Die Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen nach dem AGB-Gesetz und die Rechtsgeschäftslehre [1 ed.] 9783428454266, 9783428054268

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Die Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen nach dem AGB-Gesetz und die Rechtsgeschäftslehre [1 ed.]
 9783428454266, 9783428054268

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DlRK SCHROEDER

Die Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen nach dem AG B·Gesetz und die Rechtsgeschäftslehre

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 82

Die Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen nach dem AGB-Gesetz und die Rechtsgeschäftslehre

Von

Dr. Dirk Schroeder

DUNCKER

&

HUMBLOT

/

BERLIN

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Schroeder, Dirk: Die Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen nach dem AGB-Gesetz und die Rechtsgeschäftslehre / von Dirk Schroeder. Berlin: Duncker und Humblot, 1983. (Schriften zum bürgerlichen Recht; Bd. 82) ISBN 3-428-05426-1 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten

© 1983 Duncker & Humblot, Berlin 41

Gedruckt 1983 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3 428 05426 1

Inhaltsverzeichnis A. Die vertragliche Vereinbarung Allgemeiner Geschäftsbedingungen Einleitung und Fragestellung .......................................

9

B. Die Willenserklärung des Kunden ..................................

13

I. Der äußere Tatbestand der Willenserklärung .. . .......... . ....

13

11. Der innere Tatbestand der Willenserklärung. . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

19

1. Vertrauenshaftung bei fehlendem Erklärungsbewußtsein .....

20

a) Keine Willenserklärung ....................... . .........

22

b) Vertrauenshaftung .............. . ............. . ..........

28

aal Der Vertrauenstatbestand ............................

29

bb) Schutzwürdigkeit des Verwenders ....................

30

ce) Zurechnungsfähigkeit und Zurechnungsmaßstab beim Kunden ............................................. 31 dd) Umfang der Haftung .......... . ...... . ..... . . . . . . . . ..

32

2. Irrtumsanfechtung bei Mangel im Geschäftswillen ...........

36

a) Die Anfechtung der Einbeziehungserklärung ..............

38

b) Schadensersatz nach § 122 BGB ..........................

44

c) Kündigungsrecht des Verwenders bei Dauerverträgen .....

47

3. Geltung der Willenserklärung bei Unkenntnis vom Inhalt der AGB ....................................................... 49 a) Wirksamkeit der Willenserklärung .......................

49

b) Die Obliegenheit des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGB-Gesetz .... . ...

53

6

Inhaltsverzeichnis III. Keine Geltung von AGB kraft "sozialtypischen Verhaltens"

55

1. Die Lehre vom sozialtypischen Verhalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

56

2. Lösung mit Mitteln der Rechtsgeschäftslehre ... . ............

58

IV. Der Sonderfall des § 151 BGB ..... . ...... . ...... . ...... . .......

64

V. Die kaufmännische Einverständniserklärung ....................

66

1. Vertragliche Einbeziehung auch unter Kaufleuten. . . . . . . . . . ..

66

a) Die Bedeutung von Branchenüblichkeit und Verkehrssitte; die Verwendung von AGB als Handelsbrauch............

68

b) Der Einfluß einer laufenden Geschäftsbeziehung ..........

72

c) Einbeziehung durch kaufmännisches Bestätigungsschreiben 73 2. Grundlagen der Nichtgeltung des § 2 AGB-Gesetz gegenüber Kaufleuten ................................................. 74 a) Die grundsätzliche Geltung des AGB-Gesetzes für Kaufleute ............... ....................................

74

b) Die rechtstheoretische Begründung der Ausnahmeregelung 76

C. Die Willenserklärung des Verwenders ...............................

I. Die rechtsdogmatische Einordnung der Erfordernisse des § 2 Abs. 1

Nr. 1 und 2 AGB-Gesetz .......................................

1. Das Hinweis- bzw. Aushangerfordernis des § 2 Abs. 1 Nr. 1

81

81

AGB-Gesetz als Obliegenheit? ..............................

81

a) Keine teleologische Nötigungsbeziehung; die Interessenlage

82

b) Keine Gläubiger-Schuldner-Beziehung minderer Intensität

84

2. Der Lastbegriff ........ . ........ . .... . ...... . ...... . .......

85

Inhaltsverzeichnis

7

3. Das Verschaffen der Möglichkeit, in zumutbarer Weise vom Inhalt der AGB Kenntnis zu nehmen, als Obliegenheit .......... 86

11. Der ausdrückliche Hinweis 1. Keine Formvorschrift .......................................

88 88

2. Inhaltliche Bestimmung des Begriffes "ausdrücklich" in § 2 Abs. 1 Nr. I, 1. Alt. AGB-Gesetz ............................ 90 3. Das Ausdrücklichkeitserfordernis als Modifikation der §§ 133, 157 BGB .................................................... 94 4. Der maßgebliche Zeitpunkt ..................................

95

III. Hinweis durch deutlich sichtbaren Aushang .....................

97

D. Rahmenverträge ...................................................

99

I. Die Rechtsnatur der Rahmenvereinbarung

100

1. Der Normenvertrag ......................................... 100

2. Rahmenvereinbarung und Geschäftsbeziehungsvertrag ....... 101 11. Die Wirkung der Rahmenvereinbarung ......................... 103

E. Zusammenfassung .......... . ...................................... 106

Literaturverzeichnis .......................................... . ........ 109

Ahkürzungsverzeichnis Die Abkürzungen folgen, soweit sie nicht aufgeführt sind, Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 3. Auflage, bearbeitet von Hildebert Kirchner und Fritz Kastner, Berlin und New York, 1983, sowie dem DudenRechtschreibung der deutschen Sprache und der Fremdwörter, 18. Auflage, Mannheim, Wien und Zürich, 1980. AGBE

Entscheidungssammlung zum AGB-Gesetz, von Hermann-Josef Bunte, Heidelberg, 1982 ff.

AGBGI AGB-Gesetz

Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom 9. 12. 1976

Einf.

Einführung

Einl.

Einleitung

Rdn.

Randnummel'

RefE

Referentenentwurf

Vorb.

Vorbemerkung

A. Die vertragliche Vereinbarung Allgemeiner Geschäftsbedingungen Einleitung und :Fragestellung Dem Vertrag kommt - als Mittel autonomer Rechtssetzung unter Rechtssubjekten - im Wirtschaftsleben zentrale Bedeutung zu. Durch Vertrag legen die Parteien im Rahmen der objektiven Rechtsordnung fest, was zwischen ihnen Recht sein soll. Indem sie sich selbst Verpflichtungen auferlegen und deren Inhalt näher ausgestalten, schaffen sie eine individuelle Leistungsgrundlage für den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg. Nahezu jedem vermögensbezogenen Vorgang unter Privatrechtssubjekten liegt (sieht man von den unerlaubten Handlungen und einseitigen Rechtsgeschäften ab) ein Vertrag zugrunde. Mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen werden Verträge ausgestaltet. Unter teilweiser Verdrängung des dispositiven Gesetzesrechts regeln AGB die rechtliche Beziehung zwischen den Vertragsparteien. Es hängt zwar von den beiden Kontrahierenden ab, ob die AGB überhaupt in den Vertrag eingeführt werden. Grundsätzlich ist aber nur eine Vertragspartei, der Verwender, für den Inhalt der Geschäftsbedingungen verantwortlich. Der Kunde hat auf den Wortlaut der AGB keinen Einfluß. Wenn insoweit der Kunde an der inhaltlichen Ausgestaltung des Vertrages nicht teilhat, hat er ein um so größeres Interesse daran, daß die Vereinbarung der AGB auch von seinem rechtsgeschäftlichen Willen getragen wird. Das AGB-Gesetz1 folgt der zuletzt von Literatur und Rechtsprechung nahezu einhellig vertretenen Meinung, daß der Geltungsgrund Allgemeiner Geschäftsbedingungen im rechtsgeschäftlichen Einverständnis der Kontrahierenden zu suchen sei 2 • Nach § 2 Abs. 1 AGB-Gesetz wer1 Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) vom 9. 12. 1976, BGBl. I S. 3317. 2 Vgl. nur BGHZ 17, 1 (2); BGHZ 41, 151 (154); Fikentscher, Schuldrecht, § 26 V 5 b, S.100; Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.215; Ballerstedt, JZ 1956 S. 269 f.; Emmerich, JuS 1972 S.363; Helm, JuS 1965 S. 122 f.; Krause, BB 1955 S. 265; Lukes, JuS 1961 S. 305; Meeske, BB 1959 S. 859; Raiser, SJZ 1950 Sp. 669; Raiser, Richterliche Kontrolle von AGB, S.124. Anders noch die sog. Normentheorie, die davon ausging, AGB seien Bestandteile der objektiven Rechtsordnung, also echte Normen; vgl. RG DR 1941 S. 1210 (1212); RGZ 170,233 (240); RGZ 171,43 (48); KG SJZ 1950 Sp.665 (666); BGHZ 1, 83 (86); BGHZ 8, 55 (56); Bernhardt, DR 1942 S. 1172; Eilles,

10

A. Die vertragliche Vereinbarung von AGB

den Allgemeine Geschäftsbedingungen nur dann Bestandteil eines Vertrages, wenn der Verwender bei Vertragsschluß die andere Vertragspartei (den Kunden) ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsabschlusses auf sie hinweist und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist. Das bedeutet nichts anderes, als daß sie durch eine Willenserklärung ihr Einverständnis kundtut3 . Sinn der Regelung des § 2 Abs.l AGBGesetz ist es, sicherzustellen, "daß die Einbeziehung von AGB in den Einzelvertrag wieder fest auf dem Boden des nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch maßgeblichen rechtsgeschäftlichen Vertragswillens verankert wird"4. Zumindest im nichtkaufmännischen Bereich will der Gesetzgeber der allzu großzügigen Einbeziehung bei Branchenüblichkeit der AGB-Verwendung entgegenwirken und die Geltung von AGB wieder auf rechtsgeschäftliche Grundlagen zurückführen°. AGB sollen nur durch vertragliche Einbeziehung bindend werden6 • Fehlt die auf Geltung der AGB abzielende Willenserklärung auch nur einer Vertragspartei, bleiben die AGB bedeutungslos, denn als Vertragsinhalt sind sie nicht vereinbart worden7 • ZZP 62 (1941) S. 1 ff.; Herschel, DR 1941 S. 1727; Herschel, DR 1942 S. 754; Siebert, DR 1941 S. 1932. Nicht ganz in die Vertragstheorie einzuordnen ist, was Flume und Eike Schmidt vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes vertreten haben. Flume ging zwar grundsätzlich von der vertraglichen Vereinbarung Allgemeiner Geschäftsbedingungen aus, meinte aber, dort, wo die AGB gälten, weil der Kunde um sie "wissen müsse", handele es sich nicht um eine vertragliche Verweisung, sondern um einen besonderen Geschäftstyp, für welchen die Rechtsordnung anerkenne, daß in Ergänzung des Vertrages die AGB ohne vertragliche Vereinbarung gälten, weil dies um der sozialen Funktion dieser Vertragstypen willen einer "richtigen" Ordnung entspreche (Das Rechtsgeschäft, 2. Aufl., § 37.1, S. 668 f.). Eike Schmidt zufolge lassen sich AGB nicht mehr in das dualistische System von Gesetz und Vertrag einordnen, denn der Sache nach seien AGB von einiger Komplexität nichts anderes als von privaten Personen aufgestellte Rechtsnormen, die als soziale Erscheinung eine rechtlich relevante faktische Rolle spielten (Esser / E. Schmidt, Schuldrecht I 1, § 9 III, S. 103 f.). 3 Erman / H. Hefermehl, § 2 AGBG Rdn. 19; Löwe in Löwe / Graf v. Westphalen / Trinkner, § 2 Rdn. 18; Schlosser in Schlosser/Coester-Waltjen/Graba, § 2 Rdn.25 und 63; SoergeI/Knopp, § 157 Rdn.23; Staudinger/Schlosser, 12. Aufl., § 2 AGBG Rdn. 36; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 2 Rdn. 61; Locher, Das Recht der AGB, S. 13; Schmidt-Salzer, AGB, Rdn. D. 21, vgl. auch BGH NJW 1982 S. 1388 (1389). 4 Begründung zum RegE, BTDrucks. 7/3919 S. 13. 5 Vgl. die Begründung zum RegE, a.a.O.; Dietlein in Dietlein/Rebmann, AGB aktuell, § 2 Rdn. 1; Löwe, a.a.O., Einl. AGBG Rdn. 6; Ulmer, a.a.O., Einf. v. § 1 Rdn. 8; Löwe, JuS 1977 S. 424; Loewenheim, AcP 180 (1980) S. 437 f. 6 Vgl. die Begründung zum RegE, a.a.O., S.13, 17; Dietlein, a.a.O.; Schlosser in Schlosser/Coester-Waltjen/Graba, § 2 Rdn. 1; Loewenheim, a.a.O.

A. Die vertragliche Vereinbarung von AGB

11

Kern des Rechtsgeschäfts der Einbeziehung von AGB sind deshalb die Willenserklärungen des Kunden und des Verwenders. Diese Willenserklärungen, mit denen die Vertragsschließenden zum Ausdruck bringen, daß bestimmte AGB für den Individualvertrag maßgebend sein sollen, können mit den Vertragserklärungen zusammenfallen, müssen dies aber nicht. So können die Erklärung des Kunden, er wolle den Vertrag abschließen, und seine AGB-Erklärung in einer einzigen Willenserklärung enthalten sein. Denn die Einbeziehungsvereinbarung ist grundsätzlich kein besonderer Vertrag oder ein gesondertes Rechtsgeschäfts. Das gleiche gilt für den Hinweis des Verwenders auf seine AGB. Dieser Hinweis kann Bestandteil der Vertragserklärung des Verwenders sein. Eine Vielzahl von Willenserklärungen ist, wenn sie auch möglich ist, keinesfalls erforderlich9 • Deutlich wird dies bei Formularverträgen, wo die Einbeziehungsabrede ununterscheidbar mit dem übrigen Vertrag zusammenfällt1o. Aber auch wenn die Einbeziehungserklärungen der Parteien nicht als selbständige Willenserklärungen abgegeben werden, müssen sie allen Anforderungen an rechtsgeschäftliche Willenserklärungen genügen. Die Einbeziehungserklärungen der Parteien sind nicht immer unproblematisch. Dabei werfen die Willenserklärung des Kunden und die des Verwenders unterschiedliche Schwierigkeiten auf. Beim Verwender ändern die besonderen Anforderungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGB-Gesetz die Voraussetzungen des äußeren Tatbestandes der auf AGB-Einbeziehung gerichteten Willenserklärung. Am inneren Tatbestand wird es selten mangeln, denn der Verwender ist derjenige, der seine Bedingungen einbezogen wissen will. Umgekehrt kann es beim Kunden am Wil1 Die AGB können aber u. U. als Willenserklärung des Verwenders zu berücksichtigen sein, vgl. H.-D. Braun, BB 1978 S.24. Das setzt freilich voraus, daß die in ihnen enthaltenen Erklärungen dem Empfänger zugegangen sind. Zu den Voraussetzungen des Zugangs eines klauselmäßigen nachträglichen Eigentumsvorbehalts vgl. BGH NJW 1979 S.213 (214) und NJW 1982 S. 1749 (1750). 8 Erman I H. Hefermehl, § 2 AGBG Rdn.2; Koch/Stübing, AGB, § 2 Rdn.5; Kötz in MünchKomm., § 2 AGBG Rdn.4; Löwe, a.a.O., § 2 Rdn.5; Palandtl Heinrichs, § 2 AGBG Anm.1 a; Schlosser in Schlosser/Coester-Waltjen/Graba, § 2 Rdn.27; StaudingerlSchlosser, 12. Aufl., § 2 AGBG Rdn. 2; Raiser, Das Recht der AGB, S. 131, 152; vgl. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 215. 9 Schlosser in Schlosser/Coester-Waltjen/Graba, § 6 Rdn. 8; vgl. Raiser, Das Recht der AGB, S. 152. 10 PaIandt/Heinrichs, § 2 AGBG Anm. 1 a. Formularverträge bereiten, was die Willenserklärungen der Parteien angeht, sehr viel weniger Probleme als die Einbeziehung gesonderter AGB. Mit ihrer Unterschrift unter den Vertrag geben die Parteien ihr Einverständnis mit der Geltung der vorformulierten Bedingungen zu erkennen. Der Kunde kann sich nicht darauf berufen, er habe nicht gewußt, daß überhaupt AGB einbezogen werden sollten. Möglich bleiben nur Fehlvorstellungen über den Inhalt der AGB.

12

A. Die vertragliche Vereinbarung von AGB

len fehlen und es zu Diskrepanzen zwischen der objektiven Erklärung und den subjektiven Vorstellungen kommen. Mängel im Erklärungswillen (dem Erklärungsbewußtsein), im Geschäftswillen oder auch in der Vorstellung von der Tragweite der Erklärung beeinflussen unter Umständen den Willen und damit den inneren Tatbestand der Einverständniser klärung. Das AGB-Gesetz definiert keinen eigenen Begriff der Willenserklärung. Es setzt ihn voraus. Damit verweist das Gesetz auf die Vorschriften des BGB über Willenserklärungenl l und auf die allgemeine Rechtsgeschäftslehre12 . Es fragt sich, inwieweit die allgemeine Rechtsgeschäftslehre ausreicht, die spezifischen Probleme der Einbeziehung von AGB zu lösen. Bei der Willenserklärung des Kunden geht es dabei insbesondere um die Frage, ob es mit dem Prinzip der autonomen Rechtssetzung durch selbstbestimmte Erklärung vereinbar ist, wenn der Erklärende den Inhalt der AGB nicht kennt oder wenn er die AGB überhaupt nicht in seine Vorstellung aufgenommen hat. Letzteres ist, wenn der Kunde nicht gleichzeitig eine andere rechtsgeschäftliche Erklärung abgibt, das bei AGB durchaus relevante Problem fehlenden Erklärungsbewußtseins. Wenn man das Erklärungsbewußtsein als notwendige subjektive Voraussetzung der Willenserklärung ansieht, hat sich der Kunde nicht durch Willenserklärung mit den AGB einverstanden erklärt. In diesem Fall muß entschieden werden, ob der objektive Anschein einer Einverständniserklärung mit der Geltung der AGB den Kunden nach den Grundsätzen der Vertrauenshaftung verpflichtet. Eine weitere Frage ist es dann, ob die Vertrauenshaftung zur Geltung der AGB zu führen vermag oder dem Verwender wie bei § 122 BGB nur der Schaden zu ersetzen ist, den er dadurch erleidet, daß er auf die Gültigkeit des Erklärungsanscheins vertraut13 •

11 Löwe in Löwe/Graf v. Westphalen/Trinkner, § 2 Rdn.18; vgl. auch Schlosser, a.a.O., § 2 Rdn. 25. 12 Vgl. Erman / H. Hefermehl, § 2 AGBG Rdn.2 und 19; SoergeIlLange/ W. HefermehI, Vor § 145 Rdn.115; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 2 Rdn.61. 13 Zu diesem Fragenkomplex unter B II 1.

B. Die Willenserklärung des Kunden I. Der äußere Tatbestand der Willenserklärung Anders als für die Erklärung des Verwenders, mit der dieser kundtut, daß er seine AGB einbezogen haben will, verlangt § 2 Abs. 1 AGBGesetz keine Ausdrücklichkeit für die Willenserklärung des Kunden. In der Begründung zum Regierungsentwurf wird das Erfordernis ausdrücklich erklärten Einverständnisses zu nutzlosem Formalismus erklärt und als unpraktikabel bezeichnetl. Da ein derartiges Ausdrücklichkeitserfordernis auch nicht Gesetz geworden ist, gibt es insoweit keine Sonderregelung für die Willenserklärung des Kunderi2 • Es gelten die allgemeinen Regeln. Der Kunde kann sein Einverständnis mit der Geltung von AGB auch durch konkludente Willenserklärung kundtun 3 • Da die Vertragserklärung und die auf Einbeziehung der AGB gerichtete Erklärung des Kunden in einer einzigen Willenserklärung enthalten sein können4 , genügt es beispielsweise, wenn der Kunde ein Angebot des Verwenders, bei dem dieser auf seine AGB hingewiesen hat, pauschal mit einem "ja" annimmt. Ob sich aus dem Verhalten des Kunden sein Einverständnis mit der Geltung der AGB entnehmen läßt, ist im wesentlichen eine Frage des Einzelfalles5 • Entscheidend ist, ob die dem Verwender als Empfänger der Willenserklärung erkennbaren Umstände im Verhalten des Kunden auf dessen Einverständnis schließen lassen. Bei der Auslegung dieses Verhaltens ist, da die §§ 133, 157 BGB für die Willenserklärung des Kunden uneingeschränkt gelten, auch die Verkehrssitte zu berücksichtigen6 . Generalisierend ließe sich hier allenfalls sagen, daß im Falle eines ausdrücklichen Hinweises des Verwenders, bestimmte AGB sollten Ver1 Begründung zum RegE, BTDrucks. 7/3919, S. 18; vgl. auch Ulmer, Referat, S. H 28. 2 Vgl. Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 2 Rdn.61. 3 Erman / H. HefermehI, § 2 AGBG Rdn.19; Löwe in Löwe/Graf v. Westphalen/Trinkner, § 2 Rdn. 18; Palandt/Heinrichs, § 2 AGBG Anm. 4 a; DImer, a.a.O. 4 Vgl. oben unter A. 5 Vgl. auch Koch/Stübing, AGB, § 2 Rdn.5: "überwiegend Auslegungsfrage". " Vgl. Schlosser in Schlosser/Coester-Waltjen/Graba, § 2 Rdn. 89.

14

B. Die Willenserklärung des Kunden

tragsbestandteil werden, in aller Regel der objektive Erklärungswert der auf den Hinweis folgenden, nicht weiter eingeschränkten Zustimmung des Kunden zum Vertragsabschluß auch als Einverständnis mit der Geltung der Bedingungen angesehen werden kann7 • Gleiches gilt, wenn der Verwender entsprechend der zweiten Alternative des § 2 Abs.l Nr.l AGB-Gesetz seine Geschäftsbedingungen im Geschäftslokal deutlich sichtbar ausgehängt hat und der Kunde dort ohne weiteres das Vertragsangebot des Verwenders annimmt8 • Anders ist es, wenn das Vertragsangebot vom Kunden ausgeht. Ein solches Angebot bezieht sich regelmäßig nicht auf die AGB des Geschäftsgegners1J • Ausnahmen sind denkbar, so der Fall, daß der Kunde sein Vertragsangebot auf ein Formular des Verwenders schreibt, welches bereits einen Hinweis auf die AGB enthält10 . Umfaßt das Vertragsangebot des Kunden - wie gewöhnlich - keine Erklärung, die AGB sollten Vertragsinhalt werden, gilt die Annahme durch den Verwend er unter Hinweis auf seine AGB gemäß § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag. Erst die Reaktion des Kunden auf diese sog. modifizierte Auftragsbestätigung kann nunmehr eine Einverständniserklärung im Sinne des § 2 Abs. 1 AGB-Gesetz beinhalten. Schweigt der Kunde, erklärt er kein Einverständnis11 . Da der Verwender weiß, daß wegen seiner Annahme unter Erweiterungen der Vertrag noch nicht zustande gekommen ist, und er nicht ohne weiteres damit rechnen kann, daß die nicht widersprechende bzw. schweigende Partei mit der Änderung einverstanden ist, ist es seine Sache, klarstellend dafür Sorge zu tragen, daß die von ihm vorgeschlagenen Bedingungen Vertragsinhalt werden12 . Auch die Entgegennahme der Leistung durch den Kunden drückt nicht unbedingt rechtsgeschäftliches Einverständnis mit den erstmals in 7 Vgl. BGH NJW 1982 S. 1388 (1389); Schlosser, a.a.O., § 2 Rdn.64; Staudinger/Schlosser, 12. Aufl., § 2 AGBG Rdn.37; vgl. auch Palandt/Heinrichs, § 2 AGBG Anm. 4 a. 8 Vgl. dazu OLG Hamm BB 1979 S. 1789. 9 Soergel/ Lange / W. Hefermehl, Vor § 145 Rdn.130; Ulmer in Ulmer/ Brandner/Hensen, § 2 Rdn.30, 32 und 84; a. A. für den Fall einer Verkehrssitte der Verwendung von AGB gegenüber Kaufleuten: Erman / H. Hefermehl, § 2 AGBG Rdn.41; Staudinger/Schlosser, 12. Aufl., § 2 AGBG Rdn.63; vgl. auch BGH RiW 1982 S. 55, wo bei Anwendung der "Wissen-müssen"-Formel unter Kaufleuten nicht danach differenziert wird, von wem das Angebot ausging. 10 Ulmer, a.a.O., Rdn. 32. 11 BGHZ 18, 212 (216); Erman / H. Hefermehl, § 2 AGBG Rdn.20; Palandt/ Heinrichs, § 2 AGBG Anm. 4 a. 12 BGHZ 61, 282 (285 f.); ebenso BGH JZ 1977 S.602 (603) mit insoweit zustimmender Anm. Lindacher, S. 604.

I. Der

äußere Tatbestand der Willenserklärung

15

der Auftragsbestätigung mitgeteilten AGB aus13 • Der BGH hat selbst im Geschäftsverkehr zwischen Kaufleuten die widerspruchslose Entgegennahme der Leistung nur dann als Einverständnis mit den AGB des Vertragspartners gewertet, wenn dieser vorher deutlich zum Ausdruck gebracht hatte, daß er nur unter seinen Bedingungen zur Leistung bereit war14 • Zunehmend findet sich auf Vertragsformularen die vorgedruckte Formulierung "Mit den umseitigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen bin ich einverstanden" oder auch "Aufgrund der umstehenden Allgemeinen Geschäfts- und Lieferungsbedingungen, mit deren Geltung ich einverstanden bin, kaufte ich die oben aufgeführten Gegenstände" beziehungsweise "Mit den umseitig abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen habe ich mich einverstanden erklärt". Mit diesen Klauseln will der Verwender den Kunden ausdrücklich auf seine AGB hinweisen, sich dessen Einverständnisses mit deren Geltung versichern beziehungsweise die Erklärung des Einverständnisses im Streitfalle belegen können. Welche Wirkung haben diese Klauseln im Hinblick auf die nach § 2 AGB-Gesetz erforderliche Einverständniserklärung des Kunden? Zumindest die erste der drei angeführten kommt, wenn sie von der Unterschrift des Kunden abgedeckt ist15 , einer objektiven Erklärung des Einverständnisses mit der Geltung der AGB gleich. Wenn der Kunde die Klausel gelesen und bewußt unterzeichnet hat, bedarf dies keiner Diskussion. Aber auch wenn er sie nicht zur Kenntnis genommen und ungelesen unterschrieben hat, läßt er objektiv den abgezeichneten Text (für und) gegen sich gelten. Der Mangel subjektiver Kenntnis vom Inhalt des Unterzeichneten berechtigt ihn nur bei konkreten Fehlvorstellungen zur Anfechtung wegen Irrtums16 . 13 Palandt/Heinrichs, § 2 AGBG Anm. 4 a; a. A. wohl Staudinger/Schlosser, 12. Aufl., § 2 AGBG Rdn. 77. 14 Vgl. BGHZ 61, 282 (287 f.); ebenso BGH LM Nr.3 zu § 150 BGB und BGH NJW 1963 S. 1248; vgl. dazu auch Kötz in MünchKomm., § 2 AGBG Rdn. 16. 15 "Einverständnis klauseln" , die sich woanders, insbesondere im Block der Erklärung des Kunden gewesen, vgl. Löwe in Löwe/Graf v. Westphalen/ AGB, befinden, sind wirkungslos, denn sie sind nicht Bestandteil irgendeiner Trinkner, § 2 Rdn. 19. 1ij Vgl. dazu im einzelnen unten unter 11 3 a.

B. Die Willenserklärung des Kunden

16

Die zweite der angeführten Klauseln enthält die gleiche Einverständniserklärung mit AGB, verweist aber gleichzeitig auf einen offensichtlich schon vollzogenen Vertrags schluß ("kaufte"). Wenn der Vertrag tatsächlich schon geschlossen wäre, ginge die Einverständniserklärung ins Leere, denn sie käme zu spät. Mit der dritten Klausel läßt sich der Verwender vom Kunden bestätigen, daß er eine Einverständniserklärung schon abgegeben habe. Der Erklärungsvorgang liegt - wenn er überhaupt stattgefunden hat - vor der Unterzeichnung. Unterliegen solche vorformulierten Einbeziehungsklauseln der Inhaltskontrolle des AGB-Gesetzes und inwieweit sind sie zulässig? Das OLG Frankfurt a. M., das sich anläßlich eines Unterlassungsbegehrens nach § 13 AGB-Gesetz mit der zweiten der Beispielsklauseln zu befassen hatte, meinte, die Klausel sei nicht Teil der Geschäftsbedingungen, weil sie sich auf der Vorderseite des Vertragsformulars und damit schon äußerlich getrennt von den umstehenden Allgemeinen Geschäfts- und Lieferungsbedingungen befinde17 • Dagegen wendet sich der BGH zu Recht; die Klausel ist "vorformuliert" im Sinne des § 1 AGBGesetz18 • Unschädlich ist auch, daß die Klausel das Zustandekommen des Vertrages betrifft. § 1 Abs.1 AGB-Gesetz erfordert nicht, daß der Vertrag bereits geschlossen ist und die AGB einbezogen worden sind1o . Der BGH lehnt es aber ab, die Klausel an den inhaltskontrolIierenden Vorschriften des AGB-Gesetzes zu messen. Eine Beurteilung nach §§ 9 bis 11 AGB-Gesetz scheide aus, weil die Klausel nicht mehr enthalte als eine Bestätigung des Kunden, daß die nach § 2 Abs. 1 AGBGesetz für die Einbeziehung in den Vertrag verlangten Voraussetzungen erfüllt seien20 • Da der Abschlußtatbestand VOn Haus aus individuellen Charakter habe, auch wenn er in Teilen der ihn ausmachenden Willenserklärungen eine vorformulierte Grundlage besitze, kämen Erklärungen, die nur für die Einbeziehung VOn Belang seien, als Gegenstand einer Prüfung gemäß Vorschriften, die sich auf AGB bezögen, nicht in Betrachfl 1 . OLG Frankfurt a. M. AGBE II Nr.3 zu § 11 = WRP 1981 S. 396. BGH a.a.O. 19 DImer in Dlmer/Brandner/Hensen, § 1 Rdn. 13; vgl. allerdings KG NJW 1981 S.2822 und KG ZIP 1982 S. 188. 20 BGH a.a.O.; zu dieser Entscheidung vgl. auch Bohle, BB 1983 S. 16 ff. 21 BGH a.a.O.; zustimmend Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen, § 9 Rdn. 98; Palandt/Heinrichs, § 2 AGBG Anm. 4 a. Einen anderen Ansatzpunkt wählt das Kammergericht. Es meint, die Klausel "Ich bin auf die AGB hingewiesen worden und erkläre mich damit einverstanden" verstoße zwar gegen den Wortlaut des § 11 Nr. 15 b AGB-Gesetz. Es könne aber nicht Sinn des Gesetzes sein, einerseits eine über die Mindestvoraussetzungen des § 2 AGB-Gesetz hinausgehende Bestätigung im Rahmen einer Einbeziehungsvereinbarung zu17

18

I. Der äußere Tatbestand der Willenserklärung

17

Diese Argumentation steht und fällt mit dem Satz, eine Klausel müsse, um überhaupt geprüft zu werden, mehr enthalten als eine Bestätigung des Kunden, daß die Einbeziehungsvoraussetzungen erfüllt seien. Zur Begründung dieser Regel begnügt sich der BGH mit der Feststellung, der Abschlußtatbestand habe von Haus aus individuellen Charakter. Aber gerade weil das so ist, liegt es doch nahe, vorformulierte Erklärungsteile an den Normen zu messen, die dazu bestimmt und geeignet sind, den Mißbrauch fertiger, für eine Vielzahl von Verträgen gedachter Klauseln zu kontrollieren. Es ist sicher eine Frage des Einzelfalles, ob die vorformulierte "Erklärung" wirklich vom Erklärungsverhalten des Vertragspartners umfaßt wird und ob dessen durch die Klausel bestimmte Erklärung genügt, um die gewünschte Rechtsfolge (die Einbeziehung der AGB) herbeizuführen. Darüber darf aber nicht vergessen werden, daß der, der etwas unterschreibt, ohne dessen Inhalt zu kennen, oder sich mit ihm unbekannten AGB einverstanden erklärt, grundsätzlich unter den Voraussetzungen des § 1 AGB-Gesetz auf den Schutz der §§ 3 und 9 bis 11 AGB-Gesetz vertrauen darf. Das Risiko desjenigen, der die Tragweite seiner Erklärung nicht übersieht, wird durch die gesetzlichen Schutzvorschriften begrenzt. Gerade bei vorgedruckten Einbeziehungserklärungen ist eine Inhaltskontrolle anhand der §§ 9 ff., insbesondere des § 11 Nr. 15 b AGBGesetz nicht nur möglich22 ; sie führt auch zu sachgerechten Ergebnissen. Nach § 11 Nr. 15 b AGB-Gesetz sind Bestimmungen unwirksam, durch die der Verwender die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteiles ändert, indem er den anderen Vertragsteil bestimmte Tatsachen bestätigen läßt. Wenn in der vorformulierten Bestimmung nur die Erklärung selbst liegt, die Klausel also nicht über die Tatsache hinaus geht, die sie schafft, ist die Vorschrift nicht einschlägig. Es wird nicht durch die Bestätigung einer im Streitfall erheblichen Tatsache in die Beweislastverteilung eingegriffen, sondern die im Streitfall relevante Tatsache wird erst geschaffen. So ist die Klausel "Mit den umseitigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen bin ich einverstanden" zulassen und sie gleichzeitig als eine die Beweislast ändernde Bestätigung zu verbieten. Es sei daher eine einschränkende Auslegung des § 11 Nr. 15 b AGB-Gesetz mit der Rechtsfolge geboten, daß diese Vorschrift dann nicht eingreife, wenn die Voraussetzungen des § 2 AGB-Gesetz erfüllt seien (KG ZIP 1982 S. 188 f.). 22

So auch Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 2 Rdn.5.

2 Schroeder

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B. Die Willenserklärung des Kunden

nicht zu beanstanden. Sie enthält nichts als die Einverständniserklärung des Kunden23 . Anders dagegen, wenn die Klausel eine Bestätigung in sich birgt, wenn der Kunde mit ihr bestätigt, sein Einverständnis erklärt zu haben. Eine solche Klausel bezieht sich auf außer ihr selbst liegende Tatsachen. Die Bestätigung erfolgt nur, um dem Verwender den Beweis der Erklärung zu erleichtern. So ist die Klausel "Mit den umseitig abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen habe ich mich einverstanden erklärt" nach § 11 Nr. 15 b AGB-Gesetz unwirksam. Die Vorschrift betrifft formularmäßige Tatsachenbestätigungen, mit denen der Verwender vorgefertigte Beweismittel zu erlangen sucht, um dem Kunden den späteren Nachweis gegenteiliger Tatsachenbehauptungen zu erschweren oder unmöglich zu machen~!. Diesen Zweck verfolgt eine Klausel, die den Kunden bestätigen läßt, er habe schon eine entsprechende Erklärung abgegeben. Die Vergangenheitsform zeigt, daß es nicht um die Abgabe der Erklärung selbst, sondern nur um deren Bestätigung geh~. Die Klausel gibt damit - wenn der Kunde sich in Wirklichkeit nicht mit den AGB einverstanden erklärt hat - den rechtserheblichen Tatsachen eine bestimmte, mit dem wirklichen Sachverhalt nicht übereinstimmende rechtliche Qualifizierung26 • Ob es dabei an einer tatsächlichen Umkehr der Beweislast fehlt, weil diese sich mit der ohnehin geltenden Beweislastverteilung als Folge der schriftlichen Vereinbarung deckt Z7 , kann auf sich beruhen. Denn für § 11 Nr. 15 b AGB-Gesetz ist nicht erforderlich, daß die Beweislast umgekehrt wird; die Vorschrift greift schon dann ein, wenn die Beweisführung für den Kunden lediglich erschwert wird 28 • Diese Wirkung hat aber die schriftliche Bestätigung des Kunden, er habe sein Einverständnis schon erklärt29 • 23 So richtig LG Stuttgart AGBE I Nr. 18 zu § 2; vgl. auch Ulmer, a.a.O., Rdn.66. 24 Dietlein in Dietlein/Rebmann, AGB aktuell, § 11 Nr. 15 Rdn.4. 25 Vgl. auch Hensen (in Ulmer/Brandner/Hensen, § 13 Rdn. 5 mit Fn. 1), der die Klausel "Ich bin auf die AGB hingewiesen worden" gegen KG ZIP 1982 S. 188 f. als nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGB-Gesetz unwirksam einstuft. 26 So grenzt der BGH unter § 11 Nr. 15 b AGB-Gesetz fallende Erklärungen von Erklärungen ab, "die den Tatbestand des Vertragsschlusses ausmachen" (NJW 1982 S. 1388 [1389]). 21 So Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 2 Rdn.66; für die Annahme einer tatsächlichen Beweislastumkehr: KG ZIP 1982 S. 188. 2B Stübing, NJW 1978 S. 1610. 29 Darüber hinaus kann eine Klausel auch wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners nach § 9 Abs. 1 AGB-Gesetz unwirksam sein, wenn sie die Geltung nicht wirksam einbezogener AGB vortäuscht, vgl. Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen, § 9 Rdn.30.

II. Der innere Tatbestand der Willenserklärung

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Die der Entscheidung BGH NJW 1982 S. 1388 f. zugrundeliegende Klausel "Aufgrund der umstehenden Allgemeinen Geschäfts- und Lieferungsbedingungen, mit deren Geltung ich einverstanden bin, kaufte ich die oben aufgeführten Gegenstände"

ist relativ schwierig zu beurteilen. Einerseits enthält sie die unmittelbare Erklärung eines Einverständnisses ("mit deren Geltung ich einverstanden bin"), andererseits verweist sie auf einen vorangegangenen Vertragsschluß ("kaufte"), für den der Kunde die Geltung der AGB bestätigt ("aufgrund der umstehenden Allgemeinen Geschäfts- und Lieferungsbedingungen"). Diese Widersprüchlichkeit löst sich nur im Hinblick auf die Plazierung der Klausel: Da sie auf einem zu unterschreibenden Vertragsformular steht, ist die Vergangenheitsform irreführend; der Vertrag wird frühestens mit der (die Klausel abdeckenden) Unterschrift des Kunden perfekt. Die Klausel enthält nichts über die Einverständniserklärung Hinausgehendes; außerhalb der Klausel liegende Tatsachen werden nicht in Bezug genommen. § 11 Nr. 15 b AGBGesetz ist deshalb nicht verletzt30 • 11. Der innere Tatbestand der Willenserklärung

Problematischer als die objektive Einverständniserklärung des Kunden ist der dieser Erklärung oder dem Erklärungsanschein entsprechende Wille. Von den herkömmlich unterschiedenen Willenselementen1 Handlungswille, Erklärungsbewußtsein und Geschäftswille bereitet lediglich der Handlungswille keine Schwierigkeiten. Im folgenden werden drei Fragenkomplexe untersucht: das Problem fehlenden Erklärungsbewußtseins bei der Einverständniserklärung mit AGB und der Rechtsfolgen des objektiv gesetzten Einverständnisanscheins (unter 1), So im Ergebnis auch BGH NJW 1982 S. 1388 (1389). Der BGH lehnt aber wie dargelegt - eine Prüfung an den §§ 9 bis 11 AGB-Gesetz ab. Wenn man allerdings im Rahmen des § 13 AGB-Gesetz die Unklarheitenregel "umgekehrt" anwendet und von der kundenfeindlichsten Auslegung ausgeht (so OLG Köln ZIP 1981 S. 1101 (1102); OLG Frankfurt a. M. DB 1981 S.598 (599); OLG Stuttgart NJW 1981 S. 1105 (1106); Palandt/Heinrichs, § 5 AGBG Anm.4 a und § 13 AGBG Anm. 2 b; Staudinger/Schlosser, 12. Aufl., § 5 Rdn.7; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 5 Rdn. 6), ist ein anderes Ergebnis möglich. Der Wortlaut der Klausel läßt auch die Auslegung zu, der Verwender lasse sich die AGB-Einverständniserklärung für den schon früher geschlossenen Kaufvertrag nachträglich bestätigen. 1 Vgl. Lehmann/Hübner, Allg. T. des BGB, § 24 IV 1 b, S. 146 f. -

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20 -

B. Die Willenserklärung des Kunden die Möglichkeit einer Anfechtung bei Fehlvorstellungen über den Inhalt der Einverständniserklärung, das heißt bei Mängeln im Geschäftswillen (unter 2), und die Frage, ob es der Wirksamkeit seiner Willenserklärung schadet, wenn der Kunde den Inhalt der AGB, auf die er sich bezieht, nicht kennt (unter 3). 1. Vertrauenshaftung bei fehlendem Erklärungsbewußtsein

Die Rechtsprechung ist, was die Geltung Allgemeiner Geschäftsbe.,. dingungen anbelangt, immer sehr großzügig gewesen2 • So hat sie es für ausreichend angesehen, daß der Kunde mit den AGB als etwas Üblichem habe rechnen müssen 3 oder habe wissen müssen, daß der Vertragspartner seinen Verträgen AGB zugrunde zu legen pflege4 • So galten in vielen Fällen AGB als vereinbart, von denen der Kunde überhaupt nicht wußte, daß sie Vertragsbestandteil werden solltens . Die Gleichsetzung von fahrlässigem Nichtwissen und positiver Willenserklärung, die in den Formeln der Rechtsprechung anklingt6 , ist aber zu fragwürdig, als daß sie unbesehen übernommen werden könnte. Das eigentliche dogmatische Problem erweist sich nämlich als eine der "Grundfragen der ganzen Lehre von der Willenserklärung"7: Schließt das Fehlen des Erklärungsbewußtseins die Gültigkeit der Erklärung aus? Man wende nicht ein, die Frage werde bei AGB nicht relevant, weil die Einbeziehungserklärung fast immer mit der Vertragserklärung zusammenfalle und der Kunde deshalb Erklärungsbewußtsein habe 8 • Das mag der Fall sein, wenn das Vertragsangebot vom Verwender ausgeht. Trägt allerdings der Kunde dem Verwender das Geschäft an, bedeutet dessen Annahme unter Erweiterung (auf seine AGB) gemäß § 150 Abs.2 BGB ein neues Angebot. Wenn der Kunde nun - etwa durch Entgegennahme der Leistung9 - den Anschein setzt, er nehme dieses Angebot an, hat er (jedenfalls dann, wenn er den Hinweis des Ver2 Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet da das Urteil des 8. Zivilsenats des BGH vom 8. 5. 1973 (WM 1973 S. 1198 = LM Nr. 47 zu AGB). s RGZ 109, 299 (304). 4 BGHZ 12, 136 (142); BGHZ 42, 53 (55). 5 Enneccerus/Nipperdey, Allg.T. 11, § 153 IV B 2 a P pp, S.951; vgl. etwa BGH NJW 1968 S. 1718 (1719). 6 Vgl. die scharfe Kritik von Krause, BB 1955 S. 266 f. 1 Lehmann/Hübner, a.a.O., § 24 IV 1 c, S. 147. 8 So aber Koch/Stübing, AGB, § 2 Rdn.7; Raiser, Das Recht der AGB, S. 163; Hanau, AcP 165 (1965) S. 227. 9 Zur Erklärungswirkung dieses Verhaltens vgl. oben unter I.

II. Der innere Tatbestand der Willenserklärung

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wenders übersehen hat lo ) nicht das Bewußtsein, noch eine Erklärung abzugeben. Wäre das Erklärungsbewußtsein entbehrlich, würde der Kunde das modifizierte Angebot des Verwenders akzeptiert haben und die Bedingungen gälten. Hält man dagegen das Bewußtsein, eine rechtsgeschäftliche Erklärung abzugeben, für notwendig, decken sich die Erklärungen der Beteiligten nicht. Der versteckte Dissens ist hier allerdings unerheblich, denn § 6 Abs. 1 AGB-Gesetz verdrängt § 155 BGB l l . Der Vertrag ist wirksam zustande gekommen. Je nachdem, ob man den objektiven Erklärungsanschein als Willenserklärung einstuft, sind die AGB vertraglich einbezogen oder nicht. Im letzteren Fall können die Bedingungen nur noch unter den Voraussetzungen der Vertrauenshaftung Wirksamkeit erlangen. Auch wenn das Einverständnis des Kunden zu einer Rahmenvereinbarung aus den Umständen geschlossen werden soll, kommt es auf das Erklärungsbewußtsein an12 • Die Rahmenvereinbarung ist eine isolierte Einbeziehungsvereinbarung für künftig abzuschließende Verträge l3 . Bei ihr fällt die Einverständniserklärung des Kunden nicht mit einer anderen Vertragserklärung, wegen der sich der Kunde bewußt ist, eine rechtsgeschäftliche Erklärung abzugeben, zusammen.

Canaris meint, weil nach § 157 BGB die Verkehrsüblichkeit von AGB bei der Auslegung zu berücksichtigen sei, dürfe der Verwender ein Angebot des Kunden dahin verstehen, der Kunde wolle einen Vertrag unter Zugrundelegung der AGB schließenl4 • Diesem Einwand kann nicht allzu viel Gewicht beigemessen werden. Abgesehen davon, daß die Berücksichtigung einer solchen Verkehrssitte im Anwendungsbereich des § 2 AGB-Gesetz mehr als fraglich ist, richtet sich das Angebot des Kunden grundsätzlich nicht zugleich konkludent auf die Einbeziehung der AGB des Verwenders l5 . Anderes gilt nur unter Kaufleuten, wenn ein entsprechender Handelsbrauch bestehtl6 , was aber äußerst 10 In den Fällen, in denen der Verwender gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1, 2. Alt. AGB-Gesetz durch Aushang auf seine AGB hinweist, kann es leicht vorkommen, daß der Kunde den Aushang nicht bemerkt. Ähnlich ist es, wenn unter Kaufleuten eine Verkehrssitte der AGB-Verwendung in die Erklärung des Verwenders einfließt, der Kunde diese Verkehrssitte aber nicht kennt. 11 Schlosser in Schlosser/Coester-Waltjen/Graba, § 6 Rdn.3; vgl. auch Löwe in Löwe/Graf v. Westphalen/Trinkner, § 6 Rdn.3; Soergel/ Lange / W. Hefermehl, Vor § 145 Rdn.124. 12 Capelle/Canaris, Handelsrecht, § 14 IV 1 b, S. 130. 13 Zur Rahmenvereinbarung vgl. unten unter D. 14 Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 215 mit Fn.95. 15 Soergel / Lange / W. Hefermehl, Vor § 145 Rdn.130; Ulmer in Ulmer/ Brandner/Hensen, § 2 Rdn.30 und 32. 16 Soergel / Lange / W. Hefermehl, a.a.O., Rdn. 132; Ulmer, a.a.O., Rdn. 90 f.

B. Die Willenserklärung des Kunden

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selten der Fall ist17 • Zu berücksichtigen ist schließlich, daß nur in einigen wenigen Bereichen eine zur Verkehrs sitte verdichtete Branchenüblichkeit der AGB-Verwendung besteht1 8 . Es läßt sich also festhalten, daß das Problem fehlenden Erklärungsbewußtseins bei AGB durchaus relevant werden kann19 • Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob das Bewußtsein des Handelnden, durch sein Verhalten eine rechtsgeschäftliche Mitteilung irgendwelchen Inhalts zu machen20 , notwendiges Element einer Willenserklärung ist, erweist sich somit als unumgänglich. In der Rechtsgeschäftslehre ist umstritten, welche Folgen es hat, wenn der Erklärende sich zwar so verhalten will, wie er sich verhält (also Handlungsbewußtsein hat), aber nicht weiß, daß sein Verhalten, das von ihm nicht als Willenserklärung gemeint ist, von anderen als solche aufgefaßt wird. Das Problem ist bisher immer am Schulbeispiel der Trierer Weinversteigerung21 diskutiert worden, das - nicht zu Unrecht - als akademisch eingestuft wird22 . Diesen Vorwurf kann man der Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht machen. a) Keine Willenserklärung

Richtiger Ansicht nach ist der ohne Erklärungsbewußtsein erzeugte Erklärungsanschein keine Willenserklärung23 • Wer den ohne ErkläVgl. unten unter VIa. So im Bank-, Transport- und Versicherungsgewerbe sowie bei bestimmten kommunalen Betrieben; dazu im einzelnen unten unter VIa. 19 So auch schon Ratz in Großkomm. HGB, § 346 Anm. 185; v. Gierke/Sandrock, Handels- und Wirtschaftsrecht I, § 3 IV 4 b y, S.48; Krause, Festschrift für Molitor, S. 398 f. In der großen Mehrheit der Fälle dürfte der Kunde allerdings Erklärungsbewußtsein haben. Schließlich sind auch noch Fälle denkbar, in denen dem Kunden auch für die Vertragserklärung das Erklärungsbewußtsein fehlt, so wenn er sich mit einem Vertragsangebot, das AGB umfaßt, einverstanden erklärt, ohne dies zu wollen und ohne überhaupt zu wissen, daß er eine rechts geschäftliche Erklärung abgibt. Die Frage, welche Rechtsfolgen der Erklärungsanschein bei Nichtzustandekommen des ganzen Vertrages (und nicht nur der Einbeziehungsvereinbarung) auszulösen vermag, soll hier aber nicht weiter erörtert werden. 20 Lehmann/Hübner, Allg. T. des BGB, § 24 IV 1 b ß, S. 146 f.; vgl. auch Flurne, Hundert Jahre Deutsches Rechtsleben I, S. 175: "Bewußtsein, rechtsgeschäftlich zu handeln". 21 Vgl. Isay, Die Willenserklärung im Thatbestande des Rechtsgeschäfts, S.25. 22 Vgl. nur Flurne, a.a.O. 23 Oertmann, BGB, Allg.T., Vorb. 9 d ß vor § 104, S. 331 ff.; Enneccerus/Nipperdey, Allg.T. 11, § 145 11 A 4, S. 901 ff., § 167 11 2, S. 1035; v. Gierke/Sandrock, Handels- und Wirtschafts recht I, § 23 111 4 a, S.368; Lehmann/Hübner, Allg.T. des BGB, § 34 111 1 b, S.260; Rudolf Schmidt, Bürgerliches Recht I, 17

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11. Der innere Tatbestand der Willenserklärung

23

rungsbewußtsein Handelnden an den von ihm gesetzten Anschein bindet, indem er diesen als Willenserklärung einstuft, verkennt den eigentlichen Geltungsgrund von Rechtsgeschäften. Rechtsgeschäfte gelten, weil gemäß dem Grundsatz der Privatautonomie die Regelung des einzelnen als eine solche nach seinem Willen anerkannt wird24 • Wenn jemand sich nicht dessen bewußt ist, daß er eine rechtsgeschäftliche Erklärung abgibt, so gestaltet er nicht in Selbstbestimmung ein Rechtsverhältnis 25 • Der Vertrag wird seiner Funktion entfremdet, Ausdruck der dem einzelnen eingeräumten Privatautonomie zu sein, sobald man auf einen rechtsgeschäftlichen Handlungsentschluß verzichtefM. Da die privatautonome Gestaltung fehlt, geht es um Haftung schlechthin, Haftung für ein Verhalten 27 • Den Handelnden trifft nicht rechtsgeschäftliche Konsequenz, sondern Reflexwirkung aus seiner Verhaltensweise28 • Gleichwohl ist immer wieder versucht worden, den unbewußt erzeugten Schein einer Willenskundgabe als rechtsgeschäftliche Erklärung zu behandeln. Wegbereitend war insoweit die "fahrlässige Willenserklärung" Manigks. Manigk scheute zwar anfänglich noch vor dem "Mittelding zwi-

schen Rechtsgeschäft und Delikt, das aber nur ein theoretisches Monstrum wäre"29, zurück und meinte, die Anerkennung einer Handlung als Willenserklärung, ohne daß ihrem inneren Teil der Wille angehöre, durch ihren äußeren Teil eine seelische Tatsache zum Ausdruck zu bringen, würde die Freiheit menschlichen Verhaltens in unbilligster Weise einschränken w . Keiner dürfte dann eine Handlung mehr vornehmen, die irgend jemand etwa als das typische Zeichen eines Geschäftswillens ansehen und ihn daraufhin rechtsgeschäftlich in Anspruch nehmen könnte 31 • § 28 III, S. 80 f.; E. Wolf, Allg.T., § 7 B IV b, S. 312; Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 427 f., 550 f.; Frotz, Verkehrsschutz im Vertretungsrecht, S. 429 ff., 469 ff.; Götz, Zum Schweigen im rechtsgeschäftlichen Verkehr, S. 68 f.; Henle, Vorstellungs- und Willens theorie in der Lehre von der juristischen Willenserklärung, S.495; Sonnenberger, Verkehrssitten im Schuldvertrag, S. 138 ff.; Fabricius, JuS 1966 S. 8 ff.; Thiele, JZ 1969 S. 407; Wieacker, JZ 1967 S. 388 f.; grundsätzlich auch Staudinger/Dilcher, 12. Aufl., Vorb. zu § 116 Rdn. 18 ff., der aber u. U. als rechtlich relevantes Verhalten, das mit der Notwendigkeit einer Anfechtung belastet ist, zurechnen will (a.a.O., Rdn.26). 24 Flume, AcP 161 (1962) S. 65. 25 Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 427 f., 551. 26 Sonnenberger, Verkehrssitten im Schuldvertrag, S. 142. 27 Treffend Lüderitz, Auslegung von Rechtsgeschäften, S. 306 f. Fn. 8. 28 Hübner, Festschrift für Nipperdey I, S. 378. 2Q Manigk, Willenserklärung und Willensgeschäft, S. 186. 30 Manigk, a.a.O.

B. Die Willenserklärung des Kunden

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In "Irrtum und Auslegung"::2 bahnte sich dann der Umschwung an: Manigk räumte ein, daß selbst ein Tatbestand, der nicht einmal allgemein vom Rechtsfolgewillen des Handelnden getragen werde, sondern ganz anderen Zwecken diene, doch rechtsgeschäftliche Wirkungen auszulösen vermöge 33 • Zwar gebe es begrifflich keine fahrlässigen Willenserklärungen, aber es gebe fahrlässig erzeugte Wirkungen von Erklärungsakten34. Ab 1931 bekannte sich Manigk zur "fahrlässigen Willenserklärung"35. Dem Handelnden werde sein vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten auch dann zugerechnet, wenn er gar nicht wisse, daß sein Verhalten dem Empfänger etwas erkläre 36 • Erklärungsbewußtsein soll nicht erforderlich sein 37 , denn es sei die Pflicht jedes im Verkehr Handelnden, der sein eine Willenskundgebung enthaltendes Verhalten einem anderen zugänglich mache, dieses Verhalten verkehrsmäßig richtig und nach der Lage des Empfängers so einzurichten, daß dieser die Möglichkeit der Kenntnisnahme von seinem wirklichen Willen habe 38 • Entscheidend sei deshalb, ob der Handelnde den seinem Verhalten zu entnehmenden Sinn bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen müssenS9 • Später ist Manigk dann vom Begriff der fahrlässigen Willenserklärung wieder abgerückt4Q und hat nur noch von "fahrlässig bewirkten Erklärungen"4t, "Zurechnung aus fahrlässigem Erklärungsverhalten"42 und der Lehre von der "Erklärungsfahrlässigkeit"43 gesprochen. In der Sache ist er aber dabei geblieben, daß jeder sich bei seinem geschäftlichen Verhalten gegenüber einem anderen denjenigen Sinn seines Ver31 32 33

Manigk, a.a.O.

S. 105 ff., 109 ff., 219, 242 ff., 250 ff. Manigk, Irrtum und Auslegung, S. 105.

Manigk, a.a.O., S. 111. Manigk, Beiträge zum Wirtschaftsrecht II, S. 632 f., 640 ff. 36 Manigk, a.a.O., S.640; vgl. auch Manigk, ArchRWiPhil. 26 (1932/33) S. 374, 378 f.; Manigk, JherJb. 83 (1933) S. 58,61,64, bezeichnend auch S. 65: "Erklärungshaftung" . 87 Manigk, ArchRWiPhil. 26 (1932/33) S. 378 f. 38 Manigk, JherJb. 83 (1933) S. 65. 3~ Manigk, Beiträge zum Wirtschaftsrecht II, S. 640. 40 Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, S.217: ". .. daß es weder ungewollte, noch fahrlässige Willenserklärungen gibt. Eine solche Figur enthielte eine contradictio in adjecto, da von dem legalen Begriff der Willenserklärung Vorsätzlichkeit und Kundgebungszweck des Handelnden nicht zu trennen sind. Von einem Begriff gibt es keine Ausnahme." 41 Manigk, Das rechtswirksame Verhalten, S. 208, 225. 42 Manigk, a.a.O., S.210. 43 Manigk, a.a.O., S. 210,217,221,249 et passim. 34

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II. Der innere Tatbestand der Willenserklärung

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haltens als Willenserklärung zurechnen lassen müsse, den es verkehrsmäßig für den Empfänger habe44 • Was nun Allgemeine Geschäftsbedingungen betrifft, nimmt Manigk auf dieser Grundlage die Formeln des BGH45 vorweg: AGB könnten Inhalt eines konkreten Vertrages werden, ohne Rücksicht darauf, ob der Kunde von ihnen tatsächlich Kenntnis bekommen habe. Entscheidend sei auch hier vielmehr, ob er bei genügender Sorgfalt vor dem Vertragsschluß jene Bedingungen hätte kennen oder doch allgemein mit ihrem Vorliegen hätte rechnen müssen46 • Im Anschluß an die von Manigk geprägte 47 Formulierung von den ,.typisierten Erklärungsakten mit normierter Wirkung" hat dann Raiser für AGB die Theorie von der durch die Verkehrssitte normierten Verweisung entwickelt48 • Wo es an einer ausdrücklichen Willenserklärung des Kunden fehle, könne es sich auch um Tatbestände handeln, bei denen die Verkehrssitte die Verweisung so normiert habe, daß es einer echten Verweisungserklärung nicht mehr bedürfe, um den Kunden an die AGB zu binden. Dabei würden wohl echte Vertragserklärungen der Parteien vorausgesetzt, die Normierung ergänze die Erklärung des Kunden nur insoweit, als sie diese Erklärung zugleich als Verweisung deute49 . Ihre Grenze soll die normierende Verkehrssitte nur im Gedanken der Zumutbarkeit finden50 . Auch heute wird in der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre - im Gefolge Manigks, aber dessen Begriffsbildung vermeidend - noch die Meinung vertreten, Erklärungsbewußtsein sei für die Annahme einer Willenserklärung nicht erforderlich51 . Die Verantwortung für die ErManigk, a.a.O., S. 97. Zur "Wissen-müssen"-Formel des BGH vgl. BGHZ 9, 1 (6); BGHZ 12, 136 (142); BGHZ 18, 98 (99); BGH NJW 1976 S. 2075. 46 Manigk, a.a.O., S. 99, vgl. auch S.211. 47 Manigk, Irrtum und Auslegung, S. 274; so auch Krause, Schweigen im Rechtsverkehr, S.127, vgl. auch S.134: "normierende Kraft der Verkehrssitte". 48 Raiser, Das Recht der AGB, S. 158 ff., 199 ff. 49 Raiser, a.a.O., S. 159. 50 Raiser, a.a.O., S. 164. 51 Erman/Brox, Vor § 116 Rdn.3; Kramer in MünchKomm., vor § 116 Rdn. 19 und § 119 Rdn. 78 ff., 85; Palandt/Heinrichs, Einf. v. § 116 Anm. 4 b; Soergel / W. Hefermehl, Vor § 116 Rdn. 13; Larenz, Allg.T., § 19 111, S. 320 ff.; Lange/Köhler, BGB Allg.T., § 36 I 2 c bb, S. 242 f.; Pawlowski, Allg.T. des BGB 11, S. 213 ff.; Bailas, Das Problem der Vertragsschließung und der vertragsbegründende Akt, S. 58 ff.; Bickel, Die Methoden der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen, S. 129 ff.; Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung, S. 50 ff.; Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes, S. 162 ff.; v. Craushaar, Der Einfluß des Vertrauens auf die Privatrechtsbildung, S. 62 ff.; Kramer, Grundfragen der vertraglichen Einigung, S. 169 ff.; Rothoeft, System der Irrtumslehre als Metho44 45

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B. Die Willenserklärung des Kunden

klärung bedeute, daß der Erklärende seinem Gegner für diejenige Bedeutung einzustehen habe, welche von diesem der Erklärung beigelegt werden könne und müsse 52 • Dem Erklärenden soll sein objektives Verhalten allerdings nur dann als Willenserklärung zugerechnet werden, wenn er mit dieser Deutung seines Tuns habe rechnen können 53 oder ihm sein Verhalten vorzuwerfen sei 54 • Darüber hinaus soll dem Handelnden, wenn ihm der Wille zu einer solchen Erklärung fehlte, die Anfechtung - mit der Rechtsfolge des § 122 BGB - gestattet sein 55 . Die Theorie wird im wesentlichen von der Überlegung getragen, daß zwischen dem, der rechtsgeschäftlich gar nichts wolle, und dem, der rechtsgeschäftlich etwas ganz anderes wolle, im entscheidenden Punkt kein Unterschied bestehe: Die Rechtsfolgen, an denen er festgehalten werden solle, habe der Betroffene da und dort nicht gewollt~6. Dabei wlra übersehen, daß der Irrende, der eigentlich etwas anderes will, sehr wohl weiß, daß er am rechts geschäftlichen Verkehr teilnimmt, und sich deshalb gegen die daraus resultierenden Gefahren wappnen kann. Ihm ist bekannt, daß sein rechtliches Verhalten den Rechtskreis des Empfängers beeinflussen wird 57 • Dagegen ist sich derjenige, der kein Erklärungsbewußtsein hat, der Gefahr rechtlicher Konsequenzen nicht den frage der Rechtsvergleichung, S. 73 ff.; Bydlinski, JZ 1975 S. 4 f.; v. Craushaar, AcP 174 (1974) S. 6 ff.; Gudian, AcP 169 (1969) S. 232 ff.; Schmidt-Salzer, JR 1969 S. 284. Gegen die Trennung von Erklärungsbewußtsein und Geschäftswillen: Bartholomeyczik, Festschrift für Ficker, S. 73 ff. Flume vertritt diese Meinung nur für ausdrückliche Willenserklärungen. Da das schlüssige Handeln zunächst eine andere selbständige Bestimmung habe, sei es nur dann als Willenserklärung zu werten, wenn der Handelnde sich der Umstände bewußt sei, aufgrund deren das Handeln auch den Ausdruck des Willens in sich schließe (Flume, Das Rechtsgeschäft, § 5.4, S.73 und § 23.1, S.450). 52 Larenz, Die Methode der Auslegung des Rechtsgeschäfts, S. 72, vgl. auch S.82, 89 f. 53 Larenz, Die Methode der Auslegung des Rechtsgeschäfts, S. 72, 89 f.; vgl. auch Soergel / W. Hefermehl, Vor § 116 Rdn.13; Larenz, Allg.T., § 19 III, S. 322; Isay, Die Willenserklärung im Thatbestande des Rechtsgeschäfts, S.26; Kramer, Grundfragen der vertraglichen Einigung, S. 171; Bydlinski, JZ 1975 S.5; vgl. weiter Jacobi, Die Theorie der Willenserklärungen, S.50. Anderer Ansicht ist Kellmann, JuS 1971 S. 614 f., der diese Einschränkung nicht gelten lassen will. Dogmatisch ist das von seiner Position her sicher konsequenter, denn er vermeidet so Verschuldensmomente im Tatbestand der Willenserklärung; das Ergebnis ist aber kaum vertretbar. 54 Gudian, AcP 169 (1969) S. 235 f. 55 Kramer in MünchKomm., vor § 116 Rdn.20 und § 119 Rdn.85; Palandt/ Heinrichs, Einf. v. § 116 Anm. 4 b; Soergel/ W. Hefermehl, Vor § 116 Rdn.14; Lange/Köhler, Allg.T., § 39 III 2 b, S. 232; Larenz, Allg.T., § 19 III, S. 323; Larenz, Die Methode der Auslegung des Rechtsgeschäfts, S. 83 f.; Bydlinski, JZ 1975 S. 5; Gudian, AcP 169 (1969) S. 233; Kellmann, JuS 1971 S.616. 56 Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes, S. 163; zustimmend Larenz, Allg.T., § 19 III, S. 321. 57 Lehmann/Hübner, AIlg.T., § 34 III 1 b, S. 260.

11. Der innere Tatbestand der Willenserklärung

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bewußt und kann sich deshalb auch nicht auf Fehlinterpretationen seines Verhaltens einrichten. Daraus, daß die mit Irrtum behaftete echte Willenserklärung zunächst gilt, folgt nicht, daß auch jedwedes Verhalten, durch welches der Anschein einer Willenserklärung entsteht, als Willenserklärung zu gelten hat 58 • Gerade wenn die Privatautonomie im modernen Massenverkehr häufig auf die Abschlußfreiheit verkürzt und dem Schwächeren die Gestaltungsfreiheit genommen wird, gewinnt der Entschluß, überhaupt rechtsgeschäftlich zu handeln, an Bedeutung. Solange sich jemand nicht entschieden hat, Rechtsgeschäftliches zu erklären, darf er nicht damit überrascht werden, sein Verhalten sei eine Willenserklärung gewesen. Auch entspricht die anfechtbare Willenserklärung nicht unbedingt der Interessenlage. Warum sollte der Betreffende die Vorteile eines Vertrages an sich ziehen können, wenn er in Wirklichkeit nichts Rechtsgeschäftliches beabsichtigtef>\J? Ein augenfälliger Nachteil der auf das Erklärungsbewußtsein verzichtenden Lehre ist auch, daß für sie die Zurechnung zum Tatbestand der Willenserklärung gehört. Die Lehre ist gezwungen, nach Verschuldenskriterien zu bestimmen, ob eine Willenserklärung vorliegt oder nicht6Q • Verschulden paßt aber nur für Haftung - das wäre hier der Vertrauensschaden - nicht aber für die Frage, ob eine Willenserklärung gegeben ist. Willenserklärung und Verschulden haben nichts miteinander zu schaffen61 . Selbst § 119 BGB stellt nicht auf ein Verschulden des Erklärenden ab. Die Rechtsprechung ist, was die Bedeutung des Erklärungsbewußtseins betrifft, bislang sehr uneinheitlich. In zwei Entscheidungen läßt der BGH die Frage ausdrücklich offen62 • Wenn er dann aber ausführt, die Frage, ob überhaupt ein Rechtsbindungswille vorhanden sei, sei nicht nach dem in Erscheinung getretenen inneren Willen des Handelnden zu beurteilen, sondern danach, ob sein Verhalten aus der Sicht des anderen unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen Flume, AcP 161 (1962) S. 65. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 551. Anders Flume (Das Rechtsgeschäft, § 20.3, S.415), der meint, man könne hier - anders als im Fall des § 118 BGB - dem Erklärenden das Wahlrecht geben, ob er seine Erklärung gelten lassen wolle. 60 Diese Lehre geht deshalb letztlich nicht über Manigk hinaus, auch wenn sie dessen Begriff der "fahrlässigen Willenserklärung" vermeidet: Der Grad des Verschuldens bestimmt, ob eine Willenserklärung gegeben ist. 81 So auch Krause, BB 1955 S.267. 62 BGH NJW 1953 S. 58; BGH NJW 1978 S. 2102 (2103). 38

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B. Die Willenserklärung des Kunden

lasse63 , scheint er das Erklärungsbewußtsein für entbehrlich zu halten. Dagegen läßt sich aus anderen Urteilen die umgekehrte Tendenz ablesen. So wird einmal das Bewußtsein, daß das Verhalten als eine Erklärung bestimmten Inhalts aufgefaßt werden kann, als erforderlich bezeichnet 64 , ein andermal gesagt, eine Erklärung sei dann nicht als rechtsgeschäftliche zu werten, wenn das Bewußtsein fehle, daß eine Willenserklärung überhaupt erforderlich sein könne 65 . b) Vertrauens haftung

Kann ein Verhalten ohne Erklärungsbewußtsein nicht als Einverständniserklärung im Sinne des § 2 Abs. 1 AGB-Gesetz verstanden werden, so vermag der durch das Verhalten des Kunden gesetzte Anschein doch Rechtsfolgen auszulösen. Eine privatautonome Gestaltung hat, weil dem Kunden das Bewußtsein seiner Erklärung fehlte, nicht stattgefunden; es geht um Haftung, um Verantwortung, nicht wegen freier Wahl der Ausdrucksmittel, sondern für menschliches Verhalten überhaupt66 • Eine Möglichkeit, die Haftung für den Erklärungsanschein in den Griff zu bekommen, wäre, die Grundsätze der Haftung für culpa in contrahendo heranzuziehen. Nipperdey schlägt dies für alle Fälle vor, in denen das Fehlen des Erklärungsbewußtseins auf Fahrlässigkeit beruht6 '7. Speziell für AGB wird dieser Gedanke von Meeske68 vertreten. Um die für culpa in contrahendo nötige Pflichtverletzung zu begründen, will Meeske den Parteien im Wege der Analogie vorvertragliche Pflichten auferlegen, insbesondere dem Kunden die Pflicht, sich nach den AGB zu erkundigen, wenn er sie nicht von vornherein in Kauf nehmen will69 • Zum Ersatz des Vertrauensinteresses gelangt Meeske aber nur dann, wenn es sich nicht um einen Massenvertrag handelt und wenn der Kunde den Vertrag bei Kentnis der AGB nicht geschlossen hätte. In den anderen Fällen soll der Schadensersatz darin bestehen, daß die AGB auf den Vertrag anzuwenden seien"l'Q. Die Regeln über die culpa in contrahendo passen aber nicht auf den Fall des unbewußt erzeugten Erklärungsanscheins. Bei den typischen Fällen der culpa in contrahendo (etwa Dissens oder Formmangel) liegt 63 BGHZ 21, 102 (106); BGH WM 1976 S. 448 (449); ähnlich BGH VersR 1975 S. 1090 (1091). G4 BGH JR 1956 S.59 = LM Nr.7 zu § 346 (D) HGB. 65 BGH NJW 1973 S. 1789. 66 Vgl. Lüderitz, Auslegung von Rechtsgeschäften, S. 306f. Fn.8. 67 Enneccerus/Nipperdey, Allg.T. II, § 145 II A 4, S.902 Fn.26 a. E. GB BB 1959 S. 863. 69 Meeske, a.a.O. 70 Meeske, a.a.O.

11. Der innere Tatbestand der Willenserklärung

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die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts offen zutage und geht letztlich beide Teile an71 • Der Willensmangel bei dem ohne Erklärungsbewußtsein gesetzten Erklärungsanschein entstammt aber ausschließlich der Sphäre des Kunden. Culpa in contrahendo ist der Ausdruck einer gesteigerten sozialen Verantwortung für allgemeine Schadensrisiken und betrifft nicht das Risiko, den Schein einer Gestaltungserklärung zu erzeugen·72 • Eine weitere Möglichkeit wäre die analoge Anwendung des § 122 BGB73 , der von seinen Voraussetzungen und der Rechtsfolge her auf fehlerhafte Erklärungen zugeschnitten ist. Doch anstatt einzelne gesetzlich oder judikativ ausgeprägte Anspruchstatbestände entsprechend anzuwenden, erscheint es richtiger, die Haftungsgrundlage einem allgemeinen Haftungsprinzip - der Vertrauenshaftung - zu entnehmen. Zugrundegelegt werden soll die Systematik, die Hübner für die Gruppe des Vertrauensschutzes bei Erklärungstatbeständen geschaffen hat74 , denn diese ist auf das hier anstehende Problem der Zustimmung zu AGB ohne Erklärungsbewußtsein am präzisesten zugeschnitten76 , ist aus sozialpolitischen Gründen entstanden2'7. Wegen der Warn- und Schutz funktion verlangt man eine unzweideutige Erklärung in Worten28 • § 405 Abs.1 HGB regelt den Selbsteintritt des Kommissionärs, d. h. die Kommissionsausführung als Verkäufer oder Käufer, für den Fall, daß der Selbsteintritt mit der Anzeige der Kommissionsausführung erklärt wird. Zeigt der Kommissionär die Ausführung an, ohne ausdrücklich zu bemerken, daß er selbst eintreten will, gilt dies nur als Anzeige der Ausführung durch Abschluß des Geschäfts mit einem Dritten. Der Selbsteintritt kann hier nur ausdrücklich erklärt werden.

Auch dieser Vorschrift ist eine Schutzfunktion eigen, denn der Selbsteintritt des Kommissionärs kann für den Kommittenten gefährlicher sein als die Ausführung durch Abschluß mit einem Dritten. Führt der Kommissionär durch Selbsteintritt aus, muß der Kommittent darauf achten, daß jener die zwingenden Vorschriften der §§ 400 Abs.2 bis 5 und 401 HGB (vgl. § 402 HGB) beachtet und nicht den Selbsteintritt zu seinem Nutzen mißbraucht, etwa durch Berechnung eines ungünstigeren Preises, als er auf dem Markt erzielen konnte. Den Kommittenten trifft hierfür nämlich die Beweislast (vgl. §§ 400 Abs. 2, 401 Abs. 1 HGB)29. Für ihn ist es darum günstiger, mit Erhalt der Ausführungsanzeige definitiv zu wissen, ob der Kommissionär den Selbsteintritt gewählt hat oder nicht. Der Kommittent kann dann, wenn er Zweifel hat, sofort Nachforschungen anstellen und steht sich faktisch besser, als wenn er beispielsweise erst Wochen nach der Ausführungsanzeige von der Notwendigkeit solcher Beweissicherung erfährt. Konsequenz des Schutzzwecks ist, daß man für § 405 Abs.1 HGB, ebenso wie für Zur Warnfunktion vgl. auch Haase in MünchKomm., § 700 Rdn. 14. Vgl. §§ 13 Abs. 1 Satz 1 und 15 Abs.2 Satz 1 DepG, die eine "ausdrückliche und schriftliche" Erklärung vorschreiben. 27 Oertmann, BGB, § 700 Anm.4; vgl. Protokolle II 134, S.396. 28 Lehmann/Hübner, a.a.O.; Binder, Die Rechtsstellung des Erben nach dem deutschen bürgerlichen Gesetzbuch I, S.86 Fn.42; K. Schneider, ArchBürgR 42 (1916) S.280. 29 Capelle/Canaris, Handelsrecht, § 21 VIII 2 c, S. 196. 25 26

H. Der ausdrückliche Hinweis

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§ 700 Abs.2 BGB, eine klare und unzweideutige Erklärung in Worten ver langt 30 • Je nachdem, ob dem Ausdrücklichkeitserfordernis in § 2 Abs. 1 Nr.1, 1. Alt. AGB-Gesetz nur Klarstellungs- oder auch Warn- und Schutzfunktion beizumessen ist, müssen an die Ausdrücklichkeit schwächere oder stärkere Anforderungen gestellt werden.

Der KlarsteIlung, ob die AGB gelten sollen oder nicht, ist ein ausdrücklicher Hinweis des Verwenders sicher förderlich. Doch käme es nur darauf an, wäre nicht ganz einsichtig, warum die Einverständniserklärung des Kunden nicht ausdrücklich zu sein hat. Durch die Ausdrücklichkeit der Verwendererklärung soll der Kunde darauf aufmerksam gemacht werden, daß er im Begriff ist, der Einbeziehung der AGB zuzustimmen. Zu diesem Warn- kommt noch ein Schutzzweck. Vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes genügten stets stillschweigende Erklärungen beider Parteien. In der Begründung zum Regierungsentwurf heißt es: "Eine Vorschrift über die Mindestvoraussetzungen, unter denen AGB Bestandteil des Einzelvertrages werden können, ist zum Schutze der Vertragspartner des Klauselverwenders und im Interesse der Rechtssicherheit erforderlich. "31 Daß ursprünglich im Entwurf der Arbeitsgruppe beim Bundesminister der Justiz noch weitergehende Einbeziehungsvoraussetzungen vorgesehen waren32 , ändert am Schutzcharakter der Norm nichts, denn die Erschwerung gegenüber dem alten Recht überwiegt die Abstriche vom Entwurf der Arbeitsgruppe bei weitem. § 2 Abs. 1 Nr.1, 1. Alt. AGB-Gesetz gehört also zur Gruppe der Normen, bei denen die Ausdrücklichkeit den Betroffenen warnen und schützen soll. An die Ausdrücklichkeit sind deshalb besondere Anforderungen zu stellen. Der Hinweis des Verwenders auf seine AGB muß klar und unzweideutig sein und er muß beim mündlichen Vertragsschluß in Worten erfolgen33 • Letzteres ist beim schriftlichen Vertrags30 Vgl. RGZ 63, 30 (30); RG JW 1926 S.1961; Schlegelberger 1 W. Hefermehl, HGB, § 405 Rdn. 3. 31 Begründung zum RegE, BTDrucks. 7/3919, S.17. 32 Vgl. den Ersten Teilbericht der Arbeitsgruppe beim BMJ, S. 25 f., 41 ff. (§ 2 des Entwurfs). 33 Einen Hinweis in Worten fordert auch Schlosser in Schlosser/CoesterWaltjen/Graba, § 2 Rdn.31, der aber diese Ansicht in StaudingerlSchlosser, 12. Auf!, § 2 AGBG Rdn.4, wieder aufgibt und meint, ein schlüssiges Verhalten genüge, wenn es eindeutig und unverkennbar sei; vgl. auch Schlosser, Jura 1980 S. 382 f. A. A. dürfte wohl auch Staudinger/Dilcher, 12. Aufl., Vorb. zu § 116 Rdn. 14, sein, der eine in besonderem Maße unzweideutige Erklärung durch schlüssiges Verhalten bei Ausdrücklichkeitserfordernissen stets genügen lassen möchte.

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C. Die Willenserklärung des Verwenders

schluß selbstverständlich. Vom Erfordernis eines Hinweises in Worten beim mündlichen Vertragsabschluß könnte nur im Falle eines nichtverbalen, die Intensität einer klaren und eindeutigen Sprache erreichenden Hinweises abgesehen werden. Solche Ausnahmen sind aber kaum vorstellbar. Das schweigende Aushändigen der AGB genügt jedenfalls nicht"w; hier bestünde die Möglichkeit, daß der Kunde das Schriftstück für Informationsmaterial, eine Bedienungsanleitung, eine Garantieurkunde o. ä. hält. Nur der wörtliche Hinweis beugt Mißverständnissen vor und wird dem Gesetzeszweck gerecht. 3. Das Ausdrücklichkeitserfordernis als Modifikation der §§ 133, 157 BGB

AGB werden grundsätzlich nur dann Vertragsbestandteil, wenn der Verwender ausdrücklich auf sie hinweist. Alle Erklärungen des Verwenders, die auf die Einbeziehung seiner AGB abzielen, aber nicht ausdrücklich sind, bleiben rechtlich bedeutungslos. Der nichtausdrücklichen Willenserklärung versagt das Gesetz die Wirkung. Verbindet der AGBVerwender seine Vertragserklärung mit einer nichtausdrücklichen Einbeziehungserklärung, hat er damit keinen Erfolg, soweit die Geltung der AGB gewollt ist, wobei der Vertrag allerdings gemäß § 6 Abs.1 AGB-Gesetz im übrigen zustande kommt. Das Erfordernis eines ausdrücklichen Hinweises in § 2 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. AGB-Gesetz modifiziert die §§ 133 und 157 BGB insoweit, als es

konkludente Einbeziehungserklärungen des Verwenders für grundsätzlich unbeachtlich erkläre5 • Es verbietet sich, die Einbeziehungserklärung des Verwenders aus den Umständen des Falles abzuleiten36 • § 2 Abs.1 Nr.1, 1. Alt. AGB-Gesetz ist eine Sondernorm für AGB, die in ihrem Anwendungsbereich entgegenstehende Vorschriften des allgemeinen Vertragsrechts verdrängt3'l'. Für den Bereich der Willenserklärung, mit der der Verwend er seine AGB zum Vertragsinhalt machen will, ist § 2 Abs.1 Nr.1, 1. Alt. AGB-Gesetz lex specialis gegenüber allen Vorschriften, aus denen sich die vertragliche Geltung der AGB auch ohne ausdrücklichen Hinweis des Verwenders herleiten ließe. 34 A. A. sind StaudingerlSchlosser, 12. Aufl., § 2 AGBG Rdn.4; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 2 Rdn.33 ("um den Formalismus nicht zu übertreiben"); im Sinne der hier vertretenen Ansicht: Koch/Stübing, AGB, § 2 Rdn. 23,25. 3J Soergel I Lange I W. Hefermehl, Vor § 145 Rdn.116; Ulmer in Ulmerl Brandner/Hensen, Einl. AGBG Rdn.32; Locher, Das Recht der AGB, S.13, 30; Hensen, JA 1981 S. 135. A. A. ist StaudingerlSchlosser, 12. Aufl., § 2 AGBG Rdn. 2, weil er § 2 AGBGesetz als Formvorschrift einordnet; dagegen vgl. oben unter 1. 36 Vgl. Ulmer, a.a.O., § 2 Rdn. 19. 37 Vgl. Ulmer, a.a.O., § 2 Rdn. 18.

Ir. Der amdrückliche Hinweis

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So ist es auch nicht zulässig, die Geltung der AGB aus einer eventuell bestehenden Verkehrssitte herzuleiten38 • § 157 BGB ist aber nur insofern verdrängt, als es darum geht, durch Vertrags auslegung unter Berücksichtigung der Verkehrssitte die Geltung Allgemeiner Geschäftsbedingungen auch ohne ausdrücklichen Hinweis des Verwenders festzustellen39 • Denn auch der Inhalt der ausdrücklichen Willenserklärung ist durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln40 .

Selbstverständlich gilt das Erfordernis eines ausdrücklichen Hinweises nur für die Einbeziehungserklärung des Verwenders und nicht für seine übrigen Vertragserklärungen; dort finden uneingeschränkt die Vorschriften der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre Anwendung41 • 4. Der maßgebliche Zeitpunkt

Der Verwender muß gemäß § 2 Abs.1 AGB-Gesetz "bei Vertragsschluß" auf seine AGB hinweisen. Das entspricht den allgemeinen Regeln42 : Ein geschlossener Vertrag kann nicht ohne weiteres einseitig abgeändert werden. Die nach Vertragsschluß abgegebene, auf Einbeziehung der AGB zielende Willenserklärung des Verwenders kommt zu spät. Der Hinweis auf die AGB ist für den Vertrag unbeachtlich43 • Der Verwender muß spätestens in dem Moment, in dem er ein bindendes Vertragsangebot abgibt, auch erklären, er wolle seine AGB einbezogen haben44 • Nach §§ 130, 145 BGB wird das Angebot bindend, wenn es dem Erklärungsempfänger zugeht. Modifiziert der Verwender sein Angebot durch Hinweis auf seine AGB, nachdem der Kunde das Angebot schon angenommen hat, ist das unbeachtlich, weil der Vertrag schon geschlossen war. Ein Hinweis des Verwenders, der den Kunden nach dem Vertragsangebot erreicht, aber noch bevor dieser es angenom3B Begründung zum RegE, BTDrucks. 7/3919, S.18; Löwe in Löwe/Graf v. Westphalen/Trinkner, § 2 Rdn. 11; Ulmer, a.a.O., § 2 Rdn. 19. 89 Unscharf insoweit Ulmer, a.a.O., Einl. AGBG Rdn.32 und § 2 Rdn.19. 40 Vgl. Kregel/Krüger-Nieland in RGRKomm. z. BGB, vor § 116 Rdn. 11. 41 Löwe, a.a.O., § 2 Rdn.5; Schlosser in Schlosser/Coester-Waltjen/Graba, § 2 Rdn. 33; Ulmer, a.a.O., § 2 Rdn. 18 und 22. 42 Vgl. Ulmer, a.a.O., § 2 Rdn. 55. 43 Dietlein in Dietlein/Rebmann, AGB aktuell, § 2 Rdn.6; Erman / H. Hefermehl, § 2 AGBG Rdn.16; Ulmer, a.a.O.; Larenz, Allg.T., § 29a I b, S.509; so schon zum alten Recht: Staudinger/Weber, 11. Auf!., Einl. v. § 241 Anm. N 264; Raiser, Das Recht der AGB, S. 152, 186; vgl. auch RGZ 133, 330 (338 f.). Teilweise einschränkend: Löwe in Löwe/Graf v. Westphalen/Trinlmer, § 2 Rdn.20; StaudingerlSchlosser, 12. Aufl., § 2 AGBG Rdn. 13. 44 Ulmer, a.a.O., Rdn.56; vgl. auch Soergel / Lange / W. Hefermehl, Vor § 145 Rdn. 120.

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C. Die Willenserklärung des Verwenders

men hat, bleibt wegen der Bindung an den Antrag irrelevant, wenn der Kunde noch in der Frist des § 147 Abs. 2 BGB annimmt. Verpaßt der Verwender den maßgeblichen Zeitpunkt, werden die AGB nicht Vertragsinhalt. Sein Hinweis auf die AGB kann dann allenfalls als Angebot auf Abschluß eines Änderungsvertrages aufgefaßt werden. Den Vertragsparteien steht es frei, im Wege eines Änderungsvertrages nach § 305 BGB die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nachträglich zu vereinbaren45 • Der Änderungsvertrag muß allerdings den Anforderungen des § 2 AGB-Gesetz genügen46 • Das Kammergericht hat für den Fall eines nach Vertrags abschluß unterschriebenen Lagerscheins, in dem es hieß, der Lagerhalter übernehme die Lagerung der eingelagerten Gegenstände "unter folgenden Bedingungen", eine nachträgliche Vertragsänderung ausgeschlossen. Der Hinweis auf die AGB im Lagerschein sei nicht als Angebot des Lagerhalters erkennbar gewesen, den bereits ohne AGB geschlossenen Lagervertrag zu ändern oder zu erweitern. Er erwecke vielmehr den Eindruck, als könne der Lagerhalter völlig einseitig Bedingungen diktieren, denen sich der Einlagerer de facto schon deshalb nicht entziehen könne, weil sein Gut zu diesem Zeitpunkt bereits eingelagert gewesen sei4 ·7 • Dieser Ansatz, der auf die Erkennbarkeit der Verwendererklärung als Angebot zur Vertragsänderung abstellt, ist sachgerechter als die Forderung, der Kunde habe sein Einverständnis mit einer die AGB einbeziehenden Vertragsänderung stets ausdrücklich zu erklären48 • Entscheidend ist die inhaltliche Bestimmtheit des Angebotes zur Vertragsänderung. An ihr fehlt es, wenn nach Vertragsschluß auf Lieferscheinen o. ä. nur allgemein auf AGB hingewiesen wird, denn der Erklärungsempfänger muß den Hinweis für den (fehlschlagenden) Versuch einer ursprünglichen Einbeziehung halten. Kommt der Änderungswille allerdings klar zum Vorschein, ist nicht ersichtlich, warum der Kunde nicht auch konkludent zustimmen können sollte. 45 Dietlein, a.a.O.; Erman I H. Hefermehl, § 2 AGBG Rdn.23; Koch/Stübing, AGB, § 2 Rdn.41; Palandt/Heinrichs, § 2 AGBG Anm. 5 b; Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 2 Rdn.57; siehe auch Raiser, a.a.O., S. 152. KG VersR 1982 S.372 läßt es dahingestellt, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Einbeziehung von AGB angesichts des Wortlauts des § 2 Abs.1 AGB-Gesetz, der die Einbeziehung "bei Vertragsschluß" vorschreibe, nachträglich überhaupt zulässig sei. 46 Koch/Stübing, a.a.O.; Palandt, a.a.O.; Stein, AGBG, § 2 Rdn.32; Ulmer, a.a.O. 47 KG a.a.O. 48 So Kötz in MünchKomm., § 2 AGBG Rdn. 18; Micklitz, NJW 1982 S.267; nach Erman I H. Hefermehl, § 2 AGBG Rdn.23 und Palandt/Heinrichs, § 2 AGBG Anm. 5 a (ähnlich: Stein, a.a.O.) ist im Regelfall eine ausdrückliche Einverständniserklärung des Kunden erforderlich.

III. Hinweis durch deutlich sichtbaren Aushang

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III. Hinweis durch deutlich sichtbaren Aushang

Wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, genügt es gemäß § 2 Abs.1 Nr.1, 2. Alt. AGB-Gesetz, wenn der Verwender bei Vertragsschluß durch deutlich sichtbaren Aushang auf seine AGB verweist. Der Gesetzgeber hatte dabei gewisse gleichmäßige und häufige Verträge des täglichen Lebens im Auge, bei denen ein ausdrücklicher Hinweis nicht praktikabel ist (z. B. Parkhausbenutzung, automatische Schließfächer)1. Das Ausdrücklichkeitserfordernis des § 2 Abs.1 Nr.1, 1. Alt. AGBGesetz modifiziert die §§ 133, 157 BGB dadurch, daß es konkludente Einbeziehungserklärungen des Verwenders für grundsätzlich unbeachtlich erklärt. Nur die ausdrückliche Erklärung vermag die gewünschte Rechtsfolge herbeizuführen. Dieses strenge Ausdrücklichkeitserfordernis wird nun in einem eng begrenzten Ausnahmebereich für einige Geschäfte des täglichen Massenverkehrs dahin gemildert, daß der Verwender den ausdrücklichen Hinweis, das heißt die ausdrückliche Willenserklärung, durch den Hinweis mittels deutlich sichtbaren Aushangs ersetzen kann. Das Gesetz erlaubt in bestimmten Sonderfällen die konkludente Erklärung des Einbeziehungswillens. Allerdings ist nicht jede stillschweigende Einbeziehungserklärung des Verwenders beachtlich. Deshalb gelten die §§ 133, 157 BGB nicht uneingeschränkt. Die Grenze, inwieweit die §§ 133, 157 BGB ausgeschaltet werden, ist zwar eine andere als im Fall des § 2 Abs. 1 Nr.1, 1. Alt. AGB-Gesetz, das Erfordernis eines Hinweises durch deutlich sichtbaren Aushang schafft aber gleichwohl eine den allgemeinen Vorschriften vorgehende Sonderregelung2 • Die Regelung der §§ 133, 157 BGB wird insoweit modifiziert, als im Geltungsbereich des § 2 Abs. 1 Nr.1, 2. Alt. AGB-Gesetz (neben ausdrücklichen) nur in Form eines deutlich sichtbaren Aushangs erfolgende konkludente AGB-Erklärungen des Verwenders zulässig sind. Die strengere Modifikation der ersten Alternative des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGB-Gesetz wird graduell gelockert. Während es das Erfordernis einer ausdrücklichen Willenserklärung in anderen Vorschriften schon gab 3 , hat der Gesetzgeber mit dem Erfordernis eines Hinweises durch deutlich sichtbaren Aushang eine Wirksamkeitsvoraussetzung sui generis geschaffen. Begründung zum RegE, BTDrucks. 7/3919, S. 18. So auch Schlosser in Schlosser 1Coester-WaItjenl Graba, § 2 Rdn.49. 3 Vgl. nur §§ 244 Abs. 1, 700 Abs.2 BGB, 22 Abs. 1, 24 Abs. 2,48 Abs. 1 HGB sowie die Zusammenstellung oben unter 11 2. 1

2

7 Sdlroeder

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C. Die Willenserklärung des Verwenders

In ihrer Funktion gleicht diese Wirksamkeitsvoraussetzung dem Ausdrücklichkeitserfordernis. Die Einbeziehungserklärung des AGB-Verwenders muß mit einer bestimmten inhaltlichen Intensität erfolgen. Wie dem Ausdrücklichkeitserfordernis kommt auch dem Erfordernis eines Hinweises durch deutlich sichtbaren Aushang der AGB sowohl Erschwerungs- als auch Warnfunktion zu. Der Aushang der AGB gemäß § 2 Abs.1 Nr.1, 2. Alt. AGB-Gesetz und die Vertragserklärungen fallen notwendig zusammen. Zeitliche Differenzen im Zustandekommen des Vertrages können sich schon deshalb nicht ergeben, weil der einem Anwesenden gemachte Antrag nur sofort angenommen werden kann (§ 147 Abs. 1 BGB). Diese Gleichzeitigkeit läßt es zunächst als müßig erscheinen, zu fragen, ob denn zwei distinkte Willenserklärungen des Verwenders vorliegen (Vertragserklärung und Erklärung durch Aushang), die nur zeitlich zusammenfallen, oder der Verwender nur eine einzige Willenserklärung abgibt, deren Inhalt auch durch den Aushang bestimmt wird. Die Frage hat aber durchaus praktische Konsequenzen. Liegt in dem Aushang eine eigene Willenserklärung, muß der Kunde ihn auch gesehen haben. Denn eine Willenserklärung, die an einen bestimmten Empfänger zu richten ist, wird immer erst dann wirksam, wenn sie dem Empfänger zugeht bzw. er sie vernommen hat4 • Den Zugang, das heißt die Tatsache, daß der Kunde den Aushang zumindest wahrgenommen (wenn nicht sogar dessen Erklärungswert in sein Bewußtsein aufgenommen) hat, müßte der Verwender im Zweifel beweisen. Wegen des zwangsläufigen Zusammenfallens von Vertragserklärung und Hinweis auf die AGB durch Aushang liegt es hier näher, nur eine einzige Willenserklärung anzunehmen. Diese enthält (durch den Aushang) auch die Erklärung, die AGB sollten gelten. Darauf, ob der Kunde den Aushang tatsächlich gesehen hat, kommt es nicht ans; die Willenserklärung des Verwenders ist dem Kunden zugegangen. Deren falsche Interpreation wegen einer etwaigen Nichtwahrnahme des deutlich sichtbaren Aushangs gehört in den Bereich der Irrtumsfragen und kann nur bei einer Anfechtung der Erklärung des Kunden6 berücksichtigt werden, wenn dieser deshalb eine Erklärung abgegeben hat, die er so nicht abgegeben haben würde.

4 Vgl. Lehmann/Hübner, Allg.T. des BGB, § 32 III, S.232, mit § 32 II 3, S. 229 f.; vgl. auch § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB, der sich unmittelbar jedoch nur auf die Willenserklärung unter Abwesenden bezieht. 5 Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 2 Rdn.41. 6 Dazu vgl. oben unter B II 2 a.

D. Rabmenverträge Die Einbeziehung von AGB in Einzelverträge entbehrt (im Geltungsbereich des § 2 AGB-Gesetz) nicht einer gewissen Umständlichkeit. Es kann den Parteien im Interesse einer zügigen Geschäftsabwicklung daran gelegen sein, diesen Aufwand zu vermeiden. Deshalb eröffnet § 2 Abs.2 AGB-Gesetz den Vertragsparteien die Möglichkeit, für eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften die Geltung bestimmter AGB unter Beachtung der in Abs. 1 bezeichneten Erfordernisse im voraus zu vereinbaren. Mit einer solchen Rahmenvereinbarung können die Parteien einen durch die AGB konkretisierten Vertragsrahmen für die zwischen ihnen noch abzuschließenden Einzelgeschäfte festlegen!. Die Rahmenvereinbarung nach § 2 Abs.l AGB-Gesetz ist aber nichts anderes als eine global auf eine Mehrzahl von Verträgen bezogene Einbeziehungsvereinbarung2 in der Form eines Dauerschuldverhältnisses eigener Art3 . Bei der Vereinbarung eines Rahmenvertrages sind die Erfordernisse des § 2 Abs.l AGB-Gesetz zu beachten4 • Dem Hinweis des Verwenders auf seine AGB entspricht im Fall der Rahmenvereinbarung seine Vertragserklärung (regelmäßig der Vertragsantrag)6. Der Antrag muß folglich ausdrücklich sein, sonst ist er wirkungslos. Ein Antrag durch deutlich sichtbaren Aushang kommt nicht in Betrachttl. Die Annahme durch den Kunden kann dagegen, ebenso wie das Einverständnis nach § 2 Abs. 1 AGB-Gesetz, konkludent erklärt werden"7. Weiter muß der Verwender seinem Vertragspartner bei Abschluß der RahmenvereinUlmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 2 Rdn. 74. Dietlein in Dietlein/Rebmann, AGB aktuell, § 2 Rdn. 10. Die Parteien können aber auch vorzeitig verabreden, daß AGB für einen einzelnen künftigen Vertrag gelten sollen, vgl. v. Gierke, Handelsrecht und Schiffahrtsrecht, 8. Aufl., § 3 IV 4 c, S. 28. A. A. ist insoweit Raiser, Das Recht der AGB, S. 131, der ohne rechtliche Begründung solche Rechtsgeschäfte ablehnt und den Parteien allenfalls einen Vorvertrag erlauben will. Dieser verpflichtet aber, was nicht immer gewollt sein wird, zum Abschluß des Hauptvertrages. 3 Ulmer, a.a.O. 4 Das gilt natürlich nicht gegenüber dem von § 24 AGB-Gesetz ausgenommenen Personenkreis. 5 Vgl. Ulmer, a .. a.O., Rdn. 78. G Zweifelnd: Ulmer, a.a.O. 1 Vgl. Ulmer, a.a.O. 1

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D. Rahmenverträge

barung die Möglichkeit zumutbarer Kenntnisnahme vom Inhalt der AGB verschaffen. Durch eine AGB-Klausel kann die zukünftige Geltung der AGB allerdings nicht vereinbart werden. Eine solche Klausel wäre nicht nur überraschend im Sinne des § 3 AGB-Gesetz 8 , ihr würde auch der Schutzzweck des § 2 AGB-Gesetz entgegenstehen. Nach § 2 Abs.2 AGB-Gesetz ist nur die Vereinbarung bestimmter AGB zulässig. Damit werden die §§ 315 ff. BGB modifiziert, denn einer Partei kann nicht mehr eine einseitige Gestaltungsbefugnis eingeräumt werden9 • Daß § 2 Abs. 2 AGB-Gesetz die Vereinbarung Allgemeiner Geschäftsbedingungen im voraus nur "für eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften"lo zuläßt, bedeutet eine Einschränkung des § 305 BGB. Die Vertragsfreiheit der Parteien erfährt in dem Grad eine Beschränkung, als es ihnen verwehrt wird, die Geltung der AGB für alle zukünftig zwischen ihnen zustande kommenden Verträge zu vereinbaren, ohne diese ihrer Art nach schon jetzt zu bezeichnen. Die Vorschrift erreicht jedoch nicht die Strenge der §§ 40 Abs. 1 und 1026 ZPO, die verlangen, daß sich Gerichtsstandvereinbarungen und Schiedsverträge über künftige Rechtsstreitigkeiten auf "ein bestimmtes Rechtsverhältnis" beziehen. Für die Rahmenvereinbarung genügt es, wenn die künftigen Rechtsgeschäfte ihrer Art nach umschrieben sind. I. Die Rechtsnatur der Rahmenvereinbarung 1. Der Normenvertrag

Vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes war umstritten, ob Rahmenvereinbarungen, die die Geltung Allgemeiner Geschäftsbedingungen für künftige Geschäfte zwischen den Parteien zum Inhalt hatten, überhaupt als Verträge zu qualifizieren seienl . Zweifel daran ergaben sich, weil 8 Löwe in Löwe/Graf v. Westphalen/Trinkner, § 2 Rdn.23; DImer, a.a.O., Rdn.75. 9 Ulmer, a.a.O., Rdn. 71. Das gilt aber nicht, wenn der Kunde Kaufmann ist und der Vertrag zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehört. Deshalb kann bei kaufmännischen Kunden die Geltung von AGB "in der jeweils neuesten Fassung" verabredet werden; vgl. Graf v. Westphalen in Löwe/Graf v. Westphalen/Trinkner, § 2 Rdn. 64 und Löwe, daselbst, § 2 Rdn. 24. 10 Es ist allerdings unbedenklich, die Rahmenvereinbarung auf mehrere bestimmte Arten von Rechtsgeschäften zu erstrecken, soweit es sich um Rechtsgeschäfte verwandter Art handelt und die Verwendung der gleichen AGB auf die verschiedenen Arten von Rechtsgeschäften nicht zu Unklarheiten führt, Ulmer, a.a.O., Rdn. 76; vgl. auch Erman / H. Hefermehl, § 2 AGBG Rdn.28.

1. Die Rechtsnatur der Rahmenvereinbarung

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ohne den Abschluß entsprechender Einzelverträge die Rahmenvereinbarung keine konkrete Verpflichtungswirkung zeigt2 • Für AGB ist die Kontroverse nunmehr durch § 2 Abs.2 AGB-Gesetz beendet3 : Das Gesetz erkennt den Rahmenvertrag an. Die Rahmenvereinbarung nach § 2 Abs.2 AGB-Gesetz ist ein Normenvertrag, das heißt ein Vertrag, in dem Bestimmungen vereinbart werden, die für andere (Einzel-)Verträge maßgeblich sein sollen4 • Typisches Beispiel für einen Normenvertrag ist der Tarifvertrag in seinem normativen Teil, in dem Arbeitsbedingungen vereinbart werden, die maßgeblich sein sollen für abgeschlossene oder noch abzuschließende Einzelarbeitsverträge5 • Die Bedingungen des Tarifvertrages haben allerdings über das Verhältnis der Vertragsschließenden hinausreichend verbindliche Kraft. Weil ihnen innerhalb ihres Geltungsbereiches die gleiche Wirkung zukommt wie Rechtsnormen, ist der Tarifvertrag ein "rechtsverbindlicher Normenvertrag u6 • Rahmenvereinbarungen bewirken dagegen immer nur eine Rechtsgestaltung zwischen den Vertragsparteien. Ohne Abschluß eines Einzelvertrages ist die Rahmenvereinbarung gegenstandslos". Daraus, daß keine Verpflichtung zum Abschluß eines Haupt- oder Einzelvertrages besteht, ergibt sich auch die Abgrenzung zum Vorvertrags. 2. Rahmenvereinbarung und Geschäftsbeziehungsvertrag

Weil der AGB-Begriff des § 1 Abs. 1 AGB-Gesetz Vertragsbedingungen verlangt, das heißt Bestimmungen, die den Inhalt eines Vertrages gestalten sollen9 , können die mittels Rahmenvertrag nach § 2 AbS.2 Vgl. den überblick bei Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, § 2 Rdn. 72. Schlosser in Schlosser/Coester-Waltjen/Graba, § 2 Rdn.83; Ulmer, a.a.O., Rdn.71. Für die Zulässigkeit eines Rahmenvertrages: Haupt, Die AGB der deutschen Banken, S. 40 ff.; Schmidt-Salzer, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsund Versicherungsbedingungen, S. 111 f. Vgl. auch RGZ 122, 75 (77); BGH WM 1974 S. 272 (273). Raiser, Das Recht der AGB, S. 129 f., arbeitet mit der Konstruktion einer antizipierten Einigung. 3 Ulmer, a.a.O., Rdn. 71,74; vgl. auch Fehl, Systematik des Rechts der AGB, S.97. 4 Vgl. Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts lI/I, § 18 II 2 a, S.345; Hueck, JherJb. 73 (1923) S. 36. 5 Hueck/Nipperdey, a.a.O.; Hueck, JherJb. 73 (1923) S. 37. 6 Vgl. Hueck, JherJb. 73 (1923) S. 81 f. 7 Vgl. schon RGZ 58, 151 (155); allgemein: Hueck, a.a.O., S.37. 8 Hueck, a.a.O., S. 37 f. 9 Palandt/Heinrichs, § 1 AGBG Anm. 2 a; vgl. auch die Begründung zum RegE, BTDrucks. 7/3919, S. 16. 1

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D. Rahmenverträge

AGB-Gesetz vereinbarten AGB immer nur innerhalb eines Einzelvertrages Bedeutung erlangen10 . Eine gewisse Vorverlagerung findet sich in § 11 Nr.7 AGB-Gesetzl l , der in seinem zweiten Halbsatz Haftungsausschluß und -begrenzung für Schäden aus Verletzung von Pflichten bei den Vertragsverhandlungen regelt. Aber auch AGB, die auf Sachverhalte, die vor Vertragsschluß liegen, zugeschnitten sind, erlangen grundsätzlich erst mit Entstehen des Einzelvertrages Geltung. AGB können allerdings ausnahmsweise - auch ohne Bestandteil typischer Einzelverträge zu sein - Wirkung haben, nämlich wenn sie Teil eines Geschäftsbeziehungsvertrages sind. Während Rahmenvereinbarungen nach § 2 Abs.2 AGB-Gesetz nur regeln, daß die AGB in abzuschließende Einzelverträge einbezogen werden sollen und die AGB auch nur im Rahmen solcher Einzelverträge Wirkung erlangen12 , gilt für den Geschäftsbeziehungsvertrag anderes. Der (im AGB-Gesetz nicht besonders geregelte) Geschäftsbeziehungsvertrag legt bestimmte Modi für die anzubahnende oder bestehende Geschäftsbeziehung fest und enthält schon selbständige Pflichten. In diesen Vertrag können (nach § 2 Abs. 1 AGB-Gesetz!) auch schon AGB einbezogen werden. Typisches Beispiel eines solchen Vertrages ist der Bankvertrag13 , der bereits unmittelbar Pflichten erzeugt14 . Einmal kann ein solcher Geschäftsbeziehungsvertrag (auch durch seine AGB) außerhalb abzuschließender Einzelverträge liegende Materie regeln1