Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes und das Recht des Denkmalschutzes [1 ed.] 9783428479290, 9783428079292

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Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes und das Recht des Denkmalschutzes [1 ed.]
 9783428479290, 9783428079292

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HANSJÖRG MELCHINGER

Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes und das Recht des Denkmalschutzes

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 648

Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes und das Recht des Denkmalschutzes

Von

Hansjörg Melchinger

Duncker & Humblot * Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Melchinger, Hansjörg: Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes und das Recht des Denkmalschutzes / von Hansjörg Melchinger. — Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 648) Zugl.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1993 ISBN 3-428-07929-9 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-07929-9

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Januar 1993 von der Juristischen Fakultät der Universität Freiburg i.Br. als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde Mitte 1992 abgeschlossen. Bis Ende 1992 veröffentlichte Literatur und Rechtsprechung konnte im wesentlichen noch nachgetragen und vereinzelt eingearbeitet werden. Mein Dank gilt allen, die die Arbeit unterstützt und gefördert haben. An erster Stelle zu nennen ist Herr Prof. Dr. Rainer Wahl, der die Bearbeitung dieses Themas angeregt und die Arbeit betreut hat. Ihm danke ich sehr herzlich für die stete menschliche und wissenschaftliche Förderung, die er mir während der Zeit als sein Wissenschaftlicher Assistent hat zuteil werden lassen. Hervorzuheben ist sein weit über das Übliche hinausgehendes Engagement im wissenschaftlichen Diskurs. Daran durfte auch ich insbesondere in den sehr lehrreichen, von ihm gemeinsam mit Herrn Bundesverfassungsrichter Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. E.-W. Böckenförde - dem ich an dieser Stelle ebenfalls herzlich Dank sagen möchte - geleiteten, bereits seit langem abgehaltenen wöchentlichen Diskussionsrunden mit den Assistenten teilhaben. Zu danken habe ich ferner Herrn Prof. Dr. Thomas Würtenberger für die Zweitbegutachtung der Arbeit. Aufrichtig danken möchte ich Herrn Prof. Dr. Gerhard Dannecker, der meinen bisherigen juristischen Werdegang maßgeblich begleitet und mit wertvollen Anregungen freundschaftlich gefördert hat. Sehr herzlich gedankt sei schließlich meiner Frau Iris für ihre mannigfaltige Unterstützung in dieser Zeit der Doppelbelastung. Ihr und meinen Eltern ist die Arbeit gewidmet.

Ettlingen/Freiburg i.Br., im Oktober 1993 Hansjörg Melchinger

Inhaltsübersicht

Erster Teil: §1

Einleitung Untersuchungsgegenstand

17

Zweiter Teil: Historische Entwicklung des Denkmalschutzes und der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung in Deutschland §2

§3

Dritter Teil:

Vierter

Denkmalschutz und Eigentum von den Anfängen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts

44

Denkmalschutz und Eigentumsgarantie unter der Weimarer Reichsverfassung

87

Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes

§4

Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmatik des Bundesverfassungsgerichts

§5

Eigener Ansatz für die verfassungsrechtliche Prüfung und Beurteilung eigentumsielevanter Regelungen und Maßnahmen 165

102

Teil: Das geltende Denkmalschutzrecht aus der Sicht der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik §6

Der Schutzzweck 'Denkmalschutz' - (Verfassungs-)Rechtliche Verankerung 210

§7

Die Bestimmungen der Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

230

Fünfter Teil: Schhiß §8

Zusammenfassung

Literaturverzeichnis Stichwort- und Namenregister

327 333 345

Inhaltsverzeichnis

Erster Teü Einleitung 9 1 Untersuchungsgegenstand I.

17

Einführung

17

1. Zu den eigentumsdogmatischen Grundlagen

17

2. AnlaB und Schwerpunkt der Untersuchung

19

3. Das Spannungsfeld von Denkmalschutz und Eigentum

23

4. Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes

25

Π. Die gesetzlichen Regelungen zum Denkmalschutz im Überblick

26

1. Bundesrecht

26

2. Landesrecht

29

3. Internationale Regelungen

33

III. Begriffsbestimmungen und Denkmalarten 1. Denkmal

35 35

a) Monument

35

b) Denkmal i.w.S. und Denkmalbegriff

36

2. Denkmalarten

37

3. Denkmalschutz und Denkmalpflege

38

IV. Zielsetzung und Gang der Untersuchung

40

Zweiter Teil Historische Entwicklung des Denkmalschutzes und der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung in Deutschland S 2 Denkmalschutz und Eigentum von den Anfängen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts 44 I.

Ursprünge und Ziele von Denkmalpflege und Denkmalschutz

45

1. Erste Anfänge und Hintergründe der Denkmalpflege in Deutschland

45

2. Beschränkung der Denkmalpflege auf Kunstgegenstände (ästhetische Sicht)

48

10

Inhaltsverzeichnis 3. Ausweitung der Denkmalpflege auf Kulturgüter (historische Zeugnisse)

52

4. Etablierung der Denkmalpflege als Wissenschaft und ihre spätere Bedeutung

55

II. Historische Rechtsakte zum Denkmalschutz und deren rechtliche Einordnung unter Berücksichtigung des Eigentumsschutzes 1. Rechtsentwicklung im 18. und im 19. Jahrhundert a) Im aufgeklärten Absolutismus

59

(1) Übersicht über die ersten Erlasse und Verordnungen

59

(2) Rechtliche Qualifizierung und Einordnung der Erlasse und Verordnungen

63

b) In den frühkonstitutionellen Staaten

67

c) Im Konstitutionalismus

72

d) Zusammenfassung

80

2. Die ersten speziellen Denkmalschutzgesetze zu Beginn d. 20. Jahrhunderts

§3

57 58

81

III. Ergebnis

85

Denkmalschutz und Eigentumsgarantie unter der Weimarer Rekhsverfassung

87

I.

88

Art. 153 WRV-Eigentum

II. Art. 150 WRV-Denkmalschutz

95

III. Verhältnis von Denkmalschutz und Eigentum nach der WRV

96

Dritter Teil Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes § 4 Eigentum nach Art 14 GG - Dogmatik des Bundesverfassungsgerichts I.

102

Allgemeine Grundlagen

103

1. Vorrang der Verfassung

103

2. Verfassungsverständnis

105

3. Zu Fragen der Grundrechtstheorie und der Grundrechtsinterpretation

108

II. Verfassungsrechtliches Eigentumsverständnis

112

1. Dogmatische Grundlegung

112

2. Der spezifisch verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff

114

a) Theoretische Konzeption

114

b) Zum Inhalt des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs

121

III. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes 1. Eigentumsgewährleistung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG

123 123

a) Institutsgarantie / Einrichtungsgarantie

124

b) Abwehrrecht / Bestandsgarantie

125

2. Inhalts- und Schrankenbestimmungsbefugnis des Gesetzgebers

127

Inhaltsverzeichnis a) Objektive Schutzwirkung - Grundsatz

128

b) Objektive Schutzwirkung - Gleichbehandlungsgebot

128

c) Subjektive Schutzwirkung - Bestandsgarantie

129

3. Sozialbezug / Sozialbindung

131

4. Spannungsverhältnis Eigentumsgarantie - Sozialbezug, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit 132 a) Vorgaben für die Inhalts- und Schrankenbestimmung - Grundsätze

132

b) Vorgaben für die Inhalts- und Schrankenbestimmung - Differenzierungen 135 c) Sonstiges 5. Ausgleichsentschädigungspflichtige Inhaltsbestimmung

136 „

138

a) Dogmatische Einordnung

139

b) Inhaltliche Anforderungen

142

c) Ergebnis und Rechtsschutz

145

6. Enteignung

146

7. Exkurs: Ansprüche aus dem sog. enteignenden Eingriff oder dem sog. enteignungsgleichen Eingriff 153 8. Abgrenzung Inhaltsbestimmung des Eigentums - Enteignung

159

9. Gebot des Primärrechtsschutzes

162

IV. Veränderungen im historischen Vergleich

163

1. Art. 14 GG - Art. 153 WRV

163

2. Zum Begriff der öffentlich-rechtlichen Beschränkung

164

§ 5 Eigener Ansatz für die verfassungsrechtliche Prûfùng und Beurteilung eigentumsrelevanter Regelungen und Maßnahmen 165 I.

Eingriffsdogmatik

165

1. Grundlagen der Grundrechtsprüfung

165

a) Zweigliedriger Prüfungsaufbau

165

b) Konzeption eines dreigliedrigen Prüfungsaufbaus

167

c) Dreigliedriger Ansatz bei Art. 14 GG

170

2. Überprüfung konkret-individueller Maßnahmen und Regelungen

171

a) Normanwendungsbereich

171

b) Schutzumfang / Gewährleistungsinhalt

172

c) Eingriff

172

d) Schrankenvorbehalt / Eingriffsrechtfertigung 3. Überprüfung abstrakt-genereller (inhaltsbestimmender) Regelungen

174 174

a) Normanwendungsbereich

175

b) Schutzumfang / Gewährleistungsinhalt und Eingriff

175

(1) Grundsätze im Bereich des objektiven Rechts

175

(2) Objektives Recht - Regelungen für eine Teilgruppe

175

12

Inhaltsverzeichnis (3) Konkret bestehende Rechtspositionen

176

(4) Fazit

176

c) Verfassungsrechtliche Anforderungen / Eingriffsrechtfertigung

177

(1) Objektives Recht

177

(2) Objektives Recht - Gleichheitssatz

177

(3) Konkret bestehende Rechtspositionen

177

(4) Konsequenzen

180

4. Ergebnis

180

II. Prüfungsschemata

182

Schema 1: Oberprüfung abstrakt-genereller (inhalts- und schrankenbestimmender) Regelungen des Gesetzgebers 183 Schema 2: Uberprüfung konkret-individueller Maßnahmen

185

III. Anwendung der Prüfungsschemata auf die vom BVerfG entschiedenen Sachverhalte 187 1. Hamburger Deichordnungsgesetz - BVerfGE 24,367

188

2. Urheberrecht: Schulbuch - BVerfGE 31, 229; Kirchenmusik - BVerfGE 49, 382; Musiksendungen in Vollzugsanstalten - BVerfGE 79,29 189 3. Mitbestimmung-BVerfGE 50,290

194

4. Kleingartenpacht-BVerfGE 52,1

1%

5. Pflichtexemplare-BVerfGE 58,137

200

6. Naßauskiesung - BVerfGE 58,300

201

7. Schatzregal -BVerfGE 78,205

205

8. Vorkaufsrecht-BVerfGE 83,201

207

Vierter

Teil

Das geltende Denkmalschutzrecht aus der Sicht der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik §6 Der Schutzzweck 'Denkmalschutz' - (Verfassungs-) Rechtliche Verankerung I.

210

Denkmalschutz im Grundgesetz

211

1. Normative Verankerung

211

2. Zur Frage eines materiellen Gehalts von Kompetenznormen

212

3. Ergebnis

214

II. Denkmalschutz in den Landesverfassungen

214

1. Einschlägige Bestimmungen

214

2. Rechtliche Bedeutung von Staatszielbestimmungen

217

3. Rechtlicher Gehalt im Gefüge des Grundgesetzes und der Landesverfassungen 219 4. Fazit

221

Inhaltsverzeichnis III. Zweck- und Zielbestimmungen in den Denkmalschutzgesetzen

222

2. Schutzgegenstand - gesetzlicher (Kultur-) Denkmalbegriff

223

3. Ergebnis

227

IV. Fazit: Sozialer Bezug von Denkmalen S 7 Die Bestimmungen der Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung I.

222

1. Aufgabenübertragung

227 230

Inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen

231

1. Anwendung des Denkmalschutzgesetzes an sich

233

a) Das System der Denkmalklassifizierung

233

Übersicht 1: Eintragungsprinzip und Normativprinzip b) Verfassungsrechtliche Beurteilung

236 238

(1) Prüfungsansatz beim Normativprinzip

238

(2) Prüfungsansatz beim Eintragungsprinzip

240

(3) Verfassungsrechtliche Legitimation / Eingriffsrechtfertigung

241

(4) Zur Kritik am Normativprinzip 2. Erhaltungspflicht und Zumutbarkeit

243 247

Übersicht 2: Erhaltungspflicht und Vorbehalt der Zumutbarkeit 3. Genehmigungsvorbehalte und Veränderungsverbote a) Allgemeiner Schutz

247 256 256

Übersicht 3: Allgemeiner Schutz: Erlaubnisvorbehalt und Verbot

257

(1) Die einfachgesetzlichen Regelungen

258

(2) Verfassungsrechtliche Beurteilung

262

b) Umgebungsschutz

267

c) Bodendenkmal und Denkmalfund

269

(1) Gezielte Nachforschung und Grabung (2) Verbot der Veränderung der Fundstelle d) Grabungsschutzgebiete

269 270 271

4. Allgemeine Eingriffsermächtigungen (Generalklauseln)

272

5. Nutzungsgebote und Nutzungsbeschränkungen

274

6. Eigentumserwerb und Eigentumsinhalt bei Denkmalfunden a) Schatzregal

275 275

b) Überlassungsverlangen

276

c) Ablieferungsverlangen

278

7. Weitere Pflichten und Eingriffsermächtigungen

278

a) Anzeige- und Mitteilungspflichten

278

b) Wiederherstellungspflicht

279

c) Vorkaufsrecht

280

14

Inhaltsverzeichnis d) Duldungspflicht, vorläufige Inbesitznahme, vorübergehende Inanspruchnahme 282 e) Verordnungsermächtigung zum Katastrophenschutz 8. Nebenpflichten

283 284

a) Auskunftspflicht

284

b) Kennzeichnungspflicht

284

c) Betretungsrecht der Behörde

285

d) Zugangsrecht der Öffentlichkeit

285

II. Ausgleichsentschädigungsregelungen

286

1. Zuschuß- und Förderungsbestimmungen

288

2. Konkrete Entschädigungs-und Aufwendungsersatzansprüche

291

3. Salvatorische Entschädigungsklauseln

294

a) Die Auffassung des BVerwG

295

b) Eigene Auffassung

296

III. Billigkeitsregelungen

298

IV. Enteignungsregelungen

299

1. Förmliche Enteignungen

299

2. Sog. Entschädigungsansprüche

305

3. Salvatorische Entschädigungsklauseln

306

a) Die Auffassung des BGH

306

b) Verfassungsrechtlicher Ansatz

307

4. Sonstige Regelungen

308

a) Ablieferung von Fundgegenständen auf Verlangen

308

b) Anspruch auf Eigentumsübertragung

310

V. Ausgewählte Fallbeispiele aus der Rechtsprechung 1. Baden-Baden-Villa-BGHZ 72,211

311 311

2. Blüchermuseum-BGHZ 99,24

313

3. Steinzeitsiedlung und Sandabbauverbot - BGHZ 105,15

316

4. Hamburger Gründerzeitvilla - BGHZ 110,12

318

VI. Gesamtwürdigung

321 Fünfter

Teil

Schhift §8 Zusammenfassung I.

Zur historischen Entwicklung

II. Zur Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes

327 327 328

Inhaltsverzeichnis III. Zur Vereinbarkeit des geltenden Denkmalschutzrechtes mit Art. 14 GG

330

IV. Ausblick

331

Literaturverzeichnis

333

Stkhwort-und Namenregister

345

Abkürzungsverzeichnis

bwDSchG

baden-württembergisches Denkmalschutzgesetz

bayDSchG

bayerisches Denkmalschutzgesetz

blnDSchG

berliner Denkmalschutzgesetz

brcmDSchG

bremisches Denkmalschutzgesetz

hmbDSchG

hamburgisches Denkmalschutzgesetz

hessDSchG

hessisches Denkmalschutzgesetz

ndsDSchG

niedersächsisches Denkmalschutzgesetz

nwDSchG

nordrhein-westfälisches Denkmalschutzgesetz

rhpfDSchG

rheinland-pfälzisches Denkmalschutzgesetz

saarlDSchG

saarländisches Denkmalschutzgesetz

shDSchG

schleswig-holsteinisches Denkmalschutzgesetz

Wegen der übrigen Abkürzungen siehe Hüdebert Rechtssprache, 3. Aufl. Berlin/New York 1983.

Kirchner,

Abkürzungsverzeichnis der

Genaue Angaben zu Fundstelle und Erlaßdatum siehe unten in § 1 FN 39, S. 29 f.

Erster Teil

Einleitung § 1 Untersuchungsgegenstand I· Einfuhrung Die folgende Untersuchung befaßt sich mit der Frage, inwieweit das geltende Denkmalschutzrecht in der Bundesrepublik Deutschland mit der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik in Einklang steht. Veranlaßt ist die Untersuchung durch unterschiedliche Ansätze und Vorstellungen im Bereich der Eigentums- und Enteignungsdogmatik. 1. Zu den eigentumsdogmatischen Grundlagen Das Bundesverfassungsgericht hat in der Kleingarten-1, der Pflichtexemplare-2 und in der Naßauskiesungsentscheidung3 in den Jahren 1979 bis 1981 - anknüpfend an frühere Äußerungen, vor allem im sog. Deichurteil aus dem Jahre 19684 - eine eigenständige verfassungsrechtliche Eigentumsdogmatik entwickelt. Danach sind die einzelnen Bereiche Inhalts- und Schrankenbestimmung und Sozialbindung einerseits sowie Enteignung andererseits bereits nach formalen Kriterien voneinander abzugrenzen. Diese seitdem noch erweiterte Eigentumsdogmatik des Art. 14 GG kann inzwischen als im Grundsatz gefestigt angesehen werden; sie wird inzwischen sowohl der Gesetzgebung als auch der Rechtsprechung insbesondere der obersten Bundesgerichte mit ihren eigenen eigentums- und enteignungsrechtlichen Ansätzen zugrundelegt5. 1

BVerfGE 52, Iff.

2

BVerfGE 58,137 ff.

3

BVerfGE 58, 300 ff.

4

BVerfGE 24, 367 ff.

5

Vgl. z.B. BGHZ 110,12, und BVerwGE 84, 361 ff.

2 Melchinger

18

§ 1 Untersuchungsgegenstand

Die verfassungsrechtliche Eigentumsdogmatik des BVerfG unterscheidet sich in zwei Aspekten wesentlich von älteren dogmatischen Konzepten6. Erstens gibt es nach dem Ansatz des BVerfG einen eigenständigen, von dem des einfachen Rechts zu unterscheidenden verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff. Zweitens ging der BGH zuvor von einer einheitlichen, lediglich einfachgegliederten Struktur des Art. 14 GG aus. Danach konnte unabhängig von formalen Kriterien derselbe Eingriff entweder eine Enteignung oder eine Inhalts- und Schrankenbestimmung sein. Zudem wurde die entscheidende Abgrenzung über die Entschädigungspflichtigkeit vorgenommen. Diese Abgrenzung wurde vom BGH mit Hilfe der Sonderopfertheorie und vom BVerwG mit Hilfe der Schweretheorie durchgeführt 7. Dem lag die Vorstellung eines einheitlichen Eingriffes zugrunde, der nur je nach zumutbarer Pflichtigkeit und Schwere zu entschädigen war. Demgegenüber berücksichtigt das BVerfG zwar auch die Eingriffsart (Entzug oder bloße Beschränkung von Eigentumspositionen), es orientiert sich daneben jedoch stark an dem formalen Kriterium, ob eine tatbestandlich bestimmte, gesetzlich fixierte Regelung nach Art. 14 Abs. 3 GG vorhanden ist, und es sieht vor allem als wichtig an, welche Intention dem Eingriff zugrundeliegt. Dies hat zur Folge, daß die Rolle des Gesetzgebers eine grundlegende Stärkung erfahren hat; außerdem erhält über den Primärrechtsschutz neben den Verwaltungsgerichten auch das BVerfG selbst eine maßgebende Funktion. Analysen der Rechtsprechung des BVerfG und ihrer Auswirkungen liegen inzwischen in großer Zahl vor. Allerdings standen im Vordergrund dieser Ausführungen zumeist die allgemeinen Folgen der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik und des verfassungsrechtlichen Eigentumsverständnisses. Die daraus folgenden Konsequenzen für die einzelnen Rechtsgebiete und die darauf bezogene Rechtsprechung der obersten Gerichte sind dabei oftmals nur für die in der Praxis häufiger betroffenen Bereiche, wie beispielsweise das Grundstücksrecht, aufgezeigt und erläutert worden. Die Auswirkungen auf das Denkmalschutzrecht sind dagegen entweder nur 6 Vgl. nur v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, 1984, S. 170 tt^Maurer, Enteignungsbegriff und Eigentumsgarantie, in: FS Günter Dürig, 1990, S. 293 (299 f.); Pietzcker, Die salvatorische Entschädigungsklausel, JuS 1991, S. 369 f. 7 Zusammenfassend dargestellt z.B. bei Baur, J.F., in: Soergel/Siebert, BGB-Kommentar, 5 903 Rdnr. 160 ff.; v. Brünneck, ebd., S. 170 ff. und 189 ff.; Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 22. Lfrg. 1983 (Stand 1991), Art. 14 GG Rdnr. 324 ff. und 336 ff. Auf den Denkmalschutz bezogene Ausführungen dazu enthalten Körner, Denkmalschutz und Eigentumsschutz, 1992, S. 89 ff., 96 ff.; Moench, Denkmalschutz und Eigentumsbeschränkung, NJW1980, S. 1545 (1549); M. Müller, Baudenkmalschutz und Eigentumsbeeinträchtigung unter besonderer Berücksichtigung des nordrhein-westfalischen Denkmalschutzgesetzes, 1985, S. 31 ff.; Parodi , Eigentumsbindung und Enteignung im Natur- und Denkmalschutz, 1984, S. 19 ff.; kritisch dazu allerdings bereits grundlegend Leibholz/Linke, Denkmalschutz und Eigentumsgarantie, DVB1. 1975, S. 933 ff.

I. Einführung

19

knapp und allenfalls am Rande untersucht worden oder aber noch basierend auf der bisherigen, der älteren dogmatischen Sicht fußenden Rechtsprechung zum Denkmalschutz8. Dabei zeigen sich ein gewisses Begründungsdefizit und vor allem einige Ungereimtheiten. So reicht es nicht aus, wenn die im Rahmen der Eigentumsdogmatik zu berücksichtigenden Sozialbelange insofern undifferenziert abgehandelt werden, als nicht unterschieden wird, ob es sich um Belange der Gesundheit der Bevölkerung, des Umweltschutzes, des Naturschutzes oder eben des Denkmalschutzes handelt - unterschiedliche Belange, die jeweils auch in unterschiedlichem Maße in der Verfassung, insbesondere in Grundrechten, z.B. in Art. 2 Abs. 2 GG (Gesundheit, körperliche Integrität, oder etwa in Staatszielen, z.B. in Art. 86 LVerf Bad.-Württ. (Denkmalschutz), verankert sind. Wie weit der Eigentumsschutz in dem jeweiligen Spezialgebiet reicht, läßt sich daher nur dann zutreffend beurteilen, wenn das spezifisch geschützte Interesse des jeweils in Rede stehenden Sozialbelanges herausgearbeitet und in die Abwägung eingestellt wird. 2. Anlaß und Schwerpunkt der Untersuchung Das geltende Denkmalschutzrecht ist noch immer deutlich geprägt vom Eigentumsverständnis und dem Enteignungsbegriff des Bundesgerichtshofes. Das betrifft sowohl die Rechtsprechung zum Denkmalschutz wie auch die Gesetzgebung, die beide weithin von der eigentumsdogmatischen Sicht des BGH bestimmt sind. Der BGH hat auch hier im Zusammenhang mit Entschädigungsansprüchen in denkmalschutzrechtlichen Streitfragen seine Auffassung von der Unterscheidung zwischen Enteignung und zu duldender Inhalts- und Schrankenbestimmung des Gesetzgebers zugrundegelegt und diese daher über das Kriterium der Eingriffsschwere und des Sonderopfers abgegrenzt. Dies wurde von der übrigen Rechtsprechung zum Denkmalschutz übernommen, und die Fälle sind dementsprechend gelöst worden. Dieser Ansatz wurde auch nach den genannten Entscheidungen des BVerfG nicht vollständig aufgegeben; der BGH bezieht sich auch in eigentumsrechtlichen Fragen noch im Jahre 1986 auf eigene Urteile aus der Zeit vor 19809. In jener Entscheidung hat der BGH sogar noch vertreten, daß der Betroffene nicht als verpflichtet angesehen werden könne, zu prüfen, ob die für ihn nachteilige hoheitliche Maßnahme rechtswidrig sei, und, falls er zu diesem g Siehe z.B. mit der jeweils aufgeführten Literatur Btyde, in: von Münch (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 1985, Art. 14 Rdnr. 64 'Denkmalschutz'; Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 22. Lfrg. 1983 (Stand 29. Lfrg. 1991), Art. 14 Rdnr. 66 ff. 9 Vgl. BGHZ 99, 24 (31) unter Bezugnahme auf BGHZ 72, 211 (216), und dazu Moench, Die Entwicklung des Denkmalschutzrechts, NVwZ 1988, S. 304 (312).

20

§ 1 Untersuchungsgegenstand

Ergebnis gelange, den Eingriffsakt mit Rechtsbehelfen des Verwaltungsgerichts abzuwehren habe, sondern er könne sich auf den Standpunkt stellen, die ihn belastende Maßnahme sei wirksam, und sofort Entschädigung verlangen10. Obwohl dies mit der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik, insbesondere dem Gebot des Primärrechtsschutzes nicht zu vereinbaren ist und demgemäß auch kritisiert wurde 11, ist eine dem entsprechende Sichtweise noch immer in der neueren Literatur zum Denkmalschutzrecht zu finden 12. Auch die geltenden Denkmalschutzgesetze sind in manchen Bereichen noch maßgeblich von der Rechtsprechung des BGH beeinflußt. So sind etwa die sog. salvatorischen Entschädigungsklauseln ganz bewußt gerade in Reaktion auf diese Rechtsprechung in mehrere Denkmalschutzgesetze aufgenommen worden (vgl. unten § 7 I I 3 und IV 3, S. 294 f. u. 306 f.). Selbst wenn inzwischen in der neueren Literatur zum Denkmalschutzrecht teilweise versucht wird, die denkmalschutzrechtlichen Normen in Einklang mit der Eigentumsdogmatik des BVerfG zu interpretieren 13, wobei die Rechtsprechung gelegentlich fortschrittlicher ist, als die entsprechende Kommentarliteratur, so verraten doch zumindest sprachliche Ungenauigkeiten die Anlehnung an die frühere BGH-Rechtsprechung, wenn etwa noch immer von einem 'enteignenden Charakter* oder einer 'enteignenden Wirkung' gesprochen wird, obwohl es um inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen geht14, wenn von "Grenzbereich zwischen der Sozialbindung des Eigentums und dem enteignenden Eingriff der Rede ist 15 oder wenn in der Anwendung einer inhalts- und schrankenbestimmenden Norm die Έηί10

BGHZ 99, 24 (29).

11

Ossenbiihl, Der Anspruch wegen rechtswidriger Eigentumsverletzung (enteignungsgleichen Eingriffs), in: FS Willi Geiger, 1989, S. 475 (479,493 f.); ders., Staatshaftungsrecht, 4. Aufl. 1991, S. 192, 224; Schmaltz , Urteilsanmerkung, DVB1.1987, S. 571 ff.; kritisch zum Ansatz, jedoch nicht zum Ergebnis, auch Moench, ebd., NVwZ 1988, S. 304 (312 f.). 12

Etwa Dörffeldt/Viebrock, Hessisches Denkmalschutzrecht, 2. Aufl. 1991, Teil C,J 26 Rdnr. 5 ff.; Moench/Schmidt, Die Freiheit der Baugestaltung, 1989, S. 125; siehe auch Strobl/Majocco/Birn, Denkmalschutzgesetz für Baden-Württemberg, Kommentar, 1989, § 6, Rdnr. 14. 13 Bereits recht früh umfassend und die neueren BVerfG-Entscheidungen einbeziehend Batäs/Schmittat, Rechtsfragen des Denkmalschutzes, NuR 1983, S. 102 ff. 14 Exemplarisch seien nur genannt etwa Erbguth/Paßlick/Püchel, Denkmalschutzgesetze der Länder, 1984, S. 42 f.; Kröner, Zur Entschädigung beim Denkmalschutz, in: FS Willi Geiger, 1989, S. 445 (446); Memmesheimer/Upmeier/Schönstein, Denkmalrecht in NordrheinWestfalen, 2. Aufl. 1989, Teil Β DSchG § 7 Rdnr. 11; Moench/Schmidt, Die Freiheit der Baugestaltung, 1989, S. 120 ff. 15

Ortmeier, 225 (228).

Veränderungen an Baudenkmälern - rechtliche Probleme, BayVBl. 1990, S.

I. Einführung

21

eignungsschwelle als überschritten angesehen werden" müsse16. Das BVerfG sagt inzwischen in aller Deutlichkeit, daß dies dem verfassungsrechtlichen Ansatz nicht (mehr) entspricht17. Über weite Teile wird ferner ausdrücklich auch noch am Ansatz des BGH festgehalten, wenn etwa vor dem Hintergrund der in den Denkmalschutzgesetzen enthaltenen salvatorischen Entschädigungsklauseln durchgehend nur zwischen entschädigungslos hinzunehmender Sozialbindung und solchen Maßnahmen unterschieden wird, die die Grenze der Sozialbindung "überschreiten" und dann "zu einem entschädigungspflichtigen Eingriff werden**18. Darüber hinaus sind auch noch in neuerer Zeit Stellungnahmen zu finden, die der Sicht der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik nicht gerecht werden. Das gilt etwa für die Aussage, wenn ein Gebäude im öffentlichen Interesse unter Denkmalschutz gestellt sei, müsse auch die Allgemeinheit durch die Gewährung einer Entschädigung die Finanzierung übernehmen; das mit dem Denkmalbegriff verbundene Interesse der Allgemeinheit korrespondiere mit einer entsprechenden Finanzierungslast der Öffentlichkeit; die Allgemeinheit könne nicht verlangen, daß ihr Interesse durch den Eigentümer finanziert werde19. Derart verkürzende Äußerungen, die die verfassungsrechtliche Ausgangslage an dieser Stelle völlig außer acht lassen, führen zu unerfüllbaren Erwartungen auf Seiten der Privateigentümer. Im Hinblick auf die Entwicklung der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik zeigt sich, daß das Denkmalschutzrecht eine etwas außerhalb des üblichen Tätigkeitsfeldes liegende Materie ist und die Rechtsentwicklung im wesentlichen von wenigen Spezialisten getragen wird. In solchen Fällen muß die Aufnahme von allgemeinen dogmatischen Entwicklungen oftmals gegen eine bereits stark gefestigte spezialrechtliche Ausprägung erfolgen und neue Ansätze können sich nur schwer durchsetzen. Zum Verhältnis Eigentum und Denkmalschutz gibt es einige Monographien aus neuerer Zeit, die diese Thematik mitbehandeln20. Sie sind jedoch 16

OVG Koblenz, Vorlagebeschluß v. 24.1.1991 - 1 A 10294/89 -, DVB1. 1992, S. 47 (49); dies wird ebenfalls von Lubberger, Urteilsanmerkung, DVB1.1992, S. 49 (50), kritisiert, dessen Beitrag allerdings ebenfalls einen bezeichnenden lapsus linguae enthält, wenn er formuliert, der inhalts- und schrankenbestimmende Gesetzgeber sei zum "verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Gemeinwohl und Privateigentum" - statt 'Privatinteressen' - aufgefordert (ebd.). 17 18

BVerfGE 74,174 (192).

Dörffeldt/Viebrock, weitere. 19

Hess. DSchR, 2. Aufl. 1991, Teil C, 5 26, siehe nur Rdnr. 28 und

Moench, Die Entwicklung des Denkmalschutzrechts, NVwZ 1988, S. 304 (313).

20

Parodi , Eigentumsbindung und Enteignung im Natur- und Denkmalschutz, 1984; Erbguth/Paßlick/Püchel, Denkmalschutzgesetze der Länder, 1984; Hans, Denkmalschutz in Baden im 19. und 20. Jahrhundert, Diss. iur. Freiburg 1985; M. MüUer, Baudenkmalschutz und Eigentumsbeeinträchtigung, 1985; Hönes, Die Unterschutzstellung von Kulturdenkmälern,

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§ 1 Untersuchungsgegenstand

zum Teil schon zu der Zeit der Naßauskiesungsentscheidung oder kurz danach erschienen und gehen daher nur am Rande und ohne eingehende Analyse auf diese Fragen und die neuere BVerfG-Rechtsprechung ein. Zuweilen wird dieser Fragenkomplex eher pauschal oder aus der Sicht der in diesem Bereich tätigen und von den schon zuvor in der (Enteignungs-) Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen beeinflußten Spezialisten behandelt. Schließlich mangelt es oft an einer eingehenden Differenzierung zwischen der Eigentumsdogmatik des BVerfG und der Sichtweise des BGH. Nur vereinzelt gibt es Äußerungen, die bereits etwas ausführlicher auf die bundesverfassungsgerichtliche Eigentumsdogmatik eingehen und versuchen, diese auf den denkmalschutzrechtlichen Bereich zu übertragen. Auch in den Kommentaren zum Denkmalschutzrecht ist diese Problematik im allgemeinen noch nicht hinreichend aufgearbeitet 21. Eine umfassende, die Regelungen in den einzelnen Denkmalschutzgesetzen vergleichend einbeziehende Erörterung aus dem Blickwinkel der inzwischen - zehn Jahre nach den grundlegenden Ausführungen des BVerfG - gefestigten und verfeinerten verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik fehlt bislang. Erst nach Abschluß dieser Arbeit ist noch eine neue Monographie zu diesem Themenkreis erschienen22. Dort wird das Verhältnis von Denkmalschutz und Eigentumsgewährleistung zwar auf dem Boden der neueren Eigentumsdogmatik des BVerfG erörtert, allerdings ohne diese zuvor so grundlegend aufzubereiten, wie dies hier geschieht. Ferner ist jene Untersuchung beschränkt auf den Baudenkmalschutz und sie hat ihren Schwerpunkt in entschädigungsrechtlichen Aspekten. Deshalb ist es angebracht, das geltende Denkmalschutzrecht insgesamt, sowohl die Rechtsprechung als auch die Gesetze aus der Sicht des Art. 14 GG zu untersuchen. Dabei steht die verfassungsrechtliche Beurteilung des Denkmalschutzrechtes im Vordergrund, d.h. die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines Eingriffs, und somit die Frage, ob ein Anspruch auf Abwehr besteht und es sich folglich um einen nicht durch Schranken gedeckten Grundrechtseingriff handelt. Dem Ansatz nach gehören daher die Entschädigungsansprüche aus dem sog. enteignenden Eingriff und dem sog. enteignungsgleichen Eingriff eigentlich nicht in diesen Zusammenhang. Denn bei diesen Ansprüchen - soweit diese Haftungsinstitute weiterhin Bestand 1987; Bülow, Rechtsfragen flächen- und bodenbezogenen Denkmalschutzes, 1986; Moench/Schmidt, Die Freiheit der Baugestaltung, 1989; Kleeberg/Eberl, Kulturgüter in Privatbesitz, 1990, Rdnr. 293 ff. 21

Vgl. nur - etwa bezogen auf die Einordnung der salvatorischem Entschädigungsklauseln - Strobl/Majocco/Birn, DSchG Bad.-Württ., 1989, § 24, und bei Memmesheimer/Upmeier/Schönstein, DenkmalR Nordrh.-Westf., 2. Aufl. 1989, Teil Β DSchG § 33. 22 Körner, Denkmalschutz und Eigentumsschutz, 1992.

I. Einführung

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haben (dazu ausführlich unten § 4 I I I 7, S. 154) - geht es nicht mehr um die Abwehr eines Grundrechtseingriffs, sondern es handelt sich um echte Haftungs- und Leistlingsansprüche. Da jedoch zumindest in der Vergangenheit die heftigsten Streitfälle in der Praxis in diesen Bereich fielen und deshalb gerade in diesem Zusammenhang die Sicht des dafür zuständigen BGH maßgeblich zum Tragen kam, besteht Anlaß, in dieser Abhandlung auch jenen Bereich miteinzubeziehen. Während in der Einführung bislang hervorgehoben wurde, daß die Blickrichtung von Art. 14 GG ausgehend auf die Beurteilung des Denkmalschutzrechtes gerichtet ist, soll diese Gesamtbetrachtung und -Würdigung eines begrenzten, in sich geschlossenen Spezialbereiches umgekehrt auch ein Testfall für die bundesverfassungsgerichtliche Eigentumsdogmatik sein. Hier kann sich zeigen, ob und inwieweit das vom BVerfG entwickelte Modell sämtliche Fallgestaltungen erfaßen und lösen kann, ob es angesichts der sich dabei zeigenden praktischen Probleme in sich schlüssig ist und wo ggf. Lücken sind oder neue Probleme entstehen bzw. absehbar sind. 3. Das Spannungsfeld von Denkmalschutz und Eigentum Gegenstand dieser Arbeit ist im tatsächlichen Bereich die Interessenkollision, die sich ergibt, wenn es darum geht, ob, inwieweit und mit welchen Konsequenzen und insbesondere auch Beschränkungen ein Gebäude oder ein Gegenstand dem Denkmalschutz unterliegt oder unterliegen soll. Betroffene Eigentümer befürchten oftmals, daß sie etwa bei der "Modernisierung" des Gebäudes weitgehenden Beschränkungen unterworfen sind und dies aus ihrer Sicht durch direkte oder indirekte finanzielle, insbesondere steuerlichen Vergünstigungen nicht ausgeglichen wird. Sie sehen ihr grundrechtlich geschütztes "Eigentum" entwertet, weil sie mit ihren denkmalgeschützten Bauwerk nicht mehr in gleicher Weise 'frei' verfahren können, wie andere Eigentümer, deren Gebäude keinen Beschränkungen dieser Art unterliegen. Andererseits stehen Eigentümer denkmalgeschützter Objekte dem Denkmalschutz gelegentlich durchaus auch positiv gegenüber, etwa weil bei denkmalgeschützten Gebäuden staatliche Zuschüsse oder Steuervergünstigungen die Renovierung erleichtern, weil der Eigentümer sich dadurch sonstige finanzielle Vorteile erhofft oder auch, weil er auf diese Weise eine bestimmte Planung, etwa einer Straße, verhindern möchte, weswegen gerade die bislang abgelehnte Unterschutzstellung eines Gebäudes als Denkmal angestrebt wird.

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§ 1 Untersuchungsgegenstand

Denkmalschutz berührt die Interessen der (privaten) Eigentümer der betroffenen Gegenstände oder Grundstücke. Das Interesse der Allgemeinheit am Denkmal und seiner Erhaltung kollidiert mit dem Interesse des Privaten an der uneingeschränkten Nutzung seines Eigentums. Der Privateigentümer kann sich dabei auf die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG berufen, deren Reichweite jedoch nicht grenzenlos ist, da das Eigentum andererseits nach Art. 14 Abs. 2 GG einer Sozialbindung unterliegt und der einfache Gesetzgeber im Rahmen seiner Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dazu aufgerufen ist, diese durch einfachgesetzliche Regelungen im einzelnen näher festzulegen. Das Spannungsverhältnis zwischen Denkmalschutz und Eigentum wird traditionell stark polarisiert, und es werden in der Regel vor allem Individualinteressen des privaten Eigentümers betont. Das ist unzweifelhaft ein wichtiger Aspekt, insbesondere angesichts der deutlichen Stärkung und Gewährleistung der Freiheitsrechte durch die Verankerung als einklagbare Grundrechte in der Verfassung. Dazu kommt aber beim heutigen, grundgesetzlich gewährleisteten Eigentumsschutz auch - und das wurde in seiner weitreichenden Bedeutung erst durch die umfangreiche Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 14 GG herausgearbeitet - die Sozialbindung, der der einzelne Eigentümer unterliegt und die ihm gewisse Beschränkungen ohne Entschädigung auferlegen kann. Diese Sozialpflichtigkeit ergibt sich in dem hier abzuhandelnden Bereich aus dem Interesse der Allgemeinheit am Denkmalschutz. Das Spannungsverhältnis jener im Widerstreit stehenden Komponenten auszuloten und die zugrundeliegenden dogmatischen Strukturen und Prinzipien, etwa das Prinzip vom Vorrang der Verfassimg, das spezifisch verfassungsrechtliche Eigentumsverständnis, die Bedeutung von landes-(verfassungs-)rechtlichen Vorgaben zum Denkmalschutz etc., aber auch die historischen Zusammenhänge für den Bereich des Denkmalschutzes aufzuzeigen, ist mithin Anliegen dieser Arbeit. Es ist dabei keineswegs vorgegebenes Ziel der Arbeit, von vornherein dem Denkmalschutz 'unter allen Umständen' einen höheren Stellenwert als dem Eigentum zuordnen zu wollen. Es dürfen nicht Überzeugungen oder Wunschvorstellungen in juristische Thesen' verkleidet und so bestimmte Ergebnisse angestrebt werden, wie dies gerade im Denkmalschutz zuweilen je nach Anliegen der Autoren (pro Denkmalschutz oder pro unbeschränkter Privateigentümerstellung) versteckt oder offen erkennbar ist. Diese Arbeit zielt darauf ab, durch eine an juristischen Kriterien orientierte und methodisch vorgehende Deduktion das Verhältnis von Denkmalschutz und Eigentum zu klären. In diesem Zusammenhang zeigt sich, daß die historische Betrachtung ein recht differenziertes Bild ergibt und etwa eine heute noch oftmals aus naheliegenden Gründen vertretene, besonders (privat-) eigen-

I. Einführung

25

tümerfreundliche Haltung nicht ohne weiteres mit einem Verweis auf die historische rechtliche Situation des Eigentums begründet werden kann. 4. Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes Die Untersuchung soll die denkmalschutzrechtlichen Normen und ihre Anwendung aus dem Blickwinkel der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik des Art. 14 GG beleuchten und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die künftige Rechtsanwendung aufzeigen. Erörtert werden daher auch die sich dabei ergebenden Abgrenzungsfragen aus verfassungsrechtlicher Sicht, soweit sie abstrakt oder anhand verallgemeinerungsfähiger Beispielsfälle dargelegt werden können. Die sich im konkreten Anwendungsfall stellenden, meist heftig umstrittenen Abgrenzungsfragen 23 sind dagegen nicht Gegenstand der Arbeit. Diese Abgrenzungen lassen sich nur im Einzelfall anhand der jeweils relevanten Umstände individuell beurteilen; genaue Vorgaben, insbesondere Zahlen- oder Verhältnisangaben, sind - jedenfalls aus rechtlicher Sicht - nicht möglich und könnten auch nicht immer sämtlichen zu berücksichtigenden Faktoren gerecht werden. Der Denkmalschutz ist ferner nur insoweit Gegenstand der vorliegenden Erörterungen, als er Privateigentümer betrifft. Nicht behandelt wird der Denkmalschutz im staatlichen Bereich, etwa sofern die öffentliche Hand selbst Eigentümer denkmalgeschützter oder denkmalschutzwürdiger Gebäude oder Gegenstände ist. Die Fragen zum Denkmalschutz im Verhältnis Staat - Gemeinde bleiben ebenfalls ausgeblendet. Gemeinden können sich auch außerhalb der Wahrnehmimg öffentlicher Aufgaben nicht auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG berufen 24. Zwar sind bei Entscheidungen über Denkmale im Eigentum der Gemeinde die "wohlverstandenen Belange der Gemeinde im Rahmen der Selbstverwaltungsgarantie" des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und etwa des Art. 71 Abs. 1 LVerf Bad.-Württ. bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen25, doch das ist ein anderes Thema26.

23 Vgl. dazu etwa M. Müller, Baudenkmalschutz und Eigentumsbeeinträchtigung, 1985, der ausführlich die einzelnen Ansätze in Rechtsprechung und Literatur (Situationsgebundenheit und Zumutbarkeit) erörtert, sowie die einschlägigen Ausführungen in den Kommentaren, die jeweils auch die Fülle der Beispielsfalle aus der Praxis aufzeigen. 24

BVerfGE 61,82 (100 ff.) - Sasbachentscheidung.

25

VGH Mannheim, U.v. 10.10.1989 - 1 S 736/88, VB1BW 1990, S. 182 (185 m. weit. Nachw.). 26

Dazu Schmittat, Denkmalschutz und gemeindliche Selbstverwaltung, 1988, S. 184 ff.

26

§ 1 Untersuchungsgegenstand

Schließlich werden die Fragen des innerkirchlichen Denkmalschutzes nicht erörtert, weil es dort einige Besonderheiten gibt (siehe unten I I 2, S. 33)21. Zwar ist das kirchliche Eigentum im Grundsatz nicht anders als das Eigentum Privater geschützt28, der innerkirchliche Denkmalschutz ist jedoch besonderen rechtlichen Regelungen unterworfen und wird in unterschiedlicher Weise ganz, teilweise oder überhaupt nicht von den staatlichen Denkmalschutzgesetzen der einzelnen Bundesländer erfaßt 29. Aus der grundgesetzlich gewährleisteten Religionsfreiheit und der Freiheit der Kirche sowie der Garantie des Kirchenguts nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 und 138 Abs. 2 WRV ergeben sich zumindest für die res sacrae, die in der Liturgie Verwendung finden, besondere Rechtsfragen. Diese betreffen hauptsächlich das grundsätzliche Verhältnis von Staat und Kirche und damit einen komplexen eigenständigen Fragenkreis, der über den Rahmen dieser Arbeit hinausgeht.

IL Die gesetzlichen Regelungen zum Denkmalschutz im Überblick Unabhängig von den detaillierten Ausführungen unten in § 7 soll nun - als Hintergrund für die später folgende Darlegung der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik - zunächst in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ein kurzer Überblick über die gesetzlichen Regelungen zum Denkmalschutz verschafft werden. 1. Bundesrecht Denkmalschutz ist in den Kompetenzbestimmungen des Grundgesetzes nicht ausdrücklich erwähnt. Lediglich der Schutz deutschen Kulturgutes ge27

Grundlegend dazu Hechel, Staat Kirche Kunst, Rechtsfragen kirchlicher Kulturdenkmäler, 1968; ders., Der Denkmalschutz an den Sakralbauten in der Bundesrepublik Deutschland, Kulturschutz und Kirchenfreiheit im säkularen Verfassungssystem, in: Chatelain/Beseler/Ray/Heckel, Denkmalpflege und Denkmalschutz an den Sakralbauten in der Bundesrepublik Deutschland und in Frankreich, 1987, S. 85 (87 ff.), neuerdings wiederabgedruckt in: ders., Gesammelte Schriften, Staat Kirche Recht Geschichte, Bd. II, 1989, S. 1075 ff.; s. auch Hollerbach, Kunst- und Denkmalpflege, in: Listl/Müller/Schmitz (Hrsg.), Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 1983; Hönes, Denken - schützen - Denkmalschutz, Zur Praxis der Inschutznahme von Kulturdenkmälern, in: VerwArch 80 (1989), S. 480 (487 f.). 28 So VGH Mannheim, U.v. 10.5.1988 - 1 S 1949/87, NVwZ^RR 1989, S. 232 (237 f.); - im einzelnen jedoch umstritten, vgl. Bryde, in: v. Münch, Grundgesetzkommentar, Bd. 1, 3. Aufl. 1985, Art. 14 GG, Rdnr. 9 m. weit. Nachw. 29

Ausführlich erörtert etwa bei Hechel, Denkmalschutz an Sakralbauten, in: Chatelain/Beseler/Ray/Heckel, S. 87 ff.

II. Die gesetzlichen Regelungen zum Denkmalschutz im Überblick

27

gen Abwanderung ist Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 72, 74 Nr. 5 GG). Mittelbar und teilweise berührt der Denkmalschutz das Bodenrecht als Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung (siehe unten § 6 I, S. 211 ff.). Kulturdenkmalschutz ist jedoch insgesamt Teil des Kulturrechts und gehört damit insoweit zur Gesetzgebungskompetenz der Länder (ausführlich § 6 II, S. 214 ff.), die inzwischen umfassende Denkmalschutzgesetze erlassen haben. Auf Bundesebene gibt es bereits seit den 50er Jahren ein MGesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung* 30 (Kulturschutzgesetz), das die Ausfuhr deutschen Kulturgutes, das sind Kunstwerke und andere Kulturgüter einschließlich Bibliotheks- sowie Archivgut, deren Abwanderung in das Ausland einen wesentlichen Verlust bedeuten würde, erfaßt. Diese Kulturgüter sind in ein 'Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes' aufzunehmen; ihre Ausfuhr bedarf der Genehmigung (§§ 1, 10 KulturSchG) 31. Soweit Denkmale in dieses Verzeichnis aufgenommen sind, unterliegen auch sie den Bestimmungen des Kulturschutzgesetzes. Soweit jedoch die Denkmalschutzgesetze der Länder bereits die Entfernung von Denkmalen unter Genehmigungsvorbehalt gestellt haben, ist deren Regelungsbereich wesentlich weiter als der des Kulturschutzgesetzes32. Die Eintragung des national wertvollen Kulturgutes in das genannte Verzeichnis wird von der h.M. als verfassungsrechtlich zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG angesehen, da nur eine Genehmigungspflicht und kein absolutes Ausfuhrverbot besteht - die Ausfuhrgenehmigung ist gem. § 1 Abs. 4 Satz 2 KulturSchG nur dann zu versagen, wenn bei der Abwägung im Einzelfall wesentliche Belange des deutschen Kulturbesitzes überwiegen und da zudem für solche Gegenstände eine insbesondere steuerliche Vergünstigung vorgesehen ist (§ 1 Abs. 3 KulturSchG) 33. Da dies dieselbe Frage ist, wie die, die sich bei den Eintragungen der Denkmale nach den Denkmalschutzgesetzen der Länder stellt (siehe unten § 7 11, S. 233 ff.), sind die in dieser Arbeit entwickelten Thesen auch auf das Kulturschutzgesetz übertragbar; das Kulturschutzgesetz wird deshalb im folgenden nicht mehr gesondert erwähnt.

30 Vom 6.8.1955, BGBl. I S. 501, geändert durch G. v. 24.5.1968, BGBl. I S. 503, sowie G. v. 2.3.1974, BGBl. I S. 469. 31

Ausführlich dazu Pieroth/Kampmann, stände, NJW 1990, S. 1385 (1386 ff.). 32 33

So auch Pieroth/Kampmann,

Außenhandelsbeschränkungen für Kunstgegen-

ebd., S. 1386 m.w.N.

VGH Mannheim, U. v. 14.3.1986 - 5 S 1804/85, NJW 1987, S. 1440 m.w.N.; Pieroth/ Kampmann, ebd., S. 1386.

28

§ 1 Untersuchungsgegenstand

Daneben wurde am 1.6.1980 ein "Gesetz zur Berücksichtigung des Denkmalschutzes im Bundesrecht" erlassen34, durch das die Pflicht, die Erfordernisse des Denkmalschutzes zu berücksichtigen und auf die Erhaltung von Kulturdenkmälern zu achten, in verschiedene Bundesgesetze, beispielsweise Raumordnungsgesetz, Bundeswasserstraßengesetz, Flurbereinigungsgesetz, Bundesnaturschutzgesetz etc. eingefügt worden ist. So sind nach § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 5 BauGB vom 8.12.1986 nunmehr ausdrücklich die Belange des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege sowie die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung bei der Aufstellung von Bauleitplänen zu berücksichtigen. Gemäß § 5 Abs. 4 und § 9 Abs. 6 BauGB sind bestimmte, nach Landesrecht ermittelte Denkmäler nachrichtlich in Bauleitplänen aufzuführen. Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen sollen dazu beitragen, den Erfordernissen des Denkmalschutzes Rechnung zu tragen (§ 136 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 BauGB). Da mit diesen Regelungen nicht der denkmalschutzrechtliche Bereich eigenständig vom Bund geregelt wird, sondern die landesrechtlichen Regelungen durch die in die Bundesgesetze eingefügten Gebote, die Belange des Denkmalschutzes im jeweiligen Regelungsbereich besonders zu beachten, ergänzt und aufgewertet werden, ist dabei die Regelungskompetenz des Bundesgesetzgebers nicht überschritten. Des weiteren gibt es eine ganze Reihe von Vorschriften, die die steuerliche Bewertung und Behandlung von Baudenkmalen insbesondere durch Steuerbefreiungen, -Vergünstigungen und Möglichkeiten des Steuererlasses regeln35. Im Rahmen der Einkommensteuer gibt es vor allem bei der Abschreibung der Herstellungskosten (nicht aber der Anschaffungskosten) für die zur Erhaltung des Gebäudes und zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlichen Baumaßnahmen an Baudenkmalen gegenüber 'normalen' Objekten deutlich höhere Abschreibungsbeträge und sonstige Vergünstigungen nach § 7 i EStG - Erhöhte Absetzungen bei Baudenkmalen -, § 10 f EStG - Steuerbegünstigung für zu eigenen Wohnzwecken genutzte Baudenkmale etc. -, und § I I b EStG - Sonderbehandlung von Erhaltungsaufwand bei Baudenkmalen - (gültig ab 1.1.1990 bzw. 1.1.1991; davor war dies den §§ 82 a, i und k EStDV zu entnehmen)36. Ferner besteht nach § 115 Bewertungsgesetz (BewG) für (Bau- und bewegliche) Denkmale eine vermögenssteuerliche und ggf. auch eine gewerbekapitalsteuerliche Begünstigung (sachlich sogar 34

BGBl. IS.649.

35

Dazu im einzelnen ausführlich Kleeberg/Eberl, Kulturgüter in Privatbesitz, 1990, Rdnr. 351 ff. im Kapitel "Steuerrecht"; vgl. ferner etwa Dorffeldt/Viebrock, Hess. DSchR, 2. Aufl. 1991, Teil A, Einf. Rdnr. 25 ff.; Eberl/Martin/Petzet, Bayer. DSchG, 4. Aufl. 1991, Teil C, Art. 25; Strobl/Majocco/Birn, DSchG Bad.-Württ., 1989, Einl. 5. Die in diesem Absatz genannten Vorschriften sind dort jeweils im Wortlaut wiedergegeben. 36

Vgl. die Übersicht bei Kleeberg/Eberl,

ebd., S. 236.

II. Die gesetzlichen Regelungen zum Denkmalschutz im Überblick

29

eine Steuerbefreiung), da diese Objekte nur mit 40 % ihres Wertes bzw. unter bestimmten Umständen sogar überhaupt nicht anzusetzen sind. Teilweise oder vollständige Steuerbefreiungen für bewegliche und für Baudenkmale enthält ferner § 13 Abs. 1 Nr. 2 u. 3 ErbStG in bezug auf die Erbschafts- und Schenkungssteuer. Schließlich gibt es noch bei der Grundsteuer, der Gewerbesteuer und der Umsatzsteuer Regelungen über Steuervergünstigungen oder den Erlaß von Steuern für bestimmte Fallgestaltungen im Zusammenhang mit Denkmalen. Sodann ist der Denkmalschutz auch im Strafgesetzbuch 37 berücksichtigt, indem in § 304 StGB die Beschädigung oder Zerstörung u.a. auch von Denkmälern unter Strafe gestellt ist. 2. Landesrecht Die wesentlichen Regelungen des Denkmalschutzes finden sich in den Denkmalschutzgesetzen der Länder, deren gegenwärtig geltender Inhalt ausführlich unten in § 7 (S. 230 ff.) dargelegt ist. Hier wird daher nur ein Überblick über die wesentliche Regelungsstruktur gegeben. Das erste, nach Bildung der Bundesrepublik erlassene Denkmalschutzgesetz erging am 12. Juli 1949 in Baden 38. Anschließend begann 1957 mit der Verabschiedung des schleswig-holsteinischen die Reihe der heute noch geltenden, teilweise bereits wieder novellierten, meist aus den siebziger Jahren stammenden Denkmalschutzgesetze39. 37

In der Fassung der Bekanntmachung vom 10.3.1987 (BGBl. IS. 945, ber. S. 1160).

38

GVB1. S. 303. Vgl. dazu Hans, Denkmalschutz in Baden im 19. und im 20. Jahrhundert, 1985, S. 118 f., 126 ff. 39

Baden-Württemberg: Gesetz zum Schutz der Kulturdenkmale vom 25.5.1971 (GBl. S. 209) i.d.F. vom 6.12.1983 (GBl. S. 797), zuletzt geändert durch G. v. 27.7.1987 (GBl. S. 230). Bayern: Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler vom 25.6.1973 (GVB1. S. 328), zuletzt geändert am 7.9.1982 (GVB1. S. 722). Berlin: Gesetz zum Schutz von Denkmalen in Berlin vom 22.12.1977 (GVB1. S. 2541) i.d.F. vom 30.11.1981 (GVBI. S. 1470). Bremen: Gesetz zur Pflege und zum Schutz der Kulturdenkmäler vom 27.5.1975 (brem. GBl. S. 265), zuletzt geändert durch G. v. 13.6.1989 (brem. GBl. S. 230). Hamburg: Denkmalschutzgesetz vom 3.12.1973 (GVBI. S. 466) i.d.F. des Änderungsgesetzes v. 12.3.1984 (GVBI. S. 61). Hessen: Gesetz zum Schutze der Kulturdenkmäler vom 23.9.1974 (GVBI. I S. 451) i.d.F. vom 5.9.1986 (GVBI. IS. 269). Niedersachsen: Niedersächsisches Denkmalschutzgesetz vom 30.5.1978 (nieders. GBV1. S. 517), zuletzt geändert durch G. v. 22.3.1990 (nieders. GVBI. S. 101). Nordrhein-Westfalen: Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler im Lande NordrheinWestfalen vom 11.3.1980 (GV. NW. S. 226), bereinigt am 30.7.1980 (GV. NW. S. 716), zuletzt geändert durch G. v. 20.6.1989 (GV. NW. S. 366).

30

§ 1 Untersuchungsgegenstand

Daneben enthalten einige Landesverfassungen (in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland) Bestimmungen, nach denen Denkmale dem Schutz und der Pflege des Staates und der Gemeinden unterliegen (dazu näher unten § 6 II, S. 214 ff.). Nach den Ziel- und Zweckbestimmungen der Denkmalschutzgesetze der Länder ist es Aufgabe von Denkmalschutz und Denkmalpflege, Kulturdenkmale zu schützen und zu pflegen (so z.B. § 1 bwDSchG). Der zentrale Begriff des '[Kultur] Denkmals' ist etwa nach § 2 Abs. 1 bwDSchG definiert als "Sache ... an deren Erhaltung aus wissenschaftlichen, künstlerischen oder heimatgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse besteht". In den anderen Ländern wird in wechselnder Zusammenstellung der Begriff 'Kulturdenkmal' mit Hilfe der Bedeutungskategorien: geschichtlich, künstlerisch, städtebaulich, wissenschaftlich oder volkskundlich bzw. heimatkundlich definiert (ausführlich erläutert in § 6 III, S. 222 ff.). Obwohl die Denkmalschutzgesetze der Länder nach ihrer Regelungsstruktur auf den ersten Blick sehr ähnlich aufgebaut sind, bestehen Unterschiede in der Regelungstechnik hinsichtlich der Auslösung der gesetzlichen Schutzwirkungen. Soweit es um die Frage der Eigentümerbetroffenheit geht, ist von Bedeutung, ab wann und unter welchen Voraussetzungen der Schutz der Gesetze eingreift. Dies ist abhängig von unterschiedlichen Prinzipien, die den Denkmalschutzgesetzen zugrundeliegen. Es gibt zwei Formen der rechtlichen Erfassimg von Denkmalen: einerseits das Normativprinzip und andererseits das Eintragungsprinzip (nach französischem Vorbild auch Listenprinzip genannt). Das Normativprinzip ist gegeben, sofern das Gesetz vorsieht, daß ein Denkmal bereits allein durch die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des (Kultur-) Denkmalbegriffes den (Schutz-) Vorschriften des Denkmalschutzgesetzes unterliegt, ohne daß zusätzliche, insbesondere feststellende, Maßnahmen hinzukommen (ipsa lege). Das Eintragungsprinzip besagt dagegen, daß erst eine Eintragung in eine Denkmalliste oder ein Denkmalbuch41 konstitutiv für die Anwendung Rheinland-Pfalz: Landesgesetz zum Schutz und zur Pflege der Kulturdenkmäler vom 23.3.1978 (GVBI. S. 159), zuletzt geändert durch G. v. 27.10.1986 (GVBI. S. 291). Saarland: Gesetz Nr. 1067 zum Schutz und zur Pflege der Kulturdenkmäler im Saarland vom 12.10.1977 (Amtsbl. S. 993). Schleswig-Holstein: Gesetz zum Schutze der Kulturdenkmale vom 7.7.1958 (GVOB1. Schl.-H. S. 217) i.d.F.d. Bek. v. 18.9.1972 (GVOB1. Schl.-H. S. 164), zuletzt geändert am 25.2.1983 (GVOB1. Schl.-H. S. 136). 40 Art. 86 LVerf Bad.-Württ., Art. 141 Abs. 2 LVerf Bay, Art. 62 LVerf Hess, Art. 18 Abs. 2 LVerf NW, Art 40 Abs. 3 LVerf Rh.-Pf., Art. 34 Abs. 2 LVerf Saarl. 41

Nach den gesetzlichen Regelungen ist meist entweder eine Denkmalliste oder ein Denkmalbuch zu führen. In der Regel unterscheiden sich Denkmalliste und Denkmalbuch somit lediglich in der Bezeichnung. In Hessen und in Schleswig-Holstein besteht auch ein Un-

II. Die gesetzlichen Regelungen zum Denkmalschutz im Überblick

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der Schutzvorschriften des Gesetzes ist. Es gibt allerdings auch Eintragungen in Denkmalbücher- oder -listen, die lediglich deklaratorischer Art sind; dieses Verfahren ist kein Fall des Eintragungsprinzips, sondern dem Normativprinzip zuzuordnen. Ausnahmsweise ist statt der Eintragung in eine Liste oder ein Buch auch eine besondere Unterschutzstellung allein durch Verwaltungsakt oder Rechtsverordnung vorgesehen; dann ist der Abschluß dieses Verfahrens konstitutiv für die Anwendung der Schutzvorschriften. Die in den Ländern jeweils geltenden Regelungen sind unten in § 7 in Übersicht 1 (S. 236 f.) im einzelnen detailliert aufgeführt und anschließend erläutert. Daraus ergibt sich, daß das sehr umfassende Normativprinzip in reiner Form, d.h. ohne Vermischung mit konstitutiven Eintragungselementen, nur im Saarland konsequent durchgeführt worden ist. Das Eintragungsprinzip mit der konstitutiven Eintragung in Denkmalbücher und/oder listen ist ausschließlich nur in Berlin und in Schleswig-Holstein, sowie - mit einer Ausnahme (archäologische Gegenstände) - auch in Hamburg verwirklicht. In den übrigen Ländern gibt es, allerdings mit jeweils anderen Schwerpunkten, nur vermischte Formen, bei denen Normativ- und Eintragungs- oder Unterschutzstellungsprinzip nebeneinander, in der Regel für unterschiedliche Gruppen von Denkmalen gelten. In Bremen und NordrheinWestfalen gilt hauptsächlich das Eintragungsprinzip; das Normativprinzip gilt nur fiir Bodendenkmäler und betrifft auch nur einen Teil der gesetzlichen Vorschriften. In Niedersachsen, Bayern und Hessen gilt im Grundsatz ebenfalls das Normativprinzip; für bewegliche Kulturdenkmale ist dort jedoch das Eintragungsprinzip verankert. In Rheinland-Pfalz ist 'flächendeckend', d.h. bezogen auf einige Gebote, das Normativprinzip verwirklicht; für die Geltung weiterer Schutzvorschriften ist daneben keine Eintragung, sondern ein besonderes Unterschutzstellungsverfahren (behördliche Anordnung durch Verwaltungsakt) erforderlich. In Baden-Württemberg gilt das Normativprinzip bei allen Kulturdenkmalen. Darüber hinaus gibt es noch für Kulturdenkmale 'von besonderer Bedeutung' eine Eintragung, die sich jedoch nicht auf die bereits eo ipso feststehende Denkmaleigenschaft bezieht, sondern die nur besondere Schutzwirkungen auslöst. Eigentümer von Denkmalen haben zunächst nach allen Denkmalschutzgesetzen meist umfassende Erhaltungs- und Pflegepflichten, die in der Regel, jedoch nicht in allen Ländern und auch in unterschiedlichem Umfang, unter dem Vorbehalt der (wirtschaftlichen) Zumutbarkeit stehen. Darüber hinaus gibt es meist ein Genehmigungserfordernis für bestimmte Handlungen und terschied in der Sache: Das Denkmalbuch ist das endgültige Verzeichnis der Kulturdenkmale (§§ 5 u. 6 shDSchG); die Denkmalliste ist hingegen ein nachrichtliches Verzeichnis, in das Kulturdenkmale, deren Eintragung in das Denkmalbuch vorgesehen ist, aufzunehmen sind (§ 6a shDSchG, ähnlich § 11 hessDSchG).

32

§ 1 Untersuchungsgegenstand

Maßnahmen, insbesondere verändernden Charakters. Teilweise bestehen insoweit sogar ausdrücklich oder inzident generelle Veränderungsverbote. Es sind ferner weitere Haupt- und Nebenpflichten enthalten, wie Instandsetzungs-/-haltungs- und Wiederherstellungspflichten, Anzeigepflichten, Nutzungsgebote, Nutzungsbeschränkungen, Auskunftspflichten, Duldungspflichten, Betretungs- und Zugangsrechte, die entweder eo ipso bestehen oder gesondert angeordnet werden können oder müssen. Der erwähnte Zumutbarkeitsvorbehalt ist, soweit vorhanden, von zentraler Bedeutung, weil danach zu beurteilen ist, welche Maßnahmen von einem Eigentümer zur Erhaltung des Denkmals verlangt werden können und welche nicht. Ergänzt werden diese Regelungen meist durch Vorschriften, wonach Verstöße gegen die darstelwichtigsten der genannten Verpflichtungen eine Ordnungswidrigkeit len. Die Denkmalschutzgesetze enthalten ferner in der Regel ausdrückliche Vorschriften über die förmliche Enteignung und teilweise zudem sog. salvatorische Klauseln über Entschädigungen für "enteignende Wirkungen". Für den kirchlichen Bereich bleiben nach einigen Denkmalschutzgesetzen explizit bereits bestehende Verträge mit den Kirchen von der denkmalschutzgesetzlichen Regelung unberührt (§ 26 bayDSchG, § 28 hessDSchG, § 36 ndsDSchG). Andere Denkmalschutzgesetze enthalten für diesen Bereich besondere Regelungen, meist für Kulturdenkmale, die dem Gottesdienst oder sonstigen Kulthandlungen dienen (§ 11 bwDSchG, § 15 bin DSchG, § 38 nwDSchG, § 23 rhpfDSchG, 14 saarlDSchG). Danach ist z.B., anders als im Regelfall, keine förmliche Enteignung möglich. Auch bei Gebäuden, die unmittelbar kirchlichen Zwecken dienen, müssen kircheninterne Stellen in Denkmalfragen zumindest gehört werden oder haben sogar ein Mitsprache- oder das Alleinentscheidungsrecht42. Für das Landesrecht ist noch ergänzend zu erwähnen, daß die Veräußerung von Denkmalen durch Gemeinden oftmals der Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde bedarf (z.B. bei Denkmalen von besonderer Bedeutung in Baden-Württemberg nach § 92 Abs. 3 Ziff. 2 bwGemO); vor Erteilung der Genehmigung sind entsprechende Veräußerungsgeschäfte unwirksam, wird die Genehmigung versagt, sind sie nichtig (§ 117 Abs. 1 bw GemO). Als Bestandteile des nationalen Rechtskreises sind hier nur die denkmalschutzrechtlichen Regelungen der alten Bundesländer berücksichtigt. In den neuen Bundesländern sind zunächst, da der Einigungsvertrag insoweit keine 42

Dieser Bereich soll hier wegen seiner speziellen verfassungsrechtlichen Problematik nicht weiter erörtert werden, vgl. dazu bereits oben § 114, S. 26 m.w.N.

II. Die gesetzlichen Regelungen zum Denkmalschutz im Überblick

33

spezielle Aussage trifft, das Gesetz zur Erhaltung der Denkmale in der Deutschen Demokratischen Republik (Denkmalpflegegesetz) 43 und das Gesetz zum Schutz des Kulturgutes der Deutschen Demokratischen Republik (Kulturgutschutzgesetz)44 nach Art. 9 Abs. 1 des Einigungsvertrages 45 als Landesrecht in Kraft geblieben, soweit sie mit dem Grundgesetz vereinbar waren. Obwohl auf den Denkmalschutz und die Denkmalpflege bezogen zum Teil möglicherweise vergleichbare Regelungsansätze vorhanden waren, sind diese Regelungen, da sie in eigentumsrechtlicher Hinsicht auf anderen rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen beruhen und deshalb grundsätzlich nicht in das eigentumsdogmatische System des Grundgesetzes hineinpassen, jedenfalls im Hinblick auf die Eigentums- und Enteignungsfragen durch neue Regelungswerke zu ersetzen. Dafür sind, da Schutz und Förderung von Kultur und Kunst den neuen Ländern und Kommunen entsprechend der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes obliegt (Art. 35 Abs. 3 des Einigungsvertrages), die Gesetzgeber in den neuen Bundesländern zuständig. Inzwischen sind in einigen neuen Bundesländern bereits neue Denkmalschutzgesetze erlassen worden46. Sie in diese Untersuchung einzubeziehen war nicht mehr möglich. Die hier gefundenen Ergebnisse lassen sich jedoch ohne weiteres übertragen. 3. Internationale Regelungen Neben den nationalen Regelungen gibt es auf internationaler Ebene die von der Bundesrepublik mitunterzeichnete "Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten" (sog. Haager Konvention) vom 14.5.195447, wonach Kulturgut schon in Friedenszeiten zu sichern und bei bewaffneten Konflikten von der Gegenseite zu respektieren ist, indem diese 'Von allen gegen dieses Gut gerichteten feindseligen Handlungen Abstand nehmen" (Art. 4 Abs. 1). Der Haager Konvention ist durch das "Gesetz zu der Konvention ... zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten" vom 11.4.196748 zugestimmt worden; das Gesetz enthält auch Ausführungsund Zuständigkeitsbestimmungen.

43

Vom 19. Juni 1975, GBl. IS. 458 m. Änderung v. 3.7.1980, GBl. IS. 191.

44

Vom 3. Juli 1980, GBl. IS. 191.

45

Einigungsvertragsgesetz vom 23.9.1990, BGBl. II S. 885 ff.

siehe z.B. v. Mutius/Friedrich, Denkmalschutz in den neuen Bundesländern - Konfliktsteuerung durch Rechtsetzung und Rechtsanwendung, LKV1992, S. 247 ff. 46

47

BGBl. 1967 II S. 1233,1237.

48

BGBl. 1967 II S. 1233, geändert durch G. v. 10.8.1971, BGBl. 1971 S. 1025.

3 Melchinger

§ 1 Untersuchungsgegenstand

34

Die Bundesrepublik ist im Jahre 197449 auch dem "Europäischen Übereinkommen zum Schutz archäologischen Kulturgutes* vom 6.5.196950 beigetreten, das die Erhaltung und Erforschung von archäologischen Gegenständen (Bodendenkmalen) betrifft. Der Europarat hat sodann am 3.10.1985 das von der Bundesrepublik am 17.8.1987 ratifizierte und zum 1.12.1987 in Kraft getretene51 HÜbereinkommen zur Erhaltung des architektonischen Erbes in Europa" verabschiedet, das den Schutz ortsfester Denkmäler, Ensembles und sonstiger Stätten betrifft und die Vertragsparteien unter anderem dazu verpflichtet, geeignete gesetzliche Maßnahmen zu deren Schutz zu schaffen und deren Einhaltung auch zu überwachen. Am 23.11.1972 wurde das UNESCO-"Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt" getroffen, dem die Bundesrepublik 1977 beigetreten ist52. Geschützt werden danach Kulturgüter von "außergewöhnlich universellem Wert", indem sie in eine spezielle Liste aufgenommen und gemeinsame Anstrengungen zu ihrer Erhaltung unternommen werden. In diese Liste waren in der Bundesrepublik Deutschland bis Ende 1988 aufgenommen: Aachener Dom und Speyerer Dom, die Wallfahrtskirche Die Wies, die Würzburger Residenz, Schloß Augustusburg und Schloß Falkenlust in Brühl, Dom und Michaelskirche in Hildesheim, die historischen Baudenkmäler in Trier, die Altstadt in Lübeck53. Der Europarat hat im Denkmalschutzjahr 1975 eine "Europäische Denkmalschutz-Charta" 5* beschlossen, die jedoch keine verbindlichen Rechtssätze enthält, sondern lediglich Appellcharakter hat. Sie beinhaltet Äußerungen zu Zielen und Zwecken des Denkmalschutzes und mahnt eine intensivere rechtliche, finanzielle und tatsächliche Förderung des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege an. Den gleichen Zweck verfolgt die ebenfalls unverbindliche, von einem 'Kongreß über das europäische Bauerbe' am 25.10.1975 verabschiedete, ausführliche "Deklaration von Amsterdam" 55.

49

G. v. 17.10.1974, BGBl. II S. 1285.

50

Bek. v. 17.10.1974, BGBl. II S. 1285.

51

BGBl. II S. 623.

52

Bek. v. 2.2.1977, BGBl. II S. 213; abgedruckt in: Sartorius II, Internationale Verträge Europarecht, Nr. 410. 53

Aufgeführt bei Strobl/Majocco/Birn,

54

Vom September 1975, abgedruckt in DVB1.1975, S. 946 f.

55

Abgedruckt: DVB1.1975, S. 947 ff.

DSchG Bad.-Württ. 1989, Einl., S. 14.

III. Begriffsbestimmungen und Denkmalarten

35

III. Begriffsbestimmungen und Denkmalarten Der juristische Denkmalbegriff ist maßgeblich von den gesetzlichen Schutzzwecken (historisch, künstlerisch, wissenschaftlich, städtebaulich, volkskundlich etc.; dazu näher unten in § 6 III, S. 222 ff.) bestimmt. Dennoch ist auch dafür zunächst Ausgangspunkt das allgemeine Begriffsverständnis von 'Denkmal', 'Denkmalschutz' und 'Denkmalpflege'. Deshalb und, weil dadurch der tatsächliche Gegenstand der Untersuchung beschrieben wird, werden diese Begriffe sowie die einzelnen Denkmalarten nachfolgend erläutert. 1. Denkmal Der Begriff Denkmal56 hat unterschiedliche Bedeutungsebenen. Das Wort wurde im 16. Jh. im Sinne von 'Gedächtnishilfe', allgemein von 'Erinnerungszeichen', dann in der Bedeutung 'Gedenkstein oder -bild' und seit dem 17. Jh. in der Bedeutung 'Schrift-, Bild-, Bauwerk der Vorzeit' verwendet57. Heute kann Denkmal im Sinne von Monument, aber auch in der Bedeutung von Kulturgut als Zeugnis mit geschichtlichem Wert im weitesten Sinne gemeint sein. a) Monument Das aus dem lateinischen 'monumentimi' - abgeleitet aus 'monere' = mahnen, ermahnen, erinnern 58 - stammende Wort Monument mit dem Sinn 'großes Denkmal, Ehrenmahl' 59 bezeichnet Gegenstände, zumeist Statuen, Darstellungen einer Person oder Personengruppe (z.B. Herrscherdarstellungen), sowie sonstige Gebilde (z.B. Gedenksteine oder Gedenktafeln) oder Gebäude (z.B. [Bismarck-] Türme), aber auch Mahnmale (z.B. an Kriegsschauplätzen oder in Konzentrationslagern 60), die bewußt zur Erinne56

Es herrscht noch immer keine Einigkeit darüber, ob der Plural von 'Denkmal' 'Denkmäler' oder 'Denkmale' lautet. Nach Duden, Bd. 1, Rechtschreibung der deutschen Sprache und der Fremdwörter, 19. Aufl. 1986, Stichwort 'Denkmal', ist beides möglich. 57

Duden, Bd. 7, Etymologie, 2. Aufl.1989, Stichwort 'Denkmal'; Kluge, Etymologisches Wörterbuch der Deutschen Sprache, 22. Aufl. 1989, Stichwort 'Denkmal'. 58

Duden, Bd. 7, ebd.; Kluge, ebd.; vgl. auch Sauerländer, Erweiterung des Denkmalbegriffes?, in: Deutsche Kunst und Denkmalpflege, 33. Jg. 1975, S. 117 (118). 59 Duden, Bd. 7, ebd.; Kluge, ebd.; Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 1968/1971, Stichwort 'Monument'. 60

Vgl. £twa OVG Koblenz, U.v. 27.9.1989 -10 C 22/88, NJW 1990, S. 2018 f.

36

§ 1 Untersuchungsgegenstand

rung an bestimmte historische Ereignisse oder bestimmte Personen geschaffen worden sind61. Hierbei handelt es sich oftmals um künstlerisch gestaltete Gegenstände, die sehr häufig an exponierten Standorten errichtet oder angebracht werden. b) Denkmal i.w.S. und Denkmalbegriff In der weiten, allgemeinen Bedeutung ist Denkmal ein Zeugnis aus vergangenen Zeiten 62. Der Inhalt dieser allgemeinen Bedeutung des Wortes 'Denkmal' ist geprägt vom jeweiligen ([fach-]wissenschaftlichen) Sprachgebrauch. Das heutige Verständnis des allgemeinen Denkmalbegriffes ist gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden und vor allem von den Kunsthistorikern Georg Dehio und Alois Riegl entwickelt worden63. Danach ist wesentliches Merkmal eines Denkmales seine Eigenschaft, Zeugnis über die Vergangenheit vorwiegend menschlichen Schaffens und Wirkens abzulegen ; maßgeblich ist dabei die materielle Überlieferung der historischen Aussage, die in einem in diesem Zustand nicht wiederherstellbaren Originalgegenstand aus jener Zeitepoche verkörpert ist. Die wesentliche Weiterentwicklung dieses Denkmalbegriffes liegt darin, daß er nicht mehr, wie zuvor noch im 19. Jh., von den auf den jeweils aktuellen Zeitströmungen und -empfindungen beruhenden ästhetischen Bewertungen der Betrachter abhängig ist. Jene ästhetische Sicht hatte auch dazu gefuhrt, daß damals nur Exponate derjenigen Stilepochen in die Denkmalpflege einbezogen wurden, die den Gefallen der denkmalpflegerisch Tätigen gefunden hatten und deren Geschmack entsprachen. Die praktische Denkmalpflege und die Wissenschaft versuchen seitdem, unabhängig von der ästhetischen Einschätzung den historischen und wissenschaftlichen Wert des betreffenden Gegenstandes als Zeugnis seiner Epoche zu analysieren und in den Blickpunkt zu nehmen64. Der Gegenstand wird dabei als "historische Urkunde" zum Denkmal65. 61

Vgl. zum Begriff und seiner Entwicklung näher Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 5,19. Aufl. 1988, Stichwort 'Denkmal' Ziff. 2, S. 250 f.; sehr detailliert Sauerländer, Erweiterung des Denkmalbegriffes?, in: Deutsche Kunst und Denkmalpflege, 33. Jg. 1975, S. 117 (118 ff.). 62

Vgl. Brockhaus Enzyklopädie,

Bd. 5, ebd., Ziff. 1, S. 250.

63

Dazu ausführlich unten in § 2, S. 55 f.; vgl. Sauerländer, Erweiterung des Denkmalbegriffes?, in: Deutsche Kunst und Denkmalpflege, 33. Jg. 1975, S. 117 (122); vgl. auch Brockhaus Enzyklopädie, Bd. 5, 19. Aufl. 1988, Stichwort 'Denkmalpflege - Geschichte ... und Denkmalbegriff, S. 252; s. dort auch zum folgenden. 64 65

Vgl. nur VGH Mannheim, U.v. 1.12.1982 - 5S 2069/82, DVB1.1983, S. 466.

Sauerländer, Erweiterung des Denkmalbegriffes?, in: Deutsche Kunst und Denkmalpflege, 33. Jg. 1975, S. 117 (122); vgl. auch Mörsch, Zur Differenzieibarkeit des Denkmalbe-

III. Begriffsbestimmungen und Denkmalarten

37

Dadurch wurde das Betätigungsfeld der Denkmalpflege durch die Veränderung und verstärkte wissenschaftliche Fundierung des Denkmalbegriffes erheblich erweitert. 2. Denkmalarten Die Denkmale lassen sich unterteilen in mehrere Kategorien oder Gattungen von Denkmalen: Neben den bereits erwähnten Monumenten, die an bestimmte Ereignisse oder Personen erinnern, gibt es Kultur-, Literatur-, Kunst-, Bau-, Boden- und Naturdenkmale66. Da an diese Einteilung z.T. unterschiedliche Rechtsfolgen geknüpft sind, seien sie kurz erläutert. Im (fach-)wissenschaftlichen und im allgemeinen Sprachgebrauch sind Kulturdenkmale von Menschen geschaffene Gegenstände, die ursprünglich eine andere Zweckbestimmung hatten, also nicht von vornherein als Monumente gedacht waren. Dazu zählen einerseits die Untergruppen Kunst- und Literaturdenkmale, andererseits aber auch profane Gegenstände des täglichen Lebens, Lebens- und Wirkstätten von Menschen sowie Industriekomplexe, denen erst im Lauf der Zeit die Bedeutung eines Denkmales zukam. Soweit es sich dabei um bauliche Anlagen (z.B. Gebäude aller Art, auch sonstige Bauwerke wie Brücken, Stauanlagen oder Türme, sowie Ruinen; dazu gehört neuerdings auch der umstrittene, nicht abgerissene bzw. wieder aufgebaute Teil der "Berliner Mauer" und der Grenzanlagen der ehemaligen DDR) oder Teile davon handelt, gehören diese zugleich der Untergruppe Baudenkmale an, zu der auch deren historische Ausstattung zählt. Bewegliche Gegenstände, insbesondere aus Kunst und Literatur, sind der Kategorie bewegliche Denkmale zuzuordnen. Bodendenkmale sind Objekte, die sich unterhalb der Bodenoberfläche befinden oder vor der Bergung befanden, in der Regel also Überreste menschlicher Tätigkeit aus vor- und frühgeschichtlicher Zeit, die heute Gegenstand archäologischer Untersuchungen sind. Naturdenkmale sind als einzige Ausnahme des genannten Denkmalbegriffes nicht von Menschen geschaffen, aber aus denselben Gründen, wie die übrigen Denkmale schutzwürdig, und deshalb vom Denkmalschutz mitumgriffes, in: Deutsche Kunst und Denkmalpflege, 39. Jg. 1981, S. 99 (99); s. ferner Mörsch, Denkmalwerte, in: Festgabe für August Gebeßler, 1989, S. 133 ff. Dazu und zum folgenden s. Eberl, Stichwort 'Denkmalpflege und Denkmalschutz', in: Staatslexikon der Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Bd. 2, 7. Aufl. 1986, Sp. 1206 f.; Dächer, Denkmalschutz, Wertschätzung dokumentierter Geschichte und ihre rechtlichen Folgen, in: FS f. Helmut Coing, Bd. 2, 1982, S. 73 (75 ff).; sowie die Übersichtstafel bei Kleeberg/Eberl, Kulturgüter in Privatbesitz, 1990, S. 43.

38

§ 1 Untersuchungsgegenstand

faßt 67. Es handelt sich nach § 17 BNatSchG entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch um sog. Einzelschöpfungen der Natur wie beispielsweise besondere Felsformationen. Eine ganze Gruppe von Denkmalen oder ein Denkmal unter Einbeziehung seiner Umgebung können auch als Gesamtanlage 68 geschützt sein, d.h. ein sogenanntes Ensemble bilden. Die Besonderheit besteht darin, daß dabei auch solche Sachen dem Denkmalschutz unterfallen können, die für sich allein keinen Denkmalwert haben69. 3. Denkmalschutz und Denkmalpflege Denkmalschutz und Denkmalpflege werden im allgemeinen Sprachgebrauch meist undifferenziert und teilweise auch synonym verwendet. Sogar in Wahrig,, Deutsches Wörterbuch 70, werden Denkmalschutz und Denkmalpflege gleichgesetzt. Obwohl es keine Legaldefinition gibt und auch der juristische Gebrauch der Begriffe nicht ganz einheitlich ist, besteht wohl inzwischen dahingehend Einigkeit71, daß der Denkmalschutz im wesentlichen den Bereich des hoheitlichen Handelns erfaßt, während Denkmalpflege fördernde und erhaltende Maßnahmen erfaßt und auch die Beratung und das wissenschaftliche Erfassen der Denkmalgegenstände mit einbezieht72. Beide Begriffe umschreiben zusammen einen Gesamtbereich und unterteilen ihn in einen mehr tatsächlichen und einen mehr rechtlichen Bereich. Welches der Oberbegriff ist, ist umstritten 73. Mit Denkmalschutz werden danach vor allem die rechtlichen Möglichkeiten, verbindliche Maßnahmen zu ergreifen, umschrieben. Davon erfaßt werden alle rechtswirksamen Maßnahmen und Handlungen, wie Denkmalerfassung und -qualifizierung, Eintragung in Denkmallisten oder -bûcher, Genehmigungserfordernisse und Erlaubnisvorbehalte, Auskunfts- und Duldungspflichten sowie alle Maßnahmen der Gefahrenabwehr und die förmli67

So Dilcher, ebd., S. 73 (75 f.).

68

Vgl. §19 bwDSchG.

69

Ditcher, Denkmalschutz, in: FS Helmut Coing 1982, S. 73 (75); Moench, Die Entwicklung des Denkmalschutzrechts, NVwZ 1988, S. 304 (307 mit weit. Nachw.). 70

Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 1968/1971, Stichwort 'Denkmalschutz'.

71

Beseler, Die Denkmalpflege an den Sakralbauten in der Bundesrepublik Deutschland aus der Sicht des Konservators, in: Chatelain/Beseler/Ray/Heckel, S. 33 f.; vgl. Erbguth/PaßUck/Püchel, Denkmalschutzgesetze der Länder, 1984, S. 3 f. 72 So etwa zu Art. 86 LVerf Bad.-Württ. Braun, Kommentar zur Landesverfassung BadenWürttemberg, 1984, Art. 86 Rdnr. 9. 73

Vgl. Strobl/Majocco/Birn,

DSchG Bad.-Württ. 1989, § 1 Rdnr. 3.

III. Begriffsbestimmungen und Denkmalarten

39

che Enteignung. Denkmalschutz betrifft demgemäß hauptsächlich den Bereich der Eingriffsverwaltung. Der Bereich Denkmalpflege betrifft zunächst die Förderung der Erhaltung und Restaurierung von Denkmalen mit öffentlichen Mitteln und umfaßt auch die fachliche Tätigkeit der Denkmal-(fach-)behörden, die rein tatsächlichen Maßnahmen der Auflistung von erfaßten Denkmalen durch Erstellen von Katastern etc., die kompetente fachliche Beratung bei Erhaltung, Restaurierung und Konservierung von Denkmalgegenständen und die Durchführung dieser Maßnahmen durch das Fachpersonal der Denkmal-(fach-) behörden selbst. Dazu gehören auch die wissenschaftliche Untersuchung der Gegenstände und die wissenschaftliche Aufarbeitung und Erforschung des Gesamtbereiches 'Denkmalpflege'. Insgesamt ist somit eher der Bereich der Leistungsverwaltung umschrieben. Beide Tätigkeitsbereiche gehen allerdings fließend ineinander über und lassen sich vor allem in der täglichen Praxis so eindeutig nicht unterscheiden. In den Gesetzen und Verfassungen der einzelnen Länder werden diese Begriffe, soweit sie beide genannt sind, allerdings nicht einheitlich definiert und verwendet74: So spricht das baden-württembergische Denkmalschutzgesetz im ersten Abschnitt, ebenso wie einige andere Denkmalschutzgesetze in ihren einleitenden Vorschriften, von Denkmalschutz und Denkmalpflege und bestimmt deren Aufgaben ganz allgemein und ohne Differenzierung. Der zweite Abschnitt ist mit 'Gegenstand und Organisation des Denkmalschutzes' überschrieben. Das Wort Denkmalpflege wird im übrigen nicht mehr erwähnt. In der Landesverfassung von Baden-Württemberg ist von Schutz und Pflege der Denkmale die Rede, ohne daß die Begriffe näher bestimmt werden. Im bremischen Denkmalschutzgesetz wird zwischen der Denkmalschutzbehörde, der der Schutz und die Erhaltung der Kulturdenkmäler obliegen (§ 4 Abs. 3 bremDSchG), und der Denkmalfachbehörde, die die Pflege der Kulturdenkmäler und deren wissenschaftliche Erfassung und Erforschung zur Aufgabe hat (§ 5 Abs. 2 bremDSchG), unterschieden. Das hamburgische Denkmalschutzgesetz unterscheidet zwar zwischen Denkmalschutz und Denkmalpflege, ohne diese Bereiche jedoch genau voneinander abzugrenzen (vgl. § § 1 - 3 hambDSchG). Im hessischen Denkmalschutzgesetz wird Denkmalpflege umschrieben als "Beratung und Unterstützung der Eigentümer und Besitzer von Kulturdenkmälern bei Pflege, Unterhaltung und Wiederherstellung" (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 hessDSchG). Nach dem niedersächsischen Denkmalschutzgesetz hat das "Institut für Denkmalpflege" u.a. die Denkmalschutzbehöide fachlich zu beraten, sowie beispielsweise Denkmale zu erfassen, erforschen und zu dokumentieren, Restaurierungen durchzuführen, wissenschaftliche Grundlagen zu schaffen u.a.m. (§ 21 ndsDSchG). Die fachliche Beratung, wissenschaftliche Untersuchung, Konservierung und Restaurierung etc. stehen auch im Mittelpunkt der Denkmalpflege nach § 22 nwDSchG. Ähnliches ergibt sich aus § 25 rhpfDSchG und § 5 Abs. 2 saarlDSchG.

Da danach die den Eigentümer beschränkenden und an Art. 14 GG zu messenden, rechtlichen Regelungen dem Denkmalschutz zuzuordnen sind 74

Vgl. dazu Hönes, Die Unterschutzstellung von Kulturdenkmälern, 1987, S. 18 ff.

40

§ 1 Untersuchungsgegenstand

und die Denkmalpflege als fach- und gegenstandsbezogene Tätigkeit in der Regel keinen direkten Bezug zu eigentumsrechtlichen Fragen hat, wird im wesentlichen der Denkmalschutz Gegenstand der folgenden Erörterungen sein. Von der Denkmalpflege wird allerdings im historischen Teil noch ausführlicher die Rede sein.

IV. Zielsetzung und Gang der Untersuchung Zunächst ist im nachfolgenden zweiten Teil auf die historische Entwicklung des Denkmalschutzes und der Eigentumsgewährleistung in Deutschland mit ihren Auswirkungen einzugehen. Eine Analyse der historischen Fakten und rechtlichen Regelungen zeigt, wie die Entwicklung einer systematisch betriebenen, konzeptionellen Denkmalpflege schon seit den Anfängen im 18., dann aber vor allem im 19. Jahrhundert zunehmend unterstützt wurde durch den Erlaß von rechtlichen, teilweise auch schon schutzrechtlichen Regelungen unterschiedlichen Inhalts. Diese rechtlichen Regelungen in den jeweiligen verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Kontext gestellt, spiegeln zugleich die jeweilige Beziehung von Denkmalschutz und (Privat-) Eigentum in den deutschen Territorialstaaten im 18. und im 19. Jahrhundert wider. Dies hat Auswirkungen sowohl auf das Verständnis als auch auf den Stellenwert des Denkmalschutzes bis in die heutige Zeit hinein. In diesen rund zwei Jahrhunderten hat es weitreichende Veränderungen im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Schutz des Privateigentums gegeben. Die Wertigkeit des Denkmalschutzes ist im Lauf der Zeit gestiegen und wird inzwischen von einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz getragen. In Bezug auf die Inanspruchnahme von Privateigentümern zum Zwecke des Denkmalschutzes hat eine spezifisch rechtliche Entwicklung erst in diesem Jahrhundert stattgefunden. Darüber hinaus wird anhand der Genese der früheren wie der heutigen (verfassungs-) rechtlichen Regelungen des Eigentums der insbesondere durch den unterschiedlichen Kontext und das unterschiedliche Verständnis von Grundrechten hervorgerufene Bedeutungswandel der verfassungsrechtlichen Verbürgungen aufgezeigt. Dies erhellt auch die enorme Bedeutung des Art. 14 GG, die sich aus dem geänderten (verfassungs-) rechtlichen Stellenwert (etwa noch gegenüber Art. 153 WRV) und aus der erst durch das Grundgesetz ermöglichten Einklagbarkeit von Grundrechten ergibt. Vor allem durch die Möglichkeit der gerichtlichen Geltendmachung einer Grundrechtsverletzung und durch die Verfassungsbeschwerde erhält das BVerfG eine grundlegende und oftmals allein maßgebliche Bedeutung bei der Auslegung von Grundrechten. Auch das rechtfertigt es, in dieser Ab-

IV. Zielsetzung und Gang der Untersuchung

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handlung hauptsächlich auf die bundesverfassungsgerichtliche Eigentumsdogmatik abzustellen. Grundlage fur die eigentumsrechtliche Beurteilung des Denkmalschutzes im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Vorgabe des Art. 14 GG wird die vom BVerfG herausgearbeitete, verfassungsrechtliche Eigentumsdogmatik sein75, die daher im dritten Teil erörtert wird. Neben der Darlegung der bundesverfassungsgerichtlichen Dogmatik und deren Ergänzung durch eigene Ansätze ist es dabei Ziel, herauszuarbeiten, wie sich auch bei Art. 14 GG die klassische, für sonstige Freiheitsgrundrechte gängige Struktur der Einordnung nach Schutzbereich und Schranken sowie der Eingriffsbestimmung anwenden läßt. Daraus werden anschließend entsprechende Schemata für die Prüfung eines Grundrechtsverstoßes entwickelt, damit dann darauf aufbauend das geltende Denkmalschutzrecht aus eigentumsdogmatischer Sicht beurteilt werden kann. Einleitend sind in diesem Zusammenhang einige allgemeine Prinzipien und Grundlagen anzusprechen, wie etwa die Grundsätze vom Stufenbau der Rechtsordnung und dem Vorrang der Verfassung, aus denen sich ergibt, daß der Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum hat, in dessen Rahmen er mehrere Möglichkeiten der Ausgestaltung hat. Je nachdem, welche Alternative er wählt, gibt der Gesetzgeber schon eine bestimmte Richtung vor, die dann bei der weiteren Auslegung seiner Gesetze von der Verwaltung und der Rechtsprechung zu berücksichtigen ist. Im Hinblick auf die Auslegung und Interpretation des Art. 14 GG wird eingangs außerdem auf das zugrundegelegte Verfassungs- und Grundrechtsverständnis einzugehen sein. Denn es besteht ein Zusammenhang zwischen dem methodischen Vorgehen und den Resultaten: Die Ergebnisse von Grundrechtsauslegung und Verfassungsinterpretation sind unmittelbar abhängig und beeinflußt vom Verfassungs- und Grundrechtsverständnis des Auslegenden und von der dabei verwendeten Methode der Grundrechtsinterpretation 76. Ausgehend von den verfassungsrechtlichen Vorgaben und den erarbeiteten Prüfungsschemata ist im vierten Teil das geltende Denkmalschutzrecht aus eigentumsdogmatischer Sicht zu beurteilen. Dabei wird zunächst die rechtliche Verankerung des Schutzzweckes Denkmalschutz in den Verfas75

Zu anderen Ansätzen, insbesondere in der Rechtslehre, vgl. etwa die ausführliche Zusammenstellung bei v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, 1984, S. 293 ff. m. weit. Nachw., und dessen eigene Konzeption, insbes. S. 392 ff.; vgl. auch Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 22. Lfrg. 1983 (Stand 1991), Art. 14 GG. 76

Wahl/Rottmann Die Bedeutung der Verfassung und der Verfassungsgerichtsbarkeit in der Bundesrepublik - im Vergleich zum 19. Jahrhundert und zu Weimar, in: Conze/Lepeius (Hrsg.), Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, Beiträge zum Kontinuitätsproblem, 1983, S. 339 (362 ff.).

§ 1 Untersuchungsgegenstand

42

sungen der Länder und des Bundes und in den Landesdenkmalschutzgesetzen selbst erörtert. Nach Art. 14 GG muß die Belastung des Eigentümers in einem angemessenen Verhältnis zu den mit dem Denkmalschutzgesetz verfolgten Interessen stehen. Die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung ist "um so weiter, je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und in einer sozialen Funktion steht*77. Die danach im Rahmen des Art. 14 GG erforderliche Abwägung zwischen dem Denkmalschutz als Interesse der Allgemeinheit und dem Individualinteresse des Privateigentümers darf nicht lediglich dergestalt erfolgen, daß das Individualinteresse des Privateigentümers abstrakt dem Allgemeininteresse 'Denkmalschutz' gegenübergestellt und gegeneinander abgewogen werden. Deshalb ist darauf zu achten, daß nicht eine relativ gehaltlose Abwägung zweier Verfassungswerte mit Hilfe eines Instrumentariums vorgenommen wird, das sich vorwiegend auf Formalbegriffe stützt78. Eine solche "Sackgasse der Grundrechtsdogmatik 79" läßt sich vermeiden, indem die einzelnen, und das bedeutet hier: alle zur Abwägung gestellten Elemente, inhaltlich analysiert und ihre jeweiligen Besonderheiten herausgearbeitet werden. Es muß daher differenziert auf die einzelnen Sozialbelange eingegangen werden. Der Stellenwert des Denkmalschutzes als Sozialbezug ergibt sich vor allem aus den Zweck- und Zielbestimmungen der Denkmalschutzgesetze. Dafür sind ebenfalls die in der Tradition von Art. 150 Abs. 1WRV stehenden, entsprechend formulierten landesverfassungsrechtlichen Regelungen von Bedeutung, wie z.B. Art. 86 LVerf Bad.-Württ., wonach "die Denkmale der Kunst, der Geschichte und der Natur ... öffentlichen Schutz und die Pflege des Staates und der Gemeinden [genießen]". Schließlich werden die einzelnen gesetzlichen Bestimmungen und ihre Anwendung durch Rechtsprechung und Praxis untersucht und den verschiedenen, nach Art. 14 GG möglichen Eingriffsarten: Regelungen inhalts- und schrankenbestimmender Art, ausgleichsentschädigungspflichtige inhaltsund schrankenbestimmende Regelungen, Enteignungen und sonstige Einzeleingriffe, zugeordnet. Dabei wird sich - von neuerdings einer, allerdings mehr auf die Praxis ausgerichteten Ausnahme abgesehen80 - zeigen, daß es eine die jeweiligen Regelungen sämtlicher Denkmalschutzgesetze der Länder vergleichend und systematisierend einbeziehende übergreifende und allein auf die denkmalschutzrechtlichen Normen bezogene Darstellung nicht 77

BVerfGE 70, 191 (201); 58,137 (148); 53, 257 (292) und passim sowie BVerwG U.v. 14. 11.1989, NJW 1989, S. 2638. 78

Wahl, Freiheit der Wissenschaft als Rechtsproblem, Freiburger Universitätsblätter, H. 95,1987, S. 19 (29). 79 80

Wahl, ebd.

Kleeberg/Eberl, Kulturgüter in Privatbesitz, 1990, die ebenfalls eine Querschnittsdarstellung mit übersichtlichen Schautafeln enthalten.

IV. Zielsetzung und Gang der Untersuchung

43

gibt. Diese zunächst zu bewältigende Aufgabe war jedoch hilfreich, weil die dabei festgestellten Gemeinsamkeiten und vor allem die teilweise gravierenden Unterschiede auch für die verfassungsrechtliche Analyse erhellend sind. Daneben werden die Resultate an für das Denkmalschutzrecht maßgeblichen Entscheidungen aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes exemplifiziert, an denen sich auch prägnant zeigen läßt, zu welchen Ergebnissen eine Beurteilung aus dem Blickwinkel der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik kommt. Abschließend werden in einem Gesamtüberblick die Grundlinien nochmals vergleichend betrachtet und verbleibende Lücken oder Schwächen aufgezeigt.

Zweiter Teil

Historische Entwicklung des Denkmalschutzes und der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung in Deutschland § 2 Denkmalschutz und Eigentum von den Anfängen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts Um die historische Entwicklung von Denkmalschutz und Denkmalpflege angemessen darlegen zu können, hat es sich als angebracht und hilfreich erwiesen, diese aus zwei verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Die eine Sicht betrifft den tatsächlichen Verlauf: die Entstehung und Entwicklung der Denkmalpflege, die stets eng mit dem geistigen, zeitgeschichtlichen und politischen Geschehen verbunden war. Die andere Betrachtungsweise ist auf die Entwicklung rechtlicher Regelungen bzw. obrigkeitlicher Anordnungen zum Denkmalschutz gerichtet und stellt diese Regelungen in den Zusammenhang der Entwicklung des Verwaltungsrechts und des Verfassungsrechts. Diese beiden Entwicklungsstränge verlaufen, wie sich zeigen wird, deutlich unterschiedlich. Doch ist die Entwicklung rechtlicher Regelungen, die Denkmale betreffen, ohne den Bezug zu den gedanklichen Grundlagen, Konzepten und Zielen der Denkmalpflege nicht vorstellbar. Der Denkmalpflege kommt gegenüber dem zwar schon vorhandenen, aber erst später zunehmend wichtiger werdenden Denkmalschutz zunächst deshalb eine große Bedeutung zu, weil zahlreiche herrscherliche Erlasse und Verordnungen in der Hauptsache die Aufnahme von Denkmalen in Listen, die Einsetzung von Konservatoren sowie Zuständigkeitsregelungen von Behörden zum Inhalt hatten und damit in ihrem Schwerpunkt Organisations- und Verwaltungsanweisungen für die praktische Tätigkeit betrafen. Auch ergeben sich aus der Tatsache, daß der Denkmalpflege in den vergangenen 200 Jahren ganz unterschiedliche Zwecke und Zielsetzungen zugrunde lagen, die unterschiedliche Auswirkungen auf die Einbeziehung privater Eigentümer in denkmalschutzrechtliche Regelungen bedingten, weitere interessante Zusammenhänge. Aus diesen Gründen wird im folgenden zuerst die Entwick-

I. Ursprünge und Ziele von Denkmalpflege und Denkmalschutz

45

lung der Denkmalpflege seit dem 18. Jahrhundert bis ins 20. Jahrhundert hinein dargelegt. Anschließend wird auf die historische rechtliche Situation zu Denkmalschutz und Eigentum im 18. und 19. Jahrhundert sowie die Ausgangsbasis im 20. Jahrhundert bis zur Rechtslage unter der Weimarer Reichsverfassung eingegangen.

I. Ursprünge und Ziele von Denkmalpflege und Denkmalschutz Der Beginn einer systematischen Denkmalpflege wird im allgemeinen in der Zeit gegen Ende des 18. und mit Beginn des 19. Jahrhunderts angesiedelt. Zunächst waren bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts denkmalpflegerische Tätigkeiten stark an ästhetischen Kriterien orientiert. Objekte der Denkmalpflege waren in jener Zeit vorwiegend Kunstgegenstände. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verlagerte sich das Begriffsverständnis im Zusammenhang mit der Entwicklung der Denkmalpflege zu einem eigenständigen Wissenschaftszweig. Von da an standen wesentlich stärker historische und sonstige wissenschaftliche Aspekte im Vordergrund. Da seitdem alle Kulturgüter einbezogen sind, erweiterte die seither geltende Sicht des Denkmals als historisches Zeugnis den Gegenstand der Denkmalpflege in erheblichem Ausmaß. Im 20. Jahrhundert wurde das theoretische Konzept weiter ausgebaut und gefestigt. Daneben wurde die Denkmalpflege schon zu Beginn dieses Jahrhunderts auch auf wichtige Entwicklungen und Bezüge im regionalen Bereich erstreckt. 1. Erste Anfänge und Hintergründe der Denkmalpflege in Deutschland Als systematische Tätigkeit, der ein durchdachtes Konzept zugrundeliegt, und die zudem nicht nur auf einzelne Objekte bezogen, sondern umfassend und kontinuierlich sowie im Interesse der Allgemeinheit betrieben wurde, gibt es Denkmalpflege etwa seit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 1. Zwar können auch schon zuvor in vielen Zeitepochen und unterschiedlichen Kulturkreisen einzelne Maßnahmen und Verhaltensweisen gefunden werden, die mehr oder weniger deutlich ausgeprägt erkennen lassen, daß auch dort Bauwerke und Objekte aus architektonischen, künstlerischen und historischen Gründen oder aus religiösen Motiven heraus gepflegt und erhalten

1 Zoller, Der verwaltungsrechtliche Schutz der Kulturdenkmale im sozialen Rechtsstaat, Diss. iur. 1965, S. 12 ff.

46

§ 2 Von den Anfängen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts

wurden 2, doch fehlt dabei in der Regel ein selbständiges und allgemeingültiges übergeordnetes, nicht bloß auf einzelne besondere Anläße oder Ereignisse bezogenes Konzept. Noch keine eigenständigen, einer selbständigen Denkmalpflege zuzuordnenden Aktivitäten stellen daher solche staatlichen Maßnahmen dar, die zwar als Nebenprodukt denkmalpflegerische Wirkungen entfalteten, deren Hauptzweck aber andere Zielrichtungen beinhaltete, wie z.B. die allgemeinen Verunstaltungsverbote im Rahmen der Baupolizei oder wie im folgenden Beispiel beschrieben: Die detailgenaue Rekonstruktion des von den Franzosen durch Sprengung teilweise zerstörten Domes zu Speyer im Jahre 1755 wies zwar erste denkmalpflegerische Züge auf, ihr hatte jedoch noch kein spezielles und übergreifendes denkmalpflegerisches Konzept zugrunde gelegen; der Dom war deshalb rekonstruiert und nicht im zeitgemäßen barocken Stil umgestaltet worden, weil er wegen der dort befindlichen Grablege der deutschen Kaiser als geschichtliches Zeugnis gegolten hatte3. Der Wiederherstellung des romanischen Domes zu Speyer liegt eine speziell nur dieses eine Bauwerk betreffende Motivation, aber gerade noch keine darüber hinausgehende Konzeption zugrunde. Dem wachsenden Interesse an der Denkmalpflege im beginnenden 19. Jahrhundert liegen mehrere, zum Teil zusammenwirkende zeit- und geistesgeschichtliche Ursachen zugrunde: Als früheste, noch bis ins 19. Jahrhundert fortwirkende Ursache gilt der Dreißigjährige Krieg, in dem zahlreiche wichtige Bauwerke und bewegliche Kunstwerke zerstört oder stark beschädigt worden waren4. Die unmittelbare Reaktion darauf waren zwar die Bauwerke des Barock und des Rokoko die letzte Epoche mit einem einheitlichen Kunststil; doch wurden dann im 19. Jahrhundert, als das Interesse am Altertum und am Mittelalter zunahm, die großen Lücken im Bestand der historischen Bauwerke erkannt, die u.a. durch jene kriegerischen Zerstörungen entstanden waren. Hinzu kamen weitere Verluste ebenfalls größeren Ausmaßes in der Zeit zwischen 1780 und 1820 durch die Französische Revolution und die folgenden Ereignisse, die Koalitionskriege gegen Frankreich und Napoleons Kriegszüge quer durch ganz Europa. Diese Ereignisse führten insbesondere in Frankreich aus (patriotischer) Bewunderung für die alten Bauten zu intensiven Be2

Vgl. dazu Gassner, Geschichtliche Entwicklung des Denkmalrechts und des städtebaulichen Gestaltungsrechts, in: Stich/Burhenne (Hrsg.), Denkmalrecht der Länder und des Bundes, Stand 16. Lfrg. 1991, Einführung (1. Lfg. 1983), S. 090-03 ff.; Kummer, Denkmalschutzrecht als gestaltendes Baurecht, 1981, S. 16 insbes. m. FN 42; sowie ausführlich und mit Beispielen: Siegel, Denkmalpflege als öffentliche Aufgabe, 1985, S. 7 ff. 3 Vgl. Kiesow, Einführung in die Denkmalpflege, 1982, S. 4 f. Siehe zu diesem Abschnitt, soweit nicht besonders vermerkt, etwa Kiesow, ebd., 1982, S. 1 ff.; vgl. auch Siegel, Denkmalpflege als öffentliche Aufgabe, 1985, S. 23 ff.

I. Ursprünge und Ziele von Denkmalpflege und Denkmalschutz

47

mühungen um eine aktive Denkmalpflege, mit der Folge, daß 1830 eine M Inspection Générale des Monuments Historiques ff, mit einem Generalinspektor an der Spitze, eingerichtet wurde5. Erfolgreich war deren Tätigkeit insbesondere, nachdem in Frankreich 1841 ein Enteignungsgesetz ergangen war, wonach zum öffentlichen Nutzen enteignet werden konnte, was auch zu Denkmalschutzzwecken ausgenutzt wurde6. Da die Zeitgenossen nicht mehr, wie in den vorangegangenen Kriegen, selbst beteiligt waren, wurde in noch größerem Maße bewußt miterlebt, daß wichtige Bauwerke als Folge der Säkularisierung in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts stark in Mitleidenschaft gezogen wurden. Die im Reichsdeputationshauptschluß von 1803 festgelegten umfangreichen territorialen Veränderungen hatten die Auflösung nahezu aller Herrschaften und Güter der geistlichen Fürstentümer und Orden bewirkt, so daß die Bauwerke nicht mehr instandgehalten und repariert werden konnten und einige Schlösser und viele Klöster restlos zerstört wurden oder zumindest offensichtlich zu verfallen drohten7. Zu diesen äußeren Ereignissen kam ein besonderes Geschichtsinteresse der Bevölkerung hinzu - vor allem an der Frühzeit und am Mittelalter -, das insbesondere im sog. Bildungsbürgertum verbreitet war 8. Dieses Interesse läßt sich u.a. auf Bestrebungen zur Besinnung auf eine gemeinsame nationale Kultur der Deutschen zurückführen und umfaßte auch ein starkes Interesse am Schutz der Zeugnisse deutscher Baukunst. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts waren, auch als Folge der politischen Ereignisse, mehrere Altertums-, Geschichts-, Heimat-, Denkmalmalpflege- sowie Architektenvereine gegründet worden. Sie waren allerdings in der Regel von patriotischen, nationalistischen oder stark politischen Zügen geprägt und bemühten sich allenfalls aus dieser Motivation heraus am Rande um den Bestand (ihrer Ansicht nach) wichtiger, erhaltenswerter Bauwerke9. Aus-

Dazu ausführlich Gassner, Geschichtliche Entwicklung des Denkmalrechts, in: Stich / Burhenne (Hrsg.), Denkmalrecht der Länder und des Bundes, Stand 16. Lfrg. 1991, Einf., S. 090-10 ff. m.w.N.; s. ferner z.B. Clemen , Die Denkmalpflege in Frankreich, 1898; vgl. auch Frodi , Idee und Verwirklichung, Das Werden der staatlichen Denkmalpflege in Österreich, 1988, S. 41 ff. 6

Dazu ausführlich Gassner, ebd., S. 090-11 f. m.w.N.

7

Vgl. die Beispiele bei Kiesow, Einführung in die Denkmalpflege, 1982, S. 5; sowie bei Hans, Denkmalschutz in Baden im 19. und 20. Jahrhundert, Diss, iur Freiburg 1985, S. 7 bei FNg10 m.w.N. Vgl. Dehio, Denkmalschutz und Denkmalpflege im neunzehnten Jahrhundert (1905), abgedruckt in: ders., Kunsthistorische Aufsätze, 1914, S. 260 (267).

48

§ 2 Von den Anfngen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts

schließlich denkmalpflegerisch tätige Vereine bildeten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch die Ausnahme10. Erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts entstanden dann eine ganze Reihe von Geschichtsvereinen, deren Schwerpunkt eindeutig und ausschließlich in der praktischen Denkmalpflege lag11. Die soeben dargestellte Entwicklung spiegelt sich auch in der Literatur jener Zeit wider. Als ein wichtiger Ausdruck der geistigen Haltung und des neuartigen Empfindens der gebildeten Schicht in bezug auf die Großartigkeit monumentaler Baukunst gilt die, bei ihrem ersten Erscheinen 1772 noch wenig beachtete Schrift von Goethe, "Von der deutschen Baukunst", eine begeisterte Beschreibung der Archtitektur des gotischen Straßburger Münsters12. 'Wiederentdeckt' und vielbeachtet wurde diese Schrift dann erst später, im beginnenden 19. Jahrhundert 13. Weitere Beispiele finden sich ferner in der romantischen Dichtung und Malerei 14.

2. Beschränkung der Denkmalpflege auf Kunstgegenstände (ästhetische Sicht Ende des 18. bis weit hinein in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts stand im Mittelpunkt der Denkmalpflege vor allem das Kunstwerk. Nicht einbezogen waren die Kulturgüter insgesamt. Daneben war, obwohl das Interesse an geschichtlichen Ereignissen zu dieser Bewegung geführt hatte, die denkmalpflegerische Tätigkeit maßgeblich geprägt von einer ästhetischen Kriterien sehr stark verhafteten Sicht. Maßgeblich waren noch andere Motive, wie das ebenfalls von Goethe stammende Zitat belegt:

9

Vgl. Dolff-Bonekämper, Die Entdeckung des Mittelalters, Studien zur Geschichte der Denkmalerfassung und des Denkmalschutzes in Hessen-Kassel bzw. Kurhessen im 18. und 19. Jahrhundert, 1985, S. 139 ff.; Hans, Denkmalschutz in Baden im 19. und 20. Jahrhundert, 1985, S. 21 ff. 10 So z.B. der "Verein für hessische Geschichte und Landeskunde", vgl. Dolff-Bonekämper, ebd., S. 139 ff., 152 ff. 11 Vgl. z.B. für Baden Hans, Denkmalschutz in Baden im 19. und 20. Jahrhundert, 1985, S. 55 - 60. 12 Goethe, Werke, Bd. 6, Vermischte Schriften, 1965, S. 245 ff.; Angabe des Erscheinungsdatums entsprechend den ebd., S. 541, abgedruckten Erläuterungen. 13

Huse, Denkmalpflege, Deutsche Texte aus drei Jahrhunderten, 1984, S. 21.

14

Mehrere Beispiele der romantischen Dichtung nennt etwa Zoller, Der verwaltungsrechtliche Schutz der Kulturdenkmale im sozialen Rechtsstaat, 1965, S. 15 in FN 44. Als Beispiel für entsprechende Themen in der romantischen Malerei sei auf die Ruinendarstellungen von Caspar David Friedrich hingewiesen.

I. Ursprünge und Ziele von Denkmalpflege und Denkmalschutz

49

"Alle Kunstwerke gehören als solche der gesamten gebildeten Menschheit an, und der Besitz derselben ist mit der Pflicht verbunden, Sorge für ihre Erhaltung zu tragen

Hier ist noch nicht allgemein von Kulturgütern, sondern einschränkend nur von Kunstwerken die Rede. Zudem hatte Goethe auch noch kein primär historisches Interesse am Erhalt der Kunstwerke, sondern für ihn standen vor allem erzieherische und sittliche Gründe im Vordergrund, wie dem Hinweis auf die "gebildete" Menschheit zu entnehmen ist16. Erzieherische und sittliche Gründe waren auch im 19. Jahrhundert ein wesentliches Anliegen, was eine von Karl-Friedrich Schinkel im Jahre 1815 verfaßte Denkschrift in Sachen Denkmalpflege an das Preußische Ministerium des Inneren 17 belegt. Schinkel war zwar auch aus patriotischen Motiven ein maßgebender Förderer der Denkmalpflege, der immerhin erstmals versucht hatte, ein systematisches Konzept für die Denkmalpflege zu entwikkeln. Jedoch fanden seine theoretischen Schriften in der Praxis kaum Beachtung und bewirkten daher wenig18. Er stellte in der genannten Denkschrift besonders auf den Zusammenhang zwischen der Würdigung der Nationalschätze und der damit erreichbaren erzieherischen Wirkung auf die Jüngeren ab: "Eine auf diese Weise durch das ganze Vaterland eingeleitete und vollständig zur Ausführung gebrachte Würdigung unserer Nationalschätze wäre vielleicht das schönste Denkmal, welches sich die jetzige Zeit selbst setzen könnte, besonders wenn man noch danach trachtete, mit diesem Unternehmen in Verbindung die Kunstschulen in der Provinz zu organisieren, die nicht allein aus diesem Institut belehrt werden würden, sondern in denen zugleich ein so schöner Geist erzeugt werden würde, daß durch sie, wieder, umgekehrt, für die Vervollkommnung des Instituts gewirkt werden könnte. ... wodurch noch der große Vortheil entsteht, daß die Zöglinge für die Sache gewonnen werden^und man sich des guten Geistes einer künftigen Generation versichert halten kann

Ein zusätzliches und im Hinblick auf die später maßgebliche Intention der Denkmalpflege, dem Interesse der Allgemeinheit zu dienen, sachfremdes Motiv für die denkmalpflegerische Tätigkeit von Monarchen ergab sich aus deren Interesse an der Selbstdarstellung. Die Herrscherhäuser versuchten insbesondere mit Hilfe der erhaltenen Denkmale (vor allem Schlösser, Bur15 Zitiert bei Sauerländer, Erweiterung des Denkmalbegriffs?, in: Deutsche Kunst und Denkmalpflege, Jg. 33 (1975), S. 117 (120) m. FN 19. 16

Sauerländer, ebd., S. 120.

17

Abgedruckt bei Huse, Denkmalpflege, Deutsche Texte, 1984, S. 70 ff.

18 19

Dazu mit Quellenabdruck Huse, ebd., S. 62 ff. Abgedruckt bei Huse, ebd., S. 70 ff. (73).

4 Melchìnger

50

§ 2 Von den Anfängen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts

gen, Kirchen, Amtshäuser) die Bedeutung und die Wichtigkeit des eigenen Herrscherhauses und der eigenen Schicht aufzuzeigen, um auf diese Weise den eigenen Herrschaftsanspruch zu festigen. Mit dieser Art der Denkmalpflege sind somit auch politische Zwecke verfolgt worden 20. In einer einseitigen Interpretation, bei der die sonstigen, insbesondere aus der bürgerlichen Schicht kommenden Impulse für die Denkmalpflege nicht berücksichtigt werden, ist sogar die Behauptung aufgestellt worden, im 19. Jahrhundert seien Denkmalschutz (und Denkmalpflege) teilweise als "staatstragendes Instrument zur Sicherung der Monarchie" mißbraucht worden 21. Vereinzelte Hinweise auf entsprechende Intentionen lassen sich allerdings durchaus finden. So hat etwa Schinkel in einem Gutachten von 1817 die Erhaltungswürdigkeit der Statuen auf dem Königlichen Schlosse zu Berlin neben anderen vor allem mit folgenden Argumenten begründet: "Das Schloß wird allgemein angesehen als ein Denkmal der Gründer des Königlichen Hauses, welches in seiner Würde und Pracht diesem Charakter vollkommen entspricht und den ersten Gebäuden Europens in jeder Hinsicht gleichgestellt werden kann. Als ein solches Denkmal ist es unantastbar ...22*

Erst anschließend führt er den architektonischen Wert der Gegenstände an und weist darauf hin, daß das Königliche Schloß neben dem Zeughaus das einzige "eigentlich classische Gebäude" in Berlin sei, dessen "Kunstwerth" Bedeutung zukomme. Andererseits wird bereits zu jener Zeit der geschichtliche Aspekt beispielsweise in der Einleitung zu einer Denkmalschutzverordnung des Großherzogs Ludwig L von Hessen-Darmstadt von 181823 schon deutlich betont: "In Erwägung, daß die noch vorhandenen Denkmäler der Baukunst zu den wichtigsten und interessantesten Urkunden der Geschichte gehören, indem sich aus ihnen auf die früheren Sitten, Geistesbildung und den bürgerlichen Zustand der Nation schließen läßt, und daher die Erhaltung derselben höchst wünschenswerth ist, verordnen Wir

Einen Verweis auf den historischen Bezug enthält - eher am Rande - auch der folgende Text aus dem Jahre 1847 von Franz Theodor Kugler, einem 20

Zu ähnlichen Beispielen im Kunstschaffen des 18. Jahrhunderts, die zeigen, wie politische Aussagen in die künstlerischer Gestaltung einbezogen wurden, vgl. Mühleisen, Die Stifterikonographie des Klosters St. Peter, in: Mühleisen (Hrsg.), St. Peter im Schwaizwald, 1977, S. 94 (96 ff.). 21

Kiesow, Einführung in die Denkmalpflege, 1982, S. 19 f. (22).

22

Abgedruckt bei Huse, Denkmalpflege, Deutsche Texte, 1984, S. 74 f.

23

Abgedruckt bei Huse, ebd., S. 32 f..

24 Abgedruckt bei Dolff-Bonekämper, Huse, ebd., S. 32.

Die Entdeckung des Mittelalters, 1985, S. 350; vgl.

I. Ursprünge und Ziele von Denkmalpflege und Denkmalschutz

51

Freund Schinkels, der im preußischen Kultusministerium für alle Kunstangelegenheiten zuständig war: "... die Werke ... der Vergangenheit verlieren also, den Anforderungen der Gegenwart gegenüber einen Theil ihrer Bestimmung ... Aber sie erhalten eine neue Bedeutung. Zunächst einfach die des Denkmales, welches den Ausdruck früherer Lebensrichtungen in sich bewahrt und somit für die allgemeine historische Kunde, wie auch für die der artistischen Entwickelung unter sondern gegebenen Verhältnissen, von belehrender Wichtigkeit ist. Dann aber gewinnen diejenigen unter den Kunstwerken der Vergangenheit, welche das Gepräge der Vollendung tragen, eine über den Begriff des blossen Denkmales hinausgehende Bedeutung; sie treten der Gegenwart, eben weil sie ausserhalb der Strebungen derselben stehen und dabei das Resultat geistigen Ringens in ihnen fertig und abgeschlossen daliegt, zugleich als Muster und Vorbilder, als mahnende Zeichen zur Nacheiferung gegenüber. Die grossen Meisterwerke aus solchen Zeiten, in welchen die eine oder die andere Kunst sich einer besonderen Blüthe erfreute, werden daher auf die künstlerische Erhebung, auf den Kunstsinn und die Kunstbildung der Nachkommen stets wiederum den unmittelbarsten Einfluss auszuüben im Stande sein25."

Dieser Text zeigt, daß der historische Aspekt im Zusammenhang mit der Denkmalpflege zwar zunehmend an Bedeutung gewinnt, gleichwohl werden sogar noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts künstlerische Aspekte sowie die Vorbildfunktion der Denkmale für Gegenwart und Zukunft stark betont. Damit wird deutlich, daß der Gedanke einer ästhetischen Erziehung ein wesentlicher, wenn nicht sogar der wichtigste Impuls für die Pflege der alten Kunst- und Bauwerke im ausgehenden 18. und in weiten Teilen des 19. Jahrhunderts darstellte. Daneben spielte der historische Wert der Gebäude und Gegenstände zwar auch schon eine Rolle, die Bedeutung der historischen Komponente war jedoch noch nicht der hauptsächliche, letztentscheidende Beweggrund für die Denkmaleigenschaft und die Denkmalpflege. Vor diesem Hintergrund wurde das zeitgenössische Bauen im 19. Jahrhundert häufig als Fortsetzung und Vollendung historischer Stilrichtungen betrachtet26. Dabei vermischten sich oft ununterscheidbar die Erhaltung der historischen Substanz, die Rekonstruktion des ursprünglichen Zustandes und der völlige Neubau einzelner Gebäudeteile. So wurden - um nur berühmte Beispiele herauszugreifen - in jenem Geiste im 19. Jahrhundert die Türme des zum "Nationaldenkmal" stilisierten Kölner Doms und des Ulmer Münsters nach den wiedergefundenen mittelalterlichen Plänen fertigge-

25

Kugler, Die Kunst als Gegenstand der Staatsverwaltung (1847), abgedruckt bei Huse, ebd., S. 78. 26 Vgl. das ausführliche Kapitel "Nationaldenkmäler" bei Huse, ebd., S. 34 ff., mit den abgedruckten Quellen S. 47 ff. insbesondere zur Vollendung des Kölner Domes.

§ 2 Von den Anfängen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts

52

stellt27. Ferner wurden etwa bei den Domen von Regensburg, Meissen, Hildesheim die Türme ohne Originalbaupläne nachempfindend neu errichtet 28. 3. Ausweitung der Denkmalpflege auf Kulturgüter

(historische Zeugnisse)

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Kreis der von der Denkmalpflege erfaßten Gegenstände über die reinen Kunstgegenstände hinaus auf alle Kulturgüter erweitert. Dies war die Konsequenz einer, etwa in der Mitte des 19. Jahrhunderts beginnenden, deutlichen Verschiebung der Akzente in Richtung auf das historische Interesse am Gegenstand als primär denkmalbegründendes Merkmal. Bereits 1851 vermerkte Jacob Burckhardt , Begründer und maßgeblicher Förderer der Geschichtswissenschaft: "Alles Erhaltene wird zum redenden Zeugniß der betreffenden Epoche, zum Monument ... Auf den geschichtlichen Gehalt aller Monumente hinzuweisen, wäre die Hauptaufgabe für uns29."

Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts verschob sich dann auch in bezug auf Denkmale das Begriffsverständnis auf mehreren Ebenen: Es entstanden neue, klare Definitionen, z.B. für das Denkmal aus rechtlicher und für die Denkmalpflege aus wissenschaftlicher Sicht. Als rechtliche Begriffsbestimmung war im Entwurf eines Denkmalschutzgesetzes in Baden von 1883/84 der Begriff Denkmäler umschrieben worden als30: "alle, unbeweglichen und beweglichen Gegenstände, welche aus einer abgelaufenen Kulturperiode herstammen und als charakteristische Wahrzeichen ihrer Entstehungszeit für das Verständnis der Kunst... und ihrer geschichtlichen Entwickelung, für die Kenntnis des Altertums und für die geschichtliche Forschung überhaupt, sowie für die Erhaltung der Erinnerung an Vorgänge von hervorragendem historischem Interesse eine besondere Bedeutung haben ... [§ 1 Abs. I] 31 ."

Wie dieses Zitat zeigt, steht nun nicht mehr das Kunstwerk als solches im Vordergrund, sondern ein Gegenstand (auch ein Kunstwerk) wird zum Denkmal, weil er "Wahrzeichen" für die Entstehungszeit und das Verständnis des Gegenstandes/Kunstwerkes und der geschichtlichen Entwicklung 27

Vgl. nur die ausführliche Beschreibung der (z.T. mit politischen und weltanschaulichen Motiven verbundenen) Vorgänge und Hintergründe um die Vollendung des Kölner Doms als "Nationaldenkmal" bei: Huse, ebd., S. 39 ff.. 28

Zu diesen und anderen Beispielen siehe Kiesow, Einführung in die Denkmalpflege, 1982, S. 12 ff. 29 Zitiert nach Huse, Denkmalpflege, Deutsche Texte, 1984, S. 18. 30

Vgl. Hans, Denkmalschutz in Baden im 19. und 20. Jahrhundert, 1985, S. 48 f.

31

Abgedruckt bei Hans, ebd., S. 176.

I. Ursprünge und Ziele von Denkmalpflege und Denkmalschutz

53

der Kunst ist sowie ferner wegen seines Aussagewertes für die Kenntnis des Altertums und die geschichtliche Forschung überhaupt. Damit sind die vorgenannten, insbesondere an ästhetischen Kriterien orientierten und die politischen Motive ausgeschieden. So hatte denn auch der badische Großherzog diese Gesetzesinitiative mit dem weitverbreiteten Interesse am Denkmal, einer wissenschaftlich-historischen und gegenwartsbezogenen künstlerischen Bedeutung der Denkmale sowie dem Charakter der Denkmale als "vaterländisch" begründet32. Noch knapper und eindeutiger lautete die entsprechende Regelung im Denkmalschutzgesetz von 1902 für das Großherzogtum Hessen-Darmstadt 339 wonach als Baudenkmal ein Bauwerk galt, "dessen Erhaltung wegen seiner Bedeutung für die Geschichte, insbesondere für die Kunstgeschichte, im öffentlichen Interesse liegt [Art. I] 34 ."

Ebenso war in einem preußischen Runderlaß vom 6. Mai 1904 formuliert, "daß zu den Denkmälern alle Reste vergangener Kunstperioden gehören, wenn sie entweder rein geschichtlich oder zum Verständnis der Kultur und Kunstauffassung vergangener Zeitläufe wichtig sind ... ebenso auch, wenn sie von malerischer Bedeutung sind für das Bild eines Ortes oder einer Landschaft, oder wenn sie für das Schaffen der Gegenwart... vorbildlich erscheinen. Der Wert eines Denkmales liegt... nicht selten in der Bedeutung für einen enger begrenzten Landesteil oder für den Ort, an dem es errichtet ist35".

Etwa zur selben Zeit, gegen Ende des 19. Jahrhunderts, hatte sich auch in der Geschichte und Kunstgeschichte die Auffassung von Denkmalpflege grundlegend geändert und den von ihr erfaßten Bereich erheblich erweitert. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts setzte sich, maßgeblich geprägt36 von den Kunsthistorikern Georg Dehio und Alois Riegl, die Erkenntnis durch, der eigentliche, entscheidende Grund für die Pflege der alten Kunst- und Bauwerke sei die Achtung vor der historischen Existenz als solcher. Dehio postulierte vehement als neues Leitbild37:

32

Hans, ebd., S. 49 m.w.N.

33

Ähnliche Begriffsbestimmungen in weiteren Denkmalschutzgesetzen in Oldenburg 1911, Lübeck 1915, Lippe 1920, Hamburg 1920, Mecklenburg-Schwerin 1929 und Sachsen 1929; vgl. Hönes, Der Kulturdenkmalbegriff im Denkmalschutzrecht, DVB1.1984, S. 413 (413). 34

Zitiert nach Hönes, ebd., S. 413.

35

Zitiert nach Mörsch, Zur Differenzierbarkeit des Denkmalbegriffs, in: Deutsche Kunst und Denkmalpflege, Jg. 39 1981, S. 99. Vgl. z.B. Wohlleben, Vorwort, in: Dehio/Riegl, schriften zur Denkmalpflege um 1900,1988, S. 11 f.

Konservieren, nicht restaurieren, Streit-

37 Ausführlich zu seinem Leben, Denken und Wirken: Wohlleben, ebd., S. 14 ff.; näheres dazu auch bei Huse, Denkmalpflege, Deutsche Texte, 1984, S. 84 ff. mit Quellenabdruck.

54

§ 2 Von den Anfngen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts 38

"Konservieren, nicht restaurieren

und erläutert dies wie folgt: "Nach langen Erfahrungen und schweren Mißgriffen ist die Denkmalspflege nun zu dem Grundsatz gelangt, den sie niemals mehr verlassen kann: erhalten und nur erhalten! ergänzen erst dann, wenn die Erhaltung materiell unmöglich geworden ist; Untergegangenes wiederherstellen nur unter ganz bestimmten, beschränkten Bedingungen. ... Allein archäologisches und technisches Wissen, nicht künstlerisches Können kommt dabei in Betracht39." "Die Denkmalpflege will bestehendes erhalten, die Restauration will nicht bestehendes wiederherstellen40."

Einen anderen, stärker theoretisch orientierten Ansatz vertrat Riegl mit seiner Alterswerttheorie 41, in der er kategorisch dafür eintrat, der Kunstwert sei aus dem Begriff des Denkmals vollkommen auszuscheiden, so daß nur noch der Alterswert übrig bliebe42. Seitdem wird der Begriff 'Denkmal' aus wissenschaftlicher Sicht als 'historische Urkunde' definiert 43. Wichtige Folge dieses, sowohl im rechtlichen wie auch im (geschichts-) wissenschaftlichen Bereich von Äwtfdenkmalen auf Kulturdenkmale verlagerten Begriffsverständnisses war die umfangreiche Erweiterung des Kreises der betroffenen Objekte über die ursprünglich nur erfaßten Schlösser, Kirchen, Rathäuser, Stadttore und vergleichbare Gebäude mit öffentlicher Funktion sowie bewegliche Kunstgegenstände hinaus auf sämtliche materiellen Zeugnisse der Vergangenheit. Seither zählen neben den zuvor schon 38

Dehio, Denkmalschutz und Denkmalpflege im neunzehnten Jahrhundert (1905), in: ders,Kunsthistorische Aufsätze, 1914, S. 260 (280); neuerdings wieder abgedruckt in: Dehio/Riegl, Konservieren, nicht restaurieren, Streitschriften (1909), 1988, S. 88 ff. 39

Dehio, Was wird aus dem Heidelberger Schloß werden? (1901), abgedruckt in: ders., Kunsthistorische Aufsätze, 1914, S. 247 (252); neuerdings wieder abgedruckt in: Dehio/Riegl, ebd., S. 34 ff.; vgl. auch Lange, Die Grundsätze der modernen Denkmalpflege (1906), abgedruckt in: Dehio y Kunsthistorische Aufsätze, S. 121 ff.. 40 Dehio, Denkmalschutz und Denkmalpflege im neunzehnten Jahrhundert (1905), in: ders., Kunsthistorische Aufsätze, 1914, S. 260 (274). - Zu seinem Leben, Denken und Wirken auch ausführlich: Wohlleben, Vorwort, in: Dehio/Riegl, ebd., S. 25 ff. 41

Dazu näher Wohlleben, ebd., S. 29 ff.

42

Riegl, Der moderne Denkmalkultus. Sein Wesen, seine Entstehung (1903), abgedruckt in: ders., Gesammelte Aufsätze, 1929, S. 144 ff.; neuerdings wieder abgedruckt in: Dehio/Riegl, Konservieren, nicht restaurieren, Streitschriften (1909), 1988, S. 43 ff.; vgl. ferner Riegl, Neue Strömungen in der Denkmalpflege (1905), abgedruckt in: Dehio/Riegl, Konservieren, nicht restaurieren, Streitschriften (1909), 1988, S. 104 ff. 43

Siehe oben Einleitung § 1 III 1 b, S. 36 f.

I. Ursprünge und Ziele von Denkmalpflege und Denkmalschutz

55

erfaßten Bau- und Kunstwerken auch alle wesentlichen Dokumente der Siedlungs- und Produktionsgeschichte und damit sogar Zeugnisse des Kleinbürgertums, des Proletariats und der Arbeitswelt zu den schützenswerten Objekten44. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, daß nicht jeder erhaltene Gegenstand und jedes erhaltene Gebäude allein durch seine Existenz, die nur Beleg für das normale Tagesgeschehen ist (historisches Dokument), zum Denkmal wird. Es muß eine zusätzliche Besonderheit hinzukommen, wie z.B. eine besondere kulturelle Leistung, also die Qualität der Konzeption und der Ausführung 45, eine besondere Bedeutung für ein geschichtliches Ereignis oder auch die Einmaligkeit bzw. Seltenheit des betreffenden Objektes, die es vom normalen Zeitdokument unterscheidet. 4. Etablierung der Denkmalpflege als Wissenschaft und ihre spätere Bedeutung Im Zusammenhang mit dem Wandel im Begriffsverständis und der Erweiterung der Zielsetzung entwickelte sich die Denkmalpflege im Laufe des 20. Jahrhunderts zu einer anerkannten, angewandten, historischen und wissenschaftlichen Disziplin46. Mit dieser Intention waren auch entsprechende Einrichtungen geschaffen worden 47: 1899 wurde die Zeitschrift "Die Denkmalpflege" gegründet, in deren Leitartikel zu Heft 1 des ersten Jahrganges als ihre Gründe und Ziele "die Notwendigkeit sorgfältiger Pflege der geschichtlichen Wissenschaften" sowie der Wunsch, "der Allgemeinheit auch Entdeckungen und Erfahrungen technischer und kunstwissenschaftlicher Art [zu] vermitteln", genannt wurden 48. Im selben Jahr war von den deutschen Geschichts- und Altertumsvereinen in Straßburg die Einrichtung eines deutschen "Tages der Denkmalpflege" beschlossen worden, der erstmals im Jahre 1900 in Dresden stattgefunden hat49. Dort wurde dann, von Dehio

44

Beseler, Wir Konservatoren und die Denkmalpflege, in: Die Denkmalpflege als Plage und Frage - Festgabe für August Gebeßler, hrsg. v. Mörsch/Strobel, 1989, S. 33 (36). 45 Mielke, Die Zukunft der Vergangenheit, Grundsätze, Probleme und Möglichkeiten der Denkmalpflege, 1975, S. 29. 46

Sauerländer, Erweiterung des Denkmalbegriffs?, in: Deutsche Kunst und Denkmalpflege, Jg. 33 (1975), S. 117 (122). 47 Vgl. auch Wohlleben, Vorwort, in: Dehio/Riegl, Konservieren, nicht restaurieren, Streitschriften (1909), 1988, S. 9 f. 48

Abgedruckt bei Huse, Denkmalpflege, Deutsche Texte, 1984, S. 105 ff.

49

Dazu ausführlich Kneer, Die Denkmalpflege in Deutschland mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsverhältnisse, 1915, S. 77 ff.; vgl. Huse, ebd., S. 93.

56

§ 2 Von den Anfängen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts

initiiert, die Herausgabe des wissenschaftlichen Anspruch erhebenden "Handbuchs der deutschen Kunstdenkmäler" beschlossen50. In den ersten Jahren und Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurden, im Zusammenhang mit dem damals weitverbreiteten Heimatschutzgedanken, die denkmalpflegerischen Aktivitäten über den bisherigen Rahmen hinaus auch auf Gegenstände und Gebäude erweitert, die von nur regionalem Interesse waren, also Zeugnisse für geschichtliche Entwicklungen im ländlichen Bereich und in Gemeinden oder Städten sind51. In der Zeit nationalsozialistischer Herrschaft sind zwar Anstrengungen unternommen worden, ideologisches Gedankengut in die Denkmalpflege einzubringen, dies hatte jedoch angesichts der nur zwölfjährigen Dauer keine tiefgreifenden Auswirkungen auf die Praxis entfalten können52, zumal die Denkmalpflege während des Krieges den Umständen entsprechend keine Rolle mehr spielte. Vor große Probleme gestellt war die Denkmalpflege - soweit sie überhaupt involviert war und das Feld nicht Architekten und Stadtplanern überlassen mußte - durch die Anforderungen, die der Wiederaufbau nach den immensen Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges stellte. Das Gebot, 'nur zu konservieren', scheiterte oft an der Notwendigkeit, die zerstörten Gebäude als Wohnraum und Arbeitsstätten möglichst rasch wieder nutzbar zu machen, so daß häufig allenfalls Kompomißlösungen umgesetzt werden konnten53, die im Nachhinein betrachtet nicht immer ganz geglückt waren und inzwischen kritisch hinterfragt werden54. Aber auch während der Phase des sog. Wirtschaftswunders hatte die Denkmalpflege angesichts der entgegengesetzten, sehr stark auf modernes und funktionales Bauen ausgerichteten Bestrebungen einen schweren Stand. Erst seit Beginn der 70er Jahre ist wieder ein verstärktes Interesse an der Denkmalpflege entstanden. Deutlich belegt wird dies dadurch, daß das Jahr 1975 zum europäischen Denkmalschutzjahr erklärt wurde, in dem intensiv auf die Denkmalpflege und ihre Belange aufmerksam gemacht worden ist. Um die Interessen der Denkmalpflege kümmert sich seitdem auch das deutsche Nationalkomitee für Denk-

50

Kiesow, Einführung in die Denkmalpflege, 1982, S. 17 ff.

Dazu aus der Sicht jener Zeit z.B. Kneer Die Denkmalpflege in Deutschland, 1915, S. 43 ff.; vgl. ferner Huse, Denkmalpflege, Deutsche Texte, 1984, S. 150 ff.; Hans, Denkmalschutz in Baden im 19. und 20. Jahrhundert, 1985, S. 74 ff. 52

Vgl. Hans, ebd., S. 99 ff.; Huse, ebd., S. 184; ausführlicher Kiesow, Einführung in die Denkmalpflege, 1982, S. 24. SB 54

Vgl. die einzelnen Beispiele bei Huse, ebd. Z.B. von Huse, ebd., S. 183 ff.

II. Historische Rechtsakte zum Denkmalschutz und deren rechtliche Einordnung

57

malschutz mit einer ständigen Geschäftsstelle im Bundesministerium des Innern. Auch die allgemein zunehmende Berücksichtigung der Belange der Umwelt im weitesten Sinne und die Aktivitäten lokaler Bürgerinitiativen steigern und fördern Problembewußtsein und Verständnis breiter Teile der Bevölkerung für die Denkmalpflege 55. Damit ist die Denkmalpflege inzwischen zum festen Bestandteil staatlicher und privater Tätigkeit geworden. Sowohl die Stadtplanung als auch die privaten Eigentümer müssen deren Belange beachten. Unterstützt werden die denkmalpflegerischen Bestrebungen durch intensive steuerliche Anreize oder direkte Subventionen - z.B. in Baden-Württemberg wurden 1989 Zuschüsse von 78 Mio D M gewährt, in Nordrhein-Westfalen hat das Land 63 Mio D M für 1990 bereitgestellt.

IL Historische Rechtsakte zum Denkmalschutz und deren rechtliche Einordnung unter Berücksichtigung des Eigentumsschutzes Noch nicht angesprochen wurde im vorangegangenen Abschnitt, daß die erwünschte Berücksichtigung der der Allgemeinheit dienenden Belange und Ziele der Denkmalpflege zu weitreichenden Konflikten mit den entgegenstehenden, wirtschaftlichen und sonstigen Interessen und Wünschen der (Privat-)Eigentümer führte. Diese Problematik kann bzw. konnte nur über eine rechtliche Einbindung des gesamten Bereiches gelöst werden. Wie dies geschah, und wie weit die rechtliche Einbindung gehen konnte, wird nun in einem historischen Rückblick anhand der denkmalschutzrechtlichen Regelungen der vergangenen 200 Jahre zu zeigen sein. Konflikte mit Interessen Privater bestanden so lange noch nicht, wie die denkmalpflegerischen Aktivitäten per definitionem nur auf Kunstgegenstände beschränkt waren und damit nur Gegenstände und Gebäude betrafen, die - jedenfalls in der überwiegenden Mehrzahl - im Eigentum der die Denkmalpflege betreibenden Herrscher selbst standen, wie dies bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts der Fall war. Erst mit der Erweiterung des Denkmalbegriffs und der Einbeziehung aller Kulturgüter seit der Wende zum 20. Jahrhundert waren grundsätzlich auch Privateigentümer von der Denkmalpflege betroffen. Seitdem sind die Zielsetzungen der Denkmalpflege - insbesondere gegen die Interessen der Betroffenen - nur noch durchführbar, wenn sie auch mit rechtlichen Mitteln unterstützt und durchgesetzt werden (können).

55

Vgl. hierzu insgesamt Kiesow, Einführung in die Denkmalpflege, 1982, S. 27 ff.

58

§ 2 Von den Anfängen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts

Die in diesem Abschnitt vorgenommene Untersuchimg betrifft die Zeit vor Erlaß des Grundgesetzes. Aufgrund der aufzuzeigenden Rechtsentwicklung kann diese Zeit in zwei Hauptabschnitte unterteilt werden: Gegenüber den etwa vor der letzten Jahrhundertwende ergangenen Erlassen und Vorschriften besitzen die ersten, seit Beginn des 20. Jahrhunderts erlassenen Denkmalschutzgesetze eine andere rechtliche Qualität. Das betrifft zum einen ihre Legitimation durch die Mitwirkung von Parlamenten bei ihrer Entstehung, zum anderen ihren Inhalt, da sie erstmals auch Eingriffsbefugnisse gegenüber Privateigentümern enthielten. Im folgenden werden daher zunächst die älteren, bis etwa zum Ende des 19. Jahrhunderts ergangenen, im Zusammenhang mit Denkmalschutz und Denkmalpflege stehenden herrscherlichen Verordnungen und Erlasse dargestellt und deren rechtliche Bedeutung, insbesondere auch im Hinblick auf die Entstehung und Entwicklung des Verwaltungsrechts und des Verfassungsrechts, untersucht. Danach sind die mit den ersten, kurz nach 1900 erlassenen Denkmalschutzgesetzen verbundenen Neuerungen aufzuzeigen. Neben der Darstellung der Regelungen zu Denkmalschutz und Denkmalpflege wird jeweils auch auf die Regelungen und (verfassungs-) rechtlichen Verbürgungen des Eigentums eingegangen und beide Bereiche werden in Beziehung zueinander gesetzt. 1. Rechtsentwicklung im 18. und im 19. Jahrhundert Die Erlasse und Vorschriften zu Denkmalen in diesem Zeitabschnitt haben sehr unterschiedliche Regelungsgehalte: Es gibt Anweisungen an die Verwaltung, Organisationsakte und Anordnungen der Inventarisierung oder zur Aufnahme von Beständen. Zum Teil wurden auch bereits Schutzanordnungen erlassen, die allerdings - zunächst jedenfalls - nur öffentliches Eigentum betrafen. In formaler Hinsicht handelt es sich um Erlasse und Verordnungen von Herrschern oder deren Regierungen. Allgemeine und unter der Mitwirkung von Parlamenten zustandegekommene Gesetze zum Denkmalschutz gibt es bis Ende des 19. Jahrhunderts nicht. Zur allgemeinen Orientierung ist es angebracht, den zu behandelnden Zeitraum entsprechend der staats- und verfassungsrechtlichen Entwicklung einzuteilen. Die aufgeführten verfassungsrechtlichen Veränderungen bewirkten allerdings in der Regel keine strenge inhaltliche und rechtliche Zäsur, sondern die rechtliche Lage hat sich, allerdings durchaus erkennbar geprägt von der jeweiligen Ausgangssituation, allmählich entwickelt und verändert.

II. Historische Rechtsakte zum Denkmalschutz und deren rechtliche Einordnung

59

a) Im aufgeklärten Absolutismus (1) Übersicht über die ersten Erlasse und Verordnungen Die ersten, für das Gebiet der deutschen Territorialstaaten bekannten Anordnungen, die inhaltlich Denkmalschutz oder Denkmalpflege betreffen, sind bereits im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts erlassen worden 56. Sie betrafen den Schutz von Monumenten und anderen Gegenständen mit ähnlicher Zwecksetzung, wie Wappen- und Grabsteine, Epitaphien, Inschrifttafeln etc. Als die nachweisbar ältesten gelten zwei "Landesväterliche Ausschreiben" des Markgrafen Alexander von Bayreuth vom 4.7.1771, worin die Erhaltung der Monumente, und vom 10. April 1780, worin Schutzvorkehrungen für "Monument[e] ... worauf Wappen oder Inschriften gegraben, gehauen oder gemahlt sind" "in Ansehung der Kirchen und Capellen, dann anderer öffentlicher geistlichen und Schulgebäude" und "zweytens öffentliche weltliche Gebäude als Schlösser, Amt- und Rathäuser etc. [betreffend]" angeordnet wurden 57. Mit gleichem Regelungsinhalt erließ der Landgraf Friedrich IL zu Hessen-Kassel am 22.12.1780 eine "Verordnung, die im Lande befindlichen Monumente und Altertümer betreffend" 58. Zu Bodenfunden hatte es vereinzelt auch schon vorher im 18. Jahrhundert obrigkeitliche Anordnungen gegeben: so z.B. in der Markgrafschaft BadenBaden, einen Erlaß, der den Schatzfund regelte und die Schatzsuche untersagte59. Auch im kirchlichen Bereich gab es schon vor 1771 kirchliche Erlasse, die die Erhebung oder Beschreibung von Altertümern in Kirchen (Inventarisierung) betrafen 60. Auch sind aus dem 18. Jahrhundert bereits polizeirechtliche Einzelverfügungen mit denkmalschutzrechtlichem Inhalt, ergangen in bezug auf konkrete Einzelfälle, bekannt: Am 31.8.1787 erließ Friedrich Wilhelm IL von Preußen ein einige Bürgerhäuser der Stadt Potsdam betreffendes Publikandum, wonach die Einwohner von Potsdam 56

Vgl. auch die Auflistung bei Siegel, Denkmalpflege als öffentliche Aufgabe, 1985, Anhang I, S. 291 ff. - Eine auch die Entwicklung der Denkmalpflege-/-schutzverwaltung einbeziehende Darstellung findet sich bei Zoller, Der verwaltungsrechtliche Schutz der Kulturdenkmale im sozialen Rechtsstaat, 1965. 57 Abgedruckt bei Huse, Denkmalpflege, Deutsche Texte, 1984, S. 27 ff.; ebenfalls abgedruckt bei Dolff-Bonekämper, Die Entdeckung des Mittelalters, 1985, S. 331 ff., dort allerdings bezeichnet als Ausschreiben des Markgrafen Karl-Alexander von Brandenburg-Ansbach v. 10.4.1780/4.7.1771. 58 Abgedruckt bei Dolff-Bonekämper, ebd., S. 335 ff., 339 f.; ebenso abgedruckt bei Huse, ebd., S. 26 f., vgl. Kiesow, Einführung in die Denkmalpflege, 1982, S. 6. 59

Hans, Denkmalschutz in Baden im 19. und 20. Jahrhundert, 1985, S. 6 m.w.N.

60

Hans, ebd., S. 6 m.w.N.

60

§ 2 Von den Anfängen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts "keineswegs die Freiheit haben, an der Façade sothaner Häuser Veränderungen nach ihrem Gutbefinden vorzunehmen. Es bleibt ihnen daher alles Ernstes untersagt, weder die Attika, Vasen, Statuen, Gruppen oder auch andere Verzierungen davon wegzunehmen oder zu verändern, wie sich einige bereits erdreistet haben, sondern alles in dem Zustande zu lassen und zu erhalten, wie ihnen solches übergeben ist61."

Sogar in der wichtigsten Kodifikation des 18. Jahrhunderts, dem Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 (ALR), das viele verschiedene Bereiche umfassend regelte, waren in Theil I Titel 8 neben dem Grundsatz der Baufreiheit weitere Regelungen enthalten, in denen ein gewisser Schutz für Statuen oder Denkmäler auf öffentlichen Plätzen und für Gebäude an Straßen oder öffentlichen Plätzen vorgesehen war: "Vom Eigenthum Gesetzliche Einschränkungen zum Besten des gemeinen Wesens. §. 33. So weit die Erhaltung einer Sache auf die Erhaltung und Beförderung des gemeinen Wohls erheblichen Einfluß hat, so weit ist der Staat deren Zerstörung oder Vernichtung zu untersagen berechtigt. §. 34. So weit die Benutzung einer Sache zur Erhaltung des gemeinen Wohls erforderlich ist, kann der Staat diese Benutzung befehlen, und die Unterlassung derselben durch Strafgesetze ahnden. Bey Gebäuden. Pflichten des Eigenthümers wegen deren Unterhaltung und Wiederherstellung. §. 35. Statüen und Denkmäler, die auf öffentlichen Plätzen errichtet worden, darf niemand, wer er auch sey, beschädigen oder ohne obrigkeitliche Erlaubniß wegnehmen oder einreißen. §. 36. Noch weniger dürfen, ohne dergleichen Erlaubniß, Gebäude in den Städten, die an Straßen oder öffentliche Plätze stoßen, zerstöret oder vernichtet werden. §. 37. Dergleichen Gebäude muß der Eigenthümer, so weit es zur Erhaltung der Substanz und Verhütung alles Schadens und Nachtheils für das Publikum nothwendig ist, in baulichem Stande unterhalten. §. 38. Vemachläßigt er diese Pflicht dergestalt, daß der Einsturz des ganzen Gebäudes, oder eine Gefahr für das Publikum zu besorgen ist, so muß die Obrigkeit ihn zur Veranstaltung der nothwendigen Reparatur, innerhalb einer nach den Umständen zu bestimmenden billigen Frist, allenfalls durch Zwangsmittel anhalten. Einschränkungen des Eigenthümers bey dem Bauen. §. 65. In der Regel ist jeder Eigenthümer, seinen Grund und Boden mit Gebäuden zu besetzen oder sein Gebäude zu verändern, wohl befugt. §. 66. Doch soll zum Schaden oder zur Unsicherheit des gemeinen Wesens, oder zur Verunstaltung der Städte und öffentlichen Plätze, kein Bau und keine Veränderung vorgenommen werden. §. 71. In allen Fällen, wo sich findet, daß ein ohne vorhergegangene Anzeige unternommener Bau ... oder zur groben Verunstaltung einer Straße oder eines Platzes gereiche, muß derselbe nach den Anweisungen der Obrigkeit geändert werden. 61

Zitiert nach Mielke, Zukunft der Vergangenheit, 1975, S. 21 m.w.N.

Π. Historische Rechtsakte zum Denkmalschutz und deren rechtliche Einordnung

61

§. 78. Die Straßen und öffentlichen Plätze dürfen nicht... verunstaltet werden.62"

Diese Regelungen des ALR betreffen in § 35 zwar auch "Denkmäler", meinen damit allerdings nur Monumente, also ausschließlich Gegenstände, deren Zweckbestimmung von vornherein die Erinnerung an bestimmte Ereignisse oder Personen war. Sie beziehen sich aber nicht auf im Nachhinein aufgrund ihrer Bedeutung zum Denkmal gewordene Objekte63. Daraus und aus dem Gesamtzusammenhang der zitierten Paragraphen ergibt sich, daß es sich um Vorschriften handelt, denen noch keine eigentlich denkmalschutzrechtliche Intention zugrundelag, sondern die primär Verunstaltungsgesichtspunkte betrafen und im heutigen Sinne bauordnungsrechtlicher Natur waren. In der Folgezeit nehmen entsprechend dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung von Denkmalen auch die Erlasse zu diesem Bereich zu. Dabei finden sich in den einzelnen Territorialstaaten zu verschiedenen Zeitpunkten Regelungen mit unterschiedlichem Inhalt sowohl denkmalschützerischen als auch denkmalpflegerischen Charakters. Vereinzelt wurden echte Schutzanordnungen erlassen, die die betroffenen Gegenstände oder Bauwerke mit rechtlichen Mitteln schützten, indem deren Zerstörung oder Abriß untersagt wurde. Sehr viel häufiger bezweckten solche Anordnungen jedoch die Meldung, Erfassung, Inventarisierung und Behandlung der betroffenen Objekte. In der Regel betrafen die ersten Anordnungen zu diesem Bereich Monumente und ähnliche Gegenstände mit Denkmalcharakter, sodann Bodenfunde und kleinere bewegliche (Kunst-)Gegenstände und erstreckten sich erst später auch auf große, unbewegliche Gegenstände und Bauwerke. So ergingen in Bayern 1808 erste Erlasse zur Meldung und Behandlung von Bodenfunden, die bewegliche Erinnerungsstücke von geschichtlichem Wert, wie Münzen, Waffen und Geräte erfaßten 64. Im Großherzogtum Baden wurde - auf Veranlassung von Friedrich Weinbrenner - 1812 eine Schutzverordnung erlassen, die den Abbruch bestimmter Bauwerke untersagte, allerdings nur Türme, Stadttore oder vergleichbare Gebäude mittelalterlichen Ursprungs betraf 65. Es fällt auf, daß Erlasse aus jener Zeit sowie oftmals auch noch solche in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, gleichgültig ob mit schutzrechtlichem Inhalt oder aus konservatorischer Intention ergangen, ausschließlich Gegenstände und Bauwerke betrafen, die sich im Eigentum der Monarchen 62 Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1784, Textausgabe mit einer Einführung von H. Hattenhauer, 1970, S. 99 f. 63

Vgl. die Begriffsbestimmungen oben Einleitung § 1 III 1, S. 35 f.

64

Kiesow, Einführung in die Denkmalpflege, 1982, S. 10 f.

65

Hans, Denkmalschutz in Baden im 19. und 20. Jahrhundert, 1985, S. 19; Kiesow, ebd.,

S.7.

62

§ 2 Von den Anfngen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts

selbst oder sonst in öffentlicher Hand (Städte und Gemeinden) befanden. So gab, nachdem Karl Friedrich Schinkel in einem Bericht vom 17.8.1815 an den preußischen König grundsätzliche Vorschläge zur Erhaltung aller Denkmäler und Altertümer einschließlich der Einrichtung einer eigenen Behörde vorgelegt hatte, der preußische König Friedrich Wilhelm III. am 4.10.1815 einen -1824 erneuerten - Befehl, daß die Staatsbehörden bei jeder wesentlichen Änderung an öffentlichen Gebäuden oder Denkmälern Rücksprache mit der Oberbaudeputation zu nehmen hätten66. In Hessen-DarmStadt erließ Großherzog Ludwig I. - auf Anregung von Georg Moller - im Jahre 1818 eine erste Denkmalschutzverordnung, in der er das Ober-Baukolleg insbesondere mit der Inventarisierung und Aufnahme wichtiger Überreste alter Baukunst in ein Verzeichnis beauftragte, und Veränderungen oder den Abriß von erhaltenswerten öffentlichen Bauwerken unter Genehmigungspflicht stellte67. Durch allerhöchste Kabinettsordnung vom 20. Juli 1830 wurde den Stadtgemeinden in Preußen unter Hinweis auf § 33 Titel 8 Teil 1ALR die willkürliche Abtragung ihrer Stadtmauern, Tore, Türme usw. untersagt. 1835 wurde dort durch allerhöchste Kabinettsordnung die Zuständigkeit für diesen Bereich vom Finanzminister auf den Kultusminister übertragen 68. Ein durch "Allerhöchste Kabinettsordre" vom Juli 1843 in Preußen eingesetzter Konservator der Kunstdenkmäler hatte die Befugnis, Schutzanordnungen zu treffen: Er konnte bei Gebäuden mit öffentlichen Eigentümern Arbeiten bei Gefahr im Verzuge einstellen lassen. Ferner mußten alle Veränderungen an Kunstdenkmälern vom Kultusministerium vor deren Beginn genehmigt werden. Nicht betroffen von diesen Regelungen und Befugnissen waren Gegenstände des unbeschränkten Privateigentums69. Hauptaufgabe des preußischen Konservators war es vorrangig, sich möglichst genaue Kenntnis der vorhandenen Kulturdenkmäler zu verschaffen, auf deren Erhaltung zu achten, bei ihrer Restaurierung gutachtlich mitzuwirken und das Interesse für die Denkmäler zu wecken. Auch in Hessen-Kassel war am 27. Juli 1835 eine Verfügung erlassen worden, die die Erfassung und den Schutz von Denkmälern sowie ihre Pflege und Sicherung gegen weitere Zerstörung anordnete, wobei allerdings als Denkmäler nur Ruinen definiert waren70.

66

Zitiert bei Huse, Denkmalpflege, Deutsche Texte, 1984, S. 66.

Abgedruckt bei Huse, ebd., S. 32 f.; vgl. ferner Dolff-Bonekämper, Die Entdeckung des Mittelalters, 1985, S. 8; Kiesow, Einführung in die Denkmalpflege, 1982, S. 7. 68

Huse, ebd., S. 66; Kiesow, ebd., S. 10.

69

Huse, ebd., S. 68 f.; Kiesow, ebd., S. 10.

70

Dolff-Bonekämper,

Die Entdeckung des Mittelalters, 1985, S. 199 f.

II. Historische Rechtsakte zum Denkmalschutz und deren rechtliche Einordnung

63

(2) Rechtliche Qualifizierung und Einordnung der Erlasse und Verordnungen Die genannten Verordnungen enthalten Regelungen verschiedenen Inhalts. Es werden sowohl Schutzanordnungen getroffen als auch Maßnahmen zur Inventarisierung und Erhaltung der betroffenen Objekte. Die Adressaten der Erlasse wurden in der Regel nicht näher genannt. "Verordnungen" in diesem Sinne bezeichnen zu jener Zeit Verbindlicherklärungen, Anwendungs- und Befolgungsgebote, und waren ohne Unterschiede an Untertanen, Behörden und Gerichte adressiert 71. Einer Einordnung dieser hoheitlichen Anordnungen und Erlasse dürfen nicht Kriterien und das Rechtsverständnis der heutigen Zeit zugrundegelegt werden, sondern sie muß die damaligen Umstände berücksichtigen. So unterstand im absoluten Staat die - bereits umfassende und intensive - öffentliche Verwaltung unmittelbar dem Monarchen und unterlag darüber hinaus keiner wirksamen rechtlichen Bindung. Jener Begriff 'Verwaltung' war noch nicht gleichbedeutend mit Verwaltung im heutigen Sinne: Zwischen herrscherlichen Akten der Gesetzgebung und solchen der Verwaltung wurde nicht differenziert; diese rechtliche Unterscheidung war noch nicht ausgeprägt. Die gerichtliche Überprüfung der Maßnahmen der Polizei war nicht den ordentlichen Gerichten zugewiesen, sondern lediglich der Überprüfung durch Verwaltungsbehörden, der sog. Kammeijustiz, unterworfen. Es gab keine Differenzierung zwischen dem Erlaß von Vorschriften, deren Durchsetzung und der Vollziehung. Der souveräne Fürst selbst, die Obrigkeit, war freier Rechtsschöpfer und zugleich Regierender und Richtender 72. Vereinfacht gesagt, konnte ein absoluter, mit nahezu unbeschränkter Machtvollkommenheit ausgestatteter Monarch per Dekret alles befehlen und durchsetzen, was er zum Wohle des Staates für notwendig erachtete, ohne auf die Rechte Privater Rücksicht nehmen zu müssen73. Dies bedeutete auch, daß der Herrscher nicht an rechtliche Vorgaben gebunden war, und daß er Erlasse allein an Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit und Billigkeit orientieren konnte. Der gesamte Bereich des obrigkeitlichen Handelns gegenüber den Untertanen, der mit heutigen Begriffen 'hoheitliche Tätigkeit' und 'Staats71 Grawert, Gesetzgebung im Wirkungszusammenhang konstitutioneller Regierung, in: Beiheft 7 zu "Der Staat", 1984, S. 113 (148 f.).

72

Mußgnug, Die rechtlichen und pragmatischen Beziehungen zwischen Regierung, Parlament und Verwaltung, in: Jeserich/Pohl/v. Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 2: Vom Reichsdeputationshauptschluß bis zur Auflösung des Deutschen Bundes, 1983, S. 95(96). 73 Vgl. Zoller, Der verwaltungsrechtliche Schutz der Kulturdenkmale im sozialen Rechtsstaat, 1965, S. 14.

64

§ 2 Von den Anfngen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts

Verwaltung9 umschrieben wird, war im Absolutismus generell dem Aufgabenbereich der "Polizey" zugeordnet; er erfaßte den gesamten Bereich der inneren Verwaltung 74. Aus der Sicht des Absolutismus hatte die Polizei den inneren Frieden allumfassend zu sichern und war deshalb sowohl fur die Gefahrenabwehr (sog. Sicherheitsverwaltung) als auch für die sog. Wohlfahrtspflege ("Wohlfahrtspolizey"), die ebenfalls zur Gefahrenabwehr zählte, zuständig75. Neben dieser Sicht der Praxis war auf theoretischer Ebene - zunächst im Rahmen der Polizeiwissenschaft - bereits im späten 17. und im gesamten 18. Jahrhundert mit der eigenständigen wissenschaftlichen Aufarbeitung der (allgemeinen Finanz- und Abgaben-) Mittelverwaltung der Fürsten durch die sog. Kameralwissenschaft (Kameralistik 76) begonnen worden 77, aus der sich dann im Lauf der Zeit, insbesondere vorangetrieben durch den Praktiker und Gelehrten J.H.G. v. Justi (und später fortgeführt durch L. von Stein), eine umfassende allgemeine Verwaltungslehre entwickelte. Justi ordnete erstmals die Polizei, als deren Aufgabe er sowohl die Verfolgung des Sicherheitszweckes als auch die Wohlfahrtsförderung ansah, der vollziehenden Gewalt im Sinne der Gewaltenteilungslehre von Ch.-L. Montesquieu zu und plädierte für eine deutliche Unterscheidung bei der Gesetzgebungsbefugnis 78. In der Theorie waren das die ersten Ansätze einer Abkehr von der umfassenden Rechtsetzungsbefugnis durch die Obrigkeit und Hinwendung zu einer nur noch aus formellen Gesetzen abgeleiteten Befugnis zur Rechtsetzung. Erst an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert gab es breitere Bestrebungen, zunächst nur begrifflich zwischen Verfassung und Regierung einerseits und Verwaltung andererseits sowie zwischen Staatszweck und (Sicherheits-)Zweck der Polizei (/. v. Sonnenfels, G.H. v. Berg, R. v. Mohl, 74 Stolleis, Geschichte des Öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1: 1600 - 1800, 1988, S. 369 ff.; v. Unruh, Polizei, Polizeiwissenschaft und Kameralistik, in: Jeserich/Pohl/v. Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 1, 1983, S. 388 (405 f.). Vgl. auch Drews/ Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, Allgemeines Polizeirecht (Ordnungsrecht) des Bundes und der Länder, 9. Auflage 1986, § 1, S. 3 ff. 75

Hierzu und zum folgenden: Stolleis, ebd., S. 368 ff.; v. Unruh, ebd., S. 388 (405 f.).

76

Im ursprünglichen Sinne: Hofhaltung.

77 Maier, Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. Aufl. 1980, S. 164 ff.; Stolleis, Geschichte des Öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1: 1600 - 1800, 1988, S. 372 ff.; v. Unruh, Polizei, Polizeiwissenschaft und Kameralistik, in: Jeserich/Pohl/v. Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 1,1983, S. 388 (413 ff.). 78

Ausführlich zu Justi: Preu, Polizeibegriff und Staatszwecklehre, 1983, S. 149 ff.; Schulze, Polizey und Gesetzgebungslehre im 18. Jahrhundert, 1982, S. 92 ff.; Stolleis, ebd., S. 379 ff.; zu L. v. Stein: Maier, ebd., S. 242 ff.

. Historische Rechtsakte zum Denkmalschutz und deren rechtliche Einordnung

65

N.Th. v. Goenner) zu unterscheiden79. Später wurde postuliert, der Staat dürfe mit zwingenden Mitteln nur zum Zwecke der Sicherheit und zur Abwendung künftiger Gefahren tätig werden (so ansatzweise schon J.St. Pütter und /. v. Sonnenfels"), und öffentliche Angelegenheiten seien Sache des Volkes, nicht des Regenten (WJ. v. Behrf\ Die Umsetzung dieser theoretischen Ansätze in und ihre Anerkennung durch die Praxis dauerte jedoch geraume Zeit. Zwar sind schon im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 allererste Anfänge einer systematischen Trennung zwischen Verwaltung (Polizei) und allgemeiner Gerichtsbarkeit erkennbar 82; doch war Polizei dort noch als eine dem ursprünglichen Richteramt des Staatsoberhauptes entstammende Befugnis verstanden worden. Dies änderte sich erst unter dem Einfluß der Gewaltenteilungslehre und mit den Bestrebungen des Frühkonstitutionalismus. Erst von da an wurden Gerichtsbarkeit und Polizei dem theoretischen Ansatz nach unterschieden®. Zwar scheint im ALR bei isolierter Betrachtung des Wortlautes die Wohlfahrtspolizey schon aus dem Kompetenzbereich der mit Zwangsmitteln tätigen Polizei ausgeschieden zu sein, da der Wohlfahrtszweck in dessen "Allgemeinen Grundsätzen" in § 10 Teil I I Titel 17 nicht ausdrücklich erwähnt war 84: "Der Staat ist für die Sicherheit seiner Unterthanen, in Ansehung ihrer Personen, ihrer Ehre, ihrer Rechte, und ihres Vermögens, zu sorgen verpflichtet".

Auch war in einer nachfolgenden Generalklausel in § 10 Teil I I Titel 17 bestimmt: 79

V. Unruh, Polizei, Polizeiwissenschaft und Kameralistik, in: Jeserich/Pohl/v. Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 1, 1983, S. 388 (420, 422). Im einzelnen zu v. Berg und v. Mohl: ausführlich Maier, ebd., S. 207 u. 219 ff.; v. Sonnenfels: Preu, Polizeibegriff und Staatszwecklehre, 1983, S. 155 ff.; Stolleis, ebd., S. 382. 80

Siehe Preu, ebd., S. 142,180 ff. sowie S. 150 ff. (160).

81

Schulze, Polizey und Gesetzgebungslehre im 18. Jh., 1982, S. 184; Stolleis, Geschichte des Öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1: 1600 - 1800, 1988, S. 383 ff., 286 ff.; ferner v. Unruh, Polizei, Polizeiwissenschaft und Kameralistik, in: Jeserich/Pohl/v. Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 1,1983, S. 388 (422 f. m.w.N.). 82

V. Unruh, ebd., S. 423.

83

V. Unruh, ebd., S. 424.

84 So z.B. ausdrücklich Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1931, unveränderter Nachdruck 1948, S. 423 f.; vgl. ferner, Riifner, Die Verwaltungstätigkeit unter Restauration und Konstitution, in: Jeserich/Pohl/v. Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 2: Vom Reichsdeputationshauptschluß bis zur Auflösung des Deutschen Bundes, 1983, S. 470 - 503 (470); v. Unruh, ebd., S. 424.

5 Melchinger

66

§ 2 Von den Anfangen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts "Die nöthigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung, und zur Abwendung der dem Publico, oder einzelnen Mitgliedern desselben, bevorstehenden Gefahr zu treffen, ist das Amt der Polizey*5.*

Ob diese Ansicht jedoch zutrifft, ist heftig umstritten 86, denn es gab neben diesen Grundsatznormen im ALR umfangreiche Einzelregelungen, die weit über die reine Gefahrenabwehr hinausgingen. Im übrigen lassen sich auch bei den Verfassern des ALR, insbesondere bei C.G. Svarez, keine Hinweise für eine solche Sicht finden 87. Plausibel erscheint allerdings die These, daß im Preußischen Allgemeinen Landrecht nicht mehr alle Regelungen rein polizeilichen Charakter hatten. Deshalb soll bereits dort Polizei nicht mehr identisch sein mit obrigkeitlicher Gewalt auf dem Gebiet der inneren Verwaltung 88. Diese Diskussion zeigt, daß bereits im ALR der Wohlfahrtszweck zumindest im ersten Ansatz einen anderen Stellenwert gegenüber der Gefahrenabwehr hatte und möglicherweise nachrangig war. Wahrscheinlich sollte auf diese Weise nur der polizeiliche Zwang zur Wohlfahrtsförderung abgeschafft bzw. ausgeschlossen oder wenigstens zurückgedrängt werden, ohne daß zugleich jegliche staatliche Eingriffe zum Zwecke der Wohlfahrtsförderung verboten werden sollten89. Diese Interpretationen sind allerdings mit Vorsicht zu betrachten, denn sie beruhen auf Analysen aus späterer, z.T. aus heutiger Zeit. Das Verständnis der damaligen Praxis war ein anderes und von den in der Literatur geäußerten Ansichten wenig beeinflußt. Vor allem aber wurde den entsprechenden Ansichten der wissenschaftlichen Literatur in jener Zeit energisch gegengesteuert. Die damalige Sicht der Praxis wurde noch entscheidend durch Verordnungen von 1808 und sogar noch von 1850 gefestigt, in denen ausdrücklich hervorgehoben wurde, daß die Förderung der Wohlfahrt zu den Aufgaben der Polizei gehöre (z.B. § 3 der kgl. Verordnung über die Einrichtung der Provinzial-, Polizei- und Finanzbehörden vom 26.12.1808 und im "Gesetz über die Polizeiverwaltung* vom 11.3.185090). Somit besaß die Polizei auch noch nach Erlaß des preußischen ALR eine umfassende, nicht auf 85 Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1784 (Textausgabe von H. Hattenhauer), 1970, S. 620.

Mit einzelnen Beispielen: Maier, Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. Aufl. 1980, S. 204; vgl. ferner Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, § 1, S. 5. 87

Vgl. Maier, ebd., S. 203 in und bei FN 42 - 44 m.w.N.

88

Umstritten, für diese These: v. Unruh, Polizei, Polizeiwissenschaft und Kameralistik, in: Jeserich/Pohl/v. Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 1, 1983, S. 388 (424); dagegen: Maier, Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, 2. Aufl. 1980, S. 203 f. 89 Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, § 1, S. 5; Maier, ebd., S. 204 f.; ausführlich auch, aber teilweise sehr kritisch und im Ergebnis anderer Ansicht: Preu, Polizeibegriff und Staatszwecklehre, 1983, S. 274 ff. (304 f.).

. Historische Rechtsakte zum Denkmalschutz und deren rechtliche Einordnung

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den Bereich der Gefahrenabwehr beschränkte Kompetenz91. Jedenfalls in den Staaten des aufgeklärten Absolutismus sind deshalb innere Verwaltung und Polizeigewalt identisch. Wie sich aus der Darlegung der rechtlichen Ausgangslage im aufgeklärten Absolutismus ergibt, war auch der Geltungsumfang der ersten Verordnungen und Erlasse zu Pflege und Schutz von Denkmalen sehr weit. Auf der Grundlage des weiten Polizeibegriffes, der sowohl Gefahrenabwehr als auch Wohlfahrtspflege umfaßte, handelt es sich um herrscherliche Befehle, die sowohl die obrigkeitliche Verwaltung betrafen wie auch 'Außenwirkung' (nach heutiger Terminologie) hatten, also von den Untertanen unmittelbar zu befolgen waren. In der Regel kam somit jenen "Allerhöchsten Anordnungen" usw. nach heutigem Verständnis Gesetzeskraft zu. Die Anordnungen und Erlasse jener Zeit und teilweise sogar noch bis weit ins 19. Jahrhundert hinein - wie die Kabinettsorder von 1843 in Preußen zeigt - betrafen nur Objekte, die sich im Eigentum der Herrscher oder der öffentlichen Hand befanden. Einer Differenzierung nach Gegenständen im öffentlichen oder in privatem Eigentum hätte es allerdings, wenn letztere vom Denkmalschutz bereits erfaßt gewesen wären, mangels entsprechender Garantien für das private Eigentum nicht bedurft. Soweit das ALR Regelungen für (private) Gebäude an öffentlichen Straßen und Plätzen enthielt, vor allem in Form von Verunstaltungsverboten, waren diese Vorschriften baupolizeirechtlicher Natur. Das schließt jedoch nicht aus, daß sie auch zur Verwirklichung denkmalschutzrechtlicher und denkmalpflegerischer Ziele angewendet werden konnten. Soweit danach für die damalige Zeit überhaupt von denkmalschutzrechtlichen Regelungen gesprochen werden kann, waren diese mithin Bestandteil des Polizeirechts92. b) In den frühkonstitutionellen Staaten Ein Verwaltungsbegriff im modernen Sinn konnte angesichts der oben (unter I I 1 a [S. 2]) beschriebenen rechtlichen Ausgangslage erst mit der 90

Vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens, ebd., § 1, S. 5; v. Unruh, Preußen, Die Veränderungen der Preußischen Staatsverfasssungen durch Sozial- und Verwaltungsreformen, in: Jeserich/Pohl/v. Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 2: Vom Reichsdeputationshauptschluß bis zur Auflösung des Deutschen Bundes, 1983, S. 425 f.; weitere Hinweise auch bei Preu, ebd., S. 315 ff. 91

Vgl. Rüflter, Die Verwaltungstätigkeit unter Restauration und Konstitution, in: Jeserich/Pohl/v. Unruh (Hrsg.), Dt. Verwaltungsgeschichte, Bd. 2, 1983, S. 471. - Siehe unten, S.9276 f. So auch explizit zu den Vorschriften des ALR: Mensel, Art. 150 der Weimarer Verfassung und seine Auswirkung im preußischen Recht, in: AöR N.F. 14 (1928), S. 321 (347 f. in FN 36).

68

§ 2 Von den Anfangen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts

Durchsetzung der Gewaltenteilungslehre aufkommen. Die Ideen des Liberalismus und die Forderung nach einem liberalen Rechtsstaat im 19. Jahrhundert führten zu Bestrebungen, die unbeschränkte Macht des absoluten Monarchen zu begrenzen und ihn an die Gesetze zu binden, sowie später auch das System der konstitutionellen Monarchie langfristig durch rechtsstaatliche Prinzipien und Strukturen zu ersetzen, insbesondere durch die Einführung von Grundrechtsgarantien, Gesetzesvorbehalt, Gesetzesbindung der Verwaltung und Mitwirkung der Volksvertretung bei der Gesetzgebung (Gewaltenteilung)93. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte der Staat noch als Sache der Regierung gegolten, die Staatsgewalt oblag der Krone und der von ihr beherrschten Regierung. Wilhelm von Humboldt y dessen Ideen auch im ersten Teil des 19. Jahrhunderts noch maßgeblichen Einfluß entfalteten, hatte das Verhältnis von Staat und Bürger (= Gesellschaft) noch als ein Gegenüber, nicht als ein Miteinander angesehen; er hatte deshalb auf klarer Abgrenzung bestanden und eine radikale Beschränkung der Zuständigkeiten des Staates verlangt94. In der Praxis waren die bestehenden Freiräume der monarchischen Regierung jedoch auch gegenüber den erstmals in den frühkonstitutionellen Verfassungen zwar gewährten, aber bewußt gering gehaltenen Befugnissen der Landtage soweit als möglich verteidigt worden 95. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts schienen die Bestrebungen nach Gewaltentrennung und Beteiligung der Volksvertretungen an der Gesetzgebung sowie nach Anerkennung individueller, dem staatlichen Zugriff entzogener Freiheitssphären immerhin in den neuen, frühkonstitutionalistischen (süddeutschen) Landesverfassungen Berücksichtigung zu finden. Dabei konnte das Prinzip vom Gesetzesvorbehalt insoweit durchgesetzt werden, als Eingriffe in Freiheit und Eigentum der Bürger einer gesetzlichen, unter Mitwirkung der Volksvertretung zustandegekommenen Ermächtigung bedurften 96. So lautete z.B. § 65 der Badischen Verfassung vom 22.8.1818:

93

Vgl. allgemein zur Entwicklungsgeschichte des Gesetzesvoibehalts: Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, 1988, S. 315 (322 f.); Rottmann, Der Vorbehalt des Gesetzes und die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte, EuGRZ 1985, S. 277 ff. 94 Vgl. Menger, Deutsche Verfassungsgeschichte der Neuzeit, 6. Aufl. 1988, Rdnr. 231 (S. 119) u. 246. 95

Mußgnug, Die rechtlichen und pragmatischen Beziehungen zwischen Regierung, Parlament und Verwaltung, in: Jeserich/Pohl/v. Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 2,1983, S. 95 (109). 96 Ausführlich dazu und zum Folgenden: Thoma, Der Vorbehalt des Gesetzes im preußischen Verfassungsrecht, in: Festgabe für Otto Mayer, 1916, S. 165 (174 ff.).

II. Historische Rechtsakte zum Denkmalschutz und deren rechtliche Einordnung

69

"Zu allen ... die Freiheit der Person oder das Eigentum der Staatsangehörigen betreffenden allgemeinenen neuen Landesgesetzen oder zur Abänderung oder authentischen Erklärung der bestehenden, ist die Zustimmung der absoluten Mehrheit einer jeden der beiden Kammern erforderlich

Desgleichen war in § 13 das Eigentum unter den Schutz der Verfassung gestellt worden. Ahnliche Verbürgungen enthielten die Verfassungen in Württemberg 1819 und Hessen-Darmstadt 1820 ("Freiheit des Eigentums", § 24 württembergische Verf., Art. 23 hessische Verf.) sowie in Bayern 1818 ("Sicherheit des Eigentums und der Rechte", Titel IV § 8 bayrische Verf.) 98. Aber dennoch war in allen diesen, teils oktroyierten, teils vereinbarten Verfassungen und in der Wiener Schlußakte von 1820 eindeutig festgeschrieben worden, daß der König als Oberhaupt des Staates auch weiterhin alle Rechte der Staatsgewalt in sich vereinigte99. Es wurde keine echte Gewaltenteilung eingeführt, sondern nur die Ausübung der Machtbefugnisse des Monarchen begrenzt. Das Gesetzgebungsrecht100 der noch "landständischen" Versammlungen war außerdem nicht als vollausgeprägter Gesetzesvorbehalt im heutigen Sinne, sondern lediglich als Mitwirkungsrecht ausgestaltet 101 . So konnte beispielsweise in Baden die Ständeversammlung nur auf den materiellen Inhalt der betreffenden Gesetze Einfluß nehmen; solche Gesetze initiieren und formell erlassen durfte dagegen nur der Großherzog selbst102. Der Gesetzesvorbehalt hinsichtlich Eigentum und Freiheit betraf jedoch nur neue Gesetze und nicht das aus vorkonstitutioneller Zeit stammende alte Recht. Maßgeblich war das Verständnis des Gesetzesbegriffes, der nur Rechtssätze einschloß, die Freiheit und Eigentum betrafen 103; sonstige, nicht Eigentum und Freiheit betreffende Rechtsnormen konnte die

97

Zitiert nach Kröger, Einführung in die jüngere deutsche Verfassungsgeschichte (1806 1933), 1988, S. 34. 98

E.R Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. I: Reform und Restauration (1789 -1830), Nachdruck der 2. Aufl. 1975, S. 395; Kröger, ebd., S. 36. 99 Mußgnug, Die rechtlichen und pragmatischen Beziehungen zwischen Regierung, Parlament und Verwaltung, in: Jeserich/Pohl/v. Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 2,1983, S. 95 (96). 100 Dazu ausgiebig und differenziert Grawert, Gesetzgebung im Wirkungszusammenhang konstitutioneller Regierung, in: Beiheft 7 zu Der Staat 1984, S. 113 -160. 101 Mußgnug, Die rechtlichen und pragmatischen Beziehungen zwischen Regierung, Parlament und Verwaltung, in: Jeserich/Pohl/v. Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 2,1983, S. 95 (97). 102 Kröger, Einführung in die jüngere deutsche Verfassungsgeschichte (1806 - 1933), 1988, S. 35; Grawert, Gesetzgebung im Wirkungszusammenhang konstitutioneller Regierung, in: Beiheft 7 zu Der Staat 1984, S. 113 (122 f.). 103

Kröger, ebd., S. 34.

70

§ 2 Von den Anfangen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts

Krone auch weiterhin auf dem Verordnungswege und in eigener Machtvollkommenheit erlassen104. Oftmals war es dem Landesherrn vorbehalten, ohne Zustimmung der Ständeversammlung die Verordnungen zum Vollzug der Gesetze zu erlassen; dieser hatte auch das Recht, Notverordnungen zu erlassen105. Mitberücksichtigt werden muß zudem, daß sich die Landtage ihre Beteiligungsrechte an der Gesetzgebung erst im Lauf der Zeit und gegen den Widerstand der Regierungen erkämpfen mußten. So dauerte es trotz der konstitutionellen Verbürgungen noch geraume Zeit, bis teilweise schon im Früh-, konsequent dann allerdings erst im Spätkonstitutionalismus das parlamentarische Gesetzgebungsrecht wenigstens hinsichtlich der Eigentums- und Freiheitsklauseln Realität wurde 106. Aus freiheitlich-liberaler Sicht, die ein möglichst von obrigkeitlichen Eingriffen und Beschränkungen freies Eigentumsrecht anstrebte, wurden angesichts der insgesamt nicht sehr ermutigenden politischen und verfassungsrechtlichen Lage die Bestrebungen zum Schutz des (Privat-)Eigentums auch auf dem Gebiet des Privatrechts intensiviert. Dies geschah vor allem indem aus einer freiheitlichen Grundidee heraus zivilrechtlich ein absoluter Eigentumsbegriff propagiert und Beschränkungen des Eigentums als außerhalb dieses Eigentumsbegriffes liegend angesehen wurden 107. Eine Durchsicht vor allem der im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts ergangenen Erlasse und Verordnungen zum Denkmalschutz zeigt, daß sie keine einschränkenden (Eingriffs-) Regelungen in bezug auf Gegenstände und Gebäude in Privateigentum enthielten. Fast alle Anordnungen, die in dieser Zeit den (Denkmal-) Schutz von Gegenständen und Bauwerken betrafen, und in denen entsprechende Eingriffsbefugnisse und -ermächtigungen erteilt wurden, erfaßten ausschließlich Eigentum in der Hand öffentlicher Träger (Städte, Gemeinden, Kirchen, Herrscher) 108. So gibt es

104

Mußgnug, Die rechtlichen und pragmatischen Beziehungen zwischen Regierung, Parlament und Verwaltung, in: Jeserich/Pohl/v. Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 2,1983, S. 95 (98). 105 Ausführlich dazu Grawert, Gesetzgebung im Wirkungszusammenhang konstitutioneller Regierung, S. 113 (149 ff.), wo auch einige Beispiele für Notverordnungen aufgeführt sind; vgl. auch Kröger, Einführung in die jüngere deutsche Verfassungsgeschichte (1806 - 1933), 1988, S. 35. 106

Mußgnug, Die rechtlichen und pragmatischen Beziehungen zwischen Regierung, Parlament und Verwaltung, in: Jeserich/Pohl/v. Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 2,1983, S. 95 (98 f.). 107 Vgl. Hecker, Eigentum als Sachherrschaft, 1990, S. 215, 218 f. m.w.N.; - vgl. dazu auch unten §4 II, S. 113 ff. 108

Ebenso Kneer, Die Denkmalpflege in Deutschland, 1915, S. 153.

II. Historische Rechtsakte zum Denkmalschutz und deren rechtliche Einordnung

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eine Ministerialverordnung in Bayern vom 12.1.1826, nach der in allen Städten die Ringmauern, Türme und Gräben vor dem Abbruch geschützt werden sollten. Eine Allerhöchste Entschließung vom 21.11.1826 betraf die Erhaltung öffentlicher und unbeweglicher Einzelkunstwerke, eine andere vom 29.5.1827 bewegliche Kunstdenkmale und Einrichtungsgegenstände sowie eine weitere vom 30.6.1830 Bodenaltertüme109. Zwar gab es in Bayern am 28.9.1830 eine Allerhöchste Entschließung, nach der bei Denkmalen im privaten Eigentum deren Zerstörung anzeigepflichtig war 110 , über die Anzeigepflicht hinaus wurde jedoch keine ausdrückliche Eingriffsbefugnis zur Verfügung gestellt. Im übrigen wurden in den frühkonstitutionellen Staaten kaum oder überhaupt keine Schutzanordnungen erlassen, sondern nur organisatorische Maßnahmen angeordnet und entsprechende Verwaltungsvorschriften erlassen, z.B. Konservatoren eingesetzt, entsprechende Behörden eingerichtet und deren Aufgabengebiet festgelegt 111. So wurde in Bayern am 26.1.1835 eine HGeneralinspektion der plastischen Denkmäler des Mittelalters" errichtet, die jedoch ab 1847 nicht mehr besetzt wurde 112. Zehn Jahre später wurde im Großherzogtum Baden 1853 ein "Großherzoglich Badischer Conservator der Kunstdenkmale & Alterthiimer* eingesetzt113 und in Württemberg wurde 1858 ein Konservator berufen 114. Dieser Befund, keine Eingriffsbefugnisse zu gewähren, insbesondere nicht gegenüber Privateigentümern, entspricht der beschriebenen rechtlichen Situation: Denkmalschutzrechtliche Anordnungen gegenüber Privaten hätten die Freiheit des Eigentums berührt und unterfielen deshalb dem Mitwirkungsrecht der Parlamente (Gesetzesvorbehalt). Vor allem aus diesem rein formalen Grund wurde dieser Bereich von den Regierungen und Herrschern zunächst nicht angetastet und nicht gesetzlich geregelt. Der Bereich Denkmalschutz wurde nicht als so wichtig angesehen, daß die Regierungen bereit gewesen wären, deswegen an die ungeliebten Parlamente heranzutreten und ihnen erforderlichenfalls sogar Konzessionen machen zu müssen, wie sich auch an den noch darzustellenden, späteren Entwürfen für Denk109

Kiesow, Einführung in die Denkmalpflege, 1982, S. 10 f. Kiesow, ebd., S. 11; Zolter, Der verwaltungsrechtliche Schutz der Kulturdenkmale im sozialen Rechtsstaat, 1965, S. 20. 110

111 Vgl. die zusammenfassende Darstellung zu "Amtliche Einrichtungen und Maßnahmen" bei Kneer, Die Denkmalpflege in Deutschland, 1915, S. 56 ff. 112

Kiesow, Einführung in die Denkmalpflege, 1982, S. 10 f. Hans, Denkmalschutz in Baden im 19. und 20. Jahrhundert, 1985, S. 42 m.w.N.; Kiesow, ebd., S. 11. 113

114

Kiesow, ebd., S. 11.

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§2 Von den Anfangen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts

malschutzgesetze zeigen wird, die unter anderem aus diesem Grund nicht durchgesetzt werden konnten115. Im übrigen bleibt es auch für diesen Zeitraum bei der bereits oben getroffenen Einschätzung, daß der Polizeigewalt eine umfassende, nicht auf den Bereich der Gefahrenabwehr beschränkte Kompetenz zukam, also in der Praxis noch immer nicht zwischen Sicherungs- und Wohlfahrtszweck unterschieden wurde. So waren, jedenfalls in der administrativen Praxis, innere Verwaltung und Polizeigewalt noch bis weit ins 19. Jahrhundert hinein identisch116, obgleich nicht verkannt werden darf, daß die Erkenntnis im Vordringen begriffen war, die Polizei könne Zwangsmittel nur im Zusammenhang mit Gefahrenabwehr anwenden und die Wohlfahrtsförderung habe ohne Zwang auszukommen117. Die erlassenen Verordnungen zu Denkmalpflege und Denkmalschutz hatten demgemäß weiterhin einen weiten Geltungsbereich. c) Im Konstitutionalismus In der Preußischen Verfassung vom 31.1.1850 war die Gesetzgebungskompetenz nicht ausdrücklich geregelt118. Art. 62 lautete: "Die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch den König und durch zwei Kammern ausgeübt. Die Übereinstimmung des Königs und beider Kammern ist zu jedem Gesetze erforderlich119."

Ob sich dies neben den materiellen auch auf formelle Gesetze bezog, war in der damaligen Literatur umstritten 120. Für den hier interessierenden Bereich bestimmte sich die Gesetzgebungskompetenz jedoch unbestritten weiterhin nach der Lehre vom "Vorbehalt des Gesetzes", wonach alle 115

Vgl. unten 2, S. 81 ff.

116

Rüfrier, Die Verwaltungstätigkeit unter Restauration und Konstitution, in: Jeserich/Pohl/v. Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 2,1983, S. 471. 117

vgl. Stolleis, Veiwaltungslehre und Verwaltungswissenschaft 1803 - 1866, in: Jeserich/Pohl/v. Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 2: Vom Reichsdeputationshauptschluß bis zur Auflösung des Deutschen Bundes, 1983, S. 57 (86); vgl. auch Preu, Polizeibegriff und Staatszwecklehre, 1983, S. 319 ff., der immerhin einen Wandel im Verständnis des § 10 II 17 ALR konzediert. 118 Kröger, Einführung in die jüngere deutsche Verfassungsgeschichte (1806 - 1933), 1988, S. 41. 119 Abgedruckt z.B. bei Dürig/Rudolf, Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte, 2. Aufl. 1979, S. 135 ff. (143). Sehr ausführlich dargestellt bei Thoma, Der Vorbehalt des Gesetzes im preußischen Verfassungsrecht, in: FG Otto Mayer, 1916, S. 165 (167 ff.).

. Historische Rechtsakte zum Denkmalschutz und deren rechtliche Einordnung

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"Eingriffe in Freiheit und Eigentum der Bürger" die Zustimmung der Kammern erforderten, d.h. entsprechende Regelungen bedurften ihres Inhaltes wegen der Gesetzesform und damit auch der Zustimmung der Kammern (sog. materieller Gesetzesbegriff) 121. In der Praxis gewann jedoch die parlamentarische Gesetzgebung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunehmend an Umfang und politischem Gewicht. Über den Umweg, den Regierungen für deren gesamten Tätigkeitsbereich - also auch in den Fällen, in denen den Parlamenten direkt kein Mitspracherecht eingeräumt war - die finanziellen Mittel zu verweigern (Budgetbewilligungsrecht), hatten die Landtage eine weite Auslegung des Gesetzesvorbehalts, über den engsten Bereich der klassischen Eigentumsund Freiheitsklausel hinaus, erreichen können122. Der Grundsatz vom Gesetzesvorbehalt betraf zwar weiterhin - insbesondere in der Sicht der herrschenden Staatsrechtslehre 123 - nur die Bereiche Freiheit des Individuums und Privateigentum, war in der Praxis aber erweitert worden auf alle einschränkenden Reglementierungen dieser Freiheitsrechte. Die Preußische Verfassung von 1850 enthielt unter der Überschrift "Von den Rechten der Preußen" folgende Regelungen zum Eigentum: "Art. 9 Das Eigenthum ist unverletzlich. Es kann nur aus Gründen des öffentlichen Wohles gegen vorgängige in dringenden Fällen wenigstens vorläufig festzustellende Entschädigung nach Maaßgabe des Gesetzes entzogen oder beschränkt werden. Art. 42 Das Recht der freien Verfügung über das Grundeigenthum unterliegt keinen anderen Beschränkungen, als denen der allgemeinen Gesetzgebung ... 124 ."

Bei diesen Verbürgungen handelt es sich allerdings noch nicht um 'Grundrechte' im heutigen Sinne, also nicht um einklagbare Rechtsansprüche, sondern um normative Grundsätze, um ein "Reformprogramm", das vorwiegend für die Gesetzgebung galt125. Im 19. Jahrhundert kam den Frei121

Kröger, Einführung in die jüngere deutsche Verfassungsgeschichte (1806 - 1933), 1988, S. 41; vgl. zu diesem Komplex insgesamt E.-W. Böckenförde, Der Typ der konstitutionellen Monarchie im 19. Jahrhundert, in: ders., Staat Gesellschaft Freiheit, 1. Aufl. 1976, S. 112 (118 f., 125 ff.). 122 Mußgnug, Die rechtlichen und pragmatischen Beziehungen zwischen Regierung, Parlament und Verwaltung, in: Jeserich/Pohl/v. Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 2,1983, S. 95 (118); Kröger, ebd., S. 42 f., 98 f. 123

Vgl. dazu Thoma, Der Voibehalt des Gesetzes im preußischen Verfassungsrecht, in: FG124 für Otto Mayer, 1916, S. 165 (74 ff., 186,214). Abgedruckt z.B. bei Diirig/Rudolf\ Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte, 2. Aufl. 1979, S. 136 u. 140. 125 Vgl. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Kommentar, 14. Aufl. 1933, S. 507; siehe ferner E.-W. Böckenförde (Hrsg.), Moderne deutsche Verfassungsgeschichte (1815 - 1914), 2. Aufl. 1981, Vorbemerkung S. 319; Wahl, Rechtliche Wirkungen und

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§ 2 Von den Anfngen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts

heitsrechten noch kein gegenüber dem einfachen Gesetz durchsetzbarer höherer Rang zu; sie waren das bestehende Recht ergänzende oder verändernde gesetzliche Bestimmungen, die wegen ihres programmatischen Charakters nur begrenzte Wirkung entfalten konnten126. Sie konnten auch, da der Verfassung kein Vorrang zukam und da vor allem die Gerichte keine Befugnis hatten, Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen, durch Gesetze sehr weit zurückgenommen werden 127. Im übrigen wurden in der damaligen Rechtslehre "Grundrechte" tendenziell eher abschwächend und einengend interpretiert 128. Enteignung im Sinne des Art. 9 Preuß. Verf. 1850 war nur die völlige Wegnahme einer Sache durch die Verwaltung aufgrund eines Gesetzes, nicht aber die Beschränkung oder Entziehung des Eigentums durch gesetzgeberische Maßnahmen129. Staatliche Eingriffe in das Eigentum waren trotz des eindeutigen Wortlauts des Art. 9 zulässig, sofern sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhten, denn im Rahmen der Inhaltsbestimmung des bürgerlichen Eigentums war das Recht, Sachen unbeschränkt zu nutzen und darüber zu verfügen, nur gewährt, soweit dies nicht durch Gesetz untersagt war (Art. 544 Code civil von 1804 später auch § 903 BGB) 130 . Im übrigen unterlag das Eigentum (weiterhin) der Polizeipflichtigkeit und damit den allein auf der Generalklausel des § 10 Teil I I Titel 17 ALR 1 3 1 beruhenden Konkretisierungen durch Vorschriften des besonderen Polizeirechts132. Die verfassungsrechtlichen Regelungen zum Eigentum gewährten somit nur scheinbar die vollkommen freie Verfügungsgewalt; tatsächlich waren sie lediglich "aufgesetzt auf eine Fülle überkommenen alten Rechts"133. Von wesentlicher Bedeutung ist, daß neben der Eigentumsverbürgung zugleich in Art. 9 Satz 2 Preuß. Verf. 1850 auch die Möglichkeit der EntzieFunktionen der Grundrechte im deutschen Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts, in: Der Staat 18 (1979), S. 321 (323, 328 f.). 126

Scheuner, Die rechtliche Tragweite der Grundrechte in der deutschen Verfassungsentwicklung des 19. Jahrhunderts, in: E.-W. Böckenförde (Hrsg.), Moderne deutsche Verfassungsgeschichte, 2. Aufl. 1981, S. 319 (320). 127 Scheuner, ebd., S. 326 u. 332. 128

Scheuner, ebd., S. 331 m.w.N.

129

V. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, 1984, S. 22 f. m.w.N.; E.R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. III: Bismarck und das Reich, Nachdruck der 2. Aufl. 1978, S. 110 m.w.N. 130

V. Brunneck, ebd., S. 21 f.

131

Vgl. oben II 1 a (1), S. 61.

132

V. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, 1984 S. 23 f. m.w.N. So Wahl, Rechtliche Wirkungen und Funktionen der Grundrechte im deutschen Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts, in: Der Staat 18 (1979), S. 321 (328). 133

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hung des Eigentums (= Enteignung) in der Verfassung festgeschrieben worden war. Das Recht, eine Enteignung anzuordnen, stand dem Landesherrn zu und war nach Art. 106 Abs. 2 Preuß. Verf. 1850 ausdrücklich jeder gerichtlichen Überprüfung entzogen134. Vergleichbare Regelungen enthielten auch die Verfassungen der anderen Länder. An der mangelnden Kompetenz, Enteignungen inhaltlich zu überprüfen, änderte sich auch nichts durch die Einführung einer "Verwaltungsgerichtsbarkeit" in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Somit gewährten selbst die verfassungsrechtlichen Regelungen des Eigentums keinen Schutz gegenüber hoheitlicher Entziehung des Eigentums (Enteignung). Die weitreichenden Eingriffsbefugnisse des Gesetzgebers hatten schon aus praktischen Gründen keine umfassende Wirkung entfalten können, weil in den an der Gesetzgebung beteiligten Instanzen (monarchische Regierung und Volksvertretung) die Eigentümerseite im Übergewicht vertreten war und damit ihr nicht genehme Änderungen der Eigentumsregelungen verhindern konnten. Es waren daher nur solche Eigentumsbeschränkungen tatsächlich durchsetzbar, die von den Eigentümern als unbedingt erforderlich akzeptiert wurden 135. Somit war nicht aus (verfassungs-) rechtlichen, sondern aus tatsächlichen (politischen) Gründen im Ergebnis ein sehr weitgehender Schutz des Eigentums gegeben - was insoweit auch der damals vorherrschenden Sicht vom "klassisch-liberalen" Freiheitsrecht entsprach. Schutzanordnungen mit Eingriffsbefugnissen gegenüber den Eigentümern sind in bezug auf Denkmale denn auch in dieser Zeit nicht mehr erlassen worden. Es zeigt sich, daß die Eigentumsgewährleistung der Verfassung bereits damals wegen seiner unbeschränkten Eingriffsmöglichkeiten unter dem "Vorbehalt" der Inhaltsregelung durch den Gesetzgeber stand und die rechtliche Situation insoweit nicht den ursprünglichen liberalen Freiheitsidealen entsprach. Die liberale Eigentumstheorie des 19. Jahrhunderts hatte allerdings auch nicht so sehr das Freiheitsrecht, also die persönliche Rechtsstellung des Eigentümers im Visier, sondern, wie der Blick auf die rechtlich abgesicherte Enteignung gegen Entschädigung zeigt, maßgeblich war, daß das Eigentumsrecht den Vermögenswert des Gegenstandes, also das Recht auf den Erhalt des finanziellen Wertes der Sache garantierte;

134

Näher dazu und Nachweis auch für das Folgende: Böhmer, Die rechtsgeschichtlichen Grundlagen der Abgrenzungsproblematik von Sozialbindung und Enteignung, Der Staat 24 (1985), S. 157 (169 f.). 135 Zum Ganzen vgl. v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, 1984, S. 25 f.; vgl. auch Wahl, Rechtliche Wirkungen und Funktionen der Grundrechte im deutschen Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts, in: Der Staat 18 (1979), S. 321 (334).

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2 Von den Anfngen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts

damit war der Schutz des Eigentums auf eine vermögensrechtliche Dimension reduziert (Eigentum als Wertfunktionsbegriff) 136. In der Reichsverfassung von 1871> die keine Aussagen zum Eigentum enthielt, wurde das Gewaltenteilungsprinzip - jedenfalls für die Trennung von Gesetzgebung und Regierung - in weit größerem Maße als zuvor durchgesetzt137. Danach wurden die Gesetze vom Bundesrat und dem Reichstag beschlossen, der Kaiser hatte kein eigenständiges Verordnungsrecht mehr, die Rechtsetzungsbefugnis der Exekutive war eingeschränkt. Eine ähnliche Entwicklung nahm das Gesetzgebungsrecht der Landtage138; auch dort wurde die Befugnis der Exekutive zu eigenmächtigem Handeln unabhängig von einer gesetzlichen Grundlage eingeschränkt. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde auch die Dispensationsgewalt der Krone beschränkt, wonach die Monarchen das Recht in Anspruch genommen hatten, die erlassenen Gesetzen nach eigenem Gutdünken durch die Gewährung von Ausnahmen zu durchbrechen. Dies war fortan nur noch auf gesetzlicher Grundlage zulässig, wodurch ebenfalls eine engere Bindung der Regierungen an die parlamentarische Gesetzgebung erreicht werden konnte139. Mit Blick auf die inzwischen erkannte größere Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit des Einzelnen und aufgrund des gewandelten Verständnisses von der Aufgabe des Staates, Gefahren abzuwehren, war, jedenfalls in der Theorie, im Laufe des 19. Jahrhunderts eine neue Vorstellung von Polizei entstanden. Deren Aufgabe hatte sich auf Gewährleistung, Schutz und Erhaltung jener Freiheitsbereiche und damit u. a. die Sicherung des Eigentums zu beschränken; die Wohlfahrtspflege schied aus diesem Aufgabenkanon aus. In der Praxis hat sich diese Erkenntnis jedoch erst recht spät durchgesetzt. So wurde die bis dahin umfassende Polizeigewalt der Krone erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eingeschränkt: Im sog. Kreuzberg-Urteil vom 14.6.1882140 hatte das 1872/75 errichtete Preußische Oberverwaltungsge136

Ausführlich dazu Böhmer, Die rechtsgeschichtlichen Grundlagen der Abgrenzungsproblematik von Sozialbindung und Enteignung, Der Staat 24 (1985), S. 157 (175 m.w.N.). Mußgnug, Die rechtlichen und pragmatischen Beziehungen zwischen Regierung, Parlament und Verwaltung, in: Jeserich/Pohl/v. Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 3,1984, S. 109 (112 ff.). 138

Vgl. dazu Mußgnug, ebd., S. 122 ff.

139

Mußgnug, ebd., S. 125 f.

140

PrOVG 9, 353 - 384; abgedruckt in: v. Münch (Hrsg.)/Vogel, Gerichtsentscheidungen zum Polizeirecht, 1974, S. 1 - 38 (die folgenden Zitate beziehen sich auf diese Fundstelle).

II. Historische Rechtsakte zum Denkmalschutz und deren rechtliche Einordnung

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rieht (OVG) in einer Denkmale betreffenden Angelegenheit die Kompetenz der Polizei auf die Abwehr von Gefahren fiir die öffentliche Ruhe, Sicherheit und Ordnung beschränkt: Es ging um die Gültigkeit einer Polizeiverordnung zum Schutz eines auf dem Berliner Kreuzberg errichteten Siegesdenkmals, wonach die umliegenden Gebäude nur so hoch errichtet werden durften, daß sie die Aussicht von dem Denkmal auf die Stadt und deren Umgebung nicht behinderten und zudem auch die Sicht auf das Denkmal nicht beeinträchtigten.

Jene, auf ästhetischen Gründen beruhende Verordnung des Berliner Polizeipräsidenten wurde vom OVG für unwirksam erklärt. Das Preußische OVG untersagte dabei im Jahre 1882, § 10 Teil I I Titel 17 ALR als (Ermächtigungs-) Grundlage für wohlfahrtspflegerische Maßnahme heranzuziehen141. In der Folgezeit wurde herausgearbeitet, daß diese Norm lediglich eine allgemeine gesetzliche (General-) Ermächtigung für polizeiliche, ausschließlich die Gefahrenabwehr betreffende, Anordnungen enthält142. Danach war zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, daß die Polizei sog. wohlfahrtsstaatliche Anordnungen treffen konnte, diese bedurften dann aber einer Ermächtigung durch eine, vom Parlament als allgemeinen Gesetzgeber erlassene, spezialgesetzliche Grundlage 143. Beginnend mit diesem Urteil, das teilweise umstritten war, insbesondere weil das Gericht die genannten, nach Erlaß des ALR ergangenen späteren Verordnungen von 1808 und 1850144 ausdrücklich nicht berücksichtigen wollte 145 , wurde nun auch in der (Verwaltungs-) Praxis die Gewaltenteilung und der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes verwirklicht, jedenfalls für Eingriffe in Freiheit und Eigentum. Eine parallele Entwicklung hatte es bereits etwas früher durch den Erlaß in Bayern und Baden 1861 bzw. 1863 und in der Polizeistrafgesetzbücher Württemberg 1871 gegeben. Darin war festgelegt worden, daß alles erlaubt ist, was das Gesetz nicht ausdrücklich verbietet; ferner konnten Polizeiverordnungen fortan nur noch aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung erlassen werden 146.

141

PrOVG, in: v. Münch (Hrsg.)/Vogel Gerichtsentscheidungen zum Polizeirecht, 1974, S. 21 ff., 25 ff. - Bei Preu, Polizeibegriff und Staatszwecklehre, 1983, S. 319 ff., ist der dem zugrundeliegende Bedeutungswandel des § 10 II 17 ALR ausführlich beschrieben. 142

Vgl. Preu, ebd., S.327.

143

Vgl. Drews /Wache/Vogel/Martens,

144

Vgl. oben II 1 a (2), S. 63 f.

Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, § 1, S. 6 f.

145 Vgl. z.B. Drews/Wacke/Vogel/Martens, ebd., S. 7; von der Groeben, Die Erfüllung von allgemeinen und besonderen polizeilichen Aufgaben, in: Jeserich/Pohl/v. Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 3,1984, S. 435 - 449 (439).

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§ 2 Von den Anfngen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gewann schließlich die dann auch vom Staatsrecht abgegrenzte147 Verwaltungsrechtslehre zusehends an Bedeutung; Verwaltung und Verwaltungstätigkeit wurden zunehmend verrechtlicht 148. Maßgeblichen Anteil an dieser Entwicklung hatte Otto Mayer, der auch das zentrale Rechtsinstitut des Verwaltungsaktes (Eingriffsrechtsaktes) entwikkelt hatte, mit seinem grundlegenden Werk zum deutschen Verwaltungsrecht 149 . Angesichts dieser rechtlichen Ausgangslage ist es verständlich, daß es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nur noch sehr wenige Verordnungen zu Denkmalschutz und Denkmalpflege gegeben hat. Solche zu erlassen war seit der Preußischen Verfassung von 1850 und dem Erlaß der Reichsverfassung von 1871, ferner aufgrund der Ausdehnung des Gesetzesvorbehalts auf eigentumsrelevante Regelungen und wegen des weitgehenden Schutzes des Eigentums durch die tatsächlichen Verhältnisse in den gesetzgebenden Institutionen sowie wegen der Einschränkungen der polizeilichen Kompetenz durch das Kreuzberg-Urteil von 1882 schwierig geworden. Es spricht für sich, daß - abgesehen von den speziellen Denkmalschutzgesetzen seit 1902 (dazu sogleich unter 2) - keine einzige herrscherliche Verordnung mit denkmalschutzrechtlichem Inhalt mehr erging, sondern nur noch herrscherliche Anordnungen zu Organisation und Tätigkeit der Denkmalpflege erlassen wurden 150. So erging in Bayern am 22.2.1882 "eine Verordnung über die Inventarisierung der Baudenkmäler in Bayern" 151. König Ludwig II. setzte ferner per Verordnung vom 27.1.1886 eine Kommission von Sachverständigen "zum Zwecke der Erhaltung der in Beziehung auf Kunst und Geschichte merkwürdigen Denkmale und Altertümer" ein 152 . Durch allerhöchste Kabinettsorder Wilhelms II. vom 19.11.1899 wurde die Denkmalpflege in Preußen 146

von der Groeben, ebd., S. 438, 442 f.; Mußgnug, Die rechtlichen und pragmatischen Beziehungen zwischen Regierung, Parlament und Verwaltung, in: Jeserich/Pohl/v. Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 3,1984, S. 109 (124 f.). 147 Stolleis, Verwaltungrechtswissenschaft und Verwaltungslehre 1866 - 1914, in: Jeserich/Pohl/v. Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 3: Das Deutsche Reich bis zum Ende der Monarchie, 1984, S. 85 (102). 148 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 1990, § 2 Rdnr. 4 ff. m.w.N; ferner: Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, § 1, S. 3 ff. 149 Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 1. Aufl. Leipzig 1895/96 u. passim; vgl. ausführlich Stolleis, Verwaltungrechtswissenschaft und Verwaltungslehre 1866 - 1914, in: Jeserich/Pohl/v. Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 3, 1984, S. 85 (98 ff.); s. ferner Maurer, ebd., § 2 Rdnr. 9. 150 Vgl. die zusammenfassende Darstellung zu "Amtliche Einrichtungen und Maßnahmen" bei Kneer, Die Denkmalpflege in Deutschland, 1915, S. 56 ff. 151 Kiesow, Einführung in die Denkmalpflege, 1982, S. 16. 152

Kiesow, ebd., S. 10 f.

II. Historische Rechtsakte zum Denkmalschutz und deren rechtliche Einordnung

79

neu organisiert: Neben dem Konservator in Berlin wurden bei den einzelnen Provinzialverwaltungen Provinzialkommissionen eingerichtet, was dazu führte, daß nunmehr auch die Provinzialverbände selbst finanzielle Mittel für den Denkmalschutz bereitstellten 153. Per Verordnung vom 6.9.1908 entstand in Bayern ein "Generalkonservatorium der Kunstdenkmale und Altertümer", eine selbständige, dem Staatsministerium des Innern für Kirchenund Schulangelegenheiten unmittelbar unterstellte Behörde mit Sitz in München154. In Baden erging am 27.7.1914 eine Verordnung zu Ausgrabungen und Funden155. Andererseits nahmen, wie auch die beschriebene Entstehung und Anerkennung der Denkmalpflege als wissenschaftliche Disziplin zeigt (vgl. oben I), die Bedeutung dieses Bereiches und das gesellschaftliche Interesse an Denkmalschutz und Denkmalpflege stetig zu. Entsprechend der generellen Ausdehnung des gesamten Verwaltungsrechts und vor allem wegen der Beschränkung der polizeilichen Kompetenz im Bereich der Wohlfahrtspflege, zu denen auch der denkmalschutzrechtliche Bereich zählte, gab es durchaus Bestrebungen den Denkmalschutz rechtlich (gesetzlich) zu regeln, wie die nachfolgend dargestellten Entwürfe für Denkmalschutzgesetze zeigen. Da solche gesetzlichen Regelungen nur sinnvoll waren, wenn sie auch Privateigentümer erfaßten, stieß ihr Erlaß allerdings auf erheblichen Widerstand. Um diese Schwierigkeiten zu umgehen, war teilweise noch der Versuch unternommen worden, Bestimmungen zur Erhaltung von Bauwerken, Straßen und Plätzen von geschichtlicher, künstlerischer und städtebaulicher Bedeutung in die Landesbauordnungen einzufügen 156. Dieses Einfügen der den Denkmalschutz betreffenden Vorschriften in die Landesbauordnungen war jedoch insofern problematisch, als die Zuständigkeitskompetenzen für die Behörden auseinanderfielen 157. Vor allem aber waren damit die eigentumsrelevanten Probleme nicht gelöst, die grundlegenden Schwierigkeiten also nicht ausgeräumt. Daneben wurden gerade um die Jahrhundertwende vermehrt Verunstaltungsverbote erlassen, teils in eigens dafür vorgesehenen Gesetzen, teils eingefügt in einzelne (Landes-) Bauordnungen158. So wurde in Preußen am 15.7.1907 ein "Gesetz gegen die Verunstaltung von Ortschaften und land153

Kiesow, ebd., S. 15.

154

Kiesow, ebd., S. 16.

155

Hans, Denkmalschutz in Baden im 19. und 20. Jahrhundert, 1985, S. 87 f.

156

Vgl. z.B. für Baden: Hans, ebd., S. 77 ff.

157

Kiesow, Einführung in die Denkmalpflege, 1982, S. 32.

80

§ 2 Von den Anfangen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts

schaftlich hervorragenden Gegenden" verabschiedet159, wonach die baupolizeiliche Genehmigung versagt werden konnte, wenn Straßen, Plätze oder das Ortsbild durch das beantragte Vorhaben "gröblich verunstaltet werden würden"; dabei waren insbesondere "Straßen und Plätze von geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung" privilegiert. Entsprechende Regelungen enthielten ein sächsisches "Gesetz gegen die Verunstaltung von Stadt und Land" vom 10.3.1907 und ein "Gesetz gegen die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervorragenden Gegenden" in Oldenburg vom 11.1.1910160. Für die Anwendung dieser Vorschriften waren jedoch in erster Linie ästhetische Gesichtspunkte maßgebend (sog. 'ästhetische Polizei'161). Diese Vorschriften konnten zwar mittelbar auch dem Denkmalschutz von Nutzen sein, gehörten aber dennoch zum materiellen Baupolizeirecht. Das Baupolizeirecht gehörte damals zur Gefahrenabwehr und konnte damit als Teil des Polizeirechts162 nicht der Durchsetzung der eigentlichen, wohlfahrtsstaatlichen Ziele des Denkmalschutzes dienen163. In einigen wenigen Fällen scheint um die Jahrhundertwende in Preußen Denkmalschutz mit Hilfe des Enteignungsgesetzes vom 11.7.1874 durchgeführt worden zu sein, indem Privateigentümern von künstlerisch oder geschichtlich wertvollen Bauwerken Beschränkungen im Wege des Enteignungsverfahrens auferlegt worden sind164. d) Zusammenfassung Für den beschriebenen Zeitraum bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts ergab sich, daß die Erlasse und Vorschriften zum Denkmalschutz in Inhalt und Form den jeweiligen rechtlichen und politisch durchsetzbaren Möglichkeiten entsprachen. An ihnen läßt sich der jeweilige Stand der Entwicklung des Verwaltungs- und des Verfassungsrechts ablesen. Teilweise blieben die ergangenen Verordnungen erheblich hinter dem rechtlich Zulässigen zurück, weil die Ausschöpfung aller Möglichkeiten politisch nicht opportun ics

Vgl. die Auflistung bei Kneer, Die Denkmalpflege in Deutschland, 1915, S. 177 ff.; s. auch Gassner, Geschichtliche Entwicklung des Denkmalrechts, in: Stich/Burhenne (Hrsg.), Denkmalrecht der Länder und des Bundes, Stand 16. Lfrg. 1991, Einf., S. 090-29 ff. 159

1 6 0 Abgedruckt

bei Kneer, ebd., S. 218 - Anhang Nr. 6. Abgedruckt bei Kneer, ebd., S. 219/231 - Anhang Nr. 13/14.

161

So Kneer, ebd., S. 181.

162

Riijher, Die Verwaltungstätigkeit unter Restauration und Konstitution, in: Jeserich / Pohl/v. Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 2,1983, S. 474. 163 Ähnlich Hans, Denkmalschutz in Baden im 19. und 20. Jahrhundert, 1985, S. 92 f., der dies allerdings zu einseitig bereits als denkmalschutzrechtliche Regelungen ansehen will. 164

So ohne weitere Nachweise Kneer, Die Denkmalpflege in Deutschland, 1915, S. 183.

II. Historische Rechtsakte zum Denkmalschutz und deren rechtliche Einordnung

81

war. Andererseits konnte gerade in der Anfangsphase viel für Denkmalschutz und Denkmalpflege auf rechtlichem Wege erreicht werden, zum einen weil dabei noch vieles allein nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten einbezogen werden konnte, zum anderen weil die Regelungen materiell nur Eigentum des Staates und der öffentlichen Hand betrafen. Dies wirkte sich auch nicht weiter nachteilig aus, weil die Ziele der Denkmalpflege damals durch die ursprüngliche Beschränkung auf Kunstgegenstände im wesentlichen noch auf die Erhaltung solcher Gegenstände gerichtet waren, die sich in der Hand von Herrscherhäusern, Kirchen sowie Städten und Gemeinden befanden. Erst als sich der Gegenstand der Denkmalpflege gegen Ende des 19. Jahrhunderts erweitert hatte, und sich auf Kulturgegenstände aller Art erstreckte, waren vermehrt auch Gegenstände in der Hand privater Eigentümer betroffen, was zu größeren rechtlichen Schwierigkeiten führte. Diese Problematik ließ sich dann allerdings nicht mehr einfach nur per Verordnung, deren Regelungsgegenstand und -umfang sich zudem inzwischen verändert hatte, und ohne die Mitwirkung der Parlamente lösen.

2. Die ersten speziellen Denkmalschutzgesetze zu Beginn des 20. Jahrhunderts Wie oben unter I. bereits erläutert, wurde die Denkmalpflege gegen Ende des 19. Jahrhunderts als eigenständige und unabhängige wissenschaftliche Disziplin anerkannt und sie begann sich als solche zu etablieren mit der Folge, daß ihre Bedeutung stetig zunahm. Das Verwaltungsrecht hatte sich ebenfalls in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als eigenständiges und nach den Rechtsgebiet etabliert. Durch die Kreuzberg-Entscheidung süddeutschen Polizeistrafgesetzbüchern war die Kompetenz zum polizeilichen Handeln mit Zwangsmitteln auf den Bereich der Gefahrenabwehr beschränkt worden. Die Verfolgung von Wohlfahrtszwecken, zu denen auch der denkmalschutzrechtliche Bereich zählte, konnte nicht mehr auf die polizeiliche Generalklausel gestützt werden. Deshalb war eine spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für diesen Bereich erforderlich 165. Da der Gegenstand der Denkmalpflege auf Kulturgegenstände aller Art erweitert worden war, mußte ein solches Gesetz, um in vollem Umfang zweckdienlich zu sein166, nun auch eine rechtliche Handhabe gegen Privateigentümer enthalten. Damit berührte es die Eigentumsregelungen der Verfassungen und konnte zudem nur unter Mitwirkung der Parlamente erlassen werden. Der Bereich Denkmalschutz konnte daher nur durch ein allgemeines Gesetz ge165

Vgl. z.B. Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1931 (Nachdruck 1948), S. 473.

166

So auch A.B. Schmidt, Rechtsfragen des deutschen Denkmalschutzes, in: Festgabe für Rudolf Sohm, 1914, S. 143 (176), mit weiterem Hinweis auf Georg Dehio; Kneer, Die Denkmalpflege in Deutschland, 1915, S. 153 f. 6 Melchìnger

82

§2 Von den Anfngen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts

regelt werden 167. Andererseits gab es von der Jahrhundertwende an neue Regelungen, die die Beschränkung des Eigentums erleichterten: Nach dem neuen § 903 BGB konnte das Eigentum durch Gesetze eingeschränkt werden, die nach Art. 109 und 111 EGBGB 168 der Landesgesetzgeber im öffentlichen Interesse erlassen konnte. Im internationalen Vergleich ist interessant, daß auch in Frankreich 1887 ein seit 1875 beratenes Denkmalschutzgesetz verabschiedet worden war 169 . Dieses Vorbild war ein weiterer Grund dafür, daß gegen Ende des 19. Jahrhunderts in den deutschen Territorialstaaten Bestrebungen für eine Neuordnung des Denkmalschutzrechts in Gang kamen170.

Ein allererster Entwurf för ein Denkmalschutzgesetz war bereits 1858 in Württemberg gescheitert171. 1883 wurde in Baden ein "Entwurf eines Gesetzes, betreffend] die Fürsorge för die Denkmäler der Kunst und des Altertums" vorgelegt172. Hiermit wollte man der Tatsache Rechnung tragen, daß durch das badische Polizeistrafgesetzbuch von 1863 der Wohlfahrtszweck aus dem Polizeibegriff ausgeschieden war 173. Im badischen Entwurf waren bereits recht weitgehende Eingriffe in das Privateigentum durch entschädigungslos hinzunehmende Verhaltens- und Duldungspflichten der Privateigentümer vorgesehen174. Wegen verschiedener Widerstände insbesondere der Privateigentümer 175 bzw. von seiten der katholischen Kirche 176 hatten diese Entwürfe nicht durchgesetzt und verabschiedet werden können. Auch in Preu167

So auch A.B. Schmidt, ebd., S. 173 f. m.w.N.

168

Dazu näher auchAÄ Schmidt, ebd. S. 180 ff.

169

Vgl. A.B. Schmidt, ebd., S. 160 m.w.N.

170

Zoller, Der verwaltungsrechtliche Schutz der Kulturdenkmale im sozialen Rechtsstaat, 1965, S. 32; vgl. auch Gassner, Geschichtliche Entwicklung des Denkmalrechts, in: Stich/Burhenne (Hrsg.), Denkmalrecht der Länder und des Bundes, Stand 16. Lfrg. 1991, Einf., S. 090-13. 171 Vgl. A.B. Schmidt, Art. 150, Denkmalschutz, in: Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3,1929, S. 99 (113 m.w.N).- vgl. ferner zu diesem Komplex die Auflistung bei Siegel, Denkmalpflege als öffentliche Aufgabe, 1985, Anhang I, S. 291 - 294, und ferner die Darstellung auf dem Stand von 1914 bei A.B. Schmidt, Rechtsfragen des deutschen Denkmalschutzes, in: FG für RudolfSohm, 1914, S. 143 (149 ff.).

172

Abgedruckt bei Hans, Denkmalschutz in Baden im 19. und 20. Jahrhundert, 1985, S. 176 -182. 173 Vgl. Hans, ebd., S. 69 f. 174

Im einzelnen s. Hans, ebd., S. 70 ff.

175

ZoUer, Der verwaltungsrechtliche Schutz der Kulturdenkmale im sozialen Rechtsstaat, 1965, S. 33; ihm zufolge wurde eine Beschränkung des Privateigentums aus den in Frage stehenden "ästhetischen Gründen" nach damaliger Ansicht als nur schwer zu rechtfertigender Eingriff in das Eigentum aufgefaßt; ausdrücklich anderer Ansicht ist Hans, ebd., S. 72 f. 176

Hans, ebd., S. 48 f., 50 ff.

II. Historische Rechtsakte zum Denkmalschutz und deren rechtliche Einordnung

83

βen hatte es zwei Entwürfe eines "Gesetzes betr. die Erhaltung der Denkmäler* von 1887 und 1903 gegeben, die ebenfalls auf Widerstand gestoßen und deshalb nicht erlassen worden waren 177. Als erstes wurde sodann am 16.7.1902 in Hessen-Darmstadt ein Denkmalschutzgesetz m verabschiedet. Darin wird - neben anderem - als grundsätzliche Neuerung der Denkmalschutz auch auf das Privateigentum ausgedehnt179. Das Gesetz unterscheidet zwischen dem generellen Schutz für Denkmäler in öffentlichem Besitz und dem Schutz von "Baudenkmälern] im Besitz von Privatpersonen" (Zweiter Abschnitt, Art. 9 - 17). Der Schutz von Baudenkmälern im Privatbesitz war gebunden an die Eintragung in eine Denkmalliste durch den Denkmalrat mit der Pflicht zur Benachrichtigung der Eigentümer, denen ein Widerspruchsrecht (HBeschwerde bei dem Ministerium des Innern") eingeräumt wurde (Art. 10). Im Gegenzug wurde allerdings eine grundsätzliche Entschädigungspflicht des Staates angeordnet (Art. 14): Privateigentümern wurde bei einigen, durch die Eintragung als Denkmal bedingten, belastenden staatlichen Maßnahmen - z.B. der Versagung von erforderlichen Genehmigungen - die Möglichkeit eingeräumt, Schadensersatz zu verlangen. Daneben konnte der Eigentümer in diesen Fällen sogar NwahlweiseH verlangen, daß der Staat das Baudenkmal übernahm und Entschädigung leistete (Art. 14 Abs. 2). Ferner konnte der Eigentümer gem. Art. 19 (i.V.m. Art. 24) auch bei bloßen Eigentumsbeschränkungen, die selbst nach dem oben beschriebenen damaligen Eigentumsverständnis eigentlich keine Enteignung darstellten, die Enteignung verlangen. Es wurde somit in verschiedenen Fallgestaltungen eine Enteignung fingiert und damit automatisch eine Entschädigungspflicht ausgelöst. Das Gesetz stellte in Art. 1 nur die Beseitigung, Veräußerung, Veränderung, Wiederherstellung oder erhebliche Ausbesserung des Baudenkmals unter Genehmigungspflicht; eine positive Pflicht zur Erhaltung der Denkmale gab es für die (öffentlichen und privaten) Eigentümer nicht. Weitere Denkmalschutzgesetze wurden in der Folgezeit auch in Bremen (1909 und passim), im Großherzogtum Oldenburg (1911), in Lübeck (1915/21) sowie in Hamburg (1920) erlassen180. Das oldenburgische Denk177

ZoUer, Der verwaltungsrechtliche Schutz der Kulturdenkmale im sozialen Rechtsstaat, 1965, S. 33 f. m.w.N. 178

GBl., S. 275; abgedruckt bei Kneer, Die Denkmalpflege in Deutschland, 1915, S. 205 ff. Vgl. dazu insgesamt ZoUer, Der verwaltungsrechtliche Schutz der Kulturdenkmale im sozialen Rechtsstaat, 1965, S. 35; Kiesow, Einführung in die Denkmalpflege, 1982, S. 20; Gassner, Geschichtliche Entwicklung des Denkmalrechts, in: Stich/Burhenne (Hrsg.), Denkmalrecht der Länder und des Bundes, Stand 16. Lfrg. 1991, Einf., S. 090-13 f. 180 Vgl. die Aufzählung von 1929 v. A.B. Schmidt, Art. 150, Denkmalschutz, in: Nipperdey (Hg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3,1929, S. 99 (109 ff.). 179

84

§ 2 Von den Anfngen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts

malschutzgesetz m ging insofern über das hessisch-darmstädtische hinaus, als es neben den Baudenkmalen auch bewegliche Denkmale erfaßte (§ 1) und im Grundsatz ohne Unterschied öffentliche und private Eigentümer betraf. Allerdings hatten Privateigentümer auch hier - sowohl bei Baudenkmalen als auch bei beweglichen Denkmalen - die Möglichkeit, Schadensersatz oder die Übernahme des Grundstückes gegen Entschädigung durch den Staat zu verlangen (§ 17); ferner gab es ebenfalls die Fiktion der Enteignung bei bloßen Eigentumsbeschränkungen (§ 24). Nach diesem Gesetz waren erstmals auch die über Denkmale verfügungsbefugten Personen der öffentlichen Hand, nicht dagegen aber Privateigentümer zu deren Unterhaltung verpflichtet (§ 18). Eine eingehende Analyse der noch vor Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung erlassenen Denkmalschutzgesetze, insbesondere des hessischdarmstädtischen von 1902 und des oldenburgischen von 1911, ergibt, daß durch die dargelegte, ausführliche Regelung von Entschädigungsansprüchen der Privateigentümer gegenüber dem Staat teilweise mehr getan worden war, als nach dem damaligem Eigentumsverständnis182 eigentlich erforderlich gewesen wäre. Die den Privateigentümer betreffenden Regelungen z.B. im hessischen Denkmalschutzgesetz entsprachen somit zwar dem auf den tatsächlichen Verhältnissen beruhenden - und dem liberalen Freiheitsverständnis entsprechenden - weitreichenden Schutz des Eigentums, blieben aber weit hinter den rechtlichen Möglichkeiten des Gesetzgebers zurück, Eigentumsbeschränkungen vorzunehmen. Weitere Entwürfe für Denkmalschutzgesetze wurden z.B. in Baden 1913 (der wiederum am Widerstand der Kirchen scheiterte183), in Sachsen 1914 und in Württemberg 1914 vorgelegt bzw. ausgearbeitet, die jedoch alle liegenblieben oder nicht angenommen wurden 184. - In Württemberg wurde in Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf zum Schutze der dort einbezogenen beweglichen Denkmäler 1914 ein Interimsgesetz verabschiedet185, das wiederholt verlängert wurde und schließlich ohne zeitliche Begrenzung "vorläufig" in Kraft blieb186. 181

Abgedruckt bei Kneer, Die Denkmalpflege in Deutschland, 1915, S. 232 - Anhang Nr. 15. 182 Vgl. dazu oben II 1 c, S. 73 f.. 183

Hans, Denkmalschutz in Baden im 19. und 20. Jahrhundert, 1985, S. 82 ff.

184

Vgl. die Aufzählung bei A.B. Schmidt, Art. 150, Denkmalschutz, in: Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3,1929, S. 99 (109 ff.). Der badische Entwurf ist abgedruckt bei Hans, Denkmalschutz in Baden im 19. und 20. Jahrhundert, 1985, S. 183 - 186, der württembergische bei Kneer, Die Denkmalpflege in Deutschland, 1915, S. 239 - Anhang Nr. 18. 185

Abgedruckt bei Kneer, ebd., S. 239 ff. - Anhang Nr. 17.

III. Ergebnis

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III. Ergebnis In diesem Abschnitt hat sich gezeigt, daß die unterschiedlich verlaufenden Entwicklungslinien von praktischer Denkmalpflege und rechtlichen Vorgaben des Denkmalschutzes zwischen dem 18. und dem Beginn des 20. Jahrhunderts deutliche Querverbindungen aufweisen und sich wechselseitig beeinflußt haben. Erste, stark von Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten geprägte, herrscherliche Erlasse und Verordnungen zu Schutz und Pflege von Denkmalen gibt es bereits vereinzelt im 18. Jahrhundert, vor allem zu Bodenfunden, in größerer Zahl jedoch erst im 19. Jahrhundert, dann auch auf Gebäude und andere, bewegliche Gegenstände bezogen. Der praktischen Denkmalpflege liegt ein übergreifendes und systematisches Konzept erstmals etwa seit dem ersten Viertel des 19. Jahrhunderts zugrunde, wobei zwei Schwerpunkte zu unterscheiden sind: Das ursprüngliche Ziel der Denkmalpflege war beschränkt auf den Schutz und die Erhaltung von Äu/trfgegenständen. Diese stark an ästhetischen Kriterien orientierte Sicht ist vor allem im zweiten und dritten Viertel des 19. Jahrhunderts weit verbreitet. Die praktische Denkmalpflege betrifft deshalb damals im wesentlichen solche Bauwerke und bewegliche Gegenstände, die sich in der Hand von Herrscherhäusern, Kirchen sowie Städten und Gemeinden befanden. Entsprechend der Beschränkung der Denkmalpflege auf Kunstwerke betreffen auch die denkmalschutzrechtlichen Regelungen jener Zeit materiell zunächst - neben den Bodenfunden - nur Gebäude und bewegliche Gegenstände im Eigentum des Staates und der öffentlichen Hand. Besondere, in Rechte privater Dritter eingreifende rechtliche Regelungen gibt es noch nicht. Sie sind zunächst allerdings auch nicht erforderlich, denn die allgemeinen Eingriffsbefugnisse des Polizeirechts lassen nach damaligem Verständnis auch Zwangseingriffe zu Wohlfahrtszwecken zu. Demgegenüber tritt gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein deutlicher Wandel im Begriffsverständnis ein: Seither ist die Denkmalpflege geprägt von einem objektivierten, wissenschaftlichen Interesse, wonach ein Denkmal nicht allein seines Kunstwertes wegen, sondern als Zeugnis für geschichtliche Ereignisse, als 'historische Urkunde', schützenswert ist. Daraus ergibt sich auch eine erhebliche Erweiterung des Gegenstandes der praktischen Denkmalpflege, die nunmehr alle ft/Au/gegenstände erfaßt. Damit sind seitdem in die Denkmalpflege alle materiellen Zeugnisse der Vergangenheit einbezogen, mit der Folge, daß fortan sowohl Kunstwerke als auch sonstige "profane" Bauwerke und Gegenstände betroffen sind, also z.B. auch Doku186

A.B. Schmidt, Art. 150, Denkmalschutz, in: Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3,1929, S. 99 (113 m.w.N.).

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§ 2 Von den Anfngen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts

mente der Siedlungs- und Produktionsgeschichte. Dazu gehören nun auch Gegenstände, die sich im Eigentum Privater und nicht mehr nur der öffentlichen Hand befinden. Dadurch werden die ebenfalls im Laufe des vorigen Jahrhunderts entwickelten, (verfassungs-)rechtlichen Verbürgungen des Eigentums auch für die denkmalschutzrechtlichen Regelungen relevant. Dazu gehört in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch die Erweiterung des Grundsatzes vom Gesetzesvorbehalt über den ursprünglichen Geltungsbereich, Freiheit des Individuums und Privateigentum, hinaus auf sämtliche, das Eigentum einschränkenden Reglementierungen. Ferner gibt es, teilweise in ihren praktischen Auswirkungen noch eingeschränkt, die ersten verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistungen in den Ländern ÇBaden und Bayern 1818, Württemberg 1819, Hessen-Darmstadt 1820, Preußen 1850), die allerdings noch keine vom einzelnen Bürger einklagbaren Rechtsansprüche (Grundrechte), sondern nur normative, vorwiegend für die Gesetzgebung geltende Grundsätze sind. Sie gewährleisten zudem keine vollkommen freie Verfügungsgewalt über das Eigentum, denn das Recht, Sachen als Eigentum unbeschränkt zu nutzen und darüber zu verfügen, ist nur im Rahmen der vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen gewährt. Lediglich die Enteignung durch völlige Wegnahme einer Sache ist entschädigungspflichtig, nicht aber eine Eigentumsbeschränkung durch gesetzgeberische Maßnahmen. Allerdings können die danach zum Teil recht weitreichenden Eingriffsbefugnisse des Gesetzgebers aufgrund der tatsächlichen und politischen Umstände keine umfassende Wirkung entfalten. Die äußeren Umstände, nicht aber die rechtlichen Vorgaben, führen daher in der Praxis zu einem recht weitgehenden Schutz des Eigentums, was insoweit durchaus der damaligen Sicht vom 'klassisch-liberalen' Freiheitsideal entgegen kam. Als weiteres Element kommt im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts aufgrund entsprechender Regelungen in einigen Polizeistrafgesetzbüchern (Bayern 1861, Baden 1863, Württemberg 1871) sowie durch das sog. Kreuzberg-Urteil des preußischen OVG von 1882 die Notwendigkeit hinzu, den nicht zur Gefahrenabwehr, sondern zur Wohlfahrtsförderung gehörenden Bereich des Denkmalschutzes durch ein spezielles Gesetz zu regeln. Aufgrund dieser Rechtsentwicklung ist die Verfolgung wohlfahrtsstaatlicher Zwecke auf der Grundlage der Generalermächtigung zur allgemeinen Gefahrenabwehr nicht mehr möglich und aus dem angestammten Kompetenzbereich der allgemeinen Polizeigewalt herausgenommen. Die in dieser Ausgangssituation erlassenen, ersten - sog. 'modernen' Denkmalschutzgesetze (insbesondere in Hessen-Darmstadt 1902 und in Oldenburg 1911), enthalten deshalb erstmals auch Schutzanordnungen für Baudenkmäler im Eigentum von Privatpersonen. Allerdings sind dort zu-

I. Art. 153 WRV - Eigentum

87

gleich sowohl Entschädigungen fur Enteignungen als auch weitergehende Entschädigung^ und Schadensersatzansprüche wegen bloß eigentumsbeschränkender Eingriffe und Pflichten vorgesehen, Regelungen, die zugunsten der Privateigentümer erheblich über das nach dem damaligen Eigentumsverständnis aus rechtlicher Sicht Erforderliche hinausgehen.

§ 3 Denkmalschutz und Eigentumsgarantie unter der Weimarer Reichsverfassung Die Weimarer Reichsverfassung vom 11.8.1919 (WRV) enthielt in ihrem Zweiten Hauptteil über die "Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen" einen umfangreichen Katalog von Grundrechten und sonstigen Regelungen und darunter auch Aussagen zu Denkmälern (Art. 150) und Garantien für das Eigentum (Art. 153). Auch in der Weimarer Republik wurden von den einzelnen Ländern weiterhin landesrechtliche Regelungen zu Denkmalpflege und Denkmalschutz (Verordnungen und Denkmalschutzgesetze) erlassen1. Für das gesamte Reichsgebiet wurde in der Zeit nationalsozialistischer Herrschaft ein Entwurf eines (Reichs-)Gesetzes zum Schutze der Kulturdenkmale (RDSchG 1938)2 ausgearbeitet, der aber gegen den Widerstand des von J. Goebbels geleiteten Propagandaministeriums, das die Zuständigkeit für Kulturangelegenheiten an sich ziehen wollte, nicht durchgesetzt werden konnte3. Obwohl gravierende Unterschiede zu Art. 14 GG bestehen4, kommt den Regelungen des Art. 153 WRV über die rein historische Darstellung hinaus auch insofern Bedeutung zu, als mit dem Blick auf die dogmatischen Unterschiede die weitere und unterschiedliche Entwicklung des Grundgesetzes verdeutlicht werden kann. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundes1 Z.B. Denkmalschutzgesetze in Hamburg 1920 und Lübeck 1921, vgl. A.B. Schmidt, Art. 150, Denkmalschutz, in: Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3,1929, S. 99 (109 ff.). 2

Abgedr. in Hans, Denkmalschutz in Baden im 19. und 20. Jahrhundert, 1985, S. 187-196.

3

Hans, ebd., S. 106 f.; Zoller, Der verwaltungsrechtliche Schutz der Kulturdenkmale im sozialen Rechtsstaat, 1965, S. 43. 4 BVerfGE 24, 367 (400). Einen ausführlichen Vergleich enthält vor allem Böhmer, Probleme der Dogmatik und Systematik der Inhaltsbestimmung des Eigentums, Beilage 1/1984 in AgrarR 4/1984, S. 2 ff.; Böhmer, Die rechtsgeschichtlichen Grundlagen der Abgrenzungsproblematik von Sozialbindung und Enteignung, Der Staat 24 (1985), S. 157 (165 ff., 171 ff., 178 f.); siehe auch Böckenförde, Eigentum, Sozialbindung des Eigentums, Enteignung, in: ders., Staat Gesellschaft Freiheit, 1. Aufl. 1976, S. 318 (321 f.).

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§ 3 Unter der Weimarer Reichsverfassung

gerichtshofs, der an die Rechtsprechung des Reichsgerichts zu Eigentumsund Enteignungsfragen anknüpft, muß dies auch aufgezeigt werden. Im Folgenden werden die Bedeutung und Reichweite der verfassungsrechtlichen Regelungen der WRV zu Eigentum (sowie Enteignung) und Denkmalschutz sowie deren Verhältnis zueinander auf der Grundlage der damaligen Ansichten in Rechtsprechung und Lehre dargestellt. Dabei zeigt sich, daß Art. 153 Abs. 1 und 2 WRV (Eigentum und Enteignung) als unmittelbar wirksame Rechtssätze (subjektive Rechte) verstanden wurden, wohingegen Art. 153 Abs. 3 (Sozialbindung des Eigentums) und Art. 150 WRV (Denkmalschutz) nach herrschender Meinung lediglich als Programmsätze anzusehen waren, d.h. als Richtlinien für künftig zu erlassende Gesetze, denen keine aktuelle Geltung und Anwendbarkeit zugestanden wurde5. Dies bedeutete verfassungsrechtlich für das Verhältnis von Art. 153 zu Art. 150 WRV einen unmittelbaren Vorrang der Eigentumsgarantie mit der Folge, daß der Denkmalschutz einfachrechtlich gegenüber Privateigentümern nur gegen finanzielle Entschädigung durch den Staat wirksam durchzusetzen war.

I. Art. 153 WRV - Eigentum Die Weimarer Reichsverfassung enthielt im Zweiten Hauptteil "Grundrechte und Grundpflichten" unter der Überschrift "Das Wirtschaftsleben" Art. 153 mit folgendem Wortlaut: "[Abs. 1] Das Eigentum wird von der Verfassung gewährleistet. Sein Inhalt und seine Schranken ergeben sich aus den Gesetzen. [Abs. 2] Eine Enteignung kann nur zum Wohle der Allgemeinheit und auf gesetzlicher Grundlage vorgenommen werden. Sie erfolgt gegen angemessene Entschädigung ... [Abs. 3] Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich Dienst sein für das Gemeine Beste ."

Damit war die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums nunmehr unmittelbar und ausdrücklich in der Verfassung verankert (Art. 153 Abs. 1 Satz 2 WRV) 7 , d.h. Eigentumsbeschränkungen mußten gesetzlich angeordnet sein (Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes) und durften durch die Verwaltung nicht ohne gesetzliche

5

Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl. 1933, S. 514 f..

6

RGBl. 1919, S. 1383 ff.; abgedruckt z.B. bei Düng/Rudolf \ Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte, 2. Aufl. 1979, S. 176 ff. (207). 7

v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, 1984, S. 27.

I. Art. 153 WRV - Eigentum

89

Grundlage erfolgen 8. Auch die Sozialbindungsklausel gemäß Abs. 3 war neu. Die teilweise schon zuvor, z.B. nach der Preußischen Verfassimg von 1850, mögliche Enteignung war dem Wortlaut nach lediglich auf das Wohl der Allgemeinheit beschränkt und nur auf gesetzlicher Grundlage zulässig9. Dieffundrechtlichen Sätze in der Weimarer Reichsverfassung dienten als subjektive Rechte10 dem Schutz der jeweiligen Rechtsgüter gegenüber Eingriffen der staatlichen Gewalt11. Obwohl der Verfassungsurkunde mit den darin enthaltenen Rechtssätzen "erhöhte Geltungskraft" zukam, waren die grundrechtlichen Sätze nicht vorrangig, in der damaligen Terminologie: nicht "reichsverfassungs(gesetzes)kräftig" 12. Dies hatte mehrere Gründe: Zum einen gab es in der Verfassung einige, in ihrer Geltungskraft geschwächte Freiheitsverbürgungen, wozu auch Art. 153 WRV gehörte, weil sie - wie 1933 tatsächlich geschehen -, durch sog. Diktaturmaßnahmen gemäß Art. 48 Abs. 2 Satz 2 WRV ("Verfassungsdurchbrechungen" genannt) suspendiert werden konnten13. Als problematisch angesehen wurden auch diejenigen Verfassungssätze, in denen, wie bei Art. 153, Umfang und Inhalt vom Gesetzgeber durch einfaches (Reichs-) Gesetz bestimmt werden konnten; immerhin kam aber in diesen Fällen dem Institut selbst, d.h. seinem Wesenskern, als Minimalverbürgung Verfassungskraft "ersten Grades" zu14. Ferner war die Vorrangigkeit der grundrechtlichen Sätze der WRV (wie auch der übrigen Verfassungssätze) grundsätzlich dadurch in Frage gestellt, daß sie alle nach Art. 76 vom (einfachen) Gesetzgeber und ohne daß dies in der Verfassungsurkunde kenntlich gemacht werden mußte, abgeändert werden konnten15; - ein ganz wesentlicher Unterschied zum Grundgesetz, in dem dies gemäß Art. 79 Abs. 1 Satz 1 nicht mehr möglich ist, ganz abgesehen davon, daß im Grundgesetz bestimmte Festlegungen überhaupt nicht mehr abgeändert werden können (Art. 79 Abs. 3 GG, sog. verfassungsfestes Minimum). Der Weimarer Reichsverfassung wurde deshalb gegenüber dem Gesetzgeber keine materielle Bindungswirkung zuerkannt16. g Vgl. Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: Baur, (Hrsg.), Das Eigentum, 9 1989, S. 39 (72). E.R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. VI: Die Weimarer Reichsverfassung, 1981, S. 113 f. Thoma, Die juristische Bedeutung der grundrechtlichen Sätze der deutschen Reichsverfassung im allgemeinen, in: Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 1,1929, S. 1 (2,15 ff.). 11

E.R. Huber, Dt. Verfassungsgeschichte, Bd. VI, 1981, S. 96 f.; Thoma, ebd., S. 18 ff.

12

Ausführlich dazu Thoma, ebd., S. 31 ff.

13

Vgl. Thoma, ebd., S. 45 ff.

14

Thoma, ebd., S. 33.

15

Ausführlich und mit Nachweisen: Thoma, ebd., S. 38 ff. (41,43).

90

§ 3 Unter der Weimarer Reichsverfassung

Unter Zugrundelegung dieser Vorbehalte wurden die Abs. 1 und 2 des Art. 153 als unmittelbar wirksame Rechtssätze angesehen; Abs. 3 galt dagegen nur als Programmsatz, als Richtschnur für den Gesetzgeber17. Dennoch war die Eigentumsgarantie des Art. 153 Abs. 1 Satz 1 WRV bedeutungslos, weil das Reichsgericht diese Vorschrift nicht anwandte18. Wirksamer Schutz konnte nach Ansicht des RG allein über die Enteignungsvorschrift nach Art. 153 Abs. 2 WRV erreicht werden, die allerdings bereits ihrem Wortlaut nach - im Gegensatz zu Art. 14 Abs. 3 GG, wo eine gesetzliche Konkretisierung erforderlich ist,- unmittelbar Anspruchsgrundlage für Entschädigungen war 19. Die nun folgenden Ausführungen zu Art. 153 Abs. 1 WRV sind denn auch nicht Grundlage und Ausfluß der damaligen Eigentumsrechtsprechung gewesen, sondern eher theoretische Überlegungen, die letztlich den Boden für den späteren Art. 14 GG bereitet und erst mit der Geltung des Grundgesetzes Bedeutung erlangt haben. Die grundrechtlichen Sätze wurden in drei Arten unterteilt: Freiheitsgarantien, Institutsgarantien und institutionelle Garantien20. Teilweise wurden die Begriffe institutionelle Garantie und Institutsgarantie gleichgesetzt. Ohne weitere Differenzierung wurden als solche diejenigen Verfassungsvorschriften angesehen, die nur oder zumindest in der Hauptsache auf eine Garantie bestimmter Rechtsinstitute abzielten, indem sie das betreffende Institut in der Verfassimg verankerten, ohne seinen Inhalt in allen Einzelheiten festzulegen. Dies hatte zur Folge, daß das betreffende Rechtsinstitut weder völlig abgeschafft, noch in seinem Wesensgehalt verletzt werden durfte. Danach wurden ausdrücklich als institutionelle Garantien bezeichnet u.a. die Ehe (Art. 119), das Eigentum (Art. 153) sowie das Erbrecht (Art. 154)21. Jedoch hat sich dies nicht durchsetzen können. Nach bereits entwikkelter und inzwischen eingebürgerter Terminologie 22 betrifft die institutionelle Garantie Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die Institutsgarantie dagegen Rechtsinstitute/Einrichtungen privatrechtlicher Art. Demnach 16

Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl. 1933, S. 401.

17

H.M., vgl. z.B. RGZ 132, 69 (76); Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl. 1933, S. 721; Scheicher, Art. 153, Die Rechte und Pflichten aus dem Eigentum, in: Nipperdey u.a. (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Kommentar, Bd. 3,1930, S. 196 (1%, 244 f. je m.w.N.). 18 Böhmer, Die rechtsgeschichtlichen Grundlagen der Abgrenzungsproblematik von Sozialbindung und Enteignung, Der Staat 24 (1985), S. 157 (176 ff. m.w.N.). 19 Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, 1989, S. 39 (53); Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, 1983, S. 7. 20 RR Huber, Dt. Verfassungsgeschichte, Bd. VI, 1981, S. 101 m.w.N. 21

Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl. 1933, S. 520.

22

Vgl. nur z.B. Pieroth/Schlink,

Grundrechte Staatsrecht II, 7. Aufl. 1991, Rdnr. 86 m.w.N.

I. Art. 153 WRV-Eigentum

91

wurden schon damals Eigentum, Erbrecht und Ehe als Institutsgarantien angesehen23 und institutionelle Garantien gab es z.B. für das Berufsbeamtentum, die Gerichtsbarkeit, die Schulverfassung, Religionsgesellschaften, Hochschulen, Gemeinden sowie für bestimmte privatrechtliche Verbände mit öffentlicher Funktion etwa bezüglich der Bereiche Arbeitskampf und Tarifautonomie 24. Theoretisch war die Garantie des Eigentums nach Art. 153 Abs. 1 WRV zugleich Freiheitsgarantie und Institutsgarantie25. Als Freiheitsgarantie waren das subjektive Eigentumsrecht als persönlicher Freiheitsraum und die individuelle wirtschaftliche Entfaltung verbürgt. Institutsgarantie bedeutete, daß es der Legislative untersagt war, M in der Ausgestaltung des Instituts diejenigen äußeren Grenzen zu überschreiten, jenseits derer das Institut als solches vernichtet oder denaturiert wäre"26; es muß "ein Privatrecht möglich bleiben ..., das den Namen Eigentum verdient"27. Demnach war der Gesetzgeber, der über die verfassungsrechtlich verankerte Inhalts- und Schrankenbestimmungsbefugnis das Eigentum einengen konnte (Art. 153 Abs. 1 Satz 2 WRV), gehalten, das Institut des Eigentums jedenfalls in seinem Wesensgehalt zu erhalten. D.h., das Eigentum durfte nicht grundsätzlich abgeschafft werden28. Auch die Sozialbindung des Eigentums nach Abs. 3 durfte vor dem Hintergrund der Institutsgarantie und der Wesensgehaltsgarantie nicht zu einer substantiellen Aushöhlung des Eigentums führen 29. - Tatsächlich konnte Art. 153 WRV jedoch keinen so weitgehenden Grundrechtsschutz bieten: Die WRV sah noch keine ausdrückliche Grundlage für eine richterliche Überprüfung der Frage vor, ob die grundrechtlichen Sätze, insbesondere durch den Gesetzgeber, eingehalten waren. Zwar enthielt die WRV erstmals weitergehende Einrichtungen rechtsstaatlicher Art: So hatte der beim Reichsgericht in Leipzig gebildeten Staatsgerichtshof (Art. 108) u.a. auch verfassungsrechtliche Streitigkeiten zu entscheiden (Art. 19); es gab jedoch noch keine Verfassungsbeschwerde des einzelnen Bürgers. Auch waren sog. Verwaltungsgerichte zum Schutz des Bürgers gegenüber Anord23

Thoma, Die juristische Bedeutung der grundrechtlichen Sätze der deutschen Reichsverfassung im allgemeinen, in: Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 1,1929, S. 1 (22, 31). 24 E.R Huber, Dt. Verfassungsgeschichte, Bd. III, 1978, S. 113 f., Bd. VI, S. 119 ff. 25 Thoma, Die juristische Bedeutung der grundrechtlichen Sätze der deutschen Reichsverfassung im allgemeinen, in: Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 1,1929, S. 1 (22, 31). 26

Thoma, ebd., S. 30 f.

27

M. Wolff, ; Reichsverfassung und Eigentum, in: FG Wilhelm Kahl, 1923 (Neudruck 1981), Beitrag IV, S. 6. 28

Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl. 1933, S. 706.

29

E.R Huber, Dt. Verfassungsgeschichte, Bd. VI, 1981, S. 113 f.

92

§ 3 Unter der Weimarer Reichsverfassung

nungen der Verwaltungsbehörden eingerichtet worden (Art. 107), die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Verbürgungen konnte aber vom betroffenen Bürger nicht eingeklagt werden. Auch als das Reichsgericht (RG) schließlich in der Frage der Einhaltung der grundrechtlichen Sätze das Recht für sich in Anspruch nahm, Gesetze wegen Verstoßes gegen die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie für unwirksam zu erklären oder im jeweiligen Gesetz nicht vorgesehene Entschädigungen zu gewähren30, was schließlich auch in der Literatur allgemein als zulässig erachtet wurde 31, verstand man die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Eigentums lediglich als Entschädigungsgarantie (also als Eigentumswertgarantie) 32. Aus der Sicht des Reichsgerichts und der herrschenden Lehre war der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Eigentumsordnung "selbstherrlich", er war nicht gebunden und konnte willkürlich Anordnungen treffen 33. Den Eigentümer beschränkende Gesetze konnten gerichtlich nicht inhaltlich überprüft werden. Auch die Anordnung einer Enteignung wurde weiterhin als gerichtlich nicht überprüfbarer Hoheitsakt angesehen, der Rechtsweg war nur für Streitigkeiten über die Höhe der Entschädigung gegeben, die Einleitung eines Enteignungsverfahrens war hingegen nicht materiell überprüfbar. Der Eigentumseingriff wurde lediglich als unfreiwillige Vermögensverschiebung angesehen, die es gegebenenfalls zu korrigieren galt34. Im Rahmen dieser, das Verständnis und die praktische Anwendung des Art. 153 WRV maßgeblich prägenden Rechtsprechung erweiterte das RG den Enteignungsbegriff\ der bereits, ohne die Unterschiede der WRV gegenüber früheren Verfassungen hinreichend zu beachten, sehr stark am überlieferten Enteignungsbegriff des (einfachen) preußischen Rechts orientiert war 35. Danach wurden unter Enteignung nicht mehr nur die Übereignung, also die vollständige Entziehung von Eigentumsrechten und deren Übertra30

vgl. dazu RGZ103, 200; 109, 310; 111, 320; 116, 268 (274); 128,18 (34); 132, 69 (75 f.).

31

Thoma, Die juristische Bedeutung der grundrechtlichen Sätze der deutschen Reichsverfassung im allgemeinen, in: Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 1,1929, S. 1 (41); v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, 1984, S. 29 f. m.w.N. 32

Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, 1989, S. 39 (43 f.). 33 RGZ 102,161 ff.; 118, 327; 139,189. 34

Böhmer, Die rechtsgeschichtlichen Grundlagen der Abgrenzungsproblematik von Sozialbindung und Enteignung, Der Staat 24 (1985), S. 157 (171,187 ff. je m.w.N.); Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, 1989, S. 39 (43). 35 M. Wolff, ; Reichsverfassung und Eigentum, in: FG W. Kahl, 1923 (Neudruck 1981), Beitrag IV S. 21 m.w.N.

I. Art. 153 WRV - Eigentum

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gung auf andere, verstanden36, sondern auch sonstige Einzeleingriffe, die nicht gleichmäßig die Gesamtheit trafen 37. Weiterhin waren Enteignungen nicht mehr bloß durch Maßnahmen der Verwaltung aufgrund eines Gesetzes, sondern auch unmittelbar durch den Gesetzgeber selbst per Gesetz möglich38. Dadurch wurde der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz gegenüber dem früheren Zustand deutlich ausgeweitet. Dieser Schutz des Eigentums wurde allerdings maßgeblich über den Enteignungsbegriff und Art. 153 Abs. 2 WRV und damit nur hinsichtlich des Eigentumswertes und nicht für das Eigentumsobjekt selbst erreicht; Art. 153 Abs. 1 Satz 1 WRV kam keine grundlegende Bedeutung zu, wie sie etwa heute Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG beigemessen wird. Aus dieser Sicht wurde dann die Abgrenzung der entschädigungslos hinzunehmenden Inhaltsbestimmung des Eigentums von der entschädigungspflichtigen Enteignung zur zentralen Frage39. Man entdeckte, daß das Eigentum eine gewisse "Schwäche dem Gesetze gegenüber" habe, in dem Sinne, daß nicht alle Eingriffe des Gesetzgebers als Enteignungen empfunden wurden, und man versuchte, diese Abgrenzungsproblematik mit Hilfe verschiedener neu entwickelter Enteignungstheorien zu lösen, wobei diese Theorien die Abgrenzung über den Eingriffsbegriff und nicht über den Eigentumsbegriff zu leisten versuchten40. Die reichsverfassungsrechtliche Verbürgung des Eigentums wurde noch nicht, wie später bei Art. 14 GG, als persönliche Rechtsstellung angesehen; im Vordergrund stand nicht die verfassungsrechtliche Freiheitsgewährleistung, mit dem Objekt tun und lassen zu können, was man wollte; Art. 153 WRV bot keine Möglichkeit, rechtswidrige Eigentumseingriffe des Staates abzuwehren. Dadurch, daß das Reichsgericht dem Enteignungsbegriff eine so zentrale Bedeutung zuwies, war der Betroffene nicht davor geschützt, sein Eigentumsobjekt zu verlieren. Der Eigentumsschutz war im wesentli-

36

s. ausführlich bei M. Wolff ; Reichsverfassung und Eigentum, in: FG W. Kahl, 1923 (Neudruck 1981), Beitrag IV S. 24 ff. m.w.N. 37

Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl. 1933, S. 706 ff. (710).

38

Z.B. RGZ 116, 268 (272) m.w.N.; vgl. Anschütz, ebd., S. 705 f.; Scheicher, Art. 153, Die Rechte und Pflichten aus dem Eigentum, in: Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung,, Bd. 3, 1930, S. 1% (210 f. m.w.N.); vgl. Böhmer, Die rechtsgeschichtlichen Grundlagen der Abgrenzungsproblematik von Sozialbindung und Enteignung, Der Staat 24 (1985), S. 157 (183 f. m. umfangr. N.). vgl. z.B. die Darstellung bei Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl. 1933, S. 711 ff. m.w.N.; Jeltinek,, Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1931 (Nachdruck 1948), S. 400 ff. (411 ff.). 40

Jellinek, ebd., S. 413. - Einen Uberblick dazu enthält v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, 1984, S. 30 ff.

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§ 3 Unter der Weimarer Reichsverfassung

chen auf einen Entschädigungsanspruch reduziert, geschützt war nur der Vermögenswert des Gegenstandes (Wertgarantie) 41. Man verstand Eigentum verfassungsrechtlich nur als Entschädigungsgarantie und die Enteignung als "unfreiwillige Vermögensverschiebung"42. Treffend wurde der Eigentumsschutz der WRV durch den berühmten, von Otto Meyer stammenden Satz charakterisiert: "Dulde und liquidiere" 43. Nachdem der Reichsgesetzgeber die ausufernde Rechtsprechung des Reichsgerichts zum Enteignungsbegriff bereits 1931 für bestimmte Bereiche per Notverordnung korrigiert hatte44, wurde dann 1933, zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft durch § 1 der, auf der Grundlage von Art. 48 Abs. 2 WRV erlassenen, "Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat" (sog. Reichstagsbrandverordnung) 45 die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie des Art. 153 WRV in ihrem gesamten Umfang außer Kraft gesetzt. Zwar war das Eigentum auch danach noch staatlich geschützt, jedoch nicht mehr als förmliche verfassungsrechtliche Garantie, sondern nur noch durch die praktische Ausgestaltung in Gesetzgebung und Verwaltung 46. Die Fachliteratur propagierte in der Folgezeit die "Wandlung der Eigentumsverfassung" und plädierte mit der These einer "Gemeinschaftsbindung des Eigentums" für die Zurücknahme des alten und in diesem Sinne umfassenden Eigentumsschutzes47. Mit dieser rechtlichen Entwicklung gingen die bekannten umfangreichen Enteignungen überwiegend bestimmter Bevölkerungsgruppen sowie der erklärten Regimegegner einher, die von den damaligen Machthabern aus nationalsozialistischen Motiven in großem Stil systematisch betrieben wurden 48.

41

Ausführlich dazu Böhmer, Die rechtsgeschichtlichen Grundlagen der Abgrenzungsproblematik von Sozialbindung und Enteignung, Der Staat 24 (1985), S. 157 (175 f. m.w.N., 177); vgl. ferner v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, 1984, S. 46. 42 Böhmer, ebd., S. 175. 43

Ders., ebd., S. 174 m.w.N.

44

"Zweite Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen" v. 5.6.1931, RGBl. 19311, S. 279 (309 f.). 45

Vom 28.2.1933, RGBl. I, S. 83; abgedruckt z.B. bei Dürig/Rudolf, Verfassungsgeschichte, 2. Aufl. 1979, S. 213 ff. 46

47 48

Texte zur deutschen

Vgl. v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, 1984, S. 51 m.w.N. Vgl. die umfangreichen Nachweisen bei v. Brünneck, ebd., S. 52 ff. V. Brünneck, ebd., S. 55 ff.

II. Art. 150 WRV - Denkmalschutz

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II. Art. 150 WRV -Denkmalschutz Die Weimarer Reichsverfassung enthielt im Zweiten Hauptteil "Grundrechte und Grundpflichten der Deutschen" unter der Überschrift "Bildung und Schule" in Art. 150 zu Denkmalschutz und Denkmalpflege folgende Aussage: "Die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie der Landschaft genießen den Schutz und die Pflege des Staates. Es ist Sache des Reichs, die Abwanderung deutschen Kunstbesitzes in das Ausland zu verhüten49."

Entsprechend Abs. 2 wurden 1919 eine Verordnung über die Ausfuhr von Kunstwerken 50 und 1920 eine Verordnung über den Schutz von Denkmälern und Kunstwerken 51 erlassen, die beide jedoch nur fur einen beschränkten Zeitraum in Kraft waren52. Art. 150 WRV war in die WRV eingefügt worden aufgrund massiver Bedenken der deutschen Denkmalpfleger wegen einer angeblich drohenden Säkularisierung des Kulturbegriffes: Man befürchtete, durch laizistische Tendenzen in der geplanten Reichsverfassung, insbesondere durch das Trennungsprinzip (vgl. den späteren Art. 137 Abs. 3 WRV: Eigenregelung und Eigenverwaltung der kirchlichen Angelegenheiten), könne der Kulturbegriff der Verfassung eingeengt werden mit der Folge, daß die sakrale Kunst aus dem Denkmalpflege- und Denkmalschutzbereich des Staates ausgeschieden würde 53. "Schutz" im Sinne des Art. 150 Abs. 1 WRV bedeutete Sicherung gegen Beschädigung, Zerstörung und Verunstaltung; unter "Pflege" wurde Erhaltung des Bestehenden in seinem kulturellen Wert verstanden54. Diese verfassungsrechtliche Bestimmung nennt keinen Rechtsträger, kein Rechtssubjekt, dem grundrechtliche Verbürgungen zugeordnet werden könnten55. Demnach sollte in dieser Regelung nicht die Handlungsfreiheit eines Einzelnen, wie etwa bei der Kunst-, der Wissenschafts- oder der Forschungs49

RGBl. 1919, S. 1383 ff.; abgedruckt z.B. bei Düng/Rudolf, sungsgeschichte, 2. Aufl. 1979, S. 176 ff. (207).

Texte zur deutschen Verfas-

50

Vom 11.12.1919, RGBl. 1919, S. 1961.

51

Vom 8.5.1920, RGBl. 1920, S. 913, - seit Ende 1925 außer Kraft.

52

Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl. 1933, S. 696 zu Art. 150.

53

Dazu eingehend Meckel, Staat Kirche Kunst, Rechtsfragen kirchlicher Kulturdenkmäler, 1968, S. 62 ff.; Siebenz, Denkmalschutz in Bayern, Diss. iur. München 1977, S. 71 m.w.N. 54 55

Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl. 1933, S. 695.

Vgl. Hensel, Art. 150 der Weimarer Verfassung und seine Auswirkung im preußischen Recht, in: AöR N.F. 14 (1928), S. 321 (325).

96

§ 3 Unter der Weimarer Reichsverfassung

freiheit 56, gewährleistet werden, sondern hier liegt eine an staatliche Stellen adressierte Aufforderung vor, Schutz und Pflege von Denkmalen zu betreiben und zu fördern. Staatliche Stellen waren solche des Reiches und daneben der Länder sowie die Kommunen; darüber hinaus wurde sogar die Ansicht vertreten, weitere Adressaten der Vorschrift seien Kirchen und die Kulturgemeinschaft insgesamt57. Diese Regelung wurde zwar vereinzelt als Institutsgarantie58 bezeichnet59, nach damals herrschender Meinung besaß Art. 150 WRV jedoch lediglich programmatischen Charakter und war bloße Richtschnur für Gesetzgebung und Verwaltung 60. Er gab der Verwaltung keine selbständige und unmittelbare Handhabe für Zwangseingriffe in Freiheit und Eigentum; derartige Eingriffe waren nur aufgrund besonderer Gesetze, z.B. den allgemeinen Denkmalschutzgesetzen der Länder, zulässig61. Auch konnte der Staat nach herrschender Meinung aus Art. 150 WRV nicht das Recht herleiten, Privateigentümer zum Zwecke des Denkmalschutzes mit Kosten zu belasten, denn diese Norm besage nicht, daß der Denkmalschutz auf Kosten Dritter ausgeübt werden dürfe 62 (dazu sogleich unter III).

III. Verhältnis von Denkmalschutz und Eigentum nach der WRV Art. 150 WRV ist keine konkrete Aussage darüber zu entnehmen, ob und inwieweit der Eigentümer eines Denkmals dieses zu schützen und zu pflegen hatte. Da die Vorschrift nicht zwischen Denkmalen im Eigentum der Öffentlichen Hand und solchen in Privateigentum differenziert, wurde daraus in Verbindung mit der Sozialbindungsklausel des Art. 153 Abs. 3 WRV abgeleitet, daß der (Privat-)Eigentümer eines Denkmals zumindest verpflichtet war, sein Eigentum zu schützen und zu pflegen 63. Noch keine Aus56

Vgl. Mensel ebd., S. 327 f.

57

Von Hensel, ebd., S. 344 ff.

58 59

Siehe dazu soeben unter I, S. 89 f.

Thoma, Die juristische Bedeutung der grundrechtlichen Sätze der deutschen Reichsverfassung im allgemeinen, in: Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 1,1929, S. 1 (31). 60 Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl. 1933, S. 695; A.B. Schmidt, Art. 150, Denkmalschutz, in: Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3,1929, S. 99 (100). 61

Anschütz, ebd., S. 695.

62

RGZ 116, 268 ff. (273); Anschütz, ebd., S. 696.

63

Hensel, Art. 150 Weimarer Verfassung und seine Auswirkung im preußischen Recht, in: AöR N.F. 14 (1928), S. 321 (351 f.).

III. Verhältnis von Denkmalschutz und Eigentum

97

sage ist mit dieser Feststellung allerdings darüber getroffen, bis zu welcher, insbesondere finanziellen, Belastungsgrenze diese Verpflichtung des Eigentümers bestand. Eine konsequente Einhaltung der dem Staat durch Art. 150 Abs. 1 WRV auferlegte Pflicht zur Verwirklichung der genannten Ziele 'Denkmalschutz und Denkmalpflege' hätte es jedoch erfordert, daß der Staat diese Ziele gegebenenfalls auch gegen den Widerstand eines Privateigentümers mit - in einfachen Gesetzen vorgesehenen - Zwangsmitteln hätte durchsetzen und verwirklichen können. Das hing davon ab, ob und inwieweit der Eigentümer dies im Rahmen der Inhalts- und Schrankenbestimmung in Verbindung mit der Sozialbindungsklausel gem. Art. 153 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 WRV hinzunehmen verpflichtet war bzw. ob solche staatlichen Maßnahmen nicht als Enteignung anzusehen waren. So hatte das RG 1927 in dem, gerade für den Denkmalschutz maßgebliinteressanterweise - wie später auch chen sog. Galgenberg-Verfahrendas die Naßauskiesungsentscheidung des BVerfG - den Kiesabbau betraf, die Frage zu beurteilen, ob die Eintragung eines Grundstücks in Cuxhaven als "Umgebung eines Baudenkmals" in die Denkmalliste aufgrund des Hamburger Denkmal- und Naturschutzgesetzes von 1920 vom Eigentümer hinzunehmen war oder nicht. Weil dem Eigentümer aufgrund der Eintragung auch der Kiesabbau aus seinem Gelände verboten wurde, sah das RG die dem Verbot zugrundeliegende Eintragung in die Denkmalliste als entschädigungspflichtige Enteignung an. In der Eintragung liege eine Entziehung von Eigentumsrechten, denn vor der Eintragung hatte die Behörde kein Recht, dem Eigentümer die Nutzung seines Grundstückes zu verbieten, nach der Eintragung hingegen durfte der Eigentümer das Grundstück ohne Genehmigung der Behörde nicht mehr verändern 65. Dieser Sicht lag der weite Enteignungsbegriff des RG zugrunde. Das Gericht führte in dieser Entscheidung aus, eine Enteignung im Sinne von Art. 153 Abs. 2 WRV sei schon dann anzuerkennen, wenn das Recht des Eigentümers, mit seiner Sache gemäß § 903 BGB nach Belieben zu verfahren, beeinträchtigt werde66. Diese Voraussetzungen seien hier gegeben, da nach der Eintragung als Denkmal nur noch die Denkmalschutzbehörde zu bestimmen hatte, welche Veränderungen auf dem Grundstück noch vorgenommen werden durften. Das RG sah es somit als eine Enteignung an, wenn die bürgerlich-rechtlich eingeräumte Rechtsstellung eines Eigentümers durch eine auf öffentlichrechtlichen Vorschriften beruhende Verwaltungsentscheidung eingeschränkt wurde 67. Jede öffentlich-rechtliche Vorschrift, die die an sich unbegrenzte 64

RGZ116, S. 268 ff.

65

RGZ 116, 268 (270).

66

RGZ 116, 268 (272) m.w.N.

67

Vgl. ferner RGZ 128,18 ff. - "Bethke-Urteil" zum Preuß. Fluchtliniengesetz.

7 Melchinger

98

§ 3 Unter der Weimarer Reichsverfassung

private Rechtsstellung beschränkte, galt als zu entschädigender Eingriff in das durch § 903 BGB näher bestimmte, verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht68. Die Sozialbindungsklausel des Art. 153 Abs. 3 WRV wurde vom RG überhaupt nicht beachtet69. Auch die Berücksichtigung des Art. 150 Abs. 1 WRV brachte kein anderes Ergebnis, denn das RG war der Ansicht, diese Vorschrift besage nicht, "daß der Schutz auf Kosten Dritter ausgeübt werden dürfe" 70. Wenn der Staat im Rahmen des Denkmalschutzes die Rechte Dritter beeinträchtige oder verletze, so habe er die gesetzlichen Folgen selbst zu tragen71. Art. 150 Abs. 1 WRV komme lediglich Bedeutung als "reichsgesetzliche Unterlage" 72 des (Hamburger) Denkmal- und Naturschutzgesetzes zu. Damit hatte sich das RG zum Verhältnis von Art. 150 zu Art. 153 WRV abschließend geäußert. Dieser Ansicht Schloß sich unter Bezugnahme auf das RG-Urteil und seine Begründung ein wesentlicher Teil der Literatur an73. Andere Literaturstimmen kritisierten diese Entscheidung z.T. vehement, sie wurde sogar als "Todesurteil" für einen wirksamen Denkmalschutz bezeichnet74. Von dieser Gegenansicht wurde zum einen der weitgefaßte Enteignungsbegriff des RG kritisiert 75, eine Kritik grundsätzlicher Natur, die nicht (allein) das spezifische Verhältnis zwischen Art. 150 und Art. 153 WRV betraf. Zum Verhältnis von Art. 150 zu Art. 153 WRV wurde zugunsten des Denkmalschutzes vor allem die überragende Bedeutung des in Art. 150 WRV niedergelegten Kulturschutzes insgesamt hervorgehoben 76. Gegen die Ansicht des RG wurde angeführt, allein das Vorhandensein des Art. 150 WRV belege, daß die Weimarer Nationalversammlung diese Vorschrift gleichberechtigt neben das Verbot einer entschädigungslosen Enteignung gestellt habe, so daß die entgegengesetzte Ansicht des RG nicht zutreffend 68

Böhmer, Die rechtsgeschichtlichen Grundlagen der Abgrenzungsproblematik von Sozialbindung und Enteignung, Der Staat 24 (1985), S. 157 (185 m.w.N.). 69

Vgl. Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, 1989, S. 39 (73). 70 RGZ 116, 268 (273). 71

RGZ 116, 268 (273).

72

RGZ 116, 268 (273).

73

Vgl. z.B. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl. 1933, S. 696; Schelcher, Art. 153, Die Rechte und Pflichten aus dem Eigentum, in: Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung,, Bd. 3,1930, S. 196 (213). 74 Vor allem Hensel, Art. 150 der Weimarer Verfassung und seine Auswirkung im preußischen Recht, in: AöR N.F. 14 (1928), S. 321 (416); ferner z.B. die Verweise bei Scheicher, ebd., S. 213 in FN 26. 75

Hensel, ebd., S. 418 ff. m.w.N.

76

Hensel, ebd., S. 415 ff.

III. Verhältnis von Denkmalschutz und Eigentum

99

sei. Doch steht hinter dieser Behauptung allzu deutlich die gleichzeitig sehr nachdrücklich propagierte überragende Bedeutimg des Kulturschutzes insgesamt77. So wie dabei dem RG der Vorwurf gemacht wurde, einseitig die wirtschaftlichen Wertinteressen zu berücksichtigen78, stellte diese Auffassung gleichfalls einseitig die Kulturschutzinteressen in den Vordergrund. Darüber hinaus gab es bereits in der damaligen Literatur erste weiterführende dogmatische Ansätze, wonach die Eintragung in die Denkmalliste unter der Voraussetzung, daß die Eintragung ein gebundener, anfechtbarer Verwaltungsakt sei - für das entsprechende Grundstück bedeute, daß das Eigentum "an einer Schwäche dem Gesetze gegenüber leide"79, daß die Eintragung also eine entschädigungslos hinzunehmende Inhalts- und Schrankenbestimmung darstelle. Hierbei wurde allerdings Art. 153 Abs. 1 Satz 1 und 2 WRV bereits eine andere, stärkere Bedeutung beigemessen, die nicht der damaligen herrschenden Meinung entsprach. Der Vorschrift des Art. 150 WRV kam im übrigen auch dabei keinerlei Bedeutung zu.

77

Henselae bd., S. 420.

78

Henselae bd., S. 421.

79

Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1931 (Nachdruck 1948), S. 414 in und bei FN 2 u. 3.

Dritter Teil

Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes Da die Denkmalschutzgesetze die Eigentümer von Denkmalen bestimmten Pflichten, Geboten und Verboten unterwerfen, Einschränkungen, denen Eigentümer anderer, nicht denkmalwürdiger Objekte nicht unterliegen, lautet die immer wieder gestellte, zentrale Frage, ob und inwieweit vom Denkmalschutz betroffene (Privat-) Eigentümer diese (öffentlich-rechtlichen) Belastungen vor dem Hintergrund der zentralen Eigentumsgarantie des Art. 14 GG hinzunehmen haben und ob ihnen gegebenenfalls eine Entschädigung zusteht. Um das aus verfassungsrechtlicher Sicht zu beantworten, muß man näher auf die zu Art. 14 GG entwickelte Eigentumsdogmatik des BVerfG eingehen. Bevor diese bundesverfassungsgerichtliche Eigentumsdogmatik ausführlich dargestellt und analysiert wird, gilt es deren Einbettung in die allgemeinen Grundlagen der Verfassungsrechts- und der Grundrechtsdogmatik zu erörtern. Deshalb folgen zunächst einige Bemerkungen zum Verhältnis der verfassungsrechtlichen Normen zu einfachgesetzlichen Regelungen (Vorrang der Verfassung), zu dem den weiteren Erörterungen zugrundegeliegenden Verfassungsverständnis und zu Fragen der Grundrechtstheorie und der Grundrechtsinterpretation. Ziel der daran anschließenden Zusammenstellung der Rechtsprechung des BVerfG ist es, in Bezug auf die Einordnung der einfachgesetzlichen Normen und der Rechtsprechung zum Denkmalschutz die wesentlichen Aspekte der bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsdogmatik aufzuzeigen. Dies betrifft vor allem das sich aus Art. 14 GG ergebende spezifisch verfassungsrechtliche Eigentumsverständnis, die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie, die Sozialbindung des Eigentums und die Stellung der einfachgesetzlichen eigentumsrechtlichen Regelungen des Zivilrechts und des Öffentlichen Rechts sowie deren Beziehung zueinander aus verfassungsrechtlicher Sicht. Um anhand der zunächst an systematischen Gesichtspunkten orientierten Ausführungen und Erkenntnisse zur verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik die spätere Analyse der denkmalschutzrechtlichen Normen und ihrer Anwendung durchführen zu können, wird daraus abgeleitet ein eigener Ansatz für die verfassungsrechtliche Prüfung und Beurteilung eigentumsrelevanter Regelungen und Maßnahmen entwickelt. Dieser Ansatz wird sodann anhand der grundlegenden Entscheidungen des BVerfG zu Art. 14 GG

Die Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes

101

überprüft, indem die hier erarbeiteten Prüfungsschemata auf die den Entscheidungen zugrundeliegenden Sachverhalte angewandt werden. Neben diesem Blick von der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik auf das geltende Denkmalschutzrecht unter Berücksichtigung der in diesem Rechtsgebiet vorhandenen Besonderheiten unterliegt andererseits auch die verfassungsgerichtliche Eigentumsdogmatik selbst einer kritischen Würdigung. In der dogmatischen Aufarbeitung der Eigentumsgarantie mit ihren Facetten ht sich in den letzten zwei bis drei Jahren eine starke Weiterentwicklung vollzogen, was sich zum einen in der wissenschaftlichen Durchdringung des Gesamtbereiches oder einzelner Fragen daraus in Einzelbeiträgen1 wie auch zum anderen darin zeigt, daß in der Studienliteratur gerade die entsprechenden Kapitel in dieser Zeit um- und neugeschrieben wurden2. Diese Entwicklung ist wohl durch die inzwischen eingetretene Verfestigung der Eigentumsrechtsprechung des BVerfG insgesamt wie auch der erneuten Behandlung bestimmter Einzelfragen durch das Gericht veranlaßt, wie etwa die Bestätigung der Pflichtexemplarentscheidung durch die Verkehrslärmentscheidung im Jahre 19883. Hinzu kommt eine zunehmende Auseinandersetzung damit vor allem durch die Rechtsprechung der Fachgerichte, die das Konzept des BVerfG anhand konkreter Problemfälle in die Praxis um1

Böhmer, Eigentum aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: Baur, J.F. (Hrsg.), Das Eigentum, 1989, S. 39 ff.; inhaltlich nahezu identisch mit Böhmer, Grundfragen der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Eigentums, NJW 1988, S. 2561 ff.; Kutschern, Bestandsschutz im öffentlichen Recht, Zugleich ein Beitrag zur Dogmatik des Art. 14 GG, 1990, Leisner, Eigentum, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. IV, 1989, S. 1023 ff.; Leisner, Umweltschutz durch Eigentümer, 1987; Leisner, Eigentumsschutz - im Naturschutzrecht eine Ausnahme?, DÖV 1991, S. 781 ff.; Leisner, Eigentumsschutz und Nutzungsmöglichkeiten, Aufopferungsentschädigung für nicht realisierte Nutzungen in der Marktwirtschaft, BB 1992, S. 73 ff., der in seinen Beiträgen dem Ansatz des BVerfG grundsätzlich kritisch gegenübersteht und ζ. T. deutlich andere Ansätze dagegensetzt; Maurer, Enteignungsbegriff und Eigentumsgarantie, in: Das akzeptierte Grundgesetz - FS Günter Dürig, 1990, S. 293 ff.; Maurer, Der enteignende Eingriff und die ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung des Eigentums, DVB1.1991, S. 781 ff.; Osterloh, Eigentumsschutz, Sozialbindung und Enteignung bei der Nutzung von Boden und Umwelt, DVB1. 1991, S. 906 ff.; sowie die Beiträge zum Problembereich der sog. salvatorischen Entschädigungsklauseln und den ausgleichsentschädigungspflichtigen Inhaltsbestimmungen, siehe unten in III 5, S. 138 ff. Siehe ferner die entsprechenden Kapitel Aufopferung bei Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl. 1991, und Steinberg/Lubberger, Enteignung und Staatshaftung, 1991. 2

Vgl. etwa Pieroth/Schlinky Grundrechte, Staatsrecht II, die 6. Aufl. 1990, § 23 Eigentumsgarantie, Rdnr. 986 ff., gegenüber der 5. Auflage; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, die 7. Aufl. 1990, § 26 Rdnr. 56 ff., zum sog. enteignenden und enteignungsgleichen Eingriff gegenüber der 6. Auflage. Vgl. ferner Papier, Grundfalle zum Eigentum, Enteignung und enteignungsgleichem Eingriff, JuS 1989, S. 630 ff.; ders., Entwicklung der Rechtsprechung zur Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, NWVBL 1990, S. 397 ff.; Schoch, Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, Jura 1989, S. 113 ff. 3

BVerfGE 79,174.

102

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmatik des BVerfG

zusetzen versuchen4. Dabei stehen vor allem Fragen der Abgrenzung der Inhalts- und Schrankenbestimmung von der Enteignung, der Verhältnismäßigkeit nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG oder Abgrenzungen bei der ausgleichsentschädigungspflichtigen Inhaltsbestimmung sowie bei der Legalenteignung im Vordergrund.

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmatik des Bundesverfassungsgerichts In zweierlei Hinsicht unterscheidet sich die vom BVerfG zu Art. 14 GG herausgearbeitete Eigentumsdogmatik von älteren dogmatischen Einordnungen und früheren Entwicklungen. Zum einen hat die nähere Bestimmimg des Begriffes "Eigentum" im Sinne von Art. 14 GG ausschließlich auf verfassungsrechtlicher Ebene und nach verfassungsrechtlichen Maßstäben zu erfolgen. Damit ist die rein zivilrechtliche Bestimmung des Eigentumsbegriffes - oder jede andere, nach sonstigen Maßstäben erfolgende - auf eine andere (darunter liegende) Ebene verwiesen. Zum anderen ist der (z.B. für die Höhe der Enteignungsentschädigung zuständige) BGH im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsgerichts noch lange Zeit von einer anderen Struktur des Art. 14 GG ausgegangen. Ein und derselbe Eingriff konnte, unabhängig von formalen Kriterien und abgegrenzt über die Frage der Entschädigungspflicht bzw. der Beeinträchtigungstiefe, eine Inhalts- und Schrankenbestimmung oder eine Enteignung sein. Zur Abgrenzung wurde vom BGH die Sonderopfertheorie und vom BVerwG die Schweretheorie herangezogen (vgl. oben § 1 I, S. 18). Das BVerfG grenzt demgegenüber scharf zum einen zwischen bloßen Beeinträchtigungen gegenüber einem vollständigen oder teilweisen Entzug von Eigentumspositionen, zum anderen anhand der formalen Erfordernisse des Art. 14 Abs. 3 GG sowie schließlich und vor allem nach der Intention des Eingriffes zwischen einer Inhalts-/ Schrankenbestimmung und einer Enteignung ab5.

4

Vgl. etwa BGHZ 110,12, und BVerwGE 84, 361.

5

Vgl. nur Pietzcker, Salvatorische Entschädigungsklausel, JuS 1991, S. 369 (371).

I. Allgemeine Grundlagen

103

I. Allgemeine Grundlagen 1. Vorrang der Verfassung Gemäß Art. 20 Abs. 3 GG ist "die Gesetzgebimg... an die verfassungsmäßige Ordnung ... gebunden". Art. 1 Abs. 3 GG besagt: "Die nachfolgenden Grundrechte binden [die] Gesetzgebung ... als unmittelbar geltendes Recht." Die Grundrechte sind somit unmittelbar geltendes Recht, das auch gerichtlich, gegebenenfalls sogar mit der Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG) durchgesetzt werden kann. Einfaches Gesetzesrecht, das den Grundrechten widerspricht, ist materiell verfassungswidrig. Das Grundgesetz hat zur wirksamen Kontrolle eine Verfassungsgerichtsbarkeit mit weitreichenden Kontrollmöglichkeiten, auch gegenüber dem Gesetzgeber, eingeführt. Durch diese Maßnahmen wurden die Verfassung und vor allem die Grundrechte etwa gegenüber den "Grundrechten" in der Weimarer Reichsverfassung in ihrer Bedeutung gesteigert und außerdem stärker in das Bewußtsein der Bürger gerückt. Den Grundrechten kommt unter der Geltung des Grundgesetzes eine enorme praktische Bedeutung zu. Das Grundgesetz ist, vor allem auch inhaltlich, zum Maßstab allen Gesetzesrechtes geworden. Es gilt das Prinzip vom Vorrang der Verfassung 6. Im Stufenbau der (nationalen) Rechtsordnung steht die Verfassung an oberster Stelle7, sie hat höchste Autorität 8. Das (einfache) Gesetzesrecht folgt erst auf einer niedrigeren Rangstufe. Das Gesetzesrecht ist - neutral ausgedrückt - verfassungsabhängig 9. Es darf nicht gegen die Verfassung verstoßen. Die Verfassung enthält zum einen Regelungen, die als Gesetz höherer Ordnung anzusehen sind, gegen das Gesetzgebung, Exekutive und Ge6

Grundlegend dazu Wahl, Der Vorrang der Verfassung, Der Staat 20 (1981), S. 485 ff. (zitiert: Vorrang der Verfassung I), und ders., Der Vorrang der Verfassung und die Selbständigkeit des Gesetzesrechts, NVwZ 1984, S. 401 ff. (zitiert: Vorrang der Verfassung II); s. auch Wahl/Rottmann Die Bedeutung der Verfassung und der Verfassungsgerichtsbarkeit in der Bundesrepublik - im Vergleich zum 19. Jahrhundert und zu Weimar, in: Conze/Lepsius (Hrsg.), Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, Beiträge zum Kontinuitätsproblem, 1983, S. 339 ff.; rezipiert z.B. von Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, 1988, § 62 Rdnr. 2. 7 Einen Überblick zum Stufenbau der Rechtsordnung bietet z.B. Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, Grundbegriffe und Grundlagen des Staatsrechts, Strukturprinzipien der Verfassung, 2. Aufl. 1984, § 4 13a, S. 105 f. m.w.N. g Wahl, Die Entwicklung des deutschen Verfassungsstaates bis 1866, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. 1,1988, § 1 Rdnr. 35. 9 Wahl, Vorrang der Verfassung II, NVwZ 1984, S. 401 (403).

104

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmatik des BVerfG

richte nicht verstoßen dürfen; als Verfassung^erefc enthält das Grundgesetz z.B. die Rechtssätze der Grundrechte 10. Andererseits haben verfassungsrechtliche Regelungen aber nicht durchweg Gesetzescharakter, sondern sie können auch programmatische Aussagen im Sinne einer "offenen" Ordnung enthalten, die keine eindeutig deduzierbaren Gebote, Verbote oder sonstige Handlungsanweisungen enthalten11. Auch die bindenden Normen der Verfassung sind jedoch in der Regel nur sehr abstrakt und allgemein abgefaßt und daher konkretisierungsbedürftig 12. Der einfache Gesetzgeber muß, damit diese verfassungsrechtlichen Vorgaben auch in der Praxis angewendet werden können und das Rechtsleben entsprechend gestaltet ist, sehr viel weiter ins Detail gehende Regelungen treffen, als dies in der Verfassung mit den Vorgaben der groben Linien, der Grundrichtung und der Strukturprinzipien, des "materialen Grundgerüstes des sozialen Lebens überhaupt"13, möglich ist. Dabei gibt die Verfassung in der Regel nur Grenzen vor, innerhalb derer die einfachgesetzlichen Regelungen liegen müssen. Einfachgesetzliche Normierungen, die innerhalb der von der Verfassung vorgegebenen Grenzen liegen, sind daher in der Regel jeweils eine von mehreren Alternativen14. Daraus folgt auch, daß das Gesetzesrecht nicht immer so weit gehen muß, wie dies nach der Verfassung grundsätzlich möglich wäre. Die Verfassung gewährt dem Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum, den dieser auch und gerade politisch in die eine oder andere Richtung nutzen kann und soll, den er aber nicht voll ausschöpfen muß. So muß er etwa den Eigentümer durchaus nicht immer so weit belasten, wie dies nach Art. 14 GG grundsätzlich möglich wäre. Gerichtliche Überprüfbarkeit ermöglichen die Rechtssätze der Verfassung daher in der Regel nur hinsichtlich der Grenzen, die sie festlegen und die der Gesetzgeber mit seinen Gesetzen einhalten muß. Das Prinzip vom Vorrang der Verfassung gilt in diesem Umfang: All das, was der Gesetzgeber innerhalb des eingeräumten Gestaltungsspielraumes unternimmt, ist dagegen rechtlich nicht überprüfbar; dort gibt es keinen Vorrang der Verfassung. Nehmen die Gerichte zu einem gesetzgeberischen Verhalten Stellung, das sich innerhalb des Gestaltungsspielraumes bewegt, überschreiten sie daher ihre Kompetenzen.

10 Starck, Vorrang der Verfassung und Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Starck/Weber (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit in Westeuropa, Teilbd I, 1. Aufl. 1986, S. 13 (35, 37); Stern, Staatsrecht, Bd. 1, 2. Aufl., § 3 III 3, S. 82 ff. 11

Starck, Vorrang der Verfassung, S. 13 (35 f.).

12

Stern, Staatsrecht, Bd. 1, 2. Aufl., § 3 III 3, S. 82 ff.

13

E.-W. Böckenförde, Geschichtliche Entwicklung und Bedeutungswandel der Verfassung, in: FS f. Gmür, 1983, S. 7 (17). 14

Wahl, Vorrang der Verfassung I, Der Staat 20 (1981), S. 485 (507).

I. Allgemeine Grundlagen

105

2. Verfassungsverständnis Das hier zugrundegelegte Verständnis des Grundgesetzes folgt, ohne daß es im Rahmen dieser Arbeit einer endgültigen Festlegung auf einen bestimmten Ansatz bedarf, dem Konzept einer Verfassung als Rahmenordnung, als in diesem Sinne offener Ordnung, die den die Rechtsordnung gestaltenden staatlichen Organen die bereits angesprochenen Gestaltungsspielräume gewährt15. Die Verfassung ist weder vollständig noch vollkommen16. Sie will auch keine perfekte rechtliche Ordnung, kein strikt auszuführendes Gesetz sein. Sie enthält nicht schon das gesamte Material für eine Grundlegung der Rechtsordnung insgesamt17. Die Verfassung ist begrenzter und globaler angelegt, als das wesentlich reichhaltigere und konkretere einfache Recht. Sie stellt Grundsätze auf und gibt Strukturprinzipien vor; sie enthält Essentialia für einen angemessenen Interessenausgleich der Einzelnen untereinander und gegenüber dem Gemeinwohl insgesamt. Sie gibt lediglich die grobe Grundrichtung an; die Einzelheiten sind offengelassen und den jeweiligen politischen, wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Gegebenheiten anpassungsfähig. Die Verfassung enthält danach einen Orientierungsrahmen; nur die Grenzen sind rechtlich und damit gerichtlich nachprüfbar ausgestaltet. Dieser Orientierungsrahmen wird konkretisiert durch das Erkennen rechtlicher Normen aus einem (Rechts-)Prinzip, wobei dieses (Rechts-)Prinzip dadurch mit einem bestimmten Inhalt gefüllt wird 18 . Eine etwas andere Sichtweise liegt demgegenüber vor, wenn von Verfassungsinterpretation als Konkretisierung und von "Verwirklichung" von Verfassungsrecht gesprochen wird 19. Bei diesem Verständnis haben Verfassungsnormen fragmentarischen Charakter, die der Konkretisierung und Verwirklichung bedürfen 20. Die Verfassung soll dabei normative Kraft nur entfalten können, wenn die "Einigkeit des historischen Verfassunggebers" 15 E.-W. Böckenförde, Die Methoden der Verfassungsinterpretation, NJW 1976, S. 2089 (2091, 2098 f.); E.-W. Böckenförde, Grundrechte als Grundsatznormen, Zur gegenwärtigen Lage der Grundrechtsdogmatik, Der Staat 29 (1990), S. 1 (30 f.); Wahl, Vorrang der Verfassung I, Der Staat 20 (1981), S. 485 (507). 16 K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 17. Aufl. 1990, Rdnr. 19 f. 17

E.-W. Böckenförde, 2098 f.).

Methoden der Verfassungsinterpretation, NJW 1976, S. 2089 (2091,

18

E.-W. Böckenförde, Grundrechte als Grundsatznormen, Der Staat 29 (1990), S. 1 (22 in Anm. 85 m.w.N.); E.-W. Böckenförde, Methoden der Verfassungsinterpretation, NJW 1976, S. 2089 (2098 f.). 19

JC Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 17. Aufl., Rdnr. 41 ff., 60 ff.).

20

K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 17. Aufl, Rdnr. 45.

106

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmatik des BVerfG

fortbesteht 21. Es besteht insofern ein Unterschied zwischen solchen 'Verfassungsnormen mit fragmentarischem Charakter' und dem Rahmenverständnis der Verfassung, als die fragmentarischen Verfassungsnormen bereits (etwas stärker) inhaltlich vorgeprägt sind, was durch "Verwirklichung" nachvollziehend zu ermitteln und umzusetzen ist. Zwar enthält auch eine als Rahmenordnung verstandene Verfassung strikte, verbindliche Normen, doch bezieht sich die Verbindlichkeit dort nur auf den Rahmen und die von der Rechtsordnung einzuhaltenden Grenzen; die Rechtsordnung ist dort nicht schon von der Verfassung selbst inhaltlich vorgegeben22. Das Verständnis der Verfassung als Rahmenordnung führt dazu, daß bewußt die Vorgaben der Verfassung im Hinblick auf die damit abgesteckten Grenzen analysiert und offengelegt werden müssen23. Es zwingt dazu, die Ebene des Verfassungsrechts genauer von der Ebene des einfachen Rechts zu unterscheiden und betont die Distanz der Verfassung zum einfachen Recht24. Wenn dagegen von normativer Kraft der Verfassung gesprochen wird, so impliziert dies, daß eine Konkretisierung und Umsetzung25 der Verfassungsnormen sich an inhaltlichen normativen Vorgaben der Verfassung zu orientieren hat und das Konzept für die konkrete normative Ausgestaltung nur aus diesen selbst heraus im Sinne einer Erfüllung von in der Verfassimg bereits verankerten Grundsätzen herleitbar ist26. Konkretisierung im Sinne jener Auffassung meint die Bildung von Untersätzen aus vorhandenen rechtlichen Normen (hier: der Verfassung), also das nachvollziehende Erkennen, Umsetzen, Ausgestalten sowie in begrenzten, vorgegebenem Umfang auch Ergänzen der vorhandenen Normen. Diese Sicht legt den Gesetzgeber stärker darauf fest, die rechtlichen Inhalte der Verfassung herauszufinden und das Vorgefundene in Gesetzsform zu bringen. Zwar kommt der Verfassung auch nach diesem Verständnis eine gewisse Offenheit und Weite zu, sie läßt Raum für das Wirken der politischen Kräfte und somit auch einen gewissen Spielraum für Entscheidungen27, jedoch sind diese Aussagen allgemein und auf das gesamte Verfassungsrecht sowie die dort nicht oder 21

K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 17. Aufl., Rdnr. 44. E.-W. Böckenförde, Grundrechte als Grundsatznormen, Der Staat 29 (1990), S. 1 (21 f. m.w.N.). - Noch etwas anderes versteht Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, vgl. ders., Grundrechte als subjektive Rechte und als objektive Normen, Der Staat 29 (1990), S. 49 - 68 (54), unter 'Prinzipien*. Sie entfalten gerade keine bindende normative Kraft, sondern haben nur eine normative Tendenz zur Optimierung und sollen entsprechend den tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten in möglichst hohem Maße verwirklicht werden. 22

23

Ausführlich: Wahl, Vorrang der Verfassung I, Der Staat 20 (1981), S. 485 (507).

24

Wahl, ebd., S. 507.

25

K. Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, 1988, S. 27.

26

Wahl, Vorrang der Verfassung I, Der Staat 20 (1981), S. 485 (506).

I. Allgemeine Grundlagen

107

nur in Umrissen geregelten Bereiche und weniger - jedenfalls nicht ausdrücklich - auf den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bezogen. Daher bleibt bei diesem Verfassungverständnis der Gesetzgeber jedenfalls in bezug auf Konkretisierung und Verwirklichung der in der Verfassung geregelten Fragen deutlich mehr an die danach vorhandenen inhaltlichen normativen Vorgaben der Verfassung gebunden. Eine Verfassung muß gerade auch den besonderen Anforderungen der in ständigem Wandel und tiefgreifenden Umstrukturierungen begriffenen heutigen Zeit mit seinen vielfältigen Problemen und widerstreitenden Interessen, insbesondere auch im Blick auf zukünftige Generationen gerecht werden. Auch wenn eine Verfassung unter anderen äußeren Bedingungen entstanden ist, sollte es im Grundsatz möglich sein, aus ihr Lösungsansätze für neue Probleme, heutzutage z.B. im Umweltbereich (dort vor allem bei der Gentechnik und dem Embryonenschutz), abzuleiten; sie sollte angesichts der unvorhersehbaren Entwicklung - Stichwort Technikfolgenabschätzung, Grenzwertfestsetzung, Entsorgungsproblematik, etc. - genügend flexibel auf zukünftige Erkenntnisse und Abschätzungen sein, um solchen neuen komplexen Situationen gerecht werden zu können. Wichtig ist im vorliegenden Zusammenhang somit, daß die Verfassung dem Gesetzgeber einen (mehr oder weniger weiten) Gestaltungsspielraum zubilligt, innerhalb dessen er ohne Bindung an rechtliche Vorgaben frei zwischen verschiedenen Alternativen der rechtlichen Gestaltung des einfachen Rechts wählen kann. Dabei hat der Gesetzgeber innerhalb des verfassungsrechtlich vorgegebenen Gestaltungsspielraumes die volle Freiheit der Ausgestaltung. Es gibt in dieser Bandbreite jeweils verschiedene Alternativen und Möglichkeiten. Rechtlich und gerichtlich überprüft werden kann nur, ob die verfassungsrechtlich vorgegebenen Grenzen eingehalten sind. Vor diesem Hintergrund ist im jeweiligen konkreten Fall zu unterscheiden einerseits zwischen der Reichweite der verfassungsrechtlichen Vorgabe(n) sowie den danach an sich weitestgehende(n), zulässige(n) gesetzliche(n) Regelung(en) und andererseits wie innerhalb dieses von der Verfassung vorgegebenen Rahmens die konkrete Ausgestaltung durch den Gesetzgeber auf der Ebene des einfachen Gesetzesrechtes tatsächlich erfolgt ist - nicht zuletzt auch innerhalb seines politischen Gestaltungsspielraumes. Es muß differenziert werden danach, was der Gesetzgeber aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgabe regeln könnte und was er konkret (einfach-) gesetzlich umgesetzt hat.

27

K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 17. Aufl., Rdnr. 24,30.

108

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmatik des BVerfG

3. Zu Fragen der Gmndrechtstheorie und der Grundrechtsinterpretation Das BVerfG ist angesichts seiner verfassungsrechtlichen Stellung und Aufgabe die letzte Auslegungsinstanz in Verfassungsfragen für die Legislative, die Exekutive und die Judikative (vgl. § 31 BVerfGG); seiner Interpretation kommt grundlegende Bedeutung zu28 und seine Aussagen sind letztverbindlich im Sinne einer authentischen Interpretation 29. Die praktischen Konsequenzen wurden bereits früh treffend dahin charakterisiert, daß "das Grundgesetz ... nunmehr praktisch so [gilt], wie es das Bundesverfassungsgericht auslegt" (R. Smend) 30. Trotz oder gerade wegen dieses starken Gewichtes ist die Frage nach dem den Entscheidungen des BVerfG zugrundeliegenden Grundrechtsverständnis, nach der jeweils angewandten Grundrechtstheorie zu stellen. Allerdings hat sich das BVerfG nicht auf eine einzige Grundrechtstheorie festgelegt. Seinen Entscheidungen liegt zwar auch oftmals eine bestimmte Sichtweise, ein bestimmtes Grundrechtsverständis zugrunde, insgesamt betrachtet sind sie jedoch von verschiedenen Grundrechtstheorien und Ansätzen geprägt31. Angesichts der dieser Untersuchung zugrundegelegten Aufgabenstellung können die schwierigen Fragen nach den Methoden der Verfassungsinterpretation und auch die nach den vom BVerfG bei der Interpretation der Grundrechte angewandten Interpretationsmethoden hier letztlich offen bleiben32. Diese methodischen Fragen liegen dem mit dieser Untersuchung verfolgten Ansatz voraus, wenn dabei maßgeblich das vom BVerfG entwickelte Modell inhaltlich auf seine Vollständigkeit und Tauglichkeit in der praktischen Anwendung bezogen auf einen begrenzten Spezialbereich, den Denkmalschutz, untersucht werden 28

Stern, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, § 4 III 6, S. 130.

29

E.-W. Böckenförde, Methoden der Verfassungsinterpretation, NJW 1976, S. 2089 (2099); vgl. E.-W. Böckenförde, Grundrechte als Grundsatznormen, Der Staat 29 (1990), S. 1 ff. 30

Smend, Das Bundesverfassungsgericht (1962), in: ders., Staatsrechtliche Abhandlungen, 2. Aufl. 1968, S. 581 (582). 31

Vgl. etwa die Beispiele bei E.-W. Böckenförde, terpretation, NJW 1974, S. 1529 ff.. 32

Grundrechtstheorie und Grundrechtsin-

Vgl. nur je mit weit. Nachw. E.-W. Böckenförde, Grundrechtstheorie und Grundrechtsinterpretation, NJW 1974, S. 1529 ff.; E.-W. Böckenförde, Methoden der Verfassungsinterpretation, NJW 1976, S. 2089 ff.; Κ Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 17. Aufl., Rdnr. 49 ff.; Höfling,, Offene Grundrechtsinterpretation,, 1987, S. 48 ff.; Ossenbühl, Die Interpretation der Grundrechte in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1976, S. 2100 (insbes. 2105 ff.); Roellecke, Prinzipien der Verfassungsinterpretation in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Festgabe, 1976, S. 22; Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl., § 4 III, S. 123 ff.; sowie ferner die älteren, bei Dreier/Schegmann (Hrsg.), Probleme der Verfassungsinterpretation, 1976, zusammengestellten Beiträge. Deutlich kritisch zu allen Ansätzen jedoch Häberle, Grundrechtsgeltung und Grundrechtsinterpretation im Verfassungsstaat, JZ1989, S. 913 (918 f.).

I. Allgemeine Grundlagen

109

soll. Es geht daher im Rahmen dieser Untersuchung nicht darum, die Entwicklung der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik durch das BVerfG aus methodischer Sicht nachzuzeichnen und kritisch zu hinterfragen. Diese Beschränkung läßt sich gerade auch mit der Befugnis des BVerfG, authentische Verfassungsinterpretation vorzunehmen, und dem sich daraus ergebenden Gewicht der verfassungsgerichtlichen Entscheidungen für die Staatsund Verwaltungspraxis begründen. Unabhängig von der allgemeinen Methodendiskussion können allerdings für die Einordnung der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik einige Prämissen aufgezeigt werden. Gerade am Beispiel des Art. 14 GG lassen sich bezüglich des Grundrechtsverständnisses insbesondere aus der Sicht des BVerfG auch in grundrechtstheoretischer Hinsicht zumindest zwei Fixpunkte markieren. Zum einen wollte der historische Verfassunggeber als Antwort auf die elementare Freiheitsverletzung der NS-Zeit auf die klassischen Freiheitsrechte und das Freiheitsprinzip des liberalen Rechtsstaates zurückgreifen und die Freiheits- und Eigentumsrechte entsprechend stärken und garantieren 33. Zum anderen bestand nach der ursprünglichen, rein liberal-rechtsstaatlichen Sicht, die die Freiheitssphäre des einzelnen als vorstaatlich, d.h. außerhalb der inhaltlichen Regelungskompetenz des Verfassunggebers liegend ansah, die Aufgabe des Staates allein in der Sicherung und Gewährleistung des bereits vorgegebenen Freiheitsbereiches. Damit bestand eine relative Blindheit gegenüber den sozialen Voraussetzungen der Realisierung grundrechtlicher Freiheiten34. Da dies der historische Verfassunggeber erkannt hatte, sollte dieses Manko durch die Aufnahme sozialstaatlicher Komponenten in das Grundgesetz (Sozialstaatsprinzip, Sozialbindung des Eigentums etc.) kompensiert werden. Damit ist dem Staat vom Grundgesetz eine Verantwortung für die Schaffung und Sicherung der notwendigen sozialen Voraussetzungen grundrechtlicher Freiheit in dem Sinne auferlegt, daß die Freiheit des einzelnen angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten und Entwicklungen mit entsprechenden Regelungsund Eingriffsbefugnissen sozial unterfangen werden soll; es geht dabei allerdings immer um die Freiheitssicherung und nicht darum, die Freiheit des einzelnen zu überwinden. Mit Böckenförde läßt sich dies als soziale Einbindung der liberal-rechsstaatlichen Grundrechtstheorie und als deren deutliche Modifikation ansehen.

33

E.-W. Böckenßrde, Grundrechtstheorie und Grundrechtsinterpretation, NJW 1974, S. 1529 (1537 m. weit. Nachw.); vgl. auch v. Münch, in: v. Münch (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 3. Aufl. 1985, Vorb. Art. 1 - 19 Rdnr. 5. 34

E.-W. Böckenßrde, S. 1529 (1530, 1531 f.).

Grundrechtstheorie und Grundrechtsinterpretation, NJW 1974,

110

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmatik des BVerfG

Zwar wird in der herrschenden Staatsrechtslehre nicht grundsätzlich bestritten, daß beide Elemente im Grundgesetz verankert sind, heftig umstritten und noch nicht ausdiskutiert sind jedoch Gewicht und Verhältnis der beiden Komponenten Freiheitssicherung und Berücksichtigung sozialer Voraussetzungen; letzteres gilt sowohl für die Diskussion selbst wie auch für die Einschätzung der Frage, welche Sicht das BVerfG hierzu vertritt. Diese in der Regel theoretisch und abstrakt geführte und auf alle Freiheitsgrundrechte bezogene Diskussion und insbesondere der Streit über das Gewicht der sozialen Komponente wird jedoch - weg von der (m.E. nicht beantwortbaren) Frage nach der vorrangigen oder gar "richtigen" Grundrechtstheorie - in concreto bezogen auf Art. 14 GG dadurch deutlich dadurch entschärft, daß Art. 14 GG neben der Institutsgarantie des Eigentums auch die Sozialbindung in Abs. 2 ausdrücklich aufführt. Dementsprechend mißt hier auch das BVerfG beiden Komponenten einiges Gewicht zu und sieht beide als gleichrangig nebeneinanderstehende Faktoren an, die der Gesetzgeber bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums zu beachten und zum Ausgleich zu bringen hat35. Das Gericht betont mehrfach, das Grundgesetz habe sich für ein "sozial gebundenes Privateigentum" und gerade nicht für eine Eigentumsordnung entschieden, in der das Individualinteresse den unbedingten Vorrang vor den Interessen der Gemeinschaft hat36. Der Gesetzgeber muß beiden im Grundgesetz verankerten Elementen, dem durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG garantierten Freiheitsbereich und dem Gebot der sozialorientierten Eigentumsordnung, in gleicher Weise Rechnung tragen37. Beide Elemente stehen in einem unlösbaren Zusammenhang38; keiner dieser Faktoren darf über Gebühr verkürzt, sondern die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten müssen in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden39. Insofern trifft gerade auf Art. 14 GG und seine Auslegung durch das BVerfG in besonders ausgeprägter Weise der Befund der durch die soziale Einbindung abgewandelten liberal-rechtsstaatlichen Grundrechtssicht zu. Daneben ist ein weiterer Gesichtspunkt von Bedeutung. Aufgrund der besonderen Regelungsstruktur des Art. 14 GG unterliegt die sich daraus ergebende Garantie einem Wandel in dem Sinne, daß ihre Anwendung nicht 35 BVerfGE 37, 132 (140); 52,1 (29); 58, 300 (338); 79, 29 (40). - Ausführlich dazu siehe unten III Ziff. 1 - 4 , S. 124 ff.. 36

BVerfGE 21, 73 (83); 52,1 (29, 32); vgl. 25,112 (117); 79,174 (198).

37

BVerfGE 21,150 (155); 25,112 (117 f.); 26, 215 (222); 37,132 (140); 50, 290 (339 ff.); 52, 1 (29); 79,179 (198). 38 39

BVerfGE 50, 290 (340).

BVerfGE 21,150 (155) 25,112 (117 f.); 26, 215 (222); 37,132 (140); 50, 290 (339 ff.); 52, 1 (29); 79,179 (198).

I. Allgemeine Grundlagen

111

statisch zu jeder Zeit und für jede Fallgestaltung zu denselben Ergebnissen (z.B. Abwehrrecht oder Duldungspflicht des Eigentümers) führen kann. Zwar ist nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG vor allem der danach garantierte Freiheitsbereich Eigentum zu gewährleisten, doch ergibt sich aus dem Gebot, einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu den Gemeinwohlinteressen herzustellen, eine gewisse Offenheit. So kann zur Auslegung und Abwägung der zu berücksichtigenden Faktoren - hier insbesondere für die Frage, welche Gemeinwohlinteressen in welchem Umfang die Sozialbindung herstellen können - nicht etwa das zum Zeitpunkt der Entstehung des Grundgesetzes vorherrschende Verständnis oder sogar ein aus noch früherer Zeit stammendes oder ein sonstiges Verständnis herangezogen werden, sondern hier hat die Auslegung den Kontext und damit insbesondere den Zeitpunkt zu berücksichtigen, in der die Verbürgung in ihrer jeweiligen Ausgestaltung auf eine konkrete Lebenssituation oder -frage trifft. Eine Interpretation allein auf der Grundlage des Verfassungstextes und nur mit Hilfe der klassischen Auslegungsmethoden ist hierbei insofern nicht möglich oder ausreichend, als Art. 14 (Abs. 1 und 2) GG gerade in dieser Hinsicht offen ist, und zwar zum einen durch die abstrakte Umschreibung ("Wohl der Allgemeinheit"), deren Inhalt im einzelnen nicht im Grundgesetz selbst festgelegt ist, und zum anderen durch die an den einfachen Gesetzgeber delegierten Befugnis zur Ausgestaltung des Eigentumsinhalts. In diesem Sinne sind alle zwischenzeitlich eingetretenen Entwicklungen und Veränderungen zu berücksichtigen. Es ist vom je aktuellen Erkenntnisstand und Verständnishorizont, insbesondere etwa vom aktuellen, eventuell in mehreren Jahrzehnten erheblich veränderten Stellenwert und der derzeitigen Bedeutung eines bestimmten Gemeinwohlinteresses, auszugehen. Der Inhalt der Verbürgung ist danach insoweit offen, als auf die jeweilige konkrete Lebenssituation unter Einbeziehimg der Gesamtbedingungen (etwa der einfachgesetzlichen Regelungen etc.) abzustellen ist. Der aktuelle Bezug muß sonach Grundlage der zu treffenden Entscheidung sein. Allerdings ist zur Klarstellung und um Mißverständnisse zu vermeiden noch einmal zu betonen, daß es bei diesen Ausführungen nicht um die Frage eines Verfassungswandels, d.h. nicht um Veränderungen im Verständnis und der Handhabung einer Verfassungsnorm ohne gleichzeitige Änderung des Verfassungstextes, geht40. Es soll schon gar nicht die Behauptung aufgestellt werden, Art. 14 GG unterliege einem solchen Verfassungswandel. Im Gegenteil, die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 14 GG, jedenfalls die der Abs. 1 und 2, sind durchaus eindeutig und 40

Κ Hesse, Grenzen der Verfassungswandlung, in: FS Ulrich Scheuner, 1973, S. 123 (126 ff.); Bryde, Verfassungsentwicklung, 1982, S. 20 ff., 254 ff. Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl., §5 III 2 b, S. 160 f.

112

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmatik des BVerfG

strikt und unterliegen selbst keinem Wandel. So hat das BVerfG lediglich den Gehalt, den Kern der Verbürgungen des Art. 14 Abs. 1 GG über mehrere Jahrzehnte hinweg und für die verschiedenen Fallgestaltungen systematisch aufgearbeitet. Dabei wurde der eigentliche Inhalt des Art. 14 Abs. 1 GG im Wege der gewöhnlichen Interpretation bzw. Konkretisierung ermittelt. Darin liegt, jedenfalls bezogen auf das Verständnis des Grundgesetz und Art. 14 Abs. 1 und 2 GG, kein Wandel im Verfassungs- oder Grundrechtsverständnis begründet. Zwar liegen gegenüber der Weimarer Reichsverfassung und dem verfassungsrechtlichen Gehalt des teilweise gleichlautendem Art. 153 WRV gravierende Veränderungen im Verständnis des Art. 14 GG vor (vgl. dazu oben § 31, S. 88 ff., und unten IV 1, S. 163 f.), doch ist das, da dabei zwei verschiedene Verfassungen verglichen werden, kein Verfassungswandel in dem beschriebenen Sinne.

II. Verfassungsrechtliches Eigentumsverstandnis Als Grundlage der bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsdogmatik ist nunmehr auf das vom BVerfG herausgearbeitete, spezifisch verfassungsrechtliche Eigentumsverständnis41 einzugehen. 1. Dogmatische Grundlegung Vom Grundsatz des Vorranges der Verfassung geprägt ist auch das Eigentumsverständnis des Grundgesetzes, wie es sich aus der Auslegung durch das BVerfG ergibt: Da die Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums dem (einfachen) Gesetzgeber zugewiesen ist, entspricht es dem Vorrangprinzip, wenn aus den Regelungen des Grundgesetzes ein eigenständiges verfassungsrechtliches Eigentumsverständnis abgeleitet wird. Art. 14 GG enthält einen spezifischen, allerdings im Grundgesetz selbst nicht ausdrücklich definierten, verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff 2. Das

41

Vgl. dazu - neben den Entscheidungen des BVerfG - vor allem auch die Veröffentlichungen von Werner Böhmer, der als Bundesverfassungsrichter die Entscheidungen zu Eigentumsfragen maßgeblich geprägt hat: Böhmer, Die rechtsgeschichtlichen Grundlagen der Abgrenzungsproblematik von Sozialbindung und Enteignung, in: Der Staat 24 (1985), S. 157 ff.; Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 39 ff.. 42 BVerfGE 42, 263 (292 f.); vgl. 52, 1 (27); sowie BVerfG B.v. 29.7.1991 - 1 BvR 868/90, NJW 1992, S. 36 (37); ausführlich Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 39 ff.; vgl. ferner Wahl, Vorrang der Verfassung II, NVwZ 1984, S. 404 ff m.w.N., Schwerdtfeger, Die dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, 1983.

II. Verfassungsrechtliches Eigentumsverständnis

113

BVerfG geht davon aus, daß der Begriff des von der Verfassung gewährleisteten Eigentums aus der Verfassung selbst gewonnen werden muß, indem auf den Zweck und die Funktion der Eigentumsgarantie unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung im Gesamtgefüge der Verfassung zurückzugreifen ist 43 . Aus Normen des einfachen Rechts, die im Range unter der Verfassung stehen, kann der Begriff des Eigentums im verfassungsrechtlichen Sinn dagegen nicht abgeleitet werden44. Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff ergibt sich aus der Zusammenschau der Institutsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und der sog. Sozialbindung nach Art. 14 Abs. 2 GG; er ist sehr weit. Aus ihm leiten sich die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Bestimmung der einfachgesetzlichen Ausprägung des Eigentums durch den Gesetzgeber her. Dabei stehen die Regelungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, des Abs. 1 Satz 2 und des Art. 14 Abs. 2 GG in einem unlösbaren Zusammenhang45. Von diesem verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff und die Frage, wie er näher zu bestimmen ist, ist die Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums zu unterscheiden, die nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dem einfachen Gesetzgeber zugewiesen ist. Dem Gesetzgeber ist dabei ein Gestaltungsspielraum eingeräumt, in dessen Rahmen er den konkreten Inhalt des Eigentums auf einfachgesetzlicher Ebene festlegen kann46 und der deshalb im Einzelnen sehr unterschiedlich ausgestaltet sein kann. Demgemäß hat der Gesetzgeber beispielsweise den Eigentumsbegriff in den §§ 903 ff. BGB zivilrechtlich normiert und daneben aber auch auf öffentlich-rechtlicher Ebene teilweise einen eigenen Eigentumsbegriff geschaffen, wie z.B. das öffentliche Eigentum am Gewässerbett nach §§ 4 ff. bad.-württ. Wassergesetz oder das öffentliche Eigentum an öffentlichen Wegen und Deichen nach §§ 4 ff. hamb. Wegegesetz und § 2 Deichordnungsgesetz zeigen47. Bevor nun der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff des Grundgesetzes näher dargelegt wird, ist noch eine häufig Schwierigkeiten bereitende Eigenheit des Art. 14 GG zu erwähnen: Nach dem Prinzip vom Vorrang der Verfassung und dem Konzept vom Stufenbau der Rechtsordnung muß grundsätzlich jedes einfache Gesetz mit der Verfassung vereinbar sein. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG weist jedoch die Besonderheit auf, daß der Inhalt des Eigentums erst durch die (einfachen) Gesetze bestimmt werden soll. Darin liegt jedoch - entgegen entsprechender Kritik vor allem aus dem zivilrechtli-

43

BVerfGE 42, 263 (293); 58, 300 (335).

44

BVerfGE 58, 300 (335).

45

BVerfGE 50, 290 (340).

46

BVerfGE 21, 73 (83); 42, 263 (294); 50, 290 (341); 79, 29 (40).

47

Vgl. BVerfGE 24, 367 ff.; 42, 20 ff.; vgl. auch Wolff/Bachof, 1974, §57Ib. 8 Melchinger

Verwaltungsrecht I, 9. Aufl.

114

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmatik des BVerfG

chen Bereich 48 - aus verfassungsrechtlicher Sicht kein endloser 'Zirkelschluß', der sich daraus ergeben würde, daß die Verfassungsmäßigkeit eines einfachen Gesetzes im Ergebnis wiederum am einfachen Gesetz zu messen ist. Zunächst enthält Art. 14 GG durchaus auch selbst materielle Vorgaben und Garantien, an die sich der inhaltsbestimmende Gesetzgeber zu halten hat, und die - wie im folgenden gezeigt werden wird - sowohl über die Institutsgarantie als auch über die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG insbesondere für den bereits Eigentumspositionen innehabenden Rechtsträger einen weitgehenden und ausreichenden grundrechtlichen Schutz des Eigentums bieten (vgl. inbesondere unten III 2, S. 127 ff.). Zudem sind das Grundgesetz und insbesondere die Grundrechtsdogmatik maßgeblich vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geprägt. Damit und insbesondere mit der umfassenden Abwägungsdogmatik, z.B. bei Grundrechten, die einen Gesetzesvorbehalt enthalten, können hier in der Regel akzeptable Lösungen gefunden werden. Dies gilt auch für die nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG erforderliche Abwägung zwischen Gemeinwohlinteressen und Individualinteressen. Es gibt somit verfassungsrechtliche Steuerungsmechanismen für die nur scheinbar ausweglose Situation bei Art. 14 Abs. 1 GG. Deshalb läuft der Eigentumsschutz des Art. 14 GG trotz der an den einfachen Gesetzgeber delegierten Inhaltsbestimmung nicht leer. 2. Der spezifisch verfassungsrechtliche

Eigentumsbegriff

a) Theoretische Konzeption In rechtlicher Hinsicht betrifft Eigentum die Zuordnung eines Vermögenswerten Gutes (Objekt) zu einem Rechtsträger (Subjekt)49. Eigentum wird seit Kant und Hegel mit Freiheit verknüpft 50 und heute verstanden als die Widerspiegelung der menschlichen Freiheit in der äußeren Güterwelt 51.

48

F. Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 15. Auflage 1989, § 24 I, S. 214 m.w.N. und S. 218; ders., Die "Naßauskiesung" - oder wohin treibt der Eigentumsschutz?, NJW 1982, S. 1734 1736 (1735). 49

BVerfGE 79,29 (40); Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 56. so Ausführlich dazu Hecker, Eigentum als Sachherrschaft, Zur Genese und Kritik eines besonderen Herrschaftsanspruchs, 1990, S. 184 ff., 235 ff. 51 Düng, Verfassungsrechtliche Eigentumsgarantien, in: Staatslexikon, hrsg. v. d. Görresgesellschaft, Bd. 2,6. Aufl. 1958, Art. 'Eigentum', Sp. 1079 -1084 (1079).

II. Verfassungsrechtliches Eigentumsverständnis

115

Außerrechtlich, insbesondere aus der 'Natur der Sache' gibt es keinen vorgegebenen Begriff des Eigentums52. Der Gegenstand der verfassungsrechtlichen Gewährleistung ist zwar nicht ausdrücklich definiert, aber durch folgende Umschreibung und Auslegung des BVerfG gegenüber der eingangs erwähnten "Zuordnung eines Vermögenswerten Gutes zu einem Rechtsträger" präzisiert: Erfaßt sind danach von Art. 14 Abs. 1 GG alle subjektiven Vermögenswerten Rechte, die dem Berechtigten von der objektiven Rechtsordnung ausschließlich zur privaten Nutzung und zur eigenen Verfügung zugeordnet sind53. Alle einfachgesetzlich gewährten Rechtspositionen, die diese Voraussetzungen ausdrücklich erfüllen, unterliegen dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, unabhängig davon, ob sie einfachgesetzlich ausdrücklich als "Eigentum" bezeichnet sind oder nicht. Das BVerfG hat dies plakativ so formuliert: "Art. 14 GG als Grundrecht schützt nicht das Privateigentum, sondern das Eigentum Privater 54". Das läßt sich auch über den eigentlichen Zusammenhang hinaus - dort ging es um den (nicht gegebenen) grundrechtlichen Schutz des (Privat-) Eigentums von Gemeinden (Sasbachentscheidung) - auch so verstehen, daß der Schutz des Art. 14 GG sich nicht allein auf das zivilrechtliche Eigentum bezieht, sondern jegliche Position und jegliches Recht erfaßt, die "Eigentum" im Sinne der Verfassung sind, was gerade dadurch charakterisiert wird, daß diese Position, dieses Recht einem Rechtsträger ("Privaten") eine bestimmte Rechtsstellung gewährt. Da das Eigentum geprägt ist von den jeweiligen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Anschauungen und Verhältnissen muß ihnen sein Inhalt und seine Funktion angepaßt werden55. Dem entspricht es, daß nach dem Grundgesetz die Inhalts- und Schrankenbestimmungsbefugnis dem Gesetzgeber übertragen ist56. Die gegenwärtige verfassungsrechtliche Eigentumsordnung beruht auf der Erkenntnis, daß menschliches Zusammenleben gewisse Beschränkungen des individuellen Eigentümers erfordert. Nach Maßgabe von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 2 GG hat der Gesetzgeber deshalb eine Eigentumsordnung zu schaffen, die sowohl den privaten Interessen des Einzelnen als auch denen der Allgemeinheit gerecht wird 57. Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff des Grundgesetzes ist in diesem 52

BVerfGE 20, 351 (355); 31, 229 (240); 58, 300 (339). - Anderer Ansicht wohl, zumindest für Teilbereiche, Leisner, Eigentum (§ 149), in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, 1989, S. 1023 ff. (Rdnr. 67 ff.). 53

BVerfGE 78,58 (71 m.w.N.); 79,174 (191).

54

BVerfGE 61, 82 (108 f.).

55

BVerfGE 24, 367 (389); 31, 229 (240).

56

BVerfGE 31, 229 (240).

57

BVerfGE 58, 300 (335 m.w.N.).

116

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmatik des BVerfG

Sinne mehrdimensional. Nach seinen Vorgaben müssen einerseits für die Bürger und ihre Rechtsbeziehungen untereinander (häufig privatrechtliche) Normen geschaffen werden, andererseits ist den Belangen der Allgemeinheit ebenfalls Rechnung zu tragen (oftmals durch öffentlich-rechtliche Vorschriften). Die grundgesetzliche Eigentumsordnung läßt deshalb folgerichtig einen Dualismus von privatem und öffentlichem Recht zu58. Bei der Konkretisierung der Frage, was Eigentum ist und welchen Regelungsinhalt Eigentum hat, ist zunächst zu unterscheiden: Es geht einerseits um die Beziehung zwischen Mensch und Sache, zwischen Subjekt und Objekt (Sachbezug) und dabei um die Abgrenzung der Vermögenssphären der einzelnen Menschen untereinander bzw. voneinander. Diese Beziehung wird etwa durch den zivilrechtlichen Eigentumsbegriff näher ausgestaltet59. Ebenso kann sie aber auch durch öffentlich-rechtliche Regelungen, etwa das Renten- oder Sozialversicherungsrecht umschrieben und festgelegt sein. Das ist aber nur die eine Seite. Eigentum beinhaltet daneben auch die Einbindung des Einzelnen und seiner Sache in die Rechtsgemeinschaft insgesamt (Beziehung zur Allgemeinheit, Sozialbezug). Diese Erkenntnis ist nicht erst unter der Geltung des Grundgesetz entstanden: Bereits Ende des vergangenen Jahrhunderts wurde gegen den absoluten (zivilrechtlichen) Eigentumsbegriff, gegen die Idee der absoluten Verfügungsgewalt, von namhaften Vertretern der Rechtswissenschaft, insbesondere R. v. Ihering und Ο. ν. Gierke , die gesellschaftliche Verpflichtetheit des Eigentums hervorgehoben60. Der verfassungsrechtliche Begriff des Eigentums erfaßt als Überbau beide Seiten und wird demgemäß charakterisiert durch das Beziehungsdreieck Mensch - Objekt (= Sache) - Mitmensch bzw. (Rechts-) Gemeinschaft 61. Demgemäß ist das verfassungsrechtliche Eigentum gemeinschaftsbezogen und gemeinschaftsgebunden: Das Grundgesetz hat sich mit dem - im Gegensatz zu Art. 153 Abs. 3 WRV rechtlich bindenden - Art. 14 Abs. 2 GG ausdrücklich für ein sozial gebundenes Eigentum entschieden62. Demzufolge sind auch die vom Gesetzgeber vorgenommenen einfachrechtlichen Ausge58

BVerfGE 37,132 (140 f.); 58, 300 (Leitsatz 3, 335 f.).

59

Nicht zu verwechseln mit "Privateigentum" im Sinne von Art. 14 GG, dem Eigentum der Privaten, im Unterschied zum Eigentum der öffentlichen Hand; vgl. dazu Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 56 f. m.w.N. 60

Wolff ; Reichsverfassung und Eigentum, in: FG W. Kahl, 1923 (Neudruck 1981), Beitrag IV, S. 10 m.w.N.; Hecker, Eigentum als Sachherrschaft, S. 244 f. m.w.N. 61 Hecker, Eigentum als Sachherrschaft, S. 18 m.w.N.; Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 61 f. 62

Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 76 ff.

II. Verfassungsrechtliches Eigentumsverständnis

117

staltungen des Eigentums zwingend dieser sozialen Bindung unterworfen. In diesem sozialen Bezug liegt ein besonderes Rechtfertigungsmoment, mit dem der Gesetzgeber eigentumsbeschränkende Eingriffe unter bestimmten Voraussetzungen (dazu näher unten III) zulässigerweise vornehmen darf. Die Eigentumsgewährleistung des Grundgesetzes ist somit nicht an sich unbegrenzt, sondern einfach-rechtliche Bindungen sind wesensmäßige Begrenzungen der individuellen Eigentumspositionen63, gleichgültig, ob sie zivilrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur sind. Die soziale Gebundenheit ergibt sich jeweils aus sämtlichen Bereichen des einfachen Rechts. Deshalb ergibt sich die soziale Bindung des zivilrechtlich ausgestalteten Eigentums vor allem auch aus öffentlich-rechtlichen Beschränkungen und nicht allein aus den §§ 905 ff. BGB, wobei zu beachten ist, daß etwa § 906 BGB lediglich den einzelnen Nachbarn und nicht die Allgemeinheit insgesamt betrifft. Der Einwand, das könne nicht sein, denn Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleiste das Privateigentum als Rechtseinrichtung64, entkräftet diese Aussage nicht. Denn aus der Gewährleistung des Privateigentums als Rechtseinrichtung ergibt sich nur die Pflicht zur grundsätzlichen Bereitstellung des Rechtsinstituts und - jedenfalls im Grundsatz -, soweit sie danach gewährt ist, die Erhaltung einer einmal bestehenden und vor allem bereits individuell erworbenen Rechtsposition, daraus ergibt sich jedoch nicht, daß jedes Rechtsgut von Verfassungs wegen einer privatrechtlichen Herrschaft unterworfen sein muß65. Demzufolge stehen zivilrechtliche Eigentumsbestimmungen und öffentlich-rechtliche Beschränkungen als Inhalts- und Schrankenbestimmung des einfachen Gesetzgebers gleichrangig nebeneinander. Einen Vorrang der bürgerlich-rechtlichen Eigentumsordnung gibt es nicht66. Für sich genommen ist die privatrechtliche Eigentumsordnung daher keine abschließende Regelung von Inhalt und Schranken des Eigentums67. Gegenüber dem mehrdimensionalen verfassungsrechtlichen ist der zivilrechtliche, auf körperliche Sachen beschränkte Eigentumsbegriff des § 903 BGB 68 nur eindimensional angelegt. Der zivilrechtliche Eigentumsbegriff erfaßt, entprechend dem Regelungsbereich des Zivilrechts, das nur die Beziehung der Privaten untereinander regeln will, zwar teilweise auch die so63

Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 68 f.

64

BVerfGE 20, 351 (355); 24, 367 (389); 58, 300 (339).

65

BVerfGE 58, 300 (339); vgl. 24, 367 (389 f.).

66

BVerfGE 58, 300 (Leitsatz 3, 330, 335 f.); Böhmer, Abgrenzung von Sozialbindung und Enteignung, Der Staat 1985, S. 157 (198). 67 68

BVerfGE 58, 300 (336); vgl. 42, 263 (294).

Vgl. zu Entstehung und zum vorherigen Rechtszustand Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 57 in FN 12.

118

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmatik des BVerfG

zialen Bezüge, aber insgesamt nicht in dem von Art. 14 Abs. 2 GG vorgesehenen bzw. danach erforderlichen oder danach möglichen Umfang. Normiert ist dort nur die Beziehung Mensch - Sache; hervorgehoben wird vor allem die Freiheit des Eigentümers: Nach § 903 BGB ist Eigentum definiert als absolute Sachherrschaft, als ein Recht, das positiv dem Rechtsträger jede beliebige Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache gestattet (Eigentum als unbeschränktes Herrschaftsrecht) 69. Zwar ist auch die Beziehung gegenüber einzelnen Dritten, etwa Nachbarn, privatrechtlich geregelt; diese betrifft jedoch in erster Linie die jeweilige Zweierbeziehung. Die Verantwortung des Eigentümers gegenüber der Allgemeinheit (Gemeinschaftsbezug i.S.d. Art. 14 Abs. 2 GG) ist dagegen im Zivilrecht selbst nicht ausdrücklich geregelt. Ursprünglich Schloß § 903 BGB sogar ohne Rücksicht auf die Verantwortung des Eigentümers gegenüber der Allgemeinheit negativ alle anderen (einzelnen Dritten) von dem Gebrauch der Sache aus; diese Sicht wird noch immer vertreten 70. Diese Auffassung vom zivilrechtlichen Eigentumsbegriff beruht in ihrer ursprünglichen - bereits damals umstrittenen (siehe oben, S. 116) - Rigorosität auf den politischen und sozialen Anschauungen aus dem vergangenen Jahrhundert 71. Zur Zeit der Entstehung des BGB und bis ins 20. Jahrhundert hinein galt das absolute Eigentum als ein seinem Begriff nach unbeschränktes Recht; man war der Ansicht, Bindungen und Beschränkungen des Eigentums könnten immer nur von außen und im Wege öffentlich-rechtlicher Vorschriften kommen, in den Begriff des Eigentums könnten sie nicht integriert werden72. Demgegenüber wird jedoch heute § 903 BGB mit dem Hinweis auf den Wortlaut: "soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen" so verstanden, daß auch der zivilrechtliche Eigentumsbegriff Beschränkungen kennt, so daß der Gesetzgeber auch aus rein zivilrechtlicher Sicht einen Spielraum hat und dem Eigentümer Schranken setzen kann, die sich aus dem Zusammenleben der Menschen und aus den Bedürfnissen der organisierten Gemeinschaft ergeben73. Dies

69

Vgl. nur F. Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 15. Auflage 1989, S. 212; Baur, Jürgen F., in: Soergel/Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, Bd. 6, 12. Aufl. 1989, § 903 Rdnr. 5,11 ff. 70 Vgl. nur F. Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 15. Auflage 1989, S. 212; J.F. Baur, in: Soergel/Siebert, BGB-Kommentar, 12. Aufl. 1989, § 903 Rdnr. 5,11 ff. 71

Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 63.

72

Hecker, Eigentum als Sachherrschaft, S. 215, 245 m.w.N.; Böhmer, Abgrenzung von Sozialbindung und Enteignung, Der Staat 1985, S. 157 - 199 (198 m. umfangr. w.N.); Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 66 - vgl. aber auch die dort, S. 69 f. aufgeführte Literatur. 73 F. Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 15. Auflage 1989, S. 212; Maunz, Wandlungen des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes, in: BayVBl. 1981, S. 321 - 328 (321).

II. Verfassungsrechtliches Eigentumsverständnis

119

ist allerdings im Zivilrecht selbst nicht bzw. nicht in ausreichendem Umfang geschehen; denn die bislang zivilrechtlich geregelten Beschränkungen beziehen sich vorwiegend auf die Beziehung zu einzelnen Dritten und betreffen selten die Beziehung zur Rechtsgemeinschaft insgesamt. Im übrigen besteht aus grundgesetzlicher Sicht kein zwingendes Gebot für den einfachen Gesetzgeber, solche aus der Sozialbindungsklausel des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 2 GG sich ergebenden begrenzenden Regelungen zugunsten der Allgemeinheit ausschließlich im Zivilrecht selbst zu treffen 74. Deshalb sind gemeinwohlorientierte öffentlich-rechtliche Beschränkungen der Substanz des Eigentums auch - soweit sie nicht erst nachträglich erlassen werden kein "Eingriff' in das Eigentum und stellen keine "Verkürzungen" des Eigentums dar 75. Es ist folglich aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht ausreichend, wenn mit Hinweis auf die völlige Verschiedenheit der Zweckbestimmung der §§ 903 ff. BGB einerseits und des Art. 14 GG andererseits darauf verwiesen wird, "die Bindungen, die sich der Eigentümer entschädigungslos auferlegen muß", seien - mit Verweis auf § 906 BGB - "bereits im BGB selbst weithin enthalten" und es würde "also für eine Anwendung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Sozialbindung im bürgerlichen Recht nur einen geringen Anwendungsbereich geben"76. Eine derartige Sicht ist schwerlich mit der beschriebenen verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik in Einklang zu bringen, denn sie anerkennt nur einen Gleichrang der Begriffsbestimmungen, nicht aber einen Vorrang der Verfassung und deren mehrdimensionalen verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff. Im übrigen wird dabei nicht die unterschiedliche Zielrichtung der einfachgesetzlichen Vorschriften (einzelne Dritte oder die Gesamtheit als solche betreffend) berücksichtigt. Ein Teil der besonderen Probleme bei der Bestimmung des Eigentumsbegriffs inbesondere im Zusammenhang mit dem zivilrechtlichen Eigentumsbegriff lassen sich aus der zeitlichen Differenz, nämlich damit erklären, daß der zivilrechtliche Eigentumsbegriff schon zu Beginn dieses Jahrhunderts und damit vor Inkrafttreten des Grundgesetzes entstanden war. Die Grundrechtsdogmatik und insbesondere die verfassungsrechtliche Eigentumsdogmatik haben sich erst danach schon unter der Geltung der WRV (vgl. oben § 2 I I und § 3, S. 67 ff. u. 87 ff.) und erst recht unter der Geltung des Grundgesetzes grundlegend verändert und weiterentwickelt. Obwohl die Regelungen des BGB bei der Entstehung des Grundgesetzes schon vorhanden waren, sind sie inzwischen nach dem Prinzip vom Vorrang der Verfassung im 74

Anders F. Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 15. Auflage 1989, S. 213.

75

Ausführlich dazu Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum,

S. 77. 76

F. Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 15. Auflage 1989, S. 217.

120

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmatik des BVerfG

Lichte des Grundgesetzes auszulegen. Auch wenn das BGB als insbesondere die Autonomie des einzelnen gewährendes und schützendes Regelungswerk einen entsprechenden freiheitlichen und liberalen Gedankengut Rechnung trägt, so ist dies im Eigentumsbereich doch gerade durch Art. 14 GG deutlich modifiziert worden. Demgegenüber gingen das Reichsgericht und die damalige herrschende Lehre sogar noch unter der Geltung des Art. 153 WRV - obwohl diese Bestimmung gegenüber früheren verfassungsrechtlichen Verbürgungen des Eigentums schon deutlich anders formuliert war - von der damals dominierenden, zivilrechtlichen, durch den absoluten Eigentumsbegriff geprägten Eigentumsdogmatik und damit von einem grundlegend anderen Eigentumsverständnis aus. Diese Sicht hat die Zivilrechtsdogmatik schließlich bis in die Zeit des Grundgesetz hinein entscheidend geprägt, so daß es erkennbar Schwierigkeiten bereitet hat, die derzeitige Grundrechtsdogmatik mit der ursprünglich vorhandenen zivilrechtlichen Sicht in Einklang zu bringen. Somit kann bezüglich der Bestimmung des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffes festgehalten werden, daß zwar die Kriterien für eine Zuordnung als Gegenstand des Grundrechtsschutzes des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG festgelegt sind, daß aber die Frage, ob eine Rechtsposition diesem Schutz auch unterliegt, erst anhand der konkreten Ausgestaltung beantwortet werden kann und mithin keine abstrakte, allgemeingültige Zuordnung möglich ist. Wesentliches Merkmal des verfassungsrechtlich geschützten Eigentums ist es, daß es sich um (Vermögenswerte) Rechtspositionen handelt, die - wie etwa das Eigentum an einer Sache - dem Berechtigten ausschließlich zur privaten Nutzung und zur eigenen Verfügung zugeordnet sind77. Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff läßt sich insoweit umschreiben als er die Gesamtheit derjenigen rechtlichen Regelungen erfaßt, die zur Wahrung der individuellen privaten Interessen die Beziehung zwischen einem Subjekt und einem Objekt normieren und die deren gleichzeitige Einbindung in die Rechtsgemeinschaft insgesamt durch Berücksichtigung der Interessen der Allgemeinheit gewährleisten. Das verfassungsrechtliche Eigentum ist gemeinschaftsbezogen und gemeinschaftsgebunden. Die den Inhalt und die Schranken des Eigentums bestimmenden einfachgesetzlichen Regelungen können dabei allen Rechtsbereichen angehören, also beispielsweise sowohl zivilrechtlicher wie auch öffentlich-rechtlicher Natur sein (mehrdimensionaler Charakter). Das Eigentum betreffende Normen aus beiden Bereichen etwa zivilrechtliche Zuordnungsregelungen und öffentlich-rechtlich geregelte Bindungen und Begrenzungen - stehen gleichrangig nebeneinander.

77

BVerfGE 78,58 (71); 79,174 (191); 83, 201 (208).

II. Verfassungsrechtliches Eigentumsverständnis

121

b) Zum Inhalt des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs Welche Befugnisse einem Eigentümer in einem bestimmten Zeitpunkt konkret zustehen, ergibt sich aus der Zusammenschau aller in diesem Zeitpunkt geltenden, die Eigentümerstellung regelnden, verfassungsmäßigen (einfach-) gesetzlichen Vorschriften. Hat der Eigentümer danach eine bestimmte Befugnis nicht, so gehört diese nicht zu seinem Eigentumsrecht78. Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff ist nicht, wie der zivilrechtliche, beschränkt auf körperliche Sachen, sondern dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG unterliegen alle subjektiven Vermögenswerten Rechte, die dem Berechtigten von der objektiven Rechtsordnung ebenso ausschließlich wie Eigentum an einer Sache zur privaten Nutzung und zur eigenen Verfügung zugeordnet sind79. Das können sowohl zivilrechtliche wie auch öffentlich-rechtliche Positionen sein. Danach umfaßt der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff 80 aus dem zivilrechtlichen Bereich über das Grundeigentum und Eigentum an Sachen nach §§ 903 ff. BGB hinaus z.B. beschränkte dingliche Rechte, das Erbbaurecht 81, Forderungsrechte 82, Warenzeichen-, Urheber· 83, Patent-, Sortenschutz und ähnliche Rechte, etwa das Leistungsschutzrecht des ausübenden Künstlers84, Anteilsrechte an Gesellschaften, das Eigentum der Unternehmensträger 85, das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie sonstige Vermögenswerte Rechte wie etwa das Vorkaufsrecht nach Eintritt des Vorkaufsfalles 86. Weiterhin sind etwa folgende öffentlich-rechtliche Positionen vom verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff mitumfaßt: vor allem selbstgeschaffene Berufsstellungs- und Erwerbsmöglichkeiten, beispielsweise Zulassung zum Kassenarzt, Überwachungskompetenz des TÜV, teilweise der Anliegergebrauch. Schließlich gehören dazu auch privat- oder öffentlich-rechtliche Ansprüche und Anwartschaften aus der Rentenversicherung, sonstige Versorgungs- und Ausgleichsansprüche etc.87. Nicht zum verfassungsrechtlichen Eigentum gehören dagegen das Vermögen insgesamt88, die Möglichkeit, Eigentum an Funden zu erwerben (vgl. § 984 BGB) 89 , sowie 78

BVerfGE 58, 300 (336).

79

BVerfGE 78,58 (71 m.w.N.); 79,174 (191).

80

Eine ausführliche Aufstellung enthält z.B. Papier, 22. Lfrg. 1983 (Stand 29. Lfrg. 1991), Art. 14 Rdnr. 57 ff. 81

in: Maunz/Dürig, Grundgesetz,

BVerfGE 79,174 (191).

82

BVerfGE 45,142 (179); 70,278 (285).

83

BVerfGE 31, 229 (239); 49,382 (392); 79, 29 (40).

84

BVerfGE 81, 208 (219).

85

BVerfGE 50, 290 (341).

86

BVerfGE 83, 201 (208 ff.).

87

BVerfGE 58, 81 (109 m.w.N.); ausführlich aufgelistet etwa bei Maunz, Verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz, BayVBl. 1981, S. 322 ff.; vgl. ferner etwa J.F. Baur, in: Soergel/ Siebert, BGB-Kommentar, 12. Aufl. 1989, § 903 Rdnr. 143 -149 m.w.N. 88 Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 22. Lfrg. 1983 (Stand 29. Lfrg. 1991), Art. 14 Rdnr. 150 ff.; Papier, Eigentumsgarantie des Grundgesetz im Wandel, 1984, S. 15.

122

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmatik des BVerfG

etwa Beschaffenheit und Zusammensetzung von Produkten, die nicht als Patent·, Gebrauchsmuster oder Warenzeichen geschützt sind90.

Für die Zuordnung zum verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsbestand ist primär von Bedeutung, ob es sich um Vermögenswerte Positionen handelt, die durch Verfügungsfähigkeit, Verfügungsbefugnis und Privatnützigkeit gekennzeichnet sind91. Es ist Aufgabe der Eigentumsgarantie, einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und dem Eigentümer dadurch die Entfaltung und eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens zu ermöglichen92. Wichtige Zuordnungskriterien sind deshalb 'eigene (Arbeits-) Leistung* insbesondere persönlicher, geistiger und schöpferischer Art 9 3 und 'eigener (Vermögens-) Aufwand' 94. Die aufgeführten Rechte, Ansprüche und Teilhaberechte lassen durch ihre Unterschiedlichkeit erkennen, daß es keine für alle Bereiche gleichermaßen gültigen abstrakten Kriterien für eine Abgrenzung und Zuordnimg zum verfassungsrechtlich gewährten Eigentumsbestand geben kann95. Die maßgeblichen Kriterien der Verfügungsfähigkeit, Verfügungsbefugnis und Privatnützigkeit etc. sind relativ ungenau und lassen sich nicht durch rechtlich eindeutig abgrenzende und abgrenzbare Kategorien präzisieren. Diese rudimentäre Aufzählung zeigt zugleich aber auch, daß der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz überhaupt nicht an Vorgaben und Dispositionen des einfachen Gesetzgebers oder an dessen Verleihung gebunden ist96. Es ist unabhängig davon im jeweiligen Einzelfall anhand der genannten Kriterien zu ermitteln, ob ein (privates oder öffentliches) subjektives Recht oder eine sonstige Stellung des Einzelnen zum verfassungsrechtlich garantierten Eigentumsbestand gehören, ob sie begrifflich Eigentum i.S.d. Art. 14 GG sind97 oder nicht. Es kommt nicht auf normative Konstituierung oder Begrifflichkeit, sondern auf den Gehalt der gesetzlich gewährten Rechte an. Der Umfang des verfassungsrechtlich garantierten Eigentums ist daher 89

BVerfGE 78,205.

90

BVerfG, B.v. 29.7.1991 - 1 BvR 868/90, NJW 1992, S. 36 f.

91

BVerfGE 24, 367 (389 f.); 50, 290 (339); 52,1 (30 m.w.N.); Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 46 f. 92

BVerfGE 24, 367 (389); 40,65 (83 f.); 42, 263 (293); 50,290 (339); 58, 300 (349 f.); 79, 29

(40). 93

BVerfGE 31, 229 (239); 50,290 (340); 79,29 (40), und öfter.

94

Z.B. in BVerfGE 1, 264 (277 f.); 14, 288 (293 f.); 22, 241 (253); 24, 220 (226); 30, 292 (334); 31, 229 (243); 53, 257 (290 ff., 293); 58,300 (349). 95

Papier, Eigentumsgarantie des Grundgesetzes im Wandel, 1984, S. 21.

96

Papier, Eigentumsgarantie im Wandel, S. 19. l Schwerdfeger,

Struktur der Eigentumsgarantie, S. 1 .

III. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes

123

abschließend bestimmbar, die Eigentumsverfassung ist dynamisch, aber wegen der Institutsgarantie andererseits auch nicht vollständig offen 98.

III. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes Gegenstand und Umfang der Eigentumsgarantie werden durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GG bestimmt. Inhaltsbestimmung, Legalenteignung und Administrativenteignung sind voneinander zu trennende, eigenständige Rechtsinstitute zur Regelung von Eigentumsfragen. Nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 1 und 2 GG hat der Gesetzgeber generell und abstrakt die Rechte und Pflichten des Eigentümers festzulegen, also auf der Ebene des objektiven Rechts den Inhalt des Eigentums zu bestimmen. Die jeweilige, konkrete Reichweite des Schutzes durch die Eigentumsgarantie ergibt sich aus diesen einfachgesetzlichen Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums99. Unter den Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG können einem bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis konkret zugeordnete Eigentumspositionen wieder entzogen werden, entweder direkt durch Gesetz (Legalenteignung) oder aufgrund gesetzlicher Ermächtigung durch die Exekutive (Administrativenteignung) 100. Daneben können bestehende Eigentumsrechte u.U. auch durch Um- und Neugestaltung inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen des Gesetzgebers geändert oder beseitigt werden (dazu sogleich unter Ziff. 2). In beiden Fällen, auch bei einer Enteignung, ist Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als eigenständige Schutznorm die zentrale, das Eigentum gewährleistende Vorschrift 101. Der Regelungsbereich des Art. 14 Abs. 3 GG ist demgegenüber auf die Fälle begrenzt, in denen ausdrücklich eine förmliche Enteignung vorliegt 102. Die einzelnen Facetten dieses Regelungszusammenhanges werden nun im Detail aufgezeigt. 1. Eigentumsgewährleistung

nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG

Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG wirkt sich in zwei Richtungen aus (dualistischer Schutz): Sie gewährt zunächst die grundsätzliche Existenz des Eigentums als Verfügungsrecht über Güter (Institutsgaran98 99 100

Papier, Eigentumsgarantie im Wandel, S. 20. BVerfGE 50, 290 (339 f.). BVerfGE 58, 300 (330 f. m.w.N.).

101

BVerfGE 56, 249 (262 f.); 58, 137 (145); vgl. 52,1 (27 f.); 58, 300 (320, 330 ff.); 74, 264 (279); Böhmer, Abgrenzung von Sozialbindung und Enteignung, Der Staat 1985, S. -157. 102

Schwerdtfeger,

Struktur der Eigentumsgarantie, S. 9.

124

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmatik des BVerfG

tie, Einrichtungsgarantie) und sie sichert das Eigentum als subjektives Individualrecht (Bestandsgarantie, Abwehrrecht) 103. Der Wesensgehaltsgarantie nach Art. 19 Abs. 2 GG kommt - obwohl teilweise ausdrücklich auch darauf abgestellt wird 104 - neben Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG keine selbständige Bedeutung zu, da der Gesetzgeber unmittelbar an die den Wesensgehalt des Grundrechts konkretisierenden Vorgaben der Institutsgarantie und der Bestandsgarantie des Eigentums sowie an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden ist. Daneben hält das BVerfG keinen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 2 GG mehr für möglich105. Die Wesensgehaltsgarantie ist nur dann einschlägig, wenn ein Grundrecht generell und nicht nur bezogen auf einzelne Fälle leerläuft und keine Bedeutung mehr hat 106 . In Bezug auf Art. 14 Abs. 1 GG ist dabei allein die allgemeine verfassungsrechtliche Gewährleistung des Grundrechts geschützt, nicht aber das konkrete, nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG vom Gesetzgeber bestimmte Eigentum in der Hand des einzelnen

a) Institutsgarantie / Einrichtungsgarantie In der objektiv-rechtlichen Dimension108 verpflichtet die Institutsgarantie den Gesetzgeber grundsätzlich dazu, Eigentum als Rechtsinstitut der Rechtsordnung zur Verfügung zu stellen, und verbietet, daß der durch Art. 14 GG gesicherte Freiheitsbereich insgesamt aufgehoben oder wesentlich geschmälert wird 109 . Damit trägt die Institutsgarantie als die objektiv-rechtliche Seite der Eigentumsgarantie der besonderen Situation des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Rechnung, wonach der Gesetzgeber den Inhalt des Eigentums näher zu bestimmen hat. Der Gesetzgeber soll unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Sozialgebotes nach Art. 14 Abs. 2 GG eine Eigentumsordnung schaffen, die insbesondere das Eigentum in der Hand einzelner ermöglicht (Einrichtungsgarantie). Die Institutsgarantie sichert insoweit als 103

Badura, Eigentum, in: Benda/Maihofer/Vögel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1983, S. 653 (664 f.); Hendler, Zur bundesverfassungsgerichtlichen Konzeption der grundgesetzlichen Eigentumsgarantie, DVB1. 1983, S. 873 (876); Maunz, Verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz, BayVBl. 1981, S. 322; Schmidt-Assmann, Öffentlich-rechtlicher Grundeigentumsschutz und Richterrecht, in: Festschrift der juristischen Fakultät Heidelberg zur 600-Jahr-Feier, 1986, S. 107 (113 ff.); Schoch, Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, Jura 1989, S. 113 (116 ff.). 104 105

Baur, F., Lehrbuch des Sachenrechts, S. 213. BVerfGE 58, 300 (348).

106

Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 1989, Art. 19, Rdnr. 7. 107

Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 45 f.

108

Allgemein dazu E.-W. Böckenßrde, Grundrechte als Grundsatznormen, in: Der Staat 29 (1990), S. 1 ff.. 109 BVerfGE 24, 367 (389); 58, 300 (339); ausführlich dazu Schwerdtfeger, Struktur der Eigentumsgarantie, S. 17 ff.

III. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes

125

Rechtsträgergarantie 110 inhaltlich einen Kernbestand an Vermögenswerten Positionen und ist in seinem rechtlichen Gehalt durch Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand gekennzeichnet111. Das bedeutet, das betreffende (Rechts-) Gut muß einem Rechtsträger zugeordnet sein112 und dem Rechtsträger/Eigentümer muß die grundsätzliche Verfügungsbefugnis über das Eigentumsobjekt gegeben sein, d.h. er muß die Freiheit haben, sein Eigentum veräußern zu dürfen 113. Privatnützigkeit heißt, daß das Eigentum in der Hand des Rechtsträgers als Grundlage privater Initiative und im eigenverantwortlichen privaten Interesse von Nutzen sein soll114. b) Abwehrrecht / Bestandsgarantie Neben der objektiv-rechtlichen Einrichtungsgarantie enthält die Eigentumsgewährleistung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG auch ein (objektiv-rechtliches) Verbot, das es dem Gesetzgeber und den anderen Staatsgewalten im Grundsatz untersagt, in bereits konkret bestehende Eigentumspositionen einzugreifen 115. Die Eigentumsgarantie sichert auch den Bestand des Eigentums in seiner jeweiligen, konkreten Ausgestaltung in der Hand des Einzelnen (Bestandsgarantie) 116. Insoweit ist das Eigentum nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG auch als persönliches, individuell einklagbares Grundrecht gewährleistet (subjektives Abwehrrecht) 117. Grundrechtlich geschützt ist in erster Linie die persönliche Rechtsstellung des Eigentümers118. Die Eigen110

Siehe BVerfGE 24, 367 (400).

111

BVerfGE 24, 367 (389 f.); 50, 290 (339); 52,1 (30 m.w.N.); Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 46 f.; Schoch, Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, Jura 1989, S. 113 (116 f.). 112

BVerfGE 42, 263 (294, 299); 50, 290 (339).

113

BVerfGE 26, 215 (222); 50,290 (339 m.w.N.); 52,1 (31).

114

BVerfGE 50, 290 (339); 52,1 (30); 53,257 (290).

115

BVerfGE 42, 263 (294); Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 48; Schoch, Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, Jura 1989, S. 113 (117 f.); siehe ferner die Nachweise oben in 2. 116

BVerfGE 24, 367 (396 f.; 400); 58, 300 (323); 74, 264 (281, 283); 83, 201 (211 f.).

117

Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 45; SchmidtAssmann, Öffentlich-rechtlicher Grundeigentumsschutz und Richterrecht, in: FS Juristische Fakultät Heidelberg, 1986, S. 107 (117 ff.).

118

Die Frage nach einer materiellen Eigentumsbegründung, also ob das Schutzgut Eigentum von Natur aus existent ist, ob es Teilstück einer vorstaatlichen, überpositiven Rechtsordnung ist, ob das Eigentum Menschenrecht oder eine Schöpfung der Rechtsordnung ist, wird allerdings in der Literatur - und zwar jeweils unter Einbeziehung von und Verweis auf Entscheidungen des BVerfG - recht unterschiedlich beantwortet; vgl. dazu Raiser , Das Eigentum als Menschenrecht, in: FS Fritz Baur, 1981, S. 105 - 118 [106 ff.]; Düng, Das Eigentum als

126

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmatik des BVerfG

tumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG beinhaltet insoweit ein allgemeines Persönlichkeitsrecht. Auf die vermögensrechtliche Seite des Eigentums kommt es dabei weniger an. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes ist vor allem und hauptsächlich eine Rechtsträgergarantie und keine bloße Eigentumswertgarantie, die einen Zugriff auf den Eigentumsgegenstand zuließe und lediglich seinen Wert in Form einer Entschädigung garantieren würde; sie ist zwar auch, aber erst nachrangig eine Sachgarantie119. Die Rechtsträgergarantie bietet dem Einzelnen einen Freiraum für eine eigenverantwortliche Betätigung und steht insoweit in einem inneren Zusammenhang mit der Garantie der persönlichen Freiheit (personenbezogenes Freiheitsrecht) 120. In seiner Funktion als Element der Sicherung der persönlichen Freiheit des Einzelnen genießt das Eigentum einen besonders ausgeprägten Schutz. Daraus ergibt sich etwa, daß an bestimmte Eigentumsbeschränkungen, beispielsweise Veräußerungsverbote, besonders strenge Maßstäbe anzulegen sind, und daß die durch eigene Leistung oder durch eigenen (zusätzlichen) Einsatz von Kapital erlangten Vermögenswerten Ergebnisse ein besonderer Schutzgrund für die dadurch erworbene Eigentümerposition sind121. Als subjektives Abwehrrecht schützt Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG 122 zunächst entsprechend der klassischen subjektiv-rechtlichen Abwehnichixmg grundsätzlich und umfassend vor unzulässigen Eingriffen in konkret bestehende und individuell zugeordnete Eigentumspositionen durch alle Träger hoheitlicher Gewalt und dabei auch durch den Gesetzgeber (etwa durch eine [sog. echte] Legalenteignung), soweit es sich nicht um eine inhalts- und schrankenbestimmende Tätigkeit des Gesetzgebers handelt. Insoweit wird der Eigentümer gegen Eingriffe der Verwaltung, der Rechtsprechung und auch in gewissen Grenzen - des eigentumsentziehenden (nicht-inhaltsbestimmenden) Gesetzgebers in dem Umfang geschützt, in dem die konkrete Eigentumsposition (durch inhaltsbestimmendes Gesetz) festgelegt ist. Daneben enthält Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG eine Bestandsgarantie und ein subjektives Abwehrrecht gegenüber dem inhalts- und schrankenbestimmenden Gesetz-

Menschenrecht, in: ZgesStWiss 109 [1953], S. 326 ff.; Schwerdtfeger, Struktur der Eigentumsgarantie, S. 13; neuere Ansätze dazu bei Hecker, Eigentum als Sachherrschaft, S. 257 ff.); vgl. auch etwa Leisner, Eigentum (§ 149), in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, 1989, S. 1023 ff. (insbesondere Rdnr. 67 ff.). 11Û

BVerfGE 24, 367 (400); Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 43 ff. 120 BVerfGE 24, 367 (389,400); 31, 229 (239); 50, 290 (339). 121

BVerfGE 50, 290 (340 m.w.N.); 58, 300 (349); 79,29 (40). - Vgl. auch E.-W. Böckenförde, Eigentum, Sozialbindung des Eigentums, Enteignung, in: ders., Staat Gesellschaft Freiheit, Studien zur Staatstheorie und zum Verfassungsrecht, 1. Aufl. 1976, S. 318 (327). Ausführlich dazu Schwerdtfeger,

Struktur der Eigentumsgarantie, S. 17 ff.

III. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes

127

geber und entfaltet auch insoweit gewisse Schutzwirkungen; dazu näher unten 2 c, S. 129 ff. 2. Inhalts- und Schrankenbestimmungsbefugnis

des Gesetzgebers

Wie oben unter I I gezeigt, bedarf das Eigentum insgesamt hinsichtlich der Beziehung von Mensch und Sache zur Rechtsgemeinschaft einer differenzierten rechtlichen Ausformung, weshalb der vom Eigentumsbegriff zu unterscheidende Inhalt des Eigentums nicht schon unmittelbar durch die Verfassung selbst festgelegt sein kann. Die für die Vielzahl völlig unterschiedlicher Fallgestaltungen erforderliche genaue Normierung der Rechtsstellung des Eigentümers obliegt deshalb nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dem einfachen Gesetzgeber, der auf der Ebene des objektiven Rechts die die Rechtsstellung des Eigentümers begründenden und ausformenden Rechtssätze privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Natur schafft. Die Inhalts- und Schrankenbestimmungsregelung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist somit eine Aufgabenzuweisung an den Gesetzgeber, generell und abstrakt die Rechte und Pflichten des Eigentümers festzulegen 123. Solche Gesetze, die den (einfachgesetzlichen) Inhalt des Eigentumsrechts während ihrer Geltungsdauer bestimmen sollen, sind nicht schon deshalb von Bestand, weil sie als formelles Gesetz ergangen sind, sondern sie müssen auch in materieller Hinsicht mit dem Grundgesetz in Einklang stehen124. Die inhaltlichen Kriterien, verfassungsrechtliche Vorgaben und Begrenzungen sind nicht von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, sondern durch die materiellrechtlichen Kriterien in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG (Einrichtungs- und Bestandsgarantie) und in Art. 14 Abs. 2 GG (Sozialbezug) vorgegeben125. Danach hat der Gesetzgeber das Sozialmodell zu verwirklichen, dessen normative Elemente sich einerseits aus der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und andererseits aus dem Sozialgebot des Art. 14 Abs. 2 GG ergeben: Der Gebrauch des Eigentums soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen126. Von besonderer Bedeutung ist dabei, daß inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen zum einen einen objektiven, auf zukünftige Anwendungsfälle bezogenen Gehalt besitzen und zum anderen zugleich auch Aus123

1 JA

BVerfGE 50, 290 (340); 52,1 (27); 58, 300 (330). BVerfGE 52, 1 (27 m.w.N.); ausführlich dazu Wendt,

Eigentum und Gesetzgebung,

1985. 125 BVerfGE 58, 300 (338); 79, 29 (40); Böhmer, Abgrenzung von Sozialbindung und Enteignung, Der Staat 1985, S. 157 f. (FN 1 und 3); ders., Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 76. 126

BVerfGE 52,1 (29).

128

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmati des BVerfG

Wirkungen auf bereits bestehende Rechtspositionen haben können. Entsprechend dieser Doppelwirkung 117 unterliegen inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen unterschiedlichen Zulässigkeitsanforderungen, je nachdem, ob sie nur zukünftige Anwendungsfälle oder ob sie auch bereits bestehende Rechtspositionen betreffen. Nach Maßgabe der folgenden Ausführungen kann daher etwa eine Regelung, die in bezug auf die Zukunft den Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 und 2 GG entspricht, für bereits in der Vergangenheit entstandene Rechtspositionen einen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG darstellen und deshalb insoweit verfassungswidrig sein oder zumindest besondere Übergangsregelungen oder Ausgleichsleistungen erfordern. a) Objektive Schutzwirkung - Grundsatz Gestaltet der Gesetzgeber eine Rechtsstellung generell aus, schafft er also inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen, die generell das zukünftige rechtliche Verhalten objektiv erfassen und erst in der Zukunft liegende Fälle des Erwerbs von Eigentumsrechten und deren inhaltliche Ausgestaltung betreffen, unterliegt der Gesetzgeber grundsätzlich den Vorgaben des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und des Art. 14 Abs. 2 GG. Der Gesetzgeber kann nicht beliebig verfahren. Jede Eigentumsbindung muß verhältnismäßig sein128. Dies gilt einerseits für die völlige Neuschaffung von Eigentumsrechten und andererseits auch für die Änderung oder Umgestaltung bereits vorhandener rechtlicher Regelungen in bezug auf deren Geltung bei zukünftigen Anwendungsfällen. b) Objektive Schutzwirkung - Gleichbehandlungsgebot Bei der Beurteilung inhalts- und schrankenbestimmender Regelungen und deren Auswirkungen für zukünftige Anwendungsfälle gibt es neben den allgemeinen Fällen ohne weitere Besonderheiten (soeben a) noch einen Bereich, in dem Gleichheitsgesichtspunkte zu beachten sind Und erhöhte Anforderungen gelten. Nach Auffassung des BVerfG ist im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG der allgemeine Gleichheitssatz zu beachten129. Dabei prüft das BVerfG einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz innerhalb des Prüfungsaufbaus des Art. 14 GG. Art. 3 Abs. 1 GG wurde dabei nicht 127

Vgl. Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 80 FN 29.

128

BVerfGE 50, 290 (341), st. Rspr.

129

BVerfGE 34, 139 (146); 37, 132 (143); 42, 263 (305); 49, 382 (396); 52, 1 (30); 58, 137 (148,150 f.); Battis/Schmittat, Rechtsfragen des Denkmalschutzes, NuR 1983, S. 102 (104).

III. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes

129

eigenständig, sondern immer nur in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 GG geprüft. Heute wird Art. 3 GG in diesem Zusammenhang überhaupt nicht mehr erwähnt 130. Der Gleichheitssatz erfordert danach, daß die einzelnen Elemente der inhaltsbestimmenden Regelung so geordnet werden, daß einer unterschiedlichen Inanspruchnahme der Eigentümer hinreichend differenziert Rechnung getragen und einseitige Belastungen vermieden werden. Dabei ist das unterschiedliche Gewicht der betroffenen Eigentümerbelange gegenüber den Belangen der Allgemeinheit zu berücksichtigen. Ungleiche Auswirkungen einer an sich gleichmäßigen Regelung müssen ebenfalls verhältnismäßig i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sein, bedürfen mithin einer besonderen Rechtfertigung durch Gemeinwohlgründe131. Daher müssen inhalts- und schrankenbestimmende Normen des Gesetzgebers, die die eingeräumte Rechtsstellung (wieder) beschränken, nicht nur insgesamt die Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 GG erfüllen, sondern gerade auch in ihren jeweiligen speziellen Regelungen in sich dem Verhältnismäßigkeitserfordernis genügen. Der Gleichheitssatz ist daher zu beachten, wenn beispielsweise das insgesamt um- bzw. neugestaltete Urheberrecht belastende Regelungen enthält, die nur einzelne Urheber und diese stärker als die Gesamtheit der dem neugeregelten Urheberrecht Unterworfenen beschränkt132. Es geht dabei nicht um das erst weiter unten zu erörternde Vergleichspaar eines die Rechtsstellung beschränkenden neuen Rechts im Verhältnis zur alten Rechtsstellung (Stichwort: Bestandsgarantie), sondern es handelt sich hier um eine In-sich-Kontrolle des jeweils zusammengehörenden Regelungsbereiches, die auch dann durchzuführen ist, wenn die beschränkende Regelung schon von vornherein in der neugeschaffenen oder umgestalteten Gesamtregelung mitenthalten ist. Sobald der Gesetzgeber in seiner Befugnis zur Ausgestaltung zunächst eine Rechtstellung grundsätzlich einfachgesetzlich einräumt, darf er nicht zugleich ohne weiteres die dieses Recht konstituierenden Befugnisse für eine Teilgruppe der potentiellen Rechtsinhaber wieder einschränken, es sei denn, dies ist unter den Voraussetzungen von Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 GG durch (besondere) Gemeinwohlgründe verfassungsrechtlich legitimiert. c) Subjektive Schutzwirkung - Bestandsgarantie Auch gegenüber den Regelungen bzw. der Tätigkeit des inhalts- und schrankenbestimmenden Gesetzgebers existiert ein gerichtlich durchsetzba130 131

Vgl. die Nachweise in voriger FN. BVerfGE 58,137 (150 f.).

132

Vgl. die Urheberrechtsentscheidungen des BVerfG, ausführlich dargestellt unten in § 5 III 2, S. 189 ff. 9 Melchìnger

130

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmati des BVerfG

res subjektives Abwehrrecht (Art. 1 Abs. 3 GG). Die Eigentumsgarantie gibt dem Betroffenen die Befugnis, jede ungerechtfertigte Beeinträchtigung der geschützten Güter abzuwehren133. Das Abwehrrecht gegenüber dem inhaltsund schrankenbestimmenden Gesetzgeber greift nur bei bereits bestehenden Eigentumspositionen, also bereits konkret bestehenden Eigentumsbeziehungen oder bereits in Anspruch genommenen Eigentumsrechten. Die sich daraus ergebende Sicherung des Eigentumsbestandes in seiner jeweiligen, konkreten Ausgestaltung in der Hand des Einzelnen wird als Bestandsgarantie bezeichnet134. Dieses subjektive Abwehrrecht ist insofern eine Besonderheit und bereitet deshalb oft (Verständnis-) Schwierigkeiten, weil der Gesetzgeber durch seine inhalts- und schrankenbestimmenden Regelungen gleichzeitig den Umfang des Abwehrrechts in der klassischen Abwehrrichtung (oben 1 b, S. 125 ff.) festlegt. Die Bestandsgarantie verbietet jedoch dem inhalts- und schrankenbestimmendenen Gesetzgeber nicht grundsätzlich jede Einschränkung bestehender Eigentumspositionen. Im Rahmen seiner Gestaltungsbefugnis nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist der Gesetzgeber befugt, durch Inhaltsbestimmung in das Eigentum einzugreifen und bestehende Rechte zu entziehen, solange der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist 135 : Die Abwägung zwischen Eigentumsgarantie und Gemeinwohlbelangen kann bei einem entsprechend hohen Stellenwert der Gemeinwohlbelange zu einer Duldungspflicht führen, die der Eigentümer grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen hat. Insoweit besteht noch keine bestandsgeschützte, endgültig gesicherte Eigentumsposition. Die Bestandsgarantie entfaltet ihre Wirkung, sobald eine inhalts- und schrankenbestimmende Regelung nicht mehr verhältnismäßig und die Beschränkung somit unzulässig ist. In diesem Fall wird das Eigentum in seinem konkreten Bestand und seiner individuellen Zuordnung geschützt. Dabei kann die Bestandsgarantie bzw. der Abwehranspruch gegenüber dem inhalts- und schrankenbestimmenden Gesetzgeber (im Vergleich zu der anderen, oben erwähnten klassischen Abwehrrichtung) u.U. reduziert sein, soweit es sich um eine grundsätzliche Um- und Neugestaltung eines Rechtsgebietes handelt. Hier steht der Gesetzgeber nicht vor der Alternative, die alten Rechtspositionen zu konservieren oder gegen Entschädigung zu entziehen. Auch hier kann er im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG evtl. durch eine angemessene und zumutbare Übergangsregelung abgefedert 133

BVerfGE 24, 367 (400), und passim.

134

BVerfGE 50, 290 (340 f.); 58, 137 (152); 83, 201 (211); vgl. Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 48. 135

(294).

BVerfGE 31, 275 (284 f.); 53, 257 (293, vgl. 309); 58, 137 (147 f. m.w.N.); vgl. 42, 263

III. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes

131

- bereits bestehende, individuelle Rechtspositionen abändern, d.h. ihnen einen neuen Inhalt geben oder das Entstehen von solchen Rechten für die Zukunft ausschließen, wenn Gemeinwohlgründe vorliegen, die den Vorrang vor dem berechtigten Vertrauen auf den Fortbestand eines Rechtes verdienen136. Eine derartige Änderung des objektiven Rechts ist grundsätzlich zulässig. Die Eigentumsgarantie gebietet nicht, einmal ausgestaltete Rechtspositionen für alle Zukunft in ihrem Inhalt unangetastet zu lassen. Selbst die völlige Beseitigung bisher bestehender, durch die Eigentumsgarantie geschützter Rechtspositionen kann unter bestimmten Voraussetzungen im Wege der Inhalts- und Schrankenbestimmung zulässig sein137. Ein solcher Eingriff ist an den allgemeinen Grundsätzen, nach denen Grundrechtseingriffe zulässig sein können, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Gleichheitsgebot sowie unter Beachtung des Vertrauensschutzgedankens, der in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG eine eigene Ausprägung erfahren hat, zu messen138. Die vom Gesetzgeber verfolgte Zielsetzung, Gemeinwohlbelange zu fördern, ist auch hier abzuwägen gegen die konkreten Interessen der potentiell betroffenen, individuellen Eigentümer. Derart intensive Eigentumseingriffe sind nur zum Schutz von besonders hochrangigen Gemeinwohlgütern zulässig und nur, wenn diese so schwerwiegend sind, daß ihnen Vorrang vor dem Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand seines durch die Bestandsgarantie gesicherten Rechts zukommt139. Zu den Anforderungen an eine generelle Neugestaltung eines Rechtsgebietes ist ferner auf die Ausführungen unter Ziff. 8, S. 159 ff., zu verweisen. Ist der Eingriff nicht verhältnismäßig, wird die Umgestaltung oder Beseitigung der bestehenden Rechtsposition nicht ggf. durch eine Entschädigungs- oder Übergangsregelung abgemildert und scheitert der Eingriff deshalb als inhaltsbestimmende Maßnahme, so kann er jedoch als Enteignung sofern deren Voraussetzungen gegeben sind - immer noch zulässig sein, dann allerdings nur auf der Grundlage eines Enteignungsgesetzes. 3. Sozialbezug/Sozialbindung Art. 14 Abs. 2 GG, wonach der Gebrauch des Eigentums zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll, ist verbindliche Richtschnur für den 136 BVerfGE 31, 275 (284 f., 290); 36, 281 (293); 43, 242 (288); 58, 300 (351); 83, 201 (211 ff.); vgl. BVerfGE 24, 367 (392); s. auch Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 80 in FN 29. 137

BVerfGE 83, 201 (212); vgl. BVerfGE 78,58 (75).

138

BVerfGE 31, 275 (289 f., 293); 52,1 (32); 58, 300 (346 ff., 349 f.); 79, 29 (40).

139

BVerfGE 83, 201 (212).

132

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmati des BVerfG

zur Inhaltsbestimmung aufgerufenen Gesetzgeber140. Solche im sozialen Interesse zugunsten der Allgemeinheit ergangenen, beschränkenden Vorschriften sind in den Eigentumsbegriff einbezogen und gehören zur verfassungsrechtlich geschützten Rechtsstellung des Eigentümers141. Das Grundgesetz hat sich nicht für den imbedingten Vorrang der Individualinteressen gegenüber den Interessen der Gemeinschaft, sondern für ein "sozial gebundenes Privateigentum11 entschieden142. Art. 14 Abs. 2 GG besagt allerdings nur, daß Gemeinwohlbelange zu berücksichtigen sind. Die Verfassung selbst bestimmt nicht für jeden Einzelfall, welche Belange gemeinwohlrelevant sind. Diese sozialbezogenen Eigentümerpflichten hat nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG generell und abstrakt der inhaltsbestimmende Gesetzgeber festzulegen, er darf dies nicht der Verwaltung und den Gerichten überlassen143. Jene dürfen deshalb nur gesetzlich fixierte gemeinwohlrelevante Belange berücksichtigen; dafür muß es Anhaltspunkte in vom Gesetzgeber geschaffenen Bestimmungen geben144. Der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck muß, um noch im Rahmen des Art. 14 Abs. 2 GG zu bleiben, auf die Erfüllung legitimer staatlicher Aufgaben gerichtet sein. Nicht ausreichend sind die Befriedigung bloßer öffentlicher Bedürfnisse oder die ausschließliche Ausrichtung auf private Interessen145. Nähere Ausführungen zu Gehalt und Funktion von Sozialbezug und Sozialbindung folgen im nächsten Abschnitt. 4. Spannungsverhältnis Eigentumsgarantie - Sozialbezug Verhältnismäßigkeitsgrundsatz a) Vorgaben für die Inhalts- und Schrankenbestimmung - Grundsätze Der Gesetzgeber ist im Rahmen seiner Inhalts- und Schrankenbestimmungsbefugnis an die Direktiven des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und des Art. 14 Abs. 2 GG gebunden. Die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, der Regelungsauftrag des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und die Sozialpflichtigkeit des Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 GG stehen in einem unlös140

BVerfGE 21, 73 (83); 25,112 (117); 37,132 (140); 52,1 (29).

141

Böhmer, Abgrenzung von Sozialbindung und Enteignung, Der Staat 1985, S. 157 (198); ders., Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 77. - Mit teilweise anderen Prämissen grundsätzlich kritisch demgegenüber Leisner, Eigentum (§ 149), in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, 1989, S. 1023 ff. (Rdnr. 133 ff.). 142 BVerfGE 21, 73 (83); 52,1 (29, 32); vgl. 25,112 (117); 79,174 (198). 143 BVerfGE 21, 73 (79 f.); 24, 367 (389); 56, 249 (260); 74, 264 (281); so auch Schwerdtfeger, Struktur der Eigentumsgarantie, S. 16 u. 18. 144

BVerfGE 74, 264 (280 f.).

145

BVerfGE 56, 249 (259 ff.); 74, 264 (280 f.).

III. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes

133

baren Zusammenhang. Keiner dieser Faktoren darf über Gebühr verkürzt werden; sie müssen alle zu einem verhältnismäßigen Ausgleich gebracht werden 146. Der Gesetzgeber muß sowohl die Institutsgarantie des Eigentums (garantierten Freiheitsbereich) als auch den Sozialbezug nach Art. 14 Abs. 2 GG (Gebot einer sozialorientierten Eigentumsordnung) beachten und ihnen in gleicher Weise Rechnung tragen 147. Er muß die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis bringen ("dialektisches Verhältnis") 148 und dabei vor allem den Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG 149 sowie das Rechtsstaatsprinzip150 und die Kompetenzordnung des Grundgesetzes beachten151. Insoweit ist das Wohl der Allgemeinheit der Grund für Beschränkungen des Eigentums. Bei der Suche nach einem gerechten Ausgleich und einem ausgewogenen Verhältnis der beiden Aspekte aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 2 GG hat der Gesetzgeber einen relativ weiten Gestaltungsbereich 152. Die gesetzgeberische Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung ist um so weiter, je mehr das betreffende Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und einer sozialen Funktion steht153. Es gibt eine ganze Reihe von Nutzungen und Verfügungen, die nicht lediglich in der Sphäre des Eigentümers bleiben, sondern die auch Belange von Dritten berühren. Soweit die Mitbürger auf die Nutzung des Eigentumsgegenstandes angewiesen sind, dürfen diese Belange der Dritten nicht unberücksichtigt bleiben. Das verfassungsrechtliche Postulat einer am Gemeinwohl orientierten Nutzung des Privateigentums umfaßt inbesondere auch das Gebot der Rücksichtnahme auf die Belange dieser auf die Nutzung des Eigentumsgegenstandes angewiesenen Dritten (sozialer Bezug und soziale Funktion)154. Je stärker Nichteigentümer auf die Nutzung fremden Eigentums angewiesen sind, um so weiter ist der Gestaltungsbereich des Gesetzgebers zu Lasten des Eigentümers 155. Der Gestaltungsbereich wird enger, wenn dies nicht oder nur in begrenztem Umfang der Fall ist 156 .

146

BVerfGE 50, 290 (340).

147

BVerfGE 37,132 (140); 52,1 (29); 58, 300 (338).

148

BVerfGE 21,150 (155); 25,112 (117 f.); 26, 215 (222); 37,132 (140); 50, 290 (339 ff.); 52, 1 (29); 79,179 (198). 149

BVerfGE 49, 382 (394); 79,29 (40).

150

BVerfGE 34,139 (146).

151

BVerfGE 21, 73 (82); 37,132 (140); 42, 263 (305); 52,1 (30).

152

BVerfGE 8, 71 (80); 21, 73 (83); 42, 263 (294); 50, 290 (341).

153

BVerfGE 42, 263 (294); 50, 290 (340); 52,1 (32); vgl. 79, 29 (40).

154

BVerfGE 50, 290 (340 f.); 52,1 (29, 32).

134

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmati des BVerfG

Das Wohl der Allgemeinheit ist jedoch nicht nur Grund, sondern auch Grenze für Beschränkungen des Eigentums157. Die Grenzen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers werden durch den grundgesetzlich verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt158. Art. 14 Abs. 2 GG rechtfertigt somit nicht eine übermäßige, durch die sozialen Belange nicht gebotene Begrenzung privatrechtlicher Befugnisse 159. Nicht mehr verhältnismäßige Inhaltsbestimmungen des Eigentums sind verfassungswidrig und nichtig160. Eine einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung der einen oder anderen Seite steht mit den verfassungsrechtlichen Vorstellungen eines sozialgebundenen Privateigentums nicht in Einklang161. Je mehr eine gesetzliche Regelung wichtige Bereiche der menschlichen Handlungsfreiheit berührt, um so schwerwiegender müssen auch die Gründe sein, die einen Eingriff in den grundsätzlichen Freiheitsbereich des Bürgers rechtfertigen sollen162. Die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gebietet deshalb in jedem Fall die Erhaltung des Zuordnungsverhältnisses und der Substanz des Eigentums163. Vom Gesetzgeber erlassene eigentumsbeschränkende Regelungen müssen vor allem vom geregelten Sachbereich her geboten und sachgerecht sein, dürfen also nicht weitergehen, als der von der Regelung intendierte Schutzzweck reicht 164. Insofern sind dem Gesetzgeber um so engere Grenzen gezogen, je mehr die möglichen Eigentumsnutzungen und -Verfügungen innerhalb der Privatsphäre des Eigentümers verbleiben, denn dann wird ein außerhalb dieser Sphäre liegender Zweck (Gemeinwohlbelang), der eine hinzunehmende Eigentumsbindung rechtfertigen könnte, schwerer aufzufinden sein165. Dem Wohl der Allgemeinheit entspricht auch nicht jedes staatliche und politische Interesse. Beschränkungen und beschränkende Inhaltsbe-

155

Schwerdtfeger,

156

BVerfGE 38, 348 (370); 42, 263 (294).

157

BVerfGE 50, 290 (340); 52,1 (29); 79, 29 (40); 79,179 (198).

Struktur der Eigentumsgarantie, S. 20.

158

BVerfGE 50, 290 (341); 52,1 (29, 32); 55, 249 (258); 58, 137 (148); 72, 66 (77 f.); 79, 29 (40); 79,179 (198); vgl. auch Papier, Eigentumsgarantie im Wandel, S. 12. 159

BVerfGE 37,132 (141); 52,1 (32).

160

BVerfGE 51,193; 52,1 (27 f.); 53, 336; 55, 249 (261); vgl. 58,137 (152).

161

BVerfGE 52,1 (29); 79,179 (198).

162

BVerfGE 42, 263 (294 f.).

163

BVerfGE 42, 263 (295); 50, 290 (341); 52,1 (30); 79,179 (198).

164

BVerfGE 21, 73 (82 f., 86); 21,150 (155); 25,112 (118); 50, 290 (341); 52,1 (29); 79,179 (198), und öfter. 165

BVerfGE 50, 290 (341).

III. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes

135

Stimmungen sind nur zulässig, sofern dem Recht des Eigentümers und der grundsätzlich gewährleisteten Privatnützigkeit seines Eigentums konkrete, für die Allgemeinheit wichtige Rechtsgüter ("Drittschutzmteressen") gegenübergestellt werden können166. Zu bedenken ist jedoch, daß die jeweiligen Maßstäbe nicht zu jeder Zeit und in jedem Zusammenhang dasselbe Gewicht haben. In Kriegs- und Notzeiten gerechtfertigte Regelungen können unter veränderten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen verfassungsrechtlich unterschiedlich zu beurteilen sein167. b) Vorgaben für die Inhalts- und Schrankenbestimmung Differenzierungen Umfang und Grenzen der Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung sind aufgrund der Abhängigkeit von sozialem Bezug und sozialer Funktion des betroffenen Eigentumsobjekts insgesamt nicht starr, sondern variabel. Daneben bestehen Unterschiede in den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer Inhaltsund Schrankenbestimmung abhängig von der jeweiligen Schutzwirkung des Art. 14 Abs. 1 GG (Stichwort Doppelwirkung; vgl. oben 2 a-c, S. 128 ff.). Grundsätzlich muß im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung immer eine Abwägung zwischen den betroffenen Regelungen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 2 GG vorgenommen werden. Diese ist jedoch je nach Blickrichtung unterschiedlich ausgeprägt: Soweit es um die Beurteilung einer Inhalts- und Schrankenbestimmung allein in bezug auf ihre Wirkung für zukünftige Anwendungsfälle geht (objektive Schutzwirkung), kann die Abwägung nur pauschal sein; es können nur abstrakte und in geringem Maße differenzierende generelle Gesichtspunkte einfließen. - Besonderheiten gelten dabei für den Fall, daß eine Insich-Kontrolle unter Gleichheitsgesichtspunkten erforderlich ist (objektive Schutzwirkung - Gleichbehandlungsgebot). Ungleichbehandlungen innerhalb eines Regelungsbereiches bedürfen gegenüber der nichtbetroffenen Gruppe einer gesonderten Rechtfertigung am Maßstab des Verhältnismäßigkeitssatzes und den Vorgaben des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 2 GG. Wesentlich höhere Anforderungen gelten dagegen bei Eingriffen in bestehende Rechtspositionen (subjektive Schutzwirkung - Bestandsgarantie). Hier betrifft die Abwägung eine bereits bestehende Rechtsstellung und damit ganz konkrete Eigentümerbelange. Deshalb sind Eingriffe in Eigentumspo166

Hecker, Eigentum als Sachherrschaft, S. 263.

167

BVerfGE 52,1 (30).

136

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmati des BVerfG

sitionen in Relation zur Eingriffstiefe nur bei einem entsprechend hohen Stellenwert der relevanten Gemeinwohlbelange verhältnismäßig. U.U. ergibt sich dabei, daß Härtefallregelungen oder evtl. Kompensationen durch Ausgleichsentschädigungsregelungen erforderlich sind. c) Sonstiges In Anwendung der Abwägungsgrundsätze verbietet es etwa die Tatsache, daß Grund und Boden nur begrenzt vorhanden, gleichzeitig aber unentbehrlich sind, deren Nutzung dem unübersehbaren Spiel der freien Kräfte und dem Belieben des Einzelnen vollständig zu überlassen und zwingt dazu, die Interessen der Allgemeinheit beim Boden in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensgütern 168. Vergleichbare, ähnlich schwerwiegende und vor allem rechtlich relevante Drittschutzinteressen sollen mit Ausnahme des Grundwassers 169 vor allem wegen fehlender entsprechender (Grund-) Rechtsträger etwa bei Ökosystemen, der Artenvielfalt, bei öffentlichen Gewässern (mit der erwähnten Ausnahme), Erholung und ästhetischen Werten - jedenfalls unmittelbar - nicht gegeben sein170. Eine insofern problematische und allenfalls in der pauschalen Betrachtung zutreffende Behauptung, als gerade der vom BVerfG angenommene Ausnahmefall, das Grundwasser, ebenfalls nicht unmittelbar durch die Verfassung besonders geschützt ist. Ausreichend ist daher für Eigentumsbeschränkungen, daß wichtige Gründe des Gemeinwohls vorliegen und die rechtlichen Regelungen deren Durchsetzung dienen, ganz unabhängig davon, ob die Gemeinwohlbelange einen verfassungsrechtlichen Bezug haben oder nicht. Die verfassungsrechtliche Verankerung eines Gemeinwohlbelanges ist allerdings für deren Stellenwert von Bedeutung. Daraus ergibt sich für den hier zu behandelnden Themenbereich die zentrale Frage, welchen "Drittschutzinteressen" der Denkmalschutz dient, welche Rechtsgüter hier als Sozialbezug im Sinne von Art. 14 Abs. 2 GG der Gewährleistung von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG entgegengestellt werden können. Dabei ist besonders zu beachten, daß nicht jedes nur denkbare öffentliche Interesse eine Beschränkung "der Handlungsfreiheit im Bereich der Eigentumsordnung" rechtfertigen kann; es müssen vielmehr solche Gründe des gemeinen Wohls vorliegen, denen auch bei Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der Vorrang vor dem grundsätzlichen Freiheitsanspruch des Bürgers zukommt171. 168

BVerfGE 21, 73 (82 f.) s. auch Maunz, Verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz, BayVBl. 1981, S. 326. 169 Vgl. BVerfGE 58,300 (insbes. 341 ff.). 170

Hecker

y

Eigentum als Sachherrschaft, S. 263.

III. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes

137

Ein weiterer Gesichtspunkt ist von Bedeutung: Der Gesetzgeber wird in vielen Fällen, inbesondere bei Grundstücken und bei komplexen Unternehmen, da deren Sozialbezug in der Regel erheblich größer ist, einen etwas weiteren Gestaltungsspielraum haben, wohingegen bei (beweglichen) Gegenständen, bei denen in der Regel ein stärkerer persönlicher Bezug zum Objekt gegeben ist und die deshalb eher der personalen Ebene zuzuordnen sind, nur ein geringerer Gestaltungsfreiraum für Beschränkungen vorhanden ist 172 . Demgemäß ist die Verfügungs- und Nutzungsbefugnis über Grundstücke in vielfältiger Weise verfassungsmäßigen Beschränkungen unterworfen, weil daran aufgrund des begrenzten Umfanges und der Unentbehrlichkeit von Grund und Boden ein besonderes Interesse der Allgemeinheit besteht173. Dies führt etwa dazu, daß das Erfordernis einer Bodenverkehrsgenehmigung bei Veräußerungen von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken und die entsprechenden Versagungsmöglichkeiten verfassungsgemäß sind . Zu den sich aus dem Grundstückseigentum ergebenden Befugnissen gehört beispielsweise auch nicht die Befugnis, beliebig und ohne staatliche Genehmigung das Grundwasser zu nutzen175. Ferner ist die "Baufreiheit" von vornherein eingeschränkt durch die im Bebauungsplan festgeschriebene Bebaubarkeit und durch die zu berücksichtigenden nachbarlichen Belange; es existiert deshalb keine unbegrenzte, sondern nur eine sozial verfangene Baufreiheit 17 . Ein weiterer Bereich betrifft die hinzunehmenden Lärmbelästigungen etwa durch Straßen- und Flughafenlärm . Und schließlich zeigt die Rechtsprechung des des BVerfG im Mitbestimmungsurteil, daß bei Anteilseigentum die Nutzungsbefugnis u.U. nur auf den reinen Vermögenswert begrenzt und die sonstigen gesellschaftsrechtlich geprägten Verfügungs- und Mitwirkungsbefugnisse erheblich beschränkt sein können, so daß dort Eigentum nur (noch) im Rahmen der Bindungen des Gesellschaftsrechts besteht178.

Solche, auf der sozialen Verfangenheit beruhenden Beschränkungen bleiben im Bereich der Inhaltsbestimmung und stellen damit keine Wegnahme des Rechtes, also des Eigentums insgesamt dar. Im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darf der Gesetzgeber auch Typisierungen vornehmen. Er braucht bei seiner Inhaltsbestimmung nur die jeweils typische Intensität der Eigentumsrelevanz der jeweils vorgesehenen 171

BVerfGE 26, 215 (222); 31, 275 (289 f.); 42, 263 (295).

172

173

Baur, J.F., in: Soergel/Siebert, BGB-Kommentar, § 903 Rdnr. 24. BVerfGE 58, 300 (345).

174

BVerfGE 21, 73 (79 ff.).

175

BVerfGE 58, 300 ff..

176

E.-W. Böckenförde, Eigentum, Sozialbindung des Eigentums, Enteignung, in: ders., Staat Gesellschaft Freiheit, Studien zur Staatstheorie und zum Verfassungsrecht, 1. Aufl. 1976, S. 318 (322 ff.). 177

BVerfGE 79,174 ff..

178

BVerfGE 50, 290 (342 ff. und 348).

138

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmati des BVerfG

Maßnahmen zu berücksichtigen. Nur diese typischen Fälle sind in bezug auf den Gesamtanwendungsbereich der Regelung für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit zugrundezulegen. Bei der Frage der generellen Zulässigkeit der Gesamtregelung sind atypische, intensivere Eigentumsbeeinträchtigungen, die hypothetisch ebenfalls eintreten können, nicht zu beachten179. Davon zu trennen ist allerdings die Frage, ob eine Regelung gerade bezogen auf einen solchen, konkret vorliegenden atypischen Anwendungsfall ebenfalls verhältnismäßig ist. Für solche atypischen Härtefälle müssen ggf. Ausnahme- oder Ausgleichsentschädigungsregelungen (dazu sogleich) vorgesehen bzw. geschaffen werden, damit die Regelung auch für diese Fälle eine verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung darstellt. Das ist aber nur dann relevant, wenn im konkreten Einzelfall eine solche atypische Situation vorliegt. 5. Ausgleichsentschädigungspflichtige

Inhaltsbestimmung

Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts in der Pflichtexemplar- 180 und in der Verkehrslärmentscheidung 181, der sich inzwischen auch das Bundesverwaltungsgericht in der sog. Fischteichentscheidung und ein Teil der Literatur angeschlossen haben182, können Inhaltsbestimmungen des Eigen179 BVerfGE 58, 81 (115 ff.); vgl. auch 13, 97 (117 f.); 25, 236 (247); Schwerdtfeger, der Eigentumsgarantie, S. 28. 180

BVerfGE 58,137.

181

BVerfGE 79,174 (192 m.w.N.).

182

Struktur

BVerwGE 84, 361 (367 ff.); aus der Literatur Heinz/Schmitt, Vorrang des Primärrechtsschutzes und ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung des Eigentums,, NVwZ 1992, S. 514; Hendler, Zur bundesverfassungsgerichtlichen Konzeption der grundgesetzlichen Eigentumsgarantie, DVB1. 1983, S. 873 (880); Körner, Denkmalschutz und Eigentumsschutz, 1992, S. 74 ff., 104 ff.; Maurer, Der enteignende Eingriff und die ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung des Eigentums, DVB1.1991, S. 781 ff.; Melchìnger , Salvatorische Entschädigungsklauseln als Ausgleichsentschädigungsregelungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG, NJW 1991, S. 2524 ff.; Ossenbühl, Urteilsanmerkung, JZ 1991, S. 89 ff.; ders., Staatshaftungsrecht, 4. Aufl. 1991, S. 153 f.; Papier, Entwicklung der Rechtsprechung zur Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, NWVBL 1990, S. 397 (400 f.); Pietzcker, Salvatorische Entschädigungsklausel, JuS 1991, S. 369 ff.; ders., Zur Entwicklung des öffentlichrechtlichen Entschädigungsrechts - insbesondere am Beispiel der Entschädigung von Beschränkungen der landwirtschaftlichen Produktion, NVwZ 1991, S. 418 ff.; Schink, Umweltschutz - Eigentum - Enteignung - Salvatorische Klauseln, DVB1. 1990, S. 1375 ff.; Steinberg/Lubberger, Aufopferung - Enteignung und Staatshaftung, 1991, S. 211 ff.; Stüer, Bericht über die vierzehnte Umweltrechtliche Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht, DVB1.1991, S. 101 (103). Kritisch sowohl gegenüber dem dogmatischen Ansatz des BVerfG als auch gegenüber der Entscheidung des BVerwG Kleinlein, Die ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung - eine Alternative zur Enteignung?, DVB1. 1991, S. 365 ff.; Bedenken äußert bereits Papier, in:

III. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes

139

turns, die wegen übermäßiger Belastung im Rahmen der Sozialpflichtigkeit eigentlich nicht mehr hinzunehmen sind, dann noch verhältnismäßig und verfassungsgemäß sein, wenn diese Belastungen des Eigentümers durch die Gewährung sog. Ausgleichsentschädigungsansprüche kompensiert werden. Da der Verhältnismäßigkeit in der bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsdogmatik die zentrale Bedeutung für die Frage zukommt, ob eine inhalts- und schrankenbestimmende Regelung verfassungsmäßig oder verfassungswidrig ist, sind auch die sog. Ausgleichsentschädigungsansprüche von großem Gewicht. Bislang ist aber nicht abschließend geklärt, wie diese Ausgleichsentschädigungsansprüche dogmatisch einzuordnen sind - inbesondere, welche rechtlichen und inhaltlichen Anforderungen an sie zu stellen sind - und in welcher Form Rechtsschutz gewährt werden kann. a) Dogmatische Einordnung Nach der Eigentumsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts liegt in diesen Fällen zunächst, d.h. ohne Berücksichtigimg einer Ausgleichsleistung, eine den betroffenen Eigentümer zu sehr belastende und deshalb unverhältnismäßige Inhaltsbestimmung vor. Eine unverhältnismäßige Inhaltsbestimmung ist an sich verfassungswidrig; sie kann nicht in eine Enteignung umgedeutet werden 183. Eine solche nicht mehr hinzunehmende, übermäßige Belastung kann in manchen Fällen mit Hilfe der sog. Ausgleichsentschädigungsansprüche korrigiert werden. Die sog. Ausgleichsentschädigungsansprüche sind von ihrem dogmatischen Ansatz her in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG angesiedelt. Sie dienen dazu, die Verhältnismäßigkeit bei der Abwägimg zwischen den Individualinteressen und den Gemeinwohlbelangen (wieder) herzustellen. Diese Abwägung geschieht stets im Rahmen der gesetzgeberischen Inhaltsbestimmung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG; vgl. die Ausführungen in den vorigen Abschnitten. Von der dogmatischen Einordnung zu unterscheiden ist jedoch die weitere Frage, welchen inhaltlichen und verfahrensmäßigen Anforderungen diese sog. Ausgleichsentschädigungsansprüche unterliegen. In Teilen der Literatur werden sie, in der Regel ohne weitere Begründung, ausdrücklich oder inzident als einer Enteignungsentschädigung nach Art. 14

Maunz/Dürig, Grundgesetz, 22. Lfrg. 1983 (Stand 29. Lfrg. 1991), Art. 14 Rdnr. 283 ff. Generell ablehnend gegenüber Ausgleichsentschädigungen Maiwald, Entschädigungspflichtige Eigentumseingriffe, Eigentumsschutz für nicht verwirklichte Nutzungsmöglichkeiten, entschädigungspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung?, BayVBl. 1991, S. 101 ff. 183

BVerfGE 52, 1 (27 f.); 53, 336 (Entscheidungsformel); 55, 249 (261); 58,137 (144 f., 152); 79,174 (191 f.).

140

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmati des BVerfG

Abs. 3 GG vergleichbar angesehen184. Demgegenüber sollen diese Ausgleichsentschädigungsansprüche nach anderer Auffassung nicht mit einer Entschädigung nach Art. 14 Abs. 3 GG verglichen werden können; es handele sich vielmehr um eine aus dem Übermaßverbot und dem Rechtsstaatsprinzip folgende finanzielle Ausgleichspflicht. Denn der betreffende Ausgleichsentschädigungsanspruch sei nicht in Art. 14 Abs. 3 GG angesiedelt, sondern der Gesetzgeber könne in eigener Gestaltungsfreiheit unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten die Abmilderung einer Belastung durch Ausgleichsleistungen anordnen185. Auch wenn diese Ausgleichsregelungen Teil der gesetzgeberischen Inhalts· und Schrankenbestimmung und damit dogmatisch in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG wurzeln, sind sie nach hier vertretener Auffassung als Entschädigungen einzuordnen, die ihrer Wirkung nach mit einer Enteignungsentschädigung nach Art. 14 Abs. 3 GG verglichen werden können. Dies ergibt sich aus dem dogmatischen Charakter der beiden Entschädigungen im Hinblick auf die Eigentumsgarantie186. Sowohl bei einer Enteignung als auch bei einer mit Hilfe einer Ausgleichsentschädigungsregelung erfolgenden Inhalts· und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG muß der Betroffene auf ein konkretes, bestandsgeschütztes und gesichertes Eigentumsrecht bzw. einen Teil davon verzichten. In beiden Fällen ist die Kompensation ein Surrogat für einen Vermögensverlust. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Die Enteignungsentschädigung ist ein echter Wertersatz für eine verlorene, endgültig entzogene Eigentumswertposition. Bei der Enteignung gemäß Art. 14 Abs. 3 GG muß der Eigentümer, sofern die Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, einen Eingriff in das Eigentum dulden187. An die Stelle der Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG tritt dann eine Wertgarantie 188. Die Enteignungsentschädigung ist somit ein Surrogat für einen Vermögensverlust 189. Gleiches gilt für die Ausgleichsent184

Vgl. bereits früher Schwerdtfeger, Struktur der Eigentumsgarantie, S. 29; Paetow, Naturschutzrecht und Eigentumsgarantie, VB1BW 1985, S. 3 (8); Kuchler, Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung und Bauplanungsrecht, 1989, S. 56 in FN 147; neuerdings Ossenbühl, Urteilsanmerkung, JZ 1991, S. 89 (90 f.); Pietzcker, Entwicklung des öffentlichrechtlichen Entschädigungsrechts, NVwZ 1991, S. 418 (423), sowie Stüer, Bericht über die vierzehnte Umweltrechtliche Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht, DVB1.1991, S. 101 (103). 185 So Schink, Umweltschutz - Eigentum, DVB1. 1990, S. 1475 (1383 f.), und Schoch, Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, Jura 1989, S. 113 (121). 186

Vgl. Melchìnger , Salvatorische Entschädigungsklauseln als Ausgleichsentschädigungsregelungen, NJW 1991, S. 2524 (2526 ff. m.w.N.). 1Ä7 BVerfGE 24, 367 (3% f.); Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 49 m.w.N. 188 BVerfGE 24, 367 (397); 58, 300 (323). Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 48.

III. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes

141

schädigungsregelungen. Soweit sie einschlägig sind, geht die Bestandsgarantie in die Wertgarantie über 190. Die Ausgleichsentschädigung ist eine Kompensation für einen, allerdings nur teilweise gegebenen Vermögensverlust. Bei der dem Gesetzgeber aufgegebenen Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden. Eigentumspositionen können einerseits neugeschaffen und andererseits umgestaltet oder entzogen werden. Ausgleichsentschädigungsregelungen, die im Zusammenhang mit einer Inhalts- und Schrankenbestimmung stehen, sind in erster Linie denkbar, soweit bestehende Eigentumspositionen betroffen sind, also bei deren inhaltlicher Umgestaltung oder bei ihrem Entzug. Soweit es um die Frage geht, ob, mit welchem Inhalt und in welchem Umfang ein Eigentumsrecht überhaupt eingeräumt werden soll, also bei der erstmaligen, völligen Neuschaffung von Eigentumsrechten, gibt es zwar noch keine bestehenden Eigentumspositionen, die der Gesetzgeber beschränken könnte und die durch Ausgleichsentschädigungsregelungen zu kompensieren wären. Der Gesetzgeber hat hier nur die objektiv-rechtlichen Vorgaben der Einrichtungsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zu beachten. Jedoch sind Ausgleichsentschädigungsregelungen auch bei der Neuschaffung bzw. Umgestaltung von Eigentumsrechten denkbar. Zum einen in den Bereichen, in denen lediglich Einzelnen oder Teilgruppen Beschränkungen auferlegt werden, die dem Gleichheitssatz und damit ebenfalls dem Verhältnismäßigkeitserfordnis unterliegen, zum anderen aber auch ganz generell, falls die inhalts- und schrankenbestimmenden Regelungen im Einzelfall zu unverhältnismäßigen Beschränkungen führen könnten, wie etwa im Pflichtexemplarfall gezeigt. Darüber hinaus können die Veränderung und Umgestaltung bestehender Eigentumsregelungen sowie der Entzug des Eigentums durch den inhalts- und schrankenbestimmenden Gesetzgeber neben ihrer Relevanz für zukünftige Rechtsverhältnisse auch bereits vorhandene, individuell zugeordnete Eigentumspositionen betreffen. Aufgrund der sich aus der Eigentumsgarantie ergebenden Bestandsgarantie hat der Betroffene die Befugnis, jede ungerechtfertigte Beeinträchtigung des Bestandes der geschützten Güter abzuwehren; der Gesetzgeber hat deshalb das sich daraus ergebende Verbot zu beachten, das es ihm untersagt, in bereits konkret bestehende Eigentumspositionen einzugreifen 191. Doch auch in diesem Bereich dürfen durch den inhaltsbestimmenden Gesetzgeber Eigentumsbeschränkungen vorgenommen werden, solange der Grundsatz der Verhältnismäßig-

1QÛ

1 9 1 So auch

Pieroth/Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 7. Aufl. 1991, Rndr. 1029. BVerfGE 24, 367 (400); 83, 201 (211 ff.); Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 48.

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§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmati des BVerfG

keit gewahrt ist 192 . Deshalb sind nicht alle bestehenden Eigentumspositionen in der Hand des Eigentümers von vornherein endgültig geschützt und gesichert. Der eigentlich bestandsgeschützte Bereich des Eigentums beginnt erst dann, wenn eine inhalts- und schrankenbestimmende Regelung nicht mehr verhältnismäßig und die beabsichtigte Beschränkung somit unzulässig ist; in diesem Fall wird das Eigentum in seinem konkreten Bestand und seiner individuellen Zuordnung geschützt. Auf eine solche, bereits bestehende und gesicherte Eigentumsposition muß der Rechtsinhaber - da in concreto die Eigentumsgarantie den Gemeinwohlbelangen vorgeht - im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsabwägung "eigentlich" nicht verzichten. Diese Hürde kann der inhalts- und schrankenbestimmende Gesetzgeber jedoch zumindest teilweise überwinden, indem er die an sich zu hohe Belastung des Eigentümers durch einen Ausgleichsentschädigungsanspruch abmildert und die Eigentumsbeschränkung damit doch noch verhältnismäßig wird 193 . b) Inhaltliche Anforderungen Die Frage, ob die Junktimklausel des Art. 14 Abs. 3 GG auch für die sog. Ausgleichsentschädigungsansprüche gilt, ist umstritten 194. Dieser Streit ist jedoch insofern müßig, als auch an Ausgleichsentschädigungsregelungen unabhängig von der Übertragbarkeit der Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG gewisse Anforderungen zu stellen sind: So müssen "erforderliche" Ausgleichsentschädigungsregelungen auf jeden Fall erstens in einem Gesetz und zweitens tatbestandlich (möglichst) bestimmt festgelegt sein. Das Erfordernis der gesetzlichen Verankemng von Ausgleichsentschädigungsregelungen ergibt sich daraus, daß diese Ausgleichsregelungen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Inhalts- und Schrankenbestimmung durch den Gesetzgeber nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG stehen. Danach muß bereits der Gesetzgeber eine Ausgleichsregelung vorsehen, damit die "ausgleichspflichtige" Inhalts- und Schrankenbestimmung nicht unverhältnismäßig und verfassungswidrig ist 195 . Der Gesetzgeber selbst muß in seiner gesetzlichen Regelung so genau wie möglich festlegen, in welchen Fällen eine Inhaltsbestimmung, die an sich nicht mehr wegen Sozialpflichtigkeit zu dulden ist, mit einer Ausgleichsregelung zu verbinden ist bzw. verbunden

192

Vgl. nur BVerfGE 58,137 (147 f. m.w.N.).

193

BVerfGE 79,174(192).

194

Siehe ausführlich Melchinger, Salvatorische Entschädigungsklauseln als Ausgleichsentschädigungsregelungen, NJW 1991, S. 2524 (2528 f. m.w.N. und 2530 f.). IM Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 1990, § 26 Rdnr. 68.

III. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes

143

werden kann196. Dabei muß zumindest die Verknüpfung mit der Ausgleichsregelung vom Gesetzgeber vorgenommen werden und darf nicht der Verwaltung und der Rechtsprechung überlassen werden. Ob überhaupt solche inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen geschaffen werden, die nur verhältnismäßig sind, sofern sie mit Ausgleichsentschädigungsregelungen verbunden werden, hat allein der Gesetzgeber im Rahmen seines ihm nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG eingeräumten Gestaltungsspielraumes zu entscheiden. Darüber hinaus ist vor allem aufgrund der Anforderungen des Wesentlichkeitsgrundsatzes eine konkrete Regelung von Ausgleichsleistungen durch den Gesetzgeber selbst geboten. Denn es ist nicht die Aufgabe der Verwaltung oder Gerichte und verstößt gegen das Gewaltenteilungsprinzip, wenn diese den Entscheidungen des Gesetzgebers - hier bezüglich der Inhaltsbestimmung des Eigentums - vorgreifen 197, indem sie eindeutig andere Regelungsbereiche betreffende Regelungen uminterpretieren 198. Es wird zudem nicht nur in die Entscheidungskompetenz, sondern vor allem auch in die Haushaltshoheit des Gesetzgebers eingegriffen, wenn Verwaltung und Gerichte derartige Auslegungen vornehmen. Deshalb kann die Verwaltung Ausgleichsleistungen nicht eigenständig, sondern grundsätzlich nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung anordnen. Eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Schaffung solcher sog. Ausgleichsentschädigungsansprüche besteht nicht199. Es liegt allein beim Gesetzgeber, ob er im Rahmen des ihm von der Verfassung eingeräumten Gestaltungsspielraumes die von ihm verfolgten Ziele als so bedeutsam ansieht, daß er sie auch unter Inkaufnahme eines finanziellen oder sonstigen Aufwandes durch Ausgleichsleistungen verwirklichen will 200 , soweit dies ohne Verstoß gegen die Institutsgarantie des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) im Rahmen der Verhältnismäßigkeit möglich ist. Eine Pflicht zu einer solchen Regelung besteht jedoch nicht, sondern der Gesetzgeber kann auch vollständig auf "ausgleichspflichtige" inhaltsbestimmende Regelungen verzichten. Dann ist und bleibt eine unverhältnismäßige Inhaltsbestimmung 196

So auch Pietzcker, Entwicklung des öffentlichrechtlichen Entschädigungsrechts, NVwZ 1991, S. 426. 197 Wie etwa das BVerwG in der sog. Fischteichentscheidung, BVerwGE 84,361. 198

So auch Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 56; Ossenbühl, Der Anspruch wegen rechtswidriger Eigentumsverletzung (enteignungsgleichen Eingriffs) - eine Zwischenbilanz, in: Verantwortlichkeit und Freiheit - FS Willi Geiger, 1989, S. 199 475 (479). Vgl. ausführlich Melchìnger , Salvatorische Entschädigungsklauseln als Ausgleichsentschädigungsregelungen, NJW 1991, S. 2524 (2529 m.w.N.). 200 So auch BVerwGE 84, 361 (368) mit weiterem Verweis auf BVerfGE 58,137 (145 ff.), und 79,174 (192).

144

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmati des BVerfG

rechtswidrig und muß aufgehoben werden, sofern nicht anderweitige Ausnahmeregelungen oder Härtefallklauseln geschaffen worden sind. Das weitere Erfordernis einer genauen Regelung der Tatbestandsvoraussetzungen für Ausgleichsleistungen durch den Gesetzgeber selbst ergibt sich sowohl aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip (Abwägungsgebot)201 als auch aus dem Bestimmtheitsgrundsatz202. Verfassungsrechtlich geboten sind danach tatbestandlich konkretisierte, gesetzliche Regelungen, die entweder konkrete Maßstäbe und Vorgaben oder wenigstens einen groben Rahmen für die Gewährung solcher Ausgleichsleistungen enthalten. Zumindest die Fallgestaltungen, in denen Ausgleichsregelungen angeordnet werden können, müssen im Gesetz aufgeführt sein. Die Beurteilung der Frage, ob ein Ausgleich im jeweiligen Einzelfall erforderlich ist, kann dann an die entscheidende Verwaltungsbehörde delegiert werden. Aus tatbestandlich bestimmten Vorgaben könnte sich vor allem ergeben, wie weit die Inhalts- und Schrankenbestimmung auch ohne Ausgleichsleistung noch verhältnismäßig und damit hinzunehmen wäre und bei welchem Grad der Beeinträchtigung eine Ausgleichsleistung überhaupt erst in Frage käme, d.h. insbesondere mit welchem finanziellen Aufwand die Verfolgung der mit der Inhalts- und Schrankenbestimmung erstrebten öffentlichen Ziele gerade noch oder schon nicht mehr als vertretbar anzusehen ist. Die Verwaltung hätte damit Anhaltspunkte für den gesetzgeberischen Willen in bezug auf die Inhaltsbestimmung des Eigentums. Beispiele für solche Normen, die ein entsprechendes Maß an Konkretisierung enthalten, sind etwa § 47 bw NatSchG203 oder § 42 Abs. 3 BauGB204.

201

Papier, Rechtsprechung zur Eigentumsgarantie, NWVBL1990, S. 400 f.

202

So auch Pietzcker, Salvatorische Entschädigungsklausel, JuS 1991, S. 372 f.

203

§ 47 bw NatSchG lautet: "(1) Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse, die sich unmittelbar aus diesem Gesetz oder durch Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes ergeben, sind im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG) entschädigungslos zu dulden. (2) ... [Entschädigung bei enteignender Wirkung] ... [Satz 3] Bei der Bemessung der Entschädigung werden jedoch Vermögensvorteile, die als mittelbare Folge eines zugelassenen Eingriffs, insbesondere durch die Entnahme von Bodenbestandteilen, eingetreten sind oder eintreten können, nur insoweit berücksichtigt, als der Betroffene die Vermögensvorteile durch eigene Aufwendungen von Kapital oder Arbeit zulässigerweise bewirkt hat." 204 § 42 Abs. 3 BauGB: "Wird die zulässige Nutzung eines Grundstücks nach Ablauf [von 7 Jahren] aufgehoben oder geändert, kann der Eigentümer nur eine Entschädigung für Eingriffe in die ausgeübte Nutzung verlangen, insbesondere wenn infolge der Aufhebung oder Änderung der zulässigen Nutzung die Ausübung der verwirklichten Nutzung oder die sonstigen Möglichkeiten der wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks, die sich aus der verwirklichten Nutzung ergeben, unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden...."

III. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes

145

Da jeder Eigentümer das der jeweiligen Eigentumsart entsprechende verhältnismäßige Maß an Sozialbezug im Rahmen der Inhaltsbestimmung des Eigentums hinzunehmen hat, muß eine solche Ausgleichsleistung jedoch nur so hoch sein, daß die Schwelle zur Verhältnis- und Verfassungsmäßigkeit überwunden wird. Eine Kompensation der gesamten, durch die inhaltsbestimmende Maßnahme hervorgerufenen Belastung durch die Ausgleichszahlung ist verfassungsrechtlich nicht erforderlich. Eine über den danach notwendigen Teilbetrag hinausgehende Kompensation ist allerdings rechtlich nicht ausgeschlossen und kann vom Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit durchaus gewährt werden. Eine solche, verfassungsrechtlich nicht gebotene, zur Klarstellung und Abgrenzung als sog. Billigkeitsentschädigung oder Billigkeitsausgleich bezeichnete Entschädigungsleistung ist insofern nicht immer ganz unbedenklich, als Abgrenzungsschwierigkeiten zur verfassungsrechtlich gebotenen Kompensation entstehen können205. c) Ergebnis und Rechtsschutz Im Ergebnis bedeutet dies, daß dem Gesetzgeber zwei Möglichkeiten offenstehen, inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen mit Ausgleichsentschädigungsregelungen zu verknüpfen: Er kann zum einen die Verwaltung gesetzlich verpflichten, beim Vorliegen bestimmter, tatbestandlich festgelegter Fallgestaltungen Ausgleichsentschädigungsleistungen zwingend zu gewähren. Dann hat die Verwaltung keinen eigenständigen Entscheidungsspielraum mehr, und sie muß die Ausgleichsentschädigung anordnen, sofern die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Zum anderen kann der Gesetzgeber der Verwaltung unter Beachtung des Bestimmtheitsgebotes einen eigenständigen Entscheidungsspielraum dergestalt einräumen, daß diese selbst entscheiden kann und darf, ob sie die "ausgleichspflichtige" Inhalts- und Schrankenbestimmung vornehmen will (dann muß die entsprechende Verfügung auch eine Ausgleichsentschädigungsregelung enthalten) oder ob sie auf eine entsprechende Verfügung und damit Belastung des Eigentumsobjekts überhaupt verzichten möchte. Die Schaffung von gesetzlich nicht geregelten Ausgleichsentschädigungsleistungen ist nicht einklagbar. Ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmungen ohne gesetzliche Ausgleichsentschädigungsregelung sind und bleiben unverhältnismäßig. Hier muß die Verfassungswidrigkeit der Inhalts- und Schrankenbestimmung geltend gemacht werden. 205

Vgl. mit weit. Nachw. Melchìnger , Salvatorische Entschädigungsklauseln als Ausgleichsentschädigungsregelungen, NJW 1991, S. 2524 (2529 f.). 10 Melchìnger

146

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmati des BVerfG

Sind Inhalts- und Schrankenbestimmungen vom Gesetzgeber mit Ausgleichsentschädigungsregelungen verknüpft worden, so wird hinsichtlich der Rechtsschutzmöglichkeiten entsprechend den aufgezeigten Alternativen zu differenzieren sein: - Ist die Ausgleichsentschädigungsregelung bereits im Gesetz zwingend und tatbestandlich genau festgelegt worden, dann kann der Betroffene wählen, falls die behördliche Verfügung keine Ausgleichsentschädigung gewährt. Er kann entweder die "Nachbesserung" durch Anordnung einer Ausgleichsentschädigung (Verpflichtungsklage) oder die Aufhebung der nicht der gesetzlichen Regelung entsprechenden Verfügung begehren (Anfechtungsklage). Eine Verpflichtung zur Anordnung der Ausgleichsentschädigung ist hier möglich, weil die behördliche Verfügung keine unverhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung darstellt, da die Ausgleichsentschädigungsleistung per Gesetz zwingend vorgeschrieben ist. - Sofern die gesetzliche Regelung der Ausgleichsentschädigungsleistung zwar tatbestandlich bestimmt ist, der Verwaltung jedoch gleichzeitig ein (Ermessens-) Spielraum eingeräumt ist, selbst zu entscheiden, ob sie die "ausgleichspflichtige" Inhalts- und Schrankenbestimmung vornehmen will oder ob sie darauf überhaupt verzichtet, kann der Betroffene, falls doch eine Verfügung ohne die Gewährung einer Ausgleichsentschädigung ergeht, nur die Verfassungswidrigkeit der Verfügung insgesamt geltend machen (Abwehranspruch). Die "Nachbesserung" durch Begehren einer Ausgleichsentschädigung würde hier zu weit gehen und in den der Behörde eingeräumten Entscheidungsspielraum eingreifen. Die besondere Rechtswegzuweisung in Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG gilt nur für Enteignungsentschädigungsansprüche und nicht für die sog. Ausgleichsentschädigungsansprüche im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG 206 . Deshalb sind nach der generellen Zuweisung für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten gemäß § 40 Abs. 1 VwGO auch hier die Verwaltungsgerichte zuständig. 6. Enteignung Nach dem formalen Enteignungsbegriff des BVerfG ist Wesensmerkmal der Enteignung im verfassungsrechtlichen Sinn der staatliche Zugriff auf das Eigentum des Einzelnen; er ist inhaltlich auf den vollständigen oder teilweisen Entzug konkreter subjektiver Rechtspositionen gerichtet, die durch Art.

206

Ebenso Kröner, Zur Entschädigung beim Denkmalschutz in: FS Willi Geiger, 1989, S. 445 (455); vgl. auch Hermes, Vorrang verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, NVwZ 1990, S. 734.

III. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes

147

14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet und geschützt sind207. Eine Enteignung ist danach nur möglich, wenn dem Betroffenen im Zeitpunkt des Zugriffs eine enteignungsfähige Rechtsposition zustand208. Entscheidendes Merkmal der Enteignung ist der Entzug des verfassungsrechtlich gewährleisteten Eigentums und der dadurch bewirkten Rechts- und Vermögensverlust; unerheblich ist dabei, ob eine Übertragung des entzogenen Objekts vorliegt oder ob es sich um einen Güterbeschaffungsvorgang handelt209. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein solcher Eigentumsentzug vorliegt, ist zu beachten, daß der ursprüngliche Umfang der Rechte des Eigentümers nur die, durch die verfassungsmäßigen inhaltsbestimmenden Gesetze konkretisierte, also die von vornherein beschränkte Rechtsstellung umfaßt. Es kann nicht von einem, aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht existierenden, unbeschränkten Recht des Eigentümers, mit seinem Eigentum nach Belieben umzugehen, ausgegangen werden. Ein vollständiger Entzug konkreter subjektiver Rechtspositionen ist gegeben, wenn der bisherige Eigentümer sein Eigentumsobjekt vollständig verliert, es ihm vollständig weggenommen wird, so daß keinerlei Rechtsbeziehung mehr zwischen Subjekt und Objekt besteht und das Zuordnungsverhältnis insgesamt aufgelöst wird 210 . Ein teilweiser Entzug konkreter subjektiver Rechtspositionen liegt vor, wenn zwar das Zuordnungsverhältnis zwischen Eigentumsobjekt und dem Eigentümer grundsätzlich bestehen bleibt, der Zugriff aber einen rechtlich verselbständigten oder verselbständigbaren Teil des Eigentums oder des sonstigen Rechts erfaßt, so daß dem Eigentümer überhaupt oder fast keine eigene Nutzungs- und Verfügungsbefugnis mehr verbleibt und sein Eigentumsrecht inhaltlich vollständig oder zumindest ganz wesentlich entwertet wird, obwohl er noch grundsätzlich Eigentümer bleibt. So ist nach Ansicht des BVerfG z.B. die Belastung eines fremden Grundstücks mit einer Dienstbarkeit als Enteignung anzusehen211. Zu dieser Fallgruppe zählen danach alle dinglichen und obligatorischen Beschränkungen des bürgerlichen Rechts sowie öffentlich-rechtliche Belastungen wie etwa die Baulast212. 207

BVerfGE 52, 1 (27); 56, 249 (260); 58, 300 (331); 70, 191 (199 f. m.w.N.); 71, 137 (143); 72,66 (76); 74, 264 (280); 79,179 (191) und öfter. 208

BVerfGE 25,112 (121); 58, 300 (332).

209

BVerfGE 24, 367 (394); 45, 297 (332); 51,193 (219 f.); BVerfGE 83, 201 (211); dazu und zur "Übertragungstheorie" Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 49 f. in FN 8. 210

Vgl. BVerfGE 42, 263 (295); 50, 290 (341) und passim.

211

BVerfGE 56, 249 (260).

212

(304).

Maurer, Enteignungsbegriff und Eigentumsgarantie, in: FS Günter Dürig, 1990, S. 293

148

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmati des BVerfG

Als Eingriffstatbestände für Enteignungen nach Art. 14 Abs. 3 GG gibt es die "klassische" Enteignung und die sog. Aufopferungsenteignung 213. Bei der "klassischen" Enteignung beansprucht der Staat in einem konkreten Einzelfall für die Erreichung eines konkreten öffentlichen Zweckes ein bestimmtes Eigentumsobjekt oder eine bestimmte eigentumsfähige Position entweder vollständig durch Entziehung des Objektes mittels Übertragung des gesamten Eigentums auf einen anderen oder jedenfalls teilweise indem einzelne Eigentümerbefugnisse auf einen anderen übertragen werden 214. Die sog. Aufopferungsenteignung betrifft dagegen die schlichte und (zumindest) vollständige Aufhebung eines Rechtes durch Gesetz215. Das Rechtsinstitut der Enteignung dient ebenfalls unmittelbar der Garantie des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG 216 , mit dem Unterschied, daß bei einer rechtmäßigen Enteignung an die Stelle des konkreten Eigentumsbestandes der Eigentumswert tritt 217 . Durch eine Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG wird die Bestandsgarantie des Eigentums in eine Wertgarantie mit einer entsprechenden Entschädigungspflicht umgewandelt218. Solche Zwangseingriffe in durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Eigentumspositionen sind nur unter den Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG zulässig. Nur wenn diese Anforderungen erfüllt sind, muß der Bürger den Eingriff in sein Eigentum dulden; andernfalls stellt ein entsprechendes Gesetz oder eine als Enteignung deklarierte Maßnahme einen rechtswidrigen Eingriff in die Eigentumsgewährleistung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG dar 219, der vom Bürger abgewehrt werden muß220. Der Zugriff auf das Eigentum durch Enteignung bedarf zunächst einer Rechtfertigung. Die Legitimation für einen hoheitlichen Eingriff ergibt sich aus dem Erfordernis des Gemeinwohls nach Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG 221 , auf dessen inhaltliche Anforderungen weiter unten eingegangen wird. Der Staat darf eine Enteignung nur zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben vornehmen und dies 213

BVerfGE 45, 297 (332); Hendler, Zur bundesverfassungsgerichtlichen Konzeption der grundgesetzlichen Eigentumsgarantie, DVB1. 1983, S. 873 (878); Schwerdtfeger, Struktur der Eigentumsgarantie, S. 25 f. 214 Abweichendes Votum Böhmer in BVerfGE 56, 249/266 (271). 215

BVerfGE 45, 297 (332); vgl. 53, 336 (349).

216

Vgl. BVerfGE 38,175 (181) und passim.

217

BVerfGE 74, 264 (281).

218

BVerfGE 24, 367 (397); 46, 268 (285); 56, 249 (260 f.); 58, 300 (323).

219

BVerfGE 24, 367 (397, 418); 45, 297 (318); 46, 268 (287); 58, 300 (319, 323); 74, 264

(279). 220

BVerfGE vgl. 38,175 (181); 45, 63 (76); Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 50, 77. 221

BVerfGE 24, 367 (396).

III. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes

149

außerdem nur dann, wenn er legitime staatliche Aufgaben nicht auf andere Weise, also mit anderen von der Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Mitteln verwirklichen kann222. Im Vordergrund einer Enteignung steht die gemeinwohlorientierte Zielsetzung; sie ist nicht lediglich ein "Güterbeschaffungsvorgang" 223. Ein Zugriff auf gewährleistetes und bestandsgeschütztes Eigentum durch Enteignung darf weiterhin nur durch ausdrücklichen Rechtsakt, also ausschließlich direkt durch Gesetz oder aufgrund gesetzlicher Ermächtigung durch die Exekutive (Legal- bzw. Administrativenteignung) erfolgen (formaler Enteignungsbegriff). Mischformen von Legal- und Administrativenteignung sind unzulässig224. Nach Sinn und Zweck des Art. 14 Abs. 3 GG muß der Gesetzgeber genau den Tatbestand normieren, bei dessen Vorliegen eine Enteignung zulässig sein soll, eine Generalklausel genügt den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG nicht225. Eine Enteignung ist nach Art. 14 Abs. 3 GG ferner nur gegen gesetzlich geregelte Entschädigung zulässig; die Entschädigungspflicht ist lediglich die Folge und hat keine Bedeutung für die Qualifizierung der Maßnahme als Enteignung226. Im Unterschied zur Regelung der Weimarer Reichsverfassung, die zuließ, daß der Entschädigungsanspruch durch Reichsgesetz ausgeschlossen werden konnte, enthält Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG ein Verfassungsgebot, wonach die bei einer Enteignung zwingend zu gewährende Entschädigung in einem Gesetz zu regeln ist (Junktim); dem Gesetzgeber verbleibt lediglich hinsichtlich der Regelung der Modalitäten ein Spielraum227. Die für die Bemessung der Entschädigung maßgeblichen Grundlagen hat der Gesetzgeber selbst zu bestimmen; dies obliegt nicht der Verwaltung oder den Gerichten 228. Legalenteignung und Administrativenteignung sind jeweils eigenständige Rechtsinstitute, die als unterschiedliche Formen der Enteignung nicht beliebig austauschbar oder kombinierbar sind229. Eine Legalenteignung liegt vor, wenn unmittelbar mit seinem Inkrafttreten durch ein Gesetz selbst und ohne weiteren Vollzugsakt einem bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis konkrete individuelle Eigentumspositionen entzogen werden 230. 222

BVerfGE 45, 297 (338 f.); 56, 249 (261); 70,191 (200 m.w.N.).

223

Abweichendes Votum Böhmer in BVerfGE 56,249/266 (270 ff.).

224

BVerfGE 45, 297 (Leitsatz 2b, 326, 329); 52,1 (27); 58, 300 (330 f.).

225

BVerfGE 24, 367 (403 ff.); 56, 249 (261); vgl. 38, 175 (180); Böhmer, Abgrenzung von Sozialbindung und Enteignung, Der Staat 1985, S. 157 (170 in FN 32). 226

227

BVerfGE 56, 249 (260 f.); 74, 264 (283).

2 2 8 Böhmer,

Abgrenzung von Sozialbindung und Enteignung, Der Staat 1985, S. 157 (174). BVerfGE 24, 367 (419).

229 230

BVerfGE 45, 297 (LS 2b; 329 ff.); 58, 300 (330 f.).

BVerfGE 45, 297 (325 f.); 52, 1 (27); 58, 300 (330 f.). - Siehe dazu eingehend Maurer, Enteignungsbegriff und Eigentumsgarantie, in: FS Günter Dürig 1990, S. 293 (306 ff.).

150

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmati des BVerfG

Bei einer Administrativenteignung erteilt der Gesetzgeber hingegen durch Gesetz der Exekutive eine Ermächtigung, konkrete Eigentumspositionen einzelner Rechtsträger zu entziehen; hier wird die Enteignung erst durch einen behördlichen Vollzugsakt konkretisiert und durchgeführt 231. Grundsätzlich ist wegen des Gewaltenteilungsprinzips232 und weil Grundrechtsschutz auch durch Verfahrensgestaltung erreicht werden kann233 der Weg einer Administrativenteignung vorzuziehen, sofern eine Einzelfallüberprüfung und -entscheidung durch die Verwaltung von der Sache her möglich ist. Dann muß der Gesetzgeber diesen Weg vorsehen und darf nicht im Wege der Legalenteignung vorgehen234. Dieser Vorrang der Administrativenteignung beruht vor allem darauf, daß in der Regel Rechtsschutz nur oder jedenfalls einfacher gegen Entscheidungen der Verwaltung gegeben ist. Im übrigen tritt bei beiden Enteignungsarten der Rechtsentzug zu verschiedenen Zeitpunkten ein. Welche Anforderungen sich aus dem Gemeinwohlerfordernis ergeben, ist umstritten. Zu beachten ist, daß das Wohl der Allgemeinheit als Erfordernis im Rahmen des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG vom Wohl der Allgemeinheit im Sinne des Art. 14 Abs. 2 GG unterschieden werden muß235. Während es bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung noch um die inhaltliche Ausgestaltung des Eigentums geht, ist die Enteignung bereits eine Schranke der grundrechtlich gewährleisteten Befugnisse. Art. 14 Abs. 2 GG enthält eine prinzipielle Anweisung für die generelle Ausgestaltung der Eigentumsordnung und ist damit Voraussetzung für die Umgestaltung des Rechtsinstituts Eigentum. Bei der gesetzgeberischen Inhalts- und Schrankenbestimmung sind Individual- und Gemeinwohlinteressen gleichermaßen zu berücksichtigen; dabei hat der Gesetzgeber eine relativ weite Gestaltungsbefugnis 236. Demgegenüber hat die Gemeinwohlformel des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG eine andere Funktion. Sie dient hier dem Schutz des individuellen Grundrechtsträgers und stellt eine Grenze für Gesetzgeber und Exekutive beim Zugriff auf eine bereits konkret bestehende Eigentumsposition des Rechts-

231

BVerfGE 58, 300 (331).

232

Vgl. Maurer, Enteignungsbegriff und Eigentumsgarantie, in: FS Günter Dürig 1990, S. 293 (316). 233

Speziell zu Art. 14 GG: BVerfGE 46, 325 (334 f.); 49, 220 (225 f.); 53, 30 (65 m.w.N.); sowie zum Rechtsschutz BVerfGE 35, 348 (361); 37, 132 (141,148), und abweichende Voten 49, 220/228 (235); 53, 30/69 (71 ff.). 234 BVerfGE 24, 367 (400 ff.); 45, 297 (326, 333 f.); 58, 300 (331); Schwerdtfeger, der Eigentumsgarantie, S. 31 f.

235 236

Zu letzterem s. oben S. 131. Vgl. oben Ziff. 1 und 4, S. 123 und 132 ff.

Struktur

III. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes

151

inhabers dar 237. Daraus ergeben sich qualitative Unterschiede für die zu erfüllenden Voraussetzungen. Der Gesetzgeber hat auch im Rahmen des Art. 14 Abs. 3 GG einen Gestaltungsspielraum, innerhalb dessen er aus den vielfältigen Gemeinwohlinteressen ein Sachgebiet auswählen und hierfür eine Enteignung zulassen oder anordnen kann238. Für welche Vorhaben, unter welchen Voraussetzungen und für welche Zwecke eine Enteignung zulässig sein soll, muß gesetzlich festgelegt sein. Die Enteignungsbefugnis ist dann auf die jeweiligen, vom Gesetzgeber festgelegten Vorhaben und Zwecke beschränkt. Die Exekutive ist daran gebunden. Sie kann darüber hinaus selbst keine eine Enteignung rechtfertigenden Gemeinwohlaufgaben bestimmen239. Abstrakt erfaßt der Rechtsbegriff Gemeinwohl eine Vielfalt von Sachverhalten und Zwecken; er bedarf deshalb im Einzelfall der Konkretisierung durch den Gesetzgeber240. Zunächst ist zu unterscheiden, ob es sich um eine "klassische" Enteignung oder um eine sog. Aufopferungsenteignung handelt (vgl. oben). In den Fällen einer Aufopferungsenteignung beurteilt sich die Teilaufhebung eines Rechts zunächst nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG; nur sofern der Eingriff unverhältnismäßig und damit als Inhaltsbestimmung unzulässig ist, kommt eine Enteignung als ultima ratio in Frage. In diesem Falle müssen daher besonders gewichtige Gemeinwohlbelange vorliegen, damit der Eingriff als Aufopferungsenteignung zulässig ist. Anders verhält es sich dagegen im Bereich der "klassischen", einzelfallbezogenen Enteignungen: Sofern der Zugriff zugunsten von besonders wichtigen Gemeinschaftsgütern vorgenommen werden soll, wird die vorgesehene Beschränkung bereits nach den Grundsätzen von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 (i. V. m. Abs. 2) GG als Inhaltsbestimmung des Eigentums zulässig sein. Demzufolge wird die Auffassung vertreten, bei einer "klassischen" Enteignung dürften die Anforderungen an die Gemeinwohlbelange nicht zu hoch gesteckt werden 241. Ob diese Verknüpfung zutrifft, ist allerdings fraglich, denn die beiden Fälle sind nicht vergleichbar. Es geht hierbei nicht um die Abgrenzung zwischen Inhalts- und Schrankenbestimmung und Enteignung, sondern um die Frage, unter welchen Voraussetzungen der jeweilige Eingriff zulässig ist, d.h. welche Anforderungen an die jeweiligen Gemeinwohlgründe zu stellen sind. Deshalb sollen nach anderer Ansicht bei der "klassischen" Enteignung an das Gemeinwohlerfordernis sehr viel höhere Anforderungen gestellt werden: Sie sollen nur zur Befriedigung von 237

Abweichendes Votum Böhmer in BVerfGE 56, 249/266 (275 f.).

238

BVerfGE 24, 367 (404).

239

BVerfGE 56, 249 (261 f.); 74, 264 (285); vgl. 38,175 (180).

240

BVerfGE 24, 367 (403). Schwerdtfeger, Struktur der Eigentumsgarantie, S. 32 (33 f.).

152

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmati des BVerfG

dringenden staatlichen Aufgaben zulässig sein242. Das BVerfG hält in einer jüngeren Entscheidung sogar ein besonders schwerwiegendes, dringendes öffentliches Interesse für erforderlich 243. Damit dürften die Anforderungen nun allerdings zu hoch angesetzt sein. Es ist zwar zutreffend, daß die Schwelle für die Zulässigkeit eines Grundrechtseingriffes in der Regel hoch ist, doch ist gerade bei einer Enteignung zu berücksichtigen, daß hier - im Gegensatz zu anderen Grundrechten, wo es dies nicht gibt - eine Kompensation des Eingriffes vorgesehen ist, so daß die Bestandsgarantie des Eigentums in eine Eigentumswertgarantie umschlägt. Auch sind hier zusätzlich die formalen Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG zu beachten. Hier ist somit ein Ausgleich durch die Junktimklausel und den ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt des Art. 14 Abs. 3 GG sowie durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gegeben244. Damit erscheint es im Ergebnis angebracht zu sein, jedenfalls bei einer "klassischen" Enteignung die Anforderungen an die Gemeinwohlbelange zumindest nicht extrem hoch anzusetzen. Sowohl bei der Administrativenteignung als bei der Legalenteignung ist zu beachten: Es muß gerade das Mittel der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz der Enteignung erforderlich sein, um das dem Wohl der Allgemeinheit dienende Vorhaben durchführen zu können; die Enteignung kann nur ultima ratio sein, andere rechtlich und wirtschaftlich vertretbare Möglichkeiten zur Erfüllung der jeweiligen öffentlichen Aufgaben sind vorzuziehen245. Liegen die Voraussetzungen nach Art. 14 Abs. 3 GG nicht vor, so verstößt eine dennoch beabsichtigte oder erfolgte "Enteignung" gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und ist mithin verfassungswidrig 246. Die vom Grundgesetz vorgesehene Folge für verfassungswidrige Eingriffsakte ist deren Aufhebung, wofür nach der Regelzuweisung des § 40 Abs. 1 VwGO die Verwaltungsgerichtsbarkeit zuständig ist 247 . Die ordentlichen Gerichte sind demgegenüber nach Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG, § 40 Abs. 2 VwGO ausschließlich für die Frage zuständig, ob dem Enteigneten eine den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Entschädigung gewährt worden ist, also insbesondere für die 242

Abweichendes Votum Böhmer in BVerfGE 56,249/266 (272 ff.).

243

BVerfGE 74,164 (289).

244

BVerfGE 45, 297 (335); vgl. 24, 367 (404); 53, 336 (349); Schwerdtfeger, gentumsgarantie, S. 33 f. 245

BVerfGE 24, 367 (404 f.); 45, 297 (338 f.); 56, 249 (261).

246

BVerfGE 74, 264 (279).

247

Struktur der Ei-

BVerfGE 58, 300 (318 ff., 323 f.); BVerwG, U.v. 22.5.1987 - 4 C 17-19.84, DVB1.1987, S. 1011 (1012).

III. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes

153

Höhe der Entschädigung248. Dies setzt voraus, daß eine rechtmäßige Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG vorliegt. Entspricht eine als Enteignung deklarierte Maßnahme nicht den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG, so ist sie als rechts- und verfassungswidriger Eingriff aufzuheben. Über diesen Abwehranspruch zu entscheiden ist Sache der Verwaltungsgerichte. Rügt der Betroffene die Rechtswidrigkeit des Eingriffes, so hat er Primärrechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten zu suchen. Die kann nicht umgangen werden, indem bei verfassungswidrigen Enteignungsmaßnahmen Entschädigungen aus einem anderen Rechtsgrund gewährt werden. 7. Exkurs: Ansprüche aus dem sog. enteignenden Eingriff oder dem sog. enteignungsgleichen Eingriff Da sie im Denkmalschutzrecht eine große Rolle spielen und die in manchen Denkmalschutzgesetzen enthaltenen sog. salvatorischen Entschädigungsklauseln daraus abgeleitet sind, ist nun auch auf die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze des sog. enteignenden Eingriffs und des sog. enteignungsgleichen Eingriffs einzugehen249. Es handelt sich um Haftungsinstitute, aus denen sich Ansprüche auf Entschädigungsleistungen ergeben können. Im Unterschied zu dem dieser Untersuchung zugrundeliegenden Thematik, bei dem die verfassungsrechtliche Zulässigkeit und ggf. die Abwehr eines grundrechtswidrigen Eingriffes im Vordergrund stehen wobei auch die Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG, obwohl sie im Ergebnis einen Entschädigungsanspruch beinhaltet, als Rechtfertigungsgrund für einen Eingriff in diesen Zusammenhang gehört -, betreffen der sog. enteignende und der sog. enteignungsgleiche Eingriff echte Haftungs- und Leistungsansprüche, die nicht mehr der Abwehr eines Grundrechtseingriffes dienen. Ihr Verhältnis zu der verfassungsrechtlichen Eigentums- und Enteignungsdogmatik sind nach wie vor umstritten. Einerseits werden sie angesichts der Eigentumsrechtsprechung des BVerfG vom BGH - der, allerdings mit anderer Begründung, ausdrücklich an diesen Haftungsinstituten festhält - und einem Teil der Literatur inzwischen als Aufopferungs- bzw. gewohn-

24R

BVerfGE 58, 300 (319, 322 ff.); Böhmer, Abgrenzung von Sozialbindung und Enteignung, Der Staat 1985, S. 157 (179). 2A9

Vgl. je m. weit. Nachw. die Ubersichtsdarstellungen bei v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, 1984, S,. 171 ff. und 183 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl. 1991, S. 173 ff. u. 226 ff.; Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 22. Lfrg. 1983 (Stand 29. Lfrg. 1991), Art. 14 Rdnr. 597 ff.; Schoch, Die Haftungsinstitute des enteignungsgleichen und enteignenden Eingriffs im System des Staatshaftungsrechts, Jura 1989, S. 529 ff.; Steinberg/Lubberger, Aufopferung - Enteignung und Staatshaftung, 1991, S. 241 ff. u. 327 ff.

154

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmati des BVerfG

heitsrechtliche Ansprüche angesehen250. Andererseits ist zumindest eine partielle Deckungsgleichheit jedenfalls im tatbestandlichen Bereich gegeben, so daß Berührungspunkte und Querverbindungen mit der oben in Ziff. S, S. 138 ff., dargelegten ausgleichsentschädigungspflichtigen Inhaltsbestimmung vorhanden sind251. Es stellt sich daher nach wie vor die Frage nach der vollständigen oder ggf. lediglich in Teilbereichen möglichen Vereinbarkeit dieser Haftungsinstitute mit der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik (vgl. dazu auch unten in § 7 V 2 ff., S. 313 ff., die Erläuterungen zu den auf das Denkmalschutzrecht bezogenen Entscheidungen des BGH). Der sog. enteignende Eingriff will die Fälle eines rechtmäßigen staatlichen Handelns erfassen, das atypisch und ungewollt erfolgende schädigende Nebenwirkungen auf Eigentumsobjekte oder -positionen hat (ungezielte Eigentumsbeeinträchtigungen durch Nebenwirkungen oder Realakte)252. Bei dem sog. enteignungsgleichen Eingriff ist dagegen Voraussetzung, daß Eigentumspositionen rechtswidrig durch einen Hoheitsträger verletzt wurden253. Dabei stellt der BGH für die Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit auf die zugrundeliegende, den Eingriff auslösende Maßnahme und nicht auf den Eingriff selbst und dessen Qualifizierung ab. Dieser Ansatz ist daher strikt von dem verfassungsrechtlichen Blickwinkel des 250

BGH NJW 1984, S. 1169 (1171) = BGHZ 90,17; BGHZ 91, 20 (26 ff.); etwa Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl. 1991, S. 184 f., 227; Papier, Enteignungsgleiche und enteignende Eingriffe nach der Naßauskiesungsentscheidung - BGHZ 90, 17 und BGH NJW 1984, 1876, JuS 1985, S. 184 ff., u.a. - Leisner, Eigentum (§ 149), in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, 1989, S. 1023 ff. (Rdnr. 176 ff.), und ders., Eigentumsschutz und Nutzungsmöglichkeiten, Aufopferungsentschädigung für nicht realisierte Nutzungen in der Marktwirtschaft, BB 1992, S. 73 (76 f.), sieht die BGH-Rechtsprechung als grundsätzlich mit der Eigentumsdogmatik des BVerfG vereinbar an - allerdings ist er bereits im Grundsatz anderer Auffassung und sehr kritisch gegenüber dem Ansatz des BVerfG; er hält diesen wegen der seiner Ansicht nach zu weitgehenden Beschränkungsmöglichkeiten zumindest für ergänzungsbedürftig zugunsten einer stärkeren Eigentümerstellung. 251 Maurer, Enteignender Eingriff und ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung, DVB1.1991, S. 781 ff.; Schoch, Die Haftungsinstitute des enteignungsgleichen und enteignenden Eingriffs im System des Staatshaftungsrechts, Jura 1989, S. 529 (534). 252

Vgl. zu den Grundlagen: Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl. 1991, S. 226 ff.; Steinberg/Lubberger, Aufopferung - Enteignung und Staatshaftung, 1991, S. 241 ff. Speziell zur verfassungsrechtlichen Einordung: Hendler, Zur bundesverfassungsgerichtlichen Konzeption der grundgesetzlichen Eigentumsgarantie, DVB1.1983, S. 873 (881 f.); Kutscher α, Bestandsschutz im öffentlichen Recht, Zugleich ein Beitrag zur Dogmatik des Art. 14 GG, 1990, S. 157 ff.; Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 22. Lfrg. 1983 (Stand 29. Lfrg. 1991), Art. 14 Rdnr. 631 ff.; ausführlich auch Schwerdtfeger, Struktur der Eigentumsgarantie, S. 11, 37; zusammenfassend Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 1990, § 26 Rdnr. 56 ff., 60 ff., 72; sowie knapp Pieroth/Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 7. Aufl. 1991, Rdnr. 1042 ff., je mit weit. Nachw. pro und contra. 253

Vgl. unten S. 158 f. m. weit. Nachw.

III. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes

155

rechtmäßigen oder rechtswidrigen (Grundrechts-) Eingriffes zu unterscheiden. Als Beispiel für den enteignenden Eingriff werden etwa die Straßenarbeiten aufgeführt, die den Verkehr so stark einschränken oder behindern, daß die Laufkundschaft überwiegend wegbleibt und Ladengeschäfte oder Tankstellen, die ihre Umsätze zu einem nicht geringen Teil mit dieser Käufergruppe erzielen, deswegen z.T. erhebliche Umsatz- und Gewinneinbußen erleiden. Gerade hier ist zweifelhaft, ob diese Rechtsfigur mit der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik zu vereinbaren ist 254 . Insbesondere im Hinblick auf die ausgleichsentschädigungspflichtige Inhaltsbestimmung wird ihre Existenzberechtigung bezweifelt. Das BVerfG hat sich dazu bislang nicht ausdrücklich geäußert (vgl. aber sogleich). Die BGH-Rechtsprechung ging in diesen Fällen ursprünglich von einem Enteignungsbegriff aus, der anders und weiter war, als der des BVerfG 255. Der BGH betrachtete danach jede unmittelbare hoheitliche Beeinträchtigung des Eigentums als Enteignung, die nicht von der Sozialbindung des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 14 Abs. 2 GG gedeckt war oder die ein Sonderopfer darstellte 256. Die demzufolge von dem sog. enteignenden Eingriff erfaßte Fallgruppe erfüllt weder die Voraussetzungen des formalen Enteignungsbegriffs des BVerfG noch die formalen verfassungsrechtlichen Anforderungen, die Art. 14 Abs. 3 GG an eine Enteignung stellt. Da in dieser Fallkonstellation jedoch auch kein Entzug oder keine Beeinträchtigung bestehender Rechtspositionen direkt durch Gesetz oder Verwaltungsakt erfolgt, wird angenommen, Art. 14 GG scheide als Anknüpfungspunkt überhaupt aus und der Haftungsgrund liege hier im allgemeinen Aufopferungsgedanken 257.

254

Dies wird inzwischen dezidiert verneint von Maurer, Enteignender Eingriff und ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung, DVB1.1991, S. 781 ff.; ebenso Schoch, Die Haftungsinstitute des enteignungsgleichen und enteignenden Eingriffs im System des Staatshaftungsrechts, Jura 1989, S. 529 (534). 255 BGHZ 6, 270 (280) und passim; vgl. nur die Gegenüberstellungen bei Kreft, Die Eigentumsgarantie und verfassungsrechtliche Entschädigungspflichten, in: Verantwortlichkeit und Freiheit - FS Willi Geiger, 1989, S. 399 ff. (402 f.), und Lege, Enteignung und "Enteignung", Zur Vereinbarkeit der BGH-Rechtsprechung mit Art. 14 GG, NJW 1990, S. 864 ff.; Maurer, ebd., in: FS Günter Dürig 1990, S. 293 (299). 256 257

BGHZ 57, 359 (363); 99, 24 (26 f.).

Lege, Enteignung, NJW 1990, S. 864 (869 f.); Leisner, Eigentumsschutz und Nutzungsmöglichkeiten, Aufopferungsentschädigung für nicht realisierte Nutzungen in der Marktwirtschaft, BB 1992, S. 73 (76 f.); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl. 1991, S. 227; Papier, Grundfälle zu Eigentum, Enteignung und enteignungsgleichem Eingriff, JuS 1989, S. 630 Aufopferung - Enteignung und Staatshaftung, (636). Anders allerdings Steinberg/Lubberger, 1991, die eine andere Zuordnung vornehmen.

156

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmati des BVerfG

Es ist wohl nicht zu bestreiten, daß es in dem zugrundeliegenden tatsächlichen Bereich durchaus Fälle geben kann, in denen für die Betroffenen keine Möglichkeit besteht, die aus hoheitlicher Sicht zwar ungewollten, faktisch aber doch gegebenen Beeinträchtigungen des Eigentums abzuwehren. Insbesondere ist ein solcher Eingriff nicht rechtzeitig und in seinem endgültigen Ausmaß vorhersehbar, so daß auch kein Primärrechtsschutz möglich ist. Es ist gerade die Charakteristik des sog. enteignenden Eingriffes, daß atypische, ungewollte und schädigende Nebenwirkungen rechtmäßigen staatlichen Handelns oder Realakte nicht vorhersehbar und abwendbar sind. Hier dürfte zumindest ein Teil der Fälle als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums entschädigungslos oder allenfalls ergänzt durch eine Ausgleichsentschädigungsregelung zu dulden sein. So wird die Auffassung vertreten, diese Beeinträchtigungen und deren Kompensation könnten, soweit sie Eigentumspositionen betreffen, in die Dogmatik des Art. 14 GG eingeordnet werden 258: Da die Rechtsordnung solche beeinträchtigenden Nebenwirkungen nicht verhindern könne, sei sie insofern als hinzunehmende Inhalts- und Schrankenbestimmung anzusehen, die allerdings, um verhältnismäßig zu sein, meist mit einer Ausgleichsentschädigung verbunden werden müsse, andernfalls sei sie rechtswidrig. Teilweise wird dann allerdings gefolgert, der Entschädigungsanspruch aus enteignendem Eingriff stelle bereits eine solche Ausgleichsentschädigungsregelung dar 259. Diese Einordnung überzeugt zunächst im dogmatischen Ansatz260, weil der Eingriff nur dann aus verfassungsrechtlicher Sicht rechtmäßig ist, wenn er gerechtfertigt ist, und das ist nur bei einer Einordnung als Inhalts- und Schrankenbestimmung der Fall. Das entspricht auch der inzwischen vom BVerfG in einem Fall, in dem der III. Zivilsenat des BGH in seiner Stellungnahme ausdrücklich seine Rechtsprechung zum enteignenden Eingriff in Bezug genommen hat, dazu geäußerten Sicht261. Allerdings kann der in der Literatur vertretenen Gleichsetzung des Anspruches aus dem sog. enteignenden Eingriff mit dem Anspruch aufgrund einer Ausgleichsentschädigungsregelung nicht gefolgt werden, da eine Ausgleichsentschädigung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Sie 258

Afaurer, Enteignungsbegriff und Eigentumsgarantie, in: FS Günter Dürig 1990, S. 293 (311 f.); ders., Allg. Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 1990, § 26 Rdnr. 72; ders., Enteignender Eingriff und ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung, DVB1. 1991, S. 781 (782); Pieroth/Schlink, Grundrechte, 7. Aufl. 1991, Rdnr. 1045; anderer Ansicht, allerdings nur in bezug auf die sog. Nicht-Vollzugsfälle, Lege, Enteignung, NJW 1990, S. 864 (869 f.), der dann aber für die Vollzugsfälle zum gleichen Ergebnis wie hier kommt. 259 Pieroth/Schlink, ebd., Rdnr. 1045. 260

Vgl. auch die ausführliche Begründung bei Maurer, Enteignungsbegriff und Eigentumsgarantie, in: FS Günter Dürig 1990, S. 293 (310 ff.). 261 BVerfGE 79, 174 (191 f.); Osterloh, Eigentumsschutz, Sozialbindung und Enteignung bei der Nutzung von Boden und Umwelt, DVB1.1991, S. 906 (913).

III. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes

157

ist vom Gesetzgeber selbst zu schaffen, und die gesetzliche Regelung muß auch ein gewisses Maß an Tatbestandsbestimmtheit einhalten (vgl. oben I I I 5, S. 138 ff.). Der auf bloß richterlicher Rechtsfortbildung und damit nur auf gewohnheitsrechtlicher Grundlage beruhende Haftungstatbestand des sog. enteignenden Eingriffes erfüllt diese Voraussetzungen nicht und ist daher als Anspruchsgrundlage nicht ausreichend. Hinzu kommt, daß der Gesetzgeber alternativ auch andere Regelungen, z.B. Ausnahmeregelungen, treffen könnte. Nur soweit der Gesetzgeber selbst für diese Fallgestaltung Regelungen trifft, wird der ihm zustehende Gestaltungsspielraum ausgeschöpft. Ein Tätigwerden der Gerichte verstößt daher auch hier gegen das Gewaltenteilungsprinzip. Das bedeutet im Ergebnis: Soweit derartige Härtefälle im Bereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG vorhanden sind, die aufgrund ihrer Intensität einer Kompensation durch Ausgleichsentschädigungsregelungen bedürfen, fehlt es bislang an einer gesetzlichen Grundlage. Daher sind Inhaltsund Schrankenbestimmungen, die solche Härtefälle nicht berücksichtigen, insoweit unverhältnismäßig und verfassungswidrig 262. Das Haftungsinstitut des sog. enteignenden Eingriffes kann mithin allenfalls noch zeitlich begrenzt und nur für Härtefälle eine Daseinsberechtigung haben263. Aus diesen Gründen überzeugt es nicht, die Grundlage des Entschädigungsanspruches nunmehr allein im allgemeinen Aufopferungsgedanken oder im richterrechtlich entwickelten Gewohnheitsrecht zu sehen, denn dabei fehlt die Einbindung in die verfassungsrechtliche Eigentumsdogmatik. - Unabhängig von der dogmatischen Verankerung ist allerdings die Bezeichnung "enteignender" Eingriff wegen fehlenden Zusammenhanges und fehlender Vergleichbarkeit mit einer Enteignung im verfassungsrechtlichen Sinn unzutreffend und irreführend. Dem Vorschlag, das Haftungsinstitut nunmehr "Eigentumsaufopferung" zu nennen264, ist beizupflichten. Auch das auf rechtswidrige Handlungen und Maßnahmen bezogene Haftungsinstitut des sog. enteignungsgleichen Eingriffes 265 kollidiert - mehr noch 262 So auch Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 1990, § 26 Rdnr. 68, 72; ders., Enteignungsbegriff und Eigentumsgarantie, in: FS Günter Dürig 1990, S. 293 (312); noch dezidierter inzwischen ders., Enteignender Eingriff und ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung, DVB1. 1991, S. 781 (784 f.); ähnlich Bryde, in: von Münch (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 1, 3. Aufl. 1985, Art. 14 GG Rdnr. 100. 263 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl. 1991, S. 152; Pieroth/Schlink, Aufl. 1990, Rdnr. 1045; Maurer, ebd., in: FS Günter Dürig 1990, S. 293 (310 ff.). 264 265

Grundrechte, 6.

So auch Lege, Enteignung, NJW 1990, S. 864 (869).

Vgl. zu den Grundlagen: Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 1990, § 26 Rdnr. 41 ff. mit weit. Nachw.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl. 1991, S. 173 ff.; Steinberg/Lubberger, Aufopferung - Enteignung und Staatshaftung, 1991, S. 327 ff. Zur verfassungsrechtlichen Beurteilung siehe: Böhmer, Abgrenzung von Sozialbindung und Enteignung, Der Staat 1985, S. 157 (194 f.); Bryde, in: von Münch (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 1, 3. Aufl. 1985, Art. 14 GG Rdnr. 101; Kreft, Eigentumsgarantie, in: FS Geiger 1989,

158

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmati des BVerfG

als der sog. enteignende Eingriff - mit der Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 14 GG. Ausgehend von der strikten Trennung zwischen Inhaltsbestimmung und Enteignung und dem zwingenden Gebot, die Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG zu erfüllen, ist eine Verankerung eines solchen Anspruches in Art. 14 GG nicht möglich und liefe dem grundrechtlichen Schutzsystem des Eigentums zuwider. Dies wird inzwischen selbst von wohlwollenden Befürwortern des enteignungsgleichen Eingriffs so gesehen266. Entweder es liegt begrifflich eine ("klassische" oder "Aufopferungs-") Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG vor, dann ist ausschließlich Art. 14 Abs. 3 GG einschlägig; diese Vorgaben sind aber bei der vorliegenden Fallgruppe rechtswidrigen Handelns gerade nicht eingehalten267. Oder die Rechtfertigungsgründe des Art. 14 Abs. 3 GG liegen nicht vor, dann bleibt ein Eingriff in die Bestandsgarantie des Eigentums, falls er vorliegt, unzulässig und müßte abgewehrt werden. Sofern dies nicht geschieht, hat der Betroffene den auch aus verfassungsrechtlicher Sicht rechtswidrigen Eingriff entschädigungslos zu dulden; er kann jedenfalls nicht den Eingriff dulden und dennoch Entschädigung verlangen. Insoweit gilt der Vorrang des Primärrechtsschutzes268, vgl. unten Ziff. 9, S. 162 f. Allenfalls soweit eine (gerichtliche) Abwehr eines aus verfassungsrechtlicher Sicht rechtswidrigen Eingriffs nicht oder nicht rechtzeitig möglich war, besteht auch hier ein Bedürfnis, eine Anspruchsgrundlage für die Entschädigung solcher speziellen Härtefälle bereitzustellen. Insoweit - und damit ausschließlich subsidiär - könnte auch der enteignungsgleiche Eingriff noch eine Daseinsberechtigung haben269. Die Begründung für dieses HaftungsinS. 399 ff.; Kutschera, Bestandsschutz im öffentlichen Recht, Zugleich ein Beitrag zur Dogmatik des Art. 14 GG, 1990, S. 155 ff.; Maurer, ebd., § 26 Rdnr. 60 ff., 73; Ossenbühl, Der Anspruch wegen rechtswidriger Eigentumsverletzung, in: FS Geiger 1989, S. 475 ff.; Scherzberg, Die Subsidiarität des "enteignungsgleichen Eingriffs", DVB1.1991, S. 84 ff.; Papier, Grundfalle zu Eigentum, Enteignung und enteignungsgleichem Eingriff, JuS 1989, S. 630 ff. (insbes. 633 ff.); ders., in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 22. Lfrg. 1983 (Stand 29. Lfrg. 1991), Art. 14 Rdnr. 636 ff.; vgl. Pieroth/Schlink, Grundrechte, 7. Aufl. 1991, Rdnr. 1042 ff. mit. weit. Nachw. pro und contra. 266 Ossenbühl, ebd., in: FS Geiger 1989, S. 475 (476 f.). - Anderer Ansicht allerdings Krefi, Eigentumsgarantie, in: FS Geiger 1989, S. 399 (409 ff., 414); Maurer, ebd., § 26 Rdnr. 73, bezüglich nicht gezielter, rechtswidriger Eingriffe oder Realakte, der dann allerdings (ebd., § 26 Rdnr. 74) für rechtswidrige Eingriffe wieder derselben Ansicht ist, wie hier vertreten; z.T. auch Papier, ebd., JuS 1989, S. 630 (635 f.). 267

So auch Ossenbühl, ebd., in: FS Geiger 1989, S. 475 (478).

268

So auch ausdrücklich in diesem Zusammenhang Papier, Grundfalle zum Eigentum, Enteignung und enteignungsgleichem Eingriff, JuS 1989, S. 630 (636). 269

Vgl. vor allem Maurer, Enteignungsbegriff und Eigentumsgarantie, in: FS Günter Dürig 1990, S. 293 (314 ff.); ders., Allg. Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 1990, § 26 Rdnr. 75; ders., Enteignender Eingriff und ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung, DVB1. 1991, S. 781 (783 f.); Ossenbühl, Der Anspruch wegen rechtswidriger Eigentumsverletzung, in: FS Geiger 1989, S. 475

III. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes

159

stitut läßt sich allerdings nicht aus Art. 14 GG ableiten270, sondern könnte dann allenfalls auf den Gedanken der Aufopferung oder gewohnheitsrechtliche Verfestigung gestützt werden 271. Dabei ist dieser Anspruch durchaus nicht vollständig von Art. 14 GG (oder ggf. jedem anderen Grundrecht) "abgekoppelt" - sondern kann lediglich nicht daraus abgeleitet werden -, denn erste Voraussetzung für das Vorliegen eines derartigen Anspruches ist die Verletzung des Grundrechts, also muß zu allererst ein Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts festgestellt werden 272. Auch hier ist jedoch die Terminologie "enteignungs-"gleich unzutreffend und irreführend (vgl. oben). 8. Abgrenzung Inhaltsbestimmung des Eigentums - Enteignung Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums und Enteignung lassen sich zunächst grob dadurch unterscheiden, daß inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG generell und abstrakt die Rechte und Pflichten des Eigentümers festlegen sollen, die Enteignung dagegen charakterisiert ist durch den Entzug konkret zugeordneter, bereits erworbener subjektiver Eigentums- oder Rechtspositionen und damit in der Regel - jedenfalls bei der Administrativenteignung - durch konkret-individuelle Regelung erfolgt. Wichtige Anhaltspunkte gibt die grundsätzliche Intention der jeweiligen Vorschriften 273. Inhaltlich sind beide Varianten danach abzugrenzen, ob es sich um einen vollständigen oder teilweisen Entzug konkreter subjektiver Rechtspositionen handelt (Enteignung) oder ob lediglich eine Beschränkung der Eigentümerposition vorliegt (Inhalts- und Schrankenbestimmung). Bei einem vollständigen Entzug konkreter subjektiver Rechtspositionen wird das Zuordnungsverhältnis zwischen Subjekt und Objekt aufgelöst, bei einem teilweisen Entzug bleibt dieses zwar bestehen, der Zugriff betrifft aber einen rechtlich verselbständigten, wesentlichen Teil des Eigentums(-rechts) (vgl. oben Ziff. 6, S. 146 f.). Alle anderen, geringeren (492 f.); Papier, Grundfälle zu Eigentum, Enteignung und enteignungsgleichem Eingriff, JuS 1989, S. 630 (635 f.). 270 Anderer Ansicht Maurer, Enteignungsbegriff und Eigentumsgarantie, in: FS Günter Dürig 1990, S. 293 (314, 316); ders., Allg. Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 1990, § 26 Rdnr. 74; ders., Enteignender Eingriff und ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung, DVB1. 1991, S. 781 (784 insbes. in FN 28); Kreft, Eigentumsgarantie, in: FS Geiger 1989, S. 399 (405 f., 410,413 ff.). 271

Sofern dies überhaupt möglich ist; das wird bestritten von von Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 53 ff. 272

Vgl. Ossenbühl, Der Anspruch wegen rechtswidriger Eigentumsverletzung, in: FS Geiger 1989, S. 475 (486 f.). 273 Vgl. dazu auch Steinberg/Lubberger, Aufopferung - Enteignung und Staatshaftung, 1991, S. 153 ff.

160

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmati des BVerfG

Beeinträchtigungen des Eigentums (keine wesentliche Einbuße, keine qualitative Veränderung des Eigentumsrechts) sind dagegen bloße Beschränkungen, die der Eigentümer in der Regel im Rahmen der Sozialbindung nach Art. 14 Abs. 2 GG als inhalts- und schrankenbestimmende Regelung zu dulden hat. Eine Enteignung liegt dabei nur dann vor, wenn dem Eigentümer eine Befugnis entzogen wird, die zum Eigentumsinhalt gehört. Die Berücksichtigung von Gemeinwohlbelangen und damit die Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Sozialgebots ist Teil der Bestimmung des Eigentumsinhalts274. Demnach enthält das Grundgesetz nur die beiden Alternativen sozial gebundenes Eigentum - trotz der Bindung bleibt das Eigentum als solches bestehen und ist gewährleistet - oder Enteignung. Eine andere Möglichkeit besteht nicht. Eine verfassungswidrige gesetzliche Inhaltsbestimmung ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht möglich und nichtig; sie kann niemals in eine entschädigungspflichtige "Enteignung" umgedeutet werden, sondern behält ihren Rechtscharakter als Regelung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG 275 . Die Abgrenzung kann jedoch nicht in allen Fällen von vornherein eindeutig vorgenommen werden. Es kann auch Fälle geben, in denen durch eine in die Zukunft gerichtete, an sich inhalts- und schrankenbestimmende Regelung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG GG gleichzeitig auch zuvor schon bestehende, subjektive Rechtspositionen entzogen oder gemindert werden. Das war vom BVerfG in der Naßauskiesungsentscheidung etwa hinsichtlich der Erlaubnispflicht der Grundwassernutzung geprüft, dort aber verneint worden276. Eine solche, auch bestehende subjektive Eigentumspositionen betreffende, inhaltsbestimmende Regelung sollte nach der zunächst geäußerten Ansicht des BVerfG etwa dann eine den Anforderungen nach Art. 14 Abs. 3 GG unterliegende Legalenteignung sein, wenn von einer rechtlich eingeräumten Nutzungsbefugnis auch tatsächlich bereits Gebrauch gemacht worden sei277. Dies wurde wegen der dabei zwischen Inhaltsbestimmung und Enteignung entstehenden Abgrenzungsprobleme, die dann doch wieder die Anwendung der Schwere- oder Sonderopfertheorie erfordern würden, allerdings als problematisch angesehen ("offene Flanke" der Eigentumsdogmatik

274

Vgl. BVerfGE 58, 300 (336).

275

BVerfGE 51, 193; 52, 1 (27 f.); 58, 137 (148); 58, 300 (320); vgl. auch Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 77 f., 82. 276

BVerfGE 58, 300 (337 f.).

277

BVerfGE 52,1 (28 m.w.N.); 58, 300 (331 f., 338, 348 ff.).

III. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes

161

des BVerfG) 278 . Ob allerdings bei diesem Fall der "unechten" Legalenteignung - damit sollen, im Gegensatz zu einer etwa im hamburger Deichordnungsfall vorliegenden sog. echten Legalenteignung, diejenigen Fälle umschrieben sein, in denen der Gesetzgeber keine förmliche Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG durchführt, sondern hauptsächlich eine inhaltsund schrankenbestimmende Regelung schafft - tatsächlich ein Abgrenzungsproblem besteht, wird jedoch in Frage gestellt279. Zur Begründung wird ausgeführt, es handele sich hier eher um ein Problem der anpassenden, d.h. schonenden und flexiblen Übergangsregelungen und damit um einen Härteausgleich durch Entschädigung, dessen Grundlage deshalb in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG zu sehen sei. Dabei weist zumindest der Ausgangspunkt dieser Ansicht, die Unterscheidung zwischen "echter" (= Entziehung von Rechtspositionen direkt durch Gesetz, förmliche Enteignung280) und "unechter" Legalenteignung, auf einen wichtigen Gesichtspunkt hin, nämlich daß es sich bei diesen beiden, unpräziserweise gleich bezeichneten Fallgruppen, um zwei voneinander zu trennende Bereiche handelt, die unterschiedliche Ansätze haben. Nach den formalen Abgrenzungskriterien: abstrakt-generelle oder konkret-individuelle Regelung ist die sog. echte Legalenteignung eine Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG und unterliegt daher dessen Voraussetzungen. Die sog. unechte Legalenteigfxung erfaßt dagegen Regelungen, die in ihrem Ansatz und auch von ihrem Schwerpunkt her Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Gesetzgebers sind und dies auch bleiben, selbst wenn sie zugleich bereits bestehende, subjektive Rechtspositionen entziehen oder mindern. Diese Fälle sind und bleiben daher in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG angesiedelt. Soweit es dabei um eine generelle Neugestaltung eines Rechtsgebietes geht, ist nach einer Entscheidung des BVerfG aus jüngerer Zeit Art. 14 Abs. 3 GG jedenfalls dann nicht unmittelbar anwendbar, wenn der Gesetzgeber dabei bestehende Rechte abschafft, für die es im neuen Recht keine Entsprechung gibt 281 . Der Gesetzgeber darf im Rahmen seiner Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung Eigentumsrechten sowohl einen neuen Inhalt geben und neue Rechte einführen als auch das Entstehen von Rechten, die nach bisherigem Recht möglich waren, für die Zukunft ausschließen. Der Ge278

Vgl. z.B. Bryde, in: v. Münch, Grundgesetzkommentar, Bd. 1, 3. Aufl. 1985, Art. 14 Rdnr. 54 m. weit. Nachw.; Schink, Umweltschutz - Eigentum, DVB1.1990, S. 1375; Schoch, Eigentumsgarantie, Jura 1989, S. 113 (121).

279

Maurer, Enteignungsbegriff und Eigentumsgarantie, in: FS Günter Dürig 1990, S. 293 (307 ff.). Die unterschiedlichen Fälle der Legalenteignung sind der Sache nach bereits beschrieben bei Hendler, Zur bundesverfassungsgerichtlichen Konzeption der grundgesetzlichen Eigentumsgarantie, DVB1.1983, S. 873 (877). 280 Maurer, ebd., in: FS Günter Dürig 1990, S. 293 (306 f.). 281

BVerfGE 83, 201 (211 ff.).

11 Melchìnger

162

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmatil· des BVerfG

setzgeber darf sogar bereits nach altem Recht begründete Rechtspositionen der Neuregelung angleichen. Die Eigentumsgarantie gebietet insoweit nicht, einmal ausgestaltete Rechtspositionen für alle Zukunft in ihrem Inhalt unangetastet zu lassen. Es handelt sich in all diesen Fällen ausschließlich um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 GG. Auch nach Ansicht des BVerfG kann es jedoch bei einer solchen generellen Neugestaltung eines Rechtsgebiets entsprechend dem Rechtsgedanken des Art. 14 Abs. 3 GG u.U. geboten sein, die Umgestaltung oder Beseitigung eines Rechtes durch eine Entschädigungs- oder Übergangsregelung abzumildern. In der Literatur wird deshalb inzwischen die Auffassung vertreten, durch diese Entscheidung sei die frühere Ansicht des BVerfG vom "Nebeneinander" von Inhalts- und Schrankenbestimmung und Legalenteignung überholt 282 . Dem kann jedoch nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Denn die Entscheidung des BVerfG betraf ausdrücklich nur die generelle Neugestaltung eines Rechtsgebietes. Alle sonstigen Fälle, in denen Inhalts- und Schrankenbestimmungen für die in der Vergangenheit erworbenen Rechte wie eine Enteignung wirken, unterliegen auch weiterhin den Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG. So ist jedenfalls die bisherige Rechtsprechung des BVerfG zu verstehen, die solche Fälle ausdrücklich als Legal-Menteignung" bezeichnet. Im Ergebnis ist daher Maurer sowohl im Hinblick auf seinen Ansatz, zwischen echter und unechter Legalenteignung zu unterscheiden, als auch seiner Einordnung als Härteausgleichsentschädigung zuzustimmen. Seiner Verankerung der Härteausgleichsentschädigung in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG kann bisher entsprechend der BVerfG-Rechtsprechung nur für die Fälle der generellen Neugestaltung eines Rechtsgebiets zugestimmt werden. Daneben sind jedoch weiterhin Fälle denkbar, in denen gleichzeitig eine Inhalts- und Schrankenbestimmung und eine Enteignung vorliegen können. 9. Gebot des Primärrechtsschutzes Gegen rechtswidrige Eingriffe in das Eigentum ist nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG i.V.m. der Regelzuweisung des § 40 VwGO vorrangig der verwaltungs- (und verfassungs-) gerichtliche Schutz in Anspruch zu nehmen. Der Betroffene hat einen Anspruch auf Abwehr und Beseitigung des verfassungswidrigen Zustandes283. Da die heutige verfassungsrechtliche Eigentumsgewährleistung im Gegensatz zu früheren Verbürgungen auch ein sub282

Osterloh, Eigentumsschutz, Sozialbindung und Enteignung bei der Nutzung von Boden und Umwelt, DVB1.1991, S. 906 (913). 283 BVerfGE 45, 63 (76); 45, 297 (333 f.); 51, 300; 58, 300 (322 ff.); vgl. 24, 367 (396); Böhmer, Abgrenzung von Sozialbindung und Enteignung, Der Staat 1985, S. 157 (179).

IV. Veränderungen im historischen Vergleich

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jektives Abwehrrecht gewährt und die Rechtsträgergarantie im Vordergrund steht, ist es aus verfassungsrechtlicher Sicht konsequent und zutreffend, wenn das BVerfG bei einer (Eigentums-)Grundrechtsverletzung eine finanzielle Entschädigung des Eigentümers nicht als ausreichend erachtet, sondern dem Betroffenen eine Anfechtungslast und Anfechtungspflicht auferlegt. Der Betroffene muß auf verwaltungs- und verfassungsgerichtlichem Weg den behaupteten Verstoß gegen die grundrechtliche Eigentumsgarantie geltend machen. Er kann nicht einerseits einen (grund-) rechtswidrigen Zustand hinnehmen und dafür auf der anderen Seite Entschädigung verlangen284. Das wäre ein in sich widersprüchliches Verhalten.

IV. Veränderungen im historischen Vergleich 1. Art. 14 GG - Art. 153 WRV Sowohl die dargelegte zentrale Bedeutung der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als auch der wesentlich engere, ausschließlich auf bestimmte, vorgegebene Eingriffstatbestände beschränkte und formale Enteignungsbegriff des Art. 14 Abs. 3 GG zeigen, daß sich die verfassungsrechtliche Sicht unter der Geltung des Grundgesetzes gegenüber Art. 153 WRV und insbesondere gegenüber dessen Interpretation durch das Reichsgericht 285 grundlegend gewandelt hat. Der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz ist heute nicht mehr abhängig vom Enteignungsbegriff und nicht mehr auf einen Entschädigungsanspruch (Wertausgleich) reduziert. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Eigentums wird vor allem als Rechtsträgergarantie und nicht mehr als bloße Wertgarantie verstanden. Art. 14 GG ist in erster Linie ein Freiheitsrecht und bietet einen entsprechenden grundrechtlichen (Abwehr-) Schutz, den Art. 153 WRV noch nicht enthielt286. Dennoch herrschte diese Auffassung von der Wertgarantie auch unter der Geltung des Art. 14 im Grundgesetz noch lange Zeit vor und ist zum Teil noch immer erkennbar 287. Da unverhältnismäßige oder nicht durch eine förmliche Enteignung vorgenommene Eigentumsbeschränkungen oder 284

BVerfGE 58, 300 (324).

285

Vgl. zur Interpretation des Art. 153 WRV ausführlich oben § 31, S. 88 ff.

286 287

Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 44 f.

Vgl. die grundsätzliche und ausführliche Kritik insbesondere an der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte und deren Verständnis von Art. 14 GG bei Böhmer, Abgrenzung von Sozialbindung und Enteignung, Der Staat 1985, S. 157 (158 ff., 165 ff., 177 f., 180 f., 192 ff.); sowie Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 41 f.

164

§ 4 Eigentum nach Art. 14 GG - Dogmati des BVerfG

Eigentumsentziehungen als Eingriff in das durch Art. 14 GG gewährleistete Eigentum einen Grundrechtseingriff darstellen, der als solcher abgewehrt werden kann, gibt es unter dem Grundgesetz keine Pflicht zur Duldung rechtswidriger Eigentumseingriffe mehr. Der Satz "dulde und liquidiere" hat mithin seine Geltung verloren 288. 2. Zum Begriff der öffentlich-rechtlichen

Beschränkung

Es ist noch darauf hinzuweisen, daß die Einbeziehung der öffentlichrechtlichen Beschränkungen und Bindungen des Eigentums in den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff des Grundgesetzes im historischen Vergleich sorgfältig zu unterscheiden ist von den staatlichen Beschränkungen des Eigentums, gegen die sich die freiheitlich-liberalen Bestrebungen des 19. Jahrhunderts wandten, indem sie die Auffassung vom absoluten Eigentum, d.h. der unbeschränkten Herrschaftsbefugnis über die Sache, propagierten und durchsetzten. Jene Bestrebungen im 19. Jahrhundert waren auf die Durchsetzung des Eigentums als Freiheitsrecht und damit gegen die damals noch bestehenden, umfassenden obrigkeitlichen und hoheitlichen Zugriffsmöglichkeiten gerichtet, denen noch die Vorstellung eines gegenüber seinem Untertanen allmächtigen Staates zugrundelag, in dem es noch keine eigene Freiheitssphäre des einzelnen Bürgers gab. Dieser Schritt zum absoluten Eigentumsverständnis war erforderlich, um jenes Herrschafts- und Staatsverständnis zu überwinden, und um schließlich zur heutigen Sicht und Garantie grundrechtlicher Verbürgungen und Freiheiten auch mit der subjektiven Abwehrrichtung kommen zu können. Die auch heute noch insbesondere von zivilrechtlicher Seite oftmals kritisierte Berücksichtigung eines Sozialbezuges im Sinne von Art. 14 Abs. 2 GG und dessen Einbeziehung in den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff hat jedoch mit den damaligen staatlichen Beschränkungs- und Zugriffsbefugnissen nichts zu tun. Heute steht an erster Stelle die Freiheits- und Eigentumsgarantie, und unter dieser Prämisse geht es um die Sozialverträglichkeit und damit um die Berücksichtigung des Gemeinwohls und der Interessen der Allgemeinheit, also der Rechtsgemeinschaft insgesamt und somit um die Beachtung der legitimen Interessen Dritter, der Mitmenschen, der Umwelt etc. Dies als Rückkehr zu den Zuständen des 19. Jahrhunderts zu bezeichnen, wäre verfehlt. Es handelt sich bei den damaligen staatlichen Bindungen und Beschränkungen des Eigentums um etwas fundamental anderes als beim Sozialbezug des Art. 14 288

So schon im Jahre 1985: Böhmer, Abgrenzung von Sozialbindung und Enteignung, Der Staat 1985, S. 157 (179); ebenso inzwischen auch Baur, J.F., in: Soergel/Siebert, BGB-Kommentar, Bd. 6, § 903 Rdnr. 190; ferner Hermes, Vorrang verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, NVwZ 1990, S. 733 f.

I. Eingriffsdogmatik

165

Abs. 2 GG. Hier geht es keineswegs wieder um Befugnisse, die dem Staat und der Obrigkeit eingeräumt werden sollen. Aus diesem Grund steht die heutige verfassungsrechtliche Sicht des Eigentums auch nicht im Widerspruch zu einer "freiheitlich-liberalen" Auffassung.

§ 5 Eigener Ansatz für die verfassungsrechtliche Prüfung und Beurteilung eigentumsrelevanter Regelungen und Maßnahmen I. Eingriffsdogmatik Auf der Basis der im vorigen Abschnitt dargelegten und bereits um eigene Überlegungen ergänzten bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsdogmatik werden nunmehr die relevanten Maßstäbe und Kriterien unter dem Blickwinkel von Prüfungs- und Aufbauschemata noch weiter systematisiert und geordnet, um eine Grundlage für die im anschließenden vierten Teil vorzunehmende Beurteilung der im Denkmalschutzrecht vorgesehenen Regelungen und Maßnahmen zu erhalten. Eine Durchsicht der gegenwärtig dazu vorhandenen und im folgenden eingearbeiteten Literatur zeigt, daß diese Fragen bislang noch nicht abschließend beantwortet und geklärt sind. 1. Grundlagen der Grundrechtsprüfung a) Zweigliedriger Prüfungsaufbau Bei der Ermittlung von unzulässigen Grundrechtseingriffen, also bei der Frage nach der Verletzung von Grundrechten, geht die überwiegend vertretene Auffassung zur Grundrechtsdogmatik vereinfacht gesagt - die jeweilige Terminologie und weitere Differenzierungen im Einzelnen sind unterschiedlich - von einem sog. zweigliedrigen Prüfungssystem aus und unterscheidet zwischen Schutzbereich und Schranken des Grundrechts 1. Ein hoheitlicher Eingriff in den Schutzbereich muß durch einen SchrankenvorbeZ.B. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 1989, Voib. vor Art. 1, Rdnr. 10, 12 ff. und 23 ff. sowie Art. 14 Rdnr. 5 ff.; v. Münch, in: v. Münch (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 3. Aufl. 1985, Voib. Art. 1-19 Rndr. 48 ff. und 52 ff.; vgl. auch Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 22. Lfrg. 1983 (Stand 29. Lfrg. 1991), Art. 14 insbes. Rdrnr. 57 ff. und 249 ff..

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$ 5 Eigener Ansatz für die verfassungsrechtliche Prüfung und Beurteilung

halt legitimiert bzw. gerechtfertigt sein, damit keine Verletzung des grundrechtlich garantierten Freiheitsbereiches vorliegt. Die Fallprüfung erfolgt danach in drei Schritten: Bestimmung des Schutzbereiches, Feststellung eines Eingriffs, Frage nach einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Eingriffs (Schrankenvorbehalt) 2. Demgegenüber wird etwa von K. Hesse 3 zwischen der Ausgestaltung und der Begrenzung der Grundrechte unterschieden, wobei unter die Begrenzung sowohl die Frage der sachlichen Reichweite des Grundrechts als auch die Grenzziehung durch Gesetzesvorbehalte fallen. Bei dem sog. zweigliedrigen Aufbau wird im Unterschied zum 'Regelungsbereich 9 als dem Lebensbereich, in dem das Grundrecht gilt, mit 'Schutzbereich 9 der grundrechtlich geschützte Lebensbereich, der Grundrechtstatbestand, der Bereich, den die Grundrechtsnorm aus der Lebenswirklichkeit als Schutzgegenstand herausschneidet, bezeichnet4. Bei Art. 14 GG ist eine exakte Zweiteilung in Schutzbereich und Schranken wegen der besonderen Struktur dieses Grundrechts problematisch. Deshalb wird auch von der herrschenden Auffassung der sog. zweigliedrige Prüfungsaufbau in bezug auf Art. 14 GG jedenfalls im Ergebnis nur in modifizierter Form angewandt5. Die Schwierigkeiten der Anwendung des klassischen Prüfungsaufbaus bei Art. 14 GG beruhen darauf, daß Ausgangspunkt für die grundrechtliche Gewährleistung des Art. 14 GG in seiner Funktion als Abwehrrecht nach Auffassung des BVerfG grundsätzlich die nach den einfachen Gesetzen bestehende Rechtsposition ist, aus der sich die konkrete Reichweite des Schutzes durch Art. 14 GG (Bestandsgarantie) ergibt (vgl. oben § 4 III 1 b, S. 125 f.) 6. Als Maßstab für den Umfang des grundrechtlichen Schutzes kann nicht der sich aus Art. 14 GG ergebende verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff zugrundegelegt werden; dies würde zu weit gehen. Nur wenn der Gesetzgeber grundsätzlich einen Sachbereich regelt, der als Privateigentum anzusehen ist, dann unterliegt eine Verringerung/Beschränkung der insoweit vom Gesetzgeber geregelten Eigentumsposition den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 2 GG. Auf dieser Grundlage wird der Schutzbereich im darge2

Vgl. nur Lege, Enteignung und "Enteignung", Zur Vereinheitlichung der BGHRechtsprechung mit Art. 14 GG, NJW 1990, S. 864 ff; Pieroth/Schünk, Grundrechte, Staatsrecht II, 7. Aufl. 1991, Rdnrn. 225 ff.. 3 K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 17. Aufl. 1990, Rdnr. 303 ff. 4

Pieroth/Schlink,

Grundrechte, 7. Aufl. 1991, Rdnr. 229; vgl. auch Κ Hesse, ebd., Rdnr.

310. 5

So auch Schoch, Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, Jura 1989, S. 113 ff. (115); vgl. die Kommentare und aus der Studienliteratur etwa Pieroth/Schlink, ebd., Rdnrn. 1051 a, b. 6 Leibholl/Rinck/Hesselberger, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 6. Aufl./19. Lfrg. Oktober 1990, Art. 14 Rdnr. 82 und 521.

I. Eingriffsdogmatik

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legten zweigliedrigen Prüfungssystem durch den Umfang der einfachgesetzlich normierten Rechtsposition festgelegt 7. Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff wird allerdings ebenfalls benötigt, und zwar um zunächst, bevor die Frage nach der Verletzung der inhaltlichen Garantien des Art. 14 GG gestellt werden kann, zu ermitteln, ob Art. 14 GG überhaupt, d.h. grundsätzlich einschlägig und anwendbar ist, etwa in Abgrenzung zum Anwendungsbereich anderer Grundrechte. Anhand des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffes wird somit der Normbereich 8 bzw. das Schutzobjekt9 des Art. 14 GG festgestellt. Da der Schutzbereich des Art. 14 GG durch die vom einfachen Gesetzgeber festgelegte Rechtsposition umschrieben wird und der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff sich deshalb in das sog. zweigliedrige Prüfungsschema nicht einordnen läßt, ist dieses hier in seiner reinen Form nicht anwendbar. Das wird auch von der vorherrschenden Auffassung in der Literatur so gesehen; so geht etwa Bryde, angeregt durch den Wortlaut des Art. 14 GG, gesondert auf die "Gewährleistung" des Grundrechts ein10, und Pieroth/Schlink unterscheiden unter der Überschrift 'Schutzbereich' ausdrücklich zwischen 'Begriff des Eigentums' und 'Umfang des Eigentums'11. Zudem wird vor allem auch vom BVerfG in dieser Weise differenziert, wenn es neben den NBegriff des Eigentums im verfassungsrechtlichen Sinn" ausdrücklich den HUmfang der Gewährleistung des konkreten Eigentums" stellt12. b) Konzeption eines dreigliedrigen Prüfungsaufbaus Die soeben beschriebene Abweichung vom sonst üblichen dogmatischen Ansatz bei Grundrechtsprüfungen könnte durch einen etwas anders strukturierten dogmatischen Ansatz vermieden werden. So gibt es in Ergänzung der vorgenannten Grundrechtsdogmatik einen Ansatz, der von einem dreigliedrigen Prüflings- und Außauschema ausgeht und neben Schutzbereich und Schranken - bei ansonsten gleicher Struktur in bezug auf Eingriff und Schrankenvorbehalt - auch einen Gewährleistungsinhalt unterscheidet. Diese Unterscheidung wird - soweit ersichtlich - erstmals erwähnt in einem Sondervotum der Richter am Bundesverfassungsgericht Mahrenholz und

In K. Hesses Terminologie: "Ausgestaltung" des Eigentumsschutzes, siehe ders., Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 17. Aufl. 1990, Rdnr. 448. 8

9 10

Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 17. Aufl. 1990, Rdnr. 310. Schoch, Eigentumsgarantie, Jura 1989, S. 115. Bryde, in: v. Münch (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 1,3. Aufl. 1985, Vorb. Art. 14 Rdnr. 30 ff.

11

Pieroth/Schlink,

12

BVerfGE 58, 300 (335).

Grundrechte, 7. Aufl. 1991, Rdnrn. 995 ff. und 1006 ff.

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5 Eigener Ansatz für die verfassungsrechtliche Prüfung und Beurteilung

Böckenförde vom 24.4.198513, in dem ausdrücklich von "Schutzbereich und Gewährleistungsinhalt dieses Grundrechts" die Rede ist14. In diesem dreigliedrigen Prüfungsansatz bezeichnet der Schutz- bzw. Normanwendungsbereich die Umschreibung des grundsätzlichen, gegenständlichen Anwendungsbereiches eines Grundrechtes und damit den vom Grundrecht erfaßten Lebensbereich - etwa "Kunst" bei Art. 5 Abs. 3 GG oder "Gewissen" bei Art. 4 Abs. 1 GG etc. Davon getrennt zu bestimmen ist der Gewährleistungsinhalt des jeweiligen Grundrechts. Dabei geht es um die konkrete Ermittlung des genauen Inhaltes und des Umfanges der dem Gegenstandsbereich des Grundrechts zukommenden Gewährleistung15. Auf dieser zweiten Ebene wird das durch das jeweilige Grundrecht im einzelnen Gewährleistete und Garantierte bzw. Verbürgte, mithin die Schutzwirkung des Grundrechts und damit die genaue Reichweite des grundrechtlichen Schutzes herausgearbeitet - etwa der genaue Umfang der "Kunstfreiheit" oder der "Gewissensfreiheit" etc. Ein durch einen Schrankenvorbehalt zu rechtfertigender Eingriff liegt danach nur dann vor, wenn der Gewährleistungsinhalt beeinträchtigt ist und nicht schon dann, wenn lediglich der Schutz- oder Normanwendungsbereich betroffen ist. Zur Verdeutlichung kann dieses dreigliedrige Konzept anhand der Beispiele Kunstfreiheit, Gewissensfreiheit oder Forschungsfreiheit erläutert werden: Von der Frage, was Kunst begrifflich ist (Normanwendungsbereich), wäre die Frage zu trennen, welche Befugnisse die Kunstfreiheit gibt, welchen Inhalt die Gewährleistung des Art. 5 Abs. 3 GG hat. Dazu gehört etwa nicht die Befugnis, Eigentum anderer in Anspruch zu nehmen. Dies hat auch der Vorprüfungsausschuß des BVerfG in der Entscheidung zum Fall des Sprayers von Zürich (Nägeli-Fall) angenommen, in der es heißt, die "Reichweite [des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG] erstreckt sich ... von vornherein nicht auf die eigenmächtige Inanspruchnahme oder Beeinträchtigung fremden Eigentums zum Zwecke der künstlerischen Entfaltung" 16. Zum Gewährleistungsinhalt des Art. 5 Abs. 3 GG würde demnach auch nicht die Erlaubnis, die Umwelt zu verschmutzen gehören (Bsp.: durch Ölverlust etwa das Grundwasser gefährdende Schrott- oder Altautos als Kunstwerke in der freien Landschaft) und schließlich nicht die Befugnis, 13

BVerfGE 69,1/57 ff. (65).

14

Das hier dargelegte Konzept geht im Wesentlichen zurück auf Herrn Richter am BVerfG Prof. Dr. E.-W. Böckenßrde, der diese Überlegungen wiederholt in verschiedenen Gesprächsrunden dargelegt und zur Diskussion gestellt hat. Vgl. dazu ebenfalls Wahl, Forschungs- und Anwendungskontrolle technischen Fortschritts als Staatsaufgabe? - dargestellt am Beispiel der Gentechnik, in: Gentechnikrecht und Umwelt (UTR Bd. 14), 1991, S. 7 (32 ff.). 15

Wahl, ebd., S. 7 (33).

16

BVerfG, NJW 1984, S. 1293 (1294).

I. Eingriffsdogmatik

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etwa denkmalgeschützte Bauwerke in irgendeiner Weise durch künstlerische Betätigung zu beeinträchtigen. - Ähnliches gälte für die Forschungsfreiheit 17. Auch hier würde - abgelöst von der Frage, was Forschung ist (Begriff, Normanwendungsbereich) - der Inhalt der Gewährleistung nicht die Befugnis umfassen, fremde Rechtsgüter, etwa Eigentum, zu beeinträchtigen - jedenfalls soweit dabei Grundrechte anderer betroffen sind. - Die Gewissensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG schließlich würde gewährleisten, das eigene Gewissen nicht mit Entscheidungen und Handlungen belasten zu müssen, von denen der Einzelne glaubt, sie nicht ohne Gewissensnot ausführen zu können. Davon nicht mehr umfaßt wäre es etwa, die Rettung des eigenen Kindes durch die Verweigerung der Zustimmung zu einer lebensrettenden Bluttransfusion oder Operation zu verhindern, auch wenn die Eltern dies nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können, etwa weil sie einer entsprechenden religiösen Richtung angehören. Hier ginge die Gewährleistung der Gewissensfreiheit so weit, daß diesen Eltern eine solche Zustimmung nicht abverlangt werden kann. Sie könnten aber darüber hinaus nicht auch die Zustimmung etwa durch einen gerichtlich bestellten Ersatzpfleger etc. verhindern. Nur sie selbst würden von dieser Gewissensentscheidung freigestellt, für eine etwaige Entscheidung durch befugte Dritte trügen sie keine Verantwortung, dadurch wäre ihre Gewissensfreiheit nicht tangiert. Anlaß für die Entwicklung dieses dreigliedrigen Ansatzes waren hauptsächlich die besonderen Probleme, die überwiegend bei den vorbehaltlosen Grundrechten dadurch entstanden sind, daß insbesondere in den genannten Beispielen bei der herkömmlichen, zweistufigen Sicht zunächst allein über den Sach- und Regelungsbereich ein sehr weiter Schutzbereich eröffnet wird. Dabei gelingt es dann meist nicht mehr mit dogmatisch überzeugenden Mitteln, auf der Ebene der - gerade nicht vorhandenen - Schranken zu akzeptablen Ergebnissen zu gelangen und den zunächst eröffneten Freiheitsbereich im erforderlichen Umfang wieder zu begrenzen. Im Grundsatz besteht Einigkeit darüber, daß solche Begrenzungen notwendig sind. Der Vorzug des dreigliedrigen Ansatzes liegt darin, daß der die grundrechtliche Garantie umschreibende Gewährleistungsinhalt in der Regel wesentlich genauer zu bestimmen wäre, als der oft recht weit gefaßte Schutzbereich des sog. zweigliedrigen Schemas, bei dem die Frage des Normanwendungsbereiches mit der des Inhaltes des Gewährleisteten vermischt werden. Die meisten Schwierigkeiten, die bei Anwendung des sog. zweigliedrigen Schemas erst auf der Ebene des Schrankenvorbehalts auftauchen und dort dann zuweilen durch dogmatisch etwas fragwürdige Konstruktionen, wie etwa der Ableitung von materiellen Gehalten aus reinen Kompetenzbestimmungen 17

Dazu ausführlich Wahl, Forschungs- und Anwendungskontrolle technischen Fortschritts, in: UTR Bd. 14 (1991), S. 7 (33 ff.).

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5 Eigener Ansatz für die verfassungsrechtliche Prüfung und Beurteilung

des Grundgesetzes18, gelöst werden, würden im Rahmen dieses dreigliedrigen Ansatzes bereits bei der Bestimmung des Gewährleistungsinhalts virulent und könnten bereits auf dieser Ebene gelöst werden. Demzufolge könnten bei Anwendung des dreigliedrigen Ansatzes denn auch die Grundrechtsschranken eng ausgelegt und angewendet werden; für eine Ausweitung der Schrankendogmatik bestünde im Regelfall kein Anlaß. c) Dreigliedriger Ansatz bei Art. 14 GG Im vorliegenden Zusammenhang ist jedoch nur der dogmatische Ansatz bei Art. 14 GG von Bedeutung. Daher kann im Ergebnis offen bleiben, ob jener dreigliedrige Ansatz für die Anwendung auch bei anderen Grundrechten und im Rahmen der allgemeinen Grundrechtsdogmatik ein in sich stimmiges, taugliches und besseres Konzept bieten kann19. Jedenfalls ist der dreigliedrige Ansatz wegen der speziellen dogmatischen Struktur des Art. 14 GG gerade für die systematische Strukturierung der Eigentumsgarantie besonders geeignet. Eine Anwendung auf Art. 14 GG ergibt danach grob vereinfacht folgende Zuordnung: Der Schutz- oder Normanwendungsbereich, d.h. die Frage, ob Art. 14 GG grundsätzlich anwendbar ist, wird bestimmt mit Hilfe des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs. Der Gewährleistungsinhalt, die konkrete Reichweite der von Art. 14 GG garantierten Rechtsstellung, ist hingegen erheblich enger. Er wird maßgeblich von verfassungsrechtlichen Vorgaben gesteuert, dies aber in Abhängigkeit von der jeweiligen inhalts- und schrankenbestimmenden Regelung des Gesetzgebers. Diese abstrakten Vorgaben des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 2 GG gewinnen erst durch den Bezug zu einer konkreten Regelung des inhalts- und schrankenbestimmendenen Gesetzgebers Inhalt und Konturen und entfalten erst in dieser Zusammenschau Grundrechtsschutz. Ohne diesen Bezug können sie für sich genommen wenig Schutz bieten. Unabhängig von der grundrechtsdogmatischen Einordnung bei anderen Grundrechten entspricht diese Differenzierung zwischen Eigentumsbegriff und Umfang der Gewährleistung der Auffassung des BVerfG zur verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik20. Die Literatur weicht gerade in bezug auf Art. 14 GG von dem rein zweigliedrigen Ansatz ab und unterteilt im Ergebnis die einzelnen Prüfungsschritte ebenfalls in drei Teilbereiche (siehe

18

Nachweise siehe unten I 2, S. 171 ff.

19

Zur Kritik daran vgl. etwa Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, 27. Aufl. 1988, § 20 11, S. 153 f. m. weit. Bsp.; Pieroth, Materiale Rechtsfolgen grundgesetzlicher Kompetenz- und Organisationsnormen, AöR 1989, S. 422 (442 f.). 20

BVerfGE 58,300 (335).

I. Eingriffsdogmatik

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oben lit. a am Ende, S. 166 f.) 21. Im folgenden werden die einzelnen, bei Art. 14 GG auftretenden Fallgestaltungen daher in einem dreigliedrigen Prüfungsschema analysiert. Bei der Prüfung des Art. 14 GG wird jeweils zunächst nach dem Normanwendungsbereich des Art. 14 GG, also nach dem 'Begriff des Eigentums', und im zweiten Schritt nach dem Schutz- und Gewährleistungpumfang und -inhalt des Art. 14 GG und damit nach dem 'Umfang des Eigentums' zu fragen sein. Bei den verschiedenen Fallgruppen, die sich im Anwendungsbereich des Art. 14 GG unterscheiden lassen, ist als weitere die Besonderheit zu berücksichtigen, daß die Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums an den Gesetzgeber verwiesen ist. Dies macht eine Unterscheidung zwischen Regelungen mit abstrakt-genereller Wirkung, das können nur solche des inhalts- und schrankenbestimmenden Gesetzgebers selbst sein (unten b), und Maßnahmen mit konkret-individueller Wirkung erforderlich, das sind alle Maßnahmen und Entscheidungen von Seiten der Verwaltung oder der Rechtsprechung, können aber auch solche des inhalts- und schrankenbestimmenden Gesetzgebers sein (unten a). 2. Überprüfung konkret-individueller

Maßnahmen und Regelungen

Diese, die klassische Abwehrrichtung erfassende Fallgruppe betrifft alle konkret und individuell wirkenden Maßnahmen und Entscheidungen der Verwaltung und der Rechtsprechung sowie diejenigen Maßnahmen des Gesetzgebers, die lediglich konkret und individuell ausgerichtet sind, wie etwa sog. echte Legalenteignungen; siehe dazu unten das Schema 2, S. 185 f. a) Normanwendungsbereich Die Eigentumsgarantie betrifft alle Rechtspositionen, die Eigentum im verfassungsrechtlichen Sinne sind. Der Normanwendungsbereich des Art. 14 GG wird danach durch den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff bestimmt, wie er oben in § 4 I I 2, S. 114 ff., näher umschrieben ist. Danach sind alle subjektiven Vermögenswerten Rechte einbezogen, die dem Berechtigten von der objektiven Rechtsordnung ausschließlich zur privaten Nutzung und zur eigenen Verfügung zugeordnet sind22. Da diese Kriterien 21 Siehe nur Bryde, in: v. Münch (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 1, 3. Aufl. 1985, Voib. Art. 14 Rdnr. 30 ff.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, 7. Aufl. 1991, Rdnrn. 995 ff. und 1006 ff. 22

BVerfGE 78,58 (71 m.w.N.); 79,174 (191).

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5 Eigener Ansatz für die verfassungsrechtliche Prüfung und Beurteilung

sehr offen sind und es oftmals nicht möglich ist, eine genaue Grenze zu ziehen, ist der Normanwendungsbereich des Art. 14 GG recht weit. b) Schutzumfang / Gewährleistungsinhalt Der Umfang des garantierten Schutzes (Gewährleistungsinhalt) wird durch die konkret bestehende, individuelle Eigentumsposition festgelegt, wie sie sich jeweils zum Zeitpunkt des potentiellen Eingriffes aus den verfassungsmäßigen inhaltsbestimmenden Gesetzen ergibt, diese also ihrerseits zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sind. Zwar erfolgt normalerweise, d.h. bei anderen Grundrechten, die Bestimmung des Gewährleistungsinhalts durch Auslegung der verfassungsrechtlichen Bestimmungen auf der Ebene des Verfassungsrechts selbst. Das ist bei der nonngeprägten23 Regelungsstruktur des Art. 14 GG jedoch so nicht möglich, denn die genaue Ausgestaltung und Konkretisierung des Inhaltes und Umfanges des Eigentumsschutzes hat hier nach der ausdrücklichen Verweisung des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG durch den einfachen Gesetzgeber zu erfolgen. Im Unterschied zu den anderen Grundrechten kann deshalb der Gewährleistungsinhalt der Eigentumsgarantie nicht allein aus der Verfassung entnommen werden, sondern er ergibt sich aus den verfassungsmäßigen einfachrechtlichen Regelungen, die der Gesetzgeber in bezug auf das Eigentum getroffen hat. Dabei kann der Gesetzgeber die hierbei vorhandenen Gestaltungsmöglichkeiten ausschöpfen und - wie es in der Praxis gelegentlich geschieht - durchaus auch in solchen Fällen finanzielle Kompensationen gewähren, in denen einseitig belastende Anordnungen möglich wären 24. Ausgangspunkt und Maßstab ist der Bestand der jeweils aktuellen Rechtspositionen und Befugnisse (Bestand = jeweilige konkrete individuelle Eigentumsposition). c) Eingriff Auf dieser Grundlage ist als Eingriff jede Entziehung oder Beeinträchtigung der zum Gewährleistungsinhalt gehörenden, also der nach den gesetzlichen Regelungen konkret bestehenden, individuellen Eigentumsposition zu qualifizieren. 23 24

Vgl. Pieroth/Schlink,

Grundrechte, 7. Aufl. 1991, Rdnr. 241 ff.

Vgl. die Beispiele bei Pietzcker, Zur Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Entschädigungsrechts - insbesondere am Beispiel der Entschädigung von Beschränkungen der landwirtschaftlichen Produktion, NVwZ 1991, S. 418 (419 ff.).

I. Eingriffsdogmatik

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Dabei muß bei Maßnahmen und Entscheidungen der Verwaltung und der Rechtsprechung folgendes beachtet und unterschieden werden: Zum einen können die behördlichen Maßnahmen darin bestehen, daß durch sie Inhaltsund Schrankenbestimmungen des Gesetzgebers lediglich konkretisiert und individualisiert werden (Vollzug einer inhalts- und schrankenbestimmenden Regelung). Als Beispiel wäre der Denkmalschutz zu nennen, soweit das Listen- oder Eintragungsprinzip gilt: Die sich aus den entsprechenden Denkmalschutzgesetzen ergebenden inhalts- und schrankenbestimmenden Beschränkungen, etwa Genehmigungsvorbehalt, Erhaltungspflichten etc., gelten (erst) in dem Augenblick, in dem die Unterschutzstellung angeordnet wird, und zwar dann automatisch, d.h. ohne daß die sich direkt aus dem Gesetz ergebenden Gebote und Verbote noch gesondert durch die Behörde angeordnet werden müßten.

In diesem Fall wird die belastende Wirkung der gesetzlichen Regelungen zwar durch die behördliche Anordnung ausgelöst, diese stellt daher einen Eingriff dar. Dieser Eingriff durch die Behörde ist deshalb zunächst an den gesetzlichen Vorgaben (Tatbestandsvoraussetzungen) zu messen und bei deren Vorliegen bzw. Einhaltung bereits gerechtfertigt, sofern - aber das ist erst die nächste Frage - die gesetzlichen Beschränkungen eine verfassungsrechtlich zulässige, d.h. verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung darstellen. Es ist hier also zu trennen zwischen der Rechtmäßigkeit der behördlichen Anordnung selbst und der weiteren Frage, ob die zugrundeliegende gesetzliche Regelung mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben in Einklang steht. Das behördliche Vorgehen ist nur an den zugrundeliegenden gesetzlichen Bestimmungen, nicht aber unmittelbar selbst an Art. 14 GG zu messen (Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns). In einem weiteren Schritt ist zu prüfen, ob die sich aus der gesetzlichen Bestimmung ergebende Beschränkung als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Gesetzgebers unter den Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Dafür gelten dann die unten in Ziff. 3 genannten Kriterien. U.U. ist allerdings der behördliche Eingriff nur dann verhältnismäßig und damit auch rechtmäßig, falls die Behörde eine gesetzlich vorgesehene Ausgleichsentschädigung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG im konkreten Einzelfall dem Betroffenen noch zuspricht, soweit ihr hierfür ein eigener Entscheidungsspielraum eingeräumt ist (vgl. o. § 4 III 5, S. 138 ff.). Zum anderen kann die Verwaltung selbst einen unmittelbar eigentumsredurch die Verwallevanten Eingriff vornehmen (direkter Eigentumseingriff tung). Beispiel: Die Behörde ordnet die förmliche Enteignung gemäß den jeweiligen Vorschriften der Denkmalschutzgesetze (z.B. § 25 bw DSchG) an.

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5 Eigener Ansatz für die verfassungsrechtliche Prüfung und Beurteilung

Hier muß die Anordnung bzw. Entscheidung der Verwaltung als solche den Voraussetzungen des Art. 14 GG entsprechen. Dasselbe gilt für konkret individuell wirkende Maßnahmen des Gesetzgebers (sog. echte Legalenteignungen). Diese Fälle werden im folgenden behandelt. d) Schrankenvorbehalt / Eingriffsrechtfertigung Solche Eingriffe in das Eigentum - direkt und unmittelbar durch die konkret-individuelle Maßnahme - sind nur unter sehr engen Voraussetzungen zulässig, nämlich nur, soweit sie den Voraussetzungen einer Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG genügen. Eine Enteignung kann allerdings nur dann vorliegen, wenn es sich um einen vollständigen oder teilweisen Entzug konkreter subjektiver Rechtspositionen handelt. Ein vollständiger Entzug ist dadurch gekennzeichnet, daß das Zuordnungsverhältnis zwischen Subjekt und Objekt aufgelöst wird, ein teilweiser Entzug läßt das grundsätzliche Zuordnungsverhältnis zwar unberührt, der Zugriff betrifft aber einen rechtlich verselbständigten Teil des Eigentums. Ist ein solcher Entzug einer Eigentumsposition gegeben, sind aber die Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG nicht erfüllt, so ist die entsprechende Maßnahme rechtswidrig und der grundrechtliche Abwehranspruch gegeben. 5. Überprüfung abstrakt-genereller

(inhaltsbestimmender)

Regelungen

Etwas andere Maßstäbe gelten, soweit es um die Beurteilung der Maßnahmen des inhalts- und schrankenbestimmenden Gesetzgebers geht. Eine Inhalts- und Schrankenbestimmung liegt formell dann vor, wenn die Regelungen^/!^// und abstrakt die Rechte und Pflichten des Eigentümers festlegen25. Inhalts- und Schrankenbestimmungen sind aus zwei Richtungen zu betrachten. Wegen der Doppelwirkung der inhalts- und schrankenbestimmenden Regelungen (vgl. oben § 4 III 1, S. 123 ff.) ist dabei jeweils zu unterscheiden zwischen den Auswirkungen auf den status quo ante, also auf die zum Zeitpunkt der Änderung bereits bestehenden Rechtsbeziehungen, und den Wirkungen der neuen oder geänderten Regelungen in bezug auf zukünftige Anwendungsfälle; vgl. unten Schema 1, S. 183 f.

25

BVerfGE 52,1 (27); 58, 300 (330), und passim.

I. Eingriffsdogmatik

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a) Normanwendungsbereich Der Normanwendungsbereich wird durch den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff bestimmt. Es gelten die Ausführungen oben Ziff. 2 a, S. 171. b) Schutzumfang / Gewährleistungsinhalt und Eingriff Aufgrund ihrer Doppelwirkung ergeben sich bei inhalts- und schrankenbestimmenden Regelungen in bezug auf den Schutzumfang bzw. Gewährleistungsinhalt und den Eingriff die nachfolgend aufgeführten Unterscheidungen. Im Zusammenhang mit inhalts- und schrankenbestimmenden Regelungen wird die Auffassung vertreten, die Inhalts- und Schrankenbestimmung könne generell kein Eingriff sein, denn Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG enthalte keinen Gesetzesvorbehalt26. Das bedarf angesichts der verschiedenen Schutzrichtungen des Art. 14 Abs. 1 GG jedoch der Modifikation. (1) Grundsätze im Bereich des objektiven Rechts Der Gesetzgeber hat sich grundsätzlich bei jeder inhalts- und schrankenbestimmenden Regelung des Eigentums an die Vorgaben von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 2 GG und damit auch an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu halten. Beschränkungen des Privateigentums bedürfen der verfassungsrechtlichen Legitimation. Insofern kann es verfassungswidrige, weil unverhältnismäßige einfachgesetzliche Regelungen geben. Da es sich jedoch nicht um einen Grundrechtseingriff im klassischen Sinne handelt, kann insoweit nicht von einem Eingriff gesprochen werden27. Daher paßt das Schutzbereichs-Schranken-Schema hier nicht. Dennoch muß auch auf dieser Ebene die Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt werden, und zwar vorrangig gegenüber den nachfolgenden Ebenen. Insoweit läßt sich für Art. 14 GG kein "stilreines" Prüfungsschema aufstellen. (2) Objektives Recht - Regelungen für eine Teilgruppe Etwas anders sieht es jedoch im Bereich des objektiven Rechts aus, soweit im Rahmen der Inhalts- und Schrankenbestimmung für Teilgruppen Regelungen geschaffen werden, die von der Hauptregelung abweichen. Hier läßt 26 Bryde, in: v. Münch (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 1, 3. Aufl. 1985, Art. 14 Rdnr. 48; Schoch, Eigentumsgarantie, Jura 1989, S. 115. 27

Insoweit ist Bryde, in: v. Münch (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 1, 3. Aufl. 1985, Art. 14 Rdnr. 48, und Schoch, Eigentumsgarantie, Jura 1989, S. 115, zuzustimmen.

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5 Eigener Ansatz für die verfassungsrechtliche Prüfung und Beurteilung

sich das herkömmliche (zwei- oder dreigliedrige) Grundrechtsaufbauschema durchaus anwenden. Schutzumfang bzw. Gewährleistungsinhalt ergeben sich aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 2 GG in Abhängigkeit von den inhalts- und schrankenbestimmenden Regelungen des einfachen Gesetzgebers. Maßstab ist dabei die für die Hauptgruppe getroffene Regelung. Werden im Bereich des objektiven Rechts Regelungen festgelegt, die nur eine Teilgruppe der insgesamt in dem jeweiligen Regelungszusammenhang Beschränkungen von der Inhalts- und Schrankenbestimmung erfaßten Eigentümer betreffen, dann läßt sich dies als verfassungsrechtlich zu legitimierender Eingriff ansehen. (3) Konkret bestehende Rechtspositionen Ohne weiteres in das grundrechtliche Aufbauschema paßt schließlich der Bereich, in dem konkret bestehende, individuell zugeordnete Rechtspositionen durch eine inhalts- und schrankenbestimmende Regelung betroffen sind. Der Gewährleistungsinhalt ergibt sich hier aus dem konkreten Eigentumsbestand, wie er sich aus der zum Zeitpunkt des potentiellen Eingriffes vorhandenen Gesamtheit der verfassungsmäßigen gesetzlichen Regelungen ergibt, die den Inhalt des Eigentums bestimmen. Hier ist ein Eingriff durch (neue) inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen gegeben, wenn sie bereits konkret bestehende subjektive Eigentumspositionen durch Umgestaltung oder durch generelle Neuordnung des betreffenden Rechtsgebietes wesentlich verändern oder beschränken und damit die Bestandsgarantie berührt ist28. (4) Fazit Damit hat sich gezeigt, daß auch bei Inhalts- und Schrankenbestimmungen ein Eingriff vorliegen kann, allerdings nicht in bezug auf das objektive Recht an sich, sondern nur hinsichtlich der Regelungen für Teilgruppen und vor allem hinsichtlich der Regelungen, die konkret bestehende Rechtspositionen betreffen.

28

So auch Lege, Enteignung und "Enteignung", Zur Vereinheitlichung der BGH-Rechtsprechung mit Art. 14 GG, NJW 1990, S. 864.

I. Eingriffsdogmatik

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c) Verfassungsrechtliche Anforderungen / Eingriffsrechtfertigung In allen Fällen, bei seiner gesamten inhalts- und schrankenbestimmenden Tätigkeit unterliegt der Gesetzgeber den Vorgaben des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 2 GG und damit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Es gibt jedoch Abstufungen in den Anforderungen, die sich inbesondere bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit auswirken. Die Prüfung der einzelnen Fallgruppen ist in der aufgeführten Reihenfolge vorzunehmen. Die Prüfung, ob ein Eingriff in bestehende subjektive Rechtspositionen vorliegt (dritte Fallgruppe) kann erst erfolgen, wenn zuvor festgestellt wurde, daß die inhalts- und schrankenbestimmende Regelung insgesamt auf der Ebene des objektiven Rechts wirksam ist. Nur dann kann sie überhaupt in subjektive Rechtspositionen eingreifen 29. (1) Objektives Recht Die erste Fallgruppe umfaßt das objektive Recht, d.h. die Überprüfung der Rechtsgeltung nur bezogen auf zukünftige Anwendungsfälle. Hier ist aufgrund der abstrakten und generellen Ausgangssituation nur eine pauschale Abwägung ohne differenzierende Betrachtung möglich. Das läßt sich als erste Abwägungsstufe bezeichnen. (2) Objektives Recht - Gleichheitssatz Bei der zweiten Fallgruppe geht es um die In-sich-Kontrolle auf der Ebene des objektiven Rechts (also ebenfalls bezogen auf zukünftige Anwendungsfälle) anhand des Gleichheitsgrundsatzes. Hier ist zu untersuchen, ob einschränkende Regelungen, die nur für eine Teilgruppe der Normadressaten gelten, dem Gleichbehandlungsgebot genügen. Ungleichbehandlungen innerhalb eines Regelungsbereiches bedürfen gegenüber der nichtbetroffenen Gruppe einer gesonderten Rechtfertigung am Maßstab des Verhältnismäßigkeitssatzes und den Vorgaben des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 2 GG. Auf dieser zweiten Abwägungsstufe gelten mithin erhöhte Anforderungen, hier bezieht sich die Abwägung bereits auf konkrete Differenzierungskriterien. (3) Konkret bestehende Rechtspositionen Die dritte Fallguppe umfaßt die Beschränkungen, die bereits bestehende Rechtspositionen betreffen. Im Hinblick auf eine potentielle Verletzung der 29

Böhmer, Verfassungsrechtliche Sicht, in: Baur (Hrsg.), Das Eigentum, S. 80 FN 29.

12 Melchinger

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5 Eigener Ansatz für die verfassungsrechtliche Prüfung und Beurteilung

Bestandsgarantie muß die Abwägung die bereits bestehende Rechtsstellung und damit die konkreten Eigentümerbelange im Einzelfall einbeziehen. Eingriffe in konkrete Eigentumspositionen sind nur bei einem im Verhältnis zur Eingriffstiefe entsprechend hohen Stellenwert der betroffenen Gemeinwohlbelange verhältnismäßig. Die höchste Abwägungsdichte besteht somit auf dieser dritten Abwägungsstufe. Im Unterschied zu den unter Ziff. 2 abgehandelten Fallgestaltungen der Eingriffe durch konkret-individuelle Maßnahmen gibt es bei der gesetzgeberischen Inhalts- und Schrankenbestimmung eine andere Art von Rechtfertigungsgründen, durch die eine Beschränkung von bestehenden Eigentumspositionen durch den Gesetzgeber rechtmäßig wird. Daraus ergibt sich gegenüber der dort geschilderten verfassungsrechtlichen Schutzposition eine deutliche Verkleinerung des gegenüber dem Gesetzgeber geschützten Bereiches, da insoweit die grundrechtliche Gewährleistung des Eigentums gegenüber der inhalts- und schrankenbestimmende Tätigkeit des Gesetzgebers zurückgenommen ist. Andererseits ist für diesen Bereich aber auch der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers eingeschränkt. Grundsätzlich darf der inhalts- und schrankenbestimmende Gesetzgeber im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 GG bestehende Eigentumspositionen nur dann zu Ungunsten des Betroffenen verändern, wenn dies im Interesse des Gemeinwohls geschieht und nur, wenn zu dessen Schutz eine Beschränkung der individuellen Eigentümerinteressen erforderlich ist, mit der Folge, daß der Eigentümer diese Beschränkung seiner Rechte entschädigungslos hinzunehmen hat. Andererseits muß nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG die Garantie der persönlichen Freiheit des Eigentums im Kern erhalten bleiben. Demnach kann der inhaltsbestimmende Gesetzgeber den durch das Grundrecht geschützten Freiheitsbereich jedenfalls bei der bloßen Umgestaltung des Eigentumsinhaltes nicht vollständig oder in wesentlichen Teilen entziehen. Zwischen diesen beiden Positionen muß daher eine Abwägung vorgenommen werden. Maßstab für die Abgrenzung zwischen solchermaßen zulässigen und unzulässigen Eingriffen ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wobei legitimierender Schutzzweck für beschränkende Regelungen die Sozialbindung gemäß Art. 14 Abs. 2 GG mit folgender Maßgabe ist: Die gesetzliche Eigentumsbindung muß von dem geregelten Sachbereich her geboten sein und darf nicht weitergehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient. Die jeweilige Eigenart des betroffenen Gutes oder Rechtes ist zu beachten. Die gesetzgeberische Befugnis zum Erlaß einer beschränkenden Regelung ist um so weiter, je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und in einer sozialen Funktion steht. Gesetzgeberische Grenzziehungen im Interesse des Gemeinwohls nach Art. 14 Abs. 2

I. Eingriffsdogmatik

179

GG sind um so mehr geboten und damit um so eher zulässig, je mehr auch Nichteigentümer auf die Nutzung des Eigentumsobjekts angewiesen sind. Der Bereich des einzelnen Eigentümers wird demgegenüber um so stärker geschützt, je mehr ihm das Eigentumsrecht zur freien Persönlichkeitsentfaltung und zur eigenverantwortlichen Gestaltung des Lebens dient und je mehr es auf eigener Arbeit und eigener Leistung beruht. Diese Möglichkeiten einer Eingriffsrechtfertigung anhand der sog. Sozialbindungsklausel nach Art. 14 Abs. 2 GG (Schrankenvorbehalt) unterliegt jedoch ihrerseits wiederum bestimmten Einschränkungen: So sind bei der Änderung älterer, d.h. bereits seit längerer Zeit bestehender Regelungen u.U. Vertrauensschutzgesichtspunkte zu beachten. Die Möglichkeit der Umgestaltung von Eigentumsrechten durch den Gesetzgeber ist danach vor allem dann eingeschränkt, wenn zu der abstrakten Eigentümerbefugnis weitere, selbständig eigentumsfähige Positionen hinzukommen, etwa, wenn der abstrakte Eigentumsinhalt bereits auf irgend eine Weise aktualisiert ist, z.B. indem der Eigentümer bereits von seiner abstrakt bestehenden Eigentümerbefugnis Gebrauch gemacht sowie Kapital und Arbeitskraft investiert hat. Von diesem Vertrauensschutz wird allerdings lediglich die durch die Aktualisierung erreichte, und das bedeutet, nur die zusätzlich eigentumsfähige Position erfaßt. Ein solcher Schutz wirkt dementsprechend auch nur für eine begrenzte Zeit in die Zukunft hinein und besteht nicht auf Dauer.

Bei der grundlegenden Neuordnung bzw. Neugestaltung eines Rechtsgebietes hat der Gesetzgeber einen etwas größeren Freiraum für Beschränkungen im Rahmen der Inhalts- und Schrankenbestimmung. Zwar könnte hier bezüglich der sog. Altfälle, also soweit bereits konkrete Eigentumsbeziehungen bestehen (status quo ante), grundsätzlich auch die Bestandsgarantie in dem Umfang greifen und derselbe Maßstab gelten, wie bei der soeben erörterten Umgestaltung einzelner Rechtspositionen, doch dann wäre der Gesetzgeber insgesamt gehindert, ein Rechtsgebiet generell neu zu ordnen. Er muß in diesem Fall nicht alte Rechtspositionen konservieren oder sie zwingend enteignen und entschädigen, sondern er kann auch Neuordnungen durch generell-abstrakte Inhalts- und Schrankenbestimmungen vornehmen, wenn er dabei für bereits konkret bestehende Eigentumsbeziehungen und in Anspruch genommene Rechte angemessene und zumutbare Übergangsregelungen schafft, soweit dies erforderlich ist. In der Regel sind derart intensive Eingriffe im Verhältnis zu den konkreten, schützenswerten Interessen der betroffenen Eigentümern nur zulässig, wenn sie dem Schutz besonders hochrangiger Gemeinwohlbelange dienen.

180

5 Eigener Ansatz für die verfassungsrechtliche Prüfung und Beurteilung

(4) Konsequenzen Ist durch die inhalts- und schrankenbestimmende Regelung die Bestandsgarantie betroffen und sind die vorgesehenen Beschränkungen in bezug auf bestehende, subjektive Rechtspositionen nicht durch Schranken gedeckt, so ist nicht die gesamte Regelung verfassungswidrig, sondern nur die Änderung bzw. Beschränkung des alten Rechts, nicht aber die Neuregelung des für die Zukunft geltenden objektiven Rechts. Bei der Frage, ob und inwieweit die Neuregelung zugleich auch alte Rechte aufhebt oder ändert, ist eine neue Regelung, sofern sie mehrdeutig ist, nach Möglichkeit verfassungskonform auszulegen, d.h. dahingehend zu deuten, daß die Neuregelung alte Rechte insoweit unberührt läßt, als darin ein unzulässiger Eingriff in den Bestand des Eigentums bestehen würde 30. 4. Ergebnis Art. 14 GG hat mehrere Besonderheiten, die seine Anwendung erschweren. Ausgangspunkt ist die an den Gesetzgeber verwiesene Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums. Solchen inhalts- und schrankenbestimmenden Regelungen kommt eine Doppelwirkung zu. Sie unterliegen unterschiedlichen Anforderungen, je nachdem ob sie erst zukünftige, bei ihrem Erlaß noch nicht bestehende Eigentumsbeziehungen (objektives Recht) betreffen, oder ob und inwieweit sie bereits bestehende und konkret zugeordnete individuelle Eigentumspositionen (subjektive Rechte) erfassen. Zudem entfalten die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Inhalts- und Schrankenbestimmung (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 2 GG) ihren Schutz nur in Abhängigkeit von der jeweiligen Inhalts- und Schrankenbestimmung auf einfachgesetzlicher Ebene. Zusammengefaßt läßt sich danach folgende Struktur des Art. 14 GG aufzeigen. Der Normanwendungsbereich wird durch den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff bestimmt, der Schutzumfang und Gewährleistungsinhalt dagegen durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 2 GG bezogen auf die jeweiligen einfachgesetzlichen, inhalts- und schrankenbestimmenden Regelungen. Ein Eingriff liegt vor, wenn der vor der zu überprüfenden Maßnahme bzw. Regelung bestehende, konkrete individuelle Bestand an Eigentumsrechten (Bestandsgarantie) beschränkt oder reduziert wird, oder wenn eine Gruppe von Rechtsinhabern weitergehenden Beschränkungen unterliegt, als die Gesamtheit der im jeweiligen Regelungszusammenhang erfaßten Rechtsinhabern. Für den übrigen Bereich der Inhalts- und Schran30

BVerfGE 83, 201 (214 f.).

I. Eingriffsdogmatik

181

kenbestimmung paßt dieses Eingriffs-Schema nicht; dennoch müssen auch dort die Vorgaben des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 2 GG eingehalten werden und Beschränkungen des Privateigentums verhältnismäßig sein. Soweit Eingriffe vorliegen, sind diese verfassungsrechtlich legitimiert (Schrankenvorbehalt) entweder, bei einem vollständigen oder teilweisen Entzug von Eigentumspositionen, wenn dies im Wege einer förmlichen Enteignung gemäß Art. 14 Abs. 3 GG geschieht oder, bei einer bloß beschränkenden, die Verfügungs- und Nutzungsbefugnis nicht gänzlich beeinträchtigenden, inhalts- und schrankenbestimmenden Regelung, wenn diese im Interesse der Allgemeinheit erlassen wird und die Garantie der persönlichen Freiheit des Eigentums im Grundsatz erhalten bleibt. Auf der Grundlage der bundesverfassungsgerichtlichen Eigentumsdogmatik gibt es danach derzeit vier Möglichkeiten für einen hoheitlichen Zugriff (nicht Eingriff!) auf Eigentumspositionen: - der konkret-individuelle Sach- und Rechtsentzug gegen Entschädigung im Wege einer förmlichen Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG (unter Zugrundelegung des engen Enteignungsbegriffs des BVerfG); - die nur gegen Ausgleichsentschädigμng verhältnismäßige abstrakt-generelle Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG; - die wegen der Sozialbindung ohne Entschädigung hinzunehmende abstrakt-generelle Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2GG; und schließlich, außerhalb der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik, - die ebenfalls an sich verfassungsrechtlich nicht gebotenen - weil unterhalb der sog. Enteignungsschwelle liegenden - und demgemäß wegen der Sozialbindung ohne Entschädigung hinzunehmenden Inhalts- und Schrankenbestimmungen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, die dennoch durch verfassungsrechtlich nicht gebotene, nur aus Billigkeitsgründen vom Gesetzgeber freiwillig gewährte Entschädigungsleistungen abgefedert werden31. Die letztgenannte Gestaltungsmöglichkeit ist als eine im Rahmen der Sozialbindung liegende abstrakt-generelle Inhaltsbestimmung ein gerechtfertigter Eingriff und daher eigentlich ohne Entschädigung zu dulden.

31

So etwa Schnutenhaus, Bericht über die 14. Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht e.V., UPR 1991, S. 11 (13); Stüer, Vierzehnte Umweltrechtliche Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht, DVB1.1991, S. 101 (103); ebenso schon Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, seit der 6. Aufl. 1988, § 26 Rdnr. 59 d.

182

5 Eigener Ansatz für die verfassungsrechtliche Prüfung und Beurteilung

II. Prüfungsschemata Zusammengefaßt ergeben sich aus den dargelegten Ausführungen des BVerfG (oben § 4) - vor allem in Anlehnung an das Mitbestimmungsurteil32 und einige andere Entscheidungen33 und aus den ergänzenden eigenen Überlegungen (soeben unter I) für die einzelnen Fallgruppen die unten, S. 183 ff. aufgeführten Prüfungsschemata 34. Im Vordergrund steht dabei die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der zu überprüfenden Regelungen und Maßnahmen. Nur subsidiär und soweit Beeinträchtigungen und rechtswidrige Verletzungen des Eigentums mit Hilfe des grundrechtlichen Abwehranspruches nicht abgewendet oder im Rahmen einer rechtmäßigen Enteignung entschädigt werden können, stellt sich darüber hinaus die Frage, ob eine Entschädigung über die Haftungsinstitute des sog. enteignenden oder des sog. enteignungsgleichen Eingriffes realisierbar ist35; dabei handelt es sich dann allerdings um einen entsprechend aufzubauenden und zu prüfenden Leistungsanspruch. Im folgenden geht es jedoch in erster Linie um die Voraussetzungen der Ansprüche auf Abwehr rechtswidriger Grundrechtseingriffe.

32

BVerfGE 50,290 (340 ff.) - zu Schema 1.

33

Vor allem BVerfGE 56, 249 (259 ff.); 74, 264 (280 ff.); vgl. ferner die abweichende Meinung Böhmer BVerfGE 56,249/266 - zu Schema 2. 34 Vgl. auch die Aufbauschemata bei Pieroth/Schlink, 1051 a/b. 35

Vgl. dazu ausführlich oben unter § 4 III 7, S. 153 ff.

Grundrechte, 7. Aufl. 1991, Rdnr.

II. Prüfungsschemata

183

Schema 1 Überprüfung abstrakt-genereller (inhalts- und schrankenbestimmender) Regelungen des Gesetzgebers

[1] Normanwendungsberekh: Alle durch Verfügungsfähigkeit, Verfügungsbefugnis und durch Privatnützigkeit gekennzeichneten, Vermögenswerten Positionen des privaten und des öffentlichen Rechts - verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff [2] Schutzumfang / Gewähr leistungsinhalt STUFE 1 - objektives Recht: Verhältnismäßige inhalts- und schrankenbestimmende Regelung unter Einhaltung der Vorgaben des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 2 GG - verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung STUFE 2 - objektives Recht - Teilgruppe: Ausgangspunkt ist der Umfang der in der konkreten gesetzlichen Regelung für die Mehrzahl der Betroffenen eingeräumten Eigentumsbefugnisse - der Hauptgruppe der Betroffenen eingeräumte Rechtsstellung STUFE 3 - subjektive (bestehende) Rechtspositionen'. Ausgangspunkt ist der Umfang der konkret bestehenden, einfachgesetzlichen Eigentumsposition (ohne die zu überprüfende inhaltsbestimmende Regelung) - zuvor bestehende Eigentumsposition (Eigentumsbestand)[3] Eingriff (STUFE 1: entfällt) STUFE 2 - objektives Recht - Gleichheitssatz: Sind im Vergleich zu der Rechtsstellung der Mehrzahl der Betroffenen für eine Teilgruppe weniger Rechte eingeräumt bzw. ist eine Teilgruppe tatsächlich deutlich stärker belastet? STUFE 3 - subjektive (bestehende) Rechtspositionen: Bewirkt die neue Regelung eine wesentliche Verringerung oder Beschränkung der konkret bestehenden Eigentumsposition? Jeweils darf nur eine Beschränkung der Rechtsstellung bzw. des (bisherigen) Eigentumsbestandes vorliegen; abzugrenzen ist dies von dem vollständigen oder teilweisen Entzug von Eigentumspositionen (Enteignung) - Eigentumsbindung [4] Schrankenvorbehalt / Eiligriffsrechtfertigung - formelle Anforderungen: Sind die einschlägigen Kompetenz- und Verfahrensbestimmungen für den Erlaß der Regelung eingehalten? - materielle Anforderungen: [a] Schutzzweck der beschränkenden Regelung Dienen die unter 3. ermittelten Eigentumsbindungen (gewichtigen) Interessen der Allgemeinheit oder staatlichen Aufgaben, die im Gesetz oder in der Verfassung festgelegt sind? - Gemeinwohlbindung Dient die beschränkende Regelung überhaupt nicht Gemeinwohlbelangen, so ist sie bereits aus diesem Grund nicht zulässig; die gesetzliche Regelung ist verfassungswidrig und nichtig.

184

5 Eigener Ansatz für die verfassungsrechtliche Prüfung und Beurteilung Schema 1 (Fortsetzung) Überprüfang abstrakt-genereller Regehingen des Gesetzgebers

[b] Verhältnismäßigkeitsprüfung: für alle Stufen Eine im Interesse des Gemeinwohls erfolgende, beschränkende Regelung muß gewährleisten, daß die Garantie der persönlichen Freiheit des Eigentums im Grundsatz erhalten bleibt; das gilt für alle Stufen. [aa] Ist die Eigentumsbindung vom Sachbereich her geboten (Geeignetheit)? [bb] Liegt die Eigentumsbindung noch im Rahmen des Schutzzweckes der Regelung (Erforderlichkeityi [cc] Steht die Intensität der Eigentumsbeschränkung in einem angemessenen Verhältnis zum Zweck der eingreifenden Regelung (Gemeinwohlbelang) und ist sie dem Eigentümer wirtschaftlich zumutbar') Verbleiben dem Eigentümer noch in ausreichendem Maße eigene Eigentümeibefugnisse, so daß seine Verfugungsbejugnis und die Privatnützigkeit des Eigentums im Grundsatz noch erhalten bleiben? Hier gibt es unterschiedliche Abwägungsstufen: STUFE 1 - objektives Recht, pauschale Abwägung ohne Einzelfallbetrachtung STUFE 2 - objektives Recht - Teilgruppe: Gleichbehandlungsgebotes

Abwägung bezogen auf die Einhaltung des

STUFE 3 - subjektive (bestehende) Rechtspositionen: konkrete Abwägung der Einzelfallbelange Zu berücksichtigen sind Besonderheiten der gegenüberstehenden Interessen, insbesondere die höhere oder geringere Schutzwürdigkeit der betroffenen Eigentümerstellung, z.B. aufgrund eigener, persönlich erbrachter Leistung oder ein unverdienter Vermögenszuwachs (IVerhältnismäßigkeit i.e.S.)? Bei STUFE 3 gelten in bezug auf die völlige Neuordnung / Neugestaltung eines Rechtsgebietes besondere Maßstäbe, da unter Beachtung des Vertrauensschutzprinzips bereits bestehende Positionen grundsätzlich auch geändert und entzogen werden dürfen, dabei jedoch ggf. angemessene und zumutbare Übergangsregelungen geschaffen werden müssen. Das bedeutet: Hier reicht der Schutz nur so weit, wie ein schutzwürdiges Vertrauen tatsächlich bestand und nur so weit, wie dessen zeitlicher Umfang reicht. Es besteht also kein Anspruch darauf, auch eine schutzwürdige Rechtsposition unbegrenzt in die Zukunft zu erhalten. Ist eine beschränkende Regelung nicht verhältnismäßig, so liegt ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG vor, wobei die Verhältnismäßigkeit soweit möglich ggf. durch eine verfassungskonforme Auslegung zu erreichen ist, ansonsten ist die gesetzliche Regelung verfassungswidrig und nichtig. Dieses Ergebnis kann allerdings vermieden werden, wenn der Gesetzgeber die eigentlich nicht mehr hinzunehmende Belastung durch die Gewährung sog. Ausgleichsansprüche kompensiert und dadurch die Verhältnismäßigkeit wieder herstellt (sog. Ausgleichsentschädigungsregelungen, vgl. oben § 4 III 5, S. 138 ff.).

II. Prüfungsschemata

185

Schema 2 Überprüfung konkret-individueller Maßnahmen Dieses Schema ist anzuwenden sowohl bei ausdrücklich als Enteignung bezeichneten Maßnahmen als auch bei allen sonstigen nicht näher spezifizierten, das Eigentum beschränkenden Maßnahmen, die von vornherein nicht im Wege einer förmlichen Enteignung erfolgen. [1] Normanwendungsbereich Alle durch Verfügungsfähigkeit, Verfügungsbefugnis und durch Privatnützigkeit gekennzeichneten, Vermögenswerten Positionen des privaten und öffentlichen Rechts - verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff [2] Schutzumfang / Gewährleistungsinhalt Ermittlung des Umfangs der im Rahmen der Sozialbindung konkret bestehenden, individuellen Eigentumsposition - konkret bestehende Eigentumsposition (Eigentumsbestand)

-

[3] Eingriff Jede Verringerung der bestehenden subjektiven Eigentumsposition durch eine konkretindividuelle Maßnahme - Verringerung der Eigentumsposition -

Dabei ist bei konkret-individuellen Maßnahmen/Entscheidungen der Verwaltung zu unterscheiden: 1. ALTERNATIVE: Liegt ein vollständiger oder teilweiser Entzug einer Eigentumsposition vor? Falls ja: In diesem Schema bei Ziff. 4 weiterprüfen - Administrativenteignung 2. ALTERNATIVE: Bewirkt die behördliche Anordnung lediglich eine Beschränkung von Eigentumsrechten oder stellt selbst überhaupt keine Beschränkung dar und handelt die Verwaltung nur in Vollzug einer inhalts- und schrankenbestimmenden Regelung des Gese gebers? Dann muß die behördliche Anordnung (a) den gesetzlichen Anforderungen entsprechen - Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns - und (b) die zugrundeliegende Norm der Ermächtigungsanhand von Schema 1 überprüft werden - Verfassungsmäßigkeit grundlage -. [4] Schrankenvorbehalt/Eingriffsrechtfertigung Ein Eingriff in eine bestimmte, individuell zugeordnete Eigentumsposition durch eine konkret-individuelle Maßnahme ist nur als Enteignung zulässig / gerechtfertigt. Gezielt eigentumsbeschränkende Maßnahmen, die von vornherein nicht im Wege einer förmlichen Enteignung erfolgen, sind danach ein nicht gerechtfertigter Eingriff in die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Es besteht ein Anspruch auf Abwehr des nicht gerechtfertigten Eingriffs! < 1 > Formelle Erfordernisse einer Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG (Junktim) [a] Es muß ein förmliches Gesetz vorliegen [b] Das Gesetz muß eine Entschädigungsregelung nach Art und Höhe enthalten Sind die formellen Erfordernisse nicht erfüllt, so liegt ein unzulässiger Eingriff und damit eine Grundrechtsverletzung (Art. 14 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 GG) vor. Es be-

186

5 Eigener Ansatz für die verfassungsrechtliche Prüfung und Beurteilung Schema 2 (Fortsetzung) Überprüfung konkret-individueller Maßnahmen steht ein Anspruch auf Abwehr des nicht gerechtfertigten Eingriffs! Materielle Erfordernisse einer Enteignung (Art 14 Abs. 3 GG) [a] Wohl der Allgemeinheit y d.h. Enteignungen sind nur zur Erfüllung legitimer staatlicher Aufgaben, nicht jedoch allein zugunsten privater Interessen und nicht zur bloßen Befriedigung öffentlicher Bedürfnisse zulässig. Das Gemeinwohl muß durch den Gesetzgeber im Gesetz festgelegt sein. Sind diese Anforderungen nicht erfüllt, so liegt keine bzw. eine rechtswidrige Enteignung vor und es wird unzulässig in den durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Freiheitsbereich eingegriffen. Es besteht ein Anspruch auf Abwehr des nicht gerechtfertigten Eingriffs! [b] Verhältnismäßigkeitsgrundsatz [aa] Geeignetheit: Die Enteignung muß zur Erreichung der betr. Gemeinwohlinteressen abstrakt tauglich sein. [bb] Erforderlichkeit: Ist ein milderes Mittel vorhanden, kann eine weniger belastende Maßnahme ergriffen werden? Der Entzug des Eigentums ist ulama ratio, um das dem Wohl der Allgemeinheit dienende Vorhaben durchführen zu können, und nur dann erforderlich, wenn andere rechtlich und wirtschaftlich vertretbare Lösungen nicht existieren. Dabei auch zu beachten, daß eine Administrativenteignung (Enteignung erst durch einen konkretisierenden Verwaltungsakt) einer Legalenteignung (Enteignung direkt durch Gesetz) vorgeht. [cc] Verhältnismäßigkeit

Le.S. /Angemessenheit / Zumutbarkeit

Anders als bei der Prüfung einer inhalts- und schrankenbestimmenden Maßnahme kann hier beim vollständigen Entzug der Eigentumspositionen gerade nicht mehr auf einen noch zu erhaltenden Rest- oder Kernbereich der Eigentumsfreiheit abgestellt werden. In die Prüfung und Abwägung einzustellen sind daher keine spezifisch aus der individuellen Eigentümerstellung sich ergebenden, sondern nur Belange anderer Art des Eigentümers, die derart hochrangig bzw. schützenswert sind, daß auch eine Enteignung unzumutbar wäre. Das sind Extremfälle, wie z.B. wenn das Eigentumsobjekt die einzige, nicht ersetzbare Lebens- oder Erweibsgrundlage ist, oder besondere Härtefälle, wenn etwa die beabsichtigte Enteignung die selbstgenutzte Wohnung oder das Haus sehr betagter Eigentümer betrifft, die mit ihrem Objekt eng verbunden und verwurzelt sind und denen ein Umzug wegen hoher gesundheitlicher Risiken nicht mehr zumutbar wäre. Ist die Verhältnismäßigkeit nicht gegeben, so ist die Enteignung ebenfalls rechtswidrig und die Maßnahme stellt einen unzulässigen Eingiff in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG dar. Es besteht ein Anspruch auf Abwehr des nicht gerechtfertigten Eingriffs!

III. Anwendung der Schemata auf die vom BVerfG entschiedenen Sachverhalte

187

Den hier entwickelten Aufbauschemata ist im Gegensatz zu den einerseits auf das gesetzgeberische und andererseits auf das Handeln der Verwaltung abstellenden Schemata von Pieroth/Schlink*, die in Art. 14 Abs. 1 und Abs. 3 GG festgelegte Unterscheidung zwischen abstrakt-generellen und konkret-individuellen Maßnahmen und Regelungen zugrundegelegt. Zu den darüber hinaus noch eingearbeiteten Gesichtspunkten gehört vor allem die Differenzierung zwischen der Überprüfung von objektivem, zukünftige Anwendungsfälle betreffendes Recht einerseits und dem Eingriff in subjektive, bereits bestehende Rechtspositionen andererseits. Dies führt dazu, daß die Fragen nach dem Schutz- bzw. Gewährleistungsinhalt und -umfang und damit zugleich auch nach dem beschränkenden Eingriff bereits vom Überprüfungsansatz her schärfer gestellt werden können und genau zu beantworten sind. Darüber hinaus werden bei diesen Prüfungsschemata die unterschiedlichen Anforderungen an die verfassungsrechtliche Legitimation (Schrankenvorbehalt) auseinandergehalten, die je nachdem variieren, ob es sich um eine abstrakt-generelle, inhalts- und schrankenbestimmende Regelung des Gesetzgebers oder ob es sich um eine konkretindividuelle Maßnahme/Entscheidung handelt. Letztere ist, sofern sie nicht lediglich eine Handlung oder Entscheidung der Verwaltung oder des Gerichts in Vollzug einer inhalts- und schrankenbestimmenden Regelung des Gesetzgebers darstellt, lediglich als Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG zulässig und hat somit deren Anforderungen zu erfüllen. Noch wesentlich spezieller gegenüber den nachfolgend dargelegten Schemata sind etwa die allein auf Entschädigungsansprüche ausgerichteten Aufbauhinweise von Steinberg/Lubberger*\ die deshalb für den hier verfolgten Ansatz nicht anwendbar sind.

III· Anwendung der Prüfungsschemata auf die vom BVerfG entschiedenen Sachverhalte Zu ihrer Verifizierung werden nun diese Prüfungsschemata auf die den einschlägigen Entscheidungen des BVerfG zugrundeliegenden Sachverhalte angewandt. Dabei wird der jeweilige Lösungsweg ausschließlich anhand der eigenen Schemata skizziert, um dann die so gefundene Lösung mit dem Ergebnis des BVerfG zu vergleichen.

36 37

Pieroth/Schlink,

Grundrechte, 7. Aufl. 1991, Rdnrn. 1051 a, b.

Steinberg/Lubberger, S. 238 f.

Aufopferung - Enteignung und Staatshaftung, 1991, S. 207 ff. und

188

5 Eigener Ansatz für die verfassungsrechtliche Prüfung und Beurteilung

Herangezogen werden dazu lediglich die bekannteren und im Hinblick auf die Einordnung in die verfassungsrechtlichen Prüfüngsschemata anspruchsvolleren Sachverhalte, die allerdings in der folgenden Darstellung jeweils nur in den für den hier relevanten Zweck Grundzügen und teilweise auch vereinfacht dargestellt werden. Hinsichtlich der Prüfungsabfolge nicht problematisch die Bad Dürkheimer Gondelbahn-Entscheidung (BVerfGE 56, 249 ff.) sowie die Boxberg-Entscheidung (BVerfGE 74, 264 ff.), die die Frage der Zulässigkeit von Enteignungen zum Gegenstand haben. Die Gondelbahnentscheidung hat vor allem die sachlichen Fragen zum Gegenstand, ob zum einen die konkrete Enteignung auf einer gesetzlichen Grundlage erfolgt ist und ob zum anderen Gründe des Wohles der Allgemeinheit im konkreten Fall vorliegen und für eine Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG ausreichend sind. In der Boxbergentscheidung steht dagegen die Problematik im Vordergrund, ob eine städtebauliche Unteraehmensflurbereinigung nach §§ 144 ff. BBauG i.V.m. § 87 Abs. 1 FlurbG den Voraussetzungen einer Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG und dabei insbesondere dem Erfordernis einer gesetzlichen Regelung in bezug auf eine genaue Beschreibung des Enteignungszweckes genügt. Auch die Verkehrslärmentscheidung (BVerfGE 79, 174) wirft hinsichtlich ihrer Einordnung in die Prüfungsschemata keine besonderen Schwierigkeiten auf, hat allerdings dem Gericht die Möglichkeit geboten, noch einmal auf die sog. Ausgleichsentschädigungsansprüche einzugehen (vgl. unten Ziff. 5, S. 200). Die genannten Entscheidungen werden daher im folgenden nicht gesondert dargestellt, obwohl es sich gleichfalls um wichtige Entscheidungen für die verfassungsrechtliche Eigentumsdogmatik handelt. 1. Hamburger Deichordnungsgesetz - BVerfGE 24, 367 Durch § 2 Deichordnungsgesetz (DOG) wurde 1964 das zuvor an Deichen bestehende "Eigentum beschränkten Inhalts" (sog. Deicheigentum), eine gegenüber dem Eigentum im Sinne des BGB erheblich eingeschränkte Rechtsstellung, in "öffentliches Eigentum an Hochwasserschutzanlagen" (§ 4 a Hamburgisches Wassergesetz - HWaG) überführt. An solchen Gegenständen im öffentlichen Eigentum besteht eine hoheitliche Sachherrschaft; sie sind dem Rechtsverkehr entzogen und die Vorschriften des Bürgerlichen Rechts, insbesondere über Besitz und Eigentum, finden keine Anwendung. - Die Betroffenen hielten die Überführung ihrer Grundstücke in öffentliches Eigentum für nicht mit Art. 14 GG vereinbar. Sie machten unter anderem geltend, es handele sich um eine unzulässige Enteignung, die den Erfordernissen des Art. 14 Abs. 3 GG widerspreche38.

38

BVerfGE 24,367 (368 ff.).

III. Anwendung der Schemata auf die vom BVerfG entschiedenen Sachverhalte

189

Anzuwenden ist das Schema zur Überprüfung konkret-individueller Maßnahmen (Schema 2 Es handelt sich zwar bei der Vorschrift des § 4 a HWaG über das öffentliche Eigentum an Hochwasserschutzanlagen" um eine abstrakt-generelle Norm, die, isoliert betrachtet, lediglich das geltende objektive Recht ändert. Doch die Vorschrift des § 2 DOG über die Rechtsumwandlung betrifft vor allem das bestehende subjektive Recht der einzelnen Grundstückseigentümer. Hier stellt sich deshalb die Frage nach dem konkret-individuellen Rechtsentzug und dessen Zulässigkeit. Das ursprünglich bestehende, bereits beschränkte Deicheigentum gewährte den Betroffenen immerhin noch gewisse, individuell zugeordnete Nutzungsrechte, mithin liegt Eigentum im verfassungsrechtlichen Sinne vor. Diese konkret bestehende, individuelle Rechtsposition kennzeichnet hier zugleich den ursprünglichen Eigentumsbestand. Durch die Rechtsumwandlung nach § 2 DOG in öffentliches Eigentum gemäß § 4 a HWaG verblieb den Betroffenen keine eigenständige Rechtsposition mehr. Hierin liegt ein kompletter Rechtsverlust, damit ist ein vollständiger Entzug des Eigentums eingetreten. Dies stellt somit eindeutig eine Enteignung im verfassungsrechtlichen Sinne dar. Somit müssen die weiteren Voraussetzungen für eine Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG 40 vorliegen und auch die besonderen Anforderungen an eine Legalenteignung41 müssen erfüllt sein. Diese Voraussetzungen waren im konkreten, durch das Gericht entschiedenen Fall gegeben42. 2. Urheberrecht: Schulbuch - BVerfGE 31, 229; Kirchenmusik - BVerfGE 49, 382; Musiksendungen in Vollzugsanstalten - BVerfGE 79, 29 Schulbuchfall, BVerfGE 31, 229: Nach dem Urheberrechtsgesetz von 1965 stand dem Urheber im Grundsatz das ausschließliche Recht zu, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten, d.h. insbesondere zu vervielfältigen und zu verbreiten, §§ 15 ff. UrhG 1965. Zugleich war vorgesehen, daß die Vervielfältigung und Verbreitung von Werken in Sammelbänden, die nur für den Kirchen-, Schul- oder Unterrichtsgebrauch bestimmt waren, durch Dritte zulässig sei, und zwar gegenüber dem Urheber vergütungsfrei (§ 46 UrhG 1965). Diese Regelung entsprach im Ergebnis dem zuvor schon geltenden Recht aus den Jahren 1901 und 1907, das insbesondere auch keinen Vergütungsanspruch gewährt hatte. - Betroffene Urheber rügten insbesondere im Hinblick auf den fehlenden Vergütungsanspruch die Verfassungswidrigkeit des § 46 UrhG 1965.

Im Schulbuchfall handelt es sich um die Überprüfung einer abstrakt-generellen Regelung des Gesetzgebers und zwar bezüglich ihrer Wirksamkeit als 39

Siehe oben S. 185 f.

40

Vgl. oben Schema 2, Ziff. und , S. 185 f.

41

Vgl. oben §4 III 6, S. 146 ff.

42

BVerfGE 24, 367 (395 ff.).

190

§ 5 Eigener Ansatz für die verfassungsrechtliche Prüfung und Beurteilung

objektive, in die Zukunft gerichtete Regelungen insbesondere in Hinblick auf die Einhaltung des Gleichbehandlungsgebotes (Schema 1, Stufe 2 4 3 ). Da die geänderten Regelungen bereits als solche des objektiven Rechts verfassungsgemäß sein müssen, kommt es zunächst nicht auf eine potentielle Verletzung bereits bestehender, subjektiver Rechtspositionen (Verstoß gegen die Bestandsgarantie) an, die in diesem Fall allerdings wegen der zuvor schon bestehenden, aus vorkonstitutioneller Zeit stammenden gleichartigen Regelung gar nicht vorliegt. Hier bestehen bereits Bedenken gegen die Vereinbarkeit des objektiven, in die Zukunft gerichteten Rechts mit Art. 14 GG: Das Urheberrecht erfüllt die genannten Kriterien des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs, Art. 14 GG ist somit einschlägig. Da es hier nur um die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes geht, bestimmt sich der Schutzumfang/Gewährleistungsinhalt nach dem Umfang der Rechtsstellung, die der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang und in denselben Regelungen für die Mehrzahl der Betroffenen festlegen wollte. Im UrhG 1965 ergibt er sich aus den in den gesetzlichen Regelungen eingeräumten Urheberrechtsbefugnissen; danach stehen den Urhebern an ihren Werken vor allem das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht zu. Diese Verfügungsbefugnis wird allerdings für einen Teil der Urheber, nämlich nur für die in § 46 UrhG 1965 näher bezeichneten Autoren von Werken, die in für den Schulgebrauch etc. bestimmte Sammelwerke aufgenommen werden, wieder eingeschränkt. Da nur ein Teil der von dieser Regelungsmaterie (Urheberrecht) insgesamt erfaßten Eigentümer von dieser Beschränkung betroffen ist, ist dies ein Eingriff in die grundrechtliche Eigentumsgewährleistung (Anwendung des Gleichheitssatzes). Dieser Eingriff ist zulässig (Schrankenvorbehalt/Eingriffsrechifertigung), wenn er die im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 und 2 GG geltenden Anforderungen erfüllt, d.h. wenn die Beschränkung Gemeinwohlinteressen dient und die Verhältnismäßigkeit gegenüber der grundsätzlich nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG garantierten Eigentümerstellung gewahrt ist. Aufgrund der gewichtigen, auf die Vermittlung von Bildung bezogenen Gemeinwohlinteressen am Zugriff der Schulen, Kirchen, Musikschulen etc. auf derartige, in Sammelwerken zusammengestellte Literatur kann der Ausschluß des Verfiigungsrechts des Urhebers in diesen Fällen im Grundsatz als verhältnismäßig und damit als zulässig angesehen werden. Nicht mehr begründen läßt sich damit jedoch der gleichzeitige Ausschluß eines Vergütungsanspruches des Urhebers. Es ist schon fraglich, ob dafür überhaupt ein besonderes Gemeinwohlinteresse besteht. Allein fiskalische Belange können eine derart rigorose Beschränkung der Eigentümerstellung und -befugnisse nicht mehr rechtfertigen. Gegenüber den Belangen des Urhebers, bei dem es um das Ergebnis seiner geistigen und persönlichen Leistung geht und der

4

Siehe oben S. 183 f.

. Anwendung der Schemata auf die vom BVerfG entschiedenen Sachverhalte

191

grundsätzlich einen Anspruch darauf hat, daß ihm der wirtschaftliche Nutzen seiner Arbeit zugeordnet wird, kann eine solche Beschränkung nicht durch jede Gemeinwohlüberlegung gerechtfertigt werden, sondern es ist im Hinblick auf die Intensität der Beschränkung der urheberrechtlichen Stellung ein gesteigertes öffentliches Interesse erforderlich. Ein solches gewichtiges öffentliches Interesse ist bezogen auf den Ausschluß des Vergütungsanspruches nicht mehr erkennbar. Der Ausschluß des Vergütungsanspruches ist daher nicht mehr Verhältnis- und damit auch nicht mehr verfassungsgmäßig. - Diesem Ergebnis entspricht die Lösung, zu der auch das BVerfG gekommen ist44. Kirchenmusikfall, BVerfGE 49, 382: Das UrhG 1965 bestimmte in § 52 Abs. 1, daß die öffentliche Wiedergabe eines erschienen Werkes ohne die Zustimmung des Urhebers bzw. ohne, daß dieser dies untersagen könnte, unter folgenden Voraussetzungen zulässig sei, "1. wenn die Wiedergabe keinem Erwerbszweck des Veranstalters dient, die Teilnehmer ohne Entgelt zugelassen werden und im Falle des Vortrags oder der Aufführung des Werkes den ausübenden Künstlern ... keine besondere Vergütung gezahlt wird; jedoch hat, wenn die Veranstaltung dem Erwerbszweck eines Dritten dient, dieser dem Urheber für die Wiedergabe eine angemessene Vergütung zu zahlen; 2. wenn die Wiedergabe bei einem Gottesdienst, einer kirchlichen Feier oder einer anderen Veranstaltung der Kirchen oder Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts stattfindet; jedoch hat der Veranstalter dem Urheber für die Wiedergabe eine angemessene Vergütung zu zahlen, es sei denn, daß die in Nr. 1 aufgeführten Voraussetzungen vorliegen." Einige Komponisten von Kirchenmusik rügten die Verletzung von Art. 14 GG.

Auch hier ist der Maßstab der verfassungsrechtlichen Prüfung wiederum die Einhaltung des Gleichbehandlungsgebotes. Dabei ist zu differenzieren: Zunächst muß die Verfassungsmäßigkeit der Regelung in § 52 Abs. 1 Nr. 2 UrhG 1965 untersucht werden. Der Schutz- und Gewährleistungsinhalt bzw. -umfang ergibt sich aus der Rechtsstellung, die nach § 15 ff. UrhG 1965 allen betroffenen Urhebern zunächst eingeräumt ist. Davon ausgehend begrenzt § 52 Abs. 1 Nr. 2 UrhG 1965 einerseits die Verfügungsbefugnis des Urhebers und schließt andererseits bei einer keinen Erwerbszwecken dienenden, unentgeltlichen Wiedergabe in religiösen Veranstaltungen den Vergütungsanspruch (vermögensrechtliches Verwertungsrecht) aus. Da hierdurch nicht nur ein Teil der Urheber insgesamt, sondern auch aus der speziellen Gruppe der Musikkomponisten lediglich eine Teilgruppe, nämlich nur die Komponisten religiös-kirchlicher Musik, betroffen sind, liegt ein Eingriff in die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG vor. Diese Beschränkung der Verfügungsbefugnis und des Vergütungsanspruches der Urheber religiöser Musik müßte verfassungsrechtlich legitimiert, d.h. gemäß

44

BVerfGE 31,229 (240 ff.).

192

§ 5 Eigener Ansatz für die verfassungsrechtliche Prüfung und Beurteilung

Art. 14 Abs. 1 und 2 GG verhältnismäßig sein. Entsprechend dem bereits oben im Schulbuchfall ausgeführten Ansatz ist ein Ausschluß des Verfügungsrechts jedenfalls dann verhältnismäßig, wenn er beachtlichen Gemeinwohlinteressen dient. Dies ist wegen des erheblichen Interesses der Allgemeinheit an den musikalischen Werkschöpfungen insbesondere auch im religiös- und kirchenmusikalischen Bereich grundsätzlich zu bejahen. Demgegenüber ist der Urheber allein durch den Ausschluß der Möglichkeit, insoweit über die Verbreitung seines Werkes zu bestimmen, noch nicht derart gravierend in seiner Eigentümerstellung betroffen, daß er nicht mehr verpflichtet wäre, dies hinzunehmen. Denn durch die Begrenzung der Verfügungsbefugnis hat das Urheberrecht an religiös-kirchlichen Musikwerken seine Privatnützigkeit noch nicht grundsätzlich verloren. Anderes gilt jedoch hinsichtlich der Vergütungspflicht, die zwar nach § 52 Abs. 1 Nr. 2 UrhG 1965 im Grundsatz angeordnet ist (letzter Halbsatz, erster Teil), die aber durch den Verweis auf die Voraussetzungen der Ziff. 1 praktisch für die meisten Fälle der Aufführung religiös-kirchlicher Muskik wieder ausgeschlossen wird (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 UrhG 1965, letzter Halbsatz am Ende). Auch hier ist entsprechend den Erwägungen oben im Schulbuchfall ein gesteigertes öffentliches Interesse in bezug auf den Ausschluß des Vergütungsanspruches zunächst ersichtlich. Die für den Ausschluß des Verfügungsrechtes an religiös-kirchlicher Musik maßgeblichen Gemeinwohlbelange sind allerdings nicht derart gewichtig, daß sie auch den Ausschluß des Vergütungsanspruches rechtfertigen könnten. Denn der Urheber hat grundsätzlich einen Anspruch auf Zuordnung des wirtschaftlichen Nutzens seiner geistig-schöpferischen und persönlichen Leistung, bei der es sich gerade nicht bloß um einen unverdienten Vermögenszuwachs handelt. Da die eigene Leistung einen besonderen Schutzgrund darstellt, kann der Ausschluß des Vergütungsanspruches nicht durch jede, sondern nur durch besonders gewichtige Gemeinwohlerwägungen gerechtfertigt werden, die aber in bezug auf den Ausschluß der Vergütung an die Urheber religiöskirchlicher Musik nicht ersichtlich sind. - Dieses Ergebnis entspricht wiederum dem des BVerfG. Demgemäß hat das BVerfG § 52 Abs. 1 Nr. 2 UrhG 1965 nicht mehr als verfassungsgemäß angesehen, soweit eine Vergütung bei kirchlichen Veranstaltungen ausgeschlossen ist45. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 52 Abs. 1 Nr. 1 UrhG 1965, der auch weltliche Musik betrifft, kann allerdings abstrakt und ohne bezug zu einem konkreten Sachverhalt nicht entschieden werden, da von dieser Regelung eine ganze Reihe von sehr unterschiedlichen Fallgestaltungen erfaßt ist. Hier sind sowohl Fälle denkbar, in denen ein entsprechender Gemeinwohlbezug den Ausschluß der Vergütung rechtfertigen könnte als auch sol45

BVerfGE 49,382 (391 ff., 398 ff.).

III. Anwendung der Schemata auf die vom BVerfG entschiedenen Sachverhalte

193

che Fälle, in denen dies nicht legitim wäre (vgl. die folgende Entscheidung). - Aufgrund dieser Vielgestaltigkeit der denkbaren Sachverhalte hat sich das BVerfG außerstande gesehen, § 52 Abs. 1 Nr. 1 UrhG 1965 ohne Bezug auf einen konkreten Sachverhalt zu überprüfen. Insoweit seien entsprechende Rügen in konkreten Einzelfällen gemäß der Subsidiaritätsklausel zunächst den Fachgerichten vorzulegen und durch diese zu überprüfen 46.

Musiksendungen in Vollzugsanstalten, BVerfGE 79,; 29: Auch der aufgrund der vorangegange nen Entscheidung neu formulierte § 52 UrhG 1985 enthält eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Verbreitungs- und Wiedergaberecht des Urhebers. Danach ist die öffentliche Wiedergabe eines erschienen Werkes u.a. zulässig, wenn die Wiedergabe keinem Erwerbszweck des Veranstalters dient und die Teilnehmer ohne Entgelt zugelassen werden. Die grundsätzlich auch in diesen Fällen für die Wiedergabe zu zahlende angemessene Vergütung entfällt neben anderen auch für Veranstaltungen der Jugendhilfe, der Sozialhilfe sowie der Gefangenenbetreuung, sofern sie nach ihrer sozialen oder erzieherischen Zweckbestimmung nur einem bestimmt abgegrenzten Kreis von Personen zugänglich sind. - Auch hiergegen wandten sich betroffene Urheber sowie die GEMA aus übertragenem Recht, letztere soweit der Wegfall der Vergütungspflicht für die Gefangenenbetreuung betroffen ist.

Hier verweist das BVerfG ebenfalls einen Teil der Überprüfung über die Subsidiaritätsklausel zunächst an die Fachgerichte, weil auch diese Vorschrift einen erheblichen Auslegungs- und Entscheidungsspielraum enthält und damit ihre Bedeutung noch nicht geklärt sei47. Da die Regelung allerdings in bezug auf die Sendung von Musikwerken in Justizvollzugsanstalten eindeutig ausgelegt werden kann, hielt es eine Überprüfung insoweit für möglich. Auch in diesem Fall gelten hinsichtlich der grundsätzlichen Beurteilung die gleichen Erwägungen wie im Schulbuchfall (siehe oben, S. 189 ff.) 48. Daher stellt sich hier schließlich nur noch die Frage, ob es verhältnismäßig ist, die öffentliche Wiedergabe in den genannten Fällen zuzulassen und daneben die Vergütungspflicht im Zusammenhang mit der Gefangenenbetreuung auszuschließen. Der Ausschluß des Verfügungsrechts ist wie in den zuvor aufgeführten Fällen durch gewichtige Gemeinwohlbelange legitimiert und in der Abwägung mit den Belangen des Urhebers auch verhältnismäßig. Die bei einer darüber hinausgehenden Einschränkung auch des vermögensrechtlichen Verwertungsrechts (Vergütungsanspruch) zu erfüllenden hohen Anforderungen an die Gemeinwohlbelange werden im Unterschied zu den vorgenannten Entscheidungen in der neuen Fassung des § 52 UrhG 1985, durch die - insoweit hier nur zu überprüfende - Begrenzung auf die Musik46

BVerfGE 49, 382 (403 ff.).

47

BVerfGE 79, 29 (35 ff.).

48

Darauf verweist auch das BVerfG ausdrücklich, BVerfGE 79,29 (40).

13 Melchinger

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§ 5 Eigener Ansatz für die verfassungsrechtliche Prüfung und Beurteilung

Sendungen im Rahmen der Gefangenenbetreuung erfüllt. Denn die Gefangenen müssen unter ganz besonderen Umständen leben; dazu zählen die Anstaltsunterbringung auf engem Raum, das Zusammenfallen von Arbeits-, Wohn- und Freizeitbereich, die eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten mit der Außenwelt und die aus diesen Umständen resultierenden psychologisch und psychisch erschwerten Bedingungen. Die Abwägung mit den Individualinteressen der betroffenen Urheber ergibt, daß die auf den einzelnen Urheber im Ergebnis entfallende Belastung relativ gering ist und darum durchaus angemessen und dem Urheber auch wirtschaftlich zumutbar ist. Deshalb ist in dieser Konstellation der durch den gesteigerten Gemeinwohlbezug legitimierte Ausschluß des Vergütungsanspruches (vermögensrechtliches Verwertungsrecht) des Urhebers in bezug auf die Gefangenenbetreuung verhältnismäßig. - Diese Auffassung vertrat auch das BVerfG und hat daher die Regelung des § 52 UrhG 1985 als verfassungsgemäß angesehen49. 3. Mitbestimmung - BVerfGE 50, 290 Nach dem Mitbestimmungsgesetz von 1976 (MitbestG) ist in Unternehmen, die in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft (und vergleichbaren Rechtsformen) betrieben werden und die in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigen, der Aufsichtsrat mit je zur Hälfte aus Mitgliedern der Anteilseigner/Aktionäre und solchen der Arbeitnehmer (Arbeiter und Angestellte einschließlich der leitenden Angestellten) zu besetzen. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats und sein Stellvertreter werden aus der Mitte des Aufsichtsrats gewählt. Wird bei der Wahl des Vorsitzenden im ersten Wahlgang keine Mehrheit erzielt, so wird im zweiten Wahlgang der Aufsichtsratsvorsitzende von den Aufsichtsratsmitgliedern der Anteilseigner und der stellvertretende Vorsitzende von den Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer jeweils mit Mehrheit der Stimmen gewählt. Beschlüsse des Aufsichtsrats bedürfen der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Ergibt sich bei einer Abstimmung Stimmengleichheit, so hat bei einer erneuten Abstimmung über denselben Gegenstand - wenn auch sie Stimmengleichheit ergibt der Aufsichtsratsvorsitzende zwei Stimmen. - Gegen diese Regelung wurde Verfassungsbeschwerde eingelegt und vor allem ein Verstoß gegen Art. 14 GG gerügt. Die gleichberechtigte und gleichgewichtige Mitbestimmung der Arbeitnehmer schränke Aktionäre als Eigentümer eines Kapitalanteils und damit mittelbar als Eigentümer des Unternehmens erheblich ein. Die Mitbestimmung nehme den Anteilseignern zumindest in wesentlichen Teilen die Befugnis, über ihr Kapital und "ihren" Anteil am Unternehmen frei zu verfügen.

Hier liegt eine inhalts- und schrankenbestimmende Regelung vor, die bezüglich ihrer generellen Wirksamkeit als objektives Recht zu überprüfen ist. Beschränkungen des Privateigentums müssen verhältnismäßig sein (Schema

49

Vgl. auch BVerfGE 79, 29 (41 ff.).

III. Anwendung der Schemata auf die vom BVerfG entschiedenen Sachverhalte

195

1, Stufe l 5 0 ) . Ein Eingriff in bereits bestehende Eigentumspositionen ist jedenfalls erst nachrangig zu untersuchen. Regelungsgegenstand ist das Anteilseigentum der Aktionäre und das Eigentum der Unternehmensträger, mithin geht es um Eigentum im zivilrechtlichen Sinne, das unstreitig unter den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegrijf fällt. Der Umfang der durch die gesetzliche Regelung eingeräumten Eigentumsbefugnisse ergibt sich aus der Stellung und den Befugnissen des einzelnen Aktionärs, wie sie nach den näheren Bestimmungen des Gesellschaftsrechts, insbesondere des Aktiengesetzes bestehen. Nach den gesellschaftsrechtlichen Regelungen läßt sich das Anteilseigentum des Aktionärs in ein mitgliedschaftsrechtliches und ein vermögensrechtliches Element aufgliedern. Die Nutzungsbefugnis des Anteilseigners ist auf den Vermögenswert des Unternehmens beschränkt. Der Anteilseigner kann sein Eigentum regelmäßig nicht unmittelbar nutzen und die mit ihm verbundenen Verfügungsbefugnisse nicht direkt wahrnehmen, sondern er kann lediglich seine Aktienanteile veräußern, nicht aber das Unternehmen als ganzes. Darüber hinaus steht auch die Befugnis, über die Aktivitäten des Unternehmens zu bestimmen, den Aktionären nur begrenzt, nämlich nur mittelbar über die Organe der Gesellschaft zu. Die eigenverantwortliche Nutzung des von den Anteilseignern zur Verfügung gestellten Kapitals obliegt nach dem Grundsatz der Fremdorganschaft den Vertretungs- und Leitungsorganen der Aktiengesellschaft. Aus diesen Gründen hat ein Anteilseigner bereits ohne Mitbestimmungsregelung allein aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Normen lediglich eine reduzierte Rechtsstellung inne. Diese gesellschaftsrechtlich eingeräumten Mitwirkungsbefugnisse der Anteilseigner werden durch das MitbestG 1976 zusätzlich insofern eingeschränkt, als danach der Aufsichtsrat als Kontroll- und Leitungsorgan der Aktiengesellschaft nicht mehr allein aus Aktionären, sondern auch aus Arbeitnehmervertretern zusammengesetzt wird. Bei der Ermittlung der Verhältnismäßigkeit ist zu berücksichtigen, daß der personale Bezug des Anteilseigentums von vornherein deutlich geringer ist, als beim Sacheigentum, da der Anteilseigner im Gegensatz zum Unternehmer-Eigentümer mit seinem Eigentum allenfalls mittelbar zu wirken vermag. Auch ist die vermögensrechtliche Haftung beim Anteilseigner beschränkt auf seinen Aktienanteil, der zudem in den meisten Fällen lediglich als Kapitalanlage dient. Der soziale Bezug des Anteilseigentums zeigt sich darin, daß die Anteilseigner lediglich Eigentümer von Produktionsmitteln sind und die Nutzung dieses Anteilseigentums immer der Mitwirkung der Arbeitskräfte bedarf. Mitbestimmung im Unternehmen erfolgt durch die Teilnahme von Arbeitnehmern an den Entscheidungsprozessen im Unternehmen gerade zu dem Zweck, deren Interessen geltend zu machen und um zu versuchen, die Bedingungen, unter denen die Arbeitnehmer tätig sind, zu verbessern. Die 50

Siehe oben S. 183 f.

196

§ 5 Eigener Ansatz für die verfassungsrechtliche Prüfung und Beurteilung

darin zum Ausdruck kommende soziale Komponente der Einbeziehung der Arbeitnehmer geht auch über deren reines Gruppeninteresse hinaus, sie dient der allgemeinen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Kooperation und Integration. Es handelt sich dabei um ein Gemeinwohlinteresse von einigem Gewicht. Die Beschränkungen, die sich aus dem MitbestG 1976 für den einzelnen Anteilseigentümer ergeben, sind auch angemessen und wirtschaftlich zumutbar. Wegen der aufgeführten besonderen Einflußmöglichkeiten der Anteilseigner bei der Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden aus den eigenen Reihen und dessen Zweitstimme bei Patt-Situationen führt die Mitbestimmung der Arbeitnehmer nicht dazu, daß über das im Unternehmen investierte Kapital gegen den Willen aller Anteilseigner entschieden werden kann. In jedem Fall verbleibt der maßgebliche Einfluß und das Letztentscheidungsrecht bei den Anteilseignern; die Garantie der Freiheit des Eigentums ist daher im Grundsatz eingehalten. Die Regelungen des MitbestG 1976 sind deshalb verhältnismäßig. - Demgemäß hat auch das BVerfG die Regelungen des MitbestG 1976 als verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung gemäß Art. 14 GG angesehen51. 4. Kleingartenpacht - BVerfGE 52, 1 Nach dem Kleingartenänderungsgesetz von 1969 (KGÄndG) und der weitergeltenden Kündigungsschutzverordnung von 1944 (KSchVO) unterliegen Pachtverträge über kleingärtnerisch genutzte Grundstücke weitgehenden Pachtpreis- und Kündigungsvorschriften. Diese nachfolgend aufgeführten Regelungen entsprechen im wesentlichen der zuvor bereits nach der Kleingarten- und Kleingartenpachtlandordnung von 1919 (KGO) sowie der KSchVO 1944 geltenden Rechtslage. Danach gelten für den Abschluß von Kleingartenpachtverträgen die Bestimmungen des bürgerlichen Gesetzbuches. Jedoch sind solche, nach freier Vereinbarung geschlossenen Pachtverträge über kleingärtnerisch genutzte Grundstücke grundsätzlich unkündbar, sie können nur aus bestimmten, ausdrücklich aufgeführten Gründen aufgelöst werden; im Falle einer Kündigung hat der Verpächter grundsätzlich Entschädigung zu leisten und ggf. Ersatzland zur Verfügung zu stellen; zeitlich befristete Verträge gelten als auf unbestimmte Zeit verlängert. Auch bedarf eine Kündigung grundsätzlich der behördlichen Genehmigung. Dieses Kündigungsverbot ist nur durch zwei Arten von Ausnahmeregelungen durchbrochen: Zum einen werden gewisse private Interessen des Verpächters berücksichtigt, zum anderen ist eine Vertragsauflösung möglich, sofern das Kleingartengelände für öffentliche Belange benötigt wird. Aus privaten Gründen kann das Kleingartenpachtverhältnis nur gekündigt werden, wenn dem Verpächter im Interesse der Schaffung oder Aufrechterhaltung seiner wirtschaftlichen Lebensgrundlage die Fortsetzung des Pachtverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann; dazu genügt weder ein Eigenbedarf (im Sinne des Mietrechts) des Verpächters noch reichen sonstige Nachteile auf seiner Seite, die daraus resultieren, daß er durch das Pachtverhältnis an

51

52

BVerfGE 50, 290, (339 ff.). Genaue Verweise auf die einzelnen Vorschriften in BVerfGE 52,1 (19).

III. Anwendung der Schemata auf die vom BVerfG entschiedenen Sachverhalte

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einer angemessen wirtschaftlichen Verwertung seines Grundstückes gehindert wird, zu einer Kündigung des Kleingartenpachtverhältnis allein aus. Stets muß hinzukommen, daß die Beendigung des Pachtverhältnisses die Schaffung oder Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Lebensgrundlage des Verpächters ermöglichen soll; ist diese anderweitig ausreichend gesichert, so ist eine Kündigung nicht möglich. Selbst wenn die genannten Voraussetzungen vorliegen, ist eine Kündigung dennoch unzulässig, wenn das öffentliche Interesse am Fortbestand des Pachtverhältnisses überwiegt; in diesem Fall kann der Verpächter die Übernahme der Fläche durch die Gemeinde verlangen. Daneben existiert eine Pachtpreisregelung, nach der der Pachtzins durch behördliche Entscheidung nach Maßgabe des Ertragswertes festzulegen ist. Soweit für die Rechtsfrage relevant, lag der im Jahre 1979 ergangenen Entscheidung folgender Sachverhalt zugrunde: Die Eigentümer eines rund 10 000 m 2 großen Grundstückes, das seit 1929, zuletzt aufgrund eines Pachtvertrages aus dem Jahre 1953 zu einem Pachtzins von insgesamt 500 D M jährlich, als Schrebergarten kleingärtnerisch genutzt wurde, wollten diesen Pachtvertrag kündigen. Die Schrebergartenvereinigung verweigerte unter Berufung auf die Kündigungsschutzbestimmungen die Räumung des Geländes. Die Grundstückseigentümer beantragten eine Genehmigung zur Kündigung des Pachtvertrages, die von der zuständigen Behörde mit der Begründung versagt wurde, es liege keiner der im Gesetz vorgesehenen Kündigungsgründe vor. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem zuständigen Gericht blieb ohne Erfolg.

Unterstellt (abweichend von der tatsächlichen Konstellation, in der es zu einer Richtervorlage kam), die Klage sei in allen Instanzen ohne Erfolg geblieben, so ist hier wegen der konkret-individuellen Ablehnung der behördlichen Genehmigung als erstes diese anhand von Schema 2 zu überprüfen. Bei der Frage nach der Wirksamkeit der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage muß sodann die abstrakt-generelle Regelung des Gesetzgebers im Hinblick auf ihre Wirksamkeit als objektive, in die Zukunft gerichtete Regelung untersucht werden (Schema 1, Stufe 1). Zunächst zu der konkret-individuellen Maßnahme, der behördlichen Versagung der Kündigungsgenehmigung bzw. der Abweisung der dagegen erhobenen Klage (Schema 2 *): Art. 14 GG ist hier unproblematisch Prüfungsmaßstab. Es geht um das Eigentum an Grundstücken; zivilrechtliches Eigentum ist vom verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff mitumfaßt (Normanwendungsbereich). Der Schutzumfang bezogen auf die Frage eines Eingriffes durch die Versagung der Genehmigung wird bestimmt durch die im Rahmen der Sozialbindung konkret bestehende, individuelle Eigentumsposition, die zum Zeitpunkt des behördlichen Tätigwerdens bestand. Dieser Eigentumsbestand der Eigentümer des Grundstückes ergibt sich hier aus einer Gesamtbetrachtung aller das zivilrechtliche Eigentum und das Kleingartenpachtverhältnis betreffenden rechtlichen Regelungen. Danach konnten die Eigentümer das Pachtverhältnis mit der Schrebergartenvereinigung

5

Siehe oben S. 18 f.

198

§ 5 Eigener Ansatz für die verfassungsrechtliche Prüfung und Beurteilung

von vornherein nur aufgrund der gesetzlich festgelegten Kündigungsgründe beenden. Da die Tatbestandsvoraussetzungen der Kündigungsgründe im konkreten Fall nicht vorlagen, wurde die bestehende Eigentumsposition nicht durch die Versagung der Kündigungsgenehmigung von Seiten der Behörde bzw. die gerichtliche Bestätigung dieser Entscheidung verkürzt. Es liegt daher auch kein Eingriff in die bestehende subjektive Eigentumsposition vor. Somit ist die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Eingriffsgrundlage zu prüfen (Schema 1, Stufe l 5 4 ) , da es nur um die Frage geht, ob das die Kleingartenpachtverhältnisse betreffende Recht an sich, d.h. objektiv, wirksam ist. Eine Verkürzung bereits bestehender, subjektiver Eigentumspositionen ist nicht denkbar, da bereits das vor der Neuregelung im Jahre 1969 geltende Recht vergleichbare Restriktionen für Kleingartenpachtverhältnisse enthielt. Somit ist zu ermitteln, ob hier eine verhältnismäßige Beschränkung des Eigentums vorliegt. Die Rechtsstellung der Verpächter von Grundstücken ergibt sich generell aus allen auf das Grundstückseigentum bezogenen, sachenrechtlichen sowie aus den die Pachtverhältnisse betreffenden, schuldrechtlichen Regelungen. Zudem gelten für die Verpachtung von Kleingartengelände besondere Regelungen, die die rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Verpächter von Kleingartengelände und insbesondere die Auflösung eines solchen Pachtverhältnisses einschränken. Darin liegt eine Beschränkung der Rechtsstellung der Verpächter von Kleingartengelände. Diese Regelung für Pachtverhältnisse an Kleingartengelände müssen dem Interesse des Gemeinwohls dienen und dürfen die grundsätzlich gewährleistete Nutzungs- und Verfügungsbefugnis nicht unverhältnismäßig beeinträchtigen. In Bezug auf die Kleingartenpachtverhältnisse mag das öffentliche Interesse an der grundsätzlichen Einrichtung und Erhaltung von Schrebergärten und die dazu notwendige Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten etc. auch unter den heute vorherrschenden Bedingungen noch begründbar sein. Nicht mehr verhältnismäßig und die grundsätzliche Verfügungsbefugnis zu sehr einschränkend ist allerdings das lediglich mit eng begrenzten, minimalen Ausnahmemöglichkeiten, zu denen nicht einmal eine Eigenbedarfskündigung gehört, verbundene grundsätzliche Kündigungsverbot. Dies gilt um so mehr, als der Pächter nur ein ebenfalls nicht frei aushandelbares, extrem geringes Entgelt erhält und zudem eine generelle Pachtpreisbindung zu beachten ist. Im einzelnen sind hierdurch die Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis des (Kleingarten-) Eigentümers gravierend eingeschränkt. Damit ist das grundrechtlich garantierte Eigentum in der Substanz berührt. Wie die nähere Analyse des BVerfG zeigt, sind die gesetzlichen Ausnahmetatbestände in diesem Be54

Siehe oben S. 183 f.

III. Anwendung der Schemata auf die vom BVerfG entschiedenen Sachverhalte

199

reich so eng gefaßt, daß der private Verpächter eines Kleingartengrundstükkes nur noch eine sehr geringe Chance hat, wieder über sein Eigentum frei verfügen zu können. Hierdurch ist auch die Veräußerungsbefugnis des Eigentümers erheblich beschränkt, denn solche Grundstücke sind in der Regel weder veräußerbar noch beleihbar. Zusätzlich wird die Rechtsstellung des Eigentümers dadurch verkürzt, daß seine Kündigung einer behördlichen Genehmigung bedarf, was im Bereich der Privatautonomie völlig unüblich ist. Die derart übermäßige Begrenzung der Befugnisse des individuellen Eigentümers ist nicht durch entsprechend besonders gewichtige soziale Belange gerechtfertigt. Zwar besteht durchaus ein Bedürfnis der Allgemeinheit nach Nutzung fremden Eigentums als Kleingartenanlagen, doch hat die früher geltende Begründung, für nicht oder gering bemittelte Mitbürger eine wichtige Ernährungsquelle zu erhalten, inzwischen angesichts des großen Anteiles an Beziehern mittlerer Einkommen unter den Kleingartennutzern an Bedeutung verloren. Andere Motive, insbesondere die Freizeitgestaltung und Erholungsaspekte, sind an ihre Stelle getreten. Aufgrund dieses beachtlichen Funktions- und Strukturwandels ist der Besitz eines Kleingartens für die meisten Kleingärtner heute zwar noch von einigem Wert, dies ist jedoch nicht mehr von so existentieller Bedeutung, daß die Betroffenen noch immer in so starkem Maße auf die (möglichst unentgeltliche) Nutzung fremden Eigentums angewiesen wären. Die im KGÄndG 1969 noch enthaltene starke Rechtsposition der Kleingartenpächter ist daher nicht mehr durch Gründe des Gemeinwohls veranlaßt und geboten. Auch die lediglich auf die Funktion der Kleingärten als Selbstversorgungsmöglichkeit der gärtnerisch Nutzenden abstellende, extreme Pachtpreisbindung läßt sich angesichts der inzwischen erfolgten finanziellen Besserstellung der meisten Kleingärtner nicht mehr auf Gemeinwohlbelange stützen. Das gesamte, aufgrund der Neuregelung 1969 zur Disposition stehende Regelungssystem des Kleingartenrechts ist deshalb im Verhältnis zu den Beschränkungen des Privateigentümers nicht bzw. nicht in ausreichendem Maße durch öffentliche Gemeinwohlbelange legitimiert. Schließlich stellt auch die Genehmigungsbedürftigkeit der Kündigung eine zu weit gehende Beschränkung dar, weil eine Vertragsauflösung selbst dann, wenn ein gesetzlich normierter Kündigungsgrund vorliegt noch zusätzlich durch die behördliche Entscheidung verhindert werden kann. Es gibt für eine solche Regelung keine gewichtigen Gemeinwohlgründe. Im übrigen ist dieser Genehmigungsvorbehalt auch deshalb äußerst problematisch, weil dem Gesetz nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, welche öffentlichen Belange eine Versagung der behördlichen Genehmigung rechtfertigten (Art. 19 Abs. 4 GG). Da somit bereits auf der ersten Stufe ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG festgestellt werden konnte, kommt es nicht mehr darauf an, ob auf der zweiten Stufe, im Vergleich zu den allgemeinen Pachtregelungen bei normalen Grundstücken, ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz konstatiert

200

§ 5 Eigener Ansatz für die verfassungsrechtliche Prüfung und Beurteilung

werden kann. - Auch das BVerfG hat mit denselben Erwägungen die Regelung der Kleingartenpachtverhältnisse als unverhältnimäßig und damit verfassungswidrig angesehen55. 5. Pflichtexemplare

- BVerfGE 58, 137

Nach dem hessischen Landespressegesetz von 1958 und einer darauf beruhenden Rechtsverordnung hat der Verleger "von jedem Druckwerk, das innerhalb des Landes Hessen erscheint ... ein Stück (Pflichtexemplar) unentgeltlich und auf eigene Kosten ... an ... Bibliotheken [in Hessen] abzugeben". Die Belegstücke sind mit Beginn der Verbreitung ohne besondere Aufforderung unverzüglich abzugeben. - Gegen diese Vorschrift wandte sich ein Verleger, der bibliophile Bücher in geringen Auflagen sowie Originalgrafiken verlegte und meist zu relativ hohen Preisen vertrieb. Er rügte, die Ablieferungspflicht ohne jede Entschädigung verstoße gegen Art. 14 GG.

Hier handelt es sich um die Überprüfung einer abstrakt-generellen Regelung des Gesetzgebers im Hinblick auf deren Verfassungsmäßigkeit als objektive, in die Zukunft gerichtete Regelung (Schema 1). Der betroffene Verleger rügt nicht die Verletzung bereits bestehender, subjektiver Rechtspositionen, also nicht, er habe die Bücher bereits vor Inkrafttreten der in Rede stehenden Vorschriften verlegt, sondern es geht um das Eigentum an Büchern, die erst unter der Geltung jener Regelung entstanden sind. Hier steht allerdings nicht primär in Frage, ob die die Eigentumsposition beschränkende Verpflichtung zur Abgabe eines Exemplares im Hinblick auf das objektive Recht generell wirksam und daher verhältnismäßig ist. Dies ist grundsätzlich zu bejahen. Problematisch ist dagegen die Frage, ob diese Beschränkung durchgehend und in allen Fällen verhältnismäßig ist. Es geht letztlich um eine Ausprägung des Gleichbehandlungsgebotes (Schema 1 Stufe 2). Der Normanwendungsbereich des Art. 14 GG ist gegeben, es handelt sich bei dem Eigentum an Büchern um den Anwendungsbereich des zivilrechtlichen Sachenrechts und damit um Rechtspositionen, die dem verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff unterfallen. Der Inhalt der gewährleisteten Rechtsposition ergibt sich für die Verleger aus den allgemeinen sachenrechtlichen Bestimmungen unter gleichzeitiger Berücksichtigung der landesrechtlichen Ablieferungspflicht eines sog. Pflichtexemplares. Ein Eingriff liegt in diesem Fall nicht in der Beschränkung der rechtlichen Stellung der Verleger bibliophiler und anderer, besonders teurer Druckwerke im Vergleich zu anderen Verlegern, sondern die Beschränkung ergibt sich daraus, daß diese kleine Verlegergruppe durch die Ablieferungspflicht aus tatsächlichen Gründen wegen des hohen Herstellungspreises pro Exemplar und der 55

Vgl. die Entscheidungsgründe BVerfGE 52,1 (26 ff.).

III. Anwendung der Schemata auf die vom BVerfG entschiedenen Sachverhalte

201

geringen Gesamtauflage gegenüber den sonstigen Fällen (hohe Auflage und geringer Herstellungspreis), also im Vergleich der jeweiligen Gewinnmargen, in finanzieller Hinsicht deutlich stärker belastet wird. Diese Beschränkung müßte gemäß Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 GG verfassungsrechtlich legitimiert sein. Da die Abgabepflicht zugunsten öffentlicher Bibliotheken aus wissenschaftlichen, kulturellen und historischen (im Hinblick auf zukünftige Generationen) Gründen besteht, dienen die Beschränkungen im Grundsatz gewichtigen Gemeinwohlbelangen im Sinne von Art. 14 Abs. 2 GG. Eine im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmende Abwägung gegenüber den Belangen der betroffenen Verleger ergibt hier, daß die Verleger bei der Abgabepflicht von in geringer Auflage erschienen, sehr teuren Exemplaren insgesamt zu weit gehenden Belastungen unterliegen und damit ihre grundsätzlich garantierte Eigentümerstellung in der Substanz berührt ist. Das muß nicht hingenommen werden, sofern die Abgabepflicht nicht durch eine teilweise Entschädigung kompensiert wird (sog. Ausgleichsentschädigunf? 6). Deshalb ist die zugrundeliegende landesrechtliche Regelung nicht mit Art. 14 GG vereinbar, soweit sie ohne Unterschied und ohne eine besondere Kostenerstattungsregelung auch diejenigen Druckwerke betrifft, die mit großem Aufwand und zugleich nur in kleiner Auflage hergestellt werden. Ferner verstößt die beanstandete Regelung auch insofern gegen den Gleichheitssatz, als sie bei den Betroffenen zu Belastungen von erheblich unterschiedlicher Intensität führt. - Dies entspricht dem vom BVerfG gefundenen Ergebnis57. Deshalb hat das Gericht die genannte Norm insoweit mit Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht für vereinbar gehalten, als die Pflicht zur Ablieferung eines Belegstückes ausnahmslos ohne Kostenerstattung angeordnet war. 6. Naßauskiesung-BVerfGE

58, 300

Nach den Regelungen des erstmals 1960 inkraftgetretenen und in geänderter Fassung 1976 neu bekanntgegebenen Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) ist ein Grundeigentümer nicht befugt, eine Gewässerbenutzung ohne behördliche Erlaubnis (widerrufliche Befugnis) oder Bewilligung (unwiderrufliches, aber befristetes Recht zu einer bestimmten Gewässerbenutzung) vorzunehmen (§§ 1 a, 2 ff. WHG). Im älteren Wasserrecht hatte es noch unterschiedliche Regelungen in bezug auf das Grundwasser gegeben. Neben öffentlich-rechtlichen Regelungen in anderen Rechtskreisen war in dem im zugrundeliegenden Sachverhalt einschlägigen Preußischen Wassergesetz von 1913 ein Ausgleich der verschiedenen am Grundwasser bestehenden Nutzungsinteressen privatrechtlich dahingehend geregelt, daß die Entnahme von unterirdischem Wasser dann dauernd in größerem Umfang als für die eigene Haushaltung und Wirtschaft erforderlich untersagt war, wenn dadurch eine fremde Wassergewinngungsanlage oder 56

Vgl. auch BVerfGE 79,174 (192).

57

BVerfGE 58,137 (144 ff.).

202

§ 5 Eigener Ansatz für die verfassungsrechtliche Prüfung und Beurteilung

die Nutzung eines fremden Grundstücks erheblich beeinträchtigt wurde. Ferner war auch die Verunreinigung des Grundwassers zum Nachteil anderer durch Einbringen oder Einleiten von Stoffen in den Boden verboten. Wurde gegen diese Bestimmungen verstoßen, so stand dem Geschädigten ein Unterlassungsanspruch zu. Das WHG enthält verschiedene Übergangsregelungen in bezug auf Rechte, die nach den früheren Landeswassergesetzen erteilt oder aufrechterhalten wurden (§§ 15, 17 WHG). - Ein betroffener Grundstückseigentümer baute auf seinem im im Einzugsbereich eines Wasserwerkes liegenden Grundstück seit 1936 bis in den Grundwasserbereich hinein Sand und Kies ab. Sein 1965 gestellter Antrag, ihm zur Fortsetzung des Kiesabbaus eine Erlaubnis nach dem WHG zu erteilen, wurde von der Behörde 1973 mit der Begründung abgelehnt, wegen der geringen Entfernung der Abbausteile zur Brunnenanlage des Wasserwerkes könnten Verunreinigungen aus dem Baggersee in den Brunnen gelangen und die öffentliche Wasserversorgung gefährden. Ein Antrag auf Gewährung einer Entschädigung wurde ebenfalls abgewiesen. Der Betroffene versuchte sodann wegen der Versagung der Erlaubnis zur Naßauskiesung eine Entschädigung aus dem Haftungsinstitut des sog. enteignenden Eingriffs auf dem Zivilrechtsweg einzuklagen. In diesem Zusammenhang legte der BGH dem BVerfG die Frage nach der Vereinbarkeit der entsprechenden Bestimmungen des WHG mit Art. 14 GG vor.

Das BVerfG nahm die - von ihm selbst erheblich modifizierte - Frage zum Anlaß, grundlegend zum Ansatz der Rechtsprechung des BGH zur Entschädigung in Eigentumsfragen Stellung zu beziehen. Dabei erörterte es zunächst ausführlich die Frage des - vom Betroffenen im konkreten Fall nicht in Anspruch genommenen - Primärrechtsschutzes sowie Fragen, die die Voraussetzungen einer Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG betreffen 58. Hier interessiert demgegenüber vorrangig die Frage der verfassungsrechtlichen Einordnung dieses Falles in das Prüfungssystem zu Art. 14 GG. Dabei sind zwei Konstellationen zu trennen: Zum einen kann der Betroffene, der den Kiesabbau bereits vor Erlaß des WHG betrieben hatte, einen Eingriff in subjektive, bereits bestehende Rechtspositionen geltend machen. Dann ist die Prüfung entweder, sofern es sich um den vollständigen oder teilweisen Entzug von Eigentumspositionen handelt, nach Schema 2 oder, sofern es sich um abstrakt-generelle Beschränkungen von Rechten handelt, nach Schema 1 Stufe 3 vorzunehmen. Zum anderen könnte aber auch ein Verstoß im Bereich des objektiven Rechts insofern vorliegen, als Grundeigentümern durch die Neuregelung die Benutzung des Grundwassers generell untersagt und nur in Ausnahmefällen erlaubt wird. Da eine Verletzung bereits bestehender, subjektiver Eigentumspositionen nur dann denkbar ist, wenn eine entsprechende Regelung überhaupt als objektives Recht wirksam ist, ist zunächst zu prüfen, ob die Beschränkung der Eigentumsbefugnisse verhältnismäßig ist (Schema 1 Stufe 1). Dabei geht es um die Reichweite der Rechtsstellung eines Grundeigentümers, also im Grundsatz um eine zi-

58

BVerfGE 58, 300 (322 ff.).

III. Anwendung der Schemata auf die vom BVerfG entschiedenen Sachverhalte

203

vilrechtliche Eigentumsposition und damit um Rechte, die unter den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff fallen (Normanwendungsbereich). Der Umfang der durch die gesetzlichen Regelungen eingeräumten Eigentumsbefugnisse bestimmt sich sowohl nach den für das Grundeigentum relevanten Zivilrechtsnormen als auch nach den einschlägigen Beschränkungen, die sich insbesondere aus dem öffentlichen Recht und im konkreten Fall aus den Vorschriften des WHG ergeben. Das WHG unterstellt das Grundwasser von vornherein einer vom Grundeigentum losgelösten öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung, die das unterirdische Wasser der Allgemeinheit zuordnet, und dem Grundstückseigentümer prinzipiell kein Recht gibt, darauf zuzugreifen. Danach ist grundsätzlich jeder Zugriff auf das Grundwasser von einer konstitutiven behördlichen Zulassung abhängig. Da die Entscheidung über eine Erlaubnis oder eine Bewilligung im Ermessen der zuständigen Behörde liegt, besteht grundsätzlich kein Rechtsanspruch auf eine Genehmigung der Nutzung von Grundwasser. Zur Eigentumsbefugnis des Grundeigentümers gehört damit nicht der Zugriff auf und die Nutzung von Grundwasser. Aus verfassungsrechtlicher Sicht gibt es keine - wie vom vorlegenden BGH postuliert - dem Grundeigentum innewohnende Befugnis zur freien Inanspruchnahme des Grundwassers. Es handelt sich bei dieser Beschränkung der Stellung des Grundeigentümers um eine generelle Neubestimmung des Inhaltes des Grundeigentums in bezug auf die Befugnisse zur Nutzung des Grundwassers, die eine Änderung der allgemeinen Rechtsstellung und somit des objektiven Rechts bewirkt. Diese Beschränkung der Befugnisse des Grundeigentümers und die Unterstellung der Grundwassernutzung unter eine öffentlich-rechtliche Benutzungsordnung müssen, damit sie als inhalts- und schrankenbestimmende Regelung rechtmäßig sind, verhältnismäßig sein. Die öffentlich-rechtlichen Regelung der Grundwassernutzung dient der (Trink-) Wasserversorgung der Bevölkerung. Das Grundwasser ist eine wichtige Grundlage allen Lebens und damit ein für die Allgemeinheit lebensnotwendiges Gut. Die öffentliche Wasserversorgung stellt daher einen überragenden Gemeinwohlbelang dar 59. Ihre Sicherung ist eine wichtige Aufgabe, die in Anbetracht der Tatsache, daß die von einem Grundstück ausgehenden Beeinträchtigungen des Grundwassers sich in ihren Auswirkungen nicht räumlich beschränken lassen, mit den Mitteln des Privatrechts kaum erfüllt werden kann. Die Sicherung der öffentlichen Wasserversorgung und damit die Bewirtschaftung und Kontrolle des Grundwassers kann am besten durch Regelungen des öffentlichen Rechts gewährleistet werden. Angesichts dieser Sachlage haben die Belange der Grundeigentümer zu-

59

Vgl. die ausführliche Darlegung in BVerfGE 58,300 (339 ff.).

204

§ 5 Eigener Ansatz für die verfassungsrechtliche Prüfung und Beurteilung

rückzustehen. Ihre grundsätzliche Nutzungs- und Veräußerungsbefugnis in bezug auf das Grundeigentum bleibt trotz der Regelungen über die Grundwassernutzung erhalten. Die inhalts- und schrankenbestimmende Regelung der Eigentumsbefugnisse durch die Regelung der Grundwassernutzung im Wasserhaushaltsgesetz ist mithin verhältnismäßig und verstößt nicht gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Im vorliegenden Fall hatte der Betroffene allerdings den Kiesabbau bereits vor Inkrafttreten des WHG zulässigerweise betrieben, so daß insofern ein Eingriff in eine bestehende, subjektive Rechtsposition gegeben sein könnte. Die Vorschriften des WHG haben abstrakt-generellen Charakter, so daß das Prüfungsschema 1, Stufe 3 anzuwenden ist. Nach dem im konkreten Fall einschlägigen Preußischen Wassergesetz von 1913 stand dem Grundstückseigentümer die Befugnis zu, im Rahmen des Kiesaubbaus auch den Grundwasserbereich zu nutzen (Gewährleistungsinhalt/-umfang). Da dem Betroffenen hier diese Befugnis aufgrund der Regelungen des WHG und auch nach dessen Überleitungsregelungen nicht mehr zusteht, liegt ein Eingriff in seine zuvor bestehende Eigentumsposition vor. Dies müßte im Rahmen der Eingriffsrechtfertigung/Schrankenvorbehalt auch verhältnismäßig sein. Da es sich bei den Regelungen des WHG um eine völlige Neuordnung und Neugestaltung eines Rechtsgebietes handelt, dürfen jedoch auch bereits bestehende Eigentumspositionen grundsätzlich geändert und entzogen werden. Soweit allerdings ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand der Regelungen gegeben war, ist das nur zulässig, soweit für eine gewisse Übergangszeit angemessene und zumutbare Übergangsregelungen geschaffen wurden. In § 17 WHG sind LJberleitungs- und Entschädigungsregelungen für den hier in Rede stehenden Fall dahingehend enthalten, daß solche Benutzungen noch fünf Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes fortgesetzt und zudem vor ihrem Ablauf ein Antrag auf weitere Erlaubnis oder Bewilligung gestellt werden konnte. Dadurch konnte die Benutzung de facto zumindest bis zur Entscheidung über diesen Antrag sogar noch über einen längeren Zeitraum weitergeführt werden. So hatte auch der Betroffene seine Naßauskiesung nach dem Erlaß des WHG insgesamt 17 Jahre ungehindert fortsetzen können. Obwohl das WHG damit im konkreten Fall dem Betroffenen weder einen Anspruch auf eine Bewilligung noch einen Entschädigungsanspruch einräumte und die ursprünglichen - allerdings lediglich aufgrund privatrechtlicher Regelungen und nicht aufgrund ausdrücklicher behördlicher Gewährung zustehenden - Nutzungsbefugnisse damit nach einer gewissen Übergangsfrist erloschen sind, hat das BVerfG diese Übergangsregelungen im Ergebnis als angemessen und ausreichend angesehen. Dies wurde damit begründet, daß die Neuordnung des Rechtsgebiets insbesondere wegen der Notwendigkeit, dieses Rechtsgebiet einer öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung zu unterstellen, durch die

III. Anwendung der Schemata auf die vom BVerfG entschiedenen Sachverhalte

205

gewichtigen Gemeinwohlbelange und die insgesamt fur die Wasserwirtschaft und Wasserversorgung drohenden Gefahren geboten war. Im übrigen wußte der Betroffene seit dem Erlaß des WHG im Jahre 1960 um die geänderte Rechtslage. Seit diesem Zeitpunkt konnte er daher über die Übergangsfrist hinaus kein Vertrauen mehr in eine uneingeschränkte weitere Nutzung des Grundwassers im Bereich seines Grundstückes haben. Deshalb stellen die in Rede Vorschriften des WHG sowohl abstrakt als auch bezogen auf den konkreten Fall keinen Verstoß gegen Art. 14 GG dar 60. 7. Schatzregal - BVerfGE

78, 205

§ 23 des baden-württembergischen Denkmalschutzgesetzes (DSchG) regelt das Eigentum an Funden beweglicher Kulturdenkmale (Schatzregal) wie folgt: "Bewegliche Kulturdenkmale, die herrenlos sind oder die so lange verborgen gewesen sind, daß ihr Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist, werden mit der Entdeckung Eigentum des Landes, wenn sie ... einen hervorragenden wissenschaftlichen Wert haben." Demgegenüber bestimmt § 984 BGB für den sog. Schatzfund: "Wird eine Sache, die so lange verborgen gelegen hat, daß der Eigentümer nicht mehr zu ermitteln ist (Schatz), entdeckt und infolge der Entdeckung in Besitz genommen, so wird das Eigentum zu Hälfte von dem Entdecker, zur Hälfte von dem Eigentümer der Sache erworben, in welcher der Schatz verborgen war." Dazu enthält der immer noch gültige Art. 73 EGBGB folgende Regelung: "Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften über Regalien"; nach Art. 3 EGBGB a.F. bzw. Art. 1 Abs. 2 EGBGB n.F. (1986) bedeutet dies, daß "die bestehenden landesgesetzlichen Vorschriften in Kraft [bleiben] und ... neue landesgesetzliche Vorschriften erlassen werden [können]". - Der Betroffene hatte aufgrund gezielter Suche auf einem Grundstück einer Gemeinde altertümliche Fundsachen von hervorragendem wissenschaftlichen Wert entdeckt. Da er die gefundenen, von ihm als wissenschaftlich wertvoll erkannten Gegenstände nicht abliefern, sondern für sich behalten oder veräußern wollte, wurde er strafrechtlich wegen einer Unterschlagung zur Verantwortung gezogen. Er wandte hiergegen und rügte eine Verletzung des Art. 14 GG.

Die verfassungsrechtliche Überprüfung müßte hier zunächst bei der strafgerichtlichen Verurteilung, also einer konkret-individuellen Maßnahme ansetzen (Schema 2). Da sich die Strafgerichte im konkreten Fall an die einschlägigen strafrechtlichen und denkmalschutzrechtlichen Vorschriften gehalten haben, stellt sich sodann die Frage, ob die Regelung des § 23 bw DSchG als abstrakt-generelle Regelung des Gesetzgebers mit Art. 14 GG vereinbar ist (Schema 1). Es handelt sich hier nicht um eine Entziehung oder Beschränkung einer dem Betroffenen bereits zugewiesenen, subjektiven Rechtsposition, sondern darum, ob und inwieweit die entsprechende Vorschrift des Denkmalschutzgesetzes als objektives Recht wirksam ist. Dazu ist, wie üblich, zunächst zu fragen, ob der Normanwendungsbereich des

60

Vgl. näher BVerfGE 58, 300 (338, 348 ff.).

206

§ 5 Eigener Ansatz für die verfassungsrechtliche Prüfung und Beurteilung

Art. 14 GG überhaupt eröffnet ist. Die Eigentumszuordnung von Schatzfunden ist zivilrechtlich in § 984 BGB geregelt, wonach der Finder sowie der Eigentümer der Sache, in der der Fund verborgen war, an dem verborgenen Gegenstand Eigentum je zur Hälfte erwerben. Voraussetzung für den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz ist allerdings, daß ein vermögenswertes Recht dem Berechtigten ausschließlich zur privaten Nutzung und zur eigenen Verfügung zugeordnet ist. Das ist bei dem zivilrechtlich geregelten Eigentum an einer Sache der Fall. Hier geht es jedoch nicht um die Frage, wie die Eigentumsbefugnisse ausgestaltet sind, sondern darum, wer eine solche Eigentümerstellung in bezug auf den Fundgegenstand überhaupt erwirbt bzw. erwerben kann. Diese bloße Befugnis zum Rechtserwerb ist bei aufgefundenen, herrenlosen Gegenständen noch nicht durch Verfügungsfähigkeit, Verfügungsbefugnis und Privatnützigkeit gekennzeichnet. Das gilt sowohl für den Finder als auch für den Eigentümer der Sache, in der der Fundgegenstand verborgen war, denn auch der Eigentümer der Sache wußte nichts von der Existenz des Fundgegenstandes; im übrigen läßt sich gerade die Frage nicht mehr beantworten, wer der ursprüngliche Eigentümer des gefundenen Gegenstandes war. Die abstrakte Zuordnungsregel des § 984 BGB fällt daher erst in den Normanwendungsbereich des Art. 14 GG, wenn die bloße Chance des Eigentumserwerbs im konkreten Einzelfall bereits so weit konkretisiert ist, daß § 984 BGB zu einer auf einen konkreten Gegenstand bezogenen Rechtsstellung wird (vgl. dazu den nachfolgend unter Ziff. 8 dargelegten Fall zum Vorkaufsrecht). Abstrakt, d.h. bevor ein Gegenstand aufgefunden wird, handelt es sich bei § 984 BGB lediglich um eine von verschiedenen Voraussetzungen und Zufällen abhängige und deshalb noch sehr unsichere Möglichkeit eines bloßen Rechtserwerbs, der nicht schutzwürdig ist, weil er noch nicht auf einen bestimmten Sachverhalt konkretisiert ist. Darin liegt auch der wesentliche Unterschied zu den oben erörterten urheberrechtlichen Eigentumspositionen (oben Ziff. 2, S. 189 ff.), bei denen es im Gegensatz zum Fund nicht bloß um eine Erwerbschance an einer meist zufällig aufgefundenen, jedenfalls bereits bestehenden Sache geht, sondern um die Zuordnung zuvor erst selbst geschaffener Werke und damit um das Ergebnis eigener geistiger und persönlicher Leistungen, weshalb der Urheber auch einen Anspruch darauf hat, daß ihm der wirtschaftliche Nutzen seines Arbeitsergebnisses zugeordnet wird. Somit ist die Regelungen über die Zuordnung des Eigentums an aufgefundenen Gegenständen nicht von Art. 14 GG geschützt. Demzufolge ist die Argumention nicht zutreffend, die für alle Funde von beweglichen Gegenständen geltende Regelung des § 984 BGB sei der Gewährleistungsinhalt und -umfang der Rechtsstellung von Findern und Sacheigentümern, deshalb stelle das denkmalschutzrechtliche Schatzregal als einschränkende Sonderregelung lediglich für eine Teilgruppe einen Eingriff dar und müsse daher nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 GG

III. Anwendung der Schemata auf die vom BVerfG entschiedenen Sachverhalte

207

gerechtfertigt sein. Die Frage der Zuordnung des Eigentums an aufgefundenen Gegenständen fällt nicht in den von Art. 14 GG geschützten Eigentumsbereich. Deshalb verstößt die von § 984 BGB abweichende Regelung des sog. Schatzregals nach § 23 bwDSchG nicht gegen die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes. - Zu diesem Ergebnis kam auch das BVerfG hier wegen des strafrechtlichen Bezuges der Zweite Senat - in dem zugrundeliegenden Beschluß61. & Vorkaufsrecht-BVerfGE

83, 201

Das Allgemeine Berggesetz für die Preußischen Staaten von 1865 (ABG) sah für Grundstücke, die zu Zwecken des Bergbaubetriebes veräußert worden waren, ein Vorkaufsrecht vor, wenn das Grundstück für die Zwecke des Bergbaues entbehrlich wurde (§ 141 ABG). Das Vorkaufsrecht stand demjenigen zu, der im Zeitpunkt des Weiterverkaufs Eigentümer des durch die ursprüngliche Veräußerung verkleinerten Grundstückes war. In dem diesen Bereich bundeseinheitlich neuregelnden Bundesberggesetz von 1980/82 (BBergG) sind ebenfalls Grundabtretungen zum Zwecke der Errichtung oder Führung eines Bergbaubetriebes vorgesehen, ein Vorkaufsrecht für den Fall der Weiterveräußerung des abgetretenen Grundstückes durch den früheren Eigentümer oder seinen Rechtsnachfolger ist allerdings nicht mehr enthalten. Die landesrechtlichen Berggesetze traten mit Geltung des BBergG 1980/82 außer Kraft. Das BBergG 1980/82 enthält lediglich Übergangsvorschriften für bereits eingeleitete Grundabtretungs- oder andere Enteignungsverfahren, für die bis dahin geltenden Vorschriften auch weiterhin maßgeblich sind. - Der Rechtsvorgänger der betroffenen Eigentümerin eines landwirtschaftlichen Hofes hatte im Jahre 1902 für eine Zechenbahn benötigte Grundflächen an ein Bergbauunternehmen veräußert. Nach der Stillegung der Zechenbahn wurden die Grundstücke bereits 1962 an den Landkreis weiterveräußert. Weder die Bergwerksgesellschaft noch der Landkreis unterrichteten den damaligen Hofeigentümer über diesen Vorgang. Die heutige Hofeigentümerin erfuhr erst wesentlich später anderweitig von dem Verkauf und machte im Jahre 1987 sogleich das gesetzliche Vorkaufsrecht nach § 141 ABG geltend. Entsprechende Klagen wurden mit der Begründung abgewiesen, mit dem Inkrafttreten des BBergG 1980/82 seien zuvor bestehende Vorkaufsrechte erloschen. Die Betroffene rügt einen Verstoß gegen Art. 14 GG.

Unabhängig davon, welches der beiden Schemata anwendbar ist, stellt sich zunächst die Frage, ob Art. 14 GG auf das hier in Rede stehende Vorkaufsrecht überhaupt anwendbar ist, ob es also in dessen Normanwendungsbereich fällt. Dazu müßte das Vorkaufsrecht nach § 141 ABG eine durch Verfügungsfähigkeit, Verfügungsbefugnis und Privatnützigkeit gekennzeichnete, Vermögenswerte Rechtsposition einräumen (verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff). Das Vorkaufsrecht nach § 141 ABG knüpft an die einschlägigen §§ 504, 505 Abs. 2 BGB an, wonach das Vorkaufsrecht die Befugnis enthält, einen Gegenstand durch Kauf zu erwerben, sofern der Vorkaufs-

61

BVerfGE 58, 205 (211 f.).

208

§ 5 Eigener Ansatz für die verfassungsrechtliche Prüfung und Beurteilung

verpflichtete den Gegenstand an einen Dritten veräußert. Der Kauf zwischen dem Vorkaufsberechtigten und dem Verpflichteten kommt mit Ausübung des Vorkaufsrechts unter den Bedingungen zustande, welche der Verkäufer mit dem Dritten vereinbart hat. Da der Vorkaufsberechtigte somit sein Interesse am Erwerb des Grundstücks rechtlich durchsetzen kann, handelt es sich bei dem Vorkaufsrecht um eine subjektive privatrechtliche Rechtsposition, die Vermögenswerten Charakter hat. Das Vorkaufsrecht ist privatnützig, denn es kann zum eigenen Vorteil und zum Nutzen des Berechtigten ausgeübt werden. Es ist ferner zusammen mit dem Restgrundstück übertragbar und deswegen verfügungsfähig; verfügungsbefugt ist der Eigentümer des Restgrundstückes. Von Bedeutung ist darüberhinaus, daß der Vorkaufsfall in der konkreten Situation bereits 1962 und damit vor Inkrafttreten des BBergG 1982 eingetreten war. Angesichts dieser Umstände liegt nicht mehr bloß eine von verschiedenen Voraussetzungen und daher noch recht unsichere Möglichkeit einer Rechtsausübung vor, sondern es besteht bereits eine auf einen bestimmten Sachverhalt konkret bezogene Rechtsposition, die deshalb schutzwürdig ist. Somit ist Art. 14 GG anwendbar. Da das Begehren der Betroffenen durch die zuständigen Gerichte zurückgewiesen wurde, handelt es sich hier zunächst um die Überprüfung einer konkret-individuellen Maßnahme (Schema 2). Wenn zunächst unterstellt wird, daß die Gerichte sich im übrigen an die Vorgaben der einschlägigen Rechtsnormen gehalten haben, dann schließt sich nun die Frage an, ob das BBergG 1980/82 insoweit mit Art. 14 GG vereinbar ist, als es keine Regelung über ein Vorkaufsrecht für den Fall der Weiterveräußerung eines bis dahin zu Zwecken des Bergbaues genutzten Grundstücks mehr enthält. Dabei handelt es sich um die Überprüfung einer abstrakt-generellen Regelung des Gesetzgebers und in concreto um die mögliche Verletzung des bereits vor dessen Erlaß entstandenen Vorkaufsrechts, mithin um subjektive Rechtspositionen (Schema 1, Stufe 3). Der Gewährleistungsumfang der konkret nach den einfachgesetzlichen Regelungen bestehenden Eigentumsposition ergibt sich hier aus § 141 ABG, wonach der Betroffenen im konkreten Fall ein Vorkaufsrecht bezüglich des Rückkaufes der 1962 von dem Bergbauunternehmen an den Landkreis weiterveräußerten Grundstücke zustand. Dieses Vorkaufsrecht hat die Betroffene zwar erst 1987, also nach Erlaß des BBergG 1980/82 geltend gemacht, doch war sie zuvor wegen unverschuldeter Unkenntnis nicht in der Lage, das Recht auszuüben. Nach der ursprünglichen Gesetzeslage stand der Betroffenen somit ein Vor- und Rückkaufsrecht an den fraglichen Grundstücken zu. Das BBergG 1980/82 enthält keine entsprechende Regelung mehr. Auch die Übergangsvorschriften sind nicht auf den hier vorliegenden Sachverhalt anwendbar. Da demnach die ursprünglich bestehende Eigentumsposition auf den ersten Blick nach dem BBergG 1980/82 nicht mehr gegeben ist, läge ein Eingriff in die Subjekt bestehende Rechtsposition der Betroffenen vor, der nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2

III. Anwendung der Schemata auf die vom BVerfG entschiedenen Sachverhalte

209

und Abs. 2 GG durch einen Schrankenvorbehalt legitimiert sein müßte. Insbesondere müßte die Beschränkung bzw. die im Zusammenhang mit der generellen Neugestaltung eines Rechtsgebietes stehende Entziehung der Rechtsstellung durch gewichtige Gemeinwohlbelange gerechtfertigt und gegenüber den Individualbelangen der Betroffenen auch verhältnismäßig sein. Zwar stellt das hinter der Neuordnung stehende allgemeine Interesse an einer bundesweiten Rechtsvereinheitlichung des Bergrechts durchaus einen beachtenswerten Gemeinwohlbelang dar, dieses Interesse erfordert jedoch nicht zwingend die ersatzlose Streichung bereits in konkreten Einzelfällen entstandener Vorkaufsrechte. Daher stellt sich die Frage, ob das BBergG 1980/82 auch Vorkaufsrechte gemäß § 141 ABG ausschließen wollte, jedenfalls dann, wenn bereits vor Erlaß des BBergG 1980/82 der Vorkaufsfall eingetreten war. Dieser Fall hätte durch entsprechende Entschädigungsoder Übergangsregelungen abgemildert werden müssen, so daß der völlige Ausschluß dieses Vorkaufsrechts nicht verfassungsgemäß wäre. Das Bundesberggesetz enthält zwar eine Vorschrift, wonach landesrechtliche Regelungen außer Kraft treten, dabei ist jedoch § 141 ABG nicht ausdrücklich aufgeführt. Deshalb besteht die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung des BBergG 1980/82 in dem Sinne, daß § 141 ABG jedenfalls für bereits vor Erlaß des BBergG eingetretene Vorkaufsfälle nicht außer Kraft treten soll. Danach ist das BBergG 1980/82 bei verfassungskonformer Auslegung als abstrakt-generelle Regelung des Gesetzgebers verfassungsgemäß. Das hat zur Folge, daß nun doch wieder die Gerichtsentscheidungen als konkret-individuelle Maßnahmen zu überprüfen sind (Schema 2). Da die Gerichte das Vorkaufsrecht als nicht mehr bestehend angesehen hatten, liegt hierin einen verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter Eingriff. - Das h auch das BVerfG so entschieden und deshalb im konkreten Fall die angegriffene Entscheidung der Berufungsinstanz aufgehoben und den Rechtsstreit insoweit zur Neuentscheidung zurückverwiesen 62.

62

BVerfGE 83,201.

14 Melchinger

Vierter Teil

Das geltende Denkmalschutzrecht aus der Sicht der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik Nach den Ausführungen in den vorangegangenen Teilen zur verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie und zum Eigentumsverständnis des Grundgesetzes sowie den Hinweisen auf die historische Bedeutung des Denkmalschutzes folgt nun die Anwendung auf den denkmalschutzrechtlichen Bereich. Neben den Regelungen der Denkmalschutzgesetze wird auch deren Anwendung durch Verwaltung und Rechtsprechung in den einschlägigen Einzelfallentscheidungen in die Untersuchung einbezogen.

§ 6 Der Schutzzweck 'Denkmalschutz' (Verfassungs-)Rechtliche Verankerung Nicht zuletzt die oben in § S I I (S. 182 ff.) aufgeführten Schemata machen deutlich, daß es für eigentumsbeschränkenden Regelungen wesentlich auf den jeweiligen Schutzzweck ankommt. Von Bedeutung ist danach insbesondere, welchen Interessen der Allgemeinheit oder welchen staatlichen Aufgaben eigentumsbeschränkende Regelungen dienen (sozialer Bezug / soziale Funktion) sowie ob und in welcher Weise diese Interessen rechtlich besonders geschützt sind. Beschränkungen und beschränkende Inhaltsbestimmungen sind, wie dargelegt, nur zulässig, sofern dem Recht des Eigentümers und der grundsätzlich gewährleisteten "Privatnützigkeit" seines Eigentums konkrete, für die Allgemeinheit wichtige Rechtsgüter ("Drittschutzinteressen") gegenübergestellt werden können. Deshalb ist im folgenden auf der Grundlage der dargelegten verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik zunächst der Frage nachzugehen, wodurch Denkmalschutz und Denkmalpflege zum bedeutenden Interesse der Allgemeinheit im Sinne von Art. 14 Abs. 2 GG qualifiziert werden. Da Art. 14 GG selbst nicht besagt, welche Belange als gemeinwohlrelevant zu qualifizieren sind, müssen Schutzzwecke, die solche Eigentumsbeschränkungen legitimieren, an anderer Stelle in der

I. Denkmalschutz im Grundgesetz

211

Verfassung, in den Landesverfassungen oder durch den Gesetzgeber festgelegt werden (vgl. § 4 III 4, S. 132 m.w.N.). Daher ist als erstes auf eventuelle Anhaltspunkte für den Schutzzweck Denkmalschutz im Grundgesetz und sodann auf die in einigen Landesverfassungen enthaltenen Regelungen zum Denkmalschutz einzugehen. Der Schwerpunkt der Erörterung liegt jedoch auf dem Inhalt des Schutzzweckes Denkmalschutz, den er nach den Denkmalschutzgesetzen erhält. I. Denkmalschutz im Grundgesetz 1. Normative Verankerung Im Gegensatz zu Art. 150 Satz 1 WRV (vgl. oben § 3 II, S. 95 f.) enthält das Grundgesetz keine vergleichbare allgemeine Aussage zum Schutzgut Denkmalschutz. Lediglich in den Bestimmungen über die Gesetzgebungskompetenzen werden vereinzelt Belange des Denkmalschutzes angesprochen. So hat nach Art. 74 Nr. 5 GG der Bund die Befugnis zur gesetzlichen Regelung des Schutzes des deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung, wovon er, wie oben in § 1 I I 1, S. 26 f., gezeigt, auch Gebrauch gemacht hat. Darüber hinaus soll nach bestrittener Ansicht zu dem in Art. 74 Nr. 18 GG erfaßten und damit der konkurrierenden Gesetzgebung zugeordneten Bodenrecht auch der städtebauliche Denkmalschutz gehören1. Davon ist jedoch allenfalls ein Ausschnitt des Denkmalschutzes, nämlich lediglich die Auswirkungen des Denkmalschutzes auf das Bauplanungsrecht erfaßt. Zudem betrifft dies nur Bau- und evtl. auch Bodendenkmale, nicht aber - jedenfalls nicht alle - bewegliche(n) Denkmale. Allerdings ist zweifelhaft, ob aus solchen Kompetenzvorschriften überhaupt Aussagen in bezug auf den Schutzzweck Denkmalschutz und sein Gewicht als Gemeinwohlbelang im Sinne von Art. 14 Abs. 2 GG entnommen werden können.

1

Dafür BVerfG (Kammerbeschluß), NVwZ 1987, S. 879 m. weit. Nachw.; Bartlsperger, Denkmalschutz zwischen staatlicher Fachverwaltung und städtebaulicher Planifizierung, DVB1.1981, S. 284 (295 ff.); Maunz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 23. Lfrg. 1984 (Stand 29. Lfrg. 1991), Art. 74 Rdnr. 200; v. Münch, in: v. Münch (Hrsg.), Grundgesetz, 2. Aufl. 1983, Art. 74 Rdnr. 77. Dagegen ausführlich und mit beachtlicher Begründung Biilow, Rechtsfragen flächen- und bodenbezogenen Denkmalschutzes (Beiträge zum Siedlungs- und Wohnungswesen und zur Raumplanung, Bd. 103), 1986, S. 70 ff. (90); Hönes, Die Unterschutzstellung von Kulturdenkmälern, 1987, S. 32 ff. Vgl. ferner zu dieser Frage, Rengeling, Gesetzgebungszuständigkeit, in: Isensee/Kirchhof, Das Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV: Finanzverfassung - Bundesstaatliche Ordnung, 1990, 5 100, S. 723 ff. (812, Rdnr. 207 m. weit. Nachw. in FN 721). - Auf diesen Streit kommt es jedoch für die hier zu untersuchende Frage

212

6 Der Schutzzweck'Denkmalschutz'

2. Zur Frage eines materiellen Gehalts von Kompetenznormen Vor allem im Zusammenhang mit der Problematik der Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen durch andere Verfassungsbestimmungen wird vom BVerfG 2 und einem Teil des Schrifttums 3 die Auffassung vertreten, daß Kompetenznormen über die reine Kompetenzzuweisung hinaus auch eine materiellrechtliche Wirkung als verfassungsrechtliche Grundentscheidungen und materielle Verfassungswerte zukomme. Ob Kompetenznormen jedoch neben ihrem unmittelbaren Regelungsgehalt auch eine normative verfassungsrechtliche Grundentscheidung enthalten können, ist heftig bestritten4. Der Zweite Senats des BVerfG hat beispielsweise der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung für eine wirksame militärische Landesverteidigung, die sich aus wehrverfassungsrechtlichen Kompetenz-, Ermächtigungsund Organisationsvorschriften ergibt, einen verfassungsrechtlichen Rang für die "Einrichtung und Funktionsfähigkeit der Bundeswehr" entnommen, und damit dann das vorbehaltlos gewährleistete Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung immanent eingeschränkt5. Ebenso wurde die Tunktionsfähigkeit der Strafrechtspflege" als Verfassungswert angesehen, der Grundrechte einschränken könne6. Erst in einer jüngeren Entscheidung verneinte der Erste Senat des BVerfG unter Hinweis auf den hohen Rang jener Grundfreiheit die Möglichkeit, die ebenfalls vorbehaltlos gewährleistete Kunstfreiheit "formelhaft" im Ergebnis nicht an, so daß trotz der geäußerten Bedenken die Ansicht des BVerfG den folgenden Erörterungen zugrundegelegt werden kann. 2

Etwa in BVerfGE 12, 45 (50) - Wehrpflicht; BVerfGE 28, 243 (261) - Kriegsdienstverweigerung; 69, 1 (21 f.) - Neuregelung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung;; zurückhaltender dagegen BVerfGE 77, 240 (255) - Herrnburger Bericht. Vgl. im übrigen die Auflistung bei Pieroth, Materiale Rechtsfolgen grundgesetzlicher Kompetenz- und Organisationsnormen, AöR 114 (1989), S. 422 (425 ff.). 3

Z.B. Bleckmann, Zum materiellrechtlichen Gehalt der Kompetenzbestimmungen des Grundgesetzes, DÖV 1983, S. 129, und ders., Schlußwort, DÖV 1983, S. 808; etwas eingeschränkt auch Pieroth, ebd., AöR 114 (1989), S. 422 (insbes. 445 ff.); vgl. v. Münch, in: v. Münch (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 1985, vor Art. 1 Rdnr. 57. 4

Abweichende Meinung Mahrenholz und Böckenßrde in BVerfGE 69, 1/57 ff.; s. ferner Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz-Kommentar, 1989, Vor Art 1 Rdnr. 28; Menzel, Nochmals: Zum materiellrechtlichen Gehalt der Kompetenzbestimmungen des Grundgesetzes, DÖV 1983, S. 805 ff.; Waechter, Forschungsfreiheit und Fortschrittsvertrauen, Der Staat 30 (1991), S. 19 (25 ff.); Wahl, Freiheit der Wissenschaft als Rechtsproblem, Freiburger Universitätsblätter 26 (1987), Heft 95, S. 19 (25); ders., Forschungs- und Anwendungskontrolle technischen Fortschritts als Staatsaufgabe? - dargestellt am Beispiel der Gentechnik, in: Gentechnikrecht und Umwelt (UTR Bd. 14), 1991, S. 7 (32). 5

BVerfGE 69,1 (21 f.); vgl. auch BVerfGE 28, 243 (261); 32,40 (46); 48,127 (159 ff.).

6

Z.B. BVerfGE 33, 367 (383); 77,65 (76).

I. Denkmalschutz im Grundgesetz

213

durch den "Schutz der Verfassung" oder die "Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege" zu begrenzen7. Es sei im Gegenteil geboten, die konkret verfassungsrechtlich geschützen Güter anhand einzelner Grundgesetzbestimmungen festzustellen (die im Anschluß an diese Feststellung vom Gericht aufgeführten Rechtsgüter gehören denn auch ausschließlich dem grundrechtlichen Bereich an)8. Die genannte Entscheidung des Zweiten Senats wurde als Ausdruck einer sich verfestigenden Rechtsprechung von den Bundesverfassungsrichtern Mahrenholz und Böckenförde 9 in einem abweichenden Votum mit eingehender Begründung dahingehend kritisiert, daß dadurch die Integrität der Grundrechtsgeltung gefährdet und das Grundgefüge einer demokratischrechtsstaatlichen Verfassung verändert werde mit der Folge, daß das Grundgesetz seine inhaltliche Bestimmtheit - die es durch die bisherigen materiellen Normen (insbesondere die Grundrechte) habe - als Maßstab und Grundlage für die Überprüfung des einfachen Rechts verlöre. Messe man den Kompetenznormen (etc.) einen über den lediglich Handlungsmöglichkeiten eröffnenden kompetenziellen Gehalt hinausgehenden, weiteren materiellen Gehalt als Handlungsaufträge zu, so führe dies zu einer Relativierung der Grundrechtsgeltung, denn dann sei nahezu jede Grundrechtsbeschränkung auf diese Weise legitimierbar 10. Dem haben sich Teile des Schrifttums angeschlossen11. Ergänzend wird etwa ausgeführt, daß angesichts der Vielzahl der Kompetenzbestimmungen das dann aus so zahlreichen kollidierenden und untereinander zur Abwägung zu bringenden Verfassungsgütern bestehende Grundgesetz keinen rational aufklärbaren Gehalt und kein eigenes Entscheidungsprogramm mehr besitze und damit normativ leer sei12. Dieser Kritik ist beizupflichten. In Art. 74 GG werden die Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung aufgeführt, um die Gesetzgebungskompetenz in den einzelnen Rechtsgebieten festzulegen und zwischen Bund und Ländern aufzuteilen 13. Es handelt sich

7

BVerfGE 77, 240 (255).

8

BVerfGE 77, 240 (255).

9

Sondervoten BVerfGE 69,1/57 ff. (59 ff.). - Kritische Würdigung bei Pieroth, Materiale Rechtsfolgen grundgesetzlicher Kompetenznormen, AöR 114 (1989), S. 422 (431 ff.). 10

BVerfGE 69,1/57 ff. (64).

11

Menzel, Nochmals: Zum materiellrechtlichen Gehalt der Kompetenzbestimmungen des Grundgesetzes, DÖV 1983, S. 805 (806); Waechter, Forschungsfreiheit und Fortschrittsvertrauen, Der Staat 30 (1991), S. 25 ff.; Wahl, Forschungs- und Anwendungskontrolle technischen Fortschritts als Staatsaufgabe?, in: UTR Bd. 14 (1991), S. 7 (32). 12

Wahl, ebd., in: UTR Bd. 14 (1991), S. 7 (32).

214

6 Der Schutzzweck'Denkmalschutz

dabei um Vorschriften, die die wegen der föderativen Struktur der Bundesrepublik notwendige organisatorische Zuordnung der Gesetzgebungskompetenzen bezwecken. Ihrem Inhalt und Gehalt nach sind sie in der Regel weder mit den, den Umfang der Freiheiten und Pflichten der einzelnen Bürger betreffenden Grundrechten noch mit sonstigen Grundwerten des Grundgesetzes vergleichbar. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn besondere Anhaltspunkte für materielle Aussagen gegeben sind, wie etwa die ausdrückliche Erwähnung von Rechtsinstituten in den Kompetenznormen 14. Schließlich würde einer solchen Zuweisung materieller Gehalte auch etwas Willkürliches anhaften, denn in den Kompetenz-, Ermächtigungs- und Organisationsbestimmungen sind nicht lückenlos und abschließend alle Rechtsgebiete erfaßt, so daß diejenigen Bereiche, die nicht ausdrücklich genannt sind - wie etwa Kultur -, bei entsprechender Sicht überhaupt nicht geschützt oder jedenfalls weniger gewichtig wären. Dies entspricht nicht - jedenfalls nicht erkennbar - der Intention des historischen Verfassunggebers. Deshalb kann den Kompetenznormen über ihren unmittelbaren rechtlichen Gehalt hinaus kein weitergehender normativer verfassungsrechtlicher Gehalt beigemessen werden. 3. Ergebnis Somit kann auch den auf den Denkmalschutz bezogenen, grundgesetzlichen Kompetenznormen keine materiellrechtliche Wirkung entnommen werden. Aus Art. 74 Nr. 5 und ggf. Nr. 18 GG ergeben sich keine Hinweise auf den Stellenwert des Denkmalschutzes und keine Anhaltspunkte für seine Legitimation als Schutzzweck im Hinblick auf die Sozialbindung nach Art. 14 Abs. 2 GG.

II. Denkmalschutz in den Landesverfassungen 1. Einschlägige Bestimmungen Den Beispielen des oben in § 3 II, S. 95 f., behandelten Art. 150 Abs. 1 WRV folgend und in dessen Tradition stehend15, sind in manchen Landesverfassungen entsprechend formulierte Regelungen eingeführt worden 16: 13

Menzel, Nochmals: Zum materiellrechtlichen Gehalt der Kompetenzbestimmungen des Grundgesetzes, DÖV 1983, S. 805 (806). 14 Pieroth, Materiale Rechtsfolgen grundgesetzlicher Kompetenznormen, AöR 114 (1989), S. 422 (447).

II. Denkmalschutz in den Landesverfassungen

215

Art. 86 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 14. November 1953, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. März 1984, lautet: "die Denkmale der Kunst, der Geschichte und der Natur genießen öffentlichen Schutz und die Pflege des Staates und der Gemeinden".

Art. 141 Abs. 2 Verfassung des Freistaates Bayern vom 2. Dezember 1946, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Juni 1984, bestimmt: "Staat, Gemeinden und Körperschaften des öffentlichen Rechts haben die Aufgabe, die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie der Landschaft zu schützen und zu pflegen, herabgewürdigte Denkmäler der Kunst und der Geschichte möglichst ihrer früheren Bestimmung wieder zuzuführen, die Abwanderung deutschen Kunstbesitzes ins Ausland zu verhüten."

Art. 62 der Verfassung des Landes Hessen vom 1. Dezember 1946, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. März 1970, lautet: "Die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und Kultur sowie die Landschaft genießen den Schutz und die Pflege des Staates und der Gemeinden. Sie wachen im Rahmen besonderer Gesetze über die künstlerische Gestaltung beim Wiederaufbau der deutschen Städte, Dörfer und Siedlungen."

In Art. 18 Abs. 2 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 1950, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Juni 1989, ist geregelt: "Die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Kultur, die Landschaft und Naturdenkmale stehen unter dem Schutz des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände."

Art. 40 Abs. 3 der Verfassung für Rheinland-Pfalz vom 18. März 1947, zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. November 1989, bestimmt: "Der Staat nimmt die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie die Landschaft in seine Obhut und Pflege. Die Teilnahme an den Kulturgütern des Lebens ist dem gesamten Volke zu ermöglichen."

Art. 34 Abs. 2 der Verfassung des Saarlandes vom 15. Dezember 1947, zuletzt geändert durch Gesetz Nr. 1183 vom 25. Januar 1985, lautet:

15

Vgl. Heckel, Staat Kirche Kunst. Rechtsfragen kirchlicher Kulturdenkmäler, 1968, S. 59; Hönes, Die Unterschutzstellung von Kulturdenkmälern, 1987, S. 8 f. m. weit. Nachw.; s. ferner Braun, Kommentar zur Landesverfassung Baden-Württemberg, 1984, Art. 86 Rdnr. 1. 16 Vgl. auch die Zusammenstellung in Stich/Burhenne (Hrsg.), Denkmalrecht der Länder und des Bundes, Ergänzbare Sammlung mit Erläuterungen, Rechts- und Verwaltungsvorschriften, amtlichen Informationen, Rechtsprechung und Literatur, Stand 16. Lieferung 1991.

216

6 Der Schutzzweck 'Denkmalschutz' "Die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie die Landschaft genießen den Schutz und die Pflege des Staates."

Eine andere Formulierung enthält Art. 11 der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen vom 21. Oktober 1947, zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. September 1987, wo lediglich bestimmt ist: "Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei. Der Staat gewährt ihren Schutz und nimmt an ihrer Pflege teil."

Inhaltlich enthalten diese Bestimmungen folgende, auf Denkmale bezogene Verfassungsgebote: Schutz und Pflege der Denkmale der Kunst, der Geschichte und der Natur werden als öffentliche Aufgabe bezeichnet. Der Schutz der Denkmale ist in allen aufgeführten Bestimmungen enthalten; die Pflege dieser Güter ist dagegen nur in einigen der Verfassungen ausdrücklich genannt. "Schutz" bedeutet, die jeweiligen Schutzobjekte rechtlich gegen Gefahren zu sichern, etwa durch Verhinderung von Zerstörung, Ausbeutung, Beschädigung, Beeinträchtigung oder Entfernung. "Pflege" bezieht sich dagegen auf fördernde und erhaltende Maßnahmen und umfaßt auch die Beratung und das wissenschaftliche Erfassen der Denkmalgegenstände17; vgl. dazu auch die Ausführungen oben in § 1 III 3, S. 33 f. Gerichtet ist die Aufgabe des "öffentlichen Schutzes", also der Schutz der Rechtsgüter, an die gesamte öffentliche Gewalt. Die Aufgabe der Pflege, die "dem Staat" und den Gemeinden obliegt, ist von allen staatlichen Gewalten jeweils gemäß ihrer Kompetenzen und Funktion wahrzunehmen18. Nach inzwischen vorherrschender Auffassung handelt es sich bei diesen Verfassungsbestimmungen um Staatsaufgaben- und Staatszielbestimmungen19, zumindest aber um verbindliches, objektives Verfassungsrecht, durch das Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung gebunden sind20. Zur Begründung wird zum einen auf die Stellung der Vorschriften verwiesen, die zwischen anderen, mit unmittelbarer Rechtswirkung versehenen Bestimmungen stehen - wie etwa Art. 86 bw LVerf. Ferner war es bei Einführung bzw. Änderung der Normen teilweise ausdrücklich erklärte Absicht der 17

Vgl. für Art. 86 BW LVerf Braun, Landesverfassung Baden-Württemberg, Art. 86 Rdnr. 9. 18

Vgl. Braun, ebd., Art. 86 Rdnr. 4 f. und 10.

19

Braun, ebd., Art. 86 Rdnr. 3 f.; Feuchte, Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Art. 86 Rdnr. 4. 20

BayVerfGH, B.v. 15.5.1981 - 23-VI-79, BayVBl. 1981, S. 429 (430), der allerdings - abweichend von der hier verwendeten Terminologie (vgl. unten) - von "Programmsatz" spricht; Braun, ebd.; Eberl/Martin/Petzet, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, 4. Aufl. 1991, Teil C, Einl. Rdnr. 11 f.; Feuchte, ebd.; Heckel, Staat Kirche Kunst, S. 70 ff., 126; Meder, Die Verfassung des Freistaat es Bayern, 3. Aufl. 1985, Art. 141 Rdnr. 2 und 5; Zinn/Stein, Die Verfassung des Landes Hessen, Bd. 1,1954 (Nachdruck 1981), Art. 62 Anm. 2.

II. Denkmalschutz in den Landesverfassungen

217

Landtage bzw. Verfassunggeber, eine unmittelbar verpflichtende Staatszielbestimmung zu schaffen. Vor allem aber zielen Wortlaut und Sinn der Regelungen eindeutig nicht nur auf eine reine Absichtserklärung, sondern auf einen rechtlichen Gehalt der Vorschriften. Denn die apodiktische Formulierung etwa in Art. 86 bw LVerf "genießen öffentlichen Schutz und die Pflege des Staates" zeigt eindeutig, daß der Verfassunggeber für den Bereich Denkmalschutz und Denkmalpflege ein Tätigwerden staatlicher Stellen vorschreibt oder zumindest erwartet 21. Die Frage nach dem rechtlichen Gehalt von Staatszielbestimmungen wird im folgenden näher zu beleuchten sein. 2. Rechtliche Bedeutung von Staatszielbestimmungen Staatszielbestimmungen sind ihrer Bedeutung und ihrem spezifischen Gehalt nach in in die Zukunft gerichtete Programme, in denen im Rahmen staatlichen Handelns zu verwirklichende Aufgaben und Ziele durch Gebote und Weisungen umschrieben und festgelegt werden 22; sie sollen Impulse für staatliche Aktivitäten geben23. Sie können daher einen appellativen, programmatischen, integrativen, edukatorischen und suggestiven Charakter haben24. Im Hinblick auf die rechtliche Qualifizierung sind Staatszielbestimmungen nach der im Jahre 1983 veröffentlichen Auffassung der Sachverständigenkommission 'Staatszielbestimmungen / Gesetzgebungsaufträge' "Verfassungsnormen mit rechtlich bindender Wirkung, die der Staatstätigkeit die fortdauernde Beachtung oder Erfüllung bestimmter Aufgaben - sachlich umschriebener Ziele - vorschreiben. Sie umreißen ein bestimmtes Programm der Staatstätigkeit und sind dadurch eine Richtlinie oder Direktive für das staatliche Handeln, auch für die Auslegung von Gesetzen und sonstigen Rechtsvorschriften. Im Regelfall wendet sich eine Staatszielbestimmung an den Gesetzgeber, ohne daß damit ausgeschlossen sein muß, daß die Norm auch eine Auslegungsrichtlinie für Exekutive und Rechtsprechung ist. ... Eine Staatszielbestimmung überläßt es der politischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, in welcher Weise und zu welchem Zeitpunkt er 21

Braun, ebd., Art. 86 Rdnr. 3; vgl. auch Schlenker, Die Änderung der Verfassung von Baden-Württemberg. 30 Jahre Landesverfassung, VB1BW 1983, S. 353 (356); vgl. ferner Scheuner y Staatszielbestimmungen, in: FS Forsthoff, 1972, S. 325 (337 f.). 22

Scheuner, ebd., in: FS für Ernst Forsthoff, 1972, S. 325 (335).

23

Wahl, Staatszielbestimmungen im Verfassungsrecht - Bemerkungen aus der Sicht der Bundesrepublik Deutschland, in: Rack (Hrsg.), Grundrechtsreform, 1985, S. 223 (228). 24 Wahl, ebd., in: Rack (Hrsg.), Grundrechtsreform, 1985, S. 223 (228), und Der Bundesminister des Innern/Der Bundesminister der Justiz (Hrsg.), Staatszielbestimmungen/ Gesetzgebungsaufträge, Bericht der Sachverständigenkommission, 1983, Rdnr. 32, S. 36.

218

6 Der Schutzzweck'Denkmalschutz'

die ihm eingeschärfte Staatsaufgabe durch Gesetz erfüllt und dabei etwa auch Ansprüche einzelner auf öffentliche Leistungen oder gegen Dritte entstehen läßt25." In der Literatur besteht weitgehend Einigkeit darüber, daß Staatszielbestimmungen Rechte und Pflichten nicht unmittelbar und ohne weitere Gesetzgebung begründen oder aufheben können. Sie richten sich an alle drei Gewalten und stellen in erster Linie Handlungspflichten für den Gesetzgeber auf; für Verwaltung und Rechtsprechung sind sie zumindest Auslegungshilfen 26. Im Bereich der Gesetzgebung wird durch eine Staatszielbestimmung der Gestaltungsspielraum hinsichtlich des "ob" ihres Tätigwerdens dahin eingeschränkt, daß der Gesetzgeber in eine bestimmte Richtung tätig werden soll27. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber jedoch hinsichtlich der Art und Weise der Beachtung einer Staatszielbestimmung einen Gestaltungsspielraum, da dem Staat eine Aufgabe nur zugewiesen wird, ohne gleichzeitig festzulegen, wie diese Aufgabe zu erfüllen ist. Somit können Staatszielbestimmungen dem Gesetzgeber zwar eine Richtung vorgeben, aber er unterliegt dennoch nur einer begrenzten Bindung, die deutlich hinter der Bindung an grundrechtliche Maßstäbe zurückbleibt. Für die gesetzesakzessorische Tätigkeit der Verwaltung enthält eine Staatszielbestimmung Handlungsauftrag und Abwägungs- sowie Auslegungshilfe 28. Auch für die Rechtsprechung ist die Staatszielbestimmung als normative Vorgabe bei der Interpretation und der Fortbildung des Rechts zu beachten29. Einigkeit herrscht ferner darüber, daß Staatszielbestimmungen im Grundsatz nur objektiv-rechtliche Wirkung entfalten können und keinen subjektiv-rechtlichen Anspruch geben30. 25

Bericht \Staatszielbestimmungen'

(oben FN 24), Rdnr. 7, S. 20 f.

26

Bericht *Staatszielbestimmungen' (o. FN 24), Rdnr. 27, S. 32; Lücke, Soziale Grundrechte als Staatszielbestimmungen und Gesetzgebungsaufträge, AöR 107 (1982), S. 15 (23); Maunz, Staatsziele in den Verfassungen von Bund und Ländern, BayVBl. 1989, S. 545 (547); siehe insgesamt auch Michel, Staatszwecke, Staatsziele und Grundrechtsinterpretation unter besonderer Berücksichtigung der Positivierung des Umweltschutzes im Grundgesetz, 1986, S. 132. 27

Maunz, ebd., BayVBl. 1989, S. 545 (547); ebenso Wienholtz, Arbeit, Kultur und Umwelt als Gegenstände verfassungsrechtlicher Staatszielbestimmungen, AöR 109 (1984), S. 532 (553, These 7); Scheuner, Staatszielbestimmungen, in: FS Forsthoff 1972, S. 325 (340); vgl. ferner bezogen auf das Sozialstaatsprinzip - Bericht 'Staatszielbestimmungen ' (oben FN 24), Rdnr. 29, S. 34. 28 Vgl. Maunz, ebd., BayVBl. 1989, S. 545 (547); Wienholtz, ebd., AöR 109 (1984), S. 553, These 7. 29

Vgl. Maunz, ebd., BayVBl. 1989, S. 545 (547); Wienholtz, ebd., AöR 109 (1984), S. 553, These 7. 30

Bericht 'Staatszielbestimmungen' rechte, AöR 107 (1982), S. 24.

(oben FN 24), Rdnr. 5 f., S. 20; Lücke, Soziale Grund-

II. Denkmalschutz in den Landesverfassungen

219

Im Vergleich zu bloßen Programmsätzen, die lediglich Wünsche aufzeigen und ohne rechtlich bindenden Charakter allenfalls an den Gesetzgeber, nicht aber an Verwaltung und Rechtsprechung gerichtet sind31 - wie sie nach damaliger Auffassung in einer ganzen Reihe von Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung, etwa auch in dem oben in § 3 II, S. 95 f., abgehandelten Art. 150 WRV, enthalten waren - kommt den Staatszielbestimmungen insgesamt ein deutlich höheres Maß an rechtlichem Gehalt zu. Dieses Ergebnis wird, trotz aller Diskussion um den Sinn einer Einfügung weiterer Staatszielbestimmung, dadurch untermauert, daß das Verfassungsleben in der Bundesrepublik Deutschland in ausgeprägtem Maße verrechtlicht ist. Außerdem spricht die Tatsache für sich, daß sowohl die Sachverständigenkommission als auch die rechts- und staatswissenschaftliche Literatur in bezug auf die Einführung von neuen Staatszielbestimmungen überwiegend zurückhaltend sind32. Denn gerade dadurch zeigt sich, daß die wenigen, bereits vorhandenen Staatszielbestimmungen durchaus nicht ohne Bedeutung sind. 3. Rechtlicher Gehalt im Geßge des Grundgesetzes und der Landesverfassungen Die soeben dargelegte rechtliche Bedeutung der Bestimmungen der Landesverfassungen, insbesondere als Staatszielbestimmungen, könnte jedoch nach dem Vorrangprinzip durch den Vorrang des Grundgesetzes33 und den Vorrang des einfachen Bundesrechts (Art. 31 GG 34 ) in seiner praktischen Relevanz eingeschränkt sein. Denn in Bereichen, in denen es bundesrechtliche Regelungen gibt und der Bund die Regelungskompetenz hat, ist kein Raum mehr für eine eigenständige Bedeutung von landes(verfassungs-) rechtlichen Regelungen35.

31 Bericht 'Staatszielbestimmungen 9 (oben FN 24), Rdnr. 6, S. 20; vgl. ferner etwa Maunz, Staatsziele in den Verfassungen von Bund und Ländern, BayVBl. 1989, S. 545 (545). 32

Bericht 'Staatszielbestimmungen* (oben FN 24), z.B. Rdnr. 40,49 f. u. 55, S. 40 f., 44 f. u. 47; z.B. Wahl, Staatszielbestimmungen im Verfassungsrecht, in: Rack (Hrsg.), Grundrechtsreform, 1985, S. 223 (235). 33 Vgl. dazu ausführlich Bartlsperger, Das Verfassungsrecht der Länder in der gesamtstaatlichen Verfassungsordnung, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR IV, 1990, § 96, S. 457.

34

Zu Art. 31 GG ausführlich März, Bundesrecht bricht Landesrecht, Eine staatsrechtliche Untersuchung zu Artikel 31 des Grundgesetzes, 1989, insbesondere S. 85 ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1: Grundbegriffe und Grundlagen des Staatsrechts, Strukturprinzipien der Verfassung, 2. Aufl. 1984, § 19 III 7, S. 719 ff. 35 Ausführlich Pietzcker, Zuständigkeitsordnung und Kollisionsrecht im Bundesstaat, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR IV, 1990, § 99, S. 693 (704 ff., Rdnr. 24 ff.).

220

6 Der Schutzzweck'Denkmalschutz'

In den hier zu untersuchenden kulturellen Bereichen ist hinsichtlich der auf den Schutz und die Pflege von Denkmalen gerichteten Bestimmungen der Landesverfassungen jedoch kein Vorrang bundesrechtlicher Regelungen gegeben36. Nur gültiges Bundesrecht, das verfassungsgemäß zustandegekommen ist und auch inhaltlich dem Verfassungsrecht insbesondere in bezug auf die Gesetzgebungskompetenz nicht widerspricht, kann eine Aufhebungswirkung besitzen37. Die Frage nach dem Vorrang gemäß Art. 31 GG stellt sich erst an zweiter Stelle38. Für den Denkmalschutz als Teil des kulturellen Bereiches steht - im Unterschied zu dem beispielsweise in Art. 86 bw LVerf ebenfalls angesprochenen Umweltschutz und dem Naturschutz die Regelungskompetenz und damit die Verantwortung nahezu ausschließlich den Ländern zu, denen nach Art. 30, 70 ff., 83 ff. GG überwiegend die Kulturhoheit obliegt39. Der beim Bund verbleibende Rest, die sog. Kulturverfassung des Grundgesetzes, betrifft im wesentlichen lediglich Ausschnitte aus den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Kunst 40,41 . Größtenteils gehören die genannten Bereiche jedoch, abgesehen von der Rahmenkompetenz des Bundes nach Art. 75 Nr. la GG zur Regelung der allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens, in die Kompetenz der Länder. Zur Kunst gehören zwar auch der Schutz von sog. Kulturgut und die Pflege von Kulturdenkmalen, allerdings nur, soweit dem Bund dazu die Gesetzgebungskompetenz übertragen wurde, also nur soweit der Schutz des deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland nach Art. 74 Nr. 5 GG der konkur36 So auch Erbguth/Paßlick/Püchel, Denkmalschutzgesetze der Länder, 1984, S. 2; Herdegen, Strukturen und Institute des Verfassungsrechts der Länder, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR IV, 1990, § 97, S. 479 (507, Rdnr. 54). 37

Stern, Staatsrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 1984, § 19 III 7 e ß, S. 721.

38

Vgl. Pietzcker, Zuständigkeitsordnung und Kollisionsrecht, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR IV, S. 693 (705 u. 707, Rdnr. 26 u. 32). 39 BVerfGE 6, 309 (353 f.); 12, 205 (228 f.); s. ferner Bartlsperger, Denkmalschutz zwischen Fachverwaltung und Planifizierung, DVB1.1981, S. 284 (295 m. weit. Nachw.); Hönes, Die Unterschutzstellung von Kulturdenkmälern, 1987, S. 23 m. weit. Nachw. und 67 ff.; Rengeling, Gesetzgebungszuständigkeit, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR IV, S. 723 (812, Rdnr. 207 m. weit. Nachw. in FN 721); vgl. Wahl, Grundrechte und Staatszielbestimmungen im Bundesstaat, AöR 112 (1987), S. 26 (43 ff.). 40 Vgl. Bericht 'Staatszielbestimmungen' (oben FN 24), Rdnr. 171 ff., S. 107 ff.; Maihofer, Kulturstaatliche Elemente der verfassungsmäßigen Ordnung, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts 1983, S. 977; Oppermann, Thomas, Kulturverwaltungsrecht, Bildung - Wissenschaft - Kunst, 1969, S. 29 ff. 41 Bspw. soll auch die von der Sachverständigenkommission 'Staatszielbestimmungen/Gesetzgebungsaufträge' empfohlene Ergänzung für den kulturellen Bereich die bestehende Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern nicht berühren und die Kulturhoheit der Länder ausdrücklich nicht antasten; vgl. Bericht 'Staatszielbestimmungen ' (oben FN 24), Rdnr. 169 ff., 193 u. 215, S. 106 ff., 121 f. u. 131.

. Denkmalschutz in den Landesverfassungen

221

rierenden Gesetzgebung zugewiesen ist42. Alle weitergehenden Versuche, Gesetzgebungskompetenzen für den Bund herzuleiten43, etwa aus Art. 74 Nr. 6 und 10 a GG, den Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen, den Kriegsgräbern und den Gräbern anderer Opfer des Krieges sowie der Opfer der Gewaltherrschaft, sind heftig umstritten und im Ergebnis abzulehnen44, weil insbesondere im Bereich der kulturellen Angelegenheiten Kompetenztitel im Hinblick auf ihren Ausnahmecharakter strikt zu interpretieren sind45. Somit obliegt die Gesetzgebungskompetenz für den Schutz und die Pflege von Denkmalen in allen wesentlichen Teilen den Ländern 46. Im Unterschied dazu sind etwa die in einigen der genannten landesverfassungsrechtlichen Regelungen neben Denkmalschutz und Denkmalpflege ebenfalls aufgeführten Bereiche Umweltschutz und Naturschutz solche Rechtsgebiete, für die die Gesetzgebungskompetenz zumindest in erheblich größerem Umfang als beim Denkmalschutz beim Bund liegt. In diesen Fällen fehlender Regelungskompetenz der Länder kann daher den entsprechenden, nur in die Landesverfassungen aufgenommenen Staatszielbestimmungen im Hinblick auf Art. 14 GG, insbesondere als Begründung für die Gemeinwohlrelevanz einer eigentumsbeschränkenden Regelung, allenfalls ein geringes Gewicht zukommen. Einen anderen Stellenwert hätten dagegen in das Grundgesetz aufgenommene Staatszielbestimmungen für Natur und Umwelt. Aus diesem Grund ist in bezug auf die landesverfassungsrechtlichen Staatszielbestimmungen und deren Relevanz für Art. 14 GG zu differenzieren, je nachdem ob Denkmalschutz bzw. Denkmalpflege oder ob Umwelt- oder Naturschutz betrachtet werden. 4. Fazit Damit kann festgehalten werden, daß die landesverfassungsrechtlichen Regelungen zu Denkmalschutz und Denkmalpflege Staatszielbestimmungen 42

Vgl. Hönes, Die Unterschutzstellung von Kulturdenkmälern, 1987, S. S. 59 ff. und 67 ff.

43

Maihof er, Kulturstaatliche Elemente, in: Benda/Maihofer/Vogel, HdBVerfR, S. 977 ff.

44

So auch Hönes, Die Unterschutzstellung von Kulturdenkmälern, 1987, S. 62 ff. So das BVerfG in ständiger Rechtsprechung, etwa in BVerfGE 12, 205 (228 f.); 26, 281 (297 f.); 61, 149 (174). Kritisch demgegenüber Rengeling, Gesetzgebungszuständigkeit, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR IV, S. 723 (735 ff., Rdnr. 29 ff.). 45

46

So auch Bartlsperger, Denkmalschutz zwischen Fachverwaltung und Planifizierung, DVB1.1981, S. 284 (295 m. weit. Nachw.); Biilow, Rechtsfragen flächen- und bodenbezogenen Denkmalschutzes, 1986, S. 69 ff. m. weit. Nachw., 74; Hönes, ebd., S. 21 ff., 23 m. weit. Nachw. und 67 ff.; Rengeling, Gesetzgebungszuständigkeit, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdBStR IV, S. 723 (812, Rdnr. 207); s. auch Feuchte, in: Feuchte (Hrsg.), Verfassung des Landes BadenWürttemberg, 1987, Art. 86 Rdnr. 29.

222

6 Der Schutzzweck'Denkmalschutz'

und als solche nicht nur rechtlich unverbindlichen Programmsätze sind, sondern unmittelbar geltende und alle Staatsgewalten verpflichtende Leitlinien und damit verbindliches objektives Verfassungsrecht beinhalten47. Subjektive öffentliche Rechte können aus diesen Verfassungsbestimmungen allerdings nicht hergeleitet werden, denn sie gewähren dem Einzelnen keinen durchsetzbaren Anspruch 48. Diesen landesverfassungsrechtlichen Staatszielbestimmungen zugunsten des Denkmalschutzes kommt auch im Rechts- und Verfassungsgefüge des Bundes und der Länder die volle rechtliche Wirkimg zu, da der Denkmalschutz im wesentlichen Teil der den Ländern zustehenden Kulturhoheit ist und somit dem Grundgesetz und sonstigem Bundesrecht kein Vorrang zukommt. Soweit Denkmalschutz und Denkmalpflege als Staatszielbestimmungen in die Landesverfassungen aufgenommen sind, ist mithin eine positive Aussage sowohl zugunsten des Denkmalschutzes als eines legitimen Zweckes im Sinne von Art. 14 Abs. 2 GG als auch zu dessen Gewicht als öffentlicher, im allgemeinen Interesse liegender Belang getroffen worden. Die verfassungsrechtliche Verankerung weist dem Denkmalschutz somit einen Stellenwert als bedeutende und gewichtige Aufgabe des Gemeinwohls zu. Neben den an sich in allen Denkmalschutzgesetzen bereits vorhandenen und daher primär heranzuziehenden Zweckbestimmungen (dazu sogleich unter III.) sind die Staatszielbestimmungen ergänzend von Bedeutung. Auch soweit bzw. solange in den jeweiligen Ländern noch keine entsprechenden Gesetze vorhanden sind oder waren, enthalten diese Staatszielbestimmungen Vorgaben für den Gesetzgeber zum und beim Erlaß von Denkmalschutzgesetzen.

III· Zweck- und Zielbestimmungen in den Denkmalschutzgesetzen 1. Aufgabenübertragung Die Legitimation des Denkmalschutzes ergibt sich in allen Ländern vor allem aus den Denkmalschutzgesetzen und den darin niedergelegten Ziel47

Braun, Landesverfassung Baden-Württemberg, Art. 86 Rdnr. 3; Feuchte, Verfassung des Landes Baden-Württembeig, Art. 86 Rdnr. 4; Meckel, Staat Kirche Kunst, S. 89; Meder, Verfassung des Freistaates Bayern, 3. Aufl. 1985, Art. 141 Rdnr. 2 ff. u. 5; undeutlich Hans, Denkmalschutz in Baden, S. 142 f. So im Ergebnis auch Wahl/Hermes, Denkmalschutz und Verfassungsrecht, in: Arge Stadtbild e.V. (Hrsg.), Freiburger Stadtbild 1992, S. 145 (146 ff.). 48 BayVerfGH, E.v. 27.2.1976 - 76-VI-75, BayVBl. 1976, S. 652 (653); Braun, ebd., Art. 86 Rdnr. 7; Eberl/Martin/Petzet, Bayer. DSchG, 4. Aufl. 1991, Teil C, Einl. Rdnr. 12; Meder, ebd., Art. 141 Rdnr. 5.

III. Zweck- und Zielbestimmungen in den Denkmalschutzgesetzen

223

Zweckbestimmungen49. Dabei haben die Denkmalschutzgesetze in der Regel dem Staat - Behörden oder Städten und Gemeinden - die Aufgabe übertragen, Kulturdenkmäler - gelegentlich ausdrücklich in ihrer Bedeutung "als Quellen und Zeugnisse menschlicher Geschichte und Entwicklung" (§ 1 Abs. 1 hessDSchG) - "wissenschaftlich zu erforschen, zu pflegen, zu schützen und zu erhalten" (§ 1 Abs. 1 bremDSchG; siehe ferner § 1 bwDSchG, § 1 Abs. 1 hamb DSchG, § 1 Abs. 1 hessDSchG, § 2 ndsDSchG, § 1 nwDSchG, § 1 Abs. 1 u. 2 rhpfDSchG, § 1 Abs. 1 saarl DSchG)50. Dazu hat der Staat insbesondere "den Zustand der Kulturdenkmale zu überwachen sowie auf die Abwendung von Gefährdungen und die Bergung von Kulturdenkmalen hinzuwirken" (§ 1 bwDSchG; ebenso ferner § 1 Abs. 1 rhpfDSchG, § 1 Abs. 1 shDSchG). Eine andere Regelung ist hingegen in Bayern getroffen worden: Im dortigen Denkmalschutzgesetz fehlt eine ausdrückliche Bestimmung über die Aufgabenübertragung auf den Staat; dort ist nur die Verpflichtung der jeweiligen Eigentümer präzisiert, "ihre Baudenkmäler instand zu halten, instand zu setzen, sachgemäß zu behandeln und vor Gefährdungen zu schützen" (Art. 4 bayDSchG). 2. Schutzgegenstand - gesetzlicher (Kultur-)Denkmalbegriff Welche Objekte als (Kultur-) Denkmal, dem Schutzgegenstand der Denkmalschutzgesetze, anzusehen sind, ist in den betreffenden Normen begrifflich genauer dahin umschrieben und charakterisiert, daß Ausgangspunkt für den Schutz und die Pflege der Kulturdenkmale ein "aus wissenschaftlichen, künstlerischen oder heimatgeschichtlichen Gründen" bestehendes öffentliches Interesse (§ 2 Abs. 1 bwDSchG) oder das "wegen ihrer geschichtlichen künstlerischen, städtebaulichen, wissenschaftlichen oder volkskundlichen Bedeutung" bestehende Interesse der Allgemeinheit an der Erhaltung des Gegenstandes (Art. 1 Abs. 1 bayDSchG) ist. Die Qualifizierung als Denkmal knüpft demgemäß an zwei Tatbestandsvoraussetzungen an51. Zum einen muß einer der gesetzlichen Schutzgründe vorliegen (Denkmalfähigkeit), zum anderen muß ein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Objekts bestehen ÇDenkmalwürdigkeit) 52. Jeweils bezo49

Ebenfalls ausführlich dazu Körner, Denkmalschutz und Eigentumsschutz, 1992, S. 128 ff.

50

Denkmalschutzgesetze der Länder, Siehe im Einzelnen etwa Erbguth/Paßlick/Püchel, 1984, S. 4 ff. 51 Siehe nur die Ausführungen und Nachweise bei Moench, Die Entwicklung des Denkmalschutzrechts, NVwZ 1988, S. 304 ff., und in der Kommentarliteratur. 52

Diese Begriffe verwendet vor allem der VGH Mannheim, siehe nur U.v. 10.5.1988 - 1 S 524/87, NVwZ-RR 1989, S. 238 (239); U.v. 103.1988 - 1 S 1949/87, NVwZrRR 1989, S. 232 (233); vgl. Strobl/Majocco/Birn, DSchG Bad.-Württ., 1989, § 2 Rdnr. 23 m. weit. Nachw.

224

6 Der Schutzzweck'Denkmalschutz

gen auf die einschlägigen Schutzkriterien muß als zusätzliches Merkmal die Erhaltung des entsprechenden Gegenstandes im öffentlichen Interesse liegen. Dem öffentlichen Interesse kommt dabei eine Korrektivfunktion zu. Es dient der Ausgrenzung denkmalpflegerisch unbedeutender Objekte53. Allerdings wird in der Literatur die Ansicht vertreten, dieses Merkmal (öffentliches Interesse bzw. Interesse der Allgemeinheit) habe lediglich deklaratorischen Charakter und könne auch entfallen 54. Dem ist entgegenzuhalten, daß es gerade bei einer Regelung, die den Schutzzweck eines Gesetzes festlegt, welches die Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 GG ausgestaltet und damit die Sozialbindung gemäß Art. 14 Abs. 2 GG konkretisiert, darauf ankommt, daß der Schutzzweck auch tatsächlich allein auf Gemeinwohlinteressen ausgerichtet ist. Dem öffentlichen Interesse bzw. Interesse der Allgemeinheit im Zusammenhang mit dem Denkmalbegriff lediglich deklaratorischen Charakter zuzuweisen ginge daher zu weit55. Es handelt sich demgegenüber gerade um eine einfachgesetzliche Ausprägung der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 14 Abs. 2 GG und trägt daher maßgeblich dazu bei, daß die Denk-

53 So die h.M., siehe nur BVerwG, B.v. 10.7.1987 - 4 Β 146/87, NJW 1988, S. 505 f.; OVG Koblenz, U.v. 26.5.1983 - 12 A 54[53 ?]/81, DÖV 1984, S. 75 (76); VGH Kassel, U.v. 28.11.1984 - 11 UE 139/84, NVwZ 1988, S. 237 (238); VGH Mannheim, U.v. 103.1988 - 1 S 1949/87, NVwZ-RR 1989, S. 232 (234 f.) und passim; OVG Berlin, U.v. 23.6.1989 - 2 Β 45/87, NJW 1990, S. 2019 f.; BayObLG, B.v. 28.10.1986 - 3 Ob OWi 107/86, NVwZ 1988, S. 383 (384); als Beispiel für kein oder nur ein geringes öffentliches Interesse etwa: VGH Mannheim, U.v. 10.5.1988 - 1 S 524/87, NVwZ^RR 1989, S. 238 (240); VGH Mannheim, U.v. 10.10.1989 - 1 S 736/88, VB1BW1990, S. 182 (183); mit ausführlichen Erörterungen etwa Dorffeldt/Viebrock, Hess. DSchR, 2. Aufl. 1991, Teil C, § 2 Rdnr. 28; Eberl/Martin/Petzet, Bayer. DSchG, 4. Aufl. 1991, Teil C, Art. 1 Rdnr. 9 ff.; Erbguth/Paßlick/Püchel, Denkmalschutzgesetze der Länder, 1984, S. 9 ff.; Finkelnburg, Zum Schutz von Baudenkmalen in Berlin, in: FS 125 Jahre Juristische Gesellschaft Berlin 1984, S. 129 (139); Kleeberg/Eberl, Kulturgüter in Privatbesitz, 1990, DenkmalR NW, 2. Aufl. 1989, Teil Β DSchG § Rdnr. 42; Memmesheimer/Upmeier/Schönstein, 2 Rdnr. 19, 23 ff.; Moench, Die Entwicklung des Denkmalschutzrechts, NVwZ 1984, S. 146 (148); ders., Die Entwicklung des Denkmalschutzrechts, NVwZ 1988, S. 304 (305 f. m. weit. Nachw.); Moench/Schmidt, Die Freiheit der Baugestaltung, 1989, S. 75 ff.; M. Müller, Baudenkmalschutz und Eigentumsbeeinträchtigung, 1985, S. 153 ff.; Ortmeier, Veränderungen an Baudenkmälern, BayVBl. 1990, S. 225 f.; Strobl/Majocco/Birn, ebd., § 2 Rdnr. 23. 54 Hönes, Zur Zweistufigkeit des Denkmalschutzverfahrens, NVwZ 1986, S. 190 (191); ders., Die Unterschutzstellung von Kulturdenkmälern, 1987, S. 98 (101 ff.); ähnlich Schmittat, Denkmalschutz und gemeindliche Selbstverwaltung, 1988, S. 24 f. 55

So die überwiegende Auffassung vgl. FN 52 f. je mit weiteren Nachweisen auf die Rechtsprechung und die Literatur, zudem nur Moench, Denkmalschutzrecht, neuere Entwicklungen, Berührungspunkte mit dem Baurecht, ZfBR 1985, S. 113 (114); M. Müller, Baudenkmalschutz und Eigentumsbeeinträchtigung, 1985, S. 156, und die Kommentarliteratur.

III. Zweck- und Zielbestimmungen in den Denkmalschutzgesetzen

225

malschutzgesetze i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG verhältnismäßige Inhaltsund Schrankenbestimmungen sein können. Die genannten Bedeutungskategorien sind auch in allen anderen Denkmalschutzgesetzen - in wechselnder Zusammenstellung und zuweilen in anderer Umschreibung - aufgeführt (§ 2 Abs. 2 blnDSchG, § 1 Abs. 1 bremDSchG; § 2 Abs. 1 hambDSchG, § 2 hessDSchG, § 3 Abs. 2 ndsDSchG, § 2 Abs. 1 nwDSchG, § 3 Abs. 1 Nr. 2 rhpfDSchG, § 2 Abs. 1 saarlDSchG, § 1 Abs. 2 shDSchG)56. Ergänzend hinzu kommen noch die Bedeutung für das Stadtbild (§ 2 Abs. 2 blnDSchG für Baudenkmale), technische (§ 2 hessDSchG) und technikgeschichtliche Gründe (§ 2 Abs. 1 bremDSchG) sowie gelegentliche Präzisierungen, wie die Bedeutung "für die Geschichte des Menschen, für Städte und Siedlungen, für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse" (§ 2 Abs. 1 nwDSchG57), für die "Förderung des geschichtlichen Bewußtseins oder der Heimatverbundenheit oder ... [die] Belebung und Werterhöhung der Umwelt" (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 b u. c rhpfDSchG). In Hamburg ist das so umschriebene öffentliche Interesse per Legaldefinition als "Denkmalschutzwürdigkeit" bezeichnet (§ 2 Abs. 1 hambDSchG). Die Schutzzwecke bei Bodendenkmalen sind zuweilen noch präzisiert, daß sie z.B. aus "urgeschichtlicher, frühgeschichtlicher oder historischer Zeit stamm[en] und Erkenntnisse über den Menschen oder seine Umwelt liefer[n] oder für die Urgeschichte der Tier- oder Pflanzenwelt von Bedeutung" sein müssen (§ 2 Abs. 3 blnDSchG; vgl. auch § 3 Abs. 4 ndsDSchG und § 2 Abs. 3 saarlDSchG). Der Begriff (Kultur)Denkmal ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle unterliegt 58. Der Bedeutungsgehalt der einzelnen Charakterisierungen und Umschreibungen ist aus dem allgemeinen Verständnis- und Sinngehalt der einzelnen Begriffe abgeleitet

56

Siehe auch die Zusammenstellung in der Übersichtstafel bei Kleeberg/Eberl, ter in Privatbesitz, 1990, S. 59. 57

Vgl. dazu näher Memmesheimer/Upmeier/Schönstein, Teil Β DSchG § 2 Rdnr. 34 ff.

Kulturgü-

DenkmalR NW, 2. Aufl. 1989,

58 BVerwG, B.v. 10.7.1987 - 4 Β 146/87, NJW 1988, S. 505; OVG Koblenz, U. v. 26.5.1983 12 A 54(53 ?)/81, DÖV 1984, S. 75 (76 m. weit. Nachw.); OVG Berlin, U.v. 10.5.1985 - 2 Β 134/83, NVwZ 1986, S. 239; VGH Mannheim, U.v. 10.5.1988 - 1 S 1949/87, NVwZ-RR 1989, S. 232 (233); Dörffeldt/Viebrock, Hess. DSchR, 2. Aufl. 1991, Teil C, § 2 Rdnr. 50; Memmesheimer/Upmeier/Schönstein, ebd., Teil Β DSchG § 2 Rdnr. 45 ff.; Moench, Die Entwicklung des Denkmalschutzrechts, NVwZ 1988, S. 304 m. weit. Nachw.; Moench/Schmidt, Die Freiheit der Baugestaltung, 1989, S. 63 f. m. weit. Nachw. Vgl. zu den Grenzen der gerichtlichen Überprüfbarkeit etwa Schmittat, Denkmalschutz und gemeindliche Selbstverwaltung, 1988, S. 39 ff.; vgl. auch Finkelnburg, Zum Schutz von Baudenkmalen in Berlin, in: FS 125 Jahre Juristische Gesellschaft Berlin 1984, S. 129 (144 f.).

15 Melchìnger

226

S 6 Der Schutzzweck 'Denkmalschutz'

und in der Praxis inzwischen in einer Vielzahl von Entscheidungen konkretisiert worden 59, worauf verwiesen wird. Dazu sind nur folgende Ergänzungen anzumerken: 'Wissenschaftlich 9 bezeichnet die allgemeine Bedeutung für die Wissenschaft oder einen Wissenschaftszweig (etwa Architektur, Statik oder auch Theologie etc.) ohne Beschränkung auf eine bestimmte Disziplin, zumal andere Wissenschaftsbereiche daneben noch ausdrücklich genannt werden60. 'Künstlerisch 9 beinhaltet vor allem die kunsthistorische61 sowie nach bestrittener Ansicht auch die ästhetisch-gestalterische62 Bedeutung. 'Heimatgeschichtlich 9 meint Objekte, die - auch wenn ihnen keine wissenschaftliche Bedeutung zukommt - zumindest von lokalem oder regionalem Interesse sind. Die meist einschlägige 'geschichtliche 9 Bedeutung erfaßt alle Teilbereiche der Geschichtswissenschaften 63. 'Städtebaulich 9 weist auf eine prägende Bedeutung für das Erscheinungsbild eines Ortes, Platzes oder einer Straße etc. hin 64 . 'Volkskundlich 9 bedeutsam sind Objekte, die eine Beziehung zu Sitten und Bräuchen haben oder die Hinweise auf die Lebensumstände und Gepflogenheiten, insbesondere einfacher Bevölkerungsschichten geben können65. Mit 'technischen 9 Gründen sollen technisch besonders bemerkenswerte Objekte erfaßt werden66.

59

Vgl. nur etwa aus der Rechtsprechung VGH Mannheim, U.v. 10.5.1988 - 1 S 1949/87, NVwZ-RR 1989, S. 232 (233 f.), und aus der Literatur umfassend und mit ausführlichen Nachweisen Hönes, Der Kulturdenkmalbegriff im Denkmalschutzrecht, DVB1.1984, S. 413 ff.; ders., Kultur- und Naturdenkmalpflege, NuR 1986, S. 225 (231 f.); , Die Unterschutzstellung von Kulturdenkmälern, 1987, S. 106 ff.; Moench, ebd., NVwZ 1984, S. 146 ff.; ders., Die Entwicklung des Denkmalschutzrechts, NVwZ 1988, S. 304 ff.; sowie die Denkmalschutzgesetzebd., Teil C, § 2 Rdnr. 9 ff.; Eberl/Martin/Petzet, Bayer. kommentare, etwa Dörffeldt/Viebrock, DSchG, 4. Aufl. 1991, Teil C, Art. 1 Rdnr. 16 ff.; Memmesheimer/Upmeier/Schönstein, ebd., Teil Β § 2 Rdnr. 30 ff.; Strobl/Majocco/Birn, DSchG Bad.-Württ., 1989, § 2 Rdnr. 19 ff. 60 Dörffeldt/Viebrock, ebd., Teil C, § 2 Rdnr. 22; Eberl/Martin/Petzet, Rdnr. 20; Strobl/Majocco/Birn, ebd., δ 2 Rdnr. 19. 61

Strobl/Majocco/Birn,,

ebd., Teil C, Art. 1

§ 2 Rdnr. 20.

62

Dörffeldt/Viebrock, Hess. DSchR, 2. Aufl., Teil C, § 2 Rdnr. 10; Eberl/Martin/Petzet, Bayer. DSchG, 4. Aufl. 1991, Teil C, Art. 1 Rdnr. 18; anderer Ansicht Memmesheimer/Upmeier/Schönstein, DenkmalR NW, 2. Aufl. 1989, Teil Β DSchG § 2 Rdnr. 33, die dies nach dem oben dargestellten Begriffswandel in bezug auf die Zielrichtung des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege (oben insbsondere § 2 11 u. 2, S. 45 ff.) wohl zu recht - ausdrücklich verneinen. 63 Eberl/Martin/Petzet, ebd., Teil C, Art. 1 Rdnr. 17; Memmeshexmer/Upmeier/Schönstem, ebd., Teil Β DSchG § 2 Rdnr. 34 f. 64

Dörffeldt/Viebrock, ebd., Teil C, Art. 1 Rdnr. 19.

Hess. DSchR, 2. Aufl., Teil C, § 2 Rdnr. 23; Eberl/Martin/Petzet,

65

Eberl/Martin/Petzet,

ebd., Teil C, Art. 1 Rdnr. 21.

66

Dörffeldt/Viebrock,

Hess. DSchR, 2. Aufl., Teil C, § 2 Rdnr. 26.

IV. Fazit: Sozialer Bezug von Denkmalen

227

3. Ergebnis Der Schutzzweck Denkmalschutz wird somit durch die genannten, die Denkmalfähigkeit begründenden Schutzgründe und das daran bestehende Interesse der Allgemeinheit als maßgebliche Kriterien näher konkretisiert. Mit diesen im Denkmalschutzrecht aufgeführten Schutzgründen hat der Gesetzgeber jeweils ausdrücklich das öffentliche Interesse und damit ein entsprechendes Gemeinwohlinteresse am Denkmalschutz festgelegt. Damit ist der Denkmalschutz als legitimer Zweck im Sinne von Art. 14 Abs. 2 GG auf der einfachgesetzlichen Ebene festgeschrieben. Soweit diese Schutzgründe und das darauf bezogene Interesse der Allgemeinheit im Einzelfall gegeben sind, stellt der Denkmalschutz somit eine gewichtige Aufgabe des Gemeinwohls dar. Daher läßt sich der Sozialbezug im Sinne des Art. 14 Abs. 2 GG allerdings nur mit den in den Denkmalschutzgesetzen genannten Bedeutungskategorien begründen. Sonstige, dort nicht aufgeführte öffentliche Belange (etwa Verkehr, Wirtschaft etc.) können demgegenüber Eigentumsbeschränkungen zugunsten des Denkmalschutzes nicht legitimieren.

IV· Fazit: Sozialer Bezug von Denkmalen Zur verfassungsrechtlichen Legitimation von eigentumsbeschränkenden Regelungen aus denkmalschutzrechtlichen Gründen lassen sich über die in den vorigen Abschnitten gefundenen Ergebnisse hinaus noch allgemein Hinweise und Orientierungspunkte in bezug auf den Umfang der konkret bestehenden Eigentumspositionen, insbesondere zum Schutzzweck der Beschränkungen (Sozialbezug) und zu dessen Gewicht aufführen. Primär ergibt sich der Schutzzweck des Denkmalschutzes aus den in den Denkmalschutzgesetzen genannten Gründen und Kriterien für die Erhaltung der Denkmale (wissenschaftlich, künstlerisch, geschichtlich, heimatgeschichtlich etc.) sowie aus den darauf bezogenen Interessen der Allgemeinheit. Damit hat der Gesetzgeber ausdrücklich das für diesen Bereich relevante Gemeinwohlinteresse im Sinne des Art. 14 Abs. 2 GG festgelegt und eingegrenzt. Daneben resultiert die Bedeutung des Denkmalschutzes in einigen Ländern nicht nur aus den jeweiligen (einfach) gesetzlichen Regelungen, sondern sie ist auch in den Landesverfassungen festgeschrieben Ergänzende Argumente für die Einschätzung des Denkmalschutzes als bedeutsames Interesse der Allgemeinheit und legitime staatliche Aufgabe im Sinne des Art. 14 Abs. 2 GG, die auch bei der Auslegung der normierten Schutzkriterien einfließen, sind auch die Seltenheit der Objekte und die drohende Gefahr, daß diese Objekte einer immer stärker zunehmenden

228

6 Der Schutzzweck 'Denkmalschutz'

Zerstörung ausgesetzt sind. Die soziale Funktion des Denkmalschutzes hat sich im Lauf der Zeit geändert, seine allgemeine Bedeutung, insbesondere aus der Sicht breiter Bevölkerungsschichten hat kontinuierlich zugenommen67 und nimmt inzwischen einen hohen Stellenwert ein. Dies wird vor allem durch die oben im Zweiten Teil vogenommene Betrachtung der Entwicklung in den vergangenen 200 Jahren erhellt, insbesondere durch die aufgezeigten Veränderungen zu Beginn dieses Jahrhunderts in der Zielsetzung des Denkmalschutzes von der rein ästhetischen Sicht hin zu einer wissenschaftlichen Betrachtungsweise und zum Verständnis der Denkmale als wichtige Zeugnisse historischer Ereignisse. Hinzu kommen in diesem Jahrhundert die vielfältigen Zerstörungen wertvoller Objekte in den Weltkriegen und der anschließenden Aufbauphase sowie die inzwischen bedrohliche, zunehmend rascher fortschreitende Zerstörung der noch vorhandenen bedeutsamen Objekte durch Umwelteinflüsse, mit der eine wachsende Sensibilisierung in bezug auf den Erhaltungswert der noch vorhandenen Objekte einhergeht. Der Stellenwert des Denkmalschutzes als Sozialbezug im Sinne des Art. 14 Abs. 2 GG wird noch deutlicher, wenn man die Erwägungen des BVerfG in einigen Entscheidungen, die andere Gegenstandsbereiche betreffen, hinzuzieht und auf den Denkmalschutz überträgt. Zwar nicht direkt anwendbar, aber im Kontext, insbesondere zur Abgrenzung wichtig ist zunächst die bereits referierte Schulbuchentscheidung des BVerfG zum Urhebergesetz von 1965, BVerfGE 31, 229 (oben § 5 I I I 2, S. 189 ff.). Dabei verwies das BVerfG 68 darauf, der Urheber habe nach dem Inhalt der Eigentumsgarantie grundsätzlich einen Anspruch darauf, daß ihm der wirtschaftliche Nutzen seiner Arbeit zugeordnet werde, soweit nicht Gründe des gemeinen Wohls vorrangig vor den Belangen des Urhebers seien. Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, "daß es um das Ergebnis der geistigen und persönlichen Leistung des Urhebers geht, nicht aber etwa um einen unverdienten Vermögenszuwachs".

Ferner führte das Gericht aus, daß diese Regelung des Urhebergesetzes "auch sachlich die Grenze [überschreitet], die der Gesetzgeber nach Art. 14 Abs. 2 GG bei der inhaltlichen Festlegung von Eigentümerbefugnissen zu beachten hat. Dem Interesse der Allgemeinheit, Zugang zu den Kulturgütern zu haben, ist mit dem Ausschluß des Veibotsrechts in dem erörterten Umfang Genüge getan; dieser Aus-

67 Vgl. die Argumentation des BVerfG im Urteil zum Kleingartenrecht, wo auch eine solche Änderung der sozialen Funktion - dort allerdings mit abnehmender Tendenz - konstatiert wurde. 68

BVerfGE 31,229 (244 f.).

IV. Fazit: Sozialer Bezug von Denkmalen

229

schluß konkretisiert die soziale Bindung des Urheberrechts für den hier maßgeblichen Bereich. Aus Art. 14 Abs. 2 GG kann dagegen nicht die Forderung abgeleitet werden, daß der Urheber in diesen Fällen seine geistige Leistung der Allgemeinheit unentgeltlich zur Verfügung stellen müßte".

In diesem Fall stellte das BVerfG maßgeblich auf das Kriterium der eigenen (Arbeits-)Leistung persönlicher, geistiger und schöpferischer Art ab. Dieses Kriterium sowie der an anderer Stelle genannte 'eigene (Vermögens-) Aufwand' sind Maßstäbe, denen nach Ansicht des BVerfG eine herausragende Bedeutung zukommt, weil hierbei in besonderem Maße die persönliche Entfaltung und eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens berührt wird (vgl. oben § 4 I I I 2 b, S. 128 ff.). Die Kriterien spielen bei denkmalgeschützten Objekten in aller Regel jedoch keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Bei solchen Eigentumsobjekten finden diese Maßstäbe und Grenzen daher keine Anwendung. Die Argumentation in der Entscheidung zu Urheberrechten an Musikwerken (Musiksendungen in Vollzugsanstalten - BVerfGE 79, 29 (oben § 5 I I I 2, S. 193 f.) läßt sich dagegen auf den Denkmalschutz übertragen. Dort argumentierte das BVerfG wie folgt 69: "Mit der Veröffentlichung steht das geschützte Musikwerk nicht mehr allein seinem Schöpfer zur Verfügung. Es tritt vielmehr bestimmungsgemäß in den gesellschaftlichen Raum und kann damit zu einem eigenständigen, das kulturelle und geistige Bild der Zeit mitbestimmenden Faktor werden (BVerfGE 31, 229 [242]; 49, 382 [394]). Es löst sich mit der Zeit von der privatrechtlichen Verfügbarkeit und wird geistiges und kulturelles Allgemeingut (BVerfGE 58,137 [148 f.])."

Diese Argumentation auf den Denkmalschutz angewandt ergibt: Mit zunehmendem Alter und wenn die genannten Voraussetzungen der Denkmalfähigkeit gegeben sind, besteht an solchen Objekten ein verstärktes Interesse der Allgemeinheit. Denkmale werden als historisches Zeugnis geistiges und kulturelles Allgemeingut und prägen das geistige und kulturelle Bewußtsein der Allgemeinheit. Die uneingeschränkte Nutzungs- und Verfügungsbefugnis des privaten Eigentümers tritt - je nach Bedeutung des Denkmales - gegenüber dem gesteigerten Interesse der Allgemeinheit zurück. Dies wird mit folgenden Ausführungen in der Pflichtexemplarentscheidung, BVerfGE 58, 137 (vgl. oben § 5 III 5, S. 200 ff.) eindrucksvoll belegt, wenn es dort heißt70: "Vom Zeitpunkt seiner Publikation an entwickelt jedes Druckwerk ein Eigenleben. Es bleibt nicht nur vermögenswertes Ergebnis verlegerischer Bemühungen, sondern wirkt in das Gesellschaftsleben hinein. Damit wird es zu einem eigenständigen, das 69

BVerfGE 79,29 (42).

70

BVerfGE 58,137 (148 f.).

230

§ 7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung kulturelle und geistige Geschehen seiner Zeit mitbestimmenden Faktor (zur Parallele im Urheberrecht ... [Verweis auf die Schulbuchentscheidung]). Es ist, losgelöst von privatrechtlicher Verfügbarkeit, geistiges und kulturelles Allgemeingut. Im Blick auf diese soziale Bedeutung stellt es ein legitimes Anliegen dar, die literarischen Erzeugnisse dem wissenschaftlich und kulturell Interessierten möglichst geschlossen zugänglich zu machen und künftigen Generationen einen umfassenden Eindruck vom geistigen Schaffen früherer Epochen zu vermitteln. Diesem kulturpolitischen Bedürfnis kann durch eine Ablieferungspflicht zugunsten öffentlicher Bibliotheken sinnvoll Rechnung getragen werden."

Diese Argumentation ist - in leicht abgewandelter Form - auch auf den Denkmalschutz anwendbar: Bei Vorliegen einer gewissen Einmaligkeit, meist zusammen mit einem hohen Alter, kommt denkmalschutzfähigen Objekten eine über ihren eigentlichen, ursprünglichen Zweck hinausgehende, eigenständige Bedeutung zu. Ein solches Objekt wirkt auch in das Gesellschaftsleben hinein. Damit wird es zu einem eigenständigen, das kulturelle und geistige Geschehen seiner Zeit dokumentierenden Faktor. Es wird damit, losgelöst von privatrechtlicher Verfügbarkeit, zu einem geistigen und kulturellen Allgemeingut. Im Blick auf diese Bedeutung für die Allgemeinheit stellt es ein legitimes Anliegen dar, diese Objekte dem wissenschaftlich und kulturell Interessierten möglichst weitgehend zu erhalten und zugänglich zu machen und künftigen Generationen einen umfassenden Eindruck vom geistigen Schaffen früherer Epochen zu vermitteln. Diesem kulturpolitischen Bedürfnis kann durch die - im einzelnen noch genauer zu überprüfenden - Regelungen in den Denkmalschutzgesetzen sinnvoll Rechnung getragen werden.

§ 7 Die Bestimmungen der Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung Die das Privateigentum berührenden denkmalschutzrechtlichen Regelungen sind im Hinblick auf die eigentumsdogmatische Struktur des Art. 14 GG einer der folgenden Gruppen zuzuordnen: Sie stellen entweder eine abstrakt-generelle Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar, die wegen der Sozialbindung entweder von vornherein vollständig ohne Entschädigung hinzunehmen oder die nur bei Gewährung einer teilweisen Ausgleichsentschädigung verhältnismäßig ist, oder sie sind Grundlage für eine förmliche Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG, indem sie von Anfang an auf den konkret-individuellen Sach- und Rechtsentzug gegen Entschädigung gerichtet ist. Sofern die jeweiligen Anforderungen nicht erfüllt werden, handelt es sich um einen rechtswidrigen Grund-

I. Inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen

231

rechtseingriff und dabei entweder um eine verfassungswidrige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Gesetzgebers oder um eine verfassungswidrige Einzelanordnung der Verwaltung. Auf der Grundlage der oben im Dritten Teil ausfuhrlich dargelegten verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik werden im folgenden die denkmalschutzgesetzlichen Regelungen durchgegangen und unter Einbeziehung ihrer praktischen Anwendung durch Verwaltung und Rechtsprechung entsprechend zugeordnet1. Dies wird in einem anschließenden Abschnitt ergänzt durch die Analyse einiger Fallbeispiele aus der Rechtsprechung des BGH zum Denkmalschutzrecht, um danach die großen Linien nochmals in einer Gesamtwürdigung dieses Teiles zusammenzuführen.

I. Inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen Die die Rechtsstellung des Privateigentümers betreffenden gesetzlichen Vorschriften zum Denkmalschutz, die nicht ausdrücklich eine förmliche Enteignung regeln, können aus der Sicht des Art. 14 GG nur Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sein. Sie dürfen als solche jedoch allenfalls eine Beschränkung der Eigentumsposition darstellen und (im Regelfall) keinen vollständigen oder teilweisen Entzug von konkret-individuell zugeordneten Rechtspositionen zum Inhalt haben, es sei denn es ist der Ausnahmefall einer völligen Neuordnung eines Rechtsgebietes gegeben, bei dem etwas andere Maßstäbe gelten2. Liegt keine Beschränkung, sondern sogar ein Entzug von Eigentumspositionen vor, so handelt es sich bereits aus diesem Grund um eine unzulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung, die nicht in eine Enteignung umgedeutet werden kann3. Zudem muß eine Inhalts- und Schrankenbestimmung, damit sie zulässig ist, auch die sonstigen Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 und 2 GG erfüllen, also den Interessen der Allgemeinheit oder der staatlichen Aufgabenerfüllung dienen, und die Beschränkung der betroffenen Individualinteressen des Eigentümers zugunsten der Gemeinwohlbelange muß verhältnismäßig sein. Hierzu ebenfalls ausführlich Körner, Denkmalschutz und Eigentumsschutz, 1992, S. 111 ff.; 143 ff. Vgl. bei den Ausführungen zu den gesetzlichen Bestimmungen jeweils noch auch wenn sie nicht ausdrücklich zitiert werden - insbesondere die neueren Kommentare von Dörffeldt/Viebrock, Hess. DSchR, 2. Aufl. 1991; Eberl/Martin/Petzet, Bayer. DSchG, 4. Aufl. 1991; Memmesheimer/Upmeier/Schönstein, DenkmalR NW, 2. Aufl. 1989; Strobl/Majocco/ Birn, DSchG Bad.-Württ., 1989. 2

Siehe oben §5 II, S. 183.

3

Vgl. oben § 4 III 8, S. 159 ff.

232

§ 7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

Nach der Systematik der Fallprüfungsschemata zu Art. 14 GG gilt es dabei einerseits die gesetzlichen inhalts- und schrankenbestimmenden Regelungen des objektiven, auf zukünftige Anwendungsfälle bezogenen Rechts gemäß Schema 1, Stufe 1 und 2 sowie andererseits Eingriffe in bereits bestehende, subjektive Rechtspositionen gemäß Schema 1, Stufe 3 4 zu überprüfen. Bei den auf Privateigentümer bezogenen Normen der Denkmalschutzgesetze ist der Normanwendungsbereich des Art. 14 GG in der Regel gegeben. Da es sich bei den von den denkmalschutzrechtlichen Regelungen erfaßten (Privat-) Objekten entweder um Grundstücke oder um Sachen im Sinne des BGB handelt, sie also den zivilrechtlichen Eigentumsvorschriften unterliegen, geht es um Rechte, die vom verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff mitumfaßt sind. Für den zu ermittelnden Umfang der Eigentumsbefugnisse, die der Gesetzgeber in diesem Bereich eingeräumt hat (Schutzumfang und Gewährleistungsinhalt), sind sowohl die für bewegliche und unbewegliche Gegenstände sowie für Grundstücke einschlägigen zivilrechtlichen Regelungen des BGB maßgeblich, als auch sämtliche einschränkenden gesetzlichen Regelungen des Zivil- und des Öffentlichen Rechts. Zu den Regelungen, die die zivilrechtliche Rechtseinräumung eingrenzen, gehören neben den §§ 905 ff. BGB ferner im öffentlich-rechtlichen Bereich vor allem bauplanungs- und bauordnungsrechtliche sowie beispielsweise wasserrechtliche, naturschutzrechtliche, bergrechtliche, abfallrechtliche und immissionschutzrechtliche Vorschriften. Die somit der Mehrzahl der Betroffenen abstrakt-generell (objektiv) eingeräumte Rechtsstellung ergibt sich damit aus der Gesamtschau der für alle geltenden zivil- und öffentlichrechtlichen, die Rechtsstellung zugleich einräumenden und sie begrenzenden Regelungen. Bei der Untersuchung der abstrakt eingeräumten Rechtsstellung des objektiven Rechts ist zu unterscheiden. Grundsätzlich müssen Beschränkungen des Privateigentums verhältnismäßig sein (Schema 1, Stufe 1). Das betrifft die Fälle, in denen bestimmte Befugnisse generell und insgesamt, d.h. für alle Betroffenen gleichermaßen einfachgesetzlich geregelt werden. Daneben ist, sofern für Teilgruppen andere Regelungen gelten als für die Hauptgruppe, das Gleichbehandlungsgebot zu beachten (Schema 1, Stufe 2). Danach müssen in bezug auf das Denkmalschutzrecht die öffentlichrechtlichen Beschränkungen in den denkmalschutzrechtlichen Regelungen an Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 2 GG gemessen verhältnismäßig sein. Diese Beschränkungen dürfen nur zugunsten gewichtiger Gemeinwohlbelange ergehen, und es müssen die Garantie der persönlichen Freiheit des Eigentums im Grundsatz erhalten bleiben sowie ferner die Beschränkungen des Eigentums angemessen und wirtschaftlich zumutbar sein. Darüberhinaus könnte entweder in der erstmaligen Anwendung eines Denkmalschutzgesetzes oder vor allem in der gesonderten behördlichen Anordnung 4

Oben § 5 II, S. 183 f.

I. Inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen

233

von Verboten oder Geboten - etwa in der Versagung einer Abbruchgenehmigung - ein gleichfalls zu legitimierender Eingriff in durch Art. 14 GG geschützte Rechtspositionen vorliegen, wenn durch die (erstmalige) Anwendung der denkmalschutzgesetzlichen Regelungen bereits zuvor schon bestehende, individuelle zugeordnete Rechtspositionen beeinträchtigt werden (Schema 1, Stufe 3). Ob und unter welchen Voraussetzungen die Anforderungen des Art. 14 GG durch die jeweiligen Regelungen erfüllt werden, ist deshalb jeweils anhand der konkreten denkmalschutzgesetzlichen Regelung zu untersuchen. 1. Anwendung des Denkmalschutzgesetzes an sich Zunächst könnte bereits die erstmalige rechtliche Erfassung eines Objektes als Denkmal eine Beschränkung der durch Art. 14 GG garantierten Eigentumsfreiheit darstellen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen den beiden Formen der rechtlichen Erfassung von Denkmalen, dem Eintragungs- oder Listenprinzip und dem Normativprinzip. Beide Arten kommen in den deutschen Denkmalschutzgesetzen vor, wie wie sich aus dem der verfassungsrechtlichen Beurteilung vorangestellten Überblick ergibt. a) Das System der Denkmalklassifizierung Nach dem Normativprinzip unterliegt ein Denkmal bereits ohne weiteres (ipsa lege), d.h. ohne zusätzliche Anordnung, allein aufgrund der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des (Kultur-) Denkmalbegriffes den (Schutz-) Vorschriften des Denkmalschutzgesetzes3. Zum Normativprinzip gehören auch jene Fälle, in denen zwar eine Eintragung in ein Denkmalbuch oder eine Denkmalliste vorgesehen ist, diese jedoch lediglich deklaratorischen Charakter hat. Beim Eintragungsprindp ist dagegen erst eine Eintragung in eine Denkmalliste oder ein Denkmalbuch konstitutiv für die Anwendung der Schutzvorschriften des Gesetzes6. Als dritte Fallgruppe gibt es noch die Unterschutzstellung allein durch Verwaltungsakt oder Rechtsverordnung, wobei dann der Abschluß dieses Verfahrens konstitutiv für die Anwendung der Schutzvorschriften ist. Auch für die Eintragung bzw. Unter-

5

Vgl. ausführlich Hönes, Die Unterschutzstellung von Kulturdenkmälern, 1987, S. 151 ff. m. weit. Nachw. 6

Dazu und zum folgenden ausführlich ders., Die Unterschutzstellung von Kulturdenkmälern, 1987, S. 184 ff. m. weit. Nachw.

234

§ 7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

schutzstellung ist allein ausschlaggebend, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des (Kultur-) Denkmalbegriffes (s. oben § 6 III 2, S. 223 ff.) vorliegen7. Die folgenden Erläuterungen zu den jeweiligen Regelungen in den einzelnen Bundesländern sind in ihrem wesentlichen Aussagen unten in der tabellarischen Übersicht 1, S. 236 f., zusammengefaßt8. In Baden-Württemberg gilt für alle Kulturdenkmale das Normativprinzip und für den gesteigerten Schutz von Kulturdenkmalen von besonderer Bedeutung ist die Eintragung konstitutiv (vgl. insbes. §§ 6 u. 12 bwDSchG)9. In Bayern wirken die Schutzbestimmungen des Gesetzes für Bau- und Bodendenkmäler ohne weiteres, sie können jedoch HnachrichtlichH in die Denkmalliste aufgenommen werden (Art. 2 u. 3 Abs. 1 bayDSchG), insoweit ist die Eintragung deklaratorisch, es gilt das Normativprinzip; für bewegliche Denkmale wirkt der gesetzliche Schutz nur, sofern sie eingetragen sind, Art. 3 Abs. 1 bayDSchG. In Berlin wird ein (Bau- oder Boden-)Denkmal durch die Eintragung in die Denkmalbücher den Schutzvorschriften des Denkmalschutzgesetzes unterworfen (§ 6 Abs. 1 u. 4 blnDSchG); die Eintragung ist konstitutiv. In Bremen wird zwischen unbeweglichen (Bau- und sonstige Denkmälern) und beweglichen Denkmälern einerseits, die dem Denkmalschutz nur unterliegen, sofern sie in die Denkmalliste eingetragen sind (§§ 2 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 bremDSchG - Unterschutzstellung), und unbeweglichen Bodendenkmälern andererseits unterschieden sowie sonstigen in Erde und Wasser verborgenen Dingen, die ipso iure jedenfalls teilweise dem Denkmalschutz unterliegen und in die Denkmalliste aufgenommen werden, N sobald sie bekannt geworden sind" (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 u. 4 i.V.m. § 3 Abs. 2). Im ersten Fall kommt somit das Eintragungsprinzip zur Anwendung, im zweiten ist die Eintragung teilweise deklaratorisch, es gilt insoweit das Normativprinzip. In Hamburg unterliegen unbewegliche und bewegliche Bau- und Bodendenkmäler etc. dem Denkmalschutz erst nach Unterschutzstellung und Eintragung in die Denkmalliste (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 - 5 u. Abs. 3 - 6 i.V.m. §§ 6 u. 7

7 Moench, Die Entwicklung des Denkmalschutzrechts, NVwZ 1988, S. 304 (308 m. weit. Nachw.); OVG Koblenz, U.v. 26.5.1983 - 12 A 54(53 ?)/81, DÖV 1984, S. 75 (76) - kritisch dazu allerdings Moench, ebd. 8

Vgl. auch die Zusammenstellung bei Erbguth/Paßlick/Püchel, Denkmalschutzgesetze der Länder, 1984, S. 19 ff., und Hönes, Die Unterschutzstellung von Kulturdenkmälern, 1987, S. 151 ff., 186 ff. und 210 ff., sowie bei Kleeberg/Eberl, Kulturgüter in Privatbesitz, 1990, Rdnr. 67 ff. und 240. 9

VGH Mannheim, U.v. 3.4.1982 - 5 S 2334/81, DÖV 1982, S. 703 (Leitsatz 1); VGH Mannheim, U.v. 1.12.1982 - 5 S 2069/82, DVB1.1983, S. 466.

I. Inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen

235

hambDSchG); ausgenommen sind denkmalschutzwürdige archäologische Gegenstände, für die die gesetzlichen Regelungen sofort gelten (§ 2 Abs. 2 u. 7 hambDSchG), insoweit kommt das Normativprinzip zum Tragen. Obwohl im übrigen noch das Unterschutzstellungsverfahren mittels Verwaltungsakt oder Rechtsverordnung hinzukommt, liegt keine abgewandelte Form des Eintragungsprinzips vor, denn der Denkmalschutz beginnt dennoch erst mit der Eintragung in die Denkmalliste, so daß das Eintragungsprinzip vorliegt. In Hessen unterliegen Boden- und unbewegliche sonstige Kulturdenkmäler dem Schutz des Gesetzes unabhängig von der nur nachrichtlich erfolgenden Eintragung in das Denkmalschutzbuch (§ 9 Abs. 1 hessDSchG); hier gilt das Normativprinzip. Bewegliche Kulturdenkmäler sind nur in einigen, besonders im Gesetz aufgeführten Fällen erfaßt, sofern sie eingetragen werden (§ 9 Abs. 2 hessDSchG), hier ist die Eintragung konstitutiv (Eintragungsprinzip). In Niedersachsen ist der Schutz des Gesetzes an die ebenfalls vorgesehene Eintragung in das Verzeichnis der Kulturdenkmale in den meisten Fallgruppen nicht gebunden (§ 5 Satz 1 ndsDSchG); insoweit hat die Eintragung nur deklaratorischen Charakter (Normativprinzip). Bei beweglichen Denkmalen ist die Eintragung für die Anwendbarkeit der wesentlichen Schutzvorschriften konstitutiv (§ 5 Satz 2 DSchG). unterliegen bewegliche und unbewegliche Bau-, In Nordrhein-Westfalen Boden- und sonstige Denkmäler in der Regel mit der Eintragung oder der vorläufigen Unterschutzstellung den Vorschriften des Gesetzes (§ 3 Abs. 1 Satz 2 nwDSchG); diese ist konstitutiv, es gilt das Eintragungsprinzip. Einige, Bodendenkmäler betreffenden Vorschriften gelten unabhängig von deren Eintragung in die Denkmalliste (Normativprinzip). In Rheinland-Pfalz ist die Eintragung in das Denkmalbuch zwar auch vorgesehen, eingetragen werden jedoch nur Denkmäler, die durch Verwaltungsakt oder Rechtsverordnung unter Schutz gestellt worden sind (§ 8 Abs. 1 rhpfDSchG - geschützte Kulturdenkmäler). Für geschützte Kulturdenkmäler ist somit nicht die Eintragung, sondern ein gesondertes Unterschutzstellungsverfahren konstitutiv. Allerdings sind auch für (noch) nicht geschützte Kulturdenkmäler einige Vorschriften anwendbar, insbesondere zur Erhaltung und Pflege der Denkmäler (§ 2 rhpfDSchG), insoweit kommt das Normativprinzip zur Anwendung. Im Saarland sind alle Kulturdenkmäler getrennt nach einzelnen Gruppen N nachrichtlichH in eine Denkmalliste aufzunehmen (§ 7 Abs. 1 saarlDSchG); die Eintragung ist nur deklaratorisch: es gilt das Normativprinzip. In Schleswig-Holstein unterliegen nur in das Denkmalbuch (§§ 5 u. 6 shDSchG) eingetragene Kulturdenkmale (bewegliche und unbewegliche Sachen) den Vorschriften des Denkmalschutzgesetzes.

236

§ 7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

Übersicht 1 Eintragungsprinzip und Normativprinzip

Land

Eintragungs-/ Listenprinzip

Normativprinzip |

Bemerkungen |

BadenWürttemberg

Kulturdenkmale von besonderer Bedeutung §§ 12 ff., 15 ff. [löst gesteigerte Schutzwirkung aus]

Bayern

bewegliche Denkmäler I Bau- u. Bodendenkm. Art. 31 1 Art. 31 u. II

nachrichtliche Eintragung möglich

Berlin

Bau- u. Bodendenkm. § 61 u. IV

unbewegl. Denkmale nur erfaßt, soweit zu den Bodendenkmalen gehörend

Bremen

unbew. (Bau-/sonst.) und bewegl. Denkmale § 21 Nr. 1 - 3, § 31, sowie Bodendenkm., soweit für sie nicht das Normativprinzip gilt

unbewegl. u. bewegl. Bodendenkmale - nur teilweise § 21 Nr. 4 u. § 3 II

Hamburg

bewegl. und unbewegt. Bau-/Bodendenkmäler §§ 2,6 u. 7

schutzwürdige archäologische Gegenstände § 2 II u. VII

Hessen

bewegl. Kulturdenkmäler §911

Boden- u. unbewegl. sonstige Denkmäler §91

Niedersachsen

bewegl. Denkm. bezogen auf die Geltung wesentlicher Schutzvorschriften, § 5

Bau-, Boden, bewegl. Denkmale §§3-5

NordrheinWestfalen

bewegl. u. unbewegt. Bau-, Boden- / sonst. Denkmäler, § 31

Bodendenkm., nur bezogen auf einen Teil der Vorschr., § 314

alle Kulturdenkmale §§ 2,6 ff.

keine Differenzierung zwischen Bauund Boden- oder bewegl. und unbewegl. Denkmalen

Normativprinzip erfaßt nur einzelne Schutzvorschriften

bewegl. Kulturdenkmäler nur eingeschränkt erfaßt

_*_

_n

I. Inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen

Rheinland Pfalz

Saarland

SchleswigHolstein

Unterschutzstelhing durch bes. VA/RVO betr. unbewegl. / bewegt. Kultur- (Bau-/ sonst.) Denkmäler §§ 3 ff. und 8 —

Kulturdenkmale, beweg!. / unbewegt. Sachen » I I I u. V

237

auch die nicht unter Schutz gestellten Kultuidenkm. unterliegen best. Geboten §2

Unterschutzstellung durch bes. VA, Eintragung hat nur deklaratorischen Charakter

Kulturdenkmale, bewegl./unbewegl. Bau-, Boden-/sonst. Denkm.

nachrichtl. Eintragung möglich, § 7

neben dem Denkmalbuch gibt es auch eine Denkmalliste, in der geplante Eintragungen in das Denkmalbuch zu vermerken sind

Die Übersicht zeigt, daß das Normativprinzip in reiner Form nur im saarländischen Denkmalschutzgesetz enthalten ist. Die Regelungen in Bayern, Hessen und Niedersachsen gehen im Grundsatz ebenfalls vom Normativprinzip aus, nur bei beweglichen Kulturdenkmalen wird dort jedoch das Eintragungsprinzip angewandt. Auch in Rheinland-Pfalz gilt im Grundsatz das Normativprinzip, darüberhinaus ist für den besonderen Schutz jedoch ein gesondertes Unterschutzstellungsverfahren erforderlich. Das Eintragungsprinzip allein gibt es lediglich in Berlin und in Schleswig-Holstein, sowie - mit einer Ausnahme (archäologische Gegenstände) - in Hamburg. Die Regelungen in Bremen und Nordrhein-Westfalen haben ihren Schwerpunkt im Eintragungsprinzip; dort kommt das Normativprinzip nur für Bodendenkmäler zum Tragen und betrifft auch nur einen Teil der gesetzlichen Vorschriften. Somit kommen die beiden Prinzipien sowie das Unterschutzstellungsverfahren in den meisten Denkmalschutzgesetzen nebeneinander und in wechselnder Gewichtung vor. Etwas anders geartet ist die Regelung in BadenWürttemberg, wo das Normativprinzip grundsätzlich für alle Kulturdenkmale maßgeblich ist, und über eine Eintragung ein gesteigerter Schutz für Kulturdenkmale 'von besonderer Bedeutung9 ausgelöst wird; diese Eintragung wirkt nur hinsichtlich des gesteigerten Schutzes konstitutiv, die Kulturdenkmaleigenschaft wird nicht erst dadurch begründet. In Gesetzen, die ganz oder teilweise das Eintragungsprinzip bzw. das Unterschutzstellungsverfahren anwenden, ist meist, um einen lückenlosen Denkmalschutz zu ermöglichen, vorgesehen, daß vorläufige Eintragungen bzw. Unterschutzstellungen angeordnet werden können, sofern mit der Eintragung/Unterschutzstellung zu rechnen ist (so etwa in § 17 bwDSchG, § 7

238

§ 7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

blnDSchG, § 8 bremDSchG, § 26 hambDSchG, § 4 nwDSchG, § 11 rhpfDSchG, § 7 shDSchG). b) Verfassungsrechtliche Beurteilung Um diese beiden Regelungssysteme verfassungsrechtlich beurteilen zu können, ist zuerst zu prüfen, ob die objektiven, auf zukünftige Anwendungsfälle bezogenen, abstrakten Regelungen mit Art. 14 GG zu vereinbaren sind (Schema 1, Stufe 1 1 0 ). Obwohl es bei dem Eintragungs- und Listenprinzip naheliegt, sogleich auf die Frage nach einem Eingriff in zuvor bereits bestehende, individuell zugeordnete Eigentumspositionen einzugehen (Schema 1, Stufe 3), ist zunächst die Wirksamkeit des objektiven Rechts zu untersuchen. Denn ein Eingriff in bestandsgeschützte Rechtspositionen kann erst dann vorliegen, wenn die einschlägigen Regelungen bereits als objektives, auf zukünftige Anwendungsfälle gerichtetes Recht mit Art. 14 GG vereinbar sind. Für die hier verfolgte Fragestellung, ob die erstmalige Erfassung eines Objektes als Denkmal eine verfassungsrechtlich legitimierte Beschränkung darstellt, gilt es zu berücksichtigen, daß es für ihre Qualifizierung nur auf die sich direkt und sofort aus dem Gesetz ergebenden Ge- und Verbote ankommt. Unbeachtlich sind dagegen an dieser Stelle jene nur potentiell das Eigentum beschränkenden Regelungen, die sowohl beim Normativprinzip als auch bei einer behördlichen Eintragung/Unterschutzstellung erst durch eine weitere, davon zu unterscheidende behördliche Anordnung gegenüber dem Betroffenen Wirkung entfalten können. Sie haben damit einen eigenständigen Charakter und müssen deshalb auch getrennt beurteilt werden (dazu näher unten Ziff. 2 ff.). (1) Prüfungsansatz beim Normativprinzip Beim Normativprinzip unterliegt ein Denkmal bereits ohne besondere behördliche Anordnung allein durch Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des (Kultur-) Denkmalbegriffes den (Schutz-) Vorschriften des Denkmalschutzgesetzes (eo ipso-Geltung). Dies ist zumindest für einzelne Denkmalgruppen in allen Denkmalschutzgesetzen der alten Bundesländer außer in Berlin und Schleswig-Holstein angeordnet. Hier ergibt sich in bezug auf das objektive, zukünßge Anwendungsfälle betreffende Recht (Schema 1, Stufe 1) die Eigentumsbefugnis aus der Rechtsstellung, die generell sämtlichen vergleichbaren Eigentümern eingeräumt ist (Gesamtschau der ein10

Oben § 5 II, S. 183 f.

I. Inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen

239

schlägigen zivil- und öffentlich-rechtlichen Vorschriften). Die für die Eigentümer von Denkmalen geltenden, beim Normativprinzip sofort wirkenden Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse durch die Denkmalschutzgesetze, wie Erhaltungs- und sonstige Pflichten, Genehmigungsvorbehalte, Verbote und Gebote, sind Beschränkungen, die den Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 2 GG genügen und insbesondere verhältnismäßig sein müssen; dazu im einzelnen unten Ziff. (3), S. 243. Ein Eingriff in bereits bestehende, individuell zugeordnete Eigentumspositionen (Schema 1, Stufe 3) ist bei Geltung des Normativprinzips nur denkbar im Hinblick auf die erstmalige Einführung des Gesetzes insgesamt oder die nachträgliche Neueinfügung einzelner Normen. Denn hier kann ein Eingriff in die Bestandsgarantie nur in dem Augenblick erfolgen, in dem das Denkmalschutzgesetz mit den eo ipso geltenden Regelungen neu geschaffen wird. Ein solcher Vorgang ist durchaus nicht hypothetisch, da ein Teil der Denkmalschutzgesetze in den Ländern erst nach Inkrafttreten des Grundgesetzes eingeführt worden ist. In diesen Fällen hatte der Eigentümer - sofern nicht bereits schon vorher entsprechende beschränkende Regelungen vorhanden waren, die sich bis in vorkonstitutionelle Zeit zurückführen lassen11 - zuvor eine insoweit unbeschränkte Eigentumsposition inne. Dann stellt die Neueinführung eo ipso geltender denkmalschutzrechtlicher gesetzlicher Beschränkungen einen Eingriff in seine zuvor bestehenden individuellen Eigentumspositionen dar, der nach den dafür geltenden Vorgaben (Schema 1, Stufe 3) verfassungsrechtlich legitimiert sein muß. Soweit dies im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG erforderlich ist, müssen solche Beschränkungen, ggf. mit Hilfe von Härtefallklauseln, entweder durch Übergangsbestimmungen oder durch Ausgleichsentschädigungsregelungen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG abgemildert werden, anderenfalls sind sie verfassungswidrige Inhalts- und Schrankenbestimmungen. Darüber hinausgehende Eingriffe, die bereits zum Entzug von Eigentumspositionen führen, sind im Grundsatz nur als förmliche Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG gegen Enteignungsentschädigung zulässig. Allerdings ist vor allem in der zweiten Konstellation, bei der Entziehung von Eigentumspositionen, zu berücksichtigen, daß bei der völligen Neuordnung eines Rechtsgebietes ausnahmsweise auch solche weitgehenden Eingriffe als lediglich inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen möglich sind. Dann muß der Gesetzgeber jedoch den Vertrauensschutz wahren und angemessene und zumutbare Übergangsregelungen schaffen.

11

Das gilt etwa auch in den am 3. Oktober 1990 beigetretenen Gebieten bezüglich neuer denkmalschutzrechtlicher Regelungen im Verhältnis zu den bereits zuvor bestehenden und gemäß Einigungsvertrag weitergeltenden Vorschriften des Kulturgutschutzgesetzes und des Denkmalpflegegesetzes der ehemaligen DDR (vgl. oben § 1 II 2, S. 29 f.).

240

§ 7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

Eine vergleichbare Situation kann auch dadurch entstehen, daß nicht von vornherein, d.h. bereits bei Erlaß des jeweiligen Denkmalschutzgesetzes mit ipsa-lege-Regelungen, ein Denkmal vorliegt, sondern daß ein Objekt erst zu einem späteren Zeitpunkt erstmals die Denkmaleigenschaft erfüllt. Es geht um die Fälle, in denen die Objekte erst allmählich in den Anwendungsbereich eines Denkmalschutzgesetzes durch spätere Erfüllung der Denkmaleigenschaft "hineinwachsen", beispielsweise Wohn-, Geschäfts-, Produktionsoder sonstige Gebäude aus den fünfziger oder sechziger Jahren dieses Jahrhunderts, die etwa typisch für die Zeit des sog. Wirtschaftswunders und deshalb heute entsprechend den gesetzlichen Kriterien denkmalschutzfähig sind. Auf der Ebene des objektiven Rechts bestehen hier keine Besonderheiten; es gelten die selben Anforderungen, wie oben ausgeführt. Daneben ist hier ein Eingriff in bereits bestehende, individuell zugeordnete Eigentumspositionen gegeben (Schema 1, Stufe 3). Diese Konstellation unterscheidet sich nicht wesentlich von dem oben erörterten, erstmaligen Erlaß eines Denkmalschutzgesetzes oder der Neueinfügung einzelner Normen. Auch hier hatte der Eigentümer zuvor eine bestandsgeschützte Eigentumsposition inne, die durch die später eintretende Anwendbarkeit der Denkmalschutzgesetze beschränkt wird. Diese Beschränkung muß ebenfalls durch den Schutzzweck Denkmalschutz verfassungsrechtlich legitimiert sein. (2) Prüfungsansatz beim Eintragungsprinzip Die Eintragung bzw. Unterschutzstellung, die in jedem Einzelfall gesondert vorzunehmen bzw. anzuordnen ist, ist als behördliche Anordnung eine konkret-individuelle Maßnahme. Da es sich jedoch lediglich um die Konkretisierung und den Vollzug einer gesetzlichen Regelung handelt (Schema 2 1 2 ), setzt sich die Prüfung dann in der Prüfung der zugrundeliegenden abstrakt-generellen, inhalts- und schrankenbestimmenden Regelung fort (Schema 1). Nicht die unmittelbare Anordnung selbst, nicht also die inhaltliche Festlegung des Objektes als Denkmal - die den üblichen, an Verwaltungsakte zu stellenden Rechtmäßigkeitsanforderungen entsprechen und insbesondere die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllen muß -, sondern erst die damit verbundene, sich aus dem Gesetz ergebende Anwendbarkeit der Regelungen des Denkmalschutzgesetzes hat Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Eigentümers. Somit müssen auch die aufgrund der Eintragung/Unterschutzstellung anwendbaren denkmalschutzgesetzlichen Regelungen den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmungen genügen.

12

S. oben S. 185 f.; vgl. auch die Erläuterungen in § 512 c, S. 172 ff.

I. Inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen

241

Auf der Ebene des objektiven Rechtes bestehen keine Unterschiede zu den Denkmalschutzgesetzen, die das Normativprinzip enthalten; insoweit kann auf die Ausführungen oben unter (1) verwiesen werden. Die durch die denkmalschutzrechtlichen Regelungen gegebenen Beschränkungen der Eigentumsbefugnisse müssen verhältnismäßig sein (unten Ziff. (3), S. 243 ff.). Darüberhinaus betrifft eine behördliche Eintragung in die Denkmalliste bzw. das Denkmalbuch oder eine förmlichen Unterschutzstellung durch Verwaltungsakt oder Rechtsverordnung vor allem bereits bestehende, individuell zugeordnete Eigentumspositionen (Schema 1, Stufe 3). Für den Gewährleistungsumfang ist die bereits vor der Eintragung bzw. Unterschutzstellung konkret bestehende Rechtsposition des Eigentümers maßgeblich, die sich aus der Zusammenschau der für alle Eigentümer geltenden zivilund öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergibt. Davon ausgehend stellt, soweit der Eigentümer sein Objekt zuvor unbeschränkt nutzen konnte und dies nun durch die denkmalschutzgesetzlichen Regelungen eingeschränkt wird, die Unterschutzstellung bzw. Eintragung in die Denkmalliste einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Eigentumsfreiheit dar. Deshalb müssen zunächst die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt und der Eingriff im übrigen verfassungsrechtlich legitimiert sein. Dasselbe gilt für die nur vorläufige Eintragμng oder Unterschutzstellung Auch wenn es sich hier um eine Maßnahme im Vorfeld der Eintragung/ Unterschutzstellung handelt und die endgültige Anordnung noch nachfolgt, sind die Anforderungen nicht - wie etwa beim einstweiligen Rechtsschutz geringer, als die, die an die endgültige Anordnung zu stellen sind14, denn die Beschränkung durch die "vorläufige" Anwendbarkeit des Denkmalschutzgesetzes ist genauso weitgehend, wie bei der endgültigen Anordnung. Jedenfalls muß in jedem Einzelfall gefragt werden, welche Interessen betroffen sind, und die Verhältnismäßigkeitsabwägung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG muß vollumfänglich vorgenommen werden. (3) Verfassungsrechtliche Legitimation / Eingriffsrechtfertigung Sowohl beim Normativprinzip als auch beim Eintragungsprinzip ergibt sich die verfassungsrechtliche Legitimation im Grundsatz daraus, daß der Schutz und die Pflege von Denkmalen aufgrund der in den Gesetzen und teilweise auch in den Verfassungen enthaltenen Zweckbestimmungen einen gewichtigen Gemeinwohlbelang darstellen, wie bereits oben in § 6 I I I 2, 13

Vgl. dazu etwa VG Münster, U.v. 24.1.1984 - 2 Κ 2021/82, DVB1. 1984, S. 643 f.; OVG Münster, U.v. 18.5.1984 - 11 A 1776/83, NJW 1986, S. 1890 ff.; OVG Koblenz, B.v. 13.11.1987 8 Β 36/87, aufgeführt bei Stich/Burhenne, Denkmalrecht der Länder und des Bundes, Stand 16. Lfrg. 1991, S. 771-55 ff. 14

So auch Erbguth/Paßlick/Püchel,

16 Melchinger

Denkmalschutzgesetze der Länder, 1984, S. 69 ff.

13

.

242

7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

S. 223 ff., festgestellt wurde 15. Dies gilt allerdings nur dann uneingeschränkt, wenn die jeweils ohne gesonderte, weitere Anordnung sofort bei Anwendung des Denkmalschutzgesetzes geltenden Pflichten, Genehmigungsvorbehalte, Verbote und Gebote für sich betrachtet ihrerseits verfassungsgemäß sind, was in manchen Denkmalschutzgesetzen, zumindest bei einzelnen Bestimmungen, nicht ohne weiteres der Fall ist, wie die Ausführungen unten in Ziff. 2 ff. ergeben. Grundsätzlich sind die von einem Denkmaleigentümer ohne weitere Anordnung zu beachtenden denkmalschutzgesetzlichen Schutzvorschriften, wie Erhaltungs- und Pflegepflichten, Genehmigungserfordernisse, teilweise auch Veränderungs- und Beseitigungsverbote, ferner Auskunfts-, Duldungs- und Anzeigepflichten etc. insgesamt gesehen, bei typisierender Betrachtungsweise und ohne Berücksichtigung besonderer, hypothetisch denkbarer Härtefälle 16, jeweils auf einen Ausgleich der kollidierenden öffentlichen und privaten Interessen angelegt und damit hinzunehmende Beeinträchtigungen. Dies gilt insbesondere soweit die Gesetze die normativen Pflichten, Ge- und Verbote unter den Vorbehalt der Zumutbarkeit stellen. Diese denkmalschutzgesetzlichen Regelungen gehen üblicherweise nicht über bloße Eigentumsbeschränkungen hinaus, und sie bewirken daher weder einen teilweisen noch einen vollständigen Entzug von Eigentumspositionen. In diesen Fällen kann in der Regel die gesetzlich angeordnete Pflicht das Maß der verfassungsrechtlich zulässigen Inhalts- und Schrankenbestimmung nicht überschreiten, weil die denkmalschutzrechtliche Zumutbarkeit an die verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeit nach den Vorgaben des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG anknüpft, wie unten in Ziff. 2 erläutert ist (S. 247 ff.). Die daneben noch bestehende sog. Verfahrenspflichtigkeit, Informationspflichten, Anzeige- und Auskunftspflichten, Betretungs- und Informationsrechte der Behörde sind angesichts des dahinterstehenden Gemeinwohlbelanges Denkmalschutz gleichfalls verfassungsrechtlich zulässige Inhaltsbestimmungen. Zu diesem Ergebnis trägt auch bei, daß die Gesetze unterschiedliche Möglichkeiten vorsehen, die Belastung für den einzelnen Eigentümer im konkreten Einzelfall zu vermindern, beginnend bei finanzieller Unterstützung durch den Staat, bis hin zu dem Weg einer förmlichen Enteignung oder etwa der Möglichkeit, vom Staat die Übernahme des betreffenden Objekts zu verlangen (siehe vor allem unten II, S. 289 ff.). 15 Grundsätzlich in Frage gestellt wird die Begründung der Sozialbindung mit Hilfe von Generalklauseln (dort am Beispiel des Naturschutzrechts) von Leisner, Eigentumsschutz - im Naturschutzrecht eine Ausnahme, DÖV 1991, S. 781 (783 f.). 16

Bei der Beurteilung der Härtefalle ist zu beachten, daß auch, soweit die Möglichkeit einer förmlichen Enteignung gesetzlich geregelt ist und soweit das Gesetz die Möglichkeit einer Ausgleichsentschädigung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG vorsieht (vgl. oben § 4 III 5, S. 138 ff.), bereits besondere Härtefallregelungen vorhanden sind.

I. Inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen

243

Soweit die nachfolgende gesonderte Betrachtung der einzelnen gesetzlichen Regelungen (unten Ziff. 2 ff.) ergibt, daß einzelne Gebote und Verbote nicht verhältnismäßig im Sinne von Art. 14 GG sein sollten, so schlägt das nicht automatisch auf die Qualifizierung des gesamten Regelungssystems des jeweiligen Denkmalschutzgesetzes durch. Denn sofern eine unverhältnismäßige Einzelregelung isoliert betrachtet werden kann, berührt deren UnVerhältnismäßigkeit allein noch nicht die Verfassungsmäßigkeit und damit die Anwendbarkeit des gesamten Gesetzes. Lediglich soweit dadurch das Zusammenspiel und die Ausgewogenheit der Regelungen insgesamt nachhaltig gestört ist, hätte dies eine Rückwirkung auf die verfassungsrechtliche Beurteilung des Gesetzes als Ganzes, das dann insgesamt verfassungswidrig wäre. Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, daß zum einen beim Normativprinzip und zum anderen beim Eintragungsprinzip sowie bei der vorläufigen Unterschutzstellung, sowohl abstrakt, in bezug auf das objektive Recht, als auch hinsichtlich bereits bestehender, konkret zugeordneter Eigentumspositionen, die erstmalige Erfassung eines Objektes als Denkmal und damit die Anwendung der Denkmalschutzgesetze im Grundsatz eine hinreichend verfassungsrechtlich legitimierte Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums darstellt. So wird auch in Rechtsprechung und Literatur überwiegend die erstmalige Erfassung eines Objektes als Denkmal als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung angesehen17. (4) Zur Kritik am Normativprinzip Einige Autoren 18 äußern z.T. recht vehement Bedenken gegen das Normativprinzip, weil dem Eigentümer dabei nicht immer bekannt ist, insbesondere wenn er von der Behörde nicht benachrichtigt wird, daß sein Objekt

17

BVerwG, B. v. 3.4.1984 - 4 Β 59/84, NVwZ 1984, S. 723 (724), zum shDSchG; BVeiwG, Β. v. 10.7.1987 - 4 Β 146/87, NJW 1988, S. 505, zum nwDSchG; BGH, U.v. 11.2.1988 - III ZR 64/87, NVwZ 1988, S. 963 (964); OVG Lüneburg, U.v. 16.1.1984 - 1 A 68/82, NVwZ 1984, S. 741 f.; VGH Mannheim, U.v. 30.7.1985 - 5 S 229/85, NVwZ 1986, S. 240 (241); OVG Koblenz, U.v. 5.6.1987 - 8 A 19/86, aufgeführt bei Säch/Burhenne, Denkmalrecht der Länder und des Bundes, Stand 16. Lfrg. 1991, S. 771-48 (49); OVG Hamburg, U.v. 1.2.1988 - II 69/85, DVB1. 1988, S. 1229 (nur Leitsatz); Eberl/Marün/Petzet, Bayer. DSchG, 4. Aufl. 1991, Teil C, Art. 2 Rdnr. 5 und Art. 20 Rdnr. 19; Erbguth/Paßlick/Püchel, Denkmalschutzgesetze der Länder, 1984, S. 68 f.; Memmesheimer/Upmeier/Schönstein, DenkmalR NW, 2. Aufl. 1989, Teil Β DSchG § 3 Rdnr. 34,36; Strobl/Majocco/Birn, DSchG Bad.-Württ., 1989, § 24 Rdnr. 7; sowie allerdings anderer Auffassung bezüglich der vorläufigen Unterschutzstellung - M. Müller, Baudenkmalschutz und Eigentumsbeeinträchtigung, 1985, S. 187 ff./196 ff. 18

Zuletzt etwa von Steinberg , Verfassungsfragen des ipso-iure-Systems im Hessischen Denkmalschutzgesetz, NVwZ 1992, S. 14 ff. m. weit. Nachw.; Härtung, Ist das "nachrichtliche

244

§ 7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

bzw. Gegenstand ein Denkmal ist und den entsprechenden Schutzvorschriften unterliegt 19. Darin liege ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz, woraus zuweilen sogar gefolgert wird, jene Normen seien insgesamt verfassungswidrig20, vor allem wegen der Tatsache daß die Nichtbeachtung der denkmalschutzrechtlichen Schutzvorschriften straf- und bußgeldbewehrt ist21. Diese Sanktionen sind allerdings durchaus differenziert ausgestaltet . So unterscheiden die betreffenden Denkmalschutzgesetze zwischen einzelnen Fallgestaltungen und auch nach der Art der Verstöße. Darüberhinaus betreffen diese Bedenken, soweit sie sich maßgeblich auf die angeblich fehlende strafrechtliche Tatbestandsbestimmtheit gründen, ausschließlich die Bußgeld- und Strafnormen und deren Wirksamkeit. Sofern insoweit der Bestimmtheitsgrundsatz23 verletzt sein sollte, hat das zwar Konsequenzen für die Anwendbarkeit und Wirksamkeit der Bußgeld- und Strafhormen und schließt die Sanktionsmöglichkeit aus, dies schlägt jedoch nicht auf die zum Anknüpfungspunkt gemachten denkmalschutzrechtlichen Normen und deren Regelungsbereich durch. Die Wirksamkeit dieser Vorschriften in ihrem eigentlichen, verwaltungsrechtlichen Anwendungsbereich bleibt davon unberührt. Der Hinweis auf die möglicherweise fehlende strafrechtliche Tatbestandsbestimmtheit ist mithin kein relevanter Einwand gegen die Rechtmäßigkeit des Normativprinzips selbst. Darüberhinaus wird jedoch angesichts der damit verknüpften Rechtsfolgen, insbesondere der Erhaltungspflicht und der Genehmigungsvorbehalte, auch ein Verstoß gegen den allgemeinen verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz (Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG) gerügt24. Hier werden einerseits rechtsstaatliche Bedenken geäußert im Hinblick auf die "tendenziellen Beeinträchtigungsmöglichkeiten von Grundrechten" und beim

System" im Denkmalschutzrecht verfassungsgemäß?, DWW 1989, S. 42 ff.; Moench/Schmidt, Die Freiheit der Baugestaltung, 1989, S. 92. 19 Strobl/Majocco/Birn, DSchG Bad.-Württ. 1989, § 2 Rdnr. 29 f., sprechen lediglich von "mangelnder Transparenz" der gesetzlichen Schutzwirkung, die durch Erfassung der betroffenen Kulturdenkmale in einer Liste behoben werden könne.

20

Härtung, Ist das "nachrichtliche System" im Denkmalschutzrecht verfassungsgemäß?, DWW 1989, S. 42 (44). 21 So etwa Härtung, ebd., DWW 1989, S. 42 ff.; auch Steinberg, Verfassungsfragen des ipsoiure-Systems im Hessischen Denkmalschutzgesetz, NVwZ 1992, S. 14 (15, 18), verweist mehrfach darauf; vgl. auch Hönes, Die Unterschutzstellung von Kulturdenkmälern, 1987, S. 174. 22

Dazu näher Losch, Der gesetzliche Schutz der Kleindenkmale, VB1BW. 1983, S. 324 (329 f.). 23 24

Vgl. zu den Anforderungen insbesondere auch BVerfGE 78,205 (213).

Steinberg, Verfassungsfragen des ipso-iure-Systems im Hessischen Denkmalschutzgesetz, NVwZ 1992, S. 14 (15 ff.); Hönes, Die Unterschutzstellung von Kulturdenkmälern, 1987,

I. Inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen

245

Rechtsschutz und andererseits werden die praktischen Schwierigkeiten bei der Feststellung der Denkmaleigenschaft angeführt 25. Es geht also vorrangig um die Frage der Erkennbarkeit der Denkmaleigenschaft und damit um die dafür einschlägigen unbestimmten Rechtsbegriffe (vgl. oben § 6 III 2, S. 223). Doch ist der Gesetzgeber zur Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen berechtigt, soweit die Verwendung wertausfüllender Begriffe nicht vermeidbar ist. Er ist dabei zwar gehalten, seine Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist, doch nimmt die Notwendigkeit der Auslegung einer gesetzlichen Begriffsbestimmung dieser noch nicht die rechtsstaatlich geforderte Bestimmtheit. Es genügt, wenn die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können26. Demgemäß haben es das BVerfG und andere Gerichte für ausreichend erachtet, daß das Vorliegen der denkmalbegründenden Merkmale ggf. nur unter Hinzuziehung von Sachverständigen zu ermitteln ist27. Somit liegt auch in der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe im Denkmalschutzrecht kein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz28. Darüber hinausgehende Anforderungen lassen sich aus dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht ableiten, insbesondere erhöhte Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens 29 hat zumindest das BVerfG für das Denkmalschutzrecht in vergleichbarem Zusammenhang nicht gefordert 30. Das Argument, beim Normativprinzip bestünden Rechtsschutzprobleme, ist letztlich ebenfalls nicht durchschlagend. Denn die Denkmaleigenschaft ist beim Normativprinzip auf jeden Fall Inzident im Rahmen einer Anfechtung einer belastenden denkmalschutzrechtlichen Anordnung oder im Rahmen einer Verpflichtung auf Erlaß einer begünstigenden Genehmigung zu prüfen 31. Die auch bei Geltung des Normativprinzips mögliche und z.T. sogar S. 173 ff. u. 269 f.; vgl. auch Moench, Die Entwicklung des Denkmalschutzrechts, NVwZ 1988, S. 304 (307); Erbguth/Paßlick/Püchel, Denkmalschutzgesetze der Länder, 1984, S. 21 f. 25

Hönes, ebd., S. 135 ff., 173 ff., 2128 ff. u. 269.

26

BVerfGE 78,205 (212 f.).

27

BVerfGE 78, 205 (212); OVG Koblenz, U.v. 26.5.1983 - 12 A 54(53 ?)/81, DÖV1984, S. 75 (76); BayVGH, U.v. 21.2.1985 - 26 Β 80 A.720, BayVBl. 1986, S. 399 (400); VGH Mannheim, U.v. 10.5.1988 - 1 S 1949/87, NVwZ-RR 1989, S. 232 (233). So auch Hönes, Denken schützen - Denkmalschutz, VerwArch 80 (1989), S. 480 (484); Moench/Schmidt, Die Freiheit der Baugestaltung, 1989, S. 64 m. weit. Nachw. 28 So auch Steinberg, Verfassungsfragen des ipeo-iure-Systems im Hessischen Denkmalschutzgesetz, NVwZ 1992, S. 14 (16). 79

Wie Steinberg, ebd., NVwZ 1992, S. 14 (15 ff.), geltend macht.

30

BVerfGE 78,205 (212 f.).

31

Hess. DSchR, 2. Aufl. 1991, Teil C, § 10 Rdnr. 11; So auch Dörffeldt/Viebrock, Strobl/Majocco/Birn, ebd., 5 2 Rdnr. 29.

246

§ 7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

gesetzlich vorgesehene sog. deklaratorische Eintragung des Denkmalobjekts in eine Denkmalliste oder ein Denkmalbuch ist dagegen genauer zu betrachten. Die Bezeichnung "deklaratorische" Eintragung fuhrt insofern in die Irre, als das zugrundeliegende Verhalten der Behörde jedenfalls eine 'Regelung* im Sinne der Verwaltungsaktsdogmatik enthält. Denn die Behörde prüft auch bei Geltung des Normativprinzips, ob das betreffende Objekt ein 'Denkmal' im Sinne des Gesetzes ist. Mit der Aufnahme des Objekts in die Denkmalliste wird die gesetzliche Norm angewandt und bezogen auf einen konkreten Sachverhalt ausgefüllt. Aufgrund dieser aus der Sicht der rechtsanwenden Behörde verbindlichen Feststellung des Ergebnisses dieser Prüfung in der Form einer richtigen Auslegung der Norm kommt dieser Entscheidung - unabhängig von ihrer Bekanntgabe - Regelungscharakter zu. Für die Frage, ob ein Verwaltungsakt vorliegt, ist deshalb allein erheblich, ob auch eine unmittelbare, verbindliche Außenwirkung gegeben ist, d.h. ob diese Regelung - nach dem Willen der Behörde oder der gesetzlichen Vorgabe - auf den Rechtskreis von Außenrechtssubjekten verbindlich einwirken soll. Dies ergibt sich zunächst aus den einschlägigen gesetzlichen Regelungen. Soweit der Listeneintrag danach lediglich "nachrichtlichen" Charakter haben soll32, ist er gerade nicht an den Betroffenen adressiert. In diesen Fällen hat die behördliche Mitteilung über den erfolgten Listeneintrag deshalb generell keine Außenwirkung; es liegt kein Verwaltungsakt vor 33. Eine verbindliche Außenwirkung und damit ein Verwaltungsakt können allerdings ausnahmsweise dann vorliegen, wenn die Behörde in Reaktion auf eine entsprechende Aufforderung des Betroffenen hin einen Dissens in der Beurteilung der Denkmaleigenschaft beseitigen will und eine für den Betroffenen unmittelbar verbindliche und auf seinen Rechtskreis direkt einwirkende Regelung trifft. Eine solche Erklärung ist nicht nur eine unverbindliche Information, sondern die Behörde will gerade gegenüber dem Betroffenen eine klare Rechtslage schaffen. Es muß allerdings besonders hervorgehoben und eindeutig erkennbar sein, daß dieser Mitteilung Verwaltungsakts-Qualität zukommen soll, anderenfalls liegt kein Verwaltungsakt vor 34. Nur soweit verbindliche Regelung und Außenwirkung vorliegen, unterliegt die behördliche Äußerung als Verwaltungsakt der üblichen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle im Wege der Anfechtungsklage. Dem von manchen 32

Z.B. nach Art. 2 Abs. 1 bayDSchG, δ 9 hessDSchG, §§ 4, 5 ndsDSchG; vgl. § 7 Abs. 1 - 3 bremDSchG, § 10 rhpfDSchG. 33

Zum ganzen vgl. ausführlich Melchìnger /Appel, Rechtsanwendung und feststellender Verwaltungsakt, Zur Konkretisierung der Merkmale Regelung und Außenwirkung beim Verwaltungsakt, VerwArchiv 84 (1993), S. 349 ff. (insbes. 368,381 f.). 34

Melchìnger /Appel, ebd., S. 349 ff. (382).

I. Inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen

247

beklagten Defizit an Rechtssicherheit könnte demnach dadurch Rechnung getragen werden, daß der betroffene Eigentümer ausdrücklich den Erlaß eines Verwaltungsakts über die Qualifizierung seines Eigentumsobjekts beantragt35. In allen anderen Fällen ist bei Geltung des Normativprinzips m.E. kein direkter Rechtsschutz möglich, insbesondere nicht im Wege einer oftmals als möglich angesehenen Feststellungsklage, weil insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Denn die Denkmaleigenschaft kann in jedem Fall Inzident im Rahmen des Vorgehens gegen eine entsprechende behördliche (Untersagungs- oder Gebots-) Verfügung gerichtlich zu Überprüfung gestellt werden 36. Darüberhinaus berührt diese Kritik des Normativprinzips im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz und Rechtsschutzaspekte die Frage der Vereinbarkeit mit Art. 14 GG lediglich am Rande. Aus der Sicht der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik bestehen im Grundsatz keine durchgreifenden Bedenken gegen das derzeit in mehreren Landesgesetzen enthaltene Normativprinzip. 2. Erhaltungspflicht

und Zumutbarkeit

Die an die Eigentümer von Kulturdenkmalen adressierte Pflicht, diese zu erhalten, besteht nach allen Denkmalschutzgesetzen. In den meisten Gesetzen steht diese Rechtspflicht unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit. Nachfolgend sind zunächst die in den einzelnen Ländergesetzen enthaltenen Regelungen in Übersicht 2 dargestellt. Übersicht 2 Erhaltungspflicht und Vorbehalt der Zumutbarkeit

Land*)

Baden-Württemberg 1971/1983 (1987)

Erhaltungspflicht

|1

§6

Vorbehalt der Zumutbarkeit

Sonstiges

§6

35

So auch Dörffeldt/Viebrock, Hess. DSchR, 2. Aufl. 1991, Teil C, § 10 Rdnr. 9 a.E.; siehe auch Strobl/Majocco/Birn, DSchG Bad.-Württ., 1989, § 2 Rdnr. 29 m. weit. Nachw.; vgl. ferner die Zusammenstellung von Rechtsprechung und Literatur bei Hönes, Die Unterschutzstellung von Kulturdenkmälern, 1987, S. 218 ff. 36 So auch Eberl/Martin/Petzet, rer Ansicht jedoch Dörffeldt/Viebrock, Eigentumsschutz, 1992, S. 25.

Bayer. DSchG, 4. Aufl. 1991, Teil C, Art. 2 Rdnr. 4. Andeebd., Teil C, § 10 Rdnr. 9; Körner, Denkmalschutz und

248

7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

Bayern 1973 (1982)

Art. 4

Art. 4

Berlin 1977/1981

59

Bremen 1975 (1989)

§9

Hamburg 1973 (1984)

§15

Hessen 1974/1986

§11

§11

Niedersachsen 1978 (1990)

§6

§71/111

§7

Nordrhein-Westfalen 1980 (1989)

1

§7

Rheinland-Pfalz 1978 (1986)

|

§2

Saarland 1977

1

§9

Schleswig-Holstein 1958/1972 (1985)

§12

Ι 1

|

Entschädigungsanspruch soweit Aufwendungen wirtschaftl. unzumutbar, § 13

§9 Aufrendungsersatz soweit Aufwendungen wirtschaftlich nicht zumutbar, § 15 IV

"wirtschaftliche" Unzumutbarkeit

§2

"Rücksicht-^ nähme" §

' Mit Angabe des Jahres, in dem das Denkmalschutzgesetz erlassen wurde, ggf. dem Jahr der Neubekanntmachung sowie in Klammern das Jahr der letzten Änderung. M\

' Gemäß § 8 shDSchG ist "bei allen Maßnahmen ... auf die berechtigten Belange der Verpflichteten Rücksicht zu nehmen". - Vgl. dazu die Erläuterungen unten im Text.

Die Pflicht, Kulturdenkmale zu erhalten und pfleglich zu behandeln, umfaßt inhaltlich eine ganze Reihe unterschiedlicher Handlungs- und Unterlassungspflichten. Dies ist teils lediglich durch die Festlegung der Pflicht "zu erhalten" pauschal formuliert (§ 6 bwDSchG u.a.), teils bereits ausdrücklich konkretisiert als Instandhaltung und Instandsetzung, sachgemäße Behandlung und als Pflicht, Vorkehrungen gegen Gefährdungen aller Art zu treffen

I. Inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen

249

(Art. 4 Abs. 1 bayDSchG, § 6 Abs. 1 ndsDSchG, § 7 Abs. 1 nwDSchG und in § 9 Abs. 1 saarlDSchG), wobei auch die Regelungen mit lediglich pauschalen Formulierungen im einzelnen dieselben Pflichten umfassen 37. Diese Pflichten beschränken die Eigentümerstellung bei (einfachen) Kulturdenkmalen. Dies müßte den Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 14 Abs. 2 GG genügen, also verhältnismäßig sein. Dabei ist einerseits zu beachten, daß diese Erhaltungs- und Pflegepflichten zum Teil sehr unbestimmt und in allen Fällen recht weit formuliert sind, so daß von deren Wortlaut eine große Bandbreite vollkommen unterschiedlicher Maßnahmen erfaßt sein kann. Andererseits sind in den meisten Denkmalschutzgesetzen die Pflichten jedoch dadurch eingegrenzt, daß sie nur im Rahmen des Zumutbaren bestehen (siehe oben Übersicht 2, S. 247 f.). Diese Anknüpfung an die Zumutbarkeit in den Denkmalschutzgesetzen38 ist jedoch insofern nicht unproblematisch, als die gesetzlichen Regelungen in der Regel keine weiteren Kriterien für die nähere Bestimmung des Zumutbarkeitsbegriffs enthalten. Eine Ausnahme ist § 7 Abs. 3 ndsDSchG, in dem ausdrücklich genaue und ausführliche Vorgaben für die Ermittlung der - allerdings wirtschaftlichen - Zumutbarkeit (dazu sogleich näher) genannt sind, und § 7 Abs. 1 Satz 2 nwDSchG, in dem eine Konkretisierung zumindest ansatzweise gegeben ist. Da die Auferlegung der Erhaltungs- und Pflegepflicht eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Gesetzgebers ist, muß er im Grundsatz auch selbst deren Grenze genau bestimmen. Für die Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit dieser Pflichten kommt es daher darauf an, was unter der Zumutbarkeit zu verstehen bzw. wie diese zu konkretisieren ist. Das Merkmal der Zumutbarkeit ist als unbestimmter Rechtsbegriff gerichtlich voll überprüfbar. In der Praxis gibt es inzwischen eine ganze Reihe von Entscheidungen und Ausführungen zu diesem Begriff 39 . Aus der Sicht des Art. 14 GG muß, damit einerseits die lediglich pauschal formulierten Normen in ihrer Unbestimmtheit überhaupt vor Art. 14 GG Bestand haben und andererseits auch die in anderen Denkmal37

So etwa für Baden-Württemberg

Strobl/Majocco/Birn,

ebd., § 6 Rdnr. 3.

38

Dazu und zur sog. denkmalrechtlichen Wirtschaftlichkeitsberechnung auch ausführlich Körner, Denkmalschutz und Eigentumsschutz, 1992, S. 148 ff. und 163 ff.; ferner ausführlich M. Müller, Baudenkmalschutz und Eigentumsbeeinträchtigung, 1985, S. 126 ff.; vgl. auch Moench/ Schmidt, Die Freiheit der Baugestaltung, 1989, S. 95 ff. 39 Vgl. nur etwa VGH Mannheim, U.v. 12.12.1985 - 5 S 2653/84, VB1BW 1987, S. 66 (67 f.); ferner die Nachweise und Ausführungen etwa bei Eberl/Martin/Petzet, Bayer. DSchG, 4. Aufl. 1991, Teil C, Art. 4 Rdnr. 10 ff.; Memmesheimer/Upmeier/Schonstein, DenkmalR Nordrh.-Westf., 2. Aufl. 1989, Teil Β DSchG § 7 Rdnr. 10 ff.; Strobl/Majocco/Birn, DSchG Bad.-Württ., 1989, § 6 Rdnr. 7 ff.; Moench, Die Entwicklung des Denkmalschutzrechts, NVwZ 1988, S. 304 (308 f.); Moench/Schmidt, ebd., S. 95 ff. - Vgl. auch die Literatur zu einer eigenständigen Dogmatik der Zumutbarkeit, etwa Lücke, Die (Un-)Zumutbarkeit als allgemeine Grenze öffentlich-rechtlicher Pflichten des Bürgers, 1973.

250

7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

Schutzgesetzen bereits genauer formulierten Vorschriften jeweils verfassungsgemäß bleiben, die Grenze der Zumutbarkeit nach Denkmalschutzrecht mit der Grenze der Verhältnismäßigkeit im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG identisch sein40. Nicht mehr zumutbar sind daher nicht mehr verhältnismäßige, d.h. nicht angemessene und dem Eigentümer unter Berücksichtigung jeder möglichen finanziellen Unterstützung wirtschaftlich nicht zumutbare Erhaltungs- und Pflegepflichten. Die denkmalschutzrechtliche Zumutbarkeit findet damit ihre Grenze in der grundsätzlichen Gewährleistung des Eigentums (Substanzerhaltung, Erhaltung der grundsätzlichen Veräußerungsbefugnis für den Eigentümer etc.)41. Unter der Prämisse dieser Verknüpfung mit der Verhältnismäßigkeit nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG42 - die allerdings in der Literatur durchaus noch nicht überall konsequent umgesetzt wird 43 - bestehen deshalb keine Bedenken dagegen, daß der Gesetzgeber lediglich den Vorbehalt der Zumutbarkeit in die Denkmalschutzgesetze hineingeschrieben und in der Regel keine weitere Konkretisierung vorgenommen hat. Wie hier wird deshalb auch in der fachgerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur die durch die Zumutbarkeit begrenzte Erhaltungspflicht im Ergebnis als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung beurteilt 44. 40 41

So auch Körner, Denkmalschutz und Eigentumsschutz, 1992, S. 165. Vgl. oben insbesondere δ 4 III 2 u. 4, S. 127 ff. u. 132 ff., sowie Schema 1, S. 183 f.

42 Die inzwischen auch in der Praxis bereits teilweise vorgenommen wird, etwa von VGH Mannheim, U.v. 10.5.1988 - 1 S 1949/87, NVwZ-RR 1989, S. 232 (235 f.); angedeutet bereits in einem obiter dictum in VGH Mannheim, U.v. 12.12.1985 - 5 S 2653/84, VB1BW 1987, S. 66 (67); ferner ebenso BayVGH, U.v. 8.11.1985 - 26 Β 82 A.1773, BayVBl. 1987, S. 368 (369); vgl. zu beiden Moench, Die Entwicklung des Denkmalschutzrechts, NVwZ 1988, S. 304 (308 f.); s. ferner Moench/Schmidt, Die Freiheit der Baugestaltung, 1989, S. 99 ff. - Bedenklich, weil genau verkehrt herum, ist dagegen die schon etwas ältere Formulierung, die Grenze der Sozialbindung decke sich mit der Grenze der Zumutbarkeit {Moench, ebd., NVwZ 1984, S. 146 [152]); nur die Umkehrung entspricht den verfassungsrechtlichen Vorgaben. 43 Vgl. etwa Strobl/Majocco/Birn, DSchG Bad.-Württ., 1989, δ 6 Rdnr. 8 und 14 und δ 24 Rdnr. 8. - Andere Ansätze vertreten auch Memmesheimer/Upmeier/Schönstein, DenkmalR NW, 2. Aufl. 1989, Teil Β DSchG δ 9 Rdnr. 32, nach denen neben der Ermittlung der Zumutbarkeit zusätzlich noch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen sei, und Moench/Schmidt, ebd., S. 99 ff., die der Auffassung sind, es gebe zwei unterschiedliche Zumutbarkeitsstufen. 44 So etwa VGH Mannheim, U.v. 12.12.1985 - 5 S 2653/84, VB1BW 1987, S. 66 (67), in einem obiter dictum; VGH Mannheim, U.v. 10.5.1988 - 1 S 1949/87, NVwZ-RR 1989, S. 232 (235 f.); BayVGH, U.v. 8.11.1985 - 26 Β 82 A.1773, BayVBl. 1987, S. 368 (369); BayVGH, U.v. 8.5.1989 - 14 Β 88.02426, BayVBl. 1989, S. 208 (210); Battis/Schmütat, Rechtsfragen des Denkmalschutzes, NuR 1983, S. 102 (105); Dörffeldt/Viebrock, Hess. DSchR, 2. Aufl. 1991, Teil C, δ 11 Rdnr. 7 und δ 26 Rdnr. 20; Eberl/Martin/Petzet, Bayer. DSchG, 4. Aufl. 1991, Teil C, Art. 4 Rdnr. 5 und Art. 20 Rdnr. 20; Erbguth/Paßtick/Püchel, Denkmalschutzgesetze der Under, 1984, S. 34 ff., 71 f.; KJeeberg/Eberl, Kulturgüter in Privatbesitz, 1990, Rdnr. 119; Losch, Der gesetzliche Schutz der Kleindenkmale, VB1BW. 1983, S. 324 (327); Memmeshei-

I. Inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen

251

Zu beachten ist im Hinblick auf die Ermittlung der verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeit / denkmalschutzrechtlichen Zumutbarkeit im Einzelfall auch, daß in manchen Gesetzen die Möglichkeit einer finanziellen Hilfestellung durch staatliche Zuschüsse oder öffentliche Förderung 45 vorgesehen ist, die, soweit sie die oben in § 4 I I I 5 (S. 138 ff.) aufgestellten Anforderungen erfüllen, als Regelungen zur Kompensation übermäßiger Belastungen und damit als vom Gesetzgeber festgelegte Ausgleichsentschädigungsregelungen angesehen werden können46. Die salvatorischen Entschädigungsklauseln, die manche Denkmalschutzgesetze enthalten, müssen allerdings entgegen einer verbreiteten Meinung im Denkmalschutzrecht47 hierbei außer Betracht bleiben48. Denn sie sind verfassungswidrig und können nach hier vertretener Auffassung auch nicht in Ausgleichsentschädigungsregelungen umgedeutet werden; dazu eingehend unten in I I 3, S. 294 ff. Die persönliche Leistungsfähigkeit, also die finanzielle und wirtschaftliche Situation (die privaten Vermögensverhältnisse) des Denkmaleigentümers, spielt bei der Frage, ob eine erforderliche Erhaltungsmaßnahme zumutbar ist, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG insofern eine Rolle, als die erforderliche Maßnahme angemessen sein muß (Verhältnismäßigkeit i.e.S.). Da diese Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und die Abwägung zwischen Gemeinwohl- und Individualinteressen allein auf das konkret betroffene Eigentumsobjekt bezogen sind, ist eine solche Verpflichtung im Einzelfall dann nicht mehr angemessen, wenn die erforderliche Maßnahme die sich aus dem betroffenen Eigentumsobjekt selbst ergebende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Eigentümers übersteigt. Zu vergleichen sind daher die voraussichtlichen Investitions- und Bewirtschaftungskosten mit den möglichen Nutzungserträgen. Dies ist so auch in § 7 Abs. 3 Satz 1 ndsDSchG normativ festgelegt; aus verfassungsrechtlichen Gründen muß dies jedoch auch für die anderen Denkmalschutzgesetze gelten. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist auch dann gegeben, wenn der Denkmaleigentümer wirtschaftlich sinnvolle und ergiebige Nutzungsmöglichkeiten nicht getätigt oder nicht zumer/Upmeier/Schönstein, ebd., Teil Β DSchG 5 7 Rdnr. 10; M. Müller, Baudenkmalschutz und Eigentumsbeeinträchtigung, 1985, S. 190; Strobl/Majocco/Birn, ebd., § 6 Rdnr. 7; Wahl/Hermes, Denkmalschutz und Verfassungsrecht, in: Arbeitsgemeinschaft Stadtbild e.V. (Hrsg.), Freiburger Stadtbild 1992, S. 145/150; vgl. Moench/Schmidt, Die Freiheit der Baugestaltung, 1989, S. 99 ff. 45

Ausführlich Kleeberg/Eberl,

ebd., Rdnr. 171 ff.

46

Vgl. VGH Mannheim, U.v. 10.5.1988 - 1 S 1949/87, NVwZ-RR 1989, S. 232 (236). Vgl. auch Schmaltz , Urteilsanmerkung, DVB1.1987, S. 571 (572 f.). Siehe dazu auch unten in II 1, S. 288 ff. 47

Vgl. nur Strobl/Majocco/Birn,

48

So auch BayVGH, U.v. 8.11.1985 - 26 Β 82 A.1773, BayVBl. 1987, S. 368 (369).

DSchG Bad.-Württ., 1989, § 6 Rdnr. 14.

252

S 7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

gunsten der Denkmalerhaltung verwendet hat (vgl. auch § 7 Abs. 3 Satz 3 ndsDSchG und § 7 Abs. 1 Satz 3 nwDSchG). Das bedeutet, solange der Betroffene die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit besitzt - unter Berücksichtigung aller staatlichen Zuschußmöglichkeiten und Steuervergünstigungen etc. (dies ergibt sich wiederum in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen bereits aus dem Gesetz, § 7 Abs. 3 Satz 2 ndsDSchG, § 7 Abs. 1 Satz 2 nwDSchG) - ist die Durchführung der Maßnahmen im Grundsatz nicht unzumutbar. Die Frage, ob der notwendigefinanzielle Aufwand angemessen (Verhältnismäßigkeit i.e.S.) ist, wird allein durch Vergleich zwischen (Erhaltungs- etc.) Aufwand im Verhältnis zum (materiellen) Wert des Denkmales und seiner Nutzungen beantwortet. Im Ergebnis, zum Teil auch in der Begründung, vertritt auch die h.M. in Rechtsprechung und Literatur diesen Standpunkt einer objektiv-objektbezogenen Betrachtungsweise49. Ein überwiegend oder jedenfalls auch subjektive Momente berücksichtigender Zumutbarkeitsmaßstab, wie er ebenfalls noch immer propagiert wird 50 , ist unabhängig von der jeweiligen landesrechtlichen Ausgestaltung - aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht haltbar. Es geht daher zu weit, wenn die hauptsächlich objektbezogene Betrachtungsweise bei einem Eigentümer mehrerer Denkmalobjekte nicht gelten soll51; das ist mit dem erwähnten verfassungsrechtlichen Ansatz bei der Abwägung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht vereinbar. Da es sich bei der Erhaltungspflicht um eine inhalts- und schrankenbestimmende Regelung handelt und da aus verfassungsrechtlicher Sicht die denkmalschutzrechtliche Zumutbarkeit an die Maßstäbe der Verhältnismäßigkeit nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG anknüpft, ist eine im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände ggf. einschließlich einer Ausgleichsentschädigungsmöglichkeit unzumutbare Erhaltungspflicht schlicht rechtswidrig

49 VGH Mannheim, U.v. 12.12.1985 - 5 S 2653/84, VB1BW 1987, S. 66 (67 f.); BayVGH, U.v. 8.11.1985 - 26 Β 82 A.1773, BayVBl. 1987, S. 368 (369 f.); OVG Koblenz, B.v. 20.7.1987 - 1 Β 35/87, NVwZ 1988, S. 374; VGH Mannheim, U.v. 10.5.1988 - 1 S 1949/87, NVwZ-RR 1989, S. 232 (235 f.); Dörffeldt/Viebrock, Hess. DSchR, 2. Aufl. 1991, Teil C, § 11 Rdnr. 10 ff.; ErbDenkmalschutzgesetze der Länder, 1984, S. 34 ff.; Körner, Denkmalguth/Paßtick/Püchel, schutz und Eigentumsschutz, 1992, S. 148 ff., 163 f.; Moench, Die Entwicklung des Denkmalschutzrechts, NVwZ 1988, S. 304 (309 m. weit. Nachw.); Moench/ Schmidt, Die Freiheit der Baugestaltung, 1989, S. 96 ff.; M. Müller, Baudenkmalschutz und Eigentumsbeeinträchtigung, 1985, S. 139 ff. m. weit. Nachw., 147 ff.; Ortmeier, Veränderungen an Baudenkmälern, BayVBl. 1990, S. 225 (228). 50 Eberl/Martin/Petzet, Bayer. DSchG, 4. Aufl. 1991, Teil C, Art. 4 Rdnr. 11 ff., 16; Kleeberg/Eberl, Kulturgüter in Privatbesitz, 1990, Rdnr. 120; teilweise auch Memmesheimer/Upmeier/Schönstein t DenkmalR NW, 2. Aufl. 1989, Teil Β DSchG § 7 Rdnr. 12 ff. 51

M. Müller, Baudenkmalschutz und Eigentumsbeeinträchtigung, 1985, S. 149 f.

I. Inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen

253

und muß daher im Wege des Primärrechtsschutzes abgewehrt werden52. Es ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht haltbar 53, wenn unzumutbare, auf einem inhalts- und schrankenbestimmenden Gesetz beruhende Maßnahmen ausdrücklich als zu entschädigende Enteignung oder gar sogar als rechtmäßige, aber zu entschädigende enteignende Maßnahme bezeichnet werden, wie zumindest teilweise in der denkmalschutzrechtlichen Literatur unter Berufung auf die Rechtsprechung des BGH noch immer vertreten wird 54 . Die Auffassung, das Gebot des Primärrechtsschutzes müsse und könne dadurch abgemildert werden, daß bei Nicht-Inanspruchnahme des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes dennoch Entschädigung zu gewähren sei55, ist mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben ebenfalls nicht zu vereinbaren. Soweit in manchen Gesetzen die Erhaltungspflicht ausdrücklich nur unter dem Vorbehalt der wirtschaftlichen Zumutbarkeit steht, wie in Niedersachsen (§ 7 Abs. 1), muß, damit jene Vorschriften ebenfalls mit Art. 14 GG in Einklang gebracht werden können, auch dort Zumutbarkeit als Verhältnismäßigkeit i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG angesehen werden. Andernfalls wären jene Regelungen verfassungsrechtlich nicht haltbar, weil sie ihrem Wortlaut nach lediglich auf die wirtschaftliche Zumutbarkeit und damit nur auf wirtschaftliche Gesichtspunkte abstellen. Die weiteren Begrenzungen nach Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 GG, insbesondere die Anforderungen an die grundsätzliche Gewährleistung der Eigentumsfreiheit (grundsätzliche Verfügungsbefugnis, Privatnützigkeit), würden bei einer strikt am Wortlaut orientierten Anwendung der Norm nicht berücksichtigt. Damit diese Vorschrift den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, muß sie verfassungskonform dahin ausgelegt werden, daß auch hier die Erhaltungsmaßnahmen dann nicht verlangt werden können, wenn dies nicht verhältnismäßig i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist. In Schleswig-Holstein besteht kein ausdrücklicher Vorbehalt der Zumutbarkeit, aber dort ist "bei allen Maßnahmen ... auf die berechtigten Belange der Verpflichteten Rücksicht zu nehmen" (§ 8). Zwar ist dieses "Rücksichtnahmegebot" aufgrund der abweichenden Formulierung und auch inhaltlich 52 So auch BayVGH, U.v. 8.11.1985 - 26 Β 82 A.1773, BayVBl. 1987, S. 368 (369); Eberl/Martin/Petzet, ebd., Teil C, Art. 4 Rdnr. 23; Memmesheimer/Upmeier/Schönstein, Teil Β DSchG § 31 Rdnr. 3; Wahl/Hermes, Denkmalschutz und Verfassungsrecht, in: Arbeitsgemeinschaft Stadtbild e.V. (Hrsg.), Freiburger Stadtbild 1992, S. 145/150; im Ansatz ebenso M. Müller, Baudenkmalschutz und Eigentumsbeeinträchtigung, 1985, S. 203. 53

So auch BayVGH, ebd.

54

Strobl/Majocco/Birn, DSchG Bad.-Württ., 1989, § 6 Rdnr. 8 und 14, und vor allem § 24 Rdnr. 8; in dieselbe Richtung auch Memmesheimer/Upmeier/Schönstem, Denkmal R NW, 2. Aufl. 1989, Teil Β DSchG § 9 Rdnr. 29. 55

M. Müller, Baudenkmalschutz und Eigentumsbeeinträchtigung, 1985, S. 203 f.

ebd.,

254

7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

nicht vollkommen identisch mit dem Vorbehalt der Zumutbarkeit. Doch ist es auch hier möglich, damit die oben erwähnten Anforderungen erfüllt werden, das Gesetz so auszugelegen, daß dabei alle Gesichtspunkte, die für die verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeit nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG von Bedeutung sind, berücksichtigt werden können. Das bedeutet insbesondere, daß diese "Rücksichtnahme" auch so verstanden werden muß, daß entsprechende Verpflichtungen der Denkmaleigentümer nicht bestehen oder ihnen nicht auferlegt werden dürfen, soweit ihre verfassungsrechtlichen Belange verletzt werden, d.h. soweit diese Pflichten nicht verhältnismäßig i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sind. Dies wird auch von der Rechtsprechung so gesehen56. In manchen Denkmalschutzgesetzen ist allerdings überhaupt kein Vorbehalt der Zumutbarkeit enthalten, jedenfalls nicht als Begrenzung der Erhaltungs- und Pflegepflichten, so in Berlin, Hamburg und dem Saarland. In Berlin und Hamburg ist stattdessen eine angemessene finanzielle Entschädigung (§ 13 blnDSchG) bzw. ein Aufwendungsersatz (§ 15 Abs. 4 hambDSchG) eingeräumt, soweit die Aufwendungen wirtschaftlich nicht zumutbar sind (zum Saarland siehe im übernächsten Absatz). Diese Regelungen sind aus der Sicht des Art. 14 GG problematisch, da in diesen Ländern jeweils eine absolute Pflicht zur Erhaltung besteht. In Hamburg ist der Verfügungsberechtigte nach § 15 Abs. 3 Satz 1 hambDSchG bei Mängeln verpflichtet, geeignete (Erhaltungs-) Maßnahmen zu treffen. Zwar ist für wirtschaftlich nicht zumutbare Aufwendungen ein finanzieller Ersatz vorgesehen, jedoch hat dies keinen Einfluß auf die Frage der verfassungsrechtlichen Legitimation einer Beschränkung der grundrechtlichen Eigentumsfreiheit. Eine nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG erforderliche Verhältnismäßigkeitsprüfung ist bei diesen Regelungen mit absolut bestehenden Pflichten überhaupt nicht vorgesehen. Eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen Regelungen selbst ist daher nicht abschließend möglich. Nach dem Gesetzeswortlaut sind die Erhaltungspflichten wiederum lediglich pauschal formuliert, es fehlt in den Bestimmungen sowohl eine Konkretisierung auf bestimmte Pflichten als auch eine Begrenzung der Rechtspflicht. Die verfassungsrechtlich erforderliche Rechtfertigung ist hier nicht gegeben, soweit die Erhaltungspflichten auch i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht mehr verhältnismäßige Pflichten umfassen. Die Vorschriften in Hamburg lassen derartige Eingriffe auch im unverhältnismäßigen Bereich zu, wie die Regelungen über die finanzielle Kompensation unzweideutig erkennen lassen, wenn dort von "wirtschaftlich nicht zumutbaren" Aufwendungen die Rede ist, die abzugleichen seien. Auch hier ist wieder zu berücksichtigen, daß lediglich die wirtschaft56

OVG Lüneburg, U.v. 16.1.1984 - 1 A 68/82, NVwZ 1984, S. 741 (742); vgl. BVeiwG, B. v. 3.4.1984 - 4 Β 59/84, NVwZ 1984, S. 723 (724).

I. Inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen

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liehe Zumutbarkeit angesprochen ist, und damit die weiteren Anforderungen nach Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 GG, vor allem das Erfordernis der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis und der Privatnützigkeit, nicht berücksichtigt sind. Eine Pflicht kann wirtschaftlich zumutbar sein und dennoch die grundsätzliche Verfügungsbefugnis oder die Privatnützigkeit der Eigentumsposition ausschließen. Deshalb sind die genannten Regelungen in Hamburg, die keinen Vorbehalt der Zumutbarkeit hinsichtlich der Erhaltungspflicht haben, teilweise verfassungsrechtlich nicht haltbar. Eine verfassungskonforme Auslegung ist nicht möglich, weil die Regelungen im Wortlaut eindeutig sind und keinen Spielraum fur eine andere Interpretation lassen. Daher ist die absolute Erhaltungspflicht nach § 15 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 hambDSchG nicht mit Art. 14 GG vereinbar, jedenfalls soweit danach auch unverhältnismäßige Pflichten bestehen. Allenfalls im Wege einer geltungserhaltenden Reduktion könnte die Vorschrift insofern als mit dem Grundgesetz vereinbar angesehen werden, als die Erhaltungspflicht verhältnismäßig i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist. Etwas anders gelagert ist die Rechtslage in Berlin, wo zwar einerseits nach dem Wortlaut der Norm eine absolute Erhaltungspflicht besteht, andererseits jedoch nach § 9 Abs. 2 blnDSchG der Behörde ausdrücklich bei der Anwendung der entsprechenden Anordnungen Ermessen eingeräumt ist. Damit besteht insofern eine andere Ausgangslage, als die Behörde aufgrund ihrer eigenen Bindung an Grundrechte ihr Ermessen nur dahingehend ausüben darf, daß lediglich solche Maßnahmen angeordnet werden, die verhältnismäßig i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sind. Daher ist im Gegensatz zu der Regelung in Hamburg die Regelung in Berlin, jedenfalls in der Zusammenschau mit der Ermessenseinräumung, mit Art. 14 GG vereinbar. Anders als in den bisher erwähnten Ländern ist im Saarland, dessen Denkmalschutzgesetz ebenfalls keinen Vorbehalt der Zumutbarkeit enthält, so daß auch dort eine absolute Erhaltungspflicht besteht, ein Kostenbeitrag des Landes nur "nach Maßgabe der im Haushaltsplan bereitgestellten Mitter vorgesehen (§ 9 Abs. 3 saarlDSchG). Ein Verweis auf die wirtschaftliche Zumutbarkeit fehlt hier auch bei den Kostentragungsvorschriften. Zwar ist dort die Erhaltungspflicht im Gesetz selbst bereits auf bestimmte Pflichten konkretisiert, nämlich auf Instandhaltung und Instandsetzung, sachgemäße Behandlung und Schutz gegen Gefährdungen, doch ist auch dies inhaltlich wenig bestimmt, da alle Pflichten lediglich durch das Ergebnis umschrieben sind (was an sich durchaus zulässig ist), daraus jedoch nicht der Umfang der rechtlichen Verpflichtung im einzelnen ersichtlich ist. Es fehlt somit vor allem eine Begrenzung der rechtlichen Verpflichtung. Die verfassungsrechtlich erforderliche Eingriffsrechtfertigung ist deshalb im Saarland ebenfalls nicht gegeben, sofern die genannten Erhaltungspflichten so weit gehen, daß sie nicht mehr verhältnismäßig i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sind, d.h.

256

7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

nicht angemessen und dem Eigentümer unter Berücksichtigung möglicher finanzieller Beiträge wirtschaftlich nicht zumutbar sind, und sie insbesondere die Grenze der grundsätzlichen Gewährleistung des Eigentums (Verfügungsbefugnis, Privatnützigkeit) nicht einhalten. Die nicht im erforderlichen Ausmaß eingegrenzte, absolute Erhaltungspflicht nach dem saarländischen Denkmalschutzgesetz ist demgemäß nicht vereinbar mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 14 GG. Auch hier bleibt allenfalls die Möglichkeit einer geltungserhaltenden Reduktion dergestalt, daß die Vorschrift nur insoweit wirksam ist, als die Erhaltungspflicht verhältnismässig i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist57. 3. Genehmigungsvorbehalte und Veränderungsverbote a) Allgemeiner Schutz In den Denkmalschutzgesetzen gibt es neben den bislang abgehandelten Vorschriften zu den pauschalen Erhaltungspflichten noch besondere Regelungen in bezug auf bestimmte, die Denkmale oder ihren Standort verändernde Maßnahmen und Handlungen der Eigentümer, die etwa deren Abriß, Zerstörung, Zerlegung, Beseitigung, Entfernung oder Umgestaltung, ferner die Beeinträchtigung ihres Erscheinungsbildes, teilweise auch ihre Wiederherstellung, Instandhaltung, erhebliche Ausbesserung oder Nutzungsänderungen betreffen 58. Diese Maßnahmen bedürfen stets einer behördlichen Genehmigung, zuweilen sind diese Veränderungen auch ausdrücklich untersagt. Für die verfassungsrechtliche Qualifizierung dieser Vorschriften kommt es daher darauf an, inwieweit die Gesetze für diesen Sachbereich generelle Verbote, eventuell mit Ausnahmemöglichkeit, enthalten und inwieweit es sich dabei lediglich um Genehmigungs- oder Erlaubnisvorbehalte im Sinne präventiver Kontrollerlaubnisse handelt59, ω . Die 57

Ebenso Losch, Der gesetzliche Schutz der Kleindenkmale, VB1BW. 1983, S. 324 (327). Bedenken auch bei Erbguth/Paßlick/Püchel, Denkmalschutzgesetze der Länder, 1984, S. 34. 58

Vgl. im einzelnen die Ubersicht bei Kleeberg/Eberl, S. 59 112 f.

Kulturgüter in Privatbesitz, 1990,

Vgl. zu den Begriffen etwa Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl. 1991, § 9 Rdnr. 51 ff., 55 m. weit. Nachw.; Schiedermair, Das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, in: FS für Krause, 1990, S. 239 ff., der allerdings teilweise genauer differenzieren und dementsprechend auch begrifflich voneinander zu trennende Fallgruppen bilden möchte; vgl. ferner Wolff/Bachof \ Verwaltungsrecht I, 9. Aufl. 1974, S. 404 ff. (406). 60 Vgl. etwa Erbguth/Paßlick/Püchel, Denkmalschutzgesetze der Länder, 1984, S. 38 ff.; Losch, Der gesetzliche Schutz der Kleindenkmale, VB1BW. 1983, S. 324 (328). Ohne Differenzierung qualifiziert z.B. Moench, Denkmalschutz und Eigentumsbeschränkung, NJW 1980, S. 1545 (1547), pauschal die betreffenden Regelungen als repressive Verbote mit Erlaubnisvorbehalt. Dagegen besteht nach Auffassung von Kleeberg/Eberl, Kulturgüter in Privatbesitz,

I. Inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen

257

folgende, im daran anschließenden Text erläuterte Übersicht 3 enthält dazu eine Zusammenstellung und Zuordnung der Regelungen der einzelnen Denkmalschutzgesetze. Die speziellen Erlaubnis- und Genehmigungsvorbehalte für den Umgebungsschutz, in bezug auf gezielte Grabungen und die Suche nach Denkmalen sowie die Einrichtung von Grabungsschutzgebieten sind wegen des anderen Sachzusammenhanges hiervon getrennt unter lit. b) - d) abgehandelt (S. 267 ff.). Übersicht 3 Allgemeiner Schutz - Erlaubnisvorbehalt und Verbot

nur präventiver Erlaubnis-/ Genehmigungsvorbehalt

Zweiteilung; generelles Verbot und daneben präventiver Erlaubnisvorbehalt

Bayern Art. 61/II, 101 "kann versagt werden, soweit" = Anspruch

Baden-Württemberg «8,15nähere Vorgaben fehlen v '

Berlin § 101/II - "darf nur versagt werden" = Anspruch

Hessen 5 161/III "soll nur erteilt werden"K

Bremen § 101/III - "darf nur versagt werden" = Anspruch

Niedersachsen 5 6 II - ausdrückliches Veränderungsverbot; 5 7 II - Genehmigung "ist zu erteilen," soweit Versagung wirtschaftlich unzumutbar; 5 101/III - Genehmigung "ist zu versagen," soweit zumutbar

Hamburg 55 9 -12 - "darf nur versagt werden" = Anspruch

Nordrhein- Westfalen 5 91/II - Genehmigung "ist zu erteilen," wenn keine Denkmalschutzgründe entgegenstehen oder wenn in überwiegendem öffentlichen Interesse geboten^; kein Zumutbarkeitsvorbehalt

generelles Verbot

Saarland 5 121/III "ist zu versagen"; Zumutbarkeit fehlt

)

1990, Rdnr. 153, nach allen gesetzlichen Regelungen direkt ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Genehmigung; undeutlich dort die Formulierung in Rdnr. 144. Siehe auch Parodi , Eigentumsbindung und Enteignung im Natur- und Denkmalschutz, 1984, S. 138 ff. und 151 ff. und Körner, Denkmalschutz und Eigentumsschutz, 1992, S. 35 f. 17 Melchìnger

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7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

Rheinland-Pfalz δ 1311 / IV - Genehmigungs fiktion nach 6 Monaten = Anspruch

Rheinland-Pfalz δ 1312 - für bestimmte Fälle absolutes Verbot mit Ausnahmemöglichkeit ( 4 )

Schleswig-Holstein § 91/II - Genehmigungsfiktion nach 4 Wochen = Anspruch

' Zu Erlaß, Neubekanntmachungen und Änderungen der Gesetze vgl. die Angaben oben in Übersicht 2, S. 247 f. Die Ziffern (1) - (4) verweisen auf die nachfolgenden Erläuterungen im Text.

(1) Die einfachgesetzlichen Regelungen In Spalte 1 sind die Fälle aufgeführt, in denen bereits aus dem Gesetz selbst eindeutig ersichtlich ist, daß das Erfordernis der Genehmigung/Erlaubnis61 lediglich eine vorbeugende Kontrolle ermöglichen soll und die Antragsteller im Grundsatz einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung/ Erlaubnis haben (präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Das ist eindeutig in den Fällen, in denen nach der gesetzlichen Regelung die Genehmigung nur versagt werden darf, wenn eines der enumerativ aufgeführten Tatbestandsmerkmale erfüllt ist (Berlin 62, Bremen, Hamburg); hier folgt aus dem (zulässigen) Umkehrschluß, daß in allen sonstigen Fällen die Genehmigung zu erteilen ist. Ein Anspruch auf die Genehmigung ist ferner gegeben, wenn das Gesetz eine Genehmigungsfiktion nach Ablauf eines gewissen Zeitraumes nach der Antragstellung vorsieht; dies kann gleichfalls kein repressives Verbot sein (Rheinland-Pfalz*, Schleswig-Holstein). Und wenn der Behörde nach der gesetzlichen Regelung ein Versagungsermessen eingeräumt ist, soweit - verkürzt gesagt - gewichtige Gründe des Denkmalschutzes vorliegen, dann bedeutet dies, daß das Versagungsermessen ausschließlich auf die genannten Tatbestandsmerkmale bezogen ist. Daraus folgt im Umkehrschluß, daß auch hier, soweit keine gewichtigen Denkmal-

61 Hier werden die Begriffe "Erlaubnis" und "Genehmigung" gleichbedeutend verwendet, da sie auch in den einzelnen Denkmalschutzgesetzen ohne inhaltliche Differenzierung wechselweise für vergleichbare Tatbestände benutzt werden. 62 So auch Finkelnburg, Zum Schutz von Baudenkmalen in Berlin, in: FS 125 Jahre Juristische Gesellschaft Berlin 1984, S. 129 (146 f.). ö

OVG Koblenz im U.v. 263.1983 -12 A 54(53 ?)/81, DÖV1984, S. 75 f.

Inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen

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schutzgründe eingreifen, ein Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis besteht (Bayern) 64. In Spalte 2 sind die Fälle enthalten, in denen die gesetzlichen Regelungen teils ausdrücklich, teils inzident eine Zweiteilung in einerseits generelles Ver änderungsverbot und andererseits präventives Verbot mit Genehmigungsvorbehalt vorsehen. Eindeutig und ausdrücklich ist die gesetzliche Regelung insoweit in Niedersachsen, wo neben der unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit stehenden Pflicht zur Erhaltung 65 zusätzlich noch ein ausdrückliches Verbot ("dürfen nicht") der Zerstörung oder Gefährdung und, soweit dadurch der Denkmalwert beeinträchtigt wird, der Veränderung oder Entfernung von Kulturdenkmalen normiert ist (§ 6 Abs. 2 ndsDSchG). Zwar sind nach § 10 Abs. 1 ndsDSchG u.a. auch diese genannten Handlungen einem Genehmigungsvorbehalt unterworfen. Jedoch ist die Genehmigung nach den weiteren gesetzlichen Regelungen einerseits nach § 10 Abs. 3 ndsDSchG zu versagen, sofern ein Verstoß gegen das Denkmalschutzgesetz vorliegen würde, und andererseits ist nach § 7 Abs. 2 Ziff. 3 ndsDSchG ein Eingriff in ein Kulturdenkmal u.a. zu genehmigen, falls die unveränderte Erhaltung für den Verpflichteten wirtschaftlich unzumutbar wäre. Daraus ergibt sich folgendes, zweigeteiltes System: Die ausdrücklich normierten Veränderungsverbote haben, soweit sie zumutbar sind, einen generellen und absoluten Charakter, wobei Zumutbarkeit i.S.v. Verhältnismäßigkeit nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG verstanden werden muß (vgl. oben Ziff. 2, S. 248 ff.). Sind dagegen die Veränderungsverbote nicht mehr zumutbar und daher unverhältnismäßig i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, so dient das Erfordernis der Genehmigung lediglich der vorbeugenden Kontrolle durch die Verwaltung, denn dann ist die Genehmigung nach der gesetzlichen Regelung (§ 7 Abs. 2 ndsDSchG) zu erteilen 66. Es handelt sich daher insofern lediglich um ein sog. präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt; die Kontrollschranke dient dazu und ist erforderlich, um im Einzelfall überprüfen zu können, ob das Veränderungsverbot zumutbar (= verhältnismäßig) ist. Anmerkung zu (1): Dem soeben dargelegten zweigeteilten System entspricht, auch wenn dies nicht explizit im Wortlaut zum Ausdruck kommt, die Regelung in Baden-Württemberg. Dort ist zwar kein ausdrückliches Veränderungsverbot normiert, und zunächst werden einige der hier in Rede stehenden verändernden Handlungen und Maßnahmen nur einem Genehmigungserfordernis unterstellt. Andererseits fehlt aber, im Gegensatz zu den 64 So auch Moench/Schmidt, Die Freiheit der Baugestaltung, 1989, S. 106; Ortmeier, Veränderungen an Baudenkmälern, BayVBl. 1990, S. 225 (226 f.). 65

§ 6 Abs. 1 u. § 7 Abs. 1 ndsDSchG; vgl. oben Ziff. 2, S. 247 ff.

66

So auch OVG Lüneburg, U.v. 4.10.1984 - 6 A11/83, NJW 1986, S. 1892 ff.

260

7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

in Spalte 1 aufgeführten Denkmalschutzgesetzen, im baden-württembergischen Denkmalschutzgesetz eine Festlegung von Tatbeständen, in denen die Genehmigung zu versagen oder zu erteilen wäre. Aus diesem Defizit ergibt sich in einer Gesamtbetrachtung der Regelungstechnik, vor allem vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Erhaltungspflicht nach § 6 Satz 1, daß die dem Genehmigungserfordernis unterstellten Handlungen und Maßnahmen im Ansatz einem generellen Verbot unterliegen. Auch wenn dies teilweise bestritten wird 67 , so kann sich diese Sicht vor allem auf die amtliche Begründung zum Entwurf des baden-württembergischen Denkmalschutzgesetzes stützen. Dort ist zu § 8 bwDSchG ausdrücklich darauf verwiesen, daß ein Kulturdenkmal grundsätzlich in unverändertem Zustand erhalten werden muß und solche Veränderungen nur als ausnahmsweise zulässig anzusehen sind68. Wie bereits oben für Niedersachsen gezeigt, ist auch hier eine solche Sichtweise verfassungsrechtlich möglich. Daher ergibt sich für Baden-Württemberg folgendes Regelungssystem: Entsprechend dem niedersächsischen Modell dient, soweit ein generelles Verbot unzumutbar und damit nicht mehr verhältnismäßig i.S.d. Art. 14 GG ist, das Genehmigungserfordernis lediglich einer präventiven Kontrolle (präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Andererseits liegt, falls das Veränderungsverbot zumutbar, d.h. verhältnismäßig i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist, ein absolutes Verbot vor 69. Ist ein Verbot denkmalschutzrechtlich unzumutbar, hat der Antragsteller daher einen Anspruch auf die Erteilung der Genehmigung; ist es zumutbar, so hat die Behörde - insofern im Unterschied zur niedersächsischen Regelung - Ermessen, sie kann die beantragte Genehmigung erteilen, sie muß dies jedoch nicht tun 70 ; zudem besteht die Möglichkeit, Genehmigungen mit Bedingungen oder Auflagen zu verknüpfen (§ 7 Abs.2) 71 . Anmerkung zu (2): Auch in Hessen ist eine solche Zweiteilung vorgesehen, denn dort "soll [die Genehmigung] nur erteilt werden, wenn** dem keine überwiegenden Gemeinwohlgründe entgegenstehen. Ausgehend von der herrschenden Interpretation, daß das "sott" abgesehen von atypischen Aus67 Strobl/Majocco/Birn, DSchG Bad.-Württ., 1989, § 8 Rdnr. 3. Nicht ganz eindeutig ist VGH Mannheim, U.v. 23.7.1990 - 1 S 2998/89, DVB1. 1990, S. 1113 (1114); vgl auch VGH Mannheim, U.v. 20.6.1989 - 1 S 98/88, VB1BW 1990, S. 151 (152), zu § 15 bwDSchG. 68

LT-DrS V-2808, S. 23.

ω

Vgl. VGH Mannheim, U.v. 23.7.1990 - 1 S 2998/89, DVB1. 1990, S. 1113 (1114 f.); vgl. zudem Strobl/Majocco/Birn, DSchG Bad.-Württ., 1989, § 8 Rdnr. 3. 70

So auch VGH Mannheim, U.v. 10.5.1988 - 1 S 1949/87, NVwZ-RR 1989, S. 232 (235); VGH Mannheim, U.v. 10.10.1989 - 1 S 736/88, VB1BW 1990, S. 182 (184). 71

Ausführlich dazu Strobl/Majocco/Birn, DSchG Bad.-Württ., 1989, § 8 Rdnr. 5 ff. - unklar jedoch Rdnr. 10 am Ende -, und § 10 Rdnr. 2.

I. Inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen

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nahmefällen als "muß" anzusehen ist72, ergibt sich, daß hier einerseits die Genehmigung zu versagen ist, soweit Gemeinwohlbelange entgegenstehen, daß sie aber andererseits erteilt werden muß, wenn Gemeinwohlbelange nicht berührt sind. Mithin gibt es auch hier sowohl ein absolutes Verbot als auch einen Bereich, in dem der Antragsteller einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung hat (präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt J73. Anmerkung zu (3): Die gleiche Zweiteilung findet sich in Nordrhein-Westfalen, da die Genehmigung nur erteilt werden muß, wenn keine Gründe des Denkmalschutzes entgegenstehen oder wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse vorliegt (§ 9 Abs. 2 nwDSchG)74. Daraus ergibt sich zunächst, daß bei Vorliegen dieser Voraussetzungen ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung besteht75. Andererseits ist die Berücksichtigung privater Belange nicht ausdrücklich vorgesehen. Auch der Vorbehalt der Zumutbarkeit, der hier grundsätzlich - allerdings in bezug auf die Erhaltungspflicht - besteht, ist beim Genehmigungserfordernis ausdrücklich nicht erwähnt und nach Ansicht der dortigen Rechtsprechung durch den Wortlaut eindeutig ausgeschlossen76. Deshalb stellt sich die Norm in dieser Hinsicht als generelles und absolut wirkendes Veränderungsverbot dar. Anmerkung zu (4): Schließlich gibt es in Rheinland-Pfalz für einen Teilbereich ebenfalls eine solche Zweiteilung. Dort darf im Hinblick auf einzelne, gesondert aufgeführte Handlungen und Maßnahmen (Zerstörung, Abbruch, Zerlegung, Beseitigung) eine Genehmigung nur erteilt werden, wenn andere Gemeinwohlbelange die Belange des Denkmalschutzes überwiegen (§ 13 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1). Die Berücksichtigung privater Belange ist für diese Handlungsgruppe nicht vorgesehen. Der zwar ansonsten grundsätzlich bestehende Zumutbarkeitsvorbehalt ist beim Genehmigungserfordernis für diese Fallgruppe nicht Regelungsbestandteil und durch den eindeutigen Wortlaut des Satzes 2 ausgeschlossen77. Für diesen Bereich liegt mithin ausdrücklich ein abolutes Verbot mit (begrenzter) Ausnahmemöglichkeit vor; andererseits stehen jedoch alle anderen in Satz 1 genannten Maß72 BVerwGE 56, 220 (223); 64, 318 (323); ferner Maurer, Allg. VwR, 7. Aufl. 1991, § 7 Rdnr. 7. 73

Vgl. Dörffeldt/Viebrock,

Hess. DSchR, 2. Aufl. 1991, Teil C, § 16 Rdnr. 2.

74

Vgl. dazu auch - mit teilweise abweichender Auffassung - M. Müller, Baudenkmalschutz und Eigentumsbeeinträchtigung, 1985, S. 191 ff. 75 Erbguth/Paßlick/Püchel, Denkmalschutzgesetze der Länder, 1984, S. 39 f.; Memmesheimer/Upmeier/Schönstein, DenkmalR NW, 2. Aufl. 1989, Teil Β DSchG § 9 Rdnr. 17. 76 OVG Münster, U.v. 18.5.1984 - 11 A 1776/83, NJW 1986, S. 1890 (1891); Schmittat, Denkmalschutz und gemeindliche Selbstverwaltung, 1988, S. 103 f. 77

(48).

OVG Koblenz, Vorlagebeschluß vom 24.1.1991 - Az 1 A 10294/89 -, DVB1. 1992, S. 47

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7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

nahmen und Handlungen nur unter einem einfachen präventiven Genehmigungsvorbehalt, wie bereits oben ausgeführt ist (vgl. Übersicht 3, Spalte 1, S. 257 ff.). Spalte 3 enthält die Fälle, in denen nur ein absolutes Verbot vorgesehen ist. Im Saarland steht, wie gezeigt (vgl. oben Übersicht 2, S. 247 f.), die Erhaltungspflicht nicht unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit, und die erforderliche Erlaubnis ist, ohne daß Ausnahmemöglichkeiten vorgesehen wären, zwingend zu versagen, wenn wesentliche Gründe des Denkmalschutzes gegen das Vorhaben sprechen. Damit besteht hier insoweit ein absolutes Verbot. (2) Verfassungsrechtliche Beurteilung Für diese unterschiedlichen Regelungssysteme ergibt sich aus der Sicht der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik folgende Beurteilung: Soweit Denkmalschutzgesetze lediglich sog. Kontrollerlaubnisse bzw. Genehmigungsvorbehalte enthalten (oben Übersicht 3, Spalte i), bestehen aus der Sicht des Art. 14 GG keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit. Zwar liegt in dem Erfordernis einer behördlichen Genehmigung/Erlaubnis eine Beschränkung der Eigentumsfreiheit und damit ein Eingriff, jedoch hat der Denkmaleigentümer in den genannten Gesetzen bereits aufgrund der einfachgesetzlichen Regelung einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung. Es ist daher schon aus diesem Grund nicht erforderlich, den Anspruch direkt aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG abzuleiten, wie es gelegentlich geschieht. Die Herleitung eines solchen Anspruches direkt aus Art. 14 GG ist ohnehin höchst problematisch, weil nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG die Befugnis zur Ausgestaltung des Eigentums ausdrücklich dem Gesetzgeber obliegt, ein Anspruch hier folglich erst gegeben sein kann, wenn dies einfachgesetzlich festgelegt ist. Da dem Denkmaleigentümer bereits einfachgesetzlich ein Genehmigungsanspruch zusteht, bedarf lediglich die Tatsache, daß es hier überhaupt Genehmigungsvorbehalte gibt, einer Rechtfertigung. Wie bei der Baugenehmigung, bei der es sich ebenfalls nur um eine sog. Kontrollerlaubnis handelt, bewirkt ein solcher Genehmigungsvorbehalt im Ergebnis lediglich eine hinnehmbare zeitliche Verzögerung bei der Verwirklichung des geplanten Vorhabens. Der Genehmigungsvorbehalt hat nur eine vorläufige Sperrwirkung, die die privatnützigen Verwendungsmöglichkeiten nicht zusätzlich schmälert. In der Tatsache, daß eine Erlaubnis/Genehmigung erforderlich ist, liegt daher nur eine relativ geringe Beeinträchtigung, die angemessen und dem Eigentümer wirtschaftlich zumutbar ist. Im Verhältnis zu dem Schutzzweck, den besonderen öffentlichen Interessen (dazu oben § 6), denen der Denkmalschutz dient, stellen die Genehmigungserfordernisse deshalb eine nach Art.

I. Inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen

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14 Abs. 2 GG vom Eigentümer entschädigungslos hinzunehmende Sozialbindung dar 78. Auch die in der Übersicht 3, Spalte 2 aufgeführten Denkmalschutzgesetze, die eine zweigeteilte Regelungsstruktur haben und neben den bloßen Erlaubnisvorbehalten zudem generelle Veränderungsverbote enthalten, sind in der Regel ebenfalls mit Art. 14 GG vereinbar. Zwar sind die Veränderungsverbote im Grundsatz einschneidende Beschränkungen, doch bestehen diese Verbote generell nach der Ausgangssituation der gesetzlichen Regelung nur, soweit sie zumutbar sind; zur Situation in Rheinland-Pfalz siehe auch im übernächsten Absatz. Die Geltung des Zumutbarkeitsvorbehaltes auch für die Veränderungsverbote ergibt sich zumindest daraus, daß die jeweils generell geltende Erhaltungspflicht, als deren spezielle Unterfälle die Veränderungsverbote zu sehen sind, unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit steht. Und die Zumutbarkeit ist, wie bereits oben unter Ziff. 2 gezeigt wurde, in allen in Übersicht 3, Spalte 2 aufgeführten Gesetzen mit zweigeteilter Regelungsstruktur identisch mit der Verhältnismäßigkeit i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Da die Veränderungsverbote somit von vornherein nur im Rahmen des denkmalschutzrechtlich Zumutbaren bestehen, sind sie auch wegen der Anbindung der Zumutbarkeit an die verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeit nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG grundsätzlich zulässige Inhaltsund Schrankenbestimmungen des Gesetzgebers. Das gilt allerdings nur, wenn die Veränderungsverbote nicht von vornherein insgesamt unverhältnismäßig sind, wenn also überhaupt keine Situation denkbar wäre, in der das jeweilige Veränderungsverbot verhältnismäßig i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sein könnte. Theoretisch sind jedoch in allen Fällen der Veränderungsverbote (Verbot der Zerstörung oder Beseitigung, der Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes, der Umgestaltung, Instandsetzung, des Eingriffes in den Bestand, der Aufschrift oder der Werbeeinrichtung sowie des Standortwechsels) Situationen denkbar, in denen solche Verbote verhältnismäßig und vom Eigentümer entschädigungslos hinzunehmen sein können. Deshalb sind, in Verbindung mit dem denkmalschutzrechtlichen Zumutbarkeitsvorbehalt, Veränderungsverbote jedenfalls abstrakt-generell verfassungsrechtlich unbedenklich. Dabei ist bei den einzelnen Veränderungsverboten auch zu berücksichtigen, in welchem Zusammenhang sie stehen, ob sie also, wie etwa im baden-württembergischen Denkmalschutzgesetz nur sog. einfache Kulturdenkmale (§ 8 Abs. 1 bwDSchG) betreffen oder ob sie dem Schutz von Kulturdenkmalen von besonderer Bedeutung dienen (§ 15 Abs. 1 bwDSchG), denn letztere genießen besonderen Schutz, der durch die erhöhte Gemeinwohlrelevanz intendiert ist; aufgrund der besonders ge78

So auch BVerwG, B. v. 3.4.1984 - 4 Β 59/84, NVwZ 1984, S. 723 (724), in bezug auf das schleswig-holsteinische Denkmalschutzgesetz.

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wichtigen Gemeinwohlbelange sind dann dort auch weitergehende Beschränkungen zulässig. Soweit diese Veränderungsverbote unzumutbar und damit auch unverhältnismäßig i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sind, handelt es sich bei dem Genehmigungserfordernis lediglich um eine Kontrollerlaubnis, um ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Demzufolge hat auch das OVG Lüneburg zum erwähnten § 10 Abs. 3 ndsDSchG für diese Fallkonstellation einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Genehmigung angenommen79. Wie auch bei den den oben in Spalte 1 aufgeführten Gesetzen ergibt sich hier der Anspruch auf Erteilung der Genehmigung des Denkmaleigentümers direkt aus der einfachgesetzlichen Regelung selbst und nicht erst aus der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie. Für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieses Erlaubnisvorbehaltes gilt deshalb dasselbe wie bereits zuvor für die in Spalte 1 aufgeführte Fallgruppe erörtert. Problematisch ist ein Teil der Regelung in Rheinland-Pfalz (§ 13 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 1 rhpfDSchG; s. oben [1], Anmerkung zu 4), weil sich der Zumutbarkeitsvorbehalt nicht auf sie erstreckt und so private Belange nicht eigenständig berücksichtigt werden können. Das OVG Koblenz ist daher der Ansicht, diese Regelung lasse den Entzug von Eigentumspositionen zu und deshalb sei eine den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG genügende Entschädigungsregelung erforderlich. Da das Gesetz eine solche Entschädigungsregelung jedoch nach Ansicht des OVG nicht enthält, hat das Gericht die Regelung als verfassungswidrig angesehen und die Frage dem BVerfG vorgelegt80. Nach der gesetzlichen Regelung darf die Genehmigung jedoch bei überwiegenden anderen Gemeinwohlbelangen erteilt werden. Soweit sie gleichgerichtet sind, wird dabei zugleich auch (unausgesprochen) den betroffen Eigentümerbelangen Rechnung getragen. Die Privatinteressen werden somit nur dann nicht berücksichtigt, wenn keine anderen Gemeinwohlbelange überwiegen. Deshalb bewirkt diese Regelung im Ergebnis kein absolutes Veränderungsverbot. Aus diesem Grund hat diese Regelung im Grundsatz und ihrer Intention nach nicht in erster Linie den (vollständigen oder teilweisen) Entzug von Eigentumspositionen im Blick, sondern sie zielt lediglich auf eine Eigentumsbeschränkung. Daher liegt eine inhalts- und schrankenbestimmende Regelung vor. Diese ist nur mit Art. 14 GG vereinbar, wenn sie verhältnismäßig ist. Eine solche Beschrän79 OVG Lüneburg, U.v. 2.9.1986 - 6 A 17/85, zitiert nach Moench, Die Entwicklung des Denkmalschutzrechts, NVwZ 1988, S. 304 (309), der ebenfalls diese Auffassung teilt (S. 309, insbes. auch in FN 85). 80

OVG Koblenz, Vorlagebeschluß vom 24.1.1991 - Az 1 A 10294/89 -, DVB1. 1992, S. 47 ff., mit Anmerkung Lubberger, DVB1. 1992, S. 49 (50). Bedenken äußerte das OVG

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kung ist danach auch aus Gründen des Denkmalschutzes nicht mehr verfassungsrechtlich legitimiert, soweit im Einzelfall die grundsätzliche Eigentümerstellung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht mehr gewährleistet ist. Da die Anknüpfung an die Zumutbarkeit bei dieser Norm gerade fehlt, enthält sie selbst kein entsprechendes Korrektiv. Ferner ist die Genehmigungserteilung nach dem Wortlaut der Vorschrift eine gebundene Entscheidung, steht also nicht im Ermessen der Behörde, so daß Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte auch auf dieser Ebene nicht berücksichtigt werden können. Damit stellt die Vorschrift, soweit sie nicht mehr verhältnismäßige Anordnungen zu Lasten eines Eigentümers zuläßt, eine unverhältnismäßige Inhalts· und Schrankenbestimmung dar, die insofern verfassungswidrig ist. Da die Regelung jedoch im übrigen, wie dargestellt, auch einen Anwendungsbereich hat, in dem eigentumsbelastende Eingriffe verhältnismäßig sind, ist eine geltungserhaltende Reduktion der Norm möglich. Aus diesen Gründen kann die Auffassung des OVG Koblenz nur teilweise im Ergebnis geteilt werden, nicht aber in der Begründung, nämlich weder bezüglich der Qualifizierung als eine den Kautelen des Art. 14 Abs. 3 GG unterfallende Norm noch im Hinblick auf die vollständige Verfassungswidrigkeit 81. Die Einschränkung des soeben abgehandelten § 13 Abs. 1 Satz 2 i.V.m Satz 1 Nr. 1 rhpfDSchG gilt jedoch nicht für die anderen Fallgruppen in § 13 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 rhpfDSchG, die lediglich präventive Erlaubnisvorbehalte bewirken. Auf sie erstreckt sich deshalb ebenfalls der in § 2 rhpfDSchG geregelte allgemeine Vorbehalt der Zumutbarkeit; nur auf diese Weise wird dieser Teil der Norm dem Verhältnismäßigkeitserfordernis des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gerecht82. Gleichartigen Bedenken unterliegt die Regelung in Nordrhein-Westfalen 83 (oben [1], Anmerkung zu 3), weil dort hinsichtlich der gesamten Genehmigungsregelung private Belange nicht eigenständig berücksichtigt werden können und der Zumutbarkeitsvorbehalt ebenfalls nicht gilt. Soweit jedoch die betreffenden Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen (s. oben [1] bzw. Übersicht 3) und keine Denkmalschutzgründe entgegenstehen, besteht dort ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung. Deshalb genügt die nordrhein-westfälische Vorschrift insoweit, wie oben erläutert, den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Problematisch ist die Norm jedoch, sofern die Koblenz im U.v. 26.5.1983 - 12 A 54(53 ?)/81, DÖV 1984, S. 75 f.; zustimmend Moench, ebd., NVwZ 1988, S. 304 (310 in FN 87). 81

So zumindest teilweise auch Lubberger, ebd., DVB1. 1992, S. 49 (50). Ähnliche Bedenken äußert auch Moench, ebd., NVwZ 1988, S. 304 (310 in FN 87 u. 311). 82

So auch Schmaltz , Urteilsanmerkung, DVB1.1987, S. 571 (572).

83

Vgl. a. M. Müller, Baudenkmalschutz und Eigentumsbeeinträchtigung, 1985, S. 193 ff., sowie - allerdings zu einer etwas anderen Problematik - die Bedenken von Erbguth/Paßlick/ Püchel t Denkmalschutzgesetze der Länder, 1984, S. 72 ff.

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betreffenden Tatbestandsvoraussetzungen nicht vorliegen. Die Regelung hat grundsätzlich nur eigentumsbeschränkenden Charakter, da die Genehmigung bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen zu erteilen ist und sie zumindest teilweise einen Anspruch auf Genehmigung einräumt. Es handelt sich damit um eine inhalts- und schrankenbestimmende Norm. Weil in den genannten Fällen, in denen eine Genehmigung zu erteilen ist, auch zugleich den betroffen Eigentümerbelangen mittelbar Rechnung getragen wird, liegt kein absolutes Veränderungsverbot vor. Eine zulassige Inhalts- und Schrankenbestimmung muß jedoch verhältnismäßig i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sein. Die gesetzliche Regelung enthält keinen Vorbehalt der Zumutbarkeit, so daß die erforderliche Verhältnismäßigkeitsprüfung dort nicht vorgesehen ist. Dies ist nur dann unschädlich, wenn die Genehmigungserteilung in allen Fällen, in denen sie nicht bereits aufgrund der betreffenden Tatbestandsvoraussetzungen erfolgen muß, in das Ermessen der Behörde gestellt ist. Der Wortlaut der Norm gibt dafür nichts her; es liegt allerdings auch nicht ausdrücklich eine gebundene Entscheidung vor. Zwar muß Ermessen im Hinblick auf die Wahrung des Gewaltenteilungsgrundsatzes normalerweise ausdrücklich normiert sein, da jedoch die vorliegende Regelung anderenfalls auch unverhältnismäßige Eingriffe in Eigentumspositionen zulassen würde und daher zumindest insoweit verfassungswidrig wäre, ist es aus verfassungsrechtlichen Gründen im Wege einer verfassungskonformen Auslegung bzw. einer geltungserhaltenden Reduktion geboten, die Vorschrift entweder als Ermessensnorm 84 zu interpretieren oder sie nur in dem Umfang als wirksam anzusehen, als sie Grundlage verhältnismäßiger Eingriffe ist. Anderer Auffassung ist allerdings die dortige Rechtsprechung unter Hinweis darauf, daß der Betroffene nach § 31 nwDSchG die Übernahme seines Eigentumsobjektes durch die Gemeinde verlangen könne; im übrigen könne auch eine Entschädigung auf der Grundlage der denkmalschutzgesetzlichen salvatorischen Entschädigungsklausel gewährt werden85. Auch wenn durch diese Regelungen ursprünglich ein "geschlossenes System" erreicht werden sollte, so verstößt jene Sicht doch gegen Art. 14 GG, weil sie den Freiheitsaspekt der Eigentumsgarantie und damit den grundrechtlichen Abwehranspruch völlig außer acht läßt und den Betroffenen lediglich auf Wertersatz verweist. Die in Spalte 3 aufgeführte Regelung im saarländischen Denkmalschutzgesetz begegnet hingegen noch größeren verfassungsrechtlichen Bedenken , 84

Im Ergebnis ebenso M. Müller, ebd., S. 195 f., 205 ff.; Moench, Die Entwicklung des Denkmalschutzrechts, NVwZ 1988, S. 304 (310). 85

OVG Münster, U.v. 18.5.1984 -11 A 1776/83, NJW 1986, S. 1890 (1891 f.). Anderer Ansicht auch Schmittat, Denkmalschutz und gemeindliche Selbstverwaltung, 1988, S. 104 f. Kein DenkmalR NW, 2. Ermessen eingeräumt sehen auch Memmesheimer/Upmeier/Schönstein, Aufl. 1989, Teil Β DSchG § 9 Rdnr. 17.

I. Inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen

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weil dieses Gesetz manche Veränderungen ohne Ausnahmemöglichkeit absolut verbietet, ohne daß das Gesetz einen Vorbehalt der Zumutbarkeit enthält, wie er in den meisten anderen Denkmalschutzgesetzen existiert (vgl. oben Ziff. 2, S. 247 ff.). Das ist jedenfalls insoweit nicht mit Art. 14 GG vereinbar, als das Gesetz hierbei ohne Differenzierung auch Eingriffe zuläßt, die nicht verhältnismäßig i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sind. Hinzu kommt, daß dort die Behörde bei ihrer Entscheidung über den Genehmigungsantrag gebunden und ihr kein Ermessensspielraum eingeräumt ist. Die nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zwingend zu beachtenden Belange des Eigentümers sind somit weder bereits auf der gesetzlichen Ebene eingearbeitet, noch können sie bei der behördlichen Entscheidung im Einzelfall berücksichtigt werden. Damit ist dieses Regelungssystem des saarländischen Denkmalschutzgesetzes in der Gesamtbetrachtung verfassungswidrig, jedenfalls soweit hiernach auch zu unverhältnismäßigen Eingriffen in Art. 14 Abs. 1 GG ermächtigt wird. Auch hier kann wiederum (wie bereits oben bei der Erhaltungspflicht, S. 254 f.) diese Rege-lungsstruktur allenfalls im Wege der geltungserhaltenden Reduktion dergestalt Bestand haben, daß das Veränderungsverbot nur gilt, sofern es verhältnismäßig i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist. b) Umgebungsschutz In einigen Gesetzen ist auch vorgesehen, daß bestimmte bauliche Anlagen und sonstige Vorhaben in der Umgebung von Denkmalen für die Errichtung, Veränderung oder Beseitigung einer Genehmigung bedürfen (§ 15 Abs. 3 bwDSchG, § 10 hambDSchG, §§ 8 i.V.m. 10 Abs. 1 Ziff. 4 ndsDSchG). Erfaßt sind davon diejenigen Anlagen und Vorhaben in der Umgebung von Denkmalen, die für das Erscheinungsbild eines Denkmals von erheblicher Bedeutung sind. Dabei sind u.a. diejenigen Vorhaben zu genehmigen, die das Denkmal lediglich geringfügig beeinträchtigen (§ 15 Abs. 3 Satz 3 bwDSchG), bei denen der Verzicht auf das Vorhaben wirtschaftlich unzumutbar ist (§§ 8 i.V.m. 7 ndsDSchG), oder es darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn ihr Gründe des Denkmalschutzes entgegenstehen (§§ 10 i.V.m. 12 Abs. 1 hambDSchG). In Berlin besteht für die Umgebung eines Denkmales ein Verbot der Beeinträchtigung der Eigenart und des Erscheinungsbildes eines Denkmals; hier darf die bauaufsichtliche Genehmigung deshalb nur im Einvernehmen mit der Denkmalschutzbehörde ergehen (§ 16 blnDSchG). Beim Umgebungsschutz86 liegt ein wesentlicher Unterschied gegenüber den vorhergehend erörterten Fallgestaltungen darin, daß hier nicht das 86

Siehe dazu auch Moench/Schmidt,

Die Freiheit der Baugestaltung, 1989, S. 114 ff.

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Denkmal selbst, sondern die in dessen Umgebung liegenden Anlagen erfaßt und bestimmten Verboten und Genehmigungsvorbehalten unterworfen sind. Dabei betreffen die denkmalschutzrechtlichen Schutzgründe primär nicht das den Umgebungsschutzvorschriften unterstellte weitere Eigentumsobjekt 87 , sondern das eigentliche Denkmalobjekt. Die dem Denkmalschutz zugrundeliegenden gesetzlichen Schutzzwecke sind jedoch nicht in dem Sinne objektbezogen, daß sie nur jeweils das Denkmalobjekt selbst und allein betreffen, sondern die Schutzgründe können gleichfalls ein Objekt erfassen, das nicht selbst Denkmal ist, aber auf dieses einwirken und somit die gesetzlichen Schutzzwecke ebenfalls beeinträchtigen kann. Auch in bezug auf Eigentumsobjekte, die in der Umgebung eines Denkmales liegen, können daher Beschränkungen zum Zwecke des Denkmalschutzes verfassungsrechtlich zulässig sein, sofern die denkmalschutzrechtlichen Schutzgründe dies rechtfertigen, d.h. die Beschränkung verhältnismäßig i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist. Dazu muß die andere, meist bauliche Anlage zunächst tatsächlich in Beziehung zu dem Denkmal stehen. Auch ist der Tatsache Rechnung zu tragen, daß beim Umgebungsschutz ein Objekt Beschränkungen unterworfen ist, das selbst gerade kein Denkmal ist und das daher nur mittelbar dem Denkmalschutz dienen kann. Es muß deshalb besondere, eigenständige Schutzgründe dafür geben, eine Anlage in der Umgebung eines Denkmales gewissen Beschränkungen zu unterwerfen. Dies kommt in den den meisten der genannten Regelungen zum Umgebungsschutz dadurch zum Ausdruck, daß nur diejenigen baulichen Anlagen erfaßt werden, die für das Erscheinungsbild des Denkmals von "erheblicher Bedeutung" sind, also zu ihm in einer besonderen Beziehung stehen. Ein anderes Kriterium gilt lediglich in Niedersachsen: Dort sind solche Anlagen erfaßt, die das Erscheinungsbild des Denkmals "beeinträchtigen". Damit sind die relevanten Gemeinwohlbelange, der Denkmalschutz und der Bezug der Anlage zum Denkmal, benannt. Soweit die auf den Umgebungsschutz bezogenen Genehmigungsvorbehalte lediglich präventiven Charakter haben, wie in BadenWürttemberg und Hamburg, oder soweit dies wenigstens teilweise der Fall ist, wie in Niedersachsen mit seiner zweigeteilten Regelungsstruktur, und die Antragsteller damit im Grundsatz einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung haben, stellen diese Beschränkungen entsprechend der oben beim allgemeinen Schutz dargelegten Auffassung (Ziff. 3 lit. a, S. 256 ff.), bereits auf der gesetzlichen Ebene verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmungen dar. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Verpflichtung zudem ausdrücklich oder mittelbar unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit steht. Der Umgebungsschutz in Berlin ist demgegenüber jedoch etwas anders strukturiert: Dort ist das Beeinträchtigungsverbot nicht mit einem eige87

So auch Moench, Die Entwicklung des Denkmalschutzrechts, NVwZ 1988, S. 304 (307 m. weit. Nachw.).

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nen Genehmigungsvorbehalt verknüpft, sondern dort dürfen die bauaufsichtlichen Entscheidungen nur im Einvernehmen mit der Denkmalschutzbehörde ergehen. Auch dafür muß dann aber die (ausdrücklich nur die Genehmigung betreffende) Regelung des § 10 Abs. 2 blnDSchG gelten, wonach eine Genehmigung (hier also das Einveraehmen) nur versagt werden darf, wenn Gründe des Denkmalschutzes entgegenstehen. Damit besteht hier ein Anspruch auf die Erteilung des Einveraehmens, so daß auch diese Regelung des Umgebungsschutzes insgesamt eine verhältnismäßige Inhaltsund Schrankenbestimmung darstellt. c) Bodendenkmale - Denkmalfund In bezug auf neu entdeckte oder gefundene Denkmale gibt es in allen Denkmalschutzgesetzen spezielle Regelungen. Erfaßt sind, teilweise alternativ, teilweise kumulativ, das Auffinden und die Entdeckung von beweglichen Denkmalen sowie die Entdeckung, Ausgrabung und Erforschung von Bodendenkmalen, d.h. von beweglichen oder unbeweglichen Gegenständen und Objekten, die sich im Boden befinden 88. (1) Gezielte Nachforschung und Grabung Auch für gezielte Nachforschungen und Grabungen nach beweglichen Kulturdenkmalen bzw. Bodendenkmalen oder für Arbeiten, bei denen anzunehmen ist, daß bewegliche bzw. Bodendenkmale zum Vorschein kommen können, bestehen nach allen Denkmalschutzgesetzen Erlaubnis- und Genehmigungspflichten (§ 21 bwDSchG, Art. 7 bayDSchG, § 5 Abs. 3 blnDSchG, § 16 bremDSchG, § 16 hambDSchG, § 21 hessDSchG, §§ 12 f. ndsDSchG, § 13 nwDSchG, § 21 rhpfDSchG, § 20 saarlDSchG, § 18 shDSchG). Hier stellt sich zunächst die Frage, welchen Charakter die Genehmigungen bzw. die Einschränkungen haben. Soweit nur die aus Schutzgründen erforderliche Genehmigungsversagung ausdrücklich in das Ermessen der Behörde gestellt ist (Bayern), hat der Antragsteller im übrigen grundsätzlich einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung. Ist die Genehmigung nur zu versagen, sofern bestimmte Vorgaben nicht eingehalten werden (Berlin, Niedersachsen, Saarland), so hat der Eigentümer ebenfalls einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung, falls keine Versagungsgründe vorliegen. Ist die Genehmigung zu erteilen, soweit Denkmale nicht besteht ein ausdrücklicher Angefährdet werden (Nordrhein-Westfalen), spruch. Ist lediglich bestimmt, daß die Genehmigung mit Bedingungen und Auflagen versehen werden kann (Baden-Württemberg nach § 7 Abs. 2, Bre88

Vgl. auch Kleeberg/Eberl,

Kulturgüter in Privatbesitz, 1990, Rdnr. 211 ff.

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men y Hamburg, Hessen nach § 7 Abs. 2, Schleswig-Holstein), so folgt daraus ebenfalls, daß die Genehmigung im Grundsatz erteilt werden muß und damit ein Anspruch auf Erteilung besteht. Soweit schließlich die Genehmigung nach Fristablauf fingiert wird (Rheinland-Pfalz), ergibt sich auch daraus ein entsprechender Genehmigungsanspruch. In allen Fällen handelt es sich somit um eine Kontrollerlaubnis, ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Daher sind auch diese Genehmigungserfordernisse mit den Anforderungen des Art. 14 GG vereinbar; es kann insoweit auf die Ausführungen oben zum allgemeinen Schutz (in a [2], S. 262) verwiesen werden. Zu berücksichtigen sind hier einerseits die lediglich vorläufige Sperrwirkung und andererseits die gesteigerten Gemeinwohlinteressen an der unbeschädigten und nicht heimlichen Bergung der vorher meist unbekannten und manchmal recht wertvollen Denkmale. Vor allem aber gelten für die dann entdeckten oder aufgefundenen Gegenstände besondere Regelungen: Oft besteht ein sog. Schatzregal bzw. eine Ablieferungspflicht, wonach der Eigentümer des Grundstückes bzw. der Finder des Denkmales entweder kein Eigentum an dem entdeckten Gegenstand erwerben kann oder er verpflichtet ist, dieses abzuliefern (dazu näher unten Ziff. 6, S. 275 f.). Daher handelt es sich bei diesen speziellen Genehmigungs- und Erlaubnisvorbehalten in bezug auf die Eigentümer von Grundstücken oder Gebäuden um verfassungsrechtlich legitimierte, zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmungen. (2) Verbot der Veränderung der Fundstelle Im Zusammenhang mit der Pflicht zur Anzeige von Funden (dazu unten Ziff. 7 lit. a, S. 278) enthalten alle Denkmalschutzgesetze ferner ausdrücklich Veränderungsverbote hinsichtlich aufgefundener Gegenstände und der Fundstelle (§ 20 Abs. 1 Satz 2 f. bwDSchG, Art. 8 Abs. 2 bayDSchG, § 5 Abs. 1 Satz 3 f. blnDSchG, § 15 Abs. 3 bremDSchG, § 18 Abs. 4 hambDSchG, § 20 Abs. 3 hessDSchG, § 14 Abs. 2 ndsDSchG, § 16 nwDSchG, § 18 rhpfDSchG, § 17 Abs. 1 saarlDSchG, § 14 Abs. 3 shDSchG). Diese Veränderungsverbote sind jedoch in allen Gesetzen auf drei Tage bis maximal eine Woche befristet, mit Ausnahme von Schleswig-Holstein, wo das Veränderungsverbot bis zu vier Wochen bestehen kann (§ 14 Abs. 3 Satz 2 shDSchG). Auch der nur kurze Zeitraum kann zwar für den Grundstückseigentümer, der z.B. fristgebunden ein aufwendiges Objekt bauen möchte, eine große, insbesondere finanzielle Belastung sein. Doch kann nach allen Gesetzen entweder die vorzeitige Freigabe erfolgen und damit die Fortsetzung der Arbeiten erlaubt werden, teilweise ausdrücklich unter Bezugnahme auf sonst entstehende unverhältnismäßig hohe Kosten, oder es besteht, teilweise sogar daneben, das Veränderungsverbot von vornherein nicht, sofern damit unverhältnismäßig hohe Kosten oder Nachteile verbunden sind (§ 18 Abs. 4 Ziff. 3 hambDSchG, § 14 Abs. 3 Satz

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1 shDSchG) und zudem eine Ersatzleistung seitens der Behörde abgelehnt wird (§ 20 Abs. 1 Satz 3 bwDSchG), oder sofern keine Gefährdungen für die entdeckten Denkmale zu gewärtigen sind (§ 18 Abs. 4 Ziff. 3 hambDSchG). Damit stellen sämtliche Regelungen, da sie die Prüfung und Einhaltung der Verhältnismäßigkeit teilweise bereits auf der gesetzlichen Ebene enthalten, zumindest aber bei der behördlichen Entscheidung zulassen, lediglich eine geringfügige Beschränkung und angesichts der bereits erwähnten gewichtigen Gemeinwohlinteressen, insbesondere zur Ermöglichung der Erkundung, Erfassung und Sicherung der Fundstelle von Denkmalen, eine verhältnismäßige und somit zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Gesetzgebers dar (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG)*. d) Grabungsschutzgebiete

Einige Denkmalschutzgesetze enthalten für die Entdeckung und den Fund von (Boden) Denkmalen Regelungen, die die Ausweisung von Grabungsschutzgebieten zulassen, in denen sämtliche Arbeiten, bei denen Kulturdenkmale zutagegefördert oder gefährdet werden könnten, genehmigungspflichtig sind (§ 22 bwDSchG, Art. 7 Abs. 2 bayDSchG, § 17 bremDSchG, § 17 hambDSchG, § 22 hessDSchG, § 16 ndsDSchG, § 14 nwDSchG, § 22 rhpf DSchG, § 21 saarlDSchG, § 19 shDSchG). Die bisherige land- und forstwirtschaftliche Nutzung bleibt zuweilen ausdrücklich unberührt von dieser Regelung (§ 22 Abs. 2 Satz 2 bwDSchG, § 22 Abs. 2 Satz 2 hessDSchG, § 16 Abs. 2 Satz 2 ndsDSchG, § 21 Abs. 2 Satz 2 saarl DSchG). Nur in Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein gibt es weitere Regelungen über die Genehmigungserteilung, wonach die Genehmigungen mit Bedingungen und Auflagen versehen werden können und/oder nach Zeitablauf fingiert werden (§ 17 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 12 Abs. 2, § 13 hambDSchG, § 22 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 4 - 6 nwDSchG, § 19 Abs. 2 Satz 3 shDSchG) bzw. zu versagen sind, falls ein Verstoß gegen das Denkmalschutzgesetz vorliegen würde (§ 16 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 13 Abs. 2 ndsDSchG). In diesen Ländern ergibt sich daher bereits aus den gesetzlichen Regelungen ein Anspruch des Antragstellers auf Erteilung der erforderlichen Genehmigung, so daß diese dort lediglich eine präventive Kontrolle darstellt. In allen anderen Ländern enthalten die gesetzlichen Regelungen selbst keinen Hinweis auf den Charakter der Genehmigung. Die Schutzgebietsausweisungen stellen einen Eingriff in subjektive, bestandsgeschützte Eigentumspositionen der betroffenen Grundstückseigentümer dar (Schema 1 Stufe 3), denn sie unterliegen durch diese Ausweisung 89

So auch Memmesheimer/Upmeier/Schönstein, DSchG § 16 Rdnr. 7.

DenkmalR NW, 2. Aufl. 1989, Teil Β

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7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

der Genehmigungspflicht, die sich zwar aus dem Gesetz ergibt, jedoch erst durch die behördliche Ausweisung des Schutzgebietes mittels Rechtsverordnung Geltung erlangt. Als präventive Kontrolle ist die Genehmigungspflicht angesichts des involvierten Schutzgutes, die Sicherstellung des Denkmalschutzes auch in bezug auf zu konkret zu erwartende, aber noch nicht bekannte (Boden-) Denkmale, gegenüber der lediglich vorübergehenden zeitlichen Verzögerung daher verhältnismäßig und folglich mit Art. 14 GG vereinbar 90. Da ein repressives Verbot diesen Anforderungen jedoch nicht mehr genügen würde, ergibt sich auch für diejenigen gesetzlichen Regelungen, die keine näheren Vorgaben enthalten, daß die Genehmigungen dort nur dann versagt werden können, wenn dies verhältnismäßig i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist. Deshalb besteht auch dort in allen Fällen, in denen die Genehmigungsversagung eine unverhältnismäßige Beschränkung darstellen würde, ein Anspruch auf die Erteilung der Genehmigung; es handelt sich mithin ebenfalls lediglich um eine präventive Kontrollerlaubnis. Somit sind alle Ermächtigungsnormen für Schutzgebietsausweisungen mit Art. 14 GG vereinbar. 4. Allgemeine Eingriffsermächtigungen

(Generalklauseln)

Einige Denkmalschutzgesetze enthalten Generalermächtigungen für die Denkmalschutzbehörden in der bekannten, den polizeilichen Generalklauseln nachgebildeten Art, so etwa § 7 Abs. 1 Satz 1 bwDSchG, der wie folgt lautet: "Die Denkmalschutzbehörden haben zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihnen nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen" (ähnlich - leicht konkretisiert - auch § 7 Abs. 1 hessDSchG, § 23 Abs. 1 ndsDSchG)91. In Hessen haben die Behörden dabei "den berechtigten Interessen der Eigentümer oder Besitzer von Kulturdenkmalen Rechnung zu tragen" (§ 7 Abs. 1 Satz 2 hessDSchG). In anderen Denkmalschutzgesetzen sind entsprechende Ermächtigungen dagegen konkret gefaßt und in der Regel auf die Erhaltungspflicht und Erhaltungsmaßnahmen bezogen, so etwa in Art. 4 Abs. 2 bayDSchG: "Die in Abs. 1 genannten Personen können verpflichtet werden, bestimmte Erhaltungsmaßnahmen ganz oder zum Teil durchzuführen, soweit ihnen das ... zumutbar ist" (ähnlich, jedoch meist ohne den ausdrücklichen Vorbehalt der Zumutbarkeit, § 9 Abs. 2 blnDSchG, § 12 Abs. 1 bremDSchG,, § 12 Abs. 1 90 Ebenso Memmesheimer/Upmeier/Schönstem, DSchG § 14 Rdnr. 9.

DenkmalR NW, 2. Aufl. 1989, Teil Β

91 Dazu zuletzt VGH Mannheim, U.v. 4.6.1991 - 1 S 2022/90, VB1BW 1991, Heft 9, Hess. DSchR, 2. Aufl. 1991, Teil Rechtsprechungsdienst Β 6. Siehe ferner Dörffcldt/Viebrock, C, § 7 Rdnr. 2; Strobl/Majocco/Birn, DSchG Bad.-Württ., 1989, § 7 Rdnr. 1.

I. Inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen

273

hessDSchG, § 7 Abs. 2 nwDSchG, § 14 Abs. 2 rhpfDSchG, § 9 Abs. 1 saarlDSchG, § 12 Abs. 1 shDSchG). Nur das hamburgische Denkmalschutzgesetz enthält keine Eingriffsermächtigung, sondern konstituiert lediglich eine Pflicht, entsprechende Erhaltungsmaßnahmen der Behörde zu dulden (§ 15 Abs. 3 hambDSchG). Bei der zweiten Normgruppe, den konkret formulierten, auf die Denkmalerhaltung gerichteten Ermächtigungsnormen, bestehen in der Regel keine Bedenken im Hinblick auf deren Vereinbarkeit mit Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 GG. Wie bereits erörtert wurde (vgl. oben Ziff. 2, S. 247 ff.), ist die entsprechende Rechtspflicht, für die Erhaltung zu sorgen, an sich jedenfalls dann verfassungsgemäß, wenn die Erhaltungspflicht und daher auch die entsprechenden Anordnungen unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit stehen. Das ist, wie aus Übersicht 2 (oben S. 247 f.) ersichtlich, in den betreffenden Ländern mit Ausnahme des Saarlandes der Fall. In zwei dieser Länder ist der Vorbehalt der Zumutbarkeit sogar ausdrücklich nochmals in die Ermächtigungsnormen aufgenommen (Bayern, Rheinland-Pfalz). Zu beachten ist auch, daß nach allen Gesetzen der Behörde beim Erlaß solcher Anordnungen Ermessen eingeräumt ist. Damit darf die Behörde dabei nur i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG verhältnismäßige Anordnungen treffen, so daß sie beim Erlaß ihrer Maßnahme noch eine eigene Prüfungs- und Abwägungspflicht hat, die sich insbesondere auch auf die Verfassungsmäßigkeit der Einzelanordnung bezieht. Da insoweit auch im Saarland der Behörde bei solchen Anordnungen Ermessen eingeräumt ist, läßt sich die auf die Erhaltungsmaßnahmen gerichtete Anordnungsermächtigung dort gleichfalls mit Art. 14 GG vereinbaren. Auch gegen die allgemein als Generalermächtigung formulierten Eingriffsklauseln bestehen letztlich keine Bedenken. Zum einen sind diese Ermächtigungen an die Aufgabenerfüllung, also an die i.d.R. in § 1 der jeweiligen Gesetze zugewiesene Aufgabe des Denkmalschutzes, geknüpft und damit konkret umschrieben. In Hessen verlangt bereits die Ermächtigungsnorm selbst, daß die berechtigten Belange der Eigentümer zu berücksichtigen sind und daß eine geplante Anordnung verhältnismäßig i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sein muß. Ferner ist der Verwaltung in den betreffenden Ländern wiederum Ermessen eingeräumt, hier sogar ausdrücklich in der gesteigerten Form der "pflichtgemäßen" Ermessensausübung, so daß auch in diesen Fällen, jedenfalls bei der Einzelfallentscheidung, alle relevanten Interessen abzuwägen sind und die Verhältnismäßigkeit nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG vorliegen muß. Die in den Denkmalschutzgesetzen enthaltenen Ermächtigungsgrundlagen sind daher mit Art. 14 GG vereinbar 92. 92

So auch für Baden-Württemberg Strobl/Majocco/Birn,

18 Melchinger

DSchG, 1989, § 24 Rdnr. 7.

274

7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

5. Nutzungsgebote und Nutzungsbeschränkungen Zwar enthalten einige Gesetze zunächst z.T. recht differenzierte und Alternativen berücksichtigende Vorgaben für die zu wählende Nutzung von Denkmalen, die lediglich appellativen Charakter haben (Art. 5 bayDSchG, § 13 hessDSchG, § 9 ndsDSchG, § 8 Abs. 1 nwDSchG, § 11 Abs. 1 saarl DSchG) und damit verfassungsrechtlich unbedenklich sind. Darüberhinaus ist es jedoch oft auch dort möglich, die Eigentümer oder Nutzer von Denkmalen zu bestimmten Nutzungen oder zur Duldung einer bestimmten Nutzungsart zu verpflichten (Art. 5 letzter Satz bayDSchG, § 23 Abs. 2 ndsDSchG, § 8 Abs. 2 nwDSchG, § 11 Abs. 2 saarlDSchG). Die Möglichkeit eine bestimmte Nutzung oder deren Duldung anzuordnen, steht in allen diesen Fällen ausdrücklich oder durch Verweisung auf andere Normen unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit. Deshalb bestehen bei der hier vertretenen Auffassung, daß die Zumutbarkeit mit Verhältnismäßigkeit i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gleichzusetzen ist, keine Bedenken gegen die Vereinbarkeit dieser Nutzungsgebote mit Art. 14 GG 93 . § 9 Abs. 3 blnDSchG bestimmt, daß seiner ursprünglichen Zweckbestimmung nicht entsprechende Nutzungen des Baudenkmals dessen Eigenart nicht beeinträchtigen dürfen. Hier ist unmittelbar ein gesetzliches Verbot ausgesprochen, ohne daß Ausnahmemöglichkeiten festgelegt sind oder es einer in das Ermessen gestellten Anordnung bedürfte. Es ist weder auf gesetzlicher Ebene eine Abwägung mit den relevanten Belangen des betroffenen Eigentümers erfolgt, noch kann sie im Wege einer behördlichen Einzelfallentscheidung erfolgen. Damit berücksichtigt dieses Nutzungsverbot die Belange des konkreten Eigentümers nicht in dem nach Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 GG erforderlichen Umfang. Diese berliner Vorschrift ist daher nicht verfassungsgemäß. Daneben gibt es noch Regelungen über Nutzungsbeschränkungen, wonach etwa die wirtschaftliche Nutzung eines Grundstückes beschränkt werden kann, sofern sich darin Bodendenkmäler von wissenschaftlicher oder geschichtlicher Bedeutung (§ 23 Abs. 1 hessDSchG, § 22 saarlDSchG) bzw. eingetragene Kulturdenkmale (§ 22 saarlDSchG) befinden. Hier wird zwar ein Eingriff in bestehende Eigentumspositionen zugelassen, der allerdings im Ermessen der Behörde steht, und der vor allem durch die beachtlichen Schutzgründe "wissenschaftliche" oder "geschichtliche Bedeutung" legitimiert ist, Kriterien, die auch für die Bestimmung des Schutzzweckes der Denk93 So auch Eberl/Martin/Petzet, Bayer. DSchG, 4. Aufl. 1991, Teil C, Art. 5 Rdnr. 10; Memmesheimer/Upmeier/Schönstein, DenkmalR NW, 2. Aufl. 1989, Teil Β DSchG § 8 Rdnr. 8; M. Müller, Baudenkmalschutz und Eigentumsbeeinträchtigung, 1985, S. 190.

I. Inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen

275

malschutzgesetze relevant sind und dafür bereits als tauglich angesehen wurden (vgl. oben in § 6 I I I 2, S. 223 ff.). Ferner hat die Behörde im Rahmen der Ermessensausübung eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen, so daß diese Vorschriften insgesamt verfassungsgemäß sind. 6. Eigentumserwerb

und Eigentumsinhalt bei Denkmalfunden a) Schatzregal

Die Frage des Eigentums an gefundenen beweglichen Denkmalen ist in einigen Denkmalschutzgesetzen dahin geregelt, daß das Land automatisch Eigentümer der aufgefundenen Gegenstände wird (sog. Schatzregal), wenn sie bei staatlichen Nachforschungen oder in Grabungsschutzgebieten entdeckt wurden (§ 23 bwDSchG, § 5 Abs. 2 blnDSchG, § 19 Abs. 1 brem DSchG, § 18 Abs. 3 hambDSchG, § 18 ndsDSchG, § 19 a rhpfDSchG, § 23 saarlDSchG). In einigen Fällen reicht es auch aus, wenn der gefundene Gegenstand einen hervorragenden wissenschaftlichen Wert hat (§ 23 bw DSchG, § 19 Abs. 1 bremDSchG, § 19 a rhpfDSchG). In Bremen und dem Saarland erlischt dieses Eigentum des Landes allerdings wieder, wenn nach Ablauf einer Frist von drei Monaten nach Inbesitznahme des Gegenstandes keine entsprechende Eintragung in die Denkmalliste erfolgt ist; es gilt dann ausdrücklich die Regelung des § 984 BGB (§ 19 Abs. 2 bremDSchG, § 23 Abs. 2 saarlDSchG). In Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und in Schleswig-Holstein ist die Eigentumsfrage nicht gesondert geregelt; dort sowie in den anderen Ländern für diejenigen Fallgestaltungen, in denen das Schatzregal nicht greift, gilt daher die allgemeine gesetzliche Regelung des § 984 BGB über den Eigentumserwerb durch den Finder und ggf. den Eigentümer des Gegenstandes, in dem die gefundene Sache verborgen 94

war . Gegen das Schatzregal bestehen aus der Sicht des Art. 14 GG keine Bedenken, wie bereits im Hinblick auf die zur baden-württembergischen Vorschrift ergangene Entscheidung des BVerfG 95 in der ausführlichen Erörterung oben in § 5 III Ziff. 7 (S. 205 f.) dargelegt wurde. Danach ist schon der Normanwendungsbereich des Art. 14 GG nicht eröffnet. Denn es geht beim Schatzregal nicht um die inhaltliche Ausgestaltung des Eigentums an Sachen, sondern lediglich um die Frage, wer das Eigentum an dem herrenlosen Fundgegenstand erwirbt und damit um eine noch nicht konkretisierte Chance zum Eigentumserwerb. Dies wird vom Schutzgegenstand des 94

Vgl. dazu etwa den Fall in BGH, U.v. 20.1.1988 - VII ZR 296/86, NJW 1988, S. 1204 ff.

95

BVerfGE 78, 205.

276

S 7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

Art. 14 GG nicht erfaßt; die Frage der rechtlichen Zuordnung aufgefundener Gegenstände fällt bereits nicht in den von Art. 14 GG geschützten Eigentumsbereich. Deshalb können die Regelungen über die sog. Schatzregale nicht gegen die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes verstoßen. Es kommt daher auch nicht darauf an, an welche Voraussetzungen die automatische Eigentumszuordnung zu den Ländern jeweils geknüpft ist. Wenn bereits der Normanwendungsbereich des Art. 14 GG nicht eröffnet ist, so darf auch keine Verhältnismäßigkeitsprüfung etwa im Hinblick auf die nur in einigen Gesetzen enthaltene Anknüpfung an den "hervorragenden wissenschaftlichen Wert" vorgenommen werden. Allenfalls könnte eine mangelnde Bestimmtheit der Norm gerügt werden. Da es sich um einen gerichtlich voll überprüfbaren, unbestimmten Rechtsbegriff handelt, bei dem eine nähere Bestimmung und Konkretisierung der Voraussetzungen und Abgrenzungskriterien nicht von vornherein ausgeschlossen ist, liegt jedoch kein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz vor (vgl. ebd.). Für eine verfassungsrechtliche Überprüfung der in einigen Denkmalschutzgesetzen enthaltenen Vorschriften über den späteren Übergang des Eigentums von der öffentlichen Hand auf den Finder sind keine verfassungsrechtlichen Maßstäbe erkennbar, gegen die ein Verstoß vorliegen könnte. Damit sind alle genannten Normen über die sog. Schatzregale mit dem Grundgesetz vereinbar. b) Überlassungsverlangen Sofern das Schatzregal nicht gilt und Eigentum an aufgefundenen Denkmalgegenständen durch Private erworben werden kann, können die Eigentümer dieser aufgefundenen beweglichen Denkmale verpflichtet werden, diese den zuständigen Stellen befristet zur wissenschaftlichen Auswertung etc. zu überlassen (Art. 9 bayDSchG, § 18 bremDSchG, § 19 hambDSchG, § 15 ndsDSchG, § 15 shDSchG), bzw. ist die Behörde zu einer solchen, zuweilen befristeten, Inbesitznahme berechtigt (§ 20 Abs. 2 bwDSchG, § 5 Abs. 1 letzter Satz blnDSchG, § 20 Abs. 4 hessDSchG, § 16 Abs. 4 nwDSchG, § 19 Abs. 2 rhpfDSchG, § 18 Abs. 2 saarlDSchG). Diese Möglichkeiten der Behörde, die Überlassung aufgefundener beweglicher Denkmalen anzuordnen oder diese in Besitz zu nehmen, sind hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit Art. 14 GG unbedenklich. Im Unterschied zu der soeben dargelegten Fallgestaltung beim Schatzregal (oben lit. a) ist hier der Normanwendungsbereich des Art. 14 GG eröffnet. Voraussetzung für das Überlassungsverlangen ist, daß der Eigentumserwerb durch Private an dem gefundenen Denkmalgegenstand möglich ist; das Schatzregal kann somit in diesem Bereich nicht gelten (dazu soeben unter lit. a). Deshalb erlangen der Finder und der Eigentümer des Grundstücks, auf dem der Fund verborgen war, nach der allgemeinen Regelung des § 984 BGB je zur Hälfte

Inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen

277

Eigentum an dem gefundenen Gegenstand. Bei einem Denkmalfund ist diese Eigentumsstellung an dem gefundenen Denkmal gleichzeitig gekennzeichnet durch die nach den Denkmalschutzgesetzen von vornherein bestehende, befristete Ablieferungspflicht. Damit ist Art. 14 GG hier anwendbar. Es geht hier nicht mehr, wie beim Schatzregal, nur um die Frage, wer das Eigentum an dem herrenlosen Fundgegenstand erwirbt (Normanwendungsbereich), sondern bereits um die inhaltliche Ausgestaltung der Eigentumsstellung. Denn die Eigentumszuordnung ergibt sich aus dem in dieser Fallgestaltung ausdrücklich oder mangels anderweitiger Regelung anwendbaren § 984 BGB. Bei der weiteren Prüfung ist zu beachten, daß das Gesetz in allen Fällen nur die Möglichkeit einräumt, die Ablieferung zu verlangen, so daß diese Pflicht noch durch eine behördliche Einzelanordnung konkretisiert werden muß. Die Prüfung der Vereinbarkeit mit Art. 14 GG beginnt deshalb mit der Überprüfung des behörlichen Ablieferungsverlangens als konkret-individueller Maßnahme (Schema 2 % ) . Da es sich bei dieser Anordnung um die Konkretisierung der gesetzlichen Ermächtigung handelt, folgt als zweiter Schritt die Überprüfung der abstrakt-generellen Regelung (Schema 1 9 7 ). Das Eigentum an dem Fundgegenstand kann frühestens im Augenblick des Auffindens erworben werden, in dem aber schon von vornherein auch die denkmalschutzrechtliche Überlassungspflicht besteht, so daß hier kein Eingriff in bereits bestehende, bestandsgeschützte Eigentumspositionen vorliegen kann. Es handelt sich bei der Überlassungspflicht mithin um eine bereits von Anfang an die Eigentumsbefugnisse an gefundenen Denkmalen begrenzende Regelung des objektiven Rechts (Schema 1, Stufe 1). Danach muß die Überlassungspflicht als Beschränkung des Eigentums verhältnismäßig sein. Der Umfang der Eigentumsbefügnisse, wie ihn § 984 BGB an sich gewährt, wird durch die potentielle Überlassungsverpflichtung reduziert. Dies dient dem Schutzzweck Denkmalschutz. Als weitere Begrenzung kommt hinzu, daß die Überlassung der wissenschaftlichen Auswertung dienen muß. Da die einschlägigen Regelungen nur eine zeitlich begrenzte Überlassung des Fundgegenstandes an den Staat vorsehen und damit die Nutzungs- und Verfügungsbefugnis des Eigentümers nur vorübergehend eingeschränkt ist, die Eigentumsrechte dem Finder grundsätzlich zugeordnet bleiben, handelt es sich um eine verhältnismäßige Eigentumsbeschränkung. Überdies stellt die gesetzliche Regelung nur eine Ermächtigungsgrundlage für eine erst noch diese Möglichkeit konkretisierende behördliche Verfügung dar, die im Ermessen der Behörde steht. Daher sind diese inhalts- und schrankenbestimmenden Regelungen verfassungsgemäß. Es liegt kein Verstoß gegen Art. 14 GG vor 98. 96

Oben § 5 II, S. 185 f.

97

Oben § 5 II, S. 183 f.

278

7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

c) Ablieferungsverlangen In einigen Ländern können die Behörden unter bestimmten Voraussetzungen gegen Entschädigung die endgültige Ablieferung von aufgefundenen (Boden-) Denkmalen verlangen, so in Berlin, Rheinland-Pfalz, Hessen, Nordrhein-Westfalen, im Saarland und in Schleswig-Holstein (§ 5 Abs. 2 Satz 2 blnDSchG, § 24 hessDSchG, §§ 17 f. nwDSchG, § 20 rhpfDSchG, § 19 saarlDSchG, § 16 i.V.m. § 25 shDSchG). Zum Teil besteht diese Möglichkeit in Ländern, in denen auch ein Schatzregal angeordnet ist, dann allerdings nur für den Fall, daß dieses nicht eingreift, zum Teil enthalten die Denkmalschutzgesetze das Ablieferungsverlangen als einzige Möglichkeit, endgültig auf das Denkmalobjekt zuzugreifen. Allein das Denkmalschutzgesetz in Bayern enthält keine der beiden Regelungsmöglichkeiten. Die Möglichkeit, die Ablieferung des aufgefundenen Gegenstandes zu verlangen, steht im Ermessen der Behörde und in allen Fällen ist eine Entschädigung vorgesehen. Da dieses Ablieferungsverlangen nur diejenigen Sachverhalte erfaßt, die nicht unter die denkmalschutzgesetzlichen Regelungen über das Schatzregal fallen, erfolgt somit der Eigentumserwerb nach § 984 BGB durch den Finder und den Eigentümer der Sache, in der der Fundgegenstand verborgen war. Deshalb handelt es sich bei den Regelungen über das Ablieferungsverlangen nicht um das Eigentum lediglich beschränkende Inhalts- und Schrankenbestimmungen, sondern um den vollständigen Entzug von bereits erworbenen Eigentumspositionen. Diese Normen stellen Enteignungsregelungen dar, die deshalb den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG genügen müssen", worauf unten in IV 4 a, S. 308 f., näher einzugehen sein wird. 7. Weitere Pflichten und Eingriffsermächtigungen a) Anzeige- und Mitteilungspflichten Nach allen Denkmalschutzgesetzen bestehen eine ganze Reihe, unterschiedliche Sachverhalte erfassende Anzeige- und Mitteilungspflichten, so etwa bezüglich der die Erhaltung von Denkmalen gefährdenden Schäden und Mängel, der Instandsetzung von Denkmalen, des Eigentümerwechsels oder bezüglich der Verbringung an einen anderen Ort (§ 16 bwDSchG, § 10 98

Im Ergebnis so auch Dörffeldt/Viebrock, Hess. DSchR, 2. Aufl. 1991, Teil C, § 20 Rdnr. 7; Eberl/Martin/Petzet, Bayer. DSchG, 4. Aufl. 1991, Teil C, Art. 9 Rdnr. 4. 99

So auch Memmesheimer/Upmeier/Schönstein, DSchG § 17 Rdnr. 5.

DenkmalR NW, 2. Aufl. 1989, Teil Β

I. Inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen

279

Abs. 2 bayDSchG, § 10 Abs. 5 blnDSchG, § 11 bremDSchG, § 14 hambDSchG, § 17 hessDSchG, § 11 ndsDSchG, § 10 nwDSchG, §§ 12 u. 17 rhpfDSchG, § 10 saarlDSchG, § 10 shDSchG). Weiterhin sind der Fund und die Entdeckung beweglicher Kulturdenkmale bzw. Bodendenkmale anzuzeigen und mitzuteilen (§ 20 bwDSchG, Art. 8 Abs. 1 bayDSchG, § 5 blnDSchG, § 15 bremDSchG, § 18 Abs. 1 u. 2 hambDSchG, § 20 Abs. 1 hessDSchG, § 14 Abs. 1 ndsDSchG, 15 nwDSchG, § 17 rhpfDSchG, § 16 saarlDSchG, § 14 shDSchG). Es handelt sich dabei lediglich um die Verpflichtung, die Behörde über die jeweiligen Sachverhalte zu informieren. Damit sind unmittelbar keine weiteren Konsequenzen verbunden. Falls an den Sachverhalt selbst - nicht jedoch an die Anzeigepflicht - weitere Verpflichtungen geknüpft sind, wie etwa das befristete Verbot der Veränderung der Fundstelle, so ist dies gesondert zu beurteilen (z.B. oben Ziff. 3 c (2), S. 270 f.) und hat keinen Einfluß auf den rechtlichen Charakter der Pflicht als solcher. Die Mitteilungspflicht belastet den Eigentümer in keiner Weise in seiner Eigentumsposition 100 . Zwar wird an seine Eigentümerstellung angeknüpft, die Verpflichtung verändert jedoch die Eigentumsbefugnisse nicht. Art. 14 GG ist hierbei überhaupt nicht betroffen, sondern die Anzeigepflicht berührt lediglich die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG. Die Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit ist allerdings lediglich geringfügig und durch den Schrankenvorbehalt des Art. 2 Abs. 1 GG gedeckt. Damit sind die Anzeige- und Mitteilungspflichten verfassungsrechtlich zulässig. b) Wiederherstellungspflicht Nach manchen Denkmalschutzgesetzen ist die Behörde ausdrücklich ermächtigt, die Wiederherstellung des früheren Zustandes bzw. die Behebung von Beeinträchtigungen anzuordnen, sofern ein Denkmal ohne Genehmigung, entgegen einer erteilten Genehmigung und/oder entgegen entsprechender Auflagen oder gegen ein ausdrückliches denkmalschutzgesetzliches Gebot oder Verbot verändert, beeinträchtigt oder zerstört worden ist (z.B. Art. 15 Abs. 3 bayDSchG, § 12 blnDSchG, § 16 Abs. 2 Satz 2 bremDSchG, § 29 hambDSchG, § 8 hessDSchG, § 25 ndsDSchG, § 27 nwDSchG, § 14 rhpfDSchG, § 18 Abs. 2 Satz 3 shDSchG). In allen Fällen ist der Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen eingeräumt, in einigen dieser Regelungen ausdrücklich, in den anderen Fällen ergibt sich dies daraus, daß eine entsprechende Anordnung der Behörde nicht zwingend vorgeschrieben ist, so

100

So auch Eberl/Martin/Petzet, Buchst, g.

Bayer. DSchG, 4. Aufl. 1991, Teil C, Art. 20 Rdnr. 20

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7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

daß auch hier die Behörde einen Spielraum bei der Entscheidung hat, ob sie eingreift. Auch wenn eine solche Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes erst im Einzelfall durch eine behördliche Verfügung angeordnet werden muß, ist zuerst - neben der Vereinbarkeit mit Art. 14 GG im Einzelfall - zu fragen, ob die vom Gesetzgeber eingeräumte Möglichkeit, die Wiederherstellung anzuordnen, verfassungsgemäß ist (Schema 2, Variante 2 i.V.m. Schema 1 1 0 1 ). Hinsichtlich der Wiederherstellungspflichten greift der Schutz des Art. 14 GG nicht. Zum einen erfaßt Art. 14 GG keine durch illegales Verhalten ggf. erworbene, sondern nur rechtmäßig erlangte Eigentumspositionen, so daß insoweit bereits der Normanwendungsbereich nicht eröffnet ist. Darüberhinaus liegt, ex ante betrachtet, in den Fällen, die von den Wiederherstellungsregelungen erfaßt sind, zuvor keine verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsposition vor (Gewährleistungsinhalt). Denn Tatbestandsvoraussetzung einer Wiederherstellungsanordnung ist jeweils, daß der Eigentümer ohne Genehmigung, nicht ihrem Inhalt entsprechend oder entgegen einem gesetzlichen Gebot oder Verbot gehandelt hat. Soweit diese Verbote, Gebote, Genehmigungsvorbehalte, die konkrete Genehmigung und die ggf. darin enthaltenen Auflagen etc. jeweils selbst verhältnismäßig i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und damit verfassungsgemäß sind, ist das dagegen verstoßende Verhalten des Eigentümers nicht von seiner Eigentumsbefugnis umfaßt. Eine Beschränkung einer nach Art. 14 GG geschützten Rechtsposition ist durch die mögliche Anordnung, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen, nicht gegeben. Die Wiederherstellungspflichten verstoßen daher nicht gegen Art. 14 GG 102 . Demgemäß werden die denkmalschutzgesetzlichen Wiederherstellungsanordnungen auch als spezialgesetzlich geregelte Fälle der Gefahrenabwehr angesehen103. c) Vorkaufsrecht In einigen Gesetzen ist für bestimmte Fälle ein Vorkaufsrecht der kommunalen oder staatlichen Körperschaften vorgesehen. So bestimmt Art. 19 Abs. 1 bayDSchG, daß "dem Freistaat Bayern ... beim Kauf historischer Ausstattungsstücke, die... zusammen mit Baudenkmälern geschützt und in die Denkmalliste eingetragen sind, und beim 101

Oben § 5 II, S. 185 f.

102

Im Ergebnis so auch Memmesheimer/Upmeier/Schönstein, DenkmalR NW, 2. Aufl. 1989, Teil Β DSchG § 27 Rdnr. 15, die allerdings eine im Rahmen der Sozialbindung liegende Inhalts- und Schrankenbestimmung annehmen. 103

OVG Berlin, U.v. 2.11.1989 - 2 Β 6.87, DVB1.1990, S. 1115 (1116).

I. Inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen

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Kauf von eingetragenen beweglichen Denkmälern ein Vorkaufsrecht zu[steht]. Das Vorkaufsrecht darf nur ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt, insbesondere wenn die ... [betroffenen Gegenstände] der Öffentlichkeit zugänglich gemacht oder in ihrer Gesamtheit erhalten werden sollen.*

Nach § 32 Abs. 1 nwDSchG darf ein auf Grundstücke mit Baudenkmälern oder ortsfesten Bodendenkmälern bezogenes Vorkaufsrecht "nur ausgeübt werden, wenn dadurch die dauernde Erhaltung des Baudenkmals oder ortsfesten Bodendenkmals ermöglicht werden soll."

Vergleichbare Regelungen enthalten § 32 rhpfDSchG und § 24 saarlDSchG. Diese Vorkaufsrechte sind im Ergebnis mit Art. 14 GG vereinbar. In bezug auf den veräußernden bisherigen Eigentümer scheidet eine Enteignung aus; ihm werden durch die Einräumung des Vorkaufsrechts keine Eigentumsbefugnisse entzogen. Auch eine bloße Beschränkung des Eigentums kann darin nicht gesehen werden. Unabhängig von den Bestimmungen über das Vorkaufsrecht kann der Eigentümer nach wie vor selbst und frei entscheiden, ob, wann, zu welchem Preis und zu welchen Konditionen er verkauft. Die Öffentliche Hand tritt erst nachträglich in bereits mit Dritten abgeschlossene Verträge ein und zwar zu den zwischen den ursprünglichen Vertragspartnern vereinbarten Bedingungen. Im übrigen ist das Vorkaufsrecht nach allen Bestimmungen ausdrücklich ausgeschlossen, wenn es sich um Verkäufe an Ehegatten oder Verwandte in gerader Linie bzw. in der Seitenlinie bis zum dritten Grad handelt. In bezug auf den potentiellen Erwerber ist, wie auch bei dem oben in I 6 a (S. 275 f.) abgehandelten Schatzregal, bereits der Normanwendungsbereich des Art. 14 GG nicht eröffnet. Auch bei dem denkmalschutzgesetzlichen Vorkaufsrecht geht es nicht um die inhaltliche Ausgestaltung des Eigentums oder gar um einen Entzug einer bereits dem potentiellen Erwerber konkret zugewiesener Eigentums-(erwerbs-)position, sondern lediglich um die Frage, wer das Eigentum an dem zum Verkauf stehenden Gegenstand erwerben kann. Die denkmalschutzgesetzliche Regelung über das Vorkaufsrecht bewirkt, daß der potentielle Erwerber das Recht zum Eigentumserwerb an dem betreffenden Gegenstand nur hat, sofern von dem Vorkaufsrecht des Staates tatsächlich kein Gebrauch gemacht wird. Die zivilrechtlichen Regelungen des BGB haben insofern keine Geltung. Ihre Wirkung steht für den Fall des Verkaufs eines Denkmales in den erfaßten Fällen unter dem Vorbehalt, daß das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt wird. Dieses gesetzliche Vorkaufsrecht besteht bereits eo ipso und kommt sofort zum Tragen, in dem Augenblick, in dem der Veräußerungsvertrag zwischen dem bisherigen Eigentümer und dem potentiellen Erwerber abgeschlossen wird. Der Abschluß des Kaufvertrages über ein Denkmal stellt daher für den potentiellen Käufer lediglich eine noch nicht konkretisierte Chance zum Ei-

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7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

gentumserwerb dar, die vom Schutzgegenstand des Art. 14 GG noch gar nicht erfaßt ist 104 . Wenn daher in solchen Fällen stillschweigend unterstellt wird, Art. 14 GG sei anwendbar, und darüber hinaus sogar noch die Auffassung vertreten wird, es liege ein Eigentumsentzug bzw. eine Enteignung vor 105 , so ist dies nicht zutreffend. d) Duldungspflicht, vorläufige Inbesitznahme, vorübergehende Inanspruchnahme Nach einigen Denkmalschutzgesetzen bestehen in bezug auf Bodendenkmale und/oder bei Denkmalfunden für Grundstücks- und Denkmaleigentümer bestimmte Duldungspflichten. Grundstückseigentümer können teils direkt durch Gesetz verpflichtet sein, Maßnahmen zur sachgemäßen Bergung von (Boden-) Denkmalfunden zu dulden (§ 19 rhpfDSchG, § 18 Abs. 1 saarlDSchG), teils können sie von der Behörde dazu verpflichtet werden (Art. 8 Abs. 4 bayDSchG), oder die Behörden sind sogar berechtigt, solche Maßnahmen selbst durchzuführen (§ 20 Abs. 2 bwDSchG, § 19 Abs. 2 und 3 blnDSchG, § 14 Abs. 3 ndsDSchG, § 16 Abs. 4 nwDSchG, § 17 Abs. 2 saarlDSchG). Auch kann die Denkmalschutzbehörde eingetragene Kulturdenkmale zur Schadensabwendung bis zur Dauer von einem Monat in Besitz nehmen (§ 23 shDSchG) oder es können unbebaute Grundstücke zu Grabungen vorübergehend in Anspruch genommen werden (§ 24 Abs. 2 Satz 3 und 4 shDSchG). Wie bei dem oben abgehandelten Veränderungsverbot können auch diese Duldungspflichten jedenfalls für den Grundstückseigentümer zu großen, insbesondere finanziellen Belastungen führen, wenn er durch die zu duldenden Maßnahmen in seinen eigenen Vorhaben oder in der Grundstücksnutzung sowie in der freien Verfügbarkeit (Veräußerung) des Grundstückes behindert wird. Anders als die Veränderungsverbote stehen die Duldungspflichten allerdings nicht, zumindest nicht ausdrücklich, unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit oder der Verhältnismäßigkeit in bezug auf die damit für den Eigentümer verbundenen Kosten und Nachteile. Jedoch steht die jeweilige Anordnung teilweise ausdrücklich, teilweise aufgrund entsprechender (erforderlichenfalls verfassungskonformer) Auslegung im Ermessen der Behörde. Auf der gesetzlichen Ebene und damit abstrakt-generell liegt daher kein Verstoß gegen die Verhältnismäßigkeit nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG vor; es handelt sich um verfassungsrechtlich zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmungen. Bei der Konkretisierungsentscheidung durch die Behörden haben diese im Rahmen 104

So wohl auch Engelhardt, Urteilsanmerkung, BayVBl. 1991, S. 279 f. Bayer. DSchG, 4. Aufl. 1991, Teil C, Art. 20 Rdnr. Wie etwa durch Eberl/Martin/Petzet, 20 Buchst, m; Nürnberger, Urteilsanmerkung, BayVBl. 1991, S. 278 f. 105

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ihrer Ermessensentscheidung jedoch darauf zu achten, daß die jeweiligen Einzelanordnungen verhältnismäßig i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sind. e) Verordnungsermächtigung zum Katastrophenschutz Einige Gesetze enthalten ferner Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen fur den Katastrophenfall, die etwa eine Meldung des Aufbewahrungsortes, eine Kennzeichnungspflicht, eine Bergung und besondere Sicherung von Denkmalen, Ablieferungspflichten und Duldungspflichten hinsichtlich der wissenschaftlichen Erfassung und Dokumentierung etc. betreffen (§ 18 bwDSchG, § 39 nwDSchG, § 37 rhpfDSchG, § 15 saarlDSchG). Gegen diese gesetzlichen Verordnungsermächtigungen in ihrer abstrakt-generellen Form bestehen im Grundsatz keine Bedenken im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 14 GG. Sie lassen nur Rechtsverordnungen für den Fall außergewöhnlicher Situationen (Katastrophen und z.T. auch bewaffnete Konflikte) zu, bezeichnen lediglich die potentiell regelbaren Sachgebiete und schreiben den Erlaß der Rechtsverordnung nicht zwingend vor, sondern stellen ihn in das Ermessen des Verordnunggebers. Die vorgesehenen Meldungs-, Kennzeichnungs- und Duldungspflichten sind für sich betrachtet mit Art. 14 GG vereinbar. Sie sind im Wesentlichen ebenso zu beurteilen, wie die entsprechenden, sich bereits direkt aus dem Gesetz ergebenden, allgemein bestehenden Verpflichtungen, die unter Ziff. 7 lit. b und in Ziff. 8 erläutert sind. Für die schwerwiegendste der zugelassenen Beschränkungen, die Ablieferungspflicht, enthalten außer der rheinland-pfälzischen Regelung alle genannten Gesetze genaue Vorgaben: Entweder ist in der Rechtsverordnung anzuordnen, daß die abgelieferten Sachen unverzüglich zurückzugeben sind, sobald die besondere Verwahrung nicht mehr erforderlich ist (§ 18 Abs. 1 Satz 3 bwDSchG, § 39 Abs. 2 nwDSchG), oder dies ergibt sich bereits direkt aus dem Gesetz selbst (§ 15 Abs. 2 saarlDSchG). Im Rahmen einer abstrakten Beurteilung ist daher aufgrund dieser Regelung auch die Ablieferungspflicht verhältnismäßig i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG 106 . Dabei gilt es bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu beachten, daß die üblichen Denkmalschutzgründe hier angesichts der außergewöhnlichen (Katastrophen-) Situationen in gesteigertem Maße vorliegen und daher eine erhöhte Schutzbedürftigkeit gegeben ist. In Rheinland-Pfalz fehlt die Verpflichtung zur unverzüglichen Rückgabe im Gesetz; da es sich jedoch lediglich um eine Verordnungsermächtigung handelt, kann die gesetzliche Regelung, die immerhin auch bloß eine "vorübergehende" Ablieferung vorsieht, im Hinblick auf Art. 14 GG nicht beanstandet werden. Art. 14 GG gebietet es dann allerdings, dort eine entsprechende Rückgabeverpflichtung in die Rechtsver106

So auch Memmesheimer/Upmeier/Schönstein,

DenkmalR NW, 2. Aufl., Β § 24 Rdnr. 7.

284

7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

Ordnung hineinzuschreiben, damit eine Ablieferungsverpflichtung verfassungsgemäß ist. & Nebenpflichten a) Auskunftspflicht Nach sämtlichen Denkmalschutzgesetzen sind die Eigentümer verpflichtet, die für den Denkmalschutz erforderlichen Auskünfte zu erteilen (§ 10 Abs. 1 bwDSchG, Art. 16 Abs. 2 bayDSchG, § 19 Abs. 1 blnDSchG, § 13 Abs. 1 bremDSchG, § 25 Satz 2 hambDSchG, § 14 Abs. 1 hessDSchG, § 27 Abs. 2 ndsDSchG, § 28 Abs. 1 nwDSchG, § 6 rhpfDSchG, § 13 Abs. 1 saarlDSchG, § 13 shDSchG). Gelegentlich ist ergänzend noch ausdrücklich normiert, daß bei solchen Maßnahmen Rücksicht auf die Betroffenen zu nehmen ist (§ 28 Abs. 3 nwDSchG). Im Unterschied zu den bereits oben abgehandelten Anzeige- und Mitteilungspflichten (oben Ziff. 7 lit. a, S. 278 f.), die ohne weiteres bestehen, wird die Auskunftspflicht erst im Einzelfall aufgrund eines konkreten Auskunftsverlangens der Behörde relevant. Diese Auskunftsverpflichtung ist verfassungsrechtlich zulässig. Auch hier handelt es sich wiederum, wie bei den erwähnten Anzeige- und Mitteilungspflichten, lediglich um die Verpflichtung, die Behörde über die jeweiligen Sachverhalte zu informieren. Obwohl die Auskunftspflicht an seine Eigentümerstellung angeknüpft, belastet sie den Eigentümer in seiner Eigentumsstellung nicht, denn sie hat keine Auswirkungen auf seine Eigentumsbefugnisse107. Art. 14 GG ist somit überhaupt nicht betroffen. Die sich durch die Auskunftspflicht ergebende, geringfügige Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit ist durch den Schrankenvorbehalt des Art. 2 Abs. 1 GG legitimiert. b) Kennzeichnungspflicht Nach dem niedersächsischen Denkmalschutzgesetz können Eigentümer von Bodendenkmalen und nicht genutzten Baudenkmalen von der Denkmalschutzbehörde verpflichtet werden, die Anbringung von Schildern mit Hinweisen auf die Bedeutung und den gesetzlichen Schutz des Denkmals zu dulden, § 28 ndsDSchG (Kennzeichnungspflicht). Auch diese Ermächtigung zu einer Einzelanordnung räumt der Behörde Ermessen ein. In Anbetracht der gewichtigen Gemeinwohlbelange des Schutzes und der Erhaltung von 107

So auch Eberl/Martin/Petzet, Buchst, g.

Bayer. DSchG, 4. Aufl. 1991, Teil C, Art. 20 Rdnr. 20

I. Inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen

285

Denkmalen stellt die lediglich auf bestimmte Fallgestaltungen (Bodendenkmale und nicht genutzte Baudenkmale) begrenzte, geringe Belastung durch die Duldung eines Hinweisschildes eine verhältnismäßige Eigentumsbeschränkung dar, da dies bereits als gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung gegenüber den Eigentümerbelangen angemessen und zumutbar sowie die grundsätzliche Verfügungsbefugnis und die Privatnützigkeit des Eigentums nicht ausgeschlossen ist. c) Betretungsrecht der Behörde Daneben sind die Denkmalschutzbehörden nach den meisten Gesetzen berechtigt, Grundstücke und zum Teil - zur Verhütung von dringenden Gefahren - auch Wohnungen zu betreten und Kulturdenkmale zu besichtigen (§ 10 Abs. 2 bwDSchG, Art. 16 Abs. 1 bayDSchG, § 19 Abs. 3 blnDSchG, § 13 Abs. 2 bremDSchG, § 25 Satz 1 hambDSchG, § 14 Abs. 2 hessDSchG, § 27 Abs. 1 ndsDSchG, § 28 Abs. 2 nwDSchG, § 7 Abs. 1 rhpfDSchG, § 13 Abs. 2 saarlDSchG, § 13 shDSchG). Sie dürfen darüber hinaus manchmal auch die erforderlichen wissenschaftlichen Erhaltungsmaßnahmen, insbesondere durch Inventarisierung, Vermessung und/oder Bergung sowie Fotografieren vornehmen (§ 10 Abs. 2 bwDSchG, § 19 Abs. 2 blnDSchG, § 27 Abs. 1 ndsDSchG, § 7 Abs. 1 rhpfDSchG), wobei gelegentlich noch ausdrücklich normiert ist, daß bei solchen Maßnahmen Rücksicht auf die Betroffenen genommen werden muß (§ 28 Abs. 3 nwDSchG). Hinsichtlich des Betretungsrechts von Wohnungen ist primär Art. 13 GG, die Unverletzlichkeit der Wohnung, betroffen. Für eine Beeinträchtigung von Art. 14 GG sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Zwar umfaßt die Eigentumsfreiheit auch den Ausschluß Dritter von der Eigentumsnutzung, doch geht es hier um ein auf eine bestimmte Aufgabe bezogenes Betretungs- und Besichtigungsrecht. Darin liegt zwar eine Beschränkung des Eigentumsrechtes als Ausschlußrecht, doch ist diese Beschränkung gerechtfertigt durch die zugrundeliegenden Schutzzwecke Denkmalschutz und Denkmalpflege. Überdies ist das Betretungs- und Besichtigungsrecht lediglich eine geringfügige, wirtschaftlich kaum ins Gewicht fallende und daher zumutbare Belastung, die die Verfügungsbefugnis und die Privatnützigkeit des Eigentums nicht oder kaum beeinträchtigt und somit verhältnismäßig i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist. d) Zugangsrecht der Öffentlichkeit Nach den Bestimmungen in einigen Denkmalschutzgesetzen sollen geschützte Kulturdenkmäler der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden,

286

§ 7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

sofern und soweit dies u.a. unter Wahrung der schutzwürdigen Belange der Eigentümer möglich bzw. zuzumuten ist (§ 14 bremDSchG, § 15 hess DSchG), oder es sollen mit den Eigentümern entsprechende Vereinbarungen getroffen werden (§ 15 hessDSchG, § 15 rhpfDSchG, § 20a Abs. 1 Satz 2 shDSchG). Werden nach diesen Regelungen die Behörden dazu aufgefordert, solche Vereinbarungen zu treffen, handelt es sich lediglich um eine Aufgabenzuweisung, nicht aber um eine Eingriffsermächtigung. Diese Unterscheidung spielt zwar für die Inhalts- und Schrankenbestimmung des Gesetzgebers nach Art. 14 Abs. 1 GG keine Rolle, doch ist ist die Unterscheidung hier insofern relevant, als der Gesetzgeber das Zugangsrecht nicht zwingend und direkt durch Gesetz angeordnet hat und der Verwaltung auch nicht, wie in vielen anderen, oben erörterten Regelungen der Denkmalschutzgesetze, direkt eine Ermächtigung zum Erlaß von Einzelanordnungen gegeben hat. Behördliche Eingriffe hoheitlicher Art in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum sind nach den hier zu überprüfenden Bestimmungen nicht zulässig. Soweit nach anderen Bestimmungen zwar der Verwaltung Eingriffsbefugnisse eingeräumt worden sind, sprechen die Gesetze jedoch gleichzeitig die Verpflichtung aus, die schutzwürdigen Belange der Eigentümer zu berücksichtigen. Damit hat der Gesetzgeber bereits selbst die Pflicht zur Verhältnismäßigkeitsprüfung i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG festgelegt. Da es sich außerdem um Soll-Vorschriften handelt, die zwar nach gängiger Interpretation als Muß-Vorschrift anzusehen sind, die aber andererseits ausdrücklich eine Abweichung wenigstens in atypischen Ausnahmefällen zulassen108 und insoweit Ermessen einräumen, ergibt sich auch daraus die Verhältnismäßigkeit der abstrakt-generellen Zugangsregelungen, die daher in der beschriebenen Ausgestaltung verfassungsgemäß sind.

II. Ausgleichsentschädigungsregelungen Inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen des Gesetzgebers müssen immer verhältnismäßig i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sein (vgl. oben § 4 III 4, S. 132 ff.). Dabei sind sowohl die Institutsgarantie des Eigentums als auch der Sozialbezug nach Art. 14 Abs. 2 GG zu beachten. Beiden Elementen, dem durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG garantierten Freiheitsbereich und dem Gebot der sozialorientierten Eigentumsordnung, muß in gleicher Weise Rechnung getragen werden. Dabei sind die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Sofern danach inhaltsbestimmende Regelungen des Eigentums wegen übermäßiger Belastungen durch die Sozialpflich108

Siehe oben FN 72.

II. Ausgleichsentschädigungsregelungen

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tigkeit eigentlich nicht mehr hinzunehmen sind, kann die Verhältnismäßigkeit doch noch hergestellt werden und die Regelung damit verfassungsgemäß sein, wenn die Belastungen des Eigentümers durch die Gewährung von sog. Ausgleichsansprüchen (dazu ausführlich in § 4 I I I S, S. 138 ff.) kompensiert werden. Solche Ausgleichsentschädigungen müssen auf jeden Fall gewissen Anforderungen genügen, indem sie erstens in einem Gesetz festgelegt sind, das heißt sie können von der Verwaltung ohne entsprechende gesetzliche Grundlage nicht gewährt werden, und indem sie zweitens tatbestandlich bestimmt sind. Danach stehen dem Gesetzgeber zwei Möglichkeiten offen, inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen mit Ausgleichsentschädigungsregelungen zu verknüpfen: Er kann zum einen für bestimmte Fallgestaltungen die Verwaltung gesetzlich verpflichten, Ausgleichsentschädigungsleistungen zu gewähren (gebundene Entscheidung). Dann hat die Verwaltung keinen eigenständigen Entscheidungsspielraum mehr und muß, sofern die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, die Ausgleichsentschädigung anordnen. Zum anderen kann der Gesetzgeber jedoch - und auch hier gilt zugleich das Erfordernis der Tatbestandsbestimmtheit - der Verwaltung einen eigenständigen Entscheidungsspielraum einräumen, im Rahmen dessen sie selbst entscheiden kann und darf, ob sie eine solche ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung vornehmen will oder ob sie auf eine entsprechende Verfügung und Belastung des Eigentumsobjekts überhaupt verzichten möchte (Ermessensentscheidung). Erläßt die Behörde eine das Eigentum belastende Anordnung, die ausgleichsentschädigungsbedürftig ist, dann muß bereits die belastende Anordnung selbst zugleich auch eine positive Aussage über die Ausgleichsentschädigung enthalten. Fehlt dabei die Anordnung der Ausgleichsentschädigung durch die Verwaltung oder gibt es keine gesetzliche Ausgleichsentschädigungsregelung bzw. entspricht die behördliche Anordnung nicht deren Vorgaben, so ist und bleibt die inhalts- und schrankenbestimmende Regelung bzw. die darauf beruhende eigentumsbelastende Einzelanordnung unverhältnismäßig und damit rechtswidrig. Deshalb kann in einem solchen Fall nur die Rechts- bzw. Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Inhalts- und Schrankenbestimmung bzw. des darauf beruhenden, konkretisierenden Verwaltungsaktes geltend gemacht werden. Die rechtswidrige Anordnung kann nicht fortbestehen, während stattdessen nur eine Entschädigung eingeklagt wird. Allenfalls dann, wenn die Ausgleichsentschädigung bereits im Gesetz zwingend vorgesehen ist (also nicht bei Ermessensvorschriften), kann die "Nachbesserung" des urspünglichen Verwaltungsaktes durch Anordnung einer Ausgleichsentschädigung erstrebt werden. Im folgenden wird daher erörtert, ob es in den Denkmalschutzgesetzen solche gesetzliche Ausgleichsentschädigungsregelungen und entsprechende Ermächtigungen, die die genannten Voraussetzungen erfüllen, bereits gibt.

288

7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

In Frage kommen Bestimmungen über staatliche Förderung und Zuschüsse zu denkmalschützerischen Maßnahmen Privater, die in manchen Denkmalschutzgesetzen enthaltenen konkreten Entschädigungsregelungen und die sog. salvatorischen Entschädigungsklauseln109. 1. Zuschuß- und Fördemngsbestimmungen Bestimmungen über staatliche Förderung und Zuschüsse der öffentlichen Hand zu denkmalschützerischen Maßnahmen Privater gibt es in mehreren Denkmalschutzgesetzen. Detaillierte Regelungen enthält Art. 22 bayDSchG: Danach beteiligt sich der Freistaat "unbeschadet bestehender Verpflichtungen in Höhe der jeweils im Staatshaushalt ausgewiesenen Mittel an den Kosten des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, insbesondere an den Kosten der Instandsetzung, Erhaltung, Sicherung und Freilegung von Denkmälern. Die Höhe der Beteiligung richtet sich nach der Bedeutung und der Dringlichkeit des Falles und nach der Leistungsfähigkeit des Eigentümers."

Diese Vorschrift stellt eine ausreichende gesetzliche Grundlage für Ausgleichsentschädigungsanordnungen dar. In ihr sind zum einen die Maßnahmen, für die finanzielle Zuschüsse erbracht werden können, beispielhaft und damit hinreichend konkret benannt. Und zum anderen sind durch den Verweis auf die Bedeutung und die Dringlichkeit des Falles auch brauchbare Kriterien für die Ermittlung der Fälle, in denen ein Zuschuß geleistet werden kann, sowie zugleich auch für die Höhe des finanziellen Aufwandes genannt. Da nach Art. 22 bayDSchG auch Zuschüsse in Fällen gewährt werden können, die noch (erheblich) unterhalb der Schwelle zur Ausgleichsentschädigungspflichtigkeit nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG liegen, fehlt zwar eine konkrete Anknüpfung an die Verhältnismäßigkeit nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Eine Norm kann jedoch sowohl, soweit die Belastung für sich genommen ansonsten unverhältnismäßig wäre, eine Ausgleichsentschädigungsregelung enthalten als auch, soweit die Belastung eigentlich nach Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 GG entschädigungslos hinzunehmen wäre, eine sog. Billigkeitsentschädigung110 vorsehen, so daß Art. 22 bayDSchG durchaus als gesetzliche Grundlage für eine Ausgleichsentschädigung in Betracht kommt. Diese Bestimmung gibt der entscheidenden Behörde allerdings einen weiten Entscheidungsspielraum. Das hat zur Folge, daß eine an sich 109

S. hierzu gleichfalls Körner, Denkmalschutz und Eigentumsschutz, 1992, S. 167 ff., der jedoch 'Ausgleichsansprüchen' insbesondere mit dem Hinweis auf Probleme beim Rechtsschutz recht kritisch gegenübersteht (169 f.). 110 Vgl. oben § 4 III 5 b, S. 144; siehe auch unten III.

. Ausgleichsentschädigungsregelungen

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nicht verhältnismäßige, eigentumsbelastende Anordnung, die ohne gleichzeitige Anordnung einer Ausgleichsentschädigung ergeht, rechtswidrig und mithin abzuwehren ist; die Ausgleichsentschädigung kann dann nicht unter gleichzeitiger Hinnahme der belastenden Anordnung eingeklagt werden. Diese bayerische Norm ist allerdings in den Denkmalschutzgesetzen die einzige, die derart konkrete Regelungen enthält. Andere Gesetze enthalten Bestimmungen mit weniger detaillierten Vorgaben. Nach § 18 Abs. 1 blnDSchG können "für Maßnahmen zur Erhaltung, Unterhaltung und Wiederherstellung von Baudenkmalen ... im Rahmen der im Haushaltsplan von Berlin bereitgestellten Mittel Darlehen oder Zuschüsse gewährt werden."

Nach § 35 nwDSchG ist die staatliche Förderung denkmalschützerischer Maßnahmen in Form von Zuschüssen, Darlehen und Zinszuschüssen vorgesehen. Dabei werden Landesmittel nach § 35 Abs. 3 nwDSchG gewährt als "1. Pauschalzuweisungen an die Gemeinden und Gemeindeverbände zur Förderung privater Denkmalpflegemaßnahmen, ... 4. Einzelzuschüsse für größere private Denkmalpflegemaßnahmen."

Zudem gibt es schließlich noch sehr allgemein gehaltene Regelungen, wie etwa § 6 Satz 2 bwDSchG, der folgenden Wortlaut hat: "Das Land trägt hierzu [seil, zur Erhaltung und Pflege der Kulturdenkmale] durch Zuschüsse nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel bei";

vergleichbare und ebenfalls knappe Formulierungen enthalten § 9 Abs. 1 Satz 2 bremDSchG, § 11 Abs. 2 hessDSchG, § 32 ndsDSchG, § 29 Abs. 1 rhpfDSchG, § 9 Abs. 3 saarlDSchG. Bei diesen allgemein gehaltenen Regelungen ist zunächst klärungsbedürftig, ob sie eine ausreichende gesetzliche Grundlage für eine Ausgleichsentschädigung i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellen könnten. Durch die gesetzliche Formulierung ist zwar der Haushaltshoheit des Parlaments Rechnung getragen. Im übrigen sind diese Regelungen allerdings inhaltlich insoweit wenig bestimmt, als den Behörden ein weiter Entscheidungsspielraum eröffnet ist und nicht ersichtlich ist, in welchen Fällen eine finanzielle Förderungen erfolgen soll und in welchen nicht. Zwar könnten bei entsprechend genauen und eindeutigen Formulierungen im Haushaltsgesetz beide Regelungen zusammen die genannten Anforderungen für eine ausreichende gesetzliche Ermächtigung erfüllen, die übliche Bereitstellung der Mittel lediglich durch einen pauschalen Haushaltstitel "Denkmalschutz" reicht jedoch nicht aus. Allerdings ist der Kontext zu berücksichtigen, wonach in allen genannten Gesetzen außer im Saarland die Erhaltungspflicht an die Zumutbarkeit geknüpft ist (vgl. oben Übersicht 2, S. 247 f.). Da ferner beide Rege19 Melchìnger

290

S 7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

hingen meist in derselben Vorschrift enthalten sind oder die Zuschuß-/ Förderungsmöglichkeit tatbestandlich an die Erhaltung von Denkmalen anknüpft, besteht in diesen Fällen ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Zumutbarkeit der Erhaltungsmaßnahmen und der Bezuschussung durch das Land 111 . Aufgrund dieser Verknüpfung sind sind auch jene Regelungen als gesetzliche Grundlage für durch die Verwaltung anzuordnende Ausgleichsentschädigungen ausreichend. Nur im Saarland, wo es keine Anknüpfung an die Zumutbarkeit gibt, und, wie bereits oben in I 2, S. 247 ff., dargelegt, eine absolute Erhaltungspflicht besteht, so daß die Verhältnismäßigkeit i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG auf gesetzlicher Ebene überhaupt fehlt, kann lediglich die allgemein gehaltene Regelung der staatlichen Zuschüsse in § 9 Abs. 3 saarlDSchG keine Ausgleichsentschädigungsregelung i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sein. Zu beachten ist, daß aus verfassungsrechtlicher Sicht die jeweils anzuordnende Ausgleichsleistung nur so hoch sein muß, daß die Schwelle zur Verhältnis· und Verfassungsmäßigkeit überwunden wird. Unterhalb dieser Schwelle hat jeder Eigentümer das der jeweiligen Eigentumsart entsprechende verhältnismäßige Maß an Sozialbindung im Rahmen der Inhaltsbestimmung des Eigentums hinzunehmen. Eine den danach notwendigen Betrag übersteigende Kompensation ist jedoch rechtlich nicht ausgeschlossen und kann vom Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit durchaus auch gewährt werden. Es handelt sich dann um einen sog. Billigkeitsausgleich (vgl. unten III, S. 298). Auf der Grundlage dieser Einordnung ist die in der Literatur zu der soeben abgehandelten Vorschrift des § 6 bwDSchG vertretene Auffassung112, diese Regelung beziehe sich nur auf den innerhalb der Zumutbarkeitsgrenze liegenden Bereich der Sozialpflichtigkeit und oberhalb der Zumutbarkeitsgrenze könne nur der Entschädigungsanspruch aus § 24 Abs. 1 bwDSchG einschlägig sein, nicht haltbar. Diese Sicht beruht auf anderen Prämissen und entspricht nicht der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik. Denn, wie gezeigt, können diese Zuschüsse als Ausgleichsentschädigungen gerade dazu führen, daß eine an sich unverhältnismäßige (= unzumutbare) Belastung doch noch verhältnismäßig (= zumutbar) werden kann. Belastungen oberhalb der so verstandenen Zumutbarkeitsgrenze sind rechts- bzw. verfassungswidrig und daher abzuwehren, sie stellen weder eine Enteignung dar noch können sie eine Entschädigungspflicht aus enteignender Wirkung nach sich ziehen. 111 So auch die amtliche Begründung zum Entwurf des baden-württembergischen Denkmalschutzgesetzes, LT-DrS V-2808, S. 23, zu § 6. 112

Strobl/Majocco/Birn,

DSchG Bad.-Württ., 1989, § 6 Rdnr. 15 u. 17.

. Ausgleichsentschädigungsregelungen

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2. Konkrete Entschädigung*- undAuJwendungsersatzanspriiche Auch die in manchen Denkmalschutzgesetzen für bestimmte, meist genau aufgeführte Fälle, die nicht Enteignungen i.S.v. Art. 14 Abs. 3 GG sind, enthaltenen Ansprüche auf Entschädigung und Aufwendungsersatz könnten als gesetzliche Ausgleichsentschädigungsregelungen anzusehen sein. Bei den Entschädigungsregelungen gibt es Normen mit unterschiedlich genauen Vorgaben. Recht ausführlich sind die §§ 25 f. shDSchG: § 25 Abs. 1 "Für die Enteignung (§ ... [Ablieferung, förmliche Enteignung]), die Beschränkung des Eigentums (§ ... [Genehmigungspflicht in Grabungsschutzgebieten, Nutzungsbeschränkungen]), die vorübergehende Inanspruchnahme [zur Vornahme wissenschaftlicher Grabungen] (§ ...) und die vorläufige Besitznahme [zur Abwehr einer Schädigung] (§ ...) hat der Begünstigte dem Eigentümer oder einem anderen Berechtigten eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Dabei ist die Entziehung der Nutzung, die Beschädigung oder Zerstörung der Sache unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu berücksichtigen. Für entgangenen Gewinn und für sonstige Vermögensnachteile, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Entzug der Nutzung stehen, ist... eine Entschädigung zu zahlen, wenn und soweit dies zur Abwehr oder zum Ausgleich unbilliger Härten geboten erscheint." § 26 Abs. 1 "Ein Anspruch auf Entschädigung entsteht nicht, a) soweit die Beschränkung der wirtschaftlichen Nutzung nicht über deren bisher übliches Maß hinausgeht, b) soweit einem Entschädigungsberechtigten infolge der Einwirkungen Vermögensvorteile erwachsen oder er diese bei gehöriger Sorgfalt in zumutbarer Weise hätte ziehen können." Abs. 2 "Hat bei der Entstehung des Vermögensnachteils eine Verschulden des Entschädigungsberechtigten mitgewirkt, so gilt § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuches sinngemäß."

Soweit diese Regelungen nicht den vollständigen oder teilweisen Entzug von Eigentumspositionen (Enteignung i.S.d. Art. 14 Abs. 3 GG) erfassen, sondern eine Entschädigung auch für die Eingriffe vorsehen, die lediglich belastenden Charakter haben (Genehmigungspflicht in Grabungsschutzgebieten, Nutzungsbeschränkungen sowie je nach Einzelfall auch vorübergehende Inanspruchnahme und vorläufige Besitznahme), betreffen sie Fallgestaltungen, die im Grundsatz als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmungen anzusehen sind, wie bereits oben in I 3 d, 15 und 17 d, S. 271 f. und 274 f., 282 f., ausgeführt wurde. Da die Entschädigungsregelungen dabei ausdrücklich auf die gerechte Abwägung zwischen den Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten sowie weitere Aspekte der entstehenden Vermögensvor- und -nachteile abstellen, erfaßt diese Entschädigungsmöglichkeit daher auch genau den Fall, in dem der Privateigentümer in einem Maß belastet wird, das er im Rahmen der Verhältnismäßigkeit nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht mehr hinnehmen muß (Ausgleichsentschädigungs-

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7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

pflicht). Daher liegt hier eine mustergültige Ausgleichsentschädigungsregelung i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG vor, die, da sie dem Betroffenen einen Anspruch gibt und der Behörde kein Ermessen einräumt, im Unterschied zu den unter Ziff. 1 genannten Bestimmungen sogar eine direkte gesetzliche Anspruchsgrundlage für Ausgleichsentschädigungen ist. Die Behörden haben danach lediglich das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen zu prüfen. Die Anordnung der Ausgleichsentschädigung kann deshalb sogar noch nach dem Erlaß der jeweiligen, belastenden Verfügung ergehen, denn eine solche Verfügung ist auch bei ggf. übermäßiger Belastung nicht unverhältnismäßig, weil der gesetzliche Anspruch auf Entschädigung bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung mitzuberücksichtigen ist. Ahnlich präzise Vorgaben enthält § 13 Abs. 1 blnDSchG: "Soweit durch Maßnahmen zur Erhaltung, Unterhaltung und Wiederherstellung eines Denkmales besondere Aufwendungen erforderlich werden, die in der Eigenschaft als Denkmal begründet sind und über das auch bei einem Denkmal wirtschaftlich zumutbare Maß hinausgehen, kann der Verfügungsberechtigte für die dadurch entstehenden Vermögensnachteile eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Ein Anspruch auf Entschädigung besteht nicht, soweit die Vermögensnachteile durch öffentliche Förderungsmaßnahmen ausgeglichen werden. Entstehen durch die nach § 19 Abs. 3 erforderlichen Maßnahmen [Betretungsrecht der Behörde] Vermögensnachteile, so kann der Betroffene eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen."

Diese Bestimmung erfaßt, indem sie unter bestimmten Voraussetzungen eine Entschädigungspflicht für Erhaltungs-, Unterhaltungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen vorsieht, solche Beschränkungen, die lediglich belastenden Charakter haben und daher, wie oben in 12 und I 7 b, S. 247 ff. und 279, erläutert wurde, im Grundsatz zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmungen sind. Die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch stellen ausdrücklich auf die wirtschaftliche Zumutbarkeit und eventuelle Kompensationen durch öffentliche Förderungsmittel ab. Auch hier ist daher genau der Fall einer Ausgleichsentschädigungspflicht, also eines finanziellen Ausgleiches von nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG eigentlich nicht mehr verhältnismäßigen Belastungen, erfaßt. Damit liegt hier eine gesetzliche Ausgleichsentschädigungsregelung i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG vor, die dem Betroffenen einen direkten Anspruch gibt, so daß in bezug auf die nachträgliche Anordnung der Ausgleichsentschädigung auf die Ausführungen zu §§ 25 f. shDSchG verwiesen werden kann. Eine vergleichbare Regelung findet sich in § 22 hambDSchG, wonach für bestimmte Fälle (Veränderungsverbot, Umgebungsschutz, Schutz beweglicher Denkmäler, Maßnahmen in Grabungsschutzgebieten), in denen eine "beantragte Genehmigung abgelehnt oder unter Bedingungen oder Auflagen erteilt und ... dadurch eine wirtschaftlich zumutbare Nutzung eines Denkmals oder seiner

II. Ausgleichsentschädigungsregelungen

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Umgebung oder eines Grabungsschutzgebietes unmöglich oder wesentlich erschwert [wird],... der Betroffene Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld [hat]."

Das kann nur in den Fällen eine Ausgleichsentschädigungsregelung darstellen, in denen eine Genehmigung versagt oder nur unter einer Bedingung oder Auflage erteilt wurde, und dies inhalts- und schrankenbestimmenden Charakter hat. Das betrifft nur die Fallgestaltungen, in denen eine wirtschaftlich zumutbare Nutzung des Eigentums lediglich 'wesentlich erschwert' ist. Soweit die wirtschaftlich zumutbare Nutzung dagegen 'unmöglich' ist, liegt zumindest ein teilweiser Entzug des Eigentums und daher eine Enteignung i.S.d. Art. 14 Abs. 3 GG vor (dazu näher unten in IV 2, S. 305). Sind von der Entschädigungsregelung mithin Inhalts- und Schrankenbestimmungen erfaßt, so ist § 22 hambDSchG, obwohl er nicht so detaillierte Vorgaben enthält, ebenso wie die vorgenannten Vorschriften eine gesetzliche Ausgleichsentschädigungsregelung, die ebenfalls eine direkte gesetzliche Anspruchsgrundlage für Ausgleichsentschädigungen gewährt. In bezug auf die nachträgliche Anordnung der Ausgleichsentschädigung gelten daher gleichfalls die Ausführungen oben zu §§ 25 f. shDSchG. Ziemlich allgemein gehalten ist dagegen § 31 Abs. 1 Satz 1 rhpfDSchG: "Kann aufgrund einer auf diesem Gesetz beruhenden Maßnahme die bisher rechtmäßig ausgeübte Nutzung eines Gegenstandes nicht mehr fortgesetzt werden und wird hierdurch die wirtschaftliche Nutzbarkeit insgesamt erheblich beschränkt, so hat das Land eine angemessene Entschädigung zu leisten."

Soweit diese Regelung auch Maßnahmen erfaßt, die nicht wenigstens den teilweisen Entzug von Eigentumspositionen bewirken, sondern lediglich belastenden Charakter haben und daher Inhalts- und Schrankenbestimmungen sind, kann auch diese Regelung als ausreichende gesetzliche Grundlage für Ausgleichsentschädigungen angesehen werden, die gleichfalls direkt einen gesetzlichen Anspruch einräumt (vgl. oben). Zwar impliziert Satz 2 dieser Vorschrift, nach dem das gleiche gilt, wenn die Maßnahme "in sonstiger Weise" enteignend wirkt, eine gewisse Nähe dieser Regelung zu den im folgenden Abschnitt abgehandelten sog. salvatorischen Entschädigungsklauseln, doch im Unterschied zu diesen stellt § 31 Abs. 1 Satz 1 rhpfDSchG gerade nicht lediglich auf den "enteignenden" Charakter der Maßnahme ab, sondern enthält genau umschriebene Tatbestandsvoraussetzungen. Neben diesen Entschädigungsansprüchen gibt es nach § 15 Abs. 4 Satz 1 hambDSchG auch einen Aufwendungsersatzanspruch, der bestimmt, daß bei Erhaltungs-, Erneuerungs- und ähnlichen Maßnahmen "dem Verfügungsberechtigten seine Aufwendungen insoweit zu ersetzen [sind], als sie allein oder überwiegend aus Gründen des Denkmalschutzes erwachsen und wirtschaftlich nicht zumutbar sind."

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7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

Hier könnte auf den ersten Blick ebenfalls eine direkte gesetzliche Anspruchsgrundlage für Ausgleichsentschädigungen zu vermuten sein. Zu berücksichtigen ist allerdings, daß das Denkmalschutzgesetz in Hamburg eine absolute, nicht unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit stehende Erhaltungspflicht auferlegt, deren Konkretisierung jedenfalls für Teilbereiche auch nicht in das Ermessen der Behörde gestellt ist. Deshalb ist dort, wie oben in I 2, S. 250 ff., ausführlich dargelegt, schon die gesetzliche Regelung nicht in vollem Umfang verhältnismäßig i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und auch eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durch die Behörde nicht möglich. Allenfalls auf der Grundlage der oben befürworteten geltungserhaltenden Reduktion könnte daher der Aufwendungsersatzanspruch nach § 15 Abs. 4 Satz 1 hambDSchG Ausgleichsentschädigungsregelung i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG anzusehen sein. 3. Salvatorische Entschädigungsklauseln In Rechtsprechung und Literatur wird teilweise vertreten, die sog. salvatorischen Entschädigungsklauseln könnten als Ausgleichsentschädigungsregelungen anzusehen sein113. Als salvatorische Entschädigungsklauseln werden üblicherweise Vorschriften bezeichnet, die lediglich pauschal und ohne nähere Bestimmung für Maßnahmen mit 'enteignender Wirkung9 eine angemessene Entschädigung anordnen, wie etwa § 24 Abs. 1 bw DSchG: "Soweit Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes enteignende Wirkung haben, ist eine angemessene Entschädigung zu leisten. ... [Vorschriften] des Landesenteignungsgesetzes gelten entsprechend."

Ebenso knappe salvatorische Formulierungen enthalten § 21 bremDSchG, § 26 Abs. 1 Satz 1 hessDSchG, § 33 Satz 1 nwDSchG, § 27 Abs. 2 saarlDSchG. Vergleichbar ist auch § 31 Abs. 1 Satz 2 rhpfDSchG, der nur zusammen mit dem bereits oben unter Ziff. 2 als Ausgleichsentschädigungsregelung abgehandelten Satz 1 verständlich ist: "Kann aufgrund einer auf diesem Gesetz beruhenden Maßnahme die bisher rechtmäßig ausgeübte Nutzung eines Gegenstandes nicht mehr fortgesetzt werden und wird hierdurch die wirtschaftliche Nutzbarkeit insgesamt erheblich beschränkt, so hat das Land eine angemessene Entschädigung zu leisten. Das gleiche gilt, wenn die Maßnahme in sonstiger Weise enteignend wirkt."

113

BVerwGE 84, 361 (367 ff.); angesprochen aber offengelassen auch in BayVGH, U.v. 8.5.1989 - 14 Β 88.02426, BayVBl. 1990, S. 208 (211). So auch für das Denkmalschutzrecht schon Battis/Schmittat, Rechtsfragen des Denkmalschutzes, NuR 1983, S. 102 (107); vgl. auch Schmaltz , Urteilsanmerkung, DVB1.1987, S. 571 (572).

II. Ausgleichsentschädigungsregelungen

295

Etwas genauer aber letztlich immer noch salvatorisch ist auch Art. 20 Abs. 1 Satz 1 bayDSchG formuliert: "Soweit der Vollzug dieses Gesetzes eine über den Rahmen der Sozialgebundenheit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG ...) hinausgehende Wirkung hat, ist dem Betroffenen nach den Vorschriften des Bayerischen Gesetzes über die entschädigungspflichtige Enteignung Entschädigung in Geld zu gewähren."

Eine ähnliche Formulierung findet sich in § 29 Abs. 1 Satz 1 ndsDSchG. a) Die Auffassung des ΒVerwG Das BVerwG hat in der sog. Fischteichentscheidung114 eine salvatorische Entschädigungsklausel aus dem Landschafts- und Naturschutzbereich (§ 7 nw LandschaftsschutzG) als Ausgleichsentschädigungsregelung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG angesehen. Nach Ansicht des BVerwG soll jene Norm, die den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG nicht entspricht (dazu näher unten IV 3, S. 306), als Anspruchsgrundlage für eine Ausgleichszahlung im Rahmen der Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 GG (um-) zu interpretieren sein, so daß zumindest für eine Übergangszeit restriktiv verfassungskonform ausgelegt und angewandt werden kann115. Die Möglichkeit, salvatorische Entschädigungsklauseln als Ausgleichsentschädigungsregelungen i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG einzuordnen, wurde und wird auch in der Literatur vertreten 116. Allerdings konstatierte das BVerwG in der zitierten Entscheidung einen Unterschied zwischen jener landschaftsschutzrechtlichen Norm, über die es zu judizieren hatte, und den hier in Rede stehenden denkmalschutzrechtlichen salvatorischen Entschädigungsklauseln, die der BGH wiederum noch vor nicht allzu langer Zeit ausdrücklich als mit Art. 14 Abs. 3 GG vereinbar angesehen hatte117. Nach Auffas114

BVerwGE 84, 361 (367 ff.).

115

Zu weiteren Auslegungsmöglichkeiten vgl. Papier, Entwicklung der Rechtsprechung zur Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, NWVBL1990, S. 397 (400). 116 Allgemein etwa Osterloh, Eigentumsschutz, Sozialbindung und Enteignung bei der Nutzung von Boden und Umwelt, DVB1. 1991, S. 906 (914). - Für das Denkmalschutzrecht: Körner, Denkmalschutz und Eigentumsschutz, 1992, S. 174 ff.; Kröner, Zur Entschädigung beim Denkmalschutz, in: FS Willi Geiger, 1989, S. 445 (452 f.); so auch - im Ergebnis - Eberl/Marün/Petzet, Bayer. DSchG, 4. Aufl. 1991, Teil C, Art. 20 Rdnr. 5 f. - Für δ 47 Abs. 2 Satz 1 bw NatSchG schon Paetow, Naturschutzrecht und Eigentumsgarantie , VB1BW 1985, 3 (8); Kuchler, Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung und Bauplanungsrecht, 1989, S. 55 f.; dazu ebenfalls bereits - etwas anders im Ansatz - Schwerdtfeger, Dogmatische Struktur der Eigentumsgarantie, 1983, S. 26 ff. 117

BGHZ 99, 24 (26 ff.); 105, 15 (17); vgl. unten IV 3, S. 307. Ob der BGH weiterhin bei seiner Auffassung bleibt, ist bislang nicht eindeutig ersichtlich; eine Äußerung in BGHZ 110,

296

7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

sung des BVerwG gehören die "Ansprüche aus dem landesrechtlichen Denkmalschutzrecht ... bei aller Ähnlichkeit der tatsächlichen Interessenlage im einzelnen einer anderen Rechtsmaterie an"118. Daß daraus auch ein Unterschied in der rechtlichen Beurteilung folgen soll, ist nicht einsichtig. Im Gegenteil, gerade wegen der Ähnlichkeit der tatsächlichen Interessenlage ist die Einschätzung des BVerwG zu § 7 nw LandschaftsschutzG auch auf die vollkommen gleichlautenden denkmalschutzrechtlichen salvatorischen Entschädigungsklauseln übertragbar. Die zitierte Äußerung des BVerwG steht allerdings im unmittelbaren Zusammenhang mit der Frage der Vorlagepflicht an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes gemäß § 2 Abs. 1 RsprEinhG, die das BVerwG offenbar vermeiden und folglich nur mit dieser Begründung verneinen konnte119. b) Eigene Auffassung Nach der hier vertretenen Auffassung können die salvatorischen Entschädigungsklauseln nicht in Ausgleichsentschädigungsregelungen umgedeutet werden 120. Sie erfüllen die oben in § 4 I I I 5 (S. 138 ff.) aufgeführten Anforderungen nicht121. Zweifel bestehen bereits bei der Frage der Regelung durch den Gesetzgeber. Jedenfalls fehlt aber angesichts der offenen, salvatorischen Formulierung jegliche Tatbestandsbestimmtheit. Die denkmalschutzrechtlichen salvatorischen Entschädigungsklauseln sind zwar durch den Gesetzgeber geschaffene Normen, doch wollten die Landesgesetzgeber, wie etwa die amtliche Begründung zu § 24 bwDSchG ausweist, wo ausdrücklich auf den Gegensatz zwischen einer (entschädigungslos hinzunehmenden) Inhaltsbestimmung und ein nach § 24 bwDSchG zu entschädigenden, enteignenden Eingriff abgestellt wird 122 , mit diesen salvatorischen Entschädigungsklauseln explizit allein auf die Rechtsprechung des BGH 1 2 3 reagieren und damit eine umfassende Entschädigungsregelung für alle die "Sozialgebundenheit des Eigentums" überschreitenden Maßnahmen schaffen 124. 12 (13 ff.) ist in dieser Hinsicht mehrdeutig; vgl. dazu die Stellungnahme von Hermes, Entschädigung und Vorrang verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, NVwZ 1990, S. 733 f. 118

BVerwGE 84, 361 (369).

119

Zur Kritik an diesem Vorgehen und dieser Begründung siehe mit weit. Nachw. inbesondere Melchinger, Salvatorische Entschädigungsklauseln als Ausgleichsentschädigungsregelungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG, NJW 1991, S. 2524 (2526). 120 Einen mittleren Standpunkt vertritt Körner, Denkmalschutz und Eigentumsschutz, 1992, S. 175. 121 Siehe auch Melchinger, ebd., NJW 1991, S. 2524 ff.; vgl. ferner die Bedenken von Papier, Entwicklung der Rechtsprechung zur Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, NWVBL 1990, S. 397 (400 f.); zustimmend auch Lubberger, Urteilsanmerkung, DVB1.1992, S. 49 (51). 122

Landtag Baden-Württemberg,

5. Wahlperiode, LT-Drs. V-2808, S. 29.

II. Ausgleichsentschädigungsregelungen

297

In den aufgeführten Regelungen des Art. 20 Abs. 1 Satz 1 bayDSchG und des § 29 Abs. 1 Satz 1 ndsDSchG (oben S. 288) kommt dies sogar ausdrücklich im Wortlaut zum Ausdruck. Der historische Gesetzgeber wollte also keine in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten und die Verhältnismäßigkeit der Inhalts- und Schrankenbestimmung beeinflussenden Ausgleichsentschädigungsregelungen schaffen, wie auch das BVerwG konzediert, wenn es ausdrücklich festhält, daß "eine verfassungskonforme Auslegung ... nicht in jeder Hinsicht dem Willen des historischen Gesetzgebers entsprechen [mag]"125. Mit Hinweis auf die objektive Zielsetzung des Gesetzgebers, die im Kerngehalt unangetastet bliebe, hält das BVerwG dies allerdings für unbeachtlich und sieht deshalb die angesprochene Auslegung als zulässig an 126 . Da nicht ausgeschlossen ist, daß solche Ausgleichsentschädigungen bei der Erreichung der Verhältnismäßigkeit nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG in der Praxis doch eine größere Rolle spielen könnten, als dies bisher bei den Entschädigungen aus enteignendem Eingriff der Fall war, ist der Rückgriff auf die objektive Zielsetzung jedoch problematisch. Insbesondere im Hinblick auf die Haushaltshoheit des Parlaments ist es bedenklich, wenn diese eindeutig nicht auf die Inhaltsbestimmung ausgerichteten und daher mit einer anderen Zielrichtung erlassenen salvatorischen Entschädigungsklauseln in den Denkmalschutzgesetzen als gesetzliche Ausgleichsentschädigungsregelungen ausgelegt werden 127. Im übrigen ist es sowohl aus diesem Grund als auch hinsichtlich der Entscheidungsfreiheit der Behörden nicht mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz vereinbar, wenn die Gerichte solche Auslegungen vornehmen und auf dieser Grundlage entsprechende Entschädigungen gewähren. Vor allem aber genügen die salvatorischen Entschädigungsklauseln nicht dem Erfordernis der Tatbestandsbestimmtheit. Wie oben in § 4 I I I 5 b (S. 142 ff.) ausgeführt, muß bereits der Gesetzgeber selbst wegen des untrennbaren Zusammenhanges zur Verhältnismäßigkeit nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und aufgrund der sog. Wesentlichkeitstheorie in seiner gesetzlichen Regelung so genau wie möglich festlegen, in welchen Fällen eine an sich nicht mehr wegen Sozialpflichtigkeit zu duldende Inhaltsbestimmung mit einer Ausgleichsregelung zu verbinden ist bzw. verbunden werden kann. 123

Dazu näher Kröner, Entschädigung beim Denkmalschutz, in: FS Willi Geiger, 1989, S. 445 (448 f., 452), und die Darlegung der älteren Konzeption der Eigentumsdogmatik bei Pietzcker, Die salvatorische Entschädigungsklausel, JuS 1991, S. 369 f. 124 Vgl. die Darlegung bei Schink, Umweltschutz - Eigentum - Enteignung - Salvatorische Klauseln, DVB1.1990, S. 1375 ff. (1379 m.w.N.). 125 BVerwGE 84, 361 (368). 126

BVerwGE 84, 361 (368 f.).

127

So auch Schmaltz , Urteilsanmerkung, DVB1.1987, S. 571 (572).

298

7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

Diesen Anforderungen genügen diejenigen salvatorischen Entschädigungsvorschriften nicht, die auf die 'enteignende Wirkung* der denkmalschutzgesetzlichen Maßnahmen abstellen und deren Tatbestand daher völlig offen formuliert ist (Baden-Württemberg, Bremen, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Rheinland-Pfalz). Die Regelungen in Bayern und Niedersachsen, die auf eine "über den Rahmen der Sozialgebundenheit des Eigentums ... hinausgehende Wirkung" abstellen, können - abgesehen davon, daß sie ebenfalls völlig unbestimmt formuliert sind - schon deshalb keine Ausgleichsentschädigungsregelungen sein, weil sie mit dieser Formulierung ausdrücklich nur Fallgestaltungen betreffen, die gerade keine Inhalts- und Schrankenbestimmungen mehr sind. Somit können sämtliche, in den Denkmalschutzgesetzen enthaltenen salvatorischen Entschädigungsklauseln grundsätzlich keine gesetzliche Grundlage für Ausgleichsentschädigungsregelungen sein.

III. Billigkeitsregelungen Soweit der Gesetzgeber die Möglichkeit einräumt, Zuschüsse oder Entschädigungen (auch) in solchen Fällen zu gewähren, die noch unterhalb der Schwelle der soeben unter I I abgehandelten Ausgleichsentschädigungspflicht nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG liegen, handelt es sich um eine sog. Billigkeitsentschädigung (siehe dazu oben § 4 I I I S b, S. 144). Auch in den Denkmalschutzgesetzen gibt es Regelungen, nach denen ein solcher Billigkeitsausgleich gewährt werden kann. Aus der Sicht des Art. 14 GG sind diese Entschädigungen nicht zwingend erforderlich. Sie sind allerdings auch nicht untersagt. Sie einzuräumen, liegt in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Sie sind insofern problematisch, als dadurch die Grenze zwischen der nach Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 GG entschädigungslos hinzunehmenden und der ausgleichsentschädigungspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums verwischt wird. Derartige Billigkeitsentschädigungen sind vor allem in einigen der oben unter I I genannten, bereits teilweise als Ausgleichsentschädigungen eingeordneten Regelungen enthalten. So sind nach allen der oben abgedruckten Zuschuß- und Förderungsbestimmungen wie Art. 22 bayDSchG sowie auch nach den wesentlich allgemeiner gehaltenen Regelungen in den meisten anderen Denkmalschutzgesetzen (aufgeführt oben I I 1, S. 288 ff.) Zuschüsse in Fallgestaltungen möglich, bei denen bereits ohne finanzielle Kompensation eine verhältnismäßige und damit an sich zu duldende Eigentumsbelastung vorliegt. Insoweit handelt es sich nicht um Ausgleichsentschädigungsregelungen, sondern um Billigkeitsentschädigungsregelungen.

IV. Enteignungsregelungen

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IV. Enteignungsregelungen Nach der verfassungsrechtlichen Dogmatik müssen Enteignungen den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG entsprechen (vgl. oben § 4 I I I 6 und 8, S. 146 ff. und 159 ff.). Dabei ist von einem engen verfassungsrechtlichen Enteignungsbegriff auszugehen. Danach ist Wesensmerkmal der Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG der staatliche Zugriff auf das Eigentum des Einzelnen, der inhaltlich auf den vollständigen oder teilweisen Entzug konkreter subjektiver Eigentumspositionen gerichtet ist, d.h. das Zuordnungsverhältnis zwischen Objekt und Rechtsträger wird aufgelöst oder es werden zumindest wesentliche Eigentumsbefugnisse weggenommen. Im Gegensatz dazu steht die für die Inhalts- und Schrankenbestimmung charakteristische bloße Beschränkung der Eigentumsposition. Eine Enteignung kann nach den formalisierten verfassungsrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen nur durch einen hoheitlichen, finalen Rechtsakt, d.h. direkt durch Gesetz oder aufgrund gesetzlicher Ermächtigung (Junktimklausel), durch die Exekutive erfolgen (sog. förmliche Enteignung). In den Denkmalschutzgesetzen gibt es eine ganze Reihe unterschiedlicher Regelungen, die dem Eigentümer Entschädigungsansprüche einräumen, so enthalten die meisten Gesetze neben Bestimmungen über förmliche Enteignungen auch solche für Entschädigungsansprüche, die sich auf konkrete Maßnahmen beziehen, und sog. salvatorische Entschädigungsklauseln. Ob und inwieweit diese jeweils als Enteignungsregelungen anzusehen und mit Art. 14 Abs. 3 GG vereinbar sind, wird im folgenden dargelegt. 1. Förmliche Enteignungen Nach allen Denkmalschutzgesetzen sind Enteignungen zum Zwecke des Denkmalschutzes möglich. In den einschlägigen Bestimmungen werden meist nur die Voraussetzungen geregelt, unter denen eine Enteignung zulässig ist, die dann in einem förmlichen Verfahren durchgeführt werden muß, für das in der Regel auf das jeweilige Landesenteignungsgesetz verwiesen wird (§§ 25 f. bwDSchG, Art. 18 bayDSchG, § 14 blnDSchG, § 20 bremDSchG, §§ 20 ff. hambDSchG, § 25 hessDSchG, §§ 30 f. ndsDSchG, § 30 nwDSchG, § 30 rhpfDSchG, §§ 25 f. saarlDSchG, §§ 24 ff. shDSchG). Die Überprüfung, inwieweit die Landesenteignungsgesetze den aufgeführten Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG entsprechen, ist nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Hier ist zu fragen, ob die in den Denkmalschutzgesetzen selbst geregelten Voraussetzungen, unter denen Enteignungen zugunsten des Denkmalschutzes gestattet werden, den nach Art. 14

300

7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

Abs. 3 GG bestehenden Anforderungen an das Wohl der Allgemeinheit, das Grund und Grenze für die Zulässigkeit einer Enteignung ist (vgl. dazu die Erläuterungen oben § 4 I I I 6 und 8, S. 146 ff.), genügen. Soweit die Denkmalschutzgesetze hierbei Defizite aufweisen, können diese jedoch noch durch entsprechende Anforderungen der Landesenteignungsgesetze kompensiert werden. Dabei ist insbesondere zu beachten, daß es hier nicht mehr, wie bei der Sozialbindung im Rahmen der Inhalts- und Schrankenbestimmung, um die inhaltliche Ausgestaltung des Eigentums geht, sondern daß die förmliche Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG ein zulässiger Eingriff in die grundrechtlich gewährleistete Eigentumsfreiheit ist. Die Gemeinwohlformel des Art. 14 Abs. 3 GG dient dem Schutz des individuellen Grundrechtsträgers und ist daher eine Grenze für den Zugriff durch den Gesetzgeber und die Exekutive auf bereits konkret bestehende Eigentumspositionen. Der Gesetzgeber hat auch hier insofern eben Gestaltungsspielraum, als er aus den vielfältigen Gemeinwohlinteressen bestimmte Sachgebiete auswählen und hierfür eine Enteignung zulassen oder anordnen kann. Maßgeblich vor allem auch in bezug auf das Denkmalschutzrecht ist die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Danach muß gerade die Enteignung als Mittel erforderlich sein, um das dem Wohl der Allgemeinheit dienende Vorhaben durchführen zu können; die Enteignung ist nur ultima ratio, andere rechtlich und wirtschaftlich vertretbare Möglichkeiten zur Erfüllung der jeweiligen öffentlichen Aufgaben sind primär auszuschöpfen 128. Daraus ergibt sich, daß gerade in dem Denkmalschutzrecht, das bereits umfangreich inhaltsbestimmend ist sowie zahlreiche Ausgleichsentschädigungsregelungen enthält, jeweils besondere Gründe vorliegen müssen, damit nicht nur eine Eigentumsbeschränkung, sondern sogar ein vollständiger oder teilweiser Entzug des Eigentums gerechtfertigt ist. Das bedeutet nicht, daß für eine Enteignung ganz besonders gewichtige oder gar andere Gemeinwohlbelange vorliegen müssen129. Der Gemeinwohlbelang Denkmalschutz ist auch hier der Ausgangspunkt. Jedoch müssen im Hinblick auf das ultimaratio-Prinzip weitere Voraussetzungen hinzukommen, zu denen insbesondere gehört, daß die bereits umfangreich vorhandenen Möglichkeiten der Inhalts- und Schrankenbestimmung keinen ausreichenden Schutz für die Denkmalerhaltung etc. bieten können130. Die Denkmalschutzgesetze enthalten zwar oftmals einander ähnliche, insgesamt jedoch eine ganze Reihe unterschiedlich formulierter Bestimmun128

So auch VGH Mannheim, U.v. 103.1988 - 1 S1949/87, NVwZ-RR 1989, S. 232 (236).

129

Zu weitgehend daher M. Müller, Baudenkmalschutz und Eigentumsbeeinträchtigung, S. 210 ff. m. weit. Nachw. 130 Vgl. dazu auch Memmesheimer/Upmeier/Schönstein, DenkmalR NW, 2. Aufl. 1989, Teil Β DSchG § 30 Rdnr. 7.

IV. Enteignungsregelungen

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gen, nach denen Enteignungen zugelassen sind. So ist nach § 25 bwDSchG eine Enteignung zulässig, N ( l ) ... soweit die Erhaltung eines eingetragenen Kulturdenkmals oder seines Erscheinungsbildes oder die Erhaltung einer geschützten Gesamtanlage auf andere zumutbare Weise nicht gesichert werden kann. (2) Die Enteignung ist außerdem zulässig 1. bei Funden, soweit auf andere Weise nicht sicherzustellen ist, daß ein Kulturdenkmal wissenschaftlich ausgewertet werden kann oder allgemein zugänglich ist, 2. bei Kulturdenkmalen, soweit auf andere Weise nicht sicherzustellen ist, daß sie wissenschaftlich erfaßt werden können.

(3) Zum Zwecke von planmäßigen Nachforschungen ist die Enteignung zulässig, wenn eine begründete Vermutung dafür besteht, daß durch die Nachforschung Kulturdenkmale entdeckt werden."

Gleichartige Formulierungen wie die zitierten Absätze 1 und 2 enthalten § 20 Abs. 1 und Abs. 2 bremDSchG, die ebenfalls darauf abstellen, daß die aufgeführten Belange "auf andere Weise nicht sichergestellt werden [können]".

Nach Art. 18 bayDSchG ist eine Enteignung zulässig, wenn "(1) ... eine Gefahr für den Bestand oder die Gestalt eines Bau- oder Bodendenkmals oder eines eingetragenen beweglichen Denkmals auf andere Weise nicht nachhaltig abgewehrt werden [kann]. (2) ... außerdem ... bei beweglichen Bodendenkmälern, an deren Erhaltung für die Öffentlichkeit ein besonderes Interesse besteht".

Eine Regelung mit gleicher Formulierung wie Absatz 1 enthält § 14 blnDSchG, dort bezogen auf Gefahren für den den Bestand, die Eigenart oder das Erscheinungsbild eines Denkmals. Nach § 20 hambDSchG sind Enteignungen zulässig, "1. zur Erhaltung eines gefährdeten Denkmals ..., 3. zur Erhaltung oder Umgestaltung der Umgebung eines Denkmals ..., soweit sie aus zwingenden Gründen des Denkmalschutzes erforderlich sind, 4. zur Vornahme von Ausgrabungen archäologischer Gegenstände".

sowie, im Zusammenhang mit einer Genehmigung der Beseitigung oder der Entfernung eines Denkmals, die mit der Bedingung der Wiedererrichtung des Denkmals an geeigneter Stelle versehen werden kann (§ 12 Abs. 3 hambDSchG), "2. zur Entfernung eine Denkmals von seinem Standort und zum Wiederaufbau ... auf einem anderen dafür geeigneten Grundstück".

Nach § 25 Abs. 1 hessDSchG ist eine Enteignung zulässig,

302

7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung "soweit sie erforderlich ist, damit 1. ein Kulturdenkmal in seinem Bestand oder Erscheinungsbild erhalten bleibt, 2. ein Bodendenkmal ... wissenschaftlich ausgewertet oder der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden kann, 3. in einem Grabungsschutzgebiet ... planmäßige Nachforschungen betrieben werden können".

Vergleichbare Formulierungen für die genannten Denkmalgruppen enthält auch § 30 Abs. 1 ndsDSchG. Nach § 30 Abs. 2 ndsDSchG ist die Enteignung eines beweglichen Bodenfundes innerhalb einer bestimmten Frist nach seiner Anzeige zulässig, wenn "1. Tatsachen vorliegen, nach denen zu befürchten ist, daß er wesentlich verschlechtert wird, 2. nicht auf andere Weise sichergestellt weiden kann, daß er für die Allgemeinheit zugänglich ist, und hieran ein erhebliches Interesse besteht oder 3. nicht auf andere Weise sichergestellt werden kann, daß er für die wissenschaftliche Forschung zur Verfügung gehalten wird".

Nach § 30 nwDSchG ist eine Enteignung von Baudenkmälern und ortsfesten Bodendenkmälern zulässig, "wenn allein dadurch a) ein Denkmal ein seinem Bestand, seiner Eigenart oder seinem Erscheinungsbild erhalten werden kann, b) ein Denkmal der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden kann, sofern hieran ein öffentliches Interesse besteht, oder c) in einem Grabungsschutzgebiet planmäßige Nachforschungen betrieben werden können".

Nach § 30 Abs. 1 rhpfDSchG ist die Enteignung zulässig, "soweit auf andere zumutbare Weise nicht erreicht weiden kann, daß 1. ein geschütztes Kulturdenkmal in seinem Bestand oder seinem Erscheinungsbild erhalten bleibt oder wissenschaftlich ausgewertet werden kann; 2. in einem Grabungsschutzgebiet planmäßige Nachforschungen betrieben werden können".

Nach § 25 Abs. 1 saarlDSchG ist eine Enteignung eingetragener Kulturdenkmäler zulässig, wenn "1. deren Erhaltung oder ihr Erscheinungsbild ... auf andere zumutbare Weise nicht gesichert werden kann, 2. nicht auf andere Weise die wissenschaftliche Auswertung oder der Zugang für die Allgmeinheit zu erreichen sind, 3. Nachforschungen in Grabungsschutzgebieten es zwingend gebieten, 4. Gefahr besteht, daß Sammlungen durch Aufteilung wissenschaftlich entwertet werden".

Nach § 24 shDSchG ist die Enteignung eingetragener beweglicher Kulturdenkmale zulässig, "(1) ... wenn auf andere Weise eine Gefahr für ihre Erhaltung nicht zu beseitigen ist. Das gilt auch, wenn die Gefahr besteht, daß Sammlungen durch Aufteilung oder, wenn ihre Bedeutung heimatgeschichtlich oder landschaftlich bedingt ist, durch Überführung in eine fremde Landschaft entwertet werden. (2) Eingetragene unbewegliche Kulturdenkmale und die sie umgebenden und zu ihrer Sicherung notwendigen Grundflächen können außer unter den Voraussetzungen des

IV. Enteignungsregelungen

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Abs. 1 enteignet werden, wenn die angemessene Erhaltung des Kulturdenkmals und die Gestaltung der es umgebenden Grundflächen auf andere Weise nicht durchzuführen ist. An Stelle einer Enteignung der ein Kulturdenkmal umgebenden Grundflächen kann unter den Voraussetzungen des Satzes 1 eine Beschränkung ihrer Nutzung angeordnet werden. Unbebaute Grundstücke können ... zum Zwecke von Grabungen nach Kulturdenkmalen vorübergehend in Anspruch genommen werden. Wenn der Verfügungsberechtigte eine wissenschaftliche Grabung nicht zulassen will, kann die vorübergehende Inanspruchnahme verfügt werden".

Die meisten dieser Bestimmungen enthalten Regelungen, die die oben genannten Anforderungen an das Wohl der Allgemeinheit einhalten und die auch dem Verhältnismäßigkeitsprinzip in ausreichendem Maße Rechnung tragen. Zum einen ist die Enteignung oftmals nur zulässig bei einer bestimmten, eingegrenzten Gruppe von Denkmalen, so etwa in Baden-Württemberg nur bei Kulturdenkmalen also solchen, denen per definitionem bereits eine besondere Bedeutung zukommt, oder in anderen Ländern nur bei eingetragenen Denkmalen und darüber hinaus bei solchen von besonderer Bedeutung. Zum anderen aber wird in den meisten Fällen auch dem ultimaratio-Prinzip Rechnung getragen, wie sich an den Formulierungen zeigt, nach denen die Enteignung nur zulässig ist, "soweit die Erhaltung ... auf andere zumutbare Weise nicht gesichert/erreicht werden kann" (Baden-Württemberg, Bremen, Rheinland-Pfalz, Saarland), "wenn auf andere Weise eine Gefahr... nicht zu beseitigen istH (Schleswig-Holstein) usw. (s. o.). Dabei gibt es bei diesen Formulierungen durchaus Abstufungen: In einem Teil der genannten Regelungen wird, in Übereinstimmung mit dem ultima-ratio-Prinzip, deutlich auf das Vorliegen von Gefahren, Gefährdungen oder auf zwingende Gründe abgestellt. Damit vergleichbar sind Anfoderungen, die verlangen, daß bestimmte Denkmalschutzziele nicht auf andere Weise gesichert oder erreicht werden können. Dem ultima-ratio-Prinzip wird ebenfalls durch solche Formulierungen entsprochen, nach denen eine Enteignung zulässig ist, "soweit sie erforderlich ist[, um bestimmte Ziele des Denkmalschutzes zu erreichen]" (Hessen, Niedersachsen) oder "wenn allein ... durch [die Enteignung bestimmte Denkmalschutzziele erreichbar sind]" ÇNordrhein-Westfalen). Deutlich niedriger sind die Voraussetzungen hingegen, wenn eine Enteignung auch zugelassen wird "bei... Denkmälern, an deren Erhaltung für die Öffentlichkeit ein besonderes Interesse besteht" (Art. 18 Abs. 2 bayDSchG). Diese Formulierung ist teilweise identisch mit den Voraussetzungen für das Vorliegen eines Denkmals (Art. 1 Abs. 1 bayDSchG) und stellt darüber hinaus nur auf ein 'besonderes' Interesse der Allgemeinheit ab. Hier ist sehr fraglich, ob darin tatsächlich weitergehende und damit ausreichende Prämissen für Enteignungen enthalten sind. Jedenfalls ist bei dieser Regelung kein Korrektiv vorhanden, das auf das "letzte Mittel" abstellt. Das ist mit

304

7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbar. Art. 18 Abs. 2 bay DSchG genügt daher den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG nicht. Gleichfalls reicht es als Enteignungsgrund nicht aus, wenn lediglich verlangt wird, daß "eine begründete Vermutung dafür besteht, daß durch die [planmäßige] Nachforschung Kulturdenkmale entdeckt werden" (§ 25 Abs. 3 bwDSchG). Zweifelhaft ist wiederum, ob die sehr vage formulierte 'begründete Vermutung9 neben dem Denkmalschutz als weiterer Schutzgrund genügt. Vor allem fehlt aber auch bei dieser Bestimmung die Begrenzung auf die Enteignung als ultima ratio. Es ist durchaus denkbar, daß solche Nachforschungen auch ermöglicht werden, ohne daß der Eigentümer enteignet werden muß, und nach dem Wortlaut der baden-württembergischen Bestimmung ist auch in diesem Fall eine Enteignimg zulässig. Da aus Verhältnismäßigkeitsgründen eine Enteignung zum Zwecke solcher Nachforschungen nur zulässig ist, wenn keine andere Möglichkeit besteht, die Nachforschungen durchzuführen, ist § 25 Abs. 3 bwDSchG, der diese Begrenzung nicht enthält, in dieser weiten Fassung ebenfalls nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Besser differenziert wird dagegen für eine vergleichbare Fallgestaltung im schleswig-holsteinischen Denkmalschutzgesetz, in dem im Zusammenhang mit Enteignungen geregelt ist, daß "unbebaute Grundstücke ... zum Zwecke von Grabungen nach Kulturdenkmalen vorübergehend in Anspruch genommen werden [können]" und, "wenn der Verfügungsberechtigte eine wissenschaftliche Grabung nicht zulassen will, ... die vorübergehende Inanspruchnahme verfügt werden [kann]" (§ 24 Abs. 2 Satz 3 shDSchG). Hier wird dem ultima-ratio-Prinzip in einer musterhaften und schonenden Weise Rechnung getragen, die vor allem die Eigentumszuordnung im Grundsatz unberührt läßt. Das trifft auch für die, einen anderen Sachverhalt betreffende, gleichfalls schleswig-holsteinische Regelung zu, nach der ausdrücklich "an Stelle einer Enteignung der ein Kulturdenkmal umgebenden Grundflächen ... eine Beschränkung ihrer Nutzung angeordnet werden [kann]" (§ 24 Abs. 2 Satz 2 shDSchG). Die Durchsicht der denkmalschutzrechtlichen Enteignungsregelungen hat damit gezeigt, daß es auch bei den Enteignungsgründen recht unterschiedliche Nomierungsmöglichkeiten gibt. Diese Bestimmungen über die förmliche Enteignung entsprechen in den meisten Fällen den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG und insbesondere dem im Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verankerten ultima-ratio-Prinzip. Abgesehen von einzelnen denkmalschutzrechtlichen Bestimmungen die diese Anforderungen nicht erfüllen und daher als solche nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind - was allerdings in der Zusammenschau mit den jeweiligen Enteignungsgesetzen u.U. zu modifizieren ist -, wären teilweise auch bei den an sich zulässigen

IV. Enteignungsregelungen

305

Regelungen noch präzisere Formulierungen durchaus möglich, wie vereinzelte Beispiele zeigen. 2. Sog. Entschädigungsansprüche Neben den Regelungen über die förmliche Enteignung gibt es zuweilen noch Regelungen, die für tatbestandlich genau umschriebene Sachverhalte einen konkreten Entschädigungsanspruch gewähren. Da die erfaßten Maßnahmen und Anordnungen gerade nicht im Wege einer förmlichen Enteignung erlassen werden, entsprechen diese Bestimmungen nicht den Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG. Einige dieser Bestimmungen erfüllen jedoch, soweit sie lediglich Eigentumsbelastungen und keinen Entzug des Eigentums erfassen, die Voraussetzungen von Ausgleichsentschädigungsregelungen; sie wurden daher bereits oben unter I I 2 (S. 291 ff.) abgehandelt. Allerdings betreffen zwei dieser Entschädigungsregelungen ausdrücklich auch Fälle des zumindest teilweisen Entzuges von Eigentum. Das gilt zum einen für § 25 Abs. 1 Satz 1 shDSchG (abgedruckt oben S. 291), soweit die darin enthaltene Entschädigungspflicht auch solche Fallgestaltungen erfaßt, die wenigstens den teilweisen Entzug von Eigentumspositionen betreffen, wie es je nach Einzelfall bei der vorübergehenden Inanspruchnahme und der vorläufigen Besitznahme jedenfalls denkbar, zumindest aber nicht ausgeschlossen ist. In diesen Fällen liegt eine Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG vor, die jedoch nicht dessen formellen Anforderungen entspricht. Da § 25 Abs. 1 Satz 1 shDSchG, wie oben in I I 1 (S. 291) gezeigt, teilweise als Ausgleichsentschädigungsregelung anzusehen und daher mit der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik vereinbar ist, kann diese Bestimmung durch verfassungskonforme Auslegung auf jenen Anwendungsbereich reduziert werden; eine Verfassungswidrigkeit der Vorschrift insgesamt oder eines Teiles scheidet daher aus. Im Gegensatz dazu ist § 22 hambDSchG (abgedruckt oben S. 291) teilweise verfassungswidrig, soweit die Bestimmung darauf abstellt, daß eine wirtschaftlich zumutbare Nutzung 'unmöglich' ist. Denn insofern erfaßt diese Norm den teilweisen oder vollständigen Entzug des Eigentums, so daß ebenfalls eine Enteignung i.S.d. Art. 14 Abs. 3 GG vorliegt, die jedoch nur nach den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine förmliche Enteignung zulässig ist. Da diese Anforderungen nicht erfüllt werden, ist § 22 hambDSchG für den Teilbereich der Norm verfassungswidrig, in dem sie auf die Unmöglichkeit wirtschaftlicher Nutzung abstellt. Eine verfassungskonforme Reduzierung der Regelung ist hier angesichts ihres klaren Wortlautes nicht möglich. 20 Melchinger

306

7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

3. Salvatorische Entschädigungsklauseln Neben den Regelungen über die förmlichen Enteignungen und die sog. Entschädigungsansprüche gibt es in manchen Denkmalschutzgesetzen noch die bereits oben in I I 3 (S. 294) erwähnten sog. salvatorischen Entschädigungsklauseln. Ihre Vereinbarkeit mit der verfassungsrechtlichen Eigentums· und Enteignungsdogmatik wird kontrovers diskutiert. a) Die Auffassung des BGH Der BGH hat die salvatorischen Entschädigungsklauseln des § 24 bwDSchG und § 31 rhpfDSchG noch in jüngeren Entscheidungen aus den Jahren 1987 und 1988 ausdrücklich als zulässig und mit Art. 14 Abs. 3 GG vereinbar angesehen131 (dazu siehe auch unten V 2, S. 313 ff.). Das Gericht ist einerseits dezidiert der Auffassung, § 31 rhpfDSchG genüge den Anforderungen der Junktimklausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG, andererseits betont der BGH in derselben Entscheidung, die Junktimklausel finde aufgrund des restriktiven Enteignungsbegriffes des BVerfG auf enteignungsgleiche und enteignende Eingriffe, in deren Zusammenhang er auch die genannten salvatorischen Entschädigungsklauseln stellt, keine Anwendung132. Im Ergebnis läßt er jedenfalls auf der Grundlage dieser Bestimmungen Enteignungsentschädigungen sowohl für rechtmäßige als auch für rechtswidrige behördliche Maßnahmen und Anordnungen mit eigentumsbeschränkender Wirkung zu 133 . Unter Bezugnahme auf den BGH hat das BayObLG eine vergleichbare Entscheidung getroffen* bei der betont wird, daß es auf das Gebot des Primärrechtsschutzes wegen der gesetzlichen Verankerung des Anspruches in der sog. salvatorischen Entschädigungsklausel des Denkmalschutzgesetzes nicht ankomme134. Ob der BGH weiterhin diese Auffassung

131 BGHZ 99, 24 (26 ff.); 105,15 (17); im Ergebnis ebenso BayObLG, U.v. 21.12.1987 - 1 Ζ 259/86, DÖV 1988, S. 429; keine verfassungsrechtlichen Bedenken hat auch OVG Münster, U.v. 18.5.1984 - 11 A 1776/83, NJW 1986, S. 1890 (1892); dem zustimmend äußern sich Memmesheimer/Upmeier/Schönstein, ebd., Teil Β DSchG § 33 Rdnr. 2 ff.; Strobl/Majocco/Birn, DSchG Bad.-Württ., 1989, § 24 Rdnr. 2. Kritisch zu den BGH-Entscheidungen dagegen Ossenbühl, Der Anspruch wegen rechtswidriger Eigentumsverletzung (enteignungsgleichen Eingriffs), in: FS Willi Geiger, 1989, S. 475 (479,493 f.); ders., Staatshaftungsrecht, 4. Aufl. 1991, S. 192,224; und Schmaltz, Urteilsanmerkung, DVB1.1987, S. 571 ff. 132

BGHZ 99, 24 (26 und 29).

133

Im Ergebnis zustimmend Moench, Die Entwicklung des Denkmalschutzrechts, NVwZ 1988, S. 304 (313). 134

BayObLG, U.v. 21.12.1987 - 1 Ζ 259/86, DÖV 1988, S. 429.

IV. Enteignungsregelungen

307

vertritt, ist bislang nicht geklärt; eine Äußerung in einer Entscheidung aus dem Jahre 1989135 ist in dieser Hinsicht mehrdeutig 136. b) Verfassungsrechtlicher Ansatz Solche salvatorischen Entschädigungsklauseln verstoßen, da sie den vollständigen oder teilweisen Entzug von Eigentumspositionen betreffen und somit dem Enteignungsbegriff des Art. 14 Abs. 3 GG unterfallen, andererseits aber gerade nicht dessen formalisierte Anforderungen erfüllen, gegen Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG, wie auch das BVerwG in der erwähnten sog. Fischteichentscheidung zu § 7 nw LandschaftsschutzG ausgeführt hat 137 . Das hat sich auch das OVG Rheinland-Pfalz jüngst in bezug auf die denkmalschutzgesetzlichen salvatorischen Entschädigungsklauseln zu eigen gemacht138. Von diesen offenen salvatorischen Klauseln soll gerade nicht der Eigentumsentzug durch hoheitlichen, finalen Rechtsakt, sondern nur die eventuell eintretende 'enteignende Wirkung9 mancher denkmalschutzrechtlicher Maßnahmen und Anordnungen erfaßt werden. Ausweislich etwa der amtlichen Begründung zu § 24 bwDSchG wollten die Landesgesetzgeber mit diesen salvatorischen Entschädigungsklauseln ausdrücklich und primär auf die Rechtsprechung des BGH reagieren und eine umfassende Entschädigungsregelung für alle die 'Sozialgebundenheit des Eigentums' überschreitenden Maßnahmen schaffen 139, wie es in Art. 20 Abs. 1 Satz 1 bayDSchG und in § 29 Abs. 1 Satz 1 ndsDSchG sogar explizit im Gesetzeswortlaut festgehalten ist (abgedruckt oben S. 295). Deshalb fehlt den salvatorischen Klauseln auch jegliche Tatbestandsbestimmtheit, so daß die Anforderungen der Junktimklausel nicht erfüllt sind. Salvatorische Bestimmungen sind zum einen ganz bewußt im Tatbestand offen gehalten und sie enthalten zum anderen keine Regelung über Art und Ausmaß der Entschädigung. Die salvatorischen Entschädigungsklauseln können somit aus verfassungsrechtlicher

135

BGHZ 110,12 (13 ff.) - eine denkmalgeschützte Villa in Hamburg betreffend.

136

Vgl. dazu Hermes, Entschädigung und Vorrang verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, NVwZ 1990, S. 733 f. 137

BVerwGE 84, 361 (364), und ein Teil der Literatur, etwa Kröner, Entschädigung beim Denkmalschutz, in: FS Willi Geiger, 1989, S. 445 (450 f.); vgl. Melchìnger , Salvatorische Entschädigungsklauseln als Ausgleichsentschädigungsregelungen, NJW 1991, S. 2524 (2525 m. weit. Nachw.); vgl. ferner oben in II 3 a, S. 295 f., sowie die in § 4 III 5, S. 138 ff., aufgeführte Literatur. 138 139

OVG Koblenz, DVB1.1992, S. 47 (49).

Landtag Baden-Württemberg, 5. Wahlperiode, LT-Drs. V-2808, S. 29; vgl. Schink, Umweltschutz - Eigentum - Enteignung - Salvatorische Klauseln, DVB1. 1990, S. 1375 ff. (1379 m.w.N.).

308

7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

Sicht keine Enteignungsregelungen i.S.v. Art. 14 Abs. 3 GG sein140. Da sie nach hier vertretener Auffassung (oben in I I 3 b, S. 296 ff.) auch nicht in Ausgleichsentschädigungsregelungen umgedeutet werden können, sind die entsprechenden Normen in den Denkmalschutzgesetzen verfassungswidrig 141 . Nicht haltbar ist daher die in der Literatur nach wie vor vertretene Auffassung, der noch immer ausschließlich die Sicht des BGH zugrunde gelegt wird und die demgemäß keine Schwierigkeiten bei der Anwendbarkeit solcher salvatorischer Entschädigungsklauseln erkennt 142. 4. Sonstige Regelungen Neben den bisher abgehandelten verbreiteten Regelungsgruppen im Kontext des Art. 14 Abs. 3 GG gibt noch weitere Regelungen, wie die Bestimmungen über die Ablieferung von Fundgegenständen und die vereinzelt eingeräumte Ermächtigung, die Übertragung des Eigentums zu verlangen, die ebenfalls an den Vorgaben des Art. 14 Abs. 3 GG zu messen sind. a) Ablieferung von Fundgegenständen auf Verlangen In einigen Denkmalschutzgesetzen ist, wie bereits oben in I 6 c (S. 278) angesprochen, den Behörden die Möglichkeit eingeräumt, unter bestimmten 140

So auch Bryde, in: von Münch (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 1, 3. Aufl. 1985, Art. 14 GG Rdnr. 88; Kleinlein, Die ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung - eine Alternative zur Enteignung?, DVB1.1991, S. 365 (373 f.); Kutschera, Bestandsschutz im öffentlichen Recht, Zugleich ein Beitrag zur Dogmatik des Art. 14 GG, 1990, S. 150 ff.; Leisner, Eigentum, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, 1989, § 149, S. 1023 (1093 f., Rdnr. 173 ff.); Papier, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 22. Lfrg. 1983 (Stand 29. Lfrg. 1991), Art. 14 Rdnr. 488 f.; ders., Entwicklung der Rechtsprechung zur Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, NWVBL 1990, S. 397 (400); Pietzcker, Die salvatorische Entschädigungsklausel, JuS 1991, S. 369 (372); Weyreuther, Ober die Verfassungswidrigkeit salvatorischer Entschädigungsklauseln im Enteignungsrecht, 1980, insbesondere S. 29 ff. - Kritisch bzw. zurückhaltend demgegenüber Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl. 1991, S. 166 f.; Ossenbühl, Urteilsanmerkung, JZ1991, S. 89 (90). - Anderer Ansicht Strobl/Majocco/Birn, DSchG Bad.-Württ., 1989, § 24 Rdnr. 2; Hess. DSchR, 2. Aufl. 1991, Teil C, § 26 Rdnr. 5. vgl. auch Dörffeldt/Viebrock, 141 So auch hinsichtlich § 31 Abs. 1 Satz 2 rhpfDSchG OVG Koblenz, U.v. 24.1.1991 - 1 A 10294/89, DVB1.1992, S. 47 (49), und Schmaltz , Urteilsanmerkung, DVB1. 1987, S. 571 (572). Verfassungsrechtliche Bedenken äußern generell auch Erbguth/Paßlick/Püchel, Denkmalschutzgesetze der Länder, 1984, S. 62 ff.; 142 Dörffeldt/Viebrock, Hess. DSchR, 2. Aufl. 1991, Teil C, § 26; Memmesheimer/Upmeier/ Schönstein, DenkmalR Nordrh.-Westf., 2. Aufl., 1989, Teil Β DSchG § 32; Moench/Schmidt, Die Freiheit der Baugestaltung, 1989, S. 124 f.; Strobl/Majocco/Birn, DSchG Bad.-Württ., 1989, § 24. Aus der Sicht des Art. 14 GG gilt dies auch für Art. 20 bayDSchG; anderer Ansicht

IV. Enteignungsregelungen

309

Voraussetzungen gegen Entschädigung die Ablieferung von aufgefundenen (Boden-) Denkmalen zu verlangen. So bestimmt etwa § 5 Abs. 2 Satz 2 blnDSchG, daß "... bewegliche Bodendenkmale auf Verlangen dem Land Berlin gegen eine angemessene Entschädigung zu übereignen [sind], wenn zu befürchten ist, daß der Fund sonst der Öffentlichkeit oder der wissenschaftlichen Forschung verloren ginge."

Nach § 24 Abs. 2 hessDSchG kann die Ablieferung auch verlangt werden, wenn Tatsachen vorliegen, nach denen zu befürchten ist, daß der Erhaltungszustand des Fundes verschlechtert wird oder dieser... verlorengeht."

Nach § 17 Abs. 3 nwDSchG kann "die Ablieferung nur verlangt werden, wenn dies zur dauernden Erhaltung des Bodendenkmals erforderlich ist oder wenn das Bodendenkmal so bedeutend ist, daß seine Unterbringung an einer öffentlichen Stelle im öffentlichen Interesse liegt."

Diesen Bestimmungen vergleichbare Regelungen enthalten § 20 rhpfDSchG, § 19 saarlDSchG, § 16 shDSchG. Diese Vorschriften betreffen Fundgegenstände, an denen der Finder und der Grundstückseigentümer nach der allgemeinen Regel des § 984 BGB Eigentum erlangt haben. Da der abgelieferte Fundgegenstand in das Eigentum der berechtigten Körperschaft übergeht (so etwa ausdrücklich § 20 Abs. 3 Satz 3 rhpfDSchG), ist das Ablieferungsverlangen somit auf den Entzug einer konkret-indiviuell zugeordneten Eigentumsposition gerichtet. Es handelt sich mithin um eine Enteignung i.S.d. Art. 14 Abs. 3 GG, die dessen Anforderungen unterliegt. Die förmlichen Voraussetzungen werden durch die Vorschriften über das Ablieferungsverlangen eingehalten. Sie setzen eine ausdrücklich auf die Ablieferung gerichtete behördliche Einzelfallentscheidung voraus, und sie ordnen auch sämtlich die Entschädigungspflicht an. Außer in Berlin enthalten alle anderen genannten Denkmalschutzgesetze darüberhinaus detaillierte Vorgaben für das einzuhaltende Verfahren. Die Regelungen über das Ablieferungsverlangen erfüllen ferner die oben genannten Anforderungen an das Wohl der Allgemeinheit und tragen insbesondere auch dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ausreichend Rechnung. So wird stets das ultima-ratio-Prinzip eingehalten, denn das Ablieferungsverlangen ist nur dann zulässig, wenn "zu befürchten ... ist, daß der Erhaltungszustand des Fundes verschlechtert wird oder der Fund ... verloren geht", z.T. müssen dafür ausdrücklich entsprechende Tatsachen vorliegen", wenn die ist jedoch - auf die Bayerische Verfassung bezogen - BayVerfGH, B.v. 15.5.1981 23-VI-79, BayVBl. 1981, S. 429 (430).

310

7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

Ablieferung zur "dauernden Erhaltung" des Fundes "erforderlich" ist oder wenn "das Bodendenkmal so bedeutend ... ist, daß seine Unterbringung an einer öffentlichen Stelle im öffentlichen Interesse liegt". Deshalb sind die Vorschriften über das Ablieferungsverlangen bei Denkmalfunden zulässige Enteignungsregelungen i.S.d. Art. 14 Abs. 3 GG. b) Anspruch auf Eigentumsübertragung In zwei Denkmalschutzgesetzen gibt es Regelungen, nach denen der Öffentlichen Hand im Zusammenhang mit entschädigungspflichtigen Vorhaben unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit eingeräumt ist, die Übertragung des Eigentums zu verlangen. So kann nach § 23 hambDSchG die Stadt Hamburg "(1)... von dem durch eine entschädigungspflichtige Maßnahme nach diesem Gesetz betroffenen Eigentümer die Übertragung des Eigentums verlangen, wenn die an den Eigentümer zu zahlende Entschädigung mehr als fünfzig vom Hundert des Wertes betragen würde. ... Der Übertragungsanspruch erlischt durch Verzicht des Eigentümers auf den Mehrbetrag. (2) Kommt eine Einigung über die Übertragung nicht zustande, so kann das Eigentum durch Enteignung entzogen werden."

Eine vergleichbare Regelung enthält § 29 Abs. 2 saarlDSchG. Da es hier um den Entzug von Eigentumspositionen geht, handelt es sich wiederum der Sache nach um eine Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG. Demgemäß verweisen auch beide Regelungen ausdrücklich auf das förmliche Enteignungsverfahren nach den Enteignungsvorschriften. Die Beurteilung dieser Bestimmungen bereitet gewisse Schwierigkeiten: Als Bestimmung für die Zulässigkeit einer Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG entsprechen diese Regelungen nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Als Gründe des Allgemeinwohls wird nicht auf den Denkmalschutz, sondern allein auf fiskalische Erwägungen abgestellt; dabei bestehen Bedenken, ob allein dies ausreichend ist. Darüberhinaus fehlen jegliche Maßgaben für eine ultima-ratio-Prüfung. Daher ist dem Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht ausreichend Rechnung getragen. Schwierig ist aber die Beurteilung deshalb, weil der Regelungsbereich dieser Bestimmungen nur vor dem Hintergrund des hier abgelehnten Verständnisses der 'entschädigungspflichtigen Maßnahmen' verständlich ist. Nach dem hier zugrundegelegten eigentumsdogmatischen Ansatz kommt diesen Regelungen keine eigenständige Bedeutung zu, denn eine Ausgleichsentschädigung von mehr als der Hälfte des Wertes des Eigentumsgegenstandes ist als Kompensation im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht denkbar.

V. Ausgewählte Fallbeispiele aus der Rechtsprechung

311

V· Ausgewählte Fallbeispiele aus der Rechtsprechung Die praktischen Auswirkungen der vorstehend erläuterten Ergebnisse lassen sich exemplarisch an einigen auf das Denkmalschutzrecht bezogenen Rechtsprechungsbeispielen aufzeigen. An erster Stelle ist die bereits oben in § 5 I I I 7 (S. 205 f.; vgl. auch oben I 6 a, S. 275 f.) ausführlich aufgeführte Entscheidung des BVerfG v. 18.5.1988 - 2 BvR 79/84143 - zum baden-württembergischen Schatzregal zu nennen. Sodann sind einige Entscheidungen aus der VGH/OVG-Rechtsprechung hervorzuheben, die bereits - teilweise recht ausführlich - den eigentumsdogmatischen Ansatz des BVerfG auf das Denkmalschutzrecht übertragen: Das sind vor allem das Urteil des BayVGH v. 8.1.1985 - 26 Β 82 A.1773144 - und sehr detailliert mit bereits recht weitgehenden Differenzierungen die Entscheidimg des VGH Mannheim v. 10.5.1988 - 1 S 1949/87145 - sowie der, allerdings hier und von anderen 146 bereits grundlegend kritisierte Vorlagebeschluß des OVG Koblenz v. 24.1.1991 - Az 1 A 10294/89147. Diese komplexen Entscheidungen sind in den vorigen Abschnitten bereits ausführlich eingearbeitet worden und werden deshalb hier nicht nochmals dargelegt. Im folgenden werden allerdings noch einige, auf das Denkmalschutzrecht bezogene und im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Eigentumsdogmatik besonders prägnante Entscheidungen des BGH abgehandelt. 1. Baden-Baden-Villa - BGHZ 72, 211 Den Eigentümern einer auf einem über 5.700 m 2 großen Grundstück gelegenen, 1911 eibauten, großzügigen, luxuriösen und repräsentativen Villa mit über 700 m 2 Wohnfläche, zu der auch diverse Nebengebäuden und Anbauten gehörten, war die Genehmigung zum Abbruch des Gebäudes mit der Begründung versagt worden, das Gebäude stehe unter Denkmalschutz und die deshalb erforderliche Zustimmung der zuständigen Denkmalschutzbehörde sei nicht erteilt worden. Die Betroffenen klagten vor den Zivilgerichten gegen das Land Baden-Württemberg auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung. Zur Begründung wurde angeführt, der Wert des Hausgrundstückes sei durch die Eintragung in die Denkmalliste auf zwei Fünftel des ursprünglichen Wertes gesunken, jedenfalls sei kein höherer Verkaufspreis mehr zu erzielen. Das von ihnen alleine bewohnte Haus sei "unwirtschaftlich", die laufenden Aufwendungen für notwendige Instandsetzungen und Reparaturen beliefen sich auf jährlich etwa D M 143

BVerfGE 78, 205.

144

BayVBl. 1987, S. 368 f.

145 NVwZ-RR 1989, S. 232 ff.; DVB1.1988, S. 1219 ff.; auch aufgeführt bei Stich/Burhenne, Denkmalrecht der Länder und des Bundes, Stand 16. Lfrg. 1991, S. 717-51 ff. 146

Lubberger, Urteilsanmerkung, DVB1.1992, S. 49 ff.

147

DVB1.1992, S. 47 ff.

312

S 7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

60.000,-. - Der BGH hat hier einen enteignenden Eingriff und deshalb eine angemessene Entschädigung über die salvatorische Entschädigungsklausel des § 24 bwDSchG für möglich gehalten, die Sache jedoch wegen einer noch erforderlichen Beweiserhebung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Hier hätte aus heutiger Sicht (die genannte Entscheidung war bereits 1978 ergangen) statt auf Entschädigung zu klagen, zunächst im verwaltungsgerichtlichen Rechtsweg (nach durchgeführtem Vorverfahren nach §§ 68 VwGO) Verpflichtungsklage auf Erteilung der beantragten Abbruchgenehmigung erhoben werden müssen. Eine Klage gegen die erstmalige Unterschutzstellung war dagegen nicht möglich, da nach dem baden-württembergischen Denkmalschutzgesetz für alle Denkmalobjekte nach §§ 2, 6 bwDSchG das Normativprinzip gilt und das Gebäude somit eo ipso den Vorschriften des Denkmalschutzgesetzes unterlag 148. Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Versagung der Abbruchgenehmigung ist zunächst, daß die Villa denkmalfähig und denkmalwürdig ist, also die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 bwDSchG erfüllt und als Kulturdenkmal anzusehen ist. Zweifel an der Denkmaleigenschaft wurden in der Ausgangsentscheidung keine geäußert. Daher unterliegt die Zerstörung oder Beseitigung der Villa als Kulturdenkmal einer Genehmigungspflicht nach § 8 bwDSchG. Da diese Genehmigung, wie oben in I 3 (S. 256 ff.) ausgeführt, gemäß § 8 i.V.m. § 6 Abs. 1 bwDSchG unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit steht, kommt es darauf an, ob den Klägern die Erhaltung der Villa im konkreten Fall zumutbar war. Die genannten Regelungen sind, wie erläutert (oben I 2 und 3, S. 247 ff.), wegen ihres im Grundsatz lediglich beschränkenden Charakters zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums. Bei der Ermittlung der Zumutbarkeit kommt es nicht auf die behauptete Wertminderung des Grundstückes, sondern auf eine objektiv-objektbezogene Betrachtung des Verhältnisses von Kosten und Ertrag an (vgl. oben I 2, S. 249 ff.). Daher sind entweder zu vergleichen der aktuelle Bewirtschaftungsaufwand von ca. D M 60.000 pro Jahr und die ohne Umbau im ursprünglichen Zustand erzielbaren Nutzungserträge. Dabei ist nicht ausschlaggebend, daß die Eigentümer die Villa derzeit lediglich allein bewohnten, sondern es kommt darauf an, ob auch eine andere, ertragreichere Nutzung möglich gewesen wäre. Oder es hätten die Kosten eines wirtschaftlich sinnvollen Umbaues zu den danach im umgebauten Zustand zu erzielenden Nutzungserträgen in Beziehung gesetzt werden müssen. Dabei sind sämtliche mögliche Zuschüsse oder sonstigen finanziellen Vergünstigungen zu berücksichtigen, allerdings ohne § 24 bwDSchG einzubeziehen, da diese Vorschrift als sog. salvatorische Entschädigungsklausel nach hier vertretener

148

Vgl. BGHZ 72,211 (214 f.).

V. Ausgewählte Fallbeispiele aus der Rechtsprechung

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Auffassung verfassungswidrig ist und auch nicht in eine Ausgleichsentschädigungsregelung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG umgedeutet werden kann (vgl. oben Π 3 und IV 3, S. 294 ff. und 306 ff.). Anhand solcher Vergleichsbetrachtungen, wie sie etwa auch der VGH Mannheim in der einleitend genannten Entscheidung vom 10.5.1988 - 1 S 1949 / 87 1 4 9 - vorgenommen hat, hätte man die Frage der Zumutbarkeit der Erhaltung der betroffenen Villa untersuchen müssen. Sofern sich dabei herausgestellt hätte, daß eine Erhaltung des Gebäudes nicht zumutbar im denkmalschutzrechtlichen Sinne und somit auch die Nicht-Genehmigung des Abbruches nicht mehr verhältnismäßig im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gewesen wäre, hätte dann die Genehmigung zum Abbruch erteilt werden müssen. Die Versagung der Abbruchsgenehmigung wäre mithin ein Verstoß gegen Art. 14 GG gewesen, gegen den der Betroffene den grundrechtlichen Abwehranspruch hätte geltend machen können und nach dem Gebot des Primärrechtsschutzes auch hätte geltend machen müssen. Zu der ebenfalls in dieser Entscheidung des BGH angesprochenen Frage, ob die Versagung der Abbruchgenehmigung ein Veräußerungsverbot bewirken könnte, kommt es daher aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht an. Auch die Frage einer Entschädigung wegen Enteignender Wirkung" - auf welcher Grundlage auch immer - stellt sich demnach nicht. 2. Blüchermuseum - BGHZ 99, 24 Der Betroffene war Eigentümer eines mit einem 1780 errichteten Barockgebäude bebauten Grundstückes. In einigen Räumen dieses Gebäudes hatte Feldmarschall Blücher zum Jahreswechsel 1813/14 im Rahmen des Befreiungskrieges gegen Napoleon sein Hauptquartier für zwei Tage eingerichtet. Seit 1913 ist daher in diesen Räumen ein von der Stadt als Mieterin betriebenes, sog. "Blücher-Museum" mit einer Ausstellung von Erinnerungsstücken an Blücher und die Freiheitskriege eingerichtet. Nachdem der Betroffene das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs 1979 gekündigt hatte, wurde das Gebäude einschließlich des Treppenhauses und der drei Schauräume des Blücher-Museums mit deren gesamten Inventar zum Kulturdenkmal erklärt und unter Denkmalschutz gestellt, "mit der Maßgabe, daß das Blücher-Museum in den jetzigen Räumen belassen werden muß". Der Widerspruch des Betroffenen blieb ohne Erfolg. Daraufhin verkaufte er das Gebäude, dessen Verkehrswert vor der Unterschutzstellung auf 260.000 D M geschätzt worden war, zu einem Preis von 210.000 DM. In Höhe der Differenz beantragte er eine Entschädigung. Diese wurde ihm zuächst von der Entschädigungsbehörde zuerkannt, auf den Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Landes hin, den das Landgericht zunächst zurückgewiesen hatte, wurde der Entschädigungsantrag jedoch in der Berufungsinstanz zurückgewiesen. Der BGH sah in der mit der Unterschutzstellung verbundenen Anordnung, das Museum auch weiterhin zu dulden, ein zwangsweises Nutzungsverhältnis mit der Stadt, das den Betroffenen über die Grenzen der Sozialpflichtigkeit hinaus belaste, daher ent-

149

NVwZ-RR 1989, S. 232 (236 f.).

314

7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

eignende Wirkung habe und deshalb nach § 31 rhpfDSchG (sog. salvatorische Entschädigungsklausel) zu entschädigen sei. Aus diesem Grund hob der BGH die Berufungsentscheidung auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück. Unter Hinweis auf die ausdrückliche gesetzliche Normierung des Entschädigungsanspruches in § 31 rhpfDSchG hielt der BGH den Betroffenen im übrigen nicht für verpflichtet, die zugrundeliegende hoheitliche Maßnahme wegen eventueller Rechtswidrigkeit anzufechten; im Gegenteil, es könne sofort Entschädigung verlangt werden.

Die Frage, ob in diesem Fall tatsächlich keine Pflicht zum Primärrechtsschutz besteht, zunächst offen gelassen, soll hier geprüft werden, zu welchem Ergebnis eine solche, nach dem erfolglosen Widerspruch im Wege des Primärrechtsschutzes erhobene verwaltungsgerichtliche Anfechtungsklage gegen den behördlichen Bescheid führt. Im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der behördlichen Anordnung sind zwei Fragen zu unterscheiden: zum einen die Rechtmäßigkeit der Unterschutzstellung an sich und zum anderen die Wirksamkeit der damit verbundenen - aber getrennt zu beurteilenden weiteren Anordnung, das Museum in seinen Räumen zu belassen. Die Unterschutzstellung selbst ist grundsätzlich, wie bereits oben in I 1, S. 231 ff. (vgl. auch unten Ziff. 4), ausgeführt, eine verhältnismäßige und damit im Rahmen der Sozialbindung entschädigungslos hinzunehmende Inhalts- und Schrankenbestimmung. Mit ihr ist lediglich eine Verfahrenspflichtigkeit verbunden, die sich aus den dann geltenden präventiven Genehmigungsvorbehalte und der unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit stehenden Erhaltungspflicht sowie gewisser Nebenpflichten ergibt. Die Unterschutzstellung selbst ist - sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Denkmales gegeben sind, woran im vorliegenden Fall keine Zweifel bestehen - daher rechtmäßig ergangen. Somit kommt es auf die Wirksamkeit des zugleich angeordneten "Nutzungsgebotes" an. Eine Ermächtigungnorm, nach der der Erlaß eines Nutzungsgebotes oder einer Nutzungsbeschränkung möglich ist, wie es sie in einigen anderen Denkmalschutzgesetze gibt, enthält das rhpfDSchG nicht. Daher kommt als Ermächtigungsgrundlage für diese Anordnung allenfalls § 13 Abs. 1 Nr. 2 rhpfDSchG in Frage, wonach die Umgestaltung oder Bestandsveränderung eines Kulturdenkmales unter Genehmigungspflicht steht. Anders als unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 1 rhpfDSchG (dazu unten Fall Nr. 4) findet sich für die Fallgruppe des § 13 Abs. 1 Nr. 2 rhpfDSchG keine näheren Vorgaben im Gesetz. Deshalb und weil dieser Teil der Norm als Inhalts- und Schrankenbestimmung nur dann dem Verhältnismäßigkeitsgebot des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG entspricht, gilt auch hier der Vorbehalt der Zumutbarkeit nach § 2 rhpfDSchG, wie bereits oben in 13 (S. 256) festgestellt wurde. Damit stellt sich auch hier die Frage nach der Zumutbarkeit des Nutzungsgebotes. Dabei geht es nicht mehr nur darum, welcher Ertrag im Verhältnis

V. Ausgewählte Fallbeispiele aus der Rechtsprechung

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zum Aufwand erzielt werden kann - obwohl auch das eine Rolle spielt, denn aufgrund des "zwangsweisen Nutzungsverhältnisses" (BGH) ist der Betroffene hinsichtlich einer angemessenen Höhe des Nutzungsentgeltes einseitig von der begünstigten Stadt abhängig -, sondern im Vordergrund steht die Frage, wie der Ausschluß jeglicher anderweitiger Nutzungsmöglichkeiten zu qualifizieren ist, der sich gerade daraus ergibt, daß die beabsichtigte Eigennutzung des Betroffenen nicht mehr möglich ist. In einem solchen Fall kommt der denkmalschutzrechtliche Zumutbarkeitsvorbehalt an seine Grenzen, und es zeigt sich ein Problem, das das gesamte dargestellte Schema des Art. 14 GG betrifft: An sich geht es bei der zugrundeliegenden Regelung im Grundsatz nur um eine bloße Beschränkung des Eigentums. Es handelt sich mithin um eine inhalts- und schrankenbestimmende Regelung, die dem Verhältnismäßigkeitserfordernis des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG unterliegt. Der im konkreten Fall vorliegende (teilweise) Ausschluß der Nutzungsmöglichkeiten geht jedoch über eine bloße Beschränkung des Eigentums hinaus, denn die betreffenden Räume des Museums sollen - unabhängig von der Frage eines etwaigen Nutzungsentgeltes - für immer zur Verfügung gestellt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Damit ist eine anderweitige und insbesondere eigene Nutzung durch den Eigentümer völlig ausgeschlossen. Hier ist und bleibt der Rechtsinhaber zwar rechtlich Eigentümer auch der betroffenen Räume, das grundsätzliche Zuordnungsverhältnis bleibt also bestehen, die Nutzungsbefugnis ist ihm jedoch vollständig entzogen. Da das Anwesen wegen dieser Nutzungsbeschränkung in seinem Wert um ca. ein Fünftel gemindert ist, wurde hierdurch auch die Veräußerungsbefugnis wesentlich beeinträchtigt. Da mithin dieser Teil des Hauses überhaupt nicht mehr privatnützig verwandt werden kann, die Situation also durchaus einer dinglichen oder obligatorischen Belastung oder Beschränkung (vgl. oben § 4 III 6, S. 146 ff.) vergleichbar ist, liegt eine teilweise Entziehung einer Eigentumsposition vor. Es stellt sich daher nicht mehr die Frage der denkmalschutzrechtlichen Zumutbarkeit bzw. Verhältnismäßigkeit i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, daher ist auch die bislang zugrundegelegte Norm, § 13 rhpfDSchG, nicht einschlägig, sondern eine solche Eigentumsentziehung wäre allenfalls unter den Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG im Wege eines förmlichen Enteignungsverfahrens zulässig. Ein solches ist jedoch hier nicht durchgeführt worden und - was wesentlich bedeutsamer ist - es ist darüber hinaus auch im Gesetz, wie nach der Junktimklausel des Art. 14 Abs. 3 GG erforderlich, für solche Fälle eine Enteignung gar nicht vorgesehen. § 31 rhpfDSchG, die sog. salvatorische Entschädigungsklausel, scheidet, da sie nach überwiegender Ansicht den Erfordernissen des Art. 14 Abs. 3 GG nicht genügt, als Grundlage für eine Enteignungsentschädigung aus (vgl. oben IV 3, S. 306 ff.). Diese Norm kann darüber hinaus - unabhängig von der hier vertretenen Verfassungswidrigkeit der gesamten Norm (vgl. oben I I 3, S. 294 ff.) - in diesem Fall auch nicht als

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Ausgleichsentschädigungsregelung herangezogen werden, weil es gerade nicht mehr um eine bloß beschränkende Inhalts- und Schrankenbestimmung, sondern weil es bereits um einen Teilentzug des Eigentums geht. Da es somit keine Rechtsgrundlage fur die zu überprüfende behördliche Anordnung gibt, soweit sie die Maßgabe der Belassung des Museums in seinen Räumen enthält, verstößt die Verfügung gegen Art. 14 Abs. 1 und Abs. 3 GG. Die über die bloße Unterschutzstellung hinausgehende Anordnung wäre deshalb im Wege der verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage aufzuheben gewesen. Für eine Entschädigung bleibt daneben aus verfassungsrechtlicher Sicht kein Raum mehr. Dieses Ergebnis zeigt, daß der BGH, sofern er die Gewährung einer Entschädigung auf die sog. salvatorischen Entschädigungsklauseln stützt, selbst wenn er diese, wie auch den sog. enteignungsgleichen Eingriff sowie den sog. enteignenden Eingriff, nicht in Art. 14 GG sondern im allgemeinen Aufopferungsgedanken verankert, letztlich doch in die innere Systematik des Art. 14 GG eingreift und diese, d.h. vor allem den grundrechtlichen Abwehranspruch über die Entschädigungsgewährung, aus den Angeln hebt. Nach wie vor ist deshalb am Gebot des Primärrechtsschutzes festzuhalten, vor allem auch deshalb, weil die sog. salvatorischen Entschädigungsklauseln keine Grundlage für die Entschädigung einer Enteignung sind, sondern allenfalls - nach hier bestrittener Auffassung - eine Ausgleichsentschädigung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG begründen könnte, deren Gewährung dann aber in jedem Falle Sache der Behörden und der Verwaltungsgerichte wäre (vgl. oben § 4 I I I 9, S. 162 f., und passim)150. 3. Steinzeitsiedlung und Sandabbauverbot - BGHZ 105, 15 Der Eigentümer von Grundstücken mit abbauwürdigen Sandvorkommen betrieb aufgrund einer ihm erteilten Baugenehmigung dort bereits seit 10 Jahren eine Sandgrube. Im Zuge des Sandabbaues wurden 1982 in der Grube u.a. Überreste einer Siedlung aus der Jungsteinzeit (4. - 5. Jahrhundert v. Chr.) gefunden, weshalb der Eigentümer seine Abbauarbeiten einstellte. Von der zuständigen Behörde wurde daraufhin der Sandabbau in bestimmten Teilen der Sandgrube vorübergehend untersagt. Nach Beendigung der dann von der Fachbehörde durchgeführten Ausgrabungsarbeiten wurden die betroffenen Grundstücksteile jeweils schrittweise zum Sandabbau wieder freigegeben. Erst 1985 stand dem Eigentümer das gesamte Gelände wieder zur freien Verfügung. Er begehrte sodann Entschädigung für die durch die vorübergehende Verhinderung des Sandabbaus hervorgerufenen Vermögenseinbußen. ICQ

Vgl. auch die Kritik von Ossenbühl, Der Anspruch wegen rechtswidriger Eigentumsverletzung (enteignungsgleichen Eingriffs), in: FS Willi Geiger, 1989, S. 475 (479, 493 f.); ders., Staatshaftungsrecht, 4. Aufl. 1991, S. 192, 224; und vor allem Schmaltz , Urteilsanmerkung, DVB1.1987, S. 571 ff. - Anderer Ansicht, jedoch aus verfassungsrechtlicher Sicht kaum haltbar, Moench, Die Entwicklung des Denkmalschutzrechts, NVwZ 1988, S. 304 (312 f.).

V. Ausgewählte Fallbeispiele aus der Rechtsprechung

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Der BGH bestätigte die zusprechende Entscheidung des Berufungsgerichtes auf der Grundlage der salvatorischen Entschädigungsklausel des S 24 bwDSchG unter Anwendung der Grundsätze, die der BGH bereits früher für die Festlegung der Opfergrenze bei Anliegerbeeinträchtigungen durch Bauarbeiten für U- und S-Bahnen und vergleichbare Bauarbeiten aufgestellt hatte.

Auch hier ist zuerst zu fragen, ob die zugrundeliegende Anordnung rechtmäßig ist und ob der Betroffene nicht im Wege des Primärrechtsschutzes dagegen hätte vorgehen können oder müssen. Rechtsgrundlage für die Bergung und Auswertung von Funden ist § 20 Abs. 2 bwDSchG. Auf dieser Grundlage darf im Grundsatz auch, wie geschehen, nach § 7 Abs. 1 bwDSchG der Sandabbau zeitweilig untersagt werden. Allerdings steht diese Entscheidung im Ermessen der Behörde. Das bedeutet, sie darf solche Maßnahmen aufgrund der genannten Vorschriften, die nur als inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen mit Art. 14 GG vereinbar sein können, nur erlassen, wenn sie verhältnismäßig i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sind, d.h. insbesondere wenn die Privatnützigkeit und grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers bestehen bleiben. Dem entsprechen grundsätzlich nur Anordnungen, die zeitlich befristet sind. Die Behörde hätte sich demnach bereits bei Erlaß der Untersagungsanordnung Gedanken machen müssen, wie lange dem betroffenen Eigentümer eine solche Beschränkung seines Sandabbaubetriebes im Rahmen seiner Sozialbindung entschädigungslos auferlegt werden kann. Eine solche ex-ante-Betrachtung ist angesichts der hier gegebenen Kenntnis aller relevanten Faktoren über den laufenden Betrieb und den Fundort unter Berücksichtigimg des Umfanges der Beeinträchtigungen und der dabei voraussichtlich entfallenden Einnahmen durchaus möglich - anders als in den U-Bahnfällen, in denen möglicherweise eine Vielzahl unbekannter oder schwer einzuschätzender Faktoren eine Rolle spielen151. Die Behörde muß sich der Frage der Eingriffstiefe im vorliegenden Fall sowieso stellen, denn § 25 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 bwDSchG läßt ausdrücklich eine Enteignung zugunsten der Auswertung von Funden und zum Zwecke planmäßiger Nachforschungen zu. Sofern die Behörde eine solche Enteignung durchführen wollte, müßte sie dies ebenfalls möglichst schnell entscheiden und das Enteignungsverfahren zumindest in die Wege leiten. So wie der BGH im vorliegenden Fall nachträglich festgestellt hat, daß der Betroffene die in den ersten sechs Monaten erlittenen Vermögens-

131 Die Anknüpfung an die Rechtsprechung des BGH zu den U- und S-Bahnfallen (es wird ausdrücklich BGHZ 57, 359 - Frankfurter U-Bahnbau - in Bezug genommen) ist insofern bedenklich, als die jeweilige Ausgangssituation unterschiedlich ist. In den U-Bahnfallen handelte es sich gerade nicht, wie hier bei der Untersagung des Sandabbaus, um konkret beabsichtigte, konkret vorhersehbare und vor allem die von der behördlichen Anordnung unmittelbar Betroffenen selbst und direkt schädigende Maßnahmen. Denn dort behinderte die Straßensperrung vor allem die Kunden, deren Wegbleiben sodann zu einem Rückgang der Einnahmen bei

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S 7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

einbüßen im Rahmen der Sozialbindung entschädigungslos hinzunehmen habe, hätte dies auch die entscheidende Behörde bereits vor Erlaß ihrer Anordnung beurteilen können. Ist damals bereits absehbar gewesen, daß die erforderlichen Grabungen der Fachbehörde einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen, so hätte die Verhältnismäßigkeit der Untersagungsanordnung fur einen gewissen Zeitraum noch unter Gewährung von Zuschüssen sofern dies für diesen Zweck zulässig und gesetzlich vorgesehen gewesen ist (vgl. oben II, S. 286 ff.) - hergestellt werden können. Soweit die genaue Dauer der Forschungsarbeiten nicht von Anfang an absehbar ist, könnte die Behörde auch mehrere hintereinander geschaltete, je nach Ausgangssituation und Verhältnismäßigkeit jeweils entsprechend zeitlich befristete Verfügungen erlassen. Sofern dies als konkretisierende Anordnung der Inhaltsund Schrankenbestimmung nicht mehr verhältnismäßig ist, könnte das Eigentumsrecht an den entsprechenden Grundstücksteilen als vollständiger Entzug oder das entsprechende Nutzungs- und Abbaurecht als Teilentzug über § 25 bwDSchG in einem förmlichen Verfahren enteignet werden. Für den vorliegenden Fall zeigt dies, daß auch hier Rechtsschutz im Wege des Primärrechtsschutzes über ein verwaltungsgerichtliche Anfechtungsklage des belasteten Eigentümers möglich und deshalb geboten gewesen wäre. 4. Hamburger Gründerzeitvilla

- BGHZ HO, 12

Die Eigentümerin zweier Grundstücke mit einer darauf um 1880 errichteten Gründerzeitvilla hatte beabsichtigt, die Villa abzureißen und die Grundstücke als Baufläche für Eigentumswohnungen zu verwenden. Nachdem sie dafür einen Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheides gestellt hatte, wurde zunächst die vorläufige und bald darauf die endgültige Unterschutzstellung des Bauwerkes angeordnet. Der gegen diese beiden Verfügungen eingelegte Widerspruch wurde mit der Begründung zurückgewiesen, der Abriß der Villa sei nicht zu rechtfertigen. Daraufhin erhob die Eigentümerin verwaltungsgerichtliche Anfechtungsklage. Bevor das Verwaltungsgericht entschieden hatte, erklärten die Beteiligten Ende 1983 die Hauptsache für erledigt. Die Eigentümerin hatte sich zwischenzeitlich zu einer baulichen Nutzung entschlossen, bei der die Villa erhalten blieb. Die Eigentümerin begehrte nun vor den Zivilgerichten Entschädigung dafür, daß die Villa unter Schutz gestellt worden war, um den geplanten Abriß des Gebäudes zu verhindern. Dadurch habe der Grundbesitz nicht in der geplanten, wirtschaftlich vernünftigen Weise bebaut werden können, was zu einer Einbuße von mehr als 1,4 Mio D M geführt habe. Die Klage wurde in allen Instanzen abgewiesen. Der BGH stellte dabei maßgeblich - ausdrücklich in Anlehnung an BVerfGE 58, 300 - über den Rechtsgedanken des § 254 BGB darauf ab, daß "dem von einem rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff in sein Eigentum Betroffenen nicht die freie Wahl derart zu[steht], ob er den Eingriff mit den dafür vorgesehenen Rechtsmitteln abwehren oder ihn hinnehmen und statt dessen

den Ladeninhabern führte; die Untersagung des Sandabbaus erfolgte hingegen gegenüber dem betroffenen Unternehmer selbst).

V. Ausgewählte Fallbeispiele aus der Rechtsprechung

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eine Entschädigung verlangen will". Als potentielle Rechtsgrundlage für einen Entschädigungsanspruch wurde 9 22 Abs. 1 hambDSchG zugrundegelegt.

Diese Entscheidung zugunsten des verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutzes entspricht voll und ganz der hier vertretenen Auffassung, nach der ausschließlich der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ggf. im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage zu beschreiten ist, soweit und solange es um Grundrechtseingriffe geht. Sollte ein Verstoß gegen Art. 14 GG vorliegen, so muß dieser ggf. durch Klage vor dem Verwaltungsgericht abgewehrt werden. Hier hätte die Klägerin mithin gegen die Unterschutzstellungsverfügung und das damit verbundene Abrißverbot vorgehen müssen - wie dies auch ursprünglich geschehen ist, bevor die Klage dann grob fahrlässig für erledigt erklärt worden ist. Die Unterschutzstellung stellt, wie oben in 11 b, insbesondere S. 238 ff., ausgeführt, für sich betrachtet lediglich eine entschädigungslos hinzunehmende Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums dar. Für die Bewertung des isoliert zu betrachtenden Abrißverbotes kommt es darauf an, ob dieses im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung aller finanziellen Vergünstigungen und vor allem der Einnahmemöglichkeiten, die das nicht abgerissene Gebäude bei Ausschöpfung aller denkmalschutzrechtlich zulässigen Umbaumöglichkeiten bot, noch verhältnismäßig i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG war. Verglichen werden muß dabei nicht der jeweilige vor und nach dem Verbot potentiell erzielbare Verkaufserlös, sondern die verbliebenen Nutzungsmöglichkeiten und die potentiell erzielbaren Nutzungserträgen zu dem erforderlichen Erhaltungs- und ggf. Umbauaufwand werden in Beziehung zueinander gesetzt (vgl. oben I 2, S. 247 ff.). Dabei ist im Hinblick auf die Rechtslage in Hamburg zu differenzieren: Sofern das angeordnete Abrißverbot zwar an sich nicht mehr verhältnismäßig i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG war, sich die Verhältnismäßigkeit jedoch durch eine Ausgleichsentschädigung noch herstellen ließ (es sich also grundsätzlich nur um eine Beschränkung und noch nicht um einen Entzug von Eigentumspositionen handelte), ist § 22 hambDSchG einschlägig, der ausdrücklich für den Fall eines Abrißverbotes einen Entschädigungsanspruch konstituiert. Diese Regelung stellt, soweit sie bloß beschränkende Regelungen und Anordnungen betrifft, nach hiesiger Auffassung eine gesetzliche Ausgleichsentschädigungsregelung dar (siehe oben in I I 2, S. 291 f.). Der Betroffene bräuchte deshalb nicht einmal das Abrißverbot anzufechten, sondern könnte sofort das Entschädigungsverfahren betreiben und eine Ausgleichsentschädigung ggf. direkt einklagen. Sofern allerdings auch unter Berücksichtigung dieser Ausgleichsentschädigungsmöglichkeit von vornherein keine "zumutbare", d.h. verhältnismäßige Nutzung mehr möglich gewesen sein sollte (was aber im konkreten Fall zu bezweifeln ist, da die Eigentümerin von sich aus ihre Pläne geändert und das Gebäude anderweitig genutzt hat), handelte es sich bei dem angeordneten Abrißverbot

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7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

um eine verfassungswidrige Inhalts- und Schrankenbestimmung, gegen die die Klägerin nur im Wege des Primärrechtsschutzes vorgehen konnte. Eine solche Anordnung wäre nur im Wege der (Teil-) Enteignung zulässig gewesen, die jedoch im konkreten Fall nicht erfolgt ist. Auf der Grundlage des § 22 hambDSchG könnte eine solche Enteignung allerdings nicht erfolgen, denn als "Enteignungsregelung" entspricht diese Norm, wie oben in IV 2, S. 305 gezeigt, nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG. Dies zeigt, daß die Eigentümerin unabhängig von ihrem Entschluß, die beabsichtigte bauliche Nutzung zu ändern, die vor den Verwaltungsgerichten erhobene Anfechtungsklage weiter betreiben und hilfsweise einen Antrag auf Entschädigung nach § hambDSchG hätte stellen müssen. Da dies nicht geschehen ist, hat sich die Betroffene ihrer Rechte begeben. Gerade dieser Fall zeigt, daß die betroffenen Eigentümer keine Nachteile durch das Gebot des Primärrechtsschutzes hinzunehmen haben. Im konkreten Fall stellt sich allenfalls die Frage, ob die Eigentümerin bereits Ende des Jahres 1983 um diese Weiterentwicklung der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik wissen und die Konsequenzen überblicken konnte152. Das wird wohl, da die Naßauskiesungsentscheidung bereits 1981 ergangen ist und im Jahre 1983 in einer Reihe von Literaturbeiträgen die Ansicht geäußert wurde, damit sei das Ende der BGH-Rechtsprechung zum enteignenden und zum enteignungsgleichen Eingriff eingeläutet, zu bejahen sein. Diese Entscheidimg des BGH zum Primärrechtsschutz hat allerdings nur eingeschränkte Auswirkungen auf seine sonstige Rechtsprechung insbesondere zu den salvatorischen Entschädigungsklauseln. Der BGH hat seine diesbezügliche Rechtsprechung nicht ausdrücklich aufgegeben, sondern er konnte sie hier nicht anwenden, weil er davon ausging, daß die zugrundegelegte mögliche Anspruchsgrundlage des § 22 Abs. 1 hambDSchG lediglich auf rechtmäßige Maßnahmen Anwendung findet. Die Besonderheit der Verfahrenslage im vorliegenden Fall bestand darin, daß über eine Entschädigung, die nach landesrechtlichen Vorschriften jedenfalls für den Fall der Rechtmäßigkeit des Abrißverbotes zu gewähren ist, nicht judiziert werden konnte, weil das entsprechende Verfahren vor der Enteignungsbehörde noch gar nicht stattgefunden hatte. Festgeschrieben wurde in dieser Entscheidung auch für die Zivilgerichte, insofern aber unbedingt zu begrüßen, nur der Vorrang des Primärrechtsschutzes bei dem (auf rechtswidrige Maßnahmen bezogenen) enteignungsgleichen Eingriff 153.

152 153

Gegen die Entscheidung des BGH liegt denn auch eine Verfassungsbeschwerde vor.

Siehe auch, ebenfalls zustimmend, Hermes, Entschädigung und Vorrang verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, NVwZ 1990, S. 733 f.

VI. Gesamtwürdigung

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VI· Gesamtwürdigung Damit hat diese Analyse ergeben, daß die Normen der Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung in der Regel durchaus mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 14 GG in Einklang zu bringen sind. Beim Normativprinzip und beim Eintragungsprinzip sowie der vorläufigen Unterschutzstellung stellt die erstmalige Erfassung eines Objektes als Denkmal, die damit zugleich die grundsätzliche Anwendbarkeit der Denkmalschutzgesetze begründet, sowohl abstrakt im Hinblick auf das objektive Recht als auch auch hinsichtlich der bereits bestehenden, konkret zugeordneten Eigentumspositionen eine verhältnismäßige und damit ausreichend legitimierte Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums dar. Bei beiden Rechtssystemen ergibt sich die verfassungsrechtliche Legitimation aus dem Stellenwert des Denkmalschutzes als einem gewichtigen Gemeinwohlbelang, der sich aus den in den Gesetzen und teilweise auch in den Verfassungen enthaltenen Zweckbestimmungen herleiten läßt. Die erstmalige Erfassung des Denkmales ist unter der Voraussetzung verhältnismäßig, daß auch die jeweils ohne gesonderte, weitere Anordnung sofort bei Anwendung des Denkmalschutzgesetzes geltenden Pflichten, Genehmigungsvorbehalte, Verbote und Gebote ihrerseits verfassungsmäßige Regelungen sind. Der Denkmalschutz hat sich im wesentlichen an gesetzlichen Vorgaben zu orientieren, die als Hauptregelungen die Erhaltungspflicht, Genehmigungsvorbehalte und Veränderungsverbote enthalten, und damit in der überwiegenden Zahl der Fälle lediglich Beschränkungen des Eigentums bewirken, die also als Inhalts- und Schrankenbestimmungen zu qualifizieren sind. Auch andere Regelungen, wie die Eingriffsermächtigungen, Nutzungsgebote oder Nutzungsbeschränkungen sind als bloße Beschränkungen ebenfalls bei den Inhalts- und Schrankenbestimmungen angesiedelt. Die Verhältnismäßigkeit dieser Pflichten und Regelungen resultiert in den meisten Denkmalschutzgesetzen daraus, daß die Gebote und Verbote je einzeln oder insgesamt unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit stehen. Allerdings gilt dies nur dann, wenn die denkmalschutzrechtliche Zumutbarkeit mit der Verhältnismäßigkeit i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gleichgesetzt wird und als solche nicht allein die wirtschaftliche Zumutbarkeit, sondern darüber hinaus auch noch die Angemessenheit der Maßnahme beinhaltet und wenn ferner als absolute Grenze gewährleistet ist, daß die Eigentumsstellung mit ihren wesentlichen Eigentumsbefugnissen (grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers, Privatnützigkeit) erhalten bleibt. Die wirtschaftlichen Auswirkungen einer beschränkenden Anordnungen sind daher zwar eine wesentliche Grundlage für die Ermittlung der Zumutbarkeit, sie sind jedoch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht der alleinige Maßstab, die weiteren 21 Melchinger

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7 Die Denkmalschutzgesetze und ihre Anwendung

Kriterien müssen ebenfalls erfüllt sein. Sind die Eigentumsbelastungen gemessen an diesen Vorgaben im Einzelfall unverhältnismäßig i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, so läßt sich die Verhältnismäßigkeit durch eine Ausgleichsentschädigung herstellen, falls dafür eine gesetzliche Grundlage vorhanden ist. In den Denkmalschutzgesetzen existieren solche Ausgleichsentschädigungsregelungen teilweise in der Form von Zuschuß- und Förderungsbestimmungen sowie als konkrete Entschädigungsansprüche, die tatbestandlich ganz bestimmte Sachverhalte erfassen, soweit die letztgenannten Regelungen den Bereich der Inhalts- und Schrankenbestimmungen betreffen. Sofern eine bloße Beschränkung des Eigentums vorliegt und auch mit Hilfe einer Kompensation durch eine Ausgleichsentschädigung die Verhältnismäßigkeit i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht erreicht werden kann, ist die entsprechende Maßnahme oder Anordnung rechts- und verfassungswidrig und muß im Wege des Primärrechtsschutzes abgewehrt werden. Nur wenn eine Eigentumsposition gegeben ist, die teilweise oder vollständig entzogen wird, ist eine Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG denkbar, die allerdings nach den dortigen Maßgaben durch entsprechende gesetzliche Bestimmungen für den jeweiligen Fall ausdrücklich zugelassen sein und im Wege eines eigenen, förmlichen Verfahrens erfolgen muß, wie es für bestimmte Fälle in allen Denkmalschutzgesetzen vorgesehen ist. Diesen Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG genügen jedoch die salvatorischen Entschädigungsklauseln überhaupt nicht und die in manchen Denkmalschutzgesetzen enthaltenen sog. konkreten Entschädigungsansprüche nur zum Teil. Selbst die eigentlichen Enteignungsvorschriften der Denkmalschutzgesetze (förmliche Enteignungen) erfüllen für sich betrachtet, also ohne die entsprechenden Landesenteignungsgesetze, die Vorgaben nicht ausnahmslos. Von Bedeutung ist ferner, daß die neben diesen Hauptpflichten bestehenden, teilweise an sie anknüpfenden, teilweise unabhängig davon vorgesehenen weiteren Verpflichtungen, wie Kennzeichnungspflichten, Betretungsund Zugangsrechte etc., in der Regel keine weitgehenden oder einschneidenden Beschränkungen des Eigentums darstellen. Einige der Nebenpflichten, wie die Anzeige- und Mitteilungspflichten sowie die Auskunftspflichten, liegen zudem schon gar nicht im Normanwendungsbereich des Art. 14 GG, sondern betreffen lediglich die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG. Der Normanwendungsbereich des Art. 14 GG ist gleichfalls nicht berührt, wenn Bestimmungen die Eigentumszuordnung regeln, wie das Schatzregal und das Vorkaufsrecht bezogen auf den potentiellen Erwerber. Hier hat der Betroffene lediglich eine noch nicht konkretisierte Chance zum Eigentumserwerb, die vom Schutzgegenstand des Art. 14 GG noch nicht erfaßt ist. In bezug auf den (Primär-) Rechtsschutz hat diese eigentumsrechtliche Bewertung folgende Auswirkungen beim Eintragungs- bzw. Unterschutz-

VI. Gesamtwürdigung

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stellungsverfahren sowie beim Normativprinzip: Die gesetzlichen Vorgaben für die Eintragung/Unterschutzstellung selbst sind verhältnismäßige Inhaltsund Schrankenbestimmungen, soweit die dann direkt und sofort sich aus dem Gesetz ergebenden bzw. geltenden Gebote und Verbote dem mit der Verhältnismäßigkeit im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gleichzusetzenden denkmalschutzrechtlichen Vorbehalt der Zumutbarkeit unterliegen. Insofern bedeutet Primärrechtsschutz vor allem die Überprüfung der Frage, ob die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen des Denkmalbegriffes im konkreten Einzelfall tatsächlich gegeben sind. Zugleich oder später ergehende Genehmigungsversagungen oder sonst belastende denkmalschutzrechtliche Anordnungen sind getrennt und unabhängig von der Eintragung zu beurteilen 154. Hier kommt es für die Rechtmäßigkeit der Maßnahme maßgeblich darauf an, ob die belastende Verfügung für sich betrachtet wiederum lediglich als verhältnismäßige Eigentumsbeschränkung (Inhalts- und Schrankenbestimmung) anzusehen ist, oder ob sie als (vollständig oder teilweise) eigentumsentziehende Maßnahme allenfalls im Wege einer förmlichen Enteignung in einem entsprechenden Verwaltungsverfahren verfassungsgemäß ist. Auch die Frage, ob und vor allem inwieweit die Erhaltung des Denkmales im Einzelfall zumutbar ist, stellt sich erst an dieser Stelle, also erst im Zusammenhang mit einer konkreten belastenden Anordnung oder Genehmigungsversagung (Veränderungsverbot), und spielt noch keine Rolle bei der Überprüfung allein der Eintragung/ Unterschutzstellung. Bei Geltung des Normativprinzips bedeutet Primärrechtsschutz in der Regel, daß der Betroffene "erst" gegen eine belastende behördliche Anordnung oder Genehmigungsversagung vorgehen kann. Im Unterschied zu der Trennung beim Eintragungs-/Unterschutzstellimgsverfahren ist beim Normativprinzip in diesem Rechtsschutzverfahren erstmalig und inzident zu prüfen, ob die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen des Denkmalbegriffes vorliegen. Das Gebot des Primärrechtsschutzes schützt den Eigentümer umfassend, da er zu große, d.h. im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums im Einzelfall nicht mehr hinzunehmende Belastungen lückenlos abwehren kann. Weitergehende Beschränkungen sind nur dann rechtmäßig, wenn dies für die konkrete Fallkonstellation gesetzlich zugelassen und zugleich ebenfalls gesetzlich - eine (Ausgleichs- oder Enteignungs-) Entschädigung für den Betroffenen vorgesehen ist. Soweit dies aus der vorgenommenen verfassungsrechtlichen Beurteilung der denkmalschutzgesetzlichen Normen und ihrer Anwendung durch die Rechtsprechung erkennbar ist, wird es im geltenden Denkmalschutzrecht kaum noch Fälle geben, die aus diesem Schema insofern herausfallen, als Vgl. etwa OVG Koblenz, U.v. 10.10.1985 - 1 A 71/84, aufgeführt bei Stich/Burhenne, Denkmalrecht der Länder und des Bundes, Stand 16. Lfrg. 1991, S. 771-32 (34 f.). 154

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gegen sie kein Primärrechtsschutz (Abwehr) möglich ist. Daher besteht fur dieses Rechtsgebiet künftig allenfalls noch am Rande ein Anwendungsbedarf für die vom BGH entwickelten Haftungsinstitute des sog. enteignenden Eingriffes oder des sog. enteignungsleichen Eingriffes sowie für die in manchen Denkmalschutzgesetzen enthaltenen sog. salvatorischen Entschädigungsklauseln. Letztere sind aber nach hier vertretener Auffassung schon deshalb nicht anwendbar, weil sie nicht mit dem System des grundrechtlichen Abwehrschutzes nach Art. 14 Abs. 1 und Abs. 3 GG zu vereinbaren lassen. Auch wenn die Denkmalschutzgesetze (abgesehen von unzulässigen Einzelregelungen, die es allerdings in allen Regelungsbereichen und in sämtlichen Ländern vor allem im Zusammenhang mit der Frage der Verhältnismäßigkeit nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sowie bei den Entschädigungen linci den Enteignungen gibt) insgesamt weitgehend den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 14 GG entsprechen, so zeigt die vorgenommene verfassungsrechtliche Analyse, daß das gegenwärtige System des gesetzlichen Denkmalschutzrechts auch zuweilen Defizite und Lücken aufweist. Das betrifft zum einen Übergangsbereiche, in denen an sich eine lediglich eigentumsbeschränkende Regelung und damit eine Inhalts- und Schrankenbestimmung vorliegt, die aber in manchen Einzelfällen so einschneidend wirken kann, daß nicht mehr nur das Eigentum beschränkt wird, sondern daß dann sogar ein (teilweiser) Entzug von Eigentumspositionen (Enteignung) gegeben ist. So ist es beispielsweise bei einem Nutzungsgebot oder einer Nutzungsbeschränkung, die an sich lediglich eine Eigentumsbeschränkung darstellen, denkbar, daß eine entsprechende Anordnung im konkreten Einzelfall so weit geht, daß zumindest in Teilbereichen Eigentumsbefugnisse entzogen werden. Es geht dabei nicht um das nach der Eigentumsdogmatik des BVerfG gerade nicht mehr zugelassene Umdeuten einer rechtswidrigen Inhalts- und Schrankenbestimmung in eine Enteignung, sondern um das entscheidende Zuordnungskriterium, nämlich die Frage, ob die konkret angeordnete Maßnahme lediglich beschränkenden oder schon eigentumsentziehenden Charakter hat. Eine solche Fallgestaltung hat etwa in dem oben in V 2, S. 313 ff., dargelegten Fall des Blücher-Museum vorgelegen. Die danach wegen des zumindest teilweisen Eigentumsentzugs vorliegende Enteignung ist jedoch nur zulässig, sofern das jeweilige Denkmalschutzgesetz für diese Fallgestaltung auch eine förmliche Enteignung vorsieht. Das ist jedoch in meisten Denkmalschutzgesetzen der Länder nicht der Fall. Das liegt allerdings wohl nicht daran, daß solche Anordnungen im Grundsatz überhaupt nicht zulässig sein sollten, sondern daran, daß man bei dem Erlaß der Denkmalschutzgesetze entsprechend der BGH-Rechtsprechung davon ausging, solche Sachverhalte könnten als 'enteignende Wirkungen' an sich zulässiger Anordnungen erfaßt und über die sog. salvatori-

VI. Gesamtwürdigung

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sehen Entschädigungsklauseln entschädigt werden. Da dies jedoch nach der jetzigen verfassungsrechtlichen Eigentums- und Enteignungsdogmatik nicht mehr möglich ist, sind solche Nutzungsgebote und -beschränkungen und vergleichbare Fallgestaltungen mit eigentumsentziehendem Charakter unzulässig. Für derartige Übergangsbereiche besteht damit de lege ferenda noch ein erheblicher Regelungsbedarf. Nicht ganz einfach ist jedoch die Antwort auf die Frage, wie solche Regelungen aussehen könnten. Es müßte eine Art Auffangnorm geschaffen werden, wenn auch nicht in der Art der bereits vorhandenen salvatorischen Klauseln, nach denen bei Eingriffen mit enteignender Wirkung eine Entschädigung gewährt werden soll. Erforderlich und ausreichend wäre eine Auffangformulierung, nach der dann, wenn an sich inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen bei der Anwendung im konkreten Einzelfall ausnahmweise eigentumsentziehend wirken würden, auch diese (weitergehenden) Eingriffe zulässig sein sollen, die dann jedoch im Wege eines förmlichen Enteignungsverfahrens durchgeführt werden müssen. Dem Einwand, hier fehle die Tatbestandsbestimmtheit, könnte zum einen begegnet werden, indem alle Fälle, die von dieser Regelung erfaßt sein sollen, einzeln aufgeführt werden. Das ist durch Verweisungen innerhalb eines Denkmalschutzgesetzes ohne größeren Aufwand realisierbar, wie bereits manche Vorschriften de lege lata zeigen, z.B. § 25 Abs. 1 shDSchG (abgedruckt oben in I I 2, S. 291). Die andere Möglichkeit wäre, auch für diesen Bereich entsprechende salvatorische Klauseln (nicht Entschädigungsklauseln) zuzulassen und den Einwand der Unbestimmtheit durch Verweis auf den engen Zusammenhang mit den vorhandenen und insoweit auch bestimmten inhalts- und schrankenbestimmendenen Regelungen zu entkräften. Der erstgenannte Vorschlag ist allerdings am wenigsten angreifbar und daher vorzugswürdig. Eine weitere Schwachstelle hat sich auch im Fall des Sandabbauverbotes zur Sicherung der Überreste einer Jungsteinzeitsiedlung (BGHZ 105, 15), oben V 3, S. 316 ff., gezeigt. So, wie auch angesichts der U-Bahn- und Straßenbaufälle in viele Straßengesetze sehr detaillierte und ausgewogene Regelungen über Entschädigungen von durch unterbrochene Zufahrten beeinträchtigten Anlieger(betriebe)n aufgenommen worden sind155, könnten auch in die Denkmalschutzgesetze entsprechende Regelungen über eine Entschädigung für Beeinträchtigungen durch längerdauernde - und damit nicht mehr im Rahmen der Sozialbindung entschädigungslos hinzunehmende - Sicherungs- und Grabungsarbeiten eingefügt werden. Es ist gerade in bezug auf den Denkmalschutz schon früh und wiederholt die Feststellung getroffen worden, durch die eigentumsdogmatische Sicht 155

Vgl. z.B. § 8 a Abs. 5 (B)FStrG; § 15 Abs. 3 bwStrG; § 20 Abs. 6 nwStrWG; § 39 Abs. 3 rhpfStrG.

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des BVerfG ändere sich der Sache nach an der schon immer bestehenden Abgrenzungsproblematik auch künftig nichts, denn sie habe sich "lediglich" von der Abgrenzung Sozialbindung - Enteignung unter Zuhilfenahme der sog. Enteignungsschwelle hin zu der Frage der verhältnismäßigen oder unverhältnismäßigen Inhalts- und Schrankenbestimmung verschoben156. Die durchgeführte Analyse der denkmalschutzrechtlichen Normen und deren Anwendung aus dem Blickwinkel der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik zeigt aber gerade, daß dies nur eine verkürzte Sichtweise ist. Zum einen ist nach wie vor in einem ersten Schritt die Eigentumsbelastung zunächst entweder als im Grundsatz bloß beschränkende Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 GG oder - wegen ihres von Anfang an auf einen Eigentumsentzug zielenden Charakters - als Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG einzuordnen. Zum anderen ist es zwar zutreffend, daß innerhalb der Inhalts- und Schrankenbestimmung nunmehr der Schwerpunkt bei der Frage der Verhältnismäßigkeit i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und somit im Denkmalschutzrecht bei der denkmalschutzrechtlichen Zumutbarkeit liegt. Doch gerade daraus ergibt sich eine wesentliche Veränderung gegenüber dem früheren Vorgehen. Denn die denkmalschutzrechtliche Zumutbarkeit bzw. Verhältnismäßigkeit i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist Voraussetzung für die Wirksamkeit der jeweiligen behördlichen Anordnung. Das bedeutet insbesondere, daß die Möglichkeit, die Zumutbarkeit/Verhältnismäßigkeit mit Hilfe einer Ausgleichsentschädigungsregelung herzustellen, bereits bei Erlaß der belastenden Verfügung und zusammen mit dieser geprüft werden muß. Somit wird der gesamte Komplex der Entschädigungsfrage deutlich vor und in die eigentliche behördliche Entscheidung hinein verlagert. Die bislang erst nachträglich gewährten Entschädigungen aus dem sog. enteignungsgleichen Eingriff, dem sog. enteignenden Eingriff oder speziell im Denkmalschutzrecht über die sog. salvatorischen Entschädigungsklauseln können daher - soweit sie überhaupt noch in das verfassungsrechtliche System der Eigentums- und Enteignungsdogmatik passen - allenfalls noch in Ausnahmefällen relevant sein. Deshalb wird künftig dem verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutz auch im Hinblick auf eine etwaige finanzielle Kompensation die maßgebliche Bedeutung zukommen.

156 So bereits Battis/Schmittat, Rechtsfragen des Denkmalschutzes, NuR 1983, S. 102 (107); noch immer vertreten z.B. von Moench, Die Entwicklung des Denkmalschutzrechts, NVwZ 1988, S. 304 (312); und andere.

Fünfter Teil

Schluß §8 Zusammenfassung I. Zur historischen Entwicklung Obwohl es bereits vereinzelt im 18. Jahrhundert und vor allem im 19. Jahrhundert Erlasse und Verordnungen der Obrigkeit zu Schutz und Pflege von Denkmalen gibt, bestehen zu jener Zeit noch keine Regelungen im denkmalschutzrechtlichen Bereich, die ausdrücklich die Rechte privater Dritter betreffen. Sie sind zunächst auch aus zwei Gründen nicht erforderlich: Zum einen betrifft, entsprechend der damaligen Beschränkung auf die ästhetische Sicht und damit meist auf Kunstwerke, die Denkmalpflege in jener Zeit zunächst - neben den Bodenfunden - nur Gebäude und bewegliche Gegenstände im Eigentum der Herrscher und des Staates. Zum anderen lassen die allgemeinen Eingriffsbefugnisse des Polizeirechts nach damaligem Verständnis auch Zwangseingriffe zu Wohlfahrtszwecken zu. Durch einen Wandel im Begriffsverständnis der Denkmalpflege hin zu einem objektiven, wissenschaftlichen Ansatz gegen Ende des 19. Jahrhunderts, durch den alle Kulturgegenstände und damit auch Gegenstände, die sich im Eigentum Privater befinden, erfaßt werden, gelangen die schon zum Teil vorhandenen (verfassungsrechtlichen Verbürgungen des Eigentums auch für den denkmalschutzrechtlichen Bereich zu Bedeutung. Diese Verbürgungen sind noch keine Grundrechte im heutigen Sinne, sondern nur normative, vorwiegend für die Gesetzgebung geltende Grundsätze. Sie garantieren auch - entgegen so manch verklärendem Rückblick - rechtlich keine vollkommen freie Verfügungsgewalt über das Eigentum, sondern räumen dem Gesetzgeber zum Teil recht weitgehende Eingriffsbefugnisse ein, die jedoch aus tatsächlichen und politischen Gründen nicht vollständig ausgeschöpft werden konnten. Hinzu kommt, daß aufgrund der allgemeinen polizei- und verwaltungsrechtsdogmatischen Entwicklung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Verfolgung wohlfahrtsstaatlicher Zwecke auf der Grundlage der Generalermächtigung zur allgemeinen Gefahrenab-

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§8 Zusammenfassung

wehr nicht mehr möglich und daher aus dem angestammten Kompetenzbereich der allgemeinen Polizeigewalt herausgenommen ist. Dadurch wird es erforderlich, den zur Wohlfahrtsförderung und nicht zur Gefahrenabwehr gehörenden Bereich des Denkmalschutzes durch spezielle Gesetze zu regeln. Demgemäß enthalten die zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlassenen, ersten - sog. 'modernen' - Denkmalschutzgesetze (Hessen-Darmstadt, Oldenburg u.a.) erstmals auch Schutzanordnungen für Baudenkmäler im Eigentum von Privatpersonen. Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 garantiert zwar das Eigentum und enthält eine Regelung zur Enteignung (Art. 153 Abs. 1 und 2 WRV) jeweils als unmittelbar wirksame Rechtssätze (subjektive Rechte), dies ist jedoch mit dem grundlegenden Nachteil behaftet, daß die Eigentumsgarantie auf unterschiedlichen Wegen ausgehöhlt oder sogar suspendiert werden kann, wie es dann auch durch die sog. Reichstagsbrandverordnung 1933 geschieht. In der Rechtsprechung des Reichsgerichts wird die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie durch einen sehr weiten Enteignungsbegriff ausgedehnt mit der Folge, daß z.B. im sog. Galgenberg-Verîahien 1927 die Eintragung in die Denkmalliste als Enteignung angesehen wird und der Eigentümer wegen des darauf beruhenden Veränderungsverbots vom Staat zu entschädigen ist. Dies geschieht, obwohl Art. 150 WRV eine Schutzaussagen zugunsten des Denkmalschutzes enthält und trotz der damals schon vorhandenen Sozialbindungsklausel des Art. 153 Abs. 3 WRV, denn beide Regelungen waren nach damaligem Verständnis nur Programmsätze ohne bindenden Charakter.

II. Zur Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik ist die bereits im Wortlaut des Art. 14 GG niedergelegte Unterscheidung zwischen der Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 GG und der Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG, die nach der vom BVerfG entwickelten Dogmatik einerseits anhand der Abgrenzung lediglich beschränkender Belastungen von dem teilweisen oder vollständigen Entzug von Eigentumspositionen und andererseits anhand der formalen Anforderungen an Enteignungen nach Art. 14 Abs. 3 GG sowie vor allem nach der Intention der gesetzlichen Regelung zu erfolgen hat. Aus dieser Grobeinteilung ergeben sich dann eine ganze Reihe von weiteren Differenzierungen in Einzelbereichen: Zu beginnen ist bei der Unterscheidung zwischen dem Normanwendungsbereich und dem Schutzumfang bzw. Gewährleistungsinhalt des Art. 14 GG. Mit dem Schutzumfang bzw. Gewährleistungsinhalt ist die Doppelgestalt der Inhaltsbestimmung des Eigentums verknüpft, wonach

Π. Zur Eigentumsdogmatik des Grundgesetzes

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zu trennen ist zwischen der Überprüfung von erst in der Zukunft liegenden Anwendungsfällen der Eigentumsregelung (Rechtsstellung, objektives Recht) einerseits und hiervon andererseits der Eingriff in bereits konkret bestehende, individuell zugeordnete Eigentumsbeziehungen (subjektive Eigentumspositionen) zu unterscheiden ist. Für jede Fallvariante muß die Beschränkung des durch Art. 14 GG gewährleisteten Eigentums nach unterschiedlichen Kriterien ermittelt werden. Parallel dazu ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an Eigentumseingriffe, je nachdem, ob sie durch konkret-individuelle Maßnahmen bzw. Anordnungen (der Verwaltung) oder durch abstrakt-generelle Regelungen (des Gesetzgebers) verwirklicht werden. Konkret-individuelle Maßnahmen der Verwaltung können entweder eine Konkretisierung einer abstrakt-generellen gesetzlichen Regelung sein, dann müssen deren Voraussetzungen für die Eingriffsrechtfertigung vorliegen (Schrankenvorbehalt), oder es handelt sich um einen vollständigen oder teilweisen Entzug von Eigentumspositionen, dann sind konkret-individuelle Maßnahmen nur als Enteignung im Sinne und unter den Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG zulässig. Abstrakt-generelle inhalts- und schrankenbestimmende Regelungen müssen dagegen die Anforderungen nach Art. 14 Abs. 1 und Abs. 2 GG erfüllen. Danach ist Grund und Grenze für eine eigentumsbeschränkende Regelung zunächst das Vorliegen von Gemeinwohlgründen. Zudem muß die Beschränkung verhältnismäßig i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sein, d.h. die Garantie der persönlichen Freiheit des Eigentums muß im Grundsatz erhalten bleiben. Das ist nur gewährleistet, wenn die beschränkende Regelung angemessen und wirtschaftlich zumutbar ist und wenn die Verfügungsbefugnis des Eigentümers sowie die grundsätzliche Privatnützigkeit des Eigentums bestehen bleiben. Dabei ist wiederum zu differenzieren zwischen der bloßen Umgestaltung von bestehenden Eigentumsrechten einerseits sowie der völligen Neuordnung und Neugestaltung eines Rechtsgebietes insgesamt andererseits; für die völlige Neuordnung bestehen in bezug auf in der Vergangenheit entstandenen Rechtspositionen erleichterte Eingriffsbedingungen für die Inhalts- und Schrankenbestimmung in Abgrenzung zur Enteignung. Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ist ferner die Möglichkeit miteinzubeziehen, daß an sich bereits unverhältnismäßige Beschränkungen doch noch verhältnismäßig sein können, wenn die zu weitgehende Beschränkung durch eine gesetzlich vorzusehende Ausgleichsentschädigung kompensiert wird. Auf dieser Grundlage zeigt sich, daß der Bereich der ausgleichsentschädigungspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung und insbesondere die Bezüge der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik zum sog. enteignenden Eingriff sowie zum sog. enteignungsgleichen Eingriff, vor allem deren Zulässigkeit im Zusammenhang mit Art. 14 GG und ihre dogmatische Verankerung, noch nicht abschließend geklärt sind. Um die aufgeführte dogmatische und systematische Struktur des Art. 14 GG auf einfach-

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§8 Zusammenfassung

gesetzlich geregelte Rechtsgebiete anwenden zu können, war es erforderlich, zwei Prüfungsschemata zu erstellen (siehe oben § 5 II, S. 183 ff.), die der vorgenommenen Beurteilung der denkmalschutzrechtlichen Regelungen und deren Anwendung in der Praxis zugrundegelegt wurden.

III. Zur Vereinbarkeit des geltenden Denkmalschutzrechtes mit Art 14 GG Die Denkmalschutzgesetze erfüllen weitgehend die genannten verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 14 GG. Allerdings gibt es in Einzelfällen auch unzulässige Regelungen oder zumindest Bedenken an deren Verfassungsmäßigkeit. Dies betrifft vereinzelt bereits die Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, in größerem Umfang aber die Entschädigungsregelungen und insbesondere die salvatorischen Entschädigungsklauseln. Daneben bestehen bestimmten Bereichen Regelungslücken und -defizite. Dies ist detailliert in der Gesamtwürdigung zu § 7 zusammengestellt. Bei einigen Regelungen ist bereits der Normanwendungsbereich des Art. 14 GG nicht eröffnet. Dies betrifft zum einen die Anzeige-, Mitteilungsund Auskunftspflichten, die lediglich die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG berühren. Zum anderen gilt dies für Regelungen, die die Eigentumszuordnung betreffen, wie das Schatzregal und das Vorkaufsrecht der öffentlichen Hand, bei denen es lediglich um eine noch nicht konkretisierte Chance zum Eigentumserwerb geht, die vom Schutzgegenstand des Art. 14 GG (noch) nicht erfaßt ist. Die unmittelbar geltenden Hauptregelungen der Denkmalschutzgesetze (Erhaltungspflicht, Genehmigungsvorbehalte, Veränderungsverbote), aber auch andere Regelungen (Eingriffsermächtigungen, Nutzungsgebote, Nutzungsbeschränkungen, Kennzeichnungspflichten, Betretungs- und Zugangsrechte etc.), haben lediglich beschränkenden Charakter und sind somit Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums. Als solche sind sie grundsätzlich auch gerechtfertigt (Schrankenvorbehalt), weil ihnen der als Gemeinwohlinteresse ausreichende Schutzzweck Denkmalschutz zugrundeliegt und die wesentlichen denkmalschutzgesetzlichen Pflichten und Gebote unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit stehen. Dabei ist die denkmalschutzrechtliche Zumutbarkeit mit der Verhältnismäßigkeit i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gleichzusetzen, wonach es nicht allein auf die wirtschaftliche Zumutbarkeit ankommt, sondern darüber hinaus auch die Maßnahme angemessen und zudem die wesentlichen Eigentumsbefugnisse (grundsätzliche Verfügungsbefugnis des Eigentümers, Privatnützigkeit) gewährleistet

IV. Ausblick

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sein müssen. Im konkreten Einzelfall dennoch unverhältnismäßige Eigentumsbeschränkungen lassen sich ggf. durch Ausgleichsentschädigungen kompensieren. Die dazu erforderlichen gesetzlichen Grundlagen sind zum einen in den in einigen Denkmalschutzgesetzen vorhandenen, konkreten Entschädigungsansprüchen, soweit diese den Bereich der Inhalts- und Schrankenbestimmungen betreffen, und zum anderen bedingt auch in den dort geregelten Zuschuß- und Förderungsbestimmungen enthalten. Eine unverhältnismäßige Beschränkung im Bereich der inhalts- und Schrankenbestimmung, die auch durch eine Ausgleichsentschädigung nicht kompensiert werden kann, ist verfassungswidrig und muß im Wege des Primärrechtsschutzes abgewehrt werden. Bei einem teilweise oder vollständig eigentumsentziehenden Eingriff ist eine Enteignung nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 3 GG denkbar. Dazu muß sie durch entsprechende gesetzliche Bestimmungen ausdrücklich zugelassen sein und im Wege einer förmlichen Enteignungsverfügung ausdrücklich angeordnet werden. Für bestimmte Fallgestaltungen enthalten sämtliche Denkmalschutzgesetze entsprechende Vorschriften für die 'förmliche Enteignung9, die überwiegend diesen Anforderungen genügen. Die daneben noch vorhandenen sog. (konkreten) Entschädigungsansprüche sowie die teilweise ebenfalls enthaltenen salvatorischen Entschädigungsklauseln erfüllen die Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG nicht.

IV. Ausblick Die hier vorgenommene strikte Durchführung und Einhaltung der sich aus Art. 14 GG ergebenden, verfassungsrechtlichen Anforderungen hat im Ergebnis nicht zur Konsequenz, daß überhaupt kein oder gegenüber dem gegenwärtigen Stand nur noch ein reduzierter Denkmalschutz betrieben werden könnte. In vielen Fällen werden die bislang in der Praxis erarbeiteten Grenzen auch weiterhin insbesondere im Zusammenhang mit der denkmalschutzrechtlichen Zumutbarkeit der Eigentumsbelastungen Bedeutung behalten. Allerdings erfolgt, wie derzeit noch weithin verbreitet, die Abgrenzung zwischen zumutbaren und unzumutbaren Belastungen nicht nur vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Auswirkungen und deren Entschädigung, sondern es muß sich verstärkt eine auf den Grundrechtseingriff abstellende Sichtweise durchsetzen. Dabei stehen nun nicht mehr Entschädigungsgesichtspunkte im Vordergrund, sondern vorrangig ist allein Freiheitsaspekt des Eigentums. Dabei sind, falls erforderlich teilweise kompensiert durch Ausgleichsentschädigungsregelungen, verhältnismäßige Belastungen als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmungen i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen, unzumut-

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§8 Zusammenfassung

bare und damit unverhältnismäßige und verfassungswidrige Belastungen müssen dagegen konsequent abgewehrt werden. Die Einhaltung dieser Vorgaben muß von der entscheidenden Behörde jeweils vor Erlaß und im Zusammenhang mit der Zulässigkeit der jeweiligen, belastenden Maßnahme überprüft werden. Getrennt davon und insbesondere erst nach erfolgter Grundrechtsbeeinträchtigung können keine Entschädigungen gewährt werden. Eine dergestalt strikte Befolgung der verfassungsrechtlichen Eigentumsdogmatik nach Art. 14 GG hat zur Folge, daß die Entscheidungskompetenz konsequent und in allen relevanten Fragen (Zumutbarkeitsgrenze, Entschädigungsfragen) einheitlich bei einer Gewalt, nämlich der Verwaltung liegen. Der gesamte Bereich der Rechtmäßigkeit denkmalschutzrechtlicher Maßnahmen und Anordnungen gehört, einschließlich der Frage einer eventuellen Entschädigung in den Aufgabenbereich der Verwaltung, ganz im Gegensatz zum größtenteils noch vorherrschenden Zustand, bei denen Entschädigungen oftmals vor den Zivilgerichten eingeklagt und von diesen auch zugesprochen werden. Für den Eigentümer eines Denkmals hat ein solches Vorgehen den Vorteil, daß klar unterschieden wird zwischen verfassungsrechtlich zulässigen und unzulässigen Eingriffen und Beschränkungen. Zunächst gilt es im Eigentumsbereich die grundrechtlich geschützte Rechtsstellung des Betroffenen gegenüber staatlichen Eingriffen zu wahren, erst nachrangig kommt eine Entschädigung in Betracht. Verfassungsrechtlich zulässige Entschädigungsmöglichkeiten, sei es als Ausgleichsentschädigungsregelung, sei es als Enteignungsregelung, müssen bereits aus dem Gesetz zu ersehen sein. Selbst wenn eine strikte und konsequente Durchführung des hier dargelegten, auf der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beruhenden Ansatzes möglicherweise doch aus Praktikabilitätsgesichtspunkten oder anderen Gründen Schwierigkeiten bereiten sollte, etwa in bezug auf die Forderung der gesetzlichen Normierung von Ausgleichsentschädigungsregelungen oder im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit der salvatorischen Entschädigungsklauseln etc., so kann daraus kein grundsätzlicher Einwand gegen den verfassungsrechtlichen eigentumsdogmatischen und -systematischen Ansatz abgeleitet werden

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Stichwort- und Namenregister

Abbruchverbot 312,319 Abgrenzung 159 Ablieferungspflicht 277 Ablieferungsverlangen 278 Abrißverbot 312,319 Absolutismus, aufgeklärter 67 Abwehrrecht, subjektives 125 f., 130 Administrativenteignung 149 f. Aktiengesellschaft 194 Allgemeines Landrecht 60,65,74, 77 Allgemeinwohl 150 Altertum 46 Altertumsvereine 47 Anzeigepflicht 278 Architektenvereine 47 architektonisches Erbe 34 ästhetische Kriterien 45 Aufbauschema - siehe Prüfungsschema Aufopferungsenteignung 148,151 Aufwendungsersatzansprüche 291 Ausfuhrgenehmigung 27 Ausgleichsentschädigung/-anspruch/-regelung 138 ff., 145, 251,286,316, 319,322 - siehe auch Inhaltsbestimmung Auskunftspflicht 284 Auslegung, verfassungskonforme 209 Außenwirkung, verbindliche 246 Baden-Baden-Villa 311 Baudenkmal, Begriff 37 Baupolizeirecht 80 Bayreuth, Markgraf Alexander von 59 Behr, WJ. v. 65 Berg, G.H. v. 64 Beschränkung, öffentlich-rechtliche 164 Bestandsgarantie 125,129 f., 135 Betretungsrecht der Behörde 285 Billigkeitsentschädigung/ -regelung 145,298

Blüchermuseum 313 Boden, Unentbehrlichkeit 137 Bodendenkmal 269 - Begriff 37 Bodenverkehrsgenehmigung 137 Boxberg-Entscheidung 188 Bundesberggesetz 207 Bundesgerichtshof, Eigentumsverständnis/ Enteignungsbegriff 19 Bundesländer, neue 32 Burckhardt, Jacob 52 Charakter, programmatischer

96

Dehio, Georg 36,53,55 Deklaration von Amsterdam 34 Denkmal, Schutzgründe: - geschichtliche Gründe 226 - heimatgeschichtliche Gründe 226 - künstlerische Gründe 226 - städtebauliche Gründe 226 - technische Gründe 226 - volkskundliche Gründe 226 - wissenschaftliche Gründe 226 Denkmal, Verfassungsgebote 216 Denkmalbegriff 35 f. Denkmale in Gemeindeeigentum 32 Denkmalfähigkeit 223 ff. Denkmalfund 269,275 Denkmalpflege - ästhetische Sicht 48 - Begriff 38 f. - historische Entwicklung 44 - Staatszielbestimmung 221 Denkmalmalpflegevereine 47 Denkmalschutz - Begriff 35,38 - gemeindlich 25 • historische Entwicklung 44 - innerkirchlich 26 - Kategorien 37

346

Stichwort- und Namenregister

- staatlich 25 - Staatszielbestimmungen 221 Denkmalschutzgesetze der Länder 29,222 - Schutzgegenstand 223 Denkmalschutzgesetze, erste - Baden (1883, Entwurf) 82 - Bremen (1909) 83 - Oldenburg (1911) 83 - Lübeck (1915/21) 83 - Hamburg (1920) 83 - Hessen-Darmstadt (1902) 83 - Württemberg (1858 Entwurf) 82 Denkmalwürdigkeit 223 Dispensationsgewalt 76 Doppelwirkung 128,180 Duldungspflicht 282 Eigentum 116 - kirchliches 26 - absolutes 118 - Inhalt 113,120 Eigentumsbegriff, absoluter 120 - verfassungsrechtlicher 112,114,120 - Inhalt 121 Eigentumsbestand 122 Eigentumsdogmatik, verfassungsrechtliche 41 Eigentumsgarantie 123 Eigentumsrechte, zukünftiger Erwerb 128 Eigentumsübertragung 310 Eigentumsverständnis, Bundesgerichtshof 19 Eigentumswertgarantie 92 - enteignender 153 ff. - enteignungsgleicher 153 f., 157 Eingriffsdogmatik 165 Eingriffsermächtigung, allgemeine 272 Einrichtungsgarantie 124 Eintragung 323 - deklaratorisch 246 - vorläufig 241 Eintragungsprinzip 30,233,236,240 Enteignung 74,140,146 - u. Inhaltsbestimmung, Abgrenzung 159 - klassische 148,151 Enteignungsbegriff, Bundesgerichtshof 19 - formal 149 - Reichsgericht 92 Enteignungsregelung 90,299 Entschädigungsanspruch 291,305,319 Entschädigungsgarantie 92

Entschädigungsklausel, salvatorische 20 f., 294,306,314,317,324 Erhaltungspflicht 247 f. Erlaubnisvorbehalt 257 Ermächtigungsgrundlage 81 Europäische Denkmalschutz-Charta 34 Europäisches Übereinkommen, archäologisches Kulturgut 34 Fischteichentscheidung 138,295 Förderungsbestimmungen 288 Forschungsfreiheit 169 Frankreich, Denkmalpflege 46 - rechtliche Entwicklung 82 Französische Revolution 46 Friedrich II. zu Hessen-Kassel 59 Friedrich Wilhelm II. von Preußen 59 Friedrich Wilhelm III. 62 Fundgegenstände, Ablieferung 308 Fundsachen 205 Fundstelle 270 Galgenberg-Verfahren 97 Garantie, institutionelle 90 Gebundenheit, soziale 117 Gefahrenabwehr 72,77,80 Gemeindeeigentum 32 Gemeinden, Denkmalschutz durch 25 Gemeinwohl/-belange 132,150 Genehmigungsvorbehalt 256 Generalklausel 272 Gerichtliche Überprüfbarkeit 104 Gesamtanlage, Begriff 38 Geschichtsvereine 47 Gesetzesvorbehalt 69,71 ff., 77 Gesetzgebungskompetenz 220 Gesetzgebungsrecht 76 Gestaltungsbereich/-befugnis/-freiheit/ -Spielraum 104,107,133 ff., 143 Gewährleistungsinhalt 168 Gewaltenteilung/-trennung 68 f., 76 f., 143 Gewässerbenutzung 201 Gewissensfreiheit 169 Gleichbehandlungsgebot 135 Gleichheitssatz 128,177 Goenner, N.Th. v. 65 Goethe, Johann Wolfgang von 48 Gondelbahn-Entscheidung 188 Grabung 269 Grabungsschutzgebiet 271 Grundrechte 74,104 grundrechtliche Sätze 89 f.

Stichwort- und Namenregister Grundrechtsinterpretation 106 Grundrechtstheorie 10β - liberal-rechtsstaatliche 109 f. Grundwasser 136 Haager Konvention 33 Hamburger Deichordnungsgesetz 188 Hamburger Gründerzeitvilla 318 Heimatvereine 47 Herrschaftsanspruch 50 Humboldt, Wilhelm von 68 Inanspruchnahme, vorübergehende 282 Inbesitznahme, vorläufige 282 Inhalts- und Schrankenbestimmung/ -befugnis 127,132,141,183 Inhaltsbestimmung - ausgleichsentschädigungspflichtige 138 - siehe auch Ausgleichsentschädigung - u. Enteignung, Abgrenzung 159 institutionelle Garantie 90 Institutsgarantie 90,96,124 Junktim/-klausel 142,149,315 Justi, J.H.G.V. 64 Kameralistik 64 Kammerjustiz 63 Katastrophenschutz 283 Kennzeichnungspflicht 284 Kiesabbau 202 Kirchen, Denkmalschutz in 26 Kirchenmusikfall (Urheberrecht) 189,191 kirchlicher Denkmalschutz 32 Kleingartenpacht 196 Koalitionskriege 46 Kompetenznormen 212 Konstitutionalismus 72 Kreuzberg-Urteil, preuß. OVG 76,81 Krieg, Dreißigjähriger 46 Kugler, Franz Theodor 50 Kultur- und Naturerbe der Welt (UNESCO-Übereinkommen) 34 Kulturdenkmal 225 - Begriff 37,223 Kulturgegenstände 81 Kulturgut, archäologisches (Europäisches Übereinkommen) 34 - deutsches 26 - Gesetz 27 - Schutz (Konvention) 33 - national wertvolles, Verzeichnis 27 Kunstfreiheit 168

Kunstgegenstände

48

Landespressegesetz, hessisches 200 Landesverfassungen 42,214 - frühkonstitutionelle (süddt.) 68 Landrecht, Allgemeines 60,65,74,77 Legalenteignung 149 - echte 161 - unechte 161 Leistungsfähigkeit, persönliche 251 Ludwig I. von Hessen-Darmstadt 50,62 Maßnahmen, konkret-individuelle 171,185 Mayer, Otto 78 Minimum, verfassungsfestes 89 Mitbestimmung 194 Mitteilungspflicht 278 Mittelalter 46 Mohl, R. v. 64 Moller, Georg 62 Montesquieu, Ch.-L. 64 Musiksendungen in Vollzugsanstalten (Urheberrecht) 189,193,229 Nachforschung 269 Napoleon 46 Naßauskiesung 201 Naturdenkmal, Begriff 37 Nebenpflichten 284 Neugestaltung eines Rechtsgebiets 130,161,179 - siehe auch Umgestaltung Normanwendungsbereich 168 Normativprinzip 30,233,236,238,243, 312,323 - Rechtsschutz 245 Notverordnung 94 Nutzungsbeschränkung 274 Nutzungsgebot 274 objektiv-rechtliche Dimension

124

Parlament, Mitwirkung 81 Pflichtexemplar/ -entscheidung 138,200,229 Polizei/Polizey 76 Polizeigewalt 72 Polizeistrafgesetzbuch 77 - badisches (1863) 82 Polizeiwissenschaft 64 Primärrechtsschutz 20,162,253,314,318, 320,323 Programmsätze 88 ff., 219 Prüfungsaufbau 165,167

Stichwort- und Namenregister Prüfungsschemata Pütter, J.St. 65

182 ff.

Recht, objektives 175,177 - Gleichheitssatz 177 - Teilgruppe 175 Rechtsgebiet - siehe Um- und Neugestaltung Rechtspositionen, konkret bestehende 176 - subjektive, Entzug 147 Rechtsschutz 145 - siehe auch Primärrechtsschutz - beim Normativprinzip 245 Rechtsschutzbedürfnis 247 Rechtsträgergarantie 126 Rechtsweg/-zuweisung 146,152,162 Regelung, inhalts- und schrankenbestimmende - Vollzug 173 - verbindliche 246 Regelungsbereich 166 Regelungscharakter 246 Reichsdeputationshauptschluß 47 Reichsgericht, Enteignungsbegriff 92 Reichstagsbrandverordnung 94 Reichsverfassung von 1871 76 res sacrae 26 Riegl, Alois 36,53 f. Romantik 48 Rücksichtnahmegebot 253 Sachbezug 116 Säkularisierung 47 Sandabbauverbot 316,325 Schatzfund 205 Schatzregal 205,275 Schinkel, Karl-Friedrich 49 f., 62 Schrankenbestimmung - siehe Inhalts- u. Schrankenbestimmung Schulbuchfall (Urheberrecht) 189,228 Schutzbereich 166,168 Schutzgebietsausweisung 271 Schutzwirkung - objektive 128,135 -- Gleichbehandlungsgebot 135 - subjektive, Bestandsgarantie 135 Schutzzweck 210 Schweretheorie 18,102 Sonderopfertheorie 18 f., 102 Sonnenfels, J. v. 64 f. Sozialbezug 116,131 Sozialbindung/-klausel 89,91,98,131 Sozialer Bezug 227

Staaten, frühkonstitutionelle 67 Staatlicher Denkmalschutz 25 Staatsaufgabenbestimmung 216 Staatszielbestimmung 216 f. Stein, L. von 64 Steinzeitsiedlung 316 Steuern 28 Strafgesetzbuch 29 Svarez, CG. 66 Teilgruppe 175 Typisierungen 137 Übereinkommen (UNESCO), Kultur- und Natureibe der Welt 34 Übereinkommen, Erhaltung des architektonischen Eibes 34 Übergangsregelung 131,204 Überlassungsverlangen 276 ultima ratio 152 Umgebungsschutz 267 Umgestaltung - siehe Neugestaltung Unterschutzstellung 318,323 - durch Verwaltungsakt o. Rechtsverordnung 31,233 - vorläufige 241 Urheberrecht 189,228 ff. - an Musikwerken 229 Urkunde, historische 36,54 Veränderungsverbot 256 Verbot, präventives mit Erlaubnisvorbehalt 258 f. Verfassungen, historische - Baden (22.8.1818) 68 - Bayern (1818) 69 - Hessen-Darmstadt (1820) 69 - Preußen (31.1.1850) 72 f. - Württemberg (1819) 69 Verfassungsbeschwerde 91 Verfassungsdogmatik 105 - Rahmenordnung 105 - Strukturprinzipien 105 Verfassungsgesetz 104 Verfassungsnormen, fragmentarische 106 Verfassungsrecht, Konkretisierung 105 Verfassungsverständnis 105 Verfassungswandel 111 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 152 Verkehrslärmentscheidung 138,188 Verunstaltungsveibot 46,79

Stichwort- und Namenregister Verwaltungsakt 78 - feststellender 246 Verwaltungsgerichtsbarkeit 75 Verwaltungshandeln, Rechtmäßigkeit 173 Verwaltungsrecht 81 Verwaltungsrechtslehre 78 Vorbehalt des Gesetzes 72,88 - siehe auch Gesetzesvorbehalt Vorkaufsrecht 207,280 Vorrang der Verfassung 74,103,112 Wassergesetz 188 Wasserhaushaltsgesetz 201 Weimarer Reichsverfassung 88 f., 95

- materielle Bindungswirkung 89 Wesensgehalt 91 Wiederherstellungspflicht 279 Wiener Schlußakte 69 Wohl der Allgemeinheit 150 Wohlfahrtsförderung/-pflege 72,76,79 Wohlfahrtspolizey 64 f. Wohlfahrtszwecke 81 Zugangsrecht der Öffentlichkeit Zumutbarkeit 247 - Vorbehalt der 254 - wirtschaftliche 253 Zuschußbestimmungen 288

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