Transaktion aufschiebbar war, ergäbe sich ein konkreter Geldwäscheverdacht. Die Lüge des Kunden könnte somit einen Ermittlungsansatz rechtfertigen. An diesem Beispiel wird allerdings das Risiko ersichtlich, mit dem der einzelne „unbescholtene“ Bürger bei der Durchführung von alltäglichen Transaktionen konfrontiert ist. Stuft er einen nach Geldwäschetypologien „verdächtigen“ Bankvorgang als unaufschiebbar ein, ist er der Gefahr von Ermittlungen wegen Geldwäsche ausgesetzt. Hiermit lässt sich dokumentieren, dass dieses Gesetz sehr oft nicht in der Lage ist, alle möglichen Fallkonstellationen angemessen zu erfassen. Denn er teilt die Verhaltensmuster binär ein: sie sind entweder verdächtig oder nicht verdächtig. Es wird somit verkannt, dass es bei der Abwicklung von Finanztransaktionen Verhalten gibt, die einem so weit gefassten Verdacht der Geldwäsche entsprechen, bei einer näheren Betrachtung jedoch als völlig legal erscheinen. Von einem normativen Konstrukt wie dem GwG könnte man ein Auseinanderhalten solcher Verhaltensmuster nicht erwarten, das setzt „Intelligence-Strukturen“ voraus. Genau dort liegt aber der Problempunkt: der Gesetzgeber scheint solche Ansprüche an dieses Gesetz zu stellen. Diese Vorschrift stellt allerdings nur eine Möglichkeit und nicht eine Verpflichtung für das Kreditinstitut und für den involvierten Bankangestellten dar. Der Bankmitarbeiter ist jedenfalls befugt, die Durchführung einer verdächtigen aber doch „unaufschiebbaren“ Transaktion abzulehnen. Bedenkt man das Strafbarkeitsrisiko, das ihm zukäme, kann man sich auf seine Achtsamkeit verlassen; denn die Durchführung einer Transaktion bei anerkannten Verdachtsmomenten würde die Tatbestandsmerkmale einer leichtfertigen oder sogar einer bedingt vorsätzlichen Geldwäsche erfüllen. Durch die Ablehnung „unaufschiebbarer“ verdächtiger Transaktionen seitens der Banken wird jedoch der Geldwäscher nicht gefasst; dadurch wird lediglich eine bevorstehende oder geplante Geldwäschehandlung erschwert. Am Rande dieser Thematik stellt sich die Frage, ob die Stillhaltepflicht einer verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten würde.117 Hat sich der Verdacht der Geldwäsche, in der Form der Anordnung von Sicherstellungsmaßnahmen oder einer Anklage wegen Geldwäsche erhärtet, können die übergeordneten Interessen der Strafverfolgung das Einfrieren von Transaktionen rechtfertigen. Das gleiche gilt jedoch nicht, wenn sich der erhobene Verdacht nicht verifizieren lässt. In diesem Fall könnte ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Eigentumsgrundrechte von Privaten vorliegen, der nur über eine Entschädigungs116 Nach Ansicht des Bundesrates wird auf diese Weise der Geldwäscher zum Herren des Verfahrens gemacht und das Ziel der Regelung konterkariert, s. BT-Drs. 12 / 2704, S. 46. 117 Dazu Werner, Geldwäsche, S. 146 ff.

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regelung wiedergutgemacht werden könnte. Der Mangel einer staatlichen Entschädigungspflicht lässt also berechtigte Fragen nach der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes offen. Neben der Verdachtsanzeigepflicht wird in § 11 Abs. 3 GwG ein Unterrichtungsverbot an alle außer an die dafür zuständigen staatlichen Stellen formuliert. Bei Anfrage des Kunden nach den Gründen der Transaktionsverzögerung sollte der Bankangestellte schweigen. Diese Verschwiegenheitspflicht überrascht allerdings nicht: da durch die Verdachtanzeigepflicht der vorläufige Zugriff auf kriminelles Vermögen bezweckt wird, sollte der mutmaßliche Geldwäscher vom Verdacht nichts erfahren, damit er keine diesen Zugriff vereitelnden Maßnahmen ergreift. Diese Regelung ist recht plausibel, wenn man an die weiten Verschwiegenheitspflichten von öffentlichen Amtsträgern denkt. Da den Bankangestellten vor allem im Fall einer Verdachtsanzeigeerstattung quasi staatliche Aufgaben zukommen – entsprechend denjenigen eines Ermittlungsbeamten – erscheint dieses Unterrichtungsverbot völlig gerechtfertigt. Problematisch wird es jedoch wiederum, wenn sich der Verdacht der Geldwäsche im Nachhinein nicht erhärtet. Denn auch diesem Kunden darf der Grund der Verzögerung der Transaktion nicht mitgeteilt werden, so dass die Kreditinstitute das Risiko von Unzufriedenheit und Verlust von Kunden tragen müssen. Vielleicht wird diese Möglichkeit sogar die Bankangestellten dazu zwingen, verdächtige Transaktionen ganz abzulehnen, damit sie dann keine (möglicherweise unbegründete) Verdachtsanzeigen übermitteln müssen. Auf diese Weise wird jedoch der Kern des Geldwäschegesetzes, nämlich die Pflicht zur Verdachtsanzeige, praktisch ausgehebelt. Diese Konstellation zeigt noch einmal eindrücklich, dass wegen der Kompliziertheit des GwG sowohl die Normadressaten als auch die Geldwäscher auf Umgehungswege ausweichen werden. Das Gesetz verbietet die Unterrichtung in Bezug auf Anzeigen oder Ermittlungen und ordnet „Verschwiegenheit“ an, gibt jedoch keine „Anweisungen“, was der Bankangestellte zulässigerweise beantworten darf, wenn er vom betroffenen Kunden nach der Verzögerung gefragt wird. Bislang wird überwiegend die Lüge empfohlen; damit potentielle Strafverfolgungsmaßnahmen nicht gefährdet werden, scheint die Täuschung des Kunden angebracht. Außer des moralischen Aspekts scheint dieser „ermittlungstaktische Zwang zur Lüge“ gegen eine rechtliche Hürde zu verstoßen, nämlich das strafprozessuale Täuschungsverbot (§ 136a StPO).118 Dieses verbietet alle Mittel, die in den verschiedenen Stadien der Strafverfolgung die Willensfreiheit des Beschuldigten beeinträchtigen könnten. Der Kunde, gegen den die Anzeige erstattet wurde, hat allerdings noch nicht die Beschuldigteneigenschaft, so dass man behaupten kann, dass das strafprozessuale Verbot in diesem Fall nicht anwendbar ist. Dieses Argument ist jedoch als sehr formalistisch zu verwerfen. Wenn den Bankinstituten ad hoc ermittlungsähnliche Befugnisse gewährt 118

So Werner, Geldwäsche, S. 156.

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werden, sollen dementsprechend die Betroffenen die gleichen Verteidigungsmöglichkeiten genießen. Somit sollte das Täuschungsverbot auch im Stadium der Informationsgewinnung gelten. Die in § 11 Abs. 4 GwG formulierte Verdachtanzeigepflicht könnte die von § 261 Abs. 9, 10 StGB geforderte Freiwilligkeit ausschließen. Diese Vorschriften des Geldwäschetatbestands enthalten Fälle von tätiger Reue bzw. Rücktrittsregelungen von der Verwirklichung des § 261 StGB, wenn die Tat bei der zuständigen Stelle angezeigt und die Sicherstellung der Gegenstände nach § 111b StPO veranlasst wird. Dieser Strafaufhebungsgrund setzt naturgemäß Freiwilligkeit voraus. Es liegt jedoch nahe, dass eine „Freiwilligkeit“ mit einer „Pflicht“ zur Meldung von verdächtigen Transaktionen nicht vereinbar ist. Dieser Widerspruch hätte zur Folge, dass der Strafaufhebungsgrund des § 261 Abs. 9 StGB für Bankmitarbeiter, die im Rahmen ihrer Tätigkeiten in Geldwäschegeschäfte verwickelt sind, nicht herangezogen werden könnte. Der Gesetzgeber stellt somit ausdrücklich klar, dass die Pflicht zur Anzeige die Freiwilligkeit nicht ausschließt. Das ist eine konsequente Lösung. Ohne diese Klarstellung wäre der Bankmitarbeiter bei jeder Verdachtsanzeigeerstattung der Gefahr ausgesetzt, sich selbst wegen Geldwäsche zu bezichtigen. Neben Bedenken bezüglich eines möglichen Verstoßes gegen das Selbstbezichtigungsverbot, würde der Bankmitarbeiter ohne diese Regelung nicht willens sein, eine Anzeige zu erstatten. Er würde von einer solchen Anzeige absehen, in der Hoffnung, selbst unentdeckt zu bleiben. Für den Inhalt der Anzeige und die Informationen, die diese enthält, gelten modifizierte Nutzungsbeschränkungen im Vergleich zu den Informationen, die aus der Identifizierung und Aufzeichnung hervorgehen. Konkreter werden die angezeigten Daten für Geldwäschefälle samt ihren Vortaten verwendet werden. Eine zusätzliche Konstellation, in der solche Angaben herangezogen werden, enthält § 11 Abs. 5 GwG. Demnach sollen solche Informationen auch für Strafverfahren verwendet werden, wenn der Strafrichter nach § 25 GVG nicht zuständig wäre. Wenn man also beide Vorschriften zusammen liest, bedeutet das, dass die Verwendungsbeschränkung nicht mehr gilt, wenn es um Straftaten geht, die von Amts wegen und nicht durch Privatklage verfolgt werden oder, wenn eine höhere Strafe als Freiheitsstrafe von zwei Jahren erwartet wird. Auf diese Weise unterstreicht der Gesetzgeber, dass für schwerere Vergehen und für Verbrechen das relative Verwertungsverbot des § 10 Abs. 1 und 2 GwG aufgehoben wird.119 Diese Regelung betont einerseits die Bedeutung der Verdachtsanzeige als einer Erkenntnisquelle für die Strafverfolgungsbehörden, andererseits stellt aber klar, dass dadurch diese Verwendungsmöglichkeiten abschließend aufgezählt werden und keine Erweiterung mehr möglich ist.120 119 BT-Drs. 12 / 2709, S. 18, Werner, Geldwäsche, S. 171 ff. rügt jedoch die Unbestimmtheit dieser Regelung. 120 Anders Carl / Klos, DStZ 1994, S. 68 72, die de lege ferenda für eine Aufhebung der im GwG gemachten Einschränkungen der Datenweitergabe und -verwendung plädieren.

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Sämtliche Pflichten dieses Gesetzes können für die betroffenen Institute vielfältige Haftpflichten bewirken. Somit war eine Vorschrift unerlässlich, die sicherstellen würde, dass die Wahrnehmung all dieser Verpflichtungen rechtliche Risiken für die Institute ausschließt. Diese Funktion übernimmt § 12 GwG. Nach dieser Regelung werden diejenigen, die den Strafverfolgungsbehörden Tatsachen anzeigen, welche auf eine Geldwäsche schließen lassen, von jeglicher Verantwortlichkeit wegen dieser Anzeige freigestellt. Diese Freistellung schließt somit alle denkbaren zivilrechtlichen, arbeits- und dienstrechtlichen Schadensersatz-, Unterlassungs- oder sonstigen Ansprüche ein. Genauso wenig haftet die Bank für Verzögerungsschäden, die sich aufgrund der Stillhaltepflicht und der späteren Durchführung der Transaktion ergeben können.121 Eine Ausnahme von dieser Bestimmung wird statuiert, wenn die Anzeige vorsätzlich oder grob fahrlässig unwahr erstattet worden ist.

IX. Die Organisationspflichten Neben den an bestimmte Transaktionen angeknüpften Identifizierungs- und Verdachtsanzeigepflichten enthält das GwG eine dritte Säule, namentlich die präventiv orientierten internen Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen (§ 14 GwG). Danach werden die betroffenen Unternehmen verpflichtet, Maßnahmen zu treffen, um sich gegen ihren Missbrauch zu Geldwäschevorgängen wehren zu können. Die verpflichteten Institute müssen somit nicht nur durch die Beschaffung und Weiterleitung von Informationen sowie durch Verdachtsgewinnung den Strafverfolgungsbehörden behilflich sein, sondern auch durch eine bestimmte Ausgestaltung ihrer internen Strukturierung an der Geldwäschebekämpfung aktiv mitwirken. Der Gesetzgeber sieht dies als erforderlich an, denn die Erfüllung der sonstigen Pflichten nach dem GwG reiche zu einer effektiven Geldwäschebekämpfungsstrategie nicht aus.122 Vor allem die arbeitsteilige Struktur der meisten Unternehmen mit zahlreichen Filialen und Zweigstellen sowie die fortschreitende Anonymisierung des Zahlungsverkehrs scheinen die Auferlegung von Organisationspflichten zu rechtfertigen. Obwohl diese Pflichten mittelbar auch dem Schutz der verpflichteten Kreditinstitute dienen, werden sie vor allem zu Zwecken der Strafverfolgung statuiert. Daraus entsteht ein Konfliktpotential, das durch den Umstand verstärkt wird, dass die Erfüllung solcher Organisationspflichten mit einem hohen Organisationsaufwand und daher auch mit hohen Kosten verbunden ist. Diese Umstände hat der Gesetzgeber bei der Formulierung der Organisationspflichten berücksichtigt. Die internen Sicherungsmaßnahmen werden enumerativ aufgezählt, während einige von ihnen wegen der unterschiedlichen Umsetzungsmöglichkeiten sehr allgemein gefasst sind. Somit wird den Wirtschaftssub121 122

Ungnade, WM 1993, S. 2105, 2112. BT-Drs. 12 / 2704, S. 19; so auch Findeisen, wistra 1997, S. 121, 123.

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jekten eine gewisse Regelungsautonomie eingeräumt.123 Durch einen groben Pflichtenrahmen scheint der Gesetzgeber die „autopoietischen“ Kräfte innerhalb der Unternehmen aktivieren zu wollen. Das bedeutet, dass der Gesetzgeber darauf vertraut, dass die Verpflichteten ihr eigenes Interesse zur Ergreifung von Maßnahmen gegen Geldwäsche erkennen werden. Das ist ein Grund, warum Verstöße gegen diese Pflichten nicht bußgeldbewehrt sind. Die Unternehmen, auf die sich die Organisationspflichten beziehen, werden im § 14 Abs. 1 GwG aufgezählt. Die erste zu treffende Vorkehrung betrifft die Bestellung einer leitenden Person innerhalb des Instituts, die als Ansprechpartner für die Strafverfolgungsbehörden fungieren soll. Auf diese Weise wird die im angelsächsischen Rechtskreis seit langem bekannte Institution des „compliance officers“ in das deutsche Recht eingeführt.124 Diese leitende Person, oft auch Geldwäschebeauftragter genannt, ist mit sämtlichen Angelegenheiten beauftragt, die sich auf die Einhaltung des GwG innerhalb des Kreditinstituts beziehen.125 Konkreter obliegt ihm die Sammlung, Bearbeitung und Auswertung aller innerhalb des Unternehmens erstatteten Verdachtsanzeigen. Auf diese Weise wird die Sachkompetenz auf eine Person konzentriert, die angesichts der Kompliziertheit der Sachverhalte eine entsprechende Ausbildung vorweisen soll. Dadurch wird die Kommunikation zwischen den Instituten und den Strafverfolgungs- oder den Aufsichtsbehörden beschleunigt und die Anordnung von Sicherstellungsmaßnahmen erheblich erleichtert. Dem Geldwäschebeauftragten wird die Befugnis zuerkannt, unternehmensinterne Weisungen zu erteilen, verbindliche Erklärungen abzugeben und generell das Unternehmen nach außen hin in Geldwäscheangelegenheiten zu vertreten.126 Um diese Funktion erfüllen zu können, muss er gleichzeitig auf alle erforderlichen Informationen zugreifen können. Der Geldwäschebeauftragte hat somit nicht nur eine Beratungsfunktion, sondern auch und vor allem Entscheidungskompetenzen. Aus diesen Gründen muss er innerhalb eines Unternehmens über eine Position verfügen, die es ihm erlaubt, die Belange der Geldwäschebekämpfung nachdrücklich vertreten zu können.127 Die Entscheidungskompetenz über die Weiterleitung der Verdachtsanzeigen an die zuständigen Stellen bedeutet, dass der Geldwäschebeauftragte die Endentscheidung für Problemfälle trifft und das entsprechende Strafbarkeitsrisiko, das eine solche Entscheidung mit enthält, auf sich lädt. Zu Recht wird an dieser Stelle kritisiert, Findeisen, wistra 1997, S. 121, 123; Bottke, wistra 1995, S. 121, 129. Werner, Geldwäsche, S. 175; diese Bestimmung geht auf die FATF – Empfehlung 20a zurück, ist jedoch in der durch dieses Gesetz umgesetzte EG-Antigeldwäscherichtlinie nicht enthalten. 125 Hoyer / Klos, Geldwäsche, S. 283. 126 BT-Drs. 12 / 2704, S. 19. 127 Teichmann / Achsnich, in: Herzog / Mülhausen, GwHdb § 31, Rn. 101; zum Anforderungsprofil des Geldwäschebeauftragten hat die zuständige Stelle des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen Konkretisierungen vorgenommen, siehe BAKred-Verlautbarung vom 30. 03. 1998, Ziff. 34 ff., abgedruckt bei Fülbier, GwG, Anhang II.1. 123 124

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dass die durch das Verwaltungsrecht künstlich erzwungene strafrechtliche Verantwortlichkeit einer einzelnen Person besonders hoch und deswegen ihre Zumutbarkeit zu hinterfragen sei.128 Das Problem liegt jedoch an den Grenzen der strafrechtlichen Haftung wegen einer eventuell vorliegenden Geldwäsche z. B. bei der Entscheidung, eine Verdachtsanzeige mangels zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte an die Staatsanwaltschaft nicht weiterzuleiten. Das Problem ist somit die Weite des Geldwäschetatbestands und nicht die Konzentrierung der Verantwortung auf den Geldwäschebeauftragten. Die Bestimmung eines Geldwäschebeauftragten kann die einfachen Schalterangestellten entlasten und das Institut durch die Kenntnisse eines Fachmanns vor Verwicklung in Geldwäschetransaktionen schützen.129 Nicht zuletzt entfaltet diese Vorkehrung eine symbolische Funktion: der Geldwäschebekämpfung wird ein solcher Stellenwert anerkannt, für den ein personeller Aufwand unumgänglich erscheint. Neben dem Geldwäschebeauftragten müssen die betroffenen Institute sicherstellen, dass ihre Angestellten, die befugt sind, bare und unbare Transaktionen durchzuführen, zuverlässig sind. Angesichts der Notwendigkeit der Geldwäsche für die organisierte Kriminalität und aufgrund des hohen Gewinnpotentials besteht die Gefahr, dass Geldwäscheorganisationen versuchen werden, ihre Mittelsmänner in Finanz- und Kreditinstitute einzuschleusen. Abgesehen von einem derartigen kollusiven Zusammenwirken ist die Verwicklung von Beschäftigten in Geldwäschevorgänge auch aus Unachtsamkeit möglich. Durch § 14 Abs. 2 Nr. 2 GwG sollen die Unternehmen dieser Gefahr durch eine entsprechende Zuverlässigkeitsprüfung entgegenwirken. Zusätzlich werden die Unternehmen verpflichtet, ihre Angestellten über die Methoden der Geldwäsche zu unterrichten (§ 14 Abs. 2 Nr. 4 GwG). Solche Unterrichtungen sind erforderlich, damit die Angestellten ihren Pflichten nach dem GwG nachgehen können. Vor allem das Erkennen geldwäscheverdächtiger Transaktionen verlangt eine ständige Schulung und Weiterbildung der mit der Abwicklung von Finanztransaktionen betrauten Mitarbeiter. Angesichts dieser Verpflichtung wird eine viel allgemeiner formulierte präventive Vorkehrung vorgesehen, nämlich die Entwicklung interner Grundsätze, Verfahren und Kontrollen. Wie solche Kontrollmechanismen konkreter aussehen sollen, hat der Gesetzgeber nicht gesagt. Der Rückgriff auf die Gesetzesmaterialien hilft auch nicht weiter. Dort wird als Zielsetzung dieser Bestimmung einerseits die Sensibilisierung der Mitarbeiter in Fragen von Geldwäsche, andererseits die Erleichterung ihrer Pflichtenerfüllung durch solche Verfahren angeführt.130 Eine Präzisierung dieser Vorgaben durch die Bankenaufsicht, vor allem durch die entsprechenden Verlautbarungen des Bundesaufsichtsamtes für Kreditwesen (Kurz: 128 129 130

Werner, Geldwäsche, S. 176. So auch Otto, wistra 1995, S. 323. BT-Drs. 12 / 2704, S. 19.

296 4. Kap.: Verlagerung von den Verfallsvorschriften auf die Geldwa¨schebeka¨mpfung

BAKred) bringen auch nicht viel. Dort wird nur erwähnt, dass die Innenrevision regelmäßige Kontrollen durchführen sollte, um festzustellen, ob die verschiedenen GwG-Pflichten eingehalten werden. Diese Kontrolltätigkeiten sind schriftlich zu dokumentieren, so dass die Institute bei relevanter Anfrage der Aufsichtsbehörde einen Tätigkeitsbericht vorlegen können. Die genaue Form dieser Verfahren wird allerdings auch nicht thematisiert. Vor diesem Hintergrund ist vielleicht der Vorwurf einer Unbestimmtheit dieser Norm nicht völlig unbegründet.131 Als interner Kontrollmechanismus wäre auch denkbar, dem Bankmitarbeiter auffällige Scheintransaktionen zur Durchführung vorzulegen, um seine Reaktion zu überwachen. In der Literatur wird eine solche Möglichkeit vehement zurückgewiesen; denn sie kann das Betriebsklima stören; angesichts solcher provozierender Kontrolle würden die Angestellten auch in Zweifelsfällen Anzeigen erstatten, was für das gesamte System Nebenwirkungen hätte.132 Solche internen Verfahren könnten allerdings durch den EDV-Einsatz unterstützt werden: auf diese Weise wäre möglich, auffällige Transaktionen auch ohne die Einschaltung des Schalterangestellten aufzudecken. Es könnte bspw. automatisch nachgeprüft werden, welche Zahlungen von einem Kunden veranlasst wurden, diese mit seinen Einkommensquellen vergleichen und somit dubiose Transaktionen aufspüren; oder alle auf ein Konto eingezahlten Beträge innerhalb eines bestimmten Zeitraums addieren, um einen Smurfing – Verdacht herzustellen. Ein solches Vorgehen, auch wenn es auf den ersten Blick zweckmäßig erscheint, käme jedoch einer bankinternen Rasterung gleich. Solche Vorgänge sind aus verfassungsrechtlichen Erwägungen höchst umstritten; dass diese von Privaten durchgeführt werden, macht sie rechtsstaatlich nicht weniger bedenklich; denn die Ergebnisse solcher Rasterungsvorgänge werden danach von staatlichen Stellen und zu staatlichen Zwecken benutzt, so dass solche Verfahren genau den gleichen Bedenken und Beschränkungen wie ähnliche staatliche Maßnahmen unterliegen. An diesem Beispiel lässt sich somit dokumentieren, wie die Verlagerung öffentlicher Aufgaben auf private Träger, vor allem im Bereich der Strafverfolgung, problematisch werden kann. Die Vagheit der zu treffenden Vorkehrungen macht auch die Überwachung von deren Einhaltung nahezu unmöglich. So kommt diesem allgemeinen Satz ein eher programmatischer Charakter zu. Das gilt allerdings für die gesamte Vorschrift: durch die Formulierung von präventiven Organisationspflichten für die betroffenen Institute im § 14 GwG wurde vom Gesetzgeber das Bedürfnis einer aktiven Mitarbeit der Banken bei der Geldwäschebekämpfung noch einmal unterstrichen und somit lediglich Anstöße gegeben, wie dies geschehen sollte.133 Diese Regelung enthält eine nur exemplarische Auflistung, während die genauer zu ergreifenden Sicherungsvorkehrungen von verschiedenen Faktoren abhängig sind, wie dem materiellen Umfang des Geschäftsbetriebs und der personellen Größe.134 Die betrof131 132 133

Diesen Vorwurf erhebt z. B. Löwe-Krahl, wistra 1994, S. 121, 127. Werner, Geldwäsche, S. 180. Bottke, wistra 1995, S. 121, 129.

B. Die nationalen Bemühungen zur Geldwäschebekämpfung

297

fenen Institute müssen also nicht nur passiv die vom Gesetzgeber gesetzten Verpflichtungen erfüllen, sondern sich umschauen, wie sie über interne Verfahren Geldwäsche erkennen und sich gegen sie verteidigen.

X. Die zuständige Behörde zur Durchführung des Geldwäschegesetzes Mit der Durchführung dieses Gesetzes wird nach § 16 GwG das BAKred beauftragt. Durch diese Verknüpfung wird das GwG als Teil des gesamten bankaufsichtsrechtlichen Regelungsgefüges anerkannt. Der Streit, ob es sich beim GwG um Sicherheitsrecht oder um Gewerberecht handelt, scheint allerdings etwas künstlich.135 Bei dem GwG geht es ohne Zweifel um ein Instrument von Wirtschaftsaufsicht. Vor allem in Bezug auf die Aufsicht sämtlicher Kreditinstitute wurde das Gesetz über das Kreditwesen (KWG) geschaffen, das dementsprechend auch beim Vollzug des GwG relevant wird.136 Insoweit handelt es sich dabei um Gewerberecht. Das Kreditwesengesetz sieht die Schaffung des BAKred vor, welches eine doppelte Zielsetzung aufweist: einerseits wird dadurch der Schutz des Bankkunden bezweckt, dessen Vermögen durch unlautere, unklare Bankgeschäfte gefährdet wird, andererseits ist wegen der besonderen Bedeutung der gesamten Kreditwirtschaft und ihrer Verflechtungen mit der Volkswirtschaft eine globale bzw. gesamtwirtschaftliche Beobachtung – Aufsicht des Kreditgewerbes erforderlich (die sog. „Strukturaufsicht“). Denn diese kann sicherstellen, dass durch einen funktionstüchtigen Kreditapparat keine volkswirtschaftlichen Schäden eintreten.137 Zu diesen Aufgabenbereichen der Bankenaufsicht kommt nunmehr ein neuer hinzu, nämlich die Geldwäschebekämpfung. Nach überwiegender Meinung lässt sich diese Aufgabe inhaltlich in der bisherigen Zuweisungsnorm des § 6 KWG unterbringen, die eigentliche Neuerung sei allerdings, dass Geldwäsche-, also Kriminalitätsbekämpfung auch der bankspezifischen Gefahrenabwehr zugute kommen kann.138 Die Bankenaufsicht wird durch die neuen Aufgaben jedoch nicht zu einer „Strafverfolgungsbehörde sui generis“: Schwerpunkt ihrer Aktivitäten bleibt Teichmann / Achsnich, in: Herzog / Mülhausen, GwHdb § 31, Rn. 91. Die erste Ansicht wird von Teichmann / Achsnich, in: Herzog / Mülhausen, GwHdb § 29, Rn. 36 ff., die zweite dagegen von Findeisen, wistra 1997, S. 121, 122, 126 und LöweKrahl, wistra 1994, S. 121 vertreten; Kaufmann, Die Bedeutung der Einbeziehung von Bankmitarbeitern in die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche, S. 128, sieht den Schwerpunkt der Regelungen aufgrund der unmittelbaren Anknüpfung des GwG an den § 261 StGB eher im Bereich des Strafverfahrensrechts. 136 Gesetz über das Kreditwesen vom 10. 7. 1961, BGBl. I 1961, S. 881 ff., zuletzt geändert durch das Gesetz vom 21. 12. 1992, BGBl. I 1992, S. 2211 ff. 137 Weimar / Schimikowski, Grundzüge des Wirtschaftsrechts, S. 361, Rn. 805. 138 Fülbier, WM 1990, S. 2025, 2032; Werner, Geldwäsche, S. 188. 134 135

298 4. Kap.: Verlagerung von den Verfallsvorschriften auf die Geldwa¨schebeka¨mpfung

der Komplex der Gefahrenabwehr, der jedoch nur Früchte bringen kann, wenn die entsprechende Strafverfolgung optimiert wird. Hier kann das Phänomen beobachtet werden, wie ein präventives Ziel (die Gefahrenabwehr) durch Repression (Strafverfolgung) angestrebt wird. Eine erfolgreiche Bewältigung des Phänomens der Geldwäsche bzw. ihre strafrechtliche Normierung kann also der Kontrolle von Gefahrenquellen aus dem Kreditgewerbe und der Gesamtwirtschaft dienlich sein. Auf diese Weise lässt sich der Umstand rechtfertigen, dass die Verdachtsanzeigepflicht nach § 13 GwG auch für das BAKred gilt. Bei der Feststellung von geldwäscheverdächtigen Tatsachen ist das BAKred verpflichtet, diese unverzüglich der zuständigen Strafverfolgungsbehörde anzuzeigen. Hinter dieser Bestimmung steht die Überlegung, dass das Bundesaufsichtsamt aufgrund seines Aufgabenbereichs und seines Fachwissens oft in der Lage sein wird, Geldwäschekomplexe zu erkennen.139 In der Praxis wird von dieser Möglichkeit sehr selten Gebrauch gemacht.140 Diese Zurückhaltung ist nicht zuletzt auf das Offenbarungsverbot zurückzuführen, das nach § 9 Abs. 1 KWG für Tatsachen gilt, die den beim BAKred beschäftigten Personen anlässlich ihrer Aufsichtstätigkeit bekannt geworden sind. Eine solche Offenbarung wird nur bei ausdrücklicher Erlaubnis des Kreditinstituts zugelassen oder, wenn diese durch höherwertige Interessen gerechtfertigt oder geboten ist. Bei der Aufdeckung irgendeines Geldwäschefalls, der z. B. einen Bagatellcharakter hat, lägen diese höherwertigen Interessen nicht vor. Somit kommt § 13 GwG eine wichtige Funktion zu, indem durch die Formulierung einer Rechtspflicht keine Abwägung mehr erforderlich ist. Die Effektivität dieser Anzeigepflicht ist allerdings zu bezweifeln. Denn das BAKred, das mit der Einhaltung der GwG-Pflichten beauftragt ist, wird lediglich strukturelle Kontrollen bezüglich der Anwendung der relevanten Vorschriften durchführen. Da das BAKred selbst – aus guten Gründen – keine Ermittlungskompetenz hat, bleibt die Aufdeckung von Geldwäschefällen dem Zufall überlassen. Die Verdachtsanzeigepflicht des BAKred hat damit wieder einen nur symbolischen Wert. Dadurch wird signalisiert, dass Kommunikationskanäle zwischen Aufsichts- und Strafverfolgungsbehörden existieren und dass die Vernetzung aller zuständigen Stellen für eine effektive Geldwäschebekämpfung erforderlich ist. Das BAKred kommt seinen Aufgaben im Bereich der Geldwäschebekämpfung durch konkrete Kontrollmaßnahmen und durch die Veröffentlichung von Bekanntmachungen und Verlautbarungen nach. Vor allem im Rahmen der Jahresabschlussprüfung hat der Prüfer festzustellen, ob das Kreditinstitut die Verpflichtung nach § 14 GwG erfüllt hat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 27 KWG). Die Beschränkung dieser Kontrolle auf die Organisationspflichten liegt daran, dass die sonstigen Pflichten des GwG, wie z. B. die Identifizierungs- oder Aufzeichnungspflichten sich von ihrer Art her einer systematischen Kontrolle entziehen.141 139 140 141

BT-Drs. 12 / 2704, S. 19. Fülbier, § 13 GwG, Rn. 3. Werner, Geldwäsche, S. 193.

B. Die nationalen Bemühungen zur Geldwäschebekämpfung

299

Darüber hinaus wird vom Prüfer die Kontrolltätigkeit durch die Innenrevision beurteilt. Neben der umfassenden Kontrolle im Rahmen des Jahresabschlusses sind auf der Grundlage von § 44 Abs. 1 Nr. 1 KWG Sonderprüfungen möglich. Diese Kontrollen, die ohne besonderen Anlass durchgeführt werden, erlauben dem BAKred routinemäßig und nicht nur beim Vorliegen eines bestimmten Verdachts Prüfungen anzuordnen. Diese können sich auf alle Tatsachen beziehen, die mit dem Geschäftsbetrieb eines Instituts in Verbindung stehen. Dem Auskunftspflichtigen steht allerdings nach § 44 Abs. 4 KWG eine Auskunftsverweigerungsrecht zu, wenn er durch die Auskunft mit einer strafrechtlichen Verfolgung oder mit einem ordnungswidrigkeitrechtlichen Verfahren konfrontiert wäre. Die Tätigkeiten des BAKred hat vor allem die Veröffentlichung verschiedener Bekanntmachungen geprägt. Mit seiner Verlautbarung über Maßnahmen der Kreditinstitute zur Bekämpfung der Geldwäsche vom 04. November 1993 nimmt das BAKred Stellung zur Anwendung der Vorschriften des GwG und gibt Auslegungshinweise an. Diese Verlautbarungen werden ständig aktualisiert und neuen Geldwäschemethoden angepasst.142 Gleichzeitig sind dort sehr ausführliche Vorgaben für die organisatorische Handhabung der Pflichten zu finden. Solche Vorgaben verstehen sich als Mindestanforderungen. Obwohl die Verlautbarungen keinen Gesetzesrang besitzen und somit die Kreditinstitute nicht unmittelbar binden, erwächst für sie daraus ein mittelbarer Druck; denn das Zeugnis eines kooperationswilligen Instituts bei Geldwäschefragen ist für den allgemeinen Ruf jedes Kreditinstituts wichtig.

XI. Sanktionen Außer den gewerberechtlichen Maßnahmen, die das BAKred bei Verletzungen des Gewerberechts verhängen kann, enthält das GwG besondere Sanktionsvorschriften. Diese werden bei Verletzungen der Pflichten der Kreditinstitute aktiviert. Nicht jeder Verstoß gegen diese Pflichten wird aber mit einer Sanktion bedroht. Der ordnungspolitische und präventive Charakter des GwG ist allerdings der Grund, warum diese Verstöße keinen besonderen ethischen Unwert aufweisen, der ihre Einstufung als Straftaten rechtfertigen würde. Sie wurden als Ordnungswidrigkeiten ausgestaltet. Zwischen solchen Verstößen unterscheidet man einige, die unabhängig von Vorsatz oder Fahrlässigkeit sanktioniert werden und andere, die nur bei vorsätzlicher Begehung geahndet werden. Zu der ersten Kategorie zählen die Verstöße gegen die Identifizierungs-, die Aufzeichnungs- und die Aufbewahrungspflichten (§ 17 Abs. 1 GwG). Im Gegensatz dazu werden die Verletzungen gegen die Pflicht zur Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten, gegen das Mit142 Zur Entwicklung dieser Verlautbarungen s. Teichmann / Achsnich, in: Herzog / Mülhausen GwHdb § 29, Rn. 47 ff.; zur Rechtscharakter dieser Verlautbarungen s. Herzog, WM 1999, S. 1905, 1909.

300 4. Kap.: Verlagerung von den Verfallsvorschriften auf die Geldwa¨schebeka¨mpfung

teilungsverbot in Bezug auf die erstattete Anzeige und gegen die Verpflichtung der Mitteilung hinsichtlich einer ausländischen Zweigstelle (§ 17 Abs. 2) nur bei vorsätzlicher Begehung verfolgt. Der unterschiedliche Unwert spiegelt sich dementsprechend in dem jeweiligen Rahmen der angedrohten Geldbußen. Während bei den ersten mit einer Geldbuße bis zu 200.000 DM (100.000 A) zu rechnen ist, kann die entsprechende Geldbuße bei den vorsätzlichen Verstößen mit nicht mehr als 100.000 DM (50.000 A) geahndet werden (§ 17 Abs. 3 GwG). Die Ahndung dieser Rechtswidrigkeiten wird vom BAKred als Verwaltungsbehörde im Sinne von § 36 Abs. 1 OWiG veranlasst. Diese Funktion ist dem BAKred allerdings nicht fremd, denn es ist auch im Rahmen seiner gewerbeaufsichtsrechtlichen Zuständigkeiten zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach dem KWG zuständig. Der Charakter der Ordnungswidrigkeiten des GwG als pflichtwidriges Verhalten erklärt ihre Ausgestaltung als Unterlassungstatbestände. Ordnungswidrig handelt also derjenige, der die Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht unterlässt. Die Frage ist allerdings, wem die begangene Ordnungswidrigkeit zugerechnet wird. Dabei handelt es sich um eine äußerst komplizierte Frage, die verschiedene Teilaspekte aufweist. Auf eine dogmatische Analyse all dieser Möglichkeiten wird an dieser Stelle verzichtet. Denn hier sollte lediglich aufgezeigt werden, welcher Mittel sich der Gesetzgeber zur Durchsetzung seiner Erwartungen gegenüber den Kreditinstituten bedient. Das GwG ist an Kredit- und Finanzinstitute adressiert, also nicht an natürliche Personen, während jedoch die unmittelbar Handelnden die Bankangestellten sind. In Betracht kommt also entweder eine Verantwortung von einfachen Angestellten im Rahmen des § 9 Abs. 2 Nr. 2 OWiG (Wahrnehmung von Aufgaben, die dem Inhaber des Betriebes obliegen, in eigener Verantwortung) oder / und die Verantwortung von gesetzlichen Vertretern oder leitendem Personal gemäß § 9 Abs. 1 und 2 Nr. 1 OWiG. Relevant kann in diesem Zusammenhang auch der Auffangtatbestand des § 130 OWiG (Verletzung der Aufsichtspflicht) sein. Ein zusätzlicher Aspekt bezieht sich auch auf die Möglichkeit, gegen die Bank als juristische Person eine Geldbuße nach § 30 OWiG zu verhängen. Die sog. „Verbandsgeldbuße“ ist jedoch nur dann möglich, wenn die Bezugstaten, die betriebsbezogene Pflichten verletzen, vom Vorstand bzw. von den leitenden Angestellten des Betriebs begangen wurden. Dieser nur flüchtige Blick in die Sanktionierungsmöglichkeiten führt zum Schluss, dass Ahndungsmöglichkeiten denkbar sind. Wer jeweils zur Verantwortung gezogen werden kann, führt jedoch potentiell zu einer Unsicherheit, ja einer Unbestimmtheit in Bezug auf die Konkretisierung der individuellen Verantwortlichkeit. Dieses Phänomen fügt sich allerdings in die beobachtete Lockerung der Zurechnungsregeln ein, die in verschiedenen Bereichen des strafrechtlichen und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Gefüges immer häufiger auftritt und mit einer fortschreitenden Folgenorientierung im Strafrecht zusammenhängt.143 Auf diese Weise 143

Ähnlich Werner, Geldwäsche, S. 306.

B. Die nationalen Bemühungen zur Geldwäschebekämpfung

301

sollte sichergestellt werden, dass für ein bestimmtes sozial unerwünschtes Verhalten eine bestimmte Person zur Verantwortung gezogen wird. Die „Suche nach einem Täter“ bewirkt jedoch auch eine Verflüchtigung der individuellen Schuld bzw. Vorwerfbarkeit, die unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten sehr bedenklich ist. Denn staatliche Eingriffe in höchstpersönliche Rechtsgüter von Bürgern als Reaktion auf sozial unerwünschte Verhaltensweisen sind als legitimiert anzusehen, wenn diese vom Willen des Verursachers getragen werden. Die graduelle Abkoppelung von einem individualisierbaren Schuldbewusstsein und die eintretende Verobjektivierung der Verantwortung hat als Ergebnis, dass die entsprechenden Normen potentiell ihren Unrechtscharakter verlieren, so dass sie bei den Adressaten allmählich nicht als normative Erwartungen wahrgenommen und letztendlich nicht mehr beachtet werden. Abgesehen davon wurde bereits darauf hingewiesen, dass nicht alle Verstöße gegen die dort statuierten Verpflichtungen bußgeldbewehrt sind. Konkreter werden keine Sanktionen für die Verletzung der Anzeige-, der Stillhaltepflicht sowie der umfassenden Organisationspflichten nach § 14 GwG angedroht. Wenn man bedenkt, dass es bei diesen Pflichten um die wichtigsten Vorschriften geht, überrascht auf den ersten Blick der Mangel an entsprechenden Ordnungswidrigkeiten. In Bezug auf die Anzeigepflicht wurde die relative Unbestimmtheit dieser Verpflichtung als ein Hindernis angesehen. Auf die Schwierigkeiten, den Verdachtsfall konkret und unabhängig von fallbezogenen Erwägungen zu definieren, wurde bereits eingegangen. Der Verdacht, dass eine Transaktion der Geldwäsche dient, lässt sich nur unter Heranziehung von verschiedenen Auslegungsmerkmalen präzisieren, wobei dem Bankangestellten ein relativ weiter Beurteilungsspielraum zuerkannt wird. Dieser würde erheblich verkürzt, wenn der Gesetzgeber eine einschlägige Ordnungswidrigkeit formulieren würde.144 Verstöße gegen die Stillhaltepflicht hat der Gesetzgeber nicht sanktionsbewehrt, um innere systematische Widersprüche zu vermeiden. Man kann nicht einerseits durch die Eilfallregelung die Stillhaltepflicht außer Kraft setzen und gleichzeitig im Fall der Nichteinhaltung dieser Pflicht eine Ordnungswidrigkeit formulieren. Die Herausnahme der Organisationspflichten aus dem Katalog des § 17 GwG scheint ebenso plausibel. Sowohl ihre Unbestimmtheit als auch die bereits erörterten Möglichkeiten der Bankenaufsicht machen in diesem Fall eine Sanktionierung überflüssig.

XII. Das Verhältnis zwischen § 261 StGB und Geldwäschegesetz In diesem Zusammenhang sollte kurz auf das Verhältnis zwischen dem Geldwäschetatbestand des § 261 StGB und des GwG eingegangen werden. 144

Teichmann / Achsnich, in: Herzog / Mülhausen, GwHdb § 31, Rn. 86 ff.

302 4. Kap.: Verlagerung von den Verfallsvorschriften auf die Geldwa¨schebeka¨mpfung

Einerseits knüpft das GwG unmittelbar an § 261 StGB, denn die dort statuierten Pflichten werden bei einem konkreten Geldwäscheverdacht aktiviert. Die Reichweite dieser Pflichten wird somit stets in Rückgriff auf die materielle Strafbarkeit der Geldwäsche definiert. Andererseits wird die Handhabung von § 261 StGB in der Praxis von einer konsequenten Anwendung des GwG abhängig gemacht. Wie mehrmals erwähnt zielt das GwG darauf ab, den Strafverfolgungsbehörden Anhaltspunkte für Geldwäsche zu liefern. Die Durchsetzung des Strafanspruchs wegen Geldwäsche wird somit erst dann ermöglicht, wenn ihre Begehung aufgedeckt wird. Wenn kein Verdacht gewonnen wird, ist keine Bestrafung möglich. Somit entsteht zwischen den beiden Normen eine funktionale Verknüpfung.145 Bei einer näheren Betrachtung erweist sich jedoch diese Verknüpfung als problematisch. Denn die normativen Unzulänglichkeiten bei der einen Norm werden potentiell auf den jeweils anderen Bereich übertragen; das gilt vor allem für die strafrechtliche Norm, deren weite Grenzen sich auch auf das GwG auswirken. Das kann anhand eines Beispiels veranschaulicht werden: während die Inpflichtnahme der Kreditinstitute die Ermittlung von Geldwäschegeschäften zum Ziel hat, macht es die Erfüllung dieser Pflichten erst möglich, dass die Verpflichteten bzw. die Bankangestellten als Geldwäscher behandelt werden: wenn ein Bankangestellter im Rückgriff auf die Eilfallregelung eine Transaktion durchführt, obwohl er einen Verdacht auf Geldwäsche hat, macht er sich wegen leichtfertiger Geldwäsche strafbar. Damit die Bankangestellten dieses Risiko nicht eingehen, werden sie bei unsicheren Situationen die verdächtige Kundenbeziehung abbrechen oder die fraglichen Transaktionen gar nicht durchführen, so dass das GwG gar nicht aktiviert wird. Auf diese Weise werden die Geldwäscher gewarnt und die Strafverfolgungsbehörden von wichtigen Erkenntnissen abgeschnitten. Dabei kann es sich nur um einen „Konstruktionsfehler“ handeln.146

XIII. Ergebnis Nachdem ein Überblick über die teils komplizierten Bestimmungen des GwG gewonnen wurde, sollte die Effektivität dieses viel versprechenden Gesetzes diskutiert werden. An verschiedenen Stellen wurde bereits aufgezeigt, dass dieses ursprünglich als „Gewinnaufspürungsgesetz“ betitelte Gesetzeswerk nur bedingt zur tatsächlichen Aufspürung von kriminellen Gewinnen beitragen kann.147 Der Grund für die beschränkte Tauglichkeit des GwG zur Gewinnaufspürung liegt vor allem an den hohen Erwartungen, die an die Mitarbeit der Finanz- und Kreditinstitute bei der Geldwäschebekämpfung gelegt wurden. Somit entsteht der Eindruck, dass der 145 146 147

Hetzer, NJW 1993, S. 3298, 3230; so auch BT-Drs. 12 / 2704, S. 1, 10. Löwe-Krahl, wistra 1994, S. 121, 126. Ungnade, WM 1993, S. 2106, 2115.

B. Die nationalen Bemühungen zur Geldwäschebekämpfung

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Gesetzgeber in diesem Zusammenhang nicht auf die Frage eingegangen ist, ob die verpflichteten Institute und Personen die umfassenden Pflichten überhaupt erfüllen können. Trotz der Pflichtensprache wird diese Pflichterfüllung von der „Aufspürungslust“ des einzelnen Mitarbeiters abhängig gemacht.148 Ignoriert wurde jedoch vor allem eine strukturelle Schwierigkeit, nämlich ein Gleichgewicht zu schaffen zwischen diesen strafverfolgungsrelevanten Pflichten und dem privat organisierten, auf Gewinnmaximierung angelegten Betrieb der betroffenen Institute.149 Für die geringen Erfolgschancen gibt es jedoch noch einen Grund: die verschiedenen Pflichten weisen im Grunde genommen eine plausible Richtung auf; die Abschaffung des anonymen Geldverkehrs durch die Identifizierungspflichten z. B. scheint sehr logisch, denn Geldwäscher dürfen sich nicht auf anonyme Bareinzahlungen verlassen. Die Anzeigepflichten wollen, trotz der problematischen Übertragung von Ermittlungstätigkeiten auf private Unternehmen, ein Informationsbündel konstruieren, das den Strafverfolgungsbehörden bessere und mehrere Ermittlungsansätze liefert.150 Die Schwäche dieses Konzepts liegt jedoch darin, dass diese Pflichten nicht so weit gehen, um den angestrebten, präventiven Effekt herbeizuführen. Sie bleiben unbestimmt, sie verfallen oft in quasi „Soll-Vorschriften“, die eher einen symbolischen als einen funktionalen Wert haben. Diese Pflichten können und dürfen allerdings nicht weiter gehen. Sie können es nicht tun, weil sie in diesem Fall den gesamten Finanzverkehr und damit die private aber auch die Volkswirtschaft völlig lahm legen würden. Eine völlige Überwachung des Bankkunden würde vielleicht einige Ermittlungen mehr veranlassen, vielleicht sogar ein paar Dutzend Verurteilungen mehr wegen Geldwäsche. Ein längerfristiger Erfolg bei der Bewältigung der Geldwäsche würde jedoch nicht eintreten. Ergebnis wäre nicht nur hohe Belastungen und Schäden für die gesamte Wirtschaft, sondern auch eine Verlagerung der Geldwäschebegehung in andere Bereiche sowie eine Professionalisierung des ganzen Umgangs mit kriminellen Gewinnen. Diese Pflichten dürfen aber auch nicht weiter gehen. Neben den Nachteilen für die Funktionsfähigkeit der Wirtschaft, neben den mangelnden Erfolgschancen für die Geldwäschebekämpfung werden zu Recht Bedenken hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit dieses Bekämpfungsansatzes erhoben. Eine umfassende Überwachung des Bankkunden zerdrückt verfassungsrechtlich anerkannte Grundrechte, wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und verkürzt historisch bewährte Abwehrpositionen des Einzelnen gegenüber der Strafverfolgung. Überdehnte Anzeigepflichten bringen die Gefahr der Verwicklung eines Unschuldigen in Strafverfolgungstätigkeiten näher, während sich letztlich der Bezug zu Rechtsgutsverletzungen immer mehr verflüchtigt. 148 149 150

Bottke, wistra 1995, S. 121, 129. Ähnlich Carl / Klos, wistra 1994, S. 161, 162. Kaufmann, Einbeziehung von Bankmitarbeitern, S. 10.

304 4. Kap.: Verlagerung von den Verfallsvorschriften auf die Geldwa¨schebeka¨mpfung

Zusammenfassend darf man von dem vorliegenden Geldwäschegesetz nichts Besonderes erwarten. Sowohl das Verschleiern der illegalen Herkunft als auch die Investition inkriminierter Gelder in die legale Wirtschaft werden durch das GwG minimal, nicht jedoch spürbar erschwert.151 Diese Aussage sollte allerdings nicht als ein Plädoyer zur Abschaffung des GwG missverstanden werden. Das GwG schafft einen zum großen Teil legitimen Rahmen für die Einbeziehung der privaten Wirtschaft in die Geldwäschebekämpfung, dem grundsätzlich zuzustimmen ist.152 Diesem Rahmen kommt jedoch in erster Linie eine demonstrative bzw. symbolische Funktion zu: dadurch sollte der Wille demonstriert werden, die Leistungskraft, Akzeptabilität und Verträglichkeit des bestehenden Finanzsystems mit dem gesellschaftlichen Gesamtsystem zu erhalten.153 Im Verbund mit dem Geldwäschetatbestand und den zuvor analysierten strafrechtlichen Sanktionen sollte das GwG die Gefahr illustrieren, welche der Geldwäsche innewohnt. Darüber hinaus wird durch dieses Gesetz die Transformation der Gewinnabschöpfung von einer Ausgleichsstrategie hin zu einem rein präventiven Ansatz vollbracht. Zentrale Bedeutung spielt also nicht das Anliegen der Wiederherstellung der durch die Straftat verletzten Vermögensordnung, sondern, wie bereits erwähnt, das Abschreckungs- und Sicherungspotential von Sanktionen, die erst durch die Durchführung dieses Gesetzes verhängt werden können. Nach alledem ist auch die Frage fast beantwortet, ob eine extensive Inpflichtnahme der Kreditwirtschaft zu fordern ist oder, ob diesbezüglich Zurückhaltung geboten ist. Eine solche extensive Inpflichtnahme würde nicht nur die Kapazitäten der Adressaten sprengen und höhere Kosten als Gewinne verursachen, sondern auch bereits existierende rechtsstaatliche Unzulänglichkeiten verstärken. Auf diese Weise wäre es angebracht, die durch das GwG statuierten Pflichten erst einmal erproben zu lassen und nach erfolgter Evaluation und immer mit einem kritischen Blick über eine Korrektur (nach oben oder nach unten hin) nachzudenken.

Zustimmend: Kern, Geldwäsche und OK, S. 211; Bilo, KR 1994, S. 129, 132. Findeisen wistra 1997, S. 121, 122 redet vom Pflichtenkatalog als einer „unabdingbaren Voraussetzung“ zur Aufdeckung und Verhinderung von Geldwäschehandlungen. 153 So Bottke, wistra 1995, S. 121, 126. 151 152

5. Kapitel

Die Intensivierung der Geldwäschebekämpfung und der Gewinnabschöpfung Im letzten Kapitel wurden die Bemühungen um die Schaffung der gesetzlichen Grundlagen zur Geldwäschebekämpfung dokumentiert. Daraus entstanden der Geldwäschetatbestand des § 261 StGB und das Geldwäschegesetz, das die Einbeziehung der Wirtschaft in diesen Strafverfolgungsbereich normierte. Dieser Schritt stellt allerdings nicht den Abschluss, sondern erst den Beginn einer regen Beschäftigung der Legislative mit dieser Materie dar. Bevor diese Normen überhaupt zur Anwendung kamen, wurden Forderungen nach ihrer Änderung bzw. Erweiterung laut. Das Phänomen der Geldwäsche wird immer stärker mit der viel weiter gefassten Kategorie der organisierten Kriminalität verknüpft, manchmal sogar in so einer Weise, als ob Geldwäsche nur bei den Aktivitäten krimineller Gruppierungen vorkommen würde. Gleichzeitig werden sowohl die organisierte Kriminalität als auch die Geldwäsche durch ununterbrochene massenmediale Darstellungen emotionalisiert;1 dementsprechend häufen sich in dieser Zeit populärwissenschaftliche Veröffentlichungen.2 Es ist somit nicht zu vermeiden, dass diese Thematik „ihre Eigendynamik entwickelt“3 und hin und wieder zu politischen Zwecken instrumentalisiert wird. Eine derartige Diskursivierung hat jedoch zum Ergebnis, dass der organisierten Kriminalität die Rolle einer unverzichtbaren Argumentationsfigur zukommt, aufgrund der Strafschärfungen, neue Eingriffsbefugnisse, jedenfalls eine repressivere Kriminalpolitik stets gerechtfertigt erscheinen. Diese Tendenz wird im weiteren Verlauf der Diskussion über die Geldwäschebekämpfung sichtbar. Eine derartige Betrachtung des Phänomens der Geldwäsche bewirkt jedoch, dass dieses und das dazugehörige Recht einen außerordentlichen Stellenwert in der kriminalpolitischen Diskussion erlangen, der nicht unbedingt den wahren Umfang des Problems wiedergibt. Gleichzeitig scheint der anfängliche Elan für die Suche der „besten“ und „effektivsten“ gewinnabschöpfenden Sanktio1 Die organisierte Kriminalität kann als eins der wichtigsten, wenn nicht als das wichtigste Medienthema gelten, so Obermöller / Gosch, KJ 1995, S. 45 ff. 2 Nur exemplarisch Roth / Frey, Die Verbrecher-Holding; Falcone, Mafia intern; Uesseler, Herausforderung Mafia – Strategien gegen organisierte Kriminalität; Jünschke / Meertens, Risikofaktor Innere Sicherheit. 3 So Jekewitz, GA 1998, S. 267, 280.

306 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

nen verpufft zu sein. Die zahlreichen gesetzgeberischen Initiativen in diesem Bereich sind daher als Reaktionen auf diese Schwerpunktverlagerung zu betrachten. Zunächst wird der Entwurf eines 2. OrgKG der SPD-Fraktion (unter A.) sowie das Verbrechensbekämpfungsgesetz (unter B.) präsentiert. Der Gesetzgeber scheint im Laufe der Entwicklung vom Bedürfnis überzeugt zu sein, das Recht gegen Geldwäsche durch unterschiedliche Methoden effektivieren zu müssen. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Mehrzahl der Gesetze erklären, die zu diesem Zwecke unmittelbar oder mittelbar verabschiedet wurden: das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (unter C.), das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz (unter D.) sowie sein Änderungsgesetz (unter E.), das Viertes Finanzmarktförderungsgesetz (unter F.) und nicht zuletzt das Geldwäschebekämpfungsgesetz (unter G.) werden an dieser Stelle dargestellt und diskutiert.

A. Der Entwurf eines 2. OrgKG der SPD-Fraktion Hintergrund der vorangegangen Gesetzeswerke war das hohe Bedrohungspotential der organisierten Kriminalität für die rechtsstaatliche Ordnung. In diesem Zusammenhang wurde es von einer „Krisensituation“ ausgegangen, welche die Überschreitung rechtsstaatlicher Grenzen oder die Außerkraftsetzung von bewährten strafrechtlichen Prinzipien legitimiere.4 Diese Stimmung dominierte auch den weiteren Verlauf der Gesetzgebungsgeschichte über Gewinnabschöpfung und Geldwäschebekämpfung. Die nächste „Station“ umfasst erstens einen Entwurf eines 2. OrgKG der SPD-Fraktion und zweitens einen Entwurf der damaligen Koalitionsmehrheit, der zu späterem Zeitpunkt als Verbrechensbekämpfungsgesetz verabschiedet wurde.5 Beide Entwürfe enthielten eine Vielzahl von Vorschriften, welche das strafrechtliche Instrumentarium zur Bewältigung der „neuartigen Gefahren“ bereichern sollten. Beiden lag ein doppelter Ansatz zugrunde, wonach gleichzeitig repressive und präventive Zielsetzungen verfolgt wurden. Durch die Einführung von neuen Straftatbeständen oder die Verschärfung von bereits existierenden sollte eine erhöhte generalpräventive Wirkung erzielt werden. Noch gewichtiger war jedoch die Erweiterung von Ermittlungsbefugnissen der Strafverfolgungsbehörden. Diese würde potentiell nicht nur die Aufdeckung von bereits erfolgten Rechtsgutsverletzungen erleichtern, sondern Rechtsgutsgefährdungen auch im Vorfeld ausschalten. In diesem Rahmen kommt dem Entwurf eines 2. OrgKG eine besondere Bedeutung zu. Eineinhalb Jahre nach der Implementierung des ersten OrgKG kam durch diesen Entwurf das Bedürfnis zum Ausdruck, die Lücken, die das erste hinterlassen hat, zu schließen. 4 5

Diese Argumentation analysiert Hassemer, StV 1995, S. 483, 485. BT-Drs. 12 / 6784 und 12 / 6853, beide wurden im Jahr 1994 vorgelegt.

A. Der Entwurf eines 2. OrgKG der SPD-Fraktion

307

I. Ziele des Entwurfs Die Rhetorik, die bei den Vorarbeiten des OrgKG entwickelt wurde, wiederholt sich auch bei diesem Entwurf. Vor dem Hintergrund des Einsatzes von immer brutaleren Mitteln und konspirativen Techniken sei von einem qualitativen Sprung bei der Straftatbegehung die Rede; die Häufung von Vermögen sowie seine weitere Einschleusung in die legale Wirtschaft werden als Hauptziele kriminellen Verhaltens angeführt. Solche Vermögenskonzentrationen würden es den kriminellen Strukturen ermöglichen, sämtliche Gesetze der Wirtschaft auszuhebeln und Einfluss auf Politik und Justiz auszuüben. Die organisierte Kriminalität werde wegen ihrer Verfügungsmacht über größere finanzielle Summen zu einer System bedrohenden Kraft. Diese Umstände lassen erneute staatliche Reaktionen als erforderlich erscheinen.6 Dementsprechend sollten diese Reaktionen an das „Vermögen“ ansetzen. Die hohe Kapitalausstattung der organisierten Kriminalität zwang die Strafverfolgung dazu, ihre Kapazitäten auf die Vermeidung von Vermögensanhäufung auszurichten. Dieser Entwurf ist nicht der einzige, der die Erfassung kriminellen Vermögens bezweckte.7 Diese Zwecksetzung ist durchaus legitim, ihre praktische Umsetzung gestaltet sich jedoch aus strafdogmatischen, rechtsstaatlichen Gesichtspunkten als problematisch. Diese Klippe versuchte der vorliegende Entwurf zu überspringen. Er sah eine verfassungsrechtliche Änderung des Grundrechts auf Eigentum vor, die das neu einzuführende Einziehungssystem verfassungsrechtlich zulassen würde. Dieses Verfahren wurde von einem Strafverfahren völlig abgekoppelt und in ein neues gesondertes Verfahren ausgegliedert. Zugleich wurden einige, nicht unerhebliche Änderungen des Geldwäschetatbestands und des GwG vorgeschlagen. Der Entwurf einer 2. OrgKG verfiel mit Ablauf der 12. Legislaturperiode dem Grundsatz der Diskontinuität.8

II. Änderungsvorschläge des Art. 14 GG Neben einer Novellierung von Art. 13 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung), schlug der Entwurf des 2. OrgKG eine Änderung des Grundrechts auf Eigentum vor. Ein neuer Satz in Art. 14 Abs. 1 sollte sicherstellen, dass „Vermögen, das aus Straftaten herrührt oder dafür verwendet werden soll, nicht geschützt wird“.9 BT-Drs. 12 / 6784, S. 1. Sehr ähnlich ist der vom Land Baden-Württemberg in den Bundesrat eingebrachte Entwurf, s. BR-Drs. 695 / 95, die Unterschiede zwischen den beiden Entwürfen werden bei Berg, Beweiserleichterungen, S. 65 ff. erläutert. 8 Vgl. Meyer / Hetzer, NJW 1998, S. 1017 ff. 9 Art. 1 des Entwurfs, BT-Drs. 12 / 6784, S. 3. 6 7

308 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

Bekanntlich werden Eigentumspositionen, die in Straftaten verwickelt sind, wie Tatprodukte und -instrumente vom Schutzbereich des Grundrechts auf Eigentum nicht erfasst. Die Grundlage dafür liefert der Verwirkungsgedanke. In der Literatur wurde allerdings die Abschöpfung von solchem Vermögen für problematisch erachtet, da dieses aus mehreren einzelnen Eigentumsrechten besteht, deren Verwirkung jedes mal gesondert bewiesen werden muss.10 Der neue Satz in Art. 14 Abs. 1 GG wollte dieses Problem beheben und die „Vermögensabschöpfung“ in den zwei genannten Fallkonstellationen ermöglichen, nämlich wenn a) allgemein Vermögen aus Straftaten herrührt (die sog. „Herkunftsalternative“) und b) Vermögen für Straftaten verwendet werden soll (und nicht zwangsläufig bereits für Straftaten verwendet wurde, die sog. „Verwendungsalternative“). Dadurch sollte die Verwirkungsidee auch auf verdächtiges Vermögen ausgedehnt werden. Zudem sollte ein neuer Absatz (Art. 14 Abs. 4 – neu) hinzugefügt werden, der folgendes vorsah: „Vermögen bei dem die auf tatsächliche Anhaltspunkte gestützte Vermutung nicht widerlegt wird, dass es aus schweren Straftaten herrührt oder dafür verwendet werden soll, kann wegen der von ihm drohenden Beeinträchtigung der rechtsstaatlichen Ordnung entschädigungslos eingezogen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“

Dieser Absatz hatte das Ziel, eine Sanktion zu ermöglichen, durch die Vermögen, das aus schweren Straftaten herrührt oder dafür verwendet werden soll, aufgrund von nicht widerlegten Vermutungen hinsichtlich der kriminellen Herkunft eingezogen wird. Über die Abschöpfung rechtswidrig erlangter Vermögensvorteile hinaus, sollte diese Vorschrift auch die Abschöpfung nur mutmaßlich rechtswidrig erlangter Vermögensvorteile ermöglichen. Diese Erweiterung stelle nach der Entwurfsbegründung eine Konkretisierung der Inhalts- und Schrankenbestimmung des Grundrechts auf Eigentum dar.11 Als erstes fällt allerdings der Wortlaut dieser Bestimmung auf, die mehr oder weniger eine in ihren Grundzügen erkennbare Sanktion enthält. Da ähnliche Sanktionen bereits früher einer tragfähigen und überzeugenden verfassungsrechtlichen Kritik ausgesetzt waren, sind die Entwurfsverfasser der Ansicht, dass die Konkretisierung eines entsprechenden Bedürfnisses in einem Artikel des Grundgesetzes jegliche Einwände, vor allem einen möglichen Verstoß gegen die Eigentumsgarantie „ausschalten“ würden.12 Zur Untermauerung dieses Bedürfnisses wird sogar plakativ die Beeinträchtigung der rechtsstaatlichen Ordnung festgeschrieben. Ob die Beeinträchtigung der rechtsstaatlichen Ordnung als eine Legitimationsgrundlage für das Abschneiden elementarer Grundrechte ausreicht, wird allerdings stark bezweifelt. Denn die Grundrechte zielen genau darauf ab, unantastbare Freiheitssphären um das Individuum herum zu bilden, die nur in äußerst extremen 10 11 12

Eser, Sanktionen, S. 143 ff., S. 173 ff. BT-Drs. 12 / 6784, S. 11. Berg, Beweiserleichterungen, S. 71.

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Situationen tangiert werden dürfen. Die rechtsstaatliche Ordnung befindet sich jedoch in einem ständigen Zustand von Beeinträchtigungen und Störungen, deren Behebung das Recht als Ganzes bezweckt. Eine Außerkraftsetzung von Grundrechten wegen einer Bedrohung der rechtsstaatlichen Ordnung würde tendenziell zu einer beliebigen Anwendung der Grundrechte führen, die von ihrem Grundkern nichts mehr übrig lassen würde. Die Beeinträchtigung der rechtsstaatlichen Ordnung ist somit als Kriterium zur Verkürzung grundrechtlicher Positionen völlig ungeeignet. Angesichts der derartig empfundenen Bedrohung durch die organisierte Kriminalität ist zu befürchten, dass es zu einem Übergewicht der Sicherheitsinteressen zu Lasten der Eigentumsgrundrechte Einzelner kommen könnte, so dass dieses Merkmal ohne eine eingehende Prüfung der betroffenen Interessen bejaht werden würde. Nach den Entwurfsverfassern bleibt es dabei, dass jede rechtmäßig erworbene Vermögensposition unter den Eigentumsschutz fällt, jede (auch nur vermutlich) rechtswidrig erworbene Vermögensposition dagegen vom Eigentumsschutz ausgeklammert wird. Dabei handele es sich somit nicht um eine neue Grundregel, sondern um eine Änderung der Beweislastverteilung, so der Entwurf.13 Dabei wird allerdings übersehen, dass diese Beweislastverlagerung letztlich auch den Kern dieser Grundregel ändert; denn wenn es das Individuum aufgrund tatsächlicher Schwierigkeiten es nicht schafft, die Rechtmäßigkeit seines Vermögens zu beweisen, kann es zu Situationen kommen, in denen rechtmäßiges Vermögen vom Eigentumsschutz nicht mehr gedeckt wird. Somit ist auf den ersten Blick erkennbar, wie der Kern des Eigentumsschutzes durch diese Beweislastregel geschwächt wird. Diese Friktionen bei den geplanten Änderungen werden noch eminenter, wenn man sich die Modalitäten des einzuführenden Einziehungsrechts genauer anschaut.

III. Der Entwurf eines Vermögenseinziehungsgesetzes Ausgangspunkt dieses Gesetzentwurfs war das Scheitern des Verfalls und des erweiterten Verfalls, eine effektive Gewinnabschöpfung zu gewährleisten. Der Grund für dieses Scheitern wurde darin gesehen, dass der Verfall und der erweiterte Verfall an den Nachweis der strafrechtlichen Schuld und des Tatkonnexes anknüpfen, die im Rahmen eines Strafverfahrens sehr schwer zu führen seien. Somit bedürfe es eines Instruments, das parallel zu den Verfallsvorschriften zur Anwendung komme; dieses Instrument wäre weder von einer individuellen Strafbarkeit noch von einem mit rechtsstaatlichen Garantien „aufgeladenen“ Strafverfahren abhängig. Es wäre dem öffentlichen Recht zuzuordnen und würde als ein wirkungsvolles Präventionsinstrument zur Abwehr von Gefahren für die rechtsstaatliche Ordnung fungieren.14 13 14

BT-Drs. 12 / 6784, S. 11. BT-Drs. 12 / 6784, S. 10.

310 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

Der Entwurf eines „Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch Vermögenseinziehung („Vermögenseinziehungsgesetz“) sieht ein sachbezogenes zweistufiges Verfahren zur Einziehung von inkriminiertem Vermögen vor.15 Die erste Stufe ist die Sicherstellung. Ihr Gegenstand erstreckt sich auf Vermögenspositionen von natürlichen und juristischen Personen, wenn die Vermutung besteht, dass sie aus schweren Straftaten herrühren oder dafür verwendet werden sollen. Der Umfang dieser Sicherstellung ist nach oben unbegrenzt, so dass die Gesamtheit des Vermögens sichergestellt werden kann (§ 1 Abs. 4). Nach unten wird eine Bagatellgrenze von 15.000 DM festgesetzt (§ 1 Abs. 1). Dieser Mindestwert solle gewährleisten, dass die Vermögenseinziehung ausschließlich beträchtliche Vermögenspositionen erfasse, die sich als gefährliche Refinanzierungsquellen der organisierten Kriminalität eignen würden.16 Anknüpfungstaten sind schwere Straftaten organisierter Kriminalität, wobei die Verfasser sich in diesem Punkt an die entsprechenden Anknüpfungstaten der technischen Überwachung (§ 100a Nr. 2 bis 4 StPO) anlehnen (§ 1 Abs. 3). Zur Vermeidung von Unklarheiten sollte die gesetzliche Definition des Merkmals „Herrühren“ beitragen: ein Herrühren liegt dann vor, „wenn der Erwerb des Vermögens innerhalb von 30 Jahren vor der Sicherstellung durch eine Straftat begründet worden ist“ (§ 1 Abs. 2). Zur Sicherstellung lässt der Entwurf die einfache Vermutung ausreichen, dass das Vermögen aus Straftaten herrührt oder dafür verwendet werden soll. Geregelt werden somit zwei Konstellationen: die erste betrifft Vermögen, das vermutlich aus schweren Straftaten herrührt und somit (möglicherweise) mit einem Makel behaftet ist, während die zweite sich auf Vermögen bezieht, das potentiell zur Begehung von Straftaten eingesetzt wird. Diese Sicherstellung sollte vom BKA oder vom entsprechenden LKA fakultativ angeordnet werden (§ 2 Abs. 1). Dabei werden das entsprechende Verfahren der StPO (§§ 111b ff. StPO) und für die Verwaltung und die Bekanntgabe der auf diese Weise erfolgten Sicherstellung die Vorschriften der Konkursordnung (§§ 76 ff. KO) für anwendbar erklärt (§ 2 Abs. 2, 3). Die Sicherstellung kann für die Dauer von sechs Monaten ohne Verlängerungsmöglichkeit angeordnet werden. Nach Ablauf dieses Zeitraums verliert sie ihre Wirksamkeit, es sei denn die endgültige Vermögenseinziehung wird angeordnet (§ 2 Abs. 4). Die Eingriffsintensität der Sicherstellung wird evident, wenn man das Fehlen einer vorherigen Anhörung des Betroffenen berücksichtigt (§ 2 Abs. 2, S. 1). Ihm wird eine Abwehrmaßnahme in der Form eines Widerspruchs gewährt. Dieser kann innerhalb eines Monats ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe der Sicherstellung erfolgen (§ 3 Abs. 1). Sein Inhalt bezieht sich auf eine glaubhafte Darstellung von Gründen für die Aufhebung der Sicherstellung. Es obliegt dem Betroffenen, den 15 Art. 2 des 2. OrgKGE, BT-Drs. 12 / 6784, S. 3; die Paragraphenangaben in diesem Abschnitt beziehen sich auf die entsprechenden Bestimmungen dieses Vermögenseinziehungsgesetzes. 16 BT-Drs. 12 / 6784, S. 12.

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Nachweis zu führen, dass das in Frage kommende Vermögen weder aus schweren Straftaten herrührt, noch für solche verwendet werden soll (§ 3 Abs. 2). Auf diese Weise ist die Beweislastumkehr vollzogen. Dem Widerspruch kommt allerdings keine aufschiebende Wirkung zu. Dieses Beschwerdeverfahren fällt unter die Zuständigkeit der Zivilkammern eines Landgerichts (§ 3 Abs. 3). Bei diesem Widerspruch handelt es sich um einen Antrag auf eine gerichtliche Entscheidung. Das erscheint auch plausibel, weil die Sicherstellung, die vom BKA oder LKA angeordnet würde, eine Verwaltungsentscheidung ist. Trotzdem wird diese Sache nicht an die Verwaltungs-, sondern an die Zivilgerichtsbarkeit verwiesen; eröffnet wird somit ein kontradiktorisches Verfahren zivilrechtlicher Provenienz, in dem die eine Partei der Betroffene, die andere Partei die sicherstellende Verwaltungsbehörde ist. Widerspruchsberechtigt sind nicht nur die Vermögensinhaber, sondern auch alle Dritte, die Rechte an dem Vermögensgegenstand geltend machen. Angesichts der angenommenen Bedrohlichkeit aus dem sichergestellten Vermögen erscheint den Entwurfsverfassern die Absage an eine aufschiebende Wirkung konsequent.17 Zweck der ersten Stufe, also der Sicherstellung, ist die Erkenntnissammlung seitens der Ermittlungsbehörden mit dem Ziel der Vermögenseinziehung. Die Vermögenseinziehung umfasst das sichergestellte Vermögen und führt zu einem endgültigen und entschädigungslosen Eigentumsübergang an den Staat. Der Umfang der Vermögenseinziehung, die Anknüpfungstaten sowie die Anordnungsbehörden stimmen mit den entsprechenden überein, die für die Sicherstellung gelten. Ein wichtiger Unterschied ist jedoch im erforderlichen Tatkonnex zu sehen. Während bei der Sicherstellung die einfache Vermutung der kriminellen Herkunft oder der künftigen kriminellen Verwendung ausreicht, werden für die Vermögenseinziehung höhere Anforderungen gestellt, nämlich, dass „aufgrund hinreichender tatsächlicher Anhaltspunkte die hohe Wahrscheinlichkeit“ für die oben genannten Annahmen besteht (§ 4). Dabei wird an den Verdachtsgrad angeknüpft, der für die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) gefordert wird.18 Dementsprechend kann der Einziehungsbetroffene seine Einwendungen in einem zivilgerichtlichen Klageverfahren geltend machen (§ 5 Abs. 1). Solche Einwendungen werden der Gegenstand einer mündlichen Verhandlung. Für anwendbar wird das Verfahren vor den Landgerichten im ersten Rechtszug erklärt (§ 5 Abs. 2), deren Zivilkammern zuständig sind (§ 5 Abs. 4). Zur Klarstellung sehen sich die Entwurfsverfasser gezwungen, die Beweislastverteilung zu Lasten des Betroffenen zu wiederholen (§ 5 Abs. 3).

BT-Drs. 12 / 6784, S. 14. Dieser Verdachtsgrad entspricht auch demjenigen, den der Gesetzgeber bei der Einführung des erweiterten Verfalls im Auge hatte. 17 18

312 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

IV. Kritik zum Entwurf eines Vermögenseinziehungsgesetzes Es verwundert, mit welcher Leichtigkeit eine so tiefgreifende Einziehungsmaßnahme vorgeschlagen wurde und wie bedenkenlos Einwände verfassungsrechtlicher und strafrechtsdogmatischer Art ignoriert wurden. Bezweckt wurde durch diesen Gesetzentwurf die Errichtung eines sog. „ad rem“, also eines sachbezogenen Verfahrens zur Einziehung von Vermögen, auch wenn seine genaue Verbindung mit einer kriminellen Betätigung nicht nachgewiesen wird. Nicht zu Unrecht wurde gegen diesen Entwurf der Vorwurf eines Verstoßes gegen die Unschuldsvermutung erhoben. Dieser Grundsatz sieht die Verhängung von strafrechtlichen Maßnahmen vor, nur wenn die voll nachgewiesene strafrechtliche Schuld vorliegt. Somit verletzt die hier geregelte Vermögenseinziehung auf zweierlei Weise den in dubio pro reo-Satz. Erstens wird auf den vollen Nachweis des Zusammenhangs zwischen einer konkreten Straftat und bestimmten Vermögenspositionen verzichtet; noch gravierender ist jedoch selbst die Trennung von einer strafrechtlichen Verurteilung. So könnte es durch das vorliegende Verfahren zu der absurden Konstellation kommen, dass jemand im Rahmen eines Strafverfahrens freigesprochen, während sein Vermögen in einem parallelen Verfahren eingezogen werden würde.19 Zur Neutralisierung dieses schwerwiegenden Vorwurfs wird von den Entwurfsverfassern das Argument vorgebracht, die Unschuldsvermutung gelte nicht, weil die Vermögenseinziehung nicht eine strafrechtliche, sondern eine „Präventionsmaßnahme“ sei. Die Vermögenseinziehung stelle also keine repressive Reaktion auf Unrecht und Schuld, sondern lediglich eine Maßnahme der Gefahrenabwehr dar, die wegen der Gefährlichkeit des Vermögens für die rechtsstaatliche Ordnung angeordnet werde. Diese Maßnahme knüpfe somit ausschließlich an das Vermögen an, sie werde mit anderen Worten gegen die Sache als solche verhängt. Für solche Maßnahmen, durch die keine ethische Missbilligung eines strafrechtlich relevanten Handelns zum Ausdruck komme, würden die sonstigen rechtsstaatlichen Standards, wie die Unschuldsvermutung, keine Geltung beanspruchen.20 Dieser theoretischen Konstruktion liegt die altbekannte Erwägung zugrunde, „der Zweck heiligt die Mittel“. Der Zweck einer raschen unproblematischen Einziehung von lediglich verdächtigem Vermögen, ohne die hohen Hürden des Verfallsrechts war für die Entwurfsverfasser offensichtlich sehr verlockend. Ein rechtsstaatliches Verständnis von staatlichen Eingriffsmaßnahmen verbietet jedoch eine solche Herangehensweise. Eine Grundaussage des Rechtsstaates ist, dass alle staatlichen Maßnahmen einer rechtlichen Rechtfertigung unterliegen, die ihnen die 19 Welp, StV 1994, S. 161, 166; Dannert, Eigentumseinziehungen, S. 87 f. weist auch auf den weiteren Anwendungsbereich der Vermögenseinziehung hin, die auch angeordnet werden kann, wenn dem Betroffenen keine einzige Straftat nachgewiesen werden kann. 20 BT-Drs. 12 / 6784, S. 9.

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erforderliche rechtliche aber auch politische Legitimation gibt. Im strafrechtlichen Regelungsgefüge werden bspw. Strafen verhängt, wenn Unrecht und Schuld vorliegen. Genauso lassen sich die Maßregeln der Besserung und Sicherung dadurch rechtfertigen, dass sie eine besondere Gefährlichkeit anhand von Prognosen zu neutralisieren trachten. Liest man die Begründung des Entwurfs sowie den Wortlaut der vorgeschlagenen Grundgesetzänderung, ergibt sich der Eindruck, dass die Vermögenseinziehung als eine Maßregel der Sicherung gestaltet worden ist. Denn dort wird ausdrücklich auf die „durch solches Vermögen drohende Beeinträchtigung der rechtsstaatlichen Ordnung“ Bezug genommen.21 Die Vermögenseinziehung stellt jedoch keine solche Maßregel dar. Dafür fehlt es an einer entsprechenden Anordnungsvoraussetzung. Diese könnte die Anordnung einer Vermögenseinziehung an eine prognostizierte Gefährlichkeit einer Vermögensmasse für Rechtsgüter anknüpfen. Auf eine solche Modalität haben die Entwurfsverfasser aber verzichtet, weil dadurch kein vereinfachtes und schnelles Verfahren möglich gewesen wäre. Der Versuch, die Vermögenseinziehung in bereits existierende Kategorien einzuordnen, erweist sich als äußerst schwer. Sie ist auch nicht als eine Art Steuer konzipiert. Darauf wird nicht ausführlicher eingegangen, denn es ist offensichtlich, dass die grundlegenden Voraussetzungen dafür nicht vorliegen (Zweck der Maßnahme für das Gemeinwohl, Gleichartigkeit bei der Verhängung der Maßnahme usw.).22 Was übrig bleibt, ist die Prüfung, ob diese Maßnahme eine strafähnliche Qualität aufweist. Ist dies der Fall, muss die Unschuldsvermutung auch für die Vermögenseinziehung gelten. Auf den ersten Blick stellt die Vermögenseinziehung keine typische Strafe dar; denn sie knüpft weder an ein Strafverfahren, noch an die Kategorie der prozessual festgestellten strafrechtlichen Schuld an. Wenn aber die Vermögenseinziehung weder eine Strafe, noch eine Maßregel der Besserung und Sicherung noch eine Steuer darstellt, stellt sich noch dringender die Frage, woher sie ihre Rechtfertigung bezieht. Diesbezüglich wird angeführt, dass die Vermögenseinziehung nur Prävention sein will. Dabei scheinen allerdings die Entwurfsverfasser zwei verschiedene Ebenen verwechselt zu haben, namentlich diejenige einer rechtlichen Grundlage und die eines kriminalpolitischen Ziels. Die Prävention, absolut betrachtet, kann ein Ziel sein, nicht jedoch eine rechtsstützende Grundlage. Obwohl also die Vermögenseinziehung ein erkennbares Ziel hat (die Prävention), es fehlt ihr an jeglicher rechtlichen Rechtfertigung. So ist Hassemer zuzustimmen, der betont, dass „schlichte Prävention ohne Wenn und Aber in einem Rechtsstaat nicht existiert“.23 BT-Drs. 12 / 6784, S. 2. Zu den Merkmalen des Steuerbegriffs s. Tipke / Lang, Steuerrecht, § 3, Rn. 13 ff. 23 Hassemer, WM 1995, Sonderb. 3, S. 3, 22; würde die Vermögenseinziehung als ein Präventionsinstrument fungieren, sollte stets eine Gefahr oder ein Gefahrenverdacht vorliegen; 21 22

314 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

Unbeantwortet bleibt noch die Frage, ob es sich bei der Vermögenseinziehung um eine Maßnahme handelt, die ohne formell eine Strafe i.e.S. darzustellen, eine faktische Strafwirkung erlangt, so dass auch für sie die Gesamtheit der strafrechtlichen Prinzipien gelten muss. Diese Frage kehrt immer wieder, sie war auch im Rahmen der Beweislockerungen des erweiterten Verfalls relevant. Beim erweiterten Verfall sind nach einer mehrheitlichen Meinung in der Lehre die pönalen Elemente vorherrschend, so dass sich die Nähe dieses Rechtsinstituts zu einer Strafe nicht leugnen lässt.24 Dazu wird auch zu Recht behauptet, dass die Unschuldsvermutung nicht ausschließlich für Maßnahmen gilt, die vom Gesetzgeber als Strafen definiert werden, sondern auch für sonstige staatlichen Eingriffe, denen eine sozialethische Missbilligung zukommt und die den Rechtsbereich von Personen tangieren.25 Wird der erweiterte Verfall als eine verkappte Strafe eingestuft, sollte das um so mehr für die hier vorgeschlagene Vermögenseinziehung gelten. Denn der erweiterte Verfall enthält „lediglich“ eine Beweislastlockerung dahingehend, dass auf den vollen Nachweis des Tatkonnexes verzichtet wird. Immer noch muss eine Straftat bewiesen werden und zwar innerhalb eines Strafverfahrens, mit all den Abwehrmöglichkeiten für den Betroffenen. Die Vermögenseinziehung geht jedoch über diese Beweiserleichterung hinaus: sie schafft das Bedürfnis des Tatnachweises völlig ab, so dass sie auch Vermögen von Nichtstraftätern umfassen kann, während selbst die Bemakelung der Vermögenspositionen nicht bewiesen werden muss. Zudem kann ebenso Vermögen eingezogen werden, das keinerlei Berührung mit einer Straftat aufweist („Vermögensgegenstände, die für schwere Straftaten verwendet werden sollen“). Nicht zu vergessen ist dabei die Schaffung eines neuen Verfahrens – außerhalb des Strafverfahrens – das, – dem Zivilrecht zugeordnet – einer anderen Logik unterliegt. Die Strafähnlichkeit, welche die Geltung der Unschuldsvermutung erst eröffnet, kann im vorliegenden Fall unter vielen Gesichtspunkten bejaht werden. Denn diese Maßnahme greift in den Rechtsbereich des Betroffenen sehr tief ein und bewirkt eine genuine Beweislastumkehr, indem der Betroffene widerlegen muss, dass das Vermögen weder aus Straftaten herrührt noch für solche verwendet werden soll.26 Es kann aber viele Gründe geben, die den Betroffenen nicht nur zum Schweigen über einen Tatvorwurf, sondern und vor allem zum Schweigen über die Herkunft seines Vermögens veranlassen könnten. Die Möglichkeit der Eigentumsgründung von der illegalen Herkunft von Vermögenswerten ist jedoch nicht auf die Gefahr ihrer Verwendung für weitere Straftaten zu schließen; so auch Dahm / Hamacher, wistra 1995, S. 206, 216. 24 Statt vieler: NK / Herzog § 73d, Rn. 1 ff.; ders., JR 2004, S. 494 ff.; anders jedoch die höchste Rechtsprechung s. BVerfG, NJW 2004, S. 2073 ff. 25 Kühl, Unschuldsvermutung, S. 13; Berg, Beweiserleichterungen, S. 102 ff. 26 Eine solche Beweislastumkehr gehört eher zu einem Prozesssystem, in dem die Waffengleichheit der Parteien gewährleistet ist, wie z. B. in Verfahren, die dem Ausgleich privater Rechte dienen.

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in den letzten 30 Jahren vor der Sicherstellung erschwert die Einordnung der Herkunft des Gegenstands für den Betroffenen erheblich. Denkbar sind auch Konstellationen, in denen die Offenbarung des Wissens über die Herkunft des fraglichen Vermögens eine soziale oder moralische Diskreditierung des Betroffenen bewirken könnte.27 Die Vermögenseinziehung enthält somit einen mehr als latenten sozialethischen Vorwurf.28 Aus diesen Gründen sollte die Vermögenseinziehung als eine strafähnliche Maßnahme gelten und am Grundsatz des „in dubio pro reo“ – Prinzips gemessen werden.29 Dieser Überprüfung hält sie, wie oben bereits dargelegt, nicht stand, so dass sie als „Lehrfall eines Verstoßes gegen die Unschuldsvermutung“ qualifiziert wird.30 Das Argument, dabei handele es sich um ein „ad rem Verfahren“, also um ein Verfahren, das sich ausschließlich gegen Gegenstände richte und deswegen die rechtsstaatlichen Garantien nicht angewendet würden31, ist auch nicht tragfähig. Der Entwurf differenziert zwischen „ad personam“ Verfahren, für die auf die Belange der Betroffenen Rücksicht genommen wird und „ad rem“ Verfahren, bei denen es bloß um Sachen geht, so dass sich jede Diskussion über Unschuldsvermutung und Eigentumsschutz erübrigt. Dabei wird allerdings die Einsicht nicht berücksichtigt, dass in der geltenden Rechtsordnung Sachen, Vermögen oder Eigentum immer in einer unauflösbaren Beziehung zu einem Rechtssubjekt verstanden werden. Ein Vermögen erlangt erst dann Bedeutung, wenn aus diesem Eigentumsrechte gegründet werden können, es also jemandem gehören kann. Das ist ein Beweis dafür, dass nach deutscher Rechtstradition kein sachbezogenes Verfahren möglich ist. Zu Recht wird angemerkt, dass ein solches zivilrechtliches Verfahren wiederum in so ein Zivilrecht hineinpasst, das als „Zivilstrafrecht“ ausgestaltet ist, nach deren Vorschriften punitiver neben dem kompensatorischen Schadensersatz verhängt werden kann.32 Eine Verletzung der Eigentumsgarantie durch die Vermögenseinziehung drängt sich ohnehin auch auf.33 Denn nach der einschlägigen Entwurfsregelung wird das Welp, StV 1994, S. 161, 166. Nach Feigen, Die Beweislastumkehr im Strafrecht, S. 179 kommt im Vorwurf der kriminellen Herkunft die sozialethische Missbilligung des jeweiligen Verhaltens zum Ausdruck, und zwar ganz bewusst, um die Ansprüche des Moralbewusstseins der Bevölkerung an die Herkunft des Vermögens zu erhöhen. Für ihn ist allerdings diese Vermögenseinziehung auch deshalb zulässig, weil sie vor allem außerhalb des Strafverfahrens verhängt wird. 29 Heckmann, ZRP 1995, S. 1, 2; Dahm / Hamacher, wistra 1995, S. 206, 216; Hoyer / Klos, Geldwäsche, S. 190 ff. 30 Hassemer, WM 1995, Sonderb. 3, S. 3, 23; Feigen, Beweislastumkehr, S. 181; Heckmann, ZRP 1995, S. 1, 3 differenziert diesbezüglich zwischen der Herkunfts- und der Verwendungsalternative: während die erste vorwiegend repressiv zu verstehen sei und somit die Unschuldsvermutung gelten solle, sei sie für die Verwendungsalternative nicht relevant, da diese einen präventiven Charakter aufweise. 31 BT-Drs. 12 / 6784, S. 9. 32 So Remmers, Die Entwicklung der Gesetzgebung zur Geldwäsche, S. 142. 27 28

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Herrühren aus einer schweren Straftat als die Begründung des Erwerbs durch eine solche Straftat definiert.34 Diese Bestimmung schafft allerdings nur Verwirrung; denn die Begründung des Erwerbs durch eine Straftat bei irgendeinem Vermögensinhaber bedeutet nicht unbedingt einen rechtswidrigen Erwerb durch den aktuellen Inhaber; ausreichend für die Anordnung der Vermögenseinziehung ist, wie bereits gesagt, die Wahrscheinlichkeit der kriminellen Herkunft des Vermögens oder eine wie auch immer nachzuweisende Absicht, dieses künftig für Straftaten einzusetzen. Diese Beweisumstände bewirken, dass dadurch nicht nur rechtswidrig erlangtes Vermögen erfasst wird, sondern auch lediglich verdächtiges Vermögen, dem der Eigentumsschutz noch nicht aberkannt wurde. Die Aushöhlung der Eigentumsgarantie wird noch flagranter, wenn man an die Möglichkeit denkt, dass auch rechtmäßig erworbenes Vermögen, z. B. durch Schenkung oder Erbe hierdurch eingezogen werden kann. Aber auch bei Rechtswidrigkeit des Erwerbs bleibt von den Eigentumsrechten gutgläubiger Dritter nichts mehr übrig. Schließlich liegt auch ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip nahe. Die Geltung dieses Grundsatzes erstreckt sich auf alle Rechtsbereiche: auch wenn die Vermögenseinziehung eine bloße verwaltungsrechtliche Maßnahme darstellt, muss sie verhältnismäßig sein. Eine Reihe von Umständen führt jedoch zur Annahme der Verletzung dieses Prinzips, nämlich das Zusammenspiel von Intensität der Folgen, Zuständigkeiten, Voraussetzungen und Rechtsschutzmöglichkeiten. In Bezug auf den Rechtsschutz wurde bereits erwähnt, dass vor der Sicherstellung der Betroffene keine Gelegenheit hat, angehört zu werden. Diese unterbliebene Anhörung soll durch das folgende Widerspruchsverfahren nachgeholt werden. Dabei wird jedoch übersehen, dass manchmal bereits mit der Sicherstellung ein sehr beträchtlicher Schaden entsteht, der durch die vorherige Anhörung und die Klärung der Verhältnisse abgewendet werden könnte.35 Die Behauptung, eine solche Anhörung würde den Zweck der Regelung gefährden, greift auch kurz. Der Zweck der Regelung wäre z. B. erreicht, wenn durch eine Anhörung die Zahlung einer Sicherheit auferlegt würde, damit die Sicherstellung nicht die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen unverhältnismäßig belastet. Darüber hinaus wiegt auch die mangelnde aufschiebende Wirkung des Widerspruchs sehr schwer. Angesichts der Schwere des Eingriffs sowie des Umfangs der drohenden Einziehung, kann diese Regelung nicht als erforderlich zur Zielerreichung gelten.

33 Nach Hassemer, WM 1995, Sonderb. 3, S. 3, 24 f. handelt es sich bei dieser Vermögenseinziehung um eine Enteignung i. S. d. Art. 14 Abs. 3 GG, denn es wird auf konkrete Eigentumspositionen zugegriffen, und zwar „zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Interessen“. 34 Auf diese Weise werden dem Merkmal „Herrühren“ in diesem Entwurf viel weitere Grenzen als beim Geldwäschetatbestand (§ 261 StGB) gezogen. Dieses unterschiedliche Verständnis des „Herrührens“ ist jedoch nicht geboten, denn letztendlich wird in beiden Vorschriften die Erfassung von inkriminiertem Vermögen bezweckt. 35 Zu denken ist dabei an die Schäden, die z. B. für eine juristische Person in der Form eines Unternehmens aus einer umfassenden Sicherstellung entstehen können.

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Nicht weniger problematisch ist aus Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit die Regelung über die Zuständigkeit. Maßnahmen, die Existenz vernichtend sein können, werden anhand einer bloßen Vermutung und zwar von Verwaltungsbehörden angeordnet. Angesichts des strafähnlichen Charakters dieser Vermögenseinziehung würde man schon erwarten, dass ihre Verhängung dem Strafrichter zugewiesen würde. Nicht zuletzt wegen der akzessorischen Natur dieser Maßnahme aus schweren Straftaten, also aufgrund der Sachnähe, würde dem Kriterium der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn entsprechen, wenn sowohl die Anordnung als auch die gerichtliche Überprüfung dem Strafrichter obliegen würde. Die Intensität der Folgen, bzw. die Möglichkeit einer Totalkonfiskation bestärkt den Verdacht einer unverhältnismäßigen Maßnahme. Der schwache Zusammenhang zwischen Vermögen und Straftat, also die Begründung des Erwerbs aus Straftaten und zwar auch außerhalb des Kontrollbereichs des Betroffenen (innerhalb der letzten 30 Jahre vor der Sicherstellung) lassen diese Regelung als ungeeignet und nicht erforderlich erscheinen. In der Alternative der Einziehung von Vermögen, das für weitere Straftaten verwendet werden soll, ist zudem problematisch, dass als rechtfertigende Grundlage künftige Ereignisse zugrunde gelegt werden, deren Eintritt lediglich möglich ist. Um den Vorsatz zu bejahen, braucht man jedoch verschiedene Indikatoren, die zwangsläufig, wie alle Schlüsse über innere Tatsachen, mit einer Subjektivität behaftet sind. Auf diese Weise wird aber bei einer so eingriffsintensiven Maßnahme eine unerträgliche Vielzahl von Fehlerquellen eröffnet. Der Umstand schließlich, dass potentiell auch rechtmäßig erlangtes Vermögen erfasst wird, lässt keine Zweifel über einen Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Zudem lässt sich die Vermögenseinziehung nicht in das bereits bestehende Instrumentarium für Gewinnabschöpfung einfügen. Ausdrücklich wird im Gesetzesentwurf erwähnt, dass die neue Vermögenseinziehung neben dem Verfall, dem erweiterten Verfall und der Einziehung des StGB gelten soll, nämlich in den Fällen, in denen sich die Anwendung dieser Instrumente als unmöglich erweist.36 Es ist jedoch zu befürchten, dass die Vermögenseinziehung, die einen viel umfangreicheren Gegenstand und viel niedrigere Anordnungsvoraussetzungen hat, das Verfalls- und das Einziehungsrecht (§§ 73 ff. StGB) verdrängen würde. Da dieses neue Konfiskationsinstrument anhand von bloßen Vermutungen einer Bemakelung und unabhängig von der Aburteilung einer Straftat eingesetzt wird, würde nichts übrig bleiben, was für verfallen erklärt werden könnte. Da die Vermögenseinziehung die Beweislastverteilung ändert, wird es viel einfacher für die zuständigen Strafverfolgungsbehörden sein, die Vermögenseinziehung rasch anzuordnen. Auf diese Weise wird der Versuch ersichtlich, das verfassungsrechtlich noch zumutbare Verfallsrecht praktisch abzuschaffen und ein neues Verfahren herauszubilden, das lediglich falsch verstandenen Effektivitätserwägungen unterliegt.

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BT-Drs. 12 / 6784, S. 8.

318 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

Darüber hinaus würde die Anwendung des vorliegenden Vermögenseinziehungsgesetzes in der Praxis sehr große Probleme bereiten. Bei einer konsequenten Handhabung dieser Vorschriften wären riesige Vermögenssummen einziehbar, so dass gewaltige Vermögensverlagerungen von Privaten an den Staat erfolgen würden. Da auch juristische Personen als Adressaten der Vermögenseinziehung gelten, würde die Verknüpfung mit vergangenen oder künftigen Straftaten das gesamte Vermögen von Kredit- und Finanzinstituten tangieren und die Einziehung zu einer Gefährdung der Funktionsfähigkeit dieser Finanzakteure führen. Dieser Umstand könnte beträchtliche volkswirtschaftliche Schäden hervorrufen. Somit wird die Einziehung zu einem Instrument staatlicher Finanzpolitik bzw. der Aneignung von Vermögen seitens des Staates. Der Verdacht, dass sich die Entwurfsverfasser dadurch eine zusätzliche Einkommensquelle erhofft haben, drängt sich auf.37 Zuletzt muss berücksichtigt werden, dass die Sicherstellung in einem frühen Stadium der Ermittlungen eine Warnungsfunktion für die Hintermänner entwickeln kann, so dass ihre Überführung tendenziell erschwert wird.38 Der Entwurf des Vermögenseinziehungsgesetzes wurde auch in der Literatur äußerst scharf kritisiert.39 Es ist nicht übertrieben, zu behaupten, dass durch den Vorschlag der Einführung eines sachbezogenen, konfiskationsähnlichen Verfahrens ein Tabu der bisherigen deutschen Kriminalpolitik gebrochen ist.40 Der vorliegende Entwurf eines Vermögenseinziehungsgesetzes und die damit angestrebte Aufweichung der Unschuldsvermutung indizieren damit die an anderer Stelle geänderten Zielsetzungen des Strafrechts.41

V. Die Strafbarkeit der fahrlässigen Geldwäsche Neben der Vermögenseinziehung zur Straffung der Gewinnabschöpfungsmöglichkeiten, enthält der 2. OrgKGE Regelungen, die auf eine Verschärfung des 37 BT-Drs, 12 / 6784, S. 2, wo ausdrücklich erwähnt wird, dass die Mehreinnahmen durch die entschädigungslose Einziehung im Verhältnis zu den sonstigen sachlichen und personellen Mehraufwendungen überproportional ausgeglichen werden. 38 So auch Suendorf, Geldwäsche: eine kriminologische Untersuchung, S. 405, für die die Abschöpfung von Verbrechensgewinnen erst dann relevant sein soll, wenn die Hintermänner der Tat ausreichend überführt wurden. 39 Welp, StV 1994, S. 161, 165; Hassemer, WM 1995, Sonderb. 3, S. 3, 20 ff.; Dahm / Hamacher, wistra 1995, S. 206, 216 ff.; Feigen, Beweislastumkehr, S. 177 ff.; Heckmann, ZRP 1995, S. 1 ff.; Hoyer / Klos, Geldwäsche, S. 190 ff.; Remmers, Die Entwicklung der Gesetzgebung zur Geldwäsche, S. 126 ff. 40 Dabei handelt es sich nicht um eine neue Maßnahme, sondern um eine bereits bestehende, in ihren Anwendungsvoraussetzungen jedoch radikalisierte Maßnahme, so Hassemer, WM 1995, Sonderb. 3, S. 3, 22. 41 s. oben 3. Kap. C. I.; zu dieser Problematik bzw. zur Abkehr des Strafrechts von einer vergangenheitsbezogenen Konfliktbewältigung hin zu sachgerechten Lösungen in futuro s. Heine, JZ 1995, S. 651, 653.

A. Der Entwurf eines 2. OrgKG der SPD-Fraktion

319

Geldwäscherechts abzielen. Im Bereich des Geldwäschetatbestands wird vorgeschlagen, die Schuldvoraussetzung herabzusetzen, so dass statt Leichtfertigkeit die einfache Fahrlässigkeit ausreichen soll. Auf diese Weise werde der Rechtsgüterschutz wirksamer und Ungleichheiten bei der strafrechtlichen Behandlung zwischen Schalterangestellten und Führungspersonal in Kreditinstituten werden beseitigt.42 Im Kapitel über die leichtfertige Geldwäsche wurde bereits ansatzweise, vor allem in Bezug auf das geschützte Rechtsgut, aufgezeigt, wie problematisch eine solche Regelung wäre.43 Bei dem Fahrlässigkeitsvorwurf wäre es noch problematischer. Die Dogmatik hat versucht, das Problem der Pflichtwidrigkeit zu lösen, indem sie Verhaltenspflichten statuiert und diese so konkretisiert, dass bei deren Verletzung die Pflichtwidrigkeit sowohl dem Handelnden als auch dem objektiven Betrachter erkennbar ist. Im Bereich der Geldwäsche ist es jedoch nahezu unmöglich, solche allgemeingültigen Verhaltenspflichten zu formulieren. Die Geldwäschevorgänge zeichnen sich dadurch aus, dass sie normalen Alltagsgeschäften sehr ähnlich sind. Erst die Motive der Handelnden verleihen der Handlung ihren strafbaren Charakter. Da diese Transaktionen neutral sind, ist es für den betroffenen Bankangestellten fast unmöglich, kriminelle Hintergründe zu erkennen. Eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Geldwäsche würde somit erhebliche Orientierungsprobleme für die Betroffenen bewirken, da sie nicht wüssten, wann die Grenzen der Strafbarkeit überschritten wären.44 Diese Strafbarkeit könnte zudem gegen das Schuldprinzip und möglicherweise auch gegen das Bestimmtheitsgebot verstoßen. Da unter Fahrlässigkeit auch der unbewusste Fahrlässigkeitsvorwurf erfasst wird, kann ein solcher Vorwurf den handelnden Schalterangestellten treffen, ohne dass er zu irgendeinem Zeitpunkt an die Möglichkeit einer Strafbarkeit gedacht hat. Der Mangel an Verhaltenspflichten würde zudem zu einer Ungleichbehandlung führen, da jeder Staatsanwalt oder Richter unter pflichtwidrigem Verhalten etwas Anderes subsumieren könnte. Wie die fahrlässige Geldwäsche einen effektiveren Rechtsgüterschutz bewirken soll, bleibt ebenso unklar. Der Gesetzesentwurf führt keine empirischen Erkenntnisse dafür an, dass die Bestrafung wegen Geldwäsche in der Praxis an den hohen subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen scheitert.45 Die Probleme des Tatbestands des § 261 StGB sind allerdings anderswo zu suchen.46 Die internationalen Texte, auf die der Geldwäschetatbestand zurückgeht, vor allem die EG-Richtlinie, enthalten keine Regelung über die Fahrlässigkeit. BT-Drs. 12 / 6784, S. 20. s. oben 3. Kap. F. IV. 8. 44 Nicht zu Unrecht haben die Verfasser eines vorherigen Entwurfs eingewendet, dass auf diese Weise das Strafbarkeitsrisiko unbeherrschbar wird, s. BT-Drs. 12 / 989, S. 26 ff. 45 So auch Steuer, WM 1994, S. 78, 80. 46 In Bezug auf die praktische Anwendbarkeit erscheint das Merkmal des „Herrührens“ besonders problematisch, s. oben 3. Kap. F. IV. 4. 42 43

320 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

Schließlich würde die Einführung der fahrlässigen Geldwäsche einen systematischen Widerspruch dahingehend darstellen, dass für die Vortaten eine vorsätzliche Begehungsweise erforderlich wäre, für die Anschlusstat jedoch Fahrlässigkeit ausreichen würde.47

VI. Änderungsvorschläge des Geldwäschegesetzes Folgt man den Entwurfsverfassern, bedurfte das erst ein Jahr zuvor in Kraft getretene GwG einiger Nachbesserungen. Unter Nachbesserungen versteht man allerdings Verschärfungen der bereits existierten Pflichten oder die Schaffung neuer für die betroffenen Kreditinstitute. Als Erstes wird die Herabsenkung des Schwellenbetrags von 20.000 DM auf 15.000 DM vorgeschlagen. Verwiesen wurde wieder auf das Bedürfnis eines wirksamen Rechtsgüterschutzes, der sich durch den bestehenden Grenzwert nicht realisieren lasse. Das Argument, dass die Herabsenkung dieses Werts zur Überlastung der Ermittlungsbehörden führt und einen unverhältnismäßigen Aufwand für die Finanzinstitute produziert, wurde verworfen. Denn „bei der Ausgestaltung strafrechtlicher Vorschriften ist die kostenwirksame Erhöhung des Geschäftsanfalls bei den Banken nicht der entscheidende Gesichtspunkt“.48 Die Herabsetzung des Schwellenbetrags scheint jedoch in vielerlei Hinsicht nicht geboten. Zuerst ist der in der Entwurfsbegründung angeführte Verweis auf das US-amerikanische Recht, wo besonders niedrige Grenzwerte gesetzt werden, einseitig; denn er ignoriert die unterschiedliche Struktur der Finanzmärkte in Deutschland und in den USA.49 Zudem ist der Ansicht der Begründung des GwG zu folgen, wonach die Herabsenkung des Schwellenbetrags den Umfang der Verpflichtungen der Institute noch mehr erhöhen würde. Bei einer derartigen Erweiterung des Pflichtenrahmens für die betroffenen Institute ist jedoch zu befürchten, dass sie nicht mehr bereitwillig mitmachen würden. Die nötige Aufstockung des personellen und finanziellen Aufwands würde die Geldwäschebekämpfung für sie als ein Verlustgeschäft erscheinen lassen. Angesichts der fehlenden Kontrollmöglichkeiten bei der Anwendung des GwG, ist es wichtig, die Kapazitäten der Finanzinstitute nicht übermäßig herauszufordern und somit ihre Kooperationsbereitschaft auf diese Weise nicht zu gefährden. Dass eine solche Regelung nicht sinnvoll ist, bezeugt das spätere „Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität “ von 1998, in dem dieser Schwellenwert heraufgesetzt wird.50 47 Nach Hassemer, WM 1995, Sonderb. 3, S. 3, 26 ist das ein „unerträgliches Ungleichgewicht“. 48 BT-Drs. 12 / 6784, S. 20. 49 Das haben sehr zutreffend die Verfasser des GwG dargelegt, s. BT-Drs. 12 / 2704, S. 13. 50 BGBl. I 1998, S. 845 ff.; mehr dazu unten 5. C. IV.

A. Der Entwurf eines 2. OrgKG der SPD-Fraktion

321

Vorgeschlagen vom 2. OrgKGE ist jedoch nicht nur die Erweiterung des Segments der finanziellen Transaktionen, sondern auch die Erweiterung der Pflichten für die Auslandsfilialen. Konkreter soll auch für sie die Verdachtsanzeigepflicht gelten. Das Argument, wonach die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität ihre Investitionen nach dem Kriterium der möglichst hohen Gewinnmöglichkeiten vornehme, so dass die Geldwäschebekämpfung für in- und ausländische Zweigstellen einheitlich sein muss, erscheint plausibel. Diese Erwägung empirischer Natur kann jedoch zu Implementationsproblemen führen. Denn für Auslandsfilialen gilt das ausländische Recht des jeweiligen Landes ihres Sitzes. Im Zuge einer internationalen Konsolidierung der Geldwäschebekämpfung verfügen die meisten Länder über ein rechtliches Instrumentarium, das den Kreditinstituten die Mitarbeit aufzwingt. Die Statuierung zusätzlicher Pflichten für Auslandsfilialen auch gegenüber der deutschen Rechtsordnung stellt also nicht nur eine Verletzung des Territorialitätsprinzips dar, sondern belastet auch übermäßig die Adressaten des GwG. In diesem Fall käme es zu Friktionen, wenn die Auslandsfiliale eine Verdachtsanzeige sowohl an die deutschen Behörden als auch an die Behörden ihres Sitzlandes erstatten müsste. Sinnvoller erscheint eine Vertiefung der internationalen Zusammenarbeit, welche die tatsächliche Durchsetzung einheitlicher Standards bei der Geldwäschebekämpfung gewährleisten würde. Die Verwendungsbeschränkungen der aufgezeichneten Daten sollten ebenso abgeändert werden. Denn die Mitteilung der geldwäscherelevanten Tatsachen an die Finanzbehörden nur im Fall einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Geldwäsche und ihrer Vortaten, sei nicht gerechtfertigt. Viele Umstände könnten eine Bestrafung in Deutschland verhindern, so dass dementsprechend auch ein Besteuerungsund ein Steuerstrafverfahren vereitelt würden. Der Mangel an Beweisen, der Tod des Betroffenen oder das Verlassen des Landes werden als Fälle angeführt, welche einer rechtskräftigen Verurteilung im Wege stehen könnten, so dass die Finanzbehörden gar nicht eingeschaltet werden würden. Aber auch im Fall einer rechtskräftigen Verurteilung sei die Durchsetzung von Steueransprüchen wegen Verjährung nicht gewährleistet.51 Der Entwurf will diese Umstände durch das Hinzufügen eines Absatzes im GwG ändern, wonach § 116 Abgabenordnung (AO) für anwendbar erklärt wird. Gemäß dieser Vorschrift werden Gerichte und sonstige Behörden verpflichtet, Tatsachen, die sie dienstlich erfahren und die den Verdacht einer Steuerstraftat begründen, der Finanzbehörde mitzuteilen. Diese Pflicht dient allerdings nicht nur der Verfolgung von Steuerstraftaten, sondern auch der Besteuerung. Dadurch würden in der Zukunft Täter, die in kriminellen Strukturen oder in den illegalen Rauschgifthandel eingebunden seien, durch Verwendungsbeschränkungen bezüglich der aufgezeichneten Daten nicht mehr begünstigt. Die Übermittlung solcher Daten an die Finanzbehörden könnte nützliche Erkenntnisse für eine Bestrafung wegen Steuerstraftaten oder für eine Besteuerung liefern. Ferner wird wieder auf 51

BT-Drs. 12 / 6784, S. 21.

322 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

die amerikanischen Erfahrungen hingewiesen, wonach mafiaähnliche Strukturen über eine solche Informationsbündelung zerschlagen wurden.52 Trotz dieser pragmatischen Sichtweise wird dabei ein besonders wichtiger Umstand übersehen: bei der Analyse des GwG wurden datenschutzrechtliche Probleme angedeutet, die aus der Aufzeichnung von Kundendaten und Transaktionen entstehen; diese wurden selbst vom Gesetzgeber erkannt, der die Lösung einer restriktiven Heranziehung solcher Daten vorgezogen hat. Diese grundsätzliche Entscheidung spiegelte eine Abwägung zwischen Sicherheits- und Freiheitsrechten der Betroffenen wider, wo zugunsten der ersten eine Aufweichung der zweiten in Kauf genommen wurde. Ausdrücklich wurde jedoch erklärt, dass diese Beschneidung von Datenschutzrechten einen abschließenden Charakter hat. Eine weitere Lockerung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung wäre somit aus rechtsstaatlicher Hinsicht nicht mehr zu vertreten. Da dadurch eine Fülle von unverdächtigen Transaktionen miterfasst würde, bleibt es fraglich, ob eine solche Regelung die vom BVerfG gesetzten Grenzen bei entsprechenden Grundrechtseingriffen respektieren würde. Schließlich empfiehlt sich nach der Ansicht der Entwurfsverfasser die Einführung einer Ersatzpflicht für die betroffenen Kreditinstitute, wenn sie ihrer Verpflichtung zur Anzeigeerstattung nach § 11 GwG nicht nachkommen. Die Höhe dieser Ersatzpflicht bemisst sich nach der Höhe der Finanztransaktion.53 Auf diese Weise wird versucht, die Kreditinstitute stärker zur Einhaltung ihrer Pflichten zu bewegen, bzw. deren Nicht-Einhaltung als eine „teure Angelegenheit“ zu gestalten. Dadurch würde wiederum der sich allmählich herausbildende Konsens des gemeinsamen Interesses der Banken und der Strafverfolgungsbehörden für eine Bewältigung der Geldwäsche erschüttert. Die genaue Rechtsnatur einer solchen Ersatzpflicht bleibt allerdings unklar. Um Schadensersatz geht es dabei nicht, dafür fehlt es an einer vertraglichen Bindung zwischen dem Staat und den Instituten. In Bezug auf den Grund und die Höhe der Schadensersatzleistungspflichten wird auf die §§ 823 ff. BGB verwiesen. Die Formulierung einer zivilrechtlichen Pflicht für die Verletzung einer Verpflichtung gegenüber dem Staat ist schwer nachvollziehbar und stellt grundsätzliche Rechtsprinzipien auf den Kopf. Denn die Deliktshaftung kann in Verhältnissen zwischen Privaten entstehen. Die Verletzung von Pflichten gegenüber dem Staat begründet möglicherweise öffentlich-rechtliche Schadensersatzansprüche, die vom Verwaltungsrecht geregelt werden. Da sich die Ersatzpflicht an juristische Personen richtet und nicht ein Unrecht begleichen will, kann sie keine Strafe darstellen. Schließlich hat der Verstoß gegen die Verdachtsanzeigepflicht aus verschiedenen Gründen keinen Eingang in den Katalog der Ordnungswidrigkeiten des § 17 GwG (Bußgeld52 BT-Drs. 12 / 6784, S. 21; Hetzer, wistra 1994, S. 176, 183 sieht in der uneingeschränkten Anwendbarkeit des § 116 AO ein unverzichtbares Funktionselement im Mechanismus der Geldflusskontrolle. 53 Art. 6 Nr. 5 des 2. OrgKGE.

A. Der Entwurf eines 2. OrgKG der SPD-Fraktion

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vorschriften) gefunden. Durch die Statuierung der Ersatzpflicht werden all diese Gründe, vor allem die Unbestimmtheit der Verdachtsanzeigepflicht völlig ignoriert.54 Die Kreditinstitute werden dadurch unverhältnismäßig belastet, während der Entwurf die Regelung über das Verfahren zum Ausspruch dieser Ersatzpflicht einem nachfolgenden Gesetz vorbehält. Somit ist dieser Vorschlag auch abzulehnen.

VII. Ergebnis Dieser Entwurf hat einen Modellcharakter für Inhalt, Zweck und Stil „moderner“ parlamentarischer Kriminalpolitik. Eingangs wird an ein Phänomen angeknüpft, das sich durch seine diffusen Erscheinungsformen, und seinen ungeklärten Umfang auszeichnet. Im Anschluss wird auf die Neuartigkeit dieses Phänomens und auf seine Gefährlichkeit für die rechtsstaatliche Ordnung hingewiesen, um letztlich das Ungenügen des bisherigen Rechts zu beklagen und neue, weitergehende Instrumente für nötig zu erklären. Trotz einer ähnlichen Argumentationslinie im OrgKG ist man von der vorliegenden vereinfachenden, generalisierenden und verkürzten Rhetorik aufs Neue erstaunt. Die organisierte Kriminalität wird nicht (nur) wegen ihres Gefahrenpotentials ständig von der Politik als Legitimationsgrundlage herangezogen, sondern vor allem weil ihr ungeklärtes Wesen praktisch allen staatlichen Maßnahmen eine (Schein-)Legitimation gewährt.55 Die kriminalpolitischen Akteure bringen somit ein manifestes Desinteresse an irgendwelchen kriminologischen Erkenntnissen zutage. Sowohl die Neuartigkeit als auch die besondere Gefährlichkeit der organisierten Kriminalität werden nur apodiktisch vorgeführt. Noch weniger wird das bestehende rechtliche Instrumentarium thematisiert. Dass seit der Einführung des erweiterten Verfalls und der Inkraftsetzung des GwG eine nur sehr kurze Zeit verstrichen ist, die keine Evaluation zulässt, spielt für die Entwurfsverfasser keine Rolle.56 Dem Entwurf fehlt es somit an einer tragfähigen Grundlage: der Bedarf an neuen Regelungen wird nicht begründet, sondern schlicht ausgeführt. Der Zweck dabei ist normative Prävention bzw. die Erweiterung der staatlichen Befugnisse auch auf der Ebene des Vermögenszugriffs. Da der Beweis eines Zusammenhangs 54 Zutreffend merkt Steuer, WM 1994, S. 78, 83 an, dass die Ersatzpflicht eine „verschuldensunabhängig ausgestaltete faktische Strafnorm darstellen würde, durch die der Bank offenbar pauschal ein denkbares Fehlverhalten eines Mitarbeiters in strafrechtlicher Hinsicht zugerechnet werden soll. 55 Gropp / Schubert / Wörner in: Gropp / Huber (Hrsg.), Rechtliche Initiativen gegen OK, S. 69, 88 behaupten auch, dass die Bekämpfung organisiert begangener Straftaten dazu dient, besondere Ermittlungsmaßnahmen einzuführen, die zwar auch der Bekämpfung der organisierten Kriminalität dienen, die jedoch in wesentlich weiterem Umfang der Bekämpfung auch sonstiger Schwerkriminalität dienen sollen. 56 So auch Welp, StV 1994, S. 161 ff.

324 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

zwischen einer Straftat und des Vermögens schwer zu führen ist, scheint es nach dieser Logik geboten, diesen durch eine neue Beweislastverteilung aus der Welt zu schaffen. Zudem wird nicht erklärt, ob und inwieweit die einzusetzenden Mitteln das gesetzte Ziel erreichen können. Auf diese Weise wird das Prinzip der Verhältnismäßigkeit an vielen Stellen nicht hinreichend beachtet. Die einzelnen Regelungen dieses Entwurfs tangieren den geschützten Bereich von Grundrechten und zwar in einer Weise, die von ihrem Kerngehalt nichts mehr übrig lässt. Darüber hinaus würden sich viele der empfohlenen Regelungen als dysfunktional erweisen. Die Einziehung von riesigen Vermögenssummen nur anhand von Indizien, auch gegen juristische Personen, hätte negative gesellschaftliche Nebenwirkungen. Die Vorschläge für eine Änderung des GwG leiden auch daran, dass sie die Geldwäschebekämpfung bürokratischer und somit weniger effektiv gestalten. Im Ganzen ist man bei diesem Entwurf mit dem Versuch konfrontiert, rechtsstaatliche Garantien, die bei der Anordnung strafrechtlicher Maßnahmen gelten, zu umgehen. Zu diesem Zweck werden neue Verfahren geschaffen, um Sachverhalte zu regeln, die im Rahmen des Strafverfahrens bereits geregelt sind. Damit erhofft sich der Gesetzgeber eine Erhöhung der abgeschöpften Vermögenswerte. Angesichts dieser Feststellungen hinsichtlich der Einzelregelungen dieses Entwurfs kann man sich nur darüber freuen, dass die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse die Durchsetzung dieses Entwurfs nicht erlaubten.

B. Das Verbrechensbekämpfungsgesetz In der 12. Legislaturperiode wurde auch der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des StGB, der StPO und anderer Gesetze, bekannt als Verbrechensbekämpfungsgesetz, präsentiert. Dieser Entwurf, der nach den vom Bundesrat geforderten leichten „Nachbesserungen“ zum Gesetz wurde57, greift andere Schwerpunkte auf als der vorangegangene 2. OrgKGE.

I. Entstehungsgeschichte und Ziele des Verbrechensbekämpfungsgesetzes Beweggrund dieses Gesetzes war die Bewältigung ausländerfeindlicher und rechtsextremistischer Straftaten, die mit den Brandanschlägen von Mölln und Solingen einen Höhepunkt erreichten. Abgesehen davon wurde dieses Gesetz von der Einschätzung des Gesetzgebers getragen, dass das gesetzliche Instrumentarium zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität fortzuentwickeln wäre. Das erste Ziel 57

BGBl. I 1994, 3185 ff.

B. Das Verbrechensbekämpfungsgesetz

325

sollte durch die Verschärfung der einschlägigen Strafvorschriften (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen – § 86a StGB, Volksverhetzung – § 130 StGB usw.) erreicht werden sowie durch eine strengere Sanktionierung von Gewalttaten. Zur Erreichung des zweiten Ziels (Bekämpfung der organisierten Kriminalität) erschien, nicht zuletzt wegen seiner unbestrittenen Komplexität, eine bloße Verschärfung von Strafandrohungen nicht ausreichend. Die Fortentwicklung des Bekämpfungsrechts der organisierten Kriminalität wurde somit durch ein Bündel von gesetzlichen Maßnahmen angestrebt. Das Ergebnis ist also ein drittes Gesetzeswerk, das „unter die Fahne des Kampfs gegen die organisierte Kriminalität gestellt wird“.58 Somit wird unter anderem Folgendes geregelt: a) die Vereinfachung und Beschleunigung des Strafverfahrens durch Lockerung der Voraussetzungen zur Anordnung der Untersuchungshaft und durch Erweiterung des beschleunigten Verfahrens, b) die Verschärfung der Strafandrohung von Tatbeständen, die als OK-typisch eingestuft wurden, c) die Erweiterung von Ermittlungsbefugnissen, vor allem durch die Novellierung des Art. 10 GG und die dadurch ermöglichte Überwachung des Fernmeldeverkehrs, d) die Verschärfung des Ausländerrechts, vor allem im Bereich des Einschleusens von Ausländern. Bei all diesen Mitteln, die für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität als erfolgversprechend erachtet wurden, konnte die Gewinnabschöpfung nicht fehlen. Ihre gesetzlichen Grundlagen, die erst zwei Jahre zuvor durch das OrgKG und ein Jahr zuvor durch das GwG aufgegriffen wurden, seien verbesserungsfähig.59 In den vorherigen Kapiteln wurde bereits aufgezeigt, wie der Zusammenhang zwischen organisierter Kriminalität und einer effektiven Gewinnabschöpfung eruiert wurde und wie er die kriminalpolitische Diskussion dominierte.60 Die Änderungsvorschläge in Bezug auf das Gewinnabschöpfungsinstrumentarium erschöpfen sich allerdings im Ausbau bereits vorhandener Instrumentarien: sie umfassen einerseits die Erweiterung der Anwendbarkeit der Vermögensstrafe und des erweiterten Verfalls, andererseits die Erweiterung des Vortatenkatalogs des Geldwäschetatbestands.61

II. Die Verbesserung der Gewinnabschöpfung Die Verbesserung der Gewinnabschöpfung durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz erfolgte durch die Erweiterung der Katalogtaten des erweiterten Verfalls 58 So Dahs, NJW 1995, S. 553 ff.; einen Überblick der Änderungen bei König, KR 1995, S. 471 ff. 59 BT-Drs. 12 / 6853, S. 18. 60 s. oben 3. Kap. F. I. 61 Dieser wurde einige Monate zuvor durch § 35 des Gesetzes zur Überwachung des Verkehrs mit Grundstoffen, die für die unerlaubte Herstellung von Betäubungsmitteln missbraucht werden können (Grundstoffüberwachungsgesetz) vom 07. Oktober 1994 bereits erweitert, s. BGBl. I 1994, S. 2835 ff.

326 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

und der Vermögensstrafe. Ein Bedürfnis zu einer erhöhten Abschöpfung krimineller Gewinne wurde vor allem im Bereich der sog. „Schutzgelderpressungen“ gesehen. Die Erpressung von Schutzgeldern stelle eine typische Erscheinungsform der organisierten Kriminalität dar. Die Bedeutung des kriminellen Profits bei solchen Straftaten dränge sich auf, so dass ein erfolgversprechender Bekämpfungsansatz die Profite erfassen sollte.62 Dieser Zugriff wurde nunmehr ermöglicht, allerdings nur, wenn die entsprechenden Taten banden- oder gewerbsmäßig begangen wurden. Bei bandenmäßiger Begehung dieser Taten wurde auch die Vermögensstrafe für anwendbar erklärt. Eine vorsichtige Lektüre des ganzen Gesetzes ergibt jedoch, dass die Anwendung des erweiterten Verfalls und der Vermögensstrafe auch um andere Straftaten erweitert wurde. Konkreter können mittels des erweiterten Verfalls und der Vermögensstrafe kriminelle Profite abgeschöpft werden, die auch aus gewerbsmäßigen oder bandenmäßigen Beihilfe- oder Anstiftungshandlungen beim Einschleusen von Ausländern nach §§ 92a, 92b AuslG a.F. stammen. Denn das „Schlepperunwesen“ stelle nach Einschätzung des Bundesrates ein Feld dar, in dem kriminelle Banden mit gut organisierten, konspirativ vorgehenden Schlepperringen tätig seien.63 Ähnliches gelte für die Straftaten der gewerbs- oder bandenmäßigen Verleitung von Ausländern zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach §§ 84, 84a AsylVerfG. Schließlich sei die Neutralisierung des kriminellen Anreizes „Gewinn“ und somit die Anordnungsmöglichkeit des erweiterten Verfalls und der Vermögensstrafe auch im Bereich des illegalen Handels mit „zivilen“ Waffen sowie mit Kriegswaffen erforderlich. Strukturen organisierter Kriminalität seien auch in diesen Bereichen zu beobachten.64 In all diesen Fällen fungierte das Merkmal der Banden- oder Gewerbsmäßigkeit als Legitimationsgrundlage für die Ausdehnung des erweiterten Verfalls und der Vermögensstrafe auf andere Kriminalitätsbereiche. An anderer Stelle wurde ausführlich die umstrittene Verfassungsmäßigkeit dieser Sanktionen thematisiert.65 Der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit wird unter Betrachtung des Expansionspotentials dieser Sanktionen eminenter. Somit passiert das, was aufgrund der Ausgestaltung dieser Vorschriften als Blankettnormen befürchtet wurde. Der Ausnahmecharakter, ihre Natur als Reaktionen auf eine Krisensituation wird in mehreren Fällen unkritisch bejaht. Die Erfolgschancen der Ausweitung des Gewinnabschöpfungsinstrumentariums auf die oben genannten Bereiche bleiben allerdings auch gering. Die SchutzgeldBT-Drs. 12 / 6853, S. 27. s. den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Rechtsfriedens und zur Bekämpfung des Schlepperunwesens des Bundesrates, auf den das Verbrechensbekämpfungsgesetz Bezug nimmt, BT-Drs. 12 / 5683, S. 6. 64 BT-Drs. 12 / 6853, S. 41, s. dazu Kruse, in: Gropp (Hrsg.), Besondere Ermittlungsmaßnahmen zur Bekämpfung der OK, S. 112, 117 ff. 65 s. oben 3. Kap. F. II. 3. und 3. F. III. 3. 62 63

B. Das Verbrechensbekämpfungsgesetz

327

erpressung zielt offensichtlich auf die Bereicherung einer kriminellen Organisation ab. Die Bekämpfung dieses Phänomens wäre jedoch vielleicht mit anderen Mitteln effektiver, nämlich durch technische Prävention. Solche Maßnahmen wären potentiell imstande, ohne massive Grundrechtseingriffe die Gelegenheiten krimineller Betätigung zu reduzieren. Ähnliches gilt für die anderen Bereiche, auf die der erweiterte Verfall und die Vermögensstrafe ausgedehnt wurden; es ist nicht z. B. einzusehen, wie der erweiterte Verfall für Schlepperringe abschreckend wirken kann. Es ist nicht zufällig, dass diese Erforderlichkeit vom Gesetzgeber nur apodiktisch, ohne jegliche Erläuterung erwähnt wird. Die Effektivität wird gesetzestechnisch dadurch gewährleistet, dass der Gesetzgeber nach „vorliegenden Erkenntnissen“ agiert.66 Dabei wird jedoch nicht angeführt, auf welche kriminologischen Erkenntnisse Bezug genommen wird, ob sie aktuell sind und in welchem Umfang sie die ergriffenen Maßnahmen zu legitimieren vermögen.

III. Die Erweiterung des Vortatenkatalogs der Geldwäsche Erweitert wird auch der Geldwäschetatbestand. Dort werden zwei Änderungen vorgenommen. Die erste hat eine klarstellende Funktion und betrifft die Ergänzung der Überschrift: der gesetzlichen Bezeichnung „Geldwäsche“ folgt nunmehr die Überschrift „Verschleierung unrechtmäßiger Vermögenswerte“. Dadurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Deliktsgegenstand nicht nur Geld, sondern jegliche Vermögenswerte, darunter auch unbewegliche Sachen und Forderungen, sein können.67 Diese Änderung ist deshalb sinnvoll, weil sie die Grenzen der Strafbarkeit klar stellt und zur Rechtssicherheit beiträgt. Gewichtiger ist jedoch eine Erweiterung, diesmal des Vortatenkatalogs der Geldwäsche. Das Verbrechensbekämpfungsgesetz sieht eine Reihe von Straftaten vor, welche nunmehr als geldwäschetaugliche Vortaten gelten. Diese sind vor allem im Bereich der Eigentums- (Unterschlagung, § 246 StGB) und der Vermögenskriminalität (Betrug – § 263 StGB, Subventionsbetrug – § 264 StGB und Untreue – § 266 StGB) anzutreffen. Zudem wird die Geldwäsche an Gegenständen möglich, die aus Urkundenfälschung (§ 267 StGB) und Korruptionsdelikten (§ 332 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und § 334 StGB) herrühren. Angesetzt wird hier auch an die gewerbs- oder bandenmäßige Begehungsweise. Die Beschränkung des Vortatenkatalogs habe sich in der Praxis als zu eng erwiesen, so dass seine Erweiterung jetzt geboten erscheine.68 Als erstes ergibt sich die plausible Frage, wie man angesichts minimaler praktischer Erfahrungen mit dem Geldwäschetatbestand zum Schluss kommen kann, 66 67 68

So z. B. BT-Drs. 12 / 6853, S. 41. BT-Drs. 12 / 6853, S. 28. BT-Drs. 12 / 6853, S. 27.

328 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

dass die Grenzen der Strafbarkeit zu eng seien.69 Hier bleibt der Gesetzgeber einen empirischen Beweis schuldig. Genau wie bei der Ausdehnung des erweiterten Verfalls und der Vermögensstrafe stützt sich die Erweiterung des Vortatenkatalogs nicht auf gesicherte empirische Erkenntnisse. Trotzdem erscheint die Erweiterung des Vortatenkatalogs zumindest auf den ersten Blick plausibel. Denn die Eigentums- und Vermögenskriminalität stellen ohne Zweifel Hauptbetätigungsfelder der organisierten Kriminalität dar, die durch Geldwäschehandlungen ein erhebliches Vermögenskapital bilden kann. Dieser Umstand soll durch den Geldwäschetatbestand unterbunden werden. Das Problem bzw. das Missbrauchspotential von diesem Tatbestand liegt daran, dass eine beliebige Erweiterung der Katalogtaten eine erhebliche Ausweitung der Strafbarkeitsgrenzen bewirkt. Dieser Umstand, der auch für die Vermögensstrafe und den erweiterten Verfall relevant war, ist bei der Geldwäsche besonders problematisch, da sie aufgrund ihrer sonstigen Tatbestandsmerkmale bereits eine fragwürdige Weite aufweist. Es sei nur daran erinnert, dass in diesem Tatbestand sowohl die Weite des „Herrührens“ als auch die schwammige Formulierung der Tathandlungen vielseitig beanstandet wurde.70 Hinzu kommt auch die Möglichkeit der leichtfertigen Begehungsweise. Berücksichtigt man diese Gegebenheiten, würde man erwarten, dass man zumindest bei der Formulierung der geldwäschetauglichen Vortaten zurückhaltender wäre.71 Die Erweiterung des Vortatenkatalogs durch das vorliegende Gesetz ist allerdings nur ein Schritt in eine bereits vorgezeichnete Richtung.72 Der Tatbestand wird, wie noch zu zeigen ist, in den nächsten Jahren durch das Hinzufügen neuer geldwäschetauglicher Vortaten immer weiter expandieren. In Anbetracht dieser Expansion fragt man sich, warum sich der Gesetzgeber die Mühe macht, jedes Mal den Katalog um einige Vortaten zu erweitern, statt den Vortatenkatalog völlig abzuschaffen, wie von einigen gefordert.73

Dahs, NJW 1995, S. 553, 555; Neumann, StV 1994, S. 273, 275. Kritisch statt vieler: Barton, NStZ 1993, S. 159 ff. 71 So auch Bandisch, StV 1994, S. 153 ff.; anders sieht es Hetzer, wistra 1994, S. 176, 183, der diese Erweiterung für begrüßenswert, jedoch nicht für ausreichend hält. Nach Hetzer sollten durch die Geldwäsche alle Straftaten erfasst werden, die für die organisierte Kriminalität besondere Bedeutung haben. Ferner spricht er für die Einbeziehung der Steuerhinterziehung in den Vortatenkatalog; auf diese Weise käme man zu sehr nützlichen Ermittlungsergebnissen. 72 Der Vortatenkatalog wurde bereits durch Art. 1 Ausführungsgesetz zum Suchtstoffübereinkommen vom 02. 08. 1993 (BGBl. I 1993 S. 1407 ff.) und durch § 35 GÜG vom 07. 10. 1994 (BGBl. I 1994, S. 2835 ff.) erweitert, in: NK / Altenhain § 261, Rn. 2. 73 So Hund, ZRP 1997, S. 180, 181. 69 70

B. Das Verbrechensbekämpfungsgesetz

329

IV. Ergebnis Das Verbrechensbekämpfungsgesetz fokussiert nicht die Gewinnabschöpfung.74 Im Zentrum der Regelungen stehen die Verschärfung von Strafdrohungen, die Verkürzung von Verfahrensgarantien und vor allem die Erweiterung von Ermittlungsbefugnissen. Die Abschöpfung krimineller Gewinne wird nur am Rande aufgegriffen, soweit dies nach Einschätzung der Entwurfsverfasser im Rahmen der Bekämpfung der organisierten Kriminalität erforderlich ist. Dabei geht es sowohl bei den Sanktionen als auch bei der Geldwäsche um Erweiterungen strafrechtlicher Sanktionierung. Durch die erhöhte Repression erhofft man sich eine bessere Prävention. Durch eine umfangreichere Gewinnabschöpfungspraxis verspricht man sich die Austrocknung krimineller Organisationen. Bei der Erweiterung der Geldwäschenorm scheint es weniger um Bestrafung von Geldwäschern zu gehen, als vielmehr um die Schaffung einer Rechtfertigungsgrundlage für umfassende Eingriffsmöglichkeiten der Verfolgungsbehörden. Unberücksichtigt bleiben jedoch viele wichtige Einwände. Unter anderen ist auf die Gefahr von Abschöpfung rechtmäßig erlangten Vermögens (durch den erweiterten Verfall und Vermögensstrafe) sowie auf die Bagatellisierung des mit der Geldwäsche vertypten Unrechts hinzuweisen. Unberücksichtigt bleiben allerdings auch Erwägungen praktischer Natur, z. B. welchen Aufwand diese Repression produziert und ob die Strafverfolgungsbehörden gegenwärtig in der Lage sind, die ihnen zugeteilten Aufgaben wahrzunehmen. Die fehlende Praktikabilität dieser Gesetzesänderungen bezeugt auch ein Entwurf des Landes Bayern, welche Friktionen, die sich aus der Weite des Geldwäschetatbestands für die Ermittlungstätigkeiten der Polizei ergeben, beheben will.75 Dieses Gesetz ist nur eins in einer Reihe von ähnlichen Gesetzeswerken, das die kriminalpolitische Atmosphäre auf meisterhafte Weise widerspiegelt. Selbst seine Bezeichnung als „Verbrechensbekämpfungsgesetz“ impliziert den Willen, gegen das Verbrechen entschiedener vorzugehen. Diese Bekämpfungsrhetorik zielt allerdings darauf ab, die erheblichen Mängel dieses Gesetzes durch den Rückgriff auf eine schwer zu beschreibende Gefahr zu verbergen. Abgestellt wird auf eine Effektivierung der gesetzlichen Lage, also auf Maßnahmen normativer Prävention. Das Problem dabei ist die Einseitigkeit, mit der diese Effektivität des Rechts betrachtet wird. Denn effektiv kann das Recht auch sein, wenn die Maßnahmen normativer Prävention, die immer mit Grundrechtseingriffen zusammenhängen, durch andere Maßnahmen technischer Prävention flankiert werden. Technische Prävention kann nicht die normative Prävention ersetzen, sondern sie punktuell ergänzen. Zur Vgl. Hassemer, WM 1995, Sonderb. 3, S. 3, 19 f. s. BR-Drs. 494 / 94, vorgeschlagen wird ein neuer Absatz 5a im § 261 StGB, nach dem die Strafbarkeit von Handlungen, die zur Strafverfolgung erforderlich sind, auszuschließen ist. 74 75

330 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

Ermittlung der angemessenen Reaktion bedarf es einer gründlichen Analyse des Problems und der verfügbaren Reaktionsmöglichkeiten unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren (rechtsstaatliche, dogmatische und rechtspolitische Einwände, empirisch-kriminologische Erkenntnisse, kriminalistische Praxis, finanzielle und personelle Belastung). Eine solche Analyse würde aufzeigen, in welchen Bereichen und auf welche Weise ein Abbau normativer Prävention möglich wäre. Dabei wäre eine nüchterne, rationalisierte Herangehensweise erforderlich, welche es den involvierten Akteuren erlauben würde, Wirkungen und Nebenwirkungen abzuwägen. Längerfristig böten sich demgemäss Alternativen, die effektiv und zugleich weniger eingriffsintensiv wären.76 Der Gesetzgeber lässt sich offensichtlich auf eine derartige Analyse des Inhalts des effektiven Rechts nicht ein.

C. Das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität I. Entstehungsgeschichte und Ziele des Gesetzes Die fehlende Einigung bezüglich eines von der Regierung vorgelegten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Geldwäschebekämpfung77, vor allem im Bereich der akustischen Wohnraumüberwachung, konnte vom Gesetzgeber nicht hingenommen werden. Zu diesem Zweck wurde eine politische Expertengruppe aus Vertretern der damaligen Koalition (CDU / CSU und FDP) und der SPD gebildet. Diese hatte zum Ziel, einen konsensfähigen Gesetzentwurf vorzulegen, der sowohl die Optimierung des Instrumentariums zur Geldwäschebekämpfung als auch die Erweiterung polizeilicher Ermittlungsbefugnisse regeln würde. Gegenstand dieser interfraktionellen Beratungen waren im Einzelnen die Regierungsvorschläge, die Bundesratsempfehlungen sowie die von der SPD vorgebrachten Lösungsansätze.78 Relevant für das Gesetzgebungsverfahren wurden zudem auf europäischer Ebene die Erarbeitung eines Zweiten Protokolls zum Übereinkommen über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften79 sowie auf nationaDiese Argumentation findet sich auch bei Hassemer, StV 1995, S. 483, 488. BT-Drs. 13 / 6620. 78 Der von Meyer / Hetzer präsentierte Entwurf eines Gesetzes zur Verhütung der organisierten Kriminalität und zur steuerlichen Erfassung der Gewinne aus schweren Straftaten soll, nach Ansicht seiner Verfasser, Bewegung in die festgefahrene Debatte gebracht und sich als ein Beitrag erwiesen haben, mit dessen Hilfe nach fast einjährigen Verhandlungen ein tragfähiger Kompromiss gefunden werden konnte, so: Meyer / Hetzer, NJW 1998, S. 1017, 1018; obwohl dieser Entwurf tatsächlich diskutiert wurde, war er nicht das, was die politische Debatte erheblich beeinflusst hat, zumal sich der große Streit vorrangig auf die Erweiterung der strafprozessrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen bezog. 79 s. den Rechtsakt des Rates vom 19. Juni 1997 (ABl. C 221 / 11 vom 19. Juli 1997), der das Prinzip umsetzen soll, dass Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Geldwäsche auch auf den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft ausgedehnt werden sollen. 76 77

C. Das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität

331

ler Ebene zwei Grundsatzentscheidungen des BGH zu § 261 StGB.80 Auf der Basis der im Verlauf der interfraktionellen Gespräche erzielten Kompromisse haben sich die Koalitionsvertreter mit der SPD-Verhandlungsdelegation auf ein Gesetzespaket geeinigt. Dieses fasste die Regierungsvorschläge zur akustischen Wohnraumüberwachung und zur Verbesserung der Geldwäschebekämpfung zusammen. Die rechtspolitische Brisanz der akustischen Wohnraumüberwachung hat zu einer Wiederaufnahme der interfraktionellen Beratungen geführt. Erst im Januar 1998 wurde der Entwurf vom Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages gebilligt. Der Deutsche Bundestag beschloss das Gesetz am 16. Januar 1998.81 Der anhaltende Streit über die akustische Wohnraumüberwachung und die Anrufung des Vermittlungsausschusses82 haben das Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung der organisierten Kriminalität erst im Mai 1998 möglich gemacht.83 Konkreter auf dem Feld der Geldwäschebekämpfung sieht dieses Gesetz Änderungen des Geldwäschetatbestands (§ 261 StGB), der Strafprozessordnung, des Geldwäschegesetzes und des Finanzverwaltungsgesetzes vor. Interessant ist allerdings, dass sich eine Optimierung der Bekämpfungsansätze gegen die organisierte Kriminalität lediglich auf zwei Punkte konzentriert: a) die Erweiterung des Einsatzes von Ermittlungsmaßnahmen 84 und b) die Geldwäschebekämpfung. Somit setzt dieses Gesetz die herrschende kriminalstrategische Doktrin um, wonach die Bekämpfung dieses Phänomens vorrangig durch die Erfassung von kriminellen Profiten erfolgen kann. Die im Rahmen der Geldwäschebekämpfung durchgeführten Finanzermittlungen sollen durch die Verfolgung der Papierspur die inneren organisationellen Strukturen aufdecken.85

II. Änderungen des Geldwäschetatbestands 1. Erweiterung des Vortatenkatalogs Eine erneute Erweiterung des Vortatenkatalogs des Geldwäschetatbestands (§ 261 StGB) schien, unausweichlich gewesen zu sein. Als Vortaten der Geldwäsche sind durch das vorliegende Gesetz zwei schwere Fiskaldelikte aufgenommen worden, nämlich der gewerbsmäßige, gewaltsame und bandenmäßige SchmugBGH NJW 1997, S. 3322 und BGH NJW 1997, S. 3323 ff. Gesetzesbeschluss in BR-Drs 9 / 98; gleichzeitig wurde der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Geldwäschebekämpfung für erledigt erklärt, BR-Drs. 52 / 98. 82 BR-Drs. 9 / 98. 83 BGBl. I 1998, S. 845 ff.; eine ausführliche Darstellung der vorbereitenden parlamentarischen Arbeiten in: Hoyer / Klos, Geldwäsche, S. 182 ff. 84 Da der Untersuchungsgegenstand sich auf die Entwicklung der Geldwäschebekämpfung und der Gewinnabschöpfung beschränkt, werden die sonstigen, sehr wichtigen strafprozessrechtlichen Neuerungen gar nicht diskutiert. 85 M.w.N. Oswald, Implementation, S. 56 ff. 80 81

332 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

gel (§ 373 AO) und die gewerbsmäßige Steuerhehlerei (§ 374 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen). Im Hinblick auf diese Taten wird auch klargestellt, dass Geldwäsche auch an Gegenständen begangen werden kann, hinsichtlich derer Abgaben hinterzogen worden sind. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass auch Schmuggelgut, das wortwörtlich genommen nicht aus einer Straftat nach § 373 AO herrührt, als Tatobjekt erfasst wird. Durch diese Erweiterung werden als Geldwäschehandlungen die tatbestandsmäßigen Verwertungen von Gewinnen vor allem aus dem Zigarettenschmuggel eingestuft. Darüber hinaus werden noch weitere Tatbestände zu geldwäschetauglichen Vortaten: der Menschenhandel (§ 180b StGB) und die Zuhälterei (§ 181a StGB), der Diebstahl (§ 242 StGB), die Erpressung (§ 253 StGB), die Hehlerei (§ 259 StGB), die unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels (§ 284 StGB), Umweltstraftaten (§§ 326 Abs. 1, 2 und 4 und 328 Abs. 1, 2 und 4 StGB) sowie ausländerrechtliche Straftaten (§ 92a AuslG, § 84 AsylVerfG). Zudem werden durch dieses Gesetz als geldwäschetaugliche Vortaten auch der Computerbetrug (§ 263a StGB) sowie die Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269 StGB) statuiert. Dadurch sollen die Lücken geschlossen werden, die für den Vermögensschutz durch die Entwicklung der Computertechnik entstanden waren. Erfasst werden dadurch alle Handlungen, die mit der Verschleierung und Weiterverwertung von Vermögensgegenständen aus Missbräuchen an Geldautomaten oder Softwarepiraterie zusammenhängen.86 Die jeweiligen Tatbestände entsprechen bestimmten typischen Betätigungsfeldern der organisierten Kriminalität. Auf diese Weise werden durch die Bekämpfung der Geldwäsche Formen schwerer Kriminalität, wie die Rotlichtkriminalität, Schutzgelderpressung, illegale Abfallentsorgung sowie Verschleppung von Ausländern bekämpft. Somit entsteht der Eindruck, dass der Gesetzgeber Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität herausgreift, im nächsten Schritt die entsprechenden Normen lokalisiert, die der „Bekämpfung der benannten Kriminalitätsformen dienen und dementsprechend den Vortatenkatalog erweitert. Durch diese Änderungen sollten Anwendungsschwierigkeiten begegnet werden; laut Gesetzesbegründung hätten die Probleme bei der praktischen Handhabung des Geldwäschetatbestands mit Erfahrungen aus der Praxis zu tun und würden auch von Sachverständigenanhörungen sowie statistischen Erhebungen von Bund und Ländern belegt.87 Wann genau diese Probleme entstanden sein sollen, zumal der Geldwäschetatbestand seit seiner Einführung schon mehrmals erweitert, aber nur selten angewandt wurde, bleibt allerdings ungewiss.88 Trotz dieser Änderungen ist in der LiteBT-Drs. 13 / 8651, S. 12. BT-Drs. 13 / 8651, S. 9; der genaue Inhalt solcher Anhörungen und Erhebungen wird allerdings gar nicht erläutert. 88 Bis Ende 1996, als der erste Regierungsentwurf vorgelegt wurde, waren seit Inkrafttreten des Geldwäschetatbestands insgesamt 54 Verurteilungen wegen Geldwäsche zu verzeichnen, Kilchling, Gewinnabschöpfung, S. 38 86 87

C. Das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität

333

ratur nicht zu Unrecht die Ansicht vertreten worden, dass der strafrechtliche Geldwäschetatbestand, vor allem aufgrund des Erfordernisses des Nachweises der Herkunft des Geldwäscheobjekts aus einer konkretisierbaren Vortat, stets von einem Vollzugsdefizit geprägt ist.89 Die Verknüpfung zwischen solchen Taten und Strukturen der organisierten Kriminalität bleibt ebenso schwach.90 Das einzige Merkmal, das auf dieses Phänomen hindeuten soll, ist die Gewerbs- und Bandenmäßigkeit. Die Schwierigkeit, das Wesen der organisierten Kriminalität gesetzestechnisch zu erfassen, bewirkt also eine Reduzierung seines Verständnisses auf Gewerbs- und Bandenmäßigkeit. Diese Modalitäten können Hinweise auf organisierte Kriminalität darstellen, sie sind jedoch keineswegs mit solchen Strukturen gleichzusetzen. Es sei daran erinnert, dass diese Merkmale als besondere Begehungsformen schon seit jeher dem strafrechtlichen System bekannt sind.91 Die Ungereimtheiten, die sich aus dieser Tautologie ergeben, kann man an einem einfachen Beispiel sehen: ein Zuhälter kann wiederholt mehrere Prostituierte ausbeuten, also sich der gewerbsmäßigen Zuhälterei schuldig gemacht haben, ohne zwangsläufig in eine kriminelle Organisation eingebunden zu sein. Dasselbe gilt auch für die Bandenmäßigkeit. Diese liegt ferner vor, „wenn sich mindestens drei Personen zur fortgesetzten Begehung von Katalogtaten verabreden, auch wenn die konkrete Tat von nur einem Bandenmitglied begangen wird“.92 Diese Beschreibung entspricht jedoch nicht notwendig der einer festen Organisation, wie diese für eine kriminelle Vereinigung nach § 129 StGB gilt.93 Die faktische Reduktion der organisierten Kriminalität auf Banden- und Gewerbsmäßigkeit dient dem Zweck der kriminaltaktischen Erleichterung: liegen diese Merkmale vor, können die Ermittlungsbehörden einen Fall organisierter Kriminalität bejahen und besondere Ermittlungsinstrumente einsetzen. Diesen Ansatz verfolgt das vorliegende Gesetz allerdings nur halbherzig. Denn man vermisst vom Vortatenkatalog der Geldwäsche manche gewerbs- oder bandenmäßige Alternativen von Vergehen, die als typisch für die organisierte Kriminalität gelten. So wurde z. B. der Straftatbestand der Fälschung von amtlichen Ausweisen (§§ 275, 276 StGB), zu denen nach § 276a StGB auch Fahrzeugpapiere gehören, nicht in den So Hund, ZRP 1997, S. 180, 181; Kreß, wistra 1998, S. 121, 125. Zur fragwürdigen Verbindung zwischen Geldwäsche und organisierter Kriminalität, s. Hund, ZRP 1996, S. 163 ff., der aber diese Erkenntnis als Argument für die Abschaffung des Vortatenkatalogs benutzt. 91 Zur Geschichte des Bandenbegriffs, s. Kosmalla, Die Bandenmäßigkeit im Strafrecht, S. 30 ff.; dementsprechend für die Gewerbsmäßigkeit, s. Meisl, Die Gewerbsmäßigkeit im Strafrecht, S. 70 ff. 92 BGH NJW 2001, S. 2266 ff. 93 Im Unterschied zur bloßen Bande sind von kriminellen Vereinigungen nur die Organisationen erfasst, die wegen der ihnen innewohnenden Eigendynamik und wegen ihrer auf die Begehung von Straftaten angelegten inneren Struktur besonders gefährlich sind, s. BGHSt 31, S. 207 ff.; 41m S. 51 ff. 89 90

334 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

Vortatenkatalog einbezogen, obwohl der Handel mit gestohlenen Kraftfahrzeugen als typisches Betätigungsfeld der organisierten Kriminalität angesehen wird.94 Dieses und andere Beispiele bezeugen gerade, dass die Einbeziehung von Straftaten in den Vortatenkatalog der Geldwäsche mehr mit den jeweiligen Gegebenheiten bei der Entstehung eines Gesetzes und weniger mit einem schlüssigen Konzept zur Bewältigung der organisierten Kriminalität zusammenhängt.95 Die Reduktion der organisierten Kriminalität auf eine banden- und gewerbsmäßige Begehungsweise wird von diesem Gesetz noch weiter abgeschwächt, indem die Vortaten der § 261 Abs. 1 Nr. 4 nunmehr alternativ gewerbs- oder bandenmäßig begangen werden können.96 Nach der bisherigen Rechtslage wurde das kumulative Vorliegen dieser Merkmale verlangt, was in der Praxis oft zu Beweisschwierigkeiten führte: gelang es den Strafverfolgungsbehörden nicht, bandenund gewerbsmäßige Begehung nachzuweisen, musste auch die Strafbarkeit wegen Geldwäsche entfallen. Das alternative Vorliegen der gewerbs- oder bandenmäßigen Begehung eines geldwäschetauglichen Vergehens verhält sich jedoch widersprüchlich zu der vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Beschreibung der organisierten Kriminalität. Denn diese setzt zumindest die Begehung einer Tat von mehr als zwei Beteiligten voraus, die sich aus Gewinnstreben und auf Dauer zusammengeschlossen haben.97 Wird also lediglich eine bandenmäßige Begehung für ausreichend gehalten, fehlt die Voraussetzung des Gewinnstrebens. Und umgekehrt: gewerbsmäßig kann auch eine Einzelperson handeln.98 Ein Einzeltäter, der unabhängig von anderen Straftätern gewerblich handelt, kann schon begrifflich nicht als Teil der organisierten Kriminalität verstanden werden. Ein ausreichender Bezug zu diesem Phänomen kann auf diese Weise nur dann hergestellt werden, wenn beide Merkmale kumulativ vorliegen.99 Diese Änderung trage nach Ansicht einiger Autoren dem Umstand Rechnung, dass eine bandenmäßige Begehung bei verschiedenen Vortaten der Geldwäsche, Bundeskriminalamt (Hrsg.), Lagebild Organisierte Kriminalität 2004, S. 24 ff. So auch Wirtz, Das „Al-Capone“ Prinzip, S. 66. 96 So auch Oswald, Die Implementation gesetzlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche in der Bundesrepublik Deutschland, S. 300 ff.; ähnliche Überlegungen wurden von der Fraktion der Grünen während des Gesetzgebungsverfahrens geäußert, s. BT-Drs. 13 / 8590, S. 8, wo anlässlich der Erweiterung des Vortatenkatalogs auf eine Lösung des „Bezugs zur Schwerkriminalität“ hingewiesen wird. Bei den Korruptionsdelikten, die jetzt vollständig erfasst sind, ist sogar jede Begehungsform ausreichend, ohne dass überhaupt eine der beiden Alternativen gegeben sein muss. 97 BT-Drs. 13 / 4942, . 3; Caesar, ZRP 1991, S. 241, 243. 98 Gewerbsmäßigkeit liegt dann vor, wenn „eine Tätigkeit in der Absicht ausgeübt wird, sich aus der wiederholten Begehung einer Einnahmequelle von einer gewissen Dauer und Erheblichkeit zu verschaffen“, so Schönke / Schröder / Eser, § 243, Rn. 31; so auch BGHSt 49, S. 177, 181. 99 So auch Bülte, Die Geldwäschegesetzgebung als Ermächtigungsgrundlage für den Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden und den Strafverfolgungsorganen, S. 202. 94 95

C. Das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität

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wie z. B. der Unterschlagung und dem Betrug, kaum vorkomme.100 Somit wird es ersichtlich, dass die Abstellung auf Gewerbs- oder Bandenmäßigkeit zu einer weiteren Verwirrung in Bezug auf die praktische Handhabung des Begriffs der organisierten Kriminalität führt. 2. Abschaffung des Vortatenkatalogs? Anlässlich der ständigen Erweiterung des Vortatenkatalogs der Geldwäsche hat sich allerdings die Frage gestellt, ob man statt diesen scheibchenweise auszudehnen, ihn völlig abschaffen sollte.101 In der Theorie wurde diese Forderung mehrmals erhoben, so dass der Umgang mit inkriminierten Vermögenswerten unabhängig aus welcher Straftat als Geldwäsche einzustufen wäre. Der Gesetzgeber habe die Tatsache übersehen, dass Geldwäsche praktisch bei allen lukrativen Kriminalitätsformen (Steuerhinterziehung, Wirtschaftskriminalität, Korruption) notwendig sei. Die Begrenzung der Geldwäschestrafbarkeit auf Fälle organisierter Kriminalität sei also angesichts der Komplexität dieses Phänomens fragwürdig.102 Zudem würde die Einführung des sog. „All-crimes-Prinzips“ auch die Ermittlungstätigkeiten der Strafverfolgungsbehörden erleichtern: denn der Verdacht auf irgendeine Straftat würde bereits einen Ermittlungsansatz wegen Geldwäsche liefern. Die Ermittler seien in einem frühen Ermittlungsstadium oft nicht in der Lage, den Verdacht der Begehung einer konkreten Katalogtat zu begründen, damit die entsprechenden Ermittlungsmaßnahmen ergriffen werden können. Außerdem dürfen in der Praxis immer wieder Fälle auftreten, die Lücken des Katalogs aufzeigen, so dass er ständig angepasst werden müsste. Die Beseitigung des Vortatenkatalogs könnte somit eine gewisse „Entbürokratisierung“ der Ermittlungen bewirken. Die Gefahr einer Überkriminalisierung könne durch einen Bagatellbetrag abgewendet werden, der die Grenzen der Strafbarkeit abstecken würde.103 Das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der organisierten Kriminalität spricht sich gegen die Abschaffung des Vortatenkatalogs aus. Angesichts des Verzichts auf subjektive Tatbestandselemente beim § 261 StGB, wie bei anderen Anschlusstaten104, betont das Gesetz das Bedürfnis, den Geldwäschetatbestand nur auf Fälle schwerwiegender Kriminalität zu beschränken.105 Meyer / Hetzer, KR 1997, S. 694, 696; Fromm, KR 1998, S. 463, 468. Das besagt auch das sog. „All-crime-Prinzip“, das auch im Europaratsübereinkommen von 1990 und in der UN-Drogenkonvention niedergeschrieben ist, s. oben 4. Kap. A. I. 102 Hetzer, ZRP 1999, S. 245 ff.; Remmers, Die Entwicklung der Gesetzgebung zur Geldwäsche, S. 153; Fromm, KR 1998, S. 463, 468. 103 Hund, ZRP 1996, S. 163 ff.; derselbe, ZRP 1997, S. 180, 181; Körner, KR 1994, S. 195, 196. 104 Z. B. die Bereicherungsabsicht bei der Hehlerei (§ 259 StGB) oder die Absicht der Beutesicherung bei der Begünstigung (§ 257 StGB). 105 BT-Drs. 13 / 8651, S. 12. 100 101

336 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

Das Festhalten des Gesetzes am Vortatenkatalog ist auf jeden Fall zu begrüßen. Die Abschaffung des Vortatenkatalogs würde eine Überkriminalisierung von Handlungen bewirken. Diese Überkriminalisierung widerspricht der ganzen Konzeption der Geldwäsche als einer Anschlusstat, die nur in bestimmten Tatkonstellationen strafwürdig ist. Zudem lässt die Unklarheit bezüglich der durch den § 261 StGB geschützten Rechtsgüter eine solche Ausdehnung nicht zu.106 Aber auch unter dem Aspekt der Ermittlungsarbeit würde die Abschaffung des Vortatenkatalogs – will man nicht gleichzeitig auch das Legalitätsprinzip abschaffen – zu einer Überforderung der Ermittlungsbehörden führen. Der Vortatenkatalog hat gerade die Funktion, nur diese Geldwäschehandlungen für strafwürdig zu erklären, welche, anschließend zu einer schwerwiegenden Straftat, die Perpetuierung des Unrechts oder die Stärkung von kriminellen Strukturen bewirken.107 Zudem muss man betonen, dass für die Praxis nicht die rechtliche Zuordnung zu einem bestimmten Tatbestand das Kernproblem bildet, sondern die Zuordnung des Tatobjekts zu einem konkreten tatsächlichen Geschehen.108 Die Beweisschwierigkeiten der Verfolgungsbehörden beziehen sich folglich nicht darauf, ob z. B. die Tatbestandsvoraussetzungen eines Katalogdelikts gegeben sind, sondern ob sich überhaupt ein Nexus zwischen einer Straftat und dem Tatobjekt herstellen lässt. Das Problem ist also nicht die Existenz des Vortatenkatalogs, sondern der Anschlusscharakter des Geldwäschetatbestands. Dieser lässt sich allerdings nicht ernsthaft bestreiten, denn der Unrechtsgehalt des bereits weit gefassten Tatbestands lässt sich ohne die Bezugnahme auf eine Vortat nicht ermitteln. Letztlich zeigt der Nachweis dieses Anschlusscharakters die Grenze zwischen legalen Finanztransaktionen einerseits und Geldwäsche andererseits auf.109 Darüber hinaus darf man die enge Verschränkung zwischen dem Geldwäschetatbestand und dem Geldwäschegesetz nicht aus den Augen verlieren. Die Weite des § 261 StGB wirkt unmittelbar auf die Verpflichtungen der Bankinstitute bei der Geldwäschebekämpfung ein. Der Verzicht auf einen Vortatenkatalog würde dazu führen, dass den Kreditinstituten so weitgehende Pflichten zukämen, die sowohl aus einer dogmatischen Perspektive (Inpflichtnahme Privater bei der Strafverfolgung) als auch aus praktischen Gründen (Kapazitäten der Institute für die Geldwäschebekämpfung) schwer zu vermitteln wären. Das Bedürfnis einer ständigen Anpassung der Vorschrift würde immer noch bestehen, nicht in der Form von Katalogtaten, sondern in Bezug auf den Schwellenbetrag, der sich an den gesamten finanziellen Gegebenheiten orientieren würde. Aber auch wenn man das Festhalten des Gesetzes am Vortatenkatalog gutheißt, scheint die Argumentation der Gesetzesbegründung widersprüchlich: denn man So auch Geurts, ZRP 1997, S. 250 f. So Oswald, wistra 1997, S. 328, 330. 108 So auch Rupprecht, in: Organisierte Kriminalität, BKA Tagung, S. 67, 77; Kreß, wistra 1998, S. 121, 125. 109 Kilchling, Gewinnabschöpfung, S. 442. 106 107

C. Das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität

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kann nicht nachvollziehen, wie die Überkriminalisierung vermieden werden soll, wenn der Vortatenkatalog unter dem Vorwand der organisierten Kriminalität ständig ausgedehnt wird.110 Durch das Hinzufügen einer Vielzahl von Taten aus dem StGB sowie aus strafrechtlichen Nebengesetzen in den bereits weiten Vortatenkatalog können durchaus Konstellationen erfasst werden, die nicht zwangsläufig als „schwerwiegende Kriminalität“, umso weniger als organisierte Kriminalität, zu bewerten sind. Zudem ist es aus Gründen der Rechtssicherheit nicht gerade dienlich, auf den juristisch nicht definierbaren Begriff der „schwerwiegenden Kriminalität“ abzustellen. Letztlich scheint eine streng am Wortlaut gebundene Interpretation des § 261 StGB zu einer Tatbestandsmäßigkeit von ermittlungsrelevanten Handlungen der Strafverfolgungsbehörden zu führen. Dabei handelt es sich um die gängige Praxis, aus ermittlungstaktischen Gründen inkriminierte Gelder weiter fließen zu lassen. Deshalb wurde die Forderung an den Gesetzgeber erhoben, gesetzlich klarzustellen, dass Handlungen der Strafverfolgung nicht tatbestandsmäßig im Sinne des § 261 StGB sind. Dieser Forderung wurde allerdings nicht entsprochen: denn eine teleologische Auslegung dieser Norm, die unter anderem die staatliche Rechtspflege schütze, stehe einer Tatbestandsmäßigkeit von ermittlungsrelevanten Handlungen im Wege.111 Aus diesem Anlass wird die Inkonsistenz der Geldwäschevorschrift deutlich: mittels teleologischer Auslegung kommt man zu ganz anderen Ergebnissen als durch die strenge am Wortlaut gebundene Interpretation. Somit ist das Potential einer strafrechtlichen Verfolgung von Strafverfolgungsbeamten oder Bankmitarbeitern nicht auszuschließen; sie hängt vom Verständnis des jeweiligen Staatsanwalts ab. Die Erweiterung des Vortatenkatalogs ist also nicht nur aus rechtsstaatlichen Gründen, sondern auch aus Effektivitätsgesichtspunkten besonders fraglich. 3. Sonstige Änderungen des Geldwäschetatbestands Das vorliegende Gesetz nimmt auch eine Änderung vor in Bezug auf die Täterschaft einer Geldwäsche. Bisher war es durch die Formulierung „die Tat eines Anderen“ im § 261 Abs. 1 S. 1 StGB nicht möglich, den Vortäter als Geldwäscher zu bestrafen. Bei der Einführung des Geldwäschetatbestands war der Gesetzgeber von einem arbeitsteiligen Vorgehen bei der Geldwäschebegehung ausgegangen, wonach die Personen des Vortäters und des Geldwäschers nicht identisch sind. Die derartige Ausgestaltung des Geldwäschetatbestands hat jedoch in der Praxis dazu geführt, dass Geldwäscher nicht bestraft wurden, wenn sie die Behauptung erhoben, dass die gewaschenen Vermögenswerte aus ihren eigenen Vortaten herrührten. a.A. Hetzer, KR 1998, S. 234, 235. BT-Drs. 13 / 8651, S. 9; angeregt wurde der Zusatz einer Freistellungsklausel, so Kraushaar, wistra 1996, S. 168, 170. Der Verzicht auf eine solche Klausel im Gesetzestext ist nach Scherp zu bedauern, in: KR 1998, S. 458, 461. 110 111

338 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

Blieb aber eine Bestrafung wegen der Vortat aus, z. B. aufgrund der ungünstigen Beweislage, blieb der Täter gänzlich unbestraft. Durch die Erweiterung der Anwendung des § 261 StGB auch auf den Vortäter wird somit die Norm in personeller Hinsicht ausgedehnt. Gleichzeitig ist im § 261 StGB ein Absatz 9 hinzugefügt worden, wonach wegen Geldwäsche nicht bestraft wird, wer wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist. Diese Regelung, die sich an die entsprechende Bestimmung des § 257 Abs. 3 S. 1 StGB (Begünstigung) anlehnt, trägt dem Gedanken der mitbestraften Nachtat Rechnung; denn es gilt als ein allgemeingültiges Prinzip im Strafrecht, dass Selbstbegünstigungshandlungen straffrei bleiben. Da die Geldwäsche an eine Vortat anknüpft, wird der staatliche Strafanspruch durch die Bestrafung wegen der Vortat erschöpft. Der persönliche Strafausschließungsgrund des § 261 Abs. 9 StGB trägt somit zur Verhinderung einer unverhältnismäßigen Doppelbestrafung und einer wenig sinnvollen Belastung der Strafjustiz bei.112 Fällt jedoch die Strafbarkeit vom Vortatteilnehmer wegen des Prinzips der limitierten Akzessorietät aus, z. B. wegen Schuldunfähigkeit des Haupttäters, können diese Täter nach § 261 StGB bestraft werden. Dieser Vorschlag ist zu begrüßen; denn er schafft eine dogmatische Klarheit und postuliert das Primat der Bestrafung der Vortat. Obwohl das eigenständige Unrecht der Geldwäsche und der sonstigen Anschlusstaten anerkannt wird, wird behauptet, dass ihre Strafbarkeit nur mittelbar „der Eindämmung der Vortaten“ diene.113 Das bedeutet, dass, wenn eine Person eine Vortat und eine Anschlusstat begeht, von einem grundsätzlichen Interesse zur Verfolgung der Vortat auszugehen ist. Dies verstärkt allerdings den Eindruck des Hilfstatbestandscharakters der Geldwäsche.114 Neben dieser Änderung nimmt das Gesetz zu der umstrittenen Frage Stellung, ob als Auslandstaten nur die Katalogtaten oder auch die Geldwäschehandlungen verstanden werden.115 Das Gesetz stellt somit klar, dass sich der Begriff „Auslandstaten“ auf die Vortaten bezieht. Vorausgesetzt wird, dass sie auch am Tatort mit Strafe bedroht sind. Zur Begründung wird auf die internationale Verflechtung der Finanzmärkte hingewiesen.116 Obwohl diese Änderung zur Rechtsklarheit einen Beitrag leistet, hat sie erneut eine Erweiterung des Anwendungsbereiches zur Folge. Sie ist daher als eine mittelbare Ausdehnung des Vortatenkatalogs zu verstehen, diesmal auf räumlicher Ebene. BT-Drs. 13 / 8651, S. 11 Schönke / Schröder / Stree Vor §§ 257 ff., Rn. 2, 3. 114 Kilchling, wistra 200, S. 241, 243. 115 Carl / Klos, NStZ 1995, S. 167 f., schließen z. B. eine teleologische Herleitung einer Restriktion des bisherigen Abs. 8 aus und fordern eine gesetzliche Korrektur; Klemme, Das Verhältnis von ausländischen Vortaten zu inländischen Anschlusstaten am Beispiel der Geldwäsche, S. 17. 116 BT-Drs. 13 / 8651, S. 12. 112 113

C. Das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität

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In Bezug auf den Strafrahmen wurde der Empfehlung des Rechtsausschusses entsprochen117, wonach die Mindeststrafandrohung für den Regelfall der Geldwäsche nach § 261 Abs. 1 S. 1 StGB auf drei Monate neu festgesetzt werden sollte. Diese Mindeststrafandrohung geht über die einiger Vortaten hinaus. Dieser Schritt impliziert den Willen des Gesetzgebers, den oftmals angezweifelten eigenständigen Unrechtsgehalt der Geldwäsche gegenüber ihren Vortaten zu unterstreichen.118 Betrachtet man die Änderungen des Geldwäschetatbestands insgesamt, wird eine Expansion der Geldwäschestrafbarkeit klar erkennbar und zwar in verschiedenen Richtungen: auf personeller Ebene durch die Einbeziehung der Vortäter, auf sachlicher durch die Erweiterung des Vortatenkatalogs, letztlich auf räumlicher Ebene durch die Einbeziehung der Auslandstaten. Diese Änderungen verursachen ein Plus an Kriminalisierung. Jede Neukriminalisierung muss jedoch am Prinzip der Verhältnismäßigkeit gemessen werden und ihm Rechnung tragen. Es ist ernsthaft zu bezweifeln, ob diese Änderungen im Verhältnis zum gesetzten Ziel erforderlich und vor allem geeignet sind. Die bereits aufgezeigten Widersprüche dieses Gesetzes, vor allem hinsichtlich der Vortaten, legen eine gewisse Unklarheit des Gesetzgebers nahe, wie genau die Geldwäschebekämpfung zu optimieren wäre.

III. Änderungen der StPO In den designierten Änderungen der Strafprozessordnung ist indessen eine qualitativ neue Eingriffsintensität erkennbar: zunächst wird der Anwendungsbereich der Überwachung der Telekommunikation (§ 100a StPO) auf die Geldwäsche erweitert. Eine Telefonüberwachung darf also künftig auch dann stattfinden, wenn der Verdacht einer vorsätzlichen Geldwäschehandlung besteht. Außerdem wird der Einsatz technischer Mittel nach §§ 100c ff. StPO deutlich ausgebaut. Dadurch sollte bei Verdacht einer Vielzahl von Taten auch die akustische Überwachung des nicht-öffentlich gesprochenen Wortes ermöglicht werden. Um verfassungsrechtlichen Einwänden Rechnung zu tragen, dürfen solche Maßnahmen nur dann angeordnet werden, wenn „die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthalts des Täters auf andere Weise verhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre“ (§ 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO). Diese Maßnahme kann nun auch im Fall eines Geldwäscheverdachts angeordnet werden; denn sie könnte zur Aufdeckung von komplexen internationalen Geldwäschestrukturen und zum Beweis der Verbindung zwischen Geldwäscher und Vortäter beitragen. Die Änderungen indizieren in allen Fällen die Schwerpunktverlagerung des gesamten Ermittlungsverfahrens BT-Drs. 13 / 9644, S. 5; 13 / 9661, S. 6. Die Eigenständigkeit des Unrechtsgehalts der Geldwäsche wurde auch vom BGH bejaht, s. BGH NJW 1997, S. 3322 ff., wobei weiter offen bleibt, worin der spezifische Unrechtsgehalt der Geldwäsche liegen soll; so auch Kilchling, wistra 2000, S. 241, 244. 117 118

340 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

vom Ziel der Aufdeckung begangener Straftaten hin zum Desiderat der Schaffung von proaktiven Ermittlungsansätzen. Diese Verlagerung ist auch in der Geldwäscheproblematik abzulesen und weist somit auf ein Verwischen der Grenzen zwischen Gefahrenabwehr und Strafverfolgung hin.119 Zudem wird die Verdachtsschwelle zur Anordnung von Sicherstellungsmaßnahmen gesenkt. Gegenstände konnten nach §§ 111b StPO bislang nur dann sichergestellt werden, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden waren, dass die Voraussetzungen für ihren Verfall oder ihre Einziehung vorlagen. Da es in der Anfangsphase des Ermittlungsverfahrens häufig noch nicht möglich war, ausreichende Beweismittel für die hohe Verdachtsschwelle vorzulegen, wird, nach der Änderung des § 111b StPO, die Prognoseentscheidung bezüglich der künftigen Anordnung von Verfall und Einziehung aus dem Bereich des dringenden Tatverdachts auf das Niveau des einfachen Tatverdachts herabgesenkt.120 Es bleibt jedoch fraglich, ob diese Änderung ermittlungstechnisch nützlich ist oder möglicherweise auch den Erfolg laufender Ermittlungen negativ beeinflussen kann. Denn es wird behauptet, dass die Möglichkeit des frühen Zugriffs auf das kriminelle Vermögen der Effizienz der sonstigen Maßnahmen verdeckter Ermittlungen schaden könnte. Denn wenn solche Maßnahmen in einem frühen Ermittlungsstadium angeordnet werden, wird der Betroffene über das gegen ihn laufende Ermittlungsverfahren informiert, so dass Maßnahmen verdeckter Ermittlungen keine Wirkung zeigen können.121

IV. Änderungen des Geldwäschegesetzes Besonders interessant erscheinen die Änderungen des Geldwäschegesetzes.122 Die erste Novellierung bezieht sich auf eine Anhebung des Schwellenwerts von 20.000 DM auf 30.000 DM. Auf diese Weise wird der Betrag, der die Identifizierungspflicht aktiviert, auf die nach der ersten EG-Richtlinie zulässige Höhe angehoben. Denn es wurde zu Recht behauptet, dass ein niedriger Schwellenwert, wie er bisher in Deutschland galt, im internationalen Vergleich zu keinem besonderen Erfolg geführt hat. Als Nebeneffekt werde durch diese Änderung die Kreditwirtschaft erheblich entlastet, indem die unnützliche Entstehung von „Datenfriedhöfen“ vermieden werde.123 Die betroffenen Institute werden somit in die Lage verSo auch Luczak, Organisierte Kriminalität im internationalen Kontext, S. 175, 187. Meyer / Hetzer, NJW 1998, S. 1017, 1023. 121 Scherp, KR 1998, S. 458, 461. 122 Änderungen des GwG haben auch das Begleitgesetz zum Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtlicher Vorschriften von 1997, BGBl. I 1997, S. 2567 ff. sowie das Begleitgesetz zum Telekommunikationsgesetz von 1997, BGBl. I 1997, S. 3108 ff. bewirkt. Diese Novellierungen beziehen sich auf redaktionelle oder begriffliche Verbesserungen, so dass sie nicht gesondert thematisiert werden. 123 Vgl. Meyer / Hetzer, KR 1997, S. 694, 696; Hetzer, KR 1998, S. 234, 237. 119 120

C. Das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität

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setzt, die Kontrollen bei der Geldwäschebekämpfung, insbesondere bei den Verdachtsanzeigen, effektiver zu gestalten. Schließlich wird das Ziel der Geldwäschebekämpfung nicht in Frage gestellt, denn das zentrale Instrument der Verdachtsanzeige bleibt unabhängig von der Transaktionshöhe bestehen.124 Dieser Vorschlag ist begrüßenswert: er trägt zu einer gewissen Entbürokratisierung der Geldwäschebekämpfung bei, indem er die Kreditinstitute von der Durchsicht von Bagatellfällen befreit. In diesem Zusammenhang muss allerdings daran erinnert werden, dass die Mitverfasser des vorliegenden Gesetzes aus den Reihen der SPD in ihrem Entwurf eines 2. OrgKG genau das Gegenteil forderten, nämlich eine Senkung des Schwellenbetrags.125 Zudem wird im § 11 Abs. 1 S. 2 GwG ein Teilsatz hinzugefügt, der eine Klarstellung bzgl. der Berechnung der Anhaltefrist bewirkt. Nunmehr endet die Wartefrist für die Durchführung einer als verdächtig angezeigten Transaktion mit Ablauf des nächsten Werktages, wenn der zweite Werktag auf einen Sonnabend fällt. Die Frage, ob der Sonnabend als Werktag gelten soll, war umstritten. Diese Unklarheit ging auf die zwei gegensätzlichen Meinungen zurück, die diesbezüglich in der Theorie präsentiert wurden. Die eine Meinung bekräftigte durch eine analoge Anwendung des § 43 StPO (Berechnung von Wochen- und Monatsfristen) und § 193 BGB (Sonn- und Feiertag; Sonnabend), dass die Frist in einem solchen Fall mit Ablauf des nächsten Werktages ende. Laufe also die Frist am Samstag ab, müsse noch ein Werktag verstreichen, bevor die Transaktion durchgeführt werden könne. Die andere Meinung stützte sich auf die Verlautbarung des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen (BAKred) vom 02. November 1994, wonach die Frist bereits am Sonnabend ablaufe.126 Trotz der Schwere des Eingriffs für die finanziellen Interessen des Betroffenen, ist eine solche Verlängerung gerade noch hinzunehmen. Es gilt als ein allgemeines Prinzip des Straf- und des Zivilrechts, dass der Sonnabend nicht als ein Werktag gilt. Im anderen Fall wäre die Frist praktisch so kurz, dass den zuständigen Behörden keine Zeit mehr bliebe, um den Geldwäscheverdacht abzuklären. Eine auch minimale Erfolgsperspektive des Ziels dieser Regelung sollte gesichert werden, um die Gefahr einer bürokratischen Regelung mit symbolischen Wert auszuschließen. Eine weitere Verlängerung dieser Frist, wie sie aus kriminalistischen Kreisen oft gefordert wird, darf jedoch aufgrund der Auswirkungen auf die Eigentumsrechte des Betroffenen sowie auf den Finanzverkehr nicht in Erwägung gezogen werden.127 Durch das neue Gesetz werden in das GwG Vorschriften eingeführt, welche auf eine verbesserte Koordination zwischen den Strafverfolgungs- und den FinanzBT-Drs. 13 / 8651, S. 16. s. oben 5. Kap. A. VI. 126 BT-Drs. 13 / 8651, S. 17. 127 Nach Hund, ZRP 1997, S. 180, 182 genügt die Zwei-Tage-Frist für die erforderlichen Erstabklärungen, insb. die Recherche in den polizeilichen Informationssystemen. 124 125

342 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

behörden abzielen.128 Erstens werden die Weitergabemöglichkeiten von Schwellenwertidentifizierungen an die Finanzbehörden ausgeweitet. Die Rechtslage bis zum Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzes ließ die Übermittlung von Erkenntnissen aus dem GwG, d. h. von Schwellenwertaufzeichnungen an die Finanzbehörden, erst dann zu, wenn eine rechtskräftige Verurteilung wegen Geldwäsche oder einer ihrer Vortaten vorlag. Diese Regelung wurde stark kritisiert, da sich im Zeitpunkt einer rechtskräftigen Verurteilung steuerliche Konsequenzen oft kaum durchsetzen ließen. Einerseits würden in diesem Zeitpunkt die steuerrelevanten Tatsachen nicht zur Verfügung stehen, andererseits sei anzunehmen, dass der Steuerschuldner sein Vermögen bereits der Besteuerung entzogen hat, so dass die Vollstreckung äußerst schwierig sei. Zudem führe die Verwendung der Aufzeichnungen nach § 9 GwG nach einem rechtskräftigen Strafurteil vor allem bei Wirtschaftsstraftaten, die bekanntlich einen hohen Ermittlungsaufwand erfordern, zu einer Verjährung der entsprechenden Steueransprüche. Auf diese Weise habe auch der Staat auf die Erzielung beträchtlicher Steuereinnahmen verzichten müssen.129 Nach dem neuen § 10 Abs. 2 GwG werden die Strafverfolgungsbehörden bereits bei Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Geldwäsche oder einer ihrer Vortaten verpflichtet, diese Tatsache an die zuständige Finanzbehörde mitzuteilen. Diese Mitteilung darf auch von einer Übermittlung der im Strafverfahren herangezogenen Aufzeichnungen begleitet werden. Auf diese Weise werden auch die Finanzbehörden in der Lage sein, Besteuerungsverfahren in Gang zu setzen. Zugleich wird auch die Verfolgung von Steuerstraftaten erheblich erleichtert. Dies wird allerdings auch durch die nächste Neuerung des GwG erfolgen, nämlich einer Erweiterung der Verwertbarkeit von Verdachtsanzeigen, sowohl für Besteuerungsals auch für Steuerstrafverfahren. Nach der bisherigen Regelung konnten solche Erkenntnisse erst nach einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Geldwäsche oder einer ihrer Vortaten für Steuerstrafverfahren verwendet werden, für ein Besteuerungsverfahren dagegen konnten diese gar nicht herangezogen werden. Dieser Umstand zwang die Strafverfolgungsbehörden, die Augen vor zureichenden Anhaltspunkten steuerlicher Vergehen zu verschließen, was allerdings einer faktischen Suspendierung des Legalitätsprinzips gleichkam.130 Durch die zeitliche Vorverlegung der Weitergabe von Informationen an Finanzbehörden sowie die Verwendung dieser Informationen für die Verfolgung von Fiskaldelikten und die Realisierung des staatlichen Steueranspruchs soll nach gesetzgeberischer Absicht ein „Informationsverbund“ zwischen den Strafverfolgungs128 Diese Neuerung geht auf ein älteres Anliegen bezüglich der Verwertung von Schwellenwertidentifizierungen für Steuerstraftaten und zum Zwecke der Besteuerung auch vor dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens wegen Geldwäsche, s. BT-Drs. 12 / 2704, S. 26. Vor allem lehnt jedoch diese Änderung an den von Meyer / Hetzer vorgelegten Diskussionsentwurf über die steuerliche Erfassung von Gewinnen aus schweren Straftaten an; mehr dazu Meyer / Hetzer, KR 1997, S. 31, 35. 129 BT-Drs. 13 / 8651, S. 17. 130 Kreß, wistra 1998, S. 121, 128.

C. Das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität

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und den Finanzbehörden geschaffen werden. Die Notwendigkeit der Schaffung eines solchen Verbundes geht auf die Prämisse der Steuergerechtigkeit zurück, die für die Besteuerung nicht an die kriminelle Herkunft von Vermögenswerten, sondern an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen anknüpft. Die neue Vorschrift schaffe somit Informationskanäle zwischen Strafverfolgungsbehörden und Finanzämtern, die ständig aktiv bleiben und zu einer umfassenden Informationsbeschaffung beitragen würden. Diese Kanäle seien erforderlich, um die Gewinnabschöpfung durch Besteuerung zu ermöglichen.131 Eine ähnliche Mitteilungspflicht war bereits im § 116 AO verankert, sie wurde jedoch für den Fall statuiert, dass der Verdacht einer Steuerstraftat vorlag. Durch die Vorverlegung dieser Pflicht ergibt sich ein viel weiterer Umfang von mitteilungspflichtigen Tatsachen, die den Finanzbehörden die Gelegenheit geben können, steuererhebliche Tatsachen zu ermitteln. Für die Verfolgung von Steuerstraftaten sei diese Änderung auch besonders wichtig; da Geldwäschemethoden oft ebenso der Steuerhinterziehung dienen würden, könnten durch die Aufdeckung von Steuerhinterziehung Anhaltspunkte für weitere Geldwäscheermittlungen gewonnen werden.132 Bemerkenswert ist auch die neue Fassung des § 11 Abs. 5 GwG. In der bisherigen Regelung des § 11 Abs. 5 S. 2 GwG wurde in Bezug auf die Verwertbarkeit des Inhalts von Verdachtsanzeigen auf § 10 Abs. 2 GwG verwiesen, so dass umstritten war, ob auch Steuerstraftaten mit einer Straferwartung von über zwei Jahren aufgrund der Verdachtsanzeigen verfolgt werden können oder ob diese lediglich für das Besteuerungsverfahren herangezogen werden dürfen133. Zusammenfassend darf nunmehr der volle Inhalt der Verdachtsanzeigen zur Verfolgung von Geldwäsche und ihrer Vortaten, von Steuerstraftaten und von sonstigen Straftaten, die im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht sind, also abgekoppelt von der individuellen Straferwartung, verwertet werden. Darüber hinaus wird das Verwertungsverbot der Verdachtsanzeigen auch in Bezug auf die Besteuerung aufgehoben.134 Diese Novellierungen sind kritisch zu betrachten. Die Weiterverwertung der von den Kreditinstituten erhobenen Schwellenwertaufzeichnungen und der erstatteten Verdachtsanzeigen zu Besteuerungszwecken und in Steuerstrafverfahren steht in einem gewissen Widerspruch zum Ausnahmecharakter der Inpflichtnahme Privater, die das GwG eingeführt hat. Somit werden die Kreditinstitute durch das vor131 Nach Kreß, wistra 1998, S. 121, 123 wird auf diese Weise der Geldwäschebekämpfung ein neuer Impetus verliehen; dazu auch Wirtz, Das Al-Capone Prinzip, S. 67 ff. Durch diese Regelungen wurde die von Meyer / Hetzer präsentierten Ideen ansatzweise umgesetzt. Einen ähnlichen Ansatz kennt auch das niederländische Recht, s. Daams, in: Kilchling, Gewinnabschöpfung, S. 310. 132 BT-Drs. 13 / 8651, S. 17. 133 Dazu Carl / Klos, DStZ 1994, S. 68, 72. 134 Carl / Klos, DStZ 1994, S. 68, 72.

344 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

liegende Gesetz zu einem der Geldwäschebekämpfung fremden Zweck instrumentalisiert, namentlich quasi zu einer Überwachungsinstanz der Steuergesetzgebung.135 Dafür fehlt es jedoch an einer tragfähigen rechtlichen Legitimation sowie an den dafür erforderlichen Mitteln seitens der Verpflichteten. Während die Inpflichtnahme der Finanzwirtschaft aufgrund ihrer zentralen Rolle für die Funktionsfähigkeit der Gesamtwirtschaft oder auch angesichts ihres vermutlichen Interesses, bei der Geldwäschebekämpfung mitzuwirken, noch akzeptiert werden kann, treibt eine derartige Ausweitung die Probleme der Inpflichtnahme in die Höhe. Die betroffenen Institute mittelbar zu Gehilfen der Finanzämter zu machen, ist nicht nur aus einer normativ-dogmatischen, sondern auch einer politischen Perspektive verfehlt.136 Zudem erscheint die Verschränkung des GwG mit Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren aus dem Blickwinkel der Bekämpfung der organisierten Kriminalität nicht hinreichend gerechtfertigt. Trotz der Anknüpfung an die Geldwäsche und ihre Vortaten, bei deren Vorliegen die Weiterverwertung von Informationen möglich ist, bleibt der Bezug zur organisierten Kriminalität nebulös.137 Es leuchtet nicht ein, wie einige Steuerforderungsbescheide den so ersehnten Schlag gegen kriminelle Strukturen in Deutschland herbeiführen sollte. Die Verworrenheit der Bekämpfung der organisierten Kriminalität durch eine umfassende Verwertung von Daten wird eminenter, wenn man auf den schwachen Zusammenhang zurückblickt, der bereits zwischen dem Geldwäschetatbestand und der organisierten Kriminalität diagnostiziert wurde.138 Hinsichtlich der Verwendung dieser Daten ist allerdings auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu beachten. Durch die Verwertung von geldwäscherelevanten Informationen zu Besteuerungszwecken wird der Grundsatz umgangen, wonach die Sammlung von persönlichen Daten, wie z. B. Daten über Transaktionen, nur zu einem bestimmten Zweck erfolgen darf (Prinzip der Zweckbindung).139 Im Fall der Weitergabe von Transaktionsaufzeichnungen werden anlässlich der Geldwäschebekämpfung Daten zu sachfremden Zwecken den Finanzbehörden zur Verfügung gestellt. Während für die Weitergabe von geldwäscherelevanten Informationen zur Verfolgung von Steuerstraftaten eine dogmatische Grundlage denkbar wäre, da sowohl die Geldwäsche als auch die Steuerstraftaten einen kriminellen Charakter haben, ist zwischen Geldwäsche und Besteuerung nicht mal ein entfernter Zusammenhang zu konstruieren. Denn es kann nicht be135 So auch Fülbier, § 11 GwG, Rn. 4; Höche, Die Bank 1998, S. 618, 623 ff.; Scherp, KR 1998, S. 458, 462. 136 Mehr dazu Scherp, KR 1998, S. 458, 462. 137 Nach Kreß, wistra 1998, S. 121, 129 ist das normative Anknüpfen an die Geldwäsche und ihren Vortaten für die Wahrung des Bezugs zur organisierten Kriminalität ausreichend. 138 s. oben 5. Kap. B. II. 139 Dazu Ernst, Verarbeitung und Zweckbindung von Informationen im Strafprozess, S. 73 ff.

C. Das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität

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hauptet werden, dass die Besteuerung von mutmaßlich kriminellen Gewinnen zur Bewältigung des Problems der Geldwäsche beitragen kann. Eine derartige Weitergabe beweist somit, dass die Befürchtungen, die Aufzeichnungen von Transaktionen, die Aufbewahrung der entsprechenden Daten sowie die Verdachtsanzeigen würden eine erhebliche Aufweichung des Datenschutzes bewirken, nicht unberechtigt waren. Auf diese Weise wird der bei der Einführung des GwG erfolgte Konsens in Bezug auf die datenschutzrechtlichen Grenzen der Geldwäschebekämpfung völlig desavouiert. Durch die Anknüpfung der Verwertbarkeit von Verdachtsanzeigen an die abstrakte Strafandrohung wurde allerdings auch der Umstand verkannt, dass sich der Anfangsverdacht im Verlauf der Ermittlungen oft nicht erhärtet bzw. sich in eine viel leichtere Straftat verwandelt. Auf diese Weise wird die Gefahr tendenziell größer, dass man zufällig in die Tätigkeiten der Ermittlungsbehörden verwickelt wird. Die Aufweichung des Verwertungsverbots so sensibler Daten kann jedoch nur dann verhältnismäßig sein, wenn sich nach den Besonderheiten des Einzelfalles die Begehung einer schweren Straftat als sehr wahrscheinlich zeigt. Hier stößt man auf noch ein Beispiel, in dem die Ermittlungstätigkeit der Strafverfolgungsbehörden zu einem quasi rechtsgutsähnlichen Prinzip hochstilisiert wird. Die durch den Einsatz des Steuerrechts bewirkte teilweise Ausgliederung der Gewinnabschöpfung aus dem Strafverfahren widerspricht dem Sinn und Zweck dieses Sanktionsgefüges. Bei der Gewinnabschöpfung geht es um Gewinne, die aufgrund oder anlässlich einer Straftat „erwirtschaftet wurden“. So soll auch die Entscheidung über ihre Abschöpfung dem Strafrichter vorbehalten bleiben. Für eine so konzipierte Gewinnabschöpfung beanspruchen die rechtsstaatlichen Prinzipien Geltung. Die Tatsache, dass der historische Gesetzgeber die Gewinnabschöpfung innerhalb des Strafverfahrens ansiedelte, spricht für die These, dass das Urteil über die Straftatbegehung und die Entscheidung über die Gewinnabschöpfung eine funktionelle Einheit bilden; deren Auflösung würde die Gewinnabschöpfung somit zu einem steuersichernden Instrument verfallen lassen. Dieses Gesetz sieht auch eine Erweiterung der Adressaten des GwG vor: künftig werden auch solche Versicherungsunternehmer zur Mitwirkung bei der Geldwäschebekämpfung verpflichtet, die Unfallversicherungen mit Prämienrückgewähr oder Lebensversicherungsverträge anbieten.140 Dementsprechend werden auch die Identifizierungspflichten für diese Unternehmen konkret formuliert.141

140 141

Dazu BT-Drs. 13 / 9661, S. 8. Dazu s. Meyer / Hetzer, NJW 1998, S. 1017, 1021.

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V. Änderungen des Finanzverwaltungsgesetzes Durch das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der organisierten Kriminalität wird auch das Finanzverwaltungsgesetz geändert. Durch die neuen Vorschriften sollte die Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr von Bargeld in das, aus dem und durch das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaften sowie das sonstige Verbringen von Bargeld oder gleichgestellten Zahlungsmitteln in den, aus dem und durch den Geltungsbereich dieses Gesetzes überwacht werden. Im Gegensatz zum § 2 Abs. 1 GwG erstreckt sich diese Vorschrift auch auf Wertpapiere, Schecks, Wechsel, Edelmetalle und -steine. Der Grund für ihre Einbeziehung ist, dass diese sich schnell in Bargeld umwandeln lassen und sich in besonderem Maße zur Anlage von kriminellen Gewinnen eignen.142 Diese Überwachung diene nach gesetzgeberischer Ansicht der Verhinderung und Verfolgung der Geldwäsche, d. h. sowohl präventiven als auch repressiven Zwecken. Der Beweggrund für diese Änderung ist die Erkenntnis, dass aufgrund der umfassenden Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen die Geldwäscher ihre Aktivitäten auf andere Bereiche, außerhalb des Banksektors, verlagern würden. Sie würden versuchen die illegalen Gewinne in Form von Bargeld oder ähnlichen Zahlungsmitteln direkt über die Grenze zu transportieren.143 Es ist in diesem Zusammenhang zu betonen, dass das Verbringen von Bargeld oder gleichgestellten Zahlungsmitteln oft in Ländern erfolgt, welche potentiell nicht die gleichen Standards der Geldwäschebekämpfung eingeführt haben. Die Ermittlungsbehörden könnten daher bei Einfuhr und Deponieren von Geldern oder bei Einlösung eines Schecks in einem solchen Land auf die Kontounterlagen bei einem hiesigen Kreditinstitut nicht zurückgreifen, so dass die Verfolgung der Papierspur gehindert werde.144 Den Zollfahndungsämtern werden in diesem Rahmen Befugnisse zuerkannt, um den Bargeldtransport effektiv zu überwachen. Als erster Schritt wird eine bußgeldbewehrte Pflicht für Privatpersonen formuliert, auf Verlangen der Zollbeamten eine Erklärung über das von ihnen mitgeführte Bargeld oder die gleichgestellten Zahlungsmitteln abzugeben. Dieser Verpflichtung unterliegen allerdings nicht die im GwG ausgeführten Kredit- und Finanzinstitute, da sie bereits einer umfassenden Aufsicht unterworfen sind. Die Höhe der angedrohten Geldbuße richtet sich nach Maßgabe der Gefährdung der Geldwäschebekämpfung durch das pflichtwidrige Verhalten der Beteiligten. In schweren Fällen soll die Geldbuße bis zu 100 % Hetzer, JR 1999, S. 141. So auch Hoyer / Klos, Geldwäsche, S. 187 ff.; nach Meyer / Hetzer, KR 1997, S. 694, 697 kann noch nicht zuverlässig beurteilt werden, ob darin eine Reaktion krimineller Organisationen auf die durch das GwG bewirkte strengere Überwachung der Banken liegt. 144 BT-Drs. 13 / 8651, S. 6, 7, 18; es wurde in diesem Zusammenhang kritisiert, dass der Gesetzgeber sehr spät reagiert hat; denn zumindest die mit dem grenzüberschreitenden Transport von Bargeld auf dem Postweg verbundenen tatsächlichen und rechtlichen Problemen seien seit vielen Jahren bekannt und kritisch erörtert werden, Meyer / Hetzer KR 1997, S. 694, 697. 142 143

C. Das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität

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des mitgeführten Geldes betragen. In solchen Fällen erscheint die Verhältnismäßigkeit einer Geldbuße, die auch aufgrund einer fahrlässigen falschen Angabe des Betrags verhängt werden kann, besonders zweifelhaft. Genauso kritisch sollte man auch die Tatsache betrachten, dass sich die Geldbuße auch daran orientiert, wie sehr die Handlung die Geldwäschebekämpfung gefährden kann. Auf diese Weise wird auf eine schwer feststellbare Größe abgestellt, was die Grenzen des auch im Ordnungswidrigkeitenrecht geltenden Bestimmtheitsprinzips tangiert. Zum zweiten werden den Zollbeamten polizeiliche Befugnisse zuerkannt, nämlich Zahlungsmittel sicherzustellen, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die oben erwähnten Zahlungsmittel zum Zwecke der Geldwäsche verbracht werden. Diese Sicherstellung dient nur der Aufklärung des jeweiligen Falls, so dass die betroffenen Gegenstände innerhalb von zwei Werktagen nach ihrem Auffinden freizugeben sind. Diese Frist kann durch richterliche Anordnung einmalig bis zu einem Monat verlängert werden. Nach dem Ablauf dieser Frist besteht weiterhin nur die Möglichkeit der Beschlagnahme nach den Vorschriften der § 111b ff. StPO. Der bereits erörterte Informationsverbund soll dadurch verstärkt werden, indem die Zollverwaltung bei jeder Sicherstellung eine Mitteilungspflicht gegenüber der Strafverfolgung hat. Dem Informationsbedürfnis seitens staatlicher Stellen wird schließlich dadurch Rechnung getragen, dass den Zollbehörden ermöglicht wird, personenbezogene Daten zu erheben, zu verarbeiten und zu nutzen. Die Abrundung des Informationsverbundes wird durch die Übermittlung dieser Daten an die Strafverfolgung sowie an die Verwaltungsbehörde des § 12c Abs. 4 GwG, also an das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, angestrebt. Bei konkretem Geldwäscheverdacht können dementsprechend auch die Finanzbehörden unterrichtet werden.

VI. Ergebnis Es fällt schwer, die Frage nach dem Verbesserungspotential der Geldwäschebekämpfung durch das vorliegende Gesetz eindeutig zu beantworten. Dieses Gesetzeswerk ist bezüglich einiger klarstellender und vereinfachender Vorschriften (wie z. B. hinsichtlich der Berechnung der Anhaltefrist, der Strafbarkeit des Vortäters oder der Klarstellung bezüglich der Auslandstaten) positiv zu bewerten. Da der Geldwäschetatbestand selbst kompliziert ist, erleichtern solche Änderungen seine praktische Handhabung und können die unumstrittenen Vollzugsdefizite lindern. Andererseits wurde durch dieses Gesetz eine Erweiterung der Bestrafungs- und Aufsichtsmöglichkeiten verfolgt, die abzulehnen ist: die Erweiterung des Vortatenkatalogs auf eine Vielzahl von vermutlich OK-typischen Taten und die Weitergabe von Schwellenwertaufzeichnungen und Verdachtsanzeigen in einem sehr frühen Stadium an die Finanzbehörden stellen Beispiele für Neuerungen dar, welche die Grenzen der Verhältnismäßigkeit sowie grundrechtliche Positionen der betroffenen Personen ohne Zweifel berühren. Es bleibt letztendlich fraglich, wie „die Geld-

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wäschebekämpfung durch die Schließung von Strafbarkeitslücken und die Verringerung kleinerer Beweisschwierigkeiten einen erheblichen Aufschwung erfahren soll“.145 Man kann nach alledem nicht die Ansicht teilen, dass nach den vorgesehenen Änderungen „eines der modernsten Gesetzestexte zur Geldwäschebekämpfung in der Welt“ entstanden ist;146 es kommt allerdings darauf an, wie man sich ein modernes Geldwäscherecht vorstellt. Dabei sei es angemerkt, dass der Schwerpunkt dieses Gesetzes die Einführung der akustischen Wohnraumüberwachung (des sog. „Großen Lauschangriffs“) und anderer strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen war. Die Änderungen im Bereich der Geldwäschebekämpfung stellen, wenn man diese mit den neuen Ermittlungsmaßnahmen vergleicht, Schönheitskorrekturen dar, die keinen Einschnitt in die Geldwäschebekämpfung verkörpern. Damit taucht schon die nächste Frage auf, nämlich ob die Verbesserung der Bekämpfung der organisierten Kriminalität durch eine entsprechende Verbesserung der Geldwäschebekämpfung möglich ist. Darauf wurde bereits an verschiedenen Stellen der vorliegenden Arbeit eingegangen147, dieser Frage ist jedoch erneut nach den Änderungen dieses Gesetzes zu bewerten. Zuallererst soll man darauf hinweisen, dass die auch von diesem Gesetz anvisierte Optimierung der Geldwäschebekämpfung beträchtliche Nebenwirkungen aufweisen kann, die eher eine Verfestigung als eine Schwächung der organisierten Kriminalität hervorrufen. Denn die Geldwäschebekämpfung zwingt tendenziell zu einer Verdichtung krimineller Strukturen, zu einer Professionalisierung, mittelfristig zur Bildung von Monopolen. Diese Monopole zu bekämpfen, ist erheblich schwieriger; denn dies verlangt einen viel größeren Aufwand seitens der Strafverfolgungsbehörden. Somit wäre es vielleicht im Rahmen der Bekämpfung der organisierten Kriminalität effektiver, neben das Vermögen von kriminellen Organisationen als solches, auch die Verschlechterung der objektiven Marktbedingungen zu fokussieren.148 Diese Möglichkeit wurde vom Gesetzgeber gar nicht in Erwägung gezogen. Das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der organisierten Kriminalität regt an, dass sich Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte, Zoll, Finanzämter und sonstige Verwaltungsbehörden, Institutionen, die verschiedene Aufgaben wahrnehmen und verschiedene Funktionsstrukturen aufweisen, zusammenschließen, um die Geldwäsche und somit die gesamte organisierte Kriminalität effektiver zu bekämpfen. Zu diesem Zweck rückt in das Zentrum der Bemühungen ausschließlich die Austrocknung der kriminellen Organisation von ihren finanziellen Mitteln.149 Die Remmers, Die Entwicklung der Gesetzgebung zur Geldwäsche, S. 151. So Hetzer, KR 1998, S. 234, 239. 147 s. oben 3. Kap. F. V. 148 Diese Ansicht wird auch von Hund, ZRP 1996, S. 1, 5; a.A. Müller, MschrKrim 1998, S. 244, 272. 145 146

C. Das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität

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Bestrafung einzelner Organisationsmitglieder wird somit eher zweitrangig, denn diese werden als frei austauschbar angesehen. Dieses Gesetz begibt sich somit auf die bereits eingeschlagene Schiene der sog. „organisationellen Perspektive“. Daraus ergibt sich ein Bedürfnis nach Generalprävention. Die klassische Repression sowie die Spezialprävention stoßen im Organisationsparadigma an ihre Grenzen, denn es geht nunmehr nicht um die Abschreckung „abschreckungsfähiger Individuen“, sondern um die Formulierung von Regeln normativer Prävention. Dementsprechend wird durch das Gesetz die an anderer Stelle angedeutete Tendenz bestätigt, die gesamte Geldwäschebekämpfung nicht als die Repression einer bloßen Unrechtstat zu betrachten, sondern als ein Mittel zur Erzielung von Ermittlungserfolgen. Der Ausbau der Geldwäschestrafbarkeit korrespondiert somit nicht mit einer gesetzgeberischen Entscheidung in Bezug auf die Strafwürdigkeit bestimmter Geldwäschehandlungen, sondern eher mit ermittlungstechnischen Bedürfnissen. Die Ergreifung von Ermittlungsmaßnahmen anlässlich eines Geldwäscheverdachts kann zur Enttarnung krimineller Organisationen beitragen. Gelingt das nicht, wäre zumindest eine Besteuerung oder eine Bestrafung wegen anderer Straftaten zu erzielen. Diese Denkweise ist höchst problematisch, nicht nur aus einer rechtsstaatlichen Perspektive heraus, sondern auch aufgrund von Effektivitätserwägungen: die rechtsstaatliche Perspektive, weil sich durch dieses Vorgehen der Unrechtsgehalt bzw. die Eigenständigkeit des Straftatbestands der Geldwäsche noch mehr verflüchtigt. Auf diese Weise wird diese Norm instrumentalisiert, um staatliche Zugriffsrechte zu ermöglichen oder ihnen eine Scheinlegitimation zu verleihen. Ebenso wenig kann dadurch allerdings die versprochene Effektivitätssteigerung gewährleistet werden; denn, wie bereits geschildert, was in der Praxis Probleme bereitet, ist nicht die Unvollständigkeit des Vortatenkatalogs, sondern eher die Zuordnung eines Vermögensgegenstandes zu einem faktischen Geschehensablauf. Angesichts der Tatsache, dass man auf diesen Nachweis nicht verzichten kann, stellt sich die Frage, ob vielleicht die Schwerpunktsetzung der Bekämpfung der organisierten Kriminalität auf eine erfolgreiche Geldwäschebekämpfung überholt ist.150 Eine derartige Verengung scheint lediglich Symptomen entgegenwirken zu wollen, während mögliche Ursachen des Phänomens in den Hintergrund geraten. Ein solcher Ansatz verkennt die gesamtgesellschaftliche Perspektive der organisierten Kriminalität, sowohl die soziale als auch selbst die strafrechtliche. Der Einsatz des Strafrechts beschränkt sich nach der Konzeption dieses Gesetzes auf das Anliegen einer effektiven Ahndung von Geldwäschehandlungen. Statt einen enormen Aufwand für die Anwendung eines so komplizierten Tatbestands zu betreiben, sollte man sich Gedanken machen, ob man sich nicht doch auf die Bestrafung der Vortaten konzentrieren sollte, welche auch die eigentliche Frontkriminalität der M.w.N. Kilchling / Kaiser, Gewinnabschöpfung, S. 630. So Kilchling / Kaiser / Pieth, Gewinnabschöpfung, 61 ff., 129 ff.; Kaiser, ZRP 1999, S. 144 ff.; Kilchling, Gewinnabschöpfung, S. 442. 149 150

350 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

organisierten Kriminalität darstellen.151 Weiterhin muss man darüber nachdenken, welche Gründe den Gesetzgeber davon abgehalten haben, das Gewinnabschöpfungsrecht zu reformieren, zumal ein ausgearbeitetes Konzept bereits vorlag. Anstatt um einen parlamentarischen Konsens über die Einzelheiten der Änderungen im Geldwäschegesetz zu ringen, hätte sich die Kriminalpolitik besser um die Vereinfachung der Gewinnabschöpfungsvorschriften kümmern sollen. Die Fixierung der Bekämpfung der organisierten Kriminalität auf die Geldwäschebekämpfung ist auch aus einem weiteren Grund umstritten. Es steht außer Zweifel, dass die vermutlich hoch ausfallenden Gewinne von kriminellen Organisationen sehr oft gewaschen werden müssen, damit sie weiterverwertet werden können. Das ist jedoch nicht immer der Fall. Wenn man von dem Modell eines nach betriebswirtschaftlichen Kriterien funktionierenden Unternehmens ausgeht, kann man auch vermuten, dass ein Großteil der kriminellen Erlöse nicht weiterinvestiert, sondern sofort verbraucht, also für Bedürfnisse der Logistik usw. direkt verwendet wird. In diesen Fällen erübrigt sich die Begehung einer Geldwäsche. Aber auch andersherum: Geldwäschehandlungen sind nicht nur in Kreisen von organisierten kriminellen Gruppierungen gängig. Ein Kleinkrimineller wie der abhängige Drogendealer muss auch seine Erlöse legalisieren und bedient sich zu diesem Zweck unterschiedlichster Geldwäschetechniken. Sie gehören nicht zwangsläufig zur organisierten Kriminalität. Die Gleichsetzung organisierte Kriminalität = Geldwäsche oder auch Geldwäsche = organisierte Kriminalität widerspricht somit kriminologischen Erkenntnissen und verleitet zu unverhältnismäßigen rechtlichen Maßnahmen. Um beurteilen zu können, ob eine verbesserte „Bekämpfung“ der organisierten Kriminalität durch den Ausbau des Geldwäschebekämpfungsrechts möglich ist, muss der Rahmen feststehen, was die organisierte Kriminalität überhaupt ist. Denn die Bedrohungslage durch dieses Phänomen, die zur Begründung von rechtlichen Maßnahmen angeführt wird, wurde bislang begrifflich nicht eindeutig präzisiert und ist ebenso wenig empirisch fundiert. Andererseits ist der Inhalt solcher Maßnahmen eindeutig. Die begriffliche Unschärfe und die Unsicherheit in Bezug auf die genaue Gefahrenlage haben zur Folge, dass es gar nicht feststellbar sein kann, ob die Maßnahmen zur Erreichung des Zieles angebracht sind. Hinzu kommt, dass im kriminalpolitischen Diskurs zwischen der organisierten Kriminalität als solcher und der durch sie verursachten Gefahr für die Gesellschaft und die Systemstabilität gar nicht unterschieden wird. Wieso die Bedrohung durch die organisierte Kriminalität größer als die Gefahr durch „traditionelle“ Kriminalitätsformen ist, wird vom Gesetzgeber nicht näher erläutert, sondern nur pauschal behauptet; dasselbe gilt für die Existenz des Phänomens selbst. Dabei fehlt es allerdings an rechtstatsächlichen Grundlagen, welche die entsprechenden gesetzgeberischen Entscheidungen rechtfertigen würden.152 In diesem 151

Kilchling, wistra 2000, S. 241, 244.

D. Das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz

351

Bereich ist der Forschungsbedarf nicht zu leugnen. Angesichts der Unklarheit über Umfang und Funktionsweisen der organisierten Kriminalität in Deutschland hätte man erwartet, dass der Gesetzgeber zurückhaltender gegenüber der Erweiterung von Eingriffsbefugnissen wäre. Ist die Gefährlichkeit von kriminellen Organisationen so hoch, muss der Staat nüchtern taugliche Bewältigungsansätze suchen und diese umsetzen. Dabei muss allerdings eine sehr vorsichtige Abwägung der widerstreitenden Interessen vorgenommen werden. Nur durch diese Vorgehensweise können jegliche Maßnahmen effektiv sein. Bei diesem Gesetz ist der Gesetzgeber nicht so vorgegangen. Ohne Berücksichtigung rechtstaatlicher Bedenken und auf der Basis einer falsch verstandenen Effektivität wurde der Geldwäschetatbestand erneut ausgedehnt, während das Geldwäschegesetz die Voraussetzungen für einen fraglichen Informationsaustausch schuf.

D. Das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz In der nächsten Station der reichen Biographie des Geldwäschebekämpfungsrechts und der Gewinnabschöpfung geht der Gesetzgeber einen etwas anderen Weg: anstatt den Vortatenkatalog noch einmal direkt zu erweitern, führt er einen neuen Straftatbestand ein, der aufgrund seines Verbrechenscharakters automatisch zu den geldwäschetauglichen Vortaten hinzukommt: die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung nach § 370a Abgabenordnung (AO). Zunächst soll die Entstehungsgeschichte dargestellt werden (unter I.). Des Weiteren wird versucht, die Ziele zu ermitteln, welche den Gesetzgeber zur Einführung der neuen Strafvorschrift veranlasst haben (unter II.). Anschließend werden die Problematik und die Auslegungsengpässe der neuen Bestimmung erläutert (unter III.), während die Auswirkungen des Tatbestands der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung auf die Geldwäschebekämpfung in den Vordergrund rücken werden (unter IV.). Letztlich wird auf den Geldwäschegegenstand nach einer Steuerhinterziehung gem. § 370a AO eingegangen (unter V.).

I. Entstehungsgeschichte Der § 370a AO wurde durch das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz in die Abgabenordnung eingeführt. Hintergrund dieses Gesetzes war der Anstieg von Umsatzsteuerbetrügen, die auf die Öffnung des EU-Binnenmarktes zurückgingen und erhebliche Steuerschäden verursachten. Als vorrangiges Ziel dieses Gesetzes wurde somit deklariert, solchen schwerwiegenden Fiskaldelikten entgegenwirken 152 Aber auch in Bereichen wo empirische Daten vorliegen, werden sie manchmal falsch ausgewertet; zum Thema der Rechtstatsachen als Basis der OK-Gesetzgebung, s. Rupprecht, OK, BKA-Arbeitstagung, S. 67, 73.

352 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

zu wollen; vor allem die sog. „Karussellgeschäfte“ wurden ins Visier genommen. Durch solche Geschäfte, die oft von organisiert agierenden Banden begangen würden, würden die Wettbewerbsbedingungen erheblich verwässert. Als Folge müssten steuerehrliche Unternehmen, welche ihren umsatzsteuerrechtlichen Verpflichtungen nachkommen, besonders gewichtige Nachteile erleiden. Längerfristig würden selbst Arbeitsplätze gefährdet. Dieses Gesetz solle somit nicht nur das staatliche Steueraufkommen als solches schützen, sondern auch die Wahrung der Steuergerechtigkeit und die Gewährleistung eines von Wettbewerbsverzerrungen freien Umsatzsteuersystems sichern.153 Obwohl aber zu diesen Zwecken im entsprechenden Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 10. 09. 2001 ursprünglich nur steuerrechtliche Änderungen enthalten waren154, taucht erst in der Beschlussempfehlung des federführenden Finanzausschusses des Bundestages vom 20. 11. 2001 eine steuerstrafrechtliche Vorschrift auf. Ihre Einfügung wurde zur Erreichung der oben genannten Ziele für notwendig erachtet.155 In Rückgriff auf eine beträchtliche Zunahme von Betrugsfällen und auf das große Ausmaß der Steuerhinterziehungen in diesem Bereich wurde von den damaligen Koalitionsfraktionen das Bedürfnis nach einer neuen strafrechtlichen Bestimmung diagnostiziert, die Strafbarkeitslücken schließen sollte. Der neue Straftatbestand würde den Strafverfolgungsbehörden, neben den bereits bestehenden rechtlichen Möglichkeiten zur Bekämpfung von Steuerverkürzungen, ein zusätzliches Instrument an die Hand geben. Die Oppositionsparteien (CDU / CSU und FDP) haben sich dieser Änderung widersetzt mit dem Argument, die Schaffung eines Verbrechenstatbestandes „gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung“ und seine Qualität als geldwäschetaugliche Vortat würde eine tiefgreifende Einschränkung der Rechtsberatung in Steuer- und Steuerstrafsachen zur Folge haben, da der Berater nach Kenntnis des Vorwurfs der Steuerhinterziehung kein Honorar mehr annehmen dürfe, wolle er sich nicht wegen Geldwäsche nach § 261 Abs. 1, 2 oder 5 StGB strafbar machen.156 Mit diesen Einwänden scheinen sich die Koalitionsfraktionen kaum auseinandergesetzt zu haben. Der Bundesrat stimmte dem Gesetzesvorhaben am 30. 11. 2001 zu, das nach Art. 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von Steuerverkürzungen bei der Umsatzsteuer und zur Änderung anderer Steuergesetze, kurz Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz (weiterhin: StVBG) dieses Gesetzeswerk bereits am Tag nach der am 27. 12. 2001 erfolgten Verkündung in Kraft getreten ist.157 BT-Drs. 14 / 6883, S. 7. Diese Änderungen bezogen sich vorrangig auf die Optimierung des Kontroll- und Sicherungssystems im Umsatzsteuerrecht, s. BT-Drs. 14 / 6883, S. 1. 155 BT-Drs. 14 / 7470, S. 2. 156 BT-Drs. 14 / 7471, S. 4, S. 6; im Gesetzgebungsverfahren wurde ferner von den Oppositionsparteien auf die damalige Rechtsprechung des BGH hingewiesen, die damals kein Strafverteidigerprivileg anerkannte, s. BT-Drs. 14 / 7471, S. 6; BGHSt 47, S. 68 ff. 153 154

D. Das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz

353

Der Wortlaut dieses Tatbestands lautet: „§ 370a – Gewerbsmäßige oder bandenmäßige Steuerhinterziehung Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertige Steuervorteile erlangt.“

II. Ziele des § 370a AO Warum sich der Gesetzgeber zu einem so einschneidenden Schritt entschlossen hat, leuchtet allerdings nicht ein. Die Eilbedürftigkeit dieses Gesetzesvorhabens, die extrem kurzen Beratungen in den gesetzgebenden Gremien sowie die besonders lakonische Begründung, die dem Bericht des Finanzausschusses zu entnehmen ist, geben keinen eindeutigen Aufschluss über die Ziele in Bezug auf die Einführung des ersten Verbrechenstatbestands im deutschen Steuerstrafrecht. Während eine effektivere Bekämpfung von Umsatzsteuerkarussellen als vorrangiges Ziel der neuen Vorschrift deklariert wird, wird auch eine Verbindung zwischen Steuerhinterziehung und Strukturen organisierter Kriminalität vermutet. Gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehungen seien, nach gesetzgeberischer Ansicht, ein zusätzliches Betätigungsfeld von kriminellen Organisationen. Denn Täter oder Verdächtige, die der organisierten Kriminalität zuzurechnen seien, würden sehr oft dazu neigen, ihre steuerlichen Verpflichtungen nicht in ordnungsgemäßer Weise zu erfüllen. Grund dafür sei das hemmungslose Bereicherungsstreben von kriminellen Organisationen. Folge derartig begangener Steuerhinterziehungen sei die Stärkung der finanziellen Macht krimineller Strukturen und damit ihrer ohnehin bestehenden außenordentlichen Gefährlichkeit.158 Ob die Optimierung der Bekämpfung der organisierten Kriminalität durch § 370a AO beabsichtigt war, mag allerdings aus guten Gründen bezweifelt werden. Zur Bewältigung von schweren Formen der Steuerhinterziehung gab es bereits die Qualifikationstatbestände des § 370 Abs. 3 AO, so dass sich die Strafbarkeitslücke, die der neue Verbrechenstatbestand schließen soll, schwer erschließen lässt. Der Gesetzgeber räumt selbst ein, dass im Fall der bereits bestehenden Steuerhinterziehungen ebenso hohe Strafen möglich waren.159 Es mag allerdings zutreffend sein, dass die Mitglieder krimineller Organisationen Steuerhinterziehungen begehen. Bei so hohen kriminellen Gewinnen, die oft mit legalen Vermögenswerten vermischt werden, ist zu erwarten, dass kriminelle Organisationen interessiert sind, ihren Steuerpflichten zu entgehen. Diese Annahme reicht aber 157 158 159

BGBl. I 2001, S. 3922, 3925. BT-Drs. 14 / 7471, S. 9. BT-Drs. 14 / 7471, S. 9.

354 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

nicht aus, um die Einführung einer so schwerwiegenden Strafvorschrift kriminalpolitisch zu legitimieren. Denn man könnte auch behaupten, dass bei einigen ihrer klassischen Aktivitäten kein Bedürfnis nach Steuerhinterziehung besteht, weil keine Steuerschuld entsteht (wie z. B. bei der Einfuhr von Betäubungsmitteln). Darüber hinaus ist der Bezug des genauen Wortlauts des § 370a AO zur organisierten Kriminalität durch die gewerbs- oder bandenmäßige Begehungsweise sehr schwach.160 Somit wird vermutet, dass hinter der übereilten Einführung der schweren Steuerhinterziehung in erster Linie das gesetzgeberische Anliegen stecke, die Geldwäschestrafbarkeit auf Steuerhinterziehung der beschriebenen Art auszudehnen.161 Eine Rolle in diesem Rahmen haben wohl auch die terroristischen Anschläge des 11. September 2001 gespielt, die während des laufenden Gesetzgebungsverfahrens stattfanden. Diese Ereignisse hätten das mutmaßliche Bedürfnis nach einer Austrocknung der finanziellen Ströme von Terrornetzen bewiesen.162 Die Terroranschläge haben somit der gesamten Diskussion über eine Effektivierung von Gewinnabschöpfung und Geldwäschebekämpfung einen neuen Schub gegeben; zu diesem Zweck scheint sich der Gesetzgeber in diesem Stadium klar für den Einsatz des Steuerrechts entschieden zu haben.163 Dieser Ansatz, der das sog. „Al-Capone Prinzip“ verkörpert, sollte durch Überführung und Bestrafung wegen Steuerhinterziehung das Fehlen von Strafverfolgung wegen anderer Straftaten ersetzen bzw. kompensieren.164

III. Bedeutung und Problematik des § 370a AO Bald, sogar schon vor der Verkündung des Gesetzes, entflammte eine heftige Kritik gegenüber der neuen Vorschrift der schweren Steuerhinterziehung. Die Rede war von einem „steuerstrafrechtlichen Novum“165 oder von einem „Quantensprung im Steuerstrafrecht“.166 Es wurde gerügt, dass der Gesetzgeber das Spannungsfeld zwischen den Besonderheiten des Steuerrechts und der strafrechtlichen Prägung Joecks, wistra 2002, S. 201, 204; ähnlich Bittmann, wistra 2003, S. 161, 162. So auch Rüping, AO-StB 2004, S. 376 ff.; die Ausweitung des Geldwäschetatbestands wurde auch in der Begründung des Berichts des Finanzausschusses erwähnt, nicht jedoch als vorrangiger Zweck der Einführung des § 370a AO, s. BT-Drs. 14 / 7471, S. 9. 162 Stier, Die Problematik des § 370a AO unter besonderer Beachtung der Auswirkungen auf die Geldwäsche und auf die organisierte Kriminalität, S. 39. 163 Vgl. hierzu BT-PlPr 14 / 191; der Einfluss der Terrorismusdebatte wird von Hetzer, KR 2002, S. 642, 651 am Anfang bejaht, dann wieder zurückgenommen. 164 Die scharfe Strafe wegen Steuerhinterziehung nimmt sozusagen den Platz der nicht nachweisbaren Strafe wegen Auftragsmord, Menschenhandel, Förderung der Prostitution ein, so Bender, ZfZ 2002, S. 146, 148. 165 Bender, ZfZ 2002, S. 146, 147. 166 Hetzer, DStZ 2002, S. 175 ff. 160 161

D. Das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz

355

von Tatbestandsmerkmalen nicht hinreichend berücksichtigt hat.167 Vor allem die Tatbestandsmerkmale der gewerbs- oder bandenmäßigen Begehungsweise bereiteten nahezu unüberwindbare Auslegungsschwierigkeiten. Nach der allgemeinen strafrechtlichen Definition der Gewerbsmäßigkeit wird zu ihrer Bejahung die Absicht des Täters geprüft. Demnach handelt gewerbsmäßig, „wer die strafbare Handlung in der Absicht begeht, sich durch die wiederholte Begehung des Delikts eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer zu verschaffen“.168 Somit kann Gewerbsmäßigkeit schon bei der ersten Tat gegeben sein, wenn die entsprechende Absicht des Täters vorliegt.169 Würde man diese Auslegung auf § 370a AO übertragen, käme man zu absurden Ergebnissen: eine gewerbsmäßige Steuerhinterziehung würde bereits dann vorliegen, wenn bewusst über mehrere Veranlagungszeiträume hinweg unversteuerte Einnahmen erzielt würden und zwar unabhängig von ihrer Höhe. Die Periodizität des Besteuerungsverfahrens durch die Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung führt zu einer fast automatischen Wiederholung der Steuerhinterziehung, wenn der Täter seine Entdeckung abwenden will. Da also die Steuerhinterziehung (vor allem bei bestimmten Steuerarten wie der Einkommens- oder der Umsatzsteuer) sich durch eine serielle Begehungsweise auszeichnet, wird in der Mehrzahl der Fälle die Strafbarkeitsschwelle des § 370a AO erreicht. Zu befürchten wäre somit eine übermäßige Kriminalisierung großer Teile der Bevölkerung.170 In diesem Zusammenhang wurden verschiedene Ansätze entwickelt, um das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit in § 370a AO abweichend auszulegen und somit den Anwendungsbereich der Strafnorm einzuschränken.171 Diese Ansätze, die hier nicht weiter aufgeführt werden, machen die problematische gesetzestechnische Ausgestaltung des § 370a offenkundiger. Das Merkmal der bandenmäßigen Begehungsweise wurde in der Literatur als weniger problematisch angesehen als die Tatalternative der Gewerbsmäßigkeit. Im Fall des von der Rechtsprechung herauskristallisierten Bandenbegriffs erscheint es allerdings auch fraglich, ob dieser unbesehen auf § 370a AO angewendet werden kann, so dass auch hier eine einschränkende Auslegung erforderlich wäre.172 Die Harms, FS für Kohlmann, S. 413, 426. BGHSt 26, S. 5 ff.; BGH NJW 1998, S. 2913 ff. 169 BGH NStZ 1995, S. 85 m. w. N. 170 Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370a AO, Rn. 4. 171 Vorgeschlagen wurde z. B. eine Einschränkung der Gewerbsmäßigkeit nur auf Fälle von „einigem Umfang“, über die einschränkende Auslegung des zeitlichen Moments, über eine Abgrenzung zur gewohnheitsmäßigen Begehung oder nur bei einem faktischen Zufluss von Vermögenswerten. Eine aufschlussreiche Erläuterung der vertretenen Auslegungsmodelle in: Schneider, Die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung (§ 370a AO) – ein Schreckensinstrument des Gesetzgebers, S. 50 ff. 172 s. z. B. den Ansatz von Spatscheck / Wulf, DB 2002, S. 392, 393; dazu auch HillmannStadtfeld, NStZ 2002, S. 242 ff. 167 168

356 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

Schwierigkeit besteht darin, dass an der Abgabe der Steuererklärung häufig mehrere Personen beteiligt sind, so dass die gemeinsame Begehung – im Gegensatz zum Kernstrafrecht – auch keine Seltenheit darstellt. Mögliche Bandenkonstellationen wären demnach zwei Ehegatten plus Steuerberater oder mehrere steuerpflichtige Unternehmer. Die Kritik geht zum großen Teil auf den Verbrechenscharakter der gewerbsoder bandenmäßigen Steuerhinterziehung zurück. Das vom Gesetzgeber als besonders hoch eingestufte Unrecht muss in der Praxis bei jeder Konstellation vorliegen. Das erscheint allerdings besonders zweifelhaft.173 Die Gefahr einer Diskrepanz zwischen vertyptem Unrecht und Schuld wird durch eine unflexible Rechtsfolge verstärkt. Die Bestimmung des § 370a AO enthält keine Regelbeispiele für minder schwere Fälle und sieht nicht die Möglichkeit der Strafbefreiung durch Selbstanzeige nach § 371 AO vor. Prozessrechtlich ist kein Verfahrensabschluss im Wege der Verständigung mehr möglich. Das Verfahren kann bei Verbrechen nach § 153a StPO nicht eingestellt werden, so dass auch ein erheblicher zusätzlicher Ermittlungsaufwand für die Strafverfolgungsbehörden entsteht. Ebenso ausgeschlossen ist das Strafbefehlsverfahren nach §§ 407 ff. StPO, während die Zuständigkeit vom Strafrichter auf das Schöffengericht verlagert wird. Darüber hinaus wurde auch die Systemwidrigkeit der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung bemängelt.174 Ungewiss bleibt, in welchem Verhältnis § 370a AO zum besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 3 AO, zu den teilweise sich überschneidenden Tatbeständen des gewerbsmäßigen, gewaltsamen und bandenmäßigen Schmuggels (§ 373 AO) und der Steuerhehlerei (§ 374 AO) sowie zu den Vorschriften über die Schädigung des Umsatzsteueraufkommens (§§ 26b, 26c UStG) steht. Zudem ist die Strafandrohung im § 370a AO weitaus höher als die angedrohte Strafe in vergleichbaren Straftatbeständen des Besonderen Teils des StGB.175 Das Ungleichgewicht zwischen der Strafwürdigkeit der durch § 370a AO erfassten Fälle und der angedrohten Strafe hat viele dazu bewegt, an der Verfassungsmäßigkeit des § 370a AO zu zweifeln. Die Verhältnismäßigkeit sowie die Schuldangemessenheit könnten verletzt sein, dass sich die Strafbarkeit nach § 370a AO nicht zwangsläufig auf erhöht strafwürdige Fälle beschränke. Tangiert könnten ebenso das nemo-tenetur-Prinzip, das Gleichheitsgebot oder die Berufsausübungsfreiheit sein.176 Selbst die formelle Verfassungsmäßigkeit wurde in Frage geBurger, wistra 2002, S. 1, 2; Joecks, wistra 2002, S. 201 ff. Salditt, StV 2002, S. 214 ff.; Spatscheck / Wulf, DB 2002, S. 392. 175 Wie z. B. für den Bandendiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB oder für den gewerbsoder bandenmäßigen Betrug nach § 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB, der mit der Steuerhinterziehung eine hohe Strukturgleichheit aufweist. 176 Nach Oberloskamp, StV 2002, S. 611, 617 wird mit der Strafandrohung wegen Geldwäsche in der am stärksten denkbaren Form in die Berufsausübungsfreiheit des Steuerberaters eingegriffen. 173 174

D. Das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz

357

stellt.177 Ziel dieses Abschnitts ist es nicht, die Ansätze zu bewerten, die um eine verfassungskonforme Auslegung des Tatbestands bemüht sind; aufgrund der weitreichenden Einwände und vor allem des Verbrechenscharakters der Norm, sollte man vielleicht, wie Harms zutreffend betont, „nicht darauf vertrauen, die Vorschrift mit dem Versuch einer verfassungskonformen Auslegung über die Runde zu retten“.178

IV. Die Auswirkungen des § 370a AO auf die Geldwäschebekämpfung Die Ausgestaltung der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung als einen Verbrechenstatbestand führt automatisch dazu, dass die neue Strafnorm eine geldwäschetaugliche Vortat darstellt. Denn gem. § 261 Abs. 1 Nr. 1 StGB werden alle Verbrechen als Vortaten qualifiziert. Somit fragt sich, wie sich diese mittelbare Erweiterung des Vortatenkatalogs auf die gesamte Geldwäschebekämpfung auswirkt und wie sie in der Praxis zu handhaben ist. Die Einbeziehung der schweren Steuerhinterziehung nach § 370a AO in den Vortatenkatalog der Geldwäsche geht auf eine langjährige Forderung zurück, wonach kein Grund bestehe, „schwarzes Geld“, das aus Steuerdelikten stamme, gegenüber „schmutzigem Geld“, das aus sonstigen Straftaten herrühre, zu privilegieren. Diese enormen Summen an schwarzem Geld könnten zu weiteren Investitionen auf dem legalen Finanzmarkt genutzt werden.179 Für eine Aufnahme der Steuerhinterziehung in den Vortatenkatalog der Geldwäsche spräche zudem der Umstand, dass Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Kapitalflucht als illegale Finanztransaktionen oft miteinander phänomenologisch verbunden und nur schwer voneinander abgrenzbar seien.180 Während es zutreffend ist, dass Steuerhinterziehung und Geldwäsche gewisse phänomenologische Strukturähnlichkeiten, z. B. vergleichbare Begehungsmodalitäten aufweisen, ist ihre rechtliche Einordnung und Ausgestaltung sehr unterschiedlich.181 Die Geldwäschestrafbarkeit, zumindest in der Anfangsphase, zielte auf die Prävention der Verwertung von Vermögensmassen aus kriminellen Strukturen, die vor allem im Umfeld von meist gewalttätiger oder zumindest von Schwerstkriminalität erlangt wurden. Auch Steuerhinterziehungen können von sol177 Gast-De Haan, DStR 2003, S. 12 ff. moniert die Tatsache, dass die Diskussion über die Neufassung nur im Finanzausschuss und nicht im Plenum des Bundestages stattfand. 178 Harms, FS für Kohlmann, S. 413, 426. 179 Hetzer, NJW 1993, S. 3298, 3299 hat die Forderung nach einer Aufnahme der Steuerhinterziehung in den Vortatenkatalog bereits vor Jahren erhoben und immer wieder wiederholt; derselbe, ZRP 2001, S. 266, 270 180 Hetzer, WM 1999, S. 1306, 1307 ff.; ähnlich Hund, ZRP 1996, S. 163, 165. 181 Herzog, WM 1996, S. 1753, 1754.

358 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

chen Strukturen begangen werden; Steuerhinterziehung an sich jedoch fungiert selten als eine große Einnahmequelle für kriminelle Organisationen. Die Steuerhinterziehung ist wohl eher eine Begleittat182, nicht hingegen eine Ursprungstat, wie sie der Gesetzgeber ins Auge gefasst hatte. Zudem sei angemerkt, dass nur im Bereich der Zölle und Verkehrssteuern Konstellationen denkbar sind, die in erster Linie der Erzielung krimineller Gewinne dienen könnten. Diese Konstellationen, die bereits von bestehenden Strafnormen erfasst werden, aktivieren die Geldwäschestrafbarkeit, sei es über § 129 StGB oder über die sonstigen im Vortatenkatalog des § 261 Abs. 1 Nr. 3 StGB angesiedelten Steuerdelikte (§ 373 AO – gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel und § 374 AO – Steuerhehlerei). Schwerwiegender als diese theoretischen Einwände für die Aufnahme der Steuerhinterziehung in den Vortatenkatalog sind die praktischen Auswirkungen dieser Neuerung. Die Verknüpfung zwischen Geldwäsche und Steuerhinterziehung eröffnet das gesamte Instrumentarium der Geldwäschebekämpfung auch zur Ermittlung von Steuerhinterziehungskomplexen. Auf diese Weise werden die eingriffsintensiven Bestimmungen des GwG aktiviert: die Strafverfolgungsbehörden sind nunmehr verpflichtet bei Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Steuerhinterziehung die Finanzbehörden nach Maßgabe der §§ 10, 11 GwG zu informieren. Die Finanzbehörden können somit parallel ein Besteuerungsverfahren veranlassen, das weiter betrieben wird, auch wenn das Verfahren wegen Geldwäsche eingestellt wird. Die von den Kreditinstituten aufgezeichneten Transaktionen könnten bereits vor dieser Änderung sowohl für ein Besteuerungs- als auch für ein Steuerstrafverfahren herangezogen werden. Entsprechend wichtig sind jedoch die Auswirkungen dieser Neuerung auf die von den Kreditinstituten zu erstattenden Verdachtsanzeigen. Aufgrund der fließenden Übergänge zwischen Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Kapitalflucht konnten sich bislang Anleger und mutmaßliche Kapitalflüchtlinge darauf verlassen, dass die Institute die Strafverfolgungsbehörden nicht informieren.183 Nach der neuen Regelung werden die Kreditinstitute oft vor der Alternative stehen, bei zweifelhaften Anhaltspunkten für eine Straftatbegehung, die Transaktion durchzuführen und sich einem hohen Strafbarkeitsrisiko auszusetzen oder bei einem bloßen Verdacht einer Steuerhinterziehung die entsprechende Verdachtsanzeige zu erstatten, allerdings mit dem Risiko, Kunden zu verlieren, falls sich der Verdacht als unwahr herausstellt. Die nach dem GwG verpflichteten Institute werden also zur Vermeidung eines entsprechenden Verdachts wegen Geldwäsche verstärkt Verdachtsanzeigen erstatten.184 Dieser Umstand mag zwar die Anzahl der Verdachtsanzeigen 182 Den Charakter der Steuerhinterziehung als einer Begleiterscheinung hebt auch Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370a AO, Rn. 4 hervor. 183 Burger, wistra 2002, S. 1, 4. 184 Winter, Die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung gem. § 370a AO, S. 184 f.; Bülte, Die Geldwäschegesetzgebung, S. 238, prognostiziert sogar einen vollkommenen Zusammenbruch der privaten Meldepflichtigen sowie der die Anzeigen verarbeitenden staatlichen Stellen.

D. Das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz

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schnell in die Höhe treiben; dies bedeutet jedoch bei weitem nicht ein Voranbringen der Geldwäschebekämpfung. Zu befürchten wäre eine Überforderung der diese Verdachtsanzeigen verarbeitenden Stellen. Als Nebeneffekt wurde nicht zuletzt vorgebracht, dass die Akzeptanz der Inanspruchnahme Privater bei der Geldwäschebekämpfung in Frage gestellt wird. Eine solche Annahme liegt nahe: die Kreditwirtschaft wird auf diese Weise – noch mehr als bisher – zu einem atypischen Wächter der Steuerehrlichkeit der Bürger;185 Vertrauensverhältnisse zwischen Kunden und Banken werden vom Gesetzgeber auf diese Weise als unerwünscht abgestempelt. Letztlich kann man nicht ausschließen, dass angesichts des gefährdeten Vertrauensverhältnisses zwischen den Kunden und den Kreditinstituten die Kapitalflucht größer ausfallen wird.186 Zudem bedeutet die Einbeziehung der schweren Steuerhinterziehung in den Vortatenkatalog der Geldwäsche für die einzelnen Bankmitarbeiter ein erhöhtes Strafbarkeitsrisiko, wenn sie z. B. nicht unbedingt mit Geldwäscheabsicht, sondern wegen eines leichtfertigen Nichterkennens Geld entgegennehmen, das aus Steuerhinterziehungen herrührt.187 Auf diese Weise wird der sog. „Informationsverbund“ zwischen Strafverfolgungs-, Finanzbehörden und Kreditwirtschaft weiter gestrafft und perfektioniert. Zudem kommt durch diese indirekte Novellierung des Geldwäscherechts das geworbene „Al-Capone Prinzip“ einer Realisierung näher. Die rechtzeitige Kenntnis der Finanzbehörden von hinterzogenen Geldern kann den Besteuerungsmechanismus in Gang bringen. Über diesen Mechanismus wird es ermöglicht, illegale Gewinne effektiver und ohne die „Schwerfälligkeit“ eines Strafverfahrens abzuschöpfen.188 Darüber hinaus ermöglicht dieser „neue“ Geldwäscheverdacht die Anordnung von eingriffsintensiven Ermittlungsinstrumenten, wie die Telefon- und die Wohnraumüberwachung (jeweils §§ 100a, 100c StPO). Fraglich bleibt allerdings der Anwendungsbereich dieser Ermittlungsmaßnahmen, wenn, wie es in der Regel passiert, die Strafbarkeit der Steuerhinterzieher wegen Beteiligung an der Vortat nach § 261 Abs. 9 S. 2 StGB entfällt. Da es in diesen Fällen an einer Katalogtat fehle, sei es unzulässig gegen diese Personen eine Telefonüberwachung anzuordnen, so dass der Anwendungsbereich des § 100a StPO quasi ins Leere laufe.189 Diese Meinung wird vom BGH bestätigt, wenn eine Verurteilung wegen Geldwäsche aufgrund der Vorrangklausel des § 261 Abs. 9 S. 2 StGB nicht zu erwarten und die der Geldwäsche zugrunde liegende Tat keine Katalogtat sei.190 Diese 185 Bereits 1995 haben sich Dahm / Hamacher, wistra 1995, S. 205, 206 gegen die Formulierung einer solchen „Denunziationspflicht“ gewehrt. 186 Herzog, WM 1996, S. 1753, 1755. 187 Eine deutliche Verschärfung des Strafbarkeitsrisikos für Bankangestellte sehen: Hillmann-Stadtfeld, NStZ 2002, S. 242, 244 und Stier, Die Problematik des § 370a AO, S. 91 f. 188 Meyer, DStR 2002, S. 879, 880. 189 Burger, wistra 2002, S. 1, 6. 190 BGH NJW 2003, S. 1880, 1881.

360 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

Rechtsprechung wird allerdings obsolet, wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass ab dem 01. 01. 2008 die schwere Steuerhinterziehung (in ihrer neuen Fassung) selbst eine Katalogtat wird.191 Angesichts der zahlreichen Bagatell- und Alltagsfälle, welche § 370a AO erfasst, scheint die Verknüpfung der Steuerhinterziehung mit der Geldwäsche unverhältnismäßig und kriminalpolitisch unangemessen. Unverhältnismäßig in erster Linie für die betroffenen Individuen; denn sie führt zu einer Beschneidung von Rechtspositionen, die auf die Begehung einer Straftat zurückgeht, die nicht immer ein so hohes objektives Unrecht verkörpert. Dadurch soll allerdings das Unrecht der Steuerhinterziehung keineswegs verharmlost und unterschätzt werden; damit ist nur gesagt, dass die gesetzgeberische Entscheidung, § 370a AO als ein Verbrechen einzustufen, zu beträchtlichen Wertungswidersprüchen und zu einer hohen Rechtsunsicherheit in Bezug auf das Unrecht und die Schuld der dort umschriebenen Verhaltensweisen führt. Unverhältnismäßig ist die Aufnahme des § 370a AO in den Vortatenkatalog auch für den Staat selbst. Denn dadurch werden die begrenzten Kapazitäten des staatlichen Strafverfolgungsapparats strapaziert und falsch eingesetzt. Diese Einwände wiegen um so schwerer, wenn man überlegt, dass die Strafverfolgungsbehörden in der Praxis dazu neigen werden, im Anfangsstadium der Ermittlungen den Verdacht einer Tat nach § 370a AO oft zu bejahen, damit das entsprechende Ermittlungsinstrumentarium angewandt werden kann. Auf diese Weise werden ermittlungsrelevante Erkenntnisse gewonnen, auch wenn sich der Geldwäscheverdacht im späteren Stadium nicht erhärtet.192

V. Der Gegenstand einer Geldwäsche nach einer gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung nach § 370a AO Durch die Verknüpfung zwischen schwerer Steuerhinterziehung nach § 370a AO und Geldwäsche ist zu konkretisieren, an welchen Gegenständen die Geldwäschehandlungen begangen werden können. Dass im Fall einer Steuerhinterziehung die bereits entwickelte Dogmatik und die Rechtsprechung zur Bestimmung des Geldwäschegegenstands nicht ausreichen, hat der Gesetzgeber bereits erkannt. Deswegen führt er durch das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz (StVBG) eine besondere Vorschrift ein, die vorgibt, welche Gegenstände taugliche Objekte des § 261 StGB sein können. Das Merkmal der Herkunft aus der Vortat hilft bei der Steuerhinterziehung nicht weiter, weil im wortwörtlichen Sinne durch die Deliktsbegehung keine Vermögensvermehrung materiell hervorgebracht wird; beim Vermögensvorteil einer Steuerhinterziehung geht es nur um einen rein rechnerischen Posten, um eine unterlassene Mittelverwendung, aufgrund der das Vermögen des Täters nicht gemindert wurde. 191 192

s. BGBl. I 2007, S. 3198 ff. So auch Klein, StV 2005 S. 459, 460.

D. Das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz

361

In Bezug auf den Gewinn aus Steuerdelikten sollte man allerdings eine notwendige Differenzierung machen. Aus diesen Straftaten können sich für den Täter Gewinne von zwei Arten ergeben: die erste Art von Gewinnen bezieht sich auf Steuererstattungen oder -vergütungen, welche aufgrund der Verletzung von Steuerdelikten dem Täter zugute kommen. Unter einer Steuervergütung wird z. B. der Fall verstanden, dass eine von einem Dritten gezahlte Steuer an einen anderen, der die Steuer wirtschaftlich getragen hat, vergütet wird (z. B. der Vorsteuerabzug bei der Umsatzsteuer).193 Dabei handelt es sich um einen echten Vermögenszufluss, so dass der Geldwäschegegenstand, zumindest vor seiner Vermischung mit dem sonstigen Vermögen des Täters, klar abgrenzbar und identifizierbar ist. Die zweite Art von potentiellen Gewinnen, wohl vom Umfang her die wichtigste und in der Praxis auch die häufigste, stellen Steuerverkürzungen bzw. die unrechtmäßigen Ersparnisse von geschuldeten Steuern dar. In all diesen Fällen wird das Tätervermögen nicht durch das Hinzukommen zusätzlicher Vermögenswerte vermehrt. Der kriminelle Vorteil besteht in diesen Fällen darin, dass eine Vermögensminderung abgewendet wurde. Es ist allerdings möglich an den der Steuer zugrunde liegenden Erträgen einen Rechtsanspruch zu begründen. Die auf diese Weise dem Täter verbliebenen Gegenstände waren jedoch bereits vor der Tatbegehung im Vermögen des Täters. Obwohl ihr Verbleiben dort kausal auf die Tat zurückzuführen ist, wurden sie jedoch nicht durch die Tat erlangt. Hieraus können zwei Schlüsse gezogen werden: entweder kann die aus der Steuerhinterziehung resultierende wertmäßige Ersparnis von Steuern kein Gegenstand sein, so dass die Geldwäsche an solchen Ersparnissen gar nicht möglich ist; oder das ganze Vermögen ist als kontaminiert anzusehen aufgrund der Unmöglichkeit, den Gewinn aus den sonstigen Vermögenspositionen abzutrennen und angesichts des Umstands, dass sich der Steueranspruch gegen das gesamte Vermögen richtet. Nach diesen theoretischen Überlegungen sollte an diesem Punkt die konkrete gesetzliche Formulierung unter die Lupe genommen werden. § 261 Abs. 1 S. 3 StGB, der sich bis zu diesem Zeitpunkt auf die Geldwäschegegenstände im Fall eines gewerbsmäßigen, gewaltsamen oder bandenmäßigen Schmuggels (§ 373 AO) und einer Steuerhehlerei (§ 374 AO) bezog, wurde umformuliert: „In den Fällen des Satzes 2 Nr. 3 sowie im Falle des § 370a AO gilt Satz 1 auch für unrechtmäßig erlangte Steuervergütungen sowie für Vermögensbestandteile, hinsichtlich deren Abgaben hinterzogen worden sind.“

Angesichts dieses Wortlauts stellt man zunächst fest, dass das bereits durch das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der organisierten Kriminalität eingeführte Geldwäscheobjekt des „Gegenstandes, hinsichtlich dessen Abgaben hinterzogen worden sind“, mit leicht abweichendem Wortlaut auf die neuen Fälle der Steuerhinterziehung nach § 370a AO übertragen wird. Die Abweichung betrifft die Ersetzung des Begriffs „Gegenstand“ durch „Vermögensbestandteil“, so dass es 193

Klein / Brockmeyer, AO Kommentar § 43, Rn. 3.

362 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

nahe liegt, dass der Gesetzgeber durch diese Formulierung die Einbeziehung anderer Vermögenspositionen beabsichtigte.194 Somit werden zu Geldwäschegegenständen der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung a) unrechtmäßig erlangte Steuervergütungen und b) jegliche Vermögensbestandteile, hinsichtlich deren Abgaben hinterzogen worden sind. Die Erwähnung der Steuervergütungen wurde zu Recht als überflüssig bezeichnet.195 Wie bereits erwähnt, stellen solche Steuervergütungen immer eine Vermögensverschiebung dar, die vor der Tatbegehung nicht im Tätervermögen existierte. Der herkömmliche Gegenstandsbegriff hätte zur Erfassung solcher Steuererstattungen ausgereicht, so dass diese Formulierung nur klarstellend wirkt. Besonders problematisch erweist sich jedoch der zweite Fall in Bezug auf die Vermögensbestandteile, hinsichtlich deren Abgaben hinterzogen worden sind. Das würde in der Praxis bedeuten, dass geldwäschetauglich nicht eine Steuerersparnis, also die Höhe der geschuldeten Steuern, sondern der zu versteuernde Gegenstand ist. Das kann je nach der Steuerart zu widersinnigen Ergebnissen führen. Im Fall z. B. einer Grunderwerbsteuer hätte diese Regelung zur Folge, dass nicht der hinterzogene Steuerbetrag, sondern das gesamte Grundstück als kontaminiert zu gelten hätte. Eine wortgetreue Anwendung des § 261 Abs. 1 S. 3 StGB würde somit dazu führen, dass das gesamte Vermögen des Steuerhinterziehers kontaminiert wäre. Dies hätte neben der Totalisolation des Täters die Folge, dass das gesamte steuerpflichtige Vermögen nach § 261 Abs. 7 S. 1 StGB als Beziehungsgegenstand eingezogen werden könnte, was natürlich auch aufgrund der verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Eigentumsgarantie und der Unschuldsvermutung unzulässig wäre. Als zusätzliches Argument für die Gesamtkontamination des Tätervermögens wurde sogar die Rechtsprechung des BGH über den Vorteil einer Begünstigung (§ 257 StGB) nach einer Steuerhinterziehung angeführt.196 Dort wird als Vorteil das gesamte Vermögen des Täters anerkannt, wenn sich darin unabtrennbar die erlangte Steuerersparnis befindet.197 Die Gesamtkontaminierung wurde als zu weitgehend empfunden. Akzeptiert man diese Interpretation, wird jede Verfügung über einen Vermögensbestandteil, hinsichtlich dessen Abgaben hinterzogen worden sind, eine Geldwäschehandlung darstellen. Längerfristig werden auf diese Weise beträchtliche Vermögensteile bemakelt, was sich auf die Funktionsfähigkeit der Gesamtwirtschaft lähmend auswirken würde. Letztlich impliziert selbst die Auswahl des Wortes „Vermögensbestandteil“, dass nicht das Gesamtvermögen, sondern ein konkreter, aber immerhin schwer zu ermittelnder Teil des Vermögens erfasst werden soll.198 194 195 196 197 198

So Voß, Die Tatobjekte der Geldwäsche, S. 69 ff. Burger, wistra 2002, S. 1, 5. Burger, wistra 2002, S. 1, 5. BGH wistra S. 103, 105. Lührs, BuW 2002, S. 711, 715.

D. Das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz

363

Eine Ansicht verneint im Fall der Steuerhinterziehung völlig die Existenz eines aus der Tat herrührenden Gegenstandes. Der Geldwäschetatbestand könne nicht an eine Steuerhinterziehung anschließen, weil die Ersparnis nur einen rechnerischen Vorteil darstelle.199 Trotz der Plausibilität dieser Annahme spricht dagegen die Intention des Gesetzgebers, durch das StVBG den Gegenstandsbegriff der Geldwäsche inhaltlich zu erweitern. Die erfolgte Konkretisierung des Gegenstandsbegriffs soll gewährleisten, dass auch an solchen Vermögensbestandteilen Geldwäsche begangen werden kann, die eben nicht aus einer Steuerstraftat hervorgegangen sind, jedoch in einem klaren Zusammenhang mit ihr stehen. Bei den hier erörterten unrechtmäßigen Steuerverkürzungen ist dies der Fall.200 Gravierende Folgen kann die derartige Umschreibung des Geldwäschegegenstands für die Rechtsberatung in Steuer- und Steuerstrafsachen haben.201 Denn Rechtsanwälte und Steuerberater würden sich wegen Geldwäsche strafbar machen, wenn sie ein Honorar entgegennehmen würden, von dem sie wüssten, dass dieser aus einer solchen Steuerhinterziehung stammt. Die BGH-Rechtsprechung nimmt eine verfassungsrechtliche Abwägung zwischen dem Recht auf Wahlverteidigung und dem Bedürfnis nach Bekämpfung der Geldwäsche vor und kommt zu dem Schluss, dass diesbezüglich kein Verteidigerprivileg existiert.202 Diese Unsicherheit bezüglich des Geldwäschegegenstands oder sogar die Gesamtkontamination des Tätervermögens würde dazu führen, dass der Berater nach Kenntnis des Vorwurfs der Steuerhinterziehung bzw. bei leichtfertiger Unkenntnis kein Honorar mehr annehmen darf.203 Aufgrund dieser Überlegungen wurden verschiedene Einschränkungsversuche des § 261 Abs. 1 S. 3 StGB vorgenommen. Ein solcher betraf z. B. die Differenzierung nach Konten. Es sei davon auszugehen, dass jeder Steuerpflichtige mehrere Konten führe, so dass nur dieses Konto infiziert sei, das mit dem hinterzogenen Spatscheck / Wulf, DB 2001, S. 2571, 2574. So auch Stier, Die Problematik des § 370a AO, S. 71. 201 Die Strafbarkeit der Entgegennahme bemakelten Honorars stellt ein allgemeines Problem des Geldwäschetatbestands dar; im Fall des § 370a AO stellt sich dieser Problempunkt gerade, weil diese Vorschrift die Möglichkeiten der Steuerberatung erneut und in großem Ausmaß einschränkt. 202 BGH wistra 2001, 379; BGHSt 47, S. 68 ff.; eine Korrektur erfuhr diese Rechtsprechung durch das BVerfG, das nunmehr für die Strafbarkeit von Strafverteidigern bei der Honorarannahme sichere Kenntnis von der Herkunft des Geldes verlangt, s. BVerfG NJW 2004, S. 1305. 203 So auch Bülte, Geldwäschegesetzgebung, S. 248; diese Befürchtungen werden von Burger, wistra 2002, S. 1, 6 dahingehend relativiert, dass in jedem Einzelfall eine konkrete Beziehung zwischen dem Honorar und der Vortat bestehen müsse; dementsprechend wird in den Fällen, in denen versteuerte Einnahmen als auch unversteuertes Vermögen zusammentreffen, dazu führe, dass im Zweifel davon ausgegangen werde, dass das Honorar aus den versteuerten Einnahmen herrühre; eingehend zur Geldwäsche durch Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe aus einem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt, Oberloskamp, StV 2002, S. 611 ff. 199 200

364 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

Geld gespeist worden sei und zwar unabhängig vom Verhältnis zwischen dem versteuerten und unversteuerten Betrag.204 Dieser Ansatz wurde zu Recht als praxisfern kritisiert, denn kein Steuerpflichtiger würde eine solche Trennung zwischen versteuerten und unversteuerten Geldern vornehmen.205 Die Bemakelung sollte sich nach einer anderen Meinung auf das Jahreseinkommen beschränken, da § 2 Abs. 5 EStG und § 7 Abs. 1 KStG an dieses anknüpften.206 Diese Interpretation mag die Kontaminierung des gesamten Vermögens abwenden, vermeidet jedoch nicht die Kontaminierung des gesamten Jahreseinkommens, was ebenso wenig dem gesetzgeberischen Ziel des § 261 Abs. 1 S. 3 StGB entspreche.207 Eine mögliche Lösung zum Problem der Gesamtkontamination könnte allerdings nach Burger die Abgrenzung nach Steuer- und Einkunftsarten bieten. Geldwäschegegenstand wäre demnach dieser Vermögensbestandteil, der einer konkreten Steuerart unterlag, hinsichtlich deren die Abgaben hinterzogen wurden. Dieser Vorschlag lässt jedoch offen, was passieren würde, wenn der Wert des Vermögensvorteils, hinsichtlich dessen Abgaben hinterzogen worden sind, erheblich höher ist als die tatsächlich erzielte Steuerersparnis, so dass letztendlich eine betragsmäßige Beschränkung auf die jeweilige Ersparnis wünschenswert wäre.208 Nach Spatscheck / Wulf, die ihren ursprünglichen Vorschlag über die Kontamination nur des Jahreseinkommens aufgegeben haben, soll die einzige verfassungskonforme Auslegung nur Vermögensbestandteile erfassen, bei deren Entstehung oder Erlangung unmittelbar eine Steuerverkürzung begangen wurde. Das stehe auch mit dem Ziel des § 261 StGB im Einklang, die Verkehrsunfähigkeit der aus der Vortat gewonnenen Vorteile zu erreichen. Nach dieser Ansicht wären somit nur diejenigen Vermögensbestandteile inkriminiert, die aus dem jeweiligen Geschäftsvorfall stammten, der in der Steuererklärung nicht angegeben worden ist.209 Schließlich wurde aufgrund der Unmöglichkeit, die Bemakelung durch Abstellen auf eine gezielte Verschleierungshandlung zu konkretisieren, auch behauptet, dass lediglich die Höhe der erzielten Steuerersparnis maßgeblich sein soll. Da § 261 StGB sich nicht lediglich gegen die organisierte Kriminalität richte, erfordere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass das Vermögen nur in Höhe der Steuerersparnis verkehrsunfähig sei.210 Auch wenn dieser Einschränkungsversuch im Ergebnis sehr plausibel erscheint, findet er keine Stütze im Wortlaut des § 261 Abs. 1 S. 3 StGB. Der Gesetzgeber hat durch diese weitgehende Formulierung klar Meyer, DStR 2002, S. 879, 882. Heerspink, AO-StB 2002, S. 132, 135. 206 Spatscheck / Wulf, DB 2001, S. 2572, 2574. 207 Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370a AO, Rn. 37. 208 Burger, wistra 2002, S. 1, 4 f. 209 Spatscheck / Wulf, DB 2002, S. 392, 395; zustimmend auch Schneider, Die gewerbsoder bandenmäßige Steuerhinterziehung, S. 197 f. 210 Salditt, StV 2002, S. 214, 216. 204 205

E. Das Fünfte Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes

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gemacht, dass dadurch nicht nur die bloße Steuerverkürzung in der Form einer Steuerersparnis erfasst werden sollte, sondern mehr als das. Die Schwierigkeit, sich auf einen tauglichen Ansatz zur Einschränkung des weiten Tatbestands zu einigen, belegt genau die Untauglichkeit der gesetzlichen Formulierung, die Grenzen der Geldwäschestrafbarkeit nach einer gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung genau abzustecken.211 Angesichts des schweren Unrechts, das durch diesen Tatbestand typisiert wird und der schwerwiegenden Folgen, die im Fall eines Geldwäscheverdachts dem Betroffenen angedroht werden, würde man eine durchdachte Lösung der Frage nach dem Geldwäschegegenstand erwarten, die dem Postulat der Rechtssicherheit besser Rechnung tragen würde.

E. Das Fünfte Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes Kaum sieben Monate nach dem Inkrafttreten des StVBG wurde ein gesetzgeberischer Änderungsbedarf der Vorschrift diagnostiziert. Diese „Diagnose“ ging nicht zuletzt auf die heftige Kritik zurück, die von allen Seiten gegen die konkrete Ausgestaltung der Vorschrift sowie aufgrund der weitreichenden, teils unverhältnismäßigen Auswirkungen auf die Geldwäschestrafbarkeit erhoben wurde. Als erstes wird kurz auf die Entstehungsgeschichte und die Ziele des neuen Gesetzes eingegangen (unter I.). Im nächsten Schritt werden die Änderungen des § 370a AO n. F. erläutert (unter II.) und vor allem die neue Fassung über den Geldwäschegegenstand (unter III.). Schließlich wird dazu Stellung genommen, was diese Entwicklung für das Geldwäscherecht bedeutet (unter IV.)

I. Entstehungsgeschichte und Ziele des Gesetzes Genau wie im vorangegangenen StVBG enthielt der ursprüngliche Entwurf der Bundesregierung zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes ausschließlich Bestimmungen zur Ausbildung von Steuerbeamten.212 Der Finanzausschuss beriet am 24. 04. 2002 diesen Gesetzesentwurf. Dort wurden von den Oppositionsparteien Änderungsanträge zum § 370a AO gestellt. In Rückgriff auf die Anhörung verschiedener Sachverständiger waren die Oppositionsfraktionen der Meinung, dass der Tatbestand der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung weit über sein Ziel hinaus schieße. Der Grund dafür sei, dass durch die 211 So auch Winter, Die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung gem. § 370a AO, S. 45. 212 BT-Drs. 14 / 8286.

366 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

herkömmliche, weite Definition des Merkmals der Gewerbsmäßigkeit „normale“ Steuerhinterziehungen geringeren Umfangs, sofern sie wiederholt begangen würden, von diesem Verbrechenstatbestand erfasst würden. Folge wäre es, dass eine Vielzahl von Steuerpflichtigen in erheblichem Umfang kriminalisiert würde. Zudem eröffne § 370a AO nicht die Möglichkeit der Strafbefreiung aufgrund einer Selbstanzeige und auf diese Weise werde den Steuerhinterziehern die Umkehr in die Steuerehrlichkeit verschlossen und dem Staat erhebliche Steuerquellen weggenommen. Ungewissheiten ergäben sich in Bezug auf die Grenzen der Geldwäschestrafbarkeit, vor allem bei der Entgegennahme von Honoraren durch Rechtsanwälte oder Steuerberater.213 In diesem Zusammenhang sollte darauf hingewiesen werden, dass zu diesem Zeitpunkt die Rechtsprechung des BVerfG zur Geldwäschestrafbarkeit von Strafverteidigern noch nicht ausgeformt war. Konkreter sah der Änderungsantrag der CDU / CSU die Herausnahme der Tatvariante der gewerbsmäßigen Steuerhinterziehung vor, während die Fraktion der FDP einen weitergehenden Vorschlag vorgebracht hat, nämlich den Tatbestand des § 370a AO gänzlich zu streichen und die bandenmäßige Steuerhinterziehung als einen zusätzlichen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 AO zu gestalten. Eine Korrektur des weiten Wortlauts des § 370a AO war für die benannten Oppositionsparteien unumgänglich, während die Hoffnung der Bundesregierung, mit den Ländern eine Verständigung über eine restriktive Anwendung der Vorschriften zu erreichen, zur Lösung des Problems nicht ausreichend war. Die Änderungsanträge fanden im Ausschuss keine Mehrheit und wurden abgelehnt. Im Anschluss an die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses wurde der eingebrachte Regierungsentwurf vom Bundestag angenommen. Wenig später hat jedoch der Bundesrat den Vermittlungsausschuss eingeschaltet, um zu versuchen, eine Klarstellung in Bezug auf die Grenzen der Strafbarkeit nach § 370a AO zu bewirken. Zwei Punkte schienen dem Bundesrat besonders reformbedürftig zu sein: a) die immer noch offene Frage der Auslegung der Gewerbsmäßigkeit, die nicht sicherstellt, dass davon nur schwere Fälle erfasst sind und b) die Ermöglichung einer Selbstanzeige nach § 371 AO. Der Vermittlungsausschuss kam zu einem großen Teil diesen Anliegen entgegen und unterbreitete daraufhin einen Einigungsvorschlag.214 Die Beschlussempfehlung wurde vom Deutschen Bundestag ohne weitere Debatte am 28. 06. 2002 angenommen und einige Tage später vom Bundesrat bestätigt.215 Erstaunlich ist, dass eine Debatte über den Geldwäschegegenstand nach einer Steuerhinterziehung, einem Thema, das in der Literatur viel Kritik geerntet hatte, nicht stattfand.

213 214 215

BT-Drs. 14 / 8887, S. 24, Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses. BT-Drs. 14 / 9631. BT-Plenarprotokoll 14 / 246, S. 24855 ff.; BR-Drs. 607 / 02.

E. Das Fünfte Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes

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II. Änderungen des § 370a AO Der Gesetzgeber versucht offensichtlich die Beseitigung einzelner Mängel der ursprünglichen Fassung zu beheben, indem er als erstes die objektiven Strafbarkeitsgrenzen einschränkt. Der objektive Tatbestand der Vorschrift wird dahingehend geändert, dass der Täter nunmehr „in großem Ausmaß“ Steuern verkürzen oder ungerechtfertigte Vorteile erlangen muss. Auf diese Weise sollen Bagatellfälle vom § 370a AO n. F. ausgeschlossen werden, die über die Übertragung der herkömmlichen Auslegung der Merkmale der Gewerbs- oder Bandenmäßigkeit auf die alte Fassung durchaus denkbar waren. Darüber hinaus wird ein minder schwerer Fall der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung nach § 370a AO n. F. hinzugefügt (§ 370a S. 3 AO). Dieser soll immer vorliegen, wenn die Voraussetzungen der Selbstanzeige nach § 371 AO gegeben sind. Die Selbstanzeige funktioniert allerdings, anders als in den sonstigen Steuerdelikten, lediglich strafmildernd für eine Strafrahmenverschiebung. Trotz des festgestellten Nachbesserungsbedarfs und der weitergehenden Folgen eines Verbrechenstatbestandes hat der Gesetzgeber diesbezüglich in einem Gesetzgebungsverfahren entschieden, das sich nicht auf die Steuerhinterziehung bezog. Dies tat er sogar in großer Eile, ohne entsprechend beraten zu haben. Teilweise wird sogar die formelle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes, aufgrund des fehlenden Initiativrechts des Vermittlungsausschusses, bezweifelt.216 Ohne darauf ausführlicher einzugehen, kommt man nicht umhin, die ganze Vorgehensweise zu kritisieren, nicht nur aus rechtsstaatlich-demokratischen Gesichtspunkten, sondern auch, weil sie nicht als ein Zeichen rationaler und ausgewogener Kriminalpolitik gelten kann. Die Ergebnisse einer solchen Kriminalpolitik sind allerdings hervorstechend: sie lassen sich in der heftigen Kritik ablesen, welche die neue Fassung des § 370a AO erneut ausgelöst hat. Unter anderem wurde also gerügt, dass „nur unter Inkaufnahme gravierender Bedenken die erforderliche Verbesserung innerhalb eines fremden Gesetzgebungsverfahrens in dieser kurzen Zeit möglich war“.217 Obwohl die Vorschriften von einigen begrüßt wurden218, fragen sich andere, ob durch das neue Gesetz überhaupt eine Verbesserung erfolgt.219 Diese Fragestellungen erscheinen plausibel. Wollte der Gesetzgeber durch das Merkmal des großen Ausmaßes Bagatellfälle aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausschließen, scheint er genau das Gegenteil erreicht zu haben. Dieses Tatbestandsmerkmal würde die Zahl der davon erfassten Fälle drastisch verrin216 217 218 219

Gast-De Haan, DStR 2003, S. 12. Bittmann, wistra 2003, S. 161. Fahl, wistra 2003, S. 10 f.; Müller, DStR 2002, S. 1641, 1643. Harms, FS für Kohlmann, S. 413, 419.

368 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

gern220, allerdings nur, wenn Klarheit in Bezug auf seinen Inhalt herrschen würde. Dies ist offensichtlich nicht der Fall. In diesem Zusammenhang wurde zu Recht kritisiert, dass die Einfügung des Tatbestandsmerkmals „in großem Ausmaß“ komplizierte, neue Auslegungsfragen aufwirft.221 Umstritten ist demnach eine Vielzahl von Fragen: Ist das große Ausmaß qualitativ oder quantitativ zu bestimmen? In welcher Höhe wäre dann der Schwellenwert anzusetzen? Ist auf die einzelne Steuerhinterziehung oder auf zusammenfassende Taten abzustellen und wie wäre eine Zusammenfassung zu gestalten? Entscheidet die Hinterziehungssumme oder der Steuerschaden? Sind nur die bereits begangenen oder auch die geplanten Taten relevant?222 Anhaltspunkte zur Konkretisierung dieses Begriffs könnten in Rückgriff auf die Auslegung des „großen Ausmaßes“ in der ähnlichen Vorschrift des schweren Falles einer Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO gewonnen werden. Denn der Gebrauch dieses Begriffs im § 370a AO n. F. lehnt sich an das identische Merkmal des § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO. Das Problem wäre jedoch auf diesem Weg auch nicht gelöst; denn die entsprechende BGH-Rechtsprechung zu diesem Begriff berücksichtigt stets auch den mit angeführten Begriff „aus grobem Eigennutz“. Somit wird behauptet, dass für die gesetzgeberischen Vorstellungen keine Anhaltspunkte oder gar eine Leitlinie zur Auslegung „des großen Ausmaßes“ existieren.223 Auf diese Weise werde eine gewisse Verunsicherung in der Praxis fortbestehen bis eine eindeutige Rechtsprechung die misslungenen Formulierungen des Straftatbestands korrigiere.224 Es müsse befürchtet werden, dass so der gesamte Tatbestand mangels hinreichender Bestimmtheit verfassungswidrig sei.225 Die Einführung des minder schweren Falls wurde grundsätzlich positiv aufgenommen: denn sie ermöglicht ohne Zweifel eine flexiblere Handhabung der Vorschrift und beschwichtigt die Kritik einer unverhältnismäßigen Bestrafung. Andererseits ist die konkrete Ausgestaltung des minder schweren Falles bei einer Selbstanzeige nicht ganz ohne Kritik geblieben. Da in diesem Fall die Selbstanzeige keine Straffreiheit gewährleistet, ist eine längerfristige Entwertung der Selbstanzeige möglich: denn im Anfangsstadium der Ermittlungen ist nicht immer eindeutig, ob der Fall als einfache oder schwere Steuerhinterziehung subsumiert wird, so dass der Steuerpflichtige nicht das Risiko eingehen wird, die Steuerschuld durch Selbstanzeige zu begleichen, ohne Straffreiheit zu erlangen.226 In Bezug auf den 220 So Kummer in: Wabnitz / Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 18. Kapitel, Rn. 90 ff. 221 Stier, Die Problematik des § 370a AO, S. 117 f. 222 Die Auslegungsprobleme werden von Schneider, Die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung, S. 103, zusammengefasst. 223 So Harms, FS für Kohlmann, S. 413, 424; Samson, FS für Kohlmann S. 263, 267. 224 Spatscheck / Wulf, NJW 2002, S. 2983, 2987. 225 Samson, FS für Kohlmann, S. 263, 267; Klein, StV 2005, S. 459, 464. 226 So auch Spatscheck / Wulf, NJW 2002, S. 2983, 2985; anders Bittmann, wistra 2003, S. 161, 163 mit überzeugenden Argumenten.

E. Das Fünfte Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes

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minder schweren Fall habe es der Gesetzgeber somit versäumt, für eine klare, systematisch und sachlogisch überzeugende Einordnung in das Gefüge der §§ 370 ff. AO zu sorgen.227 Die Ausführungen an dieser Stelle sollen lediglich einen darstellenden Charakter haben; auf Vollständigkeit wird hier verzichtet. Es sollte nur aufgezeigt werden, dass die bestehenden Unsicherheiten durch das neue Gesetz nicht ohne weiteres behoben wurden, es könnten sogar neue hinzugetreten sein.228

III. Änderungen des § 261 Abs. 1 S. 3 StGB Die Weite der Strafbarkeit nach der neuen Fassung des § 370a AO ist auch für die Anschlusstat der Geldwäsche maßgebend. Werden viele Fälle davon erfasst, multiplizieren sich auch die potentiellen Geldwäschehandlungen. Lassen sich hingegen die vom § 370a AO n. F. erfassten Fallkonstellationen hinreichend beschränken, wird die Geldwäschestrafbarkeit die Grenzen des Verhältnismäßigen nicht überschreiten. Im vorangegangenen Kapitel wurde bereits auf die Schwierigkeit hingewiesen, den Kreis der Gegenstände zu konkretisieren, an denen die Geldwäsche überhaupt begangen werden kann. Der Gesetzgeber ist mit der Formulierung „Vermögensbestandteile, hinsichtlich deren Abgaben hinterzogen worden sind“ in Bezug auf die geldwäschetauglichen Gegenstände eine Klarstellung schuldig geblieben. Der Gesetzgeber versucht im vorliegenden Gesetz, in einem neuen Anlauf die dogmatischen Probleme, welche die ursprüngliche Formulierung verursacht hat, auszuräumen. Der neue Wortlaut des § 261 Abs. 1 S. 3 StGB lautet: „Satz 1 gilt in den Fällen der gewerbsmäßigen oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung nach § 370a der Abgabenordnung für die durch die Steuerhinterziehung ersparten Aufwendungen und unrechtmäßig erlangten Steuererstattungen und -vergütungen sowie in den Fällen des Satzes 2 Nr. 3 auch für einen Gegenstand, hinsichtlich dessen Abgaben hinterzogen worden sind.“

Demnach kann also Geldwäsche begangen werden an: a) unrechtmäßig erlangten Steuererstattungen und -vergütungen und b) ersparten Steueraufwendungen. Die unter a) angeführten Vorteile einer Steuerhinterziehung waren auch in der ursprünglichen Fassung enthalten und sind unproblematisch. Bei diesen Steuervorteilen geht es um tatsächliche Vermögenszuflüsse in das Vermögen des Täters, die leicht vom Restvermögen abgegrenzt werden können. Unter diesem Aspekt erscheint die Aufzählung von Steuererstattungen und -vergütungen nicht als erforderlich;229 Probleme von Vermischung und Vermengung mit anderen, im Vermö227 228

Bittmann, wistra 2002, S. 161, 168. So auch Stier, Die Problematik des § 370a AO, S. 112, 122 f.

370 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

gen des Täters bereits befindlichen Vermögenswerten sind in diesem Zusammenhang irrelevant, denn sie knüpfen nicht nur an Vermögensvorteile nach einer Steuerhinterziehung an, sondern sie hängen mit dem Anschlusscharakter des Geldwäschetatbestands zusammen. Die Erweiterung der geldwäschetauglichen Gegenstände auf die ersparten Aufwendungen stellt allerdings eine Neuerung dar. Die Gesamtheit der einer Steuer unterliegenden Vermögensbestandteile, also die Steuerquelle, die in der alten Fassung komplizierte dogmatische Konstruktionen erfordert hat, wird durch den Betrag der ersparten Aufwendungen ersetzt. Der neue Wortlaut bezüglich der ersparten Steueraufwendungen ist auf den ersten Blick zu begrüßen: denn auf diese Weise werden die Vorteile des Täters aus einer Verkürzung von Steueransprüchen klar beschrieben. Der Geldwäschegegenstand wird in den Fällen einer Steuerhinterziehung nach § 370a AO n. F. zumindest der Höhe des Betrags nach festgesetzt und die Unsicherheiten der alten Fassung werden behoben.230 Diese wertmäßige Festsetzung mag systematisch zutreffend sein, löst jedoch nicht das Problem der Konkretisierung der geldwäschetauglichen Gegenstände.231 Ersparte Aufwendungen wie Steuerersparnisse erhöhen tatsächlich den Saldo des Vermögens, sie stellen jedoch im engeren Sinne keine Vermögensvermehrung dar, sondern lediglich eine unterlassene Mittelverwendung. Diese Mittel, die z. B. bei einer Erfüllung der entsprechenden Steuerpflichten, verwendet würden und durch die Steuerhinterziehung dem Vermögen des Täters verblieben sind, können errechnet werden, sie schlagen sich aber nicht in einer konkretisierbaren Form nieder. Obwohl also die neue Formulierung Klarheit in Bezug auf die betragsmäßige Höhe der Geldwäschegegenstände bringt, bleibt noch ungewiss, wie die inkriminierten Vermögensteile vom sonstigen Vermögen abzugrenzen sind. Somit ist man wieder mit dem Problem der Kontaminierung des Gesamtvermögens des Täters einer Steuerhinterziehung konfrontiert und dementsprechend auch mit der Frage der Verhältnismäßigkeit und der Bestimmtheit der Vorschrift.232 Dazu wurden verschiedene Ansätze mit unterschiedlichen Akzentuierungen präsentiert beim Versuch, der weit geratenen Vorschrift des § 261 Abs. 1 S. 3 StGB ein greifbares Anwendungsfeld zu verleihen. In diesem Zusammenhang wurde argumentiert, dass im Fall von Steuerersparnissen nichts geleistet werde, so dass es unverständlich bleibt, wie an einem Nichts Geldwäsche begangen werden könne. Denn bei den Tatbestandhandlungen der Geldwäsche gehe es um Aktivitäten, die sich auf ein „Etwas“ beziehen würden. Werde also als Maßstab der normale Sprachgebrauch angelegt, könne man nicht Spatscheck / Wulf, NJW 2002, S. 2983, 2987. So auch Sommer / Füllsack, Stbg 2002, S. 355, 361. 231 Spatscheck / Wulf, NJW 2002, S. 2983, 2987. 232 Mit unterschiedlichen Schwerpunkten Spatscheck / Wulf, NJW 2002, S. 2983, 2987; Bülte, Geldwäschegesetzgebung, S. 234 f. 229 230

E. Das Fünfte Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes

371

davon sprechen, dass man ersparte Aufwendungen als ein „Nichts“ verbergen, ihre Herkunft verschleiern könnte usw.233 Demgemäß würde eine wörtliche Anwendung nach Spatscheck / Wulf gegen das Übermaßverbot, das Bestimmtheitsgebot und die Eigentumsgarantie verstoßen, da nach dem Gesetzeswortlaut jeder Vermögensgegenstand des Täters anteilig inkriminiert würde. Das würde zu einer totalen Isolation des Betroffenen und zu einer unverhältnismäßigen Kriminalisierung von Alltagsgeschäften führen.234 Diese Vorschrift würde also im Fall der Steuerersparnisse leer laufen.235 Die Bedenken in Bezug auf eine mögliche Gegenstandslosigkeit der Geldwäsche nach einer Steuerhinterziehung sind nicht befremdlich. Eine wortgetreue Auslegung der Begrifflichkeit „ersparte Aufwendungen“ nach dem alltäglichen Sprachgebrauch würde keine Geldwäsche zulassen, denn es fehlt an einem „Etwas“. Es ist jedoch anzumerken, dass in Rechtsnormen Begriffe oft in einer Weise benutzt werden, die von dem alltäglichen Sprachgebrauch abweicht; dies macht die entsprechende Rechtsnorm nicht automatisch verfassungswidrig. Der Gesetzgeber hat diese begriffliche Schwierigkeit offensichtlich erkannt, somit hat er eine sprachliche Fiktion schaffen wollen. Angesichts der Zielsetzung der Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Steuerhinterziehung großen Ausmaßes ist es somit zutreffend, dass es der gesetzgeberischen Intention widerspräche, diese Vorschrift leer laufen zu lassen.236 Scheurmann-Kettner sieht eine Lösung des Problems darin, zur Bestimmung des Geldwäschegegenstands auf die Einziehungs- und Verfallsregeln zurückzugreifen.237 Im Fall einer Steuerhinterziehung nach § 370a AO n. F. würden also die Steuerersparnisse dem Verfall unterliegen. Genauer wäre der Verfall des Wertersatzes (§ 73a StGB) anwendbar, weil der Verfall der konkret erlangten Geldscheine wegen ihrer Beschaffenheit nicht möglich wäre. Genau denselben Umfang sollte auch der Geldwäschegegenstand haben. Abgesehen davon, dass der Verfall im geschilderten Fall aufgrund der Sperrwirkung von Verletztenansprüchen ausbleiben würde (der Steuerfiskus ist ein solcher Verletzter), ist jedoch in § 261 StGB keine mit der Vorschrift des Wertersatzverfalls vergleichbare Bestimmung anzutreffen. Folglich ist eine Abgrenzung der Steuerersparnis als Geldwäschegegenstand trotz der Parallele zum Verfall dogmatisch nicht hinreichend legitimiert. Umstritten war, ob die BGH-Rechtsprechung zur Begünstigung nach Steuerhinterziehung in diesem Zusammenhang Abhilfe leisten könnte. Bittmann schlägt eine einschränkende Interpretation des § 261 Abs. 1 S. 3 StGB vor, so dass eine Geldwäsche nach einer Steuerhinterziehung gem. § 370a AO n. F. nur dann gegeSamson, FS für Kohlmann, S. 269, 270. Spatscheck / Wulf, NJW 2002, S. 2983, 2987; Samson, FS für Kohlmann, S. 269, 277 redet in diesem Zusammenhang von einem faktischen Besitz- und Verkehrsverbot. 235 Samson, FS für Kohlmann, S. 269, 278. 236 So Schneider, Die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung, S. 208 f. 237 Scheurmann-Kettner, NWB 2002 (Nr. 33), S. 7963 ff. 233 234

372 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

ben sei, wenn sich die Tathandlung auf das ganze oder einen so großen Teil des Vermögens des Steuerhinterziehers erstrecke, dass der nicht erfasste Teil weniger wert sei als die ersparte Steuer. Anderenfalls stehe nicht mit Sicherheit fest, dass der aus § 370a AO n. F. erlangte Vorteil zumindest teilweise in den Objekten verkörpert war, auf die sich die Geldwäschehandlung bezog.238 Zu diesem Ergebnis kommt er, indem er die Übertragung der Rechtsprechung zur Bestimmung des Objekts der Begünstigung (§ 257 StGB) nach einer Steuerhinterziehung verneint. Auf diese Weise wird allerdings der Anwendungsbereich der Alternative der ersparten Aufwendungen sehr begrenzt. Es ist schwer vorstellbar, dass eine Steuerersparnis so hoch ausfallen würde, dass das Restvermögen weniger wert wäre. Es wird somit bezweifelt, ob eine so weitgehende Restriktion des Wortlauts dem gesetzgeberischen Zweck entsprechen würde. Schneider versteht die BGH-Rechtsprechung zur Begünstigung anders als Bittmann: angesichts der Festsetzung der Bemakelungshöhe auf die Ersparnis könnte diese Rechtsprechung zum Tatobjekt der Begünstigung nach Steuerhinterziehung gänzlich übertragbar sein. Denn es sei nicht einzusehen, warum der Vorteil aus einer Steuerverkürzung für die Anschlusstat der Begünstigung anders zu beurteilen sein sollte als für die Geldwäsche. Für eine Übertragung dieser Rechtsprechung spreche auch die historische Auslegung, denn von der Vorgängervorschrift des § 261 Abs. 1 S. 3 StGB waren bereits allein die konkret verschwiegenen Einnahmen erfasst. Der Gesetzgeber wollte allerdings durch die Änderung keine Ausweitung, sondern eine Einschränkung der Bemakelung bewirken, so dass weiterhin auch nur diese Einnahmen erfasst seien und nicht das gesamte Vermögen. Somit seien die konkret verschwiegenen Einnahmen in der Höhe der Steuerersparnis bemakelt.239 Trotz einer besseren Verfassungsverträglichkeit dieses Ansatzes, ist dieser auch nicht einwandfrei. Denn er führt bei solchen Steuerarten nicht weiter, bei denen die Steuerpflicht nicht an eine Einnahme oder einen entsprechenden Vorgang anknüpft. Somit ist zuzugeben, dass sich die Beschränkung der Bemakelung auf die verschwiegenen Einnahmen „am Rande dessen bewegt, was durch Auslegung gewonnen werden kann“.240

IV. Ergebnis Das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz und das Gesetz zur Änderung des Steuerbeamtenausbildungsgesetzes sind somit zwei Gesetzeswerke, die sich nicht durch ihre dogmatische Klarheit ausgezeichnet haben. Sowohl der Tatbestand der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung in seiner alten und neuen Fas238 239 240

Bittmann, wistra 2003, S. 161, 167 ff. Schneider, Die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung, S. 208 ff. Schneider, Die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung, S. 213.

E. Das Fünfte Gesetz zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsgesetzes

373

sung als auch die Konkretisierung des Geldwäschegegenstands scheinen mehr Probleme geschaffen zu haben, als sie tatsächlich zu lösen vermögen. Angesichts des Schweigens des Gesetzgebers ist immer noch zu hinterfragen, warum für die schwere Steuerhinterziehung der Verbrechenscharakter ausgewählt wurde. Denn viele Auslegungsprobleme würden sich erheblich relativieren, wenn es sich dabei lediglich um ein Vergehen handeln würde. Der Gesetzgeber scheint in diesem Punkt tatsächlich über sein Ziel der Bekämpfung der organisierten Kriminalität hinausgeschossen zu haben. Da er durch diesen Schritt die automatische Eröffnung der Geldwäschestrafbarkeit erreichen wollte, fragt man sich, ob eine Aufnahme des Vergehens „Steuerhinterziehung“ in den Vortatenkatalog vorzugswürdiger gewesen wäre.241 Diese Entwicklung zeigt also die Anfälligkeit des Geldwäschetatbestands für ständige Erweiterungen: der Gesetzgeber kann jederzeit und ohne auf ein entsprechendes Bedürfnis eingehen zu müssen, durch die Einstufung eines Tatbestandes als Verbrechen, diesen als geldwäschetaugliche Vortat gestalten. Die Existenz einer Anschlusstat „Geldwäsche“ und das durchaus legitime gesellschaftliche Interesse der Geldwäschebekämpfung bedeutet aber keineswegs, dass jegliche Straftaten als Vortaten einer Geldwäsche gelten können. Konkreter sprechen kriminologische und dogmatische Gründe gegen die Aufnahme der Steuerhinterziehung nach § 370a AO in den Vortatenkatalog des § 261 StGB. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass aus einer kriminologischen bzw. phänomenologischen Perspektive die Steuerhinterziehung nur selten eine Ursprungstat darstellt, die zur bloßen kriminellen Bereicherung eingesetzt wird. Vergleicht man die Steuerhinterziehung mit den klassischen gewinnträchtigen Kriminalitätsformen, wie dem Rauschgifthandel, Menschen- und Waffenhandel oder verschiedenen Vermögensdelikten kommt der Steuerhinterziehung höchstens ein Begleitcharakter zu. In konkreten Fällen, in denen dieser Begleitcharakter eine besondere Gefährlichkeit aufweist bzw. wo der Bezug zur organisierten Kriminalität viel enger ist, wie z. B. in den Fällen eines gewerbsmäßigen, gewaltsamen und bandenmäßigen Schmuggels nach § 373 AO oder einer Steuerhehlerei nach § 374 AO ist der Gesetzgeber bereits eingeschritten und hat diese Tatbestände ausdrücklich zu geldwäschetauglichen Vortaten erklärt. Somit scheint sich die Einstufung der schweren Steuerhinterziehung als einer Geldwäschevortat zu erübrigen. Die problematische Verknüpfung von Steuerhinterziehung und Geldwäsche wird allerdings noch deutlicher, wenn man sich die dogmatischen Hindernisse vergegenwärtigt. Die geschilderten Ansätze zur Konkretisierung des Geldwäschegegenstands nach einer Steuerhinterziehung gem. § 370a AO n. F. weisen unterschiedliche Akzentuierungen auf, gehen jedoch fehl, wenn sie versuchen, eine allge241 Burger, wistra 2002, S. 1, 4; Hetzer, KR 2002, S. 642, 648 sieht in der Ausgestaltung als Verbrechen eine höhere und eindeutigere rechtspolitische Signalwirkung; wann diese Signalwirkung jedoch besteht, bleibt angesichts der erläuterten Probleme der §§ 370a AO und 261 Abs. 1 S. 3 StGB ungewiss.

374 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

meingültige Lösung für alle von § 370a AO erfassten Konstellationen zu finden. Es wurde aufgezeigt, wie einige dieser Lösungsansätze nur auf bestimmte Steuerarten anwendbar sind und andere die Vorschrift so auslegen, dass sie in der Praxis gegenstandslos wird. Das Problem der Gesamtkontaminierung des Tätervermögens schwingt immer mit. Diese nur kurz angerissenen Probleme bezeugen folglich, dass die Einbeziehung der schweren Steuerhinterziehung in den Geldwäschevortatenkatalog ein Fehltritt des Gesetzgebers war. Denn dadurch wurde eine gesetzliche Vorschrift geschaffen, die nicht nur für die Praxis nahezu unbenutzbar ist, sondern auch das gesamte strafrechtliche Gefüge und eine Reihe von Verfassungsprinzipien verletzt. Zudem ist auch nicht einzusehen, warum sich die Rechtsprechung zur Konkretisierung des Geldwäschegegenstandes einen tauglichen Ansatz ausdenken soll. Das sieht man auch in Bezug auf die Problematik der Strafbarkeit von Rechtsanwälten und Steuerberatern. Das Geldwäscherisiko von Rechts- und Steuerberatern wurde durch die Einführung des § 370a AO weiter gesteigert.242 Auch wenn das Strafbarkeitsrisiko durch die verfassungskonforme Auslegung des BVerfG relativiert wurde, bestehen jedoch erhebliche Unsicherheiten darüber fort, wie sich die weite Grenze der Geldwäschestrafbarkeit auf die Steuerberatung auswirken wird.243 Allgemein kann nicht von einem durchdachten Konzept zur effektiven Bekämpfung der Steuerhinterziehung die Rede sein. Das Anliegen der Bekämpfung der organisierten Kriminalität wurde also vom Gesetzgeber noch einmal missbraucht, um der Verknüpfung zwischen Geldwäsche und Steuerhinterziehung eine Scheinlegitimation zu verleihen. Diese Aussage wird erneut bestätigt durch das Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006 / 24 / EG vom 21. Dezember 2007.244 Anlässlich der Einbeziehung von Steuerstraftaten in den Anlassstraftatenkatalog des § 100a Abs. 2 StPO (Überwachung des Fernmeldeverkehrs) soll das Gesetz Wertungswidersprüche und Problemkonstellationen in den §§ 370 ff. AO beseitigen.245 Durch dieses Gesetz, das wieder einen ganz anderen Regelungsbereich hatte, wurde die Vorschrift des § 370a AO gestrichen und die Steuerhinterziehung großen Ausmaßes sowie die bandenmäßige Begehung des Delikts als besonders schwere Fälle der einfachen Steuerhinterziehung nach § 370 AO ausgestaltet (§ 370 Abs. 3-neu AO).246 Der VerSchneider, Die gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung, S. 219. Dementsprechend findet § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB auf Strafverteidiger nur dann Anwendung, wenn sie im Zeitpunkt der Annahme ihres Honorars sichere Kenntnis von dessen Herkunft hatten, s. dazu BVerfG NJW 2004, S. 1305 ff.; Müller, DStR 2002, S. 1641, 1646 schlägt ferner vor, diese Rechtsprechung auch bei der Beratung von Steuerhinterziehern zu berücksichtigen. 244 BGBl. I 2007, S. 3198 ff. 245 BT-Drs. 16 / 5846, S. 32. 246 Der Grund für die Streichung geht auf die Bedenken zurück, die der BGH in einem Beschluss gegenüber der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift erhoben hat, s. NJW 2004, 242 243

F. Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz

375

gehenscharakter dieser Handlungen hat auch das Hinzufügen einer neuen Nummer im Geldwäschetatbestand erforderlich gemacht: Die neuen Hinterziehungshandlungen wurden nun gem. § 261 Abs. 1 S. 2 Nr. 4b StGB für geldwäschetaugliche Vortaten erklärt. Allerdings hat die Einfügung unter der Nummer 4 in § 261 Abs. 1 S. 2 StGB zur Folge, dass bei einer gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung jede Begehungsform des § 370 AO Vortat zur Geldwäsche wird. Bei genauerem Hinsehen ergibt sich tatsächlich, dass nicht nur die Regelbeispiele des § 370 Abs. 3 AO, sondern auch die einfache Steuerhinterziehung, z. B. in Form des § 370 Abs. 1 AO als Vortat der Geldwäsche ausgestaltet wird, wenn sie gewerbs- oder bandenmäßig begangen wird. Da nur der Abs. 3 in § 370 AO geändert wurde, um den bisherigen Tatbestand des § 370a AO aufzunehmen, sollten nur die in diesem Absatz umschriebenen Handlungen geldwäschetaugliche Vortaten darstellen. Ob diese Änderung auf einen redaktionellen Fehler zurückgeht oder der gesetzgeberischen Absicht entspricht, ist ungewiss. Fest steht nur, dass dadurch der Vortatenkatalog des § 261 StGB um steuerliche Straftatbestände erheblich erweitert wurde. Der § 261 Abs. 1 S. 3 StGB wird hinsichtlich der Geldwäschegegenstände wortwörtlich übernommen. Somit bestehen die Unsicherheiten in Bezug auf die ersparten Steueraufwendungen als Geldwäschegegenstand fort. Die Folge wird nicht nur eine unverhältnismäßige Kriminalisierung sein, sondern eine Überschwemmung von Verdachtsanzeigen seitens der Geldwäschebeauftragten. Auf diese Weise werden unnötig Ressourcen der Strafverfolgungsbehörden gebunden, was letztendlich den raffinierten Geldwäschern tendenziell zugute kommt. Es bleibt abzuwarten, wie die Strafverfolgungsbehörden aufgrund des Legalitätsprinzips vorgehen werden, wie die Wirtschaft den neuen Aufwand bewältigen, aber vor allem, wie die Rechtsprechung den so problematischen Geldwäschegegenstand nach einer einfachen Steuerhinterziehung interpretieren wird.

F. Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz Die Einbeziehung eines Gesetzes zur Förderung des Finanzmarkts in die Darstellung der verschiedenen Schritte der Geldwäschegesetzgebung erscheint auf den ersten Blick befremdlich. Es fragt sich, wie die Finanzmarktförderung und die Verbesserung des Anlegerschutzes mit einer effektiven Geldwäschebekämpfung zusammenhängen können. Eine nähere Betrachtung der letzten gesetzgeberischen Schritte in diesem Bereich kann jedoch darüber Aufschluss geben. Ab dem Zeitpunkt der Einführung des Geldwäschegesetzes im Jahre 1993 ist eine immer zunehmende Verlagerung des Schwergewichts der Geldwäschebekämpfung auf den Kreditmarkt zu verzeichnen. Während der Gesetzgeber in den ersten Phasen nach S. 2990 ff.; BT-Drs. 16 / 5846, S. 74; kritisch dazu auch eine spätere Entscheidung des BGH wistra 2005, S. 30 ff.

376 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

der Einführung der strafrechtlichen Norm der Geldwäsche (§ 261 StGB) alle Bemühungen in ihre Optimierung gesetzt hat und parallel das Instrumentarium zur Gewinnabschöpfung effektivieren wollte, wird in den nächsten Phasen der Entwicklung ein intensiver Versuch unternommen, die Modalitäten der Inpflichtnahme der Kreditwirtschaft bis ins Detail zu regeln. Vorrangiges Ziel der entsprechenden gesetzgeberischen Initiativen schien somit nicht mehr die repressive Bekämpfung von Geldwäscheaktivitäten zu sein, sondern die Schaffung einer Reihe von Normen, die eine verstärkte präventive Funktion entfalteten, um den Missbrauch der Dienstleistungen der Finanzwirtschaft zu Geldwäschezwecken zu erschweren. Die Stärkung der Leistungsfähigkeit des Finanzstandortes Deutschland und die Sicherung der Marktintegrität werden auf diese Weise unmittelbar mit der Geldwäschebekämpfung verzahnt.247 Zunächst wird auf die Ziele und die Entstehungsgeschichte des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes eingegangen (unter I.). Abgesehen vom darstellenden Charakter dieser Punkte trägt deren Thematisierung dazu bei, den genauen Inhalt der erfolgten Änderungen besser zu ermitteln und ihren bereits im Gesetzgebungsverlauf umstrittenen Charakter zu beleuchten. Unter die Lupe werden also drei neue Vorschriften genommen, die ohne Zweifel der Geldwäschebekämpfung eine neue Qualität verleihen. Zunächst wird das automatisierte Kontenabrufverfahren nach § 24c KWG untersucht (unter II.) und die Kritik, die dieses Instrument entfacht hat (unter III.). Danach werden das KontenScreening nach § 25a Abs. 1 Nr. 4 KWG (unter IV.) sowie sein Missbrauchspotential (unter V.) angesprochen. Als letztes werden die neue Vorschrift über die Mitteilungen der Finanzbehörden zur Bekämpfung der Geldwäsche gem. § 31b AO (unter VI.) sowie ihre Auswirkungen (unter VII.) thematisiert. Schließlich wird diskutiert, was all diese gesetzlichen Novellierungen für das Geldwäscherecht bedeuten (unter VIII.).

I. Entstehungsgeschichte und Ziele des Gesetzes Angesichts des intensiven Wettbewerbs mit international agierenden Finanzmärkten will der deutsche Gesetzgeber die Transparenz des Kapitalmarktes stärken, indem er die rechtlichen Vorschriften modernisiert und diese an die sich wandelnden Rahmenbedingungen anpasst. Dieses besonders ehrgeizige Ziel soll durch eine Vielzahl von Gesetzesänderungen mit sehr unterschiedlichen Regelungsinhalten umgesetzt werden. Zudem wird im Allgemeinen auf die Verbesserung der Aufsicht über Kreditinstitute hingewiesen, während die Schließung bestehender Gesetzeslücken in Abwehr der Geldwäsche explizit genannt wird. Neben den Änderungen, die im Folgenden gesondert untersucht werden, wurden einige Vorschriften in das Kreditwesengesetz eingefügt, die auch für die Geldwäschebekämpfung eine 247 BT-Drs. 14 / 8017, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz), S. 1.

F. Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz

377

Relevanz haben, wie die Einbeziehung von Unternehmen, die das Kreditkartengeschäft betreiben, in den Katalog der erlaubnispflichtigen und von der Bundesanstalt beaufsichtigten Unternehmen (§ 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 KWG) und die Verschärfung der Inhaberkontrolle bei Banken und Finanzdienstleistungsinstituten (§ 2b KWG).248 Die Hintergründe des neuen Gesetzes in Bezug auf die Geldwäschebekämpfung sind von besonderem Interesse. Der Gesetzgeber machte sich in diesem Zusammenhang strukturelle Überlegungen bezüglich der Geldwäschebekämpfung. Er bezweifelte, ob das Recht zur Geldwäscheprävention, wie es bislang ausgestaltet war, den grundlegenden strukturellen und technischen Wandel hinreichend berücksichtigte, dem der Finanzsektor weltweit unterworfen war. Dieser Wandel beziehe sich in erster Linie auf eine Veränderung der Produktionsform zur Erbringung von Finanzdienstleistungen. Der Einsatz neuer Kommunikationsmittel und Informationstechnologien bewirke eine Neugestaltung der Schnittstelle Kunde-Bank und eine Verdrängung des sog. „Relationship-Banking“. Darunter wird die Verbreitung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und des Gebrauchs von neuen Vertriebskanälen wie Online-Banking, Telephone-Banking gemeint. Diese Verbreitung habe bereits weite Teile des Massengeschäfts erreicht, so dass die traditionellen Ausformungen der sog. „Know your Customer“- Strategien durch weite Identifizierungs- und Aufzeichnungspflichten nicht ausreiche.249 Dementsprechend hätten sich die Geldwäschemethoden verändert bzw. verfeinert. Kreditinstitute würden mittlerweile nicht nur in der sog. Platzierungsphase missbraucht, wo bemakeltes Bargeld in Buchgeld umgewandelt wird. Die Abwicklung komplizierter Finanzdienstleistungen werde nunmehr auch in der Verschleierungsphase eingesetzt, in der sich das bemakelte Geld bereits im legalen Finanzkreislauf befinde, mit dem Ziel seine kriminelle Herkunft durch unübersichtliche Umbuchungen und Umschichtungen zu verwischen. Geld werde heute insbesondere über den nationalen und internationalen Zahlungsverkehr inklusive des Korrespondenzbankenwesens gewaschen, so dass in Zukunft bankintern unbaren Transaktionen größeres Augenmerk geschenkt werden müsse.250 Die Inhalte dieses Gesetzes im Bereich der Geldwäschebekämpfung gehen zum großen Teil auf eine Vielzahl von internationalen Abkommen und Vereinbarungen unterschiedlicher Rechtsverbindlichkeit zurück. Die meisten von ihnen haben im Vordergrund die Terrorismusbekämpfung. Als Mittel dazu sollte die Austrocknung der Terrorismusfinanzierung eingesetzt werden. Während also früher als Rechtfertigungsgrundlage zum Ausbau des Geldwäschebekämpfungsrechts die Bekämpfung der organisierten Kriminalität im Vordergrund stand, wird mittlerweile die Terrorismusfinanzierung als Zusatzziel der Geldwäschebekämpfung proklamiert. 248 249 250

Mehr dazu: Herzog / Mülhausen / Teichmann / Achsnich, GwHdb § 33, Rn. 1 ff. BT-Drs. 14 / 8017, S. 125 ff. BT-Drs. 14 / 8017, S. 125 ff.

378 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

Vor allem unter dem Eindruck der terroristischen Anschläge vom 11. September 2001 in den USA wird die Ausmerzung des weltweiten Terrorismus zu einem gesellschaftspolitischen Ziel, zu dem weitergehende politische und rechtliche Schritte eingeschlagen werden.251 Die enge Verknüpfung mit dem Ziel der Unterbindung der Terrorismusfinanzierung beweist auch ein Blick in die Entstehungsgeschichte dieses Gesetzes. Zu den geplanten Änderungen im Kreditwesengesetz (KWG) legte das Bundesministerium für Finanzen wenige Tage vor den Septemberanschlägen einen Diskussionsentwurf vor. Die Terroranschläge führten jedoch sehr kurzfristig auch im bankenaufsichtsrechtlichen Bereich zu raschen politischen Reaktionen. Durch das Terrorismusbekämpfungsgesetz wurden z. B. einer Reihe von Behörden, vom BKA über den Bundesnachrichtendienst bis hin zum Bundesamt für Verfassungsschutz, umfassende Auskunftsbefugnisse zuerkannt.252 Mit dem Treffen der G7 Finanzminister vom 06. 10. 2001 wurde die Umsetzung der vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht umschriebenen „Due Dilligence-Standards“ beschlossen, mit denen insbesondere auch zur Geldwäschebekämpfung verstärkt eine strenge „know-your-customer Strategie“ im Bankenaufsichtsrecht seinen Niederschlag finden sollte.253 So führt dieses Gesetzeswerk nach § 24c KWG im Bereich der Geldwäschebekämpfung ein automatisiertes Datenabrufsystem ein, wonach die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (kurz: BaFin) jederzeit Zugriff auf ein Datenabrufsystem hat, das ihr die Möglichkeit gibt, festzustellen, wer in welchem Kreditinstitut ein Konto oder ein Depot unterhält. Mit Hilfe dieser Erkenntnisse wird die Kreditanstalt in einem weiteren Schritt in der Lage sein, ihre vom KWG anerkannten Befugnisse nach § 44 Abs. 1 KWG auszuüben. Von einer solchen Abrufmöglichkeit erhofft man sich also die effektive Bekämpfung der Geldwäsche, des Schattenbankwesens sowie des unerlaubten Treibens von Finanzdienstleistungsgeschäften. So könnten auch Gelder mit terroristischem Hintergrund leichter aufgespürt und entsprechend eingefroren werden. In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass parallel das Gesetzgebungsverfahren zur Schaffung der BaFin lief und kurz vor Verabschiedung des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes abgeschlossen war. Die BaFin wurde also zum 1. 5. 2002 gegründet.254 In ihr sind die ehemaligen Bundesaufsichtsämter für das Kreditwesen (BAKred), für das Versicherungswesen (BAV) und 251 Auf diese Weise wird das bisher stetig angeführte Bedrohungspotential der organisierten Kriminalität durch die entsprechende Bedrohung des Terrorismus ergänzt. 252 Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus v. 09. 01. 2002, BGBl. I 2002, S. 361 ff.; mehr zu den Auskunftsbefugnissen dieser Behörden, s. Herzog, FS für Kohlmann, S. 427, 436. 253 Escher, BKR 2002, S. 652 ff. 254 Durch das Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 22. 4. 2002, s. BGBl. I 2002, S. 1310 ff.

F. Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz

379

für den Wertpapierhandel (BAWe) zusammengefasst. Außerhalb der gewerblichen Aufsicht nach dem KWG ist die BaFin, wie auch vorher das BAKred, gem. § 16 Nr. 2 GwG auch für die Durchführung des GwG zuständig. In seiner Stellungnahme vom 20. 12. 2001 äußerte der Bundesrat Bedenken gegen dieses automatisierte Abrufsystem, welches das Recht auf informationelle Selbstbestimmung tangieren könnte und schlug vor, diese Ermittlungsmaßnahme einer richterlichen Kontrolle zu unterwerfen. Zudem wurden auch Bedenken in Bezug auf die hohen Kosten der Einrichtung dieses Abrufsystems für die Kreditinstituten geäußert. Sowohl diese Regelung als auch die unscharfe Formulierung des § 25a Abs. 1 Nr. 4 KWG (Besondere organisatorische Pflichten von Instituten) und des § 31b AO (Mitteilungspflicht der Finanzbehörden zur Bekämpfung der Geldwäsche) wurden in den Ausschüssen stark kritisiert. Die Oppositionsfraktionen der CDU / CSU und der FDP haben allerdings ohne Erfolg Änderungsanträge vorgelegt, welche diesen Bedenken Rechnung trugen.255 Nachdem der Bundestag das Gesetz in der Fassung, die ihm der Finanzausschuss gegeben hatte, beschlossen hat, hat der Bundesrat den Vermittlungsausschuss angerufen.256 Nach kurzer Beratung hat dieser einen Einigungsvorschlag präsentiert, der aber, abgesehen von unerheblichen Änderungen, zum größten Teil die Vorgaben des Regierungsentwurfs enthielt. Dem im Vermittlungsausschuss gefundenen Kompromiss stimmten schließlich der Bundestag in seiner Sitzung vom 17. 05. 2002 und der Bundesrat in seiner Sitzung am 31. 05. 2002 mehrheitlich zu. Das Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland („Viertes Finanzmarktförderungsgesetz“) ist somit am 01. 07. 2002 in Kraft getreten.257

II. Das automatisierte Kontenabrufverfahren nach § 24c KWG Eine sehr wichtige Neuerung, welche die Verbesserung der Aufsichtsmöglichkeiten sowie die Schließung bestehender Lücken in der Geldwäschebekämpfung bezweckte, ist die Einfügung des § 24c in das Gesetz über das Kreditwesen (KWG).258 Durch diese Norm werden die Kreditinstitute ab dem 1. April 2003 verpflichtet, eine Datei einzurichten: diese würde wichtige Kontostammdaten aller Kontoinhaber enthalten, auf welche die BaFin jederzeit zugreifen könnte, um festzustellen, welche Person oder welches Unternehmen bei welchem Kreditinstitut ein Konto oder ein Depot unterhält. Diese Maßnahme soll die Auskunftsrechte flankieren, welche die BaFin gem. § 44 Abs. 1 KWG uneingeschränkt in Bezug auf Geschäftsbeziehungen der Fi255 256 257 258

s. z. B. den Entschließungsantrag der CDU-Fraktion, BT-Drs. 14 / 8674. BT-Drs. 14 / 8958, Anrufung des Vermittlungsausschusses. BGBl. I 2002, S. 2009 ff. Durch Art. 6 Nr. 23 des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes.

380 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

nanzinstitute mit Kunden hat. Durch dieses automatisierte EDV-gestützte System könnte die BaFin ihre aufsichtsrechtlichen Aufgaben, vor allem hinsichtlich der Bekämpfung der Geldwäsche, des Schattenbankwesens und des unerlaubten Betreibens von Bankgeschäften, auf eine effektivere Weise wahrnehmen. Ähnliches gilt für das Nachspüren von Transaktionen, die mit terroristischen Aktivitäten zusammenhängen. Von in- und ausländischen Finanzmarktaufsichtsbehörden sowie auch aus anderen Stellen erhält die BaFin verstärkt Hinweise auf illegale Aktivitäten einzelner Personen betreffend Untergrundbankstrukturen, Geldwäsche oder Gelder mit terroristischem Hintergrund. Vor allem seit dem 11. September hat sich diese internationale Kooperation verdichtet, so dass über die Koordination des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht oder den G7 unter den Mitgliedstaaten Namenslisten ausgetauscht werden, welche Personennamen enthalten, die des Terrorismus (oder nur der Terrorismusunterstützung) verdächtig sind. Über das Datenabrufsystem könne sich somit die BaFin einen schnellen und unkomplizierten Überblick in die Existenz von Konten, Konteninhaber oder Verfügungsberechtigten verschaffen. Aufgrund dieser Erkenntnisse werde dann die BaFin in die Lage versetzt, ihre umfassenden Befugnisse zur weiteren Ermittlung eines verdächtigen Sachverhalts auszuüben, indem sie gezielt an Kreditinstitute herantrete, bei welchen diese Personen über Konten oder Depots verfügen.259 Die Einführung eines solchen zentralisierten und automatisierten Systems schien auch erforderlich zu sein. Konkreter wurde gerügt, dass sich das bisherige Vorgehen der Aufsichtsbehörden als kompliziert, zeitaufwendig und letztlich als ineffektiv erwiesen hat. Um herauszufinden, ob und in welchem Institut eine bestimmte Person oder ein Unternehmen ein Konto unterhielt, richtete die Aufsichtsbehörde eine entsprechende Anfrage betreffend dieser Person an alle, ca. 2900 inländischen Kreditinstitute. Die Beantwortung eines solchen Ersuchens seitens aller Kreditinstitute verlangte in der Praxis eine lange Zeit, so dass sich eine eventuelle Sicherstellung oder ein Einfrieren von Geldern Verdächtiger erheblich verzögerte, manchmal sogar gänzlich vereitelt wurde. Dieses Vorgehen hinderte auch eine zeitnahe Erledigung von internationalen Rechtshilfeersuchen.260 Es war ferner in der Praxis nicht gesichert, dass alle Kreditinstitute, vor allem kleinere, dieses Auskunftsersuchen beantworten würden. Darüber hinaus wurde auch zu Recht der Umstand kritisiert, dass sensible, personenbezogene Daten an Tausende Stellen gelangten, die Mehrzahl derer nicht betroffen war und, dass dadurch ein Datenmissbrauch möglich war. Nachdem das ursprüngliche Vorhaben eines umfassenden Nachweisregisters für alle Bankkonten in einer zentralen Datei bei der BaFin im Sinne einer Kontenevidenzzentrale aus rechtspolitischen und datenschutzrechtlichen Gründen aufgegeben wurde, wurde vom Gesetzgeber die Lösung des automatisierten Abrufsystems bevorzugt.261 259 260 261

BT-Drs. 14 / 8017, S. 122. Herzog / Mülhausen / Teichmann / Achsnich, GwHdb § 33, Rn. 5. Kokemoor, BKR 2004, S. 135, 136; Müller, DuD 2002, S. 601 ff.

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Das neue System des Kontenabrufs vereinfacht das ganze Verfahren. Die Kreditinstitute müssen einmal eine Datei errichten, in der alle Kontostammdaten stehen und entsprechend aktualisiert werden. Die BaFin kann in einem OnlineVerfahren jederzeit Abrufe durchführen, um festzustellen, wer wo ein Konto hat, so dass die Kreditinstitute weniger belastet werden und ein Datenmissbrauch vermieden wird. „Jederzeit“ impliziert, dass Daten stets und auch außerhalb der üblichen Dienst- oder Geschäftszeiten, insb. auch zu Nachtzeiten, an Wochenenden und gesetzlichen Feiertagen abrufbar vorzuhalten sind. Anderenfalls wäre das Ziel dieser Vorschrift zur Gefahrenabwehr nicht gesichert.262 Darüber hinaus setzt diese Norm nicht voraus, dass die Datei durch das Kreditinstitut selbst vorgehalten werden muss.263 Diese Datei soll nach § 24c Abs. 1 KWG die sog. „Kontostammdaten“ beinhalten, also die Konto- bzw. Depotnummer, den Tag der Errichtung und der Auflösung, den Name sowie bei natürlichen Personen das Geburtsdatum der Inhaber und der Verfügungsberechtigten sowie Name und Anschrift abweichender wirtschaftlich Berechtigter. Der Inhalt dieser Datei baut auf der entsprechenden Erfahrungspflicht der Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO auf.264 Eine im Regierungsentwurf enthaltene Regelung sah zudem eine Angabe des Geburtsorts der betreffenden Person vor. Da dieses Datum im Rahmen des § 154 AO nicht erfasst wurde, hat der Vorschlag des Vermittlungsausschusses darauf verzichtet. Auf diese Weise wurde zugunsten der Kreditwirtschaft eine Erleichterung erzielt, denn die zusätzliche Erfassung des Geburtsortes würde ohne Zweifel zu massiven Kostenbelastungen führen.265 Nicht einbezogen in diese Datei sind allerdings Umsätze, Kontostände oder -bewegungen. Die Kreditinstitute haben dementsprechend alle technischen und organisatorischen Vorkehrungen zu treffen, um sicherzustellen, dass die Abrufe ihnen und auch den Kunden nicht zur Kenntnis gelangen. Damit soll gehindert werden, dass ein Kunde, gegen den Ermittlungen wegen Geldwäsche eingeleitet wurden, die Möglichkeit hat, seine Vermögenswerte dem staatlichen Zugriff zu entziehen. Wie bereits erwähnt, ist die BaFin abfrageberechtigt. Dabei unterscheidet die Vorschrift zwei Arten von Abfragen. Die erste, die Eigenabfrage, kann von der BaFin durchgeführt werden, wenn sie zur Erfüllung ihrer aufsichtlichen Aufgaben nach dem KWG oder dem GwG insb. im Hinblick auf unerlaubte Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen oder den Missbrauch der Institute durch Geldwäsche So auch Kokemoor, BKR 2004, S. 135, 139. Auf diese Weise wird eine Bereitstellung über ein Gemeinschaftsrechenzentrum oder einen externen Dienstleister ermöglicht. 264 Daher kommt es maßgeblich auf die Reichweite der Legitimationspflicht des § 154 Abs. 2 AO und dem dieser Vorschrift zugrunde liegenden Kontobegriff an, so Fülbier / Langweg, GwG § 24c KWG, Rn. 15. 265 So Escher, BKR 2002, S. 652, 658; s. auch die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses, BT-Drs. 14 / 9096, S. 2. 262 263

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oder betrügerische Handlungen zu Lasten der Institute erforderlich ist. Für ein solches Abrufverfahren wird also die Erforderlichkeit des Abrufs zur Erfüllung dieser Aufgaben und dazu eine besondere Eilbedürftigkeit festgeschrieben (§ 24c Abs. 2 KWG).266 Die zweite Konstellation bezieht sich auf sog. Auftragsabfragen (§ 24c Abs. 3 KWG). Auf Ersuchen bestimmter, abschließend festgelegter Behörden ist die BaFin ermächtigt und verpflichtet, ihnen Auskunft aus der Datei zu erteilen. Wird von diesen Behörden ein Auskunftsersuchen an die BaFin gestellt, hat sie die in den Dateien gespeicherten Daten im automatisierten Verfahren abzurufen und sie an die ersuchende Stelle weiter zu übermitteln. Eine Prüfung diesbezüglich, ob die Voraussetzungen für ein solches Ersuchen vorliegen, vor allem was seine Erforderlichkeit betrifft, wird von der BaFin nicht vorgenommen.267 Eine Ausnahme ist nur bei entsprechenden Zweifeln vorgesehen („soweit hierzu besonderer Anlass besteht“). Sonst trägt die ersuchende Stelle die Verantwortung für die Übermittlung der Daten. Als Bedarfsträger werden in diesem Zusammenhang anerkannt: a) Behörden nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 KWG, d. h. Stellen, die mit der Überwachung von Instituten, Investmentgesellschaften, Finanz- und Versicherungsunternehmen, der Finanzmärkte und des Zahlungsverkehrs betraut sind (Nr. 1), b) Strafverfolgungsbehörden268 sowie andere in- oder ausländische Behörden, die für die Leistung der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen zuständig sind.269 (Nr. 2) und c) die für die Beschränkungen des Kapital- und Zahlungsverkehrs nach dem Außenwirtschaftsgesetz zuständige nationale Behörde, also für Deutschland die entsprechende Stelle des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (Nr. 3). 266 Diese Vorschrift ist dem § 90 Telekommunikationsgesetz nachgebildet, der ein ähnliches Auskunftsersuchen der Sicherheitsbehörden bei Telekommunikationsdiensten regelt. 267 Eine der Eigenabfrage entsprechende Voraussetzung der Eilbedürftigkeit muss für Auskunftsersuchen dieser Behörden nicht vorliegen. 268 Im ursprünglichen Regierungsentwurf wurden die Steuerstrafverfolgungsbehörden als Auskunftsberechtigte explizit ausgenommen; dagegen hat sich der Bundesrat gewandt, denn eine Begünstigung einzelner Straftäter durch Verfolgungsverzicht könne sich allein am Unwertgehalt orientieren, nicht aber bereits an der Tatbestandsbeschreibung. Daher sei nicht hinnehmbar, dass dem Staat die gewonnenen Informationen nicht auch zur Verfolgung von Steuerstraftaten dienen sollten, vor allem vor dem Hintergrund der parallelen Einführung des § 370a AO. Dem stimmte auch die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zu, s. BT-Drs. 14 / 8017, S. 183. 269 Diese Übermittlung ist allerdings nur nach Maßgabe des § 4b BDSG zulässig, so dass sie unterbleiben muss, soweit der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss der Übermittlung hat, so Kokemoor, BKR 2004, S. 135, 143. Durch die Abfrageberechtigung im Rahmen der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen soll auch gewährleistet werden, dass Deutschland insb. seinen Verpflichtungen aus § 1 des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der EU vom 16. Oktober 2001 nachkommen kann, Herzog / Mülhausen / Teichmann / Achsnich, GwHdb § 33, Rn. 24.

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Die § 24c Abs. 4, 5, 6 KWG enthalten detaillierte Vorgaben zur Sicherstellung von Datenschutz und Datensicherheit bei diesen höchst sensiblen personenbezogenen Daten. Um Datenschutzkontrollen zu ermöglichen ist die BaFin verpflichtet, bestimmte Daten zu protokollieren, namentlich den Zeitpunkt des Abrufs sowie die bei der Durchführung des Abrufs verwendeten Daten, die tatsächlich abgerufenen Daten, die den Abruf durchführende Person, das Aktenzeichen und bei Abrufen auf Ersuchen anderer Behörden die ersuchende Stelle und deren Aktenzeichen. Diese Daten, die ausschließlich zu Datenschutzkontrollen verwendet werden dürfen, sind nach zwei Jahren zu löschen (§ 24c Abs. 4 KWG). Die Kreditinstitute haben jeweils auf eigene Kosten dem neuesten Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zu treffen, die zum Funktionieren des Abrufverfahrens nach Abs. 2 erforderlich sind, wobei die BaFin den Stand der Technik im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik festsetzt (§ 24c Abs. 5, 6 KWG).

III. Kritik zum automatisierten Kontenabrufverfahren Das automatisierte Abrufsystem hat schnell heftige Kritik hervorgerufen. Diese Kritik bezieht sich nicht nur auf den verfassungsrechtlich fragwürdigen Charakter, sondern auch auf die rechtspolitischen und praktischen Widersprüche. Solche Bedenken wurden bereits im Gesetzgebungsverfahren geäußert. Während die BaFin und über sie die anderen auskunftsberechtigten Behörden automatisch sensible personenbezogene Daten erhalten können, vermisst man eine ausdrückliche Regelung über die Kontrolle dieses automatischen Kontenabrufs, z. B. durch eine neutrale und unabhängige Stelle.270 Ob die im Gesetz festgelegten Zugriffsvoraussetzungen des Aufgabenzusammenhangs und der Eilbedürftigkeit vorliegen, werden, wenn überhaupt, von der zugreifenden Behörde selbst überprüft. Während der Gesetzgeber bei vergleichbar weitgehenden Ermittlungsmaßnahmen zur Wahrung von rechtsstaatlichen Garantien einen Richtervorbehalt vorgesehen hat (wie z. B. zur Anordnung der Telekommunikationsüberwachung nach § 100b StPO oder der Rasterfahndung nach § 98b StPO), hat er beim Datenabrufsystem darauf gänzlich verzichtet.271 Problematisch ist jedoch selbst die Umschreibung der Zugriffsvoraussetzungen, so dass die Errichtung einer Kontrollinstanz mit besonderen Problemen konfrontiert wäre, nämlich bei der Bewertung, wann und unter welchen Voraussetzungen der Datenabruf zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben zulässig wäre. Wenn das Gesetz ausdrücklich voraussetzt, dass der Abruf zur Erfüllung der Aufgabe erforSo auch Boos / Bock / Stein, § 24c KWG, Rn. 12. In diesem Zusammenhang ist nach Ansicht des Bundesrates eine Umgehung der Strafprozessordnung zu befürchten, s. BT-Drs. 14 / 8017 S. 168. 270 271

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derlich ist, bedeutet das, dass der Abruf bei einer ex-ante Betrachtung als geeignet zur Erfüllung der Zwecke erscheinen und das mildeste Mittel zur Zweckerfüllung darstellen muss. Die Eilbedürftigkeit muss auch so verstanden werden, dass wiederum aus einer ex-ante Beurteilung die Besorgnis bestehen muss, dass bei der Wahl anderer Informationsmittel die Zweckerfüllung vereitelt zu werden droht272. Eine derartige Konkretisierung der Zugriffsvoraussetzung hilft allerdings nicht. Die Aufgabenzuweisung („aufsichtliche Aufgaben nach dem KWG oder dem GwG, insb. im Hinblick auf unerlaubte Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen oder den Missbrauch der Institute durch Geldwäsche oder betrügerische Handlungen zu Lasten der Institute“) ist so umfassend formuliert, dass die Geeignetheit des Datenabrufs zu einem der Zwecke immer bejaht werden kann. Ähnliches gilt für die Eilbedürftigkeit, die allerdings bei Abfragen auf Ersuchen gar nicht gefordert wird. Diese „Voraussetzungen“ können praktisch immer die erforderliche Legitimationsgrundlage für einen Datenabruf liefern. Anders als bei entsprechenden Regelungen von Auskunftsbefugnissen von Verfassungsschutz und Kriminalämtern vermisst man hier klare Legitimationsvoraussetzungen, an welche die Auskunftsergebnisse knüpfen könnten, sowie aufgrund der Schwere der grundrechtlichen Eingriffe eine irgendwie geartete Evaluierung und zeitliche Befristung dieser Maßnahme.273 Darüber hinaus ist die Auftragsabfrage für Strafverfolgungsbehörden zur Ahndung und Verfolgung von schweren Straftaten besonders problematisch. Einerseits wird keine inhaltliche Beschränkung auf bestimmte, schwere Straftaten vorgesehen, so dass die Staatsanwaltschaften anlässlich ihrer Ermittlungen zu irgendeiner Straftat, auch von geringem Unwert, mittelbar auf das Kontoabrufsystem zugreifen dürfen. Der Vergleich mit den Anordnungsvoraussetzungen ähnlicher Ermittlungsmaßnahmen drängt sich allerdings wieder auf. Anders als bei anderen Maßnahmen wird kein Straftatenkatalog und keine Begrenzung auf eine zu erwartende Strafe festgeschrieben, sondern eine flächendeckende Rasterung des Kontenbestands aller Kreditinstitute in Deutschland zugelassen, um ein fragliches Konto zu ermitteln. Zudem lässt der Wortlaut der Norm (§ 24c Abs. 3 Nr. 2 KWG) offen, ob für ein Auskunftsersuchen von Strafverfolgungsbehörden überhaupt die förmliche Einleitung eines Ermittlungsverfahrens vorausgesetzt wird. Auch wenn die BaFin in der Praxis verlangt, dass ein solches bereits eingeleitet wurde, bleibt es äußerst fraglich, ob sie das in der Tat kontrolliert oder, ob sie bei Abfragen von Strafverfolgungsbehörden schon „davon ausgeht“, dass diese auf ein laufendes Ermittlungsverfahren zurückgehen. Auf diese Weise wird offenkundig, wie groß das Missbrauchspotential dieser Vorschrift durch eine beliebige Übermittlung von Daten ist.274 Aus Gründen der Rechtssicherheit wäre nicht nur das Festschreiben der Samson / Langrock, Der gläserne Bankkunde, S. 16. So Höche, Die Bank 2002, S. 196, 200; Fülbier / Langweg, GwG § 24c KWG, Rn. 109; Herzog, FS für Kohlmann, S. 427, 438. 274 Diese Missbrauchsgefahr bezieht sich nicht zuletzt auch auf die Forderung, ein Auskunftsersuchen auch im Vorfeld von Ermittlungen, also zu rein präventiven Zwecken zu 272 273

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Voraussetzung des Ermittlungsverfahrens wünschenswert, sondern auch die Einrichtung einer Stelle, welche die Auskunftsberechtigung der ersuchenden Behörden in jedem Fall individuell überprüfen würde. Aufmerksamkeit gebietet allerdings auch dem Umstand, dass die abgerufenen Inhalte weder der Bank und noch weniger dem Kunden mitgeteilt werden, und zwar weder im Vorfeld der Abfrage noch nachträglich. Das automatisierte Abrufverfahren und somit die Übermittlung von persönlichen Daten wird praktisch „hinter dem Rücken“ des Betroffenen durchgeführt. Die betroffenen Kunden oder die Kreditinstitute werden nie erfahren, ob, wann und unter welchen Voraussetzungen eine Datenabfrage erfolgte.275 Hierin und im Fehlen einer rechtsstaatlich hinreichenden Kontrollinstanz, liegt eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus den Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG nahe.276 Die Möglichkeit des Abrufs ohne Kenntnis des betroffenen Instituts wurde auch in den Ausschussberatungen kritisch angesprochen. Dadurch werde auch die Privatsphäre unbescholtener Bürger beeinträchtigt und das Vertrauensverhältnis zwischen Bank und Kunden zerstört.277 In einer anderen Hinsicht kann man allerdings in dieser Regelung einen Vorteil zum Schutz des betroffenen Kunden sehen: die Unkenntnis der Kreditinstitute verhindert, dass bei Banken möglicherweise Bedenken hinsichtlich der Bonität ihrer Kunden aufkommen oder, dass die Vertragsbeziehung deshalb aufgekündigt wird.278 Die fehlende Kenntnis des Betroffenen, dass seine Daten abgefragt wurden, beschneidet ihm allerdings die Möglichkeit, sich gegen diesen Eingriff in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu wehren, so dass auch ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG nicht auszuschließen wäre. Denn weder eine ex ante noch eine ex post Kontrolle scheint möglich zu sein. Zwar werden die Einzelheiten des Datenabrufes von der BaFin protokolliert, diese Kontrolle hat jedoch einen rein verwaltungsinternen, stichprobenartigen Charakter nach Maßgabe der §§ 10 Abs. 1 S. 3 i. V. m. § 18 BDSG, so dass der Betroffene hiervon keine Kenntnis haben kann. Selbst nach Durchführung des Datenabrufes sieht das Gesetz keine Mitteilung über den Abruf der Kontendaten an den betroffenen Bürger oder das Kreditinstitut vor, wie dies bspw. für die Telefonüberwachung gem. § 101 StPO oder das Betreten der Wohnung durch verdeckte Ermittler gem. § 110d StPO vorgeschrieben ist. Auf diese Weise impliziert der Gesetzgeber eine Abwägung zugunsten des ermöglichen. Es wird behauptet, dass vor allem im Bereich der organisierten Kriminalität und des Terrorismus oft Initiativermittlungen im Vorfeld von justiziellen Ermittlungsverfahren durchgeführt würden, bei denen der Einsatz des Datenabrufsystems unerlässlich wäre. So erscheine die Rechtsauffassung der BaFin zu „restriktiv“, in Herzog / Mülhausen / Teichmann / Achsnich, GwHdb § 33, Rn. 13. 275 Herzog, FS für Kohlmann, S. 427, 439. 276 Fülbier / Langweg, GwG § 24c KWG, Rn. 110. 277 So z. B. die FDP-Fraktion, in: Bericht des Finanzausschusses, 14 / 8601, S. 11. 278 So auch Herzog / Christmann, WM 2003, S. 1, 11; Kokemoor, BKR 2004, S. 135, 140.

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jeweiligen Zwecks des Datenabrufs, angesichts dessen das Benachrichtigungsinteresse des Betroffenen zurücktreten muss. Auf diese Weise kann jedoch der Betroffene eventuell bestehende Rechtsschutzmöglichkeiten gar nicht wahrnehmen.279 Die Überprüfung der Auskunftsberechtigung nur bei besonderem Anlass seitens der BaFin könnte zudem auch aus einer datenschutzrechtlichen Perspektive problematisch sein.280 Im Rahmen der Diskussion über das automatisierte Kontenabrufverfahren wurde allerdings auch seine Verhältnismäßigkeit in Zweifel gezogen. Neben dem Umstand, dass dadurch weite Teile der Bevölkerung betroffen sind281, ist in diesem Zusammenhang der Kostenfaktor relevant. Denn die Kosten sowohl für die Einrichtung und ständige Aktualisierung des Online-Systems als auch die Kosten der BaFin sind nach § 51 KWG umlagefähig, mit anderen Worten sie werden zu 100 % von den Kreditinstituten getragen. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme auf eine plausible Weise bekräftigt, dass die Abrufe aus den Dateien der Kreditinstitute der Inneren Sicherheit und Ordnung sowie der Strafverfolgung dienten. Dies seien staatliche, vornehmlich aus Steuermitteln zu finanzierende Aufgaben, so dass die Kosten, die durch den Vollzug des § 24c KWG entstehen, von der Umlage nach § 51 KWG auszunehmen seien. Die Bundesregierung hat dazu apodiktisch nur geäußert, dass das Datenabrufsystem doch bankenaufsichtlichen Zwecken dient.282 Den Zusammenhang zwischen dem Kontenabrufverfahren nach § 24c KWG und der Bankenaufsicht der BaFin zu eruieren, fällt allerdings besonders schwer. Denn nach erklärter Absicht des Gesetzgebers dient das neu eingefügte Verfahren nicht etwa der Bonitätsprüfung und somit auch einem eventuellen Schutz vor insolventen Bankkunden, sondern der Geldwäschebekämpfung und der Austrocknung der Terrorismusfinanzierung. Somit wurde auf eine unzulässige Weise eine unverhältnismäßige finanzielle Last auf die Kreditwirtschaft und letztlich auch auf die Kunden umgewälzt.283 Es klingt allerdings absurd, dass die Kreditwirtschaft einerseits zu einem enormen finanziellen Aufwand verpflichtet wird, um ein datentechnisch sicheres Zubrod, WM 2003, S. 1210, 1216; Fülbier / Langweg, GwG § 24c KWG, Rn. 110. Escher, BKR 2002, S. 652, 659 sieht darin einen Verstoß gegen die Vorgaben der EUDatenschutzrichtlinie, insbesondere bei einer Datenübermittlung in Drittstaaten. 281 Nach Ansicht der Bundesregierung überschreitet das Kontenabrufverfahren nicht die Grenzen der Verfassungsmäßigkeit, weil sich erfahrungsgemäß jedes bestehende Konto für Geldwäschezwecke eignet, s. BT-Drs. 14 / 8017, S. 123. 282 In Bezug auf den Kostenfaktor weist die Bundesregierung darauf, dass eine Kostenanalyse gezeigt hat, dass ein Anfrageverfahren per E-Mail bei den Kreditinstituten höhere Kosten verursachen würde als das beschlossene Kontenabrufverfahren, s. BT-Drs. 14 / 8601, S. 11; die Einzelheiten dieser Kostenanalyse sind allerdings nicht offen gelegt. 283 Kokemoor, BKR 2004, S. 135, 144. In der Literatur wird von einem deutlich überzogenen und somit unverhältnismäßigen Einwand gesprochen, m. w. N. Höche, Die Bank 2002, S. 196, 201; Lehnhoff, WM 2002, 687; Fülbier / Langweg, GwG, § 24c KWG, Rn. 121; Scherp, WM 2003, S. 1254, 1258. 279 280

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Datenabrufsystem einzuführen, während die Datensicherheit im nächsten Schritt völlig ignoriert wird. Denn die Ergebnisse einer Kontoabfrage in Form von entschlüsselten Klartextdateien werden in der Praxis durch Telefax, Email oder per Post der auskunftersuchenden Stelle übermittelt. Während also die Weitergabemöglichkeit durch Emails jeder technisch versierten Person die Gelegenheit gibt, den Inhalt des Datenabrufs mitzulesen, verhindert die Übermittlung der Daten durch die Post einen Sinn des schnellen und automatischen Datenabrufs.284 Zur Verhältnismäßigkeit wurde angeführt, dass dieses System im Vergleich zu der ursprünglich geplanten Kontenevidenzzentrale das mildeste Mittel darstellt. Diese gesetzgeberische Aussage wird jedoch auch in Zweifel gezogen. Als deutlich kostengünstigere und schnellere Variante einer Weiterleitung von Auskunftsersuchen der Strafverfolgungsbehörden bietet sich nach Höche die Erweiterung eines zwischen dem BKA und den Spitzenverbänden der Kreditwirtschaft vereinbarten Verfahrens an, bei dem Warn- und Suchmeldungen von Ermittlungsbehörden an Kreditinstitute weitergeleitet und beantwortet werden. In Anlehnung an dieses System, das aufgrund der wesentlich geringeren technischen Anforderungen deutlich schneller zu realisieren wäre, hätten auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung die rechtsstaatlichen Anforderungen geschaffen werden können, Auskunftsersuchen bestimmter Behörden zeitnah zu beantworten. Dadurch wäre möglich gewesen, dem staatlichen Informationsbedürfnis, bei welchen Instituten eine Person ein Konto unterhält, Rechnung zu tragen, ohne gleich eine Datenbank dieses Ausmaßes zu errichten.285 Die geäußerten Bedenken in Bezug auf die Missbrauchsgefahr dieses neuen Ermittlungsinstruments, das eine „elementare Neuerung für die Kriminalitätsbekämpfung“286 darstellt, haben sich zu einem Teil bereits bestätigt.287 Die Existenz eines Katalogs von Behörden, die über die BaFin Zugriff auf die Kontendatei erhalten können, ist deswegen gefährlich, weil es einem ständigen Expansionspotential unterliegt. Der Effizienzgewinn dieses Datenabrufsystems, der nicht ernsthaft bezweifelt wird, soll auch anderen Behörden zugute kommen, allerdings stets im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung. Die vom Gesetzgeber bereits vorgenommene Abwägung zwischen den individuellen grundrechtlichen Positionen einerseits und dem Interesse der effektiven Strafverfolgung andererseits, die zugunsten dieses Interesses ausfiel, wird somit aufgeweicht. Andere, durchaus legitime gesellschaftspolitische Zielsetzungen sollen auch dementsprechend abgewogen werden. Abgesehen von der zentralen Analyse- und Informationsstelle am BKA (FIU), Zubrod, WM 2003, S. 1210, 1213. Göres, NJW 2005, S. 1902, 1903; im Ergebnis zustimmend Höche, Die Bank 2002, S. 196, 200; in ihrem Änderungsantrag schlägt die CDU / CSU-Fraktion vor, die Nichtbeantwortung bzw. die nicht rechtzeitige Beantwortung solcher Anfragen als bußgeldbewehrt zu gestalten, s. BT-Drs. 14 / 8601, S. 11; mehr in: Boos / Bock / Stein, § 24c KWG, Rn. 1 ff. 286 Herzog / Mülhausen / Teichmann / Achsnich, GwHdb § 33, Rn. 15; die neue Qualität bestätigt auch der damalige Bundesinnenminister Schily, in: WM 2003, S. 1242, 1252. 287 Samson / Langrock, Der gläserne Bankkunde, S. 17, 25 f. 284 285

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die auch Zugriff auf das Datenabrufsystem hat, wurde diese Möglichkeit auch einer Vielzahl anderer Behörden zuerkannt. Durch das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit wird ab dem 01. 04. 2005 nach § 93 Abs. 7 AO der Datenabruf auch für Finanzbehörden über das Bundesamt der Finanzen zu Besteuerungszwecken möglich.288 Darüber hinaus wird in § 93 Abs. 8 AO angeordnet, dass unter bestimmten, nicht klar definierten Bedingungen auch andere Behörden (wie z. B. Sozial-, Wohnbehörden usw.) und Gerichte die Möglichkeit haben, über die Finanzbehörde Kontoinformationen nach § 24c Abs. 1 KWG zu erlangen. Das BVerfG hält in seinem Beschluss vom 13. 06. 2007 die Vorschriften zur Erweiterung der Zugriffsmöglichkeit auf die Finanzbehörden für verfassungsmäßig, verwirft jedoch wegen fehlender Normenklarheit die Abfragemöglichkeit in sozialrechtlichen Angelegenheiten.289 Nach der Darstellung der Modalitäten des Systems und der heftigen Kritik daran, ist jedenfalls Skepsis geboten. Auch wenn das automatisierte Kontenabrufsystem in Anlehnung an die Verfassungsrichter die Grenzen der Verfassungsmäßigkeit nicht überschreitet, steht fest, dass durch § 24c KWG in einem sachfremden Gesetz ein ermittlungsrelevantes Instrument geschaffen worden ist, das rechtsstaatliche Garantien zu umgehen versucht und, wie die Praxis schon belegt, missbrauchsanfällig ist.290 Letztlich ist die Schwere des Eingriffs nicht vereinzelt, sondern in Verbindung mit anderen Eingriffsmöglichkeiten zu betrachten, die im Zuge des Kampfs gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität eingeführt wurden. An diesem Beispiel wird noch einmal die Instrumentalisierung von bestehenden, jedoch schwer zu konkretisierenden Gefährdungslagen ersichtlich, damit neuartige, weiter reichende Eingriffsnormen legitimiert werden.

IV. Besondere organisatorische Pflichten von Instituten nach § 25a Abs. 1 Nr. 4 KWG Neben dem automatisierten Kontenabrufverfahren wird durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz noch eine Regelung in das KWG eingefügt, die sich eine bessere Bekämpfung von Geldwäsche verspricht: der § 25a Abs. 1 Nr. 4 KWG. Diese Bestimmung enthält für die betroffenen Bankinstitute zwei Verpflichtungen: zum ersten die Vorhaltung adäquater, kunden- und geschäftsbezogener Sicherungssysteme. Durch solche EDV-gestützte Systeme sollen die Kreditinstitute besser in der Lage sein, Geldwäsche oder betrügerische Handlungen zu ihren Lasten zu erBGBl. I 2003, S. 2928, 2931. Beschluss des BVerfG, NJW 2007, S. 2464 ff. 290 Stein stellt in diesem Zusammenhang die Frage, ob dem Gesetzgeber bei der Beschlussfassung des im Eilverfahren durchgezogenen § 24c KWG dessen Auswirkungen auf die Kreditinstitute und vor allem die betroffenen Inhaber von Konten und Depots in allen Einzelheiten hinreichend war, in: Boos / Bock / Stein, § 24c KWG, Rn. 14. 288 289

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kennen (1. Hs.); zum zweiten wird auch eine Nachforschungspflicht formuliert, nämlich von Sachverhalten, die aufgrund des Erfahrungswissens über die Methoden der Geldwäsche zweifelhaft oder ungewöhnlich sind. Dementsprechend müssen die Kreditinstitute solchen Sachverhalten vor dem Hintergrund der laufenden Geschäftsbeziehung und einzelner Transaktionen aktiv nachgehen (2 Hs.). Diese organisatorischen Pflichten für die Institute richten sich nach den Vorgaben verschiedener internationaler Übereinkünfte sowie Entscheidungen internationaler Gremien.291 Durch die neue Regelung wird der Grundsatz 15 der Aufsichtsgrundsätze umgesetzt, der zwischenzeitlich durch die Aufsichtsgrundsätze des Baseler Ausschusses „Customer Due Diligence For Banks“ konkretisiert worden ist. Inhalt dieses Grundsatzes ist eine konsequente Implementierung der „know-your-customer“-Politik, um einen kriminellen Missbrauch von Kreditinstituten durch Geldwäschehandlungen zu verhindern. Nach gesetzgeberischer Ansicht ist die bisherige Umsetzung dieses weltweit anerkannten Prinzips, vor allem vor dem Hintergrund der neuen Zahlungstechnologien, nicht ausreichend. Nunmehr soll somit der Einsatz moderner Technik, mit Hilfe von EDV-Systemen die Institute in die Lage versetzen, dubiose Finanztransaktionen auch im Massengeschäft aufzuspüren und auffällige Geschäftsbeziehungen unter Verwendung weiterer Erkenntnisquellen einer Überprüfung zu unterziehen. Wie bereits erwähnt konstatiert der Gesetzgeber einen grundlegenden technischen und strukturellen Wandel im Finanzsektor. Die Kennzeichen dieses Wandels, vorwiegend die Zurückdrängung des Schaltergeschäfts durch das anonymisierte und technisierte Massengeschäft, würden demnach zusätzliche Maßnahmen erforderlich machen. Die Identifizierungspflichten, die bisher im Schaltergeschäft relevant waren, könnten dem Wandel in der Finanzwirtschaft nicht hinreichend Rechnung tragen. Denn sie würden nicht vermögen, Transaktionen zu erfassen und Geldwäschefälle zu erkennen welche z. B. durch Missbrauch des unbaren Zahlungsverkehrs stattfinden.292 Der Einsatz technischer Sicherungssysteme nach § 25a Abs. 1 Nr. 4 KWG soll durch EDV-Lösungen und durch die Nutzung bestimmter Parameter die Überprüfung von Geschäftsbeziehungen nach Risikogruppen und Auffälligkeiten ermöglichen, die nach dem vorhandenen empirischen Wissen über Geldwäschemethoden auf Geldwäsche hindeuten. Durch diese, strukturell andersartigen Sicherungssysteme soll zudem die „Menschlösung“ flankiert werden. Dadurch könnten selbst einzelne Transaktionen im elektronischen Zahlungsverkehr einer Überprüfung unterliegen, die sonst aufgrund ihres erheblichen Umfangs und ihrer Kompliziertheit nicht überprüft werden könnten. Diese Überprüfung soll anhand von unter Geldwäschegesichtspunkten sog. „risikoreichen“ Konten und Transaktionen, Umsatz291 Konkreter wird auf die Übereinkünfte des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht, der FATF sowie auf Entscheidungen der G8 Staats – und Regierungschefs auf ihren Gipfeltreffen in Lyon, Denver und Birmingham Bezug genommen, s. BT-Drs. 14 / 8017, S. 125. 292 BT-Drs. 14 / 8017, S. 124 ff.

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daten, Kundenkategorien und Problemindikatoren durchgeführt werden. Die Kreditinstitute sollen diese Sicherungssysteme in einer Weise gestalten, dass dieses Erfahrungswissen in Bezug auf Methoden der Geldwäsche berücksichtigt wird.293 Das Gesetz beschreibt nicht, wie diese Sicherungssysteme genau aussehen sollen. Das ist nicht auf ein gesetzgeberisches Versehen, sondern auf die Notwendigkeit einer flexiblen Norm zurückzuführen. Welche Systeme genau zum Einsatz kommen, hat das Institut auf Grundlage eigener Gefährdungsanalysen und der Risikostruktur der von ihm angebotenen Dienstleistungen zu entscheiden. Somit betrifft diese Verpflichtung jedes Kreditinstitut anders, bzw. in unterschiedlicher Breite und Tiefe, je nach seinen Geschäften, seiner Kundenstruktur und seinen Kapazitäten.294 Was die Nachforschungspflicht betrifft, fordert also der Gesetzgeber die Kreditinstitute dazu auf, entsprechende EDV-Systeme zu installieren, die in der Lage wären, Auffälligkeiten im Massengeschäft zu lokalisieren, um im nächsten Schritt eine individuelle Überprüfung, ein sog. „Konten-Screening“ vorzunehmen.

V. Kritik zum § 25a Abs. 1 Nr. 4 KWG Das Konten-Screening war, nicht zuletzt durch die verschiedenen fragwürdigen Bezeichnungen („Monitoring“, „Kontenrasterung“, „Kundenprofiling“, „Research“) bereits vor der Einführung des § 25a Abs. 1 Nr. 4 KWG umstritten. Damals wurde diskutiert, ob aufgrund der Verlautbarungen des ehemaligen Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen eine solche Pflicht für die Kreditinstitute existierte.295 Zudem war schon im alten Recht unklar, ob die verschiedenen rechtlichen Grundlagen (Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften, Verlautbarungen des BAKred) eine anlassunabhängige Rasterung von Konten und Geschäftsbeziehungen nach bestimmten Risikofaktoren oder, ob sie lediglich eine anlassbezogene Überprüfung von bereits verdächtigen Transaktionen und Konten vorsahen. Dieses Problem scheint auch nach der Einführung des § 25a Abs. 1 Nr. 4 KWG nicht gelöst zu sein. Zwar wurde der Kritik die Grundlage entzogen, es fehle für ein solches Vorgehen einer gesetzlichen Grundlage.296 Denn es war äußerst fragwürdig, ob durch bloße Verlautbarungen der Aufsichtsbehörde die Auferlegung von so weitgehenden Pflichten für die Kreditwirtschaft zulässig war.297 BT-Drs. 14 / 8017, S. 124 ff. Escher, BKR 2002, S. 652, 661, der diesen Schluss auch aus der Gesetzesbegründung zum späteren Geldwäschebekämpfungsgesetz, insb. zu § 14 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 4 GwG ableitet, s. BT-Drs. 14 / 8739, S. 17. 295 Herzog, WM 1999, S. 1905, 1909 ff. 296 Scherp, WM 2003, S. 1254, 1257. 297 Herzog, WM 1999, S. 1905, 1919. 293 294

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Durch die Einführung des § 25a Abs. 1 Nr. 4 KWG nimmt jedoch der Gesetzgeber immer noch keine klare Stellung diesbezüglich, ob es bei den Pflichten der Kreditinstitute um ein anlassbezogenes Konten-Screening oder eher um eine anlassunabhängige, dem Screening zeitlich vorgeschaltete weitgehende Researchpflicht geht.298 Erst nachdem diese Frage beantwortet wird, könnte man die materielle Recht- und Verfassungsmäßigkeit eines solchen Konten-Screenings beurteilen. Durch die Verpflichtung der Kreditinstitute, geschäfts- und kundenbezogene Sicherungssysteme einzurichten, ist allerdings keine neue Qualität im Bereich der Überwachung von Konten zu sehen. Dort wird die Verpflichtung wiederholt bzw. konkretisiert, welche die Kreditinstitute bereits wegen § 14 Abs. 2 Nr. 2 GwG hatten. Aber auch die Nachforschungspflicht (Hs. 2), wonach einzelne Sachverhalte, die zweifelhaft oder ungewöhnlich sind, besonders überprüft werden sollen, scheint nicht die Möglichkeit einer anlassunabhängigen Rasterung aller Konten zu eröffnen. Nachgegangen werden soll bereits bekannt gewordenen Fälle mit Geldwäscheverdacht. Aus dem gesetzlichen Wortlaut lässt sich nicht ableiten, dass durch die neu einzurichtenden Sicherungssysteme Verdacht auf Geldwäsche generiert werden soll.299 Die Frage und damit der kritische Punkt jedoch, ist, was unter einem Geldwäscheverdacht zu verstehen bzw. von den Sicherungssystemen zu subsumieren ist. Im Gesetz ist von zweifelhaften oder ungewöhnlichen Sachverhalten die Rede. Hiermit wird ermöglicht, von einer normalen, durchaus legitimen fallbezogenen Überprüfung von Verdachtssituationen eine Rasterung zu machen. Denn es lässt sich schwerlich konkretisieren, wann ein zweifelhafter oder ungewöhnlicher Sachverhalt vorliegt. Den FATF-Typologien und den sonstigen von verschiedenen Behörden (BaFin, BKA) erstellten Dokumenten kommt lediglich die Funktion eines Leitfadens zum Erkennen von geldwäschetypischen Fällen zu. Vor dem Hintergrund der Feststellung, dass Geldwäschemethoden in ihren Erscheinungsformen oft von alltäglichen Transaktionen äußerst schwer zu unterscheiden sind, lässt sich ebenso wenig hoffen, dass das BKA – durch seine inzwischen dafür gegründete Behörde (Zentralstelle für Geldwäscheverdachtsanzeigen – FIU) – in der Lage sein wird, praxistaugliche Typologien zu erarbeiten, welche die ungeheure Vielfalt der Finanzdienstleistungsgeschäfte in normale und zweifelhafte / ungewöhnliche Transaktionen kategorisieren könnten. Auf diese Weise und entgegen des gesetzlichen Wortlauts wäre eine aus verschiedenen Gründen bedenkliche Rasterung aller Kundendaten lediglich wegen Uibeleisen, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Inpflichtnahme Privater, S. 108. Escher, BKR 2002, S. 652, 661; anders Boos / Bock / Stein, KWG § 25a, Rn. 166, nach dem sämtliche anfallende Transaktionen im Rahmen der Geldwäschemonitoring einer Rasterprüfung auf geldwäscheverdächtige Sachverhalte oder Transaktionen unterworfen werden; so auch Uibeleisen, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Inpflichtnahme Privater, S. 108 ff., der vor dem Hintergrund des Beratungsganges und der Gesetzesmaterialien in § 25a Abs. 1 Nr. 4 KWG die Verpflichtung zur Einführung von anlassunabhängigen Researchsystemen sieht. 298 299

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eines abweichenden Kundenverhaltens nicht auszuschließen.300 Denn es bleibt auch unbekannt, nach welchen „Parametern“ das Konten-Screening erfolgen, d. h. wie die Abweichung vom Normalverhalten konkretisiert werden soll. Das wird auch nicht einheitlich, sondern von jedem Kreditinstitut nach seinen Risikomanagement-Strategien bestimmt. Dieser Umstand macht die Regelung des § 25a Abs. 1 Nr. 4 KWG noch problematischer; denn es ist zu befürchten, dass aufgrund des hohen Strafbarkeitsrisikos der betroffenen Institutsmitarbeiter (wegen der weiten Geldwäschestrafbarkeit) und, damit sie aufsichtsrechtlich nicht belangt werden, in einem, wohl zutreffend bezeichneten, „vorauseilenden Gehorsam“, diese Parameter so umfassend bestimmen werden, dass praktisch jede Abweichung von Normalverhalten herausgefiltert werden kann.301 Somit ist das durch diese Regelung auszubauende Konten-Screening problematisch, weil es eine besondere Dynamik entwickelt, welche die Grenzen des Zulässigen überschreiten kann. Diese Dynamik besteht darin, dass Kreditinstitute potentiell über ihre tatsächlichen Verpflichtungen nach dem KWG oder dem GwG hinaus den ganzen unbaren und elektronischen Zahlungsverkehr anlassunabhängig durchrastern.302 Auf diese Weise werden sie in der Lage sein, möglichst viele Verdachtsfälle zu eruieren und dementsprechend Verdachtsanzeigen zu erstatten. Dadurch werden die straf- und aufsichtsrechtlichen Risiken minimiert, während die Kreditinstitute den staatlichen Behörden gegenüber das Bild von kooperationswilligen Partnern und somit ihr Image bewahren werden. Diese Strategie scheint sich allerdings auf alle Beteiligte eher nachteilig auszuwirken. Für die „kooperationswilligen“ Banken ergibt sich aus der Neuregelung ein zusätzlicher wirtschaftlicher Aufwand, der nicht zu unterschätzen ist. Vor dem Hintergrund des ständigen Aktualisierungsbedürfnisses dieser EDV-Systeme (denn die Geldwäschemethoden werden auch ständig „aktualisiert“) und der hohen Belastung durch das automatisierte Kontenabrufverfahren wird ein Mehraufwand gefordert, der angesichts der fraglichen Effizienz dieser umfassenden Rasterung als eher unverhältnismäßig zu bewerten ist. Vor allem ist jedoch der einzelne Bankkunde davon stark betroffen, der durch das nunmehr ermöglichte „Screening“ sehr schnell „in den Strudel von Strafverfolgungsmaßnahmen“ geraten kann.303 Somit kommt man zum Schluss, dass, obwohl § 25a Abs. 1 Nr. 4 KWG keine Researchpflicht im Vorfeld eines Geldwäscheverdachts statuiert, diese Regelung in die Praxis auf so eine Weise umgesetzt werden kann, die genau eine solche Kontenrasterung bewirken würde. Nachdem sich jedoch die Frage nach dem genauen Charakter dieser Vorschrift geklärt hat, stellt sich eindringlicher die nächste Frage nach seiner Recht- bzw. Verfassungsmäßigkeit. 300 So äußert sich auch der CDU / CSU Fraktion in ihrem Entschließungsantrag, s. BT-Drs. 14 / 8601, S. 33. 301 Herzog, FS für Kohlmann, S. 427, 440. 302 Bergles / Eul, BKR 2002, S. 556, 564; Herzog, FS für Kohlmann, S. 427, 439. 303 Herzog, FS für Kohlmann, S. 427, 440.

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Zu Recht wurde gerügt, dass § 25a Abs. 1 Nr. 4 KWG keine datenschutzrechtlich hinreichende konkretisierende Eingriffsermächtigung enthalte.304 Man sucht vergeblich nach einer ergänzenden Norm, die die Organisation, das Verfahren sowie den Rechtschutz hinsichtlich des weitgehenden Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung normieren würde. Die für die Zulässigkeit einer Datenverarbeitung erforderliche Einwilligung fehlt ebenso. Denn es kann nicht behauptet werden, dass die bei der Aufnahme der Geschäftsbeziehungen gewährte Einwilligung in Datenverarbeitung durch die Banken eine rasterfahndungsähnliche Datennutzung im staatlichen Auftrag umfasst. Man muss nicht auf komplizierte verfassungsrechtliche Ausführungen verweisen, um zu behaupten, dass hier ein Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vorliegt. § 25a Abs. 1 Nr. 4 KWG in der Form einer „proaktiven“ Überprüfung von Konten und Transaktionen kann zu weiteren Datenanalysen der Kreditinstitute führen, die eine Verdachtsanzeige und somit Ermittlungsmaßnahmen der Strafverfolgungsbehörden veranlassen können. Auf diese Weise kann die Norm des § 25a Abs. 1 Nr. 4 KWG nicht als eine gesetzliche Grundlage zu einer rechtmäßigen Einschränkung des Grundrechts angesehen werden. Denn sie lässt eine so erhebliche Einschränkung des Grundrechts von praktisch allen Grundrechtsträgern zu, dass der Grundrechtskern unmittelbar tangiert wird.305 Obwohl dieser Eingriff auf ein privatrechtliches Verhältnis zwischen dem Kreditinstitut und dem Kunden zurückgeht, resultiert er aus einer öffentlichrechtlichen Verpflichtung des betroffenen Kreditinstituts, das dadurch vom Staat zu Zwecken der Strafverfolgung in Pflicht genommen wird. So entfaltet das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung unmittelbar Wirkung.306 Aber selbst die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme kann mit plausiblen Argumenten in Zweifel gezogen werden. Ihre Erforderlichkeit wird vom Gesetzgeber falsch eingeschätzt: der von ihm angesprochene technische und strukturelle Wandel im Finanzsektor ist nicht zu hinterfragen; nicht jedoch alle neue Finanzdienstleistungsgeschäfte bergen die Missbrauchsgefahr, die der Gesetzgeber ihnen attestiert. Der Zahlungsweg von „electronic cash“, bei dem die Verwendung einer ec- bzw. Kundenkarte mit einer Online-Autorisierung durch das kartenausgebende Kreditinstitut verbunden ist, scheint z. B. in der Tat viel weniger gefährlich zu 304 Herzog, FS für Kohlmann, S. 427, 439; nach Höche, Die Bank 2002, S. 196, 200 ist diese Regelung zu abstrakt, um einschlägige datenschutz- und verfassungsrechtliche Anforderungen zu erfüllen. 305 Diesbezüglich s. auch die auf § 25a Abs. 1 Nr. 4 KWG übertragbare Argumentation des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit der präventiven Rasterfahndung im Polizeigesetz in Nordrhein Westfalen, Beschluss vom 4. April 2006, NJW 2006, S. 1939 ff. 306 Herzog, WM 1996, S. 1753, 1757 beschreibt sehr zutreffend die durch Analyse, Weitergabe und Vorhaltung der anfallenden Daten erfolgende Verwandlung des zivilrechtlichen Verhältnisses zwischen Bank und Kunden in ein öffentlich-rechtliches Verhältnis. Diese Ausführungen, die sich auf die Verpflichtung des § 14 Abs. 2 Nr. 2 GwG beziehen, können problemlos auf die weitergehende Datenerfassung und -verarbeitung des § 25a Abs. 1 Nr. 4 KWG übertragen werden.

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sein, als vom Gesetzgeber angedeutet. Sowohl die persönlichen Daten des Benutzers als auch die Transaktionsdaten werden elektronisch der die Transaktion im Auftrag des Kunden durchführenden Bank übermittelt. Auf diese Weise wird eine lückenlose Datenspur sichergestellt.307 Dieses Beispiel bezeugt, dass die neue Regelung nicht ohne weiteres effektiv ist und für bestimmte Konstellationen eher auf eine aktionistische gesetzgeberische Tätigkeit zurückgeht. Dieses Vorgehen erscheint umso bedenklicher, wenn man denkt, dass diese Maßnahmen nicht von staatlichen Akteuren, sondern nur mit der Inpflichtnahme von Privaten durchgeführt werden. Schließlich darf man nicht die praktische Konsequenz eines so umfassenden Konten-Screenings verschweigen: solche Recherchen „ins Blaue hinein“ würden eine Verdachtsanzeigeflut produzieren. Die Verarbeitung all dieser Anzeigen, die aufgrund der sog. „Normalverhaltenparameter“ praktisch viele legale Transaktionen zum Gegenstand hätten, würde zu einer kontraproduktiven Überforderung der zuständigen Stellen führen.308 Dadurch wird also ersichtlich, wie eine Maßnahme, die vermutlich einen legitimen gesetzgeberischen Zweck (wie vorliegend die Geldwäschebekämpfung) verfolgt, letztendlich nicht nur rechtswidrig, sondern auch ineffektiv sein kann.

VI. Mitteilungen der Finanzbehörden zur Bekämpfung der Geldwäsche nach § 31b AO Das wachsende staatliche Interesse zur Erkenntnissicherung im Kampf gegen OK, Terrorismus und Geldwäsche spiegelt sich auch in der nächsten Vorschrift wider, die durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz zu den bereits existierenden rechtlichen Instrumenten hinzugekommen ist. Durch die Einfügung eines neuen § 31b in die Abgabenordnung wird für die Finanzbehörden die gesetzliche Grundlage geschaffen, durch die sie den zuständigen Strafverfolgungsbehörden Tatsachen mitteilen dürfen, die auf eine Geldwäsche schließen lassen.309 Angesichts der weitreichenden Konsequenzen dieser Norm soll zunächst auf ihre genauen Modalitäten eingegangen werden. § 31b AO enthält zwei unterschiedliche Rechtssätze. Im ersten (Halb-)Satz wird die Offenbarung von nach § 30 AO geschützten Verhältnissen dann für zulässig erklärt, soweit sie der Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer Straftat nach § 261 StGB dient. Bekanntlich regelt § 30 AO den Umfang des Steuergeheimnisses. Er legt das Verbot der Offenbarung von Tatsachen fest, die den SteuHerzog, WM 1996, S. 1753, 1756. Scherp, WM 2003, S. 1254, 1257 fordert in diesem Zusammenhang staatliche Vorleistungen in Form der Einbringung von Steuerungskomponenten in den erwünschten Untersuchungsvorgang; wie dies geschehen könnte, erläutert er jedoch nicht. 309 Durch Art. 18 des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes. 307 308

F. Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz

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erbehörden im Besteuerungsverfahren bekannt wurden. Gleichzeitig schreibt er bestimmte Erlaubnistatbestände vor, bei deren Vorliegen eine solche Offenbarung geboten scheint. Ein solch allgemein formulierter Tatbestand ist auch im § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO enthalten, wonach die Offenbarung zulässig ist, wenn sie durch Gesetz ausdrücklich zugelassen ist. Auf diese Weise fungiert § 31b AO als eine klare gesetzliche Grundlage i. S. d. § 30 Abs. 4. Nr. 2 AO und erkennt den Finanzbehörden die Befugnis zur Weitergabe von steuerrelevanten Informationen und Daten zu, wenn sie der Durchführung eines Geldwäscheverfahrens dienlich sein können. Aus dieser Formulierung ergibt sich allerdings auch, dass zur Weitergabe von Steuerdaten ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren bereits eingeleitet worden sein muss.310 Bis zur Einfügung des § 31b AO waren die Finanzbehörden zwar auch zu Mitteilungen auf Ersuchen der für die Bekämpfung der Geldwäsche und des Terrorismus zuständigen Stellen berechtigt, die ersuchenden Stellen mussten jedoch die Erforderlichkeit solcher Mitteilungen für die Ermittlungs- und Aufklärungsarbeiten erklären. Die Steuerbeamten hatten nach Maßgabe von § 30 Abs. 4 Nr. 4 und 5 AO, also wegen zwingenden öffentlichen Interesses, die Möglichkeit, die von § 30 AO geschützten Verhältnisse zu offenbaren; sie waren jedoch keineswegs dazu verpflichtet.311 Bei einem solchen Ersuchen sollten die Steuerbeamten dem Einzelfall nachgehen und eine Überprüfung bezüglich des Vorliegens der Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 Nr. 4 und 5 AO vornehmen. Auf diese Weise wurde ihnen ein Beurteilungsspielraum zuerkannt, wobei sie eine unrichtige Entscheidung mit den Folgen der Verletzung des Steuergeheimnisses belasten konnte. Die neue Vorschrift entlastet somit die Finanzbehörden von dieser Überprüfung und damit vom Risiko einer unzulässigen Offenbarung.312 Der zweite Rechtssatz der neuen Vorschrift sieht dagegen eine Mitteilungspflicht für die Finanzbehörden vor, wenn ihnen solche Tatsachen zur Kenntnis gelangen. Er verpflichtet sie, den Strafverfolgungsbehörden von sich aus Tatsachen mitzuteilen, die auf § 261 StGB schließen lassen. Solche Umstände können in normalen Veranlagungsverfahren, häufiger jedoch bei Außen- und Fahndungsprüfungen bekannt werden. Der Gesetzgeber nimmt allerdings keine Stellung dazu, wann solche Tatsachen einen Geldwäscheverdacht rechtfertigen, also welche Verdachtsschwelle diese Mitteilungspflicht aktiviert. Ausweislich des Regierungsentwurfs wird lediglich ein Beispiel genannt, namentlich wenn ein Steuerpflichtiger steuerliche Gewinne ausweist, die durch seine Geschäftstätigkeit nicht plausibel erklär310 Das ergibt sich auch im Umkehrschluss zu § 31b 2. Hs. AO, der eine Mitteilungspflicht für die Finanzbehörden im Vorfeld eines Ermittlungsverfahrens statuiert, Pahlke / König / Cöster / Intemann, AO § 31b, Rn. 10; Klein / Rüsken, AO § 31b. 311 Obwohl die entsprechenden Verwaltungsanweisungen (AEAO) bereits vor der Einführung des § 31b AO eine Verpflichtung der Finanzbehörden zur Auskunftserteilung auf Ersuchen der Strafverfolgungsbehörden vorsahen, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler / Alber, AO § 31b, Rn. 13. 312 Hübschmann / Hepp / Spitaler / Alber, AO § 31b, Rn. 18.

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bar sind.313 Damit bleibt allerdings die Frage offen, ob das Vorliegen von Tatsachen, die auf eine Geldwäsche schließen lassen, die Schwelle des strafprozessualen Anfangsverdachts nach §§ 152 Abs. 2, 160 StPO erreichen muss oder ob vielleicht ein einfacher Verdacht ausreichen könnte. Da der Wortlaut keine eindeutigen Vorgaben macht, sollten zur Auslegung diesbezüglich die gesetzlich verfolgten Ziele herangezogen werden, die richtungsweisend sein können. Als Ziel dieser Vorschrift wird eine effektive Strafverfolgung der Geldwäsche und des Terrorismus angeführt. Eine Erleichterung der Strafverfolgungsbehörden bei ihren Anstrengungen gegen Geldwäsche oder Terrorismus würde jedoch nur dann eintreten, wenn die Finanzbehörden verpflichtet wären, geldwäscherelevante Tatsachen zu melden, sobald ein Geldwäscheverdacht das Stadium des Anfangsverdachts erreicht hat. Ein zusätzliches Argument für diese Auslegung liefert auch der Umstand, dass § 31b AO dem § 13 GwG nachgebildet ist. Diese Vorschrift regelt nämlich die Verdachtsanzeigepflicht der Aufsichtsbehörde, die bereits bei einem einfachen Verdacht aktiviert wird. Also gelangt man zum Schluss, dass die entsprechende Verdachtsanzeigepflicht für die Steuerbehörden dieselbe Qualität haben muss und folglich keinen Anfangsverdacht im Sinne der Strafprozessordnung voraussetzen kann.314 Somit wird auch in diesem Fall ein Beurteilungsspielraum für die Finanzbehörden eröffnet, die im Einzelfall prüfen werden, ob ein anzeigepflichtiger Verdachtsfall vorliegt. Sie müssen nicht das Vorliegen sämtlicher Tatbestandsmerkmale einer Geldwäschetat bejahen; das würde die zuständigen Stellen überfordern und die Vorschrift unpraktikabel machen.315 Ausreichend für die Aktivierung dieser Pflicht sollen objektiv erkennbare Anhaltspunkte für das Vorliegen von geldwäscherelevanten Tatsachen sein. Nach einer anderen Auffassung ist eine Mitteilung erforderlich, auch wenn ein krimineller Hintergrund nicht ausgeschlossen werden kann.316 Es ist nicht schwer, den qualitativen Unterschied zwischen den beiden Auslegungsmöglichkeiten zu bemerken. Wird die zweite zugrunde gelegt, muss die Finanzbehörde bei der Vielzahl der Fälle rein steuerlicher Unregelmäßigkeiten eine Mitteilung an die Strafverfolgungsbehörden machen; denn vor dem Hintergrund der Einführung der schweren Steuerhinterziehung nach § 370a AO kann, wie bereits angesprochen, eine Geldwäsche an den Erträgen aus dieser Steuerhinterziehung begangen werden.317 Durch die Mitteilungspflicht der Finanzbehörden sollten also die Strafverfolgungsbehörden neue Hinweise auf Geldwäscheaktivitäten und somit neue ErmittBT-Drs. 14 / 8017, S. 144, 145. Hübschmann / Hepp / Spitaler / Alber, AO § 31b, Rn. 18; Pahlke / König / Cöster / Intemann, AO § 31b, Rn. 23; Klein / Rüsken, AO § 31b. 315 Pahlke / König / Cöster / Intemann, AO § 31b, Rn. 28. 316 Diese Auffassung wird von der Finanzverwaltung im Anwendungserlass zur AO zu § 31b AO, Rz 2 vertreten. 317 Ähnliches gilt auch für die neue Fassung der schweren Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 AO, 5. V. D. 313 314

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lungsansätze bekommen. Obwohl im Gesetzeswortlaut von einer Mitteilungs- und nicht von einer Verdachtsanzeigepflicht die Rede ist, kann man aufgrund der Parallelen zwischen § 31b AO und § 13 GwG (wo es um eine Verdachtsanzeige geht) und wegen der Tatsache, dass durch diese Mitteilungspflicht ein Geldwäscheverdacht generiert werden sollte, davon ausgehen, dass es sich auch hierbei um eine Verdachtsanzeigepflicht handelt. Die Verdachtsanzeigen werden sich auf die Mitteilung der Personalien der beteiligten Person, eine stichwortartige Beschreibung der verdächtigen Transaktionen sowie eine kurze Darstellung der Verdachtsgründe beschränken.318 Auf diese Weise erweitert sich auch der Kreis der zur Verdachtsanzeige verpflichteten Personen. Aber auch der Informationsverbund zwischen Finanz- und Strafverfolgungsbehörden wird weiter ausgebaut. Es wurde bereits angesprochen, wie der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der organisierten Kriminalität versucht hat, einen solchen Verbund zu schaffen. Ziel war es damals, seitens der Strafverfolgungsbehörden den Zufluss von Informationen in Richtung der Finanzbehörden zu steuern, die sie zu Besteuerungszwecken benutzen würden. Durch § 31b AO vollzieht sich nunmehr der Informationsfluss auch in umgekehrter Richtung, so dass die Finanzbehörden in der Zukunft nicht nur Empfänger, sondern auch Absender von geldwäscherelevanten Daten werden.319 Sowohl bei der Mitteilungsbefugnis von Tatsachen bei einem laufenden Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche als auch bei der Mitteilungspflicht i.S. einer Verdachtsanzeige sind die Finanzbehörden gehalten, nur diejenigen Steuerdaten preiszugeben, die für die Durchführung des Strafverfahrens oder zur Überprüfung des Verdachts erforderlich sind. Ein umfassendes Akteneinsichtsrecht der Strafverfolgungsbehörden wird somit nicht gewährt.320

VII. Kritik zum § 31b AO Die neue Rolle der Finanzbehörden als eines Informanten der Strafverfolgungsbehörden im Kampf gegen die Geldwäsche ist sehr problematisch. Diese gesetzliche Grundlage stellt einen qualitativ neuen Eingriff dar, der verfassungsrechtlich anerkannte Rechte tangieren könnte. Darüber hinaus wird auch ihre Effektivität stark infrage gestellt. Wie bei den anderen neuen Instrumenten, die durch das vorliegende Gesetz eingeführt wurden (automatisiertes Kontenabrufverfahren, Konten-Screening) wird der Betroffene auch bei § 31b AO von der Weitergabe seiner Daten von der Finanzbehörde niemals erfahren, so dass dadurch ein Verstoß gegen sein Recht auf infor318 319 320

Hübschmann / Hepp / Spitaler / Alber, AO § 31b, Rn. 21. Marx, DStR 2002, S. 1467, 1470. Pahlke / König / Cöster / Intemann, AO § 31b, Rn. 11.

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mationelle Selbstbestimmung denkbar wäre. Letztendlich soll dieses Recht dem Bürger gegen die unbegrenzte Erhebung, Speicherung und Verwendung seiner Daten von staatlichen Stellen schützen. Auch wenn Einschränkungen dieses Rechts zu anderen gesetzgeberischen Zielen unter Umständen legitim sein können, scheint § 31b AO als eine gesetzliche Einschränkungsgrundlage nicht hinreichend bestimmt, um die Rechte des Bürgers auf eine so schwerwiegende Weise zu beschneiden. Da der Betroffene über die Weitergabe nicht informiert wird, kann er sich gegen eine rechtswidrige Mitteilung auch nicht wehren. Auf diese Weise wird unvermeidlich auch das Vertrauen des Bürgers in die Verschwiegenheit der Verwaltung und in eine faire Behandlung Schaden erleiden321, was unter einer längerfristigen rechts- bzw. staatspolitischen Perspektive nicht zu unterschätzen ist. Fragwürdig bleibt die Vorschrift auch, wenn man annehmen würde, dass der Gesetzgeber bei der Güterabwägung zwischen dem Geheimhaltungsinteresse des Bürgers und dem öffentlichen Interesse an der Bekämpfung von Geldwäsche, diesem den Vorrang einräumen wollte. Die Weitergabe solcher Daten, die in einem Besteuerungsverfahren erlangt wurden, könnte allerdings zu einem Ermittlungsverfahren und somit zu einer Strafe führen. Es ist in diesem Zusammenhang wichtig anzumerken, dass im Besteuerungsverfahren sehr weite Mitwirkungspflichten für den Steuerpflichtigen vorgesehen sind, die jedoch in Grenzfällen das Selbstbelastungsverbot tangieren können. Somit kann eine Konfliktsituation entstehen, welche § 393 AO zu lösen versucht. Nach § 393 Abs. 1 S. 2 AO sind im Besteuerungsverfahren diejenigen Zwangsmittel gegen den Steuerpflichtigen unzulässig, wenn er dadurch gezwungen würde, sich selbst wegen einer von ihm begangenen Steuerstraftat zu belasten. Diese Konfliktsituation, die allerdings verfassungsrechtlich unklar bleibt, wird vor dem Hintergrund des § 31b AO weiter verschärft.322 Denn aufgrund der weitgehenden Pflicht zur Offenbarung muss der Steuerpflichtige jetzt erwarten, dass seine Daten auch bei den Strafverfolgungsbehörden landen. Er muss somit entscheiden, ob er diesbezüglich schweigen wird mit den entsprechenden steuerlichen Konsequenzen oder ob er sich offenbart und somit einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ausgesetzt wird. Auf diese Weise wird der Betroffene in eine Notlage versetzt, wo sich jedes Verhalten nachteilig auswirken würde, während dadurch das nemo-tenetur Prinzip desavouiert wird.323 Es wurde bereits angesprochen, dass für die Mitteilungspflicht kein Anfangsverdacht erforderlich ist, sondern es im Ermessen der zuständigen Behörden liegt, zu entscheiden, ob ein Sachverhalt auf Geldwäsche hindeutet und dementsprechend eine Mitteilung an die Strafverfolgungsbehörden zu machen ist oder nicht. 321 Marx, DStR 2002, S. 1467, 1469; das gehört nach Hübschmann / Hepp / Spitaler / Alber, AO, § 30 Rn. 7 zum öffentlichen Interesse des Steuergeheimnisses. 322 So auch Hübschmann / Hepp / Spitaler / Alber, AO § 31b, Rn. 37. 323 Alber bezweifelt, ob dieser Fall eine große praktische Relevanz erlangen kann. Denn ein solcher Fall würde voraussetzen, dass ein Steuerpflichtiger in Erfüllung seiner steuerlichen Mitwirkungspflichten sich selbst eines schweren Delikts bezichtigt hat, in: Hübschmann / Hepp / Spitaler / Alber, AO § 31b, Rn. 38.

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Durch eine derartig allgemein formulierte Verdachtanzeigepflicht ist nicht auszuschließen, dass die Finanzbehörden geneigt sein können, bei jeglichen auffälligen Konstellationen geldwäscherelevante Tatsachen zu bejahen und diese den Strafverfolgungsbehörden mitzuteilen. So ergibt sich eine ernstzunehmende Gefahr, dass beliebige Verdachtsanzeigen erstattet werden, auch weil die Steuerbeamten nicht immer in der Lage sein werden, richtig einzuschätzen, ob ein Tatbestand nach § 261 StGB vorliegt. Das bedeutet jedoch auch, dass aufgrund irgendeiner steuerlichen Unregelmäßigkeit, eine Verdachtsanzeige übermittelt und somit potentiell ein Ermittlungsverfahren mit allen denkbaren Folgen für den Betroffenen eröffnet werden kann. Die Schwelle für das strafrechtliche Belangen von Individuen wird dadurch noch mehr herabgesenkt. Ob diese Herabsenkung zum verfolgten Ziel der Bekämpfung der Geldwäsche bzw. zu den Realisierungschancen dieses Ziels in einem angemessenen Verhältnis steht, wird in Zweifel gezogen. In Verbindung mit diesem Gedanken stellt sich auch die Frage, ob sich diese Durchbrechung des Steuergeheimnisses hinreichend legitimieren lässt. Angesichts der Beliebigkeit der Verdachtsanzeigen und der potentiellen Vielzahl der Fälle, in denen das Steuergeheimnis außer Kraft gesetzt wird, ist der Zusammenhang zwischen der Geldwäsche und den Steuerdaten des Steuerpflichtigen zu hinterfragen. Es ist schwer nachzuvollziehen, wie eine, auch für den Fall eines einfachen Verdachts vorgesehene, so weitgehende Aufweichung des Steuergeheimnisses zur effektiven Bekämpfung der Geldwäsche beitragen kann. Somit ist der Behauptung zuzustimmen, dass das ultima-ratio Prinzip, das für Einschränkungen des Steuergeheimnisses gilt, nicht hinreichend beachtet wurde.324 Diese Beliebigkeit der Verdachtsanzeigen würde tendenziell wiederum eine Überflutung der Strafverfolgungsbehörden mit Verdachtsanzeigen bewirken. Ohne das Vorliegen eines strafprozessualen Anfangsverdachts wäre in der Zukunft zu erwarten, dass in großer Zahl Steuerdaten eines jeden Steuerpflichtigen den Landeskriminalämtern offenbart werden. Auch hier sieht man, wie der Gesetzgeber um geldwäscherelevante Erkenntnisse ringt, ohne sich jedoch Gedanken zu machen, wie die zuständigen Behörden die Aufgabe ihrer Verwertung wahrnehmen können. Eine größere Zahl von Verdachtsanzeigen kann eventuell neue Verdachtslagen, aber gleichzeitig eine Überforderung der Behörden bewirken, die vielleicht nicht in der Lage sind, diese Verdachtslagen weiter zu verwerten. Um zu vermeiden, dass jedes einzelne Finanzamt eine Mitteilung an die Strafverfolgungsbehörden macht, die beim näheren Betrachten keine Hinweise auf Geldwäsche liefert, werden in verschiedenen Oberfinanzdirektionen Sonderprüfungsgruppen für Geldwäsche und organisierte Kriminalität eingerichtet, die durch qualifizierte Mitarbeiter die Mitteilungen auf die wirklich einschlägigen Fälle beschränken sollen.325 Diese Zentralisierung der Mitteilungen sei erforder324 Marx, DStR 2002, S. 1467, 1469 im Rückgriff auf die Rechtsprechung des BVerfG, s. BVerfGE 67, S. 100, 142, 144.

400 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

lich, damit das Steuergeheimnis nicht obsolet werde; die Bedenken bleiben jedoch bestehen: durch § 31b AO wird noch einmal das Steuerrecht für nicht fiskalische Zwecke instrumentalisiert, indem man die strikte Trennung von Aufgaben der Finanz- und Strafverfolgungsbehörden aufhebt.326 Das Ergebnis: ein Bürger, dessen Abwehrrechte gegen den Staat geschmälert werden und dessen Vertrauen in den Staat folglich schwindet und eine Strafverfolgungsbehörde, die sich des großen Informationsinputs erfreut, mit diesem Input jedoch wenig anfangen kann.

VIII. Ergebnis Die Geldwäschebekämpfung scheint durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz einen qualitativen Sprung gemacht zu haben; zuallererst was das Ziel angeht. Bis zu diesem Zeitpunkt beruhten die Geldwäschebekämpfungsstrategien auf zwei Achsen: Die eine war eine repressive, die durch die Optimierung des Geldwäschetatbestandes die Überführung möglichst vieler Geldwäscher bezweckte, mit dem mittelfristigen Ziel (oder mit der Hoffnung), auf diese Weise nicht nur Strukturen der organisierten Kriminalität aufzudecken, sondern auch anhand einer Bestrafung das kriminelle Kapital durch Gewinnabschöpfung zu schmälern. Die andere Achse war eine präventive, die versuchte dem Missbrauch von Privatakteuren durch Geldwäscher entgegenzuwirken und formulierte vor diesem Hintergrund umfassende Verpflichtungen für die Finanzwirtschaft. Durch die hier diskutierten Änderungen wird die präventive Achse in den Vordergrund gerückt und in erheblichem Ausmaß ausgebaut. Dieser Ausbau zielt nunmehr auf eine situative Prävention ab. Denn es gilt die Schaffung bzw. Entstehung solcher Situationen im Finanzsektor zu unterbinden, welche die Möglichkeit von Geldwäschehandlungen tendenziell begünstigen. Dafür wird nicht nur das Netzwerk der in Pflicht genommenen nicht staatlichen und staatlichen Akteure erweitert. Zudem wird die situative Prävention im Sinne eines proaktiven Handelns umgesetzt, das nicht mehr an Individuen, sondern lediglich an risikoträchtige Situationen anknüpft. Daneben ist zugleich in Bezug auf die zur Zielverfolgung gewählten Mittel ein qualitativer Sprung zu verzeichnen. Das neue automatisierte Kontenabrufverfahren, das Konten-Screening und nicht zuletzt die Mitteilungspflicht der Finanzbehörden führen zu einer Befugniserweiterung der Strafverfolgungsbehörden327 325 Z. B. in München und in Nürnberg, s. Hübschmann / Hepp / Spitaler / Alber, AO § 31b, Rn. 40. 326 So auch Marx, DStR 2002, S. 1467, 1470, der in diesem Zusammenhang bildhaft von einem „Paradigmenwechsel beim Steuergeheimnis“ redet. 327 An dieser Stelle wird nicht weiter diskutiert, ob dabei der Gesetzgeber die Geldwäschebekämpfung zum Zweck lang erhoffter Befugniserweiterungen instrumentalisiert (so: Dahm / Hamacher, wistra 1995, S. 206) oder, ob er einen tatsächlichen Regelungsbedarf diagnosti-

F. Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz

401

und verschaffen ihnen eine Fülle von Informationen, die ihre faktischen Ermittlungsmöglichkeiten und -ansätze multiplizieren. Diese neuen Instrumente sind unkompliziert und automatisiert in Einsatz zu bringen, sie finden im Geheimen statt; ihre Anwendungsvoraussetzungen sind minimal; rechtliche Beschränkungen werden bewusst vermieden, so dass eine potentielle Gefährdung des Ermittlungserfolgs im Vorfeld abgewendet wird. Ist jedoch durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz ein qualitativer Sprung auch in Bezug auf den Effizienzgewinn zu registrieren? Zunächst muss man betonen, dass jeglicher Effizienzgewinn zu dem dafür geforderten Preis in Verhältnis zu setzen ist. Es ist nicht ernsthaft zu bezweifeln, dass durch die diskutierten Novellierungen des KWG und der AO ein Effizienzgewinn zu erwarten ist. Die Aufsichtsbehörden erlangen zusätzliche Befugnisse und die Strafverfolgungsbehörden zusätzliche Informationen. Durch neu zu erstattende Verdachtsanzeigen wird es vermutlich möglich sein, einige Geldwäschekomplexe aufzudecken, während sich natürlich nicht beziffern lässt, in welchem Ausmaß Geldwäschehandlungen erst aufgrund dieser Maßnahmen ausbleiben werden. Dieser Effizienzgewinn lässt sich allerdings relativieren, wenn man verschiedene „Nebenwirkungen“ der eingeführten Maßnahmen aus der Nähe betrachtet. Es wurde bereits erwähnt, wie eine Überflutung der Strafverfolgungsbehörden mit Verdachtsanzeigen ihr ursprüngliches Erkenntnispotential mindern kann. Da die staatlichen Mittel zur Geldwäschebekämpfung eher begrenzt sind, werden die zuständigen Behörden, entweder nicht allen Verdachtsanzeigen nachgehen, oder sie nicht gründlich überprüfen. Man darf aber auch nicht vergessen, dass auch die nicht-staatlichen Mittel zur Geldwäschebekämpfung begrenzt sind, also der wirtschaftliche Aufwand bei den verpflichteten Kreditinstituten irgendwo die Zumutbarkeitsgrenze erreicht. Ob diese Grenze bereits erreicht oder sogar überschritten wurde, mag dahinstehen. Was in diesem Zusammenhang jedoch sehr wichtig ist, ist, dass dieser Aufwand, sollte er noch größer werden, auch Konsequenzen für die Kunden und somit auch für die Gesamtwirtschaft haben wird. Letztlich mündet dieser Aufwand in eine gewisse Bürokratisierung und Überregulierung der gesamten Geldwäschebekämpfung. Subbehörden bei den Oberfinanztransaktionen zur Vorauswahl der mitteilungswürdigen Tatsachen oder bei der BaFin, ständig erweiternde Compliance-Abteilungen bei Finanzinstituten u.ä. tragen nicht unbedingt zur Optimierung der Geldwäschebekämpfung bei. Zugleich bewirkt die inflationäre Schaffung von Regulierungsnormen ein Klima, in dem der Diskurs über Unternehmensverantwortung sowie Selbstregulierungsinitiativen unterminiert wird. Schließlich werden in großem Ausmaß wichtige, unverzichtbare grundrechtliche Positionen der Bürger verkürzt. Es wurde dargelegt, wie vor allem das Recht auf zierte. Was in diesem Zusammenhang interessiert sind die genauen Auswirkungen des Geldwäschebekämpfungsrechts auf die Adressaten sowie seine fraglich Effizienz.

402 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

informationelle Selbstbestimmung durch das Kontenabrufverfahren aber besonders durch das Missbrauchspotential des Konten-Screenings untergraben wird. Die Frage, ob der „gläserne Bürger“ bereits Wirklichkeit ist, hat somit nicht nur einen theoretischen Wert, sondern spiegelt sich in den unterschiedlichsten, alltäglichen Handlungs- und Entfaltungsmöglichkeiten des Bürgers wider. Die Frage nach dem qualitativen Sprung der Effizienzsteigerung muss somit verneint werden. Auch wenn eine solche angenommen wird, ist sie nur punktuell und steht in keinem angemessenen Verhältnis zu ihren Nebenwirkungen. Darüber hinaus wird in der Verpflichtung zur Errichtung eines automatisierten Abrufverfahrens sowie in den anderen organisatorischen Maßnahmen eine praktische Gegebenheit sichtbar, welche die Entwicklung des Geldwäschebekämpfungsrechts mittelbar beeinflusst: das Bedürfnis nach Umsetzung der gesetzlichen Verpflichtungen zur Geldwäscheprävention hat zur Schaffung einer ganzen Wirtschaftsbranche geführt. Zu dieser Branche zählen z. B. solche Einrichtungen, die Schulungen und Fortbildungen der Bankmitarbeiter organisieren aber vor allem Unternehmen, die in der Entwicklung und im Vertrieb von Software und von anderen EDV-Programmen tätig sind. Sowohl das automatisierte Kontoabrufverfahren als auch die sonstigen Tätigkeiten der verpflichteten Institute auf dem Feld der Geldwäschebekämpfung („Monitoring“, „Scoring“, „Research“), die das vorliegende Gesetz vorsehen, machen das Bedürfnis nach solchen Produkten noch größer. Angesichts des erheblichen Gewinnpotentials ist somit zu vermuten, dass dieser Wirtschaftszweig versucht hat, auf die konkrete Ausgestaltung des Gesetzes und zum Ausbau der erörterten präventiven Instrumente Einfluss zu nehmen. Es ist mithin zu erwarten, dass auch in der Zukunft ein eventueller Versuch der Entbürokratisierung bzw. des Abbaus eingriffsintensiver Überwachungsmaßnahmen auf den Widerstand dieser Lobby stoßen würde. Diese Entwicklung bestätigt die These über den Einzug des Lobbyismus in die Kriminalpolitik und kann deren Irrationalisierung bewirken.

G. Das Geldwäschebekämpfungsgesetz In engem funktionalen Zusammenhang mit dem vorangegangenen Vierten Finanzmarktförderungsgesetz steht auch das nächste Gesetzeswerk. Dieses widmet sich auch der Effizienzsteigerung der Geldwäschebekämpfung. Das Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten, bekannt auch als Geldwäschegesetz, wurde im Jahre 1993 in Kraft gesetzt und hat sich seitdem bereits mehrmals geändert. Neue Entwicklungen machten erneut eine Novellierung dieses Gesetzes erforderlich. Diese Entwicklungen waren unterschiedlicher Natur. Politische Ereignisse wie die terroristischen Anschläge des 11. September in den USA, Anstrengungen zur Rechtsharmonisierung auf der Ebene der Europäischen Union sowie die verstärkte Nutzung neuer Medien im Finanzsektor und die sich daraus ergebenden neuen Geldwäscherisiken haben zu einer „Neuauflage des Geldwäschebekämpfungsrechts“ den Anstoß gegeben.

G. Das Geldwäschebekämpfungsgesetz

403

Zunächst wird auf die Entstehungsgeschichte und die Ziele des Geldwäschebekämpfungsgesetzes eingegangen, die genau diese vielfältigen Entwicklungen widerspiegeln (unter I.). Im nächsten Schritt werden die konkreten Änderungen, die dieses Gesetz hervorgebracht hat, unter die Lupe genommen. Diese Änderungen schreiben neue Verpflichtungen für die verschiedenen Kredit- und Finanzinstitute fest, nämlich neue Identifizierungspflichten (unter II.), eine neue Nachforschungspflicht (unter IV.), leicht abgeänderte Modalitäten bei der Aufzeichnung (unter VI.) sowie eine erweiterte Verdachtsanzeigepflicht (unter VII.), Angesprochen werden auch die entsprechenden präventiven Sicherungsmaßnahmen (unter VIII.) und einigen anderen Änderungen des GwG (unter IX.). In diesen Pflichtenkreis wird jetzt ein neues Tätigkeitsfeld der Finanzwirtschaft einbezogen, der bargeldlose Zahlungsverkehr (unter X.) aber – noch gewichtiger – eine Reihe von Berufen, an die diese Pflichten nunmehr adressiert sind (unter III.). Um internationalen Standards zu entsprechen wird sogar eine neue Organisationseinheit aufgebaut, der bei der Strafverfolgung der Geldwäsche eine zentrale Funktion zukommen soll (unter V.). Anschließend wird der Frage nachgegangen, wie diese Änderungen theoretisch zu bewerten sind und ob sie dann praktisch zu einer effektiven Geldwäschebekämpfung (oder vielleicht auch -verhütung) beitragen (unter XI.).

I. Entstehungsgeschichte und Ziele des Geldwäschebekämpfungsgesetzes Die Anfänge der Diskussion über eine Reformierung des Geldwäschegesetzes sind in den Tätigkeiten von inter- und supranationalen Organen zu suchen. Es wurde bereits in vorherigen Kapiteln aufgezeigt, wie die erste EG-Antigeldwäscherichtlinie sowie andere internationalen Abkommen die nationalen gesetzgeberischen Schritte bestimmt und entsprechende Trends gesetzt haben.328 Eine Novellierung der ersten EG-Antigeldwäscherichtlinie wurde bereits seit dem Jahr 1999 diskutiert; angestrebt wurde vor allem die Einbeziehung der Freien Berufe in den Adressatenkreis des Geldwäschegesetzes und eine erhebliche Erweiterung des Vortatenkatalogs des Geldwäschetatbestands. Kein Konsens bestand allerdings zwischen der Kommission und dem Europäischen Parlament, vor allem bezüglich des Umfangs der Verpflichtungen für die rechtsberatenden Berufe. Seitens des Europäischen Parlaments wurden Stimmen laut, die in der Inpflichtnahme von Rechtsanwälten, Notaren und Steuerberatern eine Erschütterung des verfassungsrechtlich geschützten Vertrauensverhältnisses zwischen ihnen und ihren Mandanten sah. Andererseits betrachtete die Kommission eine solche Aufnahme in den Verpflichtetenkreis als erforderlich, um dem hohen Missbrauchsrisiko von Angehörigen dieser Berufe zu Geldwäschezwecken entgegenzuwirken. 328

Dazu s. oben 4. Kap. A.

404 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

Fast parallel liefen Beratungen über andere einschlägige internationale Abkommen. Bereits im Dezember 1999 ist auf der Ebene der Vereinten Nationen das Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus zustande gekommen. Unter anderem verpflichtet dieses Abkommen die Staaten, in ihren nationalen Rechtsordnungen jegliche materielle Unterstützung des Terrorismus mit hohen Strafen zu bedrohen.329 Neben den Verhandlungen über die Novellierung der Antigeldwäscherichtlinie hatte der Rat der Europäischen Union im Oktober 2000 einen verbindlichen Beschluss gefasst, der die Zusammenarbeit zwischen den von ihren geltenden Geldwäschebestimmungen vorgesehenen zentralen Meldestellen regelte.330 Die Aufnahme der Arbeit dieser Meldestellen hatte sich jedoch aufgrund von Kompetenzstreitigkeiten zwischen Finanz- und Polizeibehörden verzögert. Die Ereignisse des 11. September in den USA haben die ganze Diskussion erneut in Schwung gebracht: die Terrorismusfinanzierung rückte nunmehr in den Vordergrund. Die verschiedenen internationalen Initiativen haben sich dementsprechend auf die Aufspürung des Kapitals von terroristischen Organisationen konzentriert. Dabei ist man von strukturellen Ähnlichkeiten zwischen typischen Geldwäschehandlungen und Transaktionen ausgegangen, die der Finanzierung des Terrorismus dienten. Dementsprechend könnte das Regelungswerk zur Geldwäschebekämpfung auf die Austrocknung der finanziellen Ströme des Terrorismus ausgedehnt werden. Zu diesem Zweck wurden auf europäischer Ebene die bereits vorher auferlegten Kapitalverkehrsbeschränkungen aktualisiert und umgesetzt. Auf der Basis von Listen, die ihrerseits auf Beschlüsse des Sicherheitsrates zurückgingen, wurden Konten von verschiedenen vermutlichen Terroristen und terroristischen Vereinigungen eingefroren. Die Stagnation im Vermittlungsverfahren zwischen Rat und Parlament auf europäischer Ebene war angesichts der neuartigen Dringlichkeit überwunden. Die neue Antigeldwäscherichtlinie mit ihren neuen Vorgaben ist durch beiderseitige Kompromisse am 04. 12. 2001 zustande gekommen.331 Aber auch die FATF, das führende internationale Gremium zur Geldwäschebekämpfung, hat in einer Sondersitzung im Oktober 2001 acht Sonderempfehlungen beschlossen, die sich vor allem auf die Terrorismusfinanzierung bezogen. Zu diesem Zeitpunkt waren allerdings die Beratungen für die EG-Antigeldwäscherichtlinie weit vorangeschritten, so dass ihr aktueller Text um den Inhalt der Sonderempfehlungen nicht ergänzt werden konnte. Aus diesem Grund wurde eine Gemeinsame Erklärung des Rates und der Kommission der EU beschlossen, welche die Bedeutung der Antigeldwäscherichtlinie bei der Bekämpfung der Terrorismus329 International Convention for the Suppression of the Financing of Terrorism, 1999; mehr dazu Marauhn / Meljnik, in: Gropp / Sinn, Organisierte Kriminalität und kriminelle Organisationen, S. 479, 486, 499. 330 JI 2000 / 642 / JI, ABl. L 271, S. 4. 331 Änderungsrichtlinie 2001 / 97 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04. Dezember 2001, ABl. EG Nr. L 344 vom 28. 12. 200, S. 76.

G. Das Geldwäschebekämpfungsgesetz

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finanzierung hervorhob.332 Darüber hinaus sollten alle strafbaren Handlungen im Zusammenhang mit der Terrorismusfinanzierung geldwäschetaugliche Vortaten im Sinne dieser Richtlinie darstellen.333 Der deutsche Gesetzgeber hat allerdings sehr prompt auf diese Entwicklungen reagiert. Deutschland war nicht nur der erste Mitgliedsstaat, der die neue Antigeldwäscherichtlinie in nationales Recht umsetzte; sie hat im vorliegenden Geldwäschebekämpfungsgesetz zum großen Teil auch die neuen FATF-Standards berücksichtigt und konkretisiert. Zu dieser schnellen Reaktion haben jedenfalls die Vorarbeiten beigetragen, die nationale Organe bereits geleistet haben. Während der Beratungen für die EG-Änderungsrichtlinie wurde im Bundesinnenministerium eine Expertengruppe aus Vertretern von Strafverfolgungs- und Finanzbehörden eingesetzt. Diese war in erster Linie mit der Frage beschäftigt, wie man das bestehende Geldwäschegesetz vor dem Hintergrund der zunehmenden Nutzung neuer Technologien optimieren könnte. Der von dieser Gruppe am Ende des Jahres 2000 vorgelegte Bericht enthielt dementsprechend Vorschläge zur Einbeziehung der elektronischen Signatur, zur Verschärfung der Identifizierungspflichten, zur verbesserten Kooperation der Strafverfolgungs- und Bankaufsichtsbehörden und nicht zuletzt zur Entbürokratisierung des bestehenden GwG. Somit wird somit der Vorwurf eines überstützten gesetzgeberischen Vorgehens ausgeräumt.334 Trotzdem bleibt es unklar, ob, trotz der Berichte der Expertengruppe, die Einigung in Brüssel, die Einführung der neuen acht FATF-Empfehlungen und somit auch die genauen Inhalte des Geldwäschebekämpfungsgesetzes ohne die Terroranschläge und die daraus entstandene „Krisenhaftigkeit“ beschlossen worden wären. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Terroranschläge einen angemessenen „Anlass“ darstellten, um die Erforderlichkeit des entsprechenden nationalen Gesetzgebungsvorhabens zu propagieren.335 Die Bundesregierung hat im April 2002 ihren Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung der Geldwäsche und der Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus, kurz eines Geldwäschebekämpfungsgesetzes, vorgelegt. In diesem Entwurf sind verschiedene Ziele erkennbar. Zum ersten dient dieses Gesetz der Umsetzung der vorgenannten EG-Änderungsrichtlinie. Auf diese Weise werden in den Verpflichtetenkreis des Geldwäschegesetzes neue Berufsträger aufgenommen; Rechtsanwälte und Notare, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sind die wichtigsten davon. Die Erweiterung des Vortatenkatalogs des Geldwäschetatbestands, das auch ein wichtiger Bestandteil der neuen Richtlinie war, hatte sich in 332 Doc. 1437 / 01, PV / CONS 69, ADD 1; abgedruckt bei Busch / Teichmann, Das neue Geldwäscherecht, S. 120. 333 Mehr zu den europäischen und internationalen Zusammenhängen, in Herzog / Mülhausen / Teichmann / Achsnich, GwHdb § 29, Rn. 4 ff. 334 Busch / Teichmann, Das neue Geldwäscherecht, S. 5, 7 f. 335 Ähnlich Jahn, ZRP 2002, S. 109, 110.

406 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

deutschem Recht durch eine Reihe von Gesetzen, letztlich durch das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der organisierten Kriminalität vom Jahre 1998, bereits vollzogen. Das nächste Ziel des Gesetzentwurfes hängt mit der Umsetzung der von der FATF aufgestellten Standards zusammen. Neben einem Geldwäscheverdacht werden nunmehr die unterschiedlichen Pflichten der Adressaten des Geldwäschegesetzes auch dann aktiviert, wenn der Verdacht der Terrorismusfinanzierung vorliegt. Im organisatorischen Bereich wird dem Anliegen einer nationalen Zentralstelle zur Entgegennahme und Auswertung von Verdachtsanzeigen Rechung getragen und gleichzeitig das Bedürfnis nach inneren präventiven Sicherungsmaßnahmen seitens der Kreditinstitute weiter konkretisiert. Schließlich bezweckte der Entwurf des Geldwäschebekämpfungsgesetzes die bereits angesprochene Anpassung des gesetzlichen Instrumentariums an technische Entwicklungen, die sich auf Geldwäschemethoden auswirken sowie die Berücksichtigung von Erfahrungen, die mit dem Geldwäschegesetz gemacht wurden.336 Zu dieser als besonders eilbedürftig eingebrachten Gesetzesvorlage beschloss der Bundesrat nur einige Tage später insgesamt 18 Änderungsanträge. Dadurch hat der Bundesrat versucht, einige Klarstellungen durchzusetzen und zugleich eine Zentralisierung der Geldwäschebekämpfung durch die Befugniserweiterung des BKA zulasten der Länderkompetenzen abzuwenden. Mit der im Bundeskabinett daraufhin beschlossenen Gegenäußerung der Bundesregierung trug sie den Vorschlägen des Bundesrates in weiten Teilen Rechnung. Zugleich wurden diejenigen Vorschläge des Bundesrats von der Bundesregierung abgelehnt, die aus ihrer Sicht die Effektivität der am BKA angesiedelten Zentralstelle für Verdachtsanzeigen gefährden würden.337 Zum Ausgleich wurde dabei mehrmals die verfassungsrechtlich verbürgte Strafverfolgungskompetenz der Länder betont. Dem geänderten Entwurf stimmte der Bundesrat abschließend am 21. 06. 2002 zu. Seinen formalen Abschluss fand das Gesetzgebungsverfahren am 14. 08. 2002.338

II. Neue Identifizierungspflichten Das Gesetz erweitert die Identifizierungspflichten der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute in vielerlei Hinsicht. Zunächst werden neue Identifizierungsmerkmale aufgenommen.339 Das sind der Geburtsort und die Staatsangehörigkeit der zu identifizierenden Person (§ 1 Abs. 5 S. 1 GwG).340 Als Grund dafür wurde BT-Drs. 14 / 8739, S. 1, 10 f. Zur Stellungnahme des Bundesrates und der Gegenäußerung der Bundesregierung s. 14 / 9043, jeweils S. 8 f. 338 BGBl. I 2002, S. 3105 ff. Das Gesetz ist damit am 15. 8. 2002 in Kraft getreten. 339 Eine Nacherfassung dieser Kriterien für Identifizierungen vor Inkrafttreten des Gesetzes ist nicht erforderlich, in: Fülbier, GwG, § 1 GwG, Rn. 87. 336 337

G. Das Geldwäschebekämpfungsgesetz

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die Verbesserung der Analysekompetenz der BKA und der Ermittlungskompetenz der jeweils zuständigen Landeskriminalämter angeführt; denn auf diese Weise werde die Zuordnung zu ethnischen, geographischen oder nationalstaatlichen Gruppierungen erleichtert341. Darüber hinaus wird klargestellt, dass die zur Identifizierung vorgelegten Ausweispapiere gültig sein müssen. Es ist nicht zu bezweifeln, dass die Identifizierung auf diese Weise vollständiger wird, so dass die Kreditinstitute den Anforderungen des „know-your-customer-Prinzips“ besser Rechnung tragen können. Vor dem Hintergrund der Akzentuierung der Terrorismusfinanzierung liegt allerdings die Befürchtung nahe, dass die neuen Merkmale und die erwünschte Erleichterung der „Zuordnung zu ethnischen Gruppierungen“ aus ihnen eine Risikogruppe macht, die den internen Überwachungsmaßnahmen der Institute verstärkt unterliegen wird. Berücksichtigt werden dabei auch die Entwicklungen im technologischen Bereich. Die Identifizierung kann also nunmehr anhand einer qualifizierten elektronischen Signatur i. S. d. § 2 Nr. 3 des Signaturgesetzes erfolgen (§ 1 Abs. 5 S. 2 GwG). Gleichzeitig wird ausdrücklich das elektronische Geld dem Bargeld gleichgestellt (§ 1 Abs. 7 GwG). Der Beweggrund dafür liegt an der immer zunehmenden Nutzung neuer Zahlungstechnologien. Während also immer weniger Zahlungen mit Bargeld abgewickelt werden, ist eine Steigerung der Benutzung elektronischer Zahlungsmitteln, vorwiegend über Internet zu beobachten. Relevant in diesem Zusammenhang sind auch hardware-basierte Systeme. Diese neuen Zahlungswege, die schnelle und unkomplizierte Finanzgeschäfte ermöglichen, haben den Nachteil der Anonymität. Diese Anonymität in Verbindung mit der Massenhaftig- und Geschwindigkeit der Geschäftsabwicklung kann leicht zu Geldwäschezwecken missbraucht werden. Der immaterielle Charakter von solchen Netzgeldsystemen begünstigt somit den leichten, unauffälligen grenzüberschreitenden Geldtransport, der sonst durch die Straffung der gesetzlichen Regelungen zum Bargeldtransport für potentielle Geldwäscher erheblich schwieriger geworden ist.342 Auf diese Weise werden die Identifizierungspflichten auch dann aktiviert, wenn elektronisches Geld in einer gesetzlich bestimmten Höhe eingezahlt wird oder, wenn sonstige Transaktionen mit elektronischem Geld, unabhängig von ihrer Höhe, den Verdacht der Geldwäsche rechtfertigen.343 Diese Änderung ist zu begrüßen; denn sie berücksichtigt den technologischen Fortschritt, ohne die Verpflichteten zusätzlich zu belasten. 340 Der Vorschlag des Bundesrates, die Identifizierung auch anhand des Geburtslandes vorzunehmen, wurde von der Bundesregierung verworfen, weil sich dieses Merkmal bereits aus dem Geburtsort ergibt und zusätzlich weder vom Pass- noch vom Personalausweisgesetz erfasst wird, s. BT-Drs. 14 / 9043, S. 1, 8. 341 BT-Drs. 14 / 9043, S. 1, 8. 342 BT-Drs 14 / 8739, S. 10. 343 Dementsprechend werden allerdings auch die Verdachtsanzeigepflichten der Institute erweitert.

408 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

Novelliert wird allerdings auch der Umfang der Identifizierungspflicht. Im neuen § 2 GwG wird das in verschiedenen internationalen Normen niedergeschriebene „know-your-customer Prinzip“ jetzt ausdrücklich geregelt.344 Die Identifizierung wird also ab diesem Zeitpunkt nicht nur etwa aufgrund einer Geldeinzahlung erfolgen, sondern sie wird stets beim Abschluss eines Vertrages zur Begründung einer auf Dauer angelegten Geschäftsbeziehung vorgenommen (§ 2 Abs. 1 GwG). Zu der Frage, wann eine solche Geschäftsbeziehung vorliegt, wird auf § 154 Abs. 2 AO Bezug genommen. Als klassische Beispiele werden dementsprechend die Kontoführung oder die Schließfachüberlassung genannt.345 Während allerdings diese Änderung die Identifizierungspflichten erheblich ausweitet, gilt der nächste Punkt der Entbürokratisierung und der Entlastung der Kreditwirtschaft. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die verwickelten Institute zu einer Identifizierung bei einer Bargeldeinzahlung und -auszahlung verpflichtet. Die Identifizierungspflicht anlässlich einer Abgabe von Bargeld wird nunmehr gestrichen. Dabei wurde die Erkenntnis berücksichtigt, dass eine geldwäschespezifische Gefährdungslage vorrangig bei der Einzahlung von Bargeld entsteht, denn auf diese Weise können erst inkriminierte Vermögenswerte in den legalen Finanzkreislauf eingeschleust werden.346 Letztlich werden Ausnahmen von der Privilegierung des Interbankgeschäfts normiert: Dem Bundesinnen- und Bundesfinanzministerium wird die Befugnis zuerkannt, durch Rechtsverordnung Ausnahmen in Hinblick auf Kreditinstitute zu regeln, die in Drittstaaten ansässig sind, in denen keine entsprechende Standards gegen Geldwäschebekämpfung gelten (§ 2 Abs. 4 S. 2 GwG). Die Gesetzesbegründung erwähnt den Fall von Staaten, die keine Mitglieder von FATF sind.347 Da in diesen Fällen nicht sichergestellt werden kann, dass die Kreditinstitute von Geldwäschekartellen oder von terroristischen Vereinigungen kontrolliert werden, sollen die Identifizierungspflichten auch für die Geschäfte der Institute untereinander gelten. Betrachtet man die Neuerungen dieses Gesetzes bezüglich der Identifizierungspflichten insgesamt, scheinen sie konsequent. Sie setzen die internationalen und europäischen Vorgaben in innerstaatliches Recht um und vervollständigen die Identifizierung, die auch den Kreditinstituten zugute kommt.

344 Dieses Prinzip ist sowohl in der ersten Fassung der FATF- Empfehlungen als auch in der Neufassung des Art. 3 Abs. 1 der EG-Antigeldwäscherichtlinie zu finden. 345 So Busch / Teichmann, Das neue Geldwäscherecht, S. 28. 346 Die Befürchtung des Bundesrates, die Streichung der Identifizierungspflicht in diesen Fällen würde zu Informationsverlusten führen, wurde nicht berücksichtigt, s. BT-Drs. 14 / 9043, S. 2, 8. 347 BT-Drs. 14 / 8739, S. 12.

G. Das Geldwäschebekämpfungsgesetz

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III. Neue Verpflichtete Eine Zäsur stellt allerdings die Einbeziehung einer Reihe neuer Berufe und Tätigkeiten in den Pflichtenkreis des GwG dar. Nach dem neuen § 3 GwG unterliegen den allgemeinen Identifizierungspflichten unter anderen auch Rechtsanwälte, Rechtsbeistände, Patentanwälte und Notare bei der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeiten. Vor allem für die rechtsberatenden Berufe werden abschließend bestimmte Geschäfte aufgezählt, wie der Kauf und Verkauf von Immobilien, die Verwaltung von Vermögenswerten ihrer Mandanten usw. Die Identifizierungspflichten werden für diese Berufsträger aktiviert, wenn sie für ihre Mandanten an der Planung oder Durchführung der dort umschriebenen Geschäfte mitwirken (Abs. 1 Nr. 1 GwG). Darüber hinaus werden die Identifizierungspflichten erweitert um die Tätigkeiten der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater (Nr. 2), der Immobilienmakler (Nr. 3) sowie der Spielbanken gegenüber Kunden, die Spielmarken im Wert von 1000 Euro oder mehr kaufen oder verkaufen (Nr. 4). Angehörige dieser Berufsgruppen waren allerdings auch nach der ersten Fassung des GwG zur Identifizierung verpflichtet, allerdings nur, wenn sie entgeltlich fremdes Vermögen verwalteten und Bargeld im Wert von 20.000 DM annahmen; durch das vorliegende Gesetz werden die Rechtsberufe in stark erweitertem Umfang in den Pflichtenkreis einbezogen.348 Die Einbeziehung dieser freien Berufe in den Adressatenkreis des GwG war heftig umstritten.349 Sie geht auf entsprechende Vorgaben der EG-Antigeldwäscherichtlinie zurück. Wie bereits oben erwähnt, hatte dieses Thema auch während der Brüsseler Verhandlungen einen Dissens zwischen dem Parlament und der Kommission verursacht. Zur Rechtfertigung der gesetzgeberischen Entscheidung war allerdings die Vermutung maßgebend, dass Geldwäscher verstärkt die Beratung oder sonstige Dienstleistungen von außerhalb des Bankensystems stehenden Personen in Anspruch nähmen, um finanziellen Transaktionen vorzunehmen oder zu erleichtern. Dies hänge jedenfalls mit der Umsetzung einer Reihe von Geldwäschebekämpfungsmaßnahmen im Finanzsektor zusammen. Da die Abwicklung von Finanztransaktionen durch Kreditinstitute mittlerweile ein höheres Risiko für die Geldwäscher darstelle, gehe man davon aus, dass sie in der Zukunft vermehrt Finanz- und Rechtsexperten engagieren würden, um ihre Finanzangelegenheiten zu organisieren und sich in Bezug auf kritische rechtliche Fragen, z. B. zur Optimierung der steuerlichen Situation, zur Vermeidung des Strafbarkeitsrisikos usw. beraten zu lassen. Diese Einbeziehung ziele allerdings nicht auf die Erweiterung der objektiven Strafbarkeitsgrenzen für die konkret einbezogenen Berufsträger ab. Sie solle lediglich der organisierten Kriminalität eine weitere Zugangsmöglichkeit, bzw. die Möglichkeit, die Dienste der benannten Berufsgruppen zu Geldwäschezwecken zu missbrauchen, genommen werden.350 S. mehr Herzog / Mülhausen / Johnigk, GwHdb § 51, Rn. 1 ff. Dieser Streit ist allerdings nicht neu, s. die Argumente Hetzers gegen „Anwaltsprivilegien“, in: ZfZ 1993, S. 258, 264. 348 349

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Bei den neu aufgenommenen Berufsträgern ist von einem erfahrungsgemäß hohen Risiko die Rede, wobei die Gesetzesbegründung solche Erfahrungen nicht näher erläutert. Somit stellt sich die Frage, ob es sich dabei nur um eine Vermutung oder um eine empirisch bestätigte Erkenntnis handelt. Zu diesem Thema existiert bereits ein abgeschlossenes Forschungsprojekt, das im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz das Gefährdungspotential von Rechtsanwälten, Steuerberatern, Notaren und Wirtschaftsprüfern durch Geldwäsche untersucht hat.351 Dieses Projekt umfasste zwei Module. Das erste bezog sich auf die Durchführung einer schriftlichen Befragung bei den genannten Berufsgruppen und zielte in erster Linie auf die Untersuchung des Dunkelfeldes hinsichtlich der Verwicklung von Berufsträgern in Geldwäschetätigkeiten ab. Zugleich sollte auch die subjektive Einschätzung solcher Berufsträger, zu Geldwäschezwecken missbraucht zu werden, erfasst werden. Das zweite Modul konzentrierte sich auf eine Inhaltsanalyse von relevanten Ermittlungsverfahren, also der zugehörigen Verfahrensakten, mit deren Hilfe das Hellfeld ausgeleuchtet werden sollte. Dieser zweite Teil der Aktenanalyse ist besonders aufschlussreich. Ein wesentliches Ergebnis der Untersuchung ist zunächst, dass sich das abstrakte Gefährdungsszenario in der Strafverfolgungswirklichkeit nicht widerspiegelt. Obwohl sich die Ermittlungen in fast drei Viertel der Fälle gegen Rechtsanwälte richteten, erfolgte in keinem einzigen dieser Fälle bis zum Ende des Erhebungszeitraums eine rechtskräftige Verurteilung wegen Geldwäsche. Denn bei den meisten Fällen ließ sich der Anfangsverdacht nicht zum hinreichenden Tatverdacht erhärten. Auch wenn in bestimmten Punkten die Ergebnisse dieser Untersuchung leicht zu relativieren sind, ergibt sich letztendlich keine deutliche objektive Gefährdungslage für die einbezogenen Berufsträger.352 Auf diese Weise scheint die gesetzgeberische Entscheidung rechtstatsächlichen Gegebenheiten zu widersprechen. Ebenso wenig erschließt sich der praktische Vorteil bzw. der Zweck dieser Identifizierung, wenn man bedenkt, dass die aus der Identifizierung gewonnenen Unterlagen der Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts unterliegen und für sie ein Beschlagnahmeverbot nach § 97 StPO gilt. Dementsprechend fragt man sich, wie ein Verstoß von Angehörigen dieser Berufe gegen die Identifizierungspflichten (§ 17 GwG) ermittelt werden sollte.353

350 BT-Drs. 14 / 8739, S 12; so auch Herzog / Mülhausen / Teichmann / Achsnich, GwHdb § 30, Rn. 26. 351 Kilchling / Lukas, Gefährdung von Rechtsanwälten, Steuerberatern, Notaren und Wirtschaftsprüfern durch Geldwäsche. 352 Kilchling / Lukas, Gefährdung von Rechtsanwälten, S. 85, 91 ff.; Johnigk bezweifelt ebenfalls, ob die Erwägung, die Rechtsberufe seien wegen der ihnen gegebenen Privilegien im besonderem Maße gefährdet für Geldwäschezwecke in Anspruch genommen zu werden, zutreffend ist, in: Herzog / Mülhausen / Johnigk, GwHdb § 51, Rn. 1; so auch Fülbier / Langweg, GwG, § 3 GwG, Rn. 3. 353 von Galen, NJW 2003, S. 117 ff.

G. Das Geldwäschebekämpfungsgesetz

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Erweitert wurden auf diese Berufsgruppen jedoch nicht nur die Identifizierungs-, sondern sämtliche Pflichten, die das Gesetz den Adressaten auferlegt, also auch die Identifizierung auch unterhalb der Betragsgrenze beim Verdacht der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung (§ 6 GwG), die Pflicht zur Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten (§ 8 GwG), die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht (§ 9 GwG) und schließlich die Verdachtsanzeigepflicht (§ 11 GwG). Mehr als die Identifizierungspflichten, die letztendlich für die Praxis mit wenigen Problemen verbunden sein sollten, war die Aufnahme der rechtsberatenden Berufe in die Verdachtsanzeigepflicht sehr kontrovers. Für diese Verdachtsanzeigepflicht, die aus unbekannten Gründen und entgegen der gesetzlichen Formulierung oft auch als Verdachtsmeldepflicht bezeichnet wird354, gelten besondere Regelungen. Sie ist im Vergleich zu der entsprechenden Verpflichtung der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute auf die Fälle des Geldwäscheverdachts nach § 11 Abs. 1 GwG beschränkt, d. h. wenn die Rechtsberater bei den im § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GwG enumerativ aufgezählten Tätigkeiten ihrer Mandanten mitwirken. Werden diese Berufsträger rechtsberatend tätig, wird eine Ausnahme statuiert: demgemäß sind sie von der Anzeigepflicht in all den Fällen freigestellt, in denen dem Verdacht gegenüber dem Mandanten Angaben zugrunde liegen, die im Rahmen der Rechtsberatung oder der gerichtlichen Vertretung offenkundig geworden sind (§ 11 Abs. 3 S. 1 GwG). Beide Begriffe sind ausweislich der Entwurfsbegründung in einem umfassenden Sinne zu verstehen: somit soll die gerichtliche Vertretung nicht nur den Zeitraum des Verfahrens selbst, sondern auch die Informationserlangung vor und nach einem solchen Verfahren, einschließlich der Beratung über das Betreiben oder Vermeiden eines solchen Verfahrens umfassen. Der Bereich der außergerichtlichen Rechtsberatung erfasst u. a. auch den Bereich der Steuerberatung.355 Auf diesem Wege wollte der Gesetzgeber der heftigen Kritik Rechnung tragen, dass durch die Anzeigepflicht der rechtsberatenden Berufe das traditionell anerkannte Vertrauensverhältnis mit dem Mandanten erschüttert werde.356 Gegen diese Anzeigepflicht, soweit davon Rechtsanwälte betroffen sind, bestehen allerdings auch andere erhebliche Bedenken. Es wird die Verletzung der durch Art. 12 GG geschützten Berufsfreiheit des Rechtsanwalts und des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung des Mandanten gerügt, die Verletzung von §§ 139 Abs. 3 S. 2, 203 StGB und § 43a Abs. 4 BRAO. Geltend gemacht werden ebenso rechtsstaatliche Bedenken, wenn der Anwalt zum verlängerten Arm der Ermitt354 Statt vieler: Herzog / Mülhausen / Teichmann / Achsnich, GwHdb § 31, Rn. 61. Vielleicht soll der Gebrauch des Wortes „Verdachtsmeldung“ die Wirkung des Wortes „Anzeige“ neutralisieren, die einen höheren symbolischen Wert aufweist. 355 BT-Drs. 14 / 8739, S. 15. 356 In Bezug auf die EG-Antigeldwäscherichtlinie wird allerdings auch die zweifelhafte Kompetenz der EG-Organe erwähnt, eine Verdachtsanzeigepflicht für freie beratende Berufe zu normieren, so Hofmann / Reich, EuGRZ 2001, S. 1 ff., in: Herzog / Mülhausen / Johnigk, GwHdb § 50, Rn. 7 ff.

412 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

lungsbehörden wird.357 Bezüglich des Begriffs der Rechtsberatung und der Geltung der Anzeigepflicht nur bei der Abwicklung der aufgezählten Geschäfte wird schließlich der Umstand kritisiert, dass Konstellationen kaum denkbar sind, wo es nur um die Abwicklung von Geschäften ohne jegliche Rechtsberatung geht.358 Von dieser Ausnahmeregelung wird wiederum eine Ausnahme statuiert: die Verdachtsanzeigepflicht der Berufsträger gilt auch für bei der Rechtsberatung bekannt gewordenen Tatsachen, wenn die betroffenen Berufsträger positiv wissen, dass der Mandant ihre Rechtsberatung bewusst zum Zweck der Geldwäsche in Anspruch nimmt (§ 11 Abs. 3 S. 2 GwG). Für das Vorliegen der Ausnahme wird ein doppelter Vorsatz verlangt: erstens muss der Mandant die Rechtsberatung im Hinblick auf eine künftige beabsichtigte Geldwäschehandlung in Anspruch nehmen wollen; zweitens muss dies dem Berater positiv bekannt sein. Die Anwaltschaft hat auch hierin einen schweren Eingriff in die Gestaltung der anwaltlichen Berufsausübung gesehen; denn dadurch werde der Anwalt als Spitzel seines Mandanten eingesetzt.359 Zu befürchten sei somit eine Erschütterung des Vertrauensverhältnisses nicht nur des einzelnen Mandanten, sondern der Rechtsgemeinschaft im Allgemeinen gegenüber den Rechtsanwälten.360 Die Bundesregierung argumentiert allerdings diesbezüglich, dass es in dem Fall, in dem anwaltlichen Dienste bewusst zu strafrechtlich relevanten Zwecken missbraucht werden, kein schutzwürdiges Interesse weder des Rechtsanwalts in Bezug auf sein Recht auf freie Berufsausübung, noch weniger des Mandanten auf Verschwiegenheit gäbe.361 Auch wenn die Argumentation der Bundesregierung plausibel erscheint, mögen Fallkonstellationen vorkommen, in denen es unklar bleibt, ob der Berufsträger zu einer Verdachtsanzeige verpflichtet wird. Was passiert z. B., wenn sich der Mandant lediglich die Rechtslage erläutern lassen will? In der Entwurfsbegründung wird eine solche Handlung nicht als ausreichend zur Aktivierung der Verdachtsanzeigepflicht erachtet, vielmehr soll der Mandant den Berater bewusst missbrauchen wollen, um eine strafbare Geldwäschehandlung zu begehen. Worin genau dieser bewusste Missbrauch besteht, bleibt allerdings undeutlich. Somit entstehen für die betroffenen Berufsträger unterschiedliche Unsicherheiten. Muss z. B. der Rechtsberater den Mandanten anzeigen, wenn er sich über die Rechtslage in Bezug auf die Geldwäschestrafbarkeit oder die Methoden der Geldwäschebekämpfung erkundigt, ohne Näheres zu seinen Geldwäscheplänen zu offenbaren? Was ist dann, wenn andere Umstände auf die Begehung der Geldwäsche aufgrund der Beratung hindeuten? So Fülbier, GwG, § 11 GwG, Rn. 31, 204 ff. Johnigk bemerkt zutreffend, dass auf diese Weise reine Bankgeschäfte zur Anwaltstätigkeit deklariert werden, in: Herzog / Mülhausen / Johnigk, GwHdb § 51, Rn. 7. 359 Diese Einwände werden in Busch / Teichmann, Das neue Geldwäscherecht, S. 50 ff. dargestellt. 360 BT-Drs. 14 / 9326, S. 1. 361 BT-Drs. 14 / 8739, S. 15. 357 358

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Somit sollte die Auslegung bevorzugt werden, die in dieser Verdachtsmeldepflicht lediglich eine sog. „Gewissheitsmeldepflicht“ sieht. Denn in den Fällen, in denen der Berufsträger positiv weiß, dass seine Dienste zu Geldwäschezwecken in Anspruch genommen werden, geht es nicht mehr um einen Verdacht, sondern um eine Gewissheit in Bezug auf den Missbrauchsvorsatz. Er sollte demgemäss nur dann Anzeige erstatten, wenn der Mandant ihn um Mithilfe bei einer Geldwäschehandlung bittet.362 Durch diese restriktive Auslegung wird der Umfang dieser Pflicht relativiert und nur in extremen Fällen aktiviert, was in Anbetracht des sensiblen Vertrauensverhältnisses wohl geboten scheint. Jedenfalls wird für die Rechtsanwälte und die sonstigen neu verpflichteten Berufe ein gesondertes System zur Verdachtmeldung eingerichtet (§ 11 Abs. 4 GwG). Diese Verdachtsanzeigen sind dementsprechend nicht, wie bei den Instituten, an die Strafverfolgungsbehörden, sondern an die jeweiligen Bundesberufskammern zu richten. Dabei sei daran erinnert, dass die Idee, den Berufskammern eine solche Befugnis zur Entgegennahme von Verdachtsanzeigen zuzusprechen, nicht neu ist. Sie wurde auch im Rahmen der Verabschiedung des Geldwäschegesetzes diskutiert; zum damaligen Zeitpunkt waren jedoch die Umstände für die Akzeptanz einer so weitgehenden Pflicht für rechtsberatende Berufe noch nicht ausgereift, so dass diese „Kammerlösung“ verworfen wurde.363 Bei der Entgegennahme einer Verdachtsmeldung können die Kammern Stellung nehmen; sie haben das Recht, den Meldenden zu diesem Zweck anzuhören, sie sind jedoch verpflichtet, diese Meldung an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten, auch wenn sie dazu ein negatives Votum bezüglich des Inhalts der Meldung liefern. Durch eine derartige Einbindung der Berufskammern in das System der Verdachtsanzeigen solle ihnen keine quasi-staatsanwaltschaftlichen Befugnisse zuerkannt werden; der Bewegungsgrund für diese Einbindung sei vielmehr darin zu sehen, dass durch die Entgegennahme von allen Verdachtsmeldungen ein Überblick und ein Erfahrungswissen über die Gefährdung der jeweiligen Berufsgruppen gesammelt werde. Dieses Erfahrungswissen dürfe im nächsten Schritt dazu beitragen, dass die Kammern ihre Mitglieder rein präventiv besser über mögliche Geldwäschegefahren unterrichten und diesbezüglichen Rat erteilen könnten.364 Diese Regelung erscheint allerdings wenig sinnvoll. Dass die neuen Verpflichteten die Verdachtsanzeige an ihre Berufskammern richten und nicht direkt an die Strafverfolgungsbehörden, würde ihre Zurückhaltung gegenüber dieser weitgehenden Pflicht nicht beseitigen. Das Recht auf Stellungnahme hat die Berufskammer sowieso immer, wenn ihre Mitglieder bei der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeiten betroffen sind. Schließlich wird eine besser substantiierte Unterrichtung über Herzog / Mülhausen / Johnigk, GwHdb § 52, Rn. 72 ff. s. oben 4. Kap. B. IV. 364 Dadurch wird eine Verbesserung der Verdachtsanzeigen erwartet, in: BT-Drs. 14 / 8739, S. 16. Wie dies genau geschehen soll, bleibt jedoch unklar. 362 363

414 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

die Geldwäschegefahren und -typologien von der im BKA neu eingerichteten Zentralstelle für Verdachtsanzeigen erfolgen, die unter anderem dafür zuständig ist. Konsequenter wäre somit eine Regelung, die den Berufskammern eine Auswertung der eingegangenen Anzeigen erlauben würde, so dass sie aufgrund der Sachnähe zu den berufsspezifischen Geldwäscherisiken selbst entscheiden würden, welche Verdachtsmeldungen weiterzuleiten sind und welche nicht. Durch die zu Recht als „Poststellenlösung“ bezeichnete Lösung wird den Berufskammern die symbolische Rolle des „Intermediären“ zwischen den Berufsträgern und den Strafverfolgungsbehörden zu. Die Folge ist lediglich eine unnötige, zusätzliche Bürokratisierung des gesamten Verdachtsanzeigensystems. Die Einbeziehung der neuen Berufsgruppen in die Anzeigepflicht wird durch den ausdrücklichen Verweis auf das Unterrichtungsverbot abgerundet, das für die sonstigen Verpflichteten bereits galt (§ 11 Abs. 5 GwG). Demnach dürfen die Angehörigen der rechtsberatenden Berufe den Mandanten nicht über die erstattete Anzeige in Kenntnis setzen. Die Ausdehnung auch des Unterrichtungsverbots auf die neu verpflichteten Berufsträger stellte allerdings keine zwingende Vorgabe der EG-Antigeldwäscherichtlinie dar. Der europäische Gesetzgeber hat diesbezüglich den Mitgliedstaaten den Freiraum gewährt, dieses Thema nach Belieben zu regeln. Der deutsche Gesetzgeber hat somit nicht von der Option Gebrauch gemacht, das Unterrichtungsverbot für diese Berufsgruppen aufzuweichen. Begründet wurde dies wieder in Rückgriff darauf, dass es auch in diesem Fall kein schützenswertes Vertrauen des einzelnen Mandanten gebe, den Anwalt „als wissendes Werkzeug bei der Geldwäsche nutzen zu können“. Die Vertraulichkeit, die für jede Rechtsberatung grundlegende Voraussetzung sei, erleide daher als Prinzip keinen Schaden, wenn in diesen Fällen die Anzeige erfolge, ohne dass dies dem Mandanten offenbart werde.365 Diese Regelung hat zu Recht viel Kritik geerntet. Gerügt wurde, dass selbst die Existenz einer Verdachtsanzeigepflicht von Rechtsanwälten gegenüber ihren Mandanten mit dem Vertrauensverhältnis nicht zu vereinbaren sei. Wenn jedoch im Zuge der Intensivierung der Bemühungen um Geldwäschebekämpfung diese Pflicht formuliert werde, überschreite dieses Unterrichtungsverbot die Grenzen nicht nur des Zumutbaren, sondern auch des verfassungsrechtlich Zulässigen. Durch das Verbot, den Mandanten nach der Erstattung einer Verdachtsanzeige diesbezüglich zu informieren, werde in das Anwalts-Mandanten-Verhältnis Misstrauen gesät. Zudem würden durch dieses Verbot nicht nur die anwaltlichen Verschwiegenheitspflichten, sondern auch das standesrechtliche Verbot zur Wahrnehmung widerstreitender Interessen auf eine unverhältnismäßige Weise tangiert. Diese Kritikpunkte entsprechen in weiten Teilen dem Inhalt eines Änderungsantrags eines Abgeordneten der Bundestagsfraktion der Grünen, auf eine Ausnahme der rechtsberatenden Berufe vom Unterrichtungsverbot.366. Dieser Antrag wurde allerdings abgelehnt. 365 BT-Drs. 14 / 8739, S. 16; zustimmend auch Herzog / Mülhausen / Teichmann / Achsnich, GwHdb § 31, Rn. 76.

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Der Grund für das Festhalten am Unterrichtungsverbot ist nicht nur die theoretische Erwägung, in den Fällen einer erstatteten Verdachtsanzeige habe der Mandant kein schutzwürdiges Interesse. Darüber hinaus wollte der Gesetzgeber mit dieser Regelung vermeiden, dass der potentielle Geldwäscher durch seine Informierung entsprechende Maßnahmen ergreifen kann, um sich und die Verbrechensgewinne dem Zugriff der Strafverfolgung zu entziehen.367 Dies wird jedoch ebenso wegen oder trotz des Unterrichtungsverbots passieren: denn bei einer Erstattung einer Verdachtsanzeige und, um sein eigenes Strafbarkeitsrisiko auszuschließen, wird der Rechtsanwalt verpflichtet sein, ohne irgendeine Begründung das Mandat niederzulegen. Dies könnte ohne Zweifel den Mandanten auf den Gedanken bringen, dass gegen ihn eine Anzeige erstattet würde oder, dass er wegen des Geldwäscheverdachts überwacht werde. Somit wäre er so oder so in der Lage, seine Geldwäschepläne zeitlich zu verschieben oder sachlich auf einen weniger gefährlichen Bereich zu verlagern. Im Ergebnis scheint also dieses Unterrichtungsverbot nicht nur mit dem Anwalts-Mandanten Vertrauensverhältnis schwer verträglich; es entpuppt sich auch als ineffizient. Nach alledem kann bekräftigt werden, dass die Aufnahme dieser Berufsgruppen in den Pflichtenkreis des GwG besondere Probleme für die berufliche Praxis der betroffenen Personen aufwirft. Diese Probleme beschränken sich jedoch nicht auf theoretische Überlegungen über den Umfang des Rechts auf freie Berufsausübung oder über den Schutz dieses Vertrauensverhältnisses. Diese Probleme können auch den beruflichen Alltag unverhältnismäßig erschweren. Es besteht z. B. Konsens darüber, dass das Geldwäschebekämpfungsrecht extrem schwer zu überblicken ist, vor allem von Personen, die sich nicht damit auseinandergesetzt haben. Somit stellt der staatliche Anspruch, mit diesem hoch komplexen und speziellen Regelungsinstrumentarium vertraut zu werden, einen unverhältnismäßigen Aufwand für die betroffenen Berufsträger dar. Der Versuch, diesen Aufwand immer im Hinblick auf die entsprechenden Vorgaben der EG-Richtlinie zu rechtfertigen, kann nicht als gelungen gelten; denn der deutsche Gesetzgeber hat in einigen Fällen bestehende Freiräume nicht genutzt und dagegen Regelungen geschaffen, deren praktischer Nutzen sich schwer erschließt.368 Darüber hinaus wird durch die weiten Pflichten ein allgemeines, gegenseitiges Misstrauensklima begünstigt, das sich für alle nachteilig auswirkt. Die Berufsträger werden sehr zurückhaltend in der Wahrnehmung ihrer Pflichten sein, was auch ihre finanzielle Situation mit Gewissheit beeinflussen wird. Die Mandanten ihrerseits können die ihnen anerkannten Rechte möglicherweise nur eingeschränkt ausüben, denn sie werden sich ihrem Rechtsberater gegenüber nicht offenbaren können. Daran wird potentiell die gesamte staatliche Rechtspflege leiden. Diese Erkenntnis, unterstützt durch entsprechende empirische Daten, welche die Effi366 367 368

BT-Drs. 14 / 9326, Änderungsantrag des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele. BT-Drs. 14 / 8739, S. 16. So auch von Galen, NJW 2003, S. 117, 119.

416 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

zienz der Einbeziehung dieser Berufsgruppen in Frage stellt, führt zum Schluss, dass die durch dieses Gesetz statuierten Pflichten für die rechtsberatenden Berufe nur Probleme schaffen und zu einer effektiven Geldwäschebekämpfung nichts beitragen können.

IV. Neue Strafverfolgungsbehörde? Auch organisatorische Maßnahmen spielen bei den Anstrengungen zur Verbesserung der Geldwäschebekämpfung eine zentrale Rolle. Neben den internen organisatorischen (Sicherungs-)Maßnahmen, die weiter unten angesprochen werden, wollte man auch die staatlichen Organisationsstrukturen straffen. Diesem Zweck dient der neue § 5 GwG. Dadurch wird eine am BKA angesiedelte Zentralanalyse- und Informationsstelle für Verdachtsanzeigen eingerichtet. Die Idee einer Zentralstelle, welche die gesamte Geldwäschebekämpfung staatlicherseits koordiniert, stellt keinen Einfall des deutschen Gesetzgebers dar. Bereits die erste Fassung der FATF-Empfehlungen sah eine Verpflichtung der Staaten zur Gründung einer Stelle, einer sog. „Financial Intelligence Unit“ (FIU) vor, die in der Lage wäre, die unterschiedlichen Maßnahmen zur Verfolgung und zur Prävention gegen Geldwäsche zu koordinieren sowie die verschiedenen Erkenntnisse auszuwerten. Im Rahmen dieser Aufgaben könnte sie dann die sonstigen damit befassenden Stellen informieren. Es wurde auch bereits erwähnt, dass der Rat der Europäischen Union, deren Mitgliedstaaten auch FATF-Mitglieder sind, einen verbindlichen Beschluss gefasst hat, um die Zusammenarbeit zwischen den jeweiligen nationalen Zentralstellen zu regeln und zu verbessern.369 Die Vorgaben dieses Beschlusses greifen auf die empirisch gesicherte Erkenntnis zurück, dass es bei Geldwäschehandlungen sehr oft um länderübergreifende und grenzüberschreitende Sachverhalte geht, die eine entsprechende interstaatliche Kooperation, vor allem auf der Ebene des Informationsaustausches, erfordern. Zu diesem Zeitpunkt und zur Umsetzung dieses Beschlusses wurde in Deutschland im BKA die „Gemeinsame Finanzermittlungsgruppe BKA / ZKA“ errichtet. Handlungsgrundlage dieser Gruppe war eine Verbunddatei, in die Informationen von Ermittlungen von den jeweiligen Landeskriminalämtern und anderen Behörden Informationen zu Ermittlungen sowie die erstatteten Verdachtsanzeigen eingeflossen sind.370 Im Vorbereitungsstadium des vorliegenden Gesetzes gab es bereits Überlegungen, diese Organisationseinheit aus dem BKA herauszulösen und sie als quasi-gewerbeaufsichtsrechtliches Instrumentarium in die BaFin zu integrieren. Diese Gedanken wurden allerdings nicht weiter verfolgt, zum einen, weil es bei 369 ABl. EG Nr. L 271 v. 24. 10. 2000, S. 4; mehr dazu in Herzog / Mülhausen / Teichmann / Achsnich, GwHdb § 29, Rn. 16 ff. 370 BT-Drs. 14 / 8739, S. 13.

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den Verdachtsanzeigen, die von dieser Stelle ausgewertet werden sollten, nicht um eine gewerbeaufsichtsrechtliche Maßnahme geht; zum zweiten, weil es einfacher wäre, eine im BKA bereits existierende Stelle weiter auszubauen, statt eine neue zu errichten.371 Der neue § 5 GwG enthält somit Regelungen zur Organisation, den Aufgaben und den Befugnissen der neuen Zentralstelle. Was die organisatorische Stellung angeht, wird ausdrücklich der unterstützende Charakter geregelt: die Zentralstelle soll die Polizeien des Bundes und der Länder bei der Verhütung und Verfolgung der Geldwäsche und der Finanzierung des Terrorismus unterstützen (§ 5 Abs. 1 GwG). Diese Klarstellung will Bedenken der Länder ausräumen, durch die Einrichtung einer Zentralstelle beim BKA würde ihre vorrangige Strafverfolgungskompetenz tangiert.372 Die Norm impliziert somit, dass dieser Zentralstelle außer von den bereits existierten Ermittlungsrechten (bei Fällen mit länderübergreifendem Charakter) keine eigenen Ermittlungsrechte zuerkannt werden. Anschließend werden die Aufgaben der deutschen FIU näher beschrieben: Die wichtigste Aufgabe ist in der Sammlung und Auswertung der Verdachtsanzeigen nach § 11 GwG zu sehen. In diesem Rahmen werden auch Abgleiche mit bei anderen Stellen gespeicherten Daten vorgenommen. Dabei geht es um das sog. „Clearing-Verfahren“, das den Strafverfolgungsbehörden bei ihren weiteren Ermittlungen helfen soll. In diesem Zusammenhang muss jedoch betont werden, dass das Clearing-Verfahren, (also die Abklärung des Sachverhalts dahingehend, ob ein Anfangsverdacht begründet werden kann), weiterhin in der originären Zuständigkeit der Finanzermittlungsdienststellen der Bundesländer bleibt. Die FIU wird allerdings einen Überblick über das nationale Anzeigeaufkommen haben, so dass sie die jeweils zuständigen Strafverfolgungsbehörden informieren kann, ob z. B. eine Verdachtsanzeige gegen eine bestimmte Person in mehreren Bundesländern erstattet wurde. Die Ergebnisse dieses Verfahrens sollen insb. in die zu erstellenden Lagebilder und Typologien einfließen, durch welche die FIU die Meldepflichtigen über neue Geldwäschemethoden informieren wird. Mit diesem Clearing-Verfahren korrespondiert die Pflicht aller Meldepflichtigen, neben der Erstattung einer Verdachtsanzeige bei der jeweils zuständigen Strafverfolgungsbehörde, eine Kopie dieser Verdachtsanzeige an die Zentralstelle zu übermitteln (§ 11 Abs. 1 GwG). Diese Regelung war im Gesetzgebungsverfahren besonders umstritten. Der Bundesrat hat in diesem Zusammenhang bekräftigt, dass die bloße Übermittlung von Verdachtsanzeigen, die noch nicht von den Länderbehörden ausgewertet wurden, wenig sinnvoll sei. Die Bundesregierung hat dage-

371 Jahn, ZRP 2002, S. 109, 110; nach Hetzer, ZRP 2002, S. 407, 413 beruht die Einrichtung einer Zentralstelle beim BKA auf einem antiquierten (Un-)Verständnis des Umfangs, der Methoden, der Wirkungen und der Bedeutung der Geldwäsche. 372 Diese Bedenken bringt der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung klar zum Ausdruck, s. BT-Drs. S. 14 / 9043, S. 9.

418 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

gen an dieser „Kopielösung“ festgehalten, weil nur auf diese Weise die Zentralstellenfunktion wahrgenommen werden könne.373 Durch die aus verschiedenen Quellen gewonnenen Erkenntnisse soll die Zentralstelle die Strafverfolgungsbehörden des Bundes und der Länder über die in Erfahrung gebrachten Zusammenhänge von Straftaten unterrichten (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 GwG). Bekommt z. B. die Zentralstelle Informationen von einer ausländischen Stelle, die für ein laufendes Ermittlungsverfahren möglicherweise von Bedeutung sein könnten, werden diese Informationen an die zuständige Strafverfolgungsbehörde weitergeleitet. Darüber hinaus werden in § 5 GwG weitere Aufgaben der FIU beschrieben, die sich auf die Auswertung von Verdachtsanzeigen beziehen: die FIU ist demnach mit der Erfassung einer Statistik über Anzahl und Inhalt der Verdachtsanzeigen (Nr. 3), mit der Veröffentlichung eines Jahresberichts (Nr. 4) und zuletzt mit der weiteren Informierung der Meldepflichtigen (Nr. 5) betraut. Diese Informierung ist jedoch nicht als eine Rückmeldungspflicht der Behörde an die Anzeige erstattende Stelle konzipiert. Anschließend wird die Zusammenarbeit mit den Zentralstellen anderer Staaten normiert (§ 5 Abs. 2 GwG). Zur Klarstellung wird auch festgelegt, dass diese Zentralstelle nach § 5 GwG eine Zentralstelle im Sinne des Artikels 2 Abs. 3 des Beschlusses des Rates der Europäischen Union über Vereinbarungen für eine Zusammenarbeit zwischen den zentralen Meldestellen der Mitgliedstaaten beim Austausch von Informationen ist. Durch eine Regelung mit einem mehrmaligen Verweis auf entsprechende Vorschriften des Bundeskriminalamtsgesetzes, werden auch die Befugnisse der Zentralstelle in Bezug auf die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung von personenbezogenen Daten konkretisiert. Prinzipiell ist die Zentralstelle befugt, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist, bei allen öffentlichen und nicht öffentlichen Stellen solche Daten zu erheben. Lediglich bei anhängigen Strafverfahren wird diese Befugnis nur im Einvernehmen mit der zuständigen Strafverfolgungsbehörde ausgeübt. Die Zentralstelle ist auch eine auskunftsberechtigte Behörde nach § 24c Abs. 3 S. 1 KWG: wie bereits erwähnt, kann sich die Zentralstelle zur Erfüllung ihrer Aufgaben an die BaFin melden und über das von Kreditinstituten eingerichtete automatisierte Kontenabrufverfahren Konto- und Kundendaten erhalten. Im entsprechenden Kapitel wurde bereits angemerkt, dass das Missbrauchspotential dieses Abrufverfahrens darin zu sehen ist, dass zukünftig immer mehr staatliche Stellen für auskunftberechtigt erklärt werden, so dass eine unverhältnismäßige Überwachung von Kontoinformationen zu befürchten ist. Die Anerkennung dieser Befugnis für die Zentralstelle für Verdachtsanzeigen scheint diese Befürchtung zu bestätigen. Schließlich regelt § 5 Abs. 4 GwG die Verpflichtung der Zentralstelle als entgegennehmende Stelle von personenbezogenen Informationen zur Beachtung von 373

BT-Drs. S. 14 / 9043, S. 9.

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Verwendungsbeschränkungen der übermittelnden Stellen. Zugleich wird der Zentralstelle die Befugnis eingeräumt, entsprechende Einschränkungen und Auflagen für die Verwendung der übermittelten Daten zu einem konkreten Zweck zu bestimmen. Die Gründung der FIU sowie ihre bisherigen Tätigkeiten sind allgemein und auf dem ersten Blick positiv zu bewerten. Die Existenz einer Zentralstelle, die einen Überblick über die Maßnahmen zu Geldwäschebekämpfung im Inland hat, kann tendenziell zu einer Verbesserung der Geldwäschebekämpfung beitragen. Vor allem die Jahresberichte der FIU bieten rechtstatsächliche Erkenntnisse, die für die Evaluierung der verschiedenen rechtlichen und faktischen Maßnahmen gegen die Geldwäsche sehr aufschlussreich sein können. Dies räumt aber noch nicht bestimmte Kritikpunkte aus, die eher auf eine längerfristige Betrachtung der Geldwäschebekämpfung zurückgehen: mit der Schaffung einer neuen Behörde, die nicht als eine reine Strafverfolgungsbehörde, sondern als eine koordinierende Stelle fungiert, wird die Geldwäschebekämpfung weiter bürokratisiert. Diese Tendenz wird durch die Regelung bestätigt, wonach die Meldepflichtigen eine Kopie ihrer Verdachtsanzeige an eine zusätzliche Stelle weiterleiten sollen. Abgesehen von dem Mehraufwand für die Meldepflichtigen, erschließt sich kein Mehrwert für die gesamte Geldwäschebekämpfung.374 Dadurch wird die Strafverfolgungskompetenz der Länder zwar nicht unmittelbar tangiert. Denn der FIU werden nicht solche Befugnisse zuerkannt, die diese Behauptung stützen könnten, wie z. B. ein eigenes Ermittlungsrecht bei normalen Geldwäscheverfahren ohne Auslandsbezug und ohne Teilnahme der Länderbehörden usw. Dennoch erscheint die Vermutung, dass die FIU allmählich zu einer Art „Ober- oder Überbehörde für Geldwäscheangelegenheiten“ wird, nicht fern liegend. Aufgrund des komplexen Regelungsinstrumentariums der Geldwäschebekämpfung und der entsprechend zu erwartenden Unkenntnis der Länderbehörden kann behauptet werden, dass die Kooperation zwischen der Zentralstelle und den Länderbehörden von der ersten dominiert wird. Darin ist eine Tendenz zur Zentralisierung der Strafverfolgung, die bereits durch die Erweiterung der Befugnisse des BKA im Zuge der Terrorismusbekämpfung zum Ausdruck kam, nicht mehr zu bezweifeln. Diese Tendenz hat sowohl symbolisch-theoretische als auch praktische Auswirkungen, die in diesem Zusammenhang jedoch nicht weiter diskutiert werden können; sie ist jedenfalls symptomatisch für eine Neuorientierung des modernen Bekämpfungsrechts.

374 So auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme, BT-Drs. 14 / 9043, S. 4; Reiner, KR 2002, S. 443 ff.

420 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

V. Neue Nachforschungspflicht der Kreditinstitute Bei der Verabschiedung des Geldwäschegesetzes wurde bereits eine Pflicht für die Kreditinstitute in Bezug auf die Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten formuliert (§ 8 GwG). Diese Verpflichtung entsprach der Erkenntnis, dass durch Strohmännergeschäfte die Identifizierung und somit die Verfolgung der Papierspur erheblich erschwert wird. Bis zu diesem Zeitpunkt waren also die Mitarbeiter der Kreditinstitute verpflichtet, Fragen zu stellen, um festzustellen, ob der zu Identifizierende auf eigenen Namen handelt. Falls dies nicht der Fall war, sollte der Kunde Angaben bezüglich der Identität des sog. wirtschaftlich Berechtigten machen. In dieser Nachfrage erschöpfte sich allerdings die Pflicht der Kreditinstitute. Die vorgetragenen Angaben der Kunden wurden als wahr unterstellt, sofern sie nicht völlig abwegig waren.375 Das ändert sich durch das Geldwäschebekämpfungsgesetz. Von den Kreditinstituten wird nunmehr ein aktives Tun verlangt, um sich Sicherheit bezüglich der Identität des wirtschaftlich Berechtigten zu verschaffen. Das wird vor allem im Fall von bestimmten Kontenarten erforderlich, wie z. B. bei Treuhand-, Sammeloder Anderkonten. Demgemäß wird eine Nachforschungspflicht aktiviert, wenn die Kreditinstitute im Rahmen einer bestehenden Geschäftsbeziehung oder bei der Durchführung einer Transaktion i. S. d. § 2 Abs. 2 GwG Zweifeln daran hegen, dass der Kunde für eigene Rechnung handelt. In diesem Fall sind seitens des betroffenen Instituts angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um die wahre Identität des wirtschaftlich Berechtigten festzustellen. Allerdings verlangte das damalige BAKred bereits seit 1998 solche Maßnahmen, falls zweifelhaft war oder die Gewissheit bestand, dass der zu Identifizierende entgegen seinen Angaben nicht für eigene Rechnung handelte.376 Die Frage, die in diesem Zusammenhang vom gesetzlichen Wortlaut nicht beantwortet wird, ist, welche Maßnahmen zu diesem Zweck angemessen sind. Ausweislich der Entwurfsbegründung richtet sich die Angemessenheit der Maßnahmen nach der Intensität und Bedeutung der Geschäftsbeziehung bzw. der Transaktion, bei deren Abwicklung diese Zweifel aufgekommen sind. Gleichzeitig werde zu berücksichtigen sein, welche Erkenntnismöglichkeiten dem Pflichtigen zur Klärung des Sachverhalts zur Verfügung stehen.377 Damit wird für die Mitarbeiter von Kreditinstituten ein Beurteilungsspielraum eröffnet: während es in einigen Konstellationen ausreichend wäre, den Kunden mit den aufgekommenen Zweifeln zu konfrontieren, wäre bei anderen Sachverhalten vielmehr erforderlich, über die Angaben des Kunden hinaus im eigenen Institut nachzuforschen. In bestimmten Situationen kann auch die Beschaffung von Informationen durch Dritte unumgäng375 376 377

Herzog / Mülhausen / Teichmann / Achsnich, GwHdb § 32, Rn. 11. Fülbier / Langweg, GwG, § 8 GwG, Rn. 5, 14. BT-Drs. 14 / 8739, S. 14.

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lich sein, um die Plausibilität der Angaben und der Hintergründe der Geschäftsbeziehung oder der Transaktion zu überprüfen.378 Während die Nachforschung im eigenen Unternehmen unproblematisch sein soll379, stößt die Nachforschungspflicht auf Schwierigkeiten, soweit dabei Dritte mitwirken sollen. Denn es bleibt unklar, auf welcher Grundlage diese Dritten kundenbezogene Daten bei einer entsprechenden Abfrage eines Kreditinstituts übermitteln dürfen.380 Zudem kann man sich vorstellen, dass diese Kreditinstitute geneigt wären, sich auf ihre Verschwiegenheitspflichten zu berufen, um ihre Kunden zu schützen. Eine derartige Weiterleitung von sensiblen Kundeninformationen an eine andere Bank könnte eine Vertragsverletzung darstellen und somit die abgefragte Bank mit Schadensersatzansprüchen des betroffenen Kunden belasten. Diese Schwierigkeiten mögen noch größer sein, wenn es um Kreditinstitute geht, die aus dem Ausland und vor allem im nicht-europäischen Bereich operieren, wo Bankensysteme sehr unterschiedlich funktionieren. Darüber hinaus wird die Unsicherheit nicht behoben in Bezug auf die Parameter, die Zweifel über die wahre Identität des wirtschaftlich Berechtigten rechtfertigen sowie hinsichtlich des Risikos einer Geldwäschestrafbarkeit in der Form der leichtfertigen Begehung für die Bankmitarbeiter. Dieser Umstand kann zu einem unkontrollierten Anzeigeverhalten führen, um eine eventuelle Strafbarkeit auszuschließen. Die Nachteile der Überflutung der Strafverfolgungsbehörden mit irrelevanten Verdachtsanzeigen wurden bereits an mehreren Stellen erläutert. Während die Nachforschungen die Identifizierungspflicht in Bezug auf den wirtschaftlich Berechtigten tatsächlich erweitern, führt eine Novellierung des § 8 Abs. 1 S. 1 GwG zu einer nicht zu unterschätzenden Entlastung der Kreditwirtschaft. Demnach knüpft nunmehr die Pflicht zur Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten nicht an jede Bargeldtransaktion an, sei es Bargeldannahme oder -auszahlung, sondern an den Abschluss des Vertrags zur Begründung einer auf Dauer angelegten Geschäftsbeziehung. Die Feststellung der Identität des wirtschaftlich Berechtigten wird also auf den Anfang der Geschäftsbeziehung zwischen Institut und Kunden vorgelagert, so dass der unnützliche Aufwand einer erneuten Identifizierung bei jeder Transaktion vermieden wird. Diese Änderung trägt nicht nur zur Entlastung der Verpflichteten, sondern auch zur Entbürokratisierung und somit zur Effizienz der entsprechenden Normen. Die wiederholende Nachfrage nach der Identität des wirtschaftlich Berechtigten und die entsprechende Aufzeichnung der Daten hat bislang zu keinem zusätzlichen 378 Fülbier / Langweg, GwG, § 8 GwG, Rn. 15 ff. sieht auch diesbezüglich enge Grenzen dieser Nachforschungspflicht; werden die Zweifel auch nach der Nachforschung nicht ausgeräumt, ist die Durchführung der Transaktion oder die Eröffnung des Kontos vom Kreditinstitut abzulehnen. 379 Diese Nachforschungspflicht korrespondiert mit den erweiterten internen Sicherungsmaßnahmen, die im § 14 GwG niedergeschrieben sind und Monitoring-Verfahren vorsehen. 380 Herzog, FS für Kohlmann, S. 427, 441.

422 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

Erkenntnisgewinn geführt. Anders jedoch verhält es sich mit der Nachforschungspflicht in Zweifelsfällen. Diese Vorschrift scheint zu einem großen Teil eine nur symbolische Funktion zu haben. Auf diese Weise wollte der europäische381 und nationale Gesetzgeber den Kreditinstituten klarmachen, dass sie die Identifizierungspflichten nicht nur durch Abfrage von Angaben, also routinemäßig erfüllen dürfen, sondern vielmehr solche Angaben auf ihre Wahrheit hin überprüfen sollen. Obwohl die ordnungswidrige Erfüllung dieser Nachforschungspflicht nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 GwG bußgeldbewehrt ist, kann sich jedoch das verwickelte Institut immer darauf berufen, dass es die angemessenen Maßnahmen zur Feststellung der Identität ergriffen hat, diese jedoch ohne eigenes Verschulden erfolglos geblieben sind.

VI. Neue Aufzeichnungsmethoden? Das Geldwäschebekämpfungsgesetz enthält auch eine Neuerung in Bezug auf das Aufzeichnungsverfahren der nach der Identifizierung getroffenen Feststellungen (§ 9 GwG). Dementsprechend wird klargestellt, dass diese Aufzeichnung alternativ durch eine Kopieanfertigung der Ausweispapiere der zu identifizierenden Person oder durch andere Aufzeichnungsmethoden, wie eine manuelle Aufzeichnung (Niederschrift) oder eine EDV-Erfassung vorzunehmen ist.382 Die Frage, wie die Aufzeichnung der Angaben der Kunden am besten zu gestalten ist, war im Gesetzgebungsverfahren umstritten. Die ursprüngliche Regelung im Regierungsentwurf sah die Anfertigung einer Ausweiskopie nur dann vor, wenn der Betroffene damit einverstanden gewesen ist.383 Die Anknüpfung an das Einverständnis des Kunden und somit des potentiellen Geldwäschers wurde vom Bundesrat als ein Rückschritt gegenüber der damaligen Rechtslage bewertet; vorgeschlagen wurde eine Regelung, welche die Kreditinstitute verpflichten würde, in jedem Fall und ohne die Einwilligung des Kunden Kopien der Ausweispapiere anzufertigen. Als Argument wurde dabei vorgebracht, dass vor allem bei der Transkription der Schreibweise asiatischer und arabischer Namen unterschiedliche Übertragungen anerkannt seien, so dass eine maschinelle Kopieanfertigung zu einer sichereren Identifizierung beitragen würde.384 Dem Vorwurf eines Rückschritts im Vergleich zur bisherigen Rechtslage hat die Bundesregierung entgegnet, indem sie bei der Erweiterung der Identifizierungsund somit der Aufzeichnungspflichten auf die Begründung von kontobezogenen Geschäftsbeziehungen nach § 154 AO hingewiesen hat, die bis zu diesem Zeit381 Denn diese Regelung geht auch auf die Vorgaben der Art. 3 Abs. 7 und 8 der 2. EGAntigeldwäscherichtlinie zurück. 382 Fülbier / Langweg, GwG, § 9 GwG, Rn. 8 ff. 383 BT-Drs. 14 / 8739, S. 15. 384 BT-Drs. 14 / 9043, S. 3.

G. Das Geldwäschebekämpfungsgesetz

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punkt vom GwG nicht abgedeckt wurden. Die Kopie als bindende Verpflichtung erscheint nach Ansicht der Bundesregierung nicht sachdienlich und zwar aus zwei Gründen: zum einen würden auf diese Weise datenschutzrechtliche Gesichtspunkte nicht berücksichtigt und dem Recht des Kunden auf informationelle Selbstbestimmung nicht hinreichend Rechnung getragen; zum zweiten würde durch die bindende Anfertigung von Kopien die manuelle Aufzeichnung oder andere, in der Zukunft zu entwickelnde Aufzeichnungsmethoden ohne Not ausgeschlossen. Somit ist eine Regelung Gesetz geworden, die das Einverständnis des Kunden nicht voraussetzt, sondern es dem Verpflichteten überlässt, eine Kopie anzufertigen oder die Angaben auf andere Weise aufzuzeichnen. Diese Vorschrift ist vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Struktur und Arbeitsweise der verpflichteten Institute und der sonstigen Berufsträger flexibel. Dennoch kann sie nicht ohne Kritik bleiben. Erstens wird durch die Streichung der Voraussetzung des Einverständnisses des Kunden sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung verkürzt. Dieser Umstand wiegt umso schwerer, weil es sich dabei um eine Erfassung von personenbezogenen Daten bei Privaten handelt, bei denen die entsprechenden Kontrollmöglichkeiten im Vergleich zu staatlichen Stellen erheblich reduziert sind. Die Möglichkeit des Bankmitarbeiters, je nach den Umständen die Aufzeichnungsmethode selbst auszuwählen, kann – allerdings nur in Grenzfällen – sein Strafbarkeitsrisiko wegen leichtfertiger Geldwäsche erhöhen, z. B. in dem Fall, in dem er die Aufzeichnung manuell, aber fehlerhaft vorgenommen hat und aus diesem Grunde die Papierspur nicht mehr zu verfolgen ist, während die Anfertigung einer Kopie nicht nur leicht, sondern auch aufgrund der äußeren Umstände geboten gewesen wäre. Nach alledem führt diese Vorschrift keine neue Aufzeichnungsmethode ein, sondern eröffnet für den Verpflichteten einen Entscheidungsspielraum, wie die Aufzeichnung vorzunehmen ist. Die Anknüpfung der Kopieanfertigung an das entsprechende Einverständnis des Kunden wäre allerdings wünschenswert.

VII. Neue Verdachtsanzeigepflicht Die Erweiterung der Verdachtsanzeigepflicht für die bereits in die Geldwäschebekämpfung einbezogenen Kreditinstitute und Personen stellt ohne Zweifel einen Eckpfeiler des Geldwäschebekämpfungsgesetzes dar. Diese Erweiterung bezieht sich auf verschiedene Komponenten der Verdachtsanzeigepflicht. Es wurde bereits erwähnt, wie mit der Aufnahme neuer Berufsgruppen, vor allem der rechtsberatenden Berufe, diese Pflicht nunmehr einen viel weiteren Adressatenkreis erhalten hat. Angesprochen wurde auch die Erweiterung der Verdachtsanzeigepflicht für die Empfänger der Verdachtsanzeigen, die sich mit der Gründung der Zentralstelle für Verdachtanzeigen vollzog. Aber selbst der inhaltliche Umfang der Verdachtsanzeigepflicht wurde ausgebaut: nach § 11 Abs. 1 S. 2 GwG ist nunmehr ein Insti-

424 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

tut zur Anzeige verpflichtet, wenn Tatsachen darauf schließen lassen, dass eine Finanztransaktion der Finanzierung einer terroristischen Vereinigung nach § 129a StGB in Verbindung mit § 129b StGB dient oder im Falle der Durchführung dienen würde.385 Dieser Satz bringt die gesetzgeberische Zielsetzung zum Ausdruck, das Konzept der Finanzkontrolle des Geldwäschegesetzes neben der Geldwäschebekämpfung auch zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung einzusetzen. Diese Zielsetzung ist nicht zuletzt im Langtitel des neuen Gesetzes abzulesen (Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Geldwäsche und der Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus). Diese grundlegende Entscheidung des deutschen Gesetzgebers hängt zum großen Teil mit Entwicklungen im internationalen Bereich zusammen. Den Anstoß dafür haben die terroristischen Anschläge vom 11. September 2001 und die anschließenden acht Sonderempfehlungen der FATF zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom Oktober 2001 gegeben. Allerdings mündete die ökonomische Betrachtung des Terrorismus bereits vor diesen Ereignissen in Normen des internationalen Rechts; ein Beispiel dafür liefert das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Finanzierung des Terrorismus.386 Diese ökonomische Betrachtung verspricht einer erfolgreichen Bekämpfung der terroristischen Bedrohung durch eine Austrocknung der Finanzströme, deren sich terroristische Strukturen zur Verfolgung ihrer Ziele bedienen. Bevor man auf die praktischen Schwierigkeiten der Erfüllung der Pflicht seitens der Adressaten eingeht, sollte kurz der Frage nachgegangen werden, ob und wie der Terrorismus finanziert wird sowie welche Schnittmengen diese Finanzierung mit den Geldwäschemethoden aufweist. Erst nachdem einigermaßen gesicherte Anhaltspunkte vorliegen, wie dieser Mechanismus funktioniert, kann man beurteilen, ob die Verdachtsanzeigepflicht in der Praxis Wirkung zeigen kann. Vorab ist zu klären, dass die Finanzierung des Terrorismus nicht lediglich als ein Unterfall der Geldwäsche zu betrachten ist.387 Zum Beweis dieser Behauptung sind unterschiedliche Argumente vorzubringen. Als erster Hinweis normativer

385 Der Verdacht der Terrorismusfinanzierung aktiviert allerdings auch andere Pflichten der Kreditinstitute wie z. B. die Identifizierung unabhängig von der Betragshöhe nach § 6 GwG. 386 Übereinkommen vom 09. 12. 1999, BGBl. II 2003, S. 1923 ff.; in diesen Rahmen fügt sich auch die Neuauflage des Europaratsübereinkommens von 1990 ein, das jetzt auch auf die Finanzierung des Terrorismus anwendbar wird, (Konvention des Europarates betreffend die Verwertung, Suche, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Verbrechen und der Finanzierung des Terrorismus von 03. 05. 2005). 387 Ausführlich zu diesem Thema: Kersten, in: Pieth (Hrsg.), Financing Terrorism, S. 49, 56. Kersten betont den Unterschied zwischen den beiden Phänomenen, nämlich, dass die Geldwäsche an Straftaten anknüpft, die Finanzierung des Terrorismus jedoch nicht bzw. nicht zwangsläufig. Gemeinsam können allerdings gewisse Verschleierungsstrategien sein; dieser Unterschied sei jedoch nach Freeland in: Pieth (Hrsg.), Financing Terrorism, S. 41, 45 nicht überzubewerten, weil es keine internationale terroristische Organisation gebe, die ausschließlich aus legalen Quellen finanziert werde, in: Pieth (Hrsg.), Financing Terrorism, S. 41, 45.

G. Das Geldwäschebekämpfungsgesetz

425

Natur dient die gesetzgeberische Entscheidung, die Pflicht zur Anzeige von Geldwäscheverdacht auf den Verdacht von terroristischer Finanzierung auszudehnen. Wäre die Finanzierung des Terrorismus noch eine Geldwäschemodalität, würde sich eine derartige Ausdehnung erübrigen. Ein anderer grundlegender Unterschied liegt in den andersartigen Motiven, die hinter beiden Tätigkeiten stecken. Die Geldwäsche wird oft als erforderlich für die Existenz und den Ausbau von Strukturen der organisierten Kriminalität beschrieben. Diese Aussage trifft zum größten Teil auch zu, denn das durch Straftaten angehäufte Kapital kann nicht weiter verwendet werden, wenn es nicht legalisiert wird. Es wird also davon ausgegangen, dass Geldwäschehandlungen vor allem durch die organisierte Kriminalität begangen werden.388 Die zentrale Motivation des krimineller Organisationen ist aber das Gewinnstreben und nur längerfristig und mittelbar der Zuwachs an gesellschaftlicher Macht. Im Gegensatz dazu stellt das Geld im Bereich des internationalen Terrorismus vorrangig ein Mittel zu einem politisch-ideologischen Zweck dar.389 Führt man diesen Gedanken weiter, kommt man zum Schluss, dass auch die Abschreckungswirkung der Instrumente zur Geldwäschebekämpfung, vor allem durch die Abschöpfung dieser Gewinne bzw. des Kapitals bei terroristischen Vereinigungen nicht greift. Maßnahmen zur Abschöpfung dieses Kapitals können vielleicht die Organisation oder sogar Einzelaktionen stören, vermögen jedoch die politischen-ideologischen Überzeugungen der potentiellen Täter keineswegs zu beeinflussen.390 Das ist der erste Hinweis, der diese Vermengung zwischen Geldwäsche und Finanzierung des Terrorismus als verfehlt entlarven könnte. Darüber hinaus ist ein bedeutender Unterschied zwischen Geldwäsche und Terrorfinanzierung in dem Ursprung des verwickelten Kapitals zu sehen. Während der Geldwäsche aus Straftaten herrührende Vermögensgegenstände unterliegen, herrscht keine Klarheit darüber wie, also mit welchen Mitteln, der Terrorismus überhaupt finanziert wird. Diesbezüglich liegen widersprüchliche Erkenntnisse vor, was vor dem Hintergrund des geheimen Charakters und des hohen Abschottungsgrades dieser Strukturen nicht überrascht.391 Die Methoden der Finanzierung hängen ebenso mit den unterschiedlichen Erscheinungsformen des Terrorismus zusammen. Während der Terrorismus in den Jahren des kalten Krieges oft staatlich „gefördert“ wurde und somit ein Abbild von ideologischen, politischen und letztendlich geopolitischen Konflikten war, scheint der „neue“ internationale Terroris388 Das bedeutet jedoch nicht, dass einzelne Täter, die mit Strukturen der organisierten Kriminalität nichts zu tun haben, ihre kriminellen Gewinne nicht weiß waschen müssen; aufgrund des begrenzten Umfangs ist jedoch in solchen Fällen die Geldwäsche viel einfacher und unauffälliger durchzuführen, während auch der finanzielle Schaden nicht so groß ist. 389 Busch / Teichmann, Das neue Geldwäscherecht, S. 14. 390 Herzog / Mülhausen / Teichmann / Achsnich, GwHdb § 29, Rn. 42. 391 Die internationale Literatur zur Terrorismusfinanzierung, ihre Quellen und ihre Funktionsweisen ist mittlerweile nicht mehr zu überblicken, eine gute Übersicht des internationalen, jedoch vorrangig US-amerikanischen Schrifttums, in: Kiser, Financing Terror, S. 21 ff.

426 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

mus, in der Form des islamistischen Terrorismus, weitaus kompliziertere Finanzierungswege zu haben.392 In diesem Zusammenhang ist von besonderer Bedeutung die allgemein akzeptierte These, dass die Finanzmittel von diesem Terrorismus nicht nur aus illegalen, sondern auch – und sogar in größerem Maße – aus legalen Quellen herrühren. Die Finanzierung des Terrorismus durch Straftatbegehung lässt sich nicht bezweifeln, allerdings variieren die Schätzungen bezüglich des Umfangs, also des Anteils am gesamten Kapital von terroristischen Vereinigungen.393 Als mögliche Betätigungsfelder werden Kreditkartenbetrügereien, Fälschungen von Identitätspapieren und schließlich die Verwicklung in Strukturen von Schleusungs- und Rauschgiftkriminalität erwähnt.394 Im Fall von diesen inkriminierten Gewinnen ist selbstverständlich eine Geldwäsche möglich; hinsichtlich dieser Gewinne ist damit aber die Finanzierung des Terrorismus als ein zusätzlicher Gesichtspunkt zur Aktivierung des ganzen Bekämpfungsinstrumentariums nicht erforderlich. Besonders wichtig sind jedoch die legalen Quellen, durch die terroristische Vereinigungen finanziert werden.395 Als eine solche Quelle wird in erster Linie das Sammeln von Spendengeldern im Umfeld von islamischen Vereinen („charities“) angeführt.396 Durch die religiöse Pflicht für gläubige Moslems, an Bedürftige zu spenden, werden in Moscheen und anderen religiösen Einrichtungen große Geldsummen gesammelt, die aufgrund der undurchsichtigen Struktur und Funktionsweisen dieser Einrichtungen zu terroristischen Zwecken verwendet werden können.397 Unterstützungszahlungen fließen auch in die terroristischen Kassen durch terrorismusverdächtige Staaten ein, wobei der genaue Ursprung sowie der Umfang solcher Zahlungen nicht zu beziffern ist. Eine andere Einnahmequelle dieses Terrorismus sind letztlich legale Unternehmen sowie das persönliche Vermögen von Mitgliedern.398 Im Fall von solchen Vermögensgegenständen besteht keine Geld392 Piper, Was ist internationaler Terrorismus? Begriffsdiskussion, Geschichte, Organisation und Finanzen eines Gespenstes, abrufbar unter: http: //www.uni-kassel.de/fb5/frieden/ themen/Terrorismus/piper2.html (letzter Zugriff: September 2009). 393 Zum Nexus zwischen Terrorismus und organisierter Kriminalität sehr aufschlussreich: Williams, in: Biersteker / Eckert (Hrsg.), Countering the Financing of Terrorism, S. 126, 145. 394 Herzog / Mülhausen, GwHdb § 42, Rn. 31 in Rückgriff auf Erkenntnisse der FIU. 395 BKA, Zentralstelle für Verdachtsanzeigen, FIU Deutschland, Jahresbericht 2004, S. 34. 396 Herzog / Mülhausen, GwHdb § 42, Rn. 31; Hartmann, KJ 2007, S. 2, 3. 397 Zu nennen ist hier z. B. die „International Islamic Relief Organisation“ mit Sitz in Oxford und Niederlassungen in Schweden, den Niederlanden, Deutschland und in der Schweiz; dazu mehr in Roth, Netzwerke des Terrors, S. 193 ff. 398 Es wird z. B. vermutet, dass Osama Bin Laden sein großes Vermögen und seine Verbindungen genutzt hat, um ein umfassendes Firmenkonglomerat aufzubauen, das völlig legale Geschäfte betreibt. Finanz- und Handelsagenturen verwalten die Gelddepots, während manche der Partner nicht einmal wissen, für wen sie arbeiten. Die Vermutungen bezüglich der Unternehmen gehen über Straßenbaufirmen im Sudan bis hin zu Fischverarbeitungsfabriken in Kenia, dazu mehr in Tophoven, in: Hirschmann / Gerhard (Hrsg.), Terrorismus als weltweites Phänomen, S. 181, 185.

G. Das Geldwäschebekämpfungsgesetz

427

wäschemöglichkeit. Anders gesagt, diese Vermögenswerte werden erst dann inkriminiert, wenn sie z. B. für Terroranschläge verwendet werden. Dabei handelt es sich um das Phänomen der sog. „umgekehrten Geldwäsche“.399 Während illegale Gewinne durch komplizierte Finanztransaktionen legalisiert werden sollen, läuft der Mechanismus bei der Terrorismusfinanzierung in die umgekehrte Richtung: legale Gewinne, also sauberes Geld wird durch seinen Einsatz für terroristische Taten illegalisiert. Schließlich wird auch in Zweifel gezogen, inwieweit terroristische Vereinigungen für die Verfolgung ihrer Ziele ein so hohes Kapital brauchen. Würde sich ergeben, dass der Terrorismus keine besonders hohe Finanzierung benötigt, würde sich der Ansatz seiner Bekämpfung durch die Austrocknung seiner Finanzen als überflüssig erweisen. Zur tatsächlichen Ausführung terroristischer Anschläge sind nicht unbedingt extreme Geldsummen notwendig. Das gilt anhand der spektakulären Anschläge des letzten Jahrzehnts als bewiesen.400 Oft wird jedoch behauptet, dass zur Entwicklung und Erhaltung terroristischer Strukturen sowie zur schlagkräftigen Logistik erhebliche Ressourcen aufgewandt werden müssten. Somit seien terroristische Vereinigungen auf einen Mechanismus angewiesen, der ihnen das erforderliche Kapital liefert.401 Diese Behauptung beruht ihrerseits auf Annahmen, die man ernsthaft bezweifeln könnte. Eine umfangreiche Logistik und eine teure Organisation erfordern terroristische Vereinigungen, die eine streng hierarchische Struktur aufweisen, ständig neue Mitglieder rekrutieren müssen und die Kommunikation zwischen den verschiedenen Gliedern der Organisation sicherstellen. Zur Abwehr von Strafverfolgung sollen auch hohe Vermögenssummen aufgewendet werden. Nunmehr wird jedoch die These aufgestellt, dass solche hierarchische Organisationsstrukturen in terroristischen Milieus immer seltener anzutreffen sind; ausgegangen wird oft von einer Umstrukturierung terroristischer Gruppen, von ihrer Umwandlung auf „flache, netzwerkartige Formationen, die mit einer Vielzahl von mobilen Zellen operieren“, die jedoch auswechselbar sind.402 Diese Entwicklung bedeutet, dass für die Finanzierung solcher Zellen keine besondere Logistik und somit hohe Geldsummen erforderlich sind; von einer Makrofinanzierung, welche für die Erhaltung eines „terroristischen Unternehmens“ unerlässlich war, wird zu einer „regionalen Mikrofinanzierung“ oder sogar zu einer „Selbstfinanzierung“ übergegangen, die wegen ihres begrenzten Umfangs viel leichter und unauffälliger zu erzielen ist.403 399 Schneider / Dreer / Riegler, Die Finanzquellen der al Qaida, abrufbar unter: http: //www. manager-magazin.de/unternehmen/artikel/0,2828,442063 – 3,00.html (letzter Zugriff: September 2009). 400 So Biersteker / Eckert, Countering the Financing of Terrorism, S. 1, 6. 401 Herzog / Mülhausen / Teichmann / Achsnich, GwHdb § 29, Rn. 42. 402 Waldmann, in: Leggewie / Münch (Hrsg.), Politik im 21. Jahrhundert, S. 398 ff. 403 Jahn, ZRP 2002, S. 109, 110; Thamm, Terrorismus: ein Handbuch für Täter und Opfer, S. 55 ff.

428 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

In diesem Zusammenhang kann der Umstand nicht unerwähnt bleiben, dass die Weiterleitung von Geldern zu terroristischen Zwecken oftmals durch Transfergeschäfte außerhalb des offiziellen (und somit überwachten) Bankensystems stattfindet. Prominentes Beispiel für solche Untergrundfinanzgeschäfte ist das sog. „Hawala-Banking“, das auf diese Weise sowohl für terroristische als auch für Geldwäschezwecke eingesetzt werden kann. Dieses System, das in großem Maße auf Vertrauensverhältnissen zwischen den teilnehmenden Subjekten beruht, schafft keine Papierspur und setzt somit einer potentiellen Überwachung sehr enge Grenzen.404 Von diesen Tatsachen ausgehend, stellt sich noch eindringlicher die Frage, wie die Kreditinstitute ihrer Verpflichtung zur Anzeige eines Verdachts wegen Finanzierung des Terrorismus nachkommen sollen. Bereits am Beispiel der Geldwäsche wurde an anderer Stelle auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die mit der Feststellung von Tatsachen verbunden sind, die auf einen Geldwäscheverdacht schließen lassen.405 Wann liegen solche Tatsachen vor und welcher Verdacht die Anzeigepflicht aktiviert, lassen sich nicht einheitlich beantworten. Diese Schwierigkeiten werden im Fall des Verdachts von Terrorismusfinanzierung aufgrund der noch spärlicheren empirischen Erkenntnislage weiter verschärft. Nach der Begründung der ersten Fassung dieser Vorschrift sei der Begriff der Tatsachen auch für diese Fälle weit auszulegen und umfasse alle Auffälligkeiten bei der Abwicklung von Finanztransaktionen und alle Abweichungen vom gewöhnlichen Geschäftsgebaren der Wirtschaftsbeteiligten, sofern in ihnen ein Bezug zur Finanzierung terroristischer Vereinigungen erkennbar wird.406 Zu der konkreten Frage jedoch, wie solche Tatsachen festgestellt werden sollen, nimmt das Gesetz keine Stellung. In der Begründung ist keine beispielhafte Aufzählung von verdachtsbegründenden Tatsachen enthalten; dies gilt für die Geldwäsche und erst recht für die Terrorismusfinanzierung. Der Gesetzgeber hält offensichtlich eine solche Aufzählung sogar für schädlich, weil sich die Täter hieran orientieren könnten. Auch wenn das Fehlen von verdachtsbegründenden Tatsachen, die einen indiziellen Charakter hätten, verständlich ist, bleibt für die Verpflichteten das Problem, solchen Transaktionen auf die Spur zu kommen. Es wird in diesem Zusammenhang zutreffend bemerkt, dass die Verpflichteten über keine kriminalistischen Erfahrungen verfügen, welche Transaktionen der Finanzierung des Terrorismus dienen könnten. Da sie keinen Zugang zu staatsschutzrelevanten Informationen haben, werden sie kaum in der Lage sein, der Terrorismusfinanzierung verbundene Per404 Findeisen, WM 2003, S. 2125, 2126; zu diesem Thema auch: Schneider, Die verborgenen Finanzströme islamistischer Terrororganisationen: einige vorläufige Erkenntnisse aus volkswirtschaftlicher Sicht, S. 293, 301. ff.; Bubnoff, NJW 2002, S. 2672, 2675; Warius, Das Hawala-Finanzsystem in Deutschland. 405 s. oben 4. Kap. B. VIII. 406 BT-Drs. 12 / 2704, S. 15.

G. Das Geldwäschebekämpfungsgesetz

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sonen oder Organisationen zu erkennen. Durch die Analyse von Kontoführung und Transaktionen einen Terrorismusverdacht zu schöpfen, ist deswegen schwierig, weil Institute vielleicht den Ursprung, keinesfalls jedoch die künftige Verwendung von finanziellen Mitteln erfassen können.407 Dementsprechend wird es bei der Handhabung dieser Regelung darauf ankommen, ob den Instituten von den entsprechenden staatlichen Stellen Informationen über aktuelle Methoden der Terrorismusfinanzierung zur Verfügung gestellt werden.408 Für die Begründung des Verdachts werden zurzeit vorrangig zwei Indikatoren benutzt: a) die Herkunfts- oder die Zielregion einer Transaktion und b) die Staatsangehörigkeit / Herkunft der beteiligten Personen.409 Diesen Indikatoren liegt die vereinfachende Vermutung zugrunde, die Terroristen hätten immer die Herkunft oder Staatsangehörigkeit der Länder, aus denen die terroristischen Vereinigungen vermutlich stammen. Solche Parameter können aber besonders diskriminierend wirken, denn Personen, die z. B. legale Geschäfte mit solchen Ländern tätigen oder Staatsangehörige von diesen Ländern sind, werden als verdächtig abgestempelt und sind somit einer erhöhten Überwachung unterworfen. Die Erkenntnislage hinsichtlich der Terrorismusfinanzierung erachtet selbst das BKA als unbefriedigend, so dass eingeräumt wird, dass der Jahresbericht der FIU mehr auf Vermutungen als auf Fakten und konkret polizeilich verwertbaren Hinweisen basiert.410 Angesichts dessen hat die Aufsichtsbehörde im Anschluss an die Anschläge vom 11. September den Instituten Verdachtslisten mit Namen, Personen und Organisationen weitergeleitet, die mit terroristischen Anschlägen im Zusammenhang stehen. Somit beruht die Mehrzahl der bisherigen Anzeigen wegen Terrorfinanzierung auf diesen Listen. Die Voraussetzungen für eine Verdachtsanzeige waren für eine lange Zeit nach der Einführung dieser Verdachtsanzeigepflicht weder von der FIU noch von der Aufsichtsbehörde definiert worden. Erst im Juni 2006 wurde der Indikatorenkatalog „Anhaltspunkte, die auf die Terrorismusfinanzierung im Phänomenbereich der politisch motivierten Ausländerkriminalität hindeuten können“ veröffentlicht. Dieser Katalog konkretisiert einigermaßen die Verdachtsanzeigepflicht, damit auch entsprechende Research- und Monitoringmaßnahmen der Institute eingesetzt werden können. Diese Indikatorenliste scheint jedoch noch keine nennenswerte Wirkung entfaltet zu haben. Die Anzeigen mit Verdachtsgrund „Terrorismusfinanzierung“ betragen nur 0,6% des Gesamtaufkommens der Verdachtsanzeigen, während seit der Einführung dieses Verdachtsgrunds ein stetiger Rückgang zu verzeichnen ist.411 Fasst man sowohl die defizitären empirischen Erkenntnisse als auch die praktischen Schwierigkeiten zusammen, kommt man nicht umhin, im Fall des Verdachts407 408 409 410 411

Herzog / Mülhausen, GwHdb § 42, Rn. 33. Fülbier, GwG, § 11 GwG, Rn. 72 ff. BKA, Zentralstelle für Verdachtsanzeigen, FIU Deutschland, Jahresbericht 2003, S. 32. Fülbier / Langweg, GwG, § 6 GwG, Rn. 12. BKA, Zentralstelle für Verdachtsanzeigen, FIU Deutschland, Jahresbericht 2006, S. 46.

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grunds „Finanzierung des Terrorismus“ von einem gesetzgeberischen Aktionismus zu reden.412 Mit dieser Erweiterung der Verdachtsanzeigepflicht wird nicht nur dem massiven internationalen Druck nachgegeben, sondern noch ein Stück symbolische Gesetzgebung zu der bereits bestehenden hinzugefügt. Denn es bleibt höchst zweifelhaft (wenn nicht utopisch), durch eine solche Verdachtsanzeigepflicht die Finanzierung des Terrorismus zu bekämpfen. Diese Strategie beruht nicht nur auf einer widersprüchlichen faktischen Lage; vielmehr scheint sie die Tatsache zu verkennen, dass letztendlich die Terrorismusfinanzierung den Missbrauch jener deregulierten Finanzmärkte voraussetzt, die sich ihrerseits durch eine Liberalität und deregulative Politik auszeichnen und somit „ein Vehikel zur Wohlstandsmehrung der Welt“ darstellen.413 Letztendlich trägt die Einsicht, dass die Finanzierung des Terrorismus systemimmanent ist, nicht zur Resignation, sondern zu einer rationellen Betrachtungsweise bei. Eine solche Betrachtungsweise führt zum Schluss, dass die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung nur eines von mehreren Zielsetzungen bei der Terrorismusbekämpfung darstellen sollte. Da der Erfolg dieses Ansatzes von etlichen, noch nicht näher untersuchten Faktoren abhängt, sollte die Statuierung von Pflichten für die Kreditinstitute dementsprechend ausgestaltet sein. Konkreter bietet sich somit eine nur eingeschränkte und somit leichter zu handhabende Anzeigepflicht, die lediglich beim Vorliegen von bestimmten, von den staatlichen Behörden näher umschriebenen Transaktionen aktiviert würde.

VIII. Neue Organisationspflichten Bereits bei der Verabschiedung des GwG im Jahre 1993 kam das Ziel klar zum Ausdruck, der Geldwäsche nicht nur mit repressiven Mitteln, also durch Strafverfolgung, sondern eher durch eine gemischte repressiv-präventive Strategie entgegenzuwirken. Die präventive Komponente des GwG bekommt nun durch die Neuerungen des Geldwäschebekämpfungsgesetzes eine besondere Akzentuierung. Neben den Pflichten der Kreditinstitute, die in erster Linie die Schaffung von Ermittlungsansätzen für die Strafverfolgungsbehörden bezwecken (und letztendlich auch präventiv orientiert sind), sind auch vorbeugende Maßnahmen unverzichtbar. Solche Maßnahmen verfolgen ihrerseits das Ziel, den Missbrauch der Kreditinstitute zu Geldwäschezwecken zu verhindern. Das bedeutet in der Praxis, dass die Kreditinstitute je nach ihren Geschäftsabläufen, -strukturen und Kunden die entsprechenden internen Mechanismen entwickeln sollen, um ein potentielles Geldwäscherisiko zu minimieren. Diese Akzentuierung hängt ohne Zweifel mit dem bereits angesprochenen Wandel im gesamten Finanzsektor zusammen.414 412 413 414

So auch Herzog / Mülhausen, GwHdb § 42, Rn. 32. Hetzer, MSchKrim 2003, S. 353 ff. s. oben 5. Kap. G. I.

G. Das Geldwäschebekämpfungsgesetz

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Vor allem die Anonymisierung des Massengeschäfts sowie die neuen Zahlungsmittel machen die Entwicklung interner präventiver Grundsätze mehr als erforderlich. Was den Adressatenkreis dieser Verpflichtung durch präventive Maßnahmen angeht, richten sich die organisatorischen Sicherungsmaßnahmen nunmehr auch an die Neuverpflichteten (Rechtsanwälte, Steuerberater usw.), allerdings nur, wenn sie die im § 3 Abs. 1 Nr. 1 GwG aufgezählten Tätigkeiten regelmäßig ausführen (§ 14 Abs. 1 Nr. 8 GwG). Diese Regelung überrascht nicht. Wenn von einem Missbrauchsrisiko dieser Berufsgruppen ausgegangen wird, ist konsequent, auch für sie entsprechende organisatorische Maßnahmen festzuschreiben. In diesem Zusammenhang wird allerdings klargestellt, dass diese für das gesamte Unternehmen gelten, falls Personen ihre berufliche Tätigkeit im Rahmen eines Unternehmens ausüben (§ 14 Abs. 3 S. 1 GwG). Um den unterschiedlichen Betriebsstrukturen und auch -gefahren Rechnung zu tragen, wird durch das Gesetz gleichzeitig die Möglichkeit des sog. „Outsourcing“ ausdrücklich eingeräumt (§ 14 Abs. 3 S. 2 GwG). In diesem Fall wird jedoch eine Zustimmung der Aufsichtsbehörde erforderlich, damit sichergestellt werden kann, dass die verschiedenen aufsichtsbehördlichen Anordnungen hinreichend beachtet werden (§ 14 Abs. 3 S. 3 GwG). Diese Regelung entspricht der Praxis, wonach es das frühere BAKred, vor allem bei kleineren Unternehmen zugelassen hat, die Funktion z. B. des Geldwäschebeauftragten auf einen entsprechenden Beauftragten eines größeren Instituts zu übertragen.415 Im § 14 Abs. 4 GwG wird der BaFin zusätzlich die Befugnis zuerkannt, im Einzelfall Anordnungen zu treffen, die geeignet und erforderlich sind, um solche organisatorischen Vorkehrungen zu schaffen (S. 1). Auf diese Weise wird verdeutlicht, dass eine differenzierte Betrachtung der jeweiligen Anforderungen gegenüber den betroffenen Instituten geboten ist.416 Im Rahmen dieser Zuständigkeit kann die BaFin Unternehmen und Personen wegen der Art der von diesen betriebenen Geschäfte sowie der Größe des Geschäftsbetriebs von den konkreten organisatorischen Maßnahmen nach Abs. 1 und 2 ausnehmen (§ 14 Abs. 4 S. 2 GwG). Besonders für die neu einbezogenen Berufsgruppen wird diese Befugnis den sachnäheren Bundesberufskammern eingeräumt, die somit den Umfang der Organisationspflichten der jeweiligen Berufsangehörigen bestimmen sollen (§ 14 Abs. 4 S. 3 GwG). Für die Rechtsanwälte z. B. hat das Präsidium der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) mit Anordnung von 26. 07. 2003 geregelt, dass Kanzleien mit bis einschließlich zehn Berufsträgern sozietätsfähiger Berufe von der gesetzlichen Verpflichtung zu internen Sicherungsmaßnahmen befreit werden.417 Fülbier / Langweg, GwG, § 14 GwG, Rn. 164. BT-Drs. 14 / 8739, S. 17. 417 Entsprechende Anordnungen und Bekanntmachungen haben auch die sonstigen Bundesberufskammern getroffen, dazu mehr in Herzog / Mülhausen / Teichmann / Achsnich, GwHdb § 31, Rn. 96 ff. 415 416

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Somit gelangt man zum kritischen Punkt, worin diese organisatorische Vorkehrungen bestehen sollen. Dazu werden vom vorliegenden Gesetz die bereits existierenden Verpflichtungen nur konkretisiert. Was z. B. den Geldwäschebeauftragten betrifft, wird nur klargestellt, dass er unmittelbar der Geschäftsleitung nachgeordnet wird und, dass er der Ansprechpartner nicht nur für die Strafverfolgungsbehörden, sondern auch für die Zentralstelle für Verdachtsanzeigen (FIU) sein wird. Nach der Gesetzesbegründung habe sich der bisherige Begriff der „leitenden Person“ als unpräzise erwiesen, weil er zu Unrecht eine Verbindung zum Geschäftsleiter eines Instituts herstellte, der vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen sei. Der Geldwäschebeauftragte sollte aber mit Prokura oder Einzelvertretungsvollmacht ausgestattet sein.418 Neben der Zuverlässigkeitsprüfung einzelner Mitarbeiter und der Verpflichtung zur Unterrichtung der Angestellten über Geldwäschemethoden, die bereits in der ersten Fassung des GwG enthalten waren, bringt das Geldwäschebekämpfungsgesetz die Weiterentwicklung einer Vorkehrung mit sich, die auch nicht gänzlich neu ist. Während bisher die Entwicklung interner Grundsätze, Verfahren und Kontrollen zur Verhinderung der Geldwäsche vorgesehen war, wird nunmehr von den Kreditinstituten dazu die Entwicklung von angemessenen, geschäfts- und kundenbezogenen Sicherungssystemen und -kontrollen zur Verhinderung der Geldwäsche und der Finanzierung des Terrorismus gefordert (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 GwG). Der Gesetzgeber betont, dass diese Vorschrift eine rein präventive Natur aufweist. Sie solle Geldwäsche in allen Geschäftssparten bei den Instituten, Unternehmen und Freien Berufen durch auf den einzelnen Geschäftsbetrieb und die Geschäftsabläufe zugeschnittene technische Vorkehrungen verhindern.419 Weitere Einzelheiten werden allerdings absichtlich nicht geregelt. Denn nur durch eine solche allgemeine Formulierung können die Maßnahmen der jeweiligen Größe des Betriebs und der Geschäfts- und Kundenstruktur angepasst werden. Diese Formulierung, die somit der betrieblichen Vielgestaltigkeit Rechnung tragen soll, erweist sich jedoch auch als problematisch. Sie nimmt keinerlei Stellung dazu, wie die zu treffenden Vorkehrungen aussehen sollen. Da die Rede von technischen Vorkehrungen ist, wird es offensichtlich um EDV-gestützte Maßnahmen gehen. Die Frage, auf die der Gesetzgeber gar nicht eingeht, ist, wie weit diese Maßnahmen in den Privatbereich der betroffenen Kunden eingreifen können. Somit ist man wieder mit der Frage konfrontiert, die sich angesichts der fast identi418 BT-Drs. 14 / 8739, S. 17; in diesem Zusammenhang hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme die Regelung gerügt, wonach der Geldwäschebeauftragte auch als Ansprechpartner für die FIU fungieren soll, denn die Vielzahl von Ansprechpartnern würde vom Geldwäschebeauftragten eher als störend empfunden; zudem haben sich die Kommunikationskanäle mit den jeweiligen Strafverfolgungsbehörden bewährt, S. 14 / 9043, S. 5; die Bundesregierung sieht darin nicht die Entstehung eines Konkurrenzverhältnisses der verschiedenen Behörden und betont, dass dadurch wichtige Nachfragen zwischen Geldwäschebeauftragten und FIU ermöglicht würden, S. 10. 419 BT-Drs. 14 / 8739, S. 17.

G. Das Geldwäschebekämpfungsgesetz

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schen Vorschrift des § 25a Abs. 1 Nr. 4 KWG gestellt hat, namentlich ob es sich dabei um ein anlassbezogenes Monitoring oder um eine anlassunabhängige Rasterung handeln wird. An dieser Stelle wird nicht noch einmal darauf eingegangen, ob Anhaltspunkte für die eine oder die andere Auslegung vorliegen.420 Eines steht jedoch fest: auch wenn die neue Regelung eine tatbestandliche Grundlage für das Konten-Screening liefert421 und somit lediglich eine anlassbezogene Kontoüberwachung zulässt, ist sie lückenhaft. Denn es fehlen entsprechende organisatorische und Verfahrensanforderungen, vor allem in Bezug auf die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes.422 Da im Fall jeder Kontoüberwachung personenbezogene Daten von den Kreditinstituten im staatlichen Auftrag erfasst, analysiert und für Strafverfolgungsund Aufsichtsbehörden jederzeit vorgehalten werden, hätte man vom Gesetzgeber Regelungen erwartet, die ein besonderes Verfahren zur Geltendmachung von Rechten der Betroffenen vorsehen würden, z. B. von Mitteilungs- und Löschungsrechten usw. Ein solches Verfahren ist nicht vorhanden. Auf diese Weise wird die Befürchtung, die auch im Zusammenhang mit § 25a Abs. 1 Nr. 4 KWG zum Ausdruck kam, dass das Recht des betroffenen Kunden auf informationelle Selbstbestimmung zu kurz kommen wird, bestätigt. Betrachtet man somit die neue Vorschrift pauschal, kann man diesem präventiven Konzept im Prinzip zustimmen. Denn eine präventive Geldwäschebekämpfung kann sich nicht in der bloßen Übertragung der Daten aus einem Personalausweis in ein anderes Speichermedium erschöpfen. Die im § 14 GwG niedergeschriebenen präventiven Sicherungsmaßnahmen stellen somit die Einhaltung des know-yourcustomer Prinzips seitens der Kreditinstituten sicher, indem sie ihnen verpflichten, sich Sicherheit über die finanziellen Verhältnisse ihrer Kunden zu verschaffen. Das wird vor allem durch die erwähnten „angemessenen kunden- und geschäftsbezogenen Sicherungssysteme“ des § 14 Abs. 2 Nr. 2 GwG erfolgen. Dabei sollen jedoch auch die Interessen der Kunden berücksichtigt werden. Damit sind nicht etwa „Verschleierungsinteressen“ gemeint, sondern vor allem das durchaus legitime Interesse einer freien – i. S. v. überwachungsfreien – finanziellen Bewegungsfreiheit. Das wird durch die neue Regelung nicht gewährleistet.

IX. Sonstige Änderungen des Geldwäschegesetzes Neben den bereits thematisierten Änderungen wurden durch das Geldwäschebekämpfungsgesetz noch einige Regelungen geändert bzw. neu hinzugefügt. Eine solche Änderung betrifft die Kooperation zwischen Strafverfolgungs- und FinanzDazu s. 5. F. IV. Anders Herzog / Mülhausen, GwHdb § 43, Rn. 52, der darin eine Befugnis zum anlassunabhängigen Research sieht; ähnlich Scherp, WM 2003, S. 1254, 1257. 422 Herzog / Christmann, WM 2003, S. 6, 11. 420 421

434 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

behörden, die bereits durch das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der organisierten Kriminalität initiiert wurde. Nach der neuen Fassung des § 10 Abs. 2 GwG ist die Einleitung eines Strafverfahrens wegen § 261 StGB oder einer ihrer Vortaten mit den zugrunde liegenden Tatsachen dann der Finanzbehörde mitzuteilen, sobald eine Finanztransaktion i. S. v. § 1 Abs. 6 GwG festgestellt wird, die für die Finanzverwaltung für die Einleitung oder Durchführung eines Besteuerungsund Steuerstrafverfahrens Bedeutung haben könnte. Auf diese Weise sollte der Umfang der Mitteilungspflicht auf die Fälle beschränkt werden, die für die Finanzverwaltung von Interesse sein könnten.423 Der Gesetzgeber hat in diesem Fall das Potential einer Überflutung von weitergeleiteten Anzeigen an die Finanzbehörden erkannt. Durch die Änderung hat er also versucht, diese Tendenz einzudämmen. Ob sich jedoch rein tatsächlich eine Änderung der Verfahrensweise ergeben wird, ist zu bezweifeln. Denn die Strafverfolgungsbehörden werden in diesem Stadium oftmals nicht in der Lage sein, selbst zu beurteilen, wann Tatsachen für die Finanzverwaltung von Bedeutung sein könnten. Somit ist zu erwarten, dass auch nach dieser Änderung alle Verdachtsanzeigen weitergeleitet werden, lediglich zu einem späteren Zeitpunkt, wenn also deren Verwertbarkeit für die Finanzbehörden plausibler ist.424 Im Hinblick auf die Verdachtsanzeigen wird nunmehr ausdrücklich geregelt, dass deren Inhalt nicht nur für Finanzbehörden, sondern auch für Aufsichtsbehörden anwendbar wird (§ 11 Abs. 7 GwG). Ziel dieser Regelung ist eine verbesserte Kooperation zwischen Strafverfolgungs- und Aufsichtsbehörden. Die letzteren werden aufgrund von Informationen aus Verdachtsanzeigen in die Lage versetzt, effektiver gegen die Untergrundbanken vorzugehen.425 Eine gewichtige Neuerung enthält auch der neue § 11 Abs. 8 GwG: demnach können die Bundesministerien für Inneres und für Finanzen zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Finanzierung terroristischer Vereinigungen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats einzelne typisierte Finanztransaktionen bestimmen, die als verdächtig gelten und die die Institute anzuzeigen haben. Die Rechtsverordnung soll befristet werden. Hinter dieser neuen Vorschrift steckt die Erkenntnis, dass die Nutzung neuer Medien eine flexible Reaktion auf das Auftreten neuer Formen verdächtiger Transaktionen erfordert. Diese Novellierung ist zu begrüßen. Denn sie setzt der rechtsstaatlich sehr problematischen Praxis der Verlautbarungen durch die Aufsichtsbehörde ein Ende.426 Durch eine solche Verordnung wäre auch eine Konkretisierung der Verpflichtun423 BT-Drs. 14 / 8739, S. 15; die Formulierung des § 10 Abs. 2 GwG entspricht allerdings dem Vorschlag des Bundesrates, der die Formulierung des Regierungsentwurfs („. . . die für die Finanzverwaltung von Interesse sein können.“) als zu weit kritisiert hat, s. BT-Drs. 14 / 9043, S. 4. 424 So auch Fülbier, GwG, § 10 GwG, Rn. 21. 425 BT-Drs. 14 / 8739, S. 17. 426 Dazu Herzog, WM 1999, S. 1905, 1908.

G. Das Geldwäschebekämpfungsgesetz

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gen zur Vorhaltung interner Sicherungsmaßnahmen nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 GwG möglich.427 Solche Maßnahmen würden sich dementsprechend auf die durch Rechtsverordnung definierten Transaktionen beziehen. Ob überhaupt eine solche Konkretisierung von ermittlungsrelevanten, verdächtigen Transaktionen und die entsprechende Einengung der Verdachtsanzeigenpraxis möglich ist, wird angezweifelt.428 Mit dem Thema beschäftigen sich bereits einige Behörden, darunter die FIU, die im Rahmen ihres Aufgabenbereichs Typologienpapiere erstellt und auf internationaler Ebene die FATF. Diese Regelung hat auch den Nachteil, dass durch das Zustimmungserfordernis des Bundesrats keine zeitnahe, flexible Reaktion möglich ist. Obwohl eine enumerative Auflistung von Sachverhalten schwerer wäre, bei denen ein Verdacht auftritt, nicht zuletzt wegen der Vielgestaltigkeit und der Geschwindigkeit, mit der sich die Geldwäsche entwickelt, wäre eine solche Verordnung hilfreich. Vielleicht würde sie nicht alle mögliche Geldwäschemodalitäten erfassen und vielleicht würde sie Geldwäschern zu Anpassungsmaßnahmen Anlass geben. Andererseits würde den verpflichteten Kreditinstituten die Möglichkeit gegeben, die internen Sicherungsmaßnahmen konkreter auszugestalten und somit das Risiko zu minimieren, dass legal operierende Kunden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ausgesetzt werden.429 Schließlich wurde durch das Geldwäschebekämpfungsgesetz eine Norm eingefügt, die zur Abrundung der Kooperation zwischen den Strafverfolgungsbehörden und der Zentralstelle für Verdachtsanzeigen beitragen sollte. Nach § 11 Abs. 9 GwG wird die Staatsanwaltschaft verpflichtet, in Strafverfahren, zu denen eine Verdachtsanzeige nach § 11 GwG erstattet wurde, der FIU die Erhebung der öffentlichen Klage sowie den Ausgang des Verfahrens entsprechend § 482 Abs. 2 StPO mitzuteilen. Durch die ergänzende Auswertung solcher rechtstatsächlichen Informationen wird die FIU in der Zukunft in der Lage sein, die Geldwäschesituation sowie den Stellenwert der Verdachtsanzeigen für die Strafverfolgung besser einzuschätzen. Aufgrund solcher Erkenntnisse wird sie auch neu auftretende Methoden und Typologien der Geldwäsche besser erkennen können.430

Herzog, FS für Kohlmann, S. 427, 440. Mülhausen geht davon aus, dass in naher Zukunft eine Rechtsverordnung nicht erlassen wird, in: Herzog / Mülhausen, GwHdb § 42, Rn. 24. 429 Herzog / Christmann, WM 2003, S. 6, 11 deuten zu Recht darauf hin, dass eine solche Bestimmung im Regelungszusammenhang der internen Sicherungsmaßnahmen zu einer Einschränkung der Ermittlungsgefahr gegenüber Kunden im Massengeschäft beitragen würde. 430 So auch BT-Drs. 14 / 8739, S. 17. 427 428

436 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

X. Neue Pflichten im grenzüberschreitenden bargeldlosen Zahlungsverkehr (§ 25b KWG) Neben den weitreichenden Änderungen des GwG erachtet der Gesetzgeber die Einfügung einer Vorschrift in das KWG für erforderlich, welche Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten besondere Pflichten auferlegt. Konkreter werden durch § 25b KWG organisatorische Pflichten für die verschiedenen Kreditinstitute im bargeldlosen grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr formuliert. Die Notwendigkeit einer solchen Norm geht auf eine der neuen Empfehlungen der FATF zurück: Die Empfehlung VII („transfer wire“) verpflichtet die Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute im bargeldlosen Zahlungsverkehr nur vollständige und zutreffende Angaben über Name, Adresse und Kontonummer des Auftraggebers benutzen und entsprechend weiterleiten. Ziel dieser Vorschrift ist, dass die Papierspur, vor allem bei Transaktionen, die für Ermittlungen wegen Geldwäsche oder Finanzierung des Terrorismus relevant sein können, nicht abreißt. Die Papierspur muss demnach vom ursprünglichen Auftraggeber bis zum Endbegünstigten zurückverfolgt werden können. Gleichzeitig trägt die neue Vorschrift zu einer besseren Einhaltung des know-your-customer Prinzips seitens der Kreditinstitute bei.431 Diese organisatorischen Pflichten für die betroffenen Institute variieren je nach Stellung des Instituts im Zahlungsvorgang. Nach § 25b Abs. 1 KWG haben Kreditinstitute, die das Girogeschäft betreiben, vor der Ausführung einer Überweisung im bargeldlosen Zahlungsverkehr außerhalb der EU, bestimmte Kundendaten, nämlich den Namen, die Kontonummer sowie die Anschrift des Überweisenden aufzuzeichnen und diese Datensätze vollständig an das Kreditinstitut des Begünstigten bzw. an ein zwischengeschaltetes Institut weiterzuleiten. 432 Zugleich sind diese sog. „erstbeauftragten Institute“ verpflichtet, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um unvollständige oder unzutreffende Datensätze zu erkennen und solche zu vervollständigen. Heutzutage unterliegen eingereichte Datensätze, die in Überweisungsaufträgen enthalten sind, nicht mehr einer Vollständigkeitskontrolle durch die Mitarbeiter einer Bank. Solche Datensätze werden nunmehr automatisiert eingelesen, so dass die Erkennung von Unregelmäßigkeiten bzw. von unvollständigen Angaben entsprechende technische Vorkehrungen erfordert.433 § 25b Abs. 2 KWG enthält eine entsprechende Verpflichtung für die zwischengeschalteten Institute. Sie werden gleichermaßen verpflichtet, bei Durchführung 431 Den Wert dieser Vorschrift für die Ermittlungsarbeiten betont auch der damalige Bundesinnenminister, Schily, WM 2003, S. 1249, 1253. 432 Die Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Überweisungen außerhalb der EU geht auf den entsprechenden Vorschlag des Bundesrates zurück; entgegen seinen ursprünglichen Plänen stimmte die Bundesregierung der Ausnahme der innereuropäischen Überweisungen zu, weil entsprechende EU-Rechtsakte zu dieser Zeit vorbereitet wurden, mehr dazu: BTDrs. 14 / 9043, S. 11. 433 So auch BT-Drs. 14 / 8739, S. 18.

G. Das Geldwäschebekämpfungsgesetz

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einer Überweisung Namen und Kontonummer des Überweisenden vollständig an ein weiteres im Zahlungsverkehr zwischengeschaltetes Institut weiterzuleiten, während auch in diesem Fall unvollständige Datensätze zu erkennen und zu vervollständigen sind. Dies soll dem Wortlaut entsprechend nach Möglichkeit unter Einbeziehung des vom Kunden beauftragten Instituts erfolgen. Zu diesem Zweck soll ausweislich der Entwurfsbegründung das erstbeauftragte Kreditinstitut abgefragt werden.434 Unklar bleibt allerdings wie genau diese Verpflichtung in der Praxis erfüllt werden soll, wenn es um im Ausland ansässige Institute geht. Es ist nicht auszuschließen, dass es zu Konstellationen kommen kann, bei denen die abgefragten Institute die Weitergabe von Daten verweigern, entweder um ihre Kunden zu schützen oder, weil sie zur Weitergabe der geforderten Transaktionsdaten weder befugt noch verpflichtet sind. Das Gesetz nimmt keine Stellung diesbezüglich, ob solche Überweisungen, bei denen die Daten mit einem angemessenen Aufwand nicht vervollständigt werden können, an das erstbeauftragte Institut zurückzugeben oder ausführen sind, ohne dass das betroffene Institut seine Verpflichtungen verletzt.435 Durch die Einbeziehung von zwischengeschalteten Instituten in die Verpflichtung zur Weiterleitung von vollständigen Datensätzen soll entgegengewirkt werden, dass z. B. der Auftraggeber und das erstbeauftragte Institut zur Verschleierung der Papierspur zusammenwirken. Der Unterschied für die zwischengeschalteten Institute liegt lediglich darin, dass sie nicht auch die Anschrift des Überweisenden aufzeichnen und weiterleiten müssen. Der Grund dafür ist, dass sich bisher im internationalen Zahlungsverkehr diesbezüglich kein internationaler Standard durchgesetzt hat.436 Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass Verstöße gegen die oben beschriebene Aufzeichnung und Weiterleitung vollständiger und zutreffender Datensätzen einen Missstand i. S. d. § 6 Abs. 3 KWG darstellen. Ein solcher gibt der Aufsichtsbehörde das Recht, Anordnungen zur Beseitigung dieses ordnungswidrigen Zustands zu treffen. Eine entsprechende Verpflichtung wird allerdings im § 25b Abs. 3 KWG auch für Finanzdienstleistungsinstitute statuiert, wenn sie das Finanztransfergeschäft betreiben: sie müssen vor der Besorgung des Zahlungsauftrags den Namen und die Anschrift des Auftraggebers und des Empfängers des Zahlungsauftrags aufzeichnen. Letztlich wird durch § 25b Abs. 4 KWG den Besonderheiten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs Rechnung getragen. Dort wird das Bundesministerium für Finanzen ermächtigt, eine Verordnung zu erlassen, mit der es für einzelne Arten des Zahlungsverkehrs Ausnahmen von den Verpflichtungen der Aufzeichnung und Weiterleitung von Datensätzen statuieren kann. Diese Ermächtigung kann auf die 434 435 436

BT-Drs. 14 / 8739, S. 19. So auch Boos / Bock / Stein, § 25b KWG, Rn. 5. BT-Drs. 14 / 9043, S. 11.

438 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

Aufsichtsbehörde übertragen werden; denn sie wird besser in der Lage sein, einzuschätzen, ob und inwieweit solche Ausnahmen gerechtfertigt sein könnten.437 Da die Umsetzung der neuen Anforderungen zur Einführung einheitlicher Formate eine gewisse Umstellungszeit erfordert, sind die vorliegenden Änderungen des KWG später in Kraft gesetzt.438 Diese Maßnahmen scheinen vor dem Hintergrund der sonstigen Änderungen des GwG konsequent, indem sie die Überwachung auch auf die internationalen bargeldlosen Zahlungsverkehrwege ausdehnen. In dem Maße, in dem sie für die betroffenen Institute einen neuartigen Aufwand schaffen, sind sie jedoch kritisch zu betrachten. Diese Regelungen verlangen vermutlich die Installierung neuer EDV-Systeme, die unvollständige Datensätze erkennen können. Der Aufwand sollte kumulativ, also in Verbindung mit den sonstigen umfassenden Verpflichtungen für die Kreditinstitute gesehen und dementsprechend bewertet werden.

XI. Ergebnis Beim vorangegangenen Vierten Finanzmarktförderungsgesetz wurde ein qualitativer Sprung in der Geldwäschebekämpfung diagnostiziert. Dieser Sprung hat im Fall des vorliegenden Geldwäschebekämpfungsgesetzes sowohl qualitative als auch quantitative Züge angenommen. Diese Aussage ist durch die verschiedenen Tendenzen zu untermauern, die in diesem Gesetz abzulesen sind. Das Strafrecht wird dabei weiter verdrängt. Damit ist nicht nur gemeint, dass keine erneute Novellierung des Geldwäschetatbestands erfolgt ist. Das stellt angesichts des problematischen Charakters dieses Tatbestands letztendlich eine positive Entwicklung dar. Unter Verdrängung des Strafrechts wird jedoch in diesem Zusammenhang etwas anderes verstanden: das reformierte GwG orientiert sich nunmehr fast ausschließlich auf die Verdachtsanzeigen. Den Schwerpunkt der gesetzgeberischen Bemühungen bildet der möglichst große Eingang von Verdachtsanzeigen, von möglichst vielen Stellen und Personen (durch die Aufnahme neuer Berufsgruppen in den Adressatenkreis), an möglichst viele Stellen und Behörden (Schaffung der FIU, Verwendung auch durch die Aufsichtsbehörden), mit einem möglichst verwertbaren Inhalt (Verdacht der Terrorismusfinanzierung usw.). Dabei wird völlig ignoriert, ob und wie die Verdachtsanzeigen tatsächlich zur Bekämpfung der Geldwäsche und neuerdings auch der Finanzierung des Terrorismus beitragen können.439 Dieser Beitrag sollte allerdings immer in Verhältnis zu den geSo auch BT-Drs. 14 / 8739, S. 19. Diese Änderungen sind durch Art. 5 Abs. 2 des Geldwäschebekämpfungsgesetzes erst am 01. 07. 2003 in Kraft getreten. 439 Anders Herzog / Mülhausen, GwHdb § 39, Rn. 27, der in Rückgriff auf Daten vom BKA die kriminalistische Verwertbarkeit von Verdachtsanzeigen hervorhebt; er erklärt allerdings nicht, wie die Abkoppelung der Effektivität des Geldwäschebekämpfungsansatzes von Verurteilungen wegen Geldwäsche nachzuvollziehen ist. 437 438

G. Das Geldwäschebekämpfungsgesetz

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sellschaftlichen Kosten gesetzt werden, welche das gesamte Regelungsinstrumentarium verursacht. Das geschieht nicht. Der Erfolg der Geldwäschebekämpfung scheint sich demgemäß nur auf die Zahl von eingegangenen Verdachtsanzeigen zu reduzieren. Der Verdienst dabei ist in der bloßen Schaffung von Ermittlungsansätzen, also in der Verdachtsschöpfung zu sehen. Zunächst tritt anlässlich dieses Gesetzes der inter- und supranationale Faktor in den Vordergrund. Das Geldwäschebekämpfungsgesetz setzt zum größten Teil internationale und europäische Vorgaben ab. Diese Vorgaben stecken den Rahmen um, innerhalb dessen der nationale Gesetzgeber sich bewegt. Trotz einigermaßen gewährten Freiräumen wurde ersichtlich, wie diese von der Politik oft unbeachtet bleiben, wie also der Gesetzgeber über die internationalen Inhalte hinaus normiert. Da es bei den Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche und vielmehr des Terrorismus um eine „Prestigefrage“ für die Finanzmärkte geht, ist eine ständige Konkurrenz der verschiedenen nationalen Rechtsordnungen nach den „effektivsten“ Normen zu spüren. Das Argument, dass die internationalen Vorgaben tatsächliche Regelungsbedürfnisse widerspiegeln und gesetzliche Lücken schließen wollen, kommt zu kurz. Man kann nur vermuten, wie das nationale Geldwäschebekämpfungsrecht ohne die einschlägigen internationalen Normen aussehen würde. Letztendlich können etliche Einwände und Bedenken sowohl rechtsstaatlicher als auch kriminalpolitischer Natur mit dem Verweis auf diese Vorgaben neutralisiert werden. Erwähnenswert ist allerdings die Schwerpunktverlagerung, die durch das Geldwäschebekämpfungsgesetz erfolgt: nunmehr wird der Einsatz der Geldwäschebekämpfungsinstrumente zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung eingesetzt. Diese Zwecksetzung scheint allmählich den gesamten Diskurs zu dominieren. Es wurde bereits aufgezeigt, wie diese Entwicklung auf höchst zweifelhaften empirischen Erkenntnissen beruht und wie wenig „effektiv“ selbst im Sinne dieses Gesetzes ist. Die Erweiterung wirkt nur symbolisch, sie ist mit anderen Worten nicht in der Lage, dem Terrorismus sein Kapital zu entziehen, sie kommuniziert jedoch, dass dieses Ziel wichtig sei. Dieses Ziel rechtfertigt vielfältig erweiterte Beschränkungen und eine voranschreitende Regulierung. Dadurch verschmelzen Terrorismusbekämpfung, Strafverfolgung und Finanzmarktüberwachung auf eine höchst bedenkliche Weise. Bedenklich dabei ist nicht zuletzt, dass diese Zielsetzungen auf unterschiedliche gesellschaftliche Bedürfnisse zurückgehen und sich unterschiedlicher Methoden bedienen.440 Diese Verschmelzung ist allerdings auch deshalb bedenklich, weil sie immer mehr auf Kooperationspflichten privater Akteure setzt: sie impliziert, dass die Qualität der Gefahren eine Bündelung aller gesellschaftlicher Akteure erfordere; dabei 440 Ähnliches gilt für die Korruptionsbekämpfung, die als neues Feld der Gewinnabschöpfung und der Geldwäschebekämpfung in die Diskussion gebracht wird, dieses Expansionspotential wurde von Jekewitz, GA 1998, S. 267, 285 ff. bereits im Jahre 1998 diagnostiziert.

440 5. Kap.: Intensivierung der Geldwa¨schebeka¨mpfung und der Gewinnabscho¨pfung

erscheint die Verkürzung von Freiheitsräumen nicht nur erforderlich, sondern auch angemessen. Obwohl jedoch diese Inpflichtnahme eine immer stärkere Strömung darstellt, bleibt wieder die faktische Wirkung aus. Die Konsequenz ist nicht eine bessere, „effektivere“ Geldwäschebekämpfung, sondern lediglich die Schaffung eines gesellschaftlichen Klimas, in dem bewährte Vertrauensverhältnisse (meistens ohne Grund) vergiftet werden. Darüber hinaus macht die Unklarheit bezüglich der Gefahrenqualität die Prüfung der Verhältnismäßigkeit nahezu unmöglich. Obwohl das Geldwäschebekämpfungsgesetz einige positive Änderungen in Richtung Vereinfachung vorzeigen kann (z. B. Abschaffung der Identifizierung bei Abgabe von Bargeld usw.), wird die bereits erfolgte Bürokratisierung vorangetrieben. Die Schaffung einer zentralen Behörde, der FIU, die neben den sonst zuständigen Strafverfolgungsbehörden agieren soll, kann tendenziell ein Konkurrenzverhältnis zwischen den verwickelten staatlichen Behörden begünstigen. Ein solches Verhältnis ist bei Abläufen der Strafverfolgung und der Kriminalprävention stets gefährlich; denn sie könnte anerkannte Rechte von Betroffenen bedrohen, zumal im Fall der Geldwäschebekämpfung die Wahrscheinlichkeit, betroffen zu sein, recht hoch ist. Nachdem die verschiedenen Tendenzen aufgezeigt wurden, bleibt noch die Frage nach dem Stellenwert des Geldwäschebekämpfungsgesetzes für die gesamte Entwicklung offen. Dieses Gesetz fügt sich in die bereits eingeschlagene Schiene der Geldwäschebekämpfung ein, mit der Finanzierung des Terrorismus wird diese Schiene allerdings um eine Spur erweitert. Sonst ist keine Neuausrichtung des Konzepts zu sehen: die üblichen Kennzeichen der Geldwäschebekämpfung (Überregulierung, Bürokratisierung, Wackeln zwischen Repression und Prävention) werden auch in diesem Gesetz lokalisiert. Ob dieses Gesetz schließlich für die Praxis taugt, also effektiv ist, hängt wiederum davon ab, wie diese Effektivität verstanden wird. Ist sie lediglich etwa mit der Anzahl der Verdachtsanzeigen gleichzustellen, kann das Gesetz als gelungen angesehen werden; sollte die Effektivität hingegen z. B. an die Anzahl von Verurteilungen wegen Geldwäsche anknüpfen, ist das Gesetz völlig gescheitert. Man kann allerdings ein so hoch komplexes Phänomen wie die Geldwäsche nicht so einseitig betrachten. Dabei ist eine rationelle Herangehensweise erforderlich. Diese verlangt eine ständige Abwägung zwischen den Vorteilen eines kriminalpolitischen Konzepts und den gesellschaftlichen Kosten, die verursacht werden. Genau das vermisst man bei der Geldwäschebekämpfung.

6. Kapitel

Die neuesten Entwicklungen Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, welche die Verfassungsmäßigkeit des erweiterten Verfalls bestätigt hatte1, nimmt das Geldwäscherecht durch die Verabschiedung einer neuen EG-Richtlinie und ihrer Umsetzung in nationales Recht eine neue, sehr wichtige Wende (unter A). Gleichzeitig bewirkt das Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und zur Verbesserung der Vermögensabschöpfung eine punktuelle Umgestaltung des Rechts der Gewinnabschöpfung (unter B.).

A. Das Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz Das vorangegangene Geldwäschebekämpfungsgesetz hat gewichtige Änderungen des gesamten Geldwäscherechts vorgenommen, das Konzept blieb jedoch dasselbe: normiert wurden konkrete Pflichten gegenüber privaten Akteuren, Banken und Finanzdienstleistungsunternehmen. Diese Pflichten sollten in jedem Fall erfüllt werden, während der Verstoß gegen diese bußgeldbewehrt war. Dabei wurde jedoch nicht unterschieden, ob eine konkrete Transaktion, ein Kunde oder eine Geschäftsbeziehung ein normales, niedriges oder erhöhtes Risiko für die Begehung einer Geldwäsche darstellt. Dieser sog. regelbasierte Ansatz führte somit zu einer hohen Bürokratisierung der gesamten Geldwäschebekämpfung. Langsam setzte sich deshalb ein anderes Verständnis durch, wonach die Geldwäsche aufgrund der Vielgestaltigkeit ihrer Erscheinungsformen nur dann effektiv zu bekämpfen wäre, wenn das jeweilige Risiko angemessen und fallbezogen berücksichtigt würde. Das vorliegende Gesetz soll dieses Verständnis und die dazugehörigen internationalen Entwicklungen in diesem Bereich umsetzen. Zunächst wird kurz auf die Entstehungsgeschichte und die Ziele des neuen Gesetzes eingegangen (unter I.). Durch das Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz wird eine Reihe von Gesetzen novelliert, wie z. B. das StGB, das GwG, das KWG, das VAG, das ZollVerwG und das InvestG. In diesem Abschnitt werden schwerpunktmäßig lediglich diejenigen Änderungen angesprochen, die für die Entwicklung des gesamten Rechts der Geldwäschebekämpfung von besonderer Bedeutung sind. Nur marginale Änderungen ergeben sich z. B. im Bereich des 1

s. oben 3. Kap. F. III. 6.

442

6. Kap.: Die neuesten Entwicklungen

StGB (unter II.). Konkretisiert wird allerdings das Heranziehen des Instrumentariums der Geldwäschebekämpfung zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung (unter III.). Im Anschluss daran werden die Regelungen des neu gefassten Geldwäschegesetzes präsentiert. Neu dabei ist insbesondere die Ausdifferenzierung der Verpflichtungen für Kredit- und Finanzinstitute je nach Kunden, Transaktionen und Produkten. Somit werden den Adressaten des GwG nach der jeweiligen Risikokategorie unterschiedliche Sorgfaltspflichten auferlegt (unter IV.). Erhalten bleibt auch die präventive Achse der Geldwäschebekämpfung durch interne Sicherungsmaßnahmen (unter V.). Letztlich werden sonstige, mehr oder weniger gewichtige Änderungen des Geldwäschegesetzes untersucht (unter VI.). Inwieweit das neue Geldwäschegesetz zur Optimierung der Geldwäschebekämpfung beiträgt, welche Nebenwirkungen es entfalten kann und was diese Entwicklung für die Zukunft bedeutet, wird als Letztes thematisiert (unter VII.).

I. Entstehungsgeschichte und Ziele des neuen Geldwäschegesetzes Den Anstoß für die Neuausrichtung im Geldwäscherecht gab der europäische Normgeber. Bereits im Juni 2004 hatte die Europäische Kommission den Entwurf der inzwischen dritten Antigeldwäscherichtlinie vorgelegt. Nicht einmal ein Jahr nach der Verabschiedung des Geldwäschebekämpfungsgesetzes, das die zweite EG-Antigeldwäscherichtlinie in deutsches Recht umsetzte, sah sich der europäische Richtliniengeber veranlasst, einen neuen Rechtstext zur Geldwäschebekämpfung und zur Finanzierung des Terrorismus zu erlassen. Nach entsprechenden Beratungen mit dem europäischen Parlament ist die Richtlinie am 15. 12. 2005 in Kraft getreten.2 Die Umsetzung dieser Richtlinie in deutsches Recht, vor allem das zentrale Anliegen dieses europäischen Rechtsaktes, die Einführung des risikobasierten Ansatzes in die Geldwäschebekämpfung, erforderte sowohl die Umstrukturierung als auch die Erweiterung deutscher Regelungen zur Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierungsbekämpfung.3 Gleichzeitig bestand Umsetzungsbedarf hinsichtlich der Durchführungsrichtlinie 2006 / 70 / EG der Kommission vom 01. 08. 2006 bezüglich der Begriffsbestimmung von „politisch exponierten Personen“ und anderer Einzelheiten. 4 Obwohl die europäische Kommission am 05. 06. 2008 ihren Be2 Richtlinie 2005 / 60 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26. Oktober 2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, ABl. EG Nr. L 309, S. 15. 3 Dieser Ansatz ist auch in den Leitlinien des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht enthalten; dort wird auch von den Kreditinstituten verlangt, dass sie Grundsätze und Verfahren über die Begründung einer Geschäftsbeziehung entwickeln („customer acceptance policy“), die nach dem Risikopotential der Kunden differenzieren, mehr dazu in: Herzog / Mülhausen, GwHdb § 41, Rn. 217.

A. Das Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz

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schluss mitgeteilt hat, Vertragsverletzungsverfahren gegen 15 EU-Mitgliedstaaten mangels rechtzeitiger Umsetzung einzuleiten, blieb ein derartiges Verfahren gegen Deutschland aus: denn das „Gesetz zur Ergänzung der Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (kurz: Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz) vom 13. 08. 2008 ist am 21. 08. 2008 in Kraft getreten.5 Ziel dieses Gesetzes und gleichzeitig der umzusetzenden Richtlinie ist die Erstreckung der Instrumente der Geldwäschebekämpfung auf die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung. Es wurde bereits angesprochen, wie der deutsche Gesetzgeber nach den Anschlägen vom 11. September 2001 die Terrorismusfinanzierung neben der Geldwäsche als einen Verdacht auslösenden Umstand in die Regelungen des GwG einbezogen hat.6 Das wird ebenso durch die vorliegende Richtlinie angestrebt. Vorrangiges Ziel der Richtlinie und somit auch des Gesetzes ist jedoch eine umfassende Novellierung des Rechts, das die verschiedenen Pflichten der Kredit- und Finanzinstitute zum Zweck der Geldwäschebekämpfung und der Terrorismusfinanzierung regelt. Grundlage für die Normierung dieser Pflichten soll nunmehr die Risikoträchtigkeit der jeweiligen Transaktion oder Geschäftsbeziehung sein, nach der allgemeine, vereinfachte oder verstärkte Sorgfaltspflichten gegenüber Vertragspartnern, Kunden oder Mandanten zu beachten sind.7 Durch diese stärkere Berücksichtigung von Risikofaktoren sollen den Verpflichteten größere Spielräume bei der Justizierung ihres individuellen Risikomanagements gewährt werden.8 Dieses entsprechende Novellierungsbedürfnis geht jedoch ursprünglich nicht auf eine Initiative des europäischen Richtliniengebers zurück. Genau wie bei den vorangegangenen Richtlinien nimmt auch die vorliegende auf die entsprechenden Vorgaben der FATF Bezug. Noch einmal legen die im Juni 2003 aktualisierten und erweiterten 40 Empfehlungen samt den acht besonderen Empfehlungen zur Terrorismusfinanzierung die Maßstäbe der Gesetzgebung in der EU zugrunde.9 Ausgangspunkt für diese Anpassung ist wiederum die Erkenntnis, dass Geldwäsche 4 Richtlinie 2006 / 70 / EG der Europäischen Kommission v. 01. August 2006 hinsichtlich der Begriffsbestimmungen von „politisch exponierten Personen“ und der Festlegung der technischen Kriterien für vereinfachte Sorgfaltspflichten sowie für die Befreiung in Fällen, in denen nur gelegentlich oder in sehr eingeschränktem Umfang Finanzgeschäfte getätigt werden, Abl. EG Nr. L 214, S. 29. 5 BGBl. I 2008, S. 1690, 1707. Das Gesetz enthält keine Übergangsregelung, so dass die neuen Regelungen unmittelbar gültig waren. Da deren Umsetzung jedoch eine umfassende Anpassung interner Prozesse voraussetzte, war eine vollständige Umsetzung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens nicht möglich. Die BaFin wollte diesen Umstand im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeiten berücksichtigen, s. dazu BT-Drs. 16 / 9080, S. 4. 6 s. oben 5. Kap. G. VII. 7 S. BT-Drs. 16 / 9038, S. 22. 8 So Achtelik / Ganguli, Bankpraktiker 11 / 2008, Beil. 2, S. 4. 9 Höche, WM 2005, S. 8, 9; die langjährige Evaluierung, welche die zweite Richtlinie vorsah, wurde aufgrund der neuen Ideen der FATF schlicht und einfach vergessen.

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6. Kap.: Die neuesten Entwicklungen

und Terrorismusfinanzierung häufig grenzübergreifend erfolgen. Jegliche Maßnahmen, die nur auf nationaler Ebene oder sogar auf Gemeinschaftsebene getroffen werden, seien somit unzureichend, wenn gleichzeitig keine Koordinierung und Zusammenarbeit auf internationaler Ebene gewährleistet werde.10 Durch die Anpassung an die FATF-Standards könnte man diesen Zweck erreichen; darüber hinaus wird die Harmonisierung im inneneuropäischen Bereich angestrebt. Anders jedoch als bei den anderen Richtlinien hat die europäische Kommission beschlossen, in diesem Fall eine vollständig neue Richtlinie vorzuschlagen. Die dritte Antigeldwäscherichtlinie hebt somit die Richtlinie 91 / 308 / EWG von 1991 in ihrer geänderten Fassung von 2001 auf und ersetzt diese. Das Gleiche gilt für das deutsche Umsetzungsgesetz, so dass das bisherige GwG durch eine vollständig neue Fassung dieses Gesetzes abgelöst wird. Regelungen, die nicht alle Institute betreffen, werden somit in fachspezifischen Gesetzen geregelt. Dadurch erhofft man sich eine höhere Übersichtlichkeit sowie ein diversifiziertes aufsichtsrechtliches Instrumentarium.11

II. Änderungen des StGB Das Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz sieht bereits in seinem ersten Artikel eine Ergänzung des Straftatbestands der Geldwäsche vor; diese ist jedoch marginal: Dabei handelt es sich um die nochmalige Erweiterung des Vortatenkatalogs des § 261 StGB um die Tatbestände der mittelbaren Falschbeurkundung (§ 271 StGB) und der Falschbeurkundung im Amt (§ 348 StGB), soweit diese Delikte gewerbs- oder bandenmäßig begangen werden. Während am Anfang der Geldwäschebekämpfung vor allem die Erlöse aus Drogengeschäften den Schwerpunkt der Strafverfolgung bildeten, wurde im Laufe der Jahre in den Mitgliedstaaten eine Reihe von Straftaten zu Geldwäschevortaten erklärt. Diese Entwicklung entspricht dem Umstand, dass hoch anfallende Gewinne aus sonstigen kriminellen Aktivitäten auch weißgewaschen werden müssen, um weiter verwertet werden zu können. Aus diesem Grunde und zur Rechtsharmonisierung auf Gemeinschaftsebene bezweckt die Richtlinie eine nochmalige Erweiterung der geldwäschetauglichen Vortaten: als solche sollen sämtliche „schwere Straftaten“ gelten, also Delikte, die im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr belegt werden. Durch diese Erweiterung werden ebenso die Steigerung der Verdachtsmeldungen sowie eine Verbesserung der internationalen Ähnlich im Erwägungsgrund 4 der Richtlinie. So Lang, Round Table Geldwäsche, Die neuen geldwäscherechtlichen Regelungen (unveröffentlicht); die Zersplitterung der Regelungen in verschiedenen Regelwerken kann jedoch die praktische Anwendung besonders erschweren, vor allem bei Instituten, die sich in verschiedenen Bereichen betätigen; das betont auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme, s. BT-Drs. 16 / 9038, S. 66. 10 11

A. Das Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz

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Zusammenarbeit angestrebt.12 So soll auch der Begriff der „schweren Straftaten“ mit dem entsprechenden Begriff des Rahmenbeschlusses 2001 / 500 / JI des Rates vom 26. 06. 2001 über Geldwäsche sowie Ermittlung, Einfrieren, Beschlagnahme und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten13 in Einklang gebracht werden. In der Richtlinie wird ausdrücklich auf den Rahmenbeschluss 2002 / 475 / JI des Rates v. 13. 06. 2002 zur Terrorismusbekämpfung Bezug genommen. Demnach ist die Ausstellung gefälschter Verwaltungsdokumente mit dem Ziel, eine terroristische Straftat zu begehen, unter Strafe zu stellen.14 Diese europarechtliche Verpflichtung wurde mit der Schaffung der Tatbestände der §§ 267, 271 und 378 StGB in deutsches Recht umgesetzt. Der Tatbestand der Urkundenfälschung (§ 267 StGB) wurde durch eine frühere Novellierung zu den geldwäschetauglichen Vortaten hinzugekommen, so dass ein Umsetzungsbedarf nur angesichts der benannten Vorschriften von §§ 271 und 348 StGB bestand. Durch diese Änderung wird ersichtlich, dass sich der Gesetzgeber der bereits mehrmals eingesetzten Technik der stufenweisen Erweiterung des Geldwäschevortatenkatalogs bedient. Durch den Verweis auf den Umsetzungsbedarf europarechtlicher Vorgaben ergibt sich eine gewisse konzeptionelle Unsicherheit, ob man sich auf einen eng umgrenzten Kern von geldwäschetauglichen Vortaten beschränken sollte oder ob man allmählich der Adoption des sog. „all-crimes-Prinzips“ folgt. Die Ausweitung des Vortatenkatalogs mag tendenziell Regelungslücken schließen, führt jedoch gleichzeitig zu einer erneuten Erhöhung der Unübersichtlichkeit der Norm und verstärkt den bereits mehrfach erhobenen Vorwurf der Ausuferung des Geldwäschetatbestands und der daraus entstandenen Rechtsunsicherheit.15

III. Die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung Wie bereits erwähnt ist ein erklärtes Ziel des neuen Gesetzes die Verbesserung der Terrorismusbekämpfung durch die Optimierung der Erfassung der Terrorismusfinanzierung. Zu diesem Ziel wird eine Legaldefinition der Terrorismusfinanzierung vorgegeben. In § 1 Abs. 2 GwG wird als Terrorismusfinanzierung „die Bereitstellung oder Sammlung finanzieller Mittel definiert, in Kenntnis dessen, dass sie ganz oder teilweise dazu verwendet werden oder verwendet werden sollen, s. Erwägungsgrund 7 der Richtlinie. ABl. L 182 vom 05. 07. 2001, S. 1. 14 ABl. L 164 vom 22. 06. 2002.Welche Straftaten als terroristisch im Sinne des Rahmenbeschlusses zu verstehen sind, bestimmt Art. 1 Abs. 1 Buchst. a bis h und Art. 2 Abs. 2 Buchst. b des Rahmenbeschlusses. 15 Das Expansionspotential und die sich daraus ergebenden Gefahren wurden bereits am Anfang der Karriere dieses Straftatbestands kritisiert, statt vieler: Geurts, ZRP 1997, S. 250 ff. 12 13

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1) eine Tat nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b StGB oder 2) eine andere der in Art. 1 bis 3 des Rahmenbeschlusses 2002 / 475 / JI des Rates v. 13. 06. 2002 zur Terrorismusbekämpfung umschriebenen Straftaten zu begehen oder zu einer solchen Tat anzustiften oder Beihilfe zu leisten“. Die Lieferung einer Legaldefinition der Terrorismusfinanzierung, die mittlerweile oft als Grundlage für eingriffsintensive Maßnahmen benutzt wird, ist zu begrüßen, weil sie eine größere Rechtsicherheit schafft. Betrachtet man jedoch diese Definition genauer, kommen Zweifel auf, ob dieser Effekt in der Tat zu erwarten ist. Besonders problematisch erscheint auf diese Weise die Subjektivierung der Voraussetzungen („die Absicht, finanzielle Mittel zu terroristischen Straftaten zu verwenden“) und die damit zusammenhängende Vorverlagerung der tatbestandlichen Situation (die tatsächliche Begehung oder zumindest der Versuch einer terroristischen Straftat ist ebenso wenig erforderlich). So wird es in der Praxis entweder an der Nachweisbarkeit des subjektiven Elements „Kenntnis“ mangeln, während zudem zu befürchten ist, dass anhand von bestimmten äußeren Parametern diese Kenntnis voreilig bejaht wird. Abgesehen davon, dass ungeklärt bleibt, wie die verpflichteten Institute einen solchen Verdacht herausstellen sollten, signalisiert diese Änderung einen qualitativen Zuwachs der Verpflichtungen der Adressaten; denn nunmehr müssen sie nicht nur den Verdacht auf Terrorismusfinanzierung, sondern vielmehr den Verdacht der Absicht einer Terrorismusfinanzierung aufdecken und anzeigen. Angesichts der bisherigen Praxis, wonach Verdachtsanzeigen wegen Terrorismusfinanzierung letztendlich auf Übereinstimmungen mit unterschiedlichen Eintragungen auf die sog. „Terroristenlisten“ zurückgingen, kommt dieser Vorschrift ein lediglich symbolischer Wert zu.16 Die Handhabung dieser Definition in der Praxis gestaltet sich zudem deswegen als sehr schwer, weil der jeweilige Geldwäschebeauftragte aufgrund der dort benutzten Verweisungstechnik den unübersichtlichen Rahmenbeschluss vor Augen haben muss.17 Durch diese Begriffserklärung, die nicht zuletzt auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung zurückgeht18, wird auf eine sehr raffinierte Weise die Frage nach der genauen Definition des Terrorismus und den einschlägigen Unterschieden zwischen den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen umschifft und somit auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gebracht. Problematisch ist jedoch die durch die Gesetzesnovellierung erfolgte Gleichstellung zwischen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Diese Gleichstellung scheint den grundsätzlichen Unterschied zwischen beiden Phänomenen zu verkennen: während die Geldwäsche einen Vorgang darstellt, im Rahmen dessen 16 Das bezeugt auch der äußerst geringfügige, fast schwindende Prozentanteil der Verdachtsanzeigen mit Hintergrund „Terrorismusfinanzierung“ im Gesamtaufkommen der Verdachtsanzeigen, s. BKA, Zentralstelle für Verdachtsanzeigen, FIU Deutschland, Jahresbericht 2008, S. 36 ff. 17 So auch Ackmann / Reder, WM 2009, S. 158, 160. 18 Art. 2 International Convention for the Suppression of the Financing of Terrorism, BGBl. II 2003, S. 1923.

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rechtswidrig erlangte Vermögenswerte in den legalen Finanzkreislauf eingeschleust und somit legalisiert werden sollen, verläuft die Sammlung oder Bereitstellung von rechtmäßig erworbenen Finanzmitteln zu terroristischen Zwecken genau in der umgekehrten Richtung: aus legalem wird illegales Vermögen. Somit ist die Gleichstellung der Terrorismusfinanzierung mit der Geldwäsche bzw. die Einordnung der Terrorismusfinanzierung als ein Unterfall der Geldwäsche systemwidrig.19

IV. Die Sorgfaltspflichten Zur Umsetzung des risikoorientierten Ansatzes werden den Verpflichteten sog. Sorgfaltspflichten auferlegt, die dazu dienen, das Risiko des Missbrauchs von Finanzdienstleistungen zu Zwecken der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung zu verringern. Anders als im bisherigen Geldwäschegesetz wird jedoch kein starrer, formaler Katalog von Pflichten formuliert, die stets und unabhängig von der Natur der Transaktion oder der Geschäftsbeziehung zu erfüllen sind. Stattdessen liegt dem gesetzgeberischen Konzept die in der Praxis bestätigte Annahme zugrunde, dass bei den verschiedenen Vertragspartnern sowie bei der Vielfalt der Transaktionen das Risiko einer Geldwäsche sehr unterschiedlich ausfallen kann. Somit werden entsprechende Sorgfaltspflichten statuiert, die aber nach dem jeweiligen Risikograd in einem abgestuften Verhältnis zueinander stehen. Dieser risikobasierte Ansatz ist jedoch nicht ganz neu. Seit 2002 beobachtet man, wie ein risikoorientiertes Verständnis ihrer Verpflichtungen bei den Kreditinstituten in den Bereich der organisationsinternen Maßnahmen, vor allem bei grenzüberschreitend tätigen Großbanken, Einzug gefunden hat.20 Trotzdem sind die Auswirkungen des neuen Gesetzes, wie gleich noch zu zeigen ist, alles Andere als marginal: die genaue Implementierung der Vorschriften des neuen GwG stellt sowohl die Verpflichteten als auch die Aufsichtsbehörden vor große Herausforderungen und zwingt die Letzteren, neben der ausführlichen Gesetzesbegründung die einheitliche Anwendung durch Auslegungshilfen und Erläuterungen sicherzustellen.21

19 s. Sotiriadis / Heimerdinger, BKR 2009, S. 234 f.; auf die Gefahr eines derartigen Systembruchs hat der Deutsche Anwaltsverein in seiner Stellungnahme 2004 / 47, S. 5 bereits im Juli 2004 hingewiesen. 20 s. Findeisen, Bankpraktiker 11 / 2008, Beil. 2, S. 1; Ackmann / Reder, WM 2009, S. 158, 161. 21 s. z. B. die Auslegungs- und Anwendungshinweise des ZKA zum Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz vom 17. 12. 2008; anders Ackmann / Reder, für die das neue Regelwerk die bereits bestehende Verwaltungspraxis der BaFin abbildet, so dass sich für die Kreditwirtschaft nur in sehr wenigen Bereichen tatsächliche Änderungen ergeben, in: WM 2009, S. 158, 160.

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1. Die allgemeinen Sorgfaltspflichten Den durchschnittlichen Risiken soll durch die Erfüllung der allgemeinen Sorgfaltspflichten entgegengewirkt werden (§ 3 GwG). Interessant ist hier die benutzte Regelungstechnik: getrennt geregelt werden einerseits die konkreten Sorgfaltspflichten (§ 3 Abs. 1 GwG) und andererseits die Situationen, welche die Sorgfaltspflichten aktivieren (§ 3 Abs. 2 GwG). Abschließend aufgezählt werden vier allgemeine Sorgfaltspflichten. Die erste betrifft die Identifizierung des Vertragspartners nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 GwG. Hierbei ist die Wortwahl interessant: nunmehr wird auf den jeweiligen Vertragspartner und möglicherweise auf einen hiervon abweichend wirtschaftlich Berechtigten abgestellt.22 Von der bisher verwendeten Figur des persönlich Auftretenden wurde nicht zuletzt aufgrund der zunehmenden Komplexität von Finanzgeschäften Abschied genommen. Im Rückgriff auf die in § 1 Abs. 3 GwG enthaltene Legaldefinition der Geschäftsbeziehung ist als Vertragspartner derjenige zu verstehen, mit dem eine solche Geschäftsbeziehung geschlossen wird. Noch wichtiger ist allerdings, dass sich nunmehr die Identifizierung zweigliedrig gestaltet: die Identifizierung spaltet sich also in die Feststellung der Identität und in die Überprüfung der Identität auf. Die Feststellung der Identität wird durch die Erhebung der gesetzlich vorgeschriebenen Angaben vorgenommen und geht lediglich auf die Aussagen des Vertragspartners zurück; die Überprüfung der Identität setzt vielmehr voraus, dass die gemachten Aussagen anhand von Dokumenten verifiziert werden können. Als zweite allgemeine Sorgfaltspflicht wird die Einholung von Informationen über den Zweck und die angestrebte Art der Geschäftsbeziehung normiert, soweit sich diese im Einzelfall nicht bereits zweifelsfrei aus der Geschäftsbeziehung ergeben. Diese Bestimmung, die einen wesentlichen Bestandteil der unternehmensinternen Customer Due Dilligence-Maßnahmen darstellt und zugleich als Ergänzung des Know-your-customer Prinzips zu erfassen ist, verlangt von den verpflichteten Instituten die Abklärung der Hintergründe jeder Geschäftsbeziehung. Auf diese Weise wird mittelfristig die Entwicklung eines Risikoprofils für jeden Vertragspartner ermöglicht. Im Massengeschäft bereitet diese Sorgfaltspflicht keine besonderen Schwierigkeiten, denn der Zweck ergibt sich oft aus dem genauen Typ der Geschäftsbeziehung. Diese Pflicht wird jedoch relevanter bei komplexeren Geschäftsbeziehungen, bei denen in Verbindung mit Monitoring-Strategien die höhere Erkennbarkeit von Verdachtslagen angestrebt wird.23 Somit müssen sich die Verpflichteten um Informationen bemühen, welche die Geschäftsbeziehung sinnvoll erscheinen lassen. Es gilt als unumstritten, dass dadurch die Transparenz von Finanzgeschäften erheblich erhöht wird; gleichzeitig 22 23

BT-Drs. 16 / 9038, S. 33. So Ackmann / Reder, WM 2009, S. 158, 162.

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werden jedoch die verpflichteten Institute mit einem zusätzlichen Aufwand belastet, der ihre Kooperationsbereitschaft bei der Geldwäschebekämpfung potentiell gefährdet und nicht zuletzt enorme Kosten produziert.24 Das Gesetz äußert sich nicht über den Umfang der einzuholenden Informationen, letztendlich müssen die verpflichteten Institute jedes Mal die dem jeweiligen Risiko angemessene Erfüllung ihrer Pflichten nachweisen können. Leistungs- und umsatzstarke Unternehmen werden sich wahrscheinlich unterschiedlicher EDV-Lösungen bedienen; fraglich bleibt allerdings, wie kleinere Finanzinstitute dieser Verpflichtung gerecht werden. Zudem wird als eine allgemeine Sorgfaltspflicht die Abklärung des wirtschaftlich Berechtigten vorgesehen. Die Verpflichtung der Adressaten des GwG, die Identität des wirtschaftlich Berechtigten, d. h. desjenigen, der von einer Geschäftsbeziehung begünstigt wird, festzustellen, ist an sich nicht neu. Auch nach bisheriger Rechtslage waren die Institute verpflichtet, den persönlich Auftretenden zu fragen, ob er auf eigene Rechnung handelt; hatte der persönlich Anwesende diese Frage verneint, musste er Angaben über die Identität des wirtschaftlich Berechtigten machen („Handeln auf eigene Rechnung“, § 8 Abs. 1 GwG-alt). Nunmehr wird auch diese Pflicht erweitert: anstatt bei Bejahung der einschlägigen Fragen sich den Namen und die Anschrift des tatsächlich Begünstigten zu notieren, müssen nach dem neuen Gesetz die Institute den wirtschaftlich Berechtigten identifizieren, was bei juristischen Personen die Abklärung über ihre Eigentums- und Kontrollstruktur bedeutet. Diese Informationen sollen den Verpflichteten nunmehr helfen, ihr Risikomanagement entsprechend zu gestalten und die notwendige Transparenz bei der Abwicklung von Transaktionen zu gewährleisten. Wer genau als wirtschaftlich Berechtigter gilt, gibt die Legaldefinition im § 1 Abs. 6 S. 1 GwG vor. Demnach ist wirtschaftlich Berechtigter diejenige natürliche Person, „in deren Eigentum oder unter deren Kontrolle der Vertragspartner letztlich steht, oder die natürliche Person, auf deren Veranlassung eine Transaktion letztlich durchgeführt oder eine Geschäftsbeziehung letztlich begründet wird“. Diese Bestimmung ist so zu verstehen, dass anders als bisher nicht nur die erste Ebene mehrstufiger Verschachtelungen von Beteiligungen oder Kontrollmöglichkeiten abgeklärt sein muss; vielmehr müssen die Verpflichteten die gesamte Verschachtelungskette verfolgen und nachvollziehen. Das Gesetz bedient sich auch bei der Regelung über den wirtschaftlichen Berechtigten der Regelbeispielstechnik, indem es Fälle nennt, bei denen sich die Abklärung des wirtschaftlich Berechtigten aufdrängt.25 24 s. Sotiriadis / Heimerdinger, BKR 2009, S. 234, 236; diesen Mehraufwand hebt auch Hetzer hervor, vgl. KR 2008, S. 468, 473. 25 Dies ist z. B. der Fall bei Gesellschaften, die nicht an einem organisierten Markt notiert sind und keinen dem Gemeinschaftsrecht entsprechenden Transparenzanforderungen im Hinblick auf Stimmrechtsanteile oder gleichwertigen internationalen Standards unterliegen jede natürliche Person, welche letztlich unmittelbar oder mittelbar mehr als 25% der Kapitalanteile hält oder mehr als 25% der Stimmrechte kontrolliert.

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Das Gesetz schafft allerdings keine Klarheit bezüglich der Frage, wie die Einholung von Informationen zu der Identifizierung des wirtschaftlich Berechtigten in der Praxis aussehen soll. Nach der Gesetzesbegründung sind die zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten des Verpflichteten zur Überprüfung der Identität des wirtschaftlichen Berechtigten zu berücksichtigen; die Angemessenheit der Maßnahmen wird sich nach dem Geldwäscherisiko der Transaktion richten.26 Auf diese Weise wird den Verpflichteten ein Beurteilungsspielraum in Bezug auf die Angemessenheit der Maßnahmen zur Abklärung des wirtschaftlich Berechtigten eröffnet. Wie genau dieser Spielraum jedoch zu benutzen ist, bleibt für eine Vielzahl von Fällen unklar: denn den Instituten selbst bleibt es überlassen, ob sie zur Identifizierung des wirtschaftlichen Berechtigten öffentliche Aufzeichnungen nutzen, ihre Kunden um entsprechende Informationen bitten oder ob sie auf andere Informationsquellen zugreifen. Dies könnte folglich bedeuten, dass mangels öffentlicher Aufzeichnungen und somit bei einer nicht ausreichenden Überprüfung der Identität des wirtschaftlichen Berechtigten, das verwickelte Kreditinstitut die in Frage kommenden Transaktionen zwar durchführen darf, bei entsprechendem Geldwäscheverdacht jedoch eine Verdachtsanzeige abgeben muss. Vor dem Hintergrund der Vielgestaltigkeit von Eigentumsverhältnissen, die sich nicht einfach klären lassen, scheint diese Regelung die Vertragsfreiheit der Verpflichteten erheblich einzuschränken. Dieser Fall kann noch komplizierter werden, wenn im Rahmen mehrstufiger und komplexer Unternehmensstrukturen die tatsächlichen wirtschaftlich Berechtigten in Drittstaaten residieren, in denen keine der EU vergleichbaren Antigeldwäsche- und Bankaufsichtstandards gelten. In diesen Fällen ist der kostenmäßige und verwaltungstechnische Mehraufwand insb. bei kleineren Instituten nicht mehr zu vertreten.27 Nach dem Gesetzeswortlaut soll diese Pflicht mit angemessenen Mitteln erfüllt werden. Hinter dieser Formulierung verbirgt sich allerdings das Risiko, dass bei jedem aufgedeckten Geldwäschefall, der von oder mithilfe von juristischen Personen begangen wird, die Aufsichtsbehörde die Angemessenheit der Abklärung des wirtschaftlichen Berechtigten rügen kann, ohne dass die Verpflichteten sich effektiv zur Wehr setzen könnten. Der Aufwand für die Pflichterfüllung steigert sich enorm, wenn man bedenkt, dass die Abklärung des wirtschaftlich Berechtigten bezüglich sämtlicher Bestandskunden erfolgen muss. Als Letztes wird den Instituten die Pflicht auferlegt, jede Geschäftsbeziehung, einschließlich der in ihrem Verlauf durchgeführten Transaktionen, zu überwachen und die jeweiligen Dokumente, Daten oder Informationen im angemessenen zeitlichen Abstand zu aktualisieren. Zu Recht wird in der Gesetzesbegründung angeführt, dass bei Dauerschuldverhältnissen die einmalige Identitätsfeststellung und BT-Drs. 16 / 9038, S. 35. Vgl. Achtelik / Ganguli, Bankpraktiker 11 / 2008, Beil. 2, S. 10; die geringe Praktikabilität der Regelung über den wirtschaftlich Berechtigten rügt auch Kallert, DStR 2008, S. 1661 f. 26 27

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die Abklärung über den Zweck und die Art der Geschäftsbeziehung nicht ausreichen. Erforderlich sei somit eine kontinuierliche Überwachung, um Auffälligkeiten oder Abweichungen vom gewöhnlichen Geschäftsverhalten festzustellen.28 Eine derartige Überwachung erscheint sinnvoll. Denn eine Geschäftsbeziehung wird zum Zeitpunkt ihrer Begründung anhand von bestimmten Risikofaktoren überprüft, während später hinzugekommene Risikoindikatoren zu diesem Zeitpunkt nicht berücksichtigt werden. Auf diese Weise werden die bereits erstellten Kundenprofile bis auf Einzelheiten ergänzt und die Risiken für die verpflichteten Institute minimiert. Zweck dieser Monitoring-Systeme ist auf der Grundlage von Verdachtsparametern, die das Erfahrungswissen über Geldwäscheprävention widerspiegeln, geldwäscherelevante Transaktionen aus der ganz überwiegenden Mehrzahl der nichtgeldwäscherelevanten zu erkennen. Solche EDV-gestützten Systeme werden nicht anlassbezogen eingesetzt; gleichzeitig ist es nicht Sinn dieser Vorschrift, die anlasslose Rasterung sämtlicher Kontobewegungen zu regeln, sondern über die institutseigene Risikoanalyse und durch eine entsprechende Parametrisierung dieser EDV-Systeme aus der Gesamtheit der Transaktionen und der Geschäftsbeziehungen solche mit geringem oder keinem Risiko auszusortieren und gleichzeitig andere Gruppen mit hohem Risiko zu erkennen und gesondert zu beobachten.29 Zunächst werden in § 3 Abs. 2 GwG die Situationen aufgezählt, welche die allgemeinen Sorgfaltspflichten erst aktivieren. Eine solche ist die Begründung der Geschäftsbeziehung. Ein Tätigwerden vor der Begründung einer Geschäftsbeziehung bezieht sich lediglich auf die Identifizierung nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 GwG, alle anderen allgemeinen Sorgfaltspflichten sind bei der Begründung der Geschäftsbeziehung zu erfüllen. Fraglich bleibt in diesem Zusammenhang, welche Fallkonstellationen genau unter dieser Begrifflichkeit zu verstehen sind. Grundsätzlich ist dieser Begriff nicht in anderen Rechtsnormen enthalten, so dass auf die Auslegung vergleichbarer Rechtssätze nicht zurückgegriffen werden kann. Auf den ersten Blick läge es nahe, unter Begründung einer Geschäftsbeziehung den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zwischen dem verpflichteten Institut und dem Vertragspartner zu subsumieren. Daraus, dass der Gesetzgeber diese Formulierung jedoch in den Gesetzestext nicht aufgenommen hat, ergibt sich, dass ein anderer Zeitpunkt gemeint ist, der sich von dem des Vertragsschlusses unterscheidet, also bereits vor dem Vertragsschluss beginnt oder nach dem Vertragsschluss endet. Gegen die Annahme, dass die Begründung einer Geschäftsbeziehung bereits den Zeitraum umfasst, der vor der Eingehung des Vertrags liegt, spricht der Umstand, dass in § 4 Abs. 1 S. 1 GwG die Formulierung „bereits vor der Begründung der Geschäftsbeziehung“ aufgenommen worden ist. Hier wird explizit darauf hingewiesen, dass bestimmte Sorgfaltspflichten, nämlich die Identifizierung, gerade vor dem Zeitraum der Begründung einer Geschäftsbeziehung anzuwenden sind. Damit kann die Formulierung „bei Begründung einer Geschäftsbeziehung“ grundsätzlich 28 29

BT-Drs. 16 / 9038, S. 34. Ackmann / Reder, WM 2009, S. 158, 165.

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nicht den Zeitraum vor dem Vertragsschluss umfassen. Demnach kann dieser Wortlaut nur den Zeitpunkt des Vertragsschlusses und den diesem Vertragsschluss nachgelagerten Zeitraum betreffen, der den Kundenannahmeprozess beschreibt. Dies ist bei dem überwiegenden Teil der Verpflichteten des GwG nicht nur der Vertragsschluss, sondern auch der Zeitraum, den das Institut benötigt, um die entsprechenden Eingaben zu betreiben. Außerdem sind die allgemeinen Sorgfaltspflichten bei Transaktionen zu erfüllen, die außerhalb einer Geschäftsbeziehung erfolgen und den Wert von 15 000 A in bar erreichen oder übersteigen. Diese Verpflichtung ist nicht neu; neu ist allerdings, dass sie auch bei der Abgabe von Bargeld besteht.30 Letztlich werden die bereits bestehenden Konstellationen geregelt, wonach allgemeine Sorgfaltspflichten gelten, wenn unabhängig von Schwellenwerten Tatsachen festgestellt werden, die darauf schließen lassen, dass die in Betracht kommende Transaktion der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung dient, gedient hat oder im Fall der Durchführung dienen würde sowie bei Zweifeln über die Richtigkeit der erhobenen Angaben. Die Bestimmung der allgemeinen Sorgfaltspflichten wurde durch eine Klausel ergänzt, wonach die Verpflichteten bei Erfüllung dieser Pflichten den konkreten Umfang ihrer Maßnahmen stets am Risiko des jeweiligen Vertragspartners sowie der jeweiligen Geschäftsbeziehung oder Transaktion zu messen haben (§ 3 Abs. 4 GwG). Auf diese Weise müssen die verpflichteten Institute einen internen Mechanismus entwickeln, der ihnen erlauben würde, diese vorgegebenen Pflichten den entsprechenden Risikofaktoren jeweils anzupassen. Gemeint ist damit die zusammenhängende Pflicht der Adressaten, darzulegen, dass der Umfang der getroffenen Maßnahmen im Hinblick auf die Risiken der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung angemessen waren. Somit verlagert sich die Frage auf die Kriterien, nach denen die Angemessenheit beurteilt wird. Zur Auslegung dieses Begriffs werden die Verpflichteten auch nach dem neuen Gesetz einen Rekurs auf das BaFinRundschreiben 8 / 2005 nicht vermeiden: danach sind solche Maßnahmen und Systeme als angemessen anzusehen, die der jeweiligen Risikosituation des einzelnen Instituts entsprechen und diese hinreichend abdecken.31 Was angemessen ist, entscheidet somit die Gefährdungsanalyse des Instituts in Verbindung mit den von diesem angebotenen Dienstleistungen. Zu betonen ist somit, dass die Erstellung einer institutsinternen Gefährdungsanalyse, ohne den Charakter einer gesondert geregelten Sorgfaltspflicht aufzuweisen, letztendlich zur Erfüllung der allgemeinen Sorgfaltspflichten vorausgesetzt wird.32

30 In § 2 Abs. 2 GwG-alt war die Identifizierung nur bei Annahme von Bargeld usw. vorgesehen. 31 BaFin, Rundschreiben 08 / 2005 vom 24. 03. 2005, Institutsinterne Implementierung angemessener Risikomanagementsysteme zur Verhinderung der Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Betrug zu Lasten der Institute. 32 Ähnlich Ackmann / Reder, WM 2009, S. 167.

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Sind trotz der Anstrengungen der Verpflichteten die vorgeschriebenen Sorgfaltspflichten nicht zu erfüllen, darf die Geschäftsbeziehung nicht begründet oder fortgesetzt werden. Die einschlägigen Transaktionen müssen somit gestoppt werden. Diese Bestimmung stellt ohne Zweifel einen erheblichen Eingriff in die grundgesetzlich verankerte Vertragsfreiheit und Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG) der Institute dar, sollte jedoch angesichts ihrer Rolle zu einer effektiven Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung hingenommen werden. Hierbei ist dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit eine große Rolle beizumessen.33 Zu Recht weist der Gesetzgeber darauf hin, dass die Kündigung einer Geschäftsbeziehung in Relation zu dem von einer konkreten Transaktion ausgehenden Risiko der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung gesetzt werden muss, so dass in Ausnahmefällen die Verpflichtung entfallen kann, wenn bei Abwägung des wirtschaftlichen Interesses des Instituts an der Fortsetzung der Geschäftsbeziehung einerseits und dem tatsächlichen Geldwäscherisiko andererseits das Erstere wesentlich überwiegt.34 Da die Erfüllung dieser Pflichten den betroffenen Instituten einen Mehraufwand sowie noch höhere Kosten abverlangt, wird eine aktive Mitwirkungspflicht des Vertragspartners festgeschrieben, dem Verpflichteten zur Erfüllung seiner Pflichten notwendige Unterlagen und Informationen zur Verfügung zu stellen und Änderungen unverzüglich anzuzeigen (§ 4 Abs. 6 GwG). Kommt der Vertragspartner dieser Mitwirkungspflicht nicht nach, können unter Umständen die Sorgfaltspflichten nicht erfüllt werden, so dass die Geschäftsbeziehung nach Maßgabe des § 3 Abs. 6 GwG zu beenden ist.

2. Die vereinfachten Sorgfaltspflichten § 5 Abs. 1 GwG regelt nun, dass bei einem geringen Geldwäscherisiko vereinfachte Sorgfaltspflichten von den Verpflichteten angewendet werden können. Liegt also ein gesetzlicher Fall solcher vereinfachter Sorgfaltspflichten vor, kann grundsätzlich auf die allgemeinen Pflichten des § 3 GwG verzichtet werden. In § 5 Abs. 2 GwG werden Fallkonstellationen umschrieben, bei denen vereinfachte Sorgfaltspflichten gelten. Ein geringes Risiko besteht z. B. bei Transaktionen von Verpflichteten und bei Begründung von Geschäftsbeziehungen mit anderen Verpflichteten des GwG. Dies gilt nicht nur für Institute, die ihren Sitz im Inland haben, sondern auch für andere, die in einem Drittstaat ihren Sitz haben, sofern dort gleichwertige Anforderungen gelten und der Verpflichtete einer gleichwertigen Aufsicht unterliegt. Vereinfachte Sorgfaltspflichten gelten somit bei BT-Drs. 16 / 9038, S. 36. In der Gesetzesbegründung wird jedoch ausdrücklich betont, dass bei nachhaltigen und andauernden Sorgfaltspflichtverletzungen die Kündigung der Geschäftsbeziehung eintreten muss, s. BT-Drs. 16 / 9038, S. 36. 33 34

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Transaktionen mit Finanzinstituten, die ihren Sitz in EU- oder in FATF-Ländern haben. Diese Bestimmung zielt auf die Erleichterung des Eigen- bzw. Interbankgeschäfts auf, das aufgrund der staatlichen Aufsicht weniger geldwäscherelevant ist. Vereinfachte Pflichten gelten zudem für börsennotierte Gesellschaften, deren ausgegebene Wertpapiere zum Handel auf einem organisierten Markt in der EU oder in einem Drittstaat mit gleichwertigen Transparenzanforderungen zugelassen sind. Grund für diese Erleichterung ist die ohnehin schon intensivere Beaufsichtigung dieser Gesellschaften. Eine andere Konstellation, wo vereinfachte Pflichten statuiert werden, betrifft die Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten bei Notaroder Rechtsanwaltsanderkonten. Den Verpflichteten wird es in der Praxis nicht gelingen, die wirtschaftlich Berechtigten bei jeder einzelnen Überweisung ausfindig zu machen. Bei Anderkonten wird jedoch in der Regel täglich eine Vielzahl von Buchungen vorgenommen, bei denen die Institute eigentlich bei jeder einzelnen Transaktion den wirtschaftlich Berechtigten erfragen müssten. Notare und Rechtsanwälte gehören auch zum Adressatenkreis des GwG und sind deshalb selber dazu verpflichtet, ihre Vertragspartner zu identifizieren, so dass sich diese Vereinfachung als konsequent darstellt. Letztlich werden vereinfachte Sorgfaltspflichten bei Transaktionen mit inländischen Behörden oder mit ausländischen Behörden oder öffentlichen Einrichtungen vorgeschrieben, die aufgrund des EU-Rechts mit öffentlichen Aufgaben betraut sind. Merkwürdig ist jedoch die Regelung des § 5 Abs. 3 GwG, die vorsieht, dass die benannten Erleichterungen nicht gelten sollen, wenn kein geringes Risiko der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung gegeben ist. Auf diese Weise müssen die Verpflichteten, auch wenn ein der ausformulierten Fälle von vereinfachten Sorgfaltspflichten vorliegt, weitere Anstrengungen unternehmen, um festzustellen, ob tatsächlich ein geringes Risiko vorliegt. Dieser Umstand kann jedoch in der Praxis den verwaltungstechnischen Gewinn der Vereinfachung abschaffen. Die Unsicherheit bezüglich dieser Klausel, welche die vereinfachten Sorgfaltspflichten verwässert, wird sogar in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebracht.35 Auf diese Weise bleibt völlig unklar, was genau von den Verpflichteten erwartet wird und inwiefern sie bei den „low-risk“ Geschäftsbeziehungen tatsächlich nur einen reduzierten Aufwand betreiben müssen. Zu beanstanden ist in diesem Zusammenhang auch die Sperrigkeit dieser Vorschrift, die erst dann nachvollziehbar wird, wenn man ihren Wortlaut zusammen mit einer Vielzahl von anderen Rechtstexten liest.36

35 36

Dort steht, dass dies noch einmal klargestellt werden sollte, s. BT-Drs. 16 / 9038, S. 86. Ähnlich Achtelik / Ganguli, Bankpraktiker 11 / 2008, Beil. 2, S. 7.

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3. Die verstärkten Sorgfaltspflichten Entsprechend den vereinfachten Sorgfaltspflichten bei einem geringen Geldwäscherisiko werden in § 6 GwG verstärkte Sorgfaltspflichten festgeschrieben. Der Gesetzgeber bedient sich dort einer Art Generalklausel, wonach solche Pflichten immer dann gelten, wenn erhöhte Risiken bezüglich der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung bestehen.37 Es liegt somit an der Zuständigkeit der verpflichteten Institute, nach der eigenen Risikoanalyse zu entscheiden, welche Transaktionen, Geschäftsbeziehungen oder Kundenkategorien als besonders risikoträchtig anzusehen sind. Hinsichtlich der angemessenen Erfüllung dieser Pflichten haben die betroffenen Institute die Darlegungslast und müssen, wie bei den allgemeinen Sorgfaltspflichten, eine Geschäftsbeziehung beenden bzw. sie gar nicht begründen, wenn die Erfüllung dieser Pflichten nicht möglich ist. Anders jedoch als bei den vereinfachten Sorgfaltspflichten werden in § 6 nicht nur konkrete Fallkonstellationen hohen Geldwäscherisikos genannt, sondern auch zusätzliche Sorgfaltspflichten umschrieben. Die Aufzählung dieser Fallkonstellationen, die verstärkte Sorgfaltspflichten aktivieren, hat jedoch keinen abschließenden Charakter; diese Konstellationen sind als eine Art „Regelbeispiele“ zu verstehen. Die erste Konstellation betrifft die Anwendung risikoorientierter Verfahren, um bestimmen zu können, ob es sich bei einer Person, mit der eine Geschäftsbeziehung begründet werden sollte, um eine sog. „politisch exponierte Person“ handelt. Dieser Begriff wird nur in seinen groben Zügen beschrieben: als solche gelten nicht im Inland ansässige natürliche Personen, die ein wichtiges öffentliches Amt ausüben oder ausgeübt haben, deren unmittelbare Familienmitglieder oder ihnen bekanntermaßen nahe stehenden Personen (z. B. enge Freunde). Zur weiteren Konkretisierung dieser nicht unbedingt eindeutigen Begrifflichkeit wird auf die Durchführungsrichtlinie 2006 / 70 / EG Bezug genommen. Zur Einschränkung des Kreises der politisch exponierten Personen (PEPs) legt das Gesetz fest, dass einerseits solche Funktionsträger nicht als PEP gelten, die mittlere oder niedrigere Funktionen innehaben und andererseits, dass Ämter unterhalb der nationalen Ebene nur dann als wichtig gelten, wenn deren politische Bedeutung mit der ähnlicher Positionen auf nationaler Ebene vergleichbar ist. Zu diesem Zweck wird auch geregelt, dass Personen, die seit einem Jahr oder mehr kein öffentliches Amt innehaben, als PEPs ausscheiden. Das Gesetz nimmt auch zum Begriff der „Nahestehenden“ Stellung, indem es für die Bejahung dieser Eigenschaft verlangt, dass diese Beziehung öffentlich bekannt ist, oder der Verpflichtete einen Grund zur Annahme hat, dass eine derartige Beziehung besteht. Jedenfalls sind aber die Institute nicht verpflichtet, bei so gelagerten Fällen aktive 37 Eine Konstellation, die stets verstärkte Sorgfaltspflichten aktiviert, sind Transaktionen und Geschäftsbeziehungen im Zusammenhang mit Ländern ohne gleichwertige Standards, s. BT-Drs. 16 / 9038, S. 40.

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Nachforschungen anzustellen, um z. B. die Art der Beziehung abzuklären. Letztlich gelten erhöhte Sorgfaltspflichten nur für PEPs, die im Ausland ansässig sind, wobei diese Differenzierung zwischen in- und ausländischen PEPs nicht gerade nachvollziehbar erscheint.38 Den Hintergrund der Regelung über die politisch exponierten Personen bildet ihre angenommene Korruptionsanfälligkeit. Der europäische Richtliniengeber geht in Anlehnung an internationale Standards schon davon aus, dass PEPs aufgrund ihrer Position bzw. ihrer Machtstellung ein erhöhtes Gefährdungspotential aufweisen. Das Potential zum Missbrauch des eigenen Amtes wird eminenter, wenn diese Personen aus Ländern kommen, wo Korruption und Bestechlichkeit weit verbreitet sind. Denn diese Personen könnten versuchen, das bereits angehäufte kriminelle Vermögen in andere Finanzmärkte zu transferieren, so dass dieses Vermögen in den legalen Finanzkreislauf eingeschleust würde und die davon betroffenen Institute hierdurch Reputations- sowie finanzielle Schäden erleiden könnten. Die Erkennung von PEPs gestaltet sich allerdings als äußerst schwer für die Finanzinstitute. Denn den Instituten wird die Verpflichtung auferlegt, zur Feststellung von PEPs angemessene, risikoorientierte Verfahren anzuwenden. Die Kundenstammdatensätze enthalten jedoch kaum Informationen für die potentielle Ausübung eines politischen Amts. Die Identifizierung eines Vertragspartners als PEP wird noch problematischer, wenn man die politische Instabilität und Intransparenz in zahlreichen Ländern berücksichtigt. Auch angesichts der Dynamik politischer Prozesse kann sich der Status eines Kunden rasch verändern oder kaum noch zu erkennen sein. Diese Schwierigkeiten werden unüberwindbar bei der Erkennung von Familienmitgliedern und nahen Angehörigen als PEPs, vor allem bei großen Familienstämmen oder bei undurchsichtigen Strukturen des Liebeslebens.39 Die Verpflichteten müssen somit auf Datenbanken mit PEP-Listen zurückgreifen. Dies muss allerdings nicht nur bei der Begründung neuer Geschäftsbeziehungen erfolgen; erforderlich ist ebenso, dass der gesamte Kundenstamm nach PEPs durchforstet wird. Denn die entsprechenden PEP-Listen werden ständig aktualisiert, während bestimmte Personen erst zu einem späteren Zeitpunkt zu PEPs werden. Abgesehen von dem großen finanziellen Aufwand, der sich daraus für die Kreditwirtschaft ergibt, taucht im Zusammenhang mit der Verwendung solcher Datenbanken eine Reihe von wesentlichen rechtlichen Fragen auf: nach welchen Kriterien wird die Einbeziehung von Personenkategorien in diese Datenbanken vorgenommen oder wie können sich die „Gelisteten“ gegen deren Eintragung wehren? Welche Haftungspflichten ergeben sich für die Verpflichteten aus „false positives“? Wird nicht auf diese Weise das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Personen verletzt? Angesichts der weitreichenden Kon38 So auch Ackmann / Reder, WM 2009, S. 201, 203. Familienangehörige und den PEPs nahe stehende Personen können auch im Inland ansässig sein, so Kallert, DStR 2008, S. 1661 f. 39 s. dazu sehr ausführlich Herzog / Hoch, WM 2007, S. 1997 f.

A. Das Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz

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sequenzen, die eine solche Eintragung für eine vermeintliche „politisch exponierte Person“ mit sich bringt, und des Schweigens des Gesetzes diesbezüglich, ist dem Gesetzgeber zumindest Leichtfertigkeit vorzuwerfen. Diese Leichtfertigkeit erstreckt sich allerdings auch darauf, dass der Gesetzgeber nicht den genauen Zeitpunkt festlegt, zu dem die Erkennung des PEPs zu erfolgen hat. Da die Begründung der Geschäftsbeziehung von der Zustimmung des Vorgesetzten abhängig gemacht wird, ist davon auszugehen, dass die Einordnung als PEP zu diesem sehr frühen Stadium stattfinden muss. Somit stößt man wieder auf das Definitionsproblem der Begründung einer Geschäftsbeziehung. Die gesamte Problematik wird allerdings dadurch abgeschwächt, dass in den Erwägungsgründen der Durchführungsrichtlinie betont wird, dass die Aufsichtsbehörden bei ihrer Ermessensausübung berücksichtigen sollten, dass Verpflichtete möglicherweise übersehen können, dass ein Vertragspartner unter eine der Kategorien der politisch exponierten Personen fällt, obwohl sie diesbezüglich hinreichende und angemessene Maßnahmen ergriffen haben. In solchen Fällen sollen die Behörden eine schematische Inanspruchnahme der Verpflichteten für eine derartige Unterlassung vermeiden.40 Ist also eine Person als politisch exponiert identifiziert, werden den Instituten konkrete Pflichten auferlegt: als Erstes muss der Begründung der Geschäftsbeziehung von der unmittelbar übergeordneten Führungsebene zugestimmt werden.41 Darüber hinaus muss das betroffene Institut angemessene Maßnahmen ergreifen, um die Herkunft der im Rahmen der Geschäftsbeziehung oder Transaktion eingesetzten Vermögenswerte zu bestimmen (Research), während diese Geschäftsbeziehung einer verstärkten und kontinuierlichen Überwachung unterzogen wird (On-Going Monitoring). Maßnahmen zur Bestimmung des Ursprungs der Vermögenswerte beinhalten selbstverständlich ein Nachfragen bei der PEP. Damit korrespondiert auch die Verpflichtung des Vertragspartners, bzw. der als PEP eingestuften Person, die zur Abklärung notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen und sich im Laufe der Geschäftsbeziehung ergebende Änderungen unverzüglich anzuzeigen. In diesem Zusammenhang bleibt allerdings völlig unklar, wie weit diese Nachforschungen gehen dürfen bzw. wann genau die Maßnahmen, die ein Kreditinstitut zur Abklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse einer PEP ergriffen hat, angemessen sind.42 Somit wird ersichtlich, dass die Erfüllung dieser verstärkten Sorgfaltspflichten für die Institute mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden ist. Vgl. Erwägungsgrund 2 der Richtlinie 2006 / 70 / EG. Das wird in der Gesetzesbegründung auch betont, BT-Drs. 16 / 9038, S. 40. Offen bleibt jedoch die Frage, ob die Einwilligung der nächst höheren Managementstufe oder sogar des Vorstands erforderlich ist. 42 Das wird vom Gesetz offen gelassen; interessant ist in diesem Zusammenhang, dass nach den BCBS Empfehlungen zur Beurteilung des PEP-Status eines Kunden „publicly available information“ ausreichen. 40 41

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6. Kap.: Die neuesten Entwicklungen

Der zweite Fall, in dem den Verpflichteten verstärkte Sorgfaltspflichten auferlegt werden, betrifft natürliche Personen, die als Vertragspartner zur Feststellung ihrer Identität nicht persönlich anwesend sind. Dabei handelt es sich um eine echte Neuerung, denn bisher musste der Kunde bei der Identitätsfeststellung persönlich anwesend sein: auf diesem Wege wollte der europäische Richtliniengeber den vermehrten Einsatz von neuen Technologien auch bei der Abwicklung von Finanzdienstleistungen berücksichtigen (z. B. Online-Banking) und den sich daraus ergebenden Geldwäscherisiken entgegenwirken. Liegt ein solcher Fall vor, muss das Institut die Identifizierung anhand eines Dokuments i. S. d. § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 GwG oder einer beglaubigten Kopie dieses Dokuments oder anhand einer qualifizierten elektronischen Signatur i. S. d. § 2 Abs. 3 des Signaturgesetzes vornehmen. Kumulativ soll in diesen Fällen sichergestellt werden, dass die erste Transaktion von einem Konto erfolgt, das auf den Namen des Vertragspartners bei einem im Inland oder in einem Drittstaat ansässigen Kreditinstitut eröffnet worden ist, für das Anforderungen gelten, die denen dieses Gesetzes gleichwertig sind.43

V. Interne Sicherungsmaßnahmen Der präventiven Achse des GwG dient die Normierung der internen Sicherungsmaßnahmen im § 9 GwG. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Verpflichteten nicht nur reaktiv im Sinne der Erfüllung von Sorgfaltspflichten und der Erstattung von Verdachtsanzeigen agieren, sondern auch proaktiv, durch die Schaffung interner Mechanismen, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung frühzeitig erkennen können. Zu diesem Zweck müssen alle Verpflichteten angemessene internen Sicherungsmaßnahmen, d. h. organisatorische Vorkehrungen gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ergreifen, die im Gesetz abschließend aufgezählt werden. Die Pflicht zur Schaffung solcher Mechanismen erstreckt sich allerdings auf alle Zweigstellen und Niederlassungen eines Unternehmens im In- und Ausland. Eine solche Maßnahme ist die Bestellung eines Geldwäschebeauftragten; diese Pflicht ist nicht neu; neu jedoch ist die Stärkung der Stellung des Geldwäschebeauftragten in der innerbetrieblichen Hierarchie, denn er wird der Geschäftsleitung unmittelbar nachgeordnet: der Geldwäschebeauftragte soll also innerhalb des Unternehmens über eine Position verfügen, die es ihm erlaubt, die Belange der Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierung gegenüber den Mitarbeitern und der Geschäftsleitung unabhängig und mit gebotenem Nachdruck vertreten zu können.44 Als weitere Sicherungsmaßnahme wird die Entwicklung und Aktualisierung interner Grundsätze, angemessener geschäfts- und kundenbezogener Sicherungs43 Die Beglaubigung eines Dokuments trifft noch keine Aussage über die Echtheit oder die Identität des Vertragspartners, s. BT-Drs. 16 / 9038, S. 41. 44 BT-Drs. 16 / 9038, S. 43.

A. Das Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz

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systeme und Kontrollen zur Verhinderung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung festgeschrieben sowie die nicht mehr regelmäßige, sondern risikound anlassbezogene Unterrichtung bzw. Schulung der mit der Anbahnung und Begründung von Geschäftsbeziehungen befassten Beschäftigten über die Methoden der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung. Gestrichen wird somit die in der bisherigen Fassung des GwG enthaltene Zuverlässigkeitsprüfung der Mitarbeiter, die jedoch in der Praxis am Anfang des Beschäftigungsverhältnisses immer noch stattfinden wird.45 Die Pflicht zur Einrichtung angemessener Sicherungssysteme umfasst allerdings auch die Erstellung einer Gefährdungsanalyse, während als angemessen solche Maßnahmen und Systeme angesehen werden, die der jeweiligen Risikosituation des einzelnen Instituts entsprechen. Diese Sicherungssysteme haben sich insbesondere an der Größe, Organisation und Gefährdungssituation des einzelnen Instituts, insb. dessen Geschäfts- und Kundenstruktur auszurichten.46

VI. Sonstige Änderungen Neben der neuen Aufteilung der Sorgfaltspflichten je nach Risikokategorie werden durch das neue Geldwäschegesetz noch einige Änderungen hervorgebracht. Eine solche betrifft z. B. Regelungen zur Auslagerung von Sorgfaltspflichten. Während bisher die Ausführung von unterschiedlichen Pflichten nach dem GwG durch Dritte eine gängige Praxis darstellte, gibt es nunmehr im § 7 GwG eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung, welche die genauen Voraussetzungen für ein solches „Outsourcing“ regelt. Das Gesetz unterscheidet somit zwischen bestimmten Personengruppen, die als per se anerkannte vertrauenswürdige Dritte ohne zusätzliche Bedingungen mit diesen Tätigkeiten betraut werden können und anderen Dritten, die auf der Basis vertraglicher Vereinbarungen eingesetzt werden können. Zu der ersten Kategorie gehören insbesondere in der EU ansässige Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen, Rechtsanwälte und Notare, während ein prominentes Beispiel einer Ausführung von Sorgfaltspflichten durch Dritte aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung der PostIdent Service der Deutschen Post ist.47 Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass die Verantwortung für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten stets bei dem Verpflichteten verbleibt. Während der risikobasierte Ansatz in erster Linie durch die differenzierte Erfüllung von Sorgfaltspflichten verwirklicht wird, enthält das Gesetz auch andere Pflichten für die Adressaten des Gesetzes. § 8 GwG schreibt z. B. vor, dass die Vgl. Achtelik / Ganguli, Bankpraktiker 11 / 2008, Beil. 2, S. 4, 7. s. auch das Papier des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht „Sorgfaltspflicht der Banken bei der Feststellung der Kundenidentität“, S. 10, in: BaFin-Rundschreiben 25 / 2002, Ziff. 25. 47 s. Ackmann / Reder, WM 2009, S. 201, 207. 45 46

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6. Kap.: Die neuesten Entwicklungen

erhobenen Angaben und eingeholten Informationen über Vertragspartner, wirtschaftlich Berechtigte, Geschäftsbeziehungen und Transaktionen aufzuzeichnen sind. Neu ist diese Pflicht nicht; geändert hat sich lediglich die Aufbewahrungsfrist für diese Aufzeichnungen, die von sechs auf nunmehr fünf Jahre reduziert wurde. Die Verdachtsanzeigepflicht wird, wie in der bisherigen Fassung des GwG, im § 11 GwG geregelt. Der Kern dieser ebenso zentralen Pflicht bleibt derselbe. Erweitert wird lediglich der Kreis der anzeigepflichtigen Personen bei Verdacht der Terrorismusfinanzierung: nunmehr sind alle Verpflichteten hiervon erfasst. Darüber hinaus wird die Verdachtsanzeigepflicht auch auf solche Fälle erstreckt, bei denen sich der Verdacht der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung erst nachträglich herausstellt. Neu aufgenommen wurde auch eine sog. „Feedbackregelung“, wonach Verpflichteten, die eine Anzeige erstattet haben, auf Antrag nach § 475 StPO Auskünfte erteilt werden, soweit dies zur Überprüfung ihres Anzeigeverhaltens erforderlich ist. Diese Möglichkeit soll die Verpflichteten in die Lage versetzen, die Qualität, Aussagekraft und Wirksamkeit ihrer Verdachtsanzeigen zu optimieren.48 Darüber hinaus ist nunmehr der Verstoß gegen die Verdachtsanzeigepflicht bußgeldbewehrt. Dadurch soll die besondere Bedeutung dieser Pflicht für die Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung hervorgehoben werden. In der Vergangenheit wurde die Verletzung der Verdachtsanzeigepflicht bewusst nicht in den Bußgeldkatalog des GwG aufgenommen, da die Pflicht zur Erstattung einer Verdachtsanzeige zu Recht nicht als hinreichend bestimmt angesehen wurde; dementsprechend konnte kein Bußgeldtatbestand an eine solche Norm anknüpfen. Was sich in der Zwischenzeit geändert hat, wird nicht ersichtlich. Wann genau in concreto die Verdachtsanzeigepflicht aktiviert wird, kann nicht pauschal bewertet werden; der deutsche Gesetzgeber scheint, durch die Aufnahme dieses Tatbestands lediglich ein Vertragsverletzungsverfahren vermeiden zu wollen.

VII. Ergebnis Das zentrale Anliegen der Richtlinie und des Umsetzungsgesetzes, der Übergang zu einem risikobasierten Ansatz in der Bekämpfung der Geldwäsche, ist pauschal positiv zu bewerten. Zum einen trägt er den Erfahrungen mit den unterschiedlichen Modalitäten des überregulierten Geldwäscherechts Rechnung. Seit der Einführung des GwG wurde stets versucht, die Verpflichtungen der Privaten bis ins letzte Detail zu normieren und alle denkbaren Konstellationen zu erfassen. Diese Entwicklung hat allmählich zur Einsicht geführt, dass die Vielgestaltigkeit des Regelungsbereichs diesen Versuch obsolet macht, so dass das gewerbliche Geldwäschebekämpfungsrecht nicht effektiver, sondern immer bürokratischer und 48

BT-Drs. 16 / 9038, S. 45.

A. Das Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz

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unübersichtlicher wurde. Durch den risikobasierten Ansatz wird somit klar zum Ausdruck gebracht, dass den verwickelten Instituten die Verantwortung für die eigenen rechtlichen Risiken nicht abgenommen werden kann. Dieser Ansatz sieht also eine Ko-Regulierung vor, so dass der Staat die Rahmenbedingungen schafft und lediglich deren Nicht-Einhaltung sanktioniert. Über diese Ziele hinaus wird es den Instituten überlassen, wie genau sie diese Rahmenbedingungen in konkrete Organisationsstrukturen umsetzen. Auf diese Weise werden sie in der Lage sein, auf ihre jeweiligen Geschäftsbeziehungen, ihren Kundenstamm und ihren Tätigkeitsbereich zugeschnittene Normen zu entwickeln.49 Dieser Umstand schafft Flexibilisierung und Entbürokratisierung der gesamten Geldwäschebekämpfung; denn die Unternehmen werden innerhalb des vorgegebenen Rahmens ihre Eigenverantwortung übernehmen. Auf diese Weise wird tatsächlich mehr Transparenz erzielt. Die Verwirklichung des know-your-customer Prinzips könnte näher rücken. Ob dieser Ansatz jedoch durch das neue Geldwäschegesetz konsequent durchgezogen wird, kann bezweifelt werden. Denn der Gesetzgeber legt fest, was allgemeine, vereinfachte und verstärkte Sorgfaltspflichten sind, so dass demnach den Instituten selbst lediglich geringe Spielräume überlassen bleiben, zu entscheiden, was sie als risikogemindert bzw. -erhöht ansehen. Schwer wiegt in diesem Sinne die abschließende Aufzählung bei den vereinfachten Sorgfaltspflichten, die den Instituten kaum Spielräume offen lässt, risikoarme Sachverhalte als solche zu identifizieren. Zudem scheint die Erweiterung des Vortatenkatalogs der Geldwäsche diesen risikobasierten Ansatz mittelbar zu umgehen; die faktische Einführung des sog. „all-crime-Konzepts“ dehnt die Geldwäschestrafbarkeit ins Uferlose aus und multipliziert somit die Anzeigepraxis der Institute, ohne sich jedoch einen Mehrwert an Erkenntnissen zu versprechen.50 Darüber hinaus bleibt unklar, wie einige Bestimmungen in die Praxis ohne zusätzliche Bürokratie umgesetzt werden sollen.51 Der Mangel z. B. an einer verbindlichen Liste von Kriterien, wonach die Zuordnung als PEP erfolgen könnte, mag zu einer flexiblen Handhabung dieses Instruments beitragen, stellt jedoch die Unternehmen vor große Probleme. Von verschiedenen Banken und anderen Institutionen werden ständig neue Listen von PEPs oder Terrorismusverdächtigen aufgestellt und andauernd aktualisiert.52 Problematisch dabei ist auch, dass die Richtlinie 49 So auch Herzog / Mülhausen / Pieth, GwHdb § 6, Rn. 10, 18; Achtelik / Ganguli, Bankpraktiker 11 / 2008, Beil. 2, S. 4, 12. 50 Dass praktisch alle Straftaten im StGB nicht als „schwere Straftaten“ gelten können, liegt nahe, so Sommer, StraFo 2005, S. 327, 328, der betont, dass kaum eine Strafvorschrift anzutreffen ist, die das Höchstmaß von einem Jahr Freiheitsstrafe nicht übersteigt. 51 So auch Fülbier / Langweg, GwG, § 14 GwG, Rn. 185 ff.; so auch Höche, WM 2005, S. 8, 9 in Bezug auf den Kommissionsentwurf der Richtlinie. 52 Die bekanntesten Listen mit Terrorismusverdächtigen sind die der EU, der VN, der Bank of England oder des US-amerikanischen Office of Foreign Assets Control (OFAC). Für PEPs gibt es jedoch keine offizielle Liste. Deswegen spezialisieren sich immer mehr private

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6. Kap.: Die neuesten Entwicklungen

auch die innereuropäischen PEPs einbezieht, die jedoch bereits von Instituten, die denselben Standards unterliegen, identifiziert und überwacht werden. Zur Einhaltung der verstärkten Sorgfaltspflichten sind in diesem Zusammenhang seitens der Unternehmen die Installierung entsprechender EDV-Überwachungssysteme sowie ein erheblicher Verwaltungsaufwand erforderlich. Ähnliches gilt für die Überprüfung der Identität der wirtschaftlich Berechtigten. Denn in vielen Fällen werden die verpflichteten Unternehmen nicht in der Lage sein, die notwendigen Informationen über die Kontrollstrukturen innerhalb der juristischen Personen einzuholen, z. B. bei nicht-börsennotierten Gesellschaften, die keinen Offenlegungspflichten unterliegen. Es scheint, als ob die Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten gleichzeitig eine Umstrukturierung des gesamten Gesellschafts- und Registerrechts erfordern würde.53 Diese Umstände machen die Realisierung des risikobasierten Ansatzes schwieriger für kleinere Unternehmen, die Geschäftsbeziehungen zu „Risikokunden“ unterhalten, die Mittel jedoch für die Umsetzung dieser Vorgaben nicht haben.54 Abgesehen von diesen Teilaspekten ist der risikobasierte Ansatz auch aus dem Aspekt der Kontrolle seiner Einhaltung besonders problematisch. Obwohl die erfolgte Neuorientierung der Geldwäschebekämpfung an Risikokunden, -transaktionen und -produkten tendenziell den Bedürfnissen der Praxis besser Rechnung trägt und sie von bürokratischen Pflichterfüllungsritualen entlastet, birgt er für die Institute eine Gefahr; denn die Bewertung der Pflichterfüllung liegt lediglich im Ermessen der kontrollierten Aufsichtsbehörden. Die regelbasierten Verpflichtungen waren vielleicht „starr“ und unflexibel, die Adressaten dieser Verpflichtungen konnten jedoch jederzeit leicht beweisen, dass sie ihren Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen sind. Dies wird mit dem neuen risikoorientierten Ansatz viel schwieriger. Denn dieser impliziert, dass die Risiken durch das ausgebaute Risikomanagement minimiert werden. Kommen also Geldwäschefälle vor, spricht dieser Umstand für das Scheitern des Risikomanagements; dementsprechend werden die verpflichteten Institute häufiger mit aufsichtsrechtlichen Maßnahmen konfrontiert sein, während gleichzeitig die Hürde, dass verwickelte Mitarbeiter (z. B. Geldwäschebeauftragte) ordnungswidrigkeitenrechtlich (oder sogar strafrechtlich) belangt werden, herabgesenkt wird. Jeder Geldwäschefall kann somit in Zukunft als ein Pflichtverstoß des betroffenen Instituts gewertet werden. Auf diese Weise Unternehmen auf die Erstellung und Pflege von PEP-Listen und bieten den verpflichteten Instituten Unterstützung an. 53 So Höche, WM 2005, S. 8, 11; in diesem Zusammenhang ist ebenso auf diese misslungene Wortformulierung hinzuweisen, welche die verständliche Begrifflichkeit des „wirtschaftlich Berechtigten“ abschafft und zu Verwirrungen führen könnte; ähnlich Köhling, WM 2007, S. 1780, 1783; Fülbier / Langweg, GwG, § 8 GwG, Rn. 48. 54 In diesem Zusammenhang weist Pieth zurecht darauf hin, dass solche kleineren Unternehmen zu dem Aushandeln der Details des risikoorientierten Ansatzes keinen Zugang haben, so dass sie den gesamten Prozess nicht beeinflussen können, Herzog / Mülhausen / Pieth, GwHdb § 6, Rn. 18.

A. Das Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz

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vollzieht sich durch den risikoorientierten Ansatz ein subtiler Zuwachs der faktischen Verantwortung der verpflichteten Finanzinstitute, für die sich der neue Ansatz letztendlich als ein „Danaergeschenk“ erweist. Ein gewichtiges Manko des Gesetzes ist zudem, dass es so viele Anwendungsfragen offen lässt, so dass dieses letztendlich einen groben Regelungsrahmen darstellt, der ohne die Vorhaltung einer Vielzahl von anderen Normen unterschiedlicher Verbindlichkeit und Akteuren (BaFin-Rundschreiben, ZKA-Industriestandards, Durchführungsrichtlinien und europäische Rahmenbeschlüsse, FATF-Leitfäden usw.) gar nicht implementierbar ist. Darüber hinaus sind ebenso andere Schwerpunkte der Richtlinie und des Gesetzes kritisch zu hinterfragen. Die Gleichsetzung von Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche ist zum einen aus einer rechtsdogmatischen Perspektive problematisch; denn das deutsche Strafrecht knüpft die Geldwäschestrafbarkeit immer an eine Straftatbegehung an. Dieses Prinzip wird durch die Richtlinie durchbrochen, indem finanzielle Mittel, die den Terrorismus finanzieren sollten, nunmehr als geldwäschetaugliche Gegenstände anerkannt werden. Aber auch rechtspolitisch ist diese Entwicklung nicht erwünscht. Denn aufgrund eines einfachen Verdachts55 einer künftigen kriminellen Verwendung von Vermögen werden eingriffsintensive Überwachungsmaßnahmen angeordnet; in diesem Zusammenhang sei angemerkt, dass die Entscheidung, ob ein solcher Verdacht vorliegt, auf private Akteure verlagert wird, während den Betroffenen keine Abwehrrechte gewährt werden. Schließlich wird durch die ausnahmslose Erweiterung des Geldwäscherechts auf die Terrorismusfinanzierung ihre unterschiedliche Funktionsweise völlig verkannt.56 Durch die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Terrorismusfinanzierung zu untersagen, stellt sich schließlich die Frage, ob damit ausdrücklich eine Kriminalisierung der Terrorismusfinanzierung gemeint ist. Somit stößt man wieder auf die Problematik der Zuständigkeit der Gemeinschaft zur Rechtssetzung strafrechtlicher Normen.57 Zusammenfassend lässt sich ernsthaft bezweifeln, ob die europäische Richtlinie im Gewand des neuen GwG tatsächlich zur Entbürokratisierung und Flexibilisierung des Geldwäscherechts einen Beitrag leisten kann. Denn neben den prakti55 Denn zur Aktivierung der Anzeigepflicht bezüglich eines Verdachts der Terrorismusfinanzierung wird nach h. M. nicht der strafprozessualer Anfangsverdacht i. S. v. § 152 Abs. 2 StPO gefordert, s. Herzog / Mülhausen, GwHdb § 42, Rn. 16. 56 Zum Verhältnis zwischen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung s. oben 5. Kap. G. VII.; nach den Untersuchungen der „National Commission on Terrorist Attacks Upon the United States vom August 2004, S. 55, lassen sich die Regelungen zur Geldwäschebekämpfung gerade nicht auf die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung übertragen; dieses Dokument abrufbar unter: http: //govinfo.library.unt.edu/911/report/index.htm (letzter Zugriff: September 2009). 57 Dazu s. oben 4. Kap. A. IV.; zur Verknüpfung der Geldwäschebekämpfung mit der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung ist auch nach Hetzer kein Rationalitätsgewinn zu erwarten, in: EuZW 2008, S. 560, 565.

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6. Kap.: Die neuesten Entwicklungen

schen Umsetzungsproblemen und trotz der angestrebten Deregulierung werden neue Regelungsbereiche normiert. Wichtiger wäre die Schaffung eines Systems zur Evaluierung der Wirkungen der neuen Bestimmungen; dafür wird vom Gesetz keine Sorge getragen. Gleichzeitig setzt sich in diesem Gesetz die bereits eingeschlagene Richtung fort, so dass das Recht der Geldwäschebekämpfung immer stärker von dem strafrechtlichen Ausgangspunkt entfernt und sich in einen Zweig des Gewerbe- und Aufsichtsrechts verwandelt. Diese Entwicklung zeigt nicht zuletzt die Selbstverständlichkeit des Konzepts der Inanspruchnahme von privaten Akteuren zu Zwecken der Geldwäschebekämpfung und deutet auf eine tendenzielle Hilflosigkeit des Staates hin, ein Kriminalitätsphänomen zu bekämpfen.

B. Das Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten In den vorherigen Kapiteln wurde ausführlich darauf eingegangen, wie der Gesetzgeber durch verschiedene Gesetzeswerke versucht hat, das Recht der Abschöpfung krimineller Gewinne effektiver zu gestalten. Oberstes Ziel war in jeder Phase der Entwicklung die möglichst unkomplizierte Abschöpfung möglichst hoher Gewinnsummen. Der Entzug kriminellen Vermögens wurde somit als ein allgemeingültiger Ansatz zu einer verbesserten Verbrechensbekämpfung betrachtet. Unzulänglichkeiten des geltenden Abschöpfungsrechts wurden zu diesem Zeitpunkt größtenteils „korrigiert“. Durch die Einführung des Bruttoprinzips im Jahre 1992 wird der Tatrichter von der Feststellung der Höhe der tätereigenen Aufwendungen entlastet, durch die Einführung des erweiterten Verfalls durch das OrgKG und seine Bestätigung durch das BVerfG wurden auch die Beweisanforderungen in Bezug auf die kriminelle Herkunft des Vermögens gelockert. Damit bleibt jedoch das Problem der Konkurrenz zwischen Ausgleichsansprüchen von Tatverletzten und dem staatlichen Anspruch auf Gewinnabschöpfung ungelöst. Das vorliegende Gesetz will auch dieses „Kardinalproblem der Gewinnabschöpfung“ lösen. Zunächst wird sehr kurz auf die Entstehungsgeschichte und vor allem auf die Ziele dieses Gesetzes eingegangen (unter I.). Den Schwerpunkt bildet der Auffangrechtserwerb des Staates, der eintritt, wenn individuelle Ansprüche nach Ablauf einer vorgesetzten Frist nicht geltend gemacht werden (unter II.). Verletztenansprüche sollen allerdings auch beim erweiterten Verfall berücksichtigt werden, so dass in diesem Punkt eine Korrektur erforderlich war (unter III.). Schließlich wird angesprochen, ob die Änderungen dieses Gesetzes die vorgegebenen Ziele, besonders die Effektivierung der Gewinnabschöpfung bewirken können (unter IV.).

B. Das Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe

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I. Entstehungsgeschichte und Ziele des Gesetzes Der Diskurs über Geldwäsche und Bekämpfungsstrategien hat die gesetzgeberische Beschäftigung mit der Gewinnabschöpfung überschattet. Denn es wurde davon ausgegangen, dass eine erfolgreiche Kontrolle von Geldwäschetätigkeiten ohne Zweifel auch zur Gewinnaufspürung beitragen würde; wie man aber von der Aufspürung zur endgültigen Abschöpfung gelangen sollte, wurde nicht thematisiert. Es wurde bereits aufgezeigt, dass die Aufspürung krimineller Gewinne durch Schwellenwertaufzeichnungen und Verdachtsanzeigen sowie die Bestrafung wegen Geldwäsche nicht automatisch zu einer Abschöpfung von inkriminiertem Vermögen führt, vor allem wenn das entsprechende rechtliche Instrumentarium problembehaftet ist.58 Im Hintergrund gab es jedoch immer wieder Bemühungen, das Abschöpfungsrecht zu reformieren. Der interfraktionelle Entwurf eines Gesetzes zur verbesserten Abschöpfung von Vermögensvorteilen aus Straftaten war z. B. ein Schritt in diese Richtung. Dieser Entwurf sah, neben Änderungen des Strafverfahrensrechts, auf materieller Ebene die Vereinheitlichung von Verfall und Einziehung sowie die Abschaffung der Sperrwirkung von Verletztenansprüchen vor (§ 73 Abs. 1 S. 2 StGB).59 In einem neuen Anlauf wird die Thematik der Gewinnabschöpfung von einem Diskussionsentwurf des Bundesjustizministeriums aus Dezember 2004 aufgegriffen. Dieser geht auf die Ergebnisse der Beratungen einer zu diesem Zweck eingesetzten Bund-Länder-Arbeitsgruppe zurück. Vor dem Hintergrund der Verbesserung des Opferschutzes sollte die Optimierung der Zurückgewinnungshilfe den Schwerpunkt dieser Änderungen bilden. Gleichzeitig sollte durch die in diesen Entwürfen diskutierten Änderungen auch der Umstand behoben werden, dass sichergestellte Vermögenswerte an den Täter zurückgegeben werden, wenn die Tatopfer ihre Ansprüche nicht geltend machen. Die Vorschläge des Diskussionsentwurfs wurden von einem einschlägigen Referentenentwurf vom 22. 12. 2004 übernommen60, der folglich als Regierungsentwurf dem Bundestag vorgelegt wurde61. Dieser Entwurf wurde nach der Zustimmung des Bundesrates am 29. 06. 2006 auf der Grundlage der Beschlussempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses vom Bundestag verabschiedet, nachdem einige substantielle Ergänzungen aufgenommen wurden.62 Das Gesetz ist am 30. 10. 2006 verkündet worden und trat damit zum 01. 01. 2007 in Kraft.63 58 Dieser Umstand galt als unumstritten und spiegelt sich auch in den statistischen Daten wider, s. Kilchling / Kaiser / Benseler, Gewinnabschöpfung, S. 50; Kilchling, Gewinnabschöpfung, S. 44 ff.; Hertweck, KR 1996, S. 22, 24; Kaiser, ZRP 1999, S. 144, 145. 59 s. BT-Drs. 13 / 9742. 60 Zu diesem Referentenentwurf s. Wehnert / Mosiek, StV 2005, S. 568 ff. 61 BT-Drs. 16 / 700. 62 BT-Drs. 16 / 2021.

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6. Kap.: Die neuesten Entwicklungen

Das Ziel eines verstärkten Opferschutzes soll durch eine Verbesserung des geltenden Prozessrechts erreicht werden, vor allem hinsichtlich der Vorschriften über die Rückgewinnungshilfe, die den Tatverletzten die Möglichkeit geben, an sichergestellten Vermögenswerten des Angeklagten ihre individuellen Ansprüche auf Rückgabe durchzusetzen. Dabei werden nur punktuelle Änderungen vorgenommen, die lediglich Regelungsdefizite beseitigen, ohne das gesamte Regelungskonzept zu verändern.64 Die wichtigste Änderung betrifft die Ausweitung der Frist für die Aufrechterhaltung der vorläufigen Sicherungsmaßnahmen (§ 111b Abs. 3 StPO) um sechs Monate, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht der kriminellen Herkunft oder Verwicklung der Gegenstände begründen und die Frist nach § 111b Abs. 3 S. 1 StPO wegen der besonderen Schwierigkeit oder des besonderen Umfangs der Ermittlungen nicht ausreicht. Für die Verlängerung der Sicherstellung ist allerdings, nachdem ein Jahr seit der Sicherstellung verstrichen ist, die Annahme dringender Gründe erforderlich.65 Das Recht der Zurückgewinnungshilfe wird auch an anderen Stellen geändert. Damit der Erfolg von sicherstellenden Maßnahmen nicht gefährdet wird, wird der Verletzte nunmehr nicht bezüglich der Anordnung, sondern in Bezug auf den Vollzug solcher Maßnahmen informiert, während zur Absenkung des Verwaltungsaufwands die Mitteilung auch durch Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger möglich wird. Ferner wird dem Verletzten der Vorrang gegenüber Drittgläubigern des Täters durch Erweiterung des Zulassungsverfahrens nach § 111g Abs. 4 StPO eingeräumt, während die Möglichkeit einer weiteren Beschwerde gegen die Anordnung des dinglichen Arrestes nach den §§ 111b Abs. 2, 111d StPO eröffnet wird. Zudem werden der Staatsanwaltschaft weitere Befugnisse bei der Durchführung der Beschlagnahme und bei der Vollziehung des dinglichen Arrests zuerkannt. Dieser lediglich oberflächliche Überblick zeigt, dass dieses Gesetz nicht ausschließlich die bessere Durchsetzbarkeit von Opferansprüchen, sondern auch eine optimierte und „unkomplizierte“ Abschöpfung krimineller Gewinne bezweckt.66

63 Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten, BGBl. I 2006, S. 2350 ff. 64 BT-Drs. 16 / 700, S. 1. 65 Kritisch zu dieser Neuerung aufgrund der unverhältnismäßigen Schwere des Eingriffs, Greeve, NJW 2007, S. 14, 15; Herzog / Mülhausen, GwHdb, § 24, Rn. 44. 66 Darüber hinaus wurde vom Regierungsentwurf auch geprüft, ob ein Zugriff auf Erlöse aus der medialen Vermarktung von Straftaten über eine Ergänzung der Verfallsvorschriften möglich und zulässig wäre; da es dabei jedoch nicht um rechtswidrig erlangtes Vermögen geht, wurde eine solche Lösung verworfen, s. BT-Drs. 16 / 700, S. 10.

B. Das Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe

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II. Der Auffangrechtserwerb des Staates Diesem Zweck dient auch die neue Regelung des § 111i StPO über den Auffangrechtserwerb des Staates. Bis zu diesem Zeitpunkt galt der § 73 Abs. 1 S. 2 StGB, der eine staatliche Verfallsanordnung ausschloss, soweit Tatverletzen Ansprüchen erwachsen sind, deren Erfüllung dem Täter oder Teilnehmer den Wert des Erlangten entziehen würde. Diese sog. „Sperrklausel“ führte zu einer praktischen Unanwendbarkeit der Verfallsvorschriften bei Straftaten mit individuellen Opfern. Wenn der Verletzte seine Ansprüche aus der Tat nicht geltend machte, weil er sie z. B. gar nicht gekannt hat oder weil der zugefügte Schaden gering war, waren die Strafverfolgungsbehörden gezwungen, dem verurteilten Straftäter nach Abschluss des Hauptverfahrens zu Zwecken der Rückgewinnungshilfe vorläufig sichergestellte Vermögensgegenstände, die nachgewiesenermaßen aus oder für Straftaten erlangt wurden, zurückzugeben. Diese Vorschrift, die ursprünglich den Vorrang von Opferbelangen postulierte, hat somit zu unbilligen Ergebnissen, praktisch zu einer Privilegierung des Täters geführt; der Umstand, dem Täter seinen Gewinn zurückzugeben, wurde von der kriminalistischen Praxis als besonders ungerecht empfunden und sehr heftig kritisiert.67 Zur Vermeidung dieses Effekts griff die Praxis auf die zivilrechtlichen Fundregelungen nach § 983 BGB i. V. m. §§ 979 ff., 372 ff. BGB zurück. Dementsprechend wurde § 111k StPO dahingehend ausgelegt, dass bewegliche Sachen nicht an den Angeklagten als letzten Gewahrsamsinhaber zurückgegeben werden, sondern als Fundsachen öffentlich versteigert werden, wenn sich kein Geschädigter meldete. Der Versteigerungserlös war somit nach Ablauf von drei Jahren der Staatskasse zuzuführen.68 § 983 BGB konnte allerdings nur bei beweglichen Sachen angewendet werden, so dass bei Forderungen, also bei Gegenständen, die im Wege des dinglichen Arrestes sichergestellt wurden, immer die Gefahr bestand, dass der Angeklagte sie zurückbekommt. In diesen Fällen hätten sich die Strafverfolgungsbehörden darum bemüht, dass der Angeklagte auf die sichergestellten Vermögensgegenstände verzichtet.69 Konkreter wurde der Betroffene aufgefordert, durch die Abgabe einer unwiderruflichen Erklärung auf die sichergestellten Vermögenswerte in einem frühen Ermittlungsstadium zu verzichten. Als Gegenleistung wurde ihm ein Abschlag im Strafmaß oder die Herausgabe einzelner in Beschlag genommener Vermögenswerte in Aussicht gestellt.70

67 Müller, MschrKr 2001, S. 244 ff.; Windolph, StraFo 2003, S. 115, 116; Malitz, NStZ 2002, S. 337, 338; Bohne / Boxleitner, KR 2004, S. 240, 242 meinen, ausschließlich der Straftäter sei lachender Gewinner der aktuellen Regelung. 68 s. m. w. N. Janssen, Gewinnabschöpfung im Strafverfahren, Rn. 183. 69 Hier wird klar, wie die Rückgewinnungshilfe zu fremden Zwecken missbraucht werden kann, dazu mehr Wehnert / Monsiek, StV 2005, S. 568, 572; zu dieser Praxis auch Rönnau, Vermögensabschöpfung in der Praxis, Rn. 566, 606 ff.

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6. Kap.: Die neuesten Entwicklungen

Diese Umstände will das Gesetz beseitigen. Vorrangiges Ziel ist es, dass dem Täter keineswegs seine Gewinne aus der Straftat zugute kommen sollen. Zu diesem Zweck wird jedoch nicht eine materiell-, sondern eine prozessrechtliche Lösung vorgezogen. Demnach wird § 73 Abs. 1 S. 2 StGB weiterhin gelten, so dass bei Straftaten mit individuellen Opfern die Verfallsanordnung erst mal ausbleiben wird. Die Neuerung ist hingegen in der Bestimmung des § 111i StPO zu sehen. Dort wird ein sog. Auffangrechtserwerb des Staates geregelt. Dieser Auffangrechtserwerb vollzieht sich in mehreren Schritten. Den ersten und entscheidenden Schritt stellt die Hauptverhandlung dar: das Gericht muss sich die Frage stellen, ob der Täter aus der Tat etwas erlangt hat, in welchem Umfang eine Verfallsanordnung wegen entgegenstehender Ansprüche Verletzter unterbleibt und, ob und in welchem Umfang der Verletzte sich eine gesicherte Vollstreckungsposition verschafft hat oder sonst befriedigt worden ist.71 Bei dieser Berechnung muss der Wert der Vermögensgegenstände in Abzug gebracht werden, durch die der Verletzte im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung oder aus nicht sichergestelltem Vermögen nachweislich bereits befriedigt worden ist. Ebenso abzuziehen ist auch der Wert der Gegenstände, die dem Verletzten nach § 111k StPO bereits herausgegeben wurden. Diese Abzugsverpflichtung des Gerichts zielt auf die Vermeidung einer doppelten Inanspruchnahme des Täters ab. Wurde der Verletzte bereits aus anderen Quellen befriedigt, bedeutet dies, dass das sichergestellte Vermögen um den Wert dieser Befriedigung nicht mehr aus der Straftat stammt. Die Feststellung des Umfangs, um den aufgrund von Verletztenansprüchen der Verfall nicht angeordnet wurde, ist von zentraler Bedeutung, denn dieser gibt den Rahmen für den späteren Auffangrechtserwerb des Staates vor. Eine solche Feststellung liegt allerdings im pflichtgemäßen Ermessen des erkennenden Gerichts; auf diese Weise soll das Gericht die Möglichkeit haben, in Ausnahmefällen im Hinblick auf den Resozialisierungsgedanken von entsprechenden Feststellungen abzusehen und die Verpflichtungen zur Schadenswiedergutmachung auf die Bewährungsebene zu verlagern.72 Folgt das Gericht diesem Verfahren, wird als nächster Schritt die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme (§ 111c StPO) oder des dinglichen Arrests (§ 111d StPO) bis zur Höhe des bereits festgestellten Betrags für die Dauer von drei Jahren angeordnet. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass der Angeklagte auch nach dem Urteil die Befriedigung der Verletztenansprüche nicht vereiteln kann. Diese Anordnung ergeht durch Beschluss und muss auf jeden Fall die sichergestellten Vermögenswerte konkret bezeichnen. Wird der Verletzte innerhalb dieser Frist aus nicht 70 Wie verbreitet diese Praxis ist, kann man nicht einschätzen; zu dieser Problematik und zu ihren Folgen s. Thode, Die außergerichtliche Einziehung von Gegenständen im Strafprozess, S. 66 ff.; dazu auch Herzog / Mülhausen, GwHdb, § 26, Rn. 1 m. w. N. 71 BT-Drs. 16 / 700, S. 9. 72 Diesbezüglich wird allerdings betont, dass das Gericht nur teilweise Feststellungen treffen kann, also etwa nach seinem Ermessen Abschläge der Höhe nach vornehmen kann, weil dies die Interessen Verletzter beeinträchtigen würde, BT-Drs. 16 / 700, S. 15.

B. Das Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe

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sichergestelltem Vermögen befriedigt, kann der Betroffene auf Antrag die Aufhebung der sicherstellenden Maßnahmen erwirken. Innerhalb dieser Dreijahresfrist hat der Verletzte die Gelegenheit, seine Ansprüche auf das sicherstellte Vermögen durchzusetzen. Damit er diese Möglichkeit wahrnehmen kann, sieht § 111i Abs. 4 StPO eine Mitteilung des Verletzten bezüglich der Aufrechterhaltung der sicherstellenden Maßnahmen und der Rechtskraft des Urteils vor. Diese Mitteilung wird durch eine Belehrung begleitet, dass, wenn die Ansprüche innerhalb der Frist nicht geltend gemacht werden, das sichergestellte Vermögen dem Staat anheim fallen wird. Zugleich wird in dieser Mitteilung auf die Möglichkeit hingewiesen, Ansprüche im Wege der Zwangsvollstreckung oder Arrestvollziehung durchzusetzen. Soweit der Verletzte binnen dieser Frist seine Ansprüche nicht erhebt, erwirbt der Staat die festgestellten Vermögenswerte. Es ist auszuschließen, dass es den Verletzten innerhalb dieser Frist nicht gelingen wird, wenigstens im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen vollstreckbaren Titel zu erlangen.73 Hinsichtlich beschlagnahmter Gegenstände gilt § 73e StGB, so dass das Eigentum automatisch an den Staat übergeht. In Bezug auf Forderungen und sonstige Vermögenspositionen erwirbt der Staat den entsprechenden Zahlungsanspruch. Zur Befriedigung dieses Zahlungsanspruchs kann der Staat zu diesem Zeitpunkt das durch die Vollziehung des dinglichen Arrestes begründete Pfandrecht verwerten. Der staatliche Zahlungsanspruch erlischt allerdings, wenn der Verwertungserlös hinter der Höhe des staatlichen Anspruchs zurückbleibt. Aus Gründen der Rechtssicherheit wird sowohl der Eintritt als auch der Umfang des staatlichen Rechtserwerbs durch Beschluss bestätigt. Dieser Beschluss kann im Wege einer sofortigen Beschwerde angefochten werden. Zudem wird dafür Sorge getragen, dass es auch nach dem staatlichen Rechtserwerb zu keiner Doppelbelastung des Täters kommt. Somit wird dem Täter ein Ausgleichsrecht zuerkannt, wenn er nach dem dreijährigen Fristablauf die Ansprüche des Verletzten befriedigt. Ein solcher Ausgleich ist allerdings ausgeschlossen, soweit der Zahlungsanspruch des Staates unter Anrechnung des vom Staat vereinnahmten Erlöses entgegensteht und in allen Fällen jedoch, nachdem drei Jahre seit Fristablauf verstrichen sind.

III. Die Berücksichtigung von Verletztenansprüchen beim erweiterten Verfall Darüber hinaus ist das vorliegende Gesetz bestrebt, das Verhältnis zwischen Verletztenansprüchen und Verfall auch für den Anwendungsbereich des erweiterten Verfalls nach § 73d StGB zu regeln. Zum Zeitpunkt der Einführung des erweiterten Verfalls war eine Regelung zum Ausgleich dieser widerstreitenden Interessen nicht erforderlich. Denn bei der ursprünglichen Fassung der Regelung über den erweiter73

BT-Drs. 16 / 700, S. 15.

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6. Kap.: Die neuesten Entwicklungen

ten Verfall war das Bestehen von Verletztenansprüchen ausgeschlossen. Der erweiterte Verfall als Verweistatbestand wurde am Anfang nur für solche Straftaten angedroht, bei denen keine individuellen Opfer existierten, wie z. B. für Betäubungsmittelstraftaten. Mittlerweile hat sich dies geändert; der erweiterte Verfall kann nunmehr bei einer Vielzahl von Taten angeordnet werden, unter anderem auch bei solchen, die individuelle Opfer haben, so dass es zwischen diesen Tatverletzten und dem abschöpfenden Staat zu Friktionen kommen kann. Die Beachtung von Verletztenansprüchen allein der Anwendung der Härtevorschrift des § 73c StGB zu überlassen, erschien auch nicht mehr angemessen.74 Ähnliche Bedenken hat auch das BVerfG in seiner grundlegenden Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des erweiterten Verfalls zum Ausdruck gebracht. Dort wurde dem Gesetzgeber der Auftrag erteilt, zu prüfen, ob die Rechte Tatgeschädigter nach der Ausdehnung des Anwendungsbereichs des erweiterten Verfalls noch hinreichend gewahrt sind.75 Somit sieht sich der Gesetzgeber veranlasst, den Vorrang der Verletztenansprüche vor dem Abschöpfungsinteresse des Staats zu postulieren. Zu diesem Zweck wird nunmehr die Sperrklausel des § 73 Abs. 1 S. 2 StGB auch für den erweiterten Verfall gelten. Das Problem dieser Ausdehnung der Sperrklausel für den erweiterten Verfall ist allerdings, dass sie leicht zu seiner völligen Unanwendbarkeit führen könnte: da durch den erweiterten Verfall auch Vermögensgegenstände aus nicht näher bekannten Straftaten erfasst werden, wird oft unklar sein, ob die sichergestellten Gegenstände z. B. aus Vermögensstraftaten stammen, so dass Verletztenansprüche der Verfallsanordnung entgegenstünden. Dazu hat der BGH bereits Stellung genommen, indem er gesagt hat, dass in Zweifelsfällen über das Bestehen von Verletztenansprüchen die Verfallsanordnung nicht gehindert wird.76 Abschöpfungslücken werden allerdings auch durch den Auffangrechtserwerb des Staates vermindert. Gleichzeitig wird in Verbindung mit der Sperrklausel auch § 73b StGB beim erweiterten Verfall für anwendbar erklärt, so dass die konkrete Höhe von Verletztenansprüchen auch geschätzt werden kann.

IV. Kritik Der Auffangrechtserwerb des Staates soll den Umstand beseitigen, dass die Täter ihre Gewinne aus den Straftaten zurückbekommen, in Fällen, in denen die Tatverletzten ihre Ansprüche nicht durchsetzen wollen. Obwohl diese Forderung 74 75 76

BT-Drs. 16 / 700, S. 20. BVerfG, NJW 2004, S. 2073, 2078. BGH wistra 2004, S. 391, 393; s. auch BT-Drs. 16 / 700, S. 20.

B. Das Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe

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plausibel ist und dem Gerechtigkeitsempfinden entspricht, vermisst man jedoch in den Gesetzesmaterialien eine Auseinandersetzung des Gesetzgebers bezüglich alternativer Methoden zur Erreichung dieses Ziels. Ebenso wenig wird angesprochen, woher der Staat sein Recht zum Auffangerwerb zieht. Durch das Modell des Auffangrechtserwerbs des Staates wird die abzuschöpfende Summe festgesetzt und den Verletzten eine Frist gewährt, innerhalb derer sie ihre Ansprüche befriedigen können. Auf diese Weise wird allerdings der vorangegangenen „Topflösung“ eine klare Absage erteilt. Nach diesem Modell, das dem interfraktionellen Entwurf eines Gesetzes zur verbesserten Abschöpfung von Vermögen aus Straftaten zugrunde lag, würde der Staat die kriminellen Gewinne in ihrer Gesamtheit abschöpfen, so dass die Tatverletzten sich an den Staat wenden müssten, um ihre Ansprüche zu befriedigen. Dadurch würde die Abschöpfung kriminellen Vermögens durch den Staat erledigt; im Umfang, in dem die entsprechende Anordnung vollstreckt würde, ginge es um eine Angelegenheit zwischen dem Tatverletzten und dem Staat. Obwohl diese Lösung auch nicht völlig problemlos war, würde sie dem Gedanken des Opferschutzes besser Rechnung tragen. Denn der Komplex der Gewinnabschöpfung wäre in Bezug auf den Täter schneller erledigt, das Opfer hätte dann nur mit dem Staat zu tun. Dieser Entwurf sah dementsprechend die Abschaffung der Vorschrift des § 73 Abs. 1 S. 2 StGB vor, so dass der Verfall ein viel weiteres Anwendungsfeld erlangen würde.77 Die Lösung des vorliegenden Gesetzes behält dagegen die Vorschrift über die Sperrwirkung von Verletztenansprüchen für die Verfallsanordnung bei, gibt jedoch dem Staat die Gelegenheit, in einem späteren Zeitpunkt die Abschöpfung der von Verletzten nicht beanspruchten Vermögensmassen zu betreiben. Ob jedoch dieses Ziel realistisch erscheint, mag ernsthaft bezweifelt werden. Denn das vorliegende Gesetz schreibt für die Gerichte umfangreiche Pflichten vor, deren Erfüllung einen enormen Aufwand darstellen wird. Da, wie bereits gesagt, eine eventuelle Befriedigung von Verletzten bei der Berechung der Höhe des Auffangrechtserwerbs in Abzug gebracht werden muss, ist der Tatrichter verpflichtet, diesbezüglich Feststellungen zu treffen. Im Rahmen der Überprüfung der Befriedigung von Tatverletzten hat das Gericht praktisch jeden Tatgeschädigten zu kontaktieren, Grundbucheintragungen nachzuvollziehen und Drittschuldner um Auskunft zu ersuchen.78 Aber auch in den späteren Stadien dieses Verfahrens wird von den zuständigen Stellen ein außerordentlich hoher Arbeitsaufwand verlangt.79 Es ist mithin zu erwarten, dass sich diese Stellen diesen Aufwand nicht leisten werden und die BT-Drs. 13 / 9742. So auch Bohne / Boxleitner, NStZ 2007, S. 552, 553; Kempf / Schilling, Vermögensabschöpfung, S. 190 f. 79 Neben diesen Feststellungen im Urteil sind unter anderem erforderlich: ein Beschluss zur Aufrechterhaltung der Sicherungsmaßnahme für noch drei Jahre, eine Mitteilung bezüglich der Verlängerung der Sicherstellungsmaßnahme an den Tatverletzten sowie eine neuerliche Prüfung hinsichtlich der eventuellen Befriedigung von Verletzten. 77 78

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6. Kap.: Die neuesten Entwicklungen

Gerichte angesichts des fakultativen Charakters des Verfahrens zum Auffangrechtserwerb auf derartig komplexe zivilrechtliche Fragestellungen verzichten werden.80 Dies wird jedoch zur Folge haben, dass die Staatsanwaltschaften von Maßnahmen zur Zurückgewinnungshilfe absehen werden und dementsprechend sowohl die Durchsetzung von Verletztenansprüchen als auch der Auffangrechtserwerb in der Praxis vereitelt werden.81 Zudem wirft die Einführung des staatlichen Auffangrechtserwerbs unnötige dogmatische Fragen auf: es bleibt ungeklärt, was der Unterschied zwischen dem Verfall nach § 73 StGB und dem Auffangrechtserwerb des Staates nach § 111i Abs. 5 StPO ist. Die letztere Norm tritt nur in einem späteren Zeitpunkt ein, ihr Umfang ist jedoch identisch mit demjenigen des Verfalls, ihre Wirkung ebenso. Somit nimmt der Auffangrechtserwerb die Gestalt eines Verfalls „unter aufschiebender Bedingung“. Die Bedingung ist die Nicht-Geltendmachung etwaiger Verletztenansprüche. Auf diese Weise wird jedoch der der Regelung des § 73 Abs. 1 S. 2 StGB innewohnende Rechtsgedanke in der Praxis ausgehöhlt.82 Nicht zuletzt ist es auffällig, dass der Gesetzgeber ein materiellrechtliches Problem durch eine verfahrensrechtliche Bestimmung zu lösen trachtet. Dadurch wird die dogmatische Einordnung des neuen Rechtsinstituts des § 111i StPO zusätzlich erschwert. Anlässlich des interfraktionellen Entwurfs von 1998 wurde bereits ausführlich diskutiert, ob der Staat legitimiert ist, dem Täter seine kriminellen Gewinne zu entziehen, in Fällen, in denen die Opfer es nicht tun. Ein derartiges Einschreiten des Staates ist nicht völlig unumstritten. Denn es ist fraglich, ob der Charakter des Verfalls als einer „quasi-kondiktionellen Ausgleichsmaßnahme“ eine solche staatliche Legitimation stützen könnte. Bei Straftaten mit individuellen Opfern, zu Lasten derer die kriminellen Gewinne vom Täter erlangt wurden, liegt es auf den ersten Blick an den Opfern zu entscheiden, ob sie die Befriedigung ihrer Ansprüche bzw. den Ausgleich verfolgen wollen oder nicht. Bei einer ausgleichenden Gewinnabschöpfung lässt sich aus ihrer Untätigkeit schwerlich ein Recht des Staates ableiten, auf diese Gewinne zuzugreifen. Somit wird durch den Auffangrechtserwerb des Staates nach der neuen Regelung des § 111i Abs. 5 StPO der bereits angeschlagene quasi-kondiktionelle Ausgleichscharakter des Verfalls endgültig demontiert. Die Gewinnabschöpfung wird bereits seit länger als einem Jahrzehnt als eine gewichtige – für viele die wichtigste – kriminalstrategische Komponente angesehen, die nicht nur im Rückgriff auf die materielle Gerechtigkeit als selbstverständlich erscheint; vielmehr stellt sie einen Verbrechensbekämpfungsansatz gemischt repressiv-präventiven Inhalts; diese Wirklichkeit zu ignorieren, wäre rückwärtsgewandt und würde das Anliegen der Rechtsstaatlichkeit nicht voranbringen. Auf 80 81 82

Dies ist in Rückgriff auf §§ 430, 442 Abs. 1 StPO möglich. Ähnlich Bohne, Die Rückgewinnungshilfe im Strafverfahren, S. 253 ff. So auch Bohne / Boxleitner, NStZ 2007, S. 552, 555.

B. Das Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe

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diese Weise und trotz Bedenken für die präventive Tauglichkeit der Gewinnabschöpfung verhalten sich die Novellierungen des vorliegenden Gesetzes zu den sonstigen Entwicklungen des Abschöpfungsrechts konsequent. Zum Ziel der Gewinnabschöpfung wird somit eine zusätzliche Sanktionsvorschrift mit verschiedenen Komponenten statuiert, manchmal (neben)strafähnlich, manchmal als sichernde Maßnahme (z. B. wenn die Rückgabe des Gewinns an den Täter seine künftige kriminelle Betätigung begünstigen könnte), fast immer jedoch präventiv angehaucht. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine neuartige Sanktion, sondern um eine verfallsähnliche Maßnahme, die lediglich zu einem späteren Zeitpunkt angeordnet wird. Der neue Auffangrechtserwerb könnte allerdings aus ähnlichen Gründen auch verfassungsrechtlich problematisch sein. Dass der Täter durch die Straftatbegehung seine eventuellen Eigentumsrechte verwirkt hat und, dass er für rechtswidrig erlangte Vermögensgegenstände keinen Rechtsschutz beanspruchen kann, liegt nahe. Üben jedoch die Tatopfer nicht ihre Eigentumsrechte aus, ergibt sich nicht automatisch ein entsprechendes Recht des Staates, sich kriminelles Vermögen anzueignen. Ein solches Recht des Staates kann sich eventuell auf die Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Grundrechts auf Eigentum (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG) oder den staatlichen Auftrag zur Verbrechensbekämpfung berufen, der vom Sozialstaatsprinzip abgeleitet wird (Art. 20 Abs. 1 GG). Der Gesetzgeber setzt sich mit diesem verfassungsrechtlichen Aspekt aber nicht auseinander; eine solche Auseinandersetzung wäre angesichts der Neuartigkeit eines solchen Auffangrechtserwerbs wünschenswert. Aus Effektivitätsgesichtspunkten verspricht dieses Gesetz auf den ersten Blick eine Abschöpfung von viel höheren Vermögensmassen; eine nüchterne Betrachtung zeigt jedoch, dass diese Versprechen nicht eingelöst werden können. Die Formulierung eines besonders komplizierten Pflichtenkatalogs für die befassten Gerichte macht die Anwendung dieser Vorschriften besonders unattraktiv. Dieser Umstand in Verbindung mit der fakultativen Ausgestaltung des Auffangrechtserwerbs wird wahrscheinlich einer Stärkung der Rückgewinnungshilfe aber vor allem einer Verbesserung der Vermögensabschöpfung im Wege stehen. Es bleibt diesbezüglich abzuwarten, wie die Gerichtspraxis mit dieser Regelung umgehen wird. In Bezug auf die Ausdehnung der Sperrklausel des § 73 Abs. 1 S. 2 StGB auf den erweiterten Verfall bleibt immer noch fraglich, ob dadurch die Verletztenansprüche hinreichend berücksichtigt werden. Da durch diesen Verfall auch Vermögensgegenstände aus nicht näher bekannten Straftaten entzogen werden, fragt sich, wie z. B. die Verletzten solcher Taten von der Sicherstellung und der Rechtskraft der Verurteilung erfahren werden, damit sie ihre Ansprüche geltend machen können. Vielleicht wäre es vorzugswürdiger, beim erweiterten Verfall eine noch längere Frist vorzusehen, vor deren Ablauf die Vermögensgegenstände sichergestellt wären und der Verletzte seine Ansprüche geltend machen könnte. Das Problem hier liegt allerdings in der Konzeption des erweiterten Verfalls selbst.

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6. Kap.: Die neuesten Entwicklungen

Die Abschöpfung von Vermögensgegenständen, die aus vermutlich begangenen (und nicht zwangsläufig abgeurteilten) Straftaten herrühren, tangiert potentiell Eigentumsrechte völlig unbeteiligter Dritte, die auch keine Durchsetzungsmöglichkeiten ihrer Ansprüche haben. In diesem Fall ist die Entscheidung in Bezug auf den Opferschutz bereits bei der Schaffung des erweiterten Verfalls gefallen, allerdings zulasten des Opferschutzes und zugunsten einer lückenlosen Abschöpfung dubiosen Vermögens. Die vorliegende Vorschrift ist somit nur in den Fällen sinnvoll, in denen die Anlasstat bekanntlich eine Vermögensstraftat ist.

V. Ergebnis Das vorliegende Gesetz ist mehr vom Willen der Abschöpfung kriminellen Vermögens als vom Opferschutz getragen. Ansonsten ist die Verweigerung der Koalitionsfraktionen gegenüber dem Antrag der FDP-Fraktion über die Zuweisung eines Teils der erworbenen Gelder an die Opferverbände nicht zu verstehen.83 Trotzdem bleibt es aus den oben erläuterten Gründen äußerst zweifelhaft, ob dieses Gesetz zur Verbesserung des Opferschutzes oder der Vermögensabschöpfung beitragen wird.

83

Bezüglich dieses Antrags, s. BT-Drs. 16 / 2021, S. 4.

7. Kapitel

Die Ergebnisse der Untersuchung Nachdem die verschiedenen Stationen der Gesetzgebung zur Gewinnabschöpfung und Geldwäschebekämpfung dargestellt wurden, muss man sich der Frage widmen, was diese Entwicklung für die Rechtsinstitute sowie für künftige Tendenzen der Kriminalpolitik bedeuten könnte. Zugleich wird versucht, diese Entwicklung zusammenzufassen. Zu diesem Zweck werden die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit getrennt präsentiert, für die Gewinnabschöpfung, also für den Entzug krimineller Gewinne im engeren Sinne (unter A) sowie für die ständig expandierende Geldwäschebekämpfung (unter B.). Schließlich werden anhand dieser Entwicklung bestimmte Trends in der aktuellen Kriminalpolitik sichtbar, die an dieser Stelle kurz umgerissen werden (unter C.).

A. Die Gewinnabschöpfung I. Zusammenfassung Der Gedanke des Entzugs kriminell erlangten Vermögens existierte in allen Phasen der Rechtsentwicklung, jedoch nicht in der ausdifferenzierten und allgemeinen Form, in der die Gewinnabschöpfung heute verstanden wird. In den ersten Schritten der Rechtsentwicklung, sowohl im römischen als auch im germanischen Recht ging es um das Vermögen des Täters: es wurde noch nicht zwischen Tatwerkzeugen und -produkten einerseits und Tatgewinnen und Tatentgelten andererseits unterschieden. Es existierten verschiedene Eigentumssanktionen, die am Anfang einen eher sakralen, später jedoch einen pönalen Charakter aufwiesen. Solche Maßnahmen wurden allerdings in den verschiedenen Phasen der Entwicklung seitens der Staatsorgane zu politischen Zwecken missbraucht und zur Befriedigung fiskalischer Interessen funktionalisiert. Da die Trennung zwischen Zivil- und Strafrecht noch nicht ausgereift war, ist bei bestimmten Normen schwer zu erkennen, ob sie eine strafrechtliche Gewinnabschöpfung bezweckten oder, ob sie auf eher zivilistische Reparationsanliegen zurückzuführen sind. Eines steht jedoch fest: damals wie heute empfand man es als unerträglich, dass die kriminellen Erträge beim Täter unangetastet blieben. Während der Partikulargesetzgebung, die einen erheblichen Einfluss auf die spätere Reichsgesetzgebung ausübte, wurde zum ersten Mal ein formalisierter staatli-

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7. Kap.: Die Ergebnisse der Untersuchung

cher Anspruch zur Abschöpfung krimineller Gewinne artikuliert. In den verschiedenen Strafgesetzbüchern der deutschen Länder wird allerdings die Gewinnabschöpfung nur punktuell normiert, in Form der Abschöpfung des kriminellen Lohns, also des Entgelts bei Bestechungsdelikten. Die kriminellen Gewinne des Täters wurden erst viele Jahre später über wirtschaftsrechtliche Regelungen gegen Wucher und „Preistreiberei“ erfasst. Eine Alternative zur Verhängung einer speziellen Sanktion der Gewinnabschöpfung bildete die Geldstrafe. Der Gesetzgeber hat in den 20er Jahren diese Lösung vorgezogen, indem er jegliche kriminellen Gewinne und Erträge als Bemessungsgrundlage der Geldstrafe bestimmte. Die Gewinnabschöpfung wurde in der Reformdiskussion der 60er Jahre ausführlich thematisiert. Denn die Einführung des Tagessatzsystems bei der Geldstrafe hat eine Lücke dahingehend hinterlassen, dass bei ihrer Bemessung nur das Einkommen und nicht mehr sonstige Vermögenspositionen des Verurteilten berücksichtigt werden durften. Die Einsicht aller Gesetzesentwürfe, zur Gewinnabschöpfung eine spezielle und auf alle Straftaten anwendbare Rechtsfigur zu schaffen, stellt eine Zäsur dar. Die Entwicklung findet mit der Einführung der Verfallsvorschriften (§§ 73 ff. StGB) ihren vorläufigen Abschluss. Diese Regelungen sind bestrebt, einen Ausgleich zwischen konkurrierenden Interessenssphären herzustellen. Dabei werden Verletztenansprüche berücksichtigt ebenso wie das staatliche Interesse, dem Täter die kriminelle Bereicherung nicht zu belassen und ihn gleichzeitig nicht doppelt zu belasten. Die gleichzeitige Berücksichtigung so unterschiedlicher Interessen führt zu komplizierten, jedoch ausgewogenen Normen zur Gewinnabschöpfung. Diese Normen weisen einen quasi-kondiktionellen Ausgleichscharakter auf und bezwecken ausschließlich die Rückgängigmachung der rechtswidrigen Vermögensverschiebung und die Wiederherstellung der vor der Tat geltenden Vermögenslage. Die Verfallsvorschriften traten bereits im Jahre 1975 in Kraft; deren Anwendung war nach dem gesetzgeberischen Willen obligatorisch; in den Folgejahren ist jedoch ihre geringe praktische Relevanz zu verzeichnen. Die gerichtliche Praxis sieht in der Mehrzahl der Fälle von einer Verfallsanordnung ab. Demzufolge können die Täter ihre kriminellen Erträge behalten. Es hat allerdings ungefähr ein Jahrzehnt gedauert, bis dieser Umstand bewusst in die kriminalpolitische Diskussion aufgenommen wurde. Gegen Ende der 80er Jahre mehren sich die Stimmen, welche die Unanwendbarkeit der Verfallsvorschriften geißeln und das staatliche Anliegen zur Gewinnabschöpfung als vereitelt sowie die materielle Gerechtigkeit als verletzt ansehen. Seitdem wird diese Materie allmählich immer intensiver thematisiert. Bei dem Versuch, die Ursachen für dieses „Schattendasein“ des Verfalls zu ermitteln, entwickelt sich ein reger Diskurs über kriminelle Gewinne und ihre Erfassung durch staatliche, strafrechtliche Sanktionen. Dieser Diskurs konzentriert sich vor allem auf die komplizierten Anwendungsvoraussetzungen und isoliert drei Problempunkte: a) die Geltung des Netto-

A. Die Gewinnabschöpfung

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prinzips, das für die Ermittlung der Verfallshöhe eine Abzugspflicht tätereigener Aufwendungen und Kosten vorsah, b) hohe Beweisanforderungen, da jedes Mal der Tatkonnex, d. h. die Einordnung eines konkreten Vermögensgegenstands zu einer Straftat voll bewiesen werden muss und c) die Ansprüche von Tatverletzten, die den Verfall ausschließen, unabhängig davon, ob sie geltend gemacht werden oder nicht. Diese normativen Gegebenheiten gehen allerdings auf das gesetzgeberische Konzept einer Gewinnabschöpfung zurück, die ohne eine Strafe zu sein, einen Ausgleich bezweckt. Diese Unzulänglichkeiten lassen sich also im Rückgriff auf diesen Ausgleichscharakter erklären. Dieser Umstand wird jedoch in der dazugehörigen Diskussion oft ignoriert. Somit drängt sich der Verdacht auf, dass die wahren Gründe für eine derartige „Wiederentdeckung“ der Gewinnabschöpfung sehr eng mit verschiedenen rechts- und kriminalpolitischen Tendenzen zusammenhängen. Die Aufwertung der Generalprävention könnte mitursächlich für dieses Phänomen sein: im Rahmen einer in erster Linie an der Resozialisierung orientierten Kriminalpolitik, kam der Gewinnabschöpfung keine nennenswerte Aufgabe zu; sie war lediglich Ausdruck eines fast zivilistischen Ausgleichsinteresses. Werden wiederum generalpräventive Erwägungen handlungsleitend, steckt in der Gewinnabschöpfung ein nicht zu unterschätzendes Potential: durch einen demonstrativen Entzug kriminellen Vermögens wird den Bürgern eindrücklich kommuniziert, dass sich das Verbrechen nicht lohnt; sind hingegen die Abschöpfungsraten niedrig, kann das Rechtsbewusstsein und die Rechtstreue der Bürger einen Schaden nehmen; längerfristig betrachtet könnte dies eine „Legitimitätskrise“ der Gesellschaft bewirken. Diese Krisenhaftigkeit verleiht dem Recht der Gewinnabschöpfung nicht nur ihre neuartige Rechtfertigung; sie entscheidet auch über ihre Grundlinien. Der Ruf nach einer „praxisfreundlicheren“ Gestaltung des Abschöpfungsrechts hängt ebenso mit einem sich langsam vollziehenden Wandel der Funktionen des Rechts zusammen: angesichts einer Orientierung des Rechts an Effizienzsteigerung kann durch Gewinnabschöpfung die Regulierung einer Vermögensordnung erzielt werden. Dies wird nicht zuletzt auch von der höchsten Rechtsprechung bestätigt, die in gewinnabschöpfenden Sanktionen eine präventiv (also regulierende) vermögensordnende Funktion sieht. Effizienzsteigerung bedeutet allerdings auch ökonomisches Denken. Dieses findet ebenso Eingang in das Recht der Gewinnabschöpfung: demnach wird der Entzug kriminellen Vermögens als ein effektives Mittel zur Verbrechensbekämpfung betrachtet, als ein Mittel, um die Kosten des Täters zu erhöhen und die Kriminalität als ein nicht lohnendes Geschäft zu gestalten; davon kann theoretisch auch die Strafverfolgung profitieren, indem ihr abgeschöpfte kriminelle Erträge als Finanzierungsquellen zugute kommen. Schließlich wird die Reformbedürftigkeit der Verfallsvorschriften vor dem Hintergrund einer sich wandelnden Strafrechtsdogmatik deutlicher. Neue Unsicherheiten, hervorgerufen durch einen enormen technischen Fortschritt und Orientierungsverluste, bewirken neue Straftatmodalitäten, neue „Kriminalitäten“ aber auch neue Strafbedürfnisse. Die klassische Strafrechtsdogmatik scheint in diesem

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7. Kap.: Die Ergebnisse der Untersuchung

neuen Umfeld überfordert zu sein; demzufolge wird nach Auswegen gesucht. Ein solcher Ausweg bezieht sich auf einen Wandel des Verständnisses über rechtsstaatliche Prinzipien. Gleichzeitig werden auch auf der Ebene der Sanktionen Alternativen zur Geld- und Freiheitsstrafe gesucht; da der kriminelle Gewinn den wichtigsten Tatanreiz für die Straftatentscheidung darstellen soll, gehen die Verfechter einer „Vermögensabschöpfung“ davon aus, dass die Eliminierung des Tatmotivs zu einem längerfristigen Erfolg gegen die gewinnorientierte Kriminalität führen wird. Diese Annahme, wonach der kriminelle Gewinn den wichtigsten Anreiz darstellt und somit seine Abschöpfung die Entscheidung über das kriminelle Verhalten beeinflussen wird, wird ständig wiederholt. Dieses eher alltagstheoretische Argument wird vorgebracht, um einen umfassenden Ausbau des Rechts der Gewinnabschöpfung zu legitimieren. Dabei wird nicht hinterfragt, ob diese Annahme auf empirischen Erkenntnissen beruht oder, wie man diese Annahme mit Hilfe kriminologischer Theorien bewerten kann. Die Analyse der relevanten kriminalökonomischen Theorien führt nicht zu einheitlichen Ergebnissen. Die Figur des homo oeconomicus als eines rational handelnden Menschen, der sich bei einer Kostenmaximierung oder Nutzenminimierung der Tatbegehung gegen die Straftat entscheidet, ist trotz ihres theoretischen Werts eindimensional und in gewissen Aspekten vereinfachend. Der Gewinn mag einen wichtigen Anreiz für die Straftatbegehung darstellen, diese wird jedoch von einer Reihe anderer Faktoren mit beeinflusst, wie z. B. Personenunterschieden, moralischen Kosten, subjektiven Erwartungen, Gruppenzugehörigkeit. Davon abgesehen lässt sich darüber streiten, wie diese Kostenmaximierung oder Nutzenminimierung in der Praxis zu erfolgen hat, bzw. wie sich die Androhung sowie die faktische Anordnung der Gewinnabschöpfung auf die Kriminalität auswirken. Es wurde deutlich, dass gewinnabschöpfende Maßnahmen nur dann eine abschreckende Wirkung haben würden, wenn die Bereicherung in jedem Fall abgeschöpft würde. Dieses Ziel ist unrealistisch, nicht zuletzt aufgrund der schwierigen Aufspürung der kriminellen Gewinne und der rechtsstaatlichen Grenzen dieser Strategie. Eine gewisse Rolle kommt also der Gewinnabschöpfung lediglich in Verbindung mit anderen strafrechtlichen Sanktionen zu. Dabei soll man auch die Nebenwirkungen der Gewinnabschöpfung nicht ausblenden, die hohen Kosten sowie die Gefahr der Professionalisierung und die Verlagerung der Tatbegehung auf andere Bereiche. Damit wird das präventive Potential der Gewinnabschöpfung nicht verneint, jedoch erheblich relativiert. Dieser beschränkte präventive Wert gewinnabschöpfender Strategien wurde auch von der empirischen kriminologischen Forschung bestätigt. Die Relevanz des Gewinns als eines entscheidenden Faktors zur Tatbegehung variiert je nach Täter und Höhe des Gewinns. Aber auch auf dem Feld der Rauschgiftkriminalität tendieren gewinnabschöpfende Maßnahmen dazu, keinen durchschlagenden Erfolg zu bewirken. Studien, die den Effekt von unterschiedlichen Bekämpfungsansätzen vergleichen, kommen zum Schluss, dass von allen in Betracht kommenden Sank-

A. Die Gewinnabschöpfung

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tionen, die gewinnabschöpfenden am geringsten wirken können. Die in diesem Rahmen präsentierten Forschungsergebnisse weisen allerdings eine Reihe methodologischer Probleme auf und sind nicht mehr aktuell. Trotzdem haben sie einen Indizwert und tragen zu einer gewissen Relativierung des Potentials der Gewinnabschöpfung zur Verbrechensbekämpfung bei. Diese Erkenntnis macht die Diskussion über die Gewinnabschöpfung und ihre Verbesserungsmöglichkeiten nicht überflüssig; dieses Wissen hilft jedoch, den gesamten Komplex mit einem nüchternen Blick zu betrachten. Auf diesem Gebiet wären weitere empirische Untersuchungen wünschenswert. Die fehlende empirische Absicherung der Gewinnabschöpfung, die gerade diagnostiziert wurde, wird von der Kriminalpolitik völlig vernachlässigt. Ein Beispiel dafür lieferte eine einschlägige Tagung des Bundeskriminalamtes, die Vorschläge für eine Optimierung des rechtlichen Instrumentariums unterbreiten sollte. Die Problematik der Gewinnabschöpfung wurde nur einseitig aufgegriffen; dort wurde für eine „praxisfreundliche“ Gestaltung der Verfallsregelungen plädiert, während rechtsstaatliche bzw. verfassungsrechtliche Zusammenhänge ausgeklammert wurden. In dieser Tagung wurde allerdings zum ersten Mal ausdrücklich der Ansatz der Gewinnabschöpfung als eines effektiven Präventionsinstruments gegen die organisierte Kriminalität hervorgehoben. Dieser Ansatz wird seitdem durch verschiedene Gesetzesänderungen aktiv verfolgt. Die erste Änderung bezieht sich auf die Einführung des Bruttoprinzips, wonach die Verfallshöhe nunmehr den gesamten Tatgewinn, ohne Abzug von Aufwendungen des Täters für die Tatbegehung, erfasst. Die Belastung der Gerichte mit komplizierten zivilrechtlichen Feststellungen und somit ein wichtiger Grund für die Nichtanwendbarkeit des Verfalls werden dadurch ausgeräumt. Diese Neuerung macht die Anordnung des Verfalls einfacher, wirft jedoch eine Menge dogmatischer Probleme auf: dem Täter wird nunmehr potentiell mehr abgeschöpft, als er tatsächlich aufgrund der konkreten Straftat erlangt hat. Der über den Nettogewinn hinausgehende Betrag verleiht somit diesem Verfall einen strafähnlichen Charakter. Problematisch dabei ist, dass der Verfall dogmatisch nicht als eine Strafe behandelt wird, so dass die bei der Verhängung von Strafen in Betracht kommenden rechtsstaatlichen Grundsätze nicht gelten. Die Rechtsprechung – anders als die Theorie – sieht darin keinen verfassungsrechtlichen Verstoß und hält mittels einer widersprüchlichen Argumentation an dem nicht strafähnlichen Charakter des Verfalls fest. Auf diese Weise trägt sie zur Dekonstruktion der quasi-kondiktionellen ausgleichenden Rechtsnatur des Verfalls bei. Dabei wird deutlich, dass das kriminalpolitische Ziel einer Effektivierung der Gewinnabschöpfung entscheidungsleitend ist. Diese Tendenz tritt beim folgenden OrgKG noch intensiver hervor. Das ungeklärte Wesen der organisierten Kriminalität, vor allem ihr gesellschaftsbedrohendes Potential wird hochstilisiert, um umstrittenen Änderungen die notwendige Legitimation zu verschaffen. Durch dieses Gesetzeswerk sollten im Bereich des Verfallsrechts Beweisprobleme behoben werden. Zu diesem Zweck wird Neuland

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7. Kap.: Die Ergebnisse der Untersuchung

betreten: durch den erweiterten Verfall (§ 73d StGB) wird eine Beweiserleichterung eingeführt: die kriminelle Herkunft von Vermögenswerten muss nunmehr nicht voll bewiesen werden; für eine Verfallsanordnung reicht aus, wenn die Umstände die Annahme rechtfertigen, dass diese Gegenstände für rechtswidrige Taten oder aus ihnen erlangt worden sind. Darüber hinaus wird durch diese Vorschrift ermöglicht, dass auch solche Vermögensgegenstände erfasst werden, die nicht aus der angeklagten, sondern auch aus anderen, nicht näher bekannten Taten herrühren. Trotz des Versuchs einer verfassungskonformen Auslegung seitens der Rechtsprechung sind die vielfältigen verfassungsrechtlichen Einwände, wie ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie und die Unschuldsvermutung, nicht auszuräumen. Diese Einwände wurden zu einem viel späteren Zeitpunkt vom BVerfG verworfen. Danach verfolge der erweiterte Verfall nicht „repressiv-vergeltende“, sondern „präventiv-ordnende Ziele“ und sei daher keine dem Schuldgrundsatz unterliegende strafähnliche Maßnahme. Wie diese präventiv-ordnenden Ziele von einer Strafähnlichkeit zu unterscheiden sind, sowie eine Reihe anderer Fragen bezüglich der Rechtsnatur des erweiterten Verfalls, bleiben nach diesem Urteil weiterhin ungeklärt. Neben der Erweiterung des herkömmlichen Verfalls wird durch das OrgKG auch eine echte neue Kriminalstrafe geschaffen: die Vermögensstrafe (§ 43a StGB a.F.); sie knüpft an das Vermögen des Täters, unabhängig von seiner Herkunft an. Auf diese Weise wurde von gesetzgeberischer Seite versucht, die Gewinnabschöpfung von den komplizierten Verfallsvorschriften abzukoppeln und sie durch eine Strafe zu betreiben. Die gesetzestechnische Ausgestaltung der Vermögensstrafe sowie ihre Hintergründe wurden allerdings scharf kritisiert. Der Katalog der möglichen Verletzung verfassungsrechtlicher Prinzipien ist hier besonders lang: Schuldprinzip, Unschuldsvermutung, Eigentumsgarantie, Bestimmtheitsgrundsatz u. a. Trotz der Rettungsversuche durch eine verfassungskonforme Auslegung seitens des BGH hat das BVerfG diese Vorschrift wegen ihrer Nichtbeachtung des Bestimmtheitsgebots für nichtig erklärt. Das Dilemma zwischen effizienter Verbrechensbekämpfung und Rechtsstaatlichkeit wurde dieses Mal zugunsten der Rechtsstaatlichkeit gelöst. Das OrgKG hat allerdings auch auf materiellrechtlicher Ebene eine wichtige Neuerung hervorgebracht, namentlich den Tatbestand der Geldwäsche (§ 261 StGB). Durch diese strafrechtliche Norm soll die Gewinnabschöpfung mittelbar betrieben werden. Erst durch die Sanktionierung bzw. die Ermittlung von Handlungen, welche die kriminelle Herkunft von Vermögen verschleiern sollen, wird die Gewinnabschöpfung ermöglicht. Sind Geldwäschehandlungen erfolgreich, kann der kriminellen Herkunft von Vermögen nicht mehr nachgespürt werden, dieses Vermögen bleibt also beim Täter. In der folgenden Phase wird der Schwerpunkt des gesetzgeberischen Interesses auf die Geldwäsche verlagert. Wieder in Rückgriff auf die organisierte Kriminalität wird die Geldwäschebekämpfung zum obersten Ziel der Kriminalpolitik erklärt. Trotzdem fehlen auch nicht die Initiativen zu einer weiteren Reformierung des

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Rechts der Gewinnabschöpfung. Bevor der erweiterte Verfall und die Vermögensstrafe in der Praxis überhaupt angewendet wurden, wurde ihre Ineffizienz heraufbeschworen. In diesem Rahmen wurden der Entwurf eines 2. OrgKG der SPDFraktion sowie der interfraktionelle Entwurf eines Gesetzes zur verbesserten Abschöpfung von Vermögensvorteilen aus Straftaten präsentiert. Neben einer Änderung des GG sieht der Entwurf eines 2. OrgKG ein vom Strafverfahren völlig abgekoppeltes, zweistufiges Verfahren zur Einziehung verdächtigen Vermögens vor: die erste Stufe, die Sicherstellung, würde anhand von Verdachtsmomenten bezüglich der kriminellen Herkunft und der künftigen kriminellen Verwendung von Vermögenswerten von Polizeibehörden angeordnet. Auffällig sind die verkürzten Abwehrmöglichkeiten des Betroffenen. Für die zweite Stufe, die endgültige Vermögenseinziehung, würden höhere Beweisanforderungen gestellt, immerhin kein voller Nachweis der kriminellen Herkunft oder Verwendung der Gegenstände. Dieser Entwurf strebte somit die Errichtung eines ad-rem, bzw. eines sachbezogenen Verfahrens an, das, „befreit“ von den hohen Hürden der regulären Verfallsanordnung des Strafverfahrens, dem Täter seinen (mutmaßlich) kriminellen Gewinn entziehen könnte. Die Neuerung liegt somit nicht nur in der weiteren Lockerung der Anwendungsvoraussetzungen der Einziehungsvorschrift, sondern auch in der direkten Umgehung des Strafverfahrens. Dieser Entwurf sowie der Diskussionsentwurf von Meyer / Hetzer, der die Effektivierung der Gewinnabschöpfung unter Einsatz des Steuerrechts anstrebte, sind an parlamentarischen Hürden gescheitert. Der interfraktionelle Entwurf eines Gesetzes zur verbesserten Abschöpfung von Vermögensvorteilen aus Straftaten hatte allerdings eine andere Priorität: die Straffung der materiell- und prozessrechtlichen Vorschriften zur Gewinnabschöpfung, diesmal innerhalb des Strafverfahrens. Dieser Entwurf war bestrebt, durch punktuelle Änderungen, das Abschöpfungsrecht zu reformieren, ohne die gesamte Konzeption der Gewinnabschöpfung abzuändern. Seine Vorschläge wurden zuletzt in modifizierter Form vom „Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung“ übernommen. Dieses Gesetz sieht eine Beibehaltung der Ausschlussklausel beim Verfall und einen Auffangrechtserwerb des Staates vor, wenn die Tatverletzten innerhalb einer dreijährigen Frist ihre Ansprüche gegenüber den Tätern nicht durchsetzen. Dieses Regelwerk setzt gleichzeitig der bisherigen Entwicklung der Gesetzgebung über die Gewinnabschöpfung ein Ende. Zurzeit befinden sich keine Gesetzesinitiativen in Vorbereitung, die zu einer weiteren Novellierung des Abschöpfungsrechts führen könnten. Denn nach der Nichtigerklärung der Vermögensstrafe durch das BVerfG und der Bestätigung der Verfassungsmäßigkeit des erweiterten Verfalls, scheint die Rechtsprechung die Grenzen für ähnliche Sanktionen klar abgesteckt zu haben. Angesichts der Unfähigkeit des letzten Gesetzes, die Gewinnabschöpfung zu verbessern, vor allem aufgrund der hohen Hürden für die Anordnung des Auffangrechtserwerbs, kann man jedoch eine Neuauflage der kriminalpolitischen Diskussion über „Optimierung der Vermögensabschöpfung“ nicht ausschließen.

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7. Kap.: Die Ergebnisse der Untersuchung

II. Tendenzen Für eine weitere Reformierung der Verfallsvorschriften bleibt mithin kein Raum; Beweisschwierigkeiten, die für die Nichtanwendung der Verfallsvorschriften verantwortlich gemacht werden, könnten nur mittels einer Beweislastumkehr gelöst werden. Ein solcher Schritt ist jedoch innerhalb des geltenden Strafrechtssystems nicht möglich: eine Beweislastumkehr, wie auch zum Teil von Gesetzentwürfen vorgeschlagen wurde, würde mit rechtsstaatlichen Prinzipien kollidieren und das ganze Strafrechtssystem auf den Kopf stellen. Schließlich hat selbst eine Beweiserleichterung, wie diese durch den erweiterten Verfall zugelassen wird, zu keinen „spektakulären Ergebnissen“ in Bezug auf die Abschöpfung kriminellen Vermögens geführt. Die Ausdehnung des erweiterten Verfalls auf neue Deliktsbereiche mag vielleicht einen gewissen Anstieg der Verfallsanordnung bewirkt haben, der „Lebensnerv“ der organisierten Kriminalität, der Gewinn, wurde hierdurch nicht getroffen. Darüber hinaus entfaltet die Überbetonung des Anliegens der Gewinnabschöpfung eine Eigendynamik, die für die Betroffenen gefährlich werden kann: unter dem Druck einer möglichst umfassenden Anordnung gewinnabschöpfender Maßnahmen könnte die Gerichtspraxis eventuell schneller dazu neigen, einen Tatvorwurf zu bejahen, damit die entsprechenden gewinnabschöpfenden Vorschriften aktiviert werden können. Ferner zwingt die Analyse der Gesetzgebung über Gewinnabschöpfung zu einem Schluss bezüglich ihres Rechtscharakters. Dieser hat sich indessen erheblich gewandelt. Der quasi-kondiktionelle Ausgleichscharakter wird von den verschiedenen gesetzlichen Änderungen in der Praxis abgeschafft. Das Gebot der materiellen Gerechtigkeit, das bei der Einführung der einschlägigen Vorschriften zu realisieren galt, ist hinter präventive Erwägungen zurückgetreten. Es wurde bereits an mehreren Stellen erörtert, wie durch den Entzug kriminellen Vermögens Prävention betrieben wird, nämlich Abschreckungs- und Sicherungsprävention. Diese Präventionszwecke sollen auch ein differenziertes, ja verzerrtes Verständnis rechtsstaatlicher Prinzipien legitimieren. Der Verfall nimmt in einigen Fällen sogar pönale Züge an. Durch dieses Zusammenspiel von Prävention und Repression wird eine verbrechensbekämpfende Spur im Strafrecht eröffnet, die mehr das Vermögen des Kriminellen als nachgewiesenermaßen kriminelles Vermögen anvisiert. Durch die Anknüpfung an gesellschaftsbedrohende Kriminalitätserscheinungen, wie der organisierten Kriminalität, des Terrorismus, der Korruption usw. wird eine sog. „etatistisch-konfiskatorische“ Ausrichtung in der Gewinnabschöpfung eingeschlagen, die sich vom Tatstrafrecht allmählich entfernt. Diese Tendenz birgt Gefahren für die Individuen, in der Form einer unzulässigen Verkürzung von individuellen Freiheitsräumen in sich. Sie garantiert jedoch nicht unbedingt eine effektivere Verbrechensbekämpfung. Diesbezüglich gilt es, eine breit angelegte Diskussion zu initiieren, wie diese Effektivität zu verstehen ist. Die Effektivität ausschließlich an die Erweiterung staatlicher Befugnisse, hier in der Form der Abschöpfung verdächtigen Vermögens, anzuknüpfen, stellt eine ziemlich

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eindimensionale Perspektive dar. Denn die Effektivität wird längerfristig gefährdet, wenn auf einen gesellschaftlichen Konsens zurückgehende individuelle Freiheiten zugunsten eines kurzlebigen Ermittlungserfolgs geopfert werden. So werden falsche Signale gesetzt; der gesellschaftliche Konsens bezüglich des Ausgleichs zwischen Sicherheitsinteressen und Freiheitsansprüchen und somit die Effektivität selbst muss dann starke Schäden erleiden. Zurück zur Gewinnabschöpfung: auch wenn ihr ursprünglicher Wiederherstellungszweck mittlerweile von der Rechtswirklichkeit überholt ist, ist dieses Rechtsinstitut ein fester Bestandteil des Strafrechtssystems, so dass für die entsprechenden Sanktionen auch die bewährten rechtsstaatlichen Prinzipien die Grenzen markieren sollten. Die Verbrechensbekämpfung mag dabei ein legitimes Ziel darstellen, dieses Ziel darf jedoch nicht alle Mittel heiligen. Die Darstellung der Entwicklung hat sehr eindrucksvoll gezeigt, dass das gesetzgeberische Anliegen, die Gewinnabschöpfung als einen umfassenden und effektiven Bekämpfungsansatz zu etablieren, gescheitert ist. Unter Umständen kann sich dieser Bekämpfungsansatz sogar die Erreichung anderer Zielsetzungen des Strafrechtssystems, z. B. der Resozialisierung, gefährden. Diese Schlussfolgerungen sollen nicht als eine resignative Hinnahme der unbefriedigenden Abschöpfungspraxis missverstanden werden; sie dienen nur als Indiz auf die mäßigen Erfolgschancen der Gewinnabschöpfung für die gesamte Verbrechensbekämpfung. Die Entwicklung der Gesetzgebung in diesem Bereich rechtfertigt letztendlich ein gewisses Misstrauen gegen einen Staat, der rechtsstaatliche Garantien für Hindernisse hält und bereit ist, sie zugunsten einer umstandslosen Abschöpfung krimineller Gewinne aus der Welt zu schaffen. Künftige Versuche zur Verbesserung des Entzugs kriminell erlangten Vermögens sollten sich somit auf organisatorische Unzulänglichkeiten konzentrieren. Diese bewirken in vielen Konstellationen Vollzugsdefizite. Als solche Unzulänglichkeiten sind z. B. das Fehlen einer bundeseinheitlichen Konzeption zu Finanzermittlungen, Probleme der Zusammenarbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft sowie fehlende Kenntnisse über spezialgesetzliche und wirtschaftskriminalistische Problembereiche. Soll die Annahme einen Bestand haben, wonach der Verfall so selten angewandt wird, weil er als zu kompliziert gilt, aber nicht weil er so kompliziert ist, muss dieser Automatismus behoben werden. Zu diesem Ziel könnte eine bessere Ausbildung der Richterschaft und der Strafverfolgungsbehörden in Bezug auf das Recht der Gewinnabschöpfung eine gewisse Zurückhaltung der Richter gegenüber dieser Materie beseitigen. Dies könnte zu ihrer Sensibilisierung hinsichtlich des Werts der Gewinnabschöpfung zur Realisierung der materiellen Gerechtigkeit und gleichzeitig ihrer Grenzen beitragen. Regelungen, welche eine richterliche Verpflichtung statuieren, jährlich eine Mindestzahl an Gewinnabschöpfungsanordnungen vorzuzeigen, würde einen „Leistungsdruck“ bewirken und somit zu einem Missbrauch dieser Rechtsinstitute führen; deswegen sind sie abzulehnen. Ähnliches gilt für den Vorschlag, die Verbrechensbekämpfung aus der Abschöpfung von Verbrechensgewinnen zu finanzieren. Eine derartige Instrumentalisierung der

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7. Kap.: Die Ergebnisse der Untersuchung

Gewinnabschöpfung könnte tendenziell eine Korrumpierung des Kriminaljustizsystems begünstigen und die grundrechtlichen Positionen von betroffenen Individuen noch mehr schwächen. Die Abschöpfung kriminell erlangten Vermögens ist ein legitimes Ziel jeder Strafrechtsordnung. Dort überschneiden sich verschiedene widerstreitende Interessen, die ursächlich für die Politisierung der einschlägigen kriminalpolitischen Diskussion sind. Die vorliegende Untersuchung hat ergeben, dass unmöglich ist, all diesen Interessen befriedigend Rechnung zu tragen und gleichzeitig die rechtsstaatlichen Grenzen zu respektieren. Angesichts dieses „Dilemmas“ ist der Rechtsstaatlichkeit der Vorzug zu gewähren, auch wenn dies in einigen Fällen eine lückenhafte Abschöpfung krimineller Gewinne zum Ergebnis hat.

B. Die Geldwäschebekämpfung I. Zusammenfassung Das Geldwäscherecht in Deutschland blickt nicht auf eine so reichhaltige Geschichte zurück. Seine Anfänge in den 90er Jahren sind eng mit der Figur der organisierten Kriminalität verbunden. Durch die Schaffung des Straftatbestands der Geldwäsche (§ 261 StGB) setzt eine interessante Entwicklung ein, mit verschiedenen normsetzenden Akteuren und mit vielen Adressaten. Der Geldwäschetatbestand wollte ursprünglich Tathandlungen erfassen, die durch die bereits existierenden Anschlusstatbestände der Hehlerei, der Begünstigung und der Strafvereitelung nicht abgedeckt wurden. Der neue Tatbestand wurde damit begründet, dass die typischen Geldwäschehandlungen einen Moment darstellten, in dem kriminell erlangte Gewinne sichtbar würden. Somit sollten durch diese Norm gleichzeitig mehrere Ziele verfolgt werden: zum einen könnten die Strafverfolgungsbehörden durch Aufdeckung solcher Handlungen die Papierspur, bzw. den Ursprung illegaler Erlöse zurückverfolgen. Dadurch sollte ein Einblick in die Funktionsweisen der organisierten Kriminalität gewonnen werden. Gleichzeitig wurde durch die Inkriminierung der Handlungen, die dem Täter die Weiterverwertung seiner Gewinne ermöglichen, seine Isolierung angestrebt, indem die aus der Vortat herrührenden Gegenstände verkehrsunfähig gemacht werden würden. Schließlich würde durch das Verschleiern der kriminellen Herkunft auch der Zugriff der Strafverfolgungsorgane auf die kriminellen Gewinne erschwert, wenn nicht vereitelt. Dieser Straftatbestand könnte diesbezüglich Abhilfe leisten und ließ somit eine umfassende Gewinnabschöpfung versprechen. Bereits am Anfang war jedoch der Tatbestand mit vielen dogmatischen Problemen behaftet. Welches Rechtsgut geschützt wird, bleibt genauso wenig geklärt, wie die Frage nach dem Tatobjekt. Es hat sich erwiesen, dass der Gebrauch der Begrifflichkeit des „Herrührens“ zur Konkretisierung des Tatobjekts wenig taugt. Nicht

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weniger kompliziert ist allerdings die Umschreibung der Tathandlungen, die sich oft überschneiden und zu einer sehr weiten Strafbarkeit führen. In Verbindung mit der Strafbarkeit der leichtfertigen Geldwäsche schließt das strafrechtliche Unrecht oft sozial übliche Tätigkeiten ein. Eine gewisse Ausuferung der Strafbarkeit lässt sich am Beispiel der Strafbarkeit von Bankmitarbeitern, die Transaktionen mit Geldwäschern tätigen, demonstrieren. Ähnliches gilt für die Strafbarkeit von Strafverteidigern bei Annahme eines bemakelten Verteidigerhonorars. Ob letztendlich durch diesen Tatbestand die weitgesteckten präventiven Ziele erreicht werden können, wird ebenso in Zweifel gezogen. Während zum Zeitpunkt der Verabschiedung des OrgKG und der Schaffung des Geldwäschetatbestands, der letztere, neben der Vermögensstrafe und dem erweiterten Verfall, nur eine Komponente des gesamten vermögensorientierten Ansatzes im Strafrecht darstellte, wird das politische Interesse allmählich auf eine effektive Geldwäschebekämpfung verlagert. Der Geldwäschetatbestand bietet ein hohes Maß an normativer Prävention, während auf der Ebene der Sanktionen die Spielräume für weitere gewinnabschöpfende Maßnahmen langsam ausgeschöpft zu sein scheinen. Einen wichtigen Faktor zum weiteren Ausbau des Rechts der Geldwäschebekämpfung stellen auch die internationalen Entwicklungen dar. Mit der Zeit stößt man auf eine immer intensivere Beschäftigung von internationalen Akteuren mit der Thematik der kriminellen Gewinne und vorrangig mit der Bekämpfung der Geldwäsche. Folge dieser Beschäftigung ist eine Reihe von internationalen Übereinkommen unterschiedlicher Rechtsverbindlichkeit und mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten. Während sich das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen auf die Geldwäschebekämpfung hinsichtlich Drogengelder konzentrierte, fokussierte das darauf folgende Europaratsabkommen die Schaffung von Normen zur internationalen Rechtshilfe. Zeitgleich wurde die Financial Action Task Force (FATF) als ein Organ intergouvernementaler Zusammenarbeit gegründet. Diese Organisation hat die weitere Entwicklung der Geldwäschebekämpfung durch verschiedene, teils sehr originelle Strategien, in entscheidendem Maße vorangetrieben. Schließlich bestreitet auch die Europäische Union Befugnisse im Bereich Geldwäsche, vor allem was die Zusammenarbeit mit Akteuren der privaten Wirtschaft angeht. Im Laufe der Entwicklung wird der internationale Faktor eine immer wichtigere Rolle spielen und die nationale Gesetzgebung zu einem erheblichen Teil bestimmen. Somit ist es nicht übertrieben, von der Geldwäschegesetzgebung als einer globalisierten Gesetzgebung zu reden; damit wird eine Art der Normsetzung verstanden, in der Initiativen von inter- oder supranationalen Organen mit teils fraglicher demokratischer Legitimation (z. B. FATF) die normativen Maßstäbe für den nationalen Gesetzgeber vorschreiben; gleichzeitig dient die Geldwäschebekämpfung als ein Beispiel einer Gesetzgebung für die Globalisierung, also für Problemerscheinungen in einer komplexer gewordenen globalisierten Gesellschaft. Das Ziel der Einbeziehung der Wirtschaft in die Geldwäschebekämpfung dominiert die weitere Entwicklung des Rechts der Geldwäschebekämpfung. Die gesetz-

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liche Grundlage für die Erreichung dieses Ziels schafft das Gesetz über das Aufspüren von Gewinnen aus schweren Straftaten (bekannt auch als Geldwäschegesetz, kurz GwG). Dieses Gesetzeswerk sieht umfangreiche Identifizierungs-, Aufzeichnungs- und Verdachtsanzeige- sowie organisatorische Pflichten für die betroffenen Kredit- und Finanzinstitute vor. Ausgangspunkt dieses Gesetzes ist die Erkenntnis, dass gegenwärtige Kriminalitätsformen eine derartige Bedrohung darstellen, welche die Bündelung aller gesellschaftlichen Kräfte zu deren Bewältigung erforderlich macht. Demnach scheint die Geldwäschebekämpfung nur durch die Inpflichtnahme der Wirtschaft als eines für die Geldwäschebegehung nötigen Intermediären möglich zu sein. Trotz der anfänglichen Zurückhaltung der Kreditwirtschaft, nicht zuletzt aufgrund des hohen finanziellen und organisatorischen Aufwands zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen, zeigt sie sich allmählich sehr kooperationswillig. Nachdem die Grundlagen der Geldwäschebekämpfung durch den Geldwäschetatbestand und das Geldwäschegesetz geschaffen wurden, ist ein andauerndes gesetzgeberisches Bestreben nach einer Ergänzung der entsprechenden Vorschriften zu verzeichnen. Der Anschlusscharakter des Geldwäschetatbestands, niedergeschrieben durch einen Vortatenkatalog, aus dem die geldwäschetauglichen Objekte herrühren sollen, bietet aus gesetzgeberischer Sicht einen ergänzungsbedürftigen Punkt. Dementsprechend wird durch eine Serie von Gesetzen und Entwürfen die Erweiterung dieses Vortatenkatalogs und somit eine effektivere Verfolgbarkeit von Geldwäsche erzielt. Das Verbrechensbekämpfungsgesetz erweitert diesen Katalog, obwohl seine Priorität auf der Erweiterung anderer Ermittlungsbefugnisse liegt. Das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität sieht eine Reihe von Änderungen vor, die neben der Erweiterung des Vortatenkatalogs, auch die Ausdehnung strafrechtlicher Ermittlungsmaßnahmen beim Geldwäscheverdacht zum Gegenstand haben. Viel gewichtiger sind allerdings die Novellierungen des GwG, vor allem bezüglich der zeitlichen Vorverlegung der Weitergabe von Informationen an Finanzbehörden sowie im Hinblick auf die Verwendung dieser Informationen für die Verfolgung von Steuerstraftaten und zu Besteuerungszwecken. Auf diese Weise vollzieht sich der oben erörterte Informationsverbund zwischen den Strafverfolgungs- und den Finanzbehörden. Somit werden die Dienste der verpflichteten Wirtschaftszweige mittelbar auch zu anderen, der Geldwäschebekämpfung fremden Zwecken genutzt. Darüber hinaus wird das Recht der Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung unmittelbar tangiert. Letztlich trägt dieses Gesetz den geänderten Geldwäschemethoden Rechnung: durch gezielte Änderungen des Finanzverwaltungsgesetzes wird nunmehr auch die Ein-, Aus- oder Durchfuhr von Bargeld innerhalb der EU einer strengen Kontrolle unterliegen. Anlässlich dieses Gesetzes, das die Aufdeckung von Strukturen organisierter Kriminalität in das Zentrum der Bemühungen bringt, wird deutlich, dass sich die Geldwäschebekämpfung zu einem kriminalstrategischen Bekämpfungsansatz entwickelt, während sich die bloße Sanktionierung eines objektiv feststellbaren Unrechts immer mehr verflüchtigt.

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Dasselbe Ziel, aber einen differenzierten Weg, verfolgt der Gesetzgeber mit dem Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz: anstatt einer erneuten Erweiterung des Vortatenkatalogs wird der neue Straftatbestand der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung (§ 370a AO) eingeführt, der aufgrund seines Verbrechenscharakters automatisch eine geldwäschetaugliche Vortat darstellt. Abgesehen von der kriminalistischen Zweckmäßigkeit einer solchen Verzahnung zwischen Geldwäsche und Steuerhinterziehung, wird es im Fall der Steuerhinterziehung nach § 370a AO äußerst schwer, das Tatobjekt einer akzessorischen Geldwäsche hinreichend zu konkretisieren. Bei der Steuerhinterziehung geht es oft nur um unterlassene Mittelverwendungen, aufgrund der das Tätervermögen nicht gemindert wurde. Die spezielle Regelung zur Bestimmung des geldwäschetauglichen Objekts nach dieser Steuerhinterziehung hat dementsprechend mehrere theoretische Auslegungsversuche veranlasst. Die Schwierigkeit der Dogmatik, sich auf einen Ansatz zur Einschränkung dieses Tatbestands zu einigen, belegt jedoch die Untauglichkeit der gesetzlichen Formulierung, die Grenzen der Geldwäschestrafbarkeit nach einer gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung genau abzustecken. Dieser Umstand konnte durch ein nachfolgendes Gesetz auch nicht ausgeräumt werden. Das nächste Stadium in der Entwicklung der Geldwäschebekämpfung, das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz, weist eine differenzierte Zielrichtung auf. Durch dieses Gesetz werden neue gewerbeaufsichtsrechtliche Maßnahmen zum Zwecke der Geldwäschebekämpfung eingeführt. Während bisher das Novellierungsbedürfnis sowohl die repressive (den Geldwäschetatbestand) als auch die präventive (das GwG) Seite des Geldwäscherechts betraf, wird nunmehr verstärkt auf die präventive Seite abgestellt. Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass die herkömmliche Geldwäscheprävention den technischen und strukturellen Wandel im Finanzsektor, durch den Einsatz neuer Informationstechnologien, nicht berücksichtigt. Neben der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, die bisher allen Änderungen zugrunde lag, wird nunmehr auch die Bekämpfung des internationalen Terrorismus ins Visier genommen. Durch eine Reihe von Maßnahmen, wie das automatisierte Kontenabrufverfahren (§ 24c KWG), das Konten-Screening (§ 25a Abs. 1 Nr. 4 KWG) und die Mitteilungspflicht der Finanzbehörden zur Bekämpfung der Geldwäsche (§ 31b AO) findet ein qualitativer Sprung innerhalb der Geldwäschebekämpfung statt. Dieser bezieht sich einerseits auf ihr Ziel, eine sog. „situative Prävention“, die im Sinne eines proaktiven Handelns nicht an Individuen, sondern an risikoträchtige Situationen anknüpft. Der qualitative Sprung erstreckt sich allerdings auch auf die Mittel zur Erreichung dieses Ziels: die neuen Instrumente liefern den Strafverfolgungsbehörden unkompliziert eine Fülle von Informationen und multiplizieren somit ihre Ermittlungsansätze. Gleichzeitig darf man skeptisch sein, ob dadurch ein entsprechender Effizienzgewinn hinsichtlich der Geldwäschebekämpfung registriert werden kann. Der Bezug zur Gewinnabschöpfung wird jedenfalls immer schwächer. Im engen funktionalen Zusammenhang mit dem vorangegangenen Gesetz steht auch das Geldwäschebekämpfungsgesetz. Dieses setzt internationale Vorgaben,

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vor allem die zweite europäische Antigeldwäscherichtlinie und die acht Sonderempfehlungen der FATF in innerstaatliches Recht um. Mit ihm schreitet der Einsatz von Instrumenten der Geldwäschebekämpfung für die Terrorismusbekämpfung voran. Dementsprechend wird das zentrale Mittel der Geldwäschebekämpfung, die Verdachtsanzeigen der verpflichteten Institute, nunmehr auch aufgrund des Verdachts der Finanzierung einer terroristischen Organisation aktiviert. Dabei werden allerdings die strukturellen Unterschiede zwischen den beiden zu bekämpfenden Phänomenen ausgeblendet. Außerdem bringt dieses Gesetz eine Reihe von erheblichen Neuerungen mit sich, von modifizierten Identifizierungspflichten über die Schaffung einer Zentralstelle zur Verwertung von Verdachtsanzeigen bis hin zu neuen Organisationspflichten für die verpflichteten Institute. Kernstück dieses Gesetzes, und zugleich der wichtigste Kritikpunkt, ist jedoch die Einbeziehung neuer Berufszweige in die Pflichten des GwG, vor allem der rechts- und steuerberatenden Berufe. Dadurch scheint der Gesetzgeber Verkürzungen von Freiheitsrechten dieser Berufsangehörigen, aber vor allem auch Erschütterungen bei verfassungsrechtlich geschützten Vertrauensverhältnissen, in Kauf zu nehmen. Eine interessante Wende nimmt das Recht der Geldwäschebekämpfung durch die dritte europäische Antigeldwäscherichtlinie und die neue Auflage des Geldwäschegesetzes. Durch diese sollte, neben der Gleichstellung der Geldwäsche mit der Terrorismusfinanzierung, eine Neuausrichtung des Geldwäscherechts auf einen sog. „risikoorientierten Ansatz“ erfolgen. Der bisher geltende regelbasierte Ansatz, der sich in der Einhaltung von formalisierten Verpflichtungen und Maßnahmenkatalogen erschöpfte, wird zugunsten eines anderen Konzepts verlassen, das vom jeweiligen Risiko von Kundenkategorien und Transaktionen geleitet wird. Unter Berücksichtigung neuer Trends und Typologien der Geldwäsche werden somit nach der jeweiligen Risikosituation modifizierte Verpflichtungen für die Adressaten gelten. Die Richtlinie enthält also Regelungen zum institutsinternen Risikomanagement, das entsprechend ausgebaut werden soll. Zusätzlich werden unter anderem durch die Schaffung neuer Vorschriften für den wirtschaftlichen Berechtigten erhöhte Transparenz- und Integritätsstandards geschaffen. Während dieser Ansatz tendenziell zu einer flexibleren und weniger bürokratischen Geldwäschebekämpfung führt, wird er jedoch an einigen Stellen nicht konsequent durchgezogen. An einigen Stellen erweist sich dieses neue Gesetz als anwenderunfreundlich und unflexibel, bei der Implementierung bestimmter Bestimmungen ist eine neue Bürokratisierung nicht auszuschließen. Die Entwicklung des Rechts der Geldwäschebekämpfung gilt somit keineswegs als abgeschlossen. Das neue Gesetz bewirkt eine grundlegende Umstrukturierung des geltenden GwG. Es ist mit Spannung zu erwarten, wie die Verpflichteten die neuen Regelungen aufnehmen werden.

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II. Tendenzen Auffällig ist, dass der Geldwäschetatbestand immer mehr in den Hintergrund gerät. Während eine Reihe von Ermittlungsbefugnissen den staatlichen Strafanspruch in Bezug auf Geldwäschehandlungen realisieren soll, erlangt ihre Anwendung in der Praxis eine nur marginale Bedeutung. Das beweist die Annahme, dass die ständige Erweiterung des Vortatenkatalogs nicht die erhoffte Effektivität herbeigeführt hat. Die Anwendung der Geldwäschevorschrift ist nicht daran gescheitert, dass gewaschene Vermögensgegenstände aus Straftaten herrührten, die im Vortatenkatalog nicht enthalten waren. Der Grund für die Nichtanwendung des Geldwäschetatbestands ist hingegen in seinem Anschlusscharakter zu suchen. Die Geldwäsche kann somit nur sanktioniert werden, wenn auch die Vortat voll bewiesen wird. Oft werden in der Praxis Geldwäschehandlungen in Bezug auf Vermögenswerte dubioser Herkunft vermutet, ohne aber die konkrete Vortat rekonstruieren zu können. Somit wäre eine „Verbesserung“ des Geldwäschetatbestands möglicherweise durch eine Beweislastumkehr möglich. Läge der Verdacht der kriminellen Herkunft von Vermögensgegenständen vor, müsste der vermutliche Täter ihren legalen Ursprung beweisen, sonst würde er sich der Geldwäsche strafbar machen (und demzufolge würden diese Vermögensgegenstände abgeschöpft). Freilich wird ein derartiger Schritt nicht ernsthaft in Erwägung gezogen; denn er wäre vor dem Hintergrund verfassungsrechtlicher Grundsätze gar nicht zu verantworten und würde zugleich eine derartige Überkriminalisierung bewirken, die vom fragmentarischen Charakter des Strafrechts nichts Übrig lassen würde. Überdies darf nicht vergessen werden, dass letztendlich diese Verknüpfung der Geldwäschehandlungen mit einer vorausgegangenen Straftat ihnen den kriminellen Charakter verleiht. Sonstige Änderungen wie eine nochmalige Erweiterung des Vortatenkatalogs oder die Bestrafung des Vortäters usw. konnten eine Reihe von zusätzlichen Fallkonstellationen erfassen, eine spürbare Verbesserung im Sinne eines Anstiegs von Verurteilungen wegen Geldwäsche ist damit nicht eingetreten. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist, wie sich das Bedürfnis und vielmehr der Erfolg eines Straftatbestands messen lassen. Sogar der Gebrauch des Wortes „Erfolg“ für einen Straftatbestand ist charakteristisch für ein bestimmtes, zweckgerichtetes Verständnis von Strafnormen, die nicht nur (oder gar nicht) eine ethische vorwerfbare Rechtsgutsverletzung missbilligen, sondern durch die Übelszufügung einer Strafe eine meist präventive Funktion übernehmen. Das Bedürfnis nach einer Geldwäschenorm muss bejaht werden; dadurch wurden mögliche Lücken bei den sonstigen Anschlusstaten geschlossen und so modernen Kriminalitätserscheinungen Rechnung getragen. Der Tatbestand des § 261 StGB, wie er sich im Laufe seiner kurzen Geschichte entwickelte, spiegelt jedoch nicht mehr nur dieses Bedürfnis wider. Der Gesetzgeber hat auch versucht, einen schlichten strafrechtlichen Tatbestand zu einem präventiv-polizeilichen Ansatz

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zur Bekämpfung von Kriminalität auszubauen. Dabei geht es nicht um Repression und Bestrafung von Individuen, sondern um die vielfach erläuterte Schaffung von Ermittlungsansätzen und die Verbesserung der Ermittlungstätigkeiten. Diesen Zwecken wird eine quasi-rechtsgutsähnliche Qualität zugeschrieben. Der Geldwäschetatbestand hat somit die Funktion einer Norm, die viele, besonders eingriffsintensive Ermittlungsmaßnahmen rechtfertigt. Bei der Darstellung der Entwicklung wurde bereits aufgezeigt, wie dies tatsächlich geschehen ist, mit der jeweiligen Erweiterung von strafprozessrechtlichen Instrumenten auf dem Feld der Geldwäsche. Das Ziel der Verbesserung der Ermittlungen und dadurch der verbesserten Verbrechensbekämpfung wird auch vorgebracht, um eine bedenkliche Einbeziehung von Privaten in die Strafverfolgung zu legitimieren. Die oben gemachte Aussage wird sich dadurch bestätigen: durch die Verpflichtungen der Individuen, vor allem durch die Verdachtsanzeigen, werden den Strafverfolgungsbehörden Informationen geliefert, die letztendlich nicht ausschließlich die Ahndung von Geldwäschetaten, sondern die Aufdeckung anderer Taten (manchmal sogar auch von Bagatelltaten) bezwecken oder sogar ganz andere Zwecke, wie z. B. die Besteuerung verfolgen. Dementsprechend schreitet auch die Vernetzung zwischen den verschiedenen involvierten Behörden voran. Diese Vernetzung bzw. die immer stärkere Einbeziehung der Steuerbehörden in die Geldwäschebekämpfung deutet schon darauf hin, dass Geldwäschebekämpfung und Gewinnabschöpfung in Zeiten dürftiger Staatsfinanzen auch als fiskalische Felder betrachtet werden. Zugleich hat sich gezeigt, dass sich die Inpflichtnahme von Privaten im Laufe der Entwicklung immer mehr ausgeweitet hat. Sie umfasst zunehmend Berufsträger und Institute und schreibt immer weitergehende Verpflichtungen vor; sie schafft einen enormen Aufwand für die Betroffenen sowie selbst für die Strafverfolgungsbehörden, wobei es zweifelhaft bleibt, ob dieser Aufwand den erklärten (oder den nicht erklärten) gesetzgeberischen Zielen entsprechen kann. Das Geldwäscherecht verfällt somit graduell zu einem unübersichtlichen und bürokratisierten Aufsichtsrecht. Dieses Aufsichtsrecht ist jedoch nicht nur bürokratisch, sondern auch in hohem Maße symbolisch. Es enthält eine Reihe von Regelungen, deren Einhaltung die Bewältigung der Geldwäsche nicht voranbringen kann. Es dient zum großen Teil als Beweis einer politischen Betätigung und zugleich einer Misstrauenserklärung an die selbstregulatorischen Kräfte der Finanzmärkte. Es ist zweifelhaft, ob dieses Konzept der Geldwäschebekämpfung als erfolgreich angesehen werden kann. Ausgehend von den Verurteilungen wegen Geldwäsche kann man schon sagen, dass dieses Recht nicht besonders gut abschneidet, vor allem wenn man den enormen Aufwand zu seiner Realisierung berücksichtigt. Eine Reihe von unterschiedlichen Faktoren wie das liberale Wirtschaftssystem Deutschlands, die Erscheinungsformen der Geldwäsche selbst, die unvollständige internationale Zusammenarbeit aber auch der Bekämpfungsansatz in seiner Ausgestaltung und Umsetzung tragen zu diesem Umstand bei.1 Zugleich scheint der

B. Die Geldwäschebekämpfung

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Gesetzgeber zu ignorieren, dass die Geldwäsche durch Missbrauch von Finanzinstituten und -produkten für das Scheitern der gesamten Kriminalprävention spricht. Deshalb sollte sich die Rechtspolitik Gedanken machen, nicht nur wie die Präventivwirkung des Geldwäschebekämpfungsrechts, sondern auch des gesamten Verbrechensbekämpfungsrechts zu optimieren ist. Ob allerdings der neue risikobasierte Ansatz in der Geldwäschebekämpfung die nötige Flexibilisierung erbringen und sich als erfolgsversprechender erweisen wird, bleibt abzuwarten. Problematisch dabei ist jedoch, wie die Adressaten mit diesem Ansatz umgehen werden. Denn das Absehen von der Schaffung konkreter Regeln wird es z. B. schwer machen, die Pflichterfüllung zu kontrollieren. Die regelbasierten Verpflichtungen waren vielleicht starrer, jedoch könnte das pflichtige Institut relativ leicht beweisen, dass es seinen Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist. Das wird mit dem neuen risikoorientierten Ansatz schwieriger. Denn dieser Ansatz, wonach das Institut je nach seinen Geschäftsbeziehungen, Kundenstruktur usw. die entsprechenden Sorgfaltspflicht- und Präventionsmaßnahmen ergreifen muss, impliziert, dass die Risiken minimiert werden. Würden jedoch Geldwäschefälle vorkommen, würde dies ein Scheitern des jeweils installierten Risikomanagements bedeuten, was sowohl für die Institute als juristische Personen als auch für die verwickelten Bankmitarbeiter (z. B. Geldwäschebeauftragte) Sanktionen mit sich bringen würde. Die Entwicklung in diesem Bereich ist noch voll im Gange, so dass sich Zukunftsperspektiven nicht abzeichnen lassen. Eines steht jedoch fest: die Verschleierung der kriminellen Herkunft von Vermögensgegenständen und ihre Legalisierung weisen eine enorme Vielgestaltigkeit auf; das Phänomen der Geldwäsche ist dem bestehenden Wirtschafts- und Strafrechtssystem immanent, sie hat einen ubiquitären Charakter. Vor diesen Hintergründen ist eine lückenlose Erfassung dieser Methoden und Handlungen entweder durch den Geldwäschetatbestand oder durch aufsichtsrechtliche Maßnahmen gar nicht realisierbar. Ein solcher Versuch verbraucht unnötig nicht nur staatliche Ressourcen, die anderweitig besser eingesetzt werden könnten; vielmehr weckt er auch falsche Erwartungen. Vielleicht wäre es ratsamer, sich Gedanken über die Möglichkeit einer vernünftigen Einschränkung des Geldwäschetatbestands in Erwägung zu ziehen. Ein übersichtlicher Geldwäschetatbestand, der an konkrete schwere Straftaten anknüpfen würde, mit einem leicht zu erkennenden Anwen1 Suendorf nennt einen zusätzlichen Grund zum schlechten Abschneiden der Geldwäschebekämpfung, nämlich die widersprüchlichen Ziele des gemischt repressiven und präventiven Ansatzes des Rechts gegen Geldwäsche. Während der repressive Ansatz auf die Bekämpfung der organisierten Kriminalität abstelle, solle der präventive Ansatz den Missbrauch der Banken zu Zwecken der Geldwäsche verhindern. Die Banken lösten jedoch die Kundenbeziehung mit verdächtig erscheinenden Kunden im eigenen Interesse, was den Interessen der Finanzermittler widerspreche, in: Suendorf, Geldwäsche, Eine kriminologische Untersuchung, S. 398, 400. Die Frage ist allerdings, ob und auf welche Weise sich dieser Widerspruch angesichts der Interessen der nach betriebswirtschaftlichen Kriterien funktionierenden Kreditinstitute vermeiden lässt.

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7. Kap.: Die Ergebnisse der Untersuchung

dungsbereich und somit mit einem allgemein akzeptierten typisierten Unrecht ist sinnvoller als eine ausufernde Norm, die das strafwürdige Unrecht bagatellisiert und mehr verspricht, als sie tatsächlich bewirken kann. Eine Rationalisierung des Geldwäschebekämpfungsrechts wäre jedenfalls möglich, wenn die Rechtsgestaltung auf diesem Gebiet von jeweils überbetonten Sicherheitsinteressen, wie in der Gestalt der organisierten Kriminalität, des Terrorismus, letztlich ja der Korruption, abgekoppelt würde.

C. Tendenzen im Strafrecht und in der Kriminalpolitik Angesichts der Entwicklungen der Gesetzgebung über Gewinnabschöpfung und Geldwäsche lassen sich bestimmte Tendenzen im Strafrecht und in der Kriminalpolitik nicht verkennen. Diese Tendenzen werden hier nur stichwortartig erläutert; dabei wird jedoch nicht der Frage nachgegangen, ob sie als nur vorläufige Erscheinungen oder vielleicht als gefestigte Orientierungen des Strafrechtssystems zu begreifen sind. – Strafrechtliche Normen werden immer symbolischer; dies betrifft sowohl Straftatbestände als auch Sanktionen selbst. Darunter wird die Neigung verstanden, Regelungen zur Erreichung eines bestimmten Ziels zu schaffen, das jedoch von vornherein durch die ausgewählte Normgestaltung nicht herbeigeführt werden kann. Ausgangspunkt dieses Vorgehens ist der Gedanke, dass durch die kommunikative, symbolische Kraft des Strafrechts die schutzwürdigen Lebensbereiche konkretisiert werden. – Bei den untersuchten Themenbereichen tritt eine besonders hervorstechende (Partei-)Politisierung der ganzen Kriminalpolitik zutage. Da durch Strafrecht gesellschaftliche Konflikte gelöst werden sollen, hat sich dieses seit jeher als ein Feld parteipolitischen Konkurrenzkampfes erwiesen. Auf dem Gebiet der Gewinnabschöpfung und der Geldwäsche sieht man allerdings, wie bestimmte gesetzgeberische Entscheidungen Ergebnisse parteipolitischer Kompromisse waren und wie die Parteien mehrfach versucht haben, aus solchen Ergebnissen meist kurzlebiges, parteipolitisches Kapital zu schlagen. Diese Politisierung hat jedoch die kriminalpolitischen Akteure in vielen Fällen daran gehindert, mit einem nüchternen Blick auf wissenschaftliche Erkenntnisse einzugehen und sie in einer angemessenen Weise zu verwerten. Somit sollte man ernsthaft Überlegungen über das Verhältnis zwischen Kriminalpolitik und Kriminalwissenschaften bzw. über einen möglichen Kooperationsrahmen zwischen beiden anstellen, um einen Verlust der Mitwirkungsmöglichkeiten der Wissenschaft zu verhindern. – Zugleich wird das in anderen Rechtsbereichen auftretende Vorherrschen des präventiven Paradigmas auch auf der Ebene der Kriminalpolitik registriert. Das Strafrecht erschöpft sich nunmehr nicht in der Missbilligung einer Tat mit einem

C. Tendenzen im Strafrecht und in der Kriminalpolitik

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gewissen gesellschaftlichen und rechtsgutverletzenden Unwert, sondern unterliegt präventiven Zielsetzungen, zugunsten derer es funktionalisiert wird. Abgesehen vom empirischen Nachweismangel hinsichtlich einer solchen Möglichkeit des Strafrechts, hat sich anhand der Gesetzgebung über Gewinnabschöpfung und Geldwäschebekämpfung gezeigt, dass die dafür geschaffenen Rechtsnormen nur rudimentär den präventiven Erwartungen entsprechen. Diese präventive Ausrichtung, in der Form der situativen Prävention, beobachtet man allerdings auch in der gesamten Kriminalpolitik, d. h. in Bereichen, wo die Kriminalität mit anderen, außerstrafrechtlichen Instrumenten bekämpft werden soll. Dabei geht es allerdings nicht um Prävention von Unrecht, sondern um Gefahrenprävention, so dass sich das gesamte Kriminalsystem von der konkreten Rechtsgutsverletzung immer mehr und demonstrativer in die Richtung des Gefahrenabwehrrechts verschiebt. Charakteristisch dafür ist die in Gang gesetzte Neuausrichtung der Geldwäschebekämpfung auf risikoträchtige Situationen und Individuen. – Dementsprechend versuchen der Staat und die Gesellschaft ständig, durch Datensammlungen und die Freiheit des Einzelnen immer tiefer einschränkende Maßnahmen, diesen nicht näher zu beschreibenden Gefahren entgegenzuwirken. Diese Neigung führt zu einem Verwischen der Grenzen zwischen Strafverfolgung und Gefahrenabwehr, z. B. durch heimlich wirkende Ermittlungsinstrumente anlässlich eines diffusen oder sogar jenseits eines Tatverdachts. Diese Umstände dienen somit als ein Zeugnis der völligen Verunsicherung von Staat und Gesellschaft. Was dabei oft außer Acht gelassen wird, ist, dass die Effektivitätssteigerung des Rechts, in der Form der Gefahrabwendung, beträchtliche Nebenwirkungen verursachen kann. Die Zurückdrängung rechtsstaatlicher Garantien (in dubio pro reo, Grundrecht auf Eigentum, Schuldprinzip) kann längerfristig das historisch immer fragil gewesene Gleichgewicht zwischen Staat und Bürger erschüttern. Verfassungsrechtliche und straftheoretische Prinzipien bewahren die Glaubwürdigkeit der staatlichen Strafverfolgung und sind Ausdruck eines gesellschaftlichen Konsenses bezüglich des Umfangs staatlicher Eingriffsbefugnisse. Das war und bleibt trotz der sich ändernden gesellschaftlichen Umstände immer so. Der Schaden durch das Abrücken von solchen Prinzipien ist jedoch so eminent, dass eine effektive Verbrechensbekämpfung ihn nicht wiedergutmachen könnte. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch das Phänomen von Maßnahmen betrachten, die ohne Strafen zu sein, strafähnlich wirken. Die Ursache dieser Erscheinung ist der Versuch, durch Strafrecht andere Ziele, außerhalb eines legitimen Rechtsgüterschutzes, zu verfolgen. – Anhand der Einbeziehung der Finanzwirtschaft in die Geldwäschebekämpfung wird beobachtet, dass immer mehr gesellschaftliche Akteure an der Verbrechensbekämpfung beteiligt sind. Dabei werden allerdings Konflikte zwischen diesem Ziel und den Interessen der verwickelten Individuen und Institutionen nicht hinreichend berücksichtigt. Somit bleibt die Frage offen, wie weit die Gesellschaft in die rein staatliche Aufgabe der Kriminalitätsbekämpfung einbezogen werden kann und mit welchen Konsequenzen.

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7. Kap.: Die Ergebnisse der Untersuchung

– Die Übertragung staatlicher Aufgaben auf Private wird auf der Ebene der Normsetzung von einer Internationalisierung der Kriminalpolitik begleitet. Die Betätigung vieler internationaler Organisationen, die in entsprechende Abkommen münden, aber vor allem die Funktionsweisen und die Vorgaben der FATF zeigen, wie gesetzgebende Zuständigkeiten im materiellen Sinne verschoben werden; internationale Gremien (mit einer fraglichen demokratischen Legitimität) substituieren die Initiativen des nationalen Gesetzgebers zur Gestaltung der nationalen Kriminalpolitik. Dieses Phänomen hängt in großem Maße auch mit dem internationalen, grenzüberschreitenden Charakter der zu bekämpfenden Phänomene, mit dem globalisierten Verbrechen, zusammen. Da die Kriminalpolitik bisher ein sehr nationales Politikfeld darstellte, kann das Phänomen einer sich wandelnden Staatlichkeit nicht mehr angezweifelt werden. – Schließlich muss betont werden, dass das Strafrecht lediglich ein Instrument zur Bewältigung von Kriminalitätsphänomenen ist, allerdings nicht das einzige, sicher aber das kostspieligste von allen; dieses Instrument hat jedoch nur eingeschränkte Möglichkeiten zur Lösung komplexer gesellschaftlicher Konflikte, die hinter Kriminalität stehen; ihm darf nicht mehr zugemutet werden, als es tatsächlich kann. Ähnliches gilt für die Kriminalpolitik. Ihre Aufgabe ist nicht in der Ausmerzung, sondern in einer graduellen Schmälerung von Kriminalitätsproblemen zu sehen. Diese kann jedoch nur durch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen individuellen Freiheitsräumen und kollektiven Sicherheitsinteressen gewährleistet werden. Erforderlich dafür ist zu diesem Zeitpunkt eher eine Rationalisierung der staatlichen Sicherheitsansprüche. Wird die Kriminalpolitik ihr Handeln auf diese Feststellungen orientieren, wird in der Zukunft eine „effektive“ Verbrechensbekämpfung vielleicht möglich.

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Sachwortverzeichnis Ad rem Verfahren 203, 309 Al-Capone-Prinzip 354 All-crimes-Prinzip 210, 335, 445 Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten 56 Alternativentwurf 77 Auffangrechtserwerb 467 Außenwirtschaftsgesetz 156 Automatisiertes Kontenabrufverfahren – Allgemein 379 – Auftragsabfragen 382 – Datensicherheit 383 – Eigenabfrage 381 – Finanzbehörden 388 – Kontostammdaten 381 BaFin 378 Bandenmäßigkeit 333, 355 Bargeldloser Zahlungsverkehr 436 Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht 255 Bayerisches StGB 59 Begünstigung 207 Bescheinigungslastumkehr 204 Beschlagnahme 48, 150, 254, 339 Beweislastumkehr 150, 193, 202, 253 Bruttoprinzip – Erweiterter Verfall 154, 187 – Ordnungswidrigkeitenrecht 43 – Schuldprinzip 163 Consecratio bonorum 51 Constitutio Criminalis Carolina 55 Dinglicher Arrest 48 Due-Dilligence-Standards 378, 389, 448 Einziehung 38 – Gegenstand 39 – Verwirkungsidee 40 Ersatzhehlerei s. Hehlerei

Erweiterter Verfall – Allgemein 28, 154 – Anklagegrundsatz 196 – Eigentumsgarantie 191, 308 – Härtevorschrift 190 – Schätzung 189 – Selbstbezichtigungsverbot 195 – Unschuldsvermutung 193 – Verletztenansprüche 469 – Wertersatzverfall 189 – Ziel 184 Europaratsübereinkommen 259 FATF 255, 404,443 Finanzverwaltungsgesetz 346 FIU 257, 416 Gefährdungsanalyse 452 Geldauflagen 33 – Verfahrenseinstellung 35 Geldstrafe 30 Geldstrafe neben Freiheitsstrafe 32 Geldstrafengesetz 67 Geldwäschebeauftragter 294, 432, 458 Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz 441 Geldwäschebekämpfungsgesetz 402 Geldwäschegesetz – Adressaten 276, 345, 409 – Allgemein 268 – Aufbewahrungspflichten 263, 460 – Aufzeichnungspflichten 263, 272, 284, 422 – Identifizierungspflichten 263, 406, 433, 448 – Meldepflicht s. Geldwäschegesetz / Verdachtsanzeigenpflicht – Organisationspflichten 276, 293, 430, 458 – Rechtsanwälte 409 – Sanktionen 299, 460

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Sachwortverzeichnis

Schwellenwert 320, 340 Steuerberatung 409 Stillhaltepflicht 288, 341 Unterrichtungsverbot 291 Verdachtsanzeigenpflicht 264, 272, 358, 411, 423, 460 – Verwendungsbeschränkungen 285, 292, 342 – Wirtschaftlich Berechtigter 283, 420, 449 – Ziel 275 – Zuständige Behörde 297 Geldwäschetatbestand – Allgemein 29, 204 – Auslandstaten 338 – Bestimmtheitsgebot 233 – Ersparte Aufwendungen 370 – Gefährdungstatbestand 219 – Generalprävention 243 – Herkunftsprinzip 213 – Internationalisierung 251 – Isolierungstatbestand 208 – Leichtfertigkeit 228 – Organisationsprinzip 211 – Rechtsgut 208 – Schuldprinzip 231 – Sozial übliche Tätigkeiten 234 – Steuerberatung 374 – Strafloser Vorerwerb 224 – Tatobjekt 210, 360, 369 – Verschleierungstatbestand 219 – Verteidigerhonorar 239, 352, 363 – Vortatenkatalog 206, 331, 357, 374, 444 – Vortäter 337 – Ziel 208 Geldwäscheverdacht 282, 287 Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe 464 Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der OK – Ziele 330 Gewerbsmäßigkeit 333, 355, 366 Gewinnabschöpfung – Androhung 132, 140 – Anordnung 133 – Ausgleichsfunktion 139, 157 – Außergerichtliche 37 – Begriff 25 – – – – –

– Betäubungsmittelhandel 141 – BKA-Tagung 148 – Effizienzorientierung 117, 151 – Ergänzende Funktion 135 – Kosten 136 – Nebenwirkungen 144 – Ordnungswidrigkeitenrecht 42 – Ökonomisierung 120 – Steuerrecht 342 – Strafrechtsdogmatik 121 – Strafzwecke 115 Gewinnaufspürung s. Geldwäschegesetz Hawala-Banking 428 Hehlerei 206 In großem Ausmaße 367 Inpflichtnahme von Privaten 254, 269 Interbank-Geschäft 279, 408, 454 Katalogtat s. Geldwäschetatbestand / Vortatenkatalog Know-your-customer Strategie s. Geldwäschegesetz / Identifizierungspflichten Kondiktion 54, 167 Kriminalökonomische Theorien 125, 130 Krimineller Gewinn 131, 140, 153, 174 Legitimationsprüfung 272 Makeltheorie 107 Mehrerlösabführung 44 Mitteilungen der Finanzbehörden – Allgemein 394 – Steuergeheimnis 397 – Verdachtsgrad 395 Monitoring 273, 432, 451 Moralische Kosten 128, 140 Nettoeinkommensprinzip 30 Nettoprinzip – Allgemein 156 – Alternativentwurf 79 – Ordnungswidrigkeitenrecht 42 On-Going Monitoring 457 Organisationspflichten KWG – Kontenscreening 390

Sachwortverzeichnis – Nachforschungspflicht 389 – Research 391 – Datenschutz 393 Organisierte Kriminalität 152, 171, 186, 245, 323, 344, 353 Organisiertes Verbrechen s. Organisierte Kriminalität Papierspur 208, 220, 275 Politisch exponierte Personen 455 Postmortales Konfiskationsverfahren 52 Preisstrafrechtsverordnung 69 Preistreibereiverordnung 63 Preußisches StGB 61 Publicatio bonorum 51 Recht auf informationelle Selbstbestimmung 344, 385, 397 Rechtliche Signifikanz s. Geldwäschetatbestand / Herkunftsprinzip Regelbasierter Ansatz 441 ReichsStGB 62 Research 457 Risikoorientierter Ansatz 447 Selbstanzeige 366 Sicherungsprävention 136, 153, 176 Smurfing 278 Sorgfaltspflichten – Allgemeine 448 – Outsourcing 459 – Vereinfachte 453 – Verstärkte 455 Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz – Allgemein 351 – Gewerbs- oder bandenmäßige Steuerhinterziehung 367 – Ziel 353 StGB-E 1960 70 StGB-E 1962 74 Strafvereitelung 206, 236 Terrorismusfinanzierung 377, 404, 424, 445 Terroristenlisten 446 Übereinkommen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus 404, 446 Utilitarismus 127

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Verbrechensbekämpfungsgesetz – Erweiterter Verfall 325 – Geldwäsche 327 – Vermögensstrafe 325 – Ziel 324 Verfall – Adressaten 91 – Allgemein 27 – Ausschlussklausel 96, 113, 149 – Drittverfallklausel 95, 107 – Entgeltverfall 86 – Gegenstand 85, 110 – Gesamtschuldnerschaft 91 – Härtevorschrift 99 – Mittelbare Gewinne 87, 110 – Nachträgliche Anordnung 102 – Quasi kondiktionelle Ausgleichsmaßnahme 91, 107, 161 – Rechtsnatur 105, 156 – Schätzung 98, 159 – Selbständige Anordnung 102 – Vertreterklausel 93 – Wertersatzverfall 28, 89 – Zinsverfall 74 Vermögenseinziehungsgesetz-E – Allgemein 309 – Ersatzpflicht 322 – Fahrlässigkeit 318 – Unschuldsvermutung 312 – Verhältnismäßigkeitsprinzip 316, 324 Vermögenskonfiskation 178 Vermögensstrafe – Allgemein 29, 172 – Bestimmtheitsgebot 183 – Eigentumsgarantie 180 – Ersatzfreiheitsstrafe 177 – Schuldprinzip 178 – Unschuldsvermutung 179 – Ziel 175 Vermögensvorteil 156 Verwirkungsgedanke s. Erweiterter Verfall / Eigentumsgarantie Vorteilsabschöpfung durch Kartellbehörde 47 Wiener Drogenkonvention 252 Wolfsberg Gruppe 252

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Sachwortverzeichnis

Zentralstelle für Verdachtsanzeigen s. FIU Zurückgewinnungshilfe 48, 465 1. EG-Antigeldwäscherichtlinie 261 2. EG-Antigeldwäscherichtlinie 404 2. OrgkG-E – Allgemein 306

– Ziele 307 3. EG-Antigeldwäscherichtlinie 442 4. Finanzmarktförderungsgesetz 376 5. Gesetz zur Änderung des SteuerbeamtenAusbildungsgesetzes 365 40 Empfehlungen s. FATF